SS ORR AAR pee Ae pao eam aN ere ee een uber HARVARD UNIVERSITY. Lib BRAHY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. beAa topehoanqa. Beene ere 1 an me sree VS 19p% rt ie eee i ae aa ae na: Fe | a ay iat bh. > 13 ¢ A= Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben yon der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft mu Jena, Dreiundvierzigster Band. Neuve Folge, Sechsunddreissigster Band. Mit 33 Tafeln, 158 Abbildungen und 11 Kurven im Texte. “Jena, Verlag von Gustav Fischer. 1908. Pmebra:l t Boveri, Tusopor, Zellen-Studien VI. Die Entwickelung di- spermer Seeigel-Hier. Hin Beitrag zur Befruchtungslehre und zur Theorie des Kernes. Mit Tafel I—X und 73 Figuren im Text ScoumtitErR, Ianaz, Ueber den Ren Ban der Blutgefase Tei den Arenicoliden. Mit Tafel XI—XIII und 2 Figuren im Text. HaneE., ELIsz, Werotbane ae: nigenohileshilinher Horgntinnaans von bide grisea. Mit 11 Kurven im Text. 3 Rouiiz, Gustav, Die Renopericardialverbindung bei den ein- heimischen Nacktschnecken und anderen Pulmonaten. Mit Tafel XIV und XV und 14 Figuren im Text Eeentine, H., Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochen- fischen. Mit Tafel XVI—XVIII. Apuorr, Zur Frage der Konkreszenztheorie . Brecker, J.. Ueber Zungenpapillen. Hin Beitrag zur flakes genetischen HEntwickelung der Geschmacksorgane. Mit Tafel XIX und 44 Figuren im Text : ; Prrersen, Hans, Beitrige zur Kenntnis des Baues nia der Entwickelung des Selachierdarmes. Mit Tafel XX—XXII und 4 Figuren im Text ZieGLER, Hernricu Ernst, Die ilapercteens nistonang aes Kopfes der Wirbeltiere. Mit Tafel XXIII und 11 Figuren im Text. Jonesco, Constantin N., ilebiet ic Ggnophacs Marie phaee vexilligera. Mit Tafel XXIV und 2 Figuren im Text Pycuitau, Wauprmar, Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. Mit Tafel XXV—XXVII Hatter, B., Zur Phylogenese des Nierenorganes (Holonephros) der Knochenfische. Mit Tafel XXVIII—XXXIII und 8 Figuren im Text. : : Drrenporr, Zur Frage der soporlaniiten Wotlk raezanitiienrie : Knorr, Orro, Jahresbericht der Medizinisch-naturwissenschaft- lichen Gesellschaft zu Jena fiir das Jahr 1907 . Seite 321 373 417 530 537 619 we fs 10 a “a +i we f Mgmnt ‘i Ae Bea 1 ee rombau v. ha Hii oy ae WEE ound Toval i Wt : A ie betula % oh ‘ $i : wd ‘ vtil j J U Hilantinen pene as - We | Bae tA Pee é ; 8 5 tea’ x “bm JENAISCHE ZEITSCHRIFT FUR NATURWISSENSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON DER MEDIZINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA DREIUNDVIERZIGSTER BAND NEUE FOLGE, SECHSUNDDREISSIGSTER BAND ERSTES HEFT MIT 10 TAFELN UND 73 FIGUREN IM TEXT Inhalt: BOVERI, THEODOR, Die Entwicklung dispermer Seeigel-Eier. Ein Beitrag zur Befruchtungslehre und zur Theorie des Kerns. PREIS: 30 MARK JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER “1907 Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung Ausgegeben am 3. Oktober 1907 Verlag von Gustav Fischer in Jena. Zellen-Studien. Von Dr. Theodor Boveri, Professor an der Universitat Wiirzburg. Heft I. Die Bildung der Richtungskirper bei Ascaris | megalocephala und Ascaris lumbricoides. (Aus dem Zoologischen Institut zu Miinchen.) 1887. Mit 4 lithographischen Tafeln. Preis: 4 Mark 50 Pf. — Heft Il. Die Befruchtung und Teilung des Eies von Ascaris megalocephala. (Aus dem Zoologischen Institut zu Miinchen.) 1888. Mit 5 lithographischen Tafeln. Preis: 7 Mark 50 Pf. — Heft IL Ueber das Ver- halten der chromatischen Kernsubstanz bei der Bildung der Richtungskérper und bei der Befruchtung. 1890. Mit 3 lithographischen | Tafeln. Preis: 4 Mark. — Heft IV. Ueber die Natur der Centrosomen. 1901. Mit 8 lithographischen Tafeln und 3 Textfiguren. Preis: 15 Mark. — | Heft V. Ueber die Abhingigkeit der Kerngrésse und Zellenzahl | der Seeigel-Larvenvonder Chromosomenzahl der Ausgangszellen. 1905. Mit 2 lithographischen Tafeln und 7 Textfiguren. Preis: 4 Mark. Das Problem der Befruchtung. Von Dr. Th. Boveri, Professor an der | Universitit Wiirzburg. Mit 19 Abbildungen im Text. 1902. Preis: 1 Mark 80 Pf. | Ergebnisse tiber die Konstitution der chromatischen Substanz des Zellkerns. Von Dr. Th. Boveri, Professor an der Universitit Wiirzburg. | Mit 75 Abbildungen im Text. 1904, Preis: 2 Mark 50 Pf. Die Tiefsee-Fische. Bearbeitet von Prof. Dr. August Brauer in Berlin. I. Systematischer Teil. Mit 16 Tafeln, 2 Karten und 176 Figuren im Text. 1906. Preis: 140 Mark (fiir Abnehmer des Gesamtwerkes ,,Wissenschaftliche Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition‘: 120 Mark). (Bildet zugleich Bd. XV, Lfg. 1 der ,,Wissenschaftlichen Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition auf dem Dampfer Valdivia 1898—99“, herausgegeben von Geheimrat Prof. Dr. Carl Chun, | Leiter der Expedition.) Durch die Expedition ist die Kenntnis namentlich der bathypelagischen I'ische ausserordentlich erweitert worden. Von den 90 Gattungen und 206 Arten gehéren zu ihnen 60 Gattungen und 151 Arten, und 14 Gattungen und 54 Arten | sind neu. Aber nicht nur in quantitativer Hinsicht ist ein grosser Gewinn | erzielt, sondern auch in qualitativer, indem neue biologisch ausserordentlich interessante und fiir allgemeine Fragen wichtige Formen gefangen wurden, die zu | einer Fiille von neuen Fragen, die die Tiefsee bietet, fiihren. Einen nicht geringen Vorzug hat diese Bearbeitung vor friiheren, nimlich den einer ganz vorziiglichen farbigen Abbildung der neuen und vieler schon bekannt gewesener Formen. Diesem wichtigen Teile der Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition, dem Werke von Brauer iiber die Tiefsee-Fische, werden viele ein Interesse entgegenbringen, die. auf die Anschaffung des ganzen vielbindigen Unternehmens verzichten miissen. Die blutsaugenden Dipteren. Leitfaden zur allgemeinen Orientierung, mit besonderer Beriicksichtigung der in den deutschen Kolonien lebenden Krank- heitsiibertriiger. Von Dr. Karl Griinberg, Assistent am zoologischen Museum zu Berlin. Mit 127 Abbildungen im Text. 1907. Preis: 4 Mark 50 Pf. Organische Zweckmassigkeit, Entwicklung und Vererbung vom Standpunkte der Physiologie. Von Dr. Paul Jensen, Professor an der Universitit Breslau. Mit 5 Figuren im Text. 1907. Preis: 5 Mark. Handatlas der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Von Dr. Julius Kollmann, o. 5. Professor der Anatomie an der Universitit Basel. 1907. Preis des’ volistindigen Werkes (2 Teile) 26 Mark, geb. 30 Mark. Erster Teil: Progenie, Blastogenie, Adnexa embryonis, Forma externa embryonum, Embryologia ossium, Embryologia musculorum. Mit 340 zum Teil mehrfarbigen Abbildungen und einem kurzgefassten erliiuternden Texte. Zweiter Teil: Embryologia intestinorum, Embryologia cordis et vasorum, Embryologia cerebri et ner- vorum, Organa sensuum, Nomina auctorum, Index rerum, Index auctorum. Mit 429 zum Teil mehrfarbigen Abbildungen und einem kurzgefaften erliuternden Texte. Zellen-Studien VI. Die Entwicklung dispermer Seeigel-Eier. Ein Beitrag zur Befruchtungslehre und zur Theorie des Kerns. (Ausgefiihrt mit Unterstiitzung der Kénigl. preug. Akademie der Wissenschaften und des Elizabeth Thompson Science Fund.) Von Dr. Theodor Boveri, Professor an der Universitit Wiirzburg. Hierzu Tafel I—X und 73 Figuren im Text. A. Einleitung. Als in den 7Oer Jahren das Dunkel, das iiber den Beziehungen zwischen Ei und Samen gelegen hatte, sich lichtete, als damals O. Hertwic den Spermakern im Ei erkannte und seine Schick- sale aufklirte und als bald darauf H. Fon das Eindringen des Spermiums ins Ei verfolgte, da wurden die beiden Forscher durch die Tatsachen, die sie hatten beobachten kénnen, zu der be- stimmten Ueberzeugung gefiihrt, daf zur Befruchtung nicht nur ein einziges Spermium geniige, sondern daf es auch nicht mehr als ein einziges sein diirfe. Doch haben weder O. Hertwic noch Fou disperme oder polysperme Keime iiber die ersten Stadien hinaus einzeln verfolgt, und so ist ein wirklicher Nachweis, was aus solchen Objekten wird, in ihren Arbeiten nicht gefiihrt, ja es haben sich die Vermutungen hieriiber zunachst auf sicherlich irrigen Bahnen bewegt. Erst im Jahre 1892 hat Drriescu (37) diese Liicke ausgefiillt. Von 83 simultan vierteiligen, also ohne Zweifel doppelt befruch- teten Eiern von Echinus microtuberculatus, die er isoliert ge- ziichtet hatte, entwickelte sich kein einziges iiber das Stadium einer krankhaften Blastula, einer sogenannten Stereoblastula, hin- aus. Genau die gleiche Erfahrung hatte ich bei nicht publizierten Versuchen bereits im Jahre 1889 gemacht. Allerdings liegen zwei altere Angaben vor, welche diesen Er- gebnissen zu widersprechen scheinen. Im Jahre 1878 hatte SELENKA (115, p. 9/10) behauptet, dali er mehrere Kier von Toxo- Bd. XLUI, N. F. XXXVI. 1 2 Theodor Boveri, pneustes variegatus, in welche 2, 3 und 4 Spermatozoen einge- drungen waren, bis zum Gastrulastadium verfolgt habe, ohne daf sich eine Unregelmafigkeit in deren Entwickelung hatte nachweisen lassen. Diese Angabe muff auf einem Irrtum beruhen. Denn selbst wenn man annehmen wollte, SELENKA habe gerade jenen tiberaus seltenen, unten zu besprechenden Dispermietypus vor sich gehabt, welcher zu normaler Entwickelung fihrt, so lassen sich doch seine Falle mit 3 und 4 Spermien nicht unterbringen. Hochst auffallend ist speziell fiir diese Eier seine Bemerkung, da keine Unregelmafigkeit in der Entwickelung vorgekommen séi, waihrend doch derartige Objekte stets ein héchst abweichendes Furchungsbild darbieten. Und auch bei den dispermen Eiern hatte SELENKA wenigstens das Auftreten von 4 Polen und die simultane Vierteilung bemerken miissen. Statt dessen nimmt er an, daf sich die iiberschiissigen Spermakerne riickbilden und resorbiert werden. Niemand hat aber je in einem tberfruchteten Seeigelei so etwas gesehen. Angesichts dieser Widerspriiche wird man annehmen miissen, daf SeLenKA gar keine tiberfruchteten Eier vor sich ge- habt hat, und diese Vermutung hat um so mehr Berechtigung, als SELENKA nicht angibt, woran er eigentlich die Polyspermie er- kannt hat. Es kommen in den Eiern mancher Seeigelweibchen helle Stellen im Protoplasma vor, die mit jenen Flecken, die durch die Spermaképfe verursacht werden, eine gewisse Aehnlichkeit be- sitzen, wenn sie auch strahlenlos sind. Vielleicht hat sich SeELENKA durch solche Vorkommnisse tiuschen lassen. Ein noch scharferer Widerspruch zu den Ergebnissen von DriescH und mir scheint auf den ersten Blick in dem Satz von O. und R. Hertwia vom Jahre 1887 (73, p. 155) vorzuliegen, daf sie ,Tausende von Larven aus tiberfruchteten Eiern geziichtet und auf dem Gastrula- und Pluteusstadium untersucht haben“. Allein genauere Betrachtung der Ausfiihrungen der beiden Forscher lehrt, daf es sich bei diesen Untersuchungen gar nicht um eine Fest- stellung gehandelt hat, ob sich disperme Fier tiberhaupt entwickeln, sondern nur um die Frage, ob aus ihnen, falls sie sich ent-. wickeln, Mehrfachbildungen hervorgehen. Demgemaf beziehen sich die Beobachtungen von O. und R. Hertwie ausschlieBlich auf Massenkulturen, von Eiern, unter denen ein grofer Pro- zentsatz von iberfruchteten konstatiert worden war. Fir die Frage, welche die Briider Herrwia entscheiden wollten, gentigte dieses Verfahren; mit Recht haben sie eine Beziehung zwischen Ueberfruchtung und Mehrfachbildung auf Grund ihrer Erfahrungen Zellen-Studien. 3 verneint. Ob aber disperme Eier tiberhaupt normale Larven liefern kénnen, dies aft sich durch Massenzucht unméglich entscheiden. Die Tausende normaler Larven, von denen in dem zitierten Satz die Rede ist, waren offenbar aus den monosperm befruchteten Kiern der Zuchten entstanden. Der auf isolierter Ziichtung ruhende Satz von Driescu, daf die dispermen Keime als Blastulae er- kranken und zu Grunde gehen, wird also durch die Befunde von O. und R. Herrwie nicht berihrt. Was ist nun der Grund dieser pathologischen Entwickelung ? Schon seit Jahren schien mir hier ein Problem vorzuliegen, dessen Analyse tiefere EKinblicke in das Triebwerk der Embryonal- entwickelung erlauben miifte, und diese Ueberzeugung verstarkte sich mir noch, nachdem ich, durch eine zufallige Beobachtung ver- anlaft, mich eingehender mit der Bedeutung beschiaftigt hatte, welche der Protoplasmastruktur in der Entwickelungsphysiologie des KEchinidenkeimes zukommt'). Denn der Kreis von Moéglich- keiten, die von vornherein fiir die pathologische Wirkung der Ueberfruchtung in Betracht kommen konnten, schien sich dabei immer mehr einzuschrinken. In der Tat glaube ich nun, daf durch die Gesamtheit der im folgenden mitgeteilten Versuche die Frage gelést ist. Aber selbst wenn sich die Notwendigkeit er- geben sollte, die bier vertretene Theorie durch eine andere zu er- setzen, hoffe ich, daf die Arbeit, die ich auf dieses Problem ver- wendet habe, keine vergebliche gewesen ist. Es kénnte dem Leser, besonders wenn er vorlaufig einen Blick auf die Tafeln wirft, vielleicht scheinen, da8 die Resultate dieser Untersuchung sich nur gezwungen einer Serie von Arbeiten ein- fiigen lassen, die den Namen ,Zellen-Studien* fiihren. Doch Ware diese Meinung nicht begriindet. Denn wenn auch das, worauf sich unsere Argumentation griinden wird, fast ausschlieSlich Larvenmerkmale sind, so ist eben die Rolle, welche die Larve hier spielt, keine andere als die eines Mefinstruments, an welchem Eigenschaften der ersten Embryonalzellen abgelesen werden sollen. Und zwar sind die zellularen Kigenschaften, auf die wir dabei gefiihrt werden, gerade solche, mit denen sich friihere Hefte dieser Studien beschiftigt haben. Denn, wie sich zeigen wird, kniipft die Theorie der dispermen Entwickelung, die hier begriindet werden soll, aufs engste an jenen friiher (9) betonten ,Dualismus der karyo- kinetischen Phainomene*“ an, wonach bei der Kernteilung zwei 1) Vergl. 19 und 20. 1# 4 Theodor Boveri, vollig selbstaindige, nur an einem Punkt ineinander greifende zyklische Prozesse nebeneinander herlaufen: der Kreislauf der Chromosomen und der der Centrosomen. Wie friiher dargelegt, vermégen diese beiden zyklischen Vorginge nur dann normal zusammenzuwirken, wenn zur Zeit ihres Ineinandergreifens nicht mehr als 2 Centro- somen in Tatigkeit treten. Nur unter dieser Bedingung namlich ist die Verteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen eine genau geregelte. Nehmen dagegen mehrere Pole an dem karyo- kinetischen Prozef teil, so ist die Quantitét und Qualitaét der Tochterkerne Sache des Zufalls. In diesem vor 17 Jahren ent- wickelten Satz ist, wie ich zu zeigen hoffe, die Lésung des Dispermieproblems bereits ausgesprochen. Die Versuche, die dieser Arbeit zu Grunde liegen, sind zum gréften Teil im Jahre 1901/1902 ausgefiihrt worden, als ich mit Unterstiitzung der Kénigl. preuBischen Akademie der Wissenschaften die Monate Oktober bis April an der zoologischen Station in Neapel zubrachte'). Einige Liicken, die sich bei der Ausarbeitung ergaben, konnten bei einem Aufenthalt in Neapel wahrend der Osterferien 1905, wozu mir von dem Elizabeth Thompson Science Fund eine Unterstiitzung gewahrt worden war, ausgefiillt werden. Fiir beide Subventionen sei hier ergebenster Dank ausgesprochen. Ebenso bin ich der Leitung und Verwaltung der zoologischen Station fiir die Férderung, die meine Arbeiten von ihrer Seite in reichstem Mafe erfahren haben, zu lebhaftem Dank verpflichtet. Fast alle Versuche, die im folgenden beschrieben sind, habe ich gemeinsam mit meiner lieben Frau ausgefiihrt, und dieses Zu- sammenarbeiten ist dem Ganzen in mehr als einer Hinsicht zu gute gekommen. B. Die pathologische Entwickelung als Folge der Dispermie. Das Problem der dispermen Entwickelung kann nur dann ein erhebliches Interesse darbieten, wenn sich zeigen laBt, daB die krankhafte Entwickelung dispermer Keime ihren Grund in der Einfiihrung von mehr als einem Spermium und nicht in einer schon vorher krankhaften Beschaffenheit des Eies hat. 1) Eine kurze Darstellung der damaligen Ergebnisse findet sich in 22 und 26. Zellen-Studien. 5 Es ist zuerst von Fou (53) und dann besonders umfassend von den Briidern Herrwie (73) festgestellt worden, daf Schadi- gung der Kier, vor allem die Behandlung derselben mit narkotisch wirkenden Substanzen, das Eindringen mehrerer Spermien_be- giinstigt. Entwickelt sich daher ein solches Ei pathologisch, so laBt sich zunachst nicht sagen, ob diese krankhafte Entwickelung eine Folge der Mehrfachbefruchtung, oder ob sie auf die schon vor der Befruchtung vorhandene krankhafte Eibeschaffenheit zuriick- zufiihren ist, oder ob vielleicht beide Momente eine Rolle spielen. Jedenfalls liegt auf Grund der genannten Erfahrungen der Gedanke nahe, daf vielleicht jedes Ei, auch wenn es ohne irgendwelche experimentelle Beeinflussung disperm geworden ist, schon vorher krankhaft veranlagt gewesen sei. Zur Entscheidung dieser Frage konnte ich auf einer friiher gemachten Erfahrung fuBen, da namlich bei vollig gleichartigem und nach allen Umstinden als normal zu bezeichnendem Eimaterial der Prozentsatz der Mehrbefruchtungen in hohem Mae von der Menge der Spermien abhangig ist, die mit den Eiern in Beriihrung kommen'). Das heift aber mit anderen Worten: man kann durch Verwendung von konzentriertem Sperma mit einer gewissen Wahr- scheinlichkeit ein Ei, das bei Beriihrung mit stark verdiinntem Samen nur ein Spermium in sich aufgenommen hatte, zwingen, zwei eintreten zu lassen. Diese Tatsache wird wohl so zu er- klaren sein, daf' beim Andringen sehr vieler Spermien nicht selten zwei (oder mehrere) so vollig gleichzeitig an die Eiober- fliche herankommen, da8 der Abwehrmechanismus, der auf ein, wenn auch noch so kurzes zeitliches Intervall zwischen der An- niherung der einzelnen Spermien berechnet ist, nicht in Tatigkeit zu treten vermag, bevor sich zwei (oder mehrere) mit dem Ei vereinigt haben. Sind wir nun so im stande, ohne jede weitere Beeinflussung der Geschlechtsprodukte lediglich durch die Zahlenverhiltnisse, in denen wir sie mischen, den Prozentsatz der Dispermie zu ver- andern, so ist es klar, daf sich durch ein statistisches Verfahren mit voller Sicherheit entscheiden lassen mul, ob die Dispermie rein fiir sich pathologische Entwickelung bedingt oder nicht. Hierzu dienten folgende Versuche. 1) Wenn ich hierin der gegenteiligen Angabe von O. und R. Herrwie (73, p. 139) widerspreche, so muf ich doch hinzufiigen, da’ die Resistenz verschiedenen Eimaterials in dieser Hinsicht recht verschieden ist. 6 Theodor Boveri, Versuch vom 22. November 1901. Tadellose Kier eines Weibchens von Strongylocentrotus lividus wurden in zwei annihernd gleiche Portionen geteilt. Zu der einen Portion wurde sehr konzentriertes Sperma gesetzt, zu der anderen die gleiche Menge eines aus jenem ersten auf das Hundertfache verdiinnten Sperma. Nach erfolgter Befruchtung und Reinigung der Eier von den tiberschtissigen Spermien wurden von jeder Portion unter der Lupe 100 beliebige Eier isoliert; die beiden urspriinglichen Portionen wurden in gréferen Schalen aufbewahrt. Nach Auftreten der ersten Furche wurden die isolierten Kier untersucht, um festzustellen, ob sie sich in 2 oder in 4 oder mehr Zellen geteilt hatten. Von den 100 Eiern aus der schwachbesamten Portion zeigten 99 Zweiteilung, eines Vierteilung und war also disperm. Unter den 100 starkbesamten Eiern fand sich eine Oocyte, von den 99 tibrigen waren 11 auf Grund ihrer simultanen Mebhrteilung als disperm oder polysperm zu erkennen, 88 zeigten sich zweigeteilt. Der Versuch bestiatigte also zunachst wieder die Erfahrung, da8 die Zahl der Mehrfachbefruchtungen in sehr erheblichem Grad von der Spermamenge abhangig ist. Die einzelnen Kulturen wurden nun ihrer Entwickelung iiber- lassen und nach 3 Tagen (am 25. November), wo das Pluteus- stadium erreicht war, wieder gepriift. Die 100 schwachbesamten Eier ergaben 99 tadellose Plutei und eine pathologische Blastula, genau entsprechend dem Ver- haltnis von 99 zweigeteilten und einem viergeteilten Ei am 22. November. Von den (nach Ausscheidung der Oocyte) 99 starkbesamten Kiern hatten sich 86 zu normalen Plutei entwickelt, daneben wurden 10 pathologische Objekte (Steroblastulae) gefunden. Es sind also 3 Stiick zu wenig. Dieses Minus diirfte héchst wahr- scheinlich auf die uns unten naher beschaftigende Erscheinung zuriickzufiihren sein, da’ sich einzelne disperme Keime schon am 2. oder 3. Tag auflésen und damit verschwunden sind. Aber auch unter dieser Annahme stimmt unsere Rechnung nicht vdllig; denn danach miiten 10 +- 3, also 13 mehrfach befruchtete Stiicke vorhanden gewesen sein, wiaihrend am 22. November nur 11 abnorm gefurchte gezihlt worden waren. Auch hierfiir lieBe sich eine Erklirung geben. Wenn nimlich in einem dispermen Ei der eine Spermakern mit seinen Zentren selbstandig bleibt, Zellen-Studien. 7 so da8 an Stelle des einheitlichen Tetrasters zwei parallele Spindeln entstehen, so teilt sich das Ei gewoéhnlich in 2 Zellen und ist dann ohne genaue Untersuchung, wie sie in diesem Fall nicht vor- genommen war, von einem monospermen nicht zu unterscheiden. Es ist durchaus wahrscheinlich, daf sich unter den 86 zweigeteilten Kiern 2 solche disperme Doppelspindeleier befunden haben. Im iibrigen ist es fiir unser Versuchsresultat nicht von wesent- lichem Belang, ob diese Deutungen das Richtige treffen. Denn auch so sprechen die Zahlen klar genug. Dort haben wir ein iiberfruchtetes Ei und eine pathologische Larve, hier 11 mehr- fach befruchtete Eier und 10 pathologische Larven. Die Abhangig- keit der pathologischen Entwickelung von der Ueberfruchtung ist danach nicht zu bezweifeln. Dieses an den isolierten Exemplaren gewonnene Resultat wird nun noch durch die zugehérigen Massenkulturen bestitigt. In der starkbesamten zeigte sich schon am 24. November ein starker Bodensatz schwach beweglicher kranker Objekte, wahrend in der schwachbesamten solche fast ganzlich fehlten, so da8 schon bei der Betrachtung der Zuchten mit freiem Auge der Unterschied sehr charakteristisch hervortrat. Ganz die gleiche Erfahrung wurde in der Folge bei all den vielen in der gleichen Weise angestellten Vergleichungen zwischen stark- und schwachbesamten Massen- kulturen gemacht. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daf es die in den starkbesamten Zuchten in viel gréSerer Menge vor- handenen iiberfruchteten Kier sind, aus denen die hier zahlreichen pathologischen Larven stammen. Obgleich schon dieses Ergebnis beweiskraftig genug wire, habe ich, bei der fiir alles Folgende grundlegenden Bedeutung der in Rede stehenden Frage, neuerdings noch einen zweiten Versuch dieser Art angestellt, der wegen der ganz ungewohnlich starken Neigung der Eier zur Mehrfachbefruchtung die direkte Beziehung zwischen Polyspermie und pathologischer Entwickelung in unitiber- trefflicher Weise illustriert. Versuch vom 10. Marz 1905. Tadellos aussehende Eier eines Weibchens von Echinus micro- tuberculatus wurden in zwei annahernd gleiche Portionen geteilt, zu der einen wurde so viel Sperma gesetzt, daf das Wasser sehr deutlich getriibt war und jedes Ei nach kurzer Zeit eine dunkle Hiille von Tausenden von Spermien um sich hatte, der anderen 8 Theodor Boveri, Portion wurde ein so verdiinntes Sperma zugesetzt, dafi es knapp geniigte, ja daf vereinzelt Kier von ganz normalem Aussehen ge- funden wurden, die nicht befruchtet waren, offenbar weil keine Spermien mehr zur Verfiigung standen. Unter einer starken Lupe, welche die abgehobene Dotterhaut erkennen lie’, wurden sodann aus jeder Portion zweimal 100 beliebige, mit Dotterhaut versehene Eier isoliert, die auf je zwei Schilchen verteilt blieben. Es waren also neben den beiden Massenkulturen 4 Portionen vorhanden, die als A; und A,, B, und B, unterschieden seien. Viel Sperma B B Wenig Sperma A A Fl : 100 Kier 100 Hier 2 100 Tier 100 Eijer Nach Eintritt der ersten Furche wurde in jeder Portion die Zahl der normal und abnorm geteilten Eier unter dem Mikroskop bestimmt, wobei in diesem Fall speziell auch auf die in Versuch I vernachlassigten ,,Doppelspindeleier“’ geachtet wurde, welche den abnormen zuzuzahlen sind. Es waren in A, A, B, B, alle Kier normal | alle Hier normal | 13 Eier normal | 11 Eier normal zweigeteilt zweigeteilt zweigeteilt, die| zweigeteilt, die tibrigen 87 ent- | ibrigen 89 ent- weder disperm | weder disperm oder polysperm | oder polysperm Der Einflu8 der Spermamenge auf die Zahl der Ueber- fruchtung ist hier also ganz enorm; je nach der Konzentration des Samens kann diese Zahl zwischen O Proz. und 89 Proz. variieren. Am 12. Marz, wo die normalen Keime das Pluteusstadium erreicht hatten, wurden die 4 Portionen wieder gepriift. Es waren vorhanden in B 1 2 i 2 100 normale | 99 normale Plu- | 12 normale Plu- | 11 normale Plu- Plutei tei, darunter| tei,sonstStero-| tei, sonst Stero- In A, waren auch 100 Stiick zu erwarten; liegt hier ein Fehler beim Abzahlen der Eier vor. ein zuriickge- bliebener, aber auch dieser normal blastulae oder in Zerfall be- eriffene Klum- pen blastulae oder in Zerfall be- griffene Klum- pen wahrscheinlich Jedenfalls war in dem Schalchen kein pathologisches Objekt zu finden. Zellen-Studien. 9 Die Zahl von 12 Plutei in B, gegeniiber 13 als normal zwei- geteilt bestimmten EKiern diirfte sich vermutlich so erkliren, dag ein Ei mit Doppelspindel, das sich, wie es ja bei derartigen Eiern die Regel ist, zweigeteilt hatte, als normal gezahlt worden ist. Es wurde zwar bei diesem Versuch, wie oben schon erwahnt, auf die Doppelspindeln speziell geachtet; allein das Abzahlen hat, da es ja vor Eintritt des nachsten Teilungsschrittes vollendet sein mu, so rasch zu geschehen, daf ein Irrtum in dieser Beziehung leicht unterlaufen kann. Diese beiden Abweichungen kénnen aber, wie sie auch zu erkliren sein mégen, das héchst frappante Resuitat nicht triiben. Den gleichen Kontrast, wie die isolierten Portionen, zeigten am 12. Marz die beiden Massenkulturen. In dem GefaifS mit den schwachbesamten Eiern wimmelte es von schwimmenden Larven, der Boden war fast rein; in dem anderen zeigten sich nur ziem- lich spérlich schwebende Plutei, dagegen ein dichter Bodensatz yon pathologischen und zerfallenden Exemplaren. Es ist speziell bei den Zahlen dieses letzten Versuches un- denkbar, da& bei der Trennung des Eimaterials in die zwei grofen Portionen der Zufall die Eier in der Weise verteilt habe, da8 in diejenige Halfte, zu welcher dann wenig Sperma gefiigt worden ist, nur gesunde, in die starkbesamte Hialfte ungefahr 88 Proz. krankhafte Eier gelangt waren. Vielmehr ist aus den Resultaten mit vollster Sicherheit der Schlu8 abzuleiten, daf das namliche Ki, das sich bei monospermer Befruchtung normal entwickelt hatte, durch Ueberfruchtung zu pathologischer Entwickelung veranlaft wird. Wenn man also auch Eier, die in so auferordentlicher Weise zur Polyspermie neigen, wie die des letzten Versuches, krankhaft nennen will, so besteht das ,,Krankhafte‘’ eben doch lediglich in dieser Neigung, insofern dieselbe bei Anwesenheit von grofen Spermamengen fiir viele Eier verderblich ist. Keineswegs aber sind derartige Eier in ihrer Entwickelungsfahigkeit irgendwie defekt. Denn wie wir gesehen haben, entwickeln sie sich, wenn man sie durch geniigende Verdiinnung des Sperma zur Mono- spermie zwingt, alle normal. Und darauf allein kommt es uns an. In diesem Zusammenhang ist nun besonders zu betonen, dal simtliche Dispermiefalle, von denen im folgenden die Rede ist, aus tadellosen, véllig frischen Geschlechtsprodukten gewonnen und daS die Dispermie niemals auf andere Weise als durch Ver- wendung grofer Spermamengen erzielt worden ist. Wenn also 10 Theodor Boveri, auch die Méglichkeit, daS einer oder der andere der zu be- schreibenden Keime sich auch ohne Dispermie krankhaft entwickelt hatte, nicht absolut auszuschlieBen ist, so ist dieser Fall doch so unwahrscheinlich, dafi wir ihn bei den grofen Zahlen, mit denen wir es zu tun haben, vernachlassigen diirfen. Das Ergebnis dieser Vorversuche kénnen wir in dem Satze zusammenfassen: das Eindringen zweier normaler Spermien in ein normales Ei fiihrt zu pathologischer Entwickelung. Und man wird sagen diirfen, daf wir selten, vielleicht nirgends den wirklichen inneren Ausgangspunkt eines pathologischen Prozesses so klar iibersehen wie hier: es ist eine uns genau bekannte quantitative Verainderung von lauter normalen Dingen, wodurch etwas Pathologisches entsteht. C. Die verschiedenen Typen der Dispermie. Der gewohnliche Verlauf in einem doppeltbefruchteten Ei ist nach den Feststellungen von Fou (52) und von O. und R. HeErt- wia (73) der, da’ sich beide Spermakerne mit dem Eikern zu einem einheitlichen ersten Furchungskern verbinden und daf im Umkreis dieses Kernes 4 Sphiren auftreten, die nach der Kernauf- lésung die Chromosomen zu Aequatorialplatten zwischen sich an- ordnen. Zur Zeit, wo sich das normale Ei zweiteilt, erfolgt beim dispermen eine simultane Teilung in 4 Zellen, die sich dann durch regulire Zweiteilung weiter vermehren. Wir wollen diesen ersten Hauptfall der Dispermie kurz als I. Tetrastertypus bezeichnen. Was nun die Stellung der 4 Sphiren eines solchen Tetrasters anlangt, so gibt es hier zwei Méglichkeiten, die manchmal bei den Kiern eines und desselben Weibchens in annihernd gleicher Menge vorkommen. Doch zeigen gewohnlich die aus einem Muttertier stammenden Eier entweder mehr Neigung zur Befolgung der einen Stellung oder der anderen. Ia. Ebener Tetrastertypus (sogenannter normaler Modus von DrigscnH). Die 4 Zentren liegen in einer Ebene. Diese Ebene ist, wie ich am Strongylocentrotus-Ei mit seinem Pigmentring schon friiher Zellen-Studien. TT (19, 20) festzustellen vermochte und jetzt bei allen darauf ge- richteten Beobachtungen bestiatigt fand, die von mir als ,karyo- kinetische Ebene“ bezeichnete Ebene des Eies, d. h. diejenige auf der Eiachse senkrecht stehende, in der Nahe des Aequators gelegene Ebene, in welcher auch die beiden Pole der normalen ersten Furchungsspindel angetroffen werden. In dieser Ebene sind die 4 Zentren annahernd zu den Ecken eines Quadrats angeordnet, das in der Regel von der Eiperipherie ringsum gleichweit absteht, das aber auch mehr oder weniger exzentrisch liegen kann. Die Furchung derartiger Eier hat DriescH in einer seiner ersten Studien (37) beschrieben. Zum Verstindnis der aufeinander folgenden Teilungsrichtungen sei an die Furchung des normalen Eies erinnert, welches zuerst durch 2 meridionale Furchen in 4 gleich groBe, alle Eizonen enthaltende Zellen zerfallt, worauf die aquatoriale Furche jede dieser 4 Zellen in eine obere (animale) und eine untere (vegetative) Blastomere zerlegt. Am Strongylo- centrotus-Ei geht der Pigmentring fast véllig in die 4 vegetativen Blastomeren tiber. Beim nachsten Teilungsschritt verhalten sich die animalen und die vegetativen Blastomeren verschieden. Wahrend die ersteren durch weitere meridionale Furchen in einen einfachen Kranz von nunmehr 8 gleich grofen Zellen (sogenannten Mesomeren) zerlegt werden, schniirt sich jede vegetative Blastomere in eine grofe, dem Aequator zugekehrte (sogenannte Makromere) und in eine kleine, polwarts gerichtete Zelle (sogenannte Mikromere) durch (Fig. I, p. 12). Beim Strongylocentrotus-Ei mit seinem Pigmentring ist durch die Pigmentlosigkeit des vegetativen Poles schon im ungefurchten Ei diese Mikromerenzone vorgezeichnet. Beim dispermen Ei mit ebenem Tetraster zerfallt das Ei, wie aus der oben geschilderten Stellung der Zentren schon vorauszu- sagen ist, durch 2 simultan auftretende, aufeinander senkrecht stehende Furchen, deren Schnittlinie die Kiachse ist, simultan in 4 Quadranten, welche sonach hinsichtlich der polaren Plasmaver- teilung den 4 Viertelblastomeren eines normalen Eies entsprechen, wie denn auch ein fertig durchgeteiltes dispermes Ei dieses Typus von einem auf dem Vierzellenstadium angelangten normalen ohne genaue Untersuchung der Zentrenstellung gar nicht zu unterscheiden ist. Allein in der weiteren Furchung tritt nun, wie schon Fou (52) angedeutet und Driescu (37) eingehend beschrieben hat, ein ganz konstanter Unterschied auf'). Die 4 Blastomeren des dispermen 1) Vgl. hierzu die Bemerkungen in 27, p. 17. 12 Theodor Boveri, Eies bringen nicht eine aquatoriale Furche zur Ausbildung, sondern jede erleidet nochmals eine meridionale Halbierung, so daf nun 8 in einer Schicht angeordnete, alle Eizonen vom animalen zum vegetativen Pol enthaltende Blastomeren vorhanden sind. Nun ers tritt die aquatoriale Furche auf, um 8 animale von 8 vegeta- tiven Blastomeren zu scheiden. Ganz entsprechend der normalen Furchung spalten sich die letzteren in 8 Makromeren und 8 Mikro- meren, wogegen die 8 animalen Zellen durch neue, ann&hernd meridionale Furchen einen Kranz von 16 Mesomeren liefern (Fig. II). Fig. I. Fig. IL. Besonders rein zeigt sich dieser Furchungstypus bei Eiern, die durch Schiitteln kurz nach der Befruchtung von ihrer Dotter- haut befreit worden sind. Hier, wo die Blastomeren nach keiner Richtung beengt sind, stellt sich das Achtzellenstadium haufig als ein Zellenring von auferster Regelmifigkeit dar, und auch die weiteren Stadien sind von einer schematischen Klarheit, wie sie die in ihre Dotterhaut eingeschlossenen dispermen Eier nach meinen Erfahrungen niemals zeigen. Ib. Gekreuzter oder tetraédrischer Tetrastertypus (sogenannter anormaler Modus von Drtescn). Die 4 Spharen sind zu den Ecken eines Tetraéders angeordnet, dementsprechend dann auch die 4 simultan entstehenden Blastomeren tetraédrisch zueinander gestellt. In Bezug auf die Eistruktur habe ich an den wenigen daraufhin gepriiften Strongylocentrotus-Eiern festgestellt, daf 2 Zentren in der karyokinetischen Ebene liegen, die 2 anderen mit ihrer Verbindungslinie darauf annadhernd senk- recht stehen (Fig. IIIa). Die Vierteilung zerlegt also hier das Ei in 2 unter sich gleichwertige, alle Eizonen enthaltende Zellen Zellen-Studien. as) und in eine rein animale und eine rein vegetative (Hig. IIIb). Die weitere Furchung dieses Typus ist von Drrescr gleichfalls festgestellt und innerhalb gewisser Grenzen variabel gefunden worden. Es entstehen niemals 8 Mikromeren, wie bei dem ebenen Tetrastertypus, sondern nur 6 oder 4. In den von mir beobachteten Fallen waren es 6, was aus der Art, wie die einzelnen Kibezirke auf die primiren Blastomeren verteilt werden, leicht verstindlich ist. Von den 4 Zellen des Tetraéders erhalten namlich nur 3 einen Anteil der vegetativen Polkappe, d. h. des im Ki bereits vorgebildeten Mikromerenfeldes. Durch die nachste Teilung wird dieser Anteil einer jeden der 3 Zellen auf 2 Zellen verteilt, es sind dann also 6 zur Mikromerenbildung befahigte Zellen vorhanden. ‘s b ~\ Wit Dy ~ ee wi, x Sy SY \N~S li 4 et LTE Bobs 33 Fig. III. Man sieht leicht ein, daf die Stellung der ersten Zentren nur ein wenig abzuweichen braucht, damit z. B. in die rechte untere Zelle nichts von der vegetativen Kappe tibergeht. In diesem Fall werden nur 4 Mikromeren entstehen kénnen. Der Satz, in welchen DriescuH seine Erfahrungen iiber diesen Furchungsmodus zusammengefaft hat, ist auf Grund des Gesagten teils zu berichtigen, teils anders zu formulieren. Er sagt: ,,Von den Zellen jedes der 4 Pakete (d. h. von den Abkémmlingen der 4 primaren Furchungszellen) sind 2 befaihigt, Mikromeren zu bilden; sie tun es (eine oder beide) nur dann, wenn es vermége der Lage- ordnung méglich ist, da8 ihre Mikromeren sich mit den von den anderen Paketen gebildeten zusammenlagern kénnen; nie liegen Mikromeren an differenten Stellen.“ Dieser Satz enthalt in der Aussage, daf von jeder der 4 primaren Blastomeren eines tetraédrischen Tetrastereies Mikromeren abstammen kénnen, ohne Zweifel einen Irrtum. Denn es ist eben geometrisch gar nicht méglich, da8 die Abkémmlinge von 4 14 Theodor Boveri, tetraédrisch gestellten Zellen Mikromeren liefern, die nebeneinander liegen, oder kausal ausgedriickt, es ist unméglich, daf bei tetra- édrischer Furchung des Eies die vegetative Polkappe, welche die Mikromeren liefert, auf mehr als 3 Zellen verteilt wird. Ich halte es daher fiir zweifellos, da’ sich Drrescu in der Deutung seiner jenen Satz illustrierenden Fig. 75, zu der er ja auch gerade die friiheren Stadien nicht abgebildet hat, geirrt haben muff. Die 4 mit MM bezeichneten Zellen dieser Figur kénnen nicht jede von einer anderen der 4 primaren Furchungszellen eines tetraédrisch geteilten Eies stammen. Es ist ferner klar, da8 der Sachverhalt nicht so aufzufassen ist, da’ Mikromeren nur dort entsfehen, wo sie nebeneinander liegen kénnen, sondern sie liegen nebeneinander, weil sie sich alle aus einem bestimmten Bezirk des Eies ableiten, der durch die Furchung auf benachbarte Zellen verteilt wird. Warum nun in manchen dispermen Eiern die 4 Zentren in einer Ebene, in anderen tetraédrisch aufgestellt sind, dies diirfte folgendermafen zu erklaren sein. Wie ich schon friiher durch andere Versuche gezeigt habe (19), sind im Seeigelei hinsichtlich der Spharenstellung zwei einander unter Umstinden widerstreitende Tendenzen vorhanden. Das Ei besitzt eine bestimmte, in der Nahe des Aequators oder in ihm selbst gelegene Ebene, welche alle in der ersten Teilungsperiode vorhandenen Zentren in sich aufzu- nehmen sucht. In ihr liegen die 2 Zentren des Amphiasters, aber auch, wie oben berichtet, die 4 Zentren des ebenen Tetrasters, ja auch die 6 Pole eines trispermen Eies habe ich einmal alle in dieser Ebene gefunden. Welche Kraft die Zentren in dieser Ebene halt, ist uns unbekannt; nur so viel kénnen wir aus der Pigmentie- rung des Strongylocentrotus-Kies ableiten, dafi das Eiplasma senk- recht zur Achse geschichtet ist, also stofflich differente Zonen ent- halt, und daf die Zone, welche wir als karyokinetische Ebene bezeichnen, eine besondere Attraktion auf die Cytozentren ausiibt 4). Bei der Kugelgestalt des normalen Kies braucht der Reiz nicht sehr grof zu sein, um diese Ebene vor allen iibrigen gréSten Kreisen zu bevorzugen. Eine zweite bei unserem Problem in Betracht kommende Er- scheinung ist die Tendenz der Sphiren, sich auf einen bestimmten Abstand voneinander zu entfernen. Dieser ,,Gleichgewichtsabstand“, 1) Vergl. hierzu auch meine Beobachtungen an Fragmenten (19, p. 152). Tye Zellen-Studien. 15 wie wir ihn nennen kénnen, lift sich nach den Feststellungen von M. Boverr (4) an Spharen, die nicht durch Chromosomen an- einander gekoppelt sind, eruieren. Er ist, wie man sich durch Vergleich verschieden grofer kugeliger Fragmente untereinander und mit ganzen Eiern tiberzeugen kann, nicht absolut konstant, sondern von den Dimensionen des Protoplasmakoérpers abhangig. Was in diesem Satze fir kugelige Objekte verschiedenen Volumens ausgesagt ist, gilt nun auch in entsprechender Weise bei Vergleichung gleicher Protoplasmavolumina von ver- schiedener Gestalt. Strecken wir ein normal befruchtetes Ei in einer zu seiner Achse. senkrechten Richtung, so legen sich nach der Hertwicschen Regel die beiden Zentren in den langsten Durchmesser der zur Ellipse deformierten karyokinetischen Ebene und nehmen dabei, was eben fiir unsere Betrachtung vor allem wichtig ist, einen wesentlich gréSeren Abstand ein als im kugeligen Ei, wo die karyokinetische Ebene ein Kreis ist (vergl. die Figuren bei M. Boveri). Ja es scheint mir, da8 die in der Hertwiaschen Regel ausgesprochene Einstellung in die — ceteris paribus — langste Protoplasmadimension direkt eine Konsequenz aus dem mit der Dimension wachsenden Entfernungsbestreben der Spharen ist; denn erst wenn die Spharen im langsten Durchmesser an- gelangt sind, ist ihrem Entfernungsbestreben in stabiler Weise Geniige geleistet. Wir haben bisher nur den Spezialfall betrachtet, da8 die lingste Protoplasmadimension in die karyokinetische Ebene fallt. Es ist klar, da8, wenn die Streckung, die wir einem Ei geben, in der Richtung der Eiachse erfolgt oder schief zu ihr und der karyo- kinetischen Ebene steht, die Tendenz der Spharen, sich in die karyokinetische Ebene einzustellen, mit der anderen Tendenz, den moglichst gréSten Abstand voneinander zu gewinnen, i. e. der Hertwieschen Regel zu folgen, in Konflikt gerat. Ich habe schon friiher mitgeteilt, da8 bei diesem Widerstreit in manchen Fallen, speziell bei schiefer Streckung, die Eistruktur siegreich ist, die Zentren verbleiben in der karyokinetischen Ebene. In anderen Eiern aber und dann gewodhnlich fast in dem ganzen von einem Muttertier stammenden Material ist die Kraft der karyokinetischen Ebene schwiicher, die Zentrenstellung folgt der Herrwiaschen Regel. Uebertragen wir nun diese Erfahrungen auf die dispermen Eier, so ist dieses zuletzt erérterte, individuell verschiedene Ver- halten der Eier aufs beste geeignet, die Verschiedenheit zwischen 16 Theodor Boveri, der ebenen und der tetraédrischen Zentrenstellung zu erkliren. Ist die Eistruktur kraftig genug, so werden alle 4 Zentren in die karyokinetische Ebene gezwungen; ist sie es nicht, so tritt die Tendenz der Spharen, sich méglichst weit voneinander zu ent- fernen, in Wirksamkeit, wobei sofort ersichtlich ist, da’ es die tetraédrische Stellung ist, welche den Zentren den weitesten gegenseitigen Abstand gewahrt. Im tibrigen aber darf wohl ange- nommen werden, daf der Widerstreit der beiden Tendenzen dann am besten beglichen ist, wenn das eine Zentrenpaar in der karyo- kinetischen Ebene liegt, das andere dazu senkrecht steht. II. Doppelspindeltypus. Ein zweiter, obgleich viel seltenerer Haupttypus dispermer See- igeleier ist der, daf sich nur der eine Spermakern mit dem Ei- kern vereinigt, der andere selbstandig bleibt. In diesem Fall entstehen gewohnlich 2 véllig getrennte Spindeln, eine in ihrer Konstitution vollkommen normale ,erste Furchungsspindel“ und eine ,Spermaspindel“, wie die Briider Herrwia (73) diese zuerst von Fou beschriebene und von ihnen dann genauer studierte Figur genannt haben. Man kann diesen Typus der Dispermie im Gegensatz zu dem Tetrastertypus, bei dem alle 4 Spharen durch Chromosomen zu einer einheitlichen mitotischen Figur verkniipft sind, als den Typus des doppelten Amphiasters oder kurz als den Doppelspindel- typus bezeichnen. Er diirfte vermutlich dann besonders leicht ein- treten, wenn die beiden Spermak6épfe weit voneinander entfernt ins Ei eindringen und der eine den ihm nahe gelegenen Eikern sehr rasch an sich zieht. Dann sind, ehe der zweite herangekommen ist, die beiden Spermaspharen schon so kraftig ausgebildet, daf ihre gegenseitige AbstoBung zur Geltung kommt1); der zweite Spermakern mit seiner Sphire bleibt nun selbstandig. Auch die 4 Pole dieser 2 Spindeln kénnen, wie nach den obigen Erérterungeu schon zu erwarten ist, in zweierlei Stellungen vorkommen; entweder die beiden Spindeln liegen parallel und dann in der karyokinetischen Ebene, oder sie stehen senkrecht zueinander, ihre Pole sind zu einem Tetraéder gruppiert. Wahrend man diesen letzteren Fall von dem tetraédrischen Tetraster nicht ganz leicht unterscheiden kann, gibt es fiir den 1) Auf die gegenseitige Abstokung der Spermasphiaren hat, soviel ich weil, zuerst RUckwrr (111) aufmerksam gemacht. Zellen-Studien. 17 Fall der parallelen Spindelstellung ein sehr einfaches und _ fir unsere Versuche sehr wichtiges Kennzeichen, um ihn auf dem Stadium, wo in beiden Spindeln die Aequatorialplatte ausgebildet ist, von dem ebenen Tetraster zu unterscheiden. Die zu einer Spindel verbundenen Pole stehen einander namlich betrachtlich niher als die unverbundenen, wogegen im ebenen Tetraster die 4 Zentren ziemlich genau ein Quadrat formieren (vergl. Fig. IV). Es ist dies ein Ausdruck des von M. Boveri festgestellten Ge- setzes, daf allgemein ungekoppelte Sphiaren ceteris paribus weiter voneinander abstehen als gekoppelte. x “TEVAN Fig. IV. Was nun die Furchung dieser Doppelspindeleier anlangt, so ist dieselbe sehr variabel. Ich habe im Jahre 1897 (15) Erfahrungen mitgeteilt, wonach sich bei der Furchung der Seeigeleier eine dauernde Durchschniirung nur zwischen solchen Polen vollzieht, die Chromosomen zwischen sich haben. Es hat sich spaiter durch die Untersuchungen von ZieaLer (132), E. B. Wiison (130) und TEICHMANN (123) gezeigt, daf diese Regel keine allgemeine Geltung besitzt; allein so viel bleibt an dem von mir aufgestellten Satz richtig, daf sich zwischen nicht verbundenen Polen die Durch- schniirung viel schwerer und in der Mehrzahl der Fille iiberhaupt nicht vollzieht. Demgemaf furchen sich disperme Eier mit Doppel- spindel nach meinen Erfahrungen fast ausnahmslos so, daf zu- nachst eine Zweiteilung des Kies eintritt; jede der beiden ent- stehenden Zellen ist in gewissem Sinne doppelwertig, sie besitzt von Anfang an 2 Sphiren und 2 Kerne, die sich, entsprechend ihrer Herkunft, des einen aus einer normalen ersten Furchungs- spindel, des anderen aus einer Spermaspindel, deutlich durch ihre verschiedene Gréfe unterscheiden (vergl. 27, Fig. D, p. 30). Dieser Zustand ist so charakteristisch, da man einen derartigen Keim, Bd, XLII, N. F. XXXVI. 2 18 Theodor Boveri, auch wenn man seine Vorgeschichte nicht verfolgt hat, mit Sicher- heit auf unseren Typus beziehen kann. Daf ein Ei mit Doppelspindel sich simultan in 4 Zellen durch- geschniirt hatte, habe ich unter den 37 von mir direkt beobach- teten Fallen niemals gefunden; da® dieser Fall aber vorkommt, hat TEICHMANN (123) gezeigt und in seiner Fig. 7 (Taf. IX) ab- gebildet. Es wird tibrigens unten von einem Pluteus aus einem dispermen Ei die Rede sein, das ich als simultan viergeteilt iso- liert hatte und fiir welches nach der Beschaffenheit der Larve kaum bezweifelt werden kann, daf es, wie jenes von REICHMANN beschriebene Objekt, nicht einen Tetraster, sondern 2 getrennte Spindeln enthalten hatte. Endlich kommen Faille vor, die auf der einen Seite dem ersten, auf der anderen dem zweiten Modus folgen, wo sich also das Ei simultan in 2 einwertige und eine doppelwertige Zelle spaltet, wie ich einen solchen Fall bereits friiher beschrieben habe (27, p. 28, Fig. C). Es ist klar, da’ je nach dem verschiedenen Verhalten wahrend der ersten Teilungsperiode auch der weitere Verlauf der Furchung variabel sein muf, wozu als weiteres kom- plizierendes Moment noch kommt, dal die jeweils vorhandenen doppelwertigen Zellen sich wieder verschieden verhalten kénnen, derart, daf sie simultan in 4, 3 oder 2 Zellen zerlegt werden. So wird man nicht leicht 2 disperme Eier des Doppelspindel- typus finden, die sich in ihrer Furchung véllig gleich verhalten. Es mag gentigen, hier als Beispiel einen besonders einfachen Fall kurz zu beschreiben. Dieses Ei, von Echinus microtuberculatus stammend, war im Zustand der Doppelspindel isoliert worden und hatte sich dann in 2 doppelwertige Zellen geteilt, jede mit einem groBen und einem kleinen Kern, wie ein solcher Fall schon friiher (27, p. 30, Fig. D) mitgeteilt worden ist. In jeder dieser beiden Zellen entstanden dann, wie es die Regel ist, wieder 2 getrennte Spindeln, deren Stellung aus Fig. Va zu ersehen ist. Alle 4 Spindeln befinden sich in einer Ebene, ohne Zweifel der karyokinetischen Ebene, und je 2 in der gleichen Zelle gelegene sind mit ihren der ersten Furche zugekehrten Polen viel weiter voneinander entfernt, als mit den beiden anderen, oder, wie man auch sagen kénnte, sie stehen mit ihrer Achse annahernd tangential. Auch dieser Zu- stand ist sehr haufig; er laft sich leicht auf die Verhiltnisse des ebenen Tetrasters beziehen, wo in den 4 simultan entstandenen Blastomeren die Spindeln fiir die nachste Teilung gleichfalls alle Zellen-Studien. 19 in der karyokinetischen Ebene und mit ihrer Achse tangential stehen. Die Folge dieser Spindelstellung in unserem Keim ist eine Zerlegung jeder der beiden Blastomeren in 2 einwertige und eine doppelwertige Zelle (Fig. Vb). Die 4 Amphikaryen (links) sind von den 4 Monokaryen (rechts) an der Gréfe zu unterscheiden 4). Nun wiirde beim ebenen Tetrastertypus die aquatoriale Furche folgen. Ganz entsprechend zeigen sich in unseren 4 einwertigen Zellen Spindeln, die auf den bisherigen Richtungen senkrecht Mili QU y 11 wlt = NS MWS RNA \ SZ NS wil 1) \ =~ HWW Fig. V. stehen (in Fig. Ve erblickt man die Spindeln dieser 4 Zellen in polarer Ansicht). Auch in den doppelwertigen Zellen treten bei manchen Keimen 2 unter sich und mit jenen der einwertigen Zellen parallele Spindeln auf. In unserem Fall dagegen verhalten sich 1) Hinsichtlich der Terminologie ist 27, p. 3 zu vergleichen. An jener Stelle habe ich den einzelnen Vorkern, bezw. die durch Zweiteilung von ihm abstammenden Derivate Hemikaryen ge- nannt, die aus 2 Vorkernen kombinierten Kerne und ihre Ab- kémmlinge Amphikaryen. Diese Benennungen sind seitdem auch von anderen Autoren gebraucht worden. Trotzdem méchte ich eine Modifikation derselben vorschlagen. Es ist namlich fiir eine Weiter- bildung dieser Terminologie vorteilhafter, anstatt Hemikaryon M ono- karyon zu sagen. Auch ist dies insofern zutreffender, als ja der einzelne Vorkern einen ganzen Kern mit allen Kernqualitaten dar- stellt. Der Ausdruck Dikaryon oder Amphikaryon fiir den aus 2 Vorkernen zusammengesetzten Kern wiirde unveriandert bleiben, ein aus Kikern und zwei Spermakernen zusammengesetzter Kern (bei der Dispermie) ware ein Trikaryon, ein Kern, der 4mal die Elemente des Monokaryon enthalt, von mir friiher Diplokaryon ge- nannt, ware als Tetrakaryon zu bezeichnen. 2 * 20 Theodor Boveri, die doppelwertigen Zellen abweichend und auch untereinander ver- schieden. Schon in Fig. Vb sieht man in der unteren doppel- wertigen Zelle die beiden Kerne einander ziemlich nahegeriickt; kurz vor der Auflésung waren sie dicht nebeneinander gelegen, und es entwickelte sich nun ein gekreuzter Tetraster (vergl. Fig. Vc, wo die 2 linken Sphiren sich decken). In der oberen doppel- wertigen Zelle dagegen sind wieder 2 getrennte Spindeln ent- standen, deren Achsen gleichfalls senkrecht zueinander stehen. Fiir die untere der beiden doppelwertigen Zellen ist es nach der Konstitution ihrer Teilungsfigur selbstverstindlich, da8 sie sich simultan in 4 Zellen teilt (Fig. Vd); aber auch die obere erfuhr eine simultane Vierteilung, obgleich hier die 4 Zentren nur paar- weise durch Chromosomen verkniipft waren. Es verhielt sich diese Blastomere also so, wie das oben erwahnte, von TEICHMANN be- obachtete Doppelspindelei, bei dem die Spindelachsen gleichfalls gekreuzt waren. Es scheint nach diesen Befunden, da’ bei ge- kreuzter Spindelstellung die Durchteilung zu einwertigen Zellen haufiger ist als bei paralleler Stellung. Auferdem aber kann es nach meinen Erfahrungen kaum bezweifelt werden, da8 die Furchung zwischen nicht verbundenen Polen um so leichter ein- tritt, je kleiner die Zellen geworden sind. Die Beobachtungen yon ZIEGLER (132) an einer kernlosen Blastomere sprechen im gleichen Sinne. Damit ist also nun unser Keim in 16 einwertige Zellen zer- legt, deren weitere Teilung fiir uns kein spezielles Interesse dar- bietet. Nur sei erwahnt, dal beim nachsten Teilungsschritt von den 4 mit Punkten bezeichneten Zellen der Fig. Vd Mikromeren gebildet worden sind, wie es nach der ganzen Art der Furchung erwartet werden konnte. III. Triastertypus. Ein dritter und fiir die Analyse der dispermen Entwickelung besonders wichtiger Typus ist der, daf nicht 4, sondern nur 3 Zentren auftreten und daf das Ei dann simultan in 3 Zellen zer- fallt, die sich durch Zweiteilung weiter vermehren. Diese Abart der dispermen Furchung lat sich dadurch hervorrufen, daf man die Kier kurz nach der Befruchtung schiittelt, wie man es tut, wenn man die Dotterhaut entfernen will. Daf man unter so behandelten Eiern nicht selten dreiteilige findet, hat schon Mor@an (95) beob- achtet, der auch ihre weiteren Schicksale an einigen Exemplaren Zellen-Studien. o1 verfolgt hat. Doch vermochte er tiber die Natur der Abnormitit nicht zu einem bestimmten Resultat zu gelangen. Meine Untersuchungen haben nun ergeben, daf diese Triaster- eier disperme Eier sind, in denen sich das eine Spermozentrum nicht geteilt hat. Der erste Umstand, der mich zu dieser Auf- fassung brachte, war die Beobachtung, daf in allen Zuchten, welche viele Triastereier enthalten, stets in entsprechend grofer Zahl Kier enthalten sind, die als ,Monastereier“ schon anderwarts beschrieben worden sind*). Diese Kier zeigen zur Zeit, wo in den normalen die zweipolige Spindel ausgebildet ist, eine einzige sehr grofe, annihernd im Zentrum gelegene Sphare, der die Chromo- somen in einer Kugelfliiche angelagert sind. Beziiglich der weiteren Entwickelung dieser Kier, die uns hier nicht interessiert, verweise ich auf das vorige Heft dieser Studien. Da an manchen Monaster- eiern die Dotterhaut erhalten war, sie also befruchtet sein muften, was auch sonst aus dem Parallelismus der inneren Vorgange mit denen in Amphiastereiern und aus ihrer Chromosomenzahl zu schliefen war, so blieb von vornherein keine andere Deutung ibrig, als da sich in derartigen Eiern infolge des Schiittelns das Spermo- zentrum nicht geteilt hatte, im tibrigen aber alle Vorgange typisch abgelaufen waren. Die mit den Monastern zusammen vorkommen- den Triaster erklarten sich dann so, daf in dispermen Eiern das Schiitteln die Teilung des einen Spermozentrums hintangehalten hatte, wogegen sie bei dem anderen eingetreten war. So muf eine dreipolige Figur entstehen. Zur Priifung dieser Annahme diente folgendes: Nachdem ich schon bei allen friiheren Versuchen die Er- fabrung gemacht hatte, daf das Auftreten der Triaster immer einerseits mit dem der Monaster, andererseits mit der reichlichen Anwesenheit von Tetrastern (also dispermen Eiern) zusammentrifit, wurde zur zahlenmafigen Feststellung dieser Verhaltnisse folgender Versuch ausgefiihrt: Versuch vom 20. Marz 1902. Die tadellos reifen Kier eines Weibchens von Strongylocentrotus wurden in 2 Portionen geteilt, die eine mit sehr verdiinntem, die andere mit sehr konzentriertem Sperma des gleichen Mannchens im gleichen Moment gemischt. Nachdem iiberall das Abheben der Dotterhaut konstatiert war, wurde jede Portion wieder in 2 Halften 1) Vergl. Tu, Boveri (24, 27), sowie M. Boveri (4). 22 Theodor Boveri, geteilt, die eine ruhig stehen gelassen, die andere geschiittelt. Und zwar wurde diese Prozedur an der schwach- und an der stark- besamten Eimasse gleichzeitig in gleich grofen, gleich vollen Rohr- chen vorgenommen, indem das eine mit der rechten, das andere mit der linken Hand méglichst symmetrisch bewegt wurde. Es waren also dann 4 verschiedene Portionen vorhanden: A. Wenig Sperma B. Viel Sperma 1. nicht geschiittelt, 2. geschiittelt | 1. nicht geschiittelt, 2. geschiittelt Sodann wurden von jeder Portion unter der Lupe 200 be- liebige Eier isoliert und die erste Teilung abgewartet. Die Zahlen, in denen die verschiedenen Eitypen in den einzelnen Zuchten vor- kamen, waren die folgenden: A. Wenig Sperma B. Viel Sperma 1. nicht i 1. nicht 4 seschiittelt 2. geschiittelt eeschaetelt 2. geschiittelt Monaster O 23 O 17 Amphiaster 198 175 175 155 Triaster 0 1 O 9 Tetraster 2 1 25 18 Polyaster 0 0) 0 ih Summe: | 200 | 200 | 200g Ns) 200 Der Versuch zeigt zunichst wieder die Wirkung der Sperma- menge auf die Zahl der Mehrfachbefruchtungen. Lassen wir die geschiittelten Portionen A, und B, wegen der uns in ihrer Be- deutung noch unbekannten Triaster beiseite und halten uns nur an die ungeschiittelten, so zihlen wir in A, 2, in B, 25 Tetraster (disperme Kier), also dort 1 Proz., hier 12,5 Proz. Fiir unsere gegenwartige Betrachtung ist uns nun vor allem von Wichtigkeit der Einfluf des Schiittelns auf die Zahl der Pole. Suchen wie die Falle mit ungerader Polzahl, also die Monaster und Triaster heraus, so finden wir, daf in den beiden ungeschiittelten Portionen diese beiden Rubriken ganz gleichartig mit O vertreten sind; bei den geschiittelten Portionen finden wir in A, 23 Monaster und 1 Triaster, in B, 17 Monaster und 9 Triaster, also dort 24, hier 26 Faille. Da also die un- gerade Polzahl durch das Schiitteln bedingt ist, ist hier in der klarsten Weise erkennbar. Steht dies fest, so ist nun weiterhin von Wichtigkeit das Zahlenverhailtnis von Monastern und Triastern je nach der Spermamenge. In A, (wenig Sperma) sind diese Zellen-Studien. 23 Zahlen 23 Monaster und 1 Triaster, in B, (viel Sperma) 17 Monaster und 9 Triaster, also dort 23:1, hier annihernd 2:1. Wir sehen also die Zahl der Triaster mit der Spermamenge, d. h. aber: mit der Zahl der Doppelbefruchtungen, steigen. Und in dieser Hin- sicht ist uns schlieSlich noch von Wichtigkeit das Verhaltnis in der Zahl der Triaster zu der der Tetraster. Wir finden in: Tetraster ‘'Triaster = nicht geschiittelt eae, : Ee ; 1 A, : wenig Sperma 1 : B geschiittelt viel Sperma 18 9 Wir konstatieren also nicht nur, daf der Triaster einerseits vom Schiitteln, andererseits von der Zahl der Doppelbefruchtungen abhangt, sondern die eben angefiihrten Zahlen zeigen auch in tiberraschend klarer Weise, da8 sich mit dem Auftreten der Triaster in einer Portion das der Tetraster entsprechend ver- mindert, daS also die Triaster durch Schitteln auf Kosten der Tetraster entstehen, wie die Monaster auf Kosten der Amphiaster. So wenig schon angesichts dieser Tatsachen an der Richtig- keit unserer Erklirung von der Entstehung der Dreier gezweifelt werden kann, so gibt es nun doch einen direkteren Beweis, nam- lich die Verfolgung im Leben. Es kann sich ja nur um zwei Moglichkeiten handeln: entweder in einem monospermen Ki ist die Zahl der Pole abnormerweise um einen erhdht, oder in einem dispermen ist sie abnormerweise um einen vermindert. Im ersten Fall wird auf einem friiheren Stadium eine einfache Strahlung nachweisbar sein, an deren Stelle spiter 3 Spharen treten, im zweiten Fall werden zuerst zwei Strahlungen (Spermasphiren) vor- handen sein, von denen sich spater die eine verdoppelt, die andere nicht. Daf ein Triaster auf die letztere Art entstehen kann, habe ich, allerdings nur ein einziges Mal, direkt beobachten kénnen. Aus einem in der beschriebenen Weise stark besamten und dann geschiittelten Eimaterial, in dem sich spiter viele Vierer und Dreier fanden, wurde ein dispermes Ei verfolgt, in welchem der eine Spermakern mit seiner Strahlung sich dem Eikern verbunden hatte, wogegen der andere abseits liegen blieb. Nach Auflésung der Kerne zeigte sich da, wo der vereinigte Ei- und Spermakern gelegen war, eine zweipolige Figur, an der Stelle des isolierten Sperma- kerns aber nicht auch eine solche (Spermaspindel), sondern nur eine einfache Sphire, so daf also im ganzen drei vorhanden waren. 24 Theodor Boveri, Aus dem Gesagten darf jedoch nicht geschlossen werden, daf in dispermen Eiern mit 3 Polen die eine Sphare stets als Monaster abseits liegt. Im Gegenteil sind in weitaus den meisten Fallen die 3 Sphiren zu einem einheitlichen Triaster mit aquidistanten Polen verbunden, und der beschriebene im Leben verfolgte Fall ist eine Ausnahme, genau wie der Doppelspindeltypus unter den vierpoligen Kiern. Wir hatten also von dem eigentlichen ,Triaster- typus* einen IV. Amphiaster-Monaster-Typus zu unterscheiden. Ist durch den besprochenen Fali bewiesen, daf dreipolige Figuren unter Umstanden durch Dispermie bedingt sind, so wire damit nicht ausgeschlossen, daf sie vielleicht auch in monospermen Kiern durch simultane Dreiteilung des Spermozentrums oder durch Auftreten einer ,Oosphire“ neben den beiden typischen Sperma- spharen entstehen kénnten. Allein dies ist nach allem, was die angefiihrten Versuche ergeben haben, so unwahrscheinlich und miiSte, wenn es vorkaéme, eine so seltene Ausnahme sein, dal unsere spater mitzuteilenden Ergebnisse dadurch kaum getriibt sein kénnten. Doch sei gleich hier bemerkt, daS es in den Schliissen, die wir aus den Schicksalen simultan dreiteiliger Kier ziehen werden, keine wesentliche Aenderung bedingen wiirde, wenn unter den 720 isoliert verfolgten Triasterkeimen einige aus mono- spermen Eiern stammen wiirden. Ein dritter Weg endlich, um iiber die Herkunft der Dreier Aufschlu8 zu gewinnen, ist gegeben in der Feststellung der Chromosomenzahl. Stammt der Dreier aus einem dispermen Ei, so miissen in der dreipoligen Figur, bei x Chromosomen in jedem Vorkern, 3 x Chromosomen nachweisbar sein. Dies ist in der Tat der Fall. Nachdem ich an ganzen Triastereiern wenigstens an- nahernd die zu postulierende Zahl hatte konstatieren kénnen, ver- mochte Herr F. Baurzrer, der auf meine Anregung hin diese Ver- haltnisse an Schnitten untersuchte, in den Triasterfiguren mit voller Genauigkeit die der Dispermie zukommende Chromosomenzahl festzustellen. Und eine gleich exakte Bestimmung mit dem gleichen Ergebnis habe ich an einigen Dreierkeimen ausgefiihrt, die beim Uebergang vom 6- zum 12-zelligen Stadium abgetétet waren, worauf ich unten zuriickkomme. Damit ist also ein dritter Beweis fiir die disperme Natur der Triastereier geliefert. Gehen wir nun noch kurz auf die Furchung dieses Typus ein, Zellen-Studien. 95 so ist alles Wesentliche, was dartiber zu sagen ist, bereits von MorGan (95) mitgeteilt worden. Der Triaster liegt stets in der karyokinetischen Ebene des Eies, und die erste Teilung liefert also 3 Blastomeren, welche alle Eizonen enthalten. Wie nun im normalen Ei und im dispermen Ei mit ebenem Tetraster die durch den ersten Teilungsschritt gebildeten Zellen nochmals eine meridionale Teilung erleiden, so ist das auch bei den Dreiern der Fall. Es entsteht ein Ring von 6 Zellen, die dann durch die aquatoriale Furche in 6 animale und 6 vegetative Blastomeren zerlegt werden. Die ersteren Fig. VI. liefern bei der nachsten Teilung 12 Meso- meren, jede vegetative Zelle teilt sich in Makromere und Mikro- mere. Dieses aus 24 Zellen bestehende Stadium ist in Fig. VI in der Ansicht vom vegetativen Pol wiedergegeben. Wenn feststeht, dafi das Schiitteln nach der Befruchtung in den Eiern eine Tendenz hervorruft, die Teilung des Spermozentrums zu unterdriicken, so ist zu erwarten, daS in manchen dispermen Eiern durch das Schiitteln die Teilung beider Spermozentren hintangehalten wird, in welchem Fall im allgemeinen ein typischer Amphiaster entstehen mii&te, der sich von einer normalen ersten Furchungsspindel nur durch die Zahl seiner Chromosomen unter- scheiden liefe. Wir hatten von einem ,Amphiastertypus* des dispermen Kies zu sprechen. In der Tat hat TrEICHMANN (128) einen Fall beschrieben und in seiner Fig. 14a (Taf. XI) abge- bildet, wo in einem wurstformig gestreckten dispermen Ei von Echinus eine zweipolige Teilungsfigur entstanden war, und zwar kann es nach der ganzen Konfiguration nicht zweifelhaft sein, daf jedes der beiden Zentren einem Spermozentrum ent- spricht. Da das Ei zum Zweck der Deformierung geschiittelt worden war (ob vor oder nach der Befruchtung, ist allerdings aus der Beschreibung von TEICHMANN nicht ersichtlich), so hatten wir also in diesem Fall eine Bestaitigung unseres Resultats'). Aller- 1) Fiir Ascaris megalocephala ist zur Srrassmn (120) schon vor lingerer Zeit zu dem Schlu8 gefiihrt worden, dai disperme Kier (Rieseneier) unter Umstiinden eine normale zweipolige Spindel bilden. Er war der Meinung, daf in diesen Fallen je 2 Spharen sekundar wieder miteinander verschmolzen seien. Ich habe dem- 26 Theodor Boveri, dings gibt TrrcHMANN fiir seinen Fall an, da die beiden Spharen nicht zu einer Spindel zusammengesetzt gewesen seien, sondern als Monaster bestanden hiatten, von denen der eine die Elemente des Kikerns und des einen Spermakerns, der andere die des anderen Spermakerns enthielt. Trifft dies zu, was mir allerdings aus den Figuren von TEICHMANN nicht vollig sicher bewiesen zu sein scheint, so hatten wir diesen Typus als den des ,Doppel- monasters* —- analog dem Doppelspindeltypus — zu unter- scheiden. Da fiir das Problem der dispermen Entwickelung das Schicksal solcher dizentrischer Eier von einer gewissen Wichtigkeit wire, habe ich mich 6fter bemiiht, derartige Falle im Leben zu finden, jedoch vergebens. Und es ist einleuchtend, da es ein grofer Zufall wire, bei Verfolgung lebender dispermer Kier diese jedenfalls sehr seltene Art von Abnormitét zu finden. Denn sie kann nur dann festgestellt werden, wenn man das Ei von Anfang an verfolgt hat. Kurz vor der Teilung wird ein solches Ei genau so aussehen wie ein normal befruchtetes, und es wird sich, nach allen unseren Erfahrungen, auch in genau der namlichen Weise furchen. Daf aber in meinen Zuchten solche Falle gewesen sind, schlieBe ich daraus, daZ ich in einem Ki von Strongylocentrotus, das aus geschiitteltem Material mit zahl- reichen Monastern und Triastern stammte, die Chromosomenzahl 51 fand, wahrend in normal befruchteten Eiern dieser Zucht Fig. VII. gegentiber darauf aufmerksam gemacht (16), dai die Griinde, die ihn zu dieser Auffassung gefiihrt haben, nicht zwingend seien; und die Idee einer Verschmelzung von Sphiren méchte ich auch heute noch fiir verfehlt halten. Dagegen mu ich es jetzt mit zur SrRassEN fiir héchst wahrscheinlich erklaren, daf die fraglichen von ihm be- schriebenen Hier mit zweipoliger Spindel wirklich disperm waren, und dai, wie wir es oben fiir Echiniden konstatiert haben, diese Falle auf einer Unterdriickung der Teilung der Spermozentren beruhen. Zellen-Studien. FAT die Zahl 34 zu konstatieren war. Das betreffende Ei befand sich, als es getétet wurde, im Uebergang vom Zwei- zum Vier- zellenstadium und war beim Schneiden so gliicklich getroffen worden, daf sich in beiden Zellen die Tochterplatten von der Flache pra- sentierten. Ein Schnitt aus dieser Serie, der 2 Tochterplatten enthalt, ist in Fig. VIL wiedergegeben; man zahlt in beiden Platten 51 (3 & 17) Chromosomen. AuBer den beschriebenen Haupttypen kommen noch andere vor, so vor allem Fille, wo eine oder 2 von den 4 Sphiaren nicht mit Chromosomen in Verbindung getreten sind. Diese Objekte weichen aber in ihrer Furchung so sehr vom Normalen ab und sind in ihrer weiteren Entwickelung so unregelmafig und un- kontrollierbar, daf sie fiir unsere Zwecke nicht in Betracht kommen kénnen. Die besprochenen Typen seien zum Schluf in Tabellenform iibersichtlich zusammengestellt. A. Tetrazentrische disperme Hier (das gewoéhnliche Verhalten). Alle 4 Spharen durch Chromosomen verbunden I. Tetraster- | a) ebener Tetraster b) gekreuzter Te- Tt us yP traster Die 4 Spharen paarweise durch Chromosomen ver- bunden, und zwar so, daf die eine Spindel die Ele- mente des Hikerns und des einen Spermakerns, die andere die des zwei- a) ebene Doppel- ten Spermakerns enthilt IJ. Doppelspin | spindel del-Typus | b) gekreuzte Doppel- spindel B. Trizentrische disperme Hier (entstanden durch Unter- driickung der Teilung des einen Spermozentrums). Alle 3 Sphiren durch Chromosomen verbunden III. Triaster-Typus 2 Sphiaren zu einer Spindel verbunden, welche die Chromosomen des Hi- kerns und des einen Spermakerns enthialt, die dritte Sphare mit den Chromosomen des zweiten Spermakerns selbstandig IV. Amphiaster-Monaster-Typus 28 Theodor Boveri, C. Dizentrische disperme Hier (entstanden durch Unter- driickung der Teilung beider Spermozentren). Die beiden Sphiren durch die Chromosomen des Ei- kerns und beider Sper- makerne zu einer Spindel verbunden ... . . V. Amphiaster-Typus Die beiden Spharen als Monaster selbstindig, die eine mit den Chromo- somen des Hikerns und des einen Spermakerns, die andere mit denen des zweiten Spermakerns . VI. Doppelmonaster-Typus D. Ueber die mitotischen Vorgiinge in dispermen Eiern und tiber die Kernverhiltnisse der daraus hervorgehenden Keime. Sehr eingehende und wertvolle Angaben tiber die Konstitution und Bildung der Teilungsfiguren in tiberfruchteten Hiern verdanken wir den Briidern Hertwiac, die in ihren experimentellen Studien von 1887 eine grofe Zahl einschligiger Beobachtungen mitgeteilt haben. Allein eine einheitliche Auffassung der Verhaltnisse blieb den beiden Forschern, die auf diesem Arbeitsfeld so viele un- vergingliche Fundamente gelegt haben, versagt; und es tritt uns hier ein Beispiel entgegen, wie die Aufdeckung einer einzigen neuen Tatsache plétzlich ein ganzes weites bis dahin dunkles Gebiet zu erhellen vermag. Dieser Fortschritt war die Ent- deckung der Teilung der Centrosomen und damit zugleich ihres individuellen Fortbestehens. In der Betrachtungsweise der Briider Hertwic war der ,,Kern“ noch jenes, trotz Differenzierung in verschiedene Bestandteile, einheitliche Gebilde, als das man ihn nach einer Fiille alterer Beobachtungen anzusehen sich gewéhnt hatte. Der Kern bestand wahrend der Teilung fort als ,,Kern- spindel‘‘, die Pole der karyokinetischen Figur waren die ,,Kern- enden“, welche mit dem Protoplasma in Beziehung treten und in ihm eigentiimliche Wirkungen entfalten; die Zahl dieser Kernpole aber schien abhingig zu sein von der GréfSe des Kerns, der je nach seiner Menge eine verschiedene Zahl von Tochterkernen liefern sollte. Besondere Annahmen muften ersonnen werden, um das Vorhandensein leerer Strahlensysteme im Protoplasma zu erklaren. Zellen-Studien. 99 An die Stelle dieser Auffassung trat die Lehre vom Dualis- mus der Kernteilungsphinomene. Der karyokinetische Vorgang lief sich zerlegen in zwei zwar typischerweise streng gesetzmifig ineinander greifende, aber doch bis zu einem hohen Grad voneinander unabhangig ablaufende cyklische Prozesse: den Kreislauf des Chromatins und was mit ihm zusammenhangt, und den Kreislauf der Cytozentren. Was man Kernpole genannt hatte, sind uns jetzt die vom Kern ganz unabhangigen, zur Spharen- bildung befihigten Cytozentren, die ,Kernspindel“ nichts anderes als 2 Spharen, welche Chromosomen zwischen sich gefaft haben, die reine Protoplasmastrahlung eine Sphare, der es nicht gelungen ist, sich mit Chromosomen in Verbindung zu setzen. Nicht der Kern bestimmt die Zahl der Teilungspole, sondern diese Zahl be- stimmt sich ausschlieflich aus der Zahl der vorher vorhandenen Cytozentren und den ihnen innewohnenden Vermehrungsgesetzen *). Der Kern teilt sich nicht, sondern er wird geteilt. Muf auch sofort hinzugefiigt werden, da’ diese Skizze nicht alles trifft, was wir an Kernteilungsphanomenen kennen, daf Zu- stinde und wahrscheinlich urspriinglichere bestehen, wo diese 1) In einem kiirzlich erschienenen Aufsatz (104) hat sich C. Rast iiber diese Fragen ausgesprochen. Meine Ausfiihrungen iiber das Verhiltnis der Centrosomenteilung zur GZellteilung (17) werden darin (p. 77) mit dem Urteil abgetan: ,,Worte, sonst nichts‘. — Kurz wie diese Kritik sei auch die Erwiderung. Was ich geschrieben habe, sind freilich nichts anderes als Worte. Denn Worte sind eben das einzige Mittel, durch das man einem anderen seine Meinung zur Kenntnis bringen kann. Dabei werden jedoch noch einige Voraussetzungen gemacht, zunachst die, dai der andere diese Worte liest. Und da die Art, wie C. Rast meine Aeuferungen zitiert, deutlich zeigt, da8 er sich nicht die Miihe hat nehmen moégen, diese erste Bedingung zu erfillen, so halte ich es fiir tiberfliissig, meine Ergebnisse gegen ihn zu verteidigen. — Noch an einer anderen Stelle kommt OC. Rast auf die Centrosomen zu sprechen, und zwar, um KE. van Baenupen den ,,Begriinder der Lehre von der Kontinuitat der Centrosomen*“ zu nennen (p. 63). Es kann dem Autor nicht unbekanunt geblieben sein, da’ genaue Daten vorliegen, aus denen hervorgeht, daf van BrnrpEns erste Mitteilung tiber die Teilung der Centrosomen nach der meinigen erschienen ist; und auch das Weitere darf ich bei C. Razr als be- kannt voraussetzen, daf ich die bei ihm abermals auftretende Art der Geschichtschreibung zweimal (17, 28) nachdriicklich zuriickge- wiesen habe. Ich wiirde es mutiger finden, wenn OC. Rast mich direkt der Anmafung fremden Eigentums beschuldigen wiirde, an- statt daf er dies nur indirekt durch Verschweigung meines Namens tut. 30 Theodor Boveri, scharfe Sonderung nicht durchfiihrbar ist, und daf es regula- torische Prozesse gibt, die unser einfaches Schema komplizieren *): daran besteht kein Zweifel mehr, da’ die Mitose bei den meisten Metazoen sich auf das in obigen Satzen skizzierte Schema zuriick- fiihren 1a8t. Und es darf betont werden, daf nur da, wo sich der Kernteilungsvorgang klar in jene beiden Prozesse zerlegen laft, Experimentaluntersuchungen tiber die Kernkonstitution, wie sie uns hier beschaftigen, tberhaupt méglich sind. Die Erkenntnis der Centrosomen als besonderer neben dem Kern bestehender Zellenorgane fiihrte aber zugleich zu einer Férde- rung unserer Einsicht in die Befruchtungserscheinungen, deren Verhiltnis zur Teilung des Eies sich nun klar herausstellte. Es ergab sich, dai die beiden normalen Furchungszentren Ab- kémmlinge eines dem Spermium angehérigen Zentrums sind, und damit war auch sofort ein Verstiéndnis gewonnen fiir die mitotischen Erscheinungen bei der Mehrfachbefruchtung, indem sich ganz all- gemein der Satz aufstellen lie’: das Ei enthalt doppelt so viele Furchungszentren, als Spermaképfe in dasselbe eingedrungen sind ”). Legte schon die Tatsache, da sich die mitotische Figur aus der Kombination der vorhandenen Sphiren und Chromosomen jedes Mal neu aufbaut, eine Analyse der Gesetze dieser Ver- kniipfung nahe, so wurde diese Untersuchung noch dringender ge- fordert, nachdem eine Reihe von Befunden die Idee eines indi- viduellen Fortbestehens der Chromosomen im ruhenden Kern gezeitigt hatten. Solange man das Chromatin als eine gleich- artige Substanz betrachten konnte, die sich nur zum Zweck leichteren Transports wihrend der Mitose in einzelne Stiicke segmentiere, um dann wieder zusammenzufliefen und sich nun je nach Bediirfnis zu vermehren, lag kaum eine Veranlassung vor, sich zu fragen, wie die Chromosomen in einer mehrpoligen Mitose verteilt werden. Ein wichtiges Problem entstand hier erst durch den Nachweis, daf jeder Tochterkern die ihm zugewiesene Zahl von Chromosomen unveraindert bewahrt und auf seine Abkémmlinge weiter vererbt. 1) Hieriiber sind vor allem die Arbeiten von R. Hertwic ein- zusehen. 2) Vergl. Tu. Boverr (6). In Fallen, wo viele Spermien ein- gedrungen sind, scheint dieses klare Verhiltnis dadurch gestért zu werden, daf nicht selten die Teilung einzelner Spermozentren unter- driickt wird, wie dies ja nach den Darlegungen im vorigen Abschnitt selbst bei Monospermie vorkommen kann. Zellen-Studien. 31 Wie alle diese besprochenen Gesichtspunkte zunichst an dem schematisch einfachen Objekt, dem Ei des Pferdespulwurms, ge- wonnen worden waren, so gilt dies auch fiir die Gesetze, nach denen sich die Verbindung zwischen den Spharen und den Chro- mosomen regelt. Die fiir unsere Betrachtungen wichtigen lassen sich in folgende Hauptsitze formulieren: 1) Der Kern trifft, mag die Zahl der Cytozentren sein, welche sie will, unter allen Umstanden die gleichen Vorbereitungen zur Teilung, d. h. es tritt die dem Kern seiner Genese nach zu- kommende Zahl von Chromosomen auf, deren jedes sich stets in 2 Tochterchromosomen spaltet. 2) Diese Zweiteilung wird im Mutterelement vorbereitet durch eine Art von Bipolaritaét, derzufolge jedes Element mit zwei Sphiren in Verbindung treten kann. Ist diese Verkniipfung mit 2 Spharen eingetreten, so ist das Chromosom gleichsam gesattigt, eine Verbindung mit weiteren Sphiren findet nicht statt. 3) Die einzelnen Chromosomen sind nicht fir bestimmte Zentrenpaare pradestiniert, sondern ihre Einordnung zwischen die Sphairen einer mehrpoligen Figur ist Sache des Zufalls. Im all- gemeinen werden es die einem Chromosoma nachstgelegenen beiden Sphiren sein, die sich seiner bemachtigen und es in der Mitte zwischen sich zur Ruhe bringen !). DaB diese Gesetze auch fiir das Seeigelei gelten, lift sich schon aus den Hertwicschen Figuren ableiten, welche die ver- schiedensten Verkniipfungen der vorhandenen Pole zu ,Spindeln“ darbieten, worin sich eben einerseits die beschrankte Bindungs- fahigkeit einen jeden Mutterchromosoma an nur 2 Spharen, anderer- seits die Zufalligkeit der im einzelnen Fall eintretenden Kom- binationen auBfert. Nach diesen Vorbemerkungen sei nun fiir die einzelnen im vorigen Abschnitt unterschiedenen Typen der Dispermie betrachtet, wie sich die Chromosomen auf die entstehenden Tochterzellen verteilen. Dabei kénnen wir von dem Amphiaster- und Doppelmonaster- typus ganz absehen, nicht nur weil die bei diesen Konstellationen gegebenen Verhaltnisse ohne weiteres klar sind, sondern auch weil Falle dieser Art bei unseren spiteren Betrachtungen nicht vorkommen. Auch der Doppelspindeltypus unter den tetrazentrischen 1) Beziiglich genauerer Darlegung des hier kurz Zusammen- gefahten verweise ich auf meine friiheren Arbeiten (9, 15, 26). 32 Theodor Boveri, Eiern, sowie der des kombinierten Amphiasters und Monasters unter den trizentrischen, lassen sich fiir diejenigen Falle, wo jede Sphire eine Tochterzelle um sich abgrenzt, sehr einfach erledigen. Beim Doppelspindeltypus entstehen unter dieser Voraussetzung 4 Zellen; 2 von ihnen enthalten typische Amphikaryen, die beiden anderen Monokaryen (Abkémmlinge des isolierten Sperma- kerns). Der Amphiaster-Monastertypus liefert 3 Zellen, von denen gleichfalls zwei echte Amphikaryen besitzen, wahrend die dritte nur die Elemente des selbstindigen Spermakerns enthalt. Da diese letzteren Chromosomen sich aber waihrend des Monaster- zustandes ganz regulir zweiteilen, besitzt auch diese dritte Zelle die typische Chromosomenzahl des Amphikaryon. Wie oben (p. 17) dargelegt, tritt beim Doppelspindeltypus simultane Verteilung der Eier nur héchst selten ein. Beim Amphiaster-Monastertypus scheint simultane Dreiteilung zwar relativ hiufiger zu sein, doch habe ich auch hier einen Fall ver- folgt, wo sie nicht zu stande kam. Auf die Chromatinzustande, die sich dann ergeben, komme ich unten zuriick. Eine eingehendere Betrachtung verlangt nun der Tetraster- typus, wobei wir davon absehen kénnen, welche von den beiden Modifikationen: eben oder gekreuzt, vorliegt. Wir wollen die Chromosomenverteilung zuerst hinsichtlich der Zahlenverhalt- nisse und dann nach den verschiedenen Kombinationsmég- lichkeiten betrachten. Enthalt jeder Vorkern 18 Chromosomen, was fiir die meisten Seeigelarten die typische Zahl zu sein scheint, so besitzt die normale erste Furchungsspindel 36 Elemente; diese spalten sich in je 2 Tochterelemente, jede Tochterzelle erhalt eines von diesen, also wieder 36 Elemente. Das disperme Ki enthalt 3 18 = 54 Chromosomen, die beim Tetrastertypus nach Zufall zwischen die 4 Sphiren verteilt werden. Eine der zahllosen méglichen Kombinationen ist in Fig. Villa skizziert; die Anzahl der in jeder Aequatorialplatte enthaltenen Chromosomen ist durch Ziffern bezeichnet. Die Chromosomen er- fahren hier ihre Zweiteilung, die Tochterchromosomen riicken aus- einander; jeder Pol bezieht Tochterelemente aus 2 Spindeln*), wie dies in Fig. VII[b zu sehen ist. In Fig. Ville endlich sehen 1) In Fallen, wo auch in der Diagonale des Zentrenquadrates eine Spindel entwickelt ist, erhalten 2 Pole Chromosomen aus je 3 Spindeln; prinzipiell andert sich dadurch nichts. Zellen-Studien. 33 wir den Chromatinbestand der 4 simultan entstandenen Tochter- zellen. Die Gesamtsumme der Chromosomen in diesen 4 Zellen muf, wie auch die Verteilung sein mag, stets 2X 54— 108 be- tragen. Wiirde, was vorkommen kénnte, die Verteilung eine so gleichmafige sein, daf jede der 4 Zellen die nimliche Zahl erhielte, so waren dies 27 Chromosomen in jeder Blastomere, also 1/, weniger als bei der normalen Entwickelung. Ich habe in dem Beispiel der Fig. VIII sehr grofe Zahlen- differenzen in den Aequatorialplatten angenommen, wie solche nach meinen Erfahrungen nur selten vorkommen. Es geschah dies vor allem deshalb, um zu zeigen, da’ die Unterschiede im Chromatin- bestand der Tochterzellen stets erheblich kleiner ausfallen miissen, als die Differenzen in der Chromosomenzahl der Aequatorialplatten betragen haben. Hier wird in unserem Schema (Fig. VIIa) die Cc (xm |» \ aE kleinste Zahl (6) von der gréSten (26) um mehr als das Vierfache iibertroffen, wogegen nach der Teilung (Fig. VIIIc) der gréBte Tochterkern mit 36 Chromosomen den kleinsten mit 18 nur um das Doppelte iibertrifft. Es riihrt dies daher, da8 sich der Chro- matinbestand eines jeden Tochterkerns aus 2 Aequatorialplatten rekrutiert. Fassen wir nun die 54 Chromosomen einzeln ins Auge, so folgt aus unseren Gesetzen unmittelbar, daf von irgend einem Chromosoma x nur 2 Tochterzellen einen Anteil erhalten, wo- gegen die beiden anderen von diesem bestimmten Chromosoma nichts bekommen. Fiihren wir dies, der leichteren Uebersicht halber, anstatt fiir 18 Chromosomen in jedem Vorkern, fiir 4 durch, so mégen diese durch Buchstaben als a, b, c, d unterschieden sein. Dabei bedeuten diese Buchstaben vorliufig nichts anderes als Unterscheidungszeichen fiir die als selbstiandige Kérper vor- Bd. XLII. N. F. XXXVI. 3 Fig. VIII. 34 Theodor Boveri, liegenden Chromosomen. Sind die Elemente des Eikerns a, b, c, d, so kénnten diejenigen der beiden Spermakerne als e, f, g, h, bezw. i, k, 1, m bezeichnet werden. Wir wollen jedoch aus S Griinden, die sich unten ergeben werden, fiir jeden Vorkern die nim- lichen Buchstaben wah- len und die Kernange- hérigkeit durch Indices unterscheiden. Es seien die Chromosomen des Hikerns a,, b,, ¢, 44, die des einen Sperma- kerns “as, aby; yaar as) die des zweitenSperma- kerns a3, bs, Gs, dy. Eine der méglichen Anordnungen im Te- traster ist in Fig. Xa dargestellt; Fig. IX b. zeigt den aus dieser Konstellation sich er- gebenden Chromatin- bestand der 4 Tochter- zellen. Das Resultat dieser Betrachtungen laBt sich in den Satz zusammenfassen : Die 4 simultan entstehenden Zel- len eines disper- men Tetraster- eies enthalten nicht ynre sie Durchschnitt um 1, weniger Chro- Fig. IX. mosomen als die Blastomeren eines — normalen Keimes, sondern auch im allgemeinen ver- | schiedene Zahlen und, selbst bei gleicher Zahl, ganz verschiedene Kombinationen. Zellen-Studien. 35 Prinzipiell ganz gleich verhalten sich die Triastereier, so da8 an dieser Stelle nur iiber die dabei auftretenden Zahlenverhiiltnisse eine Bemerkung nétig ist. Da diese Kier, wie die Tetrastereier, 3 >< 18= 54 Chromosomen enthalten, deren 108 Tochterchromo- somen aber nur auf drei Zellen verteilt werden, so treffen im Durchschnitt auf jede der 3 primiren Blastomeren 36 Elemente, d. i. die normale Chromosomenzahl des Amphikaryon. Aber auch hier wird diese gleichmafige Verteilung nur als Ausnahme vor- kommen, und ebenso werden die Chromosomen in den verschie- densten Kombinationen auf die 3 Blastomeren verteilt werden. Von der gré%ten Bedeutung fiir das Problem der dispermen Entwickelung ist nun die Frage, wie sich die Chromatinverhaltnisse in den Abkémmlingen der durch die simultane Vier- oder Dreiteilung des Eies gebildeten primaren Blastomeren gestalten. Wir wissen, daf die weitere Zellenvermehrung im dispermen Keim durch Zweiteilung geschieht. Falls also nicht besondere regu- latorische Prozesse eintreten, mu8 sich der Kernbestand einer jeden primiren Blastomere auf alle ihre Descendenten forterben. Daf es sich in der Tat so verhalt, ist nicht zu bezweifeln. Schon friiher habe ich fiir Ascaris megalocephala gezeigt — und dies ist seither von verschiedenen Seiten bestiatigt worden — daf sich die abnorme Chromosomenzahl des Kies von einer Zellgeneration zur naichsten unverindert erhalt; und fiir Echiniden konnte ich neuerdings (27) ein Gleiches sicher bis zur Gastrula nachweisen, nachdem es schon vorher durch Mora@an (96) und Stevens (116) fiir die ersten Furchungsstadien bekannt war. Aber noch eine andere wichtige Tatsache ergab sich bei dieser Feststellung, nimlich die, da8 man bei einer Echinidenlarve schon aus der Gréfe der ruhenden Kerne ziemlich genaue Schliisse auf die Zahl der in ihnen enthaltenen Chromosomen ziehen kann, ein Umstand, der deshalb so wertvoll ist, weil in alteren Larven Mitosen iiberhaupt selten und so winzig klein sind, daf eine exakte Zihlung der Chromosomen kaum jemals ausgefiihrt werden kann. Da diese Beziehung zwischen Kerngréfe und Chromosomenzahl bei unseren folgenden Betrachtungen eine besonders grofe Rolle spielt, war es notig, hieriiber eine spezielle Untersuchung anzustellen. Ihrer Ausarbeitung ist das V. Heft dieser Studien gewidmet, auf welches beziiglich aller Einzelheiten verwiesen werden mu. Es konnte dort durch die Vergleichung von Keimen oder Keimesteilen, fiir welche die Chromosomenzahl der Ausgangszellen sicher bekannt 3* 36 Theodor Boveri, war, dargetan werden, da die Kerngréfen der Larven der Chro- mosomenzahl der Ausgangszellen entsprechen, und zwar so, da die Kern-Oberflache der Chromosomenzahl proportional ist. Steht dies aber fest, so sind wir nun umgekehrt in der Lage, aus der verschiedenen Kerngréfe in den einzelnen Bezirken einer Larve Riickschliisse auf den Anfang der Entwickelung zu machen. In zweierlei Hinsicht sind solche Schliisse méglich, einmal insofern, als ein Larvenbezirk mit lauter gleich grofen Kernen, der sich scharf von Bezirken anderer Kerngré8e abgrenzt, mit Sicherheit auf eine bestimmte Blastomere zuriickgefiihrt werden kann; zweitens aber auch in der Richtung, da sich aus der Proportion der Kerngréfen die quantitative Chromatinverteilung bei den ent- scheidenden Kernteilungen berechnen 1laBt. Ein Beispiel mége dies anschaulich machen. Wenn aus einem dispermen Triasterei eine Larve hervorgeht, von der genau ein Drittel aus kleinkernigen Zellen besteht, wihrend die tibrigen zwei Drittel gré8ere und, wie wir annehmen wollen, untereinander gleich groBe Kerne besitzen, so kénnen wir mit voller Sicherheit be- haupten, daf das kleinkernige Drittel von einer der 3 priméren Blastomeren abstammt. Wir kénnen aber tiberdies, wenn die 3 Blastomeren gleich grof waren, aus den Grenzen dieses einen Drittels auch die Grenze zwischen den beiden anderen mit ziem- lich grofer Genauigkeit bestimmen, womit also die Larve in 3 auf die primairen Blastomeren zuriickfiihrbare Bezirke abgeteilt ist. Wie wichtig diese Méglichkeit fiir die Beurteilung der dispermen Keime ist, wird sich unten zeigen. Nehmen wir nun an, die Durchmesser der Kerne unseres kleinkernigen Drittels verhalten sich zu den Kerndurchmessern der beiden anderen ungefaihr wie 1,4:2, so verhalten sich die Kernoberflachen ungefahr wie 1:2. Nach dem Satz von der Pro- portion zwischen Chromosomenzahl und Kernoberfliche miissen demnach die kleinen Kerne unserer Larve ungefahr halb so viele Chromosomen enthalten als die grofen. Dieser Satz gilt aber nicht nur fiir die uns in der Larve vorliegenden Kerne, sondern auch fiir alle ihre Vorfahren bis zuriick zu den 3 primaren Blasto- meren. Eine von diesen mu ungefaihr halb so viele Chromosomen enthalten haben als jede der beiden anderen. Da wir nun wissen (siehe oben), daf, bei 18 Chromosomen in jedem Vorkern, die Ge- samtzahl aller Chromosomen 108 betragt, so kénnen wir die wirk- lichen Chromosomenzahlen (x, y und z) der 3 Blastomeren an- nihernd berechnen aus den Gleichungen Zellen-Studien. 37 x i yyaomee Ld 22 xt+ty+z= 108. Da y = 2x und z= 2x, erhalten wir 5x = 108 x == 2156 y = 43,2 Z= 43,2 Natiirlich kénnen wir nur ganze Zahlen brauchen und miissen also unsere Zahlen abrunden, wobei, wenn man die geringe Ge- nauigkeit der hier méglichen Messungen bedenkt, ein ziemlich weiter Spielraum gegeben ist. Wir wollen die 3 Zahlen als 21, 43 und 44 (Summe 108) annehmen. Dies wire also die ungefihre Verteilung der Chromosomen auf die 3 primaéren Blastomeren. Aber auch damit brauchen wir noch nicht stehen zu bleiben. Wir kénnen namlich aus diesen Zahlen auch noch die zahlenmafige Gruppierung der Chromosomen im Triaster des Eies ab- leiten, welche fiir unsere Zahlen 21, 43 und 44 nur die in Fig. X gezeichnete gewesen sein kann‘). Auch die Még- lichkeit dieser Feststellung wird uns fiir die Beurteilung mancher dispermer Keime wichtige Fingerzeige liefern. Fig. X. Kehren wir nun noch zu denjenigen Fallen des Doppel- Spindeltypus zuriick, wo das Ei sich nicht simultan vierteilt, sondern in 2 zweiwertige Zellen durchschniirt (vgl. p. 17), so ist zunachst klar, daf von den 2 Kernen jeder Blastomere der eine ein typisches Amphikaryon, der andere ein Monokaryon ist. Dieser Zustand bleibt in den Abkémmlingen so lange bestehen, als die Teilung immer wieder zweiwertige Zellen liefert. Ist dies bei einem Teilungsschritt nicht mehr der Fall, so sind zwei Haupt- méglichkeiten denkbar, die an dem oben (p. 18) besprochenen, in 1) Nach den oben fiir x, y und z berechneten Zahlen 21,6 — 43,2 — 43,2 wiirde man es zunichst fiir richtiger halten, die Ab- rundung auf 22—43—43 vorzunehmen. Allein eine einfache Ueberlegung ergibt, daf aus einem Triaster diese 3 Chromosomen- zahlen nicht resultieren kénnen. Es ist eben zu beachten, daf jede Tochterzelle ihre Chromosomen aus zwei Aequatorialplatten be- zieht, deren jede mit der namlichen Zahl auch zu einer anderen Tochterzelle beisteuert. 38 Theodor Boveri, Fig. V dargestellten Fall der Furchung eines dispermen Doppel- spindel-EKies erliutert sein mégen. Hier haben wir zunachst die Erscheinung, daf sich die beiden primaren Blastomeren infolge der divergierenden Stellung ihrer Spindeln je in eine zweiwertige und 2 einwertige Zellen teilen. Fiir die letzteren kénnen wir mit Be- stimmtheit angeben, daf die eine ein Amphikaryon, die andere ein Monokaryon enthilt, und da dieser Zustand auf alle ihre Descendenten iibergeht. Die beiden zweiwertigen Zellen unseres Objektes verhalten sich nun beim nachsten Teilungsschritt ver- schieden. Die eine bringt wieder 2 getrennte Spindeln zur Aus- bildung, teilt sich aber trotzdem in 4 einwertige Zellen, von denen sonach wieder 2 ein typisches Amphikaryon, 2 ein Monokaryon besitzen miissen. In der anderen doppelwertigen Zelle dagegen ist ein Tetraster entstanden und damit sind die weiteren Chro- matinschicksale dieses Keimbereiches unkontrollierbar geworden. Der Chromatinbestand der 4 Tochterzellen und damit der 4 davon abstammenden Zellfolgen kann nach Quantitét und Kombination ebenso variabel sein, wie der der 4 Bezirke eines Tetrasterkeimes. Ueber den ganzen in Rede stehenden Keim kénnen wir sonach die Aussage machen, daf fiir (ungefahr) drei Viertel der Kern- bestand bekannt, fiir ein Viertel unbekannt ist. Wie oben schon die Furchung der Doppelspindel-Eier als sehr variabel zu bezeichnen war, ebenso verschieden gestalten sich von Fall zu Fall die Chromatinverhaltnisse, was hier nicht weiter ausgefiihrt zu werden braucht. Im Anschlu8 an die in diesem Abschnitt vorgenommene Analyse der Chromatinverteilung in dispermen Keimen komme ich endlich auf die p. 24 beriihrte Frage zuriick, wie sich aus Chromosomen- zahlungen in sechszelligen Triasterkeimen bestimmen laft, ob die- selben aus mono- oder dispermen Kiern hervorgegangen sind. Nehmen wir an, wie ich es in einem bestimmten Fall gefunden habe, die Chromosomenzahl der normalen Keime sei 34, die eines jeden Vorkerns sonach 17, so enthalt das disperme Ei 3 X17 = 51 Chromosomen. Diese seien so zwischen die 3 Pole des Triasters eingeordnet, dafi die eine Aequatorialplatte 23, die zweite 19, die dritte 9 Elemente enthalte. Dann entsteht durch die simultane Dreiteilung eine Zelle mit 23 + 19 = 42, eine mit 19 + 9 = 28 und eine mit 9 + 23 == 32 Chromosomen Summe 102. ee Zellen-Studien. 39 Aus diesen 3 Zellen entsteht beim nachsten Teilungsschritt ein Kranz von 6, von denen je zwei benachbarte 42, 28 und 32 Chro- mosomen besitzen. Dieser einfache Kranz von 6 Zellen zerfallt nun durch die aquatoriale Furche in einen animalen und einen vege- tativen Kranz von je 6 Zellen, und wahrend der Vorbereitung zu dieser Teilung, in dem Moment, wo die beiden Tochterplatten voéllig yoneinander gelést sind, ist der richtige Moment, die Kier zu téten. Der Keim enthalt nun, in annihernd einer Ebene, 6 obere und in einer tieferen Ebene 6 untere Tochterplatten. In beiden Ebenen miissen wieder zwei benachbarte Chromosomengruppen die Zahl 42, zwei weitere die Zahl 28, die letzten beiden die Zahl 32 darbieten. Man hat also, um jede dieser 3 Zahlen zu bestimmen, 4 Tochterplatten zur Verfiigung, so daf, wenn eine oder die andere versagt, damit die Zahlung noch immer nicht unméglich gemacht ist. Ich habe einige am 11. Marz 1902 zum Zweck solcher Zihlung bis zum Ende des Sechszellenstadiums geziichtete Triasterkeime von Strongylocentrotus geschnitten und die Schnitte mit EKisenhimatoxylin gefarbt. Nur zwei waren so genau senk- recht zu den Teilungsachsen getroffen, da’ eine ganz exakte Zihlung méglich war. Bei dem einen Keim fanden sich die in unserem Beispiel gebrauchten Zahlen 28, 32, 42, bei dem zweiten die Zahlen 38, 33, 33. In einigen normalen monospermen Kontroll- objekten der gleichen Zucht stellte ich beim Uebergang vom Zwei- zum Vierzellenstadium die Zahl 34 fest. Danach miissen also unsere beiden Dreier aus dispermen Eiern stammen. E. Die Verschiedenwertigkeit der primiren Blastomeren dispermer Hier. Die Tatsachen, die wir in den beiden vorigen Abschnitten be- handelt haben, forderten zur Anstellung eines Grundversuches auf, dessen Ergebnis fiir die weitere Bearbeitung des Problems be- stimmend sein muSte. Betrachten wir die Eier mit ebenem Tetraster — und das Gleiche gilt in entsprechender Weise fiir diejenigen mit Triaster — so hat sich ergeben, da ein solches Ei durch den ersten Teilungsschritt in 4 Zellen zerlegt wird, die, nach den Merkmalen der Eistruktur und des Furchungstypus zu urteilen, in ihrem Protoplasma vollig gleichwertig sind. Im Gegensatz dazu haben wir fiir die chromatische Kernsub- Stanz festgestellt, daf diese im allgemeinen in jeder der 4 Zellen, 40 Theodor Boveri, sowohl nach Zahl wie nach Kombination der Chromosomen, eine andere sein mul. Werden disperme Keime dadurch pathologisch, daf sie in ihrem Protoplasma eine Stérung erlitten haben, so ist nach dem Gesagten zu erwarten, daf die Abkémmlinge der 4 pri- miiren Blastomeren in ganz gleicher Weise krankhaft sind, liegt die Ursache fiir die pathologische Entwickelung dagegen in der abnormen Verteilung des Chromatins, so mu8 erwartet werden, daf die Potenzen der 4 Blastomeren im allgemeinen in sehr verschiedenem Mafe von der nomalen Entwickelunsfaihigkeit abweichen. Was itiber die Entwickelung dispermer Seeigelkeime bei Beginn meiner Versuche bekannt war, schien auf die erste Alternative hin- zuweisen; denn die von DrrescH und mir aus doppeltbefruchteten Eiern geziichteten Stereoblastulae schienen in allen Teilen gleich- mavig krank zu sein. Allein es war denkbar, daf die Bindung krankhafter an gesunde Keimbereiche auch die letzteren krank mache und daf aus diesem Grund eine vielleicht vorhandene ver- schiedene Potenz nicht hervortrete. So betrachtete ich es schon vor langerer Zeit als eine Aufgabe, die 4 Blastomeren eines dispermen Simultanvierers voneinander zu lésen und sich einzeln entwickeln zu lassen. Allein es gab damals kein Verfahren, diese Isolation in geniigender Weise zu erzielen. Denn selbst wenn es méglich ware, so viele disperme Kier zusammenzubringen, da8 das Zerschiitteln mit einiger Aussicht auf Erfolg unternommen werden kénnte, wiirde doch gerade das fiir unsere Frage Wichtigste fehlen, da8 man namlich die 4 zusammengehérigen Blastomeren, als solche erkennbar, nebeneinander hat. Das Zerschneiden der einzelnen dispermen Vierer aber sté%t auf solche Schwierigkeiten, daf es gleichfalls kaum in Betracht kommen kénnte. Diese Schwierigkeiten wurden tiberwunden durch die Ent- deckung von Hersst (65), daf kalkfreies Seewasser die Verkittung der Seeigelblastomeren ohne Schadigung ihrer Entwickelungsfahig- keit lést. Wie weit diese Isolationsmethode der durch Zerschiitteln iiberlegen ist, zeigt sich am deutlichsten, wenn man die Ergebnisse iiber die isolierten Blastomeren normaler Keime, die Drrmescu (41) durch kalkfreies Seewasser erzielt hat, mit denen vergleicht, die er friiher durch Schiitteln erreicht hatte. Und dabei tritt in diesen Versuchen von Driescu ein Hauptvorzug der Methode — fiir meine Zwecke der entscheidende — noch gar nicht hervor, nim- lich der, daf man bei der Zuverlassigkeit des Verfahrens jedes ———————————— Oe Zellen-Studien. 41 ausgewihlte Einzelobjekt mit Sicherheit in seine celluliren Be- standteile zu zerlegen vermag. Die ersten Versuche, die ich an- stellte, bestanden sonach in Zerlegungen von ebenen ,,Vierern“ und »Dreiern“ nach der Herssrschen Methode. I. Die Zerlegungsversuche. a) Methodik. Das kalkfreie Seewasser wurde genau nach den Angaben von Hersst hergestellt, wobei ich mich dessen persdnlicher Unter- weisung erfreuen durfte. Bei den ersten Versuchen (1901/2) wurde nach der damaligen Vorschrift von Hrrspsr dem Wasser etwas Lithiumphosphat zugesetzt, bei den neueren (1905) trat an dessen Stelle doppeltkohlensaures Natron. Das in gut verschlossenen Flaschen aufbewahrte Wasser hielt sich wochenlang gleich gut. Die Versuche wurden in folgender Weise ausgeftihrt. Stark besamte Kier wurden durch Schiitteln von der Dotterhaut befreit und in kalkfreies Wasser tibertragen, das zur Beseitigung aller stérenden Spuren von Kalk dreimal erneuert wurde. Beim Auf- treten der ersten Furche wurden die ebenen Vierer (bezw. Dreier) isoliert, jedes in ein besonderes Schalchen mit kalkfreiem Wasser. Manchmal trat hier der Zerfall in die primaren Blastomeren von selbst ein, 6fters muften die Zellen durch Erschiitterung mittelst der Pipette auseinandergetrieben werden. Sobald alle vier von- einander gelést waren, wurden sie in ein Schalchen mit normalem Seewasser tibertragen. In den ersten Versuchen wurden zur Kontrolle auch einige Kier der gleichen Eltern auf dem Vierzellenstadium in ihre 4 1/,-Blastomeren zerlegt, auch hier jeweils die 4 zusammen- gehérigen fiir sich in einem Schalchen weitergeziichtet. Eine sehr unangenehme Eigenschaft der isolierten Blastomeren — iibrigens individuell héchst verschieden — ist ihre starke Neigung, am Boden des GefiSes anzukleben. Diese Adhasion, welche zu einer Abplattung fiihrt, beeinfluBt fast stets die Furchung, oft so, daf anstatt einer Hohlkugel zunichst eine flache Zellenplatte ent- steht. Schon Driesca hat dies erfahren, jedoch festgestellt, dal diese Gebilde, wenn sie aus normalen Blastomeren entstanden sind, sich trotzdem zu normalen Larven entwickeln kénnen. Daf sie dies unter Umstanden tun, kann ich bestiitigen; doch scheint es mir zweifellos, daf in manchen Fallen die Entwickelung doch durch das Ankleben leidet. Und schon der Verdacht, da’ dies 42 Theodor Boveri, der Fall sein kénnte, ist fiir meine Versuche, wo ja gerade der verschiedene Grad der pathologischen Entwickelung den ent- scheidenden Punkt darstellt, bedenklich. Es war deshalb unerlab- lich, diese Fehlerquelle zu beseitigen. Es gelingt dies dadurch, dafi man die isolierten Blastomeren yon dem Moment an, wo sie in das normale Wasser zurtickversetzt sind, durch Bewegung des Wassers auf einige Stunden nicht zur Ruhe kommen laft. In sehr | einfacher Weise la8t sich dies dadurch erreichen, daf man die Objekte in verkorkte Réhrchen bringt, die auf ein Rad befestigt werden und mit diesem langsam rotieren. Ich habe einige Ver- suche mit normalen 14/,-Blastomeren auf diese Weise durch- gefiihrt, und das Verfahren bewahrte sich, was die ungestérte Ent- wickelung anlangt, vorziiglich. Nur hat es den grofen Mangel, daZ8 von den winzigen Objekten sehr oft nicht mehr alle zu finden sind. Ich mufte deshalb ein Verfahren anwenden, bei dem die isolierten Blastomeren in Schalchen bewegt werden, die man direkt unter Lupe und Mikroskop ganz durchsuchen kann, und zu diesem Zweck konstruierte ich, unterstiitzt durch das giitige Entgegen- kommen der Verwaltung der zoologischen Station, unter freund- licher Hilfe des damaligen Ingenieurs der Station, Herrn SToRRER, einen Schiittelapparat, der vermittelst eines kleinen elektrischen Motors getrieben wurde. Der Apparat besteht aus einer horizontalen, mit méglichst geringer Reibung auf zwei Schienen ruhenden Platte, deren obere Seite durch Leistchen in quadratische Facher abgeteilt ist, in deren jedes eines der viereckigen sogenannten Salznaipfchen, wie sie zu derartigen Zuchten gebrauchlich sind, hineinpat, und | zwar so, daf die Leistchen zugleich die zum Zudecken des Ge- faBes dienende Glasplatte am Verschieben verhindern. Der ganze | so besetzte ,Tisch“ wird durch die Art des Antriebs in kurzen Exkursionen genau horizontal hin und her gefiihrt, wobei man die Schnelligkeit so reguliert, daS das Wasser in den Schalchen be- | stindig lJangsam hin und her geht, ohne die Deckplatte zu benetzen. Setzt diese Bewegung ein, ehe die isolierten Blastomeren den Boden des Gefafes erreicht haben, so verhindert sie dieselben, | wie ich mich oft tiberzeugt habe, sich festzuheften. Nach 5 bis | 6 Stunden ist die Gefahr des Anklebens voriiber, und man kann die Schalchen nunmehr ruhig stehen lassen. Nicht unerwahnt sei schlieSlich, da nach meinen Erfahrungen | die Entwickelungsaussichten giinstiger sind, wenn sich die Blasto- | meren im kalkfreien Wasser nicht ganz leicht voneinander lésen. — Zellen-Studien. 43 b) Die Entwickelung der vier normalen '/,-Blastomeren. DriescH (41) hat gezeigt, da aus isolierten 1/,-Blastomeren monospermer Eier normale Zwergplutei hervorgehen. Da er jedoch seine Versuche nur in Massenkulturen ausgefiihrt hat, konnte ein Zweifel dariiber bestehen, ob alle 4 Blastomeren in gleicher Weise hierzu befahigt sind. Es war also, um fiir die Beurteilung der Befunde bei den zerlegten dispermen Keimen eine sichere Basis zu haben, meine erste Aufgabe, die 4 1/,-Blastomeren eines normalen Keimes nebeneinander aufzuziehen. Dabei ergab sich, daf die Fahigkeit, einen Pluteus zu bilden, in der Tat allen vieren in gleicher Weise zukommt, da’, wie Driescu es ausgedriickt hat, der Echi- nidenkeim ,um die Achse“ aquipotentiell ist. Es ist jedoch, so einfach der Versuch an sich ist, nicht so ganz leicht, sich von der Richtigkeit dieses Satzes zu tiberzeugen, und ich erhielt anfangs einzelne Resultate, welche eher auf eine Verschiedenwertigkeit hin- deuteten. So sind in Fig. 2 (Taf. I) von den 4 zusammengehérigen 1/,-Larven eines Strongylocentrotus-Kies die Skelette gezeichnet, welche dem Kenner der Echinidenentwickelung auch eine ungefahre Vorstellung von der Entwickelung des Weichkérpers zu geben ver- mégen. Zwei der 4 Larven waren typische junge Plutei, eine war zwischen dem Gastrula- und Pluteusstadium stehen geblieben, die vierte war tiber den Zustand einer fertigen Gastrula mit kleinen Dreistrahlern nicht hinausgekommen. Erst nachdem ich mich vollig in das Verfahren eingearbeitet hatte, erhielt ich in der Mehrzahl der Fille aus jeder der 4 Blastomeren einen Pluteus. Nur ganz selten allerdings waren diese 4 Zwerglarven gleichmafig normal und von tadelloser Beschaffenheit, in der Regel zeigten sie sich in Form und Skelett mehr oder weniger verkriippelt, wie es in Fig. 1 von 4 zusammengehérigen zu sehen ist. Die Unregel- mifigkeiten und Defekte, die hier auftreten, erinnern an die- jenigen, die an sehr kleinen Fragmentlarven zu beobachten sind. Wir stehen eben mit der Protoplasmamenge von einem Viertel des Kies ziemlich genau an der Grenze, bis zu der noch normale Ent- wickelung méglich ist. Schon relative leichte Schidigung, wie sie durch das mehrmalige Uebertragen der Keime mit der Pipette oder durch das Auseinandertreiben der Blastomeren verursacht werden kann, muf sich hier in sehr erheblichem Grad bemerkbar machen. Daf diese Prozeduren unsere Objekte beeintrachtigen, ist ja bekannt. Man braucht auch z. B. nur einmal eine Massen- kultur von Bruchstiicklarven mit isoliert geziichteten Fragmenten 44 Theodor Boveri, desselben Versuches zu vergleichen, um sich von der schadigenden Wirkung des Isolierens in der klarsten Weise zu tberzeugen. Wahrend dort tadellose Plutei die Mehrzahl bilden, endigen die isolierten Fragmente gewoéhnlich als Jungplutei, oder sie bleiben auf noch friiheren Stadien stehen. So werden wir nicht fehlgehen, wenn wir auch die verschieden weite Entwickelung der 4 in Fig. 2 in ihren Skeletten dargestellten Objekte auf verschieden starke Schadigung bei der Isolation zuriickfiihren. c) Die Entwickelung der primdren Blastomeren von dispermen Hiern des ebenen Tetraster- und des Triaster-Typus. Ich bespreche hier die Zerlegungsversuche an Simultanvierern und Simultandreiern gemeinschaftlich, da das, was uns zunachst. interessiert, die verschiedene Potenz der Blastomeren, beiden Typen in gleicher Weise zukommt. Auf die sehr auffallende Tat- sache, daf die Produkte der Dreierblastomeren im Durchschnitt viel normaler sind, als die der Viererblastomeren, komme ich spater zuriick. Wenn ich von einigen hier nicht beriicksichtigten Vorversuchen absehe, habe ich im ganzen 146 disperme Eier, und zwar 61 ebene Vierer und 85 Dreier in ihre primaren Blastomeren zerlegt. Ich gebe aus beiden Versuchsreihen eine Anzahl Daten, von denen die ersten etwas ausfiihrlicher gehalten sind. «) Vierer. 1) 13. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ebener Simultanvierer. Die 4 Blastomeren voneinander gelést und wahrend der ersten 5 Stunden geschiittelt. Der Versuch ergab am 14. Dez.: 1 schéne hoch schwebende Blastula mit primarem Mesenchym, 1 Stereoblastula, d. h. mit pathologischen Elementen gefiillte Blastula, 1 kompakte bewegliche Zellenkugel, Haufen isolierter Zellen. Am 15. Dez. war, abgesehen von einigen Resten, nur noch das erste Objekt iibrig, das sich in eine junge, anscheinend normale Gastrula verwandelt hatte. Da das Wasser schlecht zu werden schien, wurde das Objekt in frisches Wasser tibertragen. Am 16. Dez. war die Larve bedeutend geblaht, der Darm hatte die charakteristische Kriimmung nach der Mundseite er- fahren, wie dies in Fig. 3a (Taf. I) nach der lebhaft rotierenden Larve skizziert worden ist. Zellen-Studien. 45 Am 17. Dez. war die Entwickelung nicht weiter gediehen, die Larve sah kranklich aus, der Scheitel war ballonartig aufgetrieben, (Fig. 3b), und es war kein Zweifel, da héchstens ein ganz rudimentires Skelett vorhanden sein konnte. Wie hinfallig das Objekt bereits war, ergab sich bei Formolzusatz, wo es vdéllig zu- sammenfiel, so dafi eine genauere Zeichnung nicht gemacht werden konnte. Ein Skelett war nicht vorhanden; auf Zusatz von Kali- lauge zeigte sich jedoch eine grofe Zahl von winzig kleinen Kalk- kérperchen (Fig. 3c), deren Lokalisation in der Larve nicht feststellbar war. 2) 13. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. Am 14. Dez. fanden sich: 1 beginnende normal aussehende Gastrula, 1 diimnwandige Blastula mit Mesenchym, 1 dickwandige Blastula mit Mesenchym, 1 Stereoblastula. Am 15. Dez. hatten sich die 4 Objekte so umgewandelt, wie es in Fig. 4a—d abgebildet ist. Es fanden sich: 1 fertige Gastrula von ziemlich normaler Form, aber mit pathologischen Elementen im Innern (Fig. 4a), 1 diinnwandige, in Auflésung begriffene Stereoblastula mit einem Skelett-Dreistrahler (Fig. 4b), 1 dickwandige Stereoblastula, gleichfalls dem Absterben nahe (Fig. 4c), 1 Haufen isolierter Zellen (Fig. 4d). 3) 13. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. Am 14. Dez. fanden sich: 1 beginnende Gastrula, bereits triib, 1 lebhafte Blastula mit Mesenchym, 1 triage sehr dickwandige Blastula, 1 beweglicher Zellenballen. Am 15. Dez. waren nur noch eine im Absterben begriffene Stereoblastula und 2 Haufen isolierter Zellen vorhanden. 4) 13. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. Am 14. Dez. wurden gefunden: 1 schéne Blastula mit Mensenchym (die am 16. Dez. als Stereoblastula endigt), 1 Stereoblastula, 1 Stereoblastula, 1 sich in Zellen auflésender Klumpen, in welchem typische ruhende Kerne und eine Mitose nachweisbar sind. 46 Theodor Boveri, 5) 17. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ebener Simultanvierer, in seine 4 Blastomeren zerlegt. Wahrend der ersten 6 Stunden auf dem Schiittelapparat gehalten. von vou yon von von von Der Versuch ergab: 1 bis zum 21. Dez. muntere Gastrula mit Anniherung an die Pluteusform, aber véllig skelettlos, 1 kompakte Kugel, 2 Haufen isolierter Zellen. 6) 17. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt den gleichen Eltern. 1 schéne Gastrula, Stereoblastula mit Invaginationsbeginn, Stereoblastula, kompakte bewegliche Zellenkugel. 7) 17. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt den gleichen Eltern. 3 Gastrulae von verschiedenem Habitus, (ein viertes Stiick war nicht zu finden und hatte sich wahrscheinlich in zerstreute Zellen aufgelést). 8) 17. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt den gleichen Eltern. 3 Stereoblastulae, eine mit beginnender Invagination, 1 kompakter Klumpen. 9) 17. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt den gleichen Eltern. 2 junge Gastrulae, Stereoblastula, 1 Haufen isolierter Zellen. 10) 17. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt. den gleichen Eltern. schéne Gastrula, Stereoblastula, beweglicher Klumpen in Zerfall, (vom vierten Stiick nichts nachweisbar). 11) 17. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt. den gleichen Eltern. 1 schéne junge Gastrula, 1 sehr dickwandige Stereoblastula, 1 kompakter Klumpen, 1 Haufen isolierter Zellen. 12) 4. Jan. 1902. Strongylocentrotus. Ebener Simultanvierer, pee pen jp a in seine 4 Blastomeren zerlegt. 3 Stereoblastulae, das vierte Stiick hatte sich nicht gefurcht. Zellen-Studien. 47 Die am 7. Jan. noch lebenden 3 Stereoblastulae wurden auf ihre Kernverhaltnisse gepriift, wovon unten die Rede sein wird. 13) 4. Jan. 1902. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. 1 schéne Gastrula; dieses Stiick (getétet 7. Jan.) ist in Fig. 5a im optischen Aequatorialschnitt, in Fig. 5b im optischen Lingsschnitt wiedergegeben; es zeigt einen Dreistrahler und deutliche Mundanlage, 1 Stereoblastula mit beginnender Invagination, getétet am 6. Jan. (Fig. 5c), 1 Haufen Zellen, (das vierte Stiick nicht nachweisbar, doch werden wohl einzelne iiberall im Gefaf zerstreute Zellen von ihm stammen). 14) 4. Jan. 1902. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. 3 fast identische Stereoblastulae, 1 Haufen isolierter Zellen. 15) 4. Jan. 1902. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. 1 abnorme, aber sehr lebhafte, 4 Tage lebende Gastrula, im Habitus zum Pluteus neigend, aber ohne Skelett, 1 Stereoblastula, 1 auferst dickwandige Blastula, 1 Haufen isolierter Zellen. 16) 4. Jan. 1902. Strongylocentrotus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. 1 Blastula mit einseitiger Wandverdickung und Urdarm- rudiment, 1 abnorme Blastula mit Mesenchym, 1 dickwandige Stereoblastula, 1 in Auflésung begriftener kugeliger Zellenballen (darin 6 Mitosen). 17) 24. Jan. 1902. Echinus. Ebener Simultanvierer, in seine Blastomeren zerlegt. 1 abnorme langlebige Gastrula, getétet am 27. Jan. (Fig. 7), 3 Stereoblastulae. 18) 24. Jan. 1902. Echinus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. 1 normale Gastrula (Fig. 6a), 1 kranke Gastrula in Auflésung (Fig. 6b), 1 Blastula mit Mesenchym, im Begriff, krank zu werden (Fig. 6c), 1 Stereoblastula (Fig. 6d). Die 4 Objekte sind zu gleicher Zeit am 25. Jan. gezeichnet. 48 Theodor Boveri, 19) 24. Jan. 1902. Echinus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. 1 langlebige Gastrula mit zweigliedrigem Darm, getétet am a0. ,0an, (Puc, 8), 1 Gastrula mit pathologischen Elementen, 1 grofe helle Blastula mit Mesenchym, 1 Stereoblastula. 20) 24, Jan. 1902. Echinus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. 1 beginnende Stereoblastula, 1 fast gleiche, 1 Stereoblastula, 1 Haufen isolierter Zellen. 21) 24. Jan. 1902. Kchinus. Ein gleiches Objekt von den gleichen Eltern. 1 beginnende Gastrula, 1 Stereoblastula, 2 Haufen isolierter Zellen. 22) 27. Dez. 1901. Strongylocentrotus. Ebener Simultanvierer, in seine 4 Blastomeren zerlegt. Das Schalchen, in dem sich die- selben entwickelten, wurde erst am 30. Dez. untersucht. Es fand sich nur noch ein Stiick vor, dieses aber ist die bestentwickelte Larve, die ich aus einer isolierten Blastomere eines dispermen vierteiligen Kies erhalten habe (Fig. 9a). Die Form ist annahernd die des normalen ,Prisma“, der Darm zeigt den Beginn der Gliederung in 3 Abschnitte, und es ist ein aus zwei fast sym- metrischen Hilften bestehendes, wenn auch rudimentiares Skelett vorhanden (Fig. 9b). 8) Dreier. Die sub 23—45 aufgefiibrten Falle stammen alle aus dem gleichen Versuch (vom 19. Febr. 1902), bei welchem 58 simultan dreigeteilte Kier von Strongylocentrotus in ihre Blastomeren zerlegt wurden. Von diesen wurden 16 einige Stunden auf dem Schiittel- apparat gehalten, die anderen nicht. Kin Unterschied, derart, daf etwa die geschiittelten Blastomeren sich besser oder die 3 je zu- sammengehorigen sich gleichmabiger entwickelt haitten, war nicht zu bemerken. Der Versuch ist leider dadurch etwas beeintraichtigt worden, daf sich nach etwa 48 Stunden aus einer mir unbekannten Ursache in simtlichen Zuchten, auch in denen mit normalen Objekten, die Keime triibten und ihre Entwickelung sistierten. Was der Ver- Zellen-Studien. 49 such lehren soll, die verschiedene Potenz der Blastomeren des gleichen Kies, hat jedoch unter diesem Umstand nicht gelitten. Alle Daten, mit Ausnahme derer von Fall 23 und 35, sind etwa 36 Stunden nach erfolgter Befruchtung gewonnen. 23) 2 Gastrulae von verschiedenem Habitus, , 1 Haufen Zellen. Am 21. Febr. hatte sich die eine Gastrula zu einem jungen Pluteus entwickelt, der in Fig. 10a und b abgebildet ist. Die zweite Gastrula war gleichfalls noch lebenskraftig, kam aber trotz starker Aufblihung nicht tiber das Gastrulastadium mit 2 Drei- strahlern hinaus. 24) 2 Gastrulae yon sehr verschiedenem Habitus, 1 Stereoblastula. 25) 3 verschieden aussehende Gastrulae. 26) 3 Gastrulae. 27) 1 Gastrula, 1 helle Blastula, 1 Stereoblastula. 28) 2 verschieden aussehende beginnende Gastrulae, 1 Stereoblastula. 29) 1 gute Gastrula, 1 pathologische Gastrula, 1 Stereoblastula. 30) 2 gute Gastrulae, 1 Stereoblastula. 31) 2 helle Blastulae, 1 Stereoblastula. 32) 3 Gastrulae, davon eine pathologisch. 33) 1 lebhafte Stereoblastula, 1 Stereoblastula im Absterben, 1 Haufen isolierter Zellen. Bd, XLII. N. F. XXXVI. 4 50 Theodor Boveri, Blastulae, Haufen isolierter Zellen. Blastulae mit Mesenchym. 21. Febr. fand sich: skelettloser Jungpluteus, Stereoblastula, Haufen isolierter Zellen. schéne Blastula mit Mesenchym, Stereoblastula, kompakter beweglicher Klumpen. Gastrulae, Blastula. normale Gastrula, pathologische Gastrula, Zellenklumpen. lebhafte Stereoblastula, kompakte Klumpen, verzogene Gastrula, Stereoblastulae. tadellose Gastrula, stark pathologische Gastrula, 1 Haufen Zellen. schéne Blastula mit Mesenchym, Klumpen, Haufen Zellen. normale Gastrulae. Gastrulae von verschiedenem Habitus. Gastrulae, etwas verschieden im Habitus. Gastrula, Blastula, kompakter Klumpen. Zellen-Studien. 51 Die folgenden sub 47—57 aufgefiihrten Objekte stammen aus einem Versuch vom 25. Marz 1905, bei welchem 20 simultan drei- geteilte Hier von Echinus in ihre Blastomeren zerlegt wurden. Das zu diesem Versuch verwendete kalkfreie Wasser enthielt nicht Lithiumphosphat, sondern doppeltkohlensaures Natron. Das Material war insoforn ungewohnlich giinstig, als die Blastomeren gar keine Neigung zum Kleben zeigten. So konnte hier auf das Schiitteln verzichtet werden, und es war moglich, die Furchung unter dem Mikroskop zu verfolgen. Unter den 20 Drillingen waren 11, bei denen alle 3 Blastomeren die typische 1/;-Furchung zeigten, wie es in Fig. XI fiir 3 zusammengehérige gezeichnet worden ist. Cc Ook ay Fig. XI. Nur diese 11 Zuchten sind im folgenden verzeichnet. Am Abend waren in jedem der 11 Schalchen 3 tadellose kugelige Blastulae vorhanden, die alsbald anfingen zu rotieren. Drei zusammengehdrige sind in Fig. XII gezeichnet. Mit dieser Identitit der ersten Ent- wickelung kontrastiert aufs schirfste der weitere Verlauf. 47) 26. Marz. 2 beginnende Gastrulae von verschiedenem Aussehen, 1 lebhaft beweglicher Klumpen. 27. Marz. 1 normale fertige Gastrula, 1 Gastrula mit ganz rudimentirem Urdarm, 1 zerfallender Klumpen. 4% 52 48) 2 1 49) itt il 1 50) 2 1 51) 2 il 52) 1 2 58) 1 1 ib 54) 1 1 1 5b) iL Theodor Boveri, 27. Marz. Gastrulae von verschiedenem Habitus, Stereoblastula. 27. Marz. Jungpluteus (lebt unverandert bis zum 29 Gastrula mit rudimentirem Urdarm, Stereoblastula. 27. Marz. beginnende Gastrulae, Haufen isolierter Zellen. 27. Marz. Stereoblastulae, Klumpen. 27. Marz. Stereoblastula, Zellenhaufen. 27. Marz. schéne geblahte Gastrula, Stereogastrula, Stereoblastula. 26. Marz. . Marz), beginnende Gastrula mit primarem Mesenchym, Stereoblastula, Klumpen. (Die 3 Stiicke wurden am 26. Marz konserviert.) 27. Marz. schéne Gastrula mit dreigliedrigem Darm Skelett (Fig. XII/a), Stereogastrula (Fig. XIITb), und abnormem Stereoblastula nahe am Zerfall (Fig. XIII c). 56) ao Fig. XII. 27. Marz. schéne Gastrula mit Skelettanlage, Stereogastrula, Stereoblastula, Zellen-Studien. 53 57) 27. Marz. 1 schéne Gastrula mit primirem Mesenchym (Fig. XIV a), 1 glashelle Blastula ohne Mesenchym (Fig. XIV b), 1 Zellenhaufen (Fig. XIV c). Fig. XIV. Die mitgeteilten Befunde werden geniigen, um die Verschieden- heit der Potenzen, welche die einzelnen Blastomeren eines dispermen Keimes darbieten kénnen, in tiberzeugender Weise zu demonstrieren. Gewif wird manche Verschiedenheit daher riihren, daf die Bla- stomeren bei der Isolation verschieden stark geschidigt worden sind; und darum wiirde es keine Bedeutung haben, die Kigen- schaften der geziichteten Objekte bis ins einzelne zu diskutieren. Allein daran, daf etwa die ganze Verschiedenheit, die wir in den Schicksalen der Schwesterblastomeren dispermer Eier gefunden haben, und die sich zwischen einem Jungpluteus und einem Zellen- haufen bewegen kann, auf Rechnung verschieden starker Scha- digung zu setzen sei, ist nach den Resultaten an den normalen 1/,-Blastomeren nicht zu denken. Bei der Beurteilung dieser Frage ist besonders zu beachten, da’ die 4 oder 3 zusammengehdrigen Blastomeren sich wahrend ihrer ganzen Entwickelung unter genau gleichen auferen Bedingungen befunden haben, so daf also nur bei ihrer Lésung voneinander und beim Uebertragen vom kalk- freien Wasser in das normale ein Unterschied bestanden haben kann. Aber auch hier kann es sich nach dem, was oben von der Entwickelung der 4 normalen 1/,-Blastomeren mitgeteilt worden ist, nicht um grofe Differenzen handeln. Dies diirfte auch durch die letzten 11 Versuche, bei denen die Anfangsstadien genau kon- trolliert worden waren, bestatigt werden. Wie es Fig. XI und XII 54 Theodor Boveri, von einem dieser Dreier lehren, haben sich hier die 3 Schwester- blastomeren bis zur jungen Blastula véllig identisch entwickelt, und nun erst, obgleich die auferen Umstinde auch weiterhin fir alle drei die gleichen sind, wird (Fig. XIII) aus der einen ein be- ginnender Pluteus, aus der anderen eine krankhafte Gastrula, aus der dritten nur ein Zellenklumpen. Woher soll diese Verschieden- heit kommen, wenn nicht aus einer Verschiedenheit der inneren Qualitaten ? Im itibrigen ist zu bedenken und wird spiter noch klarer werden, dafS ja die Unfahigkeit zu normaler Entwickelung, die wir in den meisten Blastomeren, speziell bei den Vierern angetroffen haben, nach dem Verhalten der ganzen dispermen Keime das zu Erwartende ist. Hat doch Drimscn aus 83 dispermen Vierern ausnahmslos Stereoblastulae erhalten! Das Aufiallende unserer Versuchsresultate, besonders bei den Vierern, sind also nicht die Stereoblastulae und Zellenhaufen, sondern im Gegenteil die neben ihnen vorkommenden Gastrulae und rudimentiren Plutei, und wenn also diese durch die Prozeduren des Isolierens gelitten haben sollten, so ware der Kontrast in den Potenzen der dispermen Schwesterblastomeren sogar noch gréfer, als er in unseren Objekten zum Ausdruck kommt. Wir haben jedoch, wie der nachste Abschnitt lehren wird, nicht nétig, uns mit diesen Erwagungen zu begniigen. ll. Die Verschiedenwertigkeit einzelner Bereiche in dispermen Ganzkeimen. Ist der Schluf, den wir soeben aus den Ergebnissen der Zer- legungsversuche abgeleitet haben, richtig, so ist es klar, daf in einem nicht zerlegten dispermen Keim ganz die gleiche verschiedene Potenz einzelner Blastomeren vorhanden und bis zu einem gewissen Grad auch nachweisbar sein muf. Aber noch etwas anderes ist auf Grund der Zerlegungsversuche zu erwarten. Nicht nur bei den Dreiern, sondern auch bei den Vierern haben wir einzelne Blasto- meren gefunden, die sich bis zur Gastrula, ja sogar noch weiter entwickelten. In manchen Fallen zeigten sogar mehrere Blasto- meren eines Keimes dieses Vermégen. So haben wir unter den zerlegten Dreiern in No. 25, 26, 43, 44 und 45 aus allen 3 Blastomeren Gastrulae entstehen sehen, unter den Vierern waren mehrere Fille verzeichnet, wo 2 Blastomeren gastruliert hatten, in No. 7 sogar 3. Sollte der ganze Keim nicht ver- Zellen-Studien. 55 mégen, was seine einzelnen Blastomeren leisten? Wie kommt es, dafi Driescu aus 83 dispermen Vierern nur Stereoblastulae geziichtet hat? In der Tat stehen wir hier vor einem Punkt, wo die Ergeb- nisse von Driescu einer héchst wichtigen Erginzung bediirfen. Es zeigt sich, was Driescu freilich nicht wissen konnte, daf er sich mit einer zu geringen Zahl von Objekten begniigt hatte. Aus dispermen Eiern gehen nicht nur Stereoblastulae hervor, wenn diese auch, wenigstens bei den Vierern, weit iiberwiegen, sondern man erhalt auch alle erdenklichen Uebergiinge von diesen hochgradig pathologischen Produkten an bis zu Larven, die sich kaum von einem normalen Pluteus unterscheiden. Schon MorGan hat aus 10 isolierten Dreiern, von denen wir jetzt wissen, dafs sie aus dispermen LEiern stammen, 3. fertige Gastrulae gezogen, und ich selbst habe aus 720 solchen Objekten 80 Plutei, wenn auch zum Teil von abnormer Beschaffenheit, er- halten. Aber auch aus vierteiligen Eiern gehen, wenn auch in viel geringerem Prozentsatz, Gastrulae und Plutei (vergl. Taf. VIII) hervor. Wir nehmen von dieser Tatsache, die uns spiter eingehend beschaftigen wird, hier nur vorliufig Notiz, um uns nun der Frage nach der Verschiedenwertigkeit einzelner Bereiche im gleichen Keim zuzuwenden. Zwei Haupterscheinungen sind es, die uns die pathologischen Blastomeren dispermer Keime dargeboten haben: 1) die friihzeitige véllige Auflésung der Blastula in ihre celluliren Elemente, 2) das successive Hineintreten der Blastulazellen in die Furchungshéhle, das zur Entstehung der sogenannten Stereo- blastula fiihrt, bis schlieSlich auch die letzten noch an der Ober- flaiche verbliebenen Zellen ihren epithelialen Zusammenhang auf- gegeben haben und ein Zellenklumpen entstanden ist, der nun allmahlich zerfallt. Wir haben dieses pathologische Verhalten unter Umstinden an einer oder zweien der voneinander gelésten Blastomeren kon- Statiert, wihrend die anderen sich normal entwickelten. Liegt dieser Unterschied in der Natur der Objekte und nicht in ver- schiedener Schidigung beim Isolieren, so miissen sich die gleichen Erscheinungen an vielen ganzen dispermen Keimen als Partial- phainuomene darbieten. Dies ist nun auch sehr gewohnlich der Fall. 56 Theodor Boveri, Fig. XV stellt eine Blastula, vielleicht beginnende Gastrula aus einem ebenen Simultanvierer von Echinus (4. Marz 1905) dar, wo sich ungefihr 1/, der Wand gerade in seine Zellen auflést. Das Gleiche ist in Fig. XVI an einer Dreierblastula von Strongylocentrotus (19. Dez. 1901) zu sehen. Derartige, nach AbstoBung der kugeligen Zellen offene Blasen schliefen sich dann wieder und kénnen unter Umstianden gastrulieren. Fig. XVIII. Viel hiufiger ist die Entstehung partieller Stereo- blastulae. In Fig. XVII ist eine solche aus einem ebenen Vierer von Echinus (4. Marz 1905) in der Ansicht vom animalen Pol ab- gebildet. Man sieht, da8 ungefihr im Bereich eines Quadranten pathologische Elemente unter der Wand liegen. Ein ganz idhnliches Objekt von den gleichen Eltern gibt Fig. XVIII in einer Ansicht senkrecht zur Achse wieder. Es ist beachtenswert, daf es in allen diesen Fallen ein zwischen animalem und vegetativem Pol sich erstreckender Bereich ist, der den Zellen-Studien. 57 pathologischen Charakter darbietet, wie es bei einem ebenen Vierer, wenn der erkrankte Bereich einer primairen Blastomere entsprechen soll, der Fall sein muff, Kin etwas vorgeschritteneres Stadium der gleichen Art, wieder von den gleichen Eltern, zeigt Fig. XIXa und b. Auch hier findet sich ungefahr ein Quadrant der Wand auf der Innenseite yon pathologischen Massen besetzt, die nun aber hier schon viel reichlicher und starker veraindert sind. Dem entspricht eine sehr starke Verdiinnung des befallenen Wandbereichs, ganz ahnlich, wie man auch an den Stereoblastulae aus isolierten Blastomeren die ganze Wand schlieflich aus stark abgeplatteten Zellen zu- sammengesetzt findet (Fig. XII c). Unser Objekt zeigt aber auSerdem noch etwas Weiteres, nim- lich einen partiellen Ansatz zur Gastrulation. Bei der einen An- sicht (Fig. XIXa) scheint der Beginn eines ganz typischen, wenn auch schmachtigeren Urdarms vorzuliegen. Dreht man die Larve aber um ihre Achse um 90 Grad, so ergibt sich (Fig. XIX b), daf nur die gesunden Larventeile in regulirer Weise eingestiilpt sind, wogegen der pathologische Bereich offenbar nur insoweit eingezogen ist, als er passiv den ProzeS mitmachen muB. Fig. XX. Fig. XXI. Fig. XX endlich, abermals von den gleichen Eltern, zeigt uns eine Viererblastula, bei der die Hailfte krank, die andere noch gesund ist. Eine andere Art von Verschiedenwertigkeit bietet die in Fig. XXI abgebildete Viererblastula von Echinus (9. April 1905) dar. Hier sind nur auf der einen Seite primaire Mesenchym- zellen gebildet worden, auf der anderen fehlen sie. Ein Gegen- 58 Theodor Boveri, stiick hierzu unter den zerlegten Keimen liefert uns Fall 57 (Fig. XIVa und b). Handelt es sich bei diesen letzterwahnten Keimen ohne Zweifel darum, da8 einzelne Blastomeren kein Mesenchym zu bilden ver- mégen, so bezieht sich der folgende Fall vermutlich auf ein Un- vermégen eines bestimmten Keimbereichs, bei der Ordnung des Mesenchyms zu dem bekannten Ring, Mesenchymzellen an sich zu ziehen. Fig. XXII zeigt in polarer An- sicht einen optischen Durchschnitt durch eine Dreiergastrula von Echinus (17. Marz 1905), wo in einem Drittel die Mesen- chymzellen fast giinzlich fehlen. Werfen wir schlieBlich noch einen Blick auf disperme Plutei, bei denen, wie bei der Viererlarve der Fig. 62 (Taf. VIII), TT auf der einen Seite ein ganz typisches, ig. XXIL. auf der anderen ein kriippelhaftes Skelett vorhanden ist, oder wo in Dreierlarven (Fig. 31 und 32, Taf. V) 1/, oder 2/, des Skeletts wie abgeschnitten fehlen, oder auf Larven mit partiellem Pigmentdefekt, wie solche in Fig. 33, 34 und 35 zu sehen sind, so diirfen wir behaupten, da8 in voller Uebereinstimmung mit den Verschiedenheiten, welche uns die isolierten Blastomeren dargeboten haben, auch in den ganzen dispermen Keimen eine verschiedene Potenz einzelner Keimbereiche nachweisbar ist. Sind die Zerlegungsversuche dadurch ausgezeichnet, da8 wir jeden von einer primairen Blastomere abstammenden Zellenkomplex mit voller Exaktheit fiir sich allein besitzen, so haben die un- zerlegten Keime den Vorzug, da hier die von den primaren Blastomeren abstammenden Bezirke sich unter véllig gleichen Be- dingungen entwickeln. Sind wir demnach bei den Ganzkeimen sicher, in dem verschiedenen Verhalten der einzelnen Bereiche den Ausdruck einer urspriinglichen inneren Verschiedenheit ihrer Ausgangsbezirke vor uns zu haben, so beweisen uns die Zer- legungsversuche, da, was ja von vornherein kaum_ bezweifelt werden kann, diese differenten Ausgangsbezirke im Ganzkeim nichts anderes sein kénnen als die primiren Blastomeren. Und so ergiinzen sich die beiden Reihen von Befunden zu einem vollig einwandsfreien Beweis fiir eine von Fall zu Fall héchst variable Verschiedenwertigkeit der primaren Blastomeren di- spermer Kier. F Zellen-Studien. 59 F. Diskussion der bisherigen Resultate. Wir stehen jetzt vor der Frage, worin die Verschiedenwertig- keit der ersten Blastomeren eines dispermen Eies ihren Grund haben kann. Wir kénnen fragen: ist das Protoplasma ver- schieden, oder sind die Centrosomen verschieden, oder sind es die Kerne? Man wird hier vielleicht einwenden, daf diese Zerlegung der Frage eine schematische sei, indem sowohl ,Protoplasma“ wie »Kern“ verschiedenartige Bestandteile umfassen. Allein dies ist zunichst gleichgiiltig; wenn nur tiberhaupt alle Teile des Kies in diesen drei Begriffen enthalten sind, so geniigt es. Sollte es sich als nétig erweisen, so lassen sich immer noch feinere Unter- scheidungen vornehmen. Beginnen wir mit dem Protoplasma, so spricht alles dafir, daf hinsichtlich seiner die primaren Blastomeren eines ebenen Simultanvierers oder Simultandreiers genau ebenso aquivalent sind, wie die 4/,- oder die 1/,-Blastomeren eines normal befruchteten Keimes. Diese Aussage stiitzt sich vor allem auf die am Strongylo- centrotus-Ei sichtbare Plasmastruktur, welche das Ei als eine senk- recht zur Achse gleichmafig geschichtete Kugel erkennen aft. Diese Kugel wird bei der normalen Entwickelung durch die beiden ersten Furchen so in 4 Quadranten zerlegt, da’ jeder Quadrant yon allen Eizonen die gleiche Menge erhalt. Genau ebenso wird das disperme Ki im Fall des ebenen Tetrasters durch die simultane Vierteilung zerlegt. Und die gleiche Aequivalenz der primaren Blastomeren liefert die Dreiteilung. Im iibrigen ist es gar nicht nétig, die Verhaltnisse gerade am Strongylocentrotus-Ki zu verfolgen, nachdem sich gezeigt hat, da die spezifische Furchung der Seeigeleier eben in jener — optisch meist unerkennbaren — Protoplasmaschichtung begriindet, und da’ die symmetrische Furchung der primaren Blastomeren eine Folge davon ist, da8 die einzelnen Eizonen ganz gleichmafig auf sie verteilt werden. Furchen sich die primairen Blastomeren eines dispermen drei- oder vierteiligen Eies gleichartig, so ist damit ihre Aequivalenz in Bezug auf die Protoplasmazonen des Kies un- zWeifelhaft dargetan. Es ware nun noch denkbar, da irgend eine andere Art proto- plasmatischer Ungleichwertigkeit — fiir unser Auge unerkennbar und in der Furchung sich nicht ausprigend — um die Achse 60 Theodor Boveri, herum bestiinde. Allein die Zerlegungsversuche an den normalen Vierzellenstadien schlieSen diese Annahme aus. Wir haben die 4 normalen 1/,-Blastomeren aquivalent gefunden, und wenn sie dies im ganzen sind, miissen sie es auch in ihrem Protoplasma sein. Wollte man aber schliefSlich noch einwenden, die 4 Blasto- meren eines dispermen Keimes seien protoplasmatisch mit den normalen +/,-Blastomeren deshalb nicht vollig vergleichbar, weil die letzteren durch zwei Teilungsschritte, jene durch einen einzigen entstiinden, so dtrfte geantwortet werden, daf, wenn dieser Punkt tiberhaupt einen Unterschied bedingen kénnte, die dispermen Keime in ihrem Protoplasma sogar noch gleichmafiger ausfallen miiBten, als die normalen. Damit kénnen wir unsere erste Frage als vorlaufig erledigt betrachten: im Protoplasma kann die verschiedene Potenz der primaren Blastomeren dispermer Eier ihren Grund nicht haben. Gehen wir tiber zu den Centrosomen und halten wir uns zunachst an die vierteiligen Kier, so ist es nach den Erfahrungen tiber die normale Befruchtung der Echiniden als nahezu sicher zu betrachten, daf je 2 der 4 Zentren des dispermen Eies den beiden Zentren einer normalen ersten Furchungsspindel ent- sprechen; denn alles spricht dafiir, daS die beiden Pole des mono- spermen Kies ausschlieBlich von dem eingefiihrten Spermozentrum ohne Beteiligung eines individualisierten entsprechenden Gebildes des Kies ihren Ursprung nehmen. Allein selbst wenn man an- nehmen wollte, es sei im Ei ein Centrosoma vorhanden, welches mit dem Sperma-Centrosoma verschmelze, und welches sich im Fall der Dispermie nur mit dem einen der beiden Spermozentren ver- einigen kénne, so diirften wir doch behaupten, daf dies keine essentielle Differenz zwischen dem einen und dem anderen Zentren- paar bewirken kénnte. Denn wir wissen, da8 das Spermozentrum © sowohl] im kernhaltigen wie im kernlosen Eifragment, von denen | doch nur das eine das Eicentrosoma enthalten kénnte, alle Funk- | tionen des Cytozentrums bis zum Pluteusstadium zu _ erfiillen vermag. Eher kénnte man im Fall des disperm-dreiteiligen Eies daran denken, daf das eine der 3 Zentren von den beiden anderen ver- schieden wire. Aber die Zerlegungsversuche an den Dreiern haben | uns gelehrt — und das Studium der unzerlegten Dreierkeime wird ~ es uns noch klarer zeigen — daf gerade hier die primaren Blasto- meren viel haufiger gleichwertig und normal gefunden werden als bei den Vierern. Zellen-Studien. 61 Endlich ist zu betonen, da’, wenn die Zentren ungleichwertig wiren und wenn dadurch eine verschiedene Potenz der Blasto- meren bewirkt werden kénnte, nur eine ganz bestimmte Art von Ungleichwertigkeit, diese dann aber in allen Keimen, zu erwarten wire, nimlich im Falle des ebenen Vierers 2 normale und 2 ab- norme Blastomeren, wogegen wir in Wirklichkeit alle méglichen Kombinationen vorfinden. So diirfen wir behaupten, daf auch die Centrosomen fir unsere Befunde nicht verantwortlich gemacht werden kénnen. Ganz anders verhalt es sich nun aber mit den Kernen. Be- trachtet man die normalen Kernteilungsvorginge in den Seeigel- eiern, sowie die ja gleichfalls als normal zu bezeichnende Teilung selbstindiger Spermakerne, so wird man zu der Ansicht gefiihrt, daf von den Substanzen, die der Kern vor seiner Auflésung ent- halt, nur das Chromatin in geregelter Weise auf die Tochterzellen verteilt wird. Alles, was sonst noch im Kern unterscheidbar ist, verliert sich wahrend der Mitose im Protoplasma; auch gehen, soweit uns unsere Hilfsmittel eine Aussage gestatten, auSer den Chromosomen keine geformten Bestandteile des Mutterkerns in die Tochterkerne tiber. Daraus wird man schlieSen diirfen, da es sich bei der Kernteilung nur um die geregelte Verteilung des Chromatins') handelt, und da, wenn auch andere Kernbestand- teile auf die Tochterzellen verteilt werden, dies schon in der zwei- poligen Figur in einer so unregulierten Weise geschieht, daf auch die mehrpoligen Figuren in dieser Beziehung kaum ungiinstiger wirken kénnen. Es bleiben also zur Erklarung unseres Phainomens noch die Chromosomen ibrig; und ihre Verteilungsweise in dispermen Eiern bietet uns nun in der Tat genau das dar, was wir brauchen. Denn wie uns die Erérterungen in Kapitel D gelehrt haben, werden die Chromosomen dispermer Eier sowohl nach Zahl wie nach Kom- bination in der variabelsten Weise auf die primaren Blastomeren verteilt. Die erste Annahme, die wir zu priifen haben, ist sonach die, ob die verschiedene Menge von Chromatin in den einzelnen Blastomeren eines dispermen Keimes die Ursache fiir deren Ver- schiedenwertigkeit sein kann. Daf eine Blastomere eines ebenen Vierers oder Dreiers etwa gar keine Chromosomen erhielte, dieser Fall ist, wenn auch nicht durchaus unméglich, so doch héchst un- 1) ,,Chromatin“ als Substanz der Chromosomen gefaft. 62 Theodor Boveri, wahrscheinlich. Wir kénnen aber von dieser Eventualitit deshalb hier véllig absehen, weil sich jedenfalls unter den oben aufge- fiihrten Objekten solche nicht befunden haben. Es kann sich also nur um ein Zuwenig an Chromatin in der einen oder anderen Blastomere handeln. Bei dieser Frage ist nun die Tatsache von grofer Wichtig- keit, da8 wir ein Ma8 dafiir besitzen, welche Chromatinmenge zur normalen Entwickelung jedenfalls noch geniigt. Es ist dies die a b i] 18 Fig. XXIII. Fig. XXIV. halbe Normalmenge, also in unserem Fall die Zahl von (un- gefiihr) 18 Chromosomen. Daf ein Keim mit dieser Chromosomen- zahl, und zwar ohne Regulation zur Normalzahl, einen typischen Pluteus zu bilden vermag, habe ich durch die Versuche iiber die Entwickelung monosperm befruchteter Kifragmente ohne Eikern nach- weisen kénnen (10, 14, 27). Nehmen wir nun an, diese im einzelnen Vorkern gegebene Chromatinmenge sei das Minimum, unter welches nicht heruntergegangen werden darf, soll der Keim sich normal entwickeln, so lassen sich leicht Chromatinverteilungen im Tetraster konstruieren, bei denen eine Blastomere (Fig. XXIIZa und b) oder Zellen-Studien,. 