50H A HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. 66 yee pe bp hang Leth. 2, 1903 ~ June 7, 9 0o4 ‘a Wi ‘ gt, y | «ot = . Jenaische Zeitschrift NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Achtunddreissigster Band. Neue Folge, Einunddreissigster Band. Mit 28 Tafeln und 36 Abbildungen im Texte. Jena, Verlag von Gustav Fischer 1904. pA RCSEIISE Pasi "a ; Ps 4 \ te a © "] »* 7] iy ‘ = ‘ + < * Li ef ; } . Ti ¥ yeloud 4 iw . ' i? VTMS jfi-N OEE av anol i vk AY i sphantitah 7 i é iia yale BYE fe Ps are OY tz Pm hea bt. Lane, Arnon, Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. Betrach- tungen und Suggestionen iiber die phylogenetische Ab- leitung der Blut- und Lymphbehilter, insbesondere der Articulaten. Mit einem einleitenden Abschnitt iiber die Abstammung der Anneliden. Mit Tafel I— VI und 3 Figuren im Text. Ravutruer, Max, Ueber den Gomtalupiaratus einiger acer avd Insectivoren, insbesondere die akzessorischen Genital- driisen derselben. Mit Tafel VII—IX und 10 Figuren im Text. Wertstem, Ernst, Zur eee von Cryptoplas igersomsintts Burrow. Mit Tafel X—XII Hemucxke, Paut, Untersuchungen iiber die ersten Sewhiyonal- stadien von Gammarus locusta. Mit Tafel XIJI—XVI . Boissnvain, Marta, Beitrage zur Anatomie und Histologie von Dentalium. Mit Tafel XVII—XIX . Macraren, Norman, Beitrage zur Kenntnis einiger reembtslen (Diplectanum aequans WacGener und Nematobothrium molae n. sp.). Mit Tafel XX—XXII und 6 Figuren im Text. Géssnitz, W. v., Sechs Fille. von aksapitets Zieveecttolle: defekt. Mit 13 Figuren im Text. : Lusoscu, W., Untersuchungen iiber die Morphologie ion ‘Nota augeneies. Mit Tafel XXIII und 4 Figuren im Text Hinter, Ericu, Ueber die Vorderextremitét von Hudyptes chrysocome. Mit Tafel XXIV und XXV. Arnesen, Eminy, Ueber den feineren Bau der Blutgefafe der Rhynchobdelliden mit besonderer Beriicksichtigung des Riickengefafes und der Klappen. Mit Tafel XXVI— XXVIII : Jahresbericht der madieetdohe ie jean eee aries Gosaile schaft zu Jena fiir das Jahr 1903 erstattet von Fruix AveRBACH, d. Z. I. Vorsitzenden . Seite 807 + mea | he site er “ie rasa ignlqlie aie wd ig Pea iE afhteal tay “Taka ath | [atest 2. gat tiad pbb donb Me une td Ary & ny ok Fil nibh Pet; . wr . yheae au farietY tu ddetaala lat red vetted es i dja FR GUY velit keg iat — aie it 3 Tome h (Re TORY fit: ; Soeeitbam a ee ec) ee ee a Oe TA ie Ol TOO ign Pieer yee Ay) f) iat) oi: ert Soréeanat? noe t (Y pitiedend. ‘te Gydinl aide G , Ape LF ZK Istol’ ahh wiittinwie te war ieD . ex air tas ‘ NT) nt) By Guid ii ts venga haa, a1 Cae TrEe iY omhtny atl a yey” gah corn AE Ca Sho i ile itd reeled ‘ nea TZ saat ae ierexw lot sth weld f . S bet SPL lee oe J i “}elpient Bae try hi Leg JA weit vet. foie: ei = re 4 7 * b aulls pepo dab wotall walhweqitind -diaisibet. 1a fh WG) Aga @aki atte net. oa peiesiaaY st Ot) ie g a. lea, Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, Achtunddreissigster Band. Neue Folge, Einunddreissigster Band. Erstes Heft. Mit 6 Tafeln und 3 Figuren im Text. nha t LANG, ARNOLD, Beitrage zu einer Trophocéltheorie. Betrachtungen und Suggestionen tiber die phylogenetische Ableitung der Blut- und Lymphbehialter, insbesondere der Articulaten. Mit einem einleiten- den Abschnitt iiber die Abstammung der Anneliden. Hierzu Tafel I—VI und 3 Figuren im Text. tS Preis: 16 Mark. “ Jena, Verlag von Gustav Fischer. 1903. a SSS RSS A AR SS SS SS (SS Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 1. August 1903. Verlag von Gustav Fiseher in Jena. L n Arnold, o. Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der Univer- ANS, tit und am eidgendssischen Polytechnikum .in» Zirich, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Tiere. Zweite um- —_———_——————— s . > gearbeitete Auflage. Erste Lieferung. Mollusca. Bearbeitet von Dr. Karl Hescheler, Assistent und Privatdozent an der Universitit Ziirich, Mit 410 Abbil- dungen. 1900. Preis: 12 Mark. Zweite Lieferung. Protozoa. Vollstindig neu bearbeitet von Arnold Lang. Mit 259 Abbildungen. 1901. Preis: 10 Mark. Auerbach, Dr. Felix, Prof. an der Universitat Jena, Die | Weltherrin und ihr Schatten. Ein Vortrag iiber Energie und Entropie. 1902. Preis: 1 Mark 20 Pr. Chemische Zeitschrift, II. Jahrg. Nr. 1, vom 1. Oktober 1902: Es ist gewiss keine leichte Aufgabe, einem Kreise von selbst sehr gebildeten Laien beiderlei Geschiechts ein derart abstraktes Thema, wie es die Lehre von der Erhaltung und Vernutzung der Energie ist, in wissenschaftlicher, aber doch leicht fasslicher und schmack- hafter Form vorzutragen, Dieser schwierigen Aufgabe jedenfalls sehr weitgehend gerecht zu werden, ist Auerbach in der Tat gelungen.... Dem mit dem Gegenstande Ver- trauten dagegen wird die Lektiire des durch einige Erweiterungen und Anmerkungen ver- vollstindigten Vortrages zweifellos einige genussreiche Stunden bereiten. Soeben erschien : Das Zeisswerk und die Carl-Zeiss-Stiftung in Jena. Ihre emi a Ee et i a wissenschaftliche, technische und soziale Entwickelung und Be- deutung fir weitere Kreise dargestellt. Mit 78 Textabbildungen, Preis: 2 Mark. Berliner, ° 4™14 Lehrbuch der Experimentalphysik in ele- ? mentarer Darstellung. Mit 3 lithographischen Tafeln und 695 zum Teil farbigen Abbildungen. Preis: 14 Mark, geb, 16 Mark 50 PF. Boveri Dr. Theodor, Professor an der Universitat Wiirzburg, Das Problem ? der Befruchtung. mit 19 Textabbildungen, Preis: 1 Mk, 80 Pf, Detmer Dr. W., Professor an der Universitit Jena, Das kleine pflanzen- ? physiologische Praktikum. Anleitung zu pflanzen- physiologischen Experimenten, Fiir Studierende und Lehrer der Natur- wissenschaften. Mit 163 Abbildungen. 1903. Preis: brosch. 5 Mark 50 Pf. geb. 6 Mark 50 Pf. von Firth Dr, Otto, Privatdozent an der Universitit Strassburg i. E., Ver- ’ eleichende chemische Physiologie der niederen Tiere. 1902. Preis: 16 Mark. Zeitschr. f. allgem. Phys,, Bd. II, Nr. 3/4: Das Buch, welches eine staunenswerte Fiille von Einzelbeobachtungen iiber den Chemismus der niederen Tiere bringt, will die chemischen Tatsachen, soweit sie sich auf diese beziehen, mit modglichster Vollstindigkeit zusammen- stellen. Diese Absicht hat der Verfasser mit einer Griindlichkeit verwirklicht, die unsere Bewunderung erregen muss. Journal de Physiologie et de pathologie générale, 1903: . Tous les physiologistes seront reconnaissant & l’auteur du travail si considérable et consciencieux qu’il a su mener & bien, Gartner, Dr” A» Prof. in Jena, Die Quellen in ihren Beziehungen > zum Grundwasser und zum Typhus. Mit 22 Abbildungen und 12 lithographischen Karten. Preis; 10 Mark, Hacker Dr. Valentin, Professor an der Technischen Hochschule in Stuttgart, > Ueber das Schicksal der elterlichen und grosselter- lichen Kernanteile. Morphologische Beitrige zum Ausbau der Vererbungslehre. Mit 4 Tateln und 16 Textfiguren, 1902, Preis: 4 Mark. 1903 Beitrage zu einer Trophocoltheorie. Betrachtungen und Suggestionen iiber die phylogenetische Ableitung der Blut- und Lymphbehalter, insbesondere der Articulaten. Mit einem einleitenden Abschnitt iiber die Abstammung der Anneliden. Von Arnold Lang. Hierzu Tafel I—VI und 3 Figuren im Text. Vorbemerkung. Bei den Vorarbeiten fiir eine neue Abteilung der zweiten Auf- lage meines Lehrbuches der vergleichenden Anatomie, welche die »Hinleitung zu den Metazoa* enthalten wird, die ein sehr ausgedehntes Literaturstudium erforderte, habe ich meine be- sondere Aufmerksamkeit der Frage nach der Entstehung der Meta- merie, ein Problem, das ich seit dem Erscheinen meiner Gunda- arbeit nie aus den Augen verloren habe, und der Frage nach dem phylogenetischen Ursprung und der morphologischen Bedeutung der ernihrenden Hohlraume des Koérpers gewidmet. Da ich die Gesichtspunkte, die ich dabei gewonnen habe, im Lehrbuch selbst nur summarisch darlegen kann und von einer Vorfiihrung des ausgedehnten Belegmateriales dort ganz absehen muf, so habe ich mich zu der Publikation dieser vorliegenden ausfiihrlichen, theoretischen Abhandlung entschlossen. Dabei hat meinen Entschlu8 die Erwagung ganz wesentlich erleichtert, da& auch diejenigen, die sich meinen Ansichten nicht anschliefen, aus der Zusammen- stellung der weitschichtigen Litteraturangaben Nutzen ziehen konnen. 1 Was die Hamocéltheorie anbetrifft, so enthalt die vor- liegende Abhandlung zunachst eine Aufzaihlung der theoretischen Hauptsatze, zu deren Aufstellung ich gelangt bin und die sich auf alle Abteilungen der mit einem BlutgefaSsystem ausgeriisteten Bd. XXXVIII. N, F. XXXI, 1 4 Arnold Lang, Tiere, die Nemertinen und Echinodermen ausgenommen, beziehen, und sodann die Materialien, auf die sich der die Anneliden be- treffende grundlegende Teil der Theorie stiitzt. Die Belegmaterialien fiir die die tibrigen Abteilungen be- treffenden Thesen sollen successive nachgeliefert werden. Dankbar gedenke ich hier der fortwahrenden bereitwilligen Unterstiitzung, deren ich mich bei der Ausarbeitung der vorliegenden Schrift von seiten meines Freundes und treuen Mitarbeiters, des Herrn Privatdozenten Dr. K. HESCHELER, zu erfreuen gehabt habe. Erster Hauptabschnitt. Ueber die Abstammung der Anneliden. Mit den Problemen, die in der vorliegenden Schrift erértert werden sollen und die sich in erster Linie auf Organisations- verhaltnisse der Articulaten (Anneliden und Arthropoden) beziehen, ist die Frage nach dem phylogenetischen Ursprung der Anneliden und speziell ihrer Metamerie innig verkniipft. Es wird deshalb gerechtfertigt erscheinen, wenn in einem ersten Hauptabschnitt die wichtigsten Theorien, welche diese Frage zu beantworten ver- suchen, skizziert und, wenigstens nach gewissen Richtungen hin, kritisiert werden. Uebersichten iiber diesbeziigliche Theorien haben schon Hat- SCHEK und Eisia gegeben. HATSCHEK (1888—1891) unterscheidet in seinem vortrefflichen, : ideenreichen Lehrbuch der Zoologie folgende Haupttheorien iiber die phylogenetische Entstehung der Metamerie: 1. Theorie. Ableitung der Metamerie von der loko- motorischen Segmentation. 2. Theorie. Ableitung der Metamerie von der Pseudo- metamerie (LANG). 3. Theorie. Die Metamerie als Kormenbildung (HAECKEL). 4. Theorie. Ableitung der Metamerie vondem termi- nalen Wachstum der Scoleciden (iltere Ansicht von HATSCHER). 5. Theorie. Ableitung der Metamerie von dem ra- diaren Bau der Scyphozoen (Sepe@wick). Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 3 Bei dieser Uebersicht handelt es sich um die Entstehung der Metamerie iiberhaupt und nicht speziell um den Ursprung der Metamerie der Anneliden. - Dagegen beschrankt sich die Uebersicht, die Ersta (1898) in seiner schénen Entwickelungsgeschichte der Capitelliden gibt, auf die Theorien iiber die Abstammung der Anneliden und den Ursprung ihrer Metamerie, wobei ihn die Abstammung in erster Linie, die Ausbildung der Metamerie aber erst in zweiter Linie interessiert. Ersia_ unterscheidet zwei Hauptgruppen von Theorien, 1) solche, welche die Trochophora als Stammform der Anneliden anerkennen und 2) diejenigen, welche der Trochophora eine solche phylogenetische Be- deutung absprechen. Als Anhanger der Trochophoratheorie citiert er BiTscHtt, Semper, HatscHeK, BALFour, KLEINENBERG, SALENSKY, Kor- SCHELT und HemDER, THIELE und als Gegner derselben Lana, GorTTE, Wiuson, E. Meyer und Racovirza. Ersi@ selbst, der friiher unentschieden war, erklart sich jetzt als tiberzeugten Anhianger der Trochophoratheorie. Als Hauptbegriinder der Trochophoratheorie wird von Este, wie recht und billig, HarTscHEeK bezeichnet. Neben GEGENBAUR und HAEcKEL ist HatscHeK, nachdem er seine friihere Auffassung (Ableitung der Metamerie von dem termi- nalen Wachstum der Scoleciden) aufgegeben, auch ein Haupt- vertreter der Kormentheorie geworden. Wie mir scheint, hat keiner diese letztere Theorie schirfer durchgedacht als er. Es hat auch kein Gegner ihre Schwierigkeiten genauer erkannt. Die Trochophoratheorie und die Kormentheorie treten in der Literatur eng miteinander verbunden auf. Man kann sagen, alle Freunde der ersteren sind auch Anhanger der letzteren. Da diesen Theorien die historische Prioritét gehért, so sollen sie auch hier den Vortritt haben. Die Trochophoratheorie. Thr Inhalt ist allbekannt. Er 1a48t sich kurz dahin resiimieren, daf die Trochophoralarve, die in der Entwickelung der Anne- liden, Mollusken und in mehr oder weniger modifizierter Form auch in anderen Abteilungen des Tierreichs vorkommt, in den i * 4 Arnold Lang, Grundziigen der Organisation die gemeinsame Stammform aller dieser Tiergruppen rekapituliere. Nahe Verwandte dieser Stamm- form, des Trochozoon, hatten sich in den Rotatorien er- halten, tiber deren eigenen Anschluf nach unten die Ansichten auseinandergehen. Diese Theorie scheint wohl begriindet, und eine Menge von Tatsachen sprechen zu ihren Gunsten. In das Lob, das ihr und ihren Urhebern die Anhanger spenden, méchte ich als Gegner einstimmen. Ich gebe die weite Verbreitung der Trochophoralarve und von Larvenformen, die sich auf sie zuriickfiihren lassen, zu. Das sind Tatsachen. Ich gebe zu, daf die typische Trochophoralarve (im Sinne von HarscHeEk, Eisia etc.) eine alte, urspriingliche Larven- form ist, doch sage ich ausdriicklich ,,.LLarvenform“ und nicht »otammform". Ich gebe mit HarscHEeK (1878) vollsténdig zu, ,,daf man die Trochophora der Anneliden, wenn sie auf dieser Entwickelungs- stufe geschlechtsreif wiirde, der Klasse der Rotatorien einordnen miiBte“. Ich gebe zu, da8 die Verwandtschaft durch die fort- gesetzten Untersuchungen immer fester begriindet worden ist. Ich pflichte Ersta bei, wenn er nach dieser Richtung der ZeLinKaschen Entdeckung (1888) eines unteren Schlundganglions bei Rader- tieren eine groBe Bedeutung beimift und eine nicht minder grofe seinem eigenen (E1sia’s) Nachweis, ,,daf in der komplizierten Ent- wickelung des Stomodaeums zwischen Rotatorien und Anneliden eine so schlagende Uebereinstimmung herrscht, dafi jeder Versuch, dieselbe anders als durch nahe Blutsverwandtschaft zu erklaren, gezwungen erscheinen miifte“. Ich habe auch wiederholt anerkannt, daf durch die nach- gewiesene Verwandtschaft der Trochophoralarve mit Organismen, die im erwachsenen Zustande im wesentlichen auf ihrer Organisationsstufe stehen, die Position der Anhainger der Trocho- phoratheorie bedeutend verstirkt wird. Wenn ich trotzdem der Trochophoratheorie nicht beipflichten kann, so bestimmen mich zu meiner ablehnenden Haltung folgende Hauptgriinde prinzipieller Natur. 1) Die Trochophoratheorie vermag auch mit Zu- hilfenahme der Kormentheorie die Entstehung der Anneliden-Metamerie am Kérper des ungegliederten Trochozoon nicht befriedigend zu erkliaren. Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 5 2) Die Theorie der Verwandtschaft der Anneliden mit Turbellarien und der Ableitung ihrer Metamerie von der Pseudometamerie scheint mir nach dieser Richtung, besonders vergleichend-anatomisch und organogenetisch, mehr zu leisten. 38) Die Rotatorien wie auch Dinophilus ete. scheinen mir nach wie vor sehr stark im Verdachte der Neotenie (KoLLMann) zu stehen, d.h. als geschlechts- reif gewordene Larvenformen, nicht aberalsStamm- formen, betrachtet werden zu miissen. Der erste Punkt wird im nachsten Abschnitt eingehend be- sprochen werden. Zur Begriindung der sub 2 geaulerten Ansicht, die ich immer verfochten habe, wird in der vorliegenden Schrift an verschiedenen Stellen neues und altes Indizienmaterial zusammengetragen. Ueber den dritten Punkt will ich gleich hier einige Be- merkungen anbringen. Die Ansicht, daf die Rotatorien neotenische Organismen seien, wurde von mir zum erstenmale in meiner Monographie der Poly- claden (1884, p. 678) geauBert. Dort wurde die Abteilung der Radertiere als das letzte Glied einer Reihe von Formen betrachtet, die aus den gegliederten Stammformen der Anneliden dadurch hervorgegangen sind, da8 die Tiere immer friihzeitiger, schlieBlich schon auf einem friihen Larvenstadium, geschlechtsreif wurden. Hierzu bemerkt Ersia in seiner neuesten Arbeit (1898), nach- dem er sich dahin geaufert, daf kein einziger Kinwand der Gegner der Trochophoratheorie diese ernstlich zu gefahrden vermége, folgendes: ,So ist die Ansicht Lanes, daB die Rota- torien lediglich als geschlechtsreif gewordene Anne- lidenlarven (also Trochophoren) zu betrachten seien, eine bloBe Vermutung, und zwar eine Vermutung, welche ihrerseits wieder auf der unbewiesenen Voraussetzung beruht, dai die Trochophora eine sekundare, durch das pelagische Leben hervor- gerufene Larvenform darstelle.“ Die Frage, ob und wie weit die Trochophora als eine sekun- dare Larvenform aufzufassen ist, werde ich “spater diskutieren. _ Hier wollen wir priifen, ob die Ansicht von der neotenischen Natur der Rotatorien wirklich so ganz leere Vermutung ist. Die Frage der Neotenie iiberhaupt (der Ausdruck stammt von KoLLMANN) hat Boas (1896) in einer besonderen vortrefflichen 6 Arnold Lang, Abhandlung diskutiert und an der Hand von Beispielen aus verschiedenen Tiergruppen erliutert. Ich verweise, um nicht zu weitlaufig zu werden, auf diese Schrift und begniige mich hier mit der Besprechung der Frage der Neotenie der Rotatorien und einiger anderen Formen oder Formengruppen, die als niedere Anneliden betrachtet werden oder die, sei es zu den Rotatorien, sei es zu den Anneliden oder zu beiden in verwandtschaftlichen Verhaltnissen stehen oder von denen solche Beziehungen vermutet werden. Schon in meiner Monographie der Polycladen (1884) sprach ich mich bei Anlaf der Diskussion der systematischen Stellung der Gattung Dinophilus dahin aus, daf Dinophilus nicht zu den Turbellarien gehére, sondern als eine neotenische Form zu den Anneliden zu stellen sei. Nachdem ich die tiefgreifenden Unterschiede zwischen Turbellarien und Dinophilus hervorgehoben und die Mryrr’sche Entdeckung von 5 Paar Nierenkanalchen vom Typus der spaiter sogenannten Protonephridien signalisiert, driickte ich mich folgendermafen aus (p. 679): »lch glaube, dafi Dinophilus irgendwo in der Reihe unter- zubringen ist, welche von den Anneliden durch die sogenannten Archi-Anneliden hindurch zu den Rotatorien fiihrt; da treffen wir Formen ohne Fufstummeln, ohne Borsten, mit Wimperringen, mit iibereinstimmenden Geschlechtsorganen, mit beinahe identischem Pharynx und mit After. Der geschlechtliche Dimorphismus_ er- innert absolut an Rotatorien. Die Segmentalorgane von Dino- philus gyrociliatus sind beinahe identisch mit denen der Larven von Nereis, bei denen nach Ep. Mryer’s Untersuchungen mehrere Paare einfacher, intracellulirer (sollte heifen mit intra- cellularem Lumen ausgeriisteter), mit Wimperzellen endigender Segmentalorgane vorhanden sind. Das Weibchen von Dinophilus ist buchstiblich weiter nichts als eine Annelidenlarve ohne Borsten und mit Geschlechtsorganen.“ Als ich dies schrieb und auch spater noch, bis zum Erscheinen der Boas’schen Abhandlung, hatte ich keine Ahnung davon, dah METSCHNIKOFF schon im Jahre 1866 zu einer ganz dahnlichen Ansicht gelangt war. Durch Untersuchung des Dinophilus in Neapel hatte er sich davon iiberzeugt, dal dieses Tier mit den Gastrotrichen und Rotatorien verwandt ist, ,,daf dasselbe keineswegs zu den echten Turbellarien gehdért, wie man es gewohnlich annimmt. Vor allem sei es ,,die Anwesenheit eines gegliederten Schwanzes, der besonderen Flimmergiirtel und des Beitriige zu einer Trophocéltheorie. 7 Bauchwimperapparates, ferner auch das Vorhandensein einer, keiner Turbellarie zukommenden, Cuticula, welche Dinophilus von diesen Tieren sehr bedeutend unterscheidet“. Auch der eigen- -tiimliche Riissel von Dinophilus finde kein Analogon im Nemer- tinenriissel, sondern verhalte sich wie derjenige vieler Anneliden. »Wenn aber“, so fahrt Merscunikorr fort, ,,inophilus mit den Turbellarien nur einige Verwandtschaftsverhiltnisse besitzt, so zeigt derselbe eine auferordentlich grofe Aehnlichkeit mit einigen Annelidenlarven und besonders mit der von mir in Neapel gefundenen Larve der Gattung Lysidice. Diese Larve ... tragt in friiheren Stadien, zur Zeit, wo sie noch keine Borsten besitzt, mehrere (fiinf) Wimperringe und ist auSerdem mit einem Bauch- wimperkleide versehen; ferner besitzt dieselbe auch einen, dem von Dinophilus vollkommen analogen Schwanz.‘‘ — ,,Aus dem Gesagten ziehe ich den Schlu8, da&’ Dinophilus als eine ‘stationare Annelideniarve zu betrachten ist und mithin zu den Anneliden ebenso, wie Appendicularia zu den Ascidien sich verhalt?).“ Die Ansicht, daf die Rotatorien und Dinophilus neotenische Organismen seien, habe ich seit 1884 wiederholt verfochten, so z. B. in meiner ersten Jenenser Rede (1887) und in meinem Lehr- buch der vergleichenden Anatomie (1888). Ich citiere einige dies- beziigliche Satze aus jener Rede: ,,Diese Tiere (die Rotatorien und Dinophilus) kénnen als geschlechtsreif gewordene Larven gedeutet werden, bei denen eben infolge des Auftretens der Frih- reife die weitere Entwickelung in das erwachsene Tier allmahtich ‘ganz unterblieb. Bei Dinophilus erscheint die Geschlechtsreife weniger weit zuriick auf junge Larvenstadien verlegt, als bei den Radertieren. Er entspricht einem weiter entwickelten Stadium der Trochophora, an der schon ein Teil des gegliederten Rumpfes aus- gebildet ist.‘ — ,,Dinophilus besitzt mehrere Wimperkrinze und Exkretionsorgane vom Typus derer der Annelidenlarven. Die Radertiere verdanken ihren Namen einem Raderapparat, der all- gemein mit einem Larvenwimperkranze verglichen wird, und ihre Exkretionsorgane erinnern auch sehr an die mancher Anneliden- larven.© ,,Wimperkranze aber sind entschieden larvale Bildungen, die sonst ausschlieflich bei Larven vorkommen.“ ,Auch Polygordius und andere 1) Von mir hervorgehoben. 8 Arnold Lang, ,Archianneliden‘ zeigen viele Charaktere, die man gewi8 mit Recht fiir embryonale, vielleicht aber trotzdem nicht fiir urspriingliche halten kann.“ Im Winter 1866—1867 fanden CLAPAREDE und MEczNIKOW (1869) in Neapel im Bodensatz ihrer Aquarien ,,nicht selten kleine Eunicidenlarven, deren Entwickelung‘ sie ,,bis zur Geschlechtsreife zu verfolgen vermochten. Dadurch erlangten“ sie ,,die Ueber- zeugung, daS es sich um eine bisher ginzlich unbekannte Form bandelte, die, selbst im reifen Zustande, sehr winzig bleibt und das ganze Leben hindurch gewisse Merk- male beibehalt, die sonst nur den Larven zukommen, so die Wimperreifen’).“ In der Tat fanden sie Individuen mit reifen Eiern, welche ,,Larvenmerkmale durchaus nicht abgelegt hatten“. Sie nannten die neue Tierform ,,Ophryotrocha puerilis‘. Man wird mir beipflichten, wenn ich sage, daf ich »puerilis‘ hier dem Sinne nach richtig mit ,larvenhaft* libersetze. Bonnier, der 1893 den Kieferapparat von Ophryotrocha studierte, gelangte besonders auf Grund des Umstandes, daf damals nur die Weibchen von O. bekannt waren, dazu, folgende Fragen zu stellen: »sommes-nous en face d’un fait de néoténie, est- ce une forme adulte qui a conservé le caractére larvaire des couronnes ciliaires!) ...?“ ,,Ou bien, est- ce un fait de progénése et n’a-t-on observé que des formes larvaires devenues sexuées avant l’age adulte sous Yinfluence d’un facteur que nous ne pouvons encore déterminer?“ KoORSCHELT, welcher die Form neuerdings (1894) genau unter- suchte, spricht ebenfalls von der groBen Uebereinstimmung, welche dieser merkwiirdige Wurmtypus mit den polytrochen Anneliden- larven zeigt. Bei der Feststellung ihrer Verwandtschaftsverhalt- nisse war fiir ihn von Interesse ,der lange Bestand der Wimperkranze, den“ er ,,auferdem noch bei anderen Formen, z. B. bei einer Nereis-Art, nachweisen konnte. Dieser larvale Charakter bleibt also ungewoéhnlich lange er- heitentyace. In seiner schon citierten Abhandlung (1896) bespricht Boas auch die Falle von Neotenie bei den Wiirmern. Er erwahnt zu- 1) Von mir hervorgehoben. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 9 naichst Ctenodrilus und halt diesen Wurm im Gegensatz zu v. KeNNEL, der in ihm eine sehr alte primitive Form sieht, fiir eine rickgebildete und ihr einziges Paar Nephridien, die nach v. Kennet der Kopfniere von Polygordius homolog sind, fiir neotenisch erworbene Organe. Sodann betont auch Boas, da’ die zu den Euniciden ge- hérende Ophryotrocha puerilis eine sehr deutliche Neotenie aufweist. Dieser Wurm zeichne sich ,,besonders durch den lebens- langlichen Besitz der sonst nur den Polychaéten-Larven eigen- tiimlichen Wimperkranze aus“. Sodann wird auch das Mannchen von Bonellia als neotenisch aufgefaft, in Uebereinstimmung mit SPENGEL, welcher von einem ,,Zuriickbleiben auf der Stufe einer Larve mit einseitiger Entwickelung der Geschlechtsstoffe spricht. Boas halt ferner ebenfalls dafiir, da die Gattung Dinophilus in neotenischem Sinne aufzufassen sein diirfte. Die Form sei in- sofern noch von besonderem Interesse, als sie — die Richtigkeit der Auffassung, da8 sie neotenisch sei, vorausgesetzt — ,,eine be- sonders schlagende Analogie zu den Kiemenlurchen darbieten wiirde; ist doch hier wie dort, nicht wie bei den meisten von uns angefiihrten Beispielen, von der Peristenz einzelner jugend- licher Charaktere, sondern von einem totalen Stehen- bleiben auf larvaler Stufe‘) (natiirlich von der Entwicke- lung der Geschlechtsprodukte abgesehen) die Rede‘. Des weiteren glaubt Boas, und hierin befindet er sich in Uebereinstimmung mit einer Reihe anderer Forscher (z. B. Erste, ich selbst), da’ die epitheliale Lage des Nervensystems, die bei Chatopoden verschiedener Abteilungen konstatiert wird, eine neo- tenische Erscheinung sei. In dieser Weise ist von E1sia und mir besonders auch das epitheliale Nervensystem der sogenannten Archianneliden aufgefaft worden. Zum Schlusse widmet Boas auch den Rotatorien einige Bemerkungen. Er weist auf die von verschiedenen Seiten betonte Aebnlichkeit zwischen Trochophora und Rotatorien, auf die An- sicht, da’ die Trochophora eine Stammform reprisentiere, und auf die Auffassung hin, nach welcher die Rotatorien im ganzen primitive Formen seien, die, um mit KorscHELT und Hemmer (1890) zu reden, »noch die nachsten Beziehungen zu der trochophora - abnlichen Stammform erkennen lassen, und welche deren Bewegungsweise und 1) Von mir hervorgehoben. 10 Arnold Lang, Organisationscharakter mit einigen sekundaéren Veranderungen bei- behalten haben.“ Dann sagt er: ,,Von dieser Auffassung kann natiirlich fiir diejenigen, welche die Trochophora ledig- lich als eine Larvenform betrachten und die Anne- liden von nemertinenahnlichen Ahnen ableiten, nicht die Rede sein. Fiir diese — zu welchen ich gehére — werden wohl beziiglich der Stellung der Rotatorien nur zwei Méglichkeiten in Betracht kommen kénnen: ent- weder diejenige, die Rotatorien als aberrante Platt- wiirmer aufzufassen, oder die, dieselben als auf der Larvenstufe stehen gebliebene Anneliden, also als neotenische Formen zu betrachten!).“ Boas selbst wagt diese Frage, der er ein besonders grofes Interesse zuschreibt, nicht zu entscheiden. Immerhin aber méchte er bemerken, ,,dah man fiir den Fall, da die Rotatorien in neotenischem Sinne auf- gefaBt werden, sich schwerlich den Typus derartig allmahlich ent- standen denken darf, wie LANG es will (,,auf immer friiheren Ent- wickelungsstadien geschlechtsreif) ; vielmehr sind solche neotenische Typen wohl tiberall derartig entstanden, dai plétzlich eine Larve geschlechtsreif wurde, wie wir es noch bei Triton sehen; allmah- lich wurde dann dies Verhalten innerhalb der Art allgemein (Axo- lotl), zuletzt ausschlieBlich (Proteus und andere)". Von einer Erérterung dieser letzteren Frage kann ich hier absehen, da sie unser Problem nicht direkt beriihrt. Dagegen darf ich wohl konstatieren, dafi Boas auf einem ganz éhn- lichen Standpunkt steht, wie derjenige ist, den ich stets ein- genommen. Ich muf aber die Platodenverwandtschaft der Rota- torien entschieden verneinen. Die Kiefer, das Raderorgan, der Magen mit Magendriisen, der After, der Fu, die chitinisierte Haut sind den Platoden durchaus fremdartig — wir finden aber ihres gleichen bei den Ringelwiirmern oder ihren Larven und neotenischen Repriasentanten. Die Organe aber, in denen eine Aehnlichkeit fest- gestellt werden kann, Nephridien und Ovyarien, resp. Keimdotter- stécke, sind zugleich auch solche, deren Homologien mit entsprechen- den Organen von Anneliden oder deren Larven kaum bezweifelt werden kénnen. So bleibt mir eben — wenn ich im Sinne yon Boas konsequent sein will — nichts anderes iibrig, als mich dafiir zu entscheiden, daf die Rotatorien trochophoraahniliche, neotenische Organismen sind. 1) Von mir hervorgehobon. Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 11 In den vorstehenden Referaten sind auch die ,,Archianne- liden erwihnt worden. Es gibt in der Tat eine ganze Reihe yon Forschern, welche stark bezweifeln, da8 diese Tiere primitive Formen sind, so kiirzlich wieder Goopricu (1901). Diese Forscher halten die Tiere meistens fiir sekundar vereinfachte Formen. Die epitheliale Lage des Nervensystems, die vollstaéndig homonome Gliederung, das Fehlen von Parapodien und Borsten werden meist als Verharren auf friihen larvalen oder embryonalen Zustanden gedeutet. Hier, in diesem Zusammenhang, ist es gewil’ am Platze, darauf hinzuweisen, daf die Archiannelidengattung Protodrilus, welche Hatscuexk fiir diejenige halt, die der Stammform der Anneliden am nachsten steht, abgesehen von der ventralen Wimper- rinne zahlreiche Wimperkranze besitzt, und zwar am Kopfsegment (Prosoma) einen doppelreihigen praoralen, einen postoralen und zwei folgende Wimperkrinze, sodann segmentale Wimperkranze, je einen vor und hinter jeder Segmentgrenze. Und nun wollen wir wieder auf die Ersiasche AeuSerung zuriickkommen: ,so ist die Ansicht Lanas, daf die Rota- torien lediglich als geschlechtsreif gewordene Anne- lidenlarven (also Trochophoren) zu betrachten seien, eine bloBe Vermutung." Gewif ist sie eine Vermutung! Ist sie aber eine blofe Ver- mutung, d. h. doch wohl deutlicher gesagt, eine durch keine Griinde gestiitzte Meinung, eine willkiirliche Annahme? Was verlangt denn Ersia, damit die blofe Vermutung zu einer berechtigten Ansicht werde? Jede Tatsache, jede neue Tatsache, welche die Uebereinstimmung zwischen Radertier und Trochophora dartut, wird von mir als Anhanger der Ansicht von der neotenischen Natur der Rotatorien selbstverstaéndlich ebenso sehr anerkannt, gewiirdigt und begriift, wie von irgend einem Trochophora-Theoretiker, der in den Radertieren nahe Verwandte der trochophoraahnlichen Stammform der Anneliden erblickt. Wovon hangt denn die Entscheidung ab? Erstens doch wohl von der Entscheidung der Frage, welche von den verschiedenen Theorien tiber den Ursprung der Anneliden die am besten be- griindete, die plausibelste ist. Da nach meiner Meinung die Trochophoratheorie die Hauptsache, die Entstehung der Metamerie namlich, nicht zu erklaren vermag und mir die Ableitung des Annelids von pseudometameren turbellarienihnlichen Tieren besser begriindet erscheint, so wird mir doch Eis1@ zugeben miissen, dali 12 Arnold Lang, ich die Uebereinstimmung von Trochophora und Radertier von meinem Standpunkte aus ebenfalls erklaren mu8! Nun liegt die neotenische Erklarung doch so nahe! Es handelt sich doch wohl darum, zu zeigen, daf die Rotatorien Larven- merkmale besitzen, solche Merkmale, wie sie vorzugsweise oder ausschlieSlich Larven im Gegensatz zu den er- wachsenen Tieren zukommen. Und nun frage ich Ersta: Welches von allen Larvenmerkmalen, die etwa aufgezihlt werden kénnten, ist dasjenige, das fiir die Larvenformen im Gegensatz zu den erwachsenen Formen bei den wirbellosen Meerestieren der verschiedensten Abteilungen am meisten charakteristisch und am weitesten verbreitet ist? Wenn man in Beriicksichtigung zieht, daf} der Arthropodenkérper keine Cilien bildet, so wird die Antwort gewif lauten: das Wimper- kleid im allgemeinen und die Wimperkranze im be- sonderen. Wimperkranze sind spezifische Larven- merkmale. Wir haben auch oben gesehen, wie verschiedene Forscher ganz unabhangig voneinander durch das Vorhandensein von Wimper- krainzen zu der Annahme der neotenischen Natur einer Anzahl von Wurmformen gelangt sind, die in den Verwandtschaftskreis der Anneliden und Rotatorien gehéren. Darunter befinden sich mehrere Autoren, die doch wohl auch in den Augen meiner Gegner unverdachtige Zeugen sind, solche, denen man nicht vor- werfen kann, daf ihr Urteil durch eine eigene Lieblingstheorie beeinfluft worden sei. CLAPAREDE und Meczntkow haben 1869 gewil} ohne alle theoretische Voreingenommenheit die Ophryo- trocha als puerilis bezeichnet. Warum sollte man nun aber plétzlich vor den Rotatorien Halt machen und diesen Tieren als ehrwiirdigen Stammonkeln die Reverenz erweisen, derweilen sie die puerilsten sind. Warum sollen wir vor dem larvenhaftesten Merkmal der Trochozoen, vor dem Raderorgan oder Prototroch, Halt machen? In der Tat wire das die gréSte Inkonsequenz! Und es will mir scheinen, daf Ersia, anstatt zu sagen, meine Ansicht sei eine blo&e Vermutung, vielmehr, falls er sich einen Augenblick auf den Standpunkt der Gegner der Trochozoonabstammung der Anneliden stellt, zugeben sollte, daf fiir die neotenische Auffassung der Rotatorien das stirkste Argument spricht, das iiberhaupt herbeigezogen werden kann: das Larven- Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 13 merkmal des Wimperkranzes, im vorliegenden Falle des Prototrochs oder Riderorganes. Die Kormentheorie. Die Kormentheorie ist ein Supplement der Trochophoratheorie. Die letztere behauptet die Abstammung der Articulaten und Mol- lusken und vielleicht noch anderer Tiergruppen von trochophora- ahnlichen Stammformen, als deren lebende Verwandte die Rota- torien betrachtet werden. Die Kormentheorie dagegen ist eine specielle Articulatentheorie. Sie stellt sich die Aufgabe, die Ent- stehung des metamer gegliederten Kérpers der Articulaten, speziell der Ringelwiirmer, aus dem ungegliederten Kérper der trocho- phoraadhnlichen Stammform zu erklaren. Sie ist gewif fiir den Anhanger der Trochophoratheorie der zunachstliegende Erklarungs- versuch der Entstehung der Annelidenmetamerie, und wir konsta- tieren, da} nunmehr, nachdem auch HatscHexk zu ihr zuriickgekehrt ist, sozusagen alle Vertreter der Trochophoratheorie (mit Aus- nahme von E1sia?) Anhanger der Kormentheorie zu sein scheinen. Es mu8 aber zugegeben werden, daf beide Theorien nicht notwendig miteinander verkniipft sind. Die Kormentheorie variiert in ihrer Begriindung durch ihre verschiedenen Vertreter das Thema, da8 der Articulatenkérper als eine Art Tierkolonie oder Tierstock, als ein Cormus zu betrachten sei, der durch das Auftreten eines Knospungs- oder unvollstandigen Teilungsprozesses, also durch die Installation der ungeschlecht- lichen Fortpflanzung, aus dem ungegliederten ‘I'rochozoon ent- standen sei, und daS durch einen solchen Proze8 auch heute noch der gegliederte Kérper des Erwachsenen aus dem ungegliederten Korper der stammformahnlichen Larve ontogenetisch hervorgehe. Wir hatten es also, im Grunde genommen, mit einer Art Generationswechsel zu thun. Aus dem befruchteten Ei entwickelt sich eine ungeschlechtliche Generation (die Trochophorageneration). Diese pflanzt sich ungeschlechtlich fort und liefert eine lineare Kolonie von Individuen (Metameren), die miteinander in organischem Zusammenhang bleiben und von denen die meisten zu Geschlechts- individuen werden. Aus den befruchteten Eiern dieser Generation geht wieder die ungeschlechtliche Trochophorageneration hervor. Die prazise Frage ist also die: ist der Articulaten- kérper ein durch ungeschlechtliche Fortpflanzung erzeugter Tierstock? 14 Arnold Lang, Es ist sicherlich fiir die Lésung des Metamerieproblems nicht ersprieBlich und férderlich, diese klare Fragestellung zu um- gehen oder sie zu verwischen, wie dies z. B. LANKESTER kiirzlich noch (1900) getan hat. Nachdem dieser groBe Zoologe gesagt, daf die Coelomocoela (die Metazoa mit Ausschluf der Coelenterata) haufig durch Wachstum ,,along the oroanal axis“ Ketten von kompletten oder inkompletten Individuen erzeugen, die durch teilweise oder vollstandige Teilung senkrecht zu dieser Achse entstehen (Metamerie), bemerkt er: ,,An apparently similar process is seen in the segmentation and division of the Scyphistoma polyp at right angles to the oro-aboral axis.‘ Sodann kommt eine Stelle, in welcher LankesTER gewifi mit Recht verlangt, daf die genauen historischen Beziehungen zwischen der Metamerie und Wiederholung von Teilen bei den Coelomecoela einerseits und der Erzeugung und Losliésung von metameren ,,Knospen“ oder neuen Individuen andererseits in jeder besonderen Tiergruppe von Fall zu Fall besonders untersucht werden miissen. Gleich nachher aber gibt er diesen reinlichen Standpunkt wieder auf: » Whilst it is certainly not necessary to suppose that meta- meric segmentation is actually derived from an arrested formation of strobilated buds, which at one time were set free, it is never- theless tolerably certain that the fundamental property of the organism is the same in both cases, bud strobilation and meta- meric segmentation... .“ Diese fundamentale Fahigkeit des Organismus, die sich hier als Strobilation, dort als Segmentation offenbart, nennt LANKESTER »Merogenesis". Ob sich die Wissenschaft dabei beruhigen wird? Schon die ersten Begriinder der Kormentheorie suchten mit derselben klare und bestimmte Vorstellungen zu verkniipfen. HArcKEL, der die Bezeichnung Metameren einfihrte, charakterisierte sie in seiner grundlegenden ,,Generellen Morphologie‘ (1866) als morpho- logische Individuen 4. Ordnung. Im Gegensatz zu den Epimeren kommt den Metameren nach HArcKken urspriinglich auch die physiologische Individualitaét zu. »Vie Metameren sind bei den niederen Formen des Tierstammes, in welchem sie auftreten, lediglich Multiplikationen der spezifischen Form der betreffenden Art, Wiederholungen, welche urspriinglich so unabhangig sind, daf sie sehr leicht sich voneinander abtrennen und daf alsdann jedes einzelne Metamer jene Speciesform mehr oder weniger vollstandig reprasentiert. Besonders lehrreich fiir die richtige Auffassung ,,der Metamerenbildung sei die allmahliche Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 15 Uebergangsreihe von ungegliederten Formen, wie sie uns die niederen Wiirmer (besonders Cestoden) zeigen“. Hier zeige sich ,,auf das klarste, wie dieselben Teile (Meta- meren), die in den niederen Formen als physiologische Individuen auftreten, in den héheren Formen nur den Rang von homodynamen Teilen haben‘. Die Entstehung der Metameren fafte HAsckKEL schon damals als eine Art ungeschlechtlicher Fortpflanzung, als unvollstindige Endknospenbildung auf. Sehr scharf formulierte sodann GEGENBAUR (1870) die Kormentheorie der metamer gegliederten Tiere'). Auch er ver- glich die Metameren mit den Gliedern des Bandwurmkorpers, fiihrte aber den Vergleich genauer durch (p. 162): »Die Zulassigkeit einer solchen Auffassung scheint nur auf eine geringe Anzahl von Formen beschrankt zu sein, weil bei der groften Anzahl der Anneliden durch eine innigere Verbindung der Metameren ein einheitlicher Organismus gegeben ist. Beachtet man jedoch hierbei den Unterschied zwischen physiologischen und morpho- logischen Individuen, so wird einleuchten, daf eine Ausdehnung jener Auffassung vollkommen berechtigt ist. Der erste und der letzte Korperabschnitt sind die beim Ringelwurm zuerst differenzierten, alle tibrigen nehmen zwischen diesen ihre Entstehung, und ganz das- selbe treffen wir bei den Cestoden. Es liegt somit hier eine Er- scheinungsreihe vor, die an einem Ende zur Hervorbringung neuer Individuen fiihrt, wahrend sie am anderen Ende kompliziert ge- bautere und hoher potenzierte Organismen entstehen lait. Die Metamerenbildung ist also durch einen Sprossungsprozef zu erklaren, der unselbstandige Produkte liefert, die zu einem Ganzen vereinigt bleiben.“ Wenn GeEGENBAUR den Vergleich nur noch ein klein wenig weiter verfolgt hatte, wire er zweifellos auf seine grofen Schwierig- keiten aufmerksam geworden. In seiner neuen ,,Vergleichen- den Anatomie der Wirbeltiere (Bd. I, 1898) aufert er sich sehr vorsichtig und zuriickhaltend tiber die Zuriickfiihrung der Metamerie auf Sprossung. Ich habe schon gesagt, da’ meiner Ansicht nach kein Forscher die Kormentheorie so sorgfaltig von verschiedenen Gesichtspunkten aus gepriift hat, wie HarscueK. Es ist dabei lehrreich, die Wand- lungen zu verfolgen die Hatscuexs Ansichten iiber den Ursprung der Metamerie durchgemacht haben. : 1) In der 2. Auflage der ,,Grundziige der vergleichenden Ana- tomie“. Da mir die 1. Auflage (1859) nicht zuginglich ist, wei ich nicht, ob und inwieweit GreErnspAur schon damals ahnliche Ideen hatte. 16 Arnold Lang, Zum erstenmal hat sich HarscHEK 1878 in seiner klassischen Abhandlung , Studien tiber Entwickelungsgeschichte der Anneliden* mit diesen Fragen eingehend beschaftigt. Er widmet ihnen zwei Abschnitte; eine Betrachtung tiber die Ent- wickelung des gegliederten Baues der Anneliden und eine solche tiber die morphologische Bedeutung der Gliederung des Anneliden- korpers. HatTscHEK betont zunachst die Analogie der Metamerenbildung mit dem Knospungsprozef, z. B. bei Pedicellina. In beiden Fallen erfolgt in einem friihen Stadium der Entwickelung eine Teilung des primaren Individuums. Der eine Teil geht der weiteren individuellen Entwickelung entgegen, waihrend der andere, bei den Anneliden das Endsegment, auf der niederen Stufe der Entwicke- lung verharrt, bis er selbst sich zu einem neuen Teilungsprozef anschickt u. s. wW. HatscHek konstatiert sodann, daf die Auffassung des Anne- lidenkérpers als Tierstock wohl die verbreitetste sei. Das Metamer werde als ein einem ungegliederten Tiere gleichartiges Individuum angesehen. Von diesem Standpunkte aus miifte man das Kopf- segment als das alteste sterile Individuum, die Metameren als die Geschlechtsindividuen des Stockes betrachten. Die Metameren- bildung, als ein Knospungsprozef aufgefait, wiirde im allgemeinen diese Auffassung unterstiitzen. ,,Um sie aber zu begriinden, muiBSte man die Organisation des Metamers und die des Kopfsegmentes auf denselben Grundtypus zu- riickfiihren kénnen, man miifte nachweisen, dab beide aus derselben Urform entstanden seien?).“ Dieser HatscuexKsche Satz ist ebenso wichtig wie durchaus begriindet und zutreffend. Kein Anhanger der Kormentheorie darf sich der Beantwortung der in ihm enthaltenen Hauptfrage ent- ziehen. Und es ist dabei von vollstindig nebensachlicher Be- deutung, wie man die Regionen des Annelidenkérpers und seiner Larve umgrenzt. Wenn man den Kérper in Prostomium, Soma und Pygidium einteilt, wobei Prostomium und Larvensoma zu- sammen dem HarscHex’schen ,,Kopf entsprechen, so muff eben festgestellt werden, dai zu Beginn der ungeschlechtlichen Fort- pflanzung durch Knospung sich der Larvenkérper in zwei Stiicke sondert, das Prostomium und Soma (Kopfsegment) einerseits und das Pygidium (Schwanzsegment) andererseits. Die Knospung_ be- 1) Von mir hervorgehoben. Land Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 1% steht doch wohl darin, da das gesonderte Stiick wieder regeneriert wird, wie am Bandwurmkérper nach Sonderung einer Proglottis, oder an der Strobila nach Sonderung einer Ephyra die unvoll- stindig abgetrennten Stiicke vom festgehefteten Stiick aus immer wieder neugebildet werden. Was bei der Knospung der Trochophora- larve wieder regeneriert werden soll, ist eine dem unvollstiandig abgetrennten vorderen Stiick (Prostomium + Larvensoma) gleich- wertige Region. Diese sich immer wieder von neuem abgrenzenden und immer wieder vom Pygidium aus neu bildenden Regionen sind eben die Rumpfmetameren im Sinne Harscnexs. Ich betone mit HatscHek (und komme hierauf wieder zuriick): kein Kormen- theoretiker darf sich der Verpflichtung entziehen, den Nachweis zu liefern, daf Kopf und Metameren auf dieselbe Grundform zuriick- gefiihrt werden kénnen. sind wir nun im stande“, fragt HarscueK, ,,diesen Nach- weis zu fiihren?“‘ Die Antwort lautet, da8 sich eine Reihe von Tatsachen dafiir geltend machen lassen kénnen, so die Ueber- einstimmung in der Anordnung der Muskulatur im Kopfsegment und Metamer, die Aehnlichkeit in Bau und Lagerung der Kopf- niere und der Nierenkanaéle der Metameren. — ,,Auch in Bezug auf die Leibeshéhle zeigen die Metameren urspriinglich dasselbe Verhaltnis, wie das Kopfsegment, ihre abweichende definitive Leibeshéhle entwickelt sich erst sekundar.‘‘ — ,,Der Mangel von Mund und Oesophagus kénnte als Riickbildung gedeutet werden, die sich ungewungen durch die Zentralisation des Tierstockes zu einem Individuum hoéherer Ordnung erkliaren lieBe.“ Die bedeutendste Schwierigkeit bietet aber nach HarscHeK — und ich will gleich bemerken, da ich ihm hierin vollstindig bei- pilichte — die Vergleichung des Nervensystems des Kopfes mit -dem Nervensystem der Metameren. Ein Vergleich des Gehirn- ganglions mit dem Bauchmark der Metameren sei wohl aus- geschlossen. Die urspriingliche Gleichwertigkeit von Kopfsegment und Metamer kénne deshalb nicht angenommen werden, und es sei daher die Auffassung des Annelidenkérpers als Tierstock unhaltbar. »Kopf und Metamer stellen dann nichts anderes als verschiedene Koérperteile dar; es ist das Kopfseg- ment dem metamerisch gegliederten Rumpfe gegen- tiiberzustellen?).“ Wie aber ist die Metamerie des Rumpfes in anderer Weise zu 1) Von mir hervorgehoben. Bd. XXXVII, N. F, XXXI. bo 18 Arnold Lang, erkliren? Die Annahme, da8 sie sich als héhere Differenzierung eines urspriinglich ungegliederten Rumpfes deuten lasse, lehnt Hatscuek ab. Die Entwickelung des metamerischen Rumpfes sei zweifellos ein Knospungsvorgang. SchlieBlich erwagt HaTscuHeEK die Annahme, da8 es sich um die Vervielfaltigung durch Knospung nur eines Kérperteils, des Rumpfes namlich, handle. Die Hauptsache dabei wire die Vervielfaltigung eines nur dem Rumpfe angehérenden Organsystems, naimlich der Generationsorgane. Es sei mir hier gleich eine Zwischenbemerkung gestattet. Wenn der Annelidenkérper kein Tierstock ist und andererseits die Vervielfaltigung der Generationsorgane bei der Rumpfmetamerie das Wesentliche ist, erscheint es dann nicht als das Zunachst- liegende, niedere Tiergruppen zum Vergleich herbeizuziehen, bei welchen im Gegensatz zum sterilen Kopf (Vorderende) ein Rumpf mit zahlreichen Generationsorganen schon vorhanden ist (Turbel- larien, Nemertinen) ? HarscHek hat diesen Gedanken selbst schon erwogen, aber ihm dann keine weitere Folge gegeben. In einem anderen Zu- sammenhang, wo er von der Segmentierung bei anderen Ordnungen des Wurmtypus spricht, sagt er namlich folgendes: »Auch bei den Nemertinen scheint ein metamerischer Kérperbau vorzuliegen, denn es ist eine Wiederholung der Geschlechtsorgane und ein gleichmafiger Bau der eutsprechenden Kérperabschnitte nachgewiesen. Wir kénnen, wie bei den Anneliden, ein abweichendes Kopfsegment, in welchem keine Geschlechtsorgane sich finden, den Metameren des Rumpfes, die in der Wiederholung der Geschlechts- organe ihren Ausdruck finden, gegeniiberstellen.“ Wenn, was wahrscheinlich sei, die Entwickelung der Metameren auch bei den Nemertinen vom undifferenzierten Hinterende aus- gehe und zu derselben regelmifigen Altersfolge fiihre, so miibte man den metamerischen Bau der Nemertinen und Anneliden als volistandig gleichwertig ansehen. In seiner Abhandlung iiber die Entwickelungsgeschichte von Echiurus (1880) kommt Harscnek wiederum auf die Theorie der Segmentierung des Annelidenkérpers zuriick. Er modifiziert seine friiheren Ansichten in folgender Weise. Schon bei den niederen Bilaterien sind im allgemeinen die Organe, welche die hervorragend tierischen Funktionen versehen, auf den vorderen Korperabschnitt beschrinkt, wahrend der hintere Abschnitt die Anlage der Geschlechtsorgane enthalt. Dieser Gegensatz priagt sich nun allmahlich, sowohl anatomisch als ontogenetisch, immer deutlicher aus. ,,Der vordere Kiérperteil geht, da seine Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 19 Funktionsfihigkeit zuerst in Anspruch genommen ist, dem hinteren in der Entwickelung voraus (doch ist dieser Entwickelungsgang, wie ich glaube, auch auf phylo- genetische Prozesse zu beziehen)‘‘. Ich hebe den Hauptsatz hervor. Er deckt sich vollkommen mit meiner eigenen Ansicht. Was aber in Klammern steht, ist mir unversténdlich. Die animalischen Or- gane kénnen doch phylogenetisch den vegetativen nicht vor- ausgeeilt sein! Es tritt nun nach HarscHeKx die Erscheinung auf, daf das der Ausbildung des Kopfes nachfolgende Wachstum des Rumpfes kein gleichmafiges, sondern ein terminales ist. ,,Wahrend an seinem Vorderende die Differenzierungsprozesse beginnen, wird am Hinterende durch Wachstum neues Material zur Differenzierung geliefert.“‘ In diesem Vorgange, wie er z. B. bei den Nemertinen vorzuliegen scheine, méchte HarscHek nunmehr die Grundlage zur Metamerenbildung vermuten. Diese kam dadurch zu stande, daf die urspriinglich von vorne nach hinten kontinuierlich fortschreitende Differenzierung des Rumpfes zu einer absatz- weisen wurde. Zur Erlaiuterung fiigt HarscHeK (1891) spater hinzu: ,Man vergleiche andere ahnliche Wachstumsvorgange, z. B. das Wachstum des Tentakelkranzes bei den Tentakulaten.“ So sehr ich diesen Erklairungsversuch als einen in einem Hauptpunkte befriedigenden anerkenne, so weit naimlich, als es das ontogenetische Geschehen anbetrifft; so wenig vermag ich in ihm eine wirkliche Erklarung der phylogenetischen Entstehung der Metamerie zu erblicken. Am ontogenetischen Teil des Erklirungs- versuches habe ich die absatzweise Differenzierung zu bean- standen. In Wirklichkeit sind Wachstum und Differenzierung kontinuierlich, und es wird nur der Schein der absatzweisen Entwickelung dadurch hervorgerufen, da8 in gréfSerer Zahl hinter- einander liegende Organe gebildet werden miissen. Die Vielzahl der Organe und ihre seriale Anordnung waren schon bei der Stammform vorhanden. Die metameren Bildungen kommen onto- genetisch nicht dadurch zu stande, dafi jederseits ein Organ ab- satzweise gebildet wird, sondern dadurch, daf sie nicht alle auf einmal, sondern nur successive, eins nach dem anderen, gebildet werden kénnen. i HatTscHeK scheint selbst durch diese neue Auffassung nicht befriedigt worden zu sein, denn er kehrt in seinem Lehr- buch (1891) wieder zur Kormentheorie zuriick. Die Schwierigkeit in Bezug auf das abweichend gebaute Vorderende 2 * 20 Arnold Lang, erscheint ihm jetzt geringer mit Riicksicht auf die von mir (LANG 1888a u. b) vertretene und von ihm acceptierte, neuere Auf- fassung der Proglottidenbildung bei den Cestoden. Auch bei diesen Tieren liege eben nur die Vervielfaltigung eines Korperteiles vor, die aber ,,ganz wohl auf einen TeilungsprozeB mit einseitig unterdriickter Regeneration zuriickgefiihrt werden“ kénne. Es liege nun nahe, auch bei der Metamerie eine ahnliche Teilung mit unvollkommener oder unterdriickter Regeneration an- zunehmen. Allerdings sei ,bei den Cestoden, wo die abgeschniirte Proglottide ihre Lebensaufgabe nahezu vollendet hat (und die Ge- webe iiberreif sind), die Unterdriickung der Regeneration leicht begreiflich; bei den Anneliden hingegen“ kénne ,,ein Grund hierfiir nur in dem innigeren, bleibenden Zusammenhang der Teilstiicke gesucht werden“. So komme es, ,daf ein vorderer Kérperteil mit dem Cerebralganglion nebst seinen Sinnesorganen und dem Munde, den wir etwa als ,,,,Prosthion““ bezeichnen kénnen, nur einmal vorhanden ist. Nur das vorderste Teilstiick besitzt ein Prosthion und entspricht annahernd einer vollkommenen Individu- alitit, bei den nachfolgenden Metameren fehlt das Prosthion, die Regeneration desselben ist unterdriickt; diese entsprechen daher nur virtuellen Individualitaten“. Es miisse tibrigens bemerkt werden, daf auch ein anderer Kérperteil, namlich das Periprokt, als ,Opisthion“ nur einmal und zwar ,,am Endsegment vorhanden ist“. Beziiglich der wichtigen Frage, ,,;welches Kérperstiick der vorderen vollstiindigen Individualitiét entspriche“, waren nach HaTscHEeK zwei Méglichkeiten ins Auge zn fassen. Man kénne entweder ,das Prosoma als Prosthion betrachten und dieses nebst dem ersten Metamer fiir die erste Individualitét halten, oder es kénnte auch das Prosoma allein schon als vollstandige Individualitiét gelten“. HatTscHeK halt die letztere Deutung fiir die richtigere. »Doch bediirfen dann gewisse Eigentiimlichkeiten des Prosoma noch einer niheren Erklirung, so vor allem der Mangel der Célomsicke.“ HarscneK begriindet das hypothetisch dadurch, ,dafS das vorderste Individuum steril wurde und der Gonaden (Célomsiacke) entbehrte.“ Zusammenfassend stellt HarscHeK seine theoretischen An- schauungen tiber die phylogenetische Entwickelung der Metamerie folgendermafen dar: ,4uerst erfolgte an einem trochophoraihnlichen Organismus eine Fortpflanzung durch Teilung und Regeneration, und zwar nach opisthoserialem Typus; die einzelnen Individuen kamen zur voll- Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 21 standigen Trennung. Spiter kam es dazu, daf die Individuen zu einem Kettencormus vereinigt blieben, und zugleich kamen gewisse Modifikationen zur Ausbildung; das vorderste Individuum blieb als »»Amme““ steril, die folgenden Individuen wurden durch Unter- driickung der Regeneration je ihres Prosthions verlustig, dagegen erfuhren sie eine sekundiare weitere Ausbildung ihrer Organsysteme (besonders der epithelogenen Muskeln der Célomsiacke). Wir kénnen die hierdurch erfolgende Verschiedenheit yon Prosoma und Metameren als die primaire Heteronomie bezeichnen. — So kommen wir zu der Anschauung, daf die Ausbildung der Metamerie zugleich auch die erste Ursache wurde fiir die Entstehung der sekundaren Organe, die fiir die Cephalidier charakteristisch sind.“ Wir werden nachher diese neuesten Auffassungen HatTscHEKS diskutieren. Fiirs erste nur die Bemerkung, da’ Hatscuex durch seine starke Betonung des Gegensatzes von Kopf und Rumpf seiner Kormentheorie selbst die gré8ten Schwierigkeiten in den Weg legt. - Wenn die Rumpfnieren, was sich ja freilich als unrichtig heraus- gestellt hat, nach HatscHek von einem Liangskanal ausgebildet werden, der von der Kopfniere aus nach hinten auswachst, warum dann den Gegensatz von ,,Protonephridien“ und ,,Metanephridien‘ so stark hervorheben? Es liegt doch dann vom Standpunkte der Kormentheorie am nachsten, sie als Modifikationen eines und des- selben Grundorganes, das sich in allen durch Knospung gebildeten Individuen des Annelidencormus wieder regeneriert, zu betrachten! Nach HatscuHexk hat kein Anhinger der Kormentheorie ihre Grundlagen einer so griindlichen Priifung unterzogen. E1siG, von dem wir eine solche kritische Analyse wohl erwarten durften, tritt tiberhaupt gar nicht in die Diskussion ein. Die meisten, die der Kormentheorie zustimmen, tun dies ohne nahere Begriindung oder unter ganz vager Berufung auf die voriibergehende oder dauernde Bildung ahnlicher Tierstécke in anderen Abteilungen des Tierreiches. Als Beispiel citiere ich Bropr, der sich in seiner Abhandlung tiber Dero vaga (1898) zu Gunsten der Theorie ausspricht, daf die segmentierten Tiere durch den Vorgang der Vermehrung durch Teilung entstanden sind. Er sagt, daB die von ihm in dieser Abhandlung vorgebrachten Tatsachen ,,have a very important bearing in support of the colonial theory of the origin of metamerism‘. Man vermift aber vollstandig irgend eine nahere Begriindung dieser Behauptung. Die kurz geschilderten Vorginge der Fortpflanzung durch Teilung von Dero haben nicht die ent- fernteste Aehnlichkeit mit der Entwickelung der Metameren des 22 Arnold Lang, Annelidenkérpers. Brope stellt dann sofort, ohne auf Dero weiter Riicksicht zu nehmen, auf Microstoma ab. Ich citiere seine Ausfiihrungen wortlich, und zwar absichtlich, um zu zeigen, daf der Verfasser mit ihnen gerade das Gegenteil von dem er- reicht, was er wahrscheinlich zu machen sucht. ,1n illustration I may cite the case of Microstoma. This is a small Turbellarian which multiplies by means of fission. This un- segmented worm possesses an alimentary canal extending the length of the body, a so-called ,,,,brain““ with two lateral nerve trunks and well-marked sense organs situated at the anterior end of the animal. The process of fission is such that the animal may show, according to von GRAFF, aS Many as sixteen individuals of varying ages in one chain. These subsequently separate, forming so many complete individuals. Before separation occurs we have a chain of individuals with a common alimentary canal and a nervous system extending the whole length of the chain. Each individual shows one or two pairs of sense organs at its anterior end. The indivi- dual mouth openings have not as yet pushed through. Should this temporary condition become permanent, whe should have a seg- mented form resembling in some essential features an annelid worm. — In the different forms of animals in which fission occurs we find several modes of fission. In the form mentioned each indivi- dual proliferates continuously. In some forms the proliferation is confined to one individual, while in others each individual in turn takes part in the proliferation. This last mode could be applied to the segmentation of an annelid. — Supposing that annelids arose in this manner, whe should expect to find the segments of the body practically homodynamous, with the more perfectly de- veloped and highly specialised segments at the anterior end of the worm.“ Die beistehenden Figuren erlaiutern schematisch den Knospungs- prozef von Microstoma einerseits und die ontogenetische Ent- stehung des Annelidenkérpers andererseits. Der Unterschied springt bei einer aufmerksamen Vergleichung sofort in die Augen. Als ein Anhinger der Kormentheorie, der aber nicht zugleich auch Anhinger der Trochophoratheorie ist, ist H. M. BerNarpD zu nennen. In seiner kiirzlich (1900) erschienenen Abhandlung »A suggested Origin of the segmented Worms and the Problem of Metamerism“ geht Bernarp bei der Ab- leitung des Annelidenkérpers von irgend einer méglichst einfach gebauten, freischwimmenden, bewimperten Célenteratenform aus, die, anstatt friihzeitig festsitzend zu werden, ,,continued to be free- swimming long enough to put out buds“. Ohne nun behaupten zu wollen, da8 Knospenbildung nicht auch an anderen Kérperstellen der freischwimmenden Form auftreten konnte, glaubt Bernarp doch, Beitrige zu einer Trophocdltheorie. Fig. 1 und 2. Sche- mata zur Vergleichung des Teilungsvor- ganges von Micro- stoma (Fig. 1) und der Metamerenbildung der Anneliden (Fig. 2). Das hintere Teil- stiick P ist punktiert dargestellt. Es kommt bei den Anneliden als Pygidium oder fort- wachsendes Schwanzende nur einmal in der Glieder- kette vor, da die vor- deren Teilstiicke (K 0 pf- segment [4] und Me- tameren [«]) das hin- tere Teilstiick nie wie- der regenerieren. Bei Microstoma hingegen regeneriert jedes vor- dere Teilstiick wieder ein hinteres, und jedes hintere wieder ein kom- plettes vorderes. A vor- deres Teilstiick mit Ge- hirnganglion (g), Pha- rynx (0) und Augen (a), bei den Anneliden das Kopfsegment; « Rumpf- metameren der Anne- liden, 59 Bauchganglien derselben; P hinteres Teilstiick, Pygidium der Anneliden. Ciel ec)aaer EEE Eo a Pes p oD Q 24 Arnold Lang, da’ bei dieser Lebensweise das Hinterende der geeignetste und wahrscheinlichste Ort fiir das Auftreten von Knospen war. An anderen Stellen auftretende Knospen wiirden die schwimmende Vorwirtsbewegung verunméglicht haben. Indem sich der Vorgang akzentuierte, trat an der ersten Knospe eine zweite, an der zweiten eine dritte u. s. w. immer am Hinterende auf, so daf schlieflich ,each original (or parent) animal would soon trail after it a string of buds of indefinite length“. Wir merken nun sofort, daf dieser supponierte Vorgang mit dem wirklichen ,,Knospungsprozef, wie er sich im Sinne der Kormentheoretiker bei der ontogenetischen Bildung der Metameren abspielt, gar nichts zu tun hat. Beide Vorgange waren einander geradezu entgegengesetzt. Bei BrerNARDS hypothetischer Stamm- form bildet sich an einer Amme hinten eine Knospe, welche wachst und bald selbst wieder zu einer Amme wird, an der sich wiederum hinten eine Knospe bildet u. s. w. Bei der termi- nalen Knospung der Anneliden (im Sinne der Kormentheoretiker) verhalt sich aber das Hinterende (Pygidium, Schwanzsegment) als eine Amme, welche nach vorne immer neue Knospen ab- schniirt. Die einmal gebildeten Knospen (Metameren) sprossen selbst nicht mehr, nur die Amme fahrt fort, sich in dieser Weise ungeschlechtlich fortzupflanzen. Die beiden Vorgiinge, der sup- ponierte und der wirkliche, sind so verschiedenartig, daf sie sich nicht aufeinander zuriickfiihren lassen. Damit erweist sich aber auch die Grundlage der ganzen Bernarpschen Theorie als irrig, und ich kann auf die weitere Darlegung derselben, mag sie auch geistreich sein, um so eher verzichten, als sie derart rein speku- lativer Natur ist, daf sie auf die Herbeiziehung von vergleichend- anatomischem und ontogenetischem Beweismaterial ausdriicklich ver- zichtet. So wundere ich mich nicht, wenn BeRNarp beziiglich des Mesoderms am Schlusse sagt: ,,We have here an excellent illustra- tion of the difficulty of discovering phylogeny from embryology.“ Unter den Gegnern der Kormentheorie (und zugleich der Trochophoratheorie) sind besonders Epuarp Meyer, Raco- vitzA und PLATE als solche zu nennen, welche sehr beachtens- werte Betrachtungen veréffentlicht haben. Epuarp Meyer (1890) stellte folgende Ueberlegung an: ,, Wire die Metamerie bei den segmentierten Tieren urspriinglich aus einer Knospenbildung hervorgegangen, so miiBte einerseits die Produktion von neuen Segmenten immer am aAuBersten Ende des Kérpers er- Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 25 folgen oder, mit anderen Worten, das Endglied des letzteren stets das jiingst erzeugte Metamer sein, und andererseits miiSte der ganze Korper nur aus vollstandig gleichwertigen Folgestiicken be- stehen; statt dessen sehen wir aber, daf die neuen Segmente aus einer vor dem Telson gelegenen Bildungszone entstehen, daf das Telson mit der alteste Teil des Tieres ist und daf durchaus nicht alle Teilstiicke des Leibes einander entsprechen, denn weder der Kopflappen nebst Mundzone und Vorderdarm, noch das Endstiick mit dem Enddarme kénnen den dazwischen liegenden Metameren gleichgesetzt werden. Wollte man nun den Ursprung der Metamerie von einer Art Strobilation, wie sie bei den Acalephen vorkommt, herleiten, so miiSte das jiingste Segment gleich auf das erste Rumpfsegment folgen, was wohl bei den gegliederten Cestoden, bei allen tbrigen segmentierten Tieren aber, angefangen mit den Anneliden, keineswegs der Fall ist‘‘. Man sieht, Meyer halt es fiir unméglich, die Glieder des Annelidenkérpers als urspriinglich gleichwertige Individuen zu betrachten, er halt es ferner fiir ganz selbstverstandlich, dal, falls es sich um eine Strobilation handelte, die terminale Knospung vom Vorderteile des Kérpers ausgehen muBte und nicht von einer vor dem Hinterende gelegenen Bildungszone. RacovirzA (1896) kritisiert die oben ausfiihrlich wieder- gegebene neueste Cormustheorie HAaTscueKs sehr scharf. Er konstatiert, dafi HarscHexK selbst nicht im stande ist, die Homo- logie der Metameren und des Kopfes darzutun. Wenn HarscHEK die Schwierigkeit umgehe, indem er annehme, dal das sogenannte Prosthion (vorderer Kérperteil mit dem Cerebralganglion nebst seinen Sinnesorganen und dem Munde) nur einmal vorhanden sei (am Kopfsegment), seine Regeneration bei den Rumpfsegmenten aber unterdriickt sei, so fragt RAcovirza: warum ist es so und nicht anders? Der einzige Grund, den HarscHeK anfiihre, sei der, dal man mit dieser Annahme die Tatsachen besser erklaren kénne. Sodann macht RacoviTzA auf eine Inkonsequenz Hatscueks auf- merksam. Wenn das Prosthion nur einmal vorhanden sei, so miissen notwendig die Kopfanhange den Anhangen der Metameren nicht homolog sein. Anstatt diesen Schlu& zu ziehen, behauptete HatTscHeK im Gegenteil: ,,Die 4 Langsreihen von Cirren, welche an dem segmentierten Kérper durch die dor'salen und ventralen Paare von Parapodialcirren gebildet werden, setzen sich auch auf das Prostomium fort, insofern als wir auch hier ein dorsales und ein ventrales Paar von Cerebralcirren beobachten; ihren Abschluf finden diese 4 Reihen in dem unpaaren oder apikalen Cerebral- 26 Arnold Lang, cirrus.“* Doch wohl mit Recht macht Racovirza darauf aufmerk- sam, daf es nicht geniige, das fiir die Theorie unbequeme Vor- handensein des unpaaren Kopftentakels damit abzutun, daf% man sage, er bilde den ,,Abschluf“ der 4 Reihen. Im iibrigen wollen wir Racovirzas scharfe Kritik wértlich citieren. »L’individu complet c’est le prosoma, dit-il (Hatscnex). I dit d’autre part que chez le Polychéte, deux régions de Vindividu complet, le prosthion et l’opisthion, ne sont représentées qu’une fois; les autres segments correspondent done a une région intermédiaire, que je nommerai, pour plus de commodité, mezosthion. Tl s’ensuit que le prosoma est formé par ces trois régions, puisque c’est un individu complet. Essayons de délimiter ces trois régions sur Ja larve et sur l’adulte telles que les concoit Harscumx. La larve, d’aprés lui, est divisée en une région préorale, le prostomium, et une région postorale, le metastomium, qui, ensemble, forment le prosoma. Mais des que la larve commence sa transformation, il apparait dans la région postérieure du metastomium une zone pro- lifére qui allonge la Trochophore et qui fait paraitre une nouvelle région du corps, le metasoma. Par le fait de la croissance inter- calaire, le prosoma ne peut done étre une individualité compléte, puisqu’il lui manque le pygidium, périprocte ou prosthion enlevé par le metasoma. Mais supposons que le prosoma soit tout de méme complet par une volonté superieure. Le prosthion sera formé par le prostomium, plus certaine partie du metastomium, puisqu’il contient la bouche; Je mezosthion sera formé par la région moyenne du metastomium, et l’opisthion par sa région postérieure. Déplacgons délicatement le tout et superposons le sur l’extrémité antérieure dun Polychéte aussi Archiannélide qu’on voudra. On obtient le plus bizarre assemblage qui se puisse imaginer ... .“ Durch eine Tabelle sucht Racovirza die Widerspriiche zu illustrieren, die sich bei der HarscuexKschen Auffassung ergeben, wenn man die Larve mit dem theoretisch konstruierten Kolonial- individuum und mit dem erwachsenen Tiere vergleicht. RACcOVvITZA halt summa summarum die Harscueksche Theorie fiir einen schlecht begriindeten Versuch, die sterbende Kormentheorie wieder aufleben zu lassen. Seinerseits ist Racovirza bemiiht, die Nichthomologie des Kopflappens und des Rumpfes der Anneliden zu beweisen. Von anderen Gesichtspunkten aus bekimpft PLare (1901) HArcCKELs und Hatscneks Kormentheorie. PLatTe ist erstens der Ansicht, daf in allen Fallen, in denen sich die Entstehung der Metamerie vergleichend-anatomisch feststellen laSt (er citiert die Beitrage zu einer Trophociltheorie. 27 Rotatorien, Gunda segmentata, die Cestoden nach Cuaus’ Auffassung, die Nemertinen, Solenogastres, die Chitonen, die gegliederten Fiihler und Extremitaten), dieselbe allmahlich aus ur- spriinglich dismetamerer Anordnung hervorgegangen sei. Zweitens halt Puare das sekundaire Zusammenbleiben urspriinglich sich sondernder Knospen, welches von der Kormentheorie angenommen werden muf, fiir eine biologische Verschlechterung. » Wenn die einzelnen Individuen sich nicht voneinander trennen und sich also nicht riumlich verteilen, so unterliegen sie haufig genug derselben Gefahr, sei es daf sie gefressen oder irgendwie katastrophal vernichtet werden. Fiir die Zahl der erzeugten Hier ist es gleichgiiltig, ob die Gonaden eines Muttertieres an einer Kette sitzen oder sich auf verschiedene Individuen verteilen. Die Zahl der Nachkommen wird aber wesentlich dadurch erhéht, daf8 die Kette in viele selbstindig umherschwimmende Individuen zer- fallt, die sich auf ein gréferes Areal ausbreiten, denn es werden ' dann weniger Tiere durch den Kampf ums Dasein eliminiert. Des- halb zerfallt eine Microstomum-, eine Myrianida- oder eine Nais-Kette sehr bald nach ihrer Entstehung, und nur bei den Bandwiirmern bilden sich haufig enorm lange Ketten, weil hier auf dem engen Raume des Darmkanals ein und desselben Wirtes ein Zerfall keine Vorteile involvieren wiirde, zumal die Proglottiden sich hier nur bis zur Reife aufhalten. Die Segmentierung der Anneliden kann daher nicht durch Riickbildung der ungeschlecht- lichen Teilung entstanden sein, denn diese ist eine Anpassung zur Erhéhung der Zah! der Nachkommen; durch Aufhebung der Trennung der Tochtertiere wiirde aber jener Vorteil wieder mehr oder weniger aufgehoben werden.“ Bedenken ganz anderer Natur sind von Cort und MorGan der Kormentheorie gegeniiber geauBert worden. Gleichzeitig (1892) und unabhingig voneinander haben diese Forscher die Aufmerk- samkeit auf gewisse Anomalien gelenkt, die nicht selten in der Segmentierung des Kérpers der Anneliden vorkommen. Diese Anomalien wurden besonders bei Lumbriciden, dann aber auch bei Polychiten untersucht. Haufige Falle sind die, daf eine Asymmetrie in dem Sinne auftritt (mit Vorliebe in der mittleren Kérperregion), daf der linken Segmenthalfte rechts nicht eine spiegelbildlich gleiche Segmenthalfte gegentiberliegt (oder um- gekehrt), daf vielmehr auf der gegeniiberliegenden Seite zwei hintereinander liegende Segmenthalften vorkommen, die nicht nur durch eine Grenzfurche getrennt sind, sondern auch im Inneren ein trennendes Septum und 4u8erlich eine Verdoppelung der Borstenbiindel und eventuell der Parapodien erkennen lassen. Es entsprechen also einem einzigen Segmente auf der einen Seite 28 Arnold Lang, zwei Segmente auf der anderen. Beide Forscher fiihren, wohl gewiB mit Recht, diese Anomalie darauf zuriick, da’ wahrend der Entwickelung oder bei der Regeneration sich auf der einen Seite mehr Mesodermblischen gebildet haben als auf der anderen. Fiir die iibrigen Formen von Anomalien, z. B. die spiralige Metamerie, die sich zum Teil ebenfalls auf das Auftreten einseitig tiberzihliger Segmente zuriickfiihren lassen, muf ich auf die Arbeiten der genannten Autoren verweisen. Fir unsere Frage ist bedeutungs- voll, daf beide Forscher unabhingig voneinander die grofe Trag- weite der Befunde fiir die Theorie der Metamerie erkannten. Cort dufert sich in dieser Beziehung folgendermafen : Die Tatsache nimlich, daf sich Abnormititen in der Metamerie auch bei Anneliden vorfinden, ist vielleicht im stande, die Kluft, welche zwischen den Nemertinen und den Anneliden beziig- lich der unregelmafigen und regelmafigen Segmentierung herrscht, zu tiberbriicken. Demzufolge wiirde also die regelmibSige, symmetrische Metamerie von einer urspringlich un- regelmafSigen abzuleiten sein?).“ Die Sache miisse aber noch genauer untersucht werden. MorGAN sagt: ,On the conventional assumption that metamerism is to be explained by a theory of budding, it seems evident from the facts outlined above that the right and left sides may bud independently. This leads to the improbable conception that the Annelid is formed of two parallel rows of buds}?), and that a single worm may have more of these buds on one side than on the other.“ Ich darf wohl bemerken, daf ich mir bei der Lektiire der Arbeiten von Corr und MorGan iiber ihre Bedeutung fiir die Auf- fassung der Metamerie ungefaihr ahnliche Gedanken gebildet habe. Sowohl Corr als Morgan erinnern daran, daf auch bei Cestoden ihnliche Abnormititen vorkommen, und Morgan folgert daraus, daf in beiden Gruppen ,,metamerism has the same fundamental (though not phylogenetic) explanation“. Es ist in der Tat selbstverstandlich, da’, wenn es sich bei Cestoden wirklich um Anomalien derselben Natur handelt, diese Vorkommnisse nicht mehr und nicht weniger gegen die Auf- fassung des Bandwurmkérpers als eines durch terminale Knospung entstehenden Stockes sprechen als bei den Ringelwiirmern. Allein wenn man die Uebersicht tiber die Mifbildungen, die besonders bei Taenia saginata sebr haufig sind, in LeucKarts Parasiten- 1) Von mir hervorgehoben. Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 29 werk (1879—1886) nachliest und die mitgeteilten Beobachtungen prift, so kommt man zu dem Schluf, da’ es sich um Vor- kommnisse ganz anderer Art, sehr haufig — wie das LEucKART selbst erkannt hat — um verschiedene Formen unvollstindiger Ab- trennung der einzelnen Glieder voneinander, in anderen Fallen um die Folgeerscheinungen von Verletzungen, Zerrei’ungen, Zer- rungen am knospenden Scolex oder an den schon gesonderten Gliedern handelt. Aehnliches kommt auch bei den Anneliden vor, und es ist in dieser Beziehung eine Anmerkung in der Abhandlung von Cori von Interesse, welche sich auf eine persénliche Mitteilung von Enters bezieht, nach welcher Anomalien der Segmentierung sowohl bei vaganten als auch sedentaéren Anneliden recht haufig auftreten. Fir viele derartige Falle halt Enters Corts Auffassung fiir die zutreffende, ,,fiir andere jedoch glaubt er die Veranlassung zu denselben in Verletzungen mit nachfolgender Regeneration zu ~ erblicken“. Dazu bemerkt Cort, dafi er solche Fille, besonders beim Regenwurm, auch kenne, daf er sie aber von der Unter- suchung von vorneherein ausgeschlossen habe. Bei der Frage nach dem Ursprung derjenigen Cestoden- anomalien, die eine gewisse, wenigstens oberflaichliche Aehnlich- keit mit den von Cort und Morgan untersuchten Anomalien der Annelidensegmentierung haben, ist von vorneherein in Erwagung zu ziehen, daf es sich bei den Anneliden offenbar um einseitige Vermehrung der Zahl von anfanglich vollstaindig gesonderten Embryonalanlagen, der Mesodermblaschen handelt, die normaler- weise zwei symmetrische Langsreihen bilden. Derartige Bildungen finden sich tiberhaupt nicht im Cestodenkérper, wo in jedem Seg- ment ein einziger einheitlicher Geschlechtsapparat vorkommt. Da wo ap einem Glied etwa eine Vermehrung der Zahl der Geschlechts- dtmungen eintritt, zeigt die genauere Untersuchung, daf zu jeder Geschlechtséfinung ein besonderer ganzer Geschlechtsapparat ge- hért. Es handelt sich eben um unvollstindig gesonderte Glieder. Wo einseitig, asymmetrisch, ein Segment eingekeilt erscheint, handelt es sich um ein abnormes, einseitig reduziertes, ver- kriippeltes Segment, aber um ein ganzes Segment, nicht nur um eine rechte oder linke Segmenthalfte. c In den vorstehend mitgeteilten Erérterungen verschiedener Forscher, die zur Kormentheorie Stellung genommen haben, sind manche von den Bedenken und Einwinden enthalten, die sich mir selbst seit Jahren aufgedringt haben. Es sei mir nun gestattet, 30 Arnold Lang, die Frage selbst noch von verschiedenen, vornehmlich biologischem Gesichtspunkten aus zu priifen und zu beleuchten. Solche Gesichts- punkte diirfen unter keinen Umstinden aufer acht gelassen werden. Die erste Hauptfrage, die ich stelle, ist die: La&Bt es sich biologisch irgendwie wahrscheinlich machen, lassen sich irgendwelche biologischen Griinde dafiir anfiihren, daf sich beim Trochozoon, der freischwimmenden, rotatorienaihnlichen Stamm- form die ungeschiechtliche Fortpflanzung durch terminale Knospung als eine fiir die Art niitzliche Erscheinung installierte? Zum Zwecke der Beantwortung dieser Frage ist es nétig, zu- nachst festzustellen, unter welchen biologischen Verhaltnissen iiber- haupt bei den Metazoen die ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Teilung und Knospung auftritt. Eine Umschau ergibt folgendes: Am meisten zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung geneigt sind die festsitzenden Wassertiere (s. Lang 1888). Ich erinnere an die Schwimme, Hydroiden, Korallen, Bryozoen, Ascidien und festsitzenden Jugendstadien von Scyphomedusen. Diese liefern doch wohl das Hauptkontingent der ungeschlechtlich sich fort- pflanzenden Tierwelt. Sodann zeigen uns die Cestoden ein schénes Bild fest- sitzender endoparasitischer Tiere mit ungeschlechtlicher Fortpflanzung. Die festsitzende Lebensweise ist nicht scharf unterschieden von der Lebensweise der tubikolen und solcher Tiere, die in Gangen, Loéchern, Spalten, Ritzen des Gesteins, in abgestorbenen Réhren und Gehausen anderer Tiere, im Kanalsystem von Schwimmen, in den Schlupfwinkeln der Korallenbinke u. s. w. sich aufhalten, ohne fest und untrennbar mit der Wohnstitte verkittet zu sein. Die Syllideen zeigen viele Beispiele solcher quasi-sedentaren Tiere, die sich durch ungeschlechtliche Fortpflanzung vermehren. Eine mit dieser letzteren nahe verwandte biologische Gruppe ist die der limikolen Tiere, die im Schlamme, Sande, Mull und Detritus ein mehr oder weniger verborgenes, heruntergekommenes Dasein fristen. Zu dieser Gruppe gehéren diejenigen Oligochaéten und Turbellarien, die sich durch die Fahigkeit ungeschlechtlicher Fortpflanzung auszeichnen. Alle diese Tiere zeigen ein grofes Regenerationsvermégen, das auch ihren nachsten, sich nicht ungeschlechtlich fortpflanzenden, Verwandten zukommt. Der hauptsichlich yon y. Kennet (1888) Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 31 und mir (1888) versuchte Nachweis der Ableitung der ungeschlecht- lichen Fortpflanzung von einem hochgradig gesteigerten Regenera- tionsvermégen hat fast allgemeine Anerkennung gefunden. Als Tiere, die nicht in eine der oben angefiihrten biologischen Gruppen gehéren, bei denen aber das hochgesteigerte Regenerationsvermégen in Verbindung mit der Erscheinung der Autotomie zu einer Art ungeschlechtlicher Fortpflanzung gefiihrt hat, sind die durch Tei- lung sich vermehrenden See- und Schlangensterne zu nennen. Sonst la8t sich wohl behaupten, daf die geringste Neigung zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung bei den freikriechenden und ganz besonders bei den freischwimmenden Tieren vorkommt. Daf die Ausnahmen die Regel bestitigen, scheint mir im vorliegenden Fall besonders evident zu sein. Wer wollte heutzutage leugnen, da& es die festsitzende Lebensweise der Vorfahren gewesen ist, welche den Medusen, Siphonophoren, Salpen und Pyrosomen den Stempel ihrer besonderen Organisation aufgedriickt und bei ihnen als Reminiszenz auch die Fahigkeit der ungeschlechtlichen Ver- mehrung durch Knospung hinterlassen hat! Wie instruktiv ist daneben das Fehlen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung bei den Appendicularien, die doch wohl im neotenischen Sinne als ge- schlechtsreif gewordene freischwimmende Larvenformen festsitzen- der Tunicaten zu deuten sind, und besonders das Fehlen jenes Vermoégens bei der einzigen Abteilung der Zoophyten, bei welcher die freischwimmende Lebensweise eine uralte ist und die nicht von festsitzenden Formen abgeleitet werden kann, der Klasse der Ctenophoren namlich! Nach alledem ist das freischwimmende, sich ungeschlechtlich fortpflanzende Trochozoon, dessen alt angestammte Freiheit von den Trochophoratheoretikern nicht genug betont wird, in der un- geschlechtlich sich fortpflanzenden Tierwelt eine fremdartige Er- scheinung. Diese Fortpflanzungsweise ist auch den nahe ver- wandten Ridertieren, sogar den festsitzenden unter ihnen, fremd. Es ist sogar nicht einmal bekannt, ob die Rotatorien ein so er- hebliches Regenerationsvermégen besitzen, daf sich daraus die un- geschlechtliche Fortpflanzung durch terminale Knospung (eine Art Teilung) entwickeln kénnte. Das Regenerationsvermégen miiSte doch so grof sein, daf ein kleines hinteres Teilstiick eines Indi- viduums durch Regeneration zu einem kompletten Individuum aus- wachsen koénnte. Es ist nun ferner von gro8er Wichtigkeit, die biologische Be- deutung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung in Verbindung mit ihrem Vorkommen im Tierreich zu ermitteln. Dabei sind ihre 32 Arnold Lang, Bedeutung fiir die Oekonomie der Individuen und Stécke und die Bedeutung fiir die Existenzverhaltnisse der Art auseinanderzuhalten. Von 6konomischem Vorteil fiir die ungeschlechtlich erzeugten Individuen einer Tierart selbst wird diese Fort- pflanzungsweise, wie es scheint, nur dann, wenn die einzelnen In- dividuen miteinander in Zusammenhang bleiben, also Stécke bilden und auch dann nur, wie wir sehen werden, bei ganz bestimmten Formen der Stockbildung. Wenn dies nicht der Fall ist, d. h. wenn die durch 'Teilung oder Knospung neu entstehenden Individuen sich sofort loslésen, so erscheint die ungeschlechtliche Fortpflanzung mit ihren Vorbereitungs- und Begleiterscheinungen eher als ein die tibrigen Lebensfunktionen der Individuen beeintrachtigender, stérender Akt. Aber auch dann, wenn die ungeschlechtlich entstehenden In- dividuen in Zusammenhang bleiben, ist der direkte Nutzen der Vermehrung der Individuenzahl, sei es fiir jedes Individuum, sei es fiir die ganze Kolonie durchaus nicht immer ersichtlich. So ist z. B. nicht recht verstandlich, welcher Vorteil durch die Ver- mehrung der Individuenzahl der locker zu Ketten vereinigt blei- benden Salpen jedem einzelnen Individuum oder der ganzen Kolonie erwachsen sollte. Ich vermute, dafi es sich hier um eine neben- saichliche Begleiterscheinung der Knospung oder um eine Remi- niszenz alter Stockbildung sedentirer Tiere handelt. Ebensowenig ist die Vermehrung der Individuenzahl an und fiir sich bei den durch terminale Knospung entstehenden, voriiber- gehenden, linearen Kolonien der Scheibenquallen (Strobila), Rhabdo- célen (Microstoma, Stenostoma) und Anneliden (Syllideen, Oligo- chaten) jedem Individuum oder der ganzen Kolonie niitzlich. Den Vorteil des Zusammenhanges mit anderen Individuen geniefen hier ganz einseitig die jungen, noch nicht erwerbsfaihigen Indivi- duen. Sie werden von dem altesten vordersten oder obersten Individuum ernahrt. Fiir dieses letztere aber, wie fiir die ganze Kolonie, bedeutet die Zunahme der Zahl der Individuen ebenso sehr eine zunehmende Erschwerung des Fortkommens wie der bestindige Zuwachs einer zahlreichen Familie durch immer neue, erwerbsunfihige Kinder dann, wenn ein einziger Ernihrer da ist, diesem und der ganzen Familie die Existenz erschwert. Um bei dem Vergleich zu bleiben, sorgt bei den meisten Turbellarien und Anneliden die Mutter zeitlebens fiir die Kinder, deren sie bestandig wieder neue erzeugt und sogar fir die Kindeskinder, waihrend bei der Strobila die Ernahrerin, Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 33 und zwar sehr bald, in allen ihren Rechten und Pflichten durch eine neue ersetzt wird. Anders sind die Verhaltnisse bei der Bandwurmstrobila. Hier ist kein Glied der Ernaihrer des anderen oder der ganzen Kolonie. Hier kann die Vermehrung der Individuenzahl fiir das einzelne Individuum und die ganze Kolonie so lange irrelevant sein, als das ernihrende Wohntier fiir die Ernahrung aufkommen kann. Ein direkter Nutzen aber erwachst auch hier dem einzelnen Indi- viduum oder der ganzen Kolonie durch die Vermehrung der Individuenzahl nicht. Kin Nutzen erwachst dem einzelnen Indi- viduum und der ganzen Kolonie nur dadurch, dafi die Individuen untereinander von Anfang an in Zusammenhang bleiben, so daf jedem Individuum die Ausbildung eines besonderen Haft- apparates und die Sorge der Ansiedelung und Befestigung erspart bleibt. Von direktem, grofem Nutzen wird die Vermehrung der Individuenzahl fiir den Einzelnen und die Gesamtheit erst dann, wenn dabei die Zahl der erwerbsfaihigen Personen, der Er- nahrer und Beschiitzer zunimmt und die einzelnen Individuen mit- einander in Zusammenhang bleiben, ein gemeinsames Ernahrungs- system besitzen, sich gegenseitig unterstiitzen und unterhalten. Dann treten alle die bekannten Vorteile der Staatenbildung in die Erscheinung. Aus einer groBen Familie mit vielen erwerbskraftigen Mitgliedern wird eine konkurrenzfihige Kolonie, ja ein machtiger, selbstandiger Staat. Das ist bei der ungeschlechtlichen Fort- pflanzung dann der Fall, wenn sie nicht durch Querteilung oder terminale Knospung geschieht (wobei gleichzeitig nur ein Indivi- duum Ernahrer sein kann), sondern durch laterale Knospung oder Langsteilung, wobei die entstehenden Individuen mit dem Muttertiere und miteinander in Zusammenhang und ihre ernahrenden Systeme in Kommunikation bleiben. So wird z. B. die Zahl der Ernahrer ver- mehrt bei jenen Formen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung, die zur Stockbildung der Schwimme, Hydrozoen, Korallen und zu- sammengesetzten Ascidien fiihren. Das sind bekanntlich lauter sehr konkurrenzfaihige Korporationen. Von ganz besonders grofem Interesse ist der Fall der Vermehrung der ernihrenden freien Kopfstiicke bei der vielfach verzweigten spongikolen Syllis ramosa. Es ist also ersichtlich, da8 die ungeschlechtliche Vermehrung der Individuenzahl nur in ganz bestimmten Fallen den einzelnen Individuen sowohl wie der ganzen Familie oder Kolonie Bd, XXXVIII. N. F, XXXI. 2 34 Arnold Lang, biologische und speziell 6konomische Vorteile gewahrt; in vielen Fallen ist sie sogar mit Nachteilen verbunden. Demgegeniiber lat sich fast in allen Fallen unschwer zeigen, welche ungeheure Bedeutung die ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Vermehrung der Individuenzahl fiir die Art hat. Es handelt sich dabei nicht nur darum, daf die ungeschlechtliche Fortpflanzung als Vermehrungsform der Individuen tiberhaupt fiir die Erhaltung der Art von Nutzen ist, sondern es handelt sich vielmehr um wichtige Anpassungserscheinungen an besondere Existenzbeding- ungen. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung leistet den Tieren dieselben Dienste, wie z. B. die fortgesetzte Parthenogenese den Blatt- und Wurzellausen, die, wahrscheinlich auch partheno- genetische, Fortpflanzung der Sporocysten und Redien den Disto- miden, die aufeinander folgenden Monogonien den Sporozoen u. s. w. Wenn ein einziges Blattlausweibchen im Frihjahr auf eine junge Rosenknospe gelangt, wenn ein einziger bewimperter Distoma- embryo eine Limnaea infiziert und nur wenige aus einer ein- zigen mit der Nahrung aufgenommenen Cyste ausschliipfende Gymnosporen von Coccidien in Darmepithelzellen des Wirtes ein- dringen, so sind bald, dank dem Vermégen der parthenogenetischen Fortpflanzung, aus dem einzigen Ansiedler Hunderte und Tausende geworden. So dient diese Fortpflanzung bei rascher und ergiebiger Ausniitzung der nur selten sich darbietenden giinstigen Existenz- bedingungen, deren Eintritt im héchsten Grade vom Zufall ab- hangt, zu einer ebenso raschen und ergiebigen Vermehrung der Individuenzahl, und dadurch werden die Chancen fiir die Erhaltung der Art selbstverstaindlich ungemein vergréfert. Handelte es sich in den erwahnten Fallen um getrennt geschlechtliche Tiere, die sich nur durch befruchtete Eier fortzupflanzen verméchten, so wire die einmalige Infektion eines Wohntieres oder einer Wohn- pflanze mit einem einzigen Parasitenexemplar fiir die Erhaltung der betretfenden Parasitenart véllig belanglos, bei der Infektion mit mehreren Exemplaren aber nur dann von Bedeutung, wenn unter den Exemplaren Mannchen und Weibchen sich befinden. Der Fall aber einer nur einmaligen Infektion mit nur einem oder nur sehr wenigen Parasitenexemplaren kommt gewif in der Natur iiberaus haufig vor. Eine gewisse Verbesserung in den Einrich- tungen zur ergiebigen Ausnutzung selten eintretender, resp. schwer zu erreichender giinstiger Existenzverhiltnisse ist bei vielen Para- siten durch die Ausbildung des hermaphroditischen Zustandes herbei- gefiihrt, welcher die Individuenzahl gewissermaSen verdoppelt und Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 3D wenigstens bei einigen Formen eine Selbstbefruchtung zu ermég- lichen scheint. Die namlichen grofen Dienste fiir die Erhaltung der Art, wie die parthenogenetische Fortpflanzung, leistet, be- sonders festsitzenden und parasitischen Tieren, die ungeschlecht- liche Fortpflanzung. Auch sie ermdéglicht es in vielen Fallen der voriibergehenden oder dauernden Stockbildung den Tieren, eine selten sich darbietende, giinstige Gelegenheit recht ausgiebig und energisch zum Zwecke der raschen und reichlichen Vermehrung der Individuenzahl auszuniitzen. Wenn eine einzige unter Tausenden von Larven eines Cestoden (die Bandwiirmer heifen in manchen Sprachen Einsiedlerwiirmer, z. B. vers solitaires, vermi solitarii) die Chance gehabt hat, in den Darm ihres spezifischen Wirtes zu gelangen, so leistet bei ihr das fast unbeschrankte Vermégen der ungeschlechtlichen Ver- mehrung mindestens ebensoviel, wie bei einem einzigen auf einen Rebstock gelangten Weibchen der parthenogenetischen Generation von Phylloxera die parthenogenetische Fortpflanzung und bei einem Distoma-Embryo die in wiederholten Generationen er- folgende Bildung zahlreicher innerer Keime. Die Sache 1aft sich zahlenmabig demonstrieren. Erzeugt die betreffende Larve, wie z. B. der Scolex von Bothriocephalus latus, 3000—4000 Glieder und noch mehr, ein jedes mit einem kompletten herma- phroditischen Geschlechtsapparat, so miften bei einem der unge- schlechtlichen Fortpflanzung unfahigen Trematoden von der Grobe eines reifen Bothriocephalusgliedes und mit derselben Produktions- fahigkeit yon Eiern 3000—4000 Larven in den Kérper des Wirtes gelangen, wenn fiir die Erhaltung der Art dasselbe geleistet werden sollte, was die einzige Bothriocephaluslarve leistet. Als besonders lehrreich ist mir immer ein Vergleich zwischen den grofen, viel- gliedrigen Bandwiirmern und der kleinen, 3—4-gliedrigen Taenia echinococcus erschienen. Die letztere ersetzt durch die grofe Bandwurmindividuenzahl, in der sie in der Regel auftritt, die ge- ringe Zahl und Gréfe ihrer Proglottiden. Dies ist aber nur da- durch méglich, daf bei dieser Form das Schwergericht der un- geschlechtlichen Fortpflanzung auf das im Zwischenwirt lebende Larvenstadium, die Finne, verlegt ist. Diese Finne laft sich als ein hydropischer Laryvenrumpf mit stark vergréSerter Oberfliche betrachten, an dem zahlreiche Kopfabschnitte (Scolices) knospen, wahrend umgekehrt bei den grofen Bandwiirmern ein einziger Kopfabschnitt (der Scolex) bestandig wieder neue, geschlechtsreif werdende Rumpfabschnitte (Proglottiden) regeneriert. Wenn ein 3* 36 Arnold Lang, Hund sich mit einer einzigen Finne von Taenia echinococcus in- fiziert, so infiziert er sich mit sehr zahlreichen Scolices, aus denen ebenso zahlreiche weniggliedrige Tanien hervorgehen. Denjenigen der Cestoden nicht unahnlich sind die Verhilt- nisse der quasi-sedentaren Syllideen, die, in Schlupfwinkeln ver- steckt und geschiitzt, in einer Umgebung leben, die ihnen auch giinstige Ernahrungsbedingungen darbietet. Viele von ihnen sind in der Tat Kommensalen von Korallen, Schwimmen, Bryozoen, andere sind halbe Parasiten. Wie die Cestoden, so niitzen auch sie die einmal erworbenen giinstigen Existenzbedingungen durch reichliche ungeschlechtliche Fortpflanzung (Bildung von wenig- oder vielgliedrigen Ketten, durch terminale Knospung, Loslésung der hintersten, altesten, geschlechtsreifen Individuen) im Interesse der Erhaltung der Art aus. Es mag geniigen, wenn ich den neuesten bekannt gewordenen Fall citiere, der hierher gehért. Wir lesen in Max Wesers ,,Einleitung und Beschreibung“ (1902) der von ihm so trefflich geleiteten Siboga-Expedition von einem zuerst in den Tiefen der Meerenge von Makassar aufgefundenen Exemplar von Chrysogorgia flexilis W. et Sr., daf neben den gewéhnlichen Polypen solche von viel betrichtlicheren Dimensionen vorkamen. Dr. VersLuys, der den Fall untersuchte, fand, da’ die gréSeren, anormalen Polypen von parasitischen Copepoden bewohnt waren. »Mais ce qui est encore plus remarquable c’est quae — d’aprés les recherches de M. Vrerstuys — la cause de l’agrandissement des polypes comme dans l’éehantillon représenté dans notre figure de Chrysogorgia flexilis, est une Annélide de la famille des Autolytidae.“ Es sind dies bekanntlich Syllideen. , Dans chaque polype se trouve un exemplaire de la forme asexuée de ce ver, trés modifié par la vie parasitaire, qu'il méne 4 lintérieur du po- lype. Par schizogamie cette forme produit, de la maniére connue, des animaux sexués 4 sa partie postérieure. Ceux-ci, connus sous le nom de Polybostrichus ou Sacconereis, étaient présents dans les polypes, A l’état de stolon et d’animal sexué libre avec toutes les formes intermédiaires.“ Nicht minder einleuchtend ist der Nutzen der Vermehrung der Individuenzahl durch ungeschlechtliche Fortpflanzung fiir die Krhaltung der Art bei den festsitzenden Tieren, wo diese Fort- pflanzungsweise so hiufig vorkommt. Auch hier leistet eine einzige Larve einer stockbildenden Tierform, wenn es ihr, nachdem sie allen Fiahrlichkeiten des freien Lebens gliicklich entronnen, ge- lungen ist, eine giinstige Ansiedlungsstiitte zu finden, dadurch, da sie durch Knospung oder Teilung eine Kolonie von Hunderten oder Tausenden yon Individuen erzeugt, so viel wie 100 oder Beitrige zu einer Trophociltheorie. 37 1000 Larven einer anderen, nicht stockbildenden Tierform von derselben Gréfe, abgesehen davon, dafi hier noch der Vorteil des »genossenschaftlichen Betriebes‘* hinzukommt. Die Individuen einer zusammengesetzten Ascidie, eines Hydroidstockes, eines Korallen- stockes leisten zusammen ,,viribus unitis‘’ vielleicht mehr, als ebensoviele isolierte Individuen von annaihernd derselben Grobe‘). Es kommt nun bei der Beurteilung der biologischen Be- deutung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung noch der Umstand wesentlich in Betracht, daf die Lebensumstinde, unter denen die meisten der betreffenden Tiere leben, derart sind, dal sie zum Zwecke der Erhaltung der Art sehr guter Ausbreitungsmittel bediirfen. Die festsitzenden oder die quasi-sedentiren Tiere miissen dafiir sorgen, daf durch Neuansiedelungen ihr Geschlecht erhalten bleibt, die Parasiten miissen bedacht sein, da’ ihre Nachkommen auch wieder in ernihrende Wohntiere hineingelangen, sonst sterben mit ihren Wirten auch die Parasiten ab, und ihre Sippe erléscht. Obschon nun leider tiber die Verbreitungsmittel der niederen Wassertiere keine umfassenden, auf den speziellen Punkt gerichteten Untersuchungen vorliegen, lat sich doch nicht leugnen, dali wenigstens bei den Meerestieren aktive lokomotorische Mittel der Ausbreitung die wichtigste Rolle spielen. Werden bei den festsitzenden oder eine verwandte Lebensweise fihrenden, sich ungeschlechtlich fortpflanzenden Tierarten die ungeschlechtlich erzeugten Individuen des Tierstockes geschlechtsreif (es handelt sich hier immer um dauernde Kolonien, meist Ernahrungs- genossenschaften), so erzeugen sie befruchtungsbedirftige Eier in grofer Anzahl, welche nach erfolgter Befruchtung zu _ frei- schwimmenden aus- und umherschwarmenden Larven werden, die dann spiter zu Boden sinken und, wenn sie an eine giinstige Statte geraten, sich ansiedeln, ungeschlechtlich vermehren und wieder einen neuen Stock griinden. In anderen Fallen werden, wie das bei so vielen Hydrozoen geschieht, in einer Ernihrungsgesellschaft neben den gewohnlichen, steril bleibenden Ernahrungsindividuen mit der Fahigkeit der Lokomotion begabte Ausbreitungs- individuen (z. B. die Medusen) durch Knospung erzeugt, die zu Geschlechtstieren sich ausbilden. Geschieht die Ausbreitung hier schon durch die sich vom Stocke loslésenden, freischwimmenden 1) Immerhin darf nicht vergessen werden, daf eine schadigende Einwirkung, indem sie auf alle Invividuen eines Stockes einwirkt, zu einer wahren Katastrophe werden kann. 38 Arnold Lang, Geschlechtstiere, so kommt dazu noch — doppelt genaht halt gut — das vorhin erwihnte, haufigste aller Ausbreitungsmittel. Aus den befruchteten Eiern der freischwimmenden Ausbreitungs- individuen gehen namlich selbst wieder freischwimmende Larven hervor, die sich spater niederlassen und eine neue Kolonie durch fortgesetzte Knospung oder unvollstandige Teilung griinden. Da aber, wo dieungeschlechtliche Fortpflanzung nicht zur Bildung von Ernahrungsgemeinschaften fihrt, kommen nur vortibergehende Verbande zu stande. In diesem Falle — es handelt sich bei den festsitzenden oder quasi-sedentiren Tieren um Bildung linearer Kolonien durch ,terminale Knospung oder ,,Strobilation’“ — ist der Zweck der ungeschlechtlichen Fortpflanzung ausschlieflich Ausnitzung giinstiger biologischer Verhaltnisse zur Vermehrung der Zahl der sich geschlechtlich differenzierenden Ausbreitungsindi- viduen, die ihre Aufgabe nicht erfiillen, wenn siesich nicht loslésen. Hierher gehért die Bildung der Scheibenquallen durch Strobilation des festsitzenden Scyphistoma und die Bildung der freischwimmenden Geschlechtsindividuen der Syllideen durch terminale Knospung am Kérper der quasi-sedentaren, ungeschlecht- lichen Formen. Die immense Bedeutung, die hier die ungeschlecht- liche Fortpflanzung fiir die Erhaltung der Art hat, kann nicht deutlicher illustriert werden, als durch diese Falle der Bildung voriibergehender Kolonien, in denen jeweilen nur ein Mund die ganze Gesellschaft ernihrt und wo also der Fortpflanzungsprozef die Lebensfunktionen der betreffenden Tiere um so mehr erschwert, je intensiver er ist, und je mehr Individuen durch den einzigen Ernahrer mit Nahrung versorgt und grofgezogen werden miissen. Bei den parasitiren Cestoden sind die Verhaltnisse wesent- lich andere. Der Kopf ist hier nicht der Ernihrer, sondern auch er wird, wie die Glieder, von den Nahrungssiften des Darmes des Wirtes ernihrt. Fiir die Glieder selbst ist es niitzlich, wenn sie méglichst lange miteinander und mit dem Scolex zusammenhangen, um modglichst lange die giinstigen Ernahrungsbedingungen aus- zuntitzen, so lange, bis schlieflich die Proglottis die gréft- mogliche Zahl gut ausgeriisteter, befruchteter Eier erzeugt hat. Dann aber ist auch fiir die Bandwurmproglottis der Zeitpunkt ge- kommen, wo sie sich loszulésen und den Kérper des Wirtes zu verlassen hat. Ihre Ausbreitung und die ihrer Dauereier braucht sie nicht selbst zu besorgen, das besorgt wenigstens zum Teil schon der freibewegliche Wirt. Beitrige zu einer Trophociltheorie. 39 In einigen selteneren Fallen scheint der Zweck der un- geschlechtlichen Fortpflanzung ausschlieflich der der Ver- mehrung der Zah! der sich loslésenden Geschlechtsindividuen zu sein, wahrend die Ausbreitung ausschlieflich durch die freischwimmenden Larven geschieht, die sich aus den Eiern dieser Geschlechtsindividuen entwickeln (die Fungien unter den Stein- korallen, einige Fleischkorallen, tubikole Anneliden [Protula] und einige Capitelliden, bei denen der geschlechtsreife Rumpf ab- geschniirt und wahrscheinlich wieder durch Regeneration vom vorderen Kérperteile aus ersetzt wird). Aus den vorstehenden Erérterungen (vergleiche auch Lane 1888 und Mataguin 1893) scheint sich folgendes zu ergeben: 1) Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Kno- spung oder Teilung hat sichim Tierreich vornehmlich bei sedentaren, quasi-sedentaren und parasitisch fi- xierten Tieren, dann bei tubikolen und limikolen Formen und bei Tieren etabliert, deren nachste Verwandte ein aukergewoéhnliches Regenerations- vermoégen besitzen — nicht aber bei freischwimmenden Tieren. — Die Ausnahmen (Hydromedusen, Siphono- phoren, Salpen, Pyrosomen) bestatigen die Regel. Es fehlt also jegliche biologische Grundlage fir die Annahme, da8 sich bei dem freischwimmenden Trochozoon ungeschlechtliche Fortpflanzung ein- stellte. Diese kommt nicht einmal bei den nachsten fest- sitzenden Verwandten, den sedentaéren Rotatorien, vor. 2) Ein dauerndes Zusammenbleiben durch Kno- spung oder unvollstandige Teilung entstandener Indi- viduen kommt nur bei den Tierstécken vor, die er- nahrende Gesellschaften bilden, bei denen sich mit der Vermehrung der Zahl der Individuen auch die Zahl der Ernahrer vermehrt (Schwamme, Hydrozoen, Korallen, Bryozoen, stockbildende Tunicaten). Dabei breitet sich die Kolonie nach allen Richtungen des zur Verfiigung stehenden Raumes aus. Das Zusammenbleiben der vermeintlich durch ungeschlechtliche Fortpflanzung des Trochozoon erzeugten Individuen (Metameren) ist also unver- standlich. 3) Wenn durch ungeschlechtliche Fortpflanzung keine Erwerbs- und Ernahrungsgemeinschaften ge- 40 Arnold Lang, bildet werden W— lineare Kolonien gehéren niemals zu diesen — so ist der Hauptzweck der ungeschlechtlichen Fort- pfanzung die Erzeugung sich loslésender, sich geschlechtlich differenzierender Individuen, die haufig noch vermége ihrer der freien Schwimm- bewegung angepasten Organisation die Ausbreitung der Art besorgen. Es ist also gianzlich unverstandlich, daf sich die Geschechtsindividuen (Metameren) der vermeint- lichen serialen Trochozoenkolonien niemals los- lésen. Es ware auch die Annahme ganzlich unbegriindet, daf sich urspriinglich die Individuen losgelést hiatten und daf dann spiter die Loslésung, das heit der ausschliefliche Zweck der Bildung solcher Individuen unterblieb, es sei denn, daf’ man annehme, die tempordren serialen Trochozoonkolonien hatten sich plétzlich darauf besonnen, daf sie durch Zusammenbleiben und Differenzierung einen vortrefflichen Organismus bilden und zu Stammeltern der héchsten Abteilungen des Tierreiches werden kénnten. Die Umwandlung der serialen Kolonie muSte dann aller- dings sprungweise erfolgen. Doch Scherz beiseite : Wer trotz aller Bedenken an der Kormentheorie festhalten will, dem bleibt meiner Ansicht nach nur die Annahme tibrig, vor der sich aber die Trochophoratheoretiker ihrerseits bekreuzigen werden, dal’ das Stammtrochozoon ein festsitzendes oder quasi- sedentares Tier war, das mit seinem Hinterende ahnlich befestigt war, Wie das Scyphistoma mit dem aboralen Pole, der Bandwurm mit dem Scolex und die festsitzenden Rotatorien mit dem Hinter- ende. Das Prototroch diente als Strudelorgan zum Herbeistrudeln der Nahrung. Das Tier zeigte ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Strobilation vom fixierten Hinterende aus, d. h. dureh sukzessive, unvollstandige Abschniirung des Rumpfes mit dem Kopfe, Munde und Strudelorgan und sukzessive Regeneration des- selben. So bildeten sich temporare Strobilae, an denen jeweilen das alteste, am frei vorragenden Ende befindliche Stiick die Rolle des Ernihrers der ganzen Kolonie spielte, bis es, diese Rolle seinem Nachfolger tiberlassend, sich losléste, mit dem Strudelorgan davonschwamm, die Geschlechtsorgane zur Reife brachte und die Geschlechtsprodukte ausbreitete. Wenn sich nun auch der Kormentheoretiker kaum vorstellen kann, wie aus der temporiren festsitzenden Trochozoenstrobila die dauernde, freibewegliche, lineare Kolonie, genannt Annelid, wurde, Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 41 so kann er sich immerhin damit trésten, da die phylogenetische Entstehung der Siphonophoren noch sehr kontrovers ist und daf man sich auch nicht gut im einzelnen vorstellen kann, wie die freischwimmenden Salpen aus festsitzenden Formen hervorgehen konnten. Ks ist hier der Ort, zu erwihnen, dal} innerhalb der Rotatorien fast allgemein, und mir scheint mit Recht, die festsitzenden Formen von den freien abgeleitet werden und nicht umgekehrt. Schon der Pharynx mit dem Kieferapparat scheint mir deutlich genug zu Gunsten der urspriinglich nicht sedentiren Lebensweise zu sprechen ‘). Es erscheint also, wenigstens zur Zeit, unméglich, zu Gunsten der Kormentheorie der Metamerie biologische Gesichtspunkte ins Feld zu fiihren. Ich komme nun zu der zweiten Hauptfrage, die an Be- deutsamkeit der eben behandelten ebenbiirtig ist: Findet die Auffassung der Kormentheoretiker, daw die onto- genetische Bildung des Articulatenkoérpers ein un- geschlechtlicher Fortpflanzungsproze8, ein Kno- spungs- oder fortgesetzter unvollstandiger Tei- lungsvorgang Sei, eine Stiitze im Nachweise analoger Vorgange im Tierreich, die zweifellos in das Gebiet der ungeschlechtlichen Vermehrung gehoéren? Am meisten Aehnlichkeit haben die Vorgainge bei der Bildung des Annelidenkérpers mit den Erscheinungen der ,,Strobilation“ oder ,,terminalen Knospung“, die zur Bildung temporirer, linearer Kolonien fiihren. Alle Anhanger der Kormentheorie, von den alteren Begriindern bis zu den jiingsten Verteidigern, haben denn auch diese Erscheinungen zum Vergleich herangezogen. 1) Die gegenteilige Ansicht, da8 die Rotatorien urspriing- lich festsitzend seien, hat indessen Turete (189 1) nachdriick- lich vertreten. ,,Nur durch die festsitzende Lebensweise kénnen die Besonderheiten der Rotatorien geniigend erklirt werden; durch Festsetzung ist der langausgezogene Ful mit dem Haftapparat am Ende, die starke Kontraktilitat des Leibes und ihre wichtigste Eigentiimlichkeit, der retraktile Wimperapparat, erklirbar. Die freibeweglichen Formen sind jedenfalls nicht die primitiven; das Kriechen der Rotatorien kann nicht als eine urspriingliche Art von Bewegung angesehen werden, wiahrend das Schwimmen durch Cilienbewegung in der Tat einige Aehnlichkeit mit dem der Cteno- phoren und der Wimperlarven zeigt.“ 42 Arnold Lang, Welcher Natur sind denn diese Erscheinungen? Worauf be- ruhen sie? Bei der Erérterung dieser Fragen muf zunachst hervor- gehoben werden, dal die Bezeichnung ,,terminale Knospung“ eine durchaus unzutreffende ist. Weder bei der ,,terminalen Knospung“ der Larven der Scheibenquallen, noch bei der der Cestoden oder Syllideen wichst am Ende des unveradnderten Kérpers (des Muttertieres) eine Knospe hervor, die sich zu einem neuen Individuum entwickelt. Vielmehr sind die Vorgange, genau unter die Lupe genommen und vergleichend betrachtet, immer Teilungs- vorgange, wie das besonders v. WAGNER (1891) scharf hervor- gehoben hat. Die elementare Grunderscheinung, die allen diesen Teilungsvorgangen zu Grunde liegt, ist die, daf ein gestreckter Tier- kérper durch Querteilung in zwei Stiicke zerfallt, in ein adorales und ein aborales, und dali’ dann wenigstens das eine dieser Stiicke durch Regeneration des anderen wieder zu einem kompletten In- dividuum auswachst. Ich wahle die Bezeichnungen adoral und aboral, weil sie sich sowohl fiir die bilateral-symmetrischen, als die radiir gebauten Tiere verwenden lassen und auch fiir die Cestoden kein Zweifel besteht, was unter adoral zu verstehen ist, obschon sie keinen Mund besitzen. Untersuchen wir die Bedingungen, unter denen nur einseitige Regeneration erfolgt, so kénnen wir leicht zwei Hauptfaktoren herausfinden. Der eine Faktor — es ist auf dessen grofe Tragweite von verschiedener Seite und von mir zu wiederholten Malen auf- merksam gemacht worden — ist der, daf die Regenerationsfaihig- keit eines Kérpers im umgekehrten Verhaltnisse zu der Fahigkeit, Geschlechtsprodukte zu erzeugen, steht. Der zweite Faktor ist der, dal} das fehlende Stiick nur dann regeneriert wird, wenn sein Vorhandensein biologisch und physio- logisch noétig und niitzlich ist. Zu den Formen der Fortpflanzung durch Teilung mit ein- seitiger Regeneration gehért unter anderen die Strobilation der Scheibenquallen, der Fungien, der Cestoden, gewisser Anneliden, z. B. Clistomastus unter den Capitelliden, des Palolowurms, Kunice viridis Grupe unter den Euniciden, Haplosyllis unter den Syllideen u. s. w. Bei den erwihnten Anneliden ist es das aborale (hintere) Teilstiick, welches nicht mehr regeneriert, es ist zugleich dasjenige, welches zur Zeit der Losliésung die Geschlechtsprodukte schon voll- Stindig zur Reife gebracht hat. Dient dieses Stiick zugleich zur Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 43 Ausbreitung, so treten friihzeitig, vor der Loslésung, Umgestaltungen an ihm auf, die es zu einer freien Lokomotion befiahigen. Auch bei den Scheibenquallen und Cestoden sind es die zu den Geschlechtsindividuen werdenden Teilstiicke, welche nicht regenerieren, es sind im ersteren Falle die oralen, im letzteren die aboralen. Hier kommt in Betracht, dafi das Teilstiick, dessen Regeneration unterbleibt, der Scolex des Bandwurms!), das Fub- stiick des Scyphistoma, fiir das andere Teilstiick (das Bandwurm- glied, die Ephyra) biologisch und physiologisch bedeutungslos ist. Die Regeneration beschrankt sich auf eine Art Vernarbung der Trennungsstelle. Wenn wir das ontogenetische Zustandekommen des metameren Zustandes des Annulatenkérpers als ungeschlechtliche Fortpflanzung auffassen, so gehért sie hierher, in diese Kategorie der Fortpflanzung durch Teilung mit einseitiger Regeneration. Die Re- generation unterbleibt an den adoralen Teilstiicken, den Metameren, die auch hier in der Tat spater zu den Geschlechtssegmenten werden, mit Ausnahme des vordersten (des Kopfsegmentes) und gewohnlich einiger darauf folgender, die sich nie geschlechtlich differenzieren, was wiederum fiir den Vergleich eine sehr grofe Schwierigkeit ist. Auf eine andere schwer verstandliche Eigen- tiimlichkeit komme ich nachher noch zuriick, namlich auf die, daf das Annelid sich zu sich selbst in Gegensatz stellt, wenn es einer- seits bei der ontogenetischen Entwickelung sich wie eine Medusen- strobila verhalt, da das aborale Teilstiick (das Pygidium oder 1) Ich habe es immer fiir méglich gehalten, da einmal der Fall der Regeneration des Scolex an der losgelisten, jungen Pro- glottis entdeckt werde, und es wire interessant, hieriiber experi- mentell Aufschlu8 zu gewinnen. Vielleicht liegt in dem eben von M. Line 1902 beschriebenen Urogonoporus armatus ein ahnlicher Fall vor. Dieser Parasit von Acanthias ist nur in der Form von Proglottiden gefunden worden, die aber vorne einen beweglichen, herzférmigen, mit kraftigen Stacheln dicht besetzten Haftlappen, also eine Art Scolex, besitzen. Da die Geschlechts- éffnung am Hinterende des Kérpers liegt, so ist es nicht wahr- scheinlich, daf bei dieser Art die losgelisten Proglottiden einer langen Bandwurmkette entstammen. Vielmehr darf man an die Méglichkeit denken, da’, wenn die Proglottiden von Urogono- porus sich nicht etwa direkt aus dem Ei entwickeln, die Art also zu den Monozoa oder Cestodaria zu rechnen wire, die Proglottiden sich sehr friihzeitig von einer kurzen Strobila loslésen, um ein mit Stacheln bewaffnetes scolexahnliches Kopfende zu regenerieren und sich damit an der Darmwand zu verankern. 44 | Arnold Lang, Aftersegment des Ringelwurmes, das Fubstiick der Medusenstrobila) das regenerierende ist, wahrend andererseits, wenn am gegliederten, durch ungeschlechtliche Fortpflanzung entstandenen Ringelwurm- kérper, dieser linearen Trochozoenkolonie, neuerdings wieder un- geschlechtliche Fortpflanzung auftritt, also die Kolonie als solche sich ungeschlechtlich vermehrt, es nunmehr das orale Teilstiick der Kolonie ist, welches das aborale regeneriert. Ich darf hier nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, daf in diesem letzteren Falle, wo es sich um eine unzweideutige Fortpflanzung durch Teilung handelt, welches Vermégen zweifellos mit dem Regenerationsvermégen innig zusammenhangt, auch eine Uebereinstinmmung mit dem Regenerationsvermégen darin besteht, daf die Reparationsfahigkeit des vorderen Abschnittes eines in zwei Stiicke zerschnittenen Wurmes (Platoden, Nemertinen, Anne- liden) tiberall gréfer zu sein scheint als die des hinteren. Das gewaltige Regenerationsvermégen, das dem Schwanzstiicke des sich entwickelnden Ringelwurmes zukommt, wahrend die Re- generation an den vorderen Stiicken (den Metameren) ginzlich unterbleibt, ist also eine durchaus befremdende Erscheinung und kénnte wiederum nur unter der Annahme verstindlich erscheinen, dafi der Kérper der ungegliederten Stammform am Hinterende festgeheftet war. Haufiger als die Fortpflanzung durch Teilung mit einseitiger Regeneration ist bei den Wiirmern diejenige mit beidseitiger Re- generation, indem nicht nur das vordere Stiick wieder das hintere, sondern auch das hintere wieder das vordere regeneriert. Dies letztere geschieht indessen nur dann, wenn das hintere Teilstiick zur Zeit der Sonderung geschlechtlich noch unreif ist, sich gewisser- mafen auf einem Jugendstadium befindet. Hat zur Zeit der Son- derung die Bildung der Geschlechtsprodukte im hinteren Teil- stiicke schon begonnen, wie das bei den oben erwihnten Formen Clistomastus, Palolo (Eunice viridis), Haplosyllis und noch anderen der Fall zu sein scheint, so unterbleibt die Regene- ration des vorderen an diesem hinteren Teilstiicke. Der Umstand, da die Teilung im geschlechtlich noch unreifen Zustande des Kérpers erfolgt, ist es also, welcher das Eintreten der Regeneration an beiden Teilstiicken erméglicht. Dazu kommt freilich noch, dafS das Vorhandensein eines vorderen Teilstiickes fiir das hintere keineswegs belanglos ist (wie z. B. bei den Cestoden), sondern daf ihm vielmehr eine sehr groBe Bedeutung zukommt. Das hintere Stiick ist namlich dazu bestimmt, ein selbstindiges Beitriige zu einer Trophocéltheorie. 45 Leben zu fiihren. Fiir dieses Leben sind aber die spezifischen Kopforgane (Sinnesorgane, Mund und Pharynx) unerlaBlich. In fast allen Fallen der Fortpflanzung durch Teilung scheint sich am vorderen Stiick mit der Regenerationsfihigkeit auch die fortgesetzte Teilfahigkeit zu erhalten, was wieder damit zusammen- hingt, da8 dieses Stiick niemals geschlechtsreif wird '). Was das hintere Stiick anbetrifft, so scheint sein Verhalten vollstandig von dem Zeitpunkte des Eintrittes der geschlechtlichen Produktionsfahigkeit abzuhangen. ‘Tritt diese sehr friih ein, so unterbleibt, wie wir oben gesehen, sogar die Regeneration; tritt sie erst spiter ein, erst geraume Zeit, nachdem sich das hintere Teilstiick schon vom vorderen gesondert hat, so wird wohl das Vorder- stiick mit dem Kopf regeneriert, aber das derart zu einem voll- stindigen Individuum komplettierte Hinterstiick bleibt als Ge- schlechtsindividuum teilungsunfahig. Tritt aber die Geschlechts- ‘periode vorerst tiberhaupt nicht ein, wird sie auf unbestimmte Zeit verschoben, so regeneriert das hintere Teilstiick nicht nur, sondern es behalt auch, ebensogut wie das vordere Stiick, die Fihigkeit der ungeschlechtlichen Fortpflanzung durch Teilung bei. Bekannt- lich erhalt sich diese Fahigkeit bei einer Reihe von Formen durch Generationen hindurch, und bei manchen von ihnen ist zur Zeit tiberhaupt nur die ungeschlechtliche Fortpflanzungsweise bekannt. Diese Teilungs- und Regenerationsfahigkeit kann sich so steigern, und die Teilungserscheinungen kénnen sich so stark be- schleunigen, daf sich ein Wurm simultan oder fast simultan in mehrere regenerationsfahige Stiicke teilt, von denen die mittleren weder einen Kopf noch ein Schwanzstiick besitzen und _ bisweilen scheinbar nur aus einem Segmente bestehen. Von grofem Einfiu8 auf den besonderen Verlauf der Er- scheinungen der Fortpflanzung durch Teilung ist der Umstand, daf in vielen Fallen die vollstindige kérperliche Trennung der Teilstiicke erst spat erfolgt, so daf sie noch eine kiirzere. oder langere Zeit zusammenhaéngen und temporare Wurmketten, im Falle der Anneliden lineare Kolonien von Kolonien (im Sinne der Kormentheoretiker) bilden. Dabei durchzieht der Darm die ganze Kette bis an das hinterste Ende. ct 1) Eine Ausnahme, welche die Regel bestitigt, macht der von Hoxuey (1855) beschriebene Fall von Protula, wo nach erfolgter Teilung das vordere Tochterindividuum sich nicht mehr durch Teilung vermehrt, dafiir aber, wie das hintere, geschlechtsreif wird. 46 Arnold Lang, Die verschiedene Zusammensetzung dieser Ketten wird wie- derum dadurch bedingt, da in dem einen Falle nur das vordere Teilstiick nach erfolgter Regeneration sich wieder durch Teilung fortpflanzt, wihrend im anderen diese Fortpflanzung auch am hinteren eintritt. Im ersteren Falle, der bei gewissen Syllideen (Autolytus, Myrianida) eintritt und eine gewisse Aehnlichkeit mit der Strobilation der Scheibenquallen und Bandwiirmer aufweist, ist dem Vorderstiick eine Kette von Individuen angehiangt, von denen das letzte das ilteste ist und sich zuerst nach erlangter Geschlechts- reife loslésen wird, waihrend die Individuen nach vorne sukzessive jiinger werden und das erste das jiingste ist, dasjenige, das sich eben erst vom vorderen Teilstiicke des Stammtieres unvollstandig gesondert, einen Kopfteil regeneriert und begonnen hat, nach der Manier wachsender Anneliden die Zahl der Segmente von seinem neuen ,,fortwachsenden Schwanzende‘S aus zu vermehren. Das vordere ‘Teilstiick des Stammtieres seinerseits hat inzwischen schon wieder begonnen, das ihm entfremdete, aber nicht losgeléste Hinterende (das jiingste Individuum der angehingten Kette) zu regenerieren; das Regenerat wird sich sodann nachher wiederum durch Regeneration und Wachstum individualisieren, ohne sich vorderhand loszulésen. Dadurch wird das vorher vorderste und jiingste Individuum der angehangten Kette zum zweitvordersten und zweitjiingsten u. s. f. Aehnlich sind die Verhaltnisse bei Aeolosoma. Im zweiten Falle, wenn auch das hintere Teilstiick nicht nur regeneriert, sondern sich auch, wie das vordere, wiederum durch Teilung fortpflanzt, entstehen — also durch fortgesetzte Teilung beider regenerierender Teilstiicke, wobei das vordere gewdéhnlich etwas vorauseilt — ebenfalls Ketten, in welchen jedoch die Auf- einanderfolge der Individuen keineswegs der Aufeinanderfolge der Altersstufen entspricht, in denen vielmehr die einzelnen, ver- schiedenalterigen Individuen nach ganz anderen Gesetzen ange- ordnet sind, die sich leicht aus dem Modus und dem Rhythmus der fortgesetzten Zweiteilung des Stammindividuums ableiten lassen. Das aber ist klar, da bei dieser zweiten Form der Kettenbildung die schliefSliche Losliésung der einzelnen Individuen nicht in der Art erfolgen kann, wie bei der ersten Form, wo sich immer das hinterste Individuum, das jeweilen zugleich das Alteste ist, loslést. Vielmehr erfolgt die schlieBliche Freiwerdung der einzelnen Individuen durch Zerfall der Kette in die einzelnen Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 47 Glieder, nachdem alle zuvor durch Regeneration und Wachstum einander annahernd gleich geworden sind. Es ware fiir meinen Zweck ganz tberfliissig, die verschiedenen Variationen dieser Ver- mehrungsweise zu studieren, denn sie zeigt nicht die geringste Aehnlichkeit mit der Bildung der Metamerenkette, die der Anne- lidenkérper darstellt. Aber es ist in diesem Zusammenhange gewif erlaubt sich zu fragen: wie kommt es, daf, wenn wirklich der Annelidenkérper eine lineare Kolonie ist, die Bildung der unter Umstainden tiberaus zahlreichen Individuen, die sie zusammen- setzen, immer nach dem ersten Modus erfolgt, mit der Variante, daf es hier immer nur das hintere Teilstiick ist, welches regene- riert und sich dann wieder teilt ? Warum tritt bei den Articulaten nicht gelegentlich auch der zweite Modus auf, warum vermehrt sich die Zahl der Individuen nicht auch durch Teilung der vorderen Teilstiicke (Metameren), welche Erscheinung von vorneherein um so eher zu erwarten ware, als diese Teilstiicke noch lange nach ihrer Sonderung gesehlecht- lich undifferenziert bleiben und sie der Nahrungsquelle (dem Kopf- segment) naher liegen, als das ,,fortwachsende Schwanzende“ ? Wenn wir auf das iiber die Bildung linearer Kolonien durch ungeschlechtliche Fortpflanzung und itiber ihre Beziehung zur ontogenetischen Entwickelung des Annelidenkérpers Gesagte zuriick- blicken, so konstatieren wir die zahlreichen Schwierigkeiten, die der Auffassung dieser letzteren als einer ungeschlechtlichen Fort- pflanzung im Wege stehen, auch ganz abgesehen davon, daf bei den Formen, die zum Vergleiche herbeigezogen werden kénnten, die schlieSliche Loslésung der Individuen der Ko- lonie ein Hauptzweck ist, und ganz abgesehen davon, daf lineare Kolonien, bei denen ein einziges, das adorale Individuum, die Rolle eines Ernahrers spielen kann, fiir die Bildung dauernder Tierstécke méglichst ungeeignet erscheinen. Am gr6éfSten ist die Uebereinstimmung mit der Strobilation der festsitzenden jungen Scheibenqualle, indem auch hier das aborale Teilstiick die bestandig regenerierende, also ungeschlecht- lich zeugende Amme ist, wahrend unter dep zahlreichen, un- vollstandig abgeschniirten, oralen Teilstiicken nur eines, das ter- minale, jeweilen fiir die ganze Kolonie, die Rolle des Ernahrers, gleichsam der ernaihrenden Amme gpielt ‘). 1) In seinem Lehrbuch sagt Harscuex, p. 408, bei Besprechung der phylogenetischen Entstehung der Metamerie, daf an dem als 48 Arnold Lang, Sonst aber ist die ernihrende und die zeugende Amme immer eine und dieselbe Person, und es muff nochmals darauf hingewiesen werden, daf sogar bei den ketten- bildenden Syllideen mit ihrer pseudo-sedentéren Lebensweise das vordere Teilstiick die ernahrende und zeugende Amme in einer Person ist und bleibt. Es gibt indes einen Fall ungeschlechtlicher Fortpflanzung innerhalb der Anneliden, der, bis jetzt allein dastehend, ganz an die Bildungsweise der Metamerenkette des Annelidenkérpers er- innert, ein Fall, in dem das hintere Teilstiick die ungeschlecht- lich vermehrende Amme ist, wahrend von den sukzessive ge- sonderten vorderen Teilstiicken das vorderste jeweilen die Rolle einer ernihrenden Amme spielt. Es handelt sich um Ctenodrilus pardalis Cuap. (Fig. 3C)., eine sehr einfache Chitopodenform, die bis jetzt nur im ungeschlechtlichen Zustande beobachtet worden ist, und deren ungeschlechtliche Fortpflanzung v. KenneL 1882 eingehend beschrieben hat. Die Teilungsvorginge verlaufen hier allerdings auffallig nach dem Muster der Segmentation im Gegensatz zur Strobi- lation (man vergl. Semper 1876— 1877). Die Teilungserscheinungen nehmen hier ihren Anfang, wenn das Tier noch sehr klein und jung ist und noch aus wenigen Segmenten besteht. Das in Fig. 1, Taf. XVI der v. Kennetschen Abhandlung abgebildete Tier, das der Verfasser selbst als ziem- lich jung bezeichnet, zihlt 11—12 Segmente, trotzdem besitzt es schon 3 deutliche Regenerationszonen, durch welche die Teilung in 4 Individuen angedeutet ist. Die erste Regenerationszone legt sich an der Grenze zwischen dem 3. und 4. Segment an (der Schlund erstreckt sich bis in das 3. Segment hinein). Innerhalb jeder Regenerationszone erfolgt spiter die Teilung, die Durch- schniirung. Der vordere Teil einer solchen, duferlich als eine ringformige Verdickung kenntlichen Regenerationszone stellt die Anlage des sich regenerierenden hinteren Teilstiickes am vorderen, der hintere Teil derselben Zone die Anlage des sich regenerierenden vorderen Teilstiickes am hinteren dar. Kettencormus aufgefaften Annelidenkérper das vorderste Individuum »yals ,,Amme““ steril* blieb. Ich verstehe diese Ausdrucks- weise nicht. Als Ammen bezeichnet man doch herkémmlicherweise nicht sterile, sondern sich fortpflanzende, namlich ungeschlechtlich oder parthenogenetisch sich fortpflanzende Individuen, die daneben allerdings meist noch die Rolle des Ernihrers spielen. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 49 Die zweite Regenerationszone tritt an der Grenze des 4. und 5., die dritte an der Grenze des 5. und 6., die vierte an der des 6. und 7. Segmentes auf u. s. w. u. s. w. Wenn das Tier aus 14 Segmenten besteht, kann es schon 6 Regenerationszonen zeigen. ,Je Alter das Tier wird, desto weiter werden sich die Knospungszonen entwickeln, desto mehr Segmente werden aber auch am Afterende neu gebildet, und in demselben Mafe treten neue Knospungszonen immer weiter nach hinten auf. Bis sich frei- lich die achte oder gar neunte nach hinten hin zu bilden anfangt, haben die vorderen ihre Reife bereits soweit erlangt, da das ur- spriingliche Individuum in eine Anzahl Zooide von vorn nach hinten zerfallt, die sich nach ihrer Trennung rasch in neue Tiere aus- bilden. Ebenso wachst das tibrig gebliebene Hinterende, das ent- weder schon Knospungserscheinungen aufweisen kann, oder auch nicht, in ein vollkommenes Tier aus, bei dem sich derselbe Vor- gang wieder abspielt, wie wahrscheinlich auch bei den vorderen Teilprodukten, bis vielleicht eine Zeit kommt, wo alle Individuen ‘diese Vermehrungsweise aufgeben, um Geschlechtsorgane zu ent- wickeln und sich auf geschechtlichem Wege fortzupflanzen.“ An dieser Form der ungeschlechtlichen Fortpflanzung ist, ab- gesehen von der Aehnlichkeit mit der Segmentation, d. h. der Meta- merenbildung des Annelidenkérpers, besonders das auffallig und merkwiirdig, da8 die Regenerationszonen segmental auftreten, daf die durch sie begrenzten Teilstiicke also nur segmentgro8 sind. Beide Punkte miissen genauer untersucht werden. Was den ersten Punkt, die Aehnlichkeit mit der Segmentation anbetrifit, so ist diese nicht zu leugnen. Sie muB8 riickhaltlos zugegeben werden. Wenn man sich fragt, wie sie zu stande gekommen ist, so scheint mir die richtige Antwort ganz nahe liegend. Der besondere Verlauf der Teilungserscheinungen bei C te- nodrilus pardalis scheint mir in hohem Mafe beeinfluft zu sein erstens dadurch, daf sie auSerordentlich und au’ergewohnlich frihzeitig eintreten, und zweitens dadurch, daf das Teilungs- und Regeneratiosvermégen sehr stark gesteigert erscheint. Der erste Anfang der Teilungsvorbereitungen wird wohl schon am jungen Tier mit 7 oder 8 Segmenten zu konstatieren sein. Wenn die Regenerationszone (spitere Teilungsstelle) an der Genze vom 3. und 4. Segment liegt, also unmittelbar hinter der Schlund- region, die von der Teilung unberihrt bleiben muB, so ist das ungefahr die Mitte des Kérpers. «Und nun wachst der jugendliche Kérper weiter, und es liefert das fortwachsende Schwanzende dem hochentwickelten Teilungstriebe immer wieder Bd, XXXVII. N. F. XXXI. 4 50 Arnold Lang, neues Material. Es macht sich der Teilungstrieb schon wieder geltend, bevor die Regenerationszone vorn am hinteren Teilstiick Zeit gehabt hat, das vordere 3-gliedrige Teilstitick mit Mund, Gehirn, Pharynx, Schlund ete. zuregenerieren. Die zweite Regenerations- zone (und zugleich Teilungsstelle) tritt also in der virtuellen Mitte des durch Regeneration erginzt ge- dachten hinteren Teilstiickes auf. Daf das vordere Teilstiick sich zunachst nicht auch durch Teilung fortpflanzt, daf nicht auch an ihm Regenerationszonen auftreten, lift sich unschwer verstehen. Dieses Teilstiick hat kein Material dazu, es besitzt ja, wenn im hinteren Teilstiick schon neue Knospungszonen auftreten, fiir die das fortwachsende Schwanz- ende das Material liefert, kaum erst die allerfriiheste Anlage eines eigenen fortwachsenden Schwanzendes. Wenn aber dieses letztere ausgebildet sein wird, dann wird schon langst die ganze Kette in die einzelnen Glieder zerfallen sein. In dem zur Diskussion stehenden Punkte ist es lehrreich, einen Blick auf die Teilungs- erscheinungen einer nahe verwandten Ctenodrilusart zu werfen, bei der die Zahl der Kérpersegmente vor dem ersten Eintritt der Teilung viel betrachtlicher ist. Ich meine Ctenodrilus mono- stylos, eine Form, die Graf ZeppeELIN 1883 genauer untersucht hat und die sich jahrelang durch ungeschlechtliche Fortpflanzung vermehrt. Die Form hat 20—25, héchstens 35 Segmente. Auch bei ihr beginnt die ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Teilung ,so ziemlich in der Mitte des Kérpers“ (Fig. 3 A). Dadurch erhilt denn auch das vordere Teilstiick Material fiir weitere Tei- lungen, die in der Tat so wenig ausbleiben, wie am hintern, Nur beginnt hier der Regenerationsprozeb, wie bei Lumbriculus, erst nach erfolgter Abschniirung. Wie nun die weiteren Teilungs- erscheinungen an jedem Teilstiick sich abspielen, braucht hier nicht erdrtert zu werden, doch darf bemerkt werden, daf die Zer- stiickelung unter Umstinden so weit geht, dali ein Bruchstiick nur aus einem Segmente bestehen kann (Fig. 3 B). Wiederum ganz so wie Ctenodrilus pardalis — Aus- bleiben der Teilungsvorginge am vorderen Teilstiick — verhalt sich nach ScHarrr (1887) Ct. parvulus, dessen Kérper aus wenigen Segmenten, 7—10, besteht. In seinen Abbildungen 3a und 3b fiihrt uns ScHArrr 2 Stadien von Ct. parvulus vor, wo bei im ganzen 9 Kérpersegmenten (inkl. Kopf- und Aftersegment) schon 3 Regenerationszonen deutlich zu erkennen sind. Beitrage zu einer Trophocoltheorie. ME Die biologische Bedeutung der beiden Ahnlich ver- laufenden Vorgiinge der ungeschlechtlichen Fortpflanzung von Ctenodrilus pardalis und parvulus einerseits und der Metamerenbildung andererseits ist so verschieden wie mdglich. Bei der Bildung der Metameren des Annelidenkérpers ist ihr Zu- sammenbleiben die Hauptsache, bei der ungeschlechtlichen Fortpflanzung von Ctenodrilus ist die vollstandige Loslésung der in méglichst gro8er Zahl erzeugten Individuen voneinander die Hauptsache. Die Individuen bleiben nicht langer miteinander verbunden, als bis sie infolge ihrer Ernahrung vom vorderen Teil- stiick aus hinreichend ausgeriistet sind, um selbstandig die begonnene Regeneration beendigen und sich selbstandig ernihren zu kénnen. Fig. 3 A—C. A. Ctenodrilus monostylos in Querteilung (nach Graf ZEPPELIN). Aus KORSCHELT und HEIDER. B. Ein nur aus einem ein- zigen Segment bestehendes Teil- stiick desselben Wurmes. ¢ Cir- rus, d Darm. C. Ctenodrilus pardalis (nach vy. KENNEL). kn die Knospungs- zonen, an denen der Wurm spater in die einzelnen Teilstiicke zer- fallt, d Darm. Die zweite Erscheinung, welche die ungeschlechtliche Fort- pflanzung von Ctenodrilus ganz besonders interessant macht und ihr eine hervorragende Bedeutung fir die Beurteilung der Metamerie zu verleihen scheint, ist die, daf die Teilung den Kérper in so kleine Bruchstiicke zerlegt oder zerlegen kann, daf ein Bruchstiick nur aus einem Segment besteht, das vollstandig re- generationsfahig ist. Sowohl v. Kennet als ScHarrr erblicken hierin ein urspriingliches Verhalten, offenbar, weil es die indivi- duelle Selbstindigkeit oder selbstindige Indiyidualitat der Meta- meren zu demonstrieren scheint. Ich selbst kann in diesem Ver- halten nur den Ausdruck einer auSerordentlich hoch gesteigerten Teilungs- und Regenerationsfahigkeit erblicken, abnlich der be- treffenden Fahigkeit bei der Hydra, bei Lumbriculus ete. 4* 52 Arnold Lang, Ich wiirde mich auch nicht wundern, wenn experimentell nach- gewiesen wiirde, daf auch ein Bruchstiick eines Segmentes regenerationsfahig ist. Als ein urspriingliches Verhalten kénnten die Anhanger der Trochophora- und zugleich der Kormentheorie die Abtrennung von einzelnen Segmenten mit nachfolgender Regeneration nur dann be- trachten, wenn durch die Regeneration jedes Segment annahernd wieder die Organisation der urspriinglichen unsegmentierten Stamm- form, des Trochozoon, erlangen wiirde. Weit entfernt davon regeneriert jedes isolierte Segment vorn wieder den 3-gliedrigen Vorderkérper und hinten das fortwachsende Schwanzende, aus dem bald wieder neue Rumpfsegmente sukzessive sich nach vorn heraus- differenzieren. Der Vorgang verlauft genau so, wie er nicht anders zu erwarten ist, wenn man den Annelidenkorper fiir ein einziges, einem Platodenindividuum entsprechendes, freilich in bestimmter Weise organisiertes, im vorliegenden Falle eben segmentiertes, In- dividuum betrachtet. Die Kormentheoretiker hingegen miissen an- nehmen, daf im Falle von Ctenodrilus ein isoliertes, mitten aus der linearen, polymorphen Kolonie herausgeléstes Individuum wieder durch Regeneration nach vorn und hinten eine neue polymorphe Kolonie bildet. Das wire nun an und fiir sich nicht undenk- bar, aber jedenfalls ohne direkte Analogie, denn es ware doch weit ausgeholt, wenn man zum Vergleich die Entwickelung (d. h. Regeneration) eines jeden Metazoenindividuums (Zellenstaat) aus der befruchteten oder unbefruchteten Eizelle herbeiziehen wollte. Aber es ist nicht einmal richtig, daf bei Ctenodrilus bei der Fortpflanzung durch Teilung einzelne Segmente ab- geschniirt werden und dal ein jedes isolierte Segment sich wieder zu einem Wurm regeneriert. Fiir alle 3 Arten von Ctenodrilus stellen alle 3 Autoren ausdriicklich fest, da die Teilungsebenen (welche mitten durch die Regenerationszonen hindurchgehen) durch- aus nicht mit der natiirlichen morphologischen Grenze der Seg- mente, dieser vermeintlichen Individuen einer linearen Kolonie, zusammenfallt. Ueber die Lage dieser Grenze ist doch wohl ein Zweifel nicht méglich; sie fallt mit der aiuBeren Ringfurche zwischen 2 Metameren zusammen und geht genau zwischen der vorderen und hinteren Lamelle eines Dissepimentes hindurch. Nun liegen aber die Regenerationszonen und mit ihr die Teilungsebenen bei Cteno- drilus gar nicht an dieser Segmentgrenze, sondern eine Strecke weit dahinter (vgl. Fig. 3 C), so daf die zwischen 2 aufeinander folgenden Teilungsebenen liegende Kérperstrecke wohl segmentgro8 ist, Beitriige zu einer Trophocdéltheorie. 53 d. h. aus so viel Material besteht, wie ein Segment. Aber die Strecke gehoért in Wirklichkeit zwei Segmenten an, sie besteht aus der gréferen hinteren Halfte eines Segmentes und der viel kleineren vorderen Halfte des nichstfolgenden Segmentes. Die Teilungsebenen gehen also mitten durch die Individuen der Meta- merenkolonie hindurch. Diese gewi8 nicht bedeutungslose Tat- sache spricht doch sicher viel eher zu Gunsten der Ansicht, dal der Annelidenkérper eine einzige, metamer organisierte Metazoen- person ist, als zu Gunsten derjenigen, die in ihm einen linearen Indi- viduenstock erblickt. Denn wenn sich eine lineare Kolonie als Kolonie durch Teilung fortpflanzt, so wird sich als Teilungsstelle doch ge- wif am ehesten die Grenze zwischen 2 benachbarten Individuen ausgebildet haben, dieselbe Stelle, an der sich in der Vorzeit die Individuen voneinander loslésten, als noch die ,Segmentation“ zur Bildung sich loslésender Geschlechtsindividuen fiihrte. Aehnlich wie bei Ctenodrilus pardalis und parvulus, also im Sinne einer Segmentation, Auftreten neuer Regenerations- zonen mit Teilungsebenen immer nur hinter den zuerst gebildeten, soll die ungeschlechtliche Fortpflanzung auch bei Oscar ScHMIDTS Parthenope serrata verlaufen, wie v. KreNNeEL aus der Scumiptschen Abbildung herauslesen zu diirfen glaubt. Der Unterschied liegt darin, und v. Kennet betrachtet das als ein weniger urspriingliches Verhalten, da die zwischen 2 aufeinander folgenden Regenerations- und Teilungszonen liegende Kérperstrecke nicht nur segmentgrof ist, sondern aus mehreren Segmenten be- steht. Ich kann natiirlich die v. Kennetsche Ansicht auch in diesem Punkte nicht teilen. Zum Schlusse darf doch wohl noch folgendes gesagt werden. Es mu — nicht als unméglich — aber doch als wenig wahr- scheinlich erscheinen, daf in der gleichen Abteilung, in der die ungeschlechtliche Produktion neuer, frei werdender Individuen in wenigstens zur Zeit unerklirlicher Weise zu Gunsten der Er- zeugung einer dauernden, linearen Kolonie aufgegeben wurde, sich das naimliche verlassene und aufgegebene Fortpflanzungssystem nunmehr an der Kolonie, und zwar in verschiedenen Formen- gruppen jener Abteilung, doch in jeder selbstiandig, wieder neu eingefiihrt hat, aber mit umgekehrtem Verlaufe. Wir sind nun am Ende der etwas weitschweifigen Untersuchung der Frage angelangt, ob sich die Segmentation vom biologischen Gesichtspunkte aus als eine unter die Rubrik ,,ungeschlechtliche Fortpflanzung“ einzureihende Stockbildung auffassen lasst. Wir 54 Arnold Lang, konstatieren: die Untersuchung ist nicht zu Gunsten dieser Auffassung ausgefallen. Ich habe zu Beginn dieses die Kormentheorie des Articulaten- kérpers behandelnden Abschnittes die Wichtigkeit und Richtigkeit des Harscuekschen Postulates betont, da man, um jene Theorie zu begriinden, im stande sein miisse, die Organisation des Meta- mers und die des Kopfsegmentes auf denselben Grundtypus zuriick- zufiihren, dafS man nachweisen miisse, daf beide aus derselben Urform entstanden sein kénnen. Ich komme jetzt kurz auf diesen Punkt zuriick. Der ,,Grundtypus“, die ,,Urform‘ kann doch fiir den Trocho- phoratheoretiker nur das rotatorienahnliche hypothetische Tro ch o- zoon sein. Wenn ich nun fiir einen Augenblick zugebe, daB die Bildung des Annelidenkérpers als eine sukzessive Teilung eines ungegliederten Tieres aufgefaft werden kann, wobei aber immer nur das hintere Teilstiick regeneriert und sich teilt, so muB8 ich zunachst auch ohne weiteres zugeben, dafi das Fehlen der im »Pygidium“ oder ,fortwachsenden Schwanzende“ enthaltenen Teile am Kopfsegment oder an den Rumpfmetameren der Theorie keine Schwierigkeiten bereitet. Dagegen bietet die Zuriickfiihrung des Kopfsegmentes und der Rumpfsegmente (auf die heteronome Differenzierung dieser letzteren wollen wir als fiir das Grundproblem von nebensachlicher Be- deutung gar nicht zu sprechen kommen) auf*eine gemeinsame pygidiumlose Grundform in der Tat, wie schon HATSCHEK ganz deutlich erkannte, grofe, meiner Ansicht nach uniibersteigliche Schwierigkeiten. Ich will nun zwar vorderhand blindlings annehmen, dafi aus einer voriibergehenden Fortpflanzungsstrobila eine dauernde Kolonie pygidiumloser Metameren (letztere den scolexlosen Proglot- tiden der Bandwurmkette vergleichbar) mit einem einzigen regene- rierenden Pygidium am Hinterende (dem regenerierenden Scolex am Vorderende der Bandwurmkolonie vergleichbar) werden konnte. Dann kiénnte ich in der Tat dem Kormentheoretiker eine Reihe wichtiger Zugestindnisse machen. Ich kann dann zugestehen, daf sich das Vorderende der Kette, besonders aber das vorderste Individuum als Leit-, Jagd- und Freftier — zu den Individuen des Rumpfes immer mehr in Gegen- Satz stellte. Das Leittier (Kopfsegment) behielt den Mund bei, und sein Pharynx konnte sich, wenn er sich stark entwickelte, in die nachstfolgenden Individuen hineinerstrecken. Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 55 Am Leittier gelangten die spezifischen Sinnesorgane und das Gehirn zu besonders hoher Entwickelung. Das Leittier wurde geschlechtlich steril, ebenso vorderste Rumpfindividuen, da durch die starke Entwickelung der inneren Kopforgane der Raum fiir die Geschlechtsorgane in dieser Region immer mehr eingeschrainkt wurde. Auch der Schwund der Nephridien am Leittier der ,,er- wachsenen Kolonie‘ bietet keine Schwierigkeiten. Als zum Leittier gehérig mu doch wohl vom Standpunkte des Kormentheoretikers auch das vorderste Bauchganglienpaar, das untere Schlundganglion, betrachtet werden. Die phylogenetische Ableitung dieses Ganglions, und damit iiberhaupt der ganzen Bauchganglienkette, bot den Trochophora- theoretikern friiher grofe Schwierigkeiten, weil kein Abhnliches Nervenzentrum bei den Rotatorien bekannt war. Im Jahre 1888 aber fand ZELINKA bei seiner mustergiiltigen Untersuchung von Discopus ein subésophageales Ganglion. Dieser Befund ist bis jetzt meines Wissens vereinzelt geblieben. ZELINKA selbst hat seine Bedeutung nur wenig hervorgehoben. Er ist sogar einigermafen im Zweifel, ob das betreffende Ganglion dem unteren Schlundganglion der Anneliden homolog ist, denn er sagt p. 229, daf{ man, wenn die Seitennerven der Radertiere dem Schlundringe der Anneliden entsprechen, dann das ,,subésophageale Ganglion von Discopus nur als ein Kaumuskelganglion}), ebenso wie die ringférmige Umspannung des Schlundes durch locker gefiigte Zellen und Zellfortsitze nur als von untergeordneter Bedeutung betrachten“ miisse. Erst Ersic (1898) betonte die groke Bedeutung der ZELINKA- schen Entdeckung : ,Indem wir so auch der Stammform, welche die Trochophora rekapituliert (und die in den Rotatorien ihre nachsten heutigen Vertreter hat), ein solches Ganglion zuzuerkennen berechtigt sind, lassen sich Subésophagealganglion der Rotatorien, Molluscoiden etc., sowie Pedalganglion der Mollusken einer- und Bauchstrang der Anneliden etc. andererseits leicht als Homologa begreifen.“ E1sic neigt der Ansicht zu, daf die Ausbildung des Schlundes, besonders seiner Muskulatur, viel dazu beigetragen habe, daf ge- rade an dieser Stelle ein so machtiges nervéses Zentrum zur Ausbildung kam. Er vermutet namlich, daf das Schlundnerven- system von Capitella sich von der Anlage des hinteren Schlund- 1) Von mir hervorgehoben. 56 Arnold Lang, ganglions entwickle und daf es mit diesem zusammenhangt und er beruft sich besonders auf den von KLEINENBERG fir Lopado- rhynchus geleisteten Nachweis der Herkunft des Schlundnerven- systems vom unteren Schlundganglion. Ich mufS demgegeniiber aber doch hervorheben, da8, soweit mir die einschlagige Literatur bekannt ist, die zahlreichen Befunde dahin gehen, daf das Schlundnervensystem nicht nur bei den Anne- liden, sondern auch bei allen Arthropoden entweder mit dem Gehirnganglion oder mit den Schlundkommissuren, nirgends aber mit dem unteren Schlundganglion zusammenhangt *). Sollte es sich als sicher herausstellen, da8 das Subésophageal- ganglion von Discopus dem unteren Schlundganglion der Arti- culata homolog ist, so ware in der Tat eine grofe Schwierigkeit, die der Kormentheorie mit Bezug auf die Zuriickfiihrung des Kopf- segmentes auf ein Leitindividuum im Wege steht, beseitigt, und zwar selbst dann, wenn das Vorkommen auf die eine Form be- schrankt bleiben wiirde. Wie steht es nun mit den Rumpfmetameren? Lassen sie sich mit dem Kopfsegment auf eine gemeinsame pygidiumlose Grund- form, das rotatorienahnliche Trochozoon (ohne Hinterende), zuriick- fiihren? Wir wollen die Frage nach der Entstehung der Anhiange des Kopfsegmentes und der Rumpfmetameren unbeantwortet und die weitere Frage der Homologie der beiderlei Anhinge offen lassen — diese Fragen sind bekanntlich sehr kontrovers und bieten grobe Schwierigkeiten. Die Hauptfrage ist fiir uns vielmehr die: hat die ausschlieb- liche Verwendung der Rumpfindividuen der Kettenkolonie zu Lokomotions-, Verdauungs-, Resorptions- und Exkretionszwecken und zur Erzeugung der Geschlechtsprodukte einen so weitgehenden Einflu8 auf ihre Organisation haben kénnen, daf aus ihnen die Rumpfmetameren des Annelidenkérpers mit ihrer bekannten Orga- nisation geworden sind? 1) Allerdings hatte Kiemensere fir Lopadorhynchus an- gegeben, daf das Schlundnervensystem mit dem unteren Schlund- ganglion in Verbindung steht. Allein Meypr hat nachgewisen, dal diese Angabe unrichtig ist. Er glaubt, daS die Schlundnerven irgendwo aus den Hirnkonnektiven austreten. Nach Mpyer liegt im Verlaufe der Schlundnerven, an der Wand der Mundhéhle, jederseits ein Pharyngealganglion. Also ein Pharyngeal- ganglion neben dem unteren Schlundganglion! Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 57 Das Nephridialsystem des Rumpfes bietet nach meinem Dafiirhalten keine Schwierigkeit, wenn es sich darum handelt, die Rumpfmetameren und das Kopfsegment auf eine und dieselbe Grundform zuriickzufiihren. Denn ich bin ja seit langem Anhanger und Befiirworter der Idee, daf die Rumpfnephridien der Anneliden den, meist nur sich auf dem Larvenstadium erhaltenden, Nephridien des Kopfsegmentes homolog sind. Eine Schwierigkeit besteht auch nicht mit Bezug auf die Célomsacke, denn auch das Kopfsegment besitzt sein, an- finglich postoral gelagertes, Célomsackpaar, das nach den Unter- suchungen von E. Meyer (1901) im Laufe der Ontogenese in den praoralen Abschnitt des Kopfsegmentes (den sogenannten Kopflappen oder das Prostomium) vorwachst. Die Bauchganglien bieten auch keine Schwierigkeit, wenn das Subésophagealgangion von Discopus wirklich dem unteren Schlundganglion der Articulaten entspricht und also bei der ,Grundform“ vorausgesetzt werden darf. Eine Schwierigkeit ent- steht nur dann, wenn man mit Ersrq annimmt, daf die starke Ausbildung der Schlundmuskulatur viel dazu beigetragen habe, »da8 gerade an dieser Stelle“, d. h. unter dem Schlunde, ,,ein so machtiges nervéses Zentrum zur Ausbildung kam“. Denn ge- rade der Schlund wiederholt sich nicht an den Rumpfindividuen der ,Annelid“ genannten Kettenkolonie. Wenn sich aber der Mund und Schlundapparat an den Rumpfindividuen nicht regene- rieren, warum sollte das bei dem sie bedienenden und durch sie ins Leben gerufenen unteren Schlundganglion der Fall sein? Ich will ferner zugeben, daS auch fiir das ydllige Unter- bleiben der Regeneration des Mundes und des Schlund- apparates an den Rumpfindividuen eine hinreichende Erklarung durch das Faktum des Zusammenbleibens der Individuen der Kettenkolonie gegeben ist. Der vom Leit- und Ernahrungs- individuum (Kopfsegment) aus durch die ganze Kette hindurch- gehende Darm, der jedem Rumpfindividuum eine besondere Mundéffnung erspart, laft das schlieBliche Ausbleiben der Bil- dung eines Mundes und Schlundapparates vielleicht erklarlich er- scheinen. : Ich gebe ferner zu, daS das voriibergehende Auftreten von Wimperkrainzen an den Rumpfsegmenten polytrocher Anne- lidenlarven und das dauernde an einfach organisierten Anneliden, wie Protodrilus, vom Standpunkte der Kormentheorie aus als eine Wiederholung eines der beiden Wimperkranze der ,,Grund- 58 Arnold Lang, form’ aufgefaft werden darf, obschon das meines Wissens noch nicht geschehen ist. Allein eines kann ich mit dem besten Willen nicht zugeben, das nimlich, daf es erklarlich sei, daf an den Rumpfindividuen die Reproduktion eines Gehirnganglions vollstandig unter- bleibt. Wie, das untere Schlundganglion, das bei den Verwandten der Stammform, den Rotatorien (die Homologie mit dem der Arti- culaten vorausgesetzt) nur ganz vereinzelt auftritt und eine neue Erscheinung zu sein scheint, wiederholt sich mit solcher Regel- mafigkeit an jedem Rumpfindividuum als Bauchganglion, von dem uralten Gehirnganglion aber, das von den Anhangern der Trocho- phoratheorie bis in das Zeitalter der Célenteraten zuriickdatiert wird, sollte nicht mehr die geringste Spur an den Rumpf- individuen reproduziert werden?! Es ist mir besonders auch an- gesichts der Vielseitigkeit dieses aus so komplexen Anlagen her- vorgehenden Nervenzentrums unméglich, eine solche Annahme fir irgendwie plausibel zu halten. Wenn ich bei den vorstehenden Ausfiihrungen vom Kopf- segment im alteren Sinne, hauptsichlich im Sinne HaTscHEKs, gesprochen habe, so soll damit nicht gesagt sein, da ich die moderne Einteilung des Annelidenkérpers in die 3 Regionen des Prostomiums, des Somas und des Pygidiums, wie sie hauptsich- lich von RacovirzaA, E. Meyer und Hugeo Esie@_ begriindet worden ist, nicht fiir richtiger halte. Aber ich wollte mich fiir eine Weile auf den Standpunkt der Kormentheoretiker stellen, die mit einem Prostomium ohne zugehériges Metastomium im Sinne HarscueKs nichts anfangen kiénnen, denen es sogar grobe Verlegenheiten bereiten wiirde, da sie genétigt waren, diesen eng umgrenzten praoralen Kérperabschnitt, ebenso wie das Meta- Stomium und die typischen Rumpfsegmente, ebenfalls auf die ge- meinsame Trochozoenstammform zuriickzufiihren. Einige Schwierigkeiten, doch méchte ich diese nicht zu hoch anschlagen, bereitet der Kormentheorie der Umstand, daf bei den niachsten lebenden Verwandten des Trochozoon, den Rotatorien, die Nierenétfhungen mit der Geschlechtséffnung und der Afteréffnung zu einer Kloake kombiniert sind und daf die (mit einem Célomsack verglichene) Gonade fast immer unpaar ist. Die Gonade ist gelegentlich auch paarig, und beziiglich der Kloake miite man annehmen, da8 eine solche beim Trochozoon Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 59 im Gegensatz zu den Rotatorien nicht existierte, da vielmehr die paarigen Geschlechtsleiter und Nephridien vor der After- éffnung gesondert nach aufen miindeten und bei der ungeschlecht- lichen Fortpflanzung die Teilungsebene quer durch den K6rper in der Region zwischen dem After hinten und den davor ge- lagerten Nieren- und Geschlechtséffnungen hindurchging. Dabei mute das hintere Teilstiick das Material fiir die Regeneration neuer Gonaden und neuer Nephridien in sich enthalten. ADAM SEDGWICKS Theorie. Im Jahre 1881 veréffentlichte ich selbst in meiner Gunda- arbeit eine Theorie iiber den Ursprung der Anneliden und die Entstehung der Metamerie. Diese Theorie, auf die ich spater zuriickkomme, war hauptsachlich beeinfluft: 1) durch den Nachweis eines exquisit segmentierten Zustandes bei einem Vertreter der tricladen Turbellarien (Gunda seg- mentata), 2) durch die Célomtheorien der Englander, besonders aber durch die von O. und R. HErtTWIG, 3) dadurch, daf ich infolge meiner Polycladenuntersuchungen beztiglich der Phylogenie dieser Abteilung zu der Ansicht ge- kommen war, daf die Polycladen von ctenophorenahnlichen Cél- enteraten abstammen. Im Jahre 1884 verdffentlichte sodann ADAM SEDGWICK seine bekannte Schrift ,On the origin of metameric segmen- tation’. Sie war stark beeinflu’t durch die Hertwicschen Célenteratenuntersuchungen, durch HatscueKs Abhandlung iiber die Amphioxusentwickelung und Batrours Mitteilungen tiber den Embryo von Peripatus. In zwei Hauptpunkten stimmte SepGwicks Hypothese mit meiner eigenen iiberein, naimlich erstens in der Ableitung des Céloms der héheren Tiere von Darmaussackungen niederer und zweitens in der Ableitung der Metamerie der Articu- laten von der Cyklomerie') — der radiaren Anordnung der Organe — der Célenteraten. Sepe@wick ging aber direkt von anthozoenadhnlichen Célenteraten aus, wahrend ich die Anne- 1) Diese Bezeichnung hat mir Herr Dr. HrscHELmrR vor- geschlagen. 60 Arnold Lang, lidenorganisation durch die der Turbellarien hindurch von der- jenigen ctenophorenahnlicher Coélenteraten abzuleiten versuchte. Folgendes sind die Grundziige der SepGwicxschen Theorie, die iibrigens die dreischichtigen Tiere nicht direkt von Cél- enteraten ableitet, sondern beide von gemeinsamen, célenteraten-, speziell korallenahnlichen Vorfahren. 1) Mund und After der héheren Tiere werden von der schlitz- formigen Mundéffnung der Stammform, ahnlich dem schlitzformigen Korallenmund, an dem der eine Mundwinkel Eingangs- der andere Ausgangséfinung ist, abgeleitet. Srp@wick stiitzt sich dabei auf die Beobachtung, da’ bei Peripatus, einer sehr primitiven Articulatenform, der Blastoporus der Gastrula sich schlitzformig verlangert und sich dann in eine vordere und hintere Oetfnung teilt, wobei die vordere zur Mund-, die hintere zur Afteréffnung wird- 2) Das Nervensystem war urspriinglich ein besonders auf der oralen Kérperseite (Mundscheibe der Korallen, Bauchseite der Wiirmer, Arthropoden und Mollusken) stark entwickelter, epithelialer Ganglienzellenplexus. Dieser kondensierte sich zu einem den schlitz- formigen Mund umziehenden, gestreckten Nervenring (ahnlich dem Ringnerven der Medusen). Nach Trennung von Mund und After durch Verwachsen der beiden Mundlippen in der Mitte des schlitz- formigen Mundes konnten die seitlichen Teile des gestreckten Nervenringes sich einander nahern und die beiden ventralen Langs- striinge bilden, die miteinander durch Kommissuren an der Stelle der verschlossenen Mundregion in Verbindung treten konnten. Der vor dem definitiven Munde gelagerte Teil des Nervenringes wurde zum Gehirn. 3) Der Kérper streckte sich in der Richtung des urspriinglichen Mundschlitzes in die Linge. 4) Die Darmausstiilpungen der Stammform schniirten sich ab und wurden zu den Mesodermblasen (Célomsicken): Enterocél- theorie. Bei der Verlingerung des Kérpers ging ihre radiare An- ordnung in die metamere iiber. 5) Die segmentalen Anhinge der Articulata, Ausstiilpangen der Kérperwand, in welche sich das Célom der betreffenden Seg- mente hineinerstreckt, erinnern an die Tentakeln der Medusen und Korallen, in welche sich die Radiirkaniale oder Darmtaschen hinein- erstrecken. 6) Die Nephridien, der Hauptsache nach Poren, welche aus der Leibeshéhle nach aufen fiihren, erinnern an die Poren, welche bei Medusen vom Ringkanal, bei Korallen von den Gastraltaschen Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 61 nach aufen fihren. Die Verhaltnisse der Wirbeltiere, wo die seg- mentalen Nierenkanalchen nicht nach auSen miinden, sondern jeder- seits in einen Langskanal, kénnen so aufgefakt werden, da’ der Langskanal dem Ringkanal der Medusen und den Kommunikations- éffnungen zwischen den Gastraltaschen der Korallen entspricht. Zu Gunsten der SEpGwickschen Hypothese kénnte noch an- gefiihrt werden a) der Ursprung der Geschlechtsprodukte aus dem Entoderm der Gastraltaschen (= Endothel des Enterocéls) und b) die Bildung von Muskulatur aus dem entodermalen Darmepithel. 7) Die Ausbildung einfach organisierter, freischwimmender Larven (Trochophoralarve etc.) halt SepGwick fiir cenogenetisch. Die kurz skizzierte Sepawicksche Hypothese vom Ursprung der Metamerie hat, namentlich im englischen Sprachgebiet, wo sie jetzt noch zu dominieren scheint, viel Anklang gefunden. Sie besticht besonders durch die einfachen Mittel, durch welche sie die Erklarung herbeizufiihren sucht. Auf dem Kontinent ist sie, wie es scheint, wenig beachtet worden. Ich meinerseits glaube nicht, daf sie sich in der vorliegenden Form aufrecht erhalten laBt. Folgendes sind, wie mir scheint, schwerwiegende Bedenken, die ihrer Annahme im Wege stehen: 1) Die Entstehung von Mund und After aus einem schlitz- férmigen Blastoporus kann unméglich als typisch gelten, nicht einmal fiir irgend eine kleine Abteilung der Metazoen. 2) Das ontogenetische Tatsachenmaterial ist, wenigsten zur Zeit, der Auffassung durchaus ungiinstig, daf die Leibeshéhle der Articulata und Mollusca ein Enterocél, d. h. auf Urdarmdivertikel zuriickzufiihren sei. 3) Bei den Korallen sind stets auch unpaare Tentakel und ent- sprechende unpaare Gastraltaschen in der Richtung der Symmetrie- ebene selbst vorhanden. 4) War schon zur Zeit der Publikation der Sepqawicxkschen Abhandlung die Idee sehr gewagt, die Nephridien der Anneliden ete. auf auBere Oeffnungen von Darmtaschen oder Darmasten zuriick- zufiihren, so ist diese Idee durch die seitherigen Untersuchungen tiber das Nephridialsystem ginzlich unhaltbar geworden. Fruchtbar erscheint mir nach wie vor der Grundgedanke der Ableitung der Metamerie von der Cyklomeri¢é, und ich kann in dem Umstande, dafi die Vermehrung der Cyklomeren bei den Célenteraten fast immer in anderer Weise erfolgt (namlich durch Interkalation) als die Vermehrung der Metameren, durchaus keine nennenswerte Schwierigkeit erblicken. Doch hieriiber spater. 62 Arnold Lang, KLEINENBERGS Medusentheorie, nach welcher die Larve des Annelides tiberhaupt kein Annelid, sondern eine Meduse ist, sich tiberhaupt gar nicht entwickelt, sondern (Theorie der Substitution) durch die véllig verschiedene, neue Organisation des Ringelwurmes abgelést wird, so daf von der Meduse sich schlieSlich nur noch das Entoderm des Arch- enteron erhalt, ist zu bekannt, als daf wir hier ihren Inhalt aus- fiihrlicher wiederzugeben brauchten. Ich habe diese ,,geistreiche“ Theorie des ebenso scharfsinnigen wie boshaften Verfassers, die meinen Ansichten direkt entgegengesetzt ist, immer fiir die un- wabrscheinlichste und kiinstlichste von allen gehalten, trotz des »oturmes“ von Bewunderung, den sie bei den zahlreichen Ver- ehrern des Begriinders der Neuromuskellehre erregt hat. Die eingehende und griindliche Kritik, die KLrINeENBERGS Schrift in jiingster Zeit von kompetentester Seite (Ersig, 1898, MEYER, 1901) erfahren hat, enthebt mich der Aufgabe, im einzelnen Stellung zu ihr zu nehmen. Doch darf ich wohl sagen, daf der Vergleich der Annelidenlarve mit einer Meduse mir viel gewagter und bedenklicher erscheint, als irgend einer jener Vergleiche, die KLEINENBERG mit seinem itzenden Spotte geifelt. Der Vergleich des Scheitelfeldes der Trochophora, das KLEINENBERGS Unter- suchungen selbst mit einer Masse verschiedener Anlagen be- volkert haben, mit der 6den Exumbrella des Medusenkérpers kommt mir ungefahr so zutreffend vor, wie wenn man das Seine- département mit der Wiiste Gobi vergleichen wollte. Es ware ferner doch ebenso plausibel gewesen, den die Meduse ablésenden Wurmkérper, der bei der Larve von Polygordius aus der Mitte der (konvexen) Subumbrella herunterhaingt, mit dem aus der Mitte der Medusensubumbrella herunterhingenden Magenstiel zu ver- gleichen. Auch ist es offenbar ziemlich gleichgiiltig, daf der Ringnerv der Trochophora-Meduse zum Prototroch und seinem Muskel gehort, wihrend der Ringnerv der Hydro-Meduse zum Velar- muskel und zu den marginalen Sinnesorganen in Beziehung steht. Nur mit Schaudern denke ich aber an das Schicksal, das einem anderen Forscher als KLEINENBERG widerfahren ware, wenn er, wie KLEINENBERG dies tat, behauptet hatte, die Geschlechtsorgane entstehen zu einer Zeit, wo die Larvencharaktere bis auf geringe Reste geschwunden sind, aus dem Ektoderm, oder wenn er be- hauptet hatte, der Hautmuskelschlauch gehe mit dem Bauchmark aus einer gemeinsamen Neuromuskelanlage hervor. Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 63 Auf eine Diskussion der Frage nach der phylogenetischen Entstehung der Metamerie Jat sich KLEINENBERG gar nicht ein. EDUARD MEYERs iltere Ansichten. Im Jahre 1890 veréffentlichte EnuaArp Meyer seine kleine, aber bedeutungsvolle Abhandlung tiber ,die Abstammung der Anneliden, den Ursprung der Metamerie und die Bedeutung des Mesoderms”. — Sehr viele der in dieser Schrift niedergelegten Ideen haben sich seither als lebenskraftig und fruchtbar erwiesen. Es wird im spateren Verlaufe der Dar- stellung noch sehr oft von ihnen die Rede sein. Beziiglich der Entstehung der Metamerie au8erte EpuARD MEYER damals Ansichten, die von den meinigen sehr stark abwichen. Ich will sie kurz reproduzieren, obschon sie inzwischen von ihrem Urheber aufgegeben worden sind, und zwar zu Gunsten von Ideen, die mit den meinigen im wesentlichen tibereinstimmen. Nach Epuarp Meyers 4lterer Ansicht waren die Vorfahren der Ringelwirmer ,,kraftige, rauberische Turbellarien, welche, pelagisch lebend, seinerzeit die Meere beherrschten“. Stammes- genossen dieser Annelidenvorfahren sind die heutigen Planarien die zu der kriechenden Lebensweise tibergingen und_,,dadurch allmahlich eine platte, breitere Leibesform mit unregelmaSigerer Anordnung der innneren Organe erhielten‘. Sie selbst aber zeichneten sich durch Gewandtheit im Schwimmen und Angreifen ihrer Beute aus, denn nur solche Eigenschaften konnten nach Meyers Ansicht eine Vervollkommnung der Organisation herbei- fihren. ,Jhr Kérper war langgestreckt, mehr rund im Querschnitt“ und, ahnlich den Nemertinen, sehr geschmeidig. Die Entstehung des metameren Zustandes an einem solchen Ké6rper erklarte sich E. Meyer in folgender Weise: yim Kérperparenchym, welches von kraftigen Muskelsystemen teils umgeben, teils durchsetzt war, befanden sich die Geschlechts- driisen, die urspriinglich im Jugendzustande als ein einziges Paar kompakter Zellstriinge, in der Reife aber langer, hohler Schlauche erschienen und am hinteren Kérperende mit einem Paar einfacher Hautporen nach augen miindeten. Es ist begreiflich, da diese von Hiern oder Sperma strotzenden Organe zu gewissen Zeiten die Gelenkigkeit des ganzen Kérpers sehr beeintrachtigen muften; sie werden nun aber infolge eben dieser durch iibermifige Anfiillung mit Geschlechtsprodukten bedingten Starrheit den stets wieder- 64 Arnold Lang, holten Anstrengungen der Tiere, ihre gewodhnliche Beweglichkeit wiederzuerlangen, schlieflich unterlegen sein und sich in kleinere Driisen zerkliftet haben. Somit wirden es also die schlangelnden Schwimmbewegungen der turbellarien- artigen Vorfahren der Anneliden gewesen sein — denn nur so kénnen wir uns die schnelle Ortsveranderung eines langen Wurmkérpers im Wasser denken —, welche den Zer- fall der beiden urspriinglich einheitlichen, lang- gestreckten Genitalschlauche in zwei Reihen gleich- grofer Folgestiicke verursacht haben. Bei diesem Vor- gange mégen nun héchst wahrscheinlich auch noch gewisse, speziell jener Bewegungsart gewidmete Muskelpartien des transversalen und dorsoventralen Systems aktiven Anteil genommen haben, indem sie durch ihre Kontraktionen die noch ungeteilten Genitaldriisen fort- wahrend einschniirten. Die so entstandenen, hintereinander folgenden Geschlechtsdriisen, die sich behufs Er- haltung des Gleichgewichts symmetrisch zu beiden Seiten des Darmkanals anordneten, gaben nun weiter innere, metamere Zentren ab, um welche sich die ibrigen, bis dahin diffus in und am Kérper verteilten Organe ebenfalls metamer gruppierten. Den letzteren ProzeS denke ich mir in der Weise, daf bei allmahlicher Zunahme der Haut an Starke und Festigkeit, vielleicht gerade durch Aus- scheidung einer nur wenig elastischen Cuticula, auch wieder infolge der schlangelnden Schwimmbewegungen an der Oberfliche sich Ringfurchen mit diinneren Integumentpartien bildeten; ihnen war nun von den Geschlechtsfollikeln, welche sich wahrend der Reife ausdehnten und daher den Kérper in gleichmiafigen Intervallen auftrieben, von vornherein ein ganz bestimmter Platz, niamlich zwischen zwei sukzessiven Geschlechtsdriisenpaaren angewiesen. In den derart abgegrenzten, segmentalen Leibesbezirken gelangte dann je ein gewissermafen zentral gelegenes Paar der iibrigen Organe zu starkerer Ausbildung und machte dadurch alle weiteren Homo- loga in seinem Segmente iiberfliissig, welche nach und nach der ganzlichen MRiickbildung anheimfielen. Dieses war meiner Meinung nach der Ursprung der Metamerie.* Es folgt dann eine lichtvolle Skizze der Gonocdéltheorie. Ich habe mich, offen gestanden, fiir den die Phylogenie der Metamerie betreffenden Abschnitt der gedankenreichen MEYER- schen Abhandlung nie erwirmen kénnen. Sie schien mir in einigen Teilen — mein Freund wird mir den Ausdruck verzeihen — gar zu phantastisch, besonders in jenem Teil, welcher von den Ur- sachen des metameren Zerfalles der beiden Genitalschliuche handelt. Ich habe nie verstehen kénnen, wesbalb Meyer durch die Annahme des urspriinglichen Vorhandenseins von nur zwei, aber dafiir langgestreckten Genitalschliuchen mit nur zwei hinteren Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 65 Miindungen eine Schwierigkeit selbst schuf, die er nachher durch einen gewagten Erklarungsversuch wieder zu beseitigen gendtigt war. Warum nahm Meyer nicht an, daf bei den turbellarien- aihnlichen Stammformen die Gonaden schon in der Vielzahl und in metamerer oder ahnlicher Anordnung vorhanden waren, wenn doch die vergleichende Anatomie der Turbellarien und Nemertinen zeigt, da’ dort eine ahnliche Anordnung, sogar mit Wiederholung der Geschlechtsleiter und ihrer Miindungen, viel- fach vorkommt. Zu meiner Genugtuung hat denn nun auch MEYER in seiner neuen, grofen, ontogenetischen Arbeit diesen Teil seiner urspriinglichen Theorie zu gunsten der von mir schon lingst ausgesprochenen Ansicht aufgegeben, da die ,,regel- mafige, bilateralsymmetrische Verteilung vieler kleinerer, einst diffus und vollkommen selbstandig aufgetretener Gonaden“ der Ausgangspunkt der metameren Anordnung sei. Zu dieser An- sicht ist MEYER ganz unabhingig von meinem vergleichend-ana- tomischen Standpunkt, auf Grund embryologischer Spekulationen, gelangt. Schon vor der Veréffentlichung der Mryrrschen Abhandlung waren KorscHELT und HeEIpER (1890) in ihrem vortrefflichen Lehrbuch der vergleichenden Entwickelungsgeschichte zu der Er- waigung einer der alteren Mryerschen ganz analogen Ansicht tiber die Entstehung der Metamerie gelangt. Nach einer kurzen, aber sehr beachtenswerten Kritik der Kormentheorie und nach Erwahnung der Idee vom absatzweisen terminalen Wachstum sagen sie: yAber es laft sich auch — und, wie uns scheint, mit eben- soviel Berechtigung — eine andere Ansicht verteidigen, welche von der Annahme ausgeht, daf durch terminales Lingenwachstum zu- nachst eine ungegliederte, langgestreckte Stammform erreicht wurde, worauf der Gesamtkérper durch eine Umordnung der einzelnen Or- gane gleichzeitig in eine gréfere Anzahl von Segmenten zerfallt wurde. Diese Annahme stiitzt sich auf den Gedanken, daf bei der seitlich schlangelnden Bewegung des Kérpers und bei der durch die zunehmende Differenzierung bedingten Starrheit der Gewebe die Ausbildung alternierender Regionen griéferer und geringerer Beweglichkeit von betrachtlichem Vorteil fiir das Individuum war und eine weitere Lingenausdehnung des Kérpers erméglichte. Es wiirde dann die erste Ursache fir das Auftreten der metameren Gliederung in der Bewegungsweise und in mechanischen Verhilt- nissen zu suchen sein. Allerdings wird“, so fiigen die Autoren hinzu, »diese letztere Annahme durch die Entwickelungsgeschichte in keiner Weise gestiitzt.“ Bd, XXXVLII. N. F. XXXI. 5 66 Arnold Lang, Wie schon oben (p. 24) konstatiert wurde, hat E. MEYER in seiner Abhandlung vom Jahre 1890 auch gegen die Kormen- theorie Stellung genommen und unter anderem gesagt, daf man, wenn man sich die Vorfahren der Anneliden als trochophora- oder medusenihnliche Geschépfe vorstelle (HATSCHEK, KLEINENBERG), immer ,,wieder zur Knospenbildung, Strobilation oder Umschrei- bungen, wie: absatzweise fortschreitender Wachstums- und Dif- ferenzierungsprozef, seine Zuflucht nehmen miifte, um die Meta- merie zu erklaren. Hierzu bemerkt Ersiag (1898), daf doch gar kein Grund da- fiir vorhanden sei, warum die von Epuarp Meyer fiir den Ur- sprung der Metamerie geltend gemachten Vorginge (lokomotorische Gliederung) sich nicht ebensogut an einem rotatorienaihnlichen wie an einem turbellarienahnlichen Wesen abspielen konnten. Diese Eisiasche Bemerkung enthalt eine gewif’ durchaus berechtigte Berichtigung. Enthalt sie auch eine Zustimmung zu der MEYER- schen Theorie der lokomotorischen Gliederung, auf das lang- gestreckte Trochozoon anstatt auf das langgestreckte ‘lurbellar angewendet? Es lait sich dies aus dem vorliegenden Wortlaut nicht mit Sicherheit entnehmen. Was die erklirende Kraft des Versuches der ,,Ableitung der Metamerie von der lokomotorischen Segmen- tation, unter welchem Titel HarscueK (Lehrbuch, p. 406) die zur Diskussion stehende Theorie behandelt, anbetrifft, so befinde ich mich mit diesem Forscher durchaus in Uebereinstimmung. Gerade bei den Rotatorien ist eine lokomotorische Gliederung schon vorhanden, aber eine rein duferliche geblieben und zeigt nicht den mindesten Einfluf auf die innere Organisation z. B. der Gonaden und des Nephridialsystems. Ich verweise ferner auf die motorische (nur zum Teil lokomotorische) Gliederung, die an den radialen Armen der Pelmatozoen, Asteroiden und Ophiuriden auf- tritt und die auch keine durchgreifende innere Metamerie nach sich gezogen hat. Wenn man diese und andere Fille, vor allem auch die so iiberaus charakteristische Erscheinung der Gliederung der Arthropodenextremititen, untersucht und iiber ihre genetischen Ursachen nachdenkt, so kommt man vielleicht mit mir zu dem Schlusse, daf ein Kausalnexus besteht zwischen dem Vorhanden- sein von Skelettmaterial resp. dem Auftreten eines Skelettes (subkutanes Skelett der Echinodermen, chitiniges Kutikularskelett der Rotatorien und der Arthropodenextremititen, Schale von Chiton, Skelett der Wirbeltierextremititen) einerseits und der Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 67 motorischen Segmentierung andererseits. Es scheint in der Tat das Vorhandensein von Skelettmaterial oder die Ausbildung eines Skelettes unter gewissen Verhiltnissen dem Auftreten einer sich auch auf das Neuromuskelsystem und sodann auch auf andere Organsysteme erstreckenden Gliederung sehr giinstig zu sein und dieselbe zu férdern, sofern die Anfange oder doch die Bedingungen dazu schon vorhanden sind. Da nun im allgemeinen in der Tat die Anneliden im Gegen- satz zu den zarthaiutigen und bewimperten, turbellarienaihnlichen Formen mit beginnender Metamerie, von denen ich sie ableite, eine Haut besitzen, die eine ansehnliche Cuticula, ein beginnendes Exoskelett, absondert, so hat die Annahme, daf mit der Aus- bildung dieses zarten Exoskelettes auch eine lokomotorische, aufere Gliederung des Koérpers einherging, ahnlich wie mit der starkeren Kutikularisierung der Extremitaten der Arthropoden ihre Segmen- tierung, durchaus nichts Unwahrscheinliches. Wenn nun diese aufere Gliederung an einem innerlich schon nach Art der Nemertinen und von Gunda segmentata segmentierten K6rper auftrat, so mu8ten beide Gliederungen zueinander in Beziehung treten: es muften sich die Grenzen der auSeren Segmente doch wohl an den Grenzen zwischen den aufeinander folgenden Paaren von Gonaden- sicken etablieren. So scheint mir die Kombination der beiden Erklarungsversuche: Ableitung der inneren Metamerie des Annulatenkérpers von der pseudo- metameren Polymerie der Platoden und Erklarung der auBeren Gliederung durch lokomotorische Seg- mentation, sehr aussichtsvoll zu sein und prachtig mit der ontogenetischen Tatsache zu stimmen, dal die innere Metamerie der auSeren vorauseilt. Die Ableitung der Metamerie von dem terminalen Wachstum der Scoleciden hat HaTscHEK eine Zeit lang befiirwortet, bis er wieder zur Kormen- theorie zuriickkehrte. Die betreffenden ,Bemerkungen zur Theorie der Segmentierung* finden sich in seiner Abhand- lung ,Ueber Entwickelungsgeschichte von Echiurus* (1880/81) und wiederum kurz zusammengefaft im Lehrbuch der Zoologie (1888—1891). HarscureK argumentierte so: Bei manchen niederen Bilaterien ist das Wachstum des Rumpfes kein gleichmaBiges, sondern ein terminales. 68 Arnold Lang, » Wahrend an seinem Vorderende die Differenzierungsprozesse beginnen, wird am Hinterende durch Wachstum neues Material zur Differenzierung geliefert. In diesem Vorgange, wie er z. B. bei den Nemertinen vorzuliegen scheint, méchte ich die Grundlage zur Metamerenbildung vermuten, so daf auch diese nicht unvermittelt und ohne Uebergang aufgetreten ware. Wenn bei Bilaterien, denen ein terminales Wachstum und eine von vorne nach hinten fort- schreitende Differenzierung des Rumpfes eigentiimlich ist, die kon- tinuierlich fortschreitende Differenzierung sich in eine absatzweise fortschreitende verwandelt, so ist der Typus der metamerischen Tiere erreicht.“ In seinem Lehrbuch bezeichnet HatscueKk z. B. das Wachs- tum des Tentakelkranzes bei den Tentaculaten (Prosopygia) als einen analogen Vorgang. Ich mu8 gestehen, daf ich mit dieser Hypothese nichts rechtes anzufangen vermag. Sie will mir fast nur als eine Tautologie erscheinen. Sie scheint mir in der Tat mehr eine Umschreibung des tatsichlichen ontogenetischen Geschehens als eine phylo- genetische Erklarung zu sein. Uebrigens scheint mir die Dar- stellung der betreffenden Vorgange als absatzweises Wachstum nicht ganz zutretfend, es handelt sich doch eher um ein kontinuier- liches Wachstum unter Bildung sich wiederholender Kérperteile. Ich kann mir wohl vorstellen, daB durch absatzweises Wachstum sukzessive Einschniirungen und Anschwellungen am Kérper, Darm, an den Célomsacken, Nephridien u. s. w. entstehen kénnen, nicht aber, daf sich vollstindig gesonderte, metamere Organe mit eigenen Oeffnungen, wie z. B. die Célomsaicke und Nephridien, bilden. — Im iibrigen miifte fiir das Auftreten des absatzweisen Wachstums selbst wieder ein plausibler Grund gesucht werden. In einem Punkte pflichte ich HarscHeK voll und ganz bei, namlich darin, dafi das terminale Wachstum der Anneliden und das der Nemertinen ganz ahnliche Vorgiange sind. Meine eigene Theorie der Ableitung der Metamerie (speziell der Hirudineen) von der Cyklomerie der Célenteraten (spe- ziell der Ctenophoren) dureh Vermittelung der ,,Pseudo- metamerie* der Turbellarien (speziell von gundaihnlichen Tricladen), Korrektur und Ausbau derselben. Ich habe meine Ansichten iiber die phylogenetische Entstehung der Metamerie der Articulaten zuerst im Jahre 1881 entwickelt und zwar der Hauptsache nach in meiner Abhandlung iiber den Beitrage zu einer Trophociltheorie. 69 »bau von Gunda segmentata und die Verwandtschaft der Plathelminthen mit Célenteraten und Hiru- dineen“ und, was speziell das Nervensystem betrifft, in meinen »Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie und Histologie des Nervensystems der Plathel- minthen“. Die genaue Untersuchung jener Turbellarienform, die ich Gunda segmentata nannte, hatte mich mit der auffallend metameren Anordnung der meisten Organe bei einem Vertreter der Platoden, speziell der von mir als Tricladen bezeichneten Ordnung der Turbellarien bekannt gemacht, also bei Organismen, die sonst als typisch unsegmentierte niedere Wiirmer galten. Zu- gleich wurde ich frappiert von der grofSen Aehnlichkeit in der Anatomie der Tricladen einerseits und der Hirudineen, speziell ‘gewisser Riisselegel, andererseits. Meine Polycladenuntersuchungen aber hatten mich zu der Ansicht gefiihrt, daf unter allen Bi- laterien die Platodenabteilung der ,,Polycladen‘“’ den Célenteraten, speziell den Ctenophoren, am nachsten stehe. Diese Ansicht, zu der gleichzeitig mit mir auch SeLeNKA auf Grund ontogenetischer Untersuchungen gelangt war, der sich auch CHun nicht abgeneigt zeigte und die viele Anhanger gefunden hat, erhielt auch Nahrung durch die Entdeckung polycladenahnlicher Ctenophoren oder cteno- phorenahnlicher Polycladen (das erstere ist wohl richtiger), Formen, die von ihren Entdeckern KowALevsky und KorotTNerr mit den Namen Coeloplana und Ctenoplana belegt wurden. Ich komme im Laufe der folgenden Erérterungen nicht mehr auf die Theorie der Ctenophorenverwandtschaft der Turbellarien zuriick. Sie hat ihren Weg gemacht. Wenn sie auch in vielen Kinzelheiten korrigiert und ergiinzt werden mul, so scheint sie mir doch in den Hauptpunkten durch die seitherigen Unter- suchungen an Wahrscheinlichkeit gewonnen zu haben. Den Fehler hatte sie jedenfalls, daf sie zu sehr ins Detail ging. Diesen Fehler hatte in noch viel gré&erem Mae meine ,Gunda- theorie, wie ich meine im Jahre 1881 ausgesprochene Hypo- these von der Abstammung der Anneliden und dem Ursprung der Metamerie kurz nennen will. Sie hielt sich zu eng und Angstlich an die Spezialfalle der Turbellarien- und Annelidenorganisation, die im Bau von Gunda und der Riikelegel vorliegen. Diese Be- handlungsweise eines phylogenetischen Problems hatte aber doch wenigstens das Gute, da sie der kritischen Nachpriifung be- stimmte, deutliche Anhalts- und Angriffspunkte lieferte, sich ihr 70 Arnold Lang, nicht durch nur allgemeine, vage, unbestimmte Andeutungen von Moglichkeiten entzog. In einem Hauptpunkte war meine Gundatheorie ganzlich ver- fehlt. Dieser Punkt betrifft die Auffassung der Darmdivertikel der Célenteraten, Platoden und Hirudineen als Homologa der echten Leibeshéhle der héheren Tiere. Die Frage nach der morphologischen Bedeutung und der phylogenetischen Entstehung der verschiedenen Formen der Leibes- héhle und des Mesoderms war durch die Theorien der Englander HuxLey, BALFour und LANKESTER und auf dem Kontinent be- sonders durch die Célomtheorie der Gebriider HerTwig Ende der siebziger und am ersten Anfang der achtziger Jahre ganz in den Vordergrund des Interesses der Morphologen geriickt worden '). Die wissenschaftliche ,Stimmung“, aus der heraus ich selbst zu der Frage Stellung nahm, wird am besten durch folgende Stelle in meiner Gundaarbeit gekennzeichnet: »CHUN hat in seiner grofen Monographie mit Nachdruck die alte Lrucxartsche Auffassung verteidigt, der zufolge der célen- terische Apparat der Célenteraten den Darmkanal + Leibes- héhle der hdheren Tiere reprasentiert. Er begriindet seine An- sicht ahnlich wie AGassiz und Mecznrxkov durch den Hinweis auf die Entstehung der Leibeshéhle bei Sagitta, den Brachiopoden und den Echinodermen. Ich bin einigermafen verwundert, daf O. und R. Herrwie auf die Cuunschen Ansichten nicht Riicksicht genommen haben. Wenn, wie die Verfasser der ,Célomtheorie‘ mit so grofem Geschicke ausfiihren, das Colom in der ganzen grofen Abteilung der ,Enterocélier‘ sich als Ausstiilpungen des Urdarms anlegt, so mu doch jeder, der auf dem Boden der Deszendenztheorie steht, annehmen, dafi es Tiere gegeben hat und vielleicht noch gibt, bei denen zeitlebens die Célomdivertikel des Urdarms mit dem letzteren in offener Kommunikation gestanden haben. Es kénnen sich doch nicht plétzlich einmal bei einer Tiergruppe Divertikel des Darmes gebildet haben speziell zu dem Zwecke, durch Abschniirung vom 1) Eine geschichtliche Darstellung der verschiedenen Stadien der Célomfrage findet sich in H»rrwies Célomtheorie (1881) und besonders in einem von Ray Lankusrer verfaften, ,The Entero- coela and Coelomocoela* iiberschriebenen Kapitel des von ihm herausgegebenen ,,Treatise on Zoology“, Part I, 1900. In diesem Artikel hebt Lankustpr den Anteil seiner beriihmten Landsleute Huxitry und Batrour, besonders aber seinen eigenen, an den Schicksalen der Célomtheorie gebiihrend hervor. Dabei verharrt Lanxestwr auf dem sonst ziemlich allgemein aufge- gebenen Standpunkt, daf die sekundire Leibeshéhle iiberall ein Enterocél sei. Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 71 Darme die allseitig geschlossene Leibeshéhle zu bilden. Aehnliche Griinde haben wohl auch Hvuxiey bewogen, die Darmiaste der Plathelminthen und Célenteraten fiir die Homologa des_ ,Entero- céls‘ héherer Tiere zu halten. Dieser Ansicht eine Reihe neuer Stiitzpunkte zu verschaffen, ist eine der Hauptaufgaben, die ich mir in vorliegendem Aufsatze gestellt habe.“ Die Hauptstiitzpunkte, die ich glaubte gefunden zu haben, waren folgende: 1) Der Ursprung der Geschlechtsprodukte aus dem Epithel der ,,Célomdivertikel“ des Darmes. Gewisse Befunde bei Tri- claden und Polycladen, wo ich zwischen dem Epithel von Darm- aisten und dem dicht anliegenden Keimlager von Gonaden keine Grenze zu erkennen vermochte, glaubte ich nicht anders deuten zu kénnen, als durch Annahme des Ursprunges des letzteren aus dem ersteren. Dieser Befund hat sich bei den Tricladen als triigerisch erwiesen (siehe besonders JigimA 1884), und infolge- dessen schienen und scheinen auch Zweifel an der Richtigkeit der Deutung des Beobachtungsbefundes bei Polycladen am Platze, ob- schon auch v. GraFr 1893 ,die Entstehung der Ovarien aus dem Darmepithel, wie sie von Lane fiir Tricladen und Polycladen beschrieben worden“, an seinen ,,Praparaten der Planocera simrothi bestitigen konnte‘. Die Gonaden entstehen wohl tiberall bei den Platoden aus im Parenchym liegenden Zellen oder Zellgruppen. Was die Ctenophoren anbetrifft, so ist die Frage lange strittig gewesen, ob die Geschlechtsprodukte aus dem Darm- epithel oder aus dem Ektoderm entstehen. Der neueste Autor, GarBE, konnte in seinen ,Untersuchungen iiber die Ent- stehung der Geschlechtsorgane bei den Ctenophoren* (1901) ihre Entstehung aus dem Entoderm der Meridionalgefafe ,unzweifelhaft“ bestatigen. Bei den Hirudineen nehmen zweifellos die Gonaden aus dem Zellenmaterial der Mesodermsegmente ihren Ursprung. 2) Ich fand, daB bei Gunda segmentata eine grofe An- zahl der terminalen Wimperzellen des Exkretionssystems am und im Epithel der Darmiste liegen. Ich glaubte mich deshalb be- rechtigt, im Exkretionssystem dieser Form ein System von Kandalen zu erblicken, welche die Célomdivertikel des Darmes mit der AuSen- seite in Verbindung setzen. Da ich damals das wirkliche Wasser- gefafsystem der Polycladen noch nicht aufgefunden hatte, glaubte ich die Porenkanale, welche die Darmdivertikel bei gewissen Poly- claden, die Trichterkanile bei den Ctenophoren, den Ringkanal 12 Arnold Lang, bei gewissen Medusen mit der Aufenwelt in Kommunikation setzen, fiir jenen Exkretionskandlen von Gunda und den (yom Célom nach aufSen fiihrenden) Nephridien der Anneliden homologe Bildungen halten zu diirfen, ahnlich wie es spiter auch SeEDGwIcK getan hat. Kurz nach Verdffentlichung meiner Gundaarbeit konnte ich aber bei Polycladen die Existenz eines typischen Wassergefab- systems — in Bestatigung einer kurzen Bemerkung von Max ScHULTZE vom Jahre 1854 — nachweisen, und dadurch wurde den eben erwahnten Spekulationen der Boden unter den FiiSen entzogen. 3) Eine weitere Stiitze fiir die Annahme der Homologie der Darmdivertikel der Platoden und Hirudineen und der Entero- célblasen der Chatopoden, oder doch wenigstens eine Ueber- einstimmung zwischen beiden konnte ich in ihrer streng segmen- talen Anordnung erblicken. 4) Ueber das wirkliche Célom der Hirudineen war man damals noch nicht im klaren. Es werden auch seitdem noch bis zur heutigen Stunde Untersuchungen tiber die Frage angestellt: Was ist bei den einzelnen Hirudineenabteilungen Colom und was ist Blut- gefafsystem. Irreleitend war fiir mich ferner der parenchymatése Habitus der Hirudineen, ferner das Vorhandensein in das ,,Par- enchym“ eingebetteter, mit den Darmdivertikeln alternierender Gonaden, deren Gonodukte und Ausmiindungsweise tiberdies so manche frappante Analogie zu Platodenverhiltnissen darbietet. Ich mufte aber doch bald zu der Einsicht gelangen, daf die Darmdivertikel der Hirudineen unméglich den Célomhéhlen der iibrigen Anneliden entsprechen kénnen, daf die Hirudineen viel- mehr neben den Darmdivertikeln ein dem der Chatopoden durch- aus homologes, wenn auch reduziertes und stark verandertes Célom besitzen und daf sich bei ihnen die nimlichen Mesoderm- ursegmente anlegen wie bei den Oligo- und Polychiten. Ich habe denn auch bei der nachsten Gelegenheit, die sich mir darbot, in einem ausfiihrlichen Referate tiber die Grarrsche Rhabdocélidenmonographie im Biol. Centralblatt, Mai 1883, und in meiner Polycladenmonographie im Jahre 1884, meinen Irrtum beziiglich der Auffassung der Darmdivertikel der Platoden und Hirudineen als Homologa der Célomhéhlen der Chatopoden offen und riickhaltlos zugegeben und den Satz ausgesprochen, daf die Platoden und Hirudineen ebensosehr und ebensowenig Entero- célier sind wie die (chatopoden) Anneliden. Beitriige zu einer Trophocdéltheorie. 73 Daf iibrigens die Célomdivertikeltheorie gewissermafen in der Luft lag und ernstlich in Erwigung gezogen zu werden verdiente, beweist der Umstand, dafi eine Reihe bedeutender Forscher sich zu ihr bekannten oder ihr eine grofe Wahrscheinlichkeit zu- schrieben, zum Teil auch noch zu einer Zeit, wo ich sie selbst schon aufgegeben hatte. So schrieb Huprecut, der freilich selbst bald nachher zu einer anderen Ansicht kam, im Jahre 1883: »it must here be noticed that Lane has only very lately emitted serious doubts concerning his own propositions. It remains to be seen whether future investigations will not tend to confirm his original suggestive hypothesis rather than these doubts.“ SEDGWICK niherte sich bekanntlich in diesem Punkte meiner Ansicht, indem er 1884 die Célomkammern der héheren Bilaterien auf die Gastraltaschen korallenahnlicher Célenteraten zuriickfiihrte. CarLo Emery pflichtete 1883 meiner Gundatheorie in einer gegen CaTTANEOs Kormentheorie gerichteten Schrift, besonders auch was die Auffassung der Darmdivertikel der Platoden und Hirudineen anbetrifft, vollstandig bei und sagte unter anderen: »Ma non e egli piu verosimile supporre, col Lana, che la Branchiobdella rappresenti una Sanguisuga, in cui le insaccature intestinali si sono separate dall’intestino propriamente detto, costi- tuendo i segmenti del celoma? L’ontogenia della Branchiobdella é finora ignota; dallo studio di essa dobbiamo aspettarci di vedere rischiarato l’ultimo punto ancora oscuro della bellissima teoria di Lane.“ Als Emery das schrieb, hatte SaLensky schon seine Mit- teiluigen tiber die Entwickelung von Branchiobdella im zweiten Bande des Biol. Centralblattes veréffentlicht, die auch wesentlich dazu beitrugen, daf ich mich von der Unrichtigkeit meiner Darm- divertikeltheorie tiberzeugte. Auch HatscuHek hat sich noch in seinem Lehrbuch der Zoo- logie (1888—1891) dem Grundgedanken der von LEucKART, Huxxiey und den Gebriidern Hertwie begriindeten und von mir Speziell mit Bezug auf die Ctenophoren, Platoden und Hirudineen weiter ausgefiihrten Enterocéltheorie in einem gewissen Sinne an- geschlossen. Auch er halt es fiir wahrscheinlich, daf die Cteno- phoren der Stammform der Bilaterien nahestehen. Er leitet die Célomsicke und Nephridialkandle der Bilaterien, die er den _Sackgonaden der Platoden und Rotatorien fiir gleichwertig halt, von den Gastrokandilen der Ctenophoren ab. Er méchte daher den Mitteldarm aller Bilaterien morphologisch nur mit dem Centralmagen der Célenteraten im allgemeinen oder speziell der 74 Arnold Lang, Ctenophoren vergleichen, nicht aber — so fahrt er fort — mit dem gesamten Urdarmsystem oder célenterischen Apparat, ,,wie Lana dies tut. HatscHek tut mir hier entschieden Unrecht, er schreibt mir hier eine Ansicht zu, die ich nie gehabt habe. Ich habe doch stets den célenterischen Apparat (Centraldarm mit Divertikeln) der Célenteraten, Turbellarien und Hirudineen mit dem Darm + Célomsacke der Célomaten verglichen, speziell die Darm- divertikel mit den Célomsacken. Selbstverstandlich blieb dann fiir den Vergleich mit dem Mitteldarm der Célomaten auch nach meiner Ansicht nur der Centralmagen der Coélenteraten tbrig. Fiir den Augenblick erscheint es mir nun aber wirklich aussichtslos, die Célomsacke auf Urdarmdivertikel niederer Meta- zoen zuriickzufiihren. (Ganz selbstverstandlich fallen die Darm- iste der Hirudineen ganzlich auBer Betracht.) Aber im Geheimen nihre auch ich noch die Hoffnung, dal sich einst eine solche Aus- sicht eréfinen wird. Nachdem ich die Célomdivertikeltheorie aufgegeben, blieb ich einige Zeit im ungewissen und unklaren, ob und wie dieselbe durch eine den bekannten embryologischen und vergleichend-ana- tomischen Tatsachen besser entsprechende ersetzt werden kénne. Immerhin suchte ich in meiner Polycladenmonographie Beziehungen zwischen den 2 Polzellen des Mesoderms der Anneliden und Mollusken und den 4 radiir angeordneten Urmesodermzellen der Polycladen zu ermitteln. Bald aber begannen meine Gedanken sich immer mehr mit der jetzt unter dem Namen Gonocdél- theorie zu so vielseitiger Anerkennung gelangten Auffassung zu beschaftigen, welche in den Célomsicken erweiterte Gonaden- sicke der Acdlomier erblickt. Diese Auffassung war mir in den Grundziigen schon aus haufigen Gespraichen mit EK. Meyer An- fang der 80er Jahre bekannt geworden, noch ehe Berau 1885 den alten Harscnexschen Gedanken schirfer ausgefiihrt hatte. Schon im Jahre 1888 betonte ich in meinem Lehrbuch der ver- gleichenden Anatomie ausdriicklich, daf man berechtigt sei, die Frage aufzustellen, ,ob nicht diejenigen Organe niederer acélomer Wiirmer, aus deren Keimepithel sich die Geschlechtsprodukte bilden, d. h. die Ovarien und Hoden, den Kammern der Leibeshoéhle (Célom) héherer Wiirmer entsprechen, aus deren Endotheliiberzug an lokalisierten Stellen die Geschlechtsprodukte hervorgehen. Seit 1890, in welchem Jahre E. Meyers kleine Abhandlung tiber die Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. (3) Abstammung der Anneliden erschien, habe ich die Grundziige der Gonocéltheorie jaihrlich im wesentlichen in der vorliegenden Form vorgetragen, und im Jahre 1892 habe ich sie fiir die vergleichende Anatomie der Mollusken eingehend verwertet. Ich setze also die Gonocéltheorie, die in den letzten Jahren immer mehr an Boden gewonnen hat, an die Stelle der Darmdivertikeltheorie. Das ist die Hauptinderung, und, wie ich glaube, eine sehr wesentliche Verbesserung an meiner Gundatheorie. Eine zweite Aenderung gegentiber meinem damaligen Stand- punkt ist dadurch gegeben, daf ich nicht mehr so ganz einseitig die spezielle Form Gunda segmentata und die Hirudineen hervorhebe, sondern tberhaupt die Turbellarien und Nemertinen auf der einen Seite und die Anneliden auf der anderen. Die Nemertinen sind in der Tat durch die neueren Untersuchungen (besonders von BureEr) speziell tiber das Exkretionssystem den Turbellarien wieder naher geriickt worden. Doch mochte ich sie auch heute noch nicht direkt den Platoden einverleiben, denn sie wiirden die natiirliche Umgrenzung dieser ,einheitlichen Ab- teilung stéren. Nach wie vor bleibt aber Gunda segmentata das schénste Beispiel fir das Auftreten eines metameren Zu- standes innerhalb der Platoden, und nach wie vor leite ich die Metamerie der Anneliden von einer Metamerie ab, abnlich der- jenigen, die sich bei Turbellarien als ein besonderer Fall der Anordnung zahlreicher gleichartiger Organe, vielleicht aus der strahlenformigen Anordnung derselben heraus, entwickelt hat. Neben dieser Grundidee glaube ich auch diejenigen Haupt- teile meiner Gundatheorie ohne wesentliche Aenderungen bei- behalten zu kénnen, die das Nephridialsystem und das Nerven- system betretfen, namlich die so hart und leidenschaftlich an- gefochtene Ableitung der segmentalen Nephridien der Anneliden von einem PlatodenwassergefaSsystem mit metameren Aus- miindungen und die Ableitung des typischen Articulatennerven- systems von dem Strickleiternervensystem der Platoden und Nemertinen. Diese Ableitung war auch im Jahre 1881 nicht ganz neu. Ich darf aber wohl sagen, daf’ vornehmlich meine Unter- suchungen iiber das Nervensystem der Platoden und iiber das Nephridialsystem speziell der Tricladen zum erstenmal eine ein- gehendere Begriindung derselben erméglichten. Ich darf nicht sagen, dafi meine Gundatheorie gerade viel Anklang gefunden habe. FEinen eifrigen Anhinger fand sie in- 76 Arnold Lang, dessen, wie schon angedeutet, in Emery, der sie 1883 gegentiber der von CATTANEO vorgebrachten Argumentation zu gunsten der Kormentheorie lebhaft und geschickt verteidigte. In der neuesten Zeit jedoch scheint sich eine Wendung zu ihren Gunsten zu voll- ziehen, abgesehen natiirlich von der durch die Gonocdllehre zu ersetzenden Célomdivertikelhypothese. Ich finde z. B. bei Goop- ricH vielfach Anklange an die von mir vertretenen Ideen. Er halt die Planarien fiir ,,undoubtedly primitive in some respects“ und sagt, indem er von den Gonaden von Gunda segmentata spricht: ,If these follicles were larger, Gundasegmen- tata could be called a:truly segmented animal.“ Gegentiber der Ansicht E. Meyers, da8 die Stammform der Anne- liden ein einziges Paar langgestreckter Gonadenfollikel besa, das durch Zerfall in aufeinander folgende Stiicke in den metameren Zustand iiberging, wobei jedes Stiick wieder einen neuen Leitungs- weg nach aufen erhalten mufte, vertritt er (1895) folgende an meine eigene anklingende Ansicht: »lt seems to me more probable that the metameric arrange- ment of the genital follicles is more directly due to that ,tendency* to repetition by a sort of budding, which si seen in the case of the gonads, the penis and even the pharynx amongst the Planarians..... ; In seiner neuesten Arbeit (1901) entwirft Goopricx folgende Skizze von der mutmaflichen Stammform der Anneliden, die wohl als das Ergebnis seiner mehrjihrigen, hochwichtigen Anneliden- untersuchungen zu betrachten ist. »Lhis primitive Annelid must have been itself derived from a form which, we may presume, to some extent approximated to the plan of structure now elaborated along the Nemertine and Platyhel- minth lines of descent. In other words, it was probably derived from worms in which the muscles and parenchyma were well de- veloped, but in which the coelom and internal segmentation were not so well differentiated, and which were provided with nephridia ending in flame-cells.“ Nachdem ich meinerseits die Gundatheorie durch die Gonocél- theorie korrigiert und erginzt habe, und nachdem E. Meyer in seiner neuesten grofen Arbeit (1901) seine friihere Ansicht iiber die urspriingliche Zweizahl der Gonaden- (= Célom-)Sacke zu Gunsten der Annahme aufgegeben hat, da’ die Vielzahl das Primiire sei und. da8 die Metamerie durch regelmafgige, bilateral- symmetrische Verteilung vieler kleinerer Gonaden entstand, scheint mir eine Uebereinstimmung zwischen ihm und mir in den wich- Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 77 tigsten Punkten, wenn nicht schon erreicht, doch in nahe Aussicht gestellt zu sein. Ich verzichte darauf, die Ableitung der metameren Anneliden- organisation von derjenigen der Turbellarien neuerdings in extenso ~ gu begriinden, und beschrainke mich auf die Diskussion einer An- zahl von Punkten, die das Darm-, Nephridial- und Nervensystem betreffen. Die Beziehungen des Gonadensystems zum Colom werden in einem besonderen Hauptabschnitt besprochen. 1. Das Darmsystem der Platoden. Dadurch, da8 wir die Idee verlassen haben, da’ die Darm- divertikel der Turbellarien morphologisch Célomdivertikel des Ur- darmes seien, haben wir ihnen doch nicht alle gréfere vergleichend- anatomische Bedeutung weggenommen. Es kommt dem ganzen Darmsystem der Platoden immer noch die gleiche Bedeutung zu, wie dem entsprechenden System der Célenteraten, die Bedeutung eines Apparates, welcher nicht nur die Funktionen der Verdauung und wohl auch bis zu einem gewissen Grade die der Atmung, sondern auch die der Cirkulation besorgt. Das Darmsystem der mit einem veriistelten Verdauungskanal ausgeriisteten Platoden (und es gibt bekanntlich solcher Formen recht viele, sogar unter den Rhabdocélen) verdient den Namen eines Gastrovaskularsystems so gut wie das der Célenteraten, auch dann, wenn man, wie HAECKEL, Vv. GRAFF u. a., die niederen Rhabdocdlen fiir die Aus- gangsformen des ganzen Stammes betrachtet, eine Ansicht, die ja der meinigen direkt entgegengesetzt ist. Die Darmaste der grofen blattformigen Platoden, die das Parenchym kanalisieren und welche die in ihm bis zum Kérperrand zerstreuten Organe, besonders auch die Gonaden, mit Nahrung versorgen, ahnlich wie die Gastro- kanale der Medusen und Ctenophoren, die die Gallerte durch- setzen und deren Verlauf zu der Anordnung der zu erndhrenden Organe (Gonaden, Velum, Sinnesorgane, Ruderplattchen etc.) sicht- lich in Beziehung steht, sie spielen in beiden niederen Abteilungen der Metazoen die Rolle des noch fehlenden Blutgefafsystems *) und der Leibeshohle, c 1) Interessant sind in dieser Beziehung die von mir be- schriebenen Pulsationen der Gastrokanale der Polycladen, in deren Dienst eine besondere, eigentiimlich ausgebildete Ringmusku- latur steht. 78 Arnold Lang, Sie stellen das erste und einzige ernadahrende Hohlraumsystem der niederen Metazoen dar, das ich, um nicht den Namen Enterocél') zu gebrauchen, der durch die Célomtheorien einen bestimmten Beigeschmack erhalten hat, Gastroecél nennen will. Man kann sagen, da& unter der Herrschaft dieses primitiven Systems der Nah- rungszufuhr zu den nahrungsbedirftigen Organen die tierische Organisation bei den Platoden den héchsten Grad der Komplikation erreicht hat. Fir die Entstehung der Metamerie war das Gastrokanal- system insofern von Bedeutung, als an dem Uebergang des radialen zu dem bilateralsymmetrischen Bau und der schlieBlichen Anordnung der in der Vielzahl vorhandenen Organe (speziell der Gonaden) zu zwei seitlichen Langsreihon — Uebergang der Cyklomerie zur Metamerie — auch die Gastrokanile be- teiligt waren, indem sich zwischen je zwei aufeinander folgenden Gonaden ein ernahrendes Darmdivertikel erhielt. Nach der in der vorliegenden Schrift vertretenen Ansicht liber das erste Auftreten des BlutgefiBsystems (des Hamoc6éls) im Tierreich, blieb, bei allmahlicher Verkiirzung und schlieflichem vollstandigen Schwunde der primaren Cirkulationsorgane (der Di- vertikel des Gastrocéls) und gleichzeitiger Erweiterung der metameren Gonadenblasen zu Gonocélsaicken, an Stelle der verschwundenen primaren Cirkula- tionsorgane zwischen dem auf den réhrenférmigen Mitteldarm reduzierten Gastrovaskularsystem und den Gonocélsicken sowohl, als auch zwischen den aufeinander folgenden Gonocélsicken ein mit aus dem Darm diffundierter ernihrender Flissigkeit erfiilltes Liickensystem iibrig, das BlutgefaBsystem in seiner einfachsten Form. 1) Lankestrer nennt neuverdings (1900) die Coelenterata (exclus. Porifera) ,Enterocoela*. Die Gebriider Herrwie aber faften in ihrer ,Cédlomtheorie* 1881 — unter Anwendung der von Huxtry eingefiihrten Bezeichnung Enterocél — unter dem Namen ,,Entero- colier“ alle diejenigen Metazoen zusammen, die durch den Besitz einer nach ihrer Ansicht auf Ausstiilpungen des Urdarmes zuriick- fiihrbaren Leibeshéhle ausgezeichnet sind: die Célhelminthen, Echino- dermen, Arthropoden und Vertebraten. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 79 2. Die Ableitung des Articulatennervensystems. Ich habe im Jahre 1881 mit Nachdruck die von verschie- denen Seiten geauferte Ansicht verteidigt, da8 das Nervensystem der Articulaten von dem Strickleiternervensystem der Platoden ab- geleitet werden kénne. Meine eigenen Untersuchungen iiber das Nervensystem der Platoden, speziell die Tricladenuntersuchungen, hatten viel Tatsachenmaterial zur Unterstiitzung dieser Ansicht gebracht. Es war nun der Nachweis definitiv erbracht, da8 die ventralen ,Langsnerven* der Platoden nicht blofe periphere Nerven sind, sondern nervése Zentralorgane, da sie in ihrem ganzen Verlaufe mit Ganglienzellen ausgeriistet sind. Man wird sie deshalb am besten als Markstrange bezeichnen, eine Be- zeichnung, die ich fiir die ahnlichen strangférmigen Nervenzentren der niederen Mollusken angewendet habe. Ferner mufte das spezielle Verhalten des Strickleiternervensystems bei Gunda, wo sich die Querkommissuren so tiberaus regelmafig und in der gleichen Zahl, wie die ibrigen Metameren, wiederholen, notwendiger- weise starken Eindruck auf mich machen. Ich habe seit jener Zeit der erwahnten Ansicht stets das Wort geredet und halte auch heute noch in vollem Umfange an ihr fest. Die Ableitung des Articulatennervensystems vom Strickleiternervensystem der Turbellarien setzt zwei Annahmen voraus, erstens die Ansammlung der Ganglien- zellen an den Kreuzungspunkten (Knotenpunkten) zur Bildung distinkter Ganglien und zweitens das Auftreten des Schlundes vorn am Kérper unmittelbar hinter dem Gehirn. Keine dieser An- nahmen bietet irgendwelche Schwierigkeiten. Zur ersten Annahme einige wenige Bemerkungen. Schon bei Tricladen kommt es vor, da8 an den Kreuzungsstellen mehr Ganglienzellen sich finden als in den dazwischen liegenden Strecken. Jismma, der sonst in seinen AeuSerungen sehr vorsichtig ist, nennt diese Stellen (1884) ge- radezu Ganglien: ,,.Ich glaube mit vollem Recht die Punkte, an denen die Seitennerven und Kommissuren austreten, als Ganglien bezeichnen zu diirfen.* Es scheint mir auch sehr angebracht und lehrreich, sich der Verhaltnisse bei den Mollusken zu erinnern, wo die charakteristischen Ganglien des Kérpers ‘sich an ganz be- stimmten Hauptkreuzungspunkten der Fasermassen des _,,Strick- leiternervensystems“ der niederen Formen etablieren. (Man ver- gleiche besonders Lane, Lehrbuch, 1892, p. 710; 2. Auflage von HeESCHELER, 1900, p. 204; Puare, 1901, p. 553 und ff.) Und 80 Arnold Lang, dann muf doch darauf hingewiesen werden, dafi es typische Arti- culaten mit Strickleiter-Bauchmark gibt. Man denke nur an Peri- patus und die ,,Archianneliden“, bei denen das Bauchmark un- gegliedert ist und ,,die Form paariger Seitenstrange hat, deren Ganglienbelag in der ganzen Lange gleichmafig verteilt ist“. Was den zweiten Punkt anbetrifft, die Lage des Mundes und Schlundes, so muf ich neuerdings betonen, daf die An- nahme, der Schlund befinde sich, im Gegensatz zu den Tricladen, bei den unmittelbaren Stammformen der Anneliden schon am Vorderende des Kérpers, unmittelbar unter und hinter dem Gehirn, keinerlei Schwierigkeit bietet. In der Klasse der Turbellarien, die sich durch eine geradezu staunenswerte Plastizitat der Organisation auszeichnet, gibt es keine Kérperstelle vom Vorderende bis nahe am Hinterende in der Medianlinie, wo sich nicht bei dieser oder jener Formengruppe der Schlund angesiedelt hatte. Er liegt auch bei einer ganzen Anzahl von Cotyleen unter den Polycladen ganz vorn an der Bauchseite, unmittelbar hinter oder sogar unter dem Gehirn (letztere Lage gilt fiir den Mund und vorderen Teil der Pharynxscheide von Oligocladus), so daf das Gehirn genau die gleichen Lagebezichungen zu dem Schlunde bekommt, wie das obere Schlundganglion bei den Articulaten. Es liegt hier und bei den Trematoden keine die longitudinalen Markstringe verbindende Querkommissur vor dem Schlunde, es sei denn eine dem Gehirn assimilierte. Ich glaube auch, daf es gar nicht ndtig ist, anzunehmen, wie ich das 1881 tat, daf sich bei den Stammformen der Anneliden der Schlund zwischen jenem vorderen und oberen und hinteren und unteren Teile des ,,Gehirn“ genannten Kommis- surensystems motorischer und sensibler Nerven etablierte, die ich bei Gunda als sensorielle und motorische Gehirnkommissur be- zeichnete. Ohne den Versuch machen zu wollen, spezielle Homo- logien aufzustellen, darf ich doch daran erinnern, da8 zweifellos auch motorische Fasern fiihrende Nervenkommissuren dem Prosto- mium aller Annelidenlarven zukommen. Andererseits enthalten wohl sicher auch die longitudinalen Markstringe der Platoden und die motorische Hirnkommissur von Gunda sensible Nerven- fasern. Die vergleichenden Anatomen scheinen, soweit sie sich hier- iiber iiberhaupt geaufert haben, fast durchgingig der Ableitang des Articulatennervensystems von dem _ Strickleiternervensystem der Platoden zuzustimmen. Dagegen sind die meisten Embryo- logen — mit Ausnahme von HatscHeK und Epuarp MEYER — Beitrige zu einer Trophociltheorie. 81 anderer Ansicht. HarscHek halt den ganzen Schlundring fiir einen von jeher zusammenhingenden Nervenapparat, und ver- gleicht die Schlundkommissuren, aber nur diese, mit den Seiten- nerven der Rotatorien und Turbellarien. Er nimmt an, daf das Trochozoon zwei seitliche Langsnerven besa’, die vom Scheitel- ganglion bis nahe zur Analregion reichten und die eben der Annelidenschlundkommissur entsprechen. Das Bauchmark rechnet er zu den sekundaren Organen. Es entsteht dadurch, da8 sich bei der Knospung des Metamerencormus die Schlundkommissuren nach hinten zu verlingern, hinter dem Schlunde zusammenriicken und miteinander durch Querkommissuren in Verbindung treten. Den Strickleiterkommissuren zwischen den ,,Seitennerven*s der Turbel- larien schenkt er in der Theorie keine Aufmerksamkeit. Epuarp Meyer auferte seine Meinung 1890 dahin, daf das definitive Nervensystem der Anneliden ,unbedingt von dem bei Turbellarien bestehenden Verhalten ziemlich direkt abzuleiten“ sei, wobei man annehmen miisse, ,,daf% sich die Zusammensetzung der Hauptzentren aus kleineren, um gewisse Sinnesorgane ent- standenen Ganglien, wie es die Ontogenie der Ringelwiirmer zeigt, wsesentlich schon bei den parenchymatésen Vorfahren vollzogen hatte“. Das ganze larvale System aber, mit Einschlu8 der Wimper- ringnerven und seiner Ganglien, halt er ,,fiir eine besondere Modi- fizierung eines noch Adlteren diffusen, subkutanen Nervenzellen- geflechtes“. In seinen neuesten Studien (1901) spricht sich E. Meyer tiber die Phylogenie des Articulatennervensystems nicht wieder aus. Vielleicht aber darf ich erwahnen, daf er in einer kiirzlich an mich gerichteten brieflichen Mitteilung auf die Aehnlich- keit aufmerksam machte, die in der paarigen Anordnung mehrerer Langsnervenstimme und ihren wiederholten Querverbindungen zwischen der Trochophora und den Plattwiirmern besteht. Allein, wie gesagt, die meisten Embryologen sind der An- nahme ungiinstig gesinnt, da’ das Nervensystem der Anneliden: Gehirn, Schlundkommissuren und Bauchganglienkette, aus dem Gehirn und den beiden durch Strickleiterkommissuren (bei Gunda metamer) verbundenen ventralen Markstriingen der Turbellarien hervorgegangen sei. SALENSKY, GOETTE, KLEINENBERG und andere, besonders aber neuerdings wieder Ersta betonen den Umstand, dafi das Gehirnganglion und das untere Schlundganglion (das vorderste Ganglion des Bauchmarks) sich vollstandig getrennt von- einander anlegen und erst durch Einanderentgegenwachsen von Nervenfasern, wodurch die Schlundkommissur hergestellt wird, Bd, XXXVIII, N. F. XXXI, 6 82 Arnold Lang, sekundir miteinander in Verbindung setzen, wahrend bei den Platoden die Langsnervenstimme aus dem Gehirnganglion aus- wachsen. Die getrennte Anlage beider Systeme wird neuerdings auch von E. Meyer bestatigt. Die embryologischen Akten sind jedoch in dieser Frage noch lange nicht geschlossen, und es sind hauptsichlich neue Untersuchungen tiber die Ontogenie des Nerven- systems der Turbellarien ein dringendes Bediirfnis. Allein es lat sich jetzt schon sehr vieles, besonders auch viel Prinzipielles, gegen die Auffassung der genannten Embryologen einwenden. Schon HatscHeK hat mit Recht auf das tiberaus Bedenkliche der An- nahme des phylogenetischen Ursprungs getrennter Nervenzentra, die miteinander durch keinerlei Nervenleitungen in Verbindung sind, hingewiesen und die KLErmNeNBERGSChe Erklarung dieser Schwierigkeit 1), wiederum meiner Meinung nach mit vollem Recht, als eine gezwungene bezeichnet. Nach meiner Ansicht entstand urspriinglich das ganze 1) Kurrnenpere (1886) wendet fiir die phylogenetische Er- klarung der von ihm beschriebenen Entwickelungsweise des Nerven- systems der Anneliden seine Lehre von der Substitution der Or- gane an. ,Die Anfangsform geben medusenartige Célenteraten mit einem ganglienhaltigen Ringnerven als Centralorgan her.“ Dann haben sich bei den direkteren Vorfahren der Anneliden ,,ein her- vorragendes Sinnesorgan auf dem Scheitel der Umbrella und spiter ein oder mehrere Sinnesorgane, wahrscheinlich um den urspriing- lichen Mund herum auf der Subumbrella gebildet*. Alle Sinnes- organe ,standen aber in unmittelbarer Abhangigkeit vom zentralen Ringsystem“. Sodann gewannen die nervésen Bildungen der Um- brella und der Subumbrella immer mehr das Uebergewicht. Es entstanden schlieflich ,,zwei bedeutende nervése Organkomplexe, bereits mit starker zentraler Tatigkeit, die jedoch untereinander nur durch Vermittelung des alten Zentralorganes (d. h. der Ring- nerven) kommunizieren konnten“. ,Dann fehlte den Ganglienzellen des letzteren der Arbeitsstoff ginzlich, sie gingen zu Grunde und mit ihnen alle alten Leitungen, ausgenommen diejenigen, welche vom umbrellaren zum subumbrellaren Abschnitt des nun zu einem einheitlichen System verkniipften neuen Zentralorgans hiniiberfihrten.“ »Da dieser phylogenetische Vorgang zum grodften Teil in der Ontogenie der Anneliden erhalten ist, besitzen dieselben wihrend ihres individuellen Lebens zwei durchaus verschiedenartige Nerven- systeme, eins fiir die Larve, ein anderes fiir das Annelid. Das Zentralorgan der Larve ist dem der Medusen homolog, fiir das Zentralorgan des Annelids gibt es in der Célenteratenorganisation keinen gleichartigen Bestandteil.“ Nach Kurrnenpera stehen die beiden Nervensysteme onto- genetisch zunichst gar nicht in Zusammenhang, dann etabliert sich Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 83 Ganglienzellenmaterial, sowohl das des Strickleiternervensystems der Annelidenvorfahren als das des Gehirns und Bauchmarks der primitiven Anneliden in situ aus dem Ektoderm, wie die Elemente des Célenteratennervensystems. Diese Entstehungsweise erscheint bei den Platoden sehr stark modifiziert durch eine teloblastische Entwickelungsweise und durch die manifeste ,traditionelle Ten- denz‘, wenn ich mich so ausdriicken darf, des Platodenkérpers, ektodermale Organe sehr friihzeitig in die Tiefe, in das Parenchym zu verlagern, eine Neigung, welche tiberhaupt fiir die Platoden, den Zoophyten gegeniiber, auferordentlich charakteristisch ist und ja sogar bei den Trematoden und Cestoden so weit fiihrt, daf das ganze K6rperepithel selbst, d. h. alle seine einzelnen Elemente, in die Tiefe des Parenchyms verlagert sind und an der Oberflache nur noch die Cuticula zuriickbleibt (F. Bhocumann 1896). _ Am lehrreichsten scheint mir, verglichen mit der Lokalisierung der Anlage fiir das gesamte Nervensystem und das friihzeitige Sinken derselben in die Tiefe, die Entwickelungsgeschichte der Augen von Polycladen zu sein, die bekanntlich bei allen Vertretern dieser Abteilung in gréBerer Zahl vorkommen und wie bei allen Platoden ausnahmslos im Parenchym liegen. Ich fabte (1884) meine diesbeziiglichen Untersuchungen folgendermafen zusammen: »Die ersten 2—3 Augen entstehen im Ektoderm und wandern nachher in das Mesoderm. Alle iibrigen Augen entstehen im Mesoderm, und zwar durch Teilung der zuerst auftretenden 2—3 Augen.’ Ich vermute, dafi die Augen urspriinglich in situ aus dem Ektoderm entstanden ‘). sehr friihzeitig folgende Verbindung. ,,Die Erregung, die in irgend einer Ganglienzelle der Umbrella entspringt, verlauft langs der Verbindungsfaser dieser Zelle zum Ringnerven des Prototrochs, tritt in diesen auf der ventralen Seite ein, durchzieht fast die Halfte des Ringes bis zur dorsalen Mittellinie, springt auf die Ver- bindungsfaser einer der hier gelegenen Ganglienzellen tiber, durch- setzt den Kérper dieser Zelle, verlaft ihn auferhalb des Auslaufers, der sich dem Riickennerven anschlieft, zieht nach unten bis in eine der primiren Ganglienzellen, durch deren Hauptfortsatz sie in die Neuralplatte (Anlage des Bauchmarks) hineingeleitet wird; hier angekommen, erlischt sie.‘ Endlich bildet sich zwischen Hirn- und Bauchmark das neue Verbindungssystem der Schlundkommissuren aus, und das alte erlischt. Man sieht, es hingt die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart ontogenetisch buchstablich an einem Faden. 1) In einer soeben erschienenen Abhandlung macht sich Scuurz (1902) einigermafen iiber die Keimblattertheoretiker lustig, indem G* 84 Arnold Lang, Was die Entwickelung des Nervensystems anbetrifft, so muf8 ich doch etwas niher auf meine Untersuchungsresultate vom Jahre 1884 eingehen und bei der Gelegenheit gleich bemerken, da niemand sebnlicher als ich eine erneute Untersuchung und Nach- priifung wiinschen kann. Ich gelangte zu folgenden Resultaten: Der sensorielle und der motorische Teil des Gehirns haben wahrscheinlich getrennte ektodermale Anlagen. Der letztere ent- steht in der Nahe des aboralen Poles unterhalb oder zu beiden Seiten des zukiinftigen vorderen medianen Darmastes aus zwei seit- lichen, in der Mittellinie unter dem Darmast verwachsenden Ekto- dermverdickungen. Der sensorielle Teil liegt urspriinglich isoliert am aboralen Pol tiber dem vorderen medianen Darmast und tritt erst sekundar zu beiden Seiten dieses letzteren mit dem ventralen motorischen Teil in Verbindung. Die Hauptnervenstimme bilden sich vom Gehirn aus.“ Die letztere Aussage ist genauer dahin zu prazisieren, daf die ventralen Hauptstimme sich vom ,,motorischen‘’ Abschnitt des Gehirnes aus bilden. Wir hiatten also doch zwei gesonderte Anlagen fiir das Nervensystem, einmal eine Anlage fiir den senso- riellen Hirnabschnitt und dann eine Anlage fiir den motorischen Hirnabschnitt und die groken Nervenstémme. Ich muf nun ausdriicklich eine irrtiimliche Ausdrucksweise bei der Darstellung der Entstehung des Platodennervensystems, die sich auch bei mir findet, korrigieren. Es ist nicht richtig, er sagt, es wiirde ihnen zur Beruhigung gereichen, wenn bewiesen werden kénnte, daf die im Parenchym gelagerten Elemente, aus denen das Nervensystem sich regeneriert, urspiinglich vom Ekto- derm stammen. Aber ganz gewif! Ebenso sehr wie es den Ver- teidiger der Spezifizitat der Gewebe beruhigen wird, zu vernehmen, da8 bei den Deciduaten nach der Geburt das neue Uterusepithel nicht aus der nach der Loslésung der Decidua zuriickbleibenden Muskulatur oder dem Bindegewebe, sondern aus zuriickgebliebenen Epithelresten der Uterusdriisen regeneriert wird. Wenn sich bei den Polycladen im Gegensatz zu den Siifwasser- tricladen das Nervensystem aus dem Epithel regeneriert, so mub darauf hingewiesen werden, daf bei den letzteren die Tendenz zur Verlagerung urspriinglich epithelialer Elemente in die Tiefe aus- gesprochener ist als bei den ersteren; bei den Polycladen sind mit einer vereinzelten Ausnahme alle Stabchenzelllen ausschlieflich epithelial, wahrend sie bei den Siifwassertricladen massenhaft auch im Parenchym liegen. Und sodann! Wenn sich bei den Trema- toden und Cestoden das Nervensystem iiberhaupt aus Epithel- zellen regeneriert, so kann es sich nur aus im Parenchym liegenden regeneriren, da gar keine anderen vorhanden sind. a? @ B=. «6 Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 85 zu sagen, dai die Hauptnervenstaimme sich vom Ge- hirn aus bilden, sondern wir miissen uns korrekterweise folgendermafgen ausdriicken: Das Nervensystem der Platoden geht aus einer lokalisierten ektodermalen Anlage oder (Polycladen) aus zwei sich frithzeitig miteinander vereinigenden ektodermalen Anlagen hervor. Diese Anlagen differenzieren sich einer- seits zum Gehirn, andererseits zu den Markstraingen. Zur Zeit, wo sich diese letzteren auszubilden beginnen, ist eben die Anlage des zentralen Nervensystems noch nicht Gehirn. Meiner Meinung nach miissen das Herauswachsen der Markstrainge der Platoden aus der Anlage und die sukzessive Differenzierung des Zentralnervensystems (Gehirn und Bauchmark) der Anneliden auf dieselbe ontogenetische Grunderscheinung zuriickgefiihrt werden, wobei die Entwickelungsweise der Anneliden insofern eine ur- spriinglichere ist, als die zentralen Elemente noch an Ort und Stelle aus dem Ektoderm ihren Ursprung nehmen }). Fiir unsere Frage sind von lebhaftem Interesse die Angaben, die Birger 1895 tiber die Entwickelung des Nervensystems der Nemertinen gemacht hat. Nach Birger ist bei dieser Abteilung das Zentralnervensystem doppelten Ur- sprungs, indem, wovon er sich bei der Pilidiumlarve tiberzeugte, das Gehirn in den Kopf-, die Seitenstamme in den Rumpfscheiben sich anlegen. Bircer betont ausdriick- lich die Uebereinstimmung mit den Anneliden die sich hierin kundgibt: ,»Man wird demgemi8 ganz allgemein von einer Homologie der dorsalen Ganglien mit dem Oberschlundganglion, der ventralen Ganglien nebst Seitenstammen mit dem Unterschlundganglion nebst Bauchmark der Nemertinen und Anneliden reden diirfen. Dazu kommt, 1) In seiner Abhandlung iiber die Regeneration bei Turbellarien weist Scnutz (1902) nach, daf bei den Polycladen bei der Re- generation der hinteren Kérperhalfte die Markstriange sich vom Epithel her und nicht von den alten Markstrangen des vorderen Teilstiickes aus regenerieren. Anderseits behauptet Morean in einer Abhandlung in dem eben herausgegebenen neuen Heft des Archives fiir Entwickelungsmechanik (1902),.daS in einem be- stimmten Falle bei der Regeneration eines neuen Kopfes des Regenwurms (Allolobophora) das neue vom alten ausgebildete Bauchmark in dem neuen Kopfe, falls sich in demselben auch ein neuer Verdauungskanal regeneriert hat, neue Schlundkommissuren und ein neues Gehirn bildet! 