63 zwei (Fig. XXIVa und b) zu wenig Chromatin besitzen und also pathologisch werden miiSten. Sind jedoch schon nach der Priifung der Mitosen dispermer Eier solche stark ungleichen Verteilungen offenbar sehr selten, so ergibt sich tiberdies aus einer einfachen Betrachtung, daf min- destens zwei von den 4 Blastomeren des Tetrastereies unter allen Umstinden mehr als die notwendige Mindestmenge von Chromatin besitzen miissen. Ware es also die zu geringe Menge, die bei der Dispermie eine Rolle spielt, so miiSten wir bei der Zerlegung eines dispermen Vierers stets mindestens 2 normale Keime erhalten, was nicht der Fall ist. Beim dispermen Triasterei kénnte héchstens eine Zelle mit zu wenig Chromatin entstehen, und doch haben wir auch hier haufig genug alle 3 Blastomeren sich pathologisch entwickeln sehen. Ist schon diese Betrachtung véllig zwingend, so fihrt nun auch die Untersuchung der Kernverhiltnisse der aus dispermen Eiern stammenden pathologischen Objekte zu dem gleichen Re- sultat. Um die zu besprechenden Tatsachen richtig zu wiirdigen, hat man sich wieder daran zu erinnern, daf unter sonst gleichen Bedingungen die KerngréSen (Kernoberflichen) einer Larve der Chromosomenzahl der Ausgangszellen proportional sind, so daf wir also aus dem Verhaltnis der Kernoberflichen dasjenige der Chromosomenzahlen und, wie oben gezeigt, sogar die absolute Chromosomenzahl der primiéren Blastomeren annihernd berechnen kénnen. Fassen wir zunachst die Zerlegungsversuche ins Auge, so habe ich nicht selten in stark pathologischen Partialkeimen Kerngréfen gefunden, die denen der besser entwickelten Schwester- keime gleichkamen, ja sie sogar iibertrafen. So z. B. zeigte die Stereoblastula von No. 13 (p. 47) auffallend groke ruhende Kerne und sogar eine Mitose, die Gastrula mit Skelett und Mundanlage aus einer der 3 Schwesterblastomeren hatte erheblich kleinere Kerne. Der Zellenhaufen von No. 15 wies relativ sehr grofe Kerne und 6 Mitosen auf. Von den 3 Keimen von No. 53 (p. 52) sind in Fig. XXV einige Kerne des Ektoderms wiedergegeben; a bezieht sich auf die tadellos entwickelte Gastrula, b auf die Stereogastrula, c auf die Stereoblastula. Man sieht, daS die normale Gastrula die kleinsten Kerne besitzt, die Stereogastrula die gré&ten, wahrend die Stereoblastula zwischen beiden ungefihr die Mitte halt. 64 Theodor Boveri, Zur Erginzung seien einige Daten iiber die Kerngréfen in gleichmaSig pathologisch entwickelten Schwesterkeimen an- gefiihrt. Fig. XX VI zeigt aus den 3 Stereoblastulae von No. 12 (p. 46) je einige benachbarte Kerne der Wandung; obgleich die 3 Keime kaum zu unterscheiden waren, ist ihre Kerngréfe in hohem Grad verschieden. Und es ist noch besonders darauf aufmerksam zu machen, daf derjenige mit den kleinsten Kernen noch der am lebhaftesten bewegliche war. Ganz ebenso fanden sich in den 3 fast identischen Stereoblastulae von No. 14 sehr verschieden O | O @ OO O 3 O oo) O : ec.) pe 6 : = ee O oan 8 O@: QO Fig. XXVI. groke Kerne. Zwischen zweien war der Unterschied ungefahr so wie zwischen mono- und amphikaryotischen Objekten, die Kerne der dritten waren etwas kleiner als die der zweiten. In der ersten wurden 4, in der zweiten 2 Mitosen angetroffen, in der dritten frisch geteilte Kerne. Villig entsprechend sind die Resultate an dispermen Ganz- keimen, die uns unten eingehend beschiftigen werden. Man koénnte nun vielleicht auf den Gedanken kommen, daf bei der ungleichmaifigen Verteilung der Chromosomen Zellen mit zu Zellen-Studien. 65 viel Chromatin entstehen, und daf dies der Grund fiir die patho- logische Entwickelung, wenigstens in manchen Fallen, sei. Aber auch diese Méglichkeit laf{t sich leicht ausschliefen. Unter den von mir geztichteten dispermen Larven kommen vollig normale Plutei vor (Fig. 11, Taf. ID, bei denen in einem bestimmten Bezirk Kerne vorhanden sind, aus deren Gréfe sich die darin enthaltene Chromo- somenzahl auf etwa 54 berechnet. Diese Zahl ist also jedenfalls noch nicht zu grof. K6énnen doch selbst aus Eiern mit 72 Chromo- somen, namlich aus den im vorigen Heft (p. 16) beschriebenen normal befruchteten Monastereiern, Plutei, wenn auch verkiimmerte, hervorgehen. Nehmen wir nun an, die Zahl 54 stelle wirklich die obere Grenze fiir véllig normale Entwickelung dar, so 1laft sich leicht einsehen, dafi Blastomeren, welche dieses Maf tiberschreiten, bei der dispermen Entwickelung gar nicht vorkommen koénnen. Denn selbst bei der denkbar ungleichsten Verteilung kann eine der 3 oder 4 Tochterzellen nicht mehr Chromosomen zugeteilt erhalten, als Mutterchromosomen vorhanden waren, namlich 54. Eine weitere Annahme ware dann die, daf die Erkrankung dispermer Keime dadurch bewirkt werde, daf die Zellen der einzelnen Keimbezirke verschiedene Kernmengen enthalten, und da dieser Umstand das fiir eine normale Entwicklung nétige Zusammenwirken dieser Bereiche unméglich mache. Diese An- nahme wird im Grund schon durch die Zerlegungsversuche aus- geschlossen, bei denen ja dieses Moment wegfallt, ohne daf sich die isolierten Blastomeren besser entwickeln als die im Verband belassenen. Vd6llig ausschlaggebend aber ist die Tatsache, fiir die ich schon im vorigen Heft Belege beigebracht habe und fiir die wir unten noch schlagendere Beispiele kennen lernen werden, daf im gleichen Keime Bereiche verschiedener Kerngréfe mit normaler Entwickelung durchaus vertraglich sind. So bleibt, soweit ich sehen kann, nur noch eine Mdéglichkeit tibrig, um die Chromatin- Menge mit der pathologischen Ent- wickelung in Beziehung zu bringen, naimlich die Annahme, dal zwar normale Entwickelung bei sehr weit differierenden Chromo- somenzahlen stattfinden kann, aber doch nur bei ganz be- stimmten Zahlen, wie 18, 36,54, 72, bei Zwischenzahlen dagegen nicht. Rein auf den Kern bezogen, wiirde diese Annahme aller- dings schon in versteckter Weise qualitative Verschiedenheiten der Chromosomen einfiihren; vollkommen zulassig dagegen, ja sogar sehr naheliegend erscheint sie, wenn wir das Verhiltnis ins Auge fassen, in welchem Kernmenge und Protoplasmamenge zu- Bd. XLII, N. F. XXXVI. ov 66 Theodor Boveri, einander stehen. Wie im letzten Heft dieser Studien eingehend dargelegt worden ist, treffen wir in den Seeigelkeimen eine Ten- denz und Fahigkeit an, die ZellgréBe der Larven nach der Chromo- somenzahl zu regulieren, derart, da’ bei halber Chromosomenzahl ungefihr doppelt, bei doppelter ungefahr halb so viele Zellen ent- stehen als bei normaler Zahl. Es ware nun, wie a. a. O. (p. 50) bereits ausgefiihrt worden ist, sehr wohl denkbar, da’ z. B. bei Erniedrigung der Chromosomenzahl auf drei Viertel oder bei Er- héhung auf einundeinhalb der Normalzahl die Zellteilungen sich nicht so regulieren kénnten, um die diesen Zahlen entsprechende Zellgréfe herzustellen, und daf dann ein solcher Keim pathologisch werden miifte. Schon bei Erérterung dieser Frage im vorigen Heft konnte jedoch durch Analyse der Larven aus verschieden eroBen Eifragmenten bei gleicher Chromatinmenge gezeigt werden, daf — innerhalb gewisser Grenzen — fiir jedes beliebige Anfangs- verhiltnis von Protoplasmamenge und Chromatinmenge schlieflich in den Larven das zu normaler Betatigung nétige Mengenverhaltnis, die Kernplasmarelation R. Hertwies, erreicht werden kann. Daf dies auch bei beliebiger Variation der Chromatinmenge in gleichen Protoplasmamengen méglich ist, dafiir gentigt es vor- laufig, auf die in Fig. 13 (Taf. IID) und 35 (Taf. V) abgebildeten, fast normalen Dreierplutei hinzuweisen, welche aus einem klein- kernigen und zwei grofkernigen Dritteln bestehen. Bei unserer Voraussetzung, daf nur jene Chromosomenzahlen normale Ent- wickelung erméglichen, die durch 18 ohne Rest teilbar sind, ist die giinstigste Annahme die, dafi das kleinkernige Drittel die Chromo- somenzahl 18 besitzt. Ist dies der Fall, so miissen die Kerne der beiden anderen Drittel ungefahr 45 Chromosomen enthalten (18 + 45 + 45 — 108). Diese Zahl 45 ware aber eine jener nach unserer Voraussetzung verderblichen Zwischenzahlen; und doch | sind die betreffenden Larvenbereiche véllig normal. | Diese Feststellung kann uns vorliufig geniigen; ich halte sie allein schon fiir ausreichend, die Hypothese von der Notwendig- | keit bestimmter Chromosomenzahlen auszuschliefen. Doch werde | ich unten noch einmal eingehend auf diese Frage zuriickkommen. Denn da die Hypothese, die dispermen Keime kénnten die Kern- plasmarelation nicht erreichen, unter allen abzuweisenden Annahmen immerhin die weitaus diskutabelste ist, wird es notwendig sein, sie mit allen einschligigen Tatsachen zusammenzuhalten und aut ihre Stichhaltigkeit zu priifen. Es wird sich zeigen, dafi sie in keiner Beziehung die Probe bestebt. Zellen-Studien. 67 Sind wir damit zu dem Schluf gekommen, daf nicht die ab - norme Zahl der Chromosomen der Grund des von uns kon- statierten Verhaltens dispermer Keime sein kann, so bleibt nur noch iibrig, die abnorme Kombination der Chromosomen dafiir ver- antwortlich zu machen. Dies aber wiirde heifen, daf die einzelnen Chromosomen verschiedene Qualitaéten besitzen miissen. So war das Ergebnis der bisher betrachteten Erfahrungen die Hypothese von der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen. G&. Die Hypothese von der Verschiedenwertigkeit der Chromo- somen und ihre Forderungen in Bezug auf die Entwickelung dispermer Kier. Wenn wir im Vorhergehenden aus den Folgen der Doppel- befruchtung einerseits und aus der dabei stattfindenden Chromatin- verteilung andererseits eine qualitative Verschiedenheit der Chro- mosomen erschlossen haben, so setzen uns die besprochenen Erscheinungen nicht in den Stand, diesen Satz anders als in solcher ganz allgemeinen Formulierung auszusprechen. Auf Grund anderer Erfahrungen sind wir jedoch in der Lage, unserem Resultat eine etwas prazisere Fassung zu geben. Die Versuche tiber die Entwickelung monosperm befruchteter entkernter Eifragmente und tiber kiinstliche Parthenogenese haben gelehrt, daf sowohl der Spermakern, wie der Eikern alle zur Entwickelung nétigen Chromatinqualitaten, wenigstens bis zum Pluteusstadium enthalt. Eikern und Spermakern sind ein- ander also prinzipiell aquivalent, alle Qualititen des einen miissen auch im anderen enthalten sein. Halten wir diese Tatsache mit unseren Resultaten iiber Dispermie zusammen, so lassen sich hinsicht- lich der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen zwei Annahmen machen. Entweder jedes Chromosoma des einzelnen Vorkerns besitzt eine ganz bestimmte Qualitat oder Qualitétenkombination, und dieses Chromosoma hat im anderen Vorkern sein genaues Gegenstiick, so daf also dem a, des Eikerns ein a, des Spermakerns entsprechen Wiirde; oder die Qualitaten A,B, C,D...... jedes Vorkerns sind beliebig auf die einzelnen Chromosomen verteilt, die Chromosomen sind gleichsam nur die Gefife, in welche die Qualitaétentrager bei der Mitose eingefiillt werden, wobei lediglich die Bedingung besteht, da8 sie simtlich untergebracht sind, wogegen es gleich- giiltig ist, wie sie sich in jedem einzelnen Fall auf die vor- handenen Chromosomen verteilen. Dann wiirde wohl dem A, des Ei- tas 68 Theodor Boveri, kerns ein A, des Spermakerns gegeniiberstehen u. s. f., die einzelnen Chromosomen aber wiirden sich im allgemeinen nicht entsprechen. Ks liefe sich nun schon aus einer allgemeinen Betrachtung der mitotischen Vorgange, speziell aus der Vergleichung der Chromosomenstellung unmittelbar vor und nach dem Geriistzustand, entnehmen, daf die erstere Annahme viel mehr Wahrscheinlichkeit fiir sich hat. Fast unabweisbar aber erscheint sie angesichts der Reduktionsvorgange. Wir wissen, daf die Chromosomenzahl sich in der Oo- und Spermatogenese auf die Halfte reduziert; zugleich aber miissen wir, wenn das Chromatin eines jeden Vor- kerns aus Tragern verschiedener Qualititen besteht, postulieren, da auch diese Qualitiétentrager, die in der normalen amphigonen Entwickelung doppelt vertreten sind, wieder auf die einfache Zahl herabgesetzt werden. Ein solcher Prozef kann sich ohne Schwierig- keit vollziehen, wenn jedes Chromosoma des einen Vorkerns einem bestimmten des anderen qualitativ entspricht. Wiirden dagegen die bei der anderen Alternative supponierten kleinsten Qualitaten- triger in beliebiger Weise auf die einzelnen Chromosomen verteilt sein, so waren Einrichtungen von kaum auszudenkender Komplikation notig, um bei Reduktion der Chromosomenzahl auf die Halfte zugleich auch die doppelte Serie von Qualititentrigern auf die einfache Serie herabzusetzen. Aus diesem Grund bin ich schon in meiner ersten Verdffent- lichung (22) bei der dort kurz mitgeteilten Wahrscheinlichkeits- berechnung und bei dem Hinweis auf die Beziehungen zum MeENpDELSchen Gesetz von der Vorstellung ausgegangen, dafi jedem Chromosoma des einen Vorkerns ein solches des anderen qualitativ entspricht. Und es war ein merkwiirdiges Zusammen- treffen, da& kurz vorher — mir damals noch unbekannt — ~ Montgomery (94) beim Studium der Chromosomengréfe in der | Spermatogenese von Insekten Tatsachen ermittelt hatte, welche ihn zu ganz entsprechenden Schliissen fiihrten: daf namlich jedem Chromosoma des Spermakerns ein solches des Eikerns morpho- logisch aquivalent sei, da’ diese zwei bei der Befruchtung zu- sammengefiihrten Serien durch alle Zellenfolgen nebeneinander her- gehen, bis zum Zweck der Reduktion je ein vaterliches Element mit dem ihm entsprechenden miitterlichen kopuliert. Wie an diesem Punkt weiterhin die Untersuchungen von Surron (121) im gleichen Sinne f6rdernd einsetzten, habe ich in meinem Referat tiber die Konstitution der chromatischen Kernsubstanz (26) eingehend be- sprochen, worauf hier verwiesen sein mag. Zellen-Studien. 69 Was durch diese Untersuchungen zuerst fiir Insekten aufgedeckt worden ist, scheint sich nun auch fiir andere Tiergruppen zu be- stiitigen; als sicher diirfen wir es nach den Untersuchungen von K. BonNEVIE (83) bereits fiir Mollusken ansehen. Daf sich die Echiniden ebenso verhalten, ist zum mindesten sehr wahrscheinlich. Schon im Jahre 1890 habe ich (11) fiir See- igeleier verschiedene Chromosomengrofen in der ersten Furchungs- spindel beschrieben und ab- | gebildet, wenn ich auch da- ve Aye? mals nicht daran dachte, daf Laks esta eh ce an a ae a in dieser Verschiedenheit SN pra irgend welche Gesetzmikig- i keit liegen kénnte. Ich gebe in Fig. XX VII einen Schnitt durch eine Spindel von Strongylocentrotus wieder, welche sehr deutliche Ver- HHt) \ schiedenheiten der gezeich- id / LI i | pes neten Chromosomen erkennen f | \ ]aBt. Auch wenn die Unter- UOLS H ae schiede in der Lange nur die Piroy UN | F Bedeutung verschiedener £ 4 Kontraktionszustinde __ be- L/, sitzen sollten, bleibt doch das a. Cz verschiedene Volumen der ———-——— 9a —— einzelnen Chromosomen als ia ein vollig sicherer Unter- ~ ~~~“, di schied tibrig?). a Mo Yr] 3 Um zu ermitteln, wie S AT OBL WURDEN weit in diesen GréfSendif- A / \| * : ferenzen gesetzmibige Ver- hate haltnisse vorliegen, veranlafte Fie, XXVII. ich einen meiner Schiiler, Herrn F. Batrzer, die Tochterplatten sowohl monospermer, wie dispermer Eier zu untersuchen. Bei dieser Arbeit, die demnachst erscheinen wird, ergab sich vor allem, daf das in Fig. XX VII ge- zeichnete hakenférmige Tochterchromosoma ein vollig kon- 1) Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dai ich bereits 1892 (12, p. 409) die verschiedene Gré8e der Chromosomen bei genau bestimmter Zahl als Stiitze fiir die Individualitatstheorie angefiihrt habe. 70 Theodor Boveri, stantes Vorkommnis ist. Herr Batrzer konnte in jedem darauf untersuchten monospermen Ei, sowohl bei Echinus, wie bei Strongylo- centrotus, z wei Paare von solchen hakenférmigen Schwesterchromo- somen nachweisen; in den dispermen Eiern fand er drei solche Paare. Danach kann nicht bezweifelt werden, daf hier ein spezi- fisches Chromosoma vorliegt, das in jedem Vorkern in einfacher Zahl enthalten ist. Neben diesem sehr auffallenden Element kon- statierte Herr Bautrzer mit groBer Regelmabigkeit noch ein weiteres, das durch besondere Lange ausgezeichnet ist. Auch dieses ist als Tochterchromosoma hiaufig an seiner Polseite ein wenig umgebogen. Nach dem Gesagten diirfen wir es jedenfalls als die weitaus wahrscheinlichste Hypothese bezeichnen, daf die als qualitativ ver- schieden anzusehenden Chromosomen von Vorkern zu Vorkern als Ganzes homolog sind, und wir kénnen nun betrachten, was wir unter dieser Voraussetzung von der Entwickelung dispermer Eier zu erwarten haben. Dabei miissen wir allerdings noch in zweierlei Hinsicht eine nihere Bestimmung treffen. Zunachst ist es fraglich, ob die zu normaler Entwickelung nétige Chromosomen- serie a, b, c.... . in jedem Monokaryon in einfacher oder viel- leicht in doppelter Zahl vorhanden ist; auch die letztere Annahme wirde mit den oben fiir den Reduktionsvorgang aufgestellten Forderungen ganz wohl vertraglich sein. Wir sind nicht in der Lage, diese Frage mit Bestimmtheit zu entscheiden; die eben er- wahnten morphologischen Befunde sprechen aber fiir einmaliges Vorkommen einer jeden Chromosomenart im Monokaryon. Diese jedenfalls einfachste Annahme wollen wir daher wihlen. Eine zweite Frage ist die, ob ein Kern dann normal ist, wenn er jede Chromosomenart mindestens einmal enthalt, oder ob es zu seiner Normalitaét nétig ist, dab’, wenn er z. B. drei a enthalt, auch von den tibrigen Arten drei Stiicke vorhanden sind. Wir werden unten Tatsachen kennen lernen, aus denen wir, unter der Voraus- setzung einmaligen Vorkommens jeder Chromo- somenart im Monokaryon, mit Sicherheit entnehmen kénnen, daf es innerhalb der fiir uns in Betracht kommenden Grenzen gleichgiiltig ist, in wie vielen Reprasentanten die einzelnen Chromo- somenarten in einem Kern enthalten sind, wenn nur jede mindestens einmal vertreten ist. Wir legen also unseren Betrachtungen vor- laufig diese Annahme zu Grunde. Wenn wir nun unsere Postulate formulieren, so wird es fiir diese prinzipiellen Betrachtungen gentigen, wenn wir, der leichteren Zellen-Studien. Ti Uebersicht wegen, statt der (ungefaihr) 18 Chromosomen') des Echinidenvorkerns nur 4 annehmen. Wir bezeichnen sie als a, b, c und d; das disperme Ei enthalt also 3 a, 3 b, 3 c und 3 d. Wo es uns darauf ankommt, die Kernangehérigkeit der einzelnen Chromosomen auszudriicken, verwenden wir fiir den Eikern den Index 1, fiir die beiden Spermakerne die Indices 2 und 3. Was wir zu erwarten haben, ist folgendes: 1) In den einzelnen dispermen Keimen des Tetraster- oder Triastertypus werden die priméren Blastomeren sehr verschiedene Kombinationen von normaler und pathologischer Entwickelung dar- bieten kénnen. Denn wie eine Betrachtung der Diagramme Fig. XX VIII—XXXII fiir tetrazentrische Eier lehrt, wird es méglich sein, dafi alle 4 Blastomeren die richtige Chromosomen-Kombination abed erhalten (Fig. XXVIII a, b); es wird vorkommen, daf a b Fig, XXVIII. 3 (Fig. XXIX a, b), 2 (Fig. XXX a, b), eine (Fig. XXXT a, b) oder endlich gar keine Blastomere (Fig. XXXII a, b) Reprasentanten aller Chromosomenarten zugeteilt erhalt?). Daf eine diesem Postulat entsprechende Variabilitiét in der Tat vor- 1) Bei Echinus kommen, wie ich friiher (11) festgestellt habe, auch Individuen mit 9 Chromosomen vor. Bei meinen neueren Untersuchungen sind mir jedoch niemals mehr solche Falle begegnet. 2) In diesen, wie in spateren Diagrammen sind diejenigen Blastomeren, welche nicht die ganze Chromosomenserie abcd ent- halten, durch Punktierung gekennzeichnet. Theodor Boveri, s yd 1g. Sr Lae. = on > 7 Pre V ‘ oe, — x p Pie ‘ Pap et =e “0 <\ ang . : : ,. x. . ‘ ne | oo) O "0 hy por / t i H ' = 3 st s ‘ < . . tH I 8 Paes ' Ce A Pe. ries Cs ‘ ‘ ‘ iw. ‘ ’ ‘ ‘ Ae re ‘ ' ' \ . = f : ‘ ‘ Ly lu ‘ ye} 2) Abe = Os ee ae Sie Bede Lass CS Pan eas We Thy 4 1 ‘ Tne t; Rf abiseaas 4°} Be ay i! Neots . A La (a Cle SE a . ount ‘ ‘ ' Cee . ‘ . 12 Zellen-Studien. 73 Fig. XXXII handen ist, davon haben uns die Zerlegungsversuche bereits tiber- zeugt; wir haben unter den zerlegten Vierern Fille kennen ge- lernt, wo sich 3 Gastrulae (No. 7) entwickelt haben, solche, wo 2 Gastrulae aufgetreten sind (No. 19), solche mit einer Gastrula (No. 6) und endlich solche mit gar keiner (No. 14). 2) Lassen wir disperme Keime sich als Ganzes entwickeln, so haben wir nach dem Gesagten bei gréferen Zahlen alle Ab- stufungen von normalen Larven durch partiell-normale bis zur vollig pathologischen zu erwarten. 3) Die Aussichten der Triastereier miissen viel giinstigere sein, als die der Tetrastereier. Denn wir haben in beiden Fallen genau den gleichen Chromatinbestand, aber mit dem Unterschied, daf’ die Chromosomen im einen Falle auf 3, im anderen auf 4 Zellen verteilt werden. Zeichnen wir uns fiir eine Chromo- somenart die verschiedenen Verteilungsméglichkeiten, ohne uns auf die Zahl der denkbaren Falle bei Unterscheidung der einzelnen Pole und Chromosomen einzulassen, so ergibt sich aus einer Ver- gleichung von Fig. XXXIII und XXXIV, daf bei simultaner Drei- teilung ein Drittel, bei simultaner Vierteilung die Halfte der Anordnungsméglichkeiten ungiinstig sind, eine Differenz, die sich bei 18 verschiedenen Chromosomenarten, die unabhangig vonein- ander verteilt werden, gewaltig steigert. 4) Aus den Keimen des Doppelspindel- und des Am- phiaster-Monaster-Typus miissen, falls diese Konstellationen 74 Theodor Boveri, zu simultaner Vier- oder Dreiteilung fiihren, stets (annihernd) — normale Larven entstehen. Aber auch, wenn im Fall des Doppel- | spindeltypus sich zunachst doppelwertige Zellen bilden (vergl. p. 19), | werden die Aussichten solcher Keime erheblich giinstiger sein | miissen, als die der Tetrastereier. aa Fig. XX XIII. 5) Es ist zu erwarten, daf die Normalitét eines dispermen Keimes von der quantitativen Verteilung des Chromatins ober- halb einer nach unseren Annahmen selbstverstindlichen Grenze | unabhingig ist. Denn auch bei rein zufalliger Gruppierung der Chromosomen in einer mehrpoligen Figur werden Falle eintreten — kénnen, wo trotz ganz gleichmafiger quantitativer Verteilung Zellen-Studien. 15 allen 4 Zellen die eine oder andere Chromosomenart fehlt (Fig. XXXV a, b), wahrend umgekehrt quantitativ sehr un- Fig. XXXIV. 76 Theodor Boveri, gleiche Verteilung allen Zellen jede Chromosomenart zu vermitteln | vermag (Fig. XXXVI a, b). Und so hitten wir zu erwarten, | daf8 Keime mit lauter gleich grofen und im Fall des Triasters _ a - . 7, $C \ oy we Le ae = SANS ne on PRN De ee Dee SN Bo: > ae a P a Sew sitet . woe 2 Pa bist ye PRS a ES > a 6 Fig. XXXVI sogar normal grofen Kernen hochgradig pathologisch sein kénnen, solche mit sehr verschieden grofen Kernen dagegen normal?). 1) Von diesen zwei Punkten ist allerdings nur der zweite einer exakten Priifung zugiinglich, der erste deshalb nicht, weil die Kern- gréfe erkrankter Larventeile von dem Zeitpunkt der Erkrankung Zellen-Studien. 77 Um nun diese Postulate auf ihre Richtigkeit zu_ priifen, wenden wir uns zu der speziellen Analyse der oben unter- _schiedenen Dispermie-Typen, wobei wir jedoch auch diejenigen Eigen- schaften dispermer Keime zu _ betrachten haben, welche mit unserem Hauptproblem nur indirekt oder auch gar nicht in Beziehung stehen. Zum Schluf werden wir dann alle fiir unsere Frage in Betracht kommenden Tatsachen im Zusammenhang tiberblicken. H. Die Entwieckelung der simultan dreigeteilten Hier. |. Uebersicht iiber das Versuchsmaterial. Die Gesamtzahl der von mir untersuchten isolierten Dreier betrigt 913‘); davon wurden 85 in ihre Blastomeren zerlegt, wortiber oben (p. 48) berichtet worden ist, 828 wurden als Ganzes -geziichtet. Von diesen letzteren sind 152 auf jiingeren Stadien konserviert, die tibrigen 696 so lange am Leben belassen worden, bis nach sonstigen Erfahrungen auf eine wesentliche Weiterent- wickelung nicht mehr zu rechnen war. Von jenen 132 wurden ibrigens nur 109 aufs Geratewohl getétet, die 23 anderen waren bereits als hochgradig pathologisch zu erkennen, so daf die Zahl derjenigen Larven, welche bei der prozentischen Feststellung von normaler und pathologischer Entwickelung in Rechnung kommen, 719 betragt. Die angefiihrten Zahlen verteilen sich auf 12 Versuche, und zwar treffen hiervon auf Strongylocentrotus 7 Kehinus 2 Strongylocentrotus ¢ Kchinus @ ; Sphaerechinus 2 Ich fiihre die Versuche nachstehend auf, wobei jeder eine Nummer erhilt, unter der er im folgenden zitiert ist. abhiingt, so zwar, daf die Kerne frihzeitig erkrankter Zellen trotz geringerer Chromosomenzahl gréfer sein kénnen als diejenigen von Spaiter krank gewordenen. 1) Hierbei sind die véllig resultatlos gebliebenen Versuche mit Strong. ¢ dispermen Dreiern der Kombination ———?~ nicht mitgezahlt. Sphaer. 2 78 Theodor Boveri, No.| Datum | Species Zahl der isolierten Stiicke 1 |19. Dez. 1901) Strongylocentrotus i! 2] 6. Jan. 1902 7 Al 3 AS. ,.)" (1902 D 14 4]i4. , 1902 Ps 66 Dab Beo var L908 if 81 (23 pathologischeOb- jekte nach 24 Std. getétet) 6 20. ,, 1902] Sphaerechinus 54 4 902 Strongylocentrotus ¢ 3 APS pint hee Echinus 9 } 8 |30. , 1902} Echinus 54 9 10. Febr. 1902) Strongylocentrotus 184 10 {14. ,, 1902} Sphaerechinus 279 (100 beliebige Ob- jekte nach 24 Std. getotet) 11 }20. Marz 1902) Strongylocentrotus 9 121%. , 1905) Echinus 9 (samtlich nach 24 Std. getétet) Summe 828 Es sei zunichst an einigen Beispielen gezeigt, was in einem solchen Versuch nebeneinander vorkommt. In dem Versuch No.1 wurden unter 7 Objekten gefunden: 1 Pluteus (asymmetrisch), schéne geblihte Gastrula mit grofem und kleinem Drei- strahler, 3 Stereogastrulae, 1 pathologische Blastula, die etwa 1/, ihrer Wand nach aufen ~ abgestofen hatte (Fig. XVI, p. 56), 1 Zellhaufen. Es haben also von 7 Stiick 5 gastruliert, d.i. tiber 70 Proz., davon 3 freilich in bereits stark pathologischem Zustand; 1 Pluteus ist aufgetreten, d. i. 14 Proz. der Gesamtzahl. In dem Versuch No. 3 wurden unter 14 Objekten ge- funden : 1 Gastrula mit rudimentérem Urdarm und 2 Dreistrahlern, 1 krankhafte Gastrula mit nach links verschobenem Urdarm und mit einseitig rechts entwickeltem abnormen Skelett, 1 nicht gastrulierte Larve, vielleicht partielle Exogastrula mit jederseits Doppelskelettanlage, 11 Stereoblastulae und Klumpen. Es ist also nur bei etwa 14 Proz. der Objekte Gastrulation erfolgt, keines war im stande, sich bis zum Pluteus zu entwickeln. = Zellen-Studien. 719 In dem Versuch No. 6 wurden unter 54 Objekten gefunden: 3 mehr oder weniger defekte und asymmetrische Jungplutei, 1 Gastrula mit asymmetrisch verschobenem Darm; an der Seite, nach der der Darm verlagert ist, viele pathologische Elemente im Innern; beiderseits Skelett-Dreistrahler, abnliche, Gastrula mit symmetrischem Darm; jederseits ein kleiner Dreistrahler, 1 Gastrula mit duferst schmachtigem axialen Darm und 2 schwachen Dreistrahlern, 1 Larve mit ganz minimalem, an die Wand gedriicktem Ur- darm und 3 kleinen Dreistrahlern, 1 Gastrula mit rudimentirem Urdarm ohne Skelettanlage, 1 ahnliche, 1 Gastrula mit sehr kurzem, aber dickem Urdarm und einem starken und einem schwachen Dreistrahler, 1 Gastrula mit ganz kurzem, knopfartigem Urdarm und einem winzigen Dreistrahler, ee oO 1 thnliche, 1 stark geblahte, ziemlich symmetrische Gastrula mit 2 Drei- strahlern, 1 blasige Larve, ganz ohne Darm, mit 2 kleinen symmetrischen Dreistrahlern und vielen pathologischen EKlementen im Innern, 4 grofe blasige Larven ohne Darm und Skelettanlage. Rest: Stereoblastulae und Klumpen oder véllig in Zellen aufgelést. Hier haben von 54 Objekten 17 gastruliert, wenn auch zum Teil in sehr abnormer Weise, d. i. etwa 31 Proz. Von diesen sind 3 zum Stadium des Jungpluteus gelangt, d. i. 5,5 Proz. der Gesamtzahl. In dem Versuch No. 11 wurden unter 9 Objekten gefunden: 3 Plutei, 3 Stereoblastulae, 3 in Zellen zerfallende Klumpen. Es haben also 33 Proz. gastruliert und sich tiberdies zum Pluteusstadium weiterentwickelt. In ahnlicher Weise variabel waren auch die Resultate aller tibrigen Versuche. Es hat fiir den Untersucher etwas immer wieder Ueberraschendes, aus den véllig gleich aussehenden drei- geteilten Eiern, die sich in ganz identischer Weise und mit héchster Regelmikigkeit weiterfurchen, bald einen wohlgebildeten Pluteus, bald einen regellosen Zellenklumpen hervorgehen zu sehen. Was nun die Zahl der Plutei aus allen Versuchen zu- Sammen anlangt, so ist eine bestimmte Aussage hieriiber kaum zu 80 Theodor Boveri, machen, da es unméglich ist, mit Bestimmtheit zu sagen, was noch als Pluteus zu gelten hat, was nicht. Weniger an die Schwierig- keit einer Abgrenzung gegentiber dem Gastrulastadium ist hier zu denken, als vielmehr daran, daf eine Larve in der einen Hinsicht | oder in einem bestimmten Bereich den Zustand des typischen Pluteus erreicht haben kann, wahrend sie andererseits defekt oder zurtick- geblieben ist. Zahlt man alle Larven zusammen, die wenigstens | iiberwiegend die Merkmale eines Pluteus darbieten, wobei aber mehr oder weniger hochgradige Defekte vorhanden sein kénnen, so ergibt sich in allen Versuchen zusammen, d. h. also unter | 719 in Betracht kommenden Objekten, die Zahl 79, d. i. ungefaéhr ! 11 Proz. Wie sich diese auf die einzelnen Versuche verteilen, | zeigt die nachstehende Tabelle. No. Anzahl der Objekte Plutei | Prozentsatz der Plutei | 1 a 1 14 Proz. 2 41 7 17 " 2 14 O ) s 4 66 14 21 bs 5 81 9 11 E 6 54 3 Diab 7 30 1 Rte 8 54 12 1GIG2h. 2 184 8 Bye S05 10 179 (Von den 279 bei 21 12 3 diesem Versuch iso- herten sind 100 nach 24 Stunden getitet worden.) dat 9 3 33 i Summe: | 719 ees) | Die Zahl derjenigen Plutei, bei denen nur Asymmetrieen, aber 4 keine wirklichen Defekte vorkommen, betragt 58, d. i. ungeféhr 8 Proz. Solche endlich, welche in allen Stiicken vollkommen normal und so symmetrisch sind, wie die aus monospermen Eiern stammen- | den, habe ich nur 4 gesehen, d. i. 0,6 Proz. Die Zahl der gering- gradig asymmetrischen, aber sonst voéllig normalen, betrigt 28. Fast ausnahmslos ist zu konstatieren, daf die Dreierplutei — gegentiber denen der normalen Kontrollzuchten in der GréSe | zuriickstehen. In erster Linie wird dies wohl eine Wirkung der | Doppelbefruchtung sein; ohne Zweifel aber ist auch das Isolieren und die Aufzucht in kleinen Schalchen zum Teil Schuld daran. Zellen-Studien. 81 ll. Polaritat und Bilateralitat der Dreierlarven. Unter all den dispermen Dreierlarven, die ich geziichtet habe, und, wie gleich bemerkt sein mag, ebenso unter den mehr als 1500 Vierern, war keine einzige Doppelbildung. Damit wird die immer noch hier und dort auftauchende Vermutung, Doppelbildung und Doppelbefruchtung kénnten irgendwie in einem Zusammenhang stehen, wenigstens fiir die Echiniden definitiv aufzugeben sein. Nachdem ich zeigen konnte (19, 20), da’ die Mesenchym- und Darmbildung an den vegetativen Pol des Eies gekniipft ist und daf ein doppelter Urdarm durch Spaltung dieses Poles vor oder wahrend der Furchung?) hervorgerufen wird, ist es ja von vornherein klar, daS Doppelbefruchtung auf diese Art von Doppel- bildung keinen Einfluf haben kann. Denn die Protoplasmaregionen bleiben in einem dispermen Keim in der gleichen gegenseitigen Lage wie in einem normalen. Und wenn wir also in Fig. 33 (Taf. V) eine disperme Strongylocentrotuslarve sehen, deren Darm in seinem mittleren Abschnitt wie aus 3 selbstandigen Stiicken verschmolzen aussieht, so kann dies nur auf einer protoplasma- tischen Stérung beruhen, die mit der Dispermie nichts zu tun hat, wenn auch gerade die Dreiteiligkeit vermutlich mit der simultanen Dreiteilung des Eies zusammenhangt. Es ist nach dem Gesagten fast unnétig, noch zu bemerken, ‘daf die Primitivorgane eines dispermen Dreierpluteus sich genau so auf die polare Proto- plasmaschichtung des Eies beziehen, wie diejenigen einer mono- spermen Larve. Nicht so einfach liegt die Frage, wie es sich bei einer dispermen Dreierlarve mit der Bilateralitat verhalt; und dies riihrt eben daher, daf wir auch itiber die Bilateralitatsbestimmung bei der normalen Entwickelung nur sehr ungeniigend unterrichtet sind. Was wir hieriiber wissen, ist folgendes. 1) Die Bilateralitat kann, wie ich gezeigt habe (19), dem Ei durch Deformierung kiinstlich aufgepragt werden. Streckt man durch Schiitteln ein Ei senkrecht oder schief zu seiner Achse, so wird die dadurch hergestellte langsellipsoide kiinstliche Symmetrie- ebene zur Medianebene ”). 1) Letzterer Nachweis (22, p. 84) wurde kurz darauf auch von Driescu (43) geliefert. 2) Den Einwand, den ich mir selbst gegen die Beweiskraft dieser Versuche gemacht habe, daf sich namlich das Ei in der Richtung einer praformierten Medianebene vielleicht leichter strecken Ba. XLII, N. F, XXXVI. 6 82 Theodor Boveri, 2) Im nichtdeformierten Ei scheint, wie ich bereits kurz mitgeteilt habe, die Medianebene der Larve mit der ersten Furche zusammenzutreffen. Es sind zweierlei Versuche, aus denen ich das schlieSe; einmal der im vorigen Heft (p. 22) beschriebene Fall von ,partieller Thelykaryose“, wobei die eine der beiden priméren Blastomeren doppelt so viel Chromatin erhalten hatte, wie die andere, und wo dann die Medianebene der Larve annadhernd mit der Grenze des grofSkernigen und kleinkernigen Bereiches zu- sammenfiel. Wichtiger sind, wegen der gréSeren Zahl von Fallen, Versuche, bei denen ich darauf ausging, in den Abkémmlingen einer der beiden primiaren Blastomeren pathologische Vorgange hervorzurufen (22, p. 87). Es wurden zu diesem Zweck Eier beim Uebergang vom Zwei- zum Vierzellenstadium einige Minuten geschiittelt. Nach den Beobachtungen E. B. Winsons (130) labt sich durch diese Prozedur die Zellteilung hintanhalten. Das Verfahren wirkt aber sehr ungleichmabig, und darin liegt fiir unseren Zweck seine Bedeutung. Man erhalt namlich nicht selten Falle, in denen die Teilung nur in der einen ‘'/,-Blastomere unterdriickt ist, in der anderen nicht, so da8 ein dreizelliges Stadium zu stande kommt, aus 2 einwertigen und einer doppelwertigen Zelle bestehend. Der Zustand besitzt die gré8te Aehnlichkeit mit dem Verhalten derjenigen Eier des dispermen Doppelspindeltypus (vergl. oben p. 18), die simultan in 2 einwertige und eine doppelwertige Zelle zerfallen. Nur besteht der Unterschied, daf ein derartiger dispermer Keim 2 Amphikaryen und 2 Hemikaryen enthalt, wo- gegen bei Furchenunterdriickung tiberall Amphikaryen vorhanden sind. Genau wie bei der Dispermie fiihrt nun auch hier die Doppelwertigkeit sehr hiufig friiher oder spaiter zu mehrpoligen Mitosen, und dies ist offenbar der Grund dafiir, daf dieser Teil des Keimes nicht selten pathologisch wird. Ganz ausnahmslos habe ich nun fiir 10 derartige Objekte konstatieren kénnen, daB — dann, wenn sich die doppelwertige Zelle zunachst tiberhaupt noch mitentwickelt, ein Pluteus entsteht, der auf der einen Seite vollig normal, auf der anderen mehr oder minder pathologisch 4) lasse als in jeder anderen, konnte ich seither durch eine einfache Feststellung beseitigen. Ware er zutreffend, so miifte jedes in der Richtung seiner Achse geprefte Ei im Aequator oval werden, was niemals der Fall ist. 1) Es braucht kaum gesagt zu werden, daf man diese Methode, einen Keim partiell pathologisch zu machen, auch auf andere Furchungsschritte anwenden kann. ich komme auf die Bedeutung solcher Versuche an anderer Stelle zuriick. Zellen-Studien. 83 ist. Ich habe in Fig. 16—18 (Taf. HI) 3 solche Larven abge- bildet, 2 in der Ansicht von vorn, eine vom Scheitel. Sie werden uns wegen ihrer nahen Vergleichbarkeit mit gewissen dispermen Keimen unten nochmals beschaftigen. Ganz entsprechend zeigte sich, wenn durch Schiitteln beim Uebergang vom Vier- zum Achtzellenstadium ein Viertel des Keimes pathologisch geworden war, der Defekt ausschlieBlich auf der einen Seite der Medianebene, und zwar entweder im Scheitel- bereich oder im Bereich des Oral- und Anallappens. Nach diesen Ergebnissen ist kaum mehr ein Zweifel méglich, da8 im nicht- deformierten Ei die erste Furchungsebene zur Medianebene wird}!). Kehren wir nach dieser Abschweifung zu unseren disperm- dreiteiligen Kiern zuriick, so gehéren auch sie zu der Kategorie der nichtdeformierten Kier, und so liegt nach dem Ge- sagten der Gedanke nahe, daf ein solches Ei mit seiner drei- strahligen ersten Furche bei der Bestimmung der Medianebene in Verlegenheit kommen, oder daf eine partielle Spaltung der Medianebene und damit eine entsprechende Verdoppelung in der Scheitelregion oder in der Region des Mundlappens eintreten kénne. Nichts dergleichen habe ich je beobachtet, und wir diirfen danach wohl sagen, daf der abnorme Furchungstypus fiir die Be- stimmung der Symmetrieebene véllig belanglos ist. Der Keim ist, sofern er iiberhaupt gesund genug ist, stets im stande, eine Medianebene zu finden, wenn uns auch die Art, wie dies geschieht, zunachst dunkel bleibt. Um diesem Problem naher zu kommen, ist vor allem die Frage zu beantworten, in welcher Weise die einzelnen Bezirke eines Dreierpluteus auf die 3 primaren Blastomeren zuriickzufiihren sind. Es ist oben (p. 36) dargelegt worden, welches Mittel diese Zuriickfiihrung erméglicht; es ist die in vielen dispermen Dreier- 1) Zu einem gerade entgegengesetzten Ergebnis ist, ohne meine Befunde zu beriicksichtigen, vor kurzem Drinscu (47) gelangt. Er glaubt aus gewissen Experimenten den Schluf ziehen zu miissen, dai die Medianebene normalerweise auf der ersten Furche senk- recht steht. Ich werde anderwirts genauer darlegen, daf dieser Schluf nicht zwingend ist. Hier geniige die Bemerkung, dafB es sich in den Drmscuschen Experimenten um deformierte Keime und also um eine von der normalen abweichende k tinstliche Symmetrie- ebene handelt, wie bei meinen oben erwahnten Deformierungs- versuchen. 6* 84 Theodor Boveri, larven nachweisbare spezifische Kerngréfe einzelner Drittel. Unter 49 gut entwickelten Dreierplutei, die ich auf diese Verhalt- nisse gepriift habe, vermochte ich an 20 Exemplaren sichere Ver- schiedenheiten der Kerngréfe nachzuweisen. Khe wir einige von diesen Larven naher ins Auge fassen, ist eine kurze Orientierung dariiber nétig, in welcher Hinsicht das Verhaltnis zwischen den 3 4/,-Blastomeren und den Larvenregionen tiberhaupt ein variables sein kann. Wir wissen vom Strongylocentrotus-Ki, daf die unpigmentierte vegetative Polkappe (das Mikromerenfeld) das primare Mesenchym liefert, und da8 die angrenzende pigmentierte Zone sich als Urdarm einstiilpt. Wir haben andererseits im Kapitel C (p. 25) erfahren, daf die Triastereier sich so teilen, dafi jeder primaéren Blastomere von allen Eizonen ein Drittel zu- fallt (vergl. Fig. VI, p. 25). Falls also diese Kier den sonst giiltigen Entwickelungsgesetzen folgen, muf jede der 3 primaren ~ Blastomeren in gleicher Weise an der Mes- enchymbildung partizipieren, und es muf nach vollzogener Gastrulation jeder aus einer 1/,-Blastomere stammende Zellenkomplex ein Drittel von Ektoderm und Entoderm dar- stellen, so zwar, da8 diese drei Bereiche im Ektoderm am animalen Pol, d. i. an der sich Fig. XXXVIL differenzierenden Wimperschopfplatte , zu- sammenstofen, wihrend im Entoderm das blinde Ende des Urdarms den Treffpunkt der drei Grenzlinien ent- halt. Wie an der Mesenchymbildung und an den embryonalen Blattern, so miissen endlich die drei Bereiche auch gleichmafig an der Umgrenzung des Urmunds teilnehmen. An dem in Fig. XXXVII gegebenen Schema einer von der Urmundseite gesehenen Gastrula ist dieses zu postulierende Verhaltnis dar- gestellt. Die Priifung der Dreierlarven mit Bereichen verschiedener -Kerngréfe bestatigt unsere Erwartungen. Dies sei zunichst an zwei besonders giinstigen Objekten, einer beginnenden Gastrula | und einem Pluteus, naher erliutert. | Fig. XXXVIIIa zeigt den optischen Schnitt durch eine junge | Dreiergastrula von Echinus (Versuch No. 12), aus einem Ki | stammend, an welchem der fiir die Dreier typische Ablauf der | Furchung verfolgt worden war. Die Larve ist so orientiert, daf der in a gezeichnete gréSte Durchschnitt ein wenig von der | Medianebene abweicht; an der Darmneigung lassen sich die spitere | Zellen-Studien. 85 Scheitelregion (links) und Mundregion (rechts) unterscheiden ‘). Die gleiche Bestimmung 1a8t sich auch auf Grund der Anordnung - des primaren Mesenchyms treffen (vergl. Fig. XXXVIIIb). Der Schnitt a lat links ungewéhnlich groBe, rechts ungewohulich kleine Kerne erkennen; die Grenze geht — wie die Pfeile angeben — unserer Forderung entsprechend, einerseits durch die Wimper- schopfplatte (das Akron), andererseits durch den Grund des Ur- darms. Die in dem optischen Schnitt a gezeichneten Bereiche ge- héren zwei Larvendritteln an, die sich durch ihre stark ver- Das. schiedene Kerngréfe aufs schiarfste voneinander abgrenzen. @ % 8 Fig, XXXVIIL _ dritte Drittel zeigt abermals eine andere Kerngréfe, die zwischen jenen beiden ungefaihr die Mitte halt. In Fig. XXXIX sind aus _ jedem Larvendrittel einige Kernkonturen bei stirkerer VergréSerung gezeichnet. Das Verhaltnis der drei Drittel zur Larvensymmetrie ist dieses, daf der Bereich der grofen und der mittleren Kerne ziemlich genau in der Medianebene, und zwar auf der Scheitel- seite der Gastrula, zusammenstofen; das kleinkernige Drittel bildet die Mundseite und wird von der Medianebene annahernd halbiert. In der Fig. XXXVIIIb, welche die Gastrula in der Ansicht vom vegetativen Pol darstellt, ist durch Kombination des nach dem Leben gezeichneten Mesenchymkranzes mit den nach dem konser- 1) Ueber die Erscheinung, daf das Urdarmende zuerst nicht gegen die Mundseite, sondern entgegengesetzt gerichtet ist, vergl. Drizscu (39) und besonders H. Scumipr (112). 86 Theodor Boveri, vierten Objekt eingetragenen Ektodermkernen dieses Verhaltnis zur Anschauung gebracht. Der Pfeil rechts von der Figur gibt die Richtung an, in welcher man auf das Objekt blickt, um den in a wiedergegebenen optischen Schnitt zu erhalten. © | ae ete oo! | ee O emg) iG) | OO oe ! O ! C6) Oa Men © “Om Fig. XXXIX. Eine ganz andere Verteilung der drei Larvendrittel um die Achse herum zeigt der nun zu besprechende Pluteus von Strongylo- centrotus (Versuch No. 4). Da die kompliziertere Form des Pluteus die Orientierung etwas schwieriger macht, seien die Grenzen der drei Drittel zunichst an zwei plastischen Oberflachenbildern be- schrieben, von denen das eine (Fig. 111, Taf. IZ) unser Objekt von vorn-unten und etwas von links, das andere (Fig. 11m) von hinten und etwas von rechts wiedergibt. Denken wir uns eine der Ei- achse entsprechende Linie durch den Pluteus gelegt, so geht sie einerseits durch den Urmund (After), andererseits durch die Mitte der Mundlappenkante. Diese beiden Endpunkte der idealen Keim- achse sind in den Figuren durch Sterne bezeichnet; in ihnen miiften bei exakter Verteilung die Grenzlinien der drei Drittel zusammenstof8en. An der Urmundseite trifft dies auch in der Tat zu. Wie einige in der Umgebung des Urmunds eingezeichnete Kerne lehren, haben wir es in dieser Larve gleichfalls mit drei sehr deutlich unterscheidbaren Kerngré8en zu tun. Das Drittel, das sich nach rechts oben erstreckt, hat sehr kleine Kerne, das nach rechts unten ausgehende sehr grofe, das dritte, welches sich links vom Urmund ausbreitet, hat Kerne von mittlerer Gréfe. Die Grenzen dieses letzteren Bereiches gehen vom Urmund ziemlich steil nach links oben und unten, dieses Drittel bildet dann, wie Fig. 111 lehrt, in der Hauptsache die linke Larvenseite mit Einschlu8 des Zellen-Studien. 87 noch ganz kurzen linken Analarmes und eines schmalen Streifens vom Mundfeld. An der Mundlappenkante springt es am weitesten gegen die Medianebene vor, ohne sie jedoch zu erreichen. Das kleinkernige Drittel bildet den rechten oberen Teil der Hinter- wand mit Einschluf des Scheitels und den gréSten Teil der linken Seiten- und der Vorderflache, hier weit iiber die Medianebene nach links tibergreifend. Das grofkernige Drittel endlich erstreckt sich tiber den rechten unteren Teil der Hinterwand, es bildet den rechten Analarm mit einem kleinen Teil der rechten Seitenwand und den weitaus gréSten Teil des Mundfeldes. Der Punkt, an dem die drei Drittel auf der Vorderseite zusammentreffen, fallt nicht mit dem durch den Stern bezeichneten idealen Achsenpunkt zusainmen, sondern ist etwas nach links oben verschoben. Die nach dem Objekt angefertigten Zeichnungen, auf Grund deren die besprochenen Figuren entworfen worden sind, sind in Fig. 11 a—k wiedergegeben'). Das Praparat ist, infolge des 6fteren Drehens, im Bereich der Wimperschnur auf der rechten Seite und vorn geplatzt, so dafi die Kerne hier zum Teil nicht richtig an- einander schlieBen. Fig. lla zeigt die Larve genau von vorn, ¢ genau von hinten, d von rechts vorn, i gibt die Scheitelansicht, k die des Mundfeldes?), in f ist bei der Ansicht von rechts die rechte Seite des Darmes dargestellt, in g bei gleicher Ansicht die linke Darmfliche. Es sei gleich hier bemerkt, da8 der Darm, obgleich typisch dreigeteilt, auffallend klein ist und die Mund- wand nicht erreicht. Auch von einer Mundbucht, die auf diesem Stadium langst angelegt sein sollte, ist nichts zu sehen. Wahrend die Grenze des kleinkernigen Bezirkes tiberall mit voller Sicherheit angegeben werden kann, heben sich die beiden anderen nicht an allen Stellen ganz klar voneinander ab. Es riihrt dies daher, da, wie die Vergleichung der in Fig. 11h bei stiirkerer Vergréferung gezeichneten Kernkonturen lehrt, der GréSenunterschied zwischen den Kernen dieser beiden Bezirke kein 1) Leider sind die Kerngréfen der Originalzeichnungen in den lithographischen Figuren nicht ganz genau reproduziert. Es scheint unméglich zu sein, in Lithographie so exakt zu arbeiten, wie es in Fallen dieser Art zu wiinschen wire. 2) Bei der Vergleichung der beiden letztgenannten Ansichten erscheint der Kernkontrast ganz enorm. Es ist jedoch zu beachten, da’ Mundfeld und Scheitel nicht direkt verglichen werden diirfen; die Kerne des Mundfeldes sind auch in allen normalen Larven er- heblich gréSer als die der Scheitelregion. | { —~ se Se te a A a RY OE 9 EO ei wv 88 Theodor Boveri, so sehr betrichtlicher ist. Bei den nicht unerheblichen Gréfen- variationen speziell in dem grofkernigen Bereich, Variationen, die zum Teil sicher darin ihren Grund haben, daf nicht wenige frisch geteilte Kerne vorhanden sind, ist es fiir manchen Kern unméglich, zu sagen, ob er diesem oder jenem Bezirke zuzurechnen ist. Dabei ist auch zu beachten, da8 sich bei den successiven Zell- teilungen die Abkémmlinge benachbarter Zellen durcheinander schieben kénnen, so da unter Umstanden die Grenzlinie einen sehr unregelmafigen Verlauf bekommt oder gar eine Zelle des einen Bezirks vollstandig von solchen des anderen umschlossen wird. Ein sehr schénes Beispiel dieser Erscheinung bietet Fig. 11d dar, an jener Stelle, wo die Wimperschnur von der linken Seite auf die Vorderfliche umbiegt. Da hier der grofkernige und der kleinkernige Bereich aneinander stoSen, ist die Grenze mit der eréBten Sicherheit zu bestimmen. Man sieht nun, daf an diesem Punkt der kleinkernige Bereich nicht nur in scharfer Ausbuchtung weit nach unten ragt, sondern daf er tberdies eine Zelle des gro8kernigen Bezirks einschlieft. Aehnliche Verzahnungen scheinen auch im Mundfeld an der Grenze des mittel- und groBkernigen Bereichs vorzuliegen. So ist nach dem Grofenverhaltnis der beiden gegen die Mitte zu gelegenen sich teilenden Zellen in Fig. 11k kaum zu bezweifeln, daB die naher an der Medianebene gelegene dem Bereich der mittleren Kerne, die andere dem der grofen angehért. Es mag nach dem Gesagten dahingestellt bleiben, ob die Grenze zwischen diesen beiden Bezirken wirklich genau so lauft, wie ich sie in den Figuren eingetragen habe. Sehr grof kann der Fehler aber jedenfalls nicht sein. Daf auch am Darm die gleichen drei Drittel unterscheidbar sind, ist aus Fig. 11f und g zuersehen. Die erstere Ansicht gibt die rechte Wand des Darmes wieder, welche oben und gegen die Scheitelspitze zu in allen drei Abschnitten kleinkernig ist, wogegen der untere Teil grofe Kerne aufweist. Fig. llg zeigt die linke Darmwand von innen; sie laft, mit Ausnahme eines kleinen oberen Teils des zweiten Darmabschnitts, Kerne des mittleren Typus er- kennen!). Man sieht leicht, daf die Verteilung der drei Drittel im _Darm genau mit der im Ektoderm korrespondiert. 1) Der Vorderdarm hat noch einen auferen Ueberzug aus Zellen; er sieht an dem Dauerpraparat doppelwandig aus. Die Bedeutung dieses Zustandes ist mir unklar. Zellen-Studien. 89 Zur Bilateralitat der Larve haben unsere drei Bezirke an- scheinend gar keine Beziehung; keine Grenzlinie trifft mit der _ Medianebene zusammen; kein Bezirk wird von ihr halbiert. Um so tiberraschender ist die fast vollkommene Symmetrie der Larve, besonders auch im Skelett, und die Art, wie ein Bereich in den anderen ohne Stérung iibergeht. Fig. 11e illustriert diese letztere Erscheinung an dem optischen Schnitt der Wimperschnur, da, wo - diese von der rechten Seite auf die Vorderwand tibergeht und wo _ gerade der grof- und kleinkernige Bereich zusammentretien +). Ein ahnlicher Fall, aber doch in verschiedener Hinsicht anders gelagert, ist der in Fig. 13 (Taf. ILI) dargestellte. Ks handelt sich um einen durchaus normalen, vollkommen symmetrischen _ Pluteus von Sphaerechinus (Versuch No. 10). Hier sind nur zwei verschiedene Kerngréfen zu unterscheiden; ein — anscheinend abnorm ausgedehntes — Drittel hat kleine Kerne, die beiden anderen ununterscheidbar gro&e. Das kleinkernige Drittel nimmt einen ahnlichen Bezirk ein, wie in unserem vorigen Objekt, nur liegt es auf der linken Seite der Larve und ist etwas mehr nach - unten verschoben. So JaSt es ein Stiick des Scheitels und auch mehr von der Vorderfliche frei und greift dafiir weiter auf den _ Analarm iiber, dessen aufere Flache bis zur Spitze es bildet. In sehr typischer Weise schneidet es ungefahr an der vorderen Wimperschnurkante ab. Die Grenze zwischen den beiden grofkernigen Dritteln kénnten wir uns hypothetisch in Anlehnung an das vorige Objekt eintragen ; doch hat es gerade fiir die in Rede stehende Larve kaum einen Zweck, diese Linie zu konstruieren. Eine zweite Sphaerechinuslarve mit ganz ahnlichen Kern- verhiltnissen aus dem gleichen Versuch (No. 10) ist in Fig. 35 b—d ' (Taf. V) nach dem Leben, in Fig. 35a nach dem konservierten und gefirbten Priparat gezeichnet. Sie wird uns wegen ihrer Asymmetrie unten noch naher beschaftigen. Auch hier ist ein Drittel kleinkernig, die beiden anderen sind ununterscheidbar erokkernig. Aber die Verteilung ist eine etwas andere. Kon- struieren wir uns naimlich nach ihrem mutmadSlichen Verlauf die Grenze der beiden groSkernigen Drittel — es ist die graue Linie 1) Diese schon zweimal (26 und 27) reproduzierte Figur ist gezeichnet worden, ehe in dieser Gegend die Zerreifung der Wand eingetreten war. 90 Theodor Boveri, in Fig. 35d — so ergibt sich, da8 das kleinkernige und das eine groBkernige Drittel sich in den Scheitel teilen, wobei allerdings der kleinkernige Bezirk ein wenig tiber die Medianebene nach links iibergreift, wahrend das dritte Drittel das Mundfeld und die nichst angrenzenden Teile der Vorder- und Hinterwand bildet. Die gleiche Verteilung der drei Drittel bietet in noch ex- akterer Weise die in Fig. 15 (Taf. III) abgebildete, fast sym- metrische Strongylocentrotuslarve dar (Versuch No. 4). Hier lassen sich wieder alle drei Drittel nach ihrer KerngréSe unterscheiden, wenn auch der Kontrast lange nicht so grof ist, wie in den beiden zuerst beschriebenen Objekten. Zwei Drittel, mit den kleinsten und mittleren Kernen, teilen sich in den Scheitel und bilden die ganze Vorderwand bis ungefaihr an die Kante des Mundlappens. Die linke, etwas kraftiger entwickelte Seite des Pluteus zeigt die kleineren Kerne; die Grenze fallt mit einer schwachen Kerbe im Mundlappen zusammen (Fig. 15c). Das dritte unpaare Drittel, welches die gré8ten Kerne enthalt, bildet die Analarme und den zwischen ihnen gelegenen Bereich der Hinterwand, sowie das ganze Mundfeld. Ganz ebenso verhalten sich 2 Plutei von Echinus (Versuch No. 8). Der Scheitel und die Vorderwand weisen auf der einen Seite gréfere, auf der anderen kleinere Kerne auf; das dritte Drittel zeigt Kerngréfen wie das erstgenannte und ist daher von diesem nicht abzugrenzen. Ein dritter Verteilungstypus endlich ist der, daS zwar, wie in den letztbeschriebenen Fallen, zwei Drittel sich annaihernd sym- metrisch an dem Aufbau des Larvenkérpers beteiligen, da8 aber diese zwei paarigen Drittel nicht, wie dort, im Scheitel, sondern im Mundfeld zusammenstoSen, waihrend das unpaare Drittel den Scheitel und die Vorderwand bildet. Von diesem Typus besitze ich 4 Larven. Eine davon, eine Strongylocentrotuslarve aus dem Versuch No. 4, ist in Fig. 14 (Taf. III) abgebildet. Das Scheitel- drittel ist durch etwas kleinere Kerne von den beiden anderen | unterscheidbar. Ganz die gleichen Verhaltnisse, nur mit noch deutlicherem Kernkontrast, zeigt die in Fig. 22 (Taf. IV) dar- gestellte Echinuslarve aus dem Versuch No. 8. Eine dritte Larve dieses Typus ist in Fig. 20 (Taf. IV) abge- bildet. Es ist ein Strongylocentrotus-Pluteus aus dem Versuch No. 2, wo wieder das Scheiteldrittel die kleinsten Kerne besitzt. In dieser Larve sind auch die beiden anderen Drittel, die sich annaihernd Zellen-Studien. 91 symmetrisch in den hinteren unteren Teil der Larve teilen, durch geringe Unterschiede der Kerngréfe abgrenzbar. Es ist auffallend, daf in allen bisher besprochenen Pluteus- larven dasjenige Drittel, das die kleinsten Kerne besitzt, még- lichst am weitesten scheitelwirts liegt. Dies muf jedoch als Zufall bezeichnet werden. Eine Ausnahme von diesem Verhalten haben wir bereits in der p. 84 beschriebenen Gastrula kennen gelernt, wo _ der Bereich der gréften und der der mittleren Kerne in der Median- ebene der Scheitelseite zusammentreffen (vgl. Fig. XXXVIIIb). _ Kinen zweiten Fall, bei dem ein kleinkerniges Drittel nicht am Scheitel angetroffen wird, liefert der in Fig. 12 (Taf. ID abgebildete Strongylocentrotus-Pluteus (Versuch No. 1). Die Larve ist von rechts dargestellt, jedoch so, da man in der Verkiirzung die Hinterwand mit dem After und das Mundfeld mit der Mundbucht ° tiberblickt. Es sind drei verschiedene Kerngréfen unterscheidbar, doch ist die Grenze zwischen den gréften und den mittleren Kernen nicht iiberall anzugeben. Um so klarer hebt sich das klein- kernige Drittel heraus, welches die rechte untere Seite bildet. Es grenzt sich auf der Hinterwand und im Mundfeld ziemlich streng in der Medianebene von dem Bereich der mittleren Kerne ab. Das grofkernige Drittel nimmt die Scheitelregion ein und erstreckt sich auf der Vorderseite bis an die Mundlappenkante. Man wird vielleicht aus den mitgeteilten Befunden den Ein- druck gewinnen, daf zwischen der dreistrahligen Furche eines Triastereies und der Larvensymmetrie gar keine Beziehung bestehe und daf es nur Zufall sei, wenn in manchen Fallen die Grenz- linie zweier Drittel in die Medianebene fallt und damit das dritte Drittel von ihr halbiert wird. Doch lassen die von mir beobach- teten Fille eine andere Auffassung wenigstens nicht unmdglich erscheinen, wie dies an der Hand von Fig. XL erlautert sein mag. Ks scheint mir nimlich, daf alle Verteilungstypen sich auf zwei Stellungen des Triasters in Bezug auf die Medianebene zuriick- fiihren lassen. Denken wir uns im Ei die Medianebene provi- sorisch -—— und also nicht unabinderlich — vorausbestimmt, so liegen, nach den oben mitgeteilten Erfahrungen tiber das Zusammen- treffen der normalen ersten Furche mit der Medianebene, die zwei Pole des monospermen Eies zu dieser praiformierten Median- ebene symmetrisch (Fig. XLa). Dies wiirde aber heifen, dal diese hypothetische Eistruktur im nichtdeformierten Ei den Zentren ihre Stellung anweist. Treten nun drei Zentren auf, denen das 92 Theodor Boveri, Bestreben innewohnt, sich erstens in der karyokinetischen Ebene und zweitens ungefihr aquidistant und in gleichem Abstand von der Eioberflache aufzustellen, so sind zwei zu unserer praformierten Medianebene symmetrische Anordnungen moglich, wie dies durch Fig. XLb und ¢ illustriert wird. Die Stellung ¢ entspricht ja a b c wy “ wiz Ww Mt “IWS “> a =~ 4s, SEH) — MN Tw S . © ‘ : 1 eee fe | | i | ass alls | | Fig. XL. dem Symmetriepostulat insofern besser, als sie der spiteren Bi- lateralitat der Larve gerecht wird. Allein wenn wir uns die durch die praformierte Medianebene geschiedenen Eihalften nicht spiegelbildlich gleich, sondern kongruent denken, das Ei also zwei- strahlig, wofiir in der Tat gewisse Anhaltspunkte vorliegen‘), so ist auch die Stellung b eine Gleichgewichtsstellung, die sogar in- 1) Ich werde an anderer Stelle auf diese Fragen zuriickkommen. Zellen-Studien. 93 sofern noch mehr mit der normalen Stellung der zweipoligen Figur harmoniert, als kein Pol in die Medianebene selbst fallt. In der zweiten Reihe ist die den einzelnen Zentrenstellungen entsprechende Teilung des Kies in Riicksicht auf die hypothetische Medianebene dargestellt, in der dritten Reihe endlich das hieraus resultierende Verhiltnis der primaéren Blastomeren zur Symmetrie des Pluteus. Aus der Zentrenstellung b leitet sich nur ein Ver- teilungstypus der drei Drittel ab, der allerdings in zwei sym- metrischen Modifikationen vorkommen kann; die Zentrenstellung c dagegen kann, wie in der Figur dargestellt, zwei verschiedene Typen (c, und c,) zur Folge haben. Alle beschriebenen Larven nun lassen sich ohne Schwierigkeit auf einen dieser drei Typen zuriickfiihren, wie sich aus der Ver- gleichung der Schemata mit den naturgetreuen Bildern ohne weiteres ergibt. So folgen die in Fig. 11 (Taf. II) und 25a (Taf. IV) abgebildeten Plutei dem Typus b, die Gastrula der Fig. XX XVIII (p. 85) und der Pluteus Fig. 15 (Taf. II) dem Typus c¢,, die Plutei der Fig. 20 und 22 (Taf. IV) dem Typus c,. Auch die iibrigen abgebildeten Falle und alle, die ich sonst gesehen habe, lassen sich ohne Zwang unter diese drei Typen einreihen. Daf die Grenzen der drei Drittel haufig nicht genau den Linien des Schemas entsprechen, riihrt zu einem kleinen Teil jedenfalls von den oben schon erwaihnten, wahrend der Entwickelung statt- findenden Zellenverschiebungen her. Fiir diejenigen Falle aber, bei denen die Abweichungen betréachtlicher sind, ist zu beachten, da8 die 3 primédren Blastomeren eines Dreiers sehr haufig nicht genau gleich grof sind, und daf man, wenn man gréfere Mengen dieser Objekte isolieren will, auf solche mit geringen Ungleich- heiten der 1/,-Blastomeren nicht verzichten kann. Wenn aber auch durch diese Betrachtungen die Méglichkeit aufgezeigt ist, daB in diesen auf den ersten Blick so ganz regellos erscheinenden Verhaltnissen eine gewisse Gesetzmafigkeit bestehen kénnte, so ist doch hinzuzufiigen, da8 es sich in dem Gesagten nur um eine Vermutung handelt, die erst in Verbindung mit anderen Tatsachen vielleicht eine festere Begriindung wird erhalten kénnen. lll. Ueber die Anordnung des Mesenchyms in den Dreierlarven. Im vorigen Abschnitt haben wir das Postulat aufgestellt, da8 sich das primaire Mesenchym der normalen Dreierlarven annahernd gleichmaBig aus Abkémmlingen der 3 priméren Blastomeren zu- 94 Theodor Boveri, sammensetzt. Auch diese Forderung kann durch Untersuchung der Kerngréfen gepriift werden. In der Tat lat sich leicht fest- stellen, da’ in Larven, deren Keimblatter Bezirke verschiedener Kerngréfe aufweisen, auch Mesenchymzellen mit entsprechend ver- schiedenen Kernen gefunden werden (vgl. Fig. XXX VIIa links, p. 85). Hier tritt nun aber noch eine neue Frage auf. Die Zellen der embryonalen Epithelien bleiben im wesentlichen so, wie sie successive durch Teilung entstehen, nebeneinander liegen und so formieren die Descendenten jeder primiren Blastomere einen zu- sammenhingenden Bezirk. Anders liegen die Verhaltnisse beim primaéren Mesenchym. Seine Zellen wandern in die Blastulahéhle ein und sind hier zunachst zu einem ziemlich regellosen Klumpen angehauft, aus dem sich allmahlich der charakteristische Mesen- chymring mit seinen zwei symmetrischen Dreiecken, den Bildungs- stitten der beiden Skelett-Dreistrahler, differenziert. Die Ebene dieses Mesenchymkranzes steht auf der Gastrulaachse annahernd senkrecht. Teilen wir sonach den Keim in seine den 3 priméren Blastomeren entsprechenden Drittel ein, so zerlegen wir damit den Mesenchymring in 3 Teile, deren jeder in einem dieser Drittel seine Lage hat. Es erhebt sich die Frage: ordnen sich die Mesenchymzellen so an, dafi in jedes Larvendrittel nur solche Zellen geraten, die aus der Urblastomere dieses Drittels stammen, oder werden die Mesenchymzellen wahllos verteilt ? Dieses Verhaltnis 1aBt sich am besten am frischen Objekt untersuchen, weil sich hier der Mesenchymring besonders klar darstellt. Wenn wir auch im Leben die Kerne nicht erkennen kénnen, so haben wir doch an den rundlichen, sich rings scharf abhebenden Mesenchymzellen ein fiir unsere Frage ebenso gutes Kriterium: das ist die ZellgréBe. Denn es ist, wie im vorigen Heft nachgewiesen werden konnte, das Volumen einer Larvenzelle der in ihr enthaltenen Chromosomenzahl direkt proportional. Wie sicher dieses Kennzeichen ist, geht daraus hervor, daf ich bei einigen normal gebildeten Dreierlarven, an denen ich im frischen Zustand die Gréfe der Mesenchymzellen als gleich oder ver- schieden festgestellt hatte, stets dann am gefiarbten Praparat im ersteren Falle gleiche, im letzteren verschiedene Kerngréfen nachweisen konnte. Eines dieser Objekte ist das in Fig. XXXVIII (p. 85) ab- gebildete. Die Mesenchymzellen sind nach dem frischen Objekt (nach Formolzusatz) gezeichnet. Sofort fallen verschiedene Gréfen Zellen-Studien. 95 auf, und zwar lassen sich ziemlich deutlich drei Abstufungen er- kennen: ganz grofe, mittlere und kleine. In der Tat haben wir es in dieser Larve, wie oben schon beschrieben, mit drei deutlich unterscheidbaren Kerngréfen zu tun. Ich habe nun in Fig. XXX VIII b nach dem gefirbten Praparat die ungefahren Grenzen der drei Larvendrittel eingetragen. Man sieht, da’ in jedem Drittel Mesenchymzellen von allen Gréf8en vorkommen. Allerdings ist zu bemerken, dafi in dem grofkernigen Bezirk die meisten der ganz grofen Mesenchymzellen angetroffen werden, in dem Bereich der mittleren Kerne die meisten der mittelgrofen; aber Ausnahmen sind haufig, und besonders die ganz kleinen Zellen, die aus dem unteren Drittel stammen miissen, sind tiberall ver- ‘streut. Schon die Tatsache, daf8 unsere Larve in diesem Drittel nur sehr wenige Mesenchymzellen enthalt im Vergleich zu den beiden anderen, beweist, daf bei der Anordnung des Mesenchyms die in gleicher Kernsubstanz begriindete Familienzusammengehorig- -keit der Zellen keine Rolle spielt, sondern daf die Zellen in dem seiner Form nach gesetzmafigen Ring ganz zufallig verteilt werden. Natiirlich wird dabei jedes Larvendrittel am meisten Aussicht haben, diejenigen Zellen an sich zu ziehen, die in ihm entstanden sind und von Anfang an in seiner Nahe liegen. Was hier fiir das Stadium der jungen Gastrula festgestellt worden ist, laft sich ebenso in spateren Stadien konstatieren. In Fig. 11b (Taf. Il) ist ein optischer Querschnitt durch den Scheitel des oben ausfiihrlich besprochenen Strongylocentrotus-Pluteus ab- —gebildet. Man sieht, daB in dem Bereich des kleinkernigen Larvendrittels neben kleinkernigen auch grofkernige Mesen- chymzellen vorhanden sind. Ganz das Gleiche wie fiir das primare Mesenchym gilt auch fiir das sekundire. Das sekundire Mesenchym wandert bekannt- lich aus dem blinden Ende des Urdarms aus und auch an seiner ‘Bildung sind alle drei Larvendrittel beteiligt, wenn auch nicht so exakt, wie beim primaren (vgl. Fig. XXXVU1a). Die Zellen ver- teilen sich sp&ter iiberall in der primaren Leibeshdhle und ge- -winnen als Chromatophoren eine in den normalen Larven sehr _typische und symmetrische Anordnung'). Wir werden spater Belege dafiir kennen lernen, daf auch bei dieser Anordnung keine 1) Einiges Nahere hieriiber findet sich in meinem Aufsatz: Ueber den EinfluS der Samenzelle auf die Larvencharaktere der Eckiniden (23). 96 Theodor Boveri, spezifische Attraktion je eines Larvendrittels auf die Chromato- | phoren gleicher Abkunft besteht. | Noch ein Punkt ist nun hier zu betrachten, das ist die Zahl | der primdren Mesenchymzellen in den Dreier- } larven. Wie die Zellenzahl iiberhaupt, ist ja auch die der pri- | miren Mesenchymzellen eine Funktion des Chromatingehalts. Die Zahl der Zellen in einem bestimmten Larvenbezirk ist umgekehrt proportional der in den Zellen enthaltenen Chromosomenzahl. Es tritt die Frage auf: haben wir auf Grund dieser Konstatierung in den Dreierlarven die typische oder eine abweichende Mesenchym- zellenzahl zu erwarten ? | Wenn die Chromosomen in einem dispermen Triaster-EHi | quantitativ gleichmaBig verteilt werden, so erhalt, wie oben (p. 35) | dargelegt worden ist, jede Zelle die Normalzahl von Chromosomen. | Danach mii£te in einem solchen Fall — immer natiirlich unter der Voraussetzung, dafS das in Rede stehende Ei sich normal ent- | wickelt — die typische Mesenchymzellenzahl auftreten. Entstehen _ dagegen drei Drittel mit verschiedener Kerngréfe, so liegen die | Verhaltnisse etwas komplizierter. Ein Drittel z. B., das nur die | halbe Normalzahl von Chromosomen besitzt, mu doppelt so viele }{ Mesenchymzellen liefern als ein solches mit der normalen Zahl. | Allein eine einfache Ueberlegung ergibt, daf die Gesamtzahl der | Mesenchymzellen bei allen nur denkbaren Verteilungsarten der | Chromosomen doch ungefihr die gleiche sein muff. Denn wenn | ein Larvendrittel abnorm wenig Chromosomen bekommt, so erhalt ein anderes entsprechend mehr als normal und bildet dann auch ganz entsprechend weniger Mesenchymzellen ; und dieses Mehr hier | und Weniger dort mu8 sich so ausgleichen, daf stets die typische © Gesamtzahl herauskommt. Ich habe diese Frage an 3 Dreiergastrulae von Echinus (Versuch No. 12), die einen reguliren Mesenchymkranz darboten, gepriift, und dabei schien es zuniichst, als solle sich unsere Er- wartung nicht bestatigen. Wahrend niamlich die typische Mesen- chymzellenzahl von Echinus nach Driescu 50—60 betragt, zeigten meine 3 Larven die Zahlen 65, 87 und 94. Die Gastrula mit 94 Mesenchymzellen ist die in Fig. XXXVIII abgebildete. Ich konnte mir diese abnorm hohen Zahlen gar nicht erkliren, bis die Untersuchung der normalen Kontrollzucht ergab, daf hier ganz iihnliche Zahlen vorkommen. Neben annihernd typischen Zahlen wie 58 und 63 wurden Falle mit 81 und 91 Mesenchymzellen be- obachtet. Danach diirfte also die postulierte Uebereinstimmung 5 + ; Zellen-Studien. 97 zwischen Normallarven und dispermen Dreierlarven in geniigender Weise nachgewiesen sein. Endlich ist hier noch zu untersuchen, ob in Larven mit quantitativ ungleicher Chromatinverteilung das Zahlenverhiltnis, in dem die Mesenchymzellen verschiedener Gréfe vorkommen, das zu erwartende ist. Zu dieser Priifung beniitzte ich die besonders giinstige Larve der Fig. XXXVIII mit ihren drei verschiedenen Kerngréfen. Unter den 94 Zellen des primaren Mesenchyms habe ich 19 grofe, 33 mittlere und 42 kleine geziéhlt. Da es bei einigen dieser Zellen kaum zu entscheiden ist, ob sie der einen oder anderen Kategorie zugehéren, kann dieses Resultat keine grofe Genauigkeit beanspruchen. Doch diirfte dieselbe geniigen, um unser Postulat zu bestatigen, dal, je gréfer in einem Larven- drittel die Kerne sind, um so weniger und entsprechend gréfere Mesenchymzellen von ihm gebildet werden. IV. Die KerngréBen in den einzelnen Dritteln normaler Dreierlarven. Von gréter Wichtigkeit fiir unsere SchluSfolgerungen sind die relativen Groen der Kerne in den drei Larvendritteln. Im Kapitel D (p. 35ff.) ist ausfiihrlich dargelegt worden, wie wir aus den Kerngréfen eines dispermen Dreierpluteus ziemlich genaue Riickschliisse machen kénnen auf das Verhaltnis der Chromosomen- zahlen in den 3 primaren Blastomeren und, da uns die Ge- samtzahl aller dieser Chromosomen als 108 — bei 18 im einzelnen Vorkern — bekannt ist, auch auf die absolute Zahl von Chromo- somen, die in jeder dieser 3 Zellen vorhanden war. Aus diesen Zahlen aber Jat sich endlich, wie oben an einem Beispiel gezeigt worden ist, auch noch die Chromosomenzahl in den Aequatorial- platten des Triasters berechnen. Unter 49 Pluteuslarven, die ich auf diese Verhaltnisse gepriift habe, waren 20, deren Kerne verschiedene Gréfen darboten, bei den itibrigen 29 zeigten sich die Kerne gleich. Diese letzteren miissen also aus Eiern stammen, bei deren Teilung jede */;-Blasto- Mere genau oder annaihernd die Zahl von 36 Chromosomen, d. i. die Normalzahl, erhalten hatte. Es ist zu betonen, da bei der Variabilitét in der Gré8e von Kernen gleichen Chromatingehalts die Messungen nicht so exakt sein kénnen, um das Verhaltnis auf einige Chromosomen genau zu bestimmen; es kann also nur an- nahernde Gleichheit behauptet werden. Doch ist es ziemlich wahrscheinlich, daf wir es in manchen dieser Falle und gerade in solchen, wo der Pluteus véllig normal Bd. XLII. N. F. XXXVI. 7 98 Theodor Boveri, beschaffen ist, mit einer ganz bestimmten gleichmaigen Chromo- somenverteilung zu tun haben. Fiir eine solche bestehen zwei Moéglichkeiten. Erstens kénnten zwischen je zwei Pole des Triasters genau die Elemente eines der 3 Vorkerne gelangt sein, eine Anordnung, die auf die in Fig. XLI skizzierte Kon- stellation zuriickginge. Da& eine solche Position zu stande kommen kann, ist durchaus nicht unwahrscheinlich. Derjenige Spermakern, dessen Zentrum sich nicht teilt, bleibt namlich nicht selten vom Kikern unabhangig (Fig. XLII). Nun habe ich andererseits schon friiher mitgeteilt (11, p. 33), daB ich in verschiedenen Kulturen von Echinus in einem geringen Prozentsatz normal befruchtete Eier gefunden habe, in denen der hier einzige Spermakern nicht mit dem Eikern verschmolzen war, sondern sich selbstandig zur Teilung vorbereitete. Ich gebe in Fig. XLIII eine schematische Kopie eines a. a. O. in Fig. 54 dargestellten solchen Falles. Fig. XLI. Fig. XLII. Fig. XLIII. Denkt man sich nun diesen Zustand noch mit einem Sperma- monaster kombiniert, so erscheint es sehr leicht méglich, daB je zwei Pole die Elemente eines dieser 3 Kerne zwischen sich nehmen (Fig. XLI). Dann erhalt jede Blastomere die Normalzahl von Chromosomen, in jedem Kern ist die ganze Serie zweimal ver- treten. Nur die Kombinationen sind verschieden; die eine Blasto- mere besitzt die Elemente des Eikerns und des einen Spermakerns, die zweite die des Kikerns und des zweiten Spermakerns, die dritte die der beiden Spermakerne. Die zweite Konstellation, die hier in Betracht kommt, ist die im Kapitel C (p. 24) als Amphiaster-Monaster-Typus be- schriebene, d. h. der Fall, da8 der eine Spermakern mit dem Eikern verschmilzt, der andere samt seinem ungeteilten Zentrum dauernd — selbstaindig bleibt und da’ nun ein Amphiaster mit dem normalen Chromatinbestand und ein Monaster mit den Elementen des iso- Zellen-Studien. 99 lierten Spermakerns entsteht. Teilt sich ein solches Ei simultan in 3 Zellen, so erhalten 2 davon vollig normale Tochterkerne, die dritte, die den Monaster tibernimmt, bekommt nur viterliche Elemente. Da diese sich aber waihrend des Monasterzustandes regular zweiteilen und die Tochterelemente alle wieder in einem Kern vereinigt werden, so besitzt auch diese Blastomere die Normalzahl von Chromosomen, und so miissen alle Larvenkerne gleich grof werden. Nachdem wir wissen, daf aus Eiern mit 9 bloBem Spermakern typische Plutei entstehen, diirfen wir die beiden geschilderten Verteilungsmodi als (nahezu) normal be- _ zeichnen. DaS Anordnungen, wie die zuletzt betrachtete, in geschiittelten ; dispermen Eiern wirklich vorkommen, habe ich mehrfach an kon- - servierten Praiparaten gesehen, und einen solchen Fall vermochte ich auch im Leben zu verfolgen (Fig. XLIVa). Allein gerade a b ying > Z “Z = Ze J wily, whit Mui, wily iy \ a yyw nw \ / ii ZZ Fig. XLIV. dieser zeigte eine Weiterentwickelung, welche das Giinstige seiner Chromosomenanordnung grofenteils wieder zu nichte machte. Es trat naimlich zwischen den nicht durch Chromosomen verbun- denen Polen keine Protoplasmadurchschniirung ein, sondern nur zwischen den beiden verbundenen, und so vermochte sich dieses Ei, wie Fig. XLIV b lehrt, in der ersten Teilungsperiode tberhaupt gar nicht durchzuschniiren, sondern ergab zwei durch einen Stiel ver- bundene Protoplasmaanschwellungen ; die Monastersphire wurde in den Stiel gepreft. rst beim niachsten Teilungsschritt schniirte sich von den beiden Anschwellungen je eine Zelle mit bekanntem und zwar normalem Chromatinbestand ab, wogegen das Schicksal des iibrigen Teiles nicht genau festzustellen war. Immerhin war der Keim so weit normal, daf er sich zu einer Gastrula mit Skelett- anlagen zu entwickeln vermochte. a * 100 Theodor Boveri, Seit wir durch E. B. Witson (130) und TEICHMANN (123) | wissen, da% auch zwischen nicht verbundenen Polen Plasmadurch- | schniirung eintreten kann, werden wir annehmen diirfen, da die } in Rede stehende, offenbar nicht seltene Konstellation unter Um- stinden zu simultaner Dreiteilung fiihren kann, und daf sich auch — unter den von mir als dreigeteilt isolierten Hiern solche Objekte befunden haben, deren Chromatinbestand nach dem oben Gesagten fast normal ware. Ich werde unten eine Anzahl Larven beschreiben, fiir welche | diese Ableitung nahezu sicher ist. Es ist endlich zu bemerken, daf natiirlich auch dann, wenn | alle Chromosomen in einem einheitlichen ersten Furchungskern gemischt waren, Konfigurationen im Triaster méglich sind, welche | allen 3 Zellen annihernd gleiche Zahlen von Chromosomen ver- mitteln. Wenden wir uns nun zu den Plutei mit Bezirken ver- schiedener Kerngréfe, so gehen wir am besten von dem oben eingehend analysierten, in Fig. 11 (Taf. Il) abgebildeten Strongylo- centrotus-Pluteus aus, der drei verschiedene Kerngréfen darbietet. Ich habe in Fig. 11h aus jedem Bezirk eine Anzahl von Kernen aus vergleichbaren Regionen des Ektoderms bei gleicher Ver- erbBerung wiedergegeben. Eine Messung der Kerndurchmesser ergab im Mittel die Zahlen 4, 5,5 und 7. Danach verhalten sich die Kernoberflichen und somit die Chromosomenzahlen ungefahr wie 16:30:49, d. i. aber ziemlich genau wie 1:2:3. Da nun die Summe der Chromosomen dreier solcher Kerne 108 betragt, so ergeben sich daraus fiir die einzelnen Kerne die Chromosomen- zahlen 18, 36 und 54. Diese Berechnung harmoniert auch mit sonstigen Befunden. Die Kerne monokaryotischer Strongylo- centrotuslarven, also Kerne mit 18 Chromosomen, stimmen mit den kleinen Kernen unseres Pluteus, die Kerne amphikaryotischer mit den mittleren unserer Larve sehr genau iiberein. Das konstatierte Zahlenverhiltnis lat uns nun mit grofer Wabhrscheinlichkeit angeben, wie die Chromosomen in der trizen- trischen Figur des Eies verteilt waren. Sind die Zahlen der drei primaren Blastomeren wirklich genau 18, 36 und 54, so kénnen ihre Kerne nur aus der in Fig. XLV skizzierten Anordnung her- vorgegangen sein, d. h. es waren zwischen den drei Polen nur zwei Spindeln entwickelt, die eine mit 18, die andere mit 36 Chromo- somen. Dies aber wire eine Anordnung, welche die starksten Zellen-Studien. 101 Indizien fiir eine ganz bestimmte Konstitution der beiden Aequa- torialplatten darbéte, da8 nimlich die eine Spindel die Elemente eines normalen ersten Furchungskerns, die andere die des zweiten Spermakerns enthalt. Daf eine solche Kombination einer amphi- karyotischen mit einer Spermaspindel vorkommt, habe ich in der Tat beobachten kénnen. In einer konservierten Serie, welche viele Dreier enthielt, habe ich das in Fig. XLVI wiedergegebene Ki ge- funden. Man sieht zwei in einem Pol zusammenstofende, unge- fahr rechtwinklig zueinander gestellte Spindeln, von denen sich die eine nach ihrer Chromatinanordnung als Spermaspindel zu er- kennen gibt, wihrend die andere ungefahr doppelt so viel Chromatin aufweist und also jedenfalls die Elemente des Eikerns und des anderen Spermakerns enthalt. Fig. XLV. Fig. XLVI. Wenn diese Ableitung der Kernverhiltnisse unserer Larve richtig ist, so wire damit ihre normale Entwickelung nach unserer Theorie selbstverstiindlich. Jeder Kern der Larve enthalt dann siimtliche Chromosomenarten, der kleine in einfacher, der mittlere in doppelter, der grofe in dreifacher Anzahl. Die Kerngréfen in dem Strongylocentrotus-Pluteus der Fig. 12 (Taf. II) scheinen die namlichen zu sein, wie die des eben be- sprochenen; fiir ihn wiirde also das Gesagte ebenfalls gelten. Auch hier ist wieder zu betonen, daf sich natiirlich auch aus einem Kern, in welchem die Chromosomen des Eikerns und der beiden Spermakerne gemischt worden sind, jene Chromosomen- anordnung, die wir nach den KerngréSen der Larve verlangen miissen, ableiten lift. Doch ist es unwahrscheinlich, da in einem Fall, wo die drei Zentren sich um einen einheitlichen ersten 102 Theodor Boveri, Furchungskern gruppieren, zwischen zwei Pole gar keine Chromo- somen geraten sollten. Betrachten wir nun die Kerne des in Fig. 13 (Taf. III) ab- gebildeten Sphaerechinuspluteus, bei dem wir nur zwei Grdéfen unterscheiden kénnen, ein kleinkerniges Drittel und zwei grof- kernige, so verhalten sich die Oberflichen der etwas variablen Kerne, wenn wir die kleineren hier und dort vergleichen, wie 12: 28, bei den gréBeren wie 14:33, und ebenso miissen sich nach dem Satz von der Proportion zwischen Chromosomenzahi und Kern- oberfliiche die Chromosomenzahlen der 3 primaren Blastomeren verhalten, also wie 12: 28:28 oder wie 14: 33: 33. Rechnen wir dies auf 108 Chromosomen um, so erhalten wir die Proportionen: 68 (12-+- 28 -+ 28) : 10812: x=—28:y und 80 (14-+ 33-433) : 108 —14:x=33:y Aus der ersten Proportion berechnet sich x auf ungefahr 19, y auf 44,5, aus der zweiten fast ebenso. Da wir mit der Zahl 19 aufs nichste an die Zahl 18 des einzelnen Monokaryon herankommen und unsere Berechnungen ja bei ihrer geringen Genauigkeit einen nicht unbetrachtlichen Spiel- raum lassen, so daf nichts im Wege steht, fiir die kleinen Kerne in der Tat die Zahl 18 anzunehmen, sei auf dieser Basis betrachtet, wie sich die Verhaltnisse in dem Triaster des Eies gestaltet haben kénnen. Die in Fig. XLVIla gezeichnete Konfiguration wiirde Fig. XLVII. unserem Zahlenverhaltnis geniigen. Eine derartige Chromosomen- anordnung wiirde aber wieder auf sehr regelmafige Verteilung der Vorkerne hinweisen. Unsere Konstellation kénnte namlich Zellen-Studien. 103 dadurch sehr einfach erreicht werden, daf zwischen die beiden unteren Pole ein normaler erster Furchungskern gerit', der 36 Chromosomen liefert, und da die 18 Chromosomen des selb- stiindigen Spermakerns einerseits alle mit dem oberen Zentrum sich verbinden, andererseits aber zu ungefahr 9 und 9 mit je einem der unteren Pole in Verbindung treten (Fig. XLVIIb). Die schon oben mehrfach herangezogene Konfiguration mit dem zu- nachst selbstindig bleibenden zweiten Spermakern kénnte auch zu dieser Verbindung der drei Zentren sehr leicht Veranlassung geben. Die obere Blastomere wiirde dann ein vollstandiges Mono- karyon, die beiden unteren je ein Amphikaryon, dazu aber jede noch ungefihr 9 von den Chromosomen jenes Monokaryon erhalten. Es wiren also, nach unseren Annahmen, in jedem der grofen Kerne ungefahr die Halfte der Qualititen zweimal, die andere Halfte dreimal vertreten. Die véllige Normalitat unserer Larve aber wiirde beweisen, da& ein solches ver- schiedenfaches Vorhandensein der einzelnen Repra- sentanten nicht schadlich ist. Gerade dieses Schlusses wegen ist uns das in Rede stehende Objekt von besonderer Wichtigkeit, und es ist nun noch weiter zu bemerken, dafi auch, wenn die angenommene Art der Chromo- somenverteilung nicht das Richtige treffen sollte, doch unter allen Umstinden in den grofen Kernen die einzelnen Chromosomenarten in verschiedener Anzahl vorhanden sein miissen, indem eben eine Zahl von 45 Chromosomen bei 18 verschiedenen Qualitaiten nichts anderes zulaft. Wollte man aber endlich annehmen, daf unsere Zahlenberechnung aus den KerngréBen nicht richtig sei, daf etwa in den kleinen Kernen mehr als 18, in den grofen weniger als 45 enthalten seien, so wiirden wir, da die Zahl 36 fiir alle Kerne an- zunehmen unmoglich ist, nur gezwungen sein, fiir alle drei Kerne neben einfach vertretenen zwei- oder dreifach vertretene Chromosomenarten anzunehmen. Und eine ganz besondere Regel- losigkeit in dieser Beziehung miifte dann erwartet werden, wenn sich etwa der Triaster aus einem einheitlichen ersten Furchungs- kern entwickelt haben sollte. Wir kénnen also — immer unter der Voraussetzung der Richtigkeit unserer Grundannahmen — aus Fallen dieser Art den Satz ableiten, da’ verschiedenfaches Vorhandensein einzelner Chromosomenarten im gleichen Kern mit normaler Entwickelung vollkommen vertraglich ist. 104 Theodor Boveri, In der zweiten oben beschriebenen und in Fig. 35 (Taf. V) abgebildeten Sphaerechinuslarve haben wir die gleichen Kerndimen- Sionen, wie in dem eben besprochenen Pluteus, was wieder dafiir spricht, da die Kerne des kleinkernigen Drittels 18, die der beiden anderen etwa 45 Chromosomen enthalten. Diesen Fallen mit so ungemein starken Kerndifferenzen stehen nun andere gegeniiber, bei denen die Unterschiede viel geringer sind. Zwei Objekte seien angefiihrt, zunichst eines, wo sich wieder drei verschiedene Kerngréfen unterscheiden lassen. Es ist die oben schon wegen der sehr regelmafigen Verteilung der drei Drittel erwihnte, in Fig. 15a (Taf. III) abgebildete Larve von | Strongylocentrotus. In Fig. 15b sind optische Schnitte der linken | und rechten Scheitelwand gezeichnet, mit je 4 Kernen, welche © den typischen Gréfenunterschied zeigen, sowie einige Kerne des dritten Drittels, welches das Mundfeld und den unteren Teil der Hinterwand bildet, aus welch letzterem Bereich die gezeichneten Kerne entnommen sind. Die Kernoberflichen der drei Drittel verhalten sich ungefaihr wie 2:2,5:3, die Chromosomenzahlen miissen sich also, bei der Gesamtzahl 108, auf etwa 29, 36 und 43 belaufen (Fig. XLVIIIa). Daraus wiirden sich die Zahlen in den Aequatorialplatten des Triasters als 11, 18 und 25 ergeben (Fig. XLVIIIb). Es ist kaum nétig, zu bemerken, da8 bei diesen a Fig. XLVIII. geringen Kerndifferenzen die berechneten Zahlen noch weniger Anspruch auf Genauigkeit machen kénnen, als bei den oben be- trachteten starken Unterschieden. In einem anderen Pluteus der gleichen Zucht (Fig. 14, Taf. IID, wo das Scheiteldrittel kleinkernig, die beiden anderen annahernd gleichmafig grofSkernig gefunden wurden, berechnen sich die Chromosomenzahlen aus der relativen Kerngréfe auf etwa 28, 40, | | Zellen-Studien. 105 ; 40 (Fig. XLIXa). Die Konstitution des Triasters muf danach _ungefibr die von Fig. XLIXb gewesen sein. Hier, wie in vielen / ahniichen Fallen, welche fiir die Aequatorialplatten des Triasters _ Zahlen verlangen, die erheblich von den Normalzahlen 18 und 36 _ abweichen, mu wohl ein einheitlicher erster Furchungskern vor- 'handen gewesen sein, aus dem die Chromosomen nach Zufall pewischen die drei Pole verteilt worden sind. Fig. XLIX. Aus den betrachteten Tatsachen leitet sich noch viel klarer als aus den Zerlegungsversuchen das fiir unser Problem bedeutungs- volle Resultat ab, daf die verschiedene quantitative Verteilung der Chromosomen, wie sie im dispermen dreiteiligen Ei vorkommen kann, innerhalb der sehr weiten von uns festgestellten Grenzen fiir die Entwickelung ohne Schaden ist. V. Die Asymmetrie der Dreierplutei. | Die auffallendste EKigenschaft der normai entwickelten Dreier- plutei ist die, da sie fast alle asymmetrisch sind. Schon oben sind die Zahlen angefiihrt worden. Unter 58 Exemplaren, welche vollig gesund waren, fand ich nur 4 genau symmetrische, die tibrigen 52 waren mehr oder weniger asymmetrisch. In den Fi- guren der Tafel IV ist aus der mir vorliegenden Fille eine kleine Auswahl wiedergegeben, welche eine Vorstellung von der Art dieser Asymmetrie geben kann. Ganz ahnlich nun wie oben bei der Konstatierung der Verschiedenwertigkeit der Blastomeren, bestehen auch hier zunachst verschiedene Méglichkeiten, die Erscheinung zu erkliren. Wir kénnen fragen: Ist das Protoplasma schuld an der Asymmetrie, oder sind es die Centrosomen, oder die Kerne? 106 Theodor Boveri, Da ist nun vor allem darauf hinzuweisen, dafi Symmetrie- stérungen unter Umstinden auch bei Larven aus monosperm be- fruchteten Eiern vorkommen, und daf wir auch eine Ursache kennen, wodurch sie entstehen kénnen, namlich Protoplasma- verlagerungen, wie sie z. B. heftiges Schiitteln im Gefolge hat. Eier, welche durch Schiitteln deformiert worden sind, geben haufig asymmetrisch entwickelte Plutei; Larven aus Fragmenten, durch Schiitteln gewonnen, zeigen das Gleiche. Hiertiber habe ich friher (14) einiges mitgeteilt und durch Abbildungen illustriert. Auch isolierte Blastomeren, wenn sie durch Anwendung einer gewissen Gewalt voneinander gelést worden sind, entwickeln sich nicht selten asymmetrisch. Wir sind jedoch kaum in der Lage, zur Erklarung der merk- wiirdigen Asymmetrie der meisten Dreierplutei dieses Moment heranzuziehen. Zwar sind die Eier zum Zweck der Erzeugung des Triasters einer kurzen Schiittelprozedur unterworfen worden. Allein die normal befruchteten Eier aus diesem Material lehren, daf dieses kurze Schiitteln nach der Befruchtung Symmetrie- stérungen nicht zur Folge hat. Ich habe fast stets neben den Dreiern die geschiittelte Massenkultur, aus der sie isoliert worden waren, aufgezogen und mehrfach eine Anzahl normal befruchteter Eier daraus isoliert geziichtet. Sie waren vollkommen symmetrisch. Auch sind jene Symmetriestérungen durch Deformierung, wie sie z. B. an den von mir (14, Taf. XXV) abgebildeten Frag- mentplutei zu sehen sind, deutlich von anderer Art. Die Larve ist verzerrt und vielleicht partiell defekt, aber im wesentlichen anf beiden Seiten gleich gebildet. Viele von den Dreierplutei da- gegen sehen aus, wie wenn verschiedene Larventypen mosaikartig zusammengesetzt wiren, wie dies besonders in dem Nichtzusammen- stimmen der beiden Skeletthalften in der Medianebene hiufig so aiuBerst charakteristisch hervortritt. Selbst wenn also Protoplasma- stérung infolge des Schiittelns in manchen Fallen eine gewisse Rolle spielen sollte, so vielleicht bei der Richtung des linken Mittelstabes in Fig. 22, gerade die Hauptsache, den Mosaikcharakter, vermag sie nicht zu erklaren. Eine zweite Méglichkeit, wie ein protoplasmatisches Moment zur Asymmetrie fiihren kénnte, ist die, daZ die Furchungsart symmetriestérend wire. Allein ein Grund dafiir ist nicht einzu- sehen. Die Furchung der Dreier ist genau so regelmafbig und die Blastula in den Fallen, um die es sich hier handelt, genau so wohlgebildet, wie bei einem normalen Keim. Fallt keine Furche Zellen-Studien. 107 mit der spiteren Symmetrieebene zusammen, so ist gar kein Grund vorhanden, warum sich in der Medianebene des Pluteus der Larventypus plétzlich andern sollte; fallt aber ein Strahl der drei- teiligen Furche in die Medianebene, so tut er nur das Gleiche, was nach unseren obigen Feststellungen die erste Furche eines jeden normalen Keimes tut, und es ist wieder kein Grund zur Asymmetrie daraus abzuleiten. Damit diirfte aber jede Méglichkeit einer Erklirung durch Protoplasmastérung ausgeschlossen sein. Ehe wir nun weitere Méglichkeiten diskutieren, ist es not- wendig, das Wesen der Asymmetrie noch genauer zu bestimmen. Wenn ich sie oben als eine Verschiedenheit des Typus in den verschiedenen Larvenbereichen charakterisiert habe, so kénnte fiir einzelne der abgebildeten Falle vielleicht cingewendet werden, da8 es mehr den Eindruck mache, als sei die eine Seite im Ver- gleich zur anderen verkiimmert. Auch dies freilich wire eine Er- scheinung, in der sich eine verschiedene Potenz der primiren Blastomeren aufern wiirde, und sie wird uns in diesem Sinn unten noch beschaftigen. Allein fiir Larven, wie z. B. die in Fig. 28 (Taf. IV) abge- bildete, kann dieser Einwand nicht gelten. Auf der einen Seite ist der Scheitelstab linger, auf der anderen der Analstab; im tibrigen sind beide Skeletthalften tadellos: entwickelt. Hier kann also unméglich von Verkiimmerung die Rede sein, sondern nur von verschiedenem Typus. Solche Falle aber habe ich oft be- obachtet. Ganz ahnlich liegen die Verhaltnisse in einer Strongylocen- trotus-Zucht vom 6. Januar 1902 (Versuch No. 2), von der ich mehrere Plutei aus isolierten Dreiern besitze. Drei davon sind in Fig. 19, 20 und 21 abgebildet. Der erste ist fast normal, der zweite méaSig, der dritte hochgradig asymmetrisch. Seine rechte Seite bietet ein typisch proportioniertes Skelett dar, auf der anderen Seite finden wir einen excessiv langen Scheitelstab, an Stelle des Analstabes nur einen kleinen Hécker und einen ganz rudimentaren Oralstab. Diesen unteren Teil des Skeletts muf man ohne Zweifel verkiimmert nennen. Allein diese Verkiimmerung erscheint da- durch in einem ganz besonderen Licht, daf in der Kontrollzucht neben einem normalen Larventypus, wie er in der rechten Halfte der kombinierten Fig. 21b zu sehen ist, in sehr grofer Zahl eigentiimlich verkiimmerte Larven vorkamen, wie die linke Halfte von Fig. 21b eine zeigt, die fast genau das darbietet, was wir 108° Theodor Boveri, auf der linken Seite unserer Dreierlarve gefunden haben: unge- wohnlich langen Scheitelstab, rudimentiren Anal- und Oralstab. Was wir in diesem Fall ausfiihren konnten: aus zwei in der Normalkultur vorkommenden Typen unsere Abnormitat kombinieren, das laft sich, mehr oder weniger klar, fir alle derartigen Falle durchfiihren. In allen Zuchten, aus denen ich Dreier isoliert habe, traten Plutei von verschiedenem Typus und auch von so verschie- dener Grofe auf, da’, wenn man zwei solche Larven gleicher Eltern in der Mittelebene auseinanderschneidet und aneinander- legt, ganz dhnliche Bilder entstehen, wie unsere asymmetrischen Dreierplutei sie darbieten. Die Vergleichung der Figuren, speziell von Fig. 25a mit 25b (Taf. IV) oder von Fig. 35d und e (Taf. V), macht dies ohne weitere Worte klar. Man kénnte gegen eine Vergleichung der Dreierplutei mit diesen Kombinationen von Normaltypen das Bedenken erheben, daf die Normallarven, deren beide Halften in den Zeichnungen aneinandergelegt worden _ sind, vielleicht aus verschieden grofen Eiern stammen kénnten und dai sie deshalb so ungleich seien. Zwei Versuche, die ich zur Priifung dieser Frage angestellt habe, werden das Bedenken zerstreuen. In dem einen Versuch (24. Marz 1902) habe ich aus den KEiern eines Strongylo- centrotus- Weibchens eine Anzahl von genau gleich groBen Hiern iso- liert. Die im gleichen Gefaf ge- ziichteten Larven ergaben Differen- zen der Gré8e, wie sie aus Fig. L zu ersehen sind. Hier bliebe nun noch die Méglichkeit, daf die Kier zwar gleich gro8, aber in ihrem Gehalt Fig. L. an Bildungsmaterial verschieden seien. Allein ein zweiter Versuch, den ich bereits an anderer Stelle (23, p. 350) beschrieben habe, lehrt, da aus vollkommen gleichwertigen Eiern Larven von sehr verschiedener Gréfe hervorgehen kénnen. Bei diesem Versuch wurden die Eier eines Weibchens in drei Portionen geteilt und mit Sperma von drei verschiedenen Minnchen befruchtet. Die Eier zweier Zuchten ergaben grofe, die der dritten sehr kleine Zellen-Studien. 109 Larven. Damit ist gezeigt, daf die Larvengréfe nicht einfach eine Funktion der Materialmenge ist, sondern daf bei ihrer Be- stimmung auch ,innere“, hier ohne Zweifel im Spermium gelegene Momente sich geltend machen. Es ist danach klar, daf auch in einer und derselben Larve zwei verschiedene Gréfentypen neben- einander sich entfalten kénnen, wenn nur in den beiden Bereichen solche inneren Verschiedenheiten bestehen, wie sie in den erwahnten Versuchen fiir verschiedene Keime nachgewiesen worden sind. Noch ein Einwand gegen die Auffassung der Asymmetrie der Dreier als einer Kombination aus verschiedenen Larventypen kénnte erhoben werden. Man kénnte namlich sagen, daf diese Erklarung dann wohl zutreffen méchte, wenn sich unsere Larven aus zwei gleich grofen primaren Blastomeren ableiten wiirden, von denen die eine die rechte, die andere die linke Larvenhalfte bilden wiirde, nicht aber bei dreien, von denen ja keine berufen sein kann, gerade eine ganze Larvenhalfte aus sich hervorgehen zu lassen. Auch dieser Einwand diirfte zuriickzuweisen sein. Vor allem ist zu bemerken, dafi es mindestens fiir einen Teil unserer Falle gar nicht nétig ist, in der ganzen Larve vom Mundfeld bis zur Scheitelspitze jederseits einen anderen Typus vorauszusetzen. So gro z. B. der Unterschied im Skelett zwischen der rechten und linken Halfte von Fig. 20 (Taf. IV) und noch mehr von Fig. 21 erscheint, so ist doch zu beachten, da8 die oberen Teile der Scheitelstabe auf beiden Seiten gleich gebildet sind. Dieser Zustand ware also mit unserer Annahme, daf die Asymmetrie auf einem in den einzelnen Larvendritteln wirksamen verschiedenen Typus beruht, sehr leicht in Einklang zu bringen; es braucht nur die erste Furche so zur spiteren Medianebene orientiert zu sein wie Fig. XLc, (p. 92) es veranschaulicht. In der Tat vermochte ich bei der Larve der Fig. 20 auf Grund der verschiedenen Kern- gréfe diesen Verteilungsmodus nachzuweisen. Aber auch die um- gekehrte Verteilung der drei Drittel, derart, dafi zwei von ihnen in der Scheitelspitze zusammenstofen, das dritte das Mundfeld bildet, kénnte wohl manchem von unseren Fallen gerecht werden. Wenn man die in Fig. XXXVIIIb (p. 85) abgebildete Gastrula betrachtet, welche dem eben genannten Verteilungsmodus folgt, so ist es auffallend, da’ die Mesenchymdreiecke, von denen das Skelett seinen Ausgang nimmt, fast vollstandig in die beiden paarigen Drittel fallen. Es ware sehr wohl denkbar, da, wenn diese beiden Drittel einen verschiedenen Skelettypus bedingen, damit auch deren Fortsetzungen im unpaaren Drittel sich in so differenter 110 Theodor Boveri, Weise entwickeln miissen, daf trotz des einheitlichen Charakters dieses Drittels die Mittelstiibe nicht aufeinander passen. Endlich ist auch der dritte Verteilungstypus der drei Drittel, den wir oben kennen gelernt haben und der in dem Pluteus der Fig. 25a (Taf. IV) verwirklicht ist, sehr gut mit der Asymmetrie dieser Larve in Einklang zu bringen. Man sieht, daf bei dieser Verteilung die eine Skeletthilfte nahezu ganz, namlich mit Aus- nahme der Enden von Scheitel- und Mittelstab, in dem Bereich des einen Drittels entsteht, das sonach wohl fiir den Typus dieser ganzen Skeletthilfte mafgebend sein diirfte. Setzen wir nun in dem unteren Drittel der anderen Seite einen anderen Typus vor- aus, so werden die beiden Seiten so verschieden sein kénnen, wie die in unseren kombinierten Figuren zusammengefiigten Hialften zweier verschiedener Larven. Ueberdies aber kénnte dieser Verteilungstypus der drei Drittel vielleicht noch fiir eine andere Erscheinung verantwortlich gemacht werden. Es wire nimlich denkbar, daf das haufige Zurtickbleiben der einen Skelett- und Larvenhilfte, wie es Fig. 25a darbietet, gerade darauf beruht, daf dieser Teil aus der einen der drei Blastomeren stammt, die gréfere Larvenhilfte aus den beiden anderen, daS, mit anderen Worten, die Medianebene nicht mit einem gréften Kreis des Eies zusammenfallt, sondern mit der Grenze der einen 1/;-Blastomere. Wir werden in der Tat unten Falle kennen lernen — man werfe einstweilen einen Blick auf die Figuren der Tafel VI —, die ich mir nicht anders erkliren kann. Fiir die bisher betrachteten Asymmetrieen dagegen ist diese Er- klarung kaum zutreffend, fiir einzelne sogar direkt auszuschlieSen. Einmal namlich ist so viel ganz sicher, da die in Rede stehende Verteilung der drei Drittel jedenfalls nicht notwendig zu einer solchen Ungleichheit fiihren mu; man braucht nur einen Blick auf Fig. 11 (Taf. I) zu werfen, um hieriiber nicht mehr im Zweifel zu sein. Zweitens aber lehrt gerade die Larve der Fig. 25a (Taf. IV), daf& die Medianebene nicht mit der Grenze einer 1/,-Blastomere zusammenfallt. Die vorstehenden Erérterungen werden gezeigt haben, dal die beschriebene Asymmetrie der Dreierplutei durch die Annahme eines in den einzelnen Larvendritteln sich betitigenden verschie- denen Typus in ungezwungener Weise erklirt werden kann und da8 sie kaum anders erklirbar ist. Dieser verschiedene Typus der drei Drittel mu8 aber seinen Grund haben in einer verschie- denen Veranlagung der 3 primiren Blastomeren. Damit kommen —————————————————————— | Zellen-Studien. ala wir zu der Frage zuriick: was bewirkt in den primaren Blasto- meren eine solche verschiedene Anlage? Daf hier ein Effekt der Doppelbefruchtung vorliegen méchte, ist gewif schon von vornherein naheliegend. Wir wissen durch die Bastardierungsversuche an Echiniden, daf sich der Larventypus aus einer Kombination eines dem Ei und eines dem Spermium inhirenten Typus zusammensetzt, wobei manchmal ein sehr genauer Mitteltypus erscheint (Bovert 10, 14), wahrend in anderen Fallen die mannliche oder weibliche Geschlechtszelle an Einflu8 iiber- wiegt (SEELIGER 114, Vernon 125). Auch konnte ich (23) durch Befruchtung der Eier eines Weibchens mit Sperma verschiedener Mannchen der gleichen Art zeigen, daf innerhalb der Species das Gleiche gilt. Es kann also auch nicht bezweifelt werden, daf die zwischen Sproflingen des gleichen Elternpaares in ein und derselben Zucht auftretenden ,individuellen“ Larvenverschieden- heiten darauf beruhen, da8 sowohl unter den Eiern wie unter den Spermien verschiedene Typen vertreten sind, aus deren ver- schiedener Kombination hier der eine, dort ein anderer Larven- typus zur Erscheinung gebracht wird. Uebertragen wir diese Betrachtungen auf ein doppelbe- fruchtetes Ei, so lassen sich hier leicht Bedingungen denken, durch welche das, was unter normalen Umstinden nur in zwei verschiedenen Larven vorkommen kann, in einer und derselben Larve kombiniert hervorgerufen wird. Es braucht nur das Sub- strat, an welches der dem einen Spermium inharente Typus ge- bunden ist, in einem Teil des Kies lokalisiert zu bleiben, das Ver- erbungssubstrat der anderen Samenzelle in einem anderen Teil, so mu das eintreten, was wir an unseren asymmetrischen Dreier- plutei konstatiert haben. Was ist aber nun dieses vererbende Substrat des Spermiums: ist es sein Protoplasma oder sein Centrosoma oder sein Kern? Ich habe diese Frage schon in meinem Aufsatz ,Ueber die Konsti- tution der chromatischen Substanz des Zellkerns“ (26, p. 108) er- értert und kann hier nur das dort Gesagte wiederholen. Daf das Spermaprotoplasma, von dem iibrigens bei Echiniden nichts zu sehen ist, die postulierte Wirkung haben kénnte, darf als aus- geschlossen gelten. Denn es miifte dann auch bei der normalen monospermen Befruchtung diese Rolle spielen, und da es — dies vorausgesetzt — diese bestimmende Wirkung hier in allen Be- reichen des neuen Organismus ganz gleichmafig ausiibt, so miSten Mittel vorhanden sein, durch die es, gleich dem Spermachromatin, 112 Theodor Boveri, in identischer Weise auf alle Tochterzellen verteilt wird. Solche Mittel bestehen, wie uns die Falle lehren, wo das Spermaproto- plasma wahrnehmbar ist (Ascaris), nicht. Damit diirfte es ausge- schlossen sein, ihm iiberhaupt eine so bedeutungsvolle, aufs feinste arbeitende Wirkung zuzuschreiben. Wollte man aber annehmen, da sich die Vererbungstendenzen des Spermaprotoplasma sofort dem ganzen Ei gleichmafig mitteilen, so miiften natiirlich bei Anwesenheit zweier Spermien deren beiderseitige Qualitaéten gleich- falls ganz gleichmafig gemischt auf das Ei tibergehen, so da8 gerade bei dieser Annahme die charakteristische Asymmetrie der dispermen Larven vollig unerklart bliebe. Viel weniger leicht abzuweisen ist die Méglichkeit, da8 der viterliche Typus im Centrosoma des Spermiums lokalisiert sei. Da namlich in unseren Dreierlarven das eine Drittel Abkémmlinge des einen Spermozentrums, die beiden anderen solche des anderen enthalten, kénnten auf solche Weise die beobachteten Asymmetrieen sich wohl erkliren lassen. Was wir von den Centrosomen, von ihrer Funktion, ihrem beschrankten Vorkommen und von ihrer Neubildung wissen, macht es freilich héchst unwahrscheinlich, da8 ihnen eine solche Bedeutung zukommt. Desgleichen spricht wohl gegen diese Annahme eine Larve, die ich im vorigen Heft (p. 22, Fig. 22) beschrieben und abgebildet habe. Es handelt sich um eine ,,partiellthelykaryotische* Larve, d. h. um einen Fall, wo in einem normal befruchteten Ei der ganze Spermakern der einen 1/,-Blastomere zufiel, wogegen die Kikernchromosomen ganz regular auf beide verteilt wurden. Hier sind die Centrosomen in allen Teilen so gleichwertig, wie in jeder normalen Larve; und doch war diese Gastrula in hohem Grade asymmetrisch. Nur eine Erklarung bleibt hier tibrig, die, dafi der verschiedene Typus rechts und links seinen Grund in dem verschiedenen Chromatin- gehalt hat. Wenn nun auch diese Erfahrung die Méglichkeit nicht aus- zuschliefen vermag, daf in einem dispermen Keim durch die ver- schiedenen Spermacentrosomen vielleicht eine Verschiedenheit des Larventypus hervorgerufen werden kénnte, so beweist sie doch in positiver Richtung, daf verchiedenem Chromatin gehalt diese Wirkung jedenfalls zukommt. Und wir haben also zu untersuchen, ob die Chromatinverhaltnisse in dispermen Keimen damit in Ein- klang stehen. Da wissen wir nun schon zur Geniige, dafi die primaren Blastomeren dispermer Keime in ihrem Chromatingehalt sowohl Zellen-Studien. 113 nach Quantitaét wie auch nach Kombination der Chromosomen in hohem Grad variabel sein kénnen, und es bleibt also nur zu ent- scheiden tibrig, ob die Asymmetrie durch die verschiedene Kern - und Zellgréfe der einzelnen Larvenbezirke verursacht ist, oder ob wir eine qualitative Verschiedenheit der Kerne in Anspruch zu nehmen haben. Wir kénnen diese Entscheidung mit voller Bestimmtheit treffen. Einer jener vier oben erwihnten durchaus symmetrischen Dreierplutei ist namlich der in Fig. 13 (Taf. III) abgebildete und auf p. 102 besprochene Sphaerechinuspluteus, dessen Chromosomenzahlen sich auf ungefiihr 18, 45, 45 berechnen lieSen, wobei sich diese Bezirke ganz asymmetrisch auf den Larven- kérper verteilen. Auch der in Fig. 11 (Taf. II) abgebildete disperme Stron- gylocentrotus-Pluteus mit seinen grofen Kernverschiedenheiten (18, 36, 54) und gleichfalls ganz asymmetrischer Verteilung der drei Drittel ist in K6rperform und Skelett fast genau symmetrisch. Auf der anderen Seite gibt es asymmetrische Dreierplutei, deren Kerne iiberall gleich grof sind. Zwei solche sind in Fig. 21a und 28 (Taf. IV) abgebildet. Ist damit bewiesen, daf nicht die verschiedene Menge von Chromatin der Grund der Asymmetrie sein kann, so kann es nur die verschiedene Qualitat sein; und es ist klar, dal, sobald wir die Bestimmung des Larventypus in die Chromosomen ver- legen, ihre ungleichmafige Verteilung im Triaster des Kies unsere Befunde in einfachster Weise zu erklaren vermag. Nehmen wir selbst die beiden denkbar giinstigsten Verteilungsarten, wie sie in Fig. LIla und b und Fig. LIla und b fir 4 Chromosomen in in jedem Vorkern versinnbildlicht sind, wo jede Blastomere die Normalzahl von Chromosomen, und zwar die ganze Vorkernserie doppelt erhalt, so ergibt sich, wenn wir die 3 Vorkerne durch die Indices 1, 2 und 3 unterscheiden, da im ersten Fall jede der 3 Blastomeren eine andere Kombination von Vorkernderivaten besitzt, wihrend im zweiten Fall die Kerne zweier Blastomeren in identischer Weise aus den gleichen Ei- und Spermaelementen kombiniert sind, die dritte Blastomere dagegen vdollig andere Chromatinindividuen enthalt, namlich die des zweiten Spermakerns, die sich wahrend des Monasterzustandes verdoppelt haben. Be- stimmen die Chromosomen den Larventypus, so leuchtet ein, da8 die betrachteten Chromatinkonstellationen die einzelnen Drittel des Keimes so verschieden machen miissen, wie sonst zwei Keime sich von einander unterscheiden; so verschieden namlich, wie die Larven Ba. XLUI. N. F. XXXVI. 8 114 Theodor Boveri, aus einem bestimmten Ei werden kénnten, wenn es méglich ware, dieses Ei einmal mit dem Spermium x, einmal mit dem Spermium y zu befruchten. Ja wenn in unserem zweiten Fall (Fig. LII) die- jenige Blastomere, welche nur die Elemente des einen Spermakerns a b \ ' 1 ay hed, SSI RE Lk oe AN Share ' 6 ‘ ‘ ‘ Fig. LII. enthalt, den unteren Teil der linken Larvenseite bilden wiirde, eine der beiden Blastomeren mit den Elementen des Eikerns und des anderen Spermakerns den hiezu symmetrischen rechten Teil der Larve, so waren dieser linke und rechte Larvenbereich in Zellen-Studien. 115 ihrer Kernsubstanz ebenso vdllig verschieden, wie sonst zwei normal befruchtete Eier. Da’ bei beliebiger Verteilung der Chromosomen im Triaster ahnliche Verschiedenheiten zu stande kommen kénnen, braucht nicht weiter auseinandergesetzt zu werden; und es hat vor allem deshalb keinen Zweck, hierauf na&her einzugehen, weil uns ja, auch im Fall der allgemeinen Richtigkeit unserer Annahme iiber die Bedeutung des Chromatins, doch jeder Anhalt fehlt, wie die Beziehung zwischen Chromosomen und Larvenmerkmalen im ein- zelnen zn denken ist, ob z. B. der Skelettypus von allen Chromo- somenarten des Monokaryon oder nur von einigen oder gar nur von einem einzigen abhangig ist u. s. w. Nur auf einen Punkt muf noch aufmerksam gemacht werden, da8 namlich die aus den Asymmetrieen der Dreierlarven er- schlossene Beziehung zwischen Chromatinbestand und Larventypus weder die Theorie von der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen zur Voraussetzung hat, noch im mindesten ein Argument zu ihren Gunsten darstellt. Die in Rede stehende Erscheinung wiirde sich ganz ebenso einfach erklaren lassen, wenn alle Chromosomen der Species als essentiell gleichwertig, nur individuell verschieden an- zunehmen waren und sich der Larventypus aus der Kombination beliebiger in den einzelnen Kernen zusammengefiihrter Chromo- somen bestimmen wiirde. Fragt man aber schlieflich, wie es denn komme, daf bei der notwendigen Ungleichheit des Chromatinbestands und selbst bei verschiedenen Kerngréfen der einzelnen Keimbereiche doch, wenn auch auBerst selten, véllig symmetrische Plutei auftreten, so laft sich darauf antworten, da8 auch in den Zuchten normaler Larven Individuen nebeneinander vorkommen, die fiir unser Auge viollig identisch sind, ja da selbst amphi- und monokaryotische Larven der gleichen Zucht ziemlich genau den gleichen Typus darbieten kénnen, wofiir im vorigen Heft dieser Studien in Fig. 1a und 2a ein Beispiel gegeben worden ist. Aber auch abgesehen davon besteht noch eine Méglichkeit zu vollkommener Symmetrie, naimlich im Fall des Amphiaster- Monaster-Typus mit simultaner Dreiteilung des Kies (Fig. LID) dann, wenn jene Blastomere, welche die Chromosomen des selb- stindigen Spermakerns enthalt, ein unpaares Larvendrittel liefert. In diesem Fall enthalten die einzelnen Keimbereiche auf der einen Seite der Medianebene genau die gleiche Chromosomenkombination 8 * 116 Theodor Boveri, wie die entsprechenden Bereiche der anderen Seite, und es muf nach unserer Annahme volle Symmetrie eintreten. In entwickelungsphysiologischer Hinsicht wire noch die Frage yon Interesse, worin primar die Asymmetrie der Dreierlarven zum Ausdruck kommt. Vor allem fragt es sich: ist der Weich- kérper an sich asymmetrisch oder wird er dies erst durch das Skelett? Hrrpst (63, 66) hat zuerst darauf hingewiesen, daf die charakteristische Pluteusform wesentlich durch das Auswachsen der Skelettstaébe verursacht wird, eine Erfahrung, die ich oft bestiatigen konnte. Trotzdem halte ich es fiir zweifellos, daf im Weichkérper unserer Larven Asymmetrieen vorkommen, fiir die das Skelett nicht verantwortlich gemacht werden kann. Dies wird ja schon dadurch von vornherein héchst wahrscheinlich gemacht, da sich, wie be- sonders die Bastardierungen lehren (23), der Larventypus schon ganz charakteristisch auspragt, ehe das Skelett an irgend einer Stelle das Ektoderm beriihrt. Auch ist hier wieder an die im vorigen Heft beschriebene partiell-thelykaryotische Larve zu er- innern, welche schon auf dem Stadium der Gastrula mit ganz kleinen Dreierstrahlern sehr stark asymmetrisch ist. Ganz ahn- liche Erfahrungen machen wir an den Dreierlarven. Ich habe mehrere sonst wohlgebildete Dreiergastrulae gesehen, die deutlich asymmetrisch waren, ohne da hier an einen EinfluS des Skeletts gedacht werden kénnte. Vollig ausgeschlossen ist ein Einfluf des Skeletts sodann bei den nicht seltenen ASymmetrieen des Darmes, wofir in Fig. 27 (Taf. IV) ein Beispiel gegeben ist. Es handelt sich um den Darm eines auch sonst asymmetrischen Sphaerechinus-Pluteus (Versuch No. 10). Der Darm ist vom Scheitel, genau in der Richtung der Medianebene gesehen. Die linke Seite ist typisch dreiteilig, wogegen rechts die zwei Einschniirungen vollig fehlen. Wenn also auch das Skelett sekundir durch seine Asymmetrie die des ektodermalen Weichkérpers ohne Zweifel erheblich ver- starkt, so ist an einer primairen Asymmetrie des Weichkérpers nicht zu zweifeln, und es fragt sich, ob nicht sie es ist, die ihrer- seits das Skelett asymmetrisch macht. Die Bildner des Skeletts sind die primaren Mesenchymzellen, und sie bereiten, wie DrrmscH (38) genauer dargestellt hat, in ihrer bilateral-ringférmigen An- ordnung mit einer rechten und linken dreieckigen Anhaufung die Hauptteile des Skeletts schon vor. Warum bilden sie in unseren Fallen ein asymmetrisches Skelett? Sind sie selbst schon asym- metrisch angeordnet, oder sind es innere Eigenschaften dieser Zellen-Studien. EET Zellen, welche dem Skelett hier diese, dort jene Form geben? Und wenn das erstere zutreffen sollte, was veranlaft die Mesenchym- zellen zu einer asymmetrischen Aufstellung? Ich kann diese Fragen nur aufwerfen, vermag aber fast nichts zu ihrer Lésung beizutragen. Es ist bei der Empfindlichkeit der dispermen Larven nahezu unmdéglich, fiir eine Gastrula die Anordnung der Mesen- chymzellen genau festzustellen und dann aus dieser Gastrula noch einen Pluteus zu ziichten. Dies aber wire vor allem nétig, um in diesen Fragen zu exakteren Ergebnissen zu gelangen. Ich habe eine Anzahl Dreier-Gastrulae von Sphaerechinus (Versuch No. 10) zur Zeit, wo das Mesenchym geordnet war, abgetétet und konnte bei einigen von ihnen Asymmetrieen in dem Mesenchymring finden, welche vielleicht auf die des Skeletts ein Licht werfen kénnten. Ein solcher Fall ist in Fig. 23 (Taf. IV) wiedergegeben. Die Larve ist sehr wohlgebildet, besitzt aber auf der einen Seite der Median- ebene 18, auf der anderen nur 13 Mesenchymzellen, ja vielleicht wire es richtiger, die Trennung in 19 und 12 vorzunehmen. Auf der Seite mit den wenigen Mesenchymzellen ist die Skelettanlage kleiner und auch von etwas anderer Form. Es sei gleich hier be- merkt, da ich in anderen Fallen noch viel erheblichere Stérungen in der Anordnung des Mesenchymkranzes gefunden habe. Bleiben wir aber bei unserem Fall, so ditirfte er wohl auf normale Ver- hiltnisse beziehbar sein. Es ist bekannt, da’ die Mesenchymzellen- zahl sehr erheblich variieren kann. Oben (p. 96) wurden fiir Kchinus Variationen zwischen 58 und 91 in der gleichen Zucht konstatiert. Bei Sphaerechinus habe ich — allerdings in zwei ver- schiedenen Zuchten — als Extreme die Zahlen 27 und 38 ge- funden; das wiirde also ziemlich gut zu den (halben) Zahlen stimmen, die wir oben fiir die beiden Seiten unserer Larve fest- gestellt haben. Ist nun die Mesenchymzellenzahl vom Larventypus abhangig 4), so erscheint es nach unseren oben dargelegten Erfahrungen ein- leuchtend, daf sie in dispermen Keimen rechts und links ver- schieden sein kann. Genauer besehen, ist die Sachlage allerdings nicht so ganz einfach. Wir miissen namlich unterscheiden zwischen der Mesenchymzellenzahl, die ein bestimmter Larvenbezirk liefert, und derjenigen Zahl, die er spater zugeteilt erhalt. Sind zwei 1) Wir wissen, daf sie nicht davon allein abhangig ist, sondern zum mindesten von einem anderen Moment: der Kerngrohe (27, p. 69 ff.). 118 Theodor Boveri, verschiedene Seeigellarven in der Zahl ihrer Mesenchymzellen ver- schieden, so kann dies nur daher rithren, daf sie eine verschiedene Zahl gebildet haben. Ist dagegen in einer Larve die Mesenchym- zellenzahl rechts eine andere als links, so beruht dies darauf, dal von den gebildeten Mesenchymzellen auf die eine Seite mehr ge- wandert sind als auf die andere. Soll sich in beiden Erscheinungen die gleiche Verschiedenheit des Typus dufern, so laBt sich dies nur in der Weise denken, da zwischen der Zahl der Mesenchym- zellen, die ein bestimmter Larvenbezirk liefert, und derjenigen, die er spiter wieder an sich zieht, eine Korrelation derart be- steht, da die Tendenz, Mesenchymzellen zu bilden, und diejenige, sie an sich zu ziehen, ungefihr gleich grof ist. Ich besitze fir diese Annahme in der Tat gewisse Anhalts- punkte. Im Kapitel E, Abschnitt II war von dispermen Blastulae die Rede, bei denen nur ein Teil der zur Mesenchymbildung be- rufenen Blastulawand solche Zellen abgegeben hat. Nun ist in Fig. XXII (p. 58) eine junge Dreiergastrula von Echinus abgebildet, bei der der Mesenchymring in zwei Dritteln ganz normal ent- wickelt ist, wogegen im dritten Drittel nur 2 solche Zellen liegen. Was uns an dieser Larve besonders interessiert, ist die Gesamtzahl der Mesenchymzellen. Sie betrigt 45. Die Larve stammt aus dem oben schon besprochenen Versuch No. 12, bei dem sowohl in dispermen wie in normalen Gastrulae ungewohn- lich hohe Mesenchymzellenzahlen konstatiert worden sind. Da- nach darf es als nahezu sicher bezeichnet werden, daf unsere Larve um etwa ein Drittel zu wenig Mesenchymzellen besitzt, und dies wiirde wieder kaum anders zu erklaren sein, als daf ein Larvendrittel keine solchen Zellen geliefert hat. Was liegt aber dann naher als anzunehmen, daf das Drittel, in dem die Mesenchym- zellen fehlen, dasjenige ist, in dem keine gebildet worden sind? Man darf hierbei, wie schon oben betont, nicht an eine be- sondere Attraktion eines Larvendrittels auf die in ihm entstandenen Mesenchymzellen denken; unsere in Rede stehende Larve lehrt ja selbst durch die wahllose Mischung groBer und kleiner Mes- enchymzellen, daf in ein Drittel auch solche Mesenchymzellen gelangen, die einem anderen Drittel entstammen. Sondern nur die allgemeine Attraktion fiir Mesenchymzellen iiberhaupt wiirde pro- portional zu denken sein der Gesamtmenge mesenchymatischen Materials, das ein bestimmtes Drittel gebildet hat. Ob sich auf diesem Weg unserem Problem vielleicht naher kommen 1abt, miissen kiinftige Untersuchungen lehren. Zellen-Studien. 119 Endlich sei hier noch darauf hingewiesen, da8 ich einige disperme Dreierplutei gefunden habe, deren Pigmentierung stark asymmetrisch war. Wenn man beachtet, wie auffallend symmetrisch die Chromatophoren in normalen Larven verteilt sind‘), und andererseits, wie stark in einer und derselben Zucht der Gehalt an Chromatophoren variieren kann, so wird man fiir diese Verhaltnisse zu dem gleichen Schlu8 gefiihrt, zu dem wir uns bei der Kérperform und beim Skelett genétigt sahen, da8 in den einzelnen Dritteln der Dreierplutei ein verschiedener in- dividueller Typus zur Entfaltung gelangen kann. Und zur Er- klarung dieser Erscheinung wirden genau die gleichen Be- trachtungen anzustellen sein, wie fiir die anderen Asymmetrieen. Die Ueberzeugung, daf die in diesem Abschnitt besprochenen Erscheinungen, wenn auch nicht ausschliefSlich, so doch zum groften Teil dadurch bedingt sind, da sich in den verschiedenen Larvenbereichen ein erblich verschiedener Larventypus auspragt, legte es nahe, disperme Dreierplutei aus bastardierten Eiern zu ziichten, wo dann in manchen Fallen auf jeder Seite ein anderer Speciestypus erwartet werden konnte. Die Versuche, die ich in dieser Richtung angestellt habe, waren jedoch erfolglos. Strongylocentrotus Kchinus > (Versuch vom 25, Januar 1902) einen jugendlichen Pluteus er- halten; doch war dieser zu abnorm, um fiir unsere Frage von Bedeutung zu sein. Ueberdies ist ja von dieser Specieskombination bei der fast vélligen Identitat der beiden Larventypen kaum mehr zu erwarten, als bei homospermer Befruchtung. Ich habe deshalb Strongylocentrotus Sphaerechinus Allein von mindestens 60 isolierten Dreiern aus drei verschiedenen Zuchten vermochte kein einziger zu gastrulieren. Offenbar heift es den ohnehin schwachlichen Bastardkeimen doch zu viel zu- muten, wenn sie sich nun auch noch mit abnormen Chromatin- kombinationen abfinden sollen. Zwar habe ich aus 30 Dreiern der Kombination 3 Versuche mit der Kombination angestellt. Vi. Dreierplutei mit partiellem Defekt. Unter dieser Bezeichnung sollen nicht Larven verstanden sein, denen ein bestimmtes System, wie der Darm oder das Pigment, fehlt, sondern solche, bei denen ein bestimmter Teil eines 1) Man vergleiche die von mir in 23 abgebildeten Normallarven. 120 Theodor Boveri, solchen Systems fehlt, wihrend das Uebrige in voller Normalitat vorhanden ist. Teilen wir, um die Art dieser partiell-defekten Larven naher zu bestimmen, den Larvenkérper in 4 Hauptsysteme ein, namlich: 1) Ektoderm mit der Wimperleiste und dem Mund, 2) Darm, 3) primires Mesenchym mit dem von ihm gebildeten Skelet, 4) sekundires Mesenchym (Chromatophoren), so ist vor allem zu erwahnen, da es an den beiden erstgenannten Systemen partielle Defekte in dem hier gemeinten Sinne nicht gibt. Das Streben, den epithelialen Abschlu8 nach aufSfen zu bewahren und also Ektoderm und Entoderm als kontinuierliche Blatter zu erhalten, ist vielleicht die stirkste Tendenz, die unseren Keimen innewohnt. Ein irgendwo offenes Ektoderm oder Entoderm gibt es nicht, und wo durch Austritt pathologischer Zellen nach innen oder nach aufen ein Loch entstehen wiirde, legen sich die be- nachbarten Zellen, wie wir sehen werden, alsbald wieder anein- ander. Defekte in unserem Sinn bieten nur das primare und sekundaire Mesenchym und ihre Derivate dar. Am auffallendsten sind diese partiellen Defekte im Skelett; sie waren an 5 der von mir geziichteten, sonst voéllig gesunden Dreierplutei zu konstatieren. Vier von diesen Larven sind in Fig. 29a—32 (Taf. V) abgebildet. Ich beginne die Beschreibung mit dem Echinuspluteus der Fig. 31 (Versuch No. 8). Das Skelett ist auf der linken Seite typisch gebildet; nur der Oralstab ist etwas kurz und, was seltener und darum auffallender ist, das Ende des Mittelstabes ist ziemlich weit von der Medianebene entfernt. Auf der rechten Seite ist nur der Scheitelstab vorhanden, der un- gefahr da, wo die Teilung in Anal- und Zwischenstab beginnen sollte, wie abgeschnitten aufhért. Trotz dieses Defektes ist die Larve annahernd symmetrisch, wenn auch da, wo das Skelett fehlt, etwas verkiimmert. Dieses Objekt laBt drei verschiedene Kerngréfen unterscheiden ; der Bereich der kleinsten Kerne nimmt den durch die rote Linie begrenzten Bezirk ein. Er stéSt im Scheitelteil der Larve an einen groBkernigen Bezirk an, von dem er sich sehr leicht abgrenzen ]aBt, wogegen die Grenze gegenitiber dem Bezirk der mittelgrofen Kerne nicht iiberall so sicher zu bestimmen ist; doch zieht sie jedenfalls vom After nach links unten, wie in der Figur angegeben. Unsere Larve folegt also dem Typus b (Fig. XL, p. 92), und zwar verlaufen die beiden Grenzen fast genau wie an der Larve der Zellen-Studien. 121 Fig. 11 (Taf. II). Danach sind wir aber berechtigt, auch die dritte Grenze, die sich infolge der zu geringen Kernunterschiede nicht beobachten laft, dorthin zu setzen, wo sie sich in Fig. 1lc¢ findet. Und diese Grenze, die in Fig. 31 durch die graue Linie bezeichnet ist, trifft nun aufs genaueste mit der Stelle zusammen, wo der Scheitelstab aufhért, waihrend auf der anderen Seite die untere Grenze des kleinkernigen Drittels am Ende des linken Mittelstabs vorbeizieht. Kurz gesagt: der Skelettdefekt ist genau auf den von einer der drei primaren Blasto- meren stammenden Larvenbereich lokalisiert. Das Gleiche gilt fiir die Strongylocentrotus-Larve der Fig. 29a (Versuch No. 5). Hier ist das rechte Skelett vollstandig und normal. Auffallend ist daran nur, daf der Mittelstab tiber die Medianebene nach links reicht und da der Scheitelstab einen michtigen Seitenast tragt, wie er bei den normalen Kontrolllarven dieser Zucht nicht vorkommt. Vom linken Skelett existiert nichts als ein im Niveau des rechten Mittelstabs gelegenes quer gerich- tetes Stabchen. Diese Larve hat einen kleinkernigen Bereich, der sehr genau mit dem Defekt zusammentrifft, wie dies aus der rot markierten Grenzlinie in Fig. 29a ersichtlich ist. Dieser Bezirk ist ohne Zweifel kleiner als ein Drittel des Larvenkérpers, was vermutlich so zu erklaren ist, daf’ eine der 3 primaéren Blasto- meren kleiner war als die beiden anderen. Ich habe zwar nach Méglichkeit Exemplare mit gleich grofen Blastomeren ausgewahlt, doch sind solche mit geringeren Ungleichheiten nicht vollig zu vermeiden. Wie aber auch die Kleinheit dieses Drittels zu erklaren sein mag, wichtig ist uns hier nur, dai der Defekt genau auf diesen Larventeil beschrankt ist. Da die Scheitelspitze des Pluteus auBerhalb des kleinkernigen Bereiches liegt, so ist es nicht un- denkbar, daf der sonderbare Ast des rechten Scheitelstabes nichts anderes ist als der oberste Teil des linken Scheitelstabs, der abnorm verschoben und in Ermangelung einer eigenen Fortsetzung mit dem rechten verschmolzen ware. Daf diese Erklarung nicht unwahrscheinlich ist, wird ein Blick auf Fig. 29b lehren, die den oberen Teil einer Strongylocentrotus-Larve mit gekreuzten Scheitel- stiben darstellt, wie solche in manchen Zuchten nicht selten sind. Der linke Teil des Anallappens gehdrt gleichfalls einem skelett- bildenden Drittel an; die diesem Bezirk zukommenden Skelett- teile sind also zu erwarten und in der Tat durch jenes quer gelagerte Stabchen reprasentiert, das wohl als Mittelstab anzu- sprechen ist. Das Fehlen des gleichfalls zu erwartenden linken 122 Theodor Boveri, Analstabes vermdag ich nicht zu erkliren; denn wenn auch die Grenze des skelettlosen Drittels nahe an seiner Ursprungsstelle vorbeizieht, so wiirde dieser Skeletteil doch vollkommen in den Bereich eines normalen Drittels fallen. Es ist jedoch zu beachten, daf rudimentire Analstiibe auch sonst bei Dreierlarven nicht selten sind, wie die Figg. 20, 21, 26a und 30 lehren. Daf dagegen der ganze linke Oralstab fehlt, ist wieder auf Rechnung unserer Abnormitat zu setzen, indem die linke Vorderwand des Oral- lappens bis zur linken Kante von dem kleinkernigen Bereich ge- bildet wird. Ist nun in diesen beiden Fallen der Beweis gefiihrt, dafi der Skelettdefekt einer der 3 primiren Blastomeren entspricht, so werden wir dies auch fiir diejenigen Fille annehmen dirfen, in denen uns das Merkmal der Kerngréfe im Stich 1aft, um so mehr, als diese Deutung fiir alle 3 weiter von mir beobachteten Falle leicht durchfiihrbar ist. Die oben erwahnte Sphaerechinuslarve (Versuch No. 10) ist der zuletzt besprochenen so ahnlich, daf ich auf ihre bildliche Wiedergabe verzichten kann. Die Strongylo- centrotus-Larve der Fig. 30 (Versuch No. 5), bei der die rechte Skeletthalfte véllig fehlt, wahrend die linke in verkiimmerter Ge- stalt vorhanden ist, lift sich ohne Schwierigkeit auf unseren Typus b (Fig. XL, p. 92) zuriickfiihren, wie dies durch die grauen Grenzlinien in Fig. 30 markiert ist; eine Bucht im Mundlappen spricht noch besonders dafiir, daf die Grenzen richtig gezogen sind. Danach hatte hier nur eines der 3 Larvendrittel Skelett geliefert, wogegen es in den beiden anderen vdllig fehlt. Auch in der Echinuslarve der Fig. 32 (Versuch No. 8) ist das Skelett auf ein Drittel beschrankt, aber in anderer Anordnung ; es besteht nur der untere Teil des rechten Skeletts, namlich der Zwischenstab, der sich auf der medialen Seite in den Mittel- und Oralstab gabelt, auf der lateralen in den Analstab iibergeht. Diese Stiicke, speziell Oral- und Analstab sind im Vergleich zu der Larve der Fig. 30 vorziiglich entwickelt. Dagegen fehlt der Scheitel- stab vollstaindig; héchstens ein kleiner Dorn an der Stelle, wo der Zwischenstab in den Analstab umbiegt, kénnte als Rudiment des Scheitelstabs aufgefa8t werden. Diese Larve besitzt also ziemlich genau den Skelettbereich, der in derjenigen der Fig. 31 fehlt. Die mutmafliche Verteilung der drei Drittel ist durch die grauen Grenzlinien bezeichnet; sie wirde dem Typus c, der Fig. XL folgen. Zellen-Studien. 123 Wahrend ich von den Plutei mit Skelettdefekt, welche in meinen Zuchten von Dreierlarven enthalten waren, wohl kaum einen tibersehen habe, vermag ich dies von Larven mit partiellem Pigmentdefekt nicht ebenso sicher zu sagen. Die erste solche Larve fand ich in dem Versuch No. 9 (vom 10. Februar 1902); es war die in Fig. 33 (Taf. V) abgebildete Strongylocentrotus-Larve, bei der infolge sehr reichlicher Pigmentierung das voéllige Fehlen der Chromatophoren in einem bestimmten Larvenbezirk héchst auffallend war. Drei weitere Larven mit partiellem Pigment- defekt ergab sodann die Sphaerechinuszucht vom 14. Februar 1902 (Versuch No. 10). Dies aber war die letzte gréSere Kultur, die ich von Dreierlarven verfolgt habe. So ist es nicht unwahrschein- lich, da8 mir in friitheren Zuchten solche Falle entgangen waren. Drei von den genannten vier Larven sind in Fig. 33, 34 und 35 (Taf. V) wiedergegeben. Von besonderem Interesse sind die beiden Sphaerechinus-Plutei, weil an ihnen die Beziehung des Pigment- defekts zu einer der 3 primiren Blastomeren sehr klar zu demonstrieren ist. Der eine von ihnen, in Fig. 34 in der Ansicht von hinten dargestellt, ist fast genau symmetrisch und normal. Die nicht sehr zahlreichen Pigmentzellen aber sind unsymmetrisch angeordnet, so zwar, daf der K6rper links unten hinten des Pig- ments entbehrt. An dieser Larve lat sich ein Drittel durch seine etwas geringere Kerngréfe unterscheiden; es gehért der rechten Larvenhalfte an; seine Grenze ist rot markiert. Sie zieht vom After schrig nach oben-aufen, biegt dann auf die Seiten- und Vorderwand um, wo sie nach abwarts gegen die Wimperschnur verlauft, von wo an die weitere Begrenzung unklar ist; auf die Hinterwand zuriickgekehrt, lauft die Grenze rechts von der Mittel- linie nach oben gegen den After. Dies ist also der Typus b der Fig. XL; die dritte Grenze mu8 ungefahr so, wie durch die graue Linie angegeben, vom After weglaufen, um dann in der gezeich- neten Weise auf die Vorderwand iiberzugehen. Dadurch wird nun ein linkes unteres Drittel abgegrenzt, welches genau mit der pigmentfreien Region zusammenfallt. Denn die zwei im Bereich des Vorderdarms sichtbaren Pigmentzellen, welche scheinbar diesem Satz widersprechen, liegen der Vorderwand an und gehéren somit in den Bereich desjenigen Drittels, welches den Scheitel bildet. So kann es keinem Zweifel unterliegen, daf in einem von einer bestimmten Blastomere abstammenden Larvendrittel die Chroma- tophoren vollkommen fehlen. 124 Theodor Boveri, Die zweite hierher gehérige Sphaerechinuslarve (Fig. 35a—d, Taf. V) ist ihrer Kernverhiltnisse wegen schon oben (p. 89) be- schrieben worden und hat uns auch bereits wegen ihrer Asymmetrie beschiftigt (p. 108). Sie besitzt ein auffallend kleinkerniges Drittel, welches, der rechten Seite angehérig, die halbe Vorderseite bis etwas iiber die Medianebene hinaus und die zugehérige Seiten- und Hinterwand bildet. Von den beiden grofkernigen Dritteln muf das eine diesem kleinkernigen ziemlich symmetrisch gegentiber- stehen, wihrend das andere den unteren Teil der Larve, vor allem das Mundfeld bildet. Die mutmafliche Grenzlinie dieser beiden Drittel ist in Fig. 35d durch eine graue Linie bezeichnet. Die Larve entspricht dem Typus c, der Fig. XL. Das Pigment ist nun so verteilt, daB das linke, grofkernige Drittel davon fast frei ist, und zwar trifft die Grenze in der Vorderwand aufs genaueste mit der Grenze der beiden verschiedenkernigen Bereiche zu- sammen (vgl. Fig. 35a und 35d). An der Hinterwand hat eine einzige Zelle die Grenze iiberschritten und liegt links vom After (Fig. 35b). Doch ist es nicht undenkbar, daf einige Ektoderm- zellen des unteren Drittels bis hier heraufreichen und fiir die Lage dieser Chromatophore verantwortlich zu machen sind. Dieses untere Drittel besitzt naimlich Pigmentzellen, wenn auch relativ wenige; die Hauptmasse ist auf das kleinkernige Drittel zusammen- gedringt. Sehr schén tritt der Gegensatz von links und rechts bei Vergleichung der beiden Seitenansichten, Fig. 35 b und c, hervor. Die rechte Seite zeigt sehr reichliche Pigmentierung, besonders im oberen Teil, der das kleinkernige Drittel enthalt. Die Ansicht von links dagegen bietet nur 5 Pigmentzellen dar. Die eine davon ist die bereits oben erwaihnte in der Aftergegend gelegene. Die 2 im Mundlappen sichtbaren sowie die im Analarm gehéren, wie die Vorderansicht (Fig. 35d) lehrt, wohl zweifellos dem unteren Drittel an. Und so blieben fiir das obere grofkernige Drittel von den 26 Chromatophoren unserer Larve nur zwei ibrig: jene links vom After gelegene und die andere, die sich an der Wurzel der Analstibe findet. Aber auch diese zwei liegen so nahe an der hypothetisch konstruierten Grenze des unteren Drittels, da es nicht unméglich scheint, da8 sie diesem Drittel selbst zugehéren. Wie dem aber auch sein mag: diese beiden Zellen vermégen unser Resultat nicht zu triiben, da’ die Pigmentzellen einen Bereich der Larve fliehen, der aus einer der 3 primiéren Blastomeren ent- standen ist. Die dritte aus der gleichen Zucht stammende Larve mit Pig- Zellen-Studien. 125 mentdefekt ist die in Fig. LIIa bei seitlicher Ansicht abgebildete, die, auf dem Gastrulastadium abgetétet, tiber dem Urdarm ziem- lich gleichmaig mit Chromatophoren ausgestattet ist, wogegen in der schmaleren Zone unter dem Urdarm solche vdllig fehlen. Fir diese Larve lief sich feststellen, da8 in der Medianlinie der Scheitel- seite zwei Bereiche von verschiedener Kerngréfe zusammenstofen. Die Verteilung der drei Drittel ist also die der Fig. LIIIb. Das in dieser Figur punktierte untere Drittel ware das pigmentfreie. Fig. LIII. Endlich haben wir noch die in Fig. 33 (Taf. V) wiedergegebene Strongylocentrotus-Larve zu betrachten, bei der der Kontrast von Pigmentierung und Pigmentlosigkeit dank der grofen Zahl von Chromatophoren besonders frappant ist. Unterschiede in der Kern- gréfke sind in dieser Larve nicht nachweisbar. Dagegen besitzt sie eine andere Kigenschaft, durch die sie deutlich als Dreierlarve gekennzeichnet ist; der Mitteldarm ist nimlich seiner Linge nach in drei Réhren geteilt, ein Zustand, der, auf Grund der von mir und Driescn angestellten Versuche tiber Plasmaverlagerung, auf eine entsprechende Spaltung am vegetativen Pol des Kies hinweist. Daf gerade eine Dreiteilung vorliegt, kann kaum anders er- klart werden, als daf’ die drei primaren Blastomeren so gegen- einander verschoben worden waren, daf ihre vegetativen Teile sich von der Achse wegbewegt hatten; und die eigentiimliche Kon- vergenz im Verlauf der Oralarme liefe sich im gleichen Sinn deuten, indem die angenommene Bewegung der vegetativen Blasto- merenpole zu einer entsprechenden Anniherung der animalen Pole gegen die Achse fiihren miifte, woraus jene Konvergenz der Oralarmspitzen resultieren kénnte. Ist diese Erklarung der Ver- 126 Theodor Roveri, dreifachung des Darmes richtig, so mu8 die Verteilung der drei ektodermalen Drittel der Stellung der drei Darmdrittel ziemlich ge- nau entsprechen. Und danach wiirde in der Tat der Pigment- defekt ungefaihr auf den von einer bestimmten Blastomere ab- stammenden Larvenbezirk lokalisiert sein. Wenden wir uns nun zu der Frage, woran es einem solchen Drittel ohne Skelett oder Pigment urspriinglich fehlt, so gehen wir am besten von dem Pigmentdefekt aus. Es ware denkbar, daf. die Abkémmlinge einer jeden primaren Blastomere untereinander eine engere Affinitat bewahren; und so kénnte die Annahme auf- treten, jedes Larvendrittel enthalte diejenigen Pigmentzellen, die - von jener Blastomere abstammen, die das Ektoderm und Entoderm dieses Larventeils geliefert hat. Dann kénnte der Defekt seine Ursache darin haben, daf eine der drei primaéren Blastomeren nicht im stande war, sekundaére Mesenchymzellen zu liefern. Die Larve der Fig. 35 lehrt jedoch, daf diese Annahme unrichtig ist. Dank der sehr verschiedenen Kerngré8e lief sich mit voller Sicherheit bestimmen, daf die Chromatophoren des kleinkernigen Drittels nicht simtlich kleinkernig sind, sondern im Gegenteil in ihrer Mehrzah] grof8kernig. Wir konstatieren hier also fiir das sekundaére Mesenchym das Gleiche, wie friiher fiir das primare, da8 es eine spezifische Attraktion zwischen Ektoderm und Mes- enchym gleicher Abkunft nicht gibt. So bleibt nur noch die andere Annahme tibrig, daf der, nor- malerweise, von allen Ektodermzellen ausgehende Reiz, der die Chromatophoren anzieht, von den Abkémmlingen einer bestimmten Blastomere nicht ausgeiibt wird oder so schwach, daf er gegen- iiber der Anziehungskraft der beiden anderen Drittel nicht aufzu- kommen vermag. Schwieriger gestaltet sich die Frage nach der Ursache der Skelettdefekte. Die Bildung des Skeletts ist abhingig von der Tatigkeit und Anordnung des primairen Mesenchyms, der sogen. Kalkbildner. Von dieser Anordnung ist, nachdem das Skelett — fertig ist, nichts mehr zu erkennen. So vermag ich die Frage nicht zu beantworten, ob in den Dritteln mit Skelettdefekt primaire Mesenchymzellen gefehlt haben oder ob sie vorhanden, aber un- fahig waren, Skelett zu produzieren, oder endlich, ob das Skelett vielleicht vorhanden war und wieder aufgelést worden ist. Am wahrscheinlichsten ist mir auf Grund gewisser Befunde die erste Moglichkeit. Wir kimen dann hier zu einer ahnlichen Anschauung. ‘Auch die Sphaerechinusgastrula der Zellen-Studien, 127 wie fiir die Chromatophoren, daf namlich einem bestimmten Larven- drittel die Fahigkeit abgeht, Kalkbildner an sich zu ziehen oder wenigstens die Fahigkeit, sie in der zur Skelettbildung ndtigen Weise zu ordnen. Die Echinusgastrula der Fig. XXII (p. 58), wo in einem Larvendrittel die Kalkbildner bis auf zwei fehlen, wire als Vorstufe ftir die beschriebenen Skelettdefekte anzusehen. Fig. LIV kénnte in Betracht kommen. Sie zeigt auf der einen Seite das normale Mesenchymdreieck und davon ausgehend den typischen Bogen, auf der anderen Seite liegen die Mesenchymzellen regel- Fig. LIV. los zerstreut. Da jede Skeletthalfte typischerweise von einem bestimmten Punkt aus entsteht und von hier aus weiterwiachst, beriihrt es merkwiirdig, da8 periphere Skelettteile, wie der Scheitelstab der Fig. 31, auch ohne diesen Zentralteil in véllig normaler Weise gebildet werden kénnen. Doch steht dieser Befund nicht isoliert. Ich habe mehrere normale Larven gesehen, wo einer der typischen Skelettstiibe aus zwei getrennten Teilen, einem proximalen und einem distalen, bestand, die zusammen ungefaihr den Verlauf reprisentierten, wie sonst der einheitliche Stab. Wir ersehen also auch aus solchen Vorkommnissen, da’ periphere Skelettteile ohne direkten Anschluf an die zentralen entstehen kénnen. Und dies wird noch deutlicher durch die in groSer Mannigfaltigkeit auf- tretenden versprengten Skelettstiicke, die man in Larven findet, deren Blastulazellen gegenseitig verlagert worden waren '). Bei Besprechung der asymmetrischen Dreierplutei habe ich betont, da8 diese Erscheinuug die Annahme einer essentiellen - Verschiedenwertigkeit der Chromosomen nicht fordert, sondern daf sie auch aus blofer ,individueller* Verschiedenheit dieser Elemente abgeleitet werden kann. Legen wir uns die gleiche Frage fiir die in diesem Abschnitt besprochenen Abnormitéten vor, so folgt aus der Erklarung, die ich fiir die beiden Arten von Defekten zu geben versucht habe, daf auch hier nach unseren jetzigen Kennt- 1) Hieriiber wird eine im hiesigen Institut ausgefiihrte, dem- nachst erscheinende Arbeit von B. Herrner nihere Einzelheiten bringen. 128 Theodor Boveri, nissen die Annahme essentieller Chromosomen-Verschiedenheit nicht notwendig ist. Denn wir kommen mit der Hypothese aus, da die Attraktion fiir Mesenchymzellen der einen oder anderen Art in dem defekten Drittel nicht etwa vollstaindig fehlt, sondern da8 sie hier nur schwicher ist. Dieser Unterschied in der An- ziehungskraft der einzelnen Drittel kénnte aber wohl auf gra- dueller Verschiedenheit der in allen Chromosomen wesentlich gleichen Anlage beruhen. Eine Larve, die in allen ihren Zellen Chromosomen besitzt, welche schwache Attraktionskrafte bewirken, wiirde doch normal werden, da eben staérkere Nebenbubler fehlen; nur die Verbindung verschieden starker Attraktionsbereiche in einer und derselben Larve wiirde zum partiellen Defekt fiihren. Die andere Méelichkeit aber, daf die Anlagen fiir jene An- ziehungswirkungen an einzelne Chromosomen gebunden sind, und daf diese Chromosomen in dem Drittel, das den Defekt auf- weist, entweder eine schwachere Attraktion bewirken oder ganz fehlen, ist natiirlich damit nicht ausgeschlossen. Welche Er- klarung nun auch die richtige sein mag, eines ist sicher, dal primares und sekundéres Mesenchym nicht durch den gleichen Reiz in ihrer Anordnung bestimmt werden. Denn sonst mii£ten Skelett- und Pigmentdefekt stets verbunden auftreten, was nirgends zu beobachten ist. Vil. Dreierplutei mit einer normalen und einer verkiimmerten Halfte, mutmaBlich auf den Amphiaster-Monaster-Typus zuriickzufiihren. Larven dieser Art bilden, wenn sie auch nicht besonders hiufig sind, einen sehr charakteristischen Bestandteil der Dreier- zuchten. Auf Tafel VI ist eine Anzahl] solcher Plutei abgebildet. Das duferste Extrem in der Gegensitzlichkeit von rechts und links bietet die Strongylocentrotus-Larve der Fig. 36 dar. Hat man sie in seitlicher Ansicht vor sich (Fig. 36b), so méchte man sie zunichst fiir einen normalen Pluteus halten. Sieht man sie aber von vorn oder hinten (Fig. 36a), so erkennt man, daf nur das Skelett der einen Seite vorhanden ist. Und zwar ist diese Skeletthalfte, bis auf das selbstindige Stiick neben der Keule des Scheitelstabs, vollkommen normal gebildet. Von der anderen Skeletthalfte existiert keine Spur, und dieser Teil der Larve ist entsprechend verkiimmert. Es fehlen ihm vor allem der Anal- und Oralarm, wogegen die Wimperschnur ganz kontinuierlich auch diese Seite umgreift. Man kénnte hier fast von einem Hemiembryo lateralis sprechen. Zellen-Studien. 129 Diese Larve ist unter allen von mir beobachteten Vertretern dieses Typus die einzige, bei der die eine Skeletthalfte vollkommen -fehlt; in allen tibrigen Fallen (Fig. 37—40) war ein mehr oder weniger rudimentiires Skelett auch auf der verkiimmerten Seite vorhanden. Das Aussehen dieser Larven ist aber trotzdem wesent- lich das gleiche. Das Mundfeld verlauft von der wohlentwickelten Seite schrag nach aufwarts zur verktiimmerten Seite, wie dies be- sonders schén an Fig. 37a zu sehen ist. Stets ist die Wimper- schnur kontinuierlich. Der Darm kann typisch entwickelt sein und eine Mundéffnung besitzen. In den Larven der Figg. 37 und 38 ist er auch véllig symmetrisch. Samtliche untersuchten Falle zeigen in allen ihren Teilen identische Kerngr6é8e und enthalten, wie alle bisher be- trachteten Dreierlarven, keine Spur von pathologischen Elementen. Die Ansicht, die ich mir tiber das Zustandekommen dieser eigenartigen Abnormitaét gebildet habe, kniipft sich an zwei Faille, die mit den besprochenen ohne Zweifel verwandt sind, aber doch in einem Punkt davon abweichen. Es sind die beiden in Figg. 41 und 42 abgebildeten Plutei, welche gleichfalls auf der einen Seite normal entwickelt sind, auf der anderen ein verkiimmertes Skelett besitzen. Was diesen Larven aber ein besonderes Aussehen ver- leiht, das ist der Umstand, daf die rudimentare Skeletthalfte zu der normalen im Winkel gestellt ist, der in der Larve der Fig. 42 sogar 90° betragt. Daf diese Larven von den vorher besprochenen nur graduell verschieden sind, wird deutlich, wenn man beachtet, daf auch schon in der Larve der Fig. 38 die beiden Skeletthalften nicht ganz gleich orientiert sind. Bei jenen beiden auffallend gestérten Individuen, besonders bei dem der Fig. 41, drangte sich mir nun die Ueberzeugung auf, daf der verkiimmerte Teil aus der einen der 3 primaren Blastomeren stammt, der normale aus den beiden anderen; und ich vermute, daf dies fiir alle hier besprochenen Fille gelten diirfte. Die Median- ebene wiirde dann nicht, wie sonst, ohne Riicksicht auf die primaren Furchen, durch einen gré8ten Kreis des Keimes gehen, sondern die Grenze der einen +/,-Blastomere gegen die beiden anderen Wiirde im wesentlichen die Medianebene bestimmen. Fiir diese Annahme besitze ich noch zwei weitere Anhalts- punkte. Erstens ist die normale Halfte des Keimes fast in allen diesen Fallen tibermifig grof, deutlich gréfSer als die Halfte einer gewohnlichen aus der gleichen Zucht stammenden Dreierlarve. Man vergleiche Fig. 37 mit den der gleichen Zucht angehérigen Bd, XLII, N. F. XXXVI 9 130 Theodor Boveri, Larven der Figg. 19, 20 und 21 (Taf. IV), Fig. 38 mit der zu- gehérigen Fig. 33 (Taf. V). Es la8t also dieser Umstand kaum einen Zweifel, daf die wohlentwickelte Seite aus mehr als dem halben Ei entstanden ist. Zweitens habe ich in der Zucht No. 9, aus der die Larven der Figg. 38 und 42 stammen, wahrend der Furchung einige Keime beobachtet, bei denen etwa ein Drittel in der Furchung zu- riickgeblieben war, wie es in Fig. LV yon einem solchen Fall skizziert ist. Die Larve der Fig. 38 ist sogar, wie durch Isolation feststeht, sicher aus einem solchen Keim entstanden. Unter derartigen Bedingungen aft sich aber verstehen, daf der in der Ent- wickelung gleichmafige und fortgeschrittene Teil die eine Larven- halfte bis zur Medianebene liefert, waihrend das zuriickgebliebene Drittel erst spater sich mehr oder weniger vollkommen zur anderen Halfte differenziert. Dieses zuriickgebliebene Drittel wiirde hierbei zunaichst eine ahnliche Rolle spielen wie die abgetétete oder geschidigte Blastomere in Rouxs (107) bekanntem Frosch- experiment. An der Fahigkeit des Eiplasmas der Echiniden, gréSere Mengen als die eine Eihalfte zu einer Larven-,Halfte“ zu gestalten, kann nach allem, was wir tiber die Eistruktur wissen, kaum ein Zweifel sein. Unsere Fille wiirden etwas ganz Aehnliches darbieten, wie die von Driescu (42) beschriebenen, durch Verschmelzung zweier Eier entstehenden Riesenlarven, wo jede Larvenhalfte aus einem ganzen Ei hervorgeht, vorausgesetzt, da8 die Deutung, die Driescu seinen hierauf beziiglichen Versuchen gegeben hat, zu- treffend ist, was einstweilen bezweifelt werden mu8 (vgl. 19). Die Tatsache, daf in siimtlichen Larven unseres Typus nicht die geringsten Kernverschiedenheiten nachweisbar sind, weist mit Entschiedenheit darauf hin, daf wir es bei ihnen allen mit einer bestimmten sehr regelmafigen Chromosomenverteilung zu tun haben, welche jeder Blastomere die Normalzahl von Chromosomen ver- mittelt. Eine Konstellation, welche dieser Forderung geniigt, wire der Amphiaster-Monaster-Typus, bei dem, wie im Kapitel D dargelegt worden ist, zwei Blastomeren ein normales Amphikaryon erhalten, wihrend in die dritte die Elemente des zweiten Sperma- Zellen-Studien. 131 kerns gelangen, die sich hier verdoppeln. In der Tat besitzen unsere Larven Eigentiimlichkeiten, welche diese Vermutung fast zur Gewifheit machen. Diejenige */;-Blastomere nimlich, welche den selbstiindigen Spermakern tiber- nimmt, ist, wie Fig. LVI zeigt, einem « Monaster-Ei vergleichbar, fiir welche AW! Ze Kier ich schon friiher mitteilen konnte ZZAS (27, p. 18), daf sie in ihrer Furchung stets triger sind als die normalen. Daf eine Zelle, in der wahrend der Furchung ein Monaster entstanden ist, gleichfalls in ihrer weiteren Entwicke- lung verlangsamt wird, geht aus einem im vorigen Heft mitgeteilten und p. 36 Fig. LVI. (Fig. G) abgebildeten Fall hervor. So wiirde sich also das oben erwahnte Zuriickbleiben der einen 1/,-Blastomere sehr einfach erkliren. Sodann aber kénnte der Monasterzustand dieser Blastomere auch fiir den bei einigen Exem- plaren besonders rudimentiren Charakter der verkiimmerten Skelett- halfte verantwortlich gemacht werden, indem, wie ich gleichfalls a b Fig. LVI. friiher schon angegeben habe, das Skelett der Monasterlarven stets mehr oder weniger rudimentér ist. Ich bilde zum Beleg in Fig. LVIla und b zwei solche Larven von Strongylocentrotus ab; es sind die besten, die ich iiberhaupt erhalten habe. Sie sind beide 4 Tage alt, zu welcher Zeit die normalen Kontrollobjekte bereits ihre volle Ausbildung erreicht hatten. Ich war geneigt, G9 * 132 Theodor Boveri, diesen kiimmerlichen Zustand der Monasterlarven auf die abnorm eroBe Kernmenge (Tetrakaryon)!) und die infolgedessen abnorm geringe Zellenzahl zuriickzufiihren. Doch kénnte eben vielleicht schon die triage Furchung an jener Erscheinung schuld sein, so daf auch fiir unsere in Rede stehenden Dreierlarven, wo ja die Monasterzelle die normale Chromosomenzahl besitzt, dieses Moment in Betracht kame. Daf freilich der Monasterzustand der einen 1/,-Blastomere das voéllige Fehlen der einen Skeletthalfte, wie in dem Pluteus der Fig. 36, bewirken kénne, muf bezweifelt werden. Allein ftir diese Larve kénnte an eine Kombination des im vorigen Abschnitt be- sprochenen Skelettdefekts mit der uns gegenwartig beschaftigenden Abnormitat gedacht werden. Ist, wie dort als eine Méglichkeit ausgefiihrt worden ist, der Bereich, in dem das Skelett fehlt, nur dadurch von den anderen Bereichen unterschieden, daf die zur Skelettbildung in Beziehung stehenden Chromosomen (mag es nun eines in jedem Monokaryon sein oder alle) eine schwachere An- ziehung des Ektoderms auf die Kalkbildner bedingen als diejenigen der beiden anderen Drittel, so ware es sehr wohl denkbar, daf zwischen dem im Monasterdrittel wirksamen Spermakern und dem in den beiden anderen Dritteln sich betatigenden Amphikaryon ein gentigender Unterschied in dieser Hinsicht besteht, um alle Kalkbildner auf die Seite zu ziehen, die die Abkémmlinge des nor- malen ersten Furchungskerns enthalt. Ist nun diese Auffassung, daf die besprochenen Larven aus Kiern des Amphiaster-Monaster-Typus hervorgegangen sind, richtig, so ist nach unserer Theorie die tadellose Gesundheit dieser Ob- jekte, sowie die absolute Normalitait der wohlentwickelten Seite selbstverstaindlich. Aber noch aus einem andern Grund sind, wie unten niher zu erértern sein wird, diese Falle fiir unser Kern- problem von Wichtigkeit. Vill. Dreierlarven mit einem pathologischen Drittel. In den beiden letzten Abschnitten war von Objekten die Rede, bei denen ein Teil des Keimes im Vergleich zu anderen Teilen rudimentir oder in Bezug auf Skelett oder Pigment véllig defekt ist. Derartige Objekte, die ich partiell-abnorme nenne, sind scharf zu trennen von solchen, die das Pradikat partiell- 1) Viel. p. 19. Zellen-Studien. 133 pathologisch verdienen. Der Unterschied liegt darin, da8 bei den ersteren die einzelnen Zellen gewisse Potenzen gar nicht oder in schwiicherem Mae besitzen, da8 sie aber im tibrigen einen gesunden Eindruck machen und sich in regulirer Weise an der Bildung der embryonalen Organe beteiligen. Partiell- patho- logisch dagegen nenne ich solche Larven, bei denen ein Teil der Zellen deutlich krank ist, was sich einerseits in Aenderangen des Protoplasmas und vor allem der Kerne zu erkennen gibt; © andererseits darin, daf diese Zellen, soweit sie ihrer Lage nach als Epithel angeordnet sein sollten, den epithelialen Zusammen- hang aufgeben, um sich entweder nach aufen zu zerstreuen oder in die Furchungshoéble zu treten. Schon im Kapitel E, Abschnitt II sind die ersten Stadien solcher partiell-pathologischer Keime, zumeist aus vierteiligen dispermen Eiern stammend, beschrieben worden. Ich weise noch- mals auf die in Fig. XVI (p. 56) abgebildete Strongylocentrotus- Blastula hin, die, aus einem Dreier hervorgegangen, 24 Stunden nach der Befruchtung ungefahr — und wahrscheinlich genau — ein Drittel abstie’, indem dessen Zellen sich zur Kugelform ab- rundeten und damit sowohl voneinander als auch von der iibrig gebliebenen Blastulawand sich loslésten. So erhielt die Blase vortibergehend eine Oeffnung und die vorher prallen Wande sanken stark zusammen. Nach voller Ablésung der pathologischen Zellen schlof sich die Blastula wieder, ging aber, vielleicht weil sie zum Zweck genauer Betrachtung voriibergehend unter ein Deckglas gebracht worden war, bald zu Grunde. Dieser nicht selten zu beobachtende Zerfall eines Larvendrittels ist uns auch in den Zerlegungsversuchen begegnet, wo sich einzelne der aus dem Verband gelésten 1/,-Keime vollstiindig in ihre Zellen auflésten; und der dort noch mégliche Verdacht, daf diese Kr- scheinung auf Schidigung der Blastomere beim Isolieren zuriick- zufiihren sei, wird durch unsere jetzige Feststellung ausgeschlossen. Deshalb sind diese Falle, so wenig auch im tibrigen iiber sie zu sagen ist, mit die allerwichtigsten unter unseren Befunden. Denn wie sollte bei simultaner Dreiteilung eines Eies eine Blastomere von den beiden anderen in solcher Weise verschieden werden, wenn nicht durch den verschiedenen Chromatinbestand ? Viel haufiger nun als die volle Auflésung eines Larvendrittels nach auSen ist das Uebertreten der Zellen in die Blastula- héhle, wodurch die bekannten ,Stereoblastulae“ entstehen, und zwar, solange es sich nur um ein Drittel handelt, solche 134 Theodor Boveri, geringeren Grades. Den Anfang dieses Prozesses kann man an Larven von etwa 24 Stunden (bei Zimmertemperatur) sehr haufig beobachten. Ein zwischen dem animalen und vegetativen Pol sich erstreckender Wandbereich zeigt an seiner Innenflaiche erst einige, dann immer mehr tribe Auflagerungen, die sich schlieflich so ver- mehren, daf sie tiefer in die Blastulahéhle hineinragen, gewoéhnlich aber mit der Stelle, an der sie ausgetreten sind, in Kontakt bleiben. Fig. 50 (Taf. VIL) zeigt das charakteristische Aussehen einer solchen partiellen Stereoblastula. Die Larve, genau in der Richtung der Achse zu sehen, lat schon den ersten Anfang der Gastrulation erkennen und entspricht ziemlich genau dem Stadium 21° (Taf. V) bei H. Scumipr (112). Das primare Mesenchym ist noch nicht geordnet. Ein Bereich, der jedenfalls einer primaren Blastomere entspricht, ist pathologisch und gré8tenteils schon nach innen ge- treten. Die Exzentrizitat der Invagination zeigt an, daf sich die Blase infolge des Verlustes an Zellen auf dieser Seite verkleinert hat. Der weitere Verlauf des Prozesses ist der, da alle patho- logischen Teile, die noch in der Wand liegen, gleichfalls nach innen verlagert werden, wahrend sich das gesunde Epithel liickenlos dariiber zusammenschlieSt. Da die pathologischen Elemente sich an der Weiterentwickelung gar nicht beteiligen, ist eine solche Larve nunmehr als eine ?/;-Larve zu bezeichnen. Aus Objekten dieser Art sind offenbar die in Figg. 43—49 (Taf. VII) abgebildeten Larven entstanden, in deren primdarer Leibeshoéhle sich eine ganz entsprechende Anhaufung pathologischer Zellen vorfindet. Sie stellen eine kleine Auswahl aus einer grofen Anzahl ahnlicher Objekte dar. Denn solche Larven mit einem nach innen verlagerten Drittel sind in den Dreierzuchten besonders haufig. Ob freilich die Larve der Fig. 50 selbst sich so ent- wickelt hatte, laBt sich nicht sagen. Es kommt nicht selten vor, daf auch noch eines der beiden gesunden Drittel nachtraglich krank wird, oder gar beide. Das Umschlagen vom gesunden Zustand zum kranken findet eben nicht in allen Dritteln gleichzeitig statt. Die Stérung nun, die in einem Keim mit einem pathologischen Drittel gesetzt ist, liegt vor allem darin, da8 dem in Entwickelung begriffenen Organismus ein grofer Teil seines Ektoderms und Ento- derms und wahrscheinlich auch des Mesenchyms verloren gegangen ist und daf nun die iibriggebliebenen Teile dafiir eintreten miissen. Der Grad der Vollkommenheit, mit der sich diese Regulation voll- zieht, scheint hauptsichlich von zwei Momenten abzuhingen. In erster Linie sind die Entwickelungsaussichten um so giinstiger, je Zellen-Studien. 135 friiher das pathologische Drittel aus dem normalen Verband aus- gestoBen wird. So besitze ich einen Dreierpluteus, bei dem sich im Innern einige gréfere und kleinere Furchungszellen befinden, deren Gesamtvolumen etwa 1/; des Kies betragt. Hier war also schon wahrend der Furchung — aus einem mir unbekannten Grund — das an der Entwickelung nicht Teilnechmende beseitigt worden. Dieser Pluteus ist, abgesehen von seiner geringeren Gréfe, in Form, Skelett, Darmgliederung und Mundbildung von einem normalen kaum zu unterscheiden; auch ist er fast vollkommen symmetrisch. Die anderen, bei denen das pathologische Material aus kleinen Zellen oder Zellentriimmern besteht und also jedenfalls erst bedeutend spiter ins Innere abgestofen worden ist, sind fast alle mehr oder weniger defekt oder in bestimmten Charakteren zuriickgeblieben. So ist haiufig (Figg. 45 und 48) der Darm nicht gegliedert und ohne Mund, oder es zeigen sich Skelettdefekte ver- schiedenen Grades. Dieser Einfluf des Zeitpunktes, in welchem das kranke Drittel seine Beteiligung an der Entwickelung aufgibt, ist leicht zu ver- stehen. Die gesunden zwei Drittel miissen nach AbstoSung der pathologischen Teile die ganze Larve darstellen; sie miissen sich zu einem verkleinerten Ganzen regulieren, und diese Regulation geht um so leichter von statten, je friiher sie in Anspruch ge- nommen wird. In zweiter Linie ist es jedenfalls von Bedeutung fiir die Ge- staltung der Larve, welches der drei Drittel das kranke ist. Gehen wir von der oben (p. 91) gewonnenen Vorstellung aus, da die dreiteilige erste Furche in dreierlei Weise zu einer praéformierten Medianebene orientiert sein kann, so sind die in den Diagrammen der Fig. LVIII gezeichneten Stellungen des pathologischen Drittels im Keimganzen moglich. Vergleicht man in diesen Figuren das Verhiltnis des durch Punktierung bezeichneten pathologischen Be- reichs zum Mesenchymkranz, so sieht man leicht ein, daf nicht alle Stellungen gleich schiadlich sind. Am giinstigsten diirften die Falle sein, in denen das pathologische Drittel zur Medianebene symmetrisch steht, also 1a und besonders 2a, wo die beiden fiir die Skelettbildung so wichtigen Mesenchymdreiecke intakt bleiben. Mit Riicksicht auf diesen Punkt wird auch 3a als giinstig zu be- zeichnen sein. Als ziemlich ungiinstig und wahrscheinlich leicht zur Verkiimmerung der einen Larvenhilfte fiihrend sind 2b, 3b und 3c anzusehen. Doch wird hierbei immer noch von Einfluf sein, von wann an das kranke Drittel nicht mehr an der Ent- 136 Theodor Boveri, wickelung teilnimmt und wohin die nach innen getretenen Teile zu liegen kommen. ; Fig. LVIII. Da diese pathologischen Elemente im allgemeinen in der Nahe der Stelle liegen bleiben, an der sie aus der Wand aus- getreten sind, kénnen wir die abgebildeten - Larven mit ziemlicher Sicherheit auf die be- sprochenen Verteilungstypen beziehen. So wird die Larve der Fig. 45 dem Typus La, die der Fig. 46 dem Typus 2a angehéren, a wogegen in denen der Figg. 43, 44, 47 und 49 ein mehr oder weniger seitlich gelegenes Drittel (Typus 1b, 2b oder 3c) das — kranke gewesen ist. Diese letzteren Falle zeigen uns nun in ~ allmihlichen Uebergingen die Verkiimmerung der einen Larven- — hilfte. In Fig. 43 finden wir das Skelett beiderseits fast gleich entwickelt, in Fig. 44 ist das linke erheblich schwicher, aber noch i typisch gebildet, in Fig. 47 ist es auf dem Zustand eines kleinen — Dreistrahlers stehen geblieben, in Fig. 48 (die Larve ist von links — | Zellen- Studien. 137 hinten dargestellt) fehlt es ganz. Noch stiarker abnorm ist die Larve der Fig. 49; das linke Skelett fehlt auch hier vollstaindig, wenn nicht vielleicht die Anwesenheit eines doppelten Skeletts auf der rechten Seite so zu deuten ist, da das linke abnormerweise nach rechts verlagert ist. Doch kommen in manchen dispermen Larven und, wie hier nebenbei bemerkt sei, auch in solchen mono- spermen Larven, welche durch Unterdriickung von Zellteilungen partiell pathologisch gemacht worden sind, manchmal doppelte Skelettanlagen vor. Ich verweise auf Fig. 52 (Taf. VII), eine stark abnorme Dreierlarve, die auf jeder Seite zwei gutentwickelte Dreistrahler besitzt. Ob nun alle in unseren Larven zu konstatierenden Skelett- defekte nur bedingt sind durch die Ausschaltung des einen Drittels und durch die Entwickelungsstérungen, welche die pathologischen Massen im Innern bewirkern, mu8 fraglich bleiben. Es ist ja denk- bar, da auch eines der beiden gesunden Drittel zur Skelettbildung unfahig ist, wie wir solche Falle oben (p. 120) kennen gelernt haben. Was die Kernverhaltnisse der in Rede stehenden Objekte anlangt, so habe ich an mehreren, so an den Larven der Figg. 43 und 44 deutlich zwei verschiedene Kerngré8en im Ektoderm und Entoderm unterscheiden kénnen. In der Larve der Fig. 43 sind die GréSenunterschiede so bedeutend (vergl. Fig. 43b), daf ich die Grenze mit ziemlich grofer Genauigkeit feststellen konnte; sie ist in der Figur durch rote Linien angegeben. Man sieht -- und kann es sich noch besser an einem Modell klar machen —, daf jeder der beiden verschiedenkernigen Bereiche etwa die Halfte des Ektoderms bildet; der Scheitel gehért dem kleinkernigen Be- zirk an. Die Lage der pathologischen Elemente la8t keinen Zweifel, wo das kranke Drittel zwischen die gesunden eingeschaltet war; es war an derjenigen Grenze, die vom After nach links und hier tiber die Seitenwand auf die Vorderfliche des Mundlappens zieht. Denn in dieser Gegend vor allem sind die zerfallenen Teile ange- haiuft. Somit ist die Grenze, lings welcher links der grof- und der kleinkernige Bezirk zusammenstoBen, nicht deren urspriingliche Beriihrungslinie; sie sind hier erst sekundér nach Abstofung des dazwischen gelegenen pathologischen Drittels in Kontakt gekommen. Ich habe, um dies in der Zeichnung auszudriicken, diesen Teil der Grenze durch Doppellinien markiert. Fragt man sich nun, welches wohl die prospektive Bedeutung dieser zwei Drittel, die jetzt das Ganze gebildet haben, gewesen sein mag, so ist darauf keine 138 Theodor Boveri, sichere Antwort méglich. Nehmen wir an, dal die beiden tbrig bleibenden Drittel an der Stelle des Defektes in ungefahr gleichem MaBe restituierend eingetreten sind, so wire wohl der Typus 1b oder 3c der Fig. LVIII als der wahrscheinlichste anzusehen. Vergleicht man die in allen Teilen wohlgebildete Larve der Fig. 43 mit jener der Fig. 32 (Taf. V), der zwei Drittel des Skeletts fehlen, so ergibt sich als ein nicht uninteressantes Faktum, daf partiell-pathologische Keime normaler werden kénnen als voll- kommen gesunde. Denn die Larve der Fig. 32 enthalt gar keine pathologischen Elemente. Der Grund fiir diese sonderbare Er- scheinung liegt zum ersten darin, da starker von der Norm ab- weichende Zellen vollig von der Entwickelung ausgeschlossen werden, wahrend geringgradig abnorme daran teilnehmen, und zweitens in der dem jungen Echinidenkeim eigenen grofen Regulationsfahigkeit nach erlittenem Defekt. IX. Dreierlarven mit zwei pathologischen Dritteln. Was bei den zuletzt besprochenen Larven in einem Drittel vor sich gegangen ist, erstreckt sich hier auf zwei. Der Effekt aber ist ein wesentlich verschiedener. Haben sich aus jenen Ob- jekten nicht selten noch recht normal gestaltete Plutei entwickelt, so endigen die jetzt zu besprechenden als ziemlich kleine, meist kugelige Gebilde. Es sind die typischen langlebigen Stereo- blastulae oder Stereogastrulae, die aus einer normalen Wand bestehen und mit pathologischen Zellen und deren Zerfalls- produkten vollgepfropft sind (Fig. 78, Taf. X). Vergleicht man ihre Gré8e mit derjenigen der normalen Dreierplutei oder mit den nicht so sehr viel kleineren Plutei, die ein Drittel als pathologisch nach innen abgestofen haben, so erscheinen sie fast zu klein, um der ihnen gegebenen Deutung zu entsprechen. Sie sind aber, wie die Vergleichung der bei gleicher VergréSerung gezeichneten Figg. 78 und 76 (Taf. X) ergibt, ungefihr so gro8 wie die aus isolierten 1/;-Blastomeren geziichteten Gastrulae, denen sie ja in ihrem gesunden Bereich entsprechen‘!). Der Unterschied ist nur 1) Die pathologische Strongylocentrotus-Larve der Fig. 78 ist etwas groéfer als die gesunde !/,-Larve von Hchinus der Fig. 76, wahrend die beiden Species sich in ihren Gréfen sonst gerade um- gekehrt verhalten. Es ist jedoch zu beachten, daf die pathologische Larve, wohl infolge der Anfiillung mit den nach innen getretenen kranken Zellen, starker geblaht ist. Zellen-Studien. 139 der, da8 der ganze Binnenraum, der bei den letzteren lediglich ‘die normalen Mesenchymzellen enthalt, bei unseren aus ganzen Kiern entstandenen Larven mit pathologischen Elementen ange- fiillt ist. Betrachtet man diese Larven, welche in den Dreierzuchten in ziemlich grofer Zahl auftreten, im Leben, so erhalt man ge- wohnlich den Eindruck, da8 sie nicht tber das Blastula-Stadium hinausgelangt seien. In den gefairbten und aufgehellten Priparaten enthiillt sich dagegen sehr haufig ein den Proportionen des Ganzen angemessener Urdarm (Fig. 78). Auch kleine Dreistrahler in Kin- oder Zweizahl habe ich in einigen dieser Larven durch Behandlung mit Kalilauge zur Anschauung bringen kénnen; da ich nur wenige Objekte darauf gepriift habe, kann ich nicht sagen, in welcher Haufigkeit sie vorkommen. Daf man im Leben nichts davon sieht, daran sind die triiben pathologischen Massen schuld, die alles umhiillen. Die Wande dieser Larven zeigen einerlei KerngroBe, wie es ja bei ihrer Herkunft aus einer der 3 priméren Blasto- meren nicht anders zu erwarten ist. So wenig iiber diese charakteristischen Bestandteile der Dreier-Zuchten zu sagen ist, so bedeutungsvoll sind sie doch fiir unsere Frage. Ist nur ein Drittel des Keimes pathologisch, so kénnte man dies so erkliren, da’ die Ausgangszelle dieses Drittels zu wenig Chromatin besessen habe. Zwar lehrt die Untersuchung der gefairbten Priparate, daS die Kerne der nach innen verlagerten Zellen in manchen Fallen gréfer sind als die in der Wand ver- bliebenen. So finden wir es z. B. in der Larve der Fig. 43 (Taf. VII), wo die Kerne des kleinkernigen Wandbereichs viel kleiner sind als die pathologischen Kerne im Innern (Fig. 43D). Allein hier kénnte der berechtigte Einwand erhoben werden, daf die pathologisch gewordenen Kerne einer friiheren Zellengeneration angehéren als die gesund gebliebenen und also eine gréfere Chro- mosomenzahl vortiuschen als sie wirklich besitzen. Bei unseren jetzt betrachteten Objekten brauchen wir uns auf eine Erérterung dieser Verhaltnisse gar nicht einzulassen. Denn 2 der 3 Kerne miissen bei simultaner Mebhrteilung eines Trikaryon unter allen Umstanden mehr als die zur Entwickelung notige Mindestmenge von Chromatin erhalten. Und so ist durch die Larven mit zwei pathologischen Dritteln mit absoluter Sicher- heit bewiesen, daf nicht ein zu geringer Chromatingehalt an dem pathologischen Zustand die Schuld tragt. 140 Theodor Boveri, X. Dreierkeime mit drei pathologischen Dritteln. ,uarven® kann man von diesen Objekten nicht mehr sagen, wenigstens zu der Zeit nicht mehr, wo ihr Schicksal entschieden ist. Aber auch sie gehen aus ganz typisch aussehenden Blastulae hervor. Dann aber werden entweder ziemlich gleichzeitig oder nacheinander alle drei Drittel krank. Im letzteren Fall entstehen zunaichst Stereoblastulae, die von denen des vorigen Abschnitts kaum zu unterscheiden sein diirften. Wird aber dann auch das. letzte Drittel krank, womit es seinen epithelialen Charakter auf- zugeben strebt, so entsteht ein Klumpen, der sich nach kiirzerer oder laingerer Zeit in seine Bestandteile auflést. Erkranken die drei Drittel ziemlich gleichzeitig, so tritt dieser Zerfall sehr rasch . ein und man findet dann am Boden des Gefifes die zerstreuten Triimmer. ¥iir diese Falle, die unter den Dreiern viel weniger haufig sind als unter den Vierern, gilt in einer jeden Widerspruch ohne weiteres ausschliefenden Weise das Gleiche, wie fiir die im vorigen Abschnitt besprochenen. Wenn es sich um ein Zuwenig an Chromatin handeln wiirde, wo sollte denn bei diesen Objekten das Chromatin hingekommen sein, nachdem doch das Ei so viel davon enthalt, da8 es fiir alle 3 Blastomeren doppelt ausreichen wiirde? In einem Drittel wenigstens miiSte doch genug sein. So sind auch diese Falle fir unser Problem von gréSter Wichtigkeit. Xl. Abnormitaten anderer Art. In den vorausgehenden Rubriken sind, wie ich glaube, die unter den dispermen Dreierkeimen auftretenden Haupttypen alle enthalten. Neben ihnen kommen aber hie und da auch andere Gebilde vor, unter sich recht verschieden und schwer oder gar nicht zu deuten. Drei solche Objekte sind in Figg. 51—53 (Taf. VII) abgebildet. Die in Fig. 51 wiedergegebene Sphaerechinus- Larve (Versuch No. 10) war, als sie aus dem Zuchtschilchen heraus- genommen wurde, schon sehr hinfallig und schrumpfte wahrend des Zeichnens ganz zusammen. So enthiilt die Zeichnung nicht alles, was zu sehen war; besonders sind die Mesenchymzellen nicht alle eingetragen. Die Larve hatte die Form einer etwa eifoérmigen Blase, deren Wand durch eine seichte Furche in einen gréferen und einen kleineren Bereich abgeteilt war. Auch der Habitus der Wand war in diesen beiden Abschnitten verschieden, der kleinere Teil sah triiber und kranklicher aus. Es war keine Spur eines Zellen-Studien. 141 Darmes vorhanden, dagegen ein tadellos gebildetes linkes Skelett, wihrend das rechte vollig fehlte. Das gefairbte Objekt lift er- kennen, daf die Furche in der Wand mit einer Grenze verschieden- kerniger Bereiche zusammenfallt; der kleine leere Teil der Blase besitzt kleinere Kerne. Wir haben in ihm also das Derivat der einen 1/,-Blastomere vor uns; der tibrige Teil mu8 aus den beiden anderen stammen. Zieht man, wie es in Fig. 51 geschehen ist, die mutmafliche Grenze, so wiirde der punktierte Kreis etwa den Bereich bezeichnen, der als Urdarm eingestiilpt sein sollte. Da sich diese Larve im gleichen GefifS mit anderen ent- wickelte, die ganz typisch gastrulierten, kann nicht ein dauSerer Grund fiir den Mangel des Darmes verantwortlich gemacht werden; und es liegt somit eine gewisse Wahrscheinlichkeit daftir vor, daf es Chromatinverteilungen gibt, welche keinem der drei Drittel die Fahigkeit zur Invagination gewahren. Diese Abnormitaét ware dann hier noch damit kombiniert, daf} ein Drittel zur Skelettbildung unfahig ist, wie wir dies ja im Abschnitt VI als ein nicht ganz seltenes Vorkommnis kennen gelernt haben. Ich verweise hier einstweilen auf die Viererlarve der Fig. 65 (Taf. VIII), welche mit der besprochenen in dem Mangel des Darms und der einen Skeletthalfte véllig ibereinstimmt. Gleichfalls darmlos ist die in Fig. 52 abgebildete Dreierlarve von Strongylocentrotus (Versuch vom 13. Jan. 1902), wenn auch vielleicht der nach aufen ragende kurze Blindsack als Versuch zur Differenzierung eines Urdarms anzusehen ist. Die Larve ist weiterhin dadurch bemerkenswert, da8 sie beiderseits zwei Drei- Strahler besitzt. Die Larve der Fig. 53 (Versuch No. 4) endlich ist dadurch merkwiirdig, daf die eine Seite des invaginierten, aber abnorm kurzen Urdarms in einen nach aufen gekehrten Bereich tibergeht, der ganz den Charakter der Darmwand aufweist und auch den roten Pigmentsaum tragt, der dem Darm der Strongylocentrotus- Gastrula eigentiimlich ist. Die Larve ist dabei sonderbar verzogen und asymmetrisch. Sie kénnte so gedeutet werden, daf ein Larven- drittel zur Invagination unfahig war, wohl aber befahigt, den dazu bestimmten Teil histologisch richtig als Darmwand auszubilden. Doch muf man bei solchen Zustanden doch auch an die Méglichkeit anderer Stérungen denken, wie denn iiberhaupt mit solchen ganz ver- einzelt vorkommenden Fallen vorlaufig nichts weiter zu machen ist. 142 Theodor Boveri, J. Die Entwickelung der simultan viergeteilten Hier. Bei dieser Gruppe kann ich mich weit kiirzer fassen als bei den dreiteiligen Eiern, erstens, weil fast alles Prinzipielle, das dort zu sagen war, fiir die Vierer in gleicher Weise gilt, und zweitens, weil die Zahl der interessanten Larven bei ihnen, trotz der gréSeren Zahl der geziichteten Keime, auferst gering ist. Um es gleich voranzustellen: nicht was aus den vierteiligen dispermen Kiern wird, ist an den gewonnenen Resultaten eigentlich das Wichtige, sondern der Prozentsatz, in dem normale, partiell- normale und pathologische Larven nebeneinander vorkommen. Von sicher mehr als 1600 isolierten Simultanvierern wurden bei einigen Versuchen die Larven schon nach 24 Stunden abge- tétet, bei anderen war die Zahl der isolierten Stiicke nicht notiert worden. So muften diese Zuchten bei der folgenden Uebersicht aufer Betracht gelassen werden. Es bleiben noch 1293 gezahlte Keime tbrig, die sich so weit entwickeln durften, als ihre Fahigkeiten es zuliefen. Sie verteilen sich auf 9 Zuchten. : Zahl der No. Datum | Species isolierten Stiicke 1 | 23. Nov. 1901 | Strongylocentrotus 6 2 6. Jan. 1902 cS 17 ae i bes ram pear ny SO 2 13 AW DAS ice!) LAOS Echinus 40 5 | 22. Febr. 1902 ; 168 6 | 18. Marz 1902 (Vorm.) is 374 7 118. , 1902 (Nachm.) ‘, 150 (mehr) Se eo Strongylocentrotus 415 9 | 9. April 1905 “4 110 Summa 1293 Zwei Beispiele, die man mit den oben (p. 78) fiir die Dreier angefiihrten vergleichen mége, werden zeigen, wie viel ungiinstiger sich die Entwickelungsaussichten fiir die Vierer gestalten. In der Echinuszucht vom 24. Januar 1902 (40 isolierte Stiicke) wurden am 26. Januar gefunden: 1 alte partiell-pathologische Gastrula mit einseitig ent- wickeltem abnormen Skelett (Fig. 64, Taf. VIII), 20 Stereoblastulae, darunter 2 mit rudimentirem Urdarm (da- von eine in Fig. 68, Taf. VIII wiedergegeben), die tibrigen 19 Keime waren am 26. Januar bereits zerfallen. Zellen-Studien. 143 Aus der Strongylocentrotuszucht vom 9. April 1905 (110 iso- lierte Stiicke) gingen hervor: 1 véllig gesunder Pluteus (Fig. 75, Taf. IX), der nach seinen Kernverhialtnissen aus einem Ki mit Doppelspindel hervor- gegangen ist, gut gebildeter Jungpluteus mit grofen pathologischen Zellen im Innern (Fig. 57, Taf. VIII), 1 stark pathologischer Jungpluteus (Fig. 58), pathologische Gastrula mit grofem und kleinem Drei- strahler, 1 Gastrula, auf der einen Seite hell, hier mit halbem, wenn auch abnormem Mesenchymring und winzigem Skelett- anfang, auf der anderen Seite, nach welcher der Urdarm verschoben ist, voll von pathologischen Elementen, pathologische Gastrula mit rudimentirem Urdarm, ahnliche, Larve ohne Darm, auf der einen Seite hell und mit ziem- lich gut entwickelter Skeletthalfte, auf der anderen Seite hochgradig pathologisch (Fig. 65), 3 sehr pathologische kleine Stereogastrulae, die eine mit Skelettbeginn, 3 Stereoblastulae mit rudimentirem Urdarm, die iibrigen 95 Objekte ergaben Stereoblastulae ohne Darn, elende Klumpen und Zellenhaufen. _ — be Aehnlich ungiinstig, ja meist noch ungiinstiger war das Resul- tat der iibrigen Versuche. Die Zahl der Keime, die auf den Namen Pluteus Anspruch machen kénnen, ist auferst gering. Unter sicher mehr als 1500 Objekten waren nur 13 Plutei; 9 von diesen sind in Figg. 54—58, 60—63 (Taf. VIII) abgebildet; es sind darunter schon Objekte mitgezahlt (Fig. 58), die kaum mehr den Namen Pluteus verdienen. Von Interesse ist die Tatsache, da8 die Entwickelungsaus- sichten der gekreuzten Vierer mindestens ebenso gut sind, als die der ebenen. Unter den 168 Vierern des Versuchs No. 5 (22. Febr. 1902) waren 45 ebene und 123 gekreuzte. Die ersteren ergaben einen Pluteus (Fig. 60), die letzteren drei, darunter den in Fig. 63 abgebildeten. Sind nun die als Pluteus anzusprechenden Larven in den Viererzuchten iiberhaupt sehr spirlich vertreten, so reduziert sich ihre Zahl noch mehr, wenn wir nur die véllig gesunden ins Auge fassen. Solche fanden sich unter mehr als 1500 Keimen nur drei. Einer davon, bei weitem der beste (Fig. 75, Taf. IX), wird in dem Kapitel iiber die Doppelspindeleier beschrieben 144 Theodor Boveri, werden, da seine Kernverhialtnisse kaum bezweifeln lassen, da er in jene Kategorie gehért und also aus der Rubrik der echten Tetrasterkeime auszuscheiden ist. Aber auch der Pluteus der Fig. 55 darf kaum mitgezaihlt werden. Er ist zwar in allen Teilen véllig gesund, aber im Vergleich mit anderen Larven der gleichen Zucht, z. B. derjenigen der Fig. 56, so klein, daf die Annahme kaum von der Hand zu weisen ist, da8 er wiahrend der Entwickelung mindestens ein Viertel nach aufen abgestofen hat. So ware dieses Objekt bereits unter die Rubrik der partiell-patho- logischen zu stellen und es bliebe nur der Pluteus der Fig. 54 als unzweifelhafte Ganzlarve aus einem Ei des Tetrastertypus tibrig. Dieser Pluteus ist von typischer GréSe und véllig gesund, aber in Form und Skelett abnorm. Der Scheitel ist sehr niedrig und kuppelartig gerundet, der Mundlappen dagegen sehr lang; Analarme sind nicht ausgebildet. Das Skelett ist beiderseits kriippelhaft und verzerrt. Der sonst kurze Zwischenstab (2) ist, besonders rechts, sehr lang, die Mittelstaibe sind asymmetrisch, die Oralstabe (0) verkiimmert, die Analstabe (a) in ganz abnormer Weise nach auSen gerichtet, auf der rechten Seite in Zweizahl, aaf der linken in Dreizahl vorhanden, die Scheitelstiabe (s) endlich zu kurzen SpieSen verkiimmert. Die Larve la8t drei verschiedene Kerngréfen erkennen, wie in Fig. 54b zu sehen. Die kleinsten Kerne gehéren dem Scheitel an und ziehen sich als mittlerer Streifen auf der Vorderwand bis zur Mundlappenkante. Die Grenze ist nicht iiberall klar und die roten Grenzlinien in Fig. 54a sind daher etwas schematisch. Auf der rechten Seite schlieSt sich ein Bereich mittelgrofer Kerne an, wahrend die linke Seite und das Mundfeld die gréSten Kerne enthalten, zwischen denen kaum Unterschiede nachzuweisen sind. Durch graue Linien ist die mutmafliche Abgrenzung dieser Be- zirke eingetragen. Nach den KerngréfSen wiire |unter der Annahme, daf jeder Vorkern 18 Chromosomen enthalt, die in Fig. LIXa gezeichnete numerische Verteilung méglich, die aus der in Fig. LIXb darge- stellten Anordnung hervorgehen kénnte. In Fig. LX ist eine Konstellation der Vorkerne gezeichnet, welche zu dieser Anordnung fiihren und einer jeden der 4 primiren Blastomeren alle Chromo- somenarten vermitteln wiirde. Es ist jedoch fraglich, ob in unserem Keim alle 4 Blasto- meren in ihrem Chromatinbestand normal waren. Die Grenz- linien des kleinkernigen Viertels treffen namlich ziemlich gut Zellen-Studien. 145 mit den Stellen zusammen, wo die Scheitelstibe ihr Ende finden. So wire es denkbar, daf’ wir hier einen Fall vor uns haben, wie sie uns bei den Dreiern mehrfach begegnet sind, wo der von einer a b 18 Fig. LIX. Fig. LX. Blastomere abstammende Bereich zu Skelettbildung unfahig ist. Hinsichtlich der Erklairung dieses Defektes verweise ich auf das oben (p. 126) Ausgefiihrte. Wie wir nun unter den Dreiern neben vollig normalen Larven solche mit einem oder zwei pathologischen Dritteln angetroffen haben, so gibt es auch bei den Vierern partiell-pathologische Larven verschiedenen Grades; und alle Larven, die mir vorgekommen sind, aufer den drei bereits besprochenen, sind von solcher Art. Ob ein Viertel oder zwei Viertel in Gestalt pathologischer Massen abgestofen worden sind, ist nicht immer leicht zu entscheiden. Doch sind die Plutei der Figg. 56, 60, 61, 62 und 63 jedenfalls als solche mit einem pathologischen Viertel anzusehen. Die einzige von diesen Larven, die auf Grund ihrer Kernverhaltnisse eine genauere Analyse erlaubt, ist die der Fig. 60. Es ist ein Pluteus, der (Fig. 60a) in Scheitelansicht wiedergegeben werden Bd. XLII. N. F. XXXVI. 10 146 Theodor Boveri, muSte, da seine Gestalt nicht erlaubte, ihn langer als auf einige Sekunden in der Ansicht von vorn oder hinten festzuhalten. Wie er etwa von hier aussieht, zeigt die ohne Zeichenapparat entworfene Skizze der Fig. 60b. Der Darm ist schwach, aber normal gegliedert, die Mundbucht angelegt. Das Skelett zeigt sich beiderseits ganz typisch ausgebildet, ist aber links bedeutend schwacher als rechts. Die Larve lat nach der Kerngréfe drei Bezirke unterscheiden. Der kleinkernige ist auf allen Seiten gut abgrenzbar; er nimmt, wie die rote Linie zeigt, die rechte Halfte der Oberseite ein und greift noch ein Stiick weit auf die Mundseite tiber. Diese selbst enthalt die gréften Kerne und ist von dem Bereich der mittel- grofen Kerne, der zu dem kleinkernigen ungefahr symmetrisch stehen diirfte, nicht sicher abzugrenzen. In Fig. 60d sind Kerne aus vergleichbaren Stellen der drei Bezirke wiedergegeben, dazu auch noch einige Kerne aus der pathologischen Ansammlung im Innern, die ohne Zweifel das vierte Viertel reprasentiert. Diese nach innen abgestofenen Elemente liegen zum gréften Teil iiber dem Darm, und es ist daraus mit Sicherheit zu schlieBen, daf dieses Viertel dort eingeschaltet war, wo jetzt, ziemlich genau in der Medianebene, der Bezirk der kleinen und der mittleren Kerne zusammenstofen. Diese Grenze ist daher in Fig. 60a durch eine rote Doppellinie bezeichnet. Ohne Zweifel tragt die Ausschaltung desjenigen Viertels, welches berufen war, den Scheitel zu bilden, die Hauptschuld daran, daf die Larve so niedrig, formlich abgestutzt ist, wie Fig. 60b es zeigt. In Fig. 60c¢ ist ein Stiick der Scheitelflache, welches die Grenze der beiden hier zusammenstofenden Kernbezirke enthalt, gezeichnet. Man sieht, dafi an dieser Grenze einige abnorm grofe Kerne ein- geschaltet sind, tiber deren Herkunft ich keine Angabe machen kann. Undenkbar wire es nach ihrer Gréfe nicht, da8 sie sich bei den Verschiebungen, die bei Abstofung des Scheitelviertels einge- treten sein miissen, von dem unteren Viertel hierher verirrt haben. Die pathologischen Zellen im Innern haben sich, nach ihrer Gré8e zu urteilen, schon ziemlich friihzeitig aus dem Verband der gesunden Zellen gelést; damit diirfte, wie dies auch oben fir die Dreier mit einem pathologischen Drittel hervorgehoben worden ist, die ziemlich typische Ausbildung der Larve zusammenhingen. Fast normal ist der Echinus-Pluteus der Fig. 62 (Versuch No. 7) in seiner rechten Hilfte gebildet, wogegen die linke ver- kiimmert ist und ein kriippelhaftes Skelett besitzt. Die Larve Zellen-Studien. 147 erinnert auffallend an die oben (p. 128) beschriebenen Dreierplutei mit einer normalen und einer verkiimmerten Hilfte; nur daf diese letzteren véllig gesund sind, wahrend sich bei unserer Viererlarve ziemlich grofe auferst chromatinarme Zellen im Innern finden. Die Larve hat im Scheitel etwas kleinere Kerne als in den iibrigen Teilen; doch sind die Unterschiede zu gering, um eine Abgrenzung einzelner Larvenbezirke zu erlauben. Ebensowenig war mir eine solche Abgrenzung in den Larven der Figg. 61 und 63 méglich, obleich auch hier unzweifelhafte Kernverschiedenheiten vorhanden sind. Die Larven der Figg. 57 und 58 dagegen zeigen in ihren gesunden Teilen lauter gleich grofe Kerne. Die der Fig. 57 enthalt sehr grofe Furchungszellen, also ungewohnlich friihzeitig abgestoBenes Material, womit wieder ihre sehr typische Ausbildung zusammenhingen diirfte. Ein bereits hochgradig abnormes Produkt ist die Echinus- larve der Fig. 65 (Versuch No. 9). Sie erinnert in dem Mangel des Darmes und dem Fehlen der einen Skeletthalfte bei ziemlich guter Entwickelung der anderen Halfte an die in Fig. 51 (Taf. VID) abgebildete Dreierlarve. Die Wand lat drei verschiedene Kern- groéfen unterscheiden. Das Skelett scheint in ganzer Ausdehnung dem Bereich der kleinsten Kerne anzugehéren. Ein Viertel wird offenbar durch die nach innen getretenen pathologischen Massen reprasentiert, die sehr chromatinarm sind. Die eingezogene Stelle auf der rechten Seite diirfte wohl von dem Austritt dieser Elemente herrtihren. Auch der Bezirk der mittelgroBen Kerne ist im Begriff, krank zu werden und hat bereits Elemente nach innen abgegeben. Ein ahnliches pathologisches Objekt, jedoch mit Darm, ist das der Fig. 64 (Echinus, Versuch No. 4), wo gleichfalls das Skelett nur auf der einen Seite entwickelt ist, tiberdies in stark abnormer Weise. Es besteht aus drei selbstaindigen Stiicken, die, wie die Seitenansicht (Fig. 64b) lehrt, sich einigermafen auf die normalen Skelettstibe beziehen lassen. An dieser Larve lassen sich, dank starker Verschiedenheiten der Kerngréfe, die vier Viertel deutlich unterscheiden, wenn auch nicht klar abgrenzen. Der Scheitel enthilt die kleinsten Kerne, ihm steht ein Viertel mit etwas gréferen Kernen diagonal gegentiber; zwei Bereiche mit er- heblich gréSeren Kernen bilden die rechte und linke Seite der Larve und von diesen ist das linke zum grofen Teil schon nach innen getreten. Man erkennt in der Ansicht von hinten (Fig, 64a), dal auf dieser Seite aus der Darmwand gerade Zellen austreten. Loz 148 Theodor Boveri, Als typische 1/,-Larve fiihre ich die der Fig. 66 an (Strongylo- ceutrotus, Versuch No. 2). Es ist eine stark mit pathologischen Elementen angefiillte Gastrula, von der Urmundseite dargestellt. Links enthalt sie einen sehr kleinen, rechts einen etwas gréferen Dreistrahler. Die gesunde Wand zeigt in scharfem Gegensatz zwei verschiedene KerngréSen, deren Grenze in der Figur an- gegeben ist. Der rechte untere Bereich enthalt die grofen Kerne. Auf der vegetativen Seite iiberwiegt er tiber den kleinkernigen Bezirk so stark, daf dieser nur mit einem ganz kleinen Teil an der Begrenzung des Urmunds teilnimmt. Jeder Dreistrahler ge- hort einem anderen Larvenbezirk an. Ob die beiden pathologischen Viertel nebeneinander gelegen waren oder opponiert, lift sich nicht entscheiden. Die Gastrula der Fig. 67 mit einseitig entwickeltem Skelett diirfte gleichfalls in die Kategorie der 1/,-Larven gehéren. Relativ haufig sind in den Zuchten von dispermen Simultan- vierern mehr oder minder rudimentire Gastrulae mit kurzem Ur- darm von der Gréfe der in Fig. 68 abgebildeten Larve (Kchinus, Versuch No. 4). Sie sind aufs dichteste mit pathologischen Massen vollgepfropft und zeigen in der Wand Kerne von einerlei Gréfe. Es sind dies ohne Zweifel Larven, bei denen drei der vier Viertel pathologisch geworden sind und ein einziges gesundes sich so weit entwickelt hat, als es die stérenden Massen im Innern zulassen. Damit stimmt auch, daf diese Objekte ungefaihr so grof sind, wie die aus isolierten 1/,-Blastomeren geziichteten Gastrulae. Man vergleiche die bei gleicher VergriéSerung gezeichnete 1/,-Gastrula der Fig. 7 (Taf. I). Noch deutlicher als an den Dreierlarven la8t sich an den Viererlarven erkennen, da nicht nur ein Gegensatz von ,,gesund“ und ,,krank“‘ zu unterscheiden ist, sondern daf es dazwischen noch verschiedene Abstufungen gibt, auf denen ein Larvenbereich zwar nach der Beschaffenheit seiner Zellen gesund erscheint, aber doch die normalen Funktionen, speziell die der Skelettbildung, nicht oder wenigstens nicht richtig auszutiben vermag. Ks ist mir jedoch nicht méglich, diese Fille unter bestimmte Rubriken ein- zureihen, zu entscheiden, wie weit es sich hier um originale Defekte des in Betracht kommenden Viertels oder um Stérungen durch die Zusammenfiigung verschiedenartiger Bereiche oder infolge der hemmenden Wirkung der nach innen verlagerten Teile handelt. Zellen-Studien. 149 K. Die Ueberlegenheit der Dreier iiber die Vierer und die Wahrscheinlichkeit giinstiger und ungiinstiger Chromatin- verteilung bei beiden Typen. In meiner ersten Mitteilung tiber die Entwickelung dispermer Seeigeleier (22) habe ich die Ergebnisse einer Wahrscheinlichkeits- berechnung mitgeteilt, durch welche ich zu bestimmen gesucht hatte, in welchem Prozentsatz bei Dreiern und Vierern simtliche primaire Blastomeren alle Arten von Chromosomen erhalten. Das Resultat war fiir die Dreier 4 Proz., fiir die Vierer 0,0026 Proz. Dabei waren fiir jeden Vorkern 9 verschiedene Chromosomen !) angenommen worden, sowie weiterhin, da’ jedem Chromosoma des einen Kernes ein bestimmtes in jedem anderen entspricht. Bei dem Ansatz waren die drei homologen Chromosomen nicht unterschieden worden, ebensowenig die 3 oder 4 Pole der mito- tischen Figur; mit anderen Worten: es waren nur die verschiedenen Positionsméglichkeiten beriicksichtigt, nicht aber alle iber- haupt méglichen Falle. Im Gesprach mit meinem Freund und Kollegen Prof. W. Wien erfuhr ich spiter, daf die letztere Art der Berechnung etwas andere Resultate liefern wirde und die richtigere sei”), daf aber unter so komplizierten Umstanden, wie sie sich hierbei fiir unsere Frage ergeben wiirden, der Be- rechnung ein anderes Verfahren vorzuziehen sei, namlich eine experimentelle Nachahmung der in der Natur gegebenen Verhalt- nisse. Zum Zweck einer solchen Nachahmung wandte ich folgendes Verfahren an*). Jedes Chromosoma ist durch eine kleine Holz- kugel reprisentiert. Wird die Zahl 18 fiir jeden Vorkern zu Grunde gelegt, so sind zur Darstellung der Verhaltnisse in einem dispermen Ei 54 Kugeln notwendig. Die Kugeln eines jeden Vor- kerns sind mit den Zahlen 1—18 bezeichnet; es gibt also drei Kugeln 1, drei Kugeln 2 etc. Diese 54 Kugeln werden in einem Becher gemischt und dann auf eine kreisrunde, mit einem Rand 1) Diese Zahl kommt neben der Zahl 18 bei Echinus vor (vergl. 27, p. 44/45). 2) Vergl. hierzu auch H. Porcarn, Wissenschaft und Hypo- these. Uebersetzt von F. und L. Linpemann, Leipzig 1904 (p. XV und 185). 3) Die Ergebnisse dieser Nachahmungsversuche sind bereits in einem kleinen Aufsatz tiber Doppelbefruchtung (29) mitgeteilt worden. 150 Theodor Boveri, versehene horizontale Platte ausgegossen, die, um das zu starke Rollen der Kugeln zu vermeiden, mit Tuch tiberzogen ist. Nun wird im Fall der Nachahmung einer 4-poligen Figur ein aus zwei diinnen Leistchen zusammengefiigtes Kreuz auf die Platte ge- setzt, welches den Kreis in 4 Quadranten zerlegt (Fig. LXI). Auf diese Weise werden die 54 Kugeln auf 4 Gruppen verteilt, welche den 4 Aequatorialplatten des Tetrasters entsprechen. Fig. LXI. Um nun die Art der Verteilung in jedem Fall méglichst rasch zu tibersehen, werden die Kugeln auf ein Zahlbrett (Fig. LXT) iibertragen. Dieses Brett enthilt, den 4 Aequatorialplatten ent- sprechend, 4 Kolumnen (I, II, III, IV), deren jede aus 18 Reihen von je drei halbkugeligen Vertiefungen besteht, in welche die Kugeln hineinpassen. In jede Kolumne werden die Kugeln eines Zellen-Studien. 151 der 4 Quadranten tibertragen, in der Weise, da8 die Kugeln 1 in die Reihe 1 zu liegen kommen u. s. w. So ergibt sich aus der in Fig. LXI angenommenen Verteilung die in Fig. LXII wiedergegebene Anordnung, die nun registriert wird. Da die Verteilung der Chromosomen auf die 4 Blastomeren — Ole OlOls OO lole @ O © O O eo OOOO Qi@i@i® ©) © | & Q|O) OO} = ae OO ’® ©) Cele O O|@jO @ OOO Ow OO OlO O;|@ Oj]O O}O © O O @|@|O© OO BOO BG|S|E/5 ow | lolu)aloln ©) O O BRIE @|O|O O|O|O IOJO|O|OJO in der Weise geschieht, daS — beim reguliren Tetraster — jede Blastomere ihre Chromosomen aus zwei in einer Ecke zusammen- stofenden Spindeln bezieht, miissen nun bei unserer Nachahmung des natiirlichen Verlaufs die Kugeln jeder Kolumne mit der der nachsten zu einer Gruppe vereinigt werden, also I mit II, II mit Ill, II mit IV, IV mit I. 152 Theodor Boveri, Der aus Fig. LXI und LXII abzuleitende Chromosomenbestand der vier primaren Blastomeren ist in folgender Tabelle dargestellt : Blastomere A Blastomere B- Blastomere C MBlastomere D kombiniert aus kombiniert aus kombiniert aus kombiniert aus I und II II und III III und IV LV: und 5 1 1 heal de eal: 2, 2 Pe 2 2 — 3 3, 3, 3 3, 3 4 4,4 4, 4 4 5, 5 5, 5 5 5 6, 6, 6 6, 6 — 6 et ee | i 8, 8 8, 8 8 8 es) 9, 9 9 9 10, 10 10, 10 10 10 1 Feo sg a = if ee Go 12, 12 12 12 12, 12 18S} 13 13, 13 13, 13 == 14, 14 14, 14, 14 14 — 15, 15 15; 15} Tb 15 16, 16 16 16 16, 16 17 Vly We ig (Ras hr 17 1 Sars 18/718, 18 18 — 28 Stiick 31 Stiick 26 Stiick 23 Stiick Die so erhaltenen Tabellen stellen das definitive Ergebnis dar ; sie sind sehr leicht zu kontrollieren, indem jede Querreihe die betreffende Zahl sechs Mal aufweisen und die Gesamtsumme stets 108 betragen muB. Man ersieht aus der Tabelle sofort, welche Chromosomenarten in den einzelnen Blastomeren fehlen. In unserem Fall sind nur in der Blastomere B alle Chromosomenarten vertreten; ein solches Objekt wird nach den im Kapitel G aufgestellten Gesichtspunkten als 4/,-normal bezeichnet. Ganz entsprechend geschieht die Nachahmung der Dreier; statt in vier wird die kreisf6rmige Platte in drei gleiche Teile geteilt und nun werden wieder je zwei der hierdurch gebildeten Gruppen zu einer vereinigt. In dieser Weise wurden 200 Dreier- und 100 Viererversuche ausgefiihrt. Die Ergebnisse der Dreierversuche sind in der Reihen- folge, in der sie gewonnen worden sind, nachstehend aufgefiihrt. Die ,ganz normalen“ und die ,ganz pathologischen“ Fille sind durch gesperrten Druck hervorgehoben. 1, ?/, normal 2. 1s ” a. +/, i 4, 3/, is et), 0%, 6. 2/, 7 7. 7/5 ” 8. 4, a 9. ganz normal 10. 1/, normal 1. /. ” 12. 4/, ‘ 13. 4/, i 14. ?/s ” #5. 7/, - Hor). Ps a. *f, cF 18. ganz patho- logisch 19. ?/; normal 20. 2/5 s 21 ”/s ” 22. ganz patho- logisch 23. ?/; normal 24. ganz normal - fanz normal 26. ?/; normal 27. /s ” 28. 2/. ” 29. alle normal 30. ?/, normal 31 1/5 ” 32. 7/5 " 33. 1/3 on 34, ?/, i. 35. ganz patho- logisch 36. 1/, normal 37. 1/, ” Bo. 4/, a 39. 1/, a 40, 1/ ” . ganz patho- logisch . 1/, normal . ganz normal . 1/, normal . ganz normal 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. Dou 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. Cee 2s 73. 74, 75. 76. dite 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. Zellen-Studien. ?/, normal ganz patho- logisch ganz normal 1/, normal tls ” 1 3 ” ganz patho- logisch ef, 3 ” ganz normal 1/, normal 1/s ” 2/5 ” 2/5 ” ?/5 ” 1], ” /5 ” */, ” ganz normal */, normal ganz normal ganz normal ?/, normal ganz patho- logisch ?/, normal 91. 92. 93. 94, 153 ganz patho- 95. ganz normal 96. ?/, normal Saas u 98. 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'/,; normal 178. ganz patho- 155. 2/, * logisch 156: 2/, = 179. 2/; normal 157. 4/5 ke 180. 2/5 2. Es finden sich darunter: ganz normal eee" Ca. ?/, normal oa 1/, normal ie, . ganz patho- logisch . Y, normal . ganz normal */; normal 2/ 3 ” . ganz patho- logisch . ganz patho- logisch . 2/,; normal . ganz patho- logisch . /, normal . ganz normal ” ganz pathologisch 23 Es ist beachtenswert, wie auffallend sich ane Prozentverhalt- nis der einzelnen Falle durch den ganzen Versuch gleichbleibt. So wiirde es sich jedenfalls auch bei héheren Zahlen nicht wesent- lich andern. ” Die 100 Viererversuche ergaben folgendes Resultat: 1. 1/, normal 12. ganz pathologisch ZF ite 13. ganz pathologisch 3. ganz pathologisch 14. 2/, normal 4, 2/, normal £5.47), 2 Diahg ” 16. ganz pathologisch Ges 17. 1/, normal 7. ganz pathologisch 18. ganz pathologisch 8. ganz pathologisch 19. 1/, normal 9. ganzpathologisch 20. ganz pathologisch 10. ganzpathologisch 21. }/, normal 11. 1/, normal ACY Piel 23. 24, 25. 26. PAE 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42, 43. 44, 45. 46, 47. 48. 49, 50. 51. 52. 53. 54, 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. Es Zellen-Studien. ganz pathologisch 1/, normal ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch 1/, normal 1 4 ” ganz pathologisch ganz pathologisch ts ” ganz pathologisch ganz pathologisch 1/, normal ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch 1/, normal ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch 1/, normal I ” ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathoiogisch 1/, normal ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch ganz pathologisch finden sich darunter: ganz normal 3/, normal 2 4 ” ‘la . ganz . Y, normal . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . 1/4, normal . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . 1/, normal . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . Y, normal . Y¥, normal . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . 1/, normal . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . ganz pathologisch . /, normal ” pathologisch 4 ” . ganz pathologisch . ganz pathologisch 1/, normal O Proz. Cerny, 2 ”) 34 (Cs ganz pathologisch 64, 155 Auch hier ist von einer weiteren Ausdehnung der Versuche kaum eine wesentliche Aenderung des Resultats zu erwarten, speziell 156 Theodor Boveri, nach der uns besonders interessierenden ,normalen“ Seite. Nach- dem schon die Rubrik 2/,;-normal mit nur 2 unter 100 Fallen ver- treten ist, kann auf das Vorkommen von °/,-normal oder gar ganz normal tiberhaupt nicht gerechnet werden. Wir haben nun zu untersuchen, wie weit diese Versuche und ihre Resultate den wirklichen Verhiltnissen entsprechen. Das Schiitteln der Kugeln im Becher ahmt die wahllose Mischung der Chromosomen in einem einheitlichen ersten Furchungskern nach, das Ausgiefen auf die Platte und das Abteilen in 3 oder 4 Gruppen entspricht der zufalligen Einordnung der Chromosomen in die 3 oder 4 Aequatorialplatten. Fiir die Vierer ist zu bemerken, daf in der Nachahmung nur solche Falle angenommen sind, bei denen 4 Spindeln in den vier Seiten des Vierecks entwickelt sind, wihrend in der Natur neben diesen Figuren recht hiufig, vielleicht sogar héufiger, auch solche mit einer diagonalen, ja als Seltenheit sogar solche mit 2 dia- gonalen Spindeln vorkommen. Die Wabhrscheinlichkeit giinstiger und ungiinstiger Verteilung kann jedoch dadurch kaum beriihrt werden. Fir die Dreier entsprechen sich Natur und Nachahmung in dieser Hinsicht vollkommen. Ein zweiter Punkt betrifft die relative Mengenverteilung der Chromosomen auf die einzelnen Blastomeren. Die Durchschnitts- zahl] einer jeden primaren Blastomere ist fiir die dispermen Dreier 36, fiir die Vierer 27. Die Kernverhaltnisse der dispermen Larven haben uns nun gelehrt, daf die tatsachliche Verteilung von diesem Mittel erheblich abweichen kann. Bei den Nachahmungen wurden sehr extreme Falle durch méglichst gleichmifiges Ausgiefen der Kugeln vermieden. Doch zeigen sich auch hier nicht unbetriachtliche Differenzen, wofiir einige Beispiele angefiihrt seien. Die ersten vier Dreierversuche ergaben fiir die 3 primaren Blastomeren die Zahlen: 35, 42, 31, 39, 36, 33, 35, 39, 34, 42, 39, 27. Bei den ersten vier Viererversuchen erschienen die Zahlen: Bates, 21/0310 mee 9, 923, 126: Ba22) 99. 32. Bae, 122, 227: Immerhin ist nicht zu bezweifeln, da’ die zahlenmaBige Ver- teilung in der Nachahmung gleichmafiger ist als in der Natur. ) | | | Zellen-Studien. 157 Noch wichtiger ist ein anderer Unterschied, den wir zwischen Natur und Nachahmung annehmen miissen. Die Nachahmung ar- beitet stets mit véllig wahlloser Mischung aller Chromosomen. In der Natur dagegen werden in manchen Fallen bei der Bildung des ersten Furchungskerns die Chromosomen eines jeden Vorkerns unter sich enger benachbart bleiben, wodurch sich die Wahrschein- lichkeit erhéht, da’ sie in die gleiche Spindel eintreten. Noch giinstiger gestalten sich die Verhiltnisse, wenn der eine Sperma- kern ganz selbstiindig bleibt, wie wir dies fiir einige der besonders gut entwickelten Dreierplutei als héchst wahrscheinlich annehmen mufSten (vergl. p. 101 und 130). Vergleichen wir nun die Prozentverhiltnisse normaler und pathologischer Larven unserer Dispermie-Zuchten mit den Ergeb- nissen der Wahrscheinlichkeitsversuche, so haben wir fir die Dreier 8 Proz. villig gesunder Plutei gefunden (p. 80). Die Wahr- scheinlichkeit, dai jede primaire Blastomere alle 18 Chromo- somenarten in mindestens einem Reprisentanten erhalt, hat sich (p. 154) als 11 Proz. ergeben. Die Nachahmung stellt sich also etwas giinstiger heraus, obgleich eher das Umgekehrte zu erwarten wire. Denn nach dem eben Gesagten liegt den Wahrscheinlichkeitsver- suchen wahllose Mischung aller Chromosomen zu Grunde, wogegen unter den geziichteten Dreiern, wie kaum bezweifelt werden kann, solche sind, bei denen die Chromosomen in nahezu typischer Weise auf die 3 priméaren Blastomeren verteilt worden waren. Eine Méglichkeit, die hier bestehende Differenz zwischen den Versuchen und der Nachahmung zu erklaren, kénnte darin gegeben sein, da’, wie erwahnt, die quantitative Verteilung des Chromatins in der Natur ungleichmafiger ist, wodurch sich die Wabrscheinlichkeit des Auftretens pathologischer Drittel erhéhen muf. Auf eine zweite Méglichkeit bin ich erst vor kurzem aufmerksam geworden. Beim Studium des von mir konservierten Materials hat Herr F. BALTZER neben den typischen Triaster-Eiern mit ca. 54 Chromosomen auch einige mit nur 36 Chromosomen gefunden, also offenbar Triaster in normal befruchteten Hiern. Obgleich diese Falle nun ohne Zweifel selten sind — fehlen doch in den im Kapitel C mit- geteilten Versuchen in den schwach besamten Portionen die Dreier vollstiindig — so ist doch mit der Méglichkeit zu rechnen, dafi unter den von mir isolierten und geziichteten Simultan-Dreiern auch einzelne von dieser Art gewesen sind. Da bei Verteilung von 72 Tochterchromosomen auf 3 Zellen jede Zelle im Durchschnitt nur 24 Chromosomen erhiilt, also noch weniger als die Blastomere des 158 Theodor Boveri, dispermen Tetraster-Eies, so ist die Wahrscheinlichkeit, da8 sich ein derartiger Keim normal entwickeln kénnte, noch erheblich ge- ringer als beim dispermen Tetraster. Diese Falle miiSten also das Prozentverhiltnis in den Dreierzuchten zu Ungunsten der normalen Keime verschieben. Fiir die Vierer haben wir unter (mindestens) 1500 Keimen 2 gesunde Ganzplutei konstatiert (p. 143), von denen jedoch der eine kaum mitgezihlt werden darf, da er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus einem Tetraster-Ei, sondern aus einem Ei mit zwei selbsténdigen Spindeln entstanden war. Rechnet man ihn dazu, so stellt sich das Verhaltnis gesunder Plutei auf 0,13 Proz.; schlieSt man ihn aus, so daf nur die Larve der Fig. 54 (Taf. VIID © in Betracht kommt, so ist das Verhaltnis 0,07 Proz. Die Wahr- scheinlichkeit, da jede primaire Blastomere des Simultan- vierers von jeder Chromosomenart mindestens einen Repraésentanten erhalt, ergab sich aus den oben angefiihrten Nachahmungsver- suchen als 0 Proz. Zwar ist diese Zahl aus nur 100 Fallen be- rechnet, allein wir kénnen kaum zweifeln, daf auch unter 1000 und 10000 Fallen das Resultat das naimliche ware. Ist doch bei den Wahrscheinlichkeitsversuchen auch die Rubrik °/,-normal mit O Proz., die Rubrik ?/,-normal nur mit 2 Proz. vertreten. Daraus wiirde also abzuleiten sein, daf sich bei den Vierern die Verhaltnisse in der Natur giinstiger gestalten als in der Nach- ahmung; und dieser Satz bestitigt sich auch, wenn wir die in den Viererzuchten gefundenen Plutei mit einem pathologischen Viertel, also die */,-normalen, betrachten. Ich habe oben (p. 145) erwahnt, da8 es sich nicht immer entscheiden laft, ob in einer Larve ein Viertel oder zwei Viertel in Form patho- logischer Massen nach innen getreten sind; doch wurden die Plutei der Figg. 56, 60, 61,62 und 68 als solche mit einem pa- thologischen Viertel angesprochen, und zu diesen kommen noch 4 nicht abgebildete, im ganzen also unter (mindestens) 1500 Keimen 9, d.i. 0,6 Proz., gegentiber 0 Proz. in den Wahrscheinlichkeitsversuchen. Fig. LXIII. Auch hier ist aber nun geltend zu machen, daf} in der Natur gewisse regel- mafige Verteilungen eintreten kénnen, die bei unserer Methode der Nachahmung unméglich sind. Ein Blick auf die nebenstehende Fig. LXIII geniigt, um dies klar zu machen. In dieser Weise Zellen-Studien. 159 Ja8t sich also das Auftreten einzelner °/,-normaler und sogar _ yollig normaler Larven unter den Keimen des Tetrastertypus wohl _ yerstehen. Wenn wir nun dazu iibergehen, die Zahlenverhiltnisse der partiell-normalen und vydllig pathologischen Objekte mit den Er- gebnissen der Wahrscheinlichkeitsversuche zu vergleichen, so be- treten wir ein sehr unsicheres Gebiet. Als ich meine Ver- suche ausfiihrte, war mir noch nicht klar, wie wichtig diese Ver- gleichung fiir alle Abstufungen von partiell-normalen bis zu ganz pathologischen Keimen ware, und so habe ich bei den meisten Versuchen, besonders bei denen mit sehr vielen Keimen, nur die interessanteren Larven herausgenommen und untersucht; die tibrigen blieben gewéhnlich ihrem Schicksal iiberlassen, bis sie zerfielen. Hierbei war freilich auch der Gesichtspunkt maSgebend, keinem Keim seine Entwickelungsméglichkeiten vorzeitig abzu- schneiden. LErst spiter, als ich die Wahrscheinlichkeitsversuche angestellt hatte, empfand ich es als eine bedauerliche Liicke, daf nicht fiir jeden Keim eines jeden Versuchs genau registriert worden war, inwieweit er normal oder pathologisch gewesen ist. Freilich wire dies bei grofen Versuchen eine kaum zu _ be- waltigende Aufgabe, und selbst wenn sie sich durchfihren liefe, gabe es wohl stets nicht wenige Fille, fiir die eine Entscheidung, unter welche Rubrik man sie stellen solle, kaum getroffen werden koénute. Unter diesen Umstanden konnten die Zuchten ganzer dispermer Eier — aufer fiir die bereits erwiahnten Vierer- larven mit einem pathologisshen Viertel — zu den fraglichen Vergleichungen nicht verwendet werden; vielmehr standen mir dafir nur die Zerlegungsversuche (vergl. p. 44) zur Verfiigung. Auch diese sind in verschiedener Hinsicht mangel- haft, vor allem wegen der geringen Zahl der Fille; sodann, weil wegen der Schadigung beim Isolieren und wegen der Klein- heit der Keime gerade die Entwickelung der normalsten Blasto- meren ungiinstiger verlaufen muff, als es ihren Potenzen ent- spricht. Setzt man diejenigen 1/;- und +/,-Blastomeren als normal ein, die es mindestens zu einer guten Gastrula gebracht haben, so ergeben sich ungefihr folgende Zahlen, denen ich die oben aus den Wahrscheinlichkeitsversuchen gewonnenen zur Seite stelle. 160 Theodor Boveri, A. Dreier. 1) Zerlegungsversuche 2) Nachahmung ganz normal 14,4 Proz. ganz normal 11 Proz. ?/; normal 22,8) he 2/, normal AD 1/3 ” 40 ” 1]; ” 36 ganz pathologisch 22,8, ganz pathologisch 11 _,, B. Vierer. 1) Zerlegungsversuche 2) Nachahmung ganz normal O Proz. ganz normal O Proz. 3/, normal 45, 3/, normal Ons abe ; 4 ” 4,5 ” I ” 2 ” ah ” 54,5 ” Ui ” 34 > ganz pathologisch 36,5 _,, ganz pathologisch 64 __,, Ich glaube, die Uebereinstimmung der aus den Zuchten be- rechneten Zahlen mit den aus den Wahrscheinlichkeitsversuchen gewonnenen ist grof genug, um die Behauptung zu rechtfertigen, da8 die Annahmen, welche wir tiber die Chromosomen des Echi- nidenkerns gemacht haben, richtig sein kénnen. Es wird jedoch nunmehr nétig sein, diese Annahmen noch etwas genauer ins Auge zu fassen. Unsere erste Voraussetzung war die (p. 70), daf alle 18 Chromosomen eines jeden Vor- kerns untereinander verschieden sind. Hiergegen kénnte die Tatsache angefiihrt werden, daf bei Echinus microtuberculatus Individuen vorkommen, deren Sexualzellen nur 9 Chromosomen enthalten‘). Hier miissen also alle von uns angenommenen ver- schiedenen Kernqualititen in 9 Chromosomen zusammengefalt sein. Man kénnte diese Forderung mit unserer Voraussetzung in der Weise in Einklang bringen, dafi man annimmt, jedes dieser 9 Chromosomen entspreche zweien der sonst 18, sei ge- wissermafen aus diesen zusammengesetzt. Wenn nun auch diese Annahme gewifi zulissig ist, so kann doch gegen sie geltend gemacht werden, daS, nach den im vorigen Heft mitgeteilten Tatsachen, jene Echinuskerne mit der Grundzahl 9 entsprechend kleiner sind als die mit 18, woraus zu schlieBen ist, da8 die einzelnen Chromosomen hier und dort die gleiche Gréfe besitzen. 1) Bei meinen Dispermieversuchen scheinen solche allerdings nicht yorgekommen zu sein. | Zellen-Studien. 161 Unter diesen Umstinden miissen wir jedenfalls die Méglich- keit, dai in den Vorkernen mit 18 Chromosomen jede Art doppelt vertreten ist, auch in unserer Nachahmung priifen. Es lassen sich dazu die gleichen Versuche verwenden, die oben angefiihrt worden sind; wir brauchen nur je 2 der 18 Nummern als identisch zu betrachten, also z. B. il 3 5 Ich habe diese Umrechnung fiir 10 Dreier- und 10 Vierer- yersuche durchgefiihrt und dabei folgende Zahlen erhalten. o> > bo ete. TL Dreier: ganz normal 90 Proz. aS ”) 10 7) a ” 0 ” ganz pathologisch O , II. Vierer: ganz normal 70 Proz. la ” 30 ” aie ” 0 ” ap ” O ” ganz pathologisch O ,, Diese Zahlen sind so, daf eine Weiterfiihrung der Versuche iiberfliissig erscheint; an eine Uebereinstimmung mit den natiir- lichen Verhaltnissen ist nicht zu denken. Trotzdem darf damit die Méglichkeit doppelten Vorkommens einer jeden Chromosomen- art im Monokaryon noch nicht als ausgeschlossen betrachtet werden. Wir kommen namlich jetzt zu unserer zweiten Voraus- setzung, dafi eine Zelle dann normal sei, wenn sie jede Chromo- somenart mindestens einmal besitzt, und daf es gleichgiiltig sei, ob neben einfach vertretenen Arten im gleichen Kern auch zwei- und dreifach vertretene vorkommen. Diese Annahme ist zwar jedenfalls die einfachste, die man machen kann, ob aber auch die wahrscheinlichste, ist eine andere Frage. Wenn die Chromosomen verschiedene Stoffe liefern, die sich das Gleichgewicht halten miissen, dann erscheint es sehr wohl méglich, da’ z. B. dreifache Vertretung einer Chromosomenart neben einfacher Vertretung einer bestimmten anderen Art zu pathologischen Zustanden fiihrt. Wenn wir nun mit der zuniichst viel zu giinstig scheinenden Annahme, dafi in jedem Vorkern die ganze Chromosomenserie zweimal Bd, XLII. N, F. XXXVI. ie 162 Theodor Boveri, vorkommt, gewisse Voraussetzungen der letzteren Art kombinieren, so ist nicht zu bezweifeln, da sich die Resultate der Wahr- scheinlichkeitsversuche denen der Zuchten wieder geniigend an- nahern liefen. Im Zusammenhang mit diesen Erwiigungen ist noch der folgende Punkt beachtenswert. Nach unseren Grundannahmen miissen die Aussichten, daf bei simultaner Mehrteilung ein Tochterkern normal wird, im allgemeinen um so gréfer sein, je mehr Chromosomen er in sich aufgenommen hat. Denn wenn auch die grofe Zahl, wie wir wissen, nicht an sich einen Vorteil bedeutet, so ist doch eben bei gréferen Zahlen die Wahrscheinlichkeit gréfer, da alle Arten vertreten sind. Dies ist ja nach unserer Theorie der Grund fiir die Ueberlegenheit der Dreier iiber die Vierer. Des Gleiche miif%te nun auch innerhalb eines und desselben Keimes gelten. In der tiberwiegenden Mehrzahl der Falle miiften diejenigen Blastomeren die normalsten sein, die die gréSten Kerne besitzen. Dies geht auch aus den Wahrscheinlichkeitsversuchen hervor. Von 15 aufeinander folgenden Dreierversuchen mit ein oder zwei normalen Dritteln sind nachstehend die fiir die 3 priméren Blastomeren gewonnenen Zahlen aufgefiihrt; diejenigen, welche simtliche Chromosomenarten enthalten, sind fett gedruckt. ?/, normal 31 35 42 1/, normal 32 38 38 ayy its 31 35 42 i Yves 35 35 38 1 ae 34 35 39 ee 32 37 39 Te 27 39 «42 Bee ies 34 36 38 za ate 30 39 39 heme 35 36 37 Sanna 33 37 38 ab 38 35 40 ara yt 27 40 «(41 yD! 29 40 42 Bay iih 27 360 45 Nur in 4 Fallen ist eine kleinere Zahl ,normaler“ als eine gréBere ; bei den tibrigen 11 sind es die gréften Zahlen, welche alle Chromosomenarten enthalten. Ganz Entsprechendes lehren die Viererversuche. Auch hier kommen Faille vor, wo kleinere Zahlen besser sind als gréfere. So waren bei einem Versuch, der fiir die 4 primiren Blastomeren die Zahlen 25, 23, 29, 31 ergeben hatte, in der Gruppe 25 alle Arten vertreten, in den drei tibrigen nicht; bei einem Versuch mit den Zahlen 22, 29, 32, 25 enthielten die Gruppen 29 und 25 alle Arten, die Gruppen 22 und 32 nicht. Aber diese Fille bilden doch die Minderzahl. Und so miifte erwartet werden, daf auch in der Natur die pathologischen Zellen im allgemeinen kleinere Kerne Zellen-Studien. 163 besitzen als die normalen. Leider ist diese Frage sehr schwer zu priifen, da erstens die nach innen getretenen kranken Zellen fast immer einer friiheren Zellgeneration angehéren als die in der Wand verbliebenen, so daf sie mit diesen nicht direkt verglichen werden diirfen. Zweitens aber weil man nicht, ob nicht die nach innen verlagerten Kerne erheblich und tiberdies in den einzelnen Fallen verschieden starke GroSenverinderungen erfahren haben. Vergleicht man die in der priméren Leibeshéhle gelegenen pathologischen Massen einer gréferen Zahl von Larven untereinander, so ergibt sich, daf hier kleinere Kerne haufiger sind als gréBere, aber doch, wie mir scheint, nicht in solchem Ueberma8, wie dies erwartet werden sollte. Und ebenso entsprechen die normalen Teile nicht véllig unseren Erwartungen. Denn wenn auch in den gesunden Larventeilen gréfere Kerne tiberwiegen, so gibt es doch, wie wir schon wissen, hier auch Bezirke mit kleineren Kernen, ja nicht selten mit so kleinen, daf sie nach sonstigen Messungen die GriBe des einzelnen Vorkerns nicht tibersteigen kénnen. Daf bei wahl- loser Mischung aller Chromosomen in einer mehrpoligen Figur ein Tochterkern, der 18 Chromosomen bezogen hat, darunter alle 18 Arten besitzen sollte, ist so unendlich unwahrscheinlich, daf es als ausgeschlossen gelten muf. Zur Erklarung dieses Widerspruches kommt natiirlich vor allem das oben schon herangezogene Moment in Betracht, da wir es in der Natur nicht wirklich mit ganz wahlloser Mischung zu tun haben. Sobald ein Pol eines Tetrasters mit allen Elementen eines Vorkerns in Verbindung tritt (Fig. LXIV a), wie dies gewif leicht vorkommen Fig. LXIV. 164 Theodor Boveri, kann, mu8 diese Zelle nach unserer Theorie normal werden, mag sie auch gar keine weiteren Chromosomen in sich aufnehmen. Und die iibrigen 3 Zellen, obgleich sie viel gréfere Kerne besitzen, kénnen, wie Fig. LXIVb lehrt, alle pathologisch sein. Ob dieses Moment aber ausreicht, mu8 fraglich bleiben. Und hier kommen wir eben auf die oben geiuferte Vermutung zuriick, daf das verschiedenfache Vorkommen bestimmter Chromosomen im gleichen Kern die Zelle krank machen kénnte. Es ist klar, dag bei dieser Annahme grofe Chromosomenzahl noch weniger eine Garantie fiir Normalitat liefert als bei unserer urspriinglichen Voraussetzung. Es wire jedoch meines Erachtens zwecklos, Méglichkeiten dieser Art zu ersinnen und weiter auszufiihren, solange uns kein Mittel zur Verfiigung steht, sie zu priifen. Es muf uns vorlaufig die Feststellung gentigen, daf die charakteristischen Verschieden- heiten, die wir in der Entwickelung der Dreier einerseits, der Vierer andererseits, und endlich von dem einen dieser beiden Typen zum anderen konstatiert haben, mit den Ergebnissen der auf eine Verschiedenwertigkeit der Chromosomen gegriindeten Wahrscheinlichkeitsversuche in vollig zwangloser Weise in Ein- klang gebracht werden kénnen. Und es darf hinzugefiigt werden, da8 den Anspriichen, denen die Chromosomen hier in tiberraschender Weise Geniige leisten, kein anderer uns bekannter Zellbestandteil gerecht werden kénnte. L. Die Entwickelung der Hier des Doppelspindeltypus. Ist die Theorie, die zur Erklarung der bisher betrachteten Erscheinungen gedient hat, richtig, so mu ein dispermes Ei des Doppelspindeltypus (vergl. p. 16), wenn es sich simultan in vier Zellen teilt, einen normalen oder wenigstens annihernd normalen Pluteus liefern. Denn ein solches Objekt besitzt in seiner einen Halfte die Kernkonstitution eines normalbefruchteten, in der anderen die eines merogonischen (arrhenokaryotischen) Keims. Sowohl der eine, wie der andere Kernzustand gewihrt, wenn alles Uebrige normal ist, die Méglichkeit normaler Entwickelung. Hier hatten wir also das beste Kriterium, ob die schidigenden Folgen der Dispermie auf Kernstérung oder auf etwas anderem beruhen. Zellen-Studien. 165 Leider aber ist diese Form der Dispermie mit einem fiir unsere Frage sehr stérenden Mangel behaftet. Wie schon oben bei der Furchung dieses Typus erwahnt worden ist, hat sich von den Eiern, die ich im Zustand der Doppelspindel aufgefunden habe — ihre Zahl betrigt 451) — kein einziges viergeteilt. Die meisten teilten sich zunichst in zwei doppelwertige Blastomeren; in den giinstigsten Fallen lieferte der erste Teilungsschritt zwei einwertige und eine doppelwertige Zelle. Die Aussichten solcher Keime sind nach unserer Theorie leicht vorauszusagen. Solange sich wihrend der Furchung doppelwertige Zellen erhalten, ist deren Schicksal ungewif’. Spalten sich aus einer doppelwertigen Zelle einwertige ab, ohne daf die beiden Spindeln zu einer mehrpoligen Figur zusammengetreten sind, so sind die Abkémmlinge normal. ‘Tritt dagegen in einer doppel- wertigen Zelle eine vierpolige Figur auf, so sind die Aussichten der entstehenden Tochterzellen genau so zufallig und im allge- meinen ungiinstig wie diejenigen der 4 Blastomeren eines dispermen Tetrastereies. Betrachten wir daraufhin das auf p. 18 beschriebene und in Fig. V abgebildete Objekt, so zeigt dieses nach dem ersten Teilungs- schritt (a) zwei doppelwertige Zellen. Es ist also an diesem Keim noch nichts verdorben, aber sein Schicksal ist in allen Teilen un- sicher. Der niachste Teilungsschritt hat jede der beiden Blasto- meren in drei zerlegt (b), zwei einwertige und eine doppelwertige. Die vier einwertigen Zellen — zwei mono- und zwei amphikaryotische — sind normal, die zwei doppelwertigen in ihren weiteren Schick- salen zweifelhaft. In Fig. Ve zeigt die obere doppelwertige Zelle zwei selbstindige zueinander senkrechte Spindeln, die untere einen gekreuzten Tetraster. So entstehen (d) aus der letzteren Zelle 4 Abkémmlinge, fiir welche es nach den Schicksalen der dispermen Tetrastereier iiberwiegend wahrscheinlich ist, da8 sie sich patho- logisch entwickeln. Dagegen sind die aus der oberen Zelle ent- stehenden 4 Tochterzellen, da ihre Kerne aus normalen Mutter- kernen durch zweipolige Mitosen entstanden sind, alle normal. Mit diesem Stadium, auf welchem lauter einwertige Zellen vor- liegen, sind somit die Schicksale des Keimes definitiv bestimmt. 1) Von diesen 45 Objekten sind, wie unten genauer zu be- sprechen sein wird, nur 37 isoliert worden, die iibrigen 8 fanden sich in Deckglaspraiparaten unter einer grofen Zahl anderer Hier und wurden nur in ihrer Furchung verfolgt. 166 Theodor Boveri, Sind alle 16 Zellen von gleicher Gréfe, so laBt sich sagen, da mindestens drei Viertel des Keimes zu normaler Entwickelung be- fihigt sind, wogegen sich das vierte Viertel voraussichtlich ganz oder zum groften Teil pathologisch entwickeln wird. Als Gegenstiick sei ein anderes in seiner Furchung verfolgtes Doppelspindel-Ki angefiihrt, dessen Kernteilungen sich so ungiinstig als méglich gestalteten. Auch hier waren durch den ersten Teilungs- schritt zwei doppelwertige Zellen entstanden. In der einen bildete sich nun ein Tetraster aus, worauf sie in vier einwertige Zellen zerfiel. Die andere Zelle teilte sich abermals in zwei doppelwertige Tochterzellen, und nun kam es in beiden zur Tetrasterbildung mit darauf folgender Vierteilung. So sind also hier alle einwertigen Zellen durch vierpolige Mitosen entstanden, und das Objekt bietet sonach ungefahr die nimlichen Aussichten, wie ein ganzes di- spermes Tetrasterei. Zwischen diesem Extrem und dem an meinen isolierten Ob- jekten nicht verwirklichten Idealfall sofortiger simultaner Vier- teilung des Kies bewegt sich die Furchungsweise der Doppelspindel- Kier. Leider habe ich bei keinem der 37 ihrer Entwickelung uberlassenen Objekte die Furchung bis zur Bildung einwertiger Zellen so genau verfolgen kénnen, um fiir alle Zellen angeben zu kénnen, ob ihre Kerne reine Abkémmlinge normaler Mono- und Amphikaryen sind oder ob sie durch mehrpolige Mitosen ent- standen waren. Diese Feststellung ist, sobald es sich um spatere Furchungsstadien handelt, nur bei starkeren VergréSerungen még- lich, also entweder: unter Anwendung einer Tauchlinse oder bei ziemlich langem Verweilen des Kies unter einem Deckglas. Beides bedeutet aber fiir einigermafen empfindliche Keime fast stets eine erhebliche Schadigung, der ich die doch immerhin nicht zahlreichen und mir daher sehr wertvollen Objekte nicht aussetzen wollte. Ich werde fiir jeden im folgenden zu beschreibenden Keim an- geben, wie weit ich seine Furchung verfolgt habe. Zunichst sei eine Uebersicht tiber das ganze Material gegeben. Aus 37 im Stadium der Doppelspindel isolierten Eiern (Strongylo- centrotus 2, Echinus 35) habe ich erhalten: : : Stereoblastulae, z. T. mit Plutel gut entwickelte Gastrulae rudimcniie coullngarel 9 10 18 dazu die 9 Plutei Summe 19 Gastrulae Zellen-Studien. 167 Es haben sich also 51 Proz. dieser Keime bis zur Gastrula, 24 Proz. bis zum Pluteus entwickelt. Erinnern wir uns, da8 bei den dispermen Tetrastereiern unter mehr als 1500 Keimen nur 13 Plutei aufgetreten waren, also noch nicht 0,9 Proz., so ergibt sich fiir die Doppelspindeleier eine gewaltige Ueberlegenheit. Auf Taf. IX sind in Fig. 69—73 fiinf der geziichteten Plutei abgebildet. Fig. 69 zeigt in der Ansicht von hinten einen Jung- pluteus von Echinus (Versuch vom 22. Marz 1902). Die Kern- verhaltnisse dieser Larve habe ich bereits im vorigen Heft (p. 28) beschrieben; auch ist dort die konservierte Larve bei Scheitel- ansicht in Fig. 25a (Taf. IL) abgebildet. Das Ei gehért zu den- jenigen, welche beim ersten Teilungsschritt in zwei einwertige und eine doppelwertige Zelle zerfielen, womit also die Hilfte des Keimes normale Kerne (Mono- und Amphikaryen) erhielt. Das Schicksal der doppelwertigen Zellen vermochte ich nicht bis zu dem ent- scheidenden Punkt zu verfolgen. Die Tatsache, daf sich in der primaren Leibeshéhle gréfere und kleinere pathologische Zellen finden, lift keinen Zweifel, da8 mehrpolige Mitosen im Spiel waren. Diese partiell pathologische Entwickelung ist auch offen- bar der Grund, daf die Larve nicht tadellos entwickelt ist. Doch ware sie nach dem Gang ihrer Entwickelung aller Wahrscheinlich- keit nach zur typischen schlanken Pluteusform gelangt, wenn ich sie nicht vorsichtshalber schon nach etwa 57 Stunden abgetétet hatte. Bei der Betrachtung der Larve von hinten zeigt sich die grofere linke Hilfte groSkernig, die rechte kleinkernig, vom Scheitel an biegt die Grenzlinie nach rechts ab, wie es in Fig. 25a des vorigen Heftes zu sehen ist. Das GréSenverhaltnis der Kerne ist, wie dort dargelegt, genau das von Mono- und Amphikaryen. Zwei einander sehr ahnliche Larven, gleichfalls von Echinus, sind in Fig. 71 und 72 (Taf. IX) wiedergegeben. Sie stammen beide aus dem gleichen Versuch (15. Marz 1905). Ueber die Furchung dieser zwei Keime kann ich nur mitteilen, da’ bei beiden zunichst zwei doppelwertige Zellen gebildet worden waren. Die nachsten Teilungen habe ich, da ich gleichzeitig andere Versuche im Gang hatte, nicht beobachtet. Am nachsten Tag hatten sich beide Keime zu schénen Gastrulae entwickelt, welche zeitweise so ruhig lagen, daf ihre Mesenchymkrinze genau betrachtet werden konnten. Sie waren, wie dies auch an einigen anderen Doppel- Spindelgastrulae zu konstatieren war, deutlich aus Zellen von zweierlei Gréfe zusammengesetzt. Am folgenden Tag war das Pluteusstadium erreicht, auf welchem die Keime abgetétet wurden. 168 Theodor Boveri, Beide enthalten pathologische Elemente im Innern, was wieder darauf hinweist, daf in einem Teil des Keimes mehrpolige Mitosen aufgetreten waren. Bei beiden ist ungefahr die Halfte des Ekto- derms grofkernig, die andere kleinkernig. Ganz verschieden aber ist die Verteilung dieser zwei Bezirke auf die Larvenregionen. Wihrend bei dem Pluteus der Fig. 72 die Grenzlinie nahe mit der Medianebene zusammentrifft und die Larve in eine rechte gréBere Hilfte mit groBen Kernen und eine linke kleinkernige teilt, verlauft bei dem Pluteus der Fig. 71 die Grenze auf der Analseite von links unten nach rechts oben, so, daf der linke Analarm und der linke obere Teil der Analwand sowie die ganze Vorderseite kleinkernig ist, wogegen die Mundseite, der rechte unotere Teil der Analwand und vor allem der rechte Analarm dem gro8kernigen Bezirk angehért. Auch am Darm sind bei beiden Larven entsprechend grof- und kleinkernige Bereiche zu unterscheiden. Es diirfte kaum zufallig sein, daf’ die Asymmetrie der beiden Larven mit der verschiedenen Kernverteilung in gutem Einklang steht. Die Larve der Fig. 72 ist in ihrer ganzen linken Halfte schwacher entwickelt, also in all den Teilen, die dem kleinkernigen Bereich angehéren. Die Larve der Fig. 71 bringt, abgesehen von dem verkiimmerten linken Oralstab, eine Asymmetrie vor allem in der verschiedenen Entwickelung der beiden Analarme zum Aus- druck ; dagegen ist hier die Scheitelregion symmetrisch ausgebildet. In der Tat gehéren die beiden Analarme verschiedenen Kern- bezirken an, die Scheitelregion einem und demselben. Interessant ist endlich an dieser Larve, da alle ihre Pigment- zellen in der kleinkernigen Region verteilt sind; die grofkernige ist davon vollkommen frei. Die ungefiihr in der Medianebene ge- legene Chromatophore, die scheinbar diesem Satz widerspricht, gehért, als der Vorderwand anliegend, zum kleinkernigen Bezirk. Eine eigentiimliche Larve aus einem Doppelspindel-Ei ist die in Fig. 70 abgebildete (Echinus, Versuch vom 15. Marz 1905). Auch hier war die Furchung nicht iiber das Stadium zweier doppel- wertiger Zellen hinaus verfolgt worden. Die Larve ist in ihrer rechten Hilfte vollkommen normal gebildet, die linke Hialfte ist verkiimmert und skelettlos. Die Grenze zwischen dem grof- und kleinkernigen Bezirk verlauft, wie die rote Linie der Fig. 70 zeigt, sehr unregelmaifig, was offenbar durch den starken Verlust an Zellen verursacht ist. Die rechte wohlentwickelte Halfte samt der Scheitelspitze gehért zum gréBten Teil dem grofSkernigen Bereich an. Diese Larve enthalt sehr viele pathologische Elemente, die Zellen-Studien. 169 sich fast alle in der kleinkernigen Hiilfte angehiiuft finden. Es kann kaum bezweifelt werden, daf die Verkiimmerung dieser Larvenhalfte hiermit zusammenhangt, und es ist sehr wahrschein- lich, daf die dichte Haufung der pathologischen Massen die Skelettbildung auf dieser Seite unterdriickt hat. Denn wie die anderen Objekte und wie vor allem die merogonischen Keime lehren, muf} auch in unserm Fall der Bereich, der die Abkémm- linge des Spermakerns enthilt, an sich zur Skelettbildung befihigt gewesen sein. Und die Ausbildung der kleinkernigen ektodermalen Wandfliche lift auch erkennen, da’ dieser Bereich von normaler Beschaffenheit ist. Freilich liegt fiir den Mange] der einen Skeletthalfte noch eine andere Erklarungsméglichkeit vor, nimlich die oben bei Besprechung der Dreierlarven mit partiellem Skelett- defekt darlegte, dafi die Starke, mit der das Ektoderm die Kalk- bildner anzieht, in den einzelnen verschiedenkernigen Bereichen so verschieden sein kénnte, da8 ein Bereich — das wire hier der monokaryotische — gar keine solchen Zellen erhilt. Leider ent- halt mein Protokoll tiber den Zustand dieser Larve im Gastrula- stadium keine Notiz, Fig. 73a zeigt einen ziemlich wohlgebildeten Pluteus aus einem Doppelspindelei von Echinus (Versuch vom 15. Marz 1905), der wegen seiner Furchung nahere Betrachtung verdient. Das Ei war durch Schiitteln vor der Befruchtung wurstformig deformiert worden, und die Folge davon war, daf sich die beiden Spindeln in eine Linie stellten (Fig. 73b). Die eine davon war betrachtlich schwacher und dem einen Langsende des Hies sehr nahe geriickt. Nach dem ersten Teilungsschritt ergab sich der Zustand der Fig. 73b. Die Zellteilung war nur zwischen den durch Chromatin verbundenen Polen erfolgt, und so waren zwei einwertige End- zellen und eine doppelwertige mittlere entstanden. An der Kern- grofe lie sich jetzt erkennen, daf die kleinere Spindel die Sperma- spindel gewesen war. Wabhrend sich nun die beiden einwertigen Zellen regulir weiterfurchten (d und e), traten in der doppel- wertigen zunichst vergebliche Ansitze zur Teilung auf. Der klein- kernige Teil brachte es iiberhaupt nicht zur Abschniirung selb- stindiger Zellen, wogegen sich von dem unteren grofkernigen Be- zirk successive einwertige Zellen abschniirten, von denen wenigstens die zuerst gebildeten durch Vermittelung zweipoliger Mitosen ent- standen waren und also normale Kerne besafen. Aus diesem sehr unregelmikigen Furchungsgebilde, wie Fig. 73fes zeigt, entwickelte sich eine Doppelblastula (Fig. 73¢), die spiiter in ihre beiden Be- 170 Theodor Boveri, standteile zerfiel. Die kleine kugelige Blase stammt aus der oberen monokaryotischen Zelle der Fig. 73c, die Hauptblastula aus dem gesamten iibrigen Teil. Sie zeigt sich auf dem Stadium der Fig. 73g, der Form des Kies entsprechend, in die Lange gestreckt; der untere Teil ihrer Wand sieht voéllig normal aus, der obere dagegen besteht aus einem unregelmifigen Ballen gréferer und kleinerer Zellen, die zum Teil weit in die Furchungshéhle vor- springen und damit den bekannten ProzeS beginnen, durch den unbrauchbare Teile aus der Wand ausgeschaltet werden. Die kleine Blase wurde am 18. Marz als helle muntere Blastula getétet. Sie war zu einer Weiterentwickelung vermutlich zu klein; auch stammte sie, wie die Mikromere in Fig. 73f lehrt, - aus dem animalsten Bereich des Eies, der, wie ich friiher gezeigt habe (19, 22), zur Gastrulation unfihig ist. Aus der grofen Blastula entwickelte sich der Pluteus der Fig. 73a, in dessen primarer Leibeshéhle sich nun die pathologischen Elemente, die vorher in der Blastulawand gelegen waren, wiederfinden. Die Kerne der Larve besitzen, wie nicht anders zu erwarten, simtlich die gleiche GréSe, namlich diejenige von Amphikaryen. Dieses Objekt liefert einen besonders klaren Beweis, wie weder die Doppelbefruchtung an und fiir sich eine schidigende Wirkung austibt, noch auch die durch die Dispermie bewirkte abnorme Furchung, mag sie, wie in unserm Fall, auch noch so sehr vom normalen Typus abweichen, das Ei zu verderben vermag. Wenn nur eine gentigende Zahl von Zellen mit normalen Kernen vor- handen sind, so entwickelt sich dieser Teil des Keimes in typischer Weise. Alle aus Doppelspindeleiern geziichteten Gastrulae und Plutei mit Ausnahme von zweien zeigen den charakteristischen Gegensatz eines grof- und eines kleinkernigen Bezirks, wie er im vorigen Heft fiir einige solche Objekte genauer geschildert worden ist. Die 2 Larven, welche dieser Regel nicht folgen, sind einmal der soeben beschriebene, in Fig. 73a abgebildete Pluteus, fiir den die Zusammensetzung aus Zellen mit einheitlicher KerngréSe nach seiner besonderen Furchungsart von vornherein zu erwarten war; und zweitens eine schon im vorigen Heft (p. 31) erwihnte Echinus- Gastrula (Versuch vom 22. Marz 1902), fiir deren abweichendes Verhalten ich einen Grund nicht anzugeben vermag, wenn es auch an Erklarungsméglichkeiten dafiir nicht fehlt (vergl. 1. c. p. 36/37). Es ist nun noch darauf hinzuweisen, da in Doppelspindel- keimen aufer dem mono- und amphikaryotischen Bezirk auch Zellen-Studien. 171 } noch Bereiche mit anderen Kerngréfen erwartet werden kénnen. Denn nach den Resultaten tiber die dispermen Kier mit Tetraster | ist die Méglichkeit nicht ausgeschlossen, daf auch eine doppel- | wertige Blastomere, in der sich ein Tetraster entwickelt, normale Abkémmlinge liefert. Freilich miissen im allgemeinen derartige Bezirke gegeniiber jenen anderen sehr zuriicktreten und so werden sie sich, wenn ihre Kerngréfe nicht bedeutend ver- schieden ist, kaum’ abgrenzen lassen. Ich habe auch nur einen einzigen Doppelspindelkeim gesehen, bei dem deutlich drei Kern- groéfen zu unterscheiden waren. Gewichtiger als die oben genannte Ausnahme hinsichtlich der KerngréBe sind nun einige andere, die sich auf das Verhialtnis zwischen Furchungsart und Entwickelungsaussichten beziehen. Nach der aufgestellten Theorie miissen alle diejenigen Keimteile, deren Kerne sich aus denen des Eies durch zweipolige Mitosen ab- leiten, zu normaler Entwickelung befahigt sein. Die untersuchten Keime, fiir welche diese Feststellung méglich gewesen war, be- statigten diese Erwartung, mit Ausnahme von dreien, die sich anders verhielten. Es handelt sich um 3 Echinuskeime (Versuch vom 9. April 1905), die sich nach dem Typus der Fig. Vb (p. 19) gefurcht hatten und bei denen sonach mindestens die Halfte von normaler Beschaffenheit hatte sein sollen. Sie lieferten jedoch yillig pathologische Produkte. Ich registriere diesen Widerspruch gegen die Forderung der Theorie, ohne ihn aufklaren zu kénnen. Die 3 Objekte entwickelten sich zunichst zu schénen Blastulae mit primirem Mesenchym, dann wurden sie krank und zerfielen sogar ungewohnlich rasch. Gerade dieser Umstand tibrigens lait die Vermutung gerechtfertigt erscheinen, dafS es irgend eine andere Schidigung war, die den Keimen verderblich geworden ist. Ich habe nun noch 3, oben nicht mitgezihlte Keime zu beschreiben, bei denen ich den Zustand des ungefurchten Kies nicht beobachtet hatte, deren Entwickelung aber in einer Weise verlief, daS ich ihre Zugeh6rigkeit zum Typus der Doppelspindel- keime fiir unzweifelhaft halte. Alle 3 Objekte wurden nach dem ersten Teilungsschritt aufgefunden und isoliert, das eine im Zu- stand simultaner Vierteilung, die beiden anderen als Dreier von eigentiimlicher Beschaffenheit. Es sollen zunichst die beiden letzteren naher betrachtet werden. Das eine yon beiden habe ich, neben einem zweiten ganz abnlichen, aber nicht geziichteten, am 23. November 1901 in einer 172 Theodor Boveri, Kultur von Strongylocentrotus gefunden. Die Eier waren kurz! nach der Befruchtung geschiittelt worden und es fanden sich nach } dem Auftreten der ersten Furche sehr viele dreigeteilte, auch unser in Rede stehendes Objekt im Zustand der Dreiteilung. Doch | war es von den typischen Dreiern leicht dadurch zu unterscheiden (Fig. LXVa), dafi die eine der 3 Zellen (s) ungefahr doppelt so | gro8 war als jede der beiden anderen (d, und d,). Wahrend nun in d, und d, zur richtigen Zeit Kernblischen auftraten, war in der gro8en Zelle nichts davon zu entdecken; die hier gelegene | Strahlung stellte sich bei genauer Priifung als eine Doppelstrahlung heraus, deren Achse auf der Verbindungslinie von d, und d, senk= | recht stand. Zur Zeit als d, und d, in den vollen Ruhestand | Fig. LXV. tibergegangen waren, teilte sich s in s, und s,. Dieses Stadium |} ist in Fig. LXVb dargestellt; der Keim ist gegentiber dem in a | wiedergegebenen Zustand um die in den Figuren gezeichnete Achse © um 90° gedreht. So decken sich jetzt d, und d,, wabrend s, und s, sich in ganzer Ansicht prasentieren. Die weitere Furchung wurde nicht verfolgt. Das zweite derartige Objekt, ein Echinus-Ei, wurde am 11. Marz 1905 gefunden, gleichfalls unter vielen Dreiern. Es sah bei der Isolierung ganz ebenso aus wie das erste, auch hier bildeten sich in d, unn d, nach einiger Zeit Kernblischen, wihrend in s die zunichst einfach erscheinende Strahlung in eine deutliche Doppelstrahlung iiberging, deren Achse wieder auf der Ver- bindungslinie von d, und d, senkrecht stand. Der einzige Unter- LS. Zellen-Studien. 173 schied gegentiber dem vorigen Keim besteht darin (Fig. LXVIa), da’ zur Zeit, als diese Spindel in s fertig war, auch d, und d, schon wieder zur Teilung schritten, so daf nun ein sechszelliges Stadium folgte (Fig. LXVIb). In allen sechs Zellen traten dann gleichzeitig Kerne auf, und zwar waren die von s, und s, deutlich kleiner als die in den Abkémmlingen von d, und d,. Die Zellen -yermehrten sich weiterhin durch Zweiteilung. Fig. LXVL Wie diese Vorgiange zu beurteilen sind, dies wird klar, wenn wir zunachst beachten, daf nach der simultanen Dreiteilung des Kies nur in den zwei kleineren Zellen (d, und d,) Kerne auf- traten. Daraus geht hervor, daf nicht ein Triaster bestanden haben kann; denn in diesem Fall hatte auch die Zelle s Chromo- somen erhalten und gleichzeitig mit d, und d, einen Kern bilden miissen. Es war also ohne Zweifel im Bereich der spateren Zellen d, und d, eine selbstandige zweipolige Spindel vorhanden gewesen und neben dieser im Bereich der spiteren Zelle s eine zweite, dazu senkrechte Spindel, die aber gegentiber jener anderen stark im Riickstand war, so daf sie zunichst nur wie ein Pol wirkte. Wir hatten es also auch hier mit Doppelspindeln zu tun, nur nicht mit parallelen, sondern mit gekreuzten, und nicht mit simul- tan, sondern mit nacheinander auftretenden. Von vornherein ist kaum eine andere Annahme méglich, als daf die eine Spindel eine normale erste Furchungsspindel, die andere eine Spermaspindel ist; auch ist nicht zu bezweifeln, daf die zuriickgebliebene die Spermaspindel sein muff. Wir wissen schon durch die Unter- suchungen von O. und R. Herrwie (73), das Spermaspindeln nicht selten in ihrer Entwickelung hinter derjenigen, an welcher der Eikern beteiligt ist, zuriickstehen. Die gleiche Erfahrung hat TEICHMANN gemacht. Ueberdies finden wir in Fig. LXVIb die 174 Theodor Boveri, Kerne von s, und s, kleiner als die Kerne in den Abkémmlingen | von d, und d,, wie es nach jener Voraussetzung zu erwarten ist. Endlich habe ich in einer Serie stark besamter geschiittelter Echinuseier, die in verschiedenen Stadien abgetiétet worden waren, zwei Eier gefunden, welche sich als genaue Vorstadien zu den beiden in Rede stehenden Objekten darstellen. Das eine davon ist in Figg. LXVILa und b in zwei verschiedenen Ansichten wiedergegeben. Es zeigt eine typische zweipolige Figur bereits im Stadium der Tochterplatten, in a in seitlicher Ansicht, in b vom Pol gesehen, und daneben in der anderen Ejhalfte einen noch ziemlich unentwickelten Spermakern mit zwei Strahlungen, deren Verbindungslinie auf der Achse der ersten Spindel senk- | recht steht. Fig. LXVII. Merkwiirdig ist, daS sich, wenn die obere karyokinetische — Figur zur Zellteilung reif ist, eine Durchschniirung nicht nur zwischen ihren beiden Zentren, sondern auch zwischen jedem von diesen und der Spermaspindel vollzieht, wihrend ja sonst, wie wir erfahren haben, Durchschniirungen zwischen nicht durch Chromatin verbundenen Polen, wenigstens an den neapolitanischen Seeigeln, etwas Seltenes sind. Vielleicht liegt aber gerade in dem zuriick- gebliebenen Zustand der Spermaspindel ein die Durchschniirung des Protoplasmas begiinstigendes Moment. Es ware jedenfalls von Interesse, Fille dieser Art mit Riicksicht auf dieses zellmechanische Problem eingehender zu studieren. Die beiden in Figg. LXV und LXVI abgebildeten Keime wurden isoliert geziichtet. Betrachten wir zuerst den zweiten, so Zellen-Studien. 175 _zeigte sich dieser am niichsten Tag als eine tadellose etwas asymmetrische junge Gastrula, deren Mesenchymkranz auf der einen Seite bedeutend mehr und deutlich kleinere Zellen erkennen jieS als auf der anderen. Leider war die Larve bei ihren Be- -wegungen ganz an den Rand des Wassers geraten, wo sie fest- _klebte und auch durch Spiilen nicht losgemacht werden konnte. Fig. LXVIIL Die hierdurch bewirkte Schidigung diirfte der Grund sein, daf die Larve am nichsten Tag noch nicht tiber das in Fig. LX VIII wiedergegebene Stadium hinausgelangt war, in dem sie dann ab- getétet wurde. Es ist der Zustand der ,,Prisma“, in @ von vorn, in b von links, in ¢ von rechts gesehen. Die Asymmetrie riihrt wahrscheinlich zum Teil daher, daf die Larve mit der abge- platteten Seite festgeklebt war. Doch ist auch das Skelett auf beiden Seiten verschieden entwickelt, auf der linken Seite nicht 176 Theodor Boveri, nur weiter, sondern auch typischer. Auf dieser Seite finden sich | bedeutend weniger Kalkbildner als auf der anderen, und zwar fast | lauter groBe, waihrend dort das Mesenchymdreieck tiberwiegend | aus kleinen Zellen besteht +). Die konservierte und gefirbte Larve zeigte sich, wie zu er- | warten, aus einer groSkernigen und einer kleinkernigen Halfte zu- | sammengesetzt. Die Grenze fallt ziemlich genau mit der Median- | ebene zusammen; die rechte Larvenhilfte ist die kleinkernige. Das andere Objekt, ganz aus dem Anfang meiner Versuche | stammend (23. November 1901), entwickelte sich zu einem Pluteus | von so tadelloser Beschaffenheit, daf ich, damals noch nicht im } stande, seine Bedeutung zu wiirdigen, ihn gar nicht konservierte j und mir also die Méglichkeit einer Untersuchung seiner Kernver- | haltnisse entgehen lief’. Nur die Notiz findet sich in meinem — Protokoll, da die Larve auffallend viele Mesenchymzellen enthielt. Diese Bemerkung gewann erst spiter einen Sinn fiir mich; mu ' doch ein Keim, bei dem die eine Hilfte des vegetativen Poles mono- | karyotisch ist, nach den im vorigen Heft mitgeteilten Erfahrungen an Stelle der etwa 60 normalen Mesenchymzellen deren etwa 90 produzieren. Nach allem kann es nicht zweifelhaft sein, daB dieses Objekt sich ganz ebenso verhalten hat wie das vorige. Doch spricht die volle Symmetrie der Larve dafiir, daf die Grenzlinie des amphi- und monokaryotischen Bezirks hier nicht mit der Medianebene zusammenfiel, sondern auf ihr senkrecht stand, da’, mit anderen Worten, die beiden Bezirke sich symmetrisch auf die zwei Larven- halften verteilten. Das dritte der oben genannten Objekte, das ich dem Doppel- . spindeltypus zuweise, ohne diesen Zustand im Ei selbst konstatiert zu haben, ist in Fig. 75 (Taf. IX) abgebildet. Ich erhielt diese Larve bei dem letzten Versuch, den ich mit dispermen Simultan- vierern angestellt habe, n&émlich in der schon im Kapitel J be- sprochenen Zucht vom 9. April 1905, bei der 110 Echinuseier im Zustand simultaner Vierteilung isoliert worden waren. Neben den sonst gewohnlichen, mehr oder weniger krankhaften Gebilden ent- wickelte sich hier ein Pluteus von tadelloser Gesundheit und, wenn auch etwas verzogen, doch in allen Stiicken durchaus wohlgebildet. Nachdem unter den mehr als 1500 bis dahin geziichteten Vierern 1) Hs sind nicht alle Mesenchymzellen eingezeichnet. | Zellen-Studien. 177 niemals eine Larve von solcher Normalitaét aufgetreten war, hatte sich mir die Ueberzeugung gebildet, da simultane Vierteilung eines aus Kikern und zwei Spermakernen kombinierten ersten Furchungs- kerns tiberhaupt nicht zur Bildung véllig normaler Plutei fiihren _ kénne, und die oben besprochenen Wabhrscheinlichkeitsversuche -schienen diese Meinung voll zu bestitigen. Es dringte sich mir daher sofort die Annahme auf, daf hier nun wirklich einmal das sonst vergeblich Gesuchte eingetreten war, nimlich simultane Vier- teilung eines Doppelspindel-Eies, wie sie ja TEICHMANN direkt be- obachtet hatte. So wurde mir dieses Objekt zu einer Probe fiir die Richtig- keit der gewonnenen Anschauungen. War der Pluteus aus einem Doppelspindel-EKi entstanden, so mufte er den klaren Gegensatz eines grof- und kleinkernigen Bereichs aufweisen, wie er fiir diese Keime charakteristisch ist. Hatte das Ki dagegen einen Tetraster enthalten, so konnte der Pluteus wohl Bezirke verschiedener Kern- gréfe darbieten, jene Zusammensetzung aus zwei ungefihr gleich erofen Bereichen, mit Kerngréfen im Verhaltnis von Mono- und Amphikaryen, ware dagegen so unendlich unwahrscheinlich, da sie als ausgeschlossen gelten konnte. Die Priifung der Larvenkerne bestatigte meine Vermutung. Wie der optische Medianschnitt der Fig. 75d lehrt, ist der obere Teil der Larve mit der oberen Darmwand kleinkernig, der untere Teil grofkernig. Es ist dies also jene Kernverteilung, die wir auch fiir den zuletzt besprochenen Pluteus als die wahbrscheinlichste angenommen haben. Die Kerndurchmesser verhalten sich im Mittel ungefihr wie 3,75:5, die Oberflichen also wie 13:25; das ist das Verhiltnis von Mono- und Amphikaryen. Wahrend die Grenzlinie auf der Hinterseite in typischer Weise durch den After geht (Fig. 75a), verliuft sie auf der Gegenseite nicht, wie gewohnlich, ungefaihr auf der Kante des Mundlappens, sondern sie ist auf das Mundfeld verschoben, wo sie etwas schrag durch den vorderen Mundrand zieht. So ist der kleinkernige Teil des Ekxtoderms erheblich gréBer als der grofSkernige. Zum Teil mag dies daher riihren, dafi die simultane Vierteilung das Ei nicht in genau gleich grofe Zellen geteilt hatte. AuSerdem aber ist zu beachten, was aus dem Medianschnitt (Fig. 75d) sehr klar hervor- geht, da8 der grofkernige Bereich gerade besonders dickwandige Larventeile geliefert hat und daS speziell der von ihm gebildete Teil der Darmwand mehr als doppelt so dick ist als deren klein- kerniger Bereich. Bd, XLII. N. F. XXXVI. 12 178 Theodor Boveri, Dieser Gegensatz in der Wandstirke, welcher es méglich er- scheinen laf8t, dai die Volumina der von den beiden Bezirken gelieferten Epithelblatter sogar genau gleich grof sind, steht im Widerspruch mit einer im vorigen Heft (p. 56) gemachten Kon- statierung, wonach die Larvenschichten die gleiche Dicke besitzen, mégen sie aus grof{kernigen und also grofen, oder aus kleinkernigen und also kleinen Zellen bestehen. Wenn wir diesen Satz, fiir den besonders auch die Larve der Fig. 11 (Taf. Il) ein schénes Bei- spiel liefert, in unserem Pluteus nicht bestitigt finden, so kann dies kaum anders erklirt werden als dadurch, da’ in dem grof- kernigen Bezirk andere ,,individuelle“ Wachstumstendenzen vor- handen waren als in dem kleinkernigen, Verschiedenheiten, die - nicht mit der Menge, sondern mit der Qualitat der Kernsub- stanz zusammenhangen wiirden. Dafiir spricht auch die Tatsache, daf der obere und der untere Teil der Darmwand in der Inten- sitait ihrer Gliederung nicht miteinander harmonieren. Man ver- gleiche Fig. 75c und d mit Fig. 74, welche einen normalen Pluteus der gleichen Zucht darstellt. In unserem Vierer-Pluteus ist der obere Teil der Darmwand abnorm gestreckt, wie wenn das Material nur knapp ausreichej; der untere besitzt aufer den normalen Aus- buchtungen sogar noch eine Extrafalte zwischen Mittel- und End- darm, als wenn er in Verlegenheit sei, seine Zellenmenge unter- zubringen. Es ist moéglich, daf mit diesem Widerstreit verschiedener Wachstumstendenzen auch das eigentiimliche schnabelartige Vor- springen des Orallappens in Zusammenhang steht. Denn diese abnorme Richtung kénnte gerade dadurch bedingt sein, da der Darm wegen der sich widerstreitenden Tendenzen seiner oberen und unteren Wand nicht die normale Knickung er- fahren hat. Betrachtet man die Larve von hinten (a) oder von vorn (b), so zeigt sie sich in ihrem oberen Teil annahernd symmetrisch; die Scheitelstabe und Mittelstabe sind fast genau symmetrisch. Die Asymmetrie des unteren Teils beruht vor allem auf der verschiedenen Linge der beiden Analarme, sowie auf einer abnormen Ausbildung des linken Oralstabes, dem die typische Kriimmung nach unten fehlt (Fig. 75c). Er biegt an seinem Ende etwas nach innen (Fig. 75a) und tragt einige kleine Seitendste, die tibrigens auch in dem normalen Pluteus der Fig. 74 vorhanden sind. a | ___, Zellen-Studien. 179 Die genannten Symmetriestérungen lassen sich leicht mit der Zusammensetzung der Larve aus zwei verschiedenkernigen Be- zirken in Beziehung setzen. Die Scheitelstibe gehéren beide dem kleinkernigen Bezirk an, die Mittelstibe beide dem grofSkernigen. Von den Analstiben dagegen verliuft der linke ganz im klein- kernigen Bereich, wogegen der rechte Analarm fast vollstaindig von dem grofkernigen gebildet wird. Endlich kénnte die Art, wie in der Nahe des linken Orabstabes die beiden Kernbezirke anein- ander grenzen, vielleicht fir die abnorme Richtung dieses Skelett- stiickes verantwortlich gemacht werden. So hatten wir also in den drei letztbeschriebenen Larven in der Tat den idealen Fall von Doppelspindeln mit sofortiger Bildung einwertiger, mono- und amphikaryotischer Zellen vor uns, und die — von untergeordneten Punkten abgesehen — ganz typische und vor allem véllig gesunde Entwickelung dieser Keime bestitigt in vollkommenster Weise unser am Anfang dieses Kapitels auf- gestelltes Postulat. Bei der Besprechung der Plutei aus dreigeteilten Eiern habe ich die Frage aufgeworfen (p. 91), ob sich zwischen der Stellung der dreiteiligen ersten Furche und der Medianebene der Larve gesetzmafige Beziehungen nachweisen lassen, und ich bin dort zu dem Resultat gelangt, daf unter der Annahme einer im Ei pra- formierten Symmetrieebene alle zur Beobachtung gelangten Ver- teilungsarten der drei Drittel sich so erklaren lassen, daf die Eistruktur die Tendenz hat, die drei Sphiren zu jener Ebene symmetrisch aufzustellen (vergl. Fig. XL). Bei den Eiern des Tetraster-Typus bin ich auf diese Frage nicht eingegangen, da ich nur tiber sehr wenige Fille verfiige, bei denen tiberdies die Kernverteilung nicht ganz exakt festzustellen war. Bei den Larven aus Doppelspindel-Eiern liegen die Ver- haltnisse wieder viel giinstiger. Der scharfe Gegensatz eines grof- kernigen und eines kleinkernigen Bezirkes gestattet eine sehr ge- naue Aussage, in welcher Weise die beiden Spindeln zur spateren Medianebene orientiert waren. Eine Betrachtung der einzelnen Falle fiihrt nun zu einem ganz dhnlichen Ergebnis wie bei den Dreiern. Denken wir uns namlich wieder eine im Ei praformierte Symmetrieebene, zu der sich die Sphiren symmetrisch anordnen, so ergeben sich auf den ersten Blick zwei Positionen, welche dieser Forderung geniigen: die beiden Spindeln stehen zu jener Ebene 12* 180 Theodor Boveri, parallel (Fig. LXIXa) oder auf ihr senkrecht (b). Diese beiden Stellungen haben gemeinsam, daf sich auf jeder Seite der Sym- metrieebene zwei Sphiren gegeniiberstehen. Daneben gibt es aber noch eine dritte Symmetrieméglichkeit (Fig. LXIXc), naémlich die, daS zwei Zentren in die Medianebene fallen, die beiden anderen sich rechts und links gegeniiberstehen. Diese Anordnung wird sich in der Natur sogar noch symmetrischer gestalten kénnen, als es in unserem Schema gezeichnet ist. a b c Fig. LXIX. Aus diesen drei Stellungen wiirden sich nun alle von mir be- obachteten Verteilungsmodi zwanglos ableiten lassen. Die Plutei der Figg. 69 und 72 reprisentieren den Typus a, Fig. 75 den Typus b, Fig. 71 den Typus c. Der Umstand, daf die Grenze des amphi- und monokaryotischen Bereichs fast nirgends ganz genau unserer Forderung entspricht, liefe sich einmal durch ge- ringe Ungleichheiten in der Grofe der Blastomeren erklaren; in viel héherem Mae aber ware er jedenfalls dadurch bedingt, daf, mit Ausnahme des Falles der Fig. 75 und jenes der Fig. LX VIII (p. 175), sich bei allen Larven aus einer oder aus beiden Keim- halften pathologische Elemente abgelést haben, wodurch gréfSere oder geringere Verschiebungen stattfinden miissen, welche, wie besonders stark in der Larve der Fig. 70, den urspriinglichen Verlauf der Grenzlinie stéren. Es mag nun noch hinzugefiigt werden, dafi das Wenige, was an den Tetraster-Larven hinsichtlich dieser Frage festzu- stellen war, sich unseren bei den Dreier- und Doppelspindel-Larven gewonnenen Anschauungen gut einfiigen lift. Wo eine ungefahre Bestimmung der vier Viertel tiberhaupt méglich war (Fig. 54a, Fig. 60 und Fig. 64), wies ihre Verteilung auf eine Zentrenstellung zuriick, welche der in Fig. LXIXc fiir den Doppelspindeltypus gezeichneten entspricht. Zellen-Studien. 181 M. Pathologischer Effekt mehrpoliger Mitosen, die auf andere Weise entstanden sind. War der Schluf richtig, daf disperme Kier, die sich patho- logisch entwickeln, dies nur deshalb tun, weil die in ihnen auf- tretenden mehrpoligen Mitosen zu einer unrichtigen Verteilung der Chromosomen fiihren, so mufte es méglich sein, ganz ahnliche pathologische Erscheinungen dadurch an monospermen Keimen hervorzurufen, dafi man auf irgend eine andere Weise mehrpolige Mitosen in ihnen zur Ausbildung brachte. Schon friiher hatte ich Erfahrungen gemacht, die dieses Postulat zu bestitigen schienen. Ich hatte bei normal befruchteten Seeigeleiern durch Pressung oder Kalte die erste Furche unterdriickt (15), wodurch ganz ahnliche Folgezustinde bewirkt wurden, wie sie oben fir die dispermen Kier des Doppelspindeltypus beschrieben worden sind. Aus iso- lierten Objekten dieser Art entstanden Stereoblastulae, die denen aus dispermen Kiern vollkommen zu gleichen schienen. Gerade als ich dieser Frage von neuem meine Aufmerksam- keit zuwendete, erschien eine wichtige Arbeit von E. B. Wiison (130), in der er zeigte, da man die Zellteilung durch ein auch sonst vielfach verwendbares Mittel. unterdriicken kann, namlich durch Schiitteln. Werden Seeigeleier, die gerade im Begriff sind, sich einzufurchen, einige Zeit geschiittelt, so wird bei vielen die Durchschniirung hintangehalten. Aus solchen Keimen hat Wiuson normale Plutei erhalten. Betrachten wir nun, was in diesen Keimen mit unterdrtickter erster Furche geschieht, so sind die Verhaltnisse zunichst in allen Fallen ziemlich gleichartig. Jeder Tochterkern mit seinem Cyto- zenirum bildet nach der richtigen Pause eine zweipolige Figur, und diese beiden Spindeln, die normalerweise den beiden primaren Blastomeren angehéren sollten, liegen in dem ungeteilten Proto- plasma parallel nebeneinander. Der Zustand hat mit dem eines dispermen Doppelspindel-Eies sehr grofe Aehnlichkeit, nur daf in unserem jetzigen Fall in beiden Spindeln Amphikaryen vorhanden sind, dort dagegen in der einen bloS ein Spermakern. Wie dort tritt nun in der Regel — in den von mir beobachteten Fallen sogar ausnahmslos — die Protoplasmadurchschniirung nur zwischen den durch Chromatin verbundenen Polen auf, d. h. es entstehen zwei ebenfalls doppelwertige Zellen. So gleichartig diese Anfinge sind, so verschieden kann das schlieBliche Schicksal solcher Keime sein. In den Fallen von 182 Theodor Boveri, WIixson entstanden normale Plutei; meine oben erwaihnten Objekte dagegen hatten sich ausnahmslos pathologisch entwickelt. Wir sto8en also hier auf die namlichen Differenzen, wie bei den di- spermen Doppelspindel-Eiern; und wenn wir nach der Ursache dieser Verschiedenheit fragen, so werden wir auf das gleiche variable Moment gewiesen, wie dort: ob sich namlich die schlieB- lich entstehenden einwertigen Zellen durch Vermittelung zwei- oder mehrpoliger Mitosen bilden. Fiir die von mir verfolgten Falle wire das letztere anzunehmen. In der Tat waren bei einigen Objekten, bei denen die erste Furche durch Pressung unterdriickt worden war und die ich vor der Uebertragung in das Zuchtgefa8 lingere Zeit unter dem Deckglas beobachtet hatte, in einzelnen Blastomeren die zwei Kerne verschmolzen und dann vierpolige Mitosen aufgetreten. Fiir die Wizsonschen Falle dagegen diirfen wir es nach seinen Angaben und Zeichnungen als sicher betrachten, da8 die andere Alternative verwirklicht war. Offenbar besafi das Eimaterial, mit dem er experimentiert hat, in besonders hohem Grad die Fahig- keit, Protoplasmateilung auch zwischen Sphiren zu bewirken, die nicht durch Chromatin gekoppelt waren. So traten hier schon auf friihen Furchungsstadien lauter einwertige Zellen auf, deren Kerne alle durch Zweiteilung entstanden und also normale Amphikaryen waren. Wahrend nun diese Wixsonschen Ergebnisse, da seine Ob- jekte sich normal entwickelten, fiir unsere Frage vollig eindeutig sind, kénnte gegen die meinigen der Einwand erhoben werden, daf die hierbei konstatierte pathologische Entwickelung nicht durch die Intervention mehrpoliger Mitosen, sondern durch irgend eine andere Schaidigung: durch die Abkiihlung oder durch die Pressung oder bei den in ihrer Furchung verfolgten Keimen durch die lange Absperrung unter dem Deckglas, verursacht worden sei. Um diesen Einwand auszuschlieBen, habe ich nun noch eine Reihe von Versuchen mit dem von Winson als unschidlich nach- gewiesenen Schiittelverfahren angestellt, wobei die Eier, um jede andere Schidigung zu vermeiden, direkt in das Zuchtgefif isoliert wurden. Um iiberdies im gleichen Keim einen normalen Kontroll- bereich zu haben, beschrénkte ich das, was Witson mit dem ganzen Ki ausgefiihrt hatte, auf eine oder einige bestimmte Blastomeren. Von diesen Experimenten war schon oben (p. 82) bei Be- sprechung der Larvensymmetrie die Rede. Anstatt die Kier a, a i eee es Zellen-Studien. 183 waihrend der ersten Teilung zu schiitteln, wurde dieser Kingriff wahrend der zweiten, dritten oder vierten vorgenommen. Es sind unter den zahllosen EKiern einer Kultur immer einige, bei denen sich die beiden primiren Blastomeren nicht genau im gleichen Stadium befinden, und noch gréfer sind diese zeitlichen Differenzen bei der weiteren Furchung. Es gelingt daher leicht, nachdem man die Kier z. B. beim Uebergang vom Zwei- zum Vierzellen-Stadium geschiittelt hat, Objekte zu finden, bei denen die Furche auf der einen Seite unterdriickt worden ist, auf der anderen nicht. Ein solcher Keim ist also nach unserer Theorie in seiner einen Hialfte sicher normal, die andere Halfte kann normal oder in verschiedenem Grad pathologisch werden, je nach der Art der Mitosen, welche beim Uebergang zum Zustand einwertiger Zellen auftreten. Bei einem Versuch dieser Art (Echinus, 3. Februar 1902) wurden 65 solche Objekte isoliert. Von diesen entwickelten sich 41 vollig normal, die iibrigen 24 erreichten zwar alle das Pluteus- stadium, zeigten aber in mehr oder weniger ausgepragter Weise pathologische Verhaltnisse. Und zwar lassen sich diese letzteren Larven wieder in zwei Gruppen teilen. Die einen enthielten sehr grofe pathologische Elemente im Innern, gréSere oder kleinere Furchungszellen, meistens auf die eine Larvenhilfte lokalisiert. Diese Objekte waren als symmetrische Plutei ausgebildet, die sich von den vollig normalen nur durch etwas geringere Grofe unter- schieden. Bei den anderen bestanden die nach innen getretenen Massen aus ganz kleinen Zellen oder deren Zerfallsprodukten. Drei solche Objekte sind in Fig. 16—18 (Taf. III) abgebildet. Sie veranschaulichen, in wie verschiedener Menge diese patho- logischen Teile auftreten kénnen, zugleich auch, da8 dieselben genau entweder der rechten oder der linken Larvenhalfte angehoéren. Stets sind diese Larven asymmetrisch; einer véllig typisch und gesund entwickelten Larvenhalfte steht diejenige, welche die patho- logischen Elemente enthalt, verkiimmert gegentiber, um so ver- kiimmerter, je reichlicher sie mit kranken Teilen beladen ist. Wir begegnen hier also wieder der mit zunehmendem Alter sich vermindernden Regulationsfahigkeit, von der oben (p. 135) bei den Dreiern mit einem pathologischen Drittel die Rede gewesen ist. Wenn ich nun auch fiir keinen der genannten 65 Keime an- zugeben vermag, wie seine spateren Teilungen verlaufen waren, so kann doch, wie ich glaube, die Deutung der Ergebnisse nicht zweifelhaft sein. Denn da in der Entwickelung der Keime, bei denen eine Furche unterdriickt worden ist, die Doppelwertigkeit 184 Theodor Boveri, der Zellen in sehr variabler Weise hier durch weniger, dort durch mehr Teilungsschritte bewahrt bleibt und daf der Uebergang zu einwertigen Zellen in gleichfalls variabler Weise bald durch zwei-, bald durch vierpolige Mitosen vermittelt wird oder unter Um- stiinden ganz unterbieibt, dies alles ist sicher. Die in der Ent- wickelung unserer Larven konstatierten Verschiedenheiten stimmen also mit unseren Erwartungen aufs vollkommenste iiberein. Sie zeigen, daf Erkrankung nur in dem Bereich des Keimes ein- tritt, in dem doppelwertige Zellen entstanden sind, da’ aber auch diese Teile durchaus nicht notwendig krank werden, sondern nur unter gewissen Bedingungen, als welche wir eben nichts anderes als die mehrpoligen Teilungsfiguren ansehen kénnen. Auger den genannten Versuchen, bei denen die Teilung der einen 1/,-Blastomere unterdriickt worden war, habe ich noch folgende andere ausgefiihrt: Unterdriickung der Teilung in einer '/,-Blastomere, Unterdriickung der Teilung im animalen Ring beim Uebergang vom 8- zum 16-Zellen-Stadium, Unterdriickung der Mikromerenbildung. Von diesen Versuchen, welche in mancher Hinsicht von ent- wickelungsphysiologischem Interesse sind und in dieser Bedeutung anderwirts erértert werden sollen, will ich hier nur noch die letztangeftihrten etwas naher beschreiben, weil sie die Bedeutung dieser Versuchsart fir unser gegenwirtiges Problem besonders klar illustrieren. Es wurden (Versuch vom 22. Februar 1902) Echinus-Eier, die gerade im Begriff standen, die Mikromeren zu bilden, etwa eine Minute lang mafig geschiittelt. Es konnten 6 Exemplare isoliert werden, bei denen die Mikromerenbildung unterdriickt worden war, wihrend sich die 4 animalen Zellen regular in 8 geteilt hatten. Da8 die Mikromerenfurche nicht etwa aus einem anderen Grund unterblieben war, ging daraus hervor, daf§ noch Einbuchtungen an den Stellen zu erkennen waren, wo die Furche hatte durchschneiden sollen. Das weitere Schicksal dieser 4 doppelwertigen vegetativen Zellen ist nun das folgende. In einer jeden von ihnen stehen sich (Fig. LXXa) zwei Kerne gegeniiber, deren einer gegen den Aequator des Keimes gerichtet ist, der andere gegen den vege- tativen Pol. An Stelle des ersteren zeigt sich spiter eine zum Aequator parallele Spindel, an Stelle des letzteren eine meridionale Zellen-Studien. 185 | (Fig. LXXb). Beide Spindeln nehmen also genau die Positionen ! ein, wie wenn die Teilung nicht unterdriickt worden wire. Die nun folgende Teilung verlief in fiinf von den 6 Fallen so, da8 die ) meridionale Spindel, die immer noch in einer Vorwélbung des _ Plasmas gelegen war, eine kleine Zelle zur Abschniirung brachte (Fig. LXXc). Es sah aus, als traéten die unterdriickten Mikromeren einfach verspiitet auf. Die horizontal gestellte Teilungsfigur brachte es nur zu einer einseitigen, vom Aequator des Keimes her ein- schneidenden Furche, die dort, wo sie auf den inneren Pol der meridionalen Spindel stief, ihr Ende fand und spiater wieder riickgangig gemacht wurde. Es waren also in diesen Keimen die 8 normalen Mesomeren vorhanden, sowie, wenn auch nicht die a Fig. LXX. eigentlichen, so doch typische einwertige Mikromeren; an Stelle der normalen Makromeren dagegen fanden sich dreiwertige Zellen, fiir welche eine Zerlegung in einwertige ohne Intervention mehrpoliger Mitosen sehr unwahrscheinlich ist. Dementsprechend gingen aus diesen 6 Keimen neben einer fast normalen Larve 5 hervor, die gréfere und kleinere patho- logische Zellen enthielten; doch waren die gesunden Teile ge- niigend, um wohlgestaltete und symmetrische Plutei entstehen zu lassen, die nur alle dadurch eigentiimlich waren, daf der Darm, verglichen mit dem der normalen Kontrollobjekte, sich, bei typischer Gliederung, deutlich verkiimmert erwies. Dieser Defekt ist leicht dadurch zu erkliren, daS gerade die in unseren Larven patho- logisch gemachten Makromeren es sind, aus denen bei der typischen Entwickelung der Darm entsteht. Wir haben nun die durch Furchenunterdriickung gewonnenen pathologischen Objekte noch etwas genauer mit dispermen Larven zu vergleichen. Da ist vor allem die iiberraschende Aehnlichkeit 186 Theodor Boveri, der beiderlei Produkte hervorzuheben, derart, da8 z. B. Larven, wie die in Fig. 16 und 18 (Taf. III) abgebildeten ganz ebensogut aus dispermen Eiern stammen koénnten. Und darin liegt ja die Hauptbedeutung dieser Versuche. Was kénnte auf den ersten Blick verschiedener erscheinen als das Eindringen zweier Spermien in ein Ei und das Schiitteln eines normal befruchteten Eies beim Ueber- gang vom zwei- zum vierzelligen Stadium! Und doch ist der Effekt unter Umstaénden der gleiche. Dies noétigt uns eben, hinter diesen beiden so verschiedenartigen Erscheinungen nach einer Wirkung zu suchen, die beiden gemeinsam ist, und als solche kann nichts anderes betrachtet werden, als da die Doppel- befruchtung genau wie das Schiitteln zur Bildung von Zellen mit — mehr als zwei Polen fiihrt und als Folge davon zur Entstehung mehrpoliger Teilungsfiguren. Es mag noch darauf hingewiesen sein, daf eine infolge von Furchenunterdriickung doppelwertige Zelle, in der sich dann eine vierpolige Mitose ausbildet, giinstiger gestellt ist, als ein dispermes Tetraster-Ei, da dort alle Chromosomenarten 4-fach, hier nur 3-fach vertreten sind. Die Aussichten der ersteren Objekte diirften also mehr denen der dispermen Dreier als denen der Vierer ent- sprechen. Des weiteren ist nun ein Kennzeichen namhaft zu machen, welches die durch partielle Furchenunterdriickung krank- haft verinderten Keime von den im tibrigen oft so ungemein ahn- lichen dispermen Doppelspindelkeimen unterscheiden lift, namlich dafi die letzteren aus einem grofi- und kleinkernigen Bezirk zu- sammengesetzt sind, wogegen bei den ersteren alle durch zwei- polige Mitosen entstandenen Kerne gleich grof sein mtissen. Aber auch diese Larven kénnen in beschrinktem Maf Kerne von anderen Gré8en darbieten, insofern nimlich die Méglichkeit besteht, daf auch aus mehrpoligen Mitosen unter Umstinden normale Kerne sich ableiten. Worauf wir weiterhin die beiderlei Larven zu vergleichen haben, das ist die Art ihrer Asymmetrie. Bei Besprechung der aus dispermen Dreiern entstandenen gesunden Plutei haben wir erfahren (p. 105), daf sie fast alle mehr oder weniger asym- metrisch sind. Wir sind dort zu dem Schlu8 gelangt, da diese Asymmetrie, wenn auch nicht ausschlieflich, so doch zum gréSten Teile darauf beruhen miisse, daf in den beiden Larvenhalften _,,in- dividuell* verschiedene Tendenzen wirksam seien. Auch bei den Doppelspindellarven der Figg. 71, 72 und 75 (Taf. IX) schien die Asymmetrie mit den Bereichen verschiedener Kernsubstanz zusammen- Zellen-Studien. 187 zufallen und also im gleichen Sinn zu sprechen. Nun hat sich ,gezeigt, dai auch die normal befruchteten Keime, bei denen in der einen Halfte mehrpolige Mitosen erzeugt worden waren, asymmetrisch sind (Fig. 17, Taf. II]). Hier kann aber kaum ein Zweifel be- stehen, daf die verschiedene Entwickelung der beiden Larvenhilften i nicht einen verschiedenen Typus bedeutet, sondern lediglich eine Verkiimmerung der einen Seite infolge des durch die Aus- _schaltung einzelner pathologischer Stellen geschaffenen Defekts. So _koénnte man geneigt sein, auch die Asymmetrie der dispermen Plutei in diesem Sinn zu deuten. | Demgegeniiber ist jedoch erstens zu bedenken, daf bei den _dispermen Dreier-Larven, von denen bei jenen Betrachtungen itiber _ Asymmetrie die Rede war, gar keine pathologischen Elemente | | abgestofen waren, daf also dieser Grund fir partielle Ver- _kiimmerung dort keine Rolle gespielt haben kann. | Zweitens aber kommen bei den dispermen Larven Asymmetrieen | vor, die nicht auf schwicherer Entwickelung der einen Larvenhilfte beruhen, sondern darauf, da die beiden Hialften bei gleicher Starke nach einem verschiedenen Typus gebaut sind. Als solche Larven wurden oben besonders diejenigen der Figg. 21a und 28 (Taf. IV) namhaft gemacht. Es ist sehr lehrreich, diese Bilder mit dem der Fig. 17 (Taf. III) zu vergleichen. Bei der letzteren Larve ist der Skeletttypus beiderseits essentiell gleich, nur sind alle Teile: Scheitelstab, Mittelstab, Oralstab und vor allem der Analstab auf der einen Seite kiirzer. Besondere Beachtung verdient die Tatsache, daf die Mittelstiibe genau aufeinander passen, wodurch ein ganz kontinuierlicher Uebergang von der einen Seite zur anderen ver- mittelt wird. Damit vergleiche man nun die Larve der Fig. 28. Auf der einen Seite ist der Scheitelstab langer, auf der anderen der Analstab, die Mittelstabe verlaufen in ganz verschiedenem Niveau. Hier ist also die mosaikartige Zusammenfiigung ver- schiedener Skeletttypen unverkennbar. Es braucht kaum gesagt zu werden, wie gut diese Unterschiede zwischen den dispermen Dreierlarven und den durch die patho- logische Wirkung einseitiger Furchenunterdriickung asymmetrisch gewordenen Larven mit unseren Anschauungen harmonieren. Bei den letzteren findet sich in allen gesunden Teilen, mit vielleicht ganz geringen Ausnahmen, Kernsubstanz gleicher Art, wogegen sie bei den Dreierlarven in den einzelnen Bezirken notwendig ver- schieden sein muf. 188 Theodor Boveri, N. Ueber die Zellenerkrankung in dispermen Keimen. In den vorhergehenden Kapiteln hat uns von den pathologischen | Folgen der Dispermie nur die Tatsache beschaftigt, da einzelne Larvenbezirke erkranken und damit ihre Entwickelung einstellen; jetzt ist noch zu betrachten, worin diese Erkrankung besteht. Wir | wissen schon, daf der Verlauf in den weitaus meisten Fallen der ist, daS die Zellen der Blastulawand ins Innere treten, wo sie im | lebenden Zustand unregelmifige Anhiufungen von gréferen und klieineren, verschieden stark lichtbrechenden Ballen und K6rnern darstellen. Macht man darin durch Farbung die Kerne sichtbar, so erscheinen sie zumeist als ,Halbmonde“, d. h. als intensiv ge-- farbte homogene Kugelschalen, die einen achromatischen K6érper in der Regel zur Halfte umschliefen. Erst das genauere Studium einer gréferen Zahl von Fallen und vor allem der friihesten Stadien | der Erkrankung belehrte mich, daf der Prozei weit mannigfaltiger RE 2 | | i | und aus diesem Grund fiir das Problem der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen von viel gréferer Bedeutung ist, als ich anfing- lich, wo der blofe Gegensatz von gesund und krank meine ganze Moines arate in Anspruch nahm, gedacht hatte. Das spite Erkennen der sich hier erhebenden Fragen ist dem | Grund, warum ich diese Seite unseres Gegenstandes nicht so ein- | gehend behandeln kann, wie es wiinschbar wire. Besonders war es nicht mehr méglich, das, was die in Pikrin-Essigsiure oder Formol konservierten und in Karmin gefirbten Totalpriparate, so- wie einige mit EKisenhamatoxylin behandelte Schnittserien darboten, noch vermittelst anderer Konservierungs- und Farbungsmethoden — zu erginzen. So tragen die folgenden Mitteilungen einen vorliufigen Charakter, und ich beschrinke sie auch noch deshalb auf die mir am wesentlichsten erscheinenden Umrisse, weil mein Freund und fritherer Schiiler, Herr J. A. Murray in London, die Absicht hat, - auf Grund meiner Praparate und weiterer eigener Untersuchungen, von denen einiges schon in die folgende Darstellung aufgenommen worden ist, Ausfiihrlicheres tiber den Gegenstand zu veréfientlichen. I. Der Zeitpunkt der Erkrankung. In weitaus den meisten Fallen sehen die jungen dispermen Blastulae noch voéllig gesund aus. Der Umschlag ins Pathologische setzt gewoéhnlich in den vollig aufgeblihten Blastulae ein, vor, wihrend oder nach der Bildung des primiren Mesenchyms. In Zellen-Studien. 189 ‘geltenen Fiillen werden schon gréfere oder kleinere Furchungs- zellen ins Innere verlagert; doch ist es mir zweifelhaft, ob es sich -hierbei um eine spezifische Wirkung der Doppelbefruchtung und nicht vielmehr um einen pathologischen Vorgang anderer Art -handelt. Solange die Bedingungen, unter denen dieses friihzeitige ' Ausscheiden aus der Entwickelung zu stande kommt, nicht genauer bekannt sind, hat dasselbe fiir unsere Fragen kein Interesse. Viel wichtiger ist es, daf’ die Erkrankung auch bedeutend gpiter als im Blastulastadium erfolgen kann. Man findet Gastrulae | und Plutei, bei denen der ProzeS eben beginnt oder wenigstens / noch im Gang ist. Zwei Beispiele mégen dies illustrieren. Fig. 77 (Taf. X) zeigt den optischen Schnitt durch eine Gastrula aus einer ' isolierten */;-Blastomere eines dispermen Echinuseies (Versuch vom | 25. Marz 1905). Sowohl im Ektoderm wie im Entoderm sieht man, noch ziemlich vereinzelt, erkrankte Zellen, zum Teil gerade im Begriff, das Epithel zu verlassen. In Fig. 81 (Taf. X) ist ein _ Stiick der Wand eines Dreierpluteus von Strongylocentrotus (Ver- such vom 6. Januar 1902) wiedergegeben. Die Larve ist sehr gut entwickelt, in der ganzen rechten Seite und im Scheitel vdllig normal, im Bereich des linken Anal- und Oralstabes verkiimmert. Dieser Teil der Larve, aus ziemlich kleinkernigen Zellen bestehend, ist erkrankt, aber offenbar erst sehr spat, denn ein grofer Teil dieser Zellen bildet noch Larvenwand, zum Teil allerdings mit schon stark metamorphosierten Kernen. Es ist nach dem Gesagten kaum mehr nétig, hervorzuheben, daf im gleichen Keim der eine Bereich friiher, ein anderer spater erkranken kann. Ja dies ist sogar das gewoéhnliche Verhalten. Einige Falle aber von dispermen Vierern habe ich verfolgt, wo sich die véllig normal aussehende Blastula im Verlauf ganz kurzer Zeit in allen ihren Teilen triibte und nach einigen Stunden in einen regungslosen Klumpen verwandelt war. Handelt es sich in dem bisher Gesagten um zeitliche Ver- schiedenheiten zwischen Bereichen, die aus verschiedenen primaren Blastomeren stammen, so haben wir nun als eine auffallendere zeitliche Differenz die Erscheinung zu erwahnen, dai haufig auch die Zellen eines und desselben Drittels oder Viertels nicht zur gleichen Zeit krank werden. Dies abt sich am deutlichsten an den aus dem Verband gelésten primaren Blastomeren erkennen. ,,Stereoblastulae‘, d. h. Gebilde, die aus einer epithelialen Wand und pathologischem Inhalt bestehen, 190 Theodor Boveri, kénnten ja, wenn alle Abkémmlinge einer primaren Blastomere im gleichen Moment krank wiirden und ihre epitheliale Anordnung — aufzugeben strebten, aus solchen Partialkeimen gar nicht entstehen, | sondern nur durchaus gleichartige Zellenhaufen. In der Tat laft sich haufig genug beobachten, dafi sich eine disperme 1/,- oder 1/,-Blastula sehr rasch in einen unregelmifigen Klumpen patho- logischer Zellen verwandelt, der noch langere Zeit seinen Zu- sammenhang bewahren kann. Daneben gibt es aber unter den dispermen Partialkeimen nicht selten Stereoblastulae von lingerem Bestand. Alle Zellen eines solchen Keimes enthalten Kerne der gleichen Art und sind also nach unseren Anschauungen Aqui- valent. Warum sind die einen krank, die anderen noch nicht? ~ Auch in Ganzkeimen bemerkt man nicht selten, da’ zuerst nur einzelne Zellen aus einem Wandbereich austreten und erst all- mahlich mehr. Diese Tatsache wird vielleicht verstindlicher, wenn man be- achtet, welche zeitlichen Differenzen bei den Larven der Kchiniden in einem anderen Punkt bestehen, néamlich hinsichtlich der Teilungsschritte der einzelnen Zellen. Es unterliegt nach den Kernzahlungen von H. Scumipt keinem Zweifel, da8 zu einer Zeit, wo viele Zellen schon aufgehdrt haben, sich zu teilen, andere noch eine Teilung erleiden, daf sie also gegeniiber jenen langer und unter Umstinden viel linger in einem ,,jiingeren‘‘ Zustand verharren. Da nun die Erkrankung der Zellen in dispermen Larven erst mit einem bestimmten Entwickelungsstadium einsetzt, so liegt die Annahme sehr nahe, daf die einzelnen Zellen eines solchen Bereiches erst dann erkranken, wenn sie eine bestimmte Zahl von Teilungen hinter sich haben; und wenn also, wie wir eben gesehen haben, die Zellen eines gleichkernigen Bezirks in dieser Hinsicht von- einander verschieden sind, so la8t sich auch verstehen, warum sie zu verschiedenen Zeiten erkranken. Bei der Beurteilung der langer bestehenden Stereoblastulae aus isolierten primaren Blastomeren diirfte auch noch die unge- heure Zahigkeit in Betracht zu ziehen sein, mit der die Larven- zellen den epithelialen Zusammenhang zu bewahren streben. Zu ganz diinnen Scheibchen platten sich die letzten Zellen der Wand ab, um in ihrer geringen Zahl doch noch den epithelialen Ab- schlu8 aufrecht zu erhalten, auch wenn sie schon deutliche An- zeichen pathologischer Veranderung an sich tragen. Waren sie die ersterkrankten gewesen, so hitten sie in diesem Zustand ver- mutlich die Wand schon verlassen. | Zellen-Studien. 191 il. Die pathologischen Veranderungen der erkrankten Zellen. Schon im Kapitel E haben wir zwei Haupttypen der Erkrankung unterschieden, nimlich Auflésung eines Wandbereichs nach aufen | (Fig. XV und XVI, p. 56) und AbstoSung der Wandungszellen nach innen (Fig. XVII—XX, p. 56/57). Diese zwei Vorgiinge sind scharf auseinanderzuhalten. Bei dem letzteren machen die Zellen einen deutlich kranken Eindruck, bei dem ersteren erscheinen sie vollig gesund. Beide Prozesse kommen nicht selten in der gleichen Larve nebeneinander vor, wie z. B. bei der in Fig. 79 (Taf. X) abgebildeten Blastula, die aus einem simultan viergeteilten Echinus-Ei stammt und, als sie konserviert wurde, etwa 24 Stunden alt war. Hier findet man einen Teil der urspriinglichen Wand, offenbar ein Viertel, in Gestalt pathologischer Massen mit stark yeriinderten Kernen nach innen getreten, wahrend ein anderer Bereich sich gerade in seine Zellen auflést, von denen einige ganz locker anhingende durch die Prozeduren, die der Keim bis zur Einbettung in Balsam durchzumachen hatte, weggerissen worden sind. Bei diesem letzteren Typus der Erkrankung ist das einzige vom - Normalen Abweichende, daf die Zellen nicht mehr Epithel bleiben wollen. Ganz iahnlich wie im kalkfreien Seewasser nehmen sie Kugelgestalt an und fallen auseinander. Ihre Kerne sehen ganz normal aus und befinden sich — ein Zeichen bester Gesundheit — haufig im Teilungszustand. Ja es scheint nach den Fallen, die ich mit Reagentien untersucht habe, da8 Mitosen in diesen sich auflésenden Wandbezirken sogar besonders haufig sind. Man betrachte als Beleg Fig. 80, welche ein Stiick einer 24 Stunden alten Echinusblastula darstellt, wo die Auflésung eines Viertels der Wand gerade beginnt. Fast alle Zellen sind in Teilung. Es ist nicht unwahrscheinlich, dafi hier die krankhafte Tendenz der Zellen, sich voneinander zu lésen, durch das Abrundungsbestreben, das jeder in Teilung be- griffenen Zelle zukommt, unterstiitzt wird. Die Auflésung kommt, soweit ich beobachtet habe, stets im Blastulastadium vor. Die Gréfe der Zellen ist in den einzelnen Fallen verschieden. Freilich kann man auch in dem gleichen sich auflésenden Bezirk Zellen finden, von denen die einen doppelt so grof sind als die anderen, was daraus, da gerade wahrend der Aufloésung Zellteilungen ablaufen, leicht erklarlich ist. In den sich voneinander lésenden Zellen der Fig. 80 vermochte ich die Chromosomen in mehreren Aequatorialplatten mit grofer Sicherheit zu zihlen; es sind 31, also fast die Normalzahl. 