86 Arnold Lang, da8 die Seitenstamme, von denen man jeden einer Bauchmarkhilfte gleichsetzen miifte, bei gewissen Metanemertinen (Drepanophorus) ja ganz ersichtlich drauf und daran sind, sich miteinander in der Medianebene des Tierkérpers zu vereinigen 1)‘. Mit Bircers ontogenetischen Beobachtungen scheinen die- jenigen im Einklang zu stehen, die Cas. B. Wriison (1900) iiber das Auftreten der Markstringe in der Regenerationspapille am Hinterende von Cerebratulus lacteus VERRILL ange- stellt hat: »lhe new nerve, therefore, is In no respect an outgrowth from the old one, but results from a new growth of cells which are entirely independent of the old nervous system,“ indem an bestimmten Stellen des ventralen Kérperepithels Ekto- dermzellen sich in Neuroblasten umwandeln, welche die Mark- strange liefern. Die beigegebenen Abbildungen kommen mir aller- dings wenig beweisend vor. Eine Argumentation gegen die Ansicht von der Homologie des Bauchmarkes der Anneliden und der Strickleiter-Markstrainge der Platoden geht dahin, daf bei Platoden neben den ven- tralen Markstraingen ein dem unteren Schlund- ganglion der Anneliden zweifellos homologes Sub- dsophagealganglion existiere, das mit dem Gehirn durch zwei Schlundkommissuren verbunden sei. Somit kénnen die ventralen Liingsstimme doch nicht den Schlund- kommissuren und dem Bauchmark der Anneliden entsprechen, folgert man richtig. Ersi@¢ hat diese Argumentation in seiner schénen und wichtigen ,Entwickelungsgeschichte der Capitelliden“ 1898 aufgegritien. Er erinnert sich des SommerRschen dritten oder unpaaren Ganglions, des unteren Schlund- ganglions von Distoma hepaticum (Sommer 1880), das ich selbst bei meiner eigenen Untersuchung der Form (1880) nicht aufgefunden hatte. Ich bestritt schon 1881 die Homologie dieses unteren Pharyngealganglions mit dem unteren Schlundganglion der 1) Von einer Homologie der Metamerie der Anneliden und Nemertinen kann nach Birenrs Ansicht keine Rede sein. Die Metamerie jener sei eine lokomotorische, mit der Erwerbung einer Cuticula zusammenhingende, die Metamerie dieser sei vielleicht durch die Aufeinanderfolge der Geschlechtssicke bedingt und ahn- licher Natur wie bei Gunda segmentata, ,deren ausgezeichnet metamerer Bau den der Nemertinen in verschiedener Hinsicht noch iibertrifft*. Ich hoffe, dai wir uns noch verstindigen werden. Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 87 Anneliden. Wegen seines ganz isolierten Vorkommens in einer Abteilung parasitischer Platoden konnte ich ihm keine gréBere Bedeutung als die eines lokalen Ganglions beimessen, Ahnlich den Ansammlungen von Ganglienzellen, die sich ja vielfach an muskulésen Organen von Platoden (Saugnapfganglien etc.) aus- bilden. Ich habe auch im Stillen immer einigermafen an der wirklichen Existenz eines solchen, deutlich umgrenzten, dritten Schlundganglions gezweifelt. Um die Sache zu entscheiden und eine in den morphologischen Spekulationen immer wieder eine Rolle spielende Angabe zu bestitigen oder aus der Welt zu schaffen, veranlafte ich Fraulein Marcinowski, die im Winter- semester 1901/2 in meinem Laboratorium arbeitete, die Frage nach dem unteren Schlundganglion von Distoma hepaticum durch eine erneute, sehr sorgfaltige Untersuchung zu priifen. Ueber das Resultat der Untersuchung teilt mir Fraulein Marctrnowsk1 folgendes mit: Vas Pharynxnervensystem yon Distoma hepaticum besteht aus kleinen Ganglienzellen, die sich am ganzen Umfang des Pharynx und Oesophagus finden und zum gréften Teil dem Pharynxnerven ein- und angelagert sind. Sie sind in zwei unscharf abgegrenzte Gebiete gesondert: eine proximale Ganglienanhiufung am Vorder- ende des Pharynx und eine distale an der Grenze von Pharynx und Oesophagus. Die letztere tritt in Form eines Ringes dicht ge- drangter Zellen auf, die seitlich am zahlreichsten sind. Eine bis- weilen auftretende Verdickung des Ganglienringes in seinem ventralen Teil war vielleicht die Veranlassung zu der irrtiimlichen Annahme eines unteren Schlundganglions. Mit einem solchen stimmt das Pharynxnervensystem von Dist. hepaticum aber weder hinsichtlich seiner Lagebeziehung zum Pharynx, noch in Bezug auf sein Inner- vationsgebiet, als welches mit Sicherheit die Muskulatur des Pharynx erkannt werden kounte, iiberein.“ . In seiner eben zitirten Arbeit glaubt Ersig einen weiteren, sehr schwer wiegenden Einwand gegen die von mir verteidigte Theorie ins Feld fiihren zu k6énnen, einen Einwand, den er der KLEINENBERGSChen Lopadorhynchus- Untersuchung entnimmt. Nach KLEINENBERG verhalt sich namlich die Schlundkommissur der Larve von Lopadorhynchus, nachdem sie den Prototroch- ringnerven gekreuzt hat, folgendermaSen. Sie zieht jederseits nach hinten gegen das Vorderende der Anlage des.Bauchmarks. Vor demselben (also vor der Anlage des unteren Schlundganglions) angekommen, teilt sie sich in 2 Aeste. Der dufere Ast (Seiten- nerv) verlauft seitlich von den Neuralplatten (Anlagen des Bauch- marks) nach hinten bis zum After und geht spiter zu Grunde. 88 Arnold Lang, Der andere bildet einen Abschnitt des definitiven Schlundringes, seine Fasern treten in die Anlage des unteren Schlundganglions ein. Aus diesem Verhalten folgert E1sic: ,daf nur ein kurzer vorderer (cephaler) Abschnitt jedes Seiten- nerven, jeder Hirnkommissur, in die Bildung des Schlundringes ein- geht, da dagegen je der langere hintere, das Soma durchziehende als Larvenorgan spaiter zu Grunde geht. Diese beiden voriiber- gehend auftretenden, weit tiber den Schlundring hinaus bis zur Afterregion reichenden Nerven der Lopadorhynchus-Larve erscheinen mir (Hise) nun als der gewichtigste ontogenetische Nachweis, der sich zu Gunsten der Homologie zwischen Schlundring der Anneliden etc. einer- und Seitennerven der Platodes etc. andererseits ins Feld fiihren laft“; denn, so fihrt Exste fort, ,welch anderen Sinn kénnte man sonst diesem auf das larvale Leben beschrankten Nerven bei- legen ?“ Nun ich denke, da doch die zunichstliegende Deutung nicht die Ersicsche ist, sondern die, dali’ von den beiden Aesten der Schlundkommissuren der innere, welcher zur Anlage des Bauch- marks fiihrt, einer weiteren Strecke der ventralen Markstrange der Platoden entspricht, und das darauf folgende Bauchmark der Hauptstrecke dieser letzteren. Die auferen Aeste kann ich nur als larvale Seitenzweige der beiden Markstriange betrachten. Ich weigere mich des entschiedensten, in ihnen die gewissermafen entgleisten Markstringe selbst zu erblicken. Ersia gibt tibrigens auf der nachsten Seite selbst die Méglich- keit einer anderen Deutung zu, indem er sagt, daf bei den Platoden fihnlichen Vorfahren der Anneliden eine Vielzahl von den Seiten- nerven konform aus dem Gehirn entspringenden Nerven vor- kommen konnten und so der Bauchstrang einem anderen, sich nicht riickbildenden Paare solcher Nerven seinen Ursprung ver- danken kounte. Inzwischen hat Ep. Meyer das Nervensystem der Lopado- rhynchuslarve neuerdings genauer untersucht und ein ganzes System von Liingstimmen des larvalen Rumpfnervensystems, zwei ventrale, zwei laterale und einen dorsalen nachgewiesen, von welch letzterem er vermutet, daf er aus einem urspriinglich paarigen hervorgegangen sei. Diese Lingsstimme sind durch eine ganze Reihe von unvollstindigen Ringkommissuren verbunden. Die Fort- setzung der Schlundkonnektive in den Rumpf der Larve hinein gibt verschiedene Zweige ab, zunichst untere larvale Schlund- nerven, dann kreuzt sie ein Ringnervyensystem, als dessen ventrale Verlingerung zu dem Larvenésophagus abgehende Stomodaalnerven —————— er —— Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 89 betrachtet worden. Wiederum eine Strecke weiter gibt sie den yon KLEINENBERG beschriebenen (auferhalb der Bauchmarkanlage verlaufenden) Seitennerven ab, der gegen den After nach hinten zieht, sodann gibt sie einén medial von den Bauchmarkanlagen nach hinten ziehenden Bauchnerven ab, um sich nun selbst sofort in das Vorderende der Bauchmarkanlage der betreffenden Seite einzusenken. Zeitlich freilich entsteht der larvale Bauchnerv friiher als das von seiner Ursprungsstelle abgehende letzte Stiick der Schlundkommissur, so daf zeitlich das letztere als ein Zweig des ersteren erscheint. Die Deutung dieses ganzen larvalen Systems ist noch ganz unsicher. Wie oben erwiéhnt, wies MEYER in einem an mich ge- richteten Briefe auf die Aehnlichkeit der mehrfachen Langsnerven und wiederholten Querverbindungen mit dem Platodennerven- system hin. Sollte sich dieser Gedanke weiter begriinden lassen, so wiirde ich in dem larvalen Strickleiternervensystem lediglich einen ontogenetisch vorauseilenden, sich provisorisch ausbildenden und verganglichen Teil des Platodenstrickleiternervensystems er- blicken, das sodann in der Form des gegliederten Bauchmarks definitiv zur Ausbildung gelangt. Als wirkliche Homologa der vorderen’ Strecken der Bauchmarkstrange der Platoden kann ich jedenfalls nur- die Summe derjenigen Fasern der larvalen und definitiven Schlundkommissur anerkennen, die eben die Verbindung zwischen Gehirn und Bauchmark herstellen. Der vollstindig getrennten Anlage von Gehirn und unterem Schlundganglion vermag ich unter keinen Umstanden die hohe phylogenetische Bedeutung zuzuerkennen, die ihr die Gegner der Strickleitertheorie beimessen. Wir nehmen an, daf die in ihrem ganzen Verlaufe Ganglienzellen ftihrenden ventralen Mark- strange der Annelidenstammform urspriinglich sich in situ und im Zusammenhang mit dem Gehirn anlegten. Durch die Lokali- sation und Konzentration der Ganglienzellen auf die Ganglien, d. h. die Kreuzungsstellen der Querkommissuren, wurde die Ent- wickelung in dem Sinne modifiziert, daf’ auch die Entwickelung der an Ort und Stelle (eben an der Stelle der zukiinftigen Ganglien) sich aus dem Ektoderm differenzierenden Ganglienzellen eine segmentweise unterbrochene wurde. Diese segmentweise Unter- brechung ist im allgemeinen sehr wenig scharf ausgepragt am sich entwickelnden Bauchmark, das sich jederseits noch fast wie ein kontinuierlicher Markstrang anlegt. Am schiarfsten mubte die Diskontinuitait in der Entwickelung sich an den Anlagen des Ge- 90 Arnold Lang, hirns und des unteren Schlundganglions auspragen, die voneinander durch den Schlundapparat getrennt sind, zumal bei Formen mit Larven, bei denen durch starke hydropische Aufblahung der be- treffenden Kérperregion die Distanz zwischen beiden Nervenzentren zur Zeit ihrer Entwickelung stark vergréfert wird. Das Aus- wachsen der Nervenfasern aus dem Gehirn zum unteren Schlund- ganglion und vice versa ist nur ein spezieller Fall der in der Ontogenie allgemein verbreiteten Erscheinung, dafi getrennt sich anlegende Ganglienzellen durch Auswachsen von Nervenfortsatzen miteinander in Verbindung treten. 3. Das Nephridialsystem der Platoden und Anneliden. In meiner Gundaarbeit (1881) versuchte ich das Nephridial- system der Hirudineen auf das Wassergefafsystem der Platoden, speziell der Tricladen, zuriickzufiihren. Sodann kam ich 1884 in meiner Polycladenmonographie in einem besonderen Abschnitt auf die Morphologie des Nephridialsystems der Anneliden und Platoden nochmals zuriick. Inzwischen hatte ich namlich das Wassergefab- ‘system auch bei den Polycladen nachgewiesen und waren bei den Anneliden wichtige Beobachtungen gemacht worden. Ich ver- teidigte die Ansicht, daf& das Wassergefifisystem Gun da-ahnlicher Turbellarien mit metamerem Kérperbau nicht blof der Larven- niere oder Kopfniere der Anneliden, sondern dem gesamten aus segmental aufeinander folgenden Nephridienpaaren zusammen- gesetzten Nephridialsystem der Anneliden in toto entspreche. Die Geschlechtsleiter der Platoden, speziell der Tricladen, und ihre Kopulationsorgane verglich ich mit denen der Hirudineen. Die ,Einheitstheorie* des Nephridialsystems, die ich da- mals verfocht und heute noch, in sehr guter Gesellschaft, verfechte, wurde von Berean bald darauf (1885) heftig bekimpft. Bereu stellte ihr folgende Arbeitshypothese?) gegeniiber: 1) Wenn Brreu in seiner bekannten Bescheidenheit nur eine »Arbeitshypothese* aufstellt, so ist ,sein Zweck dabei nur der, durch eine solche wennméglich die Untersuchungen wieder in eine richtigere Bahn hineinzulenken*. Diese Bescheidenheit hat auch nebenbei den Vorteil, daf man eine blofe ,Arbeitshypothese“, sollte sie sich als falsch erweisen, anstandshalber doch nicht als ,greu- lich“ bezeichnen diirfte. Nicht wahr? Sie pritendiert ja nicht ,den Anschein einer fertig ausgebauten, »gewissen« oder »bewiesenen« Theorie zu besitzen*. Kaum aber hat sich Berean im Bade der a Beitrige zu einer Trophocdltheorie. 91 Man hat zu unterscheiden einerseits das WassergefaSsystem der Platoden und die ihm homologe Urniere der Anneliden und andererseits die Segmentalorgane der Anneliden sowie ihre Homo- loga, die Geschlechtsleiter dieser Tiere. Fiir die Unterscheidung der beiden verschiedenen Formen von Kanalsystemen ist nach Bercu besonders auch ihre Beziehung zu den allgemeinen K6érper- héhlen mafgebend. Er unterscheidet die primaére und sekundire Leibeshéhle und halt dabei die sekundare, segmentierte Leibes- hohle der Anneliden den Hoéhlen der Geschlechtsfollikel der Platt- wiirmer und Nemertinen homolog. Ich hoffe zuversichtlich, da diese letztere Arbeitshypothese, die ich fiir gut begriindet halte (ich wiirde Berau beleidigen, wenn ich sie fiir eine »gewisse« und »bewiesene« Theorie erklaren wollte), ihrem Autor immer mehr Ehre und Ruhm bringen wird. Bereu halt nun dafiir, da’ die urspriingliche Bedeutung und Funktion der Segmentalorgane die von Geschlechtsleitern sei, die von Anfang an zur Entleerung der Geschlechtsprodukte in Be- ziehung standen und erst nach und nach sich zugleich zu exkre- torischer Funktion ausbildeten. Das Wassergefafisystem der Pla- toden und Radertiere hingegen und die homologe Urniere der Anneliden sind nach Bereu rein exkretorischer Natur, treten nie in den Dienst der Ausleitung der Geschlechtsprodukte und stehen nie mit der sekundaren Leibeshéhle in Verbindung, sondern haben héchstens Beziehungen zur priméren Leibesh6hle. »Diesen auffallenden und fundamentalen Unterschied zwischen Wassergefafsystem (Urnieren) und Segmentalorganen suchten die Anhanger der Einheitstheorie dadurch zu beseitigen, daf sie die Wimpertrichter schlechthin fiir Neubildungen erklaren, die sich erst sekundir mit dem Wassergefafsystem verbunden haben sollen. Das ist aber nach den vorliegenden Tatsachen ein ganz unberechtigter Schluf.“ Meine eigene, von Bercu bekimpfte, Stellungnahme zu Gunsten der Einheitstheorie war hauptsichlich bestimmt worden 1) durch die iiberraschenden Resultate der Untersuchung des Wassergefab- Bescheidenheit gereinigt und sich der Absolution fiir kommende Siinden versichert, so ereignet sich auch schon ein Siindenfall. In den Kopfnieren, schreibt er, sehe ich mit Harsguex das Homologon des Wassergefaflsystems der Plattwiirmer; in den Ausfiihrungsgangen der Geschlechtsprodukte und méglicherweise auch in den Anal- schliuchen sind Segmentalorgane zu erkennen; fiir letztere ist jedoch diese Deutung nicht sicher. Also ist doch wohl diese ,,Theorie“ fir die ersteren ,sicher“ ? 92 Arnold Lang, systems von Gunda segmentata, 2) durch neuere Beobach- tungen (von Frarpont, EK. Meyer u. a.) tiber den feineren Bau der Larvennieren von Anneliden und der entsprechenden Organe der Rotatorien, 3) durch die HarscurKschen Angaben (die sich inzwischen als irrig erwiesen haben) tiber die Entwickelung der definitiven Segmentalorgane von einem spater verschwindenden Langskanal aus bei dem sich entwickelnden Polygordius, 4) durch das von E. Meyer bei einem erwachsenen Chatopoden (Lanice) konstatierte Vorkommen eines jederseits die Segmental- organe verbindenden Langskanals, 5) durch gewisse histologische Befunde an den Segmentalorganen der Hirudineen (Verastelungen und intracellularer Charakter des Lumens), 6) durch den von Bourne erbrachten Nachweis von Netznephridien bei Hirudineen (Pontobdella), 7) durch gewisse Beobachtungen von Ep. MEYER iiber die getrennte Anlage von Trichter und Driisenkanal der Segmentalorgane von Chiatopoden (Polymnia), 8) durch den Nachweis des Vorkommens weiterer, segmental angeordneter, pro- visorischer Nephridienpaare vom Typus der Larvennieren in den vorderen Rumpfsegmenten von Annelidenlarven, 9) durch Ueber- legungen iiber den Einflu’ des Vorhandenseins gréferer Leibes- hohlraume oder des Fehlens solcher (parenchymatéser Zustand). Meine Untersuchung des Nephridialsystems von Gunda segmentata hatte das Resultat zu Tage gefordert, dal es jeder- seits aus einem System durch Anastomosen verbundener gréferer Lingskanile besteht, die einerseits durch segmental angeordnete Ausfiihrungskanale nach auBen miinden, und in die andererseits reich veristelte, enge Kapillaren einmiinden mit den charakteristischen Exkretionswimperzellen an den Enden der Verastelungen. Meine Befunde. wurden bald (1884) von Istmma an SiiSwasserplanarien im wesentlichen bestatigt. Doch sind bei diesen die sich auch hier in der Mehrzahl wiederholenden Miindungskanale ,,yon einer segmentalen Anordnung viel weiter entfernt als bei Gunda“. Es sei dies auch keineswegs zu verwundern, meint Iyima, da ja bei den Siiiwassertricladen auch in den anderen Organen die Metamerie keineswegs so scharf ausgepriigt sei wie bei Gunda. In vollstindigem Einklang mit den tibrigen Grundgedanken meiner Hypothese tiber die Entstehung der Annelidenmetamerie leitete ich die simtlichen segmentalen Nephridien der Anneliden von den segmental nach aufen miindenden Segmentalportionen des Wassergefillsystems ab, unter der Annahme, da sich die die auf- einanderfolgenden Segmente des Wassergefiibsystems verbindenden Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 93 Langskanale bei den Anneliden nicht erhalten hatten. Ein solches Nephridialsegment wiirde also bei den Vorfahren der Anneliden bestanden haben aus einem Paar WassergefaifSbiumchen mit Exkretionswimperzellen an den letzten Enden der kapillaren Aeste und mit einem nach auSen miindenden Stamm. Das Lumen der feineren Aeste war intracellular, dasjenige des gréferen Miindungs- kanales wahrscheinlich intercellular. Da bei der Entwickelung der Anneliden das Kopfende des Kérpers vorauseilt und der Rumpf mit seinen aufeinanderfolgenden Segmenten erst sukzessive zur Ausbildung gelangt, so kommt zuerst das erste Nephridial- biumchenpaar, die dem Larvenkérper angepakte Kopfniere zur Entwickelung, deren Homologie mit dem Wassergefafsystem auch von den Gegnern der Einheitstheorie nicht bestritten wird, dann vielleicht noch ein zweites und vielleicht gar noch ein drittes aihnliches Paar mit reduzierter Verastelung. Dieses wahrend des friihesten Larvenlebens, zur Zeit, wo in der betreffenden Region noch keine sekundére Leibeshéhle entwickelt ist, fungierende vorderste Paar von Nephridialbaumchen wurde in der Phylogenie allmahlich, wie das fiir so viele Larvenorgane demonstriert werden kann, zu einem voriibergehenden provisorischen Gebilde, wahrend die darauffolgenden Nephridienpaare der Rumpfsegmente sich zu den Segmentalorganen umwandelten. Die Umwandlung wurde nach der Hypothese bedingt dadurch, da’ die segmentalen Nephridial- baumchen durch sich neubildende Verbindungséffnungen, die grofen Wimpertrichter mit intercellulirem Lumen, mit den Kammern der inzwischen zur Ausbildung gelangten Leibeshohle, die auch als ein Exkretbehalter fungierte, in Verbindung traten. Dadurch und durch die Ausbildung des Blutgefaif8systems, dessen Exkretionskapillaren die Nephridialkanaile umspannen, konnte der verastelte Charakter der Nephridialbaumchen zu Gunsten der ein- seitigen Ausbildung eines Hauptstammes zuriicktreten. Zugleich konnten die derartig umgewandelten Nephridien auch in den Dienst der Ausleitung der Geschlechtsprodukte treten. » Wahrend bei den Plathelminthen zur Ausleitung der Geschlechts- produkte aus dem soliden Mesoderm besondere Leitungskanile, die dem Genitalsystem angehéren, nétig sind, kénnen die Geschlechts- produkte, welche bei den Anneliden in die Leibeshéhle fallen, den neuen Leitungsweg nach aufen benutzen. So kénnen die Segmental- organe sekundar in den Dienst der Genitalorgane treten. Wir sehen indessen, daS bei denjenigen héheren Wiirmern, die noch am meisten mit den Plathelminthen-a’hnlichen Vorfahren iibereinstimmen, die Ge- schlechtsprodukte noch in der alten Weise entleert werden.“ 94 Arnold Lang, Die hier entwickelten Grundgedanken haben nun — und ich darf das wohl mit besonderer Genugtuung hervorheben — durch die iiberraschenden Resultate der schénen Untersuchungen, die GoopricH seit 1895 iiber Nephridien, Geschlechtsleiter und Célom der Anneliden angestellt hat und die sich daran schliefenden Schlu8folgerungen eine weitgehende Bestatigung, zugleich eine bedeutsame Vertiefung und Erginzung, sowie vielfache Verbesse- rungen und Korrekturen erfahren. Schon 1895 veréffentlicht GoopricH eine theoretische Ab- handlung von hohem Interesse ,On the Céilom, Genital Ducts and Nephridia‘, in der er sich zur Hauptaufgabe stellte, die Gonocéltheorie, die nach und nach immer mehr an Boden gewonnen habe, der aufmerksamen Wiirdigung seiner Lands- leute zu empfehlen, die von ihr noch nicht gebiihrende Notiz genommen hitten. Beziiglich der Nephridien kniipfte er an die Ausfiihrungen E. Meyers in seiner mehrfach zitierten Ab- handlung iiber die Abstammung der Anneliden an, in welcher im Sinne der Einheitstheorie nicht nur die Larvennieren der Anneliden, sondern auch ihre definitiven Nieren vom Wasser- gefiisystem der Plathelminthen abgeleitet, speziell als Teilstiicke eines Paares von Lingskanilen, wie sie die Turbellarien haben, aufgefaft wurden. Ich muff zunichst einen Augenblick bei der Meyerschen Auffassung verweilen. MryYrer nimmt an, daf in den Lingskanilen der Turbellarien ahnlichen Vorfahren der Anneliden sich infolge intersegmentaler Kérpereinschniirungen die Exkretions- fliissigkeit staute und zunichst die Bildung metamerer Aus- miindungen hervorrief, wonach erst eine endgiiltige Zerlegung der Lingskanile in segmentale Abschnitte erfolgen konnte. In diesem Punkte verstehe ich Ep. Meyer ebensowenig, wie in dem friiher erérterten Punkte der sekundiren Zerlegung von zwei langgestreckten Gonadensicken durch intersegmentale Ein- schniirungen in metamere Follikel. Wie die metameren Gonaden- follikel bei gewissen Platoden (z. B. Gunda) schon vorhanden sind, so sind ja auch schon die metameren oder annahernd meta- meren Ausmiindungen der Nephridiallangsstimme bei jenen Formen schon vorhanden. Warum ihre Neubildung annehmen, zumal die Erklirung derselben doch immerhin grofe Schwierigkeiten bietet ? »Zu diesen urspriinglich nach innen geschlossenen, mit feineren Nebenisten und Endzellen ausgestatteten Kanalen“ kamen nun nach Meyer ,,bei den Anneliden neue Bildungen in Gestalt der peritonealen Trichter hinzu“, wodurch der friihere Endapparat als Beitriige zu einer Trophocdéltheorie. 95 iiberfliissig verschwand. Diese Nephridialtrichter nun erklarte Meyer, und das war eine neue Auffassung, die ich mit GoopricH acceptiere, als urspriingliche Geschlechtsleiter, als zentrifugale Aussackungen der Follikelwandungen der Gonadensacke, die, an- statt direkt an die Haut zu gelangen, auf die metameren Nieren- schliuche gestofen sind. Im Anschluf an diese Anschauungen sprach Goopricn die Ueberzeugung aus, dafi man bis jetzt unter dem Namen Ne- phridien zwei Organe ganz verschiedenen Ursprungs vermengt habe, erstens das wahre Nephridium und zweitens den Ge- schlechtsleiter, den Goopricw zuerst als Peritoneal- trichter (peritoneal funnel), neuerdings aber als Célomo- dukt bezeichnet. Hieriiber fiihrte GoopRicu des weiteren folgen- des aus: . ,Further, that while ou the one hand in certain groups such as the Planaria, Nemertinea, Hirudinea, Chaetopoda, Rotifera Entoprocta, besides the genital ducts or peritoneal funnels, we find true nephridia in the adult; on the other hand, in such groups as the Mollusca, Arthropoda, Ectoprocta, Echinoderma and Vertebrata, there are in the adult no certain traces of true nephridia. In these latter groups, as we shall see, the peritoneal funnels (primitive ge- nital ducts) takes on the excretory functions of the nephridia which they supersede“. In einer kurzen Uebersicht der verschiedenen Klassen der Coelomata sucht dann GoopricH zu zeigen, dafi beide Organe, Nephridium und Célomodukt, immer unterschieden werden kénnen, »that the first, the nephridium, is primitively excretory in function, is developed centripetally as it were, and quite independently of the coelom (indeed, is probably derived from the epiblast), possesses a lumen which is developed as the hollowing out ofthe nephridial cells, and is generally of an intracellular character, is closed within, and may secondarly ac- quire an internal opening either into a blood space or into the coelom (true nephridial funnel as opposed to the peritoneal funnel); and that the second kind of organ, the peritoneal funnel, is primitively the outlet for the genital products, is invariably deve- loped centrifugally as an outgrowth fromthe coelomic¢ epithelium or wall of the genital follicle, is therefore of undoubtedly mesoblastic origin, and possesses a lumen arising as an extension of the coelom itself* Es kann nicht meine Aufgabe sein, auf die nun folgende Uebersicht naher einzutreten. — Die theoretische Abhandlung von 96 Arnold Lang, Goopricu aus dem Jahre 1895 erwies sich als ein Programm zu eigenen Untersuchungen ,,On the Nephridia of the Poly- chaeta‘, deren Resultate der treffliche englische Zoologe in 3 Teilen 1897—1900 verdffentlichte. Diese Untersuchungen sind auch deshalb denkwiirdig, weil sie von neuem zeigen, wie theoretische Erwagungen férdernd, stimulierend, befruchtend auf die direkte Forschung einwirken kénnen. Eines der Hauptergebnisse dieser Untersuchungen, die das traditionelle Bild des Polychatensegmentalorganes durch- aus verdndern, ist das, daff in dieser Abteilung der ver- astelte Typus des Nephridiums in verschiedenen Modifikationen weit verbreitet vorkommt, daf das Lumen in einem grofen Bezirke dieser Nephridien intracellular ist und da& das Nephridium mit seinen Zweigen sehr haufig besetzt ist mit zahlreichen, verschieden gruppierten, eigenttimlichen, hohen Zellen, die Gooprich Solenoeyten nennt. Es handelt sich um réhrenférmige oder becherférmige Zellen mit tiberaus zarter und dinner Protoplasmawand, deren Miindung sich in das Lumen des Nephridiums éffnet, waihrend der stark verdickte Boden die Hauptmasse des Zellplasmas und in ihr den Zellkern enthalt. Auf diesem Boden erhebt sich ein langes Flagellum, das aus der Solenocyte meist noch eine Strecke weit in das Nephridiallumen vorragt. Es gibt derartige Nephridien, die vollstindig geschlossen sind und mit dem Célom in keinerlei Beziehung stehen. Vergleicht man mit Goopricu die Solenocyten mit den terminalen Wimperzellen der Platoden, so ist in der Tat ein solches Rumpfnephridienpaar, so gut wie z. B. die Kopfniere von Polygordius, einem Segment des Wassergefifsystems eines segmentierten Platoden vergleichbar. Interessant ist in diesem Zusammenhang der von GooprIcH er- brachte und neuerdings von WoLTERECK bestitigte Nachweis, dak die von Frairpont als hohl und blindgeschlossen erkannten ra- didren Spangen an den sogen. Trichtern der Kopfniere von Poly- gordius solenocytenahnliche Réhrchen mit einem Flagellum im Innern, aber ohne Kern an der Basis, sind. Gooprica macht wie Kp. Meyer darauf aufmerksam, daf das zweite Nephridium yon Polygordius diese gleichen GeiSelréhrchen ebenfalls besitzt. Das zweite sei aber sicher mit dem dritten homolog ,and so we are inevitably led to the view that head-kidneys Beitrage zu einer Trophocoltheorie. 97 and posterior nephridia form one homologous series of organs“. 5 In seinen ,General Conclusions diskutiert GoopRIcH zunichst die Frage nach der Natur der grofen, sich in das Célom éfinenden Wimpertrichter der Polychaten, die er nun als Coe- lomostomata bezeichnet. Ist das Coelomostoma vielleicht nur ein sehr stark erweitertes Nephridiostoma (d. h. eine innere Oeffnung, die sich sekundir am Nephridium selbst gebildet hat) which may become separated off from its duct‘? Verf. verneint diese Frage und erblickt auch jetzt wieder in den Coelomostomata den Geschlechtsleitern anderer Wiirmer homologe Bildungen, denn sie seien nur besondere, bewimperte und trichterformig gestaltete Ausbuchtungen des Célomepithels, die bei vielen Polychiten erst sekundir mit dem Nephridium in Verbindung treten. Fir den urspriinglichen Zustand halt Gooprich immer noch auch bei den Polychaéten den, da{ gesonderte Nephridien im Dienste der Exkretion und gesonderte Geschlechtsleiter, Goopricu : nennt diese jetzt C6lomodukte, vorhanden sind, wie das bei den iibrigen Anneliden und einigen Polychaten, namlich bei Lycoriden und einigen Capitelliden, der Fall ist. Die Nephridien waren ur- spriinglich verzweigt und geschlossen, vom Platoden-, Nemertinen- und Rotiferentypus (Phyllodoce, Nephthys, Glycera). Solche Nephridien kann man als Protonephridien bezeichnen. Manche im erwachsenen Zustande offene Nephridien durchlaufen ein geschlossenes Stadium (bei Oligochaéten, Hirudineen und Poly- chiten). Die Kopfniere kommt bei den meisten Polychaten nicht tiber dieses Stadium hinaus. Gegeniiber dem Protonephridium ist das offene Nephridium also eine abgeleitete Form, in dem sich am eigenen Nephridialkanal eine Oeffnung in das Célom, ein eigenes Nephridiostoma ausbildete. Ein dritter Typus endlich von Organen wird bei den Chatopoden gebildet durch die Nephro- mixien. Es handelt sich dabei um Nephridien, mit denen Coelomostomata verschmolzen sind, oder mit anderen Worten, bei denen dem Nephridialkanal ein Coelomostoma gewissermafgen auf- gepfropft ist. Wie wir sehen, kommt GoopricH in den aus seinen ausge- dehnten Beobachtungen gezogenen SchluBfolgerungen wiederum zu demselben theoretischen Ergebnis, wie in der diesen Beobachtungen vorausgehenden Programmarbeit. Dieses Ergebnis laiuft im wesent- lichen auf eine Bestitigung der Grundideen der _,,Einheitstheorie“ des Nephridialsystems hinaus, und zwar der Theorie in jener Form, Bd. XXXVII. N. F. XXXI. ral 98 Arnold Lang, die ich ihr vor bald 20 Jahren gegeben habe. Ich darf wohl hier noch hinzufiigen, dafi Goopricn mir auch mit Bezug auf einen speziellen Punkt Recht gegeben hat, wenn er (1895, p. 493), von den Geschlechtsleitern der Hirudineen redend, sagt: ,,The complete genital ducts (der Hirudineen namlich) thus closely resemble those of some Planarians (Gunda)....“ Dabei muf freilich zuge- geben werden, daf die Gonaden der Hirudineen nur als Bestand- teile des Céloms oder Differenzierungsprodukte der Célomanlagen (Mesodermblasen), also nicht direkt, den Gonaden der Turbellarien vergleichbar sind. Eine gewisse Rolle spielte — besonders auch in meinen eigenen Spekulationen — bei dem Vergleich der Annelidennephri- dien mit dem Wassergefafsystem das gelegentliche Vorkommen von Verbindungsgangen oder Anastomosen zwischen den ersteren. Auch die bei Oligochaten ziemlich haufig vorkommende Erscheinung, daf in einem Segment mehrere bis zahlreiche Nephridien und aufere Nephridialporen vorkommen, wurde gelegentlich verwertet. Ich will fiir einen Augenblick die Frage offen lassen, ob diese Vor- kommnisse zu Gunsten der Einheitstheorie sprechen. Jedenfalls aber spricht die Vermehrung der Zahl, die Veriastelung und die reiche Anastomosenbildung nicht zu Gunsten der Brereuschen Arbeitshypothese, daf die Segmentalorgane urspriinglich Ge- schlechtsleiter waren. Denn Anastomosenbildung kommt bei Geschlechtsleitern niemals vor, Vermehrung der Zahl itiber 2 hinaus nur bei Polycladen, nimlich bei Anonymus. Der Fall kann aber nicht zum Vergleich herangezogen werden. Ver- aiistelung der Geschlechtsleiter ferner aber wird nur bei Ver- mehrung der Zahl der Gonaden beobachtet. Dagegen ist die Aus- bildung eines, die aufeinander folgenden Geschlechtsleiter einer Seite verbindenden Lingskanals bei Platoden und Anneliden beim Vorkommen zahlreicher Gonaden geradezu die Regel. Aber ein Seitenstiick zu der Ausbildung des die Nephridien verbindenden Lingskanales von Lanice, wo sich die Ausfiihrungsginge aller einzelnen, miteinander verbundenen Nephridien gesondert erhalten, bildet sie nicht. Denn die Vereinigung der Geschlechts- leiter jederseits zu einem Lingskanal hat offenbar geradezu den Zweck, die Zahl der aiuferen Ge- schlechtséffnungen zu Gunsten einer einzigen mit einem Kopulationsorgan kombinierten Genital- éffnung oder eines einzigen Paares solcher Oeff- nungen zu reduzieren. Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 99 Berau kénnte allerdings einwenden, daf die Komplikationen, die an den seiner Ansicht nach urspriinglich einfachen, schlauch- férmigen und als Geschlechtsleiter fungierenden Segmentalorganen durch Verastelung und Anastomosenbildung auftreten, eine Folge der sekundar in den Vordergrund getretenen und schlieflich ex- klusiven exkretorischen Funktion seien. Aber es wird schwer sein, eine solche Annahme bei typischen Célomaten in plausibler Weise zu begriinden. Was nun die Bedeutung jener Erscheinungen (Langskaniie, Anastomosen) fiir die Kinheitstheorie anbetrifft, so will ich folgendes bemerken. Der Hatscuexsche Langskanal der Polygordiuslarve fallt, als wohl sicher nicht vorhanden, als Argument dahin. Auch den Langskanal von Lanice mochte ich, wie dies Meyer inzwischen (1890) schon selbst getan hat, und in Zustimmung zu Bercy, Erste u. a. als eine mit den Langskanalen der Platoden wohl kaum vergleichbare Bildung auBer Spiel lassen, ebenso den Liangs- kanal von Owenia (Gitson 1895), aber nicht die Plectonephridien. Seit der Mitte der 80er Jahre ist bei einer Reihe von Gat- tungen der Oligochitenfamilien der Perichatiden, Acanthodriliden und Cryptodriliden jene Form des Nephridialsystems bekannt ge- worden, die von Brepparp als diffuses Nephridium, von Benuam als Plectonephridium bezeichnet wird. Es handelt sich um mehr oder minder zahlreiche, miteinander in einem Segment zu netzformigen Verbindungen zusammentretende, kleine Nephridien mit mehreren bis zahlreichen kleinen Trichtern und mehreren bis zahlreichen duBeren Poren. Diese veristelten und anastomosierenden Nephridien bilden haufig in einem Segment ein zusammenhingendes Netzwerk; ja es kénnen sich die Plecto- nephridien der aufeinander folgenden Segmente derart zu einem _kontinuierlichen Netzwerk verbinden, da8 ,,there is no trace of any metameric disposition“. Bei Megascolides kommen nach Spencer zu dem Netz- werk feiner Nephridialkanaile mit zahlreichen auferen Poren in den hinteren Kérpersegmenten noch gréfere, paarweise in jedem Segment liegende Nephridien hinzu. Jedes dieser ,.Megane- phridien‘ besitzt einen Trichter, der in dem vorhergehenden Segment sich in das Célom 6ffnet. Bei gewissen Eudriliden ist das Nephridialsystem nach Bepparp, der es bei Libyodrilus am genauesten studierte, in folgender Weise ausgebildet. Ks kommt in jedem Segment ein Paar typischer Nephridien vor. ye 100 Arnold Lang, Anstatt dafi aber der Ausfiihrungsgang eines jeden Nephridiums direkt ausmiindet, verzweigt er sich und bildet ein kompliziertes Netzwerk in der Kérperwand, welches durch zahlreiche feine Kanile nach auBen miindet'). Das Lumen der feinen, das Netz- werk der Plectonephridien zusammensetzenden Kanile scheint iiberall intracellular zu sein. Es ist hier der Ort, hervorzuheben, da auch bei den ge- wohnlichen Nephridien von Hirudineen und Oligochaiten das Lumen des auf den Trichter folgenden Kanalabschnittes vielfach die Tendenz zur Veristelung zeigt. Bei Microchaeta hat BenHam und bei Desmogaster Rosa gezeigt, dafi diese Verastelungen mit- einander anastomosieren und so stark entwickelt sind, daf sie das iibrige Nephridium wie ein Netzwerk umspinnen. BEDDARD, SPENCER und BENHAM, denen wir unsere Kenntnisse iiber die Netznephridien der Oligochiten verdanken, sind durch ihre Beobachtungen zu Anhingern der Einheitstheorie des Ne- phridialsystems der ,Wiirmer“ geworden. Besonders Brepparp hat solche Ideen verfochten. In einem 1888 erschienenen Auf- satz verglich er das Nephridialnetz der Oligochiten mit dem der Platoden, speziell dem von Gunda, und versuchte auferdem zu zeigen, daf die geschlossenen Exkretionswimperzellen der Platoden und die offenen Wimpertrichter der Oligochatennephridien als Modifikationen eines und desselben Typus aufgefait werden kénnen. Es sei bemerkt, da’ es sich um ,Nephridiostomata“ im Sinne von GoopricH, und nicht um Coelomostomata handelt. Fir die ersteren haben vor allem auch Vesypovsky und GooprRIcH die wahrscheinliche Homologie mit den terminalen Wimperzellen der Platoden befiirwortet, wahrend Berau noch 1899 gegen Vespovskys Auffassung des ,,Pronephridiostoms* polemisiert resp. die Richtigkeit der ihr zu Grunde liegenden Beobachtungen bestreitet. Beziiglich der Ableitung des gewéhnlichen Typus der in jedem Segment in einem Paar gesonderter Kanaile vorkommenden Ne- phridien der Anneliden von dem Wassergefiifsystem der Platoden vertrat BeppARD einen yon dem meinigen etwas abweichenden Standpunkt, indem er nicht das paarweise und metamere Vor- kommen der duSeren Oeffnungen eines kontinuierlichen Nephridial- netzes zum Ausgangspunkte wahlte, sondern eine Vielzahl von 1) Vergl. die ausfiihrlichere zusammenfassende Darstellung dieser eigentiimlichen Formen des Nephridialsystems in Brpparps Oligo- chatenmonographie, 1895. Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 101 Oefinungen pro Segment. In einer ein Jahr spiter (1889) er- schienenen Publikation driickte Bepparp seine Ansichten itber einen doppelten Weg, auf dem das Nephridialnetz sich auf seg- mentale Nephridienpaare reduzierte, in folgenden zwei Hauptsitzen aus, die im wesentlichen auch Anschauungen yon BennHAm und SPENCER enthielten : a) Das einzige Nephridienpaar des Segmentes gewisser Lumbri- ciden entstand durch allméhliche Gréfenzunahme (,,increase in calibre‘) eines umschriebenen segmentalen Bezirkes des allgemeinen Nephridiennetzes und durch allmahliches Verschwinden der iibrigen ‘Teile des Netzes. b) Die segmentalen Nephridienpaare gewisser anderer Lum- briciden sind durch die allmahliche GréBenzunahme der Kanialchen des primitiven Netzes in der Weise entstanden, da’ sich das letztere in metamer angeordnete Biischel von Kanalchen aufléste, die in ihrer Anordnung mehr oder weniger den Borsten ent- sprachen. Die Zahl dieser gesonderten Nephridien wurde schlief- lich auf ein Paar in jedem Segment reduziert. Ich komme diesen Ansichten gegentiber in die umgekehrte Lage, wie gegenitiber der alteren Ansicht von E. Mryer iiber das urspriingliche Vorhandensein von nur einem Paar von Geschlechts- 6ffinungen am ganzen Koérper. Was mir bei Mreyrer zu wenig er- scheint, ist mir bei den erwahnten englischen Forschern zu viel. Ich glaube, daf den Vorfahren der Anneliden nur ein Paar Nephridialausfiihrungsgiinge in jedem Segment zukam, welches demjenigen der Meganephridien entspricht. Die Entwickelung der Plectonephridien ist gleich- zeitig (1892) von VEspovsky und Bepparp!) untersucht worden. Bei Octochaetus (Acanthodrilus) multiporus fand Bep- DARD, daf zweifellos die zahlreichen Biischelnephridien des er- wachsenen Wurmes mit ihren zahlreichen auferen Oeffnungen durch Differenzierungen einfacher, segmental angeordneter Nephridien- paare entstehen. Nach VrEspovskys an Megascolides ange- stellten Beobachtungen wiirde in jedem Segment ebenfalls anfang- lich ein einziges Paar Pronephridien, jedes mit Trichter, vorkommen. Der anfanglich undurchbohrte Nephridiallappen bildet sodann Schlingen. Die Verbindungsstrecken dieser Schlingen verschwinden, jede Schlinge entwickelt sich zu einem Nephridium, nur eines, das spatere Meganephridium, bleibt mit dem Trichter in Verbindung. Das Nephridialnetz des erwachsenen Wurmes muf also erst se- 1) Vorlaufige Mitteilung, 1890, Proc. Roy. Soc. 102 Arnold Lang, kundar durch Auswachsen yon Anastomosen aus den Nephridien und Verbindung derselben untereinander zu stande kommen. Bepparp gab nun sofort zu, daB diese entwickelungsgeschicht- lichen Befunde gegen seine, von SPENCER und BENHAM geteilte, Ansicht sprechen, daf das Nephridialnetz mit zahlreichen Exkre- tionsporen urspriinglicher sei als die einfachen, gesonderten, seg- mentalen, paarigen Nephridien. Es schien ihm aber, daf diese Befunde nur das beweisen, da’ sowohl paarige als diffuse Neph- ridien aus ahnlichen Pronephridien hervorgehen, daf beide Formen des Exkretionssystems gleich alt sind. Diese Ansicht, dal ,,sowohl das Plecto- als Meganephridium gleiche genetische Bedeutung“ besitzen, daf beiden ein einfacher, paarig in jedem Segmente sich anlegender Strang — das Pronephridium — vorausgehen muB, war auch von Vrspovsky gedufert worden. Zu ihren Gunsten spricht nach Bepparp auch die Tatsache, da beide Formen des Nephridialsystems bei ganz nahe verwandten Tieren vorkommen, so daS von einer tiefen Kluft zwischen beiden Formen nicht die Rede sein koénne. BENHAM hingegen, dem die vorlaufige Mitteilung von BrpDARD iiber die Entwickelung des Nephridialsystems von Acanthodrilus schon bekannt war, duBerte sich gegeniiber einer anderen Deutung der ontogenetischen Befunde folgendermafen: ,,For, after all, the occurrence in the ontogeny of Ac. multiporus of the paired nephridia may be merely caenogenetic, and have no meaning of an ancestral nature; it would come in the same category as the formation of the heart in mammalia from a double rudiment.“ In seiner neuesten Schrift wendet sich Berau gegen die Ap- sicht von BEppARD und VrEJspOvskKy, besonders scharf aber gegen die BenHAmssche Annahme, daf die ontogenetischen Befunde als »merely caenogenetics zu deuten seien. Er auBert sich so: ,Man fragt die Natur, indem man sie beobachtet, um Aufklarung tiber die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Theorie. Lautet ihre Antwort giinstig, so hat die Natur richtig geantwortet; lautet sie ungiinstig, so hat die Natur einfach gefilscht, und man erspart es sich aus leicht zu verstehenden Griinden, die Motive anzugeben, wegen deren sie gefilscht habe.“ Ich muf in diesem Punkte BerGu recht geben, nicht weil ich etwa kinogenetische Veriinderungen urspriinglicher Entwickelungs- vorgiinge leugnete — welcher auf dem Boden der Descendenztheorie stehende Morphologe wollte nicht zugeben, dal die Entwickelungs- weise eines und desselben Organs in grofen natiirlichen Tier- Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 103 gruppen stark variieren, also von der urspriinglichen Entwickelungs- form stark abweichen kann! — sondern weil im vorliegenden Fall in der Tat fiir die ka&nogenetische Deutung der besonderen Ent- wickelungsweise kein anderer Grund vorgebracht wird als der, dafi sie mit der Theorie nicht stimmt. Es muf aber doch die Ansicht von der kanogenetischen Natur eines Vorganges auch mit solchen triftigen Griinden plausibel gemacht werden kénnen, die nicht nur in den Rahmen der zu beweisenden Theorie gehéren. Bevor ich meine eigene Ansicht in dieser schwierigen Frage aiuBere, muf ich der Vollstindigkeit halber daran erinnern, daf auch bei den Hirudineen beide Formen, Plectonephridien und be- sondere, segmentale Nephridienpaare, vorkommen. Zuerst entdeckte bekanntlich BourNE die Netznephridien bei Pontobdella. Als er mir eines seiner Priparate zeigte, war ich von der grofen Aehnlichkeit des den Kérper von Pontobdella kontinuierlich ‘durchziehenden Netzwerkes von Nepridialkanalen mit den anastomo- sierenden grofen Kanalen des mir wohlbekannten Wassergefaib- systems von Trematoden und Cestoden geradezu tiberrascht, und es wurde die Bournesche Entdeckung von mir (1884) zu Gunsten meiner theoretischen Auffassungen verwertet. Seitdem sind Netz- nephridien durch JoHANSSON bei vier weiteren Gattungen von Ichthyobdelliden, namlich bei Callobdella, Piscicola, Abranchus und Platybdella, nachgewiesen worden, wahrend bei einer fiinften Gattung (Cystobranchus) metamere Paare gesonderter Nephridien vorkommen. Es sei mir gestattet, das kurze Résumé wértlich zu reproduzieren, das JOHANSSON 1898 von den betreffenden Verhaltnissen und seiner Auffassung der- Selben gegeben hat. »Bei Pontobdella bestehen sie (die Nephridien) aus feinen, sehr reich verzweigten und netzférmig anastomosierenden Réhren, unter denen man gerade keine Stimme zu unterscheiden vermag. Die beiden Nephridien desselben Segmentes sind vielfach miteinander verbunden, und die Nephridien der einzelnen Segmente gleichfalls. Bei Cystobranchus hat jedes Nephridium eine vollstandige Selbstandigkeit erlangt und hangt weder mit dem anderen Nephri- dium desselben Segmentes, noch mit denen der benachbarten Seg- mente zusammen. Es besteht denn auch nur aus einem einzigen groben, unverzweigten Rohr. Die ibrigen Gattungen stimmen in dieser Hinsicht mehr oder weniger mit Pontobdella iberein; man kann jedoch stets bestimmte Stamme unterscheiden. Bei Piscicola stimmt ein Teil des Nephridiums, der viel starker ent- wickelt ist als der tibrige Teil, betreffs der Lage genau mit dem Nephridium von Cystobranchus iiberein. Pontobdella weicht 104 Arnold Lang, iibrigens von all den anderen Gattungen dadurch ab, daf die Neph- ridien innere Oeffnungen haben.“ Ueber die phyletische Deutung dieser Verhaltnisse aufert sich JoHansson folgendermaBen : » Was endlich die Nephridien betrifft, so méchte man die An- nahme wabhrscheinlich finden wollen, die einfachen und selbstandigen Nephridien bei Cystobranchus seien urspriinglicher als die netzférmigen und untereinander verbundenen Nephridien der anderen Gattungen, da jene dem gewodhnlichen Anneliden-Typus naher stehen. Eine solche Annahme ware indes sehr voreilig. Ein Blick auf die Figuren diirfte geniigen, uns davon zu iiberzeugen, da8 die Nephridien bei Cystobranchus eine spatere Stufe der Ent- wickelung reprasentieren als diejenigen bei Piscicola und daf demnach die netzférmigen Nephridien die urspriinglicheren sind.“ Wie man aus dem Vorstehenden ersieht, wiederholen sich bei den Ichthyobdelliden unter den Hirudineen 4hnliche Verhaltnisse, wie bei den Lumbriciden und JOHANSSON hat sie auch phylogenetisch ahnlich gedeutet wie BeppARD, BENHAM und SPENCER diejenigen der Regenwiirmer. Ich méchte es meinerseits als sehr wahrscheinlich betrachten, da sich bei den Netznephridien der _Ichthyobdelliden auch ontogenetisch dieselben Zustaénde wiederholen, wie bei denen der genannten Oligochiatengruppe, d. h. ich vermute, daf sie auch aus paarigen, getrennten, segmentalen Anlagen hervorgehen. Bei der Diskussion der Frage nach der morphologischen Be- deutung der Plectonephridien méchte ich zunichst das integumentale Nephridialnetzwerk der Eudriliden (Libyodrilus) behandeln. Ich stimme BeppARD und VEJDOvVsKy durchaus zu, wenn sie ge- wisse Verhaltnisse von Allolobophora zur Erklarung herbei- ziehen. Ich erteile Vespovsky selbst das Wort. ,,Der Ausfiihrungs- gang des Nephridium persistiert bei Allolobophora lange in,dem Hautmuskelschlauche; in den entwickelten Wirmern zeigt er reichliche Verzweigungen, die wohl mit dem Netzwerke von Libyodrilus homolog sind. Bei dem letzteren und wohl bei den meisten ,plectonephrischen‘ Regenwiirmern fehlt die voluminése kontraktile Endblase, indem sie durch zahlreiche Seitenkanile des Ausfiihrungsganges ersetzt ist.“ “s handelt sich also, um ein Schlag- oder Stichwort einzu- fiihren, bei diesen Formen wahrscheinlich um mehr oder weniger weitgehende Deltabildung der Kanalmiindung. Bei Libyodrilus wiirde diese Deltabildung so weit gehen, da das Delta der einen Kanalmiindung in das benachbarter Miindungsgebiete ubergreift. Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 105 Was nun die Deutung der iiber den Entwickelungsmodus der anderen diffusen Nephridien von Lumbriciden ermittelten Tat- sachen anbetrifft, so pflichte ich Beran durchaus bei. Es ist kein Grund zu einer kanogenetischen Interpretation derselben vorhanden. Die Netznephridien legen sich getrennt, paarig und segmental an, und es sind sowohl die Vermehrung der Zahl ihrer Oeffnungen als ihre netzformige Verbindung miteinander sekundare Erscheinungen. Die Verhiltnisse sind auch phylogenetisch so zu deuten. Fiir eine genauere Deutung des Netzwerkes aber muf sein ontogenetisches Zustandekommen unbedingt noch genauer erforscht werden. Das alles zugegeben, scheinen mir die Netznephridien der Anneliden trotzdem zu Gunsten der Einheitstheorie zu sprechen. Von welchem Zustande leiten wir denn das Nepbridialsystem ab ? Wir leiten es ab von einem Platodennetznephridium, ahnlich dem von Gunda segmentata, das durch paarige, segmental ange- ordnete Ausfiihrungskanale nach auSen miindet. Bei anderen Tri- claden mit weniger deutlich metamerer Anordnung der Organe sind auch die Ausfiihrungsgiinge des Wassergefifsystems nicht deutlich metamer angeordnet. Auch bei Nemertinen gibt es be- kanntlich Formen, bei denen das Nephridialsystem jederseits mehrere aufeinander folgende Ausfiihrungsginge besitzt, die aber, soviel man bis jetzt weif, nirgends streng metamer angeordnet sind und sich auch rechts und links der Zahl nach gewohnlich nicht ent- sprechen. Interessant ist das von MonrGgomEery und Bouma 4) beobachtete Vorkommen mehrerer getrennter Nephridien bei Nemertinen, das besonders genau von BOumic (1893) bei Sticho- stemma graecense untersucht worden ist. Bei einem der gréferen Exemplare, die BOHmiac untersuchte, fand er rechts 9, links 8. Sie liegen hintereinander und sind ungleich lang. Ein 1) Aus den Untersuchungen von Boumie wird mehr als je die grofe Uebereinstimmung der Terminalapparate des Nephridial- systems der Nemertinen mit den terminalen Wimperzellen des Wassergefallsystems der Platoden ersichtlich. Bei Geonemertes besteht jeder Terminalapparat nur aus einer Zelle, so daf die Uebereinstimmung vollstandig ist. Bei Stichostemma grae- cense bilden 2 bis 4 Terminalzellen den Verschluf des die Wimperflamme enthaltenden Trichters, so da also alle Uebergange bis zu den gewoéhnlichen Formen bekannt sind, wo die Wand des Terminalapparates ein mehrzelliges Epithel ist. Aus den Abbildungen der Endkanale von Stichostemma und Geonemertes, die Boéumia gibt, geht tiberdies hervor, daf ihr Lumen jedenfalls an den meisten Stellen intracellular ist. 106 Arnold Lang, kleines Exemplar besaS jedoch nur ein Paar Nephridien. Nach Boumia gehen die zahlreichen Nephridien durch Kontinuitits- unterbrechung aus den einfachen hervor, und er hat solche Stellen, wo die Unterbrechung stattfindet, direkt ermittelt. Diese Verhiltnisse interessierten mich, als ich mit ihnen be- kannt wurde, deshalb besonders, weil ich in meinen theoretischen Ausfiihrungen tiber die Entstehung der Annelidenmetamerie ange- nommen hatte, daf durch ganz ahnliche Kontinuitaétsunterbrechungen aus einem WassergefaSsystem, ahnlich dem von Gunda, die paarigen, metamer angeordneten, isolierten Nephridialbiumchen der un- mittelbaren Annelidenvorfahren hervorgegangen seien. Die Entwickelung des Nephridialsystems ist leider auch bei den Nemertinen ganz ungentigend bekannt. BirGer sagt dariiber: Die Exkretionsorgane entstehen, wie das beim Pilidium und bei der Dxrsorschen Larve (von Hubrecht) beobachtet wurde, als ge- riumige Ausstiilpungen des Ektoderms und treten bei ersterem an der Grenze von Vorderdarm und Larvenhaut, bei letzterer am Vorder- darm selbst auf. Sie schniiren sich vollstandig von ihrem Mutter- boden ab, so daf die urspriingliche Ausmiindung verloren geht und die definitiven Ausfiihrginge Neubildungen vorstellen miissen, die in der Hauptsache durch neue Sprosse der Exkretionsgefife zu stande kommen werden, denen aber auch Einstiilpungen des Epi- thels entgegenkommen mégen.“ Dieser Befund lift sich nun theoretisch kaum irgendwie ver- verwerten. Fiir die Theorie wire es von der allergréften Bedeutung, zu wissen, wie das Nephridialsystem von Gunda mit seinen meta- meren Miindungskanilen, wie iiberhaupt das Plectonephridialsystem der Tricladen mit seinen zahlreichen Ausfiihrungsgaingen onto- genetisch sich bildet. Leider wissen wir dariiber gar nichts und wir sind vorderhand auf Mutmafungen angewiesen. Die nachst- liegende Vermutung ist nun doch wohl die, daf das WassergefaBsystem der Tricladen aus so vielen ge- sonderten Anlagen (Einstiilpungen des Ektoderms?) her- vorgeht, als (bei Gunda metamer und paarig angeordnete) Ausfiihrungsginge vorhanden sind, daf sich diese Anlagen friihzeitig zu ebensovielen Wassergefab- biumchen verdsteln, deren Hauptstamme dann se- kundar jederseits miteinander durch Anastomosen in Verbindung treten. Die Entwickelung wiirde also ganz ahnlich erfolgen, wie beim Tracheensystem der Insekten, das in seinem Aufbau iiberhaupt so weitgehende Analogien zu ihm dar- Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 107 bietet'). Sie wiirde aber auch, wenigstens mit Bezug auf die Zahl, das gesonderte Auftreten und die Anordnung der Anlagen, ganz abhnlich erfolgen, wie beim Plectonephridialsystem der Anneliden. In Verfolgung dieses Gedankenganges gelangt man dazu, die Annahme als wenigstens der Beachtung und Priifung in hohem Grade wert zu haJten, da’ die Tendenz der Anneliden- nephridien zur Veradstelung und in einigen Fallen zur Anastomosenbildung eine uralt tiberlieferte Neigung ist, die haufig nicht mehr zur Betitigung gelangt, vielfach aber, ich willunentschieden lassen, ob ,noch“ oder ,wieder“, aufflackert und gelegentlich sogar zur Herstellung eines altertiimlichen Nephridialnetzes fiihren kann. Man darf bei aller Wiirdigung der ontogenetischen Tatsachen, die auch mir ganz unerlaflich erscheint, ihnen doch nicht mehr Bedeutung beimessen, als sie verdienen. Ein verdsteltes und gar mit einem anderen anastomosierendes Organ kann doch ganz wohl yon einem anderen ebenfalls verastelten und anastomosierenden Organ abgeleitet werden, auch dann, wenn es sich wie dieses aus einer einfachen, unveristelten Anlage entwickelt. Auch ein un- veristeltes Organ darf gewif von einem verastelten abgeleitet werden, wennschon es in seiner Entwickelung kein verasteltes Stadium mehr durchlauft, die Bildung der Zweige eben onto- genetisch unterbleibt. Gesetzt den Fall, es findet sich bei einem héheren Tracheaten ein lokalisiertes Paar Atmungsorgane, jedes Organ durch ein Stigma nach aufen miindend. Bei verwandten niederen Formen aber findet man an seiner Stelle ein Paar unter- einander und mit dem iibrigen Tracheensystem anastomosierender 1) Die Idee nimmt mich immer mehr gefangen, daf es sich hier nicht um eine blo&e Analogie handelt, sondern daf das Tracheensystem das wahre Homologon des Nephridialsystems und Wassergefa8systems ist. Tragt man dem angestammten histologischen Charakter der Arthro- poden, der sich in der Kutikularisierung aller Derivate des Ekto- derms und in der Unterdriickung aller Cilienbildungen auspragt, gebiihrende Rechnung, so zeigt sich eine sehr weitgehende Ueber- einstimmung zwischen dem Tracheensystem z. B. eines Insektes und dem Wassergefafsystem von Tricladen z. B. von Gunda: Ver- astelung, Anastomosenbidung, intercellulares Lumen der weiteren Kaniale, intracellulares der Kapillaren, verastelte Terminalzellen. Auch Goopricn denkt in einer kurzen Bemerkung an die Méglich- keit einer Homologie. 108 Arnold Lang, Tracheenbiume. Nehmen wir an, alles tibrige spreche dafiir, daf beide Organe homolog sind. Dann wird auch der eingefleischteste Embryologe wohl kaum den Nachweis verlangen, daf in der Onto- genie dem lokalisierten gesonderten Organ das reich verastelte und anastomosierende vorausgehe und daf sich dann erst sekundar die Anastomosen und peripheren Zweige wieder riickbilden, die Hauptiste sich verkirzen etc. Und dann muf man auch bedenken: Wie kann sich denn iiberhaupt ein verasteltes Organ oder ein Anastomosennetz onto- genetisch entwickeln? Wird es plétzlich als solches in situ entstehen ? So etwas ist doch bei einem eigenwandigen selbstandigen Kanalsystem nirgends beobachtet worden. Verdstelte Organe (Gastrokanal- systeme, Driisen, Atmungsorgane) entstehen erfahrungsgemaf ent- weder dadurch, daf eine einfache Organanlage bei fortschreitendem Wachstum nach verschiedenen Seiten Knospen treibt, die sich selbst wieder veristeln oder dadurch, daf die Wand der fort- wachsenden und sich vergréfernden Organanlage von aufen her eingestiilpt und eingefaltet wird. Beide Prozesse laufen vielfach nebeneinander her und es ist oft schwer zu entscheiden, welcher von beiden der intensivere, der formbildendere ist. Die einfache Anlage eines kompliziert veristelten Organs vermag uns deshalb iiber die jiingste Vergangenheit desselben keine Auskunft zu er- teilen, héchstens iiber die alteste Vorgeschichte. Sollte das Nephridialsystem sich als ektodermale Bildung erweisen, so wiirde die erste Anlage eines Nephridialbiumchens in Form einer sich in die Tiefe senkenden Zellreihe vielleicht an die Zeit erinnern, wo sich bei den Vorfahren der Platoden in das Parenchym ver- senkte Hautdriisen-Zellreihen zu einem Wassergefifsystem um- zugestalten begannen '). Vielleicht aber gibt man die Wahrscheinlichkeit meiner Ver- 1) Die von mir vertretene Auffassung, dai das Wasser- gefafsystem phylogenetisch aus einem stark entwickelten Haut- driisensystem hervorgegangen ist, mu besonders auch von dem Gesichtspunkte des angestammten histologischen Charakters der Platoden gewiirdigt werden. Es kommt hier die ausgesprochene Neigung so vielfacher Derivate des Ektoderms in Betracht, sich tief in das Parenchym zu versenken. Wenn ich nicht irre, hat BiocuMaAnn die sehr bestechende Ausicht geiuSert, daf die terminalen Wimperzellen als selbst wieder in das umgebende Parenchym ein- gesenkte wimpernde Epithelzellen der Wandung der Wassergefab- kanale zu betrachten seien. (Vergl. Fig. 4, p. 110.) Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 109 mutung gar nicht zu, daf das Nephridialsystem von Gunda durch Anastomosenbildung zwischen sich getrennt und metamer anlegenden Paaren von Nephridialbiumchen entstehe. Vielleicht setzt man — es liegen schon Andeutungen nach dieser Richtung vor — meiner Vermutung die andere gegentiber, daf die vielfachen Miindungen des WassergefaBsystems der Tricladen sekundire Bildungen seien, etwa den sekundaren Porenkanalen der Langsstimme des Wasser- gefifisystems mancher Cestoden vergleichbar, die in dieser Be- ziehung einen Parallelfall zu jenen Oligochaten darbieten, welche neben einem Nephridialnetz mit vielen Poren ein Meganephridium mit primirer Hauptiffnung besitzen. Der primiren Hauptéffnung des Meganephridiums wiirde die Oeffnung der kontraktilen Haupt- blase am Hinterende der Proglottis analog sein. Allein die zweite Vermutung, die namlich, da die vielfachen Miindungen des Tri- ladennephridialsystems sekundare seien, ist doch deswegen weniger wahrscheinlich als die erste, weil von einer primaren Miindung absolut nichts bekannt ist, weil jene vielfachen Miindungen die einzigen sind, die tiberhaupt vorkommen und, soviel man weil, zudem alle unter sich gleich sind. Ich verzichte hier darauf, kritisch zu untersuchen, wie sich die Resultate der entwickelungsgeschichtlichen Beobachtungen zu der von mir verteidigten Einheitstheorie verhalten. Da die Ontogenie des WassergefaBsystems der Platoden so gut wie unbekannt ist, so fehlt der vergleichenden Ontogenie zur Zeit noch das tertium comparationis. Was die Polychaten anbetrifft, tiber deren Ontogenie in den letzten Jahren so eingehende und subtile Arbeiten von hervorragender Bedeutung erschienen sind, so haben diese Ar- beiten gerade tiber das Nephridialsystem am wenigsten Auskunft gebracht. Ueber die erste Entstehung der Larvenniere weif man gar nichts, und auch die Angaben iiber die erste Entwickelung der definitiven Nephridien sind sehr liickenhaft und ungentigend. Die Altere Arbeit von E. Meyer aus dem Jahre 1887 bleibt in dieser Beziehung immer noch unerreicht und uniibertroffen. Am wichtigsten erscheint mir unter den neueren Befunden derjenige von Ep. MEYER (1901), nach welchem bei Polygordius ein scharfer morpho- logischer Gegensatz zwischen Larvennephridium und Rumpf- nephridien iiberhaupt nicht besteht. Die Kopfniere gehért als erstes larvales Nephridienpaar in die Region des vordersten 1. (HatscHEK entgangenen) Segmentes. Das zweite larvale Ne- phridienpaar wiederholt das erste fiir das 2. Kérpersegment. Mit Ausnahme des Endapparates beurkundet das zweite Paar 110 Arnold Lang, Larvennieren durchaus tibereinstimmende Struktur- und Lage- verhiltnisse, wie die weiter folgenden, definitiven Nephridien.“ Der ganze Unterschied zwischen den ,,Metanephridien“ und dem zweiten Paar Larvennieren besteht nur darin, da sie anstatt blind- geschlossener Endzellen offene Nephrostomata besitzen. Bekannt- Fig. 4. A einzellige Hautdriise, B ebensolche mit intracellulirem Lumen, © bewimperte subepitheliale Driisenzelle mit intracelluliérem Lumen des ein- zelligen Ausfiihrungsganges, supponierter Ausgangspunkt fiir die Bildung des WassergefiiBsystems, D—F supponierte Ausbildungsstadien des WassergefiiB- systems, G bewimperter eeeeslltver Endkolben, H einfaches Nephrostoma. Beitrage zu einer Trophociltheorie. 111 lich ist GoopricH zu einem ganz iibereinstimmenden Resultate gelangt. Viel eingehender als bei den Polychiiten sind die Unter- suchungen iiber die Entwickelung des Nephridialsystems der Oli- gochiiten und Hirudineen. Auf diesen Gebieten haben Forscher yon hervorragendem Geschick und scharfer Beobachtungsgabe viel wertvolles Material zu Tage gefordert. Aber sie sind noch keines- wegs — es hingt dies wohl auch mit der schwierigen Deutung der so subtilen Strukturverhaltnisse zusammen — zu einer Ver- stindigung gelangt, und gerade in den wichtigsten Punkten fehlt die Uebereinstimmung. Noch kiirzlich haben BerGH und VeEJDOovskKy, unstreitig erste Kampionen auf dem vorwiirfigen Gebiete, der erstere als Gegner der Einheitstheorie (die Bezeichnung riihrt von ihm her) fast allein dastehend, was seinen Mut nur zu stahlen scheint, der letztere besonnener Anhanger derselben, sich tiber Hauptfragen, die Ent- wickelung der Segmentalorgane der Oligochaten betreffend, die Koépfe rot ereifert. Berean sagt (1899): » Wirkliche Tatsachen, die fiir die eben besprochene Theorie (die Einheitstheorie) sprechen kénnten, hat seit meinen friiheren Arbeiten hieriiber, soviel ich weif, nur VnspovsKy beizubringen ver- sucht, namlich teils die vermeintliche Abgliederung der Segmental- organe von einem kontinuierlichen, ektodermalen Nephridialstrang bei Lumbriciden, teils das vermeintlich urspriingliche Geschlossensein der Trichterhéhle (der , Vakuole“) bei Rhynchelmis. Ich habe aber, was den ersten Punkt betrifft, nachgewiesen, dai Vespovsxys Beob- achtungen absolut nichts beweisen; was die zweite Sache betrifft (die Bildung des Trichters), so sind seine Untersuchungen nach den hier vorgelegten Beobachtungen entschieden unvollstiindig und teilweise unrichtig, letzteres gerade, was das Geschlossensein an- belangt. Nach alledem sehe ich auch hier nicht die geringste Veranlassung, den friiher von mir ver- tretenen Standpunkt zu verlassen oder zu modi- fizieren.“ Aber auch VEspovsky besteht (1900) in seiner Erwiderung auf der Richtigkeit seiner Angaben. Er schlieBt seine Mitteilung mit der Bemerkung ab: ,»daf Bere véllig im Recht ist, wenn er eine Re- Vision seiner und anderer Untersuchungen iber die Entstehung nicht nur des Trichters, sondern auch des ganzen Nephridialapparates der Annulaten tiber- haupt fiir notwendig erachtet*“. Wenn dem so ist, und besser als die beiden genannten Herren 112 Arnold Lang, kann das ja niemand wissen, so wird es wohl erlaubt sein, vor- laufig mit dem vorwiegend aus vergleichend-anatomischem Material aufgebauten, provisorischen Gebaude der Kinheitstheorie vorlieb zu nehmen, uns in demselben wohnlich einzurichten und in ihm weiter zu arbeiten, bis das ontogenetische Material an Bausteinen ver- wendbar sein wird. Dann wird es sich zeigen, ob diese Bausteine zur Reparatur, Befestigung und zum weiteren Ausbau des provi- sorischen Gebiudes geeignet sind, oder ob sie so beschaffen sind, da8 man das alte abbrechen und aus dem ganzen alten und neuen Material ein neues Gebaude konstruieren mul. 4. Annelidenlarve und Annelid. Ueber dieses Thema kann ich mich nach den vorausgehenden weitliufigen Erérterungen kurz fassen. Ich habe die Frage verneint, ob die Entwickelung des Annelids aus der Trochophoralarve als ein Knospungsprozef, d. h. als ein Vorgang ungeschlechtlicher Fortpflanzung, der Annelidenkérper als eine lineare, polymorphe Tierkolonie aufgefaft werden kénne. Gegentiber der KLeEINENBERGSChen Theorie yon der Ent- stehung des Annelids aus der medusenahnlichen Larve durch Vor- ginge der Substitution habe ich mich wo méglich noch ablehnender verhalten. Fiir mich ist der Annelidenkérper nach wie vor gleichwertig einem einzigen Tubellarienindividuum, in welchem sich durch regelmifbige Anordnung und Wiederholung der Organe in zwei seitlichen Reihen ein metamerer Zustand ausgebildet hat. Ich erblicke somit in der Entwickelung der Trochophoralarve zum Annelid und in der Entwickelung der MULLERschen Larve zu der Seeplanarie zwei ganz analoge Vorgiinge. Was der Polychiitenmetamorphose ihren besonderen Stempel aufdriickt, ist der Umstand, dal bei der Entwickelung mittelst auf friihen Entwickelungsstadien selbstiindig werdender, zur Ausbreitung bestimmter Larven der ganze langgestreckte Annelidenkérper nicht auf einmal gebildet werden kann. Es eilt in der Entwickelung der- jenige Kérperteil, der die zum Leben notwendigsten Organe enthalt, weit voraus. Dieser Teil ist das Vorderende mit seinen Sinnes- organen und dem zugehérigen Nervensystem, mit seinem Mund, Schlund und Vorderteil des Darmes, mit dem vordersten Nephri- dienpaar (der sogen. Kopf- oder Urniere) und mit dem altererbten Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 113 Lokomotionsorgan der freischwimmenden Larve, dem Prototroch, u. s. w. Dazu kommt vom Hinterende der Enddarm mit After. Der ganze iibrige GroSteil des Koérpers, das gegliederte Soma, ist zunachst nur in der ersten embryonalen Anlage vorhanden. Es entwickelt und differenziert sich im Anschluf an das Vorderende des Koérpers nur sukzessive und allmahlich von hinten nach vorn nach Mafgabe der ihm vom schon funktionsfaihigen Vorderkérper zur Verfiigung gestellten Nahrung, die dieser friihzeitig aus eigener Kraft beschatfen muf. Der Vorgang, der sich am fortwachsenden Schwanzende abspielt, ist also wirklich, ganz streng genommen, ein Vorgang der fortgesetzten, gewissermafen verspaiteten embryonalen Entwickelung- Das dort befindliche Bildungsgewebe ist embryo- nales Gewebe, und speziell die Polzellen des Mesoderms sind aus dem friihen Stadium der Furchung zuriickbleibende Zellen, die ihren embryonalen Charakter und ihre formative Potenz, solange sie existieren, beibehalten. Da sich von der embryonalen Bildungszone am fortwachsenden Schwanzende aus ein zundachst innerlich, dann auch Aaéu8erlich typisch metamer gegliedertes Soma zu entwickeln hat, so wird der Anschein erweckt, als ob es sich um eine terminale Knospung von im Zusammenhang bleibenden Wurm- individuen (Metameren) handelte. Wenn, wie es den Anschein hat, bei den langgestreckten Nemertinen das Wachstum des Kérpers am Hinterende ge- schieht, so ist das in der Tat derselbe Vorgang wie bei den Anneliden. Von hohem Interesse ware es, zu erfahren, wie und wo das Wachstum des Koérpers bei solchen langgestreckten Formen ge- schieht, bei denen der Mund und Pharynx hinten liegt. Deutliche Auskunft werden freilich nur solche Formen erteilen, die eine Metamorphose durchmachen, bei denen friihzeitig in der Ent- wickelung eine freischwirmende Larve gebildet wird. Denn bei den Formen mit direkter Entwickelung kann, da reichlich Nah- rungsdotter vorhanden und die Ausbildung des Rumpfes nicht von dem Nahrungserwerb des larvalen Vorder- resp. Hinterkérpers ab- hangig ist, die Entwickelung des Gesamtkérpers eher gleichzeitig erfolgen. Es ist ja bekannt, daf auch bei denjenigen Annulaten, welche dotterreiche Eier besitzen, die Ausbildung des gegliederten Soma oft fast gleichzeitig geschieht, obschon sicher anzunehmen ist, da’ das terminale Wachstum schon den langgestreckten Vor- Bd, XXXVIII. N, F. XXXI. 8 114 Arnold Lang, fahren der Anneliden eigen war. Die metabolische Entwickelung, die jenes terminale Wachstum meiner Ansicht nach bedingt, halte auch ich, verglichen mit der direkten, fir die urspriingliche Ent- wickelungsform nicht nur der heutigen Anneliden, sondern auch ihrer turbellarienihnlichen Vorfahren. Unter den Turbellarien kommt, so viel bekannt, die meta- bolische Entwickelung nur innerhalb der Abteilung der Polycladen vor. In dieser gibt es nun allerdings eine Gruppe, wo der Mund mit Pharynx im langgestreckten Kérper weit hinten, nahe am Hinter- ende, doch von diesem durch den Kopulationsapparat getrennt, liegt. Es ist die Gruppe der bandférmigen Cestoplaniden, deren Habitus fast nemertinenaihnlich zu nennen wire, wenn der Kérper nicht viel flacher und zarter wire als bei diesen. Leider ist die Entwickelung der Cestoplaniden unbekannt. Wenn bei ihnen Larvenentwickelung vorkommen sollte, so ware es von héchstem Interesse, zu erfahren, in welcher Weise sich das langgestreckte, in seinem groften Teile prioral gelagerte, pseudometamere Soma entwickelt. Ich vermute, auch durch eine Art terminalen Wachstums. Die Bildungszone kann aber hier nicht hinten am Kérper liegen. Wahrscheinlich liegt sie vorn am K®orper in der Gegend unmittelbar hinter dem Gehirn und Augenbezirk. Hier wird wohl der Hauptdarm immer weiter nach vorn auswachsen und hier werden wohl sukzessive vor den schon gebildeten neue Darmiste aus ihm rechts und links hervorwachsen, wird der Kérper sich von vorn nach hinten differenzieren; gerade umgekehrt wie bei den Anneliden, wo hinter den schon gebildeten segmen- talen Organen aus der prianalen Bildungszone immer neue an- gelegt werden und der Kérper sich von hinten nach vorn fort- schreitend differenziert. Der Larvenkérper der Anneliden, aufgefaft als embryonales Annelid, an dem vorliufig nur das zur selbstindigen Existenz und zum Schwirmen Notwendigste funktionsfihig ausgebildet ist — es handelt sich, abgesehen vom After, ausschlieSlich um Organe des Kopfendes des Kérpers — besitzt in dem Prototroch und in den mit diesem zusammenhiingenden Gebilden ein der freischwimmen- den Lebensweise angepabtes spezifisches Larvenorgan. Ein solches Prototroch war nach unserer Meinung sicherlich kein Attribut des erwachsenen Kérpers der turbellarienaihnlichen Vorfahren der Anne- liden. Wohl aber ist es gewif als Larvenorgan ein uraltes Gebilde, d. h. es war schon bei der Larve der Stamm form vorhanden. Ich komme hier auf eine prinzipielle Seite der ganzen Frage Beitrage zu einer Trophociltheorie. 115 zu sprechen, die ich selbst schon wiederholt erértert habe, so dak ich mir hier eine laingere Diskussion ersparen darf. Ich habe schon oft gegen diejenige Auffassung der Ontogenie polemisiert, die in den Larvenstadien einer Tierform ohne weiteres die ge- treue Reproduktion ihrer Stammform erblickt. In dieser rasch reproduzierten Ahnenreihe ragt dann selbstverstandlich als eine besonders pragnante Persénlichkeit der Stammvater des Geschlechtes hervor. So ist die Trochophora das fliichtig auftauchende Bild des Ahnherrn des michtigsten Geschlechtes der Geringelten, das jetzt die Welt beherrscht; die Rotatorien ihrerseits aber sind stélz darauf, in ganz direkter Linie von jenem Ahnherrn abzustammen und zugleich seine altaristokratische vornehme Einfachheit_ bei- behalten zu haben. Gewisse Norgeler aber wagen zu zweifeln und machen kein Hehl aus ihrer Ansicht, da’ die Rotatorien, weit entfernt, altem, aber verschimt armem Adel anzugehéren, modernes Proletariervolk seien, das von der Hand in den Mund lebt und das man in der guten alten Zeit gar nicht gekannt habe. Mit Ciaus und Dourn habe ich selbst hiretisch an der Echtheit des beriihmten Naupliusbildes gezweifelt, das den ehrwiirdigen Stammvater derer vom Spaltfu8 darstellen soll. Mit Bezug auf diesen letzteren Punkt scheint die Verstindi- gung gekommen zu sein. Man anerkennt wohl jetzt ziemlich all- gemein, daf die urspriinglichen Crustaceen gestreckte, vielglied- rige, ziemlich homonom segmentierte Formen waren, die in den heutigen Phyllopoden ihre nachsten Verwandten besitzen und die selbst schon in ihrer Entwickelung ein naupliusihnliches Stadium durchliefen. Auch die heutigen Copepoden haben mancherlei ur- spriingliche Merkmale, allein gegeniiber den Phyllopoden erweisen sie sich hauptsichlich in der Reduktion der Segmentzahl, in der Verkiirzung des Herzschlauches, in der Konzentration des Nerven- systems und wohl auch in dem Fehlen der zusammengesetzten Augen als weniger primitiv. Sie stehen zu der Urform der Krebse und zur Naupliuslarve in einem ahnlichen Verhialtnisse, wie etwa Dinophilus oder Ophryotrocha zu der Stammform der Anne- liden und zur Trochosphaeralarve. Wiirde einmal die Existenz einer Gruppe naupliusihnlicher Krebse entdeckt werden, so wiirde ich dieser Gruppe innerhalb der Crustaceen eine ahtliche Stellung an- Weisen, wie den Rotatorien innerhalb der Wiirmer. Daf die vielgliedrigen, selbst schon hochorganisierten Urkrebse von chatopodenahnlichen Vorfahren abgeleitet werden miissen, dariiber herrscht wohl so ziemlich Einigkeit. Die Konsequenz ; ga 116 Arnold Lang, davon ist, da8 auch ihre Entwickelungsstadien auf Entwickelungs- stadien der chatopodenaihnlichen Stammformen zuriickgefiihrt werden miissen, vor allem der Nauplius auf die Trochophora. In dieser Beziehung brauche ich blof zu wiederholen, was ich in meinem Lehrbuch der vergleichenden Anatomie 1889 und schon vorher gesagt habe: »Der Nauplius ist also auf eine Trochophoralarve zu beziehen, in welche schon Krebscharaktere zuriickverlegt sind, sie ist unge- gliedert, enthalt die Anlagen des vorderen Kopfteils der erwachsenen Krebse mit dem Munde und die Anlage des hintersten Leibesendes mit dem After. Zwischen beiden liegt eine embryonale Bildungs- zone, von der aus bei der Weiterentwickelung der Larve sich der iibrige Kérper anlegt und wie bei den Anneliden von hinten nach vorn fortschreitend differenziert. Der Nauplius ist eine typische Krebslarve; die Vorfahren der Krebse besafen noch keine typische Naupliuslarve, noch weniger stammen sie von einer naupliusihnlichen Stammform ab.“ Auf die Begriindung dieser Thesen komme ich nicht zuriick. Ich habe aber friiher einen wichtigen Punkt nicht gentigend ak- zentuiert, den naimlich, daf das friihzeitige Auftreten der Krebs- gliedmawen bei der der Trochophora entsprechenden Krebslarve in Verbindung zu bringen ist mit dem allgemeinen histologischen Charakter nicht nur der Krebse, sondern tiberhaupt aller Arthro- poden, der sich in diesem Organisationstypus friihzeitig ausgebildet und so fest eingewurzelt hat, daf eine Abweichung von dem tra- ditionellen Gebahren ein Ding der Unméglichkeit zu sein scheint. Ich habe einen positiven und einen negativen Charakterzug, die aber miteinander zusammenhangen, im Auge, namlich 1) die exquisite Neigung zur Kutikularisierung bei allen Epithelien und 2) die Impotenz des Arthropodenepithels oder tiberhaupt der Arthropoden- zelle, bewegliche Wimperhaare zu bilden. Diese Impotenz erklart das Verschwinden des Prototrochs und der damit in Zusammen- hang stehenden Organisation und das kompensatorische, in den Dienst der Larvenausbreitung sich stellende friihzeitige Auftreten der Krebsschwimmfiile. In ahnlichen Beziehungen, wie die Crustaceen zu den Chito- poden, stehen nun nach meinem Dafiirhalten die Anneliden zu den Turbellarien, speziell zu solchen Turbellarien, bei denen die inneren Organe schon metamer gruppiert sind. In konsequenter Verfolgung unserer Prinzipien gelangen wir also auch dazu, die Larve der ersteren auf die Larve der letzteren und die Entwickelung der Trochophora zum Annelid durch eine Art terminaler Knospung u. s. w. auf die Entwickelung einer langgestreckten, metameren Beitrige zu einer Trophociéltheorie. 117 Turbellarienform (mit dem Mund am Vorderende) aus der Larve durch terminales Wachstum zuriickzufiihren. Von diesem Stand- punkt gewinnt die Mutuuersche Polycladenlarve, als die einzige bekannte Turbellarienlarve, eine hervorragende Bedeutnng, und es ware dringend zu wiinschen, daf ihre Entwickelung und_ ihr feinerer Bau einer erneuten subtilen Untersuchung unterzogen wiirde. Schon altere Embryologen, namentlich BaLrour, haben ihre Bedeutung erkannt. Von den neueren Morphologen hat, so- viel ich wei’, nur THreLe (1891) ihre hobe morphologische Wichtig- keit in vollem Mae gewiirdigt. Unser Gesichtspunkt ist also, analog dem fiir die Nauplius- larve eingenommenen, folgender. In dem Make, wie sich ganz allmahlich die Organisation der turbellarienaihnlichen Vorfahren der Anneliden in die Annelidenorganisation verwandelte, indemselben MaSeundim selben Schritt und Tritt nahm die Turbellarienlarve den Charakter der typischen Trochophora an. Immer von demselben Gesichtswinkel aus miiften wir dann versuchen, fiir die Turbellarien selbst wieder Ankniipfungspunkte nach unten zu suchen. Diese Ankniipfungspunkte fand ich und finden mehrere Forscher in den Célenteraten, speziell in den Ctenophoren und es wiirde unsere Aufgabe sein, auch die Turbel- larienlarve auf ahnliche Stadien in der Célenteratenentwickelung und tiberhaupt die Turbellarienentwickelung auf die Célenteraten- entwickelung zuriickzufiihren. Mit diesen Ausfiihrungen diirfte unser alter Standpunkt neuer- dings gentigend markiert sein. Zur Charakteristik einer Tierart gehéren alle Formenzustande, die sie durchliuft, bis wieder der gleiche Zustand erreicht ist, bis der Zyklus wieder geschlossen ist. Bei dem Versuch der phylogenetischen Ableitung einer Tierform ist nicht einfach das erwachsene Tier von der Larve abzuleiten, sondern es ist der ganze Entwickelungskreis einer Form auf den ganzen Entwickelungskreis einer anderen zuriickzufiihren. Wenn ich nicht irre, hat besonders auch Samassa auf die Notwendigkeit dieses Verfahrens aufmerksam gemacht und treffend von einer yPhylogenie der Ontogenien‘ gesprochen. Von solchen Gesichtspunkten aus decken sich vielfach vergleichende Anatomie und Ontogenie, indem letztere sich als vergleichende Anatomie korrespondierender Entwickelungsstadien betiitigt. Mein Standpunkt ist nach alledem auch bei der Beurteilung ganz friher Entwickelungsstadien, etwa der Furchungsstadien ge- 118 Arnold Lang, geben. Besonders WuirmMAN und WiLson und ihre Schiiler, so- dann in neuerer Zeit in hervorragender Weise Ersic, haben auf die weitgehende Uebereinstimmung gewisser Furchungsstadien bei sehr verschiedenen Gruppen des Tierreichs (z. B. Ctenophoren, Polycladen, Anneliden, Gastropoden, Lamellibranchier) hinge- wiesen. Es handelt sich nicht nur um eine gewissermafen zu- fallige Aehnlichkeit, die durch einen ahnlichen Furchungsverlauf bedingt wird, sondern zweifellos um fundamentale morphologische Uebereinstinmmungen, um Homologien von Furchungszellen von ganz bestimmter Valenz, .die ihre grofe phylogenetische Bedeutung haben. Witson nennt das ,ancestral reminiscence‘. Ich unterschreibe in dieser Beziehung alles, was Ersia@ in seinen licht- vollen und durchdachten Ausfiihrungen in Uebereinstimmung mit Winson, CONKLIN u. a. sagt. Allein in der phylogenetischen Deutung der weitgehenden Uebereinstimmung kann ich Ersieé nicht beipflichten. Ezsia geht so weit, in den betreffenden Furchungs- stadien Reminiszenzen einer gemeinsamen Stammform zu er- blicken, wahrend ich in ihnen nur Reminiszenzen an Furchungs- stadien (also an Entwickelungsstadien) gemeinsamer Stammformen erkennen kann. Ich stimme in dieser Be- ziehung mehr mit Wriison tiberein, der den Ausdruck ,ancestral reminiscence“ gebraucht um ,to denote any feature of devel- opment, the meaning of which is only appearant in the light of earlier historical conditions, whether of the adult or of the embryo“. Die oben erwiihnten, die Furchungsstadien betreffenden Tatsachen ,»may well give us hope that, when the comparative study of cell- lineage has been carried further, che study of the cleavage-stages may prove as valuable a means for the investigations of homo- logies and of animal relationships as that of the embryonic and larval stages“. So wenig ich aber Rasv beipflichten kann, wenn er sich vorstellt, daf alles was aus den Polzellen des Mesoderms bei den Anneliden hervorgeht, einst in einer Vorfahrenform durch aihnlich gelagerte Geschlechtszellen in der Zweizahl oder doch in sehr geringer Zahl reprasentiert war, vielmehr in diesen Polzellen embryonale Furchungszellen erblicke, die infolge der besonderen Entwickelungsweise des Annelidenkérpers (Bildung desselben durch die vermeintliche terminale Knospung) sich noch lange erhalten und nach Art embryonaler Makromeren noch lange und immer wieder neues Zellmaterial liefern miissen; so wenig glaube ich, daf irgend ein Organ, das aus einer bestimmten, charakteristischen Furchungszelle hervorgeht, irgendwie einmal in dieser oder ganz Beitriige zu einer Trophocdéltheorie. 119 ahnlicher Form existiert habe. Aufschlu8 tiber diese Fragen wird, wie ich glaube, erst eine ganz genaue Vergleichung der Ent- wickelungsgeschichten der Polycladen und der _ verschiedenen Célenteraten unter genauer Eruierung des Zellenstammbaumes des Kérpers dieser Tiere liefern. Ich glaube, diese Untersuchung wird der von Witson, E. Meyer, mir und anderen vertretenen telo- blastischen Auffassung recht geben, aber zur Zeit haben auch wir noch keine geniigenden Anhaltspunkte, um zu beurteilen, durch ‘welche Organe oder Komplexe geweblicher Elemente in der weit zuriickliegenden altesten Metazoenstammform die verschiedenen als Teloblasten gedeuteten Blastomeren der Furchungsstadien der Bilaterien repradsentiert waren. Ich habe zum Schlusse noch auf einige die Trochophoralarve betreffende Punkte kurz zuriickzukommen. Der erste Punkt betrifft die Ausbildung von Larvengeweben und Larvenorganen, die spater vollstiéndig verschwinden. Diese Erscheinungen spielen in den Theorien derjenigen, die das Anne- lid oder irgend eine andere sich metabolisch entwickelnde Tier- form auch phylogenetisch aus der Larve der betreffenden Form entstehen lassen, selbstverstaindlich eine sehr grofe Rolle. Sie sind es sicherlich, die KLEINRNBERG zu der besonderen Form der Lehre von der phylogenetischen Substitution von Organen gefiihrt haben, die er in seiner Lopadorhynchusarbeit vertritt. Fiir mich handelt es sich auch hier nur um spezielle Falle des allgemeinen Gesetzes, dal stark arbeitende Zellen und Gewebe sich eben stark abarbeiter, abnutzen und schlieflich funktionsunfahig werden — und daf in dieser oder jener Weise fiir ihren Ersatz gesorgt ist. Dieser Ersatz geschieht bekanntlich in der mannigfaltigsten Weise, und es kann nicht meine Aufgabe sein, mich hieriiber zu verbreiten. Eine Hauptform, vielleicht die haufigste, ist die, dafi jeweilen nur ein Teil der Zellenarmee zur Arbeit und ins Gefecht geschickt wird, wahbrend ein anderer zwar kleiner, aber lebens- und vermehrungs- kraftiger jeweilen als Reserve zuriickbleibt. Bald steht hinter einer jeden kleinen Gruppe von aktiven Zellen eine Reserve- und Ersatz- zelle, bald ist fiir eine groSe breite Front, die sich aufopfert, nur an geschiitzter, gedeckter Stellung eine kleine Reserve vorhanden. In diesem Falle sichert die groBe aktive Front gewissermafen einen Watfenstillstand, wiahrend dessen sich die kleine Reserve rasch vermehrt, in aller Stille organisiert und dann plétzlich nach Ab- lauf des Waffenstillstandes (ich denke an die Puppenperiode) als neues, lebenskraftiges Zellenheer mit neuen Mitteln den 120 Arnold Lang, Kampf ums Dasein aufnimmt. Nichts ist in dieser Beziehung so in- struktiv wie die vergleichende Betrachtung der geweblichen Vorgange bei den verschiedenen Formen der Insektenmetamorphose. Die kom- plizierten Vorgange der vollkommenen Metamorphose der Zwei- fliigler und Schmetterlinge, wo die Anlagen der meisten Organe des erwachsenen gefliigelten Insektes in Form yon kleinen und lokalisierten Imaginalherden im Kérper der Puppen vorhanden sind, lassen sich durch eine Reihe von vermittelnden Erscheinungen auf die urspriinglichen Vorgange der allmahlichen Metamorphose zuriick- fiihren. Die Hauptursachen, die sie herheigefiihrt haben, sind — dariiber diirften wohl die meisten Forscher heutzutage einig sein — erstens die zunehmende Divergenz in den Lebens- und Anpas- sungsverhiltnissen von Larve und erwachsenem gefliigelten Insekt und zweitens die intensiven und lange dauernden Lebensverrich- tungen der Larvengewebe, die sie zu neuen hohen Leistungen, wie sie die Umbildung in die Gewebe der Imago verlangt, unfahig machen. Es wundert mich, dafi KLEINENBERG bei den Reflexionen iiber seine Substitutionslehre nicht die Vorginge bei der vollkommenen Metamorphose der Insekten beriicksichtigt hat. Hatte er dies getan, so hatte er wahrscheinlich erkannt, daf er nicht auf dem richtigen Wege war. Er wiirde wahrscheinlich eingesehen haben, da8 die komplizierten, von Katastrophen begleiteten Verwandlungen, die wihrend der Entwickelung so vieler Meerestiere vorkommen, deren Larven exquisit dem pelagischen Leben angepaft sind, von ganz aihnlichen Gesichtspunkten aus zu beurteilen sind, wie die vom Untergang des gréBten Teiles des Larvenkérpers begleitete voll- kommene Metamorphose einer Fliege. Auch die auffalligste Er- scheinung, das Abwerfen der Scheitelplatte der Larve und die Neubildung des Gehirnganglions, die gelegentlich vorkommt — sonst wird das zentrale Nervensystem, wenigstens in seiner auferen Form, von der Verwandlungskatastrophe noch am meisten ver- schont — wird sich nur als ein extremer Fall einer Reihe her- ausstellen, deren Ausgangspunkt eine ruhige, kontinuierliche Ent- wickelung, der phylogenetischen vergleichbar, ist, deren Ende aber durch den biologischen und physiologischen Zwiespalt zwischen Larve und erwachsenem Tier herbeigefiihrt, die fast plétzliche Quasi- Neuschépfung des erwachsenen Tieres nach tiber den Larven- kérper hereingebrochener Katastrophe ist. Die phylogenetische Entstehung von Phoronis (nach Analogie des KLEINENBERGsChen Lopadorhynchus) in der Actinotrophalarve, wobei der Wurm sich eine Zeitlang vom miiden, und- abgearbeiteten Gehirn seiner Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 121 Larve, als seines eigenen Erzeugers ernahrt, geht tiber mein Vor- stellungsvermégen. Es wire nicht schwer, bei der Metamorphose der pelagischen und anderer Larven auch im einzelnen viele und grofe Analogien zu den Vorgiingen bei der vollkommenen Metamorphose der In- sekten nachzuweisen. Ich mu hier darauf verzichten und, nur ein Beispiel herausgreifend, auf die Anlage des gréften Teiles des Nemertinenkérpers in der Pilidiumlarve hinweisen. Sind die 4 eingesenkten Ektodermblasen nicht Imaginalscheiben des Nemer- tinenkérpers ? Aber der Ersatz fiir abgearbeitete Larvengewebe, die zu Grunde gehen, jedoch in 6konomischer Weise in dieser oder jener Form als Nahrung fiir den sich weiterentwickelnden K6érper verwertet werden, braucht nicht nur in der Weise zu geschehen, daf Reserve- gewebe in Form von diffus zerstreuten oder mehr oder weniger lokalisierten Imaginal- oder Regenerationsherden zuriickgelegt wird, Material, das wihrend des Larvenlebens schlummert und erst nach- her kraftvoll in Aktion tritt; sondern er kann auch in anderer Weise sich vollziehen. Speziell bei den Anneliden tritt ja wahrend des Larvenlebens nur der Vorderkérper in Aktion, nur seine Gewebe arbeiten sich ab und miissen spiter wieder ersetzt werden. Wenn nun Organe in der Vielzahl vorhanden sind, wie das ja beim Annelid in exquisiter Weise der Fall ist, so braucht das Larvenorgan doch nicht an Ort und Stelle ersetzt zu werden. So braucht das vorderste Nephridienpaar des Annelidenkérpers, das wahrend des Larvenlebens funktioniert, nicht wieder als solches ersetzt zu werden. Es treten eben an seiner Stelle die inzwischen ausgebildeten folgenden Paare definitiver Nephridien in Funktion. Daf sich gelegentlich auch ein 2. oder 3. Nephridienpaar friih- zeitig abarbeitet und nicht wiederersetzt wird, hat nichts Auf- falliges an sich. Wenn unsere Ausfiihrungen, die in der Hauptsache mit den Ansichten mehrerer anderer Fachgenossen iibereinstimmen, das Richtige treffen, so ist zu erwarten, da% auch bei den Chatopoden die Vorgange der Metamorphose da am abruptesten, die Katastrophe am Larvenkérper da am gréften ist, wo die Larve am meisten dem von der Lebensweise des erwachsenen Wtrmes so stark ab- -weichenden pelagischen Leben angepaft ist. Dieses letztere ist nun sicherlich am meisten bei denjenigen Larven der Fall, deren Kérper durch starke Ausdehnung des Blastocéls blasig aufge- trieben ist. Daf es sich hier um eine direkt mit der pelagischen 122 Arnold Lang, Lebensweise zusammenhangende Erscheinung handelt, wird doch gewif niemand bestreiten. Ein hochinteressanter Fall einer solchen ,,vollkommenen Meta- morphose“ ist nun in der Tat durch die schénen Untersuchungen von WOLTERECK bei der Entwickelung der Polygordius-Arten der Nordsee, die, wie auch ihre Verwandten im Mittelmeer, in der Jugend buchstaiblich Wasserképfe sind, genau bekannt ge- worden, nachdem schon friiher MerscHnikorr (1870) und Ra- JEWSKI (1871) einige der auffalligsten Vorgiinge bei der Meta- morphose der Helgolinder Larve von Polygordius beobachtet hatten. BRANDES, der zuerst die WoLTERECKsche Arbeit signalisierte (1901), machte auf diese Vorginge zu Gunsten seiner eigentiim- lichen Ansicht aufmerksam, daf die Metamorphose der Hirudineen eine Art Generationswechsel seit). Es wurde mir wind und wehe, als ich folgendes las: ,Daf’ auch die Trochophora von Poly- gordius sich nicht direkt zum jungen Wurme metamorphosiert, dieser letztere vielmehr in der Leibeshéhle der Larve selbstandig heranwachst und schlieflich sich aus ihr herauslést, scheint mir iiber jeden Zweifel erhaben.“ Da hatten wir also zu der Ent- stehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus noch eine Entstehung der Annelids in der Nordseelarve von Poly- gordius, denn in der Tat: ,Die Wurmanlage ist wahrend des ganzen Larvenlebens nach aufen von der Leibeswand der Trocho- phora umgeben.“ Schlieflich sprengt der vorher gefaltete Rumpf des Wurmes die Larve, dehnt sich und streckt sich, und wahrend die Larvenhaut mit ihren Wimperreifen, Radiairnerven, Ganglien- plexus, Driisen und Muskeln abgestofen oder gefressen wird, holt sich der Rumpf die Scheitelplatte der Larve herbei und setzt sie als Kopf (Prostomium) seinem kopflosen Vorderende wie einen Deckel auf. Ich muf gestehen, daf sich mein Unbehagen noch steigerte, als mir die WourerecKsche erste Arbeit selbst (die Habilitationsschrift, 1901) zu Gesichte kam. Hier wird immer 1) Es ist allerdings nicht ganz undenkbar, daf die Imaginal- herde bei vollkommener Verwandlung im Kérper der Larve so stark lokalisiert waren, daf die ganze Imaginalform aus einer einheitlichen Anlage, vielleicht schlieflich einer einzigen Zelle hervorginge. So- lange es vicht ganz sicher nachgewiesen ist, daf bei den Trema- toden die Bildung der Redien und Cercarien auf parthenogenetischer Fortpflanzung beruht, ist die Méglichkeit der vorstehenden Deutung fiir diesen Fall nicht ganz ausgeschlossen. Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 123 betont, ,dafi das am meisten Charakteristische der Trochophora von Polygordius lacteus und appendiculatus die Ent- stehung des Annelids innerhalb der Larve ist“. Ich bin auch durch die eben erschienene ausfiihrliche Arbeit WoLTEREcKs und durch dessen Vortrag ,Ueber die Entwickelungstypen der Poly- gordiuslarve“ nicht ganz beruhigt worden. Denn obschon er in diesen Publikationen die vollstandige Neubildung des Annelids innerhalb des Larvenkérpers nicht mehr so stark betont und ob- schon er Vergleiche mit anderen Metamorphosen, auch mit der direkten Entwickelung, anstellt, so bleibt er doch eher geneigt, bei den Anneliden den komplizierten Modus der vollkommenen Ver- wandlung fiir alter als die anderen Entwickelungsformen zu halten. Er betont dabei, daf wir es hier (bei Polygordius und denjenigen Nemertinen, die eine Pilidiumlarve bilden) zum Teil gerade mit den urspriinglichsten Formen beider Tierstémme zu tun haben, und sagt ferner: ,Auch die altertiimlichen, vielleicht an Cél- enteraten, speziell Ctenophorenvorfahren anklingenden Charaktere unserer Trochophora (Scheitelorgan, diffuser Ganglienplexus, 8 nervése Radien) kamen dabei in Betracht. Jedenfalls scheinen sie sich weit schlechter mit einer sekundar abgeleiteten Ent- wickelungsweise zu vertragen, als die durch Brutpflege u. a. haufig modifizierte und reduzierte Larvenorganisation ,typisch‘ sich ent- wickelnder Formen.“ Ich gebe zu, daf sich iiber die Bedeutung der interessanten Strukturverhaltnisse der Trochophoralarve, mit denen uns die neuen subtilen Untersuchungen und nicht zum mindesten die von WoLTEeRECK bekannt gemacht haben, noch sehr viel diskutieren lassen wird. Gewif8 aber auch dariiber, ob Polygordius und die Pilidium-Nemertinen gerade die urspriinglichen Formen ihrer respektiven Abteilungen sind. Ich hoffe aber auch, daf’ WoLTERECK, namentlich bei einer erneuten vergleichenden Priifung der ver- schiedenen Formen der Metamorphose, besonders auch derjenigen der Insekten, sich doch der Ansicht nahern wird, daf sich die vollkommene Metamorphose des Nordsee-Polygordius zu der ohne groBere Katastrophen verlaufenden kontinuierlichen Entwickelung anderer Anneliden ahnlich verhalt, wie die vollkommene Meta- morphose der héchsten Insekten, ,,deren Lebensweise als Larve und Imago sehr verschieden ist“, zu der allmahlichen, kontinuier- lichen der niederen. Die WourerecKksche Untersuchung liefert ja gerade einen neuen, hervorragend wichtigen Beweis fiir die Richtigkeit der Voraussetzung, die der Ableitung der vollkommenen 124 Arnold Lang, von der allmadhlichen Verwandlung der Insekten zu Grunde liegt, da8 namlich Larvenstadien selbstindig variieren und sich ganz bestimmten Verhdltnissen anpassen, also kanogenetisch sich ver- indern kénnen, ohne daf dadurch das Endstadium auch nur im mindesten beeinflu8t zu werden braucht. WoLrereck hat das auch sehr klar erkannt und die vollige Unabhiangigkeit, welche zwischen Larve und Imago besteht, scharf beleuchtet: ,,Nicht nur haben beide fast keine funktionierende Zelle gemeinsam, sondern die pelagische Larve variiert und verandert sich auf eigene Faust, ja bildet einen ganz neuen Modus!) der Wurmbildung heraus, ohne daf dieser Wurm selbst sich irgend wesentlich modifizierte, nur in den Potenzen seiner Keimzellen stecken die Unterschiede. Wir werden unwillkiirlich an jene Schmetterlinge erinnert, deren Raupen verschieden sind, wihrend die Imagines sich gleichen.“ Ich kann diesen Abschnitt nicht abschlieBen, ohne noch auf einen, meiner Ansicht nach sehr wichtigen, Punkt der WOLTERECK- schen Untersuchung kurz einzugehen. Ich habe mich immer und immer wieder aufs héchste gewundert, daf’ WoLTEeRECK in keiner seiner drei Arbeiten naher auf die Bedeutung jener in der Mitte der Hyposphire der Nordseelarve gelegenen Oeffnung eingeht, die er als ,anus larvae“ bezeichnet und auch nicht auf die Bedeutung der geraéumigen Hohle, in die sie fiihrt und die ich vorlaufig als Bruthéhle bezeichnen méchte. In der Tat liegt, ganz genau ge- nommen, die gefaltete Anlage des Wurmkérpers in dieser Brut- hohle und nicht im Blastocél. Ich kann nun kaum glauben, dab ich mich tausche, wenn ich die Verhaltnisse so deute, dab die bei der Mittelmeerlarve im Analpole, d. h. in der Mitte der Hypo- sphire gelegene zapfenformige Anlage, die allmahlich zum langen gegliederten Rumpfe auswichst, bei der Nordseelarve in den Kopf, d. h. in den Larvenkérper teilweise eingestiilpt ist. So etwas ist bei dem larvalen Wasserkopf dieser Anneliden, in dem das Blastocél so stark ausgedehnt ist, wohl méglich, so etwas aber wiire bei massiveren Larvenformen nicht méglich. Der , anus larvae“ ist also nach meiner Meinung gar kein Anus, sondern die Einstiilpungséffaung der in den Larvenkérper zuriickgezogenen Wurmanlage. Die Wand der Bruthéhle ist der eingestiilpte vorderste Teil des Wurmrumpfes oder der hintere Teil des larvalen Wurmkopfes. Bei der plétzlichen Metamorphose ,,bricht* der Wurm nicht ,aus der Larve hervor“, sondern er tritt, indem er 1) Das ist ja eben meine Meinung! Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 125 sich streckt, aus der Kinstiilpungséfinung hervor, und der einge- stiilpte Teil (die Wand der Bruthéhle) stiilpt sich dabei, wenigstens partiell, wieder aus. Es entsteht also in Wirklichkeit das Annelid nicht in der Larve, sondern an derselben Stelle wie bei den Mittelmeerlarven, an dem Wurmzapfen, der an dem in den blasigen Kérper zuriickgestiilpten wirklichen Analende liegt. Es wiirde sich also hier um ganz analoge Erscheinungen handeln, wie bei der inneren Knospung der Suctoria (z. B. Tokophrya quadri- partita), die ja leicht auf die aufere Knospung zuriickgefiihrt werden konnte, oder bei der Anlage der Extremititen in der Larve und Puppe der Fliegen oder bei der Bildung des ganz oder teil- weise in den hydropischen Larvenrumpf (Finnenblase) eingestiilpten Scolex der Bandwiirmer u. s. w. Sollte ich mich in dieser Be- ziehung tauschen, so wiirde ich gianzlich an dem _heuristischen Wert unserer vergleichenden Methoden irre werden. Manche der vorstehend entwickelten Gedanken habe ich friiher schon wiederholt geaéufert. Viele von ibnen befinden sich in Uebereinstimmung mit Ideen anderer Forscher, unter denen ich E. Meyer, Racovitza, THIELE und WitLson hervorhebe. Zweiter Hauptabschnitt. Die Gonocdéltheorie. Historisches. Die Gonocéltheorie betrachte ich als erste wichtige Ergainzung der Theorie von der Entstehung der Articulatenmetamerie. Eine zweite ebenso wichtige erblicke ich in der Himocéltheorie, die ich im dritten Hauptabschnitt dieser theoretischen Arbeit ent- wickeln werde. Wenn ich davon absehe, daf Rast und HarscHeK die Pol- zellen des Mesoderms, von denen aus das Material fiir die Célom- sicke geliefert wird, phylogenetisch als Geschlechtszellen deuteten, so findet sich der Grundgedanke der Gonocéltheerie meines Wissens zum ersten Mal 1878 bei HarscHeKk ausgesprochen. In seinen bekannten Studien iiber Entwickelungsgeschichte der Anneliden weist er bei der Untersuchung der Frage, welche Teile in der Trochophoralarve wohl den Geschlechtsorganen der Rotatorien ent- 126 Arnold Lang, sprechen, auf die Mesodermstreifen hin und bemerkt sodann, da folgende Tatsachen vielleicht spaterhin als Grundlage einer theo- retischen Vergleichung dienen kénnen: »Bei den Rotatorien (und auch bei anderen Formen mit pri- mirer Leibeshéble) finden sich geschlossene Geschlechtsdriisen, in deren Héhlung die Geschlechtsprodukte fallen. Bei den Anneliden, wo unter Riickbildung der primiren Leibeshéhle der Trochophora eine sekundire Leibeshéhle im Mesoderm entsteht, bilden sich die Geschlechtsprodukte unmittelbar an der Wandung dieser Leibes- héhle und gelangen bei ihrer Reife direkt in dieselbe. Die se- kundare Leibeshéhle verhalt sich wie die Héhle der Geschlechts- driise der niedrigeren Formen.“ Im Jahre 1885 hat sodann bekanntlich Beran die Gonocél- theorie — wie es scheint, ohne von der HatscHexKschen Idee Kenntnis zu haben — eingehender begriindet, in Zusammenhang mit seiner morphologischen Auffassung der Segmentalorgane der Anneliden. Wahrend ich nun diese letztere in keiner Weise teilen kann, bin ich mit Bezug auf die Theorie der sekundaren Leibes- hohle zu einem warmen Anhinger der BerGuschen Hypothese, und zwar gerade in der von ihm vertretenen Form, geworden. Es ist am Platze, die bedeutungsvolle Erérterung aus der Brere@uschen Schrift in extenso zu reproduzieren. Nachdem Berau die friiher weit verbreitete Idee verworfen, daf die Spalten und Liicken im Parenchym der Plattwiirmer und die sekundire Leibeshéhle der Anneliden Bildungen nahe ver- wandter Art seien, und nachdem er auch die in der ,Célom- theorie von O. und R. Herrwie vertretene Ansicht fiir nicht stichhaltig erklart, triagt er seine eigene Hypothese in folgender Form vor: »Bei den Anneliden entstehen die Geschlechtszellen auch all- gemein aus einem Keimepithel; dasselbe nennt man aber hier das Epithel der Leibeshéhle (Peritoneum), und bei ihrer Reife fallen jene auch in segmentale, von diesem Epithel begrenzte Héhlen hinein; diese Héhlen werden aber alle zusammengenommen als Leibeshéhle (Célom) bezeichnet. Nach der hier ver- tretenen Anschauung ist die segmentierte Leibes- héhle der Anneliden den Hoéhlen der Geschlechts- follikel der Plattwiirmer und Nemertinen homolog; jede Halfte einer Segmenthihle mit dem sie be- grenzenden Epithel entspricht einem Geschlechts- follikel. Um diesen Vergleich durchzufiihren, mu man sich vor allem das Verschwinden des Parenchyms bei den Anneliden ver- gegenwirtigen. Dabei legen sich die Wande benachbarter Follikel (Mesodermsegmente) aneinander und in dieser Weise entstehen einer- Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 127 seits die Mesenterien, andererseits die Dissepimente. Der wesent- lichste Unterschied ist der, daf das Keimepithel und die Follikel- héhlen bei den Anneliden eine viel allgemeinere Bedeutung ge- winnen und (was damit im Zusammenhang steht) sich sehr friih- zeitig beim Embryo (resp. bei der Larve) ausbilden. Bei den meisten héheren Formen lokalisiert sich innerhalb des einzelnen Segments die Bildung der Geschlechtsprodukte, so daf man an einer bestimmten Stelle in demselben einen Hoden resp. ein Ova- rium vorfindet. — Bei den Anneliden finden wir auch typisch die gesonderte Entleerung der Produkte eines jeden Segments, ganz wie bei den Nemertinen: entweder durch Bersten der Haut oder durch die Segmentalorgane. Nur bei vielen hédheren Anneliden bilden sich besondere Leitungswege aus, und die Bildung der Ge- schlechtszellen wird in Uebereinstimmung damit auf wenige Segmente beschrankt, wihrend die meisten Segmente steril bleiben. Zugleich riicken bei solchen Formen auch ganz fremde Organsysteme (be- sonders das Nervensystem) in die Leibeshéhle hinein; daf dies aber ein vollkommen sekundiares Verhalten ist, wird sowohl durch die Entwickelungsgeschichte wie durch die vergleichende Anatomie be- wiesen. Die Primitivfunktion des Peritoneums der Anneliden diirfte wohl jedenfalls nicht die einer Hiille, sondern diejenige des Keim- epithels sein.“ Seitdem ist Beran, hauptsichlich durch KLErNenBERGS Lo- padorhynchusarbeit, an seiner eigenen Theorie irre oder doch tiber ihren Wert sehr unsicher geworden. Ich will hierauf nicht ein- treten. Mbryer hat in seiner neuesten Arbeit Berens Unent- schiedenheit geniigend gekennzeichnet (p. 533 u. ff.). Ich hoffe, Bercu werde bald wieder voll und ganz fiir seine erste Hypothese einstehen 4). Die Gonocéltheorie fand bald in Ep. M&yer einen warmen Anhanger und geschickten Verteidiger. Mryerr war ebenfalls ganz selbstiindig auf die Grundideen dieser Theorie gekommen und hatte sie schon vor 1885 vielfach mit mir und anderen besprochen, ohne mich damals iiberzeugen zu kénnen. Verdffentlicht aber hat er sie erst 1890 in seiner Schrift iiber die Abstammung der Anneliden. Der eine Teil seiner Theorie, derjenige, dem ich nicht beipflichten kann, den er inzwischen selbst aufgegeben hat, und der sich auf das urspriingliche Vorhandensein von nur 2 lang- gestreckten Genitalschlauchen bezieht, die erst sekundar in zwei Reihen gleich grofer Gonadenblasen zerfallen seien, ist schon friiher, 1) In seinem neuesten Artikel im Zool. Anzeiger driickt sich wirklich Bercu (1902), von der sekundaren Leibeshéhle sprechend, kurz und bestimmt wiederum so aus: ,die nach meiner Auffassung ein Gonocél ist“. 128 Arnold Lang, p. 64, ausfiihrlich wiedergegeben worden. Die tibrigen Teile der Meyerschen Ausfiihrungen, die sich mit denen Berens in vieler Beziehung decken, in mancher Richtung tiber sie hinausgehen, kénnen meine fast ungeteilte Zustimmung finden. Wenn ich auch sie in extenso mitteile, so werde ich einerseits den Anforderungen historischer Genauigkeit gerecht und erspare mir zugleich eine eigene ausfiihrliche Darstellung vieler Hauptpunkte. Mryer aufert sich, wie folgt: »lndem nun aus den Liicken des Parenchyms, welche wahr- scheinlich zunachst um den Darm herum zu einem gréferen Sinus sich vereinigten, Lymphe in das Innere der paarigen, metameren Geschlechtsdriisen, zur Ernihrung der in ibnen flottierenden, sich entwickelnden Genitalprodukte, in gesteigertem Mafe aufgenommen wurde, dehnten sich die Follikelhéhlen immer mehr aus und verwandelten sich auf diese Weise in die paarig und segmental gekammerte, sekundiare Leibes- héhle. In den epithelialen Wandungen behielten nur gewisse, als die spiteren, eigentlichen Geschlechtsdriisen der Anne- liden erscheinende Stellen die Fahigkeit bei, Ei- oder Samen- mutterzellen zu produzieren, wahrend der iibrige Teil derselben, zuerst eine Art indifferenteren Follikelepithels darstellend, unter zunehmender Abflachung seiner Elemente an die inneren Organe und Gewebe angepreft wurde und diese schlieflich in Gestalt eines Peritoneums umbhiillte. Hierbei kamen auch, unter Einschliefung eines Teiles der schon friiher vorhandenen dorsoventralen Parenchym- muskeln zwischen die medialen Winde eines Paares und zwischen die vorderen und hinteren Winde zweier aufeinander folgenden Segmenthéhlenpaare, die himalen und neuralen Darm- mesenterien und die Dissepimente zu stande.“ Es folgt nun eine hochwichtige Suggestion tiber die phylo- genetische Entstehung des BlutgefiBsystems, die ich im Abschnitt yHaimocél* wiirdigen werde. Dann fihrt Meyer fort: » Won den peritonealen Bildungen der Anneliden verdienen ein ganz besonderes Interesse die neuralen und haimalen Langs- muskelfelder infolge der Schwierigkeit, die Ursachen ihres ersten Auftretens zu erraten. MHieriiber habe ich mir nun folgende, bis jetzt allerdings durchaus hypothetische Ansicht gebildet. Einen Teil der nicht produktiven Elemente der Genitaldriisenwandung denke ich mir als Epithelmuskelzellen, deren Zellkérper im epithe- lialen Gefiige der Follikelwand eingereiht waren, und deren distale, tangential zur Driisenoberfliche in zwei Enden ausgezogenen, fibril- laren Teile durch ihre Kontraktion einen Druck auf den Inhalt der Follikelhéhle auszuiiben hatten, sich also urspriinglich bei der Ent- leerung der Geschlechtsprodukte tiitig erwiesen. Nachdem dann die Follikelwande sich an Integument und Darm dicht angelegt und hier angeheftet hatten, konnten jene Follikelmuskeln nicht mehr als solche funktionieren und verschwanden bis auf die be- Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 129 kannten Lingsfelder an der auferen Kérperwand, welche anfangs hier die primaire Lingsmuskulatur verstairkten, um sie dann spiter vollig zu substituieren. “ Die Darmmuskulatur, die Ringmuskulatur und ferner die Quermuskeln der Anneliden leitet indessen Meyer direkt von den mesenchymatésen Muskeln der parenchymatésen turbellarien- ahnlichen Vorfahren ab. Wie aus dem Vorstehenden ersichtlich ist, geht Meyers Ab- leitungsversuch in zwei wichtigen Punkten iiber den von Bercu hinaus, nimlich in dem spater zu besprechenden Versuch der Ableitung des Blutgefa8Bsystems und in dem Versuch, den phylogenetischen Ursprung der Muskulatur der Anneliden zu erklaren. Von meiner eigenen Stellungnahme zu der Gonocéltheorie seit 1888 habe ich schon p. 74/75 gesprochen. Seit mehr als 10 Jahren habe ich sie im Anschluf an die Theorie von der phylogenetischen Entstehung der Metamerie in meinen Vorlesungen tiber ver- gleichende Anatomie vorgetragen und zwar in der Weise, da ich mit BerGu die, ahnlich wie bei Gunda und den Nemertinen schon in der Vielzahl vorhandenen und metamer angeordneten, Gonaden- blasen von turbellarienahnlichen Tieren sich zu den metameren Célomsackpaaren der Anneliden erweitern lief. Fortwahrend war ich bestrebt, die Theorie weiter auszubauen, und gelangte dabei zu der schon seit mehreren Jahren vorgetragenen Auffassung, dai die Célomocyten und méglicherweise auch die Hamocyten als Produkte der Célomwand den Nahr- oder Dotterzellen der Go- naden der Acélomier entsprechen, da8 das Botryoidalgewebe der Hirudineen, das Chloragogengewebe der Oligochaten und das Fett- gewebe der Arthropoden in die gleiche grofe Kategorie trophischer Gewebe gehéren und daf auch die Wandungen der (kontraktilen und nicht kontraktilen) Blutgefi®e Teile oder Derivate der Célom- wand seien. Inzwischen hat besonders schon E. MEYER einige tibereinstimmende Ideen in seiner neuesten grofen entwickelungs- geschichtlichen Arbeit, zum Teil unter ausfiihrlicher Begriindung, veroffentlicht. Schon im Jahre 1891 riickte Tu1eELE in die Reihe der An- hanger der Gonocéltheorie. Nach ihm entspricht dem ‘T'ractus urogenitalis (Gonade + Niere) mit dem Pericard von Mollusken die Leibeshéhle der Chitopoden mit den Segmentalorganen. ,Durch einen Vorgang, welchen man der Abtrennung der Keim- driise vom Perikard bei Mollusken vergleichen kann, ist“ nach Tu1exx, Ba, XXXVII. N, F. XXX1. 9 130 Arnold Lang, ,die Keimdriise der Anneliden in zahlreiche Metameren zerfallen, welche der Anordnung der anderen Organe entsprechen. Die ver- mutlich zuerst jederseits einheitliche, aber mit regelmafigen Aus- sackungon versehene Keimdriise, welche sich durch den ganzen Rumpfteil des Leibes erstreckte, ist sehr vergréSert worden, und die Einschniirungen wurden gleichzeitig tiefer, bis jede Héhlung in eine Anzahl von Folgestiicken zerfiel. Diese sind zunachst wahr- scheinlich alle gleichwertig gewesen, und erst sekundar haben sich in manchen Fallen die Keimstoffe auf einen Teil der Abschnitte beschrankt, wahrend die itibrigen andere Funktionen erhielten, ahn- lich dem Perikard der Mollusken; hauptsachlich nahmen die Wan- dungen, wie es auch bei Mollusken der Fall ist, exkretorische Tatigkeit an. Jeder Teil erhielt seinen eigenen Ausfihrungs- gang sive Die sekundare Leibeshohle der Anneliden halt THrexe fiir ein ,unzweifelhaftes Homologon der Keimdriisen-(Uterus-) Héhlung niederer Wiirmer“. Ein Enterocél im ontogenetischen Sinne kénne sie nicht sein. Im Jahre 1892 habe ich dann selbst die Grundidee der Gonocél- theorie in meiner vergleichenden Anatomie der Mollusken ein- gehend verwertet. Auch KorscHELT und HerpEr, welche 1893 die sekundare Leibeshéhle der Mollusken (Perikard und Gonade) in derselben, hauptsachlich von GROBBEN, LANKESTER und THIELE inaugurierten, Weise beurteilten, naherten sich der durch die Gonocéltheorie vertretenen Auffassung. Von den Beziehungen der trochophoraahnlichen Stammform zu den Rotatorien und Anneliden sprechend, sagen sie z. B.: ,,Es handelt sich dabei vor allem um das Auftreten der Segmentierung und die Entstehung des Céloms, welches letztere vielleicht durch Erweiterung der Gonaden der Urform zu erkliren ist‘). Ein eifriger und geschickter Verteidiger erwuchs der Gonocél- theorie im Jahre 1895 in Goopricn, dessen Stellung in der Frage indes schon p. 76, 94 u. ff. dargestellt worden ist. Ich erinnere hier nur nochmals an Goopricus Ausspruch tiber die regelmifig me- tamer angeordneten Geschlechtsfollikel von Gunda segmentata: »lf these follicles were larger, Gunda segmentata could be called a truly segmented animal.“* Konform diesem Ausspruch und in diesem Punkte in Widerspruch mit der friiheren Ansicht von E. Meyer halt es Gooprica fiir wahrscheinlicher, da8 die meta- merische Anordnung der Geschlechtsfollikel eher einer gewissen tendency to repetition by a sort of budding‘ zuzuschreiben sei. 1) Von mir hervorgehoben. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 131 Nicht minder energisch als Goopricu tritt BUrGerR 1895 in seiner verdienstvollen Nemertinenmonographie fiir die Gonocdl- theorie ein: »lch bin davon tiberzeugt, da’ ein unbefangener Beobachter, welcher die leeren Geschlechtssicke eines Drepanophorus oder Cerebratulus sieht, welche sich zwischen den Darmtaschen einer- seits bis zum axialen Rohr des Darmes, andererseits bis zur Kérper- wand ausdehnen, und bei ihnen vergebens nach einem Ausfihrungs- gang sucht, sie dagegen tiberall von einem gleichmafig niedrigen Epithel ausgekleidet findet, keinen Einspruch gegen ihre Deutung als Célomsacke erheben wird. Was steht denn iiberhaupt dieser Deutung entgegen, weshalb reden wir nicht bei den Nemertinen von Célomsicken, in welchen die Geschlechtsprodukte entstehen, zumal doch gewisse der in Frage kommenden Sacke — es sind die im Appendix der Micruren — niemals Geschlechtsprodukte hervor- bringen, sondern immer steril bleiben ?“ Und einige Zeilen weiter: »Ja, ich méchte noch weiter gehen und, mich an BerrGH an- lehnend, der Ansicht Ausdruck geben, daf das Célom allgemein urspriinglich durch Geschlechtssicke, welche mit den Geschlechts- produkten (sekundar) sich entwickelten, reprasentiert wurde, daf ihr Auftreten vor den Geschlechtsprodukten und deren nachtrigliche Erzeugung durch ihre Epithelien ein zweites Stadium ihrer phylo- genetischen Entwickelung vorstellt, und daf sie dort, wo sie Ge- schlechtsorgane, d. h. wiederum besondere Hohlen zur Produktion von Geschlechtsprodukten erzeugen, wie bei den Hirudineen, ein drittes Stadium erreichten. Die beiden ersten hat das Célom be- reits bei den Nemertinen durchgemacht.“ In seiner ,Systematischen Phylogenie der wirbel- losen Tiere“ (1896) bekannte sich auch Harcket als Anhinger der Gonocéltheorie, die er mit der Enterocéltheorie kombinierte. In der ihm eigenen, tiberaus klaren und itibersichtlichen Weise legte er seinen Standpunkt folgendermafen dar: »Die Célomtaschen der Célomarien waren urspriinglich Ge- schlechtsdriisen oder Gonaden und sind identisch mit den ein- fachen Saccogonaden oder »sackférmigen Geschlechtsdriisen« ihrer alteren Platodenahnen (Platodarien und primitive Turbellarien). Die urspringliche Verbindung dieser Sexualtaschen mit ihrem Mutter- organ, dem Urdarm (wie sie bei Acraspeden und anderen Célenterien noch heute besteht) war schon bei den Platoden durch Abschniirung aufgehoben.“ : , Wahrend urspriinglich, bei den Altesten Célomarien, die beiden Saccogonaden nur als Geschlechtsdriisen fungierten und in ihrer ganzen Ausdehnung Eizellen und Sperma produzierten (wie bei den Célenterien-Ahnen), wurde bald diese sexuelle Tatigkeit lokalisiert; die beiden Célomtaschen blahten sich auf, und das mesodermale g# 132 Arnold Lang, (urspriinglich entodermale) Epithel derselben, das Coelothelium, sonderte sich durch Arbeitsteilung in zwei verschiedene Formationen, das »Keim-Epithel« oder sexuelle Germinal-Epithel, Gonothelium (aus dem allein Geschlechtszellen hervorgingen), und das sterile Célom-Epithel oder Serothelium, das »serése Peritoneal-Epithel«. Indem das erstere gewoéhnlich nur einen sehr kleinen, das letztere den weitaus gréften Teil der voluminésen Célomblasen auskleidete, entstanden lokalisierte Gonaden, welche an einer bestimmten Stelle in der Wand der geriumigen Leibeshéhle lagen.“ »Die beiden Célomtaschen, zusammen mit dem Mesenterium, bilden nunmehr das Mesoderm oder mittlere Keimblatt; ihre Epithelien (die Mesothelien) erfahren die mannigfachste histologische Differenzierung und werden der Ausgangspunkt fiir die Entwickelung zahlreicher wichtiger Organe, namentlich des Muskelsystems“, néim- lich der Muskulatur der Leibes- und der Darmwand. Besondere Freude bereitet es den Anhaingern der Gonocdél- theorie, daf sich auch Ersia in seiner ,,Entwickelungsgeschichte der Capitelliden“ 1898 riickhaltlos zu ihr bekennt. Ich persén- lich freue mich dieser Uebereinstimmung um so mehr, als wir sonst in mancher Beziehung, besonders was den phylogenetischen Ur- sprung der Anneliden anbetrifft, verschiedener Meinung sind. Ich glaube auch in der Tat, da man sowohl vom Standpunkte der Anhanger der Trochophoratheorie, als auch von demjenigen der Verteidiger der Turbellarien- oder Nemertinen- oder Zoophyten- abstammung der Anneliden aus Anhainger der Gonocdltheorie sein kann. Ersi@ polemisiert in dieser Beziehung gegen KLEINENBERG und restimiert dabei seine Ansichten in folgender, sehr bemerkens- werter Weise: »KLEINENBERG stellt die Sache so dar, als ob sich die Ge- schlechtszellen (die supponierten Homologa der Polzellen des Meso- derms) als solche ohne weiteres in alle die mannigfaltigen Gewebe umzuwandeln gehabt hatten, die wir als Mesoblast zusammenfassen, und da erhiilt die Sache allerdings ein ziemlich phantastisches Aus- sehen. Aber so hat sich das doch wohl niemand vorgestellt. Allen, die diese Lehre vertreten — und auch Kirinensere selbst — war bekannt, daf die den Geschlechtszellen verglichenen Polzellen oder Teloblasten sich zunichst als soleche vermehren, bis sie im Embryo zu Striingen geworden sind, in denen sich ein Hohlraum ausbildet, Strangen, in denen wir die Rekapitulation eines Gonadengewebes erblicken, aihnlich wie es heute noch gewisse Tiergruppen zeitlebens darbieten (vergl. Mpyrer, 1890, p. 306). Also nicht die Ge- schlechtszellen als solche, sondern ihr Produkt, das Gonadengewebe, hat man bei den Ueberlegungen dar- tiber, wie sich die mesoblastischen Gewebe differen- zierten, zu Grunde zu legen. Und warum von einem derart Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 133 epithelartig angeordneten und bereits bis zu einem gewissen Grade differenzierten Zellkomplexe nicht ebensogut Epithelmuskelzellen sich herauszubilden vermocht haben sollen, wie aus einer Neuromuskel- platte oder aus einem Darmdivertikel, das vermag ich nicht ein- gzusehen. Geradezu iiberwaltigend gestaltet sich aber die Sache zu Gunsten unserer Vorstellungsweise, wenn man die weiteren Differenzierungen dieses Gonadengewebes, namlich seine Gliederung in Somiten (Geschlechts- follikel), sowie die Bildung der Nephridien, Ge- schlechts- und Blutzellen ins Auge fa8t, Differen- zierungen, die sich alle zwanglos konform ihrem ontogenetischen Verlaufe auch phylogenetisch ab- leiten lassen, wogegen eben dieser Ableitung die gré8ten Schwierigkeiten im Wege stehen, wenn man eines der beiden Keimblatter oder beide als Aus- -gangspunkt zu setzen versucht.“ In seiner neuen Arbeit kommt Ep. MEyrr (1901) eingehend auf die Gonocéltheorie zuriick. Er hebt sowohl die wichtigen Punkte hervor, in welchen seine Ansichten mit denen von BEerGH tibereinstimmen, als auch die Differenzen in den beiderseitigen Auf- fasungen. Als Ausgangspunkt fiir die phylogenetische Erklirung der Annelidenorganisation dienen ihm nicht die Nemertinen, sondern nach wie vor die Turbellarien. Er glaubt, da diese doch viel direktere Abkémmlinge jener altesten Wiirmer sind, von denen sowohl die Anneliden als auch die Nemertinen abstammen. Wahrend ferner Beran das Parenchym der niederen Wiirmer bei den Anneliden verschwinden lift, durch welchen Schwund vor- nehmlich, seiner Ansicht nach, die Erweiterung der Gonadenfollikel zu der sekundaéren Leibeshéhle und die Bildung der Mesenterien und Dissepimente erméglicht wurde, halt Mryer dafiir, ,da% ein grofer Teil jenes Parenchyms, nimlich die meisten Primarmuskeln, sowie gewisse Ueberreste des Bindegewebes in die Organisation der Anneliden mit hintibergenommen worden sein miissen“. Von einer Erérterung seiner, in einigen wesentlichen Punkten von denen BerGus abweichenden, Ansichten tiber den phylogene- tischen Ursprung des Nephridialsystems der Anneliden sieht MEYER in der vorliegenden Untersuchung ab. Dagegen verbreitet sich MEyER neuerdings tiber die Punkte, in denen sein eigener Ableitungsversuch der Annelidenorganisation iiber denjenigen von BerGu hinausging, zunachst tiber den Ursprung des BlutgefaSsystems. Hieriiber werde ich im nachsten Abschnitt ausfiihrlich referieren. Der zweite Punkt betrifft den Ursprung der Lingsmuskulatur. Hier halt Meyer bis ins einzelne an seinen 134 Arnold Lang, friiheren Ausfiihrungen fest. In einem wichtigen Punkte aber gibt Meyer seinen friiheren Standpunkt auf und nahert sich dem Berauschen, den auch ich, in Uebereinstimmung mit meinen An- sichten iiber den Ursprung der Metamerie, vertrete. MEYER glaubt nun nicht mehr, daf die Vorfahren der Anneliden bloS ein Paar langgestreckter Sackgonaden besaSen, sondern auch er leitet nun- mehr den metameren Zustand von dem polymeren der turbellarien- ahnlichen Vorfahren ab. Die neuen Erwiagungen, die ihn dabei leiten, sind folgende: »Obgleich die Mesodermstreifen der Anneliden in der Tat am Hinterende des Embryos angelegt werden und, nach vorn auswachsend, zunachst die Gestalt eines Paares langgestreckter Gebilde erhalten, so ist das dennoch eigentlich kein geniigender Grund fiir die An- nahme, da’ ein solcher Prozef auch phylogenetisch stattgefunden haben miisse. Es liegt hier viel eher ein fiir den gesamten Rumpf- abschnitt der Ringelwiirmer allgemein giiltiger, ontogenetischer Ent- wickelungsmodus yor, daf sich namlicb die Bildungsherde der verschiedensten Organgruppen, die sich nachher durch den ganzen Kérper ausdehnen, am zukiinftigen Hinterende konzentriert haben. Wie wir sahen, entwickelt sich das Célothel der Anneliden in den meisten Fallen aus einem Paar Urmesoblasten, die den iibrigen, so- genannten duberen Teloblasten vollkommen analog sind. Aus den von diesen produzierten Zellstreifen gehen nun die Primarmuskeln, das Bauchmark und gelegentlich sogar das definitive Hautepithel hervor, mit einem Worte lauter Gebilde, die urspriinglich jedenfalls nicht blof am hinteren Kérperende, sondern in der ganzen Lingen- ausdehnung des Rumpfes in situ entstanden waren. Daher ist es viel wahrscheinlicher, daf auch den Prozessen, welch in der Onto- genese der Anneliden die Bildung des Célothels einleiten, nur die Bedeutung einer teloblastischen Entwickelungsweise zukommt.“ Dal ich diese Satze voll und ganz unterschreibe, erscheint nach allen Betrachtungen, die ich in der vorliegenden Schrift und friiher schon zu wiederholten Malen angestellt habe, als ganz selbstverstandlich. Als wichtiger Bestandteil der Gonocéltheorie kommt in der neuen Schrift Meyers zu den alten hinzu die Hypothese tiber den Ursprung der Phagocyten des Céloms. Ob- schon Anklange an die hier vertretene Auffassung sich schon friiher in der Literatur finden (so bei CufNoT und Ersia), so gebihrt doch Meyer das Verdienst ihrer eingehenden Begriindung im Anschluf an die Gonocéltheorie. Ich halte eine der Mreyerschen ahnliche Auffassung vom Ursprung der Phagocyten und tiberhaupt simtlicher Célomocyten fiir eine unabweisbare Konsequenz der Gonocéltheorie. Ich selbst bin schon seit langerer Zeit, von Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 135 ganz aAbnlichen Ueberlegungen geleitet, zu abnlichen Ansichten gelangt. Die bemerkenswerte, wohliiberlegte Begriindung der Hypo- these, daS die Phagocyten urspriinglich Geschlechts- zellen waren, lautet folgendermaben: »Den Teen der Phagocyten des Céloms, glaube ich, kann man sich so erklaren, dai bei Ueberproduktion von Geschlechts- zellen, die sich vom Célothel, dem urspriinglichen ,Gonothel‘ wie es HaxcKEL (1876) genannt hat, ablésten, die iiberschiissigen Elemente nicht das geniigende Quantum Nahrstoffe vorfanden, um zu voller Reife zu gelangen und, in den Follikelhohlen amdbenartig herumwandernd, ihre urspriinglich auf die spezifischen Nahrstoffe gerichteten chemotaktischen Eigenschaften nach und nach erweiterten. Hier sei bemerkt, daf die amdboide Art des Ortwechsels der Ge- schlechtszellen bei einigen niederen Tieren, wie z. B. Célenteraten, tat- sachlich vorkommt. Es dirfte das eine der Altesten Higenschaften der Propagationszellen sein, die wir unter anderem auch bei gewissen koloniaeln Protozoen, z. B. Protospongia, antreffen, und ebenso das ihnen innewohnende Bestreben, méglichst viel Nahrstoffe zu absorbieren. Bei nicht geniigendem Vorhandensein der letzteren in den Gonadenhéhlen konnte daher ein Teil der Geschlechtszellen allmahlich dazu gelangt sein, alles in sich aufzunehmen, was ihnen in den Weg kam: zunachst Geschwisterelemente, so migen die spezifischen Dotterzellen phylogenetisch entstanden sein, dann auch andere, zufallig losgeléste und absterbende Zellen und Gewebsteile, Stoffwechselprodukte und endlich irgend wie von aufen her ein- gedrungene Fremdkorper. Das mégen ungefahr die Momente ge- wesen sein, wie aus urspriinglichen Keimzellen die Célomphagocyten und schlieflich deren diverse, mit spezielleren Funktionen ausge- statteten Abkémmlinge hervorgegangen sein kénnten. Von letzteren seien hier die fetthaltigen und ahnlichen Elemente der Anneliden erwahnt, welche den jungen Kiern die zur Produktion des Nahrungs- dotters notwendigen Stoffe zufiihren und auch bei der Spermatogenese eine nutritive Rolle spielen, sodann die peritonealen Phagocytirorgane, die vielleicht so entstanden, daf an den betreffenden Stellen die beziiglichen Elemente sich vom Célomepithel abzulésen aufhérten.“ Ich bin nun mit Meyer in dem Hauptpunkte durchaus ein- verstanden, daf namlich die Célomphagocyten, und ich fige hinzu, nicht nur die Phagocyten, sondern iiber- haupt alle Célomocyten, insofern sie von der Célom- wand abstammen, auf Elemente zuriickgefiihrt werden missen, die sich bei den Vorfahren‘der Anneliden von der Gonadenwand loslésten oder ihr doch an- gehérten. Diese Annahme ist doch gewil die nachstliegende. Sie erscheint mir vom Standpunkte der Gonocdltheorie so lange als ihre notwendige Konsequenz, als man nicht beweisen kann, 136 Arnold Lang, daf den Célomkérperchen der Anneliden vergleichbare Gebilde bei den niederen, acdlomen Metazoen, den Zoophyten und ,,Gonaden- wiirmern“ nicht vorkommen. Ich’ bin aber der Meinung, solche Elemente seien in den Gonaden dieser niederen Metazoen aufer- halb der Geschlechtszellen wirklich schon vorhanden. Ich glaube also, man braucht die Phagocyten nicht so direkt, wie Meyer das tut, auf Geschlechtszellen zuriickzufiihren und will das gleich zu begriinden versuchen. In diesem Punkte bin ich somit nicht ganz gleicher Meinung wie Meyer, aber ich glaube, eine Verstandigung wird leicht sein. Uebersicht der Beobachtungen tiber den Ursprung der Célomoeyten und tiber das Chloragogengewebe. Wollen wir die Frage nach dem phylogenetischen Ur- sprung der die sekundare Leibeshéhle bevélkernden zelligen Elemente zu lisen versuchen, so miissen wir uns vor allem nach ihrer ontogenetischen Entstehung erkundigen. Ich will nun versuchen, aus der ziemlich ausgedehnten Literatur die wich- tigsten, die Anneliden betreffenden, Angaben zusammenzustellen. Die Unterscheidung der verschiedenen Formen der Célomocyten und ihrer physiologischen Bedeutung wird dabei etwas in den Hintergrund treten. Ray LANKeESTER hat schon 1870 die Vermutung geaufert, da bei niederen Oligochaten das ,yellow glandular tissue“, ge- meint sind die chloragogenen Peritonealzellen, etwas mit der Produktion der Kérperchen der perivisceralen Flissigkeit zu tun haben. Er glaubte beobachtet zu haben, da’, wenn wenig lymphoide Zellen vorhanden waren, das Riickengefif stark mit Chloragogen- zellen besetzt war und umgekehrt. Sowohl die geiuferte Ver- mutung, als auch die ihr zu Grunde liegende Beobachtung wurden indessen von KUKENTHAL und Mac InrosH angefochten. In einer Abhandlung iiber die Endothelien des Regenwurmes von p’Arcy Power (1878) findet sich die kurze Angabe, da’ an gewissen Stellen ,it seems that these endothelial cells proliferate and give rise tothe amoebiform corpuscles which float in the perivisceral fluid‘). 1) Ich gestatte mir hier und im weiteren Verlaufe der Dar- stellung die Lizenz, solche Stellen in Zitaten, die fiir die von mir Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 137 In seinen grundlegenden Beitragen zur Anatomie der Hiru- dineen bespricht Bourne (1884) die Epithelzellen der in Form von Sinussen fortbestehenden Ueberreste des Céloms bei Clep- sine, Pontobdella und Branchellion und bemerkt, daf8 diese Zellen wohl an manchen Stellen eine kontinuierliche Lage bilden, im tbrigen aber in geringerer oder gréBerer Zahl, bis- weilen samtliche, losgelést sind und frei in der Lymphe der Si- nusse flottieren. Die Gnathobdelliden besitzen keine solchen Zellen. Im Jahre 1885 beobachtete KiUKenTHaL 1) die Vermehrung von lymphoiden Amébocyten durch direkte Teilung und 2) ihre Entstehung aus dem Peritonealepithel und zwar auch direkt am lebenden Tier. Letzteren Vorgang resumiert er fiir Tubifex folgendermafen: »Die lymphoiden Zellen entstehen im vorderen Teile des Kérpers aus Zellen, welche dem Bauchgefafe und dessen Ver- zweigungen aufsitzen: es lassen sich dabei zwei Arten der Ent- stehung konstatieren. Entweder schniiren sich die lymphoiden Zellen von den grofen, bindegewebigen, das Bauchgefa umgebenden Zellen ab, oder sie entstehen durch Loslésen von Zellen der Leibes- wand. Diese letzteren sitzen Bauchgefafasten auf, welche in Zwischen- raumen der Lingsmuskelschicht hegen, und diese werden durch Ab- lésen und Fluktuieren der in ihnen liegenden Zellen zu Lymph- spaltraumen.“ Die Existenz dieses gro8’zelligen Belages des Bauchgefafes ist seitdem von Vurspovsky und Rosa des ent- schiedensten bestritten worden. Auch bei Polychiten konnte er dieselben Entstehungs- und Vermehrungsweisen der Amdbocyten feststellen. Untersucht wurden Arten der Familien der Terebellen, Aphroditeen, Lycorideen, Eriographiden und Aricien. Bekanntlich hat KUKENTHAL fiir diejenigen als Chloragogen- zellen bezeichneten Célothelzellen der Oligochaten, die dem Darm resp. seinen Gefaifen aufsitzen, angegeben, da’ sie aus lymphoiden Zellen entstehen ,und zwar durch das Ankleben der runden, homogenen Art der- selben an die GefaBwand; diese werden zu Chloragogenzellen durch Aufnahme von gelbbraunen Kérnchen, welche sich aufder Obertlache der Riickengefafwand befinden. Mit solchen Kérnchen vollstindig er- fiillte Chloragogenzellen lésen sich los, schwimmen in der Leibes- fliissigkeit umher und ihr Inhalt zerfallt in einen schwarzlichen Detritus. erérterten Fragen besonders wichtig sind, durch gesperrten Druck hervorzuheben, auch wenn sie in den Originalarbeiten nicht be- sonders hervorgehoben sind. 138 Arnold Lang, Dieselbe Masse findet sich bisweilen in grofer Menge in den Segmental- organen und wird von diesen wahrscheinlich nach aufen beférdert.* Dabei nimmt KUKENTHAL an, daf die Detritusmasse der Segmentalorgane eben jenes Zerfallprodukt der Chloragogenzellen sei. Diese Angaben und Annahmen haben sich, was die erste Entstehung und das letzte Schicksal der Chloragogenzellen an- betrifft, als irrig erwiesen. Interessant ist die auch von anderen Seiten gemachte Be- obachtung KtKenruHats, dafi den Chloragogenzellen der Oligo- chiten ahnliche, dem Riickengefaf und seinen Verzweigungen aufsitzende Zellen der Chaetopoda, ebenso wie die Amébocyten beider Abteilungen, in gewissen Beziehungen zu der Erzeugung der Geschlechtsprodukte stehen. Er konnte die ,,Chloragogen- zellen“ bei Polychiten nur in jiingeren Stadien, wahrend der Bildung der Amébocyten nachweisen. »5Obald aber die die ganze Leibeshéhle ausfiillenden Geschlechts- produkte erscheinen, nehmen mit den lymphoiden Zellen auch die Chloragogenzellen ab, wahrend dieses bei Oligochiten nur bei den ersteren der Fall ist.“ KUKENTHAL macht auch darauf aufmerksam, da’ die Ge- schlechtsprodukte an der Wand von Blutgefaifen entstehen und sagt: ,Geschlechtsprodukte und lymphoide Zellen haben also einen Ursprung; vielleicht, da8 sich spaiter noch innigere Beziehungen zwischen beiden ergeben werden“. Eisia_ findet (1887) bei den mit Ausnahme von Rudimenten eines Darmsinus (?) blutgefaiflosen Capitelliden zweierlei Célomocyten (Blutkérperchen) naimlich ungefairbte oder weife (Leukocyten), die formverainderlich sind und viel zahlreichere, scheibenférmige, ge- farbte Célomocyten. Was ihren Ursprung anbetrifft, so hat Ersie bei Mastobranchus ermittelt, daB die Leukocyten nichts anderes als von wuchernden Partien des Peritoneums abgeléste Elemente sind. Er verweist besonders auf Fig. 15 seiner Taf. 33, die eine Stelle auf einem Schnitte darstellt, ,,an der im Moment der Abtétung offenbar mehrere solche Elemente im Abschniirungsproze8 begriffen waren.‘‘ Man sieht schon an den noch nicht losgelésten Zellen améboide Fortsatze. Auch die gefairbten, scheibenférmigen Célomocyten entstehen an solchen wuchernden Stellen des parietalen Célo- thels. Bei Mastobranchus konnte er in solchen Wucherungen ,unzweifelhafte Entwickelungsstadien solcher Scheiben‘ nachweisen. Beitriige zu einer Trophocéltheorie. 139 Eine andere Quelle der Bildung solcher Blutkérperchen fand er bei Notomastus in der Vermehrung derselben durch mitotische Teilung *). Sehr genaue Untersuchungen tiber die Entstehung der Célomo- cyten bei Polychiten verdanken wir Ep. Meyer, der sie im ersten Teile seiner ,,Studien tiber den Kérperbau der Anneliden’ (1887) veréffentlichte. Er behandelt die Geschlechtsdriisen und die Bil- dungsstatten der lymphoiden Zellen bezeichnender Weise unter der gemeinsamen Ueberschrift: Die Peritonealdriisen und deren Produkte. Die Bildungsstaétten der lymphoiden Zellen (Amébocyten) nennt er Lymphkorperdriisen. Nach Ep. Meyer sind die Lymphkérperdriisen der Terebelloiden in ihrem Baue den Geschlechtsdriisen ‘ahnlich, indem bei beiden die Zellwucherung yon einer driisig modifizierten, plasma- und kernreichen Peritoueal- schicht ausgeht. Doch fehlt den ersteren die peritoneale Hill- membran und die Zellgrenzen sind in ihnen ganz verwischt. Nur gegen die Leibeshéhle zu treten die einzelnen Zellen deutlich hervor und infolgedessen erhalt das ganze Organ, von dessen Oberflaiche sich die Lymphké6rperchen ablésen, ein traubenfoérmiges Aussehen. Diese Lymphkérperdriisen ent- wickeln sich ,schon auf einem verhiltnismafig friihen Stadium des Larven- lebens, jedoch zu einer Zeit, wo das Peritoneum bereits seine de- finitive histologische Struktur erlangt hat; der Vorgang ist dabei ein sehr einfacher und demjenigen ganz ahnlich, wie ihn die Geschlechtsdriisen am Anfange ihres jedesmaligen Erscheinens beurkunden.“ 1) Nach KtxenruHat und Ersig hat schon Lemic 1864 die Entstehung von Blutkérperchen aus dem parietalen Peritoneum be- obachtet und als Knospung gedeutet. Die Angaben beziehen sich wohl auf folgende Stelle (p. 67). Im Anschluf an die Bemerkung, da8 er sich schon friher fiir die Entstehung von Blutkiigelchen aus dem Epithel der Gefafwande ausgesprochen, sagt Lrypic: ,,so bemerke ich, daS ich bei durchsichtigen Anneliden beobachtet zu haben glaube, wie jene oben als zelligblasiges Bindegewebe er- wahnten und, indem sie den Leibesraum auskleiden, gewissermafen ein Epithel vorstellenden Zellen, gleichfalls darch Knospung und darauf erfolgende Ablésung Lymphkiigelchen entstehen lassen.“ Es wird dabei auf Fig. 6d Taf. IV, der ,Tafeln der vergl. Ana- tomie“ verwiesen, welche das Vorderende von Lumbriculus und die erwahnten Zellen vor dem Gehirn liegend darstellt. Es kann sich nicht um ein Peritoneum handeln. 140 Arnold Lang, Ep. Meyer bespricht sodann eingehend ihre Lage und An- ordnung und ihre Produkte, die Lymphkérperchen, die in grofer Anzahl im Célom vorkommen. Auch er konstatiert, dab waihrend der Brunstzeit ihre Anzahl im hintcren Thorakalraum und im Abdomen zu Gunsten der sich entwickelnden Geschlechts- produkte sehr bedeutend abnimmt. Auch E. Meyer hat die Bildung und Ablésung der Lymphkoérperchen nicht nur an Pra- paraten, sondern am lebenden Material beobachtet (vergl. seine Fig. 17, Taf. 27). Bei den Cirratuliden scheinen nach Ep. Meyer die Bildungsstatten der lymphoiden Zellen nicht lokalisiert zu sein. Bei Chaetozone setosa, Cirratulus filigerus und noch einigen anderen Arten fand er, daf die Lymphkérperchen an sehr verschiedenen Stellen des Peritoneums entstehen kénnen, am peritonealen Ueberzug bald dieser, bald jener Muskeln, an den Septen und an den Wanden der Gefafe (besonders der Kiemen- venen und des Vas ventrale). Aehnlich wie die Cirratuliden scheinen sich, was die zerstreute Entstehung der Lymphkérperehen anbetrifft, die Hermellen zu verhalten. Auch fiir diese (speziell fir Branchiomma) gibt Ep. Meyer an, daf zur Zeit der Ge- schlechtsreife statt der Lymphkérperchen tiberhaupt fast aus- schlieflich Eier oder Sperma vorkommen. Folgende Beobachtungen von MICHAELSEN (1888) tiber die Rolle des Chloragogens als Reservenihrsubstanz fiir die sich ent- wickelnden Geschlechtsprodukte von Stercutus niveus, einem Enchytraeiden, verdienen alle Beachtung. Die bedeutende Entwickelung der Chloragogenzellen (bei un- reifen Tieren) hat ihren Grund zweifellos darin, daf diese Organe als Vorratsmagazine fungieren. Die in denselben aufgestapelten Kérnermassen bilden ein Reservematerial fiir die Ausbildung der dotterreichen Eier. Die Bildung der Eier geht auffallend rasch vor sich. Anfang August konnte ich noch keine Spur von Ovarien ent- decken. Anfang September fiillten die Kier schon die ganze mittlere Partie des Wurmleibes aus. In demselben Mae, wie die Hier wachsen, bilden sich die Chloragogenzellen zuriick, so daf die Kérperenden eines geschlechtsreifen Wurmes durchsichtiger werden, wahrend das unverindert schneeartige Aussehen der mittleren Kérper- partieen seinen Grund von da ab in den kérnigen, undurchsichtigen Dottermassen der Hier findet.“ In seinen ausgedehnten Studien tiber das Blut und die Lymphdriisen (1891) beschreibt Cutnor vielfach den Ur- sprung von Cilomocyten aus dem Peritoneum. Wir kommen bei Anlaf der Mitteilung der Resultate einer neueren Arbeit hierauf zuriick und wollen hier nur denjenigen wichtigen Beitrige zu einer Trophocdltheorie. 141 Teil aus der ersten Abhandlung resumieren, der den gemein- schaftlichen Ursprung von Lymphkorperchen und Geschlechtsprodukten aus dem Peritonealepithel bei gewissen Chitopoden betrifft. Curnor schickt eine wichtige These voraus, tiber die man sich — wie mir scheint sehr mit Unrecht! — von einer Seite lustig gemacht hat. »Hn tout cas, quelle que soit leur place, les pro- duits génitaux sont homologues des globules san- guins, puisqgu’ils sont formés comme eux par des glandes dériveés du péritoine. Mais cette homologie purement subjective et tout a fait palpable dans plusieurs groupes de Polychétes, chez lesquels les coufs se forment aux dépens mémes des glandes lymphatiques péritonéales.“ Als schénstes Beispiel citiert CuskNoT das der Aphroditeen. Wenn man ein eine weibliche Gonade tragendes Fragment eines Septums von Aphrodite untersucht, so konstatiert man yavec la dernicre évidence que les ceufs sont développés au sein méme des amas lymphatiques; les cufs, presque tous 4 ma- turité ou tout au moins au méme stade, font saillie au milieu des cellules amiboides et granuleuses....“ ,,Un assez grand nombre de celles-ci renferment du vitellus en granules jaunes ou incolores et jouent ainsi le réle,de cellules vitellogénes.“ Aehnliche Verhaltnisse konstatierte Custnort bei Hermione, Chaetopterus und Marphysa. VeEJDOvsky (1888—1892) teilt in seinen ,,Entwickelungs- geschichtlichen Untersuchungen“ folgendes tiber den Ursprung von Célomocyten bei Rhynchelmis mit. yin jungen Wirmern von Rhynchelmis sieht man sowohl an der Leibeswand als an den Dissepimenten sehr flache Peritoneal- zellen, zwischen welchen einzelne wuchernde Elemente in die Leibes- héhle hineinragen. Dieselben trennen sich sehr frih- zeitig los, fallen in die bisher enge Leibeshoéhle, wo sie zu grofen Zellen heranwachsen, die durch ihre kniuel- und lappenférmige Gestalt sehr auffallend sind“ (Amébocyten). ,Es sind die ersten Wanderzellen.“ Auch noch Vespovsky glaubt, dai die zu Chloragogenzellen modifizierten Célothelzellen sich loslésen und durch neu sich an- siedelnde Lymphoidzellen (Wanderzellen) ersetzt werden. Im Jahre 1894 machte Scudppr ausfihriiche Mitteilungen iiber die Entstehung der célomatischen Lymphzellen (Amoébocyten) von Ophelia radiata, die sich durch den Besitz von sehr vielen Pseudopodien auszeichnen und einen actinophrys- ahnulichen Habitus zeigen. Auch er gelangt zu dem Resultat, dali 142 Arnold Lang, sie vom Peritoneum abstammen und zwar dort, wo dieses auf das Kiemengefif tibergeht. Hier beobachtet man auf Quer- schnitten dicht aneinander gedrangte, spindel- oder linsenformige Zellen, die der Gefa8wand in einer oder mehreren Schichten auf- sitzen. ,,Wo das letztere der Fall ist, zeigen die periphersten Zellen meist einen lockeren Zusammenhang miteinander, und zahl- reiche Stellen deuten mit Sicherheit auf eine Ablésung derselben hin.“ Der anstoBende, gréBere Teil der Peritonealauskleidung des Kiemengefafes ist als Genitaldriise entwickelt. Fiir die weitere Differenzierung der sich loslésenden Lymph- zellen in stabchenfiihrende und stabchenlose mufi ich auf das Original verweisen. Dagegen sei noch erwahnt, da8 nach ScHAppi das eigentiimlich differenzierte, chloragogenfiihrende Peritoneum, das den abdominalen Darm resp. den ihn umgebenden Blutsinus und die Nephridien auskleidet, gegen die Leibeshéhle sich in zahl- reichen Falten und Wiilsten erhebt, die oft nur durch diinne Stiele mit der Unterlage verbunden sind. ,,Es deutet dieser Umstand mit groBer Wahrscheinlichkeit darauf hin, daf’ diese Falten sich schlieBlich loslésen; diese Annahme wird aber zur Gewifheit, in- dem es in der Tat gelingt, die abgelésten Zellhaufen in der Leibes- fliissigkeit nachzuweisen.“ Unzweifelhaft kénnen sich auch einzelne Chloragogenzellen loslésen. Racovirza hat (ebenfalls 1894) die Entstehung der Célomocyten von Micronereis variegata Cvap. be- schrieben. Er schickt voraus, daf er niemals eine Teilung der freien Amébocyten bei den von ihm untersuchten (weiblichen) Tieren beobachtet habe. Dagegen konnte er leicht feststellen, da8 sie von der noch nicht differenzierten Mesodermmasse des jeweilen am fortwachsenden Schwanzende in Bildung begriffenen neuen Segmentes abstammen. Zwischen der doppelten Reihe von Kernen, welche das splanchnische und somatische Mesoderm darstellen, finden sich isolierte Zellen (,,cellules isolées“‘), deren Umwandlung zu Amébocyten er auf Serienschnitten verfolgen konnte. In der- selben Mesodermmasse bilden sich auch die Mutterzellen der Eier. In seinen verdienstvollen Beitragen zur Anatomie von Clepsine beschrieb Oka (1894) — und nach ihm (1897) KowaLevsky — zwei Sorten von Célomocyten, namlich erstens kleinere frei- schwimmende, es sind die gewéhnlichen Lymph- oder Blutkérper- chen der Hirudineen, die auch im Blutgefafsystem vorkommen, und zweitens grofe Zellen (die ,,cellules acides“ von KOWALEVSKY), die auf das Célom beschrankt sind. Bei erwachsenen Tieren Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 143 kommen diese letzteren sowohl frei als wandstaéndig vor. Die Untersuchung junger Tiere jedoch lehrt, da sie alle urspriinglich festsitzend sind und ein Epithel bilden und sich erst spiter von der Wandung losreifen, um frei zu werden (Uebereinstimmung mit Bourne). Bei einer ,,briitenden“ Clepsine tesselata fand OKA keine festsitzenden Zellen mehr. Sowohl die freischwimmenden als die festsitzenden vermehren sich durch amitotische Teilung. Auch Lim Boon Kene lift (1895) die Célomocyten von Lumbricus terrestris, wenigstens teilweise, vom Endo- thel des Céloms abstammen. In seiner Arbeit tiber den Blutumlauf bei Piscicola und Callobdella (1896) sagt Jonansson, daf die Lymphzellen des Céloms ,ganz gewif von freigewordenen Célom- epithelzellen her“ stammen. GuIpO SCHNEIDER, einem Schiiler von KowALEvysky, verdanken wir vorztigliche Untersuchungen tiber Phagocytose, Chloragogen- bildung und Exkretion bei Anneliden, die uns nach manchen Rich- tungen lebhaft interessieren. Die erste, 1896 erschienene Ab- handlung beschrankt sich auf die Oligochaten. Bei Perichaeta indica fand Verf. vom 26. Segmente an in einer Reihe von Segmenten an der Vorderseite der Dissepimente rechts und links am RiickengefaBe phagocytire Lymph- drtiisen. Es sind hohle, baumférmig verastelte Gebilde, ,,deren Zweige bei alteren Exemplaren so dicht aneinander liegen, dal das ganze den Eindruck einer von zahlreichen Kanalen und La- kunen durchsetzten gelappten Zellmasse macht‘‘, in welche Muskel- fasern vom Dissepimente her hineintreten. Das diese Lymph- driisen zusammensetzende Zellmaterial ist, abgesehen von den Muskelfasern, verdicktes Peritonealepithel. Die oberflachlichen Zellen springen kuppenférmig in die Leibeshéhle vor. Von ihnen werden Leukocyten gebildet. Die Frage hingegen, ob bei Peri- chaeta alle Leukocyten ,ausschlieBlich aus den Lymphdriisen stammen, oder ob sie auch von anderen Teilen des Peritonealepithels gebildet wer- den‘, mu’ ScHneipErR offen lassen. Die Zellen der Lymphdriisen haben nach ScHNEIDER sicher eine verdauende Wirkung. In dem Abschnitt iiber Allolobophora sagt der Verfasser: »Ob Zellen des Peritonealepithels selbst Fremdkérper auf- nehmen, ob also das ganze Peritonealepithel der Regenwiirmer als Lymphdriise fungiert, indem es Phagocytose zeigt und Leukocyten entstehen lat; diese Frage kann ich bis jetzt noch nicht endgiltig bejahen, obgleich es mir wahrscheinlich scheint, dai dem so ist.“ 144 Arnold Lang, ScHNEIDER hat die Chloragogenzellen der Oligochaten mit den neuesten Methoden untersucht. Mit dem Lymphsystem und mit den Lymphzellen haben sie durchaus nichts zu tun. Sie dienen zur Regulierung der Nahrung und ,,sind héchst wahrschein- lich der Aufbewahrungsort fiir Reservenahrung, welche sie aus den Blutlakunen der Darmwand und aus den Blutgefafen, welchen sie aufsitzen, entziehen‘.. Sie vermégen auch geléste Stoffe aus der Leibeshéhle zu resorbieren. Verf. halt das Chloragogen- gewebe fir wahrscheinlich homolog dem Botryoidal- gewebe der Hirudineen. Funktionell ahnlich sei auch das Fettgewebe und das Lebergewebe der Wir- beltiere. »Der Umstand, daf bei hungernden Regenwiirmern die Chlora- gogenzellen blasser und unscheinbar werden, spricht dafiir, daf sie die in ihnen aufgespeicherten Reservestoffe wieder an das Blut zuriickgeben kénnen, ohne sich abzulésen und in der Leibeshthle digeriert zu werden, wie Cu&noT meint.“ Im Jahre 1899 berichtete Gurpo ScHNErpER iiber an Poly- ch aten angestellte Untersuchungen. ,,Die lymphoiden Organe, d. h. jene phagocytéren Organe, die die Leukocyten entstehen lassen und modifizierte [eile des Peritonealepithels sind‘, zeigen nach ihm bei den sedentiren Polychiten eine grofe Konstanz. Er teilt sie in zwei Gruppen ein. ,,Erstens die schon von E. Meyer beschriebenen »Lymphkérperdriisen oder Bildungsstatten der lymphoiden Zellen« und zweitens die Peritonealumhiillung der BlutgefaBe, die bei einigen Arten nachgewiesenermaBen phagocytar ist und in diesem Falle vielleicht auch freie Phagocyten liefert.“ Letzteres sei zwar unbewiesen, aber recht wahrschein- lich. Verf. weist nach, daf die letztere Gruppe bei Travisia und Arenicola aus Zellen besteht, die den Chloragogenzellen der Oligochaiten ihrem Inhalte und zum Teil wohl auch ihrer Lage nach entsprechen, die aber zugleich noch als Phagocyten fungieren, wihrend die Chloragogenzellen ,,der Oligochiten, soweit bisher be- kannt ist, nur der Aufnahme geliéster Substanzen, der Aufspeicherung von Reservenahrung und Abgabe derselben in fliissigem Zustande an das Blut oder die Leibeshéhlenfliissigkeit dienen“. Von einer Homologie der verschiedenen lymphoiden Organe der Oligochaten kann nach SCHNEIDER keine Rede sein, sie stimmen miteinander und mit denen der Polychiten nur darin tiberein, daf sie nichts anderes als modifiziertes Peritonealepithel sind. Dagegen macht SCHNEIDER auf die weite Verbreitung, Konstanz und nahe Be- Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 145 ziehung der Meyerschen Lymphké6rperdriisen zu den Gonaden bei den Polychaéten aufmerksam. Er hat den LEin- druck, dafi es morphologisch alte Gebilde sind. Im Jahre 1897 veréffentlichte CutNoT eine zusammenfassende und kritische Studie tiber die Blutkérperchen und die lymphoiden Organe der wirbellosen Tiere, mit eigenen neuen Untersuchungen. In dieser Studie sind die langjaihrigen, bis auf das Jahr 1890 zurtickgehenden, eigenen, einschligigen Arbeiten des Verfassers sowohl als diejenigen anderer Forscher, besonders die bekannten Untersuchungen von KOwWALEvsky und seiner Schiiler, verwertet. Dabei halt CubNoT allerdings die der Leibeshéhle und die dem BlutgefaSsystem angehérenden Gebilde nicht scharf aus- einander, da der Hauptzweck, den er verfolgt, nicht ein morpho- logischer, sondern ein physiologischer ist. Sehr charakteristisch ist ein Ausspruch, der sich gleich an- fangs findet: Es ist sehr exakt, wenn man sagt, dab eine lymphoide Driise aus zu einem fixen Organ mit bestimmter Funktion zusammengruppierten Amoébo- cyten besteht, es ist aber auch ebenso exakt, wenn man sagt, daB die freien Amébocyten einlymphoides Organ darstellen, dessen Zellen zerstreut und los- gelést von einander in einer Flissigkeit flot- fieren. Gemeinsam sei allen lymphoiden Organen das, daf sie aus, den Maschen eines bindegewebigen Geriistes eingelagerten, Ansamm- lungen von Zellen bestehen, die mit den freien Blut- oder Lymph- kérperchen identisch sind. Die Organe werden entweder vom Blute durchspiilt oder von der Leibesfliissigkeit umspiilt. CuENOT unterscheidet vier Hauptkategorien von Lymphoid- organen: 1) Solche, welche neue Blut- oder Lymphkérperchen bilden (cytogene Organe, ,organes globuligénes‘). 2) Anhaufungen von Zellen, die im stande sind, phagocytar feste Kaérper, die in ihren Bereich kommen, in ihr Plasma aufzu- nebmen und sie eventuell zu verdauen (phagocytaére Organe). 3) Organe, welche, wie die Célomamébocyten, die Aufgabe haben, gewisse geléste Exkretionsprodukte zu eliminieren (organes lympho-rénaux oder reins lymphoides). 4) ,Komplette“ Organe, die aus Zellen bestehen, die an Ort und Stelle sich genau so umgestalten, wie die freien Amébocyten in der Blut- oder Lymphfliissigkeit ; ihr Aussehen und ihre Funktion Bd. XXXVIII. N. F. XXXI. 10 146 Arnold Lang, sind also wechselnd, und sie widmen sich also weder ausschlieflich der Aufgabe, neue Blut- oder Lymphkorperchen zu erzeugen noch ausschlieBlich der Phagocytose. Ueber die Rolle der Amébocyten (Lymphkérperchen) finden wir bei CuENoT folgendes Résumé. Ganz allgemein dienen sie zur Phagocytose. Dann dienen sie gelegentlich, gewisser- mafgen als flottierende Nierenzellen, zur Exkretion, indem sie aus dem umgebenden Medium geléste Zersetzungsprodukte aufnehmen und in ihrem Protoplasma aufspeichern. Sie haben ferner sehr haufig die Aufgabe, acidophile oder basophile Kérnchen in ibrem Plasma zu bilden und anzuhaufen, die dann spiter degenerieren und zer- fallen und sich zweifellos in der umgebenden Blut- oder Lymph- fliissigkeit auflésen. Die physiologische Bedeutung dieser Kérnchen ist so gut wie unbekannt, und ihre chemische Natur wechselt von Abteilung zu Abteilung. Sicher ist, daf sie wegen ihres sehr haufigen Vorkommens im Tierreich eine wichtige Rolle spielen. Was den Ersatz der Amébocyten anbetrifft, so geschieht er nach CuENoT in doppelter Weise: 1) Die jungen freien Amébo- cyten teilen sich selbst, bald vorwiegend mitotisch, bald vorwiegend amitotisch. 2) Sie entstehen in besonderen, cytogenen Organen (organes globuligénes, lymphoide Driisen), deren Zellen sich mi- totisch teilen und sich spiter vom Organ loslésen, um frei zu flottieren. In einigen Fallen fahren sie auch nach der Loslésung noch eine Zeit lang fort, sich zu teilen. Speziell bei den Oligochiten geschieht der Ersatz der célo- matischen Amébocyten nur durch Teilung der freien Elemente. Lymphdriisen fehlen. Das Chloragogengewebe gehért nicht in die Kategorie der cytogenen Organe; ,,les cellules chloragogénes sont des cellules excrétrices acides (rein 4 indigo) qui déversent leur produit dans le coelome sans se détacher de leur substratum“ (gegen KiKENTHAL und gegen seine eigene friiher geauBerte Meinung, dafi die Amébocyten von Chloragogenzellen abstammen). Im Jahre 1897 untersuchte Gooprica die Célomocyten von Enchytraeus hortensis. Er fand 3 Sorten: 1), Amébo- cyten, frei flottierend oder auf den inneren Oberflaichen der Célom- wand kriechend. 2) Viel gréfere, ovale, abgeplattete Célomocyten. Diese kommen entweder flottierend vor, oder sie sind an der Célomwand durch einen kurzen, offenbar kutikularen Stiel be- festigt, dessen Rest man auch fast immer an den frei flottierenden Kérperchen erkennen kann. Ueber ihren mutmaflichen Ursprung sagt GOODRICH: la: Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 147 »Although my observations as to the origin of these corpuscles are unfortunately neither complete nor conclusive, yet I am strongly inclined to believe, that they arise from the coelomic epithelium lining the body wall and septa.“ 3) Célomocyten, die vielleicht nur eine Varietit von 2 sind, die im Innern einen kegelf6rmigen Kérper enthalten, der aus einem langen, aufgerollten Faden durchsichtiger und homogener Substanz besteht. Auch diese Kérperchen kommen bald frei, bald mit einem Stiel an der Célomwand befestigt vor, und auch fiir sie gelangt der Verfasser zu der Annahme, da’ sie vom Célo- thel aus gebildet werden. Da8 die Chloragogenzellen der Oligochaéten aus lymphoiden K6érperchen (KUKENTHAL) oder die lymphoiden K6rperchen aus Chloragogenzellen (CuENOT) hervorgehen, hat Rosa schon 1896 und sodann wieder 1898 des entschiedensten bestritten. Es existiert gar kein genetischer Zusammenhang zwischen beiden. Was die Entstehung der Célomocyten anbetrifft, so sagt Rosa, da8 wir beim gegenwartigen Stand unserer Kenntnisse die Existenz von Lymphkérperchen produzierenden Organen bei erwachsenen Oligochaten weder leugnen noch bejahen kénnen. Beilaiufig bemerkt, behauptet Rosa, da’ die Lymphkoérperchen von Tubifex im normalen Zustand fast unbeweglich sind. Die lebhafteren améboiden Bewegungen treten seiner Ansicht nach erst auferhalb des Koérpers, sei es in der physiologischen Fliissigkeit, Sei es in der eigenen Lymphe, auf. In seinen sorgfaltigen histo- und organogenetischen Unter- suchungen tiber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden (1898) konstatierte HErSCHELER das massenhafte Vorhandensein von Lymphzellen in der Leibeshéhle der vordersten Segmente von Tieren, denen er die 5 ersten Segmente abgeschnitten hatte. Er konnte in einigen Fallen in der Nahe der Wundstelle und des Narbengewebes Pakete von Zellen entdecken, die vollkommen den frei flottierenden Lymphzellen gleichen. Es fiel ihm nun weiter auf, ,daf in den nach hinten zunachst folgenden Segmenten, also vom 6. weg nach hinten zu, ganz ahnlich angeordnete Zellen von demselben Bau und denselben Kernverhiltnissen in regelmafigem Verbande als Besatz von Blutgefii®en, haufig in Verbindung mit einer Dissepimentwandung, sich fanden.“ Es kann nach HeEscHexer kein| Zweifel dariiber herrschen, 10* 148 Arnold Lang, da8 alle diese beschriebenen Zellen Gebilde sind, welche in die- selbe Kategorie gehéren, und es liegt ihm ,die Vermutung nahe, daf die genannten Pakete von Zellen nur als abgeliste Teile jener oft stark verzweigten und weit in die Leibeshéhle hineinreichenden Zellverbinde oder Wucherungen, die sich im Anschluf an die Wandungen der Dissepimente und Blut- gefafe finden, aufzufassen seien. Diese Wucherungen kénnten die Herde der Neubildung von Lymphzellen sein, und damit wirde der auffallige Reichtum an lymphoiden Zellen in den betreffenden Segmenten zu der Zeit des Beginnes der Regeneration im Einklang stehen. Doch méchte HESCHELER in dieser Frage noch keinen sicheren Entscheid treffen. In den nach dem friihen Tode des Verfassers erschienenem Hirudineenstudien (1899) beschreibt Grar die Entstehung der von ihm als ,Exkretophoren“ bezeichneten Célomamébocyten der Hirudineen aus dem Endothel des Céloms. Er hat direkt gesehen, wie sie sich von ihrer Anheftungsstelle loslésen. Bei Nephelis entstehen sie wahrscheinlich aus der Wandung der Ventrallakune. Bei Clepsine entstehen sie im dorsalen Sinus, und hier beschreibt Grar und bildet ab ,alle Uebergange von einer festsitzenden Endothelzelle bis zu einer freischwimmenden Lymphzelle“. In ihren Untersuchungen iiber die Exkretion bei einigen Anne- liden (1899) sprechen WiLLEM und Minne dem Chloragogen- zellengewebe beim Regenwurm jede Bedeutung als Behalter von Reservenihrstoffen ab und schreiben ihm eine ausschlieflich exkretorische Funktion zu. Die Chloragogenzellen haufen kon- tinuierlich Guaninkérnchen an. Ihre exkretorische Funktion tiben sie periodisch aus, indem sie lésliche Substanzen in die Leibes- héhle entleeren. Gelegentlich fallen ihre vorragenden Teile selbst in die Leibeshéhle und werden dann von den phagocytiren Amébo- cyten aufgenommen. Doch gibt es gewisse Peritonealzellen, die durch Aufspeicherung von Glykogen die Rolle von Behaltern yon Reservenahrungsstoffen spielen. Verfasser schreiben auch dem Botryoidalgewebe der Hirudineen, das sie dem Chloragogen- gewebe der Oligochaéten vergleichen, ausschlieflich exkretorische Funktionen zu. Zu abweichenden Resultaten ist indessen WiLLeM im nim- lichen Jahre bei der Untersuchung der Chloragogenzellen gelangt, die bei den erwachsenen Arenicoliden gewisse Gefibe, Beitrige zu einer Trophociéltheorie, 149 besonders aber Biischel von GefaSzotten bekleiden, die dem Bauch- gefaf seitlich aufsitzen. Im Gegensatz zum Regenwurm enthalten sie neben harnsaurem Natron und Pigmentkérnchen auch F ett. Ihre Rolle ist also eine doppelte, die Aufspeicherung von Reservenahrstoffen und die, dem Blutgefa8system Zer- setzungsprodukte zu entziehen. Sowohl was den Zell- inhalt, als was die Funktion anbetrifft, findet Verfasser eine ebenso frappante wie unerwartete Analogie zwischen dem Chloragogen- epithel von Arenicola und dem Fettkérper der Insekten. Das in den Chloragogenzellen von Arenicola enthaltene Fett stammt zweifellos aus dem Blute des absorbierenden Darmblut- sinus. In seiner so oft zitierten neuen Serie von ,Studien tiber den Kérperbau der Anneliden“ (1901) gibt Ep. Meyer eine vortreff- liche Uebersicht iiber die aus dem Peritonealepithel hervorgehenden, freien Célomzellenund die célothelialen Phagocytar- organe. Er bezeichnet die ersteren im Gegensatz zu den in der primaren Leibeshéhle von Larven gelegentlich beobachteten amébo- iden Wanderzellen als sekundare Wanderzellen und unter- scheidet drei Hauptformen derselben, namlich: 1) Die sogenanntenlymphoiden Zellen oder Phago- cyten, deren Funktionen hinlinglich bekannt seien. 2) Nicht améboid bewegliche, runde oder ovale, hiufig linsen- formig abgeflachte Zellen, die mit kérnigen oder 6ltropfenartigen Einschliissen tiberfiillt sind. Sie treten in der Leibeshoéhlenfliissigkeit gleichzeitig mit dem Erscheinen der jungen Geschlechtsprodukte in iiberaus reichlicher Menge auf und fiihren offenbar den letzteren die zu ihrer Reifung notwendigen Nahrstoffe zu, weshalb man sie Nahrzellen nennen kann. Diese Elemente verschwinden, wenn alle im Kérper vorhandenen Kier oder Spermatozoen ihre end- giiltige Ausbildung erreicht haben, indem sie sich vollkommen auf- lésen. 3) Eine dritte Form von Célomzellen nennt Meyer Célom- hamocyten. Sie kommen vornehmlich im Célom blutgefafloser Anneliden vor, enthalten nicht selten haimoglobinartiges Pigment und spielen die Rolle der roten Blutkérperchen .héherer Tiere. Die Phagocytérorgane faSt Meyer als einstmalige Bildungsstatten von lymphoiden Zellen auf, von Zellen, die sich einstmals auch loslésten, dies aber jetzt nicht mehr tun, sondern sessil bleiben. 150 Arnold Lang, Ich habe mich in der vorstehenden Uebersicht hauptsachlich darauf beschrankt, Literaturangaben zu zitieren, welche die Ent- stehung der freien Célomocyten betreffen und dann auch solche, wenigstens die wichtigsten unter ihnen, welche das Chloragogen- gewebe betreffen. Dagegen habe ich darauf verzichtet, die sehr ausgedehnte Literatur tiber die verschiedenen Formen der Célomo- cyten, tiber die chemische Natur ihrer Einschliisse und tiber ihre wahrscheinliche funktionelle Bedeutung ausfiihrlich zusammen- zustellen. Die Uebersicht, die MEYER gegeben hat, ware, wie ein genaueres Studium dieser Literatur ergibt, dahin zu _ berichtigen resp. zu erginzen, daf’ den Amoédbocytem vielfach nicht nur exkretorische und depuratorische Bedeutung zukommt, sondern da sie vielfach daneben noch als Trager von Fett- oder Oeltrépfchen, von glykogen- und vielleicht auch eiweifartigen Einschliissen eine ernihrende Rolle spielen. Die verschiedenen Formen von Célomocyten lassen sich nicht immer scharf auseinanderhalten, weder morphologisch noch physiologisch. Besonders interessant ist in dieser Beziehung das von GoopricH (1899) nachgewiesene Vorkommen von amédboiden und zugleich phagocytaren roten Blutkérperchen im Célom von (blutgefiflosen) Gly ce- riden. Uebersicht der fixen und der freien, endotropisch erzeugten Bestandteile der Célomsiicke der Anneliden. An den paarigen und typisch metamer angeordneten Célom- sicken der Anneliden, die wir vom Standpunkte der Gonocdéltheorie als erweiterte Sackgonaden niederer Metazoen betrachten, kénnen wir unterscheiden: erstens die Wand, zweitens den aus Lymphe und in dieser flottierenden Célomocyten gebildeten In- halt, drittens exotropische') Bildungen, welche die Célomsiicke nach auBen, gegen die umliegenden Gewebe erzeugen. Diese letzteren Bildungen werden im dritten Abschnitte der vor- liegenden Schrift einliflich besprochen. 1) Die gliicklichen Bezeichnungen ,exotropisch* und ,endo- tropisch* hat mir Herr Kollege Huscneter vorgeschlagen. Beitrage zu einer Trophociéltheorie. 151 1. Die Célomwand (Peritoneum, Célothel, Endothel der Leibeshohle). An der Célomwand, die ein Epithel (Célothel, Harcxer) ist, kann man selbst wieder unterscheiden: 1) die Bildungsstatten sich loslésender, in die Célomhohle fallender Célomocyten, die sog. cytogenen Organe und 2) die fixen Bestandteile der Célomwand. . A. Die cytogenen Organe (cytogenen Célothelstrecken). Sie sind vom Standpunkte der Gonocéltheorie die altesten und wichtigsten Bestandteile der Célomwand. Unter ihnen ist selbst wieder das ursprtinglichste und vornehmste das Keimlager der Geschlechtszellen. a) Das Keimlager der Geschlechtszellen _ besteht aus lokalen Wucherungen bestimmter Zellgruppen der Célomwand. In diesen Wucherungen werden durch Zellteilung in erster Linie die Ei- und Spermamutterzellen, sodann aber auch diese eine Zeitlang umhiillende Belegzellen und manchmal auch sie mit Nahrung versorgende Nahrzellen gebildet. b) Zu den cytogenen Organen gehéren sodann die lokali- sierten oder diffusen Lymphoiddriisen. Die Zellen, die sie liefern, sind die améboiden und phagocytiren Lymph- kérperchen (Amoébocyten) des Céloms. B. Die fixen Bestandteile der Célomwand sind a) die phagocytaéren Organe oder phagocytadren Célothelstrecken. Ich fasse sie mit Ep. Meyer als Lymphoid- driisen auf, deren Zellen sessil bleiben, sich nicht als freie Amébocyten loslésen, sondern an ihrer Bildungsstiatte verharrend, ihre phago- cytaren Funktionen ausiiben. Bei einlaSlicher Priifung der ein- schlagigen Beobachtungen gewinnt man die Ueberzeugung, da’ zwischen Lymphdriisen und phagocytiéren Organen eine scharfe Grenze zu ziehen ein Ding der Unmiglichkeit ist, indem die in den ersteren erzeugten Amédbocyten nicht selten schon phagocytir werden, bevor sie sich loslésen und indem bei den letzteren eine Loslésung der sonst vorwiegend sedentir bleibenden Phagocyten haufig vorzukommen scheint. ° " b) Die chloragogenen Organe oder Célothel- strecken reihen sich an die phagocytéren an, indem die Phago- cytose bei einzelnen Formen des Chloragogenepithels nachgewiesen wurde. Die Loslésung von ganzen Chloragogenzellen oder von in das Célom vorragenden Bauchen solcher Zellen scheint eine Aus- 152 Arnold Lang, nahmeerscheinung zu sein und nur bei absterbenden, unmittelbar vor ihrem Untergang und Zerfall stehenden Elementen vorzukommen. c) Célothelzellen oder Colothelstrecken mit verschiedenartigen anderen, unter anderen auch als Reservenahrung aufgestapelten Kinschliissen. d) Einfaches Wand- oder Tapetenepithel, das be- kannte flache, aus platten Riffzellen zusammengesetzte Endothel der Leibeshéhle, von dem keine weitere Funktion als die, die Wand der Célomsicke und die Begrenzung gewisser Blutriume zu bilden, bekannt ist. 2. Der Inhalt der Célomsacke. Die Célomsicke sind mit einer Lymphfliissigkeit erfillt, die in erster Linie ernahrende, in zweiter Linie exkretorische Bedeutung hat. Diese Lymphe stammt aus dem resorbierenden Abschnitt des Darmes, aber nicht direkt, sondern durch Vermittelung des das epitheliale Darmrohr umgebenden Blutsinus, der in urspriinglicher oder modifizierter Form bei fast allen Anneliden vorhanden ist. In der Célomlymphe flottieren die zahlreichen verschiedenen Célomocyten, die in drei Hauptkategorien zerfallen: 1) die Geschlechtszellen (Ki- und Samenmutterzellen), 2) die ver- schiedenen Formen von formveranderlichen Amébocyten (Lymphkérperchen) und 3) die verschiedenen Formen von form- bestaindigen, rundlichen oder scheibenférmigen Célom- kérperchen, die bald Himoglobin (Célom-Himocyten), bald Fett- oder Oeltropfen (Eliocyten), bald Glykogen oder Eiweifkérperchen oder verschiedene andere, chemisch noch nicht genauer ermittelte Stoffe enthalten. Die altesten und vornehmsten Célomocyten, gegeniiber welchen die iibrigen gleichsam als Dienerschaft erscheinen, sind die Ge- schlechtszellen, die, nachdem sie geniigend ausgestattet worden sind, aus dem Gonocél nach aufen treten und sich zu neuen Individuen der Tierart, der sie angehéren, entwickeln sollen. Sie entstehen aus den Keimdriisenbestandteilen der Célomwand, die gewéhnlich erst spit als besondere Organe der Célomwand deutlich werden, wahrscheinlich aber in Wirklichkeit schon friih- zeitig in unscheinbaren Anlagen gesondert sind, aber so lange schlummern, bis der Kérper erwachsen und befihigt ist, fiir die hinreichende Ernahrung der sich nun rasch und ergiebig bildenden Geschechtsprodukte zu sorgen. Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 153 Auch die iibrigen Célomocyten entstehen aus entweder lokali- sierten oder zerstreuten Stellen der Célomwand, vor allem die Amoébocyten. In der Tat ist aus den im vorigen Abschnitte zusammengestellten Literaturangaben ersichtlich, daf mit Bezug auf den Ursprung der Amébocyten aus dem Célothel eine seltene Uebereinstimmung herrscht. Angaben iiber einen anderweitigen Ursprung der Anneliden-Célomocyten habe ich tiberhaupt nicht gefunden. Auch fiir die formbestaindigen Célomocyten wird angegeben, daf sie vom Célothel stammen. Doch sind diese Angaben noch ganz vereinzelt. Fiir beide Hauptkategorien von Célomocyten kann als sicher angenommen werden, daf, wenn sie urspriinglich aus dem Célothel entstehen, sie sich doch selbst wieder, wenigstens in der ersten Zeit nach ihrer Loslésung, durch mitotische oder amitotische Zwei- teilung vermehren. Kammerung der Célomsacke. Die urspriinglich ein- heitlichen Célomsacke kénnen in verschiedener Weise sich in Ab- teilungen oder Kammern gliedern, die ihren Charakter durch einen pradominierenden Bestandteil der Célomwand erhalten. So spricht man von Nierenkammern, und so kann man von Geschlechts- kammern sprechen. Die letzteren sind bekanntlich bei den Hirudineen besonders scharf vom tibrigen Célom, das sich in Form von Sinussen erhalt, abgetrennt. Man kann sagen, daf in dem Mage als die urspriinglichen Sackgonaden sich zu den grofen Leibeshohlraumen entwickelten, ihre alten rechtmafigen Insassen, die Geschlechtszellen, sich immer mehr in Nebenstiibchen zuriick- zogen, in welchen sie wieder so ausschlieBSlich wohnungsberechtigt blieben, wie in den alten, noch nicht ausgedehnten, kleinen und engen Wohnstatten. Man nennt sie denn auch schlechthin wieder Gonaden, Geschlechtsdriisen, Hoden oder Eierstécke. Die Rolle der verschiedenen Komponenten der Célomsiicke. Ueber die Rolle der Keimlager und der sich von ihnen los- lésenden Geschlechtszellen brauchen wir nichts zu sagen. Im iibrigen ist die Bedeutung der Célomsicke eine doppelte, nimlich erstens eine ernaihrende und zweitens eine exkre- torische. Bei den Anneliden, die eines Blutgefafsystems ent- behren, kommt noch als dritte die respiratorische hinzu. 154 Arnold Lang, Die urspriingliche Funktion, die einst den Célomsacken fast ausschlieBlich zukam, ist die ernaihrende; sie dtrfte auch jetzt noch pridominieren. Durch die grofe Ausdehnung der Gonocél- sicke ist auch ihre ernahrende Bedeutung weit tiber das urspriing- liche Ma hinaus eine erweiterte und ausgedehnte geworden. Die das Célom erfiillende Fliissigkeit dient teilweise, oder bei fehlendem Blutgefa8system ausschlieflich, zur Ernihrung aller der zahlreichen Organe, deren Oberflache sie nunmehr bespiilt, nachdem die Célom- sicke sich tiberall zwischen Darmepithel und Kérperwand so breit gemacht haben. Im Dienste der Ernahrung stehen auSerdem alle die zahlreichen fixen oder freien Célomocyten, die irgendwelche Nah- rungsstoffe in geléster oder in fester Form enthalten, sei es daf sie die Nahrung aufspeichern, sei es daB sie dieselbe transportieren. Wenn nun die ernaihrende Bedeutung der Célomsicke zweifel- los eine weit tiber die urspriingliche, die sich ausschlieflich auf die Ernahrung der Geschlechtszellen erstreckte, hinausgehende, ich mochte fast sagen allgemein somatische geworden ist, so bleibt doch die urspriingliche die vornehmste Funktion, wie aus den viel- fach ermittelten Beziehungen zwischen der Ausbildung der Ge- schlechtsprodukte einerseits und dem Verhalten der tibrigen freien Célomocyten, sowie der Resorption der in fixen Zellen aufge- stapelten Reservenahrung andererseits erhellt. Diese Beziehungen noch eingehender zu ermitteln, wire eine ebenso dankbare wie zeitgemibe Aufgabe. In dem Mafe als das Célom aus einer Gonadenhéhle zu einer groben Kérperhéhle geworden ist, hat es notwendig allmiahlich auch die zweite Funktion weiter ausbilden miissen, die exkretorische. Wenn die Sackgonaden, was mir wahrscheinlich ist, urspriinglich schon auch die Behilter ihrer eigenen Exkrete waren, so sind jetzt ihre Derivate, die Célomsiicke, mit ihren vielfachen und machtigen Differenzierungsprodukten, den fixen, den endotropischen und den exotropischen, eben auch zu grofien Exkretionsbehaltern des ganzen Kérpers geworden, aus denen die Nephridien mit ihren neugebildeten Nephrostomata, oder die Nephromixien, die Exkre- tionsprodukte nach aufen leiten. Denn mit der zunehmenden Bedeutung der Célomsicke als Exkretbehilter mufte auch zu- nehmende Fiirsorge fiir die Ausleitung Hand in Hand gehen. Die verschiedenen Bestandteile der Célomsicke miissen sich um so intensiver in den Dienst der Epuration und Exkretion stellen, als die Célomsicke ja fortfahren, die die Geschlechtszellen be- reitenden und ernaéhrenden Organe zu sein. Beitraige zu einer Trophocdéltheorie. 155 Sehr bemerkenswert und im allgemeinen zutreffend ist, was CarRL GROBBEN 1888 iiber die Bedeutung der ,,sekundaren Leibes- héhle“, d. h. des Céloms der Anneliden, sagte: »Obwohl die exkretorische Funktion des Peritoneums eine sehr ausgedehnte ist und, abgesehen von der Bedeutung der Peritoneal- bekleidung als Ursprungsstitte der Genitalprodukte, auch eine ur- spriingliche zu sein scheint, infolge davon die in der Leibeshéhle enthaltene Flissigkeit mit ihren Kérperchen in einem grofen Teile als Exkretionsprodukt betrachtet werden muf, so kann doch nicht bezweifelt werden, daf die funktionelle Bedeutung der Leibesfliissig- keit und ihrer Kérper noch eine andere ist, und zwar jene von Lymphe und Blut, somit eine nutritive und respiratorische. Die Ansicht ist auch diejenige, welche am allgemeinsten angenommen wird, wozu nicht wenig die in die Augen fallende Aehnlichkeit dieser Fliissigkeit mit ihren lymphoiden Zellen mit der Lymphe (Blut) beitrug. Als Begriindung fiir die Richtigkeit dieser Auf- fassung ist zunachst die Tatsache hier anzufiihren, dai die Leibes- héhlenfliissigkeit eiweiShaltig ist, wie dies schon aus dem _ be- kannten Umstande hervorgeht, daf die Geschlechtsprodukte in vielen Fallen sich friihzeitig von den Keimstiatten loslésen und in der Leibes- héhlenfliissigkeit flottierend, die volle Reife erlangen. Die Fliissig- keit hat somit, insofern sie eiweifhaltig ist, nutritive Bedeutung. “ Man kann sich mit allem dem einverstanden erkliren, ausge- nommen mit der Ansicht, da8 die exkretorische Bedeutung des Céloms die urspriingliche sei. Lichtvoller kann man diese Seite der Frage nicht behandeln, als es Ep. Mryer (1901, p. 666) getan hat: »Die Anwesenheit von freien Zerfallsprodukten im Célom der Anneliden kann natiirlich nicht absolut in Abrede gestellt werden, da in den Geweben und Zellen, welche die Leibeshéhle umgeben oder sich in derselben befinden, sowie auch in den reifenden Ge- schlechtsprodukten Stoffwechsel jedenfalls stattfindet. Allein eben gerade dazu, um eine Anhaufung von schidlichen Stoffen in der Célomfliissigkeit zu verhiiten, bestehen hier sehr effektive Vor- kehrungen: das sind die Segmentalorgane, deren driisige Kanal- wandungen von der Célomfliissigkeit bespiilt werden, und die un- zahlige Menge der améboiden Phagocyten. Dieselbe Aufgabe haben wahrscheinlich auch einige Peritonealdriisen, deren Tatigkeit tber- haupt eine recht verschiedenartige zu sein scheint, aber lange noch nicht geniigend erforscht ist.“ ct Die Célomsiicke der Anneliden und die Sackgonaden der niederen, acélomen Metazoen. Die Gonocéltheorie fihrt die Célomsacke der Anne- liden auf die Gonaden der niederen, acélomen Metazoen zurtick, die eben deshalb acél sind, weil ihre Gonaden noch massiv sind 156 Arnold Lang, oder doch nur eine geringe Menge angesammelter Follikelfliissig- keit enthalten. Im letzteren Falle kann man immerhin schon von Sackgonaden oder Gonadensacken sprechen. Es kommen die entsprechenden Organe der Platoden und Nemertinen in Betracht. Ich habe oben eine Uebersicht tiber die verschiedenen fixen und freien, d. h. in der Célomfliissigkeit schwimmenden, Bestand- teile der Célomsacke und tiber ihre Rolle gegeben und es ist nun am Platze, uns nach den Komponenten der Sackgonaden zu er- kundigen. Wenn man von den akzessorischen Hiillen absieht, die bisweilen vom umgebenden, den Gonaden fremden Gewebe geliefert werden und die sich zu diesen analog verhalten, wie die akzes- sorischen Eihiillen zu der vom Ei selbst gebildeten Dottermembran, so kann man an den als besondere lokalisierte Organe auftreten- den Gonaden der Acdlomier folgende Hauptbestandteile unterscheiden: 1) das Keimlager oder Keimepithel, 2) das Nahrzellen- oder Dotterzellenlager, 3) das Wand- oder Follikelepithel. Vergleichen wir diese Bestandteile mit den Komponenten der Wandung der Célomsicke, so wird tiber die Homologie der beider- seitigen Keimlager ein Zweifel nicht méglich sein. Der Haupt- unterschied besteht darin, dal’ bei den Acélomiern das Keimepithel einen sehr groBen, bei den Célomaten einen sehr kleinen Bestand- teil der Gonocélwand ausmacht. Auch der Vergleich des sterilen Follikel- oder Wandepithels der Sackgonaden mit dem Endothel der Leibeshéhle bietet keine Schwierigkeiten. Bleiben die Lager von Nahr- und Dotterzellen der Acélomier. Ich erblicke die Homo- loga dieser Zelllager — schon Cu6Nor und Meyer haben An- deutungen nach dieser Richtung gemacht — in den Lymphoid- driisen, den phagocytiren Organen und den chloragogenen Organen der Anneliden. Die urspriingliche Funktion der Nahrzellen und der Zellen der Dotterstécke haben die Zellen der erwahnten Organe der Célomwand vielfach beibehalten, und ich méchte be- sonders die Uebereinstimmung zwischen Dotterstock und demjenigen Chloragogengewebe betonen, das als Stapelorgan fiir Reservenihr- stoffe dient. Bei anderen Organen der Célomwand, den Lymphoid- driisen und den phagocytiiren Organen, ist die urspriingliche nu- tritive Funktion zu Gunsten der neuen exkretorischen in den Hinter- grund getreten oder ganz verschwunden. Was die amdboide Be- weglichkeit und das phagocytire Vermégen der betretfenden Zellen des Annelidencéloms, die ich von Dotterzellen ableite, anbetrifft, Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 157 so moéchte ich mich Meyer anschlieBen, der an das uralte am6- boide Bewegungs- und das phagocytare Ernahrungs- vermoégen der LEier erinnert, nur mit dem Unterschied, daB8 ich die phagocytaéren Célomzellen von hypothetischen phagocytaren Dotterzellen, die formbestaindigen Célomzellen von formbestandigen Dotterzellen ableite. Die Dotterzellen betrachte ich immer noch, wohl mit der Mehrzahl der Forscher, als sterile Eizellen, die die Bedeutung von Nahrzellen der befruchtungsfaihigen Eier erhalten haben. Wenn Epuarp Meyer bei dem Vergleich der améboiden Célomzellen mit Geschlechtszellen an die améboide Beweglichkeit der Kier vieler Zoophyten erinnert, so méchte ich speziell noch auf die améboide Beweglichkeit und das hoch ausge- bildete Vermoégen der aktiven Wanderung sowohl der mannlichen wie der weiblichen Keimzellen der Hydrozoen aufmerksam machen, die ganz an die Verhaltnisse der Lymphkorperchen erinnern. In dem Mae als die Gonaden durch Vergréferung ihres Lumens und Differenzierung ihrer Wandung die erweiterte Be- deutung von grofen somatischen Sacken erhielten, ihre Lumina zu grofen Kérperhéhlen wurden, erweiterte sich auch die Bedeutung der Nahrzellenlager und Dotterstécke zu der von Kérperernahrungs- organen und die Bedeutung der von ihnen gelieferten Dotterzellen zu der der ernahrenden und dann auch in den Dienst der Ex- kretion tretenden Célomkérperchen der Célomaten. Man kann bei den Platoden zwei Sorten von dotterbereitenden Organen unterscheiden: erstens solche, die mit den keimbereitenden Organen zu sogenannten Keimdotterstécken kombiniert sind. Das Keimlager produziert die Oocyten und das benachbarte Lager von ernahrenden Dotterzellen, versorgt die Oocyten mit der nétigen Nahrung, wohl meist in fliissiger Form. Einen ahnlichen Keim- dotterstock stellt auch die unpaare oder paarige weibliche Gonade der Rotatorien dar, die ich im Einklang mit meiner Ansicht vom neotenischen Charakter dieser Tiere fiir einen sekundar reduzierten Gonocélsack halte. In den Keimdotterstécken bleiben die Dotter- zellen sessil, ahnlich wie die nutritiven Chloragogen- und andere nutritive Célothelzellen von Anneliden. i Zweitens kommen bei den Platoden — und das ist der ver- breitetste Fall — selbstindige, von den keimbereitenden Organen gesonderte Dotterstiécke vor, die sich dann durch besondere Leitungswege, die Dottergainge, mit den Leitungswegen der 158 Arnold Lang, Keimdriisen (den Ovidukten) verbinden. v. Grarr hat gezeigt, wie durch fortschreitende Sonderung des dotterbereitenden Abschnittes. von dem keimzellenbereitenden eines Keimdotterstockes die ge- trennten Keim- und Dotterstécke, die wir bei vielen Rhabdocélen und anderen Platoden antreffen, héchst wahrscheinlich entstanden sind. Ich zweifle keinen Augenblick, da8 v. Grarr recht hat, glaube aber immer noch, daf vielleicht bei gewissen Turbellarien, z. B. den Tricladen, die reich verdstelten und gelappten Dotter- stécke in einer anderen Weise entstanden sind. Die Polycladen haben bekanntlich weder Dotterstécke noch Keimdotterstécke, sondern sehr zahlreiche einfache Ovarien, in welchen sich der Dotter von Anfang an in den Oocyten selbst ablagert, die von den Verdstelungen des Gastrocéls aus ernahrt werden. Meinen Gedankengang habe ich in meiner vergleichenden Anatomie (188 8) folgendermafen resumiert: »Bei den Tricladen finden sich in den abgelegten Eicocons neben wenigen Eiern auferordentlich zahlreiche Dotterzellen, die den ersteren bei ihrer Entwickelung zur Nahrung dienen. Auf diese Erscheinung wird Licht geworfen durch Fille, die sich z. B. bei Polycladen!) und Mollusken finden, wo in ein Cocon mehrere Eier abgelegt werden, von denen sich aber meist nicht alle ent- wickeln, indem die einen friiher oder spater zerfallen und den anderen als Nahrung dienen. So sind vielleicht auch die Dotter- zellen in den Tricladencocons als modifizierte Eizellen zu betrachten, die sich nicht mehr entwickeln, sondern den wenigen sich ent- wickelnden befruchteten Eiern als Nahrung dienen. Diesem Ver- halten entsprechend ist auch zwischen den keimbereitenden Organen, den Ovarien, Arbeitsteilung eingetreten; die einen liefern nach wie vor befruchtungs- und entwickelungsfaihige Kier, die anderen mo- difizierte, den ersteren zur Nahrung dienende, mit Dotter beladene Hizellen, welche nicht mehr befruchtungs-, nicht mehr entwickelungs- fahig sind: eben die Dotterzellen. Die ersteren sind die Keimstécke, die letzteren die Dotterstécke. Beide sind homologe Gebilde“ ”). Bei dieser Gelegenheit méchte ich daran erinnern, daf bei gewissen Nemertinen (z. B. Geonemertes australiensis und Stichostemma eilhardi [Monrcomery, 1894]) von 1) Bei Cryptocelis alba fand ich hiaufig 2 Eier in einer Eikapsel, bei Stylochus neapolitanus 3 oder 4 und bei Prosthiosto- mum siphunculus beinahe stets 12. 2) Bei einer erneuten Untersuchung der Polycladen wire darauf zu achten, ob nicht vielleicht die sog. akzessorischen Bi- leiterdriisen zu dotterstockaéhnlichen Gebilden umgewandelte Ovarien sind. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 159 mehreren Eikeimen in einer Gonade nur je einer zur vollen Ent- wickelung gelangt. Hin Gleiches ist nach Birger (1895) bei Prosorhochmus der Fall, wo von mehreren sehr stattlichen Kikeimen nur einer zum fertigen Ei wird. Die iibrigen werden zum Teil von diesem, zum Teil vom Embryo, aufgezehrt. Nach der Schilderung von Bo6umia (1898) sind die Gonaden von Sticho- stemma graecense wahre Keimdotterstécke. Die Oogonien sind vollig in Dotterzellen eingebettet, und letztere gehen schlief- lich vollstindig in die ersteren auf. Auferdem hat B6umie aber konstatiert, daf in einem Ovar mehrere Oogonien gebildet werden, von denen aber nur eines, in seltenen Fallen zwei, zur voll- standigen Entwickelung gelangen. Die tibrigen gehen als Abortiv- eier zu Grunde, zerfallen und werden von den iibrig bleibenden aufgenommen. Es geschieht also hier schon in der Gonade und an den Oocyten etwas Aehnliches wie das, was sich bei den erwahnten Polycladen und Mollusken erst viel spiater, an schon abgelegten und eine Strecke weit entwickelten, zu mehreren in eine Eihiille eingeschlossenen Eiern beobachten aft. Die Ansicht, da8 die Dotterzellen abortive Eier sind, ist wiederholt ausgesprochen worden und auch KorscHELT und HeEIpER, die sonst in der Auffassung von Nahrzellen als Abortiveier sehr zuriickhaltend sind, halten sie fiir auSerordentlich naheliegend (1902). Mag dem sein, wie ihm wolle, jedenfalls sind die gesonderten Dotterstécke cytogene Organe, von denen sich Dotterzellen los- lésen, die friiher oder spater, gewohnlich in einem als Ootyp be- zeichneten Abschnitt des zum Uterus differenzierten Geschlechts- leiters, mit den Eiern zusammentreffen und, mit diesen in eine gemeinsame Kihiille eingepackt, ihnen zur Nahrung dienen. In ahnlicher Weise lésen sich von cytogenen Zellenlagern der Célom- sacke ernaihrende und vergingliche Célomocyten los, die, in das Gonocél fallend, in exquisiter Weise auch zur Ernahrung der Ge- schlechtszellen dienen. Bei der Ableitung der Célomsacke von den Sackgonaden der Acélomier hat man sich vorzustellen, da’ die letzteren bei ihrer zunehmenden Erweiterung zu der Rolle der keimzellen- und nahr- zellenbereitenden Organe auch noch die der Uteri und Vesiculae Seminales iibernahmen, so da8 sie zunaichst gewissermafen Keim- dotterstécke und Geschlechtszellenbehalter zugleich wurden. Ihre Wand bestand dann also aus dem Keimlager, von dem sich die Geschlechtszellen loslésten, aus dem Dotterzellenlager, aus dem 160 Arnold Lang, sich Dotterzellen loslésten, vielleicht noch aus sedentairen und améboiden Nahrzellen und dem _ indifferenten Gonadenepithel. Wahrend der Reifung der Geschlechtsprodukte fanden sich alle diese Elemente vereinigt, wie jetzt voriibergehend im Ootyp, in den sich erweiternden Gonadensacken, und zur Zeit der Reife waren diese letzteren mit zur Entleerung bereit stehenden Geschlechts- produkten dicht erfiillt. Ich mache hier nebenbei darauf aufmerksam, daf bei manchen Nemertinen die Gonadensicke beim geschlechtsreifen Tiere auch die Rolle von Eibehaltern spielen. Das Gonoecél und die Gonodukte. Die Geschlechtsprodukte werden bei den Platoden und Nemertinen durch besondere Kanale nach aufen geleitet, die von dem Nephridialsystem véllig unabhangig sind. Ich habe bei Poly- claden nachgewiesen, daf die Geschlechtsleiter durch Knospung oder Wucherung des Follikelzellenitiberzuges der Gonaden ent- stehen. Sie bilden anfainglich solide Strange, die erst spaiter hohl werden. Schlieflich erreichen sie die Gegend des Kopulations- apparates, dessen Epithel durch Einstiilpung des Ektoderms ent- steht. Beide Apparate setzen sich sekundir in Verbindung. Auch fiir die Tricladen habe ich eine ahnliche getrennte Entstehung der Kopulationsorgane, deren Anlage hier nach Ijmma mitten im Mesoderm als eine kleine Héhle auftritt, und der Gonodukte, die von den Gonaden aus gebildet werden, angegeben. Diese Ent- stehungsweise der Gonodukte ist von Ijima fiir die Eileiter bestatigt worden, fiir die Samenleiter aber gibt er eine etwas ab- weichende Bildungsweise an, indem nach ihm die miannlichen Ge- schlechtsorgane (abgesehen vom Kopulationsapparat) auf sehr friihen Stadien ein System veristelter Strange darstellen, aus denen sich durch Bildung von knollenférmigen Anschwellungen die Hoden differenzieren, wihrend, wenn ich lyma recht verstehe, die Samenleiter wohl aus dem nicht verdickten Rest der Strange hervorgehen. Auch bei den Nemertinen werden nach den _ itiber- einstimmenden Angaben der Forscher die hier ganz kurzen und bei dem Mangel von Kopulationsapparaten sehr einfachen Gono- dukte zentrifugal durch Auswachsen des Epithels der Gonaden- siicke ausgebildet. Nach einigen Beobachtungen kommt ihnen eine unbedeutende Einstiilpung des Kérperepithels entgegen. Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 161 Ueber die Art der Ausleitung der Geschlechtsprodukte bei den Anneliden abt sich folgendes sagen : Fir die Polychaten ist der gegenwartige Stand der Frage nach den friiher schon besprochenen neuen und wichtigen Unter- suchungen von GoopricH folgender. Es existieren wahrscheinlich drei Sorten von Leitungswegen. Die erste und urspriinglichste ist die von besonderen Célomodukten, die, wie bei den Platoden und Nemertinen, vom Nephridialsystem ganz gesondert sind. Diese Célomodukte entsprechen in der Tat den Gonodukten der Nemertinen und Platoden. Sie werden durch zentrifugale Aus- stiilpungen der Gonocélwand gebildet. Auch kommt ihnen eine Einstiilpung von aufen entgegen. Die zweite Form der Geschlechtsleiter wird gebildet durch die Nephromixien. Diese kommen dadurch zu stande, daf die Célomodukte (Gonodukte), anstatt nach aufen, sich in den Hauptkanal der segmentalen Nephridien 6finen. Die dritte Form wird durch die segmentalen Nephridial- kanale selbst gebildet, indem sich diese durch eine neue Oeff- nung, das Nephrostoma, sekundiir mit dem Gonocél in Verbindung setzen. In allen drei Fallen sind die Leitungswege Urogenital- kanale, sie dienen denselben zwei Hauptfunktionen, wie die zu groBen Kérperhéhlen angeschwollenen Gonocdlsicke, die sie in metamerer Anordnung mit der AuSenwelt in Verbindung setzen. Was die Oligochaten anbetrifft, so JaBt sich jetzt mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, daBihre Ei- und Samen- leiter Gonodukte und nicht Nephridien sind. Dieser Nachweis ist fir die Geschlechtsleiter der Hirudineen besonders durch die ontogenetischen Unter- suchungen von BirGer erbracht. Wie bei den Oligochaten, einzelnen Polychiten, den Platoden und Nemertinen existieren die Ei- und Samenleiter neben den Nephridien und stehen, auffallend ahnlich wie bei gewissen Platoden (Tricladen), mit Kopulations- apparaten in Verbindung. Bei Nephelis bilden sich die weib- lichen Leitungswege nach Bireer (1891) folgendermafen: Die beiden Ovarialhéhlen wachsen unter dem Bauchmark gegen die ventrale Mittellinie in Zipfel aus, denen eine Einstiilpung von aufen entgegenkommt, welche die Geschlechtséffnung und die Eileiter des Ovarienpaares bilden soll. Was die letztere Angabe betrifft, so hat mich die Abbildung (Fig. 48) keineswegs von ihrer Richtigkeit tiberzeugt. Sie laft es héchstens als még- Bd. XXXVII, N. F. XXX1. 11 162 Arnold Lang, lich erscheinen, da8 die distalen Abschnitte der Eileiter aus der Ektodermeinsttlpung hervorgehen. Die ontogenetischen Beziehungen zwischen mainnlichen Gonaden und Leitungswegen bei Nephelis fait Burger folgendermafen zusammen: Die Anlage der Hoden laft sich auf eine Zellenleiste zuriick- fiihren, die aus der Verschmelzung von Anlagen, die in jedem Seg- ment ihren Ursprung im Célom am Peritoneum als geringfigige Zellenwucberungen genommen haben, hervorgegangen sein muf. Die Leiste schniirt sich in ihrer ganzen Lange vom Célom ab, héhlt sich aus und formt sich so in einen Schlauch, den niamlichen *) Geschlechtsschlauch um. Dieser bringt die Hodensicke hervor, in- dem er zahlreiche Ausstiilpungen entwickelt, die sich mehr und mehr ausweiten, aber fiir immer mit dem Geschlechtsschlauch in offener Verbindung verbleiben. Das Epithel der Hodensicke, das von dem des Geschlechtsschlauches herstammt und in letzter In- stanz vom Peritoneum, entwickelt das Keimlager der miannlichen Geschlechtszellen. Der Geschlechtsschlauch bleibt bestehen und iibernimmt die Funktion eines Vas deferens.“ Nach dieser Darstellung hat die Sonderung von Hoden und Samenleitern bei Nephelis eine gewisse, allerdings nur ober- flachliche Aehnlichkeit mit dem entsprechenden Proze& bei den SiiSwassertricladen nach Isima. Ganz wie bei Nephelis verliuft die Entwickelung der Ovarien, der Eileiter und ihrer Miindung nach Biraer (1894) bei Hirudo und Aulastoma. Dagegen zeigen sich in der Art der Bildung der Hoden und ihrer Leitungswege nicht unerheb- liche Differenzen. Die Hoden treten als Verdickungen der Seiten- héhlen des Céloms dort auf, wo letztere in den Kanal, der sie mit der Bauchhéhle verbindet, tibergehen. Wahrend nun _ ,die mannliche Geschlechtséffnung, der Begattungsapparat und die vorderen (distalen) Abschnitte der Vasa deferentia zusammen aus einer unpaaren Einstiilpung des K6rperepithels, die an dem Orte der minnlichen Geschlechtséffnung auftritt, entstehen“, wird der mit Bezug auf die Hoden proximale ,hintere, die Hodenblaschen miteinander verbindende Abschnitt der Vasa deferentia von den jungen Hoden selbst gebildet“. Zuerst bildet sich von jedem Hoden aus seitwirts gerichtet das Vas efferens testis, dann biegt das- selbe nach hinten um und wiichst nach hinten, bis es die Um- biegungsstelle des nichst hinteren Vas efferens trifft und mit ihr verschmilzt. Diese Art der Bildung der Vasa efferentia und ihrer 1) ,,namlich“ ist gewi8 ein Druckfehler fiir ,minnlich*. = pat Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 163 beiden Sammelginge hat eine sehr grofe Aehnlichkeit mit der von mir beschriebenen Entstehung der Samenleiter von den Hoden der Polycladen aus. Ueber die Differenz gegentiber Nephelis dAufert sich BUrcER so, daf doch in sofern eine wichtige Uebereinstimmung herrsche, als die Hodenblaschen und die die Hodenblaischen verbindenden Abschnitte der Vasa deferentia (die beiden Sammelginge) vom somatischen Blatte des Peritonealepithels abstammen, im Gegensatz zu den vorderen, distalen Abschnitten der Vasa deferentia, dem Begattungsapparat und der Geschlechtséffnung, welche als Kinstiilpungen des Kérperepithels sich anlegen. Den folgenden Satz Birecer’s zitiere ich mit Absicht: ,Es teilen also die untersuchten Hirudineen die peritoneale Entstehung ihrer, die Geschlechtsprodukte erzeugenden Drisen mit den Annelidentiberhaupt und schliefSen sich nach der Anlage der Ausfitihrungsgange, die eine selb- staindige ist, und nichts mit den Nephridien zu tun hat, den Oligochaten an.“ Ich brauche zu diesem Satze nur hinzuzufiigen, daf sich den Hirudineen und Oligochiten, was die Anlage der Gonodukte anbetrifft, auch die Polychaten (mit ihren Célomodukten) und die Platoden und Nemertinen (mit ihren Samen- und Eileitern) anschliefen. Das Auftreten eines Kopulationsapparates und seine Riickwirkung auf das System der Gonodukte. Ks ist auffallig, daB die in der Ueberschrift angedeutete Be- ziehung bisher, soviel ich weif, von keiner Seite besonders her- vorgehoben worden ist. Und doch ist sie keineswegs unter- geordneter Natur. Unter den niederen, acdlomatischen Bilaterien auf der einen Seite die Platoden mit ihrem Kopulationsapparat, auf der anderen die Nemertinen ohne einen solchen. Bei den (cdlomatischen) Anneliden hingegen auf der einen Seite die Hiru- dineen und Oligochaten mit Kopulationsapparat und auf der anderen die Polychaten im allgemeinen ohne einen solchen! Auf der einen Seite, bei den-Formen ohne Kopulationsapparat (Nemertinen und Polychaten) die Tendenz der Gonodukte, die Geschlechtsprodukte moéglichst direkt und ohne Umwege nach auB8en zu leiten. Von den zahlreichen streng oder weniger hs 164 Arnold Lang, streng metamer angeordneten Gonocélsacken oder Gonadensacken bildet jeder seinen eigenen Gono- dukt, der auf dem ktirzesten Wege zur Haut geht, um sich durch eine eigene Miindung nach auB8en zu éffnen. Auf der anderen Seite, bei den Formen mit Kopulationsapparat (Platoden, Hirudineen und Oligochaten) die Tendenz der Gonodukte der einzelnen Gonaden, sich miteinander zu vereinigen, Sammel- kanale, Langskanale zu bilden, die schlie8lich in den Kopulationsapparat ausmiinden. Diese Er- scheinung hangt natiirlich damit zusammen, dab die Ausbildung zahlreicher Kopulationsapparate, so- wohl unpraktisch wie im héchsten Grade unédkonomisch ist. Zwei bis mehrere minnliche Kopulationsapparate finden sich bekanntlich nur bei gewissen Polycladen, die ich fir die ur- spriinglichsten der lebenden Bilaterien halte. Bei Zoophyten kommen Begattungsapparate tiberhaupt noch nicht vor. Da schon bei den niederen Bilaterien, von denen wir die Anneliden ableiten, beide Systeme yorkommen, bei fehlendem Kopulationsapparat direkte und gesonderte Ausleitung der Ge- schlechtsprodukte durch kurze selbstindige Gonodukte, bei vor- handenem Kopulationsapparat Vereinigung der Gonodukte, Bildung von Sammelgingen, so darf man den Gedanken nicht schlechthin von der Hand weisen, da die Wiederkehr der beiden Systeme bei den Anneliden auf einer parallelen phylogenetischen Entwicke- lung ihrer Hauptgruppen aus Vorfahren beruht, bei denen eben auch schon beide Systeme vorkamen. In diesem Sinne wiire die oft und besonders von mir betonte Uebereinstimmung des Geschlechts- apparates der Platoden (speziell Tricladen) und Hirudineen viel- leicht doch mehr als eine blofe Analogie. Wenn sich auch ein Abschnitt der Sackgonaden zum Sinussystem der Leibeshéhle ent- wickelte, so konnten die Gonodukte eben mit den Gonadenkammern des Gonocéls in Verbindung bleiben. Schlieflich noch folgende kurze Bemerkung. Sollte es ganz zufillig sein, daf die Form der Kopulation, die in der gewalt- samen Einfiihrung von Sperma durch die Haut in das Innere des Kérpers besteht (,hypodermic impregnation“), die ich zuerst bei Polycladen entdeckte, aufer bei Platoden nur noch bei Hirudineen und Rotatorien vorkommt ? Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 165 Die Gonoecdltheorie und die Keimblittertheorie. In fast vollstindig tibereinstimmender Weise Aufern E. Mryer (1890, 1901) und Eisia (1898) die Ansicht, da& es vom Stand- punkte der Gonocéltheorie aus eine Frage nach dem Ursprung des Mesoderms oder eines grofen Teiles desselben aus dem auferen oder inneren Keimblatt tiberhaupt gar nicht gebe. E. Meyer kommt zu dem Schlusse, da’ ,die Teloblasten der Mesoderm- streifen, also des sekundaéren Mesoderms oder C6lo- thels der Anneliden, ihren Ursprung nicht von den Keimblattern, sondern unmittelbar von den Blasto- meren nehmen*“. Immerhin zeigen sie nach Meyer bei diesen Tieren ,eine deutlich ausgesprochene Neigung, sich den Derivaten des Ektoderms moglichst eng anzuschlicBen“. Esra sagt, ydaf mitder Ableitung der Polzellen von Geschlechts- zellen ein weiteres Streiten dariber, ob der Meso- blast (wenigstens der Cédlomesoblast nach MryEr) vom Ekto- oder Entoderm abstamme, vollkommen iber- flissig ist.“* Zu dieser Auffassung gelangte Ep. Meyer und nach ihm Ersic¢ in Anlehnung an die von KLEINENBERG ausgesprochene Idee, ,daf die Geschlehtszellen nicht von den Keim- blattern herrtihren, daf sie namlich schon gesondert existierten in den locker gefiigten und von gleich- artigen Zellen zusammengesetzten Vorfahren der Célenteraten, bevor die Anordnung der Zellen in Ektoderm und Entoderm vollzogen war“. Auch ich schliefe mich vollstandig dieser Ansicht an. Wenn man die Gonocéltheorie konsequent verfolgt, so ist die Annahme unvermeidlich, da’ die Gonaden der niederen Metazoen, von denen die Gonocélsicke der Célomaten abstammen, bei den Stammformen der niedersten Metazoen selbst wieder durch die Geschlechtszellen reprasentiert waren. Diese Stammformen, bei denen der Kérper noch nicht in ein duferes, ektodermales Kérperepithel und ein inneres, entodermales Darmepithel differenziert war, haben wir uns als Protozoenkolonien vorzustellen, in welchen schon eine Sonderung der die Kolonie zusammen- setzenden Zellindividuen in somatische Zellen und Fortpflanzungszellen eingetreten war. Die Paradigmata dafiir liefern uns unter den Protophyten die Volvociden. Allein, wenn auch die Frage hinfallig wird: aus welchem Keimblatt stammen die Gonaden, resp. die Gonocdlsacke 166 Arnold Lang, mit ihren Derivaten?, so bleibt doch gewif noch eine andere Frage von nicht nebensichlicher Bedeutung iibrig. Diese Frage lautet phylogenetisch so: welche Gewebsschicht ist das urspriingliche Domizil der Geschlechtszellen und der sich aus ihnen entwickelnden Gonaden bei den Metazoen? Die Frage lautet ontogenetisch: ,,in welchem Keimblatte liegen die Anlagen der Gonaden oderder Gonocélsacke?* Wir wissen, dafi bei den Zoophyten die Anlagen der Gonaden, die Urgeschlechtszellen, bald im Ektoderm, bald im Entoderm ihren Wohnsitz nehmen, ja daf sie in der Jugend von der einen zur anderen Statte, von ihrer Bildungsstatte zu einer Reifungsstitte wandern kénnen. Es ware auch denkbar, daB die Geschlechtszellen bei der Differenzierung der Protozoenkolonie in einem zweiblittrigen Metazoenorganismus tiber- haupt weder dem einen, noch dem anderen somatischen Keim- blatte zugeteilt wurden, sondern von Anfang an eine ver- borgene, zuriickgezogene, mesodermale Lage ein- nahmen, was mit den Gepflogenheiten solcher Bildungsherde trefflich stimmen wiirde. Auf jeden Fall aber muff doch zugegeben werden, daf die Bildungsherde der Geschlechtsprodukte schon bei den Célenteraten einen bestimmten, erblichen Wohnort wihlen, und wenn wir die Annahme machen wollten, da die Bilaterien, oder sagen wir vor- sichtiger die Platoden, die Vorfahren der Anneliden und die Vor- fahren der Mollusken monophyletisch aus einer Célenteratengruppe ihren Ursprung genommen haben, so bleibt doch die Frage be- stehen: welches war bei dieser Stammform die Lage der Bildungs- stitten der Geschlechtsprodukte? Waren sie dem Ektoderm oder dem Entoderm zugeteilt oder bildeten sie selbstiindige Zellkomplexe zwischen den beiden Keimbliittern, oder waren sie gar in be- stimmter Anordnung in beiden Keimblittern und zwischen ihnen verteilt ? Diese Frage wiederholt sich in der Ontogenie. Welchem Keimblatte wird das Anlagenmaterial, das spaiter die Gonaden, speziell die Geschlechtszellen liefert, bei der Gastrulation zugeteilt ? Ich méchte gegenwiartig nicht auf den Versuch der Beantwortung aller dieser Fragen eintreten, dazu bietet sich vielleicht bald eine andere Gelegenheit, allein ich kann die Bemerkung nicht unter- driicken, da es sich der Miihe lohnen diirfte, die Annahme za priifen, daf bei den niedersten Stammformen der oben genannten Bilaterien das Bildungsmaterial der Geschlechts- produkte von Anfang an eine mesodermale Lage ein- Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 167 nahm und daf die aus ihm spiter hervorgehenden Gonaden bei der zunehmenden Komplikation der Organisation und der Ausbildung von ernihrenden Kanalen des primitiven Trophocéls (des Gastro- céls) mit diesen in unmittelbarem Kontakt blieben. Die Nephrocéltheorie. Sowohl der Gonocéltheorie, als den verschiedenen Formen der Enterocéltheorie, ist die Nephrocéltheorie entgegengestellt worden. Sie ist hauptsichlich von ZimGLeR und FausseK be- griindet worden, deren Ansichten immerhin in einigen Punkten abweichen. Ich beschranke mich darauf, die kurze Darstellung der (Grundgedanken der Nephrocéltheorie zu reproduzieren, die ZIEGLER 1898 in seiner sehr klaren und lesenswerten Uebersicht y,iber den derzeitigen Stand der Célomfrage" ge- geben hat. »Die dritte Méglichkeit (neben der Enterocél- und Gonocéltheorie) ist die, da die sekundiare Leibeshéhle urspriinglich ein Exkretions- organ war, bestehend aus einem Blaschen (Nephrocél) und einem Ausfihrungsgang (Nephridium). Das Organ war folglich ahnlich den Perikardialblaschen des Molluskenembryos, der Antennen- und Schalendriise der Crustaceen, den Segmentalorganen des Peripatus und den segmentalen Exkretionsorganen des Dinophilus vom Weifen Meere. Dieses Exkretionsorgan stammte nicht von einem Urdarmepithel ab, sondern war auf irgend eine andere Art ent- standen, vielleicht aus einem Protonephridium. Der exkretorischen Funktion wegen gewann das Blischen enge Beziehungen zu den Muskeln und zu den Genitalorganen. Daher dehnte sich das Blaschen betrachtlich aus, beriihrte die Gonade und bildete eine Kommuni- kation mit ihr, worauf die Ausfuhr der Genitalzellen durch das Nephridium der sekundiren Leibeshiéhle erfolgen konnte. Bei der grofen Ausdehnung der Blase kamen Organe in ihre Wand zu liegen, die urspringlich nur benachbart lagen, so Teile der Kirpermuskulatur oder die Gonade selbst.“ Die Entscheidung zwischen den drei Theorien erwartet ZIEGLER von der vergleichenden Anatomie eher als von der Ontogenie. Ich kann mir eine ausfiihrliche Widerlegung der Nephrocél- theorie ersparen, da ich nur das wiederholen miifte, was Kp. Meyer in seinen neuen ,,Studien iiber den Kérperbau der Anne- liden“‘ gegen sie ins Feld gefiihrt hat. Ich beschranke mich auf einige Punkte. Soviel ich weif, rechtfertigt keine einzige bekannte Tatsache 168 Arnold Lang, der Anneliden-Anatomie oder -Ontogenie die Annahme, da8 die Geschlechtsdriisen sich sekundaér erst mit der Célomwand ver- bunden, sich in dieselbe eingenistet haben. Diese Annahme ist ebensowenig begriindet, wie die ware, daf das Keimlager und das sterile Wandepithel der Gonadensaicke der Platoden sekundar zu- sammengetretene Bildungen seien. Keine einzige Tatsache ist mir bekannt, welche die weitere Annahme rechtfertigen kénnte, daf die Célomblasen sich erst se- kundir, indem sie aus Nephridienblaschen durch Ausdehnung ent- standen, an die longitudinale Kérpermuskulatur anlegten. Im Gegenteil: Célothel, Kérpermuskulatur und Geschlechtsdriisen gehen immer aus einer einheitlichen Anlage, die sich sekundar in jene Teile sondert, hervor. Nach der Nephrocdltheorie miifte ge- rade das Umgekehrte der Fall sein. Bei den Anneliden aft sich weder mit der Enterocéltheorie noch mit der Nephrocéltheorie zur Zeit irgend etwas anfangen. Die Verfechter der Nephrocéltheorie haben denn auch ihre Waffen vorwiegend aus anderen Riistkammern geholt. FAuUSSEK argumentiert hauptsachlich mit wirklichen oder vermeintlichen Tatsachen aus der Ontogenie der Arthropoden und gewisser Mol- lusken, speziell der Cephalopoden, ferner der Wirbeltiere. Es handelt sich vorwiegend um den Nachweis der friihzeitigen, selbstandigen und von der der tibrigen Komponenten des Mesoderms gesonderten Entstehung der An- lagen der Keimdriisen. Ich will mich nicht dabei aufhalten, darauf hinzuweisen, daf alle diese Gruppen hochentwickelte und spezialisierte und nicht als solche zu betrachten sind, bei denen man von yornherein den urspriinglichsten Bildungsmodus erwarten diirfte und daran zu erinnern, da’ speziell gegeniiber den Meso- dermverhaltnissen der Arthropoden und Vertebraten diejenigen der Anneliden fast von allen Seiten und in allen Tonarten als die urspriinglichen und fiir die gegliederten Célomaten typischen dar- gestellt werden, sondern ich anerkenne ohne weiteres die hohe morphologische Bedeutung des von Faussek herbeigeholten onto- genetischen Riistzeuges. Aber ich will im nachsten Abschnitt auf einem Streifzug den Versuch machen, dem Gegner diese Waffen zu entwinden, um sie in den Dienst unserer eigenen Sache zu stellen. Ein Riistzeug aber méchte ich tiberhaupt als in dem vor- liegenden Streit, wenigstens zur gegenwirtigen Zeit, unbrauchbar eliminieren. Es handelt sich um die erste Anlage der Geschlechts- Beitrage zu einer 'Trophociéltheorie. 169 driisen bei Loligo nach Faussrx. Faussex vermutet, da’ eine gewisse Gruppe grofer heller Zellen im Mesoderm, zwischen den beiden Kiemenanlagen 1) aus dem Blastoderm, d. h. im vor- liegenden Falle aus dem Ektoderm stamme, 2) daf diese Gruppe von Zellen die Genitalanlage darstelle und 3) daB diese Anlage sich erst sekundir mit dem Colom (Perikard) verbinde. Ich habe mir demgegeniiber ungefaihr dieselben Einwande notiert, die Ep. Meyer vorgebracht hat und die sich bei einem genauen Studium der FausseKkschen Arbeit von selbst ergeben: erstens: die Ab- stammung der erwaihnten Zellgruppe vom Blastoderm ist eine blofe, durch keine Beobachtung belegte Vermutung; zweitens: FAuSSEK hat die Entwickelung dieser Zellgruppe zur Genitalanlage nicht liickenlos verfolgt, sondern er hat sich dariiber nur eine ,,gewisse Ueberzeugung“ gebildet; drittens: es ist nach den zur Zeit vor- liegenden Abbildungen der Embryonalanlagen der verschiedenen mesodermalen Organe der Cephalopoden, die von FaussEK publi- zierten Figuren inbegriffen, schlechterdings noch nicht médglich, das Zellenmaterial der verschiedenen Anlagen irgendwie scharf abzugrenzen. Wo aber auf den Abbildungen die als Perikard- und als Genitalanlage aufgefaften Bildungen deutlich zu unterscheiden sind, stehen beide miteinander im direktesten Zusammenhang. In einer ganz kiirzlich veréffentlichten, vorlaufigen Mitteilung kiindigt THreLe (1902), der friiher zu den Anhaingern der Gonocél- theorie gehérte, eine neue Auffassung tiber die Leibeshéhle der Anneliden (und Mollusken) an. Von der Auffassung der Leibes- héhle der Anneliden sagt er, daf sie ,,vielleicht manchem zunachst etwas eigentiimlich erscheinen mége“. Er halt namlich die Leibes- hohle der Anneliden, wie diejenige der Nematoden und Gordiiden fiir einen durch Resorption des Parenchyms entstandenen Hohlraum, abnlich dem Himocél, mit dem der Geschlechtsapparat sekundar in Beziehung getreten sei. Es erscheint mir nicht angebracht, diese gainzlich abweichende Ansicht zu diskutieren, bevor ihre aus- fiibrliche Begriindung erschienen ist. Die Gonocbltheorie und die friihzeitige Sonderung der Keimzellen. : Stetig mehren sich die Beobachtungen, nach welchen sich die Geschlechtszellen ontogenetisch sehr frihzeitig, sogar vor der Bildung der beiden primaren Keimblatter, von dem tbrigen soma- 170 Arnold Lang, tischen Zellenmaterial sondern. KorscHeLT und HEIDER haben in der eben erschienenen ersten Lieferung zum allgemeinen Teil ihres Lehrbuches der vergleichenden Entwickelungsgeschichte der wirbellosen Tiere das beziigliche Tatsachenmaterial in vortrefflicher Weise zusammengestellt, so da ich dieser Aufgabe entbunden bin. Die genannten Verfasser haben auch nicht versiumt, das Material kritisch zu beleuchten und theoretisch zu verwerten. Es geht aus ihrer Stellungnahme hervor, daf sie die friihe Sonderung der Keimzellen fiir mit der Gonocéltheorie unvereinbar halten, wenn sie auch diese Theorie nicht ausdriicklich erwihnen. Gleich ein- leitend findet sich bei ihnen folgende charakteristische Frage- stellung: ,,Bei Besprechung der Eibildung trat uns verschiedentlich die Frage entgegen, ob die Keimzellen an den Stellen, wo man sie im Kérper auftreten sieht, durch Um- wandlung der betreffenden somatischen Zellen ent- stehen, oder ob sie von vornherein unabhangig von diesen sind und sogar in einem strengen Gegensatz zu ihnen stehen.‘* Wenn das letztere richtig ist, so miifte man annehmen, daf die Keimzellen in denjenigen Fallen, in welchen sie aus somatischen Zellen, z. B. dem Endothel der Leibeshéhle hervorzugehen scheinen, ,nur sekundair mit den betreffenden Zell- schichten in Verbindung getreten sind, ohne durch ihr morpho- logisches Verhalten von den sie umgebenden Zellen wesentlich unterschieden zu sein“. Auf die Gonocéltheorie bezogen, ist also der Standpunkt von KorscHELT und HeIDER ein ganz dabhniicher wie der von Faussek und wie der eventuelle von Zrequer. In der Tat kénnen die Célomsicke nicht als urspriingliche Gonaden betrachtet werden, wenn das somatische Zellenmaterial derselben das primare ist, zu dem das Keimzellenmaterial erst sekundir von aufen hinzukam. Schon ScuimKewirscuH (1896) und nach ihm Ep. Meyer (1901) haben diese Einsprache gewiirdigt und sie durch Argumente zu entkraftigen gesucht, tiber deren Natur folgender Passus aus Mryers Abhandlung geniigende Auskunft erteilt. , Von allen diesen Beispielen (gemeint sind die Beispiele friih- zeitiger Sonderung der Keimzellen) verdienen die Arthropoden jedenfalls am meisten Beachtung. Tatsiichlich bildet sich bei ver- schiedenen Vertretern aus dieser Gruppe die Gonadenanlage bereits sehr friih aus dem Blastoderm und somit unabhingig nicht nur yom Mesoderm, sondern auch von den Keimblittern iiberhaupt. Allein auf diese Erwiderung brauche ich nicht einmal selbst zu antworten, Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 171 da die angefiihrte Tatsache schon durch Scuimkewirtscu (1 896) ihre richtige Beleuchtung erfahren hat. Die betreffenden Facta aus der Entwickelung der Copepoden zusammenstellend, wies er in durchaus tiberzeugender Weise den allmahlichen Uebergang von der Bildung der Urkeimzellen und des Mesoderms aus gemeinsamer Anlage, sogar aus ein und derselben Zelle, zur selbstindigen Ent- stehung der ersteren nach und zog daraus den folgenden, voll- kommen richtigen Schluf: »Jedenfalls kann die Entwickelungsweise der Genitalzellen, welche wir bei den Copepoda parasitica beob- achten, nicht fiir die primare gehalten werden: sie stellt eine vollkommen fbnliche teloblastische Modifikation einer anderen Entwickelungsweise vor, wie die Entwickelung des Entoderms bei Notophorus oder des Mesoderms bei den freilebenden Copepoden«.“ Ich bin mit ScuimKewirscH und E. Meyer damit einver- standen, daf’ es sich bei der friithzeitigen Sonderung der Keim- zellen um eine teloblastische Erscheinung handelt, aber ich finde, die Verhaltnisse sind dadurch noch nicht geniigend beleuchtet. Um meinen eigenen Standpunkt klarzustellen, muf ich auf die Fragestellung von KorscHeLt und HeErper zuriickkommen und sofort sagen, dafi, wenn wir von der Entstehung der Geschlechts- zellen irgendwie im Koérper, z. B. aus dem Endothel der Leibes- héhle, sprechen, die Sache durchaus nicht so aufgefaft werden darf, daf die Keimzellen ,durch Umwandlung der betreffenden somatischen Zellen entstehen“. Andererseits glaube ich auch nicht, da8 die Keimzellen phylogenetisch in einem strengen Gegen- satz zu den somatischen Zellen stehen. Somatische Zellen und Fortpflanzungszellen sind vielmehr Verwandte, aber Verwandte in allen méglichen Graden der Verwandtschaft, und dabei wahren sich immer und immer wieder die Keimzellen alle Rechte und Privilegien der Erstgeburt. Ihre phylogenetische und ontogenetische Ahnenreihe ist die Stammlinie, die Hauptlinie, die rote Linie, die sich aus dem Verzweigungssystem des phylogene- tischen und ontogenetischen Stammbaumes abhebt. Die Verwandtschaft besteht in erster Linie aus den nachsten Verwandten, den nachgeborenen Geschwistern. Solche sind, verglichen mit den Keimzellen, die Abortiveier, z. B. die jeder Oocyte beigesellte Nahrzelle von Ophryotrocha u.s. w. Es ware zu untersuchen, ob, wenn der Erstgeborene friihzeitig stirbt ohne Hinterlassung von Nachkommenschaft, nicht eines seiner jingeren Geschwister in seine Rechte und Privilegien eintreten kann. Dann kommen in der Reihe der Verwandten die Ge- schwisterkinder. Diirfen wir vielleicht die Dotterzellen der Pla- 172 Arnold Lang, toden als solche Verwandte der Keimzellen betrachten? Dann kommen die entfernteren Vettern und Basen, die Nahrzellen, Wandzellen, Follikelzellen u. s. w. Die grofe somatische Haupt- masse des Volkes aber ist mit dem Adelsgeschlecht der Keim- zellen nur so entfernt verwandt, daf man in der Geschichte weit, weit zuriickgehen mu8, um den gemeinsamen Stammvater zu finden, dessen Erstgeborener der spezielle Ahnherr der Keimzellen- Dynastie, die nachgeborenen aber die Urheber der somatischen Plebs wurden. Diese Betrachtungen reihen sich in den Rahmen der GALTON- WEISMANNSChen Anschauungen ein, nach denen das Heer der somatischen Zellen nur eine temporire, schiitzende und ver- proviantierende Eskorte ist, welche die Keimzellen eine Strecke weit begleitet, um nachher zuriickzubleiben und durch eine andere ersetzt zu werden. Die Komplikation der Organisation, ihre Anpassung an die verschiedenen Existenzbedingungen, die héchste Leistungsfahigkeit des Soma nach den verschiedensten Richtungen hin, sie sind unter dem Gesichtswinkel der verbesserten und den Umstiinden ange- pagten Organisation, Verwaltung, Leitung, Verproviantierung ete. der Keimzelleneskorte zu betrachten. Alles dreht sich um die Sorge fiir die Nachkommenschaft. Die friihzeitige Sonderung der Keimzellen in der individuellen Entwickelungsgeschichte hatte also einen grofen historischen Hintergrund. Die Sonderung von Soma und Keimzellen vollzog sich ja schon vor der Erreichung der Metazoenstufe, und eine weitere Sonderung des vom Soma getrennten Keimzellenmaterials in eine Generation von somatischen Zellen, ein neuer Zuwachs zu dem schon gebildeten Soma vollzog sich schon auf der niedersten Metazoenstufe, indem es zur Ausbildung von Abortiveiern, Niahr- zellen, Wandzellen etc. kam. Also nicht die Keimzellen gehen aus dem Soma hervor, sondern umgekehrt, immer neue Bestand- teile des Soma gingen phylogenetisch und gehen auch noch onto- genetisch aus dem Keimzellenmaterial hervor. Dazu, da jedenfalls die Sonderung des Keimzellenmaterials von dem somatischen phylogenetisch sehr friihzeitig begann und sich stetig fortsetzte und sich auch heute noch fortsetzt, und dementsprechend auch ontogenetisch sehr friih einsetzt, kommt unstreitig noch das teloblastische Moment hinzu, das tief im Wesen, in der Ausnahmestellung und den speziellen Aufgaben des Keim- zellenmateriales begriindet liegt. Es ist fiir die zukiinftigen Lei- Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 173 stungen der Keimzellen, die ja erst in Aktion treten, wenn der Kérper reif ist, d. h. wenn die Eskorte vollzihlig vorhanden, voll- stindig organisiert und mobilisiert ist, von der gré8ten Bedeutung, wenn sie fern vom aufreibenden Getriebe der sich entwickelnden und teilweise schon arbeitenden Organe, geschiitzt, geborgen und wohl verpflegt im latenten, schlummernden Zustande verharren kénnen, bis ihre Zeit gekommen ist. Es ist fiir das Keimzellen- material niitzlich, wenn es méglichst friihzeitig alles von sich ab- streift, sich alles dessen entledigt, was es beim Kampf ums Dasein der begleitenden Eskorte direkt in Mitleidenschaft ziehen kann. Auch hier wieder ist nichts lehrreicher, als ein Vergleich mit den Erscheinungen der vollkommenen Metamorphose, z. B. der héheren Insekten. Wir vergleichen die friihzeitig gesonderten Anlagen der Keimdriisen, die erst beim erwachsenen Tier in Funktion treten, mit dem friihzeitig gesonderten Zellenmaterial der Imaginal- herde der Insekten, das, unbeeinflu8t durch die Tatigkeit der ar- beitenden Larvengewebe, doch von diesen ernahrt und geschiitzt, in einem ruhenden, latenten Zustand verharrt, bis nach der Ver- puppung der Zeitpunkt kommt, wo es in Entwickelungstitigkeit zu treten hat. Ist es nun richtig, zu sagen, daf sich die Imaginalherde des Darmes aus den somatischen Zellen des Darmepithels, die Imaginal- herde der Tracheen aus dem somatischen Tracheenepithel der Larve entwickeln, da8 sich solche somatische Zellen in die Zellen der Imaginalanlagen umwandeln? Gewif nicht! Beide bestehen nebeneinander, aber beide sind miteinander verwandt, indem sie gleicher Abstammung sind. In diesem Sinne kann man _ ebenso gut sagen, die Geschlechtsdriisen entstehen bei den Anneliden aus dem Célothel, wie man sagen kann, die Anlagen des imaginalen Darmes entstehen aus dem Darmepithel der Larve. Ein Vergleich der verschiedenen Formen der Metamorphose ergibt, dafi die Imaginalanlagen um so schirfer lokalisiert und zugleich um so stairker konzentriert sind, je durchgreifender die Metamorphose ist, je mehr die Larvenorgane zu Grunde gehen und je weniger sie sich am Aufbau des imaginalen Organismus beteiligen kénnen. Hiermit verglichen, beteiligt sich bei der Neu- bildung eines ganzen, neuen Organismus auf geschlechtlichem Wege bei den Metazoen das Soma des Muttertieres gar nicht, es geht vollstandig zu Grunde und seine Wiedergeburt geschieht von einer einzigen Zelle aus. Was Wunder, wenn hier die Tendenz zur friihzeitigen Sonderung, zum friihzeitigen Beiseitelegen desjenigen 174 Arnold Lang, Zellenmaterials, aus dem heraus spater eine erneute Wiedergeburt stattzufinden hat, vielfach noch viel deutlicher ausgesprochen ist! . Was man von dem hier vertretenen Standpunkte aus vom ontogenetischen Geschehen erwarten kann, ist lediglich das, da8 in der Ontogenese gewisse Beziehungen existieren zwischen der Bildung der Keimzellen und der Bildung derjenigen somatischen Gewebe und Organe, die sich im Laufe der phyletischen Ent- wickelung aus dem Keimzellengewebe herausdifferenziert haben. Diese Beziehungen werden hauptsichlich nachbarlicher Natur sein und sich vielleicht nur dann vermissen lassen, wenn intime nach- barliche Beziehungen zwischen den verwandten Zellkomplexen nicht fiir die leichte Funktion und ungehinderte Entwickelung der einen - (der somatischen) oder fiir die ungetriibte Ruhe der anderen (der Keimzellenkomplexe) eine raumliche Sonderung als niitzlich er- scheinen lassen. Die phylogenetische Reihenfolge in der Bildung neuer somatischer Kérperbestandteile aus dem Keimzellenmaterial wird sich ferner voraussichtlich in der Ontogenie um so weniger deutlich wiederspiegeln, je friihzeitiger die reinliche Scheidung des gesamten somatischen vom reinen Keimzellenmaterial sich vollzieht. Wenn ich von diesem Standpunkte aus die bekannten Falle friihzeitiger Sonderung der Keimzellen betrachte, so will es mir scheinen, dafi sie im allgemeinen nicht mit der Gonocdltheorie in Widerspruch stehen. Die Urkeimzellen der Wirbeltiere liegen in diesem oder jenem Teil der Mesodermblasen oder ihrer Derivate; bei den Tracheaten treten sie in unmittelbarem Anschluf an das- jenige Zellenmaterial auf, aus dem die den Derivaten des Anne- lidencéloms entsprechenden, mesodermalen Bildungen hervorgehen. Fiir die parasitischen Copepoden hat ScuimKewirTscn die Sache aufgeklirt. Wenn Grospsen fiir Moina recht behalt, so liegen auch hier die Urgeschlechtszellen in nichster Nachbarschaft der Mesodermanlagen. Dasselbe gilt fiir den beriihmten Fall von Sagitta, wo die Urgeschlechtszellen von Anfang an in direk- tester Beziehung zu den Célomtaschen stehen. Der nicht minder beriihmte Fall der Nematoden, der zuerst durch die prachtigen Untersuchungen von Boveri genau bekannt geworden ist, labt sich zur Zeit deshalb noch nicht beurteilen, weil die Beziehungen der Gonaden zum iibrigen Mesoderm noch nicht aufgeklirt sind. Daf der 1. Seitenzweig der Stammlinie fast das ganze Ektoblast, der 2. Seitenzweig das Entomesoblast liefert, bietet keine Schwierigkeiten, wohl aber die Tatsache, daf der 3., 4. und 5. Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 175 Seitenzweig wieder, wenn auch unansehnliche, Ektodermbezirke liefern. Erst jetzt stellen die iibrig bleibenden Zellen der Stamm- reihe die vom Soma gesonderten Anlagen der Geschlechtsorgane dar. Daran ist wohl kaum zu zweifeln. Ks ist aber, wie KorscHEeLT und Heer richtig bemerken, die Frage noch nicht gelést, ob aus diesen Urgeschlechtszellen nur die wirklichen Oocyten und Sper- matocyten, oder auch die Wandzellen der Genitalschliuche hervor- gehen. Auch an anderen Schwierigkeiten fehlt es gewif§ nicht. Eine solche ist z. B. das bei Tracheaten beobachtete sekundare Hineinwandern der frihzeitig gesonderten Urgeschlechtszellen in Mesodermsegmente, die sich vollstandig getrennt von ihnen aus- gebildet haben. Die Zukunft wird zeigen, ob sich diese und andere Schwierigkeiten mit der Gonocdltheorie in natiirlicher, un- gezwungener Weise in Hinklang bringen lassen oder nicht. Im ganzen aber will es mir scheinen, daf die Tatsache der friihzeitigen Sonderung der Keimzellen sich sehr wohl mit der Gonocoltheorie vertrigt, die ja gerade die Keimzellen als die altesten Gebilde des Metazoenkérpers darstellt, von denen aus in der tierischen Reihe immer neue Evolutionen von sich dem Soma beigesellenden Elementen stattgefunden haben. Riickblick. Werfen wir vom Standpunkte derjenigen Form der Gonocél- theorie aus, die ich in diesen Blattern vertrete, einen Blick auf die mutmaBlichen Hauptetappen der Stammesgeschichte der Anneliden von den friihesten Zeiten an, so erhalten wir, kurz skizziert, folgendes Bild: 1) Protozoenkolonien ohne Sonderung von somatischen und Fortpflanzungsindividuen. 2) Protozoenkolonien mit dieser Sonderung. 3) Zweiblattrige, radidre, ursprtinglich fest- sitzende Tiere, bei welchen die Geschlechtszellen mehrere distinkte Gonaden bilden und sich in diesen Gonaden friihzeitig in Keimzellen, Nahrzellen und Wandzellen differenzieren. Die beiden somatischen Epithelblatter erlangen allmahlich einen hohen Grad histologischer Differenzierung: Ausbildung des Nerven- systems, von Sinnesorganen und der epithelialen Muskulatur. Der einzige ernaihrende Hohlraum ist das einfache oder sich in einen Kranz von peripheren Kanalen oder Taschen fortsetzende Gastrocél. 176 Arnold Lang, Dieser epitheliale Typus erreicht seinen Mu bei den heutigen Cnidaria. 4) Parenchymatose, bilateral-symmetrische, kriechende Tiere, bei denen die epithelialen Organe der zwei- blattrigen Tiere die Tendenz zeigen, sich in ein zwischen Darm- und Koérperepithel eingelagertes Bindegewebe zu versenken. Bildung von subepithelialen, in das Parenchym versenkten Hautdriisen und Differenzierung eines Teiles derselben zu einem dem Wassergefab- system der Platoden ahnlichen, verastelten Nephridialsystem, dessen Elemente sich metamer anordnen. Ausbildung der Gonaden zu Sackgonaden und Entstehung besonderer, neuer, somatischer Abschnitte an denselben, die als Gonodukte der Ausleitung der Geschlechtsprodukte dienen. Reichlichere Ausbildung von Nahr- zellen (u. a. Dotterzellen) in den Gonaden. Uebergang von der cyklomeren Anordnung der zahlreichen Gonaden zu einer metameren. Gréfere Konzentration des Nervensystems und Anordnung der Hauptmarkstrainge zum Strickleiternervensystem. Ansammlung der Sinnesorgane vorwiegend am Vorderende und innigere Verbindung der zugehérigen zentralen Elemente mit einem Hauptknotenpunkte des iibrigen zentralen Nervensystems zu einem Gehirn- oder oberen Schlundganglion. Einzige ernihrende Hoéhle des Kérpers bleibt das Gastrocél, dessen sich zwischen die Gonaden hineinschiebende Gastrokanale von der cyklomeren zur metameren Anordnung iibergehen. Definitive Installation des Mundes und Schlundes am Vorderende der Bauch- seite, Dieser parenchymatise Typus erreicht seinen Gipfelpunkt in den heutigen Platoden und Nemertinen. 5) Gegliederte Gonocélwiirmer. Kérper langgestreckt. Haut kutikularisiert. Zu der inneren Gliederung kommt eine ent- sprechende fiufere hinzu. Auftreten des Afters dorsal am Hinter- ende. Fast vollstindiges Zuriicktreten des Parenchyms und der alten Kérpermuskulatur. Die Nephridien der vierten Etappe er- halten sich unter Vereinfachung der Veriistelungen. Konzentration der Ganglienzellen des Strickleiternervensystems auf die Haupt- knotenpunkte: obere Schlundganglien, Ganglienpaare der Bauch- ganglienkette. Die Sackgonaden erlangen die erweiterte Bedeutung von nutritiven und exkretorischen Gonocdlsicken. In dem Mabe, als sie sich ausdehnen, treten die Divertikel der priméren er- nihrenden Héhle, des Gastrocéls, welches zum roéhrenformigen Darm wird, zuriick. An ihrer Stelle bleibt zwischen den Gonocél- Beitrige zu einer Trophocéltheorie, 177 sicken und dem Darm ein mit ernihrender Fliissigkeit sich fiillender Blutsinus zuriick. Grofe endotropische und exotropische Evolution somatischer Elemente aus der Wandung der Gonocdélsacke. Unter den endo- tropischen Bildungen erlangen die Nahrzellen die erweiterte Be- deutung der verschiedenen Lymphkorperchen. Muskuliése Differen- zierung der Célomwand. Ihre exotropisch differenzierte Muskelwand liefert, in Ersetzung der alten Koérpermuskulatur des vorher- gehenden Typus, eine neue Kérpermuskulatur (wenigstens die Lings- muskulatur). Die medialwarts gerichtete Muskelschicht der Gonocél- sicke bildet eine Muskelwand um den Blutsinus und spater, wenn sich der letztere auf ein Darmgefafnetz reduziert, die Muskulatur des Darmes. Teile der Muskelwand der Gonocdlsacke liefern die kon- traktilen Wandungen der Blutgefife, die im tibrigen ein zwischen den Gonocdlsicken und den benachbarten Organen sich erhaltendes ‘Liickensystem darstellen. Exotropische Wucherungen der Gonocél- wand sind die Klappen, die Herzkérper, das Botryoidalgewebe, ferner sich loslésende, den Zellen dieser Wucherungen, sowie den endotropisch sich loslésenden Lymphkorperchen entsprechende Nahr- zellen, die ins Blut geraten und die Blutkérperchen oder Hamocyten darstellen. Die Gonodukte des vierten Typus werden zu Célomoduktep, sie miinden entweder gesondert nach aufen oder 6ffnen sich in die segmentalen Nephridien. Wenn die letzteren selbst mit dem Gonocél in Verbindung treten, kénnen die ersteren ganz verschwinden. Zu dem einzig vorhandenen, ernahrenden Kérperhohlraume der niederen Typen, dem. Gastrocél, sind zwei weitere hinzugetreten, das durch Erweiterung der Gonadenhoéhle entstandene Gonocél (sekundare Leibeshéhle) und ein ganz neues ernihrendes Hohlraum- system, das Blutgefaifsystem oder Haimocél, mit dem wir uns nun im folgenden, dritten Hauptabschnitt einlaSlich beschiaftigen wollen. Dritter Hauptabschnitt. Die Hamocdoltheorie. Im vorliegenden Abschnitte wird, in diesem Umfange, wenn ich mich nicht tausche, zum ersten Male, der Versuch gemacht, in die vergleichende Morphologie des BlutgefaSsystems einen ein- heitlichen Gesichtspunkt hineinzutragen. Es scheint mir dabei, da’ man bisher viel zu sehr das Lumen des Gefafsystems in den Ba, XXXVIII, N. F. XXXI. 12 178 Arnold Lang, Vordergrund gestellt hat, wahrend die Wandung, besonders der kontraktilen Zentralteile, in der Theorie ziemlich vernachlassigt worden ist. Und doch wird das Lumen nur durch die Wandung charakterisiert. Schon seit langerer Zeit habe ich das Unzureichende der herrschenden Pseudocéltheorie nach dieser Richtung em- pfunden, und es erschien mir jeder ernsthafte Versuch, die Frage wieder zur Diskussion zu bringen und von anderen, neuen Seiten zu beleuchten, der Beachtung wert zu sein. Meine eigenen dies- beziiglichen Anlaiufe datieren im wesentlichen bis zur Zeit des Er- scheinens der SpeNGELSchen Enteropneusten-Monographie im Jahre 1893 zuriick, und ich habe seitdem das Problem stets- fort im Auge behalten. Veranlassung, mich neuerdings ganz intensiv und umfassend damit zu beschaftigen, gaben die vor 2 Jahren begonnenen Vorarbeiten zu einer neuen Lieferung der zweiten Auf- lage meiner ,,vergleichenden Anatomie“, welche eine ,,.Einleitung zu den Metazoa* enthalten wird. Wenn ich jetzt mit einer Theorie des Himocéls vor die Oeffent- lichkeit trete, so schépfe ich den Mut dazu aus folgenden Um- stinden und Erwigungen. Bei meinem Studium der ausgedehnten Literatur habe ich auf Schritt und Tritt geglaubt, mich von dem heuristischen Werte der Grundideen derselben tiberzeugen zu kénnen. Ich habe zu oft wiederholten Malen, von diesen Ideen ausgehend, mir gesagt, dafi die Dinge wohl so und nicht anders liegen werden und nachtraglich meine Voraussage bestatigt gefunden. Ich darf wohl sagen, da’ sich mein Studium der Literatur zu einer formlichen Entdeckungsreise fiir die Theorie giinstiger, wichtiger und wohlverbiirgter Tatsachen gestaltete, wihrend mir die ihr ungiinstigen Beobachtungsresultate von geringerem Werte zu sein schienen. Inwieweit diese Wertschitzung rein subjektiver Vorein- genommenheit entspringt oder von ihr beeinfluft ist, das zu ent- scheiden will ich dem Leser iiberlassen, dem ich das wichtigste Beobachtungsmaterial in extenso vorfiihre. Unter den Forschungen der neuesten Zeit, welche den Grundgedanken der Theorie be- sonders eklatant bestitigen, sind in allererster Linie die sorg- faltigen Untersuchungen von Breren iiber die Histologie des Ge- faBsystems der Mollusken, Anneliden und Arthropoden zu erwiihnen. Auch die neue Folge von Studien tiber den Kérperbau der Anne- liden, die mein Freund E. Meyer im vorigen Jahre herausgegeben hat und in welcher neuerdings Ideen vertreten werden, denen ich mich im folgenden eng anschliefe, bestirkten mich in meinem Vorhaben. Und schliefSlich sagte ich mir, da’ es vielleicht manchem Forscher Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 179 willkommen sein diirfte, eine ausfiihrlichere Zusammenstellung der wichtigsten embryologischen und histologischen Untersuchungen iiber das BlutgefaSsystem zu besitzen. Historisches. Unter dieser Ueberschrift soll nur tiber solche Ansichten von der morphologischen Bedeutung und vom Ursprung des Blutgefaf- systems referiert werden, die eine grifSere Tragweite haben, insofern sie sich zum mindesten auf gréfere Abteilungen wirbel- loser Tiere beziehen. Auf Spezialideen, die einzelne Bestandteile des BlutgefafSsystems betreffen und nur auf einzelne Formen oder kleinere Formengruppen gemiinzt sind, soll im speziellen Teile in gebiihrender Weise hingewiesen werden. Die historische Uebersicht wird zeigen, dafi meine Haimocél- theorie mehrere Gedanken enthalt, die schon friiher bei dieser oder jener Gelegenheit, fiir diese oder jene Tiergruppe aus- gesprochen oder doch angedeutet worden sind. Nil sub sole novum ! Ich beginne den historischen Ueberblick mit Lrypic, denn wenn sich auch dieser grofe Histologe nicht mit Spekulationen tiber den Ursprung des Blutgefafisystems abgegeben hat, so ver- danken wir ihm doch grundlegende Forschungen tiber den histo- logischen Bau des Gefafsystems, welcher in der Theorie eine so grofe Rolle spielt. Von kapitaler Bedeutung ist dabei die Endothelfrage. Was hieriiber Leypia (1857) in seinem be- rihmten Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Tiere sagt, kénnte auch heutzutage noch nach 45 Jahren fast wértlich in einem Lehrbuch stehen. Vom Gefafisystem der Wirbellosen sprechend, behandelt er das Herz, dessen Hauptteil immer die Muskulatur sei, und sagt dann folgendes: »Nach innen wird die Herzmuskulatur iiberzogen von einer feinen Haut, dem Endocardium, iiber deren eigentliche histologische Natur ich noch nicht recht ins Klare gekommen bin, bald namlich glaubt man aufer der Bindesubstanz noch eit wirkliches Epithel vor sich zu haben (z. B. bei Paludina vivip.), bald macht sie nur den Hindruck von einer homogenen Haut mit eingestreuten Kernen (Larven von Corethra plumicornis z. B.); oder sie prasentiert sich endlich als wirkliche, homogene Intima (z. B. in der Raupe von Bombyx rubi). Ich méchte mich auch lieber dahin neigen, das Endocardium 12% 180 Arnold Lang, einfach fir die flichenhafte Ausbreitung der Bindesubstanz zu halten, welche das Geriist des Herzens bildet, wofiir spricht, dai, wie wir sehen werden, diese Haut unmittelbar in das Bindegewebe der Organe iibergeht, nachdem die Gefafe ihre Selbstaindigkeit verloren haben. Die Frage nach dem Epithel muf einstweilen noch fiir eine offene erklart werden.“ Und an einer anderen Stelle sagt Leypia: »Oben bereits, als von der Gefafstruktur der Wirbeltiere die Rede war, konnte ich nicht umhin, beziiglich der Konstanz des Gefafepithels einige Bedenklichkeiten einzustreuen, die sich mir noch lebhafter in Anbetracht der Wirbellosen aufdringen. Ich habe bis jetzt weder bei Witirmern noch Weichtieren, noch den Gliederfiflern ein zweifelloses GefaSepithel wahrnehmen kénnen und méchte daher das Vorhandensein desselben fast in Abrede stellen.“ Heute, nach 45 Jahren, sehen wir wiederum einen der ge- schicktesten Histologen an der Arbeit, um die jetzt noch fiir die Meisten iiberraschende Behauptung zu begriinden, daf dem Herzen und den gréfSeren Blutgefifen der Mollusken und Articulaten ein Endothel fehlt. Schon in den siebziger Jahren beschaftigten sich HAECKEL und LANKESTER mit der morphologischen Natur des Blutgefaf- systems. Beide hielten Blutgefaif%system und Leibeshéble fiir Dif- ferenzierungsprodukte eines und desselben célomatischen Hohl- raumes (der Name Célom stammt von HAECKEL). LANKESTER betrachtete auch das Wassergefafisystem der Platoden als eine Form, und zwar die einfachste, des Blutgefafsystems. Fir die genetische Quelle der Kanaile und Hohlraume des Lymph- und BlutgefiBsystems hielt er etwas spiter (1877) das Enterocél (der Name stammt von Huxtey, 1875). Da LANKESTER seine damaligen Ansichten mit Bezug auf das Blutgefifsystem wohl schon -langst aufgegeben hat, will ich auf diese seine alteren Dar- legungen nicht naher eintreten. Aehnliche Ansichten beziiglich der Einheit der verschiedenen extraintestinalen Hohlraumbildungen hatte iibrigens, speziell fiir die Wirbeltiere, der Anatome His schon friiher (1865) vertreten und besonders auf die Uebereinstimmung in der Epithelauskleidung — die als Endothel bezeichnet wurde — hingewiesen. Den Briidern O. und R. Hertwie gebiihrt unstreitig das Ver- dienst, die Frage nach dem Ursprung und der morphologischen Bedeutung des Blutgefiisystems durch ihre Célomtheorie (1881) erst recht in Flu8 gebracht zu haben. Sie betrachten das Blutgefafsystem als etwas vom Enterocél vollstandig Ge- Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 181 sondertes und Verschiedenes. Sie halten es fiir ein Schizocél, unter welchem Namen Huxtey 1875 solche_ extraintestinale (periviscerale) Hohlraume’ verstanden hatte, die durch Spalten- bildung (,,splitting) im Mesoblast entstehen, und gelangen zu dem Resultate: ,da8 die Leibeshéhle der Enterocélier friiher als das Blut- gefalsystem erscheint, daf das letztere sich unabhangig von ihr aus Spalten und Liicken des Mesenchyms entwickelt, und da die An- wesenheit von Kommunikationen zwischen beiden Hohlraumsystemen bei den Arthropoden erst sekundar erworben wurde.“ Zweifellos war es ein grofes Verdienst von O. und R. Herrwie, daf sie so scharf die urspriingliche Unabhangigkeit der beiden Systeme von Hohlraumen betonten und dieses Verdienst wird nicht dadurch geschmalert, daf sie sich bei den Mollusken offenbar irrten, indem sie hier Perikard, Herz, Gefafe, Sinusse und La- kKunensystem in einen Tiegel warfen und in ihrer Gesamtheit fiir ein Schizocélsystem, das blof{ dem Blut- und Lymphgefafsystem der Enterocélier entspreche, erklarten. Ein weiteres Verdienst der Célomtheorie von O. und R. Hertwic ist anerkanntermaBen der Versuch, dem _histologischen Habitus der Gewebe des erwachsenen Tieres eine gewissermafen symptomatische Bedeutung fiir die Ermittelung ihrer Bildungs- weise abzugewinnen. Auch auf die ernahrenden Hohlriume wenden sie diesen Gedanken an, der vornehmlich von HatTscHEK in ein- sichtiger Weise weiter verfolgt worden ist und dem nach meiner _ Vermutung noch eine bedeutende Zukunft gehért. Sie sagen: »Hntsprechend seiner abweichenden Entwickelungsweise ist das Schizocél auch anatomisch vom Enterocél leicht zu unterscheiden. Ihm fehlt eine besondere epitheliale Auskleidung; es ist ein un- regelmifiger Raum, an dessen Wand die Hingeweide zwar ange- wachsen sein kénnen, ohne daf es jedoch zur Bildung eines dor- salen und ventralen Mesenteriums kommt; es steht endlich in keiner engeren Beziehung zu den Geschlechts- und Exkretionsorganen. “ Auch dieser Satz enthalt wohl Richtiges und Falsches; er bertihrt Fragen, die auch heute noch zu den kitzlichsten der ver- gleichenden Histologie gehéren. 1882 auferte Hupert Lupwic, gestiitzt auf entwickelungs- geschichtliche Beobachtungen an Asterina gibbosa, die Ver- mutung, da’ die Spalte, welche er als erste Anlage des oralen BlutgefaBringes bei dem genannten Seestern beobachtete, ,,eine unmittelbare Fortsetzung der urspriinglichen Furchungshohle, ge- wissermafen der letzte Rest derselben“ sei. Die Frage nach Ur- 182 Arnold Lang, sprung und Bedeutung des ,,Blutgefaifsystems‘ der Seesterne ganz- lich offen lassend, will ich doch konstatieren, da hier wohl der Grundgedanke der ,,Blastocéltheorie“ zuerst geaiufert worden ist. Die ,,Blastocéltheorie* des Blutgefaifsystems hat, von Lupwic unabhangig, O. BUTSCHLI im Jahre 1883 in seiner Schrift »Jeber eine Hypothese bezitiglich der phylogene- tischen Herleitung des Blutgefahapparates” fiir einen Teil der Metazoen zu begriinden versucht. Da die Ideen BUTSCHLIs die herrschenden geworden und bis heutigen Tages geblieben sind, so ist eine eingehendere Darstellung derselben in ihrer urspriing- lichen Form durchaus am Platze. Schon 1878 hatte sich BUrscHir in seinem Kollegienhefte bei Anlaf der Besprechung der Ontogenie des Wirbeltierherzens folgende bedeutsame Notiz gemacht: ,Hin eigentiimliches Verhalten zeigt sich dabei auch bei der Bildung des Herzens, dessen Héhle sich als ein Abkémmling des, zwischen Mesoderm und Entoderm gelegenen, spaltférmigen Hohl- raumes darstellt, indem das Herz sich durch Einstiilpung der Darm- faserplatte in die Parietalhdhle des mittleren Blattes bildet. Da nun diese spaltformige Héhle als ein Rest der ur- springlichen Leibeshéhle (d. h. Furchungshéhle) zu betrachten sein diirfte, so wiirde sich vielleicht da- durch, hinsichtlich der allgemeinen Bildungsweise des GefaSsystems, die Miglichkeit ergeben, da das- selbe urspriinglich als Rest der primitiven Leibes- héhle, nach Ausbildung der sekundiren, aufgetreten SUG ean In der Vermutung, daf die Lumina der Blutgefale Reste des Blastocéls seien, wurde BUirscni1 durch die Beobachtungen von SALENSKY iiber die Entwickelung der Blutgefaife einiger Polychiten bestirkt, von denen spiter die Rede sein wird. Diese Lésung des Problems der Blutgefaibentwickelung hielt Burscu.t ,,fiir eine sehr ansprechende, da sie keiner eigentlichen Neubildungen, deren funktioneller Wert ja stets sehr schwer ver- stiindlich ist, bedarf*. Es lasse sich auch leicht verstehen, ,,dab sich das neu entstandene Organsystem nach Bediirfnis weiter ent- wickelte und differenzierte, kontraktile Abschnitte zur Bewegung der Blutfliissigkeit ausbildete und wie von ihm aus GefaBaus- breitungen in entlegenere Bezirke neugebildet werden konnten“. Burscuui bespricht sodann einige Beobachtungen tiber die Herz- und Blutgefilsystementwickelung bei Wirbeltieren. ,Ent-— weder sollen die Gefaife durch allmaihliches Hohlwerden urspriing-— lich solider Anlagen oder durch Auftreten spaltartiger Liicken im Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 183 Darmfaserblatt entstehen.“ Er kann in diesen beiden Bildungs- modi nicht die urspriingliche, phylogenetische Entstehungsweise erblicken. Die Gefafe kénnen phylogenetisch nicht zuerst als solide Anlagen aufgetreten sein. »Voch auch die Theorie, welche die Gefaife durch Auftreten von- Spalt- und Liickenraumen im Mesoderm erklart, hat ihre Be- denklichkeiten. Solche Spalt- und Liickenraume muf man sich doch zuerst als ein System untereinander nicht, oder doch nur unyvoll- standig, zusammenhaingender Blutriiume vorstellen, so daf in einem in dieser Weise hervorgebildeten primitiven GefaSapparat die physiologisch wichtigste Bedeutung des Apparates nicht zur Aus- fiihrung gelangen konnte, namlich der Umtrieb der Blutflissigkeit im Ko6rper.‘ Ich méchte mir hier gleich die Zwischenbemerkung gestatten, daf ich in diesem Punkte BirscHur nicht beipflichten kann. Die erste Funktion des BlutgefaBsystems wird wohl die ernihrende - gewesen sein. Man kann sich sehr wohl das Auftreten von nicht zirkulierenden, blof etwa fluktuierenden Ansammlungen ernaihrender Flissigkeit, z. B. im Umkreis des Darmes, vorstellen, nicht aber einen Zirkulationsapparat ohne ernahrende Bedeutung. Und ist denn das Blastocél ein Zirkulationsapparat ? Doch kehren wir zum Buirscuuischen Gedankengang zuriick. Jene Schwierigkeiten sind nach ihm nicht vorhanden, wenn man seine Blastocélhypothese annimmt. Nach dieser ist gerade das Lumen der Gefafe das Primitive; die Gefafbe nehmen ihren Ursprung durch Sonderung eines urspriing- lich einheitlichen Hohlraumes in zahlreiche untergeordnete Gefal- raume. lLetzterer Umstand bedingt jedoch auch, dai unsere Hypo- these den BlutgefaiSapparat als ein durchaus zusammenhingendes System entstehen sieht und daher die oben aufgestellte Bedingung erfiillt.“ Zu Gunsten seiner Theorie fiihrt sodann BUrscHir in sehr tiberzeugender Weise die Beobachtungen tiber die Herzentwickelung der Arthropoden an, nach welchen dorsale Randwiilste der beiden seitlichen Mesodermstreifen, indem sie tiber dem Darm einander entgegenwachsen, in der dorsalen Mittellinie so zusammentreften, daf sie das von Anfang an hohle Herzrohr bilden. Der Hohlraum kénne nichts anderes als das sich hier erhaltende Blastocél sein. Die Beobachtungen, die Biscuit zitiert, sind seine eigenen tiber die Entwickelung der Biene (1870), die von MnTscHNIKOFF tiber die Entwickelung von Geophilus (1875) und die von Cuaus tiber die Ontogenie von Branchipus (1878). Im Jahre 1885 verdffentlichte ScHiIMKEWITSCH zwei kurze 184 Arnold Lang, Mitteilungen ,,iiber die Identitat der Herzbildung bei den Wirbel- und wirbellosen Tieren‘, die trotz mancher Unklarkeiten Gedanken von grofer Bedeutung enthalten. In der ersten Mitteilung kommt er zu folgenden Resultaten: »1) Das Herz der Wirbel- und wirbellosen Tiere entwickelt sich weder auf Rechnung des Darmfaserblattes, noch auf Rechnung des Hautfaserblattes, sondern auf Rechnung des Teiles, welcher dem Riickenmesenterium der Wiirmer entspricht.“ In der beigegebenen schematischen Figur 4 wird das Riicken- gefaB der Anneliden als ein Hohlraum zwischen den auseinander- weichenden beiden Lamellen des himalen Mesenteriums dargestellt. »2) Die Abschniirung der Herzhéhle von der Héhle des Mittel- darmes bei den wirbellosen Tieren ist nur scheinbar, in der Tat ist die Herzhéhle, wie im ersten, so auch im zweiten Falle, ein Rest der Furchungshohle.“ Zur Begriindung verweist ScHIMKEWITSCH auf die Beobach- tungen von METSCHNIKOFF am Skorpion und diejenigen von SALENSKY an Anneliden, ferner auf eigene an Spinnen an- gestellte Untersuchungen, welche ergaben, daf auch hier das Herz so zu stande kommt, dali die Mesodermsegmente dorsalwarts ein- ander entgegenwachsen und in der dorsalen Mittellinie zusammen- treffen, dabei aber das Lumen des Herzens zwischen sich offen lassen. Dadurch, da8 die Halften des Darmfaserblattes viel spater zusammenwachsen als die des Hautfaserblattes, erscheint die Herz- anlage eine Weile noch gegen den Darm zu offen, wahrend sie dorsalwarts schon geschlossen ist. »2) Die Entstehung des Herzens bei den Wirbeltieren aus zwei Hohlraumen ist, trotz Batrour, ein primitiver Entwickelungsvorgang.“ SCHIMKEWITSCH vergleicht dabei die Einstiilpungen des Darm- faserblattes in die Parietalhéhlen der Wirbeltiere mit den in den Célomraum eingesenkten, gegen die Furchungshéhle offenen Rinnen am mediodorsalen Rande der Mesodermsegmente der Arthropoden. Er macht darauf aufmerksam, da in beiden Fallen die paarigen Herzanlagen sich ,,am Zusammenkunftsorte der Mesodermplatten auf der Seite, die der Nervenanlage gegeniiberliegt', bilden. Bei den Wirbeltieren aber werden die betreffenden Einstiilpungen vor der Zusammenkunft der Mesodermplatten zu Blasen abgeschlossen, so dal das Herz anfangs als ein paariges Organ erscheint. Gegentiber BaLrour betont ScuHimKEwirscn, daf er weder bei Embryonen noch bei erwachsenen Spinnen eine der Muskel- schicht innen anliegende Epithelschicht habe nachweisen kénnen. In seiner zweiten Mitteilung macht ScHiMKEwitTscH auf einige Beitriige zu einer Trophocdéltheorie. 185 Litteraturangaben, die er iibersehen, aufmerksam, welche seine Auffassung bestatigen. — Er anerkennt die Prioritat BurscHuis. Auch die Herzbildung der Tunicaten (nach SALENSKy, KOROTNEFF, SEELIGER) zieht er kurz in den Kreis seiner Betrachtungen. Doch ist sein diesbeztigliches Schema insofern ungenau, als er die Perikardwand sich auf der vom Darme abgewendeten Seite zur Bildung der Herzanlage einstiilpen 1a8t. Im iibrigen aufert sich ScHIMKEwITscH folgendermaBen : »Auch hier — bei den Tunicaten namlich — ist die Hdhle des Herzens ein Rest der Furchungshohle, aber die Perikardialhéhle ist ein Rest einer archenterischen Héhle. Ich habe schon in meiner ersten Mitteilung angezeigt, daf nach den Beobachtungen Horr- MANNS das Epithelium des Herzens der Reptilien und Teleostier sich aus dem Entoderm bildet, da aber bei den Arthropoden auch die Zellen des sekundaren Entoderms in die Hoéhle des Herzens eintreten, sie bilden aber Blutkérperchen. Deshalb ist es méglich, zuzulassen, daf das Herz der Arthropoden nur dem Myo- cardium der Wirbeltiere entspricht, aber dasjenige der Tunicaten nur dem Endocardium der Wirbeltiere.é Die hierauf folgenden Ausfiihrungen iiber das Perikard der Tunicaten, Arthropoden und Vertebraten darf ich wohl tibergehen. In seiner Arbeit tiber Argulus foliaceus resumiert Leypic (1889) seine allgemeinen Anschauungen, zu denen er in friiherer und spaterer Zeit tiber die Bildung der BlutgefaSe und Blutraume bei niederen und hoheren Tieren gelangt war. Er hebt folgende Punkte hervor: »1) Der Leibesraum in erster Anlage ist Blut- und Lymphraum. 2) Kanalartige Verengerungen und sich veristelnde Verlange- rungen werden zu Blut-Lymphgefafen. 3) In geweblicher Beziehung treten zur Begrenzung der Raume und Kanale immer Matrixzellen des Kutikular- oder Bindegewebes ein, welche, nach innen zu, einen homogenen Saum abscheiden. Zwischen Bindegewebe und Blutraumen herrscht innige Beziehung; »beide gehéren zusammen wie Berg und Tal“. 4) Als allerletzte Auslaufer des Hohlraumsystems haben die Spaltenginge des Bindegewebes und die Porenginge des Kutikular- gewebes zu gelten.“ ZIEGLER (1889, 1890) schlieft sich mit Bezug auf die phylogenetische Herleitung des Blutgefa&systems BUrTscuui an. Es ist dasselbe seiner Ansicht nach auf einen zwischen Leibes- wand und Darmwand (bezw. Ektoderm und Entoderm) gelegenen einzigen Hohlraum, die primare Leibeshdhle oder das Pro- toc6l, zuriickzufihren. 186 Arnold Lang, »Hmbryologisch stammt er entweder von dem Hohlraum der Blastula (Blastocél) oder er ist nach der Gastrulation als Spaltraum zwischen Ektoderm und Entoderm aufgetreten (Schizocél).‘ Aus diesem Protocé] hat sich das BlutgefaBsystem + Lakunen- system der Mollusken und sowohl das Blut- wie das Lymphgefah- system der Wirbeltiere differenziert. Was die Entstehung der letzteren Systeme aus der primaren Leibeshohle anbetrifft, so stellt sich ZIEGLER dieselbe so vor. Das Protocél »war von einzelnen Mesodermzellen und WDerivaten desselben (Mesenchym und mesenchymatésen Geweben) durchsetzt. Die Fliissig- keit, welche in der primaren Leibeshéhle sich befand, gewann die Fahigkeit, einzelne Mesenchymzellen abzulésen und mit sich zu fiihren. Dann differenzierte sich die primire Leibeshéhle in das Lymphgefafsystem und das Blutgefaisystem; dem letzteren fiel in erster Linie die respiratorische Funktion zu, und in Anpassung an dieselbe nahmen die in diesem System zur Ablésung kommenden Mesenchymzellen die Charaktere der roten Blutkérperchen an.“ In seiner systematischen ,,Phylogenie‘ stellt sich HAECKEL (1896) mit Bezug auf das Blutgefifsystem im wesentlichen auf den Standpunkt der Célomtheorie der Gebriider Hertwie. Er halt dieses System im Gegensatz zum Célom fiir ein Schizocél. ,ln den verschiedenen Geweben und besonders in dem reich- lich entwickelten Bindegewebe des Mesoderms entsteben zahlreiche Gewebsliicken (Lacunae), in denen sich Nihrflissigkeit (Lymphe) ansammelt. Indem sich diese Mesenchymliicken erweitern und netzférmig verbinden, entsteht ein lakunires Gefaf- system. Anfanglich haben diese Lakunen noch keine besondere Wandung; spiiter bildet sich eine solche aus, indem die angrenzenden Mesenchymzellen zur Bildung eines Plattenepithels zusammentreten (»Gefal-Endothelien«), Andere, améboide Mesenchymzellen treten in die Fliissigkeit, vermehren sich, frei schwimmend, innerhalb der- selben, und werden so zu »farblosen Blutzellen«c oder Lymph- zellen (Leukocyten). Spiater tibernimmt ein Teil dieser Lymph- zellen vorzugsweise die Funktion des Gaswechsels, bildet eigentiim- liche (meist rote) »Blutfarbstoffec und verwandelt sich so in »rote Blutzellen« (Rhodocyten oder Erythrocyten).“ Im 2. Bande des von ihm herausgegebenen ,Treatise on Zoology* (1900) spricht sich LANKESTER iiber das Blutgefif- system folgendermafen aus: ; »The essential element of this system is a modification of a primary tissue similar to the embryonic connective tissue of Verte- brata. Its distinctive character is that the constituent cells form elongated fibre-like groups, branching and constituting a reticulum whilst at the same time the cell-substance, instead of giving rise to fibrillar skeletal material, becomes liquefied axially. Thus tubes Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 187 consisting of rows of elongated nucleated cells are formed con- taining a highly organized liquid, which is often coloured red with haemoglobin, and contains the nuclei of disintegrated cells, which were the sources of the haemoglobinous fluid, as in Chaetopoda and some Mollusca (Planorbis) and some Arthropoda. On the other hand, the fluid may be colourless, whilst in it float haemoglobinous cor- puscles, as in Vertebrata, some Mollusca (Solen legumen, Arca), and some Echinoderma, or the fluid may not only itself be colour- less but contain only colourless floating corpuscles (most Molluses, Arthropods, and Echinoderms).“ Was den ersten Ursprung des Blutgefafsystems anbetrifft, so ist jetzt LANKESTER auch der Ansicht, daf er von dem des Céloms durchaus verschieden sei. Kommunikationen zwischen beiden sind nach LANKESTER sekundarer Natur. Die weit verbreitete An- sicht, dafi bei den Mollusken und Arthropoden eine solche offene Kommunikation existiere, teilt LANKESTER nicht. Wir werden hierauf bei einer anderen Gelegenheit ausfiihrlich zuriickkommen, dann naimlich, wenn wir von seiner ,,Phleboedesis- Theorie“ sprechen werden. Gegeniiber der Ansicht, daf das BlutgefaBsystem ein Ueberbleibsel des Blastocéls sei, begniigt sich LANKESTER damit, zu sagen, daf die embryologischen Tatsachen, auf die sie sich stiitzt, ,are not in themselves conclusive as to the ancestral ar- rangements of the parts in question“. Die Frage der phylogenetischen Entstehung des Blutgefal- systems der Anneliden hat sich auch Ep. Meyer vorgelegt und zuerst 1890 und sodann 1901 zu beantworten gesucht. Ich brauche nicht auf die Darstellung vom Jahre 1890 zuriickzukommen, da sie in der neueren in allen wesentlichen Punkten enthalten ist. In einigen der wichtigsten Punkte stimmen nun meine eigenen Ansichten durchaus mit denen von E. Mryer iiberein, die er in folgender Weise formuliert : »Die vom Darme gelieferte Nahrfliissigkeit wird sich anfangs wahrscheinlich um den letzteren herum in einem umfangreicheren Sinus angesammelt haben, um sich von dort aus in lakuniren Hobl- raumen durch den Kérper zu verbreiten. Diese Lakunen redu- zierten sich spater und erhielten eine bestimmte Anordnung infolge der gegenseitigen Annaherung der peritonealen Wandung der sich erweiternden paarigen und metameren Geschlechtsfollikel. Hieraus lassen sich weiter als eine mechanisch-topographische Folge die hauptsachlichsten Teile des typischen Gefafsystems der Anneliden ableiten, namlich die medianen Langsstimme und die intersegmen- talen Ringgefafe, sowie auch der bei verschiedenen Formen noch vorkommende Darmsinus. Aus der vorgeschlagenen Erklarung er- gibt sich ferner der Umstand, daf das Gefalsystem, dessen Hohl- 188 Arnold Lang, riume sich als Ueberreste der primaren Leibeshéhle erweisen, ur- spriinglich keine eigenen Wandungen gehabt, sondern solche zuerst vom Mesenchym und nachher vom Célothel erhalten haben muf. Von den primiren Phagocyten der retroperitonealen Lymphe, in welcher sich spater die Blutpigmente entwickelten, verwandelte sich vielleicht ein Teil zu Blutkérperchen, wahrend die iibrigen ver- schwanden. Andererseits ist aber auch der Ursprung der Blut- zellen von sekundéren Phagocyten, die aus dem Célomepithel aus- traten und die primaren Wanderzellen ersetzten, denkbar.“ Nicht minder wichtig als diese ausgezeichnete phylogenetische Betrachtung ist, was E. Meyer zusammenfassend tiber Struktur und Entwickelung des Gefafsystems der Anneliden sagt: »Die Wande der Blutgefii£e bestehen bei den typischen Anne- liden in der Regel bloS aus dem Peritonealepithel; wenn sie da- gegen pulsieren, wie z. B. das Riickengefif, so sind sie auferdem noch mit Muskelelementen ausgestaltet, die der genannten Membran von innen anliegen. Das Vorhandensein einer besonderen Intima ist nicht mit Sicherheit festgestellt; mir scheint es, daf eine solche iiberhaupt fehlt. In vielen Fallen ist das Vorkommen eines ge- riumigen Darmsinus konstatiert worden, den nicht selten ein dichtes Lacunennetz ersetzt. Hier sind nun die Blutriiume einerseits vom Peritoneum, andererseits aber unmittelbar vom Epithel des Mittel- darmes begrenzt.“ Meyer betont dann, daf die Angaben aller Autoren darin vollkommen iibereinstimmen, da’ die Wandungen des Gefafsystems bei den Ringelwiirmern so oder anders aus Elementen der Mesoderm- streifen gebildet werden; tiber den speziellen Bildungsmodus aber herrsche noch keine Uebereinstimmung. »ln denjenigen Fallen, wo bei der ausgebildeten Form ein Darmsinus vorkommt, erscheint dieser Teil des Gefifsystems in der Ontogenese ganz zuerst und entsteht dadurch, daf sich infolge von Flissigkeitsansammlung die Splanchnopleura von dem Darmepithel einfach abhebt.“ Was die Bildung der Hauptgefafe anbetrifft, so macht EK. Meyer darauf aufmerksam, daf nach verschiedenen Beob- achtungen der Unterschied gegeniiber der Bildung des Darmsinus nur darin besteht, ,daf sich das Peritoneum nur an denjenigen Stellen von der Darmoberfliche abhebt, die dem zukiinftigen Verlaufe der be- zeichneten GefifSe entsprechen. Dazu kommt iibrigens noch ein lokales Auseinanderweichen der beiden Epithelblitter der Mes- enterien resp. der Dissepimente, so dal die im Entstehen begriffenen GefaSe anfangs die Gestalt von Rinnen haben, die gegen den Mittel- darm offen sind und sich erst spiiter durch Zusammenriicken ihrer Rander in vollkommen abgeschlossene Réhren verwandeln.“ Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 189 Die mehrfach beschriebene Anlage der Blutgefafe in Form von soliden Mesodermzellstrangen, deren periphere Elemente die GefaiSwandung, wihrend die axialen Zellen das Blut und die Blut- kérperchen bilden sollen, deutet E. Meyer so, daf in diesem Falle die Gefif&winde und Blutkérperchen gleichzeitig, im ersten Falle zuerst die Gefafwande entstehen. »Nicht endgiiltig aufgeklirt“, sagt Mnynr, ,ist es bis jetzt, woher die kontraktilen Elemente der pulsierenden Gefife und die Blut- kérperchen ihren Ursprung nehmen. Am einfachsten ware es natiir- lich, dieselben ohne weiteres ebenfalls vom Peritonealepithel her- zuleiten, wie das gewdhnlich auch geschehen ist'). Doch sind Griinde vorhanden, die es wahrscheinlich machen, dal sich die Sache gar nicht so einfach verhalt.“ MEYER verweist auf Beobachtungen von WiLson tiber die Anlage des BauchgefaBes bei Lumbricus und auf einige Ab- bildungen von VEspovsky, welche sich auf das sich entwickelnde BauchgefaS von Rhynchelmis beziehen, und schlieft dann so: » Was nun aber die eigentliche Herkunft der in Rede stehenden Zellen (besondere Zellen, welche die innere GefaSwand liefern sollen) betrifft, so bleibt dieselbe vorliufig unbekannt: sie kénnen vom Célothel ausgewandert sein oder dem primaren Mesenchym an- gehéren und im letzteren Falle entweder vom Ektoderm oder vom Entoderm herriihren.“ Ep. Meyer kommt hierbei hart an die Grenze meiner eigenen Ansicht, die ich im folgenden entwickeln werde. Hiatte er sie er- reicht, d. h. hatte er sich davon tiberzeugt, wie in Wirklichkeit in grofen Abteilungen des Tierreiches die kontraktilen GefaSwande Bildungen der Célomwande sind, so hatte er, davon bin ich tiber- zeugt, dieselben theoretischen Schluffolgerungen gezogen wie ich. Ich hoffe, daf er diese letzteren als die nachstliegenden und natiir- lichen Konsequenzen seiner eigenen Theorie von der Abstammung der Anneliden anerkennen wird, und vermute, da hauptsachlich die Ansicht, die sich MEyER auf Grund seiner Untersuchungen ge- bildet hat, da namlich die Darmmuskulatur dem primaren Mes- enchym entstamme, ihn daran verhindert hat, zu einer der meinigen entsprechenden Hypothese tiber den phylogenetischen Ursprung der Herzmuskulatur zu gelangen. Seit einigen Jahren (seit 1898) publiziert Berau eine Reihe von tiberaus sorgfaltigen und feinen Studien iiber den histologischen 7 1) Diese Bemerkung scheint mir nach meiner Kenntnis der Literatur nicht zutreffend zu sein. 190 Arnold Lang, Bau des Blutgefif&systems bei den drei gréften Gruppen der wirbellosen Tiere. Ich habe diese Untersuchungen freudig begriiSt, erblicke ich doch in ihnen von Anfang bis zu Ende eine Bestatigung meiner Ansichten. Berean gelangt selbst auf Grund seiner Unter- suchungen zu ,Gedanken tiber den Ursprung der wichtigsten geweblichen Bestandteile des BlutgefaBsystems* (1902), die nur eine Strecke weit mit den meinigen eine gemein- same Richtung einschlagen, sich nachher aber sehr bald bedeutend von ihnen entfernen. Zunachst halt BerGH einen von ihm schon 1890 aus- gesprochenen Hauptsatz aufrecht, welcher lautet, ,,daf es nicht nur méglich, sondern sogar wahrscheinlich ist, da8 die Blut- gefafe sich auf Grundlage von kontraktilen Zellen (phylogenetisch) entwickelt haben“. Diesem Satze kann ich bis zu einem gewissen Grade bei- stimmen, indem auch ich die Wandungen grofer Bezirke des Blut- gefifsystems auf kontraktile Elemente, nimlich auf die kontraktile Wand der Gonocélsacke zuriickfiihre. Breren diskutiert diese Méglichkeit gar nicht, seine Gedanken nehmen eine andere Richtung. Ich bedaure, daf Beran bei der Untersuchung des histologischen Baues des Blutgefafsystems der Anneliden gerade den fiir mich wichtigsten Punkt, die Beziehungen der GefaSwand zur Célomwand, vernachlassigt hat. Hatte er diese Beziehungen schirfer ins Auge gefaft, so ware er, glaube ich, zu mit den meinigen besser tibereinstimmenden Anschauungen gelangt. Gegentiber einem Vorwurf yon seiten E. Meyers, daf er (BERGH) uns nicht erklirt habe, wie er sich eigentlich den Ur- sprung der Blutgefafe aus kontraktilen Elementen vorgestellt habe, sagt Beran, dafi er das auch jetzt noch insofern nicht kénne, als er sich ,,keine Wahnbilder einer Urform vormache, bei der zuerst die BlutgefaBe entstanden seien‘. Ich tréste mich mit KE. Meyer und anderen, die nicht ganz normal sind, mit dem einigermafen beruhigenden Gefiihl, daf man heutzutage in den Irrenhaiusern ganz human behandelt wird. Ob tberhaupt ein mono- oder polyphyletischer Ursprung des Zirkulationssystems wahrscheinlicher sei, dariiber hat sich Bere keine bestimmte Ansicht bilden kénnen. Da8 aber das Blutgefiwsystem auf Grundlage von kontraktilen Zellen entstanden sei, halt er aus dem einfachen Grunde fiir das einzig Wahrschein- liche, weil die Bildung eines Blutgefifsystems ohne kontraktile Elemente ihm sinn- und zwecklos erscheint. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. if 9 »Hs ist mir schwer, mir es anders vorzustellen, als daB die erste Ausbildung eines speziellen Kanalsystems fiir eine ernihrende oder der Atmung niitzliche Fliissigkeit nur dadurch seine Bestimmung erfiillen kann, daf diese in Bewegung gesetzt wird, und zwar wird der einfachste Modus zur Erfiillung dieses Anspruchs dieser sein: da’ das Movens in den Wandungen des Kanalsystems selbst ent- halten ist. Sehen wir doch auch im Wirbeltierembryo, sobald die Gefiile hohl werden, eine pulsierende Bewegung der Herzanlage seinen Anfang nehmen, und zwar verursacht nicht durch die spitere Muskulatur — denn die ist noch nicht zur Entwickelung gekommen — sondern jedenfalls zum Teil durch die primitive Wandung, die spater als inneres Epithel wahrscheinlich hier ihre Kontraktilitat einbiigt.“ Bere faihrt sodann fort: »Meine Betrachtungen begegnen sich hier mit denjenigen von Butscuui, Lupwie u, a. welche die Hohlriume des Blutgefafsystems als Ueberreste einer primitiven Leibeshéhle (namlich der Furchungs- héhle oder des primiren Schizocéls) ansehen. Auch ich halte eine solehe Ableitung aus einem primiren Lakunensystem fiir richtig, wenngleich in der Ontogenese hie und da diese Bildungsweise ver- _ schleiert!) ist. Jedenfalls ist es hervorzuheben, daf die Hohlraume der Gefife entwickelungsgeschichtlich nirgendwo von der sekundaren Leibeshéhle (die nach meiner Meinung ein Gonocél ist) sich her- leiten, wahrend solche Beziehungen zu den Schizocélraumen haufig bestehen, und kénnte vielleicht in dieser Hinsicht die Tatsache ver- wertet werden, daf bei Tieren, bei denen die sekundare Leibeshéhle oder das Gonocél reduziert ist, und das Schizocél grofe Ausdehnug erlangt hat, das GefiSsystem meistens ein ,offenes‘, d. h. mit den Schizocélraumen kommunizierendes ist (Mollusken, Arthropoden), wihrend in den Fallen, in denen das Schizocdl reduziert und die sekundire Leibeshéhle zu starkerer Entwickelung gelangt ist (Vertebraten, Anneliden), das Blutgefafsystem ein geschlossenes ist. — Doch solches mag ein vergleichender Anatom vielleicht weiter ausfiihren.“ Diese Einladung ist zwar gewif nicht an meine Adresse ge- richtet, doch wird mich das nicht hindern, in der Tat die hier ge- streiften Fragen auch zu behandeln. Bere bespricht sodann die kapitale Endothelfrage. Wenn der Wirbeltier-Histologe das Endothel als einen ,,eisernen Bestandteil“* des GefaSsystems zu betrachten gewohnt ist, so muf er auf diese Vorstellung bei den Wirbellosen gianzlich verzichten. Denn: 1) Sollte hier die Natur sich vielleicht auf einem beginnenden Abwege zur ,Falschung“ von ihr selbst ausgestellter Urkunden be- finden? Denn von der Verschleierung der Wahrheit bis zu ihrer Entstellung ist nur ein kleiner Schritt! 192 Arnold Lang, »Bei allen hierauf genauer untersuchten Haupt- gruppen fehlt in den zentralen GefaiSen (Riicken- und Bauchgefai8 der Anneliden; Herz, gréfere Arterien und Venen der Mollusken; Riickengefaif der Insekten, Herz der Crustaceen) jede Spur eines ,Endothels‘, und ist die ,Intima‘ in der Mehrzahl dieser Gefiile eine homogene Mem- bran, welche entweder als Sarkolemma der die Hauptmasse der kontraktilen Gefa8e ausmachenden Muskelfasern erscheint oder eine homogene Bindegewebsmembran ist, welcher aufen Bindegewebs- zellen, aber kein Endothel aufliegt.“ Nur in den kleinen und kleinsten Gefafen kommt ein Endo- thel vor. . Diese Verhaltnisse sucht Berau durch folgende Annahme zu erklaren : »s bildeten sich in der primitiven Leibeshéhle Kaniile aus, in denen durch Kontraktilitit die Blutfliissigkeit herumgetrieben wurde. Bei fortschreitender Entwickelung konzentrierte sich die Kontraktilitit auf bestimmte Abschnitte des Réhrensystems, wahrend die iibrigen Teile die Kontraktilitat einbiiften. Dafiir bildete sich aber die Wandung der nicht kontraktilen (kleinen, diinnwandigen) Gefafe in ein neues Gewebe, ein Epithel oder ,Endothel‘ aus und fand also die Entstehung dieses Gewebes in den Teilen statt, in denen der lebhafteste Austausch von Stoffen zwischen Blut und Geweben stattfindet.“ — ,Somit habe sich nach meiner Hypothese die Ausbildung des inneren Epithels oder des ,Endothels‘ zunachst in dem peripheren Teil des Gefafsystems vollzogen und sei erst von da ab in zentripetaler Richtung weiter vorgedrungen. Ob aber die Schicht selbst von der Peripherie nach den zentralen Teilen vor- gewachsen sei, oder ob die Ausbildung hier in loco vorgegangen sei“, lat Bere unentschieden. Meine eigene Himocéltheorie will ich zunichst in Form von Thesen tiber das Himocé] der Anneliden vortragen und sodann das aus der Literatur tiber diese Tiergruppe gesammelte Beobachtungs- material pro und contra in extenso vorfiihren. Thesen iiber den phylogenetischen Ursprung und die morphologische Bedeutung der Hauptteile des Blutgefif- systems der Anneliden. ix Die metamer und paarig angeordneten Sackgonaden der Annelidenvorfahren erhielten, bevor sie zum typischen Gonocé] wurden, die erweiterte Bedeutung von Geschlechtszellen- Behaltern; ihre Epithelwand wurde, vielleicht anfangs blo& Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 193 zum Zwecke der Entleerung der Geschlechtsprodukte durch die Gonodukte, kontraktil. (Taf. I, Fig. 1, 2.) 2. In dem Mafke, als sich die Sackgonaden zu Gonocélsacken er- weiterten, trat das primaire Trophocél zuriick, d. h. die metameren, zwischen die Gonocdlsacke eingekeilten Darmdivertikel des Gastro- céls verkiirzten sich und schwanden, an ihrer Stelle einen Raum zuriicklassend, der sich mit aus dem Darm diffundierender er- naihrender Fliissigkeit fillte. Dieser Raum war der erste Anfang des BlutgefaBsystems. (Taf. I, Fig. 2, karminrot.) 3. Das Blutgefafisystem bestand also in seinen ersten Anfangen a) aus dem Darmsinus, einem mit ernadhrender Fliissig- keit sich fiillenden Spaltraum zwischen der epithe- lialen Wand des réhrenférmig gewordenen Darmes und der kontraktilen Célomwand, b) aus ringformigen Septalsinussen, d.h. Spaltraumen zwischen den Wanden der aufeinander folgenden Gonocdlsicke. (Taf. I, Fig. 2, 3.) Dazu kamen noch hinzu c) Mesenterialsinusse, d. h. Verlange- rungen des Darmsinus in sagittaler Richtung zwischen die Gonocdl- sicke der rechten und der linken Seite. 4, Die weitere topographische Entwickelung des Gefafsystems war beim ersten Auftreten desselben gleichsam vorgezeichnet. (E. MEYER.) 5 Das BlutgefaBsystem ist ein Schizocé6l im Sinne Hux eys, das zuerst durch Auseinanderweichen der anfanglich nahe an- einander liegenden Epithelwande des Gastrocéls und des Gonocdls auftrat. Es ist méglich, da8 sich hierzu noch andere periphere Schizocélraume in vom Darm und vom Gonocdl entfernten Geweben des Kérpers hinzugesellten. Bei den Anneliden spielen sie jeden- falls keine groBe Rolle. 6. Fiir die Annahme, daf das Blutgefaifsystem phylogenetisch ein Ueberrest des Blastocdls sei, liegen weder vergleichend-ana- tomische noch hinreichende vergleichend-ontogenetische Griinde vor. Bd, XXXVIII. N. F. XXXI. 13 194 Arnold Lang, te Ob und in welcher, jedenfalls sehr geringen, Ausdehnung sich zwischen den aufeinander folgenden und zwischen den beidseitigen Gonocélsacken und ferner zwischen diesen und dem Epithelrohr des Darmes Muskulatur und Bindegewebe der parenchymatésen Vorfahren (also primares Mesenchym) erhielt, ist zur Zeit wegen der Diskrepanz der ontogenetischen Befunde nicht zu ent- scheiden. 8. Die Bildung der pericélomatischen und periintestinalen Hamo- célspalten wurde wahrscheinlich auch durch die zunehmende Kon- traktilitat der Gonocélwinde mit bedingt und geférdert. o. Die Kontraktionen der Gonocélwiinde, welche von Anfang an eine zunachst schaukelnde, fluktuierende Bewegung der Hamo- lymphe hervorrufen muften, konnten sich immer mehr und immer spezieller in den Dienst dieser Blutbewegung stellen. 10. Die aufere Wand der Gonocélsicke blieb ab origine mit der K6rperwand verwachsen. Durch zunehmende Verwachsung der Wandungen der aufeinander folgenden Célomsacke, der gegenitiber- liegenden Célomsicke der rechten und linken Seite (Bildung der Septen und Mesenterien), ferner durch Verwachsung der medialen Wand der Gonocélsicke mit dem Epithelrohr des Darmes wurde die Flut der ernihrenden Haimolymphe, welche die ganzen medialen Oberflachen der Gonocélsicke und die ganze aufere Oberfliache des Epithelrohrs des Darmes bespiilte, eingedimmt, in bestimmte Bahnen gelenkt, kanalisiert. Diese Kanale sind die Blut- gefaBe. (Taf. I, Fig. 4; Taf. I, Fig. 5, 6, 7.) 11. Das erste Gefal, das sich wahrscheinlich vom Darmblutsinus sonderte und selbstandig wurde, war das im ventralen Mesenterium verlaufende Bauchgefafs. Mit dessen Sonderung wurde das Zuriick- strémen des im Darmblutsinus nach vorn getriebenen Blutes und damit zum ersten Male eine Zirkulation erméglicht. 12. Die echten Blutgefafe haben ab origine keine anderen Wandungen als 1) die Gonocélwandung und eventuell 2) die Epithelwand des Darmes. Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 195 13. Die von der Gonocélwandung oder der Darmwandung ent- lehnten Epithelien, welche die Blutgefae begrenzen, kehren also der BlutgefaBlichtung ihre Basis zu. 14. Die histologische Differenzierung der Célomwand erfolgte, so- weit nur die Kontraktilitait derselben in Betracht kommt, wahr- scheinlich in folgenden Hauptetappen: a) Anfanglich waren die somatischen Célothelzellen in groBer Ausdehnung selbst kontraktil, ahnlich wie dies bei den Endothelzellen des embryonalen Herzens und der Hauptgefafe bei Wirbeltieren der Fall ist. b) Dann differenzierten sich die kontraktilen Muskelzellen zu Epithelmuskelzellen, deren kontraktile Fibrillen wahrschein- lich urspriinglich, wie das bei den Muskelfasern in der Wand von Blasen so haufig der Fall ist, nach den verschiedensten Richtungen angeordnet waren. Bei einseitiger Differenzierung der kontraktilen Substanz, wie sie in einem Muskelepithel meist stattzufinden pflegt, wurden die Muskelfibrillen selbst- verstindlich an der Basis des Epithels gebildet. c) Es trat dann vielfach der Vorgang der Delamination ein. Die anfiainglich einschichtige Célothelwand spaltete oder differen- zierte sich in 2 Lamellen: 1) die innere, das sogenannte Endo- thel der Leibeshéhle mit seinen verschiedenartigen Bestand- teilen, und 2) die auBere, das Muskelepithel oder die Muskel- schicht. Im Muskelepithel verharrten die kontraktilen Fibrillen selbstverstandlich an der Basis. Vergl. zu dieser These die Fig. 2 und 3 auf Taf. II und Figg. 8—17, Taf. II. 15. Da die Célomwand da, wo nicht auch das Darmepithel be- teiligt ist, ausschlieflich die Wand der Blutgefife bildet, deren Lichtung sie ihre Basis zukehrt, so ware zu erwarten, dafi sich speziell an der Wand der Blutgefake die namlichen Etappen wiederholen, wie tiberhaupt ander gesamten Célomwand. Wir hatten dann 1) GefaBe mit einfacher, nicht kontraktiler Célothelwand, die Basal- oder Grenzmembran des Epithels dem Lumen zugekehrt; 2) Gefa8e mit awit aktiler Célothelwand, wobei die Epithelzellen selbst kontraktil sind ; 13* 196 Arnold Lang, 3) Gefabe mit zweischichtiger Colothelwand in folgender Schichtenfolge: a) aufen das Endothel der Leibes- hohle und b) innen die Muskelschicht oder das Muskel- epithel mit der der GefaBlichtung zugekehrten Basalmembran. Bei einseitiger Differenzierung der kontraktilen Substanz ent- wickelte sie sich selbstverstandlich an der der Lichtung der Ge- fiBe zugekehrten Basis der Zellen, d. h. unmittelbar au8erhalb der Basalmembran. Tatsachlich zeigt die Wand der verschiedenen Ge- fafe der Annelida diese drei Hauptformen ihrer histologischen Differenzierung. Vergl. zu dieser These die Figg. 8—17 auf Taf. II. 16. Unsere Hamocéltheorie hat somit fiir ein eigenes und echtes, der GefaS{muscularis innen anliegendes GefaBepithel (Endothel) keinen rechten Platz. Wenn endothelartige Bildungen vorkommen, so handelt es sich um ein meist diskontinuierliches Pseudoepithel, dessen Ursprung noch ganz dunkel ist. Vielleicht stellt es als primares Mesenchym einen Rest des urspriinglichen parenchymatésen Fiillgewebes dar, vielleicht ist es sekundares Mesenchym. ike Die Bildung der kontraktilen Gefafwande ist nur ein spezieller Fall der allgemeinen exotropischen Entfremdung der gesamten Muskelschicht der Gonocélsacke, welche zum srofen Teil durch die in These 10 erwahnten Verwachsungen her- vorgerufen wurde, die den Gonocélsicken den Stempel der sekun- daren Leibeshéhle aufdriickten. 18. Die dubere, parietale Muskelschicht der Célom- sicke wurde, indem die Hautmuskulatur der parenchymatésen Stammform immer mehr zuriicktrat, zur Ké6rpermuskulatur der Anneliden, mindestens zur Langsmuskulatur. (Taf. I, Fig. 3 u. 4; Pale Me ies.) 19. Die innere viscerale Muskelschicht der Célom- sacke wurde, indem sie mit der Epithelwand des Darmes ver- wuchs, wobei vom urspriinglich trennenden Darmsinus das Darm- gefafnetz erhalten blieb, zur Muskulatur des Darmes. (Taf. I, Fig..3 a: 4; Tate, Wigid; Gin 7.) Beitriige zu einer Trophociltheorie. 197 20. Daf’ die Darmmuscularis urspriinglich dem Darmepithel- rohr fremd ist, erhalt eine interessante Illustration durch die viel- fach beobachtete Tatsache, daB ihre Kontraktionswelle bei den mit einem Darmblutsinus ausgestatteten Polychaten anti- peristaltisch verlauft. Sie dient hier nur als propulsatorischer Apparat des vom Darmsinus in das Riickengefaf strémenden Blutes. 21. Die antiperistaltische Bewegung der Muskelwand des Darm- blutsinus (der visceralen Muskelschicht der Gonocdlsicke), die sich in die von hinten nach vorn verlaufende Kontraktionswelle des Riickengefafes fortpflanzt, welches selbst nur eine vordere medio- dorsale Fortsetzung des Blutsinus ist, hatte vielleicht urspriinglich den Sinn, die im resorbierenden hinteren Abschnitt des Darmes gewomnene ernahrende Fliissigkeit auch dem vorderen Kérperteile zu gute kommen zu lassen. Das innere Flimmerkleid des Darmes besorgte allein die analwarts gerichtete Fortbewegung des Darm- inhaltes. 22. Die medio-ventrale Muskelwand der Célomsackpaare erhielt sich bei.gewissen Anneliden partiell als Muskulatur des Bauchmarkes. 23. In den tibrigen Bezirken der Gonocélwinde, welche durch Verkleben mit benachbarten Célomwanden die zweiblattrigen Septen und Mesenterien lieferten, wobei die Lichtungen der Blutgefife ausgespart blieben, reduzierte sich die Muskelschicht betrachtlich mit Ausnahme derjenigen Partien, die sich als innere Muscularis der Célothelwandungen der kontraktilen Blutgefai®e und Herzen erhielten. 24. Der Theorie nach muf das, als wichtiger Rest des Darm- sinus zuriickbleibende, Darmgefafnetz urspriinglich aus einfachen Rinnen zwischen Muscularis und Epithel des Darmes bestanden haben. 25. Der Theorie gemaif mu8 das GefaiBnetz der Gonodukte und Nephridien urspriinglich aus einfachen Rinnen zwischen deren Epithelwand und dem Cdlotheliiberzug bestanden haben. 198 Arnold Lang, 26. Indem sich solche Rinnen, welche das Célothel an seiner iiuferen (basalen) Oberflache durchfurchen, abschniiren, entstehen Célothelréhren, d. h. GefiSe, die ihre Basalmembran (die Intima) der GefaSlichtung zukehren. Solche Réhren kénnen sekundéir vom tibrigen Célothel auf der dem Célom zuge- kehrten Seite iiberwuchert werden. Vergl. zu dieser These die Figg. 12—15 auf Taf. II. 27. Die urspriingliche Form der beiden longitudi- nalen Hauptgefai8stimme (des Riicken- und des BauchgefaSes) ist demnach die von nach der Seite der Epithelwand des Darmrohres offenen Rinnen zwischen den zur Bildung des dorsalen resp. ventralen Mesen- teriums konvergierenden medialen Célomwanden. Das Riickengefa8 und das BauchgefaS sind — ge- wissermaBen pradestinierte — mediodorsale resp. medioventrale Reste des Darmblutsinus. (Taf. Il, Fig. 5, 6, 7, 16.) 28. Da das Darmepithel sich erfahrungsgemaf bei den Célomaten nirgends zu einem Muskelepithel differenziert, ergibt sich fir die Muscularis, welche die longitudinalen Hauptgefifstamme innen auskleidet, von selbst folgendes zwiefache Verhalten: a) Wenn die Gefifstimme noch gegen die Epithelwand des Darmes zu offene Rinnen zwischen den beiden Lamellen der Me- senterien sind, so ist auch ihre Muskelwand nur eine Rinne, nur ein Trog, dessen Oeffnung eventuell vom Darmepithel verschlossen wird. Die Ringmuskulatur bildet in diesem Falle Halbringe, die (wie die Reifen beim Croquet- spiel) ihrer Unterlage, dem Darmepithel, aufgepflanzt sind. b) Erst dann, wenn diese Gefaifstamme sich ganzlich vom Darm emanzipieren, so daf ihr Lumen vollstandig von den beiden Lamellen der Mesenterien umgrenzt wird und sie aus Trégen zu Rohren werden, wird auch die Muscularis zu einer kontinuierlichen, inneren Auskleidung, ihre Ring- muskelfasern zu geschlossenen Ringen. (Taf. II, Fig. 607, 16,174 29. Die paarige Anlage des Riickengefaibes bei ge- wissen Oligochiten ist ein mit dem Auftreten von viel Nah- Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 199 rungsdotter und Eiweif in Zusammenhang stehender sekundirer Bildungsmodus. Zur Zeit, wo bei anderen Anneliden die Célom- blasen tiber dem Darm schon zusammengestofien sind, aber als Liicke gegen den Darm zu das Lumen des Riickengefies (medio- dorsaler Abschnitt des Darmblutsinus) offen gelassen haben, sind bei jenen Oligochaten (z. B. Lumbricus) die Mesodermblasen noch weit von der dorsalen Mittellinie entfernt. Wenn trotzdem zur selben Zeit die Anlage des Riickengefifes als ein Abschnitt des Darmblutsinus auftritt, so kann das nur paarig und am oberen Rande der Splanchnopleura an jenen Bezirken geschchen, welche spiiter tiber dem Darm zusammenwachsend das dorsale Mesenterium liefern. Es flieSen dann die beiden von Splanchnopleura und Darmepithel begrenzten Lumina der Riickengefafanlagen erst se- kundaér zu der einheitlichen Lichtung zusammen. (Taf. LI, Fig. 18—25.) 30. Die pradestinierten Stellen fiir die HauptgefaB- schlingen sind die intersegmentalen Septen. (Taf. I, Fig. 3 u. 4.) ol. Die pridestinierten Stellen fiir die an die K6érperwand ver- laufenden Gefafie sind die Mesenterien, insonderheit ihre Kreuzungs- linien mit den Septen. 32. Frei im Célom verlaufende Gefafie entstehen a) durch Schwund der Septen und Mesenterien, wobei sich nur ihr die GefaiSwandungen bildender Teil erhalt; b) durch Ausbuchtung der GefaSwand, d. h. Einbuchtung der betreffenden Célomwand in die Lichtung des Céloms und selbstindiges Fortwachsen solcher Aus- resp. Ein- stiilpungen. (zu a) Taf. I, Fig. 4.) 33. Nach der Theorie ist das Vorkommen eines Cilien- kleides in einem echten Blutgefaf sozusagen ein Ding der Unméglichkeit, auch dann, wenn eine Muscularis fehlt; denn die cdlotheliale Gefif$wand kehrt dem Lumen des Gefibes morphologisch ihre Basalflache, nicht ihre freie Oberflache, zu. dA, . Periviscerale Hohlraume, die mit einem Cilienkleide ausge- stattet wiiren, stiinden daher im dringenden Verdachte, Abteilungen 200 Arnold Lang, des Céloms oder abgeschniirte Ausstiilpungen des Entoderms oder Einstiilpungen des Ektoderms zu sein. 35. Die von einem echten Endothel ausgekleideten kontraktilen Ampullen und Seitengefafe der Hirudineen gehoéren nicht zum Hamocél, sondern sind Abschnitte des echten Céloms mit duferer Muscularis, die im Dienste der eigenen Kontraktilitaét dieser Organe steht. Die Gnathobdelliden haben iiberhaupt kein echtes BlutgefaéSsystem (Ok a). 36. Zu den endotropischen Bildungen der Célomwand (Lymphdriisen, Phagocytaérorgane, Lymphkoérperchen u. s. w.) ge- sellen sich analoge exotropische hinzu, die sich vielfach in die Lichtung der Gefafe hinein produzieren. Solche exotropische Bildungen, gleichsam Célothel- hernien, sind die Herzkérper, die Klappen und ver- wandte Zellwucherungen; sie entsprechen den endotropischen Phagocytir-, Chloragogen- und Lymphoidorganen der Gonocélwand. (Taf. II, Fig. 26, 27.) 37. Die Hiamocyten sind wahrscheinlich exotropisch sich loslésende Gebilde der célothelialen Gefahwiande, resp. lokalisierter cytogener Stellen (Klappen etc.), ahnlich wie die Lymphocyten endotropische Abkémmlinge der Célomwande sind. Die oft weitgehende Uebereinstimmung zwischen Haimocyten und Lymphocyten beruht auf dem gemein- samen Ursprung aus demselben Mutterboden. Es ist demnach nicht so sehr auffillig, daf{ bei reduziertem Haimocél die Célom- wand auch gefairbte Lymphocyten (Erythrocyten) liefern kann. 38. Zu der Kategorie der exotropischen Bildungen der Célomwand gehért auch das Botryoidalgewebe der Hiru- dineen. Es diirfte mit dem Namen ,retroperitoneales Chloragogen* ziemlich zutretfend charakterisiert sein. 39. Es existieren zur Zeit keine Belege fiir die Annahme, dal die Hiimocyten von primaren mesenchymatiésen Wanderzellen ab- Stammen. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 201 Die Beobachtungsgrundlagen fiir eine Hiimocdéltheorie der Anneliden ‘). 1. Der Darmblutsinus und das Blutgefaifnetz des Darmes. (Thesen 2, 3, 10, 11, 16, 19, 20, 21, 24, 27; p. 193—198, Taf. I, Fig. 2—4; Taf. II, Fig. 5—7.) A, Polychaeta (inkl. Archianneliden und Sternaspiden). Den Blutsinus resp. das BlutgefaSnetz der Anneliden scheint QUATREFAGES im Jahre 1850 zuerst bei den Amphicorinen entdeckt zu haben. Er schreibt: »A la surface de Vintestin, dans toutes les parties du corps, on n’apercoit aucune trace de vaisseaux. Sur le tube digestif, & la face interne de la cavité générale et sur les cloisons inter- annulaires, le péritoine semble s’étre détaché des tissus sous-jacents et n’étre maintenu en place que par des trabécules qu’on a beaucoup de peine a distinguer. C’est dans cette espéce de vaste lacune que le sang est librement épanché. Nach 15 Jahren (1865) kam QuaTREFAGES nochmals auf diese Verhiltnisse zuriick und entwarf folgende Skizze: »DVans les petites especes (de Serpuliens), au contraire, et dans les Fabricies surtout, il m’a paru que les vaisseaux intestinaux étaient remplacés par un ensemble de lacunes tellement rapprochées, que par moments une couche de liquide coloré semblait s’interposer entiérement entre le péritoine et la couche hépatique. Une dispo- sition fort analogue ramenait le sang de Jl’intestin aux parois du corps par l’intermédiaire des cloisons transversales.“ Die ersten ausgedehnteren und zugleich eingehenderen Unter- suchungen iiber den Darmblutsinus der Polychaiten verdankt die Wissenschaft Epuarp CLAPAREDE. In seinen 1873, 2 Jahre pach seinem Tode, veréffentlichten, aber schon 1870 redigierten, erundlegenden ,,Recherches sur la structure des Annélides sé- dentaires“ findet sich folgendes Résumé: ,Aujourd’hui, je puis aller plus loin et déclarer que toute une série de familles d’Annélides sédentaires offrent la particularité davoir l’intestin inclus dans une gaine vasculaire 1) Es sei hier nochmals bemerkt, daf ich mir erlaube, fiir die Theorie wichtige Stellen in den Zitaten durch gesperrten Druck hervorzuheben. 202 Arnold Lang, jouant le réle de vaisseau dorsal. Ces familles sont celles des Serpuliens, des Ammochariens, des Ariciens et des Chéto- ptériens. “ Bei den Sabelliden konnte CLAPAREDE beobachten, dal ,les ondes de contraction du sinus intestinal chassent le sang d’arriére en avant, comme il est facile de s’en assurer sur le vivant“. Die Feststellung dieser antiperistaltischen Kontraktionswelle ist fiir die Theorie (siche These 20) nicht belanglos. Interessant ist auch die Angabe, da8 an den Gefafen des Vorderkérpers, so an den grofen Kiemengefafstammen, die aus dem Darmsinus ent- springen, die Kontraktionswelle alternierend von hinten nach vorn und von vorn nach hinten verlaufen soll. Was die Topographie des Darmblutsinus anbetrifft, so finden sich bei CLAPAREDE folgende Angaben. Bei den Serpuliden liegt er zwischen den beiden Muskel- schichten und ist von zahlreichen, zwischen beiden Schichten ausgespannten, kernfiihrenden und haufig anastomosierenden Faden durchzogen. Diese sind nach CLAPAREDE ziemlich wahrscheinlich muskulés. Doch macht er fiir die Kontraktionen des Sinus die iiuBere Muskelschicht verantwortlich. Beziiglich der Frage, ob der Sinus einfach ein Spaltraum oder von einem Epithelium aus- gekleidet sei, sagt er, da’ bei Spirographis und Myxicola ein eigentliches Epithelium sicherlich nicht existiere. Doch kommen an der Wandung zerstreut in ziemlich regelmafiger An- ordnung Kerne vor, welche vielleicht als Rudimente einer zelligen Auskleidung gedeutet werden kénnten. Bei Protula infundibulum liegt der Sinus zwischen dem Darmepithel und der Ringmuskelschicht. Ein Sinusepithel hat Autor nicht gesehen. Bei Owenia liegt der Sinus zwischen zwei sehr diinnen Ringmuskelschichten und ist von Faden durchsetzt. Es findet sich nichts, was einem Epithel gliche. Bei den Chaitopterinen verhalt sich der Sinus abnlich wie bel Owenia. Bei Aricia, wo man kaum noch von einer Muskelwand des Darmes sprechen kann, scheint der Sinus direkt das Darmepithel zu bespiilen und nach aufen blof vom Peritonealepithel begrenzt zu sein. Wie man sieht, stehen diese Beobachtungen teils im Wider- spruch, teils im Einklang mit der Theorie, nach welcher der a OE Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 203 Darmblutsinus zwischen Muscularis und Darmepithel liegen sollte (These 3, 10). Sehr wichtig sind fiir die Theorie die von HarscHek 1881 tiber das Blutgefa%system von Protodrilus Leuckarti, einer neuen Gattung der Archianneliden, angestellten Beobachtungen: » Wenn wir uns fragen, woher das Blut in das Riickengefaf strémt, so kommen wir zu dem merkwiirdigen Ergebnisse, daf es unregelmahige Lakunen zwischen Darmfaserblatt und Darmepithel sind, welche das dorsale GefaS mit Blutfiissigkeit versorgen. Bei eingehender Untersuchung findet man, daf das Darmdriisenblatt mit dem Darmfaserblatt nicht fest verwachsen ist, ja sogar durch Druck des Deckglaschens innerhalb desselben zur Verschiebung gebracht werden kann. Man kann ferner beobachten, da8 regelmafige und kontinuierliche, von hinten nach vorn verlaufende, also antiperistaltische Kontrak- tionen des Darmfaserblattes stattfinden. Diese Kon- traktionen kénnen wahrscheinlich die vom Flimmerepithel des Darmes bewegte Nahrung nur wenig beeinflussen, sie werden aber die zwischen Darmfaserblatt und Darmdriisenblatt befindliche Fliissigkeit, die Chylus- Blutfliissigkeit, nach vorn in das dorsale Gefaif, dessen Lumen eine Fortsetzung des Darmfaserblatt-Hohl- raumes ist, treiben.“ Die Lage der Darmlakunen resp. des Darmblutsinus zwischen Darmdriisenblatt und Darmfaserblatt steht mit These 3 und 19 in volligem Einklang. 1882 beschreibt KEpuarpD Meyer im Mitteldarm von Po- lyophthalmus pictus yen feines Netz von Kapillargefafen, welche den- selben seiner ganzen Ausdehnung nach umgeben und sowohl vorn als hinten sich zu grofen Sinussen vereinigen; lings der Bauchseite des Mitteldarmes verlauft ferner ein starker Gefiifstamm (Vas sub- intestinale), der mit den Darmkapillaren kommuniziert und gleich diesen in die Darmwand eingebettet ist.“ Diese Kapillaren sind aufen begrenzt von der mit flachen Kernen und sparlichen Ring- und Langs- muskelfasern versehenen Membran, welche den Darm gegen das Célom auskleidet und innen vom Darmepithel. Die GefaBe sollen eigene membranése Wandungen besitzen. Kerne werden nicht erwahnt und nicht abgebildet. Auf den Abbildungen erscheint die membranése Wandung einfach als Grenz- resp. Basalmembran. Aus dem vorderen Darmsinus nimmt das Herz seinen Ursprung. . Nach Vespovsky (1882) liegt das Darmgefa8netz bei Sternaspis (einer Wurmform, die meist mit den Kchiuriden 204 Arnold Lang, und Sipunculiden zu der besonderen Tiergruppe der Gephyrea vereinigt wird) zwischen Darmepithel und sehr schwach entwickelter Muscularis, auf welche letztere gegen die Leibeshéhle zu das niedrige, dunkelbraun pigmentierte Peritoneal- epithel folgt. Ueber das Darmgefafnetz, resp. den Darmblutsinus von Sternaspis macht RrerscnH im namlichen Jahre folgende Angaben. Im Pharynx liegt es zwischen der Schicht der Ring- muskelfasern, welche den Falten des bewimperten Darmepithels folgt, und der von dem Peritonealepithel tiberzogenen Schicht der Langsmuskelfasern, die sich nicht an der Faltenbildung be- teiligt. Die Wand des Oesophagus besteht von innen nach auBen aus dem wimpernden Darmepithel, einer bindegewebigen Schicht mit sehr seltenen Langs- und Ringmuskel- fasern und dem Peritonealepithel. Zwischen dem letzteren und dem Bindegewebe findet sich ,,un réseau de sinus sanguins extrémement riches et formant dans certaines ré- gions une gaine sanguine presque continue autour de Voesophage“. Am Magen findet sich wiederum ein reiches Blutgefifnetz, das iiberall mit dem Riickengefif kommuniziert und sich um die wimpernde, ventrale Darmrinne zu einem longitudinalen Sinus erweitert. Auch auf den tibrigen Teil des Darmes setzt sich das Gefafnetz fort. Die von RierscH angegebene Lage des Darmblutsinus, resp. Darmgefiifnetzes auferhalb der, resp. mitten in der Muscularis stimmt selbstverstaindlich nicht mit der Theorie. STEEN beobachtete 1883 die Faltenbildung an dem auf den Muskelmagen folgenden Darmabschnitt — er nennt ihn Enddarm — von Terebellides Stroemii und erkennt ihre Beziehungen zur Vaskularisierung der Darmwand. Er konstatiert auch, daf die gréfkte, naimlich die mediodorsale Einfaltung das RiickengefaiB auf- nimmt, das erst weiter vorn, beim Uebergang des Muskelmagens in die Speiseréhre sich vom Darme ganz frei macht. Auch STEEN beobachtete die antiperistaltische Bewegung am hinteren Teil des Enddarmes. Dem Referat des Zoolog. Jahresberichtes iiber die mir im Original nicht zugingliche Arbeit von Haswent (1884) iiber Serpulaceen entnehme ich, da’ bei Eupomatus elegans Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 205 der Darm in einem Blutsinus liegt, der sich vorn in der Oeso- phagealgegend in einen kurzen dorsalen oder Cardialsinus fortsetzt. Das Blut flie8t im Darmsinus nach vorn, im Bauchgefal nach hinten. Auch bei Pomatoceros hat Hasweti den Darm- -blutsinus und seine vordere Fortsetzung in einen dorsalen Cardial- sinus beobachtet. Im Jahre 1885 machte R. Horsr bei Anlaf der Unter- suchung des _ ,,ratselhaften Organes“, d. h. des Herzkérpers, der Chloraimiden wichtige Angaben tiber den Darmsinus. Er fand bei dem Studium von Querschnitten: ,daf bei den Chloramiden, gleich wie bei den Serpuliden, Ammochariden u.a. rings um den Magen ein Blutsinus zwischen der Muskelschicht und der Epithelschicht existiert, da die Muskelwand des Gefifes einfach eine Fortsetzung der Muskelschicht des Magens ist und dak das betreffende Organ einem wahren Riickengefaf entspricht, wo- durch das Blut von dem Darmkanal nach den Kiemen gefiihrt wird. Spatere Untersuchungen lehrten“ ihn, ,,daf dieser Blutsinus sich nicht blof in der Magenwand befindet, sondern sich beinahe iiber die ganze Linge des Darmkanals erstreckt.“ Fir unsere Frage wichtige Untersuchungen verdffentlichte 1885 und sodann 1887 auch AxEeL WrreENn. In der zweiten, deutsch geschriebenen Abhandlung, auf die ich mich beziehe, sind auch die Resultate der. ersten resumiert. Nach Wrireén kénnen bei den Ampharetidae, Terebel-. lidae, Amphictenidae, Telethusae, Scalibregmidae, Opheliidae und Chloraemidae die Verhaltnisse des Blutgefafsystems von einem gemeinsamen Grundtypus abgeleitet werden : »Bei allen bestehen die Zirkulationsorgane aus zwei longitu- dinalen Blutbahnen, welche durch Querschlingen in jedem Segmente verbunden sind. Die untere dieser Bahnen ist das einfache Bauch- gefah, in welchem das Blut nach hinten flieft, die obere (Blut- bahn), in welcher das Blut nach vorn getrieben wird, ist in dem hinteren und gréferen Teile des Koérpers einfach und besteht aus der Lakune der Darmwandung, im vorderen Teile des Koérpers ist sie dagegen doppelt und besteht aus dem Herzen und der Lakune des Vorderdarms.“ »Modifikationen der Hauptbahnen werden besonders dadurch hervorgerufen, daf von der Lakune des Darmes einzelne Teile mehr oder weniger vollstandig abgeschnirt werden kénnen und sogar selbstindige Gefa8e bilden, wie bei Trophonia, und auch dadurch, daf die Lakune des 206 Arnold Lang, Vorderdarmes teilweise oder ganz von geschlossenen Gefafen er- setzt sein kann, wie bei den Terebelliden und Arenicola.“ Gegen Cosmovicr und Mau bestatigt WrrEn die CLAPAREDE- schen Angaben itiber das Vorkommen des Darmblutsinus bei den sedentiren Anneliden. - WrrEN beschreibt eine Anzahl interessanter Details tiber die Darmlakune, aus denen ich spater einige herausgreifen werde. Fiir mich ist hier vom allerersten Interesse, daf nach WirEN der Darmblutsinus tiberall zwischen der aus einer inneren Langsfaser- und einer iufSeren Ringfaserschicht be- stehenden Muskelwand einerseits und der Epithel- wand des Darmes andererseits liegt. Das Blut des Sinus badet direkt die tiberall scharf ausgeprigte Basalmembran dieses Epithels, das vielfach in Falten gelegt ist. Sparliches Binde- gewebe, das sich in der Muskelschicht findet, kann sich gelegentlich in, die grofe Lakune durchsetzende, Fasern fortsetzen. Mehrere schéne Abbildungen zeigen deutlich, wie sich der Blutsinus immer zwischen Muscularis und Darmepithel befindet. Folgende Stelle darf ich bei dieser Gelegenheit nicht ver- gessen zu zitieren: ,Die fast immer stattfindenden peristaltischen Be- wegungen der Ringmuskulatur schreiten bekanntlich von hinten nach yvyorn fort. Sie haben also eine andere Aufgabe als die, Nihrstoffe zu bewegen‘“, und stehen (gegen Enters) auch nicht im Dienste der Darm- respiration. »Der hauptsachliche und wahrscheinlich der einzige Zweck der peristaltischen Bewegungen ist, wenigstens bei denjenigen Anneliden, welche in der Darmwandung eine grofe, mit Blut ausgefillte Lakune besitzen — und dies scheint wenigstens bei allen sedentiren der Fall zu sein — das Blut der Darmwandung vorwirts zu treiben,“ Die epitheliale Darmwand selbst ist nicht kontraktil. 1887 beschreibt JourpDAN das Blutlakunennetz in der Darm- wand von Siphonostoma diplochaetos, das sich an ein- zelnen Stellen, besonders an dem dem Enddarm vorangehenden Abschnitt, den JourpAN Duodenum nennt, zu einem formlichen Blutsinus erweitert. Diese Gefifschicht liegt zwischen der Basalmembran des Darmepithels innen und der die Innenseite des Peritonealepithels auskleidenden bindegewebigen Lamelle, in der feine Muskelfasern nach verschiedenen Richtungen verlaufen, aufen. Im Jahre 1887 entdeckte Ers1@ auch bei einer Capitelliden- Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 207 gattung, nimlich Mastobranchus, einen Darmsinus. Er erstreckt sich auf die hinteren Partien der Mitte des Abdomens und »kommt durch eine scharfe Trennung der Muscularis zu stande derart, dai die eine Wand aus dem Peritoneum und der Darmring- muskulatur und die andere Wand aus der Lingsmuskulatur nebst der Darmschleimhaut gebildet wird.“ Die Bedeutung dieser Entdeckung konnte einem so gewiegten Annelidenkenner, wie Ersia, unméglich entgehen. Er fate denn auch in der Tat den Darmsinus als das Rudiment eines Blut- gefaBsystems auf und hielt den Mangel der Blutgefafe, den die Capitelliden mit nur wenigen anderen Anneliden, namlich den Glyceriden und gewissen Terebelliden (Polycirriden), teilen, fiir eine sekundaire Erscheinung. Der Befund, da8 der Sinus bei Mastobranchus zwischen der Lings- und Ringfaserschicht der Muscularis liegt — ein Irr- tum ist bei einem so sorefaltigen Forscher wie E1sta ausgeschlossen, man braucht auch blof die Abbildungen, besonders Fig. 11 auf Tafel 26, zu betrachten — spricht gegen meine Theorie. Ich halte es fiir miflich, der Theorie zulieb die Annahme zu machen, daf es sich bei Mastobranchus bei der dem Darm- epithel angeschmiegten Langsmuskelschicht um eine dem primaren Mesenchym angehérige Muskellage handle, die der Gonocélwand urspriinglich fremd war. Nein, ich hege die Hoffnung, daf es sich hier um eine Annahme handelt, welche die Regel bestatigt. Ich elaube in der Tat, daS der Spaltraum bei Mastobranchus gar kein wahrer Darmblutsinus ist, sondern eine Bildung sui generis, eine Spalte, vielleicht entstanden durch den Antagonismus von Langs- und Ringfaserschicht. Die Frage ware rasch entschieden, wenn wenigstens noch ein Rest eines RiickengefaBes vorhanden ware, indem dieses dann aus dem Darmblutsinus, wenn er wirklich ein solcher ist, entspringen miiSte. Aber es fehlt ein solches GefaS auch bei Mastobranchus. Fiir die Frage resp. ihre Entscheidung in meinem Sinne, ist gewif nicht unwichtig, was E1sic selbst iiber den Inhalt jenes Spaltraumes sagt: ,lm Hinblick darauf, dai in vielen mit Blutgefalen aus- geriisteten Anneliden ein blutfiihrender Darmsinus vorhanden zu sein pflegt, ist es nicht unwichtig zu konstatieren, da der Darm- sinusinhalt dieser Capitellidengattung, sei er gefarbt oder ungefarbt, nicht aus Blut besteht; der Blutfarbstoff ist niimlich bei allen Capitelliden ausschlieSlich an die so charakteristischen, in ihrem Vorkommen auf die Célomraume beschrankten Blutscheiben ge- bunden.“ 208 Arnold Lang, In seinen Studien tiber den Koérperbau der Anneliden (1887 bis 1888) beschreibt Ep. Meyer den Darmsinus der Cirratu- liden, speziell den von Chaetozone setosa, der von den friiheren Forschern, auch von CLAPAREDE, vollstindig tibersehen worden war. Leider gibt Ep. MEYER weder bei Chaetozone, noch spater, wenn er den Darmsinus der Serpulaceen und Hermellen beschreibt, eine genaue Auskunft itiber seine Lage in der Darmwand. Auch die Abbildungen sind nicht detailliert venug. Doch scheint mir aus seiner Darstellung hervorzugehen, daf die Darmmuskulatur (ob die ganze?) den Sinus aufen um- gibt. Zu der Peritonealwand tritt nach ihm an den selbstandig pulsierenden Blutgefifen, dem RiickengefaS8, dem Darm- sinus etc. noch eine innere muskulése Auskleidung, vorwiegend aus Zirkelfasern bestehend, hinzu. Daf hier unter innerer muskuléser Auskleidung des Darmsinus nicht eine dem Darm anliegende gemeint ist, erscheint selbstverstandlich, es handelt sich um eine mit Bezug auf das Lumen des Riickengefafes innere, die dann da, wo letzteres sich zum Darmsinus erweitert, fortfahrt, die innere Schicht der auferen, peritonealen Wandung des letzteren zu bilden. In der 1890 erschienenen Abhandlung von FLORENCE Bu- CHANAN iiber Hekaterobranchus (ein Spionide) findet sich folgende, uns hier interessierende Bemerkung. Das Bauchgefal »passes in the anal segment into a sinus surrounding the intestine and lying just outside the epithelium, probably between it and the circularmuscular layer; or it may be that the sinus lying between the intestinal and the coelomic epithelium of the alimentary canal has some contractile power of its own, as it has in other sedentary annelids, e. g. S piro- graphis, where, however, muscular fibres are present as well.“ 1894 entdeckte ScHipp: den Darmsinus von Ophelia. Zusammenfassend sagt dieser Autor, dal »ydas Blutgefa8Bsystem von Ophelia im abdominalen Korperabschnitte reprasentiert wird durch einen dem Riickengefafe homologen Darmsinus und ein Bauchgefah, im thorakalen Kérper- abschnitt aber durch ein Riickengefaf und einen dem Bauchgefaf homologen Darmsinus.“ In der Abdominalregion stiilpt der voluminése Blutsinus ven- tralwarts die Darmwand in weitem Umfange dermafen ein, daf das Darmlumen auf dem Querschnitte eine hufeisenformige Figur reprasentiert. Ueber die Lage des Sinus in der Darmwand teilt ScHAppi folgendes mit. Wahrend ihn CLaPArREDE im allgemeinen Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 209 zwischen die beiden Muskelblitter des Darmes eingeschaltet sein laBt, so findet er (ScHApp!): ,»2Zwar eine der auferen Sinuswand eingelagerte Schicht von zirkularen Muskelfasern, indessen ist es ihm nie gelungen, eine dem Darmepithel anfsitzende Langs- oder Ringmuskulatur zu beobachten.‘ Im Sinus, da, wo er seicht und die in ihm liegende Epithel- wand des Darmes gefaltet ist, d. h. im Thorakal- und im Beginne des Abdominalsinus, findet er ein ziemlich zusammenhingendes Netzwerk von Zellen, das ihn an das von CLAPAREDE im Sinus der Serpuliden gefundene Bindegewebe erinnert. . Ich will hier auch die Arbeit von BennaAm iiber das Blut von Magelona (1896—1897) erwahnen, in welcher von der riesigen Erweiterung des Bauchgefifes im Thorax dieser Form die Rede ist, die so weit geht, daf das Célom fast ganz verdrangt und eingeengt wird. Dieser Befund spielt eine Hauptrolle in Lan- KESTERS Theorie der Ableitung des Arthropodenherzens. Die Ab- bildung, ein Querschnitt in der Gegend des Thorax, zeigt, daf das machtig erweiterte Bauchgefaf den ganzen Darm einschlieft, iiber dem Darm aber nur eng ist. Das legt doch gewi8 die Annahme sehr nahe, daf es sich hier nicht nur um das Bauchgefaif, sondern um einen grofen Blutsinus inklusive Bauchgefa8 handelt. Ueber die Struktur der Wandung erfahren wir nichts Naheres; in der Abbildung ist letztere sowohl nach au8en, als gegen den Darm zu durch eine einfache Begrenzungslinie dargestellt, in der in grofen Abstanden Kerne durch schwarze Punkte angedeutet sind. In seiner Arbeit tber die Ampharetinen beschreibt PIERRE FauveL (1897) die Schichtenfolge in der den Blutsinus enthaltenden Wand des Magens. Diese Wand besteht im wesent- lichen aus 2 Schichten: 1) einem Driisenepithel und 2) einer Ringmuskelschicht. Die letztere ist auBen vom Endothel tiberzogen. Der Blutsinus trennt die beiden Schichten, die miteinander nur durch ,,de rares et minces tractus conjonctifs“ verbunden sind. In der ,,région intestinale“ kommt zu der Schicht von Ringmuskelfasern noch eine solche von Langsfasern hinzu, die mit den ersteren ein ziemlich weitmaschiges Netzwerk bilden. Auch Fauvet konstatiert, da8 im Blutsinus ,le sang, chassé en avant par les contractions péristaltiques du tube digestif, progresse par ondées“. WILLeEm bestatigt (1899) beziiglich des Darmblutsinus von Arenicola lediglich die Darstellung von Wire&n. Das Fett, das Bd, XXXVIII. N. F. XXXI, 14 210 Arnold Lang, in den Chloragogenzellen vorkommt, welche die blind geschlossenen Anhange der BlutgefiSe bekleiden, stammt nach WILLEM aus dem Darmblutsinus. Nur durch diesen Darmblutsinus gelangt itiber- haupt die im Darme verdaute Nahrung in den allgemeinen Kreislauf. GAMBLE und ASHWORTH vertreten (1900) fiir die Areni- colidae die Ansicht, dai der Darmsinus erst sekundar zu stande komme, indem anfangs nur ein Gefa8- plexus vorhanden sei, der sich dann sukzessive erweitere. ,,Presumably during this sinus formation the endo- thelial linings of the previously distinct capillaries unite and fuse.“ Keine naheren histologischen Détails. 1901 bespricht ASHworTH den Darmblutsinus von Scalibregma, ohne iiber die histologische Natur der ihn aufen und innen begrenzenden Gewebe Naheres mitzuteilen. B. Oligochaeta. In seiner Abhandlung tiber Phreoryctes Menkeanus gibt Leypic (1865) eine Beschreibung und Abbildungen des Darm- gefafnetzes. Die Lage in der Darmwand wird durch folgende Schichtenfolge charakterisiert: 1) Darmepithel, 2) Tunica propria mit Blutgefafnetz, 3) Ringmuskelschicht, 4) Langsmuskelschicht, 5) Leberzellen- (= Chlora- gogenzellen-)schicht. Ueber die GefaiSschicht des Darmes von Lumbricus sagt CLAPAREDE (1869), daf sie unmittelbar aufdas Darm- epithel folgt. Er halt auch die Ansicht von Lreypie fiir durch- aus richtig, daf bei allen gefaffiihrenden Anneliden die Gefab- schicht des Darmes dieselbe Lage zwischen Epithel und Muscularis einnimmt. Zum ersten Male entdeckte 1879 VeEspOovsky bei den Oligo- chaten einen typischen Darmblutsinus, und zwar bei den Enchytraiden. Nach Vespovsky liegt dieser Sinus zwischen den beiden Muskelschichten des Darmes. Auf das Darmepithel folgt nach ihm ,»eine sehr diinne Schicht von Langsmuskeln, die an manchen Schnitten kaum zum Vorschein kommt.‘ Verf. verweist dabei auf Fig. 5, Taf. XI. Aber auf dieser Figur ist von einer solchen Schicht auch nicht die Spur zu sehen! Eine dem Darmepithel anliegende Lingsmuskelschicht ist iberhaupt auf keiner einzigen Abbildung dargestellt. Dann fahrt Verf. fort: Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 211 yin den vorderen Segmenten folgt dieser Muskelschicht der Speiserdhre — und bei manchen Arten, wo sich der Blutsinus nur auf die mittleren und hinteren Segmente beschrankt —- wenigstens des Magendarmes vor den Giirtelsegmenten, direkt das aufere Epithel mit Pigmentdriisen. In den Segmenten, vor welchen das Riicken- gefai seinen Anfang nimmt, ergiel’t sich zwischen der Langs- und Quermuskelschicht des Magendarmes ein michtiger Blutsinus, welcher das eigentliche Riickengefia! der hinteren Kérpersegmente darstellt.“ Ich bin genétigt, auch hierzu eine Bemerkung zu machen. Auf der vorher zitierten Fig. 5, Taf. XI, Querschnitt durch den Darm aus der hinteren K6rperregion von Enchytraeus lepto- dera Vesp., ist der dargestellte Schichtenaufbau von innen nach auBen folgender: 1) bewimpertes Darmepithel, 2) Blut- sinus, 3) Ringmuskulatur, 4) Célothel. Dieselbe Schichten- folge zeigen andere Abbildungen. Fig. 6, Taf. V hingegen, auf welche ebenfalls verwiesen wird, zeigt (Segment XVIII und XIX) folgende Schichtenfolge: 1) bewimpertes Darmepithel, 2) Ringmuskulatur, 3) Blutsinus, 4) Lingsmuskel- lage(??), 5) Célothel (Chloragogenzellenschicht). Diese Figur bezieht sich auf Enchytraeus humicultor VeEusp. Es existiert also ein Widerspruch einerseits zwischen ver- schiedenen Abbildungen und andererseits zwischen den Abbildungen und dem Text. So sehr es mir nun widerstrebt, Zweifel an der korrekten Darstellung eines so gewiegten Beobachters zu aufern, so bin ich in diesem Falle doch dazu genétigt, um so mehr, als VEJDOVSKY spater (1884) eine andere Schichtenfolge als fiir alle Oligochaten giiltig erklart, und zwar eine solche, die mit der Theorie auf das beste stimmt. VEJDOVSKY beschreibt auch die antiperistaltischen Be- wegungen der Darm- (und zugleich Blutsinus-) muskulatur im Bereiche des Blutsinus, welche Bewegungen sich vorn, wo das Riickengefif aus dem Sinus entspringt, auf dieses fortpflanzen. 1883 stellt Timm das Darmgefafnetz von Phreoryctes Menkeanus dar. Ks ,,bildet ein Netz von Anastomosen, in deren Einschniirungen die Langs- und tiber diesen (d. h. sie um- schliefend) die Ringmuskelfasern liegen“. Beide Lagen sind aufer- ordentlich fein. Es liegt das GefaéSnetz ,zwischen Darmepithel und Muskulatur“ und ist eigentlich nichts weiter als ein von zwei bindegewebigen Membranen begrenzter Sinus. Auch bei Nais findet Timm das namliche DarmgefaSnetz. In seiner Monographie der Oligochaten (1884) gibt Vey- 14* 212 Arnold Lang, povsky folgende Uebersicht tiber die Lage des Darmsinus oder des diesem homologen Gefa8netzes in der Magendarmwand. Es »wiederholt sich bei allen Oligochaten eine und dieselbe Schichtenfolge, naimlich 1) dasinnere Wimperepithel, 2) die GefaSschicht, 3) die Quer- und Langsmuskelschicht und 4) das zu Chloragogendriisen modifizierte Peritonealepithel.“ Speziell tiber die Gefafischicht sagt Vespovsky, nachdem er konstatiert hat, da& schon Leypia und CLAPAREDE sie in der oben angegebenen Lage aufgefunden, folgendes: »in den meisten Fallen sind es zierlich und fiir manche Familien sehr charakteristisch verteilte Darmgefafe, die sich zu wiederholten Malen verasteln kénnen und dadurch ein Darmgefab- netz hervorrufen. Nur bei den Enchytraiden und einigen Naidomorphen lést sich das Riickengefaf in den Darmwandungen zu einem Blutsinus auf.“ In seiner Dissertation (1886) bestiatigt MICHAELSEN die Vrespovskysche Entdeckung des Darmblutsinus bei den Enchy- triiden. Dieser entsteht durch ein Auseinanderweichen des Darmepithels und der Darmmuskelschichten und wird, wie es scheint, von einem zarten, wasserhellen Hautchen aus- gekleidet. Er besteht aus vielen, hart nebeneinander verlaufenden Kanalen, die jedoch alle miteinander in Kommunikation stehen. Die Schichtenfolge ist von innen nach aufen: 1) bewimpertes Darmepithel, 2) Blutsinus, 3) Ringmuskellage, 4) Langsmuskellage, 5) Chloragogen-Célothel. Die Abbildung Fig. 6, Taf. II, ist sehr instruktiv. Verf. macht auf die starke Faltenbildung des Darmepithels in einem gewissen Be- reiche des Blutsinus aufmerksam, der sich iiberall bis in den Grund der Einfaltungen fortsetzt; er bespricht ein besonderes, im Darm- epithel gelagertes und mit dem Darmlumen kommunizierendes ChylusgefaBsystem und resumiert die funktionelle Bedeutung des ganzen Darmabschnittes in folgender Weise: »Die wellenformig von hinten nach vorne fort- schreitenden Kontraktionen treiben die aus den Nahrungs- stoffen bereitete Niahrfliissigkeit aus den hinteren Darmpartien nach vorne, waihrend die festen, unverdaulichen Stoffe durch die Flimmer- bewegung der Darmepithelwimpern nach hinten geschoben und schlieb- lich durch den After aus dem Darm entfernt werden. Die Nahrungs- fliissigkeit tritt dann in die Chylusgefafe ein und diffundiert von ihnen in die Darmblutsinuskanile iiber.“ In einer besonderen Abhandlung tiber Chylusgefilsysteme bei Enchytraiden beschreibt MicHAELSEN (1886) die Lage des Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 213 Darmblutsinus, der tibrigens nach ihm eher ein dichtes Netz von Blutkanalen mit zartem, strukturlosem Hiutchen als Wand ist. , Untersucht man an Quer- und Langsschnitten den Magendarm eines Enchytraiden, so findet man konstant folgende Schichten- folge: zu innerst ein Flimmerepithel, von dortnachauSen zu Ringmuskelschicht, Laingsmuskelschicht und Peritoneum mit Chloragogenzellen. Zwischen Epithel und Ringmuskelschicht erkennt man dann noch einen Blutsinus (ebenso wie bei den Chlorimiden, Serpuliden, Ammo- chariden und anderen Anneliden).“ In vollstandiger Uebereinstimmung mit Leypic, CLAPAREDE und VEJpovsKy steht die Beschreibung, die Vocr und Yune (1888) vom Darmgefafnetz des Regenwurmes (Lumbricus agricola Horr.) geben: L’épithélium intestinal est Recouvert yextérieurement par la couche vasculaire (Gefab- schicht de Lrypic), constituée par de nombreux vaisseaux annulaires qui courent serrés les uns contre les autres dans une direction exactement parallele, et sont réunis entre eux par des ramuscules plus fins. Hn dehors de cette couche se trouve celle des muscles circulaires, dont l’épaisseur varie selon les points que lon examine et a laquelle fait suite la couche toujours plus mince des muscles longitudinaux.“ In der beigegebenen, sehr deutlichen Abbildung sieht man die Darmgefafe als Rinnen in der Ringmuskelschicht, deren Lichtung nach innen direkt von der basalen Grenzlinie des Darmepithels begrenzt ist. 1888 findet W. Voiar einen typischen Darmsinus zwischen Muskelschicht und Epithel des ganzen Darmes von Branchiobdella varians. ,.In der dorsalen sowie in der ventralen Mittellinie des Darmes er- weitert sich dieser im tibrigen enge Sinus zu einem deutlichen Gefa8stamm.“ Der ventrale verliert sich vorn allmahlich, der dorsale aber durchbricht am Hinterende des 4. Segmentes die Muskelschicht und die Chloragogenzellenlage, um nun als pulsierendes Gefaf bis zum Anfang des 2. Segmentes frei iber dem Darm nach vorn zu verlaufen. Die Schichtenfolge in der Darmwand ist folgende: 1) wim- perndes Darmepithel; 2) kernhaltige Basalmembran, zugleich innere Wand des Blutsinus; 3) Blutsinus, nicht ,,zier- liches DarmgefaBnetz‘ (gegen Veypovsky); 4) iuhere Membran = der inneren, mit ihr durch einzelne sparlich verteilte Binde- gewebsfasern verbunden; 5) Ring- und Liaingsmuskeln (es 214 Arnold Lang, wird nicht angegeben, in welcher Reihenfolge); 6) peritoneale Chloragogenzellenschicht. Im Jahre 1893 beschaftigte sich RicHarp HESSE in seinen nach manchen Richtungen sehr wertvollen ,,Beitragen zur Kenntnis des Baues der Enchytraiden“ auch mit dem Darmblut- sinus und der Darmmuskulatur. Er sagt von dem ersteren: »Derselbe ist in einzelne lings verlaufende Kanile abgeteilt, die miteinander kommunizieren. MrcHArLsen sagt, daf der Blutsinus durch ein Auseinanderweichen der Epithelschicht und der Muskel- schicht des Darmes entstehe. Doch fand ich, daf es Zellen sind, welche die Trennung in Kanale bewirken und den Sinus aus- kleiden. “ Diese Beobachtung hat Hesse zuerst an Stylaria lacustris gemacht, wo er feststellen konnte, dafi die Kerne (der wirklichen oder vermeintlichen Wand- oder Endothelzellen), »welche mit Boraxkarmin sich dunkelrot firben, sich durch diese intensive Farbung, sowie durch ihre Kleinheit von den Kernen des Darmepithels unterscheiden.“ Bei Friedericia Ratzelii (Enchytraide) sah Hesse Aehn- liches. Ich mu& gestehen, daf ich mich bei sorgfaltiger Betrachtung der Abbildungen mit dem besten Willen nicht davon habe iiber- zeugen kénnen, daf die fraglichen Kerne, resp. die dazugehérigen Zellen einem Endothel der Darmsinuskanale angehoren. Auf Fig. 32, Langsschnitt durch ein Darmblutgefif von Friedericia, sieht man allerdings von innen nach aufen: 1) bewimpertes Darmepithel, 2) Gefaibendothel, 3) Darmsinus- kapillaren, 4) Darmlangsmuskulatur, 5) Chloragogen- Célothel. Allein ich mu die Frage aufwerfen: ist es wahrschein- lich, daB die Kanale des Blutsinus wirklich nur auf der dem Darmepithel zugekehrten Seite mit einem Endothel ausgekleidet sind oder handelt es sich hier vielleicht um die vielfach be- schriebene Schicht von Ersatzzellen des Darmepithels ? Von der sehr schwach ausgebildeten Darmmuskulatur hat Hesse nur die locker zu einer einzigen Lage angeordneten Langs - muskelfasern gesehen. Die Figuren zeigen dieselben auf das deutlichste auf der AuBenseite des Darmblutsinus, resp. des ihn reprasentierenden Kapillarennetzes. Im selben Jahre fand W. B. BENHAM einen typischen Blut- sinus bei mehreren h6heren Oligochaten. Er bemerkt zu- nichst, dai auf Abbildungen von Veypovsky und Bepparp bei Allolobophora cyanea, Dendrobaena rubida, Crio- drilus, Libyodrilus ein Blutsinus dargestellt ist, wihrend im Beitriige zu einer Trophocéltheorie. 215 Text nur von einem Blutgefaéfnetz die Rede sei. Dann teilt er mit, dafi er selbst den Darmsinus bei Sparganophilus, Criodrilus und Allurus habe nachweisen kénnen. In Fig. 18, Taf. XX, gibt Bennam eine detaillierte Abbildung eines Schnitt- stiickes durch die Darmwand von Sparganophilus, wo die Schichtenfolge deutlich zu erkennen ist; von innen nach aufen: 1) Darmepithel, 2) Darmblutsinus, 3) Ringmuskellage, 4) Liangsmuskellage. Das Peritonealepithel ist nicht dar- gestellt. Theoretisch von grofem Interesse ist die Zusammenstellung iiber das periphere (Kapillar-)Gefafsystem der Oligochiten, die sich in Bepparps Monographie (1895) findet. BrpparD unterscheidet das Kérper- und das Darmkapillarsystem und begriindet diese scheinbar kiinstliche Unterscheidung damit, da’ bei den niedersten Oligochaten, den Aphaneura, Enchy- traeidae und Naidomorpha tiberhaupt nur das Darm- gefiBnetz vorkommt. Die folgende Darstellung scheint mir sehr stark durch die vorgefafte Meinung beeinfluft, dal ein Blut- sinus in Wirklichkeit nicht existiere, daf vielmehr wohl tiberall ein DarmgefaBnetz vorhanden sei. Die Unparteilichkeit erfordert, da8 ich die Hauptsatze zitiere: In the Aphaneura and the Enchytraeidae »the dorsal vessel loses itself in this plexus; it seems a little doubtful whether in the adults of any of these worms there really exists, as has been described, a blood-holding space surrounding the gut; when the capillaries are gorged whith blood, there would naturally be a tendency te the obliteration of the boundaries of meshes of the network which would of course produce the impression of a continuous sinus.“ Sodann bezweifelt BEpDARD auch, man weif nicht weshalb, die Richtigkeit der verschiedenen Angaben von MICHAELSEN und VespOvsky iiber den Darmblutsinus der Enchytraiden. Wie sich nun auch die niedersten Oligochaten verhalten mégen, sicher sei so viel, daf bei den Naidomorphen und allen héheren Formen »there is not a plexus (soll wohl heifen ,,sinus“) but a network of capillaries in the intestinal walls‘. Die Angabe von BENHAM, daf bei der Lumbricidenform Sparganophilus ein Sinus vor- komme, wird von Bepparp mit den Worten bezweifelt: ,,1 confess to being unwilling to accept this statement.* Nuspaum bestatigte 1895 die Existenz des Darmblutsinus der Enchytraiden. Gegeniiber MicHagLsen (1888), der an- 216 Arnold Lang, gegeben hatte, dal er eine einfache Spalte zwischen Darmepithel und Darmmuskulatur sei, konnte er die Angabe von Hesse (1894) bestitigen, ,,dafi namlich dieser Sinus mindestens in vielen Fallen keine einfache Spalte ist, sondern daf er ein eigenes sehr deutliches Endothel besitzt, das er besonders deutlich bei -Friedericia Ratzelii E1sen sah. ,Dagegen bei den kleineren Arten, z. B. bei Friedericia oligosetosa n. sp. und anderen, war es schwieriger, die Endothel- zellenlage zu konstatieren, und in einigen Fallen war es kaum még- lich, dieselbe zu sehen. Ich meine deshalb, daf bei den kleineren Enchytriiden-Arten die Endothellage im Blutsinus einer teilweisen Reduktion unterliegen kann; besonders schwierig ist es in solchen Fallen, das Vorhandensein einer auferen (der Muskelschicht an- liegenden) Endothellage zu konstatieren, waibhrend die innere, ob- wohl mit der Epithelschicht des Darmkanals sehr innig verbunden, leichter nachzuweisen ist.“ Es wird demnach auch von NuspaAum bestiatigt, dal der Sinus zwischen Darmepithel und Darmmuskulatur liegt. Was das Endothel betrifft, so muf ich mich eines Urteils enthalten. Abbildungen fehlen. In seinen Beschreibungen von ,,Pacific Coast Oligochaeta* gibt Gustav Eisen (1895, 1896) eine Anzahl grofer Abbildungen von Schnitten durch die Darmwand verschiedener héherer Oligo- chiten, auf denen der Darmblutsinus oder das ihn vertretende Blutlakunensystem deutlich dargestellt ist. Immer liegt der Sinus zwischen Darmepithel und Muscularis. Nirgends zeigt sich eine Spur eines Endothels. Die Reihenfolge der Schichten ist im allgemeinen: |) Darmepithel, 2) Blutsinus oder Blut- lakunen, 3) Ringmuskelschicht, 4) Langsmuskel- schicht, 5) Peritonealepithel. Doch finden sich auch Angaben, nach welchen die Ringmuskelschicht auSerhalb der Langs- muskelschicht liegen wiirde. Vielleicht handelt es sich nur um ein Versehen in der Bezeichnung. Wenigstens wird in der Fig. 75, Taf. LI, die Langsmuskelschicht irrtiimlich als transversale und die transversale als Liangsmuskelschicht bezeichnet. Die Ab- bildungen betreffen folgende Formen: Phoenicodrilus taste, Pontodrilus Michaelseni, Kerria Mac Donaldi, Acanthodrilus Tamajusi, Benhamia nana, Spargano- philus Smithi, Aleodrilus Keyesi. 1895/1896 bestatigt Uprz das von Hesse signalisierte Vor- kommen eines Endothels fiir Henlea leptodera, Pachy- drilus pagenstecheri und andere Arten. Er Beitrige mu einer Trophocéltheorie. 217 »fand namlich auf Langsschnitten, dafS das feine Hautchen, welches den Blutsinus umschlieft, sowohl an derjenigen Seite, die dem Darmepithel anliegt, wie auch an jener, die an die Muskel- schicht anst68t, aus Zellen mit Kernen besteht, deren Lingen- durchmesser im allgemeinen mit der Lingsachse des Blutgefifes zusammenfallt. Dabei erkannte er weiterhin, daf die Zellen mehr oder weniger weit in das Lumen des Blutsinus hineinragen.“ Auch auf Querscbnitten hat Upr das Endothel konstatieren kénnen. ys ist also unzweifelhaft, dak die Wand des ge- samten Blutsinus und seiner Kanile von einem Endothel gebildet wird.“ Leider gibt Upr keine Abbildungen. Im Jahre 1897, zwei Jahre nach dem Erscheinen der ersten Abhandlung, bildet Nuspaum einen Teil des dorsalen Abschnittes des Darmsinus und das anliegende Riickengefa8 von Friedericia Ratzelii und Mesenchytraeus setosus ab. Die Schichten- folge ist ganz deutlich von innen nach aufen folgende: 1) bewim- pertes Darmepithel, 2) Blutsinus, 3) Ringmuskellage, 4) Laingsmuskellage, 5) Chloragogen-Célothel. Bei Friedericia werden vereinzelte, in gro8en Abstanden liegende, flache Zellen und Kerne, die dem Darmepithel auBen und an einer Stelle auch der Muscularis innen anliegen, als Endothelzellen auf- gefaBt. Auf den Abbildungen von Mesenchytraeus fehlen sie. 1897 beschreibt MicHAELSEN einen sich tiber den Magen- darm und den Oesophagus bis in das 6. Segment erstreckenden Blutsinus bei der Lumbricidenform Tykonus peregrinus und sagt von ihm, ,er erftillt die Zwischenriume zwischen den Muskelschichten und dem Epithel der Darmwand, sowie den weiten Raum der Typhlosolis“. HARRINGTON sagt (1899) in seiner Arbeit iiber die Kalk- driisen von Regenwtirmern (Anhangsdriisen des Darmes) von der Begrenzung der Blutraume in diesen Driisen: » This boundary was in no sense, however, anything more than a cell membrane and besides showing no trace whatever of any nuclear structure, it is apparently, from the very beginning, connected only with endodermal tissue.“ 1899 beschreiben WitLem und Minne sehr eingehend die Beziehung des Blutgefa&netzes zu den iibrigen Komponenten der Darmwand des Regenwurmes. Zu innerst liegt das be wim - perte Darmepithel, darauf kommt eine ,membrane péri- tonéale®. Die Figur zeigt diese in Form einer Basalmembran. 218 Arnold Lang, Jetzt folgt das BlutgefaBnetz, auBen wiederum, wie die Figur zeigt, von einer solchen Membran begrenzt. Ein Endothel ist auf der Abbildung nicht sichtbar, wenn nicht einzelne der Membran anliegende Zellen mit wenig, den Kern umgebenden, Protoplasma als ein solches gedeutet werden kénnen, was ich nicht glaube, da sie mit den frei in der Blutfliissigkeit liegenden tiber- einstimmen und einige von ihnen dieselben kérnigen Einschliisse enthalten, wie die freien Blutzellen. Nach auBen von dem sehr dichten Blutgefabnetz liegt eine kraftige Schicht von Ringmuskelfasern; dann folgen Langsmuskelfasern und zuletzt gegen das Célom die Chloragogenzellenschicht. Im scheinbaren Widerspruch mit dieser Schichtenfolge sitzen die Chloragogenzellen der auferen Wand (Grenzmembran) des Darm- gefaBnetzes direkt auf, was sich folgendermaBen erklaren laBt: Die Ring- und Langsmuskelbiindel, die sich unter rechtem Winkel kreuzen, bilden ein Netz. Durch jede Masche dieses Netzes dringt ein Biindel von Stielen gegen das Célom birnférmig anschwellender und divergierender Chloragogenzellen in die Tiefe, um sich an der Gefafiwand zu befestigen. DE Bock gibt (1900) Abbildungen von Partien des Darm- sinus von Lumbriculus und Rhynchelmis nach Schnitten. Die deutliche Schichtenfolge ist: 1) Darmepithel, 2) Blut- sinus, 3) zerstreute Langsmuskelfasern in gréBeren Abstanden, 4) Chloragogen-Célothel. Von einem Endothel ist nirgends etwas zu sehen. Ripaucourt’ bildet (1900) einen Langsschnitt durch die Wand der vorderen MorrENS chen Driise ab, wo der hier vorkommende Darmblutsinus zwischen Driisenepithel und Mus- cularis liegt. Nach CAMILLO SCHNEIDER (1902) verlaufen bei Eisenia (Lumbricus) rosea die Darmgefiaife in der bindegewebigen, scharf abgesetzten Grenzlamelle zwischen Muscularis (speziell innerer Ringmuskellage) und Darmepithel. Ueber die Beziehungen zwischen Darmmuscularis und Grenzlamelle einerseits und Dissepimenten andererseits sagt der Verfasser: ,Die Muskelfasern der Dissepimente verlaufen auf der vorderen und hinteren Flache einer kraftigen Grenzlamelle, welche einerseits mit der des Darmes, andererseits mit der des parietalen Peritoneums zusammenhingt, in schriger Richtung, und zwar derart, daf die Fasern jeder Fliiche die der anderen tiberkreuzen. Am Darm biegen sie in die entopleurale Muskulatur um... .“ Beitrage zu einer Trophociltheorie. 219 C. Hirudinea. In dieser Abteilung hat meines Wissens zuerst OKA (1894) bei Clepsine einen Darmblutsinus entdeckt. Die hinterste, fiinfzehnte Kammer des Riickengefafes, die an der Stelle liegt, wo die erste Darmaussackung vorkommt, »steht mit einer Reihe von gerdumigen Blutsicken in Zu- sammenhang, welche die Darmaussackungen sowie den ganzen Darm umfassen. An der Stelle, wo der Darm beginnt, erweitert sich das Dorsalgefaf plétzlich zu einem grofen Raume, welcher genau die- selbe Gestalt hat wie der Darm, den es umschlieft, so dai derselbe von allen Seiten von Blutfliissigkeit umspiilt wird.“ Unter Darm ist hier der auf den Magen mit seinen Taschen ‘folgende Abschnitt, der selbst wieder Diverticula besitzt, gemeint, den OKA mit Recht fir den resorbierenden halt. »Der Blutsack liegt bei vielen Species, z. B. Cl. compla- nata, heteroclita, bioculata, dem Bindegewebe der Leibes- wand eng an, bei anderen aber, wie Cl. marginata und tesse- lata, ist er von letzterem durch eine Lakune!) geschieden. Die Wand des Blutsackes ist nicht vollstandig von der des Darmes getrennt, sondern sie steht mittels vieler Bindegewebsstrange oder -balken mit derselben in Verbindung, so dah die Oberflaiche ein unebenes Aussehen zeigt. ,,Die Wand des Blutsackes, welcher den ganzen Darm umschlieft, ist nicht kontraktil wie die der Kammer und ist bedeutend diinner.“ Genauere histologische Details gibt Oka nicht. Auf den Ab- bildungen liegt. der Sinus dem Darmepithel dicht an; doch sind sie zu wenig detailliert, um eine sichere Interpretation zu gestatten. Naheres iiber den Blutsinus der Hirudineen, der auf die Rhynchobdelliden beschrénkt zu sein scheint, erfahren wir 1896 von Lupwia JoHANSsoN in dessen Arbeit tiber Piscicola und Callobdella. Auch dieser Forscher konstatiert die Ver- bindung des Sinus mit dem Riickengefal. ,Mir scheint es auch einigermafen berechtigt zu sein, die Darmlakune als wenigstens teilweise von den Ausbuchtungen des Riickengefahes gebildet aufzufassen, wenn sie auch mehr oder weniger durch selbstindig gebildete Liicken des Bindegewebes ent- standen ist.“ JOHANSSON macht sodann die wichtige Mitteilung, da die Darmlakune zwischen dem Epithel des Darmes und seiner Muskulatur liegt, welche letztere aus einer zu- sammenhiingenden Lage von Ringmuskelzellen und aus zerstreuten Langsmuskelzellen besteht. So ist es Verf. klar, ,,dafh man sagen 1) des Céloms. 220 Arnold Lang, kann, da8 die Darmlakune kraftig muskulése Wande hat“. Verf. bezweifelt die Angabe von Oxa, daf die Darmlakune bei Clepsine keine muskulésen Wande habe. JOHANSSON beobachtete am lebenden Tier, da der Chilusdarm sich sehr regelmabig von hinten nach vorn zusammenzog, und er ,hielt es damals fiir gewif, dai dies etwas war, was aus- schlieBlich mit der Absorption der Nahrung zu tun hatte“. Bei diesen ,Zusammenziehungen des Darmes muf sich offenbar auch die Darmlakune von hinten nach vyorn zusammen- ziehen, da ja diese Blutlakune zwischen der Muskulatur und dem Epithel des Darmes ihre Stelle hat. Dabei wird das Blut in das Riickengefal getrieben.“ In einer zweiten, schwedisch geschriebenen Abhandlung tiber Ichthyobdelliden aus demselben Jahre bestiatigt JoHANSSON das iiber den Darmblutsinus Gesagte fiir andere Ichthyobdelliden, namentlich Abranchus. D. Echiuridea. Ueber das Vorkommen eines Darmblutsinus bei Bo- nellia finden sich schon bei LAcAzE-DuruHirrS (1858) Angaben. Zwei grofe Gefafe miinden von hinten in einen grofen, den Darm an der Grenze zwischen vorderer und mitt- lerer Region umgebenden Sack. Vorn entspringt aus diesem Sack ein Gefaf, das, nach vorn verlaufend, sich vom Darm loslést, auf den Riicken des ersten Abschnittes des Oesophagus iibergeht und exakt in der Mittellinie in den Riissel eintritt. Obschon LacazE bei vielfacher Oeffnung und Untersuchung des lebenden Bonelliakérpers die Kontraktionen des _periintestinalen Blutsackes nicht selbst beobachten konnte, halt er ihn doch fir das propulsatorische Zentrum: »5i l'on voulait trouver l’analogue d’un ceur, la grande poche pourrait étre considérée comme un ventricule, d’oi partirait une aorte proboscidienne médiane, et les deux bandelettes qui, du voi- sinage du systeme nerveux, viennent 4 la rencontre de 1’intestin comme deux oreillettes.“ Auch nach SpenGeL (1879) kommt, wenigstens bei der jungen Bonellia, auf die sich folgende Angaben beziehen, ein Darmblutsinus vor: ,Die Gefabe der Leibeshéhle sind als Duplikaturen des dieselbe auskleidenden Peritoneums aufzufassen, und in diesem Lichte wird uns dann auch ihr eigentiimliches Verhalten zam Darmperitoneum verstiindlich, Letzteres umschlie8t nimlich den Darm als ein ziemlich erweiterbares Rohr, und in den Hohlraum Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 221 dieses Rohres miindet das oben erwahnte vom Bauchgefai zum Darm ziehende Gefak. Nicht selten fiillt sich dies Rohr dicht mit Zellen der Leibesfliissigkeit, und ich darf das Verhalten demnach in der Form darstellen, da’ der Darm — nur der Oesophagus ist davon ausgenommen — in einem Gefile liegt.“ Ob das zeitlebens der Fall ist, ist nach Spence. zweifelhaft. In desselben Forschers Arbeit tiber die Organisation von Echiurus Pallasii (1880) finden sich keinerlei Angaben iiber einen Darmblutsinus oder ein entsprechendes BlutgefaSnetz. Doch macht es schon die Angabe, da8 das Riickengefaf sich nicht tiber die Kropfregion des Darmes hinaus nach hinten erstreckt, wahrscheinlich, daf ein solcher Sinus vor- handen ist. Im Jahre 1886 macht M. Rierscn folgende Angaben tiber einen Darmblutsinus bei Echiuriden. a) Bonellia minor. Die beiden Muskellagen, namlich die aufere Ringfaser- und innere Langsfaserschicht, sind am Mitteldarm in der Gegend des periintestinalen Gefafsinus je aus einer einzigen Lage von in ziemlich grofen Abstinden verlaufenden Fasern zusammengesetzt. »Le péritoine se détache plus ou moins des parois de J’intestin principal, quelquefois sur tout son pourtour, sauf dans le voisinage de Vintestin collatéral, des brides seulement le retiennent aux couches musculaires.“ Danach wiirde der Darmblutsinus zwischen Perito- nealepithel und Muscularis des Darmes liegen, eine Angabe, zu der ich mir ein grofes Fragezeichen zu setzen erlaube. Aus dem Blutsinus nimmt nach Rierscu vorn das Riickengefa8 seinen Ursprung, um nach vorn zur Riisselbasis zu verlaufen. b) Thalassema neptuni: ,Le péritoine s’écarte irréguliérement des autres couches de Vintestin auxquelles il reste attaché par des brides; cependant il entraine souvent avec lui des fibres annulaires.“ ,,C’est la que débouchent le vaisseau dorsal et l’anastomose neuro-intestinale.“ Hier wiirde also der Sinus, wenigstens teilweise, zwischen den beiden Muskelschichten liegen. BE. Riickblick. Werfen wir nun einen Riickblick auf die im vorstehenden Abschnitt zusammengestellten Beobachtungen iiber den Darmblut- sinus der Anneliden, so diirfte folgendes als ,unzweifelhaft festge- stellt bezeichnet werden kénnen. Bei zahlreichen Polychaten, speziell wohl bei allen Sedentaria, bei zahlreichen Oligochaten, speziell den niederen Familien, und 222 Arnold Lang, bei manchen Hirudineen, speziell bei den Rhynchobdelliden, die — mit Recht oder Unrecht — als urspriingliche Formen gelten, existiert ein Blutsinus zwischen der Muscularis des resorbierenden Abschnittes des Darmes und seinem Epithel, welches letztere meistens deutlich gefaltet ist. Es ist fraglich, ob irgendwo zwischen Darmepithel und Darmblutsinus sich eine Muskelschicht einschiebt. Die meisten und zuverlassigsten Angaben lassen das Sinusblut die Basalmembran des Darmepithels. direkt baden. Ein Endothel wird meist nicht beschrieben. Wo das Vorhandensein eines solchen angegeben wird, lassen die betreffenden Angaben erneute Unter- suchungen dringend wiinschenswert erscheinen. Im Darmsinus wird das Blut durch antiperistaltische Kon- traktionen der ihn umgebenden Darmmuskelschicht von hinten nach vorn getrieben. 2. Die histologische Struktur der GefaSwandungen, besonders der HauptgefafSe. Beziehungen der Hauptstamme zum Darmblutsinus und zu den Mes- enterien. (These 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 20, 21, 24, 25, 26, 27, 28, 30, 31, 32; p. 194—199; Taf. IL.) A. Polychaeta. Ich beginne mit CLAPAREDE, der sich 1873 in einem Résumé iiber die Gefafstruktur der sedentéiren Polychaten sehr bestimmt folgendermafen ausdriickte: »Comme je l’ai montré souvent ailleurs, tous les vaisseaux contractiles, méme les plus petits, ont des muscles différenciés, au moins en tant que cellules fusiformes, dans leur paroi. Dans les plus gros vaisseaux, cette couche prend parfois une assez grande importance. Ainsi dans le vaisseau ventral du Spirographis, elle est formée par des fibres aplaties en bandelettes. Dans les plus gros vaisseaux on trouve chez les grandes Annélides la paroi interne du tube tapissée d’un épithélium continu; ainsi dans le vaisseau ventral du Spirographis, ou les cel- lules, de forme conique, portent leur nucléus a l’extrémité la plus voisine de la cavité du vaisseau. Les plus petits vaisseaux ont une paroi propre, dans laquelle sont semés de petits nucléus tres espacés. Tel est au moins le cas dans les nombreuses espéces que j’ai étudiées a ce point de vue.“ Auch die Abbildung, Querschnitt durch das Bauchgefif von Spirographis, Taf. IV, Fig. 6, laBt an Deutlichkeit nichts zu wiinschen tibrig. Da sieht man das schénste Cylinderepithel das Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 223 Lumen des GefaBes auskleiden, mit den Kernen an der dem Lumen zugekehrten Seite. Wenn die Sache sich so verhialt, so liegt ein Fall vor, mit dem sich meine These 16 vor- derhand nicht vereinigen 1a8t. Ich habe,. offen gestanden, an der Richtigkeit der CLAPAREDESchen Beobachtung gezweifelt, indem ich, ganz wie Bere@u, nicht an das wirkliche Vorkommen eines Wiirfelepithels glaubte. Ich bat nun Herrn Dr. HescHe- LER, die Sache nachzupriifen. Die Untersuchung ergab die Richtig- keit des CLAPAREDEschen Befundes, insofern wirklich ein Endothel, freilich kein cylindrisches, sondern ein flaches, vorhanden ist. Herr Dr. HescHeer stellt mir folgenden kurzen Bericht iiber die Resultate seiner bisherigen Untersuchungen gitigst zur Verfiigung: »HD. CLAPAREDE gibt in den ,Recherches sur la structure des Annélides sédentaires‘, 1873, auf Pl. IV, Fig. 6 einen Querschnitt durch das Bauchgefaif} von Spirographis Spallanzanii. Aus dieser Abbildung wie aus der dazu gehérenden Beschreibung geht unzweifelhaft hervor, daf das Lumen des Gefifies mit einem Endothel ausgekleidet ist, das sich aus ziemlich hohen Cylinder- zellen zusammensetzt, deren Kern in dem dem Lumen des Gefafes zugekehrten Ende liegt. Auferhalb von diesem Endothel folgt eine Ringmuskelschicht und auferhalb dieser schlieBlich die peri- toneale Umhiillung, deren Zellen an mebhreren Stellen des Quer- schnittes durch Gruppen von Chloragogenzellen ersetzt werden, die ebenso vielen chloragogenfiihrenden Lingsstringen der auferen Hiille des BauchgefaBes entsprechen. Auf Veranlassung von Herrn Professor LANG untersuchte ich das ventrale Gefaf} von Spirographis auf Quer- und Langsschnitten. Dabei wurde hauptsiachlich van Gresonsche und Eisenhamatoxylin- farbung angewendet. Resultat: Die CLAPAREDEsche Abbildung und Beschreibung ist durchaus richtig bis auf das erwahnte innere Endothel des Gefaifes, und doch kommt tatsachlich eine solche Auskleidung des Gefaiflumens mit einer Zellschicht vor, deren Kerne dicht gedrangt nebeneinander liegen, wie das die besprochene Figur wiedergibt; aber diese Zellschicht besteht nicht aus cy- lindrischen, sondern aus flachgedriickten Plattenzellen, und die Korper der von CLAPAREDE beschriebenen und mit ep bezeichneten Cylinderzellen gehéren einer besonderen Schicht an, die sich zwischen Endothel und Ringmuskelschicht einschiebt. Diese Schicht zeigt in ihren Reaktionen gegentiber den Farb- stofien ganz das Verhalten bindegewebiger Substanzen, das der Basalmembranen oder der Intima im Bauchgefafe der Regenwiirmer. 224 Arnold Lang, Die Zusammensetzung dieser Schicht ist sehr tiberraschender Art; wir haben es nicht mit einer zusammenhaingenden Membran zu tun, sondern diese Schicht lést sich auf in eine grofe Anzahl dicht nebeneinander stehender Langsfasern; Langs- und Querschnitte lassen dariiber keinen Zweifel. Nun klart sich aber auch der Irrtum der CLAPAREDEschen Beschreibung einfach auf. Die mit ep bezeichneten ,Kérper der Cylinderzellen‘ sind nichts anderes als die Querschnitte durch diese dicht nebeneinanander gestellten Langsfasern, ein Irrtum, der unter Beriicksichtigung der CLAPAREDE zur Verfiigung stehenden Farbetechnik sehr begreiflich, heute aber ebenso ljeicht zu lésen ist. Diese bindegewebige Faserschicht ent- spricht nach ihrer Lage der Intima anderer Annelidengefafe. Dazu kommt also bei Spirographis als innerste Lage noch diese endothelartige Zellschicht. Ob es sich hier um richtiges Endothel, ob um ein Pseudoendothel handelt, welcher Herkunft dasselbe ist, sowie weiteres tiber die eigentiimliche Intima sollen ausgedehntere Untersuchungen aufzuklaren versuchen.“ HatscnHek konstatierte 1881,dah das Riickengefa8 von Protodrilus nur eine Fortsetzung des Darmblut- sinus ist. SPENGEL gibt 1881/1882 Abbildungen der GefaSwande von Oligognathus Bonelliae, einer schmarotzenden Eunicee. Fig. 20 stellt ein Stiick der Wandung des dorsalen Haupt- gefaifes, offenbar auf einem schiefen Lingsschnitt, dar. ,1m vorderen Teil lhegt die Intima mit den langlichen Kernen frei; hinten ist sie von der Muscularis bedeckt*, zu auerst folgt das Peritoneum. Die die Muscularis bildenden, feinen, zirkuliren Fibrillen werden so dargestellt, als ob sie in der dem GefaSlumen zugekehrten Basis der Peritonealzellen verlaufen, die ein schénes Wiirfelepithel darstellen. Was es mit der ,,Intima‘“ und ihren Kernen fiir eine Bewandtnis hat, muf ich dahingestellt sein lassen. Die tibrigen Gefafe entbehren der Muskulatur, und ihre Wand wird einschichtig dargestellt. Die Bilder zeigen eine scharfe innere Kontur (strukturlose Intima) und ihr aufen ansitzende, vorspringende Zellen (Peritonealzellen). Nach Rierscw (1882) zeigt auch bei Sternaspis das Rickengefa8 ganz enge Beziehungen zum Darmblut- Sinus, resp. Darmgefa8netz. »Le vaisseau dorsal accompagne l’estomac dans toute sa longueur et est soudé avec lui; ce vaisseau communique partout avec le riche réseau de sinus capillaires, qui enlace toute cette Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 225 portion de l'intestin et qui se déverse d’autre part dans un sinus longitudinal plus large, placé contre la gouttiére vibratile, avec la- quelle ce sinus se prolonge jusqu’au rectum.“ Die Abbildung eines Querschnittes durch den Darm (Taf. XXI, Fig. 25) zeigt uns das Riickengefaé8 lediglich als eine Stelle, an der sich das Peritonealepithel U-férmig vom Darmepithel abgehoben hat. Am Vorderende des Magens verlaft ihn das RiickengefaB, um frei in der Leibeshéhle zu verlaufen. Ueberraschend sind folgende Angaben iiber das Nichtbestehen der Kontraktilitét des Riickengefafes. ,J ai ouvert un grand nombre de Sternaspis vivants, et je n’ai jamais réussi 4 apercevoir un battement du vaisseau dorsal. Com- ment se contracterait-il du reste, quand ses parois ne con- sistent qu’en une membrane péritonéale et sont dépourvues de tout élément musculaire?“ Das Himocél von Sternaspis bedarf dringend einer neuen, genauen, histologischen Untersuchung, die sich auch auf den eigen- tiimlichen Bau der KiemengefafSe zu erstrecken hat, die von dicht anliegenden hohlen Achsen (Zellsiulen) gestiitzt werden, wobei Blutgefaif und anliegende Stiitze von einer gemeinsamen, wahr- scheinlich peritonealen Scheide umhiillt werden. 1882 schildert Ep. Meyer die Beziehungen des Rticken- vefifes von Polyophthalmus pictus Car. zum Darm- gefaiBnetz. Das letztere bildet vorn am Mitteldarm einen Blut- sinus. Aus diesem entspringt im 7. Rumpfsegment das RiickengefaB, das in seinem erweiterten, im genannten Segment gelegenen An- fangsteil als Herz bezeichnet wird. Der grofe, vordere Darm- sinus, welcher das ganze, aus den Kapillaren zusammenstr6mende Blut aufnimmt, kann nach MEYER gewissermafen als Vorkammer betrachtet werden, aus welcher das Blut durch Kon- traktionder muskulésen Wandungen inden Hohlraum des Herzens beférdert wird. »Die Herzwand besteht aus einer direkten Fort- setzung der auSeren, membranésen, mit flachen Kernen versehenen Darmhille, welcher sich eine reichliche Menge in den verschiedensten Richtungen sich kreuzender Muskelfasern anschlieft, auferdem liegen dieser Membran nach innen spindelférmige, in Fasern aus- laufende Zellen an.“ Dieselbe Struktur zeigen auch die beiden kontraktilen GefaB- schlingen und der kontraktile Teil des Riickengefifes. Die tibrigen Gefaife haben blo’ einfache, membranartige, mit flachen Kernen Bd, XXXVIIL. N. F. XXXI. 15 226 Arnold Lang, versehene Wandungen. Dem Bauchgefaf hingegen sitzt von beiden Seiten her ein dichter Belag von driisigen Zellen mit braunlich- gelben Pigmenttrépfchen auf. Die Abbildung zeigt diese Zellen, die offenbar eine Art Chloragogenzellen darstellen, der kernlosen Intima aufsitzend. Ein Endothel wird nirgends erwahnt und nirgends abgebildet. Folgendes ist nach STEEN (1883) die Struktur der Gefag- winde von Terebellides Stroemii. Es sind zwei Schichten vorhanden, eine innere, das Lumen des Gefafes auskleidende, homogene Membran und eine iufere, fein granulierte mit sparlichen Kernen. Am Herzen kommt zu diesen beiden Schichten noch eine mittlere Schicht von zirkularen Muskelfasern hinzu, so da die Lrypiasche Schichtenfolge besteht, von innen nach auBen: Intima, Muscularis, Adventitia. Horst (1885) stellte fest, daS das Riickengefa& bei den Chloramiden (ahnlich wie bei den Enchytraiden nach VEJDOVSKY) nur in den vorderen Segmenten frei verlauft, wihrend es weiter hinten in den Darmblutsinus mindet. Bei Horst findet sich ferner die wichtige Angabe, dafB die Muskel- wand des Riickengefa8es ,einfach eine Fortsetzung der Muskelwand des Magens ist". Sehr wichtig fiir die Auffassung der Entstehung der Haupt- cefaBstamme sind die 1885 und 18 87 verdéffentlichten Arbeiten von WIREN, in denen dieser Forscher fiir eine Reihe von Polychaten- familien (s. p. 205) den Nachweis zu fiihren sucht, daf die Riicken-, Bauch-, Intestinal- und Lateralgefaife nur mehr oder weniger vollstandig gesonderte und ab- geschniirte Rinnen oder Ausbuchtungen des Darm- sinus sind. Die folgende Zusammenfassung wird durch ebenso einfache wie instruktive Schemata illustriert: »Bei den oben beschriebenen Formen und bei den Terebelliden kommen in Zusammenhang mit der Darmlakune unvollstindig ge- schlossene Gefale vor, welche bei verschiedenen Arten zu sehr ver- schiedenen Stufen der Selbstiindigkeit gelangt sind. Zuweilen sind sie nur tiefere Rinnen, welche mit der Lakune in sehr offener Verbindung stehen ii. 5 ar... ; Beispiel: das ,Subintestinal'- und die ,Seitengefabe* der Arenicola. In anderen Fallen sind sie dagegen mehr eingeschniirt, stehen jedoch auch hier ihrer ganzen Linge nach mit der Lakune in Verbindung; Beispiel: das ,Riickengefaf' der Arenicola. Schilieb- lich kénnen sie auch an gewissen Stellen ganz abgeschniirt und von der Lakune vollstandig getrennt sein, an anderen Stellen sich in Beitrage zu einer Trophocoltheorie. £2% diese ffnen. Das ,Riickengefaib‘ der Eumenia und die ,Subintestinal- gefafe‘ der Terebella debilis‘ sind so gebildet. Wenn nun ein solches Gefai von dem Darme raumlich getrennt wiirde und seine Verbindungsstellen mit der Lakune, statt einfache Oeffnungen zu sein, durch das Zuwachsen des Peritoneums zu langeren Kanilchen wiirden, so wiirde aus der anfangs unvollstindig von der Lakune gesonderten Rinne ein freies und vollstandiges, mit jener durch langere oder kiirzere Anastomosen in Verbindung stehendes Gefaf entwickelt sein. Auf solche Weise scheint mir das Vorkommen eines freien Riickengefafes bei Trophonia zu erklaren zu sein, denn die Tatsache, daf das fragliche Gefaf in das Herz miindet und durch zahlreiche kleinere Gefafe mit der Lakune in Verbindung steht, beweist, daf es mit dem unvollstindigen Riickengefafe der tibrigen naher gekannten sedentéren Anneliden homolog ist.“ Ueber die Struktur der GefaSwand finde ich bei Wrrién keine genaueren Angaben. JOURDAN beschreibt (1887) sehr sorgfaltig die Struktur der GefiSwand von Siphonostoma diplochaetos, die er mit verschiedenen Methoden untersucht hat. Der Beschreibung scheinen die gréferen Gefiafe, die an den Geschlechtsdriisen ver- laufen, zu Grunde zu liegen. Die Gefafwand wird innen ausgekleidet von einer duferst diinnen, durchsichtigen, vollkommen struktur- losen Membran. Dieser Membran liegt auSen ein ziem- lich niedriges Epithel an. Durch Versilberung stellte JOURDAN die Grenzen dieser Epithelzellen dar. Sie weisen die charakteristischen Ein- und Ausbuchtungen auf, die BerGu spater so genau beschrieben hat. Der Innenflaiche der struktur- losen Membran liegen seltene Kerne an. yll est impossible d’admettre un revétement endothélial continu; on peut méme supposer que ces éléments nucléaires, au lieu d’appartenir 4 une couche cellulaire, ne sont autre chose que les noyaux des éléments figurés du sang.“ Die Wand der Gefafe ware also sehr einfach: eine struktur- lose Intima (Basalmembran), welcher ein flaches Epithel (Peritoneal- epithel) auSen aufliegt. Die GefaBe, welche in der Tiefe der Or- gane verlaufen, haben nach JourDAN tiberhaupt keine eigene Wand. Die Blutfliissigkeit ist gefirbt, sie enthalt farblose Amébocyten, aber keine gefarbten Blutkérperchen. Im selben Jahre gelangte JourDAN beziiglich der Struktur der Gefife von Eunice zu folgenden Resultaten: »Leurs parois sont constituées par une membrane trés délicate montrant de nombreux noyaux qui m’ont toujours paru situés sur 15% 228 Arnold Lang, la face externe de la membrane.“ Und weiter: ,,En effet, d’aprés ce que j’ai observé chez le Siphonostome et aussi en tenant compte de ce que j’ai vu sur les Euniciens, on peut admettre que l’appareil vasculaire des Annélides chétopodes est dépourvu d’un revéte- ment endothélial. Mais cette opinion indiquerait un état tellement différent de ce qui existe non seulement chez les Vertébrés, mais chez la plupart des autres animaux invertébrés, qu’elle est a vérifier.“ Dieser Satz ist so recht charakteristisch. Man bekommt, wenn man die Literatur studiert, den Eindruck, da8 viele Autoren sich fast genieren zu gestehen, daf sie in den Gefaifen kein Endothel gefunden, als ob das ihre Untersuchungs- und Beobachtungsgabe in ein ungiinstiges Licht setzen wiirde. In den Studien iiber den K6rperbau der Anneliden von Eb. Meyer (1887/1888) ist fiir unsere Frage vieles aus der Be- schreibung des Gefafsystems von Chaetozone setosa (ein Cirratulid) von grofem Interesse. Das aktive Zentralorgan des ganzen Kreislaufes besteht bei Chaetozone, wie bei allen tibrigen Cirratuliden, aus ,dem weiten kontraktilen Darmsinus hinten und dem machtigen, stark pulsierenden Riickengefaif vorn; das letztere bildet gewissermafen einen Conus arteriosus, wahrend das erstere diesem gegeniiber gleichsam eine venése Vorkammer des Herzens vorstellt.“ Es nimmt also das Vas dorsale aus dem Darm- sinus seinen Ursprung. Von grundlegender Bedeutung ist, was Ep. Meyer iiber die Histologie des Gefabsystems sagt: »Gegen das Célom hin ist das Lumen samtlicher Blutbahnen durch peritoneale Wandungen, die in das allgemeine Peritoneum kontinuierlich itbergehen, vollstindig abgeschlossen. Aufer diesen, welche bei allen einfachen GefaBen die einzigen sind, besitzen die selb- standig pulsierenden BlutgefiBe, das Vas dorsale, der Darmsinus, die kontraktilen, oberen Bogengefibe und die beiden Vasa lateralia, noch eine innere muskulése Auskleidung, deren kernhaltige Muskelfasern in sehr verschiedenen Richtungen angeordnet sein kénnen; zum gré8ten Teil jedoch sind es Zirkel- fasern.“ Ich glaube, es wird sich herausstellen, dafi dies das klarste, kiirzeste und zutreffendste Resumé ist, das man von der Struktur des BlutgefiSsystems der meisten Chitopoden geben kann. Es folgt nun eine Charakteristik der wichtigen Beziehungen des Gefaifisystems zu den Dissepimenten und der medianen Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 229 Langsstimme zu den Mesenterien. Die Darstellung dieser letzteren Relationen beansprucht unsere volle Aufmerksamkeit : yDie rechte und linke Halfte der peritonealen Wandschicht des Riicken- und Bauchgefafes, des unpaaren oberen und unteren Oesophagealgefiafes und endlich des Sinus intestinalis finden in den ent- sprechenden Blittern der Darmmesenterien ihre direkte Fortsetzung, und die Lichtung dieser Blut- bahnen gehért dem intraseptalen Raume an.“ ,Da ferner alle zuletzt genannten Gefaife sich durch eine ganze Reihe von Segmenten erstrecken, so parti- zipieren an der Bildung ihrer Wandungen die me- dianen Abschnitte der peritonealen Auskleidung samtlicher Zonithéhlen, welche die ersteren durch- laufen. Innerhalb des Lumens liegen nun, vom Blute bespilt, im Darmsinus der Mitteldarm und im Riicken- gefa der sog. Herzkérper.‘ Auch bei Hermellen und Serpulaceen schildert E. Meyer den Ursprung des Riickengefa8es aus dem Darmblutsinus. In seiner Polygordiusmonographie (1887) aufbert sich Frarpont tiber die Struktur der medianen Gefafstimme von P. neapolitanus folgendermafen: » Les vaisseaux dorsal et ventral n’ont pas de paroi propre dans le trone. Ils proviennent de l’écartement des deux feuillets du mésentére, au contact du tube digestif. Crest lépithélium du mésentére et du tube digestif qui les circonscrit.“ Nur im Kopfteil des Riickengefifes und in den Schlundgefaf- schlingen glaubt FrarponrT an der Innenseite der dem Mesenterium angehérenden Wandung eine besondere ,,paroi différenciée* zu er- kennen, die aus sehr flachen Endothelzellen bestehen soll. Die Abbildungen sind, was die Natur dieser Wand betritft, keineswegs entscheidend. Nach Fauve soll auch Brunotre (1888) — die Arbeit ist mir leider nicht zuganglich — fiir das BauchgefaB von Bran- chiomma ,la saillie des noyaux de l’endothélium interne“ kon- statiert haben, wihrend es im Zoolog. Jahresbericht heift: ,In Uebereinstimmung mit JouRDAN wird ein Endothel in Abrede ge- stellt.“ Wie reimt sich das? Im Jahre 1890 beschrieb FLorence BucwaNnaNn die Art und Weise, wie das Rickengefa8 von Hekaterobranchus mit dem in ihm enthaltenen Herzkérper sich aus dem Bauch- 230 Arnold Lang, sinus in dessen vorderer Region allmahlich ausbuchtet und abschniirt, um selbstandig zu werden. Nachher entfernt es sich vom Darm, gelangt in die Nahe der dorsalen Kérperwand und wird kontraktil. »lt is here surrounded by a well developed circular muscular layer, to which its contractile power is due.“ Man sieht auf der Abbildung eines Querschnittes von aufen nach innen folgende Schichtenfolge: 1) Célothel, 2) Muscu- laris, 3) Blut und, der ventralen Wand anliegend, den Herz- korper. »lhe walls of all the other vessels and of the sinus appear to consist only of coelomic epithelium“ Ein wertvolles histologisches Detail teilte 1891 Gustav Rerzius tiber die Muskulatur der GefaSwand von Polychaten (Nephthys) mit, das er durch die Methylenblaufirbung er- mittelt hatte : ,»Gewohnlich sieht man an der einen Seite des Gefifes (es handelt sich um die den Bauchstrang begleitenden Gefafe und ihre Seiteniiste) einen langlichen dickeren Wulst, welcher quer iiber das Gefal rippenartige Zweige abgibt, die die Gefalwand fingerartig umfassen, indem sie sich dabei teilen und allmihlich verschmilern.“ Daf man es hier mit den Muskelfasern der kontraktilen Gefab- wand zu tun hat, welche das Gefaf} umspinnen, liegt nach Retzrus auf der Hand. Den Zellkérper selbst trifft man hin und wieder »als einen freien Vorsprung von der Gefaifwand hervorragend“ an. Wenn es sich wirklich um Muskelzellen handelt, so ist theoretisch das Faktum wichtig, da’ die Bildungszelle der Fasern von der Lichtung des GefaBes abgewendet liegt. Bei Ophelia finden sich nach ScuAprr (1894) insofern eigentiimliche Verhialtnisse, als im abdominalen Kérperabschnitt neben dem Bauchgefif ein dem Riickengefif homologer Darm- sinus und im thorakalen Kérperabschnitt neben dem inzwischen aus dem Blutsinus hervorgegangenen Riickengefaf ein dem Bauch- gefaf homologer Darmsinus existiert. Zu dieser Auffassung ge- langt ScuAppr offenbar deshalb, weil im abdominalen Kérper- abschnitt das Riickengefiif, im thorakalen aber ein gesondertes Bauchgefaf fehlt. Ich zweifle nicht daran, daf ScHAppi einver- standen sein wird, wenn ich die Sache so darstelle, da’ bei Ophelia ein das Darmepithelrohr umgebender, ge- riumiger Blutsinus vorhanden ist, von dem sich in der Abdominalregion ein Bauchgefi8, in der Tho- rakalregion ein RickengefaiS abgetrennt hat. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 231 Auch nach Scudprr strémt das Blut im Darmsinus von hinten nach vorn. Auf den Abbildungen von Schnitten durch BlutgefaBe sieht man wohl Blutzellen in der Lichtung und an der Wand der Gefae, nirgends aber ein zusammenhangendes Endothel. Monticetii hat (1896) zu der exakten Beschreibung, welche Ep. Meyer von der Struktur der Herzwand von Polyophthal- mus gegeben hat, nichts weiter hinzuzufiigen, als daf es ihm scheint: »che le fibre muscolari, che formano la tunica esterna a quella epiteliale propria del cuore a nuclei appiattiti e numerosi, non decorrano irregolarmente in diversi sensi, ma sieno principalmente disposte longitudinalmente e circolarmente, essendovene anche di quelle oblique incrociantisi reciprocamente“. Nach Gravier (1896) besteht die Wandung des Riicken- und des Bauchgefifes bei den Phyllodociden aus ,cellules trés allongées analogues 4 des fibres musculaires, dont elles ont méme toute l’apparence, avec des noyaux aplatis de distance en distance.“ Pierre Fauvet macht im Jahre 1897 beilaufig auch An- gaben iiber die GefaSstruktur der Ampharetiden. Wie das Herz nur eine Differenzierung des vorderen Teiles des Blutsinus ist, so zeigt auch seine Wand die gleiche Struktur wie der letztere, namlich aufen Célothel und innen eine Muskelschicht. Nur sind die beiden sich schief kreuzenden Schichten von (longitudinalen und transversalen) Muskelfasern etwas starker entwickelt und die Colothelschicht dicker. Die Wand aller anderen Gefife besteht nach Fauve. ausschlieflich aus einer Endothelmembran, deren Kerne auf Schnitten leicht sichtbar seien. Die Abbildungen stimmen hiermit iiberein; da aber von der Umgebung der abge- bildeten GefaSdurchschnitte nichts gesagt und nichts dargestellt ist, so weiS ich nicht, ob das ,Endothel“ Célomepithel ist oder nicht. Ich vermute das erstere. Die Vermutung wird bei mir zur GewiSheit, wenn ich weiter lese, daS der Verf. auf RieTscH (Sternaspis), JourDAN und MryeErR verweist und daf er an einer anderen Stelle sagt, da auf Schnitten die Kerne auf der GefaiShaut nach aufen vorspringen, daf aber eine innere struktur- lose homogene Membran fehlt. Anstatt aber die einzige Zelllage, welche das Gefaf auskleidet, fiir Célothel zu halten, bezeichnet sie der Verf. als ein Endothel. Die Konfusion wird nachher noch 232 Arnold Lang, gréBer, wo sich Fauven auf WirEN bezieht, welcher gezeigt habe, da8 die GefaSe nur sich abschniirende Rinnen der Peritonealwand des Darmblutsinus seien, so daf also ihre Wandungen ,sont constituées par ce méme péritoine ou endothé- lium“. Ganz richtig! Aber wie kann man sagen: ,,C’est l’endo- thélium interne qui constitue a lui seul la paroi, les couches musculaires externes faisant défaut ?“ Etwas abweichend sei die Struktur des Bauchgefafes. Die Endothelzellen seien hier ,allongées, fusiformes“ (in der Langs- richtung des Gefafes), vielleicht muskulés und die Kerne springen nach innen vor. Le vaisseau serait donc composé de deux couches endothé- liales, l'une externe dont les cellules seraient contractiles et l’autre interne 4 structure ordinaire.“ Picton gibt (1898/1899) an, dafS der Herzkérper der Cirratuliden von einer endothelialen Hiille ausgekleidet sei, das wire also mit Bezug auf das Herz, in dessen Lichtung der Herzkérper von der Wand vorragt, ein inneres Endothel. Die einzige Abbildung, welche die betreffenden Kerne zeigt, Fig. 5, Taf. XX, ist aber nichts weniger als tiberzeugend. Am Herzkérper der Chlorimiden hat Picron kein deutliches Endothel ge- sehen, doch méchte er seine Existenz nicht leugnen. Wenn es vorkomme, miisse es aber sehr diinn sein. ,One or two nuclei on the surface of the organ seem to suggest its presence.“ In ihrer Arbeit iiber die Anatomie und Klassifikation der Arenicoliden (1900) besprechen GAMBLE und ASHWORTH auch die Struktur der Herzwand und des eingeschlossenen Herz- kérpers. Die Schichtenfolge wird fiir die Herzwand (am Herz- kérper ist sie selbstverstaéndlich umgekehrt) folgendermaen be- schrieben : ,an endothelium internally, a muscle layer, anda peritoneal covering, the cells of which often contain chloragogenous granules.“ Wahrend in den Figg. 38 u. 39 nur die Muskel- und Célo- thelschicht dargestellt sind, weil »the endothelium cannot be shown on this scale of magni- fication“, sieht man ein solches Endothel an den Figg. 41—43 stellen- weise angedeutet. Besonders die Fig. 41, wo die das Endothel darstellende Linie mit den in grofen Abstinden liegenden Kernen vom Herzkérper abgehoben dargestellt wird, bestarkt mich in der Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 233 Vermutung, daf es sich hier in der Wirklichkeit um wandstindige Kerne von Blutzellen handelt. Die wichtigsten modernen Untersuchungen iiber die feinere Gefafstruktur der Polychaten verdanken wir BerGu (1900).- Seine Angaben beziehen sich auf Lanice, Eunice und Arenicola. Das grofke Darmgefa8 von Lanice zeigt folgenden Bau. Die auferste Schicht ist ein ziemlich plattes Peritonealepithel. Innerhalb dieser liegt nun ,,ein Bindegewebe mit Zellen, welche Auslaufer, oft verzweigte, besitzen und in welches zahlreiche zirkulire Muskelfasern eingelagert sind.“‘ Die Muskelfasern bilden nicht eine kontinuierliche Schicht, sondern verlaufen einzeln oder zu Gruppen vereinigt, durch Zwischenriume getrennt. Sie kénnen verzweigt sein: »oie sind bandférmig abgeplattet und haben den Kern mit einer Anhaufung von kornigem Protoplasma seitlich gelegen“. Zu innerst ,,liegt dann endlich die ansehnliche Leypiasche Intima, dieselbe homogene Membran, die wir tiberall als innerste Wand der GefaSe antrafen. Ein inneres Epithel ist nicht vorhanden. Das Bauchgefaf von Lanice hat ahnlichen Bau; nur fehlen die Muskelfasern. Die Bindegewebszellen sind hier in der Langs- richtung der Gefafe langgestreckt. Die Herzen von Eunice gigantea zeigen wiederum dieselbe Schichtenfolge. Zu auerst liegt das ziemlich platte Peritonealepithel, dann kommt ein sehr eigentiimliches Bindegewebe mit zwei Zellsorten, erstens kleinere mit gelben oder gelblichbraunen Kiigelchen und verzweigten Auslaufern, mittelst deren sie untereinander anastomosieren kénnen, und zweitens viel gréBere, Klasmatocyten ahnliche Zellen. Beide Zellenarten kommen auch sonst im Bindegewebe der Eunice vor, z. B. in den Mem- branen, an denen die Herzen aufgehingt sind. In das Binde- gewebe ist eine sehr kriftige und dichte Ringmuskel- schicht eingelagert. Zu innerst kommt ebenfalls wieder die homogene Leypigsche Intima. Ein inneres Epithel ist auch hier nicht nachweisbar. Der Bau der Ricken- gefafe ist im wesentlichen derselbe. Von den kleineren GefifSen der Eunice hat sich Bercu nur notiert, ,daf sie innen die homogene Intima besitzen und die Kerne ihrer Wand nach aufen, nicht nach innen vorspringen‘. Dieselben Verhaltnisse wie bei Eunice finden sich auch im 234 Arnold Lang, wesentlichen am Bauchgefa8 von Arenicola Grubei. Fir mich ist folgende Bemerkung tiber die Intima des Bauch- gefaBes von besonderem Interesse: »Hs ist sehr deutlich, da sich dieselbe in die Grund- membran des Gekréses, an dem das Gefa8 aufgehangt ist, fortsetzt. An dieser Stelle finden sich in der GefaSwand eine Anzahl] Liangsmuskelfasern, sonst nicht.“ Ferner sagt BERGH: »ln meinem Journal findet sich aber noch eine Angabe iber das Bauchgefé8, zu der ich jetzt kein rechtes Vertrauen mehr habe. Es soll nimlich das Peritonealepithel der Intima un- mittelbar anliegen und kein Bindegewebe dazwischen vor- handen sein.“ Ich bin geneigt dieser Angabe gréBeres Vertrauen zu schenken, als Bercu selbst. »VOn einem inneren Epithel ist weder im Ricken- noch im Bauchgefif die Rede.“ Beziiglich der kleinen GefaiBe von Arenicola, die er besonders an den Segmentalorganen studierte, kam BrERGH zu folgendem Resultat. Der Intima sind nach aufen Zellen aufgelagert, deren Grenzen auferordentlich stark ein- und aus- gebuchtet sind und deren von einem ansehnlichen, kérnigen Proto- plasma umgebene Kerne nach aufen vorspringen. Die Ab- bildungen von Querschnitten solcher Gefife zeigen die Intima ringférmig geschlossen und ihr an einer Stelle aufenanliegend das Protoplasma der Wandzelle mit dem Kern. 1901 schildert Asawortu bei Scalibregma die Beziehungen zwischen Riickengefaf} und Blutsinus des Darmes. Das Riicken- gefaB liegt dem Darme dicht an und steht durch zahlreiche Kommunikationen mit dem Blutsinus in Verbindung. Vorn schwillt es zu dem sogenannten Blutreservoir und dann zum Herzen an, im hinteren Teil des Darmes aber (von der Hohe der 12. Borsten an) ist es ,not distinct from the sinus“. Auch die sogenannten Subintestinalsinusse sind nur spezialisierte Teile des allgemeinen Darmblutsinus. Wahrend bei Arenicola das Blut in der Magen- und Darmwandung bei jungen Tieren in Gefaifen, bei alten in Sinussen epthalten sei, sei es bei Scalibregma ,certainly contained in sinuses which in the posterior part of the intestine are large“. Die Wainde des Herzens und Blutreservoirs seien sehr diinn und ihre Struktur schwer zu bestimmen. Beitriige zu einer Trophocéltheorie. 235 »Lhe walls are composed of a layer of peritoneal epi- thelium within whicha very thin sheet of muscle-fibres may be distinguished. In some sections an exceedingly delicate endothelium appears to be present, but this is difficult to distinguish with certainty.“ B. Oligochaeta. Dem RiickengefiS der Ringelwiirmer und den von ihm ab- gehenden Aesten schrieb Leypia (1857) folgende Struktur zu: zu innerst eine bindegewebige, scharf konturierte Intima, um diese herum Muskeln. Zu auferst kommt eine weiche binde- gewebige Hille (A dventitia) mit einzelnen Kernen. Wo die Ge- fa8e nichts mehr von Kontraktilitét zeigen, bestehen sie lediglich aus der homogenen, scharf gezeichneten Intima und aus der zarten Advyentitia, welche den Charakter von gewohnlicher Bindesubstanz darbietet. Speziell beim Regenwurm ,ist die Intima des Stammgefafes der Bauchseite eine sehr starke strukturlose Membran, nach der Lange sich in grofe Falten legend und nach der Quere fein gestrichelt, was wahrscheinlich auf Faltenbildung beruht.“ Pag. 438 findet sich eine stark vergréferte Abbildung eines Stiickes BauchgefiS des Regenwurmes. Daf die Lrypiasche Adventitia das Célothel ist, erscheint mir zweifellos. Dieselben 3 Schichten: Tunica intima, Tunica mus- cularis und Tunica adventitia fand Leypiag am Riicken- gefafk von Phreoryctes Menkeanus wieder. ,Speziell von der Tunica muscularis sagt er, daf sie fein ringstreifig sei, was auf eine Zusammensetzung von zirkulir gelagerten Elementen hinweise. Dem BauchgefaS fehlt auch hier die Muscularis. Schon 1866/1867 stellte EBerru, wie ich der historischen Uebersicht, die BrerGu gibt, entnehme, bei kleinen Formen, wie Tubifex und Nais, durch Versilberung den ein- und ausgebuchteten Verlauf der Grenzen der Wandzellen der Gefafe der Oligo- chaten fest. Die histologische Struktur des aus aufeinander folgenden kon- traktilen Ampullen bestehenden Riickengefafes der Lumbriciden beschrieb Prrrter (1874) folgenderma8en : Dans l’épaisseur de leurs parois, entre la membrane externe, parsemée de noyaux, ou tunique adventice de Leypig et l’épithélium interne, ou intima (Leypie), que l’on trouve constituer tous les autres vaisseaux ..... se trouvent deux couches musculaires: l'une, externe, continue, 236 Arnold Lang, est formée de faisceaux circulaires, présentant la striation longi- tudinale caractéristique, indice de leur constitution fibrillaire; l’autre, interne, discontinue, est formée de faisceaux longitudinaux occupant toute la longueur d’une ampoule, ..... mais accolés en petit nombre pour former des bandes, dans les larges intervalles desquels les muscles transverses existent seuls.“ Die auBere Ringmuskelschicht ist nach PERRIER immer stirker ausgebildet als die innere Langsmuskelschicht. Die innere Epithelschicht sieht PERRIER am Hinterende jeder Ampulle, da, wo sie sich in die nachstfolgende 6ffnet, zu einer ringférmigen Zellanhaufung anschwellen, die er als eine wahre Klappe betrachtet. Was die ventralen (sub- und supraneuralen) Langsgefab- stimme betrifft, so ist der Bau ihrer Wandung nach PERRIER ein . sehr einfacher. ,Une membrane externe (tunique adventice, Luypie) dont la surface est bosselée par de nombreux noyaux et une mem- brane interne (intima, Luypic) probablement de nature épithéliale constituent toute leur paroi.“ Das soll zugleich die normale Struktur der sich im Kérper ausbreitenden Gefafe sein. Die Herzen haben nach PERRIER dieselbe Struktur wie das Riickengefaf. Wenn nun Perrier, von der Adventitia und Intima sprechend, sagt, ,nous ne reviendrons pas sur ces membranes, qui ont été sufisamment décrites par les auteurs“, so muf doch konstatiert werden, daf Leypia, nur dieser Autor kann ernstlich gemeint sein, unter seiner Intima eine strukturlose, einer Kutikularbildung vergleichbare Membran verstand, wahrend sie nach Perrier wabhrscheinlich ein Epithel sein soll. Es ist aber schlechterdings unméglich sich an den Perrrerschen Abbildungen von dem Vorhandensein eines solchen Epithels zu tiberzeugen. Die Laingsmuskelschicht Perriers ist nach den neueren Untersuchungen Bereus auf longitudinale Faltenbildungen zuriickzufiihren. Im Jahre 1878 stellte p’Arcy Power, ohne die Untersuchungen EBerTHS zu kennen, die mehr oder weniger kompliziert ein- und aus- gebuchteten Zellgrenzen der Wandzellen von an Septen verlaufenden Gefifen des gemeinen Regenwurmes, Lumbricus terrestris, durch Versilberung dar. p’Arcy Power vermochte an den kleinen GefaBen, deren Durchmesser 1/,, 9, Zoll nicht tibersteigt, weder eine Muskelschicht noch eine Adventitia zu erkennen. An den gréferen Gefien hingegen konnte er eine duere bindegewebige, Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 237 das Endothel einhiillende Lage beobachten. Die kontraktilen Ge- faBe hat er nicht untersucht. Die der Abhandlung von p’Arcy Power beigegebene Tafel zeigt in Fig. 6 eine- von Ray Lan- KESTER gezeichnete Abbildung einer ,,portion of a larger vessel from a muscular septum“ des Regenwurmes, wo die Wandung aus zwei Zellschichten zusammengesetzt dargestellt ist. Die innere Lage erscheint in der ganzen Breite des Gefifes dicht quer- gestreift. 1879 machte Vespovsky die wichtige Entdeckung, daf bei den Enchytraiden das nur im vorderen Kérperteil gesondert existierende Riickengefi8 die direkte vordere Fort- setzung des Darmblutsinus ist. Vom histologischen Bau der Gefafe sagte Vespovsky folgendes: »lhre Wandungen sind sehr diinn, aber resistent. Nur bei der Gattung Anachaeta konnte ich am Riickengefiife deutlich drei Schichten unterscheiden: eine das Lumen des Gefa8es aus- kleidende homogene Membran (Tunica propria), eine ziemlich dicke Muskelschicht und eine feine, kern- haltige au8ere Hiille (Tunica adventitia).“ 1883 betont Timm fir Phreoryctes Menkeanus und auch fiir Nais die Beziehungen zwischen Riickengefa8& und Darmgefafnetz (Darmblutsinus). Beide stehen miteinander in direkter Verbindung, und es erscheint das RiickengefiS% nur als ein Anhang des Netzes. Was die Struktur der GefaifSwande an- betrifft, so werden die Angaben von Lrynpia bestitigt. Die Mus- cularis des Riickengefafes »ist aus schrig gekreuzten, breiten Muskelbandern zusammen- gesetzt, die sich unter ziemlich spitzem Winkel treffen. Das Ganze hat entfernte Aehnlichkeit mit gewissen Spiralgefafen der Pflanzen. Kurz vor jedem Dissepiment wird dies gekreuzte Muskelsystem gariickgedrangt durch einen ins Lumen des Gefafes vorspringenden Ring von Quermuskulatur, der aus 4—5 Fasern besteht, welche deutliche Kerne zeigen.“ Die Abbildung zeigt den Kern an der AuSenseite. Ausfiihrlicher verbreitet sich Vespovsky tiber die Struktur der Gefafiwandung der Oligochéten in seiner Monographie (1884). Das pulsierende Riickengefa8 ist bei den niederen Oligochaten sehr einfach gebaut. Bei Aeolosoma besteht die Wand nur aus einer feinen Membran, die nach aufen vom Peri- tonealepithel belegt ist. ce »Aehnliche Verhialtnisse gelten auch fiir das Riickengefaf der Chatogastriden, Naidomorphen und Enchytraiden. 238 Arnold Lang, Es gibt hier kein nachweisbares inneres Epithel, auch fehlt es an einer differenzierten Muskellage.“ Bei den Chatogastriden besteht die GefaSmembran aus feinen Langsfibrillen, denen an ihrer Oberfliche die Peritoneal- zellen aufsitzen. Die Liangsfibrillen treten als feine Leistchen hervor. Auch eine undeutliche Querstreifung hat Vespovsky bei den Kontraktionen beobachtet. Aehnlich die Naidomorphen. Bei Stylaria soll die Wandung, wenn ich die folgende Dar- stellung richtig verstehe, aus zwei Zellschichten bestehen, dem aiuBeren Peritonealepithel und einer inneren Lage kontraktiler Zellen : - » Wahrend der Kontraktion des Riickengefahes von Stylaria lacustris sieht man, daf die Wandungen aus einer einfachen Zelllage bestehen, deren Kerne deutlich hervortreten, wahrend sie im Zustande der Dilatation als undeutliche Héckerchen erscheinen. Die Gefafzellen sind selbst kontraktil, nicht aber die aufere Lage der Peritonealzellen, welche ich friiher an dem Riickengefai der Enchytraiden irrtiimlich als Muskelzellen bezeichnet habe.“ Die Abbildungen zeigen freilich nur eine, namlich die innere Zelllage. Der kernhaltige Teil der Zellen ragt nach aufen vor. ,Die kontraktilen Seitengefaf%schlingen samtlicher Oli- gochaten sind ,nach Vespovsxy“ einfache, durchbohrte, wahrend der Kontraktion regelmafig rosenkranzartig eingeschniirte Zellreihen mit deutlichen Kernen, die nach aufen yon sehr spiarlichen Peri- tonealzellen bedeckt sind.“ Ueber das Bauchgefa8& sind die Angaben VeJpovskKys sehr wenig eingehend. Es ist in keinem untersuchten Falle kontraktil. Seine , Wandungen sind viel resistenter und verhiltnismifig dicker als die des Riickengefiles*. Das vordere blinde Ende desselben besteht bei Chaeto- gaster cristallinus aus einer Reihe spindelférmiger Zellen mit elliptischen Kernen. »Das Bauchgefaf von Anachaeta erweist ebenfalls resistente Wandungen, in denen iuferst spirliche und schwierig nachweisbare Kerne zerstreut sind; auf der Obertliiche lift das Bauchgefaf bei starken Vergréferungen zahlreiche Querstreifen erkennen.“ Den ,,komplizierten Bau des Riickengefaifes* der Lum- briciden und von Criodrilus schildert Vespovsky folgender- magen. Er hat gefunden, »daB8 die Muskeln eine hohe Schicht bilden, vornehmlich tritt die innere Ringmuskulatur sehr schén an Querschnitten her- vor. Das Lumen des Riickengefiles wird von einer epithelartigen Lage ausgestattet, deren Elemente an gut Beitrige zx einer Trophociltheorie. 239 tingierten Praparaten runde, 0,01 mm grofe Kerne und feine Mem- branen erkennen lassen. Nach aufen ist das Riickengefai mit grofen, an Querschnitten zierlich sich gestaltenden Chloragogen- driisen besetzt, die hier, gleich jenen am Magendarme, modifizierte Peritonealzellen darstellen.“ Die Abbildung Fig. 2, Taf. XIV, laBt auferhalb der Ring- muskelschicht eine Lage von Querschnitten von Lingsfasern er- kennen. W. MicHaArtsen (1886) sagt zur Histologie des Blutgefaf- systems der Enchytraiden: »Der Wandung des RiickengefaBes ist eine starke Ringmuskel- schicht aufgelagert. Die einzelnen Muskeln sind bandformig und lassen nur enge Zwischenriume zwischen sich.“ Voet und Yuna sagen in ihrem Lehrbuch (1888) von Lumbricus agricola: Les vaisseaux sanguins ont une double paroi conjonctive (intima et adventita de Lrypic) renfermant de nombreux noyaux, qui se colorent vivement dans les réactifs. Dans les portions contractiles, il s’intercale entre ces deux lamelles une ‘couche interne de muscles longitudinaux et une couche externe de fibrilles musculaires circulaires. L’intima ou lamelle conjonctive interne se plisse en certain points... .“ Bepparp bildet (1890) einen Querschnitt und einen Langs- schnitt durch eine GefaBschlinge eines vorderen Segmentes von Phreoryctes ab. Im Text wird ihrer keine Erwahnung getan. Die Figuren zeigen innen ein deutliches Wiirfelepithel, dann eine kriftige Ringmuskel- und zu dauferst eine diinnere Langsfaserschicht. Ich gestehe, da8 mich das Wiirfelepithel in sehr groBe Verlegenheit setzt. Nach demselben Autor (1892) ist das Riickengefaf von Phreodrilus subterraneus von einer einigermafen dicken Zelllage ausgekleidet, seine Muskelfasern verlaufen vorwiegend zirkular. »Here and there oval bodies which have in every respect the appearance of the nuclei in the endothel lining, may be seen embedded in the coagulated yellow blood.‘ Daf Hesse (1893/1894) den Blutkanalen in der Darmwand der Enchytraiden und anderer Oligochiten ein Endothel zuschreibt, habe ich friiher schon erwahnt (p. 214). Die Zeichnung aber, die er in Fig. 29 von einem Querschnitt durch den Darm von Stylaria lacustris L. liefert, zeigt das Lumen des Riicken- gefaifes ausschlieflich von Chloragogenzellen begrenzt. 240 Arnold Lang, Die Uebersicht, welche BreppArpD in seiner Monographie (1895) von der Struktur der GefaBwand der Oligochaten gibt, enthalt nichts Neues. Une fand (1895/1896), was ,er besonders gut auf Querschnitten durch Pachydrilus pagenstecheri erkennen konnte, in den herzartigen Anschwel- lungen des Riickengefafhes kleine, deutlich begrenzte Zellen. Dem- nach wird auch das RiickengefaS von einem Endothel umschlossen, das eine direkte Fortsetzung von demjenigen des Blutsinus ist.“ In seiner Arbeit tiber phagocytére Organe der Oligochaten bildet Gurpo ScHNEeIDER (1896) einen Querschnitt durch das Riickengefaf einer jungen Perichaeta ab, welcher eine innere Grenzmembran, eine diese umhiillende ziemlich dicke Ringfaserschicht und zu auferst das Célothel zeigt. Von einem Endothel ist nichts zu sehen. In seiner Arbeit tiber Regenwiirmer von Westindien und Siid- amerika publizierte MICHAELSEN (1897) Abbildungen zur Struktur der Wandungen des Riickengefafes und der Intestinal- herzen von Tykonus peregrinus. Man sieht eine innere Lage von Ringmuskelfasern, die nach Abbild. 9 im Riicken- gefafS anastomosieren, und eine iuBere Lage von Célothel- (zum Teil Chloragogen-)zellen. Von allen bei Anneliden sonst bekannten Gefifstrukturen ab- weichend ist jedoch nach MicHArELsEeNs Darstellung die Struktur des umfangreichen, paarweise in den Segmenten 10 und 11 liegenden Herzens von Onychochaeta windlei. Das Herz enthilt Muskelfaden, die sein Lumen »yvon Wand zu Wand durchziehen und eine kriaftige Kontraktion der sonst nur mit sparlicher Muskulatur ausgestatteten kolossalen Herzen erméglichen. Es sind schlanke, sich in Pikrokarmin gut farbende Faden, denen stellenweise ein Kern angelagert ist. Sie gleichen durchaus den oben erwahnten Muskelfiden in der Typhlo- sols von Tykonus peregrinus, auch darin, daf sich die dickeren Enden hiufig in mehrere feinere spalten.“ Ein umfangreicher axialer Raum im Herzen bleibt frei von Muskelfaden. »Die Grenze dieses axialen Raumes wird durch zahlreiche in der Langsrichtung verlauftende Muskelfiden markiert.“ Von diesen Langsmuskeln strahlt eine zweite Gruppe senkrecht auf die Wandung des Herzens hin, die Gruppe der Radiirmuskeln. Line dritte Gruppe erscheint auf Querschnitten durch das Herz in der Art von Se- kanten zwischen zwei auf demselben Querschnitt liegenden Punkten der Wandung ausgespannt*, Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 241 doch so, daf sie immer auferhalb des zentralen freien Raumes liegen. Von den erwahnten Muskelfaden im Blutraum der Typhlosolis von 'lykonus peregrinus sagt MicHaELsen, daf sie ihn als zarte Muskelbiindel in dorso-ventraler Richtung durchziehen. Die Biindel entspringen als ziemlich dicke Strange dorsal, zerteilen sich und gehen als zartes Strahlenbiindel vornehmlich an die ventrale, sparlicher an die laterale Wand der Typhlosolis. Im Jahre 1897 machten Nuspaum und RaKkowskr wichtige Mitteilungen tiber die Struktur des Riickengefabes bei Enchy - triiden. Sie haben die groBen Friedericia-Arten: Fr. Ratzelii, Fr. striata und den Mesenchytraeus setosus naher untersucht. Ihre Befunde, die durch grofke und deutliche Abbildungen illustriert werden, sind folgende: »Bei den grofen Friedericia-Arten haben wir vor allem kon- statiert, daB in dem Riickengefafe, das bekanntlich an seinem hinteren Ende in den, den Darmkanal umgebenden und von Endothelzellev begrenzten Blutsinus sich 6ffnet, _ wei Abteilungen zu unterscheiden sind, namlich: in der vorderen Abteilung ist das Riickengefa8 ganz von der Darmwand getrennt. Ks besitzt hier eine aufere Peritonealzellenschicht, seine eigene, nicht mit der Darmwand zusammen- hangende, zirkulare Muskelschicht und Endothel. In der hinteren, etwa die Halfte ausmachenden Abteilung des Riickengefales geht nicht nur die Peritonealzellen- schicht des GefaiSes, sondern auch die Muskulatur desselben kontinuierlich in die des Darmes iiber. Die zirkulare Muskelfaserschicht beider Organe hat hier namlich auf Querschnitten die Gestalt der Umrisse einer Sanduhr, wobei jedoch der untere den Darm umgebende Teil umfangreicher als der obere, d. h. dem RiickengefifS angehérende ist. — In der hinteren Halfte des Riickengefif8es ist also das Lumen des- selben in der Gegend der Medianebene des Kérpers einzig und allein durch das Endothel von dem seinerseits mit Endothel ausgekleideten Blutsinus getrennt, wahrend die Muskulatur des Gefafbes ununterbrochen in die des Darmes iibergeht. — Wahrend in dem vorderen Teile des RiickengefaSes nur die zirkulire Muskelfaserschicht existiert, finden sich tiberdies in dem hinteren Teile desselben nach aufen von der zirkularen Muskelfaserschicht auch einzelne longitudinale Muskel- fasern, die ganz ahnlich aussehen wie die longitudinalen Muskel- fasern des Darmes; sie sind aber am Blutgefafe in viel sparlicherer Anzahl] vorhanden als am Darme. Sehr oft ist. die zirkulare Muskel- faserschicht vielfach gefaltet; in diesen Fallen kann man die aufer- ordentlich zarte Endothelwand sehr gut beobachten. Von aufen ist die Muskulatur des Gefafes, wie bekannt, von den grofen Peri- Ba. XXXVI. N. F. XXX1 16 242 Arnold Lang, tonealzellen umgeben, die in diejenigen des Darmes iibergehen. — ~ Den kontinuierlichen Uebergang der Muskulatur des Gefafes in die des Darmes und das Vorhandensein der longitudinalen Fasern aufer den zirkularen kann man besonders gut in dem hinteren, herzartig angeschwollenen Teile des Riickengefabes auf Querschnitten beob- achten. Noch weiter nach hinten geht das Endothel des RiickengefaSes ununterbrochen in das den Darm-: blutsinus auskleidende Endothel tiber. — Was nun das Endothel des Riickengefafes anbetrifft, so ist dasselbe sehr platt: seine Zellen sind mit linglich-ovalen Kernen versehen. Die Zahl der Endothelzellen ist auf Querschnitten durch das Riickengefab sehr gering; an den meisten Querschnitten haben wir nur 1 oder 2 Endothelzellen angetroffen, aber immer haben wir ein aufer- ordentlich diinnes, von diesen Zellen ausgehendes Hiautchen gesehen, welches das ganze Lumen des Gefahes begrenzt und der zirkularen Muskulatur von innen anliegt.“ Diese Darstellung, besonders auch die der Beziehungen der Wandungen des RiickengefiBes zu denen des Darmblutsinus, ist gewif ausgezeichnet und sehr lehrreich. Aber mit Bezug auf das Endothel wage ich eine andere Ansicht zu aufern. Die aufer- ordentlich zarte Endothelwand, die sich von der Ringmuskelschicht, wenn diese gefaltet ist, abgehoben hat, ist, wie ich vermute, der Umrif des koagulierten Blutes, das sich von der GefaSwand zuriick- gezogen hat, und die vermeintlichen Endothelkerne sind Kerne oberflachlicher Blutzellen. Endothelien pflegen sich gewéhnlich nicht von ihrer Unterlage loszulésen, wohl aber ist es eine ganz all- gemeine Erscheinung, daf man das koagulierte Blut mit scharfen Umrissen von der inneren Gefafiwand zuriickgezogen antrifft. Zieht man das Facit aus der vorstehenden Zusammenstellung der Beobachtungen iiber die Struktur der GefaSwand der Oligo- chaten, so ergibt sich eine trostlose Verschiedenheit der Ansichten selbst in den wichtigsten Punkten. Glticklicherweise haben nun die neuesten, auferordentlich skrupulésen Forschungen von Ber@H (1900) bedeutend mehr Licht gebracht. Diese mit den kom- binierten Mitteln der vervollkommneten modernen Technik an- gestellten Untersuchungen, die eine Periode-abzuschlieben scheinen, reihen sich wiirdig an diejenigen an, mit denen der Altmeister Leypi@ sie inaugurierte. Ich hatte von meinem Standpunkte aus immerhin noch eine ausgiebigere Kontrolle durch die Schnitt- methode und insbesondere eine gréBere Riicksichtnahme auf die Beziehungen der GefiSe zum Célothel gewiinscht. Von meinen theoretischen Gesichtspunkten aus haben natiirlich nicht alle Beobachtungsresultate BerGus das gleiche Interesse. So Beitrige zu einer Trophocdltheorie. 243: interessiert mich die Beschaffenheit der Zellgrenzen weniger als die Aufeinanderfolge und histologische Bedeutung der verschiedenen Elemente resp. Schichten der Gefafwand. Der folgende Auszug aus den Untersuchungen Bercus ist von solchen Gesichtspunkten aus abgefaft, also etwas einseitig. Das RiickengefaB von Chaetogaster diaphanus und Stylaria proboscidea. Beide zeigen groBe Ueberein- stimmung. 1) Beobachtung am lebenden Tier. Man bekommt ein ahnliches Bild, wie es schon VEsDOVSKyY zeichnete. »Man sieht als Wandung des Gefafes eine scharf begrenzte innere Cuticula und dieser aufliegende sparsame Zellen mit kurzen Auslaufern. “ Die Zellkérper springen nach aufSen vor und ge- héren nur der dorsalen Seite des RiickengefaB8es an. Bei genauerer Beobachtung der Kontraktionen stellt sich heraus, yda8 nur die Dorsalwand und die freien, seit- lichen Wandungen kontraktil sind; mit der Ventral- wand ist das Gefa8 dem Darmkanal fest angeheftet und scheint keine spezifischen Zellen in seiner Wandung zu haben.“ Die Wandzellen zeigen keine Spur von Muskelstruktur. Die sie auf Silberpraparaten begrenzenden Silberlinien grenzen lateral an die Silberlinien des Peritonealepithels an und erweisen sich als bogenformig. »Dieselben stehen wie die Bogen im Croquetspiél in das intestinale Peritoneum als Boden eingepflanzt. Mit anderen Worten: die die Rickenwand und die Seitenwande des Riicken- gefaes zusammensetzenden Zellen sind halbring- formig, und der (nicht kontraktile) Boden des Gefiafes wird von den Peritonealzellen des Darmes gebildet.* Bereu fahrt dann fort, und ich bitte darauf zu achten: »Hs kann dies iiberraschend und etwas paradoxal erscheinen, daf zwei so verschiedenartige Elemente an der Bildung des Gefiafes beteiligt sind, oben und seitlich halbringférmige, kontraktile Zellen und unten, wo das Gefaf festliegt, platte, nicht kontraktile Zellen.“ BereGu findet das aber weniger ratselhaft, wenn man die Onto- genie beriicksichtigt. Die erste Anlage der zentralen “Sefaife erscheint, soweit man sie kennt“ (Brereu zitiert nur KowaLevsky und VEspoysky), ,ein- fach als eine Verdickung der Splanchnopleura, und das Lumen er- scheint als Spalt zwischen auferer und innerer Schicht derselben. Die aufere Schicht wird nun, denke ich, einfach in die Reihe der halbringférmigen, kontraktilen Zellen umgemodelt; die innere Schicht bleibt am Boden ziemlich unverandert bestehen....“ ,Es findet 163 244 Arnold Lang, keine vollstindige Ablésung vom Darmkanal und keine Umgebung der primitiven GefaiSwand mit sekundadren Gewebsschichten statt. Merkwirdig ist nur, dai zwei so verschiedenartige Hlemente wie die Peritoneal- zellen des Darmes und die kontraktilen Zellen an der Bildung der inneren Cuticula teilnehmen.“ 2) Die Untersuchung von Schnitten bestatigte die angefiihrten Resultate. Ich glaube, BERGH ware zu einer anderen Deutung der Beob- achtungsresultate gelangt, wenn ihm auch noch andere Unter- suchungen, als die angefiihrten, tiber die Entwickelung des Riicken- gefies der Anneliden bekannt gewesen waren, und wenn er die Herzbildung bei anderen Abteilungen des Tierreiches, besonders bei den Arthropoden, Mollusken und Tunicaten zum Vergleich herbeigezogen hatte. Meine Deutung ist folgende: 1) Das Riickengefa8B ist ein mediodorsaler Rest des Darmsinus. (These 27, p. 198.) 2) Die halbringfOrmigen Zellen, die es dorsal und lateral begrenzen, sind kontraktile Célothelzellen. Das erklart das scheinbare Fehlen eines Peritonealendotheliiberzuges, der ja sonst nirgends fehlt. (These 15, Al. 2, p. 195.) 3) Die Bezeichnung ,innere Cuticula* ist tiberall bei BerGu durch die Bezeichnung ,Basalmembran des Célo- thels“ zu ersetzen. (These 26, p. 198.) 4) Der Boden des RiickengefiBes wird nicht vom Peritoneal- epithel, sondern von der Basalmembran des Darmepithels gebildet. (These 28, p. 198.) In dieser Vermutung werde ich besonders durch den in Beraus Fig. 6 abgebildeten Querschnitt bestarkt. Die in Fig. 7 und 8 abgebildeten Lingsschnitte sind nach meiner Vermutung nicht genau median gefiihrt. Da8 die Wandzellen genau in der Mittellinie liegen, ist etwas auffallig. Verschwindet das dorsale Mesenterium sehr friihzeitig in der Ontogenie? Kommt die mediane Zellreihe so zu stande, daf zwei laterale Zellreihen mit ihren Elementen sich ineinander keilen, etwa wie bei der soliden, einreihigen, entodermalen Achsen- zellsiule in den Tentakeln mancher Hydrozoen? »Die kontraktilen Gefabschlingen, welche im vorderen Kérperteil Riicken- und Bauchgefa8 miteinander verbinden“, zeigen nach Brrew ,einen aihnlichen Bau wie das Riickengefib, nur da- durch modifiziert, da8 sie nicht dem Darme angeheftet sind, sondern frei in der Leibeshohle verlaufen.“ Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 245 Damit ist fiir mich ohne weiteres gesagt, daB an den GefaB- schlingen die halbringférmigen, kontraktilen Célothelzellen ring- formig geschlossen sind, daf also die Schlingen, wie VespovsKy sagte, aus durchbohrten Zellen bestehen. Nur ist das Lumen gene- tisch wohl nicht intracellulir, und die ,innere Cuticula* ist in Wirklichkeit die zum Ringe geschlossene Basalmembran. In der Tat sagt Berau, daf die Gefa8schlingen bestehen aus der inneren Cuticula und den derselben auSerlich anliegenden Zel- len, deren Kerne immer nach aufen, nie nach innen vorspringen. Eine sehr wertvolle Beobachtung macht BerGu iiber die Kon- traktionsweise der Gefafschlingen: » Wenn sich eine der kontraktilen Gefafschlingen zusammen- zieht, so besteht diese Kontraktion nicht einfach in einer Verengerung des betreffenden Gefafes, sondern die Gefafschlinge verkiirzt sich zugleich. “ Daraus geht hervor, was mit dem Fehlen einer besonderen Muskelstruktur im Einklang steht, daf die kontraktilen GefaBzellen allseitig oder doch mindestens nach zwei entgegengesetzten Rich- tungen kontraktil sind. Das nicht kontraktile, frei in der Leibeshéhle verlaufende Bauchgefaf besteht ebenfalls aus einer inneren, sehr deut- lichen, homogenen Cuticula und derselben aufen an- liegenden Zellen, deren Kerne immer nach aufen vorspringen. Die Zahl dieser Zellen ist sehr gering. Die Zellgrenzen sind un- regelmaBige, ein- und ausgebuchtete Liniensysteme. Zu dieser Beschattenheit der Zellgrenzen, die vielfach wieder- kehrt, méchte ich mir hier schon die Bemerkung erlauben, daf sie die bei Endothelzellen allgemein verbreitete ist. Das stimmt ge- wil} auch mit der Auffassung, die in den Wandzellen der GefaBe Célothelzellen erblickt. Tubificiden. Bereu hat eine wahrscheinlich neue Form untersucht. Das Riickengefa8 zeigt in seinen vorderen, dem Darm an- eehefteten Verlauf den gleichen Bau wie dasjenige von Chaeto- gaster und Stylaria. »Der allervorderste Teil des Riickengefifes liegt bei dieser Art frei in der Leibeshéhle und besteht aus ganz ringférmigen Zellen. Nun ist es aber sehr auffallend, da8 der grésere hintere Abschnitt des Rickengefaifes einen wesentlich verschiedenen Bau hat. Wihrend der vordere Teil vom Peritoneum des Darmes ginzlich unbedeckt ist, istdasselbeitiberden hinteren Teil des GefiSes emporgewuchert.* 246 Arnold Lang, Die einzelnen Peritonealzellen bestehen aus einer durchsichtigen Basalplatte und dem aus dieser hervorragenden, kernhaltigen Zell- kérper. Die Basalplatten stoBen in wenig ein- und ausgebuchteten Zellgrenzen aneinander. »lnnerhalb dieser sekundiairen Peritonealhiille -liegennun nicht die oben erwahnten halbringfirmigen, kontraktilen Zellen, sondern echte Muskelfasern mit der typischen ,doppelten Schrigstreifung, d. h. mit echten, spiralig laufenden Muskelfibrillen. Diese: Muskelfasern sind schmal und bandfirmig — sie kénnen verzweigt sein — und stofen nicht aneinander, sondern liegen ziemlich weit voneinander entfernt.* Folgende weitere Beobachtung ist sehr wichtig: ,ln einem Exemplar, das ein langes, regeneriertes Hinterende hatte, war in demselben das Riickengefif noch nicht von den Peritonealzellen umwachsen, sondern erschien wie im vorderen Teil; Muskelfasern und Peritonealhiille waren darin absolut nicht zu er- kennen. Die Ausbildung dieser Teile erweisen sich also hierdurch aufs klarste als sekundire Vorgiinge.“ Zu diesen Beobachtungen habe ich folgendes zu bemerken: 1) Der Umstand, daf das Riickengefaf’ am vordersten Ende ganz frei verliuft, wahrend es im tibrigen K6rper wie ein Trog, die Oeffnung nach unten, dem Darme aufsitzt, erinnert auffallig an das Verhalten derjenigen zahlreichen Anneliden, bei denen das Riickengefa8 sich von einem Darmsinus abschniirt. 2) Daf die Halbringe im freien vorderen Abschnitte geschlossen sind, stimmt mit meinen theoretischen Ansichten. (These 28.) 3) Es wird nicht ausdriicklich gesagt, daf die Muskelfaser- schicht eine gesonderte Zellschicht ist. Muskelkerne werden nicht. erwihnt. Es kénnte sich also auch um eine einzige, als Epithel- muskelschicht entwickelte Célothelzellenlage handeln. 4) DaB die Peritonealzellen iiber das Riickengefaf empor- wuchern, ist eine bloBe Vermutung, der ich die andere entgegen- stelle, dafi die beschriebene komplizierte Gefaifstruktur, die auch ich fiir sekundir halte, in situ entstanden ist, entweder 1) durch Delamination der anfanglich einfachen Célothelzellenlage. Diesen Modus, welcher der Differenzierung des somatischen Célothels in Kérpermuskulatur und Peritonealepithel entspricht, vermute ich fiir den wahrscheinlicheren Fall, dal die Muscularis eine besondere Zell- schicht darstellt. Oder es ist die kompliziertere Struktur 2) durch Differenzierung von Muskelfibrillen an der dem GefiiRlumen zu- gekehrten Basis der embryonalen Célothelzellen entstanden, also ebenfalls in situ. Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 247 Die kontraktilen GefiS&schlingen bestehen auch bei Tubifex aus aneinander gereihten kurzen und diinnen kon- traktilen Réhrenzellen ohne Muskelstruktur. »Hin peritonealer Ueberzug fehlt diesen Gefiifen (wie auch dem Bauchgefai und seinen Seiteniisten) vollkommen.“ Natiirlich, sage ich, fehlt er! Die Wandzellen der Gefafschlingen sind ja selbst die Peritonealzellen! Am Bauchgefa8 sind die Grenzlinien der Wandzellen ganz aufferordentlich aus- und eingebuchtet. Enchytraiden. Pachydrilus, wahrscheinlich P. fossa- rum. Der vordere, frei in der Leibeshéhle verlaufende Teil des Riickengefa8es zeigt denselben Bau wie bei Tubifex. Der darauf folgende angeheftete zeigt zunichst halbringférmige, kon- traktile Zellen oben und Peritonealzellen unten. Weiter nach hinten aber erkennt man, wie einzelne Peritonealzellen (Chloragogenzellen) des Darmes sich an der Gefab- wand emporschieben, und noch weiter nach hinten bilden sie eine unvollkommene, iuBere sekundiare Umhiillungsschicht (Tunica adventitia, Lrypie) der- selben. Wenn es sich wirklich um ein aktives Emporwandern der Peritonealzellen handelt, so stimmt das wenig mit meinen theoretischen Ansichten. Nach Breren sind hier wahrscheinlich einzelne wirkliche Ringmuskelfasern zwischen Cuticula und Peritonealepithel vorhanden; doch méchte er sich dariiber nicht zu positiv aussprechen. Auch die Angabe bereitet meiner Theorie Schwierigkeiten, dafi Bercu in Uebereinstimmung. mit Vegpovsky den Blutsinus zwischen den Muskelschichten des Darmes gelegen sein laft. Als innere Begrenzung finde sich wohl auch hier die Cuticula. Die kontraktilen Verbindungsgefafe und das Bauch- gefa8 sind wie bei der untersuchten Tubifex- Art gebaut. Lumbriciden. Bere faft seine Untersuchungsresultate zusammen, wie folgt: 5 »Allen Gefiifen gemeinsam ist die innerste Schicht, eine nach innen wie nach aufen scharf begrenzte, in den griferen Ge- fen ziemlich starke, durch Sturefuchsin kriftig sich firbende, zellenlose, homogene Bindegewebsmembran; anihrer Innenseite sind keine Zellen oder Kerne vorhanden (mit Ausnahme der Klappen in den kontraktilen Gefaben). Dieser ,upypigschen Intima‘ liegt aufen ein Bindegewebe auf, welches in den gréferen Gefafen zahlreiche Yellen enthilt und in den nicht. kontraktilen GefiSen meistens geformte, ringférmig angeordnete, faser- oder bandartige Ge- 248 Arnold Lang, bilde erkennen la&t. In den kontraktilen Gefi8en ist eine Schicht kriftiger, zirkulair verlaufender Muskel- fasern in dieses Bindegewebe eingelagert; aufen folgt noch in den frei verlaufenden GefiSen eine Peritonealschicht, die in verschiedener Weise ausgebildet sein kann. Von der von mehreren Autoren behaupteten Existenz von Lingsmuskeln in den kontraktilen Gefafen ist nirgends die Rede; von einem ,Endothel‘ konnte héchstens in der einen Art der ganz kleinen Gefife in den Segmentalorganen geredet werden, indem die Bindegewebszellen hier Basalplatten zu entwickeln scheinen, mittelst derer sie an- einander stofen; indessen auch hier findet sich innerhalb derselben die scharf begrenzte Lrypiasche Intima. Und sonst kann nirgendwo in den GefiSen ein Endothel oder inneres Epithel nachgewiesen werden. Was die Autoren als solches beschrieben haben, sind der Intima an- hangende Blutkérperchen (vielleicht auch Zellen der Klappen), oder es sind als Zellgrenzen die Grenzen zwischen den nicht zelligen faser- oder bandartigen Gebilden im Bindegewebe aufgefabt worden.“ Zu diesen Befunden habe ich folgende Bemerkungen zu machen : 1) Beziiglich der Intima méchte ich wiederholen, daf sie meiner Meinung nach eine Art Basalmembran des Célothels dar- stellt. Damit stimmen meiner Ansicht nach auch einige Lum - bricus riparius betreffende speziellere Angaben von BERGH. So sagt er z. B. p. 604, da’ man aus Fig. 7 ersehe, ,»wie die bindegewebige Grundmembran eines Dissepiments in die Innenmembran des RiickengefaSes sich unmittelbar fortsetzt*. 2) Das Bindegewebe, das auf die Intima nach aufen folgt und welchem in den kontraktilen Gefifen die Ringmuskelfasern ein- gelagert sind, ist nach meiner Vermutung so zu deuten: Bei der Delamination der einfachen embryonalen Coélothelgefifwand dif- ferenziert sich die basale, dem Lumen des kontraktilen Gefifes zugekehrte Zelllage zu zwei verschiedenen Zellelementen, namlich erstens zuden Muskelfasern und zweitens zu den Ma- trixzellen der Basalmembran. Die letzteren wiirden das Bereausche Bindegewebe darstellen. Auch Beran betrachtet die Leypiasche Intima als eine verdichtete Bindegewebsmembran, die wohl jedenfalls den genannten Bindegewebszellen ihren Ursprung verdanke. 3) Was die zirkuliren Fasern im Bauchgefal, das niemals kontraktil sein soll, betrifft, so hat die Berausche Auffassung der- selben als Bindegewebsfasern von Anfang an starke Zweifel in mir wach gerufen und beziiglich der fehlenden Kontraktilitét méchte Beitrige zu einer Trophocdltheorie. 249 ich zunichst bemerken, daf, wie ich in Bepparps Monographie lese, Phreoryctes eine Ausnahme machen soll. Nach Har- RINGTON (1899) soll aber auch das BauchgefaifS des Regen- wurms pulsieren, allerdings seien die Pulsationen ,never so well marked as in the dorsal“. Ich ersuchte nun Herrn Dr. HescHEeLer, der mit der Histo- logie der Lumbriciden sehr genau vertraut ist, die Struktur des BauchgeféiSes einer Nachuntersuchung zu unterziehen. Herr HESCHELER stellt mir nun giitigst folgende Zusammenfassung seiner Untersuchungsresultate zur Verfiigung: BerGH sagt p. 607 bei Beschreibung des Bauchgefifes der Lumbriciden, dafi es einen sehr ahnlichen Bau zeige wie die von ihm vorher besprochenen Seiteniste. des Riickengefifes. Diese unterscheiden sich nach ihm von dem Riickengefaéfi selbst haupt- sachlich durch den Mangel einer Muskelschicht. Querstreifung, welche an diesen Seitenasten des RiickengefaBes festzustellen ist, riihrt von bandférmigen Gebilden her, welche der Intima auBen anliegen und nach Bere als geformte Bindegewebsgrundsubstanz betrachtet werden miissen. Dasselbe gelte nun auch fiir das BauchgefaB. ,,Die bandartigen Gebilde farben sich bei Anwendung der vAN GrEeson-Hansenschen Methode ganz hellrosa, sind also wohl nicht protoplasmatischer Natur, wie auch ihrem morpho- logischen Verhalten nach kaum zu vermuten wire.“ Ich habe mit derselben Methode (Hamatoxylin-Saurefuchsin- Pikrinsdure) eine Reihe von sagittalen Lingsschnitten durch Stiicke von Helodrilus (Allolobophora) caliginosus Sav. und H. longus Cups. behandelt und stets dasselbe Resultat erhalten, das mit dem von Bereu beobachteten durchaus nicht stimmt. In allen Fallen farbten sich diese bandférmigen Elemente deutlich intensiv gelb. Sie verhielten sich genau so wie die unzweifelhaften Muskelfasern. Daf die Farbung gelungen war, lief sich in allen Teilen des Schnittes feststellen, iiberall Bindegewebe rosa oder rot, Muskulatur gelb. Von der stark rot gefarbten Intima des Bauch- gefaBes hoben sich die gelben Fasern mit aller Scharfe ab. Sie zeigten ganz das Verhalten, das BerGu von den unzweifelhaften Ringmuskelfasern des Riickengefafes beschreibt. Auch bei anderen Tinktionsmethoden zeigen diese Gebilde Uebereinstimmung mit echten muskularen Elementen, so z. B. nach Anwendung der Chromhamatoxylinmethode, wo Muskelfasern grau, in der Farbe einer Bleistiftzeichnung, Bindegewebe dagegen violett erscheinen. Es lieSen sich auch in einigen Fallen zugehérige Kerne auf- 250 Arnold Lang, finden, die ganz den Charakter der Kerne tragen, wie sie BERGH als zu den Quermuskelfasern des RiickengefaBes gehérend be- schreibt: hell, blaschenférmig, mit grofem Nucleolus, viel gréSer als die dunkeln, mit stark entwickeltem Kerngeriist versehenen Bindegewebskerne. Es besteht somit kaum ein Zweifel, da8 das Bauchgefa8 der Lumbriciden einen ahnlichen Bau zeigt wie ihr Riickengefaf, ins- besondere, daf auch am Bauchgefaf’ zwischen peritonealer Um- hiillung und Intima eine Schicht von Ringmuskelfasern vorkommt. Im itibrigen kann ich die Angaben von BerGu, soweit ich sie nachgepriift habe, bestaétigen. Mit seiner Behauptung, dab ein inneres Epithel oder Endothel in den Gefaifen fehle, hat er sicherlich recht. Wo ein solches durch an der Intima adharierende Blutzellen vorgetauscht wird, lat sich bei genauerer Untersuchung diese Tauschung leicht feststellen. Wie er p. 605 beschreibt, ist haufig zu konstatieren, da’ in den Fallen, in denen sich die Blutfliissigkeit von der Wand der Gefife zuriick- gezogen hat, mit dieser gewéhnlich auch die Kerne sich zuriickziehen, so daf zwischen ihnen und der Intima des Gefafes ein deutlicher Spaltraum liegt. Besonders instruktiv sind Fille, wie folgender. Der Wand des Gefafes liegt ein Kern an, umgeben von einem Teile der Blutfliissigkeit, welch letztere nun gegen das Lumen des Gefiifes zu unregelmaiig zackige Begrenzung zeigt; diese Grenzlinie pat aber ganz genau zu der der nachstliegenden Partie der Blutfliissigkeit im Innern des Gefaibes. Kein Zweifel, da’ hier ein Rif stattge- funden hat und der Kern resp. die Blutzelle mit etwas Blutfliissig- keit an der Intima zuriickgehalten wurde. Von solchen Bildern bis zu anderen, die ein Endothel innerhalb der Intima vortiuschen, lassen sich aber alle méglichen Uebergangsstadien nachweisen. So weit HescueLer. Ich fahre nun in der Diskussion der Bereuschen Befunde fort. 4) Beran macht wiederholt darauf aufmerksam, da nur Gefaife mit peritonealer Hille mit Muskelfasern versehen sind. Das liebe aber doch einen innigeren genetischen Zusammenhang zwischen Peritoneum und Gefafmuskulatur vermuten, wie er nach meiner Ansicht auch wirklich besteht. Die Ausbildung einer Muskulatur im Coélothel war vielleicht gerade ein mitbedingendes Moment fiir das Eintreten der Delamination, die Sonderung des Coélothels in ein Peritonealepithel und eine Muscularis. Man wird mir die Schlufbemerkung zu gute halten, da die BercGusche Untersuchung fast in allen Punkten mir als eine Beitrige zu einer Trophocdltheorie. 251 eklatante Bestitigung der theoretischen Ansichten, zu denen ich gelangt war, erscheinen mubte. Durch die Untersuchungen von BrerGu ist aber die Endothel- frage immer noch nicht im Sinne der Nichtexistenz eines inneren GefaBepithels erledigt. Denn abgesehen davon, dafi HrescHELEerR das von CLAPAREDE beobachtete Vorkommen eines inneren Epithels bei Spirographis bestatigt hat, ist soeben in CAMILLO SCHNEI- DER ein Verteidiger der Ansicht von der Existenz eines Endothels in den gréferen GefaBen des Regenwurms erstanden. Immerhin handelt es sich um ein diskontinuierliches Epithel, vielleicht um ein Pseudoepithel im Sinne der These 16. Kart CAMILLO ScHNEIDERS Beobachtungen beziehen sich auf Eisenia (Lumbricus) rosea Sav. und sind in seinem sehr verdienstvollen ,,Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Tiere“ (1902) niedergelegt. © Nach SCHNEIDER sind ypalle gréfweren Gefahe, Arterien und Venen, mit einem Vasothel (Endothel) ausgestattet, das aus locker gestellten, entsprechend der Liangsachse der GefaSe lings ausge- zogenen, spindeligen oder veristelten, Zellkérpern mit platten und schmalen, gleichfalls lingsgestreckten, Kernen besteht, die wohl meist nicht dicht aneinander schliefen und derart eine von Liicken durchbrochene diinne Zellschicht bilden, in der durch Versilberung keine Zellgrenzen nachzuweisen sind. In den Kapillaren scheint ein Endothel gewéhnlich zu fehlen. An den Klappen des Dorsalgefafes sind die Endothelzellen zu langen, radial gestellten Elementen umgeformt, die insgesamt zwei seitliche, opponiert gestellte, halbmondférmige, dicke Platten bilden, welche mit freiem Rande schrag in das Gefaflumen vorspringen. Wir finden Klappen dicht hinter der Eimmiindung der ektosomatischen Schlingen ins RiickengefaS im Innern des letzteren, welche einen Riickstrom des Blutes verhindern. Ferner zeigt jedes vom Darm kommende Gefaf an der Einmiindungsstelle eine Klappe, welche es verhindert, daf vom RiickengefaS Blut in die Darmgefale strémt.* »Das Endothel liegt einer Grenzlamelle (Intima) auf, die am kontrahierten Riickengefaéf deutlich in hohe langsverlaufende Falten gelegt ist, in deren Furchen man die Endothelzellen wahr- nimmt. Sie besteht aus dichter Bindesubstanz, die sich mit der van Gisson-Farbung rétet und nirgends die Charaktere echt elasti- schen Gewebes zeigt. Am dorsalen Gefaf erscheint sie als Bildungs- produkt besonderer veriastelter Bindezellen (Burcu), die ihr aufen, zwischen den Muskelfasern, anliegen. An den itibrigen Ge- fafen ist sie abzuleiten von epithelartig in ihrem Umkreis gelagerten Zellen, die am Bauchgefii und an allen Arterien kontraktiler, an den Venen und 252 Arnold Lang, Kapillaren nicht kontraktiler Natur sind und ganz allgemein als Wandungszellen bezeichnet werden sollen. Die nicht kontraktilen Wandungszellen, von Brereu irrtiimlicher- weise als Endothelzellen aufgefaf8t, bilden umfangreiche, der Intima innig aufliegende Platten mit undeutlicher Sarkstruktur, denen aufen helle, nur wenig abgeplattete, meist deutlich vor- springende Kerne innerhalb geringer Sarkreste von mannigfaltiger Form anhaften, die von den Platten nicht gesondert werden kénnen. Die Kontur der Platten tritt bei Versilberung scharf hervor und zeigt ziemlich regelmabige Form. An den kontraktilen Wandungs- zellen sind die Platten weit minder regelmafig begrenzt, derart, dai die durch Versilberung hervortretenden Konturen vielfach ge- wunden verlaufen. In den Platten selbst treten zirkular verlaufende, zu Bandern angeordnete Fibrillen hervor, die sich mit Eisen- hamatoxylin schwarzen und durch deren Ausbildung die gebuchtete Zellkontur bedingt erscheint. An den Nephridien kann man Wan- dungszellen beider Arten studieren; die Gefafe mit reich ge- wundenen Silberlinien entsprechen den Arterien, die anderen den Venen (Exsertu). Vor allem am BauchgefaS, aber auch an den arteriellen Schlingen, sind die Fibrillen deutlich quergestreift; dieser Befund stellt auber Zweifel, dai es sich um Muskelfibrillen (— nach Bereu sollen es, gleich der Intima, bindegewebige Bil- dungen sein —) handelt, was ferner auch daraus hervorgeht, daf bei niederen Oligochaten auch das Riickengefaif teilweise den gleichen Bau aufweist. Somit sind beim Regenwurm alle GefifSe mit Ausnahme der kleineren Venen und der Kapil- laren kontraktil. Am wichtigsten kontraktilen Gefab (Riicken- gefa8) fehlen die Wandungszellen, und es kommen dafiir typische, glattfaserige (nach Buren doppelt schrag gestreifte) Muskelfasern vor, denen die Kerne in einem unscheinbaren Zellkérper anliegen. Man findet eine innere Ring- und eine iubere Langsmusku- latur, die beide einschichtig entwickelt sind. Die frei im Célom verlaufenden Gefaife sind von einem platten Célothel iiberzogen, das dorsal und lateral am Riickengefal, so- wie an den angrenzenden freien Abschnitten der Darmgefabe, als Chloragogengewebe entwickelt ist.“ Leider sagt uns der Verfasser nicht, was zu erfahren von Wichtigkeit ware, ob es auch solche frei verlaufende GefaiBe mit nicht kontraktilen Wandzellen gibt, die auher den Wandzellen noch einen besonderen Célotheliiberzug besitzen. Ich babe Grund, zu vermuten, dai solche GefaiBe nicht existieren. SCHNEIDER polemisiert gegen Ber@H, welcher behaupte, da8 ganz allgemein bei den Anneliden ein Endothel fehlen soll, und welcher die von ihm (ScHNEIDER) als Endothel (Vasothel) in An- spruch genommenen Zellen ,,als innere Bindezellen oder als Blut- zellen, die sich an die Intima angelegt haben“, deute. ScHNEI- DER sagt: Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 253 »Indessen ist die Anordnung und Ausbildung der betreffenden Zellen auch an kleineren GefafSeu (sowohl Arterien als Venen) eine so charakteristische, dai unbedingt von einem Endothel gesprochen werden mu, das z B. bei den Hirudineen (siehe dort) eine be- merkenswerte Beschaffenheit annimmt. Eine Beziehung des Endothels zu den Blutzellen soll nicht bestritten werden; es kénnte aber eher das Endothel als Bildungsherd von Blutzellen aufgefakt werden, wofiir z. B. auch die Befunde bei den Nemertinen sprechen. Schon die Anwesenheit der Klappen und des bei vielen Anneliden vor- kommenden Herzkérpers, der eine Endothelwucherung reprisentiert, setzt die Anwesenheit eines Endothels voraus.“ Demgegeniiber ist zu bemerken, 1) daf die angezogenen Gefife der Hirudineen — es handelt sich um Hirudo medi- cinalis — iiberhaupt keine Gefafe, sondern kanalartige Ab- schnitte (Sinusse) des echten Céloms sind, denen als solchen ein echtes Célothel zukommt, und 2) da ich der Auffassung der Klappen als Gefafendothelwucherungen die andere gegeniiber- stelle, da’ sie célexotropische Produktionen des Célothels sind. C. Hirudinea. Auch in dieser Abteilung muf ich bis auf Leypias klassisches Lehrbuch der Histologie (1857) zuriickgehen, in welchem drei Schichten der Wand der kontraktilen GefaS8e der Anneliden als Intima, Muscularis und Adventitia beschrieben werden. »Die Muscularis hat Ring- und Lingenmuskeln (Hirudo z. B.), die aber beide nicht streng zirkulir und longitudinal ver- laufen, sondern an Flechtwerke erinnern. Die Fasern der Ringmuskeln sind breiter als die der Lingsmuskeln. Zu tiuferst kommt eine weiche bindegewebige Hiille (Adventitia) mit einzelnen Kernen und ist éfters pigmentiert, z. B. an den Stammgefafen bei Haemopis.“ Bei nicht kontraktilen Gefafen fehlt die Muscularis, wihrend die Intima, z. B. am Bauchgefé8 von Piscicola von ziemlicher Dicke ist. »Am Bauchgefé8 von Clepsine und Piscicola bemerkt man noch die EHigentiimlichkeit, daf nach der Linge des Gefiises ein lingsgestreiftes Band zieht, gegen welches sich die Intima in feinere und grébere Ringfalten legt, wodurch das ganze Gefaf einem Stiick des Grimmdarmes der Saugetiere tihnelt. Bei Clepsine sind zwei solche einander gegeniiberstebende Ligamenta zugegen. Ein Epithel des GefaSlumens fehlt.“ Erwahnenswerte Angaben iiber die Struktur der Gefafwand der Hirudineen finde ich seit Leyp1a erst wieder bei Oka (1894), der sie bei Cle psine studierte. 254 Arnold Lang, ,»Samtliche Gefife ‘sind mit einer Wandung versehen. Wo das GefaiB frei in einer Lakune liegt, wird die Wand aus zwei Schichten gebildet, einer iuferen, bindegewebigen und einer inneren, epithelialen, wiihrend an solchen Stellen, wo das Gefi% der Binde- gewebsmasse eingelagert ist, die erstere Schicht natiirlich wegfillt.“ Die dicksten Wandungen haben die kontraktilen Kammern des Riickengefaifes. Ein Schnitt durch eine solche zeigt folgendes: »Nach aufen sieht man eine diinne Schicht von bindegewebiger Substanz, in welche eine Anzahl von Kernen eingelagert ist. Diese Schicht ist nichts anderes als die Fortsetzung von gewdhnlichem Bindegewebe des Ko6rpers. Weiter innenwirts von dieser Schicht findet sich eine zweite, die eigentliche Wand des Blutgefiifes. Sie ist verhiltnismafig sehr dick und besteht aus Zellen, welche je mit einem groRen runden Kern versehen sind. In diesen Zellen eingebettet sieht man eine Masse von faseriger Substanz, welche offenbar regelmifig angeordnet ist und wahrscheinlich die Kontraktion der Kammern verursacht. In der ganzen Linge des Dorsalgefafes konnte ich keine andere Schicht auffinden und da es keine besondere Muskelhiille gibt, so scheint es, da8 die innere Schicht, d.h. die Wand des Gefafes selbst kon- trakéil dst Im Ventralgefi8 ist die innere Schicht bei weitem nicht so dick, wie im RiickengefaB. Ich muf gestehen, dafi mich sowohl die Beschreibung als die Abbildung (Fig. 29, Taf. V) in Verlegenheit setzen. Die auBere Schicht von Bindegewebe kann zwar als Peritonealepithel gedeutet werden, denn die Gefafstamme liegen bei Clepsine in Célom- sinussen. Aber mit der inneren kontraktilen Zellenlage mit den grofen eingebetteten Kernen und der undeutlich faserigen Sub- stanz im Innern kann ich bei Hirudineen nichts anfangen. Von meinem theoretischen Standpunkte aus wire zu erwarten, daf die innere Wand aus Muskelfasern besteht, die mit denen in der Darm- wand iibereinstimmen, also aus echten Roéhrenfasern. In seiner vorliufigen Mitteilung iiber die interessante, borsten- tragende Hirudineenform Acanthobdella peledina sagt A. KOWALEVSKY (1896), dafi die Wandung des RiickengefaBes im vorderen Kérperteil grofe Muskelzellen enthalte, deren Kerne Vor- spriinge in den Hohlraum des Gefafes hinein verursachen. Sehr interessant sind die Resultate, zu denen H. Bouisrus 1896 beim sorgfaltigen cytologischen Studium der ,glande impaire de 1} Haementeria officinalis“ gelangt. Sie fallen um so mehr ins Gewicht, als von einer Voreingenommenheit, was die Gefab- struktur anbetrifft, bei Bonsius nicht die Rede sein kann, denn Beitrige zu einer Trophociéltheorie. 255 er wuSte nicht, da& die ,glande impaire‘, die er fiir eine tiber dem Riissel liegende und in die Riisselscheide einmiindende Driise hielt, in Wirklichkeit, wie Kowatevsky einwandfrei gezeigt hat, der von ihm als Herz bezeichnete, stark muskulése, vordere Teil des Riickengefafes ist. Nach Bousrus ist die Lichtung der vermeintlichen Driise intracellular. Im Protoplasma der muffférmigen Zelle, die das Lumen beherbergt, liegt an einer Stelle der grofe blaschen- férmige Kern. Um den Kern herum liegt eine in zirkularer Richtung gestreckte Zone feinkérnigen Protoplasmas. Der ganze iibrige Teil der sehr dickwandigen Zelle ist faserig und zwar ver- laufen die Fasern fast ausschlieflich zirkulér. Freilich sollen da- neben auch noch radiare und sogar longitudinale vorkommen, doch lassen mich die Figuren ganzlich daran zweifeln. Fiir Bousrus namlich handelt es sich um eine retikulire Plasmastruktur, in welcher die zirkuliren Elemente nur pradominieren. »Mais dans notre objet, il semble, que dans toutes les couches -du réticulum général cest Vélément circulaire qui est toujours prépondérant. L’élément radial y est assez fort aussi (man sieht auf den Querschnitten nichts davon), quoique moins apparent, mais les trabécules & direction longitudinale y sont a peine di- stinctes.“ Die Muffzelle ist aufen von einer scharf abgegrenzten Mem- bran ,,d’une finesse extréme“, innen von einer dickeren, doppelt konturierten Haut begrenzt. Aufen ist die vermeintliche Driise von einer bindegewebigen Propria ausgekleidet, welche gewif das Peritonealepithel darstellt. In Wirklichkeit stellt offenbar jede Muffzelle eine ringformig geschlossene dicke Réhrenmuskelzelle dar, deren Rindenschicht in Fibrillen kontraktiler Substanz differenziert ist, wahrend in der Achse das Bildungsplasma mit dem grofSen Kern zuriickbleibt. Das Driisensekret, welche das Lumen der vermeintlichen Driise und ihres Ausfiihrungsganges erfiillt, enthalt nach Bonsius lymph- oder blutkérperchenahnliche Zellen. Die Abbildung 3 zeigt solche Zellen, an einer Stelle der inneren Wand des Organes in einer Schicht anliegend, die ein Endothel-Enthusiast, wenn es sich um ein Gefaif handeln wiirde, und es handelt sich ja um ein solches, fiir ein Endothel halten wiirde. Botsrus, unbefangen wie er ist, halt die betretiende Schicht gewif} mit Recht fix ein Koagulum mit eingeschlossenen Blutkérperchen. In seinen Ichthyobdelliden-Untersuchungen macht Jo- 256 Arnold Lang, HANSSON (1896) auch Angaben tiber die Blutgefifstruktur. Ich referiere im wesentlichen tiber die schwedisch geschriebene Ab- handlung und schalte das in der deutschen Hinzugefiigte ein. Die Wand des Riickengefa8Bes besteht aus einer sehr dinnen Membran, in welcher man nur sehr selten Kerne entdecken kann. Da, wo das Riickengefaf ganz oder teilweise frei im dorsalen Sinus liegt, kommt zu dieser Wand noch eine aufere Membran init Kernen hinzu, die aber die Wand des dorsalen Sinus ist (d. h. Peritonealepithel). Bei allen untersuchten Arten finden sich Ring- muskelfasern. Bei Abranchus treten dieselben an zerstreuten Stellen auf und immer so angeordnet, daf unmittelbar nach- einander zwei diinne Muskelfasern folgen, welche zusammen den Kanal umfassen, je eine von jeder Seite, wobei sie also sehr schmale Muskelringe bilden, die gewéhnlich in groBen Abstanden voneinander gelegen sind. Die Abbildung Fig. 51 zeigt deutlich, daB die Muskelringe selbst ausschlieflich dieganze Gefa8wand da bilden, wo daf8 Gefa8 nicht in einem Célomsinus liegt. Die Anordnung der Muskelringe ware also ungefahr die von zwei Siegel- ringen, die man so aneinander legt, dafi bei dem einen die zum Siegel verdickte (in unserem Falle den Kern enthaltende) Stelle nach rechts, in dem anderen nach links gerichtet ist. JOHANSSON fihrt fort: Bei Piscicola hingegen, und ganz besonders deutlich bei den beiden Callobdella-Arten, entbehrt das Riickengefif in der Hodenregion des Kérpers vollkommen des Muskelbelages, ausgenommen vorn in jedem Segment, wo es von einem ziemlich kraftigen Ringmuskel, der aus mehreren Fasern be- steht, umgeben ist. Hierzu findet sich in der deutschen Arbeit die wichtige, auch durch Abbildungen belegte Erganzung: »Nur vorn in jedem Segment wird das Gefaif von einem aus wenigen halbkreisférmigen Muskelzellen bestehenden Ringmuskel um geben. “ Wie die Abbildung zeigt, ist jede Muskelzelle schmal halbmond- formig. Die Zellen liegen symmetrisch rechts und links und er- ganzen sich zu Ringen, die Kerne liegen in den Seitenlinien. Die ganze Anordnung erinnert auffallend an die Herz- struktur vieler Arthropoden. Im Vorderkérper hingegen ist die Wand des Riickengefibes ,»von einer zusammenhingenden Muskeischicht umgeben, die aus dicht aneinander liegenden halbkreisférmigen Ringmuskelzellen besteht“. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 257 Betrachtet man die hierzu gehérige Figur 3, so ergibt sich sofort, daB die Jonanssonsche Ausdrucksweise etwas ungenau ist; es muS entweder heifen: die Wand des Riickengefifes etc. wird von einer . . . Muskelschicht gebildet (nicht umgeben!) oder: das Lumen wird von einer solchen Muskelschicht um geben! Denn aufer den Muskelhalbringen kommt in der Wand des Ge- faBes nichts vor. Interessant ist das Verhalten der Gefif{wand in der Blind- darmregion, wo das GefaéS durch bald enge, bald weite Oeffnungen mit dem Darmblutsinus in Verbindung steht. Text und Abbil- dungen belehren uns daritiber, da8 es ein Teil der Ringmuskulatur des Darmes resp. des Darmblutsinus ist, welcher die Wand des hier noch unvollstandig gesonderten Riickengefifes darstellt. Im Anschluf an diese Darstellung des RiickengefaBes mochte ich auf gewisse Beziehungen desselben zum dorsalen Célomsinus hinweisen. Wo das Riickengefaif vollstaindig geschlossen ist, mul sein Lumen nach der Theorie anfanglich ein Spaltraum zwischen den beiden Lamellen des dorsalen Mesenteriums gewesen sein, welches das rechte Célom vom linken tiber dem Darm trennte. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es wichtig, zu erfahren, dal der Dorsalsinus bei den Ichthyobdelliden durchaus nicht durchgingig unpaar ist, so dafi das Riickengefaf frei in ihm ver- laufen wiirde. An gewissen Stellen ist er deutlich paarig und hier liegt das Riickengefif resp. sein Lumen zwischen den medialen Wanden der paarigen Sinusse (Fig. 4, 6, 8 der deutschen Arbeit, Fig. 3, 84 und 85 der schwedischen). In Fig. 7 wird es ventral- warts frei, indem sich die beiden seitlichen Sinusse unter Schwund des trennenden Mesenteriums unter ihm ineinander déffnen; wenn das nimliche auch dorsalwarts geschieht, kommt es ganz frei in den unpaar gewordenen Riickensinus zu liegen, behalt aber seine vom Sinus entlehnte Wand bei. Diese Verhiiltnisse scheinen mir besonders deshalb auch eine groBe Bedeutung zu haben, weil sie geeignet sind, Licht zu werfen auf abnliche Vorkommnisse in anderen grofen Abteilungen des Tierreichs ; ich habe dabei hauptsachlich den Dorsalsinus und das RiickengeféB der Mollusken und den Bauchsinus mit dem Bauch- gefa8 der Tunicaten im Auge; nur heift der Sinus hier Perikard und das kontraktile Gefifi Herz! . Von den Gefa8schlingen im vorderen Korperteil sagt JoHansson, da ihre Wand hier und da stark verdickt sei und Bd. XXXVIII. N. F. XXXI. il'7/ 258 Arnold Lang, Kerne enthalte. Die Abbildung eines Querschnittes erinnert etwas an die der Querschnitte der OligochatengefaSschlingen mit intra- cellularem Lumen, nur daf beim Egel (Abranchus) der Zell- kérper gegen das Lumen vorspringt. Von der BauchgefaBwand entwirft JoHansson folgende Schilderung. Sie ist immer dicker als im Riickengefaéf% und be- steht an den Stellen, wo das Gefafi im Ventralsinus liegt, aus 2 Schichten, von denen die aufere Sinuswand und nur die innere eigentliche GefaBwand ist. Der ganzen Lange des Kanals entlang sieht man seitliche Verdickungen der Wand, bisweilen gehéren beide der d4uferen Schicht an, bisweilen die eine der auferen und die andere der inneren, bisweilen wieder beide der inneren. In diesen Verdickungen finden sich Kerne (d. h. in jeder je ein Kern), in der auSeren oft auch eine gesonderte Membran. Muskelfasern kommen in der Regel in. der Wandung des BauchgefaBes nicht vor. Blof bei Platybdella anarrhichae scheint dieses Gefaf in seiner vorderen Hilfte mit einem kraftigen Muskelbelag versehen zu sein. Leider gibt Verf. hierzu keine Abbildung. Aus naheliegenden Griinden méchte ich vermuten, daf die Halbringe der inneren Schicht des Bauchgefafes, die da seine ganze Wand bilden, wo es nicht vom Bauchsinus eingeschlossen ist, kontraktile Muskelzellen sind. Im Jahre 1899 beschiftigt sich ARNOLD GRAF in seinen »Hirudineenstudien® mit der Struktur der Gefafwande von Clepsine. Er hebt hervor, da’ sowohl Riicken- als auch Bauchgefaif eine muskulése Wandung besitzen. ,Von Interesse ist die Erscheinung, dai bei Clepsine com- planata die Muskelzellen des Dorsalgefales miteinander stark anastomosieren. “ Die Aufeinanderfolge der Schichten im Dorsalgefaif ist nach GRAF die folgende: Zu auferst liegt eine homogene, kutikulare Schicht, in welche die Ringmuskeln eingebettet sind. Darauf folgt eine fibrillire Schicht, bestehend aus kontraktilen Lingsfibrillen. GRAF glaubt nicht, da’ es sich hier um blofe Falten handelt. Zu innerst liegt die Epithelzellenschicht. Ich muf leider die Richtigkeit dieser Darstellung in wichtigen Punkten durchaus bezweifeln, schon nach dem, was ich selbst ge- sehen habe. Die Darstellung der Ringmuskulatur diirfte im ganzen zutreffend sein, aber mit der inneren Lingsmuskulatur, oder gar mit dem Endothel ist es sicherlich nichts. Ich glaube, jeder, der Beitrage zu einer Trophociltheorie. 259 mit der Hirudineenhistologie aus eigener Anschauung einigermaSen vertraut ist, wird den Abbildungen des inneren Epithels des Riicken- und BauchgefaBes von Clepsine, die Grar in Fig. 3 und 4 bietet, das gréfte Miftrauen entgegensetzen. Die Endothel- zellen haben nach diesen Abbildungen nicht einmal die Grife der Kerne der Blutkérperchen. Auch Fraulein ARNEsEN, die auf meine Anregung hin die GefaSstruktur bei Hirudineen untersucht, ist bis jetzt nicht im stande gewesen, irgend ein Endothel zu entdecken. In seiner Arbeit tiber Haementeria costata (1900) be- schreibt A. KowaLevsky das Herz dieser Hirudineenform. Im frischen Zustande ist es vollstindig durchsichtig, ,on dirait un tube de verre disposé entre les autres organes environnants“. Die Wandungen sind sehr muskulés und bestehen aus grofen Muskelzellen mit entsprechend grofen Kernen. Die Muskelwand ist von einer bindegewebigen Scheide umhiillt. Ueber die Verlaufsrichtung der Muskelzellen finden sich keine Angaben. Nach Fig. 88, die einen Querschnitt darstellt, sollte man keinen Augenblick im Zweifel sein, daS es sich um dicke, ringférmige Muskelzellen handelt, deren kontraktile Substanz in zirkulare Fibrillen differenziert ist. Der riesige Kern liegt in der Tiefe dieser muskulésen Wand lateral am Gefif. Da, wo er liegt, ist die Zelle verdickt. Im Lumen ist geronnenes Blut und an der Wand sind in solchen Gerinnseln 2 Kerne dargestellt. Die Langs- schnitte zeigen dieselben Schichten: auBen die bindegewebige Scheide (Peritoneum?) und innen die grofen Muskel- zellen mit den Anschwellungen, in denen die grofen Kerne liegen. Kein Zweifel, ein Endothel fehlt und das Blut bespiilt direkt die Muscularis. Kein Zweifel auch, das Gefaflumen ist intracellular, die Anschwellungen der Muskelzellen mit den Kernen alternieren auf den Abbildungen der Langsschnitte rechts und links. Doch zeigen diese Abbildungen ein Detail, das die Auffassung der Muskelzellen als Ringmuskelzellen erschwert, sie sind namlich sehr deutlich quergestreift dargestellt. Es bleibt mir angesichts der auf dem Querschnitt Fig. 88 dargestellten, sehr deutlichen zirkulairen Faserung nichts anderes iibrig, als anzunehmen, daf die abgebildeten Lingsschnitte einigermafen tangential gefiihrt sind und daf, zumal an dickeren Schnitten, die zirkuléren Fibrillen den Kindruck der Querstreifung hervorrufen. by ia 260 £ Arnold Lang, D. Echiuridea. In seiner zweiten Abhandlung zur Kenntnis der Gephyreen erklart SpenGEL (1880) seine Beobachtungen tiber den Bau der GefiSe von Echiurus Pallasii ftir ltickenhaft. »lch weil nicht, ob eine innere Zellauskleidung vorhanden ist. Ich fand nur eine diinne Membran mit eingestreuten Kernen und in oder auf dieser liegend Muskelfasern, vorwiegend longitudinale Biindel bildend, und als iuferste Schicht einen Peritonealzellenbelag, dessen Elemente stets viel rotbraunes Pigment enthalten ... .“ 1886 macht Rretscn Angaben iiber die Struktur der GefaiSwandungen der Echiuriden, die, wie mir scheint, sehr der Nachuntersuchung bediirfen. In meinen Zweifeln tiber einzelne Punkte werde ich durch die Betrachtung der Hauptfigur (Fig. 98, Taf. XXI) bestairkt. a) Bonellia minor. Die Peritoneal- hiille des Darmblutsinus setzt sich direkt in die Wandung der aus ihm ihren Ursprung nehmenden Gefafe fort. Diese Wandung be- steht aus einem zelligen, verdickten, elastischen, mehrschichtigen Peritoneum. Die Peritonealzellen enthalten hauptsichlich in den auBeren Lagen kleine Pigmentansammlungen. ,Wans certaines régions on trouve des fibres musculaires longi- tudinales assez minces dans l’épaisseur des parois vasculaires.“ In der Wand des tibrigens nicht genauer untersuchten Riicken- gefaifes sollen sich dickere Lingsmuskelfasern und diinnere Ring- muskelfasern finden. b) Genauer hat Rierscn das Riickengefal von Thalassema Neptuni untersucht. Seine Angaben lauten: ,On y distingue, sur les coupes transversales, une couche externe de cellules allongées perpendiculairement a la lumiére du vaisseau et une couche interne de grandes cellules arrondies; tous ces éléments sont munis de noyaux. Entre les deux couches viennent s’intercaler des fibres musculaires longitudinales, en général externes et des fibres transversales plus minces en général internes; ordi- nairement elles sont encore séparées les unes des autres par des éléments cellulaires.“ Diese Anordnung scheint weder auf Quer- noch auf Liingsschnitten sehr regelmafig zu sein; ,il serait inexact par exemple de parler de couches musculaires, et ce vaisseau se trouve constitué encore en somme par un épaississement péritonéal que viennent renforcer des éléments élastiques.“ Die zitierte Abbildung (Fig. 98) soll einen Querschnitt (,un peu oblique probablement“) des Riickengefifes darstellen. Ich kann die Vermutung nicht unterdriicken, daf es sich um einen tangen- tialen Anschnitt handelt, auf dem selbstverstindlich das Peritonealepithel auf beiden Seiten der Muscularis auftreten mul. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 261 Vom Bauchgefaf von Thalassema sagt Rierscu, daf seine Wand aus einer inneren Lage ziemlich regelmafiger Zellen und aus einer auferen Lage hoher, senkrecht auf der Lichtung stehender Zellen bestehe, welche letztere ventralwarts in die doppelte Wand des Mesenteriums tibergehe. Zwischen den beiden Zellagen des Gefafes verlaufen longitudinale und besonders zirkulire Muskel- fasern. Die letzteren sollen sich zwischen die beiden Lamellen des Mesenteriums fortsetzen. JAMESON (1899) behauptet, der Darmblutsinus von Thalas- sema Neptuni stehe nicht mit dem BlutgefaSsystem in Ver- bindung! »l regret that I have been unable, owing to the state of preservation of my material, to make any observations upon the periintestinal sinus discovered by Riersch in Bonellia and Thalassema. I can however determine the presence of such a structure, and am convinced that it is not, in this species, con- tinuous with the blood vascular ring which embraces the hinder part of the crop.“ Die Arbeit enthalt nichts Histologisches. Nach Empieton (1901) hat Echiurus unicinctus tber- haupt kein echtes Blutgefafsystem. Die Riisselkanale miinden an der Basis des Riissels in die Leibeshdohle. Die vorstehende Zusammenstellung zeigt nur das Eine, daf unsere Kenntnisse von der Struktur der Blutgefafe der Echiuriden absolut ungentigend sind. 3. Ueber Bildungen, die vermutlich aus der Célom- wand hervorgehen und sich exotropischindas Hamo- c6l hinein produzieren: Klappen, Klappenzellen, Herz- kérper, Blutdrtiisen, Haimocyten. (Thesen No. 36, 37, 38, 39, p. 200; Taf. Il, Fig. 26, 27.) A. Hirudinea. Ich will in diesem Abschnitte die Hirudineen voranstellen, weil bei ihnen gewisse wichtige Erscheinungen, die uns lebhaft interessieren, am besten beobachtet worden sind. Zu diesen gehort in erster Linie auch die Bildung der geformten Elemente des das Hamoc6l erfiillenden Blutes. Als Bildungsstatten dieser Elemente werden schon seit langer Zeit die Klappen im RiickengefaifS der Hirudineen angesehen. Die Klappen der Hirudineen wurden zuerst von LEO im 262 Arnold Lang, Jahre 1835 entdeckt, aber erst 1849 durch Lerypig genauer beschrieben. Fiir Clepsine lautet die Leypiasche Beschreibung folgendermaSen : ,Higentiimlich sind dem Riickengefaéf die Klappen: weiche, ge- lappte Kérper, die in das Gefaflumen vorragen und dasselbe bei der Kontraktion des Gefifles kammerartig absperren. Es bestehen dieselben aus 8—10 elementaren Zellen, welche aufer einem fein- kérnigen Inhalte Kern und Kernkérperchen besitzen und wohl nur durch ein weiches Bindemittel zusammengehalten werden. Diese eigentiimliche Verbindungsweise macht es erklarlich, daf bei nur einigermafsen tumultuarischen Bewegun- gen des Riickengefafes die Zellen sich lésen und im Blute fortgeschwemmt werden.‘ Von den Klappen von Piscicola sagt Lreypie, sie haben dieselbe Struktur, wie bei Clepsine. Das, was er von der leichten Zerstérbarkeit dieser Klappen bei Chee ausgesagt habe, gelte auch fiir Piscicola. In einer klassischen Abhandlung behandelte sodann C. KuPPFER 1864 die Klappen der Riisselegel als blutbereitende Organe. Untersuchungsobjekt war Piscicola. Die Klappen dieser Form sind nach Kuprrer stumpf-kegel- formig. Es gibt ihrer 15—20. Sie kommen meist an Knickungs- stellen oder Einschniirungen der Wand des RiickengefaBes vor. Der Bau der Klappen macht sie fiir die mechanische Aufgabe, die ihr Name andeutet, nicht sonderlich geeignet. ,Gegeniiber der heftigen Bewegung und dem starken Drucke, dem sie wechselnd unterliegen, ist ihre Widerstandsfaihigkeit sehr gering. Eine jede besteht aus einem Agglomerat rundlicher Zellen, deren Gesamtheit von einer durchsichtigen diinnen Hille um- geben ist.“ Das ganze Agglomerat sieht traubenférmig aus. Die Hiille will Kuprrer nicht als Membran verstanden wissen. Er hat Klappen isoliert und zerrissen, ohne Reste einer Membran jemals wahrzunehmen. , Vielmehr erblickt man nur eine zaihe Masse, die die Zellen untereinander verklebt und in diinner Lage sie an der Oberfliche tiberzieht.“ ,,Die Zellen selbst sind rundlich, bis birnférmig, prall gewolbt, von blasser, Wenn auch bestimmter Grenzlinie umschrieben, leicht granuliert und lassen einen runden Kern meistens nur matt durchscheinen. “ Ihr Zusammenhang wird, je naher zur Oberfliche der Traube, um so loser. Wie Lrypié bereits beobachtet hat, lésen sich ,bei turbulenten Bewegungen des Riickengefiihes — wie sie vorkommen, wenn durch den Druck eines schweren Deckblattes Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 263 auf das Tier der Zirkulation Hindernisse bereitet werden -— Ab- teilungen von der Klappe los.