192 Theodor Boveri, Die Erscheinung, daf in den betrachteten dispermen Keimen vollig lebenskriftige Zellen sich an den Leistungen der Gesamtheit nicht mehr beteiligen, sondern ihre eigenen Wege gehen, daf sie nicht mehr organotypisch — nach R. Hertwieés (80) treffendem Ausdruck — sondern nur cytotypisch sich betiatigen, diese Erscheinung ist es vor allem, auf die sich die friiher (22) von mir ausgesprochene Vermutung stiitzen darf, daf im Metazoenkérper mehrpolige Mitosen die Ursache von Geschwiilsten sein kénnten, Ja die Analogie zwischen diesen Zellen dispermer Keime und den Geschwulstzellen geht vielleicht noch weiter; mite doch die Ent- stehung der Metastasen durch die Tendenz gegenseitiger Loslésung, wie sie uns bei den in Rede stehenden dispermen Keimen begegnet - ist, entschieden beférdert werden. Im Gegensatz zu der meist ziemlich rasch erfolgenden Auf- lésung eines Wandbezirks nach auSen vollzieht sich der ProzeS der Absto8ung kranker Zellen nach innen gewéhnlich langsamer, wie dies oben schon erwahnt worden ist. So haben die Nachbar- zellen Zeit, den entstehenden Defekt sofort durch geringe Gestalts- — oder Ortsverinderung zu reparieren, und eine solche Larve bleibt — dauernd ganzwandig, mag auch die Hilfte der Wandzellen oder noch mehr nach innen getreten sein. Es kommen aber auch nicht ganz selten Fille vor, wo alle Zellen eines Drittels oder Viertels nahezu gleichzeitig erkranken und wo dann auch bei dieser Art der Erkrankung der epitheliale Zusammenhang fiir einige Zeit unterbrochen wird. Doch ist dieser Zustand von dem vorhin be-— sprochenen scharf unterschieden, denn man erkennt deutlich die triiben, in Zerfall begriffenen Massen, zum Teil im Innern der Blastulahéhle gelegen, zum Teil mit fetzigen Randern nach aufen hervorragend. Allmahlich schliefen sich auch hier die gesunden Nachbarteile zusammen, wobei gréfere oder Kleinere Stiicke des pathologischen Klumpens nach auSen abgestoSen werden kénnen. Der Zustand, in welchem die erkrankten Zellen das Epithel verlassen, ist ein sehr verschiedener. Man findet in manchen Larven pathologische Massen, deren Kerne sich von den normalen Kernen der Wand kaum unterscheiden. In anderen Fallen dagegen zeigt die noch im Epithel steckende kranke Zelle einen Kernzustand, der nach den Befunden an den Altesten Larven als das Endstadium der Kerndegeneration erscheint, nimlich die Anordnung des Chro- matins zu einer homogenen Halbkugel, dem ,Halbmond“. Die 1/,-Gastrula der Fig. 77 (Taf. X) bietet dieses Verhalten dar. — Zellen-Studien. 193 Zwischen diesen beiden Extremen finden sich mancherlei Zwischen- stufen, selbst im gleichen Bezirk kénnen verschiedene Zustinde nebeneinander vorkommen. Ich war zuerst der Meinung, da alle diese verschiedenen Bilder von degenerierenden Kernen nur verschiedene Stadien oder Formen eines wesentlich gleichartigen Prozesses darstellen. Je mehr Objekte ich aber priifte, um so deutlicher drangte sich mir die Ueberzeugung auf, dai verschiedene Arten von Erkrankung unterschieden werden miissen, kenntlich an der verschiedenen Beschaffenheit der Kerne. Die auffallendsten Typen seien im folgenden aufgefiihrt. 1) Falle, wo Zellen mit fast normalen Kernen nach innen abgestofen worden sind (Fig. 92). Dies ist, abgesehen von der Auflésung nach auSen, jedenfalls der geringste Grad von patho- logischem Verhalten. Ein einziges Mal habe ich in einem Haufen solcher Zellen eine Mitose gefunden. Dabei ist es freilich nicht ausgeschlossen, daf diese Zelle eine normale Mesenchym- zelle war. 2) Falle, wo die Kerne der-nach innen getretenen Zellen zwar die normale Form ziemlich unverandert beibehalten, das Chromatin aber sich nicht in Gestalt eines feinen Retikulums darstellt, sondern grober anastomosierender Strange, die gréStenteils der Kernober- fliche anliegen (Fig. 93). 3) Falle, wo die Kerne der noch im Epithelverband liegenden Zellen sich ohne Formanderung in blaf gefairbte homogene Kugeln umwandeln (Fig. 90), tiber deren weiteres Schicksal ich nichts aussagen kann. 4) Faille, wo die Kerne der noch im Epithel befindlichen Zellen im Vergleich zu ihrem Protoplasmakérper sehr grof werden und dabei, unter Bewahrung der retikuliren Struktur, so bla% und so wenig scharf begrenzt, da’ man sie kaum mehr vom Protoplasma unterscheiden kann (Fig. 88). Wo der Prozef weit vorgeschritten ist, méchte man die Zellen fir kernlos halten. Treten diese Zellen nach innen, so scheinen sie sofort bis auf einen flachen, blassen, schalenférmigen Rest zu zerfallen. 5) Falle, wo der Kern einseitig bla8 wird, wahrend er im ubrigen Bereich sein typisches Aussehen bewahrt (Fig. 85). Dieser Zustand fiihrt zu einem Platzen der Kernhiille; man findet einen farblosen homogenen Tropfen oder mehrere solche (Fig. 85c), auf deren Oberfliche an irgend einer Stelle das zu einem kleinen Bd, XLII. N, F. XXXVI. 13 194 Theodor Boveri, Klumpen zusammengezogene Chromatin aufliegt. Fig. 85b stellt diesen Proze% in einem mittleren Stadium dar. 6) Fille, die mit den vorigen verwandt erscheinen, insofern sich eine grofe Vakuole gebildet hat, der der Kern angeschmiegt ist. Der Unterschied liegt darin, daf in unserem jetzigen Fall bei dieser Verainderung, die auch hier auf einem Austritt eines farb- losen Tropfens aus dem Kern zu beruhen scheint, der tibrige Teil des Kerns nicht zu einem homogenen Chromatinklumpen zusammen- schrumpft, sondern seine Blaschenform und typische Struktur be- wahrt (Fig. 87). Wie sich diese Kerne weiter verandern, weil ich nicht. 7) Falle, wo der Kern in mehrere, gewoéhnlich in zwei ver- schieden beschaffene farbbare Teile zerfallen ist, namlich ein mehr oder weniger typisches Kernblischen und einen homogenen Chromatinbrocken (Fig. 97). Hiiufig zerfallt die Zelle, diesen beiden Bestandteilen entsprechend, in zwei Stiicke. Unter diesem Typus scheint es noch verschiedene Spezialfalle zu geben, von denen einer vielleicht in dem Bild der Fig. 91 seine Vorstadien findet. Man sieht ein Stiick Wand einer dispermen Viererblastula von Echinus mit zahlreichen Zelleh, die Mitosen enthalten oder, richtiger gesagt, isolierte Chromosomen. Denn eine Anordnung zu Aequatorialplatten scheint nicht vorzukommen; von Spharen ist in dem Praparat nichts zu erkennen. Diese Zellen zeigen un- regelmabige Umrisse, wie wenn sie améboid beweglich waren. Dabei finden sich oft einzelne Chromosomen von den anderen weit abgedrangt oder gar in einem vdllig abgeschnitirten Protoplasma- teil gelegen. Auf diese Weise diirften die zahlreichen zwischen den ruhenden Kernen zerstreuten Chromatinbrocken zu stande ge- kommen sein. Endlich hat Herr Murray an Schnitten durch disperme Larven Zellen gefunden, welche in ihrem Protoplasma chromatische Teil- chen zerstreut zeigen, von einer Art, die an Chromidien er- innert. Es wird die Frage auftreten, ob die unterschiedenen Faille wirklich typisch verschiedene Erkrankungen darstellen und nicht lediglich untergeordnete Variationen oder gar nur verschiedene Stadien des gleichen Prozesses. Es ist klar, daf hier grofe Vor- sicht in der Deutung geboten ist. Man findet in der Tat im gleichen Larvenbezirke verschiedene Krankheitsbilder nebenein- ander, wie dies aus den Figuren der Taf. X zu ersehen ist. Auch ist nicht auszuschliefen, daf die fast normal aussehenden Kerne Zellen-Studien. 195 der Fig. 92 in den Zustand derer der Fig. 93 tibergehen, wie diese selbst vielleicht in dem so hiaufigen Degenerationsbild der hohlen Halbkugel endigen migen. Allein selbst wenn dies der Fall sein sollte, mii%te doch der Umstand, daf die eben genannten Zustinde in alteren Larven vorkommen, wahrend viel starker degenerierte Kerne in jungen Stadien gefunden werden, als ein nicht zu ver- nachlissigender Unterschied in Anspruch genommen werden. Als vollig selbstindig steht jedenfalls neben den genannten Fallen der in Fig. 85 gezeichnete Typus da, wo das Chromatin eines normal erscheinenden Kerns durch einseitiges Austreten von »Kernsaft“ sofort in ein homogenes Kliimpchen verwandelt wird. Und davon wieder verschieden, wenn auch verwandt, ist die Bil- dung der Bohnenkerne (Fig. 87) mit ihrer Vakuole daneben. Auch das Homogenwerden der grofen kugelig gebliebenen Kerne (Fig. 90) und dann wieder das Abblassen bei Erhaltung der Netzstruktur (Fig. 88), auch diese Zustaénde lassen sich unmdglich als Stadien eines und desselben Prozesses auffassen. Es ist dabei noch besonders darauf hinzuweisen, daf ein solcher Zustand sich fast immer sehr gleichartig durch einen -ganzen zusammenhaingenden Wandbereich verfolgen la8t und daf mit scharfer Grenze ein gesunder oder ein in anderer Weise er- krankter daran angrenzt. Endlich miissen auch pathologische Veranderungen, wie sie in Fig. 91 und 97 gezeichnet sind, auf ganz besonderer Disposition dieser Zellen beruhen; denn sonst kénnten nicht mit solcher Regelmafigkeit die gleichen Bilder wiederkehren, die in anderen Keimen oder in anderen Bereichen des gleichen Keimes vollig fehlen. Ohne also auf eine bestimmte Zahl Gewicht zu legen, halte ich es fiir ein nicht zu bezweifelndes Faktum, da8 in dispermen Seeigelkeimen eine Anzahl verschiedener Krankheits- formen unterscheidbar sind. Mit der GréBe der Zellen und Kerne haben diese Verschiedenheiten nichts zu tun. Das einseitige Platzen (Fig. 85 und 86), das Homogenwerden habe ich in gleicher Weise bei grofen und kleinen Kernen gesehen. Der grob reti- kulierte Kern der Fig. 93 kommt gleichfalls in den verschiedensten Gréfen vor, ebenso die so hiaufig auftretende hohle Halbkugel, die fiir viele Erkrankungsarten den definitiven Kernleichnam darzu- zustellen scheint. Bei der Beurteilung der GréfSe aller dieser starker verinderten Kerne ist allerdings zu beachten, daf beim Zerfall der Zellen auch die Kerne nicht selten zerfallen, so daf 1% 196 Theodor Boveri, man in einem gleichartigen pathologischen Haufen identische Kern- degenerationsformen in sehr yerschiedener Gré8e antreffen kann. In Fig. 82 ist ein optischer Durchschnitt durch die Wand einer dispermen Blastula wiedergegeben, um das Austreten der kranken Zellen aus dem Epithel zu illustrieren. Auch Fig. 83 und 84 zeigen diesen Vorgang. Das Protoplasma der aus dem Verband ausscheidenden Zellen sieht in der Regel homogener aus, als das der noch epithelial angeordneten Nachbarzellen, und es beginnt nun zu zerfallen, wobei der Kern entweder in einem dieser Fragmente verbleibt oder véllig frei wird. Die Erscheinungen des Zellzerfalls sind ziemlich mannigfaltig; manchmal sieht man Formen, die auf améboide Bewegungen hinweisen, meist aber gréfere oder kleinere abgerundete Ballen und Kérner, teils homogen, teils granuliert oder schaumig. Fragt man nun, was das primar Erkrankte ist, das Proto- plasma oder der Kern, so kann ich darauf eine entscheidende Antwort nicht geben. Zwar zeigen sich in vielen Fallen Ver- anderungen am Kern, wo im Protoplasma noch gar nichts von solchen zu erkennen ist. Allein das Protoplasma dieser winzigen Zellen bietet eben so wenig an Merkmalen dar, da8 dies nicht viel sagen will. Indirekt dagegen weisen unsere Erfahrungen mit Be- stimmtheit auf den Kern als den urspriinglichen Sitz der Er- krankung hin. Denn wir sehen nicht nur iiberhaupt keinen Grund, warum das Plasma dispermer Keime erkranken sollte, sondern, was viel wichtiger ist, es ware nicht zu verstehen, warum das Plasma in dem einen Keimviertel erkranken sollte, in einem anderen nicht, oder warum die Erkrankung sich hier in dieser, dort in einer anderen Weise au8ern sollte. Sowie wir aber die Ursache der Erkrankung in unrichtiger Kombination von Chromo- somen sehen, sind alle diese Verschiedenheiten sofort erklirlich. So bilden die betrachteten Tatsachen eine weitere wichtige Stiitze fiir die Theorie der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen. Wenn zur normalen Funktion eines Kerns das Zusammenwirken verschiedenwertiger Chromosomen niétig ist, so muf ein Kern, dem die Chromosomen a fehlen, einen anderen Defekt besitzen als ein Kern, dem die Elemente b fehlen. Und wenn das Fehlen dieser Chromosomen den Kern krank macht, so muB8 die Erkrankung im ersten Fall eine andere sein als im zweiten. Freilich ist damit nicht gesagt, da8 wir von dieser Verschiedenheit etwas wahrnehmen mufSten. Was wir an den pathologisch veranderten Kernen sehen, Zellen-Studien. 197 sind jedenfalls nur die allergrébsten Verhaltnisse. Und wie also fiir die oberflachliche Betrachtung die Veranderungen menschlicher Leichen ganz die gleichen sein kénnen, mag der Tod durch eine Erkrankung des Gehirns oder der Nieren verursacht sein, so wire es denkbar, daf wir auch bei verschiedener Art von Kernerkrankung iiberall nur die gleichen Enderscheinungen beobachten kénnten. In der Tat scheint die homogene chromatische Kugelschale, die so hiufig in den pathologischen Massen dispermer Keime gefunden wird, einen relativen Endzustand — einen ,Kernleichnam* — darzustellen, der nichts fiir unsere Fille Spezifisches ist. Wo Kerne zu Grunde gehen, zeigen sich vielfaltig die gleichen oder abnliche Bilder; ich kenne sie nicht nur von den erkrankten Monasterlarven der Seeigel (Fig. 96), wo an ein Fehlen bestimmter Chromosomen nicht gedacht werden kann, sondern auch von degenerierenden Zellen bei Wirbeltierembryonen uud ganz ahnlich bei gewissen Degenerationserscheinungen von Protozoen. Auch in der Litteratur finden sich da und dort entsprechende Angaben. Allein daneben bleibt die Tatsache bestehen, da in den dispermen Seeigellarven auf den friithesten Stadien der Erkrankung mit Sicherheit eine Anzahl von Krankheitstypen unterscheidbar sind, die sich nicht auf einander zuriickfiihren lassen. Und diese Tat- sache stimmt eben mit der hier vertretenen Kerntheorie aufs beste tiberein. Es ist schlieBlich zu bemerken, daf es sich bei den im Vor- stehenden auf ihre Kernverhaltnisse betrachteten dispermen Keimen um Falle handelt, wo eine mehrpolige Mitose direkt zur Bildung einwertiger Zellen gefiihrt hat, die sich fortan ganz regular durch Zweiteilung vermehren. Etwas anderes ist es, wenn Zellen, die mehrere Pole enthalten, sich infolge nicht allseitiger Koppelung der Spharen nicht oder nur unvollstiindig teilen und schlieSlich nach einem oder mehreren Teilungsversuchen zum Stillstand gelangen. Hier lassen sich dann sehr variable Kern- zustiinde beobachten, von deren Beschreibung ich absehen kann. In der oben (p. 183) beschriebenen normalbefruchteten Keimen, bei denen ein Teil der ersten Furchen unterdriickt worden war, treten sehr haiufig solche Degenerationszustiinde auf, wogegen sie in dispermen Keimen der von mir allein beriicksichtigten Typen sehr selten vorkommen und, wie am Eingang dieses Kapitels schon erwihnt worden ist, wohl als Folge einer zur Dispermie noch hinzutretenden Stérung anzusehen sind. 198 Theodor Boveri, 0. Versuch, die pathologische Wirkung mehrpoliger Mitosen dureh Stérung der Kernplasmarelation zu erkliiren. Schon im Kapitel F (p. 61 ff.) ist die Frage erértert worden, ob die pathologische Entwickelung dispermer Keime aus un- richtiger Menge von Kernsubstanz erklirt werden kénne. Das Ergebnis dieser Betrachtungen war dieses, daf keine der hierbei moglichen spezielleren Annahmen, weder die eines Zuwenig, noch die eines Zuviel, noch die Annahme einer stérenden Wirkung verschiedener Kernmengen im gleichen Keim, die Tatsachen der Dispermie zu erkliren vermag. Die Belege fiir diese Beweis- fiihrung, soweit sie nicht dort schon vorgetragen worden sind, haben wir bei der Besprechung der einzelnen Typen kennen gelernt. Bei jenen Erérterungen bin ich bereits auf die Frage einge- gangen, ob vielleicht die Ursache der pathologischen Wirkung mehrpoliger Mitosen darin zu suchen sei, daf’ die Kernplasma- relation nur bei ganz bestimmten Chromosomen- zahlen erreicht werden kénne, bei Zwischenzahlen dagegen nicht. Schon dort wurde diese Frage verneint. Bei ihrer Wichtigkeit soll sie nunmehr auf Grund eines umfassenderen Materials nochmals untersucht werden. Es sind vier Kreise von Tatsachen, an denen wir die Annahme priifen kénnen. I. Priifung auf Grund der KerngréSen dispermer Larven. Nach den Feststellungen im vorigen Heft ist unter identischen Bedingungen die KerngréSe vergleichbarer K6rperstellen ein so sicheres Kriterium fiir die Zahl der darin enthaltenen Chromosomen, da8 diese Zahl daraus annahernd berechnet werden kann. Von dieser Méglichkeit ist ja in den vorausgehenden Kapiteln haufig Gebrauch gemacht worden. Um also zu ermitteln, welche Chro- mosomenzahlen jedenfalls mit normaler Entwickelung vertraglich sind, braucht man nur die Kerne vollig gesunder und normal- gebildeter dispermer Larven zu messen. Schon oben wurden fiir einige normale Dreierlarven die aus solchen Messungen berechneten Chromosomenzahlen mitgeteilt; es waren die Zahlen 18, 36, 54; 18, 45, 45; 29, 36, 43; 28, 40, 40. Ich gebe nun hier noch einige weitere solche Messungs- ergebnisse, die als besonders sicher bezeichnet werden diirfen. Sie beziehen sich auf 5 Sphaerechinusplutei der gleichen Zucht (14. Februar 1902), die, im gleichen Gefaf aufgewachsen, zur gleichen Zeit abgetétet worden und bis zum fertigen Dauerpriaparat Zellen-Studien. 199 in genau gleicher Weise behandelt worden waren. Alle 5 sind wohlgebildete Plutei von tadelloser Gesundheit; an jedem sind drei Kerngréfen unterscheidbar, wenn auch zum Teil so wenig ver- schieden, daf’ die Grenzen der einzelnen Bereiche nicht gezogen werden kénnen. Aus jedem Bezirk einer jeden Larve wurden einige benach- barte mdglichst kugelige Kerne aufgesucht, die den mittleren Typus dieses Bezirks zu reprasentieren schienen, und diese bei gleicher Vergréferung méoglichst genau gezeichnet. An diesen Zeichnungen wurden unter der Lupe die Durchmesser gemessen. Die erhaltenen Zahlen sind fiir die Kerndurchmesser (im Mittel) Larypei 4 2 BB me 36 GS 5,7 7 HE 064,95 5,76 5; EVer4o 48 5,4 vay, 4505) '8 5,5 Daraus berechnet sich das Verhaltnis der Chromo- somenzahlen fir Larve I als 16: 27 : 30 Mt , 138.5 26 : 82 ite .. .20) + 23: 33 Vier) 20: Dow oo Me SO. s 20 2 OU Da die Gesamtsumme der Chromosomen der dreierlei Kerne in allen Keimen die gleiche sein muf, ist darin ein Kriterium ge- geben, wie genau die Messungen sind; die Summe der fir die Chromosomenzellen berechneten relativen Zahlen mu&8 fiir jede Larve die gleiche sein. Das Ergebnis ist fiir oP] ” Larve I 73 epi il af 70 me ED ZG ARTY: eisai My: 75 Die Uebereinstimmung dieser Zahlen ist so gro’, als man es bei den unvermeidlichen Fehlern erwarten kann. Rechnet man nun diese Verhaltniszahlen auf 108 Chromosomen (18 in jedem Vorkern) um, so erhalt man folgende Zahlen: Larve I 24 40 44 ema al 20 39 49 Papeee 8 le ets) 31 49 ee 30 35 43 , es 36 43 a Pe 200 Theodor Boveri, Es waren also, nach der GréSe geordnet, in den 5 untersuchten dispermen Plutei folgende Chromosomenzahlen vertreten: 20, 24, | 28, 29, 30, 31, 35 36, 39, 40, 43, 44, 49. Dazu kommt noch als hier nicht vertreten die fiir den Dreier- pluteus der Fig. 11 (Taf. IL) berechnete Zahl 54. Wo sollte nun die Liicke sein, in der diejenigen Chromosomen- zahlen liegen, fiir welche die Kernplasmarelation nicht erreichbar ist? Ich denke, wir sind nach diesen Resultaten zu der Behauptung berechtigt, da’ es innerhalb der fiir uns in Betracht kommenden Grenzen solche Zahlen tiberhaupt nicht gibt. ll. Priifung auf Grund der Entwickelung von Fragmentlarven. Wir haben die Frage, ob die in den Larvenzellen notwendige Relation von Kern und Protoplasma sich nur aus bestimmten Mengenverhaltnissen beider Teile in der Ausgangszelle ableiten lasse, im Vorstehenden dadurch gepriift, daf wir untersuchten, wie sich verschiedene Kernmengen in (ungefahr) gleichen Protoplasmamengen verhalten. Wie schon oben hervorgehoben, laft sich diese Priifung aber auch dadurch vornehmen, dafZ man mit gleichen Kernmengen verschiedene Protoplasmamengen kombiniert. Dies ist erreichbar durch Ziichtung normalbefruchteter Kifragmente von verschiedener Gréfe. Bei diesen Versuchen hat man es mit ganz bestimmten Kernmengen zu tun, nimlich entweder mit Monokaryen oder mit Amphikaryen*); und diese Kerne befinden sich, je nach der Gréfe des Fragments, in den verschiedensten Protoplasma- mengen. Ist zur Erreichung der Kernplasmarelation ein ganz be- stimmtes Verhialtnis nétig, so diirfen sich nur Fragmente von gewisser Gréfe normal entwickeln, alle anderen miissen patholo- gisch werden. Daf dies nicht der Fall ist, habe ich schon im vorigen Heft hervorgehoben und an einigen Beispielen naher erliutert (p. 50 ff.). Untersucht man Massenkulturen von zerschiittelten Kiern, so findet man darin Gastrulae und Plutei von allen erdenklichen Gréfen. 1) Dabei ist es fiir unsere Zwecke unnétig, festzustellen, ob im einzelnen Fall Mono- oder Amphikaryen vorhanden sind. Denn wie im vorigen Heft gezeigt werden konnte, ist fiir eine Plasma- menge, die sich mit einem Amphikaryon normal entwickelt, auch ein Monokaryon richtig abgestimmt. Es erfolgt einfach eine Zell- teilung mehr. _—— Zellen-Studien. 201 / Bine solche, mit Leichtigkeit noch feiner abzustufende Serie aus einer Echinuszucht vom 31. Marz 1905 ist in Fig. LXXI wieder- _gegeben. Die beiden gréSten Larven stammen aus ganzen Eiern. Von da an gibt es alle Abstufungen bis zu den am anderen Ende der Reihe stehenden Zwergen. Auf Grund der Ermittelungen von Driescu (41) iiber das GréSenverhaltnis zwischen den Seeigellarven und ihren Ausgangszellen wird die Larve f aus einem Frag- ment von etwa halber Kigréfe abzuleiten sein, wahrend Larven aus Vierteleiern zwischen h und i in der Mitte stehen diirften. a oa RA Fig. LXXI. Kénnte die Kernplasmarelation nur bei einem ganz bestimmten Verhaltnis von Kern und Protoplasma eintreten, so diirfte es nur Fragmentlarven von diesen genannten Gréfen geben; Larven, wie sie z. B. in c—e dargestellt sind, mii%ten unméglich sein. Um noch dem Einwand zu begegnen, daf die in einer Zucht enthaltenen Fragmentlarven verschieden gut entwickelt seien und daf daher ihre Gréfe kein sicheres Maf sei fiir die Protoplasma- menge, aus der sie entstanden sind, habe ich bei dem gleichen Versuch, aus dem die abgebildete Serie stammt, auch das Um- 202 Theodor Boveri, gekehrte ausgefiihrt, namlich isolierte Fragmente gemessen. | Die Kier waren vor der Befruchtung geschiittelt worden, das sehr | sorgfaltig gereinigte Schiittelmaterial blieb dann einige Stunden} stehen, damit sich die Fragmente méglichst zur Kugelform ab- runden konnten. Nachdem die ganze Masse befruchtet worden war, wurden eine Anzahl befruchteter kugeliger Bruchstiicke isoliert und | jedes gemessen. Die ganzen Eier, von denen zur Kontrolle 15 Stiick gemessen wurden, zeigten samtlich sehr genau den Durchmesser 24. Von 20 isolierten Fragmenten furchten sich 9 entweder gar | nicht oder abnorm; sie wurden beseitigt, und es blieben noch 11 normal befruchtete tibrig. Unter diesen waren die Durchmesser | 22.5, 22, 21, 20,6, 20, 19,7 und 19 vertreten. Die Volumina | des ganzen Eies (Durchmesser 24) und der aufgefiihrten Bruch- | stiicke verhalten sich demnach ungefihr wie 2:1,7:1,35:1,26:1,1:1. | Das heift, das kleinste Fragment hat ungefahr das Volumen des { halbes Eies, und zwischen dieser GréSe und der des ganzen Lies | | ——— pe cen sind vier verschiedene Groen vertreten. SAamtliche 9 Frag- mente ergaben normale Larven. Nach all diesen Tatsachen kénnen wir nicht mehr zweifeln, daf innerhalb der uns interessierenden Grenzen fiir jede beliebige | Kombination von Kern- und Protoplasmamenge die Kernplasma- — relation herstellbar ist. Uebrigens lehrt eine einfache Ueberlegung, daf, wenn dies nicht so ware, es gar keine normale Entwickelung geben kénnte. Denn die Furchung ist kein so exakter Zerlegungs- proze8, da8 er stets lauter Zellen liefern kénnte, die genau auf eine bestimmte Kernmenge abgestimmt sind. Oft verlauft die aiquatoriale Furche so, daf animale und vegetative Blastomeren gleich grof werden, oft aber auch so, da die einen oder die anderen erheblich kleiner ausfallen. Eine ahnliche Variabilitat zeigt sich in der Gréfe der Mikromeren. Noch deutlicher sprechen die Erfahrungen an deformierten EKiern. Aus allen Arten von deformierten Eiern kénnen, wie Driescu zuerst gefunden hat und wovon ich mich selbst in vielen Fallen tiberzeugt habe, normale Larven entstehen. Betrachtet man nun die Furchung z. B. von wurstférmig gestreckten Eiern, so sieht man, daf schon die beiden ersten Blastomeren hiufig ungleich gro8 sind, und das Gleiche wiederholt sich bei den folgenden Teilungen. Es ist ganz aus- geschlossen, daf in allen Blastomeren eines solchen Kies die ném- lichen einfachen Proportionen von Kern- und Plasmamenge ver- wirklicht sind. Und trotzdem werden ihre Abkémmlinge schlieBlich alle normal. Zellen-Studien. 203 Worauf dies beruht, wissen wir nicht; aber es ist eben so, und das kann uns fiir unsere Frage geniigen. Méglich, da8, wie ' schon friiher ausgesprochen (27, p. 53), gar keine so genaue Pro- portion nétig ist, vielmehr die Larvenzellen, wenn sie zu dem ' durch Zellteilung erreichbaren Optimum gelangt sind, ohne weiteres gu normaler Betatigung befahigt sind; moéglich auch, daf nach dem Ablauf jener ,,priméren‘’ Regulation, welche in der ver- schiedenen Zahl der Zellteilungen gegeben ist, irgend eine ,,sekun- dire“ eintritt, etwa in der Weise, dafi die Chromosomen inner- _halb gewisser Grenzen ihr Wachstum nach der Protoplasmamenge einzurichten vermégen. Fir diese letztere Moéglichkeit kénnte die Tatsache angefiihrt werden, daf in Larvenbezirken, deren Zellen die gleiche Chromosomenzahl besitzen miissen, fast stets nicht un- betrachtliche Verschiedenheiten in der KerngréSe angetroffen werden. Dies kénnte eben so gedeutet werden, da die Zellen nicht gleich grof ausgefallen waren und daf sich die Kerngréfe hiernach reguliert hat. Die kiirzlich mitgeteilten Kalte- und Warmeversuche, die Markus (93) auf Anregung R. Hertwies an sich entwickelnden Seeigeleiern angestellt hat, scheinen ebenfalls fiir eine solche Regulationsfaihigkeit der Chromosomen zu sprechen. Ill. Priifung auf Grund der Entwickelungsaussichten der dispermen Dreier- und Viererlarven. Ein Faktum der dispermen Entwickelung, welches durch die Hypothese mangelnder Kernplasmarelation durchaus nicht erklart werden kann, ist die in unseren Versuchen festgestellte gewaltige Ueberlegenheit der Dreier tiber die Vierer. Auf den ersten Blick zwar kénnte es scheinen, als ob sich diese Erscheinung gerade besonders gut mit der Annahme einer Wirkung der Kern-Menge in Einklang bringen liefe. Besitzt doch die einzelne Blastomere des Dreiers bei gleichmaSiger Verteilung die normale Zahl von 36 Chromosomen, wihrend die einzelne Blastomere des Vierers im Durchschnitt nur 27, also um ein Viertel ,,zu wenig* enthalt. Allein sobald man die Frage genauer betrachtet, erkennt man, daf in Bezug auf die Kernplasmarelation die Dreier nicht im mindesten giinstiger gestellt sind als die Vierer. Denn wir miissen ja die konstatierten Chromosomenzahlen nicht absolut betrachten, sondern im Verhiltnis zu einer bestimmten Plasmamenge. Soll iiberhaupt in dieser Beziehung nur eine bestimmte Proportion 204 Theodor Boveri, a A gentigen, so ist davon auszugehen, daf die normale Chromosomen- ° zahl fiir diejenigen Protoplasmamengen eingerichtet ist, die sich | durch fortgesetzte Zweiteilung des normalgrofen Kies ergeben. Teilt sich das Ei aber simultan in drei Zellen, die sich weiterhin immer durch Zweiteilung vermehren, so haben wir es dauernd | mit Zellen zu tun, die sich in ihrer Gréfe zu denen des normal- gefurchten Keimes wie 2:3 verhalten; und die fiir die Zellen deg | normalen Keimes richtige Chromatinmenge miifte also im Dreier } gerade eine der ungiinstigsten sein. Schon diese Folgerung steht mit den von uns konstatierten Tatsachen in schroffem Widerspruch, | Denn es gibt unter den vdéllig gesunden Dreierplutei einen nicht unerheblichen Prozentsatz von Larven, welche in allen Teilen gleichgrofe und also normalgrofe Kerne besitzen. In diese Kate- gorie gehéren vor allem die eigentiimlichen, auf Taf. VI abge- bildeten und p. 128ff. genauer analysierten Plutei, die eine vollig normale und eine verkiimmerte Halfte darbieten und die ich auf den Amphiaster-Monaster-Typus glaube zuriickfiihren zu miissen. Wie gesagt, miiZte deren Kernmenge von 36 Chromosomen fir die aus simultaner Dreiteilung des Hies sich ableitende Zellgréfe vom Standpunkt der Kernplasmarelation als héchst ungiinstig angesehen werden, und die vdéllige Gesundheit der fraglichen Larven stellt also abermals ein wichtiges Argument gegen jene | Annahme dar. Weiterhin aber ist klar, da’, wenn beim Tetrastertypus Ki und Kernmenge sich vierteilen, dadurch genau das gleiche | Verhaltnis von Protoplasma und Kern hergestellt wird, wie wenn | die gleiche Chromosomenzahl und die gleiche Protoplasmamenge | sich beim Triastertypus dreiteilen. Und so ware also von | —, A $$ ———$— jener Annahme aus kein Grund ersichtlich, warum die Dreier sich besser entwickeln sollten als die Vierer. Ein Ausweg koénnte hier vielleicht noch in der Annahme ge- sucht werden, dafi die Abweichungen von der Durchschnitts- zahl, welche bei simultaner Mehrteilung eines Kerns auftreten, bei den Dreiern giinstiger ausfallen als bei den Vierern. Freilich ist — in keiner Weise einzusehen, wie dies der Fall sein kénnte. Um jedoch nichts zu versiiumen, habe ich diese Méglichkeit mit Hilfe des auf p. 149 ff. beschriebenen Verfahrens gepriift. Es wurden 54 Kugeln — den 54 Chromosomen des dispermen Kies entsprechend — auf die runde Platte beliebig ausgegossen und diese gleiche Konstellation einmal durch Einsetzen der Dreier- leiste, einmal durch Einsetzen der Viererleiste in 3 bezw. 4 Gruppen Zellen-Studien. 205 abgeteilt. Dieser Vorgang repriisentiert, wie oben dargelegt, die | Gruppierung der Chromosomen zu Aequatorialplatten. Sodann ‘wurden je zwei Gruppen addiert und damit die Chromosomenzahl der primiren Blastomeren erhalten. In dieser Weise wurden 100 Doppelversuche ausgefiihrt. | Um nun eine Grundlage fiir die Vergleichung der Dreier und Vierer zu haben, wurden folgende Annahmen gemacht. | | Vom Standpunkt der Kernplasmarelation aus miissen fir die Vierer die nimlichen Zahlen die giinstigsten sein, wie fir den normal sich furchenden Keim, namlich 18 und 36. Neben ‘diesen Zahlen sollen noch die folgenden benachbarten als ge- niigend gelten: neben 18 noch 19, 20, 21, neben 36 auch 33, 34, 35, sowie 37, 38, 39. Als giinstigste Zahlen fiir die Dreier miissen die Zahlen 24 und 48 angesehen werden. Als geniigend sollen auferdem gelten: neben 24 noch 19, 20, 21, 22, 23, sowie 25, 26, 27, 28, 29, neben 48 noch 43, 44, AB, 46, AT, sowie 49, BO, Bi. 52, 53. Bei den Vierern wurden Zahlen unter 18 ausgeschlossen, um nicht unter die Zahl des Monokaryon herunterzugehen, obgleich allerdings, wenn es nur auf die Kernplasmarelation ankime, nicht einzusehen wire, warum Zahlen unter 18 schadlich sein sollten. Auferdem wurde der Spielraum giinstiger Zahlen fir die Dreier nach beiden Richtungen um zwei Zahlen weiter erstreckt als fir die Vierer. Obgleich damit die Aussichten fiir die Dreier ohne Zweifel zu giinstig angenommen sind, ist das Resultat aus den 100 Versuchen fiir beide Gruppen fast das gleiche. Wird jede Blastomere, welche eine der oben angefiihrten Zahlen enthalt, als normal angesehen und danach z. B. eine Dreiernach- ahmung, bei der in einer Gruppe eine solche richtige Zahl ent- halten ist, als 1/,-normal bezeichnet, so ergeben sich aus den 100 Dreierversuchen als normal 718 mi as 26, aus den Vierern LOB ia. Damit ist, wenn es tiberhaupt nétig war, auch diese letzte Annahme widerlegt, und wir dirfen zusammenfassend sagen: wibrend aus der Theorie einer verschiedenen Qualitat der a = = 206 Theodor Boveri, Chromosomen die Ueberlegenheit der Dreier tiber die Vierer ohne weiteres folgt, bleibt sie bei der Annahme der Notwendigkeit be- | stimmter Quantitat vdéllig unerklarlich. IV. Priifung auf Grund der in dispermen Keimen auftretenden Krankheitserscheinungen. Ware die Erkrankung der Zellen dispermer Keime durch ein falsches Mengenverhaltnis von Kern und Protoplasma veranlaft, so ware nur eine einzige Art der Erkrankung zu erwarten. Denn — jede Embryonalentwickelung geht von einem Zustand aus, bei dem der Kern im Vergleich zum Protoplasma viel zu klein ist. Dieses - sozusagen ,normale Mifverhaltnis“ wird bei jedem Teilungsschritt geringer; die Zellen teilen sich so lange als der Kern noch zu klein ist. Die letzte Teilung kann sonach nur zwei Zustande er- geben, namlich daf das Verhaltnis nun das richtige oder daf der Kern zu grof ist. Also ein UebermaS auf seiten des Kerns, dies kénnte der einzige Grund zur Erkrankung sein und dem- gemaf} mite sich tiberall, wo disperme Larven pathologisch werden, das gleiche Krankheitsbild einstellen. Etwas ganz anderes aber haben wir im vorigen Kapitel erfahren. Sowohl die Er- scheinungen, unter denen die Erkrankung beginnt, als der Zeit- punkt, in dem sie sich bemerkbar macht, sind in hohem Grade verschieden. Und dabei ist noch von besonderer Bedeutung, dab wir eine Krankheitsform kennen gelernt haben, die auftritt, bevor tiberhaupt ein falsches Mengenverhiltnis von Kern und Proto- plasma hatte fiihlbar werden kénnen. Das ist diejenige Art der Er- krankung, wo sich im Blastulastadium die sonst durchaus normal erscheinenden Zellen eines Bezirks voneinander lésen. Der Beweis, da in diesen Fallen die Frage nach der Kernplasmarelation noch gar nicht aktuell geworden sein kann, wird durch die Tatsache geliefert, da8 solche sich auflésende Keimbezirke voll von Mitosen sein kénnen (Fig. 80, Taf. X). Daraus geht hervor, da8 sich ihre Zellen noch in jenem Zustand des Protoplasmatiberschusses befinden, der als ein auf diesem Stadium véllig normales Verhaltnis kein Grund zur Erkrankung sein kénnte. Ich glaube, dafi nach all diesen Feststellungen der Gedanke, die Erscheinungen der dispermen Entwickelung kénnten durch Stérung der Kernplasmarelation erklart werden, definitiv aufgegeben werden muB. Zellen-Studien. 207 P. Zusammenfassender Beweis der qualitativen Verschieden- |heit der Chromosomen. Betrachtung erhobener Einwiinde. Die Argumente, die in den vorausgehenden Kapiteln an ver- -schiedene Orte zerstreut werden muften, sollen nun hier im Zu- ‘sammenhang iiberblickt und in einigen Punkten noch genauer -ausgefiihrt werden. Nachdem feststeht, da die pathologische _Entwickelung dispermer Kier ausschlieSlich eine Folge der Doppel- -befruchtung selbst ist, gehen wir bei der weiteren Betrachtung am besten von der Tatsache aus, daf sich nicht alle dispermen Keime in gleicher Weise pathologisch entwickeln, sondern da8 in den Zuchten doppelbefruchteter Eier alle Uebergainge von durch und durch pathologischen bis zu vollkommen normalen Larven auftreten kénnen. Es muf also bei der dispermen Entwickelung ein variables Mo- ment geben, und die Aufgabe ist, festzustellen, worin dieses liegt. Wir haben drei Haupttypen von dispermen Eiern unterscheiden kénnen: die Doppelspindeleier, die Triaster- und die Tetraster- eier. Der variable Faktor, nach dem wir suchen, deckt sich jedoch mit diesen eben genannten Verschiedenheiten nicht. Denn in allen 3 Typen kommen, wenn auch in sehr verschiedenem Mengenverhiltnis, alle jene Abstufungen von durchaus patho- logischen bis zu véllig gesunden Larven vor. Keiner dieser Typen fihrt also notwendigerweise zu krankhaften Zustinden oder garantiert volle Gesundheit; und so muf es ein innerhalb eines jeden der genannten Typen variabler Faktor sein, den wir fiir die so hochgradig verschiedenen Entwickelungsaussichten dispermer Eier verantwortlich zu machen haben. Ein solch variables Moment kénnte einmal darin gegeben sein, daf das in der Dispermie liegende ,Doppelte* sich in ver- schiedener Weise zu einer festen Eistruktur orientieren wiirde, so, da8 gewisse Stellungen zu normaler Entwickelung fiihren, andere nicht. Sieht man sich nach variablen Umstanden dieser Art um, so lassen sich folgende namhaft machen: 1) Die Eintrittsstellen der beiden Spermien und demgemaf auch ihre Wege im Ei sind variabel. 2) Als Folge dieser Verschiedenheit wird die Position, welche die 3 Vorkerne bei der Bildung des ersten Furchungskerns zu- einander einnehmen, variabel sein. 3) Die Stellung der mehrpoligen Teilungsfigur im Verhaltnis zu einer festen Kistruktur und demgemaS die Wertigkeit der primairen Blastomeren kénunte variabel sein. 208 Theodor Boveri, Betrachten wir im folgenden diese 3 Punkte etwas néaher. Was die Stellung der eindringenden Spermien an- langt, so ware es denkbar, dafi es eine bestimmte gegenseitige Orientierung gibt, z. B. direkt opponiert, welche das Ei zu nor- maler Entwickelung befaihigen wiirde, wahrend alle anderen Stellungen mehr oder weniger pathologisch wirken wiirden. Die so besonders giinstigen Aussichten der Doppelspindeleier kénnten hierfiir ins Feld gefiihrt werden. Denn wenn auch keine Be- obachtung dartiber vorliegt, unter welchen Bedingungen diese Kon- stellation entsteht, so ist es doch gewifi wahrscheinlich, daf sie dann am leichtesten zu stande kommt, wenn die beiden Spermien an méglichst entgegengesetzten Stellen ins Ei eingedrungen sind. — Ueberlegt man sich freilich niher, wie man von dieser Hypo- these aus die verschiedenen Tatsachen der dispermen Entwickelung erklairen soll, so wird man sehr bald in Verlegenheit kommen. Es ist aber gar nicht nétig, solchen Betrachtungen weiter nach- zugehen, da sich die aufgeworfene Méglichkeit ganz exakt wider- legen aft. Zunadchst durch die Erscheinungen der Dispermie selbst. Denn die gegenseitige Stellung der Spermien muf bei grofen Zahlen fiir die Dreier und Vierer die namlichen Ver- haltnisse ergeben. Sind ja doch die Dreier nichts anderes als durch Schiitteln nach der Befruchtung modifizierte Vierer. Es miiSten also beide Typen in ihren Entwickelungsaussichten ganz gleich gestellt sein, wahrend unsere Versuche eine gewaltige Ueber- legenheit der Dreier ergeben haben. Die zweite Widerlegung liefert der Umstand, da8 man Blasto- meren eines einfach befruchteten Kies zu ganz der gleichen patho- logischen Entwickelung bringen kann, wenn man auf irgend eine Weise mehrpolige Mitosen in ihnen erzeugt. Hier fallt ja jenes Moment der verschiedenen Spermastellung tiberhaupt vdllig weg. Die zweite Moéglichkeit, die wir aufgezihlt haben, ist die, daf§ die beiden Spermakerne und der Eikern bei ihrer Ver- schmelzung in verschiedener Weise zu einander orientiert und daf als Folge davon vielleicht auch der Bau des ersten Furchungskerns variabel sein kénnte. Wieder wiirden gewisse Falle zu normaler Entwickelung befahigen, andere nicht. Beachtet man, wie vdllig regellos und also bedeutungslos die gegenseitige Stellung der Chromosomen in normalen ersten Furchungskernen der Echiniden ist, so erscheint auch diese Hypothese von Anfang an als héchst unwahrscheinlich. Und wie sollte das Trikaryon des dispermen Kies in vielen Fallen sein Protoplasma so beeinflussen, da’ gerade } A | i Zellen-Studien. 209 ein Bezirk, der bei der Teilung in eine primaire Blastomere ge- langt, krank wird, wahrend die tibrigen Teile gesund bleiben? Die exakte Widerlegung liefert auch hier die Ueberlegenheit der Dreier iiber die Vierer. Diese beiden Typen unterscheiden sich ja nur durch die Zahl der Zentren. In Bezug auf den ersten Furchungs- kern verhalten sich beide ganz gleich. So miiSten, wenn die ge- machte Annahme richtig ware, ihre Entwickelungsaussichten die namlichen sein. Unsere dritte Méglichkeit betrifft die Stellung der mehr- poligen Teilungsfigur im Eiplasma. Es ware denkbar, daf nur bei gewissen Orieutierungen dieser Figur zu dem Plasmabau des Eies normale Entwickelung eintreten kénnte, bei anderen nicht, Bei Betrachtung dieser Hypothese miissen wir zundchst unterscheiden zwischen der Kistruktur in der Richtung der Eiachse und der Kistruktur um die Eiachse. In der ersten Beziehung verhalten sich die Kier des Triaster- und des ebenen Tetrastertypus genau wie die normalen Kier. Im gleichen Rhythmus, genau zur naimlichen Zeit und in den namlichen Proportionen werden Mikromeren, Makromeren und Mesomeren voneinander gesondert. In Bezug auf den polaren KEibau kann also die Dispermie unméglich schadlich sein. Uebrigens lehrt die Entwickelung der Eier mit tetraedrischem Tetraster (p. 143), bei denen im giinstigsten Fall mindestens in der Halfte des Kies eine atypische Substanzen- verteilung auf die primaren Blastomeren stattfinden mu, daB8 diese Furchungsart die Aussichten der Keime in keiner Weise verschlechtert. Wir kommen zur Eistruktur im Umkreis der Eiachse. Man kénnte die Annahme machen, es gebe eine Eistruktur, welche auf der in der Achsenrichtung nachweisbaren Schichtung senkrecht steht und welche dem Ei ein differentes Vorn und Hinten, Rechts und Links verleiht. Es ist klar, daS diese verschiedenen Ki- regionen bei Zweiteilung anders auf die primaren Blastomeren verteilt wiirden als bei simultaner Dreiteilung, und hier wieder anders als bei simultaner Vierteilung, und daf sie in jedem ein- zelnen dieser Falle je nach der Stellung der Zentren wieder anders verteilt werden kénnten. Allein auch diese Hypothese vermag weder die Tatsachen der Dispermie zu erklaren, noch ist sie auch sonst annehmbar. Vor allem ist zu beachten, da8 in dem angenommenen Moment eine Schidigung nur dann liegen kénnte, wenn die primaire Blastomere, entsprechend den Kiregionen, die sie tiberkommen hat, sofort Bd, XLII. N. F, XXXVI. 14 210 Theodor Boveri, einen spezifischen Totalcharakter annehmen wiirde, der alle ihre Abkémmlinge in bestimmter Weise beeinflussen oder eine bestimmte Wechselwirkung zu den anderen Blastomeren bedingen wiirde. Bleiben dagegen die verschiedenen Plasmaregionen, ohne deter- minierende Wechselwirkung aufeinander, einfach so liegen, wie sie den primiren Blastomeren zugeteilt worden sind, so muf die weitere Aufteilung schlieflich immer zu der gleichen Anordnung fiihren, mag die erste Durchschneidung gegangen sein, wie sie will. Da8 es in der Tat véllig gleichgiiltig ist, in welcher Ordnung die einzelnen Eiregionen durch den Furchungsprozef von einander - gesondert werden, dafiir besitzen wir einen ganz sicheren Beweis ~~ —— ee : in den Versuchen mit deformierten Kiern. Driescu (36) © hat gezeigt, da8 man durch Pressung der Kier die Furchung sehr erheblich modifizieren kann, ohne dafi es der Entwickelung schadet. Man kénnte gegen diese Versuche von Driescu vielleicht einwenden, daf er bei der Unméglichkeit, an den von ihm studierten Eiern die Achse zu erkennen, nicht hat wissen kénnen, in welcher Richtung er ein Ei deformiert hatte. Sollte hier wirklich eine Liicke bestehen, so vermag ich dieselbe durch zahlreiche Defor- mierungsversuche an Strongylocentrotus-Hiern, an denen der Pig- mentring die Pole unterscheiden lief, auszufiillen. Ich habe solche Kier in allen méglichen Richtungen sowohl abgeplattet, wie auch wurstformig gestreckt'). Man kann auf diese Weise primare Blastomeren erzielen, die ganz verschiedenen Eizonen enthalten und die haufig auch von erheblich verschiedener Gréfe sind. Es ist undenkbar, daf in solchen EKiern die hypothetische Bilateral- struktur ebenso verteilt wird, wie bei der normalen Furchung. Trotzdem entwickeln sich diese Objekte, abgesehen von Ver- zerrungen und Skelettmifbildungen, vollkommen gesund und normal. Also kann auch bei der Dispermie die atypische Plasmazerlegung nicht schadlich sein. Endlich schliefen, wie schon im Kapitel F hervorgehoben worden ist, die Zerlegungsversuche an normalen vier- zelligen Keimen die Annahme einer spezifischen Verschieden- wertigkeit im Umkreis der Achse aus. Die Tatsache, da8 eine jede der vier normalen 1/,-Blastomeren einen typischen Pluteus 1) Die Eier wurden vor der Befruchtung durch Deckglasdruck abgeplattet oder durch Schiitteln gestreckt und dann befruchtet. Indem die Dotterhaut die Form des Eies annimmt und dauernd beibehalt, verhindert sie spater ihrerseits das Ki, zur Kugelgestalt zuriickzukehren. | Zellen-Studien. 211 liefert, wiirde héchstens erlauben, eine Anisotropie des Plasmas _ auf Grund gleichgerichteter kleinster Teilchen mit spezifischem - Vorn und Hinten anzunehmen. Fiir eine solche Plasmastruktur miifte es aber gleichgiiltig sein, wie die ersten Furchen durch- schneiden. Im iibrigen aber stehen die Tatsachen der Dispermie an sich schon mit der Hypothese spezifischer plasmatischer Differenz in unlésbarem Widerspruch. Denn wenn wir uns in die supponierte Kistruktur die erste Teilung des Vierers und die des Dreiers hineindenken, so ergibt sich, da bei simultaner Vierteilung wenigstens die Méglichkeit vorhanden ist, da’ die EKiregionen so verteilt werden, wie sie in den 4 Blastomeren des monospermen Keimes verteilt sind, wogegen dies bei simultaner Dreiteilung unter allen Umstiinden unméglich ist. Es miiSten sich also die Vierer besser entwickeln, als die Dreier, wahrend gerade das Umgekehrte zutrifft. SchlieSlich aber ist zu fragen, welche Stellung der Furchen zu der hypothetischen Eistruktur denn die zu normaler Ent- wickelung befaihigende sein sollte, welche nicht. Wir haben bei den Dreiern konstatiert, da8 mindestens drei verschiedene Modi der Verteilung des EKiplasmas auf die 3 primiren Blastomeren — in Bezug auf eine prasumptive Medianebene des Kies — vor- kommen. Alle drei kénnen zu normaler Entwickelung fihren. Welche Verteilung soll dann aber schidlich sein? Noch deut- licher vielleicht sprechen hier die Vierer. In Fig. 54a (Taf. VIII) haben wir einen voéllig gesunden Vierer-Pluteus kennen gelernt, aus dessen Kerngréfen hervorging, daf die sich kreuzenden Primarfurchen zur Medianebene einen Winkel von 45° gebildet hatten. Genau den gleichen Verteilungsmodus zeigt der Vierer- Pluteus der Fig. 60a. Bei ihm aber ist das Scheitelviertel krank geworden und nach innen getreten. Warum ist dieses Viertel hier krank, bei der anderen Larve gesund? Unméglich kann hier die Plasmastruktur eine Rolle spielen. Im gleichen Sinne sprechen die Erfahrungen an den Doppel- spindel-Eiern. Wir waren in der Lage, festzustellen, dal die Achsen der beiden Spindeln zur Medianebene senkrecht, schief und parallel stehen kénnen. Aus diesen drei Stellungen leiten sich gleich gute Plutei ab. Wie ganz gleichgiiltig die Furchungsart ist, dies lehrt besonders klar das Doppelspindel-Ei der Fig. 73b (Taf. IX), aus dem sich der fast normale Pluteus der Fig. 73a entwickelt hat. 14* 212 Theodor Boveri, So miissen wir schliefen, daf die vom Typischen abweichende Verteilung des Plasmas, wie sie durch simultane Mehrteilung be- wirkt wird, unméglich den Grund fiir die verschiedene Entwickelung der dispermen Eier darstellen kann. Nun bleibt, soviel ich sehe, noch ein variables Moment iibrig; das ist die Verteilung der Chromosomen. Wie sich die Chromosomen eines dispermen Eies auf die einzelnen Blastomeren verteilen, das ist uns nur unter ganz be- stimmten Bedingungen bekannt, nimlich nur dann, wenn der eine der beiden Spermakerne nicht mit dem Eikern verschmilzt, wenn sich aus diesem Zustand der sogenannte Doppelspindel-Typus oder der Amphiaster-Monaster-Typus ableitet und wenn sich endlich um jedes vorhandene Zentrum gleich beim ersten Teilungsschritt eine Zelle abgrenzt. Haben wir z. B. bei einem Doppelspindel-Ki diesen Verlauf im Leben verfolgt, so sind wir sicher, daf der sich entwickelnde Keim in seiner einen Hialfte regulare Derivate eines normalen ersten Furchungskerns, also Amphikaryen, besitzt, in der anderen Keimhialfte Derivate eines Spermakerns (Monokaryen), von denen bewiesen ist, daf sie wenigstens bis zum Pluteus alle Kernfunktionen auszutiben vermégen. Die fundamentale Tatsache, der wir hier begegnen, ist nun die, dal disperme Doppelspindel- Kier dieser Art sich normal entwickeln. Wir haben drei solche Falle kennen gelernt: zwei (p. 171 ff.), deren Natur als Doppel- spindel-EKier nach der im Leben verfolgten ersten Entwickelung nicht bezweifelt werden kann, einen (p. 176ff.), wo wir diese Vorgeschichte aus den Kernverhiltnissen des Pluteus wenigstens mit gré$ter Wahrscheinlichkeit zu erschlieBen vermochten. Alle drei waren in gleicher Weise vdéllig gesund, obgleich sie sowohl in der Furchungsart, wie in der Verteilung der Kerne auf die Kiregionen zwei verschiedene Modi befolgten. Eine héchst wichtige Parallele zu diesen Tatsachen liefern nun die Experimente, bei denen in normal befruchteten Keimen eine Zellteilung unterdriickt worden ist, ohne da8 die zugehérige Kernteilung hintangehalten worden ware (Kapitel M). Hierdurch wird ein ganz ahnlicher Zustand hervor- gebracht, wie ihn ein dispermes Ei zeigt, nimlich eine Zelle mit 4 Zentren. Dementsprechend entwickeln sich, wie ich gefunden habe, solche Keime sehr haufig in der gleichen Weise pathologisch wie die dispermen. Es kann nicht bezweifelt werden, daf dies immer dann geschieht, wenn die Kerne und Centrosomen zu einer Zellen-Studien. 213 -mehrpoligen Figur zusammentreten. Bleiben dagegen die beiden Amphikaryen einer solchen Zelle selbstiindig, so da8 jedes in eine zweipolige Figur eintritt, und erfolgt darauf die Bildung einwertiger Zellen, so sind, wie aus den Versuchen von E. B. Winson hervor- geht, deren Abkémmlinge vollkommen normal. Aus diesen Tatsachen miissen wir den fiir die Beurteilung der Dispermie grundlegenden Schlu8 ziehen, da8 alle diejenigen dispermen Keime normal werden, deren Kerne sich durch regulire Zweiteilung aus einem Vorkern (Monokaryon) oder Kombinationen von solchen ableiten, also selbst Mono-, Amphi- oder Trikaryen sind. Schidlich ist die Dispermie nur dann, wenn sie zu simul- taner Mehrteilung eines solchen Kerns fiihrt. Aber — und dies ist der letzte kardinale Punkt — auch dann ist sie es nichtimmer. Es ist gewif nur eine Umschreibung des bisher konstatierten Sachverhaltes, wenn wir sagen: die simultane Mehr- teilung eines normalen Kerns ist dann nicht schadlich, wenn die entstehenden Tochterkerne die Kigenschaften der durch Zwei- teilung entstehenden Kerne, also die Kigenschaften von Mono- oder Amphikaryen besitzen. Was sind aber diese Eigenschaften, und warum kénnen sie bei simultaner Mehrteilung das eine Mal entstehen, das andere Mal nicht? In zweifacher Hinsicht kann und wird sich im allgemeinen ein durch simultane Mehrteilung gebildeter Tochterkern von einem durch Zweiteilung entstandenen unterscheiden: in der Zahl seiner Chromosomen und in deren Kombination. Wir haben eine ganze Reihe von Beweisen dafiir kennen ge- lernt, dafi das Schidliche der simultanen Mehrteilung eines nor- malen Kerns nicht in der Herstellung einer vom Normalen ab- weichenden Quantitat liegen kann. Vielmehr ist innerhalb der uns interessierenden Grenzen — vielleicht mit verschwindenden Ausnahmen — die Zahl der Chromosomen gleichgiltig. So bleibt nur noch die Méglichkeit unrichtiger Qualitat. Ver- schiedene Qualitit zweier Komplexe von Gebilden, deren Zahl gleichgiiltig ist, ist aber nur denkbar, wenn diese Gebilde selbst nicht alle gleichwertig sind. Damit sind wir wieder bei der Theorie der qualitativen Verschiedenheit der Chromosomen angelangt. Und mit dieser Theorie harmoniert nun alles, was wir Weiterhin von der Entwickelung dispermer Eier wissen. Genau entsprechend den im Kapitel G aufgestellten Postulaten haben wir sowohl unter den Dreiern wie unter den Vierern alle nach unserer Theorie zu fordernden Fille gefunden, von véllig gesunden Larven yw 214 Theodor Boveri, durch die verschiedenen Abstufungen von partiell-gesunden bis zu ; vollig pathologischen. Wir haben die Aussichten der Dreier gegen- iiber denen der Vierer in demselben Ma8 giinstiger gefunden, als die Wahrscheinlickeit giinstiger und ungiinstiger Chromosomen- verteilung bei beiden Typen es erwarten lat. Besonders giinstige Resultate haben, wie die Theorie verlangt, die Doppelspindel-Eier ergeben; auch hier aber konnten sich in dem Maf pathologische Erscheinungen zeigen, als die Furchungsart die Entstehung mehr- poliger Teilungsfiguren in spateren Furchungsstadien méglich er- scheinen lief‘). Wir haben unter den simultan dreiteiligen Eiern eine Gruppe eigentiimlicher Plutei (Taf. VI) gefunden, die sich mit gré8ter Wahrscheinlichkeit auf den Amphiaster-Monaster-Typus mit sofortiger Bildung einwertiger Zellen zuriickfiihren liefen; sie waren, wie nach unserer Theorie zu fordern ist, véllig gesund. Wir haben endlich deutliche Anzeichen gefunden, daf es in den verschiedenen pathologischen Bezirken dispermer Larven ver- schiedene Arten von Kernerkrankung gibt, wie dies gleichfalls mit der Annahme einer Verschiedenwertigkeit der Chromosomen in bestem Einklang steht. Wenn sonach, wie mir scheint, diese Theorie bei der Er- klarung der Dispermie-Erscheinungen alles leistet, was man von ihr erwarten kann, so wird sich doch die Frage erheben, ob es nicht noch andere und vielleicht einfachere Wege geben kénnte, sie auf ihre Richtigkeit zu priifen. Ich selbst wiifte keinen solchen Weg zu nennen. Wohl liegt der Gedanke nahe und ist mir von ver- schiedenen Seiten ausgesprochen worden, normalbefruchtete Kier auf dem Stadium der Aequatorialplatte oder etwas friiher so zu durchschneiden, daf jedes Stiick eine Sphire und einen Teil der Chromosomen erhalt. Man hatte damit 2 Zellen, die mit den primaren Blastomeren eines dispermen Triaster- oder Tetraster- Eies darin tibereinstimmen, daf sie nur einen vom Zufall ab- hangigen Teil der normalen Chromosomen besitzen. Wagt man die Vorteile und Nachteile dieses Verfahrens gegeniiber der Di- spermie ab, so wird man zu folgendem Ergebnis gelangen. Das durch Zerschneiden gewonnene Eifragment kénnte insofern tiber- legen erscheinen, als es ungefaihr die GréSe eines halben Kies hat, wogegen die primare Blastomere eines dispermen Keimes nur ein Drittel oder ein Viertel des Eivolumens besitzt. Dies 1) Einige nicht zu erklarende Ausnahmen von dieser Regel sind p. 171 angefihrt worden. | i } | } ; | } Zellen-Studien. 215 wire deshalb von Wichtigkeit, weil, wie wir wissen, die Entwicke- Jungsaussichten um so ungiinstiger sind, je kleiner der Teil ist, aus dem sich die Larve zu bilden hat. Allein dieser Vorzug des Zer- schneidungsversuches kiime héchstens gegeniiber den im Kapitel E beschriebenen Zerlegungsexperimenten in Betracht, wo sich die einzelnen Blastomeren dispermer Kier isoliert zu ent- wickeln hatten; gegeniiber den ganzen dispermen Keimen fallt er vollig weg. Gerade die dispermen Ganzkeime aber haben uns die Verschiedenwertigkeit der einzelnen primaren Blastomeren aufs schlagendste dargetan, und insofern in einer ganz besonders ein- wandfreien Weise, als die im Verband belassenen und also unter ganz identischen Bedingungen sich entwickelnden Blastomeren gegenseitig als untibertreffliche Kontrollobjekte dienten. Und damit kommen wir zu dem zweiten und ausschlag- gebenden Punkt. Ein durch Schiitteln gewonnenes Eifragment von halber Eigréfe ist immerhin ein Objekt mit guten Entwickelungs- aussichten; ein isoliertes solches Fragment schon bedeutend weniger; ein durch Zerschneiden gewonnenes noch weniger. Dazu kommt im vorliegenden Fall als besonders ungiinstig noch der Zeitpunkt des Zerschneidens. Wenn man Eier vor der Be- fruchtung fragmentiert, so befinden sie sich in einem relativ un- empfindlichen Zustand und haben tiberdies Zeit, sich von dem Eingriff zu erholen. Ein EKingriff waihrend der Teilungsstadien dagegen ist, wie schon das blofe Pipettieren solcher Eier lehrt, viel schidlicher. Dazu muf man noch bedenken, daf die Chromo- somen, auf die sich ja das Experiment beziehen soll, beim Schnitt direkt an die Wundstelle geraten. Was dabei mit ihnen geschieht, entzieht sich ginzlich unserer Kenntnis. Wahrend also die dispermen Ganzkeime — abgesehen von dem in der Dispermie liegenden Moment — genau die nimlichen Entwickelungsaussichten besitzen wie irgend ein normales Ki, sind diejenigen der in Rede stehenden Fragmente so ungiinstig, daf selbst unter der Voraussetzung normalen Kernbestandes nur auf einen geringen Prozentsatz ungestérter Entwickelung gerechnet werden kénnte. Damit ist aber der ganze Versuch wertlos. Denn unser Kriterium zur Priifung der aufgestellten Hypothese ist ja gerade dieses, ob sich die Fragmente normal entwickeln oder nicht. Entwickeln sie sich pathologisch, so miifte, falls die Untersuchung der Kerne die nétige Quantitat von Chromatin ergibt, die Hypo- these verschiedener Qualitat richtig sein. Aber wird und darf dies den Zweifler tiberzeugen? Wird er nicht sagen: die 216 Theodor Boveri, pathologische Entwickelung ist wahrscheinlich eine Folge der Schadigung? Also kann der Versuch, falls die eine Alternative eintritt, tiberhaupt nichts beweisen. Sollte aber einmal das Um- gekehrte eintreffen, daf eines der beiden Fragmente, obgleich es nachweislich nur einen Teil der Chromosomen erhalten hat, sich doch zu einem normalen Pluteus entwickelt, so wire damit die Hypothese der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen noch keines- wegs widerlegt, denn da jede Chromosomenart im normalen ersten Furchungskern (mindestens) zweimal vertreten ist, kann der Schnitt so gefiihrt sein, daf das Fragment alle Chromosomenarten enthalt. Aber selbst wenn sich der Grundmangel des Versuchs, die unvermeidliche grofe Schidigung bei der Operation, tiberwinden © lieBe, und wenn sich nun ergeben wiirde, daf trotzdem die meisten Objekte sich pathologisch entwickeln, welchen Vorzug solite dieses Resultat gegentiber jenem aus den Dispermie-Experimenten haben ? Wenn mir die ausschlaggebende und alleinige Beweiskraft des Zerschneidungsversuchs schriftlich und miindlich, bei dieser letzteren Gelegenheit mit Heftigkeit, vorgehalten worden ist, konnte ich mich des Eindruckes nicht erwehren, da8 diese Aeuferungen entweder auf einer nicht geniigenden Einsicht in die karyokinetischen Phino- mene oder auf einer sehr verbreiteten Verkennung des Wesens des Experiments beruhen. Wenn nicht geschnitten oder ein den normalen Bedingungen fremder Stoff eingefiihrt oder ein Apparat vom Mechaniker angefertigt worden ist, so ist es in den Augen mancher Experimentatoren kein Experiment. Wogegen doch das Wesentliche des Experiments nur darin liegt, daB man sicher weil, da8 gewisse, sonst stets vorhandene Umstande in einem gegebenen Fall in bestimmter Weise abgeindert sind. Wer sie abindert, ob der Beobachter oder die Natur selbst, ist ganz gleichgiiltig. Ja, der Forscher am Lebenden wird es sich ganz besonders angelegen sein lassen, Abweichungen vom Normalen aufzufinden, bei denen er selbst mit seinen rohen Mitteln gar nicht eingegriffen hat und wo er doch die Art des Veranderten véllig zu durchschauen ver- mag. Ein solches Naturexperiment ist die Doppelbefruchtung. Das, was der Experimentator mit seinem Zerschneiden des Eies will, wird hier in untibertrefflicher Weise gelést. Denn wir kénnen mit voller Bestimmtheit sagen, dafi die mehrpolige Teilungsfigur aus dem gegebenen Chromatinbestand die Tochterkerne nach Zahl und Kombination der Chromosomen ganz ebenso zufallig heraus- schneidet, wie wenn wir eine solche Kernzerschneidung mit dem Messer vornehmen wiirden. Die Feinheit aber, mit der der karyo- : SS ee Ee ; Zellen-Studien. 217 kinetische Apparat diese Prozedur ausfiihrt, ist dem Schnitt mit dem Messer unendlich iiberlegen. Man kénnte vielleicht einwenden, daf wohl die Art, wie bei der Dispermie ein abnormer Chromatinbestand hergestellt wird, derjenigen durch den Messerschnitt vorzuziehen sei, daf aber bei der Dispermie mit diesem gewollten Effekt noch andere Wirkungen yerbunden seien, die fiir die zu beobachtenden Folgen verantwort- lich gemacht werden kénnten. Aber auch in dieser Beziehung bietet der Zerschneidungsversuch nicht den geringsten Vorzug. Denn auch hier miifte durch ganz die gleichen Betrachtungen und Versuche, die wir bei der Dispermie anzustellen hatten, erst ge- zeigt werden, daf} nicht die abnorme Durchteilung des Proto- plasmas und dafi nicht die abnorme Menge von Chromatin das Schadliche ist. Es wird nach dem Gesagten begreiflich sein, daf ich mich nicht veranlaft sehen konnte, auf das fragliche Experiment irgend welche Zeit zu verwenden. Seit ich die Ergebnisse, die in dieser Arbeit ausfiihrlich dar- gelegt worden sind, zum ersten Mal mitgeteilt habe (22), sind von verschiedenen Seiten Bedenken dagegen erhoben worden, (die im folgenden auf ihre Berechtigung gepriift werden sollen. In zwei Kategorieen lassen sich diese Kinwendungen zerlegen; die einen Autoren glauben, da’ die Tatsachen der dispermen Entwickelung nicht so gedeutet werden miissen, wie ich sie gedeutet habe; fiir die anderen sind es andersweher geschépfte Griinde, welche ihnen die aufgestellte Theorie ohne weiteres als unannehmbar erscheinen lassen. Zu diesen letzteren Kritikern gehéren PETRUNKEWITSCH und Herest. Das Argument, welches PerrRUNKEWwITSCH (102) ins Feld fiihrt, sind gewisse Tatsachen der Vererbung. Wie er richtig sagt, fordert die von mir aufgestellte Theorie, da8 bei der Chromatin- reduktion die im Amphikaryon enthaltene doppelte Chromosomen- serie aa, bb, cc .... so zerlegt wird, daf jede definitive Geschlechts- zelle genau die einfache Serie a, b,c... erhalt. Dabei begeht PETRUNKEWITSCH jedoch den Fehler, da er meint, auf diese Weise kénnten in jedem Individuum nur Geschlechtszellen von zweierlei Charakter entstehen, namlich solche, welche die Kikern- Serie, und solche, welche die Spermakern-Serie des betreffenden Individuums enthalten. Auf diesem Fehler ist sein Einwand auf- gebaut; denn, so sagt er, unter den genannten Bedingungen ist eine Mischung grofelterlicher Charaktere, wie wir sie so haufig 218 Theodor Boveri, beobachten, unméglich. Es kénnte diesen Bedenken gegeniiber vor allem darauf aufmerksam gemacht werden, daf sich meine Theorie zunichst nur auf Seeigel bezieht, tiber deren Vererbungs- gesetze meines Wissens nichts bekannt ist. Allein wir kénnen davon absehen. Denn nach den zahlreichen Schriften, die seither dem yon PETRUNKEWITSCH herangezogenen Problem gewidmet worden sind, ist es kaum mehr notig, darauf hinzuweisen, daf bei der Reduktion die Serie a, b,c...., die der definitiven Geschlechts- zelle zufallt, in jeder denkbaren Weise aus den Chromosomen der beiden Vorkerne gemischt sein kann, ja daf selbst eine viel feinere Mischung angesichts der Vorginge bei der Konjugation | der Chromosomen nicht ausgeschlossen ist 4). Es ist aber, wie mir scheint, prinzipiell unzulassig, die Schliisse, zu denen meine Versuche gefiihrt haben, an irgend einer auf Chromosomen sich beziehenden Vererbungshypothese zu messen und danach ihre Zulassigkeit zu beurteilen. Wie ganz unsicher dieser Standpunkt ist, dafiir besitzen wir einen nicht uninteressanten Beleg. Genau zu derselben Zeit, als PETRUNKE- witscH die Meinung aussprach, die Theorie der Verschieden- wertigkeit der Chromosomen miisse aufgegeben werden, da sie den Vererbungstatsachen widerspreche, kam STRASBURGER (118) zu dem Resultat, da diese Theorie noch besser, als durch meine Versuche, durch die Vererbungstatsachen bewiesen werde, namlich durch das Menpetsche Gesetz. Beide Urteile — scheinen mir Schliisse vom weniger Sicheren aufs Sicherere zu sein. Wie man aber auch in dieser Hinsicht denken mag, jedenfalls — ————————— 1) Vielfach und so auch bei PrrrunkewitscH wird die Be- hauptung wiederholt, ich liefe die Chromatinreduktion dadurch zu stande kommen, daf die Hialfte der Chromosomen atrophiere. Nun habe ich allerdings im Jahre 1890 auf Grund gewisser Befunde bei Ascaris auf die Méglichkeit hingewiesen, daf vielleicht ein der- artiger Vorgang verwirklicht sei. Nachdem aber 1891 die Arbeit von Hernxine (61) tiber die Spermatogenese der Feuerwanze er- schienen war, in welcher dieser Forscher als erster eine Paarung der Chromosomen vertreten hatte, habe ich schon 1892 den Satz geschrieben (12): ,, Henxine ist bis jetzt dereinzige Forscher, der einen Vorgang beschrieben hat, welcher geeignet ist, die Reduktion der Chromosomenzahl zuerkliaren.“ Und ich habe seither stets, besonders nach dem Erscheinen der Arbeit von Rtcxurr (110), die ,Konjugation der Chromo- somen*“ als diejenige Erscheinung betrachtet, durch welche das Ritsel des Reduktionsvorganges im wesentlichen gelést ist (vergl. auch 26). —————— ee Zellen-Studien. 219 darf betont werden, da8 in meinen Versuchen wirkliche Experi- mente mit Chromosomen vorliegen, deren Ergebnisse nur dadurch bekiimpft werden kénnen, daf man die Richtigkeit der _behaupteten Tatsachen oder die Zuliassigkeit der gezogenen -$chliisse zu bestreiten vermag. Auch das ablehnende Urteil von C. Herssr (68) griindet sich auf Erwigungen, die einem weit abliegenden Kreis von Er- scheinungen entnommen sind. Hergsr glaubt einen Beweis ge- funden zu haben, daf alle mit einem Aggregat von Anlagen rechnenden Vererbungsvorstellungen, worunter er auch meine Theorie der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen einbegreift, unhaltbar seien. Dieser Beweis beruht auf folgendem Versuch. Herest hat gefunden, daf in kaliumfreiem Seewasser die Keime von Echinus microtuberculatus schon waihrend der Furchung absterben, wihrend sich die Keime von Sphaer- echinus granularis in solchem Wasser bis zur Blastula ent- wickeln und, wenn noch rechtzeitig in normales Seewasser zuriick- versetzt, zu normalen Plutei werden. Er hat nun Sphaerechinuseier, die mit Echinussperma befruchtet worden waren, in kaliumfreiem Wasser bis zum Auftreten der Furchungshéhle sich entwickeln lassen, also bis zu einem Stadium, auf welchem die Echinuskeime ihre Entwickelung bereits wiirden eingestellt haben. Wurden diese Bastardkeime nun in normales Seewasser zuritickversetzt, so entwickelten sie sich zu ebenso gestalteten, mit deutlichen Echinus- merkmalen ausgestatteten Bastardlarven, wie jene der Kontroll- kultur, deren Eier von Anfang an in normalem Seewasser ge- ziichtet worden waren. Diese Tatsache beweist nach Hersst, daf es in jeder Sexualzelle nur einen einheitlichen Vererbungsstoff geben kann, der sich bei der Befruchtung mit dem der anderen Zelle zu einer neuen Einheit verbindet. Eine Zusammensetzung aus verschiedenen Anlagetrigern sei hiermit widerlest. Mir scheint der einzig sichere Schlu8, den man aus diesem Versuch ziehen kann, der zu sein, daf ein Medium, welches den Eiern von Echinus verderblich ist, den an der Entwickelung teilnehmenden Bestandteilen der Spermien von Echinus nichts schadet, sobald sie sich in einem Ei befinden, das seinerseits jenes Medium vertraigt; und da speziell diejenigen Teile des Echinus- spermiums, deren Funktion die Uebertragung der vaterlichen Eigenschaften ist, durch das kaliumfreie Wasser nicht beeintrichtigt werden. Man wird daraus wohl weiterhin den Schluf ziehen diirfen, 220 Theodor Boveri, | daf das veranderte Medium auch in den Eiern von Echinus ( nicht die dem Spermakopf aquivalenten Bestandteile und also | gerade nicht die den sp&teren Speciestypus bedingenden Anlage- substanzen trifft, sondern andere Teile, woriiber weitere Ver- mutungen anzustellen miifig wire. So sagt der Hersstsche Versuch nicht einmal iiber das gegenseitige Verhiltnis der vater- lichen und miitterlichen Anlagesubstanz etwas aus, geschweige | tiber die Konstitution einer jeden von diesen selbst. Im iibrigen gilt fiir die AeuSerungen von Hersst das Gleiche, | wie fiir diejenigen von PerrunKewiTscu, daf namlich die Frage, — ob die Chromosomen eines Kerns verschiedene Qualititen be- sitzen oder nicht, auf keine andere Weise entschieden werden kann als durch Herstellung einer von der Norm abweichenden Chromosomen-Kombination. | : : Von den Gegnern der zweiten Kategorie sei zuerst R. Fick (51) erwahnt, der sich in seinen ,Betrachtungen iiber die Chromo- somen, ihre Individualitét, Reduktion und Vererbung“ gegen eine qualitative Verschiedenheit der Chromosomen ausgesprochen hat. Er meint, ,der Umstand, daf bei Dreiteilung der dispermen Kier viel mehr annahernd normale Larven entstehen als bei Vier- teilung, kénnte doch vielleicht wenigstens teilweise auf der gréferen Chromatinmenge beruhen, die durchschnittlich jede der drei Zellen enthalt“. Dazu habe ich nur zu bemerken, daf diese Vermutung sich ja vollig mit meiner Auffassung deckt, insofern eben die Aussicht, da& eine Zelle alle zum normalen Bestand nétigen Chromosomenarten erhilt, mit der Zah] der Chromosomen steigen muf. Daf aber nicht die gréiSere Menge von Chromatin an sich die Zellen des Dreiers normaler macht als die des Vierers, dies hoffe ich durch alles, was in dieser und meiner vorigen Arbeit an Tatsachen mitgeteilt worden ist, iiber jeden Zweifel sichergestellt zu haben. Was Fick mit der weiteren AeuSerung meint, daf ,auch bei der Merogonie u. s. w. annahernd normale Entwickelung seltener sein werde bei auffallig kleinem, als bei normalerem Chromatingehalt“, ist mir unklar geblieben. Denn erstens weif ich nicht, worauf sich das ,u. s. w.“ beziehen soll, und zweitens gibt es bei der ,Merogonie“ nur einen ganz be- stimmten Chromatingehalt, namlich den halben Normalgehalt. Sollte aber Fick bei seinem Einwand an die ,Kernplasma- Relation“ gedacht haben, so ist sein Argument ja ohne weiteres dadurch hinfallig, da, wie oben (p. 204) eingehend dargelegt worden ist, in dieser Hinsicht die dreiteiligen und die vierteiligen / dispermen Eier vdéllig gleich gestellt sind. h i | Zellen-Studien. 991 f } Kingehend und bei verschiedenen Gelegenheiten hat Drrescn (44, 46, 47) das Zwingende meiner Beweisfiihrung bestritten, und er hat neuerdings selbst eine Hypothese aufgestellt, welche die Erscheinungen der dispermen Entwickelung erkliren soll, nimlich die, dafi die schiadliche Wirkung der Doppelbefruchtung in einer Stérung bei der Bestimmung der Bilateralitit des Keimes liege. Drriescu geht dabei aus von der Lehre Rovuxs, da8 im Froschei der Spermapfad die Symmetrieebene bestimmt. Falls sich dies bei Seeigeln ebenso verhalte, so ergebe sich daraus beim Eindringen zweier Spermien ohne weiteres ein Widerstreit der Bilateralititsbestimmungen, der fiir die pathologische Ent- wickelung verantwortlich zu machen sei. DriescuH selbst hat bereits die Grundlagen dieser Hypothese gekennzeichnet, indem er schreibt (46, p. 629): ,,Freilich ist nicht einmal der Rouxsche Befund fiir den Frosch véllig sicher; seine Uebertragung auf die Echinodermen ist vollig vermutungsmifig.“ Und wenn Driescu fiir den Frosch hinzufiigt, da8 jedenfalls eine durch Gravitation gesetzte Symmetrie die durch das Sperma ge- setzte tiberwinden kann, so habe ich etwas ganz Entsprechendes auch fiir das Seeigelei feststellen kénnen; daf namlich jede be- liebige dem Ei durch Streckung aufgezwungene kiinstliche Symmetrie fiir die Medianebene bestimmend ist. Auch hat DrirscH selbst schon hervorgehoben, dafi seine Erklirung gegentiber der Parthenogenese versagt, und zwar versagt sie nicht nur gegentiber den sich abnorm entwickelnden parthenogenetischen Keimen, sondern noch mehr gegeniiber den normalen, die uns lehren, daf auch der nicht deformierte Keim im stande ist, ohne Spermium!) eine bilaterale Symmetrie zu gewinnen. Diese Tatsachen zeigen die Bilateralititsbestimmung als so unabhangig vom Spermium, daf nicht einzusehen ist, wie das Eindringen zweier Spermien die Bilateralitat stéren sollte. Vor allem aber wire, wenn die Drimscusche Hypothese irgend einen erklirenden Wert beanspruchen wollte, zu fordern, da8 die Doppelbefruchtung die Keime eben wirklich in der Herstellung der Bilateralitat stért. Wenn disperme Keime ihre normale Symmetrie nicht finden kénnen, warum bilden sie nicht eine 1) Vgl. hierzu auch T. GargBowsxr (55), 222 Theodor Boveri, abnorme oder gar keine? Wir wissen durch die HeErgstschen Lithiumversuche, da8 véllig gesunde Echinidenlarven von radialer Symmetrie entstehen kénnen; auch in normalem Seewasser kénnen, wie ich mich tiberzeugt habe, unter Umstanden radiare , Plutei“ auftreten. Das ware also eine Entwickelungsrichtung, die den dispermen Keimen offen stiinde. Niemals aber habe ich unter den dispermen Keimen eine solche Form gesehen. Oder, wenn der Spermapfad die Medianebene bestimmt, warum entstehen dann nicht bei zwei im Winkel zueinander gestellten Spermawegen sehr charakteristische Doppelbildungen? Wir wissen, wie leicht sich bei Echiniden durch gewisse Eingriffe Doppelmonstra von ganz ge- sunder Beschaffenheit erzielen lassen; die prinzipielle Fahigkeit, bei ,doppelter Medianebene* eine Doppelbildung zu liefern, muf dem Echinidenei also jedenfalls zukommen. Nicht die geringste Spur solcher Tendenzen aber hat sich je an einem dispermen Ei gezeigt. Vielmehr ist es eines der durchgreifendsten Ergebnisse meiner Untersuchungen, da jede Larve, wenn sie nur tiberhaupt gesund genug ist, spatere Stadien zu erreichen, auch im stande ist, eine Symmetrieebene zu finden. Also nicht eine Andeutung von dem, was man nach der Hypothese von DriescH erwarten sollte, macht sich bemerkbar, wohl aber etwas ganz anderes: die meisten dispermen Keime werden krank. Warum sollte Stérung bei der Bila- teralitatsbestimmung die Keime krank machen? Und iiberdies schon krank auf dem Blastulastadium, wo die Aufgabe, eine bilaterale Symmetrie zu gewinnen, noch gar nicht an den Keim herangetreten ist! Schon diese Tatsache allein, daf die dispermen Keime in ihrer grofen Mehrzahl nicht zu gastrulieren vermégen, scheint mir zu gentigen, um die Hypothese von DriEscH auszu- schliefen. Vollig unerklart bleibt weiterhin bei der Annahme von DriescH das so auferst charakteristische Faktum, daf die Dreier viel giinstigere Entwickelungsaussichten besitzen als die Vierer; vollig unerklart bleibt das Phinomen der partiellen Erkrankung; vdllig unerklart die verschiedenen Arten der Zellerkrankung. Und von der Tatsache, da8 man durch Furchenunterdriickung in normalen Kiern die gleichen Erscheinungen hervorrufen kann, wie durch Dispermie, gibt die Hypothese gleichfalls keine Rechenschaft. Daf Driescu trotzdem der Meinung ist, sein Erklirungsver- such verdiene vor dem meinigen methodologisch den Vorzug, dafiir ist fiir ihn vor allem die Erwigung bestimmend, daf meine Theorie, | | : | | Zellen-Studien. 223 wie er sagt, etwas ,véllig Unbekanntes, ad hoc Er- fundenes* einfiihrt. Ich glaube nicht, daf diese Charakterisierung zutreffend ist. Unter ,,ad hoc erfunden‘t versteht man eine An- nahme, die lediglich gemacht wird, um ein einzelnes Faktum zu er- klaren, das einer bestimmten, vorgefaiten Anschauung widerspricht. Meine Hypothese der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen dagegen ist im Widerspruch zu einer von mir friiher vertretenen Ueberzeugung entstanden, und sie ist nicht ausgedacht, um einen einzelnen isolierten Befund zu erkliren, sondern sie ist die einzige mir moéglich erscheinende Annahme, welche alle Tatsachen der dispermen Entwickelung einheitlich zu erklaren vermag. Wenn aber, wie DriescH weiter zu fordern scheint, niemals etwas bis dahin ,,Unbekanntes“ eingefiihrt werden diirfte, so wiiBte ich tiberhaupt nicht, wozu wissenschaftliche Arbeit fiihren sollte. Noch in einer anderen Form kehrt dieses Argument bei DriescH wieder, namlich in den Worten (46, p. 627), daf fiir meine An- nahme bei meinem Objekt ,gar nichts Sichtbares*“ spreche. Dieser Satz war schon, als er geschrieben wurde, nicht zutretfend und ist es heute noch weniger. Denn die Gréfen- und Gestalt- verschiedenheiten der Echiniden-Chromosomen, in denen nach den Untersuchungen des Herrn F. Baurzrer (vergl. p. 69) ganz ahn- liche Gesetzmafigkeiten nachweisbar sind, wie bei den Insekten, bieten wirklich alles dar, was man in diesem Fall an ,,Sichtbarem“ erwarten kann. Was Driescu schlieBlich bei dem Satz im Auge gehabt haben mag, daf mein Erklirungsversuch ,so viel des Neuen“ ein- fiihre, ist mir unklar geblieben. Denn das Hauptcharakteristikum meiner Theorie der dispermen Entwickelung ist ja gerade dieses, dafi sie mit einer einzigen Annahme eine nicht ganz geringe Mannigfaltigkeit von Erscheinungen zu erkliren vermag. Noch eine zweite Vermutung iiber die pathologische Wirkung der Doppelbefruchtung hat Driescu in seiner letzten Schrift (47) geiufert und durch ein Experiment zu priifen versucht. Er schreibt dariiber (p. 781): ,,Nach R. S. Linnie sind die sauer reagierenden Kerne negativ, die Protoplasmen positiv geladen. Das disperme Ei hat jedenfalls zu viel Kern: kommen hier chemo-elektrische Effekte in Frage? Es waren unter anderen solche Erwagungen, welche mich, auf Anraten meines Freundes Hersst, versuchen liefen, ob sich nicht etwa durch Zusatz von NaOH zum Seewasser disperme Kier zur Entwickelung bringen lassen méchten“. Das Resultat war ein ginzlich negatives. 224 Theodor Boveri, Auch diesen Gedankengang muf ich fiir verfehlt halten. Denn nach allem, was wir nunmehr iiber die Beziehungen von Kern- menge und Plasmamenge im Echinidenkeim wissen, hat es keinen Sinn, innerhalb der Grenzen, in denen sich die Dispermie halt, beim jungen Keim von zu viel oder zu wenig Kernsubstanz zu reden. Und auch ohne diese Erwigungen ist es jedenfalls un- richtig, ihm zu viel Kern zuzuschreiben. Denn schon die primiren Blastomeren und somit auch alle ihre Abkémmlinge be- sitzen ja im Durchschnitt nicht mehr, sondern weniger Kern- substanz als der normale Keim. Alle diese Siitze von Driesco und manche anderen machen | den Eindruck, daf dem Autor bei ihrer Abfassung die Tatsachen der dispermen Entwickelung nicht geniigend gegenwartig waren. Und nur unter dieser Voraussetzung kann ich mir seine Meinung erklaren, man werde ihm zugestehen miissen, daf er seine eigenen Anschauungen ebenso kritisch behandelt habe wie die meinigen. Hochstens im negativen Sinne liefe sich in dieser Behauptung eine gewisse Berechtigung finden. Denn das, was die Aufgabe des Kritikers gewesen ware, die beiderseitigen Hypothesen mit allen Tatsachen der dispermen Entwickelung zusammenzuhalten, hat DRIEScH gar nicht unternommen. Als ein weiterer Gegner der Verschiedenwertigkeit der Chromo- somen ist vor kurzem P. JENSEN (82) aufgetreten. Er fiihrt (p. 81) zwei Punkte an, welche seiner Meinung nach ungezwungener zu einem Verstindnis der Dispermieerscheinungen fiihren als meine eigenen »kunstvoll ersonnenen Erklirungsversuche*. Der eine bezieht sich auf die Kernplasmarelation, deren Stérung in dispermen Keimen ein ausreichender Grund fiir die von mir beschriebenen Abnormi- taten sein kénne. Ich habe diese Annahme oben (p. 198 ff.) so eingehend diskutiert und glaube sie so sicher als unhaltbar nach- gewiesen zu haben, dafi ich dem dort Gesagten um so weniger etwas hinzuzufiigen habe, als Jensen keinen Versuch gemacht hat, diesen Einwand irgendwie zu begriinden. Was aber sein zweites Argument anlangt, es sei naheliegend, ,,dafi die beiden Spermatozoen durch die Zweizahl ihrer Entwickelungstendenzen die gesamte Entwickelung in abnorme Bahnen leiten méchten“, so ist mir nicht klar, wie JENSEN in diesem Satz einen Widerspruch gegen meine Anschau- ungen erblicken kann. Denn freilich ist es in irgend einem Sinn »die Zweizahl der Entwickelungstendenzen“, welche schadlich ist, nimlich nach meiner Theorie die Zweizahl der ins Ei eingefiihrten Zellen-Studien. 225 Centrosomen, die sich hier so weiterentwickeln, als ob jedes das einzige wire. Was JENSEN an diesem meinen Erklarungsversuch als ,,kunstvoll ersonnen“ tadelt, kann, da die Theorie nur auf einer einzigen, tiberdies sehr einfachen Annahme ruht, offenbar nur dieses sein, daf ich versucht habe, mir alle Konsequenzen dieser Annahme klar zu machen und zu priifen, ob die sich hier- bei ergebenden Postulate durch die Tatsachen der dispermen Ent- wickelung bestatigt werden. Wer es, wie JENSEN, natiirlich findet, dafi ,die durch die Dispermie gesetzten abnormen Entwickelungs- bedingungen noch nicht im einzelnen zu tibersehen sind“ (p. 81), wer also auf eine Erklirung der Tatsachen der dispermen Ent- wickelung verzichtet, der kann freilich auch auf jede Theorie ver- zichten. Endlich hat vor kurzem ©. RaBu (104) meine Theorie nach seiner Meinung widerlegt und zwar, wie er sagt, mit Argumenten, die zum Teil meinen eigenen Arbeiten entnommen sind. Ras geht von der Voraussetzung aus, daf} Ei- und Spermakern, wenn sie im Ei im Ruhezustand sich befinden — das ware also fiir den Spermakern nach seiner Verschmelzung mit dem Eikern — organ- bildende Substanzen ins Plasma abgeben. Im dispermen Ei finden sich drei ruhende Kerne, die allerdings fast stets in einem einzigen Kern, einem Trikaryon, vereinigt sind. Es sei nun, meint Rapi, sehr wahrscheinlich, dafi die von diesem Trikaryon ins Plasma iibertretenden Substanzen hier anders verteilt werden als diejenigen, die von dem Amphikaryon des normalbefruchteten Kies ausgehen. Schneiden dann die ersten Furchen durch, so sei es wahrscheinlich, daf die 4 Blastomeren andere plasmatische Qualitaten erhalten als bei der normalen Furchung. So ware also die Verschiedenwertigkeit der Blastomeren des dispermen Eies leicht erklart. Diese Hypothese arbeitet mit zwei héchst unwahrscheinlichen, wenn nicht unméglichen Annahmen, namlich erstens mit der Voraus- setzung, dafs in der kurzen Zeit, wahrend welcher der ruhende erste Furchungskern besteht, von ihm organbildende Substanzen ins Eiplasma abgegeben werden, welche nicht etwa fiir die nachst- folgenden Entwickelungsvorgénge bestimmt waren, sondern erst nach vollendeter Blastulation zur Wirksamkeit kamen. Denn erst von hier an beginnen ja die dispermen Keime sich anders zu ver- halten als die normal befruchteten. K6nnte es einen ungeeigneteren Zeitpunkt geben, um solche fiir viel spitere Entwickelungsvorginge Bd. LXII. N. F. XXXVI. 15 226 Theodor Boveri, bestimmte Substanzen in gesetzmifig verschiedener Weise im Keim zu verteilen, als vor der ersten Teilung der EHies, wo dann immer noch der ganz exakte Verlauf der Teilungsebene dazu gehért, um den normalen Effekt zu sichern? Da Rast sich bei dieser Annahme auf mich selbst beruft, sei auf folgenden vor 15 Jahren von mir geschriebenen Passus (12, p. 468) hingewiesen. ,,Wenn man es nach den Beziehungen, die wir zwischen Kern und Protoplasma annehmen miissen, be- greiflich findet, dafS der Kern der Ovocyte dem Zellkérper pro- portional heranwiachst, so mu es um so auffallender erscheinen, da8 der Kikern, der doch einer ebenso grofen Zelle angehort, und desgleichen der erste Furchungskern, in den groften wie in den kleinsten Eiern die Dimensionen gewohnlicher Zell- kerne nicht iiberschreitet.... Es scheint mir nun, daf dies so zu erklaren sein diirfte, daf’ der Eikern und der nach der Befruchtung hergestellte erste Furchungskern gar keinen formativen Kinflu$ auf das Protoplasma auszuiiben haben. Das gesamte zur Ent- wickelung, wenigtens zur ersten Entwickelung, notwendige Material ist vorhanden; nun handelt es sich zunichst um nichts anderes, als die erste Embryonalzelle in eine Anzahl gesetzmafig ange- ordneter Zellen zu zerfallen. Dieser Vorgang, der Furchungs- prozeB, scheint aber durch die Anordnung des Eimaterials allein vollkommen bestimmt zu sein; eine Direktion desselben von seiten der Kerne — deren Entbehrlichkeit tibrigens damit keineswegs. behauptet werden soll — findet allem Anschein nach nicht statt +). Erst wenn eine aktive Spezialisierung der Furchungszellen be- ginnt, miissen wir wieder engere Beziehungen zwischen Kern und Protoplasma voraussetzen; zu dieser Zeit aber sind die Furchungs- zellen schon so klein, daf die ihnen zugehérigen Kerne nun zur Menge des Protoplasmas in keinem Mifverhaltnis mehr stehen.“ Diese Satze zeigen, dafi mein Widerspruch gegen die Rasischen Vor- stellungen nicht erst von heute stammt. 1) (Anmerkung von 1892) Ich schlieBe dies vor allem aus folgender Tatsache. Der Furchungsproze8 eines Eies von Echinus ist von dem eines Hies des Sphaerechinus in bestimmten Charakteren unterschieden. Bastardiert man nun Sphaerechinus-Hier mit Echinus- Samen, aus welcher Kreuzung sich stets eine Larvenform entwickelt, welche zwischen den beiden elterlichen genau die Mitte halt, so miifte, wenn schon die Furchung von seiten der Kerne beeinfluht. wiirde, bereits hier eine Modifikation in der Richtung gegen die viaterliche Art zu bemerken sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zellen-Studien. 220 Ist nun die erste Annahme Rasts bereits bedenklich, so scheint mir dies mit seiner zweiten in noch viel héherem Grade der Fall zu sein. Die organbildenden Substanzen, die von einem Trikaryon ausgehen, sollen anders im Eiplasma verteilt werden, als die aus einem Amphikaryon austretenden. Schon die Tatsache, dafi das Monokaryon den Keim zu ebenso normaler Entwickelung befahigt, wie das Amphikaryon, widerspricht dieser Annahme. Wenn der einzelne Vorkern genau so wirkt wie zwei, dann muf das Gleiche auch von dreien erwartet werden. Hichstens kénnte man denken, das Trikaryon wirke wegen seiner gréferen Quantitit in irgend einer Weise ,,zu stark“. Aber erstens miifte sich diese Wirkung in allen dispermen Keimen in gleicher Weise auSern, und zweitens miifte dann auch das Amphikaryon in einem kleinem Eifragment zu stark wirken. Keines von diesen beiden Postulaten aber wird von der Natur bestiatigt. Noch wichtiger ist der Umstand, da8 man nicht einzusehen vermag, wie ein aus lauter gleichen Teilen bestehender Kern nach verschiedenen Richtungen verschieden wirken soll. Fiir Rasu sind alle Ei- und Spermachromosomen essentiell gleichwertig. Eine nach verschiedenen Richtungen gesetzmafig verschiedene Wirkung kénnte ein Komplex solcher Gebilde nur dann entfalten, wenn sie erstens alle in gleicher Weise polar differenziert und zweitens in gesetzmaBiger Weise nebeneinander geordnet waren. Daf im ersten Furchungskern der Echiniden eine solche Ordnung nicht besteht, vielmehr die einzelnen Chromosomen wahllos durch- einander gemischt und gelagert sind, ist sicher. Damit ist der Rastschen Voraussetzung jegliche Grundlage entzogen. Aber damit sind wir noch nicht zu Ende. Selbst wenn die Hypothese Rasts so beschaffen ware, daf’ man sie nicht von vorn- herein abweisen miifte, kénnte sie doch nicht das leisten, was ihr Autor ihr zuschreibt, nimlich meine SchlufSfolgerungen zu wider- legen. Denn dazu ware noétig, da’ diese Hypothese die Er- scheinungen der dispermen Entwickelung mindestens ebensogut zu erklairen verméchte wie die meinige. Und man frage sich also, wie die Ueberlegenheit der Dreier tiber die Vierer und alle iibrigen in dieser Arbeit mitgeteilten Einzelheiten nach den Rapischen Annahmen erklart werden sollen. Ein Einwand endlich, der mir im Gesprich mehrmals be- gegnet ist, ist der, da8 solche asymmetrische oder partiell-defekte, bezw. partiell-pathologische Larven, wie ich sie als charakteristische 15 * 228 Theodor Boveri, Folge bestimmter, durch mehrpolige Mitosen bewirkter Chromosomen- verteilung ansehe, auch in véllig normalen Zuchten zu finden seien und sonach fiir meine Schluffolgerungen nichts beweisen kénnten. Hierauf ist zu erwidern, dafi die von mir studierten Objekte, mit Ausnahme der Dreier, gleichfalls aus ,,véllig normalen Zuchten“ stammen, d. h. aus Eiern, an denen nicht der geringste Eingriff vorgenommen worden ist. Was an ihnen spezifisch ist, das ist nur das Eindringen zweier Spermien, befordert durch den Zusatz grofer Spermamengen. Wo immer Seeigeleier geziichtet werden und besonders dann, wenn der Experimentator nicht speziell Sorge trigt, daB nur wenig Sperma mit den Eiern in Beriihrung kommt, werden sich in geringerem oder gréferem Prozentsatz disperme Keime vorfinden, und alle Arten von Larven des Tetraster- und Doppelspindel-Typus, also Larven, wie ich sie auf Taf. VIII und IX abgebildet habe, werden in sogenannten normalen Zuchten vorkommen. Damit wird auch dieses Bedenken hinfiallig. @. Zur Theorie des Kerns und der Vererbung. Die Theorie der qualitativen Verschiedenheit der Chromosomen setzt nicht notwendigerweise die Theorie der Chromosomen- Individualitaét voraus. Denn welcher Art auch die Zustaénde im ruhenden Kern sein mégen, aus denen sich bei Beginn der Mitose einzelne Chromatinstiicke differenzieren, die Méglichkeit, daf diese untereinander verschiedenwertig sind, kann nicht bestritten werden. Allein wenn auch die beiden Theorieen einander nicht fordern, so stehen sie doch in so naher Beziehung und miissen sich, wenn sie beide richtig sind, in ihrer spezielleren Ausgestaltung gegenseitig so wesentlich beeinflussen (vgl. die Betrachtungen auf p. 67ff.), da& es angezeigt ist, hier auch einen Blick auf den Inhalt und die Grundlagen der Individualitatstheorie zu werfen. Es diirfte dies um so mehr am Platze sein, als neuer- dings R. Fick (51) in einem interessanten und viel beachteten Aufsatz diese und andere auf das Chromatin sich beziehenden Anschauungen als unhaltbar bezeichnet und ihr Aufgeben gefordert hat. Ich gehe auf die kritischen Erérterungen Ficks an dieser Stelle nur insoweit ein, als sie sich auf die Hypothese der Indivi- dualitat der Chromosomen beziehen, méchte aber nicht unterlassen, zu bemerken, daf’ meine Meinung auch in anderen Punkten von der seinigen erheblich abweicht. Zellen-Studien. 229 Wenn ich die Argumente tiberblicke, die dieser Forscher gegen die Individualitatstheorie vorgebracht hat, so komme ich zu dem Resultat, daf’ sein Widerspruch im wesentlichen darauf beruht, daf er den Sinn der Theorie mifversteht. So ist, wie schon Gross (57) hervorgehoben hat, sein Kampf in der Hauptsache ein Streit um Worte. Was durch den kurzen Ausdruck: ,Individualitit der Chromo- somen“ bezeichnet werden soll, ist die Annahme, daB sich fiir jedes Chromosoma, das in einen Kern eingegangen ist, irgend eine Art von Kinheit im ruhenden Kern erhalt, welche der Grund ist, dafi aus diesem ruhenden Kern wieder genau ebenso viele Chromo- somen hervorgehen und da diese Chromosomen tiberdies da, wo vorher verschiedene Gréfen unterscheidbar waren, wieder in den gleichen GréSenverhiltnissen auftreten und da8 sie dort, wo sie vor der Kernbildung in charakteristischer Weise orientiert waren, diese Orientierung bei ihrem Wiedererscheinen haufig in gleicher Weise darbieten. Die Hypothese setzte eine bestimmte Vorstellung an die Stelle von bis dahin ganz fehlenden oder unbestimmten Vorstellungen, speziell derjenigen von C. Rasu (103), der einen Rest der Chromatinfiden im ruhenden Kern erhalten bleiben lief mit wesentlich derselben Verlaufsweise wie im Knauel. Dieser Rasischen Strukturtheorie, wie man sie nennen kénnte, tritt die Individualitaétstheorie gegeniiber, indem sie das Fort- bestehen einer bestimmten Anordnung im ruhenden Kern fiir gleichgiiltig erklart (vgl. 9, p. 5), dafiir aber eine Identit at jedes neuen Chromosoma mit einem alten in irgend einem Sinn behauptet ‘). 1) Es ist ein Irrtum, wenn C. Rast neuerdings (104) die Meinung ausspricht, er habe im Jahre 1885 die Individualitats- hypothese, wenn auch nicht unter diesem Namen, aufgestellt. Hatte diese Idee ihm damals deutlich vorgeschwebt, so hatte er nicht nur in positiver Hinsicht seine Anschauung anders aussprechen miissen, sondern er hatte vor allem nicht Ansichten auSern kénnen, die mit der Individualitatshypothese in entschiedenem Widerspruch stehen. Man braucht nur die Erérterungen itiber die Chromosomenzahl auf den pp. 250/251 seiner Abhandlung (103) zu lesen, um zu er- kennen, daf hier von dem Gedanken an eine durch jedes Chromo- soma reprisentierte Hinheit, an eine Identifizierung jedes neuen Mutterchromosoma mit einem der in den Kern eingegangenen Tochterchromosomen, noch keine Spur vorhanden ist. Damit wird den hervorragenden Verdiensten C. Rasis um die Schaffung einer der wichtigsten Grundlagen fir die Individualititstheorie nicht zu nahe getreten. 230 Theodor Boveri, Es ist ein Vorzug der gewahlten Benennung, da sie sehr wenig prijudiziert und deshalb, entgegen der Meinung von Fick, der Gefahr einer Mifdeutung oder dogmatischen Verhartung kaum ausgesetzt ist. Denn sie laft einerseits diejenige speziellere Vor- stellung zu, die sich aus den Befunden von Rasu und mir zu- nichst aufgedringt hatte, da das Chromosoma im Ruhekern nur nach Art eines Rhizopoden in ein Geriistwerk tibergegangen ist, um sich vor der Kernauflésung wieder zusammenzuziehen. Anderer- seits fiigt sich der Benennung auch die Vorstellung, von der ich zuerst als einer Méglichkeit gesprochen habe und die dann in HArcKER (58) und STrAspuRGER (118) Vertreter gefunden hat, dafi von jedem Chromosoma eine achromatische Grundsubstanz als Einheit tibrig bleibt, aus der die Chromatinpartikel austreten und in der sie sich wieder sammeln'). Der Ausdruck Individualitats- theorie ist weiterhin mit der Vorstellung vertraglich, daf in jedem Chromosoma eine Art Zentralorgan besteht, das, mit einer gewissen Attraktionskraft begabt, immer wieder ein bestimmtes Chromatinquantum um sich sammelt. Endlich widerstreitet die Benennung auch nicht der Annahme, dafi das Chromosoma aus lauter selbstindigen Individuen besteht, die, mit spezifischer An- ziehung fiireinander ausgestattet, sich nach vdlliger Zerstreuung wieder in einem Chromosoma zusammenfinden; d. h. die Indivi- dualitaitstheorie umfaSt zugleich die Ficksche ,Manévrier- 1) Diese Anschauung kritisiert Frox (p. 201) durch den Satz: yHin Chromosom ohne Chromatin erscheint mir wie eine Perlenkette ohne Perlen!“ Das klingt freilich ver- nichtend. Aber man wihle nur ein anderes Bild, z B. eine Weinflasche ohne Wein, so wird man das ,,Chromosoma ohne Chromatin“, d. h. den Chromatintriger der Mitose, der zu anderen Zeiten diese Substanz verlieren kann, nicht mehr so sinn- los finden. Jedenfalls ist es nichts als das Wort, woran Fick sich st68t, und wenn man statt Chromosom ,Karyosom“ sagt, ist alles in Ordnung. — Neben der eben zitierten AeuSerung steht bei Fick der andere Satz: ,Das individuell Erscheinende am Chromosom ist doch sein Chromatingehalt“ .... Auch hier scheint mir ein Mifverstandnis vorzuliegen, zu dessen Aufklarung nochmals die Weinflasche dienen mag. Wenn ich zwei gleiche Weinflaschen habe, die eine mit Moselwein, die andere mit Rhein- Wein, so ist das, was die beiden Komplexe ,individuell unter- scheidet, allerdings ihr Weingehalt; was sie aber zu ,Individuen*“ macht, ist nicht der Wein, sondern die Flasche. Um das Indi- vidualisierte aber handelt es sich bei der uns beschiftigenden Theorie, nicht um das Individuelle. Zellen-Studien. 231 Hypothese“, indem ja auch ein Komplex, der nach Art eines Infanterieregiments oder Insektenstaats konstituiert ist, als ein Individuum bezeichnet werden kann und schon oft so be- zeichnet worden ist. Daf Fick die von ihm vertretene Hypothese nicht lediglich als speziellere Ausfiihrung der Individualititstheorie anerkennt, dazu scheint mir neben seiner zu engen Fassung des Begriffs ,lndividuum“ auch der Umstand beizutragen, daf er eine, wie ich glaube, notwendige Konsequenz seiner Hypothese ignoriert. Wenn die Chromosomen Formationen von viel kleineren Chromatin- individuen sind, die sich im Ruhekern voneinander lésen und im Kernraum zerstreuen, und wenn nicht von jedem Chromosoma irgend etwas tibrig bleibt, das bei Beginn der nichsten Mitose jene Granula in ungefaihr gleicher Menge wie vorher in oder um sich sammelt, dann ist angesichts der Konstanz der Chromosomen- zahl und angesichts jener Falle, wo einzelne Chromosomen von einer Zellengeneration zur nachsten nach ihrer Groéfe oder sonstigen Eigenschaften identifiziert werden kénnen, nur die Annahme még- lich, dai die Teilchen, die in einem Chromosoma verbunden waren, gewisse spezifische Kigenschaften haben, durch die sie sich von denen aller tibrigen Chromosomen unterscheiden. Denn sonst wiirden sich, wenn zum Sammeln geblasen wird, im besten Fall eine An- zahl von Haufen bilden, nimmermehr aber kénnte eine bestimmte Zahl von Gruppen mit gesetzmailigenGréofendifferenzen auftreten. Diese allen Teilchen eines Chromosoma zukommende Spezifitat, welche die Ficksche Hypothese voraussetzt, sie ist es eben, die alle diese Teilchen, mégen sie auch tiberall im Kern zerstreut und mit denen der anderen Chromosomen gemengt sein, als eine Einheit umfaft und uns berechtigt, von einem indi- viduellen Fortbestehen des Chromosoma zu reden. Einige Stellen in dem Aufsatz von Fick scheinen anzuzeigen, da8 es ihm widerstrebt, das als ein Individuum zu bezeichnen, was Seinerseits aus Individuen zusammengesetzt ist. Dem Zoologen, der bestindig die ganze Mannigfaltigkeit tierischer Existenzen zu iiberblicken hat, liegt das Relative und naturgemaf Unbestimmte des Individualitatsbegriffes wohl naiher. Auf S. 202 schreibt Fick: »Bei der Verschmelzung der vaterlichen und miitterlichen Chro- PMGSOMIEN Ps is. ss, + (2 ist Boveri natiirlich auf alle Falle ge- zwungen, die Erhaltung der Individualitat der Chromosomen preiszugeben.“ Und er sieht hier einen der vielen Widerspriiche, die zum Aufgeben der Individualititshypothese 232 Theodor Boveri, notigen. Es geniigt, die Frage zu stellen, ob die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle Fick veranlaSt, die Lehre von der Indi- vidualitét der Zellen aufzugeben ? Mit dem Gesagten glaube ich gezeigt zu haben, dal Ficxs Einwendungen keineswegs ein Aufgeben der Individualitatstheorie, sondern héchstens eine Modifikation derselben verlangen. Eine weitere Frage aber ist die, ob die Zustinde, die wir an den Zell- kernen beobachten, der Fickschen Vorstellung tiberhaupt giinstig sind. Die Objekte, an denen ich selbst den Uebergang der Tochter- chromosomen in den Zustand des Ruhekerns und die Bildung der neuen Mutterchromosomen aus diesem Ruhekern studiert habe, lassen, wie mir scheint, keine andere Deutung zu als diejenige, die vorher schon mehr oder weniger bestimmt FLemmine, C. RABL u. a. gegeben hatten, da’ naimlich die Tochterchromosomen durch Aussenden von Fortsitzen in ein Geriistwerk iibergehen, und daf jedes neue Chromosom aus einem gewissen Bezirk dieses Geriistes durch Kontraktion entsteht. Dazu kommen dann noch als hoéchst wichtige Erginzung die bei verschiedenen Kernformen ermittelten deutlichen Anzeichen, daf jeder aus einem Chromosoma entstandene Geriistbezirk wieder in ein Chromosoma zusammenflieBt (vergl. 26). Alle diese Falle — und ich glaube, sie diirfen noch immer als die bestuntersuchten gelten — fallen also von vornherein aus der Fickschen Hypothese heraus. Was aber bleibt dann tbrig? Fick beruft sich auf die Verhiltnisse in den Keimblaschen und dabei besonders auf seine eigenen Studien an den Keimblaschen von Amphibien-Eiern. Leider liegt bisher tiber diese Unter- suchungen nur eine auferst kurze Mitteilung (50) vor, aus der sich kein Urteil gewinnen laft, was Fick iiber das Schicksal der in das Keimblischen eingegangenen und iiber die Bildungsweise der aus dem Keimblaschen wieder hervorgehenden Chromosomen ermittelt hat. Betrachtet man aber die Angaben, die sonst in der Literatur vorliegen, so schliefien sie sich entweder dem von anderen Kernen Bekannten zwanglos an, so diejenigen von N. M. STEVENS fiir Sagitta (117), oder sie geben auf unsere Frage iiberhaupt keine Antwort und unterstiitzen somit auch nicht die spezielleren Vorstellungen von Fick‘). Jedenfails muf es als verfehlt bezeichnet 1) Vergl. hierzu auch meine Bemerkungen in p. 40/41. — Was im iibrigen die Riesenkeimblischen der Wirbeltiere anlangt, so halte ich die Darstellung, die Rtcxurr (109) im Jahre 1892 fiir die Selachier gegeben hat, noch keineswegs fiir widerlegt. Zellen-Studien. 233 werden, die klaren Faille nach denjenigen, wo man nichts Klares sieht, beurteilen zu wollen. Und es ist eine unzweifelhaft irrige Auffassung, wenn Fick meint, das Keimblaschen, das er den Kern der Kerne“ und den ,,Kern par excellence’ nennt, miisse in Fragen der Kernmorphologie deshalb die beste Auskunft geben, weil es unter allen Kernen am groéften ist. Es ist fast zu ver- wundern, daf das Keimblaschen zu einer solchen irrigen Be- wertung des Volumens in Fragen der Morphologie hat Veranlassung geben kénnen. Denn was liegt niher, als von dem gréSten Kern den Blick auf die gré8ten Zellen zu richten, auf die riesigen Wirbeltier-Eier, fiir die dann ein Gleiches gelten miifte. Welche Schwierigkeiten aber waren zu tiberwinden, bis man zu einer richtigen Auffassung dieser Eier und ihres Furchungs- prozesses gelangen konnte, d. h. bis man sich zu tiberzeugen ver- mochte, dali sie im Prinzip das Gleiche darbieten, was bei einem kleinen Ei die einfachste mikroskopische Betrachtung gelehrt hatte! Fick stellt die Theorie der Chromosomen-Individualitait an verschiedenen Stellen als eine Lehre hin, die die Chromosomen als ,wichtige Individuen betrachte, was schon angesichts ihrer verschiedenen Zahl bei nahe verwandten Organismen unzulassig sei), Ich selbst habe jedenfalls niemals ein solches Werturteil abgegeben. Daf es in der Frage der Kernkonstitution Dinge giibe, die viel wichtiger waren, wenn wir etwas von ihnen wiiSten, dieser Meinung bin ich auch. Einstweilen aber sind wohl die Chromo- somen fiir unsere Hilfsmittel faSbar, nicht aber jene sogenannten »Chromatin-Bionten“, ,Lebens- bezw. Erbeinheiten“, die Ficks Gedankengang beherrschen, obgleich er sie selbst hypo- thetisch nennt. Fir den Theoretiker, der nach Art WEISMANNS sich aus den Tatsachen der Vererbung ein anschauliches Bild des cellularen Vererbungssubstrates zu konstruieren sucht, sind solche Symbole vielleicht nicht zu entbehren; der Zellenforscher dagegen 1) Was den von mir geauferten Gedanken anlangt (26, p. 101), daf das generative Chromosoma von Ascaris megalocephala eine Art von Sammelchromosoma darstelle und einer gréferen An- zahl von Chromosomen bei Ascaris lumbricoides aiquivalent sei, so hatte ich es richtig gefunden, wenn Fick bei seiner sehr abfalligen Besprechung dieser Vermutung (p. 189) die triftigen Griinde mit- geteilt hatte, die fiir sie anzufiihren sind. Da Chromosomen, die bei einer Species unabhiangig voneinander sind, sich bei einer nahe verwandten assoziieren kénnen, hat iibrigens inzwischen McCuune (92) fiir Heuschrecken gezeigt. 234 Theodor Boveri, auf seinem Feld etwas zu erkennen vermag, das jenen Konzep- tionen entsprechen kénnte. Fick sagt, meine Befunde iiber das ,,proportionale Kernwachs- tum“ und die von mir daran gekniipften Betrachtungen (26, 27) bewiesen nichts anderes, als daf iiberhaupt individualisierte Ge- bilde im Chromatin vorhanden sind. Ich mu ihm darin recht geben. Da uns jedoch aus dem Studium der Kernmorphologie nichts anderes bekannt ist, das diesem Postulat einzelner im ruhenden Kern bestehender Individuen entsprechen kénnte, als die Chromosomen, diese aber sich der aufgestellten Forderung aufs beste fiigen, so scheint es mir gerechtfertigt, in jenem Postulat ein gewichtiges Argument fiir die Individualitit @ében der Chromosomen zu erblicken. Von einer anderen Seite her tritt soeben C. M. Cutnp‘) der Individualitatstheorie entgegen. Schon friiher hatte er fiir den Bandwurm Moniezia die Angabe gemacht, daf bei der Keimzellen- bildung neben Mitosen auch direkte Kernteilungen ein regulares Vorkommnis seien, und Driescu (46) hatte auch bereits diese Angabe gegen meine Schliisse in betreff der Kernkonstitution angefiihrt. Ich glaubte darauf nicht eingehen zu miissen, da sich meine Experimente und Schluffolgerungen auf Seeigel beziehen und nicht auf Bandwiirmer. Inzwischen hat nun CHILD seine Be- obachtungen auf andere Tiergruppen ausgedehnt, und er glaubt den Beweis geliefert zu haben, daf in weitester Verbreitung Amitose neben mitotischen Teilungen im normalen und regu- latorischen Wachstum der Tiere vorkommt. Beide Arten von Teilungen kénnen nach seiner Meinung miteinander abwechseln, derart, daf die Tochterkerne eines Kerns, der sich amitotisch geteilt hat, mit der typischen Chromosomenzah| in eine mitotische Teilung eintreten wiirden. Es ist klar, daf, wenn dies richtig ist, die jetzt sehr allgemein angenommenen Vorstellungen tiber die Konstitution des Chromatins falsch sein miissen. Und da fiir diese Anschauungen doch héchst bedeutungsvolle Tatsachen sprechen, wird es am Platz sein, die Grundlagen der Cur~pschen Behauptungen aufs genaueste zu priifen. Sollen seine Beobachtungen das, was er vertritt, beweisen, so mu8 gezeigt sein: 1) daS der doppelkernige Zustand, den er findet, wirklich auf einer Teilung 1) C. M. Cutty, Amitosis as a Factor in normal and regulatory Growth. Anat. Anz. Bd. XXX, 1907, No. 11 u. 12. Zellen-Studien. 235 _peruht, 2) daS sich um jeden von diesen Kernen ein Teil des Protoplasmas abgrenzt, und 3) daf die so entstandenen Zellen sich wieder mitotisch teilen und dabei die normale Chromosomenzahl besitzen. Von diesen unerlaiflichen Nachweisen ist in dem CHILpD- schen Aufsatz kein einziger erbracht; denn nicht einmal der erste der drei Punkte ist bewiesen. Freilich sieht es so aus, als seien die Zustinde, die er abbildet, auf Kernteilung zu beziehen; seit wir aber durch RickerT und besonders durch HArcKER wissen, daf sich vom Ei her ein Zustand von Doppelkernigkeit kirzere oder lingere Zeit erhalten kann, ist es viel wahrscheinlicher, daf CHILDS Bilder in dieser Weise zu deuten sind. Da er sich speziell auch auf Amphibien-Embryonen bezieht und damit auf Objekte, die mir aus eigener Anschauung bekannt sind, sei an diesem Beispiel die Haltlosigkeit seiner Argumentation naher erliutert. Die gleichen Bilder, wie sie Cu1Lp von Amblystoma veréffentlicht hat, finden sich in den Blastomeren von Triton. Fiir Curip steht es fest, daf diese Bilder eine amitotische Teilung beweisen, und fraglich bleibt ihm blo&, in welcher Haufigkeit Amitose und Mitose nebeneinander vorkommen. Ich habe vor 3 Jahren Herrno Dr. W. RuBASCHKIN aus St. Petersburg veranlaft, die den CHiLp- schen Abbildungen so ungemein ahnlichen Kernzustainde in den Triton-Blastomeren eingehender zu untersuchen. Die Arbeit ist vor 2 Jahren erschienen'). Sie lehrt erstens, daf die beiden ruhenden Kerne, die man so haufig nebeneinander findet, nicht durch Teilung eines vorher einheitlichen Kerns entstanden sind, sondern umgekehrt daher rithren, daf die nach der Mitose um die ein- zelnen Chromosomen auftretenden Blaschen nicht zu einer einzigen Vakuole verschmolzen sind, sondern zu zweien. Und zweitens, was viel wichtiger ist, aft die Arbeit von RuBAscHKIN keinen Zweifel, daf die beiden Kerne sich niemals voneinander trennen, sondern dafi sie sich gemeinsam zur Mitose vorbereiten, welche somit die einzige hier vorkommende Art der Kernvermehrung darstellt. So glaube ich, daB auch dieser neueste Angriff die Indi- vidualitatstheorie nicht zu erschiittern vermag. Im itbrigen aber méchte ich, ankniipfend an gewisse allgemeine Ausstellungen Ficks und Caiips, bemerken, da ich sehr gerne bereit bin, die von mir angeregte Benennung aufzugeben, wenn eine bessere ge- funden werden kann. LEinstweilen scheint mir eine solche nicht 1) W. Rupascuxin, Ueber doppelte und polymorphe Kerne in Tritonblastomeren, Arch. f. mikr. Anat., Bd. LXVI, 1905. 236 Theodor Boveri, oO zu existieren. Denn der Ficxsche Ausdruck ,,Mandévrieren“, selbst | wenn die damit verbundene Vorstellung richtig sein sollte, lat | sich nicht zu einem Terminus gestalten, der etwas tiber die Be- ziehungen der aufeinander folgenden Chromosomenkomplexe aus- | sagt. Die Bezeichnung von Rapui aber: ,Kontinuitat der Chromosomen* scheint mir deshalb unbrauchbar, weil sie, ganz | entsprechend den Rasuschen Darlegungen von 1885, das hone liche nicht ausdriickt, namlich den genetischen Zusammenhang je | eines bestimmten aus dem Kern hervorgehenden mit einem bal stimmten der in ihn eingegangenen Chromosomen. Kine ,,Kon- tinuitaét der Chromosomen“ hatte schon FLEMMING gelehrt. | Gehen wir nun zu der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen iiber, so hat man ihr aufer den oben (p. 220 ff.) besprochenen spezielleren Argumenten auch das allgemeine entgegen- gehalten, daf man unter dieser Voraussetzung eine um so grifere Zahl yon Chromosomen zu erwarten habe, je komplizierter ein Organismus sei, wihrend wir in Wirklichkeit bei manchen niederen Tieren weit héhere Zahlen finden als bei den Wirbeltieren. Hier- gegen ist zu bemerken, da, wenn eine Verschiedenwertigkeit der Chromosomen fiir einen Organismus wahrscheinlich gemacht oder bewiesen ist, sie damit natiirlich nicht fiir alle behauptet wird. Es mag Kerne geben, in denen alle Chromosomen gleichwertig sind und wo die Vielheit — von der Bedeutung individueller Ver- schiedenheiten abgesehen — nur den Zweck hat, eine gewisse Quantitat zu reprasentieren. Betrachtet man die Frage als historisches Problem, so wird man gar nicht zweifeln kénnen, da8 ein solcher Zustand der Gleichartigkeit der urspriingliche gewesen ist. Aber ebenso einleuchtend macht es uns die Betrachtung der vielen anderen Fille in der Natur, wo wir urspriinglich gleich- artige Teile ungleich werden sehen, dafi auch zwischen den Kern- elementen eine Arbeitsteilung eintreten konnte derart, da8 bestimmte Leistungen in einzelnen Chromosomen verstarkt wurden, in anderen sich riickbildeten, bis vielleicht zu gegenseitig sich ausschlieSendem Besitz. Eine genauere Betrachtung der Chromatinverhiltnisse wird dies noch anschaulicher machen. Wenn wir von einem Zustand voller Gleichwertigkeit aller Chromosomen ausgehen, so werden wir nicht umhin kénnen, in jedem einzelnen Chromosoma uns ver- schiedene Leistungen verbunden zu denken. Denn schon fiir die Protozoen ist kaum anzunehmen, daf die Funktion des ,,Chroma- Zellen-Studien. 237 | tins“ nur eine einzige, etwa die Produktion eines spezifischen ' Stoffes sei. Nach den ausgezeichneten Untersuchungen B. Horers (81) an kernlosen Teilstiicken von Amében sind schon in Bezug i auf die Bewegung allein zwei verschiedene Kernleistungen aus- ' einander zu halten, naimlich einmal eine Art Steuerung bei den Formveranderungen des Protoplasmas nnd zweitens die Beteiligung an der Produktion jener Oberflachenschicht, die den Tieren die | Klebfahigkeit verleiht, ohne welche sie nicht kriechen kénnen. Zu f einem entsprechenden Ergebnis sind wir oben (p. 128) fiir unser ‘ Objekt hinsichtlich der an der Skelett- und Pigmentbildung | beteiligten Kernleistungen gelangt. Mégen auch, wie dort als eine Alternative angefiihrt worden ist, beide Funktionen allen Chromo- somen zukommen, so sind wir doch genétigt, sie als voneinander unabhangig zu betrachten. Endlich liegt, wie ich schon friiher hervorgehoben habe, in der Diminution der Chromosomen bei den Ascariden eine Er- scheinung vor, welche es hédchst wahrscheinlich macht, daf im gleichen Chromosoma Teile von verschiedener Qualitét vereinigt sind. Die Grundbedingung fir Arbeitsteilung: eine Mehrzahl von Funktioneninunter sich gleichartigen Gebilden, ware sonach gegeben. Mehr Schwierigkeiten macht die weitere Frage, welches der Anstof8 zur Differenzierung gewesen sein kénnte. Der gewohnliche Anlaf’ zur Arbeitsteilung in organisierten Wesen scheint der zu sein, daf von den gleichartigen Teilen einzelne durch ihre Position zur Ausiibung einer bestimmten Funktion geeigneter sind als die anderen. Diese Funktion verstarkt sich in ihnen, wogegen sie sich in den anderen riickbildet. Daf fiir die Chromosomen ein solches Moment in Betracht kommen kénnte, scheint wenig wahr- scheinlich zu sein. Denn wenn auch im Protoplasma axial diffe- renzierter Zellen Zonen von so verschiedener Beschaffenheit vor- handen sein mégen, daf ein an der einen Seite der Kernmembran gelegenes Chromosoma unter anderen Bedingungen steht als die- jenigen, welche an anderen Stellen liegen, so spricht doch alles gegen die Annahme, daf es von Zelle zu Zelle immer Abkémm- linge des naimlichen Chromosomas seien, welche jene bestimmte Stelle einnehmen. Nur unter dieser Voraussetzung aber kénnte an eine vom Plasmabau angeregte Arbeitsteilung der Chromosomen gedacht werden. Es wire aber wohl noch ein anderer Ausgangspunkt fiir eine solche Differenzierung méglich, nimlich die Kreuzung von Individuen, 238 Theodor Boveri, die in ihren Chromosomen etwas different geworden sind. Es wiren dann in dem neuen Individuum zunichst alle vaterlichen von allen miitterlichen Chromosomen in gewisser Hinsicht ver- schieden. Unsere Vorstellungen iiber die Reduktion wiirden die Annahme zulassen, da bei den Reifungsteilungen dieses Individuums die Konjugation der Chromosomen sich nur zwischen den enger verwandten vollziehen wiirde, in welchem Fall jede Sexualzelle wieder zu gleichen Teilen Chromosomen beider Typen erhalten wiirde, ein Verhiltnis, das sich bei Inzucht auf alle folgenden Generationen forterben miifte. An Stelle der oben postulierten verschiedenen Position zur Umgebung kénnte nun in - diesem Fall die Ueberlegenheit der einen Chromo- somenserie in Bezug auf eine bestimmte Leistung den Ausgangspunkt einer weitergehenden Arbeitsteilung bilden. Mit dem Gesagten diirfte wenigstens so viel dargetan sein, daS unsere sonstigen Erfahrungen der Méglichkeit des Eintretens einer Differenzierung urspriinglich gleichartiger Chromosomen nicht widersprechen. Was lehrt nun in dieser Frage das Aussehen der Chromosomen selbst ? Da8 eine qualitative Verschiedenheit dieser Elemente auch irgendwie an ihnen selbst sichtbar sein miisse, kann bei ihrer Kleinheit und bei der Art, wie wir sie zur Anschauung bringen, nicht verlangt werden. Man denke sich Angehérige verschiedener Nematodenfamilien auf die Gréfe von Chromosomen reduziert, was ware da von ihrer Verschiedenheit noch zu sehen? Nichts als verschiedene Linge und Dicke. Solche Unterschiede bestehen aber, wie wir nunmehr wissen, auch zwischen den Chromosomen eines und desselben Kerns. Es ist freilich klar, daf diese quantitative Verschiedenheit eine qualitative in unserem Sinn keineswegs fordert, und es ist in dieser Hinsicht bezeichnend, daf bei Mont- GomeERyY (94), der die morphologische Unterscheidbarkeit einzelner Chromosomen bei Insekten zuerst genauer festgestellt hat, der Gedanke an eine essentielle Verschiedenwertigkeit noch fehlt, und da Surron (121), der ihn, von der morphologischen Seite her, zuerst aufgegriffen hat, sich dabei eben schon auf meine experi- mentellen Ergebnisse stiitzen konnte'). Nur Experimente 1) Fast in allen Schriften, die tiber diese Frage handeln, heift es, daf ,Surron und Bovert“ sich fiir eine qualitative Verschieden- heit der Chromosomen ausgesprochen haben. Man braucht jedoch ee IA a Zellen-Studien. 239 kénnen hier entscheiden; und es ist gar nicht auszuschliefen, da die einzelnen Chromosomen der Insektenkerne trotz ihrer ver- schiedenen Grose doch alle essentiell gleichwertig sind. In einer Beziehung allerdings wird man den bei Insekten aufgedeckten Verhiltnissen schon jetzt den Wert experimenteller Ergebnisse zuerkennen miissen, namlich hinsichtlich jener Chromo- somen, welche in bestimmt verschiedener Weise den einzelnen Samenzellen zugeteilt werden. Wie auch immer diese Befunde zu deuten sein mégen, da sie irgendwie mit der Geschlechtsbestimmung in Zusammenhang stehen, wie Mac CLtune (91) und Wiison (131) naher ausgefiihrt haben, halte auch ich fir sicher. Ein ganz besonderes Gewicht aber besitzt der Nachweis mikroskopischer Unterscheidbarkeit einzelner Chromosomen im Seeigelkeim. Wenn hier eine, ohne jede Riicksicht auf sicht- bare Verschiedenheit angestellte experimentelle Priifung zu dem Schluf gefiihrt hat: die einzelnen Chromosomen des Kerns miissen verschiedene Eigenschaften besitzen; und wenn dann die mikro- skopische Untersuchung, wie oben dargelegt (p. 69/70), eine mit dieser Forderung harmonierende Verschiedenheit der Chromosomen in der GréSe und zum Teil auch in der Form aufgedeckt hat, so hiefSe es die Skepsis wohl zu weit treiben, wollte man nicht in dem morphologischen Resultat die entschiedenste Bekraftigung des physiologischen erblicken. Fir mich wenigstens hat es etwas un- gemein Ueberzeugendes, in den von Herrn Batrzer analysierten mehrpoligen Mitosen die in meinen Diagrammen gebrauchten Buchstaben und deren zufallige Verteilung durch bestimmt charakterisierte Chromosomen reprasentiert zu sehen. Suchen wir nun die Natur des von uns erschlossenen Kern- zustandes naher zu ergriinden, so ist vor allem der Umstand von Wichtigkeit, daf durch die unrichtige Kombination von Chromo- nur den ersten Satz in der Arbeit von Surron (121) zu lesen, um zu finden, daf er bei Abfassung seiner Schrift meine Resultate ge- kannt und beniitzt hat. — Und ebenso ist es unrichtig, wenn ge- sagt wird, ich sei in der Idee, daS die Verschiedenwertigkeit der Chromosomen mit den Mrnpet’schen Tatsachen in Zusammenhang stehe, Surron gefolgt. Ich bezweifle durchaus nicht, dai Surron selbstandig auf diese Beziehungen aufmerksam geworden ist. Wenn aber iiberhaupt einer von uns beiden diesen Gedanken vom anderen haben soll, so kiénnte nach der zeitlichen Folge der Publikationen zwar Sutron ihn von mir haben, nicht aber ich von ihm. 240 Theodor Boveri, somen die Zellen nicht nur zur Untitigkeit verurteilt, sondern daS8 sie in weitaus den meisten Fallen krank werden und zu Grunde gehen. Man kénnte zunichst denken, daf Sistierung der Entwickelung immer schon ein Kranksein der Zellen bedeute und eine unmittelbar sich anschliefende Degeneration notwendig zur Folge habe. Allein wir wissen gerade fiir die Echiniden aus Versuchen von DriescuH (41) und von mir (19), dal’ Keimbruchstiicke, die aus der ,,animalen“’ Region des Eies stammen, tagelang auf dem Stadium der Blastula stehen bleiben, ohne an Gesundheit einzu- biien. Ganz Entsprechendes berichtet GoDLEWSKI (56) von den Bastarden, die er aus Echinideneiern mit Crinoidensperma ge- ziichtet hat. Wenn also manche dispermen Blastulae im Laufe einer Stunde oder innerhalb noch kiirzerer Zeit vom Aussehen voller Gesundheit in einen hochgradig pathologischen Zustand iibergehen, so muS in den Zellen ein spezifischer AnlaS zur Er- krankung gegeben sein, der nach unseren Feststellungen eben in nichts anderem als in der unrichtigen Kombination von Chromo- somen liegen kann. Trifit dies aber zu, so ist damit gesagt, dal die Leistungen der einzelnen Chromosomen nicht in der Weise voneinander unab- hingig sind, da, wenn eine bestimmte Chromosomenart fehlt, einfach diese Leistung wegfiele, alles andere aber normal bliebe; sondern es ist offenbar zur blofen Gesundheit der Zelle ein Zusammenwirken verschiedener Chromosomen nétig, das man sich nach Analogie mit gewissen physiologischen Verhiltnissen des Gesamtorganismus vielleicht so denken kénnte, daf eine Chromo- somenart einen bestimmten Stoff produziert, der, wenn nicht ein anderer gleichzeitig mit ihm gebildet wird, giftig wirkt. Die im Kapitel N konstatierte Tatsache, daf die Erscheinungen, unter denen die Kerne dispermer Keime erkranken, ziemlich variabel sind, stimmt mit dieser Anschauung gut iiberein. Ich habe friiher aus gewissen Beobachtungen an Ascaris-Eiern den Satz abgeleitet, daf der ,Kern“ nicht als eine morpho- logische Einheit anzusehen ist, sondern gleichsam nur als das gemeinsame Haus, das sich die Chromosomen in der ruhenden Zelle bauen. Die Zelle kénne ebensogut existieren, wenn jedes Chromosoma ein Kernblaschen fiir sich bilde und dauernd bewahre. Ob dieser Satz wirklich allgemein, ja nur in der Mehrzahl der Falle giiltig ist, méchte ich jetzt eher bezweifeln. Aber mag nun jene morphologische Aussage richtig sein oder nicht, jeden- falls mtissen wir nach unseren Resultaten von einer physiologi- — ae Ae Zellen-Studien. 241 schen Einheit der der Zelle zukommenden Chromosomen und also von einer im ,Kern“ reprasentierten physiologischen Einheit reden. Mit voller Deutlichkeit lehren die Versuche des weiteren, da jede Zelle auf sich selbst gestellt ist, ihre ,vita propria“ besitzt, daf nicht etwa das, was die eine Zelle liefern kann, anderen, die an diesem Teil Mangel leiden, zu gute kommt. Denn da jeder disperme Keim, als Ganzes betrachtet, alle Chromosomenarten im richtigen Mengenverhaltnis besitzt, mtiSte er, wenn solche Be- ziehungen zwischen den einzelnen Zellen bestiinden, unter allen Umstiinden zu normaler Entwickelung befahigt sein. In diesem Zusammenhang sei hier nochmals der schon oben gestreiften Frage gedacht, ob es schadlich ist, wenn in einer Zelle die einzelnen Chromosomenarten in verschiedener Zahl vor- kommen, also z. B. ein a auf drei b. Wir muSten diese Frage un- entschieden lassen; doch ware es denkbar, daf in Larven, deren Zellen zwar die normalen Funktionen erfiillen, aber in kiimmer- licher Weise, dieses Moment eine Rolle spielt. Unser Ergebnis, dafi zur blofen Lebensfahigkeit der Zelle eine Kombination bestimmter Chromosomenarten notwendig ist, laft es auf den ersten Blick vielleicht sonderbar erscheinen, dal die Erkrankung nicht schon mit Beginn der Furchung einsetzt, sondern erst nach Erreichung des Blastulastadiums. Doch kénnen wir fiir diese Tatsache eine Erklarung finden, die um so natiir- licher erscheint, als sie auf einer Vorstellung ruht, welche schon vor langer Zeit durch Erfahrungen ganz anderer Art gewonnen worden ist. Vor 15 Jahren habe ich aus gewissen Bastardierungs- resultaten den Schluf gezogen (12, p. 468), daf die erste Ent- wickelung des Seeigeleies bis etwa zum Blastulastadium aus- schlieflich durch die Konstitution des Eiplasmas vorgezeichnet ist!) Nicht, daf die Chromosomen wahrend dieser Periode tiberhaupt fehlen diirften; wissen wir doch, da8 sie wenigstens in einer Beziehung in sehr erheblichem Mafe be- teiligt sind, nimlich durch den Einfluf, den ihre Anwesenheit auf die Zelldurchschniirung ausibt. Aber fiir das cellulaére Getriebe, in das sie spater in so fundamentaler Weise einzugreifen haben, wiiren sie nach dieser Vorstellung zuerst ohne Bedeutung. Aehn- lich wie das kernlose Sttick eines Protozoon noch fir einige Zeit einen Rest jener Stoffe besitzen kann, die der Kern bestandig dem 1) Die Stelle ist oben (p. 226) zitiert. Wd, XLII. N. F. XXXVI. 16 242 Theodor Boveri, Protoplasma liefern mu, wenn die Zelle am Leben bleiben soll, so wire, nur in noch vollkommenerer Weise, ein solcher Vorrat von nuklearen Stoffen im Plasma des reifen Eies zu denken. Schon das ungeheure Mifverhaltnis zwischen der winzigen Kernmenge und der riesigen Plasmamenge des zur Entwickelung schreitenden Eies und die so deutliche Tendenz, die richtige Proportion so rasch und so genau wie méglich herzustellen und zu bewahren, — schon diese Tatsachen lassen ja darauf schlieSen, daS die Kerne wahrend der ersten Entwickelung noch gar nicht in spezifischer Weise an den Leistungen der Zellen teilzunchmen haben. Sie sind | noch nicht produktiv, sondern nur rezeptiv tatig. Erst wenn durch - die in der Furchung stattfindende gewaltige Vermehrung des Chromatins schlieflich in jeder Zelle die richtige Relation zwischen — Kern und Plasma erreicht ist, erst dann beginnt sich das typische — Wechselverhialtnis herzustellen 1). Diese Erwaigung lift es uns also sehr wohl verstehen, da die Erkrankung in der Regel mit demjenigen Punkt der Ent- wickelung zusammenfallt, wo die Zellen, nachdem ihre Vorfahren ununterbrochen von Teilung zu Teilung geeilt waren, zum ersten- mal eine langere Ruheperiode durchmachen?). Ja, wir diirfen hinzufiigen, dafS wir kaum auf andere Weise einsehen kénnten, warum die Erkrankung gerade in der fertigen Blastula zum Aus- bruch kommt. Denn welche speziellen ,Anlagen“ sollten es denn sein, deren Fehlen im genannten Zeitpunkt eine tiber dem Aequator gelegene Blastulazelle krank machen kénnte, da doch diese Zellen in dieser Periode gar nichts Positives zu leisten haben? Wenn wir im Bisherigen die Arbeitsteilung der Chromosomen dahin charakterisiert haben, daf das Zusammenwirken verschiedener Chromosomenarten fiir die generellen, zum Bestehen jeder Zelle in gleicher Weise aufzubringenden Leistungen notwendig sei, so ist damit nicht ausgeschlossen, ‘daf es einzelne Chromosomen geben kénnte, deren Fehlen das Leben der Zellen nicht beeintrachtigen, sondern sie nur zur Austibung einer bestimmten Leistung unfahig machen wiirde. Bei Besprechung der Larven mit Skelett- und Pigmentdefekt (p. 128) haben wir diese Frage schon diskutiert, muften sie aber unentschieden lassen. Zu Gunsten der genannten Moglichkeit scheint mir die Erscheinung zu sprechen, da8 sich bei 1) Diese Betrachtungen beriihren sich eng mit den von R. Hurr- wie iiber die Kernplasmarelation geaufSerten Anschauungen, wie auch in gewisser Beziehung mit denjenigen C. Rasus (103). 2) Vergl. hierzu auch das auf p. 190 Gesagte. aris Zellen-Studien. 243 manchen dispermen Larven, sowohl bei Dreiern wie Vierern, ein- zelne Drittel oder Viertel des Keimes in ihre Zellen auflésen, ohne da diese Zellen die geringsten Anzeichen von Krankheit darbéten. Hier mu’ wohl angenommen werden, daf es bestimmte Chromo- somen gibt, welche fiir das Haften der Zellen aneinander nitig sind, sonst aber, wenigstens fiirs erste, keine im Leben der ein- _ zelnen Zelle unersetzbare Bedeutung haben. Mehr als das Gesagte wird sich aus den Versuchen kaum schlieBen lassen. Und wenn die gezogenen Schliisse richtig sind, so laft ihre Unbestimmtheit klar genug erkennen, wie verschwindend a klein das Erreichte ist gegentiber den Aufgaben, die hier zu lésen waren. Weiteres Vordringen wird vor allem davon abhingen, ob sich Methoden finden lassen, durch welche abnorme Chromatin- kombinationen in kontrollierbarer Weise herstellbar sind. Es tritt hier noch die Frage auf, ob fiir eine Verschieden- wertigkeit der Chromosomen, die sich bei Echinodermen auf Grund _ ihrer unregelmafigen Verteilung bei der Dispermie erschliefen aft, auch bei anderen Tieren Anzeichen experimenteller Art vor- liegen. Mir ist nur eine einzige hierauf beziigliche Bemerkung bekannt, naimlich von O. Hertwic (71) iiber mehrfach befruchtete Frosch-Eier. Leider ist diese Angabe, die nur nebenbei bei einer Erérterung iiber die Bedingungen der Entstehung von Doppel- bildungen gemacht worden ist, sehr kurz gehalten. Es ist nicht gesagt, woran die Ueberfruchtung erkannt worden ist und in welcher Weise die erste Entwicklung verlaufen ist. Von grofem Interesse aber ist, dafi O. Hertwie aus den fraglichen Hiern Em- bryonen geziichtet hat, welche partiell normal und partiell patho- logisch waren. Auch in den pathologischen Bezirken hat er Kerne und abgegrenzte Zellen nachweisen kénnen; in der Hauptsache aber trugen diese Bezirke die deutlichen Anzeichen des Zerfalls zur Schau. In einigen Fallen hat O. Hertwic gefunden, dal der entwickelungsfaihige Rest des Keimes, der oft nur die Halfte oder ein Drittel des Ganzen betragt, sich zur Gastrula einstilpt und sogar eine Nervenplatte und Chorda entwickelt. ‘So entstehen, wie er schreibt, Teilbildungen, die in mancher Beziehung mit denen iibereinstimmen, die Roux durch vollstaindige oder partielle Zerstérung einer der beiden ersten Furchungskugeln hervorge- rufen hat. O. HertwiG ist geneigt, diese partiell-pathologische Entwicke- lung so zu erkliren, da8 das Ei, das mehrere Spermien in sich aufnimmt, vorher schon geschadigt war. Je nach dem Grad dieser 16 * 944 Theodor Boveri, Schadigung wiirde ein gréf’erer oder geringerer Bereich des Keims pathologisch werden. Nach meinen Ergebnissen an dispermen Echiniden-Eiern wird diese Deutung kaum aufrecht zu erhalten sein; auch ist schwer einzusehen, wie eine Schadigung des Eies so streng lokalisiert sein sollte, da jener scharfe Gegensatz nor- maler und pathologischer Bezirke entstehen kann. Erinnern wir uns, dafi auch bei den dispermen Echinidenkeimen, bei denen ja eine vor der Befruchtung vorhandene Schadigung als ausge- schlossen gelten kann, sehr haufig einzelne Drittel oder Viertel zu normaler Entwickelung befaihigt sind, andere nicht, so wird man es als sehr wahrscheinlich bezeichnen diirfen, daf der gleichen Er- scheinung im Frosch-Ei die gleiche Ursache zu Grunde liegt wie dort. Wie ich oben die Meinung zuriickgewiesen habe, daf unser Ergebnis dadurch auf seine Richtigkeit gepriift werden kénne, ob es mit gewissen heute tiblichen Vorstellungen tiber Vererbung in Einklang stehe, so wiirde ich es auch umgekehrt fiir unzulassig halten, unsere Resultate zum Mafstabe fiir Vererbungstheorien zu machen. Je unabhingiger beide Gebiete gepflegt werden, um so ersprieflicher wird es sein. Etwas anderes aber ist es, wenn sich ganz ungesucht Beziehungen zwischen ihnen ergeben, wie dies bekanntlich anlaflich der Wiederentdeckung des MENDEL- schen Gesetzes der Fall gewesen ist. CokRENS (35) hat neuer- dings darauf aufmerksam gemacht, daf er der erste gewesen ist, der an Beziehungen zwischen der Menpetschen Spaltungsregel und den Vorgiingen bei der Chromatinreduktion gedacht hat (34). Dabei war ihm jedoch die Schwierigkeit nicht entgangen, die darin lag, daf damals alle Chromosomen eines Kernes als essentiell gleichwertig galten und also jedes Merkmal als in jedem Chromo- soma vorhanden angenommen werden mufte. Unter dieser An- nahme aber aft sich die MENpELsche Regel nicht verstehen. Erst das Ergebnis MonrGomerys, dal die Chromosomen eines jeden Vorkerns morphologisch verschieden sind, daf jedem Chromosoma des einen Vorkerns ein ihm homologes im anderen gegeniibersteht und daf zum Zwecke der Reduktion die homologen Elemente kopulieren, erst dieses Resultat und die ganz gleiche Annahme, zu der ich, damals mit MonraGomerys Arbeit noch unbekannt, durch meine Versuche gefiihrt worden war, brachten, wie ich schon in meiner ersten Mitteilung (22) angedeutet habe, genau das, was die Mrnpetschen Tatsachen forderten. Diese Beziehungen sind Zellen-Studien. 245 ja seither so vielfach*) und eingehend dargestellt worden, dali ich hier nichts weiter dariiber zu sagen brauche. Im Vorstehenden haben wir nur dasjenige betrachtet, was sich aus den Dispermie-Versuchen hinsichtlich der Verschieden- wertigkeit der Chromosomen ableiten lat; die Versuche haben uns aber noch eine andere Erscheinung kennen gelehrt, die mit groéfter Wahrscheinlichkeit auf die Chromosomen zu beziehen ist, ohne jedoch mit unseren bisherigen Ergebnissen notwendig zusammenzuhingen. Es ist dies die Tatsache, dal gesunde di- sperme Plutei nicht selten einen mosaikartigen Charakter dar- bieten, als waren sie aus Stiicken zusammengesetzt, die von ver- schiedenen Individuen genommen sind. Sowohl im Typus des Skeletts, als auch in den Skelett- und Pigmentdefekten kommt diese Erscheinung zum Ausdruck (Taf. IV und V). Die Zustande erinnern an jene merkwiirdigen Pfropfungen, von denen Born, HARRISON u. a. so schéne Beispiele geliefert haben. Allein die Entstehung unserer Abnormitit ist eine fundamental andere. Bei der Pfropfung ist die Grenze, an der zwei ungleiche Organisations- typen aneinanderstofen, eine wirkliche Grenzfliche zwischen voll- stindig verschiedenem, aus zwei Keimen entnommenem Material. Bei unseren Versuchen dagegen sind die einzelnen Larvenbezirke alle aus dem gleichen Eiprotoplasma entstanden, und ihre Ver- schiedenheit kann also nur darauf beruhen, daf etwas zum Ei- plasma Gegensitzliches, das bei der normalen Entwickelung in identischer Weise auf alle Blastomeren tibergeht, in unseren dispermen Keimen ungleich auf die ersten Furchungszellen ver- teilt wird. Es ist oben (Kapitel H, Abschnitt V und VI) dargelegt worden, da dieser Forderung kaum etwas anderes entsprechen kann, als die Chromosomen, und da diese ihr geniigen, gleichviel, ob die Anlagen, um die es sich dabei handelt, nur je an ein Chromosoma gebunden sind oder an alle. Hangt z. B. der Skelettypus von einem Chromosoma eines jeden Vorkerns ab, ist also der Typus des Skeletts in der monospermen Larve als ein Kompromi8 zwischen den Wirkungen zweier in allen Larventeilen vertretenen Chromosomen anzusehen, so ist ohne weiteres einleuchtend, da’ die disperme Dreierlarve, welche in jedem Drittel eine andere 1) Vergl. Surron (122), pm Vrms (127), Boveri (25, 26), Hicker (59), Srrasspurcer (119), H. E. Zreeimr (133), C. Herr (60). 246 Theodor Boveri, Kombination von ,Skelettchromosomen‘* besitzt, in ihren einzelnen Bezirken ebenso verschiedene Skelettypen darbieten kann, wie sonst zwei verschiedene Individuen. Wird aber der Skelettypus durch die Kombination aller Chromosomen bestimmt, so ist jaauch diese Kombination in jedem Bezirk des dispermen Keimes eine andere, so da sich auch daraus eine mosaikartige Zusammenfiigung verschiedener Typen ergeben mii8te. So fiihren uns also diese Tatsachen abermals auf das Ver- erbungsproblem und speziell zu jener so viel umstrittenen Lehre, welche den Chromosomen eine einzigartige Rolle bei der Vererbung zuschreibt. Liest man die sich bekampfenden Meinungen, - die hieritiber geaéufert worden sind, so méchte man zunachst an untiberbriickbare Gegensiatze denken. Sieht man aber genauer zu, so findet man, wie so oft, daf es mehr die Worte sind, um die gestritten wird, als die Sachen. Ich habe mich an zwei Stellen (23, 26) tiber den Begriff des ,Vererbungstragers* ausge- sprochen und kann mich daher hier auf eine kurze Bemerkung beschranken. Wenn unter der Vererbungsfrage die Frage verstanden wird, welche im Ki gegebenen Faktoren zusammenwirken miissea, damit ein neues Individuum von gleicher Art entsteht wie das elterliche, so ist es selbstverstindlich, da’ diese Faktoren jeden- falls zum einen Teil im Protoplasma liegen. Allein die Frage, um die es sich bei jener Diskussion tiber die Bedeutung der Chromosomen bei der Vererbung stets gehandelt hat, ist diese: wie ist es zu erklaren, dal trotz des ungeheuren Uebergewichtes, welches das Ki im protoplasmatischen Anteil der Vererbungsfaktoren besitzt, das neue Individuum doch dem Vater ganz ebenso ahnlich sein kann wie der Mutter? Oder konkreter: warum ist, obgleich die Bedingungen zur Skelettbildung der Echinidenlarve sicher zum grofen Teil im Eiplasma liegen, das fertige Pluteusskelett in seinem Typus ebenso stark vom Spermium beeinflufbar als vom Ei? Dieses Moment der spezifischen Uebereinstimmung mit den beiden Eltern ist es, das man im engeren Sinn als Vererbungs- problem bezeichnet hat, und nur in diesem Sinn geschieht es, wenn heutzutage eine vererbende Kraft dem Eiplasma abgesprochen und ausschlieflich auf den Kern und speziell die Chromosomen be- schrankt wird. Was ftir diese Anschauung an allgemeinen Argumenten ange- fiihrt werden kann, ist oft genug dargelegt worden. Auch in dieser Frage aber kann nur das Experiment die Entscheidung bringen. Bisher sind zwei Wege zu solcher experimentellen Priifung be- ¢ Zellen-Studien. 