“ ,,Beobachtet man ein Tier, an dem dieser Vorgang sich ereignet hat, nachtraiglich noch liingere Zeit, so sieht man die abgeléste Portion, wenn sie so grof war, daf sie von dem Strom nicht in die Zweige hineingedriangt werden konnte, in dem Riickengefaf umhergetrieben werden und in die einzelnen Zellen zerfallen, denen das Lumen der Zweige gestattet, in die Zirkulation zu gelangen.“ Die an der Klappe durch die Ablésung entstandene Liicke wird bald wieder durch Nachschub ausgefiillt, wie direkte Beob- achtung am lebenden Tier zeigt, die leicht moéglich ist, da die Oberflachlichkeit des Riickengefaifes die Zahlung der Klappen gestattet. »ysolche Ablésung geht indessen nicht blof in- folge gewaltsamer Hinfliisse vor sich. Vielmehr scheint es die physiologische Ordnung zu sein, dak stetig der traubenférmige Kérper die, wenn ich mich so ausdrticken darf, reifen Zellen an seiner Ober- flache einbiSt und durch eigene Vegetation wieder ersetzt.“ Die Ablésung geschieht in folgender Weise. Die Auferste Zelle lockert sich aus dem Verbande. Bei den lebhaften Be- wegungen der Klappe macht sie die weitesten Exkursionen; der stete Zug, den sie so erfahrt, dehnt die Bindemasse, an der sie hangt, allmablich zu einem Faden aus. »so kann es mehrere Tage wiahren, bis dann der Faden reilt und die Einzelzelle fortgetrieben wird.“ Das eben Geschilderte hat Kuprrer wiederholt gesehen. Diese Feststellung ist so wichtig, dafS’ auch die naheren Umstinde an- gefiihrt werden sollen: ,Frisch eingefangene Tiere zeigten solche Anhange an den Klappen, von verschiedener Linge der Fiiden. Einmal bestand der Anhang aus 2 Zellen hintereinander, die vorderste mit der zweiten, die zweite mit der Gesamtmasse durch gleich lange Faden ver- bunden. Ich habe den Vorgang durch tiagliche Beobachtung des- selben Tieres wihrend einer Woche sich langsam vorbereiten sehen. Dabei befolgte ich die Vorsicht, die Tiere vor jedem Drucke zu behiiten, indem ich sie in einem flachen Uhrglase unter Wasser betrachtete. Es ist das miihsam und zeitraubend, denn in der be- schrankten Wassermenge setzen sich die Tiere nicht so bald fest. Ist das aber geschehen, so bleiben sie stundenlang bewegungslos. Uebrigens tragt der pralle Kérper der Piscicola ein diinnes Deck- blatt ganz ohne Beeintrachtigung der Zirkulation.“ Aufer dieser Loslésung der grofen Zellen beobachtete KUPFFER noch eine zweite Weise der Substanzabgabe von seiten der 264 Arnold Lang, Klappen. Es wird dabei eine Zelle, gewéhnlich die gréfte, der Traube ersetzt ,durch einen Haufen aneinander haftender kleiner rundlicher K6rper“. Sie haben einzeln kaum den halben Durchmesser des Kernes der Klappenzellen. Dann lést sich em Kérperchen nach dem anderen los und schwimmt im Blutstrom davon. Der Prozef der Ablésung simtlicher waihrt mehrere Tage. Kuprrer glaubt, an- nehmen zu miissen, , da’ die vorgeschobenen reifen Zellen endogene Brut bilden bis zur Anfillung der Mutterzelle, dann plétzlich bersten und den Haufen aneinander haftender Brutzellen an ihrer Stelle zuriick- lassen“. ,Diese Koérner nun unterscheiden sich in keinem Sticke von den Blutkérperchen der Piscicola. Dieselbe Gréfe, Form und optische Beschaffenheit.{ Kuprrmr re- simiert: ,Die Klappen im Riickengefa8 der Piscicola sind blutbereitende Organe.‘ Von den ganzen, sich loslésenden Zellen nimmt er an, da sie bald zerfallen und daf ihre Bruchstiicke sich friiher oder spater in der Blutfliissigkeit auflésen. Auch bei Clepsine beob- achtete er die Loslésung ganzer Zellen von den Klappen. 1865 sagt Leypia, daf er sehr geneigt sei, die Kuprrersche neue Auffassung hinsichtlich der physiologischen Bedeutung der Klappen als Blutkérperchen bereitender Organe der friiheren An- sicht vorzuziehen. Ueber die Entstehung der Amébocyten des Blutes der Hirudineen findet sich bei BournE (1884) die Bemerkung, daf sie wahrscheinlich in den Wanden der Kapillargefife gebildet werden. Jedenfalls findet sich bei Pontobdella an der Innen- fliche dieser Gefife nacktes, améboides Protoplasma mit einge- betteten Kernen. Was die Klappen anbetrifft, so bestatigt BouRNE ihr Vorkommen im Riickengefaéf, allein itiber ihre Bedeutung sagt er nichts. Die Kuprrersche Abhandlung scheint ihm unbekannt geblieben zu sein. In Bournes Abhandlung findet sich eine eingehende Dar- stellung der verschiedenen bindegewebigen Elemente, die im Kérper der Hirudineen eine so wichtige Rolle spielen, besonders auch des vaso-fibrésen und des Botryoidalgewebes. Die Bournesche Untersuchung ist in dieser Beziechung eine Erweiterung einer friiheren diesbeziiglichen Arbeit von Ray LANKEsTER (1 880). Das Botryoidalgewebe und seine ,,vaso-fibrése“ Modifikation, das Gefalfasergewebe, sind fiir uns von besonderer Bedeutung, weil sich herausgestellt hat, dai sie exotropische Wucherungen Beitrige zu einer Trophociéltheorie. 265 der embryonalen Célomwainde sind. Es handelt sich um _ grof- zellige, unregelmibig veristelte, bisweilen netzformig verbundene, nicht selten aufyeknauelte, bisweilen gelappte oder unregelmabig eingeschniirte Strange zwischen Darm und Kérperwand, die von Kanalen durchzogen sind, die bald intercellulir, bald — dies gilt besonders von den feineren — intracellulér sind. Das Protoplasma der Zellen ist meist dicht mit braunen Kérnern erfiillt, die auch im Lumen der Kanale angetrotten werden. Anfiainglich — so scheint es — sind die Strange solid und sie werden erst dadurch zu Gefaifen, da8 in ihnen intercellular oder intracellular Lumina auftreten, die sich miteinander in Verbindung setzen. Verschiedent- lich wird behauptet, daf sie mit den BlutgefaSkapillaren kom- munizieren. Ueber die Klappen im Ritickengefa8B der Hirudineen, die er bei Clepsine sexoculata und bioculata und bei Piscicola geometra studiert hat, aufert sich CutNnot (1891) dahin, daf ihre Rolle als cytogene Lymphdrisen sehr wahr- scheinlich sei. Er hat zwar nicht direkt beobachtet, da sich -Amdbocyten von ihnen loslésen, er hat aber konstatiert, da’ diese letzteren absolut identisch mit den Klappenzellen sind. Im Jahre 1894 untersucht auch Oka die Klappen von Clepsine. Er bestatigt die Angaben, daf sich in jeder Kammer des Dorsalgefafes eine Klappe finde, » welche offenbar bei der Kontraktion des Gefifes als Ventil diene“ ; was mir unverstandlich ist. Die Beschreibung lautet: ,sie (die Klappe) besteht aus einer Gruppe von Zellen, welche keine besonderen Membranen, aber ansehnliche Kerne besitzen und infolgedessen einen wenig differenzierten Habitus aufweisen. Jede Zelle ist mit einer fadenférmigen Verlingerung versehen, welche sie an der Gefifwand befestigt. Diese Verlangerung kann man sogar bis in die Wand selbst verfolgen. Der Zellleib besteht aus nacktem Protoplasma, dessen Grenze einfach und glatt ist. Die fadenférmigen Verlingerungen sowie die Zellen selbst sind zu einer Masse verklebt. Man trifft nicht selten Zellen mit 2 Kernen, welche wahrscheinlich Zwischenstadien der Zellteilung darstellen. Die Zahl der Zellen ist bei jungen Tieren ganz gering; sie betragt ungefahr 10 bei einer ca. 15 Tage alten Cl. complanata. Mit dem Wachstum des Tieres nimmt die Zahl zu und bei einem er- wachsenen Exemplare von Cl. complanata habe ich mehr als 50 solcher Zellen beobachtet.“ Oxa beschreibt sodann die Blutkérperchen als ca, 10 w eroke, nackte, amédboide Zellen mit kleinem ‘Kern. Gelegentlich vorkommende zweikernige Zellen deutet er als Teilungsstadien. Ueber die Herkunft der Haimocyten sagt OKa: 266 Arnold Lang, ,Unter allen Geweben des Kérpers zeigen die Zellen der Klappen die gréf8te Aehnlichkeit mit den amoéboiden Zellen, welche ich hier als Blutkérper- chen in Anspruch nehme; die Lage der Klappen in der Blut- flissigkeit laft uns schon von vornherein vermuten, daf sie in irgend einer Beziehung zu den Blutkérperchen stehen.“ Der Umstand, daf die Blutkérperchen viel kleiner sind als die Klappenzellen, sei kein Hindernis ftir die Annahme ihrer Ent- stehung aus den letzteren, ,da die Blutkérperchen schon ausgebildetes, die Zellen der Klappen aber noch in Bildung begriffenes Gewebe sind‘. Soviel OKA aus seinen eigenen Untersuchungen schliefen kann, »yist die Annahme sehr wahrscheinlich, da8 die Zellen der Klappen sich durch Teilung vermehren und dann aus der Gruppe loslésen, um als freie am é6- boide Zellen in der Blutflissigkeit zu flottieren. Wie ich schon erwahnt habe, vermehren sich die freien Blut- k6rperchen noch weiter.“ Oxa hat bei Clepsine nichts aufgefunden, was die Bournesche Annahme rechtfertigen kénnte, daf die Blutkérperchen aus der Wandung der Kapillaren entstehen. Er macht gegentiber Bourne auf gewisse Verschiedenheiten zwischen Blut- und Célom- lymphe aufmerksam und betont auch den Unterschied zwischen den gro8en Célomocyten und den kleinen Blutkérperchen, kon- statiert aber zugleich, daf die letzteren auch in den Célomlakunen vorkommen. Das ist fiir ihn eine Schwierigkeit, da nach ihm eine Kommunikation zwischen Célom und Blutgefafsystem nicht existiert. Von Interesse ist, was Botstus 1896 itiber den Inhalt der »glande impaire“ (in Wirklichkeit das Herz) von Haemen- teria officinalis sagt, den er als Driisensekret betrachtet. Dem koagulierten Sekret findet er Kérperchen beigemischt, die, nach ihrer Gréfe, dem Aussehen des Kernes und des Protoplasmas und ihrem Verhalten zu Farbstoffen zu urteilen, Cilomkérper- chen, d. h. blutkérperchenahnliche Zellen seien. Boxstus zerbricht sich dariiber den Kopf, wie diese Blutkérperchen in die Driise ge- langen. Fiir uns ist von Bedeutung die unbewuSt erkannte Aehn- lichkeit der Himocyten und Célomocyten. Diese Uebereinstimmung und die der Céilomlymphe und der Blutfliissigkeit betont im selben Jahre (1896) auch JOHANSSON. Er beschreibt kurz die Klappen im Riickengefaf und zweifelt nicht daran, daf sie die Blutkérperchen liefern, glaubt aber, daf sie daneben noch die Funktion wirklicher Klappen haben. Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 267 Ueber die Rolle des Botryoidalgewebes der Hiru- dineen sprechen sich WILLEm und Minne (1899) dahin aus, dal sie eine ausschlieBlich exkretorische sei, ahnlich derjenigen des Chloragogengewebes. Les cellules botroidales de Nephelis »peuvent rejeter dans le milieu qui les baigne des sphérules de sécrétion; celles-ci subissent le sort des corpuscules qui peuvent se rencontrer flottant dans le systeme circulatoire: capturés par des amibocytes, ils vont échouer avec eux dans les entonnoirs modifiés, ou leur substance sert peut-étre 4 la nutrition de cellules formatrices déléments sanguins“. In der Kowaxevskyschen Abhandlung tiber Haementeria costata (1900) ist fiir unser Thema von besonderem Interesse die Beschreibung einer mit dem Riickengefaéf verbundenen Ly m ph- driise. Das Herz dieser Form, ein in der Clitellarregion stark entwickelter, sehr muskuléser Teil des RiickengefaéBes, setzt sich nach vorn in ein medianes Gefaf fort, welches, der Riisselscheide entlang verlaufend, an einer Stelle jene Lymphdriise beherbergt, um dann, hinter der Gegend der Augen angekommen, sich in 2 Aeste zu gabeln. Die Lymphdriise besteht bei der jungen Haementeria aus an der Muscularis der GefaBwand innen befestigten Zellen, welche die Gestalt von Lymphkoérperchen haben. Bei den erwachsenen Formen bilden diese Zellen ein schwammiges Geriist im Innern des Ge- faBes, in dem ein axialer enger Durchgang existiert. ,Ue sang qui doit traverser cette glande, passe sans doute par le passage central et aussi par les petits canaux latéraux et il est pour ainsi dire filtré.“ Cette glande d’aprés la disposition et la forme des cellules appartient encore a4 la catégorie des glandes des valvules, mais plus déformées que celles du ccur. Les valvules du vaisseau dorsal des Hirudinées“ (und Haementeria besitzt sie auch), ,outre leurs fonctions comme régulateurs du courant sanguin, sont généralement regardées comme des glandes lymphatiques; dans cette glande ce caractere est exprimé encore avec plus de netteté que chez les autres espéces“ (de valvules, mihi). ,,Peut-étre cette structure spongieuse pourrait avoir aussi le but, dans le cas d’un faible resserrement des parois ex- térieures de la glande, d’empécher le retour du courant sanguin.“ Riickblick. Werfen wir nun einen Riickblick auf ,die vorstehende Zu- sammenstellung, so ergibt sich, da8 alle Forscher in der Auf- fassung einig sind, dai die Klappen im RiickengefaS der 268 Arnold Lang, Hirudineen, unbeschadet anderer, wohl mechanischer Funk- tionen, Bildungsstatten der (améboiden) Haimocyten sind. Die Ansicht stiitzt sich 1) auf die direkte Beobachtung der Loslisung von Elementen von den Klappen beim lebenden Tier und 2) auf die cytologische Aehnlichkeit der Klappenzellen und Blutkérperchen. Der Ursprung der Klappen selbst der Hiru- dineen ist zur Zeit noch ganzlich unerforscht. B. Oligochaeta. Im Jahre 1865 fand Lrypia klappenahnliche Gebilde im Riickengefifi von Phreoryctes Menkeanus auf. Er sagt von ihnen, daf es sehr zarte und vergangliche, helle, kolbenartige oder birnférmige Gebilde seien, die wahrscheinlich segmental auftreten und offenbar Zellen darstellen. An frischen Praparaten heben sie sich schon durch ihr farbloses Wesen von der umgebenden Blut- fliissigkeit ab. Sie scheinen immer in der Vierzahl beisammen- zusitzen ; ,dabei zeigen sie noch eine Gruppe kleiner Fettkiigelchen im freien Ende. Ist ein solcher Kérper abgerissen, so hatte ich mehrmals Bilder, als ob er durch Muskelfiiserchen angeheftet ge- wesen sel.“ In der Literatur spielen Angaben iiber blasenfoérmige Gefaf- erweiterungen an den Nephridien des Regenwurmes eine Rolle, die von GEGENBAUR (1853), LANKESTER (1865) und CLAPAREDE (1869) herriihren. Es geniigt fiir meinen Zweck, dai ich diese Angaben an der Hand des CLaparEpeEschen Referates kurz an- fiihre. ,»GEGENBAUR sagt bereits, er habe sie stets mit einem roten Blutkérperchen einschliefenden Koagulum ausgefiillt gesehen. Auch sah LANKEsSTER ein ,granular matter‘ innerhalb derselben. Wirk- lich finde ich regelmafig in denselben einen Haufen Kerne, die wahrscheinlich von einer Teilung eines gewoéhnlichen Kernes der Gefafwand abstammen. Solche Kerne kann ich nicht wohl mit Geeensaur fir Blutkérperchen halten, da solche bekanntlich dem Regenwurm abgehen.“ ’ Sowohl GEGENBAUR Wie CLAPAREDE fanden tibrigens solche GefaBblasen auch anderswo, z. B. an den Geschlechtsdriisen, Borstensicken und Dissepimenten. Zur Erginzung der Literaturliste fiige ich noch hinzu, dah auch WinirAMs (1858) und p’UpEKem (1863) die Anschwellungen der Nephridialgefafe beim Regenwurm beobachtet haben. Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 269 1874 beschreibt PERRIER bei den Lumbriciden kurz ring- férmige Verdickungen der inneren Epithelschicht des Riicken- gefaiBes, in der Nahe der hinteren Oeffnung jeder Ampulle (An- schwellung) des Gefiaffes, und erkennt ihnen nur die Funktion von Klappen zu. Solche Klappen finden sich auch da, wo die ,Herzen“ aus dem Riickengefif ihren Ursprung nehmen. In die Kategorie intravasaler Lymphorgane gehéren, wie ich vermute, auch die Bildungen, die VeEspovsky (1879) in den An- schwellungen des RiickengefaBes von Enchytraiden beschrieben und als Muskelzellen gedeutet hat. »bel den Gattungen Anachaeta und Enchytraeus treten an den Wandungen der herzartigen Anschwellungen des Riicken- gefifes zahlreiche sternférmige, glanzende Zellen hervor, die durch ihre veriistelten Ausliufer untereinander verbunden sind.“ ,JIch be- trachte sie als Muskelzellen, die in den Wandungen der besprochenen Herzen die Kontraktionen und Dilatationen ausiiben.“ Diese Deutung ist doch wohl ausgeschlossen. VEJDOVSKY war nie im stande, bei den Enchytraiden Blut- kérperchen im Blute aufzufinden. 1881 beschrieb EpmMonp Perrier bei der Lumbricidenform Pontodrilus varikése Anschwellungen ,,a parois parsemées de nombreux noyaux‘ der zu den Segmentalorganen verlaufenden Gefafe, die in der Literatur als Blutdriisen 6fter angefitihrt werden. PeRRIER verglich sie mit den ahnlichen Anschwellungen, die CLAPA- REDE u. a. an den NephridialgefaBen von Lumbricus angetroffen hatten. In seiner Monographie der Oligochaiten (1884) konnte VEJ- DOVSKY mitteilen, da nunmehr das Vorhandensein von Blut- kérperchen durch eigene und fremde Untersuchungen bei allen Oligochaiten mit Ausnahme der Enchytréiden und Naidomorphen sicher gestellt sei. Ich will einige Befunde, die fiir unser Thema von besonderem Interesse sind, hervorheben: »Bei Aeolosoma quaternarium sind sie (die Blut- kérperchen) an der oberen Wand des Riickengefafes reihenweise befestigt und stellen kugelige, 0,002 mm grofe, mit glinzendem Plasma und einem Auferst kleinen Kernkérperchen versehene Ge- bilde dar, die sich wahrscheinlich niemals von der Gefafwand los- trennen, um in dem Blutstrome zu flottieren“, also sedentaire Blutkérperchen! Aehnliche Gebilde finden sich bei Aeolosoma tenebrarum und Ehrenbergil. »Bei der letztgenannten Art findet man ini Lumen des Riicken- gefaBes eine Reihe der hintereinander folgenden glanzenden Zellen, die mittels feinen verastelten Faden an den GefiSwanden erscheinen.* 270 Arnold Lang, Hierzu bemerke ich: das sind doch wohl die namlichen Bildungen, wie die sternformigen Zellen im Riickengefaif der Enchytraiden. Bei den Chaetogastriden findet Vespovsky Bildungen, die den Klappen der Hirudineen entsprechen, welche KUPFFER als Blutzellen bereitende Organe erkannt hat. ,Bei Chatogaster diastrophus gewahrt man in dem. Riickengefa8 ziemlich spiarlich vorkommende, aber durch vehemente Bewegungen sich auszeichnende, kegelférmige oder kugelige Kérper, die mit ihrer Basis an der Innenwand des Gefafes befestigt sind. Wahrend der Dilatation des Gefiifes werden dieselben mit dem Blutstrome hin und her geschleudert, bei den Kontraktionen legen sie sich der Gefafwand entlang. Im allgemeinen stellen sie weiche, traubenférmige Gebilde dar, die aus einem feinkérnigen undarch- sichtigen Inhalt bestehen, in welchem 2—5 Kerne eingebettet sind. Bei sorgfaltiger Beobachtung sieht man nun, dak einzelne Kerne sich von dem gemeinschaftlichen Mutterboden lostrennen und mit der farblosen Blut- fliissigkeit fortgeschwemmt werden.“ Bei Tubifex kommen die Blutzellen nach Vespovsky in ungeheurer Menge vor. »An einzelnen Stellen des RiickengefaSes sieht man formliche Haufen dieser Kérperchen, wihrend sie in den Seitengefifen reihen- weise gelagert sind.“ Sie hingen meistens mit der GefaiSwandung zusammen. »Bei der Betrachtung der lebenden Tiere wird man gewahr, daf sich einzelne Kérperchen von der Gefilwandung lostrennen und mit der Blutflissigkeit weiter be- fordert werden.“ Dieselben Verhialtnisse finde man bei den Lumbriculiden. In der gelblich-roten, homogenen Blutfliissigkeit von Rhyn- chelmis Limosella liegen die Kérperchen in allen Gefafen reihenweise hintereinander. »Auch an Querschnitten des Bauchgefiles von Lumbri- culus sieht man die in Rede stehenden Kérperchen, die mit der Gefalwandung zusammenhiingen und in das Lumen der Gefafe hin- einragen. “ Die Kérperchen der Criodriliden und Lumbriciden stimmen mit denen der Tubificiden iiberein. Am Schlusse seiner Uebersicht sagt VEspDovsKy: »Die Blutkérperchen der Oligochiten und héchst wahrscheinlich simtlicher Annulaten nehmen nach dem Gesagten ihren Ursprung aus den Zellen der Ge- fabwandungen. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 271 VervDovsky fiigt dann noch eine kurze Beschreibung der Ver- mehrung der Blutkérperchen durch Teilung hinzu. Im Jahre 1886 beschrieb MicHartsen bei Buchholzia appendiculata einen Darmanhang, der ahnliche Be- ziehungen zum Blutsinus und Riickengefail} besitzt, wie der so- genannte Herzkérper anderer Anneliden. Da, wo der Magen- darm nach vorn in den sehr engen Oesophagus iibergeht (im 7. Segment), wuchern aus seinem dorsalen Teil »zwei schlauchférmige, sich spiirlich veraistelnde Anhange her- aus, die sich jederseits derartig zusammenlegen, dai sie zwei in der dorsalen Mittellinie hart aneinander stofende, kompakte, nach vorn in die Leibeshéhle hineinragende Massen bilden“, die vom Peritoneum zu einem einheitlichen Darmdivertikel zu- sammengehalten werden. »Das Lumen der Schlauche steht mit dem Darmlumen in Kommunikation. Zellgrenzen innerhalb der Schliuche konute ich nicht zur Anschauung bringen. Der Darmblutsinus geht vom _Magendarm auf den Divertikel tiber und durchtrankt samtliche Zwischenriume zwischen den Schlauchen mit Blut. An dem vorderen Pole des Divertikels sammelt sich das Blut wieder und geht in das Riickengefi8 tiber, das sich von der Spitze des Diver- tikels nach vorn durch die Leibeshéhle hinzieht.“ Ich halte es nun doch nicht fiir vollstandig ausgeschlossen, da8 es sich hier nicht bloS um Divertikel der Epithelwand des Magendarmes, sondern auch um sich diesen anschlieSende Teile eines echten Herzkorpers handelt. Nach MIcHAELSEN (1887) besitzen die Mesenchytraen farbloses Blut und einen Herzkorper, 4ahnlich demjenigen mancher Polychiten, wie Terebellides Strémii und Pecti- naria belgica. ,ln der ventralen Mittellinie fest an die Innenseite der Gefab- wand angelegt, zieht sich derselbe durch das ganze Riickengefal hin. Er besteht aus verchieden grofen Zellen mit deutlichen Zell- wanden und Zellkernen und feiner Protoplasmagranulation. Bei M. mirabilis und M. primaevus ist er dick, mit unregel- mifigen, oft starken Anschwellungen, im Querschnitt vielzellig. Bei M. falciformis, M. Beumeri und M. flavidus ist er diinner, fast glatt, mit nur schwachen Anschwellungen und zeigt im Quer- schnitt nur wenige Zellen.“ Einen derartigen Herzkérper hat MicHaELseN bei keinem anderen Enchytraiden gefunden. Er glaubt, daf er als eine Ein- -wucherung des Darmepithels in das Riickengefa, analog dem Darmdivertikel von Buchholzia, angesehen werden miisse. 272 Arnold Lang, 1888 beschreibt WatTeR Vorat den Herzkoérper von Branchiobdella varians. Man erkennt an jungen, durch- sichtigen Exemplaren, ,dag in den 3 ersten Kérpersegmenten das Riickengefaf einen eigentiimlichen Strang im Innern birgt, welcher an der ven- tralen Beriihrungsstelle mit ihm verwachsen, nach den Seiten und oben zu aber durch feine Faden an die Wandung des Gefifes be- festigt ist.“ Der Strang ist hohl und enthalt im Innern farblose Fliissig- keit, er kommuniziert nicht mit dem GefifSlumen. An _ beiden Enden lauft der Schlauch in einen diinnen Faden aus, welcher an der Ventralseite des Riickengefafes festgewachsen ist. Die Zellen des Organes gleichen den Chloragogenzellen, welche den Darm aufen bekleiden. Freischwimmende Blutkérperchen fehlen. »Doch trifft man hin und wieder im hinteren Teile des Riicken- gefifes vereinzelte Zellen, welche durch feine, fadenformige Aus- laufer an der Wandung befestigt sind. Ob dieselben als Blut- kérperchen aufzufassen sind, mag dahingestellt bleiben.“ Sie kommen (gegen VEJDOVSKY) immer in geringer Zahl vor. 1888 konstatierte MicHaELSEN bei der Enchytraidenform Stercutus niveus das Vorbandensein eines das Riickengefaf durchziehenden Herzkoérpers, der dieselbe Struktur und Lagerung besitzt, die er ein Jahr vorher fiir Mesenchytriien be- schrieben hatte. Ueber die Funktion des Herzkérpers hat sich MICHAELSEN folgende neue Ansicht gebildet. Wenn bei der Kon- traktion eines Schlauches das Lumen nicht vollstindig zum Schwunde gebracht wird, so wird immer ein Teil der Inhalts- fliissigkeit einen Ausweg nach der entgegengesetzten Richtung finden. ,Hs ist aber ersichtlich, dai lange, bevor dieser Punkt erreicht ist, die Kontraktionsfaihigkeit des Schlauches ihre Grenze haben wird.“ Um diese Schwierigkeit zu heben, geniigt die Einlagerung eines kompakten Stabes in den Schlauch. yindem die sich zusammenziehenden Schlauchwinde den Stab fest umfassen, kénnen sie das Lumen auf Null reduzieren, ohne die Grenze ihrer Kontraktionsfahigkeit zu erreichen.“ Die Rolle eines solchen Stabes soll nun nach MICHAELSEN eben der Herzkérper spielen. In seiner Arbeit tiber das Nephridium von Lumbricus be- stitigt BennAM (1891) das Vorkommen der Blutgefaerweiterungen Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 273 in diesem Organ. Er betont ihre Inkonstanz und daf sie auch auf den Septen vorkommen. Sie sind gewdhnlich mit Kérperchen erfiillt. Die Ursache ihres Auftretens und ihre Funktion sind ihm unbekannt geblieben. Die Beschreibung, die BEppArp (1892) von der neuseelindischen SiiSwasser-Oligochitenform Phreodrilus subterraneus gibt, enthalt einige unser Thema beriihrende Beobachtungen. Das Endo- thelium der Blutgefafe ist nach dem Verf. hier und da, be- sonders an den Stellen, wo die Gefaife die transversalen Septen durchbrechen, verdickt und bildet klappenartige Gebilde. Es ist méglich, da8 die Klappen, wie Vespovsxy glaubt, Bildungsstatten der Blutkoérperchen sind. Anderseits aber méchte Verf. nicht, daB man die mechanischen Funk- tionen dieser Gebilde, welche bei allen Oligochaten, den Land- wie den Wasserformen, vorkommen, aufer acht lasse. Bepparp beschreibt sodann unter dem Namen von Blut - driisen ein Paar von Gefafschlingen, die als weite, unregelmabig - gewundene Schlauche im 12. und 13. Segment das Supraintestinal- gefaS mit dem Bauchgefaé8 verbinden. Die Wandung der Gefaf- schlauche ist relativ dick, muskulés. ,Its interior is almost entirely solid“, hie und da aber finden sich ansehnliche Blutklumpen. Die das Lumen fast ganz.erfiillende Masse besteht aus Zellen, deren Anordnung vermuten lat, daf sie nur stark verdickte Wandzellen sind. Sie sind grof, blasenformig; ihr Plasma farbt sich in Boraxkarmin fast nicht, es enthalt K6érnchen. Sie erinnern am meisten an die grofen Zellen, welche die Gefa8klappen der Oligochaten zusammensetzen. Verf. halt es ferner fiir méglich, daf diese Blutdriisen die physiologischen Aequivalente des Herz- kérpers der Enchytraéiden und Polychaten sind. In seiner Oligochitenmonographie (1895) aufert Bepparp die Vermutung, daf dieurspritingliche Form des Herz- kérperseinindas Rickengefaif hineinragendes Darmdivertikel sei. Wenn der Herzkérper nicht mehr mit dem Darm zusammenhiange, so sei das eine Folge sekundarer Ab- schniirung. Im selben Jahre (1895) beschreibt Nuspaum Zellen, die mit der Wand des Riickengefifes der Enchytraiden zusammen- hangen. Er findet bei einigen Friedericien (z. B. Friedericia Ratzelii) im Plasma dieser Zellen viele gelblich - braunliche Pigmentkérnchen eingebettet, die zuweilen so dicht angehauft sind, da sie den Zellkern fast giinzlich verdecken. Bd. XXXVIII, N. F. XXXI. 18 274 Arnold Lang, ,Hin Teil der genannten Zellen liegt sehr dicht der inneren Fliche der Gefafwand an, ein anderer dagegen mehr oder weniger weit von der letzteren entfernt, wiewohl immer mit dem Endothel des Gefaifes mittels feiner Auslaiufer verbunden. Hie und da bilden die Ausliufer dieser Blutzellen eine Art sehr feinen Netzes, mit welchem die Zellen zusammenhingen.“ Diese Zellen sieht man nach Nuspaum beim lebenden Tier ,infolge des Stromes der Fliissigkeit ausgiebige, peitschen- formige passive Bewegungen nach vorwarts und nach riickwirts ausfiihren. “ Es erscheint ihm sehr wahrscheinlich, daf die genannten Zellen als Homologa der wahren Blutkérperchen anzusehen sind, die bei den Enchytraiden frei im Blute flottierend nicht vorkommen sollen. UprE (1895/96) schreibt, wie wir friiher gesehen haben, dem Darmblutsinus und den Gefafen ein eigenes Endothel zu. Er fand (bei Pachydrilus Pagenstecheri) an einzelnen Stellen, ,»daf von der Wandung des Riickengefafes in das Lumen hin- einragende Zellen hervorspringen“. Es sind die von Nuspaum beschriebenen Zellen, an denen dieser Forscher pendelnde Bewegungen beobachtet und von denen er (wie tibrigens schon MICHAELSEN und VEJDOVSKY) angenommen hatte, da’ sie die Blutkérperchen vertreten. Diese Frage laft Upe offen, dagegen scheint es ihm sicher, daf sie nichts anderes als weit in das Lumen vorspringende Endothelzellen sind. Man kénne zwischen den niedrigsten Endo- thelzellen und den am weitesten in das Riickengefal’ vorragenden alle méglichen Zwischenstufen beobachten. Der Abhandlung von Gusrav EIsen tiber ,Pacific Coast Oligochaeta*“ (1895 und 1896) entnehme ich folgendes: Blut- driisen von Pontodrilus Michaelseni. Verf. fand solche Gebilde ausschliefSlich in den Kapillaren der Speichel- und Septal- driisen, wo sie in sehr grofer Zahl vorkommen. Die Zahl der- selben ist bei verschiedenen Individuen wechselnd. Ihre Gréfe und Gestalt sind sehr verschieden. Einige enthalten nur einen einzigen Kern, der dann von einem Blutklumpen umgeben ist; andere wiederum enthalten eine sehr grofie Anzahl von Kernen, die dann in einer sackartigen Tasche am Ende des KapillargefiBes gelegen sind. In einigen von den gréferen Gefafen der Speichel- driisen nimmt die Blutdriise die Form eines Herzkérpers an. Die cytologische Beschreibung, die mir unklar erscheint und nichts Verwendbares enthalt, tibergehe ich. Aehnliche Blutdriisen, Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 275 wie bei Pontodrilus erwihnt Ersen bei Sparganophilus Benhami. Die kontraktilen Gefa8schlingen (Herzen) von Aleodrilus Keyesi im 10., 11. und 12. Segment bestehen aus 4 oder 5 aufeinander folgenden Ampullen. Zwischen je 2 Am- pullen findet sich eine grofe, ringformige Klappe, die weit in das Lumen vorspringt und die auf dem Langsschnitt ganz an Hirudineenklappen erinnert. Solche Klappen kommen auch an der Einmtindungsstelle der Herzen in das Riickengefif vor. Sie sind tiberall ventralwarts gerichtet. An der Basis einiger Klappen sieht man zwei Reihen sehr grofer Zellen, deren Kerne 3- oder 4mal so grofi sind, als die gewohnlichen Klappenzellen. Driisige Zellen, wie sie z. B. in den Gefafen der Speichel- und Septaldriisen bei Pontodrilus vorkommen, fehlen. An der Insertionsstelle der Klappen zeigt das Herz einen kraftigen Muskelring. Im Jahre 1897 beschrieb MicHAELSEN sehr interessante Ver- haltnisse intravasaler Zellgebilde der westindischen Regenwurmform Tykonus peregrinus. In den Blutréumen dieser Form finden sich zweierlei Kérperchen. »Die einen sind sefhaft und bilden kleine, ziemlich kompakte Zellengruppen, die von den Wandungen in das Lumen der Blut- raume hineinragen.“ Verf. nennt sie Ventile. »oie finden sich jedesmal am Hingang in eines der kontraktilen Blutgefiile, sowie an gewissen Stellen innerhalb derselben. Sie finden sich an der Ursprungsstelle der Gefafe aus dem Riicken- gefai, an den lochartigen Kommunikationen zwischen Riickengefas und Darmblutsinus, an den intersegmentalen Einschniirungen des Riickengefafes und schlieflich an den Enden der Intestinal- und Lateralherzen, nicht nur an den dorsalen (Einmiindung in das Supraintestinalgefaf und in das Riickengefaf), sondern auch an den ventralen (Hinmiindung in das Bauchgefif). Diese ventilartigen Kérperchen bestehen aus kleinen, rundlichen und _ birnférmigen Zellen. “ Ihrem ganzen Aussehen nach erinnern sie an die Herz- kérper von Mesenchytraeus. — Die zweite Form der Blut- kérperchen sind die freien: kleine ellipsoidische Zellen, die sich durch die Farblosigkeit ihres Leibes von dem mit Pikrokarmin gefarbten Blut scharf abheben. Ueber ihre Entstehung teilt Ver- fasser nichts mit. — Von Criodrilus Breymanni gibt Micua- ELSEN folgendes an: ’ »lm Vorderkérper (? Segment 8—17) enthalt das Riickengefas eigentiimliche Kérper, die an die Herzkoérper gewisser Enchy- is* 276 Arnold Lang, traiden (Mesenchytraeus, Stercutus) und anderer Chiatopoden (Terebellides, Pectinaria) erinnern. Es sind kompakte, plump birnformige Kérperchen, die zu zweien in jedem Segment von der Wandung des Gefafes in das Lumen desselben hinein- ragen. Ihre Ansatzstelle legt ventral, dicht vor der dissepimentalen Einschniirung, in den ersten der betreffenden Segmente etwas weiter nach vorn.“ Sie dienen wahrscheinlich als Ventile (Herzklappen). Im selben Jahre (1897) kommen Nuspaum und RakowskI wieder auf die kontroversen Zellen im Riickengeféf der Enchy - traiiden zurtick, vermégen sich aber der Ansicht von Ups, daf sie nur eine besondere Sorte von Endothelzellen seien, nicht an- zuschliefen. Sie werden wiederum beschrieben als ,sattige Zellen, die reich an Plasma sind und auferdem sehr viele, dicht angehaufte, gréfere und kleinere, gelbliche bis braun- liche Sekretkérnchen enthalten‘, von denen sich in den eigentlichen, sehr platten Endothelzellen keine Spur findet. Die Zellen sind gestielt oder ungestielt, aber Uebergange zu den Endothelzellen haben die Verfasser nicht beobachten kénnen. lm hinteren, herzartig angeschwollenen Teile des Riicken- gefafes sind die genannten Zellen mehr oder weniger gestreckt und polygonal, bilden verschiedenartige, diinne Ausliufer, dringen tief ins Innere des Gefifes ein, sind gréftenteils mittels feiner Fasern mit der Endothelwand verbunden und verbinden sich netz- artig miteinander... .“ Die Verfasser betonen wiederum die Aehnlichkeit dieser Zellen mit denen des Herzkérpers von Mesenchytraeus nach MICHAELSEN und glauben ferner, Beziehungen zu den verschiedenen als Blutdriisen bezeichneten Gebilden bei Oligochaten auffinden zu kénnen. Thre physiologische Rolle sei jedoch noch dunkel. CoaneTri teilt (1899) tiber die Klappen des Riicken- gefafes der Enchytraiiden folgendes mit: Das Herz von Anachaeta Camerani besteht aus pulsierenden Anschwellungen im 5., 6. und 7. Segment. Die Klappen, die sich hier befinden, bestehen eine jede aus einer einzigen sternférmigen Zelle, die an der GefifSwand durch Protoplasmafilamente befestigt ist. Solche Klappen hat Verf. auch bei Friedericia bichaeta Nuss. subsp. tenuis Micu., bei Enchytraeus Bucholzii Bucu und Friedericia Ratzelii E1s. beobachtet, wo sie an den Stellen vorkommen, wo das Riickengefif die Dissepimente durchbohrt. Jede Klappe wird von einer oder von 2 Zellen gebildet. Aufer diesen intersegmental gelagerten Klappen finden sich bei Friede - ricia bichaeta subsp. tenuis und anderen Friedericia-Arten im Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 277 Lumen des Riickengefies noch zahlreiche andere derartige, stern- formige Zellen vor. Aehnliches fand Verf. bei Henlea leptodera Vesp. Mit Upr (gegen Nuspaum) halt er die Klappenzellen fiir Endothelzellen. In seinen wichtigen Untersuchungen ,iiber den Bau der Ge- fife bei den Anneliden“ (zweite Mitteilung, 1900) hat Brercu auch die Klappen bei Lumbricus riparius beriicksichtigt. »Die schon genannten Klappen im Riickengefa8 und in den Herzen — in den nicht kontraktilen Gefifen fehlen sie — sind merkwiirdige Gebilde, deren Entwickelung zu ermitteln nicht ohne Interesse wire. Sie kommen in folgender Anordnung vor: Im Riickengefaf findet sich in jedem Segment ein Paar, am Hinter- ende des Segments, dicht vor dem hinteren Dissepiment gelegen. Sie sind voluminés, springen stark in das Lumen vor und fiillen dasselbe gréftenteils aus. Bisweilen meinte ich, dicht hinter den Klappen eine Verdickung der Ringmuskulatur zu sehen, doch wage ich nicht zu behaupten, daf dies eine konstante anatomische EKin- richtung sei. In den Herzen beobachtet man bekanntlich sehr haufig quere Einschniirungen, welche diesen Gefafen ihr so hiaufiges perlschnurartiges Aussehen geben. Dicht ventral im Verhiltnis zu jeder solchen queren Kinschniirung liegt nun ein solches Klappen- paar; sie sind auberordentlich leicht zu beobachten.“ »DVie Klappen sind Anhiaufungen kleiner, nackter, kérniger Zellen, deren Grenzen an Schnitten oft schwer unterscheidbar sind. Sie legen an der Innenseite der Leypicschen Intima und sind selbst mit keinem solchen inneren Ueberzug versehen, sondern springen nackt in das Lumen des Gefiifes vor. Es ist dies gewil ein merkwiirdiges anatomisches Verhiltnis, da8 an der Innenseite der allgemeinen Grenzmembran solche isolierte Zellgruppen vor- kommen; es wire, wie gesagt, wertvoll. tiber ihre Genese Aufschluf zu erhalten. Ob sie, wie einige Autoren (Kuprrer, Vespovsky, BrppaRD) behaupten, Beziehungen zur Bildung der Blutkérperchen haben, ver- mag ich nicht zu sagen, halte es aber nicht fiir unwahrscheinlich. Daneben haben sie wohl aber jedenfalls bei den Lumbriciden eine mechanische Rolle fiir die Zirkulation.“ Eingehende Untersuchungen iiber den Herzkoérper der Oligochaten hat (1900) pE Bock veréoffentlicht. Er hat ihn bei Rhynchelmis limosella, Tubifex rivulorum, Nais serpentina, besonders genau aber bei Lumbriculus varie- gatus untersucht. bE Bock gibt folgende Charakteristik des Herzkorpers : le corps cardiaque.est un organe situé dans l’intérieur du systeme vasculaire, d’ordinaire du vaisseau dorsal, se composant de cellules attachées les unes aux autres de maniére a former une bande ou un cordon d’une certaine longueur. Ces cellules sont souvent pourvues de membranes distinctes et renferment ordinairement 278 Arnold Lang, des granulations. Elles présentent souvent un aspect vésiculeux ou vacuolisé, ou semblent quelquefois presque vides, ne contenant, sauf les granulations mentionnées, que de plus ou moins rares coagu- lations fibreuses ou finement granuleuses. Mais il y a toujours des cellules renfermant un protoplasme plus solide. Ce cordon est droit ou replié, son intérieur est creux ou non, ses extrémités peuvent s’attacher 4 la paroi vasculaire.“ Bei Lumbriculus variegatus sind die Zellen des Herz- kérpers dicht gedrangt, sie sind zu Gruppen oder Massen von wechselnder Gestalt angeordnet. Meistens bilden sie einen un- unterbrochenen Strang vom 7. oder 8. bis zum 15. Segment oder dariiber hinaus. Auf einem Querschnitt trifft man gewdhnlich 3 oder 4 Zellen. Vor und hinter dem Strang finden sich gewéhn- lich noch kleine Gruppen solcher Herzkérperzellen, die bisweilen nur aus 4 oder 5 Elementen bestehen. Oefter ist der Strang an den intersegmentalen Einschniirungen des Riickengefifes unter- brochen. Immer liegt der Herzkérper der ventralen Wand des Gefifes an, von wo er mehr oder weniger weit in die Lichtung vorspringt. Bisweilen verstopft er dieselbe vollstandig. »Quelquefois, quand le vaisseau dorsal est bourré de cellules, elles entrent dans le sinus sanguin qui entoure lintestin, ou méme de cdté, dans les vaisseaux latéraux aveugles.“ Fiir mich ist folgende Auslassung von pe Bock besonders bemerkenswert : »ll est impossible de ne pas comparer le corps cardiaque aux cellules chloragogénes qui revétent l’in- testin et le vaisseau dorsal, comme tant d’auteurs l’ont déja fait depuis Craparnpn. Ersic, dans sa belle monographie des Capitellides, lui donne méme le nom de »intravasale Chloragogendriise«. Ces comparaisons sont pour la plupart basées sur le réle physio- logique, probablement analogue, des cellules chloragogénes et des cellules intravasculaires, toutes les deux renfermant des granu- lations de méme nature A peu pres. Mais la ressemblance me parait étre encore plus évidente chez les Oligochétes, spécialement chez le Lumbriculus, quelle ne l’est chez les Polychétes, vu Videntité presque compléte de la structure histo- logique des éléments du corps cardiaque avec les céllules chloragogénes.“ Immerhin macht pe Bock sofort einige Vorbehalte, indem er sagt, daB die fiir die Chloragogenzellen am meisten charakteristi- schen Einschliisse, die lichtbrechenden, gelbbraunen oder griinlichen Kérner, in den Herzkérperzellen nicht vorkommen, sondern durch schwarze oder schwirzliche Kérnchen ersetzt sind. Bei Nais serpentina bilden die grofen, hellen Herzkérper- Beitraige zu einer Trophocéltheorie. 279 zellen, die im vorderen Teile des Riickengefaéfes vorkommen, keine langen Strange. Sie bleiben meist isoliert und stehen in Ab- standen oder sie bilden, indem sie miteinander verbunden sind, kurze Ketten. Bisweilen enthalten sie sehr feine und sehr spar- liche K6érnchen. Bei Tubifex rivulorum besteht der Herzkérper aus einzel- stehenden oder zu kleinen Gruppen vereinigten Zellen. Diese Gruppen fiillen gelegentlich (wahrscheinlich wiahrend der Systole) das Lumen des Gefahes vollstandig aus. Die Herzkérperzellen sind tibrigens bei Tubifex sehr inkonstant und fehlten bei einem beobachteten Exemplar gianzlich. Ueber Enchytraeus humicultor sagt pe Bock: ,J’ai pu voir de nombreuses cellules de sang, prenant parfois des formes trés surprenantes, méme celle d’étoiles irrégulicres.“ Etwas einem Herzkérper Aehnliches aber hat er nicht gefunden. Nach pe Bock sind die Blutkérperchen der Oligochaten immer Amébocyten, wie die Lymphkérperchen des Coloms. Er hat sie bei den erwahnten Lumbriculus-, Rhynchelmis-, Tubifex- und Nais-Arten und auferdem noch bei Stylaria lacustris und Enchytraeus humicultor beobachtet. Die Amobocyten finden sich entweder frei flottierend im Blut, dann sind sie selten am6éboid, meistens ellipsoidisch oder ovoidisch, bis- weilen sogar langgestreckt. Im Zustande der Ruhe stellen sie der Gefafwand innen aufsitzende K6érperchen dar oder entsenden ihre améboiden Fortsatze. Bei Enchytraeus erinnern sie ganz an die von Nussaum und Rakowski bei Friedericia beschriebenen Zellen des Riickengefafies, die bE Bock also als Amébocyten be- trachtet, ,tout en étant d’accord avec ces auteurs au sujet de l’homologie quils leur attribuent avec d’autres formations cellulaires‘. Der folgende Passus ist fiir die Endothelfrage von Be- deutung : ,Le plus souvent, on voit les amibocytes du sang en train de remper sur la paroi du vaisseau. Leur corps s/allonge alors et peut prendre une longueur considérable: en méme temps il devient trés mince et fin. Le noyeau seul forme un petit renflement dans le corps. Dans cet état, les cellules, collées sur la face intérieure du vaisseau, offrent bien l’aspect de noyaux de ]’endothélium. Mais les extrémités de |’amibo- cyte se détachent ou s’élévent parfois un peu, ce qui permet d’éviter toute confusion. Je suis loin de prétendre que l’endothélium du vaisseau ne puisse étre de nature cellulaire, mais je crois que l’on s’est souvent trompé, en considérant des amibo- 280 Arnold Lang, cytes comme des noyaux de la couche intérieure du vaisseau." Verf. beschreibt dann Wanderungen der Blutkérperchen. Sie sollen sich aber auf das Eindringen ins Darmepithel beschrinken, wo die Blutkérperchen vielleicht auf phagocytérem Wege sich mit gewissen Exkretstoffen beladen, um sie in den Darmsinus zu transportieren. Er hat ferner ihre Vermehrung durch amitotische Teilung beobachtet. Was ihren Ursprung anbetrifft, so erinnert er an die Angaben von LeypIGc, KUPFFER und VEJDOvSsKy, nach denen die Klappen Bil- dungsstatten von Blutkérperchen sind. Aehnliche Zellwucherungen, die an verschiedenen Stellen des BlutgefaBsystems vorkimen, findet nun DE Bock bei den Lumbriculiden nicht. Dagegen glaubt er, eine cytogene Blutdriise in einer medioventralen Erweiterung des Darmsinus entdeckt zu haben. In dieser Erweiterung findet man auf Querschnitten 2 oder 3 groBe Zellen, die wie Cdélom- leukocyten aussehen, und daneben einige kleine Blutamébocyten. In einem Falle sah er mehrere solche Blutkérperchen ver- mittelst diinner Protoplasmafaden mit den grofen Zellen, in denen er 6fter amitotische Teilung beobachten konnte, zusammenhangen, ganz wie wenn sie im Begriffe waren, sich von ihnen loszulésen. Es mu aber nach Verf. auch in Erwagung ge- zogen werden, daf die Célomleukocyten die Fahigkeit haben, aus dem Célom in den Blutsinus einzudringen. Bei 2 Exemplaren er- schien die mutmafliche Blutkérperdriise sehr reich entwickelt. »Chez l’un d’eux surtout, le sinus intestinal formait dans la ligne ventrale de grands sacs remplis en partie de sang, mais ren- fermant en outre une quantité considérable de cellules. Les corps nus de ces cellules formaient une seule masse énorme de_ proto- plasme finement granuleux, dans laquelle on ne pouvait pas di- stinguer les contours des éléments constituants. C’était done un grand plasmodium contenant de nombreux noyaux qui, par leur ressemblance avec ceux des amibocytes typique du sang, prouvaient leur homologie avec ceux-ci.“ ,En outre le sac contenait un petit nombre de ces grandes cellules semblables aux lymphocytes, et décrites ci-dessus.“ Das Plasmodium enthalt keine Kérnchen oder etwaige phago- cytir aufgenommene Kérperchen, wie das bei den freien Amébo- cyten des Blutes der Fall ist. yy e@ n’ai pas de preuve directe pour supposer, que cette formation sous-intestinale est un organe destiné & la production des amibocytes, mais je ne vois pas quelle autre fonction on pourrait lui at- tribuer.“ * Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 281 Verf. beschreibt dann ausfiihrlich die Célom-Amébocyten und kommt zu dem Resultat: ,que, sauf pour la grandeur et quelques caractéres histologiques différents, les amibocytes du sang et ceux du coelome se ressemblent sous tous les rapports*. Er fragt sich dann, ob beide Zellgruppen nicht viel- leicht einen gemeinsamen Ursprung haben. Ich erinnere hier daran, daS nach meiner Vermutung allerdings die Célomo- cyten und Haimocyten ahnlichen Ursprung haben, daf die ersteren endotropische, die letzteren exotropische Bildungen der Gonocil- wand sind. In einem weiteren Teile seiner Arbeit erértert pE Bock die Frage nach dem Ursprung des Herzkorpers. Er gelangt, gestiitzt auf gewisse Befunde, zu der Vermutung, daf die Ele- mente des Herzkoérpers metamorphosierte Blut- zellen sind, die sich im Riickengefaf etablieren. Folgende Beobachtung ist, wenn sie sich bestatigt, von grofer Bedeutung. Das Riickengefa8 ist bei Lumbriculus von dem dar- unter liegenden Darmblutsinus, mit dem es tbrigens an vielen Stellen kommuniziert, nur durch das aus Chloragogenzellen be- stehende Peritoneum getrennt. Der Herzkorper liegt der ven- tralen Wand des Riickengefaffes an. Auf dieser Seite soll nun die Wand des RiickengefaBes nicht selten offen sein, so da8 der Herzkoérper in direkter Verbindung mit den darunter liegenden Chloragogenzellen des Cé6- loms steht. Verf. glaubt, daf diese Oeffnung wohl zum Durch- tritt von zelligen Elementen der unmittelbaren Nachbarschaft diene. ,ll s’agit done ici de savoir si les cellules chloragogénes entrent dans le vaisseau, ou si au contraire les cellules intravascu- laires en sortent. Comme je l’ai dit plus haut, ces deux espéces de cellules se ressemblent a un tel point que l’on peut aisément les confondre, 4 moins que les cellules chloragogéenes ne renferment pas de grandes quantités de grains jaunatres et réfringents, ce qui n’est pas toujours le cas. I] est donc impossible de reconnaitre une cellule de Pune de ces deux sortes, au milieu d’un amas de cellules de l’autre espece.“ ,»On pourrait donc admettre que les cellules chlora- gogenes entrent dans le vaisseau dorsal et y forment le corps cardiaque pour étre ensuite phagocytées par les amibocytes. DE Bock ist aber nicht dieser Ansicht, sondern er glaubt vielmehr und fiihrt einige Griinde dafiir an, daf die Zellen des Herzkoérpers, der ja nach ihm aus einer Ansammlung 282 Arnold Lang, von Blutamébocyten hervorgeht, durch die Oeffnungen in der ventralen Wand des RiickengefiBes austreten. Was aus ihnen wird, weif er freilich nicht. Man kann sie in den Chloragogen- massen nicht mehr unterscheiden. Sie verschwinden vollstandig in ihnen. ,ve nai pu observer si elles sont phagocytées par les lympho- cytes, ou si elles persistent peut-étre, en prenant l’apparence et le role des cellules chloragogeénes.“ Ich will hierzu einige kurze Bemerkungen machen. DE Bock bildet die ventrale Unterbrechung in der Wand des Riicken- gefiffes an der Stelle des Herzkérpers in 2 Figuren, Fig. 29 und 30, ab. Ich muf gestehen, daf Fig. 29 in mir Zweifel aufkommen laBt, ob es sich um ein normales Vorkommnis handelt. Dagegen kommt mir Fig. 30 tiberzeugend vor. Doch scheint mir die An- nahme, die pe Bock verwirft, viel wahrscheinlicher zu sein, namlich die, daf es sich um Einwucherung der célothelialen (in diesem Falle aus Chloragogenzellen be- stehenden) Gefa&wand in das GefaSlumen handelt. Dag die Zellen des Herzkérpers zur Bereicherung der Chloragogen- zellenschicht des Céloms beitragen, erscheint mir vollends un- wahrscheinlich. Neue Untersuchungen sind dringend ndtig. Riickblick. Die Uebersicht der Beobachtungen zeigt ein grofies Wirrwarr, aus dem sich nur folgende Punkte als solche herausschalen lassen, liber die einige Uebereinstimmung herrscht: J) die cytologische Aehinlichkeit des Herzkérpers mit dem Chloragogen- gewebe, die vielleicht auf genetischer Verwandtschaft beruht und - 2) Beziehungen der amoéboiden, freien Blutkérperchen zu sessilen Zellen oder Zellengruppen (Klappen) oder Zellmassen, die an der Innenseite der Gefafintima liegen und oft als sogen. Klappen auftreten. C. Polychaeta, Das Organ, das jetzt nach SALENSKY gewohnlich als Herz- kérper bezeichnet wird, ist bei Polychiten schon lange bekannt (DELLE CHIAJE, Costa, RATHKE, OTTO, DusARDIN, MAx MULLER, QUATREFAGES, CLAPAREDE). Es hat fiir uns keinen Zweck, auf diese iltere Literatur einzugehen. Wir beginnen mit CLAPAREDE, Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 283 der 1873 eine eingehende und bedeutungsvolle Schilderung des Organes bei den sedentiren Anneliden entwarf. ,Une particularité trés-singuliére de certaines Annélides sé- dentaires, est de renfermer dans l’intérieur du vaisseau dorsal un organe de couleur sombre (brun, verdatre ou méme noir), qui peut obstruer la plus grande partie du calibre. Dans mes »Annélides de Naples« j’ai signalé ce singulier fait pour les Cirrhatuliens et la Terebella multisetosa. Je l’ai vérifié depuis pour différentes autres especes de Térebelles. Pour l’Audouinia filigera, javais cru, en examinant le vaisseau en état de pulsation, pouvoir interpréter l’organe en question comme formé par plusieurs bande- lettes longitudinales. Toutefois, l’examen d’une coupe transversale du vaisseau enseigne que l’organe brun est, en réalité, un boyan, dont la paroi présente de nombreux replis longitudinaux. Les replis produisent dans la vue de face l’apparence de bandelettes. Ce boyau déplié aurait un diametre pres de deux fois aussi considérable que le vaisseau lui-méme. Son épaisseur étant tres-grande, il ne reste que bien peu de place pour le passage du sang entre les replis. Chez la Terebella flexuosa la substance brune forme deux masses lobées, dont lune est appliquée contre la partie supérieure ‘du vaisseau, l’autre contre la partie inférieure. Ces deux masses ne sont pas indépendantes, car, dans plusieurs sections on les trouve réunies entre elles par d’épais cordons de substance brune. Dans Vorgane brun de l’Audouinie, les plus forts grossissements ne m’ont fait distinguer que de trés-fins granules colorés, disséminés dans une masse fondamentale. Dans celui de la Térebelle, j’ai trouvé, en outre, de petits nucléus. La signification de ces organes est entiérement obscure. I] faut peut-étre les assimiler a la substance chloragogéne. I] est au moins a noter que les Annélides chez lesquelles on connait jusquici les masses intravascu- laires, n’ont jamais de revétement externe de chloragogéne a leurs vaisseaux. Il y aurait alors des dépéts de chloragogene tantot externes, tantét internes.“ 1882 fand und beschrieb Ep. Meyer den Herzkoérper bei Polyophthalmus pictus Crap. »Hin eigentiimliches Organ in Gestalt eines dicken, kurzen Rohres, welches mit starken, zelligen Wandungen und einem in seiner Achse verlaufenden Kanale versehen ist, befindet sich im Hohlraume des Herzens, ragt mit seiner hinteren Halfte, an deren Ende die breite, mit lappigen Auslaiufern ausgestattete Eingangs- éffmung in den axialen Kanal sich befindet, in den Darmsinus hinein und ist hier vermittelst besonderer, kleiner, von den lappigen Fort- satzen ausgehender Muskelbiindel am Darmepithel befestigt; die vordere Halfte dieses réhrenférmigen Organes befindet sich in dem Hohlraum der Herzkammer selbst und wird durch einen diinnen, von seinem zugespitzten, mit der vorderen Miindung des Achsen- kanals versehenen Ende ausgehenden Muskelbiindel, der sich an 284 Arnold Lang, der vorderen Herzwand anheftet, wagerecht in schwebender Lage erhalten.“ Die Funktion dieses Organes ist Ep. Meyer ratselhaft ge- blieben. 1882 entdeckte v. KenneL den Herzkérper bei Cteno- drilus pardalis. Er fand im Riickengefil, dessen Wand trotz seiner Kontraktilitat nur aus einer einfachen diinnen Membran mit zerstreuten spindelf6rmigen Kernen bestehen soll, ein Organ, ,»das seiner Bedeutung nach, wenn man es nicht als blut- bildendes Organ auffassen will, véllig ratselhaft ist.‘ Es ist ,,ein solider Zellstrang, festgewachsen mit ziemlich breiter Basis am Anfangsteil des Magendarms“, etwas asymmetrisch, ,,der frei in das Lumen des Riickengefafes hineinragt und, allmahlich sich zuspitzend, allen Schlangelungen desselben folgend, fast bis zu der Stelle reicht, wo die Auflésung des einfachen Gefafes in die beiden ventral herabziehenden Schlingen erfolgt. Dieser Zellenstrang, meist rund im Querschnitt, besteht aus einer mehr oder weniger feinkérnigen glanzenden Grundsubstanz von gelblicher Farbung, in der runde Kerne so angeordnet liegen, dafi man geneigt wire, anzunehmen, dieselben gehéren zu einem Cylinderepithel, dessen Zellen im Zentrum zusammenstofen; niemals jedoch gelang es mir, Zellgrenzen nach- zuweisen, auch liegen mitunter Kerne weiter nach innen, oft im Zentrum des Stranges selbst, woraus hervorgeht, dal die Zellen, ohne sich gegenseitig abzugrenzen, so aneinander gelagert sind, daf sie wirklich einen soliden Strang bilden.“ Verf. vergleicht das Organ mit Recht mit dem von CLAPAREDE bei sedentaéren Anneliden beschriebenen Organ im Riickengefal. Er hat dieses Organ selbst bei Terebella nachuntersucht. In der Tat findet sich hier ein »in vielfache Falten gelegtes Organ, das fast das ganze Lumen des Gefiifes ausfiillt, so daB die Blutfliissigkeit zwischen Gefafwand und diesem Organ in den Falten des letzteren und in dem von ihm eingeschlossenen Hohlraum Platz findet“. v. KenneL glaubt jedoch, daf es sich in diesem Falle nicht um ein wirkliches Rohr, sondern nur um ein in vielen Falten und Windungen zu einem Rohre sich zusammenlegendes breites Band handle. Die zellige Struktur findet er sehr deutlich ausgesprochen. Das Band stellt ,einen sehr flachgedriickten Schlauch vor, die Wandungen be- stehen aus einem hohen Cylinderepithel, dessen Zellen nach aufen scharf begrenzt, nach innen hin ohne deutliche Grenze sind; im Innern sieht man noch zahlreiche Querschnitte von Zellen, da bei den starken Windungen des Ganzen fast immer einzelne Teile (von den Schnitten) tangential getroffen werden“. Beitrige zu einer Trophocdltheorie. 285 Verf. halt es fiir aufer Zweifel, dafi das Organ ein Meso- dermgebilde ist. Bei Sternaspis endigen nach VespovsKy (1882) in der hinteren Region Zweige der Seitengefifie, namentlich die, welche zu den Schildborsten gehen, blind als machtig aufgeschwollene Ampullen. »An der Oberflaiche derselben erstreckt sich eine feine, mit spindelférmigen Kernen versehene Peritonealmembran; die eigent- liche Gefaifwandung ist dagegen sehr charakteristisch durch be- sondere Zellgruppen.“ Man sieht nimlich ,im Lumen der Gefab- ampullen zierliche Gruppen birnférmiger, auf einem gemeinschaft- lichen Stiele aufsitzender Zellen, deren Gréfe sehr variabel ist. Schéne runde Kerne von 0,008 mm Durchmesser liegen innerhalb derselben. Auch sieht man hier einzelne gestielte Zellen, welche der Gefifwandung aufsitzen; insgesamt sind dieselben aber hell und glanzend und entsprechen wohl den zelligen Elementen der iibrigen Gefafle, wo sie aber immer spindelférmig ausgezogen sind.“ Die Bedeutung dieser Zellen hat Verf. nicht ermittelt: ,Jedenfalls aber sind sie ahnlichen Elementen gleichzustellen, ‘welche in den GefiiBen der Oligochiaiten zu den gewdéhnlichen Erscheinungen gehéren und“, wie er glaubt, ,in gewissen Bezie- hungen zu den Blutkérperchen stehen.‘ Auch Steen sah (18883) im pulsierenden Riicken- gefafSi von Terebellides Stroemii eine dunkle, braun- schwarze Masse von spindelférmiger Gestalt, die an ihren Enden mit der Herzwand verbunden ist. »Das Blut strémt um dieses einem Pfropfen vergleichbare Ge- bilde herum.“ An Schnitten erkannte STEEN, dafi die Masse auSen von einer feinen Membran umgeben ist. »Das von dieser Membran umbhiillte Lumen ist von einem dichten, bindegewebigen Balkenwerk durchzogen, dessen einzelne Balken nach allen Richtungen den Raum durchziehen,“ Verf. vermutet, daf die Masse ein etwaiges Zurtickstrémen des Blutes bei den Kontraktionen der Kiemen verhindere. Die rote Blutfliissigkeit ist mit zahlreichen elliptisch- scheibenformigen Blutkérperchen angefiillt. 1883 ermittelte SALENSKY einiges tiber die Entwickelung des Herzkérpers von Terebella. Das Organ differenziert sich sehr friihzeitig und ist schon zu erkennen, sobald sich das Riickengefaif} geschlossen hat. : »Le corps cardiaque, comme on peut nommer cet organe, constitue maintenant un tube qui a pour point de départ l’extrémité 286 Arnold Lang, postérieure du cceur branchial, dans Vintérieur duquel il pénétre pour s’y terminer en cul de sac.“ An der Wand des Gefafes ist er durch einige langgestreckte Zellen befestigt. Auf diesem Stadium hat SaLEensKy noch keine Oeffnung in der Gefafiwand gesehen, welche in den Herzkérper hineinfiihren wiirde. Auf einem etwas spiteren Stadium kann man diese Oefinung deutlich unterscheiden. Sie fiihrt zunachst in ein kleines enges Rohr ,et se continue ensuite dans le corps cardiaque, qui a ce stade du développement représente un organe de forme cylindrique“, dessen Wand von ziemlich grofen Cylinderzellen gebildet wird. Bei alteren Terebellen sind diese Zellen nicht mehr kenntlich. Der Herzkérper besteht dann vielmehr aus einer Grundmasse, in welcher kleine Kérnchen zerstreut sind. Spiater wird der Herzkérper dunkel. Bei Gelegenheit der Besprechung der Wandung der Blutgefabe und der Blutkérperchen der Serpulaceen sagt (1884) HasSwELL (nach dem Zool. Jahresbericht), dali einzelae Blutkérperchen durch einen engen Stiel an der Gefafwand befestigt sind, was darauf hindeute, dafi die Blutkérperchen vom ahs thelium der Gefas e abstammen. R. Horst erkannte (1885), dab das ritselhafte Organ (der Herzkérper) der Chlorimiden einem RiickengefaiS ent- spricht. Seine schwarzliche Farbe riihrt »von einem briunlichen Organ her, das im Innern des Riicken- gefafes liegt und dessen Lumen grdéftenteils ausfiillt, ausgenommen in dem vorderen diinnen Teil des Gefifes, wo es fehlt*. Diese Angaben beziehen sich auf Brada, Siphonostoma, Trophonia und wahrscheinlich alle Chloramiden. Der braun- liche Kérper ist zusammengesetzt aus verschiedenen, unregelmabig ineinander geschlungenen Strangen, die von mit braunen Kérperchen gefiillten Zellen gebildet werden. »Bei einem jungen Exemplar von Brada villosa war an der Peripherie der Strange die Zellgrenze ziemlich deutlich, der cen- trale Teil aber wurde gebildet von einer mit braunen Kérnchen gefiillten Grundsubstanz, worin keine deutlichen Zellen nachzuweisen waren. Bei den erwachsenen Individuen zeigen die Strange auf dem Querschnitt nur ein unregelmiiges Netz von Fasern, in dessen Knotenpunkten deutliche Kerne liegen, wihrend in der durchsichtigen Grundsubstanz der Maschen die braunen Kérnchen zerstreut sind.“ Horst vergleicht das Organ mit einem entsprechenden der Enchytriiden. Bei beiden zeige sich grofe Uebereinstimmung in Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 287 der Struktur. Bei beiden werde es vom Blute bei seinem Ueber- gang aus dem Darmsinus in das Herz durchspiilt. Er vergleicht es ferner mit dem bei Enchytraeus appendiculatus in das Riickengefiif hineinragenden Darmdivertikel, das bei den Chlor- amiden den Zusammenhang mit dem Darm verloren habe. MICHAELSEN Ver6ffentlichte 1886 in seiner Enchytraiden- Arbeit auch die Resultate von Untersuchungen des Herzkoérpers von Terebellides Stroemii und Pectinaria belgica. Der Herzkérper der zuerst genannten Form ist ein langes, keulen- férmiges Organ, das sich durch den gréften Teil des Riicken- gefaiBes hinzieht. Beziiglich der Struktur stimmen MICHAELSENS Befunde nicht mit Srrens Zeichnungen tiberein. »Der Kérper wird von Zellen gebildet, die in der auferen Zone lang, spindelférmig, nach innen zu aber mehr rund sind. Die Zellen besitzen deutliche Kerne und sind mit Ausnahme der zentralen Partie fest aneinander geleet. Um die Achse des Kérpers herum stehen sie lockerer und lassen zwischen sich einen Hohlraum. Dieser Hohlraum wird von einer Substanz erfiillt, die fast dieselbe Farbung annimmt wie das Blut (nur um eine feine Nuance heller ist), und in der solche unregelmafige, dunkle Kérnchen liegen, wie sie in den Chloragogenzellen der Enchytraiden vorkommen.“ Ganz anders der Herzkérper von Pectinaria belgica. »Derselbe besteht aus einer kompakten, vielfach und unregel- mafig gelappten, sich durch den groften Teil des Riickengefiibes hinziehenden, grob granulierten Masse, in die zahlreiche Kerne ein- gestreut sind. Farbung und Granulation des Kérpers erinnernan Farbung und Granulation der Chloragogen- zellen.“ MICHAELSEN ist der Meinung, daf ,»der Annahme einer Homologie zwischen den charakteristischen Darmorganen von Enchytraeus leptodera, ventriculosus und Buchholzia appendiculata mit dem Darmanhang von Brada und selbst mit den Herzkérpern anderer Anneliden (z. B. der oben angefiihrten) “ nichts entgegensteht. Man k@énne sich diese Organe sehr gut auseinander entstanden denken. Physiologisch halt er den Herz- korper, wie die Chloragogenzellen, fiir ein Organ der Reinigung des Blutes von unbrauchbaren, vielleicht schadlichen Stoffen. E1sic (1887) rechnet die braunen Strange oder Schlauche in den RiickengefaBen der Terebelliden und Cirratuliden zu den himolymphatischen Exkretionsorganen und schlagt fiir sie, in Anlehnung an die CnLApArEpDEsche Auffassung, den Namen yintravasale Chloragogendriisen* vor. Er macht darauf 288 Arnold Lang aufmerksam, daf die Angaben von SALENSKy es sehr wahrschein- lich machen, da die (intravasalen) Chloragogendriisen aus den Wandungen des Riickengefifes hervorgehen, ,»also aus denselben Peritonealgebilden, aus denen auch die Himolymphelemente entstehen, womit die Ein- heit dieser verschiedenartigen, exkretorisch tatigen Blutzellen und Blutdriisen auch im morphologischen Sinne gewdahrleistet ware.“ Den Herzkérper von Siphonostoma diplochaetos (Chloraimide) beschreibt JourpAN (1887) als ,coecum gastro-oesophagien‘*, das da, wo der Oesophagus in den Darm iibergeht, in denselben von vorn und oben her einmiindet. Der Blindsack selbst liegt tiber dem Oesophagus. Er ist ein ,appendice du tube digestif, dont les parois trans- formées en un vaste sinus pulsatif remplissent le réle d’un cceur“. Der Bau des Organes wird folgendermaSen beschrieben. Ab- gesehen von ganz vorn enthalt es in seiner Achse einen Epithel- schlauch, »qui n’est autre chose qu’un prolongement de la muqueuse stomacale et de sa basale fortement plissée“. Die Epithelzellen des Schlauches haben das Aussehen von Driisenzellen und enthalten ein kérniges Protoplasma, das sich viel intensiver farbt als das der Magenzellen. Verf. halt den Schlauch fiir eine wahre Anhangsdriise des Darmes. Ich will hierzu gleich bemerken, daf’ der Verf. die Einmiindung in den Darm nicht niher beschreibt; sie ist eben wahrscheinlich gar nicht vorhanden. Der Schlauch wird von einem grofen Blutsinus umgeben, der aufen von einer Bindegewebsmembran umgrenzt wird, in welcher Langs- und Ringmuskeln verlaufen, die sonst den Gefafen fehlen. Dieser pulsierende Blutsinus spielt die Rolle eines Herzens, er setzt sich zweifellos in den Darmblutsinus fort. Der in Fig. 26 abgebildete Schnitt zeigt, da die Wand des den Herzkérper um- schliefenden Sinus, d. h. die Herzwand — sie wird als Peritoneal- epithel bezeichnet — direkt in die beiden Peritoneallamellen des dorsalen Mesenteriums tibergeht. 1887 beschreibt Epuarp Meyer den Herzkérper der Cirra- tulidenform Chaetozone setosa. Er besteht ,aus drei langen, soliden Stringen von schwarzbrauner Farbe, welche das Vas dorsale in seinem ganzen kontraktilen Teile von einem Ende zum anderen durchziehen; an den Gefafwinden sind sie nirgends befestigt. Sie sind gebildet aus driisigen Zellen mit Beitriige zu einer Trophocéltheorie. 289 runden, dunklen Kernen und kérnigem Protoplasma, in welchem sich eine grofe Menge gelblich-brauner Pigmenttrépfchen einge- schlossen befinden“. Ep. Mreyrr vermutet, »dak die Funktion des Herzkérpers in der Bereitung des Blut- pigmentes bestehe, welches im aufgelésten Zustande in der roten Blutfliissigkeit vorhanden ist. In der letzteren kommen nun noch eine relativ geringe Zahl kleiner, farbloser Blutzellen vor; ob die- selben vielleicht auch von der oben besprochenen Driise herstammen oder einen anderen Bildungsort haben, ist ihm unbekannt ge- blieben“. Auch bei Hermellen (Sabellaria alveolata) findet Ep. Meyer (1888) eine solche intravasale Chloragogen- driise (E1sic). Es ist ein wohlausgebildeter, strangférmiger Kérper, welcher die Achse des Vas dorsale einnimmt. CUNNINGHAM untersuchte (1887 —1888) den Herzkirper der Chlorhaemidae, Terebellidae und Cirratulidae und gelangte zu Resultaten, die nicht stark von denen Horsts abweichen. Fam. Chlorhaemidae. Trophonia plumosa. Die Strange, aus denen der Herzkérper besteht, sind in Wirklich- keit in den meisten Fallen hohl, d. h. ROhren. Die das Lumen umgebenden Zellen bilden ein mehrschichtiges, driisiges Epithel. Die Zellen der der Basalmembran aufsitzenden Lage sind solid und kernhaltig und enthalten eine grofe Anzahl kleiner, runder, brauner Koérnchen. Weiter nach innen kommen hellere, vakuo- lisierte Zellen, in denen ein Kern gewohnlich nicht nachweisbar ist. Die dem Lumen zunichst gelegenen innersten Zellen sind fast kugelig und ragen ,separatedly and at various levels“ in die Lichtung vor. Solche Zellen kommen auch in dem von Zerfalls- produkten erfiillten Lumen selbst vor. Die Réhren sind jedenfalls Driisen, aber der Verf. konnte weder eine Miindung derselben nach aufen, noch eine Oeffnung in irgend ein Organ nachweisen. Die vielfach gewundenen Schlauche des Herzkérpers fiillen den Hohl- raum des Herzens fast vollstandig aus. Bei Flabelligera af- finis (Siphonostoma) bildet der Herzkérper ein unregelmakig abgeflachtes, gefaltetes Band, welches im Herzen, das es nur zum kleinen Teil ausfiillt, in der Langsrichtung verliuft. Sein unterer Rand liegt in der ventralen Mittellinie der Herzwand, und von da ragt es wie eine Scheidewand in die Herzlichtung nach oben vor, ‘ ,its upper branched part coming into contact with the dorsal and lateral sides of the heart“. Bd. XXXVIII. N. F. XXXI. 19 290 Arnold Lang, Ein deutliches Lumen ist im Innern des Bandes nirgends sicht- bar, allein es existiert eine deutliche, zentrale Grenzlinie, welche die beiden aneinander liegenden Epithelien der beiden Flachen des Bandes trennt. Die hellen, vakuolisierten Zellen fehlen; es be- steht das Epithel ausschlieflich aus hohen, kernhaltigen Cylinder- zellen mit spirlicheren und kleineren K6érnchen als bei Trophonia. Fam. Terebellidae. Amphitrite Johnstoni. Der an- nahernd die ganze Herzhéhle ausfiillende Herzkérper besteht aus im allgemeinen longitudinal verlaufenden, cylindrischen Strangen, in denen kein Lumen sichtbar war. Die Strange bestehen aus un- deutlich abgegrenzten, kleinen Zellen mit grofen, kugligen, stark gefarbten Kernen. Auch Amphitrite cirrata und Terebella Danielsseni besitzen Herzkérper. Bei Lanice conchilega ist der Herzkorper kleiner als bei A. Johnstoni, seine Strange sind diinner und liegen in unmittelbarer Nahe der Gefaifwand, so da8 im Herzen ein grofer zentraler Raum frei bleibt. In den Stringen ist oft ein Lumen bemerkbar. Die Zellen sind ahnlich wie bei A. Johnstoni. Bei Terebellides Stroemi besteht der Herzkérper aus einem einzigen, ein Lumen aufweisenden Strang, der, das Herz der Linge nach durchziehend, seine Lich- tung fast ausfiillt. Die Zellen sind auf dem Querschnitt radiir an- geordnet. Fam. Cirratulidae. C. cirratus. Drei longitudinal verlaufende Herzkérperstrange erfiillen fast den ganzen Hohlraum des RiickengefaiBes. Zwei von ihnen anastomosieren gelegentlich miteinander. Das Protoplasma der Zellen farbt sich nicht, pur die Kerne. Ein Lumen fehlt in den Strangen; die Zellen sind auf dem Querschnitt nicht radiir, sondern mit ihrer Langsachse dorso- ventral angeordnet und enthalten eine grofe Menge der bekannten Kérnchen. Die Strange liegen ganz frei im Innern des Gefafes und stehen mit der Wand desselben nicht in Verbindung. Cun- NINGHAM macht auf den Unterschied gegeniiber dem Herzkérper von Polyophthalmus (nach Ep. Meyer) aufmerksam, der darin besteht, dafi bei dieser Form das Blut die an beiden Enden offenen Herzkérperschliuche durchstrémt, wihrend bei den Chlorhaimi- den, Cirratuliden, Amphicteniden, Ampharetiden und Terebelliden solche Oeffnungen noch nicht nachgewiesen seien. Irgendwelche Tatsachen, welche die Horsrsche Ansicht stiitzen kénnten, daf der Herzkérper auf ein Darm- divertikel (Enchytraiden) zuriickzufiihren sei, hat Verf. nicht gefunden. Es sei nach dem SALENSKyschen embryo- logischen Befunde vielmehr wahrscheinlich, dab der Herz- Beitrige zu einer Trophocdéltheorie. 291 kérper von einer EHKinsttlpung der Herzwand herrthrt. Im Jahre 1890 veréffentlichte FLoreENcE BUCHANAN die Be- schreibung eines herzkérperaihnlichen Organes bei der Spionidenform Hekaterobranchus Shrubsolii. Am _ vor- deren Teil des Magendarmes tritt in dem ihn vollstandig um- gebenden Blutsinus eine mit Kernen versehene Masse auf, welche sich auf der Epithelwand des Darmes als eine longitudinale, in den Blutsinus vorragende Leiste erhebt. ,Part of the sinus closes in round this ridge, and becomes nipped off from the rest of the sinus, and so is continued forwards on the intestine, the ridge inside it being separated from the in- testinal epithelium by a very fine layer of coelomic epithelium only. Some series of sections would seem at first sight to show that the ridge was in its posterior part directly continuous with the in- testinal epithelium; but a more careful examination leads rather to the conclusion that it is formed by the tucking-in of the coelomic epithelium which lies outside the sinus on either side.“ - Das Organ wird von Miss BucHANAN, zweifellos mit vollem Recht, als ein Herzkérper betrachtet. Nirgends in seinem ganzen Verlauf ist ein Lumen sichtbar. In der Gegend des Oesophagus verlaBt das vom Darmblutsinus abgeschniirte, den Herzkérper ent- haltende Gefaf den Darm und begibt sich als kontraktiles Riicken- gefaf an die Innenseite der Leibeswand. CurNoT untersuchte 1891 den Herzkérper bei einigen Poly- chaten, zunachst bei der kleinen Terebellidenform Nicolea venustula. Am lebenden, unter leichtem Deckglasdruck unter- suchten Tiere sah er im Vorderkérper im rhythmisch sich kon- trahierenden, mit roter Blutfliissigkeit erfiillten Riickengefif den Herzkérper als dunkelgriine, bei jeder Kontraktion lebhaft bewegte Strange. Sie erstrecken sich durch das Riickengefa8 in seiner ganzen Linge von der Basis der Tentakel bis zur Magenerweite- rung des Darmes. Es sind ihrer 2 oder 3. Sie sind verdstelt und anastomosieren. An der Gefafwand sind sie durch kleine ,brides conjonctivo-musculaires* befestigt. Bei der Systole ver- stopfen sie das Gefaiflumen fast ganz. Der Herzkérper besteht aus einem bindegewebigen Stroma, das mit Zellen und Kernen vollgepfropft ist. Im Protoplasma der Zellen liegen sehr zahl- reiche, hellgriine Kérnchen. : Beziiglich der Funktion des Herzkérpers sagt CuENoT wortlich: se ke 292 Arnold Lang, ,Nous pouvons tout d’abord remarquer que les granules des amibocytes errants dans le liquide hémoglobique sont vert clair, absolument identiques 4 ceux de la glande; en voyant a coété une cellule mire et un amibocyte hématique, on est tout a fait convaincu de l’identité de taille, de contenu, etc. Ce n’est pas tout: j’ai vu plusieurs fois les cellules vertes de la glande émettre de courts pseudopodes et faire saillie au-dessus de leur voi- sines pour étre, sans aucun doute, entrainées plus tard par les courants sanguins; le corps cardiaque est donc une glande lymphatique parfaitement carac- térisée,“ Daneben glaubt aber CuENoT, wie Ep. Meyer, daf der Herz- kérper auch zur Bildung des Himoglobins beitrage. CuENOT hat den Herzkérper auch bei Leprea lapidaria (Hetero- terebella sanguinea) untersucht. Er setzt sich hier vorn in die beiden Aeste des Riickengefafies fort. Sein Pigment besteht aus kleinen, lichtbrechenden, braungelben Kérnchen. Verf. hat auch bei dieser Art bei zahlreichen Zellen des Herz- kérpers Pseudopodienbildung und Loslésung beob- achtet. Bei Polymnia nebulosa (Terebella Meckelii), Terebella gigantea und mehreren Thelepus-Arten sind die Strange des Herzkérpers etwas weniger unregelmafig, als bei den vorher erwihnten Arten. Ihre gelbgriinen Kérnchen stimmen in der Farbe mit denen der Amébocyten tiberein. Bei Audouinea filigera (Cirratulide) enthalt das Riickengefaf einen sehr langen, strangformigen Herzkoérper, der sich bis gegen die Kérper- mitte hin erstreckt. »il est formé d’une seule masse, divisée et ramifiée plusieurs fois, qui parait d’un noir franc par réflexion. Aprés l’action des réactifs, on constate qu’il est constitué par un stroma conjonctif rempli de noyaux et de gros granules terre de Sienne qui, par leur accumulation, donnent une teinte noire; on retrouve naturellement ces granules dans les amibocytes hématiques.“ Gegeniiber Ep. Mryer behauptet Cu&NoT, daf der im Herzen von Polyophthalmus pictus (Opheliacee) gelegene Herz- kérper (Lymphdriise Cubnor) kein Lumen besitzt, sondern solid ist. Er besteht aus einem bindegewebigen Stroma, in welchem kleine Zellen mit kérnigem Protoplasma eingebettet liegen; ,ces cellules se détachent et constituent les ami- bocytes du sang. Rien n’est plus net que la ressem- blance, plutét l’identité, des corpuscules flottants munis de quelques granules réfringents et des cel- lules glandulaires; il ne peut rester aucun doute sur sa fonction lymphatique.“ Beitrage zu einer 'T'rophocdéltheorie. 293 CuénoT will auch bei Nereiden, besonders bei Nereis Dumerilii, die Bildung der Amébocyten des Blutes verfolet haben. Bei diesen Polychiten kommt kein Herzkérper vor. Dagegen finden sich grofe Klappen, die schon von Cia- PAREDE im Riickengefaif von N. Dumerilii beobachtet wurden. Jede Klappe besteht aus einem bindegewebigen Stiel oder einer solchen Lamelle, welche in der Mitte oder am Ende eine Zelle tragt. »Dans le vaisseau dorsal, ot le sang marche d’arriere en avant, elles se correspondent réguliérement de facon 4 s’appuyer l'une contre l’autre dans la systole; dans les gros vaisseaux latéraux, on en voit d’autres dont la lame conjonctive traverse toute la cavité vasculaire, de facon a étre refoulée d’un coté quand le sang passe et 4 se gonfler comme une valvule sigmoide quand il veut prendre la route inverse; ces deux variétés sont bien réellement des valvules.“ In den SeitengefaBen aber, besonders in der Nahe der Fub- stummel, kommen andere ,,Klappen‘‘ vor, die keine mechanische Rolle spielen kénnen. Jede solche Klappe besteht aus einem einfachen, kurzen, sehr beweglichen Stiel, der eine oder seltener 2 Zellen triigt. A chaque passage du sang, ces pseudo-valvules se balancent, se relévent sans pouvoir jouer le moindre role, car elles ne sont certes pas capables d’obturer la lumiére du vaisseau, méme quand elles se correspondent; dans une dilatation contractile, j’ai trouvé aussi une lame conjonctive attachée aux parois par ses deux ex- trémités, portant sept ou huit cellules, renfermant de petits granules réfringents et paraissant toutes prétes a se détacher. C’est, en effet, &4 ces formations pseudo-valvulaires qu’il convient d’attribuer la genése des amibocytes Mem whl (umes seco) wd CNvsad cortaine men t;.vwes,8e détacher sous mes yeux. La cellule unique se segmente, ce qui produit les tiges 4 deux cellules, puis l'une d’elles tombe dans le sang; la cellule restante prolifere de nouveau, et ainsi de suite.“ Curnnot verhialt sich der Ansicht gegeniiber, daf der Herz- kérper eine exkretorische Rolle spiele, durchaus ablehnend. Man kann seinen Bedenken eine gewisse Berechtigung nicht versagen. »U’excrétion ne peut-elle pas s’opérer suffisamment par les organes segmentaires? Et ne serait-ce pas un organe excréteur bien bizarre que ce corps cardiaque, d’ailleurs n’existant que dans quel- ques groupes, qui ne débouche pas au dehors, et dont les produits passent dans le liquide qu’il s’agit de puritier.“ In dem Referat des Neapeler Zoologischen Jahresberichts tiber eine mir nicht zugingliche Arbeit von E. Bries (1892) tber Siphonostoma diplochaetos heift es: 294 Arnold Lang, »Das Herz ist eine gastrische Blutlakune; der Herzkiérper steht in keinerlei Verbindung mit dem Darme (gegen Jourpan). Die ihn zusammensetzenden Zellen stammen wohl vom Peritonium, und wahrscheinlich steht das Organ in Be- ziehung zur Bereitung des Blutpigmentes.“ 1894 beschaftigt sich ScHAppr eingehend mit dem Herz- kérper von Ophelia. Dieser liegt da, wo der Darmsinus sich zum Herzen erweitert. Hinten mit dem Darm zusammenhangend, steigt er »von diesem schrag zum Herzen auf, um sich an dessen Ven- tralseite bis weit nach vorn hin zu erstrecken“. Seine aufere Form ist sehr wechselnd. In seinem hinteren Teil geht das Organ rechts und links in ein schmales Ligament iiber, welches, nach aufen ziehend, sich an die Aufenfliche des Darmes anheftet, von der es im iibrigen durch einen Blutsinus (vordere Fortsetzung des Darmblutsinus) getrennt ist. Vorn, wo sich das Herz vom Darmblutsinus sondert, geht es auf die Innen- seite der ventralen Herzwand iiber. Der Herzstrang ist ein fibréses Gebilde, bei ungefarbten Tieren von weiflicher oder bliulich-weifer Farbe. Er besteht aus einer homogenen Grundsubstanz, in welcher regellos Bindegewebszellen eingestreut sind. »von Zeit zu Zeit finden sich unregelmafige Spalten in diesem Grundgewebe, die namentlich in der Achse des Organes zu gréferen Spaltraumen zusammenfliefen, welche einerseits auf der Ventral- seite mit dem thorakalen Darmsinus kommunizieren, andererseits aber auch am vorderen Ende des Organes mit dem Herzlumen in Ver- bindung stehen,“ Die Bindegewebszellen besitzen Fortsaitze, die in der Grund- substanz ein feines Netzwerk bilden. Querschnitte zeigen, wie die Spaltriume »zu einer eivheitlichen zentralen Lakune zusammengeflossen sind, in welcher zahlreiche Blutzellen teils frei, teils in Haufen aneinander gekittet liegen.“ Diese sind von zweierlei Natur: »Neben Blutkiérperchen mit deutlich sichtbarem Kern beob- achtet man Zellen mit eigentiimlich griinlich pigmentierten Kérnern, neben welchen ein Kern nicht scharf zu unterscheiden ist. In der Farbe weichen diese Pigmentkérner entschieden ab von dem Chlo- ragogen sowohl der Lymphzellen als auch des Peritoneums“, dagegen zeigen sie in ihrem chemischen Verhalten eine gewisse Aehnlichkeit mit dem letzteren. Scuippr polemisiert ausfibrlich gegen die Ersiasche Ansicht, daB der Herzkérper als intravasale Chloragogendriise ein blutreinigendes Organ sei. Ich muf in Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 295 dieser Beziehung auf das Original verweisen. Verf. kommt zu dem Schlu8, daf das Organ yseinem morphologischen, wie physiologischen Verhalten nach weder eine Driise ist noch sein kann‘, daf es vielmehr die mechanischen Funktionen eines den Kreislauf regulierenden Apparates erfiillt. Auch fiir die eingehende Be- griindung dieser Ansicht muf ich auf die Originalabhandlung ver- weisen. Abgesehen vom Herzkoérper, nimmt in der Abhandlung von ScHAprr auch das von ihm im Darmblutsinus beschriebene Binde- gewebe unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Es handelt sich im Thorakal- und im Beginne des Abdominalsinus (wo der Sinus seicht und die Darmwand gefaltet ist) um zwischen den Wanden des Sinus ausgespannte kernhaltige Fasern, die in den Falten fast stets ein zusammenhiangendes Netzwerk bilden. In diesen Faser- zellen hat ScuAppr das Vorkommen von Chloragogen nachgewiesen, das morphologisch und chemisch von demjenigen der Lymph- und Darmzellen nicht zu unterscheiden ist. (Es wird ScHApprr vorgeworfen, daf er den Begriff Chloragogen zu weit fasse.) In demjenigen (abdominalen) Bezirke des Kérpers, wo der voluminése Blutsinus ventralwarts in weitem Umfange die Darm- wand dermafen einstiilpt, da8 das Darmlumen auf dem Quer- schnitte eine hufeisenformige Figur reprasentiert, steigt, von der ventralen Sinuswand entspringend, ein eigentiimliches Binde- gewebe in Form von unregelmifigen Wiilsten und Faltungen in den typhlosolisartig in den Darm eingestiilpten Blutsinus empor. ,ln seinem histologischen Bau zeigt dieses intravasale Bindegewebe entschieden groke Uebereinstimmung mit dem visceralen Peritoneum..... “ Vor allem wird diese strukturelle Aehnlichkeit dadurch herbeigefiihrt, da auch dieses Bindegewebe mit Chloragogenkérnern erfillt ist, welche in Form, Farbe und Lagerung durchaus mit denjenigen des Peri- toneums iibereinstimmen. “ Das Gewebe ist an der ventralen Ursprungsstelle an der Sinuswand dicht gefiigt, auferst zellenreich, wahrend es in seinen oberen, dem Sinus eingelagerten Teilen ein lockeres Gefiige zeigt. Ueber eine von Miss Bucuanan 1895 iiber ein blut- bildendes Organ der Larve von Magelona angestellte Untersuchung findet sich im Neapeler Zool. Jahresbericht folgendes Referat : 296 Arnold Lang, , Wenn die Larve so weit ist, daf sie sich in 3 Regionen teilt, so liegt hinten am RiickengefiS eine dunkle rotbraune Masse, die aus einer stark angeschwollenen Partie der Splanchno- pleura mit vielen Kernen (ohne Zellgrenzen) besteht. Spiter ver- schwindet dieser ,braune Kérper‘, aber anstatt dessen treten in allen GefaSen rotliche mehrkernige KGrperchen auf, die sich wie Stiicke des ,braunen Kérpers‘ ausnehmen und wohl durch weiteres Zerfallen schlieflich zu den von Brnuam_ beschriebenen Blutkérperchen des erwachsenen Tieres werden.“ Verf. vergleicht diesen ,braunen Kérper“ mit dem von ihr friiher beschriebenen leistenformigen ,Herzkérper“ von Heka- terobranchus. MontTicetii hat 1896 den Herzkérper von Polyoph- thalmus pictus einer neuen Untersuchung unterzogen und glaubt, den Widerspruch in den Angaben von Meyer und CuENOT beseitigen zu kénnen. Der in der Mitte seiner Linge ange- schwollene Herzkérper nimmt die ganze Ausdehnung des als Herz- kammer bezeichneten, muskulésen Abschnittes des Riickengefifes ein, von nahe der Stelle an, wo dasselbe aus dem Darmsinus seinen Ursprung nimmt. Er setzt sich auch rechts und links etwas in die erweiterten Anfangsteile der GefaSschlingen fort, die MOonTICELLI, wie mir scheint, ganz unpassend als Vorhéfe bezeichnet. (Das Blut strémt durch diese Vorhéfe aus dem Herzen aus!) Vorn reicht es auch etwas in den Anfangsteil des vom Herzen aus- gehenden RiickengefiSes hinein, an dessen ventralen und lateralen Wanden es durch Fibrillen angeheftet ist. Auch hinten ist es durch ausstrahlende Fibrillen an dem Teil der Blutsinuswand be- festigt, der sich in das Herz fortsetzt. Einen zentralen Kanal hat Verf. weder am lebenden Objekt noch auf Praiparaten oder Schnitten erkennen kénnen (gegen Meyer). Der Herzkérper besteht aus einem bindegewebigen Stroma ,che forma la massa dell’organo e lo involge al tempo stesso, e che, si sfiocca in filamenti esili, numerosi, che costituiscono agli estremi i fascetti di fibre che fissano al cuore il corpo cardiaco“. Diese Fasern sind nicht muskulés (gegen MEYER und CUENOT). In dem genannten Stroma liegen zahlreiche Zellen dicht gedringt. Sie sind rundlich, mit kérnigem Protoplasma, hiufig nicht scharf abgegrenzt, selbst auf Schnitten. Die Kérnchen im Protoplasma sind relativ grof. Der ganze Bau stimmt mit dem des Herzkérpers der iibrigen Anneliden tiberein. Im Herzen hat der Verf. auch Blut- kérperchen beobachtet, er hat sie aber ebensowenig bei Polyoph- thalmus wie bei anderen von ihm untersuchten Anneliden sich Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 297 vom Herzkérper loslésen sehen (gegen Cubnot). Ueber die Funk- tion des Herzkérpers spricht sich MonTIceLt nicht aus, er verspart dies auf eine spitere, umfangreiche, vergleichende Arbeit tiber den Herzkirper der Anneliden, die aber bis jetzt, so viel ich wei, nicht erschienen ist. In seiner zusammenfassenden Uebersicht tiber die lympho- iden Organe der wirbellosen Tiere (1897) kommt Cutnor auf die Blutkérperchen der Polychaten und ihren Herzkoérper zuriick. Er sagt jetzt so ziemlich das Gegen- teil von dem, was er 1891 so bestimmt angegeben hatte, ohne seine Sinnesinderung zu motivieren oder tiberhaupt seine friiheren Beob- achtungen zu erwahnen (siehe oben p. 291—294). Von den Gefah- amébocyten sagt er: ,on ne sait rien sur leur mode de formation“! Wenn er den Herzkorper als lymphoides Or- gan bezeichnet, so setzt er ein Fragezeichen dahinter. Was ihm friiher ginzlich unwahrscheinlich erschien, nimlich die exkre- torische Rolle des Herzkoérpers, ist ihm jetzt ganz wahrscheinlich! »CLAPARHDE et Eis1a en font un organe excréteur quiils rap- prochent des chloragogénes en raison de sa pigmentation (intra- vasale Chloragogendriisen); cette hypothése est rendue tout a fait vraisemblable par les expériences de G. ScHNEIDER, qui a montré que le corps cardiaque de Terebellides Stroemi et Pectinaria hyperborea éliminait le saccharate de fer injecté dans le coelome. “ Auch bei den Oligochaten bezweifelt jetzt CumnoT die cytogene Rolle der verschiedenen intravasalen Zellkérper. Der Herzkérper der Ampharetiden (A. Grubei) ist nach FAuvEL (1897) ein solider Strang (,,tige“) von tiefschwarz- brauner Farbe, der sich fast durch die ganze Linge des Herzens erstreckt. Sein hinteres Ende ist gablig geteilt. Die beiden Zipfel sind an der Darmwand an der Stelle befestigt, wo der Magen in den Oesophagus tibergeht; das ist zugleich die Stelle, wo das Herz aus dem Darmsinus seinen Ursprung nimmt. Das Darm- epithel geht direkt in das Gewebe des Herzkérpers tiber, der demgemaf als ein Anhangsgebilde des Darmes_ be- trachtet wird. Er besitzt kein Lumen. Auf dem Querschnitt er- scheint er aus radiar angeordneten, langgestreckten Zellen zu- sammengesetzt, deren gegen die Achse des Organes fadenférmig ausgezogene Enden sich hier miteinander verflechten. Man wird an den Querschnitt einer Apfelsine erinnert. Das Zellplasma ent- halt zahllose Pigmentkérnchen. Ein bindegewebiges Stroma existiert im Herzkérper nicht. 298 Arnold Lang, Was die Funktion des Herzkérpers anbetrifft, so glaubt Fauvet nicht, daf er eine Bildungsstatte der Blut- amédbocyten sei, sondern schreibt ihm folgende drei Funk- tionen zu: 1° C’est un organe de soutien et de renforcement du cour. 2° Tl régle le cours du sang et l’empéche de refluer en arriére en fermant Vorifice des artéres branchiales pendant la systole. 3° C’est un organe d’épuration du sang fixant sous forme de pig- ment les produits d’excrétion de celui-ci. Enfin il sécréte peut- étre la chlorocruorine.“ Was die Kontinuitét des Herzkérpers mit dem Darmepithel anbetrifft, so gibt leider der Verf. zu diesem wichtigen Punkt keine Abbildungen. Eine sehr eingehende Studie tiber den Herzkoérper der Polychaten verdanken wir L. I. Prcron (1898/1899). Ein- leitend gibt er folgende kurze Definition des Organes. Es liegt im RiickengefiS oder ,Kiemenherz“ als ein stabférmiges Gebilde, das gewohnlich vorn und hinten, bisweilen auch anderswo, an der muskulésen Wand befestigt ist, sonst aber frei im Lumen des Ge- fies liegt. Es ist haufig von zahlreichen Pigmentkérnchen dunkel- braun gefarbt. Die diese Kérnchen enthaltenden Zellen sind klein und dickwandig. Sie besitzen wenig Protoplasma, aber deutlich unterschiedene Kerne. Am eingehendsten beschreibt Picron den Herzkérper bei den Cirratuliden, wo er das Maximum der Entwickelung erlangen soll. Bei Audouinia filigera liegt er in Form von 3 braunen Stringen in dem den ganzen Kérper durchziehenden Riickengefa8 und endigt vorn im 5. Segment, wo das Riickengefif% 2 riick- laufige, mit den Kiemengefifen in Verbindung stehende Seiten- gefabe abgibt. Die 3 Strange sind intersegmental eingeschniirt, sie sind unregelmibig veristelt, gefaltet und anastomosieren. An vielen Stellen sind sie durch feine Fortsitze mit der GefaiSwand verbunden. Der Herzkérper ist am Ende des ersten Drittels seiner Lange am stirksten entwickelt und verstopft hier, wie Verf. bei dem durchsichtigen Cirratulus chrysoderma gesehen hat, bei der Systole das Lumen des Gefiibes fast vollstiéndig. Un- zweifelhaft spielt er auch die Rolle einer Klappe. Ueber die histologische Struktur des Herzkérpers von Au- douinia laiBt sich Prcron folgenderma8en aus. Jeder Strang besteht aus 3 Lagen, einem fiuferen Endothel, einer Rinden- und einer Markschicht. Das Endothel wird direkt vom Blut bespiilt. Es besteht aus einer einzigen Zelllage, deren Kerne Beitrige zu einer Trophociéltheorie. 299 von Abstand zu Abstand sichtbar sind. (Die Abbildungen lassen Zweifel an der wirklichen Existenz dieses Endothels einigermafen gerechtfertigt erscheinen.) Die Rindenschicht besteht aus deutlichen, wohlbegrenzten Zellen, deren Kerne oft einen dunkel gefarbten Nucleolus besitzen. Sie enthalten, abgesehen von einigen gelben, lichtbrechenden Kérnchen, wenig Einschliisse. In der ober- flichlichen Lage dieser Schicht stehen die Zellen dicht gedrangt, senkrecht zur Oberfliche, ihre Kerne liegen in ihrem dAuferen Ende. In der tieferen Lage sind die Zellen unregelmafiger und ihre Kerne seltener. Die in ihrer Machtigkeit sehr variable Markschicht ist ein exquisit kérnchenreiches Gewebe, in dem hier und da Kerne sichtbar sind. Die Zellgrenzen sind schwer zu erkennen. Von den zahlreichen, verschiedenartigen Kérnchen scheinen die einen intra-, die anderen intercellulér zu sein. Neben diesen Kérnchen kommen aber sehr auffallige Einschliisse in der Markschicht vor, die Prcron folgendermafen schildert: »lhe medullary tissue contains numerous spherical cavities, the majority of which are occupied by from one to eight round or oat-shoped bodies. In those, which are round a _ ,nucleus' is frequently well marked; and were it not for their large size, which give them a resemblance to ova, and the fact that the ,nucleus' is the only spot stainable with most dyes, there would be little need for hesitation in pronouncing them to be single cells. Those which are oval in shape are much creased and folded; they stain irregularly with Euriicus haematein or with fuchsin, some folds colouring intensely, others hardly at all. Picric acid, used after haematein, stains the blood, and also stains parts of these bodies; but eosin, which likewise stains the blood, does not affect them.“ ,some of the spherical spaces are empty, whilst others again contain a colourless refringent, unstainable mass, dotted with numerous dark points. The mass does not quite fill the cavity, but the remaining space is partially occupied by a fine crumpled membrane which appears to ensheathe the colourless bodies. Smaller masses of the same unstainable material are seen in some sections embedded in the groundwork of the organ.“ Verf. beschreibt sodann eingehend die mikrochemischen Reak- tionen der verschiedenen Einschliisse des Herzkérpers in der Reihenfolge, in der sie seiner Meinung nach stufenweise ineinander tibergehen. Er kommt beziiglich der Natur derselben zu den SchluBfolgerungen : ,that the brown granules, being soluble in caustic alkali solu- tion, are not chitin; that they are not guanin, since they give no murexide reaction (in these points they differ from both kinds of Chloragogen described by Scudpr1 in Ophelia); that the ovoid 300 Arnold Lang, crumpled structures are chitinous bodies; that fat is distributed in globules in the heart-body, especially in its periphery; that iron is distributed in larger and smaller granules, also especially in the periphery; and finally, that glycogen is probably absent“. Picton macht sodann auf gewisse Beziehungen zwischen dem Herzkoérper und Peritoneum aufmerksam. Nach Fig. 2, Tafel 19 (Querschnitt) scheint es fast, als ob beide an gewissen Stellen ineinander tibergingen. Sternaspis, die BENHAM zu den Terebelliformia stellt, hat nach Picron keinen eigentlichen Herzkoérper. Chloraemidae. Picron erinnert an die Untersuchungen von CUNNINGHAM (1887/88) und von JourDAN (1887) iiber den Herzkérper von Siphonostoma. Er selbst findet, daB bei Untersuchung auf Querschnitten das Band, welches den Herz- kérper darstellt, als eine Réhre erscheint, deren Wande zusammen- gepreBt sind, aber gewéhnlich doch ein Lumen frei lassen. Be- zuglich der Kontroverse, ob das Lumen des Herzkérpers mit dem Darm kommuniziert (JoURDAN) oder nicht (BLEs), konstatiert Picton, daf das Organ in der Tat eine ansehnliche Strecke weit am Darm befestigt ist, dai aber eine offene Kommuni- kation zwischen Darmlumen und Herzkoérperlumen nicht existiert. Die weiteren histologischen und _histo- chemischen Details méchte ich hier ttbergehen. Bei Stylaroides hirsutus »the heart-body folds have become rounded or flattened strings, which may run for considerable distances independently of one another. The cells in sections of 4 mw are clearly defined, and usually occupy the whole thickness of a strand, though occa- sionally a lumen is left. Except for brown granules, some of which are large and contain a dark central spot, there are few cell- contents. “ Terebellidae. Der tiefbraune Herzkérper von Po- lymnia ist ein cylindrischer Stab, der sowohl an beiden Enden, als auch an anderen Stellen durch feine Fortsitze mit der Herz- wand verbunden ist. Bei Terebellides Stroemii ist das Organ hohl, sonst bei den meisten Terebelliden solid. Bei Lanice conchilega besteht es aus mehreren Stringen, die denen von Stylaroides ahnlich sind. Das Organ ist bei den Terebelliden von einem feinen Endothel bedeckt; Rinden und Markschicht sind nicht unterscheidbar; die langlichen Zellen bilden eine Art Netz- werk, das von der zentralen Achse ausstrahlt. Ein einheitliches gréferes Lumen fehlt, dagegen kommen zahlreiche intercellulare Beitrige zu einer Trophocéltheorie. 301 Raume vor. Die griingelben Pigmentkérnchen sind gewohnlich ein jedes in eine Vakuole eingeschlossen. Entwickelung des Herzkoérpers bei Polymnia nebulosa. Was Picron hieriiber mitteilt, ist von der gré8ten Bedeutung. Bei einer Larve mit 13 Borstenpaaren war noch kein Herzkérper angelegt. LErst bei einer Larve von ca. 1,5 cm Lange tritt er als ein Biischel grofkerniger Zellen im Riickengefif auf. »Hrom the first it shows signs of pigmentation. Even in the living state a cavity can be recognised in it, whilst sections show that part at least of this cavity opens directly into the coelom on the ventral side of the heart just anterior to its origin. In other words, the htart- body is an in-pushing of the heartwall. It shows no connection whatsoever with the hypoblast. Later the open connection with the coelom appears to be narrowed, and finally obliterated.“ Der Herzkérper sei also sicher ein rein mesoblastisches Ge- bilde. Am Schlusse der Prcronschen Arbeit findet sich eine Zu- sammenfassung, die auch wohlerwogene Schluffolgerungen enthalt und aus der ich das Wichtigste mitteilen muf. Da der Herzkérper ein mesodermales Gebilde ist, so kann er nicht dem Darmdivertikel homolog sein, das bei Buchholzia und anderen Oligochaten in das Riickengefaf hineinragt (gegen Horst und Bepparp). Wenn man aber im Auge behalt, dafi das Darmdivertikel dieser Formen, indem es in das Herz vordringt, die Herzwand mit ihrem Célothel vor sich her treiben und in die Herzhéhle einstiilpen mu, so ist nichtsdestoweniger klar, daf dieses letztere einen Teil des Herzkérpers bilden mu8. Mdéglicher- weise, sagt Prcron — und ich bemerke hierzu, da ich mir un- abhangig von ihm die gleiche Ansicht gebildet habe — ist es dieser mesodermale Teil des Herzkérpers, von dem der vordere Teil des Herzkérpers von Buchholzia herrihrt, so da dann wenigstens eine partielle Homologie mit dem Herzkérper der Poly- chaiten bestiinde. Nachdem einmal der mesodermale Ur- sprung des Herzkorpers nachgewiesen ist, so kann man, meint Picton, die Ersia¢sche Interpretation desselben als in- travasales Chloragogen, d. h. modifiziertes Peri- tonealgewebe, welches urspriinglich an der AuSen- seite des Riickengefafes liegt, aber durch Ein- faltung in sein Inneres zu liegen kommt, accep- tieren. Dabei muf dem Ausdruck Chloragogen nur eine all- 302 Arnold Lang, gemeine, nicht eine speziell histochemische Bedeutung beigemessen werden. Die Analogie des Chloragogens mit der Leber der Wirbeltiere wird geradezu auffaillig, wo es den Herzkérper bildet. Dann liegt es ebenso in dem Blutstrom, der, vom Darm kommend, zu den Atmungsorganen geht, wie die Leber (im Pfortaderblut namlich). Man hat deshalb Grund, anzu- nehmen, daf er eine ahnliche Rolle in der Oekonomie des Wurmes spielt, wie die Leber, soweit diese als Driise ohne Ausfiihrungsgang betrachtet wird. Doch kann diese Analogie nicht bis ins einzelne verfolgt werden. Glykogen scheint im Herzkérper zu fehlen. Da- gegen wurde Fett und Eisen in ihm nachgewiesen und es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, da letzteres Vorkommen auf hamatogene Funktionen hinweist. Die Rolle des Pigmentes und der Chitinkérper ist dunkel. Wenn es sich um Exkretionssubstanzen handelt, so ist schwer verstandlich, wie ihre Entleerung aus dem K6rper vor sich gehen kann. Verf. denkt an die Méglichkeit, daf vielleicht die Exkretionsprodukte durch die Herzwand hindurch ins Célom beférdert und dann durch Leukocyten zu den Nephridien getragen werden, oder dafi sie ins Blut gelangen und in den Kiemen ausgeschieden werden; das letztere wire aber nur fir fliissige Substanzen méglich. — Beziiglich der mechanischen Funktionen des Herzkérpers kann als sicher gelten, daf er, als Klappe bei der Systole das Herz verstopfend, bewirkt, da alles Blut in die Kiemen gelangt. In der Arbeit von Gummo ScHNEIDER (1899, vorlaufige Mit- teilung 1897) iiber Phagocytose und Exkretion bei den Anneliden ist beziiglich des Herzkérpers der Polychiten besonders der Nachweis des Vorkommens von Eisen im Herzkérper der Tere- belloiden und Amphicteniden von grofer Bedeutung. » Bei intakten Exemplaren zeigte die Berlinerblaureaktion hiiufig, wenn auch nicht jedesmal, Eisen in den Herzkérperzellen, das sich in rundlichen Kérnchen findet, die sich intensiv bliuen und zwischen den griingelben zerstreut sind.“ Die gréften Ansammlungen von Eisen fand Verf. ,»bei Pectinaria hyperborea, wo alle iibrigen Teile der Herzkiérperzellen derart von den eisenhaltigen Kérnchen verdeckt sind, da8 man oft nur den Kern innerhalb einer blauen Kérnchen- masse erkennen kann“. SCHNEIDER ist ganz mit Picron einverstanden, wenn dieser seinen (ScunerpERs) Vergleich der Chloragogen- Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 303 zellen mit Leberzellen auch auf die Herzkérper- zellen ausdehnt. Es will ihm nimlich scheinen, ,da8 die griinlichgelben, die eisenhaltigen und andere Kérnchen in den Herzkérperzellen nichts anderes als aufgespeicherte Reserve- nahrung sind, ebenso wie die fetthaltigen Kérnchen, die sich durch Osmiumsiure schwarz farben, und dab alle diese Kérnchen, ebenso wie in den Chloragogenzellen, direkt von dem Protoplasma gebildet werden aus fliissigen Substanzen, die aus dem Blute bezogen werden“. Die von Picron bei Audouinia filigera_ beschriebenen yoatshaped bodies‘ im Innern des Herzkérpers halt ScHNEIDER fiir Entwickelungsstadien von Parasiten. Wiederholt betont er, daS den Chloragogenzellen der Oligochaten am meisten die Zellen des Herzkérpers der Polychaten analog zu sein scheinen, die phagocytire Natur der letzteren sei aber leider bisher noch nicht nachgewiesen. Ueber den Herzkérper der Polychaten urteilen WILLEM und MinnE (1899) folgendermaBen. La présence du corps cardiaque chez les Annélides sédentaires yva généralement de pair avec l’absence du revétement chlora- gogéne des vaisseaux, et les corpuscules qu'il renferme rappellent par leur aspect, sinon par leur composition chimique qui n’est pas connue, les grains chloragogénes des autres Chétopodes. Avec quelques auteurs, nous considérons ce corps cardiaque comme un organe dépurateur et, reprenant une opinion émise par CLAPAREDE et par Eisic, nous Videntifions avec un corps chloragogéne intra-vasculaire.“ Dieselben Forscher schreiben (1899) den Blutamébo- cyten auch eine exkretorische Rolle zu. Sie entziehen dem Blute gewisse Exkretstoffe. Beladen mit solchen Stoffen wandern sie, was die Verff. allerdings nicht direkt beobachtet, sondern nur aus cytologischen Befunden erschlossen haben, in das Darmepithel ein, bilden dort die vielfach beschriebenen ,gelben Zellen“ und fallen schlieflich in das Darmlumen. Bei ihren Studien iiber die Arenicoliden (1900) haben GAMBLE und ASHwoRTH auch den Herzkérper untersucht, der iibrigens bei A. Claparédii und A. cristata fehlt. Er findet sich hier nicht im RiickengefaB, sondern in beiden kontraktilen, als Herzen bezeichneten Gefifschlauchen, welche das Darm- gefaBnetz mit dem Bauchgefaif& verbinden. Bei postlarvalen oder ganz jungen Exemplaren von A. marina ist er noch nicht vor- handen, erst bei 65 mm langen Individuen ist er aufgetreten. 304 : Arnold Lang, »At this stage of growth, the wall of the heart consists of an outer peritoneal cubical epithelium and an inner but indistinct endothelium. Between these two layers it is not possible to detect any muscular tissue. The cavity of the heart is, however, invaded by strands of cells which repeat the struc- ture of the heart wall, and are probably invagin- ations of it. In A. Grubei the invagination is clearly marked, Later on, as the muscular tissue develops in the wall of the heart, fresh invaginations occur, composed of an extremely delicate endothelium, a muscular layer and a mass of cells, some granular, some glandular. forming a fairly definite lining to the invagination, but projecting at their free ends into an irregular lumen, partially blocked up by cells within which yellowish or yellowish-brown granules may be seen.“ Aehnlich sind die Verhaltnisse bei Arenicola Grubei. Bei 140 mm lJangen Exemplaren »the first traces of the heart-body are found as a few short and apparently solid ingrowths of the muscular and peritoneal layers of the heard wall. These ingrowths occur on the posterior (and to some extent outer) surface of the heart, where the muscular layer is specially deve- loped*. ,The granular chloragogenous bodies are in this way carried into the cavity of the heart.“ Die Wandung des Herzkérpers zeigt, da er aus einer Ein- stiilpung des Herzens hervorgegangen, die umgekehrte Schichten- folge der Herzwand, d. h. zu auBSerst ein Endothel, dann die Muskelschicht und zu innerst die Peritonealzellen. Bei alteren Exemplaren (200 mm) nimmt die Zahl der Einwucherungen von der hinteren Herzwand zu. Einige entwickeln sich auch von der gegentiberliegenden Wand. »ln these the neck of the involutionis hollow, showing the nature of the ingrowth, involving, as it does, the entire thickness of the wall of the heart and a virtual extension fo the coelom into the pro- cesses." Die Verfasser beschreiben auch kurz die Bildung des Herz- kérpers von A. ecaudata, die sich von der bei A. Grubei nicht nennenswert unterscheidet. Die Befunde bestitigen also Eisias Suggestion, daf der Herzkérper intravasales Peritonealgewebe sei. Beziiglich seiner Funktion sagen die Verfasser : »The heart-body, in fact, appears to be a means of pre- venting regurgitation of the blood into the gastric plexus after systole, and of ensuring its passage into the ventral vessel.“ Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 305 Ob er auch exkretorische Funktionen habe, kénne erst ent- schieden werden, wenn die Natur der Chloragogensubstanzen besser bekannot sein werde. In seiner Arbeit tiber die Anatomie von Scalibregma in- flatum (1901) macht AsHworTH die einigerma8en iiberraschende Mitteilung, daf ein Herzkoérper fehlt, tiberraschend deshalb, weil die Scalibregmiden mit den Arenicoliden und Opheliaceen verwandt sind. Im roten Blutplasma finden sich sparliche rund- liche oder ellipsoidische Blutkérperchen mit vorspringendem Kerne. Ks ist schwer festzustellen, wo sie gebildet werden, ,but apparently some arise from the cells lining the wall of the dorsal vessel, especially in the region of the heart and blood-reservoir“. In einem Exemplar fand Verf. eine Masse von Kérperchen im BauchgefaS unmittelbar hinter dem 4. Diaphragma. Diese Koérperchen zeigten dasselbe Verhalten gegentiber Farbstoffen, wie die Zellen der unmittelbar benach- barten Gefa8wand. Vielleicht werden Blutkérperchen in den Gefafen an verschiedenen Stellen gebildet. Riickblick. Werfen wir einen Riickblick auf die zusammengestellten An- gaben tiber das wichtigste intravasale Zellgebilde der Polychaten, den Herzkoérper, so sehen wir, da sie vielfach auseinander- gehen. Immerhin zeigt sich in der neuesten Zeit eine grofere Uebereinstimmung zwischen den Autoren. Die eine fundamentale Tatsache scheint jetzt ziemlich ge- sichert zu sein, die namlich, dafi das den Herzk6rper aus- fiillende Zellenmaterial célothelialen Ursprungs ist, daf es sich hier um eine exotropische Wucherung oder Ausstiilpung der Célomwand in das Gefaihlumen handelt, auf die sich sogar die Muskulatur (und das Gefaf- endothel [?]) fortsetzen kann. In diesem Sinne, und auch deshalb, weil die Zellen des Herzkoérpers vielfach auffallende Aehnlichkeit mit Chloragogenzellen zeigen, hatte E1sia gewif recht, wenn er den Herzkérper eine intravasale Chloragogen- driise nannte. Die Annahme, daf der Herzkérper von der entodermalen Darmwand abstamme, IJaft sich heutzutage nicht mehr halten. J Sehr dunkel ist noch die Funktion des Herzkérpers, die eine mehrfache zu sein scheint. Héchst wahrscheinlich dient er Bd, XXXVI. N. F. XXXI. 90 306 Arnold Lang, zunichst iiberall als Klappe. DaB er, wie die Klappen der Hirudineen und Oligochaten (?), eine cytogene Funktion habe, dafiir sind geringe Anhaltspunkte vorhanden. Und doch ware eine solche Funktion bei der so haufigen Lage des Herzkérpers auf dem Wege vom Darmblutsinus zu den Kiemen, wie mir scheint, ziemlich verstaéndlich. Es hatten die zur Loslésung bestimmten Zellen Gelegenheit, sich mit EiweiSkérpern zu beladen, die dann in den Atmungsorganen, ahnlich wie das Hamoglobin, Sauerstoff aufnehmen und im weiteren Kreislauf, von den Blutkérperchen getragen oder im Blutserum gelést, weitere Verwendung finden kénnten. Auch der Nachweis von Eisen im Herzkérper legt den Gedanken an Beziehungen zur Atmung nahe. Am meisten fraglich scheint mir die exkretorische Bedeutung des Herzk6rpers zu sein. Der Nachweis der célothelialen Natur des Herz- kérpers der Polychaten scheint zu der vorlaufigen Annahme zu berechtigen, da& auch die bei Hiru- dineen und Oligochaten in das GefaSlumen vor- ragenden Zellen oder Zellenkomplexe célothelialen Ursprungs sind. Wiirde sich dies bestitigen, so wire damit auch der célotheliale Ursprung der Amébocyten des Blutes sehr wahrscheinlich gemacht. D. Echiurida. Nach Spence. (1879) sind die Blutzellen des sich ver- wandelnden Embryos des Bonelliaweibchens identisch mit den Zellen der Leibeshéhle, was ihn zu der Annahme fiihrt, da& die letztere mit dem BlutgefaSsystem kommuniziere. Eine solche Kommunikation ist aber nach demselben Autor (1880) bei Echi- urus Pallasii nicht vorhanden, wo die améboiden Blutkérperchen in der Leibeshéhle und im Blutgefafsystem auch identisch sind. 4. Ontogenie des Blutgefafsystems der Anneliden. Regenerationserscheinungen. In seinen ,,Embryologischen Studien an Wiirmern und Arthro- poden‘ bildet KowALEvsky (1871) den Querschnitt eines Embryos von Euaxes (Taf. V, Fig. 38) ab, auf dem die Anlage des BauchgefiBes als ein dem Entoderm anliegender, aus ca. 3 Zellenlagen bestehender Zellhaufen dar- gestellt ist, dessen Auerste Zelllage sich seitlich in die Splanchnopleura fortsetzt. Beitrage zu einer Trophocdéltheorie. 307 Bei Lumbricus hat KowALevsxky das Vorhandensein des Gefifsystems schon auf einem Stadium konstatiert, wo die Meso- dermplatten den Dottersack erst halb umwachsen haben. Es be- steht dann ,»aus einem Bauchgefa8 und den seitlichen Schlingen, welche den Dissepimenten entlang nach oben gehen, ferner aus zwei seitlichen Gefafstammen, welche sich an den Grenzen des auf dem Dottersacke ausgebreiteten mittleren Blattes hinziehen und nach vorn in das Riicken- gefaf, welches auf dem Oesophagus liegt, tibergehen. Bei der Ausbreitung des mittleren Blattes und seinem Zusammentreten auf der Riickenseite, welche vom vorderen Ende beginnt, schmelzen diese beiden, gewissermafen den Sinus terminalis bildenden Gefaistimme zusammen, und es entsteht somit das Riickengefal.“ » Was den Ort anbetrifft, wo sich die Gefife anlegen, so ist es nicht schwer, fiir die Hauptstimme zu beweisen, daf sie aus den Zellen entstehen, welche sich zwischen dem Darmdriisen- und dem Darmfaserblatte ansammeln -und von einem dieser Blatter abstammen. Die Quer- stimme bilden sich an den Stellen, wo sich die -beiden Dissepimentwandungen an dem Darmdrisen- blatt anstofen; von hier stiilpten die Gefahanlagen das Darmfaserblatt zu einer Falte aus, welche, das Gefaf umgebend, sein Muskelsystem bildet. Ich muf hier noch erwahnen, daf von dem als Sinus terminalis be- zeichneten Gefahe noch kleine Stamme nach unten sich fort- setzen, die meiner Ansicht nach als Auswiichse des schon gebildeten Gefa8es anzusehen sind, weil das mittlere Blatt noch nicht so weit ausgebreitet ist. Obgleich ich das Epi- thelium in den GefaSstammen der Lumbricineen nicht beobachtet habe, so ist doch seine Anwesenheit kaum zu be- zweifeln, wie auch die beschriebene Bildung der gréferen Stamme, welche so vollstindig mit demselben Prozesse bei den Wirbeltieren tibereinstimmt.“ Vel. mit diesen Beobachtungen die Thesen 29, 30, 32; p. 198/199. In den Mitteilungen von G1arp (1876) iiber die Entwickelung von Salmacina Dysteri Hux. findet sich die Bemerkung, dal auf einem gewissen Stadium, wenn die Fettkérperchen im Ento- derm resorbiert werden, unter der Mesodermmembran (— d. h. doch wohl zwischen dieser und dem Entoderm —) ein freier Raum sich erhalt, yla cavité sanguine primitive, laquelle se prolonge a l’in- térieur des tentacules céphaliques‘. Hochinteressant sind die Beobachtungen, die HaATSCHEK (1878) am Darmfaserblatt der Polygordiuslarve wahrend der 4. Entwickelungsperiode angestellt hat, die dadurch charakterisiert 20* 308 Arnold Lang, ist, daf die Kopfblase den Gipfelpunkt ihres Wachstums erreicht und der Rumpf eine wurmférmige Gestalt annimmt. Wahrend dieser Periode legt sich das Darmfaserblatt, das ganz getrennt vom Darme entstand und von demselben durch die primaire, mit der Kopfhéhle in Zusammenhang stehende Leibeshéhle getrennt war, an das Darmdriisenblatt an, wobei die primaire Leibeshdéhle schlieSlich vollstandig verdrangt wird. Dabei konnte HaTscHEeK folgendes beobachten: »Die Darmfaserplatte, die nur aus einer einfachen Lage dinner, abgeplatteter Zellen besteht, beginnt sich nun zuerst mit jener Stelle, wo sie mit den Dissepimenten zusammenhingt, an das Darm- driisenblatt anzulegen; zugleich sah ich von den Zellen der Darm- faserplatte feine, verastelte Auslaufer durch die primire Leibeshéhle zum Darmdriisenblatte ziehen.“ Bei Reizung der Larve »kKann man eine interessante Beobachtung am Darm- faserblatte machen. Dieses kontraktile Blatt legt sich namlich unter Verdringung der primaren Leibes- héhle — die Leibeshéhlenflissigkeit wird, wie es scheint, in die Kopfhihle getrieben — vollkommen an das Darmdriisenblatt an. Zugleich wird der Darm dort, wo die Dissepimente sich ansetzen, durch stirkere Kontraktion ringformig eingeschniirt. .. .“ Aber immer ist noch der Darm innerhalb des Mesodermrohres verschiebbar. HaAtTSscHEK sagt ausdriicklich, dali er vom Blutgefafisystem an den jungen, von ihm untersuchten Polygordien noch nichts habe nachweisen kénnen. Nach allem, was wir heutzutage wissen, fallt es nicht schwer, diese Beobachtungen in bestimmter Weise zu deuten, das Beob- achtete in einen grofen Kreis ahnlicher Erscheinungen einzuordnen. Der Raum zwischen Darmfaserblatt und Darm ist gewif ein em- bryonaler Darmblutsinus, in dem iiberall, auch wenn er beim erwachsenen ‘Tiere vorkommt, das Blut durch die ihn aufen begrenzende Schicht des Darmes nach vorn getrieben wird. Beim erwachsenen Tier ist es die Muscularis des Darmes, welche diese antiperistaltischen Kontraktionen ausfiihrt, hier bei der Larve ist es das Darmfaserblatt, eine einfache kontraktile Lage diinner, ab- geplatteter Zellen“. Also ein kontraktiles Epithel ohne Muskel- fibrillen, wie etwa an Gefafischlingen bei Oligochaiten! Nach der Theorie geht aus einem solchen Epithel durch Delamination célexotropisch, d. h. gegen den Darmblutsinus zu, eine Mus- cularis hervor, wihrend die zuriickbleibende, die Leibeshéhle aus- kleidende Zellenschicht das Peritonealendothel liefert. HarscHEek Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 309 hat also in Wirklichkeit doch, entgegen seiner eigenen Aussage, das erste Auftreten des Blutgefifsystems bei Polygordius beobachtet. In seinem ,, Handbuch der vergleichenden Embryologie* (1. Band, 1880) macht F. M. Batrour die, wie mir scheint (vide These 29) sehr zutreffende Bemerkung, dal die Entstehung des RiickengefaSes bei Lumbricus und Criodrilus durch Verschmelzung zweier lateraler Gefif®e eine Eigentiimlichkeit sei, ,die wahrscheinlich durch die spat erfolgende Ausdehnung des Mesoblasts in die Dorsalgegend zu erklaren ist“. Von kapitalem Interesse fiir die Theorie des Himocdls sind die Beobachtungen iiber die Entwickelung des Blutgefalisystems von Polychaten, die SALensKy (1882/1883) publizierte. Unter- suchungsobjekte waren Psygmobranchus und Terebella. Einige Tage nach dem Ausschliipfen bemerkt man bei den Larven von Psygmobranchus »2wischen dem Epithel des Hinterdarms und dem Darmfaserblatt eine mit klarer Flissigkeit erfillte Hoéhle, welche nach aufSen von einer einzelligen Schicht des Darmfaserblattes begrenzt ist. Die Wand dieser Hoéhle ist kontraktil und zeigt ziemlich regel- mafige Pulsationen, wodurch die Flissigkeit nach vorn getrieben wird. Da Blutgefife noch nicht vorhanden waren, so konnte ich die Bedeutung dieses perigastralen Raumes nicht ganz genau bestimmen, bis ich bei Terebella auf Ver- haltnisse stief, die denen bei Psygmobranchus vollkommen entsprechen. Der Bildung der Blutgefaéhe bei Terebella ist ebenfalls eine solche perigastrale Héhle vorhergegangen, welche aber nicht um den Hinter-, sondern um den Mitteldarm sich bildet. Man kann auch dort die Pulsationen beobachten, welche aber schwicher als beim Psygmobranchus sind. Von dieser primitiven Bluthéhle geht nun die Entwickelung der DarmgefaSe aus. Letztere bilden sich friher als die Gefake der Haut und erscheinen in Form von longi- tudinalen Ausstilpungen der Darmfaserhaut, welche sich immer mehr und mehr von derselben abhebt und sich schlieBlich vollstandig abtrennt. MHieraus wird verstandlich, daf die Blutgefafe des Darmes lange Zeit mit dem perigastralen Blutraum in Verbindung stehen und von ihm das Blut erhalten. Diese Bildungsweise der Blutgefile ist von besonderem Wert, wenn man diese mit den Blut- gefiken im ausgebildeten Zustande bei den niederen Anneliden vergleicht. Bei Protodrilus Leuckartii (Harscupx) ist z. B. ein solches Verhalten.des Blutgefalsystems auch im ausgebildeten Zustand vorhanden, was zum Beweis dienen kann, daf wir es hier mit primitiven Zustanden des Blutgefalsystems 310 Arnold Lang, zu tun haben. Auferdem ist dieses Verhalten nicht ohne Bedeutung fiir die allgemeine Auffassung des BlutgefaSsystems und seine Be- ziehungen zu den Lymphraumen resp. zur Leibeshoéhle und zeigt uns namentlich, daf die Blutgefa8e mit den Lymphraumen zuerst in keiner Verbindung stehen und sich vollstindig unabhiangig von letzteren bilden.“ Von diesen Ausfiihrungen ist Satz fiir Satz fiir uns von Wichtigkeit. Im folgenden Jahre (1883) gibt SaLensky genauere Aus- kunft tiber die Entwickelung der BlutgefaBe von Terebella. Die Blutgefaée treten erst spat auf. Trotzdem besitzt das Tier, also noch vor ihrem .) Os tsoben” FPF WS9GhY el) SiG. 177, , +10 , ‘unten ,, ,ernahrendes“ statt Schematische Querschnitte durch ,erabrendes“. 374 IT. Arnold Lang, Inhaltsverzeiehnis. Vorbemerkung. . Hauptabschnitt. Ueber fie Abstammung ane Anneliden Die Trochophoratheorie Die Kormentheorie Apam Srepewicks Theorie. : Kuemnenpercs Medusentheorie Epuarp Meyers altere Ansichten . Die Ableitung der Metamerie von dem ter- minalen Wachstum der Scoleciden Meine eigene Theorie der Ableitung der Metamerie (speziell der Hirudineen) von der Cyklomerie der Célenteraten (speziell der Ctenophoren) durch Vermittelung der »Pseudometamerie“ der Turbellarien (spe- ziell von gundaahnlichen Tricladen), Kor- rektur und Ausbau derselben 1. Das Darmsystem der Platoden 2. Die Ableitung des Articulatennervensystems 3. Das Nephridialsystem der Platoden und Anneliden 4, Annelidenlarve und Annelid es” *% Hauptabschnitt. Die Gonocdltheorie . Hist@ereeees..:..... pare. . 4. Se Uebersicht der Beobachtungen iiber den Ursprung der Célomocyten und iber das Chloragogengewebe. ; Ae Uebersicht der fixen und der freiet endo- tropisch erzeugten Bestandteile der Ca- lémsacke der Anneliden. is Die Célomwand TSagemantes Célothel, Endothel re iui 2. Der Inhalt der Oélomsiicke . Die Rolle der verschiedenen Komponenten der Célomsicke . Die Célomsicke der Anneliden “und die Sackgonaden der niederen, acélomen Metazoen i . Das Gonocél und die Gonodukte . 136 150 151 152 153 155 160 Beitrage zu einer Trophocdltheorie. 375 Seite Das Auftreten eines Kopulationsapparates und seine Riickwirkung auf das System der Gonodukte Ty oodvety 2. ee ee GS Die Gonocdiltheorie und die Keimblitter- theorie ew nee GAME 165 Die Nephrocéltheorie, ok vn, | al ee 7 Die Gonocéltheorie und die friihzeitige Sonderung der Keimzellen, . Ap satin eS facauliicior. Gamma i ly. 3... sath eee III. Hauptabschnitt. Die Himocdéltheorie . . . . . . 177 PSM HOME SIC Clee, ue Vat gran a ds hee, sy) eran hod ee Thesen titber den phylogenetischen Ursprung und die morphologische Bedeutung der Hauptteile des Blutgefa8systems der PEC LiGKenh ergs met ey cS wee ral fot. A cl. yee LOO Die Beobachtungsgrundlagen fiir eine Hi- mocéltheorie der Anneliden, . 201 1. Der Darmblutsinus und das Blutgefabnetz des Darmes 201 A. Polychaeta (inkl. Archianneliden und Sternaspiden) . . 201 B. Oligochacta . . . .- 2 yee tO Oi Eien cineaemeet ewer iri Ry asi Ah eRe a ksh ed. ORO De bchinniicawiee seer cn eee es. , AR nee yc) ae! O9O E. Riickblick 221 2. Die histologische Struktur der GefaSwandungen, be- sonders der Hauptgefiife. Beziehungen der Haupt- stamme zum Darmblutsinus und zu den Mesenterien 222 NEP OlyCHAelam comer wien A Wig iee a gy gaa) 0) DOO BOlmochactaece past ate. beh ay ee be AEE eh. 8a) OT CR Ebrraditea eats (iter ie) ier es er Bot ea RR dle oy WOES Byer Bchrmenriheny pr ee veiste ices, eg crak cages vate shee le ean gs DOO 3. Ueber Bildungen, die vermutlich aus der Célomwand hervorgehen und sich exotropisch in das Hamociél hinein produzieren : Klappen, Klappenzellen, Herz- kérper, Blutdriisen, Haimocyten. . . . . . . 261 A MiMGMine tees) Af tins) Sen) UN he Lh oe AN So. DOL Ivels oie ketene lece: aleve) Wee seen ok a ORF BeOligochnciay (waa ec ul fone kaw 2 ty) oA 968 Riickblick SREP et sa eh Cerin mney Uy eos ogy ta a (DRO CeEolychacin gic Coma ier eS ae 1289) CK OUCK a cane tian o Rtv ress a 8 ol Ss Cee SOR D. Echiurida . 306 4. Ontogenie des Blutgefifsystems der Anneliden, Re- generationserscheinungen . . ....... 5. Die Entwickelung der Kérper- und Darmmuskulatur dem ammendene Vs ls fs) 3 a, we a Gauge 6. Das Fehlen eines Blutgefafsystems* und das Auf- treten von gefarbten Blutkérperchen im Célom bei fewissensAnnelidem. 4... . .¢. 2 Js % se S8eb 306 376 Arnold Lang, Beitrage zu einer Trophocéltheorie. 7. Kontraktile Abschnitte des Céloms Weitere Thesen tiber den phylogenetischen Ursprung und die morphologische Be- deutung der Hauptteile des bio systems der Tiere : : Prosopygia Arthropoda . Mollusca . Tunicata . Enteropneusta . Vertebrata : Schlufibemerkung. Literaturverzeichnis. . Tafel- und Pigurenerklarung Druckfehler. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 2491 Seite 336 336 336 338 343 348 350 351 356 357 370 373 Verlag von Gustav Fischer in Jena. Koken, Ernst, Professor der Geologie und Palaeontologie in Tiibingen, Palae- ontologie und Descendenzlehre. Vortrag gehalten in der alig. Sitzung der naturw, Hauptgruppe der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Hamburg am 26. Sept. 1901. Mit 6 Figuren im Text. 1902. Preis: 1 Mark, Korschelt, E., Prof. in Marburg und Heider, K., Prof. in Innsbruck, Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Allgemeiner Teil. Erste Lieferung. Erste und zweite Auflage. Mit 318 Textabbildungen, 1902, Preis: 14 Mark, Inhalt: Erster Abschnitt. Experimentelle Entwickelungsgeschichte, 1. Kapitel. Der Anteil diusserer Einwirkungen auf die Entwickelung, 2, Kapitel, Das Determinations- problem, 3, Kapitel. Ermittelungen der im Innern wirkenden Entwickelungsfaktoren, Zweiter Abschnitt: Die Geschlechtszellen, ihre Entstehung, Reifung und Vereinigung. 4, Kapitel. Ei und Hibildung. 5, Kapitel, Sperma und Spermatogenese, Zweite Lieferung. Mit 87 Textabbildungen. 1903. Preis: 5 Mark 50 Pf. Inhalt: 6, Kapitel, Hireifung, Samenreifung und Befruchtung. Anhang. Theorien der Vererbung. : £ oj landis Leydig, Dr. Franz, emerit. Prof, Horae Zoologieae. Zur vaterlindischen Naturkunde, Ergiinzende sachliche und geschichtliche Bemerkungen, 1902, Preis: 6 Mark. Aus dem Inhalt: Abschnitt I. Landschaft. — Vegetation. Tauberhthe, Taubergrund, Mainthal, Saalethal ete. (S. 1—61). Absehnitt Il. Tiere, — Vor- kommen, Bau und Leben, Sporozoen, Flagellaten bis Vogel, Siiugetiere (S. 62—208). Beilagen: Zur Veriinderung des Einzelwesens, Zur Verinderung der Fauna, Riickgang der Tierbevélkerung. Zur Abstammungslehre (S. 209—222). Abschnitt III. Geschicht- liches, Linné, Rothenburg o. T., Windsheim etc. (S. 223—273). — Verzeichnis der litterarischen Verdffentlichungen des Verfassers. is Dr. M., o. Prof, der Anatomie in Budapest, Das Problem von Lenhossék, ?*- eae ooo der geschlechtsbestimmenden Ursachen. 1902. Preis: 2 Mark. Linek Dr. G., 0. 6. Professor fiir Mineralogie und Geologie an der Universitit Jena, ? Tabellen zur Gesteinskunde fir Geol ogen, Mineralogen, Bergleute, Chemiker, Landwirte und Techniker, Mit 3 Tafeln. 1902. Preis: 2 Mark. : Mach Dr. E., em. Professor an der Universitit Wien, Die Analyse der Em- } pfindungen und das Verhiltnis des Physischen zum Psychischen. Mit 36 Ab- bildungen. Vierte vermehrte Auflage. 1903. Preis: brosch, 5 Mark, geb. 6 Mark. Neues Wiener Abendblatt Nr. 269 vom 1. Oktober 1900: . .. Die mit immer grésserer Kraft auftretende Einsicht, dass alles Wissen soli- darisch ist und einen Kosmos bildet, wie die Natur selbst, trigt den Bliitenstaub der Er- kenntnis von Garten zu Garten. Die Friichte der Annaiherung sind auch schon in grosser Zahl vorhanden, und eine ihrer markantesten und schénsten ist ohne Zweifel das vor kurzer Zeit in dem Jenenser Verlag von G, Fischer erschienene Buch: ,,Die Analyse der Empfin- dungen‘* von Ernst Mach, Rosa Daniel, Prof, d. Zoologie u. vergleichenden Anatomie a. d. k. Universitat Modena, ? Die Progressive Reduktion der Variabilitit und ihre Be- . nnn nnn nnn cnn nnn snes reer errr SS ziehungen zum Aussterben und zur Entstehung der Arten. Im Einverstindnis mit dem Verfasser aus dem Italienischen iibersetzt von Prof. Dr, Heinrich Bosshard, Ziirich. 1902. Preis: 2 Mark 50 Pf. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Vetter Dr, Benjamin, weil. Prof. an der Kgl. sachs. techn. Hochschule in Dresden, Die moderne Weltanschauung und der Menseh. sects a SS SS Offentliche Vortrige. Mit einem Vorwort des Herrn Prof. Dr. &, Haeckel in Jena. Vierte Auflage. 1902. Preis: steif brosch, 2 Mark, geb. 2 Mark 50 Pf. Jenaische Zeitung vom 28. April 1901: Ein Buch, das mit allem Feingetiihl und aller Achtung vor dem Bestehenden den- noch volle Ueberzeugungstreue verbindet und daher wohlthuend wirkt auf die Gleichge- sinnten sowohl wie auf die Andersdenkenden ... W alther Dr. Joh., Professor an d. Universitat Jena, Geologische Heimats- kunde von Thiiringen. Zweite vermehrte Auflage, Mit 120 Leittossilien in 142 Figuren und 16 Text-Profilen. Preis: broseb. 3 Mark, geb. 3 Mark 50 Pf. Weber, Max, Professor in Amsterdam, Der Indo-australische Arechipel und die Geschichte seiner Tierwelt. Nach einem Vortrag auf der Versammlung deutscher Naturiorscher uud Aerzte zu Karlsbad am 22. Sept. 1902 gehalten, in erweiterter Form herausgegeben. Mit einer Karte, 1903. Preis; 1 Mark. Weismann, Prof. August, Vortriige tiber Descendenztheorie, ge- halten an der Universitit Freiburg i, Bb. Mit 3 farbigen Tatein und 131 Textfiguren. 2 Bande. 1902. Preis: 20 Mark, elegant geb, 22 Mark 50 Pf. Inhalt: Allgemeine und historische Einleitung. — Das Prinzip der Naturziichtung. — Die Firbungen der Tiere und ihre Beziehungen auf Selektionsvorginge. — Eigentliche Mimicry. — Schutzvorrichtungen bei Pflanzen. — Fleischfressende Pflanzen, — Die Instinkte der Tiere. — Lebensgemeinschaften oder Symbiosen. — Die Entstehung der Blumen, — Sexuelle Selektion. — Intraselektion oder Histonalselektion. — Die Fort- pflanzung der Einzelligen, — Die Fortpflanzung durch Keimzellen. — Der Befruchtungs- vorgang bei Pflanzen und Einzelligen. — Die Keimplasmatheorie. — Regeneration, — Anteil der Eltern am Aufbau des Kindes, — Priifung der Hypothese einer Vererbung funktioneller Abainderungen. — Einwiirfe gegen die Nichtvererbung funktioneller Ab- iinderungen. — Germinalselektion. — Biogenetisches Gesetz, — Allgemeine Bedeutung ‘der Amphimixis. — Inzucht, Zwittertum, Parthenogenese und asexuelle Fortpflanzung und ihr Einfluss auf das Keimplasma, — Medium-Einfliisse, — Wirkungen der Iso- lierung. — Bildung abgegrenzter Arteo, — Artenentstehung und Artentod, — Ure zeugung und Schluss. Vv. Wettstein, Dr, Richard, Professor an der Universitit Wien, Der Neo- Lamarekismus ‘und seine Beziehungen zum Darwinismus. Vortrag gehalten in der allgemeinen Sitzung der 74, Versamm- lung deutscher Naturforscher und Aerzte in Karlsbad am 26, September 1902. Mit Anmerkungen und Zusiitzen. 1902, Preis: 1 Mark, LZieg ‘ler, Dr. Heinrich Ernst, Professor an der Universitit Jena, Lehrbueh der vergleichenden Entwickelungsgeschichte der niederen Wirbeltiere in systematischer Reibenfolge und mit Be- riicksichtigung der experimentellen Embryologie, Mit 827 Abbildungen im Text und einer farbigen Tafel. 1902. Preis: 10 Mark, geb. 11 Mark, Ueber den derzeitigen Stand der Deseendenzlehre in der Zoologie. Vortrag gebalten in der gemeinscbafilichen Sitzung der naturwissenschaft- lichen Hauptgruppe der 73. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Hamburg am 26. Sept. 1901, mit Anmerkungen und Zusiitzen herausgegeben. 1902. Preis: 1 M. 50 Pf. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 2491 Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben wR von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Achtunddreissigster Band. Neue Folge, Einunddreissigster Band. Zweites Heft. Mit 6 Tafeln und 10 Figuren im Text. : Inhalt. RAUTHER, MAx, Ueber den Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren, insbesondere die akzessorischen Genitaldriisen derselben. Hierzu Tafel ‘VII—IX und 10 Figuren im Text. WETTSTEIN, Ernst, Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis BURROW. Hierzu Tafel x SL Preis: 11 Mark. | Y' Jena, Verlag von Gustav Fischer. 1903. aa | Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 20. Oktober 1908. Verlage von Gustav Fischer in Jena. Die Weltherrin und ihr Schatten. Ein Vortrag iiber Energie und Entropie. ~ Von Dr. Felix Auerbach, Prof. an der Universitit Jena. 1902. Preis: 1 Mark 20 Pf. Chemische Zeitschrift, II: Jahrg. Nr. 1, vom 1. Oktober 1902: Es ist gewiss keine leichte Aufgabe, einem Kreise von selbst sehr gebildeten Laien beiderlei Geschlechts ein derart abstraktes Thema, wie es die Lehre von der Erhaltung und Vernutzung der Energie ist, in wissenschaftlicher, aber doch leicht fasslicher und schmackhafter Form yorzutragen. Dieser schwierigen Aufgahe jeden- falls sehr weitgebend gerecht zu werden, ist Auerbach in der Tat gelungen . Dem mit dem Gegenstande Vertrauten dagegen wird die Lektiire des durch einige Erweiterungen und Anmerkungen vervollstindigten Vortrages zweifellos einige ge- nussreiche Stunden bereiten. Soeben erschien: Das Zeisswerk und die Carl Zeiss-Stiftung in Jena. Ihre wisssen- schaftliche, technische und soziale Entwickelung und Bedeutung fiir weitere Kreise dargestellt. Von Dr. Felix Auerbach, Prof. an der Uni- versitit in Jena. Mit 78 Textabbildungen. Preis: 2 Mark. Lehrbuch der Experimentalphysik in elementarer Darstellung. Von Dr. Arnold Berliner. Mit 3 lithographischen Tafeln und 695 zum Teil farbigen Abbildungen. Preis: 14 Mark. geb. 16 Mark 50 Pf. Das Problem der Befruchtung. Von Dr. Theodor Boveri, Professor an der Universitit Wiirzburg. Mit 19 Textabbildungen. Preis: 1 Mark 80 Pf. Das kleine pflanzenphysiologische Praktikum. A nleitung zu pflanzen- physiologischen Experimenten. fiir Studierende und Lehrer der Natur- wissenschaften. Von Dr. W. Detmer, Professor an der Universitit Jena. Mit 163 Abbildungen. 1903. Preis: brosch 5 Mark 50 Pf., geb. 6 Mark 50 Pf. Vergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere. Von Dr. > i. = ‘ . f= . ¢ Otto von Fiirth, Privatdozent an der Universitit Strassburg i. E. 1902. Preis: 16 Mark. Zeitschr. f. allgem. Phys., Bd. UH, Nr. 3;4: Das Buch, welches eine staunenswerte Fiille von Einzelbeobachtungen iiber den Chemismus der niederen Tiere bringt, will die chemischen Tatsachen, so- weit sie sich auf diese beziehen, mit miglichster Vollstindigkeit zu- sammenstellen. Diese Absicht hat der Verfasser mit einer Griindlichkeit ver-* wirklicht, die unsere Bewunderung erregen muss. Journal de Physiologie et de pathologie générale, 1903: ... Tous les physiologistes seront reconnaissant 4 l’auteur du trayail si consi- dérable et consciencieux qu'il a su mener & bien. Die Quellen in ihren Beziehungen zum Grundwasser und zum Typhus. Von Dr. A. Giirtner, Prof. in Jena. Mit 22 Abbildungen und 12 lithographi- schen Karten. Preis: 10 Mark. Ueber das Schicksal der elterlichen und grosselterlichen Kernanteile. Morphologische Beitriige zum Ausbau der Vererbungslehre von Dr. Valentin Hiieker, Professor an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Mit 4 Tafeln und 16 Textfiguren. 1902. Preis: 4 Mark. Palaeontologie und Descendenzlehre. Vortrag gehalten in der allgemeinen Sitzung der naturwissenschaftl. Hauptgruppe der Versammlung deutscher Natur- (=E- Diesem Hefte liegt ein Prospekt der Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Berlin bei, welcher geneigter pfohlen wird. VAN 4 Ueber den Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren, insbesondere die akzessorischen Genitaldriisen derselben. Von Dr. Max Rauther in Tiibingen. (Aus dem zoologischen Institut der Universitat Jena.) Hierzu Tafel VII—IX und 10 Figuren im Text. Die Anregung zu den vorliegenden, im zoologischen Labora- torium der Universitat Jena angestellten Untersuchungen verdanke ich Herrn Professor Dr. H. E. Zreauer, der die Giite hatte, mich bei der gelegentlichen Zergliederung eines mannlichen Igels auf die Unklarheiten und Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, welche beziiglich der Homologisierung der driisigen Anhange des Urogenitalkanals bei verschiedenen Siugerordnungen bestehen. Da Herr Prof. ZieGLeR eine neuerliche Bearbeitung dieses Themas, mit besonderer Beriicksichtigung der Nager und Insektivoren, fiir ~wiinschenswert hielt, so widmete ich mich gern dieser Aufgabe. Ich glaubte anfangs, das Hauptgewicht auf eine genaue Unter- suchung der Histologie der akzessorischen Genitaldriisen legen zu miissen, fand jedoch in der neueren Literatur so zahlreiche Vor- arbeiten, daf ich nicht hoffen darf, in diesem Punkte viel nennens- wert Neues zu Tage geférdert zu haben. Unerwarteterweise fihrte dagegen schon die Vergleichung der gréberen anatomischen Be- funde zu einigen neuen Gesichtspunkten beziiglich der Homologie- verhaltnisse. Am meisten Aussicht schien es zu bieten, die Ent- wickelungsgeschichte des mannlichen Genitalapparates und seiner Anhangsdriisen vergleichend zu verfolgen; die Umstandlichkeit dieser, leider erst nachtraglich schairfer ins Auge gefaften, Unter- suchungen und die relative Schwierigkeit der Materialbeschaffung erlaubten mir jedoch nicht, meine diesbeziiglichen Angaben so volistandig zu machen, wie ich gewiinscht hatte. Bei den Insekten- fressern muSten die entwickelungsgeschichtlichen Verhaltnisse leider ganz unberiicksichtigt bleiben. Wenngleich also meine Unter- suchungen keineswegs als voilstindig und abgeschlossen zu be- Bd, XXXVIII. N. F, XXXI. 25 378 Max Rauther, trachten sind, so darf ich vielleicht doch hoffen, da diese Arbeit durch die Aufklarung einiger anatomischer Irrtiimer die Kenntnis des mannlichen Genitalapparates ein wenig zu bereichern im stande sein wird. Ich lieB es mir angelegen sein, von dem Genitalapparat der untersuchten Species auch eigene, méglichst genaue makroskopische Abbildungen zu geben, obgleich, oder gerade weil fast nur die gebrauchlichsten Laboratoriumstiere beriicksichtigt wurden. Es zeigte sich namlich, daf die gebrauchlichsten neueren Lehr- und Handbiicher mit solchen Uebersichtsbildern meist sehr karglich ausgestattet sind (vgl. auch die Anmerkung p. 445), wahrend die in einigen alteren Werken enthaltenen guten Bilder meist der Vergessenheit anheimgefallen sind. Von ausfiihrlichen historischen Angaben glaube ich hier ab- sehen zu diirfen. Die wichtigsten Vorarbeiten finden sich am Anfang der entsprechenden Abschnitte nach Bedarf beriicksichtigt. Material. Meine Arbeit bezieht sich nur auf folgende Tiere: A. Rodentia, Nagetiere ”). 1) Mus musculus L., Hausmaus; 2) Cavia cobaya Scures., Meerschweinchen; 3) Lepus cuniculus L., Kaninchen. B. Insectivora, Insektenfresser. 4) Erinaceus europaeus L., Igel; 5) Talpa europaea L., Maulwurf. Methode. Beziiglich der Verarbeitung des Materials habe ich zu erwahnen, dai ich mich bei der Untersuchung des Verlaufes und der Ausmiindungsstellen der Driisenausfiihrginge ete. meist nicht mit der makroskopischen Praparation begniigte!), sondern das zwar recht umstiandliche und zeitraubende, dafiir aber auch sehr sichere Verfahren vorzog, komplizierte Stellen, wie die sogen. Pars prostatica urethrae, in Schnittserien zu zerlegen. Auf diese Weise gelang es mir, die Angaben tiber Zahl und Lage der Ausfihrginge gewisser Driisen in manchen Punkten zu vervollstandigen oder zu berichtigen, wie denn auch schon OupreMAns (1892) dasselbe Ver- fahren mit Erfolg zur Untersuchung des Urogenitalkanals von Erinaceus angewendet hatte. — Die Schnitte wurden meist mit Devarintpschem Himatoxylin und Orange G oder nach der VAN Gieson-Methode gefirbt. In einigen Fillen kam die Hemernnarnsche Eisenalaun-Himatoxylinfirbung zur Anwendung. 1) Die makroskopische Priparation wurde teils an frischen, teils an in Formol gehiirteten Objekten vorgenommen. 2) Ueber Sciurus s, im Anhang. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 379 Nomenklatur. Kaum einer der Autoren, die iiber den vorliegenden Gegenstand geschrieben haben, hat es unterlassen, sich tiber die beziiglich der Benennung der verschiedenen Anhangs- gebilde des Urogenitalkanals herrschende Verwirrung zu beklagen. Schon Cuvier (1846, p. 157) aufert sich dariiber: ,,.Rien de plus embrouillé que l’histoire de ces vésicules, des prostates et des glandes de CowrPer, dans les descriptions partielles que les zoo- tomistes en ont publiées. Les uns appellent prostates ce que les autres nomment vésicules séminales, ou d’autres glandes de CowPer, et vice versa.“ Zur Besserung dieser Zustinde macht Cuvier folgenden Vorschlag: ,,Nous appellerons vésicules séminales tout organe analogue, par sa structure vésiculeuse, par sa position et par ses rapports avec les déférents, a ceux qui portent ce nom chez lhomme“ (ebendort p. 158). Der Name Samenblasen, Vesiculae seminales, fir die am Endstiick des Samenleiters vieler Siuger befindlichen, gemeinsam mit ihm (im sogen. Ductus ejaculatorius) ausmiindenden, sack- oder schlauch- foérmigen driisigen Gebilde wurde aber als lastig empfunden, so- bald man erkannt hatte, da’ diese Organe nicht zur Ansammlung von Sperma dienen, sondern Behalter eines eigenen Sekretes sind. Auch Lrypieé (1850) betont die Unrichtigkeit des alten Namens, gibt ihnen aber keinen neuen; die richtige Benennung hatte aller- dings auch ihre Schwierigkeiten, solange map die morphologische und physiologische Bedeutung dieser Organe nur unvollkommen kannte. OuDEMANS (1892) bezeichnet sie als Glandulae vesi- culares; gegen diesen Namen laBt sich zwar vom physiologischen Standpunkte nichts einwenden; dagegen bringt er den morpho- logischen Charakter des Organs nicht gut zum Ausdruck. Die Anregung Cuviers ist insofern von besonders hohem Wert, als sie die konstanten Beziehungen dieses Organs zum Samenleiter in den Vordergrund stellt. Denn erstens miinden die von CuviER als Samenblasen bezeichneten Organe bei allen Saugern stets in den Endabschnitt der Samenleiter; wir werden dies Verhalten fiir die Nager, beziiglich welcher OUDEMANS und DisseLHoRST das Gegen- teil behaupten, noch ausfiihrlich nachzuweisen haben. Zweitens nimmt dies Organ entwickelungsgeschichtlich stets seinen Ursprung vom Samenleiter. Ich halte es darum fiir wohl gerechtfertigt, dasselbe als Samenleiterblase, Vesicula vasis deferen- tis (ausfiihrlicher etwa: Vesicula glandulosa.vasis deferentis) zu bezeichnen. Dieser von rein morphologischen Gesichtspunkten aus 25 * 380 Max Rauther, gewahlte Name laft den speziellen physiologischen Charakter des Organs unangetastet. Was die Einteilung der akzessorischen Genitaldriisen betrifft, so gibt uns hier wohl] die Entwickelungsgeschichte, in Verbindung mit der vergleichend-anatomischen Betrachtung, ein natiirliches Prinzip zur systematischen Anordnung. Ich unterscheide danach unter den von mir behandelten Driisen drei gréfere Gruppen: I. Driisen, die vom Samenleiter ihren Ursprung nehmen: a) einer ampullenartigen Erweiterung des Vas deferens auf- sitzend oder in dieselbe eingelagert; ich nenne diese Driisen — um Verwechselungen mit der ,Vesicula vasis deferentis“ (s. u.) zu verhiiten — Ampullendriisen, Glandulae ampullarum (= Gl. ductuum deferentium Jon. MULLER, Gl. vasis deferentis OUDEMANS); b) sack- oder schlauchformige Organe mit driisiger Wandung, gemeinsam mit dem Vas deferens im Ductus ejaculatorius aus- miindend: Samenleiterblase, Vesicula vasis deferen- tis (= Vesicula seminalis der alteren Autoren, Gl. vesicularis OUDEMANS). Il. Driisen, die vom Urogenitalkanal ihren Ur- sprung nehmen: a) spezifische Driise, im allgemeinen nur dem maéannlichen Geschlecht zukommend; mit glatter Muskelhiille resp. von glatter Muskulatur reich durchzogen: Prostata, Glandulae prostaticae; sie miindet in der Nahe des Colliculus seminalis und der Miin- dungen der minnlichen Samenwege in den Urogenitalkanal; b) Driisen des Urogenitalkanals, vielleicht nur in sekundarer Beziehung zu den Geschlechtsfunktionen stehend; meist beiden Geschlechtern zukommend: Harnréhrendriisen, Gl ure- thrales. Sie lassen sich unterscheiden in 1) zerstreute Urethraldriisen; in Gestalt einzelner Tubuli; ausnahmsweise auch geschlossener Driisenmassen den Canalis uro- genitalis in mehr oder weniger weiter Ausdehnung umgebend, aber stets ,innerhalb des Musculus urethralis gelegen* (OUDEMANS) ; 2) morphologisch individualisierte Massen von Urethraldriisen, meist in nur einem Paar, bisweilen in mehreren (Marsupialier: 3) Paaren vorhanden, mit meist nur je einem (bei Lepus mehreren) Ausfiihrungsgingen in die Pars bulbosa urethrae ausmiindend: Glandula Cowperi s. bulbourethralis. Hierzu gehéren auch die 3 oberen Blindschliuche bei Lepus: ,Glandulae ure- thrales paraprostaticae“ (oder obere Cowpersche Driisen [STiL- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 381 LING]). Die Cowperschen Driisen zeichnen sich durch eine selb- standige Hiille von quergestreifter Muskulatur aus. Til. Driisen der auferen Geschlechtswerkzeuge und der Inguinalregion; sie nehmen ihren Ursprung von der Epidermis. a) Aus Talgdriisen hervorgegangene (acinése) Driisen: 1) Praputialdriisen, Glandulae praeputiales, auf der Oberflache des Praeputiums ausmiindend; 2) sogenannter ,weifer Teil“ der Inguinaldrise (Lepus), auf der Haut in der Inguinalfalte ausmiindend: Gl. in- guinalis sebacea. b) Driisen von tubulésem Typus (modifizierte Schweifdriisen); liefern meist stark riechende Sekrete (,,glandes a parfum‘); eben- falls auf der Haut der Inguinalfalte miindend: Brauner Teil der Inguinaldrtise (Lepus), Gl. inguinalis tubulosa. Wie die Praputialdriisen und Inguinaldriisen, so gehen auch die Analdriisen aus Oberhautgebilden hervor; sie miinden in - mehr oder minder naher Nachbarschaft des Afters auf die Haut- oberfliche. Ihrem Bau nach (bald tubulés [Lepus], bald acinés oder gemischt [Talpa]) lassen sie sich teils auf Schweif-, teils auf Talgdriisen zuriickfiihren. Uterus masculinus und Vagina masculina. Bei der Behandlung der mannlichen akzessorischen Genitaldriisen laft es sich kaum umgehen, auf gewisse rudimentire, der weiblichen Scheide resp. dem Uterus ihrer Anlage nach homologe Gebilde einzugehen, darum, weil dieselben nach der Ansicht mancher Au- toren an der Bildung gewisser driisiger Anhainge des mannlichen Genitalapparates mehr oder minder weitgehend beteiligt sein sollen. Leuckart (p. 244) gab 1847, um die homologe Zusammensetzung der mannlichen und weiblichen Geschlechtswege und deren diver- gente Ausbildung zu veranschaulichen, das umstehende Schema (Textfig. 1 u. 2). Wir sehen beim weiblichen Geschlecht Vagina (v) und Urethra (wr) sich zu einem sehr kurzen Sinus urogenitalis (¢c.ug) vereinigen; die Wotrrschen Gange inserieren als rudimentare Gebilde (GartTNERSche Kanale) an der Vagina. Beim miéannlichen Geschlecht finden wir einen bei weitem langeren Canalis urogeni- talis (c.ug), dagegen verkiimmernde Minuersche Giinge (m.g), deren Reste spater das Rudiment eines sogen. Uterus masculinus, die Vesicula prostatica, bilden. Ein eigentlicher Canalis genitalis, wie ihn die Vagina beim weiblichen Geschlecht darstellt, besteht nach Leuckarts Ansicht beim Minnchen ebenfalls, nur in rudi- 382 Max Rauther, mentirer Form. Da zur Zeit, als Leuckarts Abhandlung erschien, die Ansicht RaTtHKes und Biscuorrs, daf die Scheide sich aus dem Sinus urogenitalis entwickele, allgemeine Geltung hatte, so ist es leicht verstandlich, da8 LrucKkart einen Teil des Canalis urogenitalis, welcher, gesondert von der Urethra s. str. die Miin- dungen der Samenleiter in sich aufnimmt, unbedenklich fiir einen der weiblichen Scheide homologen Abschnitt erkliren konnte. Diese Interpretation der betreffenden Gebilde hat sich noch er- Fig. 2. Fig. 1—3. Schemata des Genitalapparates (Fig. 1 u. 2 nach LeucKart). Fig. 1 weib- lich, Fig. 2 miinnlich, Fig. 3 indifferent. e/ Kloake, c.ug Canalis urogenitalis, g.k GART- NERscher Kanal, m.g. MU.LLeERscher Gang, o Ovidukt, r Rectum, «u Uterus, ur Urethra mit Harnblase, v Vagina, v.d. Vas deferens, w.g Wourrscher Gang. Fig. 3. halten, nachdem sich die Ansicht, daf die weibliche Scheide aus dem verschmolzenen Teil der Mt turerschen Ginge hervorgehe, schon lange Bahn gebrochen hatte. Ich habe die Bezeichnungen Uterus masculinus oder Vagina masculina nur in den Fallen ge- braucht, wo ich einen genetischen Zusammenhang des betreffenden Organs mit den Miiierschen Gingen fiir sicher erwiesen hielt. Die Textfigur 3 soll schematisch veranschaulichen, wie sich auf Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 383 einem indifferenten Stadium das Verhiltnis der MULLERSchen und Wotrrschen Ginge zum Uterus, zur Vagina und zum Canalis urogenitalis darstellt. Mus musculus, Hausmaus. Der Urogenitalapparat der Ratten und Mause zeichnet sich durch eine groBe Mannigfaltigkeit driisiger Anhainge aus. Die- selben sind zwar schon sehr oft Gegenstand anatomischer, ent- wickelungsgeschichtlicher und physiologischer Untersuchungen ge- wesen. Doch bestehen nicht nur im rein Tatsaichlichen, sondern auch in der theoretischen Deutung verschiedener Teile gewisse Unklarheiten, so daf ich glaube, die nachfolgenden Bemerkungen werden, selbst wenn sie nur das sicher Bekannte aus dem Zweifel- haften kritisch sondern, nicht ganz tiberfliissig sein. — Meine eigenen Beobachtungen beziehen sich auf weife Mause (Mus mus- culus, var. albus). Der akzessorische Driisenapparat der Genital- organe stimmt bei ihnen in allen wesentlichen Punkten mit dem der iibrigen Vertreter der Gattung Mus iiberein. Er ist gekenn- zeichnet durch die starke Ausbildung der ,,palmférmig‘t auswarts gebogenen Samenleiterblasen (Fig. 1 v.v.d). Die ‘Anwesenheit freiliegender Driisenschlauche an der Ampulle des Samenleiters (gl.amp) teilen die Muriden nur mit Cricetus. Ferner findet sich eine ansehnliche, in mehrere Portionen zerfallende Vorsteherdriise (gl. prost), stark entwickelte Urethral- und Cowpsrsche Driisen (gl. cowp), endlich grofe Vorhautdriisen (gl. praep) und Analdriisen. Zur Morphologie des Colliculus seminalis und tiber die sog. Vagina masculina. Ich stelle diese Punkte an die Spitze, weil sie Gelegenheit bieten, die topographischen und entwickelungsgeschichtlichen Beziehungen der akzessorischen Driisen zum Canalis urogenitalis und méglicherweise zu den Muterschen Gangen im Zusammenhange zu erértern. — Schneiden wir die sog. Pars prostatica urethrae der Lange nach auf, so finden wir an der dorsalen Wand derselben eine kurze mediane Langserhebung (Textfig. 4 u. 5¢.s), die sich nach oben stark ver- breitert und mit zwei sich entgegenstreckenden Falten (f) der gegentiberliegenden ventralen Harnréhrenwand verwachst. Da- durch wird das Lumen des Canalis urogenitalis (¢.wg) in drei Raume geteilt (Textfig. 4 u. 5 Schnitt G u. fF). Von diesen ist 384 Max Rauther der vorderste, mediane, die Urethra s. str. (w); die beiden lateralen (u‘) endigen nach kurzem Verlaufe aufwirts blind. Die mediane, den Colliculus seminalis bildende Faite (c.s) tragt zwei seitliche Oeffnungen, die Miindungen der Ductus ejaculatorii (d). Kurz ober- halb ihrer Ausmiindungsstelle teilen die letzteren sich in das Vas deferens (v.d) und den Ausfiihrgang der Samenleiterblase (v.v. d). Fig. 4. Mus musculus. Proximales Ende des Urogenitalkanals; zur Demonstration der Ausmiindungsweise des Samenleiters und seiner - driisig Adnexa. Rekonstruktion nach den Schnitten F ig. 5 A—G. Die horizontalen Striche (links) geben die Héhe der letzteren an. Die linke Seitenwand der Urethra, bis zur Verwachsungsstelle des Colliculus seminalis mit der en- iiber liegenden Falte der ventralen Harnréhrenwand, ist entfernt gedacht. Von der Prostata sind nur einige Tubuli des rechten vorderen Biindels der Orien- tierung halber eingezeichnet. amp. Ampulle, a. prost, Ausfihrgiinge der Prostata, c.s. Colliculus seminalis, ¢.wg. Canalis urogenitalis, e¢.ug‘ blinde Divertikel desselben, @ Ductus ejaculatorius, g/.amp. Ampullendriisen, g/l. prost. Prostata, gl.ur. Urethraldriisen, m.ur. Musculus urethralis, « Urethra, v.d. Vas deferens, v.v.d. Samenleiterblase, v.wr. Harnblase. Die enge topographische Beziehung dieses letzteren Organs zum Samenleiter, die den von mir vorgeschlagenen Namen rechtfertigt, kommt in dieser Vereinigung zu einem gemeinsamen Ductus eja- culatorius unzweifelhaft zum Ausdruck, was ich OupEMANS (1892) und DisseLHorst (1897) gegeniiber ausdriicklich betonen mub. Ein Canalis genitalis, d. h. ein von der Harnréhre getrennter, nur der Ausfiihrung der Geschlechtsstoffe (und der ihnen méglicher- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 385 weise bereits beigemischten Driisensekrete) dienender Kanal be- steht also bei Mus nicht. Die Ductus ejaculatorii vereinigen sich direkt mit der Urethra zur Bildung eines Canalis urogenitalis. Bemerkenswert ist die Deutung, die LeucKArRT (1847, p. 259 ff.) den dargelegten Befunden gibt. Danach sind nicht nur die beiden neben dem Colliculus seminalis befindlichen blinden Aussackungen der Urethra, sondern auch noch der darunter folgende erweiterte Teil des Urogenitalkanals als Vagina masculina zu _betrachten. Wie schon oben bemerkt wurde, haben sich die Kriterien fiir das Vorhandensein einer Vagina masculina seit Leuckarts Abhand- lung tiber diesen Gegenstand derart geindert, daf wir als solche nur Produkte der MULuerschen Gange gelten lassen kiénnen. Die beiden seitlichen Taschen kénnen wir uns am einfachsten dadurch entstanden denken, daf der Colliculus seminalis bei seiner un- gewohnlichen Hoéhenentwickelung mit der vorderen (ventralen) Wand der Urethra an zwei Stellen (Textfig. 4 u. 5G /) verwuchs und dadurch von dieser die beiden blinden Divertikel (w‘) ab- trennte. Ein entwickelungsgeschichtlicher Zusammenhang zwischen diesen beiden Divertikeln und den Miuuerschen Gangen besteht nicht. Rudimente der letzteren finden sich beim erwachsenen Mannchen nicht mehr erhalten, sie schwinden im Verlaufe der Embryonalentwickelung. STUZMANN (1898, p. 33) fand bei 3—4 cm langen Embryonen von Mus decumanus ein unpaares ovales Gebilde ,,im Grunde des Sinus prostaticus als dessen Fortsetzung’. Dieses entspricht nach Lage und Gestalt vollkommen dem sogen. Uterus masculinus, wie er sich bei verwandten Species (Myoxus, Leuckart, I. c. p. 260) auch noch beim ausgewachsenen Tier vorfindet. — Das Lumen des Uterus masculinus fand Sruzmann kranialwarts plétzlich sich teilend und in kleine Giange zerfallend, ,die allerdings sehr ver- schwommen, obliteriert und nur andeutungsweise noch anzutreffen sind‘. Die Figuren Stuzmanns (10—13) zeigen auch nichts hier- von, sondern nur das Auslaufen des Uterus masculinus in einen -einzigen diinnen soliden Zellstrang. Bei einem neugeborenen Mannchen von Mus musculus finde ich die Samenleiter sehr hoch ausmiindend, fast an der Stelle, wo die Urethra sich zur Harnblase erweitert. Ihre Oeffnungen liegen auf einer noch ziemlich flachen Erhebung der dorsalen Harn- rohrenwand. Von der Abschniirung der beiden seitlichen Taschen ist hier noch keine Andeutung vorhanden. Dagegen wird auf den Schnitten zwischen den distalen Enden der Vasa deferentia ein 386 Max Rauther, Fig. 5 A—C, Mus musculus ¢. Schematisierte Querschnitte durch den Urogenitaltractus in der Héhe der Samenleiterampulle. Bezeichnungen wie in Fig. 4. A zeigt den Samenleiter von den verastelten distalen Enden der Ampullendriisen umringt; diese schlieBen sich in B zur ,,Ampulle“ zusammen; auf C erscheint der Samenleiter, betrichtlich erweitert, unterhalb der Fin- miindungsstelle der Gl. amp. wr Ureter. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 387 _ a. prost. III --gl. prost. IIL - a. prost. IIT gl. prost. LIT Fig. 5 D—F. Mus musculus, Querschnitte durch die Pars prostatica urethrae. D. Unter den Ausfiihrgiingen der Prostata fallen jederseits 3 durch besonderen Umfang auf; sie gehéren der Prostata I an. E und F enthalten die Einmiindung der Prostata in die Urethra und die Vereinigung der Samen- leiterblase (v.v.d) mit dem Samenleiter (v.d) zum Ductus ejaculatorius (d). Auf F erscheinen die obersten Ausliufer der GI. urethrales; die blinden Di- vertikel (u‘) der Urethra (wu) erscheinen quer durchschnitten. 388 Max Rauther, kleines spaltfoérmiges Blaschen sichtbar, das, wie mir scheint, so- wohl nach oben wie nach unten in je zwei kurze Zipfel auslauft. Es ist der letzte Rest der MULLERschen Gange und entspricht dem Uterus masculinus, welchen SruzManw beschrieb. Driisige Anhange des Samenleiters. a) Vesiculae vasorum deferentium, Samenleiter- blasen (,,Vesiculae seminales‘‘ autorum, Glandulae vesiculares OupDEMANS). Die Samenleiterblasen der Maus (Fig. 1 u. 9 v.v.d) stellen zwei langgestreckte Saicke dar, deren oberes Ende ,,palmen- formig“ nach aufen umgekriimmt ist. Ihre Wand zeigt auf der nach aufen gewendeten Seite zahlreiche rundliche Ausbuchtungen. Sie miinden in den Endabschnitt des Samenleiters. Lrypig (1850) gab eine schéne Abbildung der Blase (1. ¢. Taf. Il, Fig. 17), deren driisige Natur er betonte. Er fand in derselben eine kriimlige Masse mit einzelnen Zellen von ahnlichem Aussehen wie die Masse selber, so daf er letztere als aus solchen zerfallenen Zellen hervorgegangen betrachtete. Nie fanden sich im Inhalt der Samenleiterblase Spermatozoen. OupEMANS (1892) ersetzte aus diesem Grunde den alten Namen ,,Vesiculae semi- nales‘’ durch den in jeder Beziehung indifferenten ,,Glandulae vesiculares“. Nach OupEMANS’ Ansicht miinden bei keinem Nager die Glandulae vesiculares in das Vas deferens; er halt sie infolge- dessen fiir eine von letzterem ganz unabhingige, etwa von den Urethraldriisen herzuleitende Bildung, die ihre nahe Lagebeziehung zum Vas deferens erst sekundir erworben hat. DiIssELHORST (1897) und StuzMANN (1898) bestatigen zwar, daf die Glandulae vesiculares bei Mus decumanus getrennt vom Vas deferens aus- miinden; fiir Mus musculus trifft dies nach meinen Befunden aber entschieden nicht zu, hier findet eine Vereinigung beider zu einem, wenn auch kurzen, so doch deutlich zu konstatierenden Ductus ejaculatorius statt. Die Abbildungen von Querschnitten, auf die STuzMANN zur Erliuterung seines Befundes verweist, stellen iibrigens gar nicht die getrennten Einmiindungsstellen dar. AuBer- dem stellte SruzMANN an Embryonen von Mus decumanus fest, da8 die Samenleiterblasen tatsichlich ihren Ursprung vom Epithel des Samenleiters durch Ausstiilpung nehmen. Ich darf mich also wohl fiir berechtigt halten, diesem Organ den Namen Samenleiter- blase beizulegen, da derselbe seine topographischen und ent- wickelungsgeschichtlichen Beziehungen zum Samenleiter, die, wie Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 389 mir scheint, zur Charakteristik des Organs in erster Linie von Wichtigkeit sind, zum Ausdruck bringt. Beziiglich der Funktion der Vesiculae vasorum deferentium haben die Versuche von STemnacu (1894) an Ratten ergeben, daf die Beimengung ihres Sekretes zum Samen fiir das Zustande- kommen der Befruchtung von gréf8ter Wichtigkeit ist. Ihre Ex- stirpation beeintrachtigte zwar den Begattungstrieb nicht, setzte aber die Zeugungsfahigkeit auf ca. '/,, herab. Gleichzeitig schien sich eine Gréfenzunahme der Prostata einzustellen. Wurde auch diese entfernt, so blieb die Befruchtung stets aus. Das Sekret soll auf die Bewegung der Spermatozoen forderlich einwirken. Ob seine Bedeutung aber nur hierin besteht, oder ob es, wie man wegen seiner grofen Aehnlichkeit mit dem Sekret der Samen- leiterblasen des Meerschweinchens wohl vermuten diirfte, eine ahn- liche Rolle wie dieses (s. u. p. 407) bei der Begattung spielt, mu dahingestellt bleiben. Der Bau der Samenleiterblase entspricht dem des Samen- -leiters, bis auf das Fehlen longitudinaler Muskeln in der Wand derselben und die etwas abweichende Beschaffenheit des Driisen- epithels. Letzteres besteht aus einreihig angeordneten mabig hohen Cylinderzellen; es ist umgeben von einer diinnen inneren Bindegewebsschicht, einer zirkularen glatten Muskelschicht und einer lockeren auSeren Bindegewebshiille. Die auBere Seite der Blase besitzt zahlreiche, mehr oder weniger geraumige Ausbuch- tungen (Fig. 9d); sie entsprechen wohl den ,,alveolaren Driisen- bliischen’’, die StuzMANN und DisseLHorstT fiir die Samenleiter- blase von Mus decumanus beschreiben. Das Cylinderepithel erhebt sich in zahlreichen Falten, die von einer diinnen Bindegewebs- schicht gestiitzt werden. Oft héhlen sich diese Falten nach einer Seite hin aus, und man sieht dann auf dem Querschnitt vom Hauptlumen vollig abgegrenzte Taschen (Fig. 9 2). Die Epithelzellen erscheinen zum Teil ziemlich hoch und schmal, mit gleichmafig fein granuliertem Protoplasma und grund- standigem ovalen Kern. Andere zeigen zu beiden Seiten des Kernes, der in einem mittleren Streifen dunklen unverdnderten Protoplasmas ruht, ein helles Sekret in gréferer oder geringerer Menge, infolge- dessen einen mehr oder weniger grofen Breitenzuwachs. Eine dritte Art endlich, meist in der niheren Umgebung der eben be- schriebenen, zeigt sich stark verschmalert, wie zusammengedriickt. Sie sind sekretleer und zeichnen sich durch eine besonders dunkle Farbung des Protoplasmas aus. Die sekretorischen Verainderungen 390 Max Rauther, Fig. 5 Gu. H. Mus musculus, Querschnitte durch den Urogenitalkanal auf der Hohe des Colliculus seminalis (G) und durch die Pars bulbosa ure- thrae (H). G zeigt zwischen den Miindungen der Ductus ejaculatorii (d) in die Urethra (u, wu‘) den Samenhiigel (c.s), auf der gegeniiberliegenden Harnréhren- wand die seitlichen Falten (/), welche die Divertikel «’ von der Urethra trennen. Bei + Ausmiindung eines Prostataganges. Die tbrigen Bezeich- nungen wie oben. der Epithelzellen scheinen also genau denen analog zu sein, welche ich weiter unten fiir die Samenleiterblasen des Meerschweinchens beschrieben und abgebildet (Fig. 10a, b) habe. Eine Zerstérung von Zellen durch den Sekretionsprozef scheint nicht stattzufinden. Das freie Sekret ist im frischen Zustande eine milchig- weife, leicht gerinnende Masse. DisseLHorst fand es hell, ho- mogen, wachsartig, in Himalaun schwach farbbar. SruzMann sah teils kérnige, gut gefarbte Massen, teils ,,weibliche, glinzende, sich nicht firbende Massen“ von kristallinischem Gepriige und sehr wechselnder Form. Erstere iiberwogen in dem mittleren Hohl- gange, letztere in den Acini. Ich fand, iibereinstimmend mit letzteren Angaben, in der Samenleiterblase ebenfalls Sekret von zweierlei Aussehen. Der Hohlgang war meist ganz erfiillt von groBen kompakten Ballen eines feinkérnigen, gelb gefarbten Se- krets (Fig. 9s); in den seitlichen Divertikeln oder sonst im peri- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 391 pheren Teil der Blase fand sich eine blasse, faserige oder flockige Masse, deren einzelne Bestandteile spitze und scharfeckige Formen aufwiesen. Beziiglich der Entwickelung der Samenleiterblase wurde schon oben erwahnt, daf sie, nach SruzmMann, ihren Ursprung durch Ausstiilpung vom Samenleiter nimmt, mit dem sie sich, wie ich bestatigen kann, beim Neugeborenen noch zu einem langeren Ductus ejaculatorius vereinigt. Ampullendritisen, Glandulae ampullarum (Gl. vasis deferentis OUDEMANS). JOHANNES MULLER gab in seinem Driisen- werk (1830) zuerst eine schéne Abbildung und Beschreibung der ,»Glandulae ductuum deferentium“ des Hamsters und der Ratte. Bei beiden sitzen sie als kleine Biischel driisiger Blindschlauche dem Endstiick des Samenleiters an, dessen ampullenartige Er- weiterung beim Hamster sehr stark und ausgedehnt, bei den Mausen dagegen au8erlich nicht sichtbar ist. Lrypia (1830) machte darauf aufmerksam, dali das Epithel der Driisentubuli der glatten Muskelhiille direkt aufsitzt. Das Sekret fand er aus gold- gelben, langlichen oder runden, fettartigen, im Innern mehrere farblose Tropfen einschlieBenden Koérpern bestehend. OUDEMANS (1892) betont, daf die Driise mit einer einzigen Oeffnung in das Vas deferens miindet. DisseLHorst (1897) hebt den Reichtum des intertubuliren Gewebes an Nervenzellen und Biindeln von marklosen Fasern hervor. Das Sekret, aus kleinen und gréferen ,atlasglinzenden Kérpern“ bestehend, halt er fiir das Produkt zusammengesinterter Zellen. StruzMann (1898) beschreibt bei der Wanderratte eine der Ampulle entsprechende seitliche Anschwellung des Samenleiters, deren Schleimhaut sich in Zotten erhebt und driisigen Charakter zeigt. Die embryonale Anlage der Samen- leiterdriisen beobachtete er in Form von ,,konzentrisch oder halb- kreisformig* um die Miindung der Samenleiterblase angeordneten, vom Epithel des Samenleiters ausgehenden Epithelzapfen. Meines Erachtens wird man als Ampulle des Samenleiters die Erweiterung bezeichnen diirfen, die derselbe durch die Vereinigung mit dem sehr weiten gemeinsamen Ausfiihrungsgang der diesem untersten Teil des Samenleiters aufsitzenden, fingerférmig ver- aistelten Driisenblindschlauche (Textfig. 5B und Fig. 7b gl. amp) erfahrt. Kurz vor dieser Vereinigung verkleinert der Samenleiter sehr betrachtlich seinen Durchmesser, so daf er als ein enger Kanal von dem Ausfihrungsgang der Driisen halbkreisférmig um- griffen wird (Fig. 7a v.d). So erhalt man mehr den Eindruck, 392 Max Rauther, da8 der Samenleiter in den ampullenartig erweiterten Driisengang, als umgekehrt der letztere in den Samenleiter miindet. Letzteres ist natiirlich das Richtige, da doch die Driisen mit ihrem Aus- fiihrungsgange als Produkt des Samenleiters aufzufassen sind. Da8 eine Samenleiterampulle hier nur in so geringem Umfange besteht, erklart sich daraus, daf jene meist durch die in die Wand des Samenleiters eingelagerten Driisenschlauche oder Sackchen gebildet wird, die ja in unserem Falle auferhalb der Wand, in weniges Bindegewebe gehiillt, dem Vas deferens anliegen. Die Driisentubuli umgeben mit ihren Verdstelungen rings den Samenleiter. Sie besitzen wie dieser eine kraftige, glatte Ring- muskelschicht, dagegen scheinen Langsmuskelfasern zu fehlen. . Direkt unter dieser Muskellage findet man ein niedriges ein- reihiges Cylinderepithel von ziemlich unregelmafigem Bau. Im oberen Teil der Schliuche zeigt es sich bisweilen etwas gefaltet. Die meist kubischen Zellen (Fig. 12) ragen oft mit plumpen Fort- sitzen in das Lumen der Tubuli hinein. Das Protoplasma ist erob granuliert und zeigt 6fters Sekreteinschliisse. Der Kern zeigt unregelmabige Gestalt und Lagerung. Hier und da finden sich sehr dunkle Basalkerne. Im Lumen der Tubuli wie auch im Samenleiter und in der Ampulle fand ich meist massenhaft Spermatozoen. Stets fanden sich darin gro&e rundliche Ballen von farblos durchscheinendem Aussehen, die im Innern zahlreiche helle Vakuolen zeigten. Sie firbten sich intensiv in Orange. Dies merkwiirdige Absonderungs- produkt scheint von allen Beobachtern in gleicher Beschaffenheit gefunden worden zu sein. Es macht kaum den Eindruck, als sei es, wie DisseLHORST meint, aus ,,zusammengesinterten Zellen* entstanden. Allerdings fand ich auch bisweilen losgeléste Zellen im Lumen der Tubuli. — Ob das Sekret eine spezifische Wirkung auf die Spermatozoen ausiibt, erscheint fraglich. Vielleicht dient das Organ hauptsichlich als eigentliche Samenblase, und ihr Sekret ist vielleicht nur bestimmt, den Samenfiden bis zu ihrer Entleerung ein vorlaufiges Substrat zu bieten. Aehnlichen Bau wie diese Driisenschliuche besitzt auch die Ampulle, so daf es naheliegt, erstere als bloke Divertikel oder Auswiichse dieser aufzufassen. Sie besitzt ebenfalls ein niedriges Cylinderepithel, das ziemlich zahlreiche Falten und Leisten bildet. Ziemlich abweichende Verhaltnisse zeigt der Bau des Samen- leiters oberhalb der Ampulle. Zu der inneren Ringmuskelschicht tritt eine aufere lingsverlaufende hinzu. Das einschichtige Cylinder- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 393 epithel steht auf einer deutlichen Basalmembran; es springt in mehreren (4) Liangsleisten vor. Die Epithelzellen sind hoch cylinderférmig, regelmafig angeordnet, nach dem Lumen hin scharf begrenzt (Fig. 11). Der meist ovale Kern ist dem zentralen Ende der Zelle genahert; das Protoplasma ist feinkérnig, im zen- tralen Teil der Zelle ziemlich dunkel, im peripheren meist durch grofe helle Vakuolen mehr oder weniger (bisweilen bis auf einige diinne Strange) verdringt. Den Epithelzellen findet man oft Sekret in Form von Trépfchen anhaften; im Lumen des Samenleiters, der meist dicht mit Sperma erfiillt ist, bildet es eine blasse, fein- kérnige Masse. Driisen des Urogenitalkanals. Die Prostata, Gl. prostatica. Die Literaturangaben betreffen fast ausschlieflich Mus decumanus. JOHANNES MULLER (1830) gab zuerst eine gute Beschreibung und Abbildung der Prostatadriisen von Mus rattus. Er unterschied 3 Paar Biindel von Driisenblindschlauchen, deren eines den Samenleiterblasen durch Bindegewebe angeheftet ist, das zweite von hinten und seitwarts die Basis der Samenleiterblasen umgreift, das dritte dem Hals der Harnblase vorgelagert. ist. Lrypia (1850) fiigte wichtige Details hinzu. Er fand alle Schlauche von einer zirkulairen glatten Muskelhiille umkleidet. Sowohl in dem freiliegenden, als auch in dem durch Bindegewebe der Samenleiterblase angehefteten Teil fand er das Epithel in Falten vorspringend und Maschen bildend. In letzterem waren die Cylinderzellen entweder hell oder von »fettartig glinzenden Molekiilen“ erfiillt. Die angehefteten Schliuche fand Leypia von einem ,hellen Kérper von fettartigem Habitus“ erfiillt, die freiliegenden (III) wiesen ein Sekret auf, das aus runden oder eckigen Klumpen, anscheinend ,,EKiweiSmassen, wie in der Prostata des Maulwurfs und des Igels“, bestand. Jederseits an der Ausmiindungsstelle der Prostatabiischel in die Harnréhre fand Leypic ein mikroskopisches Ganglion. — OupEmANS (1892) fiigt diesen Angaben nichts Neues hinzu; den Bau der Tubuli findet er. bei allen 3 Biindeln tibereinstimmend. — DISSELHORST (1897) betont, daf das die Schlauche trennende Bindegewebe frei von Muskelfasern sei. — StuzMANN (1898) findet bei Mus decu- manus zwischen den hinteren freien (III) und den oberen ange- hefteten (1) Driisenschlauchen keine deutliche Trennung und unter- scheidet demnach nur 2 Prostatapaare: 1) ein dem Urogenital- Bd, XXXVIII. N, F. XXXI, 26 394 Max Rauther, kanal dorsal und lateral dicht anliegendes, mit ihm und der ven- tralen Flaiche der Samenleiterblase durch Bindegewebe verbundenes, 2) ein freiliegendes, birnférmiges Paar mit fester Bindegewebshiille und langem Ausfiihrungsgang. In den Tubuli findet Stuzmann ein einschichtiges Cylinderepithel, ,,dem sich haufig von der Peri- pherie her eine Lage rundlicher Zellen mit grofem Kern zugesellt, so daf’ man deutlich zwei Schichten erkennen kann“. Das Lumen findet er erfiillt von ,,hellen, glainzenden, unregelmafig geformten K6rpern, die aus in Zerfall und Auflésung begriffenen Driisenzellen entstanden zu sein scheinen“. Beziiglich der embryonalen Entwickelung gibt SruzMAnn (1898) an, daf die Prostatadriisen sich als solide Epithelsprossen von der Urethra her anlegen. Dabei sollen die Tubuli des vorderen freien’ Teiles denen des hinteren in der Entwickelung voraus- eilen; sie besitzen schon ein deutliches Lumen, wenn die letzteren noch solide Epithelzapfen darstellen. An der Einteilung der Prostata in 3 Paare wird man fest- halten kénnen. Sie sind bei Mus musculus so angeordnet, wie es Jou. MULuerr auch fiir M. rattus angibt. Das vorderste Biischel- paar von Driisenschliuchen (III) liegt frei dem Blasenhals an. Eine feste, die einzelnen Schlaiuche zu einem kugeligen Kérper mit langem Ausfiihrungsgang zusammenfassende Bindegewebshiille, wie sie SruzmMAnn fiir M. decumanus zeichnet, ist hier nicht vorhanden. Doch auch hier vereinigen sich, wie man sich auf Schnitten tiberzeugen kann, die Tubuli zu einem gemeinsamen Ausfiihrungsgang, der von der ventralen Seite her in die Urethra einmiindet. Am hinteren Teil der Driise lift sich leicht ein oberes, der Samenleiterblase angeheftetes Biindel (1) von einem unteren, dem vorderen im Aussehen ahnlichen (II), unterscheiden. Beide miinden mit zahlreichen Ausfiihrungsgingen mehr von der dorsalen Seite her in die Urethra. Der von LrypiG konstatierte Unterschied zwischen den frei- liegenden und den angehefteten Tubuli scheint sich indes nicht nur auf die Beschatfenheit ihrer Sekrete, sondern auch auf ihren histologischen Bau zu erstrecken, wenngleich die Abweichungen nicht gerade sehr bedeutende sind. — Gemeinsam ist allen Tubuli der Driise die Umhiillung mit einer auferen lockeren Bindegewebs- schicht, die die Schliuche untereinander zusammenhalt, einer zirkuliren glatten Muskelschicht und einer inneren, das_ ein- schichtige Driisenepithel tragenden diinnen Bindegewebsschicht Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 395 (Tunica propria). Die Differenzen der Tubuli betreffen vorzugs- weise das Driisenepithel selbst. Oberer angehefteter Teil (Prostata I). Die Tubuli haben im allgemeinen einen gréferen Umfang als die der anderen Teile. Das Epithel besteht aus hohen Cylinderzellen. Es ist im ganzen Verlauf der Tubuli, sowohl in dem engeren oberen wie im erweiterten unteren Teil mehr oder weniger stark gefaltet. Auf Querschnitten sieht man, besonders gegen das blinde Ende der Schlauche hin, die Epithelduplikaturen das Hauptlumen in zahl- reiche Krypten und Taschen (Fig. 14 ¢) zerlegen. Bisweilen wird das Lumen durch die sich bis in die Mitte des Schlauches er- streckenden Falten fast véllig verdrangt. Die Cylinderzellen besitzen einen meist mittelstindigen kreis- runden Kern; das Protoplasma erscheint grob granuliert. Eine Lage von rundlichen Zellen (StUZMANN) vermochte ich nicht wahr- zunehmen. Dagegen waren sekretorische Verainderungen des Epi- thels (die DisseLHorst vermifte) deutlich. Zahlreiche Zellen zeigten -in der Umgebung des Kernes eine mehr oder weniger grofe helle Zone, augenscheinlich ein Zeichen beginnender Sekretansammlung (Fig. 14 s. h.). Andere fielen mir durch unregelmifige, fast hyaline Protoplasmafortsitze auf. Ueber alle Stadien des sekretorischen Umwandlungsprozesses konnte ich nicht Klarheit gewinnen. Das Sekret, das sich besonders im unteren Teile der Tubuli in grofer Menge findet, ist eine homogene Masse (Lreyp1Gs ,,wachs- artiger Kérper‘?), die sich in Orange sehr intensiv fiairbt. Gro8e Mengen noch gefarbter und blasser Kerne, die sich in demselben finden, schienen mir zu beweisen, da’ bei der Sekretion Epithel- zellen massenhaft zu Grunde gehen. Auch lassen sich letztere oft noch als hyaline Blaschen in der Sekretmasse wahrnehmen. Die Ausmiindung dieses Prostatabiindels erfolgt durch jederseits 3 besonders weite Ausfiihrungsgiinge ziemlich genau auf gleicher Hohe mit den Ductus ejaculatorii. Untere hintere Biindel (Prostata II). Obgleich dem auferen Anblick nach dem vorderen Prostatapaar ahnlicher, scheinen sich die unteren hinteren Biindel von Blindschlaiuchen beziiglich der Beschaffenheit des Epithels ziemlich genau an das eben beschriebene anzuschlieBen. Die Tubuli sind zwar kleiner als wie die der Prostata I, zeigen aber ebenfalls ein stark ge- faltetes, hohes Epithel. Auch das Sekret weist ahnliche Eigen- schaften auf. Ausmiindung mit zahlreichen Oeffnungen auf gleicher Hohe wie I. 26* 396 Max Rauther, Vorderes Biindel (Prostata III). Das vordere Bindel von driisigen Blindschlauchen weicht am meisten von der Pro- stata I ab. Das Epithel ist im allgemeinen betrachtlich niedriger, nur im oberen Teil, aber auch dort nicht in dem Mafe wie das der Prostata I, gefaltet. Im unteren Teil sind die Tubuli relativ sehr weit und voéllig glattwandig. Die Epithelzellen sind hier von kubischer oder noch flacherer Gestalt; die Muskelhiille erscheint aufSerst diinn (Fig. 15). Das Protoplasma der Zellen zeigt sich meist grob granuliert; der in der Basis liegende Kern ist von mehr oder weniger grofen Sekrethéfen umgeben. Auch die flachen oder kubischen Zellen im unteren, wahbrscheinlich durch Sekretmassen ausgedehnten Teil der Schlauche zeigen derartige Sekretionsphinomene. Das Sekret erscheint im oberen gefalteten Teil der Schlauche in Form von Trépfchen, die man oft noch den Zellen anhaftend findet. Im unteren Teil zeigt das Sekret eine feinkérnige bis faserige Struktur. — Die Driise miindet mit einem einzigen Ausfiihrungsgang, etwas tiefer als die anderen, von der ventralen Seite her in die Urethra. Beim Neugeborenen findet sich die ganze Prostata noch in wenig ausgebildetem Zustand. Sie erscheint in Form schlauch- artiger, von der Wand der Urethra ausgehender Epithelwucherun- gen. Der vordere freie Teil (JZZ) scheint aus einem einzigen solchen Zellenstrang hervorzugehen. Urethraldriisen,Gl. urethrales. Urethraldriisen wurden unter den Nagern zuerst fiir Mus musculus von OupDEMANS (1892) beschrieben. Er fand ,rings um den Canalis urethralis, in der Aus- dehnung vom Veru montanum bis zur Einmiindungsstelle der Gl. Cowperi, eine kraftig entwickelte Schicht von acinésen Driisen“. DISSELHORST (1897) beschreibt unter dem gleichen Namen fiir M. decumanus ,in und unter dem Harnréhrenmuskel Driisenschliuche deren Epithel zahlreiche Leisten und Falten bildet“. Nach dieser Angabe méchte man kaum glauben, daf sie sich auf eine gleiche Driise wie die von OupEMANS bezieht. Auch SruzmMAnn (1898) berichtet, daf er ,in der Urethralschleimhaut von M. decumanus in manchen Bezirken, besonders da, wo sie michtig entwickelt ist (Gegend des Colliculus seminalis)“, ferner auch in der ,Schleim- haut des Praeputiums*, im submukésen Gewebe und der konzen- trischen Muskelschicht Urethraldriisen in Gestalt einfacher Schlauche oder auch verastelter tubuléser Driisen gefunden habe. Er fand sie meist schrig nach auffen gerichtet, mit einem Epithel aus kubischen oder cylindrischen Zellen. StTuzmMann sieht in diesen Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 397 Driisen ,,echte Schleimhautdriisen“, wie sie sich an allen Schleim- hauten, die mit der AuSenwelt in direkten Verkehr treten, finden, und schreibt ihnen keine spezifische Rolle bei der Geschlechts- tatigkeit zu. Auch seine Angaben scheinen sich auf Gebilde ganz anderer Art zu beziehen als die von OuprmaANs. beschriebenen Urethraldriisen. Ich kann nicht entscheiden, ob die letzteren bei den Ratten eine von dem Befund bei den Miusen so abweichende Ausbildung erfahren haben; es fehlt mir die Méglichkeit eines Vergleiches, zumal da die Abbildung, auf die SruzmMann zur Er- lauterung seiner Ausfiihrungen verweist (1. c. Taf. I, Fig. 3) kaum die grébsten Verhaltnisse zum Ausdruck bringt. Trotzdem halt er sich fiir berechtigt, OupeMaANs’ Angaben als ,,individuelle An- schauung*’ zu verwerfen, indem er das Vorbandensein einer rings den Urogenitalkanal umgebenden Driisenschicht schlechtweg in Abrede stellt (p. 17 u. 36): ,,Das den Urogenitalkanal umgebende kérnige Stroma ist kein Driisengewebe, sondern einfaches embryo- nales Bildungsgewebe.“ Ich finde bei ausgewachsenen Mannchen von Mus musculus die Urethraldriisen in einer Ausbildung, die sie nicht ohne weiteres den Schleimdriisen anderer Schleimhaute homolog setzten lakt. Sie umgeben in einer ziemlich starken Ringschicht, die in mehrere gréBere und kleinere Lappen geteilt ist, den Urogenitalkanal, vom oberen Teil der Pars cavernosa urethrae an bis etwas tiber die Ausmiindungstelle der Vasa deferentia aufwirts. Ihre massigste Entwickelung erreichen sie im Bereich der Radices corporum cavernosorum, in die sie sich zipfelartig hineinerstrecken. Ich finde die Elemente der Driise von tubulésem Bau, jedoch von auBerordentlicher Kleinheit (Fig. 22 u. 23). Die Driisentubuli sind in Bindegewebe eingebettet. Die meisten von ihnen bestehen aus hohen cylindrischen oder pyramidenformigen Zellen mit ovalem, meist der Basis anliegendem Kern. In der Umgebung des letzteren ist das Protoplasma feinkérnig und ziemlich dunkel tingiert, im einwarts gerichteten Teil der Zelle ist es durch zahlreiche ein- geschlossene Sekretvakuolen stark aufgehellt. Das von den Zellen _freigelassene Lumen ist meist sehr klein, oft nur schwer nach- weisbar. Zwischen diesen Tubuli verlaufen andere mit riedrigen, dunk- leren und sekretleeren Zellen, die ein geriumiges Lumen frei- lassen; in letzterem findet sich meist ein feinkérniges Sekret vor. Es sind diese Tubuli, wie mir scheint, als den sogen. Schaltstiicken der Schleimdriisen (Speicheldriisen) homolog zu betrachten. 398 Max Rauther, Die Ausfiihrungsginge sind von betrachtlicher Weite (Fig. 23a); sie sind von einem flacheren kubischen Epithel ausgekleidet. An ihrer Einmiindungsstelle in die Urethra zeigen sie eine mehr oder minder starke Erweiterung ihres Lumens. Soweit dieser morphologische Befund Schliisse auf die F unk- tion der Urethraldriisen erlaubt, schliefe ich mich der Ansicht an, daf dieselben wesentlich der Schleimabsonderung dienen. Die massige Ausbildung derselben scheint aber darauf hinzuweisen, da8 ihre Tatigkeit in speziellen Beziehungen zur Entleerung der Geschlechtsprodukte steht; denn sonst wire schwer einzusehen, wie Schleimdriisen von ganz indifferenter Bestimmung eine so eigenartige, massige Ausbildung hatten erlangen sollen. Cowpersche Drisen, Gl. Cowperis. bulbourethra- les. Die Cowrerschen Driisen der Muriden sind birnférmige Kérper, die ziemlich versteckt zwischen dem Musculus ischiocavernosus und M. bulbocavernosus auferhalb des Beckens ihre Lage haben. KoBELT (1844) hat davon eine vortreffliche Abbildung (1. c. Taf. I, Fig. 5) gegeben. Nach Leypia (1850, p. 28) finden sie sich bei Mus musculus, wenn sie sehr klein sind, auch innerhalb des Beckens. Sie miinden mit langem Ausfiihrungsgang in die Urethra, an der Grenze zwischen dem kavernésen und muskulésen Teil. Die Driise ist umhiillt von einer starken Lage quergestreifter Muskeln. Innerhalb derselben findet Leypia zahlreiche (12) Driisen- lappchen, die sich ihrerseits aus rundlichen, traubenférmig anein- ander gedrangten Bliischen zusammensetzen. Die Driise liefert nach LEypia ein zihes, fadenziehendes Sekret, das, mit Essigsaiure versetzt, ein fadenférmiges Gerinnsel bildet. OupgMANS (1892) gibt an, daf die Driise in die Pars bulbosa urethrae miindet, was nicht ganz genau zuzutreffen scheint. Er sowohl als DissELHORST und Lrypic betrachten die Driise als eine acinése. LOWENTHAL (1896) findet die Driisenkammern teils von tubuléser, teils von alveolirer Gestalt. Er findet sie direkt, ohne Vermittelung feinerer Giange, in ein kompliziertes, lakunires, ausfiihrendes Gangsystem miinden. Ich glaube, daf die Driise aus einem Gewirr verzweigter ge- riumiger Tubuli besteht. Dieselben zeigen stirkere Gréfendiffe- renzen als sonst die Tubuli der Cowprrschen Driisen; einzelne, von bedeutender Weite, scheinen sich in zahlreiche kleinere Diver- tikel zu zerspalten (Fig. 21 ¢,¢). Im Innern des Driisenkérpers findet sich bisweilen ein zentraler Hohlraum, um den sich die Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 399 Driisenlappchen in mehr oder minder regelmafiger radidrer An- ordnung gruppieren, oder auch mehrere Hohlraume; offenbar dienen diese zur Speicherung des Sekretes. Zwischen den Tubuli findet sich ein Geriistwerk von stiitzen- dem Bindegewebe. Vom Rande her erstrecken sich auch mehr oder weniger weit Muskelziige zwischen die Driisenlappchen (Fig. 21 m'). — Die Zellen der Endstiicke fand ich, wie Disset- HORST (1897), hoch-cylinderformig, den Kern meist der Basis an- gedriickt. Das Protoplasma der Zellen fand ich hell und fein- kérnig. Im Lumen der gréferen Tubuli zeigte sich ein farbloses, lange Schlieren bildendes Sekret. Schon Leypia (I. c. p. 28) macht darauf aufmerksam, dah der Ausfiihrungsgang der Cowperschen Driise der Mause mit zahlreichen kleineren dunkleren Acini besetzt ist. Ich fand die- selben ebenfalls den Ausfiihrungsgang, von seinem Austritt aus dem Driisenkérper bis zur Einmiindung in die Urethra, in dichter Schicht umlagern. Und zwar gingen sie einerseits in die Urethral- driisenschicht, andererseits in die Tubuli der Gl. Cowperi kon- tunierlich, ohne bestimmte Grenze, tiber. Von diesen unterscheiden sie sich durch ihre Kleinheit und ihr dunkleres Aussehen, dagegen zeigen sie fast vollkommene Uebereinstimmung mit den Urethral- driisen. Diese Tatsache scheint mir dafiir zu sprechen, da8 die Cowrpersche Driise als ein in morphologischer und physiologischer Hinsicht mehr oder weniger spezialisierter Teil einer urspriinglich gleichartigen und indifferenten, den Urogenitalkanal in Form zer- streuter intraepithelialer Driisentubuli umgelenden Driisenschicht zu betrachten ist. Die embryonale Anlage der Gl. Cowperi beobachtete Sruz- MANN in Form paariger Epithelausstiilpungen der Pars bulbosa urethrae. Vorhautdriisen, Gl. praeputiales. Die Praputial- driisen der Ratten und Mause stellen, wie schon Lrypia (1850, p. 31) erkannte, sehr entwickelte Talgdriisen dar. Die Driisen- lappchen finden sich innerhalb eines bindegewebigen Geriistwerkes. Nach DissELHORST (1897, p. 135) stellen sie graugelbe dreieckige Koérper dar, die innerhalb des Vorhautsackes dem Penis dicht an- liegen. Die Ausfiihrungsginge fand er, wie Leypic, mit geschich- tetem Plattenepithel ausgekleidet. In ihnen fand sich ein blasses, helles, kleine Kiigelchen enthaltendes Sekret. Sruzmanwn (1898, p. 26) beobachtete, daf die Driise bei 2,5—5 cm langen Embryonen von Mus decumanus sich aus der auferen Bedeckung, durch Ein- 400 Max Rauther, stiilpung in das subepitheliale Gewebe auf der Vorderseite des Geschlechtshéckers anlegt. Ich habe diesen Angaben wenig hinzuzufiigen. Der Sekretions- vorgang ist dem echter Talgdriisen analog. Man beobachtet, wie die polygonalen Zellen der kompakten Acini (Fig. 29 ac) in den Ausfiihrungsgaéngen zu einer aus blassen Klumpen bestehenden Masse zusammensintern. Die zahlreichen weiten Hohlriume der Driisen vereinigen sich zu einem gemeinsamen engen Ausfiih- rungsgang, der auf dem vordersten Rande des Praeputiums aus- miundet. Die Zellen der Driisenacini zeigen ein reich mit Fetttrépfchen angefiilltes Protoplasma. Afterdriisen, Gl. anales. Ueber Afterdriisen der Miuse finde ich nur bei DisseLHORST (1897) die Angabe, da sie, wie beim Kaninchen, ,,Reservoire zweier verschiedener Driisenarten, einer hochentwickelten Talg- und einer spezifischen Driise“ dar- stellten. Soweit mir bekannt, besitzt Mus eine einheitliche braun- liche Analdriise, die allerdings dem ,spezifischen Teil“ der Inguinal- driisen von Lepus im Bau Ahnlich ist. Cavia cobaya, Meerschweinchen. Die accessorischen Genitaldriisen des Meerschweinchens (Cavia cobaya) sind denen der Mause im allgemeinen ziemlich ahonlich. Besonders gilt dies fiir die Samenleiterblasen, die hier lange, hornférmig gekriimmte, nach oben sich verjiingende Schlauche darstellen (Fig. 3 ves. v.d), ebenso fiir die Prostata (Fig. 3 u. 4 gl. prost) und fiir die Cowrersche Driise (Fig. 2 gl. cowp). Dagegen ist das Bestehenbleiben eines Uterusrudiments beim aus- gewachsenen mannlichen Tier bemerkenswert. Weitere Unterschiede beruhen auf dem Fehlen eigentlicher Ampullendriisen am Samen- leiter, der primitiveren Ausbildung der Harnréhren- und der Vor- hautdriisen u. a. m. Eine zusammenhiangende Darstellung der driisigen Anhangs- gebilde des Urogenitalkanals liegt, meines Wissens, fiir das Meer- schweinchen nicht vor. In den Monographien von Leypi@ (1850), OuDEMANS (1892) und DisseLHorst (1897) wird es bis auf wenige gelegentliche Bemerkungen ganz vernachlissigt. Am _ beachtens- wertesten sind die Ausfiihrungen Leuckarts (1847) iiber die sog. Vagina masculina, von Minor (1886) iiber die sog. Samenblasen und von DE PoUSARGUES (1898) tiber die Prostata von Cavia. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 401 I. Die Miindungen der Samenleiter und Samen- leiterblasen und die Rudimente der MUuueRschen Gange. Es ist notwendig, bevor man auf die anatomischen Ein- zelheiten im Bau der verschiedenen Organe niher eingeht, sich einen Ueberblick itiber die gegenseitigen Lageverhiltnisse der wichtigsten Teile zu verschaffen, insbesondere die Art der Miin- dung des Samenleiters und der Samenleiterblasen zu betrachten, wobei sich auch die Frage nach der Existenz eines Uterus ma- sculinus oder einer Vagina masculina aufklairen lat. Ich habe diese Verhiltnisse wiederum auf einer nach der Schnittserie durch den betrettenden Teil des Canalis urogenitalis rekonstruierten schematischen Figur darzustellen versucht (Texfig. 6). Zur Er- ginzung dienen die beigefiigten Schnittschemata (Textfig. 7 A—F). Auf diesen kann man sich leicht tiberzeugen, dafi die beiden Samenleiterblasen an ihren unteren erweiterten Enden mitein- ander zu einem gerdiumigen gemeinsamen Kanal verschmelzen (Schnitt C v.v.d). Auf der dorsalen Wand des letzteren bleibt eine langgestreckte mediane Erhebung bestehen. Auf dieser miinden, gerade an der Verschmelzungsstelle beider Samenleiterblasen (Textfig. 6 u. 7 Schnitt C v. v. d*), seitlich mit schlitzformigen Oeffnungen die Vasa deferentia aus (Schnitt B v. d). Etwas unterhalb, ebenfalls mit langer, schmaler Oeffnung, miindet auf derselben Langserhebung ein sackfoérmiger Hohlraum aus (Text- fig. 6 u. 7, Schnitt Cv.m), der nach oben hin in zwei lange, blind endigende Zipfel (w.m) anhauft. Wenig tiefer als die Einmiin- dungsstellen dieses Hohlraums und der Vasa deferentia 6ffnet sich der aus der Verschmelzung der Samenleiterblasen entstandene weite Kanal in die Urethra (Schnitt EK d). Diese Oeffnung be- findet sich ihrerseits median auf einem die dorsale Wand der Harnréhre einnehmenden Liangswulst (Schnitt D—E e¢.s). Ueber diesen letzteren schiebt sich, von beiden Seiten her, je eine Langsfalte, welche die seitlich auf dem Langswulst sich 6ff- nenden Miindungen der Ausfiihrungsginge der Prostata (a. prost) tiberdeckt. So stellten sich mir die anatomischen Tatsachen dar. Sehen wir uns nun zunachst in der Literatur nach ihrer Deu- tung um. Es ist klar, daf von der Verschmelzungsstelle der Samen- leiterblasen (Schnitt C v.v.d*) bis zu ihrer gemeinsamen Aus- miindungsstelle in den Canalis urogenitalis, (Schnitt E d) ein Kanal besteht, der lediglich der Ausfiihrung der minnlichen Ge- schlechtsstoffe dient, den man also wohl als Canalis genitalis be- 402 Max Rauther, zeichnen kénnte. Leuckart (1847) deutete denselben als Vagina masculina. Dies scheint zwar im Sinne des von ihm gegebenen Schemas (Textfig. 1, 2), nicht aber vom neueren entwickelungs- geschichtlichen Standpunkte aus gerechtfertigt. Es entspricht Lreuckarts Anschauung, wenn er den Laingswulst an der Riick- SST 47 -~ Um I ; 1) or terns | a ; v.v.d i B 4 Y ; } an -----U. 0 v.v. d* e=— ; \ i Bete ow vem \ a. prost ----- | D——“+ I$ -d Fig. 6. Cavia cobaya, proximales Ende des Urogenitalkanals. Schema- tische Rekonstruktion nach den Schnitten Fig. 7 A—F, deren Hohe in der Figur vermerkt ist. Es ist der Urogenitalkanal in der auf Fig. 7 A und F durch die punktierte Linie angegebenen Richtung der Liinge nach aufge- spalten gedacht; man sieht also von der linken Seite her auf die gegeniiber- liegende Wand der Urethra und der vereinigten Samenleiterblasen (resp. von A—C, der ebenfalls aufgeschnittenen linken Samenleiterblase). Der Verlauf der Vagina und des Uterus masculinus, sowie des linken Vas deferens wurde durch verschieden punktierte Linien angedeutet. a.prost Ausfiihrgiinge der Prostata, c.s Colliculus seminalis, ¢.wg Canalis urogenitalis, @ Duetus ejacu- latorius, gl.prost Prostata, gl.ur Glandulae urethrales, w Urethra s, str., u.m Uterus masculinus, v.d Samenleiter, vm Vagina masculina, v.v.d Samen- leiterblase. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 403 wand seiner vermeintlichen Vagina masculina, auf dem seitlich die Vasa deferentia ausmiinden, als Veru montanum (s. Colliculus seminalis) bezeichnet. Den median auf ebendemselben Lingswulst ausmiindenden zweizipfeligen Hohlraum betrachtet LeuckartT als »direkte Fortsetzung“ der Vagina, also als Uterus masculinus. Kurz oberhalb dieser drei Oeffnungen wiirden dann jederseits die Samenleiterblasen ebenfalls in die Vagina masculina ,einmiinden*. — OupeEmans (1892) acceptiert Leuckarts Autfassung mit der geringen Verdnderung, dafi er die zwischen den Miindungen der Prostatadriisen gelegene Erhebung der dorsalen Harnréhrenwand, auf welcher sich allein die Miindung der sog. Vagina mascu- lina befindet, als Veru montanum bezeichnet. Auch OUDEMANS gibt an, da8 die Vasa deferentia in den Fundus der Vagina ma- sculina miinden, und daf sich dort zwischen ihren Oefinungen der wahre Uterus masculinus befinde. — Auch pr Pousarauss (1893) vertritt Leuckarts Anschauung beziiglich der Deutung des Canalis genitalis. Den medianen Vorsprung in dem letzteren, auf und neben dem der Uterus masculinus, die Samenleiter und die sog. Vesiculae seminales (Vesiculae vasorum deferentium) miinden, halt er, wie LeucKart, fiir das Veru montanum. Er aber betont mit Recht, da& sich eine deutliche Trennungsstelle der ,,Vesiculae seminales* von der Vagina masculina nicht angeben lasse. Jene gehen ohne Absatz, ,,a plein canal‘, in die letztere tiber. DE PousarGcues glaubt, daf das untere Ende der Samenleiterblasen durch das Aufhéren des gefalteten Driisenepithels gekennzeichnet sei. Nach meinen Befunden verlaufen dieselben aber noch ein weites Stiick iiber ihrer angeblichen Ausmiindung in die Vagina masculina aufwirts, bevor sich die faltigen Erhebungen ihres Epi- thels zu zeigen beginnen. — Die kurze Mitteilung von Remy Sarint-Loup (1894) ist wichtig, da sie die Homologie der horn- formigen Samenleiterblasen des Meerschweinchens mit den ,,pal- menformigen“* Organen der Mause und dem falschlich sog. Uterus masculinus des Kaninchens (s. u.) betont. Eines Urteils dariiber, ob diese Organe bei allen drei Typen als Uterus masculinus oder bei keinem derselben als solcher aufzufassen seien, glaubt sich der Verf. allerdings darum enthalten zu miissen, weil wegen des friihen Schwindens der Mtuerschen Gange bei den Nagern deren Beziehungen zu den genannten Organen schwer zu bestimmen seien. Fiir das Kaninchen sind diese Beziehungen jedoch schon seit K6LLIKER (1879) genau festgestellt. Kann man Sarnt-Loups Anschauung von der Homologie der Vesiculae vasorum deferentium 404 Max Rauther, we gl. prost is ee | 7" v.d - wm (v.m) c a. prost Fig. 7 A—C. gl. ur Cavia co- u baya ¢, Quer- schnitte durch den Urogenitaltractus auf der Hoéhe des Uterus masculi- nus“. A zeigt dessen distale Gabelung in zwei Zipfel (u.m), die Samenleiter zeigen sich etwas erweitert (Andeutung der Am- pulle); B zeigt das unpaare geriumige Mittelstiick des Ute- rus masc., die Samen- leiter vereinigen sich mit den Samenleiter- blasen; die dadurech entstandenen Ductus ejaculatorii sind auf C zu einem einheit- lichen Raum _ver- schmolzen, der die Miindung des Uterus masculinus auf- nimmt (*). Bezeich- nungen entspre- chend Fig. 6, Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 405 bei den genannten drei Nagern gern beistim- men, so mu dagegen ein anderer Homologi- sierungsversuch — star- kes MiStrauen erregen: ,D’ailleurs, nous re- trouvons chez le Co- baye un organe cordi- forme correspondant aux vésicules séminales que nous venons de constater chez le Lapin et la Souris.‘ Dies »herzformige Organ“ des Meerschweinchens ist der von den Auto- ren tibereinstimmend als Uterus masculinus bezeichnete Blindsack zwischen den Samen- leitern. Mit den ,,vési- cules séminales‘, die ihm homolog sein sol- len, sind beim Kanin- chen die von mir Glan- dulae urethrales para- prostaticae genannten, der Prostata vorgela- gerten Driisen, bei den Mausen dagegen die das untere Ende des Samenleiters besetzen- den Driisen (Gl. am- pullarum) gemeint. Es ist wohl von keiner anderen Seite her je bezweifelt worden, daf hier drei anatomisch, histologisch und _ ent- wickelungsgeschicht- Fig. 7 D—F. Cavia cobaya, Querschnitte durch den Urogenitaltractus auf der Héhe des Colliculus seminalis (c.s). D zeigt die Ausmun- dung der Prostata-Ausfiitrgiinge in die Urethra (u), E die des unpaaren (gemeinsamen) Ductus ejaculatorius (d), F zeigt den unteren Teil des Colliculus seminalis. Bezeichnungen wie oben. 406 Max Rauther, lich grundverschiedene Organe vorliegen. So hat denn dieser neueste Verbesserungsversuch die Verhaltnisse nichts weniger denn geklart. Halten wir uns an die oben dargelegten objektiven Befunde, so haben wir folgende einfache Tatsachen zu konstatieren : 1) Die Vesiculae vasorum deferentium sind an ihren erweiterten Enden miteinander auf ein nicht sehr langes Stiick verschmolzen. Eine Berechtigung, dieses Stiick der weiblichen Vagina homolog zu setzen, liegt nicht vor, solange nicht eine Beteiligung der Mt.uerschen Gange am Aufbau desselben nachgewiesen ist. Dies ist bis jetzt nicht der Fall. 2) Wir finden, daf die Samenleiter nicht sowohl in den Fundus einer Vagina masculina, als vielmehr in die Samenleiterblasen selbst mitinden, gerade da, wo diese miteinander verschmelzen. (Kin eigentlicher Ductus ejaculatorius im gebrauchlichen Sinne be- steht demnach nicht; man miif%te denn den verschmolzenen Teil der Samenleiterblasen bis zur Einmiindung in die Urethra als einen ,,unpaaren Ductus ejaculatorius“ bezeichnen wollen.) 3) Dementsprechend haben wir den Colliculus seminalis an der dorsalen Wand der Urethra zu suchen (Textfig. 6 und 7, Schnitt D—F ce. s). 4) Das herzformige, zweizipfelige Organ (Textfig. 6 und 7, Schnitt A—C wu. m), das zwischen den Vasa deferentia aus- miindet, entspricht nach Gestalt und Lage dem Rudiment der Mttuerschen Giinge bei minnlichen Embryonen anderer Nager (Mus, Lepus). Es ist demnach, wahrscheinlich mit Recht, als Uterus masculinus, in seinem unteren unpaaren Teil (Schnitt B—C v.m) genauer als Vagina masculina zu bezeichnen. Einer besonderen Funktion scheint sich die Vagina resp. der Uterus masculinus nicht angepaBt zu haben. Seine Wand wird, wie die der Urethra, von einem zweischichtigen Epithel gebildet, in das zahlreiche einzelne kurze, tubulése Schleimdriisen ein- gestreut sind. Letztere sind im unteren Teil zahlreicher als in den beiden Zipfeln; eigentlich driisigen Charakter kann man darum diesem rudimentiren Gebilde aber nicht zusprechen. Der Samenleiter und seine driisigen Anhinge. Il. Die Samenleiterblasen, Vesiculae vasorum deferen- tium (Vesiculae seminales der alteren Autoren, Glandulae vesicu- lares OuDEMANS). Die Vesiculae vasorum deferentium stellen zwei Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 407 grofe, hornférmige, in mehreren Windungen gebogene, unten ziem- lich weite, nach oben hin sich verjiingende Schlauche dar (Fig. 3 ves.v.d). Die Wand ist glatt, seitliche Ausbuchtungen, wie sie bei Mus vorkommen, fehlen meist. Zwischen den einzelnen Win- dungen spannt sich die aufere Bindegewebshiille membranartig aus. Ihrer Gestalt nach kénnten diese Schlauche wohl, wie Carus meinte, an die Horner eines Uterus duplex erinnern. LeucKkartT (1847) betrachtet sie als ein Paar ,,excessiv entwickelte Prostata- schlauche“. Die eingehendste Beschreibung dieser Organe gibt Minor (1886). Er findet die Wandung diinn und durchsichtig, aus einer diinnen Bindegewebsschicht und einer gut entwickelten Muscularis bestehend. In letzterer fand er vorwiegend Ring- fasern; an manchen Stellen zeigten sich auch Liangsfasern als diskrete Lage. Auf die ahnlichen Verhaltnisse des Vas deferens hinweisend, kommt Minor zu dem Schluf, daf ,,die Blase also auch dem histologischen Bau nach als ein Auswuchs des Leiters aufzufassen“ sei. Das die Innenwand bekleidende einschichtige Cylinderepithel findet er in Langs- und Querfalten gelegt. Minot glaubt, sich von der driisigen Beschaffenheit desselben nicht haben tiberzeugen zu kénnen, laft es darum dahingestellt, ob das den Schlauch erfiillende Sekret von diesem selbst oder von der Pro- stata herriihre. Ersteres halt er fiir das Wahrscheinlichere, zu- mal die Substanz in dem Schlauche keine Aehnlichkeit mit dem Sekret der Prostata zeigt. Spermatozoen fanden sich in den Samenleiterblasen nur ausnahmsweise und in geringer Menge. — Daf die Vesiculae vasorum deferentium sich auch mit kurzen seit- lichen Veradstelungen resp. am Ende gegabelt vorfinden, wie sie Cote (1898) abbildet, ist mir nicht bekannt geworden. Letzterer Autor gibt auch irrtiimlich an, da’ die Samenleiterblasen mit selbstandiger Oefinung neben den Vasa deferentia auf dem Veru montanum ausmiinden (p. 150). Soweit ich sehe, sind alle neueren Autoren dariiber einig, dal die Samenleiterblasen des Meerschweinchens keine Spermareservoirs sind, vielmehr nur gelegentlich einige Samenfiden beherbergen (Minor 1886, p. 212; Kayser 1889, p. 27 u.a.). Beztiglich ihrer Funktion hatte LeuckartT vermutet, dafi ihr Sekret, das in der Scheide des Weibchens zu einem Pfropf gerinnt, bestimmt sei, das ZuriickflieBen des Spermas zu verhindern. Nach Untersuchungen von LANDWEHR (1880) enthalt das Sekret der Samenleiterblasen 27 Proz. fibrinogene Substanz und gerinnt bei geringer Verun- reinigung mit Blut sehr leicht. Laraste (1883) bestitigt die Bil- 408 Max Rauther, dung eines Pfropfes in der Vagina (,,bouchon vaginal“) durch das Sekret der Samenleiterblasen. Nach seiner Erfahrung besteht die Aufgabe desselben nicht darin, das Zuriickfliefen des Spermas zu verhindern, sondern er vergleicht seine Wirkung mit der eines Pumpenstempels, derart, da8 der dicht sich der Scheidewand an- legende Pfropf das Sperma in den Uterus hinauftriebe. Der Pfropf verweilt normalerweise 12—24 Stunden in der Vagina, doch be- eintrachtigt eine friihere Entfernung desselben den Erfolg der Be- gattung nicht. Kommt es jedoch tiberbaupt nicht zur Bildung des Pfropfes, so findet keine Befruchtung statt. Auf diese Weise erklart sich wohl auch die bedeutende Herabsetzung der Befruch- tungswahrscheinlichkeit, die SrerinacH (1894) durch Extirpation der homologen Organe bei Ratten erzielte. Der Name _,,glandes du bouchon‘‘, den Laraste fiir die Samenleiterblasen vorschlagt, ist aus dem Grunde zu verwerfen, weil er lediglich auf eine Funk- tion der letzteren Bezug nimmt, die ihnen wahrscheinlich nur innerhalb einer kleinen Gruppe von Nagetieren, nicht aber all- gemein bei allen Sangern, bei denen sie sich finden, zukommt. — Neuerdings haben Camus und Gury (1899) konstatiert, daf eine kleine Menge des Prostatasekrets eine gréSere Quantitaét der in den Samenleiterblasen abgesonderten Masse zum Gerinnen bringe. Sie schreiben diese Wirkung einem im Prostatasekret enthaltenen Ferment zu, das sie ,,vésiculase“ nennen. Beziiglich des Baues der Samenleiterblasen kann ich mich im wesentlichen den genauen Angaben Minors anschliefen. Ich finde, von auBen nach innen gehend, wie bei den Prostata- schliuchen 1) eine diinne, lockere, reichlich von Blutgefilen durch- zogene Bindegewebsschicht; 2) eine (wie mir scheint, ausschliel- lich) aus zirkuliren Fasern bestehende glatte Muskelschicht; 3) eine sehr diinne innere Bindegewebslage (Basalmembran) und 4) ein einschichtiges Cylinderepithel. Das Cylinderepithel springt in zahlreichen Falten, bisweilen vollige Taschen bildend, ins Lumen des Schlauches vor, ganz ahn- lich, wie es oben fiir Mus beschrieben und abgebildet wurde. Die Zellen sind hoch-cylinderférmig und besitzen grofe ovale Kerne. Gelegentlich waren kleinere Kerne zwischen den basalen Enden von Epithelzellen eingekeilt zu beobachten, erschienen aber nicht als diskrete Lage. Die Cylinderzellen zeigen sich, besonders in den Epithel- strecken zwischen den Faltenvorspriingen, mit gréferen oder ge- ringeren Mengen eines hellen Sekrets erfiillt, zum Teil bauchig Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 409 aufgetrieben. Das unverinderte Protoplasma ist in Orange dunkel tingiert und zeigt eine grobgranulire Struktur. In der Umgebung sekretreicher Zellen finden sich andere, die noch sekretleer sind oder sich desselben schon entledigt haben und die durch den Druck der ersteren mitsamt ihren Kernen schmal zusammengepreft sind (Fig. 10 a, b). Wahrend zwischen den Falten die Epithel- zellen fast ausnahmslos mit Sekret erfiillt sind, finden sich auf den einspringenden Falten selbst fast nur sekretleere, dunkle Zellen mit kérnigem Protoplasma. Fig. 10b stellt eine Stelle aus dem Epithel einer Falte dar, an. welcher 2 einzelne Zellen sich be- reits mit Sekret zu fiillen begonnen haben, und man erkennt deutlich, wie jederseits die na&chstbenachbarten durch den Druck in ihrer Gestalt beeinfluft worden sind. Auf Grund dieser Befunde méchte ich glauben, daf die mannig- fachen Falten des Driisenepithels in der Samenleiterblase sehr wenig konstante Gebilde darstellen, daf sie vielmehr ihr Entstehen und Vergehen dem jeweiligen Sekretionszustand bestimmter Epi- thelstrecken verdanken, also dementsprechend in dauernder Ver- anderung begriffen sind. Es werden namlich die sekretgefiillten Zellen, indem sie sich ausdehnen und auf die benachbarten Epithel- teile einen mehr oder minder starken seitlichen Druck ausiiben, letztere zwingen, sich in Falten einwarts zusammenzuschieben, zumal da die zirkulare Muskulatur einer Erweiterung des Schlauches ihren Druck entgegensetzt. Die allmihliche Sekretentleerung der hierdurch in die Vertiefungen zwischen den Falten geratenen titigen Zellen und die gleichzeitige Sekretbildung in den auf den Vorspriingen befindlichen wiirde dann eine standige Umwandlung der Gestalt und Verteilung der Falten bedingen. Das Sekret der Samenleiterblase ist in frischem Zustande eine undurchsichtige, weiSe, leicht gerinnende Masse. Unter dem Mikroskop erscheint sie aus unregelmafigen rundlichen Klumpen und Kérnchen zusammengesetzt. In der Wand des Samenleiters selbst tritt zu den der Samenleiterblase zukommenden Schichten noch die auBere longi- tudinale Muskelschicht. Das einreihige, das Lumen auskleidende, miifig hohe Cylinderepithel erhebt sich in mehreren niedrigen Langsleisten. In demselben scheinen sich ahnliche, wenn auch weniger intensive sekretorische Prozesse als in dem der Samen- leiterblase abzuspielen. Das Protoplasma der Zellen ist gekérnelt, im zentralen Teil der Zelle dunkler als im peripheren. Gewisse Zellen erscheinen schmal und dunkel, andere heller und breit. Bd, XXXVIII. N. F. XXXI. yl 410 Max Rauther, Den freien Innenrand des Epithels begleitet ein schmaler Saum einer blassen, feinkérnigen, fast hyalinen Substanz, die wahrschein- lich ein Ausscheidungsprodukt des Epithels ist. Die Kerne der Epithelzellen sind oval, von oft unregelmafigen Konturen, mit gut differenziertem Chromatinkérper und Nucleolus. Sie liegen in der Basis der Zellen. — Im Lumen des Samenleiters fanden sich masseuhaft Spermatozoen in kammformigen Biindeln. Eine eigentliche Ampulle des Samenleiters scheint beim Meerschweinchen nicht zu bestehen. Allerdings ist eine geringe Erweiterung des Vas deferens, kurz yor seiner Einmiindung in die Samenleiterblase, vorhanden. In derselben fehlen jedoch spezifische Driisen, wie sie bei Mus und Lepus vorkommen. Dagegen finden sich im unteren Teil der Erweiterung — Ampulle, wenn man will — kleine tubulése Einzeldriischen, die an Zahl nach der Ausmiin- diingsstelle hin zunehmen. Sie sind dem Bau nach den Urethral- driisen (s. u.) zuzurechnen, also wohl von indifferentem Charakter. Es ist vielleicht nicht unwahrscheinlich, daf die eigentlichen Am- pullendriisen ihren Ursprung von derartigen nicht spezialisierten Schleimhautdriisen genommen haben. Ill. Die Driisen des Urogenitalkanals. Die Prostata (Glandula prostatica). Nach OuDEMANS (1892) wird die Prostata von Cavia gebildet durch ,nur zwei Driisen, grofe hornférmige Koérper, welche jede fiir sich eine geriumige Einmiindungséfinung besitzen“. Genauere Angaben finden sich bei DE Pousaraures (1893). Dieser Autor unterscheidet einen aiuferen und einen inneren Teil der Prostata. Letzterer besteht aus jederseits 4 Biindeln langer, fingerférmiger, wenig veristelter, im Umfange der ganzen Linge nach sich gleichbleibender Schlauche. Im auferen Teil unterscheidet er ebenfalls vier Biindel von kleineren Blindschliuchen. Jedes der 8 Biindel jederseits miindet mit eigenem Ausfiihrungsgang in die Urethra. Im histologischen Bau findet er beide Gruppen ziemlich iibereinstimmend; jeder Schlauch zeigt, von aufen nach innen: 1) eine diinne Bindegewebslage mit wenigen ungleichen Kernen; 2) eine ziemlich dicke zirkulare Faserlage; 3) eine neue, sehr diinne Bindegewebslage; 4) ein Cylinderepithel aus grofen pyramidenférmigen Zellen mit ovalen groBen Kernen mit mehreren Nucleoli. — DE PousarGues hebt hervor, daf die auferen Schliuche ein weites, freies Lumen, ohne einspringende Epithelfalten, besitzen; das Epithel der inneren da- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 411 gegen bildet zahlreiche Vorspriinge und bisweilen blinde Aussack- ungen des Hauptlumens. Ich habe den Angaben pE PousAraugs’ nur wenige Bemer- kungen hinzuzufiigen. — Fig. 4 zeigt die aus dem Bindegewebe freipriparierte Driisenmasse. Der Unterschied des inneren und auBeren Teiles fallt sofort in die Augen. In jenem zihlte auch ich 4 dicke, knollige Driisenlappen (Fig. 4 gl. prost. I); die Zahl der iuferen scheint mir nicht fixiert; durch Préparation lief sich dieser Teil der Driise in zahlreiche kleine Biindel zerlegen. Auf Querschnitten (Textfig. 7 Schnitt B—E) zeigten sich auch jederseits im ganzen mehr als 8 Ausfiihrungsginge. Den histologischen Bau der Tubuli priifte ich an den auf Fig. 2 mit gl. prost. I, I, LI bezeichneten Stellen. Die grofen, kompakten Lappen des inneren Teiles (Z) zeigen sich auf Durch- schnitten aus mehreren Schliuchen zusammengesetzt, deren Um- fang den der auBeren Schlauche bedeutend tibertrifft. Jeder ein- zelne Schlauch besitzt eine Ringmuskelschicht, mehrere zusammen sind wieder von einer gemeinsamen Ringmuskelhiille umgeben, in welcher sich auch longitudinal oder schrig verlaufende Fasern finden. Die Schlauche des inneren Teiles (J) fand ich von einem hohen Cylinderepithel ausgekleidet, das besonders im oberen Teil der Schliuche in zahlreichen Langsfalten ins Lumen einspringt. Im unteren Teil, wo sie prall mit Sekret erfiillt sind, beschrankt sich die Faltung auf wenige Lingsleisten. Die Epithelzellen zeigen ein meist helles, aber ziemlich grob granuliertes Protoplasma. Der ovale Kern liegt in der Zellbasis. Die innere Begrenzung der Zellen ist meist scharf, zuweilen aber durch anhaftende Se- krettrépfchen undeutlich. Freies Sekret ist im oberen Teil in Form von Trépfchen vorhanden, die im unteren, stark erweiterten Teil der Schlauche zu einer sehr feinkérnigen Masse zusammenfliefen. Bei IZ zeigt die Mehrzahl der Schlauche ein hohes, ziemlich stark in Falten gelegtes Cylinderepithel und ein ahnliches Sekret wie bei I; daneben finden sich aber auch Tubuli mit glattem Epithel wie bei J. Im vorderen Biindel (Fig. 4 gl. prost. IZ) sind Tubuli mit ungefaltetem, niedrigem Cylinderepithel vorherrschend, jedoch nicht ausschlieflich vorhanden. Es ist wahrscheinlich, da auch hier wie bei Mus der obere Teil der Schlauche mehr oder minder stark gefaltet ist, und nur der untere sich durch ganz glattes Epithel 27% 412 Max Rauther, auszeichnet. In der Muskelhiille finden sich bei diesen Schlauchen nur zirkular verlaufende glatte Fasern. Nie sind mehrere von einer gemeinsamen Muskelhiille zusammengefaSt. Die Epithelzellen dieser auferen Tubuli sind von kubischer Gestalt, zeigen ein dunkel tingiertes Protoplasma und einen kreis- runden Kern. — Das Sekret erscheint grobkérnig, aus Trépfchen und Kliimpchen von verschiedener Grife zusammengesetzt. Es scheint demnach die Prostata des Meerschweinchens, ana- log der der Mause, aus drei ihrem feineren Bau nach mehr oder weniger gut zu unterscheidenden Teilen zu bestehen. Das vordere freiliegende Driisenbiischel der Mause (Fig. 1 gl. prost. IID) stimmt fast véllig mit dem vorderen auferen Teil der Protasta des Meerschweinchens iiberein (Fig. 4 gl. prost. III); ebenso entsprechen die plumpen inneren Biindel (J) des letzteren dem an die Samenleiterblase angehefteten Biindel der Mause (Fig. 1 gl. prost. I), und endlich zeigen auch die hinteren unteren Tubuli (II) bei beiden Gattungen Uebereinstimmung. Am meisten weichen bei Cavia die Ausmiindungsstellen der Prostata von dem gewoéhnlichen Befunde ab. Wahrend man dieselben sonst an der Basis des Colliculus seminalis, in dem zwischen diesem und den lateralen Wanden der Urethra jederseits befindlichen spitzen Winkel findet, sind sie beim Meerschweinchen auf den Colliculus seminalis selbst heraufgeriickt, so daf sie ihr Sekret dicht neben der gemeinsamen Oeffnung der Samenleiter resp. Samenleiterblasen zu ergiefen vermégen. Die zahlreichen Oeffnungen der Ausfiihrungsgiinge sind von einer gemeinsamen Schleimhautfalte iiberdeckt und so gerichtet, da das Prostata- sekret unmittelbar vor der Oeffnung des ,unpaaren Ductus eja- culatorius“ mit dem Sperma zusammentretfen mu. Harnréhrendriisen, Glandulae urethrales. Die Anwesenheit von Urethraldriisen im Urogenitalkanal war, soweit ich sehe, unter den Nagern bisher nur fiir die Gattung Mus be- kannt. Ich finde dieselben bei Cavia, wenngleich nicht in ebenso massiger, so doch in schéner und auffallender Ausbildung (Fig. 17 gl. ur). Sie finden sich in Form kleiner, selten verzweigter Tu- buli (von beiliufig 1/,, mm Linge) in der Wand der Urethra. Man kénnte sie im Gegensatz zu denen der Miause als solitaire Urethraldriisen bezeichnen, denn sie bilden keine geschlossenen Driisenmassen, sondern miinden allenthalben einzeln in die Urethra ein. Ihre Verbreitung erstreckt sich fast tiber die ganze Harn- rdhre. Im Bereich der Glans penis fehlen sie. In der Pars bul- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 413 bosa und cavernosa urethrae sind sie rings in der Harnréhren- wand verteilt. In der Héhe der Radices corp. cavern. haiufen sie sich um die Ausfiihrungsgange der Gl. Cowperi in dichtem, mehr- schichtigem Kranze an. Sie begleiten dieselben kontinuierlich und gehen so unmerkbar in die Tubuli der Cowprrschen Driise iiber, mit denen sie im Bau fast véllige Uebereinstimmung zeigen (vgl. Fig. 24 u. 18). In der Pars prostatica urethrae ziehen sich die Driisen mehr auf den dorsalen Teil der Harnréhrenwand, beson- ders die die Ausmiindungséffnungen der Prostata bedeckenden Falten zuriick. Zahlreich sind sie auf der ventralen Wand der verschmolzenen Samenleiterblasen, spirlicher im lateralen Teil der Urethra s. str. und in den Ausfiihrungsgingen der Prostata. Reich- lich stehen sie auf dem Lingswulst, der die Miindung des Uterus masculinus trigt und in der Wand des letzteren; auch finden sie sich im erweiterten Endstiick (Ampulle?) des Samenleiters. Nach oben hin verbreiten sie sich im Uterus masculinus bis fast in die blinden Zipfel, in der Urethra bis dicht unterhalb der Harnblase in den Samenleitern bis etwa zur Mitte der ampullenartigen Er- weiterung, in den Samenleiterblasen bis etwa auf die Hohe, auf der der Uterus masculinus endet (wo aber das Epithel der Samen- leiterblase seinen spezifischen sekretorischen Charakter noch nicht besitzt). Die einzelnen Tubuli werden von hohen cylindrischen resp. pyramidenformigen Zellen gebildet. Das Protoplasma ist fein ge- kérnt, sehr hell durchscheinend, von Orange gar nicht gefarbt. Der meist kreisrunde Kern liegt in der Basis der Zellen (Fig. 24). Cowrersche Driisen (Glandulae Cowperi s. bulbo- urethrales. Die Cowprrschen Driisen des Meerschweinchens scheinen noch nicht als Objekt spezieller Untersuchungen gedient zu haben. OvupEemMaAns (1892) bezeichnet sie als runde, flache Koérper. In der Lage stimmen sie mit denen von Mus iiberein. Sie liegen auSerhalb des M. bulbocavernosus, sind von flach rund- licher, etwas eingekriimmter Gestalt und miinden mit jederseits einem ziemlich langen Ausfiihrungsgang in den Anfangsteil der Pars cavernosa urethrae. Die Driise ist von einer kraftigen, quer- -gestreiften Muskelhiille umgeben (Fig. 20 m); sie zerfallt in mehrere grofe, durch Muskelziige voneinander getrennte Lappen. In jedem der letzteren nimmt man auf dem Querschnitt ein oder mehrere weite, von kubischem Epithel ausgekleidete Lumina wahr, die im Hauptausfiibrungsgange zusammenmiinden. Um diese weiten Raume gruppieren sich in dichtgedrangter Masse die kleinen, ge- 414 Max Rauther, wundenen Driisentubuli (Endstticke). Sie sind aus hohen, cylinder- formigen Zellen gebildet, ganz ahnlich wie die Tubuli der Urethral- driisen. Die Zellen besitzen, wie bei diesen, ein helles, feinkérniges Protoplasma (Fig. 18). Der Kern ist meist der basalen Wand der Zelle eng angedriickt und zeigt eine platte oder eckige Gestalt (letztere Abweichung vom Habitus der Urethraldriisentubuli be- ruht offenbar auf Besonderheiten der Fixierung und Farbung [Eisenalaun-Hamatoxylin]); andere Praparate zeigen auch hier runde, basalstandige Kerne. Die Entwickelung der Driise beobachtete ich nur beim weib- lichen Geschlecht. Bei alteren Embryonen, bei denen aber die Vagina noch nicht in den Canalis urogenitalis durchgebrochen war, fand ich eine vom Epithel der Urethra ausgehende umfang- reiche Einwucherung in Gestalt mehrerer langer, dinner Zell- strange. Vorhautdriisen, Glandulae praeputiales. Literatur- angaben scheinen zu fehlen. Ich finde die Driisen als stark ent- wickelte Talgdriisen den Follikeln der auf dem Praeputium stehen- den Haare ansitzen, und dementsprechend auch jede in dem zu- gehorigen Haarbalg ausmiinden. Sie stehen also auf einer bei weitem primitiveren Stufe der Ausbildung als bei Mus, zeigen auch, wenigstens bei dem von uns untersuchten Exemplar, nicht die Ausweitungen der Haarbalge, wie ich sie weiter unten fiir Lepus zu beschreiben haben werde. Inguinal- und Analdriisen fehlen dem Meerschweinchen, soweit ich sehen kann, ginzlich. Lepus cuniculus, Kaninchen. Die Gattung Lepus stellt beziiglich der driisigen Anhangs- gebilde des Genitalapparates einen eigenartigen, von dem der iibrigen Nager in manchen wesentlichen Punkten abweichenden Typus dar. Diese Organe sind beim Kaninchen Gegenstand zahl- reicher und ziemlich eingehender Untersuchungen gewesen. Ueber die morphologische Bedeutung der Teile und die zwischen ihnen und den accessorischen Geschlechtsdriisen der tibrigen Siuger be- stehenden Homologien sind viele, zum Teil einander sehr wider- sprechende Ansichten geaiufert worden. Das Wertvollste zur Kla- rung dieser Fragen trugen die Untersuchungen von Leypi@ (1850), KOLLIKER (1879), LANGENBACHER (1882) und vy. MIHALKOVICS Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 415 (1885) bei; die neueren gréferen Publikationen von OUDEMANS (1892) und DisseLnorst (1897) bringen im wesentlichen nichts Neues, haben selbst manche alte Irrtiimer wiederholt. Einen Ueberblick iiber Gestalt und Lage der accessorischen Genitaldriisen des Kaninchens gibt Fig. 2. Das distale Ende des Samenleiters ist zu einer duferlich leicht erkennbaren driisigen Ampulle erweitert (a.v.d); Samenleiterblase und Prostata zeigen schon insofern ein abweichendes Verhalten gegeniiber Mus und Cavia, als sie in eine gemeinsame Muskelhiille eingebettet sind ; auf der Figur sind die Prostatabiindel (gl. prost) von den unten zu einem Stiick verschmolzenen Samenleiterblasen (ves. v. d) pra- paratorisch getrennt. Eine eigentiimliche, den anderen Nagern nicht zukommende Bildung stellen die den Samenleiterblasen vor- gelagerten driisigen Blindschliuche (gl. wu. p) dar, die im Bau den Cowrverschen Driisen (g/. cowp) entsprechen. Letztere ent- béhren hier des langeren Ausfiihrungsgangs, sind vielmehr ziem- lich tief in den Harnrdéhrenmuskel eingelagert. Die Praputial- driisen sind wenig, die Analdriisen (gl. av) sehr stark entwickelt. Die Inguinaldriisen (gl.ing) besitzen bei den bisher besprochenen Genera keine Gegenstiicke. Die driisigen Anhange des Vas deferens. Samenleiterblasen, Vesiculae vasorum deferen- tium (= Vesicula seminalis = Uterus s. Utriculus masculinus autorum). Besonders hat die grofe, zweizipfelige Blase, welche, zwischen dem Rectum und der Harnblase gelegen, die Samen- leiter aufnimmt und auf dem Samenhiigel ausmiindet, die Auf- merksamkeit der Untersucher auf sich gezogen. Die alteren Autoren (R. WAGNER, 1834; Cuvier, 1846; LEREBOULLET, 1851, u.a.) beschrie- ben sie als unpaare Samenblase, Vesicula seminalis. E. H. WEBER?) erklarte sie zuerst fiir homolog der sog. Vesicula prostatica der iibrigen Sauger. Hat er einerseits das Verdienst, letztere als Rudiment des Uterus erkannt zu haben, so war er andererseits im Irrtum, wenn er nun auch die fragliche Blase beim Kaninchen (welche ihm zu Ehren auch Wesersches Organ genannt wird), 1) Die Originalabhandlung (1846) war mir leider nicht zu- ginglich; ich zitiere nach einem Autoreferat gleichen Titels (MULLERS Archiv, 1846) und den in Lrypias und anderen Arbeiten enthaltenen Angaben. 416 Max Rauther, fiir einen mannlichen Uterus hielt. Van Deen (1849) suchte Wesers Entdeckung auf entwickelungsgeschichtlichem Gebiet zur Geltung zu bringen; da er jene aber gerade in betreff des Kanin- chens fiir ,iiber jeden Zweifel erhaben“ hielt, so schilderte er zwar ausfiihrlich die Rolle, die der Uterus masculinus bei der Entwickelung der accessorischen Driisen (Prostata, Samenblasen) spielt, versiumte aber dariiber, den entwickelungsgeschichtlichen Beweis fiir die Uterusnatur des betreffenden Organs zu erbringen. Auch Lrypig betrachtete die ,,unpaare Samenblase“ als einen mannlichen Uterus und machte besonders auf die Uebereinstim- mung der in seiner Wandung sich findenden Driisen mit denen des weiblichen Uterus aufmerksam. LeuckarT (1847) beanstandete die Bezeichnung als Uterus masculinus deshalb, weil dies vermeint- liche Rudiment des weiblichen Genitalkanals beim Kaninchen durch die Einmiindung der Wotrrschen Giinge (Samenleiter) als Vagina charakterisiert sei, die auch beim weiblichen Geschlecht die rudi- mentiren Wonrrschen Giainge (GARTNERSChe Kanale) aufnehme. Nur den obersten ‘Teil des Organs kénne man als ein Uterusrudi- ment betrachten, das in diesem Falle durch ein aufergewoéhnlich weites Orificium uteri mit der Vagina in Verbindung stande, so daf sich keine genaue Grenze zwischen beiden ziehen lasse. Auch KRAUSE (1884) vertritt die Ansicht, da’ die sog. unpaare Samen- blase ,,vermége ihrer Muskulatur, ihrer Miindung, die einer Uterus- miindung analog ist, ihrem Arbor (Schleimhautfaltungen) vollkom- men dem Uterus oder génauer dem yom Peritoneum iiberzogenen Teil der Scheide beim weiblichen Kaninchen“ entspreche. Eine wesentlich abweichende Auffassung des fraglichen Or- gans ergab sich aus entwickelungsgeschichtlichen Studien. Noch Eaurt (1876) allerdings schlieft sich der Anschauung der vor- erwihnten Autoren an. Er berichtet, da’ beim miannlichen Ge- schlecht der MUtuersche Gang atrophiert bis auf die geringen Reste, die einerseits die gestielte Hydatide am Kopf des Neben- hodens, andererseits die sog. Vesicula prostatica (= Uterus ma- sculinus) bilden. Ganz anders stellen sich diese Vorgange nach den Angaben von K6LLIKER (1879) dar. Er fand bei einem minnlichen Kaninchenembryo von 21 Tagen die MU.LerRschen Ginge an den untersten Enden zu einem einfachen Strang ver- schmolzen, weiter oben dagegen getrennt. Am 23. Tage schon war jede Spur von ihnen geschwunden. Der filschlich so genannte Uterus masculinus entsteht also von den MU.terschen Gangen ganz unabhingig, und zwar durch eine Erweiterung und Ver- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoron, 417 schmelzung der Wo.trrschen Ginge an deren unteren Enden. Wenige Jahre darauf erfuhren diese wichtigen Beobachtungen durch LANGENBACHER (1882) ihre volle Bestitigung. Die griind- lichsten und umfangreichsten Angaben iiber diesen Gegenstand verdanken wir endlich MrHAuLKovics (18835). Ich werde bei der Darstellung der Entwickelung dieses vielumstrittenen Organs!) auf die Arbeiten der letztgenannten Forscher zuriickzukommen haben. Die neuere Arbeit von Wriant (1899) lernte ich nur im Referat kennen; sie bestatigt die Resultate der friiheren Untersuchyngen. Beim ausgewachsenen Tier besitzt, nach DisseLHorsts (1897) Ansicht, die Wand der Samenleiterblase keinen ,glanduliren Bau im engeren Sinne“. Er halt sie fiir ein Receptaculum seminis, ob- gleich er angibt, darin keine Spermien, wohl aber ein milchiges Sekret gefunden zu haben. Auch Kayser (1889) fand nur aus- nahmsweise geringe Mengen von Samen in der Samenleiterblase des Kaninchens; reichlicher war derselbe vorhanden, wenn das betreffende Tier vorher in geschlechtliche Erregung versetzt worden war. Er kam daher zu der Ansicht, dafS jene nicht normaler- -weise als Receptaculum seminis oder Samenblase funktioniere. DISssELHORST begriindet diese Bezeichnung damit, daf hier ,,das Sperma die Beimischung des Sekretes der Glandulae vesiculares“ empfange. Den Nachweis, daf die von ihm so bezeichneten Driisen diesen Namen nicht verdienen, habe ich weiter unten noch zu er- bringen; es ist aber auch unverstandlich, wie deren Sekret in die Samenleiterblase gelangen sollte, da sie, nach meinen Befunden, dicht tiber der Prostata, neben dem Colliculus seminalis und ganz unabhangig von den Miindungen der Vesicula vasorum deferentium sich in die Urethra 6ffnen. Die Vesicula vasorum deferentium liegt als sackférmiges, weiflich-undurchsichtiges Gebilde zwischen der Harnblase und dem Rectum; sie miindet mit schmaler Oeffnung auf dem Colli- culus seminalis in den Canalis urogenitalis. Das obere Ende der- selben ist in der Mitte mehr oder weniger tief eingekerbt; auch wird die urspriinglich paarige Natur des Organs durch ein inneres medianes Septum zum Ausdruck gebracht, das sich fast bis zu den Einmiindungsstellen der Vasa deferentia herab erstreckt. Diese befinden sich auf der vorderen (ventralen) Wand der Samenleiter- 1) Ich werde mich bei der er ee von vornherein des Namens Vesicula vasis deferentis, im Sinne der oben angegebenen Definition (p. 380), bedienen. 418 Max Rauther, blase (nach Krause [1884] 2 mm voneinander, 3—7 mm von der Oeffnung der Blase entfernt). Die Wand der Samenleiterblase besteht aus (nach Leypr@) geflechtartig verbundenen glatten Muskel- fasern. In dem unteren verdickten Teil derselben finden sich dor- sal die Prostata, lateral die Glandulae urethrales paraprostaticae (s. u.) eingebettet. Durch das ganze Organ findet sich die Wand auBerdem besetzt mit zahlreichen sack- bis verdstelt-schlauch- formigen Driisen. In der Wandung tritt besonders eine aus- gepragte Langsfaltung hervor. Das Epithel, das die Samenleiterblase auskleidet, fand ich zweischichtig: innen eine Lage hoherer dichtgedringter Zellen, mit in die Langsrichtung gestellten ovalen Kernen; unter diesen eine Lage niedriger Zellen mit kreisrunden Kernen. — Unterhalb der Einmiindungsstelle der Vasa deferentia finden sich zahlreiche Einstiilpungen des Epithels, gebildet von einreihig sich zu kurzen Schlauchen zusammenschliefenden, hellen, cylindrischen bis pyra- midenformigen Zellen; sie lassen sich eine kurze Strecke weit, in engem Anschluf an das Epithel der Samenleiterblase verlaufend, verfolgen. Es sind augenscheinlich nichts anderes als intraepithe- liale Schleimdriisen, wie sie auch die Schleimhiute der Urethra und die Ausfiihrungsgange der Prostata aufweisen. Kurz unterhalb der Einmiindungsstelle der Vasa deferentia nimmt die Zahl der driisigen Divertikel betrachtlich zu. Sie ver- zWweigen sich und gewinnen an Weite und Langenausdehnung. Ihr Epithel wird flacher, die Zellen firben sich dunkler als bei den vorerwaihnten Driisen. So laft sich ein allmahlicher Uebergang bis zu den weiten driisigen Hohlraumen verfolgen, welche sich auf die Ampulle des Samenleiters (s. d.) fortsetzen. Die tibrigen Epitheleinsenkungen der Sameuleiterblase finden sich oberhalb der Einmiindungsstelle der Vasa deferentia zuniichst besonders reich- lich im lateralen Teil, weiter oben jedoch rings in der Wandung eingelagert. Sie bilden mafig weite, kurze, gerade oder wenig gewundene Schliuche, die sich bisweilen verzweigen. Sie stehen so nahe beieinander, da’ die Wand des oberen Teiles der Samen- leiterblase auf Querschnitten ein durchléchertes Aussehen zeigt (Fig. 13). Das Epithel der Blase schiebt sich bisweilen zu ver- iistelten Falten zusammen; doch sind diese nicht so zahlreich und regelmiig wie in den Samenleiterblasen von Mus und Cavia. Das Epithel der Driisensickchen ist einreihig und wird ge- bildet yon mafSig hohen Cylinderzellen mit ovalen Kernen. Im Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 419 Inneren der Samenleiterblase findet sich ein feinkérniges bis hya- lines, in Organe intensiv farbbares Sekret. Nach dem histologischen Befund méchte ich vermuten, daf die Funktion der Samenleiterblase und ihrer Driisen beim Kanin- chen keine so spezialisierte sei, wie bei Mus und Cavia, sondern vielleicht nur in der Absonderung einer schleimigen Fliissigkeit besteht, die dazu dient, die Masse des Spermas zu vermehren. Kayser (1889) fand in der Blase eine schleimige, braunliche Fliissigkeit, beim geschlechtlich erregten Tier eine milchig weife, die Spermatozoen enthielt. DisseLHorst fand sie auch milchig, lappige Krystalldrusen, ,Rundzellen und sparliche Blutkérperchen enthaltend.“ Daf das Sekret leicht gerinne und, wie beim Meer- schweinchen einen das Sperma in der Scheide hinauftreibenden Pfropf bilde, wird nirgends berichtet. Die Driisen der Samenleiterblase ats Argument fiir deren Homologie mit dem weiblichen Uterus zu verwenden, ist wohl kaum angingig, denn dieselben sind in beiden Organen von ziem- lich indifferentem Charakter. Driisen von solchem Habitus kénnen sich wohl in Anpassung an ahnliche, wenig spezialisierte Funk- tionen (Schleimabsonderung?) in beiden Organen unabhingig von einander gebildet haben, ohne daf man dabei an eine Homologie, im Sinne gemeinsamen phylogenetischen Ursprungs, zu denken braucht. Die Entwickelung der Vesicula vasorum defe- rentium. Eigene Beobachtungen hieriiber machte ich nur bei einem Embryo von 6!/, cm Lange und beim Neugeborenen; be- ziiglich der jiingeren Stadien mu8 ich mich darauf beschranken, die Angaben von KO LLIKER, LANGENBACHER und v. MIHAL- KOvics iiber das Verhalten der Mtiierschen und Wourrschen Ginge beim mannlichen Kaninchen kurz zusammenzufassen. Die Mutuuerschen Gange schwinden beim Mannchen schon sehr _ friih- zeitig; nach KOLLIKER zeigt sich am 23. Tage des Embryonal- lebens nirgends mehr eine Spur von ihnen. Bei jiingeren Km- bryonen bildet ihr verschmolzenes, nach oben in 2 Zipfel aus- laufendes unteres Ende das Rudiment des Uterus masculinus. Die Samenleiterblase geht aus einer Erweiterung und _fort- schreitenden Verschmelzung der distalen Enden der Wourrschen Gange hervor. Allerdings nimmt, nach MraALKovics, auch ein eng begrenztes Stiick der vereinigten MULLERschen Gange mit an der Bildung der Samenleiterblase teil; ,,diese Teilnahme besteht darin, daf sich das distale Ende des Miiuerschen Kanales bei 420 Max Rauther, 41/, 5 cm langen Embryonen zwischen den beiden Wo.rrschen Gangen zu einem kleinen Sacke erweitert, dessen Seitenwande an den Beriihrungsstellen mit den Wourrschen Gangen, durch Ver- kiimmerung des Epithels, zu Grunde gehen, worauf aus ihnen ein gemeinsamer Epithelsack wurde.“ v. MraAtKovics definiert darum das sog. WeBERsche Organ des Kaninchens folgendermafSen: ,,Die bindegewebigen und muskulésen Wainde des Organs sind jenen des - weiblichen Geschlechtskanales homolog, weil sie in beiden Fallen vom Geschlechtsstrang geliefert werden; die innere Epithel- kleidung des Sackes ist aber jener des weiblichen Geschlechts- kanales nicht, oder nur zum geringen Teil homolog, weil sie groftenteils von den Woxrrschen Gingen und nur zu einem ge- ringen Teil von den MULLERschen Gangen herstammt, — es besteht also zwischen dem Weperschen Organ des Kaninchens und jenem der anderen Siugetiere nur eine inkomplette Homologie.“ K61- LIKER und LANGENBACHER Stellen eine solehe Homologie itiber- haupt in Abrede, da sie eine Beteiligung der MULLErRschen Ginge an der Bildung der Samenleiterblase nicht beobachteten. Eine genaue Nachpriifung der Befunde von v. MrHALKOvIcs wire schon darum schwierig, weil die beschriebenen Verhaltnisse, wie der Autor betont, nur auf ganz bestimmten, schnell voriibergehenden Stadien, auftreten. Bemerken méchte ich jedoch, daf die Ab- bildungen, die v. MrHALKovics von der betreffenden Stelle des Genitalstranges gibt, nicht zweifellos fiir seine Auffassung sprechen. Eine tatsaichliche Kommunikation der WoLrrschen Gange mit dem Lumen des Micuerschen Ganges zeigen sie nirgends. Was die Abbildungen (I. c. Tafel VII, Fig. 148g und 149d) darstellen, ist nur ein Undeutlichwerden der Epithelgrenzen, das zum Teil augen- scheinlich auf Gewebezerreifungen beruht. Bevor v. MrmALKOvICcS’ Ansicht nicht durch neue, ganz unzweideutige Befunde gestiitzt wird, empfiehlt es sich wohl, die Vesicula vasorum deferentium, das ehemalige Wrsersche Organ des Kaninchens, als alleiniges Produkt der Wotrrschen Giinge, demnach vollkommen homolog den Samenleiterblasen der iibrigen Siuger zu betrachten. Die Vasa deferentia miinden, den geschilderten Entwickelungs- vorgiingen entsprechend, urspriinglich von oben her in die Hérner der aus ihrer Verschmelzung entstandenen Blase. So entsteht ein dem weiblichen Uterus mit den Tuben ahnliches Bild, das wohl E. H. Weser zu dem Ausspruche veranlafte, dai mannliche und weibliche Geschlechtsteile noch beim neugeborenen Kaninchen nicht zu unterscheiden seien. Die Vasa deferentia riicken dann von Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 421 ihrer urspriinglichen Miindungsstelle tiefer auf die vordere Wand der Samenleiterblase herab, nach vy. MisAvxovics teils durch »faltenartige Erhebung und Abschniirung des Ganges vom Sacke“, teils durch Auswachsen des letzteren nach oben. Bei einem miannlichen Embryo von 61/, cm Linge fand ich, entsprechend den Angaben von K6LLIKER, die MiLLERSchen Ginge schon vollstandig geschwunden. Die Verschmelzung der erwei- terten distalen Enden der Wourrschen Giange hat hier bereits zur Bildung eines geriiumigen, gemeinsamen Hohlraumes gefiihrt, dessen Entstehungsweise jedoch noch sowohl durch ein unvollkommenes medianes inneres Septum, als auch durch sein oberes, in 2 blinde Zipfel auslaufendes Ende angedeutet wird. Die Samenleiter miinden bereits von der Vorderwand her ein, doch noch etwas héher als beim ausgewachsenen Tier. Dem neugeborenen sowohl als auch dem erwachsenen Tier fehlt demnach ein wahrer Uterus mascu- linus vollstandig. Es sei mir noch gestattet, kurz die tibrigen Tatsachen, die uns berechtigen, das sog. WrBeERsche Organ als homolog den Samenleiterblasen der tibrigen Nager zu betrachten, zusammen- zustellen. 1) Beziehungen zum Vas deferens. Die Samenleiter- blase findet sich, wie tiberall bei den Saugetieren, denen sie zu- kommt, in naher Lagebeziehung zum Vas deferens; sie miindet mit letzterem gemeinsam im Ductus ejaculatorius aus. Bei Lepus sind wie bei Cavia die untersten Enden der Samenleiterblasen zu einem gemeinsamen Hohlraum, der die Vasa deferentia aufnimmt, verschmolzen; man kénnte darum hier nur von einem unpaaren, gemeinsamen Ductus ejaculatorius reden. Beziiglich der Lage zu den Samenleitern stimmt also die Samenleiterblase von Lepus mit denen des Meerschweinchens iiberein, die ihrerseits wieder leicht auf den urspriinglicheren Typus von Mus zuriickzufiihren sind. Denn hier fehlt lediglich die bei Cavia und Lepus verschieden weit vorgeschrittene terminale Verschmelzung der Samenleiterblasen. Vergleichend-anatomisch steht also der Homologisierung der be- treffenden Organe nichts im Wege. 2) Entwickelung (genetische Beziehungen zum Wourrschen Gang). Daf die Samenleiterblase, wenn nicht ausschlieSlich, so doch zum weitaus gréften Teil ein Produkt der Wortrrschen Gange ist, ist nach den oben dargelegten Tatsachen unzweifelhaft. Es ist also auch die Entstehungsweise der Samenleiterblase beim Kaninchen dieselbe wie bei anderen Nagern. 3) Histologie. Der Bau des glandularen Teiles der Samenleiterblase zeigt betrachtliche, aber wohl nicht gerade prin- 422 Max Rauther, zipielle Unterschiede gegentiber den entsprechenden Gebilden von Mus und Cavia. Wahrend bei diesen das ganze Epithel sekre- torischen Charakter hat und zur Vergréferung seiner Oberflaiche in Falten und Leisten vorspringt, ist bei Lepus eine groBe ab- sondernde Flache durch zahlreiche Einstiilpungen des nur in diesen, nicht als Ganzes sekretorischen Epithels erzielt. Man kann dies Verhalten wohl als ein primitiveres deuten, der vermutlich weniger spezialisierten Aufgabe des Organs bei Lepus entsprechend. Ampullendriisen, Gl. ampullarum vasum defe- rentium. Die Vasa deferentia miinden getrennt auf der Vorder- wand der Samenleiterblase in die letztere. Ihr Endabschnitt zeigt sich duSerlich zu einer langgestreckten Ampulle erweitert. In der letzteren fand Lrypia (1850) beim Feldhasen in Langsreihen stehende Driisen von langlich-sackférmigem Bau, mit denen, die er im sog. Uterus masculinus beschreibt, iibereinstimmend. Dus- SELHORST betrachtet die Ampulle als eine Art Receptaculum; er findet sie durch zarte Epithelleisten in ein grofliickiges Waben- werk umgewandelt. Diese Epithelleisten scheinen ihm jedoch nie von der Wand des Samenleiters herzukommen; ,sie laufen viel- mehr stets in sich zuriick, bilden also geschlossene Ringe“. Die Leypieschen Driisen vermochte DissetHorst nicht aufzufinden und glaubt, daf ihr Auftreten an die Brunstperioden gebunden sei. Ich finde die Driisen der Ampulle wie Leypia in Form von weiten diinnwandigen Saickchen. Eine Anordnung in Lingsreihen bemerkte ich nicht. Sie gehen, kleiner werdend, kontinuierlich in die im unteren Teil der Vesicula vasis deferentis auftretenden becherférmigen Driisen iiber, unterscheiden sich aber von diesen einerseits durch ihr meist sehr stark erweitertes Lumen, anderer- seits durch ihre sehr diinne, von einem einreihigen niedrigen Cylinderepithel gebildete Wandung. Sowohl diese weiten Driisen- siickchen (Fig. 8 gl.amp), als auch die driisigen Einsenkungen des Epithels der Samenleiterblase, lassen sich meines Erachtens auf den Typus der kleinen, becher- bis schlauchférmigen solitiéren Schleimdriisen zuriickfiihren, wie sie sich im unteren Teil der Samenleiterblase und in der Urethra reichlich finden; ich ver- mochte alle Ueberginge zwischen diesen primitiven bis zu den beschriebenen spezialisierten Ausbildungsformen zu beobachten. Ich sehe die Driisenschliuche in der Ampulle allenthalben rings in den Samenleiter miinden (Fig. 8 *), kann also DIssEL- HoRSTs Ansicht, daf sie als geschlossene Ringe um denselben ver- liefen, nicht beistimmen. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 423 Noch beim Neugeborenen fand ich das Epithel des Samen- leiters tiberall glatt und nicht von driisiger Beschaffenheit. Doch war oberhalb der Ausmiindungsstelle eine betrichtliche An- schwellung (Ampulle) bemerkbar. Es fehlen beim Neugeborenen auch die zahlreichen kleinen Schleimdriischen der Urethra etc. Driisen des Urogenitalkanales. Die Prostata. Die beste dltere Beschreibung der Vor- steherdriise des Kaninchens rithrt von Leypia (1850) her. Er betrachtet die ganze in die Muskulatur der hinteren und seit- lichen Wande der Samenleiterblase eingelagerte Driisenmasse als Prostata. E. H. Weper hatte zuerst auf die verschiedene Be- schaffenheit des lateralen (vorderen) und des dorsalen (hinteren) Teiles der Driisenmasse aufmerksam gemacht und letzteren (zitiert nach Lrypic) den Samenblasen verglichen. Lerypia (1850) betont dagegen, dafi hier ein ahnlicher Befund wie beim Igel und bei den Mausen vorliege, wo sich ebenfalls zwei nach Lage, Bau und Funktion sich betrachtlich unterscheidende prostatische Driisen- pakete vorfinden. Die eine dieser Driisen soll in diesen Fallen eine fettahnliche, die andere eine eiweifahnliche Substanz ab- scheiden. — Srinuinc (1884, p. 1—8) unterscheidet in der die Samenleiterblase umgebenden Driisenmasse drei Teile, von denen er den dorsalen unteren allein fiir die Prostata halt, ein Biindel lateraler, steil aufsteigender langer Blindschlauche bezeichnet er als Samenblasen, die kleinen, diesen noch vorgelagerten, von Weser fiir inkonstant gehaltenen Blindschlauche dagegen infolge ihrer histologischen Aehnlichkeit mit den Cowrrrschen Driisen als ein oberes Paar der letzteren. Die Driisentubuli der eigent- lichen Prostata findet Srrutinc inwendig mit zahlreichen Falten bedeckt, oft durch zarte Scheidewande in kleinere Hohlriume ge- teilt. Ihr einschichtiges Epithel wird von hohen, grob und dunkel granulierten Cylinderzellen gebildet, deren Kerne klein, oval, oft in einer Ecke an der Basis der Zelle liegen. — Die vermeintlichen Samenblasen besitzen, nach Srinuine, ebenfalls ein faltenreiches Epithel. Die schmichtigen Cylinderzellen besitzen einen langlichen, die ganze Dicke der Zelle einnehmenden Kern. Es ist STILLINGS besonderes Verdienst, die Verainderungen, die diese Epithelien durch ihre sekretorische Tatigkeit wihrend des Begattungsaktes erleiden, nachgewiesen zu haben. Dieselben bestehen bei der »eigentlichen Prostata“ darin, da8 die Zellen kleiner, breiter, heller 424 Max Rauther, werden; ihre Grenzen sind scharf, einige stellen offene Becher dar. In der sog. Samenblase sind nach dem Coitus die ins Lumen vor- springenden Falten auffallend verbreitert, die Driisenzellen aufer- ordentlich vergré8ert, von cylindrischer oder birnférmiger Gestalt. Aus diesem merkwiirdigen Verhalten schlieSt Stmmtine auf eine zeitliche Verschiedenheit des Absonderungsvorganges in beiden Driisen. ,,Die Zellen der letzteren (Prostata) geben die wahrend der Ruhe angehauften Stoffe erst bei der Begattung ab; der Saft der Vesiculae seminales wird schon friiher, in der Pause zwischen 2 Brunstperioden gebildet, er wird beim Coitus nur entleert. Fallt nachher der Druck der angestauten Inhaltsmassen auf die Epithelien der Kanale weg, so vergréfern sie sich, indem sie neues Material aus dem Blute aufnehmen.“ Die neueren Autoren haben sich weder der Ansicht Lrypies angeschlossen, noch sind sie auf die wichtigen Angaben STILLiInes aufmerksam geworden; vielmehr haben sie ihrerseits die vorderen weiflichen Blindschliuche als Samenblasen (resp. Gl. vesiculares) von der hinten gelegenen Prostata gesondert (wobei also die Be- zeichnungen gerade umgekehrt wie bei WEBER gebraucht zu sein scheinen). DisseLHorsT (1897) gibt, augenscheinlich dieser An- schauung zuliebe, sogar an, da’ die vermeintlichen Samenblaschen neben den Vasa deferentia in die von ihm als Uterus masculinus betrachtete Samenleiterblase einmiinden. Ich finde in die Muskulatur der dorsalen Wand der Samen- leiterblase eine Driisenmasse eingebettet, welche sich zum Teil durch Praparation freilegen und jederseits in mehrere Lappchen sondern lift (Fig. 2 gl.prost) Jedes der letzteren besteht aus ziemlich voluminésen, stark gewundenen und veristelten Schliuchen. Mehr den lateralen Wanden der Blase angelagert finden sich jeder- seits einige (durch makroskopische Praparation fand ich 3) Driisen- schliuche, die sich von jenen durch ein weillich-glasiges Aussehen und den Mangel der Aufkniuelung unterscheiden. Wie sich zeigen wird, entsprechen die erstgenannten insgesamt einer Prostata, letztere haben mit dieser nur die raumliche Lage gemein (Gl. urethrales paraprostaticae). Eine dritte Driisenart konnte ich nicht auffinden. Allerdings zeigen sich innerhalb der Prostata kleine Differenzen zwischen den duferen und dem innersten, am tiefsten in die riickwirtige Wand der Samenleiterblase eingebetteten Lapp- chen. Es ist also wahrscheinlich, daf' man auch hier, wie bei Cavia und Mus, zwischen zwei funktionell verschiedenen Teilen der Prostata zu unterscheiden hat. Es 1Jaft sich aber weder mit Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 425 morphologischen noch mit physiologischen Griinden rechtfertigen, einem dieser beiden Teile den Namen Samenblasen beizulegen. — Die gesamte Driisenmasse ist im unteren Teil mit der Urethra und der Samenleiterblase in eine gemeinsame zirkulare Muskel- hiille (Fortsetzung des Muse. urethralis) eingeschlossen. Ich finde darin ausschlieBlich quergestreifte Fasern. Zwischen die einzelnen Driisenlappchen schieben sich Ziige glatter Muskelfasern ein. Jedes Lippchen der Prostata miindet mit je einem Aus- fiihrungsgang in die Urethra. Ich zahle deren auf der Schnitt- serie jederseits 4. Dieselben verlaufen innerhalb der Musku- latur eine kurze Strecke weit abwarts und miinden dicht iiber- einander neben dem Colliculus seminalis, etwas unterhalb der Miindung der Samenleiterblase, in den Canalis urogenitalis (Text- fig. 8 D a.prost). Bemerkenswert ist, daf die Ausfiihrungsginge des hinteren oberen Biindels, das sich, wie wir sehen werden, auch hinsichtlich seiner feineren histologischen Struktur von den tiefer gelegenen lateralen Teilen unterscheidet, sich in ihrem unteren Teile sehr stark sinusartig erweitert zeigen (Textfig. 8 A a. prost'). Die Ausfiihrungsginge sind gegen das Driisenepithel scharf abgesetzt; sie besitzen ein zweischichtiges Epithel, aus einer héheren inneren und einer niedrigeren duSeren Zellenlage be- stehend. In demselben zerstreut finden sich zahlreiche, intra- epitheliale Driischen. Sie bilden kurze sackférmige Einstiilpungen, deren helle, cylinder- bis pyramidenférmige Zellen nur ein enges Lumen freilassen. Sie verschwinden erst da, wo das hohe Cylinder- epithel der Driisentubuli beginnt. Man kénnte sich daher wohl vorstellen, daf diese Driisen auch die Ausgangsgebilde der Prostata darstellen, derart, daB das ganze Epithel der Schliuche sekre- torische Funktion gewann und dann zu seiner Oberflaichen- vermehrung nicht mehr vereinzelte driisige Einsenkungen aus- reichten, sondern hierzu die Bildung eines komplizierten Falten- werkes noétig wurde. Histologie der Prostata. a) Mediane dorsale Lappen (dem Ausfihrungsgang a. prost' [Textfig. 8 A] zugehérig). Dieser Driisenteil ist fast véllig in die hintere Wand der Samenleiterblase eingesenkt; er wird vom Lumen der letzteren hufeisenformig umschlossen, bildet also in derselben, von innen betrachtet, einen voluminésen, mit gewundenen Faltungen bedeckten Wulst (KRAUSEs Arbor utriculi masc.). Die Tubuli, die aus dem enorm weiten Ausfihrungsgang (Textfig. 8 A) ihren Ursprung nehmen, sind meist Bd, XXXVII. N. F. XXXI, 28 426 Max Rauther, ---a. prost! oon UVa -. gl. amp -uU a. prost -=---@.UPr di -a. prost ven s Qe UL Fig. 8 A—D. Schematische Querschnitte durch die Pars prostatica urethrae von Lepus cuniculus; in proximo-distaler Reihenfolge. A Einmiindung (+) der Vasa deferentia in die Samenleiterblase (v.v.d) ; B Colliculus seminalis mit der Miindung der Samenleiter- blase (d); C Ausmiindungen der Glandulae urethrales pa- raprostaticae in den Canalis urogenitalis; D Ausmiindun- gen der Prostata. a. prost, a.ur Ausfiihrgiinge der Gl. prosta- ticae resp. Gl. urethrales, d Ductus ejaculatorius, gl. amp, gl.prost Glandulae ampulla- rum, prostaticae, « Urethra, v.d Vas deferens, v.v.d Vesi- cula vasorum deferentium. -- a. prost Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 427 von geringerem Umfang als die des lateralen Teiles. Das Epithel springt auch in ihnen in mehr oder minder tiefen Falten vor, meist jedoch ohne Taschen abzuschniiren. Die sich in die Falten einschiebenden Bindegewebslamellen sind sehr schmal. — Die Epithel- zellen (Fig. 16) besitzen ein grob granuliertes Protoplasma, sind aber meist von einem hellen Rand umgeben und zeigen oft an- haftende, helle, fein gekérnelte Sekretblaschen. Die innere Be- grenzung der Zellen ist scharf. Der Kern ist von ‘ovaler Form und liegt meist dem nach dem Lumen gewendeten Zellende ge- nahert. Neben gewissen breiteren Zellen finden sich schmilere dunkle, deren Protoplasmakérper noch mit einem aufen anhangen- den Sekrettrépfchen zusammenzuhaften scheint (Fig. 16c’), Alle diese Merkmale stimmen mit den von Sriuuine fiir das Epithel seiner ,,samenblasen“ aufgeftihrten recht gut tiberein. Auch scheint er ganz ahnliche Sekretionsphanomene beobachtet zu haben (p. 7): yleile des Protoplasmas lésen sich als hyaline Kugeln ab und ge- sellen sich zu dem in den Alveolen lagernden Sekrete. Vielfach sieht man solche Kugeln noch durch ein feines Fadchen mit den Zellen zusammenhangen.“ Das in den Lumina befindliche Sekret zeigt sich grob gekérnelt und nimmt, wie das Protoplasma der Zellen in Orange eine intensive Farbung an. b) Die tibrigen Tubuli der Prostata, die mehr den unteren und lateralen Teil der Driisenmasse zusammensetzen (Textfig. 8 gl. prost), zeichnen sich dadurch aus, daf auf Querschnitten ihr Epithel nicht nur in hohen Falten erhoben, sondern in diinnen Doppelblattchen von Wand zu Wand ausgespannt erscheint. So wird das Hauptlumen in zahlreiche kleinere, ohne nennenswertes Zwischengewebe aneinander gelegte Alveolen zerlegt. Die Epithel- zellen (Fig. 27) sind hoch-cylindrisch, dicht aneinander gedranegt. Das Protoplasma zeigt eine grobe Granulierung, es wird von Orange leuchtend gelb gefarbt. Die Zellgrenzen sind undeutlich, der freie Rand der Zellen ist meist unscharf. Die meist kreis- runden, zuweilen etwas abgeplatteten Kerne liegen in der Basis. Das grobkérnige Sekret enthalt griéfSere und kleinere Trépfchen. Der letztbeschriebene Driisenteil scheint Sriniinas Prostata zu entsprechen. Die Bedeutung der aufgezihlten Unterschiede diirfte schwer zu bestimmen sein; dieselben scheinen mir jedoch nicht tiefgreifendere zu sein, als wie sie etwa auch zwischen dem vor- deren und hinteren, resp. inneren und du8eren Teil der Prostata bei Mus und Cavia bestehen, wenngleich sie diesen offenbar nicht ohne weiteres parallel zu setzen sind. So gut wie dort kénnen 23* 428 Max Rauther, wir aber auch bei Lepus die ganze Driisenmasse als Prostata bezeichnen. Entwickelung der Prostata. Der driisige Teil der Prostata nimmt seinen Ursprung vom Epithel der Urethra. Bei einem 61/, cm messenden Embryo fand ich kurz unterhalb der Miindung der Samenleiterblase zahlreiche von der dorsalen Wand der Harnréhre ausgehende Epithelwucherungen in Gestalt solider, aufwarts verlaufender Zellstrange, die in verschiedener Hohe in- serierten. Ich zahlte jederseits 6, von denen die 3 oberen sich seitlich um die Samenleiterblase gruppierten, die unteren dagegen sich mehr nach der dorsalen Wand derselben verbreiteten. Diese geben also wohl der eigentlichen Prostata, jene den noch zu be- schreibenden paraprostatischen Driisen den Ursprung. Beim neu- geborenen Tier fand ich ebenfalls 12 Epitheleinwucherungen an derselben Stelle, sonderbarerweise aber unsymmetrisch auf beide Seiten verteilt, namlich 5 auf die linke, 7 auf die rechte Seite. Es zeigten erst die Ausfiihrungsginge ein deutliches Lumen, da- gegen waren die distalen Enden der Zellstrange noch solid. Differenzen im Bau der Anlagen der Prostata und der para- prostatischen Driisen waren noch nicht zu bemerken. (Nach der Zahl der Ausfiihrungsginge der Prostata und der paraprostatischen Driisen miifte man im ganzen wohl jederseits 7 Epithelzapfen erwarten; doch ist es wohl méglich, daf entweder noch nicht alle zur Anlage gelangt waren, oder ihre Zah] tiber- haupt nicht konstant ist.) — v. MraAuxovics fand bei 6—7 cm langen Embryonen nur 2 Paare von Epithelsprossen. Die aus ihnen sich entwickelnden Driisen setzt er wegen ihrer Aus- miindung neben dem Samenhiigel der Prostata homolog. Er be- trachtet sie, da sie ihren Ursprung vom Epithel der Urethra nehmen, als ,weiter nichts als stark entwickelte Harnréhren- driisen“. Urethraldriisen‘). Es wurden bereits die in dem Epithel 1) Nach Ovuppmans (1892) war von Urethraldriisen im Uro- genitalkanal der Nager, aufer bei Mus, nichts bekannt. Dagegen finde ich schon bei v. MrmAtxovics folgende Angabe: ,,Diese (die Prostata), sowie die mehr distalwirts liegenden driisigen Gebilde (die sog. Cowrmrsche Driise) sind einzelne Teile jenes Driisen- apparates, der bei mannlichen Nagern sehr reichlich in der Nahe der Harnréhre vorhanden ist, und die im allgemeinen sehr stark ent- wickelte Harnréhrendriisen reprisentieren. Das betrifft auch die seitlich yom Werserschen Organ gelegenen driisigen Gebilde, die allgemein als Samenblischen betrachtet werden.“ Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 429 der Urethra, des basalen Teiles der Samenleiterblase und der Ausfiihrungsgainge der Prostata sich findenden kleinen, becher- oder schlauchférmigen Schleimdriisen mehrfach erwaihnt. Sie scheinen gewissermafen das Ausgangsmaterial zu sein, von dem aus durch lokale Vermehrung und in Anpassung an spezifische Aufgaben die verschiedenen Driisenanhange des Urogenitalkanales, Prostata und Cowperrsche Driisen, sich divergierend entwickelten. Bei Lepus sind, aufer der Prostata, zwei Gruppen von Harnréhren- driisen zu hoher Individualisierung gelangt, die eine in den 3 der Prostata vorgelagerten Divertikeln (Gl. urethrales paraprosta- ticae), die andere in der Pars bulbosa urethrae (Gl. Cowperi). Beide Driisenanlagen zeigen im wesentlichen gleichen Habitus. (Man vergleiche Fig. 19 mit Fig. 25.) Glandulae urethrales paraprostaticae. Die Lage dieser Driisen (Fig. 2 gl.u.p) wurde schon oben gelegentlich der Besprechung der Prostata bezeichnet. Wie schon dort erwahnot, wurden sie von E. H. Weper (1847) als die eigentlichen Prostata- driisen von der hinteren Driisenmasse, den vermeintlichen Samen- blasen, geschieden. Leypic (1850) halt beide Driisen ftir eine Prostata (s. 0.). Neuere Autoren gebrauchten Werpers Bezeich- nungen im umgekehrten Sinne, derart, da8 sie diese vorderen Driisenschlauche als Samenblasen (resp. Gl. vesiculares) bezeich- neten. Entschieden die zutreffendste, aber in der Literatur augen- scheinlich ziemlich unbeachtet gebliebene Auffassung ist die von STILLING (1883 und 1885, p. 172), der die paarigen, ,,in der Héhe der Ampulle des Vas deferens zwischen dieser und den Samen- blasen“* gelegenen Driisen als oberes Paar von Cowperschen Driisen bezeichnet. Der histologische Bau rechtfertigt diese Be- zeichnung vollkommen; da jedoch als Cowpersche Driise immer nur eine zur Pars bulbosa urethrae gehérige Driise bezeichnet wird, so mdchte ich davon absehen, diesen Namen auch auf die der Prostata vorgelagerte, noch oberhalb derselben in die Urethra miindende Driise zu iibertragen, bezeichne dieselbe viel- mehr, in gleichzeitiger Erwagung ihrer Lage und ihres dem der Bulbourethraldriise entsprechenden Baues, als Glandula urethralis paraprostatica. — Sri~yme findet, wie bei der Gl. Cowperi, die Ausfiihrungsgiinge der Driisenlappchen mit einem schénen Stabchen- epithel ausgestattet. Beziiglich des Baues der Driisenblaschen selbst verweist er auf die villig itibereinstimmfenden Gl. Cowperi (s. d.). Die paraprostatischen Driisen bilden 3 kurze Blindsicke, 430 Max Rauther, deren weiter innerer Hohlraum von einem zweischichtigen, nicht secernierenden Epithel wie die Ausfiihrungsginge der Prostata und die Urethra ausgekleidet ist. Sie miinden ebenfalls in die letztere, jederseits neben dem Colliculus seminalis, doch etwas héher als die Prostata. Die eigentliche Driisensubstanz gruppiert sich in Form von Paketen sehr kleiner, eng zusammengewundener Tubuli um die weiten Hohlriume der Blindsaécke. Die oberen Enden der Tubuli sind eng, ein Lumen oft kaum sichtbar. Die Zellen derselben sind hell, hoch-cylindrisch bis pyramidenférmig. Die unteren, Sekretréhren entsprechenden Enden der Tubuli be- sitzen gréBeren Umfang, weiteres Lumen, ein aus mehr kubischen und dunkleren Zellen zusammengesetztes Epithel. Letzteres weist die charakteristischen, radiir angeordneten Langsstreifen auf. Sie miinden mit weiten Oeffnungen in die weiten zentralen Hohlraume. Eine Aehnlichkeit dieser Driisen mit den braunen Inguinal- driisen im histologischen Bau, wie sie DissELHORST (ich glaube, daf seine Gl. vesiculares meinen Gl. paraprostaticae entsprechen) findet, kann ich nicht bestatigen (vgl. die Figg. 25 u. 31). Dagegen muf ich, im Anschluf an Sriniinc, nochmals betonen, daf der Bau der Driise vollkommene Uebereinstimmung mit der Gl. Cowperi zeigt; ich fasse beide darum als Gebilde von gleichem Ursprung (Urethra) und gleicher Funktion auf. Mit dem Samen- leiter stehen diese Driisen weder topographisch noch entwickelungs- geschichtlich in irgendwelcher Beziehung. Die von OUDEMANS und DisseLHORST wiederholt betonte Ansicht, daf die Samenblasen resp. Gl. vesiculares bei keinem Nager in das Vas deferens miindeten, beruht also auf einem Irrtum. Denn einerseits sind, wie im Vorhergehenden gezeigt wurde, die wahren ,Samenblasen“ des Kaninchens Abkémmlinge der Wourrschen Giange, miinden also auch gemeinsam mit den Samenleitern aus; andererseits sind die, allerdings getrennt von den Samenleitern miindenden, bisher beim Kaninchen als Samenblasen betrachteten Driisen tatsichlich keine solchen, sondern ein individualisierter Teil der Urethral- driisen und als solcher den Cowperrschen Driisen am niachsten verwandt. Glandula Cowperis. bulbo-urethralis. Leypie@ (1850) findet die Cowprerschen Driisen des Kaninchens iibereinstimmend mit denen der Ratten und Mause, betont jedoch, daf die ,,letzten secernierenden Bliischen kleiner als bei jenen seien“. LEREBOULLET (1851) beschreibt sie als gelappte, aus kleinen Schliuchen zu- sammengesetzte Driisen, die 2—3 mm unterhalb des Sphincter Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 431 vesicae mit jederseits einem Ausfiihrgang in die Urethra miinden. SCHNEIDEMUHL (1883) rechnet die Driise ,zum Typus der acinésen Organe“. Krause (1884) berichtet iiber den Ausfiihrgang, der- selbe verlaufe eine Strecke weit schrig nach vorn und miinde schrig in den Anfang der Pars cavernosa urethrae ein. Er be- tont, wie SCHNEIDEMUHL, die Anordnung quergestreifter Muskeln um den Ausfiihrgang der Driise. Eine sehr eingehende Beschrei- bung der Driise gibt Stintina (1885). Er stellt fest, daf sich zwischen die Hauptausfiihrginge und die. Ausfiihrginge der ein- zelnen Drisenlappchen blasenfoérmige Erweiterungen des ausfiih- renden Apparates einschalten. Sie sind im oberen Teil mit einem einreihigen, radiargestreiften Epithel ausgekleidet. Der Uebergang zwischen ihnen und den Endstiicken wird wie bei den Speichel- driisen durch besondere Schaltstiicke mit niedrigen, langgestreckten Epithelzellen gebildet. Die Driisenzellen selbst sind pyramiden- formig und enthalten in dem hellen Protoplasma einzelne Kérn- chen oder Andeutungen eines Fadenwerks. Wichtig sind die Ver- anderungen nach der Begattung. Das Lumen der Tubuli ist auf- fallend weit, die Zellen kleiner, mehr von kubischer Gestalt, ihr Protaplasma dunkel und fein granuliert. Helle Acini, wie sie vor der Begattung den Hauptteil der Driise ausmachen, finden sich nirgends, dagegen im Lumen vieler Kanale ein kérniges Sekret. Es folgt hieraus, daf die Driise wihrend des Begattungsaktes in starker Tatigkeit sein muS; doch laft Strtuine die physiologische Bedeutung ihres Sekretes — ob zum Schutze der Spermatozoen gegen Reste des Urins oder in Beziehung zur Erektion (HENLE) — dahingestellt. Beziiglich des gréberen Baues finde ich die Driise aus zahl- reichen, ziemlich weiten Schliuchen zusammengesetzt, die sich allerdings praparatorisch schwer isolieren lassen. Sie sind fast vollig in den Musc. bulbocavernosus ‘eingebettet (Fig. 28 dr.) und machen sich duferlich nur als ovale Hervorragungen an der dor- salen Wand des Bulbus urethrae bemerkbar (Fig. 2 gl. cowp). Keineswegs bilden sie so wohl isolierte, mit langem Ausfihrgang versehene Driisenkérper wie bei den Mausen. Im Gegensatz zu den genannten Autoren fand ich, vermittelst einer Schnittserie, die Cowperschen Driisen nicht mit jederseits einem, sondern mit 3 Ausfiihrungsgingen in die Pars bulbosa urethrae einmiinden (Fig. 28 I, I, III). Diese Ausfiihrungsginge veristeln sich distal von ihrer Ausmiindungsstelle. Sie besitzen ein zweischichtiges Epithel, ebenso wie die der paraprostatischen Driisen. Genau wie dort 432 Max Rauther, sind auch sie umgeben von dichten Massen eng aneinander gedrangter Driisentubuli. Dieselben besitzen gleichen Bau wie die oben be- schriebenen; um ein enges Lumen schliefen sich grofe, helle, cylin- drische bis pyramidenformige Zellen zu kleinen Tubuli zusammen, zwischen denen sich weniges Bindegewebe findet. Die Zellen dieser Endstiicke zeigen ein helles, feinkérniges Protoplasma, in dem gréBere und kleinere Sekrettrépfchen suspendiert sind. Kerne oval bis kreisrund, mit deutlichem Nucleolus. Zwischen diesen englumigen Tubuli finden sich weitere Sekretréhren, deren kubi- sches Epithel im Querschnitt die radiare Streifung zeigt. Sie miinden mit weiter Oeffnung in die zentralen Hohlraume, die die Driise durchziehen. Wie Lrypic, finde auch ich die Endstiicke bedeutend kleiner als bei Mus und Cavia. Was die embryonale Ent wickel ung der CowpeErschen Driise betrifft, so fand ich bei einem 5 cm langen Embryo etwas ober- halb der Enden der Corpora cavernosa, kurz tibereinander, 3 paarige Einwucherungen des Urethralepithels. Sie stellen simtlich solide Zapfen dar, das mittlere Paar zeigte die gréfte Ausdehnung. Ein 61/, cm langer Embryo zeigte dieselben Verhaltnisse. Die mittlere Anlage stellte hier bereits einen langen, gewundenen, von einer kraftigen Muskelhiille umgebenen Strang dar. Merkwiirdigerweise fand ich bei einem neugeborenen Kaninchen fiir die Hauptmasse der Driise nur einen Ausfiihrungsgang, darunter noch einen, weniger entwickelten Blindschlauch. Es méchte also fast scheinen, als unterliege die Zahl der Ausfiihrginge individuellen Schwankungen. Hervorzuheben ist, da8 die Cowprersche Driise des Neugeborenen von der definitiven Ausbildung noch weit entfernt war. Von den die weiten Divertikel umgebenden Massen secernierender Tubuli ist noch nichts bemerkbar, Die Driise kann also auf diesem Stadium unméglich schon funktionsfaihig sein. Aus allen diesen Angaben geht jedenfalls hervor, daf die Cowpersche Driise des Kaninchens sich auf einem sehr primitiven Stadium der Ausbildung befindet. Sie stellt tatsichlich weiter nichts dar als eine lokale Anhaiufung sog. Urethraldriisen um besondere Divertikel der Urethra; v. MraAuKovics bezeichnet sie darum auf seiner Abbildung mit Recht einfach als Gl. urethralis. — Die wichtigsten Unterschiede gegeniiber der Ausbildung der Cowrerschen Driisen bei Mus und Cavia sind folgende: 1) ihre tiefe Einlagerung in den M. bulbocavernosus; 2) die kleinere, mehr dem Typus der Urethraldriisen s. str. entsprechende Aus- bildung der Tubuli; 3) die mehrfachen Ausfiihrungsginge (3), die Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 433 iibrigens ungewoéhnlich hoch in der Pars bulbosa urethrae aus- miinden; 4) ihre mehrfache embryonale Anlage. Aus letzteren beiden Griinden kénnte man an einen direkten Anschlu8 an die Marsupialier denken, wo sich 3 Cowrerrsche Driisenpaare am unteren Ende des Bulbus urethrae finden. Die groBe Aehnlichkeit mit den Urethraldriisen, die tiefe EKinbettung in den M. bulbo- cavernosus erinnert dagegen an die entschieden primitivsten Ver- haltnisse beim Igel, wo die sog. Cowrersche Driise, ganz inner- halb des M. bulbocavernosus gelegen, mit sehr zahlreichen Oeff- nungen in die Urethra miindet. Vorhautdriisen, Gl. praeputiales. Als _ Praputial- driise wird oft falschlich die braune Inguinaldriise aufgefaft. Krause (1884) beschreibt die letztere als ,,G]. praeputialis s. in- guinalis“. Diese ist jedoch den Praputialdriisen anderer Nager nicht homolog. Die wirklichen Vorhautdriisen des Kaninchens finden sich zuerst erwihnt bei LEREBOULLET (1844), der sie auch auf seiner Abbildung der Geschlechtsorgane des Kaninchens mar- kiert. ,,Le prépuce qui entoure le gland est garni, tout autour de son orifice, de trés petites glandes sébacées connues sous le nom de glandes préputiales.“ DisseLHorsT (1897) beschrankt sich auf die Wiedergabe des Befundes von LEREBOULLET. Ich finde die Praputialdriisen beim Mannchen in grofer An- zahl in das Bindegewebe der Vorhautfalte eingebettet. Sie be- sitzen den Bau typischer Talgdriisen, doch von betrachtlich ver- gréferten Dimensionen. Sie stellen in ihrer Gesamtheit keine geschlossene Driisenmasse mit besonderem Ausfihrgang dar, wie bei den Mausen, weisen vielmehr einen elementareren Typus der Ausbildung auf. Denn jedes Driisenbiischel entsteht hier im engen Anschluf an einen zugehérigen Haarbalg. Dementsprechend miin- den sie zerstreut auf der Oberfliche der Vorhaut aus. Auffallend ist die starke Erweiterung, welche die Haarbilge in ihrem vor- deren Teil erfahren haben. Es ist dadurch ein weitlumiges, bindegewebiges Geriistwerk, ahnlich wie bei den Mausen, ent- standen, dessen Hohlraume wahrscheinlich der Bergung des Sekrets dienen. — In den Acini finden sich Zellen in allen Stadien, vom unversehrten Zustande bis zur fettigen Degeneration. In den Hohlriumen fanden sich Reste von Sekret in Form farbloser Fasern und Flocken. Die Anlage der Praputialdriisen entspricht ihrer Natur als vergrokerte Talgdriisen. Bei einem 5 cm langen Embryo zeigten sich auf dem Praeputium zahlreiche, weiter als die tibrigen ent- 434 Max Rauther, wickelte Haaranlagen; die Haarbalgdriisen waren noch nicht an- gelegt. Beim Neugeborenen finden sie sich wohlausgebildet, wenngleich noch entsprechend kleiner als beim erwachsenen Tier und ohne die merkwiirdige Erweiterung der Haarbalge. Inguinaldritisen. Jon. Mutter fand in der Inguinal- region der Leporiden bei beiden Geschlechtern zusammengesetzte Driisenfollikel von 5 Linien Linge und geringerer Breite (Driisen- werk, 1830, p. 43). Das iibelriechende Sekret ergieSt sich durch eine einzige Oeffnung in eine haarlose Hautfalte zur Seite des Penis resp. der Clitoris (Fig. 2 gl. i.¢). Leypia (1850, p. 32) halt die von Haaren freien Hautstellen, die sich beim Hasen und Kaninchen jederseits neben dem Penis finden, fiir homolog den Analsicken der Carnivoren. Er findet sie mit einem Ober- hautchen ausgekleidet (von gleicher Beschaffenheit wie die Epi- dermis der Analsicke); unter diesen findet er ,eine kontinuier- liche Lage runder Zellen, hierauf Bindegewebe, Kernfasern und Balken glatter Muskeln“*. Am Grunde dieser Falte finden sich hier wie dort ,zwei ganz verschiedene Arten von Driisen, deren Sekret sich an der haarlosen Stelle vermischt, und zwar sind es in der Regel 2, hier und da noch mehrere weilgelbliche rundliche Driisen, deren jede mit einem einfachen Ausfiihrgang miindet. Sie erweisen sich mikroskopisch als ungeheuer entwickelte Talg- driisen.“ Es bestehen aber Unterschiede hinsichtlich des produ- zierten Sekrets derart, daf’ die eine mehr gelbliche Driise (B) ein feinkérniges, erst spiter gréBere Fetttropfen bildendes Sekret, die weile (Leypies Fig. 25 A, auf Taf. III seiner Abhandlung) ein ,,gleich bei seinem ersten Auftreten in den Zellen grobkérniges Sekret liefert‘*. In letzterer fand sich auch meist ein Haarbiischel. Auer diesen beiden beschreibt Leypi@ noch eine zolllange, gelb- liche bis tiefbraune Driise (C) von gelapptem Bau. Die einzelnen Lappchen fanden sich zusammengesetzt aus langen, verzweigten Schliuchen; die Driise besitzt zahlreiche kleine Ausfiihrgange. Das cylindrische Epitel der Tubuli enthielt stark gefairbte kleine Fettkiigelchen, von denen sich gréfere auch im Lumen der Schlauche fanden. DISSELHORST reproduziert eine Abbildung von St. ANGE, welche nur die letztbeschriebene Driise (Leypias (), nicht aber die beiden vorerwihnten wiedergiebt. Im Text behandelt dieser Autor nur 2 Driisen, eine ventrale dunkelbraune und eine dorsal von dieser gelegene hell gefiirbte Driise. Dabei widerfaihrt es ihm allerdings, dali er diese letztere, dem Rectum anliegende Driise Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 435 (Leypias C), augenscheinlich mit Leypias A + B verwechselt, da er einerseits die Angabe Lrypics, da8 es sich um sehr vergréferte Talgdriisen handle, zuriickweisen zu miissen glaubt, anderer- seits sich auch dariiber verwundert, dafi es ihm nicht méglich war, an dieser Driise die von Lrynpia fiir A und B beschriebene Verschiedenheit des Sekrets zu beobachten. Hingegen verweist DisseLHoRS?T gelegentlich seiner Beschreibung der ventralen, dem Penis seitlich anliegenden braunen Driise, die tatsachlich Leypies B entspricht, auf Leypias Fig. 28, Taf. III, die sich gar nicht auf diese, sondern auf die dorsale Driise C bezieht. Die Driise A Leypigs scheint DissELHORST also tibersehen oder vergeblich als einen Teil von C gesucht zu haben. Ich habe Lage und Bau der fraglichen Driisen durch makro- skopische Praparation und auf Schnitten untersucht und kam da- bei zu folgenden Resultaten : Jederseits neben dem Penis senkt sich zwischen diesem und dem Rectum eine unbehaarte, von runzeliger Haut ausgekleidete Tasche ein, die ein gelbliches, stark riechendes Sekret birgt. Die Epidermis ist in dieser Falte stark verdickt, ihre oberen verhornten Schichten bilden die gefaserte Cuticula, deren schon Lreypia Er- wahnung tut. Um jede dieser seitlichen Hauttaschen, deren blinde Enden sich zwischen Penis und Enddarm fast beriihren, gruppieren sich je 3 Driisen, die ich, nach Leypies Vorgang und mit seiner Zeichnung tibereinstimmend, auf meinen Figuren (Fig. 2 und 30 als A /gl.i. s/, B [gl. 2. t] und C [gl. an] bezeichnet habe. Die Driise 6 (GI. inguinalis tubulosa) liegt zwischen der Hautfalte und dem Penis. Ich fand sie von ziemlich dunkler, brauner Farbung und ovaler, an beiden Enden zugespitzter Gestalt. Sie ergiefit ihr Sekret, das durch einen intensiven Geruch ausgezeichnet ist, durch einen einzigen Ausfiihrgang in die erwihnte halbmond- formige Falte (wie schon Cuvier angibt). Die Driise (Fig. 31) besitzt einen tubulésen Bau; sie wird von einer diinnen Bindegewebshiille umkleidet, sparliches Binde- gewebe findet sich auch zwischen den Tubuli. Letztere besitzen ein mifig hohes Cylinderepithel; die Zellen zeigen ein meist fein- kérniges, dunkel tingiertes Protoplasma, das in manchen Teilen der Driisen durch gréfere oder kleinere Sekreteinschliisse auf- gehellt ist. Die Zellen sind nach dem [Lumen hin scharf be- grenzt. Das Sekret findet sich im Lumen vieler Tubuli in Gestalt gréferer und kleinerer Tropfen. Die runden Kerne mit deutlichem 436 Max Rauther, Nucleolus liegen meist in der Basis der Zellen. Doch beobachtete ich sehr zahlreiche in Teilung begriffene Kerne, die sich dann meist im zentralen (dem Lumen zugekehrten) Teil der Zelle vor- fanden. Meist stand die Kernspindel senkrecht zur Langsachse der Cylinderzellen, die neuen Kerne riickten dann in tangentialer Richtung auseinander. Ausnahmsweise sah ich die Aequatorial- platte senkrecht zur Langsachse der betreffenden Zelle gestellt. Die Entwickelung dieser Driise scheint sehr frih zu _be- ginnen. Bei einem 5 cm langen Embryo fand ich, von der In- guinalfalte ausgehend, mehrere solide zapfenformige Einwucherungen der Epidermis, die sich bis ins Bindegewebe erstreckten und hier auch schon zum Teil ein deutliches Lumen erkennen liefen. Da- selbst fanden sich auch sehr zahlreiche Kernteilungsfiguren. Ein Embryo von 61/, cm Lange zeigte den definitiven Bau der Driise schon deutlicher; sie war bereits von ansehnlicher Groéfe (Fig. 30 gl. i. t.), zerfallt in mehrere durch Bindegewebe getrennte Lappen und miindet mit einem einzigen Ausfiihrgang in die Inguinalfalte. Die aufgekniuelten Driisenschliuche zeigen ein einschichtiges Epi- thel mit kubischen Zellen, die ein mehr oder minder weites Lumen freilassen. Die Zellen besitzen einen grofen, bliaschenformigen Kern. Spuren von sekretorischer Titigkeit vermochte ich noch nicht wahrzunehmen. — Die Entstehung dieser Driisen aus modi- fizierten Schweifdriisen ist mir nach Bau und Entwickelung sehr wahrscheinlich. Die Driise A (Gl. inguinalis sebacea) findet sich als kleine weifliche Driisenmasse am oberen Ende der Driise B, dieser dicht anliegend (Fig. 2 gl. ing. s.). Sie ist die weifliche Driise LeyoviGs, die, wie er angibt, von vornherein ein grobkérniges Sekret liefert. Diese Driise besitzt alle Eigenschaften einer echten Talg- driise. Ich fand, wie Lrypia, im Ausfiihrgang derselben ein Biischel feiner farbloser Hirchen, von denen einige bis in ihre isolierten Follikel zu verfolgen waren. Letztere verschmolzen im oberen Teil; an der Verschmelzungsstelle finden sich die Ein- miindungen der michtig entwickelten Driisenacini. Die Zellen der letzteren schlieSen sich dicht und ohne Lumen aneinander. Sie zeigen ein durch suspendierte Sekrettropfen grob alveolar er- scheinendes Protoplasma; in einem weiteren Stadium der sekre- torischen Metamorphose zeigen sie sich von hellem Sekret auf- getrieben; endlich finden sie sich in dichtgedriingten Massen, als kernlose, helle Blischen in den Ausfiihrgingen. Der Haupt- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 437 ausfiihrgang, morphologisch also einem resp. mehreren verschmol- zenen Haarbalgen entsprechend, ist wie die inguinale Falte, in die er miindet, von einer hornigen Cuticula ausgekleidet. Der Habitus dieser Driise ist dem der Praputialdriise sehr ahnlich, so da8 man sie méglicherweise fiir Abkémmlinge der letzteren halten kénnte. BraurEGARD (1892) betont die Herkunft der sog. ,glandes 4 parfum“ (Inguinaldriisen) vom Praeputium. Die Driisen A und B sind es allein, die Leypie fir ,,un- geheuer entwickelte Talgdriisen“ erklart. R. WAGNER (1834, p. 288), Cuvier (1846) und Krause (1884) halten sie den Praputial- driisen fiir sehr analog. Krause betrachtet die weifen Driisen (A) als groBe Talgdriisen, die Tubuli des braunen Teiles dagegen als modifizierte Schweifdriisen, eine Ansicht, der ich mich auf Grund meiner Befunde anschliefen muB8te. Die entsprechenden Driisen liefern nach Krauser beim Biber das Castoreum. Analdriisen, Gl. anales. Die von Lrypig mit C be- zeichnete Driise glaube ich, mit Krauss, als eigentliche Anal- driise betrachten und scharf von den eben beschriebenen Inguinal- driisen sondern zu miissen. Ihre Aufgabe steht vermutlich in gar keiner Beziehung zur Geschlechtstatigkeit, sondern, wie KRAUSE angibt, nur zu dem Geschaft der Kotentleerung. In betreff des Bibers macht schon Jon. Mitre darauf aufmerksam, dafi man die grofen, sackférmigen Analdriisen wohl von den Bibergeildriisen zu unterscheiden habe. Letzteren sind beim Kaninchen die sog. Inguinaldriisen homolog; die Analdriisen finden sich auch hier als zwei sackférmige, von einer kraftigen Hille aus quergestreiften Muskelfasern umbhiillte Koérper, die jederseits dem Rectum an- liegen, kurz vor dem After jedoch auf dessen ventraler Seite an- einander stofen. Von der Muskelhiille befreit, zeigt die Driisen- masse einen gelappten Bau; sie ist von lichtbrauner Farbung. Die gréferen Driisenlappen sind durch Muskelstriinge, die kleineren durch Bindegewebsziige getrennt. Man findet sie zusammengesetzt aus 4uferst zahlreichen, stark gewundenen veristelten Driisen- tubuli, zwischen die sich sparliches Bindegewebe einschiebt. Die Driise miindet, wie schon Leypie@ angibt, mit zahlreichen, kleinen, schwer sichtbar zu machenden Oeffnungen an die Hautoberflache. Die Tubuli besitzen ein ziemlich hohes, einschichtiges Cylinder- epithel. Der Kern liegt gewéhnlich in der Basis der Zellen. Das bla& gefairbte Protoplasma zeigt eine grobkérnige Struktur, her- vyorgerufen durch zahlreiche in demselben’ suspendierte gréfere und kleinere Sekrettrépfchen. In der Umgebung des Kernes scheinen 438 Max Rauther, diese zu gréBeren, hellen Vakuolen zusammenzufliefen; die in der Zelle aufgespeicherte Sekretmenge kann so sehr zunehmen, daf einzelne von der hellen, stark lichtbrechenden Fliissigkeit sehr stark blaschenférmig aufgetrieben erscheinen. DIsSELHORST, der auch solche Zellen beobachtete, gibt an, daf sie zur Richtung der normalen Epithelzellen senkrecht standen. Ich fand sie in gleicher Reihe mit den Epithelzellen, nur iibertrafen sie diese bisweilen an Breite. Eher scheint diese Orientierung fiir gewisse Zellen zu gelten, die ich nach einwirts aus dem Epithel herausgeriickt und demselben flach anliegend fand (Fig. 32). Dieselben zeigten stets Kernteilungsfiguren. — Das nicht sehr reichlich in den Schlauchen sich findende Sekret besteht aus blassen Fettkiigelchen; zellige Reste scheint es nicht zu enthalten. Entwickelung. Bei einem Embryo von 5 cm Lange stellen die Anlagen der Analdriisen meist solide Epidermisein- wucherungen, teils aber schon verzweigte Tubuli mit deutlichem Lumen dar. Bei Embryonen von 61/, cm Lange fanden sie sich schon weit entwickelt, im Habitus dem braunen Teil der Inguinal- driisen ahnlich (Fig. 30 gl. an). Sie besitzen, wie diese, ein ein- schichtiges kubisches Epithel. Ob auch fiir die Analdriisen die Ableitung von Schweifidriisen zuliassig ist, konnte ich nicht sicher entscheiden; doch halte ich es fiir sehr wahrscheinlich, Erinaceus europaeus, Igel. Die accessorischen Genitaldriisen des miannlichen Igels sind, nach Lage, Gestalt und feinerer Struktur, schon seit langer Zeit ziemlich gut bekannt. Doch findet sich, besonders in der alteren Literatur, eine iiberraschende Unklarheit tiber den morphologischen Charakter der einzelnen driisigen Organe. Demzufolge findet man dieselben bei den Autoren unter den verschiedensten Bezeichnungen aufgefiihrt. Schon den ialteren Untersuchern waren die grofen Pakete gewundener Schliuche, die der Harnblase riickwirtig an- liegen (Fig. 5 und 6) aufgefallen, ebenso waren das obere und untere Paar von Biindeln kurzer paralleler Blindschliuche, die dem Bulbus urethrae oben und in der Mitte ansitzen (Fig. 5 und 6), oft beschrieben und abgebildet worden. Von allen Autoren vor Leypig (1850) wurde das unterste der erwihnten Driisenpaare als Gl. Cowperi aufgefaft (Jon. MULLER, 1830; R. Wagner, 1834; C. G. Carus, 1840; M. Szrupert, 1841; Cuvier, 1846). Beziiglich Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 439 der oberen Driisenmasse gingen die Meinungen sehr auseinander. Jon. MULLER, Carus, SEUBERT u. a. betrachten das vor dem Hals der Harnblase gelegene Driisenpaar (Fig. 5 gl. prost. IZ) als Prostata; Cuvier nennt auferdem auch die grofe hintere Driisen- masse ebenso. G. R. Treviranus (1839) dagegen bezeichnet alle drei Driisenmassen als Samenblasen (obere, mittlere und untere §.). Von Wichtigkeit war die Entdeckung Leypias (1850), daf innerhalb des Musc. bulbourethralis, zwischen diesem und dem Epithel der Urethra, eine ansehnliche Driisenmasse eingelagert ist, die von den friiheren Autoren tibersehen worden war. LrypiG erkannte sie, ihrem histologischen Bau nach, als den Glandulae Cowperi homolog und wies nach, daf das bisher fiir eine solche gehaltene Driisenpaar (Fig. 5, 6 gl. prost. ITI) nicht nur (wie schon Cuvier [1846, p. 172] bemerkt hatte) im Bau grofe Aehn- lichkeit mit der Prostata habe, sondern mit vollem Recht zu diesem Driisentypus zu rechnen sei. Er unterschied demnach, aufer den Gl. Cowperi, beim Igel ein oberes und ein unteres Paar prostati- scher Driisen und trennte davon die hinter der Harnblase ge- legenen Driisenmassen als Samenblasen. Leypias Nomenklatur wurde von den meisten neueren Autoren tibernommen. OUDEMANS (1892) und entsprechend DisseLHorstr (1897) gebrauchen statt der schon lange als irrtiimlich erkannten Bezeichnung Vesiculae seminales den Namen Gl. vesiculares. Nach meinen Befunden sind sie jedoch den von OvupEMANS als Gl. vesiculares bezeichneten Gebilden der iibrigen Sauger nicht homolog; ich beschreibe sie als Prostata I (Fig. 5 und 6 gl. prost. I). Zur Morphologie des Canalis urogenitalis. Die Einmiindungsweise der Vasa deferentia und der accessorischen Driisen in den Urogenitalkanal ist beim Igel eine so merkwiirdige, da dieser Punkt wohl einer besonderen kurzen Erérterung be- darf. Bei dieser Gelegenheit miissen wir auch zu dem Versuch einiger Forscher, gewisse Teile des mannlichen Genitalapparates der Insektivoren mit solchen des weiblichen zu homologisieren, Stellung nehmen. — Leuckart (1847, p. 253 ff.) beschrieb als Vagina masculina des Igels einen selbstindig am oberen Ende der Harnréhre beginnenden, von dieser durch eine quere Scheidewand getrennten ,,ansehnlichen, héhlenférmigen Raum, der blind ge- endigt ist und nach unten sich verengt‘. Die Harnrdhre lauft vor demselben eine Strecke weit parallel abwirts und miindet endlich mit einer die Scheidewand durchbrechenden Langsspalte 440 Max Rauther, in die ,,Vagina masculina“. Weiter oben als die Oeffnung der Urethra finden sich auf der ventralen Wand der Vagina zunachst die beiden Miindungen der Samenleiter, dariiber jederseits auf einer vorspringenden Papille die 3—4 Oeffnungen der Prostata (1), zu oberst endlich jederseits eine Oeffnung der Prostata III (von Leuckart als Gl. Cowp. bezeichnet). OupEmans (1892) stellte die Ausmiindungsstellen der Driisen vermittelst einer Schnittserie +) genauer fest; er fand, von den Ausfiihrgingen der Gl. Cowperi abgesehen, auf und neben dem Verumontanum 15 Oeffnungen. Zu unterst median die der Urethra, dariiber die seiner ,,oberen Prostata“, die von LeucKarT iibersehen wurden, nachstdem die Miindungen der Vasa deferentia, darauf links 3, rechts 4 Oeff- uungen seiner Gl. vesiculares (von LeucKart fiir die der Prostata gehalten); endlich ganz oben: rechts eine, links 2 Oeffnungen der unteren Prostata (I1]). Wie Oupremans, so schlieft sich auch DisSELHORST (1897) der Ansicht Leuckarts an, daf die blind- sackartige proximale Verlingerung des Urogenitalkanales, welche alle die aufgezihlten Kanale aufnimmt, als Rudiment einer mann- lichen Vagina aufzufassen sei. Leuckart fiihrte fiir seine Auf- fassung an, dai dieser Blindsack durch die Einmiindung der Vasa deferentia (Woxtrrsche Ginge) und der ,,Cowrerschen Driisen* als Vagina (masculina) charakterisiert sei. Da aber wahrscheinlich auch beim Igel die Woxurrschen Ginge unabhingig von den Miuuerschen Gingen, die doch nur einer eigentlichen Vagina den Ursprung geben kénnten, in den Canalis (resp. Sinus) urogenitalis miinden, und da ferner LEucKART das unterste Prostatapaar irr- tiimlich fiir eine Cowprrsche Driise pahm, so werden diese Argu- mente hinfallig. Neue, welche dafiir sprechen, daf dieser Blind- sack ein Rudiment der Miiuerschen Ginge, also ein wirkliches Gegenstiick einer Vagina sei, sind, soweit mir bekannt, nicht bei- gebracht worden. Ich sehe auch, nach dem anatomischen Befund, keine Veranlassung, den beschriebenen Blindsack fiir etwas anderes als einen Teil des Canalis urogenitalis zu halten, dessen gerade Fortsetzung er bildet. An der ventralen Wand des Canalis urogenitalis finde ich eine langliche Hervorragung, auf welcher zu unterst die Urethra, kurz 1) Ovprmans gibt eine Reihe von Querschnittbildern und mehrere schematische Abbildungen, so daf ich, da meine Befunde sich im wesentlichen mit den seinigen decken, auf eine bildliche Darstellung der betreffenden Verhaltnisse verzichten zu diirfen glaube. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 441 dariiber die Ausfiihrungsginge der Prostata II, dann, am meisten median, die Vasa deferentia und seitlich von diesen die Aus- fiihrungsgiinge (jederseits 4) der Prostata I ausmiinden. Zu oberst endlich miindet mit jederseits einer Oeffnung die Prostata III. Die Reihenfolge stimmt mit den Befunden von OupEMANS voll- kommen iiberein; nur kann ich das merkwiirdige Verhalten nicht bestatigen, dai die Prostata III rechts mit einem, links mit 2, die Prostata I entsprechend links mit 3, rechts mit 4 Oeffnungen ausmiinde. Ich méchte die ganze quere Scheidewand, die den Blindsack von der Urethra s. str. trennt, fiir homolog dem Colliculus semi- nalis halten. Vermutlich haben wir es bei den Insektivoren mit primitiveren Verhaltnissen zu tun als bei den iibrigen Saugern, indem hier die Trennung von Canalis urogenitalis und Urethra s. str. am schirfsten ausgepragt ist. Angaben tiber diese Verhalt- nisse bei den Marsupialiern waren mir nicht zuginglich. Prostata, Gl. prostatica (inkl. Gl. vesiculares OupEMANS). (Der Samenleiter scheint bei allen Insektivoren weder eine driisige Ampulle, noch Samenleiterblasen zu besitzen. Ob auch beim Igel, wie beim Maulwurf, der Nebenhoden eine hervorragende sekretorische Rolle spielt, habe ich nicht untersucht.) Die sog. Samenblasen oder Gl. vesiculares miinden, wie schon LEUCKART (1847) und OupEemAns (1892) iibereinstimmend angeben, und wie auch ich bestatigen kann, getrennt vom Vas deferens, oberhalb desselben mit mehreren Oeffnungen in den Canalis urogenitalis. Ihrem Bau nach wiiSte ich sie auch mit den Samenleiterblasen keines zweiten Sdugetieres zu vergleichen. Mit dem Vorbehalt, daf nicht eine entwickelungsgeschichtliche Untersuchung, zu der mir gegenwartig kein Material zur Verfiigung steht, wider Er- warten das Gegenteil lehrt, halte ich diese sog. Samenblasen also fiir keine dem Samenleiter zugehérigen Driisen, sondern fir Driisenanhinge des Urogenitalkanales, wie die Prostata. Ich be- zeichne sie infolgedessen als Prostata I, die beiden von Leypie als obere und untere Prostata bezeichneten Driisenpaare als Prostata II und III. Prostata I (Vesiculae seminales autorum, Gl. vesiculares OupEemANsS). Schon Pr&vost und Dumas (1824) hatten festgestellt, dafi dies Organ der Absonderung eines spezifischen Sekretes, nicht der Aufspeicherung des Samens diene. Demgegentiber bemerkt TREVIRANUS (1839), da& er im August im Saft der sog. Samen- blase lebende Spermatozoen gefunden habe, was aber LEypDIG Bd, XXXVIII. N. F. XXXI. 29 442 Max Rauther, (1850) geradezu fiir Tauschung erklart. Lrypia vermeidet den Namen ,,Samenblase“ ganz und beschreibt das betreffende Organ als ein Paket gewundener und verastelter Driisenschlauche, deren jeder mit eigener Ringmuskelschicht versehen ist. Die ganze Driisenmasse fand er in eine bindegewebige Hiille eingeschlossen, die aber, besonders gegen die Ausfiihrginge hin, reich an glatten Muskeln ist. Auch OupEmANS (1892) erklart die Driisenschlaiuche fiir verastelt. Dagegen betont DissELHORST (1897), daf die Tu- buli sich nie verzweigen; auch bestreitet er die Anwesenheit mus- kuléser Elemente in der die Driisen einschlieSenden bindegewebigen Kapsel. — Das Driisenepithel wird von den Autoren, je nach dem Zustande, in dem sich die zur Untersuchung verwendeten Tiere befunden hatten, bald als niedrig und glatt, bald als in Biischeln iiber der in regelmafigen Falten erhobenen Propria angeordnet (zur Brunstzeit) beschrieben. Die Driisenpakete, aus langen, geschlangelten, sich nach oben hin verjiingenden Schliuchen bestehend, lassen sich jederseits in mehrere (4) kleinere Biindel sondern. Sie sind von einer ge- meinsamen bindegewebigen Hiille umgeben, die mir zahlreiche glatte Muskelfasern zu enthalten schien. Bei Tieren auf der Hohe der Geschlechtstatigkeit sind die Tubuli ziemlich weit; sie besitzen eine ziemlich diinne Muskel- schicht aus meist zirkulir verlaufenden Fasern. Das Epithel steht auf einer deutlichen Propria, die Zellen sind hoch-cylinderférmig, die Kerne lang-oval; das Protoplasma zeigt sich meist grob granuliert, besonders im nach innen gekehrten Teil von Sekret- trépfchen durchsetzt. Der innere Rand der Zellen war oft auf- gefasert oder lappig. Bisweilen scheinen Zellen bei dem Ab- sonderungsprozeB mit zu Grunde zu gehen. Im untersten Teil der Tubuli ist das Cylinderepithel niedrig, die Zellgrenzen sind undeutlich, die Kerne kreisrund. Bei einem im September getéteten Tiere war das Epithel der Tubuli niedrig, die Zellen klein, kubisch, fast ganz von dem grofen kreisrunden Kern ausgefiillt. Das Lumen der Schliuche war eng, die Muskelhiille entsprechend dicker. Das Sekret fand sich bei ersterem Tier in Form yon viel- eckigen, blassen, fast hyalinen Ballen. Oft sieht man den Epithel- zellen hyaline Trépfechen anhaften (wie in der Prostata yon Lepus). Camus und Giey (1899) finden, da’ das Sekret dieser Driise (bei ihnen ,,vésicule seminale‘‘) unter der Einwirkung geringer Mengen des Sekrets des Prostata IL gerinnt. Sie betrachten diesen Vor- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 445, gang (analog der Koagulierung des Samenleiterblasensekrets durch das der Prostata beim Meerschweiuchen) als die Wirkung eines im Prostatasekret enthaltenen Ferments. Es scheint also, als ob die Prostata I des Igels, wenn auch nicht morphologisch, so doch funktionell den Samenleiterblasen der Nager entspricht. Von der Bildung eines Vaginalpfropfes bei Insektivoren ist mir allerdings nichts bekannt geworden. Prostata II und III. Die Driisen miinden mit je einem Ausfiihrgang in die Urethra. Sie bestehen aus Biischeln von kleineren, wenig gekriimmten, parallel oder facherformig angeord- neten Driisenblindschlauchen. Das obere Paar (II) liegt unmittel- bar dem Blasenhals an; das untere (III) liegt bei geschlechts- reifen Tieren auferhalb des Beckens an der Stelle, wo man bei anderen Tieren die Cowrerschen Driisen zu finden pflegt. Im Bau stimmen beide Driisenpaare iiberein. Die Tubuli besitzen wiederum eine zirkulare glatte Muskelschicht. Das Epithel springt in tief einragenden Leisten ins Lumen vor. DisseLHorstT (1897) und WALKER (1899) finden die Wand von einem Geflecht glatter Muskelfasern durchsetzt. Gré8ere Gruppen von Schlauchen sind wiederum von gemeinsamen breiten Muskelziigen umfaft. D1sse.- HORST findet das Driisenepithel zweischichtig, aus einer inneren Lage hoher, schmaler und einer duferen niedriger Zellen be- stehend. WALKER beschreibt nur cylindrische Zellen mit grob granuliertem Protoplasma und unregelmafigem, nicht deutlich be- grenztem freien Rand. Im untersten Prostatapaar (III) findet DisseLHorst Herde lymphadenoiden Gewebes; auch findet er dort héhere Cylinderzellen. Im Ausfiihrgang beobachtet er ein 6—T- schichtiges Epithel, dessen Zellen Quellungserscheinungen zeigen und sich massenhaft loslésen. Er vergleicht diesen Vorgang mit analogen Erscheinungen in den Afterdriisen des Maulwurfs und der Ratte. Ich finde bei einem im Juni getéteten Tier ein einreihiges Epithel, das in schmalen Falten ins Lumen vorspringt. Zwischen den schmalen Cylinderzellen mit dunkel gekérneltem Protoplasma finden sich blasig aufgetriebene. Das intertubulare Gewebe ist spirlich, da die Tubuli einander mit den Muskelhiillen fast be- rihren. AuSerhalb der Brunstzeit finde ich die Tubuli enger, waihrend die Muskulatur derselben entsprechend dicker erscheint. Um eine innerste dichtgedringte Kernlage. gruppiert sich eine Masse heller polygonaler Zellen, wodurch das Epithel ein mehr- schichtiges Aussehen gewinnt. Breite, gréfere Gruppen von 29 * 444 Max Rauther, Blindschlauchen umfassende Muskelziige beobachtete ich nicht. Die ganze Driise fand ich in eine bindegewebige Hille einge- schlossen. — Von dem eigentiimlichen Sekretionsvorgang, den Dis- SELHORST aus dem Hauptausfiihrgang des untersten Driisenpaares beschreibt, vermochte ich mich nicht zu tiberzeugen. Das Sekret bestand aus stark lichtbrechenden, in Orange sich intensiv farben- den Kérnchen, zwischen denen sich allerdings zahlreiche, in Hamatoxylin noch ziemlich dunkel gefarbte Kerne fanden. Wie wir gesehen haben, sind die Unterschiede im Bau der verschiedenen Teile der Prostata nicht sehr bedeutende. Daf zwischen der Prostata I einerseits und der Prostata II und III andererseits funktionelle Verschiedenheiten bestehen, ist nichts- destoweniger wahrscheinlich. CowPpeErsche Driise (Gl. Cowperi s. bulbo-urethra- lis). Wie oben erwahnt, wurde vor Lrypias Entdeckung der wahren Gl. Cowperi (1850) meist das unterste Prostatapaar (IID, das ja ebenfalls dem Bulbus urethrae anzusitzen scheint, falsch- lich fiir die Cowrrrschen Driisen gehalten. Leypre fand dieselben als ,,schmale, rétlich-gelbe, dicht beisammen liegende Kérper‘‘t, das untere vordere Ende des muskulésen Teiles der Harnréhre ein- nehmend und unmittelbar in das Biindel des M. urethralis ein- gebettet. Die secernierenden Elemente der Driise beschreibt Leypic als ,rundliche Blischen“; zwischen ihnen ziehen sich Balken glatter Muskulatur hin. OvprEmAns (1892) stellte fest, da’ die Gl. Cowperi mit zahlreichen Oeffnungen in die Urethra miinden. DissELHORST (1897) bemerkt mit Recht, da nach der von OuDE- MANS eingefiihrten Nomenkiatur diese Driisen wegen ihrer Lage innerhalb des M. urethralis konsequent als Urethraldriisen be- zeichnet werden miiften. Auf die zwischen den Gl. urethrales und den Gl. Cowperi bestehenden Beziehungen wurde schon ge- legentlich der Beschreibung dieser Driisen bei den Nagern mehr- fach aufmerksam gemacht. Wenngleich wir die Cowprrschen Driisen beim Igel nicht in der typischen Form — mit langerem Ausfiihrgang und selbstandiger quergestreifter Muskelhiille — son- dern noch in einem sehr primitiven, an die Urethraldriisen der Mause erinnernden Ausbildungszustande antretien, so kénnen wir ihnen den an sich véllig zutreffenden Namen Gl. bulbo-urethrales (= Gl. Cowperi) doch nicht vorenthalten. Die Cowperschen Driisen sind eine Driisenmasse von ovalem Querschnitt, der sich jederseits unter dem M. urethralis vom Crus penis bis zur Einmiindungsstelle der Urethra s. str. erstreckt. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 445 Ueber den feineren Bau derselben findet sich das Wichtigste bei DisseLuorst (1897). Ich kann noch hinzufiigen, daf die Aus- fiihrungsginge wie gewohnlich lakuniar erweitert erscheinen. Sie sind von einem zweischichtigen Epithel, mit einer inneren Lage von cylinderférmigen und einer duferen von kubischen Zellen aus- gekleidet. Deutliche Schaltstiicke und Sekretréhren vermochte ich nicht zu konstatieren. Die Endstiicke sind, ahnlich wie beim Kaninchen, von sehr geringer Gréfe. Sie scheinen mir meist von tubulésem Bau. Um das enge Lumen gruppieren sich grofe helle Zellen, deren Kerne der Basis angedrtickt sind. Daneben finden sich aber nicht wenige Driisenblaschen mit ziemlich weitem Lumen, deren Wand aus kubischen Zellen mit kreisrunden Kernen gebildet ist. Wie mir Sriiuines (1885) Befunde an der Gl. Cowperi des Kaninchens wahrscheinlich machen, entsprechen sie sekretleeren Endstiicken. Im iibrigen habe ich das Vorkommen von Urethraldriisen beim Igel nicht beobachtet. Von dem enorm entwickelten Talgdriisenapparat, den wir bei Talpa finden, ist beim Igel wenig zu bemerken. Eigentliche Pra- putial- und Analdriisen fehlen ‘). Talpa europaea, Maulwurf. Es schien mir besonders wiinschenswert, die Angaben tber die Ausmiindung der Vasa deferentia und der accessorischen Driisen, sowie iiber das Vorhandensein einer Vagina masculina einer Nachpriifung zu unterziehen. Die Histologie der Driisen selbst ist auch in unserer Zeit Gegenstand wiederholter Unter- suchungen gewesen, so daf ich keinen grofen Wert darauf legen zu miissen glaubte, meine Beobachtungen hieriiber, die an einigen 1) Ich darf hier vielleicht darauf aufmerksam machen, daf die in vielen Lehrbiichern (z. B. WimpersHEtms ,,Vergl. Anatomie“) ver- breitete Abbildung des Urogenitalapparates des Igels in einigen wesentlichen Punkten unrichtig ist. Die machtigen abgebildeten Praputialdriisen sind in Wirklichkeit tiberhaupt nicht vorhanden; dagegen fehlt in der Figur das unterste Prostatapaar. Der Habitus der Cowrrrschen Driise, der Prostata und der sog. Samenblasen ist durchaus nicht richtig wiedergegeben. Dte Figur wiirde nicht iibel auf einen Nager (Hamster, Ratte?) passen, sicher aber nicht auf den Igel. 446 Max Rauther, nicht auf der Héhe der Geschlechtstatigkeit stehenden Mannchen gemacht wurden, an giinstigeren Exemplaren zu vervollstandigen. Zur Morphologie des Canalis urogenitalis. Leuckart (1847, p. 257 ff.) fand den Sinus urogenitalis des Maulwurfs zu einer geréumigen Hohle erweitert. In deren oberes blindes Ende ragt das Veru montanum in Gestalt eines kleinen Warzchens hinein, auf welch letzterem dicht nebeneinander die Ausmiindungsstelle der Vasa deferentia und seitwarts davon die der Prostata sich befinden. Von dem Warzchen iiberdeckt wird die kleine Miindung der Harnréhre. LEucKART homologisiert den ganzen oberen erweiterten Teil des Urogenitalkanals, nicht nur dessen blindes, von der Urethra getrenntes Ende, der mannlichen Scheide des Igels. Den einzigen Unterschied gegentiber dem Be- funde beim Igel findet dieser Forscher ,,in der relativen Lage- verschiedenheit des Orificium urethrae, wovon es tibrigens ab- hangt, ob man den betreffenden Raum als isolierten, von dem eigentlichen Canalis urogenitalis (anatomisch) verschiedenen Ab- schnitt auffassen kann oder nicht. Bei Erinaceus sehen wir darin einen eigenen Sinus genitalis, wahrend wir bei Talpa denselben Teil nur fiir eine obere Erweiterung def Canalis urogenitalis halten kénnen. Eine morphologische Differenz indessen wird hier- durch keineswegs bedingt. Wissen wir doch, da auch bei den weiblichen Saugetieren die Vagina nur der weiter entwickelte obere Abschnitt des Canalis urogenitalis ist, der nur deshalb ana- tomisch als selbstaindiges Gebilde erscheint, weil allmahlich aus ihm die Harnréhre immer weiter nach auen herabgeriickt ist.‘ — Ich zitierte die ganze Stelle wortlich, um zu zeigen, dab Leuckarts Ausfiihrungen sich auf eine jetzt veraltete Anschauung von der Entstehung der weiblichen Vagina stiitzen. LeEUCKART selbst hat ja wenige Jahre spiter unsere Kenntnisse von der Ent- wickelung der weiblichen Geschlechtsorgane in diesem Punkte berichtigen helfen. Um so auffallender ist es, dal die neueren Autoren die vor mehr als einem halben Jahrhundert aufgestellte Ansicht Leuckarts ohne eingehende Priifung iibernehmen. Ich finde Lage und Bau des Veru montanum den Verhiltnissen beim Igel sehr ahnlich. Der Canalis urogenitalis setzt sich wie dort oberhalb der Kinmiindung der Urethra s. str. ein Stiick weit als geriiumiger Kanal von halbmondférmigem Querschnitt (Text- fig. 9A c. ug’) nach oben fort. Er ist bis zu seinem oberen blinden Ende von einem Corpus spongiosum umgeben. Die quere Scheidewand, welche den Blindsack von der Urethra trennt, setzt Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 447 sich nach unten hin in ein frei in den Canalis urogenitalis hinab- ragendes Zaipfchen fort, auf dessen ventraler (vorderer) Seite die Vasa deferentia ausmiinden. Etwas héher, wo die Urethra bereits vollig von dem Blindsack getrennt verlauft, miinden auf ihrer ventralen Wand, den Ausmiindungsstellen der Samenleiter gegen- iiber, die prostatischen Driisen mit jederseits 2 Ausftihrungs- gangen (sdmtlich in gleicher Hohe) aus (Textfig. 9 A prost), Ks == i = DUP Dy _—— = QAN SS Fig. 9 A und B. Querschnitte durch den Canalis urogenitalis von Talpa europaea, A auf der Hohe der Prostatamtindungen ; B auf der Hohe der Samenleitermiindun- gen. c.sp Corpus spon- giosum, c.ug Canalis urogenitalis, c. ug’ ter- minaler Blindsack des Canalis urogenitalis, d Ductus ejaculatorius, prost Mindungen der Ausfiihrungsginge der Prostata in die Urethra, w Urethra s. str., v.d Vas deferens. EASNS SS NERA y Utes SS miinden also, wie hieraus hervorgeht, die Samenleiter nicht in einen besonderen Canalis genitalis, auch nicht in den blinden Fortsatz des Canalis urogenitalis. Diesen letzteren kann man sich, in Ahnlicher Weise wie die beiden seitlichen blinden Taschen bei den Mausen, entstanden denken durch das tiefe Herabwachsen des Colliculus seminalis und seine Vereinigung mit der gegeniiber- liegenden Harnréhrenwand. 4 Angaben iiber das Verhalten der Miitierschen Gange bei der Entwickelung des mannlichen Genitalapparats des Maulwurfs ver- 448 Max Rauther, mochte ich nicht aufzufinden. Doch scheint es mir auSer Zweifel, daf hier sich keine Reste der MULiEeRschen Gange als Uterus mas- culinus erhalten (ebensowenig wie beim erwachsenen Igel). Driisen der Samenleiter. Die Samenleiter des Maul- wurfs erklarte Leypia (1850) fiir driisenfrei. Nur bei DisseL- HORST (1897) findet sich die Beschreibung und Abbildung eines Organs, tiber dessen Zugehorigkeit zu den accessorischen Genital- driisen man vielleicht im Zweifel sein kénnte, das jedoch funk- tionell méglicherweise eine oder die andere der dem Samenleiter meist anhangenden Driisen ersetzt. Nach DisseLHorstT senkt sich der aus dem Schwanze des Nebenhodens hervorgehende Samen- leiter in eine voluminése Tasche mit einer Wandung aus quer- gestreiften Muskeln ein. In dieser Tasche knauelt sich der Samen- leiter in zahlreichen weiteren und engeren Windungen auf, die mit einem in lebhafter sekretorischer Tiatigkeit begriffenen Epithel ausgekleidet sind. Da DisseLHorST siamtliche Schlingen mit Sperma erfiillt fand, so bezeichnet er das Organ als Recep- taculum seminis (ein Name, der, meines Wissens, im allgemeinen nur fiir Samenbehilter weiblicher Tiere iiblich ist). Soweit ich mir nach meinen Befunden ein Urteil erlauben darf, handelt es sich um einen Teil des sehr grof entwickelten Nebenhodens. So hat auch Leypia (1850, p. 8) die, wie es scheint und wie auch DisseLHoRST betont, ahnlichen Verhaltnisse bei den Fledermausen aufgefaBt. Da ich bei den tibrigen Tieren nicht auf die Sekretionsvorginge im Nebenhoden eingegangen bin, so legte ich auch auf dieses Vorkommen kein sehr grofes Ge- wicht. Ich sah das Epithel der Nebenhodenschlingen nirgends in sekretorischer Tatigkeit. Eine Hiille aus animaler Muskulatur, in verschieden gerichteten Stringen angeordnet, kam nicht nur diesem Teil des Nebenhodens zu, sondern umschlof den ganzen unteren Teil des Hodens mit dem Nebenhoden und dem Samenleiter. — Ob die starke VergréSerung des Nebenhodens mehr sekretorischen Zwecken oder mehr der Samenspeicherung dient, muf ich also dahingestellt lassen. Prostata, Gl. prostatica. Am miichtigsten von den accessorischen Genitaldriisen des Maulwurfs ist ein dem Hals der Harnblase vorgelagertes Biischel von Driisenschliiuchen entwickelt. Von einigen Autoren (MEcKEL, 1848; Cuvier, 1846) wurden die Driisen als Samenblasen, meist dagegen (Jom. MULLER, 1830; LeypiG, 1850; Oupremans, 1892; DisseLHorsT, 1897) als Prostata gedeutet. Leypia (p. 12) beschrieb sie als Biindel reich ver- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 449 astelter Driisenréhren mit gefaltetem Epithel und schén ent- wickelter glatter Muskelwandung. OupEmANs betont, daf sie im Friihjahr sich gréfer finden als im Herbst. Die Ausmiindung der Driisen hatte Mecket irrtiimlich im Vas deferens gefunden, was auch seine Auffassung derselben als Samenblasen erklart. OuDE- MANS und DissELHoRST geben an, da’ die Driisenbiischel, jeder- seits in einen Ausfiihrgang vereinigt, neben den Samenleitern aus- miinden. Was zunichst letztere Angaben betrifft, so ist oben schon hervorgehoben worden, da’, wie mir Schnitte durch den betreffen- den Teil des Urogenitalkanals (Textfig. 9 prost) zeigen, sich jederseits 2 Ausfiihrungsginge der Prostata vorfinden, die jeder- seits in den Winkeln des dorsiventral abgeplatteten Urethral- kanals gegeniiber den Samenleitern ausmiinden. Das Lumen des inneren Paares von Ausfiihrgingen finde ich durch Faltungen fast ganz verdringt; das des duferen Paares dagegen weit offen- stehend. Wenn auch dieser Befund nur ein zufalliger wire, so ist doch wohl die Vermutung berechtigt, daf die den einzelnen Ausfiihrgingen angehérigen Driisenteile sich auch der Funktion nach verschieden verhalten. Die histologischen Befunde gaben mir hieriiber keinen sicheren Aufschlu8, da die Driise bei dem von mir untersuchten Exemplar, das entweder noch zu jung oder wenigstens nicht in briinstigem Zustande war, sich auBerst schwach entwickelt zeigte. DisseLHoRST, der ziemlich eingehende Angaben iiber den feineren Bau der Driise macht, scheint keine Verschie- denheit zwischen dem dufSeren und dem inneren Teil der Driise aufgefallen zu sein. Mir scheinen die auferen Driisenschlauche sich durch ein glattes Epithel von den inneren, deren Wand sich mehr oder weniger gefaltet zeigte, zu unterscheiden. Jeder Driisen- schlauch war von einer sehr dicken zirkularen Muskelhiille um- geben, alle Schliuche gemeinsam wiederum von einer derben bindegewebeartigen Kapsel, ahnlich wie die Prostata I des Igels. Im intertubularen Gewebe fand ich, in Uebereinstimmung mit DISSELHORST, keine Muskeln. Die titige Driise zeigt, nach DISSELHORST, ein einschichtiges, in veridstelten Zotten vorspringendes Driisenepithel. Die Zellen besitzen ein stark gekérntes Protoplasma und fufstandigen Kern. Zwischen diesen finden sich andere Zellen blasig aufgetrieben und mit reduziertem, blassem Kern. — Ich fand bei meinem Exemplar ein einschichtiges, schmalzelliges Cylinderepithel, mit grofen, ova- len, dunklen Kernen. Im Innern der Tubuli fand sich eine 450 Max Rauther, zusammengesinterte Zellmasse; meist zeigte sich innerhalb des Cylinderepithels eine mehr oder weniger vollkommen von diesem losgeliste, meist aber selbst noch gut im Zusammenhang gebliebene Epithelschicht, deren Zellen gewéhnlich von unregelmifiger Gestalt und deren Kerne mangelhaft gefairbt waren. Es liegt nahe, an- zunehmen, daf nach Beendigung der Brunstperiode eine Ab- stofung und Erneuerung dieses Driisenepithels in toto stattfindet. Harnroéhrendriisen, Gl. urethrales. Die einzige ge- naue Angabe tiber das Vorkommen von eigentlichen Urethraldriisen beim Maulwurf finde ich bei Leypia (1850, p. 14), auf den sich OvuDEMANS (1892) und DisseLHorstT (1897) berufen. Im Gegen- satz zu MECKEL und in Uebereinstimmung mit Jon. MULLER (1830) findet Leypia unter der starken Muskellage der Pars membranacea urethrae keine Driisen. Nur weiter unten, im kugelig erweiterten Teil der Harnroéhre findet sich in ihrer Wand eine Schicht von rundlich-ovalen Driisen eingebettet. In den Driisenzellen fand Leypié einen feinkérnigen Inhalt. Die Driisenschicht war gegen den driisenfreien Teil der Harnréhre scharf abgesetzt. LrypiIe bemerkt, daZ unter dem M. urethralis eine ansehnliche Schicht glatter, von der Muskulatur der Harnblase herkommender Muskeln verlauft. In dem oberen, stark erweiterten Teil der Harnréhre finde ich die epitheliale Wand derselben besetzt mit zahlreichen zapfen- formigen Verdickungen, in denen ein Lumen meist nicht deutlich zu erkennen ist, die sich an manchen Stellen jedoch als hohle, ovale Saickchen darstellen. Die Zellen derselben sind klein, grof- kernig, von dunkler Farbung, zeigten weder deutlich das Aus- sehen noch die Anordnung eines Driisenepithels. Aehnliche Epithel- wucherungen finden sich auch an den Enden der Ausfihrginge der prostatischen Driisen. Ich glaube, dafi sie den Urethraldriisen Leypias homolog sind. Da sich bei dem yon mir untersuchten Tier auch die Prostata in einem untitigen Zustand befand, so vermute ich, daf auch der Habitus der Urethraldriisen noch nicht seine normale Ausbildung erreicht hat, oder dal letztere iiber- haupt nur zur Brunstzeit anzutreffen ist. Cowpersche Driisen, Gl. Cowperi s. bulboure- thrales. Ueber die Cowrrerschen Driisen des Maulwurfs findet man alle wesentlichen Angaben bereits bei Leypia (1850, p. 13); einige Zusitze bringt DisseLHoRsT (1897). Nach diesen Autoren findet sich die Driise stets auferhalb des Beckens; sie besitzt einen sehr langen, von Muskeln freien Ausfiihrgang, wogegen der Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 451 Driisenkérper von einer starken, quergestreiften Muskelhiille um- geben und von einzelnen Streifen glatter Muskulatur durch- zogen ist. Ich finde die Driise in die Pars bulbosa urethrae wenig tiefer als die Prostata einmiinden. Strange der quergestreiften Muskel- hiille finde ich oft sich zwischen die Driisenlippchen von der Peripherie her mehr oder weniger tief einsenken. — Die secer- nierenden Endstiicke der Driisen sind sehr klein, wie mir scheint, von tubulésem Bau. Sie besitzen meist ein geriumiges Lumen, das von einem niedrigen Cylinderepithel begrenzt wird. Wahr- scheinlich traf ich auch diese Driise im ruhenden Zustande an. Die Mitte des Driisenkérpers durchzieht ein lakunenartiger, lang- getreckter Hohlraum, in dem sich die ebenfalls mehr oder weniger stark erweiterten Ausfiihrginge der einzelnen Lappchen vereinigen. Praputialdriisen. Der Maulwurf besitzt ebensowenig wie Igel typisch ausgebildete Praputialdriisen. Zwar stehen auf dem Praeputium sowohl, wie rings um die Afteréffnung (Fig. 37 gl. s) Haare mit ziemlich grofen Talgdriisen, doch kommt es nicht zum Zusammenschluf derselben zu einer einheitlichen Driisenmasse. Afterdriisen, Gl. anales. Als Analdriise wird beim Maulwurf eine Driisenmasse bezeichnet, die auBerhalb des Beckens jederseits als weileelbes dreieckiges Gebilde der Peniswurzel an- liegt. Leypig (1850, p. 14/15, Taf. Il, Fig. 22) fand neben diesen grofen, weifgelben Driisen noch einen kleineren, grauen Driisen- kérper, dessen Sekret von dem der ersteren verschieden ist. Die groBe, weiBgelbe, durch einen facherigen Bau gekennzeichnete Driise bildete schon Jon. Miituer ab (1830, Taf. II, Fig. 4). Leypic fand die Wand aus rundlichen Zellen mit hellen, blischen- formigen Kernen gebildet. Sie enthielten Fetttrépfchen, die sich nach ihrer Entleerung aus dem Zellkérper zu einer hellen, dligen Fliissigkeit vereinigten. Die graue Driise dagegen fand LrypiG von deutlich tubulésem Bau. Sie liefert ,die mikroskopischen eiweifahnlichen Kérper, welche man neben den Oelkugeln im ge- meinsamen Sekret beider Driisen findet. Auch DissELHoRST (1897) unterscheidet eine spezifische (,,graue“) Driise und eine Talgdriise. Beide findet er durch einen Zug quergestreifter Muskeln vonein- ander getrennt und von einer gemeinsamen bindegewebigen Hiille umfaBt, Die spezifische Driise findet DisseLHorst aus dicht aneinander liegenden Lappchen zusammengesetzt. Die Zellen des einschichtigen, niedrigen Epithels zeigten sich in allen Ueber- 452 Max Rauther, gingen, von der Cylinder- zur Kugelform, das Lumen war mit abgelésten Zellen dicht erfiillt. Die Talgdriise fand DissELHoRsT yon ahnlichem Bau wie die Praputialdriisen der Mause, durch- zogen von gréferen und kleineren Hohlraumen, in die die secer- nierenden Acini ihr Sekret ergiefen. — Die Ausmiindungsstelle der Driisen scheint bisher nicht mit Sicherheit festgestellt worden zu sein. Lrypi@ sagt nichts dariiber; DissELHORST bemerkt, es sei ,der Ausfiihrungsgang dicht mit Talgdriisen umgeben, miinde also im Gebiet der Epidermis aus“. Mir scheint, daf sich an der Talgdriise drei Teile unterscheiden lassen, ein kleiner, unpaarer, medianer und zwei gréfere laterale. Jeder derselben besitzt einen eigenen Ausfiihrgang, der sich ab- warts bis auf den aufersten Rand des die Afteréffnung umgebenden Hautwalls verfolgen laft, wo er sich auf die Hautoberflache 6ffnet. Die Ausfiihrginge sind mit geschichtetem Epithel ausgekleidet und auch durch ansitzende Talgdriisenacini als Haarbilge gekenn- zeichnet. Der Driisenkérper ist durch longitudinal oder schrag ver- laufende, glatte Muskelfasern in zahlreiche Lappchen geschieden. Zwischen den Haufchen der Driisenacini finden sich weite, von einem bindegewebigen Geriistwerk gestiitzte Hohlraume, ganz wie dies fiir die Vorhautdriisen der Murinen beschrieben und abgebildet wurde (Fig. 29). Die Acini bestehen aus grofen polygonalen Zellen, deren Protoplasma ein deutliches Filarnetz aufweist. In den Ausfiihrgingen der Acini findet man sie auf allen Stadien der fettigen Degeneration. Die der analen Talgdriise anhaftende zweite Driisenmasse be- sitzt einen unregelmifig tubulésen Bau. Sie zerfallt in mehrere, durch reichliches Bindegewebe voneinander getrennte Lappchen. Sie ist mit der Talgdriise von gemeinsamen Muskelziigen um- schlossen. Die Tubuli finde ich iiberall von gleichem Bau und Volumen, meist dicht mit losgelésten Zellen erfillt; man bemerkt nirgends eine Vereinigung derselben zu gréBeren Ausfihrgangen. Auch LeypiG und DisseLHorsT geben nichts tiber die Ausmiin- dung dieser Driise an. Ich finde Ausliufer derselben noch zwischen den Ausfiihrgingen der Talgdriisen sich erstrecken (Fig. 33 gl. an’); ob irgendwo eine Verbindung mit den letzteren besteht, vermochte ich nicht festzustellen. — Die Zellen des tubulésen Teiles sind meist von rundlicher Gestalt. Oft finde ich sie véllig regellos zwischen Bindegewebsmaschen eingebettet, so da die Struktur des Driisengewebes ziemlich undeutlich wird. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 453 Ein eigentiimliches Vorkommen gleichgebauter, aber kleinerer Driisen, das bisher nicht bekannt gewesen zu sein scheint, finde ich im epidermoidalen Teil der Aftereinstiilpung. Es stehen hier rings hinter dem geschichteten Epithel der Oberhaut, im sub- kutanen Bindegewebe zahlreiche kleine, aus gewundenen Driisen- tubuli bestehende Driisen, deren jede sich mit eigenem Ausfiihr- gang in den Anus Offnet (Fig. 33 gl. an’). Ueber ihre Struktur gilt das fiir den sog. grauen Teil der Analdriisen oben An- gefiihrte; nur erschien mir der tubulése Bau hier deutlicher. Jene sowohl wie diese kleinen, die Afteréffnung umringenden Driisen sind méglicherweise als vergréferte Schweifdriisen zu deuten, die in normaler Ausbildung allerdings, nach Leypia (1859), dem Maulwurf ganz fehlen. Vergleichende Uebersicht und Zusammenfassung. Es sei mir gestattet, in Ktirze die gewonnenen Resultate zu iiberblicken und meine Befunde an den Nagern und Insektivoren in Beziehung zu setzen mit dem, was tiber die accessorischen Genitaldriisen und andere Anhangsgebilde des Urogenitalkanals bei anderen Saugetieren bekannt ist. 1) Uterus masculinus. Wir sahen, daf den Rudimenten der Miierschen Ginge eine sehr geringe Rolle bei der Bildung des mannlichen Urogenitalkanals und des accessorischen Driisen- apparates zufallt, und daf friihere Autoren, in Unkenntnis tiber die wahre Entstehungsweise der weiblichen Vagina, im Suchen nach homologen Gebilden beim méannlichen Geschlecht leicht in die Irre gingen. Wie erwahnt, stehen die Deutungen LeucKaARTs (1847) unter dem Einfluf veralteter Vorstellungen von der Ent- wickelung der weiblichen Geschlechtsginge, an deren Berichtigung LeucKarT spater selbst mitarbeitete. Fast alle neueren Beobachter (v. MradiKovics, 1885; Keren, 1896, u. a.) stimmen darin tiber- ein, daf die Vagina des Menschen und der Saugetiere lediglich von den Miiuerschen Giangen herzuleiten sei. Man konnte ihr demnach nur Gebilde, die aus diesen letzteren hervorgehen, homolog setzen. Die von Lruckart als mannliche Scheide be- zeichneten Gebilde stellten sich beim Kaninchen (MIHALKOVICS) und Meerschweinchen als Produkte der Wourrschen Gange resp. deren Abkémmlinge, der Samenleiterblasen, dar. Fir die Maus, den Igel und den Maulwurf konnte dagegen gezeigt werden, dal 454 Max Rauther, es sich lediglich um blinde Aussackungen des Urogenitalkanals handelt, die ihrerseits vielleicht durch besondere Wachstumsver- haltnisse des Colliculus seminalis veranlaft sind. Zum mindesten war eine Beteiligung der Mtiuerschen Gange an der Entwickelung der fraglichen Gebilde sowohl unerwiesen als auch unwahrschein- lich. Bestehen bleibende Rudimente der MiLierschen Ginge fanden sich nur beim Meerschweinchen; bei den iibrigen von mir unter- suchten Tieren schwanden sie bereits im Verlaufe der Embryonal- entwickelung, so daf man zwar wohl dem Bindegewebe des Genital- stranges eine gewisse Teilnahme an der Bildung der muskulésen und bindegewebigen Teile der Prostata und der Samenleiterblasen, nicht aber an jener der accessorischen Driisen selbst zuschreiben kann. Beziiglich des Auftretens des sog. Uterus masculinus oder Vagina masculina (s. Vesicula prostatica) in der Siugetierreihe ]a8t sich keine GesetzmaBigkeit feststellen; es scheint gewisser- ma8en sporadisch zu sein. Ueber ihr Vorkommen bei den niedersten Saugern, Monotremen und Marsupialiern, ist mir nichts bekannt geworden. Ebenso scheinen tiber die Edentaten keine Angaben vorzuliegen. E. H. Weper (1844) fand einen Uterus masculinus beim Biber, Pferd, Schwein, Hund, Kater und beim Menschen, irrtiimlicherweise auch beim Kaninchen. Leuckart (1847, p. 250 ff.) sah ihn bei Affen ahnlich wie beim Menschen in das Parenchym der Prostata eingebettet. Er fand ihn sehr ansehnlich bei den Cetaceen (Monodon, Delphinus) und beim Elefanten; sehr klein dagegen bei den Carnivoren. Lrypra@ (1850) bildet dagegen von Lutra vulgaris (Il. c. Taf. IV, Fig. 35) einen eminent grofen mann- lichen Uterus mit zwei langen, fadenférmig ausgezogenen Hérnern ab; bei den tibrigen von ihm untersuchten Raubtieren erwaihnt er denselben nicht. Es scheint demnach die Ausbildung des mann- lichen Uterus in sehr weiten Grenzen zu schwanken. Wovon sein Auftreten abhingig ist, ]a8t sich nicht sagen, denn nirgends findet er sich in den Dienst einer spezifischen Funktion gestellt. KLEIN (1871) fand die Vesicula prostatica des Menschen von Pflaster- epithel ausgekleidet und besetzt mit kurzen, geteilten und ge- schlingelten Driischen. Aehnlich verhalt sich nach meinem Befund der Uterus masculinus des Meerschweinchens. Die Entscheidung der alten Streitfrage, ob das bei vielen Saiugern vorhandene Rudiment der Miuierschen Ginge einem Uterus masculinus oder nur einer Vagina entspreche, scheint mir von nicht so grofer Wichtigkeit, da, wie bei einem friihzeitig in Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 455 der Entwickelung stehen bleibenden Organ begreiflich, eine wirk- liche Differenzierung in Uterus und Vagina hier gar nicht ein- getreten ist. Da bei den Nagern im weiblichen Geschlecht ein doppelter Uterus besteht, der mit zwei getrennten Oeffnungen in die Vagina miindet, so wire hier scheinbar die Lésung einfach die, daf’ man den unpaaren Teil des rudimentaren Blaschens beim Mannchen als Scheide, die beiden Zipfel als Uterus bezeichnete. Es scheint mir aber keineswegs erwiesen, daf} der Verschmelzungs- prozef der Mitierschen Gainge beim mannlichen und weiblichen Geschlecht genau analog ist, daf demnach der beim Mannchen verschmolzene Teil der MiLuerschen Giinge der weiblichen Scheide vollkommen entspreche. Bei anderen Situgern diirfte die Fest- stellung der Homologien noch gréfere Schwierigkeiten machen; wahrscheinlich sind bei verschiedenen Tieren verschieden grofe Stiicke der MULuerschen Gange in die Bildung des rudimentaren Organs eingegangen, nirgends aber besteht, soweit mir bekannt, eine sichere anatomische oder histologische Scheidung zwischen Vagina und Uterus masculinus. Aus diesen Griinden wiirde mir ein indifferenter Name, wie Vesicula prostatica, am passendsten erscheinen. [Beim Manne bleibt nach Born (1894) in normalen Fallen nur das unterste Ende des Uterovaginalrohrs erhalten, das als dem untersten Ende der Vagina entspricht.]| Auf den schematischen Textfiguren 10 A—C habe _ ich die homologe Lage des Uterusrudimentes bei den von mir unter- suchten drei Nagerspecies zu veranschaulichen gesucht. Auf Text- figur 10 A (Mus) und C (Lepus) ist Lage und Gestalt desselben nach dem Befunde an Embryonen eingetragen, bei C allerdings insofern nicht ganz richtig, als man, um die wahre Lage des em- bryonalen Uterusrudimentes angeben zu kénnen, auch die Samen- leiterblasen nicht auf dem Stadium der definitiven Ausbildung, sondern auf einem entsprechend friiheren (d. h. weniger ver- schmolzenen) darstellen miif%te. Textfig. 10 B (Cavia) entspricht da- gegen dem Verhalten beim ausgewachsenen Meerschweinchen. Die homologen raéumlichen Beziehungen der Vesicula prostatica (Uterus masculinus) zu den Samenleiterblasen und zum Canalis urogenitalis ergeben sich aus den Figuren ohne weiteres. Es zeigt sich namlich, dai dieselbe bei den Embryonen der Mause auf dem (spateren) Colliculus seminalis (c. s) in den Canalis urogenitalis (¢. ug) miindet, durch die fortschreitende Verschmelzung der Samenleiterblasen jedoch (wie sie Cavia und Lepus aufweisen) vom Canalis urogeni- 456 Max Rauther, talis abgedrangt wird und sich dann, wo sie bestehen bleibt (Cavia), in diesen verschmolzenen Teil der Samenleiterblasen 6ffnet. 2) Die Ampulle des Vas deferens. In den Samen- leiteranschwellungen des Kaninchens und der Mause lernten wir zwei Typen driisiger Anhanggebilde des Ductus deferens kennen, WO SG Ie gl. prost D. de-e- 2-4 - gl. prost “--@ --C.ug Fig. 10. Schematische Darstellung des Colliculus seminalis, der Samenleiterblasen und des Uterus masculinus, A von Mus mus- culus, B von Cavia cobaya, C yon Lepus cuniculus. ce.s Colliculus seminalis, d Ductus ejaculatorius (Miindung auf dem Samenhiigel), ¢c.wg Canalis uro- genitalis, gl. prost Prostata, a Ausmiindungsstellen derselben auf oder neben dem Samenhiigel, gi.w: Glandulae urethrales paraprostaticae, u.m_ Uterus masculinus . Ausmiindungsstelle desselben bei Cavia), v.d Vas deferens, v.v.d Vesicula yasis deferentis. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 457 von denen der erstere mehr dem auch bei anderen Saugern an- getroffenen Verhalten entspricht, der letztere hingegen ein ziemlich vereinzeltes Vorkommnis darstellt. Die secernierenden Elemente waren einander in beiden Fallen ziemlich ahnlich; die Driisen- raume sind von einem niedrigen Cylinderepithel ausgekleidet. Sie stellen bei den Miausen langliche, veristelte, auBerlich durch eine diinne Bindegewebsschicht an die Wand des Samenleiters an- geheftete Driisenschliuche dar; letztere vereinigen sich in einen einzigen, sehr erweiterten Ausfiihrgang. Aehnliche freiliegende Ampullendriisen sind meines Wissens, auSer bei Ratten und Mausen, nur noch beim Hamster!) (Jon. MULLER, 1830, Taf. III, Fig. 10) beobachtet worden, wo aufer den freiliegenden Tubuli auch die Samenleiteranschwellung sehr stark ausgepragt ist. Bei Lepus sind die einzelnen Driisen von mehr sackformiger Gestalt und liegen innerhalb der Muskulatur des Samenleiters. Sie miinden jede fir sich in den letzteren. Ein ahnliches Verhalten zeigen die Ampullen- driisen der meisten Siugetiere, bei denen sie sich tiberhaupt finden. Beziiglich des Besitzes von Ampullendriisen scheinen die héheren Saugetierordnungen bevorzugt zu sein. Beim Menschen findet Frenrx (1901, p. 50/51) die Wand der Ampulle mit zwei Arten von Driisen ausgekleidet, kleineren, verdstigten, tubulésen und gréReren mit lakunenartig erweiterter Lichtung und engen Aus- fiihrgingen. Bei manchen Saugern (Elephas) ist die driisige Natur der Anschwellung fraglich (OUDEMANS). Selbst innerhalb der ein- zelnen Ordnungen ist die Verteilung von Ampullendriisen eine sehr unregelmifige. Unter den Insektivoren finden sie sich bei Sorex, fehlen dagegen bei Erinaceus, Talpa u. a. Unter den Nagern fehlen sie wahrscheinlich nur Cavia (in typischer Aus- bildung). Von den Paarhufern besitzen sie nur die Wiederkauer, von den Raubtieren nur die Marder und Baren. — DISSELHORST (1897, p. 212) halt die Ampulle des Vas deferens fiir ein Recepta- culum seminis und macht darauf aufmerksam, daf Tiere, die der- selben entbehren (Hund, Kater, Eber), die Kohabitation meist ungemein langsam vollziehen, andere, die eine solche Erweiterung besitzen (Bos, Ovis, Equus), dagegen sehr rasch. Bei denjenigen Murinen, wo die eigentliche Ampulle fehlt und trotzdem die Be- gattung so oft und schnell wiederholt wird, iibernehme der Neben- hoden — ,,ein machtiges Konvolut eng aufgeknauelter Schlingen“ — die Funktion eines Samenreservoirs. : 1) Ueber Sciurus vgl. Anhang p. 464. Bd. XXXVIII, N. F. XXXI. 30 458 Max Rauther, 3) Die Samenleiterblasen, Vesiculae vasorum de- ferentium (Vesiculae seminales autorum; Glandulae vesiculares OupEMANS). Die Samenleiterblasen der Nagetiere stellen sich dar als meist ziemlich umfangreiche, sack- oder schlauchférmige Gebilde mit muskuléser Wandung. Im Innern sind dieselben von einem meist in Leisten und Falten sich erhebenden Driisenepithel aus- gekleidet. Bei Lepus findeu sich statt des letzteren zahlreiche sackformige Einsenkungen von driisigem Charakter. Niemals stellen die Samenleiterblasen Pakete gewundener oder verastelter Schlauche dar; auch hierdurch sind sie von den vermeintlichen ,Samen- blasen“ des Igels unterschieden. Sie entstehen bei den Nagern durch Ausstilpung vom Samenleiter her, mit welchem sie sich auch mehr oder weniger nahe vor ihrer Ausmiindung in den Canalis urogenitalis zum sog. Ductus ejaculatorius vereinigen. Die Samenleiterblasen und Ductus ejaculatorii bleiben entweder vollig getrennt und miinden jederseits mit je einer selbstandigen Oeffnung auf dem Colliculus seminalis aus (Mus; Textfig. 10 A d); oder sie verschmelzen derart miteinander, dafi bald nur die Ductus ejaculatorii einen gemeinsamen, mit einer einzigen Oeffnung in den Canalis urogenitalis miindenden Hohlraum bilden (Cavia; Textfig. 10 B d), bald aber der Kérper der verschmolzenen Blasen nahezu als ein unpaares Gebilde erscheint (Lepus; Textfig. 10C v.v. d). Eine derartige Verschmelzung der Samenleiterblasen zu einem gemeinsamen Kérper findet aufer bei den Nagern nur noch bei den Chiropteren statt. Der Prozef betrifft aber hier nie die ganze Blase, sondern nur deren unteren Teil; der obere ist frei. Hierdurch, sowie durch eine mehr oder minder vollkommen er- haltene innere Scheidewand bleibt die paarige Natur des Organs angedeutet. — Das Vorkommen der Samenleiterblasen innerhalb der, Siiugetierreihe erweist sich wiederum als ein sehr unregel- mafiges; die physiologischen und phylogenetischen Griinde fiir ihre Verteilung diirften schwer anzugeben sein. Sie kommen, aufer bei den schon erwihnten Rodentien und Chiropteren, sicher vor bei den Sirenien, Proboscideern, Ungulaten und Primaten. Die Monotremen, Marsupialier, Cetaceen, Carnivoren und die meisten Insektivoren entbehren aller Organe, die jemals als ,Samenblasen“ hatten gedeutet werden kénnen. Die Gebilde, die OupEMANS bei Erinaceus, ferner bei Edentaten, Hyrax und Prosimiern den ,,Glan- dulae vesiculares“ der oben genannten Siuger fiir homolog halt, glaube ich nicht als Samenleiterblasen bezeichnen zu diirfen, da Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 459 sie, nach OupEMANS’ Angabe, simtlich nicht in den Samenleiter, sondern mit eigener Oeffnung in die Urethra miinden. Als all- gemeines Kennzeichen der Samenleiterblasen miissen wir aber festhalten, dafi sie sich mit dem Vas deferens zu einem Ductus ejaculatorius vereinigen und auch ihren Ursprung stets vom Samen- leiter nehmen. Beim Igel konnten wir die von OupEMANS den ,Glandulae vesiculares“ zugerechneten Driisen als einen Teil der Prostata betrachten, von der sie im Bau keine wesentlichen Ab- weichungen zeigten. Aus den angefiihrten Griinden kénnen wir auch nicht die An- sicht von OUDEMANS teilen, daf} die Samenleiterblasen (,,Glandulae vesiculares“) selbstindig aus indifferenten Driisen des Urogenital- kanals hervorgegangene Bildungen seien, und da’ sich das Vas deferens nachtriglich bei gewissen Saéugetieren mehr oder weniger weit auf den Ausfiihrgang der Blase verschoben habe. Es ist hier unnétig, zu wiederholen, wie sich allmahlich die Erkenntnis befestigte, da die Samenleiterblasen keine Sperma- reservoire (,,samenblasen“), sondern Behialter eines eigenen Sekretes seien. Beziiglich der Funktion sind im Text die wichtigsten An- gaben schon referiert worden. Beim Meerschweinchen und einigen anderen Nagern besteht sie in der Bildung eines Vaginalpfropfes. Wie KO6OLLIKER (1856) fiir die Samenleiterblasen des Menschen nachwies, und wie es auch Srermacnu (1894) nach seinen Be- obachtungen an Ratten fiir wahrscheinlich halt, iibt ihr alkalisches Sekret einen giinstigen EinfluS’ auf die Beweglichkeit der Sper- matozoen aus. Ob die Funktion der Samenleiterblasen bei allen Tieren, denen sie zukommen, die gleiche ist, mu dahingestellt bleiben; jedenfalls scheint die Bildung eines Vaginalpfropfes auf wenige Nagerspecies beschrankt zu sein. 4) Die Vorsteherdriisen, Glandulae prostaticae. Der Kérper der Prostata wird bei den Nagern und Insektivoren von einem System mehr oder weniger langer, meist gewundener, bisweilen verastelter Blindschliuche dargestellt, die gewohnlich nur locker durch Bindegewebe miteinander vereinigt werden. Die Schlauche sind stets mit einer glatten Muskelschicht tberkleidet und besitzen ein einschichtiges Driisenepithel. Fast immer lassen sich mehrere Biindel solcher Blindschlauche unterscheiden, die im Bau wie in der Funktion mehr oder weniger belangreiche Unter- schiede aufweisen. Beim Kaninchen, dem Meerschweinchen und vielleicht auch beim Maulwurf lassen sich 2, bei den Mausen und beim Igel 3 Paare mehr oder weniger scharf voneinander 30* 460 Max Rauther, gesonderter prostatischer Driisen nachweisen. Dieselben miinden stets in der Nahe des Colliculus seminalis, auf gleicher Héhe mit den Ductus ejaculatorii und meist diesen gegentiber in die Urethra (Canalis urogenitalis). — Beztiglich der Funktion kann man an- nehmen, daf ihr Sekret auf die Spermatozoen einen bewegungs- fordernden, vielleicht auch einen ernahrenden Einflu8 habe. STEINACH (1894, p. 329—8331) fand, daf die Samenfiden der Ratte in dem Sekret der Prostata 7—10mal linger beweglich blieben als in reiner physiologischer Kochsalzlésung. Aehnliche Resultate erhielt WALKER (1899) mit dem Prostatasekret des Hundes. Der von Camus und Gury (1899) beobachteten Tatsache, da’ beim Meerschweinchen das Sekret der Prostata die Koagulation des Inhaltes der Samenleiterblasen bewirke, diirfte wohl nur ge- ringere Bedeutung zuzuschreiben sein. ScHaap (1899) stellte fest, daf die Prostata bei kastrierten Kaninchen der Atrophie anheimfallt. Die embryonale Anlage der Prostata erfolgt durch Ein- wucherung von der Wand des Canalis urogenitalis; v. MraAt- Kovics faft sie demzufolge als eine héher entwickelte Urethral- driise auf. Eine Beteiligung der MUL ErRschen (Brier und Roccum, 1896) oder der Woxrrschen Ginge (WALKER, 1899) am Aufbau der Prostata findet nicht statt. Wohl aber laft sich die Musku- latur der Prostata derjenigen am distalen Ende der Vagina homo- log setzen, da sie wie diese sich aus dem Mesenchym des distalen Endes des Genitalstranges herleitet (v. MmmALKovics, 1885). — Die Prostata ist auf das minnliche Geschlecht beschrankt; doch finden sich beim Weibe homologe Gebilde in Gestalt traubiger Schleim- driisen auf der Grenze zwischen Scheide und Scheidenvorhof (Leypia, 1875, p. 488); auch dies méchte auf die Abkunft der Prostata von unspezialisierten Driisen des Urogenitalkanales hin- deuten. Aehnliche Ausbildung wie bei den Nagern und Insektenfressern scheint die Prostata (nach DissELHORST, p. 110) bei den Chiro- pteren aufzuweisen. Dagegen zeigt sie sich (nach Lreypre, 1850) beim Menschen, den Affen, den Raubtieren, beim Eber, Ziegenbock und Stier nach acindsem Typus gebaut. Sie fehlt nur den Mono- tremen, Marsupialiern, Edentaten und Cetaceen. 5) Die Urethraldriisen, Glandulae urethrales. Bei fast allen Siugetieren finden sich in die Harnréhrenschleim- haut kleine, einfache, becherférmige oder schlauchférmige, bis- Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 461 weilen auch sich verastelnde Driisen eingelagert. Beim Menschen *) sind sie als Lirrrésche Driisen bekannt. Ouprmans (1892) ver- mift sie bei den Sirenien, Carnivoren, den meisten Insektivoren und bei den Nagern (aufer bei Mus). Bei letzteren finden sie sich jedoch wohl allgemein verbreitet, nur in wechselnder Menge und Ausbildung. Bei einigen Saugern haben die Urethraldriisen, offenbar in Anpassung an ungewohnliche Aufgaben, eine sehr starke Vermehrung erfahren und umgeben dann in mehr oder minder dicker Schicht den Urogenitalkanal. Bei Lepus fand ich sie, der indifferenten Ausgangsform am nachsten stehend, spéirlich in der Urethralschleimhaut verteilt; auferdem aber haben sie hier in den ,Glandulae paraprostaticae“ eine massige, vereinzelt da- stehende Ausbildung erhalten, die am meisten an die Verhaltnisse bei Mus erinnert. Bei Cavia fielen die Urethraldriisen durch be- sonders grofe und schéne Ausbildung der Tubuli auf; bei Mus (und in der sog. Cowprrschen Driise des Igels, die auch richtiger hierher zu stellen wire) umringten sie in dichter Masse den Canalis urogenitalis und bildeten hier eine zusammengesetzte, mit zahlreichen Ausfiihrgaingen versehene Driise. OuDEMANS (1892) betrachtet die Urethraldriisen als die Aus- gangsform samtlicher accessorischer Genitaldriisen im _ engeren Sinne (d. h. mit Ausschlu8 der Praputialdriisen etc.), eine Ansicht, der ich mich auch, aufer in betretf der Samenleiterblasen, ange- schlossen habe. In der Funktion diirften die Urethraldriisen, besonders wo sie massig entwickelt auftreten, wohl mit den Cowprrschen Driisen ibereinstimmen. 6) CowpeEeRsche Driisen, Glandulae bulbourethra- les. Sie sind, im Verein mit den Urethraldriisen s. str., die phylogenetisch altesten Driisenanhinge des Urogenitalkanals. Sie kommen allen Saéugetieren zu, mit Ausnahme einiger Raubtiere (Hund, Bar) und der Wassersiéugetiere. Bei den Beuteltieren finden sie sich in bis zu 3, bei einigen Handfliiglern (Plecotus) 1) Ein merkwiirdiges Vorkommen intraepithelialer Driisen fanden Kirin und Groscuurr (1896) ir der Urethra weiblicher Kinder. Dieselben treten als becherférmige Einzeldriisen im Laufe des ersten Lebensjahres auf, schwinden aber beim erwachsenen Weibe. Die Autoren machen auf die Aehnlichkeit mit Sinnesknospen aufmerk- sam, deren Stiftzellen durch postmortale Veranderungen zu Grunde gegangen sein kénnten, und vermuten einen Zusammenhang ihres Auftretens mit dem Reflex der willkiirlichen Harnentleerung (?). 462 Max Rauther, in zwei Paaren ausgebildet. Auch bei Lepus sahen wir sowohl eine mehrfache Anlage, als auch mehrere Ausfiihrginge, die auf eine minder hohe Individualisierung der Driise deuteten. Daf die sog. CowpPersche Driise des Igels wegen ihrer Lage innerhalb des Musculus urethralis und ihrer zahlreichen Ausfiihrgange besser den Urethraldriisen zugerechnet wird, wurde schon erwahnt. — Den Urethraldriisen gegeniiber ist die Cowprrsche Driise charak- terisiert 1) durch ihre Lage; sie liegt stets auferhalb der Harn- rohrenmuskulatur, bisweilen selbst auferhalb des Beckens und miindet mit in der Regel einem einzigen, entsprechend mehr oder weniger langen Ausfiihrgang in den untersten Teil der Pars bul- bosa urethrae; 2) durch eine Hiille quergestreifter Muskulatur, die entweder selbstandig ist oder mit dem Musculus bulbocaver- nosus, ischiocavernosus oder urethralis in Zusammenhang steht. — Der Bau der Driise schlieSt sich mehr oder weniger eng dem der Glandulae urethrales an und nahert sich bald mehr dem acinésen, bald dem tubulésen Typus. Es kann hier die alte Streitfrage, ob die Cowprersche Driise mit Recht zum Genitalapparat gerechnet werde oder nicht, nicht erértert werden. Nach den Befunden von Stine (1885) scheint es, als ob sie wahrend des Begattungsaktes in besonders starker Tatigkeit sei; also hat ihr Sekret auch wohl eine bestimmte Wir- kung auf die Spermatozoen, wenn dieselbe auch nur im Schutze derselben gegen Reste von Urin bestehen sollte. ScHaap (1899) beobachtete an Kaninchen nach der Kastration Atrophie sowohl der eigentlichen Cowrerrschen als auch der paraprostatischen Urethraldriisen. Bei neugeborenen Tieren finde ich die Driise wie die Prostata noch in einem von der definitiven Ausbildung weit entfernten Zustande, so da8 auch ihre Funktion wohl kaum viel friiher als die der letzteren beginnen diirfte. — Die Driise legt sich als ein solider Epithelzapfen der Harnréhrenwand im Bereiche der Pars bulbosa urethrae an. 7) Praputial-, Inguinal- und Analdriisen. Diese Driisen sind simtlich Oberhautgebilde. Sie sind demnach entweder der Kategorie der acinésen Talgdriisen (Praputialdriisen ; Glandula inguinalis sebacea des Kaninchens; ,,weifer Teil“ der Analdriise des Maulwurfs) oder der Kategorie der tubulésen Schweildriisen (Analdriise und braune Inguinaldriise des Kaninchens; tubuléser Teil der Analdriise des Maulwurfs) zuzurechnen. Erstere ent- stehen stets im Anschluf$ an Haaranlagen (vgl. GeGenpaur I, Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 463 1898, p. 122), letztere durch Einstiilpung (resp. Einwucherung, der Epidermis; beide miinden stets an der Hautoberfliche aus. Die Hohe ihrer Ausbildung und damit die Entfernung von ihrem Urbilde, den normalen Schweif- und Talgdriisen, schwankt in weiten Grenzen. Bei Cavia und Lepus fanden sich die einzeln stehenden Vorhautdriisen in einer wenig von der Norm der Haar- balgdriisen abweichenden Gestaltung; bei Mus dagegen zeigten sie sich als eine grofe, von weiten Hohlraumen durchzogene Driisenmasse, die ihr Sekret durch einen einzigen Ausfiihrgang auf die Hautoberflaiche entleerte. In ahnlicher Weise sahen wir die weiten bindegewebigen Sekretraume der Analdriisen des Maul- wurfs sich in wenigen Ausfiihrgingen vereinigen. Die Funktion dieser Driisen scheint mir darin zu _bestehen, die Haut in der Umgebung der Harnréhren- und Afteréffnung vor schidigenden Kinwirkungen der Exkretstoffe zu bewahren; die Inguinaldriisen haben, durch die Produktion stark riechender Sekrete, vielleicht gewisse Beziehungen zum Geschlechtsleben. Durch die Kastration wird die Ausbildung dieser Driisen natiirlich nicht beeintrachtigt (SCHAAP). Anhang. Bemerkungen tiber Sciurus und Literaturuachtrag. Kinige interessante Tatsachen tiber den Genitalapparat von Sciurus vulgaris, die mir erst neuerdings bekannt wurden, die ich aber nicht besonders veréffentlichen méchte, will ich hier noch an- fiigen. Das Eichhorn besitzt eine dorsal hinter dem Harnblasen- halse gelegene Driisenmasse, die kranialwarts in zwei stumpfe Spitzen auslauft und insofern an die Samenleiterblase von Lepus erinnert (wie auch OupEMANS [1892] bemerkt). Im Querschnitt zeigt sich ein reich baumformig verzweigtes System driisiger Al- veolen, in reichliches glattes Muskelgewebe eingebettet. Es be- steht jederseits ein, im Verhaltnis zum Umfang des Driisenkérpers, ziemlich enger, zentraler Hohlraum, der sich in den einzigen Aus- fiihrgang fortsetzt. Diese Driise wird (trotz ihrer dorsalen Lage) gewohnlich als Prostata bezeichnet (OupEMANS, 1892). Da ich mich auf Schnitten tiberzeugte, daf ihr Ausfiihrgang sich mit dem Samenleiter zu einem Ductus ejaculatorius vereinigt, so spreche ich 464 Max Rauther, sie als echte Samenleiterblase an. Ihre anscheinend abweichende Struktur lat sich leicht aus den Befunden bei Lepus ableiten; man darf annehmen, daf sich die dort in der muskulésen Wandung befindlichen driisigen Alveolen auf Kosten des zentralen Hohl- raumes michtig vermehrten, bis zur fast vélligen Verwischung der »blasen“-Gestalt des Organs. Eine mediane Verschmelzung der Driisenkérper besteht nur auferlich; die Ausfiihrginge und Ductus ejaculat. sind getrennt; zwischen den letzteren miindet auf dem Colliculus seminalis ein wohlerhaltener minnlicher Uterus. Eine der Prostata homologe Driise vermisse ich vollstindig. Dagegen sind die Ampullendriisen sehr kraftig entwickelt. Sie legen sich als ein Biindel verastelter driisiger Blindschlauche iiber den oberen Rand der beschriebenen Samenleiterblase, ver- einigen sich am Grunde aber zu einem einzigen Ausfiihrkanal, der unmittelbar iiber der Einmiindungsstelle der Samenleiterblase eben- falls in den Samenleiter eintritt. — Urethraldrisen fehlen. Die Cowrersche Driise stellt einen spiralig eingewundenen Driisenkérper dar, dessen sehr grofe Elemente von alveolirem Bau weite, sekretbergende Hohlriume umschliefen. — Praputial- und Analdriisen fehlen. Leider erst nach Beginn des Druckes dieser Arbeit wurde ich auf die neuerdings verdéffentlichten Untersuchungen von PALLIN iiber die ,. Anatomie und Embryologie der Prostata und der Samen- blasen“ 1) aufmerksam. Es ist darin vorwiegend die Entwickelungs- geschichte der fraglichen Organe beim Menschen, Rinde, Kaninchen und bei der Ratte beriicksichtigt. Die tiber die letztgenannten beiden Tiere gemachten Angaben stimmen zumeist mit den meinigen iiberein. Patxiins Schluffolgerung, dali beim Kaninchen das Wesersche Organ in seinem kranialen Teile durch Verschmelzung von Organen, die den Samenblasen beim Menschen homolog sind, entstanden ist, in seinem kaudalen Teile aber den verschmolzenen Ductus ejaculatorii entspreche“, schliefe ich mich durchaus an. Dagegen kann ich seiner Ansicht, da die seitlich dem WEBER- schen Organ angelagerten Driisenschliuche (von ihm als pkd', drittes Paar von kaudalen Prostatadriisen, von mir als paraprostatische Urethraldriisen bezeichnet, s. Fig. 2 gl.wr) wie die beiden dor- salen Driisenpaare ,von wirklichen Prostatadriisen“ gebildet seien, auf Grund des histologischen Befundes nicht beitreten. Die Art ihrer Entwickelung beweist auch nichts anderes, als dal 1) Archiv f. Anatomie und Physiologie, Anat. Abtlg., Jahrg. 1901. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 465 sie die raumliche Lage mit Prostatadriisen gemein haben. — Be- ziiglich der Ratte bestatigt Patiin die Angabe von DissELHORST u. a. tiber die getrennte Ausmiindung des Samenleiters und der Samenblase; er ist geneigt, eine Beteiligung der Wo.urrschen Ginge (unter Erweiterung ihres kaudalen Endes) an der Bildung der beiden Urethralrecesse (Textfigg. 4 u. 10 ¢.ug’) anzunehmen, so daf die letzteren ,gewissermafen den Ductus ejaculatorii ent- sprechen méchten“. Da ich bei Mus musculus einen engen, wenn auch sehr kurzen, Ductus ejaculatorius finde, nichtsdestoweniger aber auch die fraglichen Urethralrezesse, so miiZte man annehmen, dal die hypothetische Erweiterung nur einen Teil des Ductus ejacu- latorius betroffen habe, der sich ohne Uebergang von dem eng gebliebenen absetzt. Ich halte diese Erklarung fiir eine etwas gezwungene; ich glaube aber, daf sich die wirkenden Ursachen fiir die Verkiirzung des Ductus ejaculatorius, resp. das vollige Abriicken des Samenblasenganges vom Vas deferens in den eigen- tiimlichen Wachstumsverhiltnissen des Colliculus seminalis finden lassen, insofern als durch die fast wagerechte Ueberbriickung des Urethrallumens, das sehr steile Ansteigen des Colliculus seminalis von der hinteren Urethralwand, die lateralen Wande des Colliculus seminalis eine Dehnung erfahren muften, der natiirlich auch der Ductus ejaculatorius unterworfen war. Dadurch scheint sich mir seine bei den verschiedenen Species verschieden weit vorge- schrittene Verflachung resp. ,,Ausebnung“ leicht zu erklaren. — Ein Rudiment des Uterus masculinus konnte PALLIN noch bei der erwachsenen miannlichen Ratte in Gestalt eines Epithelstranges nachweisen. Am Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. H. E. Zrecuer fiir das freundliche Interesse, das er meiner Ar- beit jederzeit entgegenbrachte, auch hier meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. 466 Max Rauther, Literaturverzeichnis. 1) Beaurucarn, Origine préputial des glandes a parfum. Soe. d. Biol. Paris, Vol. jubil. 1899. 2) Born, Entwickelung der Ableitungswege des Urogenitalapparates und des Dammes der Saugetiere. Ergebnisse der Anatomie u. Entwickelungsgesch., herausgegeben von Mrrxet und Bonner, Bd. II], 1894. 3) Braus, H., Ueber den feineren Bau der Glandula_bulbo- urethralis beim Menschen. Anatom. Anzeiger, Bd. XVII, 1900. 4) Camus und Gury, Comptes rendus de l’Acad. d. Se., 1899. 5) Canninu, A., Recherches sur l’appareil reproducteur male du Cavia. Revue des Sciences naturelles de ]’Ouest, T. II, No. 1 et 2, p. 55 et 196, 1892. 6) Carus, Tafeln zur vergleichenden Anatomie, Heft 5, 1840. 7) Coxz, Fr. J., On the structure and morphology of the intro- mittent sac of the male guinea-pig (Cavia cobaya). Journ. Anat. Phys. 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C, 1885. 53) Sruzmann, Jux., Die accessorischen Geschlechtsdriisen von Mus decumanus und ihre Entwickelung. Zeitschr. f. Naturwissen- schaft, Leipzig, Bd. LX XI. 54) Treviranus, G. R., Beobachtungen aus der Zootomie und Phy- siologie, Bd. I, 1839. 55) Waennr, R., Handbuch der vergleichenden Anatomie, Leipzig 1834. 56) — Icones physiologicae, Bd. I, 1839. 57) Warxer, G., Beitriige zur Kenntnis der Anatomie und Physio- logie der Prostata nebst Bemerkungen iiber den Vorgang der Kjakulation. Arch. Anat. Phys., Anat. Abtlg., 1899. 58) Weser, E. H., Zusiitze zur Lehre vom Bau und den Verrich- tungen der Geschlechtsorgane, Leipzig 1844. 59) — Zusiitze zur Lehre vom Bau und von den Verrichtungen der Geschlechtsteile. Mitumrs Archiv, 1846, p. 421—428. 60) Wricut, R., On the so-called uterus masculinus of the rabbit. Proc. 4. internation. Congress Zool., Cambridge 1899. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 469 Tafelerklirung. Zur Untersuchung dienten Mikroskope der Firmen Zeif und Leitz. Die Figuren wurden mit Hilfe der Camera lucida oder des Abbeschen Zeichenapparates angefertigt. Abkirzungen: a.v.d@ Ampulla vasis deferentis. ¢.c.p Corpus cavernosum penis. c.s Colliculus seminalis. c.ug Canalis urogenitalis. gl.praep Glandulae praeputiales. gl. prost Glandulae prostaticae. gl. ur Glandulae urethrales. g.p Glans penis. gl.amp Glandulae ampullarum | p Penis. vasorum deferentium. ry Rectum. gl.an Glandulae anales. | ¢ Testis. gl.cowp Glandulae Cowperi s.| « Urethra. bulbourethrales. u.m Uterus masculinus. gl.i.s Glandulae inguinales se- | wr Ureter. baceae. v.d Vas deferens. gl.t.¢ Glandulae inguinales tu-| ves.ur Vesica urinaria. bulosae. ves.v.d Vesicula vasis deferentis. Patel” VEE. Fig. 1. Driisen des mannlichen Urogenitalapparates von Mus musculus. (Der untere, hintere Teil der Prostata [II] konnte, da er auf der abgekehrten Seite liegt, nicht mit dargestellt werden.) Die Vorhaut ist aufgeschnitten, so daf die Eichel (g.p) sichtbar ward.) 2301) Fig. 2. Mannliche Genitalorgane (nach Entfernung der Hoden) und Analdriisen des Kaninchens (Lepus cuniculus); von der linken Seite. 1:1. gl.u.p Glandulae urethrales paraprostaticae (,,obere Cowrersche Driisen“ Sriuure), 7.f Inguinalfalte, haarlose Hautfalte zwischen Penis und Rectum (r), die das Sekret der Inguinaldriisen (gl.t.s, gl.t.¢) aufnimmt; A, B, C sind analog den Bezeichnungen Leypies (1850, Taf. III, Fig. 25). m.b.c M. bulbocavernosus. Fig. 3. Mannliche Genitalorgane des Meerschweinchens (Cavia cobaya, jiingeres Exemplar). Die Eichel (g.p) ist durch Auf- schneiden der Vorhaut (praep) bloigelegt. Samenleiterblasen (v.v. d) und Prostata (gl.prost) sind noch nicht ganz auf der Héhe ihrer Entwickelung. 06.ing Bursa inguinalis, gub Gubernaculum Hunteri, 470 . Max Rauther, m.b.¢ M. bulbocavernosus, gl.prost.i, @ innerer, auberer Teil der Prostata. 1:1. Fig. 4. Prostata eines ausgewachsenen Mannchens von Cavia; von der linken Seite. 1:1. J der innere, JJ und III der Aufere Teil der Prostata. Fig. 5. Mannliche Genitalorgane des Igels (Erinaceus euro- paeus); von vorn. Die Hichel (g.p) ist durch Aufschneiden der Vorhaut freigelegt. 6.ing Bursa inguinalis, gl. prost.I, II, III die 3 Paare prostatischer Driisen (gl. prost.[ — Vesiculae seminales autorum s. Glandulae vesiculares OupEMANS). 1: 1. Fig. 6. Teil der minnlichen Genitalorgane des Igels von hinten, um die Einmiindungsstellen der Prostata und die Lage der Cowpsr- schen Driisen zu zeigen. 1:1. Bezeichnungen wie bei Fig. 5. Fig. 7. a) Querschnitt durch das Vas deferens von Mus muscu- lus mit dem erweiterten Ausfihrgang (amp) der Ampullendriisen; in letzterem massenhaft Spermatozoen. v.d stark verengtes Lumen des Samenleiters, bereits mit dem Ausfiihrgang (amp) kommuni- zierend, ep Cylinderepithel der Ampulle mit leistenférmigen Er- hebungen. b) Querschnitt etwas héher oben; der Samenleiter (v.d) von den Hauptstammen der Driisenschliuche (gl.) umgeben. 3) el, Fig. 8. Querschnitt durch die Ampulla vasis deferentis von Lepus cuniculus. m zirkulire Muskelhiille, gl.amp Driisentubuli, * Ausmiindung eines der letzteren in den Samenleiter (v. d). 30 21. Fig. 9. Querschnitt durch die Samenleiterblase von Mus mus- culus. 0b auferes Bindegewebe, m glatte Muskelhiille, d Divertikel, t Epitheltaschen (einseitig eingestiilpte Epithelduplikaturen), s Sekret in gekérnelten Ballen, s‘ faseriges Sekret, (Die innere diinne Binde- gewebsschicht [Tunica propria] ist wegen des kleinen Mafkstabes nicht gezeichnet.) 30: 1. Fig. 10. Driisenepithel der Samenleiterblase von Cavia cobaya. Eisenalaun - Himatoxylin. 1000:1. a) Zwischen zwei Falten ge- legenes Stiick des Epithels; b) Epithelzellen von einer vorspringen- den Falte. bi Tunica propria, ¢ Kapillaren, m glatte Musku- latur, s.g sekretgefillte Zellen, 1.z Zellen nach der Sekret- entleerung. Fig. 11. Epithelzellen des Samenleiters von Mus musculus. a.b, 7.b aufere, innere Bindegewebsschicht, l.m, r.m longitudinale, zirkulire Muskelschicht, ¢ Cylinderzellen, s Sekrethéfe. 520: 1. Fig. 12. Epithelzellen der Glandulae ampullarum von Mus musculus. m glatte Muskelhiille, # Kerne, s Sekrethéfe. 520: 1. Tafel VIII. Fig. 13. Stiick eines Querschnittes durch den oberen Teil der Samenleiterblase von Lepus cuniculus, zeigt Gestalt und Anordnung der Driisen. m muskulése Wandung der Vesicula vasorum deferen- tium, gl Driisensickchen. 85: 1. Genitalapparat einiger Nager und Insektivoren. 471 Fig. 14. Querschnitt durch einen kleineren Driisenschlauch der Prostata I von Mus musculus (oberes, an die Samenleiterblase geheftetes Biindel). Das Cylinderepithel ist stark gefaltet (rechts unten etwas zerrissen) und bildet zum Teil vom Hauptlumen sich aus- stiilpende Taschen (#). Um die Kerne der Cylinderzellen zeigen sich Sekrethéfe (s.h). ba Basalmembran, r.m glatte Ringmuskellage. 350 : 1. Fig. 15. Querschnitt durch einige Tubuli der Prostata IIL (vorderes freies Biindel) von Mus musculus; sie sind in verschie- dener Hohe getroffen, zeigen infolgedessen ein verschieden hohes und verschieden stark gefaltetes Cylinderepithel. 0 intertubulares Bindegewebe, rm zirkulire glatte Muskeln, ep Cylinderepithel. 85:1. Fig. 16. Cylinderepithel aus dem hinteren (medialen) Teil der Prostata von Lepus cuniculus. ¢, ¢' Cylinderzellen, ba Basalzellen, tr Sekrettropfen. 900: 1. Fig. 17. Querschnitt durch die Urethra von Cavia cobaya. gl.ur Urethraldriisentubuli, ep gefaltetes, mehrschichtiges Epithel der Urethra, b) Bindegewebe. 100: 1. Fig. 18. Die mit ¢ bezeichneten Tubuli der Cowrerrschen Driise von Cavia (Figur 20) stairker vergréfert. & Kerne der Cylinderzellen, der Basis meist flach angedriickt. Hisenalaun-Hiama- toxylin. 520: 1. Fig. 19. Cowrrrsche Driise von Lepus cuniculus; Querschnitt durch einen Hauptausfiithrgang (a) mit anliegender Driisenmasse (gl); m quergestreifte Muskulatur, bi Bindegewebe, 6] Blutgefafe, s Sekretréhre. 100: 1. Fig. 20. Stiick eines Querschnittes durch die Cowrxrrsche Driise von Cavia cobaya; * Tubulus (Endstiick), in einen der gréferen Ausfihrgiinge (a) miindend; 2 intertubuléres Bindegewebe, m quergestreifte Muskelhille. Eisenalaun-Hamatoxylin. 85: 1. Fig. 21. Stiick eines Querschnittes durch die Cowrxrrsche Driise von Mus musculus. ¢ weite Tubuli, sich in engere Driisen- schlauche ¢’ verzweigend, s fadiges Sekret, ) intertubulires Binde- gewebe, m quergestreifte Muskelhiille, m‘ einspringende Muskelziige. Beisel: Fig. 22. Querschnitt durch einige Tubuli und ein Schalt- stiick (s) der Urethraldriisen von Mus musculus. Die Zellen der Tubuli sind durch Sekreteinschliisse mehr oder weniger stark auf- gehellt. 6 intertubulaires Bindegewebe. 735: 1. Tarek ix. Fig. 23. Querschnitt durch den muskulésen Teil der Urethra von Mus musculus. m M. urethralis, gl. ur Urethraldriisentubuli, a@ Aus- fiihrgange derselben, ep mehrschichtiges Epithel der Urethra. pos 1. , Fig. 24. Einige Tubuli der Urethraldriisen von Cavia, starker vergréfert; bei * Ausmiindungsstelle eines Driisenschlauches in 472 M. Rauther, Genitalapparat einiger Nager u. Insektivoren. die Urethra, ep mehrschichtiges Epithel der letzteren, bi Binde- gewebe. 520: 1. Fig. 25. Glandulae urethrales paraprostaticae von Lepus cuniculus; Querschnitt durch einen Hauptausfiihrgang (@) mit an- liegender Driisenmasse. s.r Sekretréhren, s Sekret, b] Blutgefafe, bi Bindegewebe. 100: 1. Fig. 26. Einige Tubuli der paraprostatischen Driisen von Lepus cuniculus. #¢! fast genau quer, ¢? an der Kriimmung eines Schlauches getroffen, ¢? tangential angeschnitten, Bb] rote Blut- kérperchen, bi Bindegewebe. 1000: 1. Fig. 27. Cylinderzellen aus dem hinteren (medialen) Teil der Prostata von Lepus cuniculus. 900: 1. Fig. 28. Querschnitt (etwas schematisch) durch die Pars bul- bosa urethrae von Lepus cuniculus, um Lage und Ausmiindung der Gl. Cowperi zu zeigen. dr Driisengewebe, J, IJ, III Ausfihrginge, bl Blutgefa8e. Fig. 29. Querschnitt durch die Praputialdriise von Mus mus- culus. ac Talgdriisenacini, b bindegewebiges Geriistwerk, a weite Hohlriume in demselben, in welche die Acini miinden, f Fettgewebe. 80:1. Fig. 30. Querschnitt durch einen ca. 6!/, cm langen Embryo von Lepus cuniculus in der Inguinalregion. 30:1. e Epi- dermis, gl.an Analdriise (C), gl.i.s Glandula inguinalis sebacea (A), gl.i.¢ Glandula inguinalis tubulosa (B), ha Haaranlage, hp Haar- papille, 7. f Inguinalfalte, r Rectum, w Urethra. Fig. 31. Stiick eines Querschnittes durch die braune (tubulése) Inguinaldriise yon Lepus cuniculus. #¢ Tubuli, in verschiedenen Richtungen getroffen, bi intertubulares Bindegewebe. 85: 1. Fig. 32. Epithelzellen aus der Analdriise (C’) von Lepus cuniculus mit karyokinetischer Figur (Monaster, von der Flache gesehen). Fig. 33. Querschnitt durch den Anus von Talpa europaea. gl.an Ausfiihrginge der Anal-(Talg-)Driise, gl. an‘ tubulise Cireum- analdriisen innerhalb des Sphincter ani, zerstreut in letzteren aus- miindend, gl.an‘' Reste der oberen tubulésen Analdriise, gl.s Talg- driisen der auf der Haut des Anus stehenden Haare (normale Haarbalgdriisen). 15: 1. Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. Von Ernst Wettstein. Hierzu Tafel X—XII. Unter den Placophoren hat schon lange eine Familie, die der Cryptoplaciden, das Interesse der Zoologen erregt. Sie schien geeignet, richtige Aufschliisse geben zu kénnen tiber die Verwandt- schaftsbeziehungen zwischen Chitoniden und Solenogastren. Bis jetzt sind aber noch zu wenig Arten untersucht, um ein endgiil- tiges Urteil fallen zu kénnen. Auch die vorliegende Arbeit wird die Erkenntnis nur um einen kleinen Schritt fordern, da sie sich nur mit einer Species — Cryptoplax larvaeformis Burrow — befaft. Zwar hat PELSENEER (1899) tiber letztere schon einige Angaben und Zeichnungen publiziert, dieselben sind aber zu wenig detailliert, als da’ sie fiir eine Vergleichung gentigend Anhalts- punkte bieten wiirden. In Puatss vortrefflichem und umfassendem Werk iiber Anatomie und Phylogenie der Chitoniden (1901) findet sich leider nur die Beschreibung eines einzigen Vertreters der in Frage stehenden Familie — Cryptoplax oculatus. Es hat sich im Verlauf der Untersuchung von C. larvaeformis gezeigt, daS seine innere Organisation mit der von C. oculatus viel Aehnlichkeit hat. Es soll daher schon Bekanntes so kurz abgehandelt werden, als es die Klarheit der Darstellung -erlaubt. Dafiir werden die anatomischen Unterschiede etwas mehr Raum einnehmen. Die 4 Exemplare, die mir zur Verfiigung standen, sind von Herrn Suter (Christchurch, Neu-Seeland) gesammelt worden. 3 davon waren schon in Celloidin eingebettet und wurden in Schnittserien (20—30 yw) zerlegt. Die erste (A) war friiher von einem Studierenden begonnen, aber nicht vollendet worden, und Bd, XXXVIIL N. F. XXXI. 31 474 Ernst Wettstein, weist zahlreiche Liicken auf. Die zweite (B) ist eine Serie aus Liangs-, die dritte (C) eine aus Querschnitten. Von Kernfarbe- methoden gelangen am besten diejenigen mit Hamalaun oder dann mit DELAFIELDS Haimatoxylin (ersteres wahrend 2—3 Tagen, letzteres bis 16 Stunden angewendet). Zum Nachfarben erwies sich wasserige Lésung von Eosin am geeignetsten. Fiir viele Schnitte kam statt Eosin die Van Gresonsche Bindegewebsfarbung nach der Vorschrift ScHAFFERSs (Zeitschr. wiss. Zool., Bd. 66) zur Verwendung. Die Farbbarkeit war sehr gering und bei gewissen Organen, wahrscheinlich infolge schlechter Konservierung, teilweise so gut wie null, was zusammen mit der grofen Schnittdicke die histologische Untersuchung sehr erschwerte. Der Name des heute als Cryptoplax larvaeformis Burrow be- zeichneten Chiton hat eine bewegte Vergangenheit, wie aus der Abhandlung Happons (1886) erhellt, der die Systematik (oder besser Synonymik) kritisch bearbeitet hat. Die beste Abbildung findet sich meines Wissens bei Quoy et Garmarp (1834, p. 73, Fig. 21 u. 22), doch ist sie, besonders was den Stachelbesatz an- belangt, zu schematisch gehalten. Die Schalen hat neuestens PILSBRY (1901) untersucht. Auch bei Happon finden sich eine Anzahl von Abbildungen. Bei dem mir noch vorliegenden intakten Exem- plar sind sie (wie auch bei dem von Quoy et GAmmarRD abgebil- deten) bis auf eine schmale rotbraune Randzone abgescheuert. Der Grundton des Kérpers ist ein lichtes Gelbbraun, die Unter- seite spielt etwas ins Rétliche. (Bei Quoy et GAimarp sind die Kontraste iibertrieben.) Von der III. und den folgenden Schalen gehen unregelmibige, rostfarbene Binden zur Seitenkante des Mantels. Dazwischen liegen entsprechend geformte gelbliche Stellen. Die dunkeln Flecken nehmen nach hinten an Ausdehnung zu, so daf8 das Tier, von einiger Entfernung betrachtet, von vorn nach hinten gleichmaivig dunkler zu werden scheint. Zwischen je 2 aufeinander folgenden Schalen sieht man jederseits einen kleinen weiBen Flecken, ein Stachelbiindel. Dazu kommen 4 Stiick vor der I. Schale, so daf im ganzen 9 Paar vorhanden sind. Wie kommt die Zeichnung auf der Oberseite des Mantels zu stande? Die Querbinden werden hervorgerufen durch kleine, braune Stacheln, wihrend die hellen Zwischenriume mit wenigeren und meist weiflichen besetzt sind. Immer iibertreffen die dorsalen Stacheln die ventralen ums Doppelte; ebenso nehmen sie nach hinten an Gréfe zu. Um die IV. Schale und immer zahlreicher um die folgenden treten grofe braune Stacheln (0,4—0,6 mm) auf. Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 475 Im 7. und 8. ,,Segment* trifft man sie auch auf den Seiten des Mantels, doch sind sie dann mit wenigen Ausnahmen weiflich, d. h. ohne Pigment. Die kleinen Stacheln der Binden rivalisieren am Hinterende des Tieres an Gréfe mit den zuletzt genannten »Riesenstacheln“. An der seitlichen Kante des Mantels stehen die langen (0,6 mm) Saumstacheln. Sie sind sehr schlank und daher meist abgebrochen. Die Ventralstacheln kann man mit der Lupe gerade noch als feine weife Piinktchen erkennen. Sie haben also kein Pigment. Ueber den histologischen Bau und die Entstehung der In- tegumentbildungen kann ich mich kurz fassen, da BLumricu (1891) und Puare (1901) die Verhaltnisse bei 2 Cryptoplaxarten einer genauen Untersuchung unterzogen haben und die entsprechenden Bildungen bei C. larvaeformis keine bedeutenden Abweichungen zeigen. Die Cuticula tibertrifft an Miachtigkeit die aller anderen Aplacophoren. Sie zeigt bei C. larvaeformis keinerlei Zeichnung; von Saulen, wie sie PLatTe bei C. oculatus gesehen hat, ist nichts gu bemerken. Zwischen den typischen ,,Paketen‘ (,,Papillen“) findet sich haufig ein niedriges Epithel mit den fiir die Chitoniden charakteristischen Zellliicken. Die Zellen der Pakete sind dinn und wie bei C. oculatus mit feinen, schmutzig-gelben Kérnchen er- fiillt. Alle Stacheln stehen mit dem Zapfen ihres Chitinbechers in einem Chitinring, und zwar besteht letzterer aus einem Stiick (wenigstens bei den grofen, alteren Stacheln), angelegt wird er aus zahlreichen kleinen Stibchen. Das Chitin der Stachel- becher und -ringe farbt sich mit Eosin und Hamotoxylin; die Cuticula bleibt gelblich. Am besten sind die Ringe entwickelt an den Stacheln der Stachelbiindel und den Saumstacheln, wo sie zu hohen Hohlcylindern werden. FEine Mittelstellung nehmen die iibrigen groBen Stacheln ein, bei den kleinen (welche die braune Zeichnung zu stande bringen) sind sie niedrig und noch mehr an den Ventralstacheln. Die Stacheln des Saumes und der Biindel sind durch ihre Stellung (und GréSe) besonders geeignet, als Tastwerkzeuge zu funktionieren; vielleicht steht damit die starke Entwickelung der Ringe in Zusammenhang. Zwischen den grofen Biischelstacheln finden sich ganz kleine von genau demselben Bau, also mit relativ ebenso hohen Ringen. Der Epithelstrang, der von einem Paket zum Stachel zieht, ist an seinem Ende kolbenférmig angeschwollen, so daf er dem Innenrand des Ringes anliegt. End- platten an dem konkaven Ende des Stranges sind sehr deutlich, gelegentlich sieht man auch am gegeniiberliegenden Ende des 31* 476 Ernst Wettstein, Zapfens ein Scheibchen, doch nie scharf begrenzt. Die Bildung scheint in ahnlicher Weise zu erfolgen wie bei C. oculatus. Die Kalksubstanz und ein Teil des Chitinbechers wird abgesondert yon einer grofen Zelle, die auffallt durch ihren grofen, blaschen- férmigen Kern mit kleinem, sich stark farbenden Nucleolus. Auf Stadien, wo der Stachel schon etwas vom Epithelpaket entfernt ist, scheint sich die Bildungszelle riickgebildet zu haben; Bilder, die der Fig. 376b (PLaTse 1901) entsprechen wiirden, konnte ich nicht auffinden. Rermncke (1863) bildet einen Querschnitt durch einen jungen C. larvaeformis ab. Die Stacheln sind daselbst in voller Zahl und Gréfe vorhanden, wie bei erwachsenen Individuen, wo sie nur weiter auseinanderrticken und relativ kleiner werden. Leider war er verhindert, die Verainderungen des Epithels bei der Stachelbildung genauer zu untersuchen. Auf der Unterseite des Tieres sieht man die schmale, lang- gestreckte FuBsohle eingeengt zwischen den beiden breiten Mantel- randern. Der FuS verliert nach vorn viel von seiner Breite und, wie Querschnitte lehren, auch von seinem Volumen. Der Abstand zwischen dem Boden der Leibeshéhle und der Fufsohle bleibt der gleiche. Da der Gesamtquerschnitt des Kérpers nach vorn ab- nimmt, ist die Verkleinerung des Fufes nicht sehr auffallig, wohl aber die ungleiche ‘Tiefe der Mantelhéhle: bis zur vordersten Kieme betrigt sie 1—2 mm, dann wird sie rasch 5 mm tief, um erst dicht beim After jah auf 3 mm zuriickzugehen. In dieser Vertiefung birgt die Mantelrinne auf jeder Seite die Kiemen (bei A auf jeder Seite 31, bei D links 23, rechts 24), die merobranch und abanal angeordnet sind (wie bei C. oculatus). Die vordersten stehen zwischen der VI. und VII. Schale, die hintersten trifft man wenige Querschnitte yor dem After; immerhin ist der Abstand vom letzteren mehr denn genug, um die Bezeichnung ,,abanal* zu rechtfertigen. Wie PLate bei der Mehrzahl der abanalen Chito- niden fand, so sind auch hier die hintersten Kiemen die gréften, und zwar ist die letzte deutlich kleiner als die zweite, welche als Maximalkieme betrachtet werden kann. Nach vorn zu nimmt die Liinge ab, so dafi die vordersten kaum 0,5 mm messen. Die Nierenéfinung ist zwischen der J. und 2., die Geschlechtséffnung zwischen der 10. und 11. Kieme, von hinten gezihlt. PELSENEER (1899) hat festgestellt, da’ damit C. larvaeformis unter allen Chitoniden die Maximalzahl von Kiemen (9) zwischen Nieren- und Geschlechtséffnung besitzt. Vor der Kiemenregion findet man auf Querschnitten an der Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 477 Innenfliche des Mantels jederseits 2 oder 3 kleine Hocker, die dadurch entstehen, daf das Epitel der gewéhnlichen Mantelrinne daselbst eine betrachtliche Héhe (das Drei- bis Vierfache der ge- wohnlichen) erreicht. Leider war es unméglich, die Histologie dieser vielleicht als Seitenorgane zu deutenden Epithelvorwélbungen ge- nauer zu erkennen. Dorsal enthalten sie grofe blaschenformige, gegen die Oberfliche zu langgestreckte, intensiv gefirbte Kerne und sind von einer Cuticula bedeckt, die vollkommen derjenigen der spiter zu erwahnenden ,,Osphradien“ entspricht. Die Zahl der Seitenorgane (?) mag eine gréfere sein, das Epithel der Mantelhéhle fehlt auf meinen Praparaten haufig, langeres Liegen in 70-proz. Alkohol scheint seiner Konservierung nicht giinstig zu sein. Mehr ventral sind immer viel Becherzellen dem Epithel eingestreut. Letztere trifft man sonst am haufigsten auf den Vasa afferentia und efferentia, d. h. an den Stellen der Kiemen, die Fu8 und Mantel am n&chsten liegen. Sie fehlen aber auch nicht auf der ganzen tibrigen Kiemenoberfliche und an den Wanden der Mantelrinne, soweit diese Kiemen einschlieSt. Das Epithel der FuBsohle ist hoch und farbt sich intensiv mit Hamatoxylin; beides Eigenschaften, die PLATE von C. oculatus hervorgehoben hat. Die Muskulatur von C. larvaeformis ist in Anpassung an die riesige Entwickelung der Leibeswand und die relativ geringe Gréfe der Schalen modifiziert. Die Trennung in distinkte Muskel- ziige ist nicht mehr so leicht zu erkennen wie bei den Chitoniden mit geringer Mantelentwickelung. Wie Pate fiir C. oculatus her- vorhebt, iiberwiegen auch hier die Lingsmuskeln im Mantel weit- aus. Bei C. larvaeformis sind letztere in dem Teil des Mantels, der an die Mantelhéhle angrenzt, besonders konzentriert. Sie schliefen sich damit direkt dem M. long. lat. an, der meist ventral Keine scharfe Grenze zeigt. Die Kontraktion wird ein ventrales Einrollen des Tieres zur Folge haben, wobei durch die seitlichen Langsmuskeln zugleich die Schalen aufgerichtet werden. Weniger zahlreich sind Radiir- und Ringmuskelfasern. Das Bindegewebe verdriingt unter der Cuticula, besonders um die Schalen und zwischen denselben, fast alle Muskulatur. Alle typischen Schalenmuskeln sind noch erhalten, wenn auch stark verandert. PuLatTe hat bei C. oculatus einen feinen Muskel jederseits in der Aorta beobachtet, den er als sekundir mit der Aorta verwachsenen letzten Rest des geraden Muskels deutet. Bei C. larvaeformis finden sich an der Wartdung der Aorta feine Laingsmuskeln, die jeweilen an der Verwachsungsstelle letzterer 478 Ernst Wettstein, unter dem Vorderrand einer Schale mit dem schiefen Muskel (M. obliquus) verschmelzen und sich somit am Vorderrand der Schale festheften. Sie fallen besonders im zweiten ,Segment“ auf, wo sie zu zwei Biindeln seitlich der Aorta vereinigt sind. Weiter hinten tritt diese Anordnung nicht mehr so deutlich hervor, da der Muskelfasern immer weniger werden. Vor der VI. und VII. Schale sind sie sehr spérlich geworden; sie gehen von der Aorta auf die Decke des Pericards tiber und sind im Anfhangeband des Herzens bis zur VIII. Schale ziemlich kraftig entwickelt. Am stirksten ausgebildet sind sie, wie bei den tibrigen Chitoniden, unter der I. Schale, sie reichen aber nur bis unter die Mitte und divergieren wenig. Neben den Recti der I. Schale verlaufen 2 Muskeln , die stark auseinandergehen und sich unter dem Vorderrand der I. Schale festheften. Sie sind auf ihrem Verlauf tief in die Pharynxdivertikel eingesenkt. Die entsprechenden Muskelpaare, die vom Vorderrand der III. und IV. Schale entspringen und unter die Apophysen von II und III gehen, hingen ebenfalls frei in die Leibeshéhle hinunter (Fig. 17 und 18 obl) [bis auf die Zucker- driisen resp. den Magen]. Sie sind den schiefen Riicken- muskeln der anderen Placophoren homolog. Sie verschmelzen in den folgenden ,Segmenten“ jeweilen an den vordersten Ansatz- stellen mit den entsprechenden seitlichen Liingsmuskeln, hangen in ihrem Verlauf auch nicht mehr frei in der Leibeshéhle, sondern sind konstant an deren Begrenzung beteiligt. Ihr Querschnitt nimmt nach hinten ab. Die Obliqui sind also wie bei C. oculatus, ferner bei Schizochiton incisus und Amicula vestita gleich den Recti stark verkiimmert. ,,Sie scheinen durch die stirkere Ent- wickelung des Mantels aufer Funktion gesetzt zu werden.“ (PLATE, C, p. 327.) Entsprechend der engen Lagerung der Schalen I—IV gleichen die queren Riickenmuskeln ziemlich denen yon Acantho- pleura. Auf Liingsschnitten erscheinen sie nach oben facherformig ausgebreitet. Zwischen den hinteren Schalen sind die Verhaltnisse wegen des grofen Abstandes derselben verindert. Mit der be- deutenden Verlingerung ist eine entsprechende Reduktion des Querschnittes eingetreten. Sie heften sich als scharf begrenzte paarige Muskeln an den vorderen Apophysenenden an und gehen unter den seitlichen Lingsmuskeln nach vorn und zwischen ihnen durch an die Unterseite des Hinterrandes der vorhergehenden Schale (Fig. 1 transv). Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 479 Der seitliche Langsmuskel (Fig. 1 Ul) ist sehr gut er- halten als nach innen und auSen scharf begrenzter Muskelzug. Ventral ist er von der tibrigen Lingsmuskulatur des Mantels meist nicht scharf getrennt. Er entspringt auf der Dorsalseite der Apophyse (Mitte vorn) und heftet sich fest auf der vorhergehen- den Schale am seitlichen Rand der Apophyse. Dadurch wird sein Verlauf nicht streng parallel der Fubfliche (wie Piare fir Acanthopleura angibt), sondern etwas nach vorn absteigend. Ueber Transversus und Longitudinalis lateralis von C. oculatus finde ich bei PLars keine Angaben. Bei der dorsoventralen Mus- kulatur konnte er nicht mit Sicherheit feststellen, ob sie sich in die fiir die meisten Chitonen typischen Muskelgruppen zerlegen lasse. Ich habe die Verhialtnisse bei C. larvaeformis nicht genauer ver- folgt; doch ist so viel sicher, daf in den vorderen ,Segmenten“ noch eine gewisse Gruppierung vorhanden ist. Im hinteren Teil des K6rpers scheint sie nicht mehr zu existieren. Im FuB soll sich bei C. oculatus die Muskulatur in der ge- wohnlichen Weise anordnen. Bei C. larvaeformis treten die echten Langsmuskelfasern, die nur im Fuf verlaufen und nicht in die Seitenwand des Kérpers aufsteigen, deutlich hervor. Sie sind auf Querschnitten tiber die Basis des Fufes verteilt (Fig 7). Darunter sind zwei konstante Muskelbiindel tiber den Sinus laterales her- vorzuheben. Sie scheinen sich vorn und hinten in der umgebenden Muskulatur aufzulésen. Wenn man Querschnitte von Cryptoplax mit solchen eines gewéhnlichen Chitons vergleicht, fallt die relativ bedeutendere Menge von Langsmuskeln leicht auf. Am vordern und hinteren Ende des Fufes werden die letzteren ersetzt durch schrag nach vorn resp. hinten aufsteigende Muskelfasern, die nir- gends in Liaingsmuskeln umbiegen. Ueber der Sohle verdrangt querverlaufende Muskulatur alle andere. Der Darmkanal zeigt eine groBe Uebereinstimmung mit dem der iibrigen Chitoniden und speziell mit dem von C. oculatus. Das Mundrohr ist ausgekleidet von einer diinnen Cuticula, die sich am Uebergang in die Mundhéhle wie bei Acanthopleura (PLATE, p. 19) verdickt. Der so entstehende Cuticularing ist vorn und seitlich bedeutend diinner und schmiiler als hinten, wo er sich weit in den Subradularsack erstreckt. Das Subradularorgan ist grof. Eine lokalisierte Driise fehlt. Der Subradularsack ist hinten wie bei Acanthopleura in 2 Zipfel ausgezogen. Der Pharynx steigt senkrecht zur Decke der Leibeshdhle auf. Seine Riickwand ist bedeckt von den Seitenplatten der Ra- 480 Ernst Wettstein, dula, die sich in der Mitte dffnet. Sie kann sich, je nach dem Kontraktionszustande, bis ziemlich weit auf das Dach der Mund- héhle umschlagen. Die Radulascheide hat die gleiche Linge wie die von C. ocu- latus. Die Raduladivertikel zeigen im Epithel ihrer Decke (und am Hinterende auch am Boden) Driisenzellen, ahnlich denen des Pharynx. Der Boden ist verstarkt durch Chondroidgewebe, an dem sich Muskeln festheften (Fig. 6 ch). Ein abnlicher ,,accessorischer Knorpel“ kommt nach Tree (1902) Callochiton doriae zu. Die Seitenplatten gehen mit der Radula auf das Dach der Mundhoéhle iiber, verdiinnen sich aber rasch und héren plotzlich auf. Von der Radulamuskulatur habe ich eine gréfere Anzahl von Einzelmuskeln auf Querschnitten verfolgt. Sie scheinen alle mit den von PuaTeE bei Acanthopleura gemachten Befunden mehr oder weniger genau iibereinzustimmen. Bei anderen war weder auf Quer- noch auf Lingsschnitten Verlauf und besonders Insertion mit Sicherheit festzustellen, ich verzichte daher auf eine Beschrei- bung. Die Radulablasen stimmen mit denen von Acanthopleura vollkommen iiberein (PLATE, A, p. 64). Sie sind seitlich kompri- miert und divergieren nach hinten. Ihre Wandung ist verstarkt durch 2 Leisten aus Chondroidgewebe, eine innere und eine aiuBere. Beide sind nur vorn stark entwickelt und wélben sich daselbst stark vor. Im Hohlraum sieht man an einzelnen Stellen der Wand angelagertes Gerinnsel. Wo der Pharynx nach hinten umbiegt, miinden von oben die beiden Speicheldrtisen in ihn. Sie sind relativ ebenso grof wie bei Acanthopleura. Die Wandungen zeigen flache Ausstiilpungen. Dazu kommen noch die Falten des Epithels, so daf’ man fast von einem gelappten Bau sprechen kénnte. Wie bei C. oculatus hat sich der distale Teil des Epithels mit Himatoxylin intensiv blau gefarbt. Die Pharynxdivertikel sind auch hier auf das Dach des Pharynx hinaufgexlappt und stehen auf ihrer ganzen Linge mit ihm in Kommunikation. Eosin firbte ihr Epithel gar nicht, und Pikrinsiure gab ihm nur einen hellgelben Ton. Im Pharynx, an der Vorderwand der Mundhéhle und den Wandungen des Subradularsackes (mit Ausnahme der kutikulari- sierten Stellen), ebenso, wie schon bemerkt, in den Raduladivertikeln ist das Epithel reich an Driisenzellen, deren Sekret (durch Himato- xylin gefarbt) blau granuliert erscheint und sich hiaufig frei im Innern des Pharynx findet. Hinter den Pharynxdivertikeln miinden von der Seite her die Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 481 beiden Zuckerdrtisen. In Form und Faltenbildung Aahnlich denen von C. oculatus, fehlt ihnen aber der dreieckige Lappen, der jenen zukommt. Die rechte Driise ist auch linger und ihr hinterer Teil der Radulascheide aufgelagert; derjenige der linken Driise liegt unter letzterer, so daf man bei der Betrachtung auf Querschnitten den Eindruck erhalt, als drehe sich die Ebene, in der Radulascheide und Zuckerdriise liegen, um 90°. Die Form ist im tibrigen etwas variabel: bei A und B unregelmabig, dem gefiillten Magen angepaft, sind sie bei C im ganzen Verlauf ein- fach schlauchfoérmig. Unter der Radulascheide sind linke und rechte Driise auf einer kurzen Strecke durch Bindegewebe ver- bunden. Ueber die Grenze zwischen Pharynx und Oesophagus ist man nicht eimig. Nach PLate beginnt der letztere hinter der EKinmiindung der Zuckerdriisen, die also noch zum Pharynx zu rechnen waren. Der Oesophagus von C. larvaeformis hat im Innern hohe Epithelfalten, die in der Langsrichtung verlaufen. Sein Durchmesser nimmt vor der Cardia stark ab, letztere ist sehr eng. Was die Form des Magens anbelangt, so kann man ganz wohl die Beschreibung, die PLATE vom Magen von C. oculatus gibt, auch auf den von C. larvaeformis tibertragen. Eine Rekon- struktion von A entspricht ganz der Figur 359, Tafel XIV (C). Der Magen ist also schlauchférmig, kann aber je nach seinem Fillungszustand an einzelnen Stellen sackartige Ausbuchtungen zeigen. So liegt er bei A und B vorn dem Diaphragma an, wahrend er bei C weit davon entfernt ist. Die typhlosoliséhnliche Hinstiilpung der Wandung bildet 1!/,—2 Spiralwindungen um den hinteren Teil des Magens. Die Leber miindet in diejenige der sie begrenzenden Darmfalten, welche der Mittelachse des Tieres naher liegt. Die Lage ihrer Oeffnungen sind aus Figur 399, Tafel XIV (Puats, C) ersichtlich. Form und Lagerung der Leber- lappen waren der ungeniigenden Farbung wegen nicht gut zu ver- folgen. Im Innern der Leberschlauche finden sich immer zahlreiche, durch Hamatoxylin blau gefarbte Trépfchen. Die Grenze zwischen Magen und den Schlingen des Mittel- darmes ist nicht scharf. Bei 2 Exemplaren scheint mit dem Aufhéren der ,,Typhlosolis‘ der Uebergang in den Dinndarm stattzufinden. Bei B ist. der Darm bis zur Windung 7 dem Magen an Inhalt (Gerinnsel), Form (bedeutender Durchmesser etc.), Wandung (Kerne des Epithels der Magenwandung haben sich 482 Ernst Wettstein, nicht gefarbt) sehr ahnlich. Die Windung 7 ist eng, hat hohe Langsfalten im Epithel und fiihrt tiber zu den normalen Darm- schlingen. lLetztere enthalten ein durch Hamatoxylin blau ge- farbtes Gemengsel von Nahrungspartikeln, haben einen annadhernd gleichen Durchmesser und regelmifige Form. Ihr Epithel farbt sich gut. Der Darmkanal des Exemplars B zeigt auch in anderer Hinsicht ein abweichendes Verhalten. Die ventralen Teile der Darmschlingen stiilpen sich bruchsackartig aus, und diese Aus- stiilpungen hangen in den Sinus medianus hinein, indem sie zwischen den Quermuskeln, die dessen Decke bilden, durchtreten. Die Darmschlingen hahen einen ahnlichen Verlauf wie bei C. oculatus. Infolge ungleich starker Kontraktion (oder vielleicht als individuelle Schwankungen) zeigen sich bei den 3 Exem- plaren einige Verschiedenheiten. Wichtig ist, da’ auch hier keine Darmstiicke direkt von vorn nach hinten verlaufen. PuLatTe (C, p. 446) macht auf den Wert der spiraligen Anordnung der Schlingen aufmerksam. Eine Lingsstreckung des Tieres, wie sie CUMING (REEVE 1846) beobachtete, ist in hohem Mae méglich, ohne daf eine gewaltsame Dehnung oder sogar ein Zerreifien des Darmes eintreten wiirde. Man denke nur an eine Spiralfeder, die ja ihre Dehnbarkeit auch der speziellen, spiraligen Anordnung des an und fiir sich so gut wie unelastischen (im gewéhnlichen Sinne des Wortes) Materials verdankt. Die Windungen werden bei der Inanspruchnahme hoéher, entfernen sich voneinander, ohne das etwa eine Drehung um ihre Achse oder eine Zerreifung eintreten wiirde. Puate fiihrt den komplizierten Verlauf des Darmes auf ein einfaches Grundschema zuriick, indem er eine Verkiirzung des Darmrohrs und eine Drehung des hinteren Teiles um 180° an- pimmt. Das Schema (Fig. 14) ist in Anlehnung an PLATEs Figuren (C, Taf. XV) gezeichnet, von denen es sich nicht so sehr unterscheidet, wie es auf den ersten Blick erscheinen méchte. Das vordere und das hintere Ende des Darmkniuels sind namlich so kompliziert, da’ man bei graphischen Rekonstruktionen (die ich mir von allen 3 Exemplaren anfertigte) oft in Verlegenheit ist, was man als selbstindige Schlinge bezeichnen soll; die Nume- rierung ist natiirlich noch willkiirlicher. Immerhin scheinen sich die Darmschlingen von C. larvaeformis noch um eine halbe Windung (6, 7, 22, 31, 19) verlingert zu haben gegeniiber denen von C. oculatus. Das Schema entspricht dem Verlaufe des Darmes von C. Die Schlingen sind etwas auseinandergezogen gedacht. Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 483 In Wirklichkeit folgt 16 dicht auf 1, 18 auf 3 u.s.w. Als sichtbar (ganz ausgezogene Linien) sind die Teile gezeichnet, die der Leber aufliegen oder nur von wenigen Leberschléuchen bedeckt werden, also bei einer Betrachtung von oben gesehen werden kénnen. Die Leber, deren Schliuche durch lockeres Bindegewebe zu- sammenhingen, setzt einer Dehnung wohl nur geringen Widerstand entgegen, ebensowenig die spiralig verlaufende Arteria visceralis. Auch der Magen scheint sich der Lebensweise angepaft zu haben. Das Rectum verlaiuft in einer Héhlung, deren Decke vom Boden des Pericards, deren Winde und Boden von (der Leber und) den Nierenschlaiuchen gebildet werden. Bei einem Exemplar (C) hangt es in einer Membran, die sich im Bindegewebe des Bodens des Pericards oder im Bindegewebe, das die Nierenkanalchen zu- sammenhalt, verliert. Von endothelartigen Bildungen, wie sie HALier (1902) neuerdings wieder abbildet (Text p. 315, Fig. 256) konnte ich keine Spur entdecken. Das Nervensystem von Cryptoplax larvaeformis weist einige ‘interessante Differenzen von dem der anderen Chitoniden auf; Differenzen, die PLats schon bei C. oculatus hervorhob, und einige wenige, die erst bei unserer Art auftreten. Das Cerebralmark ist auch hier an einer bindegewebigen Membran in der Kopfhéhle aufgehingt (Fig. 2 cer). Von Nerven lassen sich die von PLaTE mit 2, 3 und 5 bezeichneten leicht konstatieren, sie gehen in die Stirnseite des Mantels und in die Mundscheibe; dagegen fehlen die medianen (4) vollstandig. Hin Querschnitt zeigt die typische Anordnung der Kerne (PLATE): das Cerebralmark zerfallt durch einspringende Kernanhaufungen gleichsam in 3 Strange. Der mittlere tritt dadurch hervor, dal ihm zuweilen ein Kernbelag fast vollstindig abegeht; auch ist oft nur eine Zweiteilung zu erkennen: in einen dorsalen (oder auferen), dem Lateralmark, und einem ventralen (oder inneren), dem Pedal- plus Subcerebralmark entsprechenden Strang. Wie bei Cryptoplax oculatus entspringen die Buccalkonnek- tive vom hintersten Teil des Cerebralhalbringes, und zwar von der inneren (der Subcerebral-)Seite. Bei den tibrigen Chitoniden zweigen sie vom Subcerebralmark selbst ab, bei Solenogastren, wenn sie vorkommen, von den Cerebralganglien (vergl. PLaTe, C p. 494). Die Konnektive sind in sehr feste, bindegewebige Scheiden eingehiillt und entbehren fast vollstaindig der Kerne. ° Der Buccalring zeigt 4 deutlich getrennte Buccalganglien 484 Ernst Wettstein, (Fig. 2 g. bucc 1, g. bucc 2). Das Verbindungsstiick zwischen je zwei gleichseitigen Ganglien ist kurz. Es hat einen gewissen, wenn auch nicht kontinuierlichen Kernbelag und stimmt hierin iiberein mit der hinteren Kommissur, wihrend die vordere sehr diinn ist und so gut wie keine Kerne besitzt. Sie liegt dem Dache der Mundhohle auf und ist wegen ihrer geringen Entwickelung auf Schnitten oft kaum aufzufinden. Bouvier und Fiscuer (1898) fanden bei ,Chiton“ fasicularis auch 4 Buccalganglien und Tureve (1892) bei Chiton rubicundus sogar 5. Das unpaare 5. Ganglion lag ,zwischen Oesophagus und Radulascheide“. Bei Cryptoplax larvaeformis ist diese Stelle, wie bei C. oculatus, ohne Kerne. Wie der Langsschnitt (Fig. 2) zeigt, stimmen die Buccalganglien mit denen von C. oculatus darin tiberein, daf sie an GréfSe mit dem Cerebralmark zu konkurrieren vermogen. Auf Querschnitten lassen sich eine Anzahl Nerven, die vom Buccalring ausgehen, verfolgen. Von der Eintrittsstelle der Kon- nektive in den Buccalring laiuft jederseits ein Nerv zu Buccal- muskeln (PLATE, 16), die er zu innervieren scheint. Von der Mitte der hinteren Kommissur gehen 2 Nerven an das Dach der Radulascheide (Fig. 22 n. buce 2). Unzweifelhaft am wichtigsten aber sind die 2 Nerven (die auch PLate besonders hervorhebt), die in der Rinne zwischen Pharynx und Pharynxdivertikeln (Fig. 22 n. buce 7) nach hinten laufen. Sie lésen sich auf dem Oesophagus in zahlreiche Zweige auf, von denen sich einige sogar auf der Dorsalseite der Zuckerdriisen und auf dem vorderen Magen nachweisen lassen. Von einer anderweitigen Innervation der Ein- geweide habe ich nichts bemerkt. Dicht hinter der Abgangsstelle der Buccalkonnektive teilt sich das Cerebralmark in Lateral- und Pedal- plus Subcerebralmark. An der Trennungsstelle der letzteren beiden entspringen die Sub- radularkonnektive, die neben und iiber dem Subradularsack nach hinten zu den Subradularganglien verlaufen. Sie sind, wie die Buccalkonnektive, von einer festen bindegewebigen Hiille um- geben und entbehren nahezu vollstindig der Kerne. Das Subcerebralmark verbindet gleich einer grofen Pedal- kommissur die beiden Fufstriinge. Die Kerne bilden, wie PLATE betont, keinen kontinuierlichen Belag, sind aber immerhin weit zahlreicher als an irgend einer Kommissur. Eine Anzahl Nerven gehen vom Subcerebralstrang nach vorn in die Muskulatur der Mundscheibe. Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 485 Bevor Pedal- und Lateralstringe in die Muskulatur einsinken, sind sie auch hier jederzeit noch durch ein Konnektiv verbunden, dem keine Pedalkommissur entspricht. Die beiden Pedalstringe durchlaufen ungefihr parallel den langen Fu8 bis nahe an sein hinteres Ende. Wo sich vorn der Sinus medianus gabelt, geht unter ihm die erste Pedalkommissur durch, die alle folgenden an Gréfe und durch ibren Reichtum an Kernen iibertrifft. Die Kerne der Pedalstringe liegen in Mehrzahl, entsprechend den Austrittsstellen der Kommissuren und Fufnerven, median und ventral. Letztere entspringen vom inneren Rand und kénnen den Kommissuren eine Strecke weit anliegen, so daf es scheint, als wiirden sie aus ibnen entspringen. Sie verasteln sich erst dicht tiber der Sohle. Am Hinterende des FuSes nahern sich die Pedalstrange auf die Halfte der gewéhn- lichen Distanz und héren ganz plétzlich auf. Auch aus den Zeich- nungen PELSENEERS (1899, Fig. 57, 67, 82) ist ein Zusammen- riicken der FuSmarkstimme ersichtlich. (Bei C ist die hinterste -Pedalkommissur gréfer als die vorhergehenden und enthalt auf der Ventralseite zahlreiche Kerne.) In der mittleren Kérperregion liegen die Kommissuren dicht unter der den Sin. med. begrenzenden Muskulatur. Noch niher kommen die Lateropedalkonnektive der Leibeshéhle, doch konnte ich nie eine Abzweigung zu den Kingeweiden beobachten, obschon die Konnektive sehr zahlreich sind. Nach PLatr fehlen bei C. ocu- latus ,an der hintersten Fufspitze“ die Lateropedalkonnektive. Fig. 8 zeigt ein Stiick eines Lingsschnittes von C. larvaeformis mit dem letzten rechtsseitigen Lateropedalkonnektiv (c. lp), das nahe dem Hinterende des Pedalmarks entspringt und seitlich und iiber dem Rectum am Pleurovisceralstrang inseriert. Meist trifit man auf demselben oder doch auf benachbarten Querschnitten Kom- missur, Konnektiv und Fufnerven; ebenso die Mantelnerven des Pleurovisceralmarks. Hier fallt die Uebereinstimmung, worauf PLaTE bei Acanthopleura echinata hinweist, besonders in der Kiemenregion auf, doch sind an keinem Markstrang von Crypto- plax ganglidse Anschwellungen zu bemerken. Die Kerne liegen im Lateralmark vorwiegend lateral und dor- sal. Hinter dem Rectum vereinigen sich die beiden Strange wie bei allen Chitoniden, ohne im geringsten von ihrem Markstrang- charakter einzubiifen. Zahlreiche grofe Nerven gehen von diesem Bogen in den Mantel (Fig. 9 u. 10 »). Diese Verbindung der Pleurovisceralstrange tiber dem Darm ist jedoch nicht allein. 486 Ernst Wettstein, Zwischen Rectum und dem Verbindungsbogen der beiden Lateralstringe besitzt Cryptoplax larvaeformis eine Ganglienmasse, die mit dem linken und dem rechten Pleurovisceralstrang in Ver- bindung steht und somit eine Art ,suprarektaler Kommissur“ bildet. Sie ist aber histologisch verschieden sowohl von den Mark- strangen als auch den Kommissuren und nimmt unter den nervésen Organen von Cr. larvaeformis eine Sonderstellung ein. Zum Teil hangt sie frei im Lumen des abfiihrenden Gefafes, zum Teil ist sie der Muskulatur und dem Bindegewebe, die letzteres von Rectum und Leibeshéhle trennen, eingelagert, immer aber ist sie von einer sehr zarten bindegewebigen Hiille umgeben. Fig. 10 zeigt die Ursprungsstelle aus dem rechten Pleurovisceralstrang. Die ,,Supra- rektalkommissur“ (com. spr) erscheint dort gleich einer Ausstiil- pung der Rindenschicht des Lateralmarks. Eine feine Streifung, die auch stellenweise an den tibrigen Teilen der Kommissur zu sehen ist (str) zeigt den quer zur Liingsachse des Tieres erfolgenden Verlauf der Nervenfasern. Viel auffilliger aber sind die zahl- reichen Kerne, die zwar an der Wandung am dichtesten liegen, aber auch auf den ganzen Querschnitt (Fig. 8 com. spr) in groSer Menge verteilt sind. Dicht an der Ursprungsstelle inseriert auch das letzte Lateropedalkonnektiv (c. Jp); doch ist es, wie tiberhaupt alle Nerven, durch seine bindegewebige Hiille scharf von der Ganglienmasse der ,Suprarektalkommissur“ getrennt. Sowohl auf Liaings- wie Querschnitten erscheint die Form der letzteren sehr unregelmafig, bei A reicht sogar eine ventrale Ausstiilpung hin- ein in den muskulésen Boden des abfiihrenden Gefibes, ist aber auch dort immer scharf begrenzt. Nerven, die aus der Kommissur entspringen wiirden, konnte ich keine auffinden. Bei keinem Chitoniden wurde bis jetzt eine Kommissur be- obachtet, die, ahnlich der eben beschriebenen, die Pleurovisceral- stringe tiber dem Darm verbinden wiirde. Dagegen sind bei Solenogastren, z. B. bei Proneomenia Sluiteri (Heuscner, 1892) solche dorsale Kommissuren zwischen den Pleuralganglien vor- handen. Das von PELSENEER und PLATE als Osphradium bean- spruchte Sinnesepithel findet sich auch bei C. larvaeformis zwischen Analpapille und letzter Kieme. Es zeigt dieselbe histologische Beschaffenheit wie bei Nuttalochiton hyadesi (PLatrr, B, p. 152). Seine Linge betrigt iiber 1 mm, es wird daher wahrscheinlich auch makroskopisch sichtbar sein. Die nervése Innervation habe ich nicht beobachtet. Zur’ Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 487 Da die Schalen bei allen Exemplaren sehr abgescheuert waren, blieben nur die Aestheten dem Rande nach erhalten. Mikr- astheten, die PLATE bei Cryptoplax fiir atavistisch halt (BLUMRICH fand keine und PLATE nur ganz wenige), scheinen C. larvaeformis ganz zu fehlen. Die Muskulatur des Kérpers hat sich bei Cryptoplax in An- passung an seine Lebensweise machtig vergréfert, hat aber, da sie gegeniiber derjenigen der tbrigen Chitoniden eher vereinfacht worden ist, nicht eine VergréSerung des zentralen Nervensystems ‘nach sich gezogen, so daf letzteres scheinbar zuriicktritt. Daf es keine wirkliche Riickbildung ist, beweist schon das Vorkommen von 4 Buccalganglien und der suprarectalen Kommissur. Das Blutgefiiisystem stimmt im allgemeinen tiberein mit dem der iibrigen Chitoniden. An eigenwandigen GefaSen finden sich auch hier nur Aorta, Art. visceralis und vielleicht die Anfangs- teile ihrer Verzweigungen. Daraus folgt, da$ keine strikte Tren- nung in arterielle und venése Bahnen méglich ist, denn aus den iibrigen Gefaifen, die blofe Liicken im Bindegewebe und in der Muskulatur sind, wird arterielles und venéses Blut gegenseitig durchsickern. Das Célom erhalt sich bei erwachsenen Chitoniden in zwei getrennten Abschnitten, einem vorderen, der Gonade, und einem hinteren, dem Perikard. Letzteres erstreckt sich bei C. larvae- formis vom hinteren Ende der Leibeshohle bis in die Mitte zwischen der VI. und der VII. Schale (Fig. 13 per). Die Wandung besteht aus Endothel, dem aufen eine diinne Lage von Bindegewebs- und Muskelfasern aufliegt. Dorsal und lateral ist sie mit der Musku- latur der Schalen und des Mantels verwachsen. Auch die Form des Perikards ist der von Acanthopleura ahnlich, nur scheint bei C. larvaeformis das Vorderende bedeutend komplizierter zu sein. Die Aorta entspringt nimlich nicht aus der Spitze des Herz- beutels, sie tritt unter der Mitte der VII. Schale ventral aus. Dadurch kommt es eine Strecke weit zur Bildung eines ventralen Mesocardiums (Fig. 13, 20, 21 mesc'), das zusammen mit dem dorsalen das Perikard in eine linke und eine rechte Halfte teilt. Wo das dorsale Mesocardium aufhért, hat sich der Austritt der Aorta aus dem Perikard vollzogen. Letzteres erstreckt sich als flacher Schlauch iiber der Aorta (Fig. 13 per’) bis nahe dem Hinterende der VI. Schale. Dieser unpaare vordere Abschnitt ist bei keiner anderen Form erwahnt worden. Dagegen hat ihn PLaTE bei C. oculatus auf Querschnitten ,durch Intersegmentum 6/7“ 488 Ernst Wettstein, (Fig. 370 u. 380) gezeichnet, obschon er im allgemeinen Teil seiner Abhandlung (C, p. 478) schreibt, das Perikard von C. ocu- latus endige schon in der Mitte des 7. ,Segments“. Bei allen iibrigen Chitoniden setzt ,es sich mit einem dreieckigen Zipfel bis zur Mitte des 6. Metamers fort‘, ausgenommen bei Cryptochiton stelleri, wo es bis zum ,Intersegmentum 5/6“ reicht. Die Herzkammer hat die typische langgestreckte Form (Herzschlauch) und ist im Perikard an einem dorsalen Mesocar- dium, das von hinten nach vorn an Hohe zunimmt, aufgehangt. Nur vor den Ostien ist letzteres je von einer kleinen Oeffnung durchbrochen. Im allgemeinen sehr schmal, treten seine Endothel- lamellen am Hinterende plétzlich aneinander und lassen die Herz- muskeln sich direkt an der dorsalen Wand des Perikards ansetzen (Fig. 3, 4). Bei einer Wegpraparation letzterer mu somit das Herz hinten offen scheinen. Bei den iibrigen Chitoniden endet es mit ,,einer geschlossenen Spitze“ (PLATE), ,,en caecum“ (PELSENEER). Das Hinterende des Ventrikels von C. larvaeformis steht also gleichsam auf dem Stadium des Ventrikels bei den Solenogastren. Bei Acanthopleura ist das Aufhingeband (PLATE, A, p. 106) hinten am schmalsten und nimmt dann an Breite zu, so dal es vorn dem Aortenstiel an Breite fast gleichkommt. Von einem ventralen Meso- cardium ist keine Rede. Die Aorta tritt somit dorsal aus. PELSENEER (1899, p. 15) gibt an, dafi bei C. larvaeformis das Aufhangeband nur iiber ,,toute la partie antérieure, jusqu’a la deuxiéme communication ventriculo-auriculaire’ reiche. Die Herzmuskulatur ist wie bei Acanthopleura angeordnet (PLatE, A, p. 106). Sie besteht zur Hauptsache aus schrigen Muskeln, die von oben-hinten nach unten-vorn verlaufen und von unten-hinten nach oben-vorn, sich somit kreuzen. Sie be- schreiben etwas mehr als halbe Kreis- (oder besser Ellipsen-) bogen. Liangsmuskeln trifft man am Hinterende und in der Um- gebung der Atrioventrikularklappen. Letztere sind durch Ring- muskeln gebildet, zwischen welchen sich Bindegewebe findet, das sonst an Herzmuskeln gering entwickelt ist. Das eine Paar Ostien findet sich unter dem Vorderrande der Apophysen der VIII. Schale, das zweite Paar unter der Mitte derselben Schale (Fig. 13 0). Unter der VII. Schale, wo, wie erwihnt, die Aorta aus dem Perikard tritt, kommt es zur Bildung des ventralen Mesocardiums. Da die beiden Endothellamellen, die es seitlich begrenzen, weit auseinanderstehen, bildet der bindegewebige und muskulése Boden des Perikards auf eine gréBere Strecke die ventrale Begrenzung Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 489 des Ventrikels (Figg. 20, 21). Eine scharfe Trennung zwischen der Muskulatur des Herzschlauches und derjenigen der Perikard- wand ist hier so wenig vorhanden wie am Hinterende. Beim Uebergang in die Aorta beginnen Ringmuskelfasern (um- hiillt von Bindegewebe) aufzutreten, die in gleichem Mage als die typischen Herzmuskeln verschwinden, an Zahl zunehmen (Fig. 21) und so an einer Stelle einen férmlichen Sphinkter bilden, der auch auferlich als Anschwellung sichtbar ist (Fig. 13). Er be- zeichnet den vorderen Abschluf des Ventrikels. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daf diesem Sphinkter eine Bedeutung zu- kommt fiir die Blutzirkulation, indem bei seiner Kontraktion ein Riickstr6men des Blutes von der Aorta in die Herzkammer un- méglich ist. PELSENEER (1899, p. 18) konstatiert, da’ bei Chito- niden eine ,,valvule“’ vorhanden sei (Pl. IV, Fig. 32), tritt jedoch nicht auf deren histologische Struktur ein; nach der Zeichnung (Boreochiton marginatus) hat man es mit wirklichen Klappen, aihnlich denen zwischen Vorhof und Herzkammer zu tun. Ein Langsschnitt durch die entsprechende Region von C. larvaeformis zeigt nur 2 niedrige, durch die Anhaufung der Ringmuskelfasern entstandene Anschwellungen, die sich nach vorn und hinten gleich- mafig abflachen. Die beiden Vorhéfe stimmen in Bau und Lagerung mit denen der meisten Chitonen tiberein. Man macht sich am besten ein Bild von ihnen, wenn man sich vorstellt, das Blut der ab- fiihrenden Kiemengefiafe habe die Seitenwand der Perikards nach innen eingestiilpt und diese Einstiilpung trete jederseits durch die zwei Atrioventrikularéffnungen (Ostien) mit dem Herzschlauch in Verbindung. Ihre Wandung besteht also gegen den Hohlraum des Herzbeutels aus Endothel und gegen das Innere der Atrien aus einer sehr diinnen Lage von Muskel- und Bindegewebfasern. Zu den vier Oeffnungen, die das Blut aus der Vena branchialis gegentiber den Ostien in die Vorhéfe treten lassen, kommt noch die unpaare mediane Liicke in den Canalis communis atriorum. Alle fiinf zeigen annahernd dieselbe Weite. Die Atrien haben die Rolle von Blutreservoirs, die den kon- stanten Strom des Blutes von den Kiemen her aufnehmen und es bei der Diastole ins Herz eintreten lassen. Ihr Volumen ist da- her ein wechselndes; bei zwei Exemplaren erfillen sie einen groBen Teil des Perikards, beim dritten sind nur die Teile zwischen den Atrialporen und den Ostien und das mediane Stiick des Can. Bd, XXXVIII. N. F. XXXI, 32 490 Erust Wettstein, communis deutlich, die dazwischen liegenden Partien sind mit der seitlichen Leibeswand verklebt. PuatTE schreibt (C p. 479), daB ,jede Vorkammer mittelst einer schmalen Seite an das Mantelgewebe angrenzt, welche von einem zarten Endothel ausgekleidet wird“. Im Innern von blut- fiihrenden Organen der Chitonen (und der Mollusca tberhaupt) ist nirgends ein Endothel beobachtet worden; ob also nicht ein Irrtum_vorliegt ? Querschnitte lassen eine deutlich ventrale Lagerung der Atrio- ventrikularéffnungen erkennen (Fig. 13 0). Die Blutstréme aus zwei sich entsprechenden Ostien werden also nicht direkt gegen einander prallen. Durch diese Disposition, sowie ein medianes Muskelseptum zwischen den zwei vorderen Ostien (wie es PLATE auch fiir Acanthopleura nachwies) ist ein schnelles Eintreten des Blutes aus den Atrien in den Ventrikel sehr erleichtert. Inkonstante Atrialpori wurden in keiner Serie beobachtet. Die Aorta beginnt also unter der Mitte der VII. Schale und verlauft in der Medianen dicht unter der Riickenwandung nach vorn bis unter das Vorderende der II. Schale. Sie ist ein bindegewebiges Rohr (Struktur siehe PLatge A, p. 117) von wech- selndem Querschnitt, doch meist dorsoventral abgeplattet. Nur jeweilen dicht vor den Schalen ist sie mit der dorsalen Kérper- wand verwachsen. Vor und hinter der Verwachsungsstelle findet sich wie bei Acanthopleura ein Gewirr von Bindegewebe, das mit Blutgerinnsel erfiillt ist. Eine dorsale Blutlakune im Sinne PLatEs (A p. 111) ist nicht vorhanden, da die Gonade, der die Aorta aufliegt, unter den Schalen nur durch loses Bindegewebe schwebend erhalten wird. Vorne liegt die Aorta dem Pharynx dorsal dicht an. Indem sie sich trichterférmig erweitert, scheint ihre Wandung in das Bindegewebe von Pharynx und Kérperwand itiberzugehen. Der so entstandene Sinus erhilt seinen vorderen Abschluf’ durch die Pharynxdivertikel. Das Blut kann daraus nur durch zwei Liicken im Bindegewebe, das das Darmrohr mit der Leibeswand verbindet, in die Kopfhéhle gelangen. Die Verhiltnisse scheinen bei anderen Chitonen ahnlich zu sein. Die Genitalarterien entsprechen in ihrem Verhalten ganz den von Piate bei Acanthopleura gemachten Beobachtungen. Sie stehen in einer Reihe hintereinander (Fig. 13 a. gen). Die hinterste Arterie iibertrifft die anderen an Groéfe. Sie tritt durch die dor- sale Vorwélbung des Ovars, aus der die Ovidukte entspringen, Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 491 indem sie sich zugleich in mehrere Aeste teilt. Ihre Verzweigungen — es sind deren etwa 40 — versorgen den Gonadenblindsack. Mit dem Schwinden des Ovariums nach vorne nehmen die Arterien an GréSe und Zahl der Verzweigungen ab. Der Austritt der Dorsalarterien aus der Aorta erfolgt jeweilen auf der kurzen Strecke, wo letztere mit der Leibeswand verwachsen ist. Sie sind immer paarig und treten iiber die Apophysenfliigel nach aufen. Hierbei gehen sie iiber die seit- lichen Laingsmuskeln weg. Am besten sind sie entwickelt vor der VI. und VII. Schale, hier haben sie auch (neben der Arterie der VIII. Schale) die gréften Mantelpartieen zu versorgen. Beide Paare zeigen denselben Verlauf: sie gehen in grofen Bogen durch den dorsalen Mantel und miinden in die Vena pallialis, welches Verhalten Pirate bei C. oculatus bei einer Art dorsalis beob- achtete. Die Arterien der IIJ., IV. und V. Schale verasteln sich im Mantel, den sie, wie tibrigens auch diejenigen der II, IV. und VII. Schale, bis zur Ventralseite mit arteriellem Blut versorgen. Aus dem Sinus am Vorderende der Aorta (siehe diese) gehen zwei Gefafe seitlich ab (Fig. 22 a. dors), die den fiir die Dorsalarterien typischen Verlauf zeigen. Vorn aus der Kopfhéhle entspringen zwei Gefi®e, gehen seitlich vom Vorderrand der I. Schale tber dieselbe und verdsteln sich in der Stirnseite des Mantels; sie mégen daher wenigstens funktionell als Arteriae dorsales an- gesprochen werden. Bliebe also noch das_ ,Intersegmentum“ VII/VIII und das Hinterende des Mantels auf seine arterielle Blut- versorgung zu untersuchen: Dicht vor dem Sinus der VIII. Schale entspringt aus dem Herzen unpaar ein weitlumiges Gefaf, das durch das Aufhaingeband in die dorsale Muskulatur tibertritt (Fig. 13 a.dors) und sich hierbei in zwei Aeste spaltet, die seitlich der VIII. Schale nach hinten verlaufen. Hierbei geht dicht tiber der Zweiteilung jederseits eine grofe Abzweigung in den Mantel des ylntersegmentums* VII/VIII. Seitlich und hinter der VIII. Schale zweigen sich eine gréfere Anzahl von Liicken ab, die beiden Hauptstiimme aber vereinigen sich hinten. Ihrer Gréfe und Lage- rung wegen sind auch diese Blutgefafe den Dorsalarterien ange- reiht worden. Nach Puate fehlen die Intersegmentalarterien, die er von Acanthopleura (A p. 115) eingehend beschrieb, vollstandig bei C. oculatus. Bei C. larvaeformis geht je unter den Hinterrand der II. und III. Schale ein zartwandiges Gefif (Fig. 5 a. int). Auch vor der VII. Schale war der Austritt aus der Aorta (allerdings 32* 492 Ernst Wettstein, etwas seitlich) sicher nachzuweisen. Im iibrigen sah ich wohl das Liickensystem unter dem Hinterrand der anderen Schalen, konnte aber keine Abzweigung von der Aorta oder dem Herzen nachweisen; doch glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich die be- schriebenen GefafSe als Intersegmentalarterien und die Liicken unter den Schalen als die Verzweigungen solcher anspreche. Der von PuaTE bei C. oculatus als Pallialvene bezeichnete Sinus tritt auch bei C. larvaeformis in ganz entsprechender Weise auf und scheint demnach ein Charakteristikum der Familie der Cryptoplaciden zu sein. Er entspringt aus der Kopfhéhle dicht vor dem Diaphragma an der lateralen Leibeswand (Fig. 15 v. pall) und verliuft aussen von Lateralmark und zufiihrendem Kiemen- gefif nach hinten bis zum Beginn der Vena branchialis, wo er, rasch enger werdend, verschwindet. Sein letztes Ende kommuni- ziert vielleicht mit dem Liickensystem zwischen Arteria branchi- alis und Leibeshéhle. Wie oben erwahnt, erhalt die Vena pallialis durch Vermittelung der Dorsalarterien VI. und VII. direkten Zuflus von der Aorta. In denselben ,Segmenten“ steht sie durch je ein GefaS in Verbindung mit dem Sinus lateralis. Dieser entspringt am Boden der Kopfhéhle zwischen Pedal- und Lateralmark und zieht, umhiillt von Bindegewebe, seitlich und unten von ersteren nach hinten (Figg. 15—18, 11—12 s. lat). Im vorderen Ké6rperdrittel yon ovalem bis kreisférmigem Querschnitte wird er weiter hinten immer spaltformiger und hért vor den Pedalstrangen auf. Quer- anastomosen wurden keine beobachtet. Pallialvenen (vielleicht besser Pallialarterien) und Lateralsinus versorgen offenbar Teile des Mantels und den Fuf mit arteriellem Blut, das sie aus der Kopfhéhle und auf sozusagen kurzem Wege vom Herzen erhalten. Der Wert der Gefifschlingen zwischen Aorta und Pallialyenen und Pallialvenen und Lateralsinus leuchtet ein, wenn man die langgestreckte Kérperform bedenkt; sie labt es nétig erscheinen, daf die Organe auf méglichst direktem Wege, der einen zu friihen Sauerstoffentzug verhindert, mit arteriellem Blut versorgt werden. Fiir die Zirkulation des arteriellen Blutes ist das Dia- phragma, welches die Kopf- von der iibrigen Leibeshdhle trennt, von Wichtigkeit. Es zeigt im grofen und ganzen Ver- hiltnisse, die mit den von PLATE bei Acanthopleura (A p. 36) be- schriebenen iibereinstimmen. Seine Anheftungslinie umgrenzt eine Ebene, die senkrecht steht iiber dem Vorderrand des Fufes. (Die Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 493 Querschnitte Fig. 15—18 sind etwas schrig von hinten oben nach vorn unten gefiihrt, das Diaphragma ist mit dunkeln Linien ein- gezeichnet.) Nimmt man nun an, diese Ebene sei reprasentiert durch eine elastische Membran, die durch die auswachsende Ra- dulascheide etwas oberhalb ihrer Mitte trichterformig nach hinten vorgewolbt werde, so hat man ein ungefaihres Bild vom Aussehen des Diaphragmas bei C. larvaeformis. Das Rohr dieses so ent- standen gedachten Trichters umhillt die Radulascheide und ver- engt sich hinten in die Arteria visceralis. Die Zuckerdriisen (Fig. 15—18 Z) liegen dem Diaphragma seitlich und weiter hinten unten an; sie sind mit ihm wie bei Acanthopleura durch Bindegewebe verwachsen. Nur wenn der Magen wohlgefiillt ist, erreicht er das Diaphragma und vermag es dann etwas nach vorn vorzuwolben. Nun liegen aber in der Kopfhohle die Frefwerkzeuge, die eine komplizierte Muskulatur haben, welche sich unter der II. und Ill. Schale festheftet, also auf irgend eine Weise durch das Dia- phragma gelangen mu. — Wie C. oculatus, so hat auch C. larvae- formis zwei Gruppen von Retraktoren. Einfach sind die Verhialt- nisse bei der hinteren, wo jedem einzelnen Muskel eine Oeffnung im Diaphragma entspricht (Fig. 18), so daf, wenn wir die Muskeln herausgezogen denken, das Diaphragma sich als ein grobes Sieb repraisentieren wiirde. Der vorderen Retraktorengruppe entspricht dagegen jederseits zwischen Oesophagus und Zuckerdriisengang eine einheitliche Liicke (Fig. 16). Ventral treten noch zwei kleine Muskeln, vom Boden der Leibeshéhle kommend, durch das Zwerch- fell; die dadurch entstandenen Oeffnungen sind aber von Binde- gewebe verschlossen. Im tibrigen scheint das Diaphragma voll- kommen dicht zu sein. Die ,winzigen Locher“, von denen PLATE bei Acanthopleura spricht (A p. 36) scheinen hier zu fehlen. — Die Kopfhéhle wiirde also mit der tibrigen Leibeshéhle direkt kommunizieren durch die zwei Oeffnungen, durch welche die vor- deren Retraktoren durchtreten und durch die zahlreichen Locher, welche den hinteren Retraktoren entsprechen. Wie aber die Figuren zeigen, lassen die Muskeln nur wenig Raum fir den Durchtritt der Leibesfliissigkeit; sie wird folglich zur Hauptmasse in die Arteria visceralis und die GefaiBe des Fufes und des Man- tels gelangen. Hierbei hilft noch eine Einrichtung mit, die am besten aus den Bildern (Fig. 15—17) verstandlich wird: Vom inneren (oberen) Rand der Zuckerdriisengange geht jederseits eine bindegewebige Membran (diaphr’) nach innen und unten und heftet sich ventral nahe der Medianen fest, vorn am Boden der 494 Ernst Wettstein, Kopfhéhle (Fig. 15 und 16) weiter hinten am Boden des Dia- phragmentrichters (Fig. 17). Der Eingang des letzteren wird da- durch in drei Facher geteilt: einem unpaaren, mittleren mit Ra- dulascheide und vorderen Retraktoren und zwei seitlichen mit den hinteren Retraktoren und den Radulablasen. Die bindegewe- bigen Scheidewande werden neben der Radulascheide von einigen Muskeln durchbrochen. Dicht hinter der vorderen Retraktoren- gruppe schlieft sich das Diaphragma (dorsal) wieder (Fig. 17) und die medianen Membranen héren auf. Es scheint mir denkbar, da8 letztere beim Abdichten der dorsalen Oefinungen (durch An- liegen an die vorderen Retraktoren) eine Rolle spielen. Das Blut, das von der Kopfhéhle (resp. der Aorta) ventral herkommend, ziemlich freien Durchpaf durch die beiden seitlichen Facher des Diaphragmentrichters findet, drangt die beiden mittleren Mem- branen gegen die Muskulatur, die ihren Zwischenraum fast ganz erfiillt. Einige bindegewebige Ziige gehen nach der Cardiaregion an die dorsale Leibeswand, ahnlich dem Diaphragmenteil zw‘ auf der Fig. 13 bei Acanthopleura (PLATE A, Taf. I). Bei C. oculatus konnte PLATE infolge ungiinstiger Verhaltnisse leider nur kon- statieren, ,daf% also wahrscheinlich dieses Organ“ (Diaphragma) ,s0 vollstindig wie bei den meisten héheren Chitonen vorhanden ist“. Die medianen Scheidewinde sind meines Wissens bei keinem anderen Chitoniden beobachtet worden. Bei C. larvaeformis waren die Verhaltnisse nur auf Querschnitten deutlich erkennbar. Wie erwahnt, verengt sich die bindegewebige Hiille, welche die Radulascheide umgibt, am hinteren Ende derselben zur Ar- teria visceralis (Fig. 13 a. vise). Sie verliuft mehr oder weniger regelmafig in einer Spirale zwischen den Leberlappen bis zum Hinterende der Leibeshéhle (bei C. oculatus auf der Ober- flaiche) und giebt hierbei zahlreiche Verzweigungen ab, die man auf jedem Querschnitt an ihren festen Wandungen leicht erkennt. Unter den fiir die Blutzirkulation des Mantels wichtigen Ge- fien sind zu nennen die beiden zufiihrenden Kiemen- gefiBe (Arteriae branchiales; denn, wihrend sie sich bei den meisten Chitonen nur iiber die Kiemenregion erstrecken, setzen sie sich bei C. oculatus nach vorn iiber die Kiemen hinaus fort und umkreisen sogar die vorderen ,Mantellappen“, so dal vorn ein geschlossener Gefaifbogen entsteht. Ebenso verhalten sie sich bei C. larvaeformis, nur kann man hier nicht wohl sagen, dal sie den Cerebralhalbring begleiten; sie sinken in die Tiefe, wah- Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 495 rend letzterer etwas aufsteigt. Daf die Arteria branchialis das Hauptsammelgefafi des vendsen Blutes ist, wird sofort klar, wenn man die zahlreichen Lakunen itiberblickt, die aus allen Teilen des Mantels, vom Fu (nur wenige) und nicht in letzter Linie von der Leibeshéhle in sie miinden. Wie bei C. oculatus kann man unter den letzteren zwei Gruppen unterscheiden, Liicken, die von halber Héhe und solche, die vom Boden der Leibeshéhle her- kommen, erstere scheinen auch hier zu itiberwiegen, von den letzteren sind die zwei dicht hinter dem Zwerchfell besonders weit. Im Bereich des ventralen Nierenfilzes (also in der Kiemen- region) gibt es nur noch Liicken im oder dicht tiber dem Boden der Leibeshéhle. Sie sind in gréSerer Zahl (ungefaihr 25 jeder- seits) vorhanden. Das nervése Blut ist hier also genétigt, zwischen den Nierenschliuchen durchzuflieben, bevor es zu den Kiemen gelangt. Auf der Innenseite der Mantelfalte, die die Kiemen iiber- wolbt, findet sich ein Netz von Gefafen, von denen sich eines durch Gréfe und Konstanz auszeichnet und das noch weit nach vorn zu verfolgen ist. Das Liickensystem und speziell das kon- stante Gefaf} erhalt viele sehr blutreiche Zufliisse aus dem unteren Teil des Mantels. Durch eine Anzahl von GefaBen (ca. 6), die auf der Innenseite des Mantels verlaufen, steht es in Verbindung mit der Arteria branchialis, es reprasentiert demnach offenbar das Sammelsystem des vendsen Blutes der ventralen Seite des hinteren Mantels. Der Sinus medianus fehlt so wenig als bei C. oculatus, doch kommt ihm, da, wie bei letzterem, kein Sinus transversus vorhanden ist, nicht mehr die Bedeutung zu, die er bei den iibrigen Chitonen hat. Er bildet eine ,Abzugsrinne“ (Fig. 13 s.med) fiir das Blut, das sich am Boden der Eingeweidehéhle sammelt und das nicht in die Kiemenarterie eintritt. Dieses Blut stammt von den Genitalarterien, der Eingeweidearterie und den zahlreichen Gefafen, die sich aus dem Mantel meist in halber Hohe der Seitenwand 6ffnen. Einige steigen auch direkt vom Fu8 zum Sinus medianus auf. Aus der Kopfhéhle kann kein Blut direkt in den Sin. med. gelangen: dicht hinter dem Zwerch- fell sinkt er zwischen den Pedalstrangen durch in die Tiefe, teilt sich zugleich in zwei Arme, die in die Mundscheibe gehen und sich zu beiden Seiten der Mundd6ffnung verasteln, wahrend er bei C. oculatus (im Gegensatz zu C. larvaeformis und den ibrigen Placophoren) am Vorderrand des Fufes blind endigt. 496 Ernst Wettstein, Nach PLATE verengen sich bei C. oculatus die zufiihrenden KiemengefaBe hinter den Kiemen und umschliefen in einer medi- anen Erweiterung die Vereinigung der beiden Pleurovisceralstrange. Bei C. larvaeformis enden sie blind, bilden also nicht wie vorn einen geschlossenen GefaifSbogen. Dagegen behalten hier die ab- fihrenden Kiemengefafe (Venae branchiales) hinten ihre Lumen bei. Im Innern des so entstandenen Halbkreises liegen die Pleurovisceralstrange (Fig. 13 n. lat). Bei C. oculatus héren die Kiemenvenen hinter der letzten Kieme auf; bei den iibrigen Chitonen treten sie daselbst in Verbindung mit den Art. bran- chiales. PLATE macht bei Acanthopleura darauf aufmerksam, daB8 die Markstrange in GefaiSen liegen, die von der Kopfhéhle her frisches Blut erhalten. Bei den mir vorliegenden Querschnitten durch C. larvaeformis ist kaum ein Sinus neuropedalis zu erkennen (Fig. 15 s.mp). Daf er dennoch in der Blutzirkulation eine Rolle Spielt, beweisen eine Anzahl GefiaBe, die aus ihm entspringen und sich in der FuSmuskulatur veristeln. Der Sinus neurolateralis ist bis in die Kiemenregion nur durch eine oft durchbrochene, diinne Membran vom zufiihren- den Kiemengefa8 getrennt. Da er sich mit dem Lateralmark aus der Kopfhéhle in die Leibeswand einsenkt (Fig. 15 s. nl), wird er der Kiemenarterie etwas arterielles Blut zufiihren, das trotz der unvollstandigen Trennung wesentlich den Markstrang umspiilen mag. Mit dem Auftreten der Kiemenvene verdickt sich die Scheide- wand und macht die Trennung vollkommen. Hinter dem Ovidukt beginnt dann der Sin. neurolat. mit dem abfiihreuden Kiemen- gefaf durch zahlreiche Liicken in Verbindung zu treten und ver- schmilzt hinter dem Ureter definitiv mit ihm. Das Blut, das durch den medianen Atrialporus tritt, ist daher als nahezu rein arteriell zu betrachten. Der histologische Bau der Kiemen ist besonders von PLATE (A p. 133) mit genauer Beriicksichtigung der Literatur eingehend geschildert worden. Die Verhiltnisse bei C. larvaeformis scheinen mir seine Befunde nur zu bestiitigen. Liingsschnitte senkrecht zur Mittellamelle lassen erkennen, daf eine Scheidewand in letzterer fehlt, daf’ die Kiemenblattchen auf der vorderen und hinteren Seite alternieren und dafi die Wandungen durch bindegewebige, zarte Stiitzbalken auseinander gehalten werden. Der ,Randkanal* ist deutlich, ebenso der dunkle Streifen, der durch enge Lagerung der Epithelkerne und besonders hohen und dichten Wimperbesatz Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 497 zu stande kommt. Hervorzuheben wire fiir C. larvaeformis die starke Entwickelung des Muskels, der dem zufiihrenden Gefaf entlang liuft und von welchem Fasern bis gegen die Mitte der Kieme ausstrahlen. Wie friiher erwahnt, finden sich die auferen Oeffnungen der Nieren zwischen den zwei letzten Kiemen. Der Ureter steigt zwischen Kiemenvene und Canalis neurolateralis in die Kingeweide- héhle auf und erweitert sich daselbst zum Nierensack. Dieser ist hinten blind geschlossen. Nach vorn zu verengt er sich immer mehr, indem er an der seitlichen Kérperwand zur Gonade auf- steigt. Als diinner Schlauch mit wenigen, unregelmafigen Ver- aistelungen erstreckt er sich an der Gonade (und gelegentlich da- neben) bis an deren Vorderende, d. h. bis unter die Apophysen der IV. Schale. Der Renoperikardialgang beginnt mit dem Wimper- trichter dicht vor dem Vorhof am Boden des Perikards. Er ver- lauft teils am letzteren, teils an der seitlichen Leibeswand zur Gonade, wo er sich unter der VI. Schale mit dem Hauptkanal vereinigt. Er hat nur sehr wenige Verastelungen. Letztere sind am zahlreichsten an den Nierensaicken. Sie bilden daselbst den sogenannten Nierenfilz, der den Boden und die Seitenwandung der Eingeweidehéhle im Gebiet der Kiemen auskleidet und zum Teil den Sinus med. ausfiillt. Die ,Nierenmembran“, die bei Acanthopleura (PLatreE, A p. 147) die Nierenschliuche gegen die Leibeshéhle abgrenzt, fehlt; ebenso die zarte Haut, die dort das Lumen des Sinus medianus umschlieBt. Die Niere von C. larvaeformis zeigt somit dieselben Verhalt- nisse, wie die von C. oculatus. In einem wichtigen Punkt scheint sie jedoch vom Exkretionsorgan aller tibrigen Amphineuren (auch von C. oculatus) zu differieren: Bei dem am besten konservierten Exemplar (C) zeigt sich zwischen rechtem und linkem Nieren- sack eine direkte Verbindung, die an Querschnitt die meisten — wenn nicht alle — anderen Nierenschlauche tbertrifft (Fig. 25—28). Sie geht unter dem Darm durch. Ihre Wandung besteht aus secernierendem Epithel. Nur ganz wenige und kleine Verzwei- gungen nehmen aus ihr ihren Ursprung. Bei einem anderen Exemplar (A) tritt auf den Querschnitten durch dieselbe Region jederseits eine grofe, ventrale Abzweigung vom Nierensacke auf, doch lat sich eine Vereinigung nicht mit Sicherheit feststellen, da der Nierenfilz sehr zusammengedriickt ist. PLATE schreibt (A p. 144) irrtiimlich,” MippeNpDoRFF habe angegeben (1849), ,,dafi sich beide Nierenschliuche am Perikard 498 Ernst Wettstein, zu einem geschlossenen Bogen‘ vereinigen‘‘; MIpDENDORFF sagt aber nur (p. 137), daB jeder Schenkel des ,,sammetartigen Ueber- zuges‘‘ (den die Nieren auf beiden Seiten am Boden der Leibes- héhle bilden) ,,sich mit seinem Genossen auf der Vorderwand des hinteren Zwerchfells‘* (= Perikardwandung) ,,zu einem geschlos- senen Bogen“ vereinigt; von einer Vereinigung der beiden Nieren- schlauche hat er nichts gesehen. Alle drei Exemplare waren Weibchen. Das Ovarium erstreckt sich vom Anfang des ,,Intersegmentums“ VII./VIII. bis in die Mitte des III. ,,Segmentes“. Es hat die gréS8te Dicke bei der Einmiin- dungsstelle der Ovidukte (unter der Mitte der VII. Schale) und nimmt nach vorn zu bedeutend ab, so daf sein Durchmesser gegen das Vorderende kleiner wird als der der Aorta. Mit dieser Gréfen- abnahme parallel geht eine Reduktion der Falten. Die Kier sind klein und vom Hamatoxylin dunkel gefiarbt. Es ist daher anzu- nehmen (GARNAULD, 1888), daf sich die Tiere noch nicht im ge- schlechtsreifen Zustande befanden. Das Ovar ist durch Binde- gewebe an der ventralen Wand der Aorta und an der dorsalen Seitenwand befestigt. Wo das Perikard die Aorta ventral um- faBt, hért die dorsale Verwachsung auf. Die Gonade erstreckt sich blindsackaéhnlich bis tiber das Hinterende der VII. Schale hinaus. Auf Liangsschnitten sieht man von ihm einige Binde- gewebsziige zum Boden des Perikards gehen. Dieser Teil hat den Charakter einer Ausstiilpung: die Falten sind tiber seine Wand gleichmiSig radial verteilt und ebenso die Kier. Erst bei der Ausmiindung der Ovidukte beginnt das Flimmerepithel, das von dort an bis ans vordere Ende die festgewachsene Dorsalwand des Ovars bedeckt; dadurch werden die Falten auf die laterale und besonders die ventrale Wand beschrankt. PLATE nennt daher die Stelle, von welcher die Ovidukte entspringen ,,das morphologische Hinterende der Sexualdriise“. Zu dieser Bezeichnung fiihrten ihn noch Befunde an nicht geschlechtsreifen Chitonen (besonders an einem 15 mm langen C. oculatus), die alle darauf hinweisen, dab sich das Ovar von dieser Stelle aus entwickelt. In der Wandung trifft man hiaufig feine Liingsmuskeln an, die vielleicht bei der Kontraktion des Tieres oder bei der Ablage der Eier eine Rolle spielen. In den Ovarien der drei untersuchten Tiere finden sich auf den Schnitten durch die Umgebung der Ursprungsstelle der Ovidukte, zwischen den Falten unregelmifig verteilt, feine, sehr dunkel gefirbte Kérnchen. Bald sind sie einzeln, bald zu Hunderten beisammen. Unter der Immersion zeigen sie eine annihernd tiber- Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 499 einstimmende Form, niamlich die einer modernen Gewebrkugel (Fig. 19). Die breite Basis ist tiber die Kontur des Kérpers etwas vorgewolbt und tragt unten eine kleine Aushéhlung von verschie- dener Gréfe, die einzelnen zu fehlen scheint. Bei einem Exemplar sind die Kérner sehr zugespitzt, gekriimmt und zum grofen Teil im Zerfall begriffen. Der ganze Koérper ist homogen gefarbt, mit Ausnahme der verbreiterten Basis, die dunkler ist. Ob man es hier mit einem Sporozoenstadium, also mit Parasiten oder mit Spermatozoen zu tun hat, dariiber vermag nur eine Untersuchung an frischem Material Auskunft zu geben. In den Ovidukten fehlen die fraglichen K6rner. Die Ovidukte sind denen von C. oculatus ahnlich, doch fehlt bei C. larvaeformis eine Schleimdriise oder hat sich vielleicht noch nicht entwickelt. Der obere Schenkel des Eileiters erscheint als Fortsetzung des Wimperepithels, das die dorsale Wand des Ovars bedeckt. Er lauft am Boden des Perikards 3 mm nach hinten (Fig. 21 od.1) und biegt dann ventralwairts um. Dem ventralen Schenkel (od. 2) scheint die Bewimperung zu fehlen, doch sah ich gelegentlich Gerinnsel zwischen den Falten, das vielleicht von zer- stérten Wimpern herriihrt. Er fiihrt nach vorn bis zur Ursprungs- stelle des dorsalen Schenkels aus dem Ovar. Beide Teile besitzen im Epithel dunkle Pigmentkérnchen. Letztere sind im ventralen haufiger; doch differieren die drei Exemplare sehr in der Menge des Pigmentes. Ein dritter Unterschied besteht darin, da’ die epitheliale Oberfliche des ventralen Schenkels durch zahlreiche Falten bedeutend vergréfert ist. Die Falten verlieren sich gegen den KEierstock hin und fehlen im dorsalen Schenkel oder sind entsprechend dem kleineren Durchmesser des Ganges nur in ge- ringer Zahl vorhanden. Der tibrige Verlauf entspricht dem Ver- halten, wie es die meisten Chitonen aufweisen: Der Ovidukt (der untere Schenkel) biegt vom Ovar nach auf en (Fig. 23 u. 24 od. 3), fiihrt durch den Nierenfilz, der die Leibeswand und den Boden des Perikards bedeckt, tritt in die erstere ein durch eine der Liicken, durch die das Blut der Leibeshéhle zum zufiihrenden Kiemengefaf flie8t und gelangt zwischen Lateralmark und Kiemen- vene durch zur Geschlechtspapille, die zwischen der 10. und 11. Kieme in der Mitte der Mantelhdhle liegt. Dieser dritte Teil des Ovidukts ist breit und ohne Falten. PLATE weist die Annahme PEeLsenrers, daf die Geschlechts- leiter aus einem vorderen Paar Nephridien’ entstanden seien, mit Recht zuriick. Er selbst geht zur Erklarung von den Verhalt- 500 Ernst Wettstein, nissen, wie sie Chaetoderma bietet, aus und stellt einen Ueber- gang zu den rezenten Chitonen auf folgende Weise her (C p. 470): ,Auf einem gewissen Stadium aber wurde die Verbindung zwischen beiden (nimlich Gonade und Perikard) enger und enger, das Ge- schlechtsorgan schniirte sich, mit anderen Worten, vom Perikard allmahlich ab, und damit war die Notwendigkeit gegeben, fiir eine anderweitige Ausleitung der Keimzellen zu sorgen. Es bildete sich von der Haut her durch Einstiilpung ein Kanal, der mit dem Genitalcéjlom verwuchs und so zum Genitalgang wurde.“ Es will mir scheinen, daf sich in Anlehnung an die vergleichende Ana- tomie der Geschlechtsleiter und der Nierenausfiihrungsgainge bei Gastropoden (LANG-HESCHELER, 1900) eine weniger sprungweise Ueberleitung finden laft. Dieselbe wiirde ungefaihr folgende Vor- gange umfassen: Von der Einmiindungsstelle der Gonade in das Perikard bildet sich eine Rinne in der Herzbeutelwand zur Renoperikardial- éffnung; dann schniirt sich diese Rinne vom Perikard ab, die Ge- schlechtsprodukte gelangen nun direkt von der Gonade in die Niere. Die Abspaltung geht schlieflich bis zur vélligen Trennung von Geschlechts- und Nierenausfiihrungsgang. An den duferen Oeff- nungen kann man konstatieren (PLATE, 1901, p. 406), ,,dalh die phyletische Differenzierung mit der Tendenz Hand in Hand ging, moglichst viele Kiemen zwischen jene Oeffnungen einzuschalten“, daf somit ein Auseinanderriicken noch stetig stattfindet. Daf der funktionell erst spit in Tatigkeit tretende Geschlechtsleiter auch ontogenetisch viel spiter auftritt, kann keinen Grund bilden fiir die Annahme eines phylogenetisch vollig unabhingigen, spontan entstehenden Gonodukts. Daf bei einigen wenigen Arten der Ge- schlechtsleiter unter dem Lateralmark durchgeht, steht allerdings mit dieser Ableitung im Widerspruch; doch scheint es mir wohl denkbar, daf die Ablenkung der ektodermalen Einstiilpung nach der Innenseite des Lateralstranges ihren Grund in einem rein ontogenetischen Verhalten haben kénnte, also erst sekundir er- worben worden ware. Die Resultate der vorliegenden Untersuchung lassen sich etwa folgendermafen zusammenfassen: Cryptoplax larvaeformis besitzt in seinem duferen Habitus die typischen Merkmale der Familie: Eine langgestreckte, fast wurmartig zu nennende Gestalt. Der miichtig entwickelte Mantel la8t den Ful sehr zuriicktreten. Die Mantelhéhle ist in der Kiemenregion am tiefsten. Die loka- lisierten Muskelbiindel verschwinden neben der Masse der all- Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 501 - gemeinen Kérpermuskulatur. Diese, wie auch die dufere Kérper- form sind ein Produkt der Anpassung an die ,bohrende“ Lebens- weise. Aus letzterer erklirt sich auch die spiralige Anordnung von Magen und Darm. Das Perikard ist in seinem vordersten Abschnitt auf einen schmalen Schlauch reduziert. Die Aorta steht durch Gefafschlingen in Verbindung mit der Vena pallialis (allein bei Cryptoplaciden vorhanden) und diese mit dem Sinus lateralis. Am Nervensystem ist bemerkenswert die Verschiebung des Ur- sprungs der Buccalkonnektive auf den hinteren Teil des Cerebral- halbringes. (PLarr, der dieselbe Erscheinung bei Cryptoplax ocu- latus gefunden hat, glaubt, da es sich hier um denselben Prozef handle, ,,welcher bei den Prosobranchieern beobachtet wird; dal nimlich die Buccalnerven bei den archaistischen Formen (Patella, Trochus) von der Labialkommissur sich abzweigen und dann bei den héheren Formen auf die Cerebralganglien tibertreten“ (C p. 494). Auch bei den Solenogastren entspringen die Buccalkonnektive von den Gehirnganglien.) Eine Eigentiimlichkeit, die allein bei Apla- cophoren sich wiederfindet (HeuscHER, 1892), ist die Existenz zweier Verbindungen der Pleurovisceralstringe tiber dem End- darm. Das Exkretionssystem zeichnet sich vor dem aller anderen Amphineuren dadurch aus, daf linke und rechte Niere durch einen direkten Schlauch mit einander in Verbindung stehen. Mit Cryptoplax oculatus hat es die dorsale Lagerung des Hauptkanals und des Renoperikardialganges gemein. Die Geschlechtsorgane sind denen der letzteren Form sehr abnlich. Vorstehende Zeilen enthalten die Resultate einer Unter- suchung, die im zoologischen Institut der Universitat Ziirich aus- gefiihrt wurde. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. A. Lana fiir sein freundliches Entgegenkommen und die zahlreichen wertvollen Anregungen meinen aufrichtigen Dank aus- zusprechen. Ebenso bin ich Herrn Dr. Hescueier verpflichtet fiir seine Ratschlige, die mir im Laufe der Untersuchung so wohl zu statten kamen. 502 Ernst Wettstein, Literaturverzeiehnis. 1891 Buumrico, J., Das Integument der Chitonen. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. LIL. 1898 Bouvinr, E. L. et Fiscner, H., Etude monographique des Pleurotomaires actuels. Arch. Zool. exp., 3. série, T. VI. 1888 GarnavuLp, P., Recherches sur la structure et le développe- ment de l’ceuf et de son follicule chez les Chitonides. Arch. Zool. exp., 2. série, T. VI. 1886 Happon, A. C., Report on the Polyplacophora collected by H. M. 8S. Challenger. Rep. Zool. Chall., vol. XV. 1902 Hauuer, B., Lehrbuch der vergl. Anatomie. I. Lieferung. Jena. 1892 Heuscuer, J., Zur Anatomie und Histologie der Proneomenia Sluiteri Hubrecht. Jen. Zeitschr. Naturw., Bd. XXVIII. 1900 Lane, A., Lehrbuch der vergl. Anatomie der wirbellosen Tiere. I. Lieferung: Mollusca, bearbeitet von K. Hescuener. Jena. 1849 Mippenporrr, A. Th., Beitrage zu einer Malacozoologica Ros- sica I. Mém. Acad. St. Petersbourg, T. VI. 1899 PruseneeER, P., Recherches morphologiques et phylogénétiques sur les Mollusques archaiques. Mém. couronné Acad, Belgique. SEV EE. 1901 Pinssry, A. H., Morphological and descriptive notes on the genus Cryptoplax. Proc. Malac. Soc. London, vol. IV. 1897/1901 Puarsx, L. H., Die Anatomie und Phylogenie der Chitonen. Zool. Jahrb., Teil A, 1897, Supplement IV. Teil B, Supple- ment IV. Teil C, 1901, Supplement V. 1834 Quoy et Garmarp, Voyage de 1]’Astrolabe, Zoologie, vol. ILI. 1846/1858 Renve, L., Conchologica iconica, London, vol. IV. 1868 Rerncxg, J., Beitrage zur Bildungsgeschichte der Stacheln ete. im Mantelrande der Chitonen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XVIII. 1902 Turetn, J., Die systematische Stellung der Solenogastren und die Phylogenie der Mollusken. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. LXXII. Zur Anatomie von Cryptoplax larvaeformis Burrow. 503 Figurenerklirung. Tafel X., Fig. 1. Schema der Schalenmuskeln. Fig. 2. Liingsschnitt durch die Buccalganglien und das Cere- bralmark. 55: 1. Fig. 3. Querschnitt durch das Hinterende des Ventrikels. 100: 1. Fig. 4. Liangsschnitt durch dieselbe Region wie Fig. 3. 100: 1. Fig. 5. Querschnitt durch die Aorta mit Abzweigung der Inter- segmentalarterie unter dem Hinterende der II. Schale. 55: 1. Fig. 6. Lingsschnitt durch ein Raduladivertikel. 55: 1. Fig. 7. Querschnitt durch den Fuf und den angrenzenden Mantel aus der vorderen Kérperregion. Die feinen Punkte mar- kieren die Lingsmuskulatur. 25: 1. Fig. 8. Liangsschnitt mit den letzten Lateropedalkonnektiv. Do: 1. Fig. 9. Querschnitt mit der Suprarektalkommissur. 55: 1. Fig. 10. Ursprung der Suprarektalkommissur aus dem Pleuro- visceralstrang. 55: 1. ated) Xa, Fig. 11 und 12. Querschnitt mit dem Gefa8 zwischen Sinus lateralis und Vena pallialis. 25: 1. Fig. 13. Schematischer Lingsschnitt durch die hintere Kérper- region. Blutgefafe und Herzschlauch rot, Begrenzung der Perikards in roten Linien; die punktierte Linie soll andeuten, wie weit der Herzbeutel seitlich hinunter reicht. Fig. 14. Schema des Darmverlaufes. Fig. 15—18. Querschnitte aus der Gegend der hinteren Halfte der II. Schale. Diaphragma mit starken Konturen eingetragen. ma. ib. Fig. 19. Kérner aus dem Ovar. Homog. Immers. 3,0, Apert. 1,1. Fig. 20. Querschnitt durch den vorderen Herzschlauch (Aorten- stiel), 100: 1. Ta tel XL, Fig. 21. Querschnitt durch den Sphinkter am Vorderende des Ventrikels. 100: 1. Fig. 22. Ursprung der Art. dorsales aus dem Sinus am Vorder- ende der Aorta. 22:1. Fig. 23 und 24. Schema des Verlaufes der Ovidukte. Fig. 25—28. Querschnitte mit dem Verbindungskanal zwischen dem rechten und linken Nierensack. 22: 1. Fig. 29—31. Schematische Querschnitte aus der vorderen (Fig. 29), mittleren (Fig. 30) und der hinteren (Fig. 31) Kérper- region. : 504. E. Wettstein, Anatomie v. Cryptoplax larvaef. Burrow. Buchstabenerklarung. ao Aorta. a. dors Arteria dorsalis. a. gen Arteria genitalis. a.imt Arteria intersegmentalis. apoph Apophyse der Schalen. a.vise Arteria visceralis. b Bindegewebe. bl Blutkérperchen. cer Cerebralhalbring. ch Chondroidgewebe. clp Lateropedalkonnektiv. c.re Verbindungsschlauch der beiden Nierensiacke. d Darm. div. rad Raduladivertikel. f Fub. fl Flimmerzone des Ovariums. g. buce, 1 g. buee. 2 l Leber. Ih Leibeshéhle. ll Seitlicher Langsmuskel longitudinalis lateralis). m Mantel. mesc Dorsales Mesocardium. mesc' Ventrales Mesocardium. m. ped Langsmuskel im Ful. m. rad Radulamuskeln. m Mantelnerv. n. buce Buccalnerven. Buccalganglien. (m. n. lat Pleuravisceralstrang. n. ped Pedalstrang. 0 Atrioventrikularéffnung. obl Quermuskeln (m. obliquus). od Ovidukt. oes Oesophagus. ov Ovarium. ov’ Ovarialblindsack. p. com Pedalkommissur. per Perikard. ph Pharynx. pp Gefaé8 zwischen V. pall. und S. lat. r Radula. re Niere. rect Gerader Muskel (m. rectus). res Nierensack. s.com Suprarektalkommissur, s. lat Sinus lateralis. s.nl Sinus neurolateralis. s.np Sinus neuropedalis. sph Sphinkter. str Streifung. transv Schrage Muskel (m. trans- versus). v.aff Vas afferens. v. eff Vas efferens. v. pall Vena pallialis. ventr Herzkammer. z Zuckerdriise. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Von K. Korschelt, Professor in Marburg und K. Heider, Pro- fessor in Innsbruck. Allgemeiner Teil. Erste Lieferung. Erste und zweite Auflage. Mit 318 Textabbildungen. 1902. Preis: 14 Mark. Inhalt: Erster Abschnitt. Experimentelle Entwickelungsgeschichte. 1. Kapitel. _ Der Anteil iiusserer Einwirkungen auf die Entwickelung. 2. Kapitel. Das Deter- minationsproblem. 3. Kapitel. Ermittelungen der im Innern wirkenden Ent- wickelungsfaktoren. Zweiter Abschnitt: Die Geschlechtszellen, ihre Entstehung, Reifung und Vereinigung. 4. Kapitel. Ei und Eibildung. 5. Kapitel. Sperma und _ Spermatogenese. Zweite Lieferung. Mit 87 Textabbildungen. 1903. Preis: 5 Mark 50 Pf. Inhalt: 6. Kapitel. Hireifung, Samenreifung und Befruchtung. Anhang. Theorie der Vererbung. Soeben erschien: Beitrage zur einer Trophocoltheorie. Betrachtungen und Suggestionen tiber die phylogenetische Ableitung der Blut- und Lymphbehilter, insbesondere der Articulaten. Mit einem einleitenden Absehnitt tiber die Abstammung der Anneliden, Von Dr. Arnold Lang, Professor der Zoologie und yergleichenden Anatomie a. d. Univ. und am Eidg. Polytechnikum in Ziirich. Mit 6 Tafeln und 10 Text- figuren. Preis: 16 Mark. Horae Zoologicae. Zur vaterlindischen Naturkunde. Erginzende sachliche und ' geschichtliche Bemerkungen von Dr. Franz Leydig. 1902. Preis: 6 Mark. Aus dem Inhalt: Absehnitt I. Landschaft — Vegetation. Tauber- héhe, Taubergrund, Mainthal, Saalethal ete. — (S. 1—61). Absehnitt HI. Tiere. Vorkommen, Bau und Leben. Sporozoen, Flagellaten etc. bis Vigel, Siuge- tiere (S. 62—208). Beilagen: Zur Verinderung des Einzelwesens. Zur Veriinde- rung der Fauna. Riickgang der Tierbevélkerung. Zur Abstammungslehre (S. 209—222). Absehnitt IIT. Geschichtliches, Linné, Rothenburg o. T., Windsheim ete. (S. 223—273). — Verzéichnis der litterarischen Veréffentlichungen des Verfassers. Das Problem der geschlechtsbestimmenden Ursachen. Von Dr. M. von Lenhossék, 0. Professer der Anatomie in Budapest. 1902. Preis: 2 Mark. Tabellen zur Gesteinskunde fiir Geologen, Mineralogen, Bergleute, Chemiker, Landwirte und Techniker. Von Dr. &. Linek, o. 6. Professor fiir Mineralogie und Geologie an der Universitit Jena. Mit 3 Tafeln. 1902. Preis: 2 Mark. Die Analyse der Empfindungen und das Verhiiltnis des Physischen zum Psychi- schen. Von Dr. E. Mach, em. Professor an der Universitit Wien. Mit 36 Ab- bildungen. Vierte vermehrte Auflage. 1903. Preis: brosch. 5 Mark, geb. 6 Mark. Neues Wiener Abendblatt Nr. 269 vom 1. Oktober 1900: . . . Die mit immer grésserer Kraft auftretende Einsicht, dass alles Wissen soli- darisch ist und einen Kosmos bildet, wie die Natur selbst, trigt den Bliitenstaub der Erkenntnis von Garten zu Garten. Die Friichte der Anniéihrung sind auch schon in grosser Zah] vorhanden, und eine ihrer markantesten und schénsten ist ohne Zweifel das vor kurzer Zeit in dem Jenenser Verlag von G. Fischer erschienene Buch: ,,Die Analyse der Empfindungen“ yon Ernst Mach. Die progressive Reduktion der Variabilitat und ihre Beziehungen zum Aussterben und zur Entstehung der Arten. Von Daniel Rosa, Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der k. Universitit in Modena. Im Einverstiindnis mit dem Verfasser aus dem Italienischen tibersetzt von Dr. Heinrich Bosshard, Prof. an der Kantonsschule in Ziirich. Preis: 2 Mark 50 Pf. Verlag von Gustav Fischer in Jena, Die moderne Weltanschauung und der Mensch. Sechs ffentliche Vortriige, © Von Dr. Benjamin Vetter, weil. Prof. an der Kgl. siichs. techn. Hochschule in Dresden. Mit einem Vorwort des Herrn Prof. Dr. E. Haeckel in Jena. Vierte — Auflage. 1902. Preis: steif brosch. 