247 schritten worden. Der eine ist die Bastardierung kernloser Ei- fragmente, der andere eréffnet sich in den eben besprochenen Eigenschaften dispermer Plutei. Vor 18 Jahren hatte mich (10, 14) die Entwickelung von Bastardlarven, die nach ihrer Kerngréfe aus kernlosen Eifrag- menten stammen muften, zu dem Resultat gefiihrt, daf’ mit dem Kikern auch jeder Einflu8 des Kies auf die Pluteusmerkmale be- seitigt sei. Denn die in Rede stehenden Larven folgten rein dem viterlichen Typus, wahrend die aus ganzen Eiern geziichteten Bastardlarven ausnahmslos eine Mittelstellung einnahmen. Im Jahre 1896 habe ich gemeinsam mit Mac Faruanp (18) zwei Bastardlarven aus kernlosen Fragmenten isoliert geziichtet, die Strong. gd ,. Strong. ¢ Echinus @’ Saath illians Sphaerech. ? Auch sie trugen rein viterliche Merkmale zur Schau. Diese Er- gebnisse fiigen sich also der Anschauung, daf der Kern allein die Speciesmerkmale des Pluteus bestimme, aufs beste ein. Allein den vollen Beweis fiir diesen Satz, den ich friiher in diesen Resultaten erkennen zu diirfen glaubte, liefern sie nicht. Denn, wie sich seither gezeigt hat, kénnen auch Bastardlarven aus ganzen Hiern und kernhaltigen Bruchstiicken ganz nach dem vater- lichen Typus gebildet sein. Inzwischen ist es der Experimentierkunst J. Lorss (86, 87) gelungen, Bastardierungen von Seeigeleiern mit Asteridensperma zu erzielen, und, ihm folgend, hat E. GopLuwskr jun. (56) Bastar- dierungsversuche von Kchiniden und Crinoiden angestellt, die fiir unser Problem von hoher Bedeutung sind. GopLewskIs Hauptresultate sind folgende. Aus Ganzeiern von Kchinus; die mit Antedonsamen befruchtet worden sind, gehen, wenn sie nicht vorher absterben, Plutei hervor, die mit den reinen Echinusplutei vollkommen tibereinstimmen und keine Spur von Crinoidenmerkmalen aufweisen. Aus kernlosen Fragmenten von KEchinuseiern, mit Antedonsamen befruchtet, hat GoDLEWSKI trotz zahlreicher Versuche nur Larven jiingerer Stadien erhalten. Die vier bestentwickelten Keime starben auf dem Gastrulastadium vor der Skelettbildung ab. Auch an ihnen — sie sind nur im Leben beobachtet worden — hat GopLEwski ausschlieBlich miitter- liche Charaktere gefunden. Diese Ergebnisse sind von groSem Interesse. Sie lehren zu- nachst, da’ bei solch heterogener Kreuzung die Trager der viter- lichen Eigenschaften, — mégen sie liegen, worin sie wollen — eine von der Kombination 248 Theodor Boveri, den Eibestandteilen so fremd gegeniiberstehen, dafi sie in ihnen tiberhaupt nicht zur Geltung kommen kénnen. GopLEwsKI hat verschiedene Argumente dafiir beigebracht, dai die Andeton- Chromosomen die Entwickelung genau so mitmachen, wie die Echinus-Chromosomen. Wenn dies zutrifft, und wenn in ihnen die viterlichen Anlagen liegen, so waren die Resultate so zu deuten, daf diese aus einer anderen Klasse stammenden Chromo- somen die spezifische Wirkung, welche die Chromosomen bei der Entwickelung auf das Plasma ausiiben, nicht zu betatigen ver- migen, daf sie dagegen die zu ihrem Wachstum nétigen Stoffe auch aus dem heterogenen Eiplasma entnehmen kénnen. Und es wire, nach GopLewskIs Messungen, weiterhin anzunehmen, dab die Antedon-Chromosomen wenigstens insofern diejenigen von Echinus vertreten kénnen, als sie zur Herstellung der fiir die Kernplasmarelation maBgebenden Kernmenge ebenso beitragen wie jene. Die Antedon-Chromosomen wiirden also gewisse ,,generelle*+) Chromosomeneigenschaften auch in diesem fremden Eiplasma ent- falten kénnen, ,spezielle“ dagegen nicht. Dieser Satz scheint mir nun durch GopLEwskis Resultate an den kernlosen Fragmenten vollkommen bestitigt zu werden. Schon zur Furchung ist ja, wie ich gezeigt habe (15), Chromatin ndtig, uud diese Funktion vermégen, wie die Versuche GODLEWSKIS lehren, die Antedon-Chromosomen auch im Echinusplasma zu er- fiillen. Wenn es richtig ist, da’ die Aufgabe der Chromosomen hierbei nur darin besteht, die Spharen naher aneinander zu koppeln, als es ihrer Gleichgewichtslage entspricht”), so hatte die Tatsache, dafi auch ganz heterogene Chromosomen hierzu geniigen, nichts Auffallendes; es waren nur allerallgemeinste Eigenschaften, die sie waihrend dieser Periode zu entfalten haben. Anders wird es, wenn das Stadium erreicht ist, auf dem die speziellen Chromosomeneigenschaften nétig werden. Und hier tritt uns nun die meines Erachtens héchst wichtige Tatsache entgegen, daf zwar die ganzen Kier, welche neben den Antedon-Chromosomen auch ihre eigenen besitzen, das Pluteusstadium erreichen kénnen, die Fragmente aber, in denen nur Antedon-Chromosomen vorhanden sind, spitestens als Gastrulae absterben, GODLEWSKI allerdings sieht die Sachlage anders an; er hofit, daf es bei noch ausgedehnteren Versuchen gelingen werde, auch 1) Vergl. hierzu 26, p. 101. 2) Vergl. M. Boveri (4). Zellen-Studien. 249 Keime dieser Zusammensetzung bis zu spiteren Stadien aufzuziehen. Mir dagegen ist es viel wahrscheinlicher, daf sein Ergebnis nicht, wie er meint, ein unvollkommenes, sondern ein definitives ist; dak mit dem Gastrulastadium eben die du8erste Grenze erreicht ist, bis zu der Eiplasma eines Echiniden mit Chromosomen eines Crinoiden sich entwickeln kann. Und damit kommen wir wieder zu der von mir schon mehr- mals!) und auch oben wieder betonten Vorstellung, daf in der Entwickelung zwei in Bezug auf die Mitwirkung des Kerns essentiell verschiedene Perioden zu unterscheiden sind: eine erste, in der die Konstitution des Eiplasma mafSgebend ist, wihrend von den Chromosomen nur gewisse generelle Qualitaéten wirksam sind; und eine zweite, in welcher die Chromosomen durch ihre spezifischen Eigenschaften zur Geltung kommen und in der der Keim, wenn diese Wirkung ausbleibt oder eine unrichtige ist, zu Grunde geht. Es sind ja zum Teil gerade die Tatsachen der dispermen Entwickelung, welche zu dieser Unterscheidung gefiihrt haben. Und wenn uns die Befunde an den heterogen bastardierten kernlosen Eifragmenten nun zu der gleichen An- nahme hindringen, so ist es nicht uninteressant, zu sehen, da zwischen diesen beiden Erscheinungen, so verschieden sie zundchst zu sein scheinen, doch eine gewisse Analogie besteht. In beiden Fallen haben wir es nach meiner Auffassung mit einem ,,unrichtigen“ Chromatinbestand zu tun: in dem einen insofern, als die Chromo- somen, mit denen das EKiplasma zurecht kommen soll, von einer anderen Tierklasse stammen, beim anderen, als der Kern nicht alle zur physiologischen Einheit gehérigen Chromosomenarten ent- halt. In beiden Fallen reicht dieser unrichtige Chromatinbestand fiir die erste Entwickelung aus und beginnt dann zu versagen. Wo liegt nun die Grenze zwischen diesen beiden Perioden? Ich habe dieselbe friiher auf das Stadium der fertigen Blastula verlegt, einmal deshalb, weil an diesem Punkt gewéhnlich die Er- krankung der dispermen Keime einsetzt, und zweitens, weil ich in der Mesenchymbildung bereits vaterliche Vererbungstendenzen als wirksam erkennen zu kénnen glaubte. GopLEwsKIs Resultate scheinen dieser Annahme zu wider- sprechen. Denn wenn auch weitaus die meisten seiner in Rede stehenden Objekte schon auf dem Blastulastadium abgestorben 1) Vergl. besonders 23, p. 354 ff. 2S 250 Theodor Boveri, sind, so hat er doch vier Gastrulae mit typischem Mesenchym von rein miitterlichem Habitus erhalten. Es wird nicht unniitz sein, diesem Widerspruch etwas nahen | nachzugehen und zu diesem Behuf vor allem die Frage zu unter- suchen, von welchem Zeitpunkte an sich viterlicher Kinfluf in der Echinidenentwickelung bemerkbar macht. Bei Bastardierungen Kchinus 3 Sphaerechinus 2 die Mesenchymzellenzahl solcher Bastarde rein mtitterlich ge funden hatte, in zwei Versuchen eine deutliche Annaiberung an _ die vaterliche Zahl konstatieren kénnen. Dies eben war der . Befund, der mich bestimmte, vom Stadium der ] Mesenchymbildung— an die Entfaltung vaterlicher Merkmale zu datieren. Inzwischen — habe ich (23), im Gegensatz zu Driesca (40), der / bin ich jedoch von dieser Meinung abgekommen. Zwar an den ~ Tatsachen ist nicht zu riitteln. Eine andere Frage aber ist die, — . . . . re - bad ‘| ob wir in ihnen eine Wirkung vaterlicher Vererbungstendenzen zu © i erblicken haben. Nach der Deutung, die ich im vorigen Heft | dieser Studien (p. 69 ff.) gegeben habe, ist namlich die Erhéhung © der Mesenchymzellenzahl nach der vaterlichen Seite hin einfach © eine Wirkung der vaterlichen Chromatinmenge, nicht aber © einer besonderen Qualitat des Spermiums. Die Zellenzahl folgt — einfach den Gesetzen der Kernplasmarelation. Und so richtig — also auch im allgemeinen der Satz K. Purers (101) ist, da’ sich der Einfluf, den die Eltern auf die Konstitution des Kindes aus- tiben, am sichersten an einem zahlenmakig ausdriickbaren Merkmal studieren lasse, so trifft dieser Satz doch gerade fiir die Mesenchym- zellen, deren Zahl so erheblich durch die bloBe Menge von Kern und Plasma beeinfluft wird, nicht zu, wenigstens nicht ohne ganz besondere Einschrankungen. Prrer hat nun selbst die Frage in einer méglichst einwandfreien Weise gepriift. Er hat namlich den Kinflu8 des Spermiums auf die Zahl der Mesenchymzellen nicht bei Bastardierungen, sondern innerhalb der Species Echinus untersucht, indem er von den Eiern zweier Weibchen M und N je einen Teil mit Sperma eines Minnchens A, den anderen Teil mit Sperma eines Miannchens B befruchtete. Daf dieses Verfahren fiir unser Problem verwendbar ist, riihrt daher, dafi die Mesenchym- zellenzahl von einer Zucht zur anderen nicht unerheblich ver- schieden sein kann, innerhalb jeder einzelnen Zucht aber nicht in hohem Grade variiert'). Bei diesen Versuchen hat PETER ge- 1) Schon vorher hatte ich (23) fiir die Pigmentverhiltnisse der Echinidenlarven gezeigt, daf sich die Frage nach dem Einflu8 der ve Zellen-Studien. 251 funden, dafi die Zahl der primaren Mesenchymzellen vom Spermium ganz unabhingig ist. So wenig dadurch mein Resultat, daf die Samenzelle auf diese Zahl unter Umstinden einen wesentlichen Einfluf ausiibt, beriihrt wird, so bekraftigt der Spefund Peters doch die oben geauferte Annahme, dal, soweit die Zahl der Mesenchymzellen durch eine Qualitat bestimmt wird, diese Qualitat im Eiplasma zu suchen ist, und daf der - Einflub des Spermiums in meinen Bastardierungen eben nur auf _Veranderung einer Quantitat beruht, wie wir einen solchen , _Einflu® auch dadurch ausiiben kénnen, dak wir in einem Ei die : Kernmenge kiinstlich erhéhen oder die Protoplasmamenge kiinst- lich vermindern. . Wenn sonach in der Mesenchymbildung ein spezifischer ‘yiterlicher Einflu8 noch fehlt, so wire nach meinen Befunden (23, p. 346) das Stadium, wo er zuerst sichtbar wird oder wenig- stens sichtbar werden kann, dasjenige der fertigen Gastrula “mit beginnender Skelettanlage. Und dies ist eben Doerade das Stadium, welches die GopDLEWSKIschen -Larven nicht mehr aneeiuht haben. Diese Ergebnisse stimmen also gut genug zusammen. Wir kénnen von unserem Standpunkte aus sagen: von dem Stadium an, wo die Chromo- somen eine spezifische Wirkung in der Entwickelung zu entfalten haben, was sich, bei geniigender Harmonie zwischen ihnen und dem Plasma, darin ausprigt, da8 der bisher sich rein miitterlich prisentierende Keim anfaingt, viterliche Merkmale aufzuweisen, von diesem Punkt an beginnen die dem Plasma allzu fremd gegen- iiberstehenden Chromosomen zu versagen, und wenn sie allein vor- handen sind, muf die Entwickelung stillstehen. Nun aber fragt es sich: wie stimmen dazu die Tatsachen der dispermen Entwickelung? Wenn auch manche dispermen Keime erst auf dem Gastrulastadium krank werden, so ist doch der ge- _ wohnliche Zeitpunkt der Erkrankung das Stadium der Blastula vor oder wihrend oder nach der Mesenchymbildung, also ein wesent- lich jiingeres Stadium als dasjenige, welches die vier GODLEWSKI- schen Larven erreicht hatten, bei denen der Urdarm die Wendung nach der einen Seite erkennen lief und das Mesenchym bereits zu zwei Gruppen angeordnet war. Man kénnte fir beide Gebiete an individuelle Unterschiede denken derart, daf in der Regel der Samenzelle auf die Larvenmerkmale innerhalb einer und der- selben Species priifen lakt. 252 Theodor Boveri, unrichtige Chromatinbestand schon auf dem Blastulastadium der | Entwickelung ein Ende setzt, in besonders giinstig organisierten Hiern aber erst nach erfolgter Gastrulation. Es lassen sich aber gewisse Umstinde anfiihren, nach denen es begreiflich erscheinen kénnte, daB die merogonischen Objekte GODLEWSKIs sich etwas weiter entwickeln als die mit abnormer Chromatinkombination be- lasteten dispermen Keime. Die unrichtig zusammengesetzten Kerne dispermer Larven erkranken, sobald die Periode ihrer spezifischen Tatigkeit beginnt, aus Ursachen, die in ihnen selbst liegen, und reifen damit auch das Plasma mit ins Verderben, mag dieses auch vielleicht an sich die Fahigkeit besitzen, die Entwickelung noch . etwas weiterzuftihren. Der Crinoidenkern im Kchinidenplasma dagegen ist ein, wenn auch nicht auf dieses Plasma berechneter, so doch vollstindiger und gesunder Kern. Und es ist durchaus nicht undenkbar, da% der GastrulationsprozeB, wenn er eben tiber- haupt schon von einer spezifischen Chromatintitigkeit abhangig ist, auch im Echinidenplasma durch den Crinoidenkern in Szene gesetzt werden kann. Denn gastrulieren tut ja die Antedonblastula auch; und abgesehen davon, dafi sie ihr Mesenchym erst nach der Gastrulation bildet, ist der Vorgang der Einstiilpung von dem in einem Echinidenkeim nicht wesentlich verschieden. Ja, ich kann bei aller Hochschatzung, die ich den Angaben GODLEWSKIS gegen- tiber hege, nicht leugnen, dafi mir seine Betonung des rein miitterlichen Charakters seiner vier merogonischen Gastrulae nicht so sehr gewichtig erscheint. Ich will dabei von dem Umstand absehen, da diese Larven nur lebend, also jedenfalls nur bei schwacherer Vergréferung und vermutlich, wahrend sie sich be- wegten, beobachtet worden sind. Aber wodurch soll sich denn eine Echinusgastrula von einer Antedongastrula so sehr charak- teristisch unterscheiden? Wenn ich die Fig. 39 bei SeeLicER (113) betrachte und damit die Bruchstiickgastrulae vergleiche, die ich aus Kchinideneiern geziichtet habe, so ist, mit Ausnahme der Mesenchymanordnung, der Unterschied sehr gering, denn auch die Wendung des Darmendes nach der einen Seite, die GODLEWSKI besonders hervorhebt, ist in der Antedongastrula zu erkennen. Und so ist mein Schlu8 der folgende. Entweder: die Gastru- lation ist von spezifischer Chromosomenwirkung unabhangig und kann daher auch mit einem sehr fremdartigen Kern noch vollzogen werden. In den meisten dispermen Keimen kommt sie deshalb nicht zu stande, weil die Zellen schon vorher wegen der Erkrankung ihres Kerns selbst krank geworden sind. Oder: zur Gastrulation | | | | Zellen-Studien. 253 ist bereits eine spezifische Chromatintatigkeit nétig. Dann sind die Antedon-Chromosomen im stande, diese ihnen im eigenen Plasma vertraute Funktion auch im Echinidenplasma auszuiiben. Fiir die Tatsache aber, dal} die meisten dispermen Keime nicht gastrulieren, kénnte auSer dem vorhin angefiihrten Moment noch das weitere bestimmend sein, daf der unrichtig kombinierte Kern die zur Gastrulation nétige spezifische Leistung nicht aufzubringen vermag. Fasse ich das Ergebnis aller dieser Ueberlegungen zusammen, so stellt sich mir die Rolle der Chromosomen und ihr Verhialtnis zum Plasma wahrend der ersten Entwickelung folgendermafgen dar. Ich halte nach wie vor an der Anschauung fest, da’ die Mischung der elterlichen Qualitaiten im Kind, wie sie uns am klarsten in den Bastarden entgegentritt, eine Funktion der Chromosomen von Ei- und Spermakern ist. Obgleich schon im Ei diese spezifischen Vererbungstrager vereinigt sind, wird dadurch doch nicht das Hi schon zu einem Bastard. Das heift: das Ei zeigt auch nach der Befruchtung lediglich Charaktere der Mutter und keine Spur von den Eigenschaften der Eier jener Species, von der das eingedrungene Spermium stammt. Wir wundern uns dariiber nicht; denn damit ein richtiges Bastardei entstehen kénnte, dazu ware, wenn es als iiberhaupt moéglich betrachtet werden darf, ein gewaltiger Stoff- wechsel im ganzen Plasma nétig, und hierfiir ist einmal die Zeit, wihrend deren das befruchtete Ei besteht, viel zu kurz und zweitens der Kern im Vergleich zum Plasma viel zu klein. Das befruchtete Ei ist eine exzeptionelle Zelle, in der das typische Wechselver- haltnis zwischen Kern und Plasma niemals zu stande kommt. Was hier fiir das Ei behauptet worden ist, gilt ebenso fiir die ganze Furchung bis zu dem nicht genau fixierbaren Stadium, wo in den klein gewordenen Zellen das richtige Mengenverhaltnis des Plasmas zum Kern erreicht und damit langere Pausen zwischen den Tei- lungen eingetreten sind. Die bis hierher sich erstreckende erste Entwickelungs- periode wird in ihrer Spezifitét bestimmt durch die Konstitution des Eiplasmas. Dieser Satz wird ja nicht nur dadurch héchst wahrscheinlich gemacht, daf sich nach den Beobachtungen von mir, DrIESCH, GODLEWSKI und Perer alle Merkmale dieser ersten Periode als rein miitterlich darstellen, sondern er darf bis zu einem gewissen Grad als sicher bewiesen gelten, dadurch namlich, daf sich im Plasma des unbefruchteten Eies gewisse Primitiv- organe in mehr oder weniger spezialisierter Weise vorbereitet 74, — ——— 254 Theodor Boveri, os . . . ia finden, woriiber eine Reihe von Arbeiten neueren Datums sehr wertvolle und merkwiirdige Aufschliisse gebracht haben 4), Daf der Vorzug, der damit scheinbar dem miitterlichen Teil eingeriiumt ist, in der schlieSlichen Gestaltung des neuen Indi- viduums, ja bei Echiniden schon im Pluteus, véllig tiberwunden wird, dies begreifen wir, wenn wir bedenken, daf in den Grenzen, innerhalb deren Kreuzung méglich ist, die Grundztige der Ent- wickelung die néamlichen sind und daf vor allem die erste Ent- — wickelung gleichsam eine so primitive und vielfach zu tiberarbeitende Skizze darstellt, da& es fiir die feinere Ausgestaltung gleichgiiltig ist, ob in ihr schon die Vererbungstendenzen beider Eltern zur | Geltung kommen oder nicht. Wenn in dem Gesagten den Chromosomen jeder Einflu8 auf die Spezifitat der ersten Entwickelung abgesprochen wird, so werden — sie damit nicht als entbehrlich fiir diese Periode bezeichnet. Aber sie wirken nur durch ihre generellen, noch nicht durch ihre spezi-— fischen Eigenschaften. Von dem Zeitpunkt an, wo diese letzteren Qualitaiten in Tatigkeit treten, datieren wir die zweite Periode der Ent- wickelung. Es ist jedoch ohne weiteres klar, da% rein miitter- liche, d. h. durch das Eiplasma bedingte Merkmale auch in diese zweite Periode hiniiberreichen kénnen, woftir der Dottersack das beste Beispiel liefert. Auf Grund der entwickelten Vorstellungen seien nun die bisher bekannten Falle, welche bei prinzipieller Gleichheit des Plasmas — in ihrem Chromatinbestand voneinander verschieden sind, zu- sammengestellt und hinsichtlich der Entfaltung elterlicher Merk- male verglichen ?). 1) Im normal befruchteten Ei treten nach Ablauf der ersten Entwickelungsperiode die vaterlichen und miitterlichen . Chromosomen in ganz gleicher Weise mit dem Eiplasma in Be- | 1) Es ist vor allem auf die Arbeiten Cramprons, FiscHuts, Conxuixs, Witsons und seiner Schiiler hinzuweisen. Fiir die Echi- niden habe ich selbst hierher gehérige Daten geliefert. 2) Die im folgenden aufzuziihlenden Fille, alle auf Echiniden sich beziehend, sind dem Plasma nach insofern verschieden, als es sich bei den einen um ganze Hier, bei den anderen um Hi- fragmente handelt. Da jedoch das geniigend grofe Hifragment alle Entwickelungsqualitaten ebenso enthalt wie das ganze Ki, kann dieser Unterschied vernachlassigt werden. Ich komme auf diesen Punkt tibrigens unten noch zuriick. iq bi a ar « Zellen-Studien. 255 ziehung und beeinflussen vermége der von ihnen ausgehenden formativen Wirkungen die weiteren Gestaltungsprozesse so, daf im allgemeinen eine Mischung der elterlichen Qualitaten zur Er- scheinung kommt!). Da in jeder Zelle die Chromosomen der beiden Eltern in gleicher Kombination vorhanden sind, kommt der Mischtypus iiberall und speziell da, wo wir es am sichersten ver- gleichen kénnen, in den symmetrischen Korperteilen, in identischer Weise zum Ausdruck. 2) Im kernlosen Ki (EHifragment), das mit einem Spermium der gleichen oder einer nicht zu weit entfernten Art befruchtet worden ist, sind die Ver- haltnisse prinzipiell die gleichen. Die Abkémmlinge des Sperma- _kerns enthalten alle Chromatinqualitéten, aber eben nur vaterliche; und demgemif haben sich alle bisher geziichteten merogonischen ‘Bastardplutei als rein vom viterlichen Typus erwiesen (10, 14, 18). 3) Im kernhaltigen Hi, das mit einem Spermium einer sehr entfernten Tierform befruchtet worden ist, sind nur die Abkémmlinge der Kikern-Chromosomen im stande, einen Einflu8 auf die Gestaltung des Embryo auszuiiben. Die Abkémmlinge der Spermakern-Chromosomen beteiligen sich an den spezifischen Kernleistungen der zweiten Periode nicht. Die entstehenden Plutei sind demgemaf von rein miitterlichem Typus (GopLEWSsK1). Die betrichtliche Sterblichkeit dieser Objekte auf jiingeren Stadien riihrt vielleicht von einer schadigenden Wirkung der viterlichen Chromosomen her. 4) Das kernlose Hi (Hifragment), mit einem Spermium einer sehr fernstehenden Form befruchtet, vermag sich nur so weit zu entwickeln, als lediglich generelle Chromosomen- Eigenschaften erforderlich sind, also bis zum Ende der ersten Ent- wickelungsperiode. Die auBerste Grenze dieser Periode, welche aber nur héchst selten erreicht wird, ware fiir Echiniden, nach den Befunden GopLEwsKIs, das Gastrulastadium vor der Skelett- bildung. Es ist dies dasjenige Stadium, bis zu dem vielleicht alle Larven rein miitterliche Charaktere aufweisen, und so haben sich auch die in Rede stehenden Objekte — kernlose Echinus- Ei- fragmente mit Antedon-Sperma — nach den freilich gerade hier etwas unsicheren Beobachtungen GopLEwskis als rein miitterlich 1) Von Einzelheiten, speziell von einer Betrachtung derjenigen Charaktere, die sich im Bastard nicht mischen, kann hier abge- sehen werden. 256 Theodor Boveri, erwiesen. Immerhin erscheint ein Einflu8 der Antedon-Chromo- somen bei der Gastrulation nicht véllig ausgeschlossen. 5) Im kernhaltigen Ei, das durch zwei Spermien | befruchtet worden ist, haben wir zwei Erscheinungen scharf auseinanderzuhalten. Wahrend in den bisher betrachteten Kate- gorien die Kerne an sich vollig normal sind, haben wir es in den meisten dispermen Keimen mit Kernen zu tun, deren Chromatin- bestand abnorm zusammengesetzt ist. In dispermen Keimen dieser Art erkrankt der Kern gewéhnlich gegen Ende der ersten Periode, d. i. in der fertigen Blastula oder beginnenden Gastrula, in seltenen Fallen nach vollzogener Gastrulation. Unter gewissen Umstiinden aber, wie sie am klarsten im Doppelspindeltypus und im Amphiaster-Monastertypus zu tiber- sehen sind, erhalten die Zellen dispermer Keime normal zusammen- gesetzte Kerne und entwickeln sich dann bis zum Pluteusstadium. Von dem Chromatinbestand aller bisher betrachteten Falle unter- scheidet sich der ihrige dadurch, daf in den einzelnen Bereichen verschiedene Kombinationen vaterlicher und miitterlicher Chromo- somen enthalten sind. Demgemil zeigen die gesunden dispermen Plutei haufig in verschiedenen Bezirken verschiedenen Typus und sind speziell sehr asymmetrisch entwickelt. 6) Ein Fall endlich, der mit den letztbesprochenen Fallen von Dispermie nahe verwandt ist, ist derjenige, wo in einem normal-befruchteten Ei bei der ersten Teilung der ganze Spermakern in die eine Blastomere gerit (7, 27). Hier haben wir in der einen Larvenhalfte nur miitterliche, in der anderen miitterliche und vaterliche Vererbungstendenzen gemischt zu erwarten. Leider ist von solchen Objekten bisher nur eine, iiberdies nicht véllig gesunde Gastrula mit Skelettanlage geziichtet worden, welche jedoch insofern unseren Postulaten entspricht, als sie deutlich asymmetriseh ist. Schon friiher habe ich auf die merkwiirdige Parallele hinge- wiesen, die zwischen den sub 5 und 6 angefiihrten Fallen und gewissen anderen abnormen Bildungen besteht, die gleichfalls, trotzdem sie aus einem Ei stammen, ein Mosaik darstellen, als waren sie aus Stticken verschiedener Individuen zusammengesetzt, ich meine die gynandromorphen Insekten. Es scheint mir kein Zweifel méglich, daf diese Abnormitaiten mit den dispermen Mosaikbildungen in prinzipieller Weise iibereinstimmen miissen. Denn es ist kaum denkbar, dafi das Eiplasma, das sich in seiner ganzen Aus- und Umbildung als etwas so Einheitliches erweist, ————————— Zellen-Studien. 257 genau bis zu einer bestimmten Grenze ,mannliche“, von da an _ ,Wweibliche* Qualitat enthalten kénnte. Vielmehr fordern diese Falle einen Bestandteil, der sich nachtraglich in diesem Plasma verteilt und der, normalerweise tiberall in identischer Beschaffen- heit sich verteilend, hier in bestimmter Weise ungleich verteilt wird. Werden wir dadurch schon auf die Kerne hingewiesen, so spricht die Tatsache, daf diese gynandromorphen Individuen gerade bei Insekten vorkommen, noch ganz besonders fiir eine Unregel- mafigkeit bei der Kernverteilung. Denn verschiedene Tatsachen machen es ja duferst wahrscheinlich, daf die Entscheidung, ob sich das Insektenei zu einem Weibchen oder Mannchen entwickelt, durch die Zusammensetzung der Kernsubstanz getroffen wird. So habe ich schon vor langer Zeit (8), ankntipfend an die Verhaltnisse bei den Bienen, die Gynandromorphie so gedeutet, dafi bei der ersten Kernteilung der ganze Spermakern auf die eine Seite gefiihrt wird, wie in dem oben sub 6 angefiihrten, bei Seeigeln beobachteten Fall. Doch wire es nach den neuen Erfahrungen tiber die Chromatin- verhiltnisse der Insekten auch denkbar, daf schon die Verschleppung eines einzigen Chromosoms zur Entstehung eines gynandromorphen Individuums fiihren kiénnte. MorGan (99) hat noch eine dritte Moelichkeit namhaft gemacht, daf nimlich disperme Hier des Doppelspindeltypus sich zu Gynandromorphen entwickeln kénnten, wonach die Uebereinstimmung mit unseren Kchiniden- Mosaikbildungen noch gréfer wire. Welche von diesen Annahmen nun auch den Vorzug verdienen mag — k6nnten ja sogar alle drei richtig sein — sie rechnen alle mit solchen abnormen Vorkomm- nissen bei der Chromatinverteilung, wie sie bei anderen Organismen als wirklich vorkommend nachgewiesen sind, so daf die gegebene Deutung auch in dieser Hinsicht mit den Tatsachen aufs beste in Einklang steht. Als Erganzung zu dieser Betrachtung moéchte ich eine, aller- dings noch weiterer Ausdehnung bediirftige Beobachtung mitteilen, welche noch von einer anderen Seite her auf die Kerne als auf dasjenige hinweist, das den spezifischen Charakter des Individuums bestimmt. Wir wissen fiir viele Eier und miissen es wohl fir alle annehmen, da ihr Plasma aus Zonen von verschiedener Beschatten- heit besteht. Bei einem bilateralsymmetrischen Organismus gehen diese Zonen normalerweise so auf die beiden Kérperhalften tiber, da jede Halfte von allen Zonen den gleichen Anteil erhalt. Man kénnte nun daran denken, daf dann, wenn durch eine nicht naher zu bezeichnende Abnormitat die Eizonen so auf die beiden Kérper- Bd. XLII. N. F. XXXVI. aly 258 Theodor Boveri, halften verteilt worden sind, da8 sich die eine Halfte mehr aus animalen, die andere mehr aus vegetativen Zonen entwickeln muf, ’ dadurch zwar die Fahigkeit, zu einer ,normalen“ Halfte zu werden, beiden nicht genommen wire, daf} aber die verschiedene Plasmabeschaffenheit die Ursache sein kénnte zur Ausbildung eines in beiden K6rperhalften verschiedenen Typus, also von Mosaik- bildungen der uns hier beschaftigenden Art. Um diese Frage zu priifen, stellte ich folgenden Versuch an. Seeigeleier wurden vor der Befruchtung durch Schiitteln wurst- formig gemacht. Erfolgt diese Deformierung schief zur Achse und stellt sich, wie dies hierbei vorkommt (19), die Spindel an- ~ nahernd in die laingste Dimension des Plasmakérpers, so wird das Ei durch die erste Furche in zwei Zellen zerlegt, die in der Kernsubstanz identisch, in ihrem Plasma verschieden sind. Ware das Verhaltnis der ersten Furche zur bilateralen Symmetrie ein so festes, daf diese Furche unter allen Umstanden die Median- ebene bestimmen wiirde, ware also, mit anderen Worten, die eine unserer beiden plasmatisch verschiedenen Blastomeren fiir die rechte, die andere fiir die linke Koérperhiilfte unabanderlich bestimmt, so wiirden wir in solchen Objekten ohne weiteres einen Priifstein daftir haben, inwieweit eine Plasmaverschiedenheit der charakterisierten Art auf den Larventypus von Einflu8 ist. Da jedoch bei deformierten Kiern die fiir die kugeligen Kier nachgewiesene Beziehung zwischen erster Furche und Medianebene nicht gilt, vielmehr das wurst- formig deformierte Ei die ihm damit aufgepragte kiinstliche Symmetrie zur Larvensymmetrie werden Jaft, miissen wir dem ersten Eingriff noch einen zweiten folgen lassen: wir miissen die beiden plasmatisch ungleichen Blastomeren voneinander ldsen. Die beiden aus ihnen entstehenden ganzen Larven stellen dann Vergleichsobjekte der geforderten Art dar. Isolierte 1/.-Blastomeren aus deformierten Eiern sind nun leider deshalb schwer zu er- halten, weil man, um sie voneinander zu lésen, die Dotterhaut entfernen mu. Tut man dies kurz nach der Befruchtung, wo es ja sehr leicht ausfiihrbar ist, so geht die Deformierung in der Regel lange vor Eintritt der ersten Teilung zuriick und mit ihr auch ihr Einflu8 auf die Spindelstellung. Laft man dagegen dem Ei die Dotterhaut bis nach Ausbildung der Spindel, so ist sie sehr schwer zu entfernen. Dies ist der Grund, warum mir trotz mehrfacher Versuche nur zwei solche Objekte gelungen sind. Sie stammen beide von Echinus (Versuch vom 7. Februar 1902). Wie das Ei deformiert worden war, das lat sich bei Echinus bekannt- | 2 ; Zellen-Studien. 259 lich nicht direkt feststellen, sondern kann nur durch die Spindel- _ stellung, durch den Verlauf der Plasmadurchschniirung, durch die _ Kernstellung in den primaren Blastomeren und durch deren weitere - Furchung annihernd bestimmt werden. Jedes der beiden Objekte, bei denen auf solche Weise ungleiche Plasmaverteilung nachgewiesen worden war, lieferte nun zwei 1/,-Plutei, die unter sich sehr ahn- lich, von denen des anderen Paares recht verschieden sind. Die beiden Paare sind in Fig. LXXII und LXXIII wiedergegeben; die Abbildungen machen eine Beschreibung iiberfliissig. Fig. LXXIL. Fig. LX XIII. 17* 260 Theodor Boveri, Sollten weitere Versuche diese Erfahrung bestiitigen, so ware | damit gezeigt, daf die im Ei gegebenen plasmatischen Ungleich- heiten auf die spezifische Gestaltung des neuen Individuums ohne Einflu8 sind. Natiirlich ist die Frage, die damit aufgeworfen wird, eine ganz andere, als diejenige, deren Lésung ich durch Bastardierung kernloser Fragmente angestrebt habe, wo sich das Plasma verschiedener Kier unter dem Einfluf gleicher Kerne entwickelt. Dagegen wiirde unser Ergebnis mit der von DRigescH (45) gemachten Erfahrung in Zusammenhang stehen, daf die Zahl der priméren Mesenchymzellen in Partialkeimen nicht davon ab- hangig ist, ob und wieviel das Bruchstiick von der normalen ~ Mesenchymbildungszone besessen hat, sondern daf sie, von ge- wissen Ausnahmen abgesehen, einfach der GréSe des Bruchstiicks proportioniert ist. Die Forschungen tiber die Struktur des Eiplasmas und tber die Bedeutung dieser Struktur fiir den Mechanismus der Embryonal- entwickelung haben zu oft wiederholtem Widerspruch gegen die Lehre von der Isotropie des Eiplasmas gefihrt, wie sie von PrLicer und vor allem von O. Herrwia vertreten worden ist. In der Tat ist nichts gewisser, als daf das Protoplasma des Kies nicht isotrop — im strengen Sinn dieses Wortes — ist. Und doch enthiillt sich in den zuletzt betrachteten Tatsachen eine Art von Isotropie, indem aus verschiedenen KEiregionen, so- fern sie tiberhaupt im stande sind, das Ganze zu bilden, dieses Ganze in den namlichen Proportionen entsteht; nicht allein, wie DriEScH gezeigt hat, in Bezug auf die generellen Qualitaiten, sondern nach den oben mitgeteilten Befunden, bei Anwesenheit identischer Kerne, auch hinsichtlich des individuellen Typus. Wenn wir diesem Befund den anderen gegeniiberstellen, daf im gesunden dispermen Keim in Eibereichen, welche genau die gleichen Plasmazonen enthalten, verschiedener Larventypus auf- treten kann, so muf dieses Ergebnis aufs neue den Schlu8 be- kraftigen, daf’ der Mosaikcharakter dispermer Plutei den in den einzelnen Bezirken nachweislich verschieden konstituierten Kernen zur Last zu legen ist. Nach all dem Gesagten diirfen wir, wie ich glaube, die An- schauung, dafi die Uebertragung der spezifischen Merkmale von den Eltern auf das Kind durch die Chromosomen von Ei- und Spermakern geschieht, als eine Theorie bezeichnen, die eine Reihe gewichtiger Tatsachen fiir sich und bis jetzt keine einzige gegen sich hat. IS IS —— —— | | Zellen-Studien. 961 f f RK. Zur Theorie der Befruchtung. Was unter Befruchtung zu verstehen sei, dariiber gehen heutzutage die Meinungen weit auseiander. Angesichts mancher Aeuferungen aus letzter Zeit erscheint zunachst ein kurzer Riick- _blick auf die neuere Geschichte dieses Terminus nicht unange- 'bracht. Als im Jahre 1884 O. Herrwie (70) die Befruchtungs- _frage zum Gegenstand seiner bekannten theoretischen Erérterung machte, unterschied er scharf zwischen zwei Problemen, nimlich dem Befruchtungsproblem, worunter er, gemaf allgemeinem Usus, die Frage verstand: wodurch wird das Ei zur Ent- wickelung angeregt, und dem Vererbungsproblem, der Frage, an welche Teile der sich vereinigenden (xeschlechts- zellen die Uebertragung der elterlichen Eigenschaften gebunden ist. An diese Begriffsbestimmungen habe auch ich mich gehalten. In der Beurteilung aber, was das Befruchtende sei, wich ich yon O. Hertwic ab. Nach diesem Forscher sollte sowohl die Befruchtung wie die Vererbung an die Kernsubstanz ge- kniipft sein. Demgegeniiber vertrat ich (6, 12) die Anschauung, daf die Vereinigung der Kerne fiir die Befruchtung, d. h. fiir die Herstellung der Entwickelungsfahigkeit, ohne Bedeutung sei, da vielmehr — im tierischen Ei — durch die Vereinigung des Eiprotoplasmas mit dem Spermacentrosoma bei Anwesenheit eines der beiden Vorkerne alle Bedingungen zur Entwickelung erfiillt seien. Als das spezifische Vererbungssubstrat dagegen be- trachtete ich mit StRAsBURGER, O. und R. Hertwic, WEISMANN und K6niiker die Chromosomen von Ei- und Spermakern. Ihre Vereinigung und damit die ,Amphimixis“ erschien mir als der Zweck der Befruchtung. Die Befruchtungsbediirftigkeit aber sah ich als eine Hemmung an, die notwendig vorhanden sein muf, wenn zwei Zellen, um gemeinsam einem neuen Organismus Entstehung zu geben, auf ihre Vereinigung angewiesen sein sollen. Von diesem Standpunkt aus bezeichnete ich 1892 (12) die Befruchtungsfrage als eine Frage von untergeordnetem Interesse. Nicht nur die Betrachtung der gegenseitigen Spezialisierung der Sexualzellen bei den Metazoen mu8te zu dieser Auffassung fihren, sondern noch mehr die genauere Kenntnis der Konjugationsvor- ginge der Protozoen, vor allem derjenigen der Ciliaten, deren Aufklirung wir den Forschungen von Maupas und R. Hertwie verdanken. Man erfubr dadurch, da8 die Einrichtungen, die der Individuenmischung dienen, nicht iiberall von gleicher Art sind, 262 Theodor Boveri, und es zeigte sich, daf der Begriff der Befruchtung auf diese primitiven Zustainde nicht ohne Zwang anwendbar ist. Die Konse- quenz, die aus diesem Sachverhalt zu ziehen war, schien mir die zu sein, dafi das Wort Befruchtung bei den Protozoen iiberhaupt zu vermeiden sei. Man hatte hier langst die vorziigliche und allen Bediirfnissen gentigende Bezeichnung ,Konjugation*“. Wozu sie verdrangen durch einen Ausdruck, der viel spezialisierteren Verhaltnissen entnommen ist und iiberdies durch seinen Gebrauch in der gewoéhnlichen Sprache bereits etwas Verschwommenes ange- nommen hatte? Viel eher hatte ich es ftir angezeigt gehalten, von dem Terminus Konjugation aus die Nomenklatur der sexuellen ~ Mischung bei den héheren Organismen zu reformieren. Einstweilen wandte ich das Wort Befruchtung in dem alten Sinn dort an, wo es ein Befruchtungsproblem in diesem alten Sinn gibt. Wahrend nun heute eine Reihe von Autoren, vor allem Physio- logen, an diesem urspriinglichen Gebrauch festhalten, finden wir das Wort von den meisten Zoologen in anderem Sinn verwendet *). Zwei Motive diirften hierfiir mafgebend gewesen sein. Erstens hatte sich der Satz O. Hertwies: Befruchtung ist die Ver- einigung zweier Zellkerne, so fest in den Vorstellungskreis der Biologie eingepragt, daf, als sich zeigte, da8 die Befruchtung in O. Hertwias Sinn eben gerade nichts mit der Vereinigung der Kerne zu tun hat, man lieber das Wort Befruchtung von seiner alten Bedeutung als von der Kernverschmelzung wegnahm. Der zweite Punkt aber war wohl der, da8 man den Ausdruck Befruch- tung auch bei Protozoen angewandt hatte, um, als man an seine urspriingliche Bedeutung dachte, zu erkennen, daf er hier nicht, wenigstens in den meisten Fallen nicht paSt. Und wieder anderte man lieber die Bedeutung des Wortes, als es da, wo es nicht brauchbar war, aufzugeben. So liest man heute, daf’ unter Befruchtung durchaus nicht die Entwickelungserregung, also das, was urspriinglich mit dem Aus- druck gemeint war, verstanden werden diirfe, ja R. Fick (51) halt es sogar fiir angezeigt, daf’ vor diesem ,Mi8brauch* des Aus- drucks Befruchtung gewarnt wird. Was aber wird dafiir gesetzt? Sehr haufig eben der Satz: das Wesen der Befruchtung besteht in der Vereini- gung zweier Zellkerne; daneben aber und vielleicht noch 1) Auch O. Hurrwie selbst (72) hat seinen alten Standpunkt verlassen. Zellen-Studien. 263 hiufiger: das Wesen der Befruchtung besteht in der Amphimixis. Diese Bestimmungen operieren mit dem unklaren Begriff ,Wesen“. Ueberlegt man sich, was damit in diesem Fall gemeint sein soll, so kann es bei der Mehrzahl der Biologen wohl nichts anderes als die Anschauung sein, die auch ich nach dem oben Gesagten teile, daf der Zweck der in Rede stehenden Ein- richtungen die Qualititenmischung und daf als Substrat dieser Qualititen die Kerne anzusehen seien. Aber damit ist doch etwas ganz anderes gesagt, als daf unter Befruchtung die Kernver- einigung oder die Amphimixis zu verstehen sei. Wer aber wirklich Befruchtung und Amphimixis als identische Begriffe betrachten wollte, warum sagt der nicht Amphimixis und 1a8t dem Wort Be- fruchtung seine alte Bedeutung ? Nun kommen wir aber noch zu einem viel wichtigeren Punkt, namlich daf es sich in dem Gesagten um Anschauungen handelt, die gar nicht von allen Forschern geteilt werden. Zunichst ist ja fiir den Anhinger der Amphimixistheorie die ausschlieSliche Betonung der Kernvereinigung nur dann annehmbar, wenn er der Ueber- zeugung ist, daf die Amphimixis allein durch die Kerne vermittelt wird. Wer an der Mischung der elterlichen EKigenschaften auch das Protoplasma beteiligt sein lat, muf jenen Satz verwerfen. Auf der anderen Seite hat sich einer der kompetentesten Beurteiler in diesen Fragen, R. Hertwice (78), tiberhaupt gegen die Amphimixis- lehre ausgesprochen; er betrachtet die Vereinigung zweier ver- schiedenartiger Organisationen in eine als einen Vorgang, der den Zweck hat, die zur normalen Erledigung des Lebensprozesses notigen regulierenden EKinrichtungen zu verstirken. Und wenn R. Hertwiac dabei auch das Hauptgewicht auf die individuell ver- schiedenen Kerne legt, so fihrt ihn seine Anschauung, daf es sich bei jener Regulation um Ausgleichung eines Mifverhaltnisses zwischen Kern und Protoplasma handelt, doch notwendig zu der Folgerung, daf der gleiche Effekt, wenn auch weniger vollkommen, durch Mischung von Protoplasma zweier Zellen erreicht werden kénne. Man hat es als eine unseren Vorstellungen widerstreitende Anwendung des Wortes Befruchtung bezeichnet, daf J. Lors, der, wie ich, unter Befruchtung die Entwickelungserregung versteht, nun, da es ihm gelungen ist, Kier kiinstlich zur Entwickelung an- zuregen, z. B. von ,osmotischer Befruchtung” spricht. Ich muf gestehen, daf diese Konsequenz auch mir widerstrebt. Allein die Definition der Befruchtung als Kernvereinigung fiihrt, wie mir 264 Theodor Boveri, scheint, zu ebenso unbefriedigenden Konsequenzen. Ein durch Eindringen eines Spermiums zur Entwickelung angeregtes Ei, aus dem nachtriglich, ohne Beeintrachtigung seiner Entwickelungs- fahigkeit, der Eikern entfernt worden ist, muf nach dieser An- schauung als unbefruchtet gelten. Umgekehrt wiirde die von ZUR STRASSEN (120) erforschte Verschmelzung zweier Ascariseier, deren Kerne sich dann gleichfalls vereinigen, auch ohne Zutritt eines Spermiums eine ,Befruchtung“ darstellen. Endlich zeigt eine genauere Analyse, daf gewisse, allgemein iibliche Bezeichnungen, wie z. B. Doppelbefruchtung, mit beiden Auffassungen unvereinbar sind. Angesichts dieser vielfachen Widerspriiche méchte ich es, unter Verzicht auf meinen eigenen bisher festgehaltenen Standpunkt, fiir das zweckmafigste halten, das Wort Befruchtung nur im aller- allgemeinsten Sinn anzuwenden und darunter tiberhaupt keine Be- wirkungen, wie Entwickelungserregung oder Amphimixis, sondern nut Vorgainge zu verstehen, nimlich die Gesamtheit derjenigen Vorgiinge, durch welche die aufeinander angewiesenen Geschlechts- zellen oder Gameten in Beziehung zueinander treten und, unter der Voraussetzung normalen Ablaufs aller Geschehnisse, sich zu einer neuen Kinheit vereinigen *). Das Problem der Befruchtung, wie es hierdurch in seiner Allgemeinheit bezeichnet ware, wiirde dann in eine Anzahl von Einzelproblemen zerfallen, wie dasjenige der gegenseitigen An- ziehung der Sexualzellen, dasjenige der sexuellen Hemmung und der Lésung dieser Hemmung, das Problem der sexuellen Differen- zierung, das der Ueberfruchtung, das Problem der Qualititen- mischung, das des Befruchtungszweckes u. s. w. Aus der Fiille dieser Probleme seien hier nur einige Punkte herausgegriffen, die mit der Doppelbefruchtung und ihren Folgen in niherem Zusammenhang stehen. Ich beginne diese Betrach- tungen mit der Frage, unter welchen Bedingungen sich tiiberhaupt zwei oder mehrere Zellen zu einer ein- heitlichen, normal teilungsfahigen Zelle vereinigen kénnen. Wir wollen uns bei Untersuchung dieser Frage, deren 1) Bei dem durch Paramaecium reprisentierten Typus der Kon- jugation miifte man sagen: sich zu zwei neuen Hinheiten gestalten. Daf damit gegeniiber den typischen Fallen nichts wesentlich anderes gegeben ist, habe ich schon friiher (12, p. 480 ff.) auseinandergesetzt und bin erfreut zu sehen, daf neuerdings Verstuys (126) unabhangig zu der gleichen Auffassnng gelangt ist. j } Zellen-Studien. 265 Beantwortung nicht fiir die ganze Organismenwelt gleich ausfallen ' wiirde, auf die Zellen der Metazoen beschranken, d. h. auf Zellen, in denen wir die drei Hauptbestandteile Protoplasma, Kern und Centrosoma unterscheiden kénnen. Sowohl fiir das Protoplasma wie fiir die Kerne liefert die Verschmelzung von 2 oder 3 Zellen nichts prinzipiell anderes als was vorher bestanden hat: das Protoplasma ist doppelt oder dreimal so grof, der Kern enthalt doppelt oder dreimal so viele Chromosomen. Die Art, wie das Protoplasma und die Kerne sich bei der Teilung verhalten, la8t es ohne weiteres méglich erscheinen, daf auch das Verschmelzungsprodukt in regulaérer Weise geteilt wird. Anders ist es mit den Centrosomen. Soll sich eine Zelle in zwei Tochterzellen teilen — und dies ist ja bei Metazoen die einzige regulire Art der Zellteilung — so diirfen wahrend der karyokinetischen Periode nicht mehr als zwei Centrosomen in Wirksamkeit tretent). Denken wir uns nun drei Zellen, jede mit einem Centrosoma ausgestattet, zu einer einheitlichen Zelle ver- schmolzen, so ist es klar, daf’ Zweiteilung dieses Ver- schmelzungsprodukts unméglich ist. Aber auch die Verschmelzung yon nur zwei typischen Zellen muf zu simultaner Mehrteilung fiihren. Denn da sich jedes Centrosoma bei der Vorbereitung zur Teilung verdoppelt, miissen in diesem Fall vier Pole auftreten. Eine sehr lehrreiche Illustration zu diesem Satz hat neuer- dings ConKLIN (33) an den Eiern von Crepidula geliefert. Werden befruchtete Eier dieser Schnecke auf einige Stunden in Seewasser mit erhéhtem Gehalt an NaCl versetzt, so teilt sich sowohl das Ei- wie das Spermacentrosoma in je 2 Tochtercentrosomen und es entsteht eine vierpolige Figur. Soll also die Zellvermehrung nur durch Zweiteilung geschehen, so ist es bei der sexuellen Vereinigung unerlaBlich, da’ entweder im Ei oder im Spermium oder in beiden an dem typischen Ver- halten der Centrosomen etwas geandert ist. Als ich seinerzeit (6), von diesem Postulat ausgehend, die normalen Befruchtungsvorgange priifte, ergaben sich mir drei Még- lichkeiten, wie diesem Bediirfnis Geniige geleistet werden kénnte. ,Entweder gehen die beiden Polkérperchen der ersten Furchungs- spindel aus dem einfachen Centrosoma des Spermatozoons durch Teilung hervor; oder dieses Kérperchen wird direkt zu dem einen 1) Vergl. hierzu meine Ausfiithrungen in 9 und 17. 266 Theodor Boveri, Spindelpol, wihrend der andere aus dem Ei stammt; oder endlich es verschmilzt das Spermacentrosoma mit einem im Ei vor- handenen Zentralkérperchen und erst durch die Teilung dieses Produktes entstehen die Polkérperchen der Spindel.‘ Ohne die beiden letzteren Méglichkeiten durchaus und fir alle Falle in Abrede stellen zu wollen, gelangte ich auf Grund des damals vorliegenden Beobachtungsmaterials zu dem Ergebnis, da die Furchungscentrosomen ausschlieflich vom Spermium _ geliefert werden, wogegen das Eicentrosoma entweder ganz riickgebildet oder wenigstens in einen Zustand von Inaktivitat versetzt sei, so da8 es an der Bildung der Teilungsfigur gar keinen Anteil nimmt. Eine damit nahe verwandte Anschauung hatte ungefahr gleich- zeitig VesJpovskY¥ (124) ausgesprochen, indem er den aus dem Ei fast spurlos eliminierten ,,Periplast‘ durch einen aus dem Sperma- plasma gebildeten neuen, energisch sich teilenden Periplast ersetzt werden lief. Allein sowohl in der Begriindung, wie in der theo- retischen Bewertung bestanden zwischen unseren AeufSerungen nicht unwesentliche Unterschiede. Was zunachst den letzteren Punkt anlangt, so schrieb ich die Herstellung der Teilungsfaihigkeit ausschlieBlich dem Spermozentrum zu und erklarte es fiir belang- los, ob ein aus Ei- und Spermakern zusammengesetzter erster Furchungskern vorhanden sei, oder nur einer dieser beiden Kerne. Nach VEspovskKY dagegen sollten die beiden Kerne fiir sich allein unfahig sein, sich zu teilen; erst durch die Beziehung, in die sie zueinander treten, sollten sie die Teilungsfahigkeit gewinnen. Die seither gemachten Erfahrungen haben die Richtigkeit meiner Betrachtungsweise bestatigt. Von gréferer Bedeutung aber fiir unsere gegenwartige Er- érterung ist die Frage, auf welche Argumente sich die Herleitung der Furchungszentren aus dem Spermacentrosoma oder Sperma- periblast stiitzen konnte. VrEsDoOvsKY hatte sich nur auf die normalen Befruchtungsvorgange von Rhynchelmis bezogen. Diese aber lehren nichts anderes, als dafi neben dem Spermakern ein Strahlenzentrum (Periblast) auftritt, durch dessen Verdoppelung die Pole der ersten Furchungsspindel entstehen. Daf dieses Zentrum aus dem Spermacytoplasma stammt, so wahrscheinlich es auch gewesen sein mag, hat Vespovsk¥ nicht bewiesen. Und es ist eine Frage, ob in der Literatur bis auf den heutigen Tag ein Fall aufgezeigt werden kann, fiir den von einem bestimmten geformten Teil des Spermiums bis zu den Furchungscentrosomen die Kontinuitaét wirklich einwandfrei nachgewiesen worden ist. | Zellen-Studien. 267 Unter diesen Umstanden scheint mir immer noch mein da- maliges Hauptargument fiir eine solche Herleitung von ausschlag- gebender Bedeutung zu sein, namlich das Verhalten di- spermer und polyspermer Hier. Sie lehren, daf jeder ins Ei eingedrungene Spermakopf ein Spharenzentrum neben sich hat, an dessen Stelle nach einiger Zeit zwei Zentren nachweisbar sind. Mit dieser Konstatierung war die Méglichkeit, da8 ein im Ei vorhandenes oder sich bildendes Zentrum den Sperma- kern an sich zieht, ausgeschlossen und die genetische Beziehung der Furchungszentren zum Spermium, wie sie auch in den Einzel- heiten zu denken sein mag, tiber jeden Zweifel sicher gestellt. Und dies ist der erste Hauptpunkt, durch den die Polyspermie fiir die Theorie der Befruchtung von Wichtigkeit ist. Ehe ich jedoch hierauf noch etwas naher eingehe, sei eine zweite Frage ings Auge gefaft, namliche diese, warum und unter welchen Umstainden die Mehrfachbefruchtung schad- lich ist. Schon nach dem soeben Gesagten liegt die Annahme nahe, dafi das Schidliche an der Dispermie die abnorme Er- hohung der Zentrenzahl ist. Allein bewiesen ist dies durch die bisherigen Betrachtungen nicht. Denn wenn wir auch wissen, da8 mehrpolige Mitosen Protoplasma und Chromatin atypisch ver- teilen, so ist es doch nicht selbstverstindlich, daf dadurch patho- logische Zustiinde geschaffen werden. Warum sollten nicht auch hier, wie in so vielen anderen Fallen, regulatorische Vorginge eingreifen und das Abnorme zur Norm zuriickfiihren? Wir miissen also die Frage genauer priifen, und hierzu bieten uns schon die in der Natur verwirklichten reguléren Befruchtungseinrichtungen eine Handhabe. Wahrend bei Echiniden Dispermie und Poly- spermie die Entwickelung fast ausnahmslos pathologisch machen und ein Gleiches fiir Ascaris (30) gilt, wissen wir seit RUcKERTs (108) Untersuchungen iiber die Befruchtung bei Selachiern, da hier jedes Ei mehrere Spermien in sich aufnimmt, die Polyspermie also eine normale Erscheinung ist. Durch Oppen (100), R. Fick (49) und H. Braus (31) ist diese ,,physiologische Polyspermie“ auch fiir Reptilien und Urodelen, durch BLOcHMANN (2) und HENKING (62) fiir Insekten nachgewiesen worden. Aus diesem so verschiedenen Effekt der Polyspermie bei ver- schiedenen Organismen ergibt sich, da8 die Wirkung, die mehrere Spermien auf das Hi ausiiben, nicht eine generelle ist, sondern da8 fiir jeden Fall genauer festgestellt werden mu, wie sich die eingedrungenen Spermien weiterhin im Ei verhalten. Schon in 268 Theodor Boveri, seiner ersten Mitteilung hat Rickert den Verlauf der physio- logischen Polyspermie richtig erkannt. Er hat gezeigt, da8 nur ein einziger Spermakern, ausgestattet mit seiner Sphare, sich mit dem Eikern verbindet, die anderen dagegen allmahlich in den Dotter verdringt und damit unschidlich gemacht werden. Das Mittel, durch welches die tiberschiissigen Spermakerne vom Eikern abgehalten werden, sieht Rickert in einer neueren Arbeit (111) darin, daf’ zwischen den einzelnen Spermasphiaren eine AbstoSung besteht, so daf’ zwar der spharenlose Eikern sich einem der zahlreichen Spermakerne nahern und sich mit ihm vereinigen kann, wogegen nach dieser Vereinigung allen tibrigen Spermakernen, da sie eben selbst mit Sphiren ausgestattet sind, die Annaherung unméglich gemacht ist. Und die gleiche Abstofung wiirden in spaiteren Stadien die normalen Furchungsspharen auf die Spharen der tiberschtissigen Spermakerne bezw. ihrer Derivate austiben, wodurch diese Teile immer mehr nach der Peripherie der Keim- scheibe und schlieSlich in den Dotter verdrangt werden. Auf diese Weise wird das Gleiche erreicht wie in einem monospermen Ei; der erste Furchungskern entsteht durch Vereinigung nur eines mannlichen Vorkerns mit dem weiblichen, und nur ein Spermazentrum beteiligt sich an der Furchung. So interessant nun diese Feststellungen fiir die Theorie der Befruchtung auch sind, so vermégen sie doch keine Antwort auf die Frage zu geben, wodurch in jenen Fallen, wo die tiberzahligen Spermien an der Entwickelung wirklich teilnehmen, diese Be- teiligung schadlich wirkt; und ebensowenig wiirden uns diejenigen Kitypen, bei denen Mehrfachbefruchtung nur als Abnormitat vor- kommt, in dieser Beziehung fordern, wenn die Ueberfruchtung in allen Keimen dieser Art gleich verderblich ware. Nur da, wo das Schicksal tiberfruchteter Eier variabel ist und wo wir eine dieser Variabilitét entsprechende Verschiedenheit in dem Verhalten der eingedrungenen Spermien nachweisen kénnen, ist eine weitere Analyse méglich. Solche giinstige Bedingungen liefert, wie diese Arbeit naher ausgefitthrt hat, die Dispermie der Echiniden; und eine vergleichende Betrachtung der hierbei unterscheidbaren Einzel- fille hat zu dem, wie ich glaube, unanfechtbaren Resultat gefiihrt, da8 nicht der doppelte Spermakern oder das doppelte Sperma- protoplasma das Stérende ist, sondern lediglich die durch die An- wesenheit zweier Spermien bedingte erhéhte Zahl der Tei- lungspole. Wird dieses Moment vermieden oder in unschad- | | | Zellen-Studien. 269 liche Bahnen gelenkt, so ist alles tibrige, was die Dispermie Ab- weichendes mit sich bringt, ohne Belang. Nichts vermag diesen Satz schéner zu illustrieren als die oben konstatierte Tatsache, da’ genau die gleiche Prozedur, die auf normal befruchtete Kier schidigend wirkt, naémlich das Schiitteln unmittelbar nach der Befruchtung, die Entwickelungsaussichten der dispermen Kier bedeutend verbessert. Dieses Faktum zeigt vor allem, da die Vorstellungen, welche dem Befruchtungsproblem mit einfachen physikalischen oder chemischen Annahmen auf den Grund zu kommen hoffen, verfehlt sein miissen. Schiitteln ist mechanisch genau das Gleiche, ob es ein monospermes oder ein dispermes Ei trifft; und so miiSte das Schiitteln beiderlei Eier im gleichen Sinn beeinflussen, wenn wir es im Befruchtungsvorgang lediglich mit Prozessen zu tun hatten, die sich physikalisch- chemisch auflésen lassen. Die biologische Analyse dagegen macht uns das verschiedene Verhalten durchaus verstandlich. Die Teile, auf welche das Schiitteln einwirkt, sind, wie oben festgestellt worden ist, die Spermocentren; sowohl bei der Monospermie wie bei der Dispermie wird durch die Erschitterung in vielen Fallen die Verdoppelung des Spermocentrums hintangehalten. In diesem Umstand, da8 das Schiitteln die Polzahl vermindert, daB es diese Zahl im normal befruchteten Hi abnorm macht, im doppelbefruchteten den normalen Verhaltnissen nihert, darin klart sich das anfingliche Paradoxon der so ganz entgegengesetzten Schiittelwirkung aufs einfachste auf. Unrichtige Polzahl, dieser Hauptpunkt der Dispermie- erscheinungen, erfahrt noch von einer anderen Seite her eine helle Beleuchtung. Man kann die Doppelbefruchtung definieren als die Vereinigung dreier Sexualzellen. Ihr Gegenstiick ist die Vereinigung einer Samenzelle mit zwei Eizellen. Diese Kom- bination kommt, wie zuR STRAssEN (120) gezeigt hat, in der Tat bei Ascaris vor. Hier kénnen unter gewissen Umstinden zwei Oocyten I. Ordnung verschmelzen. Indem jeder Komponent seine Polocyten in typischer Weise — wenn auch manchmal gemeinsam mit dem anderen — bDildet, erhalt das Verschmelzungsprodukt schlieSlich den Wert zweier zu einer Einheit vereinigter Eizellen. Ist ein solches Doppelei von einem einzigen Spermium befruchtet, so entwickelt es sich, wie zUR STRASSEN nachgewiesen hat, zu einem véllig normalen Riesenembryo. Aufs klarste sehen wir es hier bestitigt, daB weder die Ver- einigung von mehr als zwei Zellkérpern, noch von mehr als zwei 270 Theodor Boveri, Vorkernen die Entwickelung beeintrachtigt, sondern nur die Ver- einigung von mehr als zwei Centrenpaaren. Zwei Kier und ein Spermium wirken normal zusammen, zwei Spermien mit einem Ei vereinigt fiihren zu pathologischer Entwickelung, und ebense liefern zwei Spermien und zwei Eier gemeinsam ein pathologi- sches Produkt. Diese letztere Tatsache ist noch besonders lehr- reich, da es zunichst scheinen kénnte, daf gerade diejenige Kom- bination, in der beide Sexualzellen doppelt vertreten sind, also das doppelbefruchtete Doppelei, mit seinem richtigen Mengen- verhiltnis aller Teile, dem normalen Zustand am nachsten kame. cee Allein die Vorginge, durch die sich ein Ei zur Entwickelung vor- - bereitet, bestehen eben nicht in einer bloBen chemischen oder physikalischen Wechselwirkung der einzelnen Bestandteile, sondern sie sind abhingig von den Vermehrungsgesetzen individualisierter Gebilde, in denen wir vor der Hand etwas nicht weiter Zerlegbares anzuerkennen haben. Wir gelangen damit zu einem dritten Problem. Die einzelne Sexualzelle muS, damit sie auf ihre Partnerin wartet, gehemmt sein; sie muf einen Defekt besitzen, der durch die andere be- seitigt wird. Die Rtickbildung des Centrosoma ist ein solcher Defekt und es fragt sich, ob es von Bedeutung ist, daf dieser Defekt gerade das Ei betrifft und nicht das Spermium. Wir werden diese Frage mit Bestimmtheit bejahen diirfen. Das Spermium be- sitzt eine gentigende Hemmung in seinem Protoplasmamangel, eine weitere ist nicht nétig. Das Ki dagegen wiirde alle zur Entwicke- lung noétigen Qualitéten besitzen, wenn das ihm bei seiner Ent- stehung zufallende Centrosoma seine typische Wirksamkeit behalten wirde. Wo also die reciproke Spezialisierung der beiden Sexual- zellen nur auf den eben genannten Momenten beruht, ist es selbst- verstandlich, da die Riickbildung des Centrosoms das Ei betrifft. Und damit stimmen ja nahezu alle Angaben der Literatur tiberein. Freilich sind, seit vAN BENEDEN und Neryrt (1) im Ascaris-Ei die jungen Furchungsspharen neben dem Eikern gesehen haben wollten, und seit Fou (54) fiir das Seeigelei seine Centrenquadrille be- schrieben hatte, immer wieder Befunde mitgeteilt worden, wonach die Furchungscentren entweder ausschlieSlich dem Ei angehéren oder von beiden Sexualzellen stammen oder véllige Neubildungen sein sollten. Aber wie sich jene ersten Angaben als sicher irrig herausgestellt haben, so fehlt es auch fiir alle spiteren zum min- desten an gentigenden Beweisen. Und so glaube ich, daf Kosta- NECKI (84) im Recht ist, wenn er nach kritischer Betrachtung aller | | | f Zellen-Studien. 271 entgegengesetzten Angaben und Vermutungen den Satz vertritt, daf bei simtlichen Metazoen die beiden Centren der ersten Fur- chungsspindel von einem durch das Spermium eingefiihrten Cyto- centrum abstammen. Auch die Untersuchungen ConKLins (33) an Crepidula halte ich, so wenig wie KosTANECcKI, fiir geeignet, diesen Satz zu erschiittern. Conk LIN betrachtet es als wahrscheinlich, dai bei diesem Objekt der eine Furchungspol durch das Spermo- centrum, der andere durch das Oocentrum dargestellt wird. Das oben erwahnte interessante Experiment, bei dem er beide Centren zur Teilung veranlassen und dadurch an Stelle der normalen zwei- poligen ersten Furchungsspindel eine vierpolige hervorbringen konnte, erscheint ihm als wichtige Stiitze seiner Auffassung. Ich bin jedoch mit KosTanecxkr der Ansicht, dafi dieses Ergebnis viel- mehr dahin zu interpretieren ist, daf das sonst untatige und sich riickbildende Eicentrosoma durch die Einwirkung des veranderten Mediums zur Tiatigkeit gebracht wird. Die sichere Entscheidung aber wird auch hier die Dispermie bringen. Hat ConKuin recht, so muff ein dispermes Crepidulaei drei Furchungscentren auf- weisen; folgt dagegen sein Objekt der allgemeinen Regel, so miissen es vier sein. Immerhin miissen wir mit der Méglichkeit rechnen, daS es Ausnahmen von jener so vielfach bestatigten Regel gibt, was uns zu der Frage fiihrt, in welcher anderen Weise das Ei an selbst- staindiger Entwickelung verhindert sein kénnte. Schon friiher (12) habe ich darauf hingewiesen, daf die Auferdienststellung des Oo- centrums nicht die einzige Hemmung ist, die an den weiblichen Sexualzellen der Metazoen vorkommt. Wir kennen viele Faille, bei denen die Einleitung der Reifungsteilungen vom Eindringen des Spermiums abhingig ist. Aber noch andere der Entwickelung notwendig vorausgehende Vorginge des Eies werden bei manchen Tieren durch das Spermium ausgelést; so z. B. bei Ascariden die Bildung der machtigen Perivitellinhiillen, also die Ausstofung von Substanzen, mit denen beladen das Ei kaum zur Entwickelung be- fahigt wire. Auch dieser Auslésungsvorgang ist somit ein Teil der Befruchtungserscheinungen, wenn auch ein sehr spezieller. Wir miissen ihn entstanden denken in Anpassung an das Bediirfnis des Kies nach einer sehr resistenten Schale, die, um die Vereinigung der Sexualzellen nicht zu verhindern, erst nach der Befruchtung gebildet werden darf, also vom Spermium abhiangig sein muf. Etwas ganz Aehnliches haben wir in der Bildung der soge- nannten Dotterhaut oder Befruchtungsmembran des Seeigeleies vor 272 Theodor Boveri, uns, deren Bedeutung, wie kaum zu bezweifeln ist, in der Abhaltung | der nach dem ersten Spermium an der Eioberflaiche anlangenden | Konkurrenten liegt. Auch hier besitzt das Ei etwas, dessen es | sich auf eine Auslésung von seiten des Spermiums hin entledigt; und wir begreifen, da’, wie die Lorenschen Experimente (88) nun bewiesen haben, das Ki, wenn es von dieser Substanz nicht befreit wird, sich weniger normal entwickelt, als wenn die Abscheidung der Membran stattgefunden hat. Es sind eben, wie ich friiher schon hervorgehoben habe, zahl- reiche Arten von Hemmung des Eies denkbar und, wie wir jetzt ———— Ee ————- sehen, im gleichen Ei unter Umstinden mehrere nebeneinander | verwirklicht, womit das ganze Problem eine erheblich kompliziertere Gestalt gewinnt. Es ist nun klar, daZ, wenn auch nur in einem einzigen Punkt das Weiterschreiten des Eies von dem Eindringen des Sper- miums abhangig gemacht ist, diese Einrichtung geniigt, um die gemeinsame Entwickelung zu sichern. Und so ware also z. B. in jenen Fallen, wo schon die Einleitung der Reifungsvorginge durch den Spermaeintritt ausgelést wird, keine weitere Hemmung notig. Wiirde nach erfolgter Reifung der Eikern mit seinem Centrosoma den centrosomenlosen Spermakern anziehen, so ware alles in Ordnung. Wenn wir trotzdem sehen, daf es auch in Eiern dieser Art das Sperma-Centrosoma ist, welches bei der Entwickelung die Fiihrung tibernimmt, so wird uns dies zu der Annahme be- rechtigen, daf die an die Centrosomen sich kniipfende Art der Hemmung eine urspriinglichere ist, zu der sich erst nachtraglich die anderen gesellt haben. Aber ausgeschlossen wire es nicht, da es Hier gibt, in denen eine solche sekundire Hemmung zur einzigen geworden ist und wo ein persistierendes Oocentrum an Stelle des Spermocentrums die Furchungscentren liefern wiirde. Jedes Mittel, das an Stelle des Spermiums jene sekundire Hem- mung zu lésen im stande ware, wiirde dann unmittelbar zur Partho- genese fiihren. Damit gelangen wir zu einer letzten Frage, in der die Di- spermie ein entscheidendes Wort mitzusprechen hat, zur Frage des Verhaltnisses der kitinstlichen Parthenogenese zur Befruchtung. Als es R. Hertwia (76) gelungen war, durch Zusatz von Strychnin zum Seewasser den ersten Beginn einer parthenogenetischen Entwickelung an Seeigeleiern auszulésen, war die nachstliegende und wohl von allen Cytologen geteilte Annahme die, daf durch Zellen-Studien. 273 ’ die Kinwirkung des verdénderten Mediums das ,Oocentrum* — ‘ wie man sich dieses auch vorstellen mochte — aus seiner In- aktivitait aufgeriittelt und zu erneuter Tatigkeit angeregt werde. Allein weitere Untersuchungen bestitigten diese Vorstellung nicht. - More@an (97, 98) machte die Entdeckung, da8 durch gewisse Ver- _ anderungen im Salzgehalt des Seewassers tiberall im Plasma des | Echinideneies astrospharenartige Bildungen hervorgerufen werden kénnen, und nachdem J. Logs (85) durch ganz dhnliche Behand- _ lung der Kier parthenogenetische Entwickelung bis zum Pluteus hatte erzielen kinnen, fiihrte schlieflich E. B. Witson (129) den Nachweis, daf die Spharen, die bei dieser kiinstlichen Entwicke- lungserregung auftreten, mit Moreans kiinstlichen Astrosphiren identisch sind. Er zeigte, daf’ zwischen den Strahlensystemen, die sich am Eikern entwickeln, und jenen, die tiberall frei im Plasma auftreten, kein essentieller Unterschied besteht, er stellte fest, dak die Zentralgebilde, die sich in ihnen zeigen, sich wie typische Centrosomen durch Zweiteilung vermehren, und gab so dem schon von MorGan ausgesprochenen Satz, da’ echte Centrosomen als Neubildungen im Protoplasma entstehen kénnen, seine feste Be- griindung. Hatte man sich lange gegen die Anerkennung einer Entstehung von Centrosomen de novo gestriaubt, so laBt sich heute eher eine umgekehrte Neigung erkennen. Mehr oder weniger deutlich kann man die Anschauung ausgesprochen finden, daf, wenn_,,echte“ Centrosomen und Spharen tiberall im Plasma entstehen kénnen, wohl auch diejenigen, die wir typischerweise in dem karyo- kinetischen Vorgang tatig finden, nichts anderes als ein voriiber- gehender Ausdruck eigentiimlicher Kraftekonstellationen sind, die sich bei jeder Teilung von neuem herstellen. Es ist klar, da, wenn diese Anschauung richtig ware, alles, was iiber die Erhaltung und Teilung der Centrosomen angegeben worden ist, auf Tauschung beruhen miiSte. Schon friiher habe ich mich gegen solche Skepsis gewendet (17) und halte sie auch heute noch fiir véllig ungerechtfertigt. Wer an giinstigen Objekten den Cyklus der Cytocentren von einer Zellengeneration zur nachsten Schritt fiir Schritt zu verfolgen vermochte, den kann die Tatsache, daf Centrosomen unter gewissen Bedingungen neu entstehen, nicht daran irre machen, daf diese Gebilde im typischen Verlauf sich aus schon vorhandenen durch Teilung ableiten. Auch gibt es manche Analogieen, die uns das Vorkommen der einen Entstehungsweise neben der anderen nicht gar so fremd- Bd. XLII, N. F. XXXVI. 18 274 Theodor Boveri, artig erscheinen lassen. Wenn sich, nach R. Hertwies funda- mentaler Entdeckung, in gewissen Zellen aus einem im Protoplasma verstreuten Material, dem ,Chromidium*, Kerne individualisieren, die sich fortan durch Zweiteilung vermehren, warum sollte da nicht auch im Protoplasma mancher Zellen ein ,,Centridium“ existieren, aus dem unter Umstinden Centrosomen entstehen mit allen Qualitaéten derjenigen, die sich sonst als individualisierte Gebilde von der Mutterzelle auf die Tochterzellen forterben? Oder auch daran liefe sich denken, daf die Centrosomen mit indifferenten, durch Zweiteilung sich vermehrenden Protoplasma-,,Mikrosomen‘ ebenso prinzipiell identisch waren, wie eine Kizelle der Hydra mit ~ den sie umgebenden Ovarialzellen, aus deren Indifferenz sie so gewaltig herausgehoben wird. So eréffnen sich uns also durch die Entdeckung der Neubildung von Centrosomen sehr erfreuliche Hoffnungen auf eine nahere Be- stimmung der Natur und Wertigkeit dieser Strukturen; an der Lehre von der Bedeutung der Centrosomen im Zellenleben dagegen, ja selbst an der Auffassung dieser Gebilde als permanenter ,,Zellen- organe“ dndert der Nachweis jenes regenerativen Vermégens mancher Zellen nichts. Was aber die Frage der kiinstlichen Parthenogenese anlangt, so scheint es mir, daf selbst fiir dieses Problem die artificiellen Zentren und Spharen nicht jene allgemeine Bedeutung besitzen, wie man dies eine Zeit lang glauben konnte. Ich bin der Ueberzeugung, dafi mit Ausnahme der Seeigeleier wohl fiir alle bisher beschriebenen Faille kiinstlicher Parthenogenese die urspriing- liche Annahme zu Recht bestehen bleibt, wonach die dabei auf- tretenden Furchungspole von einem ,Oocentrum*“ stammen, in dem Sinn, daf das dem Ei bei seiner Entstehung zufallende Cyto- centrum zu erneuter Wirksamkeit gebracht wird. Und selbst fiir das Seeigelei muf man sich angesichts der Untersuchungen von R. Herrwie (76) und gewisser Befunde von ZieGLER (132) und J. Los (88) fragen, ob nicht auch hier zwischen den ,,Cytasteren“ und jenen Strahlungen, die am Eikern auftreten, gewisse Unter- schiede bestehen, und ob nicht jene Falle, die zu normaler Ent- wickelung fiihren, eben gerade solche sind, bei denen nur das ,»Oocentrum* in Tatigkeit tritt. Wie dem aber auch sein mag, es war eine notwendige Kon- sequenz der besprochenen Entdeckungen, daf sie zu einer Revision der Vorstellungen iiber die Wirkungen des Spermiums im Ei fihren muften. Wenn es méglich ist, Kier durch Veranderung des Mediums zur Entwickelung anzuregen, dann liegt gewif nichts gn agg Zellen-Studien. 275 naiher als die Annahme, daf das Spermium gerade so auf das Ei einwirke, wie jene zur kiinstlichen Parthenogenese fihrenden Agentien, daf also die entwickelungserregende Wirkung des Sper- miums eine physikalische oder chemische und nicht eine an Organi- siertes gekniipfte sei. So sehen wir denn auch in den Schriften J. Loess diese Ueberzeugung von Anfang an als etwas ganz Selbstverstindliches auftreten, und es ist kein Zweifel, da8 gerade in diesem vermeintlichen Nachweis die Hauptbedeutung seiner Entdeckung gefunden worden ist. Hier miissen wir nun an die oben schon erwihnte Erkenntnis ankniipfen, daf die Einwirkung des Spermiums auf das Seeigelei nicht eine einheitliche ist. Das Spermium lést erstens, wenn es mit dem Ki in Beriihrung gekommen ist, die Abscheidung der Befruchtungsmembran aus; zweitens verleiht es, wie das ZIEGLER- sche Wollfadenexperiment (132) lehrt, dem Ei, auch wenn es als- bald wieder aus ihm entfernt wird, eine gewisse Disposition zur Teilung, die in unvollkommenen karyokinetischen Vorgingen am Eikern zum Ausdruck kommt. Es ist, nach neueren Untersuch- ungen von Herest (67) und J. Lors (88) nicht unméglich, daf gerade die Entfernung der bei der Bildung der Befruchtungs- membran ausgeschiedenen Substanzen es ist, die das Ei zu diesen unvolikommenen parthenogenetischen Regungen fahig macht Drittens endlich bewirkt das Spermium im Ei die Bildung der beiden Furchungspole, welche das eigentliche Triebwerk fiir die Entwickelung reprasentieren. Fir die beiden erstgenannten Wirkungen war es nun schon friiher, auf Grund der blofen Beobachtung des Vorganges, so gut wie sicher, dal hierbei nicht ein geformter Teil des Spermiums eingreift, sondern daf es sich um eine Reizwirkung handelt, tiber deren Natur freilich nichts weiter ausgesagt werden konnte. Auch hatten ja schon vor langer Zeit die Briider Hertwie (73) durch Beifiigen von Chloroform zum Seewasser die Abscheidung der Dotterhaut auslésen kénnen, wozu spiter Hersst und LOEB noch den Nachweis fiigten, daf auch durch manche andere Stoffe, so durch Kreosot, Toluol, Chlorcalcium, Silber und Fettséuren, ein Gleiches erzielt werden kann. Daf das Spermium bei diesem Proze$ nicht anders wirkt als die genannten Stoffe, darf wohl als sicher betrachtet werden. Und wie bei diesem Phanomen der natiirliche Vorgang dem kiinstlichen entspricht, so erscheint auch die Spermawirkung bei dem ZreGiEerRschen Wollfadenversuch dem Effekt der zu kiinstlicher .Parthenogenese fiihrenden Mittel so 18* 276 ; Theodor Boveri, aihnlich, daf man auch hier an einer prinzipiell identischen Wirkung kaum zweifeln kann. Ist es ja, wie oben erwiéhnt, gar nicht un- wahrscheinlich, daf der Zustand, in den das Ei durch die Ab- scheidung der Dotterhaut versetzt wird, ohne weiteres zu unvoll- kommenen Teilungsversuchen fiihrt. Anders verhalt es sich aber, wie ich schon mehrmals und besonders eingehend im Anhang zu dem Aufsatz ,Das Problem der Befruchtung“ (21) erértert habe, mit der Herkunft der Furchungszentren. Und damit kommen wir zu unserem Hauptthema, der Bedeutung der Dispermie fir die Erkenntnis der normalen Befruchtungsvorginge, zuriick. Loxrs ist der Meinung, durch seine Experimente tiber kiinstliche Parthenogenese die Wirkung des Spermiums in jeder Beziehung nacbgeahmt zu haben. Fiir die Richtigkeit dieser Meinung gibt es eine sehr einfache Priifung. Wer zu wissen glaubt, wie ein Spermium auf das Ei einwirkt, der muf auch angeben kénnen, was zwei oder drei Spermien im Ei bewirken; und es ist eine entscheidende Probe fiir jede Befruchtungstheorie, ob sie auf diese Frage eine Antwort zu geben vermag. Es ist nun von vornherein klar, daf die Ermittelungen J. Lorgs von dem so auferst variablen Effekt der Doppelbefruchtung, wie wir ihn oben kennen gelernt haben, keine Rechenschaft geben kénnen. Aber man kénnte sagen, daf dies zu viel verlangt sei; auch meine Theorie der dispermen Entwickelung beruht ja zu einem Teil auf einer ganz allgemeinen Annahme iiber die Chromosomen, der sich Lors anschliefen kénnte. Zu erklaren bliebe fiir ihn dann nur, warum im dispermen Ei zur Zeit der ersten Teilung vier Zentren auftreten, im trispermen sechs u.s. w. Logs hat nun in der Tat in einer jiingst erschienenen Arbeit (90) einen Versuch gemacht, diese Tatsachen von seinem Stand- punkt aus zu erklairen, und zwar indem er, wohl ohne es zu wissen, zu der alten, damals sich als sehr natiirlich darstellenden Anschauung der Briider Hertrwie (73) zuriickkehrt, wonach die Zahl der Zentren von der Kernmenge abhangig sei. Lor weist darauf hin, daf durch die Mittel, welche das Ei zu kiinst- licher Parthenogenese veranlassen, in vielen Fallen zunadchst ein Monaster auftrete, entsprechend der geringen Kernmenge des Kies, die hier nur durch den Eikern reprasentiert wird. Bei der normalen Befruchtung, bei der die doppelte Kernmenge vor- handen ist, bilde sich ein Amphiaster, bei Ueberfruchtung endlich trete parallel mit der Erhéhung der Zahl der Spermakerne Zellen-Studien. Dali eine immer gréfere Zahl von Zentren auf. Dies sieht freilich auf den ersten Blick so aus, als bestiinde zwischen der Zahl der Vorkerne und derjenigen der Furchungszentren eine Abhangigkeit. Und Loess Erklirung ist die: die Entstehung der Centrosomen bezw. der Sphiren ist nicht ein direkter, sondern ein indirekter Effekt der Befruchtung. Das Primare ist nach seiner Anschauung die Vermehrung des Nukleingehaltes des Kies; sowohl das Sper- mium, wie die zur kiinstlichen Parthenogenese fiihrenden Agentien bewirken oder beschleunigen diesen Proze8 im Ei; ist er bis zu einem gewissen Punkt gediehen, welcher Punkt an die Erreichung der Maximalgréfe der Chromosomen gekniipft sein kénnte, so lést er die Bildung der Teilungszentren aus, und deren Zahl richtet sich nun eben nach der Menge der vorhandenen Chromosomen. So waren in der Tat kiinstliche Parthenogenese und Befruchtung auf ein einheitliches Prinzip zuriickgefihrt. Genauere Betrachtung ergibt jedoch die Unzulassigkeit dieser Auffassung. Wenn die Zahl der Zentren von der Kernmenge ab- hangig ware, derart, daf der einzelne Vorkern zuniachst nur ein einfaches Furchungszentrum bedingen wiirde, so diirfte sich in einem monosperm befruchteten kernlosen Kifragment zur Zeit der ersten Teilung nicht ein Amphiaster bilden, wie es wirklich der Fall ist, sondern ein Monaster. Wollte man diese Tatsache aber so erkliren, daf in dem kleinen Hifragment das Monokaryon gros genug sei, um hier die gleiche Zentrenzahl zu bewirken, wie im ganzen Ei das Amphikaryon, so kime man zu der Forderung, daf in einem gleich grofen Fragment, das Ei- und Spermakern enthalt, mehr als zwei Zentren auftreten miiften. Stets aber sind es zwei, im kleinsten kernhaltigen Fragment ganz ebenso ~ wie im gréften kernlosen. Des weiteren hat sich gezeigt, da man monosperm be- fruchtete ganze Eier durch Schiitteln kurz nach der Befruchtung zur Monasterbildung bringen kann, was, wenn die Zentren- zahl von der Kernmenge abhangig wire, nicht gelingen diirfte. Denn die Kernmenge ist in diesen Monastereiern genau die gleiche wie im normalen Ei. Und selbst wenn man zugeben wollte, daf der Eingriff fiirs erste jene Beziehung zwischen Kern und Cyto- centren stéren kiénnte, so miiBten doch wenigstens beim nachsten Teilungsschritt, wo inzwischen die Kernmenge auf das Vierfache des einzelnen Vorkerns angewachsen ist, stets mindestens vier Zentren auftreten. Es zeigen sich aber, mit verschwindenden Ausnahmen, nur zwei. Endlich lehrt auch die Entwickelung der 278 Theodor Boveri, dispermen Eier, dafi die Zentrenzahl von der in der Zelle vor- handenen Kernmenge unabhingig ist. Denn die primaren Blasto- meren dispermer Hier vermehren sich alle durch Zweiteilung, gleichgiiltig, ob sie mehr oder weniger als die typische Kernmenge besitzen. Diese und andere Tatsachen machen es, wie ich schon vor langer Zeit hervorgehoben habe, unmdoglich, eine Abhangigkeit der Zentrenzahl von der Kernmenge anzunehmen. Die Zahl der in einem karyokinetischen Vorgang vorhandenen Zentren ist vielmehr durch die einfache Formel ausdriickbar, da’ sie regulirerweise genau doppelt so grof ist als die Zahl der Zentren, die die Zelle durch den vorausgegangenen karyokinetischen Prozef erhalten hat; ganz gleichgiiltig, wie viel Kernsubstanz vorhanden ist. Am klarsten wird dieses Verhalten durch den von mir (15) beschriebenen Fall erliutert, wo eine primaire Blastomere zwar ein Centrosoma, aber keinen Kern erhalten hatte, und wo nun in dieser kernlosen Blastomere das Centrosoma sich ganz rhytmisch auf 2, 4, 8 u. s. w. vermehrte, gerade so, wie in der sich normal furchenden Schwester- blastomere. Die Erhéhung der Zentrenzahl bei der Mehrfachbefruchtung kann sonach durch die Lorxssche Hypothese nicht erklirt werden. Und es bleibt, soweit ich sehe, iiberhaupt keine andere Annahme tibrig, als eben jene alte, da’ jedem Spermium ein Zentrum bei- gegeben ist, das sich bei der Vorbereitung des Eies zur Teilung verdoppelt. Die Spermien lésen, mit anderen Worten, nicht im Ei die Entstehung oder Aktivierung von Zentren aus, sondern sie bringen sie mit. Dies ist der funda- mentale Unterschied zwischen kiinstlicher Parthenogenese und Be- fruchtung. Gerade der Vergleich mit der Bildung der Befruch- tungsmembran ist in dieser Beziehung sehr lehrreich. Diese Haut bildet sich beim Eindringen zweier oder dreier Spermien genau so, wie wenn nur ein einziges eindringt. Hier ist eben eine all- gemeine Reizung des Eiplasmas im Spiel, deren Effekt von der Quantitét des auslésenden Mittels unabhingig ist. Hinsichtlich der Furchungszentren aber wirkt das Spermium nicht als Reiz, sondern als ein mit der Eizelle sich vereinigendes cellulaires Individuum. Die Furchungszentren stehen zu dem Zentrum der Samenzelle in dem gleichen Verhiltnis, wie sonst die Centro- somen von Tochter- und Mutterzelle. Eine physikalische oder chemische Auflésung dieser Seite des Befruchtungsproblems halte ich danach fiir ausgeschlossen. Hichstens in dem Sinn wire sie —————— ————————— ee Zellen-Studien. 279 denkbar, daf es vielleicht einmal gelingen kénnte, ganz allgemein den Kreislauf der Cytocentren und speziell ihre Teilung chemisch oder physikalisch verstindlich zu machen. Doch scheint mir dafiir bis jetzt kein Anzeichen vorzuliegen. Als ein fiir die Befruchtungslehre allgemein interessantes Faktum sei zum Schluf8 hervorgehoben, da8, so sehr auch die sexuelle Mischung auf eine Vereinigung von nur einer weiblichen und einer minnlichen Zelle berechnet erscheint, die Beteiligung zweier Spermien an der Entwickelung eines normalen Indivi- duums doch moéglich ist, ja dafi sich bei Seeigeln ohne Zweifel Kinder, die zwei Vater besitzen, sehr leicht, wenn auch nicht in kontrollierbarer Weise, verwirklichen liefen. Schon oben habe ich auf den Parallelismus hingewiesen, der zwischen dem doppeltbefruchteten Einfach-Ei und dem einfach be- fruchteten Doppel-Ei (zur Srrassens Ascaris-Riesen) besteht. Nun ist aber, neben den oben erwahnten Unterschieden, zwischen diesen beiden Erscheinungen hier noch ein weiterer namhaft zu machen, daf naimlich in dem Fall von zur Strassen alle Zellen des neuen Organismus die gleiche Chromosomen-Kombination, aus zwei Ei- und einem Spermakern stammend, enthalten, wogegen bei der Dispermie eine solche RegelmaSigkeit nur im Fall des nicht sicher konstatierten Amphiaster-Typus (p. 25/26) verwirk- licht wire, sonst aber, wie wir erfahren haben, in verschiedenen Koérperbezirken verschiedene Chromosomen-Kombinationen zu stande kommen miissen, ja da’, wenn wir uns die Doppelbefruch- tung durch zwei Spermien von verschiedenen Mannchen vollzogen denken, das neue Individuum unter Umsténden — so beim Doppel- spindeltypus — in seiner einen Korperhalfte einen anderen Vater besitzt als in der anderen. Diese Erkenntnis legt eine letzte Frage nahe, ob sich nim- lich ein gesunder dispermer Pluteus bis zum erwachsenen Seeigel entwickeln, ja vielleicht selbst wieder fortpflanzen kénnte. Es liegt meines Erachtens kein Grund vor, daran zu zweifeln, dal Dreierplutei, wie z. B. der in Fig. 28 (Taf. IV) gezeichnete oder der mutmafliche Doppelspindel-Pluteus der Fig. 75 (Taf. IX), sich zu typischen Seeigeln metamorphosieren kénnten. Ja es darf nach den neueren Erfahrungen iiber die kiinstliche Ziichtung von Seeigeln als durchaus im Bereich der Méglichkeit gelegen an- gesehen werden, da die kiinstliche Aufzucht dispermer Plutei zu 280 Theodor Boveri, Seeigeln gelingen kénnte. Wie wir die dispermen Larven so haufig asymmetrisch gefunden haben, so lieSen sich vielleicht auch fiir die fertigen Tiere gewisse Symmetriestérungen erwarten, vor allem aber wohl Stérungen in den Geschlechtsorganen. Es sind mehr- fach bei Echinodermen als Abnormitét hermaphrodite Indivi- duen beschrieben worden, wo einige Geschlechtsdriisen mannlich, andere weiblich waren. Ks ist leicht méglich, da8 Dispermie zu solchen Zustaénden Veranlassung geben kénnte. Des weiteren aber liegt die Vermutung nahe, da8 die Geschlechtszellen di- spermer Individuen in vielen Fallen abnorm werden, daf jedenfalls bei der Chromosomenreduktion charakteristische Abnormitaten auftreten miSten. Hier diirfte also Aussicht auf noch manche wichtige Erkenntnis gegeben sein. |, re ] . | Zellen-Studien. 281 Literaturverzeichnis. 1) van Brenepen, E. et Neyt, A., Nouvelles recherches sur la fécondation et la division mitosique chez |’Ascaride mégalo- céphale. Bull. Acad. roy. Belg., Sér. 4, T. XIV, 1887. 2) Brocumann, F., Ueber die Richtungskérper bei Insekteneiern. Morph. Jahrb., Bd. XII, 1887. 3) Bonnevis, K., Untersuchungen tiber Keimzellen. I. Jen. Zeitschr., Bd. 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(Diese Arbeit, in welcher Fou die Befruchtungserscheinungen an narkotisierten Eiern behandelt hat, ist mir nicht zuganglich gewesen). 54) — Le quadrille des centres. Arch. d. Sciences phys. et nat., EH, .Pér.,-T. XV; 189V: 55) Garsowskt, T., Ueber die Polaritat des Seeigeleies. Bull. Acad. Scienc. Cracovie, 1905. 56) Goptewski1, E. jun., Untersuchungen iiber die Bastardierung der Echiniden- und Crinoidenfamilie. Arch. f. Entw.-Mech. Bd. XX, 1906. 57) Gross, J., Ueber einige Beziehungen zwischen Vererbung und Variation. Biol. Centralbl., Bd. XX VI, 1906. 58) Hancxer, V., Ueber das Schicksal der elterlichen und grof- elterlichen Kernanteile. Jen. Zeitschr. f. Naturw., Bd. XX XVII, 1902. 284 Theodor Boveri, 59) Harcxer, V., Bastardierung und Geschlechtszellenbildung. Zool. Jahrb., Suppl. VII. Festschrift fiir A. Wxtsmann, 1904. 60) Herper, K., Vererbung und Chromosomen, Jena 1906. 61) Henxine, H., Ueber Spermatogenese und deren Beziehung zur Eientwickelung bei Pyrrhocoris apterus L. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. LI, 1891. 62) — Untersuchungen iiber die ersten Entwickelungsvorginge in den Hiern der Insekten. III. Zeitschr. f wiss. Zool., Bd. LIV, 1892. 63) Hersst, C., Experimentelle Untersuchungen. I. Versuche an Seeigeleiern. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. LV, 1892. 64) — Ueber die kinstliche Hervorrufung von Dottermembranen an unbefruchteten Seeigeleiern etc. Biol. Centralbl., Bd. XIII, 1893. 65) — Ueber das Auseinandergehen von Furchungs- und Gewebe- zellen in kalkfreiem Medium. Arch. f. Entw.-Mech., Bd. IX, 1900. 66) — Formative Reize in der tierischen Ontogenese, Leipzig 1901. 67) — Ueber die kiinstliche Hervorrufung etc. II. Mitteilung. Mitt. a. d. zool. Station Neapel, Bd. XVI, 1904. 68) — Vererbungsstudien I—III. Arch. f. Entw.-Mech., Bd. X XI, 1906. 69) Hertwie, O., Beitrage zur Kenntnis der Bildung, Befruchtung und Teilung des tierischen Kies. I—III. Morph. Jahrb., Bd. I, 1875, Ba. i sea, Bd TY, 1878. 70) — Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung. Jena 1884. 71) — Urmund und Spina bifida. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XX XIX, 1892. 72) — Kritische Betrachtungen tiber neuere Erklarungsversuche auf dem Gebiete der Befruchtungslehre. Sitz.-Ber. d. Kgl. preuf. Akad. d. Wiss., 1905. : 73) — u. R., Ueber den Befruchtungs- und Teilungsvorgang des tierischen Eies unter dem Einfluf duferer Agentien, Jena 1887. 74) — R., Ueber Befruchtung und Konjugation. Verh. d. deutschen zool. Gesellsch., 1892. 75) — Ueber Centrosoma und Centralspindel. Sitz.-Ber. d. Ges. f. Morph. und Phys. Miinchen, Jahrg. 1895. 76) — Ueber die Entwickelung des unbefruchteten Seeigeleies. Festschr. f. C. Guannpaur, Leipzig 1896. 77) — Ueber die Kernteilung, Richtungskérperbildung und Be- fruchtung von Actinosphaerium Eichhorni. Abh. d. K. bayr. Akad. d. Wiss., II. Kl, Bd. XXIX, 1898. 78) — Ueber Wesen und Bedeutung der Befruchtung. Sitz.-Ber. d. K. bayr. Akad. d. Wiss., Bd. XXXII, 1902. 79) — Ueber Korrelation von Zell- und Kerngréfe etc. Biol. Centralbl., Bd. XXIII, 1903. 7 —_ —— — = a oo eee Zellen-Studien. 285 80) Hertwic, R., Ueber physiologische Degeneration bei Actino- sphaerium Hichhorni. Nebst Bemerkungen zur Aetiologie der Geschwiilste. Festschrift fiir E. Hancxet, Jena 1904. 81) Horrr, B., Experimentelle Untersuchungen tiber den Einflu$ des Kerns auf das Protoplasma. Jen. Zeitschr., N. F. Bd. XVII, 1889. 82) Jensnn, P., Organische Zweckmiafigkeit, Entwickelung und Vererbung vom Standpunkte der Physiologie, Jena 1907. 83) Kosranecrt, K., Ueber die Gestalt der Centrosomen im be- fruchteten Seeigelei. Anat. Hefte, I. Abt., Bd. VII, 1896. 84) — Ueber die Herkunft der Teilungszentren der ersten Furchungs- spindel im befruchteten Ei. Arch. f. mikr. Anat., Bd. LX VIII, 1906. 85) Loz, J., On the nature of the process of fertilization and the artificial production of vormal larvae (plutei) from the unferti- lized eggs of the sea urchin. Americ. Journ. Phys., Vol. III, 1899. ; 86) — Ueber die Befruchtung von Seeigeleiern durch Seestern- samen. Priia@urs Arch. XCIX, 1903. 87) — Weitere Versuche tiber heterogene Hybridisation bei Echino- dermen. Prutceers Arch., Bd. CIV, 1904. 88) — On an improved method of artificial parthenogenesis. (3 Mit- teilungen). University of California Publications, Vol. II, 1905. 89) — Vorlesungen iiber die Dynamik der Lebenserscheinungen, Leipzig 1906. 90) — Ueber die Superposition von kiinstlicher Parthenogenese und Samenbefruchtung in demselben Ei. Arch. f. Entw.-Mech. Bae xXx, 190% 91) Mac Crune, C. E., The accessory chromosome — sex deter- minant? Biol. Bull. Vol. III, 1902. 92) — The chromosome complex of orthopteran spermatocytes. Biol. Bull., Vol. IX, 1905. 93) Marcus, H., Ueber die Wirkung der Temperatur auf die Furchung bei Seeigeleiern. Arch. f. Entw.-Mech., Bd. XXII, 1906. 94) Monrcomery, T. H., A study of the chromosomes of the germ cells of Metazoa. Transact. Americ. Philos. Soc., Bd. XX, 1901. 95) Morean, T. H., A study of variation in cleavage. Archiv f. Entw.-Mech., Bd. II, 1895. 96) — The fertilization of non-nucleated fragments of Hchino- derm Eggs. Arch. f. Entw.-Mech., Bd. II, 1895. 97) — The production of artificial astrosphaeres. Arch. f. Entw.- Mech., Bd. III, 1896. 98) — The action of salt-solutions on the unfertilized and ferti- lized eggs etc. Arch. f. Entw.-Mech., Bd. VIII, 1899. 99) — An alternative interpretation of the origin of gynandro- morphous insects. Science, N. S. Vol. XXI, 1905. 100) Orrer, A., Die Befruchtung des Reptilieneies. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XX XIX, 1892. 286 Theodor Boveri, 101) Prerrer, K., Ein Beitrag zur Vererbungslehre. Deutsche med. 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VI, 1898. 133) — Die Vererbungslehre in der Biologie, Jena 1905. 288 Theodor Boveri, Tafelerklirung. Matte LT. Fig. la—d. Vier zusammengehirige 1/,-Plutei von Strongylo- centrotus, durch Isolierung der 4 Blastomeren eines normalen Vier- zellenstadiums gewonnen. Fig. 2a—d. Die 4 Skelettpaare von 4 in gleicher Weise ge- wonnenen Larven. Fig. 3. Lebende Gastrula aus einer dispermen 1/,-Blasto- mere von Strongylocentrotus, in a von der Seite, in b von hinten gezeichnet. c zeigt eine Anzahl kleiner Kalkkoérperchen, die nach Behandlung mit Kalilauge hervortraten. Fig. 4a—d. Die aus den vier Blastomeren eines dispermen Strongylocentrotus-Kies nach etwa 48 Stunden entstandenen Produkte. Fig. 5a und b. Gastrula mit unpaarem Skelett aus einer 1/,-Blastomere eines dispermen Strongylocentrotus-Hies. Fig. 5c. Stereoblastula mit beginnender Invagination aus einer anderen Blastomere des gleichen Hies. Fig. 6a—d. Vier 1/,-Larven, aus den voneinander geliésten 4 Blastomeren eines dispermen Strongylocentrotus-Hies. Fig. 7 und 8. 1/,-Gastrulae von zwei verschiedenen dis- permen Kchinus-Hiern. Fig. 9a. Prisma aus einer 1/,-Blastomere eines dispermen Strongylocentrotus-Eies. In b ist das Skelett der gleichen Larve bei anderer Ansicht dargestellt. Fig. 10a und b. Jungpluteus aus einer 1/,-Blastomere eines dispermen Strongylocentrotus-Eies, in a von der Seite, in b von hinten unten gesehen. atel TL, Fig. 11. Pluteus aus einem Simultandreier von Strongylocentrotus, a von vorn, ¢ von hinten, d von rechts, i vom Scheitel, k von der Mundseite gesehen; b optischer Querschnitt in der Nihe des Scheitels, e von einem Stiick der Wimperschnur; f die rechte, g die linke Wand des Darmes. Vergr. ca. 650. 1 und m plastische Ansichten, um die Verteilung der drei durch verschiedene Kerngrife unter- scheidbaren Larvenbezirke deutlich zu machen. h einige Kerne aus den 3 Bezirken bei etwa 2000-facher Vergriferung. Fig. 12. Ein ahnlicher Pluteus aus einem simultan dreigeteilten Ei von Strongylocentrotus, von anderen Eltern. Vergr. ca. 650. Zellen-Studien. 289 Marels LED: Fig. 13. Pluteus aus einem Simultandreier von Sphaerechinus, von yvorn gesehen. Die Grenze des kleinkernigen Drittels ist durch eine rote Linie markiert. Zu beiden Seiten dieser Grenze, soweit sie auf der Vorderflache verlauft, sind einige Kerne eingetragen, um den Gréfenunterschied zu illustrieren. Fig. 14. Pluteus aus einem Simultandreier von Strongylocen- trotus, von hinten gesehen. Die roten Linien begrenzen ein durch kleine Kerne unterscheidbares Drittel, welches den Scheitel und den gréften Teil der Vorderwand einnimmt. Fig. 15a. Pluteus aus einem Simultandreier von Strongylo- centrotus. Die drei durch die Kerngréfe unterscheidbaren Bezirke durch rote Linien abgegrenzt. Fig. 15b. Kerne aus den drei Larvenbezirken. Vergr. ca. 2000, Fig. 15c. Das untere Ende des Mundlappens von der vorderen Seite. Vergr. ca. 2000. Fig. 16—18. Drei Plutei von Echinus aus normalbefruchteten Hiern, an denen beim Uebergang vom Zwei- zum Vierzellenstadium in der einen Blastomere die Zellteilung durch Schiitteln unterdriickt worden war. Datel LV. Disperme Dreierlarven, um die in dieser Gruppe vorkommenden Asymmetrien zu veranschaulichen. Fig. 19, Annihernd symmetrischer Dreierpluteus von Strongylo- centrotus. Fig. 20, Asymmetrischer Dreierpluteus von den gleichen Eltern; die drei durch verschiedene Kerngréfe unterscheidbaren Larven- bezirke auf der hinteren Seite durch rote Linien abgegrenzt. Fig. 21a. Stark asymmetrischer Dreierpluteus von den gleichen Eltern. Fig. 2ib. Umrisse und Skelett zweier normaler Larven von den gleichen Eltern, von der einen die dinke, von der anderen die rechte Halfte gezeichnet. Fig. 22. Asymmetrischer Dreierpluteus von Strongylocentrotus; die rote Linie markiert die Grenze des durch die Kerngréfe unter- scheidbaren Scheiteldrittels. Fig. 23. Dreiergastrula von Sphaerechinus mit asymmetrischer Verteilung der Mesenchymzellen und asymmetrischen Skelettanlagen. Fig. 24. Asymmetrischer Dreierpluteus von Strongylocentrotus. Fig. 25a. Stark asymmetrischer Dreierpluteus von den gleichen Eltern. Ein rechts gelegenes Drittel durch kleinere Kerne unter- scheidbar. Fig. 25b. Zwei Normaltypen der gleichen Zucht. Fig. 26a. Asymmetrischer Dreierpluteus von KEchinus. Fig. 26b. Zwei Normaltypen der gleichen Zucht. Fig. 27. Asymmetrischer Darm eines Dreierpluteus von Sphaer- echinus, vom Scheitel gesehen, Fig. 28. Asymmetrischer Dreierpluteus von Strongylocentrotus. Bd. XLII. N. F. XXXVI. 19 290 Theodor Boveri, Tafel V. Disperme Dreierlarven mit Skelett- oder Pigment- defekt. Jede vom After ausgehende Grenzlinie bezeichnet, wenn rot, eine durch yerschiedene Kerngréfe wirklich nachweisbare, wenn grau, eine mutmafliche Grenzlinie verschiedener Larven- drittel. Fig. 29a. Strongylocentrotus; vom linken Skelett nur ein kleiner Stab entwickelt. Fig. 29b. Scheitel einer normalen Strongylocentrotus - Larve mit stark gekreuzten Scheitelstiben. Fig. 30. Strongylocentrotus; nur das linke Skelett entwickelt. Fig. 31. Strongylocentrotus; das linke Skelett normal, vom rechten nur der Scheitelstab entwickelt. Fig. 32. Strongylocentrotus, gleiche Eltern, wie bei Fig. 31; das linke Skelett fehlt vollstandig, dem rechten fehlt der Scheitelstab. Fig. 33. Strongylocentrotus; etwa ein Drittel der Larve ohne Chromatophoren. Der Mitteldarm besteht aus 3 parallelen Réhren. Fig. 34. Spbaerechinus; das linke untere Larvendrittel ohne Chromatophoren. Fig. 35a—d. Sphaerechinus; in a nach dem konservierten Ob- jekt, in der Ansicht von vorn, um die verschiedene Kerngrofe zu zeigen; in b—d frisch nach Formolzusatz, b von links, ¢ von rechts, d von vorn. Ein linkes oberes Drittel ist fast frei von Chromato- phoren. Fig. 35¢e. Sphaerechinus; zwei Normaltypen von den gleichen Eltern. Patel VI. Disperme Dreierlarven mit einer normalen und einer verkitimmerten Hialfte, vermutlich auf den Amphiaster-Monaster-Typus zuriickzufihren. Fig. 41 von Echinus, die iibrigen von Strongylocentrotus. Tate VEL. Fig. 43—50. Dreierlarven mit einem pathologischen Drittel; mit Ausnahme der beginnenden Kchinus-Gastrula der Fig. 50 von Strongylocentrotus stammend. Fig. 51. Disperme Dreierlarve von Sphaerechinus ohne Darm und mit einseitig entwickeltem Skelett. Fig. 52 und 53. Abnorme Dreierlarven von Strongylocentrotus. iaee! Vy Tit. Larven aus viergeteilten dispermen Eiern. Fig. 54a. Gesunder Pluteus von Echinus; b die drei unter- scheidbaren Kerngréfen bei ca. 2000-facher Vergréferung. Zellen-Studien. 291 Fig. 55. Gesunder Pluteus von Strongylocentrotus. Fig. 56—68. Partiell pathologische Larven; Fig. 56, 59, 64, 66 und 67 vom Strongylocentrotus, Fig. 57, 58, 60, 61, 62, 63, 65 und 68 von Kchinus. Fig. 60a. Echinuspluteus mit einem pathologischen Viertel, a vom Scheitel, b von vorn. In c ist ein Stiick des Scheitels ge- zeichnet, wo sich zwischen die zwei verschiedenkernigen Bereiche einige besonders grofe Kerne einschieben. Fig. d zeigt die im Ekto- derm unterscheidbaren drei Kerngréfen, sowie einige der im Innern gelegenen pathologischen Kerne bei etwa 2000-facher Vergréferung. Tafel IX. Fig. 69—72. Disperme Plutei des Doppelspindel-Typus, aus kugeligen Hiern stammend, alle von Echinus. Fig. 73a. Desgleichen, aus einem deformierten Ki. b—g. Kinige Entwickelungsstadien des gleichen Objekts. Fig. 74. Normaler Echinuspluteus von den gleichen Eltern wie die Larve der Fig. 75. Fig. 75. Véllig gesunder, fast normaler Pluteus aus einem simultan vierteiligen Echinusei, in a von hinten unten, in b von vorn, in ¢ von links, in d im optischen Medianschnitt gezeichnet. Tafel X. Alle Objekte dieser Tafel sind in Pikrin-Essigsiure konserviert und mit Borax- oder Parakarmin gefarbt. Fig. 76. Normale +4/,-Gastrula aus einer Blastomere eines Simultandreiers von Hchinus. Vergr. ca. 650. Fig. 77. Ein abnliches Objekt im Beginn der Erkrankung. Vergr. ca. 650. Fig. 78. Stereogastrula aus einem ganzen simultan dreiteiligen Ki von Strongylocentrotus. Vergr. ca. 650. Fig. 79. Kranke Blastula aus einem simultan vierteiligen Hi von Kchinus; ein Teil der Wand in Gestalt pathologisch veranderter Zellen nach innen verlagert, ein anderer Teil in Auflésung nach aufen. Vergr. ca. 650. Fig. 80. Ein Stiick der Wand einer dispermen Viererblastula von Kchinus, im Begriff sich nach aufen aufzulésen. Vergr. ca. 2000. Fig. 81. Optischer Schnitt durch ein Stiick der Wand eines Dreierpluteus von Strongylocentrotus; neben normalen stark meta- morphosierte Kerne, zum Teil schon nach innen getreten. Vergr. ca. 2000, Fig. 82. Optischer Schnitt durch ein Stiick der Wand einer Vierer-Blastula von Echinus; % 2 ee ee : ty Pareate. -> a ee : -—- —_—_ See ar eh eee Re ee eae DREIUNDVIERZIGSTER BAND NEUE FOLGE, SECHSUNDDREISSIGSTER BAND ZWEITES HEFT MIT 8 TAFELN, Il KURVEN UND 16 FIGUREN IM TEXT . Inhalt: SCHILLER, IGNAZ, Ueber den feineren Bau der Blutgefasse bei den Arenicoliden. Hierzu Tafel XI—XIII. HANEL, ELISE, Vererbung bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung von Hydra grisea. ROLLE, Gustav, Die Renopericardialverbindung bei den einheimischen * Nacktschnecken und anderen Pulmonaten. Hierzu Tafel XIV u. XV. EGGELING, H., Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. Hierzu Tafel XVI—XVIII. ADLOFF, Zur Frage der Konkreszenztheorie. PREIS: 18 MARK “JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1907 Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 18. Dezember 1907. ee Verlag von Gustav Fiseher in Jena. | Zellen-Studien. Von Dr. Theodor Boveri, Professor an der Universitat Wiirzburg. Heft I. Die Bildung der Richtungskirper bei Ascaris megalocephala und Ascaris lumbricoides. (Aus dem Zoologischen Institut: zu Miinchen.) 1887. Mat 4 lithographischen Tafeln. Preis: 4 Mark 50 Pf, =| Heft Il. Die Befruchtung und Teilung des Eies von Ascaris: megalocephala. (Aus dem Zoologischen Institut zu_Miinchen.) 1888. Mit) ‘ 5 lithographischen Tafeln. Preis: 7 Mark 50 Pf. — Heft II Ueber das Ver- halten der chromatischen Kernsubstanz bei der Bildung der Richtungskérper und bei der Befruchtung. 1890. Mit 3 lithographischer Tafeln. Preis: 4 Mark. — Heft IV. Ueber die Natur der Centrosomen. ‘1901. Mit 8 lithographischen Tafeln und 3 Textfiguren. Preis: 15 Mark. —' Heft V. Ueber die Abhingigkeit der Kerngrésse und Zellenzahl der Seeigel-Larvenvon der Chromosomenzahl der Ausgangszellen. 1905. Mit 2 lithographischen Tafeln und 7 Textfiguren. Preis: 4 Mark. — Heft VI. Die Entwicklung dispermer Seeigel-EKier. Ein Beitrag zur Befruchtungs- | lehre und zur Theorie des Kerns. 1907. Mit 10 Tafeln und 73 Figuren im Text: Preis: 30 Mark. % Das Problem der Befruchtung. Von Dr. Th. Boveri, Professor an der Universitat Wiirzburg. Mit 19 Abbildungen im Text. 1902. Preis: 1 Mark 80 oe Ergebnisse tiber die Konstitution der chromatischen Substanz des Zellkerns. Von Dr. ‘T'h. Boveri, Professor an der Universitit Wiirzburg, | Mit 75 Abbildungen im Text. 1904, Preis: 2 Mark 50 Pf. Die Tiefsee-Fische. Bearbeitet von Prof. Dr. August Brauer in Berlin. 1. Systematischer Teil. Mit 16 Tafeln, 2 Karten und 176 Figuren im Text. 1906, Preis: 140 Mark (fiir Abnehmer des Gesamtwerkes ,,Wissenschaftliche Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition’: 120 Mark). (Bildet zugleich Bd. XV, Lfg. 1 der ,,Wissenschaftlichen Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition auf dem Dampfer Valdivia 1S98—99“, herausgegeben von Geheimrat Prof. Dr. Carl Chun, Leiter der Expedition.) * Durch die Expedition ist die Kenntnis namentlich der bathypelagischen I'ische ausserordentlich erweitert worden. Von den 90 Gattungen und 206 Arten gehéren zu ihnen 60 Gattungen und 151 Arten, und 14 Gattungen und 54 Arten sind neu. Aber nicht nur in quantitativer Hinsicht ist ein grosser Gewinn erzielt, sondern auch in qualitativer, indem neue _ biologisch ausserordentlich interessante und fiir allgemeine Fragen wichtige Formen gefangen wurden, die zu einer Fiille von neuen Fragen, die die Tiefsee bietet, fiihren. Einen nicht geringen Vorzug hat diese Bearbeitung vor friiheren, nimlich den einer ganz vorziiglichen farbigen Abbildung der neuen und vieler schon bekannt gewesener Formen. Diesem — wichtigen Teile der Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition, dem Werke von Brauer iiber die Tiefsee-Fische, werden viele ein Interesse entgegenbringen, die” auf die Anschaffung des ganzen vielbindigen Unternehmens verzichten miissen. Die blutsaugenden Dipteren. Leitfaden zur allgemeinen Orientierung, mit , besonderer Beriicksichtigung der in den deutschen Kolonien lebenden Krank- heitsiibertriger. Von Dr. Karl Griinberg, Assistent am zoologischen Museum. zu Berlin. Mit 127 Abbildungen im Text. 1907. Preis: 4 Mark 50 Pf. : Organische Zweckmiassigkeit, Entwicklung und Vererbung vom Standpunkte der Physiologie, Von Dr. Paul Jensen, Professor an der Universitat Breslau. Mit 5 Figuren im Text. 1907. Preis: 5 Mark. Handatlas der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Von Dr. J ulius: Kollmann, o. 6. Professor der Anatomie an der Universitit Basel. 1907. Preis des vollstiindigen Werkes (2 Teile) 26 Mark, geb. 30 Mark. Erster Teil: Progenie, Blastogenie, Adnexa embryonis, Forma externa embryonum, Embryologia— ossium, Embryologia musculoram. Mit 340 zum Teil mehrfarbigen Abbildungen ~ und einem kurzgefassten erliuternden Texte. Zweiter Teil: Embryologia intestinorum, Embryologia ecordis et vasorum, Embryologia cerebri et ner- vorum, Organa sensuum, Nomina auctorum, Index rerum, Index auctorum. — Mit 429 zum Teil mehrfarbigen Abbildungen und einem kurzgefaBten erliuternden — Texte. a f Ueber den feineren Bau der Blutgefasse bei den Arenicoliden. Von Ignaz Sehiller aus Odessa. Hierzu Tafel XI—XIII und 2 Figuren im Text. Nach der umfassenden bibliographischen Zusammenstellung, welche von Prof. Lane in den Beitraigen zu einer Trophocéltheorie gegeben wurde, will ich hier von einer eingehenden Besprechung der ganzen Literatur Abstand nehmen und nur diejenigen Schriften erwaihnen, welche sich speziell mit Arenicoliden beschaftigen. In erster Linie kommt in Betracht die im Jahre 1900 er- schienene Monographie von GAMBLE und ASHworTH, betitelt ,,The Anatomy and Classification of the Arenicolidae, with some Obser- vations on their post-larval Stages“. Die Gefafe sind dort mehr von der anatomischen als von der histologischen Seite untersucht worden, aber immerhin habe ich darin viele fiir mich niitzliche Angaben finden kénnen. Dann folgen Bere@us Beitrige zur vergleichenden Histologie, dessen Untersuchungen nach den Methoden der modernen Technik ausgefiihrt wurden. Was aber speziell die Gefaife der Arenicoli- den betrifft, so ist Berau selbst nicht zu einer eingehenden Schil- derung der Verhaltnisse gekommen. Endlich muf ich die neulich erschienene Arbeit von Linus, ,,The Structure and Development of the Nephridia of Arenicola cristata“, erwaihnen, die mir von be- sonderer Niitzlichkeit war. Arenieola Grubei. Bei der Betrachtung des feineren Baues der GefaSe muf ich verzichten auf eine eingehende Beriicksichtigung der groben Ana- tomie der einzelnen GefaSe; denn diese Frage allein ist ein Thema fiir eine spezielle Arbeit. Die Topographie muf hier nur beriick- sichtigt werden, insofern sie fiir das Verstindnis der Histologie Ba. XLII, N. F. XXXVI. 20 294 Ignaz Schiller, fiir uns notwendig ist. Ich beginne mit der Beschreibung des dorsalen Geféfes. Das dorsale GefaB. nimmt seinen Ursprung in der Nahe des Anus, lauft lings des Darmes und endigt in der Kopfregion, wo es sich in feine GefaBe und Kapillaren verteilt. In seinem Verlaufe giebt es Schlingen ab, welche den Darm umgeben und in das ventrale Ge- faB einmiinden. In der Kiemenregion, je nach der Art, bekommt das dorsale Gefai8 entweder von allen Kiemenpaaren oder yon | einer Anzahl derselben die Kiemengefafe. Das dorsale Gefaf steht in keiner Kommunikation mit dem spiter zu besprechenden paarigen Herzen. Kopfregion. Die feinsten Zweige, in welche sich das dor- sale GefaiS in der Kopfregion zerteilt, zeigen uns, wie auf der Fig. 1 zu sehen ist, folgenden Bau: sie bestehen nur aus zwei Wandungen, — aus einer auSeren, ganz diinnen, nur bei starkster VergréBerung sichtbaren, bindegewebigen, und aus einer inneren, etwas dickeren, der Intima. Die Kerne der bindegewebigen Schicht sind grof, etwas oval und voneinander weit entfernt. Die Fig. 1 zeigt uns in b einen Quer- und in a einen Liangsschnitt eines solchen kleinen GefaBes. Wir sehen, da8 bei einem Quer- schnitte nur ein solcher Kern getroffen ist. Die Intima ist eine homogene, glatt verlaufende Membran. Im Lumen des GefiiSes befinden sich hier und da Blutkérperchen, die fast immer ihre Lage in der Mitte des Gefiifes haben, seltener sind sie zu der Intima gedrangt. Im Bereiche der Diaphragmata (das sind stark entwickelte Dissepimente, 3 an der Zahl, welche sich in der Kopfregion erhalten haben) nimmt das dorsale Gefa8 folgende Gestalt (Fig. 2) an: nach aufen wird es von einem netzartigen Bindegewebe mit rundlichen Kernen umgeben, welches direkt in die beideu Lamellen des noch in dieser Region erhaltenen dorsalen Mesenteriums tibergeht. Der am naichsten zum Lumen des Gefifes gelagerte Teil dieses Binde- gewebes ist mit einer braunen, feinkérnigen Substanz ausgefiillt und macht den Eindruck von Chloragogenzellen, hat aber mit diesen nichts zu thun. Die dem Bindegewebe folgende Schicht ist die der Muskulatur und besteht aus dicken Ringmuskelfasern. Eine Lingsmuskulatur konnte ich nicht nachweisen. Zuletzt kommt die Intima, eine Ueber den feineren Bau der Blutgefafe bei den Arenicoliden. 295 diinne, in so zahlreiche Falten gelegte Membran, daf es auch mit der stirksten Vergré8erung fast unméglich ist, ihren Verlauf, wenn auch nur auf einer kleinen Strecke, zu verfolgen. Ueber die Natur dieser Intima werden wir im embryologischen Teile dieser Arbeit ins klare kommen. Mittlere und Schwanzregion. In der mittleren und kaudalen Region zeigt das dorsale GefaiS einen wesentlichen Unter- schied im Bau. Nach aufen (s. Fig. 3, 6) wird es von einem Peritoneum mit flachen Zellen umgeben. Dieses Peritoneum geht aber an einer Stelle — in der dorsalen Mittellinie — in ein netz- artiges Gewebe tiber. Dem Peritoneum folgt eine Ringmuskel- schicht, zu welcher sich nur in der dorsalen Mittellinie ein Biindel von Lingsmuskelfasern gesellt. Diese Fasern bilden einen dicken Strang, welcher die Riickenseite des GefiSes durchzieht und schon mit Lupenvergréferung zu sehen ist (Fig. 12). Schlie’- lich folgt die Intima, eine diinne, glatt verlaufende, homogene Membran. Das Peritoneum. Auf Fig. 10 ist das Peritoneum nach einem Flaichenpraparate eingezeichnet. Es besteht aus polygonal begrenzten, protoplasmareichen Zellen, die eine gewélbte Ober- flache zeigen. Die Kerne sind rund und firben sich leicht mit Hisenhimatoxylin. Zellteilungen habe ich nie beobachten kénnen. Die Muskulatur. Um ein richtiges Verstindnis fiir die Verteilung der Muskulatur auf dem dorsalen GefiSe zu bekommen, mniissen wir ein Ausbreitungspraparat zu Hilfe nehmen. Dasselbe ist auf Fig. 4 gezeichnet und ist aus der mittleren Region des Koérpers eines erwachsenen Tieres entnommen. Wir gewinnen bei der Betrachtung mit schwacher Vergréferung folgendes Bild: Das ganze Gefaf wird von ringférmigen, ganz parallel zueinander verlaufenden Fasern umsponnen. Nur an einer Stelle — in der dorsalen Mittellinie — werden die Ringfasern von den Langsfasern gekreuzt. Diese Fasern bilden den eigentlichen Muskelstrang. Die Ringmuskelfaserp unterscheiden sich ihrem Baue nach voll- stindig von den Langsmuskelfasern und sollen deshalb besonders besprochen werden. Die Ringmuskelfasern. Die so genau parallel verlaufen- den Ringmuskelfasern sind nicht von gleicher Dicke, sondern unter- scheiden sich sehr betrachlich voneinander. Eine grofe Anzahl von diinnen Fasern wird von dickeren umschlossen, und es zeigt Sich eine gewisse RegelmaSigkeit in der Verteilung, obwohl die 20)* 296 Tenaz Schiller, Zahl der umschlossenen Fasern nicht immer die gleiche ist (Fig. 7). Diese Fasern verhalten sich im ruhenden Zustande ganz anders | als im kontrahierten Zustande. Wiihrend sie-in der Ruhe einen hellen, protoplasmareichen Inhalt haben, einen auf der Seite ge- lagerten Kern, und keine Differenzierung in Fibrillen nachweisen lassen, bekommen sie wihrend der Kontraktion ein Aussehen von quergestreiften Muskelfasern, und es bedarf einer sorgfaltigen Untersuchung, um einer derartigen Verwechslung zu entgehen. Durch Einwirkung von Sauren gelang es mir, nachzuweisen, daf die .,Querstreifung“ durch den spiraligen Verlauf der einzelnen | Fibrillen hervorgerufen wird, und daf jede Fibrille frei von jeg- | licher Streifung ist. Die wahre Natur solcher anscheinend quer- | gestreiften Muskelfasern ist schon von vielen Autoren bei ver- schiedenen Tieren hervorgehoben worden. Ueber diese Erschei- nung schreibt HemENHAIN in seinem ausfiihrlichen Referate tiber die glatten Muskelfasern folgendes : Eine quere Linierung der glatten Muskelzellen, welche an Querstreifung erinnert, wird durch zufallige Umstinde hervorge- bracht. Ich erwihne kurz folgende Trugbilder: 1) eine Quer- faltung der glatten Muskelfasern, welche bei der Betrachtung in gerader Aufsicht und unter schwachen Systemen eine wahre Quer- gliederung vortiuschen kann, tritt leicht auf, wenn beim Ueber- gang vom kontrahierten zum erschlafiten Zustande kein dehnendes | Moment vorhanden ist, welches die Fasern auf die natiirliche Linge zuriickfiihrt (P. Scuutrz). Dieses dehnende Moment ist meiner Meinung nach im natiirlichen Zustande des Kérpers durch die normale Querspannung des Bindegewebes gegeben. Die Stauchung und Querfaltung der Faserzellen, welche beim Mangel der Wiederausdehnung in unseren Praparaten so leicht eintritt, wurde schon vor langen Jahren (1861) von R. H&IDENHAIN ge- sehen und mit hiibschen Abbildungen belegt. 2) Eine Quer- segmentierung der kontraktilen Faserzellen kann ebenso leicht vorgetiiuscht werden durch eine massenhafte regelmifige Auf- — einanderfolge von Kontraktionsnoten“. Jede Muskelfaser zeigt einen prismatischen Bau, was auf Fig. 11 abgebildet ist. Diese Figur stammt aus einem Langs- schnitte etwas schrag durch ein dorsales Gefi8, und die getroffenen Muskelfasern zeigen den Bau eines dreikantigen Prisma. Langsmuskelfasern. Die Lingsmuskelfasern (der Muskel- strang) verlaufen auch parallel zueinander, aber nicht mit der nimlichen Genauigkeit wie die Quermuskelfasern. Sie sind sehr = mel Ueber den feineren Bau der Blutgefiafe bei den Arenicoliden. 297 dicht zusammengedrangt, lassen sehr leicht ihren fibrilliren Be- stand nachweisen und zeigen niemals eine falsche Querstreifung, wie wir sie vorher bei den Ringmuskelfasern kennen lernten. Es sind typische glatte Muskelfasern, wie sie im ganzen Kérper des Tieres vorkommen, und zeigen eine besonders rasche Farbbarkeit. Die Kerne liegen immer auf der Oberfliiche, niemals im Innern der Fasern. Das Bindegewebe. Brrcu erwahnt bei seiner Beschreibung der Gefife von Arenicola auch das Bindegewebe, indem er folgen- des zu sagen weif: ,Bei Arenicola Grubei zeigt auch das Riicken- gefaS den typischen Bau. Innerhalb des Peritonealepithels findet sich eine Schicht von Ringmuskelzellen und ein Bindegewebe, das als Grundlage der diinnen, homogenen, in Sdurefuchsin sich rot farbenden Intima erscheint ...“ Diese Angabe ist, insofern sie das Bindegewebe betrifft, durchaus unrichtig. Das im dorsalen GefaBe vorkommende Bindegewebe ist, wie wir spiter im zweiten Teil dieser Arbeit sehen werden, nichts anderes als ein Ueberrest des friiher sehr machtig entwickelten Embryonalgewebes und ist nur zwischen der Muskulatur und dem Peritoneum erhalten. Wir miissen aber zwei Regionen, welche sich scharf voneinander unterscheiden, ins Auge fassen: die besonders machtig entwickelte Region des Muskelstranges und die itibrige, das ganze Gefaf rings- herum umfassende Region. Im netzartigen Bindegewebe des Muskelstranges kommen eigentiimliche Zellen vor: bipolare oder multipolare Zellen mit einem mit feinkérniger Substanz tiberfillten Kerne (Fig. 8). Diese Zellen anastomosieren miteinander und bilden ein Netz, welches sich tiber die ganze Lange des Muskel- stranges erstreckt. Im Bindegewebe des iibrigen Teiles des Ge- faBes treten diese Zellen nicht mehr auf; aber es kommen dort andere zum Vorschein, namlich (Fig. 9) kleine, birnférmige Zellen mit langen Fortsatzen, welche alle parallel der Langsachse des GefaBes verlaufen und miteinander durch kleine, in verschiedenen Richtungen verlaufende Fortsatze anastomosieren. Ich bezweifle, daf alle hier beschriebenen Gebilde wirklich die Zellen des Binde- gewebes reprasentieren. Es kénnte wohl méglich sein, daf die auf dem Muskelstrange (auf der dorsalen Medianlinie) des GefaBes vorkommenden Zellen Elemente nervéser Natur waren. Fir eine solche Annahme spricht z. B. die Tatsache, daf die Stelle des Gefafes durch besondere Reizbarkeit gekennzeichnet ist: es genitigt schon, mit einer feinen Nadel die Stelle zu beriihren, um sofort eine Kontraktion des Gefifes hervorzurufen. —— 298 Ignaz Schiller, Auferdem zeichnen sich diese Zellen durch ihre Farbbarkeit mit spezifischen Farbstoffen, z. B. Methylviolett, Methylblau und Apatuys Hamatein A aus. Wiirde diese Vermutung sich bestitigen (es fehlt mir jetzt zum Beweise das nétige frische Material), so wiirden wir es hier mit einer interessanten vergleichend-anatomischen Tatsache zu tun haben. Hier treten wir in das Bereich einer weitgehenden Kontro- verse; — denn die Frage tiber die Innervation der Gefafe bei verschiedenen Tiergruppen ist eine vielumstrittene. Ueber die Innervation der Gefife bei den Anneliden gibt es meines Wissens aufer einigen fliichtigen Bemerkungen von VEspovsxky keine be- -| merkenswerten Angaben. Bei den Arthropoden, und zwar bei Peripatus und bei Iuliden, verlauft an der dorsalen Herzwand ein medianer Langsnerv. — GROBBEN beschreibt in seiner Arbeit tiber den Bulbus arteriosus etc. der Lamellibranchiaten ,,ein Netzwerk k6érniger Substanz, welches sich kontinuierlich von Muskelbalken zu Muskelbalken verfolgen laBt.‘ Er ftigt hinzu: ,,Die Zugehérigkeit des eben beschriebenen Netzwerkes zum Bindegewebe scheint mir im héchsten Grade wahrscheinlich, da einer anderen Deutung — und es ware zunachst nur an ein Nervennetz zu denken — manche Schwierig- keiten entgegenstehen.“ In seiner im Jahre 1884 erschienenen Arbeit iiber marine Rhipidoglossen, wo er sich besonders mit Haliotis, Turbo, Trochus und Fissurella beschaftigte, schreibt Hauer folgendes: ,,Es findet sich in der Herzwand, teilweise auf der Herzmuskulatur, teilweise mit Muskelbiindeln verflochten, ein Netzwerk nervéser Natur, dessen Knotenpunkte tri- bis quadripolare Zellen einnehmen. Letztere kénnen sich dann mit gréferen bipolaren Ganglienzellen verbinden, deren Protoplasmafortsitze in je einem Muskelkern endigen.* Diese Angabe wird durch die neulich erschienenen Untersuchungen von J. SPILLMANN als unrichtig bezeichnet, indem er alle die beschriebenen Ganglienzellen, zuriickweisend auf die Abhandlung von Brock, fir interstitielles Bindegewebe zu halten geneigt ist. Beim Amphioxus und den Wirbeltieren tritt diese Frage wieder in den Vordergrund. Beim Amphioxus glauben die einen in der Vene (ZARNIK, BURKHARDT), bei den Wirbeltieren in den Kapillaren (LEonrowrrscH, DoGieL) nervése Elemente zu sehen; andere Autoren halten diese Elemente fiir Bindegewebszellen. Ueber den feineren Bau der Blutgefafe bei den Arenicoliden. 299 Das Bauchgefaf&. Das ventrale Gefaif durchzieht den Kérper ganz frei von den benachbarten Gefaifen, also vom Blutsinus, resp. Darmgefafnetz und vom SubintestinalgefaB; es ist von diesen ganz abgesondert und steht nur durch eine diinne, noch zu besprechende Membran mit der Splanchnopleura in Verbindung. Was die Kontraktion anbelangt, so ist es mir in keinem von mir untersuchten Falle ge- lungen, sie makroskopisch wahrzunehmen. Das Gefaf verhalt sich ganz passiv, zeigt keine sichtbare Bewegung und reagiert auf keine iuferen Reize. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergibt sich aber, daf das Gefaif{’ auch eine — wenn gerade nicht sehr grofe — Kontraktion erfahrt, die seinen Querschnitt aus einem kreisrunden in einen unregelmafigen verwandelt und das einge- schlossene Blut nach der einen oder anderen Richtung verschiebt. Die Wandungen des ventralen Gefifes sind im ganzen Verlaufe immer die gleichen: zunachst ein in Chloragogenzellen umge- wandeltes Peritoneum, dann kommt eine Schicht von Liangs- und Ringmuskelfasern und schlieBlich eine dicke, sich mit der Kontroll- farbung (VAN GrEeson) intensiv rot farbende Intima. Dicht an die Intima gedraingt befinden sich die Blutkérperchen, die ihr ein endothelartiges Aussehen verleihen. Sie treten stellenweise in ganzen Haufen vereinigt auf, und ihrem Kerne nach befinden sie sich in einem degenerierten Zustande (Fig. 29) [s. unten]. Das Peritoneum ist durch Chloragogenzellen vertreten. Die Zellen erscheinen auf dem Querschnitte (Fig. 13) als lang- liche grofSe Gebilde mit einem grofen Kern an der Basis und mit kleinen braunlichen, stark lichtbrechenden Kérnchen, die im ganzen Protoplasma ziemlich regelmafig zerstreut sind. Die in toto praparierten Zellen erscheinen auf einem Ausbreitungspraparat (Fig. 16) bei der Betrachtung von oben als hohe, polygonale Zellen. Diese Zellen umgeben fast das ganze ventraleGefab. An der Stelle, wo sich das GefiS mit der Splanchnopleura verbindet, gehen die Chloragogenzellen allmahlich in ein flaches Peritoneale- pithel (Fig. 13) der beiden Lamellen des Mesenteriums tiber, welches von beiden Seiten seine Zellen tragt. Die Muskulatur des ventralen GefaBes besteht aus rings- und langsverlaufenden Muskelfasern, die sich voneinander durch die Natur der Fibrillen unterscheiden. Betrachten wir Fig. 17, so bekommen wir folgendes Bild: Die Ringmuskelfasern umziehen das ganze Gefif in regelmafigen Abstanden; es sind Fasern gleicher 300 Ignaz Schiller, Dicke. Diese Abstiinde sind bedeutend gréfer als diejenigen zwischen den einzelnen Fasern des Riickengefifes. — Was den feineren Bau dieser Fasern anbetrifft, so gehéren sie zu den- jenigen, welche die Querstreifung vortaéuschen. In allen von mir untersuchten Fallen zeigten die einzelnen Fibrillen immer den kontrahierten, spiraligen Zustand. Dorsal und ventral ist das Gefif durch wenige Fasern von Langsmuskulatur durchzogen, die den typischen Charakter der glatten Muskulatur nachweisen lassen, Diese Fasern bilden zwei Muskelstringe: einen dorsalen und einen ventralen (Fig. 17). Die Intima und die Blutkérperchen. Wie schon. friiher erwahnt, schmiegen sich der Intima des ventralen GefaBes Blutkérperchen an, die ein Endothel vortiuschen. Diese Erschei- nung wurde schon langst von vielen Autoren bei verschiedenen Annelidengruppen beschrieben und beobachtet. Ktirzlich wurde diese Erscheinung wieder in Frage gestellt, und zwar durch VEs- © pDovsky (,Zur Himocéltheorie*), indem derselbe sagt: ,Es ist sonderbar — und ich habe das schon einmal hervorgehoben — daf die vermeintlichen Blutkérperchen nur dicht der innersten Gefafschicht anliegen sollten, wihrend man sie in der Blutfliissig- keit selbst nicht findet.* Diese Bemerkung ist in Bezug auf unseren Fall nicht zutreffend. Die Figg. 14 und 15 zeigen deut- — lich, wie ein sogenanntes Endothel zu stande kommt. Der Prozef vollzieht sich in folgender Weise: Nachdem sich das Lumen des Gefafes durch Kontraktion von der Fliissigkeit befreit hat, bleibt eine diinne Schicht derselben an der Innenfliche der Intima zuriick. Die Blutkérperchen bekommen, nachdem alles Blut um sie herum aus dem Lumen weggeschoben worden ist, auch um ihre Peripherie eine diinne Schicht von Flissigkeit, dank welcher sie sich mit der — Intima verkleben. Die feine Membran, welche vom Reste der — Blutfiiissigkeit gebildet wird, und die auf ihr aufsitzenden Blut- kérperchen mit ihrem auch aus Blutfliissigkeit gebildeten Ueber- zug tauschen bei der Betrachtung mit schwachen Linsen voll- — standig ein Endothel vor. Die Behauptung, daf die Blutkérperchen nur am Rande der Intima und niemals im Zentrum zu sehen sind, kann ich nicht bestatigen. Das Bindegewebe fehlt im ventralen Gefife vollstandig. Die Vermutung, daf ein solches dem GefaBe unbedingt zukommen miisse (BERGH), ist unberechtigt. In allen von mir angefertigten Ausbreitungs- und Schnittpraparaten ergab es sich, da aufer dem Chloragogen, der Muskelschicht und der Intima keine andere Ueber den feineren Bau der Blutgefafe bei den Arenicoliden. 301 is hicht diesem Gefafe zukommt. Die Intima erscheint immer als _ eine strukturlose, durchsichtige Membran. Das paarige Herz und die Herzkoper. (Vordere Kérperregion.) Das paarige Herz reprasentiert zwei kleine, kontraktile, lappige Gebilde, die in einer direkten Kommunikation mit den ventralen GefaiBen stehen. Sie beginnen seitlich am ventralen Gefa, um- geben den Magen, und mit ihrem dicken, angeschwollenen Teil naihern sie sich dem dorsalen Gefaf, mit welchem sie sich aber in keiner Kommunikation befinden. Das Schema soll diese Ver- _ haltnisse klarlegen. eu -egae--.-- DORSAL. GEFASS- ages PAARIGE HERZ ef ------~ YENTRAL.GEEASS Textfig. 1. Das paarige Herz beginnt mit einem diinnen Trichter, welcher _ (Fig. 23) die direkte Fortsetzung des ventralen Gefafes reprasen- tiert, und den ich bei der Beschreibung als Ductus bezeichnen werde. Bei der Kontraktion des Herzens erfahrt er fast keine sichtliche Veranderung und hat keine propulsatorische Bedeutung, Diese Bedeutung kommt nur dem Herzen zu, das sich sehr be- trachtlich erweitern und dann wieder verkleinern kann. Die lappige Gestalt wird durch Einbuchtungen der duferen Wand in das Innere des Herzens hervorgebracht. Durch diese Erscheinung werden die eigentlichen Herzkérper, viele an der Zahl, im Innern des Herzens gebildet. Diese Herzkérper sind Raume, welche Zellen von verschiedener Gestalt und Dimension in sich ein- schliefen, und deren physiologische Bedeutung fiir mich durchaus unklar geblieben ist. Sie treten besonders hiufig auf in der mitt- leren Region und an der Stelle, wo der Ductus in das eigentliche Herz iibergeht. Die Wandungen des paarigen Herzens sind die 302 Ignaz Schiller, folgenden: Peritoneum, Bindegewebe, Muskulatur und Intima. Den Herzkérpern kommen auch alle diese Schichten zu, nur in um- gekehrter Reihenfolge. Das Peritoneum besteht aus denselben platten, epithelialen Zellen, wie beim dorsalen Gefaif®e; nur scheinen die einzelnen Zellen etwas kleiner zu sein. Diese Zellen des Epithels gehen allmahlich (Fig. 21) in das Chloragogen tiber, dessen Zellen hier etwas niedriger sind als auf dem ventralen Gefaf und auf dem Querschnitt fast vollstandig kreisrund erscheinen. Die Muskulatur. Beziiglich der Verteilung und der An- | ordnung (Fig. 22) der Muskulatur miissen wir zwei Regionen ins | Auge fassen: die eine ist die Region des distalen, lappenformigen erweiterten Teiles des paarigen Herzens, die andere die des proxi- malen, mit dem ventralen Gefaif vereinigten Teiles (die Region des Ductus). Diese beiden Regionen unterscheiden sich wesent- lich voneinander. In der ersten Region nimmt die Muskulatur eine sehr eigenartige Anordnung an: Parallel verlaufende Fasern werden von in verschiedenen Richtungen verlaufenden Fasern ge- kreuzt. Die Fasern sind ihrer Lange und Dicke nach sehr ver- schiedenartig (Fig. 22). Die zweite Region, die des Ductus, be- steht aus regelmaSigen, ringférmig verlaufenden Muskelfasern von gleicher Dicke und Gestalt. Langsmuskelfasern habe ich in dieser Gegend nie beobachten kénnen. Die Fasern in den beiden Re- gionen gehéren zu der schon genau beschriebenen Muskulatur, die eine Querstreifung vortéuscht. Das Bindegewebe kommt nur in dem breiten, lappigen Teile des Herzens vor; auf dem Ductus ist es nicht vertreten. Seine Elemente erscheinen, wie uns Fig. 25 zeigt, entweder als dicke Gebilde mit strahlenartig sich verbreitenden Enden oder als diinne Fasern, die sich an einer Stelle gabeln und dann bald sich wieder vereinigen. Ob diese Fasern eine direkte Fortsetzung der strahlig auslaufenden Enden reprasentieren, oder ob sie selbstandige Gebilde sind, konnte ich nicht feststellen; denn alle zur Aus- breitung von mir verwendeten Objekte waren Bruchstiicke, was wohl mit der Schwierigkeit der Praparation solcher Gegenstainde im Zusammenhange steht. Kerne konnten auch niemals beobachtet werden. Die Herzkoérper. Wie schon erwahnt, besteht der auSere Ueberzug des paarigen Herzens aus den drei iiblichen Schichten: dem Peritoneum, der Muskulatur und der Intima, Der eigentliche Herzkérper wird aus der Einbuchtung dieser drei Schichten in das Ueber den feineren Bau der Blutgefa8e bei den Arenicoliden. 303 Lumen des Herzens gebildet. Diese Erscheinung kann bei Be- trachtung einer Schnittserie sehr hiibsch wahrgenommen werden, Die Figg. 18, 19, 20 sind einer solchen Serie entnommen und reprasentieren die successiven Ausbildungsformen eines Herzkérpers. Auf Fig. 18 ist der Prozef der Einbuchtung noch nicht einge- treten; die Wandungen verhalten sich ganz normal in ihrer Schichtfolge. In Fig. 19, welche 50 uw vom ersten Schnitt entfernt ist, ist schon die Einbuchtung eingetreten; es hat sich eine Grube gebildet, in welcher das Peritoneum die innerste Lage an- genommen hat und die Intima die auferste; dazwischen liegt die Muskulatur. In Fig. 20 ist der Prozef schon zum Ab- schlusse gelangt. Es haben sich zwei nach aufen vollstindig ab- geschlossene Riiume gebildet, mit eingeschlossenen, verschieden gestalteten Korpern; das sind die Herzkérper. Ihre Zahl ist nicht bestandig. Betrachten wir den Herzkérper, so sehen wir, da8 er aus Zellen verschiedener Gréfe und Gestalt besteht. Die Zellen sind alle rundlich; die gréften von ihnen tragen in ihrer Mitte einen schwarzen Kern. Dann kommen etwas kleinere, ganz dunkel gefarbte, mit einer feinkérnigen Substanz im Proto- plasma. Zwischen diesen zwei Arten von Zellen befinden sich noch ganz kleine, die die Raume zwischen den beiden ersten voll- stindig ausfillen und in das Peritoneum allmahlich iibergehen. Diese Zellen wurden von GAMBLE und ASHWORTH in der schénen Monographie tiber die Arenicoliden untersucht, und ich glaube ihnen wohl zustimmen zu diirfen, wenn sie dieselben als Umbildungsprodukte des Peritoneums auffassen. Sie sagen: ,,The cavity of the heart is, however, invaded by strands of cells, which repeat the structure of the heart wall, and are probably invagin- ations of it. In Arenicola Grubei the invagination is clearly marked. Later on, as the muscular tissue develops in the wall of the heart, fresh invaginations occur, composed of an extremely delicate endothelium, a muscular layer, and a mass of cells, some granular, some glandular, forming a fairly definite lining to the invagination, but projecting at their free ends into an irregular lumen, partially blocked up by cells within which yellowish or yellowish-brown granules may be seen. The cells cannot, however, be said to form a medullary layer. In some places the granules are larger and united into a spherical mass lying in a vacuole; in others very minute and scattered. They agree in appearance with the chloragogen granules of the peritoneum.“ ,,The sug- gestion first made by E1si@ (1887), as to the nature of heartbody, 304 Ignaz Schiller, and lately confirmed for Cirratulidae by Picron (1898), namely that this body is a modified portion of the peritoneal tissue, re- ceives further support from these observations on Arenicola . . “ Die sichere Entscheidung der Frage, ob der Herzkérper ein umgewandeltes Peritoneum vorstelle, wird uns wahrscheinlich auf dem entwickelungsgeschichtlichen Wege gebracht werden. Blutsinus, Darmgefa8netz und Subintestinalgefaf. Diese drei Gebilde werden hier zusammen betrachtet als | anatomisch und entwickelungsgeschichtlich zusammengehdrende | Elemente. Nur beziiglich Blutsinus und Darmgefafnetz ist man bei Arenicola Grubei noch nicht ins klare gekommen, welches von den beiden das primare sei, da verschiedene Autoren ganz ver- schiedener Ansicht dariiber sind. Die einen behaupten, dal zuerst der Sinus auftrete und sekundar sich in ein Netz auflése; die anderen, unter ibnen auch GamBLe und ASHworTH, bezeichnen | den Blutsinus als ein Produkt des zusammengeschmolzenen Darm- gefifnetzes. Was das Subintestinalgefaf anbetrifft, so ist es, je nachdem wir das eine oder das andere annehmen, aus dem Blut- sinus oder Darmgefafnetz entstanden. Der Beschreibung des Darmblutsinus, resp. des Darmnetzes, muf eine Untersuchung des Darmepithels vorausgeschickt werden, da neulich von VrEsJpOvsKY die Ansicht ausgesprochen wurde, dal’ dem letzteren ein weseut- licher Anteil an der Bildung eines Vasothels zukomme. Er schreibt: »Derzeit handelte es sich nur darum, den Nachweis zu erbringen, dafi der ,Blutsinus‘ nicht wandungslos ist, sondern von einem zarten, bindegewebigen Hautchen nach aufen begrenzt ist, welches dem Entoderm seinen Ursprung verdankt und als Vasothel be- zeichnet werden kann.“ — ,Der Sinus ist ein integrierender Be- standteil des Entoderms.“ — ,Bei seinem ersten Auftreten hat das Gefasystem mit dem Cdélothel nichts zu tun.“ Endlich sagt er: »yAus dem Bisherigen geht so viel hervor, daf der sogenannte Blut- sinus aus dem Entoderm hervorgegangen ist, indem sowohl sein Inhalt, naimlich die haimoglobinhaltige Fliissigkeit, wie die aufere Umhbiillung, das Vasothel, vom Darmepithel abzuleiten ist.“ Aus meinen Untersuchungen ergibt sich, dafi im Darmepithel eines erwachsenen Tieres keine besonderen Zellen vorkommen, die Anteil an der Bildung eines Sinus nehmen kénnten. Der Darm hat (Fig. 26), vom Lumen bis zum Sinus genau untersucht, folgenden Bau: Zuerst kommen die dem freien Ende des Epithels aufsitzenden Cilien, Ueber den feineren Bau der Blutgefafe bei den Arenicoliden. 305 welche bei Beobachtung mit starken Linsen einen fibrillairen Cha- rakter aufweisen. Das Epithel selbst besteht aus hohen Zellen mit runden Kernen, welche ziemlich in der Mitte liegen. Im Proto- plasma jeder Zelle ist eine feinkérnige Substanz zu sehen, die nicht wie bei einigen Anneliden an der Basis, sondern tiberall in der Zelle verbreitet ist. AuSerdem kommt noch einigen Zellen ein rundliches Gebilde zu, das sich mit Osmiumsiure tiefschwarz farbt. Das muf aller Wahrscheinlichkeit nach ein Fetttropfen sein. Nach aufen wird das Epithel direkt von der Blutfliissigkeit umgeben, und keine Fortsatze oder Erhebungen der Zellen gelangen in das Blut hinein. Célomwarts ist der Blutsinus von einer Intima, einer Quer- und Liangsmuskelschicht (Fig. 27) und schlieflich vom Peritoneum umgeben. Das Peritoneum und die Intima verhalten sich, wie es schon bei der Besprechung des dorsalen Gefafes be- schrieben wurde. Die Muskulatur (Fig. 27) besteht aus dicken, ringférmigen Fasern, die den typischen Bau der glatten Muskulatur haben. Sie verlaufen ganz parallel zueinander und werden von sehr dtinnen, nur mit Immersion sichtbar zu machenden Langsfibrillen durch- zogen, welche auch einen parallelen Verlauf zeigen. Von einem Vasothel kann also im Blutsinus bei Arenicola Grubei keine Rede sein; wir kénnen nur von einer Intima als strukturloser, homogener Membran sprechen, obwohl VEspOvSKY ihr die Existenz vollstandig absprechen will, indem er sagt: ,Kurz, es gibt keine Leypicsche Intima, und um so weniger kann eine solche ,als verdichtete Bindegewebsmembran‘ aufgefa8t werden.“ Dafiir, daf es nicht so ist, werden wir bei der Betrachtung der Entwickelung der GefaBe den Nachweis erbringen. Die in der Kiemenregion segmental verlaufenden Ge- faSe sind nach auSen von Chloragogenzellen bedeckt, die aber etwas niedriger sind als diejenigen des Bauchgefifes. Die Mus- kulatur besteht, wie auf Fig. 28 zu sehen ist, nur aus querver- laufenden Muskelfasern von derselben Dicke. Sie sind es, welche im Zustande der Kontraktion eine Querstreifung vortiuschen. Die Intima zeigt den charakteristischen Bau. Die GefaSe der Nephridien und der Gonaden. Diese Gefife bestehen aus einem bindegewebigen Ueberzug und aus der Intima. Eine Muskulatur kommt ihnen nicht zu. Alle iibrigen GefaBe haben entweder den Bau dieser oder der oben beschriebenen grofen Gefafe. 306 Ignaz Schiller, Blutk6érperchen. Die frisch hergestellten Praiparate von den Blutkérperchen © sehen so aus, wie sie bei GAMBLE und ASworTH dargestellt sind. Diejenigen aber, welche sich in den GefaSen, im Sinus und im paarigen Herzen befinden, haben einen ganz besonderen Bau, in- dem ihre Kerne im Begriffe des Zerfalles sich befinden und haufig in Gestalt von dunklen Kérnern heraustreten. Aller Wahrschein- lichkeit nach befinden sie sich im Zustande der Degeneration (Fig. 29). Entwickelung der BlutgefaSe im heranwachsenden © Schwanzende von Arenicola Grubei. Unsere Kenntnisse tiber die Entwickelung der BlutgefiBe bei den Anneliden sind sehr sparliche. Wir wissen nach den Angaben der Autoren, da8 diese Gefaile entweder aus soliden Anlagen oder aus den Mesenterinlamellen und aus den Dissepimenten ihren Ur- sprung nehmen. Der Blutsinus entsteht aus dem Raume zwischen der Splanchnopleura und dem Entoderm. Dabei ist das Entoderm je nach den Angaben entweder an dem Prozef beteiligt, oder es verhalt sich demselben gegeniiber ganz passiv. Ueber die Ent- stehung und das Verhalten der einzelnen Schichten der Blutgefab- systeme sind wir nur im allgemeinen, nicht aber im Detail orien- tiert. In diesem Abschnitte werde ich nicht nur tiber die Bildung der GefaéSbahnen Niaheres angeben, sondern auch iiber diejenige der Schichten: des Peritoneums, der Muskulatur, der Intima und des Bindegewebes. Zur Untersuchung wurden ganz junge Tiere von ungefahr 3—4 cm Lange herangezogen. In der Kopf- und in der mittleren Region waren schon alle Organe zur vollstindigen Ausbildung ge- langt. Inwiefern aber die Entwickelungsprozesse der Kaudalregion von denen der vorderen Regionen abweichend verlaufen, kann ich nicht angeben; denn tiber die Entwickelungsgeschichte von Areni- cola Grubei wissen wir bis jetzt gar nichts. Vergleiche ich aber die Entwickelung im Schwanzende mit den Angaben von LILLIE tiber Arenicola cristata, so sehe ich keinen wesentlichen Unter- schied. Das jiingste Stadium, das mir zur Verfiigung stand (Fig. 35), besitzt auSer den Blutlakunen, die in der primaren Leibeshohle vorkommen, keine Blutriume. Der Kérper besteht aus der schon volistandig ausgebildeten Ringmuskulatur, aus der erst in der Ent- Ueber den feineren Bau der Blutgefafe bei den Arenicoliden. 307 wickelung sich befindenden Lingsmuskulatur, die allmahlich in die ans Entoderm gedringten Mesodermzellen tibergeht, und aus dem noch nicht vollstindig differenzierten Darmepithel. Das Bauch- mark, bestehend aus rundlichen, undifferenzierten Zellen, ist sehr nahe an den Darm herangetreten und wird durch Blutlakunen von den herumliegenden Mesodermzellen abgegrenzt. Diese letzteren treten nicht in einen regelmafigen Verband, sondern sind in verschiedenen Teilen des Kérpers zu Haufen vereinigt; deshalb kann von einem echten Mesoepithel in allen von mir unter- suchten Fallen nicht mehr die Rede sein, obwohl es méglich ist, da8 das Verhalten in der vorderen Region den normalen Zu- stand zeigt. Aehnliche Zustinde wurden von KLEINENBERG in der Be- sprechung des Mesoderms bei Lopadorynchus, den Phyllodociden und Aleiopoden beschrieben. Allein E. Meyer scheint mit diesen Angaben nicht einverstanden zu sein und bemerkt, daf hier offen- bar ein Beobachtungsfehler vorhanden sei. LiLuie sagt tiber die Mesodermzellen yon Arenicola cristata folgendes: ,The primitive septa are formed, as above described, by the opposition of the adjoining walls of two successive mesoblastic somites. The walls of these early somites are, however, never formed of a regular epithelial layer of well defined cells, but to all appearance consist of a continuous syncytial layer of protoplasma containing nume- rous nuclei, and closely applied to the surface of adjoining struc- tures. Each nucleus may for purposes of description be regarded as belonging to a single cell, but definite cell-walls, at this stage at least, are never distinguishable.“ — Ich mu noch hinzufigen, daf ich auf kleinen Strecken Mesodermzellen zu einem Epithel angeordnet getroffen habe, aber solche Bilder waren ziemlich selten. Ich glaube, dafi dieser Frage — ob die Somiten aus einem Meso- epithel oder aus detachierten Mesodermzellen gebildet sind — keine prinzipielle Bedeutung zukommt; ihre Natur bleibt in beiden Fallen dieselbe. Auf Fig. 35 haben wir, wie man deutlich sieht, noch keine sekundire Leibeshéhle; sie wird in der Weise gebildet, daf aus einem Teil der mesodermalen Zellen sich die Langsmuskulatur ausbildet, die sich zur Peripherie des Kérpers zieht. Die Mus- kulatur des Darmes und die Langsmuskulatur wird spater von einem Célomepithel iiberzogen, und der Hohlraum fungiert als sekundire Leibeshéhle. Ein Blutsinus ist noch nicht vorhanden; an seine zukiinftige Stelle treten die Mesodermzellen oder die von ihnen gebildeten Muskelzellen der zukiinftigen Darmmuskulatur. 308 Ignaz Schiller, Das dorsale GefaB. Die Entwickelung eines dorsalen GefaBes vollzieht sich in folgender Weise, die ich jetzt nur etwas schematisch andeuten will, spaiter aber in allen Einzelheiten verfolgen werde: 1) Es werden Mesodermzellen an Stelle des zukiinftigen Ge- fakes angesammelt. 2) Sie differenzieren sich in die Elemente des dorsalen Mes- enteriums. 