2 Mark, geb. 2 Mark 50 Pf. Jenaische Zeitung vom 28, April 1901: Kin Bueh, das mit allem Feingefiihl und aller Achtung vor dem Bestehenden dennoch yolle Ueberzeugungstreue verbindet und daher wohltuend wirkt auf die Gleich- gesinnten sowohl wie auf die Andersdenkenden . Geologische Heimatskunde von Thiiringen. Von Dr. Joh. Walther, Professor an der Universitit Jena. Zweite vermehrte Auflage. Mit 120 Leit- fossilien in 142 Figuren und 16 ‘Text-Profilen. . Preis: brosch. 3 Mark, geb. 3 Mark 50 Pf. Der Indo-australiche Archipel und die Geschichte seiner Tierwelt. = - = _— Nach einem Vortrag auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Karlsbad am 22. Sept. 1902 gehalten, in erweiterter Form herausgegeben yon Max Weber, Professor in Amsterdam. Mit einer Karte. 1903. Preis: 1 Mark. Vortrige tiber Descendenztheorie, vehalten an der Universitit Freiburg i. B, Von Prof. August Weismann. Mit 8 farbigen Tafeln und 131 Textfiguren. 2 Biinde. Preis: 20 Mark, eleg. geb. 22 Mark 50 Pf. Inhalt: Allgemeine und historische Einleitung. — Das Prinzip der Natur- ziichtung. — Die Fiirbungen der Tiere und ihre Beziehungen auf Selektionsvor- giinge. -—— Higentliche Mimicry. — Schutzvorrichtungen bei Pflanzen. — Fleiseh- fressende Pflanzen. — Die Instinkte der Tiere. — Lebensgemeinschaften oder Sym- biosen. — Die Entstehung der Blumen, — Sexuelle Selektion. — Intraselektion oder HHistonalselektion. — Die Fortpflanzung der Einzelligen. — Die Fortpflanzung durch Keimzellen. — Der Befruchtungsvorgang bei Pflanzen und Einzelligen, — Die Keimplasmatheorie. — Regeneration. — Anteil der Eltern am Aufbau des Kindes. — Priifung der Hypothese einer Vererbung funktioneller Abiinderungen, — Linwiirfe gegen die Nichtvererbung funktioneller’ Abiinderungen, — Germinal- selektion. — Biogenetisches Gesetz. — Allgemeine Bedeutung der Amphimixis. — Inzucht, Zwittertum, Parthenogenese und asexuelle Fortpflanzung und ihr Einfluss auf das Keimplasma. — Medium-Einfliisse. — Wirkungen der Isolierung. — Bil- dung abgegrenzter Arten, — Artenentstehung und Artentod. —- Urzeugung und Schluss. Der Neo-Lamarckismus und seine Beziehungen zum Darwinismus. Vortrag gehalten in der allgemeinen Sitzung der 74. Versammlung deutscher Natur- forscher und Aerzte in Karlsbad am 26. September 1002. Mit Anmerkungen und ~ Yusitzen. Von Dr. Riehard vy. Wettstein, Professor an der Universitit Wien. 1902. Preis: 1 Mark. ' Lehrbuch der vergleichenden Entwickelungsgeschichte der niederen Wirbeltieré in systematischer Reihenfolge und mit Beriicksich- tigung der experimentellen Embryologie, Von Dr. Ileinrich Ernst Ziegler, Professor an der Universitit Jena. Mit 327 Abbildungen im Text und einer farbigen Tafel. Preis: 10 Mark, geb. 11 Mark. Ueber den derzeitigen Stand der Descendenzlehre in der Vortrag gehalten in der gemeinsehaftlichen Sitzung der naturwissens en Hauptgruppe der 73. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Ham- burg am 26. September 1901, mit Anmerkungen und Zusiitzen herausgegeben yon Heinrich Ernst Ziegler, Prof. an der Universitit Jena, 1902. Preis: 1 Mark 50 Pf. Frommanunsche Buchdruckerel (Hermann Pohle) in Jena — 2523 ; a 649 8 | : Fe ‘Jenaische Zeitschrift al | fiir a 1) NATURWISSENSCHAFT i L NA ‘ herausgegeben 4 von der | medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft ey | | | zu Jena, | 4 . a ; Achtunddreissigster Band. : | Neve Folge, Einunddreissigster Band. | Drittes Heft. | Mit 10 Tafeln und 6 Figuren im Text. il Inhalt. ¥ HEIDECKE, PAUL, Untersuchungen tiber die ersten Embryonalstadien von i Gammarus locusta. Hierzn Jafel XIIl—XVI. 1 BOISSEVAIN, MARIA, Beitrige zur Anatomie und Histologie von Den: - talium. Hierzu Tafel “XVII—XIX. = MACLAREN, pte Beitrige zur Kenntnis einiger Trematoden (Diplec- tanum eat ns WAGENER und Nemathobothrium molae n. sp.). Hierzu Tafel XII und 6 Figuren im Text. i Preis: 15 Mark. yy ae na, : Verlag von Gustav Fischer. 1904. abana as tse — | -Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben ain 12. Januar 1904, Verlag von Gustav Fischer in Jena. Die Weltherrin und ihr Schatten. fin Vortrag iiber Energie und Entropie. ~ Von Dr. Felix Auerbach, Prof. an der Universitit Jena. 1902. Preis: 1 Mark 20 Pf. Das Zeisswerk und die Carl Zeiss-Stiftung in Jena. Ihre wisssen- schaftliche, technische und soziale Entwickelung und Bedeutung fiir weitere Kreise dargestellt. Von Dr. Felix Auerbach, Prof. an der Uni- versitit in Jena. Mit 78 Textabbildungen. Preis: 2 Mark. Soeben erschien: Die Entwickelungsgeschichte der Kreuzotter [Pelias berus Mer]. Teil I: Die Entwickelung vom Auftreten der ersten Furche bis zum Schlusse des Amnios. Bearbeitet von Dr. med. Emil Ballowitz, a. 0. Professor der Anatomie und Prosektor am anatomischen Institut der Universitit Greifswald. Mit 10 litho- eraphischen Tafein und 59 Textfiguren. Preis: 40 Mark. ; Lehrbuch der Experimentalphysik in elementarer Darstellung. Von Dr. Arnold Berliner. Mit 3 lithographischen Tafeln und 695 zum Teil farbigen Abbildungen. Preis: 14 Mark. geb. 16 Mark 50 Pf. Das Problem der Befruchtung. Von Dr. Theodor Boveri, Professor an der Universitit Wiirzburg. Mit 19 Textabbildungen. Preis: 1 Mark 80 Pf. Soeben erschien: Ergebnisse itiber die Konstitution der chromatischen Substanz des Zellkerns. Von Dr. Theodor Boveri, Prof. an der Universitit Wiirzburg. Mit 75 Abbildungen im Texte. Preis: 2 Mark 50 Pf.. Das kleine pilanzenphysiologische Praktikum. Anleitung zu pflanzen- physiologischen Experimenten. Fiir Studierende und Lehrer der Natur- wissenschaften. Von Dr. W. Detmer, Professor an der Universitit Jena. Mit 163 Abbildungen. 1903. Preis: brosch. 5 Mark 50 Pf., geb. 6 Mark 50 Pf. Vergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere. Von Dr. Otto von Fiirth, Privatdozent an der Universitit Strassburg i. E. 1902. Preis: 16 Mark. Zeitschr. f. allgem. Phys., Bd. I, Nr. 3,4: Das Buch, welches eine staunenswerte Fille von Einzelbeobachtungen tiber den Chemismus der niederen Tiere bringt, will die chemischen Tatsachen, so- weit sie sich auf diese beziehen, mit méglichster Vollstindigkeit zu- sammenstellen. Diese Absicht hat der Verfasser mit einer Griindlichkeit ver- wirklicht, die unsere Bewunderung erregen muss. Die Quellen in ihren Beziehungen zum Grundwasser und zum Typhus. Von Dr. A. Giirtner, Prof. in Jena. Mit 22 Abbildungen und 12 lithographi- schen Karten. Preis: 10 Mark. Ueber das Schicksal der elterlichen und grosselterlichen Kernanteile. Morphologische Beitriige zum Ausbau der Vererbungslehre yon Dr. Valentin Hiicker, Professor an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Mit 4 Tafeln und 16 Textfiguren. 1902. Preis: 4 Mark. Palaeontologie und Descendenzlehre. Vortrag gehalten in der allgemeinen Sitzung der naturwissenschaftl. Hauptgruppe der Versammlung deutscher Natur- forscher und Aerzte in Hamburg am 26. September 1901. Von Ernst Koken, Prof. der Palaeontologie in Tiibingen. Mit 6 Figuren im Text. 1902. Preis: 1 Mark. —— Untersuchungen tiber die ersten Embryonal- stadien von Gammarus locusta. Von Paul Heidecke. (Aus dem zoologischen Institute der Universitat Rostock.) Hierzu Tafel XIII—XVI. Untersuchungen iiber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta.. Im Gegensatz zu der reichlich vorhandenen Literatur tiber die Entwickelung der Isopoden finden sich die Angaben tber die Entwickelung der Amphipoden nur sparlicher vertreten. Nachdem Bereu (16) im Jahre 1894 die Drehung des Keim- streifens und die Stellung des Dorsalorganes bei Gammarus pulex beobachtet hatte, haben sich andere Autoren mit der Amphipodenentwickelung nicht mehr eingehend beschaftigt. Dieses passive Verhalten gegeniiber einem Untersuchungsmaterial, das verhaltnismafig leicht zu beschaffen ist, diirfte daraus zu er- klaren sein, daS Bercu von der Untersuchung des Gammarus pulex wegen technischer Schwierigkeiten glaubte abraten zu miissen. Die vorliegende Arbeit befaft sich mit der Untersuchung der Furchung und der Keimblatterbildung des in der Ostsee bei Warne- miinde auferordentlich haufig vorkommendenGammarus locusta. Die Angaben Bercus, da8B Gammarus pulex ein zu jenen Unter- suchungen ungiinstiges Objekt darstellt, kann ich fiir Gammarus locusta nur im allgemeinen bestatigen. Ich glaubte anfangs die dabei sich herausstellenden Schwierigkeiten der mikroskopischen Technik, namentlich des Schneidens und der Farbung, nicht tiber- winden zu kénnen. Es ist mir indes nach miihevollen und zeit- raubenden Versuchen gelungen, eine Methode zu finden, die vollauf befriedigende Resultate geliefert hat. Meinem hochverehrten Lehrer, Herr Professor Dr. O. SEELIGER, dem ich die Anregung zu meinen Untersuchungen verdanke, er- laube ich mir, auch an dieser Stelle fiir die mir in reichem Make Bd, XXXVIII. N, F. XXXI. 35 506 Paul Heidecke, gewahrte liebenswiirdige Unterstiitzung meinen tiefgefiihltesten Dank auszusprechen. Auch Herrn Professor Dr. L. Wm. danke ich fiir das freundliche Interesse, mit dem er meinen Unter- suchungen folgte. Die im sog. Strom, der Miindung der Warnow in die Ostsee, bei Warmemiinde gefangenen Gammariden wurden frisch unter- sucht, da es sich herausstellte, daf bei langere Zeit im Aquarium gehaltenen Tieren sich die Eier oft nicht normal entwickelten. Mit einem kleinen Spatel wurden die Eier vorsichtig dem Brut- raum der weiblichen Tiere entnommen und sofort in heiSe Sublimat- lésung (5-proz.) gebracht. Nachdem eine orange Farbung ein- getreten war, wurden die Kier schnell mit dazu gegossenem Aqua dest. abgekiihlt und tiichtig ausgewaschen. Darauf wurden sie in sehr langsam steigendem Alkohol (10—90-proz.) gehirtet. Es hatte sich namlich gezeigt, dafi die Eier sich stark kontrahierten, wenn sie aus dem Aqua dest. sofort in 50-proz. Alkohol gebracht wurden. Befanden sich die Eier in 70-proz. Alkohel, so wurde das Chorion mit einer fein geschliffenen Prapariernadel angeritzt. Es sprang dann eine weite Strecke auf, so daf die verschiedenen Farbefliissigkeiten, sowie spiter die Einbettungsmasse unbehindert in den Embryo eindringen konnten. Dieser Prozef, namentlich derjenige der vélligen Durchtrankung mit Paraffin, ging sehr lang- sam von statten. 3mal 24 Stunden blieben die Eier in fliissigem Paraffin im Warmofen stehen, da es sich ergab, daf kiirzere Zeit eingebettete Eier zur Bearbeitung mit dem Mikrotom nicht geeignet waren. Es wurden stets ungefirbte Eier geschnitten, denn die von ihnen in der heiffen Sublimatlésung angenommene schéne orange Farbe wurde im steigenden, namentlich in dem hochprozentigen Alkohol wieder abgegeben. Zur Schnittfirbung wurde bei jungen Embryonen Alaunkarmin, bei alteren Kontrastfirbung mit Himato- xylin und Orange G. angewandt. Die mit Alaunkarmin gefarbten Schnittserien wurden in salzsaurem, 70-proz. Alkohol differenziert, der Dotter gab dann die Karminfairbung fast ginzlich auf, waihrend das Protoplasma und die Kerne sehr schén rot gefirbt erschienen. Die Schnitte waren stets 10 w dick. Totalpriparate wurden in der Weise hergestellt, da8 die Eier in schwacher Himatoxylinlésung und, nachdem sie reichlich mit Aqua dest. ausgewaschen worden waren, ebenfalls in schwacher Alaunkarminlésung laingere Zeit verblieben. Zur Beobachtung der Zellgrenzen an Totalpriparaten empfehle ich eine Farbung der Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 507 Eier mit essigsaurem Karmin. Leider hat diese Methode den Nachteil, daf die Kier infolge der Einwirkung der Essigsiure dabei stark aufquellen. Samtliche Totalpraiparate wurden in Glycerin aufgehellt, das dem Aqua dest. langsam zugesetzt wurde. Die Kier befanden sich hierbei in einer offenen Schale, um das Wasser unbehindert verdunsten zu lassen. I. Ueberblick tiber die Literatur. Im folgenden beschrainke ich mich auf einen kurzen Ueber- blick der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen der friiheren Autoren. Auf Einzelheiten, sowie im besonderen auf die Unter- schiede zu meinen Befunden wird erst weiter unten eingegangen werden, wenn ich meine Beobachtungen schildere. RATHKE (1), dessen Untersuchungen nur historische Bedeutung haben, hat Beobachtungen iiber die Entwickelung der Amphithoé picta, Gammarus gracilis, Amathia carinata und Hyale pontica angestellt. MEISSNER (2) macht sehr kurze Angaben tiber das kugel- formige Organ, den Mikropylapparat oder das Dorsalorgan, wie es spaiter genannt worden ist. La VALETTE St. GEORGE (3) beschaftigt sich eingehender mit der Entwickelung im Eierstocke bei Gammarus pulex, sowie mit der Blastodermbildung im befruchteten Ei. Auferdem enthalt auch seine Schrift einige Angaben tiber den Mikropylapparat. Fr. MULLER (4) weist zum ersten Male auf die Larvenhaut der Amphipodenembryonen hin. Er verwirft den Ausdruck Mikropylapparat; p. 40 sagt er in Anm. 2: ,So wenig am Ende der Name zur Sache tut, sollte man doch den Namen Mikropyle auf Kanale der Eihaut beschrinken, die dem Eintritt des Samens dienen. Ueber dem Mikropylapparat der Amphipoden aber geht die auBere Kihaut nach den eigenen Angaben von MEISSNER und La VALerTe undurchbohrt hinweg, er scheint nie vor der Befruchtung vorhanden zu sein, erreicht seine grote Entwickelung in einer spaiteren Zeit des Eilebens, und die ihn durchsetzenden zarten Kanale scheinen sogar nicht immer vorhanden zu sein; iiberhaupt scheint er mehr dem Embryo als der Kihaut anzugehéren. Ich vermochte mich noch nicht zu tiberzeugen, dali tiberhaupt die sog. ,imnere EKihaut‘ wirklich eine solche sei und nicht etwa eine erst nach der Befruchtung gebildete friiheste Larvenhaut, wie man 5a * 508 Paul Heidecke, im Hinblick auf Ligia, Cassidina und Philoscia annehmen méochte.“ A. Dourn (5) beschaftigt sich in seinen Studien zur Embryo- logie der Arthropoden hauptsachlich mit der Dotterkliftung des Kies, sowie mit der Anlage und Ausbildung der Falte, die den Kopfteil des Embryos von dessen Schwanzteil abgrenzt. Auferdem macht er noch einige Angaben iiber den ,Mikropylapparat‘, die indessen fiir uns nicht von Wichtigkeit sind. E. VAN BENEDEN und E. Bessets (6) studierten die Furchung und Blastodermbildung vom marinen Gamm. locusta und von den in siikem Wasser lebendenGamm. pulex und fluviatilis. Die Verff. wiesen zuerst darauf hin, daf die Eifurchung bei Gamm.locusta anfangs eine totale, spaiter aber eine superficielle ist. Auf p. 26 ihrer Abhandlung deuten sie mit folgenden Worten auf diese Erscheinung hin: ,I] est important de faire remarquer que pendant toute la durée de la segmentation, les globes sont constamment situés a la périphérie de l’ceuf et, qu’au moment ot le fractionnement s’achéve, une partie des éléments deutoplasma- tiques s’est déja séparée des globes, pour former au centre de Yoeuf un dépot de matiére nutritive. Bientot nous verrons le deutoplasma se séparer complétement du protoplasma et par la s’achévera la formation du blastoderme.“ Das achtzellige, aus 4 gréferen und 4 kleineren Blastomeren bestehende Furchungsstadium orientieren die Verff. in der Art, dah die kleineren Elemente die obere Seite (face supérieure de l’ceuf), die gréBere dagegen die untere (face inférieure) darstellen. Die Ventralseite des kiinftigen Embryos wird dort gebildet, wo sich die 4 kleinen Blastomeren befinden, die Dorsalseite ist die gegen- iiberliegende. In den weiteren Ausfiihrungen meiner Arbeit ist diese von Van BrenEDEN und Bessets angenommene Lage der einzelnen Eiachsen beibehalten worden. Die von MEISSNER und LA VALETrTE als ,innere Eihaut* be- zeichnete Bildung ist VAN BenepDEN zufolge nichts weiter als eine erst nach der Befruchtung gebildete Larvenhaut, und das in Fur- chung begriffene Ei von Gammarus locusta ist nur von einer einzigen Membran, dem Chorion, umgeben. E. Bessets (7) stellte dann noch allein Beobachtungen an iiber die Entwickelung der Amphipoden. Er kommt zu dem Schlufsatz: ,Es unterliegt keinem Zweifel, dab wir es hier mit Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 509 einer abgektirzten Entwickelung zu tun haben: Nauplius- und Zoéastadium sind in das Embryonalstadium zuriickverlegt !“ A. Donen (8) zieht aus der Entwickelungsgeschichte und der Anatomie der Crustaceen viele Beispiele heran, um festzustellen, dafi das kugelf6rmige Organ dem Riickenstachel der Zoéa homolog ist. Auf dieselbe Tatsache hatte etwas friiher E. Besseis kurz hingewiesen. B. Unrantn (9) beschiaftigte sich mit. der Entwickelung ver- schiedener Orchestia-Arten (mediterranea, Montagui, Bottae), sowie mit Gamm. poecilurus. Die gewonnenen Resultate weichen im allgemeinen nicht von denjenigen friiherer Autoren ab. Da er jedoch die Schnittmethode anwandte, konnte er feststellen, dafi die Furchung nur anfangs eine totale, spater aber eine superficielle ist, da die Furchen nicht bis in die Mitte vordringen. Nach zweimaliger Teilung des Eikernes finden sich 4 groke améboide Zellen') an der Oberfliche des Kies, und diese liefern das Material fiir alle Zellen des Blastoderms; aufer diesen 4 primaren grofen Zellen treten aus dem Innern des Eies keine zelligen Elemente mehr an die Oberfliche. Das Blastoderm bildet sich zunachst an der Bauchfliche, es ist das der ,untere Pol“, er stellt das Zentrum des Kreises der kleinen Zellen dar, welche durch Teilung aus den urspriinglichen 4 améboiden Zellen hervorgegangen sind. Ist das Teilungsstadium 32 erreicht, so hért die améboide Bewegung der kleinen Zellen mehr und mehr auf, einige teilen sich noch, andere fliefen zusammen, ziehen ihre Pseudopodien ein und wandeln sich in ruhende polyedrische Zellen um, die die ersten Zellen des Blastoderms bilden. Nach mehrfacher Teilung der améboiden und ruhenden Zellen nimmt das so entstandene Blasto- derm, in Form einer Scheibe, ungefaihr ?/, der ganzen Kioberflache ein. Der obere Rand dieser Scheibe ist nicht glatt, sondern wellen- formig mit 8 Auswiichsen versehen, die den grofen amédboiden Zellen entsprechen, welche zuletzt das Material zur Bildung des Blastoderms liefern. Aus einem dieser Auswiichse soll durch Er- weiterung des auBersten Endes und durch Abplattung das kugel- férmige Organ, oder der Mikropylapparat der friiheren Autoren, entstehen. Uxranin benennt diese Bildung in Uebereinstimmung mit der Schalendriise der Mollusken ,Schalengrube“. Das Mesoderm wird angelegt, wenn die Blastodermscheibe noch lange nicht ihre 1) Unter ,amédboiden Zellen“ versteht Uxranin die proto- plasmatischen, den Kern umschliefenden Teile der Blastomeren. 510 Paul Heidecke, volle Gréfe erreicht hat. Die Bildung des Entoderms geschieht erst viel spiter, wenn das Ektoderm die ganze Oberfliche des Eies bedeckt hat, und das kugelf6érmige Organ seine definitive Lage auf der Dorsalseite des Embryos eingenommen hat. SOPHIE PEREYASLAWZEWA (10) studierte die Entwickelung von Gammarus poecilurus. Ihre Beobachtungen erstrecken sich eingehend auf die Erscheinungen am lebenden Ei, sowie auf die Veranderungen, welche im Innern des Eies wahrend der Periode kurz vor der Furchung vor sich gehen. Sie bespricht dann noch die Furchung selbst, die Blastodermbildung, sowie Ekto-, Meso- und Entoderm und deren Derivate. Jedoch sind die vielen Schnitt- serien, die sie zeichnet, leider stark schematisiert. Auferdem konnte sie die einzelnen Serien ihrem Alter nach nicht genau be- stimmen, da die in toto untersuchten Eier fast ganzlich undurch- sichtig waren; auch die korrekte Lagebezeichnung der Schnitte hatte darunter zu leiden. Doch sind einige Resultate der Unter- suchungen von Wichtigkeit. Die Verf. weist z. B. 2 Polzellen nach, die auftreten, sobald das Ei den héchsten Grad der Kon- traktion erreicht hat. Ferner interessiert der Hinweis, daf sich Zellen vom Ektoderm loslésen, ins Innere des Nahrungsdotters dringen, dann wieder mehr nach der Oberflache zu wandern, um den Mitteldarm zu bilden. Die Ventralseite geht der Bildung der Dorsalseite voraus, ebenso wird der Kopf friiher angelegt als das Abdomen. Die Geschlechtsorgane stammen von Mesodermzellen ab. Das Mesoderm entsteht in den Extremititen, doch feblt eine genauere Angabe, von welchem Blatt es gebildet wird; es wandern dann die Mesodermzellen in den Raum zwischen Ekto- und Ento- derm hinein, wo sie zerstreut bleiben, bis zum Stadium der Herz- und Muskelbildung. Marre Rosuskaya (11) fiihrte die Untersuchungen ULIANINS an Orchestia littorea weiter aus, verschiedene Angaben dieses Autors verbessernd. Sie fand, da’ die Furchung bis zum 32-zelligen Stadium genau dem Schema entsprach, welches E. VAN BENEDEN und E. Bessexs fiir die Furchung von Gamm. locusta angegeben haben. Bis zu diesem Stadium decken sich die Angaben mit denen Uuranins. Auch sie bemerkt, dafi das Dorsalorgan seine Lage verindert und auf die Dorsalseite riickt. Die Entodermbildung geht in der Weise vor sich, daf einige améboide Blastodermzellen in das Innere des Nahrungsdotters eindringen; hier vermehren sie sich und wandern dann wieder unter die Oberfliche des Kies, um dort 2 seitliche Bander zu bilden, aus denen dann spiiter der Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 511 Mitteldarm entsteht. Wahrend bei allen iibrigen bisher erforschten Crustaceen die Bildung des Abdomens derjenigen der Extremi- tiiten vorausgeht, macht Orchestia hierin eine Ausnahme. Erst nach erfolgter Anlage des Nervensystems setzt die Bildung des Abdomens ein. Das Mesoderm wird zu gleicher Zeit wie die Ex- tremititen angelegt, und zwar erscheint es zuerst in diesen Aus- stiilpungen des Ektoderms. Bald darauf laft sich auch das Herz nachweisen; mit diesem Stadium beginnt dann das Dorsalorgan sich zuriickzubilden. PEREYASLAWZEWA (12) beschaftigte sich in einer zweiten Arbeit mit der Entwickelung von Caprella ferox. Die Kier der Caprelliden durchlaufen vor ihrer Furchung genau dieselben Phasen, wie sie fir Gamm. poecilurus von der Verf. be- schrieben worden sind. Sobald die Ventralseite und der orale Pol gu erkennen sind, beginnt auch die Blastodermbildung. Auch hier bei Caprella fallt die Bildung des Mesoderms mit der der Ex- tremitaten zusammen. Die Resultate stimmen im allgemeinen mit den fiir Gamm. poecilurus gewonnenen tiberein. Kinen Unter- schied macht wohl nur die Bildung der Leberschliuche, welche hier von unten — aboral — nach oben — oral — vorschreitet. RosuskAYA-KOSCHEWNIKOWA (13) bespricht in einer anderen Arbeit eine Amphithoé und eine Sunamphithoé. Sie hat die Entwickelung der letzteren von der Furchung an bis zum Aus- schliipfen des Embryos genau beobachtet und gibt in der Kinleitung die einzelnen Phasen der Reihe nach an. Das Blastoderm erscheint zuerst am oralen Pol und breitet sich von da ab itiber die ganze Ventralseite aus. Ist der gréfte Teil der Eioberflache mit dem Blastoderm erfiillt, so beginnt die Bildung des Entoderms. Dieses legt sich in 2 Bandern auf der Ventralseite des Keimes an und erscheint der ‘uferen Blastodermschicht dicht angelagert. Das dorsal gelegene Blastoderm soll keinen Anteil nehmen, weder an der Ento- noch an der Mesodermbildung. Das Mesoderm entsteht auch hier zuerst in den Extremitaten. Die Furchung der Amphithoé picta konnte Verf. nicht beobachten. Die Untersuchung setzt ein mit dem Auftreten des Mesoderms und reicht bis zum Ausschliipfen des Embryos. Die Dottermembran, welche allen iibrigen Amphipoden eigen ist, fehlt hier ginzlich. Im ibrigen ist die Entwickelung der Am- phithoé fast vollstandig identisch mit derjentgen der Sunamphi- thoé; nur in zwei Punkten unterscheiden sie sich: 512 Paul Heidecke, 1) Auf ziemlich vorgeschrittenen Stadien der Amphithoé picta findet sich am Abdomen eine Einsenkung, deren Wesen Verf. nicht erkannt hat. 2) Es treten bei noch spateren Stadien Martpieuische Tuben auf, die bei der Sunamphithoé ebenfalls nicht vorhanden sind. C. Wacner (14) hat tiber die Entwickelung von Melita palmata gearbeitet, die in allen wesentlichen Punkten vollstandig derjenigen von Gamm. poecilurus, Caprella und Orchestia gleicht. Alle Stadien vor der Furchung, z..B. die Entstehung der Eier u. s. w., konnten nicht untersucht werden, da Melita pal- mata sehr selten vorkommt. Eine sehr umfangreiche Monographie der Gammariden des Golfes von Neapel veréffentlichte DELLA VALLE (15) im Jahre 1895. ~ Uns interessieren nur die entwickelungsgeschichtlichen Angaben. Da die Eier der Orchestien fiir diese Untersuchungen die giinstigsten sind, so hat Verf. seine Beobachtungen an Orchestia Deshayesi ausgefiihrt. Er hat sowohl Totalpriparate, als auch Schnittserien genau untersucht. Seine Befunde beweisen, daf die Furchung keine totale, sondern eine superficielle ist, denn auf Schnitten ]a8t sich erkennen, daf die Furchen nicht bis in die Mitte der Kier gehen. Aus der Tatsache, da8 bei spaiteren Seg- mentationsstadien die durch Teilung der kleineren Zellen entstandene Bauchplatte im Wasser stets nach unten gekehrt ist, schlieSt DELLA VALLE, daf das spezifische Gewicht dieser Platte gréfer ist als das des Nahrungsdotters. Das Ektoderm wird durch amdboide Zellen gebildet, die an die Oberfliche riicken, sobald das 32-zellige Stadium erreicht ist. Einige von diesen Zellen wandern wieder in das Innere, um das Entoderm entstehen zu lassen. Das Meso- derm wird vom Ekto- und Entoderm gebildet. Den Hauptanteil an dieser Bildung hat jedoch das Ektoderm, durch Loslésung von améboiden Zellen, welche an verschiedenen Stellen und in unbe- schrinkter Anzahl] aus dem Ektoderm austreten kénnen. Bercu (16) hat darauf hingewiesen, daf alle Autoren bei ihren Beobachtungen einen schweren Fehler begangen haben. Sie haben nicht darauf geachtet, daf} im Laufe der Entwickelung der Keimstreifen eine Drehung durchzumachen hat. Darum_ sind die Angaben friiherer Forscher iiber die Schnittrichtungen nur immer ,cum grano salis* zu verstehen. Der Keimstreif verliuft anfangs quer iiber das Ei, spater stellt er sich schrig, wie dies in Berous Figuren sehr deutlich gezeigt wird, um dann schlieflich Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 513 seine definitive Lage so einzunehmen, daf seine Lingsachse mit der Medianebene des Kies zusammenfallt. Die Entodermbildung findet an einer bestimmten Stelle, dem Blastoporus, durch Einwucherung einzelner Zellen statt. Verf. gibt leider nicht an, wo der Blastoporus liegt. Nach meinen Be- obachtungen ist kein Blastoporus vorhanden, vielmehr erstreckt sich die Entodermbildung tiber eine ziemlich grofe Strecke des Keimstreifens. Auch macht Verf. auf die Bildung von Muskel- platten aufmerksam, deren Zahl jedoch nicht festgestellt werden konnte. Nach RostisKAyA-KOSCHEWNIKOWA (18) entwickeln sich der Mitteldarm und die definitiven Leberschlauche bei Gammarus pulex und Orchestia anders als bei den marinen Amphi- poden. Die Entwickelung der provisorischen Leberschlauche ist diesem aber gleich; sie sind bei Gammarus pulex vollstandig in der Vierzahl, bei Gammarus poecilurus dagegen unvoll- stindig, bei Orchestia fast gar nicht ausgebildet. Die Geschlechts- organe entstehen nicht durch Sprossung aus dem Epithel der Leberschlauche, wie das friiher von der Verf. angenommen wurde, sondern sie entwickeln sich aus dorsal gelegenen Mesodermzellen. Cu. LANGENBECK (19) hat die ersten Furchungsstadien von Microdeutopus gryllotalpa sehr genau beobachtet. In dem eben abgelegten, nur vom Chorion eng umhiillten Ei liegt das ganze Protoplasma zentral und sendet nach allen Seiten Auslaufer aus. Die beiden ersten Blastomeren sind gleich grof, doch die zweite Teilung ergibt schon 2 grofe und 2 kleine Blastomeren. Die dritte Teilung, welche in dquatorialer Richtung vor sich geht, la8t 2 gréBere und 2 kleinere Makromeren, sowie 2 gréfere und 2 kleinere Mikromeren entstehen. Es teilen sich von diesem Stadium an die gréferen Makromeren vor den kleineren, diese jedoch wieder vor den Mikromeren. Teloblasten sind nicht nachzuweisen. Hinter dem Dorsalorgan invaginieren Zellen, aus denen das Entoderm, die Leber und der gréfte Teil des Darmes gebildet werden. Das Mesoderm hat seinen Ursprung in der zweiten Zellschicht der Bauchplatte '). 1) Diese letzte Arbeit ist mir nur nach dem Referat in dem Zoologischen Centralblatt bekannt. Trotz mehrfacher Bemiihungen bei verschiedenen Bibliothekssammlungen war ‘es mir nicht méglich, das Original einsehen zu kénnen. 514 Paul Heidecke, II. Eigene Beobachtungen. 1. Die Furchung: Die dem Brutraum der weiblichen Tiere entnommenen Eier des Gammarus locusta sind von ziemlich dunkelbrauner Farbe und fast ganzlich undurchsichtig. Bei ungefarbten Eiern ist es. unmoéglich irgend welche Einzelheiten des histologischen Baues wahrzunehmen. Die Eier haben alle keine vollstandige Kugel- gestalt, sondern erscheinen etwas lingsgestreckt, so daf eine Haupt- achse sich deutlich unterscheiden lift. Die Linge dieser Achse ist ungefahr 500 uw, die der Querachse ungefahr 450 uw. Bei be- fruchteten Eiern (Fig. 1) erkennt man an Totalpraiparaten, wenn sie lingere Zeit in schwacher Himatoxylinlésung gelegen haben und dann aufgehellt wurden, den Furchungskern als dunkleren Fleck, von dem aus nach verschiedenen Seiten der ihn umgebende Protoplasmahof ausstrahlt. In diesem Protoplasma fehlen die Dotterktigelchen, es bildet eine zentrale Hauptmasse, von der ver- schiedene Protoplasmastrange ausgehen, die gréStenteils bis zur Oberfliche reichen. Hier bildet das Plasma eine feine, dotterfreie Rindenschicht. Alle tibrigen Teile des Eies sind annahernd gleich- mabig von grofen Dotterschollen durchsetzt, die die Liickenraume im Plasmageriist vollstindig ausfiillen. Das Ei ist vom Chorion umgeben, das ihm aber nicht un- mittelbar anliegt. Ueber den Zeitraum, der zwischen dem Eindringen des Sper- matozoons und dem Auftreten der ersten Zellteilung verliuft, kann ich keine ganz bestimmten Angaben machen. Es schien mir aber, daf bei den verschiedenen Eiern gewisse Ungleichheiten bestehen. Eine von aufflen nach innen zu vorschreitende Furche teilt die Zelle in ihrer Querrichtung in zwei fast gleich groBe Teile (Fig. 2). In jedem dieser beiden Teile erblickt man den Kern als einen runden dunkleren Fleck. Er ist von seinem Protoplasmahof um- geben, welcher wieder Ausliufer nach den verschiedensten Rich- tungen zu aussendet. Es tritt nun ein Stadium der Ruhe ein, welches einige Stunden anhalt. Darauf sieht man, da der Kern seine runde Form all- miahlich veriindert und eine lingliche Gestalt annimmt. Es ist dies der Beginn der zweiten Teilung, welche sich dadurch kennt- lich macht, daf eine Furchung in der Lingsrichtung des Eies, Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 515 ebenfalls von der Peripherie nach dem Zentrum zu vorschreitend, eintritt. Das Ei ist durch diese Furche in 4 fast gleich grofe Teile zerlegt (Fig. 3), die von einander vollstindig getrennt sind, wie das die Schnitte beweisen. Weitere Einzelheiten sind auch auf diesem Stadium an Totalpraparaten nicht zu erkennen. Die Kerne mit dem Protoplasma erscheinen ebenfalls wieder als dunkle Flecke, die in der Mitte der einzelnen Blastomeren gelegen sind. Ganz deutlich ist dies auf einem Querschnitt durch ein auf diesem Stadium sich befindendes Ki zu sehen, der in Fig. 4 wiedergegeben ist. Zuerst fallt auf, daf ein gro&er Hohlraum zwischen den ein- zelnen Furchungskugeln besteht. Es ist dieser aber wohl ein Kunstprodukt, hervorgerufen durch die betreffende Konservierungs- fliissigkeit, mit welcher das Ki behandelt wurde, denn am lebenden Ki war keine derartige Furchungshéhle wahrzunehmen. Zwischen den einzelnen kleinen Dotterkiigelchen, die vom Protoplasma um- flossen werden, wie dies in Fig. 5 zu erkennen ist, befinden sich -Vakuolen, die vielleicht alle nur durch Ausfallen einzelner Dotter- kiigelchen entstanden sind. Das Protoplasma umegreift die ein- zelnen Dotterkiigelchen vollstindig, gleichsam als ob es Pseudo- podien aussendet, welche sich, nachdem sie einzelne Dotterkiigelchen umflossen haben, begegnen. So wie eine groBe, von Dotter freie Protoplasmaansammlung im Zentrum in der Umgebung des Kernes vorkommt, findet sich auch an der Peripherie éiner jeden Blasto- mere eine Randschicht, die allerdings nur sehr diinn und an den verschiedenen Stellen recht variabel ist. Es geht nun der Teilungsprozef in der Weise vorwarts, da& sich immer erst der Kern teilt und dann eine Einschniirung und fiiglich eine Teilung jeder einzelnen Zelle eintritt. Fig. 6 zeigt uns eine Blastomere eines 4-zelligen Stadiums, in der schon 2 voll- standig entwickelte Kerne vorhanden sind, die auseinandergeriickt erscheinen und nur durch das sie umgebende Protoplasma im Zusammenhange stehen. Diese Plasmasphare erweist sich ebenfalls in zwei Partien, aber noch unvollstindig, gesondert, indem jeder der beiden Kerne in einer gréferen Plasmaansammlung liegt, die beide durch eine breite Briicke verbunden erscheinen. Daraus, da8 die Kernteilung nicht genau in der Mitte der Blastomere eintritt, der eine Kern vielmehr dem Rande niher liegt, la8t sich schon der Schluf ziehen, daf die eintretende Furchung eine gréfere und eine kleinere Zelle aus der Blastomere entstehen lassen wird. Es ist mir aufgefallen, daf die Plasmahéfe, die die beiden eben durch 516 Paul Heidecke, Teilung entstandenen Kerne umgeben, verschieden grof sind, und zwar entsprechen die GréSenunterschiede denen der spateren Zell- kérper.. Ungefahr °/, Stunde nach erfolgter Vierteilung des Eies tritt eine neue, aquatoriale Furchung ein, die 4 grofe und 4 kleine Blastomeren, entsprechend den bereits gebildeten 8 Kernen, abteilt (Fig. 7). Die Kerne, die in der Mitte der einzelnen Furchungs- kugeln gelegen sind, lassen sich wieder als dunkle Flecke erkennen, von denen strahlenférmig nach allen Seiten Ausliufer des Proto- plasmas ausgehen. Fig. 8 zeigt uns das 8-zellige Stadium von der Riickenseite; man sieht den gewaltigen Unterschied zwischen diesen 4 grofen Blastomeren und den 4 kleinen ventralen, die in Fig. 7 dargestellt sind. Von nun an teilen sich die einzelnen Blastomeren nicht mehr gleichzeitig, vielmehr schreitet die Teilung der grofen Furchungs- kugeln schneller vorwarts als diejenige der kleinen. Es entsteht dadurch zuniachst das 12-zellige Stadium, welches ungefahr 11/, Stunde gebraucht, um sich aus dem 8-zelligen zu entwickeln. Bald nach- dem dieser Zustand erreicht ist, schicken sich die kleinen Blasto- meren ebenfalls zur Teilung an. In Fig. 9 ist ein 14-zelliges Stadium abgebildet, welches dadurch entstanden ist, daf 2 von den kleinen Blastomeren sich auch schon gebildet haben. Es sind infolgedessen 6 kleine und 8 grofe Furchungskugeln zu unter- scheiden, von denen die ersteren den letzteren ventral anliegen. In Fig. 10 ist die Dorsalseite dieses Furchungsstadiums dar- gestellt. Die 8 grofen Blastomeren nehmen die Dorsalseite voll- stindig ein und beriihren sich in der Mittellinie. Das Protoplasma mit dem darin liegenden Kern zeigt bei der Betrachtung des Totalpriparates dieselbe Form und Struktur wie bei den friiheren Stadien. Nach einem weiteren Zeitraum von 1/, Stunde haben sich alle 4 kleinen Blastomeren geteilt, wodurch dann das 16-zellige Stadium (Fig. 11 und 12) erreicht ist. Alle Zellen liegen dicht aneinander geschmiegt, in einer jeden von ihnen ist mit Leichtigkeit sowohl der Kern, als auch das Protoplasma mit seinen strahlenférmigen Ausliufern zu erkennen. Sowohl die 8 kleineren, wie auch die 8 gréferen Blastomeren bilden je eine etwas unrelmifige Schicht, die beide durch die urspriingliche Aequatorialfurche getrennt werden. Die Richtung der Furchen, welche das 8-zellige Stadium in das 16-zellige zerlegt haben, darf daher wohl als meridional bezeichnet werden. Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 517 Wird das in Fig. 11 gezeichnete Ei um 90° unter dem Deck- glase gerollt, so entsteht das Bild, welches in Fig. 12 wieder- gegeben ist. Daf die ersten Furchungen in typischer Weise wie totale verlaufen, ist durch diese Beschreibung vollstiindig bewiesen. Doch es beginnt nun bei dem 16-zelligen Stadium die Furchung super- ficiell zu werden, denn im Zentrum des Eies sammelt sich jetzt eine kompakte Dottermasse an, an welche die verschiedenen noch folgenden Furchungen nicht mehr heranreichen. Die weitere Furchung, die von E. Van BeENEDEN und E. Bessets (6) genau beschrieben worden ist, und fiir welche die beiden Autoren die fortlaufende Reihe von 16, 24, 32, 40, 56, 64, 96, 104, 112 Furchungskugeln gefunden und abgebildet haben, wurde einer genaueren Untersuchung von mir nicht unterzogen. Das Ei hat nach Beendigung der Segmentation das Aussehen, wie es in Fig. 13 dargestellt ist. Die GréBe der einzelnen Zellen yariiert etwas, doch ist der Unterschied kein allzu grofer. Man bemerkt, daf diejenigen Zellen, welche aus den kleineren Blasto- meren hervorgegangen sind und der ventralen Seite des Embryos entsprechen, etwas kleiner sind als die aus den grofen Furchungs- kugeln entstandenen dorsal gelegenen Blastodermzellen. Kin Stadium, bei dem das Blastoderm schon fast vollstandig gebildet worden war, wurde zerquetscht und ein Teil desselben mit starker VergréSerung untersucht. Dabei stellte es sich heraus, daf die aiuferen Grenzlinien der einzelnen Blastomeren sehr ahn- liche polygonale Figuren bilden (Fig. 14). Die beiden Substanzen, die den Zellkérper der ersten Blastomeren bilden, haben sich in merklicher Weise gegeneinander verschoben, in der Art, daf die Hauptmasse des Protoplasmas mit dem Kern aus der Zellmitte heraus fast ganz an die Oberfliche gestiegen ist, so daf hier immer nur ein schmaler Dotterstreifen die Plasmateile der ein- zelnen Blastomeren scheidet. Die verhaltnismafig sehr grofen Kerne zeigen das normale Aussehen der ruhenden Stadien; zahl- reiche chromatische Mikrosomen liegen unregelmafig verteilt im achromatischen Geriistwerk. Der Nucleolus war in saimtlichen Kernen als dunkler gefirbtes, groBes Gebilde zu erkennen. Wenn das Blastoderm vollstandig gebildet ist, so sind tibrigens noch nicht alle Kerne mit ihren Plasmaspharen an die Oberflache geriickt. Viele verbleiben im Innern des Eies und werden dort Spater resorbiert. 518 Paul Heidecke, Das Chorion ist nur in den Figg. 1—8 gezeichnet, in den iibrigen Abbildungen ist es, weil ohne Belang, fortgelassen worden. 2. Die Blastodermbildung und das Dorsalorgan. Ich habe bereits im vorigen Abschnitt darauf hingewiesen, da8 die Kerne in den spateren Furchungsstadien das Bestreben zeigen, mit dem sie umgebenden Protoplasma an die Oberflache des Eies zu riicken, und zwar durch améboide Bewegungen. Eine natiirliche Folge dieses Vorganges ist, dafi die mehr zentral gelegenen Protoplasmastringe diinner werden und in die periphere Hauptmasse des Plasmas schliefSlich einbezogen werden. Dadurch werden nun die zentral gelegenen Dotterkiigelchen von den Plasmaumhiillungen befreit und kénnen sich zu der zentralen Dottermasse vereinigen. Das Vorriicken geschieht in der Weise, daf pseudopodienahnliche Strange peripher zu vorgeschoben werden und die Plasmahauptmasse nachflieBt. Fig. 15 zeigt einige interessante Eigentiimlichkeiten. Der Schnitt ist einer Querschnittserie durch ein Ei entnommen, das sich in lebhafter Blastodermbildung befand. Man sieht auBer flachen, oberflichlich liegenden Zellen 2 gréSere, in Dotter ein- gesenkte, von denen die eine auler 2 dicht nebeneinander liegenden Kernen noch mehrere Vakuolen enthalt. Letztere werden wohl dadurch entstanden sein, daf die in dem Plasma gelegenen Dotterkiigelchen von diesem chemisch verindert und verbraucht worden sind. Auf diesem Schnitt ist noch ganz deutlich die Ab- grenzung der einzelnen an der Oberflaiche des Kies gelegenen Blastodermzellen zu erkennen. In ihnen bildet der Dotter noch einzelne unter sich getrennte Kiigelchen, wihrend er im Zentrum des Eies iiber eine weite Strecke schon zu einer kompakten, zen- tralen Dottermasse verschmolzen ist (Fig. 16). In dieser kommen noch vereinzelte Kerne mit spirlichem Plasma vor, die als in der Tiefe zuriickgebliebene Blastomerenkerne zu deuten sind. Die Kerne der an der Oberfliche liegenden Zellen zeigen das Ruhe- stadium; von Spindelbildungen ist nichts zu bemerken. In dem in Fig. 20 abgebildeten Quadranten sehen wir, dal 4 Zellen bereits ihre endgiiltige, oberflichliche Lage eingenommen haben und eine fiinfte im Begriffe ist an die Oberfliche zu riicken, indem sie zwischen 2 oberflichlichen Zellen ihren Platz einzunehmen versucht. Die Hauptmasse des Protoplasmas ist kugelférmig um den Kern angehiuft, und Plasmastriinge erstrecken sich nach dem Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 519 Zentrum des Eies zu und nach der Oberfliche hin. Die 4 ober- flichlichen Zellen zeigen bemerkenswerte Verschiedenheiten, die uns lehren, in welcher Weise die oberflichlichen rein plasmatischen Blastodermzellen sich bilden. In welcher Weise die Abgabe des Dotters vor sich geht, zeigt uns Fig. 19, die einen Teil des in Fig. 16 abgebildeten Querschnittes bei starkerer VergréfSerung wiedergibt. In der Mitte befindet sich eine gréfere Ansammlung von reinem Zellplasma, in dem der Kern liegt, und auch peripher ist auf einer gréferen Strecke der Dotter bereits geschwunden, wihrend im iibrigen Bereich noch mehrere Dotterkiigelchen zu be- obachten sind, die dicht aneinander gelagert sind und nur noch durch sehr schmale Protoplasmastrange getrennt werden. LEinige von diesen Dotterkiigelchen werden schon nicht mehr vollstandig umflossen, sondern beriihren nur noch mit einem kleinen Teile ihrer Oberfliche das Zellplasma. Im weiteren Verlaufe der Entwickelung schwinden allmahlich die inneren Zellgrenzen, die den Dotter der oberflachlichen Blasto- meren gegen die zentrale Dottermasse abgrenzten. Das Zellplasma wird iiberdies von dem urspriinglich ihm zugehérigen Dotter durch eine Membran schirfer abgegrenzt. Die mit ihren Kernen an die Oberfliche des Kies getretenen Plasmakoérper bilden das Blastoderm, doch setzt sich dieses keines- wegs aus gleichartig gestalteten und tiber die Peripherie gleich- mafig verteilten Zellen zusammen. Bei der Untersuchung von Querschnitten durch den Keim ergibt sich sofort, daf auf der einen Langsseite die Zellen viel zahlreicher und dichter aneinander ge- draingt angetroffen werden als auf der anderen. Wahrend auf dieser letzteren sich die Blastodermzellen nach Abgabe ihres gesamten Dotterinhaltes zu flachen, teilweise platten Elementen ausgezogen haben, erscheinen sie auf der ersteren wiirfelf6rmig oder haufig noch héher, sogar prismatisch geformt. Aus der lateralen Anhaufung der Blastodermzellen entsteht der Keimstreifen. Brrau (16) sagt dartiber p. 239: ,Das erste Erscheinen des Keimstreifens manifestiert sich bei Gammarus durch eine héchst regelmaBige Anordnung der Zellen der be- treffenden Region des Blastoderms; gleichzeitig werden die Zellen héher und dichter gestellt. Kurz nachdem er zum Vorschein ge- kommen ist, zeigt er das in Fig. 1 dargestellte Aussehen. Die ihn zusammensetzenden Zellen sind nach 2 sich .kreuzenden Linien- systemen angeordnet, namlich erstens Linien, die etwa quer zur Langsachse verlaufen, und zweitens bogenférmige Langslinien, deren 520 Paul Heidecke, Koukavitit nach einer verdickten Partie (& und 7 in der Figur) sieht. Diese verdickte Partie entspricht der spiteren Leberregion + Kopfanlage, und die ihm gegeniiberliegende Partie, wo der Keimstreif aufhért (nahe der rechten Seite der Figur) entspricht. dem kiinftigen Hinterende der Embryonalanlage.‘“ Berea gibt als Beleg fiir diese Austiihrungen verschiedene sehr gute und zutreffende Figuren an. Sie entsprechen denselben Bildern, die ich unter dem Mikroskop wahrgenommen habe. Da Bereus Abbildungen einwandsfrei sind, habe ich davon Abstand gvenommen, durch gleiche Figuren die Reihe meiner Zeichnungen unnoétig zu verlangern. Eine regelmaBige Anordnung der Blastodermzellen zeigt. iibrigens Fig. 14, welche einen Teil des Keimstreifens auf der Oberfliche eines Eies darstellt, das ungefaihr einem Stadium ent- spricht, wie es Beran in seiner Fig. 1 abgebildet hat. Da& der Keimstreifen zuerst an einer bestimmten Stelle an- gelegt wird und an dieser auch schneller als an den tibrigen wachst, haben auch schon E. Van BENEDEN und E. BEssELs (6) erkannt. Sie sagen dariiber auf p. 29 der zitierten Abhandlung folgendes: »Ua multiplication des cellules du blastoderme par voie de division continue 4 marcher beaucoup plus rapidement a la face ventrale qu’a la face dorsale de ’embryon; il se produit ainsi un épaississement considérable de la couche blastodermique, c’est la bande cellulaire ventrale (Keimstreif) sur laquelle vont se former les appendices.“ Wie schon Brereu sagt, bildet sich der Keimstreifen durch eine regelmakige Anordnung der Blastodermzellen in einer be- stimmten Region des Eies. Schon auf recht friihem Stadium ist diese Erscheinung wahrzunehmen, indem die an die Oberflache riickenden Kerne mit ihrer Plasmasphire die Tendenz zeigen, sich mehr nach einer Seite der Oberfliche hin zu konzentrieren. Es ist dieses nun nicht, wie E. VAN BeNEDEN und E. BESSELS be- haupten, die Ventralseite des kiinftigen Embryos, sondern, wie auch BERGH nachgewiesen hat, findet die Zusammenlagerung der Blasto- dermzellen zwecks Bildung des Keimstreifens lateral statt. Erst im spateren Verlaufe der Entwickelung nimmt der Keimstreifen seine definitive Lage auf der Ventralseite ein. In welcher Weise der Keimstreif sich anlegt und die ersten Stadien seiner weiteren Entwickelung durchmacht, ersehen wir aus den Figg. 16, 17 und 18. Schon in jiingeren Stadien, wenn die protoplasmatischen Teile der Blastomeren noch nicht einmal vollkommen an die Ober- flache des Eies gelangt sind (Fig. 16), lift sich feststellen, da’ Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 521 die Zellen auf der einen Seite gréfer sind als auf der anderen. Dieser Gegensatz verscharft sich in spiateren Stadien erheblich (Fig. 17 und 18); die Zellen nehmen dann eine héhere, sogar teil- weise cylinderfoérmige Gestalt auf der betreffenden Seite an. Die Dorsalseite entspricht den in Fig. 18 mit do bezeichneten Zellen; was diese Zellen zu bedeuten haben, werden wir spiter erfahren. Da die beiden anderen Abbildungen ebenso orientiert sind, so wiirde also in diesen 3 Figuren oben = dorsal, unten = ventral zu bezeichnen sein. Daraus ergibt sich demnach, dafi der Keim- streifen urspriinglich nicht ventral, sondern lateral gelegen ist. An dieser Stelle ist es nétig, auf ein Organ hinzuweisen, das gleichzeitig mit der Anlage des Blastoderms gebildet wird. Es ist dies das Dorsalorgan — kugelférmige Organ — Mikropylapparat — oder Schalengrube, wie es von den verschiedenen Autoren ge- nannt wurde. Wenn der Keimstreif noch in der ersten Bildungsperiode be- griffen ist, bemerkt man, da’ einige von den zuerst an die Ober- fliche geriickten Blastodermzellen sich an der kiinftigen Dorsal- seite des Kies naher aneinander schlieBen und eine pyramidenférmige Gestalt annehmen, deren spitzes Ende der Peripherie zugekebrt ist, wahrend der breitere Teil dem Zentrum des Kies zugerichtet ist. Es entsteht dadurch ein Gebilde, das mit einer Rosette Aehnlich- keit hat. Ein ziemlich friihes Stadium des Dorsalorgans ist in Fig. 21 dargestellt, einem Querschnitt durch ein Ei, in dem sich der Keim- streifen bereits angelegt hat. Wir sehen rechts in der Figur 5 Zellen, die auf 4 Schnitten zu beobachten sind, also sich in einer Lange von 40 w+) erstrecken. Diese 5 Zellen haben sich eng an- einander gelegt und unterscheiden sich von den benachbarten durch ihre bedeutende GréBe. In weitem Abstande von dieser Zell- ansammlung liegen erst die nachsten Nachbarzellen lateral und nach der ventralen Seite zu. In ihrer Struktur unterscheiden sich schon auf diesem Stadium die Dorsalorganzellen von den iibrigen durch die Gréfe ihrer ziemlich in der Mitte jeder Zelle liegenden Kerne. Das Protoplasma weist keinerlei Besonderheiten auf. Die Form dieser Zellen ist, wie schon erwahnt, pyramidenahnlich, wahrend die Zellen des Blastoderms mehr cylinderférmig, pris- matisch oder kubisch erscheinen. Die AuSenfliche des Dorsal- 1) Das Ei wurde in Schnitte von 10 uw Dicke zerlegt. Bd, XXXVI, N. F. XXXI. 34 522 Paul Heidecke, organs ist nicht eben, sondern bildet eine dellenférmige Vertiefung, deren tiefste Stelle in der Mitte anzutreffen ist (Fig. 22) und welche sich nach vorn und hinten allmahlich abflacht (Fig. 21). Beide Figuren, 21 und 22, sind Querschnitte durch dasselbe Ki; der Schnitt (Fig. 22) ist mitten durch die Anlage des Dorsalorgans gelegt worden. Die Kerne liegen mehr dem Zentrum zu, was wohl mit der sekretorischen Tatigkeit des Dorsalorgans zusammenhiangt. Auf der gegeniiberliegenden, nicht dargestellten Seite des Eies erscheint nur ab und zu in weiten Absténden eine langgestreckte Zelle, die jedoch unter sich durch einen oberflaichlichen Plasma- strang in Verbindung stehen. Seine vollkommenste Ausbildung erreicht das Dorsalorgan aber erst in einem ziemlich spaten Stadium der embryonalen Ent- wickelung, um dann, wie wir spater sehen werden, allmahlich riickgebildet zu werden. Die Figg. 23 und 24 zeigen das Organ in seiner héchsten Entwickelung. Ueber die Entstehung, Bedeutung, Funktion und den eigent- lichen Wert des Dorsalorgans sind die Autoren geteilter Meinung. Dementsprechend weichen auch die bisherigen Versuche und Vor- schlige, es anderen Gebilden analog oder homolog zu stellen, weit auseinander. Ich habe es im folgenden versucht, die vergleichende Literatur iiber dieses strittige Organ zusammenzustellen und gleichzeitig die Ergebnisse hinzuzufiigen, die ich fir Gammarus locusta er- halten habe. Die alteste Ansicht tiber dieses Organ, nach der es eine Mikropyle sein sollte, ist ja langst von den verschiedensten Forschern zuriickgewiesen worden. E. VAN BENEDEN und E. BESSELS (6) schreiben hierzu p. 29: ,Un micropyle est un orifice des membranes de l’ceuf destiné 4 permettre entrée des spermatozoides. I] est évident qu’un organe qui se forme aprés la fécondation ne peut étre considéré comme tel.“ Doch auch VAN BENEDEN und BESSELS konnten eine genaue Definition nicht geben. E. Brssrts (7) hat sorgfaltig das ,,kugel- formige Organ“ beobachtet. Er stellt p. 29 zwei Fragen auf, die er zu beantworten sucht: ,,Ist dasselbe lediglich deshalb vorhanden, weil es von den Vorfahren auf die Nachkommen vererbt wurde? Oder ist es auch noch deshalb da, weil es notwendig ist fiir die Existenz des Individuums?“ Er kommt zu der Ueberzeugung, daf das ,kugelférmige Organ“ dem Riickenstachel der Zoéalarve gleich- zustellen sei. Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 523 Nach Donrn (5 und 8) entsteht die erste Anlage des Appa- rates in der Weise, daf mehrere grofe, kugelige Zellen sich zu- sammenlagern, wenn die Keimhaut schon den ganzen Dotter tiber- zogen hat. Das Organ kann in verschiedenartigen Formen er- scheinen, und Donrn schlieBt daraus, da’ ihm keine wesentliche Funktion beizumessen sei. In der eben angefiihrten Habilitationsschrift (5) hat DoHrn p. 10 und 11 darauf hingewiesen, daf aus dem Zellhaufen am Riicken des Embryos, der mitten auf dem Dotter, von der Keim- haut umgeben, liegt sowohl eine Oeffnung mit einem kanalartigen Zugang, als auch ein dazu gehériges, anhaingendes Sickchen ent- steht. Der Zellhaufen ist innen hohl, die 4ufere Wand geht in die Riickwand tiber, dartiber ist eine kronenartige Bildung angelegt. Die kronen- oder gitterartigen Aufsatze entstehen aus einzelnen umgebildeten Zellen, die nach Verlust ihres Inhaltes und ihres Kernes, ganz und gar in die Bildung einer auferen und inneren Cuticula aufgehen (8). Untanin (9) hat einen grofSen Teil seiner Untersuchungen auf die Schalengrube, wie er das Dorsalorgan nennt, der Orchestia- Arten verwendet. Ueber die Entstehung dieses Organs haben wir schon oben, gelegentlich der Literaturangabe, gesprochen. Bald nachdem es angelegt ist, veraindert das Dorsalorgan seine Stellung. Es wird allmahlich nach dem dem Riicken des spiteren Embryos entsprechenden Teile des Eies geschoben. Hat es seine definitive Lage eingenommen und einen gewissen Grad seiner Ausbildung erreicht, so wird von ihm eine strukturlose Cuticularhaut abge- schieden, die mit der zur selben Zeit von der Oberflache des Eies ausgeschiedenen Cuticularhaut im Zusammenhange steht. Nach eingehendem Vergleiche zwischen dem kugelférmigen Organ der Arthropoden mit der Schalendriise der Mollusken kommt ULIANIN zu dem Schlusse, daf beide entweder in Form einer ein- fachen lokalen Verdickung des Ektoderms oder in Form einer sackartigen Vertiefung dieser Verdickung erscheinen. Es spricht fiir die Homologie dieser beiden Organe nicht nur die Lage am Kérper des Embryos, sowie die Art und die Zeit ihrer Anlagen, sondern auch die Aehnlichkeit der Veranderungen, welchen diese beiden Organe unterworfen sind. PEREYASLAWZEWA (10) behauptet, daf die Anlage des Dorsal- organs beiGammarus poecilurus an einer Stelle der Dorsal- seite aus abgerundeten Zellen besteht, die einen Facher bilden und sich in den Dotter einsenken. Diese Zellen vermehren sich, so 34* 524 Paul Heidecke, da schlieflich das Dorsalorgan einen betrichtlichen Raum ein- nimmt. Verf. hat iibrigens, wie sie selbst bemerkt, das Dorsal- organ erst auf spiteren Stadien entdeckt, wo, wenigstens den an- gefiihrten Figuren nach (60—62), schon langst das Entoderm eine grofe Ausdehnung im Innern des Eies angenommen hat. Sie ver- gleicht das Dorsalorgan dem ,plaque dorsale“ der Insekten. Im Verlaufe ihrer Ausfiihrungen stellt sie folgende Behauptung auf, p. 197: I] est indubitable que chez les Gammarus et de plus chez les Orchesties Porgane dorsale, ainsi que Pectoderme avoisinant, détachent des cellules; leur nombre n’est pas grand, elles sont tout-a-fait liberées et s’enfoncent dans le vitellus nutritif.“ Ich habe bei meinen Untersuchungen niemals Gelegenheit ge- habt, ein derartiges Einwandern von Zellen des Dorsalorgans in den Nahrungsdotter zu beobachten. Es ist wohl méglich, daf ein derartiges Verhalten sich bei den Orchestia-Arten zeigt, doch hat auch keiner der Autoren etwas Aehnliches bei den verschie- denen Gammariden bemerkt. Jedenfalls tritt ein solcher Vor- gang bei Gammarus locusta niemals ein. Fir ihre Behauptung bringt PereEYASLAWZEWA auch keine Abbildung bei, die sich etwa. auf diese Bildung beziehen kénnte. Dagegen pflichte ich ihr voll- stindig bei, daf sich eine Cavitat bildet, wenn das Dorsalorgan ein gewisses Stadium der Entwickelung erreicht hat, ja, diese Cavitit wird sofort bei der ersten Bildung des Dorsalorgans mit- angelegt. Man vergl. hierzu meine Figg. 21—24 und 43. RosuskayA (11), welche Uxranins Untersuchungen tiber Orchestia littorea einer genauen Nachpriifung unterzog und weiter fortfiihrte, fand im Gegensatz zu PEREYASLAWZEWA schon jiingere Embryonen, bei denen ein Dorsalorgan ausgepragt war. Sie hat beobachtet, da dasselbe sich schon zeigt, nachdem das. Blastoderm kaum ?/, der Eioberfliche bedeckt, und zwar beschreibt sie dieses Organ als trichterformiges Gebilde, dessen birnenformige Zellen einen grofen Kern mit je einem Nucleolus enthalten. Ueber das weitere Verhalten dieses Organs berichtet sie folgendes, p. 578: »Une fois placé sur la ligne médiane dorsale, il s’agrandit notable- ment et recoit une cavité centrale. Les cellules éctodermiques qui Yentourent, prennent une forme cylindrique, trés différente de la forme aplatie des cellules éctodermiques voisines et représentent une plaque ronde, ayant l’entonnoir dans le centre. Cette plaque est tout-d-fait analogue 4 la plaque dorsale de Moina et de Gryllotalpa (Fig. 28 od.).“ Bei ihren Untersuchungen tiber die Entwickelung der Caprella Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 525 ferox geht PerEYASLAWZEWA (12) nicht weiter auf das Dorsal- organ ein. In kurzen Worten fiihrt sie an, p. 588, daf es erst spit erscheint und niemals dieselbe GréfSe erreicht wie bei den Gammariden und den Orchestien. Im Gegensatz zu diesen ist auch seine Form eine verschiedene. Es besteht nimlich anfangs nur aus 3 cylinderformigen Zellen, die sich jedoch im Laufe der weiteren Entwickelung vermehren, aber niemals eine Vertiefung bilden. Das urspriingliche Aussehen behalt das Dorsalorgan bei bis zu seiner vollstaéndigen Auflésung. Ganz anders als bei der Caprella ferox verhilt sich das Dorsalorgan bei Sunamphithoé valida, untersucht von Rost- ISKAYA-KOSCHEWNIKOWA (13), wo es in Rosettenform, zusammen- gesetzt aus birnenférmigen Zellen, auftritt und einen tiefen Aus- schnitt (cavité) bildet. Sind das Mesoderm, die Leberschliuche und der Darm weit genug entwickelt, so beginnt das Dorsalorgan an Umfang abzunehmen, wahrend zu gleicher Zeit das Herz sich entwickelt. Ist letzteres vollstandig gebildet, so gehen die letzten Reste des ersteren verloren. Es ist auch leicht méglich, daf das Mesoderm, welches das Dorsalorgan vollstaéndig umgibt, zu seiner Resorption beitragt. CATHERINE WAGNER (14) unterzog Melita palmata nach dem Vorbild von PEREYASLAWZEWA und RosuskayA einer ge- naueren Untersuchung und kommt betreffs des Dorsalorgans zu folgenden Resultaten. Wahrend auf der Dorsalseite des Embryos die Ektodermzellen im allgemeinen vollstandig abgeflacht sind, treten einige sehr grofe, anfangs améboide, dann aber sich ver- langernde und birnenférmige Zellen hervor, die facherartig ange- ordnet sind. Sie bilden das Dorsalorgan, das wieder riickgebildet wird, sobald das Herz anfangt sich zu entwickeln, und vollstandig verschwunden ist, wenn der Embryo ausschliipft. Ueber die Entstehung des Dorsalorgans sagt DELLA VALLE (15) auf p. 195: La glandola dorsale comincia semplicemente come un ingrossamento di un certo numero di micromeri situati ad uno degli estremi della piastra embryonale (Fig. 23). Negli stadi successivi, a questo inspessimento segue una leggera introflessione, e finalmente si costituisce un sacchetto, o follicolo, sicome diréd pit. avanti.“ In seiner Arbeit iiber die Drehung des Keimstreifens und die Stellung des Dorsalorgans bei Gammarus pulex hat Bere (16) die Entstehung dieses Organs nicht weiter untersucht. Er beschaftigt sich, wie der Titel seiner Arbeit es schon besagt, nur 526 Paul Heidecke, mit der Stellung desselben in den verschiedenen Entwickelungs- stadien des Embryos. Da er von den einzelnen Eiern die Eihaut entfernt hat, die am Dorsalorgan immer etwas haften blieb, so stellte er p. 248 die Méglichkeit auf, daf der helle Raum, der zwischen der Eihaut und dem Dorsalorgan entsteht, und in welchen die Zellen dieses Organs Ausliufer hineinsenden, nur ein Kunst- produkt ist, welches durch ein Zusammenschrumpfen entstanden sei. Dieser Annahme kann ich auf Grund meiner zahlreichen Praiparate widersprechen. Ich habe zwar auch von den einzelnen Eiern zum Teil die Eihaut vollstandig entfernt, meistens dieselbe jedoch nur mit einer feinen Prapariernadel angeritzt. Es zeigte sich aber immer dasselbe Verhalten der einzelnen Zellen des Dorsalorgans, wie es auch in den Figg. 23, 24 und 43 angegeben worden ist. Weiterhin macht BerGu auf die Struktur der Dorsal- organzellen aufmerksam. Die Kerne sollen am ‘suSeren Rande der Zellen liegen, also peripher, was BerGu mit ihrer angeblichen sekretorischen Tatigkeit in Zusammenhang bringt. Bei meinen Praiparaten konnte ich ein derartiges Verhalten der Kerne nicht beobachten, sie lagen vielmehr stets dem zentralen Rande der Zellen naher als dem peripheren. Was die sekretorische Tatigkeit anbetrifft, so kann ich auf Grund meiner Figg. 31 und 43 Brerens Annahme bestatigen, denn in beiden Abbildungen ist deutlich ein Sekret zu erkennen, das dem Dorsalorgan entstammt. Verf. weist darauf hin, daf{ die Lage des Dorsalorgans, entgegen den Be- hauptungen friiherer Forscher, von Anfang an eine dorsale ist, was er als ,eine zum Keimstreifen symmetrische“ bezeichnet, und zwar wird es gleich in seiner definitiven Stellung, mitten auf dem Riicken angelegt, wihrend der Keimstreifen in seiner friihen Entwickelung eine auffallende Lageverainderung erfahrt. RosusKAYA-KOSCHEWNIKOWA (18) weist in ihrer letzten Arbeit. iiber Gammarus pulex darauf hin, daf bei dieser Art das Dorsalorgan ungewoéhnlich grof angelegt ist. Auch sie schlieft sich Beraus Auffassung an, da8 das Dorsalorgan mehr als Driise zu betrachten sei, es sei der embryonale Rest eines Haftorgans. Die Entwickelung und die Riickbildung des Dorsalorgans ist. in den Figg. 21—24, 27, 30, 31, 43, 45, 46, 48, 51 angegeben. Die Figg. 21 und 22 sind schon friiher besprochen worden. Ein etwas weiter entwickeltes Stadium ist in Fig. 27 dargestellt. Die einzelnen Zellen sind birnenférmiger geworden, dadurch ist auch nun schon die kiinftige Rosettenform des Organs angedeutet. Die Einstiilpung ist noch sehr seicht. Sie senkt sich jedoch im Laufe Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 527 der weiteren Entwickelung immer tiefer ein. Auf dem Stadium, das in Fig. 30 abgebildet worden ist, hat das Dorsalorgan die typische Rosettenform bereits angenommen. Die pyramidenférmigen Zellen sind regelmaBig so angeordnet, daf die breite Basis an der Peripherie des Dorsalorgans liegt, wahrend der spitze Teil der ein- gesenkten Mitte zugekehrt ist. Die Kerne liegen dem _ breiteren Zellteile niher und unterscheiden sich von den Ektodermkernen ganz deutlich durch ihre Gréfe. Das ganze Dorsalorgan ist in den Nahrungsdotter eingesenkt. Fig. 31 stellt einen genauen Querschnitt durch einen jungen Embryo dar. Das Organ ist vollstandig ausgebildet. Sehr deutlich ist auf diesem Schnitte ein Sekret zu erkennen, welches nach der Peripherie zu gelegen ist. Zwischen diesem und dem Protoplasma besteht keine scharfe Grenze, vielmehr gehen beide ganz unmerk- lich ineinander tiber. Sehr auffallend ist es mir erschienen, daf die Zellen des Dorsalorgans sich mit Dotterkiigelchen beladen kénnen, die sie der zentralen Dottermasse entnehmen. Dieser Dotter scheint im Innern der Zellen zu einem Sekret verarbeitet zu werden, das nach aufen abgeschieden wird. Bei diesem Prozef kann es dann und wann auch vorkommen, da’ unverbrauchte Dotterkugeln wieder nach aufen abgeschieden werden. Auch auf noch viel spateren Stadien ]aBt sich eine Aufnahme von Dotterkugeln durch die Zellen des Dorsalorgans feststellen. In Fig. 47 finden wir in einer Zelle des Organs ein ziemlich bedeutendes Dotterkiigelchen eingeschlossen. Ein anderer Schnitt durch dasselbe Ei (Fig. 48) zeigt uns die Tatigkeit des Dorsalorgans noch treffender. Seine ventrale linke Halfte ist vollstandig durchtrankt mit Dotter, der seine kompakte Kugelform aufgegeben hat und fliissig geworden zu sein scheint. Er ist eine innige Verbindung mit dem Protoplasma eingegangen: in der Cavitét des Organs sehen wir dann wieder vollstandig kompakten Dotter, der anscheinend nicht verbraucht worden ist. Auch zwischen dem Entoderm und dem Dorsalorgan finden sich noch Dotterreste. Die sekretorische Bedeutung des Dorsalorgans zeigt sich am deutlichsten in Fig. 43. Was nun die VergréSerung des Dorsalorgans anbelangt, so glaube ich auf Grund meiner Praparate annehmen zu kénnen, daf diese ohne gleichzeitige Zellteilung der bereits im jugendlichen Or- gan vorhandenen Elemente erfolgt. Niemals habe ich innerhalb des Dorsalorgans Kernspindeln nachweisen kénnen. PEREYASLAWZEWA 528 Paul Heidecke, sagt zwar, daf im Dorsalorgan von ihr Kernteilungsfiguren gesehen worden sind, doch hat Verf. leider keine derartigen Figuren ab- eebildet. Daf ein Wachstum des Organs stattfindet, geht aus meinen oben angefiihrten Figuren hervor. Auf friihen Stadien zeigt der Querschnitt durch das Dorsalorgan 2—3 Zellen, wahrend spiter mitunter 10—12 Kerne gezihlt werden konnten. Wie es auch aus meinen Abbildungen hervorgeht, so nehme ich an, dah dem Dorsalorgan benachbarte Ektodermzellen in dieses nach und nach einbezogen und hier zu den typischen Driisenzellen umge- wandelt werden. Ferner wird das Wachstum dadurch bedingt, dafi die einzelnen Zellen selbst gréf%er werden. Die den Embryo umgebende Larvenhaut, die von einigen Forschern mit dem Amnion der Insektenlarven verglichen wird, war bei den weiter entwickelten Stadien immer sichtbar. Am deutlichsten zeigt sie sich in den Figg. 23, 24, 45 und 48. 38. Die Entstehung des quer verlaufenden Keim- streifens und des Entoderms. Durch allmaihliche Abgabe ihres Dotters erhalten die ur- spriinglichen Blastodermzellen das Aussehen normaler Zellen eines Deckepithels und sind nunmehr besser als Ektodermzellen zu be- zeichnen. Dieses tiberzieht die ganze Oberflache des Embryos und setzt sich aus flachen, teils aus kubischen oder cylindrischen Zellen zusammen. Wie schon vorhin erwahnt wurde, ist der Keimstreifen, der aus den Blastodermzellen gebildet wurde, nicht gleichmabig tiber das ganze Ei angelegt, sondern wir finden ihn nur an einer Seite quer iiber das Ei verlaufen. Seine Langsachse fallt also nicht mit der Langsachse des Embryos zusammen, vielmehr steht sie senkrecht zu derselben. Querschnitte, die auf diesem Stadium durch das Ei gelegt werden, wiirden demnach den Keimstreifen direkt in seiner Liaingsrichtung treffen. Die jiingste Entwickelungsperiode des Keimstreifens zeigt nur ektodermale Zellen, die aber sehr bald das Entoderm zu bilden beginnen. Die in Fig. 22 abgebildeten Ektodermzellen setzen sich aus kubischen, fast cylinderférmigen Zellen zusammen, die dicht . aneinander gelagert sind und keinen Zwischenraum erkennen lassen. Dieser Schnitt ist ungefahr der Mitte des jugendlichen Keimstreifens entnommen; auferhalb dieser Region befinden sich nur wenige flache Zellen (Fig. 21). Diese Ektodermanlage, die urspriinglich nur aus verhaltnis- Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 529 mafig wenigen Zellen besteht, breitet sich sehr bald weiter aus, indem die Zellen sich senkrecht zur Oberfliche teilen (Fig. 25). Die Linge des Keimstreifens betragt hier ebenfalls noch weniger als der halbe Kiumfang, die Breite nimmt etwas mehr als °/, der Kilinge ein. Das Ektoderm des Keimstreifens ist an seinen ven- tralen und dorsalen Enden stark abgeflacht, wihrend in der Mitte die Zellen gréfer und hoher erscheinen. Ein weiteres Stadium der Ektodermentwickelung sehen wir auf dem Schnitte, der in Fig. 26 wiedergegeben worden ist. Dieser Querschnitt ist etwa durch die Mitte des Kies gefiihrt worden, der Keimstreif demnach in seiner Lingsrichtung getroffen. Das Ektoderm des Keimstreifens hat ungefaihr die Hialfte des Kies umwachsen und setzt sich aus kleinen, teils cylinderférmigen, teils flachen Zellen zusammen. Die beiden gréferen, oberen Zellen ge- héren dem in der Entstehung begriffenen Dorsalorgan an. Wahrend urspriinglich das Ektoderm nur in der Nahe des Dorsalorgans als Epithelverband bemerkbar war, kann man es im weiteren Verlaufe der Entwickelung bis zur ventralen Seite, schlief- lich auch dariiber hinaus verfolgen. Erst wenn der Keimstreif nach vollendeter Drehung seine definitive, ventrale Lage erreicht hat, erscheint das Ektoderm als eine geschlossene Epithelschicht, die das gesamte Ei vollstandig umwachsen hat. Auf den bisher beschriebenen, jiingeren Entwickelungsstadien bildet das Ektoderm keinerlei Einbuchtungen oder Ausstiilpungen, sondern breitet sich glatt an der Oberflache des Eies aus. Es vollzieht sich jedoch bei einzelnen Ektodermzellen auf diesem Stadium ein eigentiimlicher Vorgang, dessen wir Erwahnung tun miissen. Einige ektodermale Zellen zeigen die Tendenz, Dotter in sich aufzunehmen. Ein 4hnliches Verhalten hat Rosrskaya (11) p- 569 auch schon angedeutet. Sie sagt dariiber folgendes: ,,Les ceufs, en voie de formation de lentoderme, me fournirent des coupes trés intéressantes (Fig. 21). On y voit, que chaque cellule blastodermique de la face ventrale présente deux parties différentes: la partie externe est d’un protoplasme condensé, se colorant vive- ment; la partie interne se colore trés peu et semble imbibée de vitellus. Dans plusieurs de ces cellules on voit deux noyaux.“ Leider hat sie keine entsprechende Zeichnung beigelegt, wenigstens geht aus ihrer Abbildung nicht hervor, wie diese Dotteraufnahme zu stande kommt. In Fig. 3/—39d sehen wir solche Ektodermzellen und auch 530 Paul Heidecke, eine Entodermzelle, die je ein Dotterkiigelchen umschlossen halten. Auf diese Weise werden die am meisten oberflaichlich zwischen den Ektodermzellen gelegenen Dotterkiigelchen aufgenommen, es. erstrecken sich aber auch die Ektodermzellen etwas weiter in den Nahrungsdotter hinein, um dort ein Dotterkiigelchen zu umflieBen. Dieser letztere Vorgang wird wohl der urspriinglichere sein. Die Zelle, die auf diese Weise ein Stiickchen Dotter aufgenommen hat, indem sie sich nach dem Innern des Eies zu ausdehnte, zieht sich dann wieder an die Oberflaiche zuriick. Zu dieser Annahme be- rechtigt schon der Umstand, daf die Dotterkiigelchen, die im Bereich des eigentlichen, oberflichlich liegenden Ektodermstreifens argetroffen werden, bedeutend kleiner an Gestalt sind als die- jenigen, welche mehr in der Tiefe des Eies gelegen sind. Die Dotterkiigelchen, welche vom Entoderm eingeschlossen werden, sind ebenfalls nur recht klein. Ueber die Entodermbildung bei den Crustaceen schreiben KorscHELT und Hrmper (17) in ihrem Lehrbuche p. 344: ,Im all- gemeinen ist die Entodermbildung durch Invagination unter den Crustaceen ziemlich verbreitet. In anderen Fallen [Arth- rostraken, Mysideen, Cumaceen, Cirripedien (?)] unter- bleibt die Bildung einer Einstiilpung, und die Sonderung des Ento- derms vollzieht sich in der Form einer soliden Zelleinwucherung.“ Diese Angaben kann ich auf Grund meiuver Beobachtungen nicht bestatigen. Eine solide Zelleinwucherung konnte ich niemals beobachten, denn im Bereiche einer langen, streifenférmigen Zone traten an den verschiedensten Stellen der Ektodermanlage Zellen in das Innere des Nahrungsdotters hinein. Es kam zwar vor, dah mehrere Zellen an ein und derselben Stelle aus dem ektodermalen Verbande ausschieden und nach dem Zentrum des Eies zu vor- drangen, doch wanderten gleichzeitig auch an anderen Stellen der Eioberfliche noch Zellen in das Innere des Embryos hinein, so da8 eine bestimmte Invaginationsstelle nicht nachweisbar war. Die verschiedene Auffassung der Entodermbildung bei den Amphipoden hat zu manchen Kontroversen Veranlassung ge- geben. PEREYASLAWZEWA (10) und RosiskayA (11) behaupteten, da8 sich die Blastodermzellen zu gleicher Zeit in tangentialer, als auch in radialer Richtung teilen. Das Entoderm entsteht lediglich aus den inneren Zellen, die beim ersten Teilungsmodus auftreten, indem sie sich tiefer in den Nahrungsdotter einsenken, ebenso wie einzelne Zellen, die von der Furchung zuriickgeblieben sind. Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 531 Dieser Annahme hat Berean (16) widersprechen kénnen, ohne da8 er sich eingehend mit der Keimblatterbildung bei Gammarus befaBte. Er sagt p. 237: ,.... will ich nicht unerwiéhnt lassen, daf es mir, nach dem, was ich gesehen habe, keineswegs wahr- scheinlich ist, daf das Entoderm durch Zusammenlagerung ur- spriinglich zerstreuter Dotterzellen entstehe, wie PEREYASLAWZEWA und RosuskKaYA meinen, vielmehr entsteht dasselbe, wie ich glaube, durch Einwucherungen yon Blastodermzellen an einer bestimmten Stelle, die also dem Blastoporus entsprechen diirfte.“ In ihrer zweiten Arbeit iber Sunamphithoé kommt Rosr- ISKAYA (13) zu der Erkenntnis, dafi das Entoderm nicht nur infolge tangentialer Teilungen der Blastedermzellen entsteht, sondern daf auch einzelne Ektodermzellen sich aus dem Epithelverband lésen und in das Innere des Eies hineinwandern. Wie schon oben be- merkt, kommt bei Gammarus locusta eine direkte Entoderm- bildung durch Zellteilung des Ektoderms nicht vor. Auch C. WAGNER (14) gibt keine genauen Zeichnungen, die die Entodermbildung betreffen. Sie sagt nur im Text, daf im Sta- dium der Entstehung des Entoderms einzelne Blastodermzellen sich in tangentialer Richtung teilen. Von den neu entstandenen Zellen haben einige das Bestreben, in das Innere des Nahrungsdotters hineinzuwandern, um sich dort vollstaindig mit Dotter anzufiillen. Bei Gammarus locusta geht die Entodermbildung in der Weise vor sich, daf einzelne Zellen des lateral gelegenen Ektoderm- streifens sich in radialer Richtung teilen. Die durch diese Zell- vermehrung entstehende Spannung und Ueberfiillung im ekto- dermalen Zellkomplex veranlaBt einige der Zeilen, in das Innere des Nahrungsdotters hineinzuwandern. Wir erhalten dann das Bild, wie es in Fig. 25 dargestellt ist. Die eine der Ektoderm- zellen steht gerade im Begriff, sich zu teilen, die daneben befind- liche Zelle wandert in das Innere des Nahrungsdotters hinein. So wie tiberall, wo einzelne Zellen sich aus einem epithelialen Ver- band ablésen, sehen wir auch hier die betreffenden Zellen (@ in Fig. 25) eine birnenfoérmige Gestalt annehmen. Ihre Kerne, die sich von den ektodermalen Zellkernen in keiner Weise unterscheiden, riicken nach dem Innern des Eies zu, und die Protoplasmamasse folgt nach. Noch deutlicher ist dieses Verhalten in der zweiten Zelle, a‘, zu sehen, die ebenfalls aus dem Ektodermstreifen aus- wandert. Hier liegt der Kern fast vollstandig am breiteren Rande der Zelle, wahrend der gréfere Teil des Protoplasmas noch der Auffenseite des Eies genaihert ist. Eine einwandernde Entoderm- 532 Paul Heidecke, zelle, die noch nicht so weit in den Nahrungsdotter eingedrungen ist, zeigt a“. Der Kern ruht in der Mitte der Zelle, welche noch zum gréSten Teil zwischen dem sie umschliefenden Ektoderm- streifen liegt und bis zur Oberfliche des Keimstreifens hinanreicht. Das Aussehen der Zellen, die den Ektodermverband verlassen haben, zeigt Fig. 26. Hier sind 3 Zellen von ziemlich gleicher Gréfe vorhanden, die alle noch den spitzen Fortsatz tragen, der zuletzt zwischen den Ektodermzellen heraustrat. Zwei von diesen Zellen haben eine fast kugelige Gestalt angenommen, die dritte jedoch erscheint unregelmafig geformt und ist im Begriff, weiter nach dem Zentrum’ zu in den Nahrungsdotter einzuwandern. Die bisher betrachteten Entodermzellen waren gréBer als die iibrigen Ektodermzellen. Dieser Umstand ist nicht als eine regel- mikige Erscheinung anzusehen, denn in anderen Fallen sind sie gleich grof, zuweilen sogar noch kleiner als die im Ektoderm- verband verbleibenden Elemente. In Fig. 27 sehen wir eine derartige kleinere Zelle, a‘, und eine den Ektodermzellen in Gréfe und Struktur genau gleichende, a‘. Auch ist es nicht immer der Fall, daf nur vereinzelte Zellen in das Innere hineinwuchern, es kénnen mehrere nebeneinander liegende Zellen entweder gleichzeitig, oder doch die eine gleich nach der anderen in den Dotter eindringen. Ein solches Verhalten ist in den Figg. 29 und 30 angegeben; a‘ in Fig. 29 zeigt 2 Zellen, welche wohl dieselbe Ursprungsstelle zwischen denselben beiden Ektodermzellen haben. Wahrend die eine schon vollstindig aus dem Ektodermverbande ausgeschieden ist, steht die andere noch mit ihm im innigen Zusammenhange. Die Richtung des spitzen Auslaufers der ersten Zelle laft darauf schliefen, daf sie dort ihren Platz hatte, wo die zweite Zelle jetzt heraustritt. Etwas Aehnliches zeigt a“ in Fig. 29 und 30. Ein Komplex von 2—3 Entodermzellen hat sich in der Weise angeordnet, daf ein Drei- eck gebildet wird. Die eine Spitze kann lingere Zeit zwischen 2 Ektodermzellen eingekeilt bleiben, endlich aber erfolgt immer eine vollstandige Ablésung. In Fig. 29 ist die Auswanderung aus dem Ektodermstreifen bereits erfolgt, in Fig. 30 sehen wir die Zellgruppe aber noch mit dem Ektoderm verbunden. In Fig. 30 ist eine Zelle, a‘, dem Dorsalorgan dicht angelagert ; sie ist ebenfalls aus dem Ektoderm in den Nahrungsdotter hinein- gewandert. Die Figur kénnte den Anschein erwecken, als ob die — Zelle aus dem Dorsalorgan selbst ausgeschieden sei, dies ist jedoch nicht zutreffend. Bei der Durchmusterung meiner simtlichen Schnitt- - Ueber die ersten Embryonalstadien yon Gammarus locusta. 533 serien ist es mir niemals gelungen, das Auswandern von Entoderm- zellen aus dem Dorsalorgan nachzuweisen, ich kann also nur an- nehmen, dafS die einwandernden Entodermzellen stets aus dem Ektoderm ausgeschieden werden. In Fig. 31 ist ebenfalls eine Entodermzelle (dz‘) zu bemerken, die dem Dorsalorgan unmittelbar anliegt. Dieses ist jedoch durch eine feste Zellmembran von ihr getrennt, auferdem sieht man einen winzigen Zwischenraum zwischen Dorsalorgan und Entoderm- zelle. Auch diese, nebenbei bemerkt, mit Dotter angefiillte Zelle ist nicht aus dem Dorsalorgan entstanden, sondern stammt, wie alle anderen Entodermzellen, aus dem Ektoderm. Diese Behauptung steht freilich im Widerspruch mit der An- sicht PEREYASLAWZEWAS, welche anfiihrt, daf auch aus dem Dorsalorgan Dotterzellen ausgeschieden werden. In ihren Zeich- nungen ist aber dafiir kein Beweis erbracht. In Fig. 30 findet sich eine andere Zellgruppe, a“, bestehend aus 3 Zellen, von denen die mittlere die gréfSte ist. Aus der Gestalt dieser Zellreihe ist zu ersehen, daf die dorsale und mitt- lere Zelle urspriinglich nicht unmittelbar nebeneinander im Ekto- derm lagen, sondern durch eine Epithelzelle getrennt waren. Erst nach dem Verlassen des Ektodermstreifens haben sie sich aneinander gelagert, wodurch die jetzige Gestalt jener Ansammlung ent- standen ist. Diese ersten aus dem Ektoderm auswandernden Zellen bleiben diesem nun nicht alle angelagert, sondern zum Teil begeben sie sich weiter in den Nahrungsdotter hinein. Diese Zellen sind dann nicht unterscheidbar von im Dotter zuriickgebliebenen Blastomeren. Beider Schicksal ist das gleiche. In ihre Zellkérper dringt der Nahrungsdotter hinein, das Plasma verschwindet infolgedessen all- mahlich, zuletzt bleibt der Kern zuriick. Dieser lést sich eben- falls auf, indem er zerfallt, oder indem der Kontur undeutlich verschwimmt. Dieses Verhalten vieler der ersten Entodermzellen, die besser Dotterzellen genannt werden, da sie mit der eigent- lichen Entodermbildung nichts zu tun haben, hat zu manchen Irr- tiimern, die von verschiedenen Autoren begangen wurden, Ver- anlassung gegeben. Die Forscher erkaunten nicht, daf die Zellen aus dem Ektoderm entstehen, wie Fig. 35 deutlich zeigt, sondern meinten, da’ sie im Innern des Dotters zuriickgebliebene Zellen seien, die von der Eifurchung herstammen und durch irgendwelche Einwirkungen nicht als Blastodermzellen an die Oberflache geriickt waren. Diese Zellen sollten dann, nachdem das Ektoderm langst 534 Paul Heidecke, den gréfkten Teil der Eioberfliche eingenommen hat, wieder nach der Peripherie zu riicken, um dort das Entoderm zu bilden, wie es hauptsiichlich PerEYASLAWZEWA (10) behauptet. RostiskA¥YA (11) gibt ein gleiches Verhalten dieser Zellen an, doch in ihrer spiteren Arbeit (13) sieht sie, da’ auch Zellen von dem Ektoderm sich absondern. Freilich hat sie nicht erkannt, daf dieser Vorgang nicht eine Folge tangential gerichteter Zellteilung ist, sondern da er lediglich durch Einwanderung im Epithel- verband steckender Ektodermzellen erfolgt. Diese eingewanderten Zellen sollen im Verein mit den im Dotter von der Furchung her zuriickbehaltenen Zellen das eigentliche Entoderm bilden. | Ich méchte hier gleich noch bemerken, daf es, wie oben an- deutet wurde, wohl nicht unwahrscheinlich ist, daf vereinzelte Blastomeren nicht an die Oberflache des Eies riicken, sondern im Innern des Nahrungsdotters zuriickbehalten werden. Sie haben dieselbe Bedeutung, wie die ersten vom Ektoderm aus in das Innere hineingewanderten Zellen, naimlich den Dotter nach Art der Vitellophagen zu verarbeiten. Die im Innern des Nahrungs- dotters liegenden Dotterzellen nehmen améboide Form an, wie dies aus der Fig. 25 klar ersichtlich ist. Die Zelle dz, Fig. 31, zeigt keine eigentliche Membran mehr, die Auslaufer des Protoplasmas erstrecken sich zwischen die einzelnen Dotterkiigelchen hinein und héren dort ganz unmerklich auf. Das Plasma zerfallt immer mehr, so daf schlieSlich der Kern nur noch von einer ganz feinen, kaum sichtbaren Schicht umgeben ist. Doch auch innerhalb des Kernes sind inzwischen bemerkens- werte Verainderungen vor sich gegangen (Fig. 35a, #, y). In diesen 3 Figuren sind die einzelnen Stadien des allmahlichen Ver- falls des Kernes dargestellt. Der Kern ist noch deutlich als hellere Zone zu erkennen, die nach dem Plasma zu nicht mehr durch eine feste Membran abgeschlossen ist. Von dem Kerngeriist ist nur wenig zu erkennen. Es hat sich die ganze chromatophile Substanz im Zentrum zusammengeballt. In Fig. 35q@ ist nur ein Einschnitt zu bemerken, der ein kleines Stiickchen von dem Ganzen abteilt. Fig. 358 zeigt den Kernzerfall schon etwas deutlicher. Die Trennung der einzelnen Massen ist schon weiter vorgeschritten, der Einschnitt ist schon bedeutend gréfer geworden. In Fig. 357 endlich sehen wir schon den gesSamten Kern in mehrere kleine Stiicke zerfallen. Die Einheit des Kernes ist nicht mehr vorhanden. Derartige Bildungen finden sich eigentlich niemals in der Nahe der Oberfliche des Eies, wohl aber dem Zentrum genahert. Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 535 In manchen Schnitten kann man den ganzen Resorptionsvorgang der Kerne an benachbarten Zellen beobachten. Die ersten aus dem Epithelverband des Ektoderms in den Dotter iibergetretenen Zellen, die in der Nahe des auSeren Blattes liegen bleiben, und alle spiter auswandernden Elemente bilden das Entoderm. Die Ektodermzellen fahren fort, sich in radialer Rich- tung zu teilen und aus dem Epithelverband herauszutreten, aber sie wandern nicht tiefer in den Nahrungsdotter hinein, sondern legen sich dicht an den Ektodermstreifen an und nehmen eine lingliche Gestalt an. Sie beginnen nun sofort, sich mit groSer Lebhaftigkeit zu teilen. Man hat 6fter Gelegenheit zu beobachten, daf fast alle auf einem Schnitte befindlichen Entodermzellen im Zustande der Kernteilung sich befinden ; Fig. 28 ist ein geeignetes Demonstrationsobjekt. Auf dem abgebildeten Halbkreise, der un- gefahr der Mitte des Eies entnommen ist, sind 8 Entodermzellen zu bemerken, von denen nicht weniger als 5 karyokinetische Figuren aufweisen. Es ist nun nicht notig, daf alle Spindeln nach derselben Richtung zeigen, vielmehr sehen wir, da sie regellos an- geordnet sind. Die Entodermzellen teilen sich also nicht etwa nur in radialer Richtung, wie das Ektoderm, sondern auch in tan- gentialer und zum Radius in allen beliebigen Winkeln stehenden Richtungen. Fig. 36 zeigt einen solchen Fall. Die 3 Kernteilungs- figuren sind nach 3 verschiedenen Richtungen orientiert. Die Figg. 32—35 sind einer frontalen Langsschnittserie ent- nommen, die durch ein Ei mit schon ziemlich weit entwickeltem Keimstreifen ausgefiihrt wurde. Wir ersehen aus ibnen das Ver- halten des Ektoderms zu dem Entoderm. In dem Schnitt, den Fig. 32 darstellt, bemerken wir auBer dem ventralen Ende des schon recht weit entwickelten Dorsalorgans (dc) nur Ektoderm, so- wie einige Dotterzellen. Das Ektoderm zeigt lateral zwei Ver- dickungen, entsprechend der Kopfanlage + Leberregion. Zwischen den beiden Verdickungen flachen sich die Ektodermstreifen all- mahlich ab. Die Verdickungen selbst bestehen aus nur einer Zell- reihe, die sich aus hohen, cylinderférmigen Elementen zusammen- setzt. Dasselbe Verhalten der verdickten Ektodermanlage sehen wir auch auf den 3 anderen Schnitten, Fig. 33—35. Frontale Langsschnitte lehren, da8 das Entoderm auf diesem Stadium in zwei Streifen angelegt wird, die quer tiber das Ei verlaufen und auf dem in Fig. 33 abgebildeten Stadium sich etwa iiber ?/, des halben Eiumfanges erstrecken. Die Entodermstreifen verlaufen nicht parallel, sondern konvergieren nach der Ventralseite zu, um 536 Paul Heidecke, sich fiiglich an einer bestimmten Stelle zu vereinigen. Die Stelle, an der die beiden Entodermstreifen zusammentreten, liegt annihernd in der mittelsten Transversalebene in der Ventralhalfte des Embryos. Dieses Verhalten der beiden Entodermstreifen hat auch BrEr@H (16) beobachtet. Er kam, da er sich nur nebenbei mit der Keim- blatterentwickelung beschiftigte, zu der Annahme, daf diese Ver- einigungsstelle dem Blastoporus entsprechen wiirde. Wenn diese Annahme richtig wire, so miiSte von hier aus die gesamte Ento- dermbildung vor sich gehen. Dieses widerspricht aber den Tat- sachen, denn im ganzen Verlaufe der beiden Entodermstreifen kann man Ektodermzellen auswandern und zu Entodermzellen sich um- wandeln sehen. Die beiden Entodermstreifen sind zumeist ziemlich gleich- mafig stark ausgebildet (Fig. 54), doch eilt zuweilen auch einer in der Entwickelung voran (Fig. 35). 4. Der parallel zur Langsachse gelegene Keim- streifen. Wenn das Ektodermepithel die Kioberfliche vollstandig bedeckt,. hért die Einwanderung von Ektodermzellen in den Dotter auf. Gleichzeitig mit der Ausbreitung des Ektoderms tiber die ganze Peripherie des Embryos ist die Drehung des Keimstreifens vor sich gegangen. Von der lateralen Seite aus, auf welcher der Keimstreifen urspriinglich lag, hat er sich um 90° bis in die Langs- lage des Eies gedreht. Es ist dies ein Verhalten der Gam- marideneier, auf welches Berau (16) zuerst hingewiesen hat. Nachdem der Keimstreif seine endgiiltige Lage erreicht hat, erscheint auch das Ei allseitig vom Ektodermepithel bedeckt. Auf der Dorsalseite besteht dieses mehr aus flachen, lang ausgestreckten Zellen, waihrend man auf der ventralen Seite des Embryos etwas. héhere, kubische und selbst cylindrische Elemente antrifit. In dem. Querschnitt Fig. 43 ist deutlich der Unterschied zwischen den beiden Regionen und dem allmahlichen Uebergang einer Zellform in die andere zu erkennen. Wenn sich zwischen einzelnen Zellen dieses Schnittes Liickenriume befinden, so sind das keine normalen Bildungen, sondern Kunstprodukte. Im allgemeinen bildet das Ektoderm einen festen, geschlossenen Epithelverband, der an keiner Stelle unterbrochen ist, nur das Dorsalorgan ist in ihm eingesenkt. Im spateren Verlaufe der Entwickelung bildet das Ektoderm Einbuchtungen und Ausstiilpungen, aus denen verschiedene Organe Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 537 entstehen. Auf den friiheren Stadien ist von derartigen Bildungen noch nichts zu bemerken. In Alteren Stadien andert sich der histologische Charakter des Ektoderms insofern ein wenig, als bei reichlicher Vermehrung der Zellen auf der Ventralseite des Em- bryos ein fast typisches Cylinderepithel zur Entwickelung gelangt. Nach der Dorsalseite des Eies zu flacht sich das Ektoderm etwas ab, und es besteht dann in der Nahe des Dorsalorgans sogar aus einem typischen Plattenepithel (Fig. 43, 45—48). Wie schon etwas friiher kurz angedeutet wurde, legt sich, bald nach dem ersten Kintreten der Ektodermzellen in den Nahrungs- dotter, das eigentliche Entoderm an. Es ist dieser Vorgang auf dem Entwickelungsstadium zu beobachten, wo der Keimstreifen seine Drehung schon begonnen, aber noch nicht vollendet hat. Die Anlage des Entoderms haben wir oben als zwei auf einer Seite dicht unter dem Entoderm quer iiber die Mitte des Kies verlaufende Zellstreifen kennen gelernt. Entsprechend der Drehung des gesamten Keimstreifens erhalten auch die Entodermstreifen, indem sie sich der Ventralseite allmahlich nahern, zunachst eine schrage Stellung. Die Drehung des Keimstreifens schreitet weiter fort, und fiiglich liegt auch das Entoderm ventral. Die Entoderm- bildung erfihrt wahrend dieser Lageverinderung keine Unter- brechung, sondern es wachsen die beiden Streifen bedeutend an Umfang, indem ihre Zellen sich rege vermehren. Die Folge dieser Vorginge ist die Bildung der provisorischen Leberschliuche, wie sie schon von friiheren Autoren beschrieben worden ist. Die beiden Entodermstreifen, welche vom aboralen Pol ventral rechts und links neben dem Ektoderm bis zum oralen Pol des Eies sich erstrecken, zeigen das Bestreben, mit ihren beiden freien, ventral und dorsal gelegenen Randern in den Dotter hineinzuwachsen und einen Teil desselben zu umgreifen. Es ent- stehen dadurch zwei rdhrenformige Gebilde, die jedoch noch nicht iiberall vollstaindig geschlossen sind. Am aboralen Pol bemerkt man nur eine Zellplatte ; weiter nach vorn trifft man die geschlossene Rohre (Fig. 40), die jedoch sehr bald in eine Rinne sich umge- staltet (Fig. 41). Zunachst besteht diese im Querschnitt aus ziem- lich zahlreichen Zellen. Weiterhin, nach dem oralen Pol des Kies zu, nimmt ihre Zahl bedeutend ab. Die Rinne bleibt vorlaufig noch etwas bestehen (Fig. 42), um dann schlieflich nur eine seichte, dellenférmige Vertiefung zu bilden und endlich in zwei flache Entodermstreifen auszulaufen, wie wir sie in Fig. 43 antreffen. In Bd, XXXVIII. N. F. XXXI. 35 538 Paul Heidecke, dieser Kérperregion ist tiberhaupt die Entodermbildung ziemlich im Riickstand, nur einzelne, dem Ektoderm aufgelagerte flache Zellen machen sich bemerkbar. Das Entoderm besteht auf den in Fig. 40—42 abgebildeten Schnitten aus kubischen und cylinderférmigen Zellen, die sich, je niher sie dem oralen Pole gelegen sind, mehr und mehr abflachen, so daf wir schlieflich ziemlich flache, langliche Zellen beobachten kénnen (Fig. 43). Im Innern des Nahrungsdotters finden wir immer noch einige Dotterzellen, die verschieden vorgeschrittene Stadien des Zerfalls aufweisen. Zu erwihnen ist noch, da8 die provisorischen Leberschlauche, entsprechend den beiden Entodermstreifen, von Anfang an paarig angelegt werden und sich symmetrisch auf beiden Liangsseiten des Embryos, parallel zur Langsachse, ausbreiten. Zwischen beiden Leberschliuchen Jaft sich immer noch eine feine Verbindung aus kleinen, linglichen Entodermzellen nachweisen. Die provisorischen Leberschliuche haben in der eben be- schriebenen Form nur transitorische Bedeutung, denn es entwickeln sich aus ihnen die definitiven Leberschlauche und der Mitteldarm des ausgebildeten Tieres. Im weiteren Verlaufe der Entwickelung werden die proviso- rischen Leberschlauche mehr und mehr riickgebildet, und zwar beginnt dieser Prozef auf der ventralen Seite der Schlauche. Die ventralen, in das Innere des Dotters hineinragenden Enden der Rinne verschwinden mehr und mehr; sie verschmelzen mit der ventralen, entodermalen Verbindungszone, die zwischen den beiden Leberschliuchen sich ausdehnt. Gleichzeitig verdickt sich diese entodermale Verbindungsschicht, indem die Zellen kubisch und cylindrisch werden, ihre einschichtige Anordnung aber bewahren. Die dorsal gelegenen Seiten der Rinnen bleiben vorlaufig noch be- stehen. Durch diesen Vorgang erklart sich der in Fig. 44 abge- bildete Halbteil eines Querschnittes, der ungefahr durch die Mitte des Eies gefiihrt wurde. Das Entoderm bildet auf diesem Schnitt eine weite, groBe Rinne, die fast die ganze ventrale Halfte des Kies einnimmt und deren Dorsalrinder nach innen zu sich ein- kriimmen. Infolge der auSerordentlichen Schwierigkeit, die Kier voll- kommen genau im Paraffin zu orientieren, ist dieser Schnitt leider nicht ganz senkrecht zur Liangsachse des Eies gefitihrt worden; doch wird durch diese etwas schriage Orientierung das Bild in Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 539 keiner Weise gestért oder die Deutung unsicher. Die Liicken im Ektoderm sind nur als Kunstprodukte aufzufassen. Kinzelne Entodermzellen haben auf diesem Stadium schon kleine Dotterkiigelchen aufgenommen. Wie wir sp&ter noch sehen werden, fiillen sie sich im weiteren Entwickelungsverlaufe fast voll- stiindig damit an. Die Gestalt der einzelnen Zellen ist prismatisch, nur nach der ventralen Mitte zu erscheinen sie ein wenig abge- flachter, ein Verhalten, welches fast durch die ganze Linge der Entodermanlage auf diesem Stadium beobachtet werden kann. Der Dotter zeigt die Neigung, die einzelnen Dotterkiigelchen zu gréferen Dotterballen zusammentreten zu lassen. Ein weiteres Entwickelungsstadium des Embryos zeigen uns die Figg. 45 und 46. Beides sind Querschnitte durch dasselbe Ki, es ist nur die rechte Halfte und die Medianregion dieser Schnitte abgebildet worden. Das Entoderm ist weiter nach der Dorsalseite zu gewachsen, hat sich dem Dorsalorgan bereits stark gendahert, ohne es aber noch ganz zu erreichen. Daher bildet es noch kein vollkommen geschlossenes Epithel um den Dotter, sondern dieser grenzt dorsal noch unmittelbar an das Ektoderm und das Dorsal- organ. Fig. 45 ist dem vorderen Teile des Embryos entnommen, Fig. 46 dagegen entspricht einem Schnitte, welcher ungefaihr 80 u mehr nach der Mitte zu gefiihrt wurde. Auf dem ersten Schnitte sehen wir noch ungefahr in der Mitte zwischen der ventralen Mittellinie und dem oberen Ende des Entoderms eine Verdickung des inneren Blattes. Sie entspricht der Stelle, an welcher das ventrale Ende des rechten provisorischen Leberschlauches in den Dotter hineinragte. Zwischen dieser Verdickung des Entoderms, in deren Bereich die Entodermzellen zweischichtig angeordnet er- scheinen, und dem Dorsalrand des Entoderms fallen 2 Zellen dadurch auf, da sie ziemlich grofe Dottermassen in sich auf- genommen haben. In Fig. 46 ist ein derartiges Verhalten des Entoderms in dieser Region nicht nachzuweisen. Wohl aber sind auf beiden Schnitten die mit Dotter angefiillten Entodermzellen auf der Ventralseite vorhanden. Ihre Zahl hat auf dem zweiten Schnitte sogar zugenommen. Die Gestalt der Entodermzellen ist die gleiche wie auf dem vorher beschriebenen Stadium; bedeutende GréSenunterschiede sind nur an den Zellen wahrzunehmen, die Dotterkiigelchen aufgenommen haben. Diese sind dann doppelt, teilweise sogar dreimal so grof wie die tbrigen Entodermzellen. In beiden Figuren finden wir 35% 540 Paul Heidecke, iibrigens eine im Nahrungsdotter eingesenkte Dotterzelle mit stark reduziertem Protoplasma. Ein weiteres Entwickelungsstadium zeigen Figg. 47 und 48 Das Abdomen des Embryos ist schon deutlich abgesetzt; die Ex- tremititen, die, weil fiir unsere Untersuchungen nicht von Belang, in den Zeichnungen nur angedeutet wurden, sind schon fast voll- stindig angelegt, und die Bauchganglienkette hat schon einen ziem- lich betrachtlichen Umfang angenommen. Einzelne Mesodermzellen umgeben das Entodermrohr. Das Entoderm hat sich auf der Dorsalseite vollstandig ge- schlossen und den gesamten Dotter voéllig umwachsen. Von der urspriinglichen Anlage der provisorischen Leberschlauche ist nichts mehr zu beobachten. Fig. 47 ist dem vorderen Korperteil naher gelegen als der Schnitt Fig. 48, der von der ersten Abbildung un- gefahr 40 w entfernt ist. Auf beiden Schnitten sehen wir die einzelnen Entodermzellen zum gréf%ten Teil mit kolossalen Dottermassen angefillt. In Fig. 47 sind die Seitenteile des Ektodermrohres noch ganzlich frei von Dotter. In Fig. 48 sind zwar auch noch dotterfreie Zellen lateral zu erkennen, doch hat ihre Zahl betrachtlich abgenommen. In Schnitten, die dem oralen Pol mehr genahert sind (Fig. 47), findet man dagegen auf der ventralen Seite die reich mit Dotter beladenen Entodermzellen stellenweise in zwei Schichten tber- einander gelagert. Auf welche Weise tibrigens die Entodermzellen mit Dotter angefiillt werden, ist weiter unten beschrieben. Auch auf diesem Stadium erblickt man noch ab und zu im Nahrungsdotter eingesenkte Zellen, die zur Assimilation des Dotters. beitragen. Mit diesem Stadium ist die Bildung des inneren Keimblattes abgeschlossen. Durch Faltung und Lostrennung einzelner Entoderm- partien entstehen in den folgenden Embryonalstadien die definitiven Leberschlauche, sowie der Mitteldarm. Im Anschluf an die Darstellung der Entwickelung des Ento- derms sei noch mit einigen Worten der Dotteraufuahme durch die Entodermzellen besonders gedacht. In Fig. 50 ist der Beginn der Dotteraufnahme dargestellt. Wir sehen 3 Entodermzellen, in denen sich gréfere Dottermassen befinden. Der Verlauf der Auflésung des Dotters ist folgender: Zuerst lagert sich eine Entodermzelle an einen Dotterballen auf Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 541 einer Seite an. Es beginnt dann ein allmahliches Umfliefen dieses Dotters durch das Zellplasma. Ist dieses vollendet, so wird der nun im Innern der Zelle liegende Dotterballen von pseudopodien- ahnlichen Fortsaitzen des peripher liegenden Protoplasmas durch- setzt. Der erste Vorgang ist in dieser Figur nicht ersichtlich. Dagegen finden wir aber 2 Zellen, die je einen Dotterballen umflossen haben; die noch ganz peripher liegenden Kerne sind auf den Nachbarschnitten zu sehen. Die dritte Zelle ist schon mit der Spaltung des Dotters beschaftigt. Es ist eine Trennung des- selben in 4 Teile eingetreten, zwischen denen der Kern gelegen ist, der sich seiner Umgebung anpassen muSte und infolgedessen seine urspriingliche, kugelige Gestalt verdnderte. Die Zwischenriume zwischen den einzelnen Zellen in dieser Abbildung sind wohl als Kunstprodukte aufzufassen, denn die einzelnen Entodermzellen hangen stets miteinander zusammen. Ein etwas anderes Bild gewahrt uns Fig. 49. In Fig. 45 sahen wir in der Nahe der in den Dotter hineinragenden Entoderm- streifen 2 mit Nahrungsdotter erfiillte Zellen, die in Fig. 49 bei starker VergréBerung gezeichnet worden sind. Die dorsale und auf diesem Schnitte gréfer erscheinende Zelle zeigt nur im Innern auBer 2 kleinen Dotterkiigelchen noch eine grofe, kompakte Dottermasse, in welche das Protoplasma 3 feine Auslaufer hinein- sendet. Es wird auf diese Weise, wenn die Auslaufer sich im Innern des Dotters begegnen, dieses in kleine Kiigelchen zerteilt, die leichter vom Protoplasma resorbiert werden kénnen. In diesem Verfahren ist die kleiner erscheinende zweite Zelle schon weiter fortgeschritten. Es ist ihr gelungen, 2 Dotterktigelchen voll- staindig von der grofen Masse loszutrennen. Ein dritter Auslaiufer des Protoplasmas ist ebenfalls in den Dotter hineingedrungen. Die Kerne liegen in beiden Zellen dem Dotter dicht an. Die Aufnahme des Nahrungsdotters geht nicht tiberall in der gleich lebhaften Weise vor sich. Einzelne Dotterschollen werden wohl iiberall resorbiert, aber im umfangreichsten Mafe geht dieser Prozef an der ventralen Seite und, wenn auch nicht mit der ganz gleichen Lebhaftigkeit, auf der dorsalen vor sich. Ein anderes Bild der Dotterverarbeitung innerhalb der Ento- dermzellen gewadhrt uns Fig. 51. Es entspricht diese Zeichnung dem ventralen Teil des Entodermrohres in Fig. 47. Die Zellen sind der Partie entnommen, wo das Entodermrohr aus zwei tiber- einander liegenden Schichten von dotterhaltigen Zellen besteht. Die 542 Paul Heidecke, Zerteilung des Dotters in kleine Kiigelchen geht in den einzelner Zellen wohl nach denselben Prinzipien wie in den vorhin erwihnten Entodermzellen vor sich. Die einzelnen Dottermassen zerfallen niimlich teils in gréSere, teils in kleinere Kiigelchen. Nicht immer bleiben aber die dotteraufnehmenden Entodermzellen einzeln und bis zu einem gewissen Grade isoliert, sondern 2 und auch 3 vereinigen sich zur Bewaltigung einer grofen Dotterscholle. So erscheinen neben einzelnen riesig vergré8erten Zellen Gruppen von mehreren Entodermelementen (Fig. 51 7), die eine gréfere Dotter- menge umflossen haben. Nachdem das Ektoderm schon lingst das ganze Ei als ein- schichtiges Deckepithel umgeben hat und die Anlage der Ex- tremititen als papillenformige Erhebungen zu erkennen sind, be- ginnt die Bildung der Bauchganglienkette. In derselben sind verschieden geformte Kerne wahrzunehmen; teils erscheinen sie langlich oder bohnenférmig und ziemlich gro, teils zeigen sie kleine, kreisrunde Gestalt. Einige recht instruktive Schnitte, die gerade die Entstehung dieses Organs erkennen lassen, sind in den Figg. 53 und 54 abgebildet worden. Sie erklaren uns den Bildungs- vorgang, den man auf allen derartigen Stadien nachzuweisen Ge- legenheit hat, vollstindig. Fig. 53 entstammt einem Schnitte durch die Mitte des Embryos. In dem Zwischenraum, der vom Ekto- und Entoderm gebildet wird, liegen zerstreut einzelne Mesoderm- zellen. In der ventralen Medianzone der Ektodermanlage finden wir die Ursprungsstelle der Bauchganglienkette. Wie fast tiberall bei den Arthropoden, so sehen wir auch hier 2 Medullarwiilste,, dazwischen den Mittelstrang. Auf der rechten Seite der Abbildung finden wir eine typische Kernteilung. Die beiden Tochterplatten sind bereits gebildet, aber noch ziemlich dicht aneinander gelagert. Es war leider nicht méglich, die einzelnen chromatischen Elemente zu zihlen, obwohl die U-formige Schleifenbildung teilweise recht deutlich zu erkennen war. Ein noch schéneres Bild einer schon weiter vorgeschrittenen Teilung zeigt uns Fig. 54. Der dorsale Teil des Plasmas dieser in Teilung begritfenen Zelle hat bei der Tinktion eine etwas dunklere Farbung angenommen. Die Kern- spindeln, die aus den grofen Kernen der ventralen Ektodermzellen entstehen, stehen senkrecht oder doch nahezu senkrecht zur Ober- fliche, und die Tochterplatten riicken in der Weise auseinander, daf 2 iibereinander gelagerte Kerne entstehen und das Ektoderm Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 543 zwei- und mehrschichtig wird. Es schien mir, da fast stets die dorsalwarts sich verschiebenden Kerne und Zellen kleiner waren als die ventral und peripher gelegenen, doch gleicht sich spater dieser GréSenunterschied teilweise, wenn auch nicht vollkommen, wieder aus. LKinzelne der dorsalen Kerne der Anlage des Bauch- marks besitzen aber eine bedeutendere Gré&e und gleichen fast durchaus den oberflachlichen ventralen. Ich glaube, da8 auf diese beiden Zellarten die grofen und kleinen Zellelemente zuriickzufiihren sind, die im Bauchmark entwickelterer Stadien vorkommen. In Fig. 57 und 58 sehen wir solche gréSeren Zellen, die aus dem festen Ektodermverbande dorsalwiarts geriickt sind. Wie schon oben angedeutet wurde, bilden die beiden streifen- formigen Verdickungen des Ektoderms, von denen jede rechts und links neben der ventralen Medianlinie fast durch die ganze Em- bryonalanlage sich hinzieht, die beiden Primitivwiilste. An den Stellen, an welchen spiter die Bauchganglienzellen liegen, erscheinen die Streifen sehr frihzeitig knopff6rmig verdickt. Die Entwickelung sowohl der Ganglienknoten wie auch der Primitivwiilste schreitet vorn schneller ver als am hinteren Embryonalende, so da an diesem stets noch jiingere Ausbildungsstufen angetroffen werden kénnen. Der die Primitivwiilste verbindende Mittelstrang ist nicht tberall gleich breit, teilweise sind die ihn bildenden Zellen ganz flach ausgedehnt, so dafi nur eine schmale Briicke zwischen den beiden Wiilsten besteht, teilweise sind die ihn zusammensetzenden Zellelemente jedoch ziemlich hoch, fast cylinderférmig. An den Stellen, wo Ganglien entstehen, stiilpt er sich tief, rinnenformig, ein und stellt eine Verbindung zwischen dem rechten und linken Teil des Ganglienpaares dar (Fig. 56). In dieser Figur sind auch noch deutlich die Zellgrenzen der urspriinglichen Ektodermzellen des Mittelstranges zu sehen, die auf anderen Schnitten (Fig. 47 und 55) vollstindig geschwunden sind. Auch das Mesoderm entwickelt sich erst in einem ver- haltnismafig spaten Stadium der Embryonalanlage, naimlich dann, wenn die provisorischen Leberschliuche schon langst angelegt sind, das Entoderm also einen hohen Grad der Entwickelung bereits erreicht hat. Es tritt niemals auf, bevor das Ektoderm die zur Extremitatenbildung fiihrenden Ausstiilpungen aussendet, wohl aber erscheint es gleichzeitig mit diesen, oder doch kurz darauf. Sein Erscheinen fallt ungefahr mit dem Auftreten der Bauchganglien- 544 Paul Heidecke, kette zusammen. Im vorderen Teile des Embryos entwickelt sich zuerst das Nervensystem, wahrend im hinteren Kérperabschnitt die Mesodermbildung voraneilt. Ebenso, wie die Banchganglienkette, nimmt das Mesoderm seinen Ursprung in der Nahe der ventralen Mittellinie des Embryos. Zu beiden Seiten dieser Stelle entstehen symmetrisch die Mesodermelemente, wie wir das in Fig. 58 und 59 sehen kénnen. Von Anfang an zeigen sie das Bestreben, zwischen Ekto- und Entoderm dorsalwarts zu wandern, indem sie auf diesem Wege eine einschichtige Zellplatte bilden oder aber auch an manchen Stellen Verdickungen entstehen lassen, die meistens in der lateralen Mitte des Embryos gelegen sind, wie wir sie in den Figg. 46, 48 und 52 wahrnehmen kénnen. Ein ziemlich friihes Entwickelungsstadium des Mesoderms zeigen uns die Figg. 57—59. Da die Mesodermbildung von hinten nach vorn zu vorschreitet, so findet sich auf Querschnitten, welche durch verschiedene Regionen des K6rpers gefiihrt sind, das Meso- derm auf verschiedenen Entwickelungsstufen. In Fig. 45 z. B. sind nur wenige Mesodermelemente zu bemerken, die alle mehr oder weniger der ventralen Mittellinie genaihert erscheinen, wahrend sie in Fig. 46 schon bis zur dorsalen Mittellinie vorgedrungen sind, und zwar erstrecken sie sich nach dort hin in Form eines zu- sammenhingenden Streifens. Dieser besteht aus einzelnen anein- ander gelagerten Zellen, die stellenweise zweischichtig angeordnet erscheinen. Teilweise haben sich die Mesodermzellen dem Ento- derm fest angelegt, teilweise liegen sie in der Mitte der primaren Leibeshéhle zwischen beiden Keimblattern. Alle Zellen zeigen gleiche histologische Beschaffenheit, und auch ihre GréfSe stimmt so ziemlich tiberein. Nicht vollstandig sicher konnte ich die Frage entscheiden, ob das Mesoderm lediglich in der ventralen Mittelzone entsteht; es scheint vielmehr, daf{ auch an anderen Ko6rperstellen Mesoderm durch Auswandern von Ektodermzellen gebildet werden kann. Vor allem glaubte ich diesen Bildungsmodus in den Extremitatenanlagen beobachten zu kénnen. Fig. 60 und 61 scheinen mir darauf hin- zudeuten, daS an den Stellen, an denen bereits die Kerne in zwei Schichten tibereinander liegen, spiter eine Auswanderung erfolgen diirfte. In dem folgenden Stadium finden wir das Mesoderm bedeutend weiter entwickelt. Die Zellen haben sich stark vermehrt. Diese Vermehrung erklart sich einerseits aus Teilung der in oben be- Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 545 schriebener Weise gebildeten ersten Mesodermzellen, und Teilungs- spindeln sind in diesen leicht zu beobachten; andererseits kommt allem Anschein nach auch Einwanderung von neuen Zellen aus dem Ektoderm vor. Wenigstens lassen Befunde, welche ich an einigen Stellen des Ektoderms machte, sich in diesem Sinne verwerten (Fig. 60 und 61). Die oben erwaihnten Figg. 57—59 zeigen deutlich die Ablésung der Mesodermelemente aus der ventralen Mittelzone des Ektoderms. Wenn auch nicht auf allen Schnitten in gleich deutlicher Weise, so ist doch in Fig. 57 klar zu sehen, daS das Mesoderm eine paarige Ursprungsstelle hat. Rechts und links vom Mittelstreifen, da, wo dieser in die Primitivwiilste tibergeht, lésen sich die Mesodermzellen ab, und zwar in so reicher Zahl, daf sie zu langen, seitlich und dorsalwarts sich erstreckenden Ketten verbunden er- scheinen. Ich habe aber allerdings nicht volle GewiSheit erlangen kénnen, ob nicht auch noch weiter seitlich aus dem Bereiche der Primitivwiilste selbst Mesenchymelemente sich abtrennen. In man- chen Fallen schien mir das aber tatsachlich vorzukommen, und es waren dann stets nur die kleinkernigen dorsalen Zellen der Ekto- dermverdickung, die in die primare Leibeshéhle einwanderten. Weiter vorn (Fig. 44) treffen wir nur wenige freie Mesodermzellen, die wohl von hinten nach vorn gewandert sind. Ihrer Gestalt nach unterscheiden sie sich von ihren Mutterzellen, den Ektoderm- zellen, insofern, als sie spindelférmig erscheinen, wahrend letztere cylindrisch sind. Am weitesten ist in Fig. 47 und 48 das Mesoderm auf der Ventralhalfte des Embryos ausgebildet. Auch hier ist wieder die Beobachtung zu machen, daf am vordersten Kérperende die Meso- dermbildung zuriickbleibt. In Fig. 47 sind verhaltnismafig wenig Mesodermzellen zu bemerken, wahrend auf dem Schnitte, den Fig. 48 wiedergibt, eine ganz bedeutende Anzahl dieser Zellen zu erblicken ist. Das Mesoderm zieht sich fast bis zum Dorsalorgan hinauf und bildet ungefaihr in der Mitte dieser Strecke mehr- schichtige Zellansammlungen. Eine dieser Verdickungen, und zwar die rechte, zeigt Fig. 52 bei stirkerer Vergréferung. Von dieser Zellgruppe aus setzt sich der Mesodermstreifen nach der Dorsal- seite zu fort. Wie wir aus Fig. 48 ersehen kénnen, hat sich eine Zelle dorsal bis zur Medianebene vorgeschoben. Ganz so weit sind die Mesodermzellen auf der linken Halfte des Embryos noch nicht vorgedrungen. Es ist aber méglich, daf diese Erscheinung 546 Paul Heidecke, so zu erkliren ist, daf’ der Schnitt nicht genau senkrecht zur Liingsachse gefiihrt worden ist, denn auf den benachbarten, weiter nach hinten zu folgenden Schnitten ist das Mesoderm auf beiden Seiten dorsal neben der Mittellinie zu erkennen. Eine gréfere Ansammlung von Mesodermzellen liegt stets in der Nahe der Mitte beider Mesodermstreifen, also etwa dort, wo die durch die Hauptachse gelegte Frontalebene die Seitenteile des Embryos schneidet. Rostock, den 13. Juli 1903. Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 547 9 Literaturverzeichnis. 1) H. Raruxer, Zur Morphologie. Reisebemerkungen aus Taurien, 1837. 2) G. Meissner, Beobachtungen iiber das Kindringen der Samen- elemente in den Dotter. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. VI. 3) A. pe ta Vatetre St. Groren, Studien tiber die Entwickelung der Amphipoden. Abhandl. d. Naturhist. Gesellsch. zu Halle, Bd. V, 1860. 4) Fritz Mtuuer, Fiir Darwin, Leipzig 1864. 5) A. Dourn, Studien zur Embryologie der Arthropoden. Habili- tationsschrift, 1868. 6) E. Van Brenepen und E. Bessets, Mémoire sur la formation du blastoderme chez les Amphipodes, les Lernéens et les Copépodes. Mémoires couronnés Acad. Belgique, T. XXXIV, 1870. 7) E. Bessers, Einige Worte tiber die Entwickelungsgeschichte und den morphologischen Wert des kugelférmigen Organs der Amphipoden. Jen. Zeitschr. f. Medizin und Naturwissensch., Ba, 1870. 8) A. Doury, Die Ueberreste des Zoéa-Stadiums in der onto- genetischen Entwickelung der verschiedenen Crustaceen-Familien. Jen. Zeitschr. f. Medizin und Naturwissensch., Bd. V, 1870. 9) B. Uniantn, Zur Entwickelungsgeschichte der Amphipoden. Zeitschr. f. wise. Zoologie, Bd. XXXV, 1881. 10) SopHin PrernyastawzEwa et Martie RostisKava, Etudes sur le développement des Amphipodes. I. Teil: PrrryasLawzEewa, Le développement de Gammarus poecilurus, Rrux. Bull. Soc. Imp. Natur. Moscou, 1888, (Nouv. Sér.) T. II, p. 183 ff. 11) Desselben Werkes II. Teil: M. Rositskaya, Le développement d’Orchestia littorea Spence Barn. Ibid. p. 561 ff. 12) Desselben Werkes III. Teil: Pmreyastawzewa, Le développement de Caprella ferox Curnw. Ibid. p. 582 ff. 13) Desselben Werkes IV. Teil: Roszskaya - Koscunwnikowa, Développement de la Sunamphithoé valida Czurniavsxi, et de YAmphithoé picta Raruxs. Ibid. 1890, (Nouv. Sér.) T. IV, p. 82 ff. 14) Desselben Werkes V. Teil: C. Wacner, Développement de la Melita palmata. Ibid. p. 401 ff. 15) A. Detita Vain, Gammarini del Golfo di Napoli. Fauna und Flora des Golfes von Neapel, Bd. XX, 1893. 548 Paul Heidecke, 16) R. 8. Beran, Beitrage zur Embryologie der Crustaceen. II. Die Drehung des Keimstreifens und die Stellung des Dorsalorgans bei Gammarus pulex. Zoolog. Jahrbiicher, Abt. f. Anatomie, Bd. VII, 1894. 17) Korscnuent und Hemerr, Lehrbuch der vergleichenden Ent- wickelungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Spezieller Teil. 2. Heft, 1892. 18) Rostskaya-KoscHewnikowa, Ktude sur le développement du Gammarus pulex. Bull. Soc. Impér. Natur. Moscou, 1896. 19) Lancenpeck, Ciara, Formation of the germ layers in the Amphipod Microdeutopus gryllotalpa Costa. Journ. Morph., Boston, Vol. XIV. Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 549 Erklirung der Abbildungen. Buchstabenbezeichnungen. a’, a! etc. im Stadium der Ein- wanderung sich befindende Zellen. b Anlage der Bauchganglienkette. blz Blastodermzellen. ad Dotter. do Dorsalorgan. dz Dotterzellen. ec Ektoderm. en Entoderm. een einwandernde zellen. Entoderm- g Ganglion. m Mesoderm. nm Kern. ne Nucleolus. ndz iibrig gebliebene Kerne von Dotterzellen. pe Plattenepithel. prl provisorischer Leberschlauch. s Sekret. t Dotter aufnehmende Entoderm- zellen. Samtliche Zeichnungen wurden mit dem Zeifschen Zeichen- apparate entworfen. sches Mikroskop benutzt. Bei den Untersuchungen wurde ein Seibert- Tubuslange 170 mm. fe a2 lige Gl gil Fig. 1. Totalpriparat. Fig. 2. Totalpriparat. Fig. 3. Totalpraparat. Befruchtetes Ei. 2-zelliges Stadium. Vergr. 100: 1. 4-zelliges Stadium. Vergr. 71: 1. Vergr. 100: 1. Fig. 4. Querschnitt durch ein 4-zelliges Stadium. Vergr. 100: 1. Fig. 5. Eine Blastomere des 4-zelligen Stadiums. Protoplasma umflieft samtliche Dotterkiigelchen und bildet eine Randschicht. Vergr. 230: 1. Fig. 6. Eine andere Blastomere eines 4-zelligen Stadiums. Kernteilung ist schon vor sich gegangen. Ungleiche Teilung des Protoplasmas. Vergr. 171: 1. Fig. 7. Totalpraparat. 8-zelliges Stadium. Ventralansicht. Vergr. 100: 1. Fig. 8. Dasselbe Ei. Dorsalansicht. Vergr. 100: 1. Fig. 9. Totalpraparat. 14-zelliges Stadium. Ventralansicht. Vergr. 100: 1. Fig. 10. Dasselbe Ei, um 180° gerollt. 16-zelliges Stadium. Ventralansicht. Fig. 11. Vergr. 100: 1. Fig. 12. Totalpraparat. Dasselbe Ei, um 90° gerollt. Vergr. 100 315 Vergr. 100: 1. 550 Paul Heidecke, Fig. 13. Totalpriparat. Ei nach beendigter Furchung. Blasto- dermzellen bedecken die ganze Oberfliche. Vergr. 71: 1. Fig. 14. Quetschpriaparat. Ein Stiick aus dem Blastoderm eines Hies, welches ungefihr dem Stadium Fig. 13 entspricht. Vergr. 780: 1. Fig. 15. Blastodermbildung. Querschnitt annaihernd durch die Mitte des Hies. Vergr. 171: 1. Fig. 16—18. Verschiedene Entwickelungsphasen der Blasto- dermbildung. Querschnitte durch verschiedene Hier. Fig. 16 Vergr. 17 1Lel,, Big. Ui und. 8 Verers100-;.1. Fig. 19. Dotterabgabe einer Blastodermzelle darstellend. Vergr. 1040: 1. Fig. 20. Teil eines Querschnittes. Blastodermbildung. Hine Zelle riickt aus dem Innern des Hies an die Oberfliche. Protoplasma hierbei die einzelnen Dotterkiigelchen umfliefend. Vergr. 171: 1. Maihel Xc1V. Fig. 21. Querschnitt, die erste Anlage des Dorsalorgans und des Ektoderms zeigend. Vergr. 171: 1. Fig. 22. Querschnitt durch dasselbe Ei, dem oralen Pol etwas genahert. Vergr. 171: 1. Fig. 23. Dorsalorgan vollstandig ausgebildet. Teil eines Quer- schnittes. Vergr. 443: 1. Fig. 24. Dorsalorgan auf der Hohe seiner Ausbildung. Quer- schnitt. Vergr. 443: 1. Fig. 25. Querschnitt durch das Ei, ungefahr die Mitte getroffen. Typische Entodermbildung. a, a‘, a einwandernde Entodermzellen, ec Ektoderm, do Dorsalorgan. Vergr. 171: 1. Fig. 26. Querschnitt durch die Mitte des Eies, aber Langs- schnitt durch den Keimstreifen. Eingewanderte Entodermzellen een. Verer. ae Ts Fig. 27. Querschnitt ungefahr in der Mitte des Hies, Langs- schnitt durch den Keimstreifen, Hinwanderung des Entoderms zeigend. Dorsalorgan schon weiter ausgebildet als in Fig. 24. Vergri17'1 : 1. ‘ Fig. 28. Querschnitt durch die Mitte des Kies. Die einge- wanderten Entodermzellen teilen sich lebhaft. Vergr. 171: 1. Fig. 29. Querschnitt durch das Ei, zwischen oralem Pol und Mitte gefiihrt. Einwandern von zusammenhiangenden Zellen in den Nahrungsdotter. Vergr. 171: 1. Fig. 30. Querschnitt durch die Mitte des Eies. Langsschnitt durch den Keimstreifen. Dorsalorgan typische Rosettenform. Hin- zelne Zellkomplexe im Innern des Kies. Vergr. 171: 1. Fig. 31. Querschnitt durch die Mitte des Hies. Lingsschnitt durch den Keimstreifen. Vergr. 171: 1. Fig. 32—35. Langsschnitte durch das Ki. Querschnitte durch den Keimstreifen. Entoderm in 2 Streifen angelegt. In Fig. 35 Einwandern von Zellen in den Nahrungsdotter. Vergr. 120: 1. 35 a, B, y Kernfiguren, durch Resorption entstanden. Vergr. 1680: 1. Ueber die ersten Embryonalstadien von Gammarus locusta. 551 Fig. 36. Querschnitt, dem oralen Pol geniahert. Lebhafte Teilung der Entodermzellen. Vergr. 171: 1. Fig. 37—39. Querschnitte durch dasselbe Ei, zwischen der Mitte und dem oralen Pol liegend. Dotteraufnahme in die Ento- und Ektodermzellen zeigend. Vergr. 171: 1. — (Fig. 39 befindet sich auf Tafel XV.) Tatel xy. Fig. 40. Querschnitt durch ein etwas Alteres Stadium, in der Nahe des aboralen Poles gefiihrt. Links provisorischer Leberschlauch als geschlossene Réhre. Vergr. 171: 1. Fig. 41. Querschnitt durch dasselbe Ei, der Mitte etwas ge- nahert, jedoch immer noch in der hinteren Halfte: der Leberschlauch erscheint als Rinne. Vergr. 171: 1. Fig. 42. Querschnitt fast durch die Mitte desselben Eies. Vom provisorischen Leberschlauch schon noch weniger zu sehen. Vergr. LC ee Fig. 43. Querschnitt durch dasselbe Hi, etwas iiber die Mitte hinaus nach yorn zu gefiihrt. Querschnitt durch den Keimstreifen, der jetzt seine definitive Lage eingenommen hat. Von den Leber- schlauchen sind auf jeder Seite der ventralen Mittellinie nur noch 2 Zellen zu erkennen. Vergr. 171: 1. Fig. 44. Querschnitt durch ein alteres Stadium. Entoderm bildet eine weite, grofe Rinne. Einzelne Entodermzellen haben Dotterkiigelchen aufgenommen, Erstes Erscheinen der Bauchganglien- kette, b. Vergr. 171: 1. Fig. 45. Querschnitt durch ein etwas Alteres Stadium. Ei und Keimstreifen quer getroffen. Ektoderm bildet Ausstiilpungen; Meso- derm. Entoderm hat sich schon nach dem Dorsalorgan mehr hinauf gezogen. Hinzelne entodermale Zellen enthalten Dottermassen. Meso- dermanlage. Vergr. 171: 1. Fig. 46. Querschnitt durch dasselbe Ei, dem aboralen Pole genahert. Zwischen Ekto- und Entoderm liegen mesodermale Zellen. Im Entoderm schon mehr Dotter aufgenommen. Vergr. 171: 1. Fig. 47. Noch etwas 4lteres Stadium. Querschnitt fast durch die Mitte eines Embryos. Entoderm auf der Hihe seiner Ausbildung. Dotter in grofen Mengen in den Entodermzellen vorhanden. Meso- derm zwischen Ekto- und Entoderm. Vergr. 171: 1. Fig. 48. Querschnitt durch dasselbe Stadium, dem aboralen Pole etwas naher liegend. Dotter im Dorsalorgan. Ventrale Mitte durchgerissen. Vergr. 171: 1. Fig. 54. Ein Stiick aus der Bildungszone der Bauchganglien- kette. Es entspricht diese Figur den in Fig. 44 abgebildeten Ver- haltnissen. Zellteilung behufs Bildung der Bauchganglienkette. Vergr. 1040: 1. Fig. 60. Ueberwiegen des Mesoderms der Bauchganglienanlage gegeniiber. Sprossen des Ektoderms in der rechten Hxtremitiaten- anlage. Vergr. 310: 1. 552 P. Heidecke, Embryonalstadien von Gammarus locusta, Fig. 61. Teil der linken lateralen Mitte des Embryos, Sprossen des Ektoderms, sowie Teilung einer Mesodermzelle zeigend. Vergr. 580: 1. Tate l Xx VE Fig. 49 und 50 zeigen die Aufnahme und Verarbeitung des. Nahrungsdotters innerhalb der Entodermzellen. Vergr. 1040: 1. Fig. 51, Zerkliiftung des Dotters in kleine Kiigelchen zeigend. ‘Die Figur zeigt das ventrale Stiick des in Fig. 47 abgebildeten Entodermrohres stark vergréfert. Vergr. 730: 1. Fig. 52. Ansammlung der Mesodermzellen zwischen Ekto- und Entoderm. Dieses Stiick ist dem Schnitt in Fig. 48, rechte Seite, in Héhe der Lateralachse, entnommen. Vergr. 580: 1. Fig. 53. Bildung der Bauchganglienkette, b, zeigend. Die Figur wiirde ungefahr Fig. 44 entsprechen. Sie ist zwar von demselben Ei entnommen, doch um 20 uw dem aboralen Pol genahert. Vergr. 406: 1. Fig. 55. Ventraler Teil des in Fig. 47 abgebildeten Schnittes. vergrofert. Vergr. 406: 1. Fig. 56. Ein Teil der medianen Ventralhalfte. Demselben Hi entnommen, wie 47, 48 und 55. Vergr. 406: 1. Fig, 57, 58 und 59 zeigen die Entwickelung der Bauch- ganglienkette und des Mesoderms. Sie sind derselben Schnittserie entnommen, wie Fig. 45, 46, 49 und 50. Fig. 57 ist dem aboralen Pol am nachsten gelegen, dann folgt Fig. 58, am weitesten dem oralen Pole zu liegt Fig. 59. Vergr. 406: 1. Beitrage zur Anatomie und Histologie von Dentalium. Von Maria Boissevain. Hierzu Tafel XVII—XIX. Meine Untersuchung betrifft das im Golfe von Neapel vor- kommende Dentalium entalis L., das mir durch Vermittelung der Zoologischen Station zu Neapel als solches in konserviertem Zu- stande zugeschickt wurde. Die Fixation von Dentalium scheint auferst schwer zu sein; doch erhielt ich sehr schén ausgestreckte Exemplare, die mit Cocain betaiubt und hernach in Eisessigs&ure und zur weiteren Fixation noch eine halbe Stunde in Chromsaure gelegt worden waren. Andere Fixationsmittel waren: FLEMmMInGsche Lésung, Hrrmannsche Lésung, Sublimat-Eisessigséure, Sublimat- Alkohol. In Hrrmannscher Lésung waren die Praparate Auferst briichig geworden; weitaus die giinstigsten Resultate ergaben die durch die beiden letztgenannten Fixiermittel erhaltenen Exemplare. Die aus vergleichend-anatomischen Griinden héchst wichtige Gattung Dentalium ist von Lacazn-DutTnuiers, Fou, PLATE, THIELE, PELSENEER und anderen Forschern ausfiihrlich beschrieben worden. Als ich mich diesen Winter mit der Anatomie von Dentalium be- schaftigte, stieS ich einerseits auf einige neue Tatsachen, ander- seits war es mir moglich, einige schon gemachte Beobachtungen zu erginzen. Aus diesem Grunde ist diese Arbeit nicht sowohl ein zusammenhangendes Ganzes, als vielmehr eine Reihe von einzelnen Beobachtungen. Der Fuff. An gut konservierten Exemplaren von Dentalium ist der Fu tiber seine ganze Flache mit Cilien bedeckt. Hat er sich weit aus- gestreckt, so ist das Epithel sehr flach, und sind die Wimpern weniger deutlich zu sehen. Trotzdem lassen sie sich immer nach- weisen. 1 ED. GO. G1) U1 A a. @. @.4F 36 554 Maria Boissevain, Regelmiifig, auf kurze Abstinde voneinander gelagert, liegen einzellige Driisen, die zwischen den Epithelzellen nach aufen miinden. Sie durchsetzen die zirkulire und longitudinale Muskelfaserschicht, erstrecken sich aber nie tiefer als diese letztere. Sie sind wechselnd von Gestalt je nach dem Kontraktionsgrade dieser Schichten: lang und schlauchférmig bei kontrahiertem, rund und _ birnférmig bei ausgestrecktem Fufe. Sie nehmen duferst schwer Farbstoffe in sich auf, zeigen aber in Kisen-Haimatoxylin einen schwarzen, fein granulierten Inhalt. Der Kern ist immer deutlich nachweisbar in der Basis der Driisenzelle. Der Mantel. Pigment. Nach Abpraparieren oder Entkalken der Schale werden kleine Pigmentflecken rings an der Basis des Mantels sicht- bar, unterhalb der Ringfurche, welche den vorderen Wulst von der Matrix der Schale scheidet. Sie haben eine schwach braune Farbe und sind untereinander durch weniger deutliche Pigmentbriicken verbunden. Dentalien, die in Sublimat fixiert wurden, zeigten diese Pigmentierung am schénsten. Meistens sind 9 Flecken vor- handen, was gerade stimmt mit der Zahl der Langsrippen auf der Schale von Dentalium entalis. Auf Schnitten liegt das Pigment unter der Epidermis, als zahlreiche dunkle Kérnchen zwischen den Bindegewebszellen. Driisen. PuLatr unterscheidet an dem Mantel drei Regionen von verschiedener histologischer Struktur, eine driisige, eine galler- tige und eine muskulése. Die Einteilung scheint mir etwas kiinst- lich, denn in Wirklichkeit besteht der ganze vordere Mantelwulst aus gallertigem Bindegewebe, wie das auch auf der Abbildung, welche Pate (7, Fig. 2) davon gibt, ersichtlich ist, und unter- scheidet sich nur der Rand von dem iibrigen Teile des Wulstes durch die Anwesenheit zahlreicher Driisen und Muskeln. Nach Fou finden sich im Mantelwulste zwei verschiedene Sorten von einzelligen Driisen. PLATE unterscheidet deren drei. Beide Forscher unterscheiden 1) hantelférmige Driisen, 2) keulenférmige Driisen (ich ttbernehme PLares Nomenklatur). Letztere werden von PLATE in zwei Unterarten gesondert, in heile und dunkle. Ich glaube aber Fou darin zustimmen zu miissen, daf es keinen funktionellen Unterschied zwischen diesen hellen und dunklen keulenformigen Driisen gibt, sondern da es sich hier um Driisen handelt, die Beitrage zur Anatomie und Histologie von Dentalium. 555 sich in verschiedenem Grade von Aktivitit befinden. Die hellen keulenfoérmigen Driisen sind der Innenseite des Mantelwulstes mehr zugekehrt, und ihre hinteren, angeschwollenen Kérperenden liegen daher zwischen den dort anwesenden zirkularen Muskelfibrillen, waihrend die dunkleren mehr der Aufenseite zugekehrt und in dem rein gallertigen Bindegewebe eingebettet sind. Bei Kontraktion des Mantels, z. B. nach plotzlicher Abtétung des Tieres durch Fixation, werden die erstgenannten Driisen sich wahrscheinlich am starksten entleeren. An einem Exemplar, wo der Mantel sich wenig kontrabiert hat, ist auch die Grenze der hellen und dunklen Driisen weniger deutlich ausgepragt, so daf die beiden Arten ge- mischt auftreten. Auch ist an einem Praparat, das mit Eisen- Hamatoxylin gefairbt wurde, in einzelnen Driisen ein allmahlicher Uebergang von dem dunklen, feinkérnigcn Sekret nach dem hellen, grobkérnigen wahrzunehmen. Sinnesepithel. Unerwahnt blieb in den bisherigen Arbeiten eine ringférmige Zone von Wimperzellen, die ich fiir Sinnesepithel- zeljJen halte (Fig. 8). Sie liegt gerade an der Stelle, wo das der Innenseite zugekehrte, driisenfreie Mantelepithel im Bereiche des Randwulstes sich nach dem vorderen, driisenreichen Mantelrande umbiegt. Diese Zone, die fortlaufend den ganzen Umfang des Mantels entlang geht, wird in ihrer Breite von 5—6 Epithel- zellen gebildet, die gréfer und heller sind als die sie um- gebenden Epithelzellen und auferdem sehr feine und zahlreiche Cilien tragen, die ein wenig kiirzer sind als die Zellen selbst. Hat das Tier sich ip seinen Mantel resp. Schale zuriickgezogen, so liegen diese Zellen grade rings um den feinen Kanal, welcher als letzte Kommunikation fiir das ausflieBende Atmungswasser zwischen den Mantelfalten offen bleibt. In Fig. 8 gebe ich eine Abbildung dieser Zellen. Leider konnte ich nicht mit Sicherheit unterscheiden, ob die Fasern, die man bis an die Basis der Epithel- zellen verfolgen kann, Bindegewebs- oder Nervenfasern sind. Was die zweite Driisenzone, die dem inneren Epithel des Mantels angehort, betrifft, so scheint es mir, daf die Verhaltnisse etwas anders liegen, als sie von Fou (2) und Puate (7) beschrieben worden sind. Fon meint, es ware an dieser Stelle nur ,,jun épithélium a caractére glandulaire bien plutét qu'un amas de glandes unicellulaires‘‘, wahrend PLars aufer diesen driisenartigen Epithelzellen grofe, dunkle, retortenformige Driisen nachwies, die zwischen ihnen ausminden. An einigen gut konservierten Pra- paraten war es mir aber méglich zu konstatieren, daf die von den 36 * 556 Maria Boissevain, beiden Forschern als Epithelzellen aufgefafiten Bildungen Binde- gewebszellen sind, die sich an vielen Stellen epithelartig angeordnet haben. Diese Zellen sind grof, erscheinen immer sehr hell und auf den meisten Praparaten blasenartig angeschwollen. Sie pressen die sehr niedrigen Epithelzellen zusammen in der Weise, daf sehr oft der Kern der Epithelzelle zwischen zwei Bindegewebszellen zu liegen kommt, wahrend der Epithelzellkérper sich als eine diinne Membran iiber die Bindegewebszelle ausspannt. Das ist héchst wahrscheinlich die diinne Cuticula, welche PLATE an seinen Epithel- zellen beobachtet hat. Fig. 6 gibt ein Bild dieser Driisenzone, so wie sie an vielen meiner Praiparate zu beobachten war. Die Epithelzellen tragen ein zartes Wimperkleid, das an vielen Stellen unterbrochen wird durch die Ausmiindungen der zahlreichen, dunklen, retortenfoérmigen Driisen, die PLATE zuerst beschrieben hat. Daf die Zellen, die ich als Bindegewebszellen erkannte, sich mit an der Sekretion beteiligen wiirden, ist nicht wahrscheinlich, vielmehr liegt ihre Funktion darin, als ein elastisches Sttitzgewebe zu dienen fiir die iiberaus zahlreichen Driisenzellen. Mehrmals habe ich gesehen, da die Entleerung dieser Driisenzellen sehr plétzlich zu stande kommt. Das Sekret lag dann in der Mantel- héhle angehiuft, waihrend die Driisenzellen ganz leer waren und nur als sehr zarte Membranen bestehen blieben. Waren die Binde- gewebszellen nicht da, so wiirde nach der Entleerung die Driisen- zone sehr leicht zerrissen werden. Der Pavillon. Die aufere Form des Pavillons oder der hautigen Hohlkehle, wie sie von PLATE benannt wurde, ist von LAcAzE-DUTHIERS (4, p. 324) aufs genaueste beschrieben worden. Seither hat LEon (5) eine ausfiihrliche histologische Beschreibung gegeben, der ich aber nicht in allen Punkten beistimmen kann. Das Hinterende von Dentalium'), das auf einem Querschnitt nur die paarigen Riickenmuskeln, die Gonade und eine Fortsetzung 1) Ich habe mich bei der Beschreibung immer an die von Lacaze-DuTHIERs angewandte Orientierung des Tieres gehalten, worin auch Puatre ihm nachgefolgt ist. Die grofe Manteléffnung wird als vorn bezeichnet, die kleine als hinten, die konkave Kérper- flache als dorsal, die konvexe als ventral. Beitriige zur Anatomie und Histologie von Dentalium. 557 der Mantelhéhle enthalt, verschmilert sich allmihlich, bis es sich plétzlich erweitert und den sogenannten Ringwulst bildet, welcher an der Basis des Pavillons liegt. Es ist das die Stelle, wo sich die Riickenmuskeln an der Schale anheften, und tiberhaupt die einzige Stelle, wo das Tier an der Schale befestigt ist. Auf einem Lingsschnitt (Fig. 1) durch den Ringwulst ist das Haftepithel deutlich erkennbar, das sich ziemlich plétzlich von dem gewodhn- lichen Kérper resp. Mantelepithel abgrenzt. Die Kerne desselben sind grof und hell und stehen schrag auf der Flaiche des Wulstes. Das Protoplasma firbt sich immer intensiv und den Muskelfasern autffallend gleich. So werden die Zellen, ausgenommen die Kerne, die hell bleiben, in Eisen-Himatoxylin tiefschwarz, wahrend sie in pikrinsaurem Fuchsin gelbe Farbe annehmen. Die Mantelhéhle miindet durch die Mitte des Wulstes nach aufen. Sie hat hier eine sichelférmige Gestalt, und ihre Aus- miindungsstelle liegt nicht in der Verlingerung der Mantelhoéhle selbst, sondern mehr dorsalwarts, wie auf Fig. 1 ersichtlich ist. Sie teilt den Ringwulst dadurch in 2 halbmondférmige Klappen, von welchen die ventrale etwas mehr nach hinten resp. nach oben liegt. Auf der dorsalen Seite erhebt sich nach hinten zu der eigentliche Pavillon. Eine Ringfurche (Fig. 1h) zeichnet ihn deutlich vom Wulste ab. Diese Ringfurche, die schon von LACAzE-DUTHIERS erwahnt worden ist, liegt an der Stelle, wo das Haftepithel (Fig. 1 7) der Riickenmuskeln plétzlich aufhért und in das auferst feine und zarte auferliche Epithel des Pavillons tibergeht. Der Pavillon ist mit einem Efléffel oder richtiger mit einer Schaufel verglichen worden. Fig. 1 zeigt das Hinterende von Dentalium auf einem Medianschnitt. Wire der sagittale Schnitt etwas mehr lateral ausgefallen, so wiirde man auch auf der Ventralseite den Pavillon im Lingsschnitt zu sehen bekommen. Was den histologischen Bau des Pavillons betrifft, so ist dar- tiber folgendes zu sagen. In dem Wulste liegt ein zirkulairer Blutsinus+), der einerseits mit der untern MantelgefaSbahn, anderseits mit dem dorsal ge- legenen Sinus genitalis in Verbindung steht. (Fig. 1 und 2). Aus 1) Auch die Bezeichnungen Sinus, Gefafe und Lakunen werden hier im Sinne Lacazs-Dururers’ angewendet. Sie geben nur Ver- schiedenheiten der GréSe und Gestalt an, nicht aber Unterschiede hinsichtlich der Natur ihrer Wandungen. 558 Maria Boissevain, ihm nimmt eine GefaSbahn ihren Ursprung, die in der dorsalen Mittellinie des Pavillons verlauft (Fig. 2%). Der Pavillon wird von 2 kraftigen Nerven versorgt (Fig. 1 und 2g), die aus dem Visceralganglion herstammen. Diese beiden Stiimme sind in dem Hinterende des Tieres, das die Gonade ent- halt, auferst schwer zu verfolgen. In dem Wulste werden sie aber deutlich sichtbar und enthalten mehrere Ganglienzellen, an einer Stelle sogar so viele, dafS man von einer ganglidsen An- schwellung reden kénnte. Sie verlaufen weiter als 2 sehr dicke Strange mit zahlreichen Verzweigungen, rechts und links im Pavillon. Wegen der starken Kontraktion, in der man den Pavillon fast immer bekommt, haben die Nerven sich buchtig gewunden und schlingeln sich zwischen den Trabekeln des Bindegewebes. Sie erschweren hierdurch das Verstaéndnis des histologischen Bildes bedeutend, das auch sonst wegen der starken Kontraktion der Ge- webe nicht leicht aufzuklaren ist. Sehr schén kann man in diesen kontrahierten Nerven die Kerne der Nervenfibrillen wahrnehmen, deren Vorhandensein PLATE gegen Fou verfochten hat. Hier und da liegen Ganglienzellen zwischen den Fibrillen. Die Muskulatur ist von L&on (5) richtig dargestellt worden. Dafi auf dem Querschnitt (Fig. 2”) auBer den dorsalen und ven- tralen subepithelialen Langsfasern auch einige in anderer Richtung gezeichnet sind, kommt daher, daf der Schnitt in der Nahe der Basis liegt und dadurch schon einzelne Fasern des Wulstes ge- troffen worden sind. Das Epithelium der Innenfliche hat sich auch infolge der Kontraktion in zahlreiche Falten gelegt. Auf einem Liangs- schnitt (Fig. 1) erscheinen die Falten als ebensoviele Epithelzotten. Diese Zotten sind so klein, da’ héchstens 5—6 Epithelzellen an ihrem Aufbau teilnehmen. Die Epithelzellen sind niedrig, weniger hoch als breit, mit rundlichen, hie und da ovalen Kernen. Die nach aufen gekehrte Seite der Zellen ist fein granuliert. Ob das Pigment ist, wie Lton behauptet, kann ich nicht mit Sicher- heit sagen. Das Epithelium der AuSenseite ist ein sehr feines Cylinder- epithel; die Zellen sind zahlreich und sehr klein im Vergleich mit den iibrigen Zellen des Pavillons. Sie haben sich nicht wie die der Innenfliche in Falten gelegt, doch ist die Oberflaiche an vielen Stellen gerunzelt. L&on hat sowohl in dem Epithel der Innen- als der AufSenseite das Vorkommen von Becherzellen erwahnt. Ich glaube das aber in Zweifel ziehen zu miissen. Auf einem Quer- Beitrage zur Anatomie und Histologie von Dentalium, 559 schnitt (Fig. 2) zeigt das innere Epithel ein auferst konfuses Bild von Epithelzellen, die in allen Richtungen durchgeschnitten sind. Ziemlich oft trifft man die Ausfiihrungsginge der Schleimzellen, die im Bindegewebe liegen; aber von Becherzellen fand ich hier ebenso wie in der Aufenseite nie eine Spur. Das Bindegewebe, das sich zwischen den beiden Epithel- schichten ausspannt, scheint mir ein typisches Molluskenbinde- gewebe zu sein, wie es von FLEMMING (1, p. 463) zuerst richtig beschrieben worden ist. Er beschreibt es folgendermafen: ,,Es ist ein Netz zarter, stellenweise selbst linienartig dinner Balkchen, in oder an deren Knotenpunkten hie und da Kerne mit wenig Protoplasma liegen; in jedem Maschenraum aber, und meist ihn ganz ausfiillend, steckt eine grofe blasse Zelle mit kleinem Kern“. Weiter sagt er, dafi das Hautgewebe der Cephalophoren unter den- selben Typus fallt — daf aber die Maschenréume des Netzes sich ausgeweitet haben zu grofen Schleimdriisenzellen. Diese letzte Beschreibung zeigt die meiste Uebereinstimmung mit dem Zu- stande, wie er bei Dentalium angetroffen wird, — nur mit einigen Einschrankungen. Durch die schmale, lamellenartige Ausbildung des Pavillons ist zwischen den beiden Muskelschichten nur Platz fiir eine Reihe nebeneinander liegender Bindegewebsmaschen. Die darin befindlichen Schleimdriisenzellen (Fig. 1—2) miinden alle nach auSen, und da es hier keine tiefer liegende Schicht von Binde- gewebe mehr gibt, stehen auch keine tiefer liegenden Schleim- driisenzellen mit ihnen in Kommunikation, wie das nach FLEMMING bei Cephalophoren der Fall ist. Daf die nebeneinander liegenden Schleimdriisenzellen miteinander kommunizieren, scheint mir nach aufmerksamer Beobachtung nicht der Fall zu sein. Wohl findet man an schlecht erhaltenen Praparaten den Zellinhalt verflossen, und kommunizieren die Zellen dann scheinbar untereinander; doch an gut konservierten sind sie durch deutliche Konturen vonein- ander geschieden. Andere Schleimmassen als diese infolge der ungeniigenden Konservierung auftretenden habe ich im Binde- gewebe nicht angetroffen. Es sei darum an dieser Stelle schon erwaihnt, daf ich nicht im stande bin, die von Lkon gemachte Be- obachtung, nach welcher es Schleimmassen gibt, die den von Rawitz an Arca diluvium beschriebenen entsprechen wiirden, zu bestatigen. Ueber die Art und Weise der Ausmiindungen der Schleim- driisenzellen habe ich leider nicht ganz ins klare kommen kénnen. Die Miindungsschlauche sind immer deutlich wahrzunehmen. Ich 560 Maria Boissevain, konnte aber nicht mit Sicherheit feststellen, ob die Schlauche inter- epitheliale Liicken oder Fortsetzungen der Driisen selbst sind. Sind die Schleimdriisenzellen von Dentalium identisch mit den von FLEMMING beschriebenen, dann sollten sie in Becherzellen iibergehen — was ich nie gesehen habe. Sind aber die Aus- miindungsschliuche Fortsetzungen der Zelle selbst, so kénnte man die Schleimdriisenzellen von Dentalium mit den Ausmiindungszellen der FLemmineschen Schleimdriisen vergleichen. Ich tue das aber besser nicht, weil FLemmina diese Zellen als Becherzellen, d. h. als epithelartige Gebilde auffaft, wahrend ich an der binde- gewebigen Natur der Schleimdriisen von Dentalium festhalte. Ver- stehe ich die Bemerkungen von Rawirz (8, p. 473) recht, so nimmt dieser Forscher die Zusammengehorigkeit der Schleim- driisenzelle mit der Becherzelle (da also die erste in die letzte ausmiinden wiirde) nicht als allgemeine Regel bei den Acephalen an. In welcher Weise der genannte Forscher sich dann aber vor- stellt, da’ die Schleimdriisenzellen nach aufen miinden — ja ob sie tiberhaupt nach auSen miinden, ist mir nicht klar geworden. DaS die nach aufen miindenden Schleimdriisenzellen von Dentalium bindegewebiger Natur sind, glaube ich um so mehr ver- teidigen zu kénnen, weil auch an anderen Stellen des K6érpers von Dentalium, die ich nachher beschreiben werde (Anus und Sub- radularorgan), sich Bindegewebselemente innerhalb des Epithels lagern kénnen. Auber den Schleimzellen kommen noch zwei Arten von einzelligen Driisen im Pavillon vor. Die eine Art besteht aus birnformigen Driisen (Fig. 1—2e), die sehr oft in zwei longi- tudinalen Reihen rechts und links von der medianen BlutgefaSbahn liegen. Das ist aber nicht immer der Fall, sondern mehrmals findet man sie tiber den ganzen Querschnitt verbreitet. Es scheint aber, dafi ihr ganzes Vorkommen starken Variationen unterliegt, denn bei manchen Exemplaren waren sie massenhaft vorhanden, wahrend sie in anderen schwer nachzuweisen waren. Sie sind ein wenig gréfer und regelmafiger von Form als die Schleimzellen. Mit Safranin farben sie sich intensiv rot, und der Inhalt scheint leicht granuliert; in pikrinsaurem Fuchsin werden sie glainzend homogen gelb; am schénsten sind sie aber in mit Kisen- Himatoxylin gefirbten Praparaten zu sehen. Sie werden dann tiefschwarz, einzelne mit deutlichem Kern, und unterscheiden sich scharf von den blassen Schleimdritisenzellen. Die zweite Art (Fig. 1 0) liegt in dem ventralen Abschnitt de Wulstes. Ihre Lage wurde zuerst von Fou (2) richtig dargestellt. Beitrige zur Anatomie und Histologie von Dentalium. 561 Er beschreibt sie folgendermaBen; ,,Elles (die Driisen) débouchent ici péle-méle dans une zone assez étroite. Sur une coupe longitudinale elles forment un éventail, le fond des glandes représentant la partie étalée, leurs canaux excréteurs, la partie d@éventail qu’on tient a4 la main.“ Um _ diese Beschreibung mit der Figur 1 tibereinstimmen zu lassen, muf man_ sich vorstellen, daf sich die Rinne zu einer engen Spalte ver- schmalert hat, wie das der Fall ist, wenn die Mantelhéhle in breiter Kommunikation mit der AuBenwelt steht. Fon scheint aber der Meinung zu sein, daf hier zwei Driisensorten nebeneinander vorkommen, beide vergleichbar mit denen, welche im vorderen Mantelwulst angetroffen werden. Ich habe immer nur eine Art von Driisen an dieser Stelle gefunden, und zwar nur solche, die eine Aehnlichkeit mit den keulenférmigen Driisen aus dem vorderen Mantelwulst zeigen. Auch Léon (5) beschreibt nur das Vorkommen dieser einen Art. An der nach innen gekehrten Seite dieser Driisenzone liegt eine Reihe von hohen Epithelzellen; sie umgeben in einem Halb- kreis die Einfiihrungséffnung der Mantelhohle an der Ventralseite. Im Querschnitt besteht diese Zone aus ungefahr 7 oder 8 Zellen, die sich kuppelf6rmig nach aufen wélben (Fig. 1p). Sie haben eine deutliche Cuticula und tragen ein kurzes, starkes Wimperkleid. Die Kerne sind grof8 und zeigen ein gut differenziertes, zentral gelagertes Kernkérperchen. Lacaze-DuTuiers fand beim Embryo auf den halbmondférmigen Klappen eine Anhaufung von grofen Cilien oder, wie er sagt, vielmehr Geifeln, die einen starken Wasserstrom von hinten nach vorn bewirken. Er sprach die Ver- mutung aus, dali beim erwachsenen Tiere diese Gebilde auch noch vorkommen. Die soeben erwihnte Wimperepithelzone kénnte so- mit ein letzter Rest dieses embryonalen Cilienkleides sein. Ihre Funktion scheint mir aber nicht mehr mit der Bewegung des Wassers zusammenzuhaingen, sondern vielmehr der Natur eines Sinnes- organes zu entsprechen. Die Verdauungsorgane. Ueber die Muskulatur der Darmwand herrschen zwei ver- schiedene Ansichten. Nach Fous Angabe ist der ganze Darm von dem Munde bis zum After von einer strukturlosen, elastischen Membran eingehiillt; an einzelnen Stellen nur begleiten Muskel- 562 Maria Boissevain, biindel das Darmrohr und verbinden die Darmschlingen unter- einander. Nach Puate folgt auf das Epithel eine diimne Schicht von Ringfasern, die er fiir Muskeln halt. Ich kann ihm darin vollig beipflichten. Unter den Darmepithelzellen liegen in kurzen Abstanden voneinander sehr platte Kerne, zwischen denen sich eine scheinbar strukturlose Membran ausspannt. In typischen Muskelreagentien, wie pikrinsaurem Fuchsin und Eisen-Haimatoxylin wies diese Membran eine deutlich fibrillare Struktur auf. Wir haben es hier also gewif} mit kontraktilen Ringfasern zu tun. Im iibrigen schlieBe ich mich der Beschreibung Fouts an. Das Subradularorgan wurde zuerst als solches durch THIELE (11) erkannt, indem er dasselbe mit dem Subradular- organ der Chitonen verglich. Genannter Forscher beschreibt es als ein 33 uw hohes Flimmerepithel, das aus Sinnes- und Stiitz- zellen besteht und unter welchem sich Ganglienzellen ausbreiten. Weiter erwahnt er das Vorkommen von grofen Schleimzellen in der Umgebung des Sinnesepithels. PLatre (7) gibt eine Erganzung, indem er von einem zweihiigeligen Sinnesorgan spricht, wovon jeder Hiigel einer schmalen Falte aufsitzt. Naheres tiber die Natur des Sinnesepithels erwahnt er nicht. Zwischen diesen beiden Higeln findet sich aber ein Geschmacksbecher (Fig. 3 v). Es gibt nur einen, er ist aber ziemlich gro8 und bildet daher doch eine be- deutende Sinnesfliche. Da ich die Zellen nicht isoliert habe, so kann ich nichts tiber die Natur der einzelnen Zellen sagen; doch scheint eS mir, dafi dieser Becher auSerordentlich viel Ueberein- stimmung hat mit dem von BriaA*HALLER (3) an Chiton be- schriebenen, und glaube ich, da’, was er tiber die Natur der beiden ihn aufbauenden Elemente, Sinneszellen und Stiitzzellen, sagt, auch ganz auf Dentalium bezogen werden kann. Die beiden Hiigel sind also als Folge der Vertiefung des Geschmacksbechers aufzufassen. Da8 die Hiigel Falten aufsitzen, ist ganz richtig; aber diese Falten iiberragen die Hiigel seitlich und auch etwas von hinten, so daf man sagen kann, daf der sinnesepitheltragende Abschnitt des Sub- radularorganes in einer Art napfférmigen Hervorwélbung der Pharynxwandung liegt. Der Napf ware dann nach der vorderen, der Mundéffnung zugekehrten Seite mehr offen. In dieser napfférmigen Hervorwélbung werden die von THIELE erwihnten grofen Schleimzellen hauptsachlich angetroffen. Diese Zellen (Fig. 3mund4m) sind kreisrund und erscheinen an vielen Praparaten als helle Gebilde. Ihr Kern liegt meist zentral und farbt sich intensiv. Sie sind auSerst zahlreich vorhanden und liegen Beitrage zur Anatomie und Histologie von Dentalium. 563 in Kliimpchen, 6fters auch in Reihen beieinander. Am auffallendsten ist aber, daf diese Zellen offenbar nach aufen wandern oder sich zwischen den Epithelzellen der Falten lagern und von da aus ihr Sekret in den Pharynx ausflieen lassen. Man sieht in dem Pharynx auch wohl Sekretmassen liegen, die noch die Form der Zelle bei- behalten haben und im Begriffe sind sich zu verfliissigen. Ich halte es daher fiir wahrscheinlich, daf die ganze Zelle sich verfliissigt und dabei zu Grunde geht. Rawitz (8, III. Teil, p. 30) hat derartige Zellen im Sipho von Cardium edule gesehen, und seine Beschreibung stimmt ziem- lich genau mit dem Befunde bei Dentalium. Nur verhalt sich das Protoplasma der Zellen etwas anders. Solange die Zellen noch nicht ihre Wanderung angefangen haben, ist das Protoplasma homogen und enthalt nur hie und da einige Kérnchen. Die erste Veranderung, die an ihnen merkbar wird, ist eine Granulierung, die immer starker wird, je weiter die Zellen durch das Epithel riicken (Fig. 4). Der Kern ist in dem letzten Stadium verschwunden, wie das auch RawiTz von Cardium edule angibt. Dieser Vor- gang ist an Praparaten, die mit Boraxkarmin, Hamatoxylin, Sa- franin, EKosin oder mit pikrinsaurem Fuchsin gefairbt worden sind, zu beobachten. Weitaus am schoénsten reagiert der Zellinhalt aber auf Erythrosin, so daf man alle Uebergangsstufen deutlich wahr- nehmen kann. Auf diese Zellen habe ich hingewiesen bei der Be- schreibung der Schleimdriisenzellen im Bindegewebe des Pavillons. Es sei hier noch gesagt, daf Rawrrz diese beiden Arten von Schleimdriisenzellen fiir identisch halt. Enddarm. Die regelmafigen Schluckbewegungen, welche Lacaze-DuTuiers an dem Enddarm auftreten sah, brachten ihn dazu, diesem Teil eine respiratorische Funktion zuzuschreiben. Er faft den erweiterten Endabschnitt mit der Rektaldriise und der Oeffnung nach aufen als Kloake auf, wahrend der cigentliche Anus mehr nach hinten, ungefahr an der Einmiindungsstelle der letzt- genannten Driise liegen wiirde. Das eingesogene Wasser wiirde dann zum Teil der Atmung dienen, zum anderen Teil wiirde es sich durch die Wandung der Kloake und vielleicht auch der Rektaldriise in den Perianalsinus pressen und einen Fliissigkeits- ersatz fiir das durch die Wasserporen ausgestrémte Blut liefern. Hinsichtlich dieser Hypothese haben Fou und Puate sich sehr vorsichtig ausgesprochen. Beide verwerfen die Méglichkeit, dag Wasser auf diese Weise dem Organismus zugefiihrt werden kénnte, scheinen aber geneigt zu sein, der Kloake eine respiratorische Rolle 564 Maria Boissevain, zuzuschreiben. Auf ihre Angaben sich stiitzend, spricht auch StmrorH (10) sich in diesem Sinne aus, indem er fiir den Namen »Rektaldriise* die Bezeichnung ,,Wasserlunge“ vorschlagt, d. h. also ein Organ annimmt, das zur Atmung dient. Ich muf aber folgendes hieriiber bemerken. Die Kloake wurde von Lacaze-DutTaters beschrieben als ,un large tube a parois minces et transparentes“ (6, p. 273), und einige Seiten weiter fiigt er der Beschreibung hinzu, da zahlreiche Muskeln von ihrer Wand ausstrahlen und sich, indem sie den Perianalsinus durch- setzen, an den umliegenden Geweben anheften. Diese Beschreibung ist nicht ganz richtig, denn man wiirde daraus den Schluf ziehen, daf die Wandung des Rectums s. Kloake nur aus einer diinnen Reihe von Epithelzellen bestehe, was in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Die Wand ist im Gegenteil muskulés. Das Epithel wird nach aufen von zahlreichen Biindeln von Ringfasern umgeben, und zwischen denselben liegen in groSer Anzahl Bindegewebszellen von genau demselben Typus, wie ich sie in den Falten des Sub- radularorgans gesehen habe. Auch hier kann man alle Wanderungs- stadien sehr schén betrachten. Die meisten dieser wandernden Schleimdriisenzellen liegen in den beiden proeminierenden Lippen des Anus. Ihr Sekret verfliissigt sich dann in der Mantelhéhle. Nach innen zu, die Wandung des Rectums verfolgend, nimmt ihre Anzahl allmahlich ab, aber es gibt dennoch immer noch viele, die in das Rectum nach auSen wandern. Aus diesen Griinden kann ich den beiden Forschern Fou und PLATE in ihrer Meinung, da8 in der Struktur des Enddarmes sich nichts gegen eine respiratorische Funktion einwenden lasse, nicht beipflichten. Ist auch die An- wesenheit von Muskulatur allein nicht genitigend, um den Gasaus- tausch zwischen dem Einstrémungswasser und der Hamolymphe unméglich zu machen, so macht doch wohl die Anwesenheit einer eroBen Anzahl von secernierenden Zellen diese Ansicht sehr un- wahrscheinlich. Doch auch die Histologie der Rektaldriise tragt wenig zur Stiitze fiir die Hypothese bei. Puates Beschreibung, nach der dieses Organ eine fingerformig-verzweigte tubulése Driise ist, die mit einem einzigen Gang in den Enddarm miindet, kann ich vollig bestatigen. Das Epithel der Schlauche ist nach ihm niedrig, un- gefaihr kubisch und tragt sehr lange Flimmercilien; tiber die Funktion dieser Zellen sagt er aber nichts. Fou (2, p. 105) dagegen sagt folgendes: ,,les cellules épithéliales n’ont pas un caractére glan- dulaire marqué; d’aprés le simple examen au microscope, il est Beitrage zur Anatomie und Histologie von Dentalium. 565 impossible d’indiquer ce que leur sécrétion peut étre, ni méme d’affirmer que leur fonction soit de sécréter quelque chose.“ Daf die Zellen aber secernierungsfihig sind, geht zweifellos aus meinen Priparaten hervor. ‘Trotz den vielen Manipulationen, welchen die Praparate notwendig unterliegen miissen, bevor man sie mikro- skopisch betrachten kann, sieht man in dem Lumen der Schlauche zwischen den langen Cilien und auch den Epithelzellen aufsitzend schéne, gut erhaltene Vakuolen (Fig.5a). Diese Vakuolen bestehen aus einer klaren Fliissigkeit, sind ungefahr so grof} wie die Epithel- zellen selbst und enthalten auferst kleine, schwarze, unregelmabige Koérnchen, die sehr oft der Peripherie der Vakuole angelagert sind. Die Vakuolen waren nicht auf allen Praparaten wahrzunehmen;: waren sie nicht vorhanden, so sah man doch immer die schwarzen K6érnchen durch das ganze Organ zerstreut liegen. Es schien mir, daf alle Epithelzellen ohne Ausnahme diese Vakuolen hervorbringen kénnen. Zellen mit auferst langen und schénen Cilien hatten schon in ihrem Innern eine ziemlich groBe Vakuole; oder es lag die schon ausgetretene Vakuole einer Zelle so nahe, dafi man die Zusammengehorigkeit der beiden nicht anzweifeln konnte, wiewohl auch die letztere ihr Cilienkleid behalten hatte. Anderseits findet man grofe, geplatzte Zellen ohne Cilien, deren Kern ver- schwunden ist. Das Sekret sammelt sich in den breiteren Schlauchen und ist auf eosingefarbten Praparaten gut zu sehen. Auf einzelnen Schnitten konnte man einen breiten Saum angehaufter Sekret- massen wahrnehmen, der in das Rectum ausflof und sich in der Richtung des Afters umbog (Fig. 7). Merkwiirdig ist, daf ich nie eine Spur von Geschlechtsprodukten in dieser Driise gefunden habe, wahrend doch sowohl Fou als PLATE sie darin immer an- trafen. Ich schreibe das aber der Tatsache zu, daf die von mir untersuchten Exemplare im Dezember und im Februar aufgefischt worden sind und sich daher wahrscheinlich in einer Periode be- fanden, wo die Geschlechtsprodukte sich nicht nach aufen ent- leerten. Auch in der rechten Niere, in der PLATE sonst viele Eier resp. Spermatozoiden fand, habe ich sie immer vermiSt. Scheint mir also nach dem vorher Gesagten die respiratorische Funktion dieses Organs sehr unwahrscheinlich, so kann ich tiber seine tatsichliche Bedeutung auch nichts Sicheres aufstellen. Eine Tatsache geht aber aus den Beobachtungen zweifellos hervor, daf namlich durch die Schluckbewegungen des Rectums Wasser aufge- nommen und der Rektaldriise zugefiihrt werden kann; durch Ver- schluf des Afters kann das Wasser einige Zeit festgehalten werden. 566 Maria Boissevain, Mit Bezug auf diese Tatsache wage ich, eine neue Hypothese tiber die Funktion dieser Driise aufzuwerfen. Auf einem Querschnitt von Dentalium durch die Region des Rectums fallt sogleich auf, wie auferordentlich fest der rechte Nierensack sich der Rektaldriise anschmiegt. Die Driise wélbt sich gegen den Nierensack, so daf dieser eine entsprechende Einbuchtung erhalt. Der Nierensack selber miindet an dieser Stelle durch seinen Porus nach auSen, wihrend er an der dorsalen Seite in Kommunikation mit der Ge- schlechtsdriise steht (Fig. 7h). Zahlreiche Muskelfasern durch- ziehen in verschiedener Richtung die Rektaldriise und heften sich einerseits an der Muscularis des Rectums, anderseits an dem Epithel des Nierensackes an (Fig. 7). Auf Fig. 7 kann man die Beziehungen zwischen Rektaldriise und rechter Niere deutlich wahr- nehmen. Sie ist nur eine Erginzung zu den Figuren, welche PLATE (7, Fig. 20) und PELSENEER (6, Fig. 189—190) gegeben haben. Auf Grund dieser Tatsachen scheint es mir nicht unmég- lich, da& die Rektaldriise eine Rolle bei der Ejakulation der Ge- schlechtsprodukte spielt. Durch eine temporare Aufnahme von Wasser ware die Még- lichkeit gegeben, da die Driise an Volumen zunehmen und eine Pression auf den angrenzenden Nierensack ausiiben wiirde. Da ich keine geschlechtsreifen lebenden Exemplare erhalten habe, war es mir nicht moéglich, diese Meinung durch Beobachtungen zu be- statigen; doch konnte ich nicht umhin, auf die Méglichkeit der erwihnten Funktion hinzuweisen. Die Zirkulationsorgane. Ueber das Zirkulationssystem bleibt mir nur wenig zu sagen brig. Das Herz ist auf erst diinn und zart, so daf es mir erst nach vieler Miihe gelungen ist, die Verhaltnisse desselben festzustellen. Sie stimmen in jeder Hinsicht mit PLates Angaben itiberein. Das Pericardium heftet sich zum ‘Teil an das Coecum an, dessen Vor- handensein PELSENEER (6) nachgewiesen hat. Fouts Angabe, daf der Perianalsinus mit einem Endothel be- kleidet sei, kann ich nicht bestatigen. Die in der Umgebung des Perianalsinus liegenden Organe sind nach aufen von zarten Mem- branen begrenzt, die bindegewebiger Natur sind und sparliche Beitrage zur Anatomie und Histologie von Dentalium. 567 runde Kerne aufweisen. Fibrillen sind oft gut zu verfolgen und sehen Muskelfasern sehr ahnlich. An dieser Stelle sei noch das gelegentliche Vorkommen zahl- reicher Redien in den Blutbahnen erwaihnt. Ich konnte aber nicht bestimmen, zu welcher Distoma-Art sie gehérten. Die Exkretionsorgane. PLATE ist von seiner friiheren Angabe, daf es eine Kom- munikation zwischen der linken und der rechten Niere gebe, zuriick- gekommen. Auch PELSENEER verneinte die Anwesenheit einer Kommunikation. Meine eigenen Beobachtungen fiihren zu dem- selben Ergebnis. An der dorsalen Seite des Magens, ein wenig nach der rechten Seite, wachsen die Geschlechtsdriise und die rechte Niere einander entgegen. Die von mir untersuchten Dentalien befanden sich, wie ich oben schon erwahnte, in einer Periode von geschlechtlicher Ruhe. Niere und Geschlechtsdriise habe ich daher nie miteinander verwachsen angetroffen, wie es PELSENEER (6, Fig. 190) dargestellt hat. Doch war immer deutlich wahrzunehmen, wo die Kommuni- kation stattfinden wiirde; denn an dieser Stelle hért plétzlich das hohe Nierenepithel auf und geht tiber in eine zarte Membran, die hie und da einige ovale Kerne enthalt (Fig. 7 c'h). Eine Eigen- tiimlichkeit dieser Stelle will ich noch wegen ihres konstanten Auftretens erwihnen. Man sieht namlich auf kurze Abstinde von- einander dichte Knaéuel von Zellen (Fig. 7 2), die dem membran- artigen Abschnitt des Nierensackes anliegen. Ueber ihre Natur kann ich weiter nichts sagen; aber man trifft sie zu konstant an, als da8 man ihre Anwesenheit als eine Zufalligkeit ansehen kénnte. Wahrscheinlich spielen sie eine Rolle bei dem Eintreten der Ge- schlechtsreife. Das Nervensystem. Durch die Untersuchungen von PLATE und THIELE sind wir ziemlich genau tiber den Bau des Zentralnervensystems unter- richtet. Ueber den Verlauf der peripherischen Nerven beschrankt sich unsere Kenntnis noch hauptsachlich auf die Angaben LacazE- DuTHIERS’. 568 Maria Boissevain, Er unterschied am Gehirn eine vordere und eine hintere An- schwellung, worin wir seither durch PLATE die Cerebral- resp. Pleuralganglien zu erblicken gelernt haben. Von der vorderen Hirnanschwellung, die wir als die paarigen Cerebralganglien an- sprechen, laf. Lacaze-Duruigers auger den 3 paarigen Konnekti- tiven (Cerebropleural-, Cerebropedal-, Cerebrobuccal- Konnektiv) noch einen unpaaren Mantelnerv, ein Paar Mantelnerven und ein Paar Tentakelnerven entspringen. Den unpaaren Mantelnerv glaube ich auf einen Irrtum Lacaze-DutTuisrs’ zuriickfiihren zu miissen. An der Stelle, wo dieser Nerv nach ihm seinen Ursprung nehmen wiirde, befindet sich ein kleiner Muskel, den er wahrschein- lich unter Lupenvergréferung fiir einen Nerven gehalten hat. Dieser Muskel inseriert sich an der dorsalen Leibeswand, durchzieht die verkiirzte Cerebralkommissur, durchbricht das unter dem Gehirn liegende Muskelblatt, um sich sodann in der Falte des Kiefers auszubreiten (Fig. 3—4 x). Er gehért also dem Kiefer an und wirkt antagonistisch auf die ventralen Muskeln des Kiefers, die sich an dem Radulapolster anheften (Fig. 3q). Rechts und links von diesem Muskel, an der Basis der beiden Tentakelschilder, ver- laufen die paarigen Mantelnerven (Fig. 3—4 b). Etwas mehr nach vorn entspringen die Tentakelnerven (Fig. 3 c'c'). Es gibt deren an jeder Seite zwei. Beide sind kraftig entwickelt und verzweigen sich sofort reichlich. Von den Cerebrobuccalkonnektiven gehen jederseits zwei Nerven zum Riissel. THIELE hat nur ein Paar nachgewiesen. Das zweite Paar nimmt sehr nahe an den Cerebralganglien seinen Ursprung. " Von den vorderen Buccalganglien geht ein Nervenpaar zum Subradularorgan. Die Nerven bilden sogleich ein neues Ganglion (Fig. 40), das also dem vorderen Buccalganglion dicht anliegt. Nach Puats treten diese Nerven nicht von den Ganglien, sondern von der Kommissur ab. Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Von der hinteren Hirnanschwellung oder den paarigen Pleuralganglien laft LacazE-Duruiers aufer den Pleurovisceralkonnektiven noch ein Paar Mantelnerven entspringen. Diese Beobachtung stimmt mit der meinigen; nur muf} das Vorkommen des Pleuropedalkonnektives, das Lacaze-DutTuHiErs noch unbekannt war, dazu erwahnt werden. Simrotus Vermutung, da der Ursprung des hier erwaéhnten Mantelnervs sich auf das Hirn zuriickfiihren lasse, wird also nicht bewahrheitet. Beitrige zur Anatomie und Histologie von Dentalium. 569 Zusammenfassung der Resultate. 1) Der Fuf ist tiber seine ganze Oberfliche mit Wimperepithel bekleidet. Es miinden einzellige Driisen darin aus. 2) An der Basis des Mantels liegen eine Anzahl Pigment- flecken. Wo das der Innenseite zugekehrte Mantelepithel sich nach dem vorderen Mantelrande umbiegt, liegt eine Zone von Sinnes- epithel. 3) Die zweite Driisenzone ist mit Wimperepithel bekleidet; zwischen den Epithelzellen miinden einzellige Driisen nach aufen, die von grofen Bindegewebszellen gestiitzt werden. 4) Das Epithel des Pavillons ist ein einfach kubisches oder plattes. Es kommen drei Arten von einzelligen Driisen vor. Eine Art ist mit der FLemmineschen Schleimdriisenzelle zu identifizieren; die beiden anderen sind epithelartiger Natur. Im Ringwulst liegt eine Zone Sinnesepithel. Die Nerven sind auferst stark verzweigt. Es giebt eine mediane Blutbahn, die mit einem Ringsinus in dem Wulste in Kommunikation steht. 5) Die Darmmuskulatur besteht aus einer diinnen Schicht von Ringfasern. Hier und da treten vereinzelte Muskelbriicken auf, die zum Teil die Darmwand als Muscularis begleiten, zum anderen Teil die Darmschlingen untereinander verbinden. 6) Im Subradularorgan liegt ein Geschmacksbecher. Das Organ sitzt einer napff6rmigen Falte auf, welche zahlreiche driisige Bindegewebszellen enthalt, die auch in der Analgegend nach- gewiesen wurden und deren Sekret sich in dem Pharynx ver- fliissigt. 7) Puates Angaben iiber das Zirkulationssystem wurden bestatigt. Ein Trematode kommt gelegentlich in den Blut- babnen vor. 8) Die Kommunikation zwischen Geschlechtsdriisen und Niere mu8 bei jeder Periode von Geschlechtsreife aufs neue entstehen. In der Gegend, wo die Kommunikation zu stande kommen wird, liegen eigentiimliche Anhaiufungen von Zellen, tiber deren Natur bis jetzt nichts weiter bekannt ist. 9) Von den Cerebralganglien entspringen jederseits : a) das Cerebrobuccalkonnektiv; es giebt zwei Nerven zum Riissel ab; b) das Cerebropedalkonnektiv ; Bd, XXXVIU. N. F. XXXI. 37 570 Maria Boissevain, c) zwei Tentakelnerven; d) ein Mantelnerv; e) das Cerebropleuralkonnektiv ; Von den Pleuralganglien entspringen jederseits: a) das Cerebropleuralkonnektiv ; b) das Pleuropedalkonnektiv ; c) das Pleurovisceralkonnektiv; d) ein Mantelnery. 10) Die Nerven des Subradularorgans stammen direkt aus den vorderen Buccalganglien. Die vorliegende Arbeit wurde im Zoologischen Laboratorium der Universitat zu Ziirich zur Erlangung der Doktorwiirde an- gefertigt. Meinem hochverehrten Promotor, Herrn Professor Dr. A. Lana, der mich in giitigster Weise durch Rat und Belehrung unterstiitzte, bin ich zu tiefstem Dank verpflichtet. Angenehm ist es mir, an dieser Stelle auch Herrn Dr. K. HescHELer, der mir in mikrotechnischer Hinsicht manchen wertvollen Ratschlag erteilte, meinen herzlichen Dank auszusprechen. ‘ Beitrage zur Anatomie und Histologie von Dentalium. 571 Verzeichnis der citierten Litteratur. 1) Furmuine, W., Ueber Bindesubstanz und GefaSwandung im Schwellgewebe der Muscheln. Archiv f. mikr. Anat., Bd. XIII, 1877, p. 818. 2) Fou, H., Sur l’anatomie microscopique du Dentale. Arch. de Zool. expér. et gén., Ser. 2, Tome VII, 1889, p. 91. 3) Hauer, B., Die Organisation der Chitonen der Adria. I. Arb. aus d. zool. Inst. Wien, Bd. IV, 1882. II. ibid. Bd. V, 1884, p. 15. 4) Lacazz-Durtninrs, H., Histoire de lorganisation et du développe- ment du Dentale. Annales d. Se. nat., Zoologie, Tome VI, 1856, p. 225 u. 319; Tome VII, 1857, p. 1 u. 171. 5) Lion, N., Zur Histologie des Dentaliummantels. Jenaische Zeit- schrift, Bd. X XIX, p. 411. 6) Pruseneer, P., Recherches morphologiques et phylogénétiques sur les Mollusques archaiques, Gand 1898, p. 58. 7) Puare, L., Ueber den Bau und die Verwandtschaftsbeziehungen der Solenoconchen. Zool. Jahrb., Bd. V, 1892, p. 301. 8) Rawirz, B., Der Mantelrand der Acephalen. Erster Teil: Ostreacea. Jenaische Zeitschrift, Bd. XXII, 1888, p. 415. — Zweiter Teil: Arcacea, Mytilacea, Unionacea, Jenaische Zeitschrift, Bd. XXIV, 1890, p. 549. — Dritter Teil: Siphoniata. Jenaische Zeitschrift, Bd. XXVIII, 1892, p. 1. 9) Smurotu, H., Scaphopoda. Bronns Kil. u. Ordn. d. Tierreichs, Bd. III, 1892—94, p. 356. 10) Bemerkungen itiber die Morphologie der Scaphopoden. Zeitschr. f. Naturw., Bd. LXVII, 1894, p. 239. 11) TureLn, J.. Ueber Sinnesorgane der Seitenlinie und Nerven- system von Mollusken. Zeitschrift f. wissensch. Zool., Bd. XLIX, 1890, p. 385. 37 * 572 M. Boissevain, Anatomie und Histologie von Dentalium. Figuren-Erklirung. Vatie lee VL, Fig. 1. Langsschnitt durch den Pavillon. D == dorsale Seite, V = ventrale Seite. Fig. 2. Querschnitt durch den Pavilion. Fiir beide Figuren bedeutet: @ Epithel der Innenseite, b Epithel der Aufenseite, c iufere subepitheliale Muskelschicht, d innere subepitheliale Muskelschicht, e birnférmige Driise, f Schleimdriisen- zellen, g Nerv, h Ringfurche, 7 Haftepithel, & mediane Blutbahn, 1 Ringsinus, m Riickenmuskel, » Muskeln des Ringwulstes, 0 keulen- formige Driise, » Sinnesepithelzellen, 7 Mantel, # Driisenrinne. Tafel XVIII. Fig. 3. Querschnitt durch Subradularorgan, Gehirn und Kiefer, Fig. 4. Langsschnitt durch Subradularorgan, Gehirn und Kiefer, a Cerebralganglion, ) Mantelnerv, cc' Tentakelnerven, d Tentakel- schild, e auferes Epithel, f Riissel, g Pleuralganglion, h Kieferfalte. i Kiefer, & driisige Falte am Subradularorgan, / Falte der Pharynxwand vor dem Anfang des Radulablindsackes, m Wanderschleimzelle, nm Sinus perilingualis, 0 Subradularganglion, vorderstes Buccal- ganglion, q ventraler Kiefermuskel, 7 Riisselnerv, s Cerebrobuccal- kommissur, ¢ Radula, « Oesophagus, » Geschmacksbecher, w Sub- radularorgan, y Sinus cerebralis, g Muskelblatt, 2’ Muskulatur des Fufes. Fig. 5. Stiick eines Schlauches der Rektaldriise. @ Vakuole. Patel Se 1 Xe Fig. 6. Liangsschnitt durch die innere Driisenzone des Mantels. a Epithelzelle, b retortenformige Driise, ¢ Bindegewebszelle, d Mantel, e Blutsinus. Fig. 7. Querschnitt durch Rectum und Rektaldriise. @ Rectum, b Rektaldriise, ¢ rechter Nierensack, @ Nierenporus, e hinterer Nery, f Stelle in der Nahe des Anus, g Riickenmuskel, h membranartiger Abschnitt der Niere, 7 Zellkniuel (siehe den Text), & hinterer Ab- schnitt des Oesophagus, / Leberblindschlauch, m Ringmuskulatur des Rectums, m Ausmiindungsstelle der Rektaldriise. Fig. 8. Lingsschnitt durch die Basis des Mantelwulstes. a Sinnesepithelzellen, 6 Muskeln, ¢ hantelférmige Driisen. Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden (Diplectanum aequans WAGENER und Nemathobothrium molae n. sp.). Von Norman Maclaren aus Glasgow. (Aus dem zoologischen Institut der Universitat Jena.) Hierzu Tafel XX—XXII und 6 Figuren im Text. Inhaltstiibersicht. Kinleitung. Diplectanum aequans, Historisches. Kérperform und Lebensweise. Untersuchungsmethode. Kérperwand. Driisen. Haftorgane. Parenchym und dorso-ventrale Muskeln. Verdauungsorgane. Exkretionsapparat. Nervensystem. Sinnesorgane. Genitalapparat. Verwandtschaft und Stellung im System. Nematobothrium molae. Historisches. Kérperform und Lebensweise. Kérperwand. Parenchym. Saugnapf. Verdauungsorgane. Exkretionsorgane. Nervensystem. Genitalapparat. Stellung im System. Einleituneg. Die beiden Tiere, welche ich in dieser Schrift beschreibe, Diplectanum aequans WaGener und Nematobothrium molae n. spec., wurden von mir bei einem Aufenthalt an der zoologischen Station in Neapel im Friibjahr des Jahres 1902 ge- 574 Norman Maclaren, sammelt, als mir dort fiir einige Wochen der Tisch der British Association zur Verfiigung stand. Bei der Kiirze meines Auf- enthaltes und der Sparlichkeit meines Materials konnte ich die Beobachtungen an den lebenden Tieren nicht so weit verfolgen, wie ich wohl gemocht hatte, denn auch Orthagoriscus molae, der Wirt des Nematobothrium, gehért zu den nicht gerade haufigen Fischen der Bucht, und von den 3 Exemplaren, welche wahrend meines Aufenthaltes in die Station gebracht wurden, war nur einer mit Nematobothrium besetzt. Die vorliegende Arbeit wurde im zoologischen Institut der Universitat Jena ausgefiihrt. Herrn Prof. Dr. H. E. Ziq Ler spreche ich meinen besten Dank aus fiir sein Interesse an meinen Studien, nicht allein bei der vorliegenden Arbeit, sondern bei meinem ganzen Aufenthalt in Jena. Diplectanum aequans. Historisches. Obgleich Diplectanum aequans schon seit dem Jahre 1857 bekannt ist, wurde bis jetzt keine genaue morphologische Beschreibung dieses Wurmes verdéffentlicht. Und so oft der Name Diplectanum in der Literatur der Heterocotylea erscheint, findet er sich entweder mit einer mehr oder weniger unrichtigen Diagnose oder selbst ohne Diagnose. Im Jahre 1858 trennte Dresine die Species Dactylogyrus aequans von WAGENER von der Gattung Dactylogyrus ab und vereinigte sie mit der Gattung Tetraonchus in das neue Subgenus Diplectanum, von welchem er folgende Diagnose gab: Plectana duo sessilia vel pedicellata. — Piscium marinorum ectoparasita. — Characteres reliqui ignoti. In dieses Subgenus stellte er die beiden folgenden Arten: 1) Diplectanum aequans. Plectana sessilia. Habitaculum Labrax lupus: ad branchias (WAGENER). 2) Diplectanum pedatum. Plectana pedicellata. Habitaculum Julis sp.: ad branchias (WAGENER). In demselben Jahre (1858) schrieb WAGENER: D. aequans (Branch. Labrax lupus) und pedatus 7 bs (Julis spec. inc.) haben statt einer Schwanzscheibe deren zwei; Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 515 die Innenflache dieser Organe ist mit in konzentrische Kreise ge- legten Stiibchen bekleidet. Die beiden Schwanzscheiben sind durch einen 3-gliedrigen Apparat getrennt, dessen aufere Enden die scheren- artig gegeneinander beweglichen 2 grofen Hakenpaare tragen .... Bei D. aequans und pedatus bildet die Haut am Schwanzende des Leibes Schuppen, wie die Halshaut mancher Distomen.“ Etwas spater (1862) gaben P. J. Van Benepen und Hesse eine genauere Beschreibung von Diplectanum aequans aus demselben Wirt (Labrax lupus) und berichteten noch _ tiber eine neue Art Diplectanum sciaenae von den Kiemen von Sciaena aquila. Ihre Beschreibung lautet folgenderma8en: Diplectanum aequans Dissine. »e corps est long (0,5 mm) trés-mince, fusiforme et atténué a ses deux extrémités. La téte est de grandeur moyenne, portée sur un cou assez long, qui est précédé d’un rostre allongé et rétractile, divisé par une fente trés-profonde qui s’avance jusqu’a la partie frontale. Cette région est de forme ovale et présente de chaque cété deux points oculaires trés-visibles. L’extrémité antérieure du rostre est munie d’un ou de deux crochets, en forme de griffes servant & assurer son adhérence. Le reste du ver, aprés s’étre élargi au milieu, va en diminuant jusqu’a l’extrémité postérieure, ot il s’élargit brusquement pour donner attache de chaque cdté a deux griffes, dont l’antérieure, qui est en méme temps la plus forte, a son point d’attache bifurqué, et l’autre, qui n’a que la moitié de sa grandeur, est appuyée sur une sorte d’armature ou bordure cornée qui entoure Jlorifice d’une ventouse placée dans l’axe du corps. Cette ventouse, creusée dans le parenchyme du corps, est conoide et sa surface interne est garnie de poils roides, courts et tres-gros rela- tivement, rangés symétriquement sur des lignes concentriques et paralléles ..... Le rostre laisse apercevoir en dessous, comme nous l’avons déja dit, deux griffes de grandeur moyenne et deux ventouses latérales dont les bords sont denticulés; on voit enfin Vouverture de l’esophage, qui est plissé et qui peut s’ouvrir ou se contracter 4 la volonté du ver. Au-dessous de l’wsophage parait Vintestin, qui se divise en deux branches Teetes et entre celles- ci paraissent les organes de la génération..... Die oben genannten ,,deux griffes“ kénnen einfach das ver- hartete Sekret der Kopfdriisen gewesen sein, und die Erscheinung von ,deux ventouses latérales‘‘ erklart sich durch den saugnapf- ahnlichen Gebrauch dieser Organe. Eine verbesserte Technik wiirde auch gezeigt haben, daf kein hinterer Saugnapf existiert. Diese Bemerkungen gelten auch fiir ihre Beschreibung von Diplec- tanum sciaenae. »Le corps du Diplectanum sciaenae est long (0,5 mm) plat, fusiforme; la téte est distincte et portée sur un col plus 576 Norman Maclaren, étroit, précédée d’un rostre allongé, arrondi au bout, légérement divisé par une fente médiane. La partie frontale est un peu bombée en dessus, présentant quatre taches oculaires, dont les deux inférieures sont les plus apparentes. Le reste du corps, apres s’étre élargi vers le milieu, se rétrécit jusqu’é sa base, ot il pré- sente une expansion notable, conformée d’une maniére tout autre que dans l’espéce précédente. Cette expansion, élargie comme une trompette, est bordée inférieurement d’une armature assez com- pliquée qui se compose d’une piéce médiane, ovale et acuminée a ses extrémités, et latéralement de deux tiges qui paraissent de nature cornée et qui sont terminées sur le cété par deux griffes crochues, tournées l’une vers l’autre en forme de porte-mousqueton servant probablement de moyen d’amarrer le corps. Au-dessous et de chaque coté de la fente rostrale, on apercoit deux sortes de griffes qui servent également 4 attacher le ver a sa proie. Un peu en dessous sont les deux ventouses orales. Enfin, au bas de l’appareil terminal que nous avons décrit, on apercoit, par transparence, un appareil cupuliforme composé de tiges trés-gréles qui semblent couvertes de nodosités dont nous ne pouvons, pas plus que de Yensemble, expliquer Vutilité.“ Im Jahre 1878 verdéffentlichte C. Voar eine Beschreibung der Genitalorgane von Diplectanum aequans, welche leider ganz ungenau ist. Er beschrieb eine Oeffnung gleich hinter dem Pharynx als ,,die Kloakenéffnung“, welcher Fehler natiirlich zu einem kom- plizierten Mifverstandnis fihrt. Seine ,,Kloakenéffnung“ kann nichts weiter sein als die Uebergangsstelle des Pharynx in den Oeso- phagus (p. 586). Im Jahre 1889 beschrieben Parona und PERuGIA noch zwei Arten, Diplectanum aculeatum und D. echeneis. Das betreffende Journal, in welchem die Beschreibungen verd6ffentlicht sind, ist nicht leicht zu erhalten, daher will ich die Diagnosen wiederholen. Diplectanum aculeatum n. sp. ,,Corpo allungato, pit stretto all’ avanti. Margine cefalico interno. Due paia di macchie oculari, le anteriori delle quali pit piccole. Bocca posta dietro le macchie oculari, perfettamente rotonda. Aper- tura genitale a mezzo circa della lunghezza totale del corpo, ed armata da una corona di uncini. Porzione posteriore del corpo e membrana delle ventose caudali sparse da piccoli aculei, numero- sissimi. Le ventose aborali sono due molto ampie e l’una all’ altra opposta: sono inoltre sostenute da coste chitinose, seriate ad archi ed a pezzi articolatii Membrana, circondante le ventose, ampia, a margine interrotto e portante piccoli uncini salienti e ricurvi. L’ armatura @ formata da pezzi (4) disposti trasversalmente all’ asse Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 577 longitudinale del corpo, i quali portano alle loro estremita quattro uncini. I] paio interno é differente in dimensione e nella forma dell’ esterno. Lungh. 1 mm. Hab.: Branchie della Corvina nigra; Genova. Diplectanum echeneis?. Corpo allungato, assottigliato all’ avanti ed all’ indietro, ore perd si allarga nucvamente in una grande appendice membranosa. Due paia di macchie oculari; papille marginali; bocca ovale. Ventose caudali ovali, opposte, sostenute da lamine chitinose disposte in modo da ricordare il pecculiare apparato del pesce remora. L’ espansione membranosa porta nel suo mezzo le predette ventose ed ha margine con spicule salienti. Armatura caudale lunga, formata da pezzi trasversali che sostengono, al loro termine, due uncini sottile. Lungh. !/,—1 mm. Hab.: Branchie degli Sparoidi (Sargus Rondeletii); Genova. NB. Questa specie si potrebbe riferire al Dactylogyrus echeneis raccolto sulla Chrysophrys aurata da G. WaGENER, ma ci riserviamo di risolvere il nostro dubbio con nuovo materiale nel prossimo nostro lavoro pit esteso.“ Im Jahre 1898 verdffentlicht SrossicH eine kurze Diagnose von Diplectanum aequans und D. echeneis, aber ohne Figuren oder anatomische Beschreibung. Seine D. echeneis ist vermutlich synonym mit dem D. echeneis von Parona und PeruetiA. Ich lasse dieselbe hier folgen. Diplectanum aequans WAGENER. (Dactylogyrus.) »Lunghezza 1—4 mm. Corpo allungato, sottile, fusiforme, assottigliato molto alla parte anteriore. La cloaca genitale di forma triangolare é situata sotto la faringe. Vitellogeni sviluppatissimi estesi in tutto il corpo, tasca del pene quasi sferica, a pareti molto grosse; pene constituito da © due filamenti cornei di colore giallo e situati parallelamente all’ utero. Nell’ animale si sviluppa un solo uovo alla volta, di forma allungata. posteriormente arrotondato e anteriormente prolungato in un lungo filamento. Comune sulle branchie del Labrax lupus (Trieste). Diplectanum echeneis WaGEmNER. (Dactylogyrus.) Lunghezza '/,—1 mm. Corpo allungato, ristretto alle due estremita con papille mar- 578 Norman Maclaren, ginali e bocca ovale; disco ventrale in forma di grande espansione membranacea, nel mezzo della quale vi sono le ventose ovali opposte e sostenute da lame chitinose, mentre il margine del disco é for- nito di aculei salienti. Sulle branchie della Chrysophrys au- rata (Trieste).“ Kérperform und Lebensweise. Der kleine, 0.5—1,5 mm lange Wurm (Taf. XX, Fig. 1) hat die Gestalt einer Speerspitze, wobei das Hinterende des Wurmes dem spitzen Ende entspricht. Dorsoventral ist der Kérper ab- geflacht. Der Kopf tragt keine Tentakeln, aber seine seitlichen Ecken sind sehr beweglich, wie am Kopf von Caryophyllaeus, und besitzen Gruben, in welchen die Ausfiihrungsginge von Kopf- driisen sich 6ffmen. Der Mund befindet sich an der ventralen Oberfliche in kurzem Abstand von dem vorderen Rande. Etwas vor dem Munde liegen an der dorsalen Oberfliche die 4 Augen. Das Tier hat seine gréfte Breite auf ein Viertel der Lange, vom Vorderende her gerechnet, und verschmalert sich allmahlich gegen das Hinterende, wo es eine pfannenadhnliche Verbreiterung bildet, an welcher 4 grofe Haken, 2 auf jeder Seite, angebracht sind. Die Oberflache des Schwanzendes ist oben und unten besetzt mit je einer schildformigen Platte, welche zahlreiche, sehr kleine Dornen tragt. Alle meine Exemplare sind auf den Kiemen von Labrax lupus gefunden, nur 2—4 waren auf jedem Fisch, und nur ein Drittel der Zahl der untersuchten Fische war mit diesen Parasiten behaftet. Die Tiere waren nicht leicht zu finden, da sie nahezu dieselbe Farbe haben wie die Kiemen und zwischen den Kiemen- plattchen sitzen, sich seitlich an denselben sehr fest anheftend, mit ihren grofen Haken und mit ihren 2 Platten in dieselben ein- gesenkt und nur manchmal ihren Kopfteil hervorstreckend. Auch sind sie nicht leicht abzulésen, da sie, wenn sie gereizt werden, sich noch mehr befestigen, indem sie sich mittelst des Sekretes der im Kopf und Schwanz gelegenen Kittdriisen ankleben. Nach der Entfernung von der Kieme leben sie gewéhnlich nicht mehr lange, héchstens 2—3 Tage in gewohnlichem fliefenden Seewasser. Wenn die Wiirmer von ihren Wohnplatzen weggenommen sind und in Ruhe in einem Uhrglas liegen, biegen sie oft die Rander des Kopfes ventralwirts gegeneinander, was den Namen Diplec- tanum erklart. Beitrige zur Kenntnis einiger Trematoden. 579 Untersuchungsmethode. Infolge der Undurchsichtigkeit der Gewebe und der im ganzen Kdorper verstreuten Dotterfollikel kann man am lebenden Tier nicht viel von der Anatomie erkennen. Zur Fixierung wurde heiSe (meist kochende) Sublimatlésung oder heife Pikrinschwefel- siure mit gutem Erfolg benutzt. Sublimat erhalt die histologischen Verhiltnisse besser, aber heife Pikrinschwefelsiure tétet die Tiere meist in vollkommen ausgestrecktem Zustande und ist daher vor- zuziehen fiir Totalpraparate. Sublimatlésung mit 3 Proz. Salpeter- siure ist auch brauchbar, aber das Essigsiure-Sublimatgemisch gab keine guten Resultate. Die zu Totalpraiparaten bestimmten Exem- plare kann man geprefSt zwischen Deckglischen erhirten, dann farben mit Boraxkarmin und entfarben mit angesaiuertem Alkohol. Die Schnitte wurden auf dem Objekttrager gefirbt mit ver- schiedenen Farbemitteln, von welchen Haimatoxylin nach DELAFIELD mit Orange G die besten Resultate gab. Die Figg. 2 und 3 der Taf. XX sind rekonstruiert aus den Schnittserien durch Aufeinanderlegen von Zeichnungen auf Paus- papier, welche mit der Camera lucida gemacht waren. Bei Fig. 2 wurde die Lage der Organe nach einem Totalpriparat eingetragen und die Hinzelheiten nach Rekonstruktion ergiinzt. Kérperwand. (Fig. 7, 10, Taf. XX.) Die sehr bewegliche Kérperwand ist an der Ventralseite be- trachtlich dicker als an der Dorsalseite, aber iiberall ziemlich diinn und infolge der Kleinheit der Schichten schwer zu untersuchen. 6 Schichten lassen sich in ihr erkennen: Cuticula, Basalmembran, Ringmuskeln, aufere Lingsmuskeln, schief verlaufende Muskeln und innere Langsmuskeln. Alle diese Lagen sind nur an der Ventralseite der Kérpers mit befriedigender Deutlichkeit zu sehen, am besten an tangentialen Schnitten durch die ventrale Kérperwand. Unter Cuticula ist hier diejenige Lage verstanden, welche nach aufen auf die Basalmembran folgt. Manche Forscher (z. B. Goro) unterscheiden bei verwandten Wiirmern 2 Schichten, eine dufere als Cuticula und eine innere als Subcuticula. Aber diese Unterscheidung ist im vorliegenden Fall in keiner Weise gerechtfertigt. Soweit man die Entwickelung der Cuticula bei manchen Malacocotylea kennt, hat man keinen Grund, 2 Schichten im obigen Sinne als Cuticula und Subcuticula zu unterscheiden, und dasselbe diirfte fiir die hier vorliegenden Heterocotylea gelten. 580 Norman Maclaren, Augen ist die Cuticula mit vielen kleinen Zapfchen besetzt, welche am besten an Fig. 7 zu sehen sind, wo die Haut gespannt ist. Diese sind vielleicht Tastorgane, ahnlich den Tastorganen, welche bei vielen anderen Trematoden beschrieben sind. Aber ich konnte nirgends Nervenstringe herantreten sehen, wie sie Montice.ui und Andere bei Tristomum und anderen Trema- toden beobachtet haben. Die Cuticula zeigt die feinkérnige Struktur und farbt sich starker an ihrem auferen Rande als in der Nahe der Basalmembran. Weder Kerne noch Poren sind in der- selben zu beobachten. Die Basalmembran ist eine Schicht von unmefbarer Feinheit, welche die Cuticula von dem Ektoparenchyn scheidet, in welches die Ringmuskeln eingebettet sind. Die Ringmuskeln sind auSerordentlich schwach entwickelt, auf einem Liingsschnitt erscheinen sie nur als eine Reihe von dunklen Punkten in regelmaBigen Abstainden unter der Basalmembran an- geordnet, aber bei Tangentialschnitten sind die Fasern leicht zu sehen. Die aufere Lingsmuskelschicht enthalt 2 oder 3 Fasern in der Dicke und liegt in betrachtlichem Abstand von der Ring- muskellage. An dieselbe schlieSt sich unmittelbar nach innen hin die diinne Lage der schragen Muskeln an, welche, auch nur schwach entwickelt, unter der Dorsalseite kaum sichtbar ist. Nach innen von derselben liegt die innere Langsmuskellage, bestehend aus mehreren Faserlagen und so dick wie alle anderen Muskellagen zusammen- genommen. Die innere und die déufere Langsmuskelschicht, sowie die schragen Muskeln sind nicht nur an der Ventralseite stairker als an der Dorsalseite, sondern verdicken sich auch auf beiden Seiten gegen das Hinterende hin, wo sie manchmal auch an Total- praiparaten ganz deutlich zu sehen sind. Hautdriisen. (Taf. XX, Fig. 8,9; Taf. XXI, Fig. 13, 16.) Nur am Kopf und am Hinterende sind Hautdriisen vorhanden. Hier aber sind sie sehr grof und auffallend entwickelt. Am Kopf findet man jederseits eine grofe Gruppe von Drisen, welche sich bis in die Gegend des Oesophagus in die Tiefe er- strecken und durch zahlreiche Poren am vorderen und seitlichen Rande des Kopfes miinden. Jede einzelne Driisenzelle ist birn- formig, enthalt gewéhnlich einen, manchmal mehrere Kerne. Die Driisenzellen liegen in unregelmafigen Gruppen und Ziigen, sie Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 581 vereinigen sich mit ihren Ausfiihrungsgingen zu mehreren Kanal- chen auf jeder Seite des Kopfes, deren langster 0,27 mm lang werden kann. — Aber die Anordnung und GréfSe der Driisen ist bei den Exemplaren sehr verschieden und variiert manchmal auch an den beiden Seiten des Kopfes eines Exemplares (Textfig. A). Die birnférmige Gestalt der Driisenzellen ist auch nicht konstant, manchmal sind mehrere Zellen ver- einigt und umschliefen eine unregelmabige Drii- senhéhle. Die Haupt- kanile sind weit und bilden gewissermahen Be- halter fiir das Sekret, welches sich in ihnen an- hauft, die auferen Miin- dungen sind eng und lie- gen in einer tiefen, deut- lich ausgeprigten Grube i Fig. A. Diplectanum aequans. zwischen der dorsalen und Kopfende nach einem Totalpriparat ge- ventralen Oberfiiche. zeichnet. Schema des Gehirns (g), durch araiiN Sek Schnitte kontrolliert. kdr Kopfdriisen, wel Arten von Sekret m aiuBere Kontur des Mundes. werden von diesen Driisen abgesondert, 1) eine einfache grobkérnige, klebrige Kittsubstanz, welche wahrscheinlich nur dazu dient, das Tier anzuheften, 2) ein geformtes Sekret, welches, soviel ich erkennen konnte, durch die- selben Zellen gebildet ist und aus kleinen Staibchen besteht (Rhab- diten). Fig. 8 zeigt ein Biindel dieser Stabchen in ihrer natiir- lichen Lage in einem Ausfiihrungsgang. Diese Stabchen sind auf Langsschnitten besser zu sehen als auf Querschnitten, wo sie nur durch etwas stirkere Farbung von den Kornchen der Kittsubstanz zu unterscheiden sind. Die Staibchen selbst zeigen eine zentrale Achse aus kérniger Substanz, welche von einer klaren Hiillschicht eingeschlossen ist. Auf Fig. 8 erscheinen sie ziemlich geradegestreckt, aber sie sind gewohnlich gekriimmt und in Schleifen gebogen. Sie entsprechen offenbar den Rhammiten von Grarr. Dieser Forscher hat 3 Arten von Rhabditen unterschieden (Monographie der Turbellarien, I. Tricladida Terricola, p. 55) als Rhabditen (im engeren Sinne), Rhammiten und Chondrocysten. Von den 582 Norman Maclaren, Rhammiten sagt er: ,Die Rhammiten sind durch ihre, die Héhe der Epithelzellen oft nur mehr als das Doppelte iibertreffende Linge und in ganzer Lange gleich bleibende geringe Breite, sowie feine Zuspitzung an ihren Enden ausgezeichnet. Je linger sie sind, desto auffallender ist die Art, wie sie innerhalb des Epithels Platz finden: geschlingelt, in Schleifen gelegt, spiralig eingerollt, hufeisenformig oder sonst wie verkiimmt (Taf. XXXIX, Fig. 7 und 8). Auch hier ist fiir die kraftigeren (dickeren) Formen die Scheidung in eine kérnige Marksubstanz und eine homogene Aufenschicht nachzuweisen ... .“ Die Rhammiten in den Subepithelialzellen in seinen Figg. 7 und 8 (von Bipalium ephippium) scheinen auffallend ahnlich mit denen von Diplectanum zu sein. Soviel ich weif, ist solch ein geformtes Sekret fiir keinen anderen erwachsenen Trema- toden beschrieben, obgleich eine ahnliche Erscheinung langst be- kannt ist bei gewissen Temnocephala, was WAcKE neulich (1902) genauer beschrieben hat. Er schreibt: ,In der Hoéhe des Pharynx und auch noch etwas tiefer beobachtete ich bei T. novae- zelandiae an beiden Seiten je 2 grofe, vielzellige schokolade- braun gefarbte Driisen, mit zahlreichen grofen, blau tingierten Kernen, welche ein stibchenartiges, Kommabazillen vergleichbares Sekret liefern, .. .“ Wenn wir das weitverbreitete Vorkommen der Rhabditen- bildungen irgendwelcher Form bei den Turbellarien in Betracht ziehen, so ist es klar, daf ihrem Vorkommen bei Diplectanum und Temnocephala auch eine phylogenetische Bedeutung zukommt. Schwanzdriisen. Die Schwanzdriisen liegen am Hinterende zwischen den beiden bezahnten Platten. Gewdéhnlich sind 2 Paare von Driisen vorhanden, eines hinter dem anderen gelegen, aber diese Zahl kann schwanken. Fig. 9, welche nach einem mit schwachem Alkohol macerierten Exemplar gezeichnet ist, gibt ihre Lage sehr gut an, die einzelnen Driisenzellen sind betrachtlich gréBer als bei den Kopfdriisen und besitzen gewéhnlich 2 oder mehr getrennte Kerne. Bei Fig. 9 sind die Kerne verlagert in- folge des Macerationsprozesses. Auf Schnitten findet man die Kerne nahe an der Zellwand, wahrend die Mitte der Zelle von dem kernigen Sekret erfiillt ist. Jede Driise 6ffnet sich nach hinten durch einen besonderen Gang, welcher unter den Schleifen der groBen Chitinspange miindet. Rhabditen fehlen offenbar bei diesen Driisen, deren Sekret grobkérnig und wahrscheinlich von gleicher Art wie die Kittsubstanz der Kopfdriisen ist. Wenn der Wurm Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 583 lebend in ein Uhrglas gebracht wird, entleert er eine Menge des Sekretes, offenbar in dem Bestreben, sich am Boden anzuheften. Wahrend diese grofen Schwanzdriisen eine Besonderheit von Diplectanum sind, kommen Kopfdriisen bei vielen Hetero - cotylea und einigen Malacocotylea vor. Gewdéhnlich sind sie als einfache Becherzellen vorhanden, aber bei allen Gyro- dactylidae sind sie grof und verzweigt wie bei Diplectanum, allerdings bei Amphibdella betrachtlich kleiner. Die beiden nahestehenden Formen Fridericianella (BrANpEs) und Di- onchus (GoTo) sind auch bemerkenswert durch die gro’e Ent- wickelung der Driisenzellen. Aufer den Kopfdriisen hat Frideri- cianella zahlreiche Driisen auf ihren ,Seitenwiilsten“ (BRANDES). Von Dionchus Agassizi schreibt Goro: ,In connection with the suckar there are numerous glands in the posterior part of the body .... Along the antero-lateral borders of the body there are openings of numerous mucous glands... . The cell-bodies lie at some distance from the external margin of the body .... The ducts are very long and open on the ventral side of the:body close to the margin.“ Die Kopfdriisen von Temnocephala novae-zelandiae scheinen ahnlich denjenigen von Diplectanum zu sein, sowohl hin- sichtlich des Rhabditensekretes als auch hinsichtlich der grofen Ausdehnung. Wacker schreibt: ,,Die Ausfiihrginge dieser eigen- tiimlichen Driisen erreichen eine ganz betrachtliche Linge, da sie nach den Tentakeln fiihren, woselbst sie lateral und ventral aus- miinden.“ Den einzigen Fall von einer solchen Ausdehnung der Kopf- driisen unter den Malacocotylea bildet meines Wissens Mono- stomum lacteum JAGERSK. Haftorgane. (Taf. XX, Fig. 6, 9, 12; Taf. XXI, Fig. 13.) AufSfer den Kopf- und Schwanzdriisen, welche, wie gesagt, auch zur Anheftung dienen, kommen, wie bei anderen Gyro- dactyliden, Haken am hinteren Ende vor, und ist der Haken- apparat bei Diplectanum besonders gut ausgebildet. Die schon erwahnten, mit Dornen besetzten Platten sind verhirtete, schildartige Teile der Cuticula an der ventralen und dorsalen Oberfliche des flachen Schwanzendes. Auf ihnen sind sehr zahlreiche kleine Dornen in regelmafigen Reihen angeordnet. Die Gestalt der Platten ist aus Textfig. B zu ersehen, dieselben sind gewdéhnlich 584 Norman Maclaren, etwas breiter als lang, gréfte Breite 0,15 mm, Linge 0,13 mm. Die Platten kénnen leicht abgerissen werden, wenn der Wurm ge- waltsam von seinem Ruheplatz entfernt wird. — Um sie voll- stindig zu erkennen, ist es daher notwendig, das Tier in seiner natiirlichen Lage zu téten und Schnitte zu machen. — Fig. 13 stellt ein solches Schnittbild dar. Jeder Dorn ist haken- formig und hat eine einfache ungeteilte Wurzel, welche ungefaihr ebenso lang ist wie der freie Teil des Dornes, ganz ahnlich wie bei den Fig. B. Schema Haken der Acanthocephala. Bei Fig. 13 anes ermitDornen sind die meisten Dornen an der Platte nur esetzten Platten. : ; : I durch die Spitze ihrer Wurzeln befestigt, indem sie zum Teil losgerissen wurden bei den Bewegungen des Tieres, als es getétet wurde. Vier groSe Haken findet man, zwei auf jeder Seite der mitt- leren Dornenplatten, mit umgebogenen Spitzen. Sie sind an ihrer Basis verbunden durch einen einfachen, dicken Chitinstab, welcher in der Mitte ein Gelenk hat und an den Enden schlingen- formig umgebogen ist und so die Basis der beiden Haken faft, wie Fig. 9 zeigt. Diese Haken (Fig. 6) messen 0,06 mm in der Linge (ohne die umgebogene Spitze). Sie kénnen sich bewegen innerhalb der Schleifen der Chitinspange, so dafi die Haken manch- mal nach der Ventralseite, manchmal nach der Dorsalseite ge- richtet sind, wobei die gabelige Wurzel immer innerhalb der Chitinschleife bleibt. Die Chitinspange (Fig. 12) hat eine Lange von 0,22 mm, das schlingenférmige Ende mift 0,7 mm. Sie ist dorso-ventral abgeflacht. — In Totalpraparaten hat es manchmal den Anschein, wie weun sie doppelt ware. Ein sehr kleiner Hohl- raum befindet sich in ihrem Innern (Fig. 13) mit einem schwarz gefirbten, kérnigen Inhalt, welcher vielleicht ein Rest der Zelle ist, die die Spange erzeugte. Parenchym und dorso-ventrale Muskeln. (Taf. XXI, Fig. 13, 16, 20.) Von dem Parenchym von Diplectanum kann ich nur sehr wenig sagen. Infolge der grofen Entwickelung der Driisen des Dotterstockes und anderer Organe ist es nirgends in erheblicher Masse entwickelt. Es ist ein lockeres, schwammiges Gewebe, welches die Hohlraume zwischen den Organen erfiillt, sehr un- Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 585 aihnlich dem festen faserigen Parenchym von Tristomum molae. — Aber es ist bekannt, daf das Parenchym unter den Trema- toden in sehr verschiedenartiger Weise entwickelt ist. Eine Scheidung von Ekto- und Endoparenchym ist kaum méglich, au8er vielleicht im Kopf, wo die auSere Lage etwas fester ist. Kerne konnte ich im Parenchym nicht erkennen, mit Ausnahme einiger weniger Kerne unter den Lingsmuskelschichten und in der Kopf- region. — Beim ersten Anblick kénnen sehr junge Dotterzellen irrtiimlicherweise fiir Kerne des Parenchyms gehalten werden. In der Nahe der Schwanzdriisen liegen einige wenige grofe Kerne, welche ein lockeres, wenig Chromatin enthaltendes Kerngeriist zeigen. Diese Kerne unterscheiden sich durch ihre Gré8e und ihr Aussehen sehr deutlich von den tibrigen Parenchymkernen, welche kleiner sind und einen héheren Gehalt an Chromatin zeigen, das in der Mitte des Kernes oder auf einer Seite angehauft ist; was die Bedeutung jener grofen Kerne ist, ist mir nicht bekannt (vergl. Fig. 13). Ueberall ist das Parenchym durchsetzt von dorso-ventralen Muskelfasern, welche sich manchmal an ihren Enden verzweigen und bisweilen deutlich réhrenférmig erscheinen. Vielleicht sind alle rohrenfoérmig, mit einem nur sehr kleinen Protoplasmastreifen in ihrer Mitte, aber infolge der geringen Grose konnte ich mich nicht immer davon tiberzeugen. Zwei Gruppen von Muskeln sind besonders bemerkenswert infolge ihrer Beziehungen zum Geschlechts- apparat. Sie sind angeheftet an der dorsalen und ventralen K6rper- wand, hauptsichlich in der Mittellinie, biegen sich aber nach den Seiten aus, so daB sie den Penis, Vas deferens, prostatischen Apparat und Uterus nach Art einer Muskelscheide einschliefen, welche offenbar die Muskeln dieser Organe in ihrer Wirkung unterstiitzt. Fig. 20 zeigt diese Muskeln und die Eindriicke, welche sie bei ihrer Wirkung an der ventralen und dorsalen Oberflaiche hervorbringen. Verdauungsapparat. (Taf. XX, Fig. 4, 5, 11; Taf. XXI, Fig. 20.) Der Verdauungsapparat besteht aus dem Mund, dem Pharynx, dem Oesophagus und dem Darm. Fig. 4 zeigt einen Schnitt durch den Mund und den Pharynx. Bei Totalpriparaten sieht man die Kontur des Mundes etwas unter und etwas vor der- jenigen des Pharynx. Die aufere Oeffnung des Mundes ist ein langlicher Schlitz, sehr verdnderlich beim lebenden Tier, in- Bd, XXXVIII. N. F, XXXL 38 586 Norman Maclaren, dem zahlreiche fingerartige Tentakel vorgestreckt werden kénnen, welche an seinem oberen und unteren Rande befestigt sind. Fig. 5 zeigt das Aussehen des Mundes von der Unterseite; beim lebenden Tier sind diese Tentakel fortwihrend in Bewegung und kénnen sich betrichtlich verlangern. Solche Tentakel sind haufig unter den Heterocotylea und kommen auch bei der parasitischen Nemertine Malacobdella vor. In dem Pharynx sind keine Tentakel vorhanden; zahlreiche einzellige Driisen mit in die Héhlung sich 6ffnenden Ausfiibrungs- gingen liegen zwischen den radiaéren Muskeln. Mund und Pharynx sind umschlossen durch eine diinne Lage von Ringmuskeln, welche auf tangentialen Schnitten am besten zu sehen sind (Fig. 11). Starke radiire Muskeln befinden sich innerhalb der Ringmuskel- lage des Pharynx, wahrend die entsprechenden Muskeln des Mundes biindelartig in die einzelnen Tentakel hineinlaufen (Fig. 4). An den Radialmuskeln, besonders an der Basis der Tentakel, liegen einige wenige grofe Zellen von dem eigentiimlichen Aus- sehen der sogenannten ,,Myoblasten“. Der Oesophagus (Fig. 4) ist eine kurze, enge Réhre, welche im oberen und hinteren Teile des Pharynx abgeht und sich fast unmittelbar in die zwei Aeste des Darmes gabelt. Die letzteren sind unverzweigt und laufen bis nahe an das Schwanzende, wo sie endigen, ohne sich zu vereinigen. Auf Querschnitten hatte der Darm bei allen untersuchten Exemplaren ein mehr oder weniger viereckiges Aussehen, niemals rund wie bei den meisten anderen Trematoden. Der feinere Bau des Darmes ist schwer zu er- kennen. An der Wand kénnen manchmal kleine Kerne bemerkt werden, von wenigem Plasma umgeben. Offenbar ist keine regel- mifige Lage des Epithels vorhanden. Anders beiGyrodactylus, von welchem KATHARINER (1895) schrieb: ,Die einzelnen Zellen enthalten an der Basis einen kleinen Kern und in ihrem Proto- plasma feine K6érnchen.“ Am Darm sind keine Muskeln zu finden, wie dies auch bei Gyrodactylus der Fall ist. — Der Oesophagus hat denselben Bau wie der Darm, aber erscheint im Querschnitt oval; Driisen- zellen konnte ich an ihm nicht finden. — Der Darm war ge- wohnlich gefillt mit einer grobkérnigen, in Verdauung begriffenen Masse, deren Bestandteile nicht genau zu erkennen waren. Ge- wohnlich waren auch zahlreiche Dotterkérnchen darin vorhanden. In einigen Exemplaren bildeten diese allein den Inhalt des Darmes. Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 587 Von der Herkunft dieser Dotterkérnchen wird spater bei dem weiblichen Geschlechtsapparat gesprochen werden. Exkretionsapparat. (Textfig. C.) Den ganzen Verlauf der Exkretionskanale habe ich leider nicht vollstindig feststellen und die Miindungen nicht finden kénnen. Es verlauft ein Kanal an jeder Seite des Pharynx nach vorn gegen die Kopfspitze. Beide Kanile treten hier unter Bil- dung zahlreicher Schlingen zusammen, so wie VoatT dies abge- bildet hat. So viel kann man am lebenden Tier sehen und auf Schnitten bestatigen, aber mehr konnte ich nicht erkennen. Beim lebenden Tier ist der Verlauf des Gefaifes weiter hinten verdeckt durch die grofe Entwickelung der Dotterstécke, und auf Schnitten laft sich die diinne, strukturlose Wand des Kanals nicht mit Sicherheit verfolgen. Wahrscheinlich 6ffnen sich die Kanile am Schwanz- ende wie bei dem verwandten Wurm Amphibdella torpe- dinis CHar. nach Parona und Perugia. Aber bei Gyro- dactylus 6ffnen sie sich an beiden Seiten des Pharynx (KaTHA- RINER U. 4.). Schnitte durch das Schwanzende sind gewoéhnlich zerrissen infolge der bedornten Platten, und daher konnte eine solche kleine Oeffnung leicht der Beobachtung entgehen. Nervensystem. (Taf. XXI, Fig. 16; Textfig. A, C.) Das Gehirn ist ein verhaltnismafig grofer ovaler Kérper, welcher tiber dem Mund und unmittelbar vor dem Pharynx liegt. Er ist nicht zu erkennen am lebenden Tier, aber bei Totalpra- paraten machen die grofen chromatophilen Nervenzellen seinen UmrifS einigermafen sichtbar. Textfig. A zeigt die Gestalt des Gehirnes, rekonstruiert aus einer vollstindigen Schnittserie. Auf einem Querschnitt (Fig. 16) sieht man die charakteristische Punkt- substanz und quergetroffene Fibrillen. Aber nur wenige Ganglien- zellen sind in die Punktsubstanz eingebettet, waihrend im Umkreis derselben zahlreiche Ganglienzellen in mehr oder weniger regel- mafiger Lage angeordnet sind. Diese Ganglienzellen haben eine langliche Gestalt, sind radiaér im Umkreis des Gehirnes gestellt und farben sich mit Haimatoxylin dunkel, gerade wie diejenigen Ganglienzellen, welche im Innern des Gehirnes liegen. Gewohnlich 38 * 588 Norman Maclaren, gehen von jeder Zelle 2 Fortsaitze aus, welche sogleich in der Punktsubstanz verschwinden. Den Verlauf der peripheren Nerven konnte ich nicht véllig klarlegen. Zwei Paare von Nerven gehen vom vorderen Ende des Gehirnes aus, ein dorsales und ein ventrales Paar. Das ventrale Paar ist das dickere, laiuft ventralwarts und lateralwarts und verzweigt sich sehr stark. Das dorsale Paar kommt iiber Fig. C1—5. Diplectanum aequans. Querschnitte durch das vordere Kopfende (aus der Serie ausgewiihlte Schnitte). ec Windung der exkretorischen Kanidle, m Ausmindung der Kopfdriisen, v.a vorderes Augenpaar, h.a hinteres Augenpaar, » Wand des Pharynx, g Gehirn, np zu dem Pharynx verlaufende Nerven, /n grofe seitliche Nervenstriinge, ‘dr Kopfdriisen (schwarz dargestellt). dem anderen hervor und wendet sich sofort aufwarts zur dorsalen Oberflaiche. Zwei shnliche Nervenpaare gehen vom hinteren Ende des Gehirnes aus, aber das ventrale Paar derselben ist das kleinere und geht wahrscheinlich nur zum Mund und Pharynx. Das dor- sale Paar ist dicker und lat sich nur eine kurze Strecke weit verfolgen (vergl. Textfig. C). Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 589 Sinnesorgane. Augen. Die 4 Augen liegen im Parenchym eingebettet, oberhalb des Gehirns, ein Paar am vorderen, die anderen am hinteren Ende (Textfig. A, C). An verschiedenen Exemplaren weicht die Stellung der Augen etwas ab, aber gewoéhnlich ist das vordere Paar mit den konvexen Enden des Pigmentbechers nach vorn und etwas nach innen gerichtet, wiaihrend bei dem hinteren Paar — welches auch etwas groéfer ist — die Pigment- becher riickwirts und etwas nach auswarts gestellt sind; aber diese Ordnung kann auch vollstandig umgekehrt sein. Bei einem lebenden, zwischen Deckglaischen gepreften Tier wechselt die Stellung der Augen von Zeit zu Zeit, aber dieser Wechsel ist wahrscheinlich nur durch den Druck des Glases und die ganzen Bewegungen des Tieres verursacht; denn Muskelfasern haben keine direkte Verbindung mit den Augen, doch es mag sein, daf ihre Stellung durch die Muskeln der dorsalen K6rperwand reguliert werden kann. Der histologische Bau der Augen ist sehr einfach und ahnlich demjenigen von Tristomum molae. Ich kann nichts Besseres tun, als Hesses (1897) Beschreibung dariiber zitieren. »Die Augen von Tristomum molae setzen sich, wie die aller bisher betrachteten Plathelminthen, aus einem wahrnehmenden Teile und einem Hilfsapparat zusammen. Letzterer besteht lediglich aus dem sehr flachen Pigmentbecher. Dieser scheint auch hier zelliger Matanza Sem’... Der wahrnehmende Apparat besteht aus einer Zelle. Diese hat eine langliche Gestalt und liegt mit ihrer Lingserstreckung in der Richtung der Becherachse; ihr dem Becher zugekehrtes Ende reicht dicht an dessen Innenwand heran. Auf der entgegengesetzten Seite zieht sich die Zelle in einen Nervenfortsatz aus; dieser verlauft bei dem vorderen Auge schrig nach hinten und unten, bei dem hinteren biegt er ziemlich scharf um und zieht, mit jenem vereinigt, zu dem Gehirn, in dessen Punktsubstanz sie beide eindringen..... An der Stelle, wo die Zelle dem Pigment- becher anliegt, zeigt ihr Rand einen schmalen dunklen Saum, der deutlich gegen das hellere Zellplasma sich abhebt. Bei der Unter- suchung mit homogener Immersion erkennt man nun, daf dieser Saum eine feine Streifung zeigt, die hier wie bei den Planarien auf eine Zusammensetzung aus kleinen Stiftchen zuriickzuftihren ist.“ Bei Diplectanum aber konnte ich diese zum Gehirn gehenden Fasern der Sehzellen nicht finden, auch waren keine »kleinen Stiftchen“ erkennbar, vielleicht wegen der Kleinheit des Objektes. Denn an Praparaten der Augen von Tristomum 590 Norman Maclaren, molae habe ich dieselben Erscheinungen, wie sie HEssE be- schreibt, wahrgenommen. Die Frage, von welchem Nutzen solche relativ gut entwickelte Augen bei einem in der Kiemenhohle eines Fisches lebenden Wurm sind, ist schwer zu beantworten. Hesse kam zu der Ansicht (nach Untersuchungen an lebenden Tieren), daf die Augen bei den Turbellaria tricladida nicht die Funktion der Augen im engeren Sinne haben. ,,Vielmehr glaube ich“, schreibt er, ,,die dem Tiere unangenehme Einwirkung des Lichtes kommt in ahnlicher Weise zu stande wie bei den chlorophylhaltigen Rhabdocélen die dem Tiere angenehme Lichtwirkung: durch chemische Vorgainge im Innern des Tieres, die durch die Beleuchtung hervorgerufen werden.“ Diese Augen sind demnach nicht Sehorgane, sondern nur Lichtempfindungsorgane. Vermutlich haben die Augen von Tristomum molae diese Funktion, welches bekanntlich auf der dem Licht exponierten Haut von Orthagoriscus molae lebt. Aber die Augen von Di- plectanum, welches offenbar in Dunkelheit lebt, kénnen beim erwachsenen Tier keine solche Funktion haben, und deutet ibr so gut entwickeltes Vorhandensein vielleicht nur auf ein langes freischwimmendes oder auf der Haut des Fisches kriechendens Stadium hin. Genitalapparat. (Taf, XX, Fig: 2,3, 73 Tal XX, Fis. 14, 15, legis In Fig. 2 ist der ganze Genitalapparat halbschematisch dar- gestellt. Nur in Details weicht er von dem der anderen Hetero- cotylea ab. Wie fast alle Trematoden ist das Tier zwitterig. Mannlicher Apparat. Der einzige multilokulire Testis liegt unmittelbar hinter dem Ovarium, mit seinem vorderen Ende unter demselben (Fig. 2). Seine Kontur ist nahezu viereckig. Er mift 0,1225 mm in der Linge und 0,1050 mm in der Breite. In einigen Exemplaren ist die multilokulire Struktur besonders deut- lich, aber gew6hnlich erscheint er ziemlich kompakt. Er besteht aus einer Zentralkammer und zahlreichen Nebenkammern, zwischen welchen dorso-ventrale Muskelfasern verlaufen kénnen. Die Kam- mern selbst sind wieder in kleinere Follikel geteilt, in welchen die Spermatozoa sich entwickeln. Diplectanum ist nicht sehr geeignet, die Spermatogenesis zu studieren, wie es so schon -bei vielen anderen Heterocotylea méglich ist; aber immer kann Beitriige zur Kenntnis einiger Trematoden. 591 man die verschiedenen Stadien erkennen von der Spermamutterzelle bis zu dem vollkommen ausgebildeten Spermatozoid, das die Sperma- tomorula verlaft. Karyokinetische Figuren waren nicht zu finden. Vas deferens und Penis. Das einzige Vas deferens ver- JaBt den Testis an seinem antero-ventralen Rande. Der Struktur seiner Wand nach 1Jaft es sich in vier Teile zerlegen: 1) Wand ohne Struktur; 2) stark muskulése Wand, Ductus ejaculatorius; 3) enger Teil nach Vereinigung mit dem vorderen prostatischen Gange; 4) Bulbus ejaculatorius. Aber immerhin mu man sich bewukt bleiben, daf diese Namen nicht genau dieselbe Bedeutung haben wir bei vielen anderen Heterocotylea, doch sind sie am besten geeignet, die hier vorhandene eigentiimliche Beschaftenheit der Abschnitte zu kennzeichnen. Der erste Teil, welchen man Vas deferens nennen kann, ist ein breiter, sehr diinnwandiger Kanal, welcher nach vorn und etwas nach links im Zickzack liuft und dorsal vom Uterus in den Ductus ejaculatorius tibergeht (Fig. 2). Gewoéhnlich ist er mit Spermatozoen gefillt, welche in der Langsrichtung in Biindeln legen. Die Képfe eines Biindels stellen sich in einer Richtung, wihrend die Képfe des nachsten Biindels sich in entgegen- gesetzter Richtung stellen, so da zwei Biindel zusammen eine Art Spermatophore bilden, mit den Képfen in der Mitte und den Schwanzen nach den beiden Enden. Solch ein grofes Spermato- phor liegt gew6hnlich eine kurze Strecke vor dem Uebergang in den Ductus ejaculatorius. Die Wand des Vas deferens besteht aus einer sehr diinnen Membran ohne Nuclei und Muskeln. Der Ductus ejaculatorius ist ein dickwandiges, muskuléses Rohr von ziemlich gleichmafSigem Diameter (0,02 mm) und _ be- trachtlicher Lange. Er ist deutlich von dem Vas deferens ab- gesetzt, und das Lumen ist an der Uebergangsstelle sehr eng. Inwendig ist er von einer diinnen, strukturlosen Membran ausge- kleidet und von einer Schicht starker Ringmuskeln umegeben (Fig 2). Die Fasern dieser Muskeln sind ,hohl“ mit einer groBen protoplasmatischen Achse. Jede Faser ist aufSerordentlich dick und durch ihr eigentiimliches Aussehen (Fig. 15) bemerkenswert. Die Fasern liegen gewohnlich in einer einzigen Schicht, aber manchmal kénnen auch zwei Fasern konzentrisch angeordnet sein. Gewdhn- lich ist die Réhre mit Spermatozoen gefiillt, aber nicht mehr in spermatophorenahnlichen Stellung. An seinem vorderen Ende ver- bindet sich der Ductus ejaculatorius mit dem vorderen prostatischen Gang und geht in den dritten Teil iiber. 592 Norman Maclaren, Dieser dritte, engere Teil hat eine starke, muskellose, aus einer dicken hyalinen Membran bestehende Wand; nur ehe er in den Bulbus ejaculatorius fiihrt, bildet sich ein kleines Reservoir mit muskulésen Wanden (Fig. 3). Der Bulbus ejaculatorius ist ein groBes, starkes, muskuléses, birnférmiges Gebilde, welches vor dem Genitalatrium liegt. Es mift 0,075 mm in der Lange und 0,05 mm in der Breite. Mit dem hinteren Ende (in der Ruhelage) ist der lange chitindse Penis verbunden, und an beiden Enden sind kraftige Retractor- und Ejectormuskeln befestigt. Ein Blick auf Fig. 2, 3 wird diese komplizierten Teile klar zeigen. In Fig. 15 sieht man, daf der Bulbus selbst in zwei Teile zerfallt: einen hinteren, in welchen die Basis des Penis eingebettet ist, und einen vorderen oder eigent- lichen Bulbus. Die Wande des letzteren sind auSerordentlich dick und kompakt, zusammengesetzt aus zahlreichen diinnen Muskel- fasern, die in der Lingsrichtung verlaufen. An ihrem Vorderende verschwinden diese Fasern in den Wanden des oben genannten Reservoirs des Vas deferens, wahrend ihre hinteren Enden in eine Membran eingefiigt sind, welche die beiden Abteilungen des Bulbus trennt. Diese Membran farbt sich sehr stark mit Himatoxylin und bildet eine sehr auffallende Grenze zwischen den zwei Teilen. Ihr angesetzt liegt die trichterférmige Basis des Penis, welche von einer dicken Schicht von Ringmuskeln umgeben ist, die den hinteren Teil des Bulbus bilden (Fig. 15). Die sehr kraftigen Retractor- muskeln laufen zertreut auf- und vorwirts und befestigten sich etwas hinter dem Pharynx an der dorsalen Koérperwand. Die Ejectormuskeln laufen in zwei Hauptbiindeln nach hinten und be- festigen sich an der ventralen Kérperwand, einige Strange vor dem Genitalatrium, einige auf seinem Niveau, aber der gréfte Teil weiter hinten. Der Penis ist eine sehr lange Chitinréhre; er miSt 0,20 mm in der Lange und 0,0075 mm im Durchmesser in der Mitte. Die Spitze biegt sich aufwarts und nach links, die ganze Rohre ist auch gewéhnlich nach links gebogen, aber dies ist nicht konstant in allen Exemplaren und haingt sehr von der Stellung, in welcher das Tier fixiert ist, ab. Srosstcu beschreibt den Penis als ,,pene constituito da due filamenti cornei di colore giallo“. Aber die doppelte Erscheinung ist eine rein optische. Natiirlich gibt es eine innere und duSere Oberfliche, der Réhre, und da die Wande relativ sehr dick sind, so hat man den Eindruck, daS eine Rohre in der anderen liegt, aber an Schnitten sieht man deutlich, dab Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 593 nur eine Rohre existiert. Der Penis, wie er im Kérper liegt, ist ein- geschlossen in einer diinnen membranésen Hiille, an welcher abge- plattete Nuclei manchmal beobachtet werden kénnen. Fig. 2 zeigt diese Hiille sehr deutlich. Es ist aber zu beachten, daf das basale Drittel des Penis nackt an der dorsalen Wand des Genitalatrium liegt. Ich will nun zunachst das Atrium beschreiben. Die aufere Oefinung des Genitalatrium ist ein kleines rundes Loch, ventral, nahe an der Medianebene und etwa 1/, der totalen Kérperlinge vom Kopfende entfernt liegend. Es ist umgeben von einem Sphinktermuskel und ohne Haken irgend einer Art. (Nach Parona und Prrueia ist die ,Apertura genitale‘ von Diplectanum aculeatum mit einer ,corona di uncini“ bewaffnet.) Es um- faft einen ziemlich grofen Hohlraum, vorn begrenzt durch den Bulbus, hinten durch die Uteruséffnung. An dem postero-dorsalen Winkel éffnet sich der Gang des hinteren prostatischen Reservoirs und zwischen dieser Miindung und dem Uterus, und etwas nach rechts liegt der Eingang der Penishiille. Prostatische Driisen. Die eben erwihnte Oeffnung des hinteren prostatischen Reservoirs fihrt in eine grofe retorten- formige Hohle (Fig. 2 ppr), um deren dorso-posteriore und laterale Wande herum die eigentlichen prostatischen Driisen sich befinden. Sie sind in traubenférmigen Gruppen angeordnet und kénnen sich Weit in dem sie umgebenden Gewebe ausbreiten. Die Ausdehnung wechselt sehr in verschiedenen Exemplaren. In Fig. 2 ist nur ein Teil dieser Driisen dargestellt, um das Bild nicht so kompliziert zu machen. Die einzelnen Driisenzellen sind infolge der Menge von Sekretmasse nicht immer erkennbar. Ihr Sekret, welches ge- wohnlich das Reservoir fillt, ist dunkel und grobkérnig. So weit stimmt das Organ mit demjenigen von Epibdella?) iiberein, obgleich es hier nicht in derselben Weise mit dem Penis ver- bunden ist. Die anderen Teile des Apparates unterscheiden sich auffallend von allen anderen Trematoden. Kin kleiner Gang 6ffnet sich im Reservoir am postero-dorsalen Winkel, lauft zwischen den um- gebenden Driisen hindurch riickwarts und aufwirts und miindet in einen hohlen, spindelf6rmigen, cylindrischen Kérper, welcher 1) Nach Goro (1894): ,In Epibdella the prostate gland is an egg-shaped, or elongated cylindrical hollow body, lying just behind the penis and communicating with its cavity either directly, or by means of a short canal. . .“ 594 Norman Maclaren, meistens in der Medianebene des Kérpers liegt, zwischen dem Ductus ejaculatorius und dem Bulbus. Von dem vorderen Ende dieses Gebildes, welches ich vorderes prostatisches Reser- voir benannt habe, fiihrt ein zweiter kleiner Gang in das vordere Ende des Ductus ejaculatorius hiniiber (Fig. 3 apg). Betrachten wir zuerst dieses sehr eigenartige vordere prostatische Reservoir. Es mift 0,14 mm in der Lange und besizt eine sehr dicke muskulése Wand, aus mehreren Schichten schrag laufender Fasern bestehend (Fig. 22). Diese Fasern sind auSerordentlich fem. Im Langsschnitt stehen sie in auffallendem Kontrast zu den kraftigen hohlen Fasern des Ductus ejaculatorius. Die innere Seite des Reservoirs besitzt eine diinne Membran, welche sich tief mit Hamatoxylin farbt. An dieser Membran liegen besonders in der dorsalen Halfte des Reservoirs sehr zahlreiche kleine Kérnchen, welche sich auch tief mit Haimatoxylin firben, aber keine bestimmte Struktur er- kennen lassen. Welche Bedeutung diese kleinen Kérncheu haben, ist mir unbekannt ; in jedem Exemplar kommen sie in derselben Lage vor. Der iibrige Inhalt des Reservoirs ist ebenso ratselhaft. Nach beiden Enden hin ist das Reservoir mit grauem, kérnigem Sekret erfiillt; dasselbe ist im hinteren Abschnitt dunkel und grob, ahnlich dem des hinteren Reservoirs, wihrend am vorderen Ab- schnitt die Kérner feiner und von hellerer Farbe sind. In der Mitte zwischen den beiden Massen liegt eine bikonkave Zone von kleinen gelben Kérnchen (Fig. 18). In jedem Tier ergab die Untersuchung denselben Inhalt und dieselbe regelmafige An- ordnung. Im lebenden Zustand fallt dieses Organn sofort ins Auge durch seine auffallende Aehnlichkeit mit einem Ei und wurde von Voet wirklich fiir ein solches gehalten. Die Ueber- einstimmung der Farbe zwischen den gelben Koérnchen und der Substanz des Penis lassen an die Méglichkeit denken, da8 sie mit der Regeneration des letzteren etwas zu tun haben kénnten, wenn er abgebrochen ist. — Von den beiden aus dem Reservoir gehenden Gangen ist der hintere der langere; seine Wand besteht aus einer hyalinen strukturlosen Membran, umgeben von einer diinnen Hiille von Muskelfasern, ahnlich denen des Reservoirs. Der vordere Gang hat genau dieselbe Struktur. Weiblicher Apparat. (Taf. XX, Fig. 1, 20g Ovarium. Das Ovarium liegt unmittelbar vor dem Testis, etwas nach rechts. Es ist etwas nierenférmig und mit in der langen Achse 0,16 mm. Bei vielen Heterocotylea sind be- Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 595 sondere Teile erkennbar als ,,formative Zone“, ,zone of growth“ u. a; aber bei Diplectanum ist das Ovarium ein hohles Ge- bilde, an welchem die Formativzone iiber die ganze innere Ober- fliche ausgebreitet ist, wihrend in der Hohle selbst die reifen Hier sich sammeln. Diese sind merkwiirdig grof und haben einen auffallend grofen Nucleus (Fig. 20). Im Uterus habe ich niemals befruchtete Eier gefunden und kann daher nichts Bestimmtes dar- iiber angeben, aber vermutlich werden sie gestielt sein wie die- jenigen von verwandten Formen. Srossicn scheint mir gleich Voer und Van BENEDEN getiuscht worden zu sein durch die auferordentlich eiahnliche Erscheinung des vorderen prostatischen Reservoirs. Der Ovidukt ist eine diinnwandige, enge Réhre, von der kon- vexen Seite des Ovarium in das Ootyp fiihrend (Fig. 2). In einem Exemplar war der Ovidukt doppelt, aber dies scheint mir anormal zu sein. Das Ootyp ist von betrachtlicher Linge und _ vollstindig von Schalendriisen umgeben. Am hinteren Ende steht es mit dem Receptaculum seminis in Verbindung, und an seinem vorderen Ende geht es nach Vereinigung mit dem rechten Dottergang in den Uterus tiber (Fig. 2). Die Schalendriisen sind sehr zahlreich und sitzen zum Teil mit kurzen Stielen dem Ootyp an, zum Teil bilden sie langgestielte traubige Biindel, welche bis hinter das Receptaculum seminis reichen, wie bei Microcotyle (Goro). Der Uterus lauft ohne Windungen nach vorn zu dem schon erwihnten Genitalatrium. Seine Wéinde sind dick, zusammen- gesetzt aus einer Schicht Ringmuskeln (welche sich in eigentiim- licher Weise stellenweise auf einer Seite verdickt) und aus einer dicken homogenen Membran, welche unregelmafig gerippt und in kleinen Wiilsten erhoben ist (Fig. 14). Er besitzt keine Wimpern. Bei einigen Exemplaren waren zahlreiche Spermatozoiden im Uterus vorhanden. Das Receptaculum seminis, die kugelige Anschwellung zwischen Ootyp und Vagina, mift 0,03 mm im Diameter. Seine Wande lassen keine Struktur erkennen. Die Héhle war immer mit Spermatozoiden gefiillt, welche, auch immer radiair geordnet, mit ihren K6pfen in der Mitte und ihren Schwinzen an der Peripherie lagen. Die Vagina (Fig. 2 vg) steht in Verbindung mit dem Recepta- culum seminis durch einen engen Gang auf seiner linken Seite, fiihrt links und etwas vorwarts nach der ventralen Oberflache und 596 Norman Maclaren, miindet nicht weit von dem K6rperrand. Die Struktur der Wande ist auch eigenartig, sie sind sehr dick, zusammengesetzt aus einer Schicht schrager Muskelfasern, auferhalb deren einige Langsfasern liegen, wahrend innerhalb eine Chitinschicht sich befindet (Fig. 20 vg). Immerhin aber muf man sich erinnern, da, wie CERFONTAIN ge- zeigt hat, das ,Chitin* der Heterocotylea von demjenigen anderer Tiere abweicht und sich in einer 35-proz. Lésung von Kalilauge (KHO) lost. Wahrscheinlich hat die Entwickelung dieser Chitinschicht eine gewisse Beziehung zu dem langen, scharfen, zugespitzten chitindsen Penis. Nach Wacker (1902) kommt auch die Bildung von Chitin in der Vagina von Temnocephala novae-zelandiae vor: ,Die Cuticula (der Vagina) erreicht bei T. novae-zelandiae eine bedeutende Dicke und ist vielfach mit chitindsen Leisten und Einkerbungen versehen.