3) Die Lamellen dieser Mesenterien werden zu den eigent- lichen Wandungen des GefiBes. Die Mesodermzellen enthalten also potentieil in sich die wichtigsten Bestandteile des zukiinftigen -| Gefifes. Ich werde aber in dieser Arbeit von der Schilderung dieses feineren Prozesses der Differenzierung des Protoplasmas | abstrahieren, denn sie wiirde uns zu weit tiber die Bahnen unseres | Themas hinausfiihren. Die aus den Mesodermzellen neu entstandenen Lamellen des Mesenteriums (Fig. 32) haben folgenden Bau. Sie bestehen aus zwei parallel zueinander verlaufenden Reihen von Muskelfasern, — die aber nicht kontinuierlich, sondern unterbrochen sich dahin- ziehen. Zwischen die einzelnen Stiicke dieser Muskelfasern draingt sich ein miachtig entwickeltes Embryonalgewebe, das vollstandig die Raiume zwischen der Muskulatur des Mesenteriums ausfiillt. Der dufere Teil des so machtig entwickelten Embryonalgewebes fangt an sich zu differenzieren, und es entstehen einige rundliche Zellen — Zellen des zukiinftigen Peritoneums. Im inneren Embryonal- gewebe werden jetzt keine Zellen gebildet. Das nachste Stadium (Fig. 33) entsteht dadurch, da’ die beiden Lamellen an einer bestimmten Stelle sich voneinander ent- fernt haben und ein Lumen gebildet haben. Dabei ist folgendes geschehen: Das aufere Embryonalgewebe ist zu feinen Fasern ge- worden, welche sich durch die Unterbrechungsstellen der Mus- kulatur der Lamellen einschieben, sich um die Muskelfasern um- biegen und wieder nach auf8en zuriickkehren. Der umgebogene — Teil ist nichts anderes als die Intima. Im Lumen des Gefafes werden einige Blutkérperchen eingeschlossen. Betrachten wir das in Fig. 34 abgebildete, ganz fertige Gefab, so sehen wir an der Stelle, wo die Muskulatur fehlt, besonders deutlich, wie diese Um- biegung zu stande kommt. Im friiheren Stadium der Entwickelung gibt es also keinen Unterschied zwischen dem Peritoneum und der Intima; es ist nur ein netzartiges Embryonalgewebe vorhanden. Nur bedeutend spiiter lést sich die Intima aus dem Verbande und Ueber den feineren Bau der Blutgefife bei den Arenicoliden. 309 wird selbstiindig. Dies geschieht aber ziemlich spit in der Ent- wickelung, und es kann sich sogar wahrend des ganzen Lebens des Tieres der primitivere Zustand erhalten, so in der Kopfregion (siehe Fig. 2) im Bereiche der Diaphragmata. Wie schon erwiihnt, werden bei der Bildung des Lumens des Gefifes kleine junge Blutkérperchen von den Wandungen um- schlossen. Es ist mir nicht gelungen, direkt die Entstehung dieser Zellen zu verfolgen; da aber vor der Bildung des Lumens nur Muskulatur und netzartiges Embryonalgewebe — beide meso- dermaler Natur — vorhanden waren, so glaube ich mit Recht ver- muten zu kénnen, da die Blutkérperchen aus mesodermalem Em- bryonalgewebe sich differenzieren. Das wiirde bedeuten, daf die Blutkérperchen, sowie alle Bestandteile des BlutgefaBes nur meso- dermaler Natur sind. Ich muf noch betonen, daf aufer den Meso- dermzellen in dem heranwachsenden Schwanzende mir niemals Zellen des primiéiren Mesenchyms vorgekommen sind (Fig. 36). Bildung des Muskelstranges. Das eigentiimliche mus- kulése Gebilde, welches das Riickengefaif dorsal in der Mittellinie durchzieht, entsteht in der Weise, daf das Mesenterium allmahlich zu verschwinden beginnt, und ein Rest desselben — die Muskulatur und das stark entwickelte Embryonalgewebe (s. oben) — auf der dorsalen Seite iibrig bleibt (Fig. 34). Alles, was vom Bindegewebe in dem vollstindig entwickelten GefaB des erwachsenen Tieres zuriickbleibt, mu als Rest des im Embryonalstadium reichlich entwickelt gewesenen Gewebes_be- trachtet werden; dieses Bindegewebe liegt im ausgebildeten Ge- faif{ zwischen Peritoneum und Muscularis, nicht aber — wie es Berean geschildert hat — ,als Grundlage der diinnen, homogenen Membran“. Diese Tatsache méchte ich besonders betonen ange- sichts der kiirzlich von Dr. FERNANDEZ aufgestellten Theorie tiber die Phylogenie des Blutgefaifsystems. Er unterscheidet: 1) das primaére System, das phylogenetisch altere, welches aus einem leitenden Apparat ,mesenchymatischer“ Herkunft besteht, und 2) das sekundare, welches aus einem propulsatorischen Apparat besteht. Der letztere ist ein Differenzierungsproze8 der Célom- wand. Nach dieser Ansicht ware ,zwischen Pseudoendothel und eigentlichem Gefifendothel nur ein gradueller und kein funda- mentaler Unterschied vorhanden“, und wiirden dem _ primiaren Apparat sowohl die Blutzellen, als auch die ,Klappen und soge- nannten Herzkérperbildungen bei Anneliden, sofern letztere nicht auferhalb der Verdichtungsmembran liegen“, angehéren. Bd, XLII. N. F. XXXVI. 21 310 Ignaz Schiller, Mir scheinen fiir diese Hypothese die Tatsachen bei den Anneliden nicht vollstindig festgestellt zu sein; denn unsere | Kenntnisse tiber die Phylogenie des Mesenchyms sind noch lange nicht endgiiltig aufgeklirt, und die Ansichten der verschiedenen Autoren gehen hinsichtlich dieser Frage sehr auseinander. HatscuHek glaubt, dafi das Mesenchym und Mesoepithel aus einer gemeinsamen Anlage ihren Ursprung nehmen; ebenso teilt diese Ansicht Wintson. Nach Baurour sollte das Mesenchym aus dem Entoderm entstehen. KLErNeNBERG, MEYER, MICHEL, SCHIM- KEVITSCH u. a. halten das Ektoderm fiir den Ursprungsherd des Mesenchyms. Nach den jetzigen Angaben der Literatur kénnten — also alle Keimblatter als Ursprungsstellen des Mesenchyms gelten, — und die Annahme, dali das letztere phylogenetisch direkt auf das | Parenchym der Platoden zuriickzufiihren sei, beruht auch nur auf Hypothesen. Was das in den GefaSen vorhandene Bindegewebe anbetrifft, so sind die Angaben der meisten Autoren in dem Sinne zu ver- stehen, dal dasselbe im Mesoderm seinen Ursprung hat. Bei den Hirudineen ist das in verschiedenen Formen reichlich vor- kommende Bindegewebe aus den Elementen der Mesodermstreifen abzuleiten (BURGER). Bei Arenicola wird, wie schon geschildert, das Peritoneum, die Muskulatur, die Intima und das netzartige Embryonalgewebe aus den Mesodermzellen gebildet. Vespovsky halt das stark verdstelte, netzformige Binde- gewebe in der Leibeshéhle von Lumbriculus fiir ein durch reich- liche Bildung von Peritonealzellen hervorgebrachtes Gewebe. Das in der Vene vom Amphioxus vorkommende Bindegewebe wird von BuRKHARDT als mesodermalen Ursprunges erklairt. Er schreibt dariiber folgendes: ,Daf das Bindegewebe bei Amphioxus rein mesodermaler Herkunft ist, mége im Hinblick auf meine Mit- teilungen von der Bildung desselben aus dem Ektoderm noch be- sonders betont sein.“ . Ueber die Bildung der Blutkérperchen sind wir bis jetzt auch noch nicht im klaren; denn die einen Autoren lassen die- selben aus dem primiéren Mesenchym, die anderen aus dem Mesoderm entstehen. Bei der Besprechung des Bindegewebes des dorsalen GefaBes im ersten Teil dieser Arbeit habe ich die Vermutung ausgesprochen, da die grofen, miteinander anastomosierenden Zellen, die im netz- artigen Bindegewebe des Muskelstranges eingebettet sind, méglicher- Ueber den feineren Bau der BlutgefiiSe bei den Arenicoliden. 311 weise nicht die Zellen des Bindegewebes, sondern Nervenzellen seien. Wiirden wir diese Annahme teilen, so miiften wir uns fragen, wie solche Zellen tiberhaupt zu stande gekommen seien. Diese Frage ist fiir mich nicht leicht zu beantworten, denn es fehlen mir absolut embryologische Tatsachen. Interessant wiire vielleicht die Meinung Ep. Meyers beziiglich der Innervierung der sekundiren Muskulatur. Er schreibt: ,Die Tatsache, daf in gewissen Fallen primaire Muskeln durch die sekundére Muskulatur substituiert werden, gibt uns einen Anhaltspunkt fiir die Er- klarung, wie die Innervierung der letzteren tiberhaupt zu stande gekommen sein mag. Indem die Sekundairmuskeln vom Célothel ihren Ursprung nehmen, erscheinen dieselben als Gebilde, welche dem Ektoderm, aus dem die primaren Muskeln nebst ihren Nerven gemeinsam hervorgehen, genetisch jedenfalls fremd gegeniiberstehen. Da sich aber die célomatische Muskulatur gewissen Primarmuskeln dicht anschmiegte, so kam sie dadurch zugleich in enge Be- riihrung mit den betreffenden, motorischen Nervenendigungen, und als nun diese Primairmuskeln riickgebildet wurden, mégen deren Nerven eben zur ausschlieSlichen Versorgung der entsprechenden, sekundairen Muskeln tibrig geblieben sein.“ Das ventrale GefaB. Das ventrale GefaS wird von den Lamellen des ventralen Mesenteriums gebildet. Der Proze8 vollzieht sich in derselben Weise wie bei der Entstehung des dorsalen Gefifes. Der Unter- schied besteht nur darin, daf das netzartige Embryonalgewebe sich, anstatt ins Peritoneum, ins Chloragogengewebe differenziert. Dies geschieht in der Weise (Fig. 38), daS in dem duferen Embryonalgewebe des Gefafes kleine runde Zellen sich bilden, die schnell wachsen und sich mit einer kérnigen Substanz iiber- fiillen. Die so ausgebildeten Zellen legen sich anfangs locker aneinander; spiter, beim Auswachsen, werden sie ganz dicht ge- lagert. Woher die kérnige Substanz riihrt, konnte ich nicht beobachten. Lizure beschreibt den Prozef& der Entwickelung des Chloragogens viel einfacher, indem er sagt, daf die Mesoderm- zellen voluminéser werden, da Vakuolen und Pigment in ihrem Innern auftreten, und da& sie sich auf diese Weise zu Chloragogen- zellen umwandeln. Es mag wohl sein, daf dieser Prozef sich wirklich bei Arenicola cristata in dieser Weise vollzieht; bei Arenicola Grubei ist es durchaus nicht der Fall. Al 312 Ignaz Schiller, Segmentalgefaf u. a. Die vom ventraten GefiB zu den Kiemen verlaufenden Ge- fiBe werden (Fig. 37) von den aneinander stofenden Wandungen der Septen gebildet, und haben denselben Bau wie die Gefafe, welche von den Mesenterien gewildet werden. Auf gleiche Weise werden auch die HauptgefaBschlingen gebildet. Blutsinus. Angesichts der Schwierigkeiten, welche das heranwachsende Schwanzende fiir die Beurteilung dieser wichtigen Frage bietet, — will ich sie vorderhand unberiicksichtigt lassen. Arenicola marina. Die Gefaife von Arenicola marina haben, von einigen Einzel- heiten abgesehen, vollstindig denselben Bau wie bei Arenicola Grubei. Der Unterschied liegt hauptsachlich in der Anordnung der Muskulatur, so dafi wir bei der Betrachtung von ausgebreiteten Praparaten andere Bilder bekommen. Das dorsale GefaB. Das dorsale GefifS hat einen dicken Muskelstrang in der dor- salen Mittellinie. Der Strang teilt sich im Ruhezustand in zwei parallel verlaufende Portionen der Langsmuskelfasern, wie ich schematisch andeuten will. Auferdem wird das Gefai8 von ganz gene sa cress LANGSMUSKULATUR ( Musverserawe ) see. RINGMUSKULATUR Textfig. 2. feinen Lingsmuskelfasern durchzogen. Die Quermuskelfasern haben alle dieselbe Dicke und bieten nicht ein so zierliches Bild wie Arenicola Grubei dar. Liaings- wie Quermuskelfasern gehéren zu der typischen glatten Muskulatur (Fig. 39). Ueber den feineren Bau der Blutgefife bei den Arenicoliden. 313 Das ventrale GefaB. Dasselbe ist durch den Bau seiner Intima interessant. Die letztere zeigt einen besonderen, faserigen Bau, der leicht mit der Muskulatur zu verwechseln ist. Diese Erscheinung steht nicht mit der Faltung der Intima im Zusammenhang, sondern liegt in der Struktur derselben (Fig. 41). Das paarige Herz. Das Abpriparieren des ganzen Organes bietet grofe technische Schwierigkeiten; es gelang mir, Ausbreitungspriparate nur aus dem Ductus und dem mit ihm verbundenen kleinen Teil her- zustellen. Die Muskulatur besteht aus querverlaufenden, glatten Muskelfasern, die eine betrachtliche Dicke erreichen. Zusammenfassung. A. Arenicola Grubei. 1) Alle Hauptgefae haben die gleichen Wandungen wie die- jenigen der Lamellen der Mesenterien und der entsprechenden Septen und bestehen aus dem Peritoneum, der Muskulatur und der Intima. 2) Die Wandungen sind mesodermaler Natur. Das Peritoneum und die Intima sind von Anfang an miteinander verbunden und reprasentieren ein netzartiges Embryonalgewebe, welches sich erst spiter differenziert. 3) Der dorsale Muskelstrang des dorsalen Gefafies ist ein Rest des dorsalen Mesenteriums. Ebenso ist der Muskelstrang des ventralen Gefifes als Rest des Mesenteriums zu betrachten. 4) Das Chloragogengewebe ist, wie auch das Peritoneum, ein umgewandeltes, netzartiges Embryonalgewebe mesodermaler Natur. 5) Alles, was in den GefaiBen von Bindegewebe vorhanden ist, ist mesodermalen Ursprunges. 6) Die Blutkérperchen sind aller Wahrscheinlichkeit nach mesodermalen Ursprunges. 7) Der Herzkérper ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein um- gewandeltes Peritoneum. 8) Ein ,,Vasothel“ ist nirgends vorhanden. B. Arenicola marina. Das BlutgefaiBsystem zeigt im wesentlichen denselben Bau wie bei Arenicola Grubei. 314 Ignaz Schiller, An dieser Stelle driicke ich den innigen Dank aus meinen hochverehrten Lehrern, den Herren Prof. Dr. ARNoLD Lane und Prof. Dr. Kart Hescuerer, fir die mannigfachen Anregungen und Ratschlige, die sie mir haben angedeihen lassen. Ebenso meine tiefe Erkenntlichkeit der hohen Schweizerischen Kommission fiir den mir in Neapel giitigst zur Verfiigung gestellten Arbeitstisch. Teehnisches. Ein Aufenthalt auf der Zoologischen Station zu Neapel und ein anderer in Roscoff erméglichten mir, die Tiere lebend zu untersuchen. In Roscoff hatte ich Arenicola marina und in Neapel Arenicola Grubei zur Verfiigung. Die anderen Arten, wie z. B. Arenicola Claparedii und cristata, sind jetzt in der letzten Zeit weder in Roscoff noch in Neape] gefunden worden, obwohl sie am letzteren Orte frither sehr haufig vorgekommen sind. Die noch von friiher her vorhandenen Exemplare wurden mir dank der Liebenswiirdigkeit des Konservators, Herrn Dr. Lopranco, zur Ver- fiigung gestellt, konnten aber leider fiir histologische Zwecke nicht mehr verwendet werden. Deshalb bezieht sich meine Arbeit nur auf Arenicola Grubei und marina. Als Fixierungsmittel wurden folgende Gemische gebraucht: Sublimat nach Ezsia, Pikrinosmiumplatinchlorid nach vom Rats, Platinosmiumessigsiure nach HERMANN und Sublimat nach ApArnuy. Die besten Resultate wurden mit der HeErMANNschen Flissigkeit erzielt. Die Objekte wurden auf eine halbe Stunde in das Gemisch gelegt und dann 24 Stunden mit fliefendem Wasser ausgewaschen. Fiir den Nachweis der Zellgrenzen am frischen Material wurde Methylenblau und Silbernitrat verwendet, letzteres so, wie es bei BerGH angegeben ist. Die in Paraffin eingebetteten Objekte wurden in Schnitte von 3—5 w zerlegt und meist mit Eisenhimatoxylin gefairbt. Auferdem wurde Safranin, Haimalaun, EnrRuicns und BoOumes Hamatoxylin verwendet. Fiir den Nachweis der nervésen Elemente hat ApAruys Himatein I* gute Dienste geleistet. Als Kontrollfarbung diente das Gemisch von vAN GIRSON, modifiziert nach HANSEN. Auger den Schnitten wurden noch Ausbreitungs- (Flichen-) Priparate hergestellt, die am besten bei der Behandlung mit Kisenhamatoxylin gelangen. Ueber den feineren Bau der Blutgefife bei den Arenicoliden. 315 Literaturverzeichnis. 1) ApArry, Sr., 1887, Studien iiber die Histologie der Najaden. Biol. Centralbl., Bd. VII, 1887. 2) — Kontraktile und leitende Primitivfibrillen. Mitt. Zool. Stat. Neapel, Bd. X. 3) ArnesEn, Em., 1904, Ueber den feineren Bau der Blutgefafe der Branchobdelliden. Jen. Zeitschr. f. Naturwiss., Bd. XX XVIII, 1904. 4) Bereu, R.8., 1866, Untersuchungen tiber den Bau und die Ent- wickelung der Geschlechtsorgane der Regenwiirmer. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XLIV, 1866. 5) — 1902, Gedanken tiber den Ursprung der wichtigsten Bestand- teile des Blutgefifsystems. Anat. Anz., Bd. XX, 1902. 6) — 1898—1902, Beitrage zur vergleichenden Histologie. Anat. Hefte, Abt. I, Bd. X, Heft 1 (Heft 31, 1898); Bd. XIV, Heft 2, u. Bd. XV, Heft 3 (Heft 45 u. 49, 1900); Bd. 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Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. LX XXII. 55) Wiuson, Epmunp A., 1889, The Embryology of the Earthworm. Journ. Morphol., Vol. II, 1889. 56) Zarnik, Boris, 1904, Ueber segmentale Venen bei Amphioxus lanceolatus und ihr Verhaltnis zum Ductus Cuvieri. Anat. Anz., Bd. XXIV, 1904. 318 Ignaz Schiller, Figurenerklirung. fey telex 1, Arenicola Grubei. Fig. 1. a Langsschnitt, b Querschnitt durch die kleinen Ge- fake, welche eine Verzweigung des dorsalen Gefafes in der Kopf- region bilden. K.d.Bg Kern des Bindegewebes. J Intima. Fig. 2. Querschnitt durch das dorsale GefaS in der Region der Diaphragmata. J Intima. R.M Ringmuskulatur. N.Bg netz- artiges Bindegewebe. Mst Mesenterium. Fig. 8. Querschnitt durch das dorsale Gefai in der mittleren Region. MV.Str Muskelstrang. Pin Peritoneum. RK. Ringmuskel schicht. J Intima. Ok. 2, Ob. 3 (Leitz). Fig. 4. Ausbreitungspriparat eines dorsalen Gefafes. Mittlere Region. M.Str Muskelstrang. R.J Ringmuskelschicht. Fig. 5. Querschnitt durch den Muskelstrang. Ptn Peritoneum. N.Bg uetzartiges Bindegewebe. J Intima. A.M Ringmuskelschicht des GefaBes. Immersion 1/,,, Ok. 4 (Zeif). Fig. 6. Frontalschnitt durch das dorsale Gefaf. Pin Peri- toneum. R.M Ringmuskelschicht. J Intima. Ok. 3, Ob. 7 (Leitz). Fig. 7. Ringmuskelfasern des dorsalen Gefafes im kontrahierten Zustande. K Kern. Imm. 4/,,, Ok. 2 (Zeif). Fig. 8. Zellen, die im netzartigen Bindegewebe der dorsalen Mittellinie des dorsalen GefaSes vorkommen. Ok. 8 (compens.), Imm. “Tip (Ze). Fig. 9. Zellen, die im Bindegewebe des dorsalen Gefifes vor- kommen. Sie fehlen in der dorsalen Mittellinie (Muskelstrang). Imm. ¥/,,, Ok. 2 (Geis). Fig. 10. Zellgrenzen des Peritoneums. Ausbreitungspraparat. Imm. 1/,,, Ok. 4 (Zeif). Fig. 11. Ringmuskelfasern des dorsalen Gefafes. Fig. 12. Das dorsale Gefaf mit dem Muskelstrang. MU.Sér Muskelstrang. Totalpriparat. Ok. 2, Obj. AA (Zeif). Fig. 18. Querschnitt durch das ventrale Gefa8. Do.M.Sir dorsaler Muskelstrang. V.M/.Str ventraler Muskelstrang. Ms¢ Mes- enterium. Ueber den feineren Bau der Blutgefife bei den Arenicoliden. 319 Fig. 14 und 15. Blutkérperchen, die sich der Intima an- schmiegen. B.K Blutkérperchen. B.S Blutserum. R.M Ring- muskelschicht. J Intima. Chlg Chloragogen. Imm. 1/,,, Ok. 2 (Zeif). Fig. 16. Zellgrenzen des Chloragogens. Were) XxX ET. Fig. 17. Ausbreitungspriaparat des ventralen Gefifes. Do.M.Str dorsaler Muskelstrang. V.M.Stv ventraler Muskelstrang. R.M Ringmuskelschicht. Imm. ¥/,,, Ok. 2 (Zeif). Fig. 18, 19 und 20, Entstehung eines Herzkérpers durch die Einstiilpung der auferen Wandung des Herzens. Pin Peritoneum. M Muskulatur. J Intima. Imm. 4/,,, Ok. 2 (Zeif). Fig. 20. Schnitt durch den MHerzkérper. M Muskulatur. I Intima. Hrz.K Herzkérper. Imm. 1/,,, Ok. 2 (Zeif). Fig. 21. Zellgrenzen des Peritoneums. Imm. 1/,,, Ok. 2 (Zeif). Fig. 22. Muskulatur des Herzens. Ausbreitungspraparat. Ok. 2, Obj. AA (Zei8). Fig. 23. Querschnitt durch die Stelle, wo sich das ventrale Gefaf mit dem paarigen Herzen vereinist. V.G ventrales Gefa8. P.H paariges Herz. De Ductus. Ok. 2, Obj. 3 (Leitz). Fig. 24. Sagittalschnitt durch das Herz. Hrz.K Herzkérper. Ok. 2, Obj. AA. Fig. 25. Bindegewebe des Herzens. Ausbreitungspraparat. Imm. 4/,,, Ok. 4 (Zeif). Fig. 26. Querschnitt durch den Darm und den herumliegenden Sinus. B.Sn Blutsinus. Pin Peritoneum. OC Cilien. J Darm. I Intima. MM Muskulatur. Imm. 1/,,, Ok. 2 (Zeif). Fig. 27. Muskulatur des Blutsinus. Ausbreitungspraparat. L.M Langsmuskulatur. A.M Ringmuskulatur. Imm. 4/,,, Ok. 2 (Zeil). Fig. 28. Ausbreitungspriparat. Muskulatur eines Segmental- gefafes. Ok. 2, Obj. AA (Zeif). Fig. 29. Blutkérperchen im degenerierten Zustande. Imm. 4/,,, Kompens.-Ok. 8 (Zeih). ‘Pagel xX T LT, Fig. 30. Zwei Lamellen des dorsalen Mesenteriums. N.Hg netz- artiges Embryonalgewebe. M.d.£Z Muskulatur der Lamellen. Imm. 1/45, Ok. 4 (Zeif). Fig. 31. Das dorsale Gefaf, in Bildung begriffen. N.Hg netz- artiges Embryonalgewebe. M.d.LZ Muskulatur der Lamellen. RM Ringmuskulatur. 6. Blutkérperchen. D Darm. Imm. 1/,,, Ok. 1. Fig. 532. Neugebildetes Gefif. R.JJ Ringmuskulatur. N.Eg netzartiges Embryonalgewebe (Peritoneum + Intima). BK Blut- k6rperchen. Imm. 1/,,, Ok. 2 (Zeif). Fig. 33. Frontalschnitt durch ein in Bildung begriffenes Gefal. M.d.L Muskulatur der Lamellen. N.Eg netzartiges Embryonalge- webe (Peritoneum + Intima). B.K Blutkérperchen. 320 Ignaz Schiller, Bau der BlutgefiSe bei den Arenicoliden. Fig. 34. Bildung des Muskelstranges. Do.Mst¢ dorsales Mes- enterium. Do.G dorsales Gefai. D Darm. M.Str Muskelstrang. Ok. 1, Obj. AA (Zeif). Fig. 35. Querschnitt durch das Schwanzende. L.M Lings- muskulatur. Mes.Z mesodermale Zellen. Ba.Mk Bauchmark. Fig. 86. Mesodermale Zellen. Mes.Z Mesodermzellen. D Darm- epithel. Imm. 1/,,, Ok. 4 (Zeif). Fig. 37. Frontalschnitt durch die zwei letzten Segmente. Dssp Dissepiment. Sg Segmentalgefi8. Do.Mst dorsales Mesenterium. Do.G dorsales Gefab. Fig. 38. Bildung des Chloragogens aus dem netzartigen Km- bryonalgewebe. Imm. 1/,,, Ok. 2 (Zeif). Arenicola marina. Fig. 39. Muskulatur des dorsalen GefaiSes von Arenicola ma- rina. MV.Str Muskelstrang. R.M Ringmuskelschicht. L.M Lings- muskulatur. Ok. 2, Obj. AA (Zeil). Fig. 40. Intima des ventralen Gefifes. Ausbreitungspraparat. Imm. ¥/,;,, Ok. 4 (Zeif). Vererbung bei ungeschlechtlicher Fort- pflanzung von Hydra grisea. Von Elise Hanel aus Prag. Mit 11 Kurven im Text. Allgemeines. Bei dem wachsenden Interesse, dessen sich die Vererbungs- erscheinungen unter den heutigen biologischen Fragen erfreuen, hat man versucht, diesem Problem von verschiedenen Seiten bei- zukommen. Die eine Richtung ging von rein theoretischen Ge- sichtspunkten aus und stellte Spekulationen auf. Als ihr Haupt- vertreter ist WEISMANN zu nennen, dessen Theorien vor allem dadurch einen hohen Wert bekommen haben, dafi sie mit den spiter gefundenen Vorgingen der Eireifung, Befruchtung und Ent- wickelung in schénstem Einklang stehen. Die zweite von GALTON fiir die Anthropologie begriindete und von PEARSON, DAVENPORT, WELDON, LupwIG u. a. ausgebaute ist die mathematisch-statistische. Sie hat auch schon in Botanik und Zoologie Namhaftes geleistet. Dazu gesellte sich endlich die, durch das von Correns, TSCHERMAK und DE Vries fiir die Bo- tanik, von Lane und Bateson fiir die Zoologie wiedergefundene MeENpDELsche Gesetz neu belebte Bastardlehre. Hat dasselbe auch nicht die allgemeine Giiltigkeit, die man ihm anfangs zuschrieb, so liegt die Tragweite seiner Bedeutung darin, dafi es mit seiner Hilfe zum erstenmal gelang, an Stelle der bis dahin herrschenden unklaren Vermutungen und Ansichten eine in Zahlen ausdriickbare Gesetzmifigkeit zu setzen. Seitdem die Lehre von den Kreuzungen aus den Hianden gewerbsmafiger Ziichter in die von berufenen Forschern tibergegangen ist, ist es gelungen, den Erblichkeitswert vieler Eigenschaften durch ihr Verhalten bei Kreuzungen kennen zu Jernen. 322 Elise Hahnel, Alle diese Forschungen hatten zum Gegenstand die zweielter- liche Fortpflanzung, welche uns schon einen relativ komplizierten Fall bietet. Wollen wir den natiirlichen Weg vom einfacheren zum komplizierten gehen und Elemente der Vererbungsgesetze kennen lernen, so miissen wir uns zuniichst an die einelter- liche Vererbung halten. Es war das grofe Verdienst des danischen Botanikers Jo- HANNSEN, durch seine schénen Untersuchungen an Gerste, Bohnen und Erbsen in dieser Richtung bahnbrechend gewirkt zu haben. Da die Arbeit JoHANNSENS, wie mir scheint, nicht ganz die Be- achtung gefunden hat, die sie verdient, da ich auferdem ihres botanischen Inhaltes wegen in zoologischen Kreisen ihre Kenntnis nicht voraussetzen darf, erscheint es mir nicht iiberfliissig, ihre wichtigsten Resultate hier anzufiihren. JOHANNSEN hat es sich zur Aufgabe gestellt, die Bestandteile einer Population zu analysieren. Er versteht darunter den Ge- samtbestand einer Oertlichkeit an Exemplaren einer Art oder auch einer kleineren systematischen Einheit. Wir sind es gewohnt, eine solche Population als Einheit aufzufassen, wenn ihre Glieder dem QUETELETsChen Gesetz gehorchen. Sie lassen sich in diesem Fall in eine symmetrische, eingipfelige Variationskurve einreihen, auf deren Abscisse die Abweichungen vom mittleren Wert, auf deren Ordinate die Anzahl der Individuen verzeichnet sind. Eine der- artige ,GaLTon-Kurve“ ist der Ausdruck dafiir, daf das Material den Regeln der Wahrscheinlichkeit folgt, die kleinen Abweichungen am hautfigsten, die gréferen dagegen seltener sind. Wir fassen dann den Gipfel dieser Kurve, der den mittleren Wert aus- driickt, als identisch auf mit dem eigentlichen Typus der Popu- lation. JOHANNSEN gelingt es nun zu beweisen, daf eine scheinbar einheitliche Population aus einem Gemenge verschiedener Typen bestehen kann und trotzdem eine schéne Variationskurve auf- weisen, die dann allerdings nur noch der Ausdruck fiir Zufallig- keiten ist. Er bentitzt als Material nur Pflanzen, bei denen keine Vermischung der Typen durch Kreuzung méglich ist, solche mit obligatorischer Selbstbefruchtung, also reine Linien. Seine Ver- suchsreihen stehen ganz unabhangig voneinander, um so wichtiger wird es dadurch, daf sie ein iibereinstimmendes Resultat liefern. Als zu studierende Eigenschaft dient ihm einerseits das Samen- gewicht der Bohnen, andererseits die relative Lange ihrer Samen, d. h. das Verhiltnis der Linge zur Breite. Weiterhin erstrecken sich seine Versuche auf Gerste, bei der er die Vererbung der Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 323 Eigentiimlichkeit dieses Getreides, da sich nicht alle Fruchtknoten zu Friichten entwickeln, die sogenannte ,Schartigkeit“ studiert. Er findet nun bei diesen Pflanzen innerhalb einer Population bestimmte Typen, welche sich durch Selektion nicht ver- schieben lassen. Sucht er aus einem Haufen Bohnen die Plus- und Minusvarianten aus und. sat sie getrennt, so kann er be- obachten, daf ihre Nachkommen in demselben Sinne vom Mittel abweichen wie die Miitter, wenn auch in geringerem Ma8e. Wahlt er dagegen von einem einzigen Individuum diejenigen Nachkommen, welche die Extreme vertreten, zur Weiterzucht, so hat die indi- viduelle Beschaffenheit der Miitter keinen Einfluf auf die Be- schafienheit der Nachkommenschaft, es ist allein der Typus der Linie, welcher den Ausschlag gibt. JoHANNSEN hat dies besonders fiir das Samengewicht der Bohnen hinlanglich bewiesen, indem er es an 19 reinen Linien im einzelnen ausfiihrte. Der Einflu8 der Selektion ist also hier darauf beschréinkt, nicht eine wirkliche Verinderung herbeizufiihren, sondern bestehende Typen heraus- zugreifen und zur isolieren. Wenn die Nachkommen von Minus- varianten in einem Gemenge von Bohnen einen geringeren Mittel- wert zeigen als die der Plusvarianten, so kommt es daher, weil ihre Miitter zum groSen Teil, wenn auch infolge der transgressiven Variabilitat nicht ganz, Linien mit einem niederen Mittelwert an- gehéren. Wiederholen wir den Prozef der Auslese, so wird die Wahrscheinlichkeit dafiir, daB wir es nur mit Vertretern der einen Gruppe von Linien zu tun haben, noch gréfer, doch kénnen wir die extremsten Varianten der anderen Gruppe niemals mit Sicher- heit ausschalten. Dabei fallt ein eigentiimliches Licht auf eine Tat- sache, die von GALTON entdeckt wurde und seither in der Theorie. der Vererbung eine grofe Rolle spielt, namlich die Regression. Sie erweist sich nicht als eine Kigentiimlichkeit der. Vererbung, eine Abschwachung der elterlichen Eigenschaften in den Nachkommen, sondern einfach als eine Folge der ungeniigenden Isolation der einzelnen Typen. Innerhalb der reinen Linie ist die Regression eine vollstindige. Ich habe nun auf Anregung des Herrn Professor LANG und in seinem Laboratorium den Versuch unternommen, Vererbung bei einelterlicher Fortpflanzung an einem tierischen Objekt zu studieren. Als Material diente mir Hydra grisea, als zu beriicksichtigendes Merkmal die Zahl ihrer Tentakeln. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Professor Lane, sowie Herrn Professor HrEScHELER und Fraulein Dr. DAIBER 324 Elise Hanel, meinen aufrichtigen Dank fiir ihr freundliches Entgegenkommen, ihre mannigfaltige Férderung und Unterstiitzung bei meiner Arbeit auszusprechen. Bevor ich meine Ausfiihrungen beginne, ist es nétig, noch auf einen Punkt einzugehen, der von gréfter Wichtigkeit in dieser Sache ist. Es ist noch die Frage, ob das Wort ,Erblichkeit* bei Fortpflanzung durch Knospung eine Berechtigung hat. Besonders in der Botanik ist die Auffassung verbreitet, daB vegetativ erzeugte Organismen nicht als Nachkommen, sondern als Teile des Mutterorganismus aufgefaft werden miissen. DE VRIES driickt das Bd. I, p. 61 mit den Worten aus: ,,Bei vegetativer Vermehrung erhalten sich aber die einmal erreichten Eigenschaften ganz oder doch nahezu unverandert. Die neuen Exemplare sind eigentlich nur Teile des urspriinglichen, aus einem Samen hervor- gegangenen Individuums. Sie kénnen zu Hunderten oder zu Tausenden in den Handel gebracht werden, bilden aber eigentlich zusammen nur eine einzige Pflanze.“ Die Erscheinungen der Variabilitat, welche sich an solchen vegetativ erzeugten Organismen beobachten lassen, fallen fiir Dz Vries somit unter den Begriff der partiellen Variabilitat, d. h. die Verschiedenheit der gleichnamigen Organe desselben Individuums, welche er der in- dividuellen Variabilitat WVerschiedenheit der Nachkommen eines Individuums gegeniiberstellt. Gleichzeitig fiihrt er aus, dah zwischen individueller (fluktuierender) und partieller Variabilitét ein groSer Parallelismus besteht. Soviel sich aus den angefiihrten Tatsachen ersehen lat, geht dieser Parallelismus so weit, da8 sich eine scharfe Grenze tiberhaupt nicht ziehen laft, sondern gerade die vegetativ erzeugten Individuen bilden den allmahlichen Uebergang zwischen beiden Arten von Variabilitét. Eine Form der Variabilitat kann auf jedem Punkt der Linie stehen, welche diese verbindet. Meiner Auffassung nach wiirde der Fall von Hydra der individuellen Variation naiher stehen als der partiellen Variation. Es handelt sich dabei um natiirlich wohlabgegrenzte und nach erfolgter Dif- ferenzierung isolierte Individuen, die sich nicht mit willkirlich ge- waihlten Stecklingen einer Pflanze oder gar Organen eines In- dividuums vergleichen lassen. Gewif ist von der Knospung zur Koloniebildung nur ein Schritt, aber dieser Schritt ist hier noch nicht getan. Auferdem besteht zwischen den Individuen einer Kolonie und Organen eines Individuums noch ein grofer Unter- schied. Natiirlich ist auch er durch alle Uebergangsformen tiber- briickt, aber wir sind uns dessen bewuft, daf alle Grenzen, Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 325 die wir ziehen, mehr oder weniger kiinstlich sind. Theoretisch kann ich die Notwendigkeit eines prinzipiellen Unterschiedes zwischen Vererbung bei geschlechtlicher und bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung nicht einsehen. Diejenigen Zellen, welche bestimmt oder befahigt sind, den neuen Organismus zu liefern, miissen, wenn sie auch noch sonstige Funktionen verrichten, die Anlagen seiner Eigenschaften besitzen, oder um es mit der WrrsmAnnschen Schule materialistisch auszudriicken: ihre Chromosomen miissen ebensogut Determinanten enthalten, wie die der Eizellen. Tatsichlich geht aus DE VRIES hervor, da8 sich vegetativ er- zeugte Organismen in Bezug auf Variabilitit und Mutation ebenso yverhalten, wie geschlechtlich erzeugte. Auf den Unterschied in ihrem Verhalten zur Selektion komme ich noch zuriick. Diese Auseinandersetzung hat mich weiter in das Gebiet der Hypothese hineingefiihrt, als es meine Absicht war, innerhalb des Rahmens dieser Arbeit zu gehen. Ich bin aber gezwungen, hier meinen Standpunkt zu priazisieren, um etwaigen HKinwinden vor- zubeugen. Systematische Stellung. Eine Speciesbestimmung innerhalb der Gattung Hydra ist keine ganz einfache Aufgabe. Ein Blick auf die Literatur zeigt, da8 iiber die Speciesabgrenzung bei den seit TREMBLEYS und RoOESEL VON RosEennHors Zeiten beriihmten und als Ausgangspunkt zu zahlreichen Studien benutzten SiiSwasserpolypen unter den Autoren noch durchaus keine Einigkeit herrscht. Zahlreiche Synonyma erschweren die Orientierung. Es liegt dies haupt- siichlich an der Natur des Objektes. Es gibt kaum eine Higen- schaft der Hydra, die nicht durch den Einflu8 ihrer Umgebung, hauptsichlich aber durch die Ernahrung verindert werden kéunte, daher auch die einander zum Teil strikte widersprechenden An- gaben von Forschern, an deren Zuverlissigkeit kein Zweifel be- steht. Auch scheint Hydra, wie viele kosmopolitisch verbreitete Formen in zahlreiche lokale Rassen zu zerfallen und wird viel- leicht auch in dieser Richtung dem Systematiker noch einmal von Interesse sein. In neuerer Zeit hat sich besonders Nusspaum (1884) um die Charakteristik der Arten von Hydra verdient gemacht, indem er die Synonyma aufklirte und brauchbare Diagnosen der be- Bd. XLII. N. F. XXXVI. 22 326 Elise Hanel, stehenden Arten gab. Trotzdem seine Einteilung nach der aiuferen Gestalt eine leichtere Bestimmung erméglicht, wurde sie von einzelnen Autoren nicht beriicksichtigt. Wir finden je nach der Richtung, in der diese gearbeitet haben, Einteilungen nach verschiedenen Gesichtspunkten. Brauer (1891) hat nach der Form und Lage der Geschlechtsprodukte eingeteilt, was seine praktischen Nachteile hat, da solches Material nicht immer zur Verfiigung steht. MrrmescuKovsky (1878) und Haake (1879) schufen eine Kinteilung nach der Art und Reihenfolge der Anlage der Tentakel. Juna (1883) hat jedoch gezeigt, daf eine bestimmte Reihenfolee nur ganz im allgemeinen fir jede Species zutrifft, und da zahlreiche Ausnahmen von der Regel vorkommen. Dagegen hat JickELr (1883) nach der Form und Grofe der Nesselkapseln eine Einteilung getroffen, die sich gliicklicherweise mit der von NussspAaum deckt und eine gute Erginzung und Kon- trolle zu dieser bildet. Das von mir verwendete Material stammt von einer bestimmten Stelle des Ziirichsees, wo er bereits in die Limmat tibergeht. Es existiert in der faunistischen Literatur nur eine Notiz tiber die hier vorkommende Species von Hydra. Sie stammt von ASPER (1879), und er legt darin dar, daf wir es hier mit einer neuen Species zu tun haben, die er die H. Limmat nennt. Als Haupt- charakteristikum fiir diese neue Species gilt ihm, daf sie getrennt- geschlechtlich ist. Es hat in letzter Zeit auch Downina und mit ihm Mary HEFFERAN (1902) eine Species H. dioecia aufgestellt, dagegen hat R. Hertwice (1906) darauf hingewiesen, dafi man die Eingeschlecht- lichkeit bei Hydra nicht als systematisches Merkmal verwerten kann. Er zitiert einige Autoren, vor allem BraAugr, die diese Kigenschaft beobachtet haben. Angaben tiber rein ménnliche und rein weibliche Tiere, sowie auch iiber Protandrie und Protogynie, die als Uebergang von dem hermaphroditischen zum eingeschlecht- lichen Zustand aufgefaft werden kénnen, tauchen immer wieder in der Literatur auf und beziehen sich auf verschiedene Species. Wir kénnen sie daher nicht als Speciesmerkmal auffassen, sondern héchstens von H. fusca var. dioecia oder H. grisea var. dioecia sprechen. Sollte es sich herausstellen, woftir Wahr- scheinlichkeit vorliegt, da sich diese Eigenschaft jederzeit ex- perimentell hervorrufen la8t, so kommt ihr systematischer Wert ganz in Wegfall. i Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea, 327 Im iibrigen halt Asper die von ihm gefundene Form fiir H. fusca sehr nahestehend, spricht sich aber an einer anderen Stelle dahin aus, daf sie mit der aus Deutschland beschriebenen H. auriantica (vulgaris oder grisea) identisch sei. Zu diesem Irr- tum wurde er wohl durch die Synonyma verleitet; in der Literatur findet man z. B. die Bezeichnung vulgaris abwechselnd fiir fusca und grisea angewendet. Eine Nachpriifung hat ergeben, da8 im Ziirichsee sowohl H. grisea als auch fusca sehr reichlich vorhanden ist. Man findet sie an demselben Standort, ja an denselben Blittern von Myrio- phyllum dicht gedriingt und untereinander gemischt sitzend. Durch die gleichen Lebensbedingungen, denen sie ausgesetzt sind, haben sie einen so hohen Grad von Aehnlichkeit untereinander be- kommen, daf der Ungeiibte sie kaum unterscheiden kann. Be- sonders junge, schlecht genahrte Individuen von H. grisea gleichen H. fusca sehr, wahrend die erwachsenen, knospentragenden Exem- plare schon durch ihre bedeutendere Gréfe auffallen. Trotzdem alle Eigenschaften transgressive Variabilitit aufweisen, und es nicht gelingt, ein sicheres Kriterium ftir eine von ihnen aufzu- stellen, erweisen sie sich doch bei Zuchtversuchen absolut konstant und als wohlgesonderte Formen. Ob es berechtigt ist, sie als Arten zu bezeichnen, kann erst entschieden werden, wenn man sich iiber den Begriff Art geeinigt haben wird. Nach Werzets (1898) interessanten Versuchen zeigen sie einen hohen Grad der Affinitit und eine gréfere innere Verwandtschaft untereinander als jede von ihnen mit H. viridis. Bastardierungs- versuche in dieser Richtung waren gewif von Interesse. Die Bestimmung meines Materials habe ich hauptsichlich nach NusspaumM und sodann nach JICKELI vorgenommen. Um jedoch sicher jedem Irrtum vorzubeugen, will ich noch einmal die Haupt- merkmale der beiden Arten, die fiir mich in Betracht kamen, an- fiihren und die Unterschiede zwischen ihnen hervorheben. 1) Die Gestalt des Kérpers. Der Kérper von H. grisea ist ein ziemlich regelmafiger Cylinder, der an allen Teilen eine gleichmafige Farbung zeigt. H. fusca dagegen verjiingt sich gegen den Ful, besoders unter- halb der Knospungszone wird der Kérper plétzlich schlank und durchsichtig. Dieser abgegrenzte Fuf wird in der Literatur als Hauptcharakteristikum fiir H. fusca angefiihrt. Er ist aber durch- aus nicht immer deutlich bemerkbar, kommt andererseits auch 22 * 328 Elise Hanel, anderen Species, wenn auch nicht so ausgepragt, zu. Mit der konischen Gestalt des Kérpers haingt es zusammen, dal H. fusca ein verhiltnismabig gréferes Hypostom besitzt und die Abstande zwischen den einzelnen Tentakeln gréS8er erscheinen. 2) Die Farbe ist bei den beiden Arten auch bei gleicher Ernihrung niemals ganz gleich. Die Bezeichnungen fusca und grisea treffen indes fiir das von mir untersuchte Material nicht zu. Ich wiirde die Farbe von im Freien lebenden H. fusca als ein blasses Griinlich-gelb bezeichnen, das bei starker Ernahrung intensiver wird, wahrend Hydra grisea eine von grau ins Rosa spielende Farbung zeigt, die bei reichlicher Nahrung in Fleisch- farbe bis Orange iibergeht. 3) Die Tentakel. Es wird vielfach hervorgehoben, daf die Tentakeln von H. grisea héchstens so lang werden wie der Koérper, wihrend die von H. fusca das 10—20-fache von dessen Lange erreichen kénnen. Bei dem hiesigen Material zeigt H. fusca niemals eine solche Linge der Tentakel, ich habe selten Falle beobachtet, wo sie mehr als das Doppelte der Kérperlange be- saBen. Charakteristisch ist dagegen die Art, wie sie gehalten werden. Wahrend H. grisea, wenn sie ruhig sitzt, die Tentakeln meist weit ausgebreitet hat, sind die diinneren von H. fusca meist gekriuselt, was viel dazu beitragt, ihr einen charakteristischen Habitus zu verleihen. Auf ihre Zahl werde ich noch zuriick- kommen. Hier sei nur hervorgehoben, daf trotzdem dieses Merk- mal stark transgressiv ist, das Mittel der Tentakelzahl bei grisea viel héher ist als bei fusca. Dementsprechend besitzt sie auch die gréfere Variationsbreite, dem zuerst von HAECKEL (1881) aus- gesprochenen Grundsatz folgend: Je héher die Grundzabhl steigt, desto unbestindiger wird sie, desto ungleicher bei den verschie- denen Individuen einer Species (II. Teil, p. 133). Bei fusca ist 5 die Grundzahl, 6 und 4 die Ausnahmen, bei — grisea dagegen ist 6 fast die Regel, 5 selten, 7 und 8 hiaufiger, - und auch Tiere mit héherer Tentakelzahl kommen vor. 4) Die Nesselkapseln. Wie schon mehrfach hervorge- hoben, gelten alle diese Eigenschaften nur fiir die Norm, es kommen aber Ausnahmen von der Regel vor. Sollte also die makroskopische Beobachtung in einem Spezialfall noch einen Zweifel zuriicklassen, so kann man zur Sicherheit eine Priifung der Nessel- kapseln vornehmen. Man tut das am besten nach JICKELI, dessen Abbildungen wegen ihrer Einfachheit sich sehr gut dazu eignen. Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea, 329 H. grisea besitzt 4 verschiedene Arten von Nesselkapseln, die sich alle untereinander in der Form und der Art der Auf- rollung des Fadens unterscheiden. Zwei davon hat sie mit H. fusca gemeinsam, die ihrerseits noch eine dritte von diesen abweichende Form besitzt. Dagegen fehlt ihr diejenige Form, welche bei grisea besonders auffallt, Nesselkapseln von riesiger Groéfke, die alle iibrigen um das Dreifache an Linge und Breite tibertreffen und daher ein ganz sicheres Erkennungszeichen fiir H. grisea bilden. Versuchsanordnung. H. grisea erwies sich als von grofer Haltbarkeit und stellt keine besonderen Anspriiche in Bezug auf Pflege. Es lag in der Natur meiner Versuche, daf ich die Tiere einzeln hielt, und sie gedeihen dann um so besser, wihrend sie in Massenkulturen nicht gut fortkommen. Das Ziichten geschah in gewohnlichen Wasser- glasern in Leitungswasser ohne Durchliiftung. Ja selbst die Pflanzen stellten sich bald als entbehrlich heraus, wodurch das Auffinden der einzelnen Tiere wesentlich erleichtert wird. Dagegen mute das Wasser 2mal in der Woche, im Sommer noch 6fter, gewechselt und die Glaser gereinigt werden, um die schadlichen Pilze und Bakterien nicht tiberhandnehmen zu lassen. Als Futter bewahrten sich wieder vorziiglich kleine Crustaceen. Ueber die Art, wie die Hydra ihre Nahrung findet, ist nichts Genaueres bekannt. Bringt man kleine Krebse in ein GefaB, in dem sich Hydra befindet, so faingt sie dieselben mit den bekannten blitzschnellen Bewegungen. Es geschieht dies, indem die Nessel- faden auf die Beriihrung der Nesselkapseln hin ausgeschleudert werden und die Beute von ihnen festgehalten und gelaihmt wird. Dabei ist der Effekt um so lebhafter, je starker der Reiz, und es wird der flinke Cyclops schneller gefunden als die schwerfallige Daphnia. Man kénnte daraus schliefen, daf es nur der Bertihrungs- reiz ist, der den Frefreflex auslést und nur lebende Tiere ge- fressen werden kénnen. Nimmt man ein indifferentes Material, wie feine Papierfasern, und ftihrt sie schnell an den Tieren vorbei, so erfolgt keine Reaktion. Aber auch der chemische Reiz allein geniigt nicht. Bringt man zerdriickte Krebse behutsam in die Nahe einer festsitzenden Hydra, so nimmt sie gar keine Notiz von ihnen. Wenn sie dieselben wahrend des Kriechens beriihrt, so 330 Elise Hanel, friBt sie sie, dabei kann sie, wie es scheint, ohne Schaden auch solche fressen, welche schon ziemlich lange Zeit tot waren und sich der Verwesung nahern. Es scheint also, daf es sich doch um einen chemischen Reiz handelt, der aber nicht auf die Ent- fernung hin wirksam ist, sondern nur, wenn das Objekt die Kérper- oberfliche beriihrt. Ueber die Lebensdauer konnte ich keine Versuche anstellen, da ich immer wieder gezwungen war, meine Zuchten zu unter- brechen. Schon TremBLEy (1744) und ROESEL vom ROSENHOF (1755) geben jedoch an, daf sich einzelne Tiere unter ginstigen Bedingungen bis 2 Jahre lang halten kénnen. Die hiufigste Todes- ursache und die gréfte Gefahr fiir meine Kulturen war eine Er- scheinung, die manchmal epidemisch auftrat und die in jiingster Zeit von Hertwic beschrieben worden ist. Auch unter scheinbar ganz giinstigen Bedingungen zeigen die Tentakel plétzlich knopf- formige Verdickungen an den Enden und solche Kontraktion, daf sie bald ganz verschwinden. Dem folgt der K6érper nach, der zu einem undurchsichtigen Kliimpchen wird, das zerbréckelt und dessen einzelne Teile schlieSlich zu Grunde gehen. Diese Art des Sterbens ist sehr typisch und durchaus unterschieden von dem Tod, wie er bei Vergiftung oder Zugrundegehen in verdorbenem Wasser eintritt, wo sich die Zellverbainde lésen und der Kérper schlieflich zerflie8t. Hertrwic (1906) bezeichnet diese Erscheinung als ,,De- pressionszustinde“ und bringt sie in Zusammenhang mit der ge- schlechtlichen Fortpflanzung, indem er sie analog der senilen De- generation der Protozoen stellt. Ich kann hier nur erwahnen, daf sie in meinen Kulturen mehrfach und immer unabhangig von der geschlechtlichen Fortpflanzung auftrat. Zweimal stellte sie sich unmittelbar ein, nachdem ich dem Wasser allzu reichlich Krebse zugesetzt hatte. Diejenigen, die noch im ersten Stadium waren, konnte ich durch haufiges Wechseln des Wassers zur Erholung bringen, und es zeigten sich dabei die grofen Tiere bedeutend widerstandsfahiger als die kleinen, jungen. Daraus kénnte man auf eine Kohlensdurevergiftung schlieSen, aber einige Male konnte ich die Ursache der Depression nicht auffinden. Auch bei hungernden Tieren traten ganz ahnliche Erscheinungen auf. Fast gleichzeitig mit Herrwies jiingster Publikation erschien eine Arbeit von Eugen Scuuntz (1906), welcher dieselben Riick- bildungen an Hydra fusca nach lingerem Hungern beschreibt und sie als riickschreitende Entwickelung auffaft. Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. Variation. 331 In den zahlreichen Arbeiten iiber Hydra finden sich auch An- gaben iiber die Tentakelzahl. Bei dlteren Autoren wird meistens nur betont, daf sie schwankt und die fiir die betreffende Species Dabei finden wir Widerspriiche in den haufigste Zahl angegeben. Angaben. Jiingere Au- toren erwahnen bei Ge- legenheit der Frage, wie viele Tentakel re- generiert werden, auch die Zahlen fiir normale Tiere. So gibt Ranp (1899) in seiner Re- generationsarbeit fiir H. viridis 6 = 42 Proz., i=—A0 Proz., 8 = 12 Proz.,5 und 9 =D Proz. (Mw. 6,7) (Kurve 1). Er zitiert auch Untersuchungen, die HATHAWAY unter der Leitung DAVENPORTS angestellt hat, und die fiir die Tentakelzahl bei normalen Tieren das Resultat ergeben: Oe TOn. ( = 35 Biaso— 2 Proz., )=— 11,5 Proz. (Kurve 2). Am eingehendsten hat sich Parke (1900) mit dieser Frage be- schaftigt. Gegenstand seiner Untersuchungen ist hauptsaichlich H. viridis. Das Material, das er behandelt, ist 5 ey, 0 RBBB Re a esol ta 1a SIs Isak Kurve 1. Rand: Variation der Tentakelzahl von Hydra viridis, nach RAND. Saegu0 Ne ES al |_| L | i mi Zee EEE Per ede | Hi = LP a3 6 7 8 Kurve 2. Variation der Tentakelzahl nach HATHAWAY. umfangreicher als das den iibrigen Untersuchungen zu Grunde gelegte. Es stammt von 3 verschiedenen Fundorten, die unter- einander auffallende Unterschiede in Bezug auf die mittlere Ten- 332 Elise Hanel, takelzahl zeigen, so daf sich beim 1. der Mittelwert von 5,95, beim 2. 6,79 und beim 3. 6,20 ergibt (Kurve 3). Im 1. Fall ist die Zahl von 62 untersuchten Individuen zu klein, um ein eindeutiges Resultat zu ergeben, im iibrigen weist der Unterschied wieder auf die Spaltung in lokale Rassen hin, welche ich schon andeutete. Bei H. fusca untersucht er 96 Indivi- duen und findet darunter 4 mit 5, 84 mit 6 und 6 mit 7 Tentakeln, also 6,02 (Kurve 4). Aehnlich Hertwia, der fiir fusca 6 als Norm angibt, 7 oder 8 als auBerst ee ae PO a 8 Kurve 3. Kuryve 4. Kurye 3. PARKE: Variation der Tentakelzahl bei H. viridis von 3 ver- schiedenen Standorten. Kurve 4. PARKE: Variation der Tentakelzahl an 94 Exemplaren von H. fusca. Table I. Showing the average number of tentacles of Hydra viridis in different localities. : No. of] Average No. No. of tentacles | 5 ONE a a | 9 | 10 Hydra| of tentacles Percent of whole ) Ist | 32'/, 483/,| 12,9 48 | 1,6 | — 62 5,92 number of Hydra } 2nd] 4,8 | 30,6 |44,5/16,4| 2,9 | 0,6 | 310 6,79 in each locality J 3d |22,8|46,5|20,9| 74] 14 | 0,9 | 430 6,20 Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 333 ParKE geht dann darauf ein, daf aufere Einfltisse eine Rolle spielen bei der Bestimmung der Tentakelzahl und beschaftigt sich mit der Frage, wann die Anlage neuer Tentakel abgeschlossen ist. Er kommt zu dem Resultat, dafi die Verainderung in der Tentakelzahl keine bestimmte Grenze hat, sondern durch das ganze Leben einer Hydra fortdauert. Daraus zieht er (p. 202) die Schlu8folgerung: The significance of these facts will be appre- ciated. They show that the number of tentacies in Hydra is not a subject for the statistical study of variability and question of heredity, in the ordinary sense. The numbers of tentacles possessed by a given Hydra varies in accordance with its age, size and doubtless other factors. The number of tentacles possessed by a bud at the time, that it is constricted off is not usually the same as the number of tentacles that will be possessed by the same individual at a later period’* (PARKE, p. 694). Es wird meine Aufgabe sein, hier zu zeigen, wie weit sich trotz dieser mit Recht betonten Schwierigkeiten brauchbare Resultate fiir Variationsstatistik und Vererbungslehre gewinnen lassen. Zunachst galt es, festzustellen, ob es wirklich kein Stadium gibt, bei dem die Anlage der Tentakel ganzlich aufhért. Soweit meine Beobachtungen reichen, tritt dieser Zustand niemals ein, sondern durch das ganze Leben kann eine Veranderung und zwar im wesentlichen eine Zunahme der Tentakelzahl andauern. Ks laft sich nicht in Abrede stellen, da’ die nie abgeschlossene Entwickelung von Tentakeln eine erhebliche Fehlerquelle bildet. Wir kénnen Hydra in diesem Punkt niemals als erwachsen auf- fassen, und es geht bei variationsstatistischen Untersuchungen, nicht an, dafi wir Tiere in verschiedenen Entwickelungsstadien mit- einander vergleichen. Nehmen wir aber unendlich viele Indivi- duen, so bekommen wir schlieBlich den Ausdruck fiir jedes mogliche Lebensalter, dessen Mittelwert doch einem ganz be- stimmten Lebensalter entspricht. Ebenso ist es mit den duferen Bedingungen. Wenn wir geniigend viele Hydren in verschiedenen Jahreszeiten, also unter wechselnden Bedingungen, von demselben Standort nehmen, so bekommen wir schlieflich eine durchschnitt- liche Normalhydra fiir die lokale Rasse; wenn wir unsere Unter- suchungen auf sehr zahlreiche und verschiedene Orte erstrecken, so bekommen wir den Durchschnittstypus fiir die ganze Species. Ich habe mich nun bemiiht, indem ich meine Zihlungen an Hydra grisea auf eine grofe Anzahl von Individuen erstreckte, diesem idealen Wert so nahe wie méglich zu kommen. 334 Elise Hanel, Das Resultat war eine Variationsbreite von 5—10 Tentakel bei 6807 Individuen. Wahrend Trempiey als Maximum 5—18, ja 20 Arme beobachtet, NusssAuMm 5—18 Arme angibt, fand ich nur in einem einzigen Fall im Freien ein Individuum mit 11 Tentakeln, Diese Differenz erklirt sich daraus, daf bei meinen Zihlungen nur frisch (héchstens vor 3 Tagen) aus dem See bezogenes Material beriicksichtigt wurde, wahrend die genannten Autoren Zimmer- kulturen beobachtet haben. Die Untersuchungen verteilen sich auf die Jahre 1904 und 1905, sie fanden immer im Herbst, der giin- stigsten Jahreszeit in Bezug auf Reichlichkeit des Materials, statt. Ks entfallen davon auf 5 Tentakel: 103 °/9, 6 Tentakel 644 °/,,, 7 Tentakel 197 °/)), 8 Tentakel 49°/,,, 9 Tentakel 15°/,,, 10 Ten- takel 1 °/o9. Tabelle tiber die Variation der Tentakelzahl bei Hydra grisea. Anzahl der Individuen Mittel- Tentakelzahl wert 5 6 9 | 10); 1 3./11 bis Zahl | | 18./12. 1904 der Ind. | 249 | 2381 | 722 | 153) 54| 2 3561 6,266 Clan 70| 668; 203} 43) 15) 26./9. bis Zahl 12./12. 1905 der Ind. ] 451} 2006| 617|117| 47 Whe 139} 618] 190; 36; 14) 2 1904 Zahl + der Ind. 1905 hin «1 1 3246 6,176 700 | 4387 ald 101) 9 yd 6807 6,224 103 | 644} 197 15|. 1 Rie) 2h ate aR aS ee eee i Tooeoe BEARER Sees Ua Nr — Se Re PS SRE hee eae?) Aes PEPER EEE CEE C EEE eee i ——— SECC EERE tae eS [72 Coa et ea | Beer eae ee EEE Soa oad 5. Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 335 Der Mittelwert ergibt 6,224. Graphisch dargestellt, erhalten wir ein Variationspolygon, dessen Gipfel stark nach links ver- schoben ist (Kurve 5). Nach Barrsons (1894) Befunden an Echinodermen ist es fiir Radiartiere keine ungewoéhnliche Erscheinung, daf sie starker nach der Plusseite variieren als nach der Minusseite. Auch die ver- schiedenen Angaben tiber Aurelia aurita, besonders die von BROWNE (1895) und Batiowrrz (1899), zeigen, da8 bei diesen Célenteraten die Verhaltnisse sehr ahnlich liegen. Vergleichen wir die verschiedenen Kurven miteinander, so sehen wir, dal sie trotz einzelner Abweichungen, die besonders stark nur bei Ziihlungen von zu wenigen Individuen hervor- treten, einen hohen Grad der Aehnlichkeit aufweisen. Wir sind daher zu der Behauptung berechtigt, da’ die Variation der Tentakelzahl bei Hydra, nicht nur innerhalb einer Species, sondern innerhalb der ganzen Gattung von denselben Gesetzen beherrscht wird. HinfluB iuferer Bedingungen. Wir haben nun gesehen, in welcher Weise die Tentakelzahl variiert, und wenden uns jetzt der Frage zu: von welchen Faktoren wird sie beeinfluft ? Jedem, der Hydra ziichtet, wird es auffallen, daf nach einiger Zeit die Zahl der Tentakel zunimmt, und daf man einzelne Tiere mit weit héherer Tentakelzahl findet als die im Freien beobach- teten. Schon TremBiey hat das bemerkt, er erwahnt, da’ man bei Hydra grisea 18—20 Tentakel findet, aber nur bei solchen Exemplaren, die lange in Gefangenschaft gehalten waren. MARSHALL (1882), der diese Beobachtung bestatigt, ftigt hinzu, es erfolge eine besonders starke Vermehrung von Tentakeln, wenn er sie auf ,,schmale Kost setzte, daran kniipft er die Vermutung, es handle sich dabei um eine Anpassungserscheinung. Wenn die Nahrung sparlicher wird, so sind um so mehr Fangarme ndtig, um bei der starken Konkurrenz etwas zu fangen, ist etwa sein Ge- dankengang. Wie es kommt, da sie sich auch einstellen, wenn sie nétig sind, und ob sie auch eintreten, wenn gar kein Futter vorhanden ist, sie also tiberfliissig geworden sind, gibt er nicht an. Da er seine Beobachtungen nicht zahlenmafig belegt, so miissen wir ihnen kein allzu grofes Gewicht beilegen. Dabei ist 336 Elise Hanel, auferdem als selbstverstandlich vorausgesetzt, dafi eine gréBere Zahl von Tentakeln einen Vorteil fiir das betreffende Tier vorstellt. In der Tat ist die Zahl der Organe der Nahrungsaufnahme ein Merkmal von typischem Selektionswert im Sinne der Alteren | Darwinisten. Natiirlich sind die Tentakel héchst wichtige Organe, | und ein Tier, welchem sie ganz fehlen, wiirde bald vernichtet sein. | Da8 aber ein geringes Mehr von Tentakeln einen wirklichen Vor- teil im Kampf ums Dasein bildet, ]a8t sich nicht von vornherein | mit Sicherheit behaupten. | Der Begriff der Zuchtwahl hat mit der Zeit und ganz all- - mahlich eine Umwandlung erfahren. Man legt heute nicht mehr das Hauptgewicht auf das ,,Ueberleben des Passendsten“, was man urspriinglich darunter verstand, sondern auf das Ueberleben der kraftigsten und vor allem fruchtbarsten Rasse. Die Auffassung gipfelt in dem Ausspruch von DE VRIES: Selektion ist die Aus- wahl der Bestgenahrten. Bei Hydra liefe es sich unschwer nachweisen, da8 Frucht- barkeit bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung direkt abhangig ist von der Ernéhrung. Es fragt sich nun nur noch, ob die Zahl der Tentakel fiir die Ernahrung wirklich von solcher Bedeutung ist. © Ich habe dariiber eine Versuchsreihe angestellt, deren Resultate ich hier in einer Tabelle angebe. Tabelle tiber die Fruchtbarkeit von Hydren mit verschiedener Tentakelzahl. Miitter Be kommen Mittlere tigliche Produktion SAGAN GLE TS : +} von Jungen pro Mutter Tentakelzahl| Anzahl | Anzahl | ™jue"p, Zabl 6 37 999 03 0,287 7 45 1215 94 0,290 8 35 882 93 0,272 7) 16 368 82 0,280 LOM EP as 324 BD 0/327 Es hat sich gezeigt, da die Zahl der Tentakel ganz belang- los ist fiir die Anzahl der Nachkommen. Diese bleibt sich fiir alle Gruppen ungefahr gleich, sie betrigt pro Mutter etwa 0,3 tiglich, d. h. mit anderen Worten, etwa jeden 3. Tag wird eine Knospe erzeugt. Es sind dabei die Jungen im Momente der Isolierung gezahlt. Allerdings sind die Bedingungen in meinen Glasern giinstiger als im Freien, und man kénnte einwenden, dai sich der Einflu8 der Selektion erst bei Nahrungsmangel geltend macht. Immerhin miifte sich er schon, wenn auch in geringem Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea, 337 Ma8e, erkennen lassen, denn es gab auch in meinen Glasern Zeiten, besonders vor der jedesmaligen Fiitterung, wo kein Ueberflu8 an Nahrung herrschte. Wir sehen also, daf dieser teleologischen Auffassung die Grundlage ganz fehlt, und miissen uns nach einem anderen Prinzip umsehen, das die Tentakelzah! bestimmt. Dabei liegt nahe, da’ im Gegenteil auch hier die Erfahrungs- tatsache Giiltigkeit hat. Reichliche Ernahrung ist der machtigste Hebel der Variation. PARKE (1900) gibt an, daf unter giinstigen Bedingungen nach Loslésung vom Muttertier eine Vermehrung der Anlage der Ten- takel erfolgt, unter ungiinstigen dagegen eine Reduktion. Er be- schreibt 4 Fille, die er beobachtet hat, in welchen bei Hydra viridis eine Resorption von Tentakeln stattgefunden hat. Hrrtwia da- gegen bemerkt in seiner schon 6fter zitierten Arbeit, Variationen in der Temperatur oder in der Intensitait der Fiitterung haben auf die Tentakelzahl keinen Einflu8. Um dies zu ermitteln, stellte ich zunaichst einige Massenver- suche an. Massenversuche haben aber den grofen Nachteil, daf es bei Hydra unméglich ist, die Muttertiere von den neuentstandenen Individuen zu unterscheiden. Die Muttertiere miissen somit immer wieder mitgezihlt werden, und da man immer zahlreiche Stamm- tiere nehmen muf, um nicht nur einseitig die Vertreter weniger Familien zu _ beriicksichtigen, so wird der Fehler ein erheblicher. Auferdem sind die Bedingungen in solchen Massenkulturen auch bei der gréften Sorgfalt wegen der Pilzschadlinge und vielleicht noch aus anderen unbekannten Griinden niemals sehr giinstige, wie sich schon aus der verhaltnismafig geringen Fruchtbarkeit erkennen aft. Ich teile deshalb die Resultate dieser Versuche nur kurz hier mit. Prozentuarische Tabelle tiber den Einflu®B der Zimmerkultur auf Hydra grisea. L . Anzahl der |Mittel- Tentakelzahl 5 6 i 8 9 10) |) alal Tidisiduersipeere Ausgangsmaterial | aus dem See 1,3) |, Saya lSauy 9,3) | 1,74 | 0,2) |) 0,2 403 6,563 Nach 2-monatlicher Kultur in Zimmer- warme + 15—20°C] 7 | 19,2 | 40,9| 26,4) 9,7 | 2,1 | 0,7 952 7,345 Ausgangsmaterial aus dem See 3,6 | 52,4 | 32,0) 6,3) 4,8 | 1,0) — 372 6,681 Nach 2-monatlicher Kultur in Kilte (+ 3—6° C) 2,5 | 39,9 | 43,9} 84] 3,9 | 14) — 588 6,756 338 Elise Hanel, at] ie 4 EEE nan ml cee aan Clas BeEeE TL TU. = | | | —— he monatlicher Cultur. ||| a | 55) 6 rf 8 9 10 il Kurve 7%. Kaltekultur. Was aus der Tabelle klar hervorgeht, ist eine zahlenmiifige Bestatigung der Annahme, da8 die Zahl der Tentakel in der Ge- fangenschaft zunimmt. Daf die Vermehrung an Individuen ver- haltnismafig gering ist, ist auch auf Rechnung dessen zu schreiben, daS beim Wechseln des Wassers und yor allem der bei so grofen Zuchten unentbehrlichen Pflanzen viel verloren geht. Die elter- lichen Individuen sind natiirlich mitgezihlt, der grofe Zuwachs an Tentakeln ist aber nicht etwa nur den jungen, in der Gefangen- Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 339 schaft aufgewachsenen Individuen zuzuschreiben, sondern liegt ebenso in einer direkten Tentakelvermehrung der Alten. Auffallend ist der grofe Unterschied zwischen der Tentakel- zahl derjenigen, die bei Zimmerwirme, und derjenigen, die bei ziemlich niederer Temperatur gehalten wurden. Es scheint danach, da8 die Wirme einen wesentlichen Anteil an der Erhéhung der Tentakelzahl hat. Man miifSte aber, ehe man das verallgemeinert, noch Kontrollversuche machen. Meine Kulturen befanden sich in einem Raum, in dem die Temperatur schwankte und _ besonders des Nachts manchmal fiel. Immerhin hatte es sich vielleicht ge- lohnt, mehr Versuche in diesem Sinne anzustellen, aber ich wollte alles, war mir an Raum, Zeit und Futter zur Verfiigung stand, fiir das eigentliche Problem verwenden. Bei der beschrankten Giiltigkeit der Massenzuchten war ich somit auf Einzelversuche angewiesen. Es liegt auf der Hand, daf sie in der Zahl beschrankt sein miissen, doch glaube ich, daf ihre Genauigkeit ersetzt, was ihnen an Umfang fehlt. Ich zihlte die Tentakel von Tieren, von denen ich jedes isoliert hielt und be- obachtete. Sie wurden mit kleinen Krebsen reichlich, aber nicht tibermiaBig gefiittert. Die Anlage von Tentakeln ist, wie schon erwahnt, mit dem Loslésen der Knospe durchaus nicht abge- schlossen. Es wurden nun in den Kulturen mit Futter bei 62 Individuen in einer Zeit von 30 Tagen 45 Tentakel neu angelegt. Dagegen fand bei 2 Individuen eine Reduktion von 2 Tentakeln statt, so daf im ganzen die Tentakelzahl sich um durchschnittlich 0,69 pro Hydra vermehrte, was pro Tag eine Vermehrung von 0,023 ausmacht. | Verinderung der Tentakelzahl yon Hydra grisea aus dem See wihrend einer Zimmerkultur von 30 Tagen. Zunah Abnah us Ganze | Mittlere una ae “a , ira aaa Anzai ‘Zunahie ndivi- rv biyatey | mele er In- | pro In- Tentakel duen Tentakel duen dividuen dividuen | dividuum bei Futter 45 29 2 2 31 62 0,69 ohne Futter 19 14 8 6 47 67 0,16 Tiere, welche ohne Futter im reinem Leitungswasser, welches jede Woche gewechselt wurde, gehalten wurden, konnten nicht so Jange Zeit beobachtet werden, da sie sonst verhungert wiren. Immerhin konnte ich sie 30 Tage behalten, wobei ein geringer 340 Elise Hanel, Prozentsatz am Leben blieb. Die tibrigen starben unter den Er- scheinungen, welche ich schon beschrieben habe, und welche Hertwic als Depression auffaft. Es ergab sich nun die mir selbst iiberraschende Tatsache, daS bei absolutem Nahrungsmangel die Anlage neuer Tentakel nicht aufhért, sondern eine starke Ver- mehrung stattfindet. Unter 67 Individuen vermehrten 15 ihre Tentakelzahl um 1,6 Tentakel pro Individuum, d. h. im ganzen um 21 Tentakel. Demgegeniiber steht eine Reduktion bei 5 Individuen um je 1,4 Tentakel, also um 7 Tentakel. Die tibrigen veranderten sich nicht. Die Vermehrung betragt also im schnittlich 0,16 fiir 30 Tage oder 0,053 pro Tag. Dabei, sowie auch in den Versuchen mit Futter finden wir natiirlich, daf die- jenigen mit der niedrigsten Tentakelzahl die stirkste Zunahme aufweisen. Mittlere Zunahme der Tentakelzahl von Hydra grisea je nach Gruppen mit der gleichen Anfangszahl von Tentakeln wahrend 3-monatlicher Futterkultur. Anfangs- zahl der 6 if 8 9 10 Tentakel Mittlere | Ten- | Indi- Ten- | Indi- | Ten- | Indi- Ten- | Indi- | Ten- | Indi- Zunahme} takel |viduen| takel |viduen| takel |viduen| takel |viduen| takel |viduen 0,61 52 0,44} 45 0,107) 32) SROOa 23 0 4. Eine Reduktion von Tentakeln ist, wie wir sehen, eine ver- haltnismabig seltene Erscheinung. Wo sie dennoch eintritt, handelt es sich meistens darum, daf ein tief gespaltener Tentakel vor- handen war, der zu einem Irrtum in der Zahlung gefiihrt hat und dessen einer Teil spater resorbiert wurde. Daf bei solchen ge- spaltenen Tentakeln spiterhin eine Regulation des einen Teiles eintritt, ebenso wie dislozierte Tentakel spiter wieder resorbiert werden, haben Ranp und andere éfter erwihnt. Auch Parke hat sie beschrieben. Dagegen scheint die Resorption eines normalen Tentakels, von der Parke spricht, eine auSerst seltene Erscheinung zu sein, ich hatte sie wenigstens niemals direkt beobachtet. Die ungiinstigen Bedingungen, denen er seine Hydra viridis aussetzt, bestehen darin, da& er die Pflanzen (Elodea), die sich in dem GefaifS befinden, verfaulen lift. Man kann jederzeit beobachten, daf, wenn das Wasser, in dem sich Hydra befindet, verdirbt, der Tod eintritt, indem der ganze Kérper langsam zerflieBt. Die Tentakel, welche der Zersetzung die relativ gréfte Oberfliche ganzen durch- © Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 341 bieten, machen nun den Anfang bei diesem ProzeB, und es stimmt auch durchaus mit meinen Erfahrungen tiberein, wenn PARKE an- gibt, da’ nach dem Wechseln von Wasser und Zusatz frischer Pflanzen sich die Tiere wieder erholt hatten, bei fortschreitender Verderbnis des Wassers dagegen der Tod eingetreten sei. Korrelation von Gréfe und Tentakelzahl. Mit dem Einflu8 der Ernahrung hangt innig zusammen das Verhiltnis zwischen Gréfe und Tentakelzahl. Miss PEEBLES (1897) mift die Breite des Hypostoms und findet sie proportional der Tentakelzahl. Sie schlieSt daraus, daf auch die Gréfe des Kérpers der Tentakelzahl proportional ist. Dieser Schlu8 scheint ein wenig iibereilt. Da die Tentakel bekanntlich direkt vom Hypostom ihren Ausgang nehmen und die Zwischenraume zwischen ihnen so klein sind, da8 sie kaum stark in der Gréfe variieren kénnen, liegt es auf der Hand, daf die Breite des Hypostoms der Anzahl der Tentakel entspricht. Dagegen ist die Annahme a priori nicht bewiesen, dali die Gréfe des Hypostoms der Gesamtgréfe des Tieres entspricht. Nun ist die Gréfe, wie ich spater noch im einzelnen zeigen werde, ein Produkt der Ernahrung. Da ich zu dem Resultat ge- langt bin, da die Zunahme der Tentakel auch bei Hunger nicht aufhért, konnte ich meine Befunde nicht mit denen von ParKE in Einklang bringen. Hiatte ich die Tiere, die gehungert haben, mit gut genahrten gemischt gefunden, so wiirde ich mich gewif ver- geblich bemiihen, eine Korrelation zwischen Gréfe und Tentakel- zahl nachzuweisen. Ich unternahm also Kontrollmessungen, welche mir jedoch Parkes Befunde nur bestitigten. Ich fand dabei auf nachfolgender Tabelle verzeichnete Zahlen. Verhiltnis der Tentakelzahl von Hydra grisea zu ihrer relativen Linge. (Alle Lingen sind in Millimeter angegeben.) Tentakelzahl Sil | 7 | 8 | 9 | 10 Vor der Hungerperiode: Anzahl der Hydren t4 38 46 27 5 if Mittlere Linge bei einem Durchmesser von 0,3 mm] 2,43 3,73 4,61 6,53 9,41 4,18 Nach 30-taégigem Hungern; Anzahl der Hydren 16 17 14: offs 3s. | = Mittlere relative Linge 0,66 baa 220) It) ajo 248 | — Bd. XLII, N. F. XXXVI. 23 342 Elise Hanel, Relative Lange bedeutet nach Parkes Beispiel hier die Lange, welche alle Tiere in méglichst ausgestrecktem Zustand bei einem angenommenen, konstanten Durchmesser, als den ich den haufigen Fall von 0,3 mm annahm, besitzen wiirden. Natiirlich sind diese Messungen keineswegs genau, denn Hydra ist nicht massiv, sondern ein Hohlcylinder mit einem veranderlichen Lumen, dessen Wan- dungen Dehnungsfahigkeit besitzen. Meine wiederholten Messungen zu verschiedenen Zeiten an demselben Objekt haben mich iiber- zeugt, daf der Fehler klein genug ist, um ihn zu vernachlassigen, und daf wir trotzdem im ganzen zu richtigen Resultaten kommen. Dabei bleibt aber die Tatsache bestehen, daf in den Hunger- kulturen die Zahl der Tentakel im Durchschnitt eine Zunahme er- fuhr, wihrend die Gré8e sichtlich ungemein abnahm. Um das genauer festzustellen, unternahm ich auch am Ende der Hungerperiode Messungen und fand, daf der Mittelwert der Lange der am Leben gebliebenen Tiere gegentiber 4,27 nur noch 1,68 mm betrug, das macht ein Verhaltnis von 1:0,39. Trotz der Verminderung des Materials war also die Differenzierung des Koérpers weiter fortgeschritten. Dabei trat die Reduktion nicht gleichmaBig ein, sondern sie schwankte stark. Im kleinsten Falle betrug sie 1:0,83, im gréf%ten 1:0,061. Wir wiirden uns ver- geblich bemtihen, die Ursachen dieser individuellen Unterschiede aufzusuchen. Trotz dieser Unterschiede in der GréSenabnahme konnte ich aber feststellen, daf sich an den Verhaltniszahlen im wesentlichen nichts geindert hatte. Nach wie vor war die Tentakelzahl proportional der Kérperliange. In der Tentakelzahl der einzelnen Hydren ist eine ziemliche Verainderung eingetreten; da sie aber trotzdem noch der Kérper- lange entspricht, so mu8 die Abnahme der Tentakelzahl mit einer verhaltnismabig gréferen Abnahme des Volumens Hand in Hand gegangen sein als ein Stillstand oder gar eine Zunahme. In der Tat verhalt sich das so, trotzdem die naichstliegende Voraussetzung wire, daf bei Anlage der Tentakel ein Verbrauch von Material, also eine Verminderung der relativen Lange stattfindet. Teilen wir alle hungernden Tiere in 3 Gruppen, 1) solche, bei denen eine Zunahme von Tentakeln stattfindet, 2) solche, bei denen keine Verainderung der Tentakelzahl eintritt, 3) solche, bei denen die Tentakel eine Verminderung erleiden, so sehen wir, da8 sich bei Gruppe 1 die Kérperlange verkiirzt hat von 1 auf 0,45, bei Gruppe 2 von 1 auf 0,34, bei Gruppe 3 von 1 auf 0,22. Wir kénnen das dahin formulieren: die Abnahme der Tentakelzahl ist | Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 343 direkt proportional der Reduktion der Kérperlinge, die Zunahme ist ihr umgekehrt proportional. Im ganzen sehen wir, daf der Satz, den PARKE aufgestellt (p. 696): ,The size of the hydra is in general directly proportional to the number of tentacles* auf Wahrheit beruht, aber dahin modifiziert werden miifte: ,Innerhalb einer Gruppe von Hydren, welche unter gleichen Existenz- bedingungen leben, ist die Gréfe proportional der Tentakelzahl. EinfluB der iuferen Bedingungen auf die Geschlechtsreife. Ich méchte diesen Abschnitt nicht schlieBen, ohne auf meine Erfahrungen iiber den Einflu8 der auSeren Bedingungen auf die Geschlechtsreife einzugehen. Als ich meine Arbeit begann, hoffte ich, auch etwas Niaheres itiber diese vielumstrittene Frage zu er- fahren. Das ist gerade das Anziehende an solch langwierigen Ziichtungsversuchen, da& sie haufig Aufschlu8 geben tiber bio- logische Probleme, die auf andere Weise nicht zu lésen sind, und die sich ,nebenbei“ als Resultate einstellen. Lanes Vorversuche sind hierfiir ein hiibsches Beispiel, aber ich will wenigstens meine negativen Resultate mitteilen. Seit Nusspaums berihmten Versuchen ist man vielfach der Ansicht, daf Hunger geniigt, um gleich Geschlechtsreife hervor- zurufen. In allerjiingster Zeit vertritt auch KugeN ScHuLtz wieder diese Ansicht. Ich kann darauf nur erwidern, daf ich in meinen Kulturen bei vollstindiger Abwesenheit von Nahrung auch niemals eine einzige geschlechtsreife Hydra fand. Dagegen traten zu ge- wissen Zeiten in meinen Futterkulturen geschlechtsreife Individuen epidemisch auf. Dieselbe Beobachtung hat auch Herrwic bei H. fusca gemacht, der diese Erscheinung auf eine andere Ursache zuriickfiihrt, nimlich auf die Herabsetzung der Temperatur. Er gibt an, da8 er sie jederzeit dadurch experimentell herbeifiihren kann, und zwar sind es dann ausschlieflich mannliche Tiere, die sich bilden. Es scheint aber, daf sich diese Erfahrung auch nicht verallgemeinern 1a8t. Nicht nur konnte ich in meinen schon er- wihnten Versuchen bei Kalte niemals ein einziges geschlechts- reifes Tier beobachten, ich fand auch im Juli wihrend des heifesten Wetters auSer zahlreichen mit Eiern oder Follikeln versehenen H. grisea geschlechtsreife H. fusca. Was die einseitige Hoden- 23* 344 Elise Hanel, ausbildung in seinen Versuchen anbelangt, so will ich hier noch eine Erfahrung anschliefSen. Wahrend ich naimlich im Sommer 1905 verschiedene Ge- schlechtsprodukte bei Hydra grisea bekam, welche derselben Linie angehérten, so beobachtete ich im Winter 1905/6, daf sich die mannlichen Geschlechtsprodukte ausschlieBlich auf die Descendenten (direkt oder indirekt) von 2 Tieren verteilten, die weiblichen da- gegen auf die zwei anderen Linien. Bei der ziemlich grofen An- zahl geschlechtsreifer Tiere, es traten 27 3 und 292 auf, besteht die Méglichkeit, da8 es neben zwitterigen Linien (wohl zu unter- — scheiden von zwitterigen Individuen) auch rein mannliche oder weib- liche gibt. Diese Vermutung bedarf natiirlich noch einer Bestatigung, aber sollte sie diese finden, so lieSe sich die Tatsache, dafi Herr- wig nur rein mannliche Individuen fand, wohl damit erklaren. Sein Material stammt von 6 Individuen. Ueber die Herkunft dieser Stammtiere gibt er nichts Naiheres an, aber es ist anzunehmen, daf sie von einer und derselben Stelle stammen. Sie kénnten nun sehr wohl, wenigstens zum Teil untereinander verwandt sein und vielleicht zufallig Angehérige von einer oder auch zwei rein mann- lichen Linien sein. Diese Trennung der Linien in verschiedene Geschlechter ware ein gutes Mittel, um Befruchtung unter den Angehérigen einer Linie unwahrscheinlich zu machen. Gerade bei Tieren, bei denen viele ungeschlechtliche Generationen mit einer geschlechtlichen alternieren, ist es ja nétig, wie wir das bei den Protozoen sehen kénnen, daf keine Verbindung zwischen zu nahen Verwandten stattfindet, wenn die Befruchtung ihren Zweck einer Auffrischung erfiillen soll. Versuche in dieser Richtung wiéren gewifi von hohem Interesse. Vererbung. Ueber die Vererbung der Tentakelzahl ist der Literatur wenig Positives zu entnehmen. Hie und da taucht bei einem Autor die Frage danach auf, sie wird dann mit der in solchen Dingen tiblichen Leichtigkeit entschieden. Es geschieht dies gewéhnlich in der Weise, dafS man bei einigen Exemplaren die Anzahl der Tentakel des Muttertieres mit der der Knospen vergleicht und die daraus gewonnenen Resultate verallgemeinert. HAAKE erwahnt z. B.: Man findet sehr oft ausgewachsene Exemplare dieser Art (H. Roeseli, wahrscheinlich Syn. fusea) mit Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 345 nur 4 Tentakeln, und was das Merkwiirdigste ist, diese Vierzahl ist in den meisten Fallen erblich.“ Die eingehendsten Beobach- tungen hieriiber verdanken wir wieder PArRKE. Von Hydra viridis, die ihm hauptsiichlich als Material diente, sagt er nichts tiber die Vererbung der Tentakelzahl, es lieBen sich aber indirekt Schliisse aus seinen Angaben ziehen. Er stellt den Satz auf: die Gréfe der Knospe zur Zeit ihrer Ablésung ist proportional der GroéBe des Muttertieres. Das ist nicht tiberraschend, wenn man bedenkt, daf die Gréfe eine Funktion der Ernahrung ist, Knospe und Mutter- tier aber einen kommunizierenden Magen haben, somit gewif unter denselben Ernaihrungsbedingungen leben. Nimmt man aber die beiden anderen Satze hinzu: 1) die Tentakelzahl der Knospe ist proportional ihrer Gréfe und der GréBe des Muttertieres; 2) die GroSe des Muttertieres ist proportional ihrer Tentakelzahl, so ge- langt man zu dem Resultat, da’, wenn also die GréBe der Knospe proportional ist der Gréfe des Muttertieres, so muf die Tentakel- zahl der Knospe proportional sein der Tentakelzahl des Mutter- tieres. Das geht aber durchaus nicht aus den Tabellen, die er dazu gibt, hervor. Wenn wir die Tiere mit 4 und 9 Tentakeln, die nur je in der Einzahl vorhanden sind, vernachlassigen, so finden wir fiir die einzelnen Gruppen folgende Zahlen: Vererbung der Tentakelzahl von Hydra grisea nach PARKE. Miitte Nachk titter achkommen Erbzahl Mittlere Tentakelzahl Anzahl ettakelsaht Anzahl ees 5 24 5,12 24 61 6 39 4,59 39 16 7 14 5,58 14 0 8 5 5,40 5 0 Die Tabelle ist zum Teil nach Parker, ich habei dabei weg- gelassen, was uns hier nicht interessiert, dagegen die Erbzahlen hinzugefiigt. Unter Erbzahl ist in dieser Tabelle der prozentuarische Ge- halt an Nachkommen gemeint, welcher dieselbe Anzahl an Ten- takeln hat wie die Mutter. Man ersieht leicht aus dieser Tabelle, daf von einer Vererbung, tiberhaupt von einer Gesetzmifigkeit darin nichts zu finden ist. Klarer ist das Resultat, das er bei Hydra fusca bekommt. Ich lasse hier seine Tabelle folgen, da ich jeweilen \den Mittel- wert der betreffenden Gruppe beigefiigt habe. 346 Elise Hanel, 94 Parent Hvdr 148 Bud Mittlere Ten- ici aailale e Rees takelzahl der No. of Tentacles} No. of Hydra |No. of Tentacles) No. of Buds | Nachkommen b 2 5 5 4 { 7 i 5,67 i 5 6 84 1128 éf 5,98 7 6 7 6 6,00 Er schlieSt aus diesen Zahlen: ,,The number of tentacles of the buds of the sixtentacled Hydra is the same as that of the parent.“ Bei einer naheren Priifung liegen die Verhiltnisse so, daf die 6-tentakligen Hydren, welche sich dem Mittelwert von 6,02 am meisten nahern, in ihrer Nachkommenschaft am meisten konstant sind, wahrend die Nachkommen der beiden anderen Gruppen auch in demselben Sinne vom Mittel abweichen, wie die Miitter, aber in schwa&cherem Mae. Sie zeigen also neben der deutlichen Erblichkeit die Erscheinung, welche man als Regres- Sion bezeichnet. Aus den friiheren Abschnitten geht hervor, daS man die Ten- takelzahl einer Hydra nicht sofort nach dem Ablésen vom Mutter- tier beurteilen darf. Es ware aber praktisch unméglich, jede Hydra bis zu ihrer vollig abgeschlossenen Entwickelung isoliert zu halten und erst dann zu beurteilen, welche Tentakelzahl ihr zukommt. Man ist also gezwungen, einen friiheren Zeitpunkt zu wahlen. Dabei kommt zunachst in Betracht der Moment nach der Loslésung von der Knospe. Allein die Knospen lésen sich in verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung los, einzelne tragen selbst schon wieder Knospen, wahrend andere, besonders bei momentan eintretendem Nahrungsmangel, in einem viel friiheren Stadium selbstindig werden. Auferdem wird es auch zweckmifiger sein, den Zeitpunkt der Beurteilung demjenigen der definitiven Entwickelung so sehr zu nahern wie irgend méglich, und dadurch den unvermeidlichen Fehler méglichst zu verringern. Dabei stoBen wir auf eine natiir- liche Grenze, an die wir uns aus praktischen Ursachen halten miissen. In dem Moment, wo ein junges Tier seinerseits schon eine wohlgesonderte Knospe tragt, sind wir gezwungen, es zu isolieren, um eine Verwechslung der Nachkommenschaft zu ver- meiden. Damit ist uns auch ein sicheres, objektives Kriterium fir den Zeitpunkt der Beurteilung gegeben. Es soll hierdurch gar Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 347 nicht gesagt werden, daf mit der Anlage von tentakeltragenden Knospen die Entwickelung der Tentakel des Muttertieres einen Abschlu8 gefunden hat, wie man wohl auch meinen kénnte. Gewil ist auch dieser Moment nur willktrlich gewaéhlt und die Grenze, die wir ziehen, eine kiinstliche. Aber bei der innigen Korrelation jeder Entwickelung ist anzunehmen, daf bei konstanten Be- dingungen die Tentakel- mit der Knospenanlage gleichen Schritt halt, und daf wir somit gleichwertige, gleichaltrige Individuen miteinander vergleichen. Die Berechtigung, ein friihes Stadium als das vollentwickelte anzunehmen, muf erst erwiesen werden. Entspricht wirklich die Tentakelzahl eines jungen Tieres derjenigen des erwachsenen Tieres? Wire es nicht méglich, da’ nur im Tempo der Tentakel- entwickelung Unterschiede existieren, und daf die spitere Ver- mehrung der Tentakel dem zuzuschreiben ist, daf die Tiere, welche in der Entwickelung zuriickgeblieben sind, die tibrigen ein- holen und ihre Tentakelzahl auf die Norm komplettieren? In ge- wissem Mae trifft dies auch zu. Auf der folgenden Tabelle ist die Vermebrung der Tentakel dargestellt, welche die einzelnen Gruppen von Tieren je nach ihrer urspriinglichen Tentakelzahl innerhalb 3 Monate erfahren. Vermehrung der Tentakel von Hydra je nach Gruppen mit verschiedener Ausgangszahl durch 3 Monate. Anfangszahl 6 7 8 9 10 Anzahl der Hydren 58 73 49 24 a Absolute Zunahme 38 32 5 1 0 Mittlere Zunahme pro Individuum 0,61 0,44 0,10 0,05 0 Man sieht sofort, da’ die Vermehrung fiir die 6-tentakligen viel gréfer ist als fiir die 7-tentakligen (0,61:0,44), daf die Tiere mit 8 Tentakeln nur noch einen unwesentlichen Zuwachs, die 9-tentakligen einen kleineren und die 10-tentakligen gar keinen mehr aufweisen. Es ware nun nicht schwer auszurechnen, innerhalb welcher Zeit die 6-tentakligen die 7-tentakligen, diese wieder die 8-tentakligen einholen u. s. f., bis sie alle die Zahl von 10 erreicht haben. Dann kénnte natiirlich von Ver- erbung der Tentakelzahl nicht mehr die Rede sein, man kénnte héchstens von einer Vererbung der Dauer der Entwickelungszeit sprechen, einem physiologischen Merkmal, das an sich vielleicht 348 Elise Hanel, ebenso unter die Gesetze der Vererbung fallt, wie irgend ein morphologisches. Kine Priifung meiner Zahlen in anderer Richtung zeigt aber, daf wir es nicht nétig haben, auf Grund dieser Tatsachen auf eine Analyse der Vererbungserscheinung der Tentakelzahl zu ver- zichten. Die in der vorstehenden Tabelle angefiihrten Zahlen be- ziehen sich auf 3 Monate, sie sagen nichts dariiber aus, wie sich die Zunahme tiber diese 3 Monate verteilt. Das kann man aus der folgenden Tabelle ersehen. Verainderung der Tentakelzahl von Hydra grisea vom Zeitpunkt der Bildung der ersten Knospe an wahrend einer 3-monatlichen Futterkultur. 3 § Absolute eed | Zunahme Abnahme 321 Zunahme > is BE Sage Ten- | Indi- | Ten- | Indi- | 43°3 | Ten- | Indi- | 34 takel |viduen| takel |viduen| 3 | takel |viduen|S 6,5 Im 1. Monat Pelee jp oe svdienS 124 | 30 | 151 | 0,20 Im 2. Monat 28 21 2 2 128 26 151 | 0,17 Im 3. Monat 12 10 0 0 141 12 151 | 0,08 Im Verlauf von 3 Monaten 73 | 49 Beli) 97 | 68 | 151 | 045 Im 1. Monat ist die Zunahme am gréften, im 2. ist sie schon bedeutend kleiner, im 3. ganz unwesentlich, im Mittel 0,20, das bedeutet fiir ungefihr jede 5. Hydra eine Zunahme von einem Tentakel, 0,17 fiir jede 6. und 0,079 fiir jede 13. Die Zahlungen gehen leider nicht weiter, aber wir kénnen aus dieser fortschrei- tenden Abnahme schlieBen, daf mit dem Ablauf des 3. Monats die Anlage neuer Tentakel, vielleicht mit einigen wenigen Ausnahmen, so gut wie abgeschlossen ist, jedenfalls wire der Fehler dann ein sehr kleiner, Ich will hier noch hervorheben, da’ ich, um einen Versuchs- fehler zu vermeiden, indem z. B. schlechtere Bedingungen in den Kulturen die Anlage neuer Tentakel verhindert hitten, diesen Ver- such nicht einmal, sondern in 2 aufeinander folgenden Jahren ge- macht habe. Die Zahlen der Tabelle beziehen sich also auf 2 Ver- suchsreihen, die hier vereinigt sind, weil sie ganz gleichlautende Resultate ergaben. Vergleichen wir also die Zahl, welche wir als Ausgangspunkt fiir jede Gruppe genommen haben, mit der Zahl, welche sie nach abgeschlossener Entwickelung erreicht hat, so finden wir 6—6,61, Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 349 7—7,44, 8—8,10, 9—9,05. Die Tentakelzahl nach abgelaufener Entwickelung ist folglich proportional der Tentakelzahl zur Zeit der ersten Knospenbildung. Daraus leite ich die Berechtigung ab, von dem _ Tier, welches eben eine Knospe entwickelt hat, auf das vollkommen ausgebildete zu schliefen und es zu Erblichkeitsversuchen zu benutzen. Die zweite héchst wichtige Fehlerquelle ist der EKinflu8 der iuBeren Bedingungen. Wie wir gesehen haben, ist er ungemein stark, und wir kennen die Natur dieser Bedingungen noch nicht einmal gentigend, um sie zu regulieren. Das Mittel, welches wir gebrauchen miissen, ist an sich ebenso einfach wie schwierig zu handhaben. Wir miissen die Bedingungen absolut gleichmikig ge- stalten, dann werden die Unterschiede, welche wir zwischen den einzelnen Exemplaren finden, wirklich der Ausdruck ihrer ererbten oder individuellen inneren Veranlagung und nicht das Produkt der Einfltisse ihrer Umgebung sein. Theoretisch ist eine solche absolute Gleichheit natiirlich un- denkbar, praktisch kann man ihr ziemlich nahe kommen. Der Zoologe ist in dieser Beziehung entschieden im Vorteil vor dem Botaniker, er wird dadurch zum Teil entschadigt fiir die gréfere Miihe, mit der er seine Resultate gewinnt. Bei einer Pflanze, welche an einer Stelle festgewachsen ist, werden die gering- fiigigsten Unterschiede in Bezug auf Raum, Licht, Sonnenwarme und Diingung eine grofe Rolle spielen, weil sie durch ihr Leben hindurch anhalten. Bei dem frei beweglichen Tiere liegen die Verhaltnisse ganz anders. In unserem Falle konnte das Licht, wenn es tiberhaupt eine Rolle spielt, und die Warme fiir alle Tiere leicht dieselbe sein. Wasser und Nahrung wurden so haufig erneuert, dal, wenn selbst manchmal eine Begiinstigung des einen oder anderen Tieres erfolgt ist, sich das im Laufe der Zeit gewif ausgleichen mute. Dabei ist es noch ein besonderer Vorzug unserer Objokte, daf sie keine empfindliche Periode durch- machen, im Verlauf derer auSere Hinfliisse entscheidend wirken, sondern in Bezug auf das zu beriicksichtigende Merkmal eigent- lich ihr ganzes Leben hindurch in der empfindlichen Periode stehen. Nach all diesen einleitenden Bemerkungen wenden wir uns endlich dem Kernpunkt der Frage zu: Ist die Tentakelzahl bei Hydra grisea erblich? 550 Elise Hanel, Diese Frage kann man wieder verschieden auffassen, weil das Wort erblich keinen scharf umgrenzten Sinn in sich schlieBt. Zunichst, und in diesem Sinne haben es friihere Forscher getan, kann man sie so formulieren, daf man fragt: Besitzt eine Hydra immer dieselbe Tentakelzahl wie ihre Mutter in dem betreffenden Entwickelungsstadium? Der Entscheid ist nicht schwer zu fiihren., Prift man einige knospentragende Hydren und vergleicht die An- zahl der Tentakel der Knospe mit der der Mutter, so findet man, daf nicht nur viele Knospen weniger Tentakel besitzen als das Muttertier, was man leicht mit ihrem geringeren Alter motivieren kénnte, sondern auch viele eine gréfere Zahl von Tentakeln als - die Mutter tragen. Damit ist die Frage bereits gelést, und wir gelangen zu dem Resultat: Die Anzahl der Tentakel einer Hydra vererbt sich nicht immer auf ihre Nachkommen. Nunmehr zerfallt das Problem in mehrere Unterfragen. Eine absolute Erblichkeit war bei Tieren, die eine so hohe fluktuierende Variation zeigen, von vorneherein nicht anzunehmen. Immerhin kénnte noch ein grofer Prozentsatz die gleiche Tentakelzahl wie ihre Miitter aufweisen. Es kénnte auch der Mittelwert der Ten- takel der Nachkommenschaft proportional der Tentakelzahl des Muttertieres sein. Um diese Fragen zu beantworten, habe ich meine Ver- suche angestellt. Ich habe zu diesem Zweck nicht gleichzeitig, sondern mit gréferen Unterbrechungen im Lauf von 2 Jahren 26 Individuen von Hydra grisea aus dem Ziirichsee kultiviert und ihre Nachkommenschaft zum Teil bis in die 6. Gene- ration gepriift. Welches ist das Kriterium fiir den Erblichkeitswert eines Merkmals? Wir haben kein bestimmtes Maf dafiir, sondern kénnen es nur nach seinem Verhalten zur Selektion beurteilen. Wenn eine Erblichkeit der individuellen Eigenschaften tiber- haupt vorhanden ist, so miissen sich die Eigenschaften durch einige Generationen hindurch steigern lassen. DE Vries gibt dem Bd. I, p. 96 klaren Ausdruck. Er sagt: ,Die Frage, ob solche Variationen erblich sind, fallt somit zusammen mit derjenigen, ob sie durch Selektion verstirkt werden kénnen. Soweit mir be- kannt, liegen noch keine Versuche vor, in denen die Unmdglich- keit der Steigerung irgendwelcher individuellen Variationen nach- gewiesen wurde.“ Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 351 Ein Versuch, in dem die Unméglichkeit einer solchen Steigerung ein- fiir allemal bewiesen wird, ist nicht wohl denkbar, allein in- zwischen hat JOHANNSEN an mehreren Beispielen nachgewiesen, da8 eine Verstirkung wenigstens nicht stattfinden muf, und daf die scheinbare Steigerung nur auf einer Isolation von Typen beruht. Wie verhalt sich das nun in meinen Kulturen? Betrachten wir zuerst die 990 Nachkommen der 26 Individuen, welche die Stammtiere der reinen Linien waren, in ihrer Gesamt- heit, so haben wir das vor uns, was JOHANNSEN eine Population nennt. [Ich nehme mir hier das Recht, meine Reihen von direkten Nachkommen eines einzigen Individuums als reine Linien zu be- zeichnen, obwohl reine Linien in JOHANNSENS Sinne eigentlich etwas anderes bedeutet. Ich lasse hierbei nicht aufer acht, daf ich es hier nicht mit wirklichen reinen Linien zu tun habe, aber ich finde keinen anderen Ausdruck fiir meine Familien, die sich, wie ich spiter zeigen werde, in gewissem Sinne auch wie reine Linien verhalten.] Sie gruppieren sich ahnlich um ein Mittel, wie das gesamte Material von Individuen, welche untersucht wurden (Kurve 8). UGS GEER TEUUESCEEESER / Ec ican ae a LT Sey eeeel ee ceeceeseaee EoPECEECEN EEE | [A | VI mae Aa PETE Vi TTT Titi tt Bx aes AL Kurvye 8. Variation der Nachkommen von 26 Individuen. Teilen wir sie nun in Gruppen von je 6-, 7—9-tentakligen Tieren, wobei alle, die eine héhere Tentakelzahl haben, als 9 ihrer Seltenheit halber mit zu den 9-tentakligen gezahlt wurden, ebenso die 5-tentakligen mit den Sechsern vereint und priifen die Nachkommen jeder Gruppe fiir sich, so erhalten wir die Zahlen: 352 Elise Hanel, Tabelle tiber das Verhiltnis der Tentakelzahl von Hydren aus dem See zu dem Mittelwert ihrer Nachkommenschaft. 6 7 8 9 Nachkommen Mittel- wert = =| Nachkommen ge | Anzahl|3™ Mittel- a wert j >t Win 9 (iL ey ce /Nachkommen |3 = | Nachkommen | io) ———————————V“~ Anzahl Anzahl Anzahl d. Miitter } Pretest ars ta ek =) Mittel-|, 1, S= |Mittel- wert iisapoetoc = wert | 6,943| 364 | 9 | 7,206| 310 | 4 | 7,344) 166 | 4 | 7,393] 125 Wir kénnen daraus ersehen, da% die Nachkommen der Gruppe | von 6 Tentakeln den kleinsten Mittelwert haben, wahrend er bei . den Gruppen mit héherer Tentakelzahl langsam, aber stetig steigt. Wir finden also innerhalb der Population eine deutliche Erblich- keit. Doch diese Erblichkeit ist durchaus nicht absolut, die Unterschiede in der Nachkommenschaft sind ziemlich klein, der Riickschlag dagegen sehr bedeutend. Wie kommt das? Wir haben gesehen, daf die ,Regression“ in Jowannsens Kulturen ihre Ursache hat in der mangelhaften Isolierung der einzelnen Gruppen, was wieder auf die Transgression zuriickzufiihren ist. Von diesem Gesichtspunkt aus ist die GréSe der Regression in unserem Falle leicht zu verstehen, denn die transgressive Variabilitat ist ftir die Tentakelzahl der einzelnen Linien von Hydra ungemein grof. Infolge dieser Transgression gibt uns die Beschaffenheit eines Individuums noch keinen Aufschlu8 tiber den Charakter der Linie, der es angehért. So hat, um ein Beispiel willkiir- lich herauszugreifen, das Stammtier der Linie 23 mit Tentakel- zahl 5 einen in der 1. Generation héheren Mittelwert der Nach- kommenschaft (7,22), als Stammtier der Linie 6 mit der Ten- takelzahl 9 (7,11). Nur ein gewisser, aber geringer Grad der Wahrscheinlichkeit spricht dafiir, da ein Tier mit niederer Tentakelzahl auch einer Linie mit niederem Mittelwert ange- hért, es kénnte auch die Minusvariante einer Linie mit hoher ~ Tentakelzahl sein. Um ein Tier zu beurteilen, miissen wir seine Nachkommenschaft kennen. Dies ist dadurch erméglicht worden, daf8 jedes Individuum fir sich gehalten und seine Nach- kommenschaft gepriift wurde. Die Nachkommen jedes einzelnen Tieres lassen sich wieder um ein Mittel gruppieren. Ich gebe hier das Variationspolygon von 3 wieder zufillig ge- wahlten Linien. | AS ro Kurve 10. Stammtier von Linie 18. ) ae a = Leaner | | Pen Sa seerNe yea imei KL COPS EE 70 Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 353 “7 in Kurve 11. Stammtier von Linie 21. Linie 1. | | Nachkommen | Nachkommen el Mw. | An-| 2 roz. Lent. ieee Mw. | An-| Proz. Tent. | Tent. |zanl 6|\7/18 9 |10) Tent. | zabl} ¢ 7|8|9|10 Stammtier| 6 | 6,71 | 41 [sz[se| 7| | re eae Generation 1 6 6,83 | 30 |27\63)10 Vin erg 6,86 | 22 141/36)18) 5 Il 6 7,17 | 12 [25)\42|25) 8 iG 7,17 | 34 |15|\55|/26) 4 tT i 7,00 9 133/33/33 7 354 Elise Hanel, Linie 2a. Nachkommen a Nachkommen eae Mw. |An-| Proz. Tent. au Mw. |An-| Proz. Tent. Tent. |zahl 6|7|8|9 [10 Tent. |zahl 6|7|8|9 [10 Stammtier[ 6 | 6,58 | 25 [43/57| | | | | i) Generation 6 | 7,00 | 33 [21/58/21 it 6 7,00 | 8 ]25|50)25 8 7,46 3 | 8/54/23/14 Linie 2b. Stammtier| 5 | 6,70 | 30 f40|50/10| | | | ae Se Generation | i 6 7,21 | 39 113/58)|28] 2 8 7,42. | 12 8 42/50 10 6 7,17 | 36 {11)/67)17) 5 8 7,29 | 17 [1247/41 III 6 7,23 | 22 | 9/59/31 | | IV 6 7,00 | 11 [27/45] 9/8 | Linie 3. 8 Nachkommen | 4| Nachkommen || ¢ Nachkommen a) ei, a} | ae 8 & R Proz. Tent. § = E Proz. Tent. 8 = F Proz. Tent. =| \“[6|7/8/9|5] 2 \<|6|7/s/ 9] |S i[6]/7/8| 9 [0 | Stammtier | | | | 8 7,30|49|14*|44/38| 4 || | | | | | | Generation | a 6 |7,32|40]18*|35|/38) 8*| 7 |7,26/42117 |40/40| 3 || 8 |7,49/47] 4/51/39) 6* II 6 |7,38/56)13 |47/29|11 || 7 |7,19/41]15 151/34) —|| 8 |7,49)41] 5/51/34/10 III 6 |7,45/26]11 |41/42 7 |7,38/36]14 |42/36) 8 || 8 |7,59/29] 3/42/48] 7 IV 6 |7,71/21]10 |38/33)/19 || 7 |7,49/291 3 [52/38] 7 || 8 |7,44/15} 7/46/40) 7 Wi 7 |7,23)21)10 |57|/33) —|| 8 |7,27|19]10/53/37)— VI His | Linie 4. | Stammtier | | tT | tt I? 12,5032] 9 [453412 | | od | a We. | Generate la | 7 se 56. a 6 |50|31/13*) 8 |7,57/29] 3 |45/45) 6*| CHER 10 25/52l10 303 Tl 7 |8,00 et 8 7,51 35112 |28\57| 3 9 |7,15|19126/48/16} 5 {5 Ill 8 |7,18|16)25 [38131] 6 | 9 |7’90|14f29) 7/50] 7 {7 Linie 5. Stammtier | 6 |6,68/34]41 |50) 9}—|} | | | | | | d Generation I 6 |6,78/40]47 |53] 8) 3 || 8 |6,82/39/36*|46/15) 3 II 6 |6,57/23]52 |39| 9} —|| 8 |7,49/38] 2 |59130! 9* III 6 |6,75/28]32 |61; 7] — IV 6 |6,76/25136*/48/16 V 6 (6,65/20[15*|40) 5] 5*) | | VI 6 |6,61/32146 |47) 7) — | on @ |e1|29| 92] aF |e6'9| 8 TA avo I |® |S1/89| 63] 82 |G0'2 | 2 € |2\08) Ga] GE |60'2 | 9 A : @ /ST/F9) 91] 29/702 |8 F /8c\¥9| 7 | 9a |eei2| 2 AI é 9 |9gicr| So] 28 ST.2/8 | >| 8 |eslogict/T_ | 92 |se'8| 8 & |S1/29| 21] 09 802 | 8 I 2 V (ST/TEOP| 6 | TE )99°2 | OL € [GG)2F| 2 | SF |OT'2] ST] |¢ jeaiee) 1] 18 jee'2| 2 II Bs +8} | (8 |97/86]9€ [00'8/6 | | L/6T/TS|Zr|@ | ro /e8'2| 8 S| 216 \2e|98) FI] FP \ZO'2| 2 I = uoryeraue+) Last c (2 ea La [alee 9 lzeloo| ¢ [ee lor'z| 2 | sonmung 8 "2, oUrT S on q 8 q 6 |2g/69| & | a 0F2| 9 TA = € |O€|2T|s6] 21 | Ge |69‘2 | a1 8|ST/PSIET|8 | 6200'S | 2 O€|2¢] ST] 82 |9T'2 | 9 A E «9/€ OT/&8/66) ST | 08 [08'2 | 8 8/98) 96] FT E6'9 | TT ¢ |0\09/¢ | 62 \ge‘2] 2 L 129) TS} 62 |92'9 | 9 AI S FlaljAtjesies|__| PS|IL'8|8 | ga/8 |ag|2¢|.04) OF |0¢‘2 | 6 6 log|ee 6 |e |eg'2| 2 PE\CG] Te] SE |E0'2 | 9 II FA -aP/P IP (SPST) 12] Ss [022 | 8 & |G¢)09) 21 08 |Gz'2 | 6 L |GT/8@ 08] 98 |60'2) 2 & 96 GF|.9G} TF \00'2 | 9 II ~ L |OS|€S| OL} O€ EEL | O|| | 3/6 |IF|TH 2 | Fr [82/6 STOPES ET | 05 2 L & [22/19] Gt] 98 |rT‘2 | 9 I qi TO1}B.19MO+) ) I | | | | | | | | | | | | | . | | | | | c or scien sil rr IV2| 6 | tenures mM oO a = — — —— ——— op {| - itor) 6)s]2] 9 = m1 6|8 1| 9 = tr)01 6 8]. 9 T1016 8 1} 9 = F el Fe Pye) eps can ala e| Fle ——— BE) |e SEBS Bl ole BR) ele ep quoT, *ZO1g. 5 a] ‘qyuoT, *ZO1g = =a oe} ‘QUOT, “201g i =a A ‘quoy, *Z01g =a 3 be el a ae ante ae aS : 8 2 : g WoMIMOYYO"N te uoTUMMO OV NT Es UOTMMOYTOV NE a Uso YOR NY ae —————— aaa SSS ‘9 orurry 356 Elise Hanel, Linie 8. 6=27 Proz Stammtier: Tentakel 7, Descendenten 15, Mw. Tentakel 6,94. i x .;| Nachkommen ||,;| Nachkommen | ;| Nachkommen Generation} 5 E g Proz. || 8 2 g Proz. || 8] 8 g Proz. S/H Is SiH |S S\ae 5 E's Etcrrelol# |e Elowieel#l € Eloisiale = [E|6|7|5]9 = [z|6|7/s\9 = |E|6|7|8| 9 iE 7 | 6,96/25]36'36 oa 4) 7 |6,87|16 s6laa 21| 0} 8 | 6,77/13]46)31 1 0 II 7 | 6,29/17]71/29| 0 O| 7 | 6,18/11]82)18 8 | 6,80) 10}30/60/10| 0 Ill 7 | 6,50) 16}66 17/17) 0 Linie 9. 6= 15 Proz =A Stammtier: Tentakel 8, Descendenten 48, Mw. Tentakel 7,54. Saat D 1029 Ie Generation I 6 | 7,32/22/18/50)18 ul ? | 7,82|17] 0/35/47 8 8 | 7,42|24117/33)41)} 8 II 7 | 7,83/23/13 39138) 9| 8 | 7,28)14)14 5029) 7 Jit 7 | 7,63)19) 5/42/37 16 8| 7,47\15) 7\66\15) 7 IV 7 | 7,44/18]11/39/44) 6 V | 2 | 7'46\13|15/81/40) 8| Linie 10. a == TOZ Stammtier: Tentakel 8, Descendenten 29, Mw. Tentakel 6,93. 7 =e 5 8=21 ” Generation 6 | 7,39)39}17/33)/44 al 7 7183020145 33 a 8 | 7,35|37]11/49/35| 5 ih Paseo Ses hb 8 oe ; 52/26) 4) 8 | 7,65/20/10 35/45 IV | 7 | 7,40/20|25/25135) 5] Linie 11. 4 oie =} OZ. Stammtier: Tentakel 6, Descendenten 47, Mw. Tentakel 7,11. i Be 3 Generation | 6 | 7,11|46]23)43|34| 0} 7 7.13139 aslagiaa 5 | 6,9 |39]35|40/25| 0 II 6 | 7,14/28]28 31/39) 2|| 7 | 7,15|26]36/38|20) 6 Ill 6 | 7,11/28]32 54/14! O} 7 | 7,00/20]25/50)25 IV 6 | 7,00|20)29 36/32) 3 V 6 | 7,08|17]30/24/35| 0 Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 357 Linie 12. D mea Proz. = ” Stammtier: Tentakel 6, Descendenten 46, Mw. Tentakel 7,00. Spy = 2 ” o= Nachkommen FE Nachkommen 3 Nachkommen o = 1 : 1 : Ar aay Powe oa EET ee | so gas Meee iS ol pyaenienall eels el pink ( eneration 8 = : es Proz. Tent. 5 S : ae roz. Tent. 5 = : 3s roz. Tent. g|& = 28|6 [70g] 2 = 82| 6 [7[8]918| & = 28| 6 [7]5)9 1 6/6,95} 40 |25*|/50)23}2|17|6,95) 85 |27 |56)10)7 |8|6,98) 66 ]29*|43)/24| 4 am 6|7,00) 42 |20 |60/20\—'7| 7,02} 51 27 |51/16/6*|8| 7,32) 17 424 |35/35/6 Il 6|6,93} 26 |26 |57/12)}4|17| 7,09) 31 |29 |46)19/6* IV 7| 7,05} 28 (26 |52)15/7 PV 7| 7,13) 20 |25*/25/40|5 VI 7| 7,09} 25 19 |62|29|— & VII 7|6,93) 21 421 \64/15)— Linie 13 Stammtier | | | | | ||7|6,74| 37 [41 |43]16)—|| | | La Generation | | 6/6,39| 37 165 |29| 5\—|7)|6,75| 26 (25 |75|—|—| 8/649} 31 [52 |45) 3) — 6| 6,25} 26 |75 |25 7 | 6,23} 32 {77 |23\—/|—'8|6,16} 19 484 |16)—|— 6/ 6,39] 26 {65 |31| 4) |7|625| 16 75 |25|—|—| | Linie 14 : | | | 171653) 32 [60 [47] 3] | | Brvele clea 6 | 6,50) 24 0 so|—|-\7 6,36) 22 64 |386\—|—|8/6,61} 18 {50 {39/11 | |7|6,41| 30 |65 |29) 6|— I7|621| 34 |79 f2i|-|-| Linie 15. 5s Nachkommen ls Nachkommen z Nachkommen S|) ei al ei Sei 5 2 3 Proz. Tent. 8 & e Proz. Tent. 5 Ss : Proz. Tent. = : | 3 }—_——_——_—_|8 aS = : Pesbieey 26 Magee = heels S| S \]6/7/8/9 tol 11s} & |<]6}7]8/9 frolrijs| & |<|6]7/8]9 {roi /7.s6itiftolaa'salual | APR RAR TS aes 8)7,45|26]12/53/23) 6) 6 9)7,16)11} 9)6427|— 8/7,44/18} 8|56/28) 4 4 || 9)'7,92/21]—|33|42|25 8/7,17)|25 10/53/27| 8 2 || 9/7,83/24] 8/42)21)/21) 4) 4 8)7,07/41 12/62|12)—| 3 7|6,93/21]24|62|14 8|7,18|26]15|58|23) 4 Linie 16. ®tlammtier |12\7,64/25]1032)55| | 3 he aaa a (rate '| teneration i 8'6,90/34]42 30 26 5) 10)7,37|33]12/49/39 II 8|7 ,26)14117/54/22 7 | 87,00) 7]17/66)17 Ill 8|7,42/22) 9\46/41) | 5 IV 86,56) 7/44/96 — Linie 17. ‘Stammtier 10)8,00/19] 7/43) 7\29\14 | ey ho Generation I 10/8,15]12] {50} 8/25) 8} 8 || 9/7,86/21] |38)43)14) 5 II 10/8,57/38} 19/33/25) 8) 5 || 8|8,46)17} + |26/26/32) 8/8 Il 10/8,60|49} |19)41)16)12)12*) 9/7,57)18) |14/29/43)14 IV 9)7,77|52) + |16/29/29)12) 10* By 8|7,95|14] | |47/26\14\14 VI 9.8,19/30 4)25)39)19|—|11 | \ Bd. XLUI. N. F. XXXVI. 24 358 Elise Hanel, Linie 18. 6== 17 Prox Stammtier: Tentakel 7, Descendenten 42, Mw. Tentakel 7,08. ite ” 9= 2 , is Nachkommen |, Nachkommen -| Nachkommen 5 5 E a sy es ce Fy os la Fl us |e Generation |,,| & |2|Proz. Tent.|%| § |$|Proz. Tent./§| @ | $|Proz. Tent. BIA IS BA [SS S| ae {ss Ea eae =, || a NE E ea leg =) & FElelz|s/ol=| = Ele|zisio lm glel7/s| 9 I 7 | 7,27|40/12/50/35} 25 \\ 6 | 7,33/42/17/43/38) 2 9 | 7,49)/35 las 37! 6 II 7 | 7,28|30} 3/67/20] 10||6 | 7,27/33) 9/61/25] 6 7,00|14/21|57)/21 III 7 | 7,29/26} 9/57|29| 5116 | 7,40)32/10/45)45) — IV 7 | 7,00/13/31/48/31 6 | 7,42/12| 0/67/25) 8 V VI Linie 19. 6 = 1) raz Stammtier: Tentakel 5, Descendenten 49, Mw. Tentakel 7,06. ah: ” = boap Generation | 2 6 | 7,31/49)12/47|39) 2) 8 | 7,36/44)19/55)23/11 | 9 | 7,50)12}17/32)17) 25 II 6 | 7,41/35| 9/46/37) 9), 8} 7,22/41/11/44/32) 5 | 9 | 7,12)14/12/62/25) 0 Tr = |.6| 754/25] 0/54/42] 9 Linie 20. 6 12) Prog — i> Stammtier: Tentakel 7, Descendenten 43, Mw. Tentakel 7,16. ore a Qa worha Generation | iE 6 | 7,59|34/12/68)/—| 20 || 8 | 7,10/40 25/43/29) 3 ||9| 7,44/18\—|56|/44| O II 6 | 7,16/37/16/57/22| 5/8 | 6,93/28|36/36/28) 0 Il 6 | 7,83/24| 0/33}55] 12 | 8 | 7,33/15/13/53/13]15 Linie 21. 6 = 11 Proz. Stammtier: Tentakel 6, Descendenten 48, Mw. Tentakel 7,29. att i! G eee Generation | I 6 | 7,81/37] 5|35|35) 25 ,82|27| 4133/41/22 II 6 | 7,37|18] 0/58/37} 5 77(12|— Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. Linie 22. Stammtier: Tentakel 7. Descendenten 41, Mw. Tentakel 7,85. Generation Mutter Tent. Nachkommen Proz. Tent. Individuen a Linie 23. Muttertier: Tentakel 5. Descendenten 44, Mw. Tent. 7,22. 12|23|53/12 | 14| 7|21/29|43* Mutter Tent. 359 6= 5 Proz c—2oe, Ses 9—12 ,, 10 ore Nachkommen ue Nachkommen = oO 2/8 aE e |g | Proz. Tent. s 2 = Proz. Tent, a | e|5 fi ee SoH See Be ae ee = 15/6/78] 9 = 15 16|7/8| 9 |10 55 8/40/36)14 ||10 |7,12|23)22/48/26) 4 ,46/25|12|40/40| 8 ,46|19]16/37/31/16 ,13/13|69| 8/23) O Linie 24. Stammtier: Tentakel 6. Descendenten 27, Mw. i— ol Erez Tentakel 6,48. ssi et G— 59) Pr0z, ae 7=33 ,, Size aby oom I= ” Generation sal | | Fe I 9 |7,38/34)12/44|26]18 6 |6,65/35 652 Oj}1 y II 9 |7,47|34| 6/56/26)12 6 |7,15}13)15|54|31 III 9 |7,29 liz 6/59|35| O 6 |6,67|15|33|67 Linie 25. Peagete = TOZ. Gai Stammtier: Tentakel 7. Descendenten 33, Mw. Tentakel 8,18. iii BS H50) > 10 =a, Generation | | | ees I 7 |8,18|33| 3/18/43/30*) 8 |7,48/25| 4/32|54) O |[10 |7,65/44/10/34)37/13 | 0 II 7 |7,90/20 40)40) 40/10*) 8 |7,84)14) 7/36)21|39 {10 |7,56)16|25 6 44| 0 12 Ill 7 |7,58|12| 7/33/50) 8 || 8 |8,25}12] 0/42/25|33*] | Linie 26. 6 = 11 Proz = 44 ” Muttertier: Tentakel 9. Descendenten 37, Mw. Tentakel 7,22. es rl mS =l1 ” 10= 3... Generation | [ pat | i ts clas Fr Gee | I 7 |7,16)38| 20 50/24| 6 || 8 |7,48/25/12/44/36) 8*) 9 7,50/24/29/29 29/21 a 7 |7,50 1916 32/46) 6 | 8 |7,79|21) 16/47) 6/21 | 9 6,94|17\41|35\19| 5* Tit =| 7|7,00/37/25|48/20] 0 ie) | 24 360 Elise Hanel, Wir kommen nun, nachdem wir gesehen haben, daf die Selektion innerhalb unserer Population wirksam sein kann, zu der Frage: welchen EinfluS hat die Selektion innerhalb der reinen Linien @ Zu diesem Zwecke wurde von jedem Individuum, soweit dies moglich, ein Nachkomme als Reprasentant der extremen Minus- varianten und einer als Vertreter der Plusvarianten zur Weiter- zucht ausgewahlt. Aus anderen Griinden wurde meist auch ein Descendent mit der gleichen Tentakelzahl wie das Muttertier aus- gewahlt, so daf wir haufig 3 Vertreter erhalten, einen mit niederer, einen mit mittlerer und einen mit hoher Tentakelzahl. Eine Durch- sicht der Tabelle zeigt uns, daf die Mittelwerte fiir die Nach- kommen der einzelnen Vertreter stark schwanken, nirgends ist es auffallend und direkt wahrzunehmen, daf die Nachkommen der Minusvarianten einen geringeren Mittelwert zeigen als die der Plusvarianten. Doch sind die Zahlen infolge der zu geringen An- zahl von Individuen, welche beriicksichtigt werden konnten, zu un- regelmifig, um fiir sich allein zu sprechen. Ich fasse deshalb alle Linien zusammen und gebe sie in der Gesamtheit wieder. Es wurde von 25 reinen Linien je ein Repraisentant mit der niedrigsten Tentakelzahl im Mittel 6,48 ausgewahlt. Diese 25 Individuen gaben eine Nachkommenschaft von 867 Individuen mit einem Mittelwert von 7,20 Tentakeln. Demgegenitiber gestellt wurde je ein In- dividuum, welches die Plusvariante der betreffenden Linie vertrat. Von 15 dieser Linien wurden auch Vertreter mit einer mittleren Zahl von Tentakeln ausgewihlt (7,48), welche 530 Nachkommen mit einem Mittelwert von 7,27 Tentakeln produzierten. Die 687 Nachkommen dieser 25 Plusvarianten, welche im Mittel 8,60 Tentakel besafen, hatten einen Mittelwert von 6,26 Tentakeln. Aus diesen Zahlen laft sich nichts Bestimmtes ableiten. Die Nachkommen der Vertreter mit hoher Tentakelzahl haben ent- schieden einen héheren Mittelwert als die Nachkommen der Zweige mit niederer Tentakelzahl. Jedoch die Gruppe von Miittern von mittlerer Tentakelzahl (7,48) hat einen noch héheren Mittelwert der Nachkommenschaft, so daf wir hier die Abweichung einem Zufall zuschreiben kénnten. Da jedoch nicht alle Linien in dieser mittleren Gruppe ver- treten sind, so kénnen wir auch den hohen Mittelwert ihrer Nachkommen auf die Ursache zuriickfiihren, daf sich zufallig unter ihr mehr Angehérige von Linien mit hoher Tentakelzahl befinden. Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 361 Wir kénnen also den Entscheid tiber den Einflu8 der Selektion innerhalb der reinen Linie nicht nach dieser 1. Generation fallen, sondern miissen ihn einer 2. Generation tiberlassen. Ist ein solcher Einflu8 iiberhaupt vorhanden, so muf die Differenz zwischen beiden Extremen nicht nur weiter bestehen, sondern sich vergré8ern. Das ist nicht der Fall. Eine Priifung der Zahlen ergibt, da’, wenn bei strenger Isolierung nach demselben Prinzip wie in der 1. Generation verfahren wurde, die 2. Generation von Minusvarianten, 648 Ab- kémmlinge von 23 Individuen mit dem Mittelwert 6,61, einen Mittel- wert yon 7,29 hat, wahrend die 488 Nachkommen der Plusvariante (8,43) einen Mittelwert von nur 7,26 aufweisen. Die wmittlere Gruppe, welche Descendenten von 10 Linien mit dem Mittelwert 7,50 aufweist, besitzt diesmal nur 7,14 im Mittel. Damit ist die Entscheidung gefallt Die Selektion ist innerhalb der reinen Linie wirkungslos, sie ist nicht im stande, die Typen zu verschieben. Dagegen liefe sich einwenden, daf 2 Generationen nicht ge- niigen, um eine Aenderung herbeizufiihren, daS dazu einige, ja zahllose Generationen gehéren. Im allgemeinen ist dieses Argu- ment jetzt nicht mehr so beliebt wie friiher. Gerade zu Anfang der Herrschaft der Descendenztheorie versuchte man alles, was sich nicht direkt beobachten und beweisen lief’, dadurch zu er- klaren, da’ der Zeitraum der Beobachtung zu kurz sei. Jetzt haben die Erfahrungen der Ziichter gezeigt, da es dieser grofen Zeitréiume gliicklicherweise nicht bedarf, sondern dal sich die Resultate, die tiberhaupt erreicht werden kénnen, schon nach wenigen Generationen einstellen. Man erwartet nun auch nicht mehr von zahllosen Generationen, daf sie etwas zu stande bringen werden, wovon in den ersten Generationen nicht einmal eine Andeutung vorhanden ist. Wir diirfen also annehmen, da8 die weiteren Generationen uns nichts Neues bringen werden. Wir finden ihre Resultate auf untenstehender Uebersichtstabelle verzeichnet. Tabelle tiber den EinfluB der Selektion innerhalb der reinen Linien. Minimum Mittlere Gruppe | Maximum 2 Nach- é Nach- Poe Nach- Generation} Miitter | kommen Miitter eae, Miitter aaa ont t | An- | An- An- | 4, An- (An=| 52°" | An- Mw.) abl | MY: | cab | MY: | rant |" | zat | MY: | zat [MY | zal I 6,48| 25 | 7,20| 867 17,48| 15 |7,27| 530//8,60| 25 |7,26| 687 II 6,61} 23 | 7,29) 648 |7,50| 10 |7,14| 336 18,43] 23 | 7,26| 488 Ill 6,79} 14 | 7,21) 366 17,33; 3 17,39] 751/800} 14 | 7,51} 403 IV 6,25| 4 | 7,22) 87 17,00)’ 2: | 7,42) 581850) 4 | 7,07) 109 362 Elise Hanel, Die 3. Generation bringt noch einen scheinbaren Fortschritt der Selektion, der Mittelwert der Nachkommen der Plusvarianten betrigt 7,51 gegeniiber 7,39 der mittleren Gruppe und 7,21 der Descendenten der Minusvarianten. Dieser scheinbare Fortschritt verschwindet aber wieder giinzlich in der 4. Generation. Hier tritt wieder das Gegenteil ein, die Gruppe mit niederer Ausgangszahl besitzt einen bedeutend hédheren Mittelwert als die mit hoher. Zwischen 7,02 und 7,22 ist ein groBer Unterschied, der vielleicht daher kommt, daS zu wenige Linien so weit geziichtet werden konnten. Kreuzung und vegetative Bastardspaltung. Bis jetzt zeigen meine Versuche eine erfreuliche Ueberein- stimmung mit JOHANNSENS schénen Resultaten. Der Wert dieser Uebereinstimmung wird dadurch erhéht, daf es sich um ein Ma- terial von so durchaus verschiedener Natur handelt. Das, was JOHANNSEN fiir Selbstbefruchtung nachgewiesen hat, gilt in dem behandelten Fall fiir ungeschlechtliche Fortpflanzung. Dabei diirfen wir aber nicht die Unterschiede vernachlassigen, welche zwischen den reinen Linien mit obligater Selbstbefruchtung und meinen Kulturen bestehen. Hydra ist ein Objekt, bei welchem mit einer Reihe unge- schlechtlich erzeugter Generationen wohl immer eine Befruchtung, und zwar bei dieser getrennt-geschlechtlichen Form bestimmt keine Selbstbefruchtung alterniert. Ob diese Kreuzung nach einer ge- wissen Zeit eintreten mu8, wieviel ungeschlechtliche Generationen aufeinander folgen kénnen, das sind Fragen, tiber welche wir noch keine Klarheit haben. Aber wie dem auch sei, jedenfalls haben wir es nicht mit Vertretern reiner Linien, sondern mit Kreuzungs- produkten, Bastarden im weitesten Sinne des Wortes zu tun. Versuchen wir also aus dem vorhandenen Material zu schlieBen, welchen Regeln das Merkmal, mit welchem wir uns beschaftigen, bei Kreuzungen gehorcht. Direkte Kreuzungsversuche sind nicht angestellt worden, und sie sind auch mit zu vielen technischen Schwierigkeiten verbunden, um in erforderlichem Umfang bald ausgefiihrt zu werden. Aber das ware vielleicht gar nicht not- wendig. Man erkennt ja die Bastarde an ihren Nachkommen, und die vegetative Bastardspaltung verhilt sich ebenso wie die geschlechtlich erzeugter Organismen. Dr Vries fihrt Bd. I, Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 363 p. 674 eine Reihe von Beispielen an, wo die Bastardnatur vegetativ sich vermehrender Pflanzen Ursache sektorialer Variationen ist. Er bemerkt, da’ solche verdnderliche Teile in ihren Nachkommen sich konstant verhalten. Bei dem grofen Aufsehen, welches die Wiederentdeckung des Menpetschen Gesetzes gemacht hat, ist es immer die erste Sorge, neue Befunde damit in Kinklang zu bringen. Ueber das Verhalten typischer Menpetscher Bastarde bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung scheinen noch keine Angaben vorzuliegen, jedoch kénnen wir uns recht wohl vorstellen, da es dasselbe wire wie bei der Selbst- befruchtung. De Vries hat den Versuch gemacht, zu beweisen, da8 auch sogenannte Halb- und Mittelrassen, sowie Rassen mit starker fluktuierender Variabilitét der Mrnprnschen Regel gehorchen, wenn auch ihre Zahlen keine Genauigkeit besitzen. In dem vor- liegenden Fall la8t es sich unschwer erkennen, da& er nicht die entfernteste Beziehung zum Menpretschen Gesetz hat. Ich brauche woh! hier dessen Grundziige nicht zu wiederholen, sondern kann sie als bekannt voraussetzen. Das durchaus Charakteristische bei den MenpDE.tschen Kreuzungen ist das Dominieren des einen Merk- mals tiber das andere in der 1. Generation. Das mu8 nicht ab- solut sein, wie neuere Forschungen gezeigt haben, ist aber stets erkennbar. Als 1. Generation miiften wir diejenigen Hydren auffassen, die sich direkt aus dem befruchteten Ei entwickelt haben. Solche gelangten nicht zur Beobachtung. Dagegen kénnten wir das zweite Kriterium fiir MENpELsche Kreuzungen aufsuchen. In der 2. Generation tritt bekanntlich eine Spaltung ein; das recessive Merkmal kommt bei einem gewissen Prozentsatz der Nachkommen- schaft wieder zum Vorschein. Die recessiven Individuen sind dann keine Bastarde mehr, ihre Gameten sind rein und sie miissen sich bei Selbstbefruchtung als durchaus konstant erweisen. Wir miiften also in unseren Kulturen neben den Linien mit domi- nierendem Charakter, von denen sich diese mit recessivem Merk- mal im weiteren Verlauf wieder abspalten, auch solche mit dem rein recessiven Merkmal, also ganz gleichfoérmige und konstante auffinden. Wir kénnen uns nun leicht iiberzeugen, daf sich unter unseren reinen Linien nicht eine befindet, welche eine solche Konstanz aufweist. Alle variieren mehr oder weniger stark. Nach welchen anderen Regeln kann die Kreuzung verlaufen? Fiir die Kenntnis des Verhaltens meristischer Merkmale bei 364 Elise Hanel, Kreuzungen laft uns die Zoologie wieder vollkommen im Stich, wir miissen uns an das Wenige halten, was in der Botanik dar- iiber bekannt ist. Wir finden wieder bei pE Vrigs dariiber einige Angaben. Er berichtet tiber Kreuzungen von polycephalem Mohn mit solchem ohne Nebenkarpelle, welche eine Nachkommenschaft von 86 Proz. ganz ohne Nebenkarpelle, 14 Proz. mit Karpellomanie, aber in geschwachtem MaBe, lieferten. Jedoch gelingt es ihm aus 2 Exemplaren, welche die vaterliche Kigenschaft am starksten zeigen, wiederum eine Rasse zu ziichten, welche der grofvater- lichen sehr nahe kommt. Wir sehen also, da’ sich Nachkommen der Bastarde wieder spalten und isolieren lassen. Ebenso findet er bei Plantago lanceolata ramosa, dem zu 50 Proz. verzweigten Wegerich, den er mit dem unverzweigten kreuzt, 25 Proz. ver- zweigte Nachkommen. Ueber den Grad der Verzweigung gibt er nichts an, es ist aber anzunehmen, daf auch er in den Bastarden abgeschwacht war. Eine Kombination von gefiilltem und unge- fiilltem Mohn zeigt in der 1. Generation weder das Merkmal des Vaters noch der Mutter rein, sondern geringe Grade der Um- wandlung von Staubfaden in schmale Blumenblatter. Ebenso findet er bei einer Kreuzung von 3-blatterigem Klee mit 5-blatterigem unter den Nachkommen zahlreiche Vierblatter. In diesen Fallen handelt es sich allem Anschein nach um inter- mediare Bastarde, d. h. solche, welche die Mitte zwischen ihren Eltern halten. Urspriinglich hielt man alle Bastarde fiir intermediar, spaiter lenkte das Studium der Spaltungsgesetze die Aufmerksamkeit so sehr von ihnen ab, daf man sogar an ihrem Vorkommen zweifelte, bis in neuerer Zeit ihnen wieder der Platz eingeraumt wurde, der ihnen zukommt. Gewohnlich gebraucht man den Ausdruck intermediaér nur fiir Artbastarde und meint dann solche, in denen die elterlichen Eigenschaften derart kombiniert sind, daB sie sich das Gleichgewicht halten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daS auch Bastarde, deren Eltern sich nur durch ein einziges Merkmal unterscheiden, als intermediar aufgefaSt werden kénnen. Ein Beispiel hierfiir ware, wenn das Merkmal, welches beim Vater plus, bei der Mutter minus vorhanden war, im Bastarde nur die halbe Intensitat zeigt. Auch Bastarde, welche in der Farbung eine Zwischenform vor- stellen, wie z. B. Kreuzungsprodukte verschiedener Menschenrassen, gehéren in diese Kategorie. Wahrend also bei spaltenden Bastarden keine wirkliche Ver- schmelzung der Eigenschaften stattfindet, stellen die intermedidiren i | = Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 365 Bastarde eine wirkliche Zwischenform vor. Sie sind Angehdrige eines neuen Typus, der bei fortgesetzter Selektion nicht wieder in seine Elemente zerfallen kann, sondern sich in seinen Nach- kommen als konstant erweist. Das Wort konstant ist dabei nur als bedingt aufzufassen, sie sind konstant in ihrer Variabilitét, denn die fluktuierende Variabilitit kommt ihnen natiirlich ebenso gut zu, wie den reinen Linien. Kehren wir von diesem allgemeinen Exkurs zu unseren Be- funden zuriick. Wir haben gesehen, dafi auch bei fortgesetzter Kultur von Hydra sich keine Extreme isolieren lassen. Nach- stehende Tabelle zeigt uns, daf auch keine Spaltung eintritt, wenn wir anhaltend Tiere mit derselben Tentakelzahl zur Weiterzucht auswahlen. Tabelle iiber die prozentuarischen Erbzahlen fiir die Gruppen mit gleicher Tentakelzahl wiihrend einer Isolierung durch 5 Generationen. Tentakel- i 6 7 i 8 9 zahl - Nach- || 5 Nach- | 3 Nach- } 5 Nach- Th kommen |/o 4 kommen | 3 ts kommen ||o i kommen Generation 22 ee reo a3 28 An- ‘83 g Mae Ike fe An- 4 [se |et le lest [ess [eal I i9 | 27 | sos | 15 | a4 | 498|| 22 | 29 | 745 | 12 | 16 | 330 II 14 27 | 508] 16 | 42 | 466 | 19 | 28 | 554 8 | 18 | 185 IO 13..| 22 |ss0steeieae, 1451) 10.) S851 202 1 6) sty 154: IV Or 21 PU AZO MG: ea 2N i TOS ek 8 | 40 V 4 25 86 4 | 34 ed 2 | 20 56 if In jeder Gruppe obiger Tabelle wurden durch 5 Generationen immer nur Individuen mit der gleichen Tentakelzahl wie ihre Miitter weitergeziichtet. Die Erbzahlen steigen aber nicht, sie schwanken unbedeutend, bleiben aber im wesentlichen fiir jede Gruppe gleich. Dieser Umstand spricht in hohem Maf8e fiir die Wahrscheinlichkeit, daf wir es hier mit nichtspaltenden, also inter- mediiren Bastarden zu tun haben. In Bezug auf ihre Erbzahlen ist eine Population Hydra ein Gemisch von Halb- und Mittelrassen im Sinne von pe Vrikrs. Als Mittelrassen definiert DE Vries solche Rassen, bei denen ein Merkmal in einem gewissen, manchmal auch nicht hohen Prozent- satz von Individuen vorkommt. Durch anhaltende Auslese kann man jedoch schnell einen Fortschritt erzielen und sie zu einer 366 Elise Hanel, weit héheren Anzahl von Erben, bis gegen 100 Proz., bringen. Doch unterscheidet sie sich von einer reinen Rasse immer dadurch, da8 sie haufig ,Atavisten“ hervorbringt, deren Zahl rasch zu- nimmt, sobald die Selektion aussetzt. Dasselbe ist bei der Halbrasse der Fall. Diese unterscheidet sich ihrerseits von der Mittelrasse dadurch, da sie nur eine sehr geringe Prozentzahl von Erben besitzt, und daS die Selektion bei ihr sehr langsam wirksam ist. Eine gewisse Hohe der Erbzahl, etwa 25 Proz., kann dabei nicht tiberschritten werden. Dr VriEs bemiiht sich Bd. II eifrig, den Unterschied und die Grenze zwischen — Halb- und Mittelrassen festzustellen. Uns kommt es hier nicht darauf an, festzustellen, ob die reinen Linien von Hydra Halb- oder Mittelrassen bedeuten. Das Wesentliche ist wieder ihr Verhalten zur Selektion. Sowohl Halb- als auch Mittelrassen sind, wenn auch in verschiedenem Grade, der Selektion zuginglich, Wie es in dieser Hinsicht mit den reinen Linien von Hydra steht, zeigt die letzte Tabelle schon zur Geniige. Allein hatten wir die Auswahl so getroffen, wie die Tabelle zeigt, mit dem Ziel extreme Rassen zu ziichten, so hatten wir nicht die beste Methode der Selektion angewendet, sondern wir waren so vorgegangen, wie es wohl friher vielfach tiblich war. Die modernen Ziichter gehen nicht so vor, dafi sie diejenigen Exemplare, welche das Merkmal aufweisen, einfach behalten und die iibrigen ausmerzen, sondern es wird das ,, VitMortinsche Prinzip“ angewendet. Dieses beruht in der Hauptsache darauf, da8 man die Nachkommen jedes einzelnen Individuums gesondert fiir sich beurteilt, und dann diejenigen Miitter, welche den héchsten Prozent- satz von Erben aufweisen, zur Weiterzucht auswahlt. Auf diese Weise ist der Fortschritt ein viel schnellerer. Aber auch der erste Weg miifte, wenn auch langsamer und nicht direkt, zum Ziele fiihren. Er beruht auf dem Ausroden von Atavisten. yAtavist* bedeutet Verschiedenes. Es ist darunter einerseits zu verstehen ein Riickschlag auf einen grofelterlichen Typus, von welchem an den Eltern nichts zu sehen war, andererseits eine Minusvariante einer durch Selektion in einer bestimmten Richtung entwickelten Rasse. Im ersten Fall wird das Auswahlen der Trager des Merkmals einen Fortschritt erzielen, im zweiten Fall, wie uns JOHANNSENS Versuche lehren, nur scheinbar. Bei Or- ganismen mit Fremdbefruchtung wird es immer schwer zu ent- scheiden sein, welche Art von ,Atavismus“ vorliegt. Bei reinen Linien kann dagegen dartiber kein Zweifel sein. Es ist aber der Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 367 Unterschied der VerhaJtens der beiden Befruchtungsarten in dieser Hinsicht von JOHANNSEN niemals geniigend beobachtet worden. De Vrtes fiihrt Bd. I, p. 337 fiir synkotyle Rassen von Sonnen- blumen aus, daf die atavistischen Zuchtrassen einen wenn auch langsamen Riickschritt zeigen, ohne sich bestimmt dariiber zu auBern, wie die Befruchtung erfolgt ist. Wir haben gesehen, daf die Erbzahlen im Verlaufe mehrerer Generationen sich nicht steigern, es ware nun ein Leichtes zu beweisen, daf die ,,Atavisten‘‘ ebenso gute Erben sind wie die Trager des Merkmals. Ebenso macht es keine Schwierigkeiten nachzuweisen, daf auch bei der Auswahl der besten Erben kein Fortschritt statt- findet. Wahlen wir zu diesem Zweck nur diejenigen Linien, deren prozentuarische Erbzahlen 50 betragen, und sehen wir, wie sie sich im Verlaufe der Generationen verhalten. Die Zahlen dieser Tabelle bediirfen wohl keiner Erlauterung, sie sprechen fiir sich selbst. Was sie deutlich ausdriicken ist: 1) Auch eine Auswahl von Linien mit hoher Erbzahl bewirkt keinen Fortschritt. 2) In den Erbzahlen der ,,Erben“* und ,,Atavisten‘S besteht kein Unterschied. Tabelle tiber die prozentuarischen Erbzahl von ;3,Erben“ und Atavisten einer 7-tentakligen Mittelrasse. Ausgangsmaterial: 8 Hydren aus dem Ziirichsee. Nachkommen 284. Erbzahl 47. Generation | 402@b1 der | Erben pty Atavisten Miitter | Erbzahl | Anzahl Eehoabl Aneel : iS Rae ighiti tape! \* [tat inigo 308 i 7 45 286 48 248 TI 6 a fe . 248 > a = LAD Tr 165 Zusammenfassung und Schin£. Welches sind die Resultate dieser Arbeit? Ueber das tiefere Wesen der Vererbung bei ungeschlechtlicher Fortpflanzung gibt sie uns keinen Aufschlu8, sondern wir miissen uns mit Ver- mutungen, die wir daraus ableiten, vorliufig begniigen. So in- teressant es wire, die Unterschiede, welche zwischen der Ver- erbung bei zweielterlicher und bei einelterlicher oder ungeschlecht- licher Fortpflanzung bestehen, zu studieren, ein Problem, welches 368 Elise Hanel, die Zukunft gewif in Angriff nehmen wird, so kénnen wir die Lésung nicht von Versuchen an Hydra erhoffen. Die hoch aus- gebildete transgressive Variabilitét dieser Form bedingt ein un- entwirrbares Durcheinander von Faden, und da auch eine fort- gesetzte Isolation keine Reinigung herbeifiihren kann, so wird es wohl kaum je méglich werden, den Weg durch dieses Labyrinth zu finden. In anderer Beziehung kénnen wir aus den Resultaten dieser Versuche etwas lernen. Sie bilden ein weiteres Beispiel fiir den Unterschied der Erblichkeit innerhalb einer Population und innerhalb reiner Linien. Wir kénnen die Resultate hier in verschiedene Satze zusammenfassen, von denen sich einer aus dem anderen ergibt: 1) In einer Population von Hydra ist die Selektion wirksam, innerhalb der reinen Linien ist sie ganz ohne EinfluB. 2) Im Falle 1 ist die Regression eine teilweise, im 2. Falle ist sie vollstindig. 3) Die ,,Atavisten“ eines durch Selektion teilweise gereinigten Gemenges werden schlechtere Erbzahlen besitzen als die Erben. Die Erbzahlen der ,,Atavisten‘“* innerhalb der reinen Linien sind dieselben, wie die Erbzahlen der Merkmalstrager. Wenn die allgemeine Giiltigkeit dieser Tatsache einmal be- wiesen werden sollte, so wird sie auch von gréferer Bedeutung fiir eine Frage sein, die jetzt im Vordergrunde des Interesses steht, ob wir uns die gewaltigen Umwandlungen, die das Reich der Organismen seit seinem Bestehen erfakren hat, durch die Sum- mierung kleiner Abweichungen erkliren kénnen, oder ob wir anderer Annahmen bediirfen. Jetzt wire es noch verfriiht, dariiber entscheiden zu wollen. Was der Vererbungslehre fehlt, sind iiber- haupt nicht Theorien, an denen leidet sie keinen Mangel, sondern das ist ein grofes Material von Tatsachen und Erfahrungen. Es wird Sache der nachsten Zeit sein, die Resultate umfangreicher und zahlreicher Versuche, welche mit praziser Fragestellung unter- nommen werden miissen, an Stelle der verworrenen Anschauungen zu setzen, die heute noch vielfach herrschen. Dabei wird hoffent- lich auch die einelterliche Vererbung nicht zu kurz kommen, sondern ihre Kenntnis die Voraussetzung bilden fiir das Studium von Kreuzungen. Vererbung bei ungeschlechtl. Fortpflanzung von Hydra grisea. 369 1744 1744 1755 1773 1844 1850 1853 1872 1876 1878 1878 1878 1879 1879 1880 Literaturverzeichnis '). a) Arbeiten tiber Hydra. TremBuiey, Mémoires pour servir a Vhistoire d’un genre des Polypes d’eau douce 4 bras en forme de cornes, Leyde. *Baxer, H., Essai sur l’histoire naturelle du Polype Insect. 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Zreauer schlug mir vor, den Pallial- komplex der einheimischen Nacktschnecken Limax und Arion, tiber welchen nur wenige Angaben vorliegen, durch Rekonstruktion dar- zustellen und vor allem dem renopericardialen Verbindungsgang besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Ich fiihle mich ver- pflichtet, auch an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. ZirGLer zu danken fiir die mannigfachen Anregungen und das Interesse, welches er meinen Untersuchungen entgegen- brachte. Die Existenz von renopericardialen Verbindungsgiingen bei den Gasteropoden wurde wohl zuerst durch GEGENBAUR in seinen Untersuchungen tiber Pteropoden und Heteropoden (1855) nach- gewiesen. Die Durchsichtigkeit dieser pelagischen Gasteropoden-~ formen macht es begreiflich, da’ bei ihnen die Kommunikation zwischen Herzbeutel und Niere zuerst beobachtet wurde. Durch die Untersuchungen von Hancock, Birscuir u. a. wurde dann auch bei Prosobranchiern und Opisthobranchiern eine solche Ver- bindung zwischen Nephridien und Pericard nachgewiesen. Bei den Bd. XLII. N. F. XXXVI. 25 374 Gustav Rolle, Pulmonaten erfolgte die Auffindung des Renopericardialganges ver- haltnismabig spat, was wohl daran liegen mag, daf man zuerst die Stylommatophoren, und zwar als typischen Reprisentanten derselben Helix pomatia zur Untersuchung wihlte; der Reno- pericardialkanal der Stylommatophoren ist aber relativ klein und kann nur auf Schnittserien mit Sicherheit nachgewiesen werden. O. Niss~ry war es, der bei Helix pomatia den Renopericardial- kanal beobachtete, und damit zum ersten Male die Existenz dieses Kanales bei einem Repriasentanten der Pulmonaten nachwies. Diese erundlegenden Untersuchungen gaben die Anregung zu zahlreichen weiteren Beobachtungen, welche zu dem Resultat fiihrten, dal bei allen Gasteropodenfamilien der Herzbeutel mit der Niere in Kom- munikation steht. Meine Untersuchungen erstrecken sich auf eine Anzahl ein- heimischer Stylommatophoren und Basommatophoren; fiir manche der von mir untersuchten Species ist der Renopericardialkanal vorher noch nicht bekannt gewesen, fiir einige andere ist er wohl schon von friiheren Autoren aufgefunden und beschrieben worden, aber sie haben es meist unterlassen, eine klare Abbildung davon zu geben, und das ist wohl auch der Grund, weshalb man in keinem der gebrauchlichen Lehrbiicher eine genaue Darstellung oder eine brauchbare Figur vom Pallialkomplex unserer gemeinen, iiberall hiufig vorkommenden Nacktschnecken findet. Ich habe mir deshalb die Aufgabe gestellt, fiir die in unserer Gegend haufigen Nacktschnecken Limax und Arion eine genaue Beschreibung des pallialen Organkomplexes und vor allem auch eine brauchbare Ab- bildung davon zu geben. Bei den Basommatophoren Lymnaeus stagnalis und Planorbis carinatus habe ich ein im Vergleich zu den Stylommatophoren relativ grofes Nephrostom gefunden. Ich habe versucht, den Grund der Grdéfendifferenz des Renopericardial- kanals bei Stylommatophoren und Basommatophoren zu erkennen and glaube auch eine Erklirungsméglichkeit dafiir gefunden zu haben (vergl. den Abschnitt IV). Am Atrium von Lymnaeus sta- enalis habe ich eine Pericardialdriise beobachtet von ganz ahn- licher Beschaffenheit, wie sie GROBBEN fiir manche Prosobranchier beschrieb (Haliotis). Die Pericardialhéhle der Mollusken wird bekanntlich gegen- wirtig von den meisten Zoologen als ein echtes Célom angesehen; ich will im folgenden Kapitel die Argumente anfiihren, die fiir diese Auffassung sprechen. Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 375 1. Das Célom der Mollusken. Die Gebriider O. und R. Herrwie haben in ihrer Célomtheorie (1881) die Mollusken zu den Pseudocdliern gestellt, sie sprechen also diesem Stamme des Tierreiches den Besitz einer echten (sekun- diren) Leibeshéhle ab. Der grofe, den Darmtraktus und die Ge- schlechtsorgane umschlieSende Hohlraum ist allerdings zweifellos kein echtes Célom, sondern ein mit Blut erfiilltes Schizocél (pri- mire Leibeshéhle, Protocél oder Pseudocdél), ein dauernd bestehen- der Rest des Blastocéls; auch -die Muskulatur hat einen ausgepragt mesenchymatischen Charakter, wie er sonst fiir die Schizocélier typisch ist. Dennoch ist wohl zu beachten, da die Mollusken auber dem Schizocél auch noch eine echte sekundare Leibeshiéhle besitzen, welche freilich auf einen relativ kleinen Raum, den Herz- beutel, reduziert ist+). Die Pericardialhéhle der Mollusken ist auf jeden Fall als ein Célom zu betrachten, denn sie ist mit einem Epithel ausgekleidet und steht durch einen oder mehrere Kanile, die mit einem Flimmertrichter beginnen, mit der AuSenwelt in Verbindung. Phylogenetisch kann man sie als ein Gonocél auf- fassen und sie demgemaf durch Erweiterung der Gonadenhéhle und und Differenzierung derselben in einen sterilen Abschnitt und die eigentliche Gonade sich entstanden denken oder sie im Sinne der von H. E. ZimGuer begriindeten Nephrocéltheorie als eine Er- weiterung des obersten Teiles des Exkretionsorganes ansehen. Die Gebriider Hertwia, die sich konsequent auf den Boden ihrer Enterocéltheorie stellen, sind neuerdings nicht abgeneigt, die Pericardialhéhle der Mollusken als Célom anzuerkennen, méchten sie aber als Enterocél ansprechen. In der 7. Auflage seines Lehr- buches der Zoologie (1905) sagt RicHarp Hertwie auf p. 323: » Wichtig wiirde es fiir die Begriindung dieser Ansicht sein, wenn es sich bestitigen sollte, was allerdings bestritten wird, daf sich bei Paludina vivipara die Leibeshéhle (Herzbeutel) als Entero- c6l durch Divertikelbildung des Darmes anlegt.“ Die Resultate der ontogenetischen Untersuchungen sind indessen fiir diese Auffassung des Pericards als Enterocél nicht giinstig. 1) C. Gropsen und H, E. Zirmeier sind schon in den 80er Jahren fiir diese Auffassung eingetreten. Zr1ecLeR homologisierte schon in seiner Schrift tiber die Entwickelung von Cyclas cornea die Pericardialhéhle der Mollusken mit dem Colom der Chaetopoden (1885, p. 557) und fiihrte diese Ansicht in seinem Vortrage iiber die Codlomfrage (1898) genauer aus. 25™ 376 Gustav Rolle, Die Angabe v. ErLANGers, bei Paludina vivipara gehe das Peri- card aus Darmdivertikein hervor, steht ganz isoliert da, und in der spiteren Arbeit von T6NnNniGEsS wird der Auffassung v. Er- LANGERS widersprochen. Bei den meisten Mollusken, deren Ent- wickelung bekannt ist, entsteht das Célom im Innern von Meso- dermstreifen, ohne jeden Zusammenhang mit dem Entoderm. Bei manchen Gasteropoden gehen Niere, Pericard und Herz aus einer gemeinsamen ektodermalen Anlage hervor; so verhalt sich z. B. Limax maximus (nach J. MEISENHEIMER) und Planorbis corneus (nach O. POrzscH). Die Pericardialhéhle der Mollusken hat eine vorwiegend ex- kretorische Funktion und steht oft auch in Beziehung zum Genital- apparat. Auf den letztgenannten Punkt legen die Vertreter der Gono- céltheorie natiirlich besonderes Gewicht. Eine direkte Kommuni- kation der Gonadenhéhle mit dem pericardialen Célomabschnitt, wie sie in der Tat bei manchen Mo!lusken vorkommt, ist demnach als das urspriingliche Verhalten anzusehen. In _ verschiedenen Klassen des Molluskenstammes finden wir eine solche Kommuni- kation zwischen Genitalhéhle und Herzbeutel, und zwar namentlich bei solchen Formen, welche auch in ihrer sonstigen Organisation noch primitive Merkmale aufweisen, so bei den Solenogastres und bei den Cephalopoden. Bei Solemya und einigen anderen Lamelli- branchiern, ebenso bei manchen primitiven Prosobranchiern (Dioto- cardier) miindet die Gonade in das Nephridium ganz in der Nahe des renopericardialen Verbindungsganges ein; darin ist wohl die Andeutung einer friiheren, innigeren Beziehung zwischen Gonade und Herzbeutel bei der gemeinsamen Stammform aller Mollusken zu sehen. Wahrscheinlich ist auch die benachbarte Lage der Nierenoffnung und Geschlechtséffnung bei den Chitonen und den meisten Lamellibranchiern im Sinne der Gonocéltheorie zu deuten. Vom Standpunkt der Nephrocéltheorie sind die erwahnten Beziehungen des pericardialen Céloms zu den Genitalorganen, ins- besondere die Kommunikation des Herzbeutels mit der Gonadenhohle als sekundaér erworben zu betrachten. Wie schon im Namen Nephrocéltheorie liegt, betonen die Vertreter dieser Theorie be- sonders die exkretorische Funktion des Céloms; hierin ware die urspriingliche Bedeutung der sekundiren Leibeshéhle zu sehen. In manchen Fallen hat dieses Nephrocélom ein betrachtliches Volumen erreicht, und es ist denkbar, daf auf diese Weise die Gonade bei einigen Formen in die Célomwand zu liegen kam. Zu Gunsten Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 377 der Auffassung der Pericardialhédhle der Mollusken als Nephro- célom spricht die Existenz eines oder mehrerer flimmernder Ver- bindungsgaénge zwischen Herzbeutel und Nephridien. Solche Reno- pericardialkanile sind bei simtlichen Mollusken, soweit man sie daraufhin untersucht hat, gefunden worden, ausgenommen so aberrante Gruppen wie die Scaphopoden, bei denen ja der ganze Zirkulationsapparat rudimentare Beschaffenheit aufweist, oder gar Rhodope, jenes winzige, an Turbellarien erinnernde Mollusk, welches wohl in die Nahe der Nudibranchier zu stellen ist, sicher aber keine primitive, sondern eine sekundir stark modifizierte Form darstellt. Auch in dem Vorkommen von Pericardialdriisen inner- halb verschiedener Molluskenklassen —- deren Kenntnis haupt- ’ sichlich C. GrRopBEN zu verdanken ist — kann man ein Argument zu Gunsten der Nephrocdéltheorie sehen. II. Das Célom und die Niere bei den Gasteropoden. Ehe ich zur Besprechung meiner Untersuchungen tibergehe, halte ich es fiir angebracht, in den folgenden Abschnitten zunachst einen kurzen Ueberblick tiber die Célomverhaltnisse bei den tibrigen . Gasteropoden zu geben, da die Pulmonaten einen hochgradig differenzierten Seitenzweig des Molluskenstammes darstellen und ohne Beriicksichtigung des phylogenetischen Zusammenhanges mit den iibrigen Gasteropoden kaum richtig beurteilt werden kénnen. Prosobranchier und Heteropoden. Wir beginnen mit der Besprechung der Prosobranchier, der- jenigen Gasteropodengruppe, welche der gemeinsamen Stammform aller Schnecken verwandtschaftlich am nachsten steht. Primitive Merkmale zeigt vor allem auch der Pallialkomplex und zwar be- sonders bei der Unterordnung der Diotocardier, welche, wie schon im Namen liegt, noch zwei Herzvorkammern besitzen, zum Teil auch noch zwei Nieren, von denen allerdings die eine bald mehr, bald weniger riickgebildet ist. Sind zwei Nieren vorhanden, so stehen sie in der Regel auch beide durch je ein Nephrostom in Verbindung mit dem Pericard. Am vollkommensten haben sich die urspriinglichen Célomver- haltnisse nach den Untersuchungen von B. HALLER (1894) bei Cemoria, einem primitiven Diotocardier, erhalten. Cemoria wird 378 Gustav Rolle, im System gewohnlich zu den Fissurelliden gerechnet, weicht aber von Fissurella betrachtlich ab hinsichtlich der Beziehungen zwischen nephropericardialem und genitalem Colom. HAaLurr fand bei Cemoria die beiden nahezu symmetrischen Nephridien jederseits in ihrem Endabschnitt durch einen Wimper- trichter mit dem Pericard in Verbindung stehend. Nicht weit von diesen renopericardialen Kanilen miinden die hier paarigen Geschlechts- organe in die Ausfiihr- gainge der Nephridien, die somit nicht nur als Harngang, sondern 3 2 gleichzeitig als Gono- dukt funktionieren j (Textfig. 