“ Die auSere Oeffnung der Vagina tragt keine Bewaffnung. Vitellarium. Die Dotterfollikel sind seitlich im ganzen K6rper verbreitet, von dem Pharynx an, wo sie am dichtesten liegen, bis hinten an die mit Dornen besetzten Platten, wo sie am sparlichsten sind. Ihr Bau weicht nicht von dem gewéhnlichen Dotterfollikel der Heterocotylea ab, aber hier ist wegen der Kleinheit die Vitellogenesis nicht so genau zu beobachten wie bei vielen anderen Formen. Die beiden Dottergange Offnen sich seit- lich und getrennt in das Ootyp; die Miindung des rechten Ganges liegt vor dem linken (in Fig. 2 sind die Miindungen etwas weiter voneinander entfernt, als es in der Tat der Fall ist). Es existiert kein Dotterreservoir. Canalis genito-intestinalis. Wie schon erwahnt, ist der Darm oft mit Dotterkérnchen gefiillt, und so wiirde man denken, daf diese durch einen Canalis genito-intestinalis hinein- kommen, aber ich bin nicht sicher, da8 ein solcher Kanal bei Diplectanum existiert, obgleich es auch sein kann, daf er mir durch seine Kleinheit verborgen geblieben ist. Das Vorhandensein von Dotter in dem Darm von fixierten oder gepreften Exemplaren 1a8t sich auch anders erklaren, denn die Tiere, wenn sie so be- handelt sind, bewegen und kontrahieren ihre Muskeln heftig, wo- durch die weiche Darmwand an einer oder mehreren Stellen be- schidigt wird, und so entleert sich der Dotter aus den umgebenden Dotterfollikeln in ihn hinein; selbst ganze Follikel werden frei im Darm manchmal gefunden. In nahe verwandten Formen fehit ein solcher Kanal auch; Goro schreibt: ,,According to my own ob- servations it (Canalis genito-intestinalis) seems to be wanting Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 597 wholly also in the Gyrodactylidae.“ Branpes hat in Fre- dericianella ovicola BRranpes einen Canalis genito-intesti- nalis bescbrieben, aber er selbst konnte ihn nicht vollstindig ver- folgen. Goro hielt ihn fiir eine Vagina, und nach den Figuren von BRANDES stimmen Stellung und Linge mehr mit einer Vagina iiberein. Befruchtung. Es ist fast ausgeschlossen, da Selbst- befruchtung bei Diplectanum stattfinden kann. Zwar ist es moglich, daf der Penis in den Uterus desselben Tieres eingefiihrt wird, ohne aus dem Genitalatrium herauszukommen; aber dies ist unwahrscheinlich, denn um den enorm langen und relativ festen Penis aus der Penishohle zu ziehen, miissen nicht nur die Retractor- muskeln sich vollstaéndig kontrahieren, sondern muf auch der Kérper dorsalwirts gebogen sein; und wenn die Penisspitze aus ihrer Scheide gezogen ist, wird sie im Genitalatrium nach unten ge- richtet liegen, und folglich wird sie durch die Kontraktion der Kjectormuskeln nach aufen durch die Oeffnung des Atrium her- ausgeschoben. Obgleich auf den ersten Blick es unméglich er- scheint, dafi dieses lange Chitingebilde tiberhaupt herausgestiilpt werden kénnte, muf man sich doch vergegenwartigen, daf die Gewebe dieser Tiere weich und einer gréferen Ausdehnung als bei anderen Tieren fahig sind. Mit Hilfe seiner gebogenen Spitze wird er leicht in die Vagina eines anderen Tieres eingefiihrt, und die mit Chitin bekleideten Winde derselben schiitzen sie vor Be- schadigung. Gleichzeitig wird der Ductus ejaculatorius das Sperma, zusammen mit etwas von dem Sekret des vorderen prostatischen Reservoirs, in den Bulbus pressen, welcher dann die Masse durch die lange Réhre pumpt. Bei der Aktion der Lingsmuskelfasern des Bulbus wird sein konisches (d. i. vorderes) Ende vollstindig geschlossen, so daf ein machtiger Druck stattfinden kann. Wahr- scheinlich ist die grofe Entwickelung des prostatischen Apparates notig, um das Sperma geniigend fliissig zu machen, um den Aus- tritt aus der langen, engen Penisréhre zu erméglichen. Wohl erklart sich die Ausstiilpung des Penis, aber wie er wieder zurtickgebracht wird, ist eine andere Sache. Es ist még- lich, daf er durch den Zug der Muskeln zuriickgebracht wird, aber es ist auch denkbar, daf er zerbrochen oder abgeworfen wird. Wenn das letztere der Fall ist, wie bildet sich ein neuer Penis, oder wie wird der zerbrochene regeneriert? Voer hat in der Wand der Penishéhle liegende Driisen beschrieben, aber solche konnte ich nicht sicher wahrnehmen, und Vogts Auffassung der 598 Norman Maclaren, Genitalorgane war ganz irrtiimlich‘). Vielleicht ist die Zone der gelben Kérnchen in dem vorderen prostatischen Reservoir ein Vorrat von Chitinstoff, welcher auf irgend eine Weise zu der Regeneration des Penis dient. Welchen Zweck der Inhalt des hinteren prostatischen Reser- voirs hat, ist auch nicht ganz klar. Vielleicht erleichtert er den Austritt der Eier aus dem Atrium; in diesem Fall liefBen sich die zugehorigen Driisen vielleicht vergleichen mit den einzelligen Driisen, welche in dem terminalen Teil des Uterus vieler Disto- midae vorhanden sind. Verwandtschaft und Stellung im System. Braun (in Bronns Klassen und Ordnungen) hat Diplecta- num unter die Gyrodactylidae gestellt, welche seine dritte Subfamilie der Polystomeae bilden, mit den Genera Calceostoma, Gyrodactylus, Dactylogyrus, Tetraonchus, Amphi- bdella und Diplectanum. Obgleich unsere Kenntnis von all diesen Genera noch nicht so vollstaindig ist, wie wir es wiinschen méchten, so wissen wir doch von grofen Verschiedenheiten unter ihnen, nicht nur in ihrer duSeren Gestalt, den Hakenapparaten u. s. w., sondern auch in der Stellung der exkretorischen Oeffnungen und den Geschlechtsorganen. 1) Da Voers Beschreibung unrichtig ist und zu einer ganz falschen Auffassung fiihrt, so will ich in einigen wichtigen Punkten den Unterschied der Benennungen hervorheben. Wie schon oben be- merkt, existiert die ,,.Kloakenéffnung“ nicht; was er fiir diese hielt, muf eine andere Oeffnung gewesen sein, z. B. die des Oesophagus. Die ,,Penistasche“ ist der Bulbus ejaculatorius, die , Futteralscheide“ die eigentliche Penistasche oder Penishéhle. Was er mit ,,Uterus“ und ,ierginge“ bezeichnet, sind vorderes prostatisches Reservoir, resp. sein vorderer Gang, der ,,Quergiirtel“ des ,Hies“ ist die Zone gelber Kérnchen. Der ,Begattungsgang“ ist ein Teil des Vas defe- rens, die ,,Samenkapsel“ das hintere prostatische Reservoir, und die es umgebenden Driisen sind offenbar tibereinstimmend mit den Voerschen ,,Dottergingen“. Eine gedachte Verbindung zwischen dem wirklichen Vas deferens und dem hinteren prostatischen Reser- voir nennt er ,,Ootyp“, wahrend er das Vas deferens (,,Begattungs- gang“) als in die ,,Begattungskeule‘ — die wirkliche Vagina — fiihrend beschreibt. Das Ovarium erkannte er richtig und bezeich- nete es als Keimstock, die ,Schluckéffnung“ halte ich fiir das Ootyp und die ,,kontraktilen Faserztige zwischen Schluckéffnung und Samenkapsel“ fiir den wirklichen Uterus. Seine Beschreibung weiter zu verfolgen, scheint mir nicht nétig zu sein. Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 599 Nach Goro fehlt bei allen Gyrodactylidae ein Canalis genito-intestinalis. Nach KATHARINER (1895) ist bei Gyrodac- tylus keine Vagina vorhanden '), wahrend bei den anderen Genera (auBer Calceostoma, von welcher wir keine sichere Kenntnis haben) eine Vagina gefunden ist. Goro schreibt (1894): ,..... in Dactylogyrus and Tetraonchus the unpaired vagina which is present only on one side of the body ..... “Bei Diplectanum ist die Vagina ebenfalls bekannt (p. 595). Parona und Prrueta haben in ihrer ersten Verdffentlichung von Amphibdella (Di alcuni Trematodi ectoparassiti di pesci Adriatici) eine Vagina nicht beschrieben, und in ihrer verbesserten Diagnose, wie sie in Bronns Klassen uud Ordnungen steht, ist von einer Vagina nicht die Rede (ihre Schrift ,Nuove osserv. sull’ Amphib. Torped.“ ist mir nicht zu Handen gekommen); aber in Exem- plaren, welche ich selbst untersucht habe, fand ich eine gut ent- wickelte Vagina vor, betrachtlich ktrzer als die von Diplecta- num und sich naher der Mittellinie des Kérpers auf der ventralen Seite 6ffnend. In Gyrodactylus sollen 2 exkretorische Oeffnungen an dem Kopfende sein. Bei Amphibdella soll nach Parona und PERUGIA eine einzige auf der dorsalen Schwanzoberflache sein, und wahrscheinlich ist bei Diplectanum dasselbe der Fall. Die Gyrodactylidae lassen sich dann in zwei Gruppen teilen: a) mit Vagina; exkretorische Kaniile sich nach hinten 6ffnend: Tetraonchus, Dactylogyrus, Amphibdella, Diplectanum; 1) ,,.Bei vielen anderen Trematoden findet sich ein solcher in Gestalt des sogenannten Laurrerschen Kanals, der von vielen Autoren, so von StiepA, BuumBere, Bitscuy1, Zatter, Minor, TascHenBereG, Lorenz, Kereert u. a. als ein von den weiblichen Organen nach aufen fiihrender und als Scheide funktionierender Schlauch be- schrieben wird ..... Da Gyrodactylus keinen Laurmrschen Kanal besitzt ..... “ Aber man kann bei gegenwartiger Kenntnis nicht definitiv sagen, ob der Laurersche Kanal, wie er bei vielen Malacocotylea vorkommt, homolog ist mit dem Gebilde, welches bei den Heterocotylea gewéhnlich Vagina genannt ist. 600 Norman Maclaren, b) ohne Vagina; exkretorische Kaniile sich nach vorn éffnend: Gyrodactylus, Calceostoma (?). Schon 1890 hat Monticetnt1 Amphibdella mit Tetra- onchus vereinigt, von welcher er 1889 folgende Diagnose gab: ,Genere Tetraonchus Digs. Corpo depresso, anteriormente slargato, posteriormente pil o meno ristretto e terminantesi in un piccolo disco. Estremita an- teriore del corpo di forma triangolare senza tentacoli. Il disco ha quattro grandi uncini due sulla faccia ventrale con le punte rivolte in fuori e due sulla faccia dorsale con le punte rivolte in dentro e 14—16 uncinuli, disposti sulla faccia ventrale marginal- mente e radilmente ed in mezzo ai due grandi uncini. Fra i grandi uncini, tanto sul lato dorsale, che sul ventrale, o solamente sul secondo, si trova un pezzo chitinoso trasversale di varia forma. Bocca ventrale; faringe globosa; esofago nullo; intestino unico tubolare — sacciforme o bifido. Sbocco esterno del sistema escretore sul lato dorsale nella estremita posteriore del corpo innanzi al disco, Aperture genitali maschili e femminili nella linea mediana della faccia ventrale ravvicinate tra loro. Vagina aprentesi sul margine sinistro della faccia ventrale, alla meta della lunghezza del corpo. Pene chitinoso, d’ ordinario unciniforme, accompagnato da un pezzo chitinoso di varia forma sul quale riposa. Testicolo unico, grosso, situato nella meta posteriore del corpo, spinto verso il lato dorsale. Ovario grandetto situato in- nanzi al testicolo. Vitellogeni numerosi e dendritiformi disposti lungo i due lati del corpo. Uova d’ordinario con prolungamento brevissimo da un sol polo, Vivono parassiti sulle branche dei pesci di acqua dolce.“ Meiner Ansicht nach sollten die Glieder der Gruppe a (Tetraonchus, Dactylogyrus, Amphibdella, Diplec- tanum) als Subgenera des Genus Tetraonchus aufgefaft werden, entsprechend der Ansicht von MONTICELLI, wahrend die der Gruppe b (Gyrodactylus und provisorisch Calceostoma) als Subgenera von Gyrodactylus betrachtet werden miissen. Beide Genera sind unter die Subfamilie Gyrodactylidae zu stellen. Natiirlich kann diese Klassifikation nur unvollkommen sein, bis man die Morphologie der verschiedenen in Betracht kommenden Tiere genauer kennt, als es gegenwartig bei den Gyrodacty- lidae im ganzen der Fall ist. Es wiirde also die Stellung von Diplectanum folgende sein: Beitrige zur Kenntnis einiger Trematoden. 601 Subfamilie Gyrodactylidae, Genus Tetraonchus, Subgenus Diplectanum. Diagnose. K6érper langgestreckt, vorn am breitesten, dorsoventral ab- geplattet. Ohne Saugnapfe. 4 grofie Haken am Schwanzende, durch einen Chitinstab verbunden. Eine schildférmige, mit zahl- reichen Dornen besetzte Platte auf der dorsalen und ventralen Schwanzoberfliche. Gro8e Driisenklumpen am Kopf- und Schwanz- ende. 4 Augen. Pharynx rundlich. Oesophagus sehr kurz. Darm gegabelt. Ein exkretorischer Kanal an jeder Seite, vorn am Mund mit demjenigen der anderen Seite sich vereinigend, exkretorische Oeffnung hinten (?). Ein gelappter Testis. GrofSer prostatischer Apparat. Langer chitindser Penis. Ein Ovarium. Vagina 6ffnet sich auf der linken ventralen Oberflaiche. Uterus 6ffnet sich im Genitalatrium in der Mittellinie, ungefahr am Ende des ersten Drittels der ganzen Koérperlange. Canalis genito-intestinalis? Lier? An den Kiemen von Seefischen lebend. Air tien D. aequans WAGENER Kiemen von Labrax lupus D. pedatus WAGENER =4 5 ewlis op: D. sciaenae V. Ben. HESSE , » osciaena aquila D. aculeatum PAr.e PER. , » Corvina nigra D. echeneis WAGENER ‘ ~ UClTysoplrys aura ta und Sargus Rondeletii. Die Literatur dieser Formen ist im historischen Teil (p. 574 —577) erwihnt. (Dazu das Literaturverzeichnis p. 614.) Da8 die Trematoden mit den Turbellarien verwandt sind, wird allgemein anerkannt. Die Organisation von Diplectanum unterscheidet sich von derjenigen gewisser Turbellaria haupt- sichlich durch Mangel einer mit Cilien bedeckten Epidermis. Ob- gleich dieser Trematode schon sehr spezialisiert ist, besitzt er doch noch mancherlei Ziige von Rhabdocélen-ahnlichen Ahnen. Ohne Kenntnis der Entwickelung kann man iiber die phylogenetische Verwandtschaft nicht mehr behaupten, doch ist es immerhin inter- essant, auf Aehnlichkeiten zwischen den beiden Gruppen hinzu- weisen, z. B. das Vorhandensein von Rhabditen bei Diplectanum und Temnocephala, wo sie nur auf besonderen Regionen des Bd, XXXVIII. N, F. XXXI, 39 602 Norman Maclaren, Kopfes entwickelt sind. Dies kommt auch bei gewissen Rhab - docélen vor, wie bei Macrostoma; doch ist es merkwiirdig, da in gewissen nahestehenden parasitischen Formen (z. B. Arten von Proxenetes, Fecampia, Acmostoma) keine Rhabditen gefunden werden. Auch gibt es chitinése Stacheln bei verschie- schiedenen Turbellaria, z. B. bei der Polyclade Enantia spinifera, wo die Stacheln am K6rperrand liegen; zuweilen ist ein Penisstachel ausgebildet, wie bei dem Rhabdocélen Ma- crostoma, welcher einen einzigen grofen Penisstachel besitzt,. u. S. W. In dieser Beziehung ist es ferner von Interesse, die unab- hingige, dorsalwarts sich 6ffnende Spermatheca von Cylindro- stoma quadrioculatum zu vergleichen mit dem LAuRrErschen Kanal und dem Receptaculum seminis von vielen Trematoda malacocotyla. Nematobothrium molae n. sp. Historisches. P. J. VAN BENEDEN, der Griinder des Genus Nemato- bothrium, erwahnt (1858) in seiner Beschreibung von Nemat. filarina einige andere Wiirmer, welche er im Fleisch von Or- thagoriscus mola gefunden hat, und welche ,la plus grande ressemblance® mit Nemat. filarina besitzen. Spater (1893) hat MonTIcELLI abnliche Wiirmer gefunden und sie in die Gattung Didymozoon eingereiht: youlle branchie dell’ Orthagoriscus ho trovato pure, in- capsulata, una nuova ed interessante specie di Didymozoon, che differisce da quella da me rinvenuta nei muscoli ed indicata come Didymozoon taenioides. Alla prima deve, con molta probabilita, riferirsi il Trematode trovato dal VAN BENEDEN ravvolto- lato a gomitolo sotto la pelle ,qui tapisse la cavité branchiale‘, e percid io propongo di chiamarlo Didymozoon benedenii.“ Auf den Kiemen von einem jungen Orthagoriscus mola fand ich 4 Cysten, je 2 Wirmer enthaltend, welche, aus ihren Cysten befreit, eine auSerordentliche Aehnlichkeit mit Van BENEDENS Figuren von Nemat. filarina hatten. Weitere Untersuchungen aber ergaben, dafi die Tiere einen auffallend kleinen ventralen Bauchsaugnapf besitzen. So klein ist dieser Saugnapf, daS er nur auf Schnitten des Tieres zu sehen ist, also Beitrige zur Kenntnis einiger Trematoden. 603 wenn man keine Schnitte macht, iiberhaupt nicht gefunden wird. Wenn man die Aehnlichkeit des Nemat. filarina mit dem vor- handenen Nemat. molae in Betracht zieht und die mangelhafte Technik jener Zeit (1858) beriicksichtigt, so ist es wahrscheinlich, daS Nemat. filarina auch einen solchen Saugnapf_ besitzt. Vielleicht auch das von Montez (1890) beschriebene Nemat. Guernei, obgleich nach seiner Beschreibung (ohne Figuren) sich nicht viel sagen laf. Die Morphologie von Nematobothrium ist zur Zeit noch fast unbekannt. Bis jetzt ist das Tier unter die Didymozoo- nidae gestellt worden, von denen selbst Braun in seinem letzten Werk (1903) schreibt: ,eine wenig bekannte Gruppe“. Hoffentlich wird die folgende, leider auch nicht ganz vollstandige, Beschrei- bung etwas mehr Licht auf diese interessanten Formen werfen. Koérperform und Lebensweise. (Taf. XXI, Fig. 17; Taf. XXII, Fig.-23, 25.) Die 4 Cysten wurden gefunden in der Haut der Kiemenbogen zwischen den Kiemenplattchen, sie sind Auswiichse der Haut und erscheinen beim Anfiihlen fest und hart; eine derselben, welche be- trachlich gréfer war als die anderen, maf 4,5 cm in der Lange, beim Oeffnen derselben fand ich 2 Wiirmer mannigfach ineinander verschlungen und so eine einheitliche Masse bildend, welche, U-formig umgebogen war und ausgestreckt eine Linge von 7 cm hatte. Das eine Ende dieser Masse war betrachtlich dicker als das andere, und an diesem Ende waren die Kopfenden der beiden Wiirmer zu finden. Es war sehr schwierig, die beiden Individuen voneinander zu trennen. Im Leben machten sie keine Bewegungen und waren so weich, daf man sie nicht auseinanderwickeln konnte. Ich hatte den Inhalt dieser gréften Cyste von der Umhiillung be- freit, dann mit Pikrinschwefelsiure fixiert und nachher in 70-proz. Alkohol gehartet, dann 2 Tage lang in 30-proz. Alkohol maceriert. So gelang es leidlich, die Wiirmer zu trennen, und ich schatze die Lange von jedem auf 1—1,50 m. Da man den Wurm infolge seiner mannigfachen Biegungen nicht gerade ausstrecken kann, 1laft sich die Lange nur ungefaihr schatzen. Von den Képfen machte ich zuerst Totalpraparate und bettete sie spiter in Paraffin ein, um sie zu schneiden. Leider hatten die histologischen Details bei dem Macerationsproze$ gelitten, z. B. war der Bau des Gehirnes iast uizht mehr zu erkennen. Ich schnitt noch eine andere Cyste, 39# 604 Norman Maclaren, welche im ganzen konserviert war, konnte aber die K6pfe in der Menge der Windungen nicht finden. olae. Querschnitte durch den vorderen 39, 53, 71, 83, 103, 125 sind abgebildet). ut Uterus, ec exkretorische Kaniile, oe Oceso- Fig. D. Neéematobothrium m Kérperteil (nur die Schnitte Gi A7, ph Pharynx, vd Vas deferens, phagus, d Darm, s Saugnapf. Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 605 Am Vorderende ist der Wurm diinn und fadenférmig. Er mift ungefihr 0,0675 mm an einem Querschnitt in der Héhe des Pharynx, wo der Kérper mehr oder weniger rund ist wie bei anderen Distomidae. Etwa 5 ecm hinter dem Vorderende verliert der Wurm seine regelmafige Form infolge der ungeheuren Entwickelung der Geschlechtsorgane und wird in mannigfacher Weise knotig und ge- kriimmt. — In manchen Fallen ragt der Uterus aus dem Ko6rper her- yor, wobei er die Kor- perwand vor sich her schiebt und so einen grofen einseitigen Aus- wuchs bildet. Der wirk- liche Kérper des Tieres hat meist nur eine Dicke von 2 mm, gegen das hintere Ende wird der Kérper wieder diin- ner und regelmafiger und endet ahnlich wie am Vorderende, aber vd ec stumpfer. Fig. E. Nematobothrium bp le. ieo Querschnitte durch den mittleren K6rperteil. ec oe fee liegt 8 exkretorischer Kanal, »d Vas deferens, wt Uterus der vorderen Kérper- (punktiert). GréSte Breite 1,02 mm. spitze und geht ohne Entwickelung eines Mundsaugnapfes direkt in den Pharynx iiber (Fig. 23). Die Genitaléffnungen liegen auf einer ventralwarts vor- springenden Papille, ungefahr 0,6 mm vom Munde entfernt. Der ventrale Saugnapf ist etwa 1 mm vom Munde entfernt und mift innen nur 0,01 mm im Durchmesser in kontrahiertem Zustand. Kérperwand. Saugnapf und Parenchym. (Taf. XXII, Fig. 24, 31.) Die Kérperwand ist mit Ausnahme des Vorderendes nur sehr diinn und schwach entwickelt, was offenbar mit der geschiitzten Lage des Wurmes in der Cyste zusammenhingt. In der Gegend der Genitaléffnung sind nur einige sparliche Muskeln vorhanden, 606 Norman Maclaren, indem nur wenige Fasern die Ringmuskelschichten und die Langs- muskelschichten darstellen. Ein Punkt von grofer theoretischer Bedeutung ist aber der Besitz der urspriinglichen larvalen Epi- dermis, welche zwar abgestoBen und vom Kérper des Wurmes ge- trennt ist, aber ihn doch noch als eine diinne Hille umschlieBt. Van BENEDEN fand dieselbe Hiille bei dem eingekapselten Ne mat. filarina: »Le Nemathobothrium nest pas libre dans son kyste; il est logé dans un étui membraneux, et cet étui contracte partout des adhérences, de maniére qwil faut une patience trés-grande pour mettre 4 nu un de ces vers ou méme une simple partie.“ Ich habe schon an an- a ee eee derer Stelle dargelegt, daf : ich diese Hiille fir die E: primitive Epidermis halte, ee aes 5 und habe den Befund ver- e Fe nett el glichen mit einer Beobach- 4 er tung bei einem encystierten ee hid i acid Seah? 57 cial ce a Sn ical cee. Distomum (Zoolog. Anz., Fig. F. Nematobothrium molae. ‘ rn Stick” der abgeworfenen Epidermis. Zeif Bd. 26, 1903, p. 516—524). Ok. 2, Obj. C. Bei Nematobothrium ist die Membran ziemlich fest und hat viel von ihrem urspriinglichen Charakter verloren. Stellenweise ist sie verdickt und mit faseraihnlichen Rippen ver- sehen (Textfig. F). Diese Rippen bezeichnen wohl die Stellen, wo die Membran noch mit dem Wurm zusammenhingt; oft sind sie ziemlich regelmafig arrangiert, manchmal fast in Netzform, wie Text- figur F zeigt, welche nach einem ungefarbten Praparat gezeichnet ist. Bei stirkerer Vergréferung und passender Farbung sind die Nuclei und Reste von Nuclei deutlich zu sehen. (Siehe die Figur in meiner friiheren Mitteilung Zoolog. Anz., Bd. 26, 1903, p. 522, Fig. 6.) Bei Nematobothrium molae ist die bleibende Cuticula auBerordentlich diinn und kaum sichtbar, aufer auf den Tangential- schnitten. Sie erscheint feinkérnig, aber keinerlei Struktur kann in ihr erkannt werden. Unter ihr liegen (im Ektoparenchym ein- gebettet) eine diinne Lage von Ringsmuskeln und innerhalb der- selben eine etwas dickere Lage von Lingsmuskeln (Fig. 26). Sub- kutikulare Driisenzellen konnte ich nicht mit Sicherheit erkennen, doch ist es méglich, daf manche Kerne des Ektoparenchyms degenerierte Reste von Driisenzellen sind, welche an der Bildung ETS e a Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 607 der bleibenden Cuticula teilgenommen und dann ihre Funktion verloren haben. Wie schon gesagt, ist die Dicke der Kérperwand an den Kérperteilen sehr verschieden, Fig. 31 ist nahe am Saug- napf gelegen, wo sie am besten entwickelt ist. — In der Gegend des Pharynx ist sie tiberaus diinn. Am vorderen Teil des Kérpers kénnen 2 Arten von Parenchym unterschieden werden, Ektoparenchym und Kérperparenchym oder Endoparenchym, ausgenommen in der Gegend des Pharynx, wo nur Ektoparenchym vorhanden ist. Das Ektoparenchym bildet ein faseriges, dichtes Gewebe mit zahlreichen grofen Kernen und ohne Spuren von Zellgrenzen (Fig. 30, 31). Die dickste Schicht des- selben ist auch in der Gegend des ventralen Saugnapfes vor- handen, weiter hinten, wo der K6rper seine regelmafige Form verliert, ist nur eine sehr diinne Schicht zu finden. Das Kérper- parenchym andererseits ist ein lockeres, schwammiges Gewebe, bestehend aus einem Netzwerk von umgewandelten Zellen, inner- halb deren noch manche der urspriinglichen Zellen sich erkennen lassen. In Fig. 24 kann man bemerken, dafi der Zellkérper ge- schrumpft ist und auf einer Seite der Zelle den Kern einschlieSt, wahrend protoplasmatische Fortsitze manchmal von hier zu den anderen Wanden der Zelle verlaufen. Dies ist, wie ich glaube, lediglich ein Kunstprodukt, hervorgebracht durch die Fixierungs- und Hartungsmittel u.s.w. Am lebenden Tier sind keine Vakuolen in denselben zu sehen. Die gallertartigen Zellkérper nehmen wahr- scheinlich die ganze Zelle ein und stehen miteinander in Ver- bindung. In Bezug auf die Natur des Kérperparenchyms der Trema- toden tberhaupt bin ich ganz derselben Ansicht wie Looss (1893), um so mehr, seit ich Gelegenheit hatte, das Parenchym zablreicher Arten von Trematoden an alten und jungen Exem- plaren lebend zu untersuchen, nicht allein im Kompressorium, sondern auch an Zupfpraparaten. Looss schreibt: ,Nach meiner Ansicht setzt sich das Kérperparenchym der Trematoden, abge- sehen zunichst von den verschiedenen Einlagerungen, aus ganz gleichartigen Zellen zusammen, von denen im ausgebildeten Zustand hauptsachlich die ziemlich festen und dicken Membranen noch vorhanden sind. Diese letzteren schliefen dicht aneinander an und sind durch eine Intercellularmasse miteinander verkittet; sie bilden so ein dem Seifenschaum ahnliches Maschen- oder Geriistwerk, dessen Liicken in einzelnen Fallen, wie Lruckart be- reits beobachtete, und wie ich bestatigen kann, durch teilweise 608 Norman Maclaren, Resorption der Wande in gegenseitige Kommunikation treten. Die Liicken selbst sind wahrend des Lebens von einer vollkommen farblosen, klaren Fliissigkeit, dem wiasserig entarteten Protoplasma eriillicy. aby aed % Das Kérperparenchym von Nematobothrium molae be- wahrt nach meiner Ansicht gréftenteils seinen primitiven Charakter, wie sich erwarten lat, da der Wurm in der Cyste nahezu be- wegungslos ist. Nur an denjenigen Stellen des Kérpers, welche am meisten beweglich sind und deshalb ein festeres Parenchym erfordern, wie in der Nahe des Pharynx und des ventralen Saug- napfes, ist das héher entwickelte und faserige Ektoparenchym an die Stelle des gewoéhnlichen K6rperparenchyms getreten. Dies ist, wie ich glaube, die Erklarung fiir das verschiedene Verhalten des Parenchyms in den Teilen desselben Tieres und die groSen Unter- schiede, welche man zwischen verschiedenen Arten findet. So hat das Parenchym bei festsitzenden oder wenig sich be- wegenden Formen im ganzen einen weichen und lockeren Bau, wie z. B. bei Didymozoon sphyraenae (nach BRANDES’ Figuren, 1892) und Opisthotrema cochleare (nach FISscHER, 1883), wahrend es bei lebhafteren Formen dichter und mehr faserig und widerstandsfahig ist, wie z. B. in dem fast freilebenden Tristomum molae und auch bei grofen energischen Disto- midae, wo es seinen urspriinglichen lockeren Bau verloren hat. Dorso-ventrale Muskeln. In Nemat. molae sind die dorso-ventralen Muskeln nur schwach entwickelt. Einige zerstreute, hinter der Genitalpapille liegende Fasern waren alles, was wahr- genommen werden konnte. Saugnapf. Der Saugnapf (Textfig. D9) ist ahnlich dem- jenigen anderer Distomidae; au8er seiner Kleinheit ist nicht viel von ihm zu sagen. Innere und aufere Schichten von Quermuskeln sind schwach entwickelt erkennbar; die radiale Schicht ist etwas starker. Verdauungsapparat. (Taf. XXII, Fig. 23, 28, 30, 32, 33.) Der Darmkanal ist gebaut nach dem gewoéhnlichen Typus der Distomen und besteht aus dem Munde, dem Pharynx, dem Oeso- phagus und dem gabeligen Darme (Fig. 23). Besonders be- merkenswert ist die relative Kiirze des Darmkanals im Vergleich zur ganzen Lange des Wurmes. Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 609 Der Mund, welcher von keinem Saugnapf umgeben ist, dffnet sich direkt in den birnférmigen Pharynx, dessen ganze Linge etwa 0,055 mm betragt. Das Lumen desselben ist eng und mit einer iiberaus feinen homogenen Membran ausgekleidet. 5 oder vielleicht 6 getrennte Muskelschichten kénnen in seiner Wand unterschieden werden (Fig. 30). Die innerste, welche am nachsten an der homogenen Membran liegt, ist eine diinne Lage von Ring- muskelfasern, die nachste besteht aus radiéren Muskeln mit grofen sogenannten Myoblasten und einer reichlichen Menge von Binde- gewebe zwischen denselben. Zwischen den radia&ren Muskeln liegen ganz nahe an der Ringmuskelschicht einzelne Langsmuskelfasern, welche aber keine ununterbrochene Schicht bilden. Nach auBen hin folgt eine relativ dicke Schicht von Ringmuskeln, auferhalb derselben eine wohlentwickelte Lingsmuskelschicht, und dariiber liegt vielleicht noch eine tiberaus dritte Lage von Ringmuskel- fasern. Jedoch bin ich tiber diesen Punkt nicht sicher. Driisen- zellen, welche in den Mund oder Pharynx miinden, wurden nicht gefunden. Der enge Oesophagus scheint keine Muskelschicht zn _ be- sitzen, er ist innen ausgekleidet mit einer Art Syncytium, namlich einer Schicht von Protoplasma, in welcher keine Zellgrenzen zu sehen sind, welche aber zahlreiche kleine Kerne enthalt. Kurz vor dem ventralen Saugnapf éffnet er sich in den Darm, dessen beide Aeste bald hinter dem Beginn der Vasa deferentia enden (Fig. 23). Der Bau der Darmschenkel ist sehr eigenartig (Fig. 33). Die- selben sind umgeben von einer diinnen Lage von Ringmuskeln und im Innern ausgekleidet durch ein Syncytium, welches ahnlich wie dasjenige des Oesophagus, aber bedeutend dicker ist und sehr zahlreiche grofe Kerne enthalt (Fig. 32). Es scheint, daf die Zellen fahig sind, sich aus dem Syncytium herauszulésen und frei und améboid zu werden. Es wurde keine Nahrungssubstanz in dem Darme gefunden, aber viele solche freie Zellen, manchmal in so grofer Zahl, da’ sie das ganze Lumen ausfillten, wo sie angehauft waren. — In einigen derselben waren kleine Trépfchen (Fett?) zu sehen. VorELrzkow hat ,amébenartige Epithelzellen“* in dem Darm von Aspidogaster conchicola beschrieben, welche die Blutkérperchen aus dem Korper des Wirtes aufzehren. Im vorliegenden Falle sind keine Blutkérperchen vor- handen, und kénnen die Blutzellen nur fliissige Nahrung aufnehmen, welche durch die Wand der Cyste hindurch diffundiert ist. Vielleicht sind die Zellen nicht ganz frei, sondern durch feine Fortsatze 610 Norman Maclaren, untereinander und mit der Wand verbunden, so daf ein schwamm- ihnliches Gewebe entsteht. Exkretionsapparat. (Taf. XXII, Fig. 23, Textfig. D.) Ein einziger weiter, unregelmafig gestalteter Kanal geht durch den Korper des Tieres in seiner ganzen Lange hindurch und miindet nach aufSfen am Hinterende. Er gabelt sich eine kurze Strecke vor dem Bauchsaugnapf in 2 seitliche Aeste, welche hinter dem Gehirn enden. Wahrscheinlich 6ffnen sich zahlreiche Kanale in diese eben genannten Sammelkanale, ahnlich wie bei anderen Distomidae. Die Wand des grofen Exkretionskanals besteht nnr aus einer homogenen Membran, welche an manchen Stellen dicker als an anderen ist. Kerne waren in ihr nicht zu finden, ebensowenig lieBen sich Muskelfasern nachweisen. Nervensy stem. Die Kontur des Gehirnes ist an Fig. 28, Taf. XXII, zu sehen. Das Gehirn besteht aus 2 Ganglien, eines auf jeder Seite des Oesophagus, welche durch eine dicke dorsale Kommissur verbunden sind. Von jedem Ganglion gehen mindestens 2 Paar Nerven ab; ein Paar nach vorn, ein Paar nach hinten. Der weitere Verlauf dieser Nerven konnte bei dem mangelhaften Erhaltungszustand des Materials nicht verfolgt werden; man konnte aber die Ganglien selbst durch die quergetroffenen Fibrillen leicht von dem sie um- gebenden Gewebe unterscheiden. Viele grofe Ganglienzellen liegen an ihren Raindern und ebenso an den Randern der Kommissur. Genaueres lief sich nicht erkennen. } Genitalapparat. (Taf, XX, Fig. 19,21; Maf. XXII; Fig. 23, 25) 2dgneoe Wegen der auferordentlichen Lange des Wurmes konnte ich kein vollstandiges Bild des Genitalapparates bekommen. Es war ganz unméglich, eine komplette Schnittserie von dem 1—1,5 mm langen Wurm zu machen. In den vielen durch verschiedene K6érper- teile gemachten Schnitten war die Region des Ootypes und der Schalendriisen nicht getroffen, jedoch laft sich genug erkennen, um festzustellen, dafS der wesentliche Bau des Apparates nicht verschieden ist von dem der Distomidae. Wie diese ist das Tier Zwitter. Beitrige zur Kenntnis einiger Trematoden. 611 Mannlicher Apparat (Fig. 23, Taf. XXII). Die 2 Testes sind lange, schlauchahnliche, sich durch das Tier schlaingelnde Koérper. Die Testes gehen allmahlich in die Vasa deferentia tiber. Die Vasa deferentia sind Gainge von gleichem Diameter mit den Testesschliuchen und treten nach vielen Windungen zu einem einzigen Gang zusammen, der auf der Spitze der Genitalpapille sich éffnet. Der gemeinsame Teil ist an seinem Anfang ange- schwollen und bildet so eine Art Samenreservoir. Ein besonderer Penis ist nicht vorhanden, obgleich wahrscheinlich der Endteil des Ausfiihrungsganges sich umstiilpen und einen funktionellen Penis bilden kann. Die Wande der Vasa deferentia sind dick und muskulés (Fig. 29). Jeder Gang ist von einer homogenen Membran um- geben und von einer inneren Schicht starker Ringmuskelfasern und einer auferen Schicht schwacher Lingsfasern eingehiillt. Der Bau der Testes bietet nichts Besonderes; Spermatozoa in verschiedenen Stadien der Entwickelung sind darin vorhanden. Weiblicher Apparat. Das lange, einfache, schlauch- ahnliche Ovarium ist, wie die Testes, durch den ganzen Kérper geschlangelt. Wie oben bemerkt, war das Ootyp und sein Ueber- gang in den Uterus nicht zu finden, aber daf das Organ ein wirk- liches Ovarium ist, laft sich bei der Aehnlichkeit seines Baues mit dem anderer Distomidae nicht bezweifeln. Es ist meist ein nahezu solides Rohr, durch dessen Mitte nur ein enger Hohl- raum zieht, der offenbar als Ausfiihrungsgang der Kier dient. Von der auferen Wand nach der Mitte hin findet man die fortschrei- tenden Stadien der Eientwickelung. Der Uterus ist als sehr geraumiges Rohr durch den ganzen hinteren Kérper in Schleifen verbreitet und an manchen Stellen so mit Eiern gefiillt, daf er aus dem eigentlichen Kérper in un- regelmafigen Wiilsten hervorragt (Fig. 25, Taf. XXII). Nach dem vorderen Ende pimmt er allmahlich an Dicke ab und lauft ventral von dem gemeinsamen Vas deferens nach der Genitalpapille, wo er unmittelbar hinter der mannlichen Oeffnung miindet. — Die Struktur des Uterus ist dhnlich wie die der Vasa deferentia, aber die Muskelschichten sind schwiacher entwickelt. Zahlreiche Nuclei sind gewohnlich um die duBere Muskelschicht gehauft (Fig. 27). Gelegentlich lassen sich Driisenzellen an seiner Wand erkennen, Wie sie bei vielen anderen Distomidae vorkommen. Ungeheure Mengen von Eiern verschiedener Entwickelungs- stadien sind in dem Uterus angehauft. Die reifen Eier (Fig. 27) 612 Norman Maclaren, messen nur 0,02 mm in der Liinge und 0,015 mm in der Breite 4); sie sind ohne Filament und ohne besonderen ,,Deckel“, obgleich sie, wenn sie durch einen leichten Druck gepreft sind, immer an einem Ende aufreifen, wo wahrscheinlich ein schwicherer Chitin- giirtel die Schale umgibt. Mengen von Spermatozoiden sind auch in dem Uterus vorhanden, besonders in einem Teil, welcher, wie ich glaube, nicht weit von dem Ootyp entfernt ist und in dem viele Eier noch unbefruchtet sind (Fig. 21, Taf. XX1I). Vitellaria. Es sind 2 Dotterstécke vorhanden, auch schlauchférmig, welche die Testes und den Uterus in ihren Win- dungen durch den Kérper begleiten. Ihr Bau ist sehr ahnlich dem des Ovarium, d. h. ein nahezu solides Rohr mit einem kleinen Hohlraum, in welchem die reifen Dotterzellen zerfallen. Bemerkenswert ist die winzige Kleinheit der einzelnen Dotter- zellen. Wie bei dem Ovarium findet man die reifen Zellen auf den Querschnitten des Schlauches nach der Mitte hin liegend; Fig. 19, Taf. XXI, zeigt einige reife Dotterzellen bei starker Ver- gréferung (Zei’, Ok. 12, Obj. 4/,.). Stellung im System. Urspriinglich hat VAN BENEDEN Nematobothrium als ein besonderes Genus unter seine Distomidés gestellt. Spiater (1888) brachte MonticELLI das Genus unter die Monostomeae in seine zweite Subfamilie Didymozoonidae, welche die zwei Genera enthalt: Didymozoon TASCHENBERG und Nematobothrium Van Ben., Intestino manca, Faringe manca(?) Corpo allungatissimo gordiiforme. Braun, in Bronns Klassen und Ordnungen, behalt Nemato- bothrium unter den Didymozoonidae, aber fabt diese als eine eigene Familie auf, getrennt von den Monostomidae. Jetzt aber ist es klar, dal’ Nematobothrium den Distomidae niher steht als den Didymozoonidae, obgleich die Morphologie der letzten Familie noch sehr im Dunkel ist. Ich wiirde daher 1) Nach Ep. Van Benepen sind die Hier von Nemat. filarina fast von derselben GréSe: ,The egg is of extraordinary minuteness of oval form; its long axis measures barely 0,027 mm, its small axis reaches about 0,020 mm.“ (Quart. Journ. micr. Sci., Vol. X, 1870, p. 136.) Beitrage zur Kenntnis einiger Trematoden. 613 vorschlagen, Nematobothrium unter die Distomidae als selbstindiges Subgenus mit folgender Diagnose zu stellen: Nematobothrium VAwn Ben., 1858. Sehr langgestreckte Distomidae; mit einem kleinen birn- formigen Pharynx; keinem besonders entwickelten Mundsaugnapf; Mund an der vorderen Spitze; sehr kleiner Bauchsaugnapf, nicht weit vom Munde entfernt; einfach gegabelter Darm; _ exkre- torischer Kanal am vorderen Ende gegabelt, aber ohne Vereini- gung der Aeste tiber dem Pharynx; Hermaphroditen, ein langes, schlauchformiges Ovarium, 2 lange, schlauchférmige Vitellaria; Eier ohne Filament; 2 lange, schlauchformige Testes; ohne be- sonderen Penis; Genitalginge 6ffnen sich getrennt auf einer Papille etwas hinter dem Mund. Laurerscher Kanal? Die Tiere leben paarweise eingekapselt auf den Kiemen oder im Fleisch von Seefischen. Species. Wirt. Nematobothrium filarina VAanBen. Sciaena aquila Nematobothrium guernei? Montez!) Thynnus oblonga Nematobothrium molae n. sp. Orthagoriscus mola Nematobothrium (Didymozoon) Mu ‘ benedeni Monric. Nematobothrium (Didymozoon) = A taenioides Monrtic. Vielleicht ist Nematobothrium benedeni Monric. synonym mit Nemat. molae, aber Prof. MonticeLui, dem ich die Cysten meiner Exemplare zeigte, hielt sie fiir eine neue Art von Didy- mozoon. — Selbstverstandlich ist Nemat. taenioides nur provisorisch hier unter Nematobothrium gestellt. Jena, Zoologisches Institut, im Juni 1903. 1) Es ist sehr zweifelhaft, ob das von Montez beschriebene Nemat. guernei mit Nematobothrium unter die neue Diagnose gestellt werden soll. Montez selbst fand keinen ventralen Saugnapf und betrachtet scheinbar das Tier als nicht wesentlich verschieden von Tascuenspercs Didymozoon. Seine Theorie von dem méglichen Vorhandensein einer ,,alternance de générations“ erfordert neue Untersuchungen. 614 Norman Maclaren, Literaturverzeichnis. Van Brenepen, P. T., Mémoire sur les vers intestinaux, Paris 1858. — et Hessn, Rech. sur les Bdellodes et les Trématodes marins, 1862. Van Benepen, E., On the embryonic form of Nematobothrium filarina Van Ben. Quart. Journ. micro. Sci. 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Allgemeine Bezeichnungen. a Augen. alm au8ere Lingsmuskeln. apg vorderer prostatischer Gang. apr vorderes prostatisches Re- servoir. bej Bulbus ejaculatorius. bm Basalmembran. e Cuticula. chs Chitinstab. d Darm. dej Ductus ejaculatorius. dg Dottergang. dm Schragmuskeln. do Dornen. dst Dotterstock. dum Dorsoventralmuskeln. ec exkretorischer Kanal. ga Genitalatrium. gh Gehirn. ilm innere Langsmuskeln. kdr Kopfdriisen. | kie Kiemen. lm Langsmuskeln. mej Musculi ejectores. mre Musculi retractores. oe Oesophagus. ov Ovarium. pd Prostatische Driisen. pe Penis. peh Penishiille. ppr hinteres prostatisches Reser- voir. y Ringmuskeln. rs Receptaculum seminis. schd Schalendriisen. schwd Schwanzdriisen. sp Sphincter des Genitalatriums. te Testis. ut Uterus. vd Vas deferens. ve Vas efferens. vg Vagina. Wane XX. Wis, ay Diplectanum aequans. karmin gefarbten Totalpraparat gezeichnet. Nach einem mit Borax- Die Dotterfollikel sind seitlich durch den ganzen Kérper verbreitet. Natiirliche Linge 1,5 mm. Fig. 2. Diplectanum aequans. Schema des Genitalappa- rates. Schnitten kontrolliert. Lage nach einem Totalpraparat gezeichnet, Details nach Natiirliche Lange 0,725 mm. Fig. 3. Diplectanum aequans. Idealer Langsschnitt durch die Gegend des Genitalatriums, nach Schnitten rekonstruiert. Die verschiedenen Organe sind auf eine Ebene projiziert. : Fig. 4. Diplectanum aequans. Pharynx und Oesophagus (oes). Schnitt durch Mund, Beitrige zur Kenninis einiger Trematoden. 617 Fig. 5. Diplectanum aequans. Mund yon unten gesehen. Fig. 6. Diplectanum aequans. LEiner der 4 grofen Haken. Fig. 7. Diplectanum aequans. Liangsschnitt durch den dorsalen Teil des Kérpers mit den Dotterfollikeln (ds?). Fig. 8. Diplectanum aequans. Rhabditen (Rhammiten), in einem Kopfdriisengang liegend. Zei, Ok. 4, Obj. 4/,5. Fig. 9. Diplectauum aequans. Schwanzende eines Mace- rationspraparates. schd Schwanzdriisen, dp Teil der Kontur der mit Dornen besetzten Platte. Fig. 10a. Diplectanum aequans. Langsschnitt der ven- tralen Kérperwand. Fig. 10b. Schema der ventralen Kérperwand. c Cuticula, bm Basalmembran, 7 Ringmuskeln, alm tufere Langs- muskeln, dm Schragmuskeln, iJm innere Langsmuskeln. Fig. 11. Diplectanum aequans. Seitenschnitt des Pharynx, die Radial- und Ringmuskeln zeigend. Fig. 12. Diplectanum aequans. Chitinstab des Haken- apparates. Varhell koe Fig. 13. Diplectanum aequans. Langsschnitt eines in situ zwischen den Kiemenblattchen getéteten Exemplares. kie Kiemen des Fisches, chs quergetroffener Chitinstab, schwd Schwanzdriisen, k groBe Kerne, do Dornen. Fig. 14. Diplectanum aequans. Langsschnitt des Uterus. rm Ringmuskeln, hm homogene Membran. Zeih, Ok. 3, Obj. 1/,,. Fig. 15. Diplectanumaequans. Liangsschnitt (nicht genau median) durch den Bulbus (bej7) und den Ductus ejaculatorius (dej). vk ventrale Kérperwand, bp Basis des Penis, iej Musculi ejectores. Zeik, Ok. 2, Obj. tYi1. Fig. 16. Diplectanum aequans. Querschnitt des Kopfes durch das vordere Augenpaar. gh Gehirn, kdr Kopfdriisen, ph Pha- rynx, tangential getroffen. Fig. 17. Nematobothrium molae. Hine kleine Cyste. Vergr. 11/,. & ein Stiickchen der Kieme, ¢ Cyste. Fig. 18. Diplectanum aequans. Langsschnitt durch das vordere prostatische Reservoir. gq Giirtel der gelben Kérnchen, sk schwarze Korner auf der Dorsalseite. Zeif, Ok. 2, Obj. E. Fig. 19. Nematobothrium molae. Spitze einer Gruppe reifer Dotterzellen. Zeif, Ok. 12, Obj. 1/,5. Fig. 20. Diplectanum aequans. Querschnitt durch die Region des Ovariums. dvm Dorsoventralmuskeln, qd Darm mit Dotterkérnchen, vg Vagina mit chitindser Wand (gelb). Fig. 21. Nematobothrium molae. Reife Kier im Uterus. s Spermatozoid. Zeif, Ok. 12, Obj. 4),,. Fig. 22. Diplectanum aequans. Lateralschnitt durch das vordere prostatische Reservoir. sm schriig laufende Muskelfasern, sk schwarze Korner auf der Dorsalseite. Zeik, Ok. 4, Obj. 1/,5. 39 * 618 N. Maclaren, Beitriige zur Kenntnis einiger Trematoden. WE hc! Dae aa Bw Fig. 23. Nematobothrium molae. WVorderende nach Schnitten rekonstruiert. vd Vas deferens, uf Uterus, saw Saugnapf, oe Oesophagus, ec exkretorischer Kanal. Fig. 24. Nematobothrium molae. Parenchym des hinteren Korperteils, nach einem Querschnitt gezeichnet. [Heife, fast kochende konzentrierte Sublimatlésung, Hamatoxylin (DeLarimup), Orange G.] Zeik, Ok. 2, Obj. 4/,5. Fig. 25. Nematobothrium molae. Stiick des mittleren Teiles des Wurmes, nach einem Totalpraparat gezeichnet. wt Uterus. Fig. 26. Nematobothriummolae. Muskulatur der Kérper- wand, nach einem Tangentialschnitt gezeichnet. Zeill, Ok. 4, Obj. 4/,5. Fig. 27. Nematobothrium molae. Lingsschnitt des Uterus. et Kier, rm Ringmuskeln, lm Langsmuskeln, Nuclei. Fig. 28. Nematobothrium molae. Querschnitt der Gehirn- region. gh Gehirn, 0e Oesophagus, vd Vas deferens, ut Uterus. Fig. 29. Nematobothrium molae. Langsschnitt des Vas deferens. rm Ringmuskeln, /m Langsmuskeln. Fig. 30. Nematobothrium molae. Querschnitt durch die Region des Pharynx. Fig. 31. Nematobothrium molae. Querschnitt der latero- ventralen Kérperwand, nicht weit von dem Saugnapf entfernt. Zeif, Ok. 4, Obj. 4/15. Fig. 32. Nematobothrium molae, Seitlicher Langsschnitt der Darmwand. m Nuclei des Syncytiums, rm Ringmuskeln. Zeif, Ok. 4, Obj. 4/5. Fig. 33. Nematobothrium molae. Querschnitt des Darm- schenkels. rm Ringmuskeln, fn freie améboide Zellen, syn Syn- eytium. Zeif, Ok. 4, Obj. 1/,,. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 2572 ] Verlag von Gustav Fischer in Jena. Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Von K. Korsechelt, Professor in Marburg und K. Heider, Pro- fessor in Innsbruck. Allgemeiner Teil. Erste Lieferung. Erste und zweite Auflage. Mit 318 Textabbildunger. 1902. Preis: 14 Mark. Inhalt: Erster Abschnitt. Experimentelle Entwickelungsgeschichte. 1. Kapitel. Der Anteil ausserer Einwirkungen auf die Entwickelung. 2. Kapitel. Das Deter- fo) minationsproblem. 3. Kapitel. Ermittelungen der im Innern wirkenden Ent- -wickelungsfaktoren. Zweiter Abschnitt: Die Geschlechtszellen, ihre Entstehung, Reifung und Vereinigung. 4. Kapitel. Ei und Eibildung. 5. Kapitel. Sperma und - Spermatogenese. Zweite Lieferung. Mit 87 Textabbildungen. 1903. Preis: 5 Mark 50 Pf. Inhalt: 6. Kapitel. Eireifung, Samenreifung und Befruchtung. Anhang. Theorie der Vererbung. Soeben erschien: Beitrage zur einer Trophocdltheorie. Betrachtungen und Suggestionen iiber die phylogenetische Ableitung der Blut- und Lymphbehilter, insbesondere der Articulaten. Mit einem einleitenden Abschnitt iitber die Abstammung der Anneliden. Von Dr. Arnold Lang, Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie a. d. Univ. und am Eidg. Polytechnikum in Ziirich. Mit 6 Tafeln und 10 Text- figuren. Preis: 16 Mark. Horae Zoologicae. Zur vaterlindischen Naturkunde. Ergiinzende sachliche und geschichtliche Bemerkungen von Dr. Franz Leydig. 1902. Preis: 6 Mark. Aus dem Inhalt: Abschnitt I. Landschaft — Vegetation. Tauber- héhe, Taubergrund, Mainthal, Saalethal etc. — (S. 1—61). Absehnitt II, Tiere. Vorkommen, Bau und Leben. Sporozoen, Flagellaten etc. bis Végel, Saiuge- _ tiere (S. 62—208). Beilagen: Zur Verinderung des Einzelwesens. Zur Verinde- rung der Fauna. Riickgang der Tierbevélkerung. Zur Abstammungslehre (S. 209—222). Absehnitt Ill. Geschichtliches. Linné, Rothenburg o. T., Windsheim ete. (S. 223—273). — Verzeichnis der litterarischen Veréffentlichungen des Verfassers. Das Problem der geschlechtsbestimmenden Ursachen. Von Dr. M. von Lenhossék, 0. Professor der Anatomie in Budapest. 1902. Preis: 2 Mark. Tabellen zur Gesteinskunde fir Geologen, Mineralogen, Bergleute Chemiker, Landwirte und Techniker. Von Dr. & Linek, o. 6. Professor fiir Mineralogie und Geologie an der Universitit Jena. Mit 3 Tafeln. 1902. Preis: 2 Mark. Die Analyse der Empfindungen und das Verhiltnis des Physischen zum Psychi- y schen. Von Dr. i. Mach, em. Professor an der Universitit Wien. Mit 36 Ab- bildungen. Vierte vermehrte Auflage. 1903. Preis: brosch. 5 Mark, geb. 6 Mark. Neues Wiener Abendblatt Nr. 269 vom 1. Oktober 1900: .. . Die mit immer grésserer Kraft auftretende Einsicht, dass alles Wissen soli- darisch ist und einen Kosmos bildet, wie die Natur selbst, triigt den Bliitenstaub der Erkenntnis von Garten zu Garten. Die Friichte der Annahrung sind auch schon in grosser Zah] vorhanden, und eine ihrer markantesten und schénsten ist ohne Zweifel das vor kurzer Zeit in dem Jenenser Verlag von G. Fischer erschienene Buch: ,,Die Analyse der Empfindungen“ yon Ernst Mach. Die progressive Reduktion der Variabilitat und ihre Beziehungen zum Aussterben und zur Entstehung der Arten. Von Daniel Rosa, Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der k. Universitit in Modena. Im Einverstiindnis mit dem Verfasser aus dem Italienischen iibersetzt von Dr. Heinrich Bosshard, Prof. an. der Kantonsschule in Ziirich. Preis: 2 Mark 50 Pf. Verlag von Gustav Fiseher in Jena. Die moderne Weltanschauung und der Mensch. Sechs sffentliche Vortrige. Von Dr. Benjamin Vetter, weil. Prof. an der Kgl. siichs. techn. Hochschule — in Dresden. Mit einem Vorwort des Herrn Prof. Dr. E. Haeckel in Jena. Vierte Auflage. 1902. Preis: steif brosch. 2 Mark, geb. 2 Mark 50 Pf. Jenaische Zeitung vom 28. April 1901: Ein Buch, das mit allem Feingefiihl und aller Achtung vor dem Bestehenden dennoch volle Ueberzeugungstreue verbindet und daher wohltuend wirkt auf die Gleich- — gesinnten sowohl wie auf die Andersdenkenden.. . Geologische Heimatskunde von Thiiringen. Von Dr. Joh. Walther, Professor an der Universitit Jena. Zweite vermehrte Auflage. Mit 120 Leit- fossilien in 142 Figuren und 16 Text-Profilen. 1903. Preis: brosch. 3 Mark, geb. 3 Mark 50 Pf. Der Indo-australische Archipel und die Geschichte seiner Tierwelt. Nach einem Vortrag auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Karlsbad am 22. Sept. 1902 gehalten, in erweiterter Form herausgegeben von Max — Weber, Professor in Amsterdam. Mit einer Karte. 1903. Preis: 1 Mark. Vortrage itber Descendenztheorie, vehalten an der Universitit Freiburg i. B. Von Prof. August Weismann. Mit 3 farbigen Tafeln und 131 Textfiguren. 2 Bande. Preis: 20 Mark, eleg. geb. 22 Mark 50 Pf. Inhalt: Allgemeine und historische Einleitung. — Das Prinzip der Natur- ziichtung. — Die Firbungen der Tiere und ihre Beziehungen auf Selektionsvor- ginge. — Eigentliche Mimicry. — Schutzvorrichtungen bei Pflanzen. — Fleisch- fressende Pflanzen. — Die Instinkte der Tiere. — Lebensgemeinschaften oder Sym- — biosen. — Die Entstehung der Blumen. — Sexuelle Selektion, — Intraselektion oder Histonalselektion. — Die Fortpflanzung der Einzelligen. — Die Fortpflanzung durch Keimzellen. — Der Befruchtungsvorgang bei Pflanzen und Kinzelligen. — Die Keimplasmatheorie. — Regeneration. — Anteil der Eltern am Aufbau des Kindes. — Priifune der Hypothese einer Vererbung funktioneller Abiinderungen. — Einwiirfe gegen die Nichtvererbung funktioneller Abiainderungen. — Germinal- - selektion. — Biogenetisches Gesetz. — Allgemeine Bedeutung der Amphimixis. — Inzucht, Zwittertum, Parthenogenese und asexuelle Fortpflanzung und ihr Einfluss auf das Keimplasma. — Medium-Einfliisse. — Wirkungen der Isolierung. — Bildung abgegrenzter Arten. — Artenentstehung und Artentod. —- Urzeugung und Schluss Der Neo-Lamarckismus und seine Beziehungen zum Darwinismus. Vortrag gehalten in der allgemeinen Sitzung der 74. Versammlung deutscher Natur- forscher und Aerzte in Karlsbad am 26. September 1902. Mit Anmerkungen und Zusitzen. Von Dr. Richard v. Wettstein, Professor an der Universitit Wien. 1902. Preis: 1 Mark. Lehrbuch der vergleichenden Entwickelungsgeschichte der niederen Wirbeltiere in systematischer Reihenfolge und mit Beriicksich- tigung der experimentellen Embryologie. Von Dr. Heinrich Ernst Ziegler, Professor an der Universitit Jena. Mit 327 Abbildungen im Text und einer farbigen Tafel. Preis: 10 Mark, geb. 11 Mark. Ueber den derzeitigen Stand der Descendenzlehre in der Zoologie. Vortrag gehalten in der gemeinschaftlichen Sitzune der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe der 73. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Ham- burg am 26. September 1901, mit Anmerkungen und Zusiitzen herausgegeben von Dr. Heinrich Ernst Ziegler, Prof. an der Universitat Jena. 1902. Preis: 1 Mark 50 Pf. [- Diesem Heite liegen Prospekte der Verlagsbuchhand- lungen Ferd. Enke, Stuttgart und R. Oldenbourg, Miinchen, bei, welche geneigter Beachtung empfohlen werden. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 2572 LUA | Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Achtunddreissigster Band. Neue Folge, Einunddreissigster Band. Viertes Heft. Mit 6 Tafeln und 17 Figuren im Text. Inhalt. GOssniTz, W. v., Sechs Falle von linksseitigem Zwerchfellsdefekt. Hierzu 13 Figuren im Text. Lusoscu, W., Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. Hierzu Tafel XXIII und 4 Figuren im Text. HILLEL, ErIcH, Ueber die Vorderextremitat von Eudyptes chrysocome. Hierzu Tafel XXIV und XXV. ARNESEN, EMILY, Ueber den feineren Bau der Blutgefasse der Rhyncho- bdelliden mit besonderer Beriicksichtigung des Riickengefasses und der Klappen. Hierzu Tafel XXVI—XXVIII. Jahresbericht der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena fiir das Jahr 1903 erstattet von FELIX AUERBACH, d. Z. I. Vorsitzenden. — 197. (HSB. 1902; 21. Jge ep. 119, 123.) 7-j. Kuh. *443) Druit, ? Katze. *444) Eperuarp, Repertor., 1877. (BF.) 445) ELLENBERGER u. Baumm, Topographische Anatomie des Pferdes, 1897, p. 63 ff. 446) ELuenperGer u. Miuier, Handbuch d. vergl. Anatomie d. Haustiere, Berlin 1896, 8. Aufl, p. 278, 279, 788 ff. 447) Evtenpereer, Scuirz u. Baum, Jahresberichte iber die Leistungen auf dem Gebiete der Veterinirmedizin, 1882—1902, 21 Bde. *448) Enorrn, Rec. de Méd. vét., 1890. (BF.) *449) EneutEn, Deutsche Tierarztl. Wochenschr., Bd. IV, p. 2. Eindringen des Magens durch einen alten Zwerchfellrif in die Brust- (nicht Bauch-!)héhle des Pferdes. (ESB., 1897, 1iGl "3 en peat Ds) *450) Faspr, Middelrifsbreuck bij en paard. Holl. Zeitschr., Bd. XII, p. 216. (HSB., 1884, 3. Jg., p. 91, 93.) *451) Fatuer, Hernia diaphragmatica congenita. Preuf. 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Hund kong. *491) Lorex, V., Hernie diaphragmatique hépatique congénitale et atrophie d’une portion du ventricule gauche du ccur chez un Ane. Journ. du Méd. de Bruxelles, Aofit, p. 126. (Annal. de Méd. vét. Bruxelles, 1872, p. 653; Vircu.-Hirscu, 1872, p- 607, 610.) *492) Lows, Sogen. Zwerchfellsbruch bei einem Pferde. Journal of comp. Path. and Therap., Vol. VII, 1894, p. 75. (HSB, 1895, 14. Jg., p. 110.) *493) Maxssen, Mitteil. aus der tierarztl. Praxis, 1857/58. (BF.) *494) Mauet, Rev. vét. 1880. (BF.) *495) Martin, Annal. de Méd. vét. Bruxelles, 1866. (BF.) 496) Martin, P., Handbuch der Anatomie der Haustiere, Stuttgart 1892, 3. Aufl, Bd. I, p. 382 fff. *497) Maruts, Zwerchfellsbruch bei der Katze mit Durchtritt des ges. Darmk. in die Brusthéhle. Journal de Méd. vét. et de Zootech. 1893; Lyon Journ. p. 135. (BF. u. ESB, 1894, 13. Jg., p. 95—97.) *498) Murxin, Zwerchfellszerreifung beim Pferde. Wochenschr. f. Tierheilk., p. 301. (ESB., 1902, 21. Jg., p. 119.) Bad. tier- arztl. Mitteil., 1890. (BF.) *499) Micuauski1, Ueber einen Fall von Hernia diaphragmatica. Zeitschr. f. Veterinarkunde, Bd. V, p. 535. (ESB. 1894, 13. Jg., p. 95.) *500) Militarrapport, Zerreiung des Zwerchfelles bei einem Pferde. Vet. Zeitschrift, 1899, p. 304. (ESB. 1890, 9. Jg, p. 102 —103.) Ebenda, 1891, p. 113. (ESB, 1893, 12. Jg., p. 97.) *501) Morr, Bemerkenswerter Obduktionsbefund. Vet. Journ., Bd. XXXII, p. 320. (ESB., 1891, 10. Jg., p. 98.) *502) Mougqurt, Recueil de Méd. vét., No. 4, p. 118. Bull. de la Soc. centr. méd. vét., 1896. (ESB., 1897, 17. Jg. p. 77.) *503) Neyraup, Hernie diaphragmatique ancienne. Journ. de Méd. vét. et de Zootechnic; Rec. de Méd. vét., No. 19, Lyon Journ., p. 76. (ESB., 1892, 11. Jg.) *504) — Lyon Journ. p. 579. (HSB., 1896, 15. Jg.) *505) Novorny, Zwerchfellri’ und Einklemmung eines Teiles der linken unteren Grimmdarmlage. Sechs Falle von linksseitigem Zwerchfellsdefekt. 659 *506) Parson, F. B., Zwerchfellsruptur. The Veterinary Journ., N. F. Vol. I, No. 3, p. 164. Pferd. (ESB., 1901, 20. Jg. p. 114.) *507) Puurson, Journ. de Vét. du midi, 1861. (BF.) *508) PrrcivaL, The Veterinarian, 1853. (BF.) *509) Pryraup et Luspre, Journ. de Méd. vét. d. Lyon, 1895. (BF.) *510) Pispensrock, Loch im Zwerchfell und Einklemmung der Haube bei einer Kuh. Tod derselben. Preuf. Mitteil., N. F. Bd. VI, p. 45. (HESB., 1882, 1. Jg, p. 56.) *511) Pirzscuxn, Verhandl. der Physikal.-med. Gesellsch. zu Wiirz- burg, 1872, N. F. Bd. III. Ochse. *512) Praxkn, Ref. Repertorium, 1848. (BF.) *513) Pranet, Rec. de Méd. vét., 1843. (BF.) *514) Preufischer Militirrapport, Ueber Zwerchfellszerreigung, 1893, p- 92. (ESB., 1895, 14. Jg.) *515) Reeio, Giornale di Veterinaria militare. (KSB., 1891, 11. Jg., p. 98.) 516) Rerstea, A. De ventriculi in cavo thoracis situ congenito. Inaug.-Diss. Berlin, 1823, 26 pp., 3 Taf. Zibethkatze, Viverra. *517) Ricutsr, Zeitschr. f. Veterinirk., 1891. (BF.) *518) Rinp, Zwerchfellsbruch und Verwachsung einer Diinndarmschl. mit Lunge etc. Berl. tierirztl, Wochenschr., 1890, p. 74. (ESB., 1891, 10. Jg., p. 98.) *519) Rivimre, Zwerchfellshernie und Tod beim Pferde. Ree. de Méd. vét., p. 324. *520) Rink, Repertorium, 1883. (BF.) *521) Ronpert, Zwerchfellsbruch und Vorfaill der Haube bei einer Kuh. Sachs. Ber., p. 140 (?). (HSB. 1898, 17. Jg., p. 94). *522) Roeen, Zwerchfellsruptur beim Pferde. Ad. Wochenschr. f. Tierheilkunde, 1883, p. 42. (ESB., 1884, 3. Jg., p. 105.) *523) Roy, Gwerchfellshernie beim Pferde. Revue vétér., p. 324. (ESB., 1898, 17. Jg., p. 94.) *524) Saccant, Beitrag zur Lehre von den angeborenen Zwerch- fellsbriichen. Nuovo Ercolani, Vol. III, p. 359, 371. (ESB., 1899, 18. Jg., p. 99, 102.) Schwein. *525) Samiewsky, Hin angeborener diaphragmatischer Leberbruch bei einer Kuh. Petersburger Archiv f. Veterinarwissensch., No, 7p: sae CSB 1898) 1700 Tee pic97,) *526) Sautu, Mitteil. aus der tierarztlichen Praxis im preufgischen Staate, 1853/54. (BF.) *527) Scutampr, Miinchener Jahresberichte, 1893/4. (BF.) *528) Scumatrz, Ueber eine Zwerchfellszerreifung beim Pferde. Ap. Wochenschr. f. Tierheilk., 1886, p. 24. (ESB. 1887, 6. Jg., p. 107.) 529) Scunememtut, G., Lehrbuch der vergl. Pathologie des Menschen und der Haustiere, Leipzig 1898, p. 636. 530) ScurapEer, GH., 1861, 27. Jg. 1. H., IV, 2, ein kompl. Hin- geweidebruch, p. 97—102. *531) Scuurinx, Diaphragmatical hernia. Holl. Zeitschr., Bd. XIV, p. 274, (ESB., 1888, 7. Jg., p. 65, 66.) 660 . W. v. Goknitz, *532) Sewres, Journ. des Vétérinaires du midi. (BF.) #533) Spurvine, Perforation einer Echinococcusblase in dem Thorax- raum. Deutsche tierarztl. Wochenschr... Bd. VI, p. 270. (ESB., 1899, 18. Jg., p. 100.) *534) Turerry, Journal de Méd. vét. Lyon, 1869, 1880. (BF.) *535) Tuomas, ZwerchfellriS als Ursache éfterer Kolik. Sachs. 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Nachtrag zu a): *545) Grontunp, M., Hosptid., VII, 24, p. 655. *546) Vipax, Traité de path. ext., Tome IV. Sichtung der Fille in der Literatur. Die in vorliegender Literatur enthaltene Kasuistik ist schon 6fters zusammenfassend verwertet worden. Die letzte Arbeit von Grosser (160) weist 433 Falle auf (bei einer Anzahl doppelt gezihlter Falle!). Die tatsichliche Zahl ist inzwischen noch etwas vermehrt worden (seit 1899). Man unterscheidet zwei groBe Gruppen, in denen die erworbenen den kongenitalen Hernien gegenitibergestellt werden. Fiir unsere Zwecke steht natiirlich die erste Gruppe (bei GrossER 181 Fille) aufer Frage. Was die zweite Gruppe anbetrifft, so konnte ich selbst No- tizen itiber 235 kongenitale Falle sammeln, welche ich in folgende Tabelle einordnete (iiber die 8 Falle der Hertzschen Arbeit [180] siehe im Nachtrag). Die Veterinirliteratur, welche iiber Zwerchfellshernien der Saugetiere Aufschlu8 gibt, enthielt unter 99 nur 14 kongenitale Falle; ich habe von ihrer Verwertung Abstand genommen, weil . Sechs Falle von linksseitigem Zwerchfellsdefekt. 661 die Beschreibung der Fille, von einzelnen abgesehen, nicht genau genug ist. Tabelle tiber die als kongenital bezeichneten Zwerchfellshernien beim Menschen: 235 Fille: | K6rper-|weib-|minn-| ohne seite | lich | lich | Angabe | Suma A. Einseitiges -Auftreten der|- ‘| Hernie 225 Falle I. Hernia vera 280% hts 2 1 — a) Erwachsene (lines 4 5 2 a Summa fiir Erwachsene 6 6 2 14 : rechts — — -- a b) Kinder Lacs qeNl=sen hain |mBlebael! j2 Summa fiir Kinder — 2 — o int c) Neugeborene u. wenige{jrechts 1 1 2 + Tage alte Kinder links 4 2 2 8 Summa fir N eugeborene | 5 3 | 4 | 12 Summa fiir Hernia vera 11 11 6 | 28 II. Hernia spuria 197 Falle rechts 1 3 — a eae te fnks, | 12) (2 ed ye Summa fiir Erwachsene 13 28 3 44 ‘ rechts 2 -- 1 3 bh) Kinder links Pie PTE ei Ne Or aH nr Summa fiir Kinder 6 9 5 20 c) Neugeborene u. wenige{|rechts 4 11 4 19 Tage alte Kinder links 27 56 31 {114 Summa fiir Neugeborene | 31 GLARE Summa fiir Hernia spuria 5O | 104 43 |197 B. Beiderseitiges Auftreten der Hernie | 9Falle a) Erwachsene 1 1 ae 2 b) Kinder 2 - 2 c) Neugeborene 1 aa 4 5 Summa f. beiderseit. Hernien 2 Seley 4: noha unzugangliche Falle 1 — 1 Fall Gesamtsumme der kon- genitalen Hernien 63. | 119 53 = |235Falle 662 W. v. Go8nitz, Was das Geschlecht anlangt, so entfallen von 182 Fallen 119 = 65,4 Proz. auf das mannliche und 63 = 34,6 Proz. auf das weibliche Geschlecht. Bei LricHTENSTERN (233) waren die entsprechenden Zahlen von 65 Fallen 35 = 54 Proz. und 30 = 46 Proz. Starke Verschiebungen ergibt die gesonderte Betrach- tung der beiden Bruchformen. An der Hernia vera (22 Falle) sind beide Geschlechter zu 50 Proz. (je 11 Falle) beteiligt +). Da- gegen besitzen 104 minnliche = 67,6 Proz. und nur 50 weibliche Individuen = 32,5 Proz. eine Hernia spuria. Die beiden K6rperseiten verhalten sich in 225 Fallen wie 192 linke (= 85,3 Proz.) zu 33 ~ 14,7 Proz.) rechte. Bei beiden Bruchformen lauten die Zahlen gesondert fiir die Hernia vera: 21 (= 75 Proz.) links zu 7 (= 25 Proz.) rechts, Hernia spuria: 171 = 87 Proz.) links zu 26 = 13 Proz.) reehts. Das starke Zuriicktreten der rechten Seite laft vermuten, daf hierbei besondere Momente mitspielen miissen. Als Grund hierfiir wird wohl mit Berechtigung die schiitzende Lage der Leber rech- terseits angegeben. Kine Vergréferung der Leber fand sich bei den 138 Fallen von Hernia spuria bei Neugeborenen in 23,2 Proz. (82 Falle); eine MilzvergréSerung wurde 4 mal notiert. An Besonderheiten sind daselbst noch 9mal verschiedene Grade von Hemicephalie, 8mal Hasenscharten und 7mal unter- bliebener Descensus testiculorum verzeichnet worden. Die absolute Haufigkeit ergibt sich, da meine 6 Falle einer Leichenzahl von 10700 des hiesigen Institutes gegeniiberstehen, zu 56 auf 100000. Ueber die Ursachen, welche den angeborenen Zwerchfells- defekten zu Grunde liegen, ist nichts Sicheres bekannt. Auch meine 6 Falle gewaihren keinen Anhalt in Atiologischer Hinsicht. Die Moéglichkeit liegt jedoch vor, da’ sie auf Bildungs- hemmung beruhen. Vorausgesetzt, dal dies richtig ist, lassen sich Grade des Defektes unterscheiden und auf eine Hemmung der normalen Entwickelung in bestimmten Zeitriumen zuritick- fiihren. Bei einer Sichtung in diesem Sinne fallen zuerst die Herniae verae als nach Abschluf des Zwerchfelles entstanden fort. Ferner erscheint es bedenklich, die bei Erwachsenen und alteren Kindern beschriebenen Falle heranzuziehen. Hierdurch wird die Zahl auf 1) Die Falle yon Lacuwr-AUTENRIETH und ScuROTER sind irr- tiimlich als Herniae verae bezeichnet. Sechs Falle von linksseitigem Zwerchfellsdefekt. 663 138 an Neugeborenen und wenige Tage alten Kindern beobachtete Falle beschrankt. (A. II. c. und B. «.) Und hier scheiden endlich noch die ungenau beschriebenen Falle, darunter 11 von halbseitigem Fehlen des Zwerchfelles, welche oberflichlich und besonders ohne Beriicksichtigung der Innervation beschrieben sind, sowie 2 Totaldefekte an Monstro- sititen (SpessA 361 und Vroiik 390) aus. Wenn dann noch die den Zwerchfellmuskel nicht betreffenden Defekte des Centrum tendineum sowie einige Spaltungen des Muskels auSer acht gelassen werden, so bleiben schlieBlich 71 Falle ibrig. Hiervon weisen 37 keine weitere Abnormitiat auf (52,1 Proz.). Grade des Defektes. I. Kleiner Defekt hinten, Gegend des Foramen Bochdaleki. II. GréSerer Defekt hinten und seitlich: restierende vordere Sichel oder Halbmond. Lumbalteil wenig verschmalert. Ill. Grofer Defekt hinten und seitlich: restierende vordere Sichel oder Halbmond. Lumbalteil defekt. Zur I. Gruppe rechne ich: 20 Faille. a) Links die Falle von: AaLFretp (4), BiscHorr (36) Fall a, Boun (41) Fall a, CarruTHERS (68), CHAMBRELENT et PRINCETEAU (71), Fiscuer (123), Gaurter (145), Clin. Beaudel. No. 561, mein Fall V, Gitman (152), Gruper (163), Horrmann (187), Kocuer (216) II, Mayer (264), PacHNER (293), ScHWALBE (347) Fall Il und Wertrueim (398), Summa = 16 Faille. b) Rechts: Duaurr (105), Fuéck (127), Gites (150), SCHWALBE (347) Fall II, Summa = 4 Faille. Zur II. Gruppe: 33 Faille. a) Links: BiscnHorr (36) Fall b, BrscHorr (36) Fall c, BocapA.exk (40), BroomaL, ANNA (58), M’CLintTock (78), Dusots (103), Dumont-Pattier (106), Frantz (136), mein Fall II, III und VI, Gruper (163) 2 Falle, Hausmann (176), Hertz (180) Fall II, IV, Kaup (210) Fall IL, Konn (218), Korn (219), LACHER (223) Fall III, Livinastron (243), Paterson (298), Pozzi (316), Revue de HaYEm, Monnter (272), ROBINSON (329), SCHAFFER (338), ZWANZIGER (410), Summa = 27 Faille. b) Rechts: Biést (38), Boun (41) No. H, Boucuaup (47), Kocuer (216) Fall I, Porockr (315), ScHOLLER (342), Summa = 6 Faille. Zur Ill. Gruppe: 18 Faille. a) Links: Breisky (54), BuscH-WryYLanp (63/399), mein Fall I, Gruper (163), Gautier (145) Obs. 77, Hertz (180) Fall I, 664 W. v. Gébuitz, Il, VI, Vil, VIII, Scuwarse No. 4 (347), ScHwaLBe (346), ScurOTER (345, Wey LAND (400), Wiipr (403), Summa = 16 Falle. b) Rechts: Herrz (180) Fall V, Vrorm (390), Summa = 2 Faille. Tabelle: Bee il | Ort und Art des Defektes tae rechts | Summa I. Kleiner Defekt hinten und seitlich, Gegend Hees des For. Bochdaleki 16 4 20 II. Gréferer Defekt hinten und seitlich, re- stierende Sichel oder Halbmond vorn| 27 6 33 III. Grofer Defekt hinten und seitlich, restie- rende vordere Sichel oder Halbmond, Lumbalteil defekt 16 2 18 Summa | 59 | 12 | 7 Folgerungen. In einem betrachtlichen Teile unserer Falle sehen wir den Defekt im Zwerchfellmuskel beschrainkt auf eine Stelle hinten seitlich neben der Wirbelsiule. Es ist dies ein nach mancher Hinsicht interessanter Ort. Ueber seine Beziehung zur ausge- bildeten Muskulatur des Zwerchfelles aufert sich BOCHDALEK, welchem sie auch ihren Namen ,,BocHpALeksche Stelle“ verdankt, folgendermafen (40, p. 91): ,,Diese Liicke, welche ich die hintere Zwerchfellliicke nennen will, befindet sich zwischen dem aufSeren oder dritten Schenkel des Lendenteiles des Zwerchfelles, der letzten fleischigen Zacke seines Rippenteiles und der letzten falschen Rippe. Sie hat meist die Gestalt eines Dreieckes. In seltenen Fallen ist diese Liicke so bedeutend, daf die letzten Fleischzacken des Rippenteiles des Zwerchfelles von der 10. Rippe entspringen, und somit die 12. Rippe mit Ausnahme der die Liicke ver- schlieBenden sehnigten Membran ... mit dem Zwerchfelle in keinem Zusammenhange steht.‘ Fig. 92 verweist dann BOCHDALEK auf das Vorkommen dieser Stelle bei anderen Saugetieren. Und gerade die vergleichende Anatomie zeigt, daf hier Rippen- und Lendenteil der Diaphragmahalften voneinander geschieden sind, eine Tatsache, die auch mir vor einigen Jahren aufgefallen und eingehend auf p. 236/237 gelegentlich der Zweiteilung jeder Halfte des M. diaphragmaticus benutzt wurde. Weitere Belege gibt uns die so wie so vergleichend-anatomisch arbeitende Veterinarliteratur besonders beim Pferde. Sechs Falle von linksseitigem Zwerchfellsdefekt. 665 Martin (496), p. 382: ,,An der letzten Rippe fehlt haufig das Muskelfleisch ganz, so da’ Bauchfell und Brustfell unmittelbar aneinander stofen.* Nach ELLeNBerGER und Baumm (445, p. 63) stofen Lendenteil und Brustteil nicht aneinander, sondern das Speculum Hemontii inseriert direkt an der 18. Rippe, dies bei einem Phrenicus, der C,—C, (445) oder C,—C, (446) entstammt. AuBerdem liegt diese Stelle derart, da’ dorthin die letzten Aus- laufer des sich verteilenden Phrenicus sowohl vom Costal- als auch vom Lumbalteil her hinreichen. Das Variieren in der Aus- dehnung des Musc. diaphragmaticus zu dieser Stelle weist also zusammen mit der Innervation darauf hin, daf hier der jiingste Teil resp. die SchluBstelle des Zwerchfelles beider- seits zu suchen ist. Und gerade hier setzen die kleineren Defekte ein! In dem nachst hdheren Stadium wurden immer weitere Ursprungsstellen des Zwerchfellmuskels an der seitlichen Brustwand nach vorn zu miteinbezogen; die Seitenpfeiler des Lumbalteiles kommen eben- falls nicht zur Ausbildung und in den stirksten Graden befindet sich nur in der Sagittallinie des Kérpers ein vom Sternum zur Wirbel- siule durchlaufender Rest der sonst defekten Muskulatur. Schlief- lich fihrt die Reduktion auf ein ventrales mittleres Sttick zuriick. Dieses Fortschreiten des Defektes geht also zugleich analog der in der intramuskularen Nervenverteilung gekennzeichneten Ausbildung des ganzen Zwerchfelles von statten; der altere ven- trale Abschnitt bleibt am langsten erhalten. Indem ich die Ab- bildungen BiscHorrs, BocHDALEKS und die meiner Falle mit den typischen Beschreibungen kombinierte, versuchte ich das Fort- schreiten des Defektes in schematischen Figuren zu veranschau- lichen. Die Stufenfolge dieser Figuren deckt sich also im Prinzip einerseits mit der Nervenverteilung, andererseits aber mit dem zunehmenden Grade der in den kasuistischen Mitteilungen nieder- gelegten Befunde von Zwerchfellsdefekten. Fig. 13a—e beziehen sich auf das ausgebildete, herausgeschnittene und dann flach aus- gebreitete Zwerchfell. Bei Fig. 13a ist der Lendenteil intakt, es fehlen die Muskelursprungsstellen der linken Zwerchfellshalfte von den letzten Rippen (Typus von Gruppe I). In Fig 13b (Ueber- gangstypus von Gruppe I zu IJ) noch mehr aber in Fig. 13c (Typus yon Gruppe II) kann man von vorderer Sichel reden. In Fig. 13d ist das schon in Fig. 13c verschmilerte Centrum tendineum ver- schwunden, an der Sagittallinie befindet sich ein durchlaufender Muskelzug (Typus von Gruppe II{), und endlich besteht nur noch der Sterno-kostalteil ventral in einem Reste am Sternum. Dies 666 W. v. Goknitz, umfaBt die extremsten Typen von Gruppe III (Faille vielleicht wie DreIFUS, FEHLEISEN, POLAILLON unter den ungenau beschriebenen). Die in Fig. 13e resp. d wiedergegebene Reduktion wird, so- weit beschrieben, nur von einem Fall ScuwaxLpes (346) iiber- troffen, indem daselbst nicht nur die Reduktion auf die Altesten Abschnitte statthat, sondern sogar noch Muskulatur auf dem AWW WW Pp QQ Fig. 13. Schematische Darstellung der Entwickelung des kongenitalen Zwerchfellmuskeldefektes. Vom geringsten zum _ starksten Grade hin zu- nehmend. Darstellung des Defektes am Zwerchfelle selbst. Wanderungswege des Zwerchfelles liegen geblieben ist. Der Text daselbst (346, p. 138) lautet: ,Auf der vorderen Flache des Peri- cards nun findet sich eine deutliche, wohl abzupraparierende Mem- bran aufgelagert. Diese erstreckt sich auch noch auf den hautigen Sack, in welchem die Thymus liegt. Die Membran ist vorwiegend bindegewebig, doch lassen sich, zumal im unteren Teile auf dem Pericard aufs deutlichste Muskelziige unterscheiden, die sich kontinuierlich von dem Zwerchfell auf die Membran fortsetzen. Kranialwarts werden diese Muskelziige schwicher, sind jedoch auch noch in dem der Thymus aufgelagerten Teil der Membran nachweis- bar. Die Innervation geht auch hier, wie mir seiner Zeit Herr Pro- fessor SCHWALBE mitteilte, vom zugehérigen Phrenicus links aus. Mir selbst ist noch der Vergleich mit dem unterbliebenen Descensus testiculorum, als auch auf wandernde Organe bezogen, besonders einleuchtend. Diese Anomalie findet sich zugleich mit Zwerchfellsdefekt verbunden in den Fallen von BoHN und FEILER, meinen Fallen I, IV und V, HovELeT und ScHROTER. Sechs Falle von linksseitigem Zwerchfellsdefekt. 667 Die im Vorstehenden systematisch vorgenommene Sichtung diirfte schon allein geniigen, die Frage iiber die Entstehung der Zwerchfellsmuskulatur in ein helleres Licht zu riicken und die in meiner friiheren Arbeit gezogenen Schliisse zu bestatigen und zu erweitern. In ahnlichem Sinne auSern sich auch SCHWALBE und PATERSON, die in der Erkenntnis unserer Frage wohl am weitesten fortgeschritten sind. So zieht SCHWALBE aus seinem interessanten ersten Fall gleich die naheliegenden Schliisse (346), indem er den Befund direkt auf die Entwickelungsweise bezieht und eine Verhinderung sowohl des Herabsteigens aus der Halsregion, als auch der Ausbildung an Ort und Stelle annimmt. PATERSON (298), mit dessen Schliissen sich die meinigen innig beriihren, war schon sehr weit in der Erkenntnis der Diaphragma- frage, diese im ganzen genommen, vorgedrungen. Nicht nur (p. 1209), da& er die Vergleichsméglichkeit zwischen dem Mammalia- zwerchfell und den ebenso benannten Bildungen bei den Végeln ausschlieft, sondern es ist auch ihm schon die genetische Be- ziehung zur Infrahyoidealmuskulatur einleuchtend gewesen. Seine uns hier speziell interessierenden Anschauungen lauten: ,,The commonest form of congenital hernia will have its opening placed opposite the point, which is ordinarily the last to be closed, that is either in the centre of the muscle or near one of its posterior costal attachments.“ Wahrend die mittlere Sterno-vertebralportion selten fehlt, entsteht durch Mangel einer der beiden Costalportionen gemeinhin der angeborene Zwerchfellsdefekt. In Ermangelung aus- reichender entwickelungsgeschichtlicher Daten sind fiir ihn, worin ich ihm vollig zustimmen kann, die teratologischen Befunde von auferordentlicher Bedeutung und auch ich bin der Meinung, da8 man jenen teratologischen Werdegang, wie ihn meine zusammengestellten 71 Falle entrollen, und wie er in den schema- tischen Zeichnungen zum Ausdruck gebracht ist, im wesent- lichen mit den Vorgangen der Phylogenie und, wie wir sehen werden, auch der Ontogenie identifizieren kann. Daf jedoch die Ontogenie nicht so arm an Tatsachen in un- serem Sinne ist, wie ParEeRson seiner Zeit meinte, daf andererseits ihre ,,Negativitaét“, wie ich selbst friiher zu verstehen glaubte, mehr in den SchlufSfolgerungen als den Befunden der betreffenden Unter- sucher ihren Grund hat, glaube ich im folgenden darlegen zu kénnen. Hierbei kann ich mich in erster Linie an die umfangreiche Arbeit Uskows (379) halten, die zwar viele eingehende neue Untersuchungen und Tatsachen gebracht hat, gegen die ich schon Bd. XXXVI. N. F. XXXI, 43 668 W. v. Goknitz, mangels direkt einschlagiger Untersuchung nichts einzuwenden habe. Allein in ihren Schliissen, besonders aber auch der Art ihrer Schlubfolgerung hat sie die fernere Erkenntnis von der Ent- wickelung des Zwerchfellmuskels geradezu aufgehalten. Die gréSten Bedenken miissen sich uns auftun, wenn wir mit- ansehen, in welchem Sinne die Zwerchfellshernien einem Gedanken- gang eingeordnet werden, der die Entstehung des Zwerchfell- muskels von der Dorsalwand des Kérpers her annimmt. Um fir entwickelungsgeschichtliche Studien am ausgebildeten Tiere (Mensch) Anhaltspunkte zu finden, ist es doch nur erlaubt, angeborene Defekte und Hemmungen heranzuziehen, wie es auch in vorliegen- der Arbeit geschah, in der nur Neugeborene oder wenige Tage alte Kinder zur Beweisfiihrung verwendet wurden. Was finden wir aber bei Uskow? Ihm dienen (p. 195, 196) statt dessen traumatische Hernien als Beweis fiir einen ent- wickelungsgeschichtlichen Vorgang '). Die zitierte Arbeit von Drerz betrifft in beiden Fallen Er- wachsene und bei diesen wieder Traumata?). Ein wirkliches Fehlen des Ventralteiles, ohne da8 ein Trauma vorherging, oder iiberhaupt der Zwerchfellmuskulatur, scheint héchstens bei aus- gedehnten Monstris, bei denen Gehirn, Riickenmark etc. defekt waren (SprssA, Vrouik, ein Tierfall von Gurut, Taf. XI, Fig. 65, Taf. XII, Fig. 67 ff. und Text p. 23—25 mit fehlenden 5.—8. Halsnerven [beim Kalbe]) konstatiert zu sein. Die angeborenen Falle weisen gerade ein umgekehrtes Verhalten auf, als es nach Uskow sein miiBte. Ebenso belanglos ist auch die Erklarung der Diaphragma- reste am Sternum, als nur durch Verschiebung infolge verstairkten Wachstums der Dorsalorgane des Kérpers zu stande gekommen. Immerhin zugegeben, daf Verschiebungen sowohl bei der ersten Anlage (dies scheint speziell fir den Lumbalteil und dessen 1) p. 196: , Bei Defekten des Vorderteiles des Diaphragmas beim Erwachsenen ist das Pericard normal entwickelt, und es ist immer ein, wenn auch unbedeutendes, Stiick des Diaphragmas an der Mittellinie des Sternums vorhanden.“ 2) Drerz (96, p. 6/7) Fall I, bei einem Turkoskorporal fehlte nach einem Bajonettstich fast die ganze linke Halfte, hinten einige diinne Lappen vorhanden. Fall VI, p. 12: 60 Jahre alter Gartner (!) stirbt nach langerem Kranksein. Bruchpforte im linken Blatt des kleeblattartigen Cen- trum tendineum, p. 14 Aetiologie ,Sturz vom Baum“. Ich fihre diese Higenfialle Dirrzs an, um zu zeigen, dal nicht ,ausgewachsen“ in dem Sinne, daf z. B. beim Neugeborenen die Hauptentwickelung abgeschlossen ist, sondern tatsaichlich ,erwachsen“ gemeint ist. Sechs Falle von linksseitigem Zwerchfellsdefekt. 669 Wanderung ventral-dorsal zu gelten) als auch bei der Entstehung des Defektes eine Rolle spielen. Die durch ihre Phrenici jeder- seits gekennzeichnete Diaphragmamuskulatur ist doch — die Lo- kalisation allgemein gefaft — stets an der inneren Ventralwand des Kérpers beiderseits von der Mittellinie zu finden'!). Gerade hierfiir sprichen auch die von Uskow herangezogenen Faperschen (118) Falle von Defekt des Pericards, bei denen der N. phrenicus an der Vorderwand der Brusthéhle liegt (32, p. 181): ,,Dabei verlauft (bei vélligem Defekt) der linke N. phrenicus ganz ober- flachlich, beinahe unmittelbar unter dem Brustbein, der rechte mehr in der Tiefe.“ Bei No. 4 lauft der Nerv etwa in der Mitte der Vorderfliche des Herzens herab. Wie wollte denn schlieSlich Uskow den Scuwaupeschen Fall deuten? Und endlich fallt auch noch die Gesamtheit meiner Mitteilungen ins Gewicht. Wenden wir uns nun nach diesem langeren Exkurse zu den ontogene- tischen Beobachtungen. Es kommen hier aufer den grundlegen- den Arbeiten von His (186), den soeben schon berichteten Uskow- schen Untersuchungen mit einem Referate WALDEYERS (392) hier- iiber noch Arbeiten von BracHet (52), CapiaT (66), HocHsTETTER, RAvn und neuerdings besonders die mit vorziiglichen Abbildungen versehene von Matyi (253) in Frage. Ich méchte jedoch nur einige wichtige Punkte herausgreifen, da sonst der Umfang meiner Arbeit iiber Gebiihr steigen wiirde und bei der scharfbegrenzten Fragestellung wenige Antworten geniigen. Ueber eines herrscht wohl ziemlich Einigkeit, da8 namlich das Hissche Septum trans- versum (cloison mésodermique [Cap1atT]), Mesocardium laterale [K6LLIKER]) die Unterlage gibt fiir das erste Auftreten des Zwerch- fellmuskels. Die Definition von His lautet (186, p. 304): ,Soweit die Parietalhéhle nicht in die Brustfortsitze der Rumpfhéhle aus- lauft, wird ihr Boden von einer Substanzplatte gebildet, welche die beiden Seitenhalften der Rumpfwand untereinander sowie mit dem Herzvorhof und der Vorderdarmwand verbindet, dieses hatte ich als Septum transversum oder als primares Zwerchfell be- zeichnet.“ Fig. 4 und 5 meines Schemas entsprechen geradezu dem Hisschen Septum transversum. Es ist hiermit nicht nur der 1) Dabei sagt Usxow selbst im wesentlichen zutreffend, p. 96: Der héchste Grad des Defektes wird dann beobachtet, wenn die Hemmung in dem einem Kaninchen von 9 mm Lange entsprechenden Stadium eintrat; wir haben dann nur den dorsalen Pfeiler, der ventrale kommt gar nicht zur Entwickelung. Die am Sternum vor- findlichen Rudimente sind als Rest des Ventralteiles des Dia- phragmas aus dieser friihen Periode zu deuten.“ 43 * 670 W. v. Gohnitz, Ventralteil des Zwerchfelles in seiner bindegewebigen Grundlage gegeben, sondern, da sich das Septum bis zum Vorderdarm hin- zieht, auch die Beziehung und erste Sonderungsstitte fiir den Lumbalteil. Zweitens ist die innige Beziehung des Pericards zur Zwerchfellmuskelanlage allgemein anerkannt. Ferner aber — dies gehért noch in den Bereich meiner ersten Arbeit — zeigt uns die Ontogenie und hierzu liefert besonders MALL sehr instruktive Figuren (253, Fig. 10, 22 ff., 30), daf das Herz anfanglich so weit der Kopf- und oberen Halsregion zuge- hort, daf das sich kaudalwarts anschliefende Septum transversum bei einem 9-tagigen Kaninchenembryo (Uskow, p. 187) noch in der Hohe des 1. Halswirbels liegt, wahrend es sich beim 10- tagigen schon dem 3. und 4. Halswirbel gegeniiberstellt und da- mit mit der Bildungsregion des Diaphragmamuskels in Beziehung tritt. Bei dem ersten Auftreten der Muskulatur in den Muskel- platten und der Ausbildung des Nerven (beim 11 mm langen Em- bryo ist der Nerv zum ersten Male unterscheidbar) verlaiuft auch der N. phrenicus direkt neben der Sagittallinie zum Herzen. Daf Nerv und Muskel vom Dorsum her zum Herzen tritt, ist selbst- redend so zu verstehen, daf bei der ersten Ausbildung der Mus- kulatur, infolge der dorsalen Lage der Myotome auch die genannte ventrale Muskulatur ,,von hinten her‘ gebildet wird, daher auch Usxows Beschreibung p. 190: ,,Was den Musculus diaphragmaticus betrifft, so kénnen wir so viel mit Bestimmtheit sagen, daf der- selbe von der Dorsalwand des Embryo her in die bindegewebige Dorsalanlage des Zwerchfelles hineinwachst.‘ Aber auch ‘an weiteren Figuren Mats sieht man das in der vergleichenden Anatomie erschlossene Hinabsteigen des Zwerchfelles sich voll- ziehen. Indem das Herz bei der zunehmenden embryonalen Rumpfbeugung kaudalwarts gedriickt wird (His), stellt sich auch der N. phrenicus zu dem zu gleicher Zeit mit abwarts gedrangten Septum transversum immer schrager ein (Fig. 35, 38, starker in Fig. 42). Und endlich deuten weitere Figuren (44, 45) das Zu- wachsen der hinten noch freien Kommunikation der Pleura- und Peritonealhéhle an. Daf der N. phrenicus hierbei seinen Umweg iiber den Ventralteil nimmt, um zum Dorsalteil des Muskels zu gelangen (Fig. 44), ist auch auf dessen Zugehérigkeit zur vorderen Langsmuskulatur zu beziehen, da in diesem Umwege eine urspriing- lichere Lagerungsstatte bekundet ist. Nach dem Gesagten ist so viel gewi®, da auch die erste Anlage in der Ontogenese ventral jederseits von der Mittellinie liegt und alle weitere Bildung hier- Sechs Falle von linksseitigem Zwerchfellsdefekt. 671 von ihren Ausgang pnimmt, daS der letzte Abschlu8 jedoch lateral und hinten statthat. Dies stimmt durch- aus mit unseren Resultaten, welche wir an kongenitalen Zwerch- fellmuskeldefekten gewannen, tiberein. Dies schlieft jedoch nicht aus, daf genaue, auf die Zwerchfellmuskulatur beziigliche, unbe- fangene ontogenetische Untersuchungen erwiinscht bleiben, die am ehesten volle und spezielle Klarheit in die Fragen eines Septum transversum und einschlagigen Gebiete bringen kénnen. Nacehtrag. Die 8 kongenitale Falle einbegreifende Hrrrzsche Arbeit, welche in Deutschland schwer zu beschaffen ist, wurde mir nur durch die grofe Zuvorkommenheit des Herrn Professor FipicEr, Direktors des pathologisch-anatomischen Institutes zu Kopenhagen zuganglich, welcher mir noch dazu fiir die wichtigsten Abschnitte deutsche Uebersetzungen zur Verfiigung stellte. Ich méchte daher nicht verfehlen, ihm an dieser Stelle meinen besonderen Dank auszusprechen. Unter Benutzung der Mitteilungen des Herrn Prof. Fistger fasse ich hier die wichtigsten Punkte dieser Arbeit tibersichtlich zusammen. Vorgefallene Besonder- Fall Sitz und Art des Defektes Groane aie I. Fast aus-|Von der linken Halfte des Dia-|Magen, Teil — getragener| phragma finden sich nur die} des Colon, Knabe am meisten medial liegenden| Coecum, [le- Striche des Vertebralteiles,| um und des welcher noch das Foramen| Omentum oesophageum und die Incisura aortica einschlieft. Hernia spuria links II. Ausge-|5-markstiickgrofer Defekt hin-|Magen, Teil — tragenes | ten links mit glatten scharfen| der Milz und Madchen | Randern, das For. oesophag.| des Colon und die Inc. aortica mit einbe-| transversum greifend. Hernia spuria links III. Fast {Mit Ausnahme eines schmalenifast dieselben — ausgetra- | Giirtels vorn und einiger ganz| Viscera wie gener diinner Fasern, welche noch| bei Fall I Knabe die Foramina des Vertebral- teiles mitbilden helfen, fehlt die linke Halfte. Hernia spu- ria links 672 W.v. Géknitz, Sechs Falle von linksseit. Zwerchfellsdefekt. Vorgefallene | Besonder- Organe __s=iheiten IV. Fast |Nach vorn restiert eine 2 cm|Magen, Teillgrofer lin- ausgetrag.| breite muskulése Briicke. Die} des —-_ Colon,| ker Leber- Madchen | linke Halfte fehlt sonst bis} Coecum, [le-| lappen auf den noch erhaltenen Ver-| um, Omen- tebralteil. Hernia spuria links} tum, krania- ler Teil der Milz. Grofer Teil des 1. Leberlappch. V. Fast aus-|Mit Ausnahme einer 11/, cmjhiihnereigrofer|grofer link. getragenes| breiten muskulésen Briicke| Teil des recht.| Leberlapp., Madchen | nach vorn fehlt die rechte} Leberlappens,| links fehlt Seite des Diaphragma. Her-| Vesica fellea,| ein Finger, nia spuria rechts einige Diinn-| Syndakty- darmschlin- | lie zweier gen anderen VI. Nicht|/Von der linken Halfte des Dia-|wie bei I u. II;/Monstrum ausgetrag.| phragma findet sich nach vorn Madchen | nur eine schmale Briicke und einige feine Muskelstriche zur Abschhefung der Foramina des Vertebralteiles. Hernia spuria links VII. Obne|Links eine Oeffnung, durch|Teile der Leber/Spina bifida, Angabe welche auch die Aorta durch- Dicephalus des Ge-| tritt, rechts eine zweite neben schlechts | der Vena cava. Hernia spuria rechts und links VITI.Genau|Die Oeffnung nimmt fast die/Magen, kleiner|bohnen- beschrie- | ganze linke Halfte des Dia-| Teil des Co-| grofe bener Fall) phragma ein, nur nach vorn} lon, gréfter| Lunge, et- vonHertz.) verlauft eine 2 cm breite mus-|} Teil des link.| was _ ver- Neugebor. | kulése Sichel zur linken Innen-| Leberlappens,| gréferte Knabe, 10} flache der Brustwand, welche} der kraniale| Leber, Minut. alt) die seitliche und hintere Be-| Abschnitt der} Dextrokar- grenzung der Oeffnung bildet.| Milz, einige} die Hernia spuria links Diinndarm- | schlingen | Zum Schlu8 meiner Arbeit erlaube ich mir, meinem hoch- verehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Prof. Dr. W. Miter, fiir die Ueberlassung des Materials, sowie die bei der Anordnung meiner Arbeit zu teil gewordene Unterstiitzung meinen besten Dank aus- zusprechen. (Aus dem anatomischen Institut der Universitat Jena.) Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. Von Dr. W. Luboseh, Privatdozenten und Asgsistenten am anatomischen Institut. Hierzu Tafel XXIII und 4 Figuren im Text. Kinleitung. Ueber die Fragen, die sich an den Bau des Neun- augeneies anschliefSen. Es diirfte vielleicht zunachst befremden, eine so umfangreiche Untersuchung gerade dem Ki des Neunauges gewidmet zu sehen. Warum nicht dem irgend eines anderen Wirbeltieres, das noch nicht so haufig Gegenstand eingehender Untersuchungen geworden ist wie gerade das Petromyzontenei? — Wenngleich meine Dar- stellung der Morphologie dieses seltsamen Wirbeltiereies hin- reichend die Berechtigung seiner Untersuchung dartun wird, so kann es doch nur foérderlich sein, gleich hier einleitend die Fragen zu beriihren, die sich gerade mit dem Ei von Petromyzon ver- binden und deren Aufhellung mir bis zu einem gewissen Grade durch seine Untersuchung méglich erschien. Bei Gelegenheit meiner Untersuchungen des reifenden Tritonen- eies zeigte mir ein zufallig angelegter Schnitt durch ein unreifes Neunaugenei, daS der Bau seines Keimblaschens nicht nur von dem sonst bei Wirbeltieren, sondern speziell von dem bei Am- phibien bekannten véllig abwich. Die chromatische Substanz er- schien hier bei oberflachlicher Betrachtung lediglich durch einen ungeheuren, seltsam geformten Kernkérper vertreten zu_ sein. Weitere Priifung zeigte, da’ hier kein Zufall, sondern Gesetz- mafigkeit vorlag. 674 W. Lubosch, Diese Verschiedenheit der Reifungsphinomene bei Eiern, die hinsichtlich ihres Dotterreichtums und ihrer Furchungsverhaltnisse einander so nahe stehen wie Petromyzonten- und Amphibieneier, konnte wohl zum Ausgangspunkt fiir die Erforschung des Wesens jener Kernphinomene genommen werden. Denn worin konnten die Ursachen fiir solch eine Verschiedenheit liegen? Unter der Voraussetzung, daf diese Phinomene der morpho- logische Ausdruck irgend welcher Beziehungen zwischen LEileib und Keimblaischen seien und dafi diese Beziehungen beider Kiteile untereinander prinzipiell bei allen tierischen Eiern die gleichen seien, konnte man in erster Linie zu dem Schlusse ge- fiihrt werden, daf jene Aehnlichkeit nur duferlich bestehe, daf hingegen im feineren Bau des Petromyzonteneies, durch die Massen- verteilung von Protoplasma und Deutoplasma, durch besondere Ernahrungseinrichtungen oder ahnliches abweichende Verhaltnisse gegeben seien, die médglicherweise von systematischem Interesse sein konnten. So gewann in zweiter Linie dadurch die Frage nach der systematischen Stellung des Neunaugeneies Bedeutung und damit die der Neunaugen zu den Myxinoiden tiberhaupt. Neuere Ansichten?) trennen zwar die Petromyzonten von den Myxinoiden durchaus und lassen sie lediglich durch Konvergenz einander ahnlich sein. Dieser Ansicht folgend, ware es_ tiber- fliissig zu fragen, in welchen Beziehungen das Ei von Myxine und das von Petromyzon steht. Ob beide Eier von einer Urform ab- stammen, ob das meroblastische vom holoblastischen oder das holoblastische vom meroblastischen? — Aber ich glaube, da8 wir trotz alledem ein Recht zu dieser Frage haben; denn im Gegen- teil: alle Instanzen zur Entscheidung einer Verwandtschaft miissen herangezogen werden, ehe wir sie aufgeben oder annehmen, und auch der Bau der Eier ist eine solche Instanz, die ja auch bei anderen Wirbeltieren, z. B. Sauropsiden und Saugetieren nicht vernachlassigt wird. Das Myxinoidenei hat nun jiingst durch einen trefflichen Kenner dieser Tiere eine Beschreibung er- fahren und gerade auch mit Riicksicht hierauf schien mir die Untersuchung des Neunaugeneies nicht ohne Bedeutung zu sein. Es gibt schlieSlich noch einen dritten Punkt, der auf den Bau des Eies und den Ablauf seiner Reifung méglicherweise nicht ohne Einfluf ist, naimlich die Lebensweise des Tieres selbst. Da- 1) Furerineer, 00. Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 675 durch wiirden die Lebensvorginge in der Eizelle in deutliche Be- ziehung zu gro8en, biologischen Momenten treten. Die Petro- myzonten bieten in ihren Geschlechtsorganen ein Beispiel fir eine auferordentlich verlangsamte Funktion der Geschlechtsorgane, gleichzeitig bei Mangel jeglicher Periodizitait. Denn die Larve bringt im Verlauf von 3 Jahren Ovocyten und Sperma- togonien hervor. Wahrend der Metamorphose reifen die Kier, bilden den ersten Richtungskérper noch im Ovarium (HEerForT 93, 01) und werden vom Geschlechtstier abgelegt, worauf das Tier nach einmaliger Erfiillung seiner Bestimmung zu Grunde geht. Die Neunaugen treten hierdurch in Gegensatz zu den iibrigen Wirbeltieren, ganz besonders zu den Teleostiern. Die erreichten Resultate dieser unter solchen Gesichtspunkten ausgeftihrten Untersuchung werden einiges Neue bieten und werden méglicherweise auch zur Aufhellung mehrerer in der Literatur enthaltener Streitfragen dienen kénnen. Alle bisherigen Unter- sucher des Neunaugeneies sind namlich lediglich auf eine Er- griindung der Befruchtungserscheinungen ausgegangen, und haben mehrere Bildungen im fertigen Zustande vor sich gesehen, die erst durch ihre allmahliche Ausbildung verstandlich werden. So wird z. B. eine Mikropyle von einigen Autoren beschrieben, von anderen geleugnet. Kine Mikropyle ist meiner Ansicht nach an sich eine auferst gleichgiltige Bildung. Sie wird erst interessant, wenn wir etwa vermégen, solch ein ,,Zellorgan‘‘ mit anderen Bildungen anderer tierischer Kier zu homologisieren. Ebenso verhalt es sich mit dem ,,Polplasma“‘ des Neunaugeneies, das von Boum (87, 88), CALBERLA (77) und Herrort (93, 01) beschrieben worden ist und dessen merkwiirdige Aktion bei der Befruchtung Kuprrer (90) und Herrort (01) beobachten konnten. Schlieflich ist von grofer Bedeutung der Bau des Follikelepithels. Denn wenn, wie ich (02b) dies an anderer Stelle aus der Literatur wahrscheinlich zu machen gesucht habe, das Epithel und nicht, wie Born meinte, das Keimblaschen das fiir die Dotterbildung bedeutsame Organ ist, so muf indirekt natiirlich der Bau des Keimblaschens auf irgend eine Weise mit der Einrichtung und der Funktion des Follikel- epithels Hand in Hand gehen. Gerade iiber den Bau des Epithels bestehen nun sehr abweichende Angaben, die sich mir in lehr- reicher Weise vereinbar gezeigt haben. Diese Uebersicht wird nicht nur die Berechtigung, sondern auch die Wichtigkeit einer Untersuchung des Neunaugeneies dar- tun. Ich werde natiirlich die Frage, von der ich ausging, ganz 676 W. Lubosch, ausfiihrlich beriicksichtigen und genau schildern, welche Ver- ‘iinderungen das Keimblaschen eines Ovocyten durchlauft. Indes ist sie mir im Verlaufe meiner Arbeiten neben den anderen Fragen mehr in den Hintergrund getreten. So werde ich die Verhaltnisse des Kileibes, schon aus theoretischen Griinden, zuerst beschreiben. Kine kurze Mitteilung tiber mein Material und die Methoden seiner Behandlung sei vorausgeschickt. Als Material lagen mir fir die jiingsten Stadien die Keim- driisen von Ammocoetes Planeri vor, fiir die Zeit kurz vor, wah- rend und nach der Metamorphose Ovarien von Petromyzon Planeri, fiir die Stadien bis zur Richtungskorperbildung Kier von Petromyzon fluviatilis vor. Diese Wahl zweier verschiedener Arten ist da- durch begriindet, daf man die Larvenstadien des F1lufneunauges kaum anders als durch kiinstliche Befruchtung gewinnt, daf es aber kaum zu hoffen ist, solche Zucht bis zur Metamorphose zu bringen. Die aus einer kiinstlichen Befruchtung im Jahre 1901 von mir gezogenen Larven wurden nicht alter als 12 Tage, zu einem neuen Versuch fehlte das Material, und Stellen, wo freilebende Ammocoetes fluviatilis zu fangen sind, sind mir nicht bekannt geworden. Auferdem sind die Stadien der Metamorphose des Flufneunauges tiberhaupt kaum zu erhalten, da die Umwandlung im Meere er- folgt!). Aus diesem Grunde habe ich mich an das bequeme Material der Bachneunaugen gehalten. Gerade dies Material ist aber ungeniigend fiir die Reifungsstadien, denn ich bin bei dem Fang der in den Schlamm vergrabenen Tiere stets an aufere Um- stinde gebunden gewesen. Vom Oktober bis Mai regelmafig alle 4—5 Wochen wird nirgends ein Mihlgraben abgelassen. Hingegen liefern die Kiistenstadte sehr bequem Flufneunaugen im Winter, der Hauptfangzeit. Ich bin mehreren Herren zu Dank verpflichtet, die mich bei dem Fang des Materiales unterstiitzt haben. In erster Linie meinem verehrten Berater, Herrn F. Scurxora, dem fischereikundigen Lehrer in Haynau (bei Liegnitz in Schlesien), der mich in einem von der Deichsa abgezweigten Miihlgraben einen trefflichen Fangplatz kennen lehrte. Sodann dem verstorbenen Professor Dr. Nirzscuex, Lehrer an der Forstakademie Tharandt, der mir im August des Jahres 1901 eine reiche Ausbeute von Ammocéten aus dem Tha- randter Teiche zuwandte. In den Besitz von Flufneunaugen bin ich im Winter und Frihjahr 1900/01 durch die liebenswiirdige Hilfe des Herrn Hunnporr in Breslau, sowie vor allem des Fischerei- aufsichtsbeamten Herrn Honnuouz in Rathenow gelangt. All diesen Herren sage ich meinen besten Dank. 1) Lugoscu, 01. Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 677 Ueber die Fixierung der Objekte will ich hier nicht weiter mich verbreiten. Man findet sie bei jeder abgebildeten Figur in der dazugehérigen Erklirung vermerkt. Meine Erfahrungen sind die gleichen gewesen, die ich vor einiger Zeit beim Tritonenei (02a) gemacht habe. Die gesamte Form der Hier wird durch nichts so vollendet schén erhalten, wie durch heife Chromsiure in Kon- zentration von !/,—1/, Proz. (nach Born). Indes ist die Farb- fahigkeit dieser Objekte sehr herabgesetzt. Zmnxersche Fliissigkeit ist fiir dotterlose Hier das Ideal eines Fixierungsmittels. Bei dotter- reichen EKiern dringen Sublimatgemische schlecht ein, weil hier die Hihiillen schon sehr stark sind, doch liefern sie fiir das Follikel- epithel und die Hihiillen und peripherischen Dottermassen gute Bilder. Bei der Einbettung habe ich ein wenig zu verweilen, weil ich den auferordentlichen Wert der von Carnoy und Leprun ange- gebenen schnellen Hinbettung hervorheben méchte. Nach der Vor- schrift dieser Forscher kommen die im 90-proz. Alkohol auf- bewahrten Hier auf 15‘ in 96 Proz. Alkohol, dann auf 5‘ in Alk. abs., dann in ein Gemisch von Alk. abs. + Chloroform aa. Hier sinken die Kier zu Boden. 1/, Minute, nachdem sie zu Boden ge- sunken sind, kommen sie in reines Chloroform, dem man nach einigen Minuten das gleiche Volumen Paraffin zusetzt. In 3 Stunden lost sich das allmahlich auf und es kommen nun die Kier auf 2—5 Minuten in Paraffin, in dem sie sofort eingeschmolzen werden. Diese Einbettung erméglicht die Herstellung auferordentlich feiner Serien. Die meisten meiner Abbildungen entstammen Serien von 3, 5, 6, 8 uw Dicke und zwar schneiden sich selbst dotterreiche Kier ohne die geringsten Splitterungen. Die Schnitte wurden auf einem mit Hiweifglycerin fein iiberzogenen und dann leicht er- wirmten Objekttrager mit Wasser aufgelegt, sodann bei etwa 30° getrocknet, wobei sie sich ohne Falten glatt ausbreiteten. Die Farbung ist bei jedem Praparat in der Figur angegeben. Nach vielen Versuchen habe ich schlieflich fast nur noch mit Hamalaun und Hisenoxydammonium-Hamatoxylin nach H»ipENnHAIN gefarbt, beides mit Nachfirbung durch Pikrofuchsin nach Kutr- SCHITZKY; um eine differente Farbung der Dotterelemente, der roten Blutkérperchen oder gewisser Einschliisse in dem Nucleolus zu ge- winnen, habe ich nach der Farbung in Pikrofuchsin (einige Tropfen der Liésung in 94 Proz. Alkohol) in 94 Proz. Alkohol differenziert, dem ich bis zur kraftigen Gelbfarbung Pikrinsaiure zugesetzt hatte. Es resultieren so auf einfachste Weise sehr instruktive Bilder. Literatur. Ich will nachstehend nicht ausfiihrlich wiedergeben, was sich tiber die Beschaffenheit des Neunaugeneies in der bisherigen Lite- ratur findet. Fir manche Einzelheit soll dies im spateren Texte selbst geschehen. Hier liegt mir daran, die literarische Geschichte zweier Dinge darzustellen, auf die es fiir meine Untersuchungen 678 W. Lubosch, hauptsichlich ankommt, nimlich die des Keimblaschens und die der eigentiimlichen Plasmaverhiltnisse am animalen Pol des Kies. Diese letzteren seien zundchst beriicksichtigt. Daf der animale Pol des Petromyzonteneies bei der Befruch- tung eine ganz besondere Rolle spielt, hatte KupFFER bei seinen Beobachtungen gesehen und sehr anschaulich beschrieben: Bei der Betrachtung des animalen Poles zur Zeit der ersten Furche ,sah ich in der Polgegend hart nebeneinander 2 konische Kuppen sich erheben, die in ihren Spitzen je eine hyaline kuglige Masse ent- hielten. Nach einigen Minuten runden sich die Spitzen ab, die Kuppen senken sich und die hyaline Substanz taucht in das un- durchsichtige hyaline Plasma ein“. Die zwischen beiden Spitzen entstandene Furche schneidet dann durch, das Ei wird wieder kuglig ,und nun erheben sich an derselben Stelle 4 konische Kuppen, eine jede mit hyaliner Substanz“ u.s. w. (90, p. 472 und 473). Diese besondere Beweglichkeit des minimalen Poles liegt in einer schon AuGust MULLER bekannten Beschaffenheit des an dieser Stelle befindlichen Cytoplasmas. August MULLER (1869) hatte an Keimblaischen, die durch Zerzupfen aus dem Ei isoliert waren, eine Platte entdeckt, die wie ein Deckel dem Keimblaschen aufsaf und ,,nicht so leicht von ihm weicht‘‘. Von der Oberfliche. her erscheine dieser Deckel als helleres Feld, dessen ,,Mitte sich als ein kreisrundes Fleckchen mehr oder minder markiere, was darauf hindeute, daf die Masse des Deckels hier andere Eigenschaften besitze‘. (Ich zitiere dies nach Boum, p. 615/16, da mir die Originalarbeit hier nicht zu- ganglich war.) In der Folge hat diese Bildung und ihre Deutung stets den ersten Platz bei allen Beschreibungen des Neunaugeneies eingenommen. Von Spateren nicht immer ganz gerecht beurteilt, hat dennoch CALBERLA (1878) bereits die MULLERsche Entdeckung in gewissen Einzelheiten weiter aufgehellt. Zunachst hat er richtig angegeben, da8 ,der ganze Dotter im Ei, soweit er von den im Protoplasma suspendierten Dotterkérnchen un- durchsichtig erscheint, von einer kérnchenfreien Protoplasmaschicht umgeben“ ist. (Er hebt diese Stelle durch gesperrten Druck hervor.) Sodann fiihrt er den ,,Deckel“ Miuiers auf eine Besonderheit eben jener Protoplasmaschicht zuriick. Sie ist am animalen Pol machtiger, als sonst an der Peripherie. Von hier aus geht ,,ein Kanal gefillt mit dotter- kérnchenfreiem Protoplasma bis zum Kern“ (p. 441). In einer Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 679 kugligen Anschwellung dieses Kanales liegt der Kern des Kies (CALBERLA hatte noch Keimblaschen und Eikern verwechselt, s. bei Boum). ,,Der Eikern ist mit einem Hofe kérnchenfreien Plasmas‘ umgeben (p. 441). Cabrera bezeichnet die Oeffnung im dotter- haltigen Teil des Plasmas, von wo aus der Strang nach innen geht, als ,,innere Mikropyle“ (im Gegensatz zu einer ebenfalls von ihm beschriebenen Oeffnung der Kihaute an dieser Stelle, der auBeren Mikropyle) jenen Gang selbst als ,Spermagang‘. Seine spitere Darstellung der Befruchtungsphanomene kniipft an die Wichtigkeit dieses Ganges und der am Pol angehauften Plasmamasse an. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 1. Spermagang nach CALBERLA, ‘Fig. 2. Ei von Ammocoetes nach CALBERLA. Die Figuren CaLBerLAs sind, wie aus meiner Wiedergabe hervorgeht, allerdings roh. Ebenso roh waren seine Methoden (10-stiindiges Verweilen der Eier in 1-proz. [kalter] Chromsaure oder 1/,—1/,—1 Minute Kinlegen in 1/,-proz. Osmiumsaure). Immerhin aber ist es wichtig, daS er den Strang vom Cyto- plasma ableitet. Er hat weiterhin jiingere Larveneier unter- sucht und gefunden, da auch hier schon das Keimblaschen mit der Peripherie des Eies durch einen kurzen Strang verbundet sei (cf. Textfig. 2). Er spricht demnach von einem ,,praformierten Gang von der Hioberflache zum Eikern™. Wir werden sehen, da8 dieser Gang in der Tat praformiert ist, aber in ganz anderem Sinne, als CALBERLA es damals annahm. Denn er hegte die seltsame Vorstellung, da’ das Keimblaschen bei den Larven allmahlich aufsteige, am animalen Pol den 1. Rich- 680 W. Lubosch, tungskérper bilde, dann wieder in die Tiefe sinke und _hierbei einen Strang des Polplasmas mit in die Tiefe nehme. Wahrend OwsJANNIKOW in seiner vorliufigen Mitteilung (1870) hierauf nicht eingeht, kommt Scorr, der die Untersuchungen an CALBERLAS Material weitergefiihrt hatte, auf die Angaben seines Vorgangers zuriick (1882). Trotzdem ist seine Figur vom animalen Pol (s. Textfig. 3) gegen die CALBERLAS in gewissem Sinne ein Riickschritt. Denn der Pe coor Zusammenhang mit dem __ peripherischen Dotterstreifen , den CALBERLA hatte, fehlt in dieser schematischen und falschen!) Abbil- dung. Dennoch fihrt auch er die helle Zone auf Cytoplasma zuriick. Fig. 3. Animaler Pol nach Scort. Er sagt, da’ oberhalb des Keimblaschens helles Cytoplasma ich finde, welches isolierte Massen feiner Kérn- chen enthalt. Den ,,Spermagang‘‘ CALBERLAS vermochte er nicht aufzufinden. OwsJANNIKOW hat dann (1885) gelegentlich seiner Unter- suchungen tiber die Eier der Teleostier auch die Kier der Petro- myzonten untersucht, auch er im wesentlichen im Zustande der Reife und kurz vor der Befruchtung, doch nimmt er zum Ausgang Kier des Fluf- neunauges, die er im Januar, 5 Monate vor dem Laichen, konserviert hatte. Wie er die Bildung am animalen Pol ge- sehen hat, zeigt meine Text- i fig. 4. Er leitet sie demnach Fig.{4. Animaler Pol nach Owssannikow. Vou Keimblaschen ab, wie er es auch ausdriicklich in den Worten ausdriickt (p. 33) . . . es werden ,,aus dem Keimblaschen Fortsaitze zur uhrglasformigen Erhabenheit der Eihaut ausgesendet. 1) Boum (p. 621) sagt allerdings: ,,Scorr beschreibt und bildet ganz richtig den Deckel von A. MUuiErR ab.“ Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 681 Der Inhalt des Keimblaschens scheint sich durch dieselben nach aufen zu entleeren“. Auch B6um hat versucht, das Geheimnis des ,,Deckels“ zu lésen. Ich kann aber nicht sagen, daf er hierin gliicklich ge- wesen ist. Seine Abhandlung (1888) enthalt zwar die Abbildung eines Eies aus der Zeit der Metamorphose, die von allen bis- herigen die richtigste ist, indes behauptet BOum nun, daf dieser Deckel keine bleibende Bildung sei (p. 625), sondern spater ver- schwinde. Das von Kuprrer und BENECKE beschriebene hyaline Plasma am Pol ist seiner Ansicht nach so entstanden, daf das Keimblaschen immer mehr an den Pol riickt und hier allmahlich seinen Inhalt kappenartig austreten aft. Er sagt ausdriicklich, da dieses ,,Polplasma‘’ seiner Herkunft nach Karyoplasma sei (p. 626). Der neueste Untersucher Herrort (1901) geht auf diese unreifen Stadien nicht ausfiihrlich ein. Er beschreibt nur das Polplasma, das Béum als Karyoplasma gedeutet hatte, schlieft sich aber in der Deutung an CALBERLA an, indem er Boums Auf- fassung als irrig bezeichnet. Diese Uebersicht lehrt, da trotz der 4 Jahrzehnte, die seit der ersten Beschreibung verflossen sind, immer noch unbekannt ist, welche Bedeutung, ja sogar welche Form die einzelnen Teile am animalen Pol des Petromyzonteneies besitzen. Da8 diese Be- deutung sehr grof sein muf, geht ja aus den Befruchtungsphinomenen hervor, die nach aller Beschreibung gleichmafig sich durch eine grofe, aktive Beteiligung dieses Polplasmas auszeichnen. Ledig- lich eine liickenlose Reihe von Eireifungsstadien gibt uns hier Aufschlu8. Denn erstlich ist das, was CALBERLA bei Larveneiern gesehen hat, lange nicht die erste Andeutung des ,,Spermaganges“. Sodann fehlen allen Autoren Stadien kurz vor dem Laichen des Tieres — ganz abgesehen davon, dafi nur eine ganz spezielle Technik und eine exakte Schnittrichtung diese feinen Strukturen deutlich machen kann. Wesentlich kiirzer kann ich mich mit der Geschichte des Keimblaschens fassen. Jiingere Entwickelungsstadien finden sich nur bei CALBERLA und BOum beschrieben. Es war ihnen bekannt, daf in Larveneiern das Keimblaschen noch mehr in der Mitte des Kies liegt, und da schon friih ein grofer Nucleolus sichtbar ist. Boum hat die genauesten Angaben und zugleich das jiingste Sta- dium (Ammocoetes von 5 cm Linge), bei dem er eine Kernmembran, ein chromatisches Fadenwerk und einen Nucleolus mit einer Va- 682 W. Lubosch, kuole beschreibt (1. ¢., p. 623, sowie 1887, p. 56), bei fort- schreitender Reife steigt das Keimblaschen zum animalen Pol. Uebereinstimmend wird bei den Keimblaschen alterer Eier ledig- lich ein Nucleolus im sonst klaren Karyoplasma_ beschrieben (OWSJANNIKOW, p. 34, CALBERLA, p. 441). Scorr (p. 108) lakt das Kernkérperchen von einer Art chromatischem Netzwerk erfillt sein. Nur Boum (p. 624 u. 56) betont ausdriicklich, da8 die Kernfaden nicht mehr nachweisbar seien. Ueber die definitiven Schicksale des Keimblaschens ist trotz aller Bemtihungen eigentlich wenig bekannt geworden. Ich selbst habe hier Liicken lassen miissen, da die Zwischenstadien wohl nur durch Zufall bei geeigneten Hiern gefunden werden kénnen und sich iiberdies die entscheidenden Vorgainge nach der ungeheuer langen Vorbereitungszeit schlieBlich wohl sehr rasch ablaufen, ahnlich wie ein Regentropfen an einer trockenen Glas- scheibe hangend wohl immer mehr und mehr anschwillt und plotz- lich herabfallt Am nachsten scheint mir OwsJANNIKOW den Tatsachen ge- kommen zu sein. Er beschreibt, da8 die Kernmembran oft Inhalt austreten lasse, daf man oft noch Stiicke der Kernmembran in der Tiefe des Kies finde und daf der Inhalt des Keimblaschens, je mehr es sich dem Pol nihere, um so platter werde, um schlieB- lich die Form eines Stabes anzunehmen, der mit seiner Langsachse senkrecht zur Lingsachse des Kies stehe (p. 34). CALBERLA und Scott erwihnen nichts iiber diese Endstadien der Reifung. Nach Boum (I. c., p. 56 u. 625/626) wird das Keimblaschen kleiner, verliert seine Membran und breitet sich allmahlich kappen- formig iiber den animalen Pol aus. Der Keimfleck wird dabei chromatinarm und farbt sich schlieSlich gar nicht mehr mit Chromatinfarben. Nun ist aber mit diesen Stadien das Schicksal des Keim- blaschens nicht abgeschlossen. Denn es fragt sich: Wenn die an- fanglich im jungen Ei vorhandenen Chromatinfaden verschwunden sind — wie gehen die Chromosomen der Spindel ausdem nun einzig vorhandenen Nucleolus hervor? Dieser nach der ganzen Sachlage zu postulierende Vorgang ist bisher nie beobachtet worden. Bd6ums Beschreibung eines kernartigen Gebildes im Protoplasma gerade zur Zeit nach der Besamung kénnte auf eine Karyomeritenbildung als Vorlaufer des 1. Richtungskérpers angesehen werden. Boum selbst halt es indes gerade bereits fiir den nach der Bildung der 1. Polzelle Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 683 zuriickgebliebenen provisorischen Eikern. Hrrrort ist der Einzige, der einen Richtungskérper gesehen und abgebildet hat; er verlegt indessen seine Entstehung bereits in die Zeit, wo die Ovarialeier zu Bauchhéhleneiern werden. Danach wire BOums Ko6rperchen bereits der definitive Eikern. Ich wende mich nach dieser orientierenden Uebersicht nun- mehr der Darstellung meiner eigenen Beobachtungen zu, und zwar werde ich in 3 Kapiteln die Dotterbildung, die Eihiillen und das Keimblaischen schildern. In einem 4. Kapitel werde ich die systematische Stellung des Neunaugeneies behandeln. Kapitel I. Dotterbildung. 1. Dotterkern, vorbereitendes Stadium der Dotterbildung — Auftreten der grob- und feinkérnigen Dottersubstanz. 2. Weitere Differenzierung des feinen Dotters. Die Bildung des Dotters beginnt nicht sofort mit Ablagerung von Dotterkérnern. Dem Auftreten sichtbarer Dotterelemente geht ein Stadium der Vorbereitung voraus, das sich durch einen Wechsel in der Farbbarkeit des Cytoplasmas be- merkbar macht. Wenn sich anfanglich der Kileib mit Kernfarbstoffen nur zart farbte, nimmt er sie jetzt intensiv an. Es zeigt sich dies nament- lich bei Hamatoxylin und sehr auffallig bei Anwendung von Thionin. Es leuchten auf einem mit Thionin gefarbten Querschnitt durch den Rumpf einer Larve die Eileiber stark aus dem Bilde hervor. In diesem Verhalten spricht sich ein deutlicher Wechsel in der chemischen Zusammensetzung des Cytoplasmas aus, und daf diese Veranderung mit der Dotterbildung in Zusammenhang steht, scheint durch das Auftreten eines Dotterkernes bewiesen. Diesen be- kanntermafen bei vielen Eiern von Wirbellosen und Wirbeltieren beobachteten Kérper ist es mir auch beim Neunaugenei nachzu- weisen méglich gewesen. Er tritt bereits sehr friih auf, noch vor jener oben erwahnten Veriinderung des Plasmas, erscheint also als erstes Symptom der beginnenden Dotterbildung. Bei Eiern von 50—60 w Grofe (junge Eier eines 4 cm langen Ammocoetes, Fig. 22) liegt an derjenigen Seite des Keimblaschens, die dem Zentrum des Eies naher liegt, ein ovales, scharf begrenztes Kér- Bd, XXXVIIL N. F. XXXI. 44. 684 W. Lubosch, perchen. Es erscheint von gleichem Gefiige wie das umgebende Plasma, hebt sich aber durch seine lichtere Farbung von ihm ab. Ich fand es bei fast allen EKiern im Zusammenhang mit stark firbbaren Kérnchen, die indes nicht in seinem Inneren lagen, sondern seine Peripherie schalenartig umgaben, so dafi man durch ihre Anordnung tangentiale und quere Schnitte des K6rperchens gut auseinanderhalten konnte. Auch noch auf einem spiteren Stadium konnte ich den Dotterkern beobachten (Fig. 23, cf. Figurenerklarung). Hier war bereits der Farbungswechsel im Cytoplasma eingetreten und es fiel der Dotterkern als eine hellere, ovale Stelle darin auf. Seine Lage war im wesentlichen dieselbe wie friiher, doch hatte er sich ein wenig vom Keimblaschen weg auf den vegetativen Pol hin entfernt. Auch hier konnten in ihm dunklere Kérnchen beobachtet werden. — Es ist immerhin der Bemerkung wert, dafi durch die Lage des Dotterkernes sich zu- erst Unterschiede in der spezifischen Schwere der Eisubstanzen offenbaren und daf die Richtung des spateren vegetativen Poles dadurch bereits markiert wird. Auf spaiteren Stadien war es mir nicht mehr méglich, Spuren des Dotterkernes mit Sicherheit nach- zuweisen. Vielleicht ist eine, noch bei ganz reifen Kiern dotter- freie Stelle, der von Béum beschriebene ,,Dotterherd“ als Rest dieser Bildung aufzufassen. Vgl. Kap. III. Die Erforschung der feineren Details des Dotterkernes habe ich nicht als zu meiner Aufgabe gehoérig betrachtet. Bei Zer- legung von Eiern junger Ammocoeten und Farbung mit Eisen- oxydammonium - Hamatoxylin nach HrtmennAINn wiirde es wohl leicht sein, die weiteren hierher gehérigen Fragen zu entscheiden. Der Dotterkern leitet, wie gesagt, die vorbereitende Phase der Dotterbildung ein. Diese Zeit der Vorbereitung dauert ziem- lich lange. Erst bei einem Tier kurz vor der Metamorphose be- ginnt der eigentliche Prozef der Bildung von Dotterelementen (Fig. 6). Das Erste, was man hierbei sieht, ist eine sehr zier- liche Auflockerung der Oberfliche des Eies, dicht unter den Ei- hiillen. Hier treten duferst regelmafig gestaltete Vakuolen auf. Ihre allererste Entstehung zu beobachten, diirfte Sache des Zu- falls bei geeignet jungen Eiern sein. Auf dem Stadium, von dem ich berichte, fanden sie sich bereits an der gesamten Peripherie des vegetativen Poles und von da an eine Strecke weit aufwarts an den Seitenflachen. Es zeigte sich dabei, daf die Vakuolen am vegetativen Pol am gréSten waren, an den Seitenflichen hin- Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 685 gegen, je niher dem animalen Pol, um so kleiner wurden. Die Vakuolen sind, je gréfer, um so ovaler, und richten dann ihre lange Achse gegen den Mittelpunkt des Eies. Von dieser ober- flichlichen Vakuolenschicht erstreckt sich eine schaumige Auf- lockerung des Cytoplasmas weiter ins Innere des Kies, wobei die Vakuolen immer kleiner werden und sich endlich ganz verlieren. Im Inneren behialt vorerst das Cytoplasma sein festeres Gefiige. Gleichzeitig sind auch die ersten Dotterkérnchen aufgetreten. Und zwar liegen sie vorzugsweise um die erwihnten Vakuolen herum, sind an der Peripherie am feinsten und nehmen nach innen hin an Kaliber zu. Zu dieser Zeit beginnen im Hileibe Differenzierungen aufzu- treten, die es ndétig machen, jetzt die Aufmerksamkeit auf den animalen Pol des Eies zu richten. (Fig. 6.) Animaler und vegetativer Pol des Eies sind, wie bereits be- merkt, schon sehr friih voneinander unterscheidbar. Das Keim- blaschen liegt schon in jungen Eiern relativ sehr stark exzentrisch. In dem erwahnteu Stadium nun macht sich oberhalb des Keim- blaschens eine starke, sich dunkler fairbende Verdichtung des Cyto- plasmas bemerkbar. Sie grenzt nach aufwarts an die LEihiillen und geht seitlich etwa in halber Héhe des Keimbliaschens in die schaumige Struktur tiber. In diesem Bezirk, der solchergestalt kappenformig auf dem Keimblaschen liegt, fehlen die Va- kuolen vollstaindig; nur allerzarteste Kérnchen finden sich in ihm, so daf wir allerdings auch in diesem Bezirk eine Weiten- differenzierung des Cytoplasmas feststellen kénnen. Die beiden nunmehr verschiedenartig differenzierten Bezirke des Cytoplasmas sollen als Bezirk des feinkérnigen und des grobkérnigen Dotters bezeichnet werden, oder als grober und feiner Dotter. Der feine Dotter stellt die erste Anlage jenes in der Literatur so oft erwahnten und untersuchten ,Deckels* des Neunaugeneies dar. Sobald nun die Peripherie jetzt ringsum von Kérnchen er- fiillt ist, macht sich auch ein zarter lamellenartiger Streifen be- merkbar, der noch nach aufen von den Dotterschichten gelegen ist und sie gegen die Eihiillen abgrenzt. Er ist am animalen Pol schmal und verbreitet sich stark nach dem vegetativen Pol zu. Dieser Streifen bleibt andauernd bis zu den letzten Schicksalen des Eies dotterfrei und ist nur von zarten Koérnchen erfiillt, die gelegentlich eine besondere Anordnung zeigen (cf. unten Kap. Il). 44 * 686 W. Lubosch, Es ist die von fast allen Autoren erwahnte Randschicht, die als Membrana vitellina aufzufassen ist. Wabrend im weiteren Verlaufe der LEireifung der grobe Dotter immer weiter zentralwirts vordringt, gehen im Bereiche des feinen Dotters auffallige Verinderungen vor sich. Auf dem oben beschriebenen Stadium nimmt die Kappe feinen Dotters die ganze Breite zwischen Keimblischen und Membrana vitellina ein. Kier, die ein wenig alter waren und von Petromyzon Planeri nach der Metamorphose stammten, zeigten nun das Bild der Fig. 7. Es war also jetzt auch oberhalb der Kappe feinkérnigen Dotters endlich die Entstehung von Vakuolen erfolgt. Diese Vakuolen- schicht hatte sich nun aber nur an einer Stelle mehr in die Tiefe gesenkt und zwar gegen die Mitte des Bezirkes von feinem Dotter hin. Diese Mitte hatte sie durchbrochen, so daf anstatt einer Scheibe nunmehr ein Ring von feinem Dotter zwischen animalem Pol und Keimblaschen gelegen ist. Im Cen- trum dieses Ringes ist zuniachst vakuolisierte Substanz gelegen. Auf einem abermals etwas alteren Stadium von Petromyzon Planeri (Fig. 8) sieht man nun eine héchst interessante Weiter- entwickelung. Der Zapfen von vakuolisierter Substanz hat sich flach auf der Oberfliche des Keimblaschens ausgebreitet, also gleichsam den Ring feinen Dotters allseitig unterminiert. Gleich- zeitig sind die Massen feinen Dotters stark gewachsen, die Ent- fernung zwischen animalem Pol und Keimblaschen ist gréSer geworden. An dieser Stelle findet sich nun insofern eine Liicke in meinen Beobachtungen, als ich, wie in der Einleitung erwahnt, die alteren Stadien der Eientwickelung nicht mehr an P. Pianeri, sondern an P. fluviatilis untersucht habe. Es ist also fraglich, ob die Er- scheinungen wirklich derart auseinander hervorgehen, dafi man das nun folgende Stadium direkt auf das zuletzt beschriebene be- ziehen darf. Bei der Aehnlichkeit beider Eier scheint mir das aber in gewissen Grenzen erlaubt. Das Stadium von Petromyzon fluviatilis (Fig. 9), das mir den nachsten AnschluS zu bieten scheint, stammt von einem Anfang Dezember 1900 getéteten Tier. Die Abbildung zeigt aufs aller- schénste einen trichterférmigen Kanal, der vom animalen Pol bis zum Keimblaschen hinfithrt. In seinem oberen Teil ist der Kanal frei von Dottermassen, in der Tiefe sieht man grobkérnigen Dotter, der sich auch flach auf dem Keimblaschen selbst ausbreitet. Dieser Untersuchungen tiber die Morphologie des Neunaugeneies. 687 Kanal ist bedeutend enger und langer als der vakuolisierte Kanal des letzten Stadiums. Dafiir ist aber auch die Masse des feinen Dotters wieder betriachtlich héher geworden, so daf aus diesem Dickenwachstum des feinen Dotters — entsprechend dem gesamten Wachstum des Eies — auch die Formverinderung jenes Kanales erklarlich wird. Die Erscheinung des groben Dotters in diesem Bezirk beruht auf derselben Gesetzmafigkeit, mit der auch sonst im Ei in der Umgebung der Vakuolen grober Dotter auftritt. Zu beiden Seiten des Kanales erscheinen nun die Massen des feinen Dotters nicht mehr einheitlich wie zuvor, sondern von Inseln und Straingen groben Dotters durchsetzt. Stellen wir uns den Ablauf dieses Vorganges vor, durch den es dazu kommt, so gelangen wir zu der Weiterfiihrung jenes durch die vorige Abbildung (Fig. 7) gegebenen Stadiums. Es kriechen namlich die Vakuolen allmahlich von dem Kanal und von der Oberflaiche des Keimblaschens aus in den feinen Dotter hinein und zerkliiften ihn. Im Anschluf daran entstehen dann inmitten des feinen Dotters grobe Dottermassen. Was aber die ganze Bildung als etwas Be- sonderes charakterisiert, das ist die scharfe Grenze, die seitlich gegen den groben Dotter besteht und die zarte Schale, die vom feinen Dotter aus sich um das Keimblaschen herumlegt. Bereits auf den beiden friiheren Stadien der Figg. 7 und 8 hatte sich diese Schale um das Keimblaschen differenziert und war mit dem feinen Dotter in Verbindung getreten. Von hier an wird es schwieriger, die Veranderungen zu ver- folgen, weil der Reifezustand der Kier selbst bei gleichalten Tieren schwankt. So fand ich z. B. die Kier eines Anfang Ja- nhuar getéteten Tieres schon weiter entwickelt als die vom Februar und Marz. Es ist also, da man den Zustand der Eier dem Tiere nicht ansehen kann, schwer, allein durch das Konservieren in be- stimmten Intervallen, wie ich es getan habe, eine liickenlose Reihe zu erhalten. Einen groSen Einfluf hat offenbar auch die Lange der Zeit zwischen Fang und Tétung, insofern sich bei lange ge- fangenen Tieren die Reifung verlangsamt. Auch kommt es sehr darauf an, unter den vielen Hunderten von Schnitten eines Eier- haufens nur die voéllig oder annihernd lings getroffenen Schnitte der Beschreibung zu Grunde zu legen, da auf Schragschnitten tiber die Form des Kanales und seiner Reste nur Irrtiimer entstehen k6nnen. Immerhin konnte ich noch drei verschiedene Stadien der Entwickelung des feinen Dotters beobachten, die sich untereinander 688 W. Lubosch, und mit den vorhergehenden Stadien zu einer Reihe vereinigen. Zunichst wird die Masse des groben Dotters immer machtiger (Fig. 10), Sie bildet jetzt einen abgestumpften Kegel, der vom animalen Pol her den feinen Dotter auseinanderdrangt. Nur ober- halb des Keimblaschens selbst findet sich noch vakuolisierte Sub- stanz, die stets deutlich eine grubige Vertiefung in der Oberflaiche des Keimblaschens hervorbringt. Weiterhin (Fig. 11) sinkt nun die Masse des groben Dotters tiefer gegen das Keimblaschen hinein, wahrend sich die Wande des kraterartig ausgehéhlten weifen Dotters dariiber einander nihern. Wir finden also auf diesem Stadium von der Membrana vitellina am animalen Pol aus ein Maschenwerk feinen Dotters sich gegen das Keimblaschen hin herabsenken. Die Maschen sind am animalen Pol sehr fein und von feineren Dotterkérnchen er- fiillt. Gegen das Keimblischen hin werden die Maschen grofer, die Dotterkérnchen gréber. Es laft sich nicht verkennen, daf hier bereits die Ké6rnchen des groben Dotters, die in der Deckelbildung iiberhaupt vorkommen, im ganzen genommen viel feiner geworden sind. Seitlich ist auch hier wiederum der feine Dotter scharf gegen das tibrige Cytoplasma abgegrenzt und umzieht ebenfalls in zarter Schicht wie friiher das Keimblaschen. Dies ist offenbar das Stadium, das BOHm von dem Deckel abgebildet hat. BOum behauptet nun aber, daf der Deckel keine bleibende Bildung sei, vielmehr zu Grunde gehe, da aber das »Polplasma‘* neu entstehe und dem Karyoplasma seinen Ursprung verdanke !). Diese Ansicht kann entstehen, wenn man die Zwischen- stadien vom Aufsteigen des Keimblaschens an nicht kennt. Ich besitze solche Stadien, allerdings auch nur wenige, da der Aufstieg offenbar sehr rasch erfolgt. Das erste entstammt einem Tier, das den Winter tiber in Gefangenschaft gewesen war und Anfang Marz getétet wurde. Das Keimblaschen ist hier an Masse bereits 1) Leider ist bei Boum weder in der vorliiufigen Mitteilung noch in der ausfihrlichen Darstellung Genaueres iiber das Alter der dem Laichen nahen Petromyzonten, iiberhaupt nicht einmal etwas iiber ihre Herkunft gesagt. Seine Fig. 6, die aus der Zeit der Metamorphose stammen soll, ist méglicherweise aus viel spiterer Zeit. In seiner Fig. 2 scheint mir nicht nur gleichfalls ein Alteres Stadium, sondern zugleich ein Schragschnitt vorzuliegen, weil das kubische Epithel scheinbar sehr hoch auf den animalen Pol hinauf- reicht. — Es ist viel sicherer und bequemer, diese Stadien am Flufneunauge zu studieren (cf. Hinleitung, p. 676). Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 689 verkleinert und liegt ein wenig weiter peripherisch. Gleichwohl ist auch hier die Masse feineren Dotters zwischen animalem Pol und Oberfliche des Keimblaschens vorhanden, ist wie friiher seit- lich gegen den groben Dotter abgegrenzt und umgibt das Keim- blaschen mit feiner Hille. Gegen jiingere Stadien verhalt sich die Bildung dadurch abweichend, daf die Kérnchen des darin vorhandenen groben Dotters noch viel feiner (in der Mitte reich- licher) und zugleich auch sparlicher geworden sind. Noch kleiner und noch mehr peripherisch gelagert findet sich das Keimblaschen einiger Kier, die dem Ovarium eines Ende Marz aus Rathenow mir gesendeten und Mitte April getéteten Tieres entnommen worden waren. Die Bauchdecken dieses Tieres waren bereits weich. Die meisten Eier hatten bereits das Keimblaschen verloren, so daf man bei den wenigen Eiern, die es noch zeigten, anzunehmen berechtigt ist, daf es kurz vor seinem Untergange steht. Es geht dies auch aus seiner Gréfe hervor (Fig. 12). Gleichwohl wird auch hier die nun schon wohlbekannte Bildung nicht vermift, die gegen friiher nur den einen Unterschied zeigt, daS sie jetzt nur noch von feinen Dotterkérnchen erfiillt und im ganzen etwas verdichtet ist. Wenn ich hieran ein definitives Stadium anschliefe, so ge- schieht es, um zu zeigen, da8 mir das von BOum und anderen geschilderte Polplasma nicht unbekannt geblieben ist. Die Kier stammen aus demselben Ovarium, das auch das vorige Praparat geliefert hat. Das ,,Polplasma‘t (Fig. 13) bildet einen sich von kreisférmiger Grundebene in das Ei einsenkenden Zapfen, der mit seiner Spitze jenen Punkt bezeichnet, bis zu dem das Keimblaschen aufgestiegen ist. Die Masse des Polplasmas ist fast véllig frei von Dotterkérnchen und besitzt ein sehr dichtes Gefiige. Es ist ja natiirlich nicht ausgeschlossen, da8 dennoch der von Boum behauptete Wechsel in der kurzen Zeit der Umwandlung des Keimblaschens stattfindet. Indessen ist es im héchsten Mafe unwahrscheinlich, da8 eine Bildung, die zu so friiher Zeit der Ei- entwickelung auftritt und konstant bis zu den letzten Zustanden des Keimblaschens verfolgt werden kann, nun plétzlich untergehen und durch Kernsubstanz ersetzt werden sollte. Wir haben aber auferdem geradezu Spuren, die das Karyoplasma bei seinem Auf- stieg zurticklaBt, durch die es zeigt, was aus seinem Inhalt ge- worden ist (cf. unten p. 710). Es ist natiirlich méglich, daf schlieflich am animalen Pol die letzten Trépfchen Karyoplasma sich dem feinen Dotter beimischen, was aber dem Ergebnis meiner 690 W. Lubosch, Untersuchungen keinen Abbruch tut, dem namlich: daf das sog. ,Polplasma*“ des Neunaugeneies die letzte Phase in der Entwickelung einer Bildung ist, die schon friihzeitig im unreifen Ei durch Differenzierung im Plasma des animalen Poles entsteht. Die oben erwihnten, so mannigfachen Beschreibungen haben somit eine einheitliche Zusammenfassung gefunden. Es liegt zu- gleich aber ein Beweis fiir die Richtigkeit meiner Darstellung in dem Umstande, dai es uns jetzt erst verstandlich wird, was die einzelnen Untersucher gesehen und abgebildet haben. Das friiheste Stadium hat offenbar Cafperta vor sich gehabt. Seine oben wiedergegebene Figur (Textfig. 2) entspricht meiner Fig. 7 und 8. Seine Figur (in Textfig. 1 wiedergegebene Abbildung) mit der inneren Mikropyle und dem Spermagang entspricht vollig meiner Fig. 9. Aber BoOum hat Recht, wenn er sagt, daf CALBERLA spatere Stadien nicht gekannt hat. Ein meiner Fig. 10 entsprechendes Stadium hat offenbar A. Mitiuers Beschreibung zu Grunde ge- legen, denn die Betrachtung von Flachenschnitten durch den ani- malen Pol hat mir oft das von MUuuer beschriebene Bild ge- liefert. Die Abbildungen von OwsJANniIkow, Scotr und BOHM wiirden dann schlieflich etwa meinen Figg. 11 und 12 entsprechen. Kapitel II. Die Eihtillen und das Follikelepithel. Membrana vitellina (Oolemma) — Zona pellucida s. radiata — Das Follikel- epithel und seine Metamorphose — Theca folliculi. Aehnlich wie die mannigfachen Widerspriiche in den Schilde- rungen der Dotterbildung nur durch die Untersuchung einer an- nihernd liickenlosen Reihe von Eiern gelést werden konnte, so wird auch die Lésung einer anderen Frage erst dadurch ermég- licht, da8 wir auf friihe Zustinde des Eies zuriickgehen und 4ltere und alteste dann darauf beziehen. Diese Frage betrifft die An- ordnung und das Schicksal des Foilikelepithels. Bevor ich hierauf eingehe, méchte ich in Ktirze bemerken, was ich tiber die Kihiillen im allgemeinen feststellen konnte. Der Terminologie WALDEYERS (03, p. 288) folgend, seien am Neunaugenei primare, sekundire und tertiére Kihiillen betrachtet. Unter den Eihiillen verdient als besondere Schicht die bereits oben erwihnte diinne, durchaus dem Ei selbst angehérige Plasmaschicht Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 691 Erwahnung. Ich habe sie niemals vermift und auf allen Ab- bildungen wiedergegeben. Sie ist an das Auftreten des Dotters gekniipft, gelangt daher auch erst bei Eiern zur Beobachtung, die bereits peripherische Dotterablagerungen enthalten (Fig. 1—13). Sie ist sehr schmal und wird nach innen von der Zone der Va- kuolen (Rindenschicht des Dotters) nach aufen von der Eihaut selbst begrenzt. Diese Plasmaschicht ist bereits von CALBERLA beschrieben worden. Neuerdings beschreibt sie auch BUHLER (02, 398). Er bemerkt durchaus zutreffend, da8 sie nur durch exakte Farbungen und hohe Vergréferungen zu unterscheiden sei. ,,Sie gehért, nach ihrem farberischen Verhalten und ihren Verbindungen mit dem Eiprotoplasma zu schliefen, dem Ei selbst an, als eine dichtere Protoplasmaschicht.‘* Mit BiHnerR betrachte ich sie als Membrana vitellina. Diese Membran ist am Ki nicht iiberall gleich stark, sie nimmt vielmehr gegen den vegetativen Pol ein wenig an Breite zu (cf. Fig. 6). Ich habe an ihr gelegentlich eine interessante Erscheinung gesehen (Fig. 1 und 6), namlich eine feine Streifung. Bei starker Vergréferung erwiesen sich diese Streifen dadurch hervorgebracht (Fig. 6), daf die mikrosomenartigen Koérnchen, die in ihr vorkommen, sich reihenweise aneinander gelagert hatten — eine Beobachtung, die fiir die Erkenntnis des Mechanismus der Eiernahrung des Eies weiterhin nicht ohne Be- deutung sein wird. Nur auf sehr diinnen Schnitten (Fig. 1 u. 2) konnte ich ein- mal feststellen, da’ die Membrana vitellina nicht hart an die Ei- haut grenzt, sondern durch eine zarte, sehr helle Haut davon ge- trennt war. Ks ist méglich, daS es sich hier um die von Max ScHULTZE beschriebene, nach innen von dem ,,Chorion’ gelegene Dotterhaut handelt (cf. R. Hertwia [03, p. 296]). Indes kann es sich auch um ein rein optisches Phinomen handeln. Nach aufen von diesen soeben beschriebenen Gebilden findet sich die eigentliche Eihaut des Neunaugeneies (Zona, Zona pellucida, Zona radiata). Ich fand diese Membran als eine urspriinglich einfache, sehr kraftige Haut vor, die aber bereits kurz nach der Metamorphose (Fig. 8) zwei Lagen unterscheiden lat. Bald werden bei weiterer Reifung des Eies beide Lagen dicker und bilden schlieflich eine tiberaus kraftige Decke um das Ei herum. Von diesen beiden Schichten schien die innere mir die festere zu sein. Dieselbe Schicht zeigte auch stets eine viel starkere Affinitét zu Farb- stoffen. So halt sie z. B. das Himatoxylin nach der Beizung mit Eisenoxydammonium viel langer zuriick, als die aufere Schicht. 692 W. Lubosch, Beide Schichten schienen stets eng aneinander geschlossen und auch zu einander gehérig. Nur an zwei Praparaten bei sehr diinnen Schnitten, die zufallig durch Druck des Deckglases gepreft worden waren, zeigte sich ein feines Maschenwerk zwischen beiden, ahnlich den Pfahlen eines Spaliers. In dem abgebildeten Praparat (Fig. 2) sah man recht deutlich, wie die zarten Elemente der inneren Haut ansafen und auch an ihr haften blieben, wenn die auBere Mem- bran zurtickwich. Wenn nicht zu dieser Eihaut schon eine sehr betrachtliche Literatur vorlige, so wiirde ich ihre Beschreibung fiir eine sehr einfache und durch obige Worte fiir erledigte Angelegenheit halten. Indes zwingen mich einige Angaben der Literatur, noch ein we- niges hierbei zu verweilen. Schon was ich oben erwihnt habe, stimmt nicht mit allem tiberein, was meine Vorganger an dieser Eihaut gesehen haben. So ist nach CALBERLA (l. ¢., p. 438) die innere Schicht viel lockerer als die aufere. Nach BUHLER (1. c., p. 398) farbt sich die Aufere Zone stirker. Diese Abweichungen fallen aber nicht ins Gewicht gegeniiber drei weiteren Punkten, die ich nun der Reihe nach erértern muf. R. HertTwIiG verwertet neuerdings wieder (I. c., Hdbch. p. 296) die Angabe, daf die Zona am animalen Pol verdickt sei. Diese Angabe stammt von CALBERLA her (p. 438/39) und findet sich spiter in HErForts Figuren. Ich selbst habe viele solche Bilder gesehen (z. B. Fig. 13), halte aber eine Darstellung nach solchen Bildern nicht fiir zutreffend, weil durch kein Mittel nachweisbar ist, daf es sich hier wirklich um exakte Langsschnitte durch die gré&%te Ellipse des Kies handelt. Es leuchtet ein, dafi Abweichungen von dieser Schnittrichtung, die sonst gar nicht auffallen mégen, gerade fiir die Dickendimensionen der Ki- haut in Betracht kommen. Den exakten Lingsschnitt eines Kies habe ich in Fig. 9 abgebildet. Es ist lediglich Sache des Zufalls, daf ein Ei gerade so getroffen wird. Solch ein Schnitt ist aber gerade sehr lehrreich. Dal er das Ei genau langs trifft, ist daran erkennbar, da er jenen protoplasmatischen Kanal (s. 0.) in ganzer Lange enthalt. Hier sieht man nun, daf beide Schichten der Eihaut am animalen Pol verdiinnt sind und zwar die innere starker als die dufere, die am Pol nur eine seichte Einsenkung erkennen abt. Méglicherweise hingt die Frage der Mikropyle hiermit zu- sammen, indem CaLperta bei schlecht konservierten Eiern im Bereich der von mir in Fig. 8 gezeichneten Verdiinnung an der Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 693 inneren Schicht eine Kontinuitatstrennung wahrgenommen hat. Eine Mikropyle hat von alteren Autoren noch OwsJANNIKOW (lI. ¢., p. 34) gelegentlich, nicht immer beobachtet und mag ahnlich getiuscht worden sein. Von spateren Untersuchern des Neun- augeneies haben weder BOum noch Kurrrer und BENECKE, noch HerFrort eine Mikropyle gesehen. Auch ich selbst habe niemals etwas dergleichen gefunden. Einige Schliisse auf die Existenz und etwaige Beschaffenheit der Mikropyle lassen sich ziehen, wenn wir die Verhiltnisse des Bdellostomaeies beriicksichtigen, die ktirzlich durch DoFLEIN eine ausfiihrliche, mit sehr schénen Abbildungen versehene Darstellung gefunden haben. Dorvern bildet in Fig. 9 seiner Arbeit den ani- malen (,,opercularen‘‘) Pol eines Kies ab, der von einer sehr dicken Kibaut umgeben ist. Diese Eihaut zeigt nun eine Mikropyle, die fuferlich in ihren Formen fast vollig jener alten Abbildung von CALBERLA entspricht. Leider ist bei DorLern die lineare VergréSerung nicht ange- geben. Nach Vergleich mit seinen sonstigen Figuren und nach den mir von den Zeifschen Mikroskopen her gelaufigen Ver- gréSerungen schatze ich sie auf 200- bis 400fach. Die von mir in Textfig. 1 reproduzierte Abbildung von CALBERLA ist 200 fach vergréfert. Man kann also annahernd beide Mikropylen mit- einander vergleichen und sehen, daf die des Neunaugeneies reich- lich 10mal so grof ist als die des Bdellostomaeies. Sie waren also, da das Neunaugenei ja ganz auferordentlich viel kleiner ist als das Bdellostomaei, ein wahres Scheunentor, wahrend sie, den GroéSenverhaltnissen beider Eier angemessen — unter der Voraussetzung, da8 die hypothetische Mikropyle in irgend einer Relation zur Gréfe der Eier steht — eigentlich bei der von CALBERLA angewendeten Vergréferung eben kaum noch hatte sichtbar sein miissen. Es mag also immerhin hier, wie Kuprrer und BENECKE gemeint haben, eine permeablere Stelle vorliegen: eine direkte Kontinuitaitstrennung findet sicherlich nicht statt. Dies fiihrt nun auf den dritten Punkt, den namlich, ob sich die Permeabilitat der Zona pellucida tiberhaupt durch ein typisches anatomisches Merkmal kenntlich mache? Auch diese Angabe, daf namlich die Zona durch radiare Streifung ausgezeichnet sei, findet sich zuerst bei CALBERLA (p. 438/39), spiter tut ihrer Boum Erwahnung (p. 623), neuerdings BUHLER (p. 398). OwWsJANNIKOW (p. 34) und Hrerrort (p. 60) vermissen sie. Ihnen schliefe ich mich an, habe aber 694 W. Lubosch, zu erértern, wodurch moéglicherweise diese Abweichungen zu er- kliren seien ? Radiare Streifungen sind, wie WALDEYER (p. 289) nachweist, bei den Eiern fast aller Wirbeltiere vorhanden. Indes scheinen mir zwei Gruppen solcher Streifungen unterscheidbar, die auf die Genese der Zona pellucida zuriickfiihrbar und in ihrem Wesen durchaus verschieden sein mégen. Diese Genese ist, wie bekannt, nicht ganz klar, zum mindesten nicht tiberall einheitlich. Bei My xine (CunninagHaM) und Bdellostoma (DoFLEIn) ist sie z. B. eine sekundare KEihiille, ein echtes ,,Chorion“, d. h. ein Produkt des Follikelepithels. Es entsteht da die Eischale aus einzelnen Saulchen, die sich zueinander etwa wie die Schmelz- prismen der Zahne verhalten. Jene Siulen, die jede einer Follikel- zelle entsprechen, grenzen dann mit feinen Spaltréumen aneinander, die spiter als Porenkandlchen in den jiingsten Schichten deutlich, in den Alteren nicht so klar erhalten bleiben. Aehnlich bilden die Follikelzellen bei Saugetiereiern mit bestimmten Fortsatzen die Grundlage der Zona radiata (v. EBNER, Retztus). Diese beiden Falle, die méglicherweise als einzige bei Wirbeltieren ein Beispiel echter sekundarer Eijhiillen abgeben, tragen als bleibendes Zeichen ihrer Genese die radiire Streifung an sich. Dies aber trifft nicht fiir all die anderen Falle zu, in denen die Zona als primaire Kihaut vom Ei selbst gebildet wird. Ebenso wie man sich vorstelJt, daf’ das Spermium einer pra- formierten Pforte ,,bediirfe, um ins Ei hineinzugelangen, ebenso vermeint man, es miisse die Zona priaiformierte Kanale fir die Zufuhr des Nahrmaterials besitzen. Beides scheinen mir durchaus anthropomorphe Vorstellungen zu sein und nicht, wie er- forderlich, cytomorphe. In einer kiirzlich erschienenen, sehr interessanten kleinen Schrift von Dewirz (03) wird der Nachweis gebracht, dafi das Spermium sich vorzugsweise — eigentlich ausschlieSlich — in mikroskopisch feine Liicken und Spalten einbohrt, da es an véllig glatten homogenen Oberflachen nicht zu haften vermége. »indem der voriiberschwimmende Samenfaden mit der Kopfspitze in eine solche Oeffnung gerat, wird er in der Weise gereizt, dai er das Bestreben erhalt, sich giinzlich mit dem festen Kérper in Kontakt zu bringen. Auch die Passage des Spermiums durch eine Eihaut diirfte im wesentlichen durch eine Art von Thigmotaxis erfolgen, und der Durchtritt der gelésten Dotterbildner diirfte, infolge von Kapillari- Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 695 titswirkungen, verbunden vielleicht mit aktiver Anziehung durch lebendes Protoplasma, durch die Eihaut hindurch erfolgen. Es bedarf hierzu keiner Kanile, sondern es geniigt die permeable, porése Beschaffenheit einer tierischen Membran. Von Wichtigkeit ist hierbei BUuLERs Bemerkung p. 427: ,,In- teressant ist — die Erkenntnis, mit welcher Leichtigkeit auch die unverletzte Eihaut von korpuskuliren Elementen von ziemlicher Gréfe in beiden Richtungen durchsetzt wird. Es bedarf hierzu keineswegs breiter vorgebildeter Kanadle, denn, wie schon gesagt, halten sich die durchwandernden Ko6rper nicht einmal an die Radiar- streifung. Offenbar genitigt hierfiir der Zustand, in welchem sich das Oolemm bei Eiern im Beginn der Degeneration befindet, der demnach einer steifen Gallerte entsprechen mag. Nichts hindert, anzunehmen, da8 die Zona auch beim reifen ovulierten Ei eine ahnliche Umwandlung eingeht, und die seiner Zeit viel diskutierte Frage nach dem Eintritt der Spermatosomen ist geliést, auch wo keine besonderen Eingangspforten hierfiir vorhanden sind.“ Die bei dotterreichen Eiern so oft beschriebenen radiaren Streifungen scheinen mir ausreichend dadurch erklairt zu sein, daf sie in einer Art natiirlicher Fiillung befindliche und in diesem Zustande konservierte Poren der Eihaut darstellen, also keine ein fiir alle Mal festen, sondern je nach ihrem Fiillungs- zustande bald hier, bald da, bald gar nicht erscheinenden Ein- richtungen darstellen. Es wire ahnlich, wie wenn uns die Lymph- bahnen eines Kérperabschnittes nur von ihrem etwa noch nach dem Tode erhaltenen natiirlichen Fillungszustande bekannt waren, wo wir denn bald die distalen, bald die proximalen Bezirke ge- fiillt, bald aber auch alles leer finden. Jeder Fall wiirde aber zu einer anderen Auffassung der Anordnung jener Bahnen fiihren. Vollig in dieser Lage befinden wir uns aber der Literatur beim Petromyzontenei gegeniiber. Denn die Beschreibungen der ,radiairen Streifungen“ lauten eigentlich in jedem Falle anders. CALBERLA meint, die Kanalchen liegen in der &4uSeren Schicht und durchziehen auch die innere. Bei BOum (p. 623) ist die innere allein gestreift, bei BUHLER ist wieder die innere ganz homogen, die aufere hingegen mit sehr feinen Radiarstrichen versehen. Ich betrachte daher die radiiren Streifungen wenigstens am Neun- augenei als erstlich prinzipiell verschieden von denen einer sekundaren Ejhille, vielmehr zweitens als den Ausdruck eines durch die Tétung des Eies nur konservierten, wahrend 696 W. Lubosch, des Lebens indes transitorischen Fiillungszustandes einer permeablen Membran. Der Leser mége die ausfiihrliche Beriicksichtigung dieser Fragen nachsichtig beurteilen und als eine Abschweifung von dem geraden Wege meiner Beschreibung betrachten, zu dem ich mich jetzt wieder zuriickwende. Nach der Besprechung der primaren Eihiillen diirfte es fraglich erscheinen, ob das Neunaugenei etwa. auch irgend welche sekundaren, der Schale des Bdellostoma- eies homologe Hiillen besitzt. Solange sich das Ei im Ovarium befindet, sicherlich nicht. Das Ei liegt mit seiner Zona pellucida fest in eine bindegewebige Theca folliculi eingeschlossen, an der ich, wie BUHLER, zwei Lagen unterscheiden konnte. Jede dieser Lagen besitzt eine sehr deutlich ausgepraigte Kernreihe (Fig. 9, 11). Zwischen Ki und Theca indes findet sich das Follikel- epithel, das uns nunmehr in sehr eigentiimlichen Verhaltnissen entgegentritt. Die erste Entstehung des Follikelepithels habe ich an anderer Stelle geschildert (Verhandl. der anat. Gesellschaft in Heidelberg 1903). Es ist von Peritonealzellen abzuleiten, die in die Zellnester der Ovocyten hineinwachsen und sich eng an die einzelnen Ejizellen anlegen. In Fig. 14 sind einige solcher Follikelzellen abgebildet, doch sind sie schwer von Mesenchym- zellen zu sondern. Sie sind dadurch kenntlich, daf sie der Ober- fliche des Kies eng angeschlossen sind. Bei alteren Eiern (Fig. 16) bewirkt die durch die Konservierung hervorgerufene allgemeine Zusammenziehung der Gewebe bisweilen sogar, dafi die den Kern tragenden Teile der Follikelzellen eine Delle in der Oberfliche des. Eies hervorbringen. Es fallt spater immer schwerer, Follikelzellen im Ovarium nachzuweisen. Denn sie werden sehr platt und es. ist begreiflich, dafi man, je gréfer das Ei ist, um so seltener in einem Schnitt die Kerne einer Follikelzelle nachzuweisen im stande ist; man wird also weite Strecken der Kioberflache scheinbar frei von Follikelepithel finden, bis es gelegentlich einmal gltickt, den Kern einer solchen Zelle festzustellen. Das Bild solch einer Stelle gibt Fig. 1 wieder. Sie bietet direkten Anschlu8 an die Fig. 1 der Biuerschen Arbeit, der das Follikelepithel (p. 397) ,,als eine Schicht auBerst abgeflachter, weit auseinandergezogener Zellen zwischen Theca und Ei“ beschreibt. Infolge dieser Uebereinstimmung meiner Befunde mit den Ergebnissen dieser neueren Untersuchung glaubte ich, solchen Bau des Follikelepithels als sicher bestehend annehmen zu diirfen und suchte nach Erklairungen fiir die Darstellung, die ich bei alteren Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 697 Untersuchern gefunden hatte. Zunichst lag eine Beschreibung von Boum (p. 623 und 625) vor, der bei beginnender Metamorphose ein einschichtiges Granulosaepithel aus kubischen Zellen gefunden hatte. Dies Epithel war am animalen Pol niedriger, als am vege- tativen. Bei geschlechtsreifen Eiern hat dieser Unterschied noch zugenommen. Das Granulosaepithel bekleidet in einfacher Schicht die Eihaut. Am animalen Pol finden sich ganz platte Zellen, die gegen den vegetativen Pol héher werden. ,,Mit dem Hoherwerden pflegt ein degenerativer Prozef Hand in Hand zu gehen. Das Protoplasma der héheren Zellen wird von Faden durchzogen, die das Ansehen einer schleimartigen Substanz aufweisen. Am vege- tativen Pol, wo die Zellen sehr grof und hoch sind, ist der Ver- schleimungsprozefi so weit gediehen, dafi’ man nur in seltenen Fallen den verdeckten Kern nachzuweisen im stande ist.’ — Diese Beschreibung B6ums konnte ich zunachst auf keine Weise bestatigen. Ich dachte an atretische Follikel oder an Irr- tiimer BOums, zumal ich auch sonst Bedenken hatte, die Reihen- folge seiner Abbildungen, als Wiedergabe verschiedener Reifungs- grade, fiir richtig zu halten. Indes berichtet auch die alte, tiberaus sorgefaltige Untersuchung von OwssANNIKOw (p. 33), daf sich auf der Zona eine Lage kleiner, sich mit Pikrokarmin stark farbender Zellen befainde. ,,Da es schwer fallt, Kerne in diesen Zellen zu entdecken, so haben sie Aehnlichkeit mit Dotter- elementen.“ Die Erklarung dieser Widerspriiche ist nun folgende: Meine obige Beschreibung, sowie die BUuters, beziehen sich auf Kier, die von der Reife noch relativ weit entfernt sind. B6oums und OwssANNIKOws Darstellung bezieht sich auf ltere, reifere Kier. Das Follikelepithel ist keine schematisch starre Schicht, sondern bringt durch bestimmte Veranderungen auch morphologisch die Bedeutung zum Ausdruck, die es fiir das Leben der Eizelle besitzt. Fig. 3 stellt den Rand eines Eies dar, das am 7. Marz kon- serviert wurde. Das Tier war im Herbst gefangen und den Winter iiber im Bassin gehalten worden. Es fehlten ihm noch 2 Monate zur Reife. Der Schnitt war kein Lingsschnitt; die abgebildete Partie befand sich in der Nahe des vegetativen Poles. Man sieht die vakuolisierte Rundschicht des Dotters, darauf die dotterfreie Membrana vitellina, hierauf die innere starkere, gefarbte Lage der Zona pellucida, sodann die etwas breite aufere Lage. Es folgt nun eine Lage sehr langer und dabei ziemlich hoher Zellen, 698 W. Lubosch, die das Follikelepithel bilden. Es war zunachst schwer, die Zell- grenzen festzustellen, bis es gelang, ein sicheres Merkmal in dem Verhalten der Zona zu entdecken. Es schiebt sich namlich die Zona stets mit einem kleinen Spitzchen zwischen zwei aneinander stofenden Follikelzellen ein. Kerne sind auf diesem Stadium noch deutlich nachzuweisen als feinkérnige Gebilde mit starkem Nu- cleolus. Sonst aber bieten die Zellen ein sehr seltsames Aussehen dar. Ihr Inneres ist dicht erfillt von Tropfen, die sich mit Pikrinsiure stark farben und dicht aneinandergedrangt der Zell- substanz das Aussehen eines groben Schaumes verleihen. Man kann die Follikelzellen hier sehr wohl mit Pflanzenzellen ver- eleichen, namentlich was die Verteilung von Protoplasma und Deutoplasma und die Lage des Kernes anbelangt. Es ist klar, da eine zarte protoplasmatische Wandschicht vorhanden sein und den Kern einhiillen mul, doch konnte ich sie selbst bei den starksten VergréBerungen nicht nachweisen. Dieses Stadium wiirde der Be- schreibung von OwsJANNIKOW wohl angepaft sein. Ein weiteres Stadium habe ich in Fig. 4 abgebildet. Die Kier waren alter aber noch nicht vollig reif und besaSen noch ein Keimblaischen. Das Tier war Anfang Mai in Rathenow a. H. ge- fangen und in Breslau sofort getétet worden. Die allgemeinen Verhaltnisse der Randschichten und Zonae sind die gleichen wie vorher. Auch hier sieht man die Zona externa mit feinen Zahn- chen zwischen die Follikelzellen eingreifen. Die Follikelzellen selbst sind héher geworden. Einen Kern konnte ich in ihnen nicht mehr deutlich nachweisen. Die Masse, von der sie erfillt waren, lag in einzelnen Tropfen und Schlieren gesondert. In héchst auffalliger Weise sah ich aber bei dieser Fixation, daf die Inhaltsmassen der peripherischen Dotter- vakuolen genau die gleiche Konsistenz und Farbung ange- nommen hatten, wie die Inhaltsmassen der Follikelzellen. Es war das kein vereinzelter Fall; auch sonst waren beide Massen oft ahnlich gefairbt, indes zeigte sich die Erscheinung nie wieder so vortrefflich wie hier. Endlich fand ich bei den Eiern eines im April getéteten Tieres, die bereits das Keimblaschen verloren hatten, eine weitere Aus- bildung des Follikelepithels, die ich in Fig. 5a und b veranschau- licht habe. Bei a ist der Rand eines fast genau langsgetroffenen Kies dicht am vegetativen Pol abgebildet. Man sieht die hohen, breiten Zellen, die wiederum in grubige Vertiefungen der Zona eingelagert sind. Kerne konnte ich in ihnen nicht mehr nach- Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 699 weisen, vielmehr nur feinste Fadchen, die zwischen hellen, vakuolen- artigen Riiumen gelegen waren, auBberdem zahllose feinste Kérnchen. Die Figur b stellt dasselbe Epithel im Flachschnitt dar und dient zur Erganzung unserer Vorstellung von der Form dieser Zellen. Dieses letzte Stadium dirfte wohl der Beschreibung von Boum entsprechen. Zur Vervollstandigung unserer Vorstellungen mége noch dienen, daf die Follikelzellen am animalen Pol niemals irgendwie bedeut- same Dimensionen annehmen. Dies hat Boum ganz richtig ge- sehen. Vom Pol an nach den Seiten zu ist der Uebergang zu- nachst kaum bemerkbar, bis plétzlich ungefihr in halber Héhe des Eies ein ziemlich starkes Dickenwachstum des Kies stattfindet. Ich will gleich an dieser Stelle die auferordentlich grofe Bedeutung dieser Befunde am Follikelepithel erértern, die sie fiir unsere Kenntnis von der Form und dem Leben des Eies besitzen. Wir miissen uns zu diesem Zwecke noch einmal eine ganze Reihe von Beobachtungen ins Gedachtnis zuriickrufen, die bereits an friiheren Stellen dieser Arbeit mitgeteilt worden waren. Namlich 1) die Entstehung des Dotters in zwei getrennten Phasen; 2) die Verteilung des Dotters im Ei selbst; 3) die Beschatfenheit der protoplasmatischen Membrana vi- tellina und der Zonae und 4) die Veranderungen des Follikelepithels und seinen an beiden Polen verschiedenen Bau. Schon allein durch diese Zusammenstellung wird uns ein Ein- blick in den Mechanismus der Dotterbildung gewahrt, wie er klarer kaum jemals sein kann. Wir miissen von der Existenz des Dotterkernes hierbei zweifellos ausgehen. Schon V. HAckER (99, p. 123) hat ausgesprochen, da8 dies Gebilde mit der Dotter- bildung keinen direkten Zusammenhang besitzt, vielmehr nur ein sichtbarer Niederschlag eines Produktes des intracellularen Stoff- wechsels sei. Er liefert nach HAckrer nicht selbst Dotter, setzt vielmehr den KEileib in eine Art chemischer Bereitschaft, auf Grund derer erst spater die Dotterbildung erfolgt. Nach den Untersuchungen von Gross (99) ist das Hihnereidotter, dem das Fischeidotter ziemlich nahe verwandt ware, ein Korper, der an Eiweif gebunden einen Nuklein und einen Organischen Phosphor enthaltenden Kérper gebunden enthalt. Aller Wahr- Bd, XXXVIU. N. F. XXXI. ; 45 TOU W. Lubosch, scheinlichkeit nach ist in dem Dotterkern nukleinhaltiges Material vorhanden, das in geléster Form aus dem Keimblaschen nach aufen tritt, um sich dann spiter im ganzen Cytoplasma zu ver- breiten, ein Vorgang, der sich durch eine starkere Basophilie des Rileibes grob auBerlich kundgibt. Wir gewahren von einer Tatigkeit der Follikelzellen auf diesem Stadium noch nichts. Wir sehen nur, daf an der Peri- pherie des Eies zuerst Vakuolen mit charakteristischem Inhalt, sodann in der Umgebung dieser Vakuolen die ersten Dotter- kérnchen entstehen. Spater aber sehen wir die Follikelzellen an- schwellen und nach der Produktion eines reichen Inhaltes zu Grunde gehen. Die Beteiligung des Follikelepithels an der Dotter- bildung ist fiir viele tierische Eier bereits sicher nachgewiesen worden (LusoscH, 1902b). Bei Petromyzon miissen wir aus den destruktiven Veranderungen des Epithels auf eine gleiche Tatigkeit schlieBen. Bei den Eiern der Knochenfische wird, wie es Minroy (9%) chemisch nachgewiesen hat, von den Follikelzellen aus der Ovarialfliissigkeit Phosphor, organisch gebunden, auf- genommen und zu einer Vorstufe des Dotters umgewandelt. Bei Petromyzon nehme ich das gleiche an und halte es fiir sicher be- wiesen, dali diese, eine Vorstufe des Dotters bildende Substanz durch die Zona hindurchstrémt. Ja, selbst im Ki macht sich diese Strémung gelegentlich noch durch eine radidre Streifung der Membrana vitellina bemerkbar (s. 0. p. 691). In den ,,Vakuolen“ sehe ich den ersten Niederschlag des in den Follikelzellen bereiteten und ins Ei tibergetretenen ,,Vordotters“. Zwischen dem Inhalt dieser Vakuolen, dem ,,Vordotter‘‘ und dem durch den Dotterkern im Eiplasmaverbreiteten nukleinhaltigen K6érper vollzieht sich nun eine chemische Verbindung, als deren Niederschlag die Dotter- kérnchen selbst zu betrachten sind. Eine ganz ahnliche Schilde- rung gibt DorLeIn von der Dotterbildung des Bdellostomaeies. (SS tuhe pseiles) Sehr deutlich wird uns die Tatigkeit des Follikelepithels aber erst dann, wenn es nicht mehr im stande ist, seine Stoffwechsel- produkte an das Ei abzugeben. Vielleicht werden wir, so lange uns der Mechanismus noch nicht im einzelnen tibersehbar ist, gut tun, uns vorzustellen, da’ dem Dottergehalt des Eies eine bestimmte Grenze gesetzt ist — méglicherweise durch die Menge des Nukleins, das durch den Dotterkern ins Ei hinausgetragen worden ist. Es tritt ein Moment ein, wo der Inhalt der Vakuolen nicht mebr in Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 701 Dotter iibergefiihrt werden kann, wo mehr Zufuhrstoffe gebildet, als verbraucht werden. Die Veranderungen des Follikelepithels verlaufen dann weiterhin unter dem Bilde der einfachen Hyper- trophie und ihren Folgezustanden und zwar unter dem einer kom - pensatorischen Hypertrophie (VircHow, Cellularpathologie, p. 274). ,,Jedes Gewebe besitzt erfahrungsgemaf nur gewisse Méglichkeiten und Grade der Vergréferung, innerhalb deren es im stande ist, sich regelmafig zu konservieren; wird dieser Grad, und namentlich schnell, tiberschritten, so sehen wir immer, dah fiir das weitere Leben des Teiles Hindernisse erwachsen und dab, wenn der Prozef besonders akut von statten geht, eine Schwachung des Teiles bis zu vollstandigem Vergehen desselben eintritt. Vor- ginge dieser Art bilden schon einen Teil jenes Gebietes, das man im gewoéhnlichen Leben der Entziindung zurechnet“ (p. 275). Die Geschichte des Follikeiepitheis beim Neunauge fiihrt uns diesen Vorgang gleichsam im Paradigma vor. Zunachst schwillt die Zelle an, der Kern ist noch vorhanden. — Sie speichert immer grofiere Massen in sich auf; der Kern geht zu Grunde. Praktisch ist dies Stadium interessant, weil wir zu dieser Zeit die Vor- stufen des Dotters in den Randschichtvakuolen und im Follikel- epithel zugleich sehen kénnen. Schlieflich zerfallen die Zellen volistandig Wir kénnen also zusammenfassend sagen, da& das Follikelepithel am Ende der Entwickelung der Ovarialeier durch Entziindung (vitellogene?) zu Grunde geht. Es ist vielleicht im Wesen derselbe Vorgang, der sich im Untergang der Nahrzellen im Insektenovarium zu Gunsten des kleinen Eies vollzieht. Wenn Boum von einer Verschleimung des Follikel- epithels spricht, so ist der Ausdruck wohl mehr aus Verlegenheit, denn als aus richtiger Erkenntnis der Sachlage entstanden. Denn Boum sagt weiter, daf die Eier mit diesem verschleimten Epithel in die Bauchhéhle gerieten; er leitet offenbar die Gallertschicht des Eies von diesen ,,verschleimten‘t Follikelzellen ab. Ich habe auch Bauchhéhleneier geschnitten, aber niemals an ihnen auch nur Spuren des Epithels oder irgend welcher Produkte gesehen, die sich auf dies Epithel hatten beziehen lassen. Die sich furchenden Eier und die jungen Larven besitzen aufer den Zonae tiberhaupt keine solche Gallertschicht wie etwa das Froschei. Boum hat einfach die friiheren Zustinde des Epithels nicht gekannt, sonst hatte ihm das nicht entgehen kénnen. 45 * 702 W. Lubosch, Andererseits aber nehme ich an, daf die von Binner*) und mir iibereinstimmend geschilderten Degenerationsvorginge am Epithel nicht erst an das Platzen oder die Atresie des Follikels gebundene Erscheinungen, sondern physiologische Vorgange sind, die das normale Ende des Follikelepithels tiberhaupt vorstellen. Was ich tiber die Geschichte des Follikelepithels beim Neun- auge feststellen konnte, scheint mir zur Frage des Corpus luteum in direkter Beziehung zu stehen. Denn fragen wir, welche Be- deutung dem Follikelepithel zukommt, so ist es physio- logisch nur aufzufassen als eine Nahrzellengruppe, morpho- logisch nur als Homologon jener z. B. bei Insekten so weit verbreiteten ,,Naihrzellen‘‘ und genetisch nur als modifizierte Keimzellen selbst. Wie die Eizelle durch die Befruchtung ihr selbstindiges Dasein beendet, so die Follikelzelle bei Abschlu8 der Dotterbildung des Kies. Bei Petromyzon wenigstens kann schon deshalb — ganz im Sinne Btuiers — dem Follikel- epithel keine aktive, produktive, regenerierende Rolle bei der Bildung des Corpus luteum zugeschrieben werden. Ob dies bei héheren Tieren, z. B. den Saéugetieren, anders ist, entzieht sich meiner Beurteilung. Eine von dem verstorbenen Professor Born gehegte und neuer- dings von zweien seiner Schiller zu beweisen unternommene Idee war es, daf das Corpus luteum der Saugetiere eine Driise mit sog. innerer Sekretion sei, bestimmt, durch Absonderung von Siften die Implantation des Eies im Uterus zu befordern. In einer soeben dariiber erschienenen Untersuchung schildert F. Conn (03) die Veranderung der Follikelepithelien am Kaninchenovarium. Die Befunde sind nicht ganz ohne Analogie mit den von mir in ihrem Beginn und in ihrem weiteren Verlaufe von BiHuER?) ge- 1) Btuver beschreibt, daf auch bei ungeplatzten Follikeln sich die erste Riickbildungserscheinung in einer Ver- gréferung des Epithels und in der Ansammlung einer dichten homo- genen Masse darin zeige, bei noch véllig intakten Hiillen. Er nimmt an, da’ die Zellen Dotter von innen her aufgenommen hatten. Spi&ter finde auch sogar eine Auswanderung von Dotterbestandteilen aus dem Hi durch die Membranen nach aufen statt. Bemerken will ich, dai ich die von mir beschriebenen Erscheinungen stets an allen Hiern des betreffenden Ovarialstiickchens und ferner an mehreren, zu verschiedenen Zeiten konservierten Ovarien (8. 0.) gesehen habe, daf es sich also nicht um atretische Follikel ge- handelt hat. 2) Buuuers Untersuchungen werden von Coun nicht erwahnt. Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 703 schilderten Vorgiingen an Fischeiern. Indes kann ich mich dem Verf. in der Verwertung seiner Beobachtungen nicht anschliefen. Folgende Veriinderungen wurden von CoHN am Granulosaepithel beobachtet. 1) Sprungreifer Follikel: Zellkérper von geringer Gréfe. Die Kerne bilden den Hauptbestandteil des Kies. Zellgrenzen nicht deutlich ausgepriigt. Dichtes Chromatingeriist. Vereinzelte Mitosen. 2) Corpus luteum, 201/, Stunden. Zellkérper nicht viel gréfer. Kerne ungefaihr aufs Doppelte vergriéfert. Deutliches Chromatingeriist. Keine Kernteilungsfiguren. 3) Corpus luteum, 22 Stunden. Wenig verindert. Keine Mitosen. 4) Corpus luteum, 42 Stunden. Starke Vergréferung des Proto- plasmaleibes. Chromatin der Kerne feiner verteilt. Einen oder mehrere Nukleolen. Eine einzige Epithelmitose. 5) Corpus luteum, 44!/, Stunden. Protoplasma wabige Struktur durch Hinlagerung feinster tropfenférmiger Gebilde. Kerne fein verteiltes Chromatingeriist. 1—2 Kernkérperchen. Keine Mitosen. 6) Corpus luteum, 481/, Stunden. Feinwabig strukturiertes Plasma. Kern mit fein verteiltem Chromatin. 1—2 Kernkérperchen. 7) Corpus luteum, 68 Stunden. Reicher an Vakuolen. Kerne blaschenférmig und hell. Kernkérperchen sind sichtbar. Coun beschreibt dann weiter, daf die Vakuolen im wesent- lichen Fett als Inhalt haben (Osmiumreaktion) und daf zahlreiche Kapillaren sich im Corpus luteum entwickeln. Da von ,,sonstigen“ Degenerationszeichen im Corpus luteum nichts zu entdecken sei, so hilt er diese fettigen Einschliisse fir sekretartige Plasmaprodukte, die auf dem Wege der Kapillaren aus dem Corpus luteum dem KGrper zugefiihrt wiirden (p. 762). Als merkwiirdige und_be- weisende Tatsache wird hervorgehoben, daf der Héhepunkt der Kapillarenentwickelung und die stiirkste Entfaltung der Granulosa- zellen ,ungefahr“ mit der Implantation des Kies zusammenfallen. — All dem gegeniiber wird eine sehr kriaftige, sich durch reichliche Mitosen auszeichnende Vermehrung der Bindegewebszellen zugegeben. Wenn der Verfasser aufer den von ihm beschriebenen noch ,sonstige’* Degenerationserscheinungen sucht, so ist schwer zu ver- stehen, welcher Art die noch sein sollten. Der einzige Unterschied zwischen den Befunden bei Petromyzon und denen beim Kaninchen liegt in der schnellen Vergainglichkeit dort und in dem langen Be- stande des Epithels hier. Dies aber kann sehr wohl durch die véllig abweichenden Lebensbedingungen uns verstandlich er- 704 — W. Lubosch, scheinen, unter denen das zum Untergang bestimmte Follikel- epithe] bei Fischen und bei Saéugern steht. Dort ist der Follikel allerdings von einem reichen Kapillarnetz umgeben (cf. Fig. 7, auch bei OWSJANNIKOW), indes fehlt nach der Ausstokung des Eies jeder, eine starkere GefiSentwickelung bedingende Reiz, wodurch die Zellen auSer der trophischen Stérung, in der sie sich bereits befinden, noch von ihrer bisherigen Nahrungsquelle abgeschnitten werden. Anders bei den Follikelresten der Siuger, wo durch das sich im Uterus festsetzende Ei gerade im Gegenteil eine unge- heuere Welle von Blut den Geschlechtsorganen zugefiihrt wird, die gleichzeitig Uterusschleimhaut und Corpus luteum ernahrt und auch fiir die Kapillarentwickelung im Corpus luteum verantwortlich gemacht werden kénnte. Wenn also auch dem Epithel eine viel eréBere Bedeutung fiir den Aufbau des Corpus luteum der Sauger zuzukommen scheint, so ist es doch besser, sich den kausalen Zusammenhang in dieser logischen Form vorzustellen, als den bereits langst zum Untergang bestimmten Zellen die mystische Rolle einer Sekretion fettartiger Trépfchen in eigens zu diesem Zwecke gebildete Kapillaren zuzuschreiben. Es wiirde tibrigens weiter zur Klarung unserer Vorstellungen beitragen, wenn wir be- riicksichtigten, daf das Corpus luteum der laichablegenden Tiere nur homolog einem Corpus luteum spurium der Sauge- tiere ist). Einer anderen Bemerkung von Coun gegeniiber habe ich mich in persénlichem Sinne zu aufern. Er fiihrt namlich zum Beweis der sekretorischen Tatigkeit der Epithelzellen die tiberaus feine Verteilung des Chromatins in ihren Kernen an und bezieht sich auf Arbeiten von Born, Rtckerr und PrrTEeR, nach denen dieser Zustand feinster Chromatinverteilung in Beziehung zu sekre- torischer Funktion der Zellen stehe. Da Couns Arbeit im April 1903 abgeschlossen ist, so hatten meine beiden Arbeiten (1902), die sich gerade ganz ausfihrlich mit dieser Frage beschiaftigen, woh] beriicksichtigt werden miissen. Es hatte sich dann wohl auch Gelegenheit geboten, zu priifen, ob nicht, wie ich meine, die Kern- veriinderungen gerade im Gegenteil die Folge der gestérten Ernaihrungsverhialtnisse seien, anstatt die Ursache der hypothe- tischen ,,Sekretbildung“ darzustellen. 1) Zur Entscheidung der von Born angeregten Frage scheint es mir unerlaflich zu sein, das Corpus luteum der chorionlosen Mammalia (Ornithorhynchus, Marsupialier) zu untersuchen, bei denen nach der Bornschen Theorie eine nennenswerte Beteiligung des Epithels nicht zu erwarten wire. Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 705 Kapitel II. Das Keimbliischen. Die Schilderung des Eileibes und seiner Hiillen mute aus- fiihrlicher gehalten sein, da sie uns einige anscheinend nicht un- wichtige Verhaltnisse kennen lehren sollte. Die Geschichte des Keim- blaschens, deren ich bereits an anderer Stelle Erwahnung getan habe, wird viel kiirzer behandelt werden kénnen. Daf ich gerade ihretwegen mit bestimmten Vermutungen an die Untersuchung des Neunaugeneies heranging, habe ich in der Einleitung bemerkt. Es zeigt sich, daf die Verainderungen im Keimblaschen im Ver- haltnis zu den groSen Revolutionen im Eileib héchst einfach sind, _ gerade deshalb aber vielleicht unser Interesse in mancher Hinsicht beanspruchen. . Ich beginne mit der Schilderung ganz junger Eier, die sich an die Vermehrungsperiode der Eier unmittelbar anschlieBen. Die fiinf in Fig. 14 abgebildeten Kier sind durch Druck leicht aneinander gepreft. Das jiingste ist das rechts unten gelegene, dessen Cyto- plasma noch hell ist und dessen Kern das Innere der Zelle fast ganz einnimmt. Der Kern zeigt sich erfiillt von einem Fadenwerk, das sich mit Kernfarbstoffen stark farbt. Einzelne Chromatin- kérperchen liegen isoliert an den Geriistfiden oder mehr zum Rande hin. Die Peripherie ist von einer scheinbar aus einzelnen Kérnchen und Fadchen zusammengesetzten stark fairbbaren Mem- bran umgeben. Aeltere Stadien sind durch die 3 gréferen Kier reprasentiert; sie zeigen das Fadenwerk sehr viel lockerer, so daf auf einem so diinnen Schnitte wie dem abgebildeten, z. B. links unten, der Inhalt des Keimblaschens hohl erscheint. Auf Schnitten, die mehr getroffen haben, sieht man nun aber schon einen sehr grofen Nucleolus im Inneren differenziert, noch deutlich im Zu- Sammenhang mit dem chromatischen Netz. Andererseits haben sich der deutlich farbbaren Kernmembran auBerst regelmabig kleine chromatische Kitigelchen angelagert. Bei gleicher Vergréferung sind die Eier in Fig. 15 und 16 gezeichnet, die somit einen direkten Vergleich der GréSenverhalt- nisse zulassen. Sie entstammen einem jiingeren Tier, dessen Ovarium Eier durchweg vom Bilde der Fig. 16 enthielt. Das kleinere Ei fand sich zufallig noch dazwischen vor. Bei diesem (Fig. 15) sehen wir nun den ersten farberischen Unterschied ‘in den Kernsubstanzen, der aber nur bei Anwendung bestimmter 706 W. Lubosch, Fiirbungen hervortritt. Es behilt nur der grofe Nucleolus und einige zerstreute, sowie der Peripherie angelagerte Kérnchen die starke Affinitét zum Hamatoxylin nach der Beize mit EKisenoxyd- ammonium. Das feine Netz entfairbt sich schneller und nimmt dann leicht einen Plasmafarbstoff an. Farbt man aber z. B. mit Hamalaun und Hamatoxylin progressiv, so tritt hier ein solcher Unterschied noch nicht hervor. In Fig. 16 ist die Verinderung noch deutlicher geworden. Das in Fig. 17 abgebildete Ei ist nun statt bei 800-facher nur bei 360-facher Vergréferung gezeichnet. Hieraus wird man die Dimensionen ermessen kénnen, was zur Beurteilung des Verteilungs- zustandes des feinen chromatischen Netzes von Wichtigkeit ist. Man wird, wenn man sich den Kern der Fig. 17 noch um etwas mehr als die Halfte vergréfert denkt, sehen, daB die Verteilung noch viel feiner geworden ist als in Fig. 16. Unsere Aufmerksamkeit fesselt der ungeheuere Nucleolus, dessen Dimensionen im Verhaltnis zur friiheren GréSe die Fig. 18 ausdriickt. Um den dritten Teil ver- grifert sind sie direkt mit dem in Fig. 16 gezeichneten vergleich- bar. Der Nucleolus ist von sehr kompliziertem Bau. Meist um- gibt ihn eine Kappe von stark farbbarer chromatischer Substanz, die ihrerseits wieder von gréferen und kleineren Substanztropfen erfiillt ist. Der Rest seiner Masse besteht meist aus anders farb- barer Masse, die gewéhnlich an einer Stelle mehr oder minder breit nach dem Karyoplasma hin offen steht (z. B. Fig. 18¢, und ¢,, wo ein Nucleolus bei verschiedener Einstellung gezeichnet ist). Die Farbung des ganzen Keimblaschens fallt ihnlich aus, wie be- reits bei den vorigen Figuren bemerkt. Indes darf das nicht etwa als eine ,mikrochemische Reaktion“ betrachtet werden, denn man kann die Substanzen je nach Regelung der Differenzierung bald ganz schwarz, bald ganz rosa farben. So sind z. B. die peri- pherischen Kérnchen in Fig. 17 mit deutlichen Uebergangs- und Mischténen gefarbt. Ich wollte aber einen reinen Chromatinstoft wirken lassen und benutzte dazu das Thionin. Da lieferte die Farbung in der Tat den Nachweis, daf zwei chemisch verschiedene chromatische Substanzen im Keimblaschen vorhanden sind. Die eine (Basochromatin) liegt jetzt nur noch in bestimmten Wand- bestandteilen des Nucleolus, sowie in einigen durch den Kern zer- streuten und zum Teil an der Peripherie gelagerten Kérnchen. Die zweite (Oxychromatin-Substanz, ,,Nucleolarsubstanz im Sinne R. Herrwies [1902]) bildet den Inhalt der Raiume des Nucleolus, ist fein im Keimblischen verteilt und findet sich entweder als einziger Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 707 Bestandteil gewisser peripherischer Kérnchen oder als Grundlage der anderen peripherischen, von basichromatischer Substanz ge- bildeten Kérnchen. Bei Anwendung der Berlinerblaureaktion von List mit nach- folgender Karminfarbung habe ich nur KEinschliisse des Nucleolus blau gefarbt erhalten, das feine Geriist und die auferen Schichten des Nucleolus dagegen rot. Die bisher beschriebenen Verainderungen haben sich in der ersten Zeit der Eireifung vollzogen. Das Keimblaischen ist noch immer rund, aber relativ bereits ziemlich stark exzentrisch. Um die sonstigen Zusténde des Eies hier nochmals ins Gedichtnis zu rufen, so sei daran erinnert, dafi die Kier, die den Dotterkern zeigten, demselben Ovarium entnommen waren, wie das in Fig. 16 abgebildete Ei, und daf die starke Dunkelfarbung des Kiplasmas aus Fig. 19 im allgemeinen ungefahr mit dem Eistadium der Fig. 17 zusammenfallt. Wenn das Ei im ersten Stadium der Dotterbildung steht, liegt das Keimblaschen bereits mehr dem animalen Pol genahert. Bei gut konservierten Eiern ist seine Form stets rund. Umgeben ist es stets von einer deutlichen Kernmembran und schwimmt in einer Hiille dichteren Plasmas, das stets frei von Dotterablagerungen bleibt und spater, wie im 1. Kapitel geschildert, in Zusammenhang mit dem Polplasma des Eies tritt. Der Inhalt des Keimblaschens stellt sich uns nun je nach der angewendeten Fixierung (die bis- herigen Stadien waren, da sie zugleich anderen Zwecken dienen sollten, mit Zrenkerscher Lésung fixiert) charakteristische Ab- weichungen. Zur Illustrierung mégen die Figg. 6, 7, 8, 20 u. 21 dienen. Die Figg. 7 u. 8 entstammen bereits Eiern nach der Metamorphose, wo die aufere Form des Keimblaschens sich zu andern beginnt. Fixiert man mit heifer Chromsaure, so erscheint der Inhalt des Keimblischens fast homogen. Wenn man nur einen einzelnen Schnitt zu Rate zieht, so méchte man tiberhaupt das Keimblascheu fiir leer halten. Indes sieht man auf anderen Schnitten Schnitt- stiicke feiner Fadchen, die offenbar Reste des auferst fein verteilten oxychromatischen Netzes sind; besonders ist zur Illustrierung dieser Tatsache die Doppelfigur 21 bestimmt. Sie zeigt zwei Schnitte eines Keimblaschens desselben Eies, und zwar aus demselben Ovarium, dem Fig. 7 entnommen worden ist. Desgleichen zeigt Fig. 7 die feinen Faidchen aus einem Schnitt, Fig. 8 kombiniert aus einigen Schnitten. Fixiert man in FLemminascher Liésung, was bei diesen 708 W. Lubosch, jungen Eiern noch gute Resultate gibt, so sieht man das Keim- blischen (Fig. 6 u. 20) von zahlreichen feinen Fadchen und Kérnchen erfiillt. Namentlich habe ich mich bemiiht, in Fig. 20 jedes Detail des Keimblaschens absolut genau einzutragen, so daf die Figur als treues Abbild aufzufassen ist, wahrend Fig. 6 mehr den allgemeinen Eindruck bei schwacher VergréSerung und nur die gréberen Details genau zeigt. Ich fasse Fig. 6 u. 20 nicht als echte Struktur des Keimblaschens auf, sondern wohl zum Teil als Kunstprodukt, als Fallungen, die durch die Wirkung der FLemMMiNGschen Lésung entstanden sind. Andererseits glaube ich nicht, dafi das Keimblaschen jetzt schon so leer sei, wie es die Chrompraparate annehmen lassen méchten. Die feineren Struk- turen werden hier wohl durch die heife Chromsaure verdeckt worden sein, wie sich dies auch fiir das Tritonei hat nachweisen lassen (1902a). Bei jeder Fixierung aber tritt der ungeheuere Nucleolus zu Tage, der einen ahnlichen Bau zeigt wie friither (Fig. 20; ip Fig. 8 ist die Differenzierung nicht so weit gefiihrt worden, in Fig. 21 wurde mit B6HMEeRschem Hamatoxylin gefairbt, wobei die Differenzierungen niemals so deutlich werden. Sobald nach der Metamorphose die Bildung des_ ,,feinen Dotters“ sich am animalen Pol bemerkbar macht, verandert sich die Form des Keimblischens, indem es sich an der dem feinen Dotter zugewendeten Seite abplattet (Fig. 7, 8, 9, 10). Noch spiter bewirkt das Eindringen der Vakuolen und des grobkérnigen Dotters oft einen leichten Eindruck im Centrum dieser abge- platteten Oberfliche (Fig. 10). Sehe ich zunachst von dem Inneren des Keimblaschens ab, so ist die Reihe der Veranderungen seiner Form bis zur Reife sehr kurz. Es verkleinert sich und steigt — immer an den feinen Dotter gekniipft — zum animalen Pole auf. Fig. 12, die bei derselben Vergréferung gezeichnet ist wie Fig. 6—-11 und Fig. 13, zeigt den Raum, den das geschrumpfte Keimblaischen eingenommen hat, bereits betrachtlich kleiner als friiher. Ich habe bei einem anderen Ovarium noch spatere Sta- dien beobachtet, wo das Keimblaschen noch héher lag und fast stabformig schmal geworden war (s. oben bei OwsJANNIKOW). Bis zuletzt ist am Keimblischen eine schlieBlich sehr dicke Kern- membran zu beobachten, bis zuletzt liegt es auch stets in einer sich allerdings immer mehr verfeinernden Hille feinen Dotters. (In Fig. 12 ist sie aufen am Rande der Schrumpfungshéhle zu sehen.) Der schliefliche Schwund des Keimblaéschens und das Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 709 freie Austreten seines Inhaltes ist von mir ebensowenig wie von einem der friiheren Untersucher gesehen worden. Dieser Vorgang muf offenbar sehr schnell erfolgen. Ich fand, wie bemerkt, in einem Ovarium im April alle untersuchten Kier vom Zustande der Fig. 13 und nur einige wenige vom Zustande der Fig. 12. Boum hat, wie oben ausgefiihrt, die dotterfreie Stelle in Fig. 13 fir den flaichenhaft ausgebreiteten Inhalt des Keimblaschens gehalten. Mustert man aber seine Gestalt in Serienschnitten, so ist die Masse viel zu reichlich im Verhaltnis zu dem schlieBlichen Inhalt des Keimblaschens, die Aehnlichkeit der Form aber mit der des ,feinen Dotters“ zu gro’, als daf man sie itibersehen kénnte. Mittlerweile hat sich der Inhalt des Keimblaschens wie folgt weiter verandert. Noch in Fig. 9 und 10 sind Spuren des oxy- chromatischen Faserwerkes erkennbar. In Fig. 11 und 12 da- gegen zeigt das Keimblaschen in Chrompraparaten einen vdllig homogenen Inhalt; selbst bei Sublimatbehandlung zeigen sich keine fadigen Bildungen mehr. Das Keimblaschen tritt uns bei solchen Praparaten in ganz diffus-feinkérnigem Inhalt entgegen. Die in friiheren Stadien noch vorhandenen peripherischen Kérnchen sind samtlich geschwunden. Nur gelegentlich fand ich (Fig. 9) neben dem Nucleolus einige nach HempennarIn-Farbung schwarze Kérn- chen. All unser Interesse konzentriert sich also immer mehr auf den einzigen riesigen Nucleolus, der von den jiingsten Stadien an durch die Metamorphose hindurch morphologisch wenig ver- andert, eine Statte geheimnisvoll unaufhérlich wirkender che- mischer Vorgaénge, bestehen geblieben ist. Zunidchst ist er wenig verandert, und die selbst an einem Chrompraparate (Fig. 9) darstellbare Struktur ist jener obigen Beschreibung noch angepaft. Spater aber wird es schwacher farbbar (Fig. 11). Ja in Fig. 12 ist es zu einem kaum noch Farbe annehmenden hellen Flecken geworden. Dies stimmt also mit BOums Beobachtungen liberein. Alles bisher Gesagte ist aber nur Vorspiel zu der aller- wichtigsten Frage, die sich jedem Leser aufdrangt. In allen sonst bei Wirbeltieren bekannten Fallen bildet sich schlieflich wieder, wenn auch nach mannigfachen Umlagerungen, eine Anzahl Chromo- somen, aus denen dann die Chromosomen der Richtungsspindel hervorgehen. Hier ist nirgends mehr eine Spur fadiger Kern- bestandteile vorhanden. Alles jetzt noch vorhandene Chromatin liegt im Nucleolus:s Wie gehen aus diesem Kérper die Chromosomen der Richtungsspindel hervor? Noch 710 W. Lubosch, niemand hat das gesehen. Kin einziges, leider im iibrigen nicht allzuschénes Praparat habe ich erhalten, das wenigstens den Be- ginn dieser Umbildung zeigt. Es ist das Keimblaschen in Fig. 12, das dicht neben dem nunmehr blassen Nucleolus 2 Gruppen von K6rperchen zeigt, die sich sehr dunkel gefarbt haben. Da es sich hier um eine progressive Haimalaunfarbung handelt, so sind Irr- tiimer tiber den Grad der Differenzierung und iiber die Kontraste der Farbung zwischen dem Kérperchen und dem Nucleolus absolut ausgeschlossen. Die Kérperchen waren gleichsam gelappt, indem das eine 3, das andere 2 Auswiichse erkennen lie8. Auch in dem benachbarten Schnitt fanden sich Fortsetzungen dieser Gebilde. Aus diesem Befunde entnehme ich, da’ ahnlieh wie es im vorigen Jahre von Hartmann fiir das Echinudermenei be- schrieben worden ist, die Chromosomen sich von dem Nucleolus lésen und auf die Spindel hinwandern. Mehr laft sich vorab auch nicht sagen. Noch einer Tatsache habe ich zu gedenken, die mir Licht auf eine andere Frage zu werfen scheint, die namlich, wohin denn nun eigentlich die Masse des Karyoplasma gerat? Manche Autoren, z. B. CALBERLA und OwsJANNIKOW, haben mannigfache ,kern- artige“ Gebilde beschrieben, die im reifen Neunaugenei liegen sollten. Ich hahe bei Eiern, deren Keimblaschen nicht mehr nach- weisbar war, durchaus regelmafig Bildungen bemerkt, wie die in Fig. 13 wiedergegebenen. Es handelte sich um helle dotter- freie Bezirke, die sich oft wie eine Bahn bis zum Polplasma hin- zogen. Ich glaubte urspriinglich, da sich in ihnen der Nucleolus noch finden miisse, bin aber davon zuriickgekommen, als ich fest- gestellt hatte, da8 der Nucleolus noch bis in viel weiter peripherische Lagen des Keimblaschens mitgenommen wird. Es bleibt mir keine andere Deutung iibrig, als die, daB es sich hier um das beim all- mahlichen Aufsteigen des Keimblaschens abgegebene Karyoplasma handele, das noch eine Zeitlang die Bahn des Keimblaischens be- zeichnet. Diese hellen Stellen diirfen nicht mit dem von BorHm beschriebenen ,,Dotterherd“ verwechselt werden, den ich gleichfalls als eine bei reifen Eiern vorkommende fast homogene, dotterfreie Masse im Innern des Kies gefunden habe und deren Bedeutung mir in keiner Weise klar geworden ist. Vielleicht hingt sie mit den Schicksalen des Dotterkernes zusammen. Somit wiirden die letzten Stadien des Keimblaschens diejenigen sein, dal es unter allmahlicher Abgabe des Karyoplasma an Volumen sich verringert, wihrend der Nucleolus, seine Farbbarkeit Untersuchungen tiber die Morphologie des Neunaugeneies. 711 verindernd, die Affinitét zu Kernfarbstoffen auf mehrere aus ihm entstehende Chromosomen iibertrigt. Spater lést sich die Kern- membran auf und die Chromosomen werden frei. Ihr Uebergang in die Aequatorialplatte ist noch nicht beobachtet worden. Fiir die Lage und Form der ersten Richtungsspindel verweise ich auf die Arbeiten von HERFORT. Wie wir ohne weiteres sehen, weicht der Modus der Eireifung bei Petromyzon prinzipiell von dem bei Amphibien und selbst bei Selachiern und Teleostiern ab. Er steht den bei vielen Wirbel- losen beobachteten Vorgingen so nahe, daf man wohl schon hieraus den Einflu8 der phyletischen Stellung des Kies wahrnehmen kann. Inzwischen sei der Vorgang selbst, indem ich die stammes- geschichtliche Bedeutung meiner Untersuchungen in einem be- sonderen Schlufkapitel erértern werde, jetzt einer kurzen Analyse unterzogen. Vorausgeschickt sei, wie wir uns nach den neuesten Annahmen den feineren Bau des Keimblaschens vorzustellen haben. Das urspriingliche Kerngeriist besitzt eine achromatische Grund- lage. Diese ist nicht gleichbedeutend mit dem Plastin oder Liningeriist, sondern enthalt dieses, tiberkleidet von einer be- sonderen chromatischen Substanz, der sogenannten _,,Nukleolar- substanz“. Diesem solchergestalt aus zwei Substanzen bestehenden achromatischen Geriist ist die Nucleinsubstanz angelagert. (Vergl. hierzu die bereits 1902 von mir eingehend benutzte Arbeit von R. Hertwic 02.) Bei den Amphibien, deren Eireifungsproze8 wir namentlich durch die Arbeiten von Carnoy und Lesrun, sowie von Fick ') 1) Es bietet sich mir hier die erwiinschte Gelegenheit, einen von mir sehr bedauerten Irrtum in der Benutzung der Literatur ausdriicklich richtig zu stellen. Infolge eines lediglich aus dem Gediachtnis wiedergegebenen Citats aus dem Demonstrationsbericht der Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft in Tibingen hatte ich in meiner Habilitationsschrift p. 2 und p. 44 die Annahme aus- gesprochen, dah die Mitteilungen von Fick auf dem Anatomentage nur ein Referat iiber Carnoys Untersuchungen an der Hand Carnoyscher Originalpraiparate seien. Als ich spater bei der Korrektur meines Referates fiir die ,,Ergebnisse“ die Aufzahlung der Ficxschen Praparate in dem Demonstrationsbericht von Tiibingen nachschlug, bemerkte ich das Versehen und habe die betreffenden Untersuchungen bereits in jenem Referat p. 757 ohne die in der friiheren Arbeit gegebene Einschrankung angefiihrt. Leider ist das 712 W. Lubosch, jetzt ziemlich genau kennen, handelt es sich um folgendes: Es wird das achromatische Geriist sehr fein, so da8 es fraglich ist, ob tiberhaupt noch Nucleinsubstanz an ihm enthalten ist. Die Nucleinsubstanz wird ganz oder zum Teil in Nukleolen umgelagert. Die Nukleolarsubstanz ist erstens als Ueberzug des Liningeriistes, sodann als Grundlage der Nucleinnukleolen, endlich in sogenannten ,echten“ oder ,Plasma“nukleolen vorhanden. Die Nucleinnukleolen tragen zur Regeneration der chromatischen Substanz bei und geben ihr Nuclein spaéter wieder in Form von Faden an das Kern- gertist ab (cf. ,,Ergebnisse“, 1902). Bei Petromyzon besteht Uebereinstimmung anfanglich in der Ausbreitung des achromatischen Geriistes. Abweichend ist die Aufspeicherung fast samtlichen Nucleins in einer einzigen centralen Masse. Die sogenannte Nukleolarsubstanz ist hier wie dort zunachst als Bestandteil des achromatischen Geriistes zu denken, ferner aber bildet sie wie dort die Grundlage zahl- reicher, so hier die Grundlage des einen machtigen Nucleolus. Die Auffassung, die rein &uBerlich dieser ProzeB durch Carnoy und Lesrun bei den Amphibien gefunden hatte, konnte angegrifien werden, weil hier der Zustand des ,,achromatischen“ Gertistes nicht klar analysierbar war. Es konnten die definitiven Faden niemals ausschlieSlich auf Nukleolen aus dem Grunde bezogen werden, weil das faidige Geriist stets nachweisbar war und spater wieder deutlich wurde. Bei Petromyzon kann der Ursprung der spateren Richtungschromosomen aus dem Nucleolus nicht ge- leugnet werden. Es bietet sich also hier rein aufer- lich eine véllige Bestatigung der Lehre von Carnoy und Leprun, da das achromatische Geritist hier spater nicht mehr in Frage kommt. Es erscheint aber der Eireifungsmodus im Petromyzontenei als eine Vereinfachung des bei Amphibien beobachteten, indem an Stelle der diffusen Nukleolarbildungen eine ein zige Nukleolar- bildung vorhanden ist. Lediglich unter Beriicksichtigung des mit Versehen dennoch auch noch in einer in kleinem Druck gegebenen Stelle des Referates, namlich auf p. 773 stehen geblieben, so dab ich an dieser Stelle nachtraglich fiir die Leser jener beiden Arbeiten bemerke, daf die im Jahre 1899 von Prof. Fick in Tiibingen ge- machten wichtigen Mitteilungen nicht ein Referat sind, sondern die Ergebnisse aus den gleichzeitig demonstrierten Original- praparaten R. Ficxs darstellen. Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 713 Kernfarbstoffen firbbaren Geriistes hatten wir diesen Typus der Hireifung als Synapsistypus von einem Strosistypus zu unter- scheiden. In seinem inneren Wesen aber ist gerade der Modus des Neunaugeneies weit besser geeignet, gegeniiber CARNoY und LEBRUNS Schliissen eine tiefere Erkenntnis dieses Vorganges zu liefern, als das beim Amphibienei méglich war. Immer namlich unter Voraus- setzung, dafi das Kerngeriist wirklich gebaut sei, wie oben ange- geben, wiirde allerdings nicht die Form und Zahl der Chromo- somen erhalten bleiben, wohl aber die Nukleolarsubstanz, die eben die Rolle eines konservativen Elementes spielt und zugleich die Organisation des Nukleins leitet. Wenn aus dem Nucleolus sich wieder die normale Zahl der Chromosomen entwickelt, so mu in ihm eben ein Element vorhanden sein, in dem die Bedingungen gerade zu dieser Sonderung des Nukleins liegen — sowie in einer bestimmten Mutterlauge nur Krystalle eines bestimmten Systems anschiefen. Bereits an anderer Stelle habe ich das sehr wichtige Zitat von GIARDINA angefiihrt, wonach er sich gelegent- lich der Ovogenese von Dytiscus wie folgt auBert (O01, p. 746): »Vie Konstanz der Chrosomenzahl hangt weder von dem Bestehenbleiben der Chrosomenzahl ab, noch von der Quantitat der Chrosomensubstanz, die sich in der Aequatorialplatte verteilt. Sie hangt vielmehr von der Konstanz ab, mit der sich in jeder Mitose gewisse Bedingungen wiederholen, die von jenen ersten beiden unabhingig sind und die fiir jede Art von Organismen charakteristisch sind.“ Fraglich bleibt nun hierbei nur noch, was wir mit dem verschwindenden feinfaidigen Geriist anfangen sollen. Wenn es wirklich noch Nukleolarsubstanz traigt, so ware es immerhin ein auffalliges Ende fiir einen so wichtigen Kernbestandteil; indes mu man beriicksichtigen, daf die hierin enthaltene Masse gegen- tiber ihrem Gros im Nucleolus recht gering, da sie stets zu sog. »Plasmanukleolen“ zusammengeballt, im Ueberschuf vorhanden ist, und daf man den Untergang solcher iiberschiissigen ,echten“ oder »Plasma“nukleolen schon immer beobachtet hat. Andererseits aber ist es eben sehr fraglich, ob iiberhaupt noch Nucleolarsubstanz auf dem feinfadigen Geriiste vorhanden ist, oder ob sie nicht schlieBlich véllig in dem Kernkérper enthalten ist. Priifen wir hiernach zum Schlusse noch, inwieweit die Be- funde am Neunaugenei meiner friiher gegebenen Vorstellung von dem Wesen der KEireifung entspricht. Zunachst wird da, wenn 714 W. Lubosch, wir die Dotterbildung bei Petromyzon und bei Tritonen als Ganzes miteinander vergleichen, wohl der Beweis geliefert sein, daf die speziellen Phanomene im Keimblaschen der Tritonen hierbei véllig fehlen kénnen. Die Natur braucht eben keine peri- pherisch gelagerten Nukleolen, die besser auf die Dotterbildung einwirken kénnten“. Wir erkennen weiter, daB das Lieblingsobjekt der neueren Literatur, das Amphibienei, uns einen bereits sehr modifizierten Eireifungstypus zeigt, wahrend uns sein Wesen bei dem so viel einfacheren Petromyzontenei reiner entgegentritt. Man muf auf die stammesgeschichtliche Entstehung der Ei- zellen tiberhaupt zuriickgehen, um zum richtigen Verstandnis dieser Phinomen zu gelangen. Wodurch wurde urspriinglich unter den gleichartigen somatischen Zellen einer Volvox eine oder mehrere Zellen zur Eizelle differenziert? Doch nur durch Auf- speicherung von Nahrmaterial und Gewahrleistung der Ernahrung von augen her, so dali die gewebsbildende Tatigkeit der Zelle sistiert, die Folge ihrer Kernteilungen durch- brochen wurde. Das Primare ist der Reiz, der das Eiplasma von aufen tritft. Die Reaktion auf diesen Reiz kann aber sehr mannig- fach sein. Durchaus gemeinsam ist die feine Verteilung des Geriistes. Sie wire allein schon dadurch verstandlich, daf dieselbe Masse in einem 100-fach gréferen Keimblaischen auch sehr viel feiner verteilt sein wird. Aber natiirlich muf diese Masse auch an dem Lebensprozef teilnehmen, muf wachsen und Stoffwechsel- produkte abgeben, und das geschieht durch Aufnahme und Abgabe geléster Stoffe vom Cytoplasma und ins Cytoplasma. Das Wesentlichste ist die Erhaltung derjenigen Substanzen, an die die Vererbungstendenzen gekniipft sind. Bei Petromyzon sehen wir sie dadurch erfolgen, da8 alles Nuklein von dem achro- matischen Geriist in einen Ort zusammenstr6mt, um hier nach einer Reihe uns unbekannter Veranderungen nach mehr als 3 Jahren wieder in verjiingter Form zu erstehen. Wir sehen zugleich, daf dieser Typus ein sehr primitiver, schon bei Echinodermen sich findender ist. Meiner Ansicht nach ist dieser Modus angepaft einer mit geringer Dotterablagerung verbundenen schnellen Hireifung, wie wir sie bei den niedrigsten Metazoen finden, wo die Eizelle sich von dem Zustand der indifferenten somatischen Zelle noch nicht weit entfernt hat. Bei héheren wird der Prozef diesem primitiven um so dhnlicher bleiben, je langsamer die Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 715 Dotterbildung erfolgt, wahrend er um so komplizierter wird, je intensiver die einbrechenden Dottermassen die chemischen Zustande des Kies verindern. Seine gréf&te Komplikation wird er bei solchen Tieren erreichen, die nicht nur sehr dotterreiche Kier, sondern diese auch noch in periodischer Folge zur Reife gelangen lassen. Ein Stoffwechsel vom Kern zum Ei hin tritt auch beim Neun- augenei in dem Dotterkern zu Tage, der aber niemals durch den Austritt k6rperlicher Elemente gebildet wurde, wie ja in meiner Abbildung die Kernmembran intakt ist und die kleinen periphe- rischen chromatischen Massen im Keimblaschen nicht nur dem Dotterkern gegeniiber, sondern an allen Seiten der Peripherie liegen. Diese kleinen peripherischen Massen kénnen beim Neun- augenei nur eine sehr geringe Rolle spielen, da sie sich spater kaum mehr vorfinden. Soweit sie tiberhaupt in Betracht kommen, sehe ich sie mit CARNoy und LEeBrun als Elemente an, die von auBen Stoffe aufnehmen, um zur Ernaéhrung der Kernbestandteile beizutragen (97, p. 176)?). Kapitel IV. Ueber die systematische Stellung des Neunaugeneies. Zu der Frage nach der systematischen Stellung des Neun- augeneies liegen nur zwei jiingst erschienene Arbeiten vor, deren ausfiihrliche Erérterung ich bis zu dieser Stelle unterlassen habe. Es ist die grofe Untersuchung von DEAN (99) tiber die erste Ent- wickelung von Bdellostoma und die Beschreibung des unreifen Kies von Bdellostoma von DoriEIn (99). Beide gehen von den Verhalt- nissen des Bdellostomaeies aus und ziehen das Petromyzontenei zum Vergleich heran. Beide kommen zu dem Ergebnis, daf die Eier sehr innig miteinander verwandt sind, nicht nur im ganzen, sondern auch z. B. in der Anordnung der Kihiillen. So sagt DoreEIn z. B. (p. 349): ,,Vergleichen wir das Ei der Myxinoiden mit demjenigen der Petromyzonten, so wird sich sofort in den wesentlichsten Punkten eine gewisse Uebereinstimmung feststellen 1) Ich bedauere, daf mir eine Arbeit von Monrcommry (1898), die durch eine ungewohnlich eingehende Aufzahlung der Literatur hervorragt, im vorigen Jahre entgangen war; ich hatte ihre Er- gebnisse unter denen aufzuzahlen gehabt, auf die meine Ansicht von der Rolle der Nukleolarsubstanz sich stiitzt. Bd. XXXVI. N. F. XXXI. 46 716 W. Lubosch, lassen. Der Umri8 des Kies ist ebenfalls ellipsoid, der Kern an entsprechender Stelle gelagert, die Schale hat eine ahnliche Struktur und eine entsprechende Mikropyle (!). Die auffallenden Unter- schiede: die GréSe des Kies, damit im Zusammenhang seine Mero- blastie, die Harte der Schale, die Hakenapparate sind alles Er- scheinungen, welche sich wohl aus Anpassungen an die verschiedene Lebensweise der Tiere erklairen lassen. Jedenfalls ist der Bau der Eier simtlicher daraufhin untersuchter Cyklostomen naher ver- wandt, als etwa derjenige der Myxinoideneier mit den ahnlich aussehenden Eiern von Knochenfischen.“ Sowohl DorLerms als Deans Vergleichen aber liegt haupt- siichlich die alte Untersuchung von CaLBERLA zu Grunde mit ihren Fehlern in den beobachteten und Mangeln in den mannig- fachen nicht beobachteten Tatsachen, so daf ich nunmehr auf Grund weiterer Erfahrungen die Homologisierung in vielen Punkten tiefer begriinden kann, in einem anderen Punkte indes auch zuriick- weisen mu. (Eihiillen s. u.) Halten wir uns zunichst an das junge dotterlose Ei, so fallt die geradezu erstaunliche Aehnlichkeit zwischen den Kern- verhaltnissen ohne weiteres ins Auge. Drawn bildet mehrere Stadien des Keimblischens von Bdellostoma ab. Auch hier feine Verteilung der achromatischen Masse, auf der zunachst die chro- matische in feinen Trépfchen enthalten ist. Schon zu dieser Zeit ist ein michtiger Nucleolus vorhanden, dessen Einzah1 DOFLEIN ausdriicklich betont. Die Zusammensetzung des ungeheuren Nucleolus entspricht fast véllig der von mir beschriebenen und in den Fig. 18 a, b, c, d abgebildeten. Gegen das Ende der Eireifung bildet er neben einem zweiten achromatischen Geriist gleichfalls wie bei Petromyzon die einzige Statte, in der Chromatin enthalten ist. Es bilden also das Neunaugen-, Bdellostoma- und Amphioxusei (SopoTra) hinsichtlich ihres Eireifungstypus eine gegen die Gnathostomen wohlabgegrenzte Gruppe. Auch wahrend des weiteren Wachstums pragt sich am Neun- augenei durch seine polare Differenzierung eine bei weitem gréBere Homologie mit dem Bdellostomaei aus, als man erwarten konnte. Beim unreifen Neunaugenei ist animaler und vegetativer Pol nicht nur quantitativ durch die Menge des vorhandenen Dotters unter- schieden wie beim Froschei — sondern beide Pole sind auch qualitativ durch ihren ganzen Bau und ihrer Bedeutung fir das Leben des Eies voneinander verschieden. Der vegetative Pol ist der Wachstumspol des Kies. Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 717 Hier setzt die Dotterbildung ein, die Follikelzellen sind hier in regster Tatigkeit; sie sind hier schliefSlich am starksten in Mit- leidenschaft gezogen und demzufolge auch kompensatorisch am gréBten. Auch die Membrana vitellina (Fig. 6!) ist hier am breitesten. Nach den Seiten hin vermindert sich die Wachstums- energie, bis sie schlieSlich am animalen Pol fast gleich Null wird. Hier aber liegt eine Bildung, die, wie nunmehr wohl klar werden diirfte, lediglich durch die Vergleichung mit einem mero- blastischen Ki verstandlich wird. Der bereits in friiherer Zeit sich auszeichnende und bis zuletzt erkennbare plasmatische Bezirk bleibt stets dotterfrei. Mit feiner Schale umgreift er das Keim- blaschen und grenzt auSen direkt an die ernahrenden Blut- kapillaren, wihrend die Follikelzellenschicht hier fast unsichtbar platt bleibt. Dies ist in zweifacher Hinsicht bedeutungsvoll. Erstens und hauptsachlich spielen sich an diesem Polplasma allein nicht nur bei der Befruchtung, sondern auch bei den zwei folgenden ersten Furchungen die Befruchtungs- und Kernteilungsphinomene, begleitet von aktiven Bewegungserscheinungen des Polplasmas, ab (KUPFFER). Man muf also sagen, daf dieses Polplasma die Rolle einer Keimscheibe spielt. Zweitens — und das muff mit dem im vorigen Kapitel Ausgefiihrten in Zusammenhang gesetzt werden — steht das Keimblaschen hier unter héchst giinstigen Ernaihrungs- bedingungen; obwohl in einem dotterreichen Ei liegend, ist seine Ernahrung doch direkt von auSen her augenscheinlich gewahrleistet, womit die in der Einleitung ausgesprochene Vermutung bestatigt wird, dafi die abweichenden Kernphinomene des Amphibien- und des Neunaugeneies nur der sichtbare Ausdruck eines ganz ab- weichenden Baues und ganz abweichender Ernahrungsverhialtnisse seien. Der animale Pol bietet aber noch eine Eigentiimlichkeit da- durch, da8 in ihm zeitweilig ein spater von Dotter erfiillter und schlieflich verschwindender Gang angelegt wird. Der animale Pol bietet in seiner Umhiillung gleichfalls dadurch eind Besonder- heit, daf die Zona hier verdiinnt ist (Fig. 8). Eine Mikropyle ist zwar nicht nachweisbar, aber es ist méglich, da’ die Dimensionen solcher durchganglichen Stelle im Verhaltnis zum ganzen Ei eben nur gerade dieser Verdiinnung entsprechen, wenn wir die Abbildung DorLeIns von der Mikropyle mit ihren dem Bdellostomaei ent- sprechenden Dimensionen zu Grunde legen. Das Bdellostomaei besitzt in seiner Schale eine trichterartige Mikropyle (DEAN, p. 239—243, Doriemn, p. 347). Die Schale ist 46* 718 W. Lubosch, am Pol kuppelartig vorgewélbt. Der Eikérper selbst (DoFLEtn, p. 347) folgt dieser Vorwélbung und ,,bildet einen scheibenformigen Wulst, welcher gegen die Mikropyle vorragt. Diese Bildung erweist sich spiater bei der Furchung der Keimscheibe von Wichtigkeit (!!). Sie besteht aus fein granuliertem Plasma, welches ziemlich scharf gegen die Dottermassen im Inneren des Eies abgesetzt scheint. In, ihrem Bereich befindet sich der Eikern, dessen unmittelbare Um- gebung noch feiner granuliert ist als das eigentliche Keimscheiben- plasma‘. Wenn schon diese Beschreibung geradezu fiir die Ver- haltnisse des Petromyzonteneies gelten kénnte, so hat DEAN eine sehr interessante Homologisierung der Schalenverhaltnisse vor- genommen, indem er der Ansicht ist, dal die Mikropylenbildung auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt an den Eiern der primitiven Chordaten hinweise und dafi die Verdtinnung am animalen Pol der Zona des Petromyzonteneies gleichfalls von dorther ihren Ursprung genommen habe. Ich glaube, diese Annahme durch Nachweis des zeitweilig angelegten Ganges (Fig. 7—10) noch mehr stiitzen zu kénnen. Wie also am Bdellostomaei ein vegetativer und ein ,,oper- kularer“ Pol unterschieden wird, so haben wir am Neunaugenei einen vegetativen oder Wachstumspol zu scheiden von dem ani- malen Pol, der mit besonderen Einrichtungen fiir die Ernahrung des Keimblaschens und die Befruchtung des Eies versehen ist. Weitere Vergleichspunkte ergeben sich noch, wenn wir den feineren Bau des Eies beriicksichtigen. Auch Dorie setzt das Follikelepithel mit der Dotterbildung in Zusammenhang. Stark mit Chromatinfarbstoffen fairbbare Massen treten durch die Rand- schicht des Eies hindurch. Genau wie Petromyzon — und ich freue mich dieser Bestitigung — erfolgt die Bildung der ,,Dotter- kérper‘ selbst erst spiter und zwar in der Nahe von ,,kugeligen Klumpen, mit zahlreichen Vakuolen erfiillt und _ elliptischen Scheiben“, die Dornein (p. 342) als Veranschaulichung ,,der Bildung der Dotterkérper und deren Auflésungsstadien wahrend des Verbrauches auffaBt — was meiner Auffassung ziemlich nahe kommt (s. 0.). Nicht ganz kann ich indes Deans Homologisierung der Zonae beistimmen. Die Zona des Petromyzoneneies stammt vom Ei selbst ab. Ihr wiirde ich vergleichen die Randschicht des Bdellostoma- eies. Die Schale des Bdellostomaeies ist ein Abscheidungsprodukt der Follikelzellen, nachdem diese ihre Rolle bei der Dotterbildung ausgespielt haben. Untersuchungen tiber die Morphologie des Neunaugeneies. 719 Hierdurch wiirde méglicherweise auch die Homologisierung der Mikropylenbildungen in Frage gestellt werden. Man miifte an- nehmen, daf die hypothetische permeablere Stelle am Pol des Neun- augeneies nur dem Grunde der Mikropyle von Bdellostoma homolog sei. Die Mikropyle selbst ware hier, wie tiberhaupt die ganze Schale ein Erzeugnis des Follikelepithels in Anpassung an die besonders lange Embryonalentwickelung der Bdellostomen, die ja unter Fischen ihresgleichen sucht. Wir kénnen aus all dem nicht nur schlieBen, da8 die Kier der Cyclostomen unter einander enge verwandt sind, sondern kénnen auch ziemlich genau den Gang ihrer Differenzierung auseinander verfolgen. Die Myxinoiden und Petromyzonten miissen von Tieren abstammen, deren Kier nicht sehr dotterreich, holo- blastisch und ziemlich hartschalig !) waren und fiir die Befruchtung einen besonderen Apparat am animalen Pol des Kies besafen. Im Bdellostomaei ist die Dotterbildung soweit vorgeriickt, daf die Furchung sich nur auf die Keimscheibe beschrankt. Das Neun- augenei ist ein zwar mit einer Keimscheibe versehenes, indes noch holoblastisches Ei, was darauf hinweist, daf die Petromyzonten den primitiven Cyclostomen viel naher stehend geblieben, vielleicht sogar ihre direkten Nachkommen sind. Der Mikropylenapparat erhalt sich bei Bdellostoma vdéllig, bei Petromyzon ist er zuriick- gebildet, kommt aber in einem seiner Teile wihrend der Entwicke- lung des Eies stets noch voriibergehend zur Erscheinung. Wenn es iiberhaupt auf Grund der Untersuchung von Eiern statthaft ist, Verwandtschaftsverhiltnisse zu verfolgen, so ist aus diesen Beziehungen auf eine engere Verwandtschaft zwischen den beiden Klassen der Cyclostomen zu schliefen, denn es er- scheint mir unm6dglich, diese bis ins Kleinste vor- handenen Homologieen zu leugnen oder lediglich durch Konvergenz zuerklaren. Indes schlieBt sich hier nun die weitere Frage an, welche Einfliisse die so auffallige Differenzierung des Bdellostomaeies hervorgebracht haben, was zugleich Licht auf das Verhaltnis des erwachsenen Petromyzon zu seiner Larvenform werfen kénnte. Die junge Neunaugenlarve schliipft, wenige Tage alt, bereits aus und 1) Allerdings mu8 beachtet werden, was Dor.nin iiber die Konsistenz der Hille des Bdellostomaeies sagt. Die Hille ist im Ovarium eine ziahe, dicke, gallertige. Erst bei langerem Liegen im Wasser oder unter der Einwirkung von Reagentien wird sie horn- artig hart. 720 W. Lubosch, vermag sich selbst zu ernihren. Wenn die Bdellostomen kein freilebendes Larvenstadium besaifen, wenn also ihre Jungen erst den vollstindigen, zur parasitischen Lebensweise nétigen Apparat ausbilden miiften, so wirde die lange Embryonalentwickelung zugleich die kolossale Gréfe des Kies und seinen Dotterreichtum erkliren. Es ist nach Doriers Schilderung wahrscheinlich, da’ der Unterschied in dieser Weise stattfindet. Denn DoFrrern hebt ausdrticklich hervor, daf die Neunaugen ihre Kier véllig sich selbst tiberlassen, die Myxinoiden indes eine sehr komplizierte Brutpflege besitzen. Es ware dann — und vielleicht bringen die weiteren Forschungen von DEAN und DoFLern hieriiber sichere Aufschliisse — der Dotterreichtum des Myxine- und Bdellostoma- eies indirekt eine Anpassung an den Parasitismus des Tieres. Nun aber folgt logisch daraus folgendes: Wenn etwa Am- mocoetes, wie es DonRN wollte, eine noch weiter degenerierte Petromyzonform wire, wenn also die jetzigen Petromyzonten von noch starker parasitischen Tieren abstammten, so miiften ihre Kier die Spuren einstigen starkeren Dotterreichtums an sich tragen, etwa wie man aus der meroblastischen Furchung des Saugetiereies auf Abstammung von dotterreichen Eiern schlieBt. Da aber die Furchung des Neunaugeneies nicht nur holoblastisch, sondern auch fast aqual ist, so steht sie darin der von Amphioxus sehr nahe, woraus folgt, daf die Kier der Vorfahren von Petromyzon und auch die Urcyclostomen stets nur eine sehr kurze Embryonalent- wickelung besessen haben, woraus die von mir bereits anderweitig geltend gemachte Annahme sich ergibt, daf der Parasitismus der Neunaugen sekundarer Art und die Larve die phyletische Re- kapitulation freilebender Cyclostomen ist. Jena, 1. Oktober 1903. 1900 Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 721 Literatur. R. Vircuow, Die Cellularpathologie, 3. Aufl. Catpprzta, Der Befruchtungsvorgang beim Ei von Petromyzon Planeri. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXX. Van Bunepen, Recherches sur lembryologie des Mammiféres. Archives de Biologie, T. I. — Contribution a la connaissance de Vovaire des mammiferes. Thid. Scott, Beitrige zur Entwicklungsgeschichte der Petromy- zonten. Morph. Jahrb., Bd. VII. Van Bampeke, Contribution a histoire de la constitution de Yoeuf. Archives de Biologie, T. IV. Owssannikow, Studien itiber das Ki, hauptsaichlich bei Knochen- fischen. Mémoire de l’Acad. de St. Pétersbourg, Serie 7, T. XXXII, No. 4. Boum, Ueber die Befruchtung des Neunaugeneies. Sitzungs- berichte der Bayerischen Akademie, math.-phys. KI. — Ueber Reifung und Befruchtung des Eies von Petromyzon Planeri. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXXII. v. Kuprrer, Die Entwicklung von Petromyzon Planeri. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXXV. Herrort, Der ReifungsprozeS im Ei von Petromyzon fluvia- tilis. Anat. Anz. Bd. VIII. Carnoy und Lusrun, La vesicule germinative et Jes globules polaises chez les Batraciens. La Cellule, T. XII. Minroy, The physical and chemical changes taking place in the ova of certain marine Teleosteans during maturation. 16 annual Report of Fishery Board for Scotland. Monreomery, Comparative cytological studies with especial regard to the morphology of the nucleolus. Journal of Mor- phology, Vol. XV. Dean, On the Embryology of Bdellostoma stouti etc. Fest- schrift fiir Kuprrer. Ficx, Mitteilungen tiber die Kireifung bei Amphibien. Ver- handl. d anat. Gesellschaft in Tiibingen. Gross, Zur Kenntnis des Ovovitellins. Diss. inaug., Strafburg. Hicxrr, Praxis und Theorie der Zellen- und Befruchtungs- lehre. Jena, Fischer. Fursrincrr, Zur systematischen Stellung der Myxinoiden und zur Frage des alten und des neuen Mundes. Morphol. Jahrb., Bd. XXVIII. 1902 W. Lubosch, GiarpinaA, Origine dell’ oocite e delle cellule nutrice nel Dy- tiscus. Internationale Monatsschrift f. Anatomie und Phys., Bd. XVIII. Herrort, Die Reifung und Befruchtung des Kies von Petro- myzon fluviatilis. Arch. f. mikr. Anat., Bd. LVII. Lusoscu, Hinige Mitteilungen iiber Vorkommen, Fang und Zucht der Neunaugen. Zeitschr. f. Fischerei, 9. Jahrg. Biuuer, Riickbildung der Hifollikel bei Wirbeltieren. I. Fische. GxcenBaurs Morphol. Jahrbuch, Bd. XXX, H. 1. Giarpina, Sui primi stadii dell’ oogenesi e principalmente sulle fasi di sinapsi. Anat. Anz, Bd. XXI. R. Herrwic, Die Protozoen und die Zelltheorie. Archiv f. Protistenkunde, H. 1. -——a) Lusoscu, Ueber die Nukleolarsubstanz des reifenden Tritonen- eies. Jen, Zeitschrift, N. F. Bd XXX. —b)— Ueber die Eireifung der Metazoen, insbesondere tiber die 1903 tisch war jekte Rolle der Nukleolarsubstanz und die Erscheinungen der Dotter- bildung. Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgesch., Bd, XT F. Coun, Zur Histologie und Histogenese des Corpus luteum und des interstitiellen Ovarialgewebes. Arch. f. mikr. Anat., Bd. LXIL. Dewitz, Was veranlaft die Spermatozoen in das Hi zu dringen ? Archiv f. Anatomie u. Physiologie, Physiol. Abteilung. Lusoscu, Ueber die Geschlechtsdifferenzierung bei Ammocoetes. Verhandl. der anatomischen Gesellschaft in Heidelberg. Waupryer (R. Herrwic), Die Gescblechtszellen, in O. Hurr- wies Handbuch der vergleichenden und experimentellen Ent- wicklungsgeschichte der Wirbeltiere. Erklirung der Abbildungen. Simtliche Abbildungen wurden bei gleicher Héhe des Zeichen- es mit dem Zeichenapparat von Zeil hergestellt. Das Mikroskop auf 160 mm ausgezogen und mit den apochromatischen Ob- n 4 mm ap. und 2 mm ap. (Hom. Imm.), sowie den Kom- pensationsokularen 4 und 6 ausgeriistet. Die dadurch erzielten Vergriéferungen von 1: 300, 1: 360, 1: 600 und 1: 800 sind bei jeder Figur auf der Tafel selbst vermerkt. Die Figuren 1—5 und 14— 23 habe ich selbst, die Figuren 6—13 hat Herr E. A. Scumipt, Kunstmaler hierselbst, unter meiner Anleitung hergestellt. Untersuchungen iiber die Morphologie des Neunaugeneies. 723 Tafel XX LEE Fig. 1. Ei aus dem Ovarium eines Petrom. fluviatilis, getétet Mitte Dezember. MHeife Chromsiure. Serie 3 w. HermEnHAIN Pikrorubin. Follikelepithel, Theca, Eihiillen. Hom. Imm. 2 mm. Ok. 6. Fig. 2. Rand eines anderen Eies auf demselben Objekttrager, wie Fig. 1. Gleiche Behandlung. LEihaut leicht gedriickt. Hom. Imm. 2 mm. Ok. 6. Fig. 3. Rand eines Kies aus dem Ovarium von Petrom. fluv., gefangen im Herbst, getétet Anfang Marz. Zenxersche Lésung. Serie, 10 w. Hrimennain Pikrorubin. Obj. 4, Ok. 6. Beginn der Vergréferung des Follikelepithels. Fig. 4. Rand eines Eies aus dem Ovarium von Petrom. fluvia- tilis, gefangen und getétet Anfang Mai. Schwache Fiemminesche Lésung. Serie. 5 w. Hermrnnain Pikrorubin. Starke Differenzierung in pikrinsaéurehaltigem Alkohol. Obj. 4, Ok. 6. Follikelepithel und Dottervakuolen. S. Text. Fig. 5. Follikelepithel eines fast reifen Eies von Petrom. fluviatilis, gefangen Ende Marz, getétet 18. April. (Aus demselben Ovarium stammen die in Fig. 12 und 13 abgebildeten Kier.) Guinson- sche Fliissigkeit. Serie 10 uw. Obj. 4, Ok. 6. Hamalaun Pikrorubin. a) Follikelepithel eines im Liangsschnitt getroffenen Kies aus dem Bezirk dicht neben dem yegetativen Pol. b) Follikelepithel eines dicht daneben liegenden tangential getroffenen Fies. Die folgenden 8 Abbildungen dienen vorzugsweise zur Er- liuterung der Differenzierungen am animalen Pol des Hies und sind samtlich bei gleicher Vergréferung mit Obj. 4, Ok. 4 gezeichnet. Fig. 6. Ei aus dem Ovarium eines Ammocoetes Planeri von 145 cm Lange. Schwache Fuemminesche Lésung. Serie 4 u. Herenuain Pikrorubin. Fig. 7. Keimblischen und animaler Pol eines Hies von Petro- myzon Planeri kurz nach der Metamorphose. Heife Chromsaure- Serie 7 wu. Boéumers Himatoxylin, Orange G. Fig. 8. Keimblaschen und animaler Pol eines Kies eines etwas alteren Petromyzon Planeri. Heife Chromsaure. Serie 6 uw. HeipEn- HAIN Pikrorubin. Das Bild des Keimblaschens ist aus einigen Schnitten kombiniert. Fig. 9. Animaler Pol und Keimblaschen eines Kies von Petro- myzon fluviatilis, gefangen im Herbst, getétet Mitte Dezember. Heife Chromsaure. Serie 5 u«. Hemennarn Pikrorubin. Das Bild des Keimblischens ist aus einigen Schnitten kombiniert. (Aus dem- selben Ovarium die Hier, denen Fig. 1 und 2 entnommen worden ist. Fig. 10. Keimblaschen und animaler Pol eines Eies von Petrom. fluv., gefangen im November, getitet Anfang Februar. Heife Chrom- saure. Serie 6 wu. Herpennarn Pikrorubin. Starke Differenzierung in pikrinséurehaltigem Alkohol. Fig. 11. Keimblaschen und animaler Pol eines Eies von Petrom. fluviatilis, gefangen im Dezember, getétet im Januar. Gunsonsches Gemisch. Serie 10 4. Hansnns Himatoxylin. Schrumpfungen! 724 W. Lubosch, Morphologie des Neunaugeneies. Fig. 12 und 13. Animaler Pol zweier Hier von Petromyzon fluviatilis, gefangen Ende Marz, getétet Mitte April. Znnxersche Flissigkeit. Serie 10 «. Beide Kier lagen auf demselben Objekttriger. Hamalaun Pikrorubin. (cf. Fig. 5.) Fig. 14. 5 junge Hier Ammocoetes Planeri von 6 cm Linge. Zenxersche Fliissigkeit. Serie durch den dorsalen Teil des Rumpfes, 4 u. Hermenarn Pikrorubin. Hom. Imm. 2 mm, Ok. 6. Fig. 15. Aus der Keimdriise eines jiingeren Ammocoetes Planeri von 4,4 cm, dessen Hier aber bereits weiter entwickelt waren. Vor- fixiert in 1-proz. Chromsaure, dann Zenxersche Fliissigkeit, Langs- schnittserie 10 uw. Herpennarn Pikrorubin. Hom. Imm. 2 mm. Ole: Fig. 16. Auf demselben Objekttrager enthaltenes alteres Ki. — Gleiche Behandlung. Hom. Imm. 2 mm, Ok. 6. Fig. 17. Aelteres Ei eines Ammocoetes Planeri von 11 cm Lange. Sublimat-Eisessig. Querschnittsserie durch den dorsalen Teil des Rumpfes, 8 uw. Herennain Pikrorubin. Obj. 4, Ok. 6. (Cf. Photogramm 21 und 21a auf Taf. V meiner Habilitationsschrift, Jena 1902. Dort ist irrtiimlich die Schnittdicke auf 6 u angegeben.) Fig. 18. Hinige Nucleoli aus Hiern, die mit dem in Fig. 17 abge- bildeten demselben Ovarium entstammten. Hom. Imm. 2 mm, Ok. 4. Fig. 19. 2 Kier aus einer zwittrigen Keimdriise eines Ammo- coetes Planeri von 4 cm Linge. Zenxersche Fliissigkeit. Serie 7 wu. Hamalaun Picrorubin, starke Differenzierung in pikrinsdure- haltigem Alkohol. Hom. Imm. 2 mm, Ok. 4. Fig. 20. Keimblischen eines Kies von Ammocoetes Planeri von 14,5 cm. (Aus demselben Ovarium stammt Fig. 5.) Behand- lung siehe oben Fig. 6. Obj. 4, Ok. 6. Fig. 21. 2 Schnitte durch das Keimblaschen eines Hies von Petromyzon Planeri, kurz nach der Metamorphose. (Aus dem- selben Ovarium stammt Fig. 7.) Behandlung siehe oben Fig. 7. Obj. 4, Ok. 4. Fig. 22. Dotterkern junger Kier von Ammococetes Planeri von 4,4 cm Lange. Querschnitte durch den Rumpf desselben Tieres, von dem andere Rumpfteile langsgeschnitten wurden (ef. Fig. 15). Behandlung siehe oben Fig. 15. Serie, 6 u. Fig. 23. Dotterkern aus einem ialteren Ei eines Ammocoetes vor der Metamorphose (Linge nicht genau bestimmt). Die Figur gibt nur den Bezirk des Dotterkernes wieder. Das Keimblaschen ist nach oben, der vegetative Pol nach abwarts davon zu denken. Das Hi zeigte ein etwas Alteres Stadium als das in Fig. 6 abgebildete. ZenkeRsche Fliissigkeit. Serie 6 uw. DetArrmbps Hamatoxylin 3 Minuten. Obj. 4, Ok. 6. Ueber die Vorderextremitat von Eudyptes chrysocome und deren Entwickelung. Von Erich Hillel. Hierzu Tafel XXIV und XXV. Unter dem von der deutschen Tiefseeexpedition im Jahre 1898/99 mitgebrachten Material befand sich auch eine gréBere Anzahl Embryonen von Eudyptes chrysocome, welche wihrend des Aufenthaltes auf den Kerguelen gesammelt worden waren. Sie fanden zu mehrfachen Untersuchungen Verwendung, unter denen ich speziell die von WoHLAUER tiber die Entwickelung der Federn, von MAgEnnicH iiber die Entwickelung der Wirbelsaiule und von Lewin tiber die Entwickelung des Schnabels hervorhebe. Die vorliegende Untersuchung kniipft an dasselbe Material an und behandelt den Bau und die Entwickelung der Vorderextremitat von Eudyptes chrysocome. Die mir von Herr Professor Cuun freundlichst zu Verfiigung gestellten Objekte umfafiten einen ausgewachsenen Pinguin von etwa 1/, m Lange, sowie die Vorderextremititen von 7 Em- bryonen, welche samtlich der mittleren Entwickelungsstufe an- gehérten. Ueber die Art der Konservierung der Embryonen wurde bereits in der Arbeit von Marnnicn berichtet. Ich erhielt die Fliigel teils schon als Serien geschnitten, teils in Paraffin ein- gebettet. Von letzteren fertigte ich hauptsichlich Langs- und Querschnittserien in einer Stiirke von 10—15 mu an. Ferner hatte Herr Professor Fraisse in Jena die Giite, mir eine demselben Material entnommene, bereits geschnittene Vorderextremitaét von Eudyptes chrysocome fiir meine Untersuchungen zur Verfiigung zu stellen. Die GréSenmafe der Embryonen, von denen die Ex- tremitaten entnommen sind, sind vou Lewin und MAENNICH an- gegeben worden. Ich beschrinke mich daher darauf, die Fliigel- lange der von mir untersuchten Stadien, vom Caput humeri bis zur Spitze des letzten Phalangengliedes gemessen zu zitieren. 