1); es erinnert dies sehr an das vor- hin erwahnte Verhalten mancher primitiver Lamellibranchier (So- lemya). Die meisten der Fig. 1. Urspriingliches Verhalten des lebenden — Prosobran- Geschlechts- und Nierensystems bei hier haben sich aber den Gasteropoden (Cemoria noachina) mehr oder weniger von nach Ha 394. i ille mit duBberer - N cena: cen. ae, 8 ink eee Nephridium, 4 linkes Ovarium, 5 rechtes Ova- rium, 6 Nierentrichter mit Renopericardialéffnung. Verhaltnissen, wie sie Cemoria zeigt, entfernt. Man ist aber wohl berechtigt anzunehmen, daf bei den friiheren Erdepochen angehérenden, ausgestorbenen Vorfahren der Proso- branchier ahnliche Beziehungen zwischen Herzbeutel, Nieren und Genitalorganen bestanden haben. Bei Fissurella finden wir wohl zwei Nieren, die rechts und links vom After in die Mantelhéhle einmiinden; das linke Nephridium ist aber sehr reduziert und kommuniziert nicht mehr mitdem Pericard (nach Hatuer). Die unpaare Gonade miindet durch Vermittelung des rechten Nierenausfiihrungsganges in die Mantel- hohle. Bei Haliotis, Turbo und Trochus sind noch beide Nephridien vorhanden. Das linke Nephridium hat seine exkretori- sche Funktion fast ganz verloren, steht aber immer noch mit dem schematisch einfachen _—— Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 379 Pericard in Kommunikation und hat eine besondere Miindung in die Mantelhoéhle. Fiir das rechte Nephridium wurde von friiheren Autoren eine Kommunikation mit dem Pericard geleugnet; nach den neuesten Untersuchungen ist ein Renopericardialgang auch auf der rechten Seite vorhanden, so daf also beide Nieren mit dem Peri- card in Verbindung stehen. Die Cylobranchier, zu welchen die artenreiche Fa- milie der Patelliden gehoért, besitzen ebenfalls zwei Nieren, von denen die linke mehr oder weniger reduziert ist. Beide Nieren stehen mit dem Herzbeutel durch je einen flimmernden Kanal in Kommunikation (K. 8. Goopricn, 1898). Neritina und Verwandte besitzen nur ein als Exkretionsorgan fungierendes Nephridium mit einem gut entwickelten Reno- pericardialgang. Die Geschlechtsdriise hat einen besonderen Ausfiihrgang, wie bei den Monotocardiern, zu welchen Neritina iiberleitet. Neritina unterscheidet sich von den Monotocardiern durch den Besitz einer zweiten rudimentiiren Vorkammer. Die Monotocardier besitzen nur eine Niere, welche stets durch einen Renopericardialgang mit dem Herzbeutel in Verbindung steht. An die Prosobranchier schliefen sich die Heteropoden an. Diese sind offenbar aufzufassen als echte Prosobranchier, und das abweichende Geprage in der 4uSeren Kérperform ist als eine Folge der Anpassung an die ausschlieflich pelagische Lebensweise zu betrachten. Fir die drei Gattungen Atlanta, Carinaria und Ptero- trachea hat schon GEGENBAUR (1855) die Existenz eines mit Flimmerepithel ausgekleideten Verbindungsganges zwischen Niere und Herzbeutel nachgewiesen. Wo sich bei den Prosobranchiern und bei den Gasteropoden tiberhaupt nur eine Niere erhalt, entspricht diese der linken Niere der Diotocardier. Auffallend ist nun, daf alle Schnecken mit nur einer Niere einen gesonderten Ausfiihrweg der Geschlechtsprodukte besitzen. Diese Tatsache wird nun von einigen Forschern (PEL- SENEER, PLATE) so interpretiert, dal} die zweite Niere (entsprechend der rechten der Diotocardier) sich wenigstens zum Teil als Ge- schlechtsgang erhilt; mit anderen Worten, da8 der Geschlechts- gang der mononephridialen Gasteropoden morpho- logisch dem rechten Nephridium der Diotocardier homolog zu setzen sei. Diese Auffassung wird durch vergleichend- anatomische wie auch ontogenetische Befunde gestiitzt. Bei den Monotocardiern miindet der Geschlechtsgang namlich noch rechts vom After (bei den Opisthobranchiern und Pulmonaten 380 Gustav Rolle, bekanntlich links), besitzt also die gleiche Lage wie das rechte Nephridium der Diotocardier. Ein Argument aus der Entwickelungs- geschichte stellt die bei Paludina vivipara beobachtete Tatsache dar, da8 embryonal zwei Nieren auftreten, die rechts und links vom Enddarm liegen, von denen sich nur eine als bleibende Niere erhalt; das andere embryonal auftretende Nephridium wird zum Gonodukt und tritt in Kommunikation mit der Gonade. Letztere entsteht aus einer Ausstiilpung der Herzbeutelwand, welche sich bald von dieser ablést (v. ERLANGER). SchlieBlich sei noch erwahnt, daf GRoBBEN (1890) bei einer Anzahl von Prosobranchiern (z. B. Haliotis, Fissurella, Parmo- phorus, Turbo und Trochus) an der vom Herzbeutelepithel ge- bildeten fuberen Wand der Atrien Pericardialdritisen gefunden hat; es handelt sich offenbar um Gebilde, die den atri- alen Pericardialdrtisen der Lamellibranchier homo- log zu setzen sind. Die Pericardialdriise besteht aus zahlreichen, dendritisch verastelten Ausstiilpungen der dorsalen Wand der beiden Vorkammern. Opisthobranchier und Pteropoden. Bei den Opisthobranchiern und Pteropoden, ebenso wie bei den spiter zu besprechenden Pulmonaten ist der nephropericardiale Célomabschnitt stets véllig von dem genitalen getrennt. Der Ge- schlechtsgang miindet weit vorn auf der rechten Koérperseite dicht hinter dem Kopfe nach aufen. Die Nierendffnung liegt weiter nach hinten, etwas vor dem After, diesem bisweilen dicht angelagert. Bei den Opisthobranchiern scheint allgemein eine Kommuni- kation zwischen Niere und Pericard vorzukommen mit Ausnahme so aberranter, sekundir stark veranderter Formen wie Rhodope, bei welcher ja ein eigentliches Herz und damit auch das Pericard ganzlich fehlt. Bei manchen Nudibranchiern ist der Renopericardial- kanal an der pericardialen Miindung blasig aufgetrieben und bildet das sogenannte birnférmige Vesikel (pyriform vesicle nach Hancock) oder das Portalherz friiherer Autoren. Ganz eigenartig verhalt sich Elysia (zu den Abranchiern gehorig) hinsichtlich der Beziehungen zwischen renalem und peri- cardialem Célom. Wahrend alle anderen Mollusken fir eine Niere auch nur ein Nephrostom besitzen, hat Elysia, deren Niere einen grofen Teil des Pericards umschlieSt, solche Kommunikationen in gréferer Zahl (11—12). —~ Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 381 Auch bei den Opisthobranchiern kommen nach Angaben von GropBeNn Pericardialdriisen vor, so bei Aplysia, Pleurobranchus, Doris und anderen. Wahrend sie aber bei den Prosobranchiern sich stets an den Atrien befanden, liegen die Pericardial- driisen der Opisthobranchier entweder in der dorsalen, der lateralen oder in der ventralen Wand des Herz- beutels. Die Pericardialdriise besteht auch hier aus zahlreichen Divertikeln der Célomwand. Das Lumen dieser Divertikel steht mit Blutriumen in Verbindung, welche vom Aortenstamm ausgehen. Die Pteropoden stehen zu den Opisthobranchiern etwa in demselben Verhiltnis wie die Heteropoden zu den Prosobranchiern. Die Pteropoden sind aufzufassen als Opisthobranchier, die infolge der Anpassung an die pelagische Lebensweise in ihrer Organisation, namentlich was die AuSere Kérperform anbetrifft, vom Opistho- branchiertypus erheblich abweichen. Die Existenz eines flimmern- den Renopericardialganges ist sowohl fiir die Pteropoda thecosomata (Limacina, Cymbulia) wie fiir die Gymnosomata (Clie) durch die Untersuchungen von GEGENBAUR (1855) erwiesen. Das Célom der Pulmonaten. Diese Gruppe miissen wir etwas eingehender behandeln. Die Pulmonaten zeigen hinsichtlich der Topographie des pallialen Organ- komplexes und damit auch des nephropericardialen Céloms ein mannigfach wechselndes Verhalten, welches von manchen 4lteren Autoren vielfach unrichtig gedeutet wurde und sie zur Aufstellung ganzlich verfehlter Theorien namentlich tiber den stammesgeschicht- lichen Ursprung der Pulmonaten verleitete (H. v. Jazrtnas Nephro- pneustentheorie). Erst im vergangenen Jahrzehnt sind diese Fragen einigermafen geklirt worden, nachdem die hervorragendsten Malaco- zoologen nach verschiedenen Richtungen hin die an Zahl und Formen so reichen Familien der Pulmonaten sorgfaltigen Unter- suchungen unterzogen haben. Besonders hervorgehoben zu werden verdienen die ausgezeichneten Arbeiten von L. PLATE, welcher nach vergleichend-anatomischen und histologischen Gesichtspunkten die einzelnen Organsysteme bei den verschiedensten Pulmonaten- familien untersuchte und besonders auch aberrante und seltene Formen mit zum Vergleich heranzog. Bei der Besprechung der Célomverhialtnisse der Pulmonaten wird es angebracht sein, dabei die stammesgeschichtliche Ent- wickelung dieser Gruppe stets wohl im Auge zu behalten, denn nur unter steter Beriicksichtigung der phylogenetischen Beziehungen 382 Gustav Rolle, wird es méglich sein, die Célomverhaltnisse bei den Lungenschnecken richtig zu deuten und zu beurteilen, urspriingliche und sekundar erworbene Eigenschaften zu unterscheiden. Die Pulmonaten halten in mancher Hinsicht zwischen Proso- branchiern und Opisthobranchiern die Mitte. Sie haben ein ortho- neures Nervensystem und sind hermaphroditisch wie letztere. Die Lage der Atmungsorgane ist dagegen in der Regel nach vorn, dem Kopfe zu gerichtet; wie bei den Prosobranchiern ist auch die Vor- kammer vor der Herzkammer gelegen, die Aorta nach hinten ge- wandt. Kine Ausnahme davon machen die opisthopneumonen Lungenschnecken wie die Oncidiiden, Testacelliden und Vaginuliden, aberrante Seitenzweige des Pulmonatenstammes, die erst in neuerer Zeit, namentlich von PLATE eingehender erforscht sind und auf die ich spater noch zu sprechen komme. Wie die Opisthobranchier so sind auch die Pulmonaten phylogenetisch in letzter Linie von Prosobranchiern abzuleiten und zwar héchst wahrscheinlich durch Vermittelung tectibranchierartiger Vorfahren. Man hat sich vor- zustellen, daf die Kieme durch Riickbildung schlieflich véllig ver- loren gegangen ist, wahrend an ihrer Stelle ein die Mantelhéhle auskleidendes Gefafnetz, die sogenannte Lunge, die respiratorische Funktion tibernahm. Die Gattung Siphonaria, die von einigen Autoren, wie z. B. RicHarp HERTWIG, zu den basommatophoren Pulmonaten, von anderen zu den Tectibranchiern gerechnet wird, stellt offenbar eine Uebergangsform zwischen beiden dar, denn auBer einem als Lunge fungierendem GefaSnetz, welches sich tiber den vorderen Teil des Mantelhéhlendaches erstreckt, besitzt Sipho- naria noch eine echte Kieme. Nach den neueren Untersuchungen von AuGust KOHLER gehért Siphonaria doch mehr in die Gegend der Tectibranchier; diesen steht sie jedenfalls ihrer ganzen Orga- nisation nach naher als den Pulmonaten selbst. Unter den echten Lungenschnecken sind nach den Unter- suchungen von PrELSENEER und PLATE die Auriculiden der gemeinsamen Stammform aller Pulmonaten am nachsten verwandt. Die Auriculiden zeigen noch sehr primitive Verhaltnisse in Bezug auf die Ausleitungswege der Geschlechtsprodukte, die sich ganz an die der Tectibranchier anschliefen. (Nach Puare fiihrt bei Pythia scarabeus von der hermaphroditen Geschlechtséffnung eine auf der rechten Kérperseite verlaufende Wimperrinne die mann- lichen Geschlechtsprodukte zum Penis, der rechts vorn am Kopfe liegt, also ganz wie bei den Tectibranchiern und Pteropoden.) Die von PuaTe untersuchte Species Pythia scarabeus zeigt Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 383 eine leicht opisthopneumone Stellung des Herzens. Bei anderen Species, wie z. B. bei Auricula myosotis, ist die Vorkammer nach vorn gewandt, hat also die der Mehrzahl der Pulmonaten eigene prosopneumone Stellung. Die Niere der Auriculiden ist ein lang- gestrecktes, bandfirmiges Organ, welches mit dem Herzbeutel durch eine grofke Renopericardialéffnung kommuniziert. Kin besonderer Ureter, wie wir ihn bei den Stylommatophoren finden, ist nicht vorhanden, sondern die Ausmiindung erfolgt durch einen kleinen Porus, der auf der rechtsseitigen Spitze der Niere ein Stiick vom Atemloch entfernt liegt. Auch die Gruppe der Oncidiiden, welche von manchen Autoren wie De Buainvitte und Brock, friiher zu den Nudibranchiern gerechnet wurden, sind nach den neueren Untersuchungen PLATES als primitive Pulmonatenformen anzusehen. (Die aufere Aehnlich- keit mit den Nudibranchiern ist eine rein zufallige.) Trotz einzelner sekundirer Modifikationen sind die Oncidiiden als eine der Stamm- form aller iibrigen Pulmonaten sehr nahestehende Seitenlinie auf- zufassen. Aus der Oncidiiden-ahnlichen Urform haben sich nach PLATE zunaichst die Basommatophoren, spater durch Uebergang auf das Land auch die Stylommatophoren entwickelt. Jedenfalls stehen die recenten Oncidiiden den Basommatophoren weit naher als den Stylommatophoren; sie sind wie jene Wasserbewohner und besitzen nur ein Paar Fiihler, die in einzelnen Fallen die Fahigkeit, sich einzustiilpen, noch nicht erworben haben. Der Pallialkomplex ist ausgeprigt opisthopneumon. Die Niere der Oncidiiden ist von ansehnlicher GréBe und durchzieht als ein langgestrecktes, schlauchfoérmiges Organ die ganze Lungenhéhle von rechts vorn nach links hinten. Der Renopericardialkanal der Oncidiiden ist zuerst von Berau gesehen worden. PLATE gibt an, daf bei grofen Arten die pericardiale Oeftnung schon mit der Lupe deutlich zu erkennen ist. Die Niere der Oncidiiden hat in den meisten Fallen schon den fiir die Pulmonatenniere charakteristischen lamellésen Bau. Ganz eigenartige Verhaltnisse zeigt die Gruppe der Vagi- nuliden. Es sind dies véllig schalenlose und wie die Oncidiiden opisthopneumone Lungenschnecken. Diese sonderbare Pulmonaten- form hatte wohl seinerzeit H. v. JHermna zur Aufstellung seiner jetzt vollig aufgegebenen Nephropneustentheorie veranlaft. v. JHE- RING teilt die Pulmonaten ein in zwei scharf voneinander zu unter- scheidende Gruppen, die Branchiopneusten und die Nephro- pneusten, welche stammesgeschichtlich ganz verschiedenen Ur- 384 Gustav Rolle, sprungs sein sollen. Nach dieser diphyletischen Auffassung ist die Lungenhohle der einen Gruppe der der anderen morphologisch nicht gleichwertig. Die Lungenhohle der Branchiopneusten (Wasser- pulmonaten oder Basommatophoren nach der gebrauchlichen Nomen- klatur) ist demnach eine umgewandelte Kiemenhéhle. Die Atem- héhle der Nephropneusten (Landpulmonaten oder Stylommatophoren) dagegen halt v. JHerine fiir den modifizierten Endabschnitt des Harnleiters. Den Prototyp der Nephropneusten sieht er eben in den Vaginuliden. ‘Tatsichlich scheint auf den ersten Blick die Mantelhéhle der Vaginuliden riickgebildet und die respiratorische Funktion auf den letzten Abschnitt eines eigenartig gestalteten, dreischenkligen Ureters tibertragen zu sein. PLATE hat nun neuerdings die Vaginuliden genauer untersucht und gezeigt, dafi das Verhalten des Pallialkomplexes keineswegs Fig. 2. Schemata zur Erklarung der Entstehung der Topo- graphie des Pallialkomplexes der Vaginuliden, nach PLATE, 1897. A Gewohnliche Lungenschnecke mit leicht opisthopneumoner Stellung des Herzens. B und C Uebergangsstadien zu den Vaginuliden. 1 Pericard mit Herz, 2 Niere, 3 Enddarm, 4 Atemloch, 5 Lunge, 6 Mantelhéhle, in B und C zum Ureter umgewandelter Teil der Mantelhéhle, 7 Miindung der Niere in die Mantelhohle. In A miindet die Niere durch einen einfachen Porus in die Mantelhéhle; B und C zeigen die Wanderung desjenigen Teiles der Mantel- hohle, der das Lungengefifnetz trigt, nach hinten, zugleich wird der tbrige Abschnitt der Mantelhéhle schmiler und bildet den sogenannten Harnleiter, der sich in 3 Schenkel gliedert, in dem Mabe, als Niere und Pericard auf die rechte Ko6rperseite riicken. Vergleiche Textfigur 3. Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 385 als urspriinglich, sondern als hochgradig differenziert anzusehen ist und daf sich der ,nephropneustische“ Apparat der Vaginuliden auf die Verhialtnisse der tibrigen Pulmonaten zuriickfiihren 1abt. Die Niere der Vaginuliden besitzt tiberhaupt keinen Ureter im morphologischen.Sinne, sondern sie steht auf dem einfachsten Stadium, welches bei dem Harnorgan der Pul- monaten beobachtet wird, d. h. sie mitindet wie bei den Auriculiden und vielen Basommatophoren durch einen einfachen Porus in die Mantelhéhlee Jenes dreischenklige Rohr, welches frihere Autoren als Ureter bezeich- nen, ist eben der Rest der Mantel- héhle. Die Gliederung derselben in drei Schenkel aft sich aus der eigenartigen Ver- lagerung, welche die pallialen Organe erfahren haben, erkliren. Die Schemata (Textfig. 2 A, B, C), welche ich der PLateschen Arbeit ent- lehnt habe, mégen das eben Gesagte erliutern. PLATE ist der Meinung, daf die Vaginuliden den Oncidiiden nahe verwandt seien, daf sie als ein weiter entwickelter, véllig an das Land- leben angepafter Seitenzweig der Oncidiiden angesehen werden kénnen. Der Renoperi- cardialkanal ist, wie aus Textfig. 3 er- sichtlich, gut entwickelt. Fig. 3. Palliale Organe einer jungen Vaginula gayi FIscHER nach PLATE. an After, atl Atemloch, atr Vorkammer, dr einzellige Driisen, per Pericard, re Niere, reper Renopericardialkanal, rect Enddarm, ventr Herzkammer, pul Lunge; inf, med, sup die 3 Schenkel der zum Harnleiter umgebildeten Mantelhohle. Die tibrigen Gruppen der Pulmonaten, die Basommatophoren, und in letzter Linie auch die Stylommatophoren, leitet PLATE, wie gesagt, von einer den Oncidiiden nahestehenden Stammform ab. Bei manchen Basommatophoren miindet die Niere direkt durch einen Porus in die Mantelhéhle, bei anderen hat sich ein gerade nach vorn verlaufender Ureter ausgebildet, dessen Epithel zahlreiche in das Lumen vorspringende Falten aufweist; so verhilt sich z. B. Lymnaeus stagnalis, wovon ich mich auf Schnittserien durch den Pallialkomplex tiberzeugt habe. Auf das pericardiale 386 Gustav Rolle, Célom und seine Beziehungen zum Exkretionsapparat will ich hier nicht né&her eingehen, in einem der folgenden Kapitel soll der Renopericardialkomplex einiger einheimischer Basommatophoren ausfiihrlich besprochen werden. Nun zu den Stylommatophoren. Unter den Lungen- schnecken haben sich die Stylommatophoren zweifellos am weitesten von der Urform der Pulmonaten entfernt. Die Anpassung an das Landleben bewirkte mannigfache Verinderungen in der Organisation, im ganzen Habitus. Diese erreichen ihren Héhepunkt bei den Nacktschnecken. Die Rickbildung des Gehauses wurde offenbar durch die Lebensweise dieser Tiere bedingt, denn ein grofes Ge- haiuse ware den Tieren beim Umherkriechen unter Steinen, Laub, faulem Holze oder in Erdspalten nur hinderlich. Die Stylommatopboren lassen sich scharf in zwei Gruppen sondern. Es sind dies einerseits die Vasopulmo- naten, wozu unter anderen die weitverbreiteten Gattungen Helix, Limax, Amalia und Arion gehéren, und die Tracheo- pulmonaten, die durch die eigenartige aberrante Familie der Janelliden reprasentiert werden. Eine genauere Kenntnis dieser letztgenannten Gruppe ver- danken wir den vorziiglichen Untersuchungen L. PLatss, des schon éfters genannten, hochverdienten Malacozoologen. Die Janelliden sind nackte Schnecken, die Schale ist bis auf einzelne, unter der Riickenhaut liegende, isolierte Kalkstiickchen riickgebildet. Die Mantelhoéhle ist stark reduziert und ist nicht von einem Lungen- gefifnetz ausgekleidet, sondern die ventrale Wand hat sich in zahlreiche, verastelte, blind endigende Divertikel ausgestiilpt. Diese Divertikel sind von einer grofen Blutlakune umgeben und haben die respiratorische Funktion ttbernommen (sogenannte Tracheal- oder Biischellunge wegen der Aehnlichkeit mit dem Tracheensystem der Insekten). Die hinter dem Pericard liegende Niere setzt sich in einen langen, mehrfach gewundenen Ureter fort (Textfig. 4). Der Ureter miindet entweder auferhalb der Mantelhéhle vor dem Atemloch (Janella Schauinslandi) oder ins Atemloch (Aneitella, Triboniophorus). Der renopericardiale Verbindungsgang verhalt sich wie bei den tibrigen Lungenschnecken. Die Stellung des Herzens ist mehr oder weniger opisthopneumon (Ventrikel mit Aorta nach vorn, Vorhof nach hinten gerichtet). Es bleiben mir nun noch die Vasopulmonaten zu be- sprechen. Da hierher die meisten unserer einheimischen Lungen- schnecken gehéren, hat man sie begreiflicherweise zuerst als Unter- Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken, 387 suchungsobjekt benutzt. Schon GreGENBAuR hielt nach den bis- herigen Resultaten der vergleichenden Anatomie der Mollusken das Vorhandensein eines Renopericardialkanals bei den Pulmonaten fiir sehr wahrscheinlich; er war es auch, der O. Ntssnin die Anregung gab, die Gattung Helix daraufhin zu untersuchen. In der Tat gelang es Nissiin (1879), durch Farbstoffinjektion vom Fig. 4. Pallialorgane von Janella Schauinslandi von der Ventralseite gesehen, nach PLATE, 1898. i Pericard, 2 Herzkammer, 2 Vor- hof, 4 Oeffnung der Niere in den Ureter, 5 Niere, 6 Renopericardialgang, 7 Sinnesorgan (Osphradium), 8 Ureter, 9 Rectum, 10 Atemgang der Mantel- hohle 11, 12 fuBere Nierendffnung. (Aus A. LANG, Mollusca.) Herzbeutel aus, wie auch auf Schnittserien, mit Sicherheit die Existenz einer Herzbeutelnierenspritze bei Helix pomatia und Helix hortensis nachzuweisen. Eine klare, brauchbare Abbildung des Herznierenkomplexes der Weinbergschnecke gab erst vor wenigen Jahren G. Srrasny (vergl. Textfig. 5). Das Nephrostom liegt ein wenig oberhalb des Ueberganges zwischen Herzkammer und Vor- kammer. Auch der Verlauf des Harnleiters ist auf dieser Ab- bildung klar zu ersehen. Bei c, in einiger Entfernung von der Nierenspitze, liegt die Uebergangsstelle der Niere in den primaren Ureter. Der Primirureter lauft dann, der Niere dicht angeschmiegt und duferlich schwer von ihr zu unterscheiden, dem Nierenrande entlang bis zur hintersten Nierenecke, biegt dann um und geht in 388 Gustav Rolle, den sekundiren Ureter iiber, welcher, dicht dem Enddarm ange- lagert, nach vorn verliuft und neben dem After miindet. -----Up ae G2) nephrst Fig. 5. Schematische Darstellung des Herznierenkom- plexes von Helix pomatia, nach G.SriAsny. atr Vorhof des Herzens, c Uebergang der Niere in den primiren Ureter wrJ, urlJ sekundarer Ureter, rect Enddarm, pe Pericard, ve Herzkammer, vp Lungenvene, nephrst Nephrostom (Renopericardialkanal). Wenige Jahre nach Ntssiins Entdeckung wies H. Simroru bei Limax maximus und Limax arborum, wie auch bei Amalia marginata die Existenz eines Renopericardialkanals nach, stellte aber fiir die Gattung Arion das Vorhandensein dieses Kanals in Abrede. Spater hat auch PLaTe die genannten Nacktschnecken einer genauen Untersuchung in dieser Hinsicht unterworfen. Seine Angaben, welche die Beobachtungen Simrorus teils erweitern, teils richtig stellen, sind anhangsweise eingeschaltet in seine Abhandlung iiber die opisthopneumonen Lungenschnecken (Bd. I, Die Anatomie der Gattungen Daudebardia und Testacella), also an einer Stelle, wo man sie kaum erwarten kann und wo sie infolgedessen leicht tibersehen werden. PLATE hat auch bei Arion empiricorum und bei Arion fuscus das Vorhandensein eines Nephrostoms im vordersten Pericardwinkel nachgewiesen (1891). Kine ausfiihrliche Beschreibung des Pallialkomplexes, insbesondere des renopericardialen Céloms Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 389 unserer einheimischen Nacktschnecken will ich im folgenden Kapitel geben. Eine merkwiirdige Pulmonatenfamilie muf hier noch erwaihnt werden. Es sind dies die Testacelliden (Agnatha). Die beiden hierher gehérenden Gattungen Daudebardia und Testacella stellen einen stark modifizierten Seitenzweig der Vasopulmonaten dar. Bei diesen raéuberischen, carnivoren Lungenschnecken, die sich nach der tibereinstimmenden Ansicht von SimrorH und PuatTe phylo- genetisch an Hyalina-ahnliche Formen der Heliciden auschliefen, ist die Lagebeziehung der Pallialorgane sekundir verandert. Der Kingeweidesack ist an das Hinterende des Korpers verlagert und stark in Riickbildung begriffen. Bei Testacella und einigen Daude- bardien ist der EKingeweidesack vdéllig verschwunden; die kleine Fig. 6. Schemata zur Demonstration der Lagerungs- verhailtnisse der Mantelorgane bei Daudebardia und Testa- cella (unter Benutzung von Figuren von PLATE, 1891). A Daudebardia rufa; B Hypothetisches Stadium, Pallialkomplex von A um 90° gedreht; C Testacella. iz Atemloch, 2 Niere, ? Harnleiter, 4 Renopericardialéffnung (Nierentrichter), 5 Herzkammer, 6 Vorhof, 7 Aorta, 8 Lungenvene, 9 Lungen- gefaBnetz. (Aus A. LANG, Mollusca.) Schale bedeckt nur noch die Lungenhéhle. Die Verlagerung des Kingeweidebruchsackes nach hinten hat schlielich zur Opistho- pneumonie gefiihrt. Den ersten Anfang dazu zeigt Daudebardia rufa. Das Pericard liegt hier weit vorn an der Decke der Lungen- hohle, der gréfte Teil des LungengefaéBnetzes hinter dem Pericard (Textfig. 6 A). Aber dieser erste Anfang der Opisthopneumonie hat die gegenseitige Lage von Herzkammer und Vorkammer noch nicht beeinfluf’t; die Vorkammer liegt bei Daudebardia rufa also noch wie sonst vor der Herzkammer. Nimmt man nun eine Detorsion um 180° an, so hat der ganze Renopericardialkomplex die gegen- iiber der typischen Lage dieser Organe bei den Pulmonaten inverse Stellung, wie sie fiir Testacella charakteristisch ist (Textfig. 6 C). Bd. XLII. N. F, XXXVI. 26 ulmonata — --- Opisthobranchia Prosobranchia Stylommatophora a =" = Gymnosomata (Limax, Amalia, Arion) ) P teropoda | ne amacidac x ecosomata ‘ Testacellidae | Vaso- a pulmonata | x Helicidae | Nudibranchia (Hyalina) | . (Rhodope) Tracheopulmonata\ (Lymnaeidae) Abranchia Heteropoda b i Basommatophora mS AE < (J poe) I (Secreta) Monotocardia OS es os / Pa : Vaginulidae > jf, > Fe Tectibranchia : 3 Oncidiidae / : pas Auriculidae Raper Kg 7 Azygobranchia } ecente 5 ee x EG yi K Cyclobranchia ¢ Dioto- cH = (Siphonaria) » | ee . |eardia Propulmonata eg re — Zygobranchia . bites Sousa = (Actaeon) Diotocardia May ar enna Procochlides Gathalenels mphineura = en P Solenogastres _——__ Lamellibranchiata (Acephala) - S| ae 2 Amphineura “a Proibllaska Stammbaum der Gasteropoden. Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 391 Der Drehung des Herzens ist auch die mit dem Pericard durch den Renopericardialkanal zusammenhingende Niere gefolgt, wihrend die Miindung des Harnleiters an der alten Stelle verblieb. Text- fig. 6 B stellt ein hypothetisches Zwischenstadium dar. Die Opisthopneumonie der Daudebardien und Testacellen ist also sekundar erworben und hat nichts zu tun mit der Opisthopneumonie der Oncidiiden, bei denen die Lagerung der Pallialorgane als ein primitives Verhalten zu deuten ist. Ich habe die Célomverhaltnisse der Gasteropoden nach phylo- genetischen Gesichtspunkten behandelt. Die Verwandtschafts- beziehungen der Gasteropoden finden ihren kiirzesten, prignantesten Ausdruck in dem nebenstehenden Stammbaum, den ich unter An- lehnung an E. Harcken (Systematische Phylogenie) und die Ar- beiten von H. Simroru und L. Prare zu entwerfen versucht habe. Ill. Der Pallialkomplex einiger einheimischer Nackt- schnecken. Material und Methoden. Meine Untersuchungen erstrecken sich auf die verschiedenen in unserer Gegend vorkommenden Species der Gattungen Limax und Arion. Gern hatte ich auch einen Reprasentanten der Gattung Amalia mit in den Kreis meiner Untersuchungen gezogen. Da aber diese Tiere hier nicht vorkommen und auch sonst selten und schwer zu bekommen sind, war es mir leider nicht méglich, mir das nétige Material zu verschaffen. Ueber die Lage des Renopericardial- kanals, die Oeffnung der Niere in den Ureter und den Verlauf des Ureters ist ja bei Amalia kein Zweifel. Ich glaube deshalb auf die schon erwihnten Untersuchungen von H. StmmroruH und L. PLatre tiber Amalia marginata verweisen zu kénnen, die in den wesentlichen Punkten tibereinstimmen und sich erginzen. Uebrigens besteht eine sehr weitgehende Aehnlichkeit zwischen den Gattungen Amalia und Limax namentlich auch hinsichtlich der Topographie des Herznierenkomplexes, worin sich ihre nahe Verwandtschaft kundgibt. Gréfere Exemplare von Limax maximus and Arion empiricorum wurden nach der Methode, wie sie von HaTscHEK und Corr (Leitfaden der Zootomie) fiir Helix pomatia angegeben wird, durch Ersticken getétet und in 4-proz. Formol leicht an- 26 * 392 Gustav Rolle, gehirtet. An so behandelten Tieren kann man gut makroskopisch durch Priparation die Lage der Pallialorgane studieren. Die feineren anatomischen Verhialtnisse lassen sich freilich durch Praparation nicht feststellen. Ich versuchte nach der Methode, wie sie NUssL~in bei Helix anwandte, durch Farbstoffinjektion vom Herzbeutel aus den Renopericardialkanal sichtbar zu machen. Diese Versuche gab ich aber bald auf, da sie meist miflangen oder doch nur zweifelhafte Resultate ergaben. Auch PLATE gibt an, da’ er sich vergeblich bemiihte, die Herzbeutelnierenspritze von Arion empiricorum zu injizieren. Die Kommunikation zwischen Herzbeutel und Niere, der Uebergang von der Niere zum Ureter und die Gliederung des Harnleiters in einen riicklaéufigen und einen aufsteigenden Schenkel Ja8t sich nur auf Schnittserien mit Sicher- heit nachweisen. Als Objekt benutzte ich hierfiir besonders die kleineren Arten Arion hortensis und Arion fuscus, die in Garten und Waldern in der Umgebung Jenas iiberall haufig zu finden sind, und von der Gattung Limax die in Garten und auf Wiesen ebenfails haufige Species Limax agrestis. Die Tiere wurden getétet, indem ich sie in eine ziemlich konzentrierte Lésung von Sublimat brachte, und zwar fand ich kaltes Sublimat geeigneter als heiffes; die Tiere namentlich der Gattung Limax waren dann schén gestreckt. Zum Toten erwies sich auch Formol 4-proz. oder Alkohol 70-proz. und darauf- folgende Behandlung mit Formol-Essigséure oder Pikrinessigsaure als sehr geeignet. In der Sduremischung blieben die Tiere 2—3 Tage liegen und wurden dann in flieendem Wasser 24 Stunden ausgewaschen. Der Zerlegung in liickenlose Schnittserien boten sich anfangs gewisse Schwierigkeiten, die namentlich durch die Schalenrudimente bedingt waren. Bei jungen Tieren von Limax agrestis wurde dies leicht dadurch behoben, da’ man die Tiere ca. 3 Tage in 4-proz. Salpetersiiure brachte, wenn Sublimat zum Toten verwendet wurde. Die zarte Schale, die hier relativ viel organische Grund- substanz enthalt, wird dann weich und bietet bei dem Schneiden mit dem Mikrotom kein Hindernis. Bei Anwendung von Formol- Essigsiure oder Pikrinessigsiure zum Fixieren ist die Behandlung mit Salpetersiure unnétig, da diese Gemische wegen ihres Saéure- gehaltes schon gentigen, um den in dem Schalchen enthaltenen Kalk zu lésen. Bei gréSeren Tieren ist es jedenfalls am zweck- mifigsten, die Schale entweder vorsichtig herauszupraparieren oder wenigstens in die dariiber liegende Decke des Schildes einen Ein- ee =a) ¢ Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 393 schnitt zu machen, der das Eindringen der Saure erméglicht und den sich entwickelnden Kohlensiureblasen das Entweichen gestattet. Bei Arion ist das Schalenrudiment ganz besonders hinderlich und lastig bei der Herstellung von Schnittpraparaten. Es bildet hier keine zusammenhiingende innere Schale wie bei Limax, sondern besteht aus harten, sandartigen Kalkkriimeln. Obwohl sie, wie die chemische Untersuchung zeigt, nur kohlensauren Kalk enthalten, sind sie gegen verdiinnte Mineralsiuren und gegen Essigsdure auferordentlich resistent. Am geeignetsten fand ich es, in den hinteren Teil des Schildes einen kleinen Einschnitt zu machen und mit grofer Vorsicht die Kalkkérnchen zu entfernen. Etwa zuriick- gebliebene Reste werden am besten durch Behandlung mit einer gesittigten wisserigen Lésung von schwefliger Siure beseitigt. Die Tiere oder der herauspraparierte Pallialkomplex wurden in der iiblichen Weise in Paraffin eingebettet (es empfiehlt sich vorher den Kopf und das Hinterende abzutrennen, da sonst das Paraffin sehr schwer in den Darm eindringt und infolgedessen Hohlraume im Objekt entstehen) und in liickenlose Schnittserien zerlegt. Fiir Uebersichtsbilder und die hernach zu besprechenden Rekonstruktionen wahlte ich Schnitte von 10 w, fiir feinere histo- logische Zwecke 5 wu. Beim Aufkleben der Schnitte nach der allgemein tiblichen Methode mit Wasser und einer auf dem Objekttrager verriebenen Spur Glycerineiweif habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Namentlich wenn die Schnitte etwas dicker sind, kommt es leicht vor, daf einige Schnitte bei der Farbung schadhaft werden. Liicken- hafte Serien sind aber fiir derartige Untersuchungen ganzlich un- brauchbar. Nach einigen Versuchen ist es mir gelungen, eine durch- aus zuverlissige Methode zum Aufkleben von Schnitten zu finden. Ich habe folgende Mischung erprobt und als sehr geeignet ge- funden; sie ist stets zu empfehlen, wenn es auf méglichst voll- standige Serien ankommt, und erweist sich namentlich auch bei dickeren Schnitten als absolut sicher. Man lése 1 g Gelatine unter gelindem Erwirmen in 5 ccm Essigsiure. Dazu gebe man 9 ccm Glycerin und 40 ccm destilliertes Wasser. Von dieser Mischung gibt man mit einem Glasstab ein wenig auf den Objekttrager und verteilt sie gut, indem man mit dem Ballen der Hand einigemal in der Richtung der Lingskante hin- und berstreicht. Dann werden die Schnitte aufgelegt und mit einer stark verdiinnten Lésung von Kaliumbichromat tiber einer 594 Gustav Rolle, Flamme gestreckt. Die tiberschtissige Chromatlésung wird dann mit einer Pipette vorsichtig abgesaugt und der Objekttrager zum Trocknen unter eine Glasglocke gebracht. Schon am folgenden Tage kann man die Farbung der Schnitte vornehmen. Auf das Prinzip dieser Methode kam ich durch die Ueberlegung, daf Chrom- leim bei Belichtung wasserunléslich wird. Was die Methoden der Farbung anbetrifft, so verwendete ich als Kernfarbstoff Hamatoxylin nach DELAFIELD oder Himatein, und zur Farbung von Plasma und Plasmaprodukten Ammoniumrubin- pikrat nach ApAtHy. Diese Farbstoffkombinationen geben sehr klare, prachtige Bilder. Gute Resultate gab auch die Farbung mit einem Gemisch von Bleu de Lyon und Ammoniumpikrat nach vorhergehender Blockfarbung mit Boraxkarmin. Um einen klaren Ueberblick tiber den Herzbeutelnierenkomplex zu bekommen und namentlich den Verlauf des Ureters, die Lage- beziehungen der Uebergangsstelle der Niere in den Harnleiter und des Renopericardialkanals festzustellen, wandte ich eine Rekon- struktionsmethode an, auf welche ich von meinem verehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. H. E. Zre@uer hingewiesen wurde. Die Rekon- struktion wurde in der Weise ausgefiihrt, da’ ich zunachst jeden zehnten Schnitt der Serie bei einer bestimmten konstanten Ver- eréBerung mit dem AppEschen Zeichenapparat zeichnete. Bisweilen war es nicht gentigend, jeden zehnten Schnitt zu zeichnen, nament- lich in der Gegend des Renopericardialganges mufte noch eine Anzahl von Schnitten interpoliert werden, so da dann etwa jeder zweite Schnitt gezeichnet wurde. Die auf einem Schnitte ge- trofienen Organe wurden dann auf eine Gerade als Basis projiziert. Die Gesamtheit dieser Geraden muf wenigstens annaihernd in einer Ebene liegen. Ich wahlte als Projektionsbasis die Verbindungs- linie der auf den Querschnitten beiderseits getroffenen ventralen Kontur des Schildrandes. Diese Linearprojektionen wurden dann hintereinander abgetragen in Abstiinden, deren Grofe sich ergibt aus der Dicke der Schnitte, aus dem Intervall und aus der an- gewendeten mikroskopischen Vergréferung. Verbindet- man nun die entsprechenden Projektionsspuren, so erhalt man einen genauen Grundrif’ des betreffenden Organes. Nur nach einer derartigen Methode ist es méglich, bei so kleinen Schneckenarten die GréfSenverhiiltnisse und die Lage des Nephrostoms, den Verlauf des Harnleiters und andere Details der feineren Anatomie genau wiederzugeben. Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 395 Der Herzbeutelnierenkomplex bei Limax agrestis (Taf. XIV, Fig. 1). Ich bevorzugte fiir meine Untersuchungen die Species Limax agrestis als Reprasentanten der Gattung, da diese kleine Form aus naheliegenden Griinden sich besser zur Herstellung von Schnitt- priparaten und vor allem auch besser zur Rekonstruktion eignet als z. B. Limax maximus. Ich habe auch von Limax maximus Querschnittserien angefertigt und mich davon tiberzeugt, daf beide Species hinsichtlich der Topographie des Pallialkomplexes fast vollig iibereinstimmen. Fiir Limax maximus hat Simrotu schon eine kleine halbschematische Abbildung (Textfig. 7) gegeben, die auch andere Autoren, z. B. J. MEISENHEIMER, kopiert haben und die ja die wichtigsten Beziehungen richtig erkennen la8t. Meine Rekonstruktion bietet ein genaueres sl Bild, insbesondere hinsichtlich der Ge- s la urd pe : ’ < __ nephrst Fig. 7. Pericardialnierenkomplex ay von Limax maximus, nach SIMROTH. pe Pericard, nephrst Nephrostom, c¢ Ueber- gang der Niere ve in den primaren Harn- leiter wrJ, uwrlI sekundirer Ureter, s? Ureter- blindsack, von SIMROTH irrtiimlich als Schleim- \ driise bezeichnet. wll stalt des Pericardiums und des Verlaufes des Ureters, aber in den Grundziigen stimmt Sivrorus Darstellung fiir Limax maximus mit der meinigen von Limax agrestis iiberein, wie man sich durch Vergleich der beiden Bilder tiberzeugen kann. [Simrotus Figur ist von unten gesehen, meine von oben; eine von beiden ist des- halb spiegelbildlich zu betrachten.| Taf. XIV, Fig. 1 ist das durch Rekonstruktion erhaltene Bild des Herznierenkomplexes von Limax agrestis, zu dessen Erlauterung folgendes zu sagen ist. Die Niere {gelb) hat etwa die Gestalt eines Halbmondes. Der konkaven Seite angelagert liegt der Herzbeutel (pc). Davor und zu beiden Seiten des vorderen Teiles der Niere breitet sich die Lungenhéhle (lgh) aus, die auf der rechten Seite des Schildes durch das Atemloch nach aufen miindet. Taf. XIV, Fig. 3 stellt einen in der Richtung C—D gefiihrten Querschnitt dar, auf dem das Atemloch getroffen ist. Im Herzbeutel liegt nach vorn gerichtet rechts oben die Vor- kammer (aé) dahinter nach links unten gerichtet die sehr muskulése Herzkammer (ve). Das Pericard umgreift die Niere namentlich nach unten um ein betrachtliches Stiick und von hier aus fiihrt 396 Gustav Rolle, auf der rechten Seite ein leicht gebogener Kanal, die Herzbeutel- nierenspritze (nephrst) von unten her aus dem Pericard in die Niere. Das flache Pericardepithel geht iiber in das Cylinderepithel dieses Kanals, in dem jede Zelle mit wenigen langen, nach der Niere zugekehrten Cilien versehen ist (Taf. XIV, Fig. 2u. 6). Taf. XV, Fig. 18 stellt die pericardiale Miindung des Nephrostoms bei Limax maximus dar. Der vom Nierenkérper umschlossene Kanal miindet zwischen einigen Driisenfalten in das Innere der Niere, wie auf einem in der Richtung A—BS gefiihrten Querschnitt (Taf. XIV, Fig. 2) ersichtlich. Das Niereninnere ist durchzogen von zahlreichen Lamellen, die durch Falten des einschichtigen Driisen- epithels gebildet werden. Die Lamellen werden gestiitzt durch Mesenchymzellen. Hier und da ist das Faltenwerk der Niere durchzogen von Blutraiumen (Nierenvenen). Die Nierenzellen (Taf. XIV, Fig. 4) sind zum gréften Teil erfillt von einer wasser- klaren Exkretvakuole. Die Zellkerne liegen meist nahe der Basis der Zelle oder sind der seitlichen Zellwand dicht angelagert. Nie habe ich bei Limax agrestis in die Exkretvakuole eingebettete, kugelige Harnkonkremente wahrgenommen, wie man sie bei anderen Pulmonaten beobachtet. Rechts ganz am vorderen Ende der Niere liegt die Ueber- gangsstelle (c) zum primaren Harnleiter (UrZ). Das Driisenepithel geht iiber in einfaches Cylinderepithel. Der Primarureter oder Ureter descendens, wie ihn PLATE bezeichnet, stellt einen flachen, breiten Schlauch dar, der einen grofen Teil der Niere tiberdeckt, seine Wandung zeigt zahlreiche in das Lumen vorspringende Falten. Am linken hinteren Rande der Niere biegt der Ureter um und geht als sekundérer Harnleiter (Ureter ascendens nach PLATE) dem rechten Rande der Niere entlang weit nach vorn, ungefabr bis zur Ausgangsstelle des primaren Harnleiters. Das Lumen des sekun- daren Ureters ist bedeutend enger als das des primaren. Er tiber- lagert den Enddarm, mit dem er sich schlieSlich zu der flimmern- den Kloake vereinigt, die etwas vor und tber dem Atem- loch, von diesem véllig getrennt, ausmiindet. Der Ureter setzt sich noch ein Stiick tiber die Kloake hinaus nach vorn fort, wendet sich dann plétzlich wieder nach hinten und 6ffnet sich in die Kloake. Dieser Teil des Ureters ist schon von SmvrotH bei Limax maximus beobachtet, aber ganz irrtiimlich als Schleimdriise gedeutet worden (Textfig. 7). PLare hat Limax arborum unter- sucht, bei welchem der Endabschnitt des sekundaren Ureters vor seiner Ausmiindung dasselbe Verhalten zeigt wie bei den tibrigen Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 397 Species dieser Gattung; er erklirt die Auffassung SrmroTHs und die Bezeichnung ,,Schleimdriise“ fiir irrig. Der Ureterblindsack ist nach Phare genau so gebildet wie der letzte Abschnitt des sekundiren Ureters. Diese Ansicht kann ich auf Grund meiner Beobachtungen nur bestitigen. Ueberhaupt stimmen die Befunde Puates bei Limax arborum sehr gut mit den meinigen bei Limax agrestis tiberein, selbst in manchen histologischen Details. Die kubischen bis cylindrischen Zellen im Epithel des Primér- ureters zeigen eine eigenartige Streifung des Protoplasmas, welche die deutliche Unterscheidung der Zellgrenzen an der Beriihrungs- stelle zweier Zellen sehr erschwert‘). Die streifige Beschaffenheit des Plasmas, die durch die Falten bedingte Vergréferung der Oberflache, wie auch die Linge des Ureters rechtfertigen meiner Meinung nach die Annahme, daf der Ureter nicht allein zur Aus- leitung des Harns dient, sondern daf er auch exkretorisch wirksam ist. Ich schliefe mich der Auffassung PLATES an, welcher die Ansicht vertritt, da im Ureter der Pulmonaten die Ausscheidung von Wasser und leicht léslichen Salzen (wohl hauptsichlich NaCl) vor sich geht, wahrend in der Niere nur die Urate abgelagert werden. Jedenfalls scheint mir doch diese Annahme weit be- rechtigter und einleuchtender als Stmrotus Auffassung, wonach der Ureter die Funktion haben soll, die von der Niere iiberfliissig ausgeschiedenen Stoffe wieder zu resorbieren. Diese Anschauung ist ganz unphysiologisch und entbehrt auch jeder empirischen Be- griindung. Bei sehr starker Vergréferung (Zeif; homog. Immersion; Ok. 8) sieht man im Epithel des primaren Harnleiters, namentlich 1) Auch L. Puare erwahnt in seiner Arbeit tiber die opistho- pneumonen Lungenschnecken (Bd. I Anatomie von Daudebardia und Testacella, 1891) die streifige Beschaffenheit des Protoplasmas in den Ureterzellen. In einer spiteren Abhandlung (Beitrage zur Anatomie und Systematik der Janelliden, 1898) nimmt er diese Ansicht zuriick und halt es fiir wahrscheinlicher, da’ es sich bei den Janel- liden und wohl auch bei den tibrigen Stylommatophoren nicht um eine eigentliche (intracellulare) Plasmastreifung, sondern um zahl- reiche feine Intercellularspalten handle. Es ist mir leider nicht gelungen, mit Sicherheit zu entscheiden, ob es bei Limax agrestis und Arion hortensis intercellulire oder intracellulare Bildungen sind, welche das streifige Aussehen bedingen, da hier die Streifung auSer- ordentlich fein ist. Fiir die Begriindung meiner Auffassung, daf der Harnleiter Anteil an der Exkretion nimmt, ist es tibrigens gleichgiltig, ob es sich um eine Plasmastreifung oder um inter- cellulare spaltférmige Vakuolen handelt. 398 Gustav Rolle, an vorspringenden Falten, einzelne Zellen, welche vor den anderen Epithelzellen sofort auffallen; sie springen halbkugelig iiber das Niveau der Nachbarzellen vor und tragen zahlreiche sehr zarte, sonnenférmig ausstrahlende Cilien (siehe Taf. XIV, Fig. 7 kz). Das Plasma zeigt auch keine streifige, sondern feinkérnige Struktur und erscheint dunkler. Derartige im Ureter einzeln verstreute Flimmerzellen hat PLaTe bei den meisten der von ihm unter- suchten Pulmonaten gefunden; er bezeichnet sie als Kalottenzellen. Der Sekundarureter ist mit einer Cuticula ausgekleidet (Taf. XIV, Fig. 8 cut), die an vorspringenden Stellen stark verdickt ist und wie aus Stabchen zusammengesetzt erscheint, wodurch leicht ein niedriger Cilienbesatz vorgetauscht wird, wie denn auch friihere Autoren angeben, der Ureter der Stylommatophoren sei mit Flimmer- epithel ausgekleidet. Die Stabchenstruktur der Cuticula ist sehr deutlich, und ich halte es fiir ein Versehen, wenn PLATE schreibt, die Cuticula sei bei Limax homogen. Die Grenzen zwischen be- nachbarten Zellen sind nicht deutlich wahrzunehmen. Auffallend sind die ansehnlichen, wasserklaren Vakuolen; ob diese inter- cellular oder intracellular sind, kann ich mit Sicherheit nicht sagen. Lungenhoéhle und Schalenkammer bei Limax. Man wird vielleicht erstaunt sein, dafi die Lungenhdhle (/gh) auf dem Rekonstruktionsbild (Taf. XIV, Fig. 1) so klein erscheint; auch mich hat das anfangs tiberrascht. Es erklart sich das jeden- falls daraus, daf ich zu dieser Untersuchung junge, nicht vdllig ausgewachsene Exemplare verwendete; dazu kommt noch der Um- stand, daf das in Sublimat oder Formol sterbende Tier natiirlich die Lungenhéhle auf ihr Minimum zusammenpreft. Um _ keine falsche Vorstellung von der Ausdehnung der Atemhoéhle zu geben, habe ich in Textfig. 8 eme Abbildung des von unten gesehenen Pallialkomplexes von Limax maximus (cinereo-niger) beigefiigt, die nach einem makroskopischen Préparat gemacht wurde. Der Schild mit dem gesamten Komplex der pallialen Organe ist nach der rechten Seite zuriickgeklappt und der Boden der Lungenhdhle ent- fernt, so daf die Atemkammer mit dem fein veristelten Venen- plexus freiliegt. Die Lungenhéhle ist ausgekleidet mit einem ganz flachen Plattenepithel, welches ektodermaler Herkunft ist. An die Epithelzellen treten einzelne Gruppen von Mesenchymzellen heran, welche wegen ihrer langgestreckten Gestalt oft schwer von den ersteren zu unterscheiden sind (Taf. XIV, Fig. 5). Nach J. MEIsen- Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 3899 HEIMER (1898) entsteht die Atemhéhle embryonal aus einer Ein- stiilpung des duferen Epithels. Die Anlage der Lungenhdéhle tritt schon sehr friih in innige Beziehung zum BlutgefaSsystem; indem Blutraiume sich gegen das abgeplattete Epithel vorwélben und dieses sich in Falten legt, erfolgt die Bildung des Lungengefafnetzes. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 8 Pallialorgane von Limax maximus von unten ge- sehen. Der Schild ist nach rechts zuriickgeklappt und der Boden der Lungen- hdhle entfernt. pul Lungenvenenplexus, atr Vorhof, ve Herzkammer, re Niere, rect Enddarm, dAo.a Aorta anterior, d4o.p Aorta posterior, do.g Aorta genitalis, Ao.c Aorta cephalica. Fig. 9. Schale von Limax maximus LupenvergréBerung (5 fach). Oberhalb der Niere liegt ein véllig abgeschlossener Hohlraum, die Schalenkammer (Taf. XIV, Fig. 2 und 3 sk). Sie enthalt die innere Schale, eine flache, konzentrisch geschichtete Platte von muschelartigem Aussehen, welche das Rudiment des Schnecken- hauses ist (Textfig. 9). Das Schichtungszentrum, der Apex, ist nach hinten gerichtet. In Taf. XV, Fig. 16 ist ein Stiick des auf einem Querschnitt getroffenen Schalenraumes bei stirkerer Ver- gréBerung dargestellt. Die obere Wand der Schalenkammer ist gebildet von einem Plattenepithel, die untere von kubischen Epithel. Die untere Wand zeigt jederseits eine Einfaltung, an welcher das kubische Epithel in hohes, grofkerniges Cylinderepithel tibergeht. Diese Zellen sind es offenbar, welche die jiingste Schicht am Rande der Schale absondern. Schon die Ueberlegung, da’ die Nacktschnecken abstammen von Gehiuse-tragenden Formen, bei denen sich der Mantel tiber die Schale hiniibergeschlagen und diese umwachsen hat, macht es in hohem Grade wahrscheinlich, daf das Epithel, welches die 400 Gustav Rolle, Schalenkammer der Nacktschnecken auskleidet, vom Ektoderm ab- zuleiten ist. Diese Annahme wird bestitigt durch MEISENHEIMERS Untersuchungen iiber die Entwickelungsgeschichte von Limax maximus. MEISENHEIMER beobachtete, daf die Schalentasche hervorgeht aus einer Einstiilpung des Ektoderms, deren Rander nach Art der Amnionbildung miteinander verwachsen. Es ent- steht so eine abgeschlossene, rings von Mesenchym umgebene Blase rein ektodermaler Herkunft (Textfig. 10 und 11). Diese erste Fig. 11. Fig. 10. Sagittalschnitte durch Embryonalstadien [von Limax maximus, nach MEISENHEIMER, 1896. A ganz junger Embryo, B etwas alteres Stadium. Kb Kopfblase, Sd Schalendriise, Hd Enddarm, Mz Mesodermzellen, # FuB8, M Mund, Bi Blastoporus, Hz Entodermzellen. (Aus A. Lane, Mollusca.) Fig. 11. Sagittalschnitt durch einen Embryo von Limax maximus, spiiteres Stadium, die Schalenkammer hat sich yéllig vom Ekto- derm losgelést und ist rings von Mesenchym umgeben, nach MEISENHEIMER, 1898. Kb Kopfblase, eis EiweiBsack, w Wimperwulst, rt Radulatasche, f Fub, pe Podocyste, oes Oesophagus, mz Magenzellen, ed Enddarm, sd Schalendriise. (Aus A. LANG, Mollusca.) Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 401 Anlage des Schalenraumes tritt schon auf sehr friihen Stadien kurz nach der Gastrulation auf. Nachdem sich die Blase vom Ektoderm véllig getrennt hat, nimmt sie mit der fortschreitenden Entwickelung des Embryos an Ausdehnung zu und mit der schlief- lichen Differenzierung der Zellen zum Plattenepithel im oberen und zum kubisch-cylindrischen Epithel im unteren Teil nahert sich die Anlage der Schalentasche schon sehr der definitiven Be- schaffenheit. Zur Erlaiuterung der Textfig. 10 und 11, die der MEIsEN- HEIMERSChen Arbeit entlehnt sind, sei nebenbei bemerkt, daf bei Limax wie bei der Mehrzahl der Gasteropoden aus dem Blasto- porus der Mund hervorgeht und nicht der After, wie das sonst meist der Fall ist. An der Oberfliche des Schildes ist die Epidermis durchsetzt mit zahlreichen, auferordentlich grofen, einzelligen Driisen (Taf. XV, Fig. 19). Der Kern liegt in den Driisenzellen stets dicht an der Wandung, gewohnlich im basalen Teile der Zelle. Unter der Epi- dermis sieht man zwischen den Driisenschliuchen Pigmentzellen von mannigfacher, dendritischer Gestalt. An die Driisenzellen setzen sich die Muskelfibrillen des faserigen Bindegewebes an, welches von zahlreichen Blutspalten durchzogen ist; die Binde- gewebsfasern umspinnen die Driisen; sie treten bisweilen bis zur Epidermis heran. Der Herzbeutelnierenkomplex von Arion hortensis (Taf. XIV, Fig. 9). Wie schon StmrotH und Puate hervorheben, ist die Gestalt der Niere bei der Gattung Arion von der Form der Niere bei den tibrigen Pulmonaten sehr verschieden. Sie umgibt bei Arion (die drei Species Arion empiricorum, Arion fuscus und Arion hortensis verhalten sich in dieser Hinsicht véllig gleich) den Herz- beutel in Gestalt eines elliptischen Ringes. Ich kann fiir die von mir untersuchten Species die Angabe Plates bestitigen, daf nicht nur die auffere Gestalt, sondern auch das Lumen der Niere einen vollkommen in sich geschlossenen Ring darstellt. Ich habe niemals weder auf Horizontalschnitten noch auf Querschnitten ein den hinteren Nierenbogen durchziehendes Septum beobachten kénnen, welches der Srimroruschen Auffassung entsprache, die Niere von Arion habe die Gestalt eines Hufeisens, dessen freie, nach hinten gerichtete Schenkelenden sich beriihren. 402 Gustav Rolle, Der von der Niere rings umschlossene Pericardialraum ver- jiingt sich nach vorn und geht in die flimmernde, hier verhiiltnis- mafig enge Herzbeutelnierenspritze tiber. PLATE sagt, dai der Renopericardialkanal bei Arion auf Querschnitten schwer zu finden sei; ich kann das nicht bestatigen. Er ist mir sofort auch auf Querschnitten aufgefallen. Es ist allerdings schwieriger als bei Limax, die renale Miindung des engen, quergetroffenen Kanals auf einem einzelnen Schnitt aus den Driisenfalten der Niere heraus- zufinden; wenn man aber auf vollstandigen Schnittserien die Wand des Pericardiums verfolgt, so ist das Nephrostom auch auf Quer- schnitten nicht zu tibersehen. Das flache Pericardepithel geht in kubisch-cylindrisches Flimmerepithel iiber. Histologisch verhiilt sich das Nephrostom von Arion ganz wie das von Limax. Jede Zelle tragt auch hier wenige lange, der Niere zugekehrte Cilien. Taf. XV, Fig. 17 zeigt die renale Miindung der Nierenspritze von Arion empiricorum auf einem Frontalschnitte. Die Wandung zeigt einige nach innen vorspringende Falten. Die Zellen des Kanals werden wegen ihrer grofen Kerne stark mit Hamatoxylin gefarbt, wodurch sich die Nierenspritze ziemlich deutlich aus ihrer Umgebung abhebt. Uebrigens scheint mir die halbschematische Abbildung des Herznierenkomplexes von Arion empiricorum bei PLATE, was die Richtung und den Verlauf des Renopericardialkanals anbetrifft, nicht ganz zutreffend oder wenigstens nicht deutlich genug zu sein, ebenso seine Beschreibung des Nephrostoms im Text. Ich habe bei Arion hortensis durch genaue Rekonstruktion und bei Arion fuscus und Arion empiricorum auf Frontalschnitten gefunden, dal der zunachst nach links oben verlaufende vordere Pericardwinkel, ungefahr da, wo der Cilienbesatz beginnt und das Pericard in das Nephrostom iibergeht, als Renopericardialkanal sich nach rechts wendet. Die Miindung in die Niere ist stets deutlich nach rechts gerichtet. Aus Puaters Darstellung ist das nicht klar zu ersehen. Dicht neben dem nach vorn gerichteten, zugespitzten Pericard- winkel liegt auf der Dorsalfliche der Niere die Oeffnung (¢) in den Ureterkopf, den geraumigen Anfangsteil des primaren Harn- leiters (vergl. das Rekonstruktionsbild Taf. XIV, Fig. 9 und Fig. 10, welche diese Stelle auf einem Querschnitt zeigt, der in der Richtung A—B gefiihrt wurde). Diese Uebergangsstelle ist auf eine kurze Strecke mit Cilien besetzt. Der primare Harnleiter lauft dem rechten Nierenrand entlang nach hinten und geht schlieflich in den hier ziemlich geraéumigen sekundiren Ureter tiber, welcher Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 403 den primaren Harnleiter und einen betrachtlichen Teil des rechten Nierenrandes besonders nach unten umgreift und vorn auf der rechten Seite des Schildes mit dem Enddarm zusammen in das Atemloch miindet. Der Sekundarureter breitet sich nach unten bis zur Beriihrung mit dem Pericard aus, ja schiebt sich zwischen Niere und Pericard ein, wie auf dem Totalbild (Taf. XIV Fig. 9 die —- -—--— Kontur) und noch besser auf dem in Taf. XIV Fig. 11 dargestellten Querschnitt C—D ersichtlich. Die gemeinsame Miindung von Enddarm, Ureter und Atemhohle ist mit dichten niedrigen Cilien ausgekleidet. Die Lungenhohle bildet einen langlich ringférmigen Raum, der sich véllig um die Niere herumlegt. Histologisch verhalt sich die Lunge von Arion hortensis ganz wie bei Limax agrestis. Auch die Niere und der Ureter zeigen in ihrer histologischen Beschaffenheit Aehnlichkeit mit Limax und anderen Stylommato- phoren. Der Nierenkérper besteht, wie sonst, aus zahlreichen, von Mesenchym gestiitzten, hier und da von Blutriumen durchzogenen Falten, die von einem einschichtigen Epithel einzelliger Driisen gebildet werden. Die Nierenzellen erscheinen kleiner und dichter zusammengedringt als bei Limax agrestis. Bei Arion hortensis habe ich keine Harnkonkremente beobachtet, wohl aber bei Arion empiricorum (Taf. XIV Fig. 14). Den gré8ten Teil einer solchen Nierenzelle nimmt auch hier eine Exkretvakuole ein. Die Kerne liegen gewohnlich im basalen Teile der Zelle oder seitlich der Zell- wand dicht angelagert. Bei Arion empiricorum umschlieft die Exkretvakuole in der Regel nur ein einziges, kugeliges, stark licht- brechendes Harnkonkrement. Dieses liegt fast ausnahmslos im oberen Teil der wasserklaren Vakuolenfliissigkeit oder in deren Zentrum; sehr selten beriihren diese Konkremente das in den basalen Teil der Zelle verdrangte Plasma. Aehnliches fand PLATE bei den Janelliden; auch hier liegt das Konkrement meist im Zentrum der Exkretvakuole. PLats folgert daraus, daf die Vakuolen- fliissigkeit eine zihfliissige, gallertige Masse sein miisse, denn ,,ware sie wisserig, so wiirde das Konkrement der Schwere folgen und zu Boden sinken“. Das Ureterepithel ist bei Arion hortensis noch reichlicher ge- faltet als bei Limax agrestis. Der absteigende und aufsteigende Schenkel des Harnleiters zeigen im wesentlichen die gleiche histo- logische Beschaffenheit. Taf. XIV Fig. 13 zeigt ein Stiick der Wandung des primiren Ureters von Arion hortensis bei starker Vergréferung. Wir sehen die kubischen Ureterzellen, deren Plasma 404 Gustav Rolle, gestreift erscheint; dazwischen eingekeilt die itiber das Niveau der Nachbarzellen hervorspringenden, uns schon von Limax her be- kannten Kalottenzellen mit den zarten, divergent ausstrahlenden Cilien und dem dunkel gefarbten, feinkérnigen Plasma. Die Kalotten- zellen liegen bei Arion in kleineren Abstanden als bei Limax; doch stehen sie auch bei Arion durchaus nicht tiberall so dicht wie gerade auf der abgebildeten Stelle, welche einer vorspringenden Falte des primaren Harnleiters angehdrt. Kurz vor seiner Miindung ist die Wandung des sekundaren Ureters an der nach auSen gekehrten Seite abgeplattet, besonders da, wo er der Schilddecke angelagert ist. Das mag H. SmmroTH zu der Behauptung veraula8t haben, der sekundaére Harnleiter sei bei Arion ein Halbschlauch, d. h. er sei nur auf der freien, inneren Seite mit eigener Wandung versehen. Diese Behauptung ist nicht richtig. Der sekundiare Ureter besitzt, wie schon PLaTE bei Arion fuscus fand und wie ich es fiir Arion hortensis bestatigen kann, allseitig sein eigenes Epithel. PLATE spricht in seiner Abhandlung iiber die opisthopneu- monen Pulmonaten Daudebardia und Testacella die Ansicht aus, dafi sowohl der sekundére wie der primare Harnleiter der Stylom- matophoren aus der Wandung der Atemkammer hervorgegangen sei (also gerade das Gegenteil der sonderbaren, jetzt allgemein aufgegebenen Nephropneustentheorie v. JHeRINGS). Der sekundare Ureter ist nach PLare nur als ein umgebogener Teil des primaren Harnganges zu betrachten. Ein Argument fiir seine Auffassung, der gesamte Harnleiter sei aus der Wandung der Lungenhéhle entstanden, sieht er darin, da’ bei Testacella fischeriana in der Lungenhohle ebensolche Kalottenzellen vorkommen, wie sie fiir den Ureter der Stylommatophoren charakteristisch sind. Diese Ansicht griindet sich allein auf den eben erwihnten histologischen Befund und miibte erst entwickelungsgeschichtlich bestatigt werden. Fiir den sekundaren Harnleiter ist PLares Auffassung wohl zutreffend. J. MEISENHEIMER fand bei Limax maximus (Organogenese einer Lungenschnecke, 1898), daf der sekundaére Ureter ontogenetisch aus einer Rinne der Mantelhéhle entsteht. Der primare Harn- leiter dagegen geht aus einer gesonderten Einstiilpung des Ekto- derms hervor. Der Schalenraum nimmt bei Arion dieselbe Lage ein wie bei Limax. Er enthalt, wie schon erwahnt, kein zusammenhangendes Schalenrudiment, sondern lose, sich sandartig anfiihlende Kérnchen aus kohlensaurem Kalk. Die Schalenkammer ist allseitig von Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 405 einem Plattenepithel ausgekleidet, in welches nur an den Seiten, wo die untere Wand in die dorsale tibergeht, auf eine kleine Strecke cylindrische Zellen eingeschaltet sind. Dieser Streifen cylindrischen Epithels entspricht offenbar den hohen Cylinderzellen, welche bei Limax am Schalenrand zu finden sind (vergl. Taf. XV, Fig. 16). IV. Die Renopericardialverbindung bei einigen ein- heimischen Basommatophoren. Nach meinen Untersuchungen tiber den Herzbeutelnieren- komplex unserer Nacktschnecken habe ich auch zwei Reprasentanten einheimischer Basommatophoren, Lymnaeus stagnalis und Planorbis carinatus zum Vergleich herangezogen. Zunachst untersuchte ich Lymnaeus stagnalis und fand hier ein gut ausgebildetes Nephrostom, welches mich durch seine Groéfe tiberraschte. Der kraftig flim- mernde Kanal (Taf. XV, Fig. 20) zeigt einige in das Lumen vor- springende Falten; die pericardiale Miindung ist auferordentlich weit (420 w). Bei einem erwachsenen Tier mifSt das Lumen des Kanals im Mittel ca. 310 uw im Durchmesser. Es ist interessant, die Mafzahlen des Nephrostomlumens bei den Pulmonaten miteinander zu vergleichen. Ich habe da folgende Werte gefunden: mittlerer Durchmesser des Renopericardialkanals Limax agrestis 28 w Limax maximus 58 uw Helix pomatia 40 u Arion empiricorum 60 w}) Arion hortensis 28 uw : ~renale Miindun 200 ee tae oan x pericardiale MahGAne 420 Planorbis carinatus 40 wu Aus diesen Zahlenangaben ersieht man, dai die Basomma- tophoren — wenn man die Gesamtgréfe und das Ge- wicht des Tieres mit in Betracht zieht — ein erheb- lich weiteres Nephrostom haben als die Stylommato- 1) Diese Zahl bezieht sich nur auf den eigentlichen Kanal, die bedeutend erweiterte renale Miindung (bis 210 uw) ist nicht mit in Berechnung gezogen. Bd. XLII. N. F. XXXVI. 27 406 Gustav Rolle, phoren. Fir Lymnaeus stagnalis ist das ohne weiteres evident, und der kleine Planorbis carinatus hat einen Renopericardialkanal von demselben Durchmesser wie die unvergleichlich viel gréSere und schwerere Helix pomatia. Da das Pericard eine exkretorische Bedeutung hat, so kann man aus der relativen Weite des Renopericardialkanals einen Schlu& ziehen auf die relative Menge der Fliissigkeit, welche in dem Pericard abgeschieden wird. Daher ist anzunehmen, daf bei den Basommatophoren, welche ein verhiltnismaig weites Nephrostom haben, sehr viel Fliissigkeit im Herzbeutel abgesondert und durch die Nierenspritze entleert wird, bei den Landschnecken aber relativ wenig. In Uebereinstimmung damit steht das Vorkommen einer Pericardialdriise bei Lymnaeus stagnalis. Ueber eine Pericardialdriise am Atrium von Lym- naeus stagnalis und die exkretorische Funktion des Pericardepithels tiberhaupt. Der in Taf. XV, Fig. 20 dargestellte Querschnitt durch den Herznierenkomplex Jaft am Vorhof zahlreiche, diinnwandige Diver- tikel erkennen. Diese Divertikel sind gebildet von der dem Peri- cardepithel angehérenden Wandung des Atriums. Taf. XV, Fig. 21 stellt ein paar solcher Gebilde bei starker Vergréferung dar. Das freie, blasig aufgetriebene Ende der Divertikel ist von stark ab- geplatteten Zellen begrenzt. Nahe der Basis nehmen die Zellen mehr kubische Gestalt an. Hier setzen sich Muskelfibrillen an, die auch zum Teil in das Innere des Divertikels hineinreichen. Ich halte dieses Gebilde, wie gesagt, fiir eine Form der Pericardial- driise, wie sie ja schon durch C. GRoBBEN an den Atrien einiger Prosobranchier und auch bei Opisthobranchiern am Aortenstamm beobachtet wurden. Die von Groppen fiir Haliotis gegebene Be- schreibung und Abbildung der atrialen Pericardialdriisen zeigt sehr viel Aehnlichkeit mit meinem Befund bei Lymnaeus stagnalis. Ich kann also die Angabe Groppens, daf bei einer Anzahl von Prosobranchiern und Opisthobranchiern Pericardialdriisen vor- kommen, dahin erweitern, daf auch Lymnaeus stagnalis, also ein Reprasentant der basommatophoren Pulmonaten, eine Atrialdriise besitzt. ‘ Was Grossen iiber die Funktion dieser Organe sagt, will ich wortlich zitieren: ,,Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, daf Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 407 diese als Pericardialdriise gedeuteten Organe eine exkretorische Bedeutung haben wegen der innigen Beziehung zum Blutgefa- system. In der Struktur der Zellen kommt freilich diese exkre- torische Tatigkeit nicht zum Ausdruck; ihre flache Gestalt ist aber der Abscheidung von Wasser jedenfalls giinstig. Es ist die exkretorische Bedeutung auch deshalb wahrscheinlich, weil die Pericardialdriise tiberall da gut ausgebildet ist, wo wir ein grofges, kraftig flimmerndes Nephrostom finden (z. B. bei den Opisthobranchiern). Aus der bedeuten- den Gré8e des Trichters ist zu schlieBen auf die Not- wendigkeit eines Organs dieses Umfanges, welche durch funk- tionelle Anpassung erlangt wurde, und damit weiter auf die sehr lebhafte, exkretorische Tatigkeit des Herz- beutelepithels, die durch die Saugwirkung des Flimmertrichters wiederum eine gesteigerte sein mag. Vielleicht besteht auch eine Korrelation zu der mit der Nahrungsaufnahme verkniipften Aufnahme grofer Fliissigkeits- mengen.‘ GROBBEN sucht so eine kausale Erklirung fiir das Vorkommen einer Pericardialdriise in Korrelation mit einem grofen Nephrostom bei den Wasserschnecken zu geben. Er ist der Ansicht, da das exkretorische Pericardepithel hauptsachlich der Ausscheidung von Wasser dient, und ich teile seine Meinung. Wahrscheinlich kommen als Abscheidungsprodukte der Pericardialdriise nur in Betracht Wasser und leichtlésliche Salze von geringer Molekulargréfe (NaCl etc.), jedenfalls nur Kristalloide und keine Kolloide, denn nur erstere vermégen durch Diffusion eine semi- permeable Membran zu durchdringen. Dabei ist natiirlich voraus- gesetzt, daB sich die Wandung der Atrialdriise wie eine semi- permeable Membran verhalte 4). Um die Abscheidung von Wasser durch die Pericardialdriise und die Entleerung durch das Nephrostom auch auf direkte Weise zu ermitteln, habe ich auf einen mir von Herrn Prof. ZreGLER erteilten Rat folgende Experimente gemacht. Ein Exemplar von Lymnaeus stagnalis, das ich in einem Aquarium mit Wasserpflanzen, also unter normalen Lebens- 1) Ich halte diese Annahme fir wahrscheinlich. Allerdings kann ihre Richtigkeit nicht mit absoluter Sicherheit behauptet werden, da sich lebende Zellen in Bezug auf die Diffusionsvorgange anders verhalten kénnen als leblose Membranen. Pree 408 Gustav Rolle, bedingungen, eine Zeitlang hielt, wurde, nachdem das der Schale anhaftende Wasser abgetropft und mit FlieSpapier entfernt war, zur Wagung gebracht; dann einige Zeit (18—24 Stunden) in einer mit Feuchtigkeit gesittigten Atmosphaére schwebend erhalten und wieder gewogen. Das Tier hat natiirlich an Gewicht abgenommen und zwar um ca. 4—6 Proz. je nach der Dauer des Versuches. Wodurch wird nun die Gewichtsabnahme bedingt? Zweifellos in erster Linie durch den Wasserverlust, und zwar einerseits durch die exkretorischen Organe, andererseits durch die Hautoberflache. Die Verdunstung an der Oberfliche kann aber nur gering gewesen sein, da das Tier sich in einer mit Feuchtigkeit gesattigten Atmosphare befand. In Betracht zu ziehen ist ferner, daf der RespirationsprozeS gesteigert sein kann, wenn das normalerweise im Wasser lebende Tier dauernd von Luft umgeben ist. Jeder Atmungsprozef ist aber, chemisch betrachtet, einem Verbrennungs- prozef} zu vergleichen, bei dem Kohlendioxyd und Wasser ent- steht, und das hat einen Gewichtsverlust zur Folge. Aber bei der geringen Intensitat des Lebensprozesses eines in Ruhe befind- lichen kaltbliitigen Tieres diirfte auch der Gewichtsverlust durch Abgabe von Kohlensiure infolge der Atmung nur unbedeutend sein. Wenn man aber die Gréfe des Nephrostoms bedenkt, die ja nach meinen Messungen 0,3—0,4 mm betrigt und nun in Er- wagung zieht, daB in 18 resp. 24 Stunden eine recht ansehnliche Fliissigkeitsmenge durch den Kanal entleert werden kann, so ist es wohl wahrscheinlich, da8 der Gewichtsverlust zum gréSten Teil durch die auf diesem Wege abgegebene Flissigkeitsmenge bedingt ist. Es ware sonst auch nicht einzusehen, welchen Zweck das grofe Nephrostom haben sollte. Die Vermutung Gropsens, die Pericardialdriise in Korrelation mit einem besonders grofen Nephrostom sei eine funktionelle An- passung an die mit der Nahrungsaufnahme verkniipfte Aufnahme groBer Flissigkeitsmengen, habe ich durch meine Experimente jedenfalls bestatigen kénnen. Wenn ich namlich das Tier, nach- dem es langere Zeit auferhalb des Wassers gehalten und dann gewogen wurde, wieder in ein Gefaif brachte, das nur reines Wasser enthielt, so hatte es schon nach Verlauf von °/, bis 1 Stunde sein urspriingliches Gewicht wieder erreicht, ja bisweilen sogar iiberschritten. Die Schnecke tritt dabei so weit wie moéglich aus dem Gehause hervor und scheint begierig Wasser einzusaugen. Wie weit die Wiederaufnahme des Wassers durch den Mund, wie weit sie durch die Haut geschieht, lift sich natiirlich nicht sagen. Be ee ee al -— Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 409 Einige Resultate meiner Wagungen will ich hier anfihren: Gewicht der Schnecke Gewicht nach Gewicht nach darauf- bei Beginn des Ex- 24-stiindigem Aufent- folgenden 1-stiindigem perimentes halt in Luft Aufenthalt in Wasser 2,735 g 2,615 g 2,770 g 18-stiindigem Aufent- /,-stiindigem Aufent- halt in Luft halt in Wasser 4,262 g 4113 g 4,259 g 24-stiindigem Aufent- 1-stiindigem Aufent- halt in Luft halt in Wasser 4,845 g 4,562 g 4,832 ¢ Nach meinen Beobachtungen bei Lymnaeus stagnalis kam ich anfangs auf die Vermutung, da& vielleicht bei den Basommato- phoren ganz allgemein eine atriale Pericardialdritise vorkomme. Ich untersuchte daraufhin Planorbis carinatus auf Schnitt- serien, habe aber an der vom Pericardepithel gebildeten Vorhof- wandung keine durch Divertikelbildung bedingte Oberflichen- vergréferung wahrnehmen kénnen, welche als Pericardialdriise im Sinne GrRoBBENS zu bezeichnen wire. Der Vorhof zeigt vielmehr eine einfache glatte Wandung. Dennoch bin ich fest davon tiberzeugt, da auch hier die pericardiale Wandung des Atriums der Ex- kretion von Wasser und Salzen dient. Dazu berechtigt mich nicht nur die Existenz eines relativ grofen Nephrostoms; die Zellen der Wand des Atriums sind namlich, wie auf Textfig. 12 ersichtlich, auferordentlich stark abgeflacht zu einer ganz diinnen Membran, die zwei- fellos wasserlésliche Kristalloide leicht hindurch diffundieren laft. Die spirlich verteilten, flach scheibenformigen Kerne wéolben sich bisweilen buckelartig nach aufSen vor. Wenn ich aus den angegebenen Griinden darauf schlieBe, daf die peri- cardiale Wand des Atriums auch bei Planorbis carinatus wesentlichen Anteil an der Exkretion Fig. 12. Schnitt durch den Herzbeutel von Planorbis carinatus. pe Pericardialhéhle, atr diinn- wandige Vorkammer, ve muskulése Herzkammer. nimmt, so behaupte ich damit keineswegs, daf nur dieser Teil des Pericardepithels exkretorisch wirksam sei; ich halte es im Gegenteil fiir wahrscheinlich, da8 auch die tibrigen 410 Gustav Rolle, Partien der flachen Pericardwand, soweit diese mit Blutlakunen in Bertihrung stehen, fiir die Exkretion in Frage kommen. In Textfig. 13 habe ich eine schematische Darstellung des Herznierenkomplexes von Planorbis carinatus gegeben, der sich auferordentlich einfach verhalt. In keinem der gebrauchlichen Lehrbiicher, auch nicht in der mir zugiinglichen Fachliteratur, habe ich eine klare brauchbare Abbildung des Organkomplexes gefunden, aus der die Lage des Nephrostoms zu ersehen wire. Die Niere ist ein einfacher, nach vorn gerichteter Schlauch, der keine deut- liche Differenzierung in Nierenkérper und Ureter zeigt, wie wir Fig. 13. Fig. 14. Fig. 13. Schematische Darstellung des Pericardialnieren- komplexes von Planorbis carinatus. atr Vorhof, ve Herzkammer, pe Herzbeutel, re Niere, nephrst Nephrostom. Fig. 14. Nierenepithel von Planorbis carinatus. sie bei den friiher besprochenen Stylommatophoren so scharf aus- geprigt gefunden haben. Die Wandung dieses Schlauches ist in Falten gelegt, welche von groSen Blutlakunen und Mesenchym ausgefiillt werden. Das Driisenepithel der Niere besteht aus un- gefahr cylindrischen Zellen, deren Kerne etwa im Zentrum der Zelle liegen. Im oberen Teil der Zelle hat sich die Exkretfliissig- keit in einer wasserhellen Vakuole angesammelt (Textfig. 14). Hinter der Niere liegt der Herzbeutel; der Renopericardialkanal befindet sich auf der unteren Seite des hinteren Nierenendes. Der Kanal ist nach links vorn gerichtet und miindet von unten her in den Nierenschlauch. Die kubischen Zellen des Ganges sind mit wenigen sehr langen, nach der Niere zugekehrten Cilien besetzt (Tat. XV; Fig. 22): Jena, Zoologisches Institut der Universitat, Juni 1907. Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 411 Literatur. 1) Amavprut, La structure et la circulation dans l’organe de Bojanus de quelques Mollusques pulmonés. Bull. Soc. Philom., T. X, 2) Brune, Tu., Beitrige zur Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Harnleiters der Lungenschnecken. Archiv fiir Naturgesch., Jahrg. LV, 1889. 3) Boren, R., Ueber die Verwandtschaftsbeziehungen der Onchidien. Morphol. Jahrb., Bd. X. 4) — Report on the Nudibranchiata. Challenger Reports, Vol. X, 1884. 5) Bernarp, F., Recherches sur les organes palléaux des gastéro- podes prosobranches. Ann. Sc. Nat. Zool., Bd. IX, 1890. 6) De Buarnvinte, Manuel de malacologie, Paris 1825. 7) Boumie, L., Zur feineren Anatomie von Rhodope Veranii Kouuik. Zeitschr. f. w. Zool., Bd. LVI, 1893. 8) Braun, M., Ueber den Harnleiter bei Helix. Nachrichtsblatt d. deutsch. malakozool. 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Anz., Jahrg. XIV, 1890. 50) Pérzscu, O., Ueber die Entwickelung von Niere, Pericard und Herz bei Planorbis corneus. Zool. Jahrb., Anat. u. Ontog., Bd. XX, 1904. 51) Rast, C., Die Ontogenie der Siiwasserpulmonaten. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissensch., Bd. TX, 1875. 52) Ray Lanxestur, E., Observations on the development of the pondsnail (Lymnaeus stagnalis) and on the early stages of other Mollusea, Micr. Se., Vol. XIV, 1874. 53) Sarasin, P. und F., Ergebnisse naturwissenschaftlicher For- schungen auf Ceylon, 1884—1886. 54) Semper, C., Beitrage zur Anatomie und Physiologie der Pul- monaten. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. VIII, 1857. 55) Scunemper, K. C., Lehrbuch der vergleichenden Histologie, Jena 1902. 56) Scumipt, F., Beitrage zur Kenntnis der Entwickelungsgeschichte der Stylommatophoren. Zool. Jahrb., Anat. u. Ontog., Bd. VIII, 1895. 57) Scumipt, O., Handbuch der vergleichenden Anatomie, 1876. 58) Smmrots, H., Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nackt- schnecken und ihrer europiischen Verwandten. Zeitschrift fir wiss. Zool., Bd. XLII, 1885. 59) — Ueber einige Vaginula-Arten. Zool. Jahrb., Anat. u. Ontog., Bd. V, 1890. 60) Sriasny, G., Die Niere der Weinbergschnecke. Zool. Anz., 1903. 61) Ténniexus, C., Die Bildung des Mesoderms bei Paludina vivipara. Zeitsch. f. wiss. Zool., Bd. LXI, 1896. 62) v. WisseL, K., Beitrige zur Anatomie der Gattung Oncidiella. Inaug.-Dissert., Berlin 1898. 63) Zincier, H. E., Entwickelung von Cyclas cornea. Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. XLI, 1885. 64) — Ueber den derzeitigen Stand der Célomfrage. Verhandl. d. Deutsch. zool. Gesellsch., 8. Vers., 1898. 414 Gustav Rolle, Erklirung der Abbildungen. Allgemeine Bezeichnungen. an After mz Mesenchymzellen atl Atemloch m Kern atry Vorhof des Herzens nephrst Nephrostom c Uebergang der Niere in den| pe Pericardium primaren Ureter pcedr Pericardialdriisen cl Kloake pz abgeplattete Zellen cut Cuticula re Niere dr Driisen rect Enddarm epdsk Epithel der Schalenkammer|s innere Schale (Limax) epk Epithelkern sch Schild epg Epidermiszellen sk Schalenkammer exkrva Exkretvakuole sr Schalenrudimente hker Harnkonkremente urI Primarer Ureter kz Kalottenzellen urII Sekundarer Ureter Igh Lungenhéhle va Vakuole mf Muskelfibrillen ve Ventrikel des Herzens Tia fevk Xan av. Fig. 1. Durch Rekonstruktion aus Querschnittserien erhaltene, genaue Darstellung des MHerzbeutelnierenkomplexes von lLimax agrestis. Niere gelb. Ureter schraffiert. Fig. 2. Querschnitt durch den Pericardialnierenkomplex von Limax agrestis, auf welchem das Nephrostom (nephrst) und die Miindung des Afters (am) getroffen sind. Der Schnitt ist in der Richtung A—B durch das Rekonstruktionsbild Fig. 1 gelegt zu denken. Fig. 3. Querschnitt durch den Pallialkomplex von Limax agrestis; in der Richtung C—D durch das Rekonstruktionsbild gelegt zu denken. Auf dem Schnitt ist das Atemloch (atl) ge- troffen. Fig. 4. Nierenepithel von Limax agrestis. Ham atoxylin-Rubin., Homog. Imm. Ok. 4, Zeib. Die Renopericardialverbindung bei den Nacktschnecken. 415 Fig. 5. Lungengewebe von Limax agrestis. Die Lungenhéhle ist von einem ganz flachen Plattenepithel ausgekleidet, welches ekto- dermaler Herkunft ist. An die Epithelzellen treten einzelne Gruppen von langgestreckten Mesenchymzellen (mz) heran. Hamatox.-Ammon.- Rubirpikrat. Homog. Imm., Ok. 8, Zeif. Fig. 6. Flimmerzellen des Nephrostoms mit anstofenden Zellen der Niere von Limax agrestis. Hiimatoxylin-Rubin. Homog. Imm., Ok. 4, Zeif. Fig. 7. Limax agrestis. Epithel des primiren Ureters. Das Plasma der kubischen Zellen erscheint gestreift. Zwischen den Epithelzellen liegt eine halbkugelig tiber das Niveau der Nachbar- zellen vorspringende Kalottenzelle (hz) mit zarten, sonnenartig aus- strahlenden Cilien. Hamatox.-Ammon-Rubinpikrat. Homog. Imm., Ok. 8, ZeiB. Fig. 8. Limax agrestis. Epithel des sekundaren Ureters mit anstofenden Mesenchymzellen (mz). va Vakuolen. Die Cuticula (gelb) erscheint wie aus Stabchen zusammengesetzt. Hamatox.- Ammon-Rubinpikrat. Homog. Imm,, Ok. 8, Zeif. Fig. 9. Durch Rekonstruktion aus Querschnittserien gewonnene Darstellung des Herzbeutelnierenkomplexes von Arion hortensis. Die den Herzbeutel (pe) in Gestalt eines elliptischen Ringes um- schlieBende Niere gelb; Ureter schraffiert.. .—.—-.— -—- bedeutet die Kontur des primaren Harnleiters (wrl) dort, wo er vom sekundaren Harnleiter iiberlagert ist. .-—.-—.-. —--+ bedeutet die Kontur des sekundiren Ureters, wenn er von der Niere oder anderen Organen iiberdeckt ist. ...... Kontur des itiber- deckten Enddarmes. Fig. 10. Arion hortensis. Querschnitt durch den Pallialkomplex, auf welchem der Uebergang der Niere zum primiaren Harnleiter ge- troffen ist (c). Der Schnitt ist in der Richtung A—B durch das Rekonstruktionsbild Fig. 9 gelegt zu denken. Ueber der Niere liegt die Schalenkammer sk, die hier aber keine zusammenhingende Schale wie bei Limax, sondern lose, isolierte Kalkstiickchen als Schalenrudimente (sr) enthalt. Fig. 11. Arion hortensis. Querschnitt durch den Pallial- komplex, auf welchem das Herz getroffen ist. Dieses Bild zeigt die miachtige Ausbreitung des sekundaren Ureters, welcher die Niere und den primiren Harnleiter umgreift und sich zwischen Niere und Pericard einschiebt. Dieser Schnitt ist in der Richtung C—D durch das Rekonstruktionsbild (Fig. 9) gelegt zu denken. Fig. 12. Halbschematische Darstellung des Herzbeutelnieren- komplexes von Arion empiricorum nach L. Puarte. Fig. 13. Arion hortensis. Epithel aus dem primiren Harn- leiter mit drei Kalottenzellen (kz). Hamatox.-Ammon.-Rubinpikrat. Homog. Imm., Ok. 8, Zeil. Fig. 14. Arion empiricorum. Nierenepithel. Die Nierenzellen enthalten in der Regel ein kugeliges stark lichtbrechendes Harn- konkrement (gelb). Das Konkrement ist umgeben von einer wasser- klaren Exkretvakuole (exkrva). Der Zellkern (m) liegt gewéhnlich 416 G. Rolle, Renopericardialverbind. bei d. Nacktschnecken. im basalen Teil der Zelle oder er ist der seitlichen Wand ange- schmiegt, er ist stets von Plasma umgeben. Boraxkarmin, Bleu de Lyon-Ammonpikrat, Apochromat 4,0 mm, Ok. 8, Zeif. Fig. 15. Lymnaeus stagnalis. Nierenenepithel. Die Harn- konkremente (hker) sind hier besonders gro. Hamatoxylin-Ammon.- Rubinpikrat, Apochromat 4,0 mm, Ok. 4, ZeiB. Tafel X V. Fig. 16. Limax agrestis. Schnitt durch die Schalenkammer (sk). s ist die entkalkte innere Schale. Die hohen, grofkernigen Cylinderzellen in der ventralen Wandung der Schalenkammer sondern die jiingste Schicht der Schale ab. Hamatox.-Ammon.-Rubinpikrat, Apochromat 4,0 mm., Ok. 4, Zeif. Fig. 17. Arion empiricorum. Renale Mindung des Nephro- stoms auf einem Frontalschnitt. Boraxkarmin, Bleu de Lyon-Ammon- pikrat, Obj. A, Ok. 4, Zeif. Fig. 18. Limax maximus. Pericardiale Miindung des Nephro- stoms auf einem Querschnitt durch den Pallialkomplex. Hamatox.- Ammon.-Rubinpikrat, Obj. A, Ok. 4, Zeif. Fig. 19. Limax maximus. Driisenzellen auf der Dorsalseite des Schildes. Hiaimatoxylin-Ammon-Rubinpikrat, Obj. D, Ok. 4, Zeif. Fig. 20. Lymnaeus stagnalis. Schnitt durch den Herzbeutel- nierenkomplex, auf welchem das Nephrostom getroffen ist. Am Vorhof des Herzens (aér) sieht man zahlreiche, vom Pericardepithel gebildete Divertikel (pcdr), welche als Pericardialdriisen im Sinne Grospens aufzufassen sind. Hamatoxylin-Ammon.-Rubinpikrat, Obj. a, Ok. 2, Zeif. Fig. 21. Lymnaeus stagnalis. Atriale Pericardialdriise (vgl. Fig. 20 pedr) bei starker Vergréferung. Die Zellen am freien, blasig aufgetriebenen Ende der vom Herzbeutelepithel gebildeten Divertikel sind stark abgeflacht (pz), nahe der Basis nehmen sie mehr kubische Gestalt an. Hier setzen sich Muskelfibrillen an (mf), die auch in das Innere des Divertikels hineinreichen. Hamatoxylin- Ammon.-Rubinpikrat, Homog. Imm., Ok. 4, Zeif. Fig. 22. Planorbis carinatus. Flimmerzellen des Nephrostoms. Hamatoxylin-Ammon.-Rubinpikrat, Apochromat 4,0 mm, Ok. 4, Zeif. Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. Von Dr. H. Eggeling, a. o. Professor und Prosektor am anatom. Institut der Universitit Jena. Hierzu Tafel XVI—XVIII. In drei kiirzlich erschienenen Abhandlungen zeigte Busarp (1905, 1906) an der Hand einiger Beispiele verschiedener Ver- treter von Siugetieren und Végeln die Abhangigkeit des Reliefs der Darmschleimhaut von der Beschaffenheit der Nahrung. Kin leitender Gesichtspunkt dabei war die Ueberlegung, daf die Falten- bildungen der Schleimhaut in erster Linie der Resorption dienen. Je gréfer die Oberfliche, um so reichlicher ist die Resorption. Die OberflachenvergréBerung der Darmschleimhaut wird also um so stirker ausgebildet sein, je rascher die Resorption sich voll- ziehen muh. In dem langen Diinndarm der Herbivoren werden geringere Faltenbildungen fiir die Resorption geniigen, wihrend in dem kurzen Diinndarm der Carnivoren eine viel starkere Ober- flachenvergré8erung notwendig ist. Die Befunde lehrten, da der am meisten wirksame Faktor fiir die Gestaltung der Schleimhaut- falten nicht der chemische Vorgang des Verdauungsprozesses, sondern das Volum der Nahrungsmittel, vor allem das Volum der durch die Verdauungssafte unléslichen Residuen ist. Je gréBer die Masse der unverdaulichen Bestandteile der Nahrung (Cellu- lose, Chitin etc.) ist, um so einfachere Formen nimmt die Falten- bildung des Diinndarmes an. Angeregt durch diese Untersuchungen, legte ich mir die Frage vor, inwieweit das Diinndarmrelief der Knochenfische, das nach den Angaben in Oppets Handbuch und in GEGENBAURS Ver- gleichender Anatomie tiberaus wechselnde Formen darbietet, aus der Beschaffenheit der Nahrung seine Erklarung findet. Wahrend 418 H. Eggeling, eines Aufenthaltes am russischen zoologischen Laboratorium in Villefranche s. M.*) benutzte ich in diesem Friihjahr wahrend der Monate Marz-April die giinstige Gelegenheit, ein gréSeres Material von Teleostierdirmen zu sammeln. Die groBe Mehrzahl der Fische kaufte ich auf dem Fischmarkt in Nizza mdglichst frisch. Dies Material erginzte ich spiater, soweit irgend méglich, durch Fische, die ich in Jena lebend erhalten konnte. Die Praparation wurde in der Weise vorgenommen, daf ich Stiicke aus den frischen Darmen, zum Teil auch erst spiter aus den mit 60-proz. Alkohol injizierten Dairmen der Lange nach aufschnitt und nach sorgfaltiger Reinigung durch Abspiilen mit Wasser nach einer modifizierten Semperschen Trockenmethode behandelte, deren grofen Wert fiir die Herstellung handlicher Oberflachenbilder ich wahrend meiner Assistentenzeit an den anatomischen Instituten zu Ziirich und Wiirzburg unter Leitung von Herrn Professor Sréur schitzen gelernt hatte. Die unter moglichster Vermeidung grofer Dehnung auf Korkplatten auf- gespannten Darmstiicke kamen zuerst auf 24 Stunden in eine 4-proz. Formalinlésung, wurden dann in steigendem Alkohol ge- hartet und entwassert und endlich in Terpentiné] wtbertragen. Hier blieben sie bis zu vélliger Aufhellung, wurden dann wieder auf Korkplatten aufgespannt, von denen sie natiirlich vor dem Kinlegen in Alkohol abgenommen werden miissen, und endlich langsam in der Sonne oder auf dem Warmschrank getrocknet. Auf diese Weise erhielt ich wohl ein wenig geschrumpfte, aber sehr iibersichtliche Oberflachenbilder, von denen auch verhaltnis- mabig leicht photographische Abbildungen hergestellt werden kénnen. Sie erschienen mir wesentlich zuverlissiger als die Unter- suchung der Schleimhautfalten in Fliissigkeiten, woraus sich wohl auch zum Teil eine grofe Reihe sehr widersprechender Angaben in der Literatur erklart. Zum Aufspannen erwiesen sich als sehr geeignet die nicht leicht rostenden, allerdings ziemlich weichen, gewohnlichen Messingstecknadeln. 1) Der Aufenthalt in Villefranche s. M. wurde mir erméglicht durch die Hilfe der Paut y. Rirrer-Stiftung, fiir deren Ver- mittlung ich Sr. Exzellenz dem Wirkl. Geh. Rat Herrn Professor HaxrckeL meinem hochyerehrten Lehrer, auch hier herzlichen Dank sage. Gleichzeitig benutze ich gern die Gelegenheit, meiner Dank- barkeit gegeniiber der Leitung des Laboratoire Russe, besonders den Herren Prof. y. Daviporr und Dr. Gartanmrr wiederholten Aus- druck zu geben. a Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 419 Um iiber ein méglichst grofes Tatsachenmaterial zu verfiigen, habe ich in den folgenden Schilderungen auch alle in der Literatur yorliegenden Angaben iiber das Darmrelief der Teleostier, soweit sie mir zuginglich waren, zusammengestellt. Demnach verfiigte ich im ganzen iiber 179 Species, von denen ich selbst 43, dar- unter 14 bisher noch nicht beriicksichtigte, untersuchte. In erster Linie richtete ich mein Augenmerk auf den Diinndarm, ich habe aber auch eine Reihe von Angaben iiber das Relief der Dickdarmschleimhaut mit eingefiigt und aufSerdem die ganze Anordnung des Magendarmkanals in kurzem geschildert. Eine Vollstaindigkeit in letzterer Hinsicht war nicht beabsichtigt, da sie den Rahmen der zunachst gestellten Aufgabe tberschritten hatte. In der Nomenklatur und Disposition habe ich mich in erster Linie an das neu erschienene Werk von SCHMIEDEKNECHT (1906) angelehnt, und zwar aus Auferen Riicksichten. Es hat mir fern gelegen, in den schwierigen Fragen der Teleostier-Nomenklatur und -Systematik Stellung nehmen zu wollen. Die von SCHMIEDE- KNECHT nicht beriicksichtigten auSereuropaischen Fische habe ich unter Benutzung der systematischen Werke von Leunis (1883) und GUnTuer (1886) an geeignet erscheinender Stelle eingefiigt. Aus diesen Werken sowie aus Bresms Tierleben entnahm ich zahlreiche Angaben iiber die Ernahrung der Knochenfische, soweit nicht die Untersuchung des Magen- und Darminhaltes der mir vorliegenden Tiere Aufklarung brachte. Bisweilen machte die Identifizierung der in Alteren Werken angewandten Namen, be- sonders auch der franzésischen Fachausdriicke, mit der von ScHMIEDEKNECHT angewandten Nomenklatur Schwierigkeiten fiir den mit der Systematik der Teleostier nicht naiher Vertrauten. Sollte dadurch, daf hier Irrtiimer vorkommen, die Zahl der be- sprochenen Species sich etwas erhéhen oder verringern, so diirfte dies fiir das Ziel der vorliegenden Untersuchung belanglos sein. In zweifelhaften Fallen wurden die von den betreffenden Autoren benutzten Namen in Klammern beigefiigt. Simtliche besprochenen Species sind in fortlaufender Reihe numeriert, die von mir selbst untersuchten mit einem *, die hier, soweit meine Literaturkenntnis reicht, beziiglich ihres Darmreliefs zum ersten Mal besprochenen Formen mit ** gekenn- zeichnet. Eine Uebersicht tiber samtliche untersuchten Species findet sich am Schlusse der Abhandlung. 420 H. Eggeling, A, Chorignathi. a) Acanthopterygii. I. Percidae. Alle Percidae sind nach Leunts (1883, p. 660) und GUNTHER (1886, p. 263) Fleischfresser. *1, Perca fluviatilis (Figur auf Taf. XVI). Der Darmkanal ist von geringer Linge. Am Anfang des Diinndarms finden sich 3 (Cuvier 1835, p. 533) oder auch 4 (MECKEL 1829, p. 246) Appendices pyloricae. Die Innenflache des Darmes ist nach Rupoupur (1802, p. 69) wie bei Acerina cernua ,sehr zierlich netzformig gefaltet, jedoch so, daf die Faltchen desto starker sind, je naher sie dem Magen stehen, und die innerste Haut hier ganz kraus erscheint, da hingegen der Darm im ferneren Verlaufe aussieht, als ob feine geschlangelte Liangs- falten hinabliefen’S. Auch im Bereich des Netzwerkes tiberwiegen die langsverlaufenden Faltchen. Das Vorhandensein von vor- wiegend longitudinal angeordneten Schleimhautfalten, die unter spitzen Winkeln zusammentreten und polygonale resp. rauten- formige Griibchen zwischen sich fassen, beschreiben auch CUuVIER (1810, p. 536; 1835, p. 333), MeckEL (1829, p. 246) und MILNE | Epwarps (1860, p. 388). Die Lingsfalten sind ansehnlich nach MeckeL. Cuvier beschreibt ihre Rander als wellenférmig. Sie erstrecken sich durch den ganzen Diinndarm. Im Mastdarm fand Cuvier quere, im Zickzack verlaufende Falten. Das von mir untersuchte Exemplar besa’ eine Gesamtlainge von 270 mm, die Entfernung von der Herzspitze bis zum After mafi 95 mm. Der Magen beginnt mit einer weiten Pars cardiaca, die sich kaudalwarts in einen ebenfalls weiten Sack fortsetzt, welcher etwa entsprechend der Mitte der Bauchhohle blind endigt. Ungefahr in der Mitte der Lange von Pars cardiaca und Blindsack | geht die enge Pars pylorica in einem fast rechten Winkel ab. Sie setzt sich fort in den Diinndarm, dessen Anfang mit 3 ziemlich langen und weiten Appendices pyloricae versehen ist. Das Lumen des Diinndarms ist etwa dasselbe wie in der Pars pylorica. Nach dem After zu nimmt es allmahlich ab. Eine duferliche Ab- grenzung von Dickdarm und Diinndarm war nicht wahrnehmbar. Der Darmkanal ist ziemlich kurz. Ein Schenkel verlauft gerade nach hinten bis in das letzte Drittel der Leibeshéhle. Dieser biegt nach yorn um in einen aufsteigenden Schenkel bis zur Gegend Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 421 des Pylorus und setzt sich von da in einem zweiten absteigenden Schenkel direkt zum After fort. Stiicke aus dem Anfang und mittleren Teil des Darmes wurden in Formalin ausgebreitet. Am Anfang finden sich sehr ansehnliche, ziemlich gerade verlaufende Liangsfalten mit gekréuseltem freien Rand. Gelegentlich teilen sich diese Falten unter sehr spitzen Winkeln und stehen durch diese Seitenaéste untereinander in Verbindung. In dem Raum zwischen den groben Langsfalten mit ihren Seitenasten, deren Rander ebenfalls gekrauselt sind, findet sich ein feines Netz ganz niedriger glattrandiger Faltchen, welche polygonale Maschenraume einschliefen. Im mittleren Teil des Diinndarms werden die Lings- falten niedriger, riicken dichter aneinander, ihr Rand erscheint weniger stark krausenartig gefaltet. Die sekundaéren kleineren Faltungen zwischen den Hauptlangsfalten treten zuriick. Die Nahrung des Flu&barsches besteht nach Bream (1892, p. 38) in der Jugend aus Wiirmern und Kerbtierlarven, spater aus kleineren Fischen, Krebsen und Lurchen, zuletzt auch sogar kleinen Saugetieren, z. B. Wasserratten. Er ist auferordentlich gefraBig. Ebenso aufert sich Leunis (1883, p. 662), der auch noch Schnecken als seine Beute erwaihnt. Bei dem mir vorliegenden Exemplar enthielt der Magen nur wenig, nicht erkennbaren weichen Inhalt. 2. Lucioperca (Perca) lucioperca (RupOLPHI 1802, p. 68). Die Oberfliche der Darmschleimhaut ist netzférmig gefaltet, ,allein so, daf einzelne Faltchen starkere Verlangerungen bilden ; im Mastdarm sind diese mehr oder weniger zungenférmigen Ver- langerungen nicht allein haufiger, sondern auch sehr viel grofer. Wenn man diese Verlangerungen mit der Pincette ausbreitet, sieht man, da sie den itibrigen anastomosierenden Faltchen ge- héren und selbst wieder gefaltet sind. Sonderbar ist es immer, daf sie im letzten Teil mehr als doppelt so grof sind.‘ Aehn- liche von Falten entstehende lange Fortsatze hat Rupo“pat (1828, p. 209) auch bei vielen anderen Fischen gefunden. Von diesen erwaihnt er besonders Ammodytes. Der Zander besitzt 7 ziemlich lange Appendices pyloricae. LeunIS (1883, p. 662) bezeichnet den Zander als einen sehr gefrabigen Rauber, der von kleinen Fischen und wirbellosen Tieren lebt. Auch Bren (1892, p. 43) nennt ihn einen auferordentlich raubgierigen Fisch, der alle kleineren Klassenverwandten gefahrdet und seine eigene Brut nicht verschont. Bd. XLII. N. F, XXXVI. 28 422 H. Eggeling, 3. Aspro apron (Cuvier 1835, p. 335). Der am Beginn mit 2 Appendices pyloricae ausgestattete Diinndarm ist kurz, ziemlich weit und diinnwandig gebaut. Seine Innenflache ist in ganzer Ausdehnung mit einem Netz von Falten, die polygonale Maschen umschliefen, bedeckt. Die ziemlich kleinen Fische ernaihren sich nach BrEeHm (1892, p. 44) von Wiirmern und kleinen Fischen. 4. Acerina (Perca) cernua (RupOLPHI 1802, p. 69). Die Innenfliche der Darmschleimhaut ist ebenso gebaut wie bei Perca fluviatilis. Sie ist bedeckt von vorwiegend langs- verlaufenden Falten, die durch Verastelungen miteinander in Ver- bindung stehen und so ein zierliches Netzwerk bilden. In der Nahe des Magens sind die Falten ansehnlich, die ganze Ober- flache erscheint kraus. Im weiteren Verlauf des Darmkanals ziehen die Laingsfalten geschlingelt nach hinten. Es finden sich 3 kurze Appendices pyloricae. Der Kaulbarsch frit Fischlaich, junge Fische und andere kleine Wassertiere (LEuNIS 1883, p. 662), angeblich auch Gras und Ried (BREHM 1892, p. 41). *). Labrax (Dicentrarchus) lupus (oder punctatus ?). (Figur auf Taf. XVI.) In den Anfang des Darmes beim ,,Bar“’ (Cuvier 1835, p. 333) miinden 5 Appendices pyloricae. Der Darm ist kurz und besitzt im ersten Abschnitt diinne Wandungen. An seiner Innenfliche finden sich breite Langsfalten mit wellig verlaufendem und krausen- artig gefaltetem freien Rand. 16 Hauptfalten treten scharfer hervor. Sie nehmen gegen den Enddarm zu ab. Dessen Innen- fliche trigt ebenfalls vorwiegend longitudinale, aber unregelmabige, winklig gebogene Falten, die netzformig untereinander verbunden sind. In den letzten 3 Vierteln der Ausdehnung des Rectum ist der freie Rand der Falten mit sehr langen Fransen besetzt. Diese erwihnt auch Mine Epwarps (1860, p. 388) als sehr deutlich sichtbar. Das von mir untersuchte Exemplar mift im ganzen 312 mm und von der Herzspitze bis zum After 98 mm. Eine weite, kurze Pars cardiaca fiihrt in einen langen, kegelférmigen bis in das letzte Drittel der Bauchhéhle reichenden Magenblindsack. Die Pars pylorica ist ebenfalls weit und kurz. Jenseits der Pylorus- einschniirung finden sich 5 Appendices pyloricae. Der Diinndarm ist von geringer Lange und recht weit, seine Wandungen aufer- a Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen. 423 ordentlich diinn, so daf sie bei dem ganz frischen, auf dem Markt noch lebenden Tier sehr leicht reifen. Der Hohlraum ist gefiillt mit massenhaftem, etwas kérnigen, dunkelbraunen Inhalt. Eine Grenze gegen den Dickdarm ist éuferlich nicht wahrnehmbar. Mehrere Stiicke aus dem Anfang und den mittleren Teilen des Diinndarms sowie dem Ende des Dickdarms wurden in Formol aufgespannt. Am Anfang des Diinndarms bildet die Schleimhaut 16 ziem- lich hohe, gerade, laingsverlaufende Falten mit vereinzelten kurzen, niedrigen Seitenisten, die sich gelegentlich mit benachbarten Falten verbinden. Der freie Rand ist glatt, abgesehen von ganz langgestreckten, schwach bogenférmigen Einschnitten. Nicht un- betrachtliche Zwischenriume trennen die einzelnen Hauptfalten voneinander. Hier zeigt sich ein weiteres Relief, namlich ein von ganz geringen, niedrigen Leistchen gebildetes Netzwerk mit engen polygonalen Maschen. Dieses Netzwerk dehnt sich auch auf die Seitenflachen der longitudinalen Hauptfalten aus. Letztere werden nach hinten zu immer niedriger und verschwinden schlieflich, waihrend das schwache Maschenwerk erhalten bleibt. Auch im Rectum finde ich nur ein schwaches gleichmaifiges Netzwerk mit engen polygonalen Maschen. Krebse, Wiirmer und kleine Fische bilden nach Bream (1892, p. 40) die Beute des auferordentlich gefrafSigen Fisches. Ich fand den Magen meines Exemplars gefiillt mit Massen kleiner Krebse und dazwischen auch die Wirbelsiule eines kleinen Fisches. 6. Serranus scriba (Serran écriture Cuvier 1835, p. 336). Der mit 7 Appendices pyloricae versehene Darm ist nicht lang. Seine Schleimhaut zeigt in ganzer Ausdehnung ein Netz von Falten mit polygonalen Maschen. Nahere Angaben tiber die Ernahrung der Sagebarsche fehlen in den von mir benutzten Werken. 7. Serranus hepatus (Serran hépate Cuvier 1835, p. 336). Die Zahl der Appendices pyloricae betragt 5. Im itibrigen sind die Verhiltnisse dieselben wie bei S. scriba. **8. Serranus cabrilla. Gesamtlinge 198 mm, Herz- spitze—After 61 mm. Eine mifig weite und ziemlich kurze Pars cardiaca setzt sich fort in einen kurzen kegelférmigen Magenblindsack, der bis etwa zur Mitte der Bauchhohle reicht. Die Pars pylorica ist eng, kurz und liegt dicht vor der Pars cardiaca. In den Diinndarm miinden 28 * 424 H. Eggeling, 6 lange schlanke Appendices pyloricae. Der Darm ist nicht lang und besitzt mafig kraftige Wandungen. Er besteht aus einem bis gegen das Ende der Bauchhohle absteigenden Schenkel, einem von da aufsteigenden Schenkel, der bis zur Gegend des Pylorus reicht, und aus einem gerade zum After absteigenden Endstiick, an welchem eine Grenze gegen den Enddarm auSerlich nicht hervortritt. Ein Stiick aus dem mittleren Teil des Diinndarms, entsprechend dem unteren Ende des absteigenden Stiickes, wurde in Formol ausgebreitet. Die Innenflaiche bietet ein feines Relief von netzformig unter- einander verbundenen, gleichformig niedrigen Leistchen, die ziem- lich weite polygonale Maschenraume einschliefen. Es liegen also offenbar dieselben Verhiltnisse vor wie bei 8. scriba und hepatus. Der mit kraftigen muskulésen Wandungen versehene Magen war leer. II. Maenidae. 9. Smaris vulgaris (RATHKE 1837, p. 350). Im Mittel- und Afterdarm fand sich ,,ein nur einfaches, jedoch weitmaschiges und unregelmibiges, d. h. zum Teil mit offenen Maschen, zum Teil mit in die Maschen hineingehenden Auslaufern versehenes Netzwerk‘‘. Nach dem After zu verschwinden allmah- lich die Querfalten, welche die Maschen des Netzes abschliefen helfen, und schon im hinteren Teil des Mitteldarms gehen aus dem Netzwerk ziemlich gerade verlaufende Langsfalten hervor. Die Gattung Smaris ist mit den fleischfressenden Percidae nahe verwandt und wird vielfach dieser Gruppe zugerechnet. Weitere Angaben tiber ihre Ernaihrung konnte ich nicht finden. III. Squamipinnes, Die Schuppenflosser ernaihren sich nach Leunts (1883, p. 667), GUNTHER (1886, p. 279), BrenM (1892, p. 50) von kleinen wirbel- losen Tieren, ,,die meisten wahrscheinlich von weichen Seetieren, also kleinen Quallen, Seerosen, Korallentierchen ete., wahrend ihre Jagd da, wo die von ihnen beliebten Kiisten bewaldet sind, hauptsichlich den Kerbtieren gilt“. Angeblich sollen manche Formen auch Algen fressen (Breas). 10. Pomacanthus (Pomacanthe arqué Cuvigr 1835, p. 351). Der ziemlich lange, diinnwandige Darmkanal ist mit ca. 30 Appendices pyloricae ausgestattet und tragt auf seiner Innenflaiche im Zickzack verlaufende Falten. Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 425 11. Chaetodon ciliaris (MEcKEL 1829, p. 234). Der lainglich geformte Magen hat keinen Blindsack. Der Darm- kanal ist lang und eng. In den Anfang des Diinndarms miinden itiber 30 Appendices pyloricae. Die Schleimhaut bildet wellen- formige, teilweise zu einem Netz verbundene Langsfalten. 12. Chaetodon arcuatus (Cuvier 1810, p. 537). Der maBig lange Darmkanal ist mit ca. 30 Appendices py- loricae versehen, seine Wandungen sind diinn. Die Innenfliche erscheint in Zickzacklinien gefaltet. 13. Chaetodon triostegus (Cuvier 1810, p. 537). Die Zahl der Appendices pyloricae betraigt 5. Im tbrigen ist das Verhalten des Darmkanals dasselbe wie bei Ch. arcuatus. Nur in der Gegend des Afters ist die Innenflaiche mit dicht- stehenden Hervorragungen bedeckt. 14. Chaetodon ephippium (Cuvirr 1835, p. 352). 5 Appendices pyloricae begleiten den diinnwandigen Darm, dessen Innenflaiche zickzackf6rmige Falten, in der Nahe des Anus Rauhigkeiten oder Papillen darbietet. IV. Mullidae. 15. Mullus surmuletus (Cuvier 1835, p. 340). Die Innenflaiche des anscheinend kurzen Darmkanals tragt am Anfang ein sehr feines, wenig markiertes Faltennetz, das weiterhin verschwindet. Es finden sich 22 Appendices pyloricae. *16. Mullus barbatus (Figur auf Taf. XVI). RATHKE (1837, p. 350) fand auf der Schleimhaut des Mittel- darms ein ganz einfaches, sehr regelmifiges und auferst zierliches Netz von Falten mit ganz engen Maschen. Im Afterdarm ist das Faltennetz weitmaschiger und weniger regelmafig. Das von mir untersuchte Tier hat eine Gesamtliinge von 215 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 68 mm. Der Magen stellt einen weiten ansehnlichen Blindsack dar, dessen Ende bis in das letzte Drittel der Leibeshéhle nach hinten reicht. Kranialwarts setzt er sich fort in eine weite kurze Pars cardiaca und eine dicht daneben gelegene, ebenfalls sehr weite und kurze Pars pylorica. Jenseits des Pylorus finden sich Appendices py- loricae in gréBerer Zahl. Der Diinndarm besteht aus einem fast bis zum Ende der Bauchhohle absteigenden und einem wieder bis 496 H. Eggeling, zur Pylorusgegend zuriickkehrenden Schenkel und setzt sich, von da nach hinten umbiegend, direkt zum After fort. Seine Wandungen sind von mittlerer Dicke. Eine Abgrenzung des Enddarms war auferlich nicht wahrzunehmen. Ein Stiick aus dem Beginn des Diinndarms sowie aus dem ersten absteigenden Schenkel des Darmes wurde in Formalin ausgebreitet. Es zeigt ein sehr feines, flaches Netz von Falten mit sehr regelmaifigem Aussehen. Die polygonalen Maschen des Netzes sind klein. Als Nahrung der Seebarben dienen kleine Wassertiere (LEUNIS 1883, p. 669), und zwar anscheinend verschiedene Weichtiere und weiche Krebse (BREHM 1892, p. 54). Ich fand den sehr aus- gedehnten Magen gefiillt mit ganz weichen Crustaceen, daneben fanden sich aber auch hartere Schalenpartieen, die offenbar einer Erweichung durch den Magensaft unterlagen. Va. Sparidae, Sarginae. Die meisten Sparidae sind Fleischfresser, einige aber Pflanzen- fresser (LEuUNIS 1883, p. 670). 17. Sargus annularis. Im Mitteldarm besteht ein einfaches Netzwerk von Falten wie bei Smaris vulgaris (No. 9). Der Afterdarm ist ausgezeichnet durch ganz selbstindige, nicht auf Falten aufsitzende, ,,dreieckige, breite, meistens zugespitzte, dicke und dicht gedraingte zotten- artige Vorspriinge —, von denen einige mit ihrer breiten Basis nach der Lange, andere nach der Quere des Darmes gestellt sind‘ (RATHKE 1837, p. 351). Epincer (1877, p. 682) vermutet, daf diese ansehnlichen Zotten durch tiefgehende Spaltung von Schleim- hautfalten, die Krypten umschliefen, entstanden sind. Ueber die Ernahrung der Sargusarten macht nur GUNTHER (1886, p. 285) die Angabe, daf sie offenbar von hartschaligen Tieren leben. 18. Charax puntazzo (Puntazzo commun Cuvier 1835, p. 348). Der miafig lange, weite, mit 7 Appendices pyloricae aus- gestattete Darm ist mit feinen Papillen besetzt. Nur im Enddarm finden sich grébere Formen. Ueber die Lebensweise dieses Fisches konnte ich in den herangezogenen Sammelwerken keine Auskunft erlangen. Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 427 Vb. Sparidae, Pagrinae. Die Pagrinae ernahren sich von hartschaligen Tieren, Weich- tieren und Krustentieren (GUNTHER 1886, p. 285). 19. Pagellus bogaraveo (PiLurmt 1885, p. 303). Die Darmschleimhaut bildet zahlreiche Falten, die eigentlich weder Zotten noch Schlauchdriisen darstellen, sondern an den Darm eines héheren Wirbeltierfoetus erinnern, zur Zeit, wo seine Oberflaiche sich mit Vorspriingen zu bedecken anfangt. 20. Pagellus centrodontus (Pagel 4 dents aigués? Cuvier 1835, p. 349). Auf der Innenfliche des mit 4 grofen und langen Appendices pyloricae versehenen Diinndarms besteht ein sehr feines Netz, im Enddarm flottierende Papillen. Nach Breum (1892, p. 58) beschrainkt sich die Nahrung des P. centrodontus nicht auf tierische Stoffe, sondern dieser Fisch verschlingt auch griines Seegras, das er mit seinem eigentiimlichen Gebif leicht abreiSen kann. 21. Pagrus (Sparus) spinifer (Cuvier 1810, p. 539; 1835, p. 348). Der der Appendices pyloricae entbehrende Darmkanal besitzt sehr diinne Wandungen. Seine Innenfliche ist glatt, ohne Zotten. 22. Lethrinus bungus (Cuvier 1835, p. 349). In den Anfang des Diinndarms miinden 3 Appendices pyloricae. Seine Wandungen sind sehr zart. Die Schleimhaut bildet kein Relief von Falten oder Zotten. **93. Chrysophrys aurata. Gesamtlinge 395 mm, Herz- spitze—After 105 mm (Figur auf Taf. XVI). Der Magen erscheint als ein etwas gebogener, ziemlich weiter Schlauch, der sich nach dem Pylorus zu etwas verengt und eine grofe und kleine Kurvatur unterscheiden lift. Von der ersteren erstreckt sich ein kurzer und ziemlich enger Blindsack kaudal- warts. Der Diinndarm ist an seinem Anfang mit 4 ziemlich weiten und langen Appendices pyloricae versehen. Der Darm zeigt aufer- lich keine Sonderung in Diinndarm und Dickdarm. Er ist von mittlerer Linge und weit und besitzt ganz kraftige muskulése Wandungen. Ein gerade vom Pylorus absteigender Schenkel reicht bis in ‘das letzte Drittel der Bauchhdéhle. Es folgt ein gerade aufsteigender Schenkel, der bis zur Gegend des Pylorus reicht und sich in das Endstiick des Darmes fortsetzt, das mit einigen kurzen 428 H. Eggeling, Windungen nach hinten zum After geht. Einige Stiicke aus ver- schiedenen Teilen des Darmes wurden in Formol aufgespannt. Ueberall bilden Schleimhautfalten ein Netz mit polygonalen Maschen. Am Anfang sind die Falten sehr hoch, am Rande krausenartig gefaltet und mit Einschnitten versehen, so daf kurze, meist plumpe Papillen entstehen. Die Maschenriume sind hier entsprechend tief und enthalten wieder niedrigere Faltchen. Die Hauptfalten lassen eine Anordnung in der Langsrichtung erkennen. Nach hinten zu werden die Falten niedriger, die Einschnitte und die Krauselung des Randes verschwinden. Es besteht ein Netz mit immer flacher werdenden Griibchen von rundlich-polygonaler Begrenzung, in deren Grunde wieder kleine Faltchen sichtbar sind. Eine Langsrichtung von Falten ist bald nicht mehr wahrnehmbar, und die netzformige Zeichnung erscheint gleichmafig tiber die ganze Oberflache verbreitet. Als Nahrung dienen der Dorade namentlich Muscheln, deren Schalen das Tier mit seinen Zihnen zerbricht (GUNTHER 1886, p. 287). Brexm (1896, p. 57) beobachtete, daf die Stiickchen der Schale nach dem Zertriimmern durch einen einzigen Bi rasch ausgeschieden werden. Offenbar werden Miesmuscheln bevorzugt, aber auch andere wirbellose Tiere, z. B. Wiirmer, angenommen. Bei dem mir vorliegenden Tier erschien der Magen leer, der reichliche, weiche, klebrige Darminhalt nicht weiter bestimmbar. Ve. Sparidae, Cantharinae. Die Cantharinae sind teils Pflanzenfresser, teils Fleischfresser (GUNTHER 1886, p. 285). **94. Box salpa. Gesamtlinge 366 mm, Herzspitze—After 135 mm (2 Figuren auf Taf. XVI). Der Magen beginnt mit einer weiten, schlauchformigen Pars cardiaca, die gerade nach abwarts zieht und dabei stark an Um- fang abnimmt. Sie setzt sich fort in einen kurzen, schlanken Blind- sack, der bis an den Anfang des letzten Drittels der Bauchhohle kaudalwirts reicht. Ungefaihr entsprechend der Mitte der Bauch- hdhle entspringt aus dem Magenschlauch die spitzwinklig kranial- wirts sich erstreckende Pars pylorica. Diese hat etwa denselben Umfang wie das Ende der Pars cardiaca und setzt sich unterhalb des Herzens in den kaudalwarts umbiegenden Diinndarm fort. In dessen Anfang miinden 4 ziemlich lange und weite Appendices pyloricae. Sein Durchmesser ist ganz betrichtlich gréfer als der Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 429 des Magens und nimmt gegen den After zu bald ab. Im eanzen bleibt aber der Darmkanal ziemlich weit. Seine Wandungen sind ziemlich kraftig, seine Lange betrachtlich und die Windungen zablreich. Eine kleine blindsackartige Erweiterung deutet die Grenze zwischen Diinndarm und Enddarm an. Abschnitte aus verschiedenen Partieen des Darmkanals wurden in Formol auf- gespannt. Die Schleimhautoberfliche zeigt eine Lingsfaltung, die sich durch den ganzen Diinndarm erstreckt. Am Anfang sind die Falten sehr hoch und am Rande mit Einschnitten versehen, so daf sie fein gezihnelt erscheinen. (Dies kommt auf der Figur nicht — deutlich zum Ausdruck.) Stellenweise sind sie auch krausenartig gefaltet. Spitzwinklig abgehende Seitendste setzen die Hauptfalten untereinander in Verbindung. In den Furchen zwischen ihnen bilden kleinere glatte Faltchen ein Netzwerk mit engeren poly- gonalen Maschen. Gegen das Ende zu werden die Hauptfalten immer niedriger, ihre Rander glatt und der Unterschied gegen das feinere Faltennetz immer geringer. In beiden Magenabschnitten fand ich nur wenig ganz weichen, breiartigen, formlosen Inhalt, im Darm griine, offenbar pfianzliche Nahrungsreste. **25a. Box boops I. Gesamtlinge 237 mm, Herzspitze bis After 70 mm. Der Magen bildet eine weit kaudalwarts, bis nahe zum After reichende Schlinge des Darmkanals. Die Pars cardiaca ist ein gerade nach hinten ziehender Schlauch, der, anfangs ziemlich weit, allmahlich sich verengert. An der Uebergangsstelle in die Pars pylorica findet sich ein kleiner kegelférmiger, zugespitzter Blind- sack, der von den beiden anderen Magenabschnitten sich nicht scharf absetzt. Die Pars pylorica ist mafig weit und zieht wieder gerade kranialwirts bis nahe zur Herzspitze. Hier setzt sie sich fort in den recht diinnwandigen, nicht sehr weiten, langen und vielfach gewundenen Diinndarm. In dessen Anfang miinden an- scheinend 4 Appendices pyloricae von verschiedener Linge. Eine blindsackartige Erweiterung, die die Grenze zwischen Mitteldarm und Enddarm andeutete, konnte ich an meinem Praparat nicht wahrnehmen. Mehrere Stiicke aus dem Anfangsteil, Mitte und Ende des Darmes wurden in Formol aufgespannt. Ganz am Anfang des Diinndarms bildet die Schleimhaut einige relativ hohe Falten, die etwas unregelmafig in der Langs- und 430 H. Eggeling, in der Querrichtung verlaufen. Kinzelne Faltenabschnitte er- scheinen den anderen gegenitiber ziemlich selbstaindig und nicht als direkte Fortsetzung. Der freie Rand dieser Falten zeigt ge- ringe Einschnitte und erscheint dadurch wie mit kleinen kegel- formigen, am Ende abgerundeten Papillen besetzt. Die groBen Falten sind verastelt und stehen teilweise direkt durch die Seiten- aste miteinander in Verbindung. Teilweise auch werden die Seiten- aiste, indem sie sich weiter teilen, immer niedriger und bilden schlieflich ein ganz schwaches Netzwerk mit sehr feinen, mabig engen, rundlich-polygonalen Maschen, das den Raum zwischen den Hauptfalten einnimmt. Letztere werden nach hinten immer niedriger und einfacher und erscheinen ausgeprigt longitudinal. Endlich sind sie nicht mehr als eine besondere Bildung zu unterscheiden, und es besteht nur noch ein gleichmakiges Faltennetz mit ziem- lich kleinen polygonalen Maschen. Dieses bleibt bis zum Ende des Diinndarms erhalten. Im Rectum erscheinen wieder etwas stirkere Langsfalten und in deren Zwischenraumen ein weit- maschiges Netz mit ganz niedrigen Falten. **25b. Box boops II. Gesamtlinge 158 mm, Herzspitze bis After 52 mm (Figur auf Taf. XVI). Der Magen zeigt durchaus dieselben Verhaltnisse wie bei dem eben geschilderten Tier. Die Zahl der Appendices pyloricae laft sich mit Sicherheit auf 7 feststellen. Der Diinndarm ist anfangs weit und wird allmahlich enger. Seine Wandungen sind zart und nehmen gegen den After immer mehr an Festigkeit ab. Die Lange des gesamten mehrfach gewundenen Darmes vom Pylorus bis zum After betragt ca. 300 mm. Eine deutliche Grenze zwischen Mittel- darm und Enddarm konnte ich auch hier nicht nachweisen. Stiicke aus den mittleren und Anfangspartieen des Diinndarms sowie aus dem Enddarm wurden in Formalin ausgebreitet. Das Schleimhautrelief besteht hier aus zierlichen, einfachen, niedrigen Falten, die mehr oder weniger deutlich in der Langs- richtung verlaufen und, indem sie quergerichtete Seitenaste ab- geben, ein nicht tiberall geschlossenes Netzwerk bilden, dessen Maschen polygonal und miafig eng sind. Gegen den After werden die Falten immer niedriger und im Enddarm wieder ansehnlicher, zum Teil sogar am freien Rande etwas gekrauselt. Box (Sparus) boops ist nach den Beobachtungen von Ru- DOLPHI (1828, p. 202) der einzige Fisch, der blo8 von Vege- tabilien zu leben scheint. Er fand in seinem betrachtlich langen Darm wenigstens nur Tange (Fuci) und Seegras (Zostera). Auch Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 431 nach Bream (1896, p. 55) sind die Arten der Gattung Box echte Pflanzenfresser, deren zum Abweiden von Seepflanzen geeignetes Gebi’, der lange Darmschlauch und der kleine Magen mit wenig Anhangseln mit dieser Ernaihrungsweise im Kinklang stehen. VI. Berycidae. 26. Holocentrus (Holocentrum?) sogo (Cuvier 1810, p- 538). Der maSig lange Darmkanal besitzt diinne Wandungen und eine glatte Innenfliche. Angaben iiber die Ernahrung sind mir nicht zuginglich. VII. Sciacnidae. 27. Pristipoma (Cuvier 1835, p. 346). Es finden sich bei Pristipome de Roger und Pr. Simméné je 5, bei Pr. nono 4, bei Pr. Rodo 7 Appendices pyloricae. Bei allen ist der Darm kurz, seine Innenflaiche sammetartig durch zahl- reiche Papillen. 28. Lobotes (Lobote dormeur Cuvier 1835, p. 346). Der Darmkanal ist nicht lang. Es bestehen 3 Appendices pyloricae. Die Schleimhaut bildet tiberall ziemlich grobe Falten. Die beiden Gattungen Pristipoma und Lobotes stellt GUNTHER (1886, p. 271) zu den fleischfressenden Percidae. Andere Angaben tiber die Ernaihrung dieser Formen fehlen. 29. Umbrina cirrhosa (Ombrine commune Cuvier 1835, p. 346). In den Anfang des Diinndarms miinden 10 Appendices pylo- ricae. Seine Wandungen sind zart. Die Schleimhaut bildet un- regelmiBige, zickzackformige Liingsfalten, die sich in Abstanden zur Umschliefung von griibchenartigen Vertiefungen untereinander verbinden. Muskulésere Wandungen besitzt der Dickdarm. Die Faltenbildungen sind hier unregelmafiger. Als Nahrung dienen kleine Fische und Weichtiere, Wiirmer und angeblich auch Seegras (BREHM 1876, p. 73). 30. Sciaena (Cuvier 1810, p. 536). An dem kurzen Darmkanal sind meist kleine Appendices py- loricae in geringer Zahl vorhanden. Die Schleimhaut bildet wie bei Perca zahlreiche, vorwiegend longitudinal verlaufende Falten mit wellenférmigen Raindern. Am Anfang des Diinndarms bilden 432 H. Eggeling, die Falten ein Netz mit polygonalen Maschen. Im Mastdarm werden sie ersetzt durch quere, im Zickzack verlaufende Falten. Aus den Angaben von BreumM (1896, p. 75) ist nur zu ent- nehmen, daf Sciaena aquila anscheinend auf Sardellen Jagd macht. 31. Corvina nigra (RATHKE 1837, p. 349). Auf der Innenflaiche des Mitteldarms und teilweise auch des Afterdarms bestehen grébere, am Rande gekriauselte und vielfach ausgeschnittene, hier und da auch unter spitzen Winkeln ineinander iibergehende Langsfalten. Nach Bren (1896, p. 76) besteht die Nahrung des Meer- raben aus kleinen Krebstieren und Tangen. VIII. Scombridae. Die Scombridae sind nach Bren (1892, p. 103) und SCHMIEDE- KNECHT (1906, p. 332) alle groBe Rauber. Ihre Beute sind kleinere Fische. Sie verfolgen namentlich die Scharen der jungen und er- wachsenen Clupeoiden, so z. B. die Brut der Sardinen und Sprotten (GUNTHER 1886, p. 323). *32. Scomber scomber. In den Anfang des kurzen Diinndarms miinden nach CuvIER (1810, p. 535) bisweilen zahlreiche, nach Mrcket (1829, p. 241) etwa 12 Appendices pyloricae. Er ist fleischig und nicht sehr weit. Seine Innenfliche zeigt nach Cuvirr (1835, p. 354) in der Gegend der Appendices unregelmifige Maschen und ist weiterhin fast glatt mit einem sehr fein sammetartigen Aussehen. MECKEL fand am Anfang schwache longitudinale Schleimhautfalten, die allmahlich abnehmen, so daf etwa von der Mitte an die Oberflache glatt erscheint. Im Endstiick des Darmes werden die Falten wieder ansehnlicher und sind hier zugleich etwas gezackt. Nach Cuvier ver- laufen die Falten im Dickdarm im Zickzack. Pinurer (1885, p. 302) gibt an, daf der Darm vom Anfang bis zum Ende von langen flottierenden Falten durchzogen wird, die kaum wellig erscheinen. Das von mir untersuchte Exemplar besitzt eine Gesamtlinge von 365 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 134 mm. Der Magen beginnt mit einer langen, relativ engen, gleichmabig roéhrenformigen Pars cardiaca, die spitzwinklig umbiegt in eine nach oben ziehende, ebenfalls ziemlich lange, muskulése Pars pylorica von mittlerer Weite. Beide Magenabschnitte sind kaudal- warts fortgesetzt in einen sehr ansehnlichen schlanken Magen- blindsack, der sich bis auf 25 mm dem After nahert. Der Diinn- Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 433 darm ist am Beginn mit sehr zahlreichen Appendices pyloricae ausgestattet. Seine Wandungen sind sehr ditinn, das Lumen ziem- lich eng. Der Darm bildet zwei kurze Windungen, ist im ganzen von geringer Linge. Er setzt sich ohne auferlich wahrnehmbare Grenze in den in gerader Richtung zum After ziehenden Enddarm fort. Stiicke aus dem Anfang, Mitte und Ende des Diinndarms sowie aus dem Enddarm wurden in Formol ausgebreitet. Die Innenflache der Darmschleimhaut zeigt uns am Anfang ein Netz von ziemlich niedrigen, im ganzen gleichartigen Schleimhaut- falten mit engen polygonalen Maschen und Griibchen von geringer Tiefe. Gegen das Ende des Mitteldarms hin werden die Falten nicht wesentlich schwacher, lassen aber undeutlich eine Lings- richtung erkennen. Im Enddarm werden die Falten starker und nehmen nahe dem After eine relativ ansehnliche Hohe an. Sie stehen hier dicht nebeneinander, sind deutlich longitudinal an- geordnet und an ihrem freien Rand krausenférmig gefaltet und mit langgestreckten bogenférmigen Einschnitten versehen. Kleine Seitenaste setzen die benachbarten Liangsfalten miteinander in Beriihrung und schliefen ziemlich tiefe Griibchen mehr oder weniger vollstaindig ab, so daf auch hier im Enddarm der Charakter des Netzwerks im ganzen gewahrt bleibt. Die Hauptnahrung der Makrelen scheint nach Brenu (1892, p. 106) aus der Brut anderer Fische zu bestehen. Sie sind auferst gefrafig und wachsen dementsprechend ungemein rasch. *33. Zeus faber (Figur auf Taf. XVI). MECKEL (1829, p. 239) beschreibt den Magen als kurz, rund- lich und stark fleischig. Es finden sich etwa 80 Appendices, die sich zu einigen kurzen Stammen vereinigen und mit 8 weiten Miindungen in den Darm 6ffnen. Ueber den kurzen Darmkanal sagt er folgendes: ,Die ganze innere Oberflaiche ist mit Zellen, in denen die Langenfalten die gréBeren Abteilungen bilden, be- setzt. Sie sind im Dickdarm plétzlich ohne Vergleich gréfer als im Diinndarm und ich fand nie, daf sie gegen den Anfang des ersten allmahlich schwiacher wurden.“ Im Gegensatz dazu hatte Cuvier (1810, p. 537) angegeben, daf die Darmschleimhaut eine Menge kleiner, gefaifahnlich verastelter Falten bildet, die gegen den Mastdarm zu abnehmen. Diese Darstellung wird auch spater nicht modifiziert (1835, p. 357). Das von mir untersuchte Exemplar mift im ganzen 470 mm, von der Herzspitze bis zum After 100 mm. Eine ziemlich lange, 434 H. Eggeling, maBig weite, schlauchformige Pars cardiaca fiihrt in den sehr ansehnlichen, platt-rundlichen Magenblindsack, der fast bis zum Ende der Bauchhoéhle sich ausdehnt. Aus dessen kranialem Rand entspringt, dicht neben der Einmiindung der Pars cardiaca, die kurze, anfangs ziemliche weite, rasch stark verengte Pars py- lorica, die sich etwas kranialwarts erstreckt und dann in einem Bogen in den Darm sich fortsetzt. Dieser ist kurz, mabig weit und mit ziemlich kraftigen Wandungen versehen. Die dicht hinter dem Pylorus gelegene Darmstrecke ist von einem Kranz zahl- reicher Appendices pyloricae umgeben. Eine deutliche Grenze zwischen Dickdarm und Diinndarm bildet eine plétzliche starke Zunahme des Lumen, wodurch eine Art kleiner Blindsack ent- steht. Stiicke aus verschiedenen Stellen von Diinndarm und Dick- darm wurden in Formol aufgespannt. Die Schleimhautoberflache zeigt ein Netzwerk ziemlich ansehnlicher Schleimhautfalten, die vorwiegend in der Langsrichtung des Darmes ziehen und mit ihren Seitlichen Aesten untereinander verbunden rautenférmige Felder umschliefen. Letztere werden von kleineren und kleinsten Schleim- hautfalten durchzogen, die ebenfalls untereinander in Verbindung stehen und ein Netzwerk mit engen polygonalen Maschen dar- stellen. Die Hohe der Hauptfalten nimmt gegen den Enddarm doch wohl etwas ab, im tibrigen bleibt der Befund unverdandert. Im Rectum aber werden die Hauptlingsfalten viel héher, ihr freier Rand ist nicht mehr glatt wie vorher, sondern etwas krausenartig und auch mit kleinen Einschnitten versehen. Gleichzeitig persistiert das feinere Maschenwerk. Die beliebteste Nahrung des Heringskénigs ist nach BREeHM (1892, p. 97) neben kleinen oder jungen Fischen und Krustern der gewohnliche Tintenfisch. Nach Lreunis (1883, p. 684) stellt er den Heringen nach. In dem Magen des von mir untersuchten Tieres fand ich einen stark zusammengekriimmten, ca. 15 cm langen, noch ziemlich frischen Fisch, vielleicht Box boops, im Darmkanal reichlich weichen, breiartigen Inhalt ohne festere Bestandteile. 34. Brama Rayi (MEcKEL 1829, p. 233). 4 Auf einen kurzen, rundlichen, dickfleischigen Magen folgt ein dickhautiger Darm von geringer Linge mit 4—5 Appendices py- loricae. ,,Die innere Fliche des Diinndarms ist anfanglich in einer kurzen Strecke mit starken, unter spitzen Winkeln zu groSen rautenformigen Zellen zusammenflieSenden Lingenfalten besetzt. Ein bei weitem gréferer hinterer Teil ist ganz platt. Das weite Endstiick wird durch eine Klappe getrennt und enthalt dicht Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 435 stehende Zotten, die weit linger als die Lingenfalten im Anfange des Diinndarms sind.“ Nihere Angaben iiber die Ernahrung dieses Fisches waren mir nicht zuginglich. 35. Stromateus fiatola (Fiatola mediterranea MECKEL 1829, p. 231). Auf einen sehr grofen weiten, diinnhiutigen Magen folgt ein sehr weiter, langer und ebenfalls sehr diinnwandiger Darm mit ca. 12 verdstelten Appendices pyloricae. Seine Innenfliche ist mit geschlangelten Lingsfalten versehen. Angaben iiber die Ernahrung konnte ich nicht finden. 36. Xiphias gladius. Nach der Schilderung von Mecken (1829, p. 235) wird der Magen durch einen ziemlich dickfleischigen, langlich-runden Sack dargestellt. Der miafig lange und weite Darm bildet viele kurze Windungen. ,,Die innere Flache ist tiberall durch dicht stehende, diinne Querfalten ungleich, die von vorn, wo sie sehr ansehnlich sind, nach hinten bedeutend an GréSe abnehmen, sich aber iiberall in eine Menge dicht stehender, schmaler, zugespitzter Blattchen spalten. Diese stellen besonders in der hinteren Gegend wegen ihrer Schmalheit und spitzen Gestalt, sowie der Niedrigkeit der Querfalten durchaus Zotten dar.“ Diese Schilderung steht im Gegensatz zu der von Rupotpar (1802, p. 79) zitierten Angabe WALBAUMS, da beim Schwertfisch keine Zotten auf der inneren Oberfliche des Darmkanals vorkommen, diese vielmehr einen ahn- lichen Bau zu besitzen scheint, wie beim Wels und Aal. Cuvier (1835, p. 356) bezeichnet die Schleimhautoberflaiche als sammetartig. Den Anfang des Darmes umgeben veriastelte Appendices pyloricae, die mit 2 Oeffnungen neben dem Pylorus miinden. Die Nahrung des Schwertfisches bilden vorwiegend Fische und daneben auch mancherlei Tintenfische (BREHM 1892, p. 79). 37. Echeneis naucrates (MECKEL 1829, p. 262). Es findet sich ein langer, zugespitzter, fleischiger Magen- blindsack. 8 sehr kurze Appendices pyloricae begleiten den An- fang des ziemlich weiten und dickhautigen Darmes, der eine ansehnliche Linge besitzt. Seine Innenfliche ist ,mit einer zahl- losen Menge langlicher, zugespitzter Zotten besetzt, die selbst verhaltnismafig, gréfer als bei Mugil sind und in dicht an- einander liegenden Langenreihen stehen. Sie fehlen nicht nur nicht im Dickdarm, sondern sind hier selbst gréfer als im vorderen Teile.“ 436 H. Eggeling, In dem Magen von Echeneis wurden Kruster und kleine Muscheln gefunden. Sie scheinen aber auch gelegentlich Fische zu erbeuten (BREHM 1892, p. 118). 38. Echeneis remora. Der Cardialteil des Magens ist nach Mrecket (1829, p. 263) bedeutend, der Magenblindsack ktirzer, der Pylorusteil langer als bei E. naucrates. Die Appendices pyloricae sind linger und zahl- reicher. Meckret fand deren 20, die sich zu 4 Stammen ver- einigen, wahrend Cuvier (1835, p. 387) ihre Zahl auf 6 angibt. Ueber die Beschaffenheit der Schleimhaut des sehr kurzen, mit maBig dicken Wandungen versehenen Darmes gehen die Angaben sehr auseinander. Nach einer alteren Schilderung von CUVIER (1810, p. 533) ist die Oberflache im Diinndarm mit dicht stehenden Runzeln bedeckt, im Mastdarm einférmig gestaltet. MrecKEL da- gegen sagt: ,,Der Diinndarm hat niedrige Liangenfalten und aufer- dem feine Zellen, keine Spur von Zotten, der Dickdarm blof starke Langenrunzeln.“ Spiater (1835) fand Cuvier die Oberfliche tiberall glatt. IX. Trachinidae. Leunis (1883, p. 685) und GinTHER (1886, p. 327) bezeichnen die Trachinidae als Fleischfresser. *39. Uranoscopus scaber. Die vorliegenden Angaben sind ziemlich widersprechend. CUuVIER (1810, p. 531) fand in den ersten Windungen des diinnwandigen Darmes niedliche, der Lange nach im Zickzack verlaufende Falten. Spater verschwinden sie, und im Endstiick des Darmkanals treten wieder parallele Langsfalten auf, die mit kleinen seitlichen Runzeln abwechseln. Dagegen beschreibt RaTHKE (1837, p. 350) im Mittel- darm ein doppeltes Netzwerk, ,d.h. ein solches, welches aus eréferen Maschen besteht, in denen einige kleinere und aus niedrigeren Falten bestehende Maschen eingeschlossen sind“. Im Afterdarm sei das Netzwerk weitmaschiger und weniger regelmafig. Ich selbst untersuchte 3 Individuen von verschiedener Grofe. *39a. Gesamtlinge 288 mm, Herzspitze—After 85 mm (Figur auf Taf. XVI). Der Magen besteht aus einer weiten, ziemlich kurzen Pars cardiaca, einem enormen Blindsack, der als der wesentliche Inhalt der Bauchhéhle erscheint und fast bis zu deren Ende sich aus- Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 437 dehnt. Eine ganz kurze, enge Pars pylorica entspringt aus dem kranialen Rande des Magenblindsackes dicht neben der Einmiin- dung des Cardialteils. Der Darm bildet einen verhaltnismaBig sehr engen Schlauch, in dessen Anfang in einer Lingsreihe 11 an- sehnliche schlanke Appendices pyloricae einmiinden. Der Darm ist ziemlich lang. Er bildet unter mehrfachen kleinen Windungen einen zum Ende der Bauchhoéhle absteigenden, dann einen bis zur Pylorusgegend wieder aufsteigenden und endlich einen nach hinten zum After gehenden Schenkel. Eine Sonderung in Diinndarm und Dickdarm ist auSerlich angedeutet durch eine Einschniirung, hinter welcher das Lumen gegen den After etwas an Umfang zunimmt. Die Darmwandungen sind ziemlich kraftig, ganz besonders im Endabschnitt. Stiicke aus verschiedenen Teilen des Darmes, An- fang, Mitte und Ende des Diinndarms, sowie aus dem Enddarm wurden in Formol ausgebreitet. Die Falten der Schleimhaut sind sehr niedrig, auch bereits am Anfang des Darmes. Sie bilden ein Netz mit unregelmafigen polygonalen Maschen, welche wieder ein Netzwerk ganz feiner Faltchen einschlieBen. Im mittleren Teil des Darmes weisen die stirkeren Falten eine sehr undeutliche Langsanordnung auf, die spaiter verschwindet und in ein ganz gleichmakbiges feines Netz mit engen Maschenriumen itibergeht. Im Enddarm sieht man einige zarte, gerade verlaufende Lingsfalten und zwischen diesen ein ganz niedriges, enges Faltennetz. *39b. Gesamtlinge 250 mm, Herzspitze—After 84 mm. Der Bauch erscheint enorm aufgetrieben durch den relativ sehr grofien Magenblindsack, der fast die ganze Bauchhéhle aus- fiillt. Die Befunde sind fast dieselben wie bei dem zuerst be- schriebenen Exemplar. Ich fand hier 12 ziemlich lange und schlanke Appendices pyloricae. Der Diinndarm ist im Vergleich zum Magen sehr eng. Er besteht aus einem absteigenden, einem aufsteigenden und endlich wieder einem zum After absteigenden Schenkel. Alle bilden kleine Windungen. Der erste absteigende Schenkel ist etwas weiter als die tibrigen ganz engen Teile. Kurz vor dem After erweitert sich der Darm ziemlich plétzlich ganz betrachtlich. Dieser letzte Abschnitt stellt anscheinend den Enddarm dar. Ein Stiick aus dem Beginn des aufsteigenden Schenkels, etwa der Mitte des Diinndarms entsprechend, wurde in Formol aufgespannt. Das Relief besteht hier wie bei dem ersten Exemplar aus einem Netzwerk niedriger Falten, die nur undeutlich longitudinal angeordnet sind. In den unregelmifigen, polygonalen, ziemlich Bd. XLUI, N. F. XXXVI. 29 438 H. Eggeling, engen Maschenriumen findet sich ein zweites, ganz enges Netz sehr feiner Faltchen. *39c. Gesamtlinge 210 mm, Herzspitze—After 60 mm. Der Magen ist von geringerem Umfang als bei dem Exem- plar 39b. Die Zahl der Appendices pyloricae betragt 11. An dem Diinndarm bestehen etwas stirkere Windungen, so daf die einzelnen Schenkel nicht so deutlich zu erkennen sind. Im tbrigen ist die Anordnung des Darmkanals dieselbe wie bei den beiden anderen Exemplaren. Ein Stiick etwa aus der Mitte des Diinn- darms wurde in Formol ausgebreitet. Die Oberflache der Schleimhaut zeigt hier ziemlich deutlich langsverlaufende ganz niedrige Falten, die durch Seitendste in Verbindung stehen und so ein Netzwerk bilden, in dessen engen Maschenriumen nur hier und da ein zweites, sehr enges Netz von ganz feinen Faltchen sichtbar wird. Die Nahrung dieses Fisches besteht aus kleineren Fischen, wie meine Befunde deutlich erkennen lassen. Aus der Mundéffnung des Exemplars 39b hangt ein halb verschlungener kleinerer Fisch mit der hinteren Ké6rperhalfte heraus. Aus dem durch einen Langsschnitt auf der Vorderflaiche eréffneten Magen entnahm ich einen walnu8grofen abgerundeten Kieselstein, schon stark verdaute Reste von 2 kleineren Fischen, anscheinend Brachiochirus pellucidus, 2 etwas gréBere Fische, die sich noch ziemlich sicher als Engraulis encrasicholus erkennen lassen und 3 ganz frische Sargus annu- laris von 110 resp. 102 resp. 90 mm Gesamtlinge und 44 resp. 40 resp. 40 mm gréSter Hohe exkl. Riickenflosse, woraus die aufer- ordentliche GefriBigkeit dieser Tiere erhellt. Bei den beiden anderen Exemplaren enthielt der Magen nur relativ geringe, weiche, nicht niber kenntliche Nahrungsmengen. Im Darm fand sich tiberall etwas weicher, ziher, ungeformter Brei. *40. Trachinus draco (2 Figuren auf Taf. XVI). Am Anfang des Mitteldarms fand RaTHKE (1837, p. 350) ein Netzwerk von Falten. Allmahlich verschwinden nach hinten zu die quergehenden Verbindungsfalten, und die hintere Halfte des Mitteldarms wird von mehr oder weniger zickzackformig ver- laufenden Langsfalten durchzogen. Im Afterdarm tritt wieder ein doppeltes Netzwerk auf, ahnlich dem im Mitteldarm von Urano- scopus. Das von mir untersuchte Exemplar hat eine Gesamtlange von 220 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 21 mm. Eine Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 439 ziemlich weite Pars cardiaca geht in einen rundlichen, umfang- reichen Magenblindsack iiber. Dieser setzt sich durch eine kurze, der Pars cardiaca nahe benachbarte Pars pylorica in den Darm fort. Es finden sich mehrere, anscheinend 5—6 ziemlich lange, schlanke Appendices pyloricae. Der Darm ist von mittlerer Linge und bildet mehrere kleine Windungen. Die Aftermiindung liegt kranialwairts vom hinteren Ende der Bauchhéhle. Die Wandungen des Darmes sind recht diinn, das Lumen ist anfangs ziemlich weit und wird allmahlich enger. Eine Grenze zwischen Diinndarm und Dickdarm konnte ich déu8erlich nicht wahrnehmen. Sie wird im Innern durch eine Schleimhautfalte deutlich gekennzeichnet. Stiicke aus verschiedenen Partien des Darmes wurden in Formol auf- gespannt. Das Relief auf der Oberflache der Darmschleimhaut fand ich ganz ihnlich, wie es RATHKE beschrieben. Ganz am Anfang des Diinndarms besteht ein doppeltes Faltennetz. Im ganzen schwache und niedrige Falten bilden ein grobes Netz mit ziemlich weiten, polygonalen Maschen, und in diesen findet sich ein zweites, sehr engmaschiges Netz von ganz feinen Faltchen. Nach hinten zu verschwinden die beiden Faltennetze allmablich, und es bleiben nur noch niedrige, nahezu gerade in der Langsrichtung des Darmes verlaufende Falten mit zahlreichen schwachen Seitendstchen tbrig, die aber die benachbarten Langsfalten gewohnlich nicht erreichen. Erst im letzten Teil des Enddarms, nahe dem After, tritt wieder ein schwaches Netzwerk auf, das ich aber nicht deutlich als ein doppeltes zu erkennen vermochte. Die Nahrung des Petermannchens bilden nach Brenm (1892, p. 121) vorzugsweise Garneelen, vielleicht auch kleine Fische. X. Batrachidae. 41. Batrachus tau. MeckeL (1829, p. 243) schildert den Magen etwas weniger fleischig, den Cardialteil weit gréSer und den Blindsack viel kleiner als bei Lophius piscatorius. Appendices pyloricae fehlen. Die innere Darmflache traigt einfache Langsfalten. Nach Cuvier (1835, p. 362) unterscheiden sich die Befunde am Darmkanal der Ba- trachidae (batracoides) durch das Fehlen der Appendices pyloricae von Lophius piscatorius. 42. Batrachus grunniens (MEcKEL 1829, p. 243). Verhalt sich ebenso wie B. tau. 99 * -~ 440 H. Eggeling, Ueber die Ernihrungsweise dieser Fische fand ich nur bei Leunis (1883, p. 686) und GUNTHER (1886, p. 331) die Mitteilung, da8 sie Fleischfresser sind. XI. Lophiidae. 43. Lophius piscatorius (Baudroye). Der Magen ist nach der Beschreibung von Mrcxken (1829, p. 242) dickfleischig und bildet einen grofen Blindsack. Die sehr enge und kurze Pars pylorica liegt dicht hinter der Cardia. Es finden sich 2 recht ansehnliche Appendices pyloricae. Der Darm ist ziemlich lang und macht mehrere Windungen. Am groften Teil seiner Innenflache bestehen ,,zusammengesetzte rautenformige Maschen, die von vorn nach hinten an Lange bedeutend ab- nehmen und zuletzt in Langenfalten, die sich in breite Zotten spalten, iibergehen“. Auch Cuvier (1810, p. 528, 1835, p. 362) fand unregelmafige, rautenformige Griibchen, begrenzt durch haupt- sichlich in der Liangsrichtung verlaufende, breite, wellige, ver- Astelte Falten, gegen das Ende nur parallele Langsfalten. *K44. Lophius budegassa. Gesamtlinge 285 mm, Herz- spitze—After 108 mm. Fast die ganze Leibeshohle wird ausgefiillt durch einen enorm ausgedehnten, platt-rundlichen Magenblindsack. In diesen miindet eine weite und lange Pars cardiaca. Dicht neben dieser liegt die aus dem Magenblindsack entspringende kurze und sehr enge Pars pylorica. Jenseits der Pyloruseinschniirung wird der Darm recht weit. Hier miinden 2 mittellange, relativ weite Appendices pylor. in ihn ein. Der Diinndarm ist ziemlich lang und zieht in einigen schwachen Windungen nach hinten, wobei sein Lumen allmahlich sich stark verengt. Er setzt sich fort in einen kurzen, sehr weiten und mit kraftigen muskulésen Wandungen versehenen End- darm. Stiicke aus verschiedenen Abschnitten des Diinn- und Dick- darms wurden in Formol fixiert. Am Anfang des Diinndarms bilden zarte unregelmafige Schleim- hautfalten von geringer Hohe ein Netz mit polygonalen, ziemlich weiten Maschenraumen, in welche hier und da kleine Seitenzweige der Falten allmahlich auslaufen. Die Falten werden nach hinten zu immer niedriger. In der Mitte des Diinndarms ist das Netz- werk noch ganz deutlich, an dessen Ende aber fast ganz ver- schwunden. Im Enddarm treten wieder neue Schleimhautfalten auf, und zwar unterscheidet man geradegestreckte Langsfalten, Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 441 die durch kleinere Seitenzweige miteinander in Verbindung stehen, und in den Raiumen zwischen ihnen ein feines, sehr enges Maschen- werk ganz niedriger Faltchen. Die Lingsfalten werden gegen den After zu immer hoher und erscheinen dort, wo sie eine be- trichtliche Hohe erreicht haben, an ihrem freien Rande leicht gezahnelt. Die Seeteufel naihren sich von Fischen und sind derart ge- frafig, dafS man nicht selten in ihren Magen Fische findet, die ebenso gro8 und schwer sind wie sie selbst (LEUNIS 1883, p. 686; GUNTHER 1886, p. 334; BreHM 1892, p. 124, 127). In dem Magen des mir vorliegenden Tieres fand ich 4 ganz frische und einen etwas verdauten Fisch von 100, resp. 103, resp. ca. 110, resp. 120, resp. 146 mm Lange. Der nicht sehr reichliche Darminhalt hatte eine leichtfliissige Beschaffenheit. 45. Malthe (Cuvimr 1835, p. 362). Durch das Fehlen von Appendices pyloricae von Lophius piscatorius unterschieden. Seine Nahrung bilden kleine Fische (LEeunis 1883, p. 686). 46. Chironectes (Cuvier 1835, p. 362). Durch das Fehleg von Appendices pyloricae von Lophius piscatorius unterschieden. Mitteilungen iiber die Ernihrung waren mir nicht zuganglich. XII. Cottidae. *47. Peristedion cataphractum. CuviER (1835, p. 341) konstatierte bei Peristedion spec. das Vorhandensein von 7 sehr kurzen Appendices pyloricae. Am An- fang des Diinndarms fand er ein feines Netz von Schleimhaut- falten und weiterhin eine glatte innere Oberfliche. Das von mir untersuchte Exemplar mift im ganzen 278 mm, von der Herzspitze zum After 53 mm. Der Magen erscheint als ein stark erweiterter muskuléser Abschnitt. Cardia und Pylorus liegen fast in gleicher Hohe. Beide verbindet eine wenig gebogene, kurze kleine Kurvatur und eine sehr stark ausgebogene, weit nach abwarts reichende, lange grofe Kurvatur. An letztere fiigt sich durch Vermittelung eines kurzen engen Verbindungsstiickes ein kleiner kugeliger Blindsack von der Gréfe einer ansehnlichen Erbse. Am Pylorus besteht eine geringe Einschniirung, dann folgt wieder ein weiterer Abschnitt, welcher von einem Kranz ganz kurzer Appendices pyloricae umgeben ist. 449 H. Eggeling, Die Wandungen des in zahlreiche Windungen gelegten Diinndarms sind sehr zart und diinn. Eine scharfe Grenze gegen den End- darm besteht nicht. Das letzte Darmstiick laiuft ziemlich gerade von der Gegend des Pylorus nach abwarts. Darmstiicke etwa aus der Mitte und dem Ende des Diinndarms resp. Beginn des End- darms wurden in Formol aufgespannt. Die zarte Diinndarmschleimhaut bietet in der Mitte des Diinn- darms nur ein ganz schwach ausgepriigtes Relief von feinen, im ganzen gleichmafig hohen Leistchen, die, netzformig untereinander verbunden, ganz flache, unregelmifige, rundliche, auch 4- oder 5-eckige Felder begrenzen. Weiterhin verschwindet das Netzwerk und wird ersetzt durch ganz feine, gerade Langsfalten, die nur ganz vereinzelt durch Seitenaste in Verbindung miteinander stehen. Dieses Verhalten persistiert bis in den verengten Endabschnitt des Darmkanals. Nach Bren (1896, p. 135) soll die Nahrung von Peristedion vorzugsweise in schalenlosen Weichtieren und Quallen bestehen. Bei dem vorliegenden Exemplar bilden den reichlichen Mageninhalt zahlreiche verschiedenartige kleine Crustaceen mit ziemlich festen Schalen. *A8a, Trigla lyra I (2 Figuren auf Taf. XVI). Nach der Schilderung von Cuvier (1810, p. 533) ist der Darm- kanal sehr diinnwandig. In den Anfang des Diinndarms miinden jederseits 5 sehr kurze und enge Appendices pyloricae. — ,Der Dickdarm fangt mit einem Blindsack an, der so lang wie er selbst, aber nicht sehr tief und von dem diinnen Darm durch eine halb- mondférmige Falte geschieden ist. Die innere Haut bildet in diesem Teile des Darmkanals einige nicht sehr tiefe longitudinale Falten, ist aber im iibrigen Teile des Darmkanals ganz glatt.