726 Erich Hillel, Die Fliigellinge betrug bei: Stadium I 1,3 cm ” Il if m9) ” m es «6 ” IV 2,1 ” ” V 2,3 ” » Wl 25 , Z Vibe die, An dem ausgewachsenen Pinguin priparierte ich die Muskeln des Schultergiirtels und der Vorderextremitait und legte die be- treffenden Skelettteile frei. Literatur. Obwohl die Literatur tiber das Skelett und die Muskulatur der Vorderextremitaét der Végel sehr reich ist, so finden sich bei den dlteren Autoren tiber die Sphenisciden nur sparliche Angaben. Die meisten bedeutsamen Werke sind bereits in der Arbeit von MAENNICH aufgezihlt worden; ich habe daher hier nur wenig hinzuzufiigen. Die ersten Angaben tiber die Muskulatur fand ich im ,System der vergleichenden Anatomie“ von Mrcken (1828) unter dem Titel ,Muskeln der Voégel*. Hier finden sich bei jeder der auf- gezihlten Muskeln Angaben tiber die betreffenden Muskeln der Pinguine. Ausfiihrlicher sind dieselben bereits in der Arbeit von C. G. ScHorpPss behandelt, welche 1829 in Merckens Archiv fiir Ana- tomie und Physiologie veréffentlicht wurde. Die Muskeln der Vorderextremitait und des Schultergiirtels sind von ScHoEPss sehr genau beschrieben und durch 2 anschauliche Figuren klargelegt. Das 1835 erschienene Werk von Reip ,,Anatomical description of the patagonical Pinguin* enthalt nur eine ganz kurze topo- graphische Beschreibung der Fliigelmuskeln. Im Jahre 1840 veréffentlichte BkanptT in ,,Mémoires de l’aca- démie d. Sciences de St. Pétersbourg’’ eine Arbeit, in welcher hauptsachlich die allgemeinen Merkmale der Sphenisciden eroértert werden, und welche auch eine Abbildung der Vorderextremitat von Eudyptes patagonicus enthalt. Kine ausfiihrliche makroskopische Beschreibung der Vorder- extremitét von Eudyptes chrysolophus enthalt die 1877 erschienene Vorderextremitat von Hudyptes chrysocome. 727 Arbeit von Gervais und Atrx. Die beiden zugehérigen Ab- bildungen lassen jedoch an Genauigkeit zu wiinschen ibrig. Eine kiirzere Beschreibung des Skelettes und der Muskulatur der Vorderextremitait findet sich in der Schrift von FiLHon »Observations rélatives aux caractéres ostéologiques d’Eudyptes et de Spheniscus“ (1882). Am eingehendsten ist die Vorderextremitaét von WATSON in »Report of the voyage 8S. M. 8S. Challenger“ beschrieben (1883). Fiir die einzelnen Skelettteile gab Warson bestimmte MaBe bei fast allen Pinguinarten an. Die Muskulatur der Vorderextremitat ist genau dargestellt und auf die Muskeln anderer Vogel zuriick- gefiihrt. In dem grofen Werke FURBRINGERS (1888) tiber die Schulter und die proximale Fligelregion der Végel sind die Sphenisciden (Spheniscus demersus) bei der speziellen Beschreibung der Mus- kulatur, sowie auch in den Tabellen tiber den Skelettbau, ein- gehend beriicksichtigtigt. Die ersten entwickelungsgeschichtlichen Angaben iiber die Pinguine machte StupER in dem Berichte tiber die Forschungs- reise 8S. M. 8. ,Gazelle“ (1889). Nach ausfiihrlichen biologischen Erérterungen gibt Sruper eine kurze Beschreibung der Ent- wickelung einiger Pinguinarten. Da jedoch die ihm zur Ver- fiigung stehenden Embryonen schlecht konserviert waren und auch nur makroskopisch untersucht werden konnten, so fielen die Re- sultate sehr ungenau aus, weshalb diese Untersuchungen keinen Schlu8 auf die Abstammung der Pinguine zulieBen. Die letzte bedeutungsvolle Arbeit, welche die Pinguine speziell behandelt, ist die von M. v. Menzpier, welche 1887 im Bulletin de Moscou in deutscher Uebersetzung erschien unter dem Titel , Vergleichende Osteologie der Pinguine in Anwendung zur Haupt- einteilung dev Végel“. Diese Arbeit war fiir mich insofern von grofer Bedeutung, als sich hier der Verfasser neben einer aus- fiihrlichen Beschreibung der Osteologie verschiedener Pinguinarten als Hauptaufgabe eine Entscheidung itiber die Stellung der Pinguine im System der Végel gestellt hat. Ich werde anf diese Arbeit spater noch zurtickzukommen haben. Bevor ich auf meine Hauptaufgabe, die Entwickelung der Vorderextremitat, eingehe, werde ich erst die Knochen und Muskeln des Schultergiirtels und der Vorderextremitét beim ausgewachsenen Vogel naher beschreiben. 728 Erich Hillel, Das Skelett. Der Schultergirtel. Von den 3 Knochen des Schultergiirtels ist das Coracoid (Fig. 2 und 3) der kraftigste. Infolge seiner Einkeilung zwischen Sternum und die anderen beiden Schulterknochen gibt es dem ganzen Brustgiirtel den beim Schwimmen sehr nétigen Halt. Die basalen Enden der beiden Coracoide sind nur wenig von einander entfernt. Der Winkel den sie beim Ansatz an das Sternum mit- einander bilden, betrigt 44°, ein Verhalten, wie wir es im all- gemeinen bei den mittleren Fliegern vorfinden. Die auSere ven- trale Flache ist in ihrer ganzen Ausdehnung stark konvex, und zwar erreicht die Wélbung ihre gréfte Breite am sternalen Ende. Medialwarts besitzt das Coracoid zwei stark ausgebildete Fort- sitze, die ineinander iibergehen. Der eine von diesen, der Proc. medialis posterior (FURBRINGER), von Watson als Tuberculum beschrieben, befindet sich am basalen Ende, erreicht eine be- trichtliche Breite, ist nach innen gerichtet und dient zum Ansatz einiger Fasern des M. supracoracoideus und einiger Verstarkungs- fasern des Lig. sterno coracoideum. Der zweite, sich dem vorigen anschliefende Fortsatz, der Proc. medialis anterior, ist bedeutend langer als dieser, steht ihm jedoch an Breite etwas nach. Der Fortsatz ist im Verhaltnis zum K6rper des Coracoids stark ab- geplattet und zeigt in seiner oberen Halfte ein grofes ovales Fenster, welches zum Durchtritt des den M. supracoracoideus ver- sorgenden Nerven dient. Dieses Foramen ist beim Pinguin be- deutend gré8er als bei den meisten anderen Végeln. An diesem Punkte setzt die Clavicula mit ihrem oberen Ende an. Der eigentliche Kérper des Coracoids verjiingt sich proximalwarts und zeigt hier einen sehr stark ausgebildeten Fortsatz, die Spina coracoidea oder Acrocoracoid; derselbe ist in seinem obereren Teile fast rechtwinklig medial abgebogen, auch weist er eine Kriimmung nach auSen auf. Auf seiner Innenseite besitzt er einen dicken Knorpeliiberzug, welcher als Rolle fiir die Sehne des M. supracoracoideus eine Reibung verhindert. Die kraftige Ausbildung des Acrocoracoids beruht darauf, daS dasselbe zur Anlehnung an die Clavicula dient, welche gemaf ihrer Aufgabe, bei der Ruderbewegung als Steuer zu funktionieren, ein kraftiges Widerlager finden mu8. Andererseits ist das Acrocoracoid auch infolge der machtigen Entfaltung des M. supracoracoideus so be- Vorderextremitaét von Eudyptes chrysocome. 729 deutend entwickelt. Hierin zeigt das Coracoid ein fiir die Cari- naten typisches Verhalten. Die innere, dem Thorax zugekehrte Flaiche ist einfacher als die aufere gestaltet. Sie ist gréStenteils plan, nur das untere Drittel ist konkav und besitzt zahlreiche wulstférmige Hicker und Gruben, welche der kriftigen Muskulatur Ansatz gewahren. Ein schmaler Streifen am basalen Ende ist wiederum glatt und dient zur Anheftung des Lig. sterno-coracoideum. Der mediale Rand des Coracoids, welcher von den _ beiden medialen Fortsatzen gebildet wird, ist etwas zugescharft und zeigt zwei schwache Biegungen. Der laterale Rand ist dagegen abge- stumpft und beginnt proximal mit einem Vorsprung, welcher an der Bildung der Schultergelenkgrube teilnimmt. Von hier verlauft der Rand fast geradlinig bis zu dem Proc. lateralis nach abwarts. Dieser Fortsatz ist sehr diinn, zeigt einen scharfen, etwas zackigen Rand und dient zum Ansatz einiger Fasern der Mm. pectoralis minor und coracobrachialis. Seine Breite betraigt etwa 1/, der groéBten Breite des Coracoids, er ist also relativ klein. Das untere Ende des Coracoids tragt eine als Gelenkfliche ausgebildete Crista, welche keinen Knorpeltiberzug besitzt, konvex gestaltet ist und in eine entsprechende Konkavitét des Sternums pat. Die beiden basalen Fortsaétze nehmen jedoch nicht an der Bildung der Gelenk- fliche teil. Die Scapula (Fig. 4) ist ebenfalls durch ihre eigenartige Form vor der anderer Vogel ausgezeichnet. Ihre Linge und Dicke ist zwar nicht ungewohnlich, dagegen iibertriffit sie an Breite alle tibrigen Vogelgattungen. Das Verhiltnis ihrer gréBten Breite zu ihrer gréSten Lange betragt etwa 1: 3,5. Mit diesem Ver- haltnis stehen die Sphenisciden, wie aus Tabelle XIII des Fitr- BRINGERSChen Werkes hervorgeht, einzig da. Dadurch verliert der Knochen seine sonst charakteristische schwertférmige Gestalt. Die Liaingsachse der Scapula verlauft derjenigen der Wirbelsaule fast parallel; ihr hinteres Ende ist dicht vor dem Vorderende des Os ileum gelegen. Die breiteste Stelle der Scapula befindet sich in der Nahe des hinteren Endes. Am vorderen Ende ist die Scapula am starksten, da sie sich hier mit dem Coracoid und der Clavicula verbindet und an der Bildung der Schultergelenkgrube teilnimmt. Das Vorderende be- sitzt zwei Fortsaitze, welche durch eine kleine Incisur voneinander getrennt sind. Der gréfere von diesen bildet eine Fortsetzung des ventralen Randes, ragt weit iiber diesen hinaus und zeigt in seiner 730 Erich Hillel, Mitte eine kleine Delle, wodurch der Fortsatz nochmals in zwei Teile zerfallt. Der obere kugelige Teil legt sich in eine ent- sprechende Grube des Coracoids ein, wahrend sich der untere an den lateralen Rand des Coracoids anlegt. Dieser Fortsatz bildet mit dem anliegenden Teile des Coracoids die knécherne Schulter- gelenkgrube, an welcher sich die Scapula etwa zu einem Drittel, das Coracoid zu zwei Drittel beteiligt. Der zweite Fortsatz, welcher den gewohnlich als Acromion aufgefaSten Teil der Scapula dar- stellt, besitzt auf seiner Aufenseite eine rundliche rauhe Flache, auf welche sich das hintere Ende der Clavicula breit auflegt. AuSerdem grenzt das Acromion noch an das obere Ende des Proc. medialis anterior des Coracoids, so daf an dieser Stelle die drei Schulterknochen zusammenstofen. Das hintere Ende der Scapula bildet eine geradlinige Fort- setzung des mittleren Teiles; es ist, wie oben erwahnt, sehr breit und au8erordentlich diinn. Dadurch kann man bei Eudyptes neben einem dorsalen und ventralen Rande noch einen hinteren Rand an der Scapula unterscheiden, was bei den meisten Végeln nicht der Fall ist. Dieser hintere Rand bildet mit den beiden anderen Randern abgerundete Winkel (in der Abbildung von Watson sind diese Winkel etwas zugespitzt). Der dorsale scharfe Rand reicht bedeutend weiter nach hinten als der ventrale Rand und verlauft in einem nach der Wirbelséule zu konvexem Bogen. bis zum vor- deren Drittel des Knochens, um hier stumpf zu werden und in einem schwach konkaven Bogen im Acromion zu verstreichen. Der ventrale Rand ist ebenfalls in seinem hinteren Bereiche scharf, mehr nach vorn zu abgestumpft; er verlauft in einem gleichmafig ventral konkaven Bogen vom hinteren Rande aus zum Vorderende der Scapula. Infolge dieses Verlaufes der Rander wird die Scapula in ihrem vorderen Drittel bedeutend verschmilert, wodurch eine sebr deutliche Abgrenzung einer Basis scapulae von einem Collum scapulae hervorgerufen wird. Die Aufenfliche zeigt zwei sehr stark ausgebildete Muskel- linien in Gestalt von zwei hervorspringenden abgerundeten Leisten. Die eine zieht sich, vom dorsalen Rande aus an der Grenze der Basis scapulae beginnend, schrag proximo-ventralwarts, um am ventralen Rande des Collum zu verstreichen. Mit ihr vereinigt sich eine weiter hinten auf der Basis entspringende Leiste, welche langs des ventralen Randes verlauft. Ferner zeigt die Dorsal- fliche im Bereiche der Basis mehrere schwache Eindriicke zum Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 731 Ansatz von Muskelfasern. Die Innenfliche der Scapula weist keine Besonderheiten auf, da sie vollkommen eben ist. Die gré%te Breite der Scapula wird von Watson fiir Eudyptes chrysocome auf 2,9 cm angegeben. Bei dem von mir untersuchten Exemplare betrug die gréfite Breite 3,3 cm. An der Clavicula (Fig. 5) kann man einen subcoracoidalen, ‘einen acrocoracoidalen und einen stark ausgebildeten supracora- coidalen Abschnitt unterscheiden. Die Clavicula ist mit Coracoid und Scapula fest verbunden, indem sie sich an das Acrocoracoid und Acromion direkt anlehnt. Der Abstand von dem Proc. lateralis anterior des Coracoids betrigt etwa 0,2 cm. Das distale, sich mit der gegeniiberliegenden Clavicula zur Furcula vereinigende Ende ist von der Crista sterni sehr weit, nach meinem Befunde 1,7 cm entfernt. Im allgemeinen besitzt die Clavicula die Eigen- schaften, welche fiir die guten Flieger charakteristisch sind. Die Spannung der Furcula ist eine relativ hohe, wie aus FURBRINGERS Tabelle XVII hervorgeht. Die Vereinigung beider Claviculae zur Furcula geschieht in einem abgerundeten Winkel, so da8 die Furcula keine V-férmige, sondern eine mehr parabolische Gestalt erhalt. Die Frontalkriimmung der Clavicula ist sehr undeutlich, indem sich im subcoracoidalen Teile eine schwache median kon- kave, im supracoracoidalen Teile eine median konvexe Kriimmung geltend macht, so daf eine, wenn auch nur sehr wenig angedeutete S-formige Biegung entsteht. Sehr stark ist dagegen die Sagittal- kriimmung, da der supracoracoidale Teil in einem Winkel von etwa 120° abgebogen ist. Durch diese starke Krimmung wird der coracoclaviculare Zwischenraum und damit die Membrana sterno- coracoclavicularis bedeutend vergréfert, was wiederum mit der starken Entwickelung des M. supracoracoideus zusammenhangt. Endlich tritt die fiir die Carinaten charakteristische seitliche Kom- pression der Clavicula hier in hohem Mabe hervor, sie ist so stark, da die Claviculae noch als Kiele wirken kénnen und gewisser- mafen die gegabelte Fortsetzung des Brustbeinkieles bilden. Da- durch erhalt die Clavicula nach Trennung von den iibrigen Schulterknochen etwa die Form einer Sense, wobei der subcora- coidale Teil den Sensenbogen, der supracoracoidale einen Teil des Stieles darstellt. . Infolge ihrer seitlichen Kompression kann man an der Clavicula von Eudyptes zwei deutliche Flichen, eine coracopectorale und eine cervicale unterscheiden. Die erstere lehnt sich in ihrem acrocoracoidalen Teile an das Acrocoracoid an; die Verbindungs- Bd, XXXVIII. N. F, XXXI. AT 732 Hrich Hillel, stelle ist rauh, etwas konkav, zeigt keinen Knorpeliiberzug und liegt unmittelbar hinter einem starken Vorsprung, welcher die hichste Stelle der Clavicula und gewissermafen eine Fortsetzung des Acrocoracoids bildet. Der Vorsprung ist rauh und dient zum Ansatz des Tensor patagii longus. Unterhalb dieses Vorsprunges ist die coracopectorale Fliche zum Ansatz des grofen Brust- muskels ausgehéhlt. In ihrem distalen Teile wird die Clavicula bedeutend schmiler, und die oben abgeplattete Form geht nach unten allmahlich in eine ungefahr dreiseitige tiber. Nach Ftr- BRINGER soll die Clavicula an ihrem distalen Ende rund sein. Im supracoracoidalen Teile ist die Innenfliche vollkommen glatt und beteiligt sich an der Bildung des Foramen triosseum. Nur an ihrem proximalen Ende, welches sich etwas verjiingt, weist sie eine Rauhigkeit auf, mit der sie sich an das Acromion der Scapula anlegt. Die cervikale Flache ist beinahe ganz glatt, nur der acro- coracoidale Teil besitzt eine starke Vertiefung, an der sich Fasern der axialen Halsmuskulatur ansetzen. Die Verbindung der beiden Claviculae zur Furcula geschieht durch einen starken, im rechten Winkel zur Clavicula abgebogenen Proc. interclavicularis. Diese Verbindungsbriicke liegt genau in der Frontalebene des Koérpers, sie ist weder dorsalwarts, noch ventralwarts gerichtet; an ihr setzt das Lig. cristo-claviculare an. Nach Watson soll die Verbindung der beiden Claviculae in einem scharfen Winkel erfolgen. Von Interesse diirften noch die Verbindungen der Schulter- knochen untereinander sein. Das Coracoid ist mit der Scapula zur Bildung der Schultergelenkgrube durch eine Symphysis ver- einigt, wie dies bei allen Carinaten vorkommt. Die Beweglichkeit zwischen beiden Knochen ist eine relativ ausgiebige, das Maximum betragt etwa 30°. Im Ruhezustande betrigt der coracoscapulare Winkel 60°, Mafe, welche den besseren Fliegern zukommen. Die Clavicula verbindet sich, wie bereits erwahnt wurde, mit dem Acrocoracoid, der Scapula und dem Proc. lateralis anterior des Coracoids. Die Verbindung mit dem Acrocoracoid ist eine Gelenkverbindung, welche jedoch nur eine sehr geringe Beweglich- keit zulaBt. Das Ligament, welches die Clavicula mit dem Acro- coracoid vereinigt, wird durch Fasern, welche vom oberen Rande des ganzen supracoracoidalen Teiles entspringen, erheblich ver- breitert. Dadurch wird das sehr grofe Foramen triosseum in seiner Weite bedeutend reduziert. Die Vereinigung der Clavicula Vorderextremitiit von Eudyptes chrysocome. 733 mit dem Acromion der Scapula ist wiederum eine Symphyse. Das verbindende Ligament ist sehr kurz; etwas linger ist dasjenige, welches das hintere Ende der Clavicula mit dem Proc. lateralis anterior des Coracoids vereinigt, da hier beide Knochen ein wenig voneinander abstehen. Die Verbindung des distalen Endes des Coracoids mit dem Sternum ist ebenfalls gelenkig und gestattet eine ausgiebige Dorsal- und Ventralbewegung, dagegen nur geringe seitliche Verschiebung. Besonders hervorzuheben sind an diesem Gelenke die sehr starke Gelenkkapsel und die kraftigen, median miteinander verfiochtenen inneren Verstarkungsbander. Die Schultergelenkgrube stellt eine langliche Kinsenkung dar, deren Lingsachse mit derjenigen der Scapula zusammenfailt. Ihr Lingsdurchmesser ist weit stirker konkav als ihr Querdurch- messer. Sie ist mit einem starken Ueberzuge von Faserknorpel bedeckt, welcher an beiden Seiten der Grube in zwei scharfrandigen Wiilsten endet, dem Labrum glenoidale scapulare und coracoideum. Nach oben und unten verfiacht sich der Knorpeliiberzug ohne Wulstbildung. Er setzt sich, an Dicke abnehmend, nach dem Acrocoracoid zu fort und bedeckt den ganzen dorsalen Teil des- selben, um hier ein elastisches Widerlager fiir die Sehne des M. supracoracoideus zu bilden. Die Langsachse der Gelenkgrube ist relativ sehr kurz, sie betragt nach meiner Messung nur 4/, der Linge des Coracoids, was wir sonst nur bei schlechten Fliegern vorfinden. Diese Verkiirzung ist wahrscheinlich eine Folge der eigenartigen Schraubenbewegung der Vorderextremitat, da eine groBe Gelenkgrube den Humeruskopf nicht gentigend fixieren wiirde. Der Schultergiirtel von Eudyptes, in toto betrachtet, bildet demnach ein sehr kraftiges, widerstandsfahiges Gertist, welches sich im Verhaltnis zu anderen Végeln durch seine bedeutende Breite und geringe Linge auszeichnet. Ferner sind die Muskel- fortsite und Leisten an allen 3 Knochen ungewohnlich stark aus- gebildet. Alle diese Eigenschaften sind wohl darauf zuriickzufiihren, da8 fiir die Bewegung im Wasser eine stiirkere Schultermuskulatur und damit auch ein kriftiger entwickeltes Knochengeriist als bei der Bewegung in der Luft erforderlich ist. Aus diesem Grunde mégen sich auch die etwas reptilienahn- lichen Charaktere des Schultergiirtels, welcher in gewisser Hinsicht an den der Krokodile und Schildkréten erinnert, herausgebildet haben. AG 734 Erich Hillel, Der Fligel. Der Humerus (Fig. 6 u. 7 H) zeichnet sich, wie saimtliche Knochen der Vorderextremitit, besonders durch seine kurze und abgeplattete Form aus. Diese Abplattung betrifft jedoch nicht den Humerus in seiner ganzen Ausdehnung, da das proximale Ende seine charakteristische kolbige Form beibehalt. Dies be- wirken die zahlreich hier ansetzenden starken Muskeln, welche durch ihren peripheren Zug eine Abplattung verhindern.. Der Humerus weist nur eine geringe medio-laterale Kriimmung auf, indem der radiale Rand schwach konvex, der ulnare ein wenig konkav geformt ist. Eine Dorsoventralkriimmung findet sich nur ~ im proximalen Abschnitte und fehlt im distalen. Der Grund hier- fiir diirfte wohl ebenfalls darin zu suchen sein, daf die am distalen Abschnitte ansetzende Muskulatur zu schwach ist, um eine Kriim- mung dieses Teiles herbeifithren zu kénnen. Der Gelenkkopf des Humerus hat eine annahernd ellipsoide Gestalt, ist jedoch medial betrachtlich breiter als lateral und hangt auBen etwas iiber die Schultergelenkgrube heraus. Er liegt mit dem Mittelstiick des Humerus nicht in einer Ebene, sondern ist von diesem in einem Winkel von etwa 30° nach innen abgebogen. Seine Langsachse steht im rechten Winkel zu der des Humerus und ist ungefahr doppelt so lang wie die Querachse. Der Gelenk- kopf liegt so in der Gelenkgrube, dali seine kurze Achse der Liings- achse der Pfanne entspricht. Die Gelenkfliche weist nur einen sehr diinnen Ueberzug von hyalinem Knorpel auf ohne Einlagerung von elastischen Elementen, wie sie in der Gelenkpfanne vorkommen. Der Gelenkkopf ist auf der Innenseite und medialwarts sehr scharf durch eine Rinne, die Incisura collaris, vom K6érper des Humerus abgegrenzt. Lateral vom Caput humeri findet sich, nur durch eine kleine Vertiefung von diesem geschieden, ein Vorsprung, das Tuberculum laterale, welches nur schwach ausgebildet ist und ohne Abgren- zung in eine langs des lateralen Randes verlaufende Leiste, die Crista lateralis, tibergeht. Dieselbe betragt etwa */,, der gesamten Humeruslange. Die Crista lateralis, deren freier Rand nach innen gerichtet ist, zeigt in ihrer ganzen Ausdehnung eine gleichmahige Starke und Héhe. Von dem Humerusschafte ist sie medial durch eine ziemlich tiefe Grube getrennt, wahrend sie distalwarts ohne scharfe Abgrenzung in den medialen Rand des Humerus iibergeht. Medial vom Gelenkkopf trifft man auf den stark ausgebildeten Vorderextremitat von Eudyptes chrysocome. 735 Proc. medialis, welcher durch die Incisura collaris von dem Gelenk- kopfe getrennt ist. Derselbe besitzt zwei kleine Hervorragungen, die Tubercula medialia, hinter welchen sich eine grofe Grube, die enorm entwickelte Fossa pneumatica findet. Die Rinder der Grube sind zugeschirft und dadurch, daf die Grube sich nach innen noch mehr erweitert, erscheint dieser Teil des Humerus auf seiner Innen- fliche stark aufgetrieben. Die Grube erreicht eine bedeutende Tiefe und erstreckt sich bis in das Caput articulare hinein. Im Inneren erhebt sich an der dem Humeruskérper zugekehrten Wand eine kleine Leiste. Da der Humerus beim Pinguin apneumatisch ist, so hat die Grube hier ihre eigentliche Bedeutung verloren und besitzt keine Foramina pneumatica. Sie dient einem Teile des M. triceps als Ansatzpunkt und wird daher von Watson als Fossa tricipitalis bezeichnet. Ihre Rander gehen in zwei schwache ab- gestumpfte Leisten, die Cristae mediales tiber. Diese haben die gleiche Linge wie die Crista lateralis, konvergieren distalwarts und verstreichen vereinigt in dem medialen Rande des Humerus- schaftes. Die Flache zwischen Tuberc. mediale und laterale weist auf der Aufenseite eine lingliche Vertiefung auf, in welcher die starke Sehne des M. supracoracoideus inseriert. Das Mittelstiick des Humerus zeigt keine besonderen Merk- male. Dasselbe ist stark komprimiert, weshalb man an ihm zwei seitliche Rainder unterscheiden kann. Die AuBen- und Innenflache des Mittelstiickes sind fast vollkommen glatt, nur die Innenflaiche besitzt in ihrem distalen Bereiche eine flache, schrag nach abwarts verlaufende Furche. Am distalen Abschnitte, besonders an dessen Gelenkflichen, machen sich bereits jene Eigentiimlichkeiten geltend, welche auch alle anderen Knochen des Fliigels infolge der Umbildung zu einem Ruder betroffen haben. Da die Beweglichheit der einzelnen Knochen untereinander eine sehr beschrankte ist, so ist auch die Funktion der Gelenke und damit die Ausbildung der Gelenkenden stark reduziert. Daher unterbleibt die fiir andere Vogel charakte- ristische Verdickung des unteren Humerusendes, indem der Knochen auch hier seine platte Form bewahrt. Es finden sich zwei schwach konvexe Gelenkflachen, die Trochlea radialis und ulnaris , welche mit Radius und Ulna artikulieren. Sie haben beide annahernd gleiche Groéfe und sind innen durch eine schmale Furche von einander getrennt, wahrend sie auSen ineinander tiber- gehen. Das Ellbogengelenk hat infolge dieser einfachen Form 736 Erich Hillel, der Gelenkenden nur die Funktion eines Charnier- und Schiebe- gelenkes, wahrend die Dreh- und Schraubenbewegung fortfallt. Proximal von den Gelenkflichen befinden sich besonders auf der Innenseite, einige kleine Erhebungen, die Epicondylen des Humerus, an denen die straffen Bander des Ellbogengelenkes und einige Streck- und Beugemuskeln des Vorderarmes (Flexor carpi ulnaris und Extensor metacarpi radialis) ansetzen. Der laterale Rand zeigt tiber dem Gelenkende eine leichte Einsenkung, welche bis zur Trochlea radialis reicht, als Fovea supratrochlearis be- zeichnet wird und dem M. brachialis internus zum Ansatz dient. Der mediale Rand ist gegentiber dem lateralen distalwarts weit verlangert und bildet mit der Gelenkfliche einen spitzen Winkel. An dieser Spitze ist der Rand durch zwei starke Furchen, die Sulci supratrochleares anconaei eingekerbt, von denen die dufere tiefer als die innere ist. Sie dienen zur Aufnahme der Sesambeine, und teilweise auch der beiden Endsehnen des M. triceps. FImLHoL gibt die Lange des Humerus auf 6,5 cm an, wahrend ich nur eine Lange von 6,0 cm feststellen konnte. Die beiden Vorderarmknochen, Ulna und Radius, sind in dem- selben Verhaltnis wie der Humerus verkiirzt, zeigen jedoch eben- falls eine starke Ausbildung. Besonders ist dies beim Radius der Fall, welcher, sonst meist bedeutend schwacher als die Ulna, dieser an Starke fast gleichkommt. Sie sind, wie alle Knochen der Extremitat, stark abgeplattet, so da8 sich ihr Querdurchmesser zum Seitendurchmesser wie 0,4 zu 1,0 verhalt. Radius und Ulna liegen mit ihren beiden Enden, jederseits etwa 1/, ihrer ganzen Lange, einander an. Die Kriimmung beider Vorderarmknochen ist nur gering, und zwar ist der Radius sehr schwach nach aufen konvex gebogen. Eine Kriimmung der Ulna in entgegengesetzter Richtung, welche von MmNzBIER erwahnt ist, konnte ich nicht bemerken. Die Ulna (Fig. 6 und 7 U.) hat eine unregelmafig fiinf- seitige Form, welche durch die Abplattung des Knochens und die damit zusammenhingende eigentiimliche Ausbilduug des Olecranon hervorgerufen wird. An der Gelenkflache fiir den Humerus kann man keinen knéchernen Vorsprung wie bei anderen Voégeln er- kennen, sondern das proximale Ende ist an dieser Stelle nur ein wenig verdickt. Die Gelenkflache ist annaihernd vierseitig und entsprechend der Trochlea ulnaris des Humerus etwas konkav. Im rechten Winkel zu ihr verlaiuft am radialen Rande eine schmale, schwach konkave Gelenkfliche, welche mit dem proxi- malen Teile des Radius artikuliert und mit ihm das fiir die Végel Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 7137 typische Schiebegelenk des Vorderarmes bildet. Das Bewegungs- vermégen dieses Gelenkes ist im Verhialtnis zu der sonst geringen Beweglichkeit der Fliigelknochen ein ausgiebiges. Der mittlere Teil der Ulna verschmalert sich distalwairts betrachtlich. Der dem Radius gegeniiberliegende Rand ist abgestumpft, der duBere da- gegen ist scharf, da sich hier der Knochen erheblich verdiinnt. Dieser verdiinnte Teil stellt das Olecranon dar, welches von dem eigentlichen Kérper der Ulna durch eine auf der AuBenseite des Knochens verlaufende Vertiefung abgegrenzt ist. Dadurch kann man deutlich die langlich dreiseitige Form des Olecranons er- kKennen, welches ?/, der Ulnalange erreicht. Das distale Ende der Ulna besitzt gré8ere Aehnlichkeit mit dem anderer Végel als das proximale. Ks wird durch eine Furche in zwei Gelenkflichen ge- teilt, von denen die innere radiale kolbig gestaltet ist, wiaihrend die aufere nur wenig konvex ist. An letztere lehnt sich die kon- kave Gelenkfliche des Carpale ulnare an, welches sich auch in die Furche zwischen beiden Gelenkflachen hineinlegt. An die andere reicht ein Teil der Gelenkfliche der Metacarpalia, aufer- dem aber noch ein Teil des Carpale radiale. Die am radialen Rande des proximalen Ulnaendes befindliche Gelenkflache fiir den Radius ist nur undeutlich ausgebildet. Die gré8te Breite der Ulna wird von Watson auf 1,3 cm angegeben; meine Messung ergab dagegen eine gréfte Breite von 1,6 cm. Der Radius (Fig. 6 und 7 R) ist etwas schmaler als die Ulna, besitzt aber gleiche Dicke und Linge. Die proximale Ge- lenkflache ist derjenigen der Ulna in Form und Gréfe sehr ahn- lich. Der ulnare stumpfe Rand des Radius ist schwach konkav und zeigt an seinem ebenfalls verdickten proximalen Ende eine langliche konvexe Gelenkfliche zur Artikulation mit der Ulna. Am proximalen Ende finden sich auf der Innen- wie auch auf der Aufenflaiche einige Erhebungen zum Ansatz der Bander des Ellbogengelenkes. Ferner zeigt der Radius hier eine starke Aus- buchtung in Gestalt eines Viertelkreises, welcher sich in einem scharfen Winkel vom auferen Rande absetzt. Ks ist dies die bei anderen Végeln nur schwach angedeutete, hier aber sehr stark ausgebildete Impressio brachialis inferioris, die Ansatzstelle fir den M. brachialis internus. Der auSere, vollkommen gradlinig verlaufende Rand ist sehr scharf und von dem Kérper des Radius durch eine, dem Rande in seiner ganzen Lange parallel ver- laufende Furche deutlich abgesetzt; in diese legt sich die Sehne des M. extensor metac. rad. longus hinein. Auf der AuSenflache 738 Erich Hillel, des Radius findet sich noch eine schrag verlaufende Furche, fiir die Sehne des Extensor indicis proprius. Die distale Gelenkflaiche des Radius ist dadurch, da8 dieselbe nur mit dem Carpale radiale artikuliert, einfacher als die ent- sprechende der Ulna gestaltet. Sie ist langlich, nur wenig konvex und besitzt in der Mitte einen kleinen Eindruck. Sie geht nach dem ulnaren Rande zu in eine schmale Gelenkfacette tiber, welche sich in eine Vertiefung der Ulna einlegt. Der Carpus, welcher sich, wie bei allen Végeln, aus zwei Stiicken, dem Carpale radiale und ulnare, zusammensetzt, ist als Zwischenstiick zwischen Ulna und Radius einerseits und dem Meta- carpus andererseits so fest eingeschaltet, daf eine freiere Bewegung dieser Knochen unméglich wird. Bei dem von mir untersuchten Eudyptes fand ich die beiden Carpalknochen nicht vollkommen voneinander getrennt, sondern beide hingen auf der AuSenseite durch eine sehr feine Knochenbriicke zusammen. Nach der Innen- fliche zu entfernen sie sich voneinander und fassen den inneren kolbigen Gelenkfortsatz der Ulna zwischen sich. Dieser wichtige Befund, welcher wohl als eine noch weiter gediehene Reduktion der carpalen Elemente zu erklaren ist, ist in der Literatur nirgends erwihnt; ich werde hierauf noch spater naher einzugehen haben. Das Carpale radiale (Fig. 6 u. 7 rv) bildet eine direkte Fort- setzung des Radius, indem es diesem an Breite und Starke genau eleichkommt. Es verschmialert sich etwas vom radialen nach dem ulnaren Rande zu, laft also die von Watson angegebene Wiirfel- gestalt vermissen. Man kann drei konkave Gelenkflichen an ihm erkennen; proximal eine stark ausgehéhlte fiir den Radius, distal eine etwas weniger konkave fiir den Metacarpus und ulnarwarts eine solche fiir die Ulna; diese letztere Gelenkfliche, sowie deren Artikulation mit der Ulna ist von Watson nicht erwahnt. An der ulnaren distalen Ecke besitzt das Carpale radiale einen diinnen Fortsatz, durch welchen es mit der nach innen gerichteten Spitze des Carpale ulnare verbunden ist. Das Carpale ulnare (Fig. 6 u. 7 uw) hat ungefahr die Form eines Dreiecks, dessen basale Ecken zipfelformig ausgezogen sind. Die Spitze des Dreiecks ist gegen das Carpale radiale gerichtet, wahrend die Basis ulnarwarts weit tiber das Niveau der anderen Knochen des Fliigels hinausragt. Soweit das Carpale ulnare von der Ulna und dem Metacarpus umgeben ist, besitzt es die gleiche Starke wie diese Knochen; der frei hinausragende Teil ist jedoch stark verdiinnt. An der Spitze sind zwei Gelenkflachen zu er- Vorderextremitét von Eudyptes chrysocome. 739 kennen, von denen die eine mit der Ulna artikuliert und durch eine vorspringende Kante in zwei Hialften geteilt ist, die andere, gleichfalls unregelmabig gestaltete, sich an den Metacarpus anlegt. Von den Randern des Carpale ulnare ist der proximale und ulnare konkav, der distale dagegen etwas vorgewolbt. Die Metacarpalia bilden bei Eudyptes chrysocome nur ein einziges festes Knochenstiick. Auf den ersten Blick erscheint dasselbe nur aus zwei Knochen zusammengesetzt, besteht jedoch aus den bei der Entwickelung noch ausfiihrlich zu beschreibenden Carpalia distalia und den drei Metacarpalia. Die Metacarpalia II und Ill sind im mittleren Abschnitte durch einen langlichen, schmalen Spalt voneinander getrennt, waihrend das Metacarpale I, wie bereits WATSON und GERVAIS und ALIx berichten, mit dem Metacarpale Il vollkommen verwachsen ist. Eine auf der Aufen- seite, nahe dem radialen Rande. schrag bis zur Mitte des Knochens verlaufende Furche deutet noch die urspriingliche Trennung beider Knochen an. Weitere Anzeichen hierfiir fand ich auch auf der AuBenseite in Gestalt einiger kleiner punktformiger Gruben. Das proximale Ende des Metacarpus ist halbkreisférmig und _ besitzt eine das ganze Ende einnehmende Gelenkflaiche, welche mit den beiden Carpalia und der Ulna artikuliert. In ihrem ulnaren Be- reiche zeigt die Gelenkfliche eine ziemlich tiefe Langsfurche. An dem proximalen einheitlichen Teile findet sich auf der Innenflache noch eine starke Einbuchtung, welche die Verwachsungsstelle der bei der Entwickelung noch selbstandigen distalen Carpusreihe mit dem Metacarpus andeutet. Die fiir andere Végel charakteristische bogenformige Kriimmung der Metacarpalia II und III ist hier gar nicht angedeutet, sondern beide Knochen haben einen geradlinigen Verlauf. Das verschmolzene Metacarpale I und II (Fig. 6 u. 7me I + IZ) hat die dreifache Breite des Metacarpale III. Es zeigt auf seiner Innenseite eine lings des radialen Randes verlaufende Furche zur Aufnahme der Sehne des M. abductor digiti secundi. Der radiale und ulnare Rand sind abgestumpft. Proximal ist eine Trennungsfurche von dem Metacarpale III nicht mehr zu erkennen, dagegen ist am distalen Ende die Trennung durch eine Fissur auf der Aufenfiache angedeutet. Die distale konkave Gelenkflache fiir die erste Phalanx des zweiten Fingers nimmt nicht die ganze Breite des Knochens ein. Das Metacarpale II (mcIIZ) ist, wie bei allen Végeln, er- heblich schwicher als das zweite und reicht weiter distalwirts als 740 Erich Hillel, dieses, zugleich an Breite etwas zunehmend. Es ist vollkommen glatt, seine beiden Rander sind abgestumpft. Durch den gerad- linigen Verlauf des Metacarpale III ist der sonst breite Zwischen- raum zwischen beiden Metacarpalia auf einen schmalen Spalt re- duziert worden. Ueber die Phalangen ist wenig zu sagen. Es sind infolge der Verwachsung der Metacarpalia I und II nur 2 Finger ausge- bildet. Spuren von Fingergliedern lassen sich am Metacarpale I nicht nachweisen. Da die beiden ausgebildeten Finger von den Metacarpalia II und III getragen werden, so kann man sie auch nur als 2. und 3. Finger auffassen. Die Zahl ihrer Phalangen- glieder ist die bei den Végeln tbliche, indem sich der 2. Finger aus zwei, der 3. nur aus einer Phalanx aufbaut. Da die Pha- langen ebenfalls stark abgeplattet sind, so ist kein Zwischenraum zwischen dem 2. und 3. Finger vorhanden. Die Grundphalanx des 2. Fingers hat etwa viereckige Gestalt; die beiden anderen Phalangen sind dagegen distal zugespitzt. Die Gelenkflachen sind so geformt, dal’ die Beweglichkeit der Finger fast ganz aufge- ~ hoben wird. Auch sind die Gelenkenden etwas abgeschragt, so da8 der ganze distale Fligelabschnitt ulnarwarts gerichtet wird. Die Flachen der Phalangen zeigen einige kleine Rauhigkeiten zum Ansatz der Streck- und Beugemuskeln der Finger. Die End- phalanx des 2. Fingers ist an ihrem distalen Ende doppelt zu- gespitzt, so daf sie eine dolchférmige Gestalt erhalt. Die Phalanx des 3. Fingers nimmt distalwarts fan Breite allmahlich ab und endet in einer abgestumpften Spitze. Sie ist etwas linger als die I. Phalanx des 2. Fingers, weshalb ‘ihre Spitze bis an das zweite Drittel der Endphalanx des 2. Fingers reicht. An der Basis zeigt sie am ulnaren Rande einen Vorsprung, welcher von der Gelenk- flache durch einen Einschnitt getrennt ist. Dadurch wird diese Phalanx an ihrer Basis etwas breiter als das distale Ende des III. Metacarpale. Die Linge der Grundphalanx des 2. Fingers wird von WATSON auf 2,7 cm, die Breite auf 1,3 cm angegeben. Ich fand dagegen nur eine Linge von 2,4 cm und eine Breite von 1 cm. Der Fliigel von Eudyptes chrysocome stellt also, als Ganzes betrachtet, gemaB seiner Aufgabe, als ein Ruder bei der Bewegung im Wasser zu dienen, ein mechanisch einheitliches Gebilde dar. Eine Folge dieser Funktion ist die bedeutende Verkiirzung und Verbreiterung saimtlicher Knochen des Fliigels. Die Verktirzung ist im Verhaltnis zur K6érperlinge des Tieres eine sehr betracht- Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 741 liche, indem bei anderen Végeln (auch Archaeopteryx) die relative Liinge des Fliigels fast die doppelte ist. Der anatomische Bau aller Knochen zielt darauf hin, den Fliigel méglichst unbeweglich zu gestalten. Auch die Form der Gelenke macht die Beweg- lichkeit der einzelnen Abschnitte des Fliigels zu einer AauBerst beschrankten. Als eine diesem Zwecke dienende Erscheinung ist auch die beginnende Verschmelzung der beiden Carpalia anzusehen, welche sich sonst bei den Végeln nie vorfindet. Wir sehen also aus allen diesen Merkmalen, daf der Fliigel einen reduzierten vereinfachten Vogelfliigel darstellt. In welcher Weise diese Reduktion zu stande kommt, werde ich bei der Ent- wickelung noch naher auseinandersetzen. Die Muskulatur. Die Schultermuskeln. Bei der Beschreibung der Muskulatur werde ich nur diejenigen Muskeln beriicksichtigen, welche zur Vorderextremitaét in direkte Beziehung treten und die Bewegung derselben vermitteln. Die Schultermuskeln erreichen bei Eudyptes, entsprechend der energischen Bewegung der Vorderextremitat, eine hohe Aus- bildung, ebenso wie wir dies bei den Knochen, an denen sie an- setzen, gesehen haben. Im ventralen Bereiche des Schultergelenkes finden wir, unter der starken Fettschicht gelegen, den M. pecto- ralis major, welcher an Starke dem der besten Flieger gleich- kommt. Er setzt sich aus mehreren Abschnitten zusammen, von denen der oberste am yorderen Rande der Clavicula und einem Teile der Membrana_ sterno-coraco-clavicularis ansetzt. Diese Faserziige, welche teilweise zur Bildung des Tensor patagii longus beitragen, verlaufen nach abwarts. Die von Rem erwahnte In- sertion am Coracoid konnte ich nicht auffinden. Der auf diesen folgende Hauptabschnitt des Muskels inseriert an der ganzen Lange des Brustbeinkieles und an der Fascie, welche den Pecto- ralis major von dem unter ihm liegenden Supracoracoideus trennt; diese Fasern verlaufen zumeist in gerader Richtung nach dem Humerus. Der hinterste Abschnitt entspringt von der hinteren Brustbeinflache und von der Fascie des Obliquus abdominis. Diese letztere Ursprungsstelle wurde auch von GERVAIS und ALIx be- schrieben, von Watson jedoch nicht erwahnt. Die Fasern dieses Abschnittes verlaufen in schraig aufsteigender Richtung und grenzen 742 Erich Hillel, dorsalwirts an den M. infraspinatus und an die Serrati an. Siimtliche Faserziige des Muskels konvergieren nach dem _ proxi- malen Teile des Humerus zu und inserieren an der Crista late- ralis. Der oberste Abschnitt des Muskels wird von einer Apo- neurose bedeckt, welche sich tiber die Ansatzstelle des Muskels hinaus noch auf einen Teil des Fliigels fortsetzt. Die Dicke des Pectoralis major betragt im oberen Teile ca. 2 cm. Der unter dem Petoralis major liegende, gewoéhnlich als Supracoracoideus (Fig. 8 Spre), von Watson als Pectoralis medius bezeichnete Muskel zeigt eine relativ noch starkere KEnt- wickelung als der grofe Brustmuskel. Diese starke Ausbildung ist dadurch bedingt, dafi der Muskel als Emporzieher des Fliigels bei der Ruderbewegung im Wasser eine weit gréfere Arbeit als in der Luft zu leisten hat. Der Muskel hat eine dreieckige Form, entspringt von dem tieferen Teile der Membrana sterno-coraco- clavicularis, dem vorderen Rande und der duferen Flache des Brustbeines, vom Brustbeinkiele und teilweise auch vom Coracoid. Nach Gervais und Aix soll er auch von der Clavicula ent- springen, was ich jedoch nicht bestatigt fand. Der von der Membr. sterno-coraco-clavicularis entspringende Abschnitt wird durch eine starke, der Faserrichtung des Muskels parallel verlaufende Fascie von der tibrigen Muskelmasse geschieden. Von Gervars und ALIx wird danach der Muskel in einen Hauptteil und einen accesso- rischen Teil eingeteilt. Eine doppelte Fiederung des Muskels, welche sonst haiufig vorkommt, ist hier nicht wahrzunehmen, da von der trennenden Fascie keine Fasern ausgehen. Die gesamte Muskelmasse vereinigt sich in der Nahe der Coracoclavicular- verbindung zu einer sehr starken Endsehne, welche sich durch das Foramen triosseum hindurchschiebt und sich in einer Grube auf der Aufenflache des Humerus zwischen Proc. lateralis und me- dialis ansetzt. Die erwaihnte mittlere Fascie setzt sich in die Endsehne hinein fort. Der Muskel wird in seiner ganzen Ausdehnung (mit Aus- nahme der Endsehne) von dem Pectoralis major tiberdeckt. Die Faserziige beider Muskeln verlaufen im unteren Teile fast parallel, im vorderen Teile, wo der Supracoracoideus den Sterno coraco- clavicularraum ausfiillt, divergieren sie derart, da’ sie in der Nahe des Schultergelenkes fast rechtwinklig aufeinander stoBen. Hier erreicht der Muskel eine Dicke von ca. 2'/, cm. Nach Entfernung des Supracoracoideus werden die den Schultergiirtel aufbauenden Knochen sichtbar. Das Sternum liegt Vorderextremitiit von Eudyptes chrysocome. 143 jetzt in ganzer Ausdehnung frei, ebenso der subcoracoidale Teil der Clavicula und die auf ere Flache des Coracoids. Von dem lateralen Rande des Coracoids und von dem oberen Teile des Sternum sieht man jetzt noch zwei ansebnliche Muskeln nach dem Humerus hin verstreichen. Es sind dies die Mm. coraco- brachiales, welche hier etwas weiter unten als bei anderen Végeln gelegen sind. Der vordere (Fig. 8 Cb) entspringt vom lateralen Rande und von der inneren konkaven Flaiche des Coracoids, mit einigen Fasern auch von der Innenfliche des Brustbeines. Der kraftige Muskel hat ovale Gestalt und vereinigt sich kurz vor dem Humerus mit dem M. subscapularis und supraspinatus zu einer gemeinsamen Endsehne, welche auf der Innenfliche des Humerus am Rande des Foramen pneumaticum inseriert. Der hintere, von Watson als Pectoralis minor (Fig. 8 P.m.) bezeichnet, liegt etwas oberflichlicher und entspringt vom Proc. lateralis des Coracoids und zum Teil auch vom lateralen Rande des Brustbeines. Einen Ursprung von dem Sterno-coracalgelenk, wie ihn WaTson_ be- schreibt, konnte ich nicht finden. Er verliuft dem vorderen Muskel parallel und inseriert mit einer Sehne an der Aufenflache des Humerus, ebenfalls am Rande des Foramen pneumaticum. Vom Pectoralis major wird er hier durch eine Fettlage getrennt. Mit dem Coracobrachialis fast parallel verlauft weiter proximal der M. subscapularis, welcher jedoch infolge seines Ursprunges von der Innenfliiche des Halses der Scapula bedeutend tiefer zu liegen kommt. Er ist beim Pinguin kleiner als bei anderen Végeln, da seine Insertion sich nur auf ‘/, der Scapulalinge erstreckt. Trotz seiner geringen Starke bezeichnen GERVAIS und ALIx den Coracobrachialis nur als einen Hilfsmuskel des Subscapularis. Er vereinigt sich, wie erwahnt, mit der Sehne des Pectoralis minor. Auf der dorsalen Seite trifft man nach Abpraparierung der Haut, welche hier besonders starken Fettreichtum aufweist, zunachst auf den M. latissimus dorsi (Fig. 9 Li.d.). Derselbe besteht aus einer vorderen stirkeren und einer hin- teren, bedeutend schwacheren Portion, welche einen dreieckigen Raum zwischen sich fassen. Dies spricht gegen die Angabe von ScuOpss, daf der Muskel an seinem Ursprung ungeteilt sei. Der vordere Teil, dessen Richtung eine horizontale ist, entspringt nach WaTSON von den Proc. spinosi des 2.—6. Riickenwirbels. Ich fand jedoch, daf sein Ursprung bereits von den beiden letzten Halswirbeln bis zum 5. Riickenwirbel reicht. Der hintere, be- deutend schmialere Teil des Muskels verliuft in fast vertikaler 744 Erich Hillel, Richtung, da er von dem oberen Rande des Ileum entspringt. Beide Teile des Muskels enden in Sehnen, welche unterhalb des Triceps verlaufen, sich durch eine (von Watson _beschriebene) Rolle, die an der Scapula befestigt ist, hindurchschieben und auf der Innenseite des Humerus am Rande der Fossa pneumatica inserieren. Unter dem oberen Teile des Latissimus dorsi verlaufen Muskelfasern, welche ebenfalls von den letzten beiden Halswirbeln und den 5 ersten Riickenwirbeln entspringen, jedoch nicht bis zum Humerus hinziehen, sondern bereits am axillaren Rande der Scapula inserieren. Dieser Muskel wird von Watson als Trape- zius bezeichnet. Er hat genau die gleiche Faserrichtung, dieselbe Breite und denselben Ursprung wie der tiber ihm liegende Latis- simus dorsi, indem seine Seitenrainder scharf mit denen des breiten Riickenmuskels abschlieBen (Fig. 9). Aus diesem Grunde kénnte man ihn als eine tiefere Portion des Latissimus dorsi auffassen. Auf der Abbildung Watsons ist die Faserrichtung des Muskels eine parallele, wahrend ich ein Konvergieren der Fasern nach der Scapula zu nachweisen konnte. Nach Fortnahme der beiden Teile des Latissimus dorsi er- scheinen, dicht nebeneinander liegend, der M. infraspinatus und der M. supraspinatus. Der M. infraspinatus (Fig. 9 Isp) ent- springt von der ganzen aéuSeren Flaiche der Scapula mit Aus- nahme des Halsteiles. Der starke breite Muskel steigt schrag aufwairts und inseriert an der Innenfliche des Humerus in der Nahe des Tuberculum mediale. Der Muskel wird von einer Aponeurose bedeckt, welche nach dem Fliigel zu betrachtlich an Starke zunimmt. Nach Warson soll der Muskel von der vorderen Portion des Latissimus dorsi tiberlagert werden; ich fand jedoch, daS er nur von dem hinteren schmalen Teile desselben be- deckt wird. Unter der vorderen Portion des Latissimus dorsi liegt der M. supraspinatus (Fig. 9 Ssp). Dieser entspringt an der Aufenflache der Scapula oberhalb des Infraspinatus, mit einigen Fasern auch am Collum scapulae. Sein Ursprung befindet sich iiber dem Subscapularis, weshalb er von Gervais und ALIx als duBerer Hilfsmuskel des Subscapularis bezeichnet wird. Der Muskel verlauft neben dem Infraspinatus nach dem Humerus, setzt jedoch nicht mit diesem zusammen am Humerus an, sondern vereinigt sich mit dem Subscapularis und Coracobrachialis anterior zu einer gemeinsamen Endsehne. Vorderextremitiit von Eudyptes chrysocome. 745 Bei Betrachtung der Muskeln, welche sich von der Hohe der Schulter nach dem Fliigel hin erstrecken, erscheinen dorsal zwei starke Gruppen, welche in der Gegend der Coraco-clavicularver- bindung einander kreuzen, nach dem Humerus zu an Starke be- deutend abnehmen und auseinanderweichen, wobei sich der eine Muskel nach dem radialen, der andere nach dem ulnaren Rande des Humerus hinzieht, und zwar der M. deltoides major einer- seits und der Triceps andererseits. Der M. deltoides major (Fig. 9 Di.) ist von Watson nicht als besonderer Muskel be- schrieben, da Warson den oberflichlichen Teil des Propatagialis fiir den Deltoides ansieht. Der oberflachliche Flughautspanner ist jedoch, wie bereits Rem, ScHorpss und Gervais und ALrx be- richten, nur ein Teil des eigentlichen Deltoides major. Dieser ent- Springt an dem proximalen Teile des Scapulahalses und zieht von hier, unter dem Propatagialis verlaufend, nach dem ulnaren Rande des Humerus, wo er unterhalb des Proc. medialis inseriert. Der Raum zwischen Triceps und Deltoides major wird von dem Deltoides minor (Fig. 9 Dl. m.) eingenommen. Dieser Muskel wird von ScHorpss erwahnt, von WaTSoN und GERVAIS und ALrx jedoch nicht beschrieben, obwohl er deutlich nach- zuweisen ist. Er entspringt am Acromion der Scapula und an der Verbindung von Coracoid und Scapula. Er legt sich als eine diinne Muskelplatte tiber die Sehne des Supracoracoideus hinweg und setzt am medialen Rande des Humerus unterhalb des Proc. lateralis an. Der M. triceps (Fig. 8 und 9 7. I—IV) setzt sich aus einem Jangen und einem kurzen Teile, von denen jeder 2 Képfe besitzt, zusammen. Von dem langen Teile (Pars scapuli-cubitalis) setzt ein Kopf am acromialen Ende der Clavicula und am Acromion der Scapula an. (Fig. 9 7. 1.) Der an der Ansatzstelle starke Muskel verlauft, an Breite abnehmend, im Bogen nach dem Humerus, wobei er kurz hinter dem Schultergelenk in eine Sehne tibergeht. Auf der Abbildung Watsons ist dieser Teil des Muskels zu schmal dargestellt. Die 2. Portion des Scapuli-cubitalis (7. II) entspringt am axillaren Rande der Scapula und verlauft in gerader Richtung nach dem Humerus, um ebenfalls sehnig zu werden und sich dicht unter dem Schultergelenk mit dem ersten Teile zu einer gemeinsamen Sehne zu vereinigen. Diese Sehne teilt sich bald in zwei Endsehnen, welche dem Ulnarrande des Humerus parallel nach abwarts verlaufen und tiber das Ellbogen- gelenk hinwegziehen. Hier ist in jeder Sehne ein Sesambein, eine 746 Erich Hillel, Patella brachialis, eingelagert, wodurch die Anlehnung der Sehnen an das distale Ende des Humerus bewirkt wird. Die Sesambeine sind halbmondférmig gestaltet und besitzen glatte Gelenkflachen, welche sich in die tiefen Facetten des Humerusendes einlegen. Die der Aufenseite des Humerus zugekehrte Sehne besitzt ein breiteres Sesambein als die innere Sehne und setzt am Olecranon in der Nihe der Gelenkfliche der Ulna an. Die andere Sehne inseriert dagegen an der Spitze des Olecranon. Der kurze Teil des Triceps, der Pars humero-cubitalis besteht ebenfalls aus zwei Képfen, welche sich mit den Sehnen des Pars scapuli-cubitalis vereinigen. Der eine von ihnen entspringt in der Fossa pneumatica (7.IJ7Z), wird bald sehnig und verbindet sich mit den vereinigten Sehnen des Pars scapuli-cubitalis. Der andere, stirkere Kopf (7. JV) setzt an dem ganzen ulnaren Rande des Humerus an, bleibt muskulés und vereinigt sich in der Nahe des Ellbogengelenkes mit der auferen (nach Watson mit der inneren) Endsehne des Triceps. Der Flughautspanner wird aus Fasern des Deltoides major und des Pectoralis major zusammengesetzt. Ein dritter, vom Biceps stammender Teil, welcher bei anderen Végeln oft vor- kommt, fallt hier infolge Fehlens eines Biceps weg. Der vom Deltoides gebildete Teil liegt oberflichlicher als der andere; er nimmt seinen Ursprung vom Acrocoracoid und dem acrocoracoi- dalen Teile der Clavicnla. Die zweite, von der vorigen deutlich isolierte Portion, ist der oberste Teil des Pectoralis major, welcher an der Clavicula unterhalb ihrer Verbindung mit dem Coracoid ansetzt. Nach Gervats und Atrx soll fast der ganze claviculare Teil des Pectoralis major zur Bildung des Propatagialis beitragen. Die vom distalen Teile der Clavicula entspringenden Fasern sind jedoch nicht daran beteiligt, da sie bei ihrem horizontalen Ver- laufe die Wirkung eines Flughautspanners nicht austiben kénnten. Anfangs sind beide Teile des Muskels von einander isoliert, ver- einigen sich jedoch in der Mitte des Humerus zu einem sehnigen - Bande. Dieses schligt sich tiber den radialen Rand des ganzen Fliigels hinweg, wobei es noch einen schmalen Streifen der AuSen- und Innenfliche des Fliigels tiberdacht. Es endet an der Basis der 2. Phalanx des 2. Fingers. Die Fligelmuskeln. Bei der Préparation der Fliigelmuskeln machte die Ent- fernung der Haut einige Schwierigkeit, da dieselbe, besonders im distalen Bereiche des Fliigels, eine lederartige Zaihigkeit besitzt Vorderextremitat von Eudyptes chrysocome. 747 und mit ihrer Unterlage fest verwachsen ist. Unter der Haut erschien zunichst, tiber den ganzen Fliigel gleichmafig aus- gebreitet, eine diinne bindegewebige Hiille, welche eine Fort- setzung der Sehne des Pectoralis major darstellt. Unterhalb dieser Hiille fand ich einige straffere bandartige Streifen, welche in schrager Richtung quer tiber den Fliigel hinwegziehen und wohl dazu bestimmt sind, die Muskeln, welche vorwiegend sehnige Streifen bilden, in ihrer Lage zu erhalten. Besonders entwickelt sind dieselben auf der Innenflaiche des Fliigels unterhalb des EIl- bogengelenkes und am Handgelenk. Samtliche Muskeln, welche der Breitseite des Fliigels auf- liegen, sind nur als bandférmige Sehnenstreifen ausgebildet, da bei Entwickelung von muskuléser Substanz kein plattes Ruder zustande gekommen ware. Nur tiber den Randern des Filiigels, sowie in den Spalten zwischen den Vorderarmknochen finden sich einige platte Muskelmassen, welche an dieser Stelle die Ruder- gestalt des Fliigels nicht beeintrachtigen. Am radialen Rande des Fliigels verlaiuft vom distalen Ende des Humerus nach der Ausbuchtung des proximalen Radiusendes ein trapezformiger Muskel, der Brachialisinferior (Fig. 8 und 9 B. 7.), welchem bei dem Fehlen des Biceps allein die Funktion der Beugung des Vorderarmes zufallt. Einen teilweisen Ansatz des Muskels an der Ulna, wie ihn Ftrsrinaer fiir Spheniscus beschreibt, konnte ich bei Eudyptes nicht finden. Auf der Innenfliche des Fliigels ziehen 2 diinne Sehnen iiber das Ellbogengelenk hin, welche vom distalen Ende des Humerus entspringen und zu einer Sehne vereinigt am ulnaren Rande des Radius inserieren. Diese Sehnen bilden die beiden Pronatoren des Vorderarmes (Fig. 8 Pr.), welche von Watson und GERVAIS und Aurx als fehlend bezeichnet, von ScHorpss jedoch als 2 ge- trennte Sehnen beschrieben werden. Ihre schwache Ausbildung beruht auf dem geringen Pronationsvermégen des Fliigels. Auch ein Supinator des Vorderarmes (Fig. 9 Sup.) ist auf der AuSenfliche des Fliigels deutlich ausgebildet. Seinen Ur- sprung fand ich am ulnaren Rande des Humerus in der Nahe des 4, Tricepskopfes, wihrend ihn Watson von dem auferen lateralen Ligament des Ellbogengelenkes angibt. Er verliuft als lange diinne Sehne schrag iiber das Ellbogengelenk und inseriert auf der Aufenfliche des Radius nahe dem Ursprunge des Extensor metacarpi radialis brevis. Ba, XXXVI. N. F. XXXL 48 748 Erich Hillel, Einen tiefen Beuger des Vorderarmes, welcher von ScHOpss beschrieben wird, konnte ich, gleich Watson und Gervais und Alix, nicht finden. Der Flexor carpi ulnaris (Fig. 8 F. c¢. wu.) entspringt am zugespitzten distalen Ende des Humerus, verliuft ein Stiick iiber die Innenseite der Ulna, geht iiber den Raum zwischen Ulna und Carpale ulnare und inseriert auf der Innenflaiche der letzteren mit 2 kleinen Endsehnen. Diese Teilung der Sehne wird bei Be- schreibung des Muskels von keinem Autor angegeben. Bemerkens- wert ist ferner, dafi die Sehne nicht, wie bei anderen Végeln, am freien Rande des Carpale ulnare, sondern etwa in der Mitte der Innenflache inseriert. Unmittelbar neben diesem Muskel entspringt der M. flexor sublimis digitorum (Fig. 8 F. s. d.), welcher gleichfalls aus einem langen Sehnenstreifen besteht. Er geht schrag tiber die Innen- flache der Ulna hinweg und gibt in der Nahe des distalen Endes der Ulna eine schwache Sehne ab, welche auf der Innenflache des Carpale ulnare ansetzt. Von Scudpss wird diese Sehne nicht er- waihnt. Die Hauptsehne geht schriig tiber den Carpus und Meta- carpus hinweg, vereinigt sich hier mit der Sehne des Flexor digitorum profundus und setzt an der Basis der 2. Phalanx des 2. Fingers an. Von Watson wird die Vereinigung der beiden Muskeln, welche bereits MecKEL erwahnte, bestritten, desgleichen ist sie von ScHOpss nicht beschrieben. Ferner soll die Sehne nach WarTson bereits an der Grundphalanx des 2. Fingers an- setzen. Den Ursprung des Flexor profundus digitorum (Fig. 8 F. p. d.) fand ich etwa in der Mitte des ulnaren Randes des Radius. Nach Warson soll der Muskel am unteren Ende des Humerus, nach ScHépss und Gervais und ALIx an den einander zugekehrten Réndern des Radius und der Ulna entspringen. Er verlauft als eine schmale Sehne in fast gerader Richtung tiber den Carpus und das Metacarpale II, wo er sich, wie erwahnt, mit dem Flexor sublimis vereinigt. Der M. extensor metacarpi radialis longus (Fig. 9 E.m.r.l.) entspringt mit zwei getrennten sehnigen Képfen an der Aufenseite des Humerus unmittelbar iiber dem Ursprunge des Brachialis inferior, welchen er hier vollkommen bedeckt. Die beiden K6épfe vereinigen sich bald zu einer schmaleren Sehne, welche sich in die Rinne am duferen Rande des Radius hineinlegt und nach dem Carpus hinzieht, wo ich eine deutliche Vereinigung mit der Sehne des Extensor metacarpi radialis brevis nachweisen Vorderextremitait von Eudyptes chrysocome. 749 konnte. Die Sehne inseriert am vorderen Rande des Metacarpale I. Die Zeichnung dieses Muskels bei Warson und sein hier darge- stelltes Verhalten zum Propatagialis entspricht nicht meinem Be- funde. Die halbelliptische Sehne, welche Watson fiir die des Propatagialis halt, ist die Ursprungssehne des Extensor metac. rad. longus, wihrend der Propatagialis iiber dieser Sehne liegt. Ferner bestreitet WAaTson den schon von ScHorpss angegebenen Ursprung mit 2 Képfen und 1a8t den Muskel mit einem fleischigen Kopfe entspringen; ich konnte jedoch einen rein sehnigen Ursprung ohne Beimengung von Muskelfasern nachweisen. Auch die Ver- einigung der Sehne mit dem Ext. metac. rad. brevis, welche auch Gervais und Atrx fanden, wird von Watson nicht zugegeben. Der Extensor metacarpi radialis brevis (Extensor pollicis longus [Fig. 9 H.m.r.b.]) entspringt mit zwei getrennten muskulésen K6épfen, der stirkere von den gegeniiberliegenden Randern des Radius und der Ulna, der schwachere von der Aufenfliche des mittleren Teiles des Radius. Beide K6épfe ver- einigen sich bald zu einer Sehne, welche ebenfalls am Metacarpale I inseriert, indem sie mit der Sehne des Ext. met. rad. longus verschmilzt. Von WATSON wird der Ursprung mit 2 Képfen nicht angegeben. Auch fand ich den Ansatzpunkt etwas weiter distal- warts als er von Watson abgebildet ist. Auf der Aufenflache des distalen Humerusendes findet sich nahe dem Ellbogengelenk der sehnige Ansatz des Extensor digitorum communis (Fig. 9 #.d.c.). Es la8t sich an dieser Sehne deutlich eine Zweiteilung nachweisen. Die Sehne verlauft, an Breite abnehmend, zwischen Radius und Ulna nach dem Handgelenk, wo sie sich tiber die Sehne des Extensor indicis proprius legt, welchem sie eine kleine Sehne abgiebt. Darauf geht die Sehne schrag tiber das Metacarpale II und teilt sich an dessen Ende nochmals in zwei Sehnen, von denen die eine an der 1., die andere an der 2. Phalanx des Index inseriert. Von Watson und GmrvVAIS und Auix ist die Abgabe einer Sehne an den Extensor indicis proprius nicht erwaihnt; ferner ist, auch von ScHorpss, die Endsehne am 2. Phalangengliede des Index nicht angegeben. Unmittelbar neben diesem Muskel entspringt eine ebenfalls breite Sehne, welche parallel dem Extens. digit. communis tiber die Aufenseite der Ulna und schrag tiber den Carpus verlauft, um sich dann in zwei kurze Endsehnen zu gabeln, welche am Metacarpale IL und III ansetzen. Von Watson wird dieser Muskel als Extensor carpi ulnaris bezeichnet, obwohl er mit dem 48 * 750 Erich Hillel, Carpale ulnare in keinerlei Beziehung steht. Die von ScHorpss gewihlte Bezeichnung als Abductor metacarpi (Fig. 9 Abd. m.) diirfte daher fiir diesen Muskel zutreffender sein. Die In- sertion am Metacarpale HI wird von Watson nicht angegeben. Nach Watson und Scuoepss soll die Sehne zwischen Radius und Ulna verlaufen, wahrend ich die Sehne auf der Auf enflaiche der Ulna fand. Auch ist die Ursprungsstelle des Muskels auf der Abbildung Watsons nicht zu erkennen. Unterhalb des Ursprunges des Ext. metac. rad. brevis findet sich zwischen Radius und Ulna der muskulése Ursprung des Extensor indicis proprius (Fig. 9 H.z.p.). Derselbe wird bald sehnig und zieht in gerader Richtung tiber das Handgelenk hinweg, wo er, wie erwahnt, einen Sehnenzweig des Ext. digitorum communis erhalt. Die Sehne geht darauf tiber das Metacarpale I und die Grundphalanx des 2. Fingers und inseriert an der Basis der 2. Phalanx des Index. Dieser Muskel wird von Gapow bei den Pinguinen als fehlend angegeben. Der Raum zwischen dem hinteren Rande der Ulna und dem Metacarpale III wird von dem Flexor metacarpi brevis (Fig. 8 F.m.b.) eingenommen. Da dieser Muskel den Knochen nicht direkt aufliegt, sondern nur ihre Rainder verbindet, so ist er stark muskulés und stellt neben dem Brachialis inferior den kompaktesten Muskel des Fliigels dar. Er entspringt nach Watson und ScHoEpPss mit einer Sehne am unteren Ende der Ulna. Ich konnte jedoch deutlich 2 Ursprungs- sehnen nachweisen, und zwar eine gréSere, oberflaichlicher und eine kleinere, tiefer gelegene, welche einander parallel tiber die Aufenflache des Carpale ulnare verlaufen. Hier wird der Muskel fleischig, indem er sich bedeutend verbreitert; er inseriert im mittleren Teile des Metacarpale III. Hinter diesem Muskel fand ich als Verbindung der Ulna mit dem 3. Finger eine starke Sehne, welche sich vom hinteren Rande der Ulna nach dem proximalen Zipfel der Basis des Carpale ulnare hinzieht, hier scheinbar aufhért, am distalen Zipfel jedoch wieder ansetzend, nach dem erwahnten Vorsprung an der Basis des 3. Fingers verlauft. Diese Sehne bildet den grofen Kopf des Flexor digiti minimi (Fig. 8 #.d.JZ1). Von ScHospss ist nur die Sehne, welche vom Carpale ulnare zum 3. Finger verlauft, als ein Teil des Flexor digiti minimi beschrieben, der proximale Abschnitt des Muskels wird jedoch nicht erwahnt. Bei allen anderen Autoren fehlt die Beschreibung dieser Sehne vollstandig. An der Basis des 3. Fingers setzt ferner noch der kleinere Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 151 Kopf des Flexor digiti minimi an. Dieser entspringt fleischig an der Innenfliiche des Metacarpale III, wird bald sehnig und ver- lauft schrig zum 3. Finger herab. Nach Watson ist der Verlauf des Muskels ein fast gerader. Der Abductor indicis (Fig. 8 Abd.i.), welcher nach ScHoepss fehlen soll, von Watson und Gervais und ALIx be- schrieben ist, und den ich ebenfalls deutlich nachweisen konnte, entspringt mittels eines Muskelkopfes auf der Innenfliche des Metacarpale I und zieht langs seines radialen Randes nach der Basis der 1. Phalanx des Index. Von Grrvats und Atrix wird er nur als ein Band beschrieben. Der schmale Spalt zwischen Metacarpale II und III wird von den Interossei, dem Interosseus palmaris und Interosseus dorsalis eingenommen. Der erstere entspringt auf der Innen- seite der gegenitiberliegenden Rander der Metacarpalia, wird teil- weise von dem Flexor digit. sublimis bedeckt, und verlauft zwischen 2. und 3. Finger nach der 2. Phalanx des Index. Die Bezeichnung von ScHoerpss als Flexor indicis diirfte daher fiir diesen Muskel zutreffender sein. Der Interoseus dorsalis entspringt mit sehr schwachen Muskelfasern auf der Aufenseite des Metacarpus. Seine schmale Sehne zieht sich iiber die 1. Phalanx des Index hinweg und inseriert an der 2. Phalanx. Nach Warsow soll die Sehne zwischen den 1. Phalangen der beiden Finger verlaufen. Samtliche Muskeln, welche bei anderen Végeln zur Bewegung des Daumens dienen, fehlen beim Pinguin infolge des Mangels eines Daumengliedes. Die Entwickelung der Vorderextremitiit. Die Vorderextremitat der Vogel bietet infolge der Reduktion ihres peripheren Endabschnittes entwickelungsgeschichtlich grofes Interesse. Bei den Pinguinen ist das embryonale Verhalten der Vorderextremitaét, welche, wie wir gesehen haben, durch ihre Um- bildung zu einem Ruderorgan noch in weit héherem Mae redu- ziert ist, von besonderer Bedeutung. Denn ihr Verhalten waihrend der Entwickelung muf einen bestimmten Entscheid dariiber bringen, welche phylogenetische Stellung die Pinguine einnehmen, ob sie sich friihzeitig oder erst spit vom Stammbaum der Végel abge- zweigt haben, ob also ihre primitiven Charaktere in der Tat als primitiv aufgefaBt werden miissen, oder ob sie, von flugfaihigen 752 Erich Hillel, Vorfahren abstammend, erst sekundir zu einer so niedrigen Stufe gelangt sind, als pseudoprimitiv genannt werden kénnen. Zu der ersteren Anschauung neigten mehrere altere Forscher, welche sich mit dieser Frage beschaftigten und deshalb auch den Sphenisciden eine sehr selbstindige Stellung unter den Végeln einraumten. Von neueren Forschern vertritt auch v. MENZBIER mit Ent- schiedenheit diese Ansicht, indem er hervorhebt, da8 die primi- tiven Eigenschaften der Pinguine nicht durch Anpassung erworben, sondern von alters her ererbt seien, weshalb sie keinesfalls von Flugvégeln abstammten und sich infolge ihrer Lebensbedingungen auch nicht zu solchen entwickeln kénnten. Auf Grund dieser Vermutungen raumt v. Menzprer den Eupodornithes den Rang einer der 5 Unterklassen, in welche er die Vogel einteilt, ein und scheidet sie streng von den Carinaten. Zu der entgegengesetzten Anschauung bekennen sich unter anderen neueren Autoren auch FURBRINGER und Gapow. Ersterer halt alle primitiven Charaktere der Pinguine fiir riickgebildet und weist ihnen einen, wenn auch ziemlich tiefen Platz unter den Carinaten an. Auch Gapow gibt fiir die meisten primitiven Eigenschaften die Méglichkeit einer Riickbildung zu und schlieft sich in Bezug auf die Stellung der Pinguine im System der Meinung FURBRINGERS an. Wenn nun die Ansicht v. MmeNzBIERS die zutreffende ist, so muf die Vorderextremitat wahrend ihrer Entwickelung den Rep- tilien naher kommen, als dies im ausgebildeten Zustande der Fall ist. Stammen dagegen die Pinguine von flugfahigen Vorfahren ab, so mu der Fliigel in embryonaler Zeit Stadien durchlaufen, welche dem Fliigel eines Carinaten ahneln und sich im Laufe der weiteren Entwickelung allmahlich von diesem entfernen. Da fiir die Vorderextremitaét in vergleichend anatomischer Hinsicht das Verhalten des Handskelettes, besonders des Carpus und Metacarpus am bedeutungsvolisten ist und hieriiber stets die gréfkten Meinungsverschiedenheiten geherrscht haben, so will ich mit der Darstellung dieses Abschnittes beginnen. Bekanntlich ist der Carpus und Metacarpus der Végel ent- sprechend der Verminderung der Phalangenzahl derart reduziert, daf sich im ausgebildeten Zustande von carpalen Elementen nur noch 2 selbst’ndige Carpalia und 3 Metacarpalia vorfinden. Da8 der Ausfall der Endglieder allein von der ulnaren Seite aus stattgefunden hat, wird jetzt wohl allgemein anerkannt, indem man die Deutung Owens, nach welcher die 3 Metacarpalia dem Metacarpale II—IV der pentadactylen Grundform homolog sein Vorderextremitiit von Eudyptes chrysocome. 153 sollen, fallen lieB. Ueber die Bedeutung der beiden Carpalia wurde vielfach gestritten, da dieselben durch Vereinigung einer urspriinglich gréferen Anzahl von Carpalelementen entstanden sein muften. Auch glaubte man nicht an ein Fehlen der Anlage der distalen Carpusreihe, sondern nahm eine Verschmelzung der- selben mit den Metacarpalia an. Schon Cuvier (1835) sprach diese Ansicht aus, ging aber zu weit, indem er an eine Ver- schmelzung aller 5 Carpalia mit dem Metacarpus glaubte. GEGENBAUR (1864) fand bei der Untersuchung des Carpus der Vogel, da’ schon zur Zeit der ersten Differenzierung des Knorpelskelettes nur 2 getrennte Sttiicke, welche er dem Radiale und Ulnare fiir homolog erachtet, vorhanden seien, und an diesen Anlagen keine Spur von Verschmelzung erkennbar sei. Die drei Metacarpalia erklart GEGENBAUR mit Bestimmtheit fiir das Meta- carpale I—III, indem er die schlankere Form des Metacarpale III mit dem gleichen Verhalten bei den Krokodilen in Einklang bringt und daher den Ausfall eines Metacarpale von der radialen Seite ausschlieBt. Von wesentlicher Bedeutung fiir die Erkenntnis der Vogel- hand war die 1873 erschienene Arbeit von ALEXANDER ROSENBERG, welche auch eine umfassende Zusammenstellung der tiber den Carpus und Metacarpus der Vogel verbreiteten Ansichten enthalt. Nach Rosensercs, am Hiihnerembryo angestellten Untersuchungen sind von der distalen Carpusreihe des primitiven Handskelettes noch zwei getrennte Stiicke vorhanden, von denen das eine spater mit den Basalflichen des Metacarpale I und II, das andere mit denen des Metacarpale III und IV verschmilzt, welche daher als Carpale ''? einerseits und als Carpale *°* andererseits zu deuten seien. Die beiden Stiicke des ausgebildeten Vogelcarpus halt RosenBerG fiir das Ulnare und Radiale, von denen das Ulnare noch mit dem Intermedium verschmolzen sei und daher ein Inter- medio-ulnare darstelle. Auch wird von ROSENBERG in manchen Fallen ein Centrale nachgewiesen, welches in der Bandmasse, die sich yom ulnaren Rande des Radiale zum Intermedio-ulnare hinziehe, gelegen sei. Am Metacarpus fand RosenBperG neben dem Meta- carpale III noch die Anlage eines kleinen Metacarpale IV, welches den Hiéhepunkt seiner Ausbildung erst sehr spat erreichen soll, alsdann, mit dem Metacarpale III verschmelzend, der Reduktion verfallt und allmahlich vollstandig verschwindet. Morse, welcher die Fliigel zahlreicher Embryonen untersuchte und seine Resultate 1874 verdffentlichte, stellte fest, da am Auf- 754 Erich Hillel, bau des Carpus mindestens 4 Knorpelstiicke teilnehmen, von denen 2 in der proximalen und 2 in der distalen Reihe liegen. Von den letzteren beiden sieht Morsr das radialwirts gelegene, welches mit dem Metacarpale III (nach der Owenschen Zéhlung) ver- wiichst, entweder fiir das verschmolzene Intermedium und Centrale oder fiir das Carpale distale? (von Owen als ,Magnum‘“ be- zeichnet) an; einen sicheren Entscheid vermag Morse nicht zu geben. Das auf der ulnaren Seite gelegene Stiick, welches mit dem Metacarpale IV (III) verwachst, bezeichnet er als das Car- pale*. Beide Stiicke der distalen Reihe sollen sich oft noch vor der Verschmelzung mit dem Metacarpus zu einem Knorpelbande vereinigen. Bei einigen Végeln fand Morse im Carpus noch einen 5. Knorpel, welchen.er bei Dendroeca aestiva neben dem Radiale abbildet und als ein Intermedium auffa8t; spéater soll dieser mit dem Radiale verschmelzen. Bei Tyrannus Carolinensis fand Morse einen kleinen Knorpel neben dem Ulnare, zwischen Radius, Ulna und Radiale gelegen, welchen er als Centrale bezeichnet. Beim ausgewachsenen Vogel entsprachen demnach die beiden Knorpel der proximalen Reihe einem Intermedio-radiale und einem Centro- ulnare. Am Metacarpus werden von MorsE nur 3 Metacarpalia beschrieben. Nach PARKER (1888) sollen 3 Carpalia mit dem Metacarpus verschmelzen, indem ein keilférmiger Knorpelfortsatz, welchen das Carpale!, ? unter das zugehérige Metacarpale schiebt, ein be- sonderes Carpale darstelle. Die beiden Knorpelstiicke der proxi- malen Reihe wurden von PARKER ebenfalls gelegentlich als doppelte Anlagen gefunden, weshalb das Ulnare als ein Centro-ulnare auf- gefa8t wurde. Am Metacarpus fand Parker noch ein Meta- carpale IV in Gestalt eines kleinen Knorpels an der ulnaren Seite des Metacarpale III. Nachdem ich so die Ansichten tiber die Entwickelung des Carpus und Metacarpus der Végel im allgemeinen dargelegt habe, will ich mich nun zur Entwickelung dieses Fliigelabschnittes beim Pinguin wenden. Entwickelungsgeschichtliche Anlagen tiber den Fliigel der Pinguine finden sich, wie bereits erwahnt, nur bei SrupgER in »Die Forschungsreise S. M. S. Gazelle“. Die Embryonen waren jedoch schlecht konserviert und wurden von SrupER nur makro- skopisch untersucht. Er fand hierbei am Carpus ebenfalls zwei Knorpelreihen. Die beiden dreieckigen getrennten Stiicke der proximalen Reihe entsprechen dem Radiale und Ulnare. In der Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 155 distalen Reihe fand SruprEr ein grofes Knorpelstiick, welches distal an das Metacarpale I und II angrenzt und sich mit einem schmalen Fortsatz bis auf die ulnare Seite zieht. Dieser Knorpel, welchen SrupER dem Carpale !*? RosEenpergs fiir gleich erachtet, soll noch einen Fortsatz zwischen Ulna und Radius einschieben, welcher nach Srupers Ansicht einem mit dem Carpale 1°? verschmolzenen Intermedium entsprechen kénnte. Ein zweiter Knorpel der distalen Reihe, welcher sich zwischen Metacarpale III und den vorigen einschiebt, also weiter distalwarts als dieser liegt und von ihm durch einen schmalen Spalt getrennt ist, soll dem Carpale °° + entsprechen. Ein Centrale werde nicht angelegt. Von Meta- carpalia fand SrupER drei getrennte Stiicke, von denen das Meta- carpale I die halbe Lange des Metacarpale II aufweise. Der Carpus. Meine eigenen Untersuchungen an den Embryonalstadien er- gaben, da’ sich der Carpus, wie er uns beim ausgewachsenen Pinguin vorliegt, urspriinglich aus 5 Carpalelementen und einem accessorischen Stiicke aufbaut. Davon bilden 2 eine proximale Reihe und fassen noch ein 3. Stiick zwischen sich, 2 bilden eine distale Reihe, wihrend das accessorische Stiick auferhalb des eigentlichen Carpus auf der ulnaren Seite gelegen ist. Der Meta- carpus setzt sich aus 4 urspriinglich getrennten Stiicken zusammen, indem sich am 3. Metacarpale noch die Anlage eines kleinen Knorpelstreifens nachweisen 1a8t. Es wird nunmehr erforderlich sein, auf diese Verhaltnisse naiher einzugehen und die einzelnen Teile zu homologisieren. Ueber die Deutung der beiden, die proximale Carpusreihe bildenden Knorpel kann kein Zweifel sein, da dieselben ihrer Lage nach dem Radiale und Ulnare entsprechen miissen. Das Radiale (Fig. 10 ry.) fand ich in allen Stadien als eine einheitliche Anlage ohne irgendwelche Andeutung von Zweiteilung. Es zeigt wahrend der Entwickelung nur wenig Formverinderung, da es schon im Stadium I annadhernd vierseitig gestaltet ist. Eine dreiseitige Gestalt, wie sie SrupER bei einem jiingeren Stadium abbildet, konnte ich nicht wahrnehmen. Die proximale konkave Flache grenzt, wie im ausgebildeten Zustande, an das untere Ende des Radius, die distale Flache reicht an den radialwarts gelegenen Knorpel der 2. Carpusreihe heran. Das Radiale ist in den jiingeren Stadien relativ klein, im Stadium III ragt es schon etwas 7156 Erich Hillel, iiber den ulnaren Rand des Radius hinaus. Eine Ausdehnung, wie sie von SrupER bei einem Fliigel der mittleren Entwickelungs- stufe dargestellt ist, erreicht jedoch das Radiale in keinem von mir untersuchten Stadium. Auch konnte ich einen von STuDER eezeichneten spitzen Fortsatz am auferen distalen Ende des Radiale nicht finden. Das 2. Stiick der proximalen Reihe, das Ulnare (Fig. 10 w), lift im Stadium I eine etwa dreiseitige Form erkennen. Ks grenzt proximal an die Ulna, distal an den ulnarwirts gelegenen Knorpel der 2. Carpusreihe und ragt nach aufen nur wenig tiber das Niveau dieser Knochen hervor. Vom Carpale radiale ist es im jiingsten Stadium noch weit entfernt. Dieser Knorpel hat also mit dem Carpale ulnare, wie es beim erwachsenen Pinguin er- scheint, noch gar keine Aehnlichkeit. Es entwickelt sich namlich aus ihm nur der von Ulna und Metacarpus umgebene Teil des Ulnare, wahrend der frei hinausragende platte Abschnitt aus einer besonderen Aniage hervorgeht. Im Stadium II erscheint auSer- halb des eigentlichen Carpus in der Anlage der langen Sehne des Flexor digiti minimi, welcher sich, wie ich oben auseinander- gesetzt habe, vom Auf enrande der Ulna bis zur Basis des 3. Fin- gers hinzieht, ein sehr schwach S-férmig gekriimmter Knorpel- streifen. Derselbe liegt dem freien Rande des Carpale ulnare gegentiber und ist von diesem durch zellreiches Bindegewebe ge- trennt (Fig. 27). Dieser Knorpel ist mit Sicherheit als ein acces- sorisches Stiick des Carpus aufzufassen, wie wir es von den Rep- tilien an bei sehr vielen héheren Wirbeltieren mit Ausnahme der Vogel, meistens in der Nahe des Carpale ulnare gelegen, auftreten sehen. Es wird von Cuvier als ,,Pisiforme“ bezeichnet, von GEGENBAUR fiir ein Sesambein angesehen und ,,Accessorium“ be- nannt. Zum erstenmale erscheint dieses Stiick bei den Seeschild- kréten, wo es nach GEGENBAUR zur Verbreiterung der Ruderflache dient. Da bei den Végeln eine derartige Verbreiterung des Fliigel- skelettes nicht erforderlich ist, so ist es hier verloren gegangen, um bei den Pinguinen, wo der Fltigel als ein Ruder funktioniert, wiederum zu erscheinen und zur Verbreiterung des carpalen Fliigelabschnittes beizutragen. Auch beim Pinguin legt es sich als ein Sesambein an, da es, wie erwahnt, in der Sehne des Flexor digiti minimi seine Entstehung nimmt. Im nachsten Stadium hat dieser Knorpel bereits an Breite zugenommen und sich dadurch dem eigentlichen Ulnare genahert, welches seinerseits dem Sesam- bein etwas entgegen gewachsen ist. Im Stadium IV ist die Ver- schmelzung bereits eine vollstindige. Die Entstehung des freien Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 157 Teiles des Carpale ulnare als ein Sesambein ist auch beim er- wachsenen Pinguin noch daran deutlich erkennbar, daf seine Basis, wie oben beschrieben wurde, proximal und distal in zwei Zipfel ausgezogen ist, da ferner die Sehne des Flexor digiti minimi an diesen Zipfeln ansetzt und im Carpale ulnare scheinbar verschwindet. Dieses Sesambein ist SrupEr, der die Extremititen nicht an Schnitten untersuchte, offenbar entgangen, da er das Carpale ulnare selbst in einem Alteren Stadium nur sehr klein darstellt und den freien Teil desselben vollkommen fortlaft. Gleichzeitig ist das Ulnare in dem der Aufenfliche des Fliigels zugekehrten Teile dem Radiale erheblich naher geriickt und im Stadium III ist die Spitze des Ulnare mit der ihr zugekehrten distalen Ecke des Radiale durch eine schmale Briicke zellreichen Bindegewebes verbunden. Im nachsten Stadium ist die bBricke bereits knorplig geworden, wodurch eine Verbindung der beiden proximalen Carpalia herbeigefiihrt ist, wie wir sie beim erwachsenen Pinguin erkennen konnten. Wir sehen in der friihembryonalen Trennung und spateren Verschmelzung des Radiale und Ulnare die Reduktion einer urspriinglich héheren Ausbildung, welche nur bezweckt, den Carpus méglichst unbeweglich zu gestalten, aus der wir jedoch nicht auf ein primitives Verhalten schlieSen kénnen. Distal vom Carpale ulnare fand ich im Stadium I noch ein kleines Knorpelstiickchen von ovaler Gestalt (Fig. 11 ¢), welches in der Nahe der dem Radiale zugekehrten Spitze des Ulnare ge- legen und von diesem durch eine schmale Bindegewebszone ge- trennt war. Es war auf einigen Seitenschnitten als ein freier Knorpel erkennbar, verschmolz jedoch auf den mehr radialwarts gelegten Schnitten mit dem Ulnare (Fig. 12). In spateren Stadien war dieser Knorpel mit dem Ulnare schon vollkommen ver- schmolzen. Ob derselbe die Anlage eines Centrale darstellt, wage ich nicht zu entscheiden, jedenfalls scheint er mir aber mit dem von ROSENBERG an dieser Stelle gefundenen und als Centrale ge- deuteten Knorpelstiicke identisch zu sein. Auch wiirde seine Lage derjenigen des Centrale vieler Reptilien entsprechen. Die proximale Carpalreihe wird beim ausgewachsenen Pinguin, wie oben bereits beschrieben wurde, nicht vom Radiale und Ulnare allein gebildet, da sich zwischen diese nach der Innenflache des Fliigels zu noch ein Fortsatz der Ulna einschiebt, welcher mit dem Radiale und Ulnare artikuliert, bis an den Metacarpus reicht und mit den distalen Randern des Radiale und Ulnare einen halb- mondformigen Bogen bildet. Dieser Fortsatz hangt in friihembryo- naler Zeit mit dem K6érper der Ulna nicht zusammen, sondern 758 Brich Hillel, ist von ihr abgesetzt. Ich konnte namlich im Stadium I zwischen der Ulna und dem Fortsatze eine feine Trennungslinie nach- weisen. Auch die charakteristische Stellung der Knorpelzellen an dieser Stelle deutete darauf hin, daf beide Teile urspriinglich voneinander vollstandig isoliert gewesen sein mitissen (Fig. 27). Schon im Stadium II war die Abgrenzung nur noch sehr un- deutlich wahrzunehmen, und in den folgenden Stadien bildete die Ulna mit dem Fortsatze ein einheitliches Stiick ohne Spuren einer ehemaligen Trennung. Man kann diesen Fortsatz mit Sicherheit als ein Intermedium ansehen, welches in jungen Em- bryonalstadien noch frei ist, jedoch bald mit dem distalen Ende der Ulna verwachst. Fir diese Annahme spricht die Lage des Intermedium in der gesamten Wirbeltierreihe, indem es fast stets in der Verlingerung der Ulna, und zwar in der dem Radius zu- gekehrten Halfte gelegen ist und seitlich vom Carpale radiale und ulnare eingeschlossen wird. Auch bildet das Radiale und Ulnare mit dem Intermedium oft einen mehr oder weniger deutlichen Bogen (cf. GEGENBAUR, Carpus und Tarsus, Tafel I, II, II). Der Fortsatz der Ulna beim Pinguin zeigt nun genau das gleiche Lagerungs- verhaltnis. StrupreR stellte in der Abbildung eines jiingeren Stadiums die Ulna ohne den Fortsatz dar und hielt einen Fortsatz der distalen Carpusreihe, wie bereits oben erwaihut wurde, fir ein Intermedium. Wahrscheinlich ist SrupER bei der ungenauen Unter- suchung getaéuscht worden, indem er den mit der Ulna noch nicht verwachsenen Knorpel als einen Teil der distalen Carpusreihe ansah. Wie ich bereits hervorhob, fand ich am Carpus eine distale Reihe, welche sich aus zwei undeutlich voneinander getrennten Knorpelstiicken zusammensetzt. Ueber die Deutung dieser beiden Stiicke kann kein Zweifel bestehen. Das radialwarts gelegene — mu den zu einem Knorpel verschmolzenen Carpale 1 und Car-_ pale 2 entsprechen, da sich an dieses das Metacarpale I und I ansetzt. Die Basis des Metacarpale I wird zwar nicht in ihrer ganzen Ausdehnung von dem Knorpel erreicht, jedoch kann ein Ausfall eines Carpale distale schon deshalb nicht von der radialen Seite stattgefunden haben, weil der aufere Rand des Knorpels mit dem des Radiale in gleichem Niveau liegt. Desgleichen muf der andere Knorpel der distalen Reihe als ein verwachsenes Car- pale ? und ¢ angesehen werden, da es distal an das Metacarpale III und, wie wir sp&ter noch sehen werden, an ein Metacarpale IV erenzt. Beide Knorpel der distalen Carpusreihe bilden einen proximal konvexen Bogen, welcher sich in die Konkavitaét der proximalen Reihe einlegt. Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 759 Es diirfte von Interesse sein, auf den Bau der distalen Car- palia und auf deren Verhalten zu den umgebenden Knochen naher einzugehen. Das Carpale 1°? stellt im Stadium I eine diinne, leicht ge- bogene Scheibe dar, deren distaler konkaver Rand dem Meta- carpale II zugekehrt und von diesem durch einen schmalen Spalt getrennt ist (Fig. 10). Der proximale, etwas konvexe Rand grenzt an das Radiale und auch noch an einen Teil des von mir als Intermedium aufgefaften Fortsatzes der Ulna. Von den beiden Seitenflachen liegt die radiale, etwas zugespitzte, der Basis des Metacarpale I gegeniiber. Die ulnare verbreiterte Seite grenzt an das Carpale 2:4 und ist nur durch einen sehr schmalen Spalt von diesem getrennt. Im nachsten Stadium beginnt sich bereits die Verschmelzung des Carpale t-? mit dem Carpale *°4 einzuleiten. Auch ist die distale Seite bereits dem Metacarpale II sehr nahe geriickt (Fig. 13); das Carpale 1°? tritt jedoch nicht in ganzer Ausdehnung an die Basis des Metacarpale II heran, sondern be- rihrt diese nur an den Randern, wahrend der mittlere ausgehéhlte Teil noch absteht. Die proximale, dem Radiale zugekehrte Flache ist fast plan und etwas geneigt, da die der AuSenflache zugekehrte Seite betrachtlich héher ist als die innere (Fig. 15). Im Stadium III ist die Verschmelzung mit dem Carpale *** eine vollkommene, soda jetzt Carpale 1°? und Carpale °:* ein einheitliches Knorpel- band bilden (Fig. 17). Desgleichen ist auch die Verwachsung mit dem Metacarpale I erfolgt, welche jedoch nur an der dem Meta- carpale II zugekehrten Seite stattfindet, wahrend die Basis des Metacarpale I frei bleibt. Weiterhin beginnt in diesem Stadium eine allmahliche Abplattung des Carpale 1°? in dorsoventraler Richtung, welche in den nachsten Stadien noch mehr zunimmt. Die Verwachsung mit dem Metacarpale II erfolgt in spateren Stadien. Im Stadium VII ist die ehemalige Selbstandigkeit des Carpale 1°? nicht mehr zu erkennen (Fig. 18). Das Carpale 3°‘ stellt im jiingsten Stadium auf dem Lings- schnitt eine etwa fiinfeckige Platte dar, deren proximale konvexe Flache dem Carpale ulnare gegeniiber liegt und mit der des Carpale 1°? einen Bogen beschreibt (Fig. 10). Distalwarts reicht es bedeutend tiefer herab als das Carpale !:? und wendet seine distale konkave Flache der konvexen Basis des Metaéarpale III zu. Die radiale Seitenflache grenzt in ihrem oberen planen Ab- schnitte an das Carpale 1°2, weiter unten wird sie etwas konkav und liegt hier dem Metacarpale Il gegenitiber, von dem sie durch einen breiten Spalt getrennt ist. Auf der ulnaren Seite ragt das 760 Brich Hillel, Carpale °** tiber das Metacarpale III hervor. Auf. seitlichen Schnitten trifft man daher ulnarwirts zuerst auf ein kleines rundes Knorpelstiickchen (Fig. 11 und 12), welches auf weiter radialwirts gelegten Schnitten an Gréfke zunimmt. Daraus geht hervor, dak dieser Knorpel urspriinglich noch mit einem anderen Metacarpale zusammenhing, welches entweder ausgefallen oder verlagert worden ist, daf also der Knorpel mit Sicherheit als ein Carpale **4 auf- gefafit werden kann. Im nachsten Stadium beginnt das Carpale 3°4, wie bereits oben erwahnt, mit dem Carpale 1°? zu verschmelzen und an das Metacarpale II und III naher heranzutreten. Da es auf der Distalfliche, wie das Carpale 1:2, konkav ist, so bertihrt es das Metacarpale III zunachst nur an den Randern (Fig. 14). Die Dicke des Knorpels ist jetzt noch sehr bedeutend, wie an einem Querschnitt (Fig. 19) zu ersehen ist. In diesem Stadium beginnt ferner am Carpale °** die Entwickelung eines kegelf6rmigen Fortsatzes und zwar auf der dem Metacarpale II zugekehrten Seite, welcher, im rechten Winkel von dem Carpale 3:4 abgebogen, radial- und volarwarts gerichtet ist (Fig. 16). Der Fortsatz legt sich dabei tiber das Metacarpale II, wie ein seitlicher Schnitt in diesem Stadium zeigt (Fig. 15). Im Stadium III ist das Carpale 3-4 mit dem Carpale 1-2? bereits vollstandig verschmolzen (Fig. 17), vom Metacarpale II und III jedoch noch deutlich abgegrenzt. Im nachsten Stadium erfolgt die weitere Vereinigung des Carpale °°4 mit dem Metacarpale II und III; der Fortsatz des Carpale °°4 beginnt jetzt mit der Innenfliche des Metacarpale II zu verwachsen. Gleichzeitig vollzieht sich, wie wir es auch beim Carpale 1°? ge- sehen haben, eine allmahliche Abplattung des Carpale *:4, bis es im Stadium VII nur noch die halbe Starke als im Stadium II besitzt. Sonst erleidet das Carpale *°4 keine wesentliche Form- verinderung mehr, Noch beim erwachsenen Pinguin ist die Grenze der embryo- nalen Carpalia distalia in Gestalt einer tiefen Furche, welche quer iiber den proximalen Teil des Metacarpus verlauft, deutlich zu erkennen; die ehemalige Grenze zwischen den beiden Carpalia distalia laBt sich jedoch nicht mehr nachweisen. Der mit dem Metacarpale II verwachsene Fortsatz des Carpale °*4 macht sich noch als eine Auftreibung auf der Innenfliche des Metacarpale II geltend, neben welcher die Sehne des Flexor digit. profundus vorbeizieht. Auch der tiber den ulnaren Rand des Metacarpale II hervorragende Fortsatz des Carpale **4 erhalt sich noch beim er- wachsenen Pinguin. Wir sehen also, da& der Carpus der Pinguine in den jiingeren Vorderextremitiit von Eudyptes chrysocome. 761 Entwickelungsstadien eine fast vollkommene Homologie mit dem Carpus der Carinaten aufweist. Bei Betrachtung der Abbildungen Morses, welche den Carpus einiger Carinaten wihrend dessen Entwickelung wiedergeben, fallt sofort die Aehnlichkeit mit dem Aufbau des Carpus, wie ich ihn bei den Pinguinembryonen ge- funden habe, auf. Auch der feinere Bau der Carpalia distalia, der von Rosensere fiir das Hiihnchen beschrieben wurde, stimmt in vielen Punkten mit dem der Pinguine genau iiberein. Alle fir den Pinguincarpus besonders charakterischen Eigenschaften, wie z. B. das starke Hervortreten des Carpale ulnare, oder die be- ginnende Verwachsung des Radiale mit dem Ulnare, treten erst sekundar in spiteren Entwickelungsstufen auf. Die Angaben StrupErs iiber die Lageverhiltnisse der Carpalia distalia weichen von meinem Befunde ginzlich ab und sind mir nur als eine Folge oberflichlicher Untersuchung erklarlich, Ueber die Verknécherungscentra der Carpalknochen konnte ich mich nicht orientieren, da sich bei den mir zur Verfiigung stehenden Stadien noch keine Andeutung von Knochenbildung am Carpus fand. Der Metacarpus. Am Metacarpus konnte ich bei den jiingeren Stadien eine Zusammensetzung aus 3 gesonderten Stiicken feststellen. Aufer- dem war noch ein 4. Knorpelstiickchen als ein Anhang des ulnar- warts gelegenen Metacarpale erkennbar. Da die Anlage eines 5. Knorpels nicht zu finden war, so kann ich zu einer ent- scheidenden Lésung der Frage, ob die 4 Stiicke dem I.—IV. oder dem II.—V. Metacarpale entsprechen, nichts beitragen. Wie ich bereits erwaihnte, wird jetzt fast allgemein bei den Végeln der Ausfall eines Metacarpale von der ulnaren Seite angenommen. Demnach waren die Metacarpalanlagen des Pinguins dem I. bis IV. Metacarpale des primitiven Handskelettes homolog. Das Metacarpale I stellt im jiingsten Stadium ein vollkommen isoliertes Knorpelstiick von der halben Lange des Metacarpale II dar. Es besitzt eine langlich kegelférmige Gestalt und ist auf dem Querschnitte fast drehrund (Fig. 19—22). Es verlauft parallel der radialen Seite des Metacarpale II, von dem es durch einen breiten Spalt getrennt ist. Das Metacarpale I reicht weiter proximalwarts als das Metacarpale Ll, seine Basis liegt daher nicht dem Carpale 1-2, sondern dem Carpale radiale gegeniiber (Fig. 10). Die radiale Seite ist schwach konvex und ragt tiber das Niveau des Radiale etwas hervor. Die Basis des Meta- 762 Erich Hillel, carpale I liegt ulnarwirts dem Carpale !'? gegeniiber. Das Meta- carpale I verandert sich nur wenig in den folgenden Stadien. Im Stadium III riickt es an das Carpale 1°? naher heran, wahrend die Anniherung an das Metacarpale II langsamer erfolgt. Das distale Ende ragt jetzt nicht mehr frei hervor, sondern wird durch einen Bindegewebsstrang mit der radialen Seite des Metacarpale II verbunden. Die direkte Anlagerung des Metacarpale I an das Metacarpale II wird dadurch erreicht, daS an letzterem im Stadium IV eine Ausbuchtung entsteht, in welche sich die konvexe ulnare Flache des Metacarpale I einlegt. Die radialen Rander des Metacarpale I und II kommen dadurch spater in eine gerade Linie zu liegen. Die Verwachsung dieser beiden Metacarpalia voll- zieht sich erst sehr spat; im dltesten von mir untersuchten Stadium waren beide noch durch Perichondrium getrennt. Eine vollkommene Vereinigung ist auch beim erwachsenen Tiere noch nicht erfelgt; die Spuren der embryonalen Trennung sind noch in Gestalt einer Furche auf der Innenfliche und einiger punkt- formiger Vertiefungen auf der AufSenflache des Metacarpus wahr- zunehmen. Der aufere Verbindungsstrang geht spater in das Periost des radialen Metacarpusrandes iiber. An dem proximalen Ende des ausgebildeten Metacarpus ist die schmale Basis des Metacarpale I von dem breiteren, durch die Carpalia distalia ge- bildeten Teile noch deutlich abgesetzt. Die Metacarpalia II und III bilden in den jiingeren Stadien 2 isolierte Knorpelstiicke von fast rundem Querschnitt. Das Meta- carpale III liegt etwas. weiter distalwarts als das Metacarpale II und ist bedeutend schwiacher als dieses. Das Metacarpale II ver- lauft in fast gerader Richtung, das Metacarpale III ist dagegen ulnarwarts stark konvex gebogen, so daf das Spatium interosseum im mittleren Teile des Metacarpus an Breite betrachtlich zunimmt (Fig. 10). Auch in spdteren Stadien, in denen die Verwachsung der proximalen Enden mit dem Carpale!:? und dem Carpale 3°+ beginnt, sind die einander gegeniiberliegenden Rander des Meta- carpale II und III sowohl am proximalen wie auch am distalen Ende noch weit von einander entfernt. Im Stadium IV sind die Enden bereits genahert, zeigen aber noch keine Andeutung von Verschmelzung. Inzwischen hat sich das Metacarpale III etwas gestreckt, so da8 der Raum zwischen beiden Knochen kleiner ge- worden ist. Im Stadium VII verlaufen beide Metacarpalia bereits einander parallel, jedoch ist ihre Verschmelzung erst am proximalen Ende eingeleitet (Fig. 18). Die Verwachsung ist, wie wir beim ausgewachsenen Metacarpus gesehen haben, eine ziemlich aus- Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 763 gedehnte; das Spatium interosseum wird dadurch zu einem schmalen Spalt reduziert. Die embryonale Trennnng ist auch jetzt noch am distalen Ende des Metacarpus durch eine tiefe Furche auf der Aufenseite angedeutet. Die Abflachung der im Querschnitt urspriinglich runden Metacarpalia erfolgt erst in dlteren Stadien und geht sehr lang- sam vor sich. Im Stadium VII ist die Abplattung noch keines- wegs so stark wie beim erwachsenen Vogel ausgesprochen (Fig. 16). Auer diesen 3 noch im ausgebildeten Zustande erkennbaren Metakarpalia, fand ich am Metacarpale III noch eine kleine Knorpelanlage, welche nach Lage und Form dem von RoseEn- BERG und ParkeR als Metacarpale IV gedeuteten Knorpel ent- spricht. Ich konnte das Stiick infolge seiner geringen Dimensionen nur auf Querschnitten deutlich erkennen. Es stellt im Stadium II einen ellipsenférmigen kurzen Knorpel dar, welcher unterhalb des Carpale **4 auf der AuSenflache des Metacarpale III gelegen ist. In jungen Stadien war es noch selbstindig und durch Binde- gewebe vom Metacarpale III getrennt (Fig. 20). Im Stadium IV begann bereits eine Verschmelzung des basalen Teiles mit dem Metacarpale IIJ, welche zunachst nur an der radialen Seite er- folgte (Fig. 21). Im 4Altesten Stadium waren Metacarpale III und IV bereits vollkommen verschmolzen (Fig. 22); beide bildeten eine einheitliche Knorpelmasse. beim erwachsenen Pinguin ist die Anlage des Metacarpale IV nicht mehr angedeutet. Auch von sekundiren Teilen des Metacarpus, wie sie von Parker fiir die Vogel beschrieben wurden, konnte ich im Stadium I einen kleinen runden Fortsatz an der ulnaren Seite des Meta- carpale II wahrnehmen, welcher das Spatium interosseum itiber- briickt (Fig. 27). In alteren Stadien war dieser Fortsatz bereits verschwunden. Er dient wahrscheinlich nur zur Insertion des M. abductor metacarpi. Einen iiberzihligen Knorpel an der radialen Seite des Meta- carpale I, welcher bei den Végeln wihrend der Entwickelung bis- weilen vorkommt und von Kenrer als ein ,,Prapollex“ gedeutet wurde, vermochte ich beim Pinguin nicht nachzuweisen. Die Verknécherung des Metacarpus beginnt im Stadium II, in welchem Metacarpale II und III im mittleren Teile eine diinne Knochenrinde erkennen lassen. Im Stadium VII sind sie mit Ausnahme ihrer Enden bereits vollstindig knéchern. Das Meta- carpale I verknéchert ebenfalls selbstindig, jedoch tritt die Knochenbildung sehr spat auf. Im Altesten Stadium zeigte der mittlere Teil erst eine sehr diinne Knochenschale. Bd. XXXVIII. N. F. XXXL 49 764 Erich Hillel, Der Metacarpus der Pinguine entspricht also ebenfalls wahrend seiner Entwickelung sowohl in der Zahl als auch in der Form der an seinem Aufbau beteiligten Stiicke dem Metacarpus eines flugfahigen Vogels. Die eigenartige, von den Flugvégeln stark abweichende Gestalt des Metacarpus macht sich erst allmahlich in den alteren Entwickelungsstufen, teilweise auch erst nach dem Ausschliipfen geltend. Die Phalangen, Im allgemeinen besitzt die Hand der Végel embryonal mehr Phalangenglieder als im ausgebildeten Zustande, und zwar wurden bei den Fliegern meistens am Metacarpale I 2, am Metacarpale II 2—3 und am Metacarpale III 2 Phalangenglieder gefunden, Beim Pinguin konnte ich jedoch auch im jingsten Stadium nur die Phalangenzahl, die wir beim erwachsenen Vogel antrafen, fest- stellen. Das Metacarpale I wies keine Spur von Phalangen- bildung auf, am 2. waren 2, am 3. nur 1 Phalanx zu erkennen. Nur die Form der Phalangen erfahrt im Laufe der Entwickelung eine Aenderung, da dieselben in jiingeren Stadien, wie alle Knochen des Fliigels, einen runden Querschnitt aufweisen (Fig. 23) und sich erst im Laufe der weiteren Entwickelung abplatten. Der Fortsatz an der Basis der Phalanx des 3. Fingers, welcher zum Ansatz der Sehne des Flexor digiti III dient, ist im Stadium I und II nicht vorhanden. Derselbe legt sich erst in spateren Stadien, gleichzeitig mit dem Sesambeine des Carpale ulnare an. Die Verknécherung der Phalangen erfolgt etwas spater als die der Metacarpalia, wie dies auch bei anderen Végeln anzutreffen ist, und zwar beginnt sie an der Grundphalanx des Index, erst spaéter an der 2. Phalanx dieses Fingers und am 3. Finger. Es scheinen jedoch auch beim Pinguin, wie bei den anderen Voégeln, am 3. Finger 2 Phalangen angelegt zu werden. Denn STUDER, welcher einen noch jiingeren Embryo untersuchte, be- schreibt am 3. Finger, welcher in diesem Stadium an Lange dem 2. gleichkommen soll, 2 Phalangenglieder, welche in spateren Stadien miteinander verwachsen. Radius und Ulna. Da der anatomische Bau der Knochen des ‘mittleren und proximalen Fliigelabschnittes, also des Radius und der Ulna, wie auch des Humerus beim erwachsenen Pinguin vom Vogeltypus stark abweicht, so diirfte es angezeigt sein, auch die Entstehungs- weise dieser Knochen naher zu priifen. Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 765 Im Stadium I sind Radius und Ulna noch vollkommen knorplig und besitzen grofe Aehnlichkeit mit denjenigen eines Carinaten. Abgesehen von dem fast runden Querschnitte (Fig. 24) betragt ihre relative Breite etwa nur die Halfte der ausgebildeten Knochen. Am Radius ist der scharfe Kamm an der Aufenseite, in welchem der Sulcus fiir den M. extensor radialis longus gelegen ist, noch nicht vorhanden. Demgemaf fehlt auch die tiefe Ausbuchtung fiir den Ansatz des M. brachialis inferior. Noch im Stadium II und III behilt der Radius diese Form bei. Am au8eren Rande des Radius tritt jetzt eine Lage von zellreichem Bindegewebe auf, welches den Radius gewissermafen tiberdacht. Im Stadium V er- scheint in diesem Bindegewebe eine Einlagerung von Knorpel- substanz, und zwar zuerst am proximalen Teile an der Ansatz- stelle des Brachialis inferior (Fig. 28). In alteren Stadien wird ‘der ganze Bindegewebsstreifen knorplig und bildet spater den scharfen Kamm an der AuSenseite des Radius. Seine Entwickelung erfolet, erst, nachdem der eigentliche Kérper des Radius bereits in seiner Diaphyse verknéchert ist. Die Verknécherung dieses Knorpels und seine Verwachsung mit dem Radius konnte ich, da mir altere Stadien fehlten, nicht weiter verfolgen. Wir haben es hier mit einer sehr merkwiirdigen Zusammensetzung des Radius aus zwei getrennten Knorpelanlagen zu tun, welche nur damit zu erkliren ist, da’ die Vorderextremitat der Pinguine urspriinglich den Bau des Fliigels eines Carinaten aufweist und alle diejenigen Eigenschaften, welche der Fliigel des Pinguins als ein Ruder- organ besitzen mu, erst sekundar ausgebildet werden. So ist auch der Kamm des Radius eine sekundare Bildung, welche be- zweckt, dem Ruder eine scharfe Kante zu verschaffen. An der Ulna, welche in ihrer Form anfangs dem Radius sehr ahnlich ist, sehen wir im Stadium I noch nichts von der Anlage eines Olecranon (Fig. 10). Die Sehnen des Triceps setzen in diesem Stadium im mittleren Teile der Ulna an. Im Stadium II weisen die Enden dieser Sehnen bereits Einlagerung von Knorpel- substanz auf, welche im Stadium V proximalwarts mit dem Epi- physenknorpel der Ulna verschmolzen ist (Fig. 28). Im Stadium VI hat das Olecranon schon seine definitive Form fast erreicht und stellt einen platten dreiseitigen Knorpel dar, welcher proximal weit hervorragt, distal dagegen schrig in den Kérper der Ulna iibergeht. Im distalen Bereiche ist das Olecranon mit der Ulna noch nicht verbunden, sondern liegt noch der bereits verknécherten Diaphyse auf. Die Anlage des Olecranon erfolgt also friiher als die des Radiuskammes, da ein Olecranon auch den Fliegern zukommt. 49 * 766 Erich Hillel, Die Abplattung des Radius und der Ulna erfolgt erst in spiteren Stadien. Noch im altesten Stadium waren beide Knochen etwa doppelt so dick als beim erwachsenen Vogel. Die Verknécherung beginnt zu derselben Zeit wie die der Metacarpalia. Im Stadium IV sind die Diaphysen fast vollstandig verknochert. Der Humerus. Ueber die Entwickelung des Humerus ist nur wenig zu sagen, da dieser aus einer einheitlichen knorpligen Anlage hervorgebt. In jungen Stadien kommt er ebenfalls dem Humerus eines Fliegers sehr nahe, da er eine schlanke Form mit fast rundem Querschnitt besitzt (Fig. 25). Die beiden Furchen fir die Sesambeine sind noch nicht ausgeprigt, der Processus lateralis ist lang ausgezogen und nach der Innenfliche des Humerus zu etwas umgebogen, wie dies bei den Fliegern meistens anzutrefien ist (Fig. 26). Die Ab- plattung erfolgt, besonders im mittleren Teile, sehr spat. Die Furchen fiir die Sesambeine sind erst im Stadium V bemerkbar, da erst zu dieser Zeit die Sesambeine sich knorplig anzulegen beginnen. Die Verknécherung des Humerus halt mit der des Radius und der Ulna gleichen Schritt. An der Muskulatur des Fliigels tritt die Reduktion zu Sehnenstringen bereits vor der Umbildung des Skelettes ein. Einige Muskeln, durch deren Fehlen der Fliigel des erwachsenen Pinguins besonders gekennzeichnet ist, lassen sich noch bei alteren Embryonalstadien nachweisen. So fand ich im Stadium I auf Querschnitten an der Innenfliche des Humerus in der Nahe seines radialen Randes die Anlage eines schwachen Muskelbiindels, welcher, wie ich auf weiter distalwarts liegenden Schnitten verfolgen konnte, iiber den Brachialis inferior hinwegzog und neben diesem am Radius ansetzte. Proximalwirts konnte ich den Muskel nicht weiter verfolgen, da die Extremititen am Caput humeri vom Schultergiirtel abgetrennt waren. Diese Muskelanlage diirfte ihrer Lage nach einem Biceps entsprechen. In spiateren Stadien wird sie ganzlich riickgebildet. Auch von den Daumenmuskeln, welche, wie oben erwihnt, beim erwachsenen Pinguin fehlen, fand ich in jiingeren Stadien, bei denen das Metacarpale I noch frei endigt, die Anlage eines Abductor pollicis, welcher vom distalen Ende des Radius nach der radialen Seite des Metacarpale I hinzog (Fig. 28 Abd. p). Auch dieser Muskel verschwindet in den Alteren Stadien. Vorderextremitit von Eudyptes chrysocome. 767 Schlu8wort. Die Entwickelung der Vorderextremitit der Pinguine hat also gezeigt, daf dieselbe in friihembryonaler Zeit dem Fliigel eines Carinaten fast in jeder Hinsicht gleichkommt. Besonders am Carpus und Metacarpus war eine vollkommene Homologie mit den Fliegern nachzuweisen. Da die Verschmelzung der Carpal- und Metacarpalknochen beim Pinguin in weit ausgedehnterem MaBe als bei den Flugvégeln erfolgt, so ist es erklarlich, daf die ein- zelnen Teile nur in jiingeren Stadien, als dies bei den Fliegern der Fall ist, diskret anzutreffen waren. Die Umbildung des Fliigels zu einem Ruder erfolgte jedoch erst in spiten Embryonalstadien, indem simtliche Knochen der Extremitat ihre rundliche Form sehr lange beibehielten. Es kann also auf Grund dieser Entstehungs- weise der Vorderextremitaét kein Zweifel mehr bestehen, da8 ihre Rudergestalt nicht, wie v. MENZBIER annimmt, ererbt, sondern durch Anpassung nachtraglich erworben ist, und da’ demnach die Pinguine von flugfahigen Vorfahren abstammen miissen. Es ist daher ausgeschlossen, daf sie sich friihzeitig vom Stammbaume der Végel abgezweigt haben, oder, wie OWEN annimmt, eine Ueber- gangsstufe der Reptilien zu den Végeln bilden. Ihre Isolierung und die damit verbundene Aenderung ihrer Lebensweise kann also nicht in weit zurtickliegenden Perioden, sondern muf erst in spaterer Zeit, als die Flugvégel bereits zu voller Entwickelung gelangt waren, erfolgt sein. Hierfiir spricht auch die geologische Tat- sache, daf} Reste von Carinaten bereits in der Kreide, die Reste eines fossilen Pinguins (Palaeeudyptes) erst im Miocain gefunden wurden. So glaube ich hinreichend bewiesen zu haben, daf die Pinguine, was ihre systematische Stellung anbelangt, zu den Cari- naten gehéren und diesen nicht als eine besondere Klasse gegen- tbergestellt werden diirfen. Zum Schlusse bleibt mir noch die angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Cuun, fiir die giitige Zu- weisung dieser Arbeit und Ueberlassung des Materials, sowie Herrn Prof. zur Strassen und Herrn Dr. WoutTereck fiir die freundliche Unterstiitzung wahrend der Arbeit meinen aufrich- tigsten Dank auszusprechen. 768 Erich Hillel, Literaturverzeichnis. v. Banr, Ueber das aufere und innere Skelett. Mrcxrzs Archiv, Jahrg. 1826. — Ueber Entwickelungsgeschichte der Tiere, Kénigsberg 1828, 1837. Baur, A second phalanx in the third digit of a carinate birds wing Science, New York 1885. — Dinosaurier und Végel. Morphologisches Jahrb., Bd. X, 1885, BLANCHARD, Organisation du régne animal. Oiseaux. Paris. Bory, Carpus und Tarsus der Saurier. Morphologisches Jahrb., Bd. II, 1876. Branpt, Beitrage zur Kenntnis der Naturgeschichte der Végel. Mém. de l’acad. Imp. de Sciences St. Pétersbourg, T. III, 1840. 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Tuberculum laterale, 7.m, Tuber- culum mediale, Cr.j. Crista lateralis, Cr.m. Crista medialis, Ine. e. Incisura collaris, Zr.r. Trochlea radialis, Zr.u. Trochlea ulnaris, S.s.a. Sulci supratrochleares anconaei, F’.s. Fovea supratrochlearis, Ol. Olecranon. Fig. 8. Muskulatur des Fliigels (Innenfliche). Spre. Supracoracoideus, Cb. Coracobrachialis, P.m. Pectoralis minor, Dl. Deltoides major, 7'.p.]. Tensor patagii longus, 7. J—IV Triceps I—IV, B.i. Brachialis inferior, F.c.u. Flexor carpi ulnaris, Fs. d, Flexor sublimis digitorum, F’.p.d. Flexor profundus digitorum, Pr, Pro- nator longus et brevis, Abd.i, Abductor indicis, F.d.III. Flexor digiti minimi, F'.m.b, Flexor metacarpi brevis. Fig. 9. Muskulatur des Fliigels (Aufenflache). Lt.d. Latissimus dorsi, Cu. Cucullaris, Isp. Infraspinatus, Ssp. Supra- pinatus, Z.I.II.IV Triceps I, Il, IV, Dl. Deltoides major, Dl.m. Deltoides minor, Sup. Supinator, E.m.r./. Extensor metacarpi radialis longus, E.m.r.b, Extensor metacarpi radialis brevis, E. d.c. Extensor digitorum communis, H.i.p. Extensor indicis proprius, Abd.m, Abductor metacarpi. Tafel XXV. Fig. 10—28. Liangs-, Quer- und Seitenschnitte durch die Vorderextremitiiten yverschiedener Embryonalstadien. H. Humerus, R. Radius, U. Ulma, r. Carpale radiale, w. Carpale ulnare, c.1°? © Carpale distale I-+II, ¢c.3:4 Carpale distale IJI+IV, ¢. Centrale, 2. Intermedium, me. I1—IV Metacarpale I—IV, B. Biceps, Abd.p. Abductor pollicis. Fig. 29 u. 30. Embryonale Skelette der Vorderextremitat im Stadium I und V (Rekonstruktion). (Aus dem zoologisch-vergleichend-anatomischen Institut der Universitat Ziirich.) Ueber den feineren Bau der Blutgefasse der Rhynchobdelliden mit besonderer Beriicksichtigung des Riickengefasses und der Klappen. Von Emily Arnesen. Hierzu Tafel XXVI—XXVIII. Das obige Thema empfing ich gleich nach meiner Ankunft in Ziirich Juni 1902 von meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Lane. Das Material wurde mir teils durch Herrn Prof. Lanes Ver- mittelung von der zoologischen Station in Neapel zugesandt (Branchellion torpedinis und Pontobdella muricata), zum Teil wurde es durch die Fiirsorge des Herrn Dr. C. HEScHE- LER, Assistenten am zoologischen Laboratorium, aus der Umgegend yon Ziirich verschafft (Glossiphonia marginata, heter- oclita, complanata und Piscicola geometrica). Eine Form — junge Exemplare von Hamenteria Ghiliani — stammt aus Herrn Prof. Lanas eigener Sammlung. Diese aber — alte Spiritusexemplare — eigneten sich weniger zu histologischen Untersuchungen. Immerhin waren sie doch brauchbar. Das aus Ziirich gebrachte Material wurde von mir selbst fixiert teils in kaltem, teils in heifem wasserigen oder alkoho- lischen Sublimat, was in saimtlichen Fallen guten Erfolg erzielte. Die lebhaften Glossiphonien wurden in der Regel zuerst mit kohlensaurem Wasser betiubt, wenn sie in kaltem Sublimat fixiert wurden. Wurden sie dagegen mit hei8em Sublimat fixiert, war dies kaum noétig, denn das Reagens tétete momentan, so daf sie keine Zeit hatten, sich zu kontrahieren. Von dem aus Neapel erhaltenen Material waren die gréferen Formen sehr schén in Sublimat, die kleineren in FLEMMrInascher Fliissigkeit fixiert. Von simtlichen Formen wurden mehrere Serien yon Sagittal-, Horizontal- und Querschnitten angefertigt. Unter den Farbungsmethoden gab van Girsons Bindegewebsfirbung (nach Hansen) mit Hamatoxylin oder Hamalaun als Kernfirbung gute Resultate, weshalb diese Methode sehr oft angewandt wurde. 2 Emily Arnesen, Auferdem wurden Eisenhimatoxylin, die Doppelfarbungen Borax- karmin-Pikrinsiure, Himatoxylin-EKosin etc. auch viel verwandt. Fiir die in FLemminascher Flissigkeit fixierten Objekte wurde Safranin gebraucht. Einige spezielle Nervenfarbungsmittel wurden versucht, aber ohne grofen Erfolg. Von Pontobdella konnten nur Priaparate von den kleinsten Exemplaren angefertigt werden, da der Darminhalt der gréfSeren zi einer so harten Masse koaguliert war, dafi sie sich nicht, ohne zu zerreifen, mit dem Mikrotommesser schneiden liefSen. Fiir wertvolle Ratschlage in Betreff des technischen Teiles meiner Arbeit bin ich Herrn Dr. Cart HeEscHELER zu grofem Dank verpflichtet. Besonderen Dank schulde ich Herrn Prof. Lane fiir die vielfache Férderung und giitiges Interesse, das er meiner Arbeit zu teil werden lief. Zuletzt sei es mir auch gestattet, an dieser Stelle dem aka- demischen Kollegium in Kristiania fiir das Stipendium, welches es mir im vorigen Jahre fiir zoologische Studien an einer aus- landischen Universitat gewahrte, meinen Dank auszusprechen. Literaturangaben friiherer Untersuchungen tiber das Blut- gefiifsystem der Hirudineen. Die gefaif- oder lakunenartige Entwickelung der Leibeshdéhle hat den Forschern grofe Schwierigkeiten geboten, ins Klare tiber die Verhiltnisse derselben zu dem Blutgefifsystem zu kommen. Teile célomatischer Natur sind fiir echte GefaSe gehalten worden — oder die beiden Systeme sind im grofen und ganzen verwechselt worden, bis schlieSlich vornehmlich durch Warrmans, Oxas und JoHanssons Arbeiten alle Teile célomatischer Natur vom BlutgefaBsystem scheinbar endgiiltig eliminiert worden sind. Oefters ist eine Kommunikation zwischen Zirkulationssystem und Leibeshéhlensystem behauptet, bestritten und wiederum be- hauptet worden, bis die erwahnten Verfasser wieder zuletzt eine solche Kommunikation in Abrede stellen. Ich gehe naher auf die Literaturiibersicht ein: Die altesten Beschreibungen stammen aus den 30—40er Jahren. Die wichtigsten sind von Leo, dem Entdecker der Klappen (1835) von Finippr, Leypiag und Buper. Die Arbeiten der drei letzten erschienen alle 1849. Finirpr behandelt Himenteria, ee Ueber den feineren Bau der Blutgefiike der Rhynchobdelliden. 773 Leypie Piscicola und Glossiphonia (Clepsine) — spater, 1851 behandelt er auch Branchellion und Pontobdella — und BupGe behandelt Clepsine bioculata. Von diesen Arbeiten ist die von Lrypia die fiir spatere Forschungen grundlegende, indem er der erste ist, der ein La- kunensystem von einem Blutgefifsystem bestimmt unterschieden hat. Nach ihm soll das Lakunensystem aus einer Medianlakune bestehen, welche durch Queranastomosen mit zwei seitlichen La- kunen verbunden ist. Er laSt aber das Riickengefaf sich frei in die Medianlakune 6ffnen. BupGe, dessen Arbeit kurz nachher erschien, verwechselte wieder die beiden Systeme und hat keine Medianlakune beobachtet (s: seine Fig. 24, Taf. II op. cit.). Er hat aber seine Aufmerk- samkeit mehr auf die Verhaltnisse in der Intestinalregion gelenkt als die friiheren, wie spiter zu erértern sein wird. In den BOEr und 60er Jahren haben QUATREFAGES (1852), KUPFFER (1864), LeuckArT (1863) und Bipper (1868) Beitrage auf diesem Gebiete geliefert. Von spezieller Bedeutung sind Kuprrers Beobachtungen tiber die Klappen (bei Piscicola), die er fiir blutbereitende Organe halt. Lreuckart beriicksichtigt die Histologie der GefafSe mehr als die friiheren Forscher auSer Lrynpia. In Betreff der Frage tiber die Kommunikation zwischen Gefab- und Leibeshéhlensystem kommt er zu keinem bestimmten Resultate. Bippers Untersuchungen liefern nichts Neues — ja kommen nicht einmal so weit wie Leypia und BuDGE. Es war erst WuirMaAn (1878), der unsere Kenntnisse wieder einen bedeutenden Schritt weiter fiihrte. Wie man an seiner Fig. 56, Taf. XII op. cit. sieht, gibt das DorsalgefaS im Vorderk6érper drei paarige Aeste und einen unpaarigen pharyngealen Ast ab. Letzterer gabelt sich gleich vor den Augen in 2 Cephalaste. Hinten bildet das Dorsalgefaf einen Analring, von dem aus das Blut durch 7 Saugnapfschlingen in das Bauchgefaf hineinstrémt. WuirMAn ist der erste, der mit Bestimmtheit hervorgehoben hat, daf das Blut- gefafsystem geschlossen ist. Die Verhialtnisse des Dorsalgefafes in der Intestinalregion hat er aber nicht beriicksichtigt — er laBt das Riickengefif einfach iiber den Darm hinziehen. In den 80er Jahren erschienen mehrere Arbeiten tiber Hiru- dineen: Horrmann (1880), Bourne (1884), Saint Loup (1885), JAQUET (1886), NusBaum (1886), ApATuy (1888), SarpLEy (1888) und Bourne (1888). 774 Emily Arnesen, Von diesen Verfassern hat Horrmann (1880) wiederum das Blutgefafsystem mit dem Lakunensystem verwechselt. Den ,,median Sinus Wairmans“ hat er nicht finden kénnen — und kann tber- haupt mit Wuirmans Beschreibung des Lakunensystems nicht einig gehen. Er kann namlich nicht die Seiten,,gefaie und ,,die in jedem Kérpersegment vorhandenen transversalen Aeste‘S zu dem Lakunensystem rechnen, da sie eigene Wandungen haben. In histologischer Hinsicht hat er nur die Klappen beobachtet und hat WuitmMaAns Beschreibung derselben ,,nichts beizufiigen’’ (p. 56). Das Lakunensystem kann er auferdem noch nicht als Reste der Leibeshéhle ansehen, denn als solche kann er nur ,,die Hohlen betrachten, welche durch Spaltung der Dissepimente entstehen“. Bourne, der Pontobdella, Piscicola, Glossiphonia (Clepsine) und Branchellion beschrieb, stimmt in seinen Hauptresultaten mit WuirmaNn tiberein. Er hat seine Aufmerksamkeit mehr als letz- terer auf die Intestinalregion gelenkt, ist aber zu keinem positiven Resultate gekommen. Trotzdem er keine direkte Verbindung zwischen Blutgefaf- system und Sinussystem hat nachweisen kénnen, ist er doch ge- neigt zu glauben, daf eine solche existiere, denn ,,the blood pre- sents similar characters in vessels and sinuses‘. Saint Loup (1885), der Hirudo medicinalis, Aulostoma, Cle- psine (Glossiphonia), Batrachobdella, Astacobdella untersucht hat, hat weder die Verhaltnisse des Dorsalgefifes in der Intestinal- region noch die Histologie desselben beriicksichtigt. Seine Be- funde iiber Clepsine (Glossiphonia) resumiert er folgendermafen: ,,Chez les clepsines, les vaisseaux latéraux sont des sinus en com- munication par des canaux anastomiques transverses. Le systéme dorso-ventral est complétement différencié du premier. Il n’y a pas de réseau variqueux, les éléments caractéristiques de ce ré- seau ou globules jaune brun sont disséminés dans le parenchyme du corps. Nous avons donc, dans certains cas, un systéme circulatoire- lacunaire représenté simplement par la cavité du corps qui con- tient le liquide sanguin; dans d’autres cas, une différenciation tendant a constituer a la fois un appareil de circulation et un appareil 4 respiration; enfin, des exemples de la formation d’un systéme circulatoire seul, lappareil de respiration n’étant pas différencié de la cavité du corps‘ (p. 75). JAQuET (1886) hat durch seine Injektionsversuche viel mehr Ueber den feineren Bau der Blutgefafe der Rhynchobdelliden. 775 Verwirrung als Klarheit in das Verhialtnis zwischen Blutgefa- system und Sinussystem von neuem hereingebracht. Nuspaum (1886) ist der einzige, welcher genauere Unter- suchungen tiber die Entwickelung des Blutgefaifsystems der Hiru- dineen angestellt hat. Er beschreibt seine Befunde folgendermafen: ,,Les deux vais- seaux apparaissent sous forme de deux cordons cellulaires pleins, impairs, l’un situé au milieu de la paroi ventrale du tube digestif, Tautre au milieu de sa paroi dorsale. Le vaisseau dorsal re- présente la partie différenciée du feuillet splanchnique du meso- derme; quant au vaisseau ventral, je ne le peux dire avec cer- tude). SR (pe 27): Er scheint der Ansicht zu sein, daS das Gefaifsystem aus einer soliden Anlage entsteht, denn er sagt: ,,Dans chaque cordon plein, apparu de cette maniére, il se différencie ensuite un cordon cellulaire central et une couche externe de cellules, séparée du. cordon par une membran sans structure, mince, mais distinctement visible. La couche externe de cellules forme Ja paroi du vaisseau, aprés qu’elles se sont fusionnées en une seul couche protoplasmi- que pourvue des noyaux; les cellules du cordon central en partie se desagrégent, en partie se transforment en corpuscules sanguins, qui remplissent la cavité du tube“ (p. 27). SHIPLEY (1888) scheint Bournes Vermutung, dal eine Kom- munikation zwischen beiden Systemen existiere, fiir zutreffend zu halten. Er sagt namlich: ,,Besides the direct communications which exist in the Rhynchobdellidae there is a communication by means of the botryoidal tissue, which is seen at its best in the Gnathobdellidae“ (p. 215). Von den neueren Arbeiten sind die wichtigsten die von BurGer (1894), OKa (1894 u. 1902), Boxstus (1896), JoHansson (1896 u. 1898), KowaLrevsky (1896, 1897 u. 1899), CuENoT (1891 u. 1897), Goopricu (1899) und A. GraF (1899). Durch OKAs und Jomanssons Arbeiten werden die friiheren Angaben — hauptsachlich so wie sie von BupGe, Bourne und speziell WuirmMan vorliegen — bestatigt oder korrigiert. Der Hauptsache nach werden WuirmANns Beobachtungen _bestitigt. Was neu hinzukommt, ist die von OKA gemachte Entdeckung eines Paares von Schlundgangliongefafen. Das Wichtigste aber, was diese Verfasser konstatiert haben, ist, daf’ es in der Intestinal- gegend einen ,,Blutsack‘S (OKA) oder eine ,,Darmlakune“ (Jo- HANSSON) gibt. In betreff der Frage, ob eine Kommunikation 776 Emily Arnesen, zwischen Gefib- und Sinussystem bestehe, sprechen beide bestimmt die Ansicht aus, da8 keine solche vorhanden ist; denn, wie Oka sagt, der Umstand, ,,daf die Blutfliissigkeit von der Lakunen- fliissigkeit durch die verschiedene Farbung zu unterscheiden ist, spricht fiir die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Kommunikation“. Boxsius (op. cit.) beschreibt ein neues Organ bei Himen- teria officinalis, ,,glande impaire‘‘, das spaiter von Kowa- LEVSKY (1899) als Herz gedeutet worden ist. KOWALEVSKY (op. cit.) beschreibt auferdem noch eine Glande lymphatique bei Himenteria costata, Dies ist ein ,,ganglienformiges“ Gebilde am Riickengefaf, welches oberhalb des Riissels zwischen 3. und 4. Ganglion liegt. Nach vorn gibt es 3 Aeste ab. Hinten miindet das aus dem Herzen kommende Riickengefif hinein. (In betreff seiner Ansichten tiber die Verhaltnisse in der Intestinal- gegend siehe p. 797/798.) Schon 1896 war KowAaLevsKys Arbeit tiber Acanthobdella pelidina erschienen. Das Blutgefafsystem dieser Form, findet er, nahert sich sehr demjenigen der Oligo- chaten. In seinen biologischen Studien tiber Clepsine (Glossi- phonia, 1897) konstatiert er nach seinen Injektionen mit alko- holischem Karmin, dafi der Inhalt in den Blutgefafen sich stark rot tingiert, waihrend der Inhalt im Lakunensystem sich entweder gar nicht oder schwach farbt. Weiter bestatigt er, da der In- halt des letzteren stark alkalisch reagiert. SchlieBlich unter- scheidet er bestimmt zwischen zweierlei Zellenformen, welche sich im Lakunensystem finden, nimlich les leucocytes und les cellules acides; letztere bilden urspriinglich eine Cdélom- epithelbekleidung, wiahrend erstere frei beweglich sind. 1891 und 1897 macht Cunnor Studien iiber das Blut, die Blutkérperchen und Lymphdriisen der Hirudineen. Die letzte Arbeit (vorliufige Mitteilung) meines Wissens tiber das Blutgefiifsystem der Hirudineen ist die 1902 von OKA er- schienene. Hier vergleicht er das Blutgefafsystem von 12 Gat- tungen der 4 Familien: Glossiphonidae, Ichtyobdellidae, Gnathobdellidae und Herpobdellidae und kommt zu dem Resultat: ,,Ein eigentliches BlutgefaSsystem besitzen nur die Glossiphoniden und Ichtyobdelliden. Dasselbe ist vollkommen ge- schlossen und ist im allgemeinen wie das Blutgefifsystem der Chiitopoden gebaut. Was man bei Gnathobdelliden und Herpo- bdelliden Blutgefife nannte, ist blo’ gefafartige Teile der Leibes- hohle.“ Er bestitigt so die schon von CurNnot (1897) ausgesprochene Ueber den feineren Bau der Blutgefiife der Rhynchobdelliden. 777 Meinung. Cutnor hat sich nimlich schon 1897 diesbeziiglich ge- aiuBert: ,,Chez les Hirudinées supérieures (Hirudo, Aulostoma, Nephelis), toute trace du systéme vasculaire a absolument disparu chez l’adulte; par contre, les sinus cavitaires se sont multipliés, ont pris tout 4 fait une allure de vaisseaux .. .“ ,,on trouve up sinus dorsal, un sinus ventral, enclavant la chaine nerveuse, deux sinus latéraux contractiles jouant le réle de cceurs, et de petits sinus renfermant les ovaires, les testicules, les entonnoirs néphri- diens etc. Ces sinus ont acquis une paroi disséquable, parfois munie de muscles; les capillaires eux-mémes ont une parois con- tractile; enfin c’est tout un vrai appareil vasculaire qui s’est con- stitué, ne loublions pas, tout entier aux dépens du coelome“ (p. 459). Wie aus dieser Uebersicht hervorgeht, sind die Anstrengungen der Forscher wesentlich darauf gerichtet gewesen, dieses Organ- system in allen seinen Teilen — sozusagen — zu entdecken und seinen gréberen anatomischen Bau zu beschreiben. Nur gelegent- lich hat man (Leypic, Leuckart, JOHANSSON, OKA) seine Auf- merksamkeit auf die Histologie desselben gelenkt. Meine Untersuchungen sind dagegen mit spezieller Riicksicht auf letzgenannte Verhiltnisse angestellt worden. Besonders ist die feinere Struktur des RiickengefaéSes und der Klappen Gegen- stand meiner Aufmerksamkeit gewesen. Von den anatomischen Verhaltnissen ist nur denjenigen in der Intestinalgegend ein ge- naueres Studium gewidmet worden, da diese am wenigsten unter- sucht sind und eine grofe Bedeutung und aktuelles Interesse ge- wonnen haben durch LANGs soeben erschienene Hamocéltheorie. Die Histologie der Gefafhwandungen. Leypié (1849) ist der erste gewesen, welcher histologische Beobachtungen iiber das Zirkulationssystem gemacht hat. Er sagt, die Wandung des Dorsalgefifes von Clepsine (Glossiphonia) bestehe aus ,,einer inneren scharf konturierten Membran, einer kontraktilen Haut und einer zarten, mit nicht eben zahlreich eingelagerten Zellen versehenen Hiille‘‘. In Ahnlicher Weise auSert er sich tiber die Verhialtnisse bei Piscicola (p. 117, 1849). Nach Leucxarr bestiinden die Gefaif®e aus ,einer scharf gezeichneten Tunica propria, einer bindegewebigen zarten Aufenhaut, zwischen denen an dem _ kontraktilen Riicken- 778 Emily Arnesen, stamme noch eine vermutlich muskulése, feinkérnige Zwischenlage hinzieht.“ Die nachste Angabe von Wichtigkeit stammt von Oxa (1894) und lautet: ,,Simtliche Gefafe sind mit einer Wandung versehen. Wo das Gefaif frei in einer Lakune liegt, wird die Wand aus zwei Schichten gebildet, einer auferen bindegewebigen und einer inneren, epithelialen, wahrend an solchen Stellen, wo das Gefa£ der Bindegewebsmasse eingelagert ist, die erstere Schicht natiirlich weefallt* (p. 114). Seine Fig. 29 stellt einen Schnitt durch die Wand einer Kammer dar. Er erklirt die Figur folgendermafSen: Nach aufen sieht man eine diinne Schicht von bindegewebiger Natur, in welche eine Anzahl von Kernen eingelagert ist. Diese Schicht ist nichts anderes, als die Fortsetzung von gewohnlichem Bindegewebe des Korpers. Weiter innenwarts von dieser Schicht findet sich eine zweite, die eigentliche Wand des Blutgefiafes. Sie ist verhiltnismaBig sehr dick und besteht aus Zellen, welche je mit einem grofien, runden Kern versehen sind. In diesen Zellen eingebettet sieht man eine Masse von fase- riger Substanz, welche offenbar regelmafig angeordnet ist und wahrscheinlich die Kontraktion der Kammern verursacht. In der ganzen Lange des Dorsalgefafes konnte ich keine andere Schicht auffinden, und da es keine besondere Muskelhiille gibt, so scheint es, daf die innere Schicht, d. h. die Wand des GefaBes selbst kontraktil istS (p. 114—115 op. cit.). JOHANSSON (1890a) ist der erste, welcher mit Bestimmtheit angibt, dafS die Wandungen des Dorsal- und BauchgefaéBes von Ringmuskelfasern (Ringmuskeltradar) umfaft sind, doch ohne naher die Struktur dieser Fasern zu erwaihnen. Auch sagt er wenig tiber die genauere Anordnung dieser Fasern. 1899 hat GrarF in seinen Hirudineenstudien, welche Arbeit mir nur in einem Auszug und mit Kopien von den Figuren 3A, 3B und 4 von Herrn Prof. LAnG zugiinglich gewesen ist — die Histologie der Wandung beschrieben. In diesem Auszug heift es diesbezitiglich: ,,Die Aufeinanderfolge der Schichten im Dorsal- gefaf ist die folgende: »4u auferst eine homogene kutikulare Schicht, in welche die Ringmuskeln eingebettet sind. Darauf folgt eine fibrillare Schicht, bestehend aus Langsfibrillen, und zu innerst treffen wir die Epithelzellenschicht.* Dies sind die wichtigsten Literaturangaben tiber die Histologie des Gefifes. Meine Untersuchungen ergeben folgendes: Ueber den feineren Bau der Blutgefife der Rhynchobdelliden. 779 Die Wandung der Gefaife besteht aus einer inneren muskulésen und einer mittleren bindegewebigen Schicht, welche nach au’en von Célomepithel (Cel- lules acides, KowALEvsKy) bekleidet ist. Oft ist aber die Muskelschicht in gewissen Teilen des Gefaf- systems nicht zur Ausbildung gelangt. So ist z. B. im Riicken- gefaf eine Muskelschicht in der Testisregion kaum nachzuweisen. In der Intestinalregion desselben und im Bauchgefife treten die Muskelzellen diffus auf; letzteres ist nicht, wie so oft von Au- toren angegeben wird, ganz unkontraktil. In den GefaSschlingen kann man die Muskulatur nur an den Ursprungsstellen beobachten. Das die AufSenschicht bildende Célomepithel ist stellen- weise oft ganz verschwunden. Es sieht aus, als ob diese Zellen sich leicht von den Wandungen losliésen, wie schon von BourNnE und KowaLevsky beobachtet worden ist. Natiirlich tritt diese AuSenbekleidung besonders zuriick bei denjenigen Formen, wo der Ventral- und Dorsalsinus sehr reduziert ist, also wo die Gefaif- wandungen den respektiven Sinuswandungen dicht anliegen, wie z. B. bei Piscicola, Pontobdella und Branchellion. Sie lakt sich jedoch in der Regel in den — stellenweise zwischen GefiS- und Sinuswandungen ausgesparten — Liicken nachweisen. Dies Epithel ist bis jetzt nur von KowaLevsky (1897) als Aufenbekleidung der GefaSe erkannt worden. Er sagt: »» -- sur les troncs nerveux, sur le vaisseau dorsal, sur l’enton- noir etc. elles (cellules acides) se trouvent quelques fois en assez grands nombres les unes auprés des autres et forment un vrai epithelium; ordinairement elles sont isolées comme si une partie de ces cellules était tombée ou détruite.“ Hieraus geht hervor, daf die GefaSwandung gelegentlich auch nur aus einer Schicht bestehen kann, nimlich aus der binde- gewebigen Schicht. Zuweilen habe ich aber auch beobachtet, dali, wo die Muskellage besonders dick ist, wie im vorderen Teil des Riickengefafes, oft streckenweise kein anderes Element binde- gewebiger Natur als die bindegewebige Muskelhiille selbst nach- gewiesen werden kann. In diesem Falle besteht dann die Wan- dung nur aus einer Muskelschicht. OKas (1894) Angabe, daf ,,es keine besondere bindegewebige Muskelhiille gibt“, kann ich nicht beipflichten. Denn an den meisten Schnitten, welche nach v. Gresons Farbmethode behandelt wurden, lief sich deutlich eine lebhaft rot tingierte Linie als innere Begrenzung der Muscularis wahrnehmen, welche von der Bd, XXXVIII, N, F. XXXI. 5O 780 Emily Arnesen, gelb gefiirbten kontraktilen Rinde der Muscularis scharf zu unter- scheiden war. Es ist aber selten der Fall, daf die Wandung nur aus der Muscularis besteht. Die Bindegewebsschicht ist ziemlich konstant und scheint bei den verschiedenen Formen wesentlich gleichartig ausgebildet zu sein. Sie besteht aus faserbildenden Bindegewebszellen, deren Fasern einen ziemlich regelmafigen Lingsverlauf haben und so dicht zu- sammengeflochten sind, dafi die ganze Schicht eine ziemlich ho- mogene Struktur bekommt, in welcher sich nur wenige, kleine Kerne zerstreut befinden. Bei denjenigen Formen, wo die GefaSwandungen den Sinus- wandungen hart anliegen, ist sie doch in den meisten Fallen von dem Bindegewebe der Sinuswandungen deutlich zu unterscheiden. Denn dieses hebt sich sofort durch seine heterogene Struktur ab, welche erstens durch den unregelmaSigen Verlauf der sich nach allen Richtungen hin kreuzenden Bindegewebsfasern und zweitens durch das Vorhandensein anderer als nur faserbildender Binde- gewebszellen bedingt wird. Die Muskelschicht besteht aus Muskelzellen von urspringlich demselben Typus wie diejenigen im iibrigen Koérper, d. h. aus groBen, réhren- oder spindel- formigen Zellen mit einer dicken, protoplasmatischen Achse und einer verhaltnismafig diinnen Rindenschicht von kontraktiler Sub- stanz. Die Protoplasmaachse besteht (wie bei den Zellen der iibrigen Kérpermuskulatur) aus sehr feinen kérnig-faserigen Lings- faden. Die kontraktile Substanz bildet auf dem Querschnitt dicht stehende, feine Leisten, welche von der Peripherie eine kurze Strecke radiair gegen das Centrum hineinstrahlen. Der rundliche oder ovale Kern ist sehr gro8 und hat einen meist langlichen, oft gastrulafoérmig eingestiilpten, sehr bedeutenden Nucleolus, welcher etwas exzentrisch gelegen ist. Der Kern liegt in der Regel in der Mitte der Zelle, welcher Teil gewéhnlich sehr ange- schwollen ist und weit ins Lumen des GefaSes hineinreicht. Oft ist die kontraktile Substanz an dieser angeschwollenen Stelle schwach entwickelt (Fig. 4 u. 5), an einigen Schnitten ist sie so- gar kaum zu entdecken. Dagegen gegen die beiden Enden der Zelle zu werden die kontraktilen Leisten dicker, und in den auBersten Spitzen ist kaum eine Protoplasmaachse mehr zu beob- achten. Oft ist jede einzelne Muskelzelle von ihrer eigenen Binde- gewebshiille umgeben. Oefter aber sind gréfere oder kleinere Ueber den feineren Bau der Blutgefife der Rhynchobdelliden. 781 Gruppen oder Reihen von Muskelzellen von einer gemeinsamen Bindegewebshiille eingefa’t, die sich rings um die in der Gruppe zu auferst gelegenen Zellen zuweilen eine Strecke weit hinein- faltet. Bei den in der Gruppe einander direkt angrenzenden Zellen ist die kontraktile Substanz nicht immer im ganzen Um- kreis der Rinde der einzelnen Zellen zur Entfaltung gelangt. Oft sieht man deshalb, daf benachbarte Zellen entweder mit ihrer Protoplasmaachse aneinander anliegen oder nur durch die kon- traktile Rinde der einen Zelle voneinander abgegrenzt sind — ganz wie man es in der tibrigen Kérpermuskulatur wahrnehmen kann (Fig. 2). Nicht selten sind die Zellen gegen die Enden zu gespalten, in ahnlicher Weise, wie man es in der Regel auch bei der dorso- ventralen Muskulatur trifft (Fig. 11d). Die Spaltung kann mehr oder weniger tief sein. Haufig greift sie zu dem angeschwollenen Teil der Zelle hinein, wie es Fig. 11 zeigt. Zuweilen sieht man die Zelle in 2, 3—4 lange Zipfel an jedem Ende ausgezogen. In den aufersten Spitzen dieser Zipfel ist keine Protoplasmaachse zu beobachten. Die Zipfel der verschiedenen Zellen flechten sich oft ineinander und verlaufen oft in der Langsrichtung des GefaBes, so da8 man glauben kénnte, man hatte es mit einer selbstandigen Langsmuskelfaserlage zu tun — moglicherweise sind auch diese Zipfel der Ringmuskelzellen die ,,Langsfibrillen* von Grar. Be- sonders charakteristisch fiir die Gefafmuskelzellen ist, daf sie durch Anpassung an ihre Funktion eine abgeflachte, bandférmige Gestalt angenommen haben — eine Modifikation, wodurch sie sich am meisten von den ausgepraigt cylinderférmigen Muskelzellen des iibrigen K6érpers abheben. Was Lrypie als ,innere, scharf konturierte Membran“ und LruckartT als ,,eine scharf gezeichnete Tunica propria‘ be- zeichneten, scheint mir nach meinen Untersuchungen nichts anderes als die kontraktile Rindenschicht der Muskelzellen selbst zu sein. Lrypies ,,kontraktile Haut“ und Leuckarts ,,vermutlich musku- lése, feinkérnige Zwischenlage“ waren dann die Protoplasmaachse der betreffenden Muskelzellen. Oxas angebliches Epithel kann ich nur als Muscularis ver- stehen. Seine Auffassung von dieser Schicht scheint mir tiber- haupt sehr unbestimmt (conf. obiges Citat p. 778) zu sein. Seine Fig. 29 ware nach meiner Ansicht folgendermafen zu deuten: Der Schnitt habe eine Reihe von dicht nebeneinander liegenden Zellen quer-schief getroffen, welche weder durch eine Bindegewebs- 50 * 182 Emily Arnesen, hiille, noch durch eine ringsum entwickelte kontraktile Rinden- schicht deutlich voneinander getrennt sind, so wie ich es an vielen Schnitten in meinen Praparaten gesehen habe. Man versteht am besten, was ich meine, durch den Vergleich mit meinen Fig. 1, 2, 3, 7 u. 8, wo ich speziell Schnitte herausgesucht habe, an welchen die Zellengrenzen einigermafen nachzuweisen sind. Die Angabe von OKA (1894), da8 ein Epithel als Innen- auskleidung der Gefa8wandungen vorhanden sei, ist meines Wissens die einzige derartige Angabe, welche in der Lite- ratur vorliegt, auger Grars Untersuchungen (1899). Aber, wie schon erwahnt, kann ich das, was Oxa (Fig. 29) als Epithel ab- bildet, nur als Muscularis auffassen. In betreff Grars Unter- suchungen muf ich gestehen, daf seine Angaben (s. p. 778) mir | schwer zu deuten sind; denn die Abbildungen, die er in Fig. 3A (Schnitt durch Riickengefaf% von Clepsine (Glossiphonia) und Fig. 4 (Oberflachenschnitt durch das Ventralgefaif von Clepsine (Glossi- phonia complanata) gibt, entsprechen meinen Beobachtungen dureh- aus nicht. Weder JOHANSSON noch KOWALEVSKY erwaéhnen ein solches Epithel. Da die Frage von prinzipieller Bedeutung ist fiir die Auf- fassung von der Entwickelung des Blutgefaifsystems, wie es aus Lanes Theorie iiber die Phylogenese des Blutgefa8- systems hervorgeht, habe ich den Rat meines hochverehrten Lehrers befolgt und eine konzentrierte Aufmerksamkeit diesem Punkte gewidmet. Es ist mir mit den verschiedenen angewandten Reagentien nicht méglich gewesen, ein Epithelium nachzu- weisen. Wohl sieht man hier und da innerhalb der Muscularis kleine Zellen mit Kernen, die ein Epithelium vortéuschen kénnten. Das scheinen aber bei genauerer Untersuchung an die Wand dicht angeschwemmte Blutkérperchen zu sein. Was die Anordnung der Muskelzellen betrifft, so gestalten sich die Verhialtnisse bei den verschiedenen Formen etwas ver- schieden. Doch im grofen und ganzen kann man sagen, daf sie als Ringe oder Halbringe das GefaifS umfassen. Die Ringe scheinen schief zur Achse des Gefafes zu stehen (Fig. 12). Ich gehe des naheren auf die speziellen Falle ein: Bei Glossiphonia sind im vorderen Abschnitt des Riicken- gefaBes die Verhaltnisse folgende: An jeder Kammereinschniirung umgreifen stark entwickelte Ringmuskelzellen das Gefaéf. Oft bilden an diesen Stellen auch Ueber den feineren Bau der Blutgefafe der Rhynchobdelliden. 783 die Muskelzellen gréSere Gruppen und nicht selten sieht man so- gar, wie in Fig. 2, Fig. 1, daf die Muskulatur der Septen sich dicht an die GefiSeinschniirungen anlegt, um, wie es scheint, die Kontraktion des Gefifes an dieser Stelle zu verstarken. An den erweiterten Stellen der Kammerwinde dagegen tritt der Muskelbelag bedeutend zuriick (Fig. 1), erstens indem die einzelnen Zellen nicht so dicht aneinanderliegen, zweitens indem die Zellen selbst viel kleiner werden — oft so schmal, da es schwer ist, ihre protoplasmatische Achse wahrzunehmen. Zuweilen scheint es auch, als ob die von den an den Einschniirungsstellen liegenden grofen Zellen ausgehenden langen Zipfel diesen Gefaf- teil schrig umschlingen. Die Ringmuskelzellen scheinen bei Glossiphonia teils ganz, teils nur halb das GefafS’ zu umfassen. Bei Pontobdella und Piscicola ist der Muskelbelag gleichmaBiger verteilt (Fig. 3, 7). Die Kammereinschniirungen sind bei diesen Formen weniger ausgeprigt oder gar nicht vorhanden und infolgedessen findet man an diesen Stellen nicht die auf- fallende Verdickung der Muscularis wie bei Glossiphonia. Im ganzen vorderen Teil des Riickengefifes ist die Muscu- laris bei diesen Formen ziemlich stark und gleichmafig entwickelt. Die einzelnen Zellen liegen in der ganzen Linge des Gefafes dicht nebeneinander, und ihre Grenzen sind zumeist nicht wahrnehmbar. Der rings um den Kern angeschwollene Teil ragt, speziell bei Pontobdella, auffallend weit ins Lumen des Gefafes hinein. Bei diesen Formen scheinen die Reifen alle das Gefaif ganz zu umspannen (Fig. 12a). Die Kerne der Reifen trifft man in der Regel an den lateralen Wandungen des Gefifes und gewohnlich alternierend rechts und links, wenn man eine Querschnittserie verfolet. Die Ringe miissen deshalb so angeordnet sein, wie das Schema (Fig. 12a) es darstellt. Bei Branchellion kommt wiederum eine andere Anordnung der Muskelzellen zur Geltung. Hier ist wohl die Muscularis wie bei Pontobdella und Piscicola in der ganzen vorderen Partie auch gleichmafig entwickelt — trotz der hier deutlich aus- gesprochenen Kammerung — aber die Reifen sind immer nur Halbreifen, welche in der dorsalen und ventralen Wand des Ge- fafes in der Regel nicht zusammenstofen. AuSerdem folgen die Ringe nicht dicht aufeinander wie bei den erwihnten Formen, sondern stehen in ziemlich regelmifigen und verhaltnismafig grofen Abstinden voneinander entfernt, wie es Fig 8 zeigt. Die Figur 784 Emily Arnesen, stellt einen sagittalen, allerdings schief getroffenen Schnitt des Riickengefifes unmittelbar vor der Testisregion dar. Die ein- zelnen Muskelzellen sind quer (schief) getroffen und eine der- selben, welche sich stark kontrahiert zeigt, ist tangential getroffen. Fig. 9 zeigt das Verhaltnis im Querschnitt: Die in feine, kontraktile Faden ausgezogenen Spitzen der halbreiffoérmigen Zellen beriihren sich in diesem Schnitte fast ganz, was aber sonst selten der Fall ist. Bei Himenteria, wo ein Teil des vorderen Abschnittes von Riickengefa8 auferordentlich dickwandig ist und von Kowa- LEVSKY als Herz — dem Herzen der Lumbriciden gleich zu stellen — in Anspruch genommen wird, scheint die Muscularis als eine in der ganzen Linge des Gefifes kontinuierliche Schicht ent- wickelt zu sein, obwohl nicht tiberall gleich dick. Die Grenzen der einzelnen Muskelzellen ist mir bei dieser Form zu entdecken nirgends méglich gewesen, aufer an ein paar Stellen im Herzen (Fig. 10). Die ganze Muscularis sieht im Querschnitt (sagittalem Schnitt des Gefifes) aus wie ein fein- kérniger Protoplasmastreifen, von dessen beiden Lingsseiten dicht- stehende, feine Stabchen (die kontraktile Substanz) mehr oder we- niger rechtwinklig gegen die Achse des Streifens verlaufen. Oft verschmelzen die Stabchen in der Achse, und man bekommt dann das Bild von einem quergestreiften Band — so wie es auch Ko- WALEVSKY in seinen Fig. 86 und 87 von der Herzmuskulatur abgebildet hat. Ich habe zur Vergleichung einen Schnitt abge- zeichnet (Fig. 10), an welchem die Stibchen nicht die ganze Breite der Zelle durchsetzen. Hier sieht man deutlich den zentralen protoplasmatischen Teil der Zellen und erkennt sogleich, daf die Stabchen der beiden Seiten ungleich entwickelt sind. Wenn man das, was itiber die Muscularis der vorher be- schriebenen Formen gesagt worden ist, in Betracht zieht, darf man ja wohl mit grofer Wahrscheinlichkeit schlieBen, daf die Muscularis der Haimenteria als eine weitere Modifikation der Muscularis dieser Formen aufzufassen ist, indem die Grenzen der dicht aneinander stehenden Zellen ganz verschwunden sind da- durch, da’ die kontraktile Substanz an den Grenzflachen nicht entwickelt worden ist. Durch diese Modifikation ist die Gefa8- muscularis in den Stand gesetzt worden, sich viel energischer zu kontrahieren als bei denjenigen Formen, wo die einzelnen Zellen ihre Individualitét beibehalten haben. Ueber den feineren Bau der Blutgefiike der Rhynchobdelliden. 785 So liegen die Verhiiltnisse im vorderen Teil des Riicken- gefaBes bei den verschiedenen Formen. In den iibrigen Abschnitten desselben sind die Verhiltnisse gleichmafiger ausgestaltet. So ist, wie schon erwahnt, bei allen untersuchten Formen die Muscu- laris in der Testisregion kaum nachweisbar. In der Anal- und Intestinalregion dagegen tritt sie wiederum deutlich auf. In dem letztgenannten Gefafabschnitte ist sie speziell im vorderen Teil, wo noch das Gefaf seine Selbstindigkeit bewahrt hat, am deut- lichsten. An gewissen Schnitten in der Intestinairegion beobachtet man auferdem, daf die dorsoventrale Muskulatur, die sich haufig an den Darm anschmiegt und seinen Muskelbelag verstirkt, auch das Riickengefaf und zumal auch oft das Bauchgefé8 umfakt — doch ohne die eigentlichen Gefaifiwandungen selbst zu bilden. Wie diese Muskulatur ganz gewif} dazu mithilft, die Darmwandkontraktion zu beférdern, so scheint sie auch diejenige des GefiSes in diesem Teile zu unterstiitzen — und die physiologische Leistung des Ge- faBes wird hier, wie man sich denken kann, stark in Anspruch genommen, wo es gilt, einen Druck zu schatfen, der das Blut durch das Gefafi- oder Lakunensystem des Darmes treiben kann. Mir scheint, es seien dies die Muskeln, welche JOHANSSON meint, wenn er sagt, ,die Ringmuskelzellen erstrecken sich hier und da auch um das eigentliche RiickengefaB“ (p. 321). Was darf man aus dem anatomischen Bau des RiickengefaBes auf die physiologische Leistung desselben schlieBen ? Wie man also gesehen hat, ist die Wandung in den ver- schiedenen Gefaifabschnitten ungleich entwickelt: vorn dickwandig, mit stark ausgebildeter Muscularis und Bindegewebsschicht. In der Testisregion sehr diinnwandig, in der Regel nur aus einer feinen Bindegewebsschicht bestehend. In der Intestinal- und Anal- region wiederum etwas muskulés. Der vordere Teil mu natiirlich als der propulsatorische Hauptapparat — als GefaSherz — in Anspruch genommen werden. Der hintere Teil (die Anal- und Intestinalregion) steht wohl auch im Dienst der Propulsation, indem er das vom Bauchgefif durch die SaugnapfgefaSe kommende Blut an und um die Darmwand zu treiben hat. Der mittlere, diinnwandige Teil scheint mir héchst wahrschein- lich die Funktion zu haben, welche JOHANSSON demselben zumutet. JOHANSSON meint, da’ das Blut, welches mit Gewalt durch die Kontraktion der Darmlakune in diesen GefaSteil eingetrieben 786 Emily Arnesen, wird, hier durch die diinne Wandung mit der im Dorsalsinus be- findlichen Fliissigkeit in osmotische Verbindung trete. ,,Diese Anordnung ist einer derartigen Kommunikation so augenscheinlich angepabt, daw es keinen Zweifel an der Richtigkeit meiner Auf- fassung gibt“, sagt JOHANSSON (p. 327, 1896). Das in dieser Weise in den Dorsalsinus hineingelangte Blut schaffe sich durch die vom Dorsalsinus ausgehenden Kommuni- kationen mit dem iibrigen Leibeshéhlensystem den Weg weiter in dies System hinein. Bald wird aber durch Kontraktionen im Leibeshéhlensystem neue Fliissigkeit in den Dorsalsinus hinein- getrieben, wobei das DorsalgefaS stark zusammengepreft und in- folgedessen sein Inhalt in das GefiSherz hineingetrieben wird. In der Weise wiirde also ein Teil des eigentlichen BlutgefaS- systems auch als propulsatorischer Apparat fiir die Leibeshéhlen- fliissigkeit dienen. Ueber die Histologie des Bauch gefafes ist nichts Besonderes zu sagen. Es ist in der ganzen Linge mit sparlich und gewéhn- lich diffus auftretenden Muskelzellen versehen, deren Zellen viel kleiner sind als diejenigen des Riickengefafes. Die Klappen. Der Entdecker der Klappen bei den Hirudineen ist Lo (1835, p. 421). Er beschreibt sie folgendermafen: ,,An einer Seite der Gefifwand befindet sich eine wenig hervorragende, halbmond- formige Falte, an der anderen Seite an derselben Stelle aber ein birnformiger, fast bis an die entgegengesetzte Seite des GefaBes reichender fleischiger Anhang mit kolbigem, frei beweglichem Ende und einer schmaleren Basis.‘ Leypia (1849), welcher der nachste ist, der diese Gebilde etwas genauer behandelt hat, charakterisiert sie bei Glossiphonia (Clepsine) und Piscicola als ,,weiche, gelappte K6érper, die in das GefaiSlumen vorragen und dasselbe bei der Kontraktion des Ge- fafes kammerartig absperren. Es bestehen dieselben aus 8—10 elementaren Zellen, welche aufer einem feinkérnigen Inhalte Kern und Kernkérperchen besitzen und wohl nur durch ein weiches Bindemittel zusammengehalten werden. Diese eigentiimliche Ver- bindungsweise macht es erklarlich, daf bei nur einigermafen tumultuarischen Bewegungen des RiickengefaiBes die Zellen sich lésen und im Blute fortgeschwemmt werden“. Ueber den feineren Bau der Blutgefaife der Rhynchobdelliden. 787 Spatere Rhynchobdellidenforscher haben sie immer beobachtet und ihnen eine mechanische Funktion zugeschrieben, indem sie dazu dienen, die normale Blutrichtung (von hinten nach vorn) zu sichern. Erst durch Kuprrer (1864) sind sie Gegenstand eines in- timeren Studiums geworden. Er hat sie nicht nur _histologisch, sondern auch physiologisch untersucht. Er beschreibt sie als be- stehend ,aus einem Agglomerat rundlicher Zellen, deren Gesamt- heit von einer durchsichtigen, diinnen Hiille umgeben ist. Die Zellen platten sich nicht gegeneinander ab, sondern bewahren in der Vereinigung ihre Form, so daf die zu auferst gelegenen bucklig hervorragen. Das Ganze sieht traubenartig aus“. Ueber die Zellen selbst sagt er, sie ,,sind rundlich bis birn- formig, prall gew6lbt, von blasser, wenn auch bestimmter Grenz- linie umschrieben, leicht granuliert und lassen einen runden Kern meistens nur matt durchscheinen“. Der wichtigste Punkt in Kuprrers Untersuchungen ist, da8 er zu dem Schlusse gekommen ist, die Klappen haben aufer ihrer mechanischen Funktion noch diejenige eines blutbereitenden Organes. Die spaiteren Forscher haben keine neuen Data in betreff der Klappen gegeben. Eigene Beobachtungen: Bei den von mir untersuchten Formen zeigen sich die Klappen bei allen ungefaihr gleich. Es sind kleinere oder gréBere — je nach den verschiedenen Spezies — traubenartige Gebilde, welche mit einem bindegewebigen Stiel an der Wandung des DorsalgefaiBes in ziemlich regelmaSigen Ab- stinden festsitzen. Die aufere Form dieser traubenartigen Gebilde ist bald kugelig, bald birnférmig. Am distalen Teile sind sie oft zer- schlitzt. Die Zerschlitzung kann oft bis an den Stiel hinein- greifen. Es sieht dann aus, als ob die Klappe aus 2—3 ,,Traub- chen‘ bestehe — je nach der Anzahl der Zerschlitzungen — von denen jedes zuweilen eine eigene Richtung einnimmt. So habe ich z. B. oft beobachtet, daf eins sich nach hinten, eins nach vorn kehrt, wahrend noch ein drittes sogar quer im Lumen stehen kann, Die Zellen selbst sind bei den verschiedenen Formen von héchst verschiedener GréB’e. Bei Branchellion und Piscicola sind sie besonders grof, waihrend sie bei Hamenteria, Pontobdella und Glossiphonia relativ klein sind. 788 Emily Arnesen, Die Anzahl der Zellen in jeder Klappe schwankt betrachtlich sowohl innerhalb derselben Spezies als bei den verschiedenen Spezies. Doch kann man die gewoéhnlichste Zahl fir Glossi- phonia und Himenteria — also diejenigen Formen, wo die Zellen relativ klein sind — zu etwa 30—40 ansetzen. Bei Bran- chellion und Piscicola, deren Zellen gréfer sind, kann man dagegen nur die Durchschnittszahl 10—15 angeben. Bei Ponto- bdella, deren Klappenzellen relativ klein sind, kénnen einige Klappen bis zu 50 Zellen enthalten, andere nicht einmal die Halfte oder ein Drittel davon. Die Form der Zellen ist in der Regel birnartig — gegen das proximale Ende der Klappe gewoéhnlich in einen langen, diinnen Zipfel ausgezogen, welcher allmahlich sich in einen sehr feinen Bindegewebsfaden fortsetzt. Alle Bindegewebsfaden nehmen ihren Ursprung vom Klappenstiel. Oft scheint ein Teil der Faden zu- sammengeflochten zu sein um einen dickeren Faden zu bilden, an dem streckenweise die Zellen regelmafig aufsitzen wie auf einer Membran. Man bemerkt zuweilen auch, daf die Bindegewebsfaden die einzelnen Zellen sozusagen umspinnen und sie in der Weise an ihrem Platz festhalten — etwa so wie ein Capilitium die Sporen eines Pilzsporangiums umspinnt, jedoch mit dem Unter- schiede, da die Zellen auch wirklich an den Faden festsitzen kénnen, waihrend das bei den Sporen nicht der Fall ist. Nirgendwo habe ich eine kontinuierliche Umhiillungshaut ent- deckt, ,,wovon die Zellen bucklig hervorragen‘’, wie LEUCKART angibt. Kuprrer driickt sich in diesem Punkte etwas unbestimmt aus. Er sagt, es sei eine ,,Hiille’. Diese ,,Hiille’ aber will er nicht als ,Membran“ aufgefaft haben, ,,obgleich man Erscheinungen begegnet, die sich durch Annahme einer Membran am leichtesten deuten lieBen“ (p. 431, op. cit.). Die Erscheinungen, worauf Kuprrer hindeutet, namlich da, wenn ,,die Zellenmasse sich vollstandig in zwei und mehr Por- tionen geteilt hat‘, die einzelnen Portionen dann doch ,,durch engere Stellen“. zusammenhangen, ,,die durchsichtig sind, keine Struktur zeigen und der Linge nach gestrichelt erscheinen“ etc., lieBen sich nach meiner Auffassung dieser Verhaltnisse sehr gut erklaren: Die ,,engeren Stellen“, die die einzelnen Portionen zu- sammenhalten, sind nichts anderes als die feinen, elastischen Bindegewebsfaden, die sich in der Lange ausgedehnt haben und die einzelnen Portionen zusammenhalten. Bei simtlichen untersuchten Formen sind die Zellen ohne Ueber den feineren Bau der Blutgefafle der Rhynchobdelliden. 789 scheinbare Ordnung an und zwischen den Faden der Bindegewebs- biindel befestigt. Nur bei Glossiphonia heteroclita (es waren jiingere Tiere) habe ich eine einigermafen regelmabige An- ordnung beobachten kénnen (Fig. 2). Hier zeigen sich an den meisten Schnitten die Klappen als zirkelférmige oder oblonge Ge- bilde, deren Peripherie durch eine ziemlich regelmabig geordnete Reihe von Zellen gebildet wird, die alle ihre Basis nach aufen wenden und hier scheinbar eine Basalmembran bilden. Im zen- tralen Teil des Schnittes ist in der Regel eine feine Lichtung zu sehen und einige unregelmabig gelegene Zellen. Letztere scheinen offenbar sich aus der peripheren Zellenreihe losgelést zu haben und ins Lumen hineingefallen zu sein. Die Klappenzellen aller Formen zeigen durchgehend den Typus einer Primordialzelle: sie haben ihre spharische Form beibehalten und sind nirgends nennenswert gegeneinander abgeplattet, obwohl sie zuweilen direkt nebeneinander liegen. Die Zellkonturen sind sehr oft nicht scharf und eben. Speziell bei Piscicola (Fig. 2) und Branchellion (Fig. 17) mit ihren grofen Zellen sind sie am Rande sehr uneben, gelappt oder oft geschlitzt bis tief in den Zellleib hinein. Der Zellinhalt ist locker granuliert. Der Kern ist gewohnlich verhaltnismafig sehr grof — in den meisten Fallen kugelig und scharf umschrieben und mit reichlicher Kromatin- substanz versehen, welche sich an Schnitten bald als Staébchen und Schleifen, bald als tiber den ganzen Kern gleichmafig zerstreute Piinktchen zeigt. Ob die Klappen inregelmafigen oder unregelmaSigen Abstinden voneinander entfernt sind, dariiber scheinen die Mein- ungen sehr geteilt zu sein. Ich erwiahne nur Folgendes: Lxzo zeichnet sie in regelmafigen Abstiinden ab. LruckarT sagt 1863 iiber Branchellion, da die Klappen im allgemeinen die Segmen- tierung des Kérpers wiederholen, spater sagt er aber (1886—1901), sie stehen in keinerlei regelmaBigen Abstinden. KUPFFER sagt: Diese Kérper stehen nicht in gleichen Intervallen voneinander‘, sondern sind im hinteren Teile seltener, nach vorn zu, namentlich in dem wellenférmig verlaufenden Teile des Riickengefifes, viel dichter. Im ganzen habe ich ihrer 15—20 gezahlt.“‘ Weder Jo- HANSSON noch Oka und Kowavevsky 4aufern sich hinsichtlich dieses Punktes. JOHANSSON sagt nur: ,,Detta organ férekomma till et vaxlande antal i hela ryggkarlets langd, dar det er odeladt, aifven i de partier daraf, som ligga emellan de i framkroppan utgiende grenarne“ (p. 91—92, 1896a). 790 Emily Arnesen, Meine Untersuchungen diesbeziiglich ergeben Folgendes: Die Klappen sind insofern regelmafig geordnet, als sie septal stehen. Daf sie aber gelegentlich nicht an allen Septenstellen zur Ausbildung gelangt sind — wie dies speziell im hinteren Teil der Fall sein kann — macht leicht den Eindruck, als ob sie nach keinem bestimmten Prinzip geordnet seien. Da die Septen die Einschniirungen des Gefafes aller Wahr- scheinlichkeit nach bedingen, kommen die Klappen — wie schon von den meisten Autoren nachgewiesen ist — eben an diese Ein- schniirungsstellen zu stehen. (Das Verhialtnis bei Pontobdella, wo das Gefaif& nicht eingeschniirt ist — oder héchstens sehr undeutlich eingeschniirt — ist spater zu erwahnen). Bei Hamenteria und Glossiphonia, wo das Kérperparenchym nicht in dem Grade zur Entwickeluug gelangt ist, wie bei den tibrigen Formen, ist die septale Stellung der Klappen leicht zu konstatieren; denn hier lassen sich sowohl die intersegmentalen als die intrasegmentalen Septen ziemlich gut nachweisen. In vielen Fallen sind sie allerdings durch die lokalen Verhaltnisse etwas schwer zu verfolgen. Am leichtesten findet man ihre Reste an den KEinschniirungsstellen des Riickengefaifes, wo sie gewéhnlich direkt inseriert sind und so als Aufhingebander des Dorsalgefabes im relativ weiten Dorsalsinus dienen, wie man es an den Figuren (Fig. 25) von Hamenteria und den zwei Glossiphoniaarten (Fig. 1 und 2) sehen kann. Man sieht sie nicht nur an der dorsalen Seite des Gefa8es, sondern auch zuweilen auf der ventralen, wenn nicht das Gefaf gerade dem Darm dicht anliegt wie in der Intestinalregion (Fig. 25). Bei denjenigen Formen, wo das Kérperparenchym dagegen stark entwickelt ist, sind in der Regel die intrasegmentalen Septen fast spurlos verschwunden oder nicht von dem umgebenden K6rper- parenchym zu unterscheiden. Nur die intersegmentalen haben sich erhalten mit ihrer wohlentwickelten Muskulatur. Sie haben aber hier ihre Funktion als Aufhangebinder des DorsalgefaéSes im Dorsalsinus verloren. Denn der durch das Kérperparenchym ein- geengte Dorsalsinus liegt hier mit seinen Wanden dem Dorsal- gefiB dicht an und hindert dadurch das Gefif aus seinem Platze zu weichen. Daf aber auch hier die Klappen septal angeordnet sind, 14Bt sich trotzdem nachweisen; denn ihre Ansatzstellen ent- sprechen immer den Einkerbungen der Kérperringe — die Ein- kerbungen der K6érperringe entsprechen aber den Ursprungsstellen der Septen. Ueber den feineren Bau der Blutgofafe der Rhynchobdelliden. 791 Bei Pontobdella, wo das Riickengeféf der ganzen Lange nach nicht gekammert ist — oder héchstens sehr undeutlich — ist es mir nicht gelungen, zu einem bestimmten Resultate tiber die Anordnung der Klappen zu kommen; denn hier, wo die déufere Ringelung aus kleineren und gréfSeren Ringen besteht, deren Grenzen undeutlich sind, konnte ich nicht sicher feststellen, ob die Ansatzstelle der Klappe der Einkerbung eines Ringes entsprache. Die allgemeine Meinung ist, daf die Klappen sich nicht in der Anal- und Intestinalregion vorfinden, und da’ das Gefaif hier nicht gekammert sei. Wohl ist die Kammerung hier nicht so aus- gesprochen wie im vorderen Teil, sie la®t sich aber doch ge- wohnlich verfolgen, und bei Hamenteria ist sie sogar ebenso deut- lich hier wie im Vorderteil (Fig. 25). Was das Vorkommen der Klappen in dieser Region betrifft, so habe ich immer 4—5 (bei Pontobdella nur 2) in der Intestinalregion und bei Hamenteria auch ein paar in der Analregion nachweisen kénnen. Diese stehen in der Intestinalregion — bei denjenigen Formen, wo noch das Riickengefa8 einigermafen seine Selbstandigkeit bewahrt hat — vorzugsweise an den Stellen, wo das Gefaf einen Ast an den Darm abgibt (Fig. 25—27) — also hauptsachlich an den Stellen der intersegmentalen Septen. Wenn sich aber hier keine Klappe findet — was auch zuweilen vorkommen kann — dann steht ge- wohnlich eine an der nachsten nach vorn oder hinten folgenden intrasegmentalen Septenstelle (Fig. 25—27). In der Regel sind die Klappen in der ganzen Linge des Ge- fies an der Wandung alternierend inseriert — was aus mechanischen Griinden leicht erklarlich ist. Wie entstehen die Klappen? Das ist eine offene Frage und sie ist meines Wissens bei Hirudineen bis jetzt nicht gestellt worden. Da ich keine embryologischen Untersuchungen gemacht habe, habe ich sie in statu nascendi natiirlich nicht beobachten kénnen. Dagegen habe ich aber versucht, die hier gewonnenen morpho- logischen Befunde zu Schliissen tiber die Entstehungsweise dieser Gebilde zu verwerten. Es ist mir auffallend gewesen, daf die Klappen immer septal stehen. Es ware denkbar, die Septen hatten etwas mit ihrer Entstehungsweise zu tun, aber in welcher Weise ist schwer mit Bestimmtheit zu sagen. Da8 die Septen friiher gebildet sein méchten als das Riickengefi® und die Klappen sich von dem Teil des Septums gebildet hatten, welcher wahrend der Entstehung des 192 Emily Arnesen, Gefiikes darin eingeschlossen zu denken wire, darauf kénnte ein beobachteter — allerdings scheinbar abnormer — Fall bei Bran- chellion deuten (Fig. 17). Wie die Fig. 17 zeigt, tiberspannt hier die Klappe wie eine Briicke quer das Lumen des GefaSes und ist an beiden Gefafwandungen befestigt. Die Klappenzellen sind ziem- lich regelmafig an beiden Seiten des bindegewebigen Stranges ge- ordnet. Es ware in der Konstruktion dieser Klappe nichts, welches gegen die Vermutung sprechen wiirde, daf diese Klappe aus dem im GefiSlumen eingeschlossenen Teil des Septums gebildet ware. (Der an der rechten Seite der Figur befindliche Vorsprung 1la8t sich ohne Schwierigkeit als durch eine Hervorwucherung von Zellen entstanden denken.) Das ganze Gebilde war so locker ge- baut, da8 es kaum als ein Hindernis fiir den Blutstrom angesehen werden konnte. Dieser Fall ist aber, wie gesagt, exceptionell. In den meisten Fallen, speziell bei 4lteren Tieren, sind die Zellen der Klappe ganz ohne Ordnung in einem Biischel vereinigt, so da man von ihrem Bau auf ihre Entstehungsweise nichts schlieBen kann. Bei jiingeren Formen dagegen — so wie ich sie speziell bei Glossi- phonia heteroclita beobachtet habe, scheinen die Verhaltnisse deutlich dafiir zu sprechen, dafi die Klappe durch eine Einstiilpung der Gefa8wand im Winkel zwischen letzterer und dem Septum entstanden sei. Wie Fig. 2 zeigt, erscheint die Klappe von Glossi- phonia heteroclita an einem Querschnitt als ein ringférmiges Ge- bilde, dessen regelmaBig geordneten Zellen ihre Basis nach aufen kehren und durch eine periphere Basalmembran zusammenhangen. In der Lichtung des Ringes liegen einige Zellen frei, die sich augenscheinlich von dem Zellenverband losgerissen haben. Alle meine Praparate von Glossiphonia heteroclita sprachen so deutlich fiir die Meinung, daf die Klappen von auBen eingestiilpt seien, daf ich sofort — ganz unbefangen, ohne von Lanes Theorie tiber die Entstehung derartiger Gebilde etwas zu wissen, vermuten muSte, diese Bildungsweise sei die wahrscheinlichste. Wenn man nun auSerdem noch die grofe Uebereinstimmung der Klappenzellen mit den Cdlomepithelzellen, worauf schon mehrere Forscher aufmerksam gemacht haben, in Betracht zieht, wird die Wabhrscheinlichkeit dafiir noch gréfer. Nimmt man nam- lich nicht an, daf& die Klappen von aufen eingestiilpt sind, so ist es schwer zu erklaren, woher sie stammen. Denn es gibt inner- Ueber den feineren Bau der Blutgefiaife der Rhynchobdelliden. 793 halb der Gefifwand keine Zellenelemente von gleichem Bau, woraus diese Gebilde ihren Ursprung genommen haben kénnten. Allerdings wire eine Méglichkeit dafiir vorhanden, da8 sie innerhalb des GefiaBes gebildet wiren, wenn es sich heraus- stellte, dab das Gefa&system aus einer soliden Anlage entstanden wire, was auch wirklich Nuspaums Untersuchungen (1886) (p. 778 —779) zu konstatieren scheinen. Die Klappen kénnten dann als Reste dieser soliden Anlage innerhalb des GefiBes erklart werden. Es scheint mir aber doch, da’ diese Verhialtnisse nicht ge- niigend erértert sind, um mit Bestimmtheit annehmen zu diirfen, da8 die Anlage des GefaSsystems solid ist. Ich stehe also nach dem hier erérterten nicht an auszu- sprechen: Meine Befunde deuten darauf hin, da8B die Klappen als taschenfébrmige Einsttilpungen der Ecken zwischen den Lamellen der Septen und der Gefi8wandung selbst entstanden sind. An diesem Einstiilpungsproze8 kénnen die Lamellen des Septums und die Gefafwandung in verschiedenem Grade sich be- teiligt haben, — so dafi man in dem speziellen Fall eine Klappe haben kann, die entweder fast ausschlieBlich von der oder den Lamellen des Septums, oder fast ausschlieSlich von der Gefaf- wandung selbst gebildet ist, — oder beide Teile kénnen sich gleich- mafig beteiligt haben. Die friiher beschriebene _,,zerschlitzte“ Form, die man bei einigen Klappen findet — und die ich mir nicht durch mechanische Eingriffe entstanden denken kann, 1laBt sich gut verstehen, wenn man sich vorstellt, daf die eingestiilpten Ecken der zwei aneinander stofenden Célomsackwandungen, welche die Klappen bilden, nicht zu einem einheitlichen Gebilde zu- sammengeschmolzen sind, wie dies in der Regel der Fall zu sein scheint, wenn die beiden Ecken sich an der Klappenbildung be- teiligt haben. Haufiger scheint aber der Fall zu sein — wie ich speziell von den Praparaten von Glossiphonia heteroclita vermuten darf — daf nur oder fast ausschlieflich die Ecke des einen Célomsackes an ihrer Bildung teilnimmt. Die Klappen als blutbereitende Organe. Trotz der grofen Aufmerksamkeit, die ich der Sache ge- widmet habe, ist es mir nicht gelungen, tiber die Entstehung der Blutkérperchen zu einem bestimmten Resultate zu kommen. 794 Emily Arnesen, Ich finde es mit Kuprrer wahrscheinlich, daf sie von den Klappen gebildet werden. Eine Bemerkung von HorrmMann (1880) diesbeziiglich spricht auch fiir die Richtigkeit dieser Annahme, nimlich ,,da8 bei den Embryonen mit dem Auftreten der Klappen auch die ersten Blutkérperchen sich zeigen‘ (p. 57). In welcher Weise sie aber entstehen, kann ich nicht bestimmt sagen. Tei- lungsstadien habe ich namlich nicht direkt beobachten kénnen — wohl aber habe ich Klappenzellen mit 2 Kernen angetroffen, woraus zu schlieBen ware, es habe eine Teilung stattgefunden. An mehreren Stellen habe ich beobachtet, dafi einige Klappen- zellen frei in der Nahe der Klappe sich befinden. Diese haben sich wahrscheinlich in der von Kuprrer beobachteten Weise aus dem Zellenverband der Klappe losgelést. Bei den Formen mit kleinen Klappenzellen sind die Blut- kérperchen nicht so viel kleiner als die Klappenzellen, und da gradweise Gréfenunterschiede zwischen letzteren und den Blut- kérperchen zu entdecken sind, so halte ich es fiir wahrscheinlich, daf die Blutkérperchen nur losgerissene Klappenzellen sind, welche durch Protoplasmaverlust immer kleiner werden — bis schlieflich nur ein kleiner Protoplasmarest rings um den Kern trig bleibt. Einen Kern haben namlich die Blutkérperchen — was aber KupFFER verneint. Da auferdem dieser Kern denjenigen der Klappenzellen ganz gleich ist, finde ich meine oben ausgesprochene Vermutung noch wahrscheinlicher. Bei den Formen mit grofen Klappenzellen halte ich es nicht fiir unmdglich, daf die Blutkérperchen, die hier sehr klein sind im Verhaltnis zu den Klappenzeilen (ja sogar 3—4mal kleiner als der Kern derselben) durch irgend eine simultane Teilung ent- stehen, was wohl auch KuprreEr (1864) gemeint hat, wenn er sagt: »lch muf nach allem annehmen, daf die vorgeschobenen reifen Zellen endogene Brut bilden bis zur Anfiillung der Mutterzelle, dann plétzlich bersten und den Haufen aneinander haftender Brut- zellen an ihrer Stelle zuriicklassen“ (p. 343). Allerdings ist diese Teilungsweise friiher nur bei Protozoen beobachtet worden — das ganze Aussehen der Zellen spricht aber wirklich zu Gunsten einer solchen Annahme. Erstens einmal ist die Kernmembran in sehr vielen Fallen ganz undeutlich und die Form des Kernes sehr variabel. Die Kromatinsubstanz ist haufig als feine Kérner regelmaSig durch den ganzen Kern zerstreut (die Kérner haben dieselbe Gréfe wie der Kern der Blutkérperchen). Das Protoplasma der Zellen sieht aus, als Ueber den feineren Bau der Blutgefiae der Rhynchobdelliden. 795 ob es aus kleinen Kiigelchen bestande. Ich bin aber.trotz eifriger Beobachtungen nicht im stande gewesen, Kromatinkérnchen in den Kiigelchen mit Bestimmtheit nachzuweisen — so bleibt es noch problematisch, ob eine Zerfallteilung vorliegt oder nicht. Das DorsalgefifR in der Intestinalregion. In betreff dieses Abschnittes des DorsalgefiSes stimmen OKa und JOHANSSON, die die neuesten und detailliertesten Unter- suchungen diesbeztiglch angestellt haben, darin tiberein, daf die intestinale Partie des Verdauungsorganes von einem ,,Blutsack“ (OxA) oder einer ,,Darmlakune“ (JOHANSSON) umgeben ist. Oxas (1894) Untersuchungen umfassen Reprasentanten der Glossiphonidae (Glossiphonia [Clepsine| complanata, hetero- clita, bioculata, marginata und tesselata), wiaihrend JOHANSSONS Untersuchungen sich auf Ichtyobdelliden beziehen (Ponto- bdella, Caliobdella, Piscicola, Cystobranchus, Abranchus, Platy- bdella). OKxa beschreibt die Verhaltnisse bei Clepsine (Glossi- phonia) folgendermafen: ,,Die 15. Kammer steht mit einer Reihe yon geraumigen Blutsicken in Zusammenhang, welche die Darm- aussackungen sowie den ganzen Darm umfassen (Fig. 25dg). An der Stelle, wo der Darm beginnt, erweitert sich das Dorsalgefal plétzlich zu einem grofen Raume, welcher genau dieselbe Gestalt hat wie der Darm, den es umschlieft, so daf} derselbe von allen Seiten von Blutfliissigkeit umspiilt wird“ (p. 111 op. cit.). Weiter sagt er (p. 111): ,,Der Blutsack liegt bei vielen Spezies, z. B. Cl. complanata, heteroclita, bioculata dem Bindegewebe der Leibes- wand eng an, bei anderen aber, wie bei Cl. marginata und tesse- lata, ist er von letzterer durch eine Lakune (Fig. 187) geschieden. Die Wand des Blutsackes ist nicht vollstandig von der des Darmes getrennt, sondern sie steht mittelst vieler Bindegewebsstrange oder -balken mit derselben in Verbindung, so da8 die Oberflache ein unebenes Aussehen zeigt’ (Fig. 15). In ungefaihr gleicher Weise beschreibt JoHANSSON die Ver- hiltnisse bei den Ichtyobdelliden (speziell erwahnt er Piscicola, Callobdella und Abranchus). In der Blinddarmregion steht das Riickengefai®, sagt er, ,durch zahlreiche bald weite, bald enge Oeffnungen in Verbindung mit einer um den Darm_liegenden Blutlakune, die ich deshalb die Darmlakune genannt habe. Diese: Bd, XXXVIII. N. F. XXXI. 51 796 Emily Arnesen, breitet sich zwischen dem Epithel des Darmes und seiner Mus- kulatur aus und ist aus weiten Kanilen gebildet, die so mit- einander zusammengeschmolzen sind, daS das Muskellager des Darmes nur an zerstreuten Stellen durch feinere und grébere Strange von Bindegewebe mit dem Darmepithel zusammenhangt* (Fig. 9). Die Verbindung dieser Darmlakune und des RiickengefiBes ist an gewissen Stellen so weit, daf dieses seine Selbstandigkeit ginzlich verliert und in solchem Falle scheint es, als ob der Darm im Riickengefa& eingeschlossen sei. Mir scheint es auch einiger- mafen berechtigt zu sein, die Darmlakune als wenigstens teilweise von den Ausbuchtungen des Riickengefifes gebildet aufzufassen, wenn sie auch durch mehr oder weniger selbstindig gebildete Liicken des Bindegewebes entstanden ist. Indes zeigt sich das Riickengefa8 zum gréB8eren Teil an der Riickenseite der Darm- lakune von dieser differenziert, und wo dieselbe im 5. Segmente der Blinddarmregion aufhért, geht das Riickengefaf weiter nach hinten . . .“ (p. 321 op. cit.). Von friiheren Autoren, die diesen Verhaltnissen ihre Aufmerk- samkeit gewidmet haben, sind speziell BupGE und Bourne zu erwahnen. In seiner Arbeit tiber ,Clepsine bioculata‘ hat BupGE keine Darmlakune beobachtet, wohl aber ein ,,Ringgefak rings um jede Darmaussackung (spaéter zu erwahnen). Bourne aufert sich unter den von ihm beschriebenen Formen (Piscicola, Branchellion, Pontobdella und Clepsine [Glossiphonia]) nur tiber die Intestinalregion von Piscicola und zwar folgender- mafen, nachdem er itiber Bupaes ,,Ringgefife's gesprochen hat: 1 cannot speak positively regarding these branches (,,Ringgefake“) of which Wurman makes no mention. My sections show that such branches exist, but I cannot trace their distribution, and I have not had an opportunity of examining the transparent species, C. bioculata used by BupGE; that they supply the intestinal walls is probable enough, but that they open directly into the lateral sinuses I very much doubt“ (op. cit., p. 462—63). Eigene Beobachtungen: Es ist mir vom Anfang meiner Untersuchungen an auffallend gewesen, wie verschieden das Riicken- gefifS sich in der Intestinalgegend verhielt — selbst bei Spezies derselben Gattung (Glossiphonia). Bald verlief es als ein deut- lich isoliertes GefifS dem ganzen Darm entlang — allerdings an die Wandung desselben dicht angeklebt — und nur stellenweise durch sehr enge, gefaifartige Gebilde Blut in das Bindegewebe des Ueber den feineren Bau der Blutgefife der Rhynchobdelliden. 797 Darmes hineinrieseln lassend, ohne eine eigentliche Darmlakune zu bilden (Fig. 25—27). In einem Falle war sogar keine Verbindung zu beobachten (Fig. 30). Bei anderen Formen hingegen war die dem Darm zugekehrte Seite der GefiSwandung mehr oder weniger unvollkommen ausgebildet, so daf das Blut hier durch sehr grofe Liicken an den Darm heranstrémte und sich zwischen das Bindegewebe und Epithel desselben hineindrangte, um einen echten Blutsack zu bilden, wie man es am deutlichsten an der Fig. 29 von Piscicola sieht. Letztere Verhaltnisse sind schon, wie in der Literaturtibersicht erwahnt, von OKA und JOHANSSON beschrieben worden. Diese Verfasser haben aber wahrscheinlich keine Formen zur Untersuchung gehabt, bei denen ein Blutsack nicht zur Aus- bildung gelangt ist, und haben diese Verhialtnisse nicht von einem vergleichend-anatomischen Gesichtspunkt aus betrachtet. Ich glaube aber, da’ sie sich ohne Schwierigkeit unter einen solchen Gesichtspunkt bringen lassen. Wie die schematischen Fig. 25—29 zeigen, lassen sich die Umbildungen des RiickengefiSes stufenweise verfolgen. Be- trachten wir zuérst den Fall, wie wir ihn bei Haimenteria finden, so beobachten wir, da’ das RiickengefaB hier der ganzen Intestinalgegend entlang als ein selbstandiges, deutlich gekammertes GefafS verliuft — und zwar im letzten Segment dieser Region oft deutlicher als im vorletzten zu erkennen ist. An jedem inter- segmentalen Septum gibt es feine Zweige an die Wand der Darm- aussackungen ab, welche sich in das sehr lockere Bindegewebe éffnen, wodurch das Blut dasselbe durchrieselt oder gelegentlich feine Spaltriume darin aushéhlt (Fig. 25). DaB8 es wirkliche Gefae (also Zweige vom RiickengefaS) sind, die hier im Bindegewebe der Darmaussackungen verlaufen, und daf es sich nicht um Spaltriume in demselben handelt, zeigt zur Gentige der Querschnitt durch eine Darmaussackung — und zwar an deren ziemlich distalen Teile — wo man deutlich eine eigene GefaSwandung wahrnehmen kann (Fig. 15). Aber nicht nur an den Stellen der intersegmentalen Septen, sondern auch gelegent- lich an den intrasegmentalen Septenstellen, wie Fig. 25—28 zeigen, beobachtet man, da’ Intestinalgefii&e vom Riickengefaf sich ab- zweigen. Diese Verhaltnisse des Riickengefifes in der Intestinalregion von Himenteria sind friiher nicht beobachtet worden, denn Ko- WALEVSKY, der einzige, der die Anatomie von Himenteria (costata) etwas genauer studiert hat, sagt: ,Je ne posséde pas 51? 798 Emily Arnesen, beaucoup d’observations sur ce sujet et je reproduis ici quelques photographies Fig. 81, 82 et 83 qui ont lintérét de documents exacts“ (op. cit. 31). Er glaubt aber, die Verhaltnisse seien so wie von OKA bei Glossiphonia beschrieben. Sie liegen aber bei Himenteria, wie meine Untersuchungen zeigen, den Verhaltnissen bei Acanthobdella pelidina (KowALEvsky 1896a) viel naiher. Betrachten wir zunaichst, wie die Verhaltnisse bei Bran- chellion (Fig. 16 u. 26) liegen. Ein Blick auf Fig. 26 ergibt sofort, da% diese hier ungefahr so sind wie bei Haimenteria. Der weseptlichste Unterschied ist nur der, da’ das RiickengefafS im hinteren Teil viel schmaler und nicht so deutlich gekammert ist, wie im vorderen Teil. Bei Glossiph. complanata (Fig. 27, 18, 19, 20) hat gleichfalls das Riickengefaf noch seine Wande in der ganzen Lange beibehalten. Die Kammerung aber ist noch undeutlicher geworden als bei Branchellion. Die Verbindungen mit der Darmwand sind hier sparlicher vorhanden, — sie kommen nur hinten und vorn vor. Vorn scheint eine Verbindung schon an der Stelle des intra- segmentalen Septums zu sein, welches gleich vor dem ersten In- testinalsegmente liegt. e Erst bei Gl. marginata (Fig. 28) merkt man einen erheb- lichen Unterschied. Hier ist die am Darme anliegende GefafSwand sehr unvollstindig ausgebildet. Hier kann man nicht mehr von Gefafen sprechen, denn hier flie{t das Blut durch grof’e Liicken in der ventralen Wand des Riickengefafies an die Darmwand heran. Allerdings sieht man noch an der Grenze des ersten und des letzten Intestinalsegmentes gefifartige Verbindungen, so wie bei den friiheren Formen. Bei Gl. marginata scheinen noch die Liicken einigermafen regelmaBig geordnet zu sein, indem sie nadmlich vor- zugsweise an einer septalen Stelle sich finden. Wenn OKA sagt: Auf Schnitten sieht man hier und da das Dorsalgefaif durch eine Scheidewand von dem iibrigen Teil des Blutsackes getrennt, gréBtenteils steht es doch in offener Kommunikation mit dem letzten‘‘, so kann diese Scheidewand nur der Rest der ventralen Wandung des Riickengefaifes selbst sein, wie aus seiner Fig. 25 hervorgeht. Bei Gl. heteroclita sind die Verhaltnisse ungefahr so wie bei Gl. marginata. In ihrer extremsten Umformung sieht man aber die Verhalt- nisse bei Piscicola (Fig. 21, 22, 29). Hier ist die ganze ventrale Wand des RiickengefaéSes von kleineren und gréferen Liicken durch- bohrt und jede Spur von gefaSartigen Gebilden fehlt. Die Liicken scheinen aber — insofern man noch dariiber urteilen kann — | | | Ueber den feineren Bau der Blutgefafe der Rhynchobdelliden. 799 vorzugsweise die Ursprungsstelle ihrer Durchbrechung an septalen Stellen gehabt zu haben. Kigentiimlich sind die Verhiltnisse bei Pontobdella (Fig. 23, 24, 30). Hier verliuft das Gefif der ganzen Lange nach, ohne in scheinbar direkte Verbindung mit der Darmwand zu treten. Es buchtet sich nur stellenweise gegen die rings um die Darmwand gelegenen Liicken hin, tiber deren Ursprung gleich zu sprechen ist. Da, wie gesagt, das Riickengefaf’ durch keine Oeffnungen in direkter Verbindung mit der Darmwand steht, so findet sich bei Pontobdella infolgedessen kein eigentlicher Blutsack, so wie dieser von JOHANSSON und OKA definiert ist als eine Lakune zwischen Bindegewebe und Epithel des Darmes, welche mit dem vom Riicken- gefaf durch engere oder weitere Oeffnungen hineinstrémenden Blut gefiillt wird. Trotzdem sieht man doch rings um den Darm herum grofe Liicken mit scheinbar demselben Inhalte wie in den Ge- fafen. Diese liegen aber auferhalb des Bindegewebes und der Muscularis des Darmes (Fig. 23, 24, 30) und kénuen nur als Reste eines Darmsinus aufgefait werden. Mit Darmsinus meine ich dasselbe wie JOHANSSON, namlich eine Fortsetzung des Dorsal- sinus. Wie man an Fig. 30 sieht, spaltet sich gleich am Ueber- gang zur Intestinalregion der Dorsalsinus in zwei Teile, von welchen der eine sich zwischen den Darm und die direkte Fortsetzung des sehr engen Dorsalsinus einkeilt (Fig. 30). Wahrend aber dieser Dorsalsinus bei JoHANssons Callobdella (Fig. 4, 1896b) sich nur zwischen Darm und Blinddarm befindet, geht sie bei Pontobdella rings um den Darm. Die Wande des Darmsinus sind so diinn (Fig. 24), dal ohne Zweifel sein Inhalt durch Osmose in das Bindegewebe des Darmes_hineinstrémen kann, wo er dasselbe durchrieselt oder gelegentlich feine Spalt- raume aushohlt. Die Wande des RiickengefaSes sind gleichfalls sehr diinn (Fig. 23), so dafS’ auch hier augenscheinlich ein osmo- tischer Austausch zwischen dem Inhalte des Dorsalgefafes und demjenigen des Dorsal- und Darmsinus stattfindet. Es wiirde dann in der Intestinalregion eine osmotische Kommunikation zwischen Blut und Leibeshéhlenfliissigkeit stattfinden. Dies ist nicht nur der Fall bei Pontobdella, sondern scheint auch speziell bei den Formen mit reichlicher Parenchymentwickelung der Fall zu sein. Bei diesen habe ich naimlich 6fters beobachtet, daf Liicken unzweifelhaft célomatischer Natur sich zwischen die echten Blut- sackliicken einkeilen, ja sogar dem Epithel des Darmes selbst an- liegen — wie ich es speziell bei Branchellion gesehen habe. In 800 Emily Arnesen, der Weise gelangt die resorbierte Darmfliissigkeit auch zuweilen direkt in eine Célomliicke hinein. Aus letzterem geht hervor, daf die im Darmbindegewebe befindlichen Liicken von dreierlei morphologischem Werte sind. Erstens sind es gefiSartige Einkeilungen vom Riicken- gefails — was JOHANSSON anzunehmen scheint, indem er wie zitiert (p. 51) sagt, die Darmlakune sei ,,als wenigstens teilweise von den Ausbuchtungen des RiickengefiBes aufzufassen“. Zweitens sind es gréfere und kleinere Spaltraume ohne eigene Wandungen im Darmbindegewebe selbst oder zwischen Darmepithel und Darmbindegewebe, welche in direkter Kommuni- kation mit dem Dorsalgefaf stehen. Drittens sind es Liicken célomatischer Natur, welche sich, wie gesagt, speziell bei den mit reichlichem Parenchym ver- sehenen Formen entweder direkt an das Bindegewebe des Darmes anlegen oder sich darin einkeilen. Ueber das Bauchgefaf in dieser Gegend ist wenig zu sagen. Es verlauft teils naher, teils ferner vom Darm (Fig. 25—30). Kine direkte Verbindung zwischen Bauchgeféif{ und Darmlakune habe ich nicht beobachten kénnen — wohl aber, dafS das GefaS sich mit seinen Wandungen in der von Oxa beschriebenen Weise direkt dem Blutsack anlegt (Fig. 31). Zuweilen habe ich auch bemerkt, da8, wo das Gefa in einiger Entfernung vom Darm verlauft, es sich dann oft gabelt — aber wie es scheint ganz unregelmabig. Allgemeines. Wie diese Befunde zu deuten sind, kann fraglich sein. Ob hier eine Riickbildung oder Entwicke- lung vorliegt, ist schwer zu sagen. Ist die Darmlakune sekundar oder primar entstanden ? Falls sie sekundér entstanden ware, miikte das Gefa8system der Rhynchobdelliden urspriinglich so gewesen sein, wie bei Acanthobdella pelidina, wo es nach KowaLrEvskys (1896a) Be- schreibung aus einem ventralen und einem dorsalen Gefaf besteht, »qui donnent des vaisseaux capillaires aux parois de J intestin", und die Darmlakune ware dann durch Reduktion der Intestinal- gefife zu stande gekommen. Die beschriebenen Gefazweige und Liicken in der ventralen Wand des DorsalgefaSes waren dann als rudimentiire Intestinalgefife zu betrachten. Ebenso méglich ist aber auch, daf die Darmlakune primar entstanden ist und Formen wie Piscicola die urspriinglicheren sind, wo das Riickengefa sich noch nicht vollstandig von der Blutlakune isoliert hat. Ueber den feineren Bau der Blutgefafe der Rhynchobdelliden. 801 Literatur. Apatuy, St. (1888a), Analyse der auferen Kérperform der Hiru- dineen. Mitt. Zool. Stat. Neapel, Bd. VIII, 1888. — (1888b), Sii®wasserhirudineen. Hin System. Essay. Zool. 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Fiir alle Figuren geltende Benennungen: b Bindegewebe des Gefafes. | kif Bindegewebsfaden der Klappe. bl Blutkérperchen. klzg Klappenzelle. bl.d Blinddarm. kty Kontraktilsubstanz der Mus- bl.s Blutsack. kelzelle. bk Bindegewebe des Koérper- m Muskelzelle. parenchyms. ma.e Magendarmepithel. c Célomepithel (,,Cellules acides“). | 2 Nervenstrang. d Darm. pr.a Protoplasmaachse der Mus- da Darmsinus. kelzelle. dg Dorsalgefas. y Ringmuskelzelle. dg.w Wandung des Dorsalgefiifes. | 7.dm Rest der Darmmuskulatur. dl Darmlakune. s Septum. ds Dorsalsinus. Ss intersegmentales Septum. ds.w Wandung des Dorsalsinus. | 7.5 intrasegmentales Septum. e Enddarm. 1 Lumen des Gefafes. k Kern. zw Intestinalzweig. kl Klappe. Wasted xX X V I. Fig. 1. Horizontaler Lingsschnitt durch das Riickengefé8 von Glossiphonia complanata an der Stelle einer Kammer- einschniirung (Konturen aller Figuren mit Camera gezeichnet). Zeif, Linse D, Ok. 4. Fig. 2. Sagittaler Schnitt durch das Riickengefa8 von Glos- siphonia heteroclita. Fig. 2a. Querschnitt durch eine Klappe derselben. Zeif: Linse D, Ok. 4. Fig. 3. Sagittaler Langsschnitt durch das Riickengefai8 von Pontobdella muricata gleich im Anfang der Testisregion. Zeif: Linse D, Ok. 4. Fig. 4. Tangentialer (teilweise) Schnitt durch Pontobdella muricata im vorderen Teil unmittelbar vor der Testisregion. Zeif: Linse D, Ok. 2. Fig. 5. Querschnitt durch das Riickengefih von Ponto- bdella muricata (stark kontrahiert). qd dorsale, » ventrale Seite des Gefafes. Zeif: Linse D, Ok. 2. Ueber den feineren Bau der Blutgefife der Rhynchobdelliden. 805 Fig. 6. Querschnitt durch das Bauchgefaf von Pontobdella muricata. (Der Kern liegt ausnahmsweise nicht in dem ange- schwollenen Teil der Zelle.) Zeifi: Linse D, Ok. 2. Fig. 7. Teils Tangential-, teils Sagittalschnitt (etwas schrag) durch das Riickengefif von Piscicola geometrica. Zeif: Linse D, Ok. 2. . Fig. 8. Sagittaler Lingsschnitt durch das RiickengefaS von Branchellion torpedinis im Anfang der Testisregion. An einer Stelle hat der Schnitt die Wandung tangential getroffen; hier sieht man eine stark kontrahierte halbreifformige Zelle. Zeif: Linse D, Ok. 2. Fig. 9. Querschnitt durch das Dorsalgefa8 von Branchellion torpedinis. @ dorsale, v ventrale Seite des Gefaifes. Zeil: Linse D, Ok. 2. Fig. 10. Sagittaler Langsschnitt durch das Herz von Haemen- teria Ghiliani. Zeif: Linse 4 mm, Tubusl. 160 mm, Apert. 0,95, Ok. 4. Fig. 11. Verschiedene Modifikationen von Muskelzellen. Fig. 12. Schema der wichtigsten Anordnungsweise der Muskel- zellen. a ela key LL Fig. 13. Sagittalschnitt durch das letzte Intestinalsegment von Haementeria Ghiliani: Zeif: Linse D, Ok. 1. (Das Tier war stark gekriimmt.) Fig. 14. Querschnitt durch die Intestinalregion von Haemen- teria Ghiliani. Zeif: Linse 4 mm, Apert. 0,95, Tubusl. 160 mm, Ok. 2. Fig. 15. Querschnitt durch den distalen Teil einer Darm- aussackung in der Intestinalregion von Haementeria Ghiliani., Zeif: Linse D, Ok. 4. Fig. 16. Sagittalschnitt durch das erste Intestinalsegment von Branchellion torpedinis. ZeifS: Linse A, Ok. 2. Fig. 17. Klappe von Branchellion torpedinis. Zeif: Linse D, Ok. 2. Fig. 18. Sagittalschnitt durch das erste Intestinalsegment von Glossiphonia complanata. Zeif: Linse A, Ok. 2. Fig. 19. Querschnitt durch die Intestinalgegend von Glossi- phonia complanata an einer Stelle, wo Gefaife an die Darm- wand abgehen. Fig. 20. Do. an einer Stelle, wo kein Gefaif an die Darmwand geht. ane ly X XV EE Fig. 21. Sagittalschnitt durch einen Teil der Intestinalregion von Piscicola geometrica. Zeif: Linse A, Ok. 2. Fig. 22. Querschnitt durch die Intestinalregion von Piscicola geometrica. Zeif: Linse 16 mm, Apert. 0,30, Ok. 4. 806 E. Arnesen, Bau der Blutgefiife der Rhynchobdelliden. Fig. 23. Sagittalschnitt durch einen Teil der Intestinalregion von Pontobdella muricata. Zeif: Linse D, Ok. 1. Fig. 24. Querschnitt durch die Intestinalregion von Ponto- bdella muricata. Zeif: Linse A, Ok. 2. Fig. 25. Schematischer Sagittalschnitt durch die ganze In- testinalgegend von Haementeria Ghiliani. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 31, des Blutsackes 26. 31 Do. von Branchellion torpedinis. Do. von Glossiphonia complanata. Do. von Glossiphonia marginata. Do. von Piscicola geometrica. Do. von Pontobdella muricata. Langsschnitt durch einen Teil des BauchgefaSes und , um die Verbindung des Bauchgefifes mit dem Blutsack zu zeigen. Jahresbericht der Medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft mu Jena fiir das Jahr 1903 erstattet von Felix Auerbach, z. Z. I. Vorsitzender. I, Sitzungen. Im Jahre 1903 fanden 14 Gesamtsitzungen mit 17 Vortraigen, auferdem 7 Sitzungen der Sektion fiir Heilkunde mit 14 Vortragen und 9 Demonstrationen statt. A. Gesamtsitzungen. 1. Sitzung am 16. Januar, Herr Putrricu: Ueber stereoskopische Messungen auf dem Monde. Derselbe: Ueber ein neues Verfahren zur Aufnahme topo- graphischer Karten. 2. Sitzung am 30, Januar. Herr Eacerine: Ueber die Phylogenie der Mammarorgane. 3. Sitzung am 13. Februar. Herr Brepprmann: Neuere Anschauungen iiber die Nerven- erregung. 4. Sitzung am 27. Februar. Herr Levsuscuer (aus Meiningen, als Gast): Soziale Aufgaben der Schule und Schularzte. 808 Jahresbericht. 5. Sitzung am 8. Mai. Herr Knorr: Ueber neue Sterne. Warner: Ueber ein neues Insekt aus dem lithogra- phischen Schiefer. ” 6. Sitzung am 22. Mai. Herr Auprpacu: Ueber den wissenschaftlichen Begriff der Temperatur. 7. Sitzung am 12. Juni. Herr Hancxnt: Ueber Stammesgeschichte der Wirbeltiere. 8. Sitzung am 26. Juni. Herr Fr. Scuunz: Ueber Gallenfarbstoffe bei Mollusken. » K6uter: Ueber Demonstration von Komplementarfarben. 9. Sitzung am 10. Juli Herr Duprn: Ueber unsere gegenwirtige Kenntnis der radio- aktiven Stoffe. 10. Sitzung am 24 Juli. Herr Lusoscu: Ueber Hermaphroditismus bei Wirbeltieren. 11. Sitzung am 30. Oktober. Herr Emin Scumipr: Ueber die Rassen Indiens und Ceylons. 12. Sitzung am 13. November. Derselbe: Fortsetzung (Demonstrationen). 13. Sitzung am 27, November. Herr Rispey: Ueber die Erfolge der operativen Behandlung der Blinddarmentziindung im letzten Semester. 14. Sitzung am 11. Dezember. Herr Grou: Ueber doppelseitigen Radiusdefekt, mit Demon- stration. B. Sitzungen der Sektion fiir Heilkunde. (Bericht erstattet von Herrn Professor Dr. E. Herret.) 1. Sitzung am 5. Februar. 1) Herr Botpr: Zur Differentialdiagnose der Hysterie und multiplen Sklerose. 2) ,, Herren: Ueber Paraffinprothesen in der Orbita. 3) ,, Srinrzine: Demonstration. 2. Sitzung am 19. Februar. 1) Herr Kussex: Leistungen einer Blinden und Tauben. 2) , Scuutrze: Ueber Operationen mit dem Raverpinschen Apparat. Jahresbericht. 809 3. Sitzung am 27. Mai. 1) Herr Gross: Das Symptom des intermittierenden Hinkens. 2) , Wagenmann: a) Ueber einen Fall von Cysticerkus im Auge. b) Ueber einen Fall von intraokularem Hisensplitter. 3) , Gross: Demonstration. 4) , Lommen: Demonstration. 4. Sitzung am 2. Juli. 1) Herr Marruxs: Untersuchungen iiber Viscositiit. 2) , Gross: Demonstration. 3) , Lommet: Demonstration. 4) , Szrnrzine: verschiedene Demonstrationen. 5. Sitzung am 16. Juli. 1) Herr Grozrer: Bakterienbefunde bei Herpes. 2) , Lommet: Ueber Pubertitsalbuminurie. 3) , Kronia: a) Ueber spastischen Ileus. b) Zur Behandlung des Uteruskarcinoms. 6. Sitzung am 19. November. 1) Herr Wacunmann: Ueber LEisensplitterverletzungen des Auges. 2) +, Srintzine: Demonstration. 7. Sitzung am 17. Dezember. 1) Herr Binswancer: Ueber traumatische Hysterie. 2) , Boutpr: Ueber myasthenische Paralyse. II. Bibliothekarischer Bericht. Im Tauschverkehr der Gesellschaft ist keine Aenderung ein- getreten. Alle Eingange wurden den Satzungen gemaf der Uni- versitatsbibliothek tiberwiesen. Fiir die ihr gemachten Schenkungen spricht die Gesellschaft hierdurch ihren Dank aus. Von den folgenden Gesellschaften und Schriftleitungen hat die Gesellschaft im Jahre 1903 im Schriftentausch oder als Geschenk deren Veréffentlichungen erhalten: Ort: Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Deutsches Reich. 1) Berlin Deutsche Chemische Gesellschaft Centralblatt. sy Gesellschaft naturforsch. Freunde Sitzungsberichte. 3) Bonn Naturhistor. Verein d. Rheinlande Verhandlungen. =. Niederrhein. Gesellschaft f. Natur- u. Heilkunde Sitzungsberichte. 810 Ort: 5) Breslau Danzig Frankfurt a. M. Freiburg i. B. Giefen H alle Hamburg Heidelberg Helgoland Kiel Kénigsberg i. P. Miinchen ” ” Reinerz Wirzburg Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Schlesische Gesellschaft f. vater- landische Kultur Naturforschende Gesellschaft Senckenberg. naturf. Gesellsch. ” ” ” Naturforschende Gesellschaft Schriften: Jahresberichte. Schriften. Abhandlungen. Berichte. Berichte. Zoologische Jahrbiicher, Abt. fiir Systematik ete. Abt. fiir Ontogenie ete. Kaiser]. Leopold.-Carol. Akademie der Naturforscher Naturforschende Gesellschaft Thiiringisch-Sachsischer Natur- wissenschaftlicher Verein ” ” Naturwissenschaftlicher Verein ” 7 Morphologisches Jah Biologische Anstalt Wiss. Kommission z. Untersuch. d. deutschen Meere Physikal.-dkonomische Gesellsch. K. B. Akademie d. Wissensch., Math.-physik. Klasse ” ” Schlesischer Badertag : Physikalisch-mediz. Gesellschaft ” ” ” Oesterreich-Ungarn. Naturw. Verein f. Steiermark Akademie der Wissenschaften 7 oP] ” K. Bohmische Gesellschaft der Wissenschaften Verhandlungen. Abhandlungen. Zeitschrift. Bericht. Abhandlungen. Verhandlungen. rbuch. Veroffentlichun- gen. Schriften. Abhandlungen. Sitzungsberichte. Festreden. Verhandlungen. Sitzungsberichte. Verhandlungen. Mitteilungen. Anzeiger. Katalog Litera- tury Naukowej Polskie}. Sitzungsberichte. Jahresberichte. Bericht iib. d. Sa- kularf. d. TycHo BRAHE. Srupni¢ka, Ber. iiber d. astrolog. Studien d. TycHo BRAHE. Ort: 35) Prag 36) Wien ay 24s 38) s 39) 51) Bologna 53) Florenz 5D) Mailand 57) Neapel Jahresbericht. 811 Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: K. Béhmische Gesellschaft der Matrecxa, Ber. Wissenschaften tiber die Unter- such. d. Gebeine T. BrauweE’s. Kais. Akad. der Wissenschaften, Math.-naturw. Klasse Denkschriften. - m Sitzungsberichte. Es Anzeiger. ” 7 Mitteilungen der Erdbeben-Kom- mission. K. K. Geologische Reichsanstalt Jahrbuch. 5 - Verhandlungen. a Abhandlungen. K. K. Zoolog.-botan. Gesellsch. Verhandlungen. Schweiz. Schweizer. Naturf. Gesellsch. Denkschriften. ” ” 7 Verhandlungen. ” ” ” Compte Rendu. Naturforschende Gesellschaft Mitteilungen. Institut National Genevois Bulletin. - ) Bs Mémoires. Société de Physique et d'Histoire naturelle Mémoires. Italien. Accademia delle Scienze dell’ Istituto di Bologna Memorie. 5 a: Rendiconti. Societa Botanica Italiana Nuovo Giornale. “ a a Bullettino. Societa Italiana diScienze Naturali Atti. ” 7 ” ” Memorie. R. Accademia delle Scienze Fisiche e Matematiche Atti. e © Rendiconti. Zoologische Station Mitteilungen. Societa Toscana diScienze Naturali Atti: 1) Memorie. - . - » 2)Processi verbali. Laboratorio di Anatomia normale Ricerche. Archivio per le Scienze Mediche. R. Accademia delle Scienze Memorie. : - Atti. Osservazioni me- teorologiche. ” 7 Bd, XXXVIII. N. F. XXX1L. 52 812 67) Caen 69) Marseille 70) M ? 72) Paris ” Lowen Liittich 87) Amsterdam 88) " ’3 Gravenhage 91) Haarlem 92) Leiden 95) Cambridge 96) n Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Schriften: Frankreich. Société Linnéenne de Normandie Bulletin. a 5 4 Mémoires. Musée d'Histoire natur. (Zoologie) Annales. Faculté des Sciences Annales. Annales de l'Institut Colonial. Musée d’Histoire naturelle Archives. ss Bulletins. L’Année Biologique. Société de Biologie Comptes Rendus. Société zoologique de France Mémoires. 2 3 Bulletin. Archives de Zoologie expérimentale. ” ” ” Belgien. Académie R. des Sciences, des Lettres et des Beaux Arts Bulletins. Mémoires. Mém. couronnés (8). Mém. cour. (4°). ; a Annuaire. Société entomologique Annales. La Cellule. Archives de Biologie. Holland. K. Akademie van Wetenschapen, Wis- en natuurkundige Afdeel. Verhandelingen. - ps Verslagen. . i Jaarboek. K. Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch-Indie Tijdschrift. Musée Teyler Archives. Nederlandsche Dierkundige Ver- eeniging Tijdschrift. : ‘ Aanwinsten v. de Bibliothek. Botanisches Centralblatt. Grofbritannien. Transactions. Philosophical Society Proceedings. ” ’ Ort: 97) Dublin 98) “es 100) Edinburgh 101) i 102) . 103) London ) ” 116) Oxford 117) Kopenhagen 118) s 119) Christiania 120) ‘ 121) Stockholm Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: R. Dublin Society Royal Society ” ” R. Physical Society Linnean Society ” ” R. Microscopical Society Royal Society Zodlogical Society ” ” 813 Schriften: Economic Pro- ceedings. Scientific Pro- ceedings. Scientific Trans- actions. Transactions. Proceedings. Proceedings. Transactions. Journal. Proceedings. Journal. Philosoph. Trans- actions. Proceedings. Year Book. Reports to the Ma- laria Committee. Reports to the Evolution Com- mittee. Transactions. Proceedings. List of Fellows. Annals and Magazine of Natural History. Quarterly Journal of Microscopical Science. Danemark. K. Danske Videnskab. Selskab Skrifter. ” ” ” Norwegen. Norske Medicinske Selskab ” ” ” Schweden. Oversigt. Forhandlinger. Norsk Magazin. Nordiskt Medicinskt Arkiv. Svenska Liakare Sallskap Hygiea. Foérhandlingar. K. Svenska Vetenskaps-Akademie Handlingar. ” ” Bihang. Ofversigt. Be Svenska Votenskaps- ‘Akademie Lefnadstecknin- gar. Berrzeivs, Sjalf- biografiska An- teckningar. 52" 814 129) 130) 131) 132) 133) 134) 135) 136) 137) 138) 139) 140) 141) 142) 143) 144) 145) 146) 147) 148) Ort Upsala ” Helsingfors ” ” Moskau ” St. Petersburg Jassy Kapstadt Montreal Ottawa ”n Jahresbericht. Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Kongl. Vetenskapssocietet Nova Acta. Universitit Bulletin of the Geolog. Instit. on Liakare Foérenings Foérhandlingar. Rufland. Finska Vetenskaps Societet Acta. : - . Ofversigt. Bidrag till Kan- nedom of Finn- lands Natur och Folk. Bs Observations mé- téorolog, Société Impériale des Naturalistes Bulletin. Nouveaux Mé- moires. Mémoires. Bulletin. Bibliothéque géo- log. de la Russie. ” ” ” ” Comité géologique ” 7 Akademie der Wissenschaften Bulletin. td ‘ a Catalogue d. livres publiés. Institut Impér. de Médecine ex- périmentale Archives. Rumanien. Société des Médecins et des Na- turalistes Bulletin. Afrika. Department of Agriculture Annual Report of the Geolog. Commission. Nordamerika. I. Canada. Royal Society of Canada Proceedings and Transactions. Geolog. and Nat. History Survey of Canada ” 7 Reports. Catalogue of Ca- nad. plants. 149) 150) 151) 152) 153) 154) 155) 156) 157) 158) 159) 160) 161) 162) 163) 164) 165) 166) 167) 168) 169) 170) 171) 172) 173) 174) 175) 176) 177) Jahresbericht. 815 Ort: Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: II. Vereinigte Staaten. Baltimore Johns Hopkins University Circulars. ” ” ” ” Bio- logical Laboratory Memoirs. Boston Society of Natural History Memoirs. 4 % ' . - Proceedings. - 3 “3 " Z Occasional Pa- pers. Cambridge Mus. of Comparative Zoélogy § Memoirs. : oo A i Annual Report. ” ” ” ” ” Bulletins. 8 The American Naturalist. Chicago Academy of Sciences Bulletin. - - Ne s Bulletin of the Geol. and. Nat. Hist. Survey. Granville (Ohio) Scientific Laboratories of Denison University Bulletin. St. Louis Missouri Botanical Garden Annual Report. e Academy of Science Transactions. New Haven Connecticut Academy of Arts and Sciences Transactions. The American Journal of Science. Philadelphia Journal of Comparative Medicine. 4 Academy of Natural Sciences Proceedings. Tufts College (Mass.) Studies. Washington U. S. National Museum Bulletins. a if : x Special Bulletins. a - ‘5 - Proceedings. 4 Smithsonian Institution Report. $ U. S. Geological Survey Bulletins. k = 2 = Annual Reports. ; - % # Monographs. ‘ 4 a a Mineral Res- sources. ScHRADER a. STE- PHEN, Geol. a. Miner. Ressour- ces of the Cop- per River Di- strict. Brooks, Ricwarp- SON, COLLIER, MENDENHALL, Reconnaissan- ces in the Cape Nome a. Norton Bay Regions. 816 Jahresbericht. Ort Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Stiidamerika. LAO ha Le, 178) Santiago Société scientifique du Chili Actes. Il. Argentinien. 179) Cérdoba Academia Nacional de Ciencias Boletin. III. Brasilien. 180) S. Paulo Museu Paulista Revista. 181) Rio de Janeiro Museu Nacional Archivos. Australien. 182) Melbourne Royal Society of Victoria Proceedings. 183) sf 4 " i . Transactions. 184) Sydney Royal Society of New South Wales Journal and Pro- ceedings. 185) ” a4 ale? "+, se » Abstracts of Pro- ceedings. 186) " Linnean Soc. , , ‘ s Proceedings. 187) 4 Australasian Association Report. Japan. 188) Tokio College of Science, Imperial Uni- versity Journal. 132) Medicinische Fakultat der K. Universitat Mitteilungen. Von den Schriften der Gesellschaft erschienen im Jahre 1903: Jenaische Zeitschrift, Bd. XXXVII oder N. F. Bd. XXX Heft 3/4 und Bd. XXXVIII oder N. F. Bd. XXXT Heft 1 u. 2. III. Kassenbericht erstattet vom zweiten Vorsitzenden J. WALTHER. Der Kassenbericht wurde von Herrn THoman gepriift und richtig befunden. Die Hinnahmen betrugen: Mitgliederbeitrage und Hintrittsgelder M. 644 Abonnenten der Jenaischen Zeitschrift a net Jahrlicher Beitrag der G. H. Regierungen ,, 1800 M. 2508 Jahresbericht. 817 Die Ausgaben betrugen: Verwaltungskosten 227 M. 50 Pfg. Druckkosten fiir die Jenaische Zeitschrift 1746 ,, 50_,, 1974 M. — Pfg. Barvorrat () MM. 09 Big. Vermigen { Sparkassebuch 1630.6. ootge An Zinsen pro 1903 30). ——" 9 1787 M. 92 Pfe. IV. Vorstand, Tauschkommission, Mitglieder. Den Vorstand der Gesellschaft bildeten im Jahre 1903: Frerix Aversacn, I. Vorsitzender, Jouannes Wattuer, II. Vorsitzender und Kassenwart, Frieprich Maurer, Herausgeber der Zeitschrift, (7) Kart Konrap Miuurr, Bibliothekar. Die Tauschkommission bestand aus dem Vorstand und den Herren Gustav Fiscner, ApotF WINKELMANN, Ernst Sraut. Die Wahl des I. Vorsitzenden fiir das Jahr 1904 in der Schlufsitzung am 11. Dezember fiel auf Herrn RriepeE.. Die anderen Mitglieder des Vorstandes und die Tauschkommission wurden durch Zuruf wiedergewihlt, mit der MaBgabe, daf an Stelle von K, K. Mitzrer demnichst ein anderes Mitglied in den Vorstand eintreten soll. Im Jahre 1903 verlor die Gesellschaft durch den Tod ihr Ehrenmitglied Cart GeGENBAUR, sowie die Mitglieder K. K. Mistumr, WitHetm Kocn, Gorrn. Prisstne, R. Truscuer; durch Wegzug 5 weitere Mitglieder. Dagegen wurden neu aufgenommen die Herren: Dr. von pem Bornz, Dr. K. Watrtuer, Oberlehrer Torzxz, Dr. M. SprockHorr. Prof. Dr. B. Kronte, Die Gesamtzahl der Ehrenmitglieder und ordentlichen Mit- glieder betragt am Jahresschluf 104. Mitgliederverzeichnis. Friihere Ehrenmitglieder waren: Jahr der Ernennung Karu Scuimper (7 1867) 1855 Dietrich Gnore Kinser (7 1862) 1857 Louis Sorer (f 1890) 1864 ALBERT voN BrEzoup (7 1868) 1866 Tuomas Houxury (7 1895) 1867 Marruias Jacop ScuiEmeEn (f 1881) 1878 Oskar Scumipt (7 1886) 1878 CuarLes Darwin (7 1882) 1878 Franz von Rizsp (7 1895) 1892 Cart Grcensaur (ft 1903) 1873 818 Jahbresbericht. I. Ehrenmitglieder. Jahr der Ernennung 1) Orromar Domricu, Meiningen 1892 2) Ernst Harcxen, Jena 1894 3) Bernuarp Sicismunp Scuuurzz, Jena 1897 4) Gustav Fiscurer, Jena 1902 II. Ordentliche Mitglieder. Jahr der Aufnahme 1) Prof. Dr. Ernst ABBE Jena 1863 2) Prof. Dr. Hermann AmBRronn » 1899 3) Prof. Dr. GinrHER ANTON wi eee 4) Prof. Dr. Fenix AvERBacH » 4, L88o 5) Prof. Dr. Kart von Barpewesen, Hofrat y ede 6) Dr. Hans Brrerr, Privatdozent i. euloee 7) Prof. Dr. WitHELM Bizepermann, Geh. Hofrat ane aass 8) Dr. med. G. Bryper, prakt. Arzt vs os led ae 9) Prof. Dr. Orro Brnswancer, Geh. Med.-Rat 9 dees 10) Dr. med. Frivz BockreLmann, Sanitatsrat Rudolstadt 1875 11) Vicror Bornexnn, Oberlandesgerichtsrat Jena 1900 12) Dr. GrorG von peEm Borne > uneleae 13) K. Bravoxmany, Institutsdirektor Wenigenjena 1900 14) Wityetm Butz, Realschuldirektor a. D. Jena 1892 15) Dr. Srecrriep Czapsxi, Fabrikleiter 5... L885 16) Prof. Dr. Bertaonp DxE.sricK » ) Lee 17) Prof. Dr. WitHetm DetMER o* omen 18) Prof. Dr. Cart Dove y » 1892 19) Prof. Dr. Pavut DupEn » 1894 20) Prof. Dr. Winnetm EpLEer oi peLOGe 21) Dr. Hetnricu Eacerine, Geh. Staatsrat, Uni- versitats-Kurator n. 4 Loew 22) Dr. Heinrich Eeernine, Prosector » MLO? 23) Dr. med. Gustav Ercunorn, prakt. Arzt » L8en 24) Prof. Dr. Hermann EncEeLHarpt, Med.-Rat su, eae 25) Prof. Dr. Paul Fraissz 390 S82 26) H»inricw Friess, Privatgelehrter » Leeo 27) Prof. Dr. Gorrtop FREGE , were 28) Dr. Curistran GAncxE, Privatdozent » se 29) Prof. Dr. Avaust GArtneR, Geh. Hofrat » 1886 30) Dr. Ernst Ginsz, Privatdozent » 1893 31) Prof. Dr. Gnora Gértz, Geh. Hofrat » 1889 32) Dr. Kart Grar, prakt. Arzt , £838 33) Dr. Junius Grosur, Privatdozent >) eae 34) Dr. BertrHotp Grown, Privatdozent , » 1632 35) Dr. Heryrich Gross, Privatdozent 1902 36) Prof. Dr. Fsrprnanp Gumprecut, Med.-Rat Weimar 1892 Jahresbericht. 819 Jahr der Aufnahme 37) Prof. Dr. August GurzmMER Jena 1899 38) Prof. Dr. Ernst HErtTex sm miles 39) Dr. HerscuxowitTscu 5 toon 40) Prof. Dr. Hernrice Iwmenporrr 7) OL 41) Prof. Dr. Jouannes KessEn ye L886 42) Prof. Dr. Hernricu Kionxa 1 130i 43) Prof. Dr. Orro Knorr eA Eero’, 44) Prof. Dr. Lupwia Knorr, Geh. Hofrat 5 SSS 45) Rupotr Kocu, Bankier 7 Ebl8a3 46) Dr. phil. Kouter pe LOO 47) Dr. Karu Koxsscu, Gymnasiallehrer y LESS 48) Prof. Dr. Bernnarp Kronic Ey eyllor: 49) Dr. Orro Lemurrmann, Privatdozent A 1900 50) Prof. Dr. Atzert Lertzmann » 190% 51) Geh. Hofrat Prof. Dr. Gorrnos Linck jo abe 52) Dr. Fevrx Lommst, Privatdozent » 2 53) Dr. Winuetm Luszoscu, Privatdozent a7 pr igOe 54) Dr. med. Marzsure a SIO? 55) C. Marruus, Stadtrat, Rentier 7. L896 56) Prof. Dr. Hermann Marries 3 21900 57) Prof. Dr. Max Marruss oS leo 58) Prof. Dr. Frieprich Maurer a 290 59) Prof. Dr. WitHetm Miuuer, Geh. Hofrat a) GuSGB 60) Dr. Atrrep Nout, Privatdozent eo LOO mn 61) Dr. Max Pauty, Fabrikdirektor a. D. 5 L897 62) Prof. Ernst Preirrer, Institutsdirektor x 188s 63) Ernsr Pixrz, Institutslehrer ~. 1893 64) Dr. Kart Purricu <1 ool 65) Dr. Pavnt Razz, Privatdozent » 1899 66) Prof. Rupotr Rav » . L902 67) Prof. Dr. Bernnarp Rriepet, Geh. Med.-Rat a) SSS89 68) Dr. Paun RigpEn ‘3 1893 69) Prof. Dr. Epuarp RosEenrHaL x Sor 70) Dr. Lzxo Sacusn, Gymnasiallehrer a. D. ai eG 71) Prof. Dr. Emm Scumipr a 10 72) Dr. Orro Scuort, Fabrikleiter » L882 73) Pavun Scuuitzze, Oberinspektor , t8ag 74) Dr. Leonnarp Scuuurze, Privatdozent * 1899 75) Prof. Dr. Friepricn Scuuz » 1898 76) Prof. Dr. Mortrz Sumer, Geh. Med.-Rat » 1864 77) Dr. med. Lucas Siepert, Med.-Rat a, 1 LSSt 78) Dr. SrmpENTOPF 5 - 1900 79) Dr. Maxim. SprockHorr oe LOS 80) Prof. Dr. Ernst Srann 1881 81) Prof. Dr. Roprericu Stinrzinc, Geh. Med.-Rat : 1890 82) Dr. Heinricu Stroy, Privatdozent, Instituts- direktor e 1877 820 Jahresbericht. Jahr der Aufnahme 83) Prof. Dr. Rupotr SrrauBen Jena 1894 84) Dr. med. StroumEYER » “t80g 85) Prof. Dr. Jonannes THoman, Geh. Hofrat » . te0g 86) Prof. Dr. Aveust THon, Geh. Justizrat » | 1896 87) Turopor Torzks, Lehrer em. y | 1908 88) Dr. phil. H. Turcx, Privatgelehrter »- OE 89) Aveust Voet, Landkammerrat OT 90) Prof. Dr. Epuarp VoNGERICHTEN » | £902 91) Geh. Med.-Rat Prof. Dr. August WaGrenmMaNnn Pee 2) 92) Prof. Dr. JonannEs WaLTHER » 1886 93) Dr. Kart WaAttHER » 1903 94) Dr. med. Weinert, prakt. Arzt » ~ teen 95) Prof. Dr. Apour Winxenmann, Geh. Hofrat » -) 4886 96) Dr. WirHELM WinkzeEr, Privatgelehrter » het 97) Prof. Dr. Lupwic Wo.rr >» been 98) Prof. Dr. Henrich Ernst ZInGLEeR y\° ESOS 99) Dr. phil. Zscurmmer » | £206 100) Dr. Ricnarp Zsiamonpy , Privatgelehrter 5? Soe Frommannsche Bucndruckerei (Hermano Pohle) in Jena. — 2632 ___ Verlag von Gustav Fischer in Jena. Die Naturwissenschattliche Wochenschrift Redaktion: Prof. Dr. H. Potonié und Oberlehrer Dr. F. Koerber, eel « 2 die am 1. Oktober 1901 in den Verlag von Gustav Fiseher in Jena tiberging, hat “Seit dieser Zeit eine grosse Verbreitung und Bedeutung erlangt. Eine wesent- liche Erweiterung ihrer Ziele ist eingetreten. Auch die sogenannten exakten Disziplinen werden in gleichem Masse gepflegt wie die iibrigen Zweige der Naturwissenschaft. Zu diesem Zwecke ist ein besonderer Mitredakteur in der Person des Herrn Oberlehrer Dr. F. Koerber gewonnen worden. Neben Aufsitzen iiber eigene Forschungen werden, sofern sie fiir weitere Kreise ein Interesse haben, insbesondere Zusammenfassungen iiber bestimmte Forschungsgebiete gebracht, die die Gegenwart in besonderem Masse in Anspruch nehmen, sowie kleinere Mitteilungen iiber die neuesten Fortschritte sowohl der reinen Wissenschaft als auch ihrer praktischen Anwendung. Unter Beriicksichtigung dieser zesichtspunkte gestaltete sich das Programm der Naturwissenschaftlichen Wochenschrift folgendermassen. Es werden gebracht und zwar in erster Linie, sofern es sich um allgemein interessante, aktuelle und die Wissenschaft bewegende Dinge handelt: 1. Original-Mitteilungen. 2. Zusammenfassungen (Sammelreferate) iiber bestimmte Forschungsgebiete. 3. Referate iiber einzelne hervorragende Arbeiten und Entdeckungen, 4, Mitteilungen aus der Instrumentenkunde, iiber Arbeits- methoden, kurz aus der Praxis der Naturwissenschaften. 5. Biicherbesprechungen 6. Mitteilungen aus dem wissenschaftlichen Leben. 7. Beantwortungen von Fragen aus dem Leserkreise. Die Naturwissenschaftliche Wochenschrift will ein Repertorium der gesamten Naturwissenschaften sein, und zwar diese im weitesten Sinne genommen. Wenn demnach auch der wissenschaftliche Charakter der Wochensehrift durchaus gewahrt bleiben soll, so ist es doch die Absieht, den Text nach Még- lichkeit so zu gestalten, dass der Inhalt jedem Gebildeten, der sich eingehender mit Naturwissenschaften beschiftigt, verstind- lich bleibt. Es wird darauf geachtet, dass das Verstiindnis durch Beigabe yon Abbildungen nach Méglichkeit erleichtert werde. Die Verlagshandlung bringt in Anbetracht des yon Jahr zu Jahr steigenden Interesses weiterer Kreise fiir die Naturwissenschaften die Zeitschrift zu einem Preise in den Handel, durch welchen die Verbreitung in allen Teilen der Beyélkerung er- méglicht wird. Die ,, Naturwissenschaftliche Wochenschrift wird nimlich anstatt re ee zu_dem friiheren Preise von 16 Mark jihrlich za dem ganz ausserordentlich niedrigen Preise von 1 Mark 50 Pf. fiir das Vierteljahr, also 6 Mark fiir den ——$ oe ____ eee eee eK tur den ganzen Jahrgang abgegeben. este Disa adis Trotzdem wird die Naturwissenschaftliche Wochenschrift trotz des niedrigen Preises in der tiusseren Ausstattung, namentlich auch hinsichtlich fer Abbildungen immer mehr yeryollkommnet. Es ist zu hoffen, dass auf diese Weise der Naturwissenschaftlichen Wochenschrift weite Kreise arschlossen werden, welche mit Riicksicht auf den hohen Preis trotz allen Interesses frither auf die Anschaffung verzichten mussten. Verlag von Gustav Fisé¢ler in Jena. Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen Tiefsee-Expedition auf dem Dampfer ,,Valdivia‘’ 1898—1899 Im Auftrage des Reichsamts des Innern herausgegeben von Carl Chun, Professor der Zoologie in Leipzig, Leiter’ der Expedition, Der Bericht iiber die reichen wissenschaftlichen Ergebnisse der deutschen Tiefsee- Expedition wird von den naturwissenschaftlichen Forschern nicht nur Deutschlands, sondern auch des Auslandes mit der gréssten Spannung erwartet. Die ausserordentliche Reichhaltigkeit des gewonnenen Materials iiberstieg alle Erwartungen. Um dasselbe sobald als méglich der wissenschaftlichen Welt nutzbar zu machen, ist die Bearbeitung desselben 61 Forschern iibertragen worden, deren Abhandlungen nunmehr nach und nach erscheinen werden. Von der ersten Gruppe liegt die umfangreiche Oceanographie und maritime Meteorologie des Herrn Dr. Gerhard Schott fertig yor. Dieselbe erschien als US Band des Unternehmens mit dem Nebentitel: Oceanographie und maritime Meteorologie Im Auftrage des Reichs-Marine-Amts bearbeitet von Dr. Gerhard Schott, Assistent bei der deutschen Seewarte in Hamburg, Mitglied der Expedition. Mit einem Atlas von 40 Tafeln (Karten, Profilen, Maschinenzeichnungen u. s. w.), 26 Tafeln (Temperatur-Diagrammen) und mit 35 Figuren im Text. Preis fiir Text und Atlas 120 Mark. | Weitere Abteilungen des Unternehmens gelangen sofort nach Herstellung des” Drucks zur Ausgabe. Von dem nunmehr abgeschlossenen Band III und den im hears arenes Binden V und VII liegen folgende Abhandlungen vor: Prof. Dr. Ernst Vanhiffen, Die acraspeden Medusen der deutschen Tiefsee- Expedition 1898—1899. Mit Tafel I—VIII. — Die craspedoten Medusen der deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. I. Trachymedusen. Mit Tafel IX—XII. LEinzelpreis: 32,— M., Vorzugspreis fiir Abnehmer des ganzenly Werkes 25,— M. Dr. phil. L. S. Schultze, Die Antipatharien der deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. Mit Tafel XIII u. XIV und 4 Abbild. im Text. Einzelpreis:. 5, M., Vorzugspreis: 4,— M. Dr. phil. Paul Schacht Beitriige zur Kenntnis der auf den Seyehellen lebenden Elefanten-Schildkréten. Mit Tafel XV—XXI. Einzelpreis: 16,— M., Vorzugspreis: 13,— M. Dr. W. Michaelsen, Die Oligochiten der deutschen 'Tiefsee-Expedition neha Erérterung der Terricolenfauna oceanischer Inseln, insbesondere der Inseln des subantarktischen Meeres. Mit Tafel XXII und’ 1 geographisechen Skizze. Kinzelpreis: 4,— M., Vorzugspreis: 3,50 M. Joh. Thiele, Proneomenia Valdiviae n. sp. Mit Tafel XXIII. LEinzelpreis: 3,— M., Vorzugspreis: 2,50 M. K. Mobius, Die Pantopoden der deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. Mit Tafel XXIV—XXX. Linzelpreis: 16,— M., Vorzugspreis: 12,50 M. Giinther Enderlein, Die Landarthropoden der von der Tiefsee- Expedition besuchten antarktischen Inseln. I. Die Insekten und Arachnoiden der tem guelen. II. Die Landarthropoden der antarktischen Inseln St. Paul und Neu-Amsterdam. Mit 10 Tafeln und 6 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 17 M., Vorzugspreis: 15 M. Bd. V. Johannes Wagner, Anatomie des Palaeopneustes niasicus. Mit 8 Tafeln al 8 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 20,— M., Vorzugspreis: 17 Mark. j Bd. VII. v. Martens und Thiele, Die beschalten Gastropoden der deutschen Tiefsee Expedition 1898—1899. A. Systematisch-geographischer Teil. Von Prof. v. Martens. B. Anatomisch-systematische Untersuchungen einiger Gastro=— poden. Von Joh. Thiele. Mit 9 Tafeln und 1 Abbildung im Text. Einzel- preis: 32 M., Vorzugspreis: 26 M. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 2632 > Lat Jenuische Zeitsthrtt Ba AXXVUL. PEE Trey [ah mk ri o ‘a I ty m bs iS Q OF Fig. | — - Oe ae [=feJe{elole]=]=[ol=]of=le[sfe{sle/=l=(sle[=]sl=l+]elel+[s/e/els]=]elel*] Fig. 2 J Gustav Fischep ce Lithographie v: E. Schaal, Jena. L Lang de Verlag vn s Jenuische Zelstrdt BANNNVM. Lat 1. Lang del 7 = = ——— - Verlag vo Jena. i = Lithographie v. E. Schaal, Jena. (ustar Fischer = — Jenuische Zeisthrtt Bad. NN\VUL : Pel Taf i 1190/0! Glalo L = Lang del ae a Gustav echeas= Teme g Verlag var Tin Jena, Lithographie v E. Schaal, Jena. “/ dena Zech BAN aon Fig. IO Lang & Lithographie v. E. Schaal, Jena. JSenusthe Zelsdurdtt Bd XXXVI Lithographie v. E. Schaal, Jena. ea - 7 ry a G \ ¥ a ! — » ' ; , > ° ’ it . AS, vA . 8 i f 4 r ‘ . ! . "4 t \ " / . we | a - oe _ a 7 a — oS aw Jenuische Zeitschrtt Bd XXXVI Lang del Verlag vn Gustav Fischer jn a Lat VI. Lithographie v. E. Schaal, Jena. = ST cette iii ~ ‘ 4s o6 a 1 7 9% -, 7 hao - ron 7 - . . . * i t i - » Wile va <7 i pg cowp C.C.Jlr-4 ™.bCr-—~- --- VES.UP a gl p rost I gl.prost IZ Verl y Gustav Fischer Jena. rc wvk Pep eee | eee iih.Anstv A.Ontscenvena. onaische Leitschritt. Bd. XXXVUL Hs Soe (aap TINS Sati) EN Ss ty i} Verlv Gustav Fiseher, Jena. “ Tal 9. pnaische Zeitschrift, Bd XSI. =e: oS x Pa. gl anit), a ~ r m\.\; Ory, i ir My " Mik NN | \ poy fh 11M i x j ii} We Vii / Scuh Seyt ray 1 yo Sia F Pers h “a deaenrinemneitinee a > ye oD ae paleo ces Gustay Fischer, © fig. 1-10. USC Wotttein del Verlag von Gustay Fischer, Jena. PaWalsey Liths Jonas Jenaische Zeitschrift Bd, XXX VII. fig. 12. aff slat per a _“mee ---A.UISC —h JB -upalb Tae, 4 LP Ae Fee ol! GY cancom atr H snp palsurmed Y slat Fi ' diaphr i i i nped diaphy”——slat vaff 10 oes mped sme Bia | naff Wettstein del, Verlag yon Gustav Fischer, Jena. P, Walsa, Lith. Jena. Wettstein del, Verlag yon Gustav Fischer, Jena. P, Walso, Lith. Jana, RT Se a ‘Jenaische Zeitschrift Bd. XXX DIL. Taf. XH. P. Heidecke ger, Verlag yon Gustay Fischer, Jena. P, Weise, Lith. Jena. Taf. XIV. P, Waisa, Lith. Jena, Verlag yon Gustav Fischer, Jena. Jenaische Zeitschrift Bd. XXX VII. P. Heidecke goa. Jenatsche Zeitschrift Bd, XXX PHI. : ; : : Taf, XV. P. Heidecke gez. P, Weise, Lith., Jana. Verlag von Gustav Fischer, Jena. Jenaische Zeitschrift Bd. XXX VIII. P. Weise, Lith, , Jeng, P. Heidecke gez. Verlag von Gustav Fischer, Jena. che Zeitschrift Bd.XXXVIL Je ae x " pe Lith Anst.vKWeaser,Jena. Verlag v. Gustav Fischer, Jena. oissevain gez. B Lith AnstvwKWesserJena. so \ | , ~*~ 5 M------== Soa = gas se Jena. eee Fischer i a 7 Verlag v. Gustav chrift Bd. XXXVI. che Leits lenats Se Boissevain gez. Taf XIX. " Jenaische Zeitschrift Bd. XXXVI. LiinateK Weoz Verlag v. Gustav Fischer, Jena Boissevain gez. Lith Anst.AGiltsch. Jena. «Fig 1-12 Diplectanum aequans. ne } -—— = hy Maclaren gra. lv Gustav Fischer Jena Fig. 15-10, 8,20,.22. Diplectanum aequans. Fig.17,19 21 Nematobothrium molae. | YY oe oS | e \ | i | hithemstwtreitsch, Jena Maclaren gsz. lod fig. 25-3535 Nematobothrium molae. oT Jenaische Zeitschrift, Bd. XXXVI. ELOUS is : : : = - Taf. XXM. 28 Nt oS : — =a és: ., oe. eae: war 4" Sah K (Shack ba SaNae = eer 0.608 Fig.1-5, 14-23 Lubosch, Fig, 6-13, E.A Schmidt qe : 3 ; 7 : ope —— _— ee he = , uustav riscner Lith Po Jenaische Zeitschrift, Ba. XXXVI. a Fino Ram Fsid pq P OU. pp Ti Jnela, Ib. BE dey bd oe Veriv Gustav Fischer Jona, Lith.Anst.v.AGiltsch Jena. - .. Senaische Zeitschritt. Ba. XNXVM. Tat 25. phidigll np Idigll | Verlv Gustav Fischer Jena. Ith. Ansty AGiltsch Jone -45--mm/) er! My tS Jena, P, Weise, Lith. Verlag von Gustav Fischer, Jena. Bd. XXXVI. Verlag von Gustay Fischer, Jena. j ; P, Weise, Lith, Jena, ! vena, 1 Verlag von Gustav Fischer, Jena. P, Waise, Lith., Jena, hy %, rhe , hs 7 we hy, Ts ee eee ae Ty ‘4 « j a 7 \ ry Un ae | 4 -F ~~» 7 ad : r f j ry ~ , 4 \ ae } f bh en \ : iS est * 7 , r - i \ ih { £ a ‘Goek é b, A, Ast i : 44 hen ‘ S ’ ¢ oe J ; be : é ’ , ‘ - © ¥ mi * . “ ' * . 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