“ MILNE Epwarps (1860, p. 388) gibt fiir das Genus Trigla ohne nihere Bezeichnung der Species an, da8 die Darmschleimhaut zahl- reiche Falten bildet, die polygonale Bezirke einschlieBen. Von den mir vorliegenden 2 Exemplaren hat das eine eine Gesamtlinge von 353mm und mift von der Herzspitze bis zum After 94 mm. Der Magen besteht aus einem absteigenden und einem auf- steigenden Schenkel, die in einem sehr spitzen Winkel ineinander iibergehen. Vom Scheitel des Ueberganges erstreckt sich noch ein Magenteil nach abwarts, der nicht gesondert ist, sondern beiden Schenkeln zugehért. Er endet zugespitzt etwa in der Mitte der Bauchhéhle. Der absteigende Schenkel (Pars cardiaca) ist ein an- Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen, 443 sehnliches weites Rohr. Der aufsteigende Schenkel (Pars pylorica) ist etwas enger, viel kiirzer und verengt sich stark am Pylorus. Der Anfangsteil des Mitteldarms tragt auf jeder Seite 3 sehr lange Appendices pyloricae. Unmittelbar dahinter macht sich eine kleine blindsackartige Erweiterung bemerkbar. Von da geht der Darm zunichst gerade nach abwirts, biegt sich am Ende der Bauch- héhle um in einen gerade bis zur Hohe des Pylorus aufsteigenden Schenkel und setzt sich dann in mafigen Windungen nach ab- warts in den nicht deutlich abgegrenzten Enddarm fort. Wahrend der Magen sehr kriftige Muskelwandungen besitzt, erscheint die Darmwand diinn und schlaff. Stiicke aus verschiedenen Abschnitten des Darmkanals wurden in Formol aufgespannt. Am Anfang des Diinndarms bildet die Schleimhaut ziemlich erobe Falten, die sich untereinander verbinden zu einem Netz- werk mit weiten rundlich-polygonalen Maschenraumen. In diesen findet sich ein zweites Netz, von feinen Faltchen gebildet, mit verhaltnismafig groben Maschen. Dieselbe Reliefstruktur zeigt sich auch noch in der Mitte des Diinndarms, nur etwas verfeinert Die Schleimhautfalten sind niedriger, die Maschenraume enger. Nirgends tritt hier eine bestimmte longitudinale oder quere Falten- richtung hervor, das Netz erscheint gleichmabig gebaut. Erst im letzten Darmabschnitt kurz vor dem After andert sich dies Ver- halten. Hier ziehen schwache Lingsfalten entlang, und in den weiten Zwischenraumen derselben bilden niedrige Seitenaste ein sehr unregelmibiges Netzwerk mit grofen und kleinen, oft nur unvollstandig abgeschlossenen Maschenraumen. *48b. Trigla lyra II. Gesamtlinge 256 mm, Herzspitze bis After 66 mm. Der Befund des Magendarmkanals weicht in keinem wesent- lichen Punkte von dem oben Geschilderten ab. Die blindsackartige Erweiterung am Anfang des Mitteldarms jenseits der Appendices pyloricae ist nicht ausgeprigt. inzelne Teile des Mittel- und Enddarms erscheinen sehr eng und mit kraftigen Wandungen ver- sehen infolge der Kontraktion ihrer Muskelwand. Stiicke aus weiten und engen Partien, etwa entsprechend Anfang und Mitte des Diinndarms, wurden in Formalin aufgespannt. Das Schleim- hautrelief ist dasselbe wie bei dem erstgenannten Exemplar, nur lange nicht iiberall so deutlich. Dasselbe ist teilweise ganz ver- schwunden in den stark erweiterten, sehr zusammengepreft und durch eine Art Liangsfaltung gestért in den extrem kontrahierten Abschnitten. 444 . H. Eggeling, **49, Trigla lineata. Gesamtlinge 284 mm, Herzspitze bis After 80 mm (Figur auf Taf. XVI). Der einzige auffallige Unterschied von Trigla lyra in dem groben Verhalten des Magen-Darmkanals besteht in dem Vorhanden- sein von jederseits 4 Appendices pyloricae. Der ziemlich lange Mitteldarm bildet im ganzen einen absteigenden und einen auf- steigenden Schenkel. Letzterer endet ganz hoch oben in der Bauch- héhle neben dem Pylorus, und von da verlaiuft das Ende des Darmkanals ohne auferliche Abgrenzung eines Enddarms gerade nach unten zum After. Ein Diinndarmstiick aus dem Scheitel der Schleife zwischen absteigendem und aufsteigendem Ast wurde in Formalin auf- gespannt. Die Innenfliiche des ziemlich weiten Darmstiickes zeigt niedrige Schleimhautfalten, die, untereinander netzformig verbunden, recht umfangreiche ebene Bezirke von unregelmafig rundlicher oder polygonaler Form begrenzen. Die Maschenraume erscheinen erheblich weiter als bei Trigla lyra, was wohl mit der Dehnung der Darmwand zusammenhingen kann. Die Schleimhautleisten sind nicht alle gleichartig nach Hohe und Starke, aber die Unter- schiede in dieser Hinsicht treten nicht iiberall so scharf hervor, da8 man zwei Gruppen von Leistenbildungen unterscheiden kénnte. “50. Trigla spec. Gesamtlange 308 mm, Herzspitze bis After 84 mm. Das Tier ist von grauer Farbe und tragt nur geringe Vor- spriinge tiber der Schnauze. Der Magen ist auferordentlich erweitert, gleicht aber in den Grundziigen seines Baues den Befunden bei den anderen Species. Die Erweiterung betrifft weniger die Pars cardiaca und pylorica als den beiden gemeinsam kaudalwirts sich ausdehnenden Blind- sack. Dieser erstreckt sich nahezu bis zum Ende der Bauchhdéhle. Auf jeder Seite des Anfangsteils des Mitteldarms haingen 4 lange Appendices weit herab. Der lange Diinndarm und Enddarm bietet dieselben Ver haltnisse wie bei den anderen, oben beschriebenen Species. Kin Stiick des Diinndarms aus dem Ende des absteigenden Schenkels wurde in Formalin aufgespannt. Es ist in einem mittleren Kontraktionszustand, weniger weit als bei Trigla lineata, mit dem es im tibrigen am meisten tibereinstimmt. Die von feinen Schleimhautleisten begrenzten unregelmafigen, planen Felder sind etwas kleiner, die Leisten wenig untereinander verschieden in Héhe und Dicke. Eine bestimmte Anordnung der- selben in Langs- oder Querrichtung tritt nicht hervor. Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 445 51. Trigla gurnardus (Cuvier 1835, p. 341). Der diinnwandige Darmkanal ist mit 7 Appendices pyloricae ausgestattet. An der Schleimhautoberfliche fand sich ein poly- gonales Netz von Falten. Ueber die Ernahrung der Knurrhahne fand ich nur bei BREHM (1896, p. 132) die Mitteilung, daf sie vorzugsweise von Crustaceen leben, auSerdem aber auch Muscheln und anderen Weichtieren, auch Quallen, nachstellen. Ich fand bei Trigla lyra den Magen leer. Bei Trigla lineata enthielt er einige pflanzliche Bestandteile und auferdem Crustaceenschalen, die sich auch im ganzen Mittel- darm vorfanden. Der Magen des Exemplars von Trigla spec. war gefiillt mit zahlreichen, ziemlich grofen Krabben mit festen Schalen. *52. Scorpaena porcus (2 Figuren auf Taf. XVI). MitnE Epwarps (1860, p. 401) weist darauf hin, daf Cavo- LINI zuerst bei Scorpaena (ohne nahere Angabe der Species) das Fehlen von Darmzotten konstatierte. Cuvinr (1835, p. 343) fand bei dem ihm vorliegenden Exemplar (S. porcus oder scrofa?) den kurzen diinnwandigen Darm mit 8 Appendices pyloricae versehen. Seine Schleimhaut erschien leicht gefaltet, sammetartig. Im End- darm zeigte sie wellige Lingsfalten. Das von mir untersuchte Exemplar hat eine Gesamtlange von 214 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 67 mm. Der Magen beginnt mit einer weiten, ziemlich kurzen, schlauch- formigen Pars cardiaca. Diese setzt sich fort in einen enorm weiten Blindsack des Magens, der fast die ganze Bauchhohle aus- fiillt. Ganz nahe dem Uebergang der Pars cardiaca in diesen Magensack entspringt von dessen rechter oberer Ecke eine schlanke, ganz kurze Pars pylorica, die sich gegen den Pylorus noch weiter verengt. Die Wandungen des Magens sind sehr kraftig, die Darm- wand dagegen ziemlich diinn. Den Anfang des Mitteldarms um- geben 9 recht ansehnliche Appendices pyloricae. Am Beginn ist der Diinndarm ziemlich weit und nimmt dann allmahlich nach ab- warts an Umfang ab. Die Linge des Darmkanals ist nicht be- trachtlich. Wir finden einen gerade absteigenden und gerade auf- steigenden Schenkel des Diinndarms. Letzterer geht in der Hohe des Pylorus in das Endstiick des Darmkanals tiber, das in ge- strecktem Verlauf tiber den Magenblindsack hinweg zum After zieht. Stiicke aus Anfang, Mitte und Ende des Darmkanals wurden in Formol ausgebreitet. 446 H. Eggeling, Am Beginn des Diinndarms besteht das Schleimhautrelief aus einem Netzwerk von ziemlich niedrigen diinnen Schleimhautfalten mit glatten Randern. Die Maschen des Netzes sind weit, poly- gonal, unregelmabig und werden durch Seitenaste der Falten mehr oder weniger vollstindig in Unterabteilungen zerlegt. AuSerdem sind sie erfiillt von einem zweiten Netz von feinsten Faltchen mit ganz engen Maschen. In den ziemlich stark kontrahierten mitt- leren Abschnitten des Diinndarms nehmen die gréberen Schleim- hautfalten deutlich eine Langsrichtung an. Dies tritt besonders gegen das Ende zu hervor, wahrend die Falten selbst niedriger werden. Erst kurz vor dem After nehmen sie wieder betrachtlich an Hohe zu. Hier stehen sie sehr dicht nebeneinander und be- grenzen mit Hilfe seitlicher Verbindungsaste rautenférmige Felder, welche wieder durch ein ganz feines Faltennetz in kleinste Griibchen zerlegt werden. *53. Scorpaena scrofa (Figur auf Taf. XVII). RaTHKE (1837, p. 350) fand im Mittel- und Afterdarm wie bei Smaris vulgaris ein einfaches Netzwerk von Falten mit un- regelmabigen, zum Teil offenen, weiten Maschen. Das mir vorliegende Exemplar mift in seiner gesamten Lange 440, von der Herzspitze bis zum After 160 mm. Es liegen hier beziiglich des makroskopischen Verhaltens des Darmkanals im ganzen dieselben Zustande wie bei S. porcus vor. Der Magenblindsack dehnt sich verhaltnismafig nicht ganz so weit in der Bauchhéhle aus. Seine Wand ist sehr dick, der Inuen- raum relativ gering. Der Darmkanal ist ebenso angeordnet wie bei S. porcus. Er hat ein ziemlich weites Lumen, auSerordentlich zarte, leicht zerreifliche Wandungen und einen gelblichen, weichen Inhalt ohne harte Bestandteile, untermischt mit schwarzen Klumpen. Das Verhalten der Appendices lieB sich nicht mit Sicherheit fest- stellen. Stiicke aus dem absteigenden und aufsteigenden Diinn- darmschenkel sowie aus dem weiteren Enddarm wurden teils in Alkohol, teils in Formalin ausgebreitet und auf das Schieimhaut- relief untersucht. Am Anfang des Diinndarms, in dem absteigenden Schenkel, ist ein Relief deutlich nachweisbar. Man sieht starkere, vor- wiegend laingsverlaufende Falten, die, untereinander hier und da anastomosierend, rautenformige Felder begrenzen, welche selbst wieder durch feinere, vorwiegend quergerichtete Leistchen in un- regelmabig begrenzte kleine Bezirke zerlegt werden. An manchen — vielleicht etwas mehr gedehnten — Stellen des Diinndarms ist Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 447 diese Zeichnung sehr undeutlich oder verschwindet auch ganz. Im Enddarm tritt dasselbe Relief wieder starker hervor. Die Liangsfalten sind héher, das schwache Netz in den Raumen zwischen ihnen zeigt weitere, sehr unregelmafige Maschen. Nach Leunis (1883, p. 672) und Gtnruer (1886, p. 290) sind alle Scorpainiden Fleischfresser. Bei Bream (1896) und SCHMIEDEKNECHT (1906) werden keine Mitteilungen tiber die Er- naihrung dieser Fische gemacht. Bei dem von mir untersuchten Scorpaena porcus bildeten den sehr reichlichen Inhalt des Magens mehrere ziemlich grofe Krabben, deren feste Schalen zum Teil erweicht waren, wohl unter der EKinwirkung des Magensaftes, und auferdem einige Reste von kleinen Fischen, die sich nicht mehr deutlich erkennen lieBen. Im Magen von Scorpaena scrofa fand ich einen bereits stark verdauten, etwa 215 mm langen, sehr schlanken Fisch, wohl einen Syngnathus. Der reichliche Darm- inhalt ist breiartig, von gelblich-weifer Farbe. **54. Sebastes dactyloptera. Gesamtlinge 278 mm, Herzspitze— After 78 mm (Figur auf Taf. XVII). Der Magen beginnt mit einer kurzen weiten Pars cardiaca, die sich in einen ansehnlichen Blindsack fortsetzt, welcher sich kaudalwarts mindestens tiber ?/, der Bauchhéhle ausdehnt. Die kleine Kurvatur ist sehr kurz. Eine kleine Pars pylorica liegt der Pars cardiaca nahe an. Der Anfang des Mitteldarms tragt 7 Appendices pyloricae. Jenseits derselben ist der Diinndarm sehr weit, nach abwarts wird er enger. Er ist von mittlerer Lange und besteht aus je einem bis nahe zum Ende der Bauchhoéhle ab- steigenden und bis in die Gegend des Pylorus wieder aufsteigenden Schenkel, welch letzterer in das gerade zum After laufende End- stiick sich fortsetzt. Der Enddarm erschien auferlich nicht ab- gegrenzt. Teile aus Anfang, Mitte und Ende des Diinndarms aus dem absteigenden Schenkel sowie aus dem aufsteigenden wurden in Formalin ausgebreitet. Das Schleimhautrelief besteht im ganzen Diinndarm aus vor- wiegend langsverlaufenden Schleimhautfalten, die durch schwachere Seitenaste mehr oder weniger reichlich miteinander Verbindungen eingehen und somit eine Art Netz mit weiten unregelmabigen Maschen bilden. Hier und da sind die Liangsfalten auch unter- brochen. Am Anfang sind sie héher und erscheinen hier als nicht sehr ansehnliche, zarte Lamellen mit glatten freien Randern, gegen Ende nehmen sie ab. 448 H. Eggeling, Leunis (1883, p. 672) und GUnruer (1886, p. 290) rechnen Sebastes zu den kurzweg als Fleischfresser bezeichneten Scor- piniden. Bei Bream (1896, p. 60) findet sich nur die Mitteilung, dai der dem S. dactyloptera sehr nahe verwandte S. norvegicus sich von Fischen und Krebsen nahrt. 55. Cottus gobio (Chabot de riviére Cuvier 1835, p. 342). Der mit 4 ziemlich dicken Appendices pyloricae versehene Darm ist kurz und diinnwandig und an seiner Innenflaiche vdllig glatt. Dieser Fisch frift nach Leunis (1883, p. 688) allerlei kleine Tiere und den Laich anderer Fische. BREH™ (1892, p. 128) bezeichnet ihn als sehr gefrafig und gibt an, da’ er zwar vorzugsweise von Kerbtieren, insbesondere Libellenlarven lebt, aber doch keinen irgend zu bewaltigenden Fisch, einschlieflich der eigenen Brut, verschont. 56. Cottus scorpius. Nach der Schilderung von Rupoxpnr (1802, p. 65) ist der Magen grof, muskulés und flaschenférmig. Die Zahl der Appen- dices pyloricae betraigt 9. Die Wand des Darmkanals ist ziemlich diinn, die Schleimhaut netzformig gefaltet. Nach hinten gegen den After werden die Falten schwacher und verschwinden ganz. Dagegen beobachtete Piuirer (1885, p. 305) 4 sehr kurze Ap- pendices pyloricae und im tibrigen einen Befund wie bei Gobius niger, d. h. auf der Darminnenflache in unregelmafige Gruppen angeordnete ziemlich kurze konische Zotten (hérissé de villosités coniques assez courtes et groupées par leur base en bouquets irréguliers) und zwischen ihnen tiefe Gruben, die wieder durch undeutliche sekundare Falten geteilt sind. BreuM (1892, p. 130) schildert die Gefribigkeit dieses Fisches als ganz erstaunlich. Er begribt in seinem ungeheuren Rachen Tiere, die fast ebenso grof sind wie er selbst. Er verschlingt alles Geniefbare, niimlich aufer Fischen auch Krebse und Krabben, Wiirmer etc., auferdem aber auch allerlei Abfall von den Schiffen. 57. Cottus niloticus (Chabot du Nil Cuvirr 1810, p. 532; 1835, p. 342). Der kurze diinnwandige Darmkanal ist mit 9 Appendices py- loricae versehen. ,,Die innere Haut hat feine Falten, die ein Netz mit tiefen Maschen bilden, das sich noch bis unterhalb der Mast- darmklappe erstreckt, wo seine Maschen gréBer und oberflichlicher werden.‘ Als Beute der Cottus-Arten bezeichnet GinTHER (1886, p. 338) nur kurz Krustentiere und andere Wassertiere. er ee ee ee ee ee eee Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 449 58. Synanceia (Scorpaena) horrida (Cuvier 1810, p. 532.) Der nicht lange, diinnwandige Darmkanal ist mit 4 Appendices pyloricae versehen. ,,Die innere Haut ist im diinnen Darm leicht gefaltet und gezottet. — Im Mastdarm dagegen ist diese Haut mit wellenformigen Lingenfalten versehen.“ 59. Synanceia verrucosa (Agriope verruqueux) (CUVIER 1835, p. 344). Der diinnwandige Darmkanal entbehrt der Appendices pylo- ricae. Seine Innenfliche zeigt Langsfalten. Die Synanceia-Arten sind nach der Mitteilung von GUNTHER (1886, p. 292) sehr gefrafige Fische. Ihr Magen sei so geraumig, daf sie im stande seien, Fische von einem Drittel ihrer eigenen Gréfe zu verschlingen. XTII. Pegasidae. 60. Pegasus (MECKEL 1829, p. 291). MEcKEL stellt diese Form zu den Lophobranchiern, so daf die fiir diese gegebene Beschreibung zum Teil auch hierfiir gilt. Danach ware der diinnhautige Darmkanal nicht deutlich gesondert in Magen und Darm, ohne Appendices pyloricae, bedeutend langer als bei Syngnathus und an seiner Innenflache schwach der Lange nach gefurcht. Mitteilungen iiber die Ernaihrung dieser Gattung sind mir nicht zuganglich geworden. XIV. Teuthidae. 61. Teuthis hepatus (Cuvier 1810, p. 538; 1835, p. 358). Der sehr lange Darmkanal besitzt diinne Wandungen und ist mit 4 Appendices pyloricae versehen. Seine sammetartig er- scheinende Innenflache ist leicht gezottet. Die Teuthisfische sind Pflanzenfresser (Cuvier 1835, p. 358; LeEunis 1883, p. 673; GUNTHER 1886, p. 295; Bream 1892, p. 68). XV. Gobiidae. 62. Gobius niger. Fiir die Gattung Gobius im ganzen bemerkt Mecke (1829, p. 253), da sie zu einer Gruppe von Fischen gehort, bei der der Magen im allgemeinen nicht gesondert ist. Appendices pyloricae fehlen, oder sind nur in geringer Zahl vorhanden. Der Darm- kanal ist einfach, seine Wandungen diinn. Er ist langer als bei 450 H. Eggeling, den Labriden und an der inneren Flache meistens netzformig ge- faltet. ,,Bei Gobius zeigt die vordere Halfte des Darms, der sich allmahlich nach hinten verengt, einen deutlichen Uebergang der Faltenbildung in die Zottenbildung, indem die starken Langen- falten in viele kleinere, voneinander getrennte Langenabteilungen zerfallen, die wieder bis auf die Grundfliche in ihrer ganzen Hohe durchschnitten sind und auf diese Weise Zotten darstellen. Gegen das Ende wird der Diinndarm ganz glatt. Der Dickdarm, der das letzte Fiinftel bildet, ist plétzlich viel weiter, an der inneren Ober- flache stark zellig —.‘S Auch Cuvier (1835, p. 360, 361) gibt an, daf bei der Gattung Gobius, speziell auch bei G. niger, der Magen aiuBerlich nicht deutlich abgegrenzt ist. Im Diinndarm fand er ein feines Netz von Schleimhautfalten. Dagegen schildert PILLiret (1885, p. 305) den Schleimhautbefund ahnlich wie bei Cottus scorpius. Kurze kegelférmige Zotten stehen in Gruppen beisammen und zwischen ihnen liegen tiefe Gruben, die wieder durch un- deutliche sekundare Falten geteilt sind (vergl. p. 448). 63. Gobius ophiocephalus (RATHKE 1837, p. 350). Im Mitteldarm besteht ein einfaches Netz von Schleimhaut- falten mit weiten und unregelmafigen, teilweise nicht vollig ge- schlossenen Maschen. Dieses Netzwerk geht im hinteren Teil des Mitteldarms in ziemlich gerade verlaufende Lingsfalten tiber. Im Afterdarm tritt das Faltennetz anscheinend wieder auf. 64. Gobius melanostomus (RATHKE 1837, p. 349, 350). Die Schleimhaut des Mitteldarms bildet Langsfalten, die am Rande vielfach ausgeschnitten und gezackt sind. Die Falten ver- laufen nicht regelmafig longitudinal, sondern sind zum Teil unter- brochen, zum Teil netzartig untereinander verbunden. Im After- darm findet sich ein Netzwerk mit weiteren und weniger regel- mafigen Maschen. 65. Gobius batrachocephalus (RATHKE 1837, p. 349). An der Innenfliche des Darmes verlaufen zickzackformige Falten bis zum Afterdarm. Vom Rande der Falten gehen, be- sonders in der vorderen Halfte des Mitteldarms, ,,viele makig lange und dicke zungenformige Vorspriinge, die beinahe grobe Zotten darstellen“, ab. LEuNIS (1883, p. 691) und GUNTHER (1886, p. 345) bezeichnen die Meergrundeln als Fleischfresser. Nach Bren (1892, p. 140) jagen sie nach Wiirmern und Garneelen, fressen aber auch Fisch- eier und Tange. Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 451 XVI. Callionymidae, 66. Callionymus lyra. Ein gesonderter Magen fehlt. Die Innenflache des Darmes zeigt verastelte Lingsfalten und in den Zwischenraéumen kleinere Falten, die unregelmaBige Maschen bilden. Gegen das Ende des Diinndarms nehmen die Falten ab und werden im Enddarm wieder ausgepragter (Cuvier 1835, p. 361). Nach Mecxket (1829, p. 253) ist die Innenflache des einfachen, diinnwandigen, ziemlich kurzen Darmkanals netzférmig gefaltet. Pfértneranhange fehlen. Zahl- reiche Schleimhautfalten, die nach hinten zu sehr einfach werden und wenig hervortreten, erwihnt Prtirer (1885, p. 306). Von Leunis (1883, p. 691) und GUNTHER (1886, p. 345) wird Callionymus zu der Gruppe der fleischfressenden Gobiidae gestellt. Nach Breum (1892, p. 145) bilden Muscheln, Wiirmer und andere Weichtiere ihre bevorzugte, wo nicht ausschlieBSliche Nahrung. XVII. Blenniidae. 67. Blennius pholis. Die Gattung Blennius stellt MeckeL (1829, p. 253) zusammen mit einer Gruppe von Fischen, die keinen deutlich abgegrenzten Magen, wenige oder keine Appendices pyloricae und einen ein- fachen, diinnhaiutigen, ziemlich kurzen Darmkanal besitzen, dessen Innenflache meist netzformig gefaltet ist. Auch Cuvier (1835, p. 359) fand bei der Gattung Blennius keinen gesonderten Magen und auf der Darmschleimhaut grobe, im Zickzack verlaufende Falten, deren freier Rand ein wenig ausgefranst ist in papillen- formige Fortsitze. Nach hinten zu nehmen die Falten ab. Grobe, komplizierte Schleimhautfalten im Darm von Blennius pholis, ahn- lich wie bei Syngnathus, erwihnt Priuiret (1885, p. 306). 68. Blennius sanguinolentus (RATHKE 1837, p. 349, 350). Die Schleimhaut des Mitteldarms bildet im Zickzack ver- laufende Falten, die meist in spitzen, seltener in rechten Winkeln gebogen, mitunter auch unterbrochen sind. Im Afterdarm aber besteht ein einfaches Netz von Falten mit weiten, unregelmafigen, zum Teil nicht ganz geschlossenen Maschen. 69. Blennius lepidus (RarHKe 1837, p. 349, 350). Die Innenflache des Mitteldarms ist, ‘ahnlich wie bei Clupea pilchardus, von dicht gedrangten, gerade verlaufenden Langsfalten bedeckt, deren freier Rand anfangs stark gekrauselt, spiater ganz 452 H. Eggeling, glatt ist. Die Schleimhaut des Afterdarms zeigt ein einfaches weitmaschiges und unregelmaBiges Netzwerk wie bei Blennius sanguinolentus und Smaris vulgaris. Nach Leunis (1883, p. 694) sind die Blenniusarten gefraBige Fleischfresser. BrEHM (1892, p. 151) sagt von Blennius pholis: »Die langen und kraftigen Schneidezihne befahigen den Fisch, Muscheln und andere Weichtiere, seine eigentliche Nahrung, von den Felsen loszulisen, doch scheint er auch andere freischwimmende Tiere nicht zu verschonen, weil gefangene eine stets rege und vielseitige FreBlust zeigten. Einer, den Guyon hielt und unge- fahr ein halbes Jahr beobachtete, verschlang mit gleicher Gier Weichtiere, Spinnen, Tausendfiike, Kafer, tiberhaupt jedes sich be- wegende Tierchen und auferdem Fleisch von Séugetieren und Voégeln.“ Cuvier (1835, p. 360) fand im ersten Abschnitt des Darmes von ,Blennie a bandes“ unverainderte Nahrungsbestandteile von Fucus und ,peau blanche de corail‘, im zweiten Abschnitt ,débris calcaires de polypiers pierreux, celluleux et de fucus‘. 70. Clinus superciliosus (Cuvier 1835, p. 360). Der Magen ist nicht gesondert, der Darm ziemlich kurz und weit. An seinem Beginn bildet die Schleimhaut breite wellige Langsfalten. Mitteilungen tiber die Ernahrung dieses Fisches waren mir nicht zuganglich. 71. Zoarces (Blennius) viviparus (Rupotpar 1802, p. 64). Der Magen ist weiter als der mafig lange, mit 2 Appendices pyloricae versehene Darm. An dessen Anfang zeigt die Innenflache groBe blattartige Falten, die sich untereinander netzformig ver- binden. Nach hinten zu werden die Faltungen immer schwacher und im Mastdarm sieht man fast nur schwache Liangsstreifen. Die Nahrung der Aalmutter besteht nach LEunts (1883, p. 696) aus allerlei kleinem Getier, nach Brenm (1892, p. 153) aus kleinen Fischen, Muscheln, Wiirmern und Laich. 72. Anarrhichas lupus. MECKEL (1829, p. 253) fiihrt das Genus Anarrhichas unter einer Gruppe von Fischen auf, deren diinnwandiger, ziemlich kurzer Darmkanal mit wenigen oder keinen Appendices pyloricae ver- sehen ist. Der Magen ist stark muskulés und wesentlich nur da- durch vom Darm unterschieden. Die Innenfliche des Darmes beschreibt MeckrEL und ebenso Owen (1866, p. 421) als netz- Dinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen, 453 formig gefaltet. Nach Cuvier (1810, p. 529, 1835, p. 360) bildet die Schleimhaut zahlreiche, nach allen Richtungen verlaufende, gefranste Falten, die sich unter UmschlieSung rautenformiger Felder miteinander verbinden. Die Pfértneranhange fehlen. Die Nahrung des Seewolfes besteht hauptsiachlich aus Krusten- tieren und Muscheln, die er mit gewaltigen Zihnen leicht zer- beiBt (LeuNis 1883, p. 694; GinrueER 1886, p. 351; ScHMIEDE- KNECHT 1906, p. 357). Auferdem stellt er wahrscheinlich ver- schiedenen Fischen nach (BREHM 1892, p. 149). XVIII. Atherinidae. 73. Atherina Boyeri (RATHKE 1837, p. 349). Der Darm wird fast in seiner ganzen Linge von zickzack- formig verlaufenden Falten durchzogen, ,so da sie meistens spitze, seltener rechte Winkel bilden, jedoch mitunter auch unter- brochen sind“. Leunis (1883, p. 697) und Ginruer (1886, p. 356) be- zeicbnen die Aehrenfische als Fleischfresser, ohne nahere Angaben zu machen. XIX. Mugilidae. *74. Mugil cephalus (2 Figuren auf Taf. XVII). Beim Genus Mugil ist nach der Beschreibung von MrecKEL (1829, p. 241, 246) der Magen mit einem lainglichen, zugespitzten Blindsack und einer sehr muskulésen Pars pylorica versehen. Die Lange von Blindsack und Pars pylorica wechselt bei verschiedenen Arten ganz unabhaingig vom Fiillungszustand des Magens. Auch die Zahl der Appendices pyloricae variiert zwischen 2 und 8. Der Darmkanal ist sehr lang und vielfach gewunden. ,,An seiner ganzen inneren Flache ist er mit dichtstehenden, zarten, sehr ansehnlichen, selbst bei kleinen Tieren den menschlichen an Grofe gleichkommenden Zotten besetzt, die auf keinen Falten stehen und gegen das Ende gréber und weiter auseinandergeriickt sind, daher deutlicher werden.“ Auch RarHKke (1837, p. 351) be- obachtete fast im ganzen Darm von Mugil cephalus auf der ziem- lich glatten Schleimhautoberflache sehr zarte und meistens zungen- formige Zotten abhnlich denen des Menschen. Dagegen stellt Rupoupnr (1828, p. 209) das Vorkommen von Zotten in Abrede und spricht nur von langen Fortsatzen, die von Falten entstehen. Das mir vorliegende Exemplar mit im ganzen 460 mm, und von der Herzspitze bis zum After 178 mm. Der Magen beginnt Bd, XLII, N. F. XXXVI. 30 454 H. Eggeling, mit einer Jangen und ziemlich weiten Pars cardiaca, die sich fort- setzt in den sehr muskelkraftigen Hauptteil des Magens. Dieser entsendet afterwirts einen kegelférmigen, schlanken Magenblind- sack yon geringer Linge und erscheint seitlich nicht scharf ab- gegrenzt gegen eine mit auferordentlich dicker Muskelwand ver- sehene, dem Muskelmagen der Végel vergleichbare Pars pylorica. Sie hat von aufen kugelige Form und hier reichlich die Gréfe einer Kastanie. Jenseits des Pylorus bilden 6 ziemlich starke Appendices pyloricae einen Kranz um den Anfang des Diinndarms. Dieser ist sehr lang und bildet zahlreiche, dicht nebeneinander gelegene und durch Fettgewebe zu einem Klumpen vereinigte Win- dungen. Seine gesamte Linge betrigt mindestens 2m. Eine scharfe d4ufere Grenze gegen den Dickdarm konnte ich nicht wahrnehmen. Zum Zweck der Untersuchung des Schleimhautreliefs wurden Stiicke aus den verschiedensten Teilen des Darmes in der Langsrichtung aufgeschnitten und in Formol ausgebreitet. An meinen Praparaten sah ich nirgends im gesamten Darm Schleimhautfalten, sondern iiberall nur isolierte, schlanke, mehr oder weniger lange zottenihnliche Fortsitze, deren Verhalten in den verschiedenen Abschnitten des Darmes sehr wechselt. Am Anfang des Diinndarms, unmittelbar hinter den Pfortneranhangen findet man die langsten Fortsiatze, aber dieselben nehmen nicht die gesamte Innenflaiche dieses Darmabschnittes ein, sondern be- schrinken sich auf einen kranio-kaudal ziehenden Streifen, der etwa ein Drittel oder eine Halfte der Oberflache bedeckt. Es sind schmale, ca. 5mm lange, einzeln stehende Fadchen, die keine bestimmte Anordnung zu besitzen scheinen. Den Rest der Innen- flache des Diinndarmantanges bedecken kiirzere, feine, zugespitzte Zotten, die nicht besonders dicht nebeneinander stehen und viel- fach eine verbreiterte Basis besitzen. Im weiteren Verlauf des Diinndarms werden die Zotten immer kleiner, bleiben aber bis zum Ende deutlich und scheinen auch auf dem gesamten Darm- querschnitt tiberall ziemlich gleichmafig ausgebildet zu sein. Die Oberflache der Rektalschleimhaut trigt Gebilde, die man eigent- lich nicht mehr als Zotten bezeichnen kann. Es sind gedrungene, kurze, pyramidenformige Fortsitze, die etwas an Dornen erinnern und deutlich in schragen Liangsreihen angeordnet sind. 75. Mugil capito (PitLmr 1885, p. 304). Auf der Innenfliche des Darmes finden sich ziemlich ver- einzelt stehende konische Zotten, die im Mittel 3,11 mm lang und 2,1 mm breit sind. Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen. 455 **76. Mugil auratus. Gesamtlinge 342 mm, Herzspitze bis After 135 mm. Die Anordnung des Magen-Darmkanals ist ganz dieselbe wie bei Mugil cephalus. Nur sind hier 8 Appendices pyloricae vorhanden. Das Ende des kegelférmigen Magenblindsackes reicht viel weiter kaudalwiarts als bei M. cephalus. Der Darm ist ca. 150 cm lang, seine Wandungen sind sehr zart und leicht zerrei8bar, obgleich das Tier sehr frisch ist. Stiicke aus verschiedenen Partieen des Darmes wurden in Formol ausgebreitet. Auch hier bildet die Innenfliche des Darmes keine Falten, sondern zierliche, zottenartige Anhainge. Diese sind aber hier viel feiner und kiirzer als bei Mugil cephalus. Am Anfang des Diinn- darms tritt auf dem Querschnitt ebenfalls eine UngleichmaSigkeit der Fortsitze nach Lange und Starke hervor, aber lange nicht solche Gegensitze wie bei Mugil cephalus. Die langsten Zotten sind hier héchstens 2 mm lang. Weiterhin erscheinen sie ziemlich gleichmafig auf der Diinndarmschleimhaut verteilt. Sie entspringen mit etwas verbreiterter Basis, enden zugespitzt und stehen gar nicht sehr dicht beieinander. Nach dem After zu werden sie immer schlanker und kiirzer. Eine bestimmte Anordnung in Reihen ist nicht zu erkennen. Erst im Endabschnitt des Darmes, kurz vor dem After bilden die gedrungenen und kiirzeren, dornahn- lichen Schleimhautfortsatze schrage Lingsreiben, die aber nicht ganz so deutlich hervortreten wie bei Mugil cephalus. Die Meeraschen leben von organischen, tierischen und pflanz- lichen Stoffen, die mit Schlamm und Sand vermischt aufgenommen werden. Die besondere Umbildung des Schlundes zu einem Seih- apparat verhindert, dafi gréfere Korper in den Magen oder durch die Kiemenéffnungen hindurchgleiten (LEUNIS 1883, p. 697; SCHMIEDE- KNECHT 1906, p. 358). Sie nehmen eine Menge von Sand oder Schlamm ein, und nachdem sie dieselbe eine Zeitlang zwischen den Schlundknocher verarbeitet haben, werfen sie den grébsten und unverdaulichen Teil desselben wieder aus“ (GUNTHER 1886, p. 357). Bream (1892, p. 162) sagt: ,,Weiche und fettige Stoffe bilden ihre bevorzugte Nahrung, insbesondere Stoffe, die bereits in Verwesung begriffen sind. Ihre Lippen scheinen einen sehr feinen Tastsinn zu besitzen, denn die meiste Nahrung holen sie sich aus dem Grunde heraus. Coucn meint, daf sie die einzigen Fische seien, die regelmabig tote, abgestorbene Tiere zur Speise wahlen und ausnahmsweise nur den gemeinen Sandwurm verschlingen.“ Sie fangen sich nur selten an der Angel. K6der sind am besten 30 * 456 H. Eggeling, Fischeingeweide und in Fleischbriihe abgekochte Kohlblatter, ge- legentlich auch die kiinstliche Fliege. XX. Gasterosteidae. 77. Gasterosteus aculeatus (RupotpH 1802, p. 69). Der Magen ist langlich-eiformig, der Darm nicht lang und mit 2 Appendices pyloricae versehen. Die Darmschleimhaut ist netzformig gefaltet, wobei die querverlaufenden Faltchen am deut- lichsten hervortreten. Die Stichlinge sind au8erordentlich gefraéfige Tiere, die be- sonders dem Laich und der Brut anderer Fische nachstellen, aber auch junge Blutegel, Motten und andere Schmetterlinge, die auf die Oberflache des Wassers fallen, nicht verschmahen (LEuNIS 1883, p. 698; GUNTHER 1886, p. 360; Bren 1892, p. 167, 168). XXI. Centriscidae. 78. Centriscus scolopax (Centrisque bécasse, CUVIER 1335) p. 365). Der Magen ist rudimentir, der Darmkanal lang und eng. Seine Schleimhaut bildet breite Papillen, die zickzackartig ange- ordnet sind, als ob sie durch Unterbrechung zickzackformiger Falten entstanden waren. Sie sind besonders zahlreich, dicht- stehend und ansehnlich hinter der Einmiindung des Ductus chole- dochus und nehmen nach hinten zu ab, besonders im Enddarm. Nach Bren (1892, p. 177) nimmt man an, daf die See- schnepfe ,,allerlei kleine Muscheln und andere Weichtiere, vielleicht auch Fischlaich u. dergl. zwischen dem Seetange hervorhole“. XXII. Labridae, »Jhrem Gebisse entsprechend fressen die meisten Arten vor- zugsweise Muscheln, die sie mit den beweglichen Lippen vom Grunde oder von den Pflanzen des Meeres ablesen, und deren Schalen sie miihelos zertriimmern; doch gibt es auch Pflanzen- fresser unter ihnen, die formlich weiden, ohne tibrigens deshalb tierische Stoffe zu verschmahen“' (BreHM 1892, p. 197). Auch Krustentiere, Korallen, Zoophyten dienen manchen Labriden zur Nahrung (Lreunis 1883, p. 704; GUNTHER 1886, p. 374). 79. Scarus (MECKEL 1829, p. 251). Der Darmkanal hat ziemlich diinne Wandungen und ist mabig lang. ,,Nicht véllig aufgeblasen, hat er viele zellenartige Erweite- Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 457 rungen, wodurch er mit dem Dickdarm mehrerer Siugetiere Aehn- lichkeit erhalt.“ Der Fisch lebt nach GUNTHER (1886, p. 378) ,,von Ledertangen, und VALENCIENNES glaubt, da die Notwendigkeit, seine vege- tabilische Nahrung gehérig zu kauen, und das Vor- und Riick- wirtsschieben derselben zu diesem Behufe im Munde zu der An- gabe Veranlassung gegeben haben diirften, er sei ein Wiederkauer. Tatsichlich kommt seine Nahrung sehr fein zerteilt in seinem Magen an.“ Auch nach Bream (1892, p. 204) scheint seine Nahrung, wenigstens zum gréften Teil, aus Pflanzenstoffen zu bestehen, die er von den Felsen abpfliickt. *80a. Labrus turdus (Figur auf Taf. XVII). Der Magen des Genus Labrus entbehrt nach MEecKEL (1829, p. 251) des Blindsackes und ist nicht vom Darm zu unterscheiden. Dieser ist kurz, wenig gewunden, sehr diinnhautig. Appendices pyloricae fehlen. Die Innenflache weist netzformig verbundene Langsfalten auf, die allmahlich niedriger werden und im relativ sehr langen Dickdarm ganz verschwinden. Cuvier (18305, p. 363) gibt an, daf bei Labrus turdus die breiten, welligen, guirlanden- artigen Schleimhautfalten einen ausgefransten freien Rand be- sitzen und sich untereinander vereinigen zur UmschlieSung tiefer polygonaler Griibchen. Indem die Faltungen gegen das Ende des Darmkanals abnehmen, findet man im Enddarm nur noch fast Jongitudinal verlaufende Rinnen. Ich selbst untersuchte 2 etwas verschieden gefarbte Exemplare, von denen das erste eine Gesamtlinge von 270 mm besitzt und von der Herzspitze bis zum After 67 mm miBt. Der Darmkanal erscheint als ein einfaches, ziemlich gleich- mafiges Rohr mit diinnen Wandungen, das mit geringen Windungen nach hinten zum After zieht und nur eine unbedeutende Langen- ausdehnung besitzt. Eine auBerliche Sonderung in bestimmte Ab- schnitte fehlt, auch Appendices pyloricae sind nicht vorhanden. Stiicke aus verschiedenen Abschnitten des Darmkanals wurden in Formol ausgebreitet. Am Anfang des Diinndarms bilden mittelhohe, in sich krausen- artig gefaltete Schleimhautfalten ein gleichmaBiges Netz mit weiten polygonalen Maschenraumen, welche ein zweites feines Netz von niedrigen Faltchen umschliefen. Dieses doppelte Faltennetz bleibt durch den ganzen Darm hindurch bestehen und 4ndert sich nur insofern, als die Hauptfalten niedriger und glatter werden und gegen das Ende hin deutlich als Langsfalten hervortreten, die, 458 H. Eggeling, durch Seitenaiste verbunden, rautenformige Gruben zwischen sich fassen. *80b. Gesamtlinge 242 mm, Herzspitze—After 61 mm. Die Anordnung des Speisekanals ist dieselbe wie bei dem erst- genannten Exemplar. Mehrere Stiicke aus Anfang, Mitte und Ende des Darmes, nach der Semperschen Methode behandelt, zeigen ein Schleimhautrelief, das von dem des ersten Exemplars recht verschieden ist. Zwar liegt auch hier durch den ganzen Darm ein Netz von Falten vor, aber die Falten sind alle niedrig, die Maschen des Netzes ziemlich unregelmakig, bald weiter, bald enger, sehr flach. Ein doppeltes Netzwerk ist nicht zu erkennen, ebensowenig wie eine Langs- anordnung der Schleimhautfalten. Bren (1892, p. 198) gibt als die bevorzugte Nahrung von Labrus mixtus kleine Krebsarten an; er lat sich aber auch mit Muschelfleisch und Gewiirm ernihren und nimmt auch Fische an. Ich fand im ganzen Darm der beiden Exemplare von Labrus turdus reichliche Reste von kleinen Krebsen mit ziemlich harten Schalen, anscheinend auch kleine Stiickchen von harten Muschelschalen. *81.. Labrus viridis. Die Wandungen des Darmes erschienen diinner, die Schleim- hautgriibchen weniger zahlreich und flacher als bei Labrus turdus. CuvieR vermutet, dai hierin kein prinzipieller, sondern nur ein individueller Unterschied von der vorigen Art zum Ausdruck kommt (Cuvier 1835, p. 363). Das von mir untersuchte Tier mift im ganzen 303 mm und von der Herzspitze bis zum After 72 mm. Die Anordnung des Darmkanals ist dieselbe wie bei Labrus turdus. Seine Linge erschien mir etwas betrachtlicher. Sticke aus Anfang, Mitte und Ende des Darmes wurden in Formol aus- gebreitet. Am Beginn des Diinndarms bildet die Schieimhaut ein sehr unregelmaBiges doppeltes Netz von Falten. Grébere Falten, die aber im Vergleich mit anderen Formen keineswegs hoch sind, be- grenzen polygonale Felder von wechselnder Grofe und entsenden in diese Maschenraume hinein zarte Seitenzweige, die sich hier zu einem engeren Netz mehr oder weniger vollstindig verbinden. Die gréberen Falten sind in sich leicht krausenformig gefaltet und an ihrem freien Rand mit kleinen, dicht nebeneinander stehenden Ausschnitten versehen, so daf der Rand gezihnelt erscheint. In Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochentischen. 459 der Mitte des Diinndarms erkennt man nur wenige stark gekrauste, longitudinal verlaufende Hauptfalten, die rautenférmige Bezirke mit seitlichen Zweigen begrenzen. In den Zwischenriumen finden sich ziemlich dichtstehende niedrige Falten, die ganz unregelmafig wellenformig verlaufen und nur vereinzelt zu einem Netz sich ver- binden. Nicht blof§ die groben, sondern auch die feineren Faltchen tragen an ihrem freien Rand gelegentlich Ausschnitte, so daf das Bild sehr unregelmifig sich darstellt. Im weiten Enddarm_ be- steht dann wieder ein sehr unregelmafiges doppeltes Netzwerk, dessen grébere Falten an Héhe wechseln und hie und da kurze Fortsaitze an ihrem freien Rande tragen. 82. Labrus bergylta (PILLIET 1885, p. 306). Die Innenfliche des Darmes weist blumenkohlartige, sehr lange und komplizierte Faltungen auf, die ziemlich weite Hohlraume begrenzen und sich nach hinten vereinfachen. **83. Labrus merula. Gesamtlinge 385 mm, Herzspitze bis After 110 mm. Der Darmkanal ist sehr einfach gebaut. Er stellt einen mittel- langen, anfangs sehr weiten, dann allmahlich, aber nicht bedeutend verengten Schlauch mit ziemlich kraftigen muskulésen Wandungen dar. Sein erster, der Speiseréhre und dem Magen entsprechender Abschnitt zieht erst gerade kaudalwarts und bildet dann eine nach hinten konvexe Schlinge. Ein Blindsack, sowie Appendices pyloricae fehlen. Es folgt dann eine kurze, nach vorn konvexe Duodenalschlinge und ein ziemlich gerade nach hinten ziehender Darm, der wenige Centimeter oberhalb des Afters durch eine kleine Einschniirung den Sitz einer kraftigen Klappe anzeigt, welche Diinndarm und Dickdarm gegeneinander abgrenzt. Teile aus ver- schiedenen Abschnitten des Darmkanals wurden in Formol aus- gebreitet. Ziemlich grobe, am freien Rande leicht gezackte Schleimhaut- falten bilden am Beginn des Diinndarms ein Netzwerk mit weiten, unregelmaivigen polygonalen Maschen. Diese letzteren werden in kleinere Bezirke zerlegt durch feine Faltchen, die von den gréberen ausgehen, teils frei endigen, teils mit benachbarten zu einem engen Maschenwerk verbunden sind. Dasselbe Verhalten besteht auch noch in der Mitte des Diinndarms und erhalt sich bis zu dessen Ende an der Dickdarmklappe, nur werden die Falten etwas niedriger. Auch im Enddarm findet sich ein Faltennetz, das aber sehr unregelmaBig sich darstellt. Die Maschenréume sind von 460 H. Eggeling, wechselnder GriSe und die Falten von sehr verschiedener Hohe, ohne aber deutlich in ein gréberes und feineres Netz zu zerfallen. **24. Labrus festivus. Gesamtlinge 380 mm, Herzspitze bis After 105 mm. Der Darmkanal ist ein ziemlich gleichmafiges, recht weites Rohr, das fast gerade gestreckt zum After geht. Es zeigt keine be- merkenswerten Erweiterungen oder Verengerungen und laft aufer- lich keine Sonderung in einzelne Abschnitte wahrnehmen. Seine Lange ist im Vergleich mit den anderen untersuchten Labriden sehr gering, die Wandung im ganzen kraftig. Mehrere Stiicke aus Anfang, Mitte und Ende des Darmes wurden in Formol fixiert. Das Schleimhautrelief ist am Anfang des Darmes ein recht ausgepragtes. Es finden sich hier ziemlich hohe und dicht an- einander stehende Falten, die krausenférmig gefaltet und an ihrem Rande etwas eingeschnitten sind. Diese Falten laufen vorwiegend longitudinal und umschlieBen mit seitlichen Zweigen ziemlich grofe, rautenférmige oder polygonale Raiume, welche durch feinere Faltchen, die stellenweise wieder zu Netzen verbunden sind, in Unterabteilungen zerlegt werden. Weiterhin werden die Falten niedriger und ein- facher, die Liangsrichtung derselben schwindet, tritt aber im End- stiick wieder deutlicher hervor. Im iibrigen sind die Falten hier von geringer Hohe, glattrandig und nicht krausenartig gefaltet. Die Maschen des groben, sowie des ziemlich unvollstandigen feineren Netzes sind relativ weit. Zertriimmerte Muschelschalen waren im Darminhalt von Labrus merula zu erkennen, waihrend ich bei Labrus festivus nur einen weiSen, milchig-breiigen Inhalt und einen langen griinen Pflanzen- teil beobachtete. 85. Crenilabrus fuscus (RATHKE 1837, p. 350, 351). Bei dieser und anderen Arten bildet die Schleimhaut des Mitteldarms ein ziemlich weitmaschiges, unregelmabiges Netzwerk. »sind die Falten des Netzwerkes sehr hoch, wie das namentlich am vorderen Teil des Mitteldarms bei den Crenilabren der Fall ist, so findet man sie am Rande meistens gekrauselt.* Von diesen hohen Falten gehen im vorderen Darmteil von Crenilabrus fuscus und perspicillatus zahlreiche zum Teil dreiseitige, zum Teil zungen- formige Auswiichse ab, die einige Aehnlichkeit mit den Darmzotten héherer Wirbeltiere haben. Bei manchen Crenilabren verschwinden im hinteren Teil des Mitteldarms die quergehenden Verbindungs- falten des Netzwerkes, und an seine Stelle treten mehr oder weniger Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 461 zickzackformig verlaufende Lingsfalten. Im Afterdarm mancher Crenilabren findet sich ein doppeltes Netzwerk, ,,d. h. ein solches, welches aus gréferen Maschen besteht, in denen einige kleinere und aus niedrigeren Falten bestehende Maschen eingeschlossen sind“. 86. Crenilabrus perspicillatus (RaTHKE 1837, p. 350, 351). Vergl. die Angaben unter Crenilabrus fuscus. Die Nahrung yon Crenilabrus melops besteht nach Brenm (1892, p. 200) fast ausschlieflich aus kleinen Krebstieren. Dies ist die einzige mir zur Verfiigung stehende Mitteilung tiber die Ernahrung der Crenilabren. 87. Coricus rostratus (lamarkii?) (sublet Cuvier 1835, p. 365). Ein gesonderter Magen und Appendices pyloricae fehlen. Der Darm ist kurz und diinnwandig. Seine Innenflaiche bildet Zickzack- falten. Eingehendere Mitteilungen tiber die Ernahrung dieses Fisches waren mir nicht zuganglich. 88. Coris (Labrus) julis (Cuvier 1835, p. 364). Der Magen ist rudimentir, der Darm kurz und weit. Auf seiner Innenfliche stehen breite, zahlreiche, im Zickzack verlaufende Langsfalten, die durch kleine Querbriicken untereinander in Ver- bindung stehen. Im Enddarm werden die Faltungen unregelmabig. Die Befunde sind sehr ahnlich denen bei den Labriden. Die Nahrung besteht aus Schaltieren und jungen Fischen (BREHM 1892, p. 201). 89. Novacula (MEcKEL 1829, p. 251). Der Magen entbehrt eines Blindsackes und ist auferlich nicht vom Darm zu unterscheiden. Appendices pyloricae fehlen. Der Darm ist kurz, wenig gewunden, diinnhautig. Seine Innenfliche ist mit Lingsfalten versehen. Nach hinten zu werden die Vor- spriinge allmahlich niedriger, verschwinden aber nicht ganz in dem relativ sehr langen Dickdarm. In keinem der von mir benutzten Sammelwerke fand ich An- gaben tiber die Ernahrung dieses Fisches. XXIII. Pomacentridae. 90. Pomacentrus castaneus (Castagnole de la médi- terrannée Cuvier 1835, p. 352). 462 H. Eggeling, Der mit 5 Appendices pyloricae versehene, ziemlich kurze Darm erscheint an seiner Innenfliche sammetartig durch kegel- formige, borstenartige (sétacés) gedrangte Papillen. Die Pomacentridae leben nach GUNTHER (1886, p. 374) ,,haupt- saichlich von kleinen Meerestieren, und diejenigen, welche zusammen- gedriickte Zihne haben, scheinen von den kleinen Zoophyten zu leben, welche die Banke bedecken, um welche herum diese ,Ko- rallenfische‘ in Menge vorkommen‘. (Desgl. Leunis 1883, p. 704; Breum 1892, p. 196.) XXIV. Chromidae. 91. Chromis niloticus. Den Magen beschreibt Mrcket (1829, p. 251) als weiten, langlich-runden Blindsack. In den sehr langen Darm miinden nach Cuvier (1835, p. 365) 2 Appendices pyloricae. Die Schleim- haut bildet nach Mrecken schwache Langsfalten, nach Cuvier ein Faltennetz mit polygonalen Maschen. Die Gattung Chromis gehért zu derjenigen Gruppe der Chro- midae, welche mehr oder weniger gelappte Zahne und viele Darm- windungen besitzen. Diese bezeichnet GUNTHER (1886, p. 381) als Pflanzenfresser, wihrend die anderen Fleischfresser sind. b) Malacopterygii. I. Cyclopteridae. 92. Cyclopterus lumpus. Auf den weiten, rundlichen Magen mit ansehnlichem Blindsack folgt ein maBig langer, enger Darm mit 7—8 (MeckeL 1829, p. 263) resp. etwa 6 (Cuvier 1810, p. 528) vielfach verzweigten Appendices pyloricae. Die Innenflache zeigt parallele Lingsfalten nach allen Angaben (RuDOLPHI 1802, p. 76; Cuvier 1810, MecKEL 1829, Cuvier 1835, p. 387). Im Dickdarm sind nach Cuvigr die Falten gréber, weniger regelmibig und verdastelt. Der Seehase ist Fleischfresser (GUNTHER 1886, p. 343), und zwar lebt er nach LruntIs (1883, p. 691) von Fischlaich, Mollusken und kleinen Krebsen; nach Bren (1892, p. 139) nimmt er auch Quallen, Muschelfleisch und Wiirmer, anscheinend nur vereinzelt auch kleine Fische. 93. Lepadogaster biciliatus (RAaTHKE 1837, p. 349). Im ganzen Darm finden sich mehr oder weniger stark ge- Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 463 schlangelt verlaufende Langsfalten, die ziemlich haufig durch seit- liche Ausliufer untereinander verbunden sind. Die Gattung Lepadogaster wird von Lrunis (1883, p. 700) zu den fleischfressenden Gobiesocidae gestellt. Sie leben nach BreumM (1892, p. 178) von kleinen Krustern und ahnlichen Meer- tieren, auch wohl kleinen Fischen. II. Gadidae. Alle Gadidae sind Fleischfresser (LEuNIS 1883, p. 709). 94. Gadus morrhua. Der Magen ist nach MeckEeL (1829, p. 268) bei Gadus und verwandten Gattungen lainglich-rund, meist ohne grofen Blindsack. Der Pfortnerteil ist kurz, der Darm mafig lang und diinnwandig. Er besitzt gewéhnlich 4—6, bei G. morrhua nach Cuvier 6 Oeff- nungen von stark verzweigten Appendices pyloricae. Seine Schleim- haut ist nach Rupouput (1802, p. 64) und MeckeL mit schwachen netzformigen Falten versehen, die niedrige rundliche Griibchen umschliefen, waihrend sie Cuvier (1810, p. 531; 1835, p. 382), Minne Epwarps (1860, p. 388) und Owen (1866, p. 421) als glatt oder fast glatt, abgesehen von einigen Runzeln an den Stellen, wo der Darm sich umbiegt, bezeichnen. Der Kabeljau ist ein iiberaus gefraifiger Fisch. Als Nahrung dienen ihm Fische (besonders Mallotus villosus und Heringe, auch Stichlinge), ferner Schal-, Weich- und Krebstiere (namentlich Tintenschnecken). Er schnappt aber auch nach vollkommen un- geniefbaren Dingen, verschlingt Tang und Seegras und verschont auch seine eigenen Jungen nicht (BREHM 1892, p. 210). 95. Merlangus merlangus? (lieu, merlan Cuvier 1835, p. 382). In den mit dicken Wandungen versehenen Darm miinden zahlreiche Appendices pyloricae mit 4 Oeffnungen. Die Schleim- haut hat eine glatte Oberflache. Dieser Fisch ernahrt sich mit Krustern, Wiirmern und kleinen Fischen (BrEHM 1892, p. 214). 96. Merlangus (Gadus) pollachius (Minne Epwarps 1860, p. 388). Die Innenfliche des Darmes ist fast glatt. *97a. Merlucius (Gadus) merlucius. Der langlich-runde Magen besitzt nach MEcKEL (1829, p. 268) einen sehr ansehnlichen langlichen Blindsack und einen kurzen 464 H. Eggeling, Pfortnerteil. Es findet sich nur eine ansehnliche Appendix pylo- rica. Der mifig lange Darm zeigt nach MECKEL an seiner Innen- fliche ein schwaches Faltennetz mit rundlichen flachen Maschen. Dagegen fand Cuvier (1810, p. 5380, 531; 1835, p. 383) am Beginn breite, gefranste Falten, die mit kleinen Seitenasten rautenformige Raume umschlieBen. Gegen den Mastdarm werden die Falten schmaler und stellen hier nur Runzeln dar, die aber gleichfalls noch teilweise zu Rauten zusammentreten. ‘Teilweise schwinden die Seitenaiste, und es bleiben dann nur noch Langsfalten bestehen. Das erste der beiden von mir untersuchten Exemplare hat eine Gesamtlinge von 364 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 85 mm. Der Magen beginnt mit einer ziemlich kurzen und maBig weiten Pars cardiaca und setzt sich fort in einen lang- gestreckten, schlauchformigen Blindsack. Die Pars pylorica liegt dicht neben der Pars cardiaca, ist eng und kurz. Der Anfang des Darmes gleich hinter dem Pylorus ist ziemlich weit. In ibn miindet eine einzige plumpe Appendix pylorica. Dann nimmt das Lumen des Darmes allmahlich ab und wird im Endabschnitt nahe dem After recht eng. Die Lange des Darmes ist gering, seine Wandung besonders am Anfang diinn und zart. Er bildet je einen kurzen absteigenden und aufsteigenden Schenkel und setzt sich dann mit geringen Windungen zum After fort. Eine Sonderung in einzelne Abschnitte ist auBerlich nicht zu erkennen. Aus verschiedenen Abschnitten des Darmkanals entnommene und in Formol fixierte Stiicke zeigen, dafi Langsfalten das vor- wiegende Relief der Darmschleimhaut darstellen. Am Beginn des Diinndarms sind die Lingsfalten ziemlich hoch, gerade und glatt. mit abgerundetem freien Rand. Die Hauptfalten stehen spitz- winklig miteinander in Verbindung, so daf sie rautenformige Felder umschliefen. In diese laufen kleinere seitliche Falten hinein, die zum Teil untereinander anastomosieren und so ein spirliches un- regelmaBiges Netz mit nicht sehr engen, polygonalen Maschen her- stellen. Weiterhin geht das Hauptnetz fast verloren. In der Mitte des Diinndarms erkennt man noch die Hauptfalten, die niedriger geworden sind und meist in Zickzacklinien verlaufen, und in den Raumen zwischen ihnen ganz niedrige Seitenfalten, die gelegentlich frei auslaufen, ohne ein Netzwerk zu bilden. Im Enddarm nehmen die Hauptlingsfalten wieder ihren geraden Ver- lauf an. Sie sind von geringer Hohe und begrenzen rautenférmige, flache Bezirke, die von einem ganz zarten und engmaschigen Netz feinster Schleimhautfaltchen bedeckt werden. Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 465 *97b. Gesamtlinge 302 mm, Herzspitze—After 75 mm (8 Fi- guren auf Taf. XVII). Das makroskopische Verhalten des Magendarmkanals weicht in einigen der Erwahnung werten Punkten von dem des oben ge- schilderten Exemplars ab. Der Anfang des Magenblindsackes ist hier viel breiter, durch Nahrungsbestandteile ausgedehnt, nur das Endstiick erscheint schlank und gestreckt. Der Darm ist viel kiirzer als bei dem ersterwihnten Exemplar. Er zieht, abgesehen von einer kleinen Kriimmung, fast gerade vom Pylorus zum After. Etwa 2 cm oberhalb des letzteren deutet eine ringformige Ein- schniirung die Grenze zwischen Diinndarm und Dickdarm an. Letzterer hat eine feste Muskelwand In Formol fixierte Praparate aus verschiedenen Abschnitten des Darmkanals zeigen ein Relief der Darminnenfliche, das ganz mit dem oben geschilderten Exemplar No. 97a tibereinstimmt, nur am Anfang noch etwas starker ausgepragt ist. Die tiberaus gefraBigen Meerhechte leben von Fischen, und zwar vorwiegend von Alosa sardina (BreHM 1892, p. 216). Das eine der von mir untersuchten Exemplare enthielt im Magen einen frischen, zusammengekriimmten, ca. 11 cm langen Smaris vulgaris. Der Darminhalt bildet bei beiden Tieren einen weichen, sehr zihen Brei. 98. Lota (Gadus) lota (vulgaris). Yuneé und Fuurmann (1900, p. 336) schildern den Magen als weit und schlingenférmig, im wesentlichen aus Pars cardiaca und pylorica nebst ganz kurzem Blindsack bestehend. Die Zahl der Appendices pyloricae gibt Cuvier (1855, p. 383) auf 24 an, nach YunG und FuHRMANN kommen deren 14—15 vor, die mit 2—4 Oetfnungen in den Anfang des Darmes miinden. Der Diinn- darm ist lang, seine Innenflache erscheint guillochiert durch Zotten- bildungen, die bei Lupenbetrachtung ein sammetartiges Aussehen darbieten. Rupotpest (1802, p. 76) nennt die Darmschleimhaut gefaltet, wie bei anderen Fischen, nach Cuvier bildet sie ein feines Netz, nach Epincer (1877, p. 631) ist hier ein engmaschiges Netz von Schleimhautfalten am reichlichsten ausgebildet, ahnlich wie bei den meisten Cyprinoiden und Gonostoma denudatum. Die Aalquappe bezeichnet Bren (1892, p. 217) als einen der argsten Rauber der Gewasser. Sie lebt in der Jugend von Fischlaich, Wiirmern und anderen kleinen Wassertieren, spater von kleineren Fischen, die eigene Brut nicht ausgenommen, und vergreift sich bei Mangel an anderer Nahrung auch an den 466 H. Eggeling, schwacheren Artgenossen (LEUNIS 1883, p. 712; SCHMIEDEKNECHT 1906, p. 380). 99. Motella tricirrata (Gadus jubatus) [RaTHKE 1837, p. 349, 350]. Im ganzen Mitteldarm bilden Schleimhautfalten ein ganz ein- faches, sehr regelmabiges und auferst zierliches Netzwerk mit ganz engen Maschen. Im Afterdarm aber finden sich mehr oder weniger geschlingelt verlaufende Langsfalten, die ziemlich haufig untereinander durch seitliche Auslaufer verbunden sind. Die Beute dieses Fisches bilden Krebse und kleine Fische (BrEHM 1892, p. 220). **100. Motella maculata. Gesamtlange 215 mm, Herz- spitze—After 64 mm. Der Magen beginnt mit einer auferordentlich langen und weiten Pars cardiaca. An diese schlieBt sich ein ziemlich kleiner kegelférmig zugespitzter Blindsack, dessen Ende fast bis zam Ende der Bauchhohle reicht. Dicht neben der Miindung der Pars car- diaca entspringt vom oberen Ende des Magenblindsackes eine sehr kurze und enge Pars pylorica. Jenseits des Pylorus ist der Be- ginn des Diinndarms, den zahlreiche Appendices pyloricae um- geben, recht weit. Allméhlich nimmt nach dem After zu das Lumen ab und ganz am Ende wieder stark zu. Der Darm ist von mittlerer Linge. Er besteht aus einem absteigenden und auf- steigenden Schenkel und einem zum After absteigenden Endstiick. Alle diese Abschnitte zeigen geringe Windungen. Eine scharfe aiuBere Grenze zwischen Diinn- und Dickdarm fehlt. Die Wandungen des Darmes sind din, erst kurz vor dem After tritt eine Ver- starkung der Muskulatur auf. Stiicke aus verschiedenen Haupt- abschnitten des Darmes wurden in Formol ausgebreitet. Die Vergréerung der Darminnenfliche durch Faltungen ist eine auSerordentlich geringe. Es besteht ein sehr enges, feines Faltennetz mit ganz oberflachlichen rundlich-polygonalen Maschen- riumen, das am Beginn des Diinndarms kaum starker hervortritt als in der Mitte. In dem erweiterten Endabschnitt des Darmes ist dies Netz verschwunden. Hier erkennt man nur einige schwache Langsfalten und zwischen ihnen hier und da isolierte Stiickchen von Querfalten. Im Magen des von mir untersuchten Exemplars fand ich einige kleine Krebse. Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 467 *101. Phycis mediterraneus. Gesamtlinge 396 mm, Herzspitze—After 88 mm (Figur auf Taf. XVII). Beim Eréffnen der Bauchhéhle scheint der Magen vollkommen zu fehlen, er ist anscheinend in die weit geéffnete Mundhohle vor- gestiilpt. In der Bauchhohle findet sich nur ein langer, in mehrere Schlingen gelegter Diinndarm, der aber noch deutlich eine An- ordnung in einen absteigenden und aufsteigenden Schenkel] und ein absteigendes Endstiick erkennen lat. Der Diinndarm ist durch- weg eng, am Anfang mit zahlreichen langen und schlanken Ap- pendices pyloricae versehen. Etwa 5 cm oberhalb des Afters geht unter allmahlicher Zunahme des Lumens und Verdickung der Muskelwand der Diinndarm in den Dickdarm iiber. Stiicke aus Anfang und Mitte des Diinndarms sowie aus dem Enddarm wurden in Formol ausgebreitet. Das Diinndarmrelief ist ein auferst zartes. Es besteht hier ein gleichmafiges feines Netzwerk mit ganz engen, flachen, rund- lichen Griibchen. Diese sind anscheinend am Beginn des Diinn- darms etwas weiter und werden nach hinten zu immer enger. Sie sind auch noch im Enddarm zu erkennen und hier so fein und eng, daf sie wie Driisenmiindungen aussehen. Daneben kommen im Dickdarm noch einige grébere unregelmafige Lingsfalten vor und zwischen ihnen einige Andeutungen von Querfalten. Auf diese gréberen Faltenbildungen setzt sich das feine Relief un- verandert fort. Ueber die Ernaihrung dieses Fisches konnte ich keine niheren Mitteilungen auffinden. Auch der Darminhalt des von mir unter- suchten Exemplars gab dariiber keine Auskunft. III, Pleuronectidae. Die Flachfische sind simtlich fleischfressende Rauber (LEuNIS 1883, p. 714; GinrTHeR 1886, p. 395), ,,die grofen Arten unter ihnen, die sich selbst an Fische von der GréBe des Kabeljaus wagen, sehr kiihne, die kleineren, die sich mit Krebsen ver- schiedener Art, Muscheln und Wiirmern geniigen lassen, wenigstens auBerst gefribige Raubfische. In der Mordlust und Raubgier kommen sich die grofen wie die kleinen gleich. Sie verfolgen jede Beute, die sie bewaltigen zu kénnen glauben, und scheuen sich auch nicht, schwachere der eigenen Art anzufallen: unter den norwegischen Fischern gilt es als ausgemacht, da8 die Ver- letzungen der flachen Seiten und der Schwanzgegend, die man so oft bei ihnen bemerkt, von gréferen Stiicken derselben Art her- 468 H. Eggeling, riihren. Selbst die schlimmsten Feinde der Familie, Seewélfe und Rochen, finden in den grofen Arten Vergelter und Richer; ‘der Heilbutt namentlich gilt als ein Verfolger der fast in derselben Weise wie er lebenden Rochen“ (Bream 1892, p. 230). 102. Limanda limanda (Cuvier 1810, p. 535; 1835, p. 385). Die Schleimhaut bildet im vorderen Darmteil leichte Falten, die unter UmschlieSung rautenformiger Felder miteinander in Ver- bindung treten. Nach hinten zu wird die Oberfliche glatt. 103. Platessa platessa (Cuvier 1810, p. 535). Der Magen stellt nicht, wie beim Steinbutt, einen Blindsack dar, sondern bildet mit dem Darmkanal einen fortlaufenden Kanal. Die Innenfliche des Darmes verhalt sich wie bei Rhombus maximus. 104. Flesus (Pleuronectes) flesus. Der mit 2 Appendices pyloricae versehene Darm ist von mittlerer Liinge. An seiner Innenflaiche finden sich nach CuvIER (1835, p. 385) dicht gedrangte Lingsfalten, die krausenférmig ge- faltet sind, mit guirlandenartigem, auch ausgefranstem freien Rand. Anfangs breit, werden die Falten nach hinten zu schmaler, weniger zahlreich und zickzackformig. Im Rectum beobachtete CuvIER nur einige leichte Querfalten. RupoLpnt (1802, p. 66) gibt an, da8 jenseits des cylindrischen Magens 3 sehr kurze Ap- pendices pyloricae einmiinden. Die innere Oberfliche des Darmes trigt netzformig verbundene Schleimhautfalten, die selbst wieder fein gefaltet sind und gegen den Mastdarm schwacher werden. 105. Flesus (Pleuronectes) passer (Rupo.par 1802, p. 162): Die Befunde sind dieselben wie bei FI. flesus. 106. Solea solea. Bei der Gattung Solea ist nach Mrecken (1829, p. 265, 268) der Magen sehr lainglich und auferlich nicht vom Darm zu unter- scheiden. Letzterer ist diinnwandig (Cuvier) und hier weit langer als bei anderen Pleuronectiden. Appendices pyloricae fehlen. Die Schleimhaut bildet ein Netz von vorwiegend langsverlaufenden Falten mit rautenfoérmigen Maschen. Dieses Netz ist nach MECKEL bei Solea niedriger als bei verwandten Gattungen. Bald geht es in einfache Langsfalten iiber, die allmahlich verschwinden, so da der Enddarm im Gegensatz zu den Befunden bei anderen Pleuro- nectiden innen glatt erscheint. MrckeL meint, ,,daS also auf Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 469 merkwiirdige Weise die Linge und die Entwickelung der inneren Oberfliche des Darmes hier auffallend im Gegensatz stehen‘. Wahrend die Befunde von Cuvisr (1810, p. 535; 1835, p. 386) den Angaben von Mrcket nicht widersprechen, fand EpINncer (1877, p. 681) bei S. solea im ganzen Darm nur im Zickzack ver- laufende Lingsfalten, die nicht untereinander in Querverbindung stehen. 107. Pleuronectes nasutus (RATHKE 1837, p. 349, 351). Dicht hinter dem Pylorus findet sich zwischen den Langsfalten der Schleimhaut auf eine kurze Strecke ein zartes Netzwerk, weiterhin ziehen im Mitteldarm leicht zickzackformig gebogene, fast gar nicht unterbrochene Langsfalten herab. 108. Pleuronectes luscus (RATHKE 1837, p. 350). Die Schleimhaut des Mitteldarms bildet weniger regelmafig als bei Uranoscopus scaber und Trachinus draco ein doppeltes Netzwerk von Falten. 109. Rhombus maximus (aculeatus). Bei der Gattung Rhombus ist nach der Schilderung von MECKEL (1829, p. 267) der Magen verhaltnismafig weit und groB, er ,,steigt bis zum unteren Rande der Bauchhoéhle, dicht hinter dem After herab, lauft in einen kurzen, stumpf zugespitzten, nach yorn gewandten Blindsack aus und geht durch einen deutlichen, bei Rh. rhombus verhaltnismafig langen Pfortnerteil, der sich nach oben wendet, in den Darm iiber’S. Der Darmkanal ist nicht sehr lang, er tragt bis zu 5 Appendices pyloricae. Die Innenflache des Diinndarms ist im Anfang netzformig gefaltet mit bedeutendem Vorherrschen der Lingsfalten. ,,Dann wird das netzformige Gewebe schwicher und geht bei einigen — in Liangenfalten tiber. Bei den meisten iibrigen entwickelt es sich in der Mitte des Diinn- darms wieder starker, verschwindet gegen das Ende desselben und wird im Dickdarm durch sehr lange, quer im Zickzack stehende, nach hinten gerichtete Falten ersetzt.“© Auch Rupo.Lpui (1802, p. 67) fand bei Rh. maximus netzformig verbundene Langsfalten mit gekraustem Rand, wie bei Flesus flesus, nur gréfer. Beim Steinbutt sei aber auch im Mastdarm ein krauses Netz anastomo- sierender Faltchen vorhanden, die gréfer sind als im tbrigen Darmkanal. Nach Cuvier (1810, p. 534; 1835, p. 386) besitzt der Darm von Rh. maximus 2 Appendices pyloricae. Seine innere Oberflache tragt zahlreiche feine, dicht gedrangt stehende, ge- franste Plattchen, die bald an Zahl und Umfang abnehmen und Ba, XLII, N, F. XXXVI. 31 470 H. Eggeling, im Rectum durch breite, dicke Falten mit glatter schleimiger Oberfliche ersetzt werden. Cuvier (1810, p. 544) weist auch auf eine Angabe von Hewson hin, wonach im Darm des Steinbutts die Zotten gréfer seien als im Vogeldarm. Owen (1866, p. 421) 14Bt die Innenflaiche mit schraig longitudinal oder wellig verlaufenden Falten, Prtuier (1885, p. 304) mit sebr hohen anastomosierenden Falten, die tiefe Gruben umschlieBen, bedeckt sein. Nach EDINGER (1877, p. 682) finden sich im Enddarm von Rhombus aculeatus besonders lange, zottenartige Auswiichse, die sonst bei Teleostiern Selten seien. IV. Cyprinidae. Die Cypriniden leben sowohl von tierischen (Witirmer, Insekten- larven) wie von pflanzlichen, lebenden und abgestorbenen, faulenden Stoffen. Nur wenige sind ausschlieSlich Pflanzenfresser (CUVIER 1835, p. 366; Lreunts 1883, p. 726; GUNTHER 1886, p. 421; BREHM 1892, p. 246; SCHMIEDEKNECHT 1906, p. 390). *110. Cyprinus carpio (2 Figuren auf Taf. XVII). Der Speisekanal der Cypriniden ist nach MeckEL (1829, p. 275) und Cuvier (1835, p. 366) sehr einfach gestaltet, von mittlerer Linge, mit einer mafig dicken Muskelhaut versehen. Der Magen laft sich auferlich vom Darm nicht abgrenzen. Die Schleimhaut zeichnet sich durch reichliche Schleimsekretion aus. ,,Die Ober- fliche der inneren Haut wird schon dicht hinter der kurzen Speiseréhre durch Vorspriinge vergréfert, und man kann daher auch in ihrer Anordnung, welche sich durch den ganzen Speise- kanal erstreckt, keine Grenze zwischen Magen und Darm erkennen. Meistens bilden diese Vorspriinge dichtstehende, im Zickzack so gewunden verlaufende Falten, daf’ man alle Richtungen, die queren, geraden und schiefen, wahrnimmt, ohne daf sie sich jedoch durch Zwischenstreifen verbinden. Meistens sind indessen die Falten mehr oder weniger deutlich, vorziiglich hinten, quer. Sehr allgemein nehmen sie von vorn nach hinten, sowohl an Hohe als Zahl, be- sonders in ersterer Hinsicht, bedeutend ab, und eben deshalb kann man ihre Richtung im hinteren Teile des Darmes besser erkennen“ (MecKEL 1829). Nach Cuvier (1835) sind die sehr unregelmafkig verlaufenden Zickzackfalten bisweilen durch kleinere entgegen- gesetzte Falten vereinigt; die Faltungen sind im Anfangsabschnitt des Darmes am ansehnlichsten und zahlreichsten und nehmen dann nach hinten zu ab. Nahe dem Anus sollen sie wieder gréfer Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 471 werden und in anderer Richtung verlaufen als im iibrigen Darm. Nach einer alteren Angabe von Cuvier (1810, p. 539) ist die Schleimhautoberflache des Cyprinidendarms am _ gewdhnlichsten ,zottig und im Zickzack gefaltet“. Auch MECKEL erwihnt eine Mitteilung von RaruKe (1824, p. 71, 75), wonach im Darm mancher Cypriniden Zotten vorkommen. Nach Epincer (1877, p. 681) ist dagegen bei den meisten Cypriniden ein engmaschiges Netzwerk von Schleimhautfalten sehr reichlich ausgebildet. Was nun das Schleimhautrelief von Cyprinus carpio im be- sonderen betrifit, so gleicht dieses nach Rupoupnt (1802, p. 74) dem von Idus idus. Er bildet es auf Taf. VIII, allerdings recht unvollkommen, ab und schildert es folgendermaBen: ,,Die innerste Haut ist auf eine gar zierliche Art netzformig gefaltet. Man glaubt zuerst nur dicht aneinander liegende, im Zickzack laufende Querfalten zu sehen und die gré8te Regelmafigkeit hierin zu finden; bei gréferer Aufmerksamkeit aber findet man, da’ die Faltchen untereinander anastomosieren.“ Gleichzeitig erwahnt Ru- DOLPHI (p. 79) als irrig die von Hepwia (1797) gegebene Be- schreibung und Abbildung von Zotten im Karpfendarm. Ein sehr feines Netz von Schleimhautfalten mit tiefen Griibchen, das nach hinten immer feiner und oberflaichlicher, ganz nahe dem After aber wieder stirker wird, beschreiben auch Cuvirr (1810, p. 539; 1835, p. 867) und Mitne Epwarps (1860, p. 388) im Darmkanal des Karpfens. Mercket (1829, p. 276) fand beim Karpfen ebenfalls ein Faltennetz abweichend von seinen Beobachtungen bei den meisten anderen Cypriniden, steht aber insofern im Gegensatz zu CUVIER und Mitne Epwarps, als er die Netzmaschen als sehr feine, nied- rige, einfache, rundliche Griibchen bezeichnet, waihrend die beiden anderen Autoren sie gerade als sehr tiefe Krypten schildern. In der Nahe des Afters sah Mecket héhere, wellenformige Quer- falten, Cuvier dagegen etwas gréfere Netzmaschen. Das von mir untersuchte Exemplar hat eine Gesamtlinge von 456 mm. Der Darm ist ziemlich lang, bildet mehrere grofe Windungen und aft duBerlich keine scharfe Sonderung in einzelne Abschnitte erkennen. Der Anfangsabschnitt ist etwas weiter, dann nimmt der Durchmesser allmahlich ab und wird gegen das Ende wieder gréfer. Abschnitte aus Anfang, Mitte und Ende des Darm- kanals wurden in Formol ausgebreitet. Das Schleimhautrelief ist durch den ganzen Darm hindurch ein gleichartiges und auferordentlich gleichférmiges. Es findet sich ein Netz von Falten mit ganz engen, rundlich-polygonalen 31* 472 H. Eggeling, Maschen. Am Beginn des Darmes sind die Falten hoch, die von ihnen umschlossenen Griibchen demnach tief. Gegen das Ende zu werden die Falten immer niedriger, die Griibchen immer flacher. Nach der Schilderung von Brenm (1892, p. 249) durchzieht der Karpfen die seichteren Stellen seiner Wohngewiaisser, ,,zwischen den Wasserpflanzen, nach Kerbtieren und Gewirm, sowie nach Pflanzenstoften umherspahend oder den Schlamm nach ahnlichen Stoffen durchwihlend. Seine hauptsachlichste Nahrung besteht wohl in kleinem Getier, namentlich in Wtirmern, Larven und Kerb- tieren oder selbst Lurchen und ahnlichen Wasserbewohnern; er beschrankt sich jedoch keineswegs auf diese Nahrung, sondern frift auch sehr gern Pflanzenstoffe, vermoderte Teile der Wasser- pflanzen selbst, faulige Friichte, gekochte Kartoffeln, Brot etc. In den Zuchtteichen pflegt man ihn mit Schafmist zu fiittern, was, streng genommen so viel sagen will, dafS man durch den Mist Kerbtiere und Gewiirm herbeilockt; denn diese, nicht aber der Mist, den er freilich auch mitverschluckt, geben ihm die ge- eigneten Nahrungsstoffe. Beim Wiihlen im Schlamme nimmt er erdige Bestandteile mit auf, ja diese scheinen fiir seine Verdauung notwendige Bedingung zu sein. Im Meere nahrt er sich wahr- scheinlich hauptsachlich von Wirmern und kleinen Muscheltieren.“ Salatblitter und andere saftige Pflanzen ahnlicher Art sollen nach GUNTHER (1886, p. 422) dem Karpfen besonders angenehm sein und ibn rascher fett machen als irgend ein anderes Futter. Aehn- liche Mitteilungen machen in aller Kiirze Leunis (1883, p. 727) und SCHMIEDEKNECHT (1906, p. 393). 111. Cyprinus chrysoprasius (RatTHKE 1837, p. 349). Fast durch den ganzen Darmkanal ziehen im Zickzack ver- laufende Falten, die auch mitunter unterbrochen sind. 112. Cyprinus niloticus (Cuvier 1810, p. 541; 1835, p. 369). Die Darmschleimhaut bildet ein Relief von Zickzackfalten. 113. Carassius Carassius (RupOLPHI 1802, p. 75). Die Innenfliche des Darmes zeigt ahnlich den anderen Cypri- niden ein zum Teil sehr schénes Netz von Querfalten. Die sehr anspruchslose Karausche nahrt sich nach BrEHM (1892, p. 252) hauptsachlich von Wiirmern, Larven, faulenden Pflanzenstoften und Schlamm. GUnTHER (1886, p. 423) gibt an, da8 sie Teiche von dem Uebermafe vegetabilischen Wachstums freibalt. Dinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 473 *114. Barbus barbus (Figur auf Taf. XVII). Die Schleimhaut des relativ langen Darmes ist nach CUVIER (1810, p. 540) ,,mit feinen Zotten besetzt und der Lange nach im Zickzack gefaltet. Im vorderen Dritteil stehen die Zotten, gegen das Ende des Darmkanals dagegen die Falten viel dichter an- einander. Die letzteren haben hier das Aussehen von Rinnen, die mit seitlich ineinander greifenden Zahnen versehen sind.“* MErCKEL (1829, p. 276) und RaTHKE (1837, p. 349, 351) widersprechen dieser Darstellung. Sie fanden keine Zotten, sondern im ganzen Darm zickzackformig verlaufende, hier und da auch unterbrochene Falten. Diese sind nach Mecket viel linger und zahlreicher als bei den anderen von ihm untersuchten Cypriniden, und die Tauschung Cuviers ,,entsteht nur durch die Zahl, Lange und viel starkere Windung derselben im Anfangsteile, waihrend sie im hinteren Teile weniger zahlreich, kiirzer und querer stehen“. In ahnlicher Weise auBert sich auch Cuvier (1835, p. 368) in einer spateren Schilde- rung. Er gibt an, daf die Falten vorwiegend im Zickzack longi- tudinal verlaufen, breit, dick und dicht aneinander gedrangt sind mit abgerundetem, nicht gefranstem freien Rand. Nahe dem Anus aber sollen einige aufgerichtete Hauptfalten eine Art Zahnchen an den Seiten tragen, die sich abwechselnd zwischen die Zahnchen der benachbarten Falten einschieben. Das von mir untersuchte Tier hat eine Gesamtlainge von 540 mm und mift von der Herzspitze bis zam After 220 mm. Die einzelnen Abschnitte des Darmkanals sind au8erlich nicht deutlich von ein- ander geschieden. Der mit kraftigen muskulésen Wandungen ver- sehene Darm ist nicht sehr lang (etwa 70 cm), in mehrere Win- dungen gelegt. Der als Magen zu deutende Anfangsteil ist ziemlich weit und geht unter allmahlicher Verengerung in den Diinndarm liber. Letzterer setzt sich unter fortschreitender Abnahme des Lumen in den auferlich nicht abgegrenzten Enddarm fort. Stiicke aus dem Anfang und etwa der Mitte des Diinndarms wurden in Formol aufgespannt. Die Oberflache der Diinndarmschleimhaut zeigt sich dicht be- setzt mit hohen Falten, deren freier Rand glatt, abgerundet und wohl etwas verdickt ist. Die hohen Faltenblatter sind so dicht aneinander gedringt, da’ man am unverletzten Praparat ihre Basen nicht sehen und auch nicht feststellen kann, ob zwischen den Falten in der Tiefe Anastomosen bestehen. Die freien Falten- rander sind durch feine Rinnen voneinander geschieden, sofern hier nicht noch klebriger Schleim und Nahrungsbestandteile liegen ATA H. Eggeling, geblieben sind. Eine bestimmte Richtung der Falten lat sich nicht deutlich erkennen. Ihre freien Réander bilden wellig und im Zickzack nach allen Richtungen verlaufende Linien. Nach der Darstellung von Leunis (1883, p. 729) ist die Barbe ein vorwiegend niichtlicher Grundfisch, der sich mit kleinen Wasser- tieren, Fischlaich und Krebsbrut ernihrt. Bream (1892, p. 255, 256) gibt als Futter der Barbe kleine Fische, Wiirmer, Schlamm und tierische Abfalle, so auch Menschenkot an, SCHMIEDEKNECHT (1906, p. 395) erwahnt Insektenlarven, Wiirmer und kleine Fische. Ich fand im Magen und Darm einen ziemlich spirlichen Inhalt, dessen Zusammensetzung sich nicht naher ergriinden lief. Er war gemischt mit etwas feinem Kies und anscheinend Bruchstiicken von Schneckengehéiusen. Hier wie im Darm finden sich aufer- ordentlich reichliche Mengen von Schleim. 115. Gobio gobio (Goujon, Cuvimr 1835, p. 368). Die Innenfliche des kurzen Darmes tragt sehr feine Zick- zackfalten mit etwas gefranstem freien Rand. Gegen den Anus zu gehen die Falten immer mehr in die Lingsrichtung iiber. Die Nahrung des Griindlings besteht aus Fischbrut, Wirmern, faulendem Fleisch und Pflanzenstoffen (BREHM 1892, p. 257). *116. Tinca tinca (Figur auf Taf. XVIII). Die einzelnen Abschnitte des Darmkanais sind nicht scharf voneinander gesondert. Der Darm ist kurz. Seine Innenflaiche zeigt nach RupoLput (1802, p. 75) ahnlich anderen Cypriniden ein zum Teil sehr schénes Netz von Querfalten. Cuvier (1810, p. 540; 1835, p. 369) beschreibt unregelmabig zickzackformig ver- laufende Falten, die krausenartig gefaltet sind, mit welligem, auch etwas gefranstem freien Rand. Diese Falten stehen durch weiter verastelte Seitenzweige miteinander in Verbindung. Nach hinten zu werden die Falten niedriger, die Verastelungen verschwinden, und man sieht nur Zickzackfalten von geringem Umfang. Spater werden sie wieder breiter und verlaufen hauptsachlich in querer Richtung. Ganz am Ende des Darmes, dem Rectum entsprechend, beobachtet man einige Lingsfalten, die durch Querfalten in Ver- bindung stehen. Grimm (1866, p. 46) fand ,,dichtstehende, un- regelmiBig gestellte, gekrauselte schmale Falten, welche zum Teil ineinander tibergehen, zum Ende des Darmes hin an Hohe ab- nehmen und von denen einzelne an ihrem freien Rande gerifft sind“. Das von mir untersuchte Tier hat eine Gesamtlainge von 343 mm. Der Darmkanal zeigt duferlich keine Sonderung. Er Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 475 beginnt mit einem ziemlich weiten Schlauch, der gerade nach ab- warts zieht, nahe dem kaudalen Ende der Bauchhéhle umbiegt in ein ebenfalls gerade nach aufwiarts verlaufendes Darmstiick und so wieder bis in die Nahe des Herzens gelangt. Hier findet sich eine zweite Biegung, von deren Scheitel das Endstiick des Darmes direkt kaudalwarts zum After zieht. Das Lumen zeigt eine all- mahliche Abnahme des Durchmessers. Die Schleimhautoberflaiche ist reichlich mit Schleim bedeckt. Ein Stiick aus dem mittleren Teil des Darmkanals, dem aufsteigenden Schenkel, wird in Formalin ausgebreitet. Dieses bietet ein iiberaus reiches Relief, gebildet von hohen und dicken Falten, die ziemlich dicht aneinander liegen und, mit vielfachen Windungen verlaufend, untereinander ein Netzwerk bilden, dessen Maschenraiume als tiefe Griibchen erscheinen. Ein Lings- oder Querverlauf der Falten ist nicht zu erkennen. In der Tiefe der Griibchen erkennt man bisweilen weitere Teilungen durch niedrigere Falten oder, wenn die Griibchen sehr eng sind, nur Anfange von niedrigeren Falten, die sich wie Strebepfeiler an die Seiten der groben Falten anlegen. Ueber die Ernahrung der Schleie finde ich nur bei Bren (1892, p. 269) den Hinweis, dafi sie hinsichtlich der Nahrung wohl in allen Stiicken mit dem Karpfen iibereinstimmt und allerlei Gewiirm, sowie vermoderte Pflanzenstoffe und Schlamm frigt. Bei dem mir vorliegenden Exemplar war der Darmkanal fast leer. Die geringen Inhaltsbestandteile lieBen sich nicht naher bestimmen. 117. Leuciscus rutilus (Cuvier 1810, p. 540; 1835, p. 370, 371). Beim ,,Rotauge fand Cuvier (1810) ,,iiberall zierliche, quer im Zickzack verlaufende Falten, die im Anfange des Darmkanals dichter aneinander stehen und breiter sind, gegen den After weniger fein und regelmafig werden und hier an ihrem freien Rande ge- franst erscheinen‘t. Auch im Darm von ,,able rosse‘ (1835, p. 370) stehen regelmifige, dicht aneinander gedraingte, quere Zickzack- falten, die gegen den Anus zu unregelmafiger werden. Im ersten Abschnitt des Darmes von ,,able rotengle“ (1835, p. 371) bildet die Schleimhaut sehr unregelmaBige, dicht gelagerte, dicke Falten mit einem abgerundeten, eingeschnittenen, papillenartigen freien Rand. Nach hinten zu werden die Falten diinner und erscheinen in regelmafigeren queren Zickzackguirlanden angeordnet. 476 H. Eggeling, Nach Leunts (1883, p. 730) erniahren sich die Fische des Genus Leuciscus inkl. Idus, Scardinius, Squalius u. a. hauptsach- lich von tierischer Kost. Diese besteht nach BreHM (1892, p. 259) aus Wiirmern, Kerfen, Fischroggen und kleineren Fischen, wird aber auch noch ergainzt durch Wasserpflanzen. 118. Scardinius erythrophthalmus. Die Darmschleimhaut bildet nach Rupotput (1802, p. 75) ein zum Teil sehr schénes Netz von Querfalten. Nach MrcKEt (1829, p. 277) ,,ist der Anfang des Magenstiickes in einer kleinen Strecke stark zottig, indem sich die starken und gewundenen Falten schon in ihrer Grundflache einfach in spitze Zacken teilen. Der tbrige Teil des Speisekanals bildet Querfalten“. Diese letzteren sind recht lang, fast ebenso wie bei Barbus barbus. Die vorwiegend tierische Nahrung dieses Fisches besteht aus Kerbtieren und Wiirmern, die er aus dem Schlamme hervorsucht, und auferdem aus Wasserpflanzen (LEUNIS 1883, p. 730; BREHM 1892, p. 261). 119. Idus idus (Cyprinus jeses) [Rupotpni 1802, p. 74]. Die innerste Haut ist auf eine gar zierliche Art netzformig gefaltet. Man glaubt zuerst nur dicht aneinander liegende, im Zickzack laufende Querfalten zu sehen und die gréfte Regelmabig- keit hierin zu finden; bei gré8erer Aufmerksamkeit aber findet man, dafi die Faltchen untereinander anastomosieren.“ Neben Gewiirm und Kerbtieren erbeutet dieser Fisch auch kleine Fische (BrEHM 1892, p. 263). *120. Squalius cephalus. Cuvier (1835, p. 370) fand auf der Innenfliche des Darmes von ,able meunier quere Zickzackfalten, die, dicht aneinander gepreBt, anfangs sehr breit sind. Allmahlich nehmen sie nach hinten zu ab, und im Enddarm bestehen grobe, unregelmabige, veristelte Falten, von denen die ansehnlichsten longitudinal ver- laufen. Cuvier meint, da die ansehnlichen breiten Querfalten des ersten Darmstiickes anscheinend die relativ geringe Lange des Darmkanals kompensieren sollen. Das von mir untersuchte Tier mift im ganzen 442 mm, von der Herzspitze bis zum After 174 mm. Eine Sonderung des Darmkanals in einzelne Abschnitte ist auBerlich nicht wahrnehmbar. Er ist auferordentlich weit und ziemlich kurz. Der erste, offenbar dem Magen entsprechende Ab- Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. A477 schnitt zieht gerade nach abwarts fast bis zum Ende der Bauch- héhle. Er zeigt vielfache ringformige Einschniirungen ahnlich den Plicae sigmoideae des menschlichen Dickdarms. Unter Abnahme des Lumens geht er tiber in einen bis zum Pericard aufsteigenden Schenkel, und dieser wieder setzt sich in einen absteigenden fort, welcher gerade nach hinten zum After verlauft. Die letzten zwei Drittel des Darmkanals sind stark durch Inhalt aufgetrieben. Stiicke aus dem Ende des ersten und zweiten Darmschenkels wurden in Formalin ausgebreitet. Der Schleimhautbefund stimmt in hohem Grade mit dem bei der Barbe tiberein. Es finden sich hohe Falten mit abgerundetem, anscheinend etwas verdicktem freien Rande, die Falten liegen mit ihren seitlichen Flachen dicht aneinander. Ob zwischen ihnen Verbindungen bestehen, sie also netzférmig untereinander zu- sammenhingen, la%t sich nicht sicher entscheiden, erscheint aber nach einzelnen Bildern wahrscheinlich. Obgleich die freien Falten- rander sehr unregelmafig wellig und im Zickzack verlaufen, pragt sich doch im ganzen eine Lingsrichtung der Falten aus. In der Mitte des Diinndarms ist das Bild im wesentlichen dasselbe wie am Beginn. Nach Leunis (1883, p. 732) ist der Débel ein sehr gefrabiger Fisch, der auch Frésche und Mause verschlingt. Bre (1892, p. 260) berichtet folgendes: ,,Anfanglich besteht seine Nahrung aus Wtirmern und aus Kerbtieren, die im Wasser schwimmen, auf der Oberfiache treiben oder niedrig dariiber hinziehen; spater, wenn er mehr heranwachst und tiefere Stellen aufsucht oder in gréfere Fliisse und Seeen wandert, wird er zu einem Raubfische in des Wortes vollster Bedeutung und stellt kleineren Fischen, Krebsen, Fréschen, ja selbst Mausen nach —.“’ Bei dem von mir untersuchten Exemplar erweist sich der reichliche Inhalt der letzten zwei Drittel des Darmkanals als ziemlich harte griine Pflanzenteile, untermischt mit 10 vollstandig verschluckten Kirschen mit Kernen und Stielen. Das Fleisch der Friichte ist schon ziemlich weich und wohl auch durch Verdauung verandert; die Stiele anscheinend unverandert. 121. Squalius leuciscus (Cyprinus dobula). Beim Débel sollte nach Cuvier (1810, p. 540) die Darm- schleimhaut iiberall zottig sein ohne zickzackahnliche Falten. MECKEL (1829, p. 277) fand aber schwach gewundene Querfalten, keine Zotten. Die Falten sind viel niedriger als bei den anderen von Mrcket untersuchten Cypriniden. Cuvier (1835, p. 370) 478 H. Eggeling, beschreibt ferner beim ,,vandoise“ am Anfang des Darmes wenige undeutliche Falten. Gegen das Ende wiirde die Schleimhaut- oberflache glatt. 122. Chondrostoma nasus. Der Befund wird etwas ktirzer von Cuvier (1835, p. 371), ausftihrlicher von LANGER (1870, p. 102) geschildert. Nicht in allen Punkten herrscht Uebereinstimmung. Der Darmkanal ist lang, und nach LANGER ,,reichen die leisten- oder kammartigen Schleimhautfalten vom Schlunde bis an den After herab, sind im Magen linger, im Afterdarm kurz, beinahe zottenartig. Die langeren, welche bis in den vorletzten Abschnitt herab vorkommen, sind nach der Lange des Darmes gestellt, etwas wellig hin und her gewunden und durch alternierend abgehende kiirzere Querfortsatze in die Zwischenraume der betreffenden Falten eingeschoben oder mit ihnen in Verbindung gebracht. Die kurzen Fortsatze des Afterdarmes sind bald zungenférmig schmal, bald langer, 1éffel- formig gebogen, mitunter, wenn sie langer sind, auch mit An- deutungen von Nebenblattchen versehen, verschieden gestellt, aber alle gleichmafig verteilt.S Die Schilderung von Cuvier weicht insofern ab, als sie eine Verbindung der wellig oder im Zickzack verlaufenden breiten Langsfalten durch Queraste nicht erwahnt. Der Darmkanal ist vom Anfang bis zu Ende driisenlos. Die Nase lebt nach Bream (1892, p. 270) von Pflanzen- stoffen, ,namentlich verschiedenen Wasseralgen, die Steine und andere im Wasser liegende feste Gegenstinde tiberziehen und von den scharfen harten Kieferriindern der Nasen leicht abgelést werden kénnen“. Nach Lreunis (1883, p. 734) werden aber auch kleine Tiere erbeutet. 123. Blicca bjérkna (Abramis blicca) (RUDOLPHI 1802, p. 75). Die Darmschleimhaut zeigt ein zum Teil sehr schénes Netz von Querfalten, die nach dem After zu schwacher werden, wie bei zablreichen anderen Weiffischen. Die Blicke lebt wie die tibrigen Abramis-Arten vorzugsweise von Wasserpflanzen, aber auch von Wiirmern und Fischlaich (Leunis 1883, p. 735; Bream 1892, p. 281). 124. Abramis brama. Die vorliegenden Angaben lauten recht widersprechend. Nach MECKEL (1829, p. 277) finden sich iiberall sehr lange zugespitzte Zotten. Dagegen stimmt nach Rupowputr (1802, p. 75) der Befund Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 479 itiberein mit Cypr. carpio resp. Idus idus (vergl. No. 119). Aehn- liches hat wohl auch Cuvier (1835, p. 369) gesehen. Er _ be- schreibt, daf bei Bréme commune am Anfang des Darmkanals, der eines gesonderten Magens entbehrt, die Schleimhautoberflache ein Netz von Falten darbietet mit Maschen von verschiedener Grobe, die ineinander enthalten sind. Der Befund soll dem bei Acipenser vollig gleichen. Weiter gegen den Anus zu sieht man im Zickzack verlaufende Hauptfalten durch kleinere Faltchen mit- einander in Verbindung stehend. Im letzten Darmabschnitt gibt es nur noch wellig verlaufende Querfaltchen, die keine Griibchen mehr umschliefen. Nach Leunts (1883, p. 735) fri8t der Brachsen besonders gern das Brachsenkraut (Isoétes lacustris). Aber auSer Wasserpflanzen besteht seine Nahrung auch aus Kerflarven und Wiirmern, nach denen er im Schlamme wiihlt, wobei er auch Schlamm selbst mit- aufnimmt (BReHM 1892, p. 277). *125. Abramis vimba (Figur auf Taf. XVIII). Wahrend Rupo.uput (1802, p. 75) ein Netz von Querfaltchen beschreibt wie bei Blicca bjérkna u. a., spricht Mrecker (1829, p. 277) nur von Querfalten, die ziemlich lang sind, ahnlich denen von Barbus barbus. Das von mir untersuchte Exemplar hat eine Gesamtlinge von 450 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 198 mm. Der Darmkanal besteht aus einem einfachen Schlauch, der, anfangs weit, allmahlich enger werdend, innerhalb der Bauchhoéhle drei gerade verlaufende Schenkel bildet. Der erste absteigende weite Schenkel entspricht dem Magen, der ohne dufere Abgrenzung in den Mitteldarm sich fortsetzt. Der Scheitel der ersten Darm- krimmung liegt etwa an der Grenze zwischen mittlerem und letztem Drittel der Bauchhéhle. Es folgt ein aufsteigender Schenkel des Darmrohres, der sich unterhalb des Pericards umbiegt in das gerade zum After hinab- resp. kaudalwiarts verlaufende Endstiick, an welchem der Beginn des Enddarmes duferlich nicht abgesetzt ist. Ein Stiick aus dem Anfang und Ende des ersten und aus dem Ende des zweiten Schenkels wurde in Formalin ausgebreitet. Die Faltenbildung der Schleimhaut ist eine auSerordentlich reichliche. Am Anfang des Darmes treten sehr hohe diinne Quer- falten mit einem ziemlich tief gezihnelten, krausenartig gefalteten freien Rand besonders hervor. Diese Falten sind sehr zahlreich stehen dicht nebeneinander und beriihren sich vielfach mit ihren 480 H. Eggeling, Flachen. Hier und da aber erkennt man in dem Grund der tiefen Spalten zwischen je zwei Querfalten kleine, niedrige Faltchen, welche die Basen der Hauptfalten miteinander verbinden und so kleine, flache Griibchen begrenzen. Nach hinten zu werden die Querfalten niedriger und gleichférmiger. Die Zacken am Rande verschwinden, dieser rundet sich ab, und die dicht aneinander liegenden Falten verlaufen in queren Zickzacklinien. Auch die Zarte lebt vorwiegend von pflanzlicher, daneben von tierischer Nahrung, nach der sie im Schlamme wiihlt, wie ihre Verwandten (LEuNIS 1883, p. 735; Breum 1892, p. 278). **126. Aspius aspius. Gesamtlinge 525 mm, Herzspitze bis After 200 mm (Figur auf Taf. XVIII). Eine AuBerliche Gliederung des Darmkanals in einzelne Ab- schnitte fehlt. Er beginnt ziemlich weit und zieht gerade nach abwarts bis etwa zum Anfang der zweiten Halfte der Bauchhohle. Hier biegt er um in einen ganz kurzen aufsteigenden Schenkel, der in scharfer Knickung sich gerade nach hinten zum After fortsetzt. Gleichzeitig nehmen Lumen und Wanddicke dauernd ab. Ein Stiick aus der Mitte des ersten absteigenden Darmschenkels und _ fast der ganze kurze aufsteigende Ast wurden in Formol ausgebreitet. Die Schleimhaut bildet auSerordentlich hohe und schmale blattformige Falten mit scharfem freien Rand, der ganz schwache, langgestreckte, bogenformige Vorragungen bildet. Die Falten liegen mit ihren Seitenflachen auch hier dicht aneinander; sie verlaufen deutlich in der Langsrichtung des Darmes, und zwar in schwach ausgepragten Zickzacklinien. Hier ist gelegentlich klar zu er- kennen, daf benachbarte Falten miteinander in Verbindung stehen, indem sie unter spitzen Winkeln sich miteinander vereinigen. Einzelne Falten laufen auch frei aus. Ein eigentliches Netz ist hier wohl nicht vorhanden. Die Falten sind am Beginn wesent- lich héher als in der Mitte des Darmes. Aspius lebt hauptsichlich von tierischer Nahrung, Fischen, besonders Alburnus lucidus, aber auch Mausen und Wasserratten. Daneben kommen aber auch pflanzliche Stoffe und kleinere Tiere als Nahrungsmittel in Betracht (Leunis 1883, p. 736; Bream 1892, p. 282; SCHMIEDEKNECHT 1906, p. 400). 127. Alburnus alburnus (Rupotrnr 1802, p. 75). Die Darmschleimhaut bildet schwache Querfiltchen, die sich Sparsam untereinander verbinden. Kerbtiere bilden nach Bream (1892, p. 283) die Haupt- nahrung der gefrafigen Lauben. Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 481 V. Cobitidae. 128. Misgurnus (Cobitis) fossilis. MECKEL (1829, p. 273) gibt an, daf der diinnhautige Darm- kanal anfangs sehr weit ist und unter allmahlicher Verengerung fast gerade zum After zieht. Das vordere Fiinftel des Darmes tragt an seiner Innenflache ,,ein starkes, rautenfoérmiges Netzwerk, das sich an seinem Ende plotzlich verliert, der tibrige Darm ist so gut als ganz glatt’. Rupotpnr (1802, p. 70) erwahnt nur kurz, daf die Schleimhaut schwach netzformige Falten bildet. Der Schlammbei8er wiihlt im Schlamm am Grunde der Ge- wasser nach Wiirmern und anderen kleinen Wassertieren, friBt auch vermoderte Tier- und Pflanzenteile, sowie Fischlaich (LEuNIS 1883, p. 738; Bren 1892, p. 289). 129. Nemachilus barbatulus (Cobitis barbatula). Nach Mecket (1829, p. 274) liegen hier abweichende Ver- haltnisse vor wie bei Misgurnus fossilis. Ein weiter, langlicher, ziemlich dickhautiger Magen ohne Spur eines Blindsackes setzt sich nach vorn umgebogen fort in einen kurzen, anfangs sehr weiten, dann stark verengten Darm, der aber mehr gewunden ist als bei M. fossilis. Dessen Innenfliche fand Mecket vollig glatt. RupoLpnHi (1802, p. 70) beobachtete aber auch hier schwache netz- formige Schleimhautfalten. Appendices pyloricae fehlen. Nach der Schilderung von Cuvier (1835, p. 372) bestehen am ersten Viertel des kurzen Darmes der ,loche“ tiefe polygonale Griibchen der Schleimhaut, die zum Teil wieder kleinere Griibchen in sich ein- schlieBen. Nach hinten zu verschwinden sie allmahlich, und der gréBere Rest des Darmes besitzt eine glatte Innenflache. GUNTHER (1886, p. 433) bezeichnet die Schmerlen als aus- schlieBliche Fleischfresser; nach BreumM (1892, p. 291) leben sie aber nicht nur von Wassergewiirm, Kerflarven, Kerbtieren und Fischlaich, sondern wohl auch von Pflanzenstoffen; ,,wenigstens fiittert man die in besonderen Teichen gehaltenen Schmerlen mit Leinkuchen und Mohnsamen“. VI. Characinidae. 130. Serrasalmo (Salmo rhombus) [MeckeL 1829, p. 289]. Der Magen hat eine ahnliche Gestalt wie bei Salmo. Der Darm ist viel linger und an seinem Anfang mit 12—15 mabig groBen Appendices pyloricae versehen. ,,Die Innenflaiche des Darmes 482 H. Eggeling, ist tiberall ganz glatt, was wegen der Kompensation der Falten bei den mit einem kurzen Darm versehenen Gattungen interessant ist.‘ Die sehr gefrifigen Serrasalmo fallen mit ungeheurer Gier alles Tierische an, das in ihren Bereich kommt, vergreifen sich auch an grofen Saugetieren und dem Menschen (LeEunis 1883, p. 740; GUNTHER 1886, p. 439; Brenm 1892, p. 294). 131. Myletes (MEecKEL 1829, p. 290). Ver Magen unterscheidet sich von dem anderer Lachse, namentlich Salmo salar, sehr auffallend. Er ist weit gréSer und beinahe ganz durch einen ansehnlichen, langlich-runden, weiten Blindsack gebildet. Der mabig weite Darmkanal macht drei Win- dungen. Am Anfang stehen etwa lings dem ersten Siebentel linkerseits ungefaihr 40 ansehnliche, langliche Pfértneranhange. Der Darm ist in seinem bei weitem gréf%ten vorderen Teil glatt, hinten durch nicht sehr hohe Querfalten ungleich.“ Nach GtnrHer (1886, p. 440) gilt fiir die Ernahrung von Myletes offenbar dasselbe wie fiir Serrasalmo. VII. Cyprinodontidae. 132. Anableps tetrophthalmus. Nach der Schilderung von Cuvier (1810, p. 543) und MECKEL (1828, p. 273) ist der Darmkanal von mittlerer Lange und sehr karpfenihnlich. Der Magen ist auBerlich nicht gesondert, Ap- pendices pyloricae fehlen. Die Innenflache des Darmes tragt nach MECKEL schwache wellenformige Lingsfalten. Dagegen beschreibt Cuvier (1810, 1835, p. 372) in dem dem Magen entsprechenden Anfangsteil ein Netz mit feinen polygonalen Maschen, deren Um- randung gefranst und gefaltet ist, so dafi die Maschen verborgen werden. Im weiteren Verlauf werden die Falten der Schleimhaut feiner, zickzackformig; sie endigen mit Fransen, die der Innen- fliche ein sammetartiges Aussehen verleihen. Im Mastdarm finden sich Laingsfalten. Ueber die Ernahrung von Anableps fand ich nur die Mit- teilung, daf er hauptsachlich, wenn nicht ausschlieflich, von tierischen Stoffen lebt (GUNTHER 1886, p. 442; Brenm 1892, p. 297). VIII. Siluridae. Die Siluridae sind simtlich Raubfische (Bren, 1892, p. 235). 133. Silurus glanis. Nach der Beschreibung von MrckeL (1829, p. 271) zeigen »silurus und die davon getrennten Gattungen... im allgemeinen Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 483 eine mafig weite, sehr lange Speiserdhre, auf die ein weiter, rund- licher Magen folgt, der fast blo8 aus dem Cardiateile und dem ansehnlichen, linglich-rundlichen Blindsacke besteht, zu welchem er sich verlaingert und dessen Pfértnerteil eng und sehr kurz ist. Seine Muskelhaut ist stark, seine innere der Linge nach gefaltet, auSerdem, besonders bei Silurus glanis, hauptsichlich im Cardia- teile, sehr fein genetzt. Der Darm... ist, zumal in seinem Anfange, betrachtlich weit. Seine innere Haut ist der Lange nach gefaltet. Bei Silurus glanis stehen die Falten sehr dicht und gewihren, vor- ziiglich im Anfange, einen sehr angenehmen Anblick. Sie sind sehr hoch, an beiden Seiten mit einem sehr feinen Netz bekleidet und an ihrem freien Rande vielfach gezackt. Allmahlich verkleinern sie sich, riicken auseinander, und zwischen ihnen entwickelt sich ein Netz. Zuletzt erscheinen sie nur als wenige, niedrige und breite Liangenvorspriinge, zwischen welchen das Netz, gleichfalls einfach, sehr niedrig und vielmaschig verliuft. Der Darm verengt sich zugleich allmahlich vom Pfortner bis zum After betrachtlich.“ Damit stimmen wohl im ganzen die Beobachtungen von RuDOLPHI (1802, p. 70, 71) an Silurus glanis tiberein, die er auf Taf. VI, Fig. 3 unvollkommen abbildet und folgendermafen schildert: ,,Man kann keinen schéneren Anblick haben, als den die innerste Darm- haut dieses Fisches gibt. Falten nach allen Richtungen, die selbst wieder auferst fein gekrauselt sind, verbinden sich iiberall unter- einander und bilden dadurch Zelle an Zelle. Die Falten selbst sind im gréften Teil des Darmes ansehnlich, so daf die innere Darmhaut an zwei Linien hervortritt, um sie zu bilden. — Der untere Teil des Darmes zeigt nur im Verhaltnis mit dem oberen Teil ein sehr schwaches Netz, weil hier die Falten betrachtlich und immer mehr an Gréfe abnehmen.’ Cuvier (1835, p. 375) gibt an, daf der Darmkanal mafig lang und sehr diinnwandig ist und der Appendices pyloricae entbehrt. Seine Schilderung des Schleimhautreliefs entspricht der von MrcKEL gegebenen. Der Wels frift alle Arten von Wassertieren, vor allem wohl Fische, aber auch Krebse, Frésche, Wasservégel, tiberhaupt alles, was er er- reichen kann, auch Aas (LEunis 1883, p. 721; Bream 1892, p. 237). 134. Silurus clarias (MEcKEL 1829, p. 272). Die Faltungen der Darmschleimhaut sind ebenso wie bei Silurus glanis, aber weniger stark entwickelt. 135. Clarias (Heterobranchus) anguillaris (MECKEL 1829: p. 273). Die innere Darmflache ist fast ganz glatt. 484 H. Eggeling, 136. Clarias melanoderma BLEEKER (BOHME 1904, p. 29). Der sehr geraumige Magen aft eine grofe und kleine Kur- vatur unterscheiden, der Darm ist fast gleich weit, nicht deutlich in einzelne Abschnitte gesondert und von geringer Linge. Appen- dices pyloricae fehlen. Die Innenflache bildet zahlreiche Langsfalten. 137. Bagrus (Silurus) bayad (MscKkeEL 1829, p. 272). Die Faltungen der Darmschleimhaut sind ebenso wie bei Silurus glanis, aber weniger stark entwickelt. 138. Bagrus spec. (Cuvier 1810, p. 543; 1835, p. 374). © Der lange Darmkanal hat sehr diinne Wandungen und ent- behrt der Appendices pyloricae. Die Schleimhaut bildet in der Nahe des Pylorus verastelte Lingsfalten, weiterhin bis in den Enddarm nur eiufache Langsfalten. 139. Arius (Silurus) Herzbergii (MecxkeL 1829, p. 272). Die Faltungen der Darmschleimhaut sind ebenso wie bei Silurus glanis, aber weniger stark entwickelt. 140. Callichthys spec. (MeckeL 1829, p. 272). Der Bau der inneren Darmflaiche weicht im gré8ten Teil des Darmes von den Befunden bei anderen Siluriden ab. ,,[m Anfange enthalt er zwar gleichfalls Langenfalten, auferdem aber an der inneren Flache eine Menge dichtstehender, sehr grofer, ungleicher, im allgemeinen rundlicher, schon auferlich sichtbarer, stark nach innen vorspringender Erhabenheiten, an denen man sehr deutlich eine Oeffnung wahrnahm.“ MecKEL fragte sich, ob es sich hier um Schleimdriisen oder einen pathologischen, durch Eingeweide- wirmer verursachten Zustand handle. Kine Entscheidung war wegen Mangels an Material nicht méglich. IX. Clupeidae. Die Clupeiden nahren sich von kleinen Krebstieren und Mollusken (LEUNIS 1883, p. 756). 141. Clupea harengus. Die Clupeiden besitzen nach Mrcken (1829, p. 283) einen ansehnlichen Magen mit betrichtlichem, langlich geformtem Blind- sack, einen ziemlich kurzen, engen Darm, der besonders in seiner hinteren Gegend haufig sehr zahlreiche Querfalten aufweist, und gewohnlich zahlreiche Appendices pyloricae. Bei der Gattung Clupea ist der Magenblindsack sehr lang und zugespitzt, die Pars Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen. 485 pylorica ansehnlich, doppelt so lang wie die Pars cardiaca (p. 285). Clupea harengus besitzt ca. 20 Appendices pyloricae. Die Schleim- haut ist in der ersten Halfte des Darmkanals glatt, in der zweiten Halfte mit Querfalten besetzt, die viel weniger zahlreich und viel niedriger als bei Alosa sind (p. 286). Rupotput (1802, p. 73) fand im ganzen Darm des Herings schmale hervorspringende Quer- falten, die durch lings verlaufende Falten verbunden werden. Die Faltungen seien bereits mit bloSem Auge deutlich sichtbar. Das Vorkommen von Querfalten wird nur kurz erwaihnt von MILNE Epwarps (1860, p. 388) und OwEn (1866, p. 421). Der Hering nahrt sich hauptsachlich von winzigen, dem un- bewaffneten Auge teilweise unsichtbaren Krebstierchen, die er in unberechenbaren Mengen verzehrt, aber auch von anderen Fischen, besonders Sprotten, und ebenso von Eiern und Larven der eigenen Art (BREHM 1892, p. 370). 142. Alosa sardina (Clupea pilchardus) [RAaTHKE 1837, p. 348]. In der ganzen vorderen Halfte des Darmes, die mit Pfértner- anhingen besetzt ist, finden sich sehr dicht gedrangte, zarte, ganz gerade verlaufende Langsfalten. In der hinteren Halfte aber stehen zum Teil vollstandig, zum Teil unvollstandig ringformige Falten in grofer Zahl dicht gedrangt beisammen. RATHKE meint, diese Falten miissen natiirlicherweise den Speisebrei in seinen Fort- schritten aufhalten, was wegen der geringen Lange des Darmkanals niitzlich sein mag. Der Pilchard gehért zu den gefrafigsten Fischen, verzehrt jedoch fast nur kleine Kruster, vorzugsweise eine zwerghafte Garneele, von welcher man oft viele Tausende in dem bis zum Platzen gefiillten Magen findet. Ihr zu Gefallen halt er sich auf dem Boden des Meeres auf und durchsucht nach Art der Karpfen den Sand oder die Liicken zwischen Steinen im seichten Wasser. — Daf unser Fisch auch anderes Getier nicht verschmaht, lat sich mit Bestimmtheit annehmen: er beiSt an Angeln, die mit Wiirmern gekédert werden, oder Ja8t sich durch Auswerfen von Stockfischrogen herbeilocken“ (BREHM 1892, p. 381). 143. Alosa vulgaris (Clupea alosa). Die Befunde gleichen nach Rupoupnr (1802, p. 73) denen bei Clupea harengus. Die Zahl der Appendices wird von MECKEL (1829, p. 285) und Cuvier (1835, p. 379) auf ca. 80 angegeben. Auch in der Schilderung des Reliefs der Innenfliche stimmen Bd, XLII. N. F. XXXVI. 32 486 H. Eggeling, beide Autoren iiberein. Im ersten Viertel der Lange, entsprechend der Einmiindung der Appendices, bestehen unregelmafige, wenig veristelte Langsfalten. Weiterhin wird die Oberflache ,,mit Aus- nahme des kiirzeren Endteils durch eine auferordentlich grofe Menge sehr dichtstehender und verhaltnismaSig sehr hoher Quer- falten bedeutend vergréfert.‘ Cuvier fiigt noch hinzu, daf von den Basen oder Seitenflichen der Falten kleine Faltchen oder Fadchen ausgehen, die durch den Zwischenraum zwischen zwei Falten hindurchgehen, um sich zu einer zweiten Falte fortzusetzen. Bei Minne Epwarps (1860, p. 388) ist das Vorkommen von Quer- falten nur kurz erwahnt. Die Nahrung des Maifisches besteht aus kleinen Fischen und weichschaligen Krebstieren (BREHM 1892, p. 380). X. Esocidae. *144. Esox lucius (3 Figuren auf Taf. XVIII). Der Magen ist nach Cuvier (1810, p. 541; 1835, p. 374) deutlich vom itbrigen Darmkanal gesondert und nach MECKEL (1829, p. 280) mit einem kaum wmerklichen Blindsack versehen. Der Darm stellt ein sich gleichmafig verjiingendes Rohr von ge- ringer Lange mit dicken Wandungen dar. Ueber das Relief der Schleimhaut gehen die Meinungen ziemlich auseinander. RuDOLPHI (1802, p. 72) fand im Magen starke, rippenartige, gerade laufende Langsfalten, im Darm ,,eine Menge kleiner untereinander netz- formig verbundener Falten, die selbst wieder gefaltet sind‘. Nach MECKEL ist die Innenflache des Magens ,,mit sehr langen, dicht- stehenden, diinnen, aber ziemlich breiten Zotten besetzt, die erst im Diinndarm allmahlich kleiner werden, im Dickdarm wieder an GroBe zunehmen, bei weitem aber nicht die GréSe der im An- fange des Darmes befindlichen erlangen. Falten finden sich nicht, indessen machen die Zotten allerdings durch ihre Breite den Uebergang zu diesen“. Damit stimmt Cuviers altere Darstellung iiberein. Er fand Zotten und keine Falten. Die Zotten seien be- sonders lang im Mastdarm und hiatten ein gefranstes Aussehen. Spiter aber (1835) schildert er die Zotten als sehr feine und lange Fransen, die vom freien Rand im Zickzack verlaufender Langsfalten der Schleimhaut ausgehen. Auch MiItngE EDWARDS (1860, p. 388) spricht von sehr deutlich gefransten Schleimhaut- falten im zweiten Teil des Darmes, die beim Hecht noch starker entwickelt seien als bei der Barbe. Dagegen schlieft sich Grimm (1866, p. 44) wieder niher an Mecket an. Er sagt: ,,An der Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen, 487 Innenflache des Diinndarms finden sich durchweg sehr gedrangt stehende, lange, cylindrische Zotten, welche zum Dickdarm hin kiirzer werden und weiter auseinanderriicken. Im Dickdarm kommen nur anfangs vereinzelte Zotten vor, mehr nach hinten dagegen werden diese durch ziemlich starke, unregelmaSig angeordnete, longitudinale und transversale Falten, welche bei Ausdehnung des Darmes nicht schwinden, ersetzt. Das kleinere der mir vorliegenden beiden Exemplare (a) hat eine Gesamtlinge von 480 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 206 mm. Der Oesophagus setzt sich unter allmahlicher Zunahme des Umfanges in einen langen, ziemlich gleichmabig weiten Schlauch fort, der gerade nach hinten zieht und den Magen darstellt. Er ist hier etwa 80mm lang. Jenseits der Pylorus- einschniirung biegt sich das Darmrohr um in einen mabig weiten, bis etwa zur Herzspitze aufsteigenden Schenkel, der sich dann mit geringen Windungen nach hinten zum After fortsetzt. Dabei nimmt das Lumen betrachtlich ab, und der hintere Teil des Diinn- darms ist sehr eng. Eine auf erlich angedeutete ringformige Klappe bildet die Grenze gegen den viel weiteren, etwa 40 mm langen Dickdarm. Stiicke aus Anfang, Mitte und Ende des Diinndarms, sowie aus dem Dickdarm wurden in Formalin ausgebreitet. Die Schleimhaut zeigt eine sehr betrachtliche VergréSerung der Oberflaiche durch Falten, deren Seitenflachen dicht aneinander liegen. Sie sind wieder in sich gefaltet, so daf ihr im iibrigen glatter freier Rand krausenartig gewellt erscheint. Im ganzen verlaufen die Falten in der Langsrichtung. Sie sind sehr hoch am Beginn des Diinndarms und nehmen nach hinten zu recht be- trachtlich ab. Jenseits der Klappe zwischen Diinndarm und Dick- darm nehmen die Faltungen wieder an Hohe zu, erreichen aber nicht dieselbe Héhe wie am Beginn. Am Anfang des Enddarms verlaufen die Falten sehr unregelmabig, gegen das Ende zu tritt mehr eine quere Anordnung hervor, und nur ganz kurz vor dem After finde ich einige Querreihen von plumpen, niedrigen, blatt- formigen Papillen, die, von breiter Basis aus rasch sich zuspitzend, im ganzen eine dreieckige Form besitzen. Am Ende des Dinn- darms und Anfang des Dickdarms sieht man Verbindungen der niedrigen Liingsfalten durch Seitenaste. Ob solche Anastomosen auch im Bereich der hohen, komplizierten Falten bestehen, laft sich an den Oberflichenpraparaten nicht nachweisen. Ein zweites Tier (b) mit einer Gesamtlinge von 575 mm zeigt einen viel komplizierteren Schleimhautbefund. Ganz am Beginn 32* 488 H. Eggeling, des Diinndarms bestehen sehr hohe, dicht gedrangte, in sich selbst wieder krausenférmig gefaltete Schleimhautfalten. Kine bestimmte Anordnung der Falten ist nicht zu erkennen. Am freien Rand der Falten finden sich unregelmafige Einschnitte. Diese sind meist unbedeutend, in einzelnen unregelmafigen Abstinden aber so tief, daf die ganze hohe Falte bis nahe zu ihrer Basis in einzelne breitere und schmalere Abschnitte gespalten erscheint, die wohl den Zotten der friiheren Beschreibungen entsprechen, aber von Zotten sich durch ihren grofen Umfang und ihre krausen- formige Faltung sehr unterscheiden. In der Tiefe zwischen diesen hohen Falten kann man Andeutungen eines niedrigen einfachen Faltennetzes wahrnehmen. Sehr viel deutlicher wird dies im mittleren Teil des Diinndarms, wo die hohen zerschlitzten Falten an Hohe abnehmen und mehr vereinzelt stehen. Die beigegebenen beiden Figuren geben von diesen iiberaus komplizierten Verhaltnissen leider nur ein sehr unvollstandiges Bild. Der Hecht ist ein ungemein gefrafiger Raubfisch. Er ver- schlingt Fische und Amphibien und vergreift sich auch an Enten, Gansen, Wasserratten und auch gréferen Saugetieren (Leunts 1883, p. 744; Breum 1892, p. 314). XI. Scombresocidae. Die Scombresocidae sind alle Fleischfresser (LEuNIS 1883, p. 742). 145. Exocoetus exiliens. Nach MECKEL (1829, p. 282) zieht der Darmkanal gerade vom Mund zum After, wobei er sich allmahlich etwas verengt. Er ist etwas linger als bei Hemiramphus. An seiner Innenflache finden sich breite, sehr zahlreiche, dicht gedrangte, wellig verlaufende Laingsfalten, die bedeutend zahlreicher und gréfer sind als bei Belone. An ihrem freien Rand laufen sie in ansehnliche Zotten aus. Sie sind im ganzen Darmkanal vorhanden, nehmen aber vom Mund bis zum After gleichmafig an Zahl und Groéfe ab. Cuvier (1835, p. 373) beschreibt nur sehr zahlreiche, dicht gedrangte Zick- zackfalten, die gegen das Ende des Darmes abnehmen. Im Rec- tum fand er die Falten unregelmafig und nur hier an ihrem freien Rand gefranst. 146. Exocoetus volitans (MrckeL 1829, p. 283). Der Speisekanal ist hier etwas weiter und kiirzer. Seine Innenflache zeigt ,,grébere und weniger zahlreiche Zotten, im An- Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 489 fange zugleich ein rautenformiges Netz, auf dem die Zotten sitzen, in der hinteren Halfte... keine Spur von Ungleichheiten irgend einer Art“. Nach Brenm (1892, p. 306) sind im Magen der Exocoetus Reste kleinerer Fische, Kruster und Weichtiere gefunden worden. *147. Belone vulgaris resp. acus (Figur auf Taf. XVIII). Der Darmkanal zieht gerade vom Mund zum After und ver- engt sich dabei unbedeutend (Cuvier 1810, p. 541; 1835, p. 373; MEcKEL 1829, p. 282). Ein gesonderter Magen und Appendices pyloricae fehlen. Die Darmwandungen sind nicht dick, aber auch nicht durchsichtig. Ueber das innere Relief werden sehr ver- schiedene Angaben gemacht. Mrcken findet die Schleimhaut- oberflache ,,iiberall durch ansehnliche wellenférmige Lingenfalten ungleich, die im vorderen, dem Magen entsprechenden Drittel am kleinsten, im mittleren am starksten sind und hier sehr deutlich von ihrer Grundflache aus in breite, ansehnliche, dreieckige, zu- gespitzte Zotten auslaufen“. Cuvier schilderte zuerst (1810) die Innenflaiche als glatt ohne merkliche Zotten; spater (1835) be- schrieb er in der ganzen Ausdehnung des Darmes ein unregel- miaBiges Netz von Falten, deren freier Rand guirlandenartig, wie gefranst sei. Der Enddarm zeichne sich nur durch dickere Falten aus. Diese Angabe laft sich am besten in Einklang bringen mit der Beschreibung von RupoLpur (1802, p. 73). Er konstatierte ,2uferordentlich feine Faltchen, die wieder gekrauselt sind und allenthalben untereinander anastomosieren“. Das von mir untersuchte Exemplar hat eine Gesamtlainge von 600 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 260 mm. Der Darmkanal stellt ein am Anfang mafig weites, gegen den After zu allmahlich etwas verengtes Rohr dar, das in gerader Richtung vom Mund zum After zieht. Die Wandungen sind ziemlich kraf- tig. Ein Magen ist au8erlich nicht abgegrenzt; Appendices pylo- ricae fehlen. Etwa 4 cm vor dem After markiert eine schwache, ringformige Kinschniirung bereits auferlich die Grenze zwischen dem Diinndarm und dem sehr viel weiteren Enddarm. Verschiedene Stiicke aus Anfang und Mitte des Diinndarms sowie aus dem End- darm wurden in Formol ausgebreitet. Die Schleimhaut bietet ein iiberaus zierliches Bild von einem sehr engmaschigen Netz hoher, diinner Falten, dessen tiefe rund- lich-polygonale Maschenraéume sehr an Bienenwaben erinnern. Am Beginn des Diinndarms gehen vielfach noch von den Randern der 490 H. Eggeling, netzformig verbundenen Falten kleine lappenartige Fortsitze aus, deren freier Rand durch Einschnitte in einzelne kleine Papillen zerlegt ist. Diese Lappchen stehen vorwiegend in der Querrichtung. Bisweilen finden sich auch einzelne blattformig zugespitzte Papillen. Gegen den After zu verschwinden diese Anhange, und es bleibt nur das hohe Wabenwerk erhalten. Im weiten Enddarm ist auch dies verschwunden, und man findet hier nur noch ein ganz un- regelmabiges weitmaschiges Netz sehr niedriger Schleimhautfaltchen. GUNTHER (1886, p. 445) berichtet: ,,Langs der Oberfliche des Wassers leicht hinstreichend, ergreifen die Hornhechte mit diesen langen Kiefern kleine Fische, so wie ein Vogel dieselben mit seinem Schnabel erfassen wiirde; ihr Schlund ist aber eng, so daf sie nur kleine Fische verschlingen kénnen.“ Brexm (1892, p. 301) erwaihnt eine Angabe, wonach diese Fische nichts ver- schonen, was Leben hat und von ihnen, wenn auch mit Miihe, verschlungen werden kann. Sie halten gewoéhnlich die erfafte Beute fest und bemiihen sich, sie nach und nach zu bewaltigen. Es gelingt ihnen zwar nicht, ein Stiick abzubeiBen, aber doch einen Bissen zu zerteilen. So hat man beobachtet, da’ sie einen Kéder formlich zerfetzten. Am haufigsten werden offenbar kleine Fische, z. B. Seestichlinge, von ihnen verschlungen. Ich fand im Diinn- darm meines Exemplars wenig weichen unkenntlichen Inhalt, im Rectum massenhaften schwarzen Kot. 148. Scombresox (MEcKEL 1829, p. 282). Die Anordnung des Darmkanals und das Relief seiner Innen- flache stimmt mit den Befunden bei Belone vulgaris iiberein. Nach GUNTHER (1886, p. 445) scheint dieser Fisch haupt- sichlich von weichen pelagischen Tieren zu leben. XII. Mormyridae. Mitteilungen tiber die Ernihrung dieser Fische waren mir nicht zuginglich. 149. Mormyrus herse (Cuvirr 1810, p. 543; 1835, p. 374). Die Mormyriden besitzen einen kurzen Darmkanal mit mittel- mafig dicken Wanden, gleichmifigem Durchmesser, 2 langen, schlanken Appendices pyloricae und glatter Innenflache. 150. Mormyrus labiatus (Cuvier 1810, p. 543; 1835, p. 374). Es gilt dasselbe wie fiir Mormyrus herse. Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. A491 151. Mormyrus oxyrhynchus (MrckeEL 1829, p. 279). »Die Speiseréhre ist lang und eng und plétzlich stark von dem Magen abgesetzt. Dieser ist langlich-rundlich und besteht aus zwei ungefihr gleich grofen, durch eine schwache Einschniirung yoneinander getrennten, rundlichen Halften, welche den Cardia- und Pfirtnerteil des gewéhnlichen Fischmagens darstellen. Ein Blindsack fehlt gianzlich. Die Muskelhaut ist tiberall, besonders aber in der linken Halfte stark...‘ Am Anfange des engen und langen Darmes finden sich 2 einfache, lange und schlanke Appen- dices pyloricae. Die Innenflache des Darmes ist glatt. 152. Mormyrus dorsalis (MecKEL 1829, p. 279). Die Verhaltnisse sind im wesentlichen dieselben wie bei Mor- myrus oxyrhynchus. 153. Mormyrus cyprinus (MrcKEL 1829, p. 279). Die Verhaltnisse sind im wesentlichen dieselben wie bei Mor- myrus oxyrhynchus. XIII. Scopelidae. 154. Gonostoma denudatum (Eprincer 1877, p. 681). Kin engmaschiges Netz von Schleimhautfalten ist hier wie bei den meisten Cypriniden am reichlichsten ausgebildet. In den mir vorliegenden Werken finde ich keine Angaben iiber die Ernaihrung dieses Fisches. XIV. Salmonidae. Nach Leunis (1883, p. 747) sind alle Salmoniden Fleisch- fresser; sie leben entweder von kleineren Fischen oder von allerlei kleinen Wassertieren (Insekten, Krebstieren, Mollusken). Aehnliche Angaben macht GUntToer (1886, p. 455, 461). Bream (1892, p. 321) sagt: ,Die Lachse mit schwichlichem Gebisse ernahren sich eher nach Art der Karpfen als nach Art der Raubfische, d. h. nehmen Gewiirm verschiedener Art, Schnecken, Muscheln und dergleichen, auch wohl pflanzliche Stoffe zu sich; die Arten mit kraftig bezahnten Kiefern hingegen lassen sich blof in den ersten Jahren ihres Lebens mit Gewiirm und Kerbtieren oder deren Larven geniigen und greifen im héheren Alter aile anderen Fische an, die sie irgendwie bewaltigen kénnen. Uebrigens sind die gréften Arten der Familie nicht die furchtbarsten Rauber: der Edellachs z. B. steht, schon wegen seines erheblich schwicheren Gebisses, 492 H. Eggeling, der Lachsforelle, wenn auch nicht an Gefrafigkeit, so doch an Raubfahigkeit nach.“ 1boiairnatitasia lar; Den Magen schildert MEcKEL (1829, p. 287) als langlich und stark muskulés. Er beginnt mit einer sehr ansehnlichen Pars cardiaca, die in spitzem Winkel in die etwa halb so lange Pars pylorica iibergeht. Ein Magenblindsack fehlt. Der Darmkanal ist von mifiger Linge. In ihn miinden ca. 70 Appendices pyloricae. »Die innere Flache des Darmes ist in der vorderen gréferen Halfte blo8 durch niedrige, aber sehr diinne, auferst dichtstehende und auBerordentlich vielfach verschlungene und gewundene Falten un- gleich, hat dagegen in ihrer hinteren Halfte, mit Ausnahme des sehr kleinen Endstiickes, ungefahr 40 ansehnliche, nach hinten gerichtete, selbst wieder stark der Lange nach gefaltete Quer- klappen...‘‘ Zotten konnte MrckeL nicht finden im Gegensatz zu Cuviers Alterer Schilderung (1810, p. 541), die die Innenflaiche des Darmes hinter der Einmiindung der Appendices mit langen Zotten besetzt sein laft, die nach hinten allmahlich kiirzer werden und weiter voneinander entfernt stehen, aber bis zum After reichen. Aber auch spater (1835, p. 377) stimmen die Beobachtungen von Cuvier mit denen MECKELS nicht tiberein. Er sah in dem ersten Abschnitt des Darmes, in den die Appendices einmiinden, zahl- reiche sehr vorspringende Lingsfalten und zwischen ihnen ein feines Netz mit tiefen Maschen. Weiter gegen den After zu fanden sich keine freien Faden, sondern schrage longitudinale Falten, die sich verdsteln und in ihrer Richtung unterbrochen sind. Sie sind verschieden an Umfang und lassen verastelte oder einfache Fadchen von sich ausgehen. In der zweiten Halfte des Darmes fand auch CuvieR ringfoérmige Querfalten, die nach dem After zu immer schmaler werden und in immer gréferen Abstiinden voneinander stehen, um schliefSlich ganz zu verschwinden. Diese Querfalten sind in der Ansicht von aufen bei uneréffnetem Darm von HoLME (1814, I, II, pl. 95) abgebildet. Sie werden auch von RuDOLPHI (1802, p. 72), Mitne Epwarps (1860, p. 388) und Owen (1866, p. 421, 422) erwahnt. Im iibrigen beschreibt Owen im oberen Teil des Darmes von Salmo schrag longitudinale oder wellige Falten, die gegen das Rectum zu an Zahl ab- und an Breite zunehmen und weniger schraig verlaufen. GULLAND (1898, p. 449) erwahnt nur sehr dichtstehende Langsfalten. Der Lachs fri8t im Meere Kruster, Fische, namentlich Sand- aale, Stichlinge, auch wohl Heringe und wahrscheinlich alles, was Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen. 493 er sonst erlangen kann. Im Sii®wasser frift er nur wahrend der Jugendzeit ebenso gierig wie die Forelle und enthalt sich spater fast ginzlich der Nahrung (BREHM 1892, p. 327). #156. Trutta fario (2 Figuren auf Taf. XVIII). Nach Rupotput (1802, p. 71) tragt der Diinndarm jenseits der Appendices pyloricae ,abnliche Querklappen wie der dinne Darm des Menschen, und die sich untereinander nur selten ver- binden, so daf die innere Darmhaut fast ganz glatt erscheint“. Auch Cuvier (1810, p. 542) fand hier keine merklichen Zotten, sondern nur Querfalten in regelmafigen Abstanden voneinander. Ich selbst untersuchte ein Exemplar, das im ganzen 493 mm lang ist und von der Herzspitze bis zum After 194 mm mift, aufer- dem 4 Tiere von ca. 200—250 mm Gesamtlange. Der Magen wird durch eine ziemlich gleichmafig weite, tief kaudalwiarts absteigende Darmschlinge gebildet, deren aufsteigender Schenkel mit geringer Einschniirung am Pylorus in den Darm tibergeht. Letzterer besitzt wie der Magen eine kraftige Wan- dung. Der Anfang des Diinndarms ist mit sehr zahlreichen Appen- dices pyloricae besetzt. Das folgende Stiick steigt ziemlich gerade nach abwirts und setzt sich ohne deutliche Grenze in den End- darm fort direkt zum After. Der ganze Darm von Trutta ist demnach auferordentlich kurz. Sein Lumen nimmt allmahlich etwas ab. In der zweiten Hialfte sieht man vielfach bereits von aufen ringformige Querfalten durchschimmern. Abschnitte aus verschiedenen Gegenden des Darmkanals sowohl des grofen wie mehrerer kleiner Individuen wurden in Formol ausgebreitet. Die reichlichen Faltungen der Darmschleimhaut kann man im ganzen als ein doppeltes Netzwerk charakterisieren, das aber in den einzelnen Abschnitten des Darmkanals ein sehr verschiedenes Aussehen bietet. Die Falten sind tiberall nur von relativ geringer Hohe. Am Beginn des Darmes in der Gegend der Einmiindung der Appendices pyloricae bilden grébere Falten ein Netz mit un- regelmaifigen weiten, rundlich-polygonalen Maschenriumen. Bei manchen Individuen besitzen die Hauptfalten bereits am Beginn eine ausgepragt transversale Anordnung und liegen so dicht an- einander, daf nur schmale Spaltriume zwischen ihnen bleiben. Immer sind die Rander der Hauptfalten am Beginn des Darmes sehr unregelmafig gebildet, mit mehr oder weniger schlanken und Spitzen, zottenartigen Fortsatzen versehen. In den verschieden gestalteten Zwischenraiumen der Hauptfalten finden sich feine 494 H. Eggeling, niedrige Faltchen, die sich in wechselnder Weise untereinander und mit den Basen der Hauptfalten verbinden, so daf sie kleine flache Griibchen umschliefen und so ein zweites Netz von verschiedener Vollstandigkeit darstellen. Dieses Faltennetz mit seinen zotten- oder zungenformigen Anhangen erhalt sich auch noch jenseits der Region der Appendices auf eine kurze Strecke und stellt hier eine recht betrachtliche Vergré8erung der Oberflache dar. Die Quer- richtung der Hauptfalten wird jetzt ganz ausgepragt, aber nun | nehmen die Zotten ab und verschwinden bald, die Falten werden immer niedriger, das zarte Netz immer schwacher, bis es schlie- lich ebenfalls verschwindet. Auf eine kurze Strecke sieht man dann nur noch schwache Querfalten, die vielfach unterbrochen sind und sich gelegentlich durch kleine Seitenzweige untereinander verbinden. In einem nicht unbetrachtlichen zweiten Endabschnitt des Darmes treten wieder sehr ansehnliche Querfalten hervor, die viel stirker sind, als am Anfang, und mehr oder weniger voll- stindige Ringe bilden. In den weiten Raiumen zwischen ihnen bildet die Schleimhaut noch ein feines engmaschiges Netz, das man ebenfalls als ein doppeltes bezeichnen kann, da es von gréberen und feineren Falten gebildet wird. Dieses Netz dehnt sich auch tiber die Flachen der Querfalten bis zu deren glattem freien Rand aus. BreuM gibt an (1892, p. 341), daf alle als Larven oder Fliegen im Wasser lebenden Kerbtiere die Lieblingsnahrung der Forelle in jedem Lebensalter bilden, daneben noch kleine Crustaceen. Die junge Forelle frift auferdem Wiirmer, Egel, Schnecken, Fisch- brut, kleine Fische und Frésche. Das gréBere, altere Tier von 1—1,5 kg Gewicht ist ein auferordentlich gefraBiger Raubfisch, der selbst seine eigene Nachkommenschaft nicht verschont. Bei den von mir untersuchten Tieren bildete der Darminhalt eine weiche, sehr zihe, offenbar schleimreiche Masse. 157. Salmo (Curimates) unimaculatus (MECKEL 1829, p. 288). Die Anordnung des Speisekanals ist ahnlich wie bei Salmo salar. Es sind ca. 20 Appendices pyloricae vorhanden. Der Darm ist verhaltnismabig sehr weit. Seine Innenflache traigt ungefahr im vorderen Sechstel, entsprechend der Miindung der Appendices, »kleine Querfalten, die allmahlich verschwinden, allein in dem letzten Drittel bedeutend starker und dichter aneinander stehend wiedererscheinen‘. Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 495 158. Salmo labrax (RATHKE 1837, p. 349, 350). Im Mitteldarm bildet die Schleimhaut ein ziemlich weit- maschiges, unregelmaBiges Netzwerk. In der hinteren Hilfte des Darmkanals erscheinen die Schleimhautfalten als mehr oder weniger vollstiindige Ringe, die in grofer Zahl dicht beisammenstehen. Sie halten offenbar den Speisebrei in seinen Fortschritten sehr auf, was bei der geringen Linge des Darmkanals von Vorteil sein mag. 159. Thymallus thymallus (Ombre commune Cuvier 1835, p. 378). Ks sind ca. 18 Appendices pyloricae vorhanden. Am Anfang des Darmes bilden Schleimhautfalten ein sehr feines, weiterhin ein gréberes Netz. Am Ende des zweiten Drittels des Darmes treten Querfalten auf, deren sich im ganzen etwa 18 bis kurz vor dem After vorfinden. Das Faltennetz setzt sich an einem Teil der Wandungen noch tiber die Querfalten hinaus fort. Die Nahrung der Aesche ,,besteht aus den Larven ver- schiedener Wasserkerfe und in letzteren selbst; auch nimmt sie kleine Wasserschnecken und Muscheln zu sich, verschmaht eben- sowenig Gewiirm und verschont selbst Fischbrut nicht‘. Wie die Forelle springt sie nach voriiberschwirrenden Kerfen tiber den Wasserspiegel empor, geht deshalb auch leicht an die Angel (BREHM 1892, p. 381). 160. Coregonus (Salmo) lavaretus (lavaret). Die Befunde gleichen nach Rupo.put (1802, p. 71) im ganzen denen von Trutta fario, wihrend Cuvisr (1835, p. 378) die grobe Aehnlichkeit mit Thymallus thymallus hervorhebt. Es bestehen nur Verschiedenheiten in der Zahl der Appendices. Die Schleim- haut bildet auch hier Querfalten und jenseits derselben kurze Papillen, zwischen denen sehr feine Falten ebenfalls in querer Richtung verlaufen. **161. Epitomynis (Salmo) salvelinus’). Zur Untersuchung stand mir ein Exemplar einer als ,,Bach- saibling’’ bezeichneten, in der Saale kultivierten amerikanischen Form zur Verfiigung. Dieses Tier mift im ganzen 330 mm und von der Herzspitze bis zum After 144 mm. Die Anordnung des Magendarmkanals ist dieselbe wie bei der Forelle. Der Magen 1) Die Bestimmung dieser Form wurde nicht von mir fest- gestellt, sondern riihrt von dem Fischer her. 496 H. Eggeling, bildet eine Schlinge und besteht aus einer langen Pars cardiaca, die spitzwinklig umgebogen in eine ebenfalls lange, aber nur héchstens 2/, der ersteren entsprechende Pars pylorica tbergeht. Vom Pylorus zieht der kurze Darm direkt zum After. Der Magen- schlauch besitzt eine geringe, ziemlich gleichmafige Weite. Der Darm zeigt duferlich keine Sonderung in einzelne Abschnitte. Er ist viel enger als der Magen und andert seinen Durchmesser nicht wesentlich. Magen und Darm haben eine ganz kriftige Muskel- — wand. Der Anfang des Darmes trigt auf eine langere Strecke _ zahlreiche, in zwei Reihen angeordnete Appendices pyloricae. Teile aus verschiedenen Regionen des Darmes wurden in Formol aus- gebreitet. Die Schleimhautbefunde sind dieselben wie bei Trutta fario. In der Gegend der Einmiindung der Appendices pyloricae erkennt man ein doppeltes Netz mit ziemlich engen Maschen. Die Haupt- falten stehen in der Querrichtung und tragen an ihrem freien Rand wechselnde, blatt-, zungen- und zottenformige Fortsatze. Derselbe Befund besteht auch unmittelbar hinter der Region der Appendices. Die Fortsitze der Hauptfalten sind hier anscheinend schlanker als am Beginn des Darmes, mehr zottenartig. Im letzten Darmabschnitt erscheinen sehr starke, mehr oder weniger voll- stindig ringférmige Falten, ahnlich den Kerkrineschen Falten des menschlichen Darmes. In den Raéumen zwischen ihnen bildet die Schleimhaut ein unregelmafiges, nicht sehr enges Netzwerk aus gréberen und feineren Faltchen, die sich auch auf die Flachen der groBen Querfalten ausdehnen. Die Saiblinge ernahren sich wie die Renken (Coregonus) hauptsichlich von kleinen Tieren, besonders verschiedenen Schma- rotzerkrebsen. Sie verschmahen auch kleinere Fische nicht, und erofe Saiblinge mégen wohl vorwiegend von solchen leben (BREHM 1892, p. 344). Ich fand bei meinem Exemplar einen zahen, glasigen, gelblichen Darminhalt. XV. Ammodytidae. 162. Ammodytes tobianus. Der Magen besteht nach Mecke (1829, p. 255) aus einem ziem- lich langen und engen Cardialteil, einem ansehnlichen, fleischigen, linglich zugespitzten Blindsack und einem kurzen Pfortnerteil. Der Darm verliuft fast ganz gerade und tragt eine lange und verhiltnismakig groBe Appendix. Ueber das Relief der Schleim- haut konnte Mecken keine Auskunft geben. Er erwahnt nur eine Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 497 Angabe von RATHKE (1824?), da8 hier auferst lange Zotten vor- handen seien. Dies konnte RupoLpPHr (1828, p. 209) nicht be- stitigen. Er fand ,nur von Falten entstehende lange Fortsatze, die noch dazu bei dem Sandaal so isoliert stehen“, da er nicht begreift, wie RATHKE diese hat Zotten nennen kénnen. Als Beute der Sandaale werden angegeben Wiirmer, Krebs- tiere (LEuNIS 1883, p. 713) und auch junge Fischbrut (BREHM 1892, p. 222). XVI. Ophidiidae. *163. Ophidium barbatum (Donzelle commune; Figur auf Taf. XVIII). MeEcKEL (1829, p. 256) fand den Cardialteil des Magens langer und weiter als bei Ammodytes tobianus, den rundlichen Magenblindsack aber nur sehr kurz. Eine Pars pylorica fehlt ebenso wie Appendices pyloricae vollstandig. Der Darm ist weit und zieht mit engen, kurzen Windungen zum After. An seiner Innenflaiche soll er Langsfalten haben. Dagegen sah Cuvirr (1835, p. 390) wenigstens im Beginn des sehr diinnwandigen Darmes ein Netz von Falten bereits von auSen durchschimmern. Das von mir untersuchte Tier hat eine Gesamtlinge von 205 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 54 mm. Der Magen besteht aus einer auSerordentlich langen und ziemlich engen Pars cardiaca, einem plumpen, recht ansehnlichen Magenblindsack, dessen Spitze bis zum Ende der Bauchhohle reicht, und einer ganz kleinen Pars pylorica. Letztere liegt am oberen Ende des Magen- blindsackes dicht neben der Einmiindung der Pars cardiaca. Ap- pendices pyloricae fehlen. Der Darm hat recht diinne Wandungen und ist am Beginn weit. Nach hinten zu wird er allmahlich enger und ist nur undeutlich durch einen verdickten Ring abgegrenzt gegen den weiteren Enddarm, der ca. 2,5 cm tiber dem After be- ginnt. Der Darm ist ziemlich lang. Er zieht vom Pylorus erst kranialwarts bis nahe zur Herzspitze, biegt dann nach hinten um bis fast zum Ende der Bauchhoéhle, geht wieder nach vorn bis weit kranial vom Pylorus und setzt sich von da in einem ziemlich geradegestreckten Endstiick bis zum After fort. Das Schleimhautrelief fand ich recht schwach, die Oberflachen- vergroferung gering. Am Beginn des Diinndarms, direkt hinter dem Pylorus, bilden grébere Schleimhautfalten, die schrag oder quer angeordnet sind, mit Hilfe schmalerer Seitenaéste ein mehr oder weniger vollkommenes Netz mit sehr weiten, polygonalen 498 H. Eggeling, Maschenriumen. Diese werden durch zarte Faltenverdastelungen wieder in kleinere, nicht allseitig abgeschlossene Bezirke geteilt. Von einem zweiten, feineren Faltennetz kann nicht eigentlich die Rede sein. In dem sehr diinnwandigen mittleren Teil des Diinn- darms erkennt man nur noch Spuren eines weitmaschigen Netzes niedriger Falten. Dieses kommt erst wieder deutlicher zum Vor- schein im Enddarm. Es verhalt sich hier ahnlich wie am Beginn, zeigt grébere Falten, die zum Teil deutlich transversal verlaufen, und in den weiten Maschen ein unvollkommenes feines Netz, dessen Maschenraume ebenfalls nicht eng sind. Die Nahrung dieses Fisches besteht nach Bream (1892, p. 222) aus kleinen Krabben und Fischen. Ich fand in der Mundhdéhle meines Exemplares mehrere Brachyochirus (Gobius pellucidus), die aber auch zufallig hineingelangt sein kénnten, und im Darm Reste von Crustaceen. XVII. Gymnotidae. 164. Gymnotus electricus (MEcKEL 1829, p. 256). Der Magen ist rundlich und stark fleischig, mit einem kurzen Blindsack versehen, der Darm mittelmaéfig lang und eng. In ihn miinden 12 kurze Appendices pyloricae, die sich in sehr zahlreiche Aeste spalten. Die Innenfliche des Darmes ist ,,fast ganz glatt, schwach zellig“. Der Gymnotus frit alle fiir ihn verschlingbare Beute; Fische, Krabben, Kerbtiere und auch Amphibien werden besonders auf- gefiihrt (BREHM 1892, p. 393; Lrunis 1883, p. 760). 165. Carapus brachyurus. MECKEL (1829, p. 257) findet die Verhaltnisse ahnlich wie bei Gymnotus, nur den Magen diinnhautig, den Magenblindsack griéfer und 6 einfache, ziemlich lange Appendices pyloricae. Nach Cuvier (1835, p. 389) ist der Darmkanal der ,,Carapes (Gym- notus carapo Bt.)‘* ziemlich lang und mit nur 2 Appendices ver- sehen. Im Duodenum soll die Schleimhaut ein Netz mit ziemlich tiefen Maschen bilden. Ueber die Ernahrung fehlen mir Mitteilungen. XVIII. Symbranchidae. 166. Symbranchus (MEcKEL 1829, p. 257). Der Speisekanal ist ganz gerade, iiberall fast gleich weit und ohne Pfértneranhinge, der After befindet sich am Anfang des Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen. 499 letzten Viertels des Kérpers. Die der Linge nach gefaltete Speise- rohre ist hier vielleicht langer als bei irgend einem Fische, indem sie das vordere Viertel des Speisekanals betragt. Der ganz gerade Magen ist nur ungefaihr halb so lang, stirker gefaltet, auSerdem zellig, nach hinten allmahlich verengt und durch einen starken Pfértner vom Darm geschieden, dickfleischig. Der Darm, der dem groften vorderen Teil des Magens an Weite gleichkommt, aber auSerordentlich viel diinnhautiger ist, ist an seiner inneren Flache durch gréfere und kleinere, niedrige, allmahlich kleiner werdende Maschen in dem gréften vorderen Teile seines Verlaufes ungleich, hinten ganz glatt, ohne Spur einer Dickdarmklappe.“ Angaben itiber die Ernaihrung dieses Fisches fehlten in den von mir herangezogenen Werken. XIX. Muraenidae. Die Muraniden sind fleischfressende Raubfische (Leunis 1883, p. 761; Brenm 1892, p. 397). *167. Anguilla anguilla (2 Figuren auf Taf. XVIII). Nach MEcKEL (1829, p. 258) stimmen Muraena (Anguilla?), Ophisurus und Muraenophis in der Anordnung des Speisekanals lberein. Sie besitzen einen sehr langen, fleischigen, engen, stark zugespitzten Magensack, eine kurze Pars pylorica und einen sehr kurzen, wenig gewundenen, fast gerade verlaufenden Darm. Ap- pendices pyloricae fehlen anscheinend bei allen dreien. Die Darm- schleimhaut des Aales nennt RupoLpui (1802, p. 63) ein blattriges, zelliges Gewebe und schildert sie folgendermafen: .,Gré8ere Falten anastomosieren auf allen Seiten mit anderen Falten und machen dadurch gleichsam Zellen, deren Winde nahe aneinander steben. Diese Erhebungen der innersten Haut sind wieder gefaltet und gleichsam kraus; oben im Darm betragen sie wohl eine Linie, weiterhin werden sie immer kleiner, so da die innerste Haut naher nach dem After zu ein netzformiges Aussehen gewinnt.“ Damit stimmen im wesentlichen die Angaben von Cuvier (1810, p. 529; 1835, p. 388) und Minne Epwarps (1860, p. 388) tiberein. Nach Cuvier bilden die in verschiedenen Richtungen sich ver- einigenden Falten polygonale Maschen, die wieder kleinere, von niedrigeren Falten gebildete Maschenraume einschliefen. Ich untersuchte 2 Exemplare, neben einem sehr kraftigen liber einen Meter langen Tier ein zweites, das im ganzen 480 mm und von der Herzspitze bis zum After 143 mm mift. Der Oeso- 500 H. Eggeling, phagus geht in eine lange, ziemlich weite Pars cardiaca tiber, und daran schlieSt sich ein sehr langer, schlanker, geradegestreckter Blindsack von ganz ansehnlicher Weite. Dessen Spitze reicht beinahe bis zum Ende der Bauchhéhle. Die Pars pylorica, die aus dem oberen Ende des Blindsackes entspringt, liegt dicht neben dem unteren Abschnitt der Pars cardiaca, ist aber viel kiirzer und auch etwas enger als diese. Vom Pylorus zieht der anfangs recht weite, allmahlich an Umfang abnehmende Darm ziemlich gerade nach hinten zum After. Nur wenige Centimeter oberhalb der - Ausmiindung bildet er eine kleine Schlinge, und hier sieht man auch eine .wenig deutliche Einschniirung, die Grenze zwischen Diinndarm und dem etwas weiteren Enddarm. Appendices py- loricae fehlen. Stiicke aus Anfang, Mitte und Ende des Diinn- darms sowie aus dem Enddarm wurden in Formol ausgebreitet. Die Konfiguration der Schleimhaut stimmt bei beiden Indivi- duen vollig tiberein. Wir finden durch den ganzen Darm hindurch ein tiberaus zierlich gebautes doppeltes Netzwerk von Falten, das am Beginn am machtigsten ausgebildet ist und im weiteren Ver- lauf schwicher wird, aber auch im Dickdarm noch recht ansehn- lich erscheint. Die hohen Hauptfalten verlaufen in welligen oder Zickzacklinien im ganzen der Lingsrichtung des Darmes ent- sprechend. Sie stehen hier und da untereinander in Verbindung und umschliefen rautenformige oder polygonale tiefe Gruben von wechselndem Umfang. In diese Gruben erstrecken sich niedrigere feine Seitenaste der Hauptfalten und bilden hier, miteinander anastomosierend, ein unregelmifiges Netzwerk. Auf den Seiten- flachen der Hauptfalten laufen in senkrechter Richtung feine Rippen entlang, die von zarten Schleimhautfaltchen gebildet sind. Die Rander der Hauptfalten sind glatt. Der sehr gefrafige, aber des kleinen Maules halber nicht sehr raubfaihige Aal nahrt sich hauptsachlich von niederen Tieren, aller- hand kleinen Wassertieren, namentlich Wiirmern und Krebsen zur Zeit. der Hautung, ferner von Fischlaich. Er tiberfallt auch kleine Fische und Frésche und soll auch das Aas groferer Tiere an- nehmen (LeuNIS 1883, p. 762; Bream 1892, p. 400). Ich fand im Darm der von mir untersuchten Tiere einen reichlichen, breiigen, gelblich gefarbten, ziemlich diinnfliissigen Inhalt. *168. Conger conger. Die Befunde sind nach Cuvier (1810, p. 530; 1835, p. 389) genau wie bei Anguilla. Das Faltennetz sei besonders deutlich im vorderen Teil des Darmkanals. Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen. 501 Das von mir untersuchte Tier hat eine Gesamtlinge von 634 mm und mif’t von der Herzspitze bis zum After 155 mm. Die makroskopischen Verhialtnisse des Darmtraktus gleichen sehr denen bei Anguilla anguilla. Wir finden eine ziemlich lange und weite Pars cardiaca, einen auferordentlich langen, bis zum Ende der Bauchhoéhle ausgedehnten, schlanken Magenblindsack und dicht neben dem Ende der Pars cardiaca eine etwas engere und viel kiirzere Pars pylorica. Appendices pyloricae fehlen. Der Darm ist anfangs ziemlich weit und besitzt dicke muskulése Wandungen, gegen den After zu wird er enger, seine Wandungen viel diinner. Kine deutliche Grenze gegen den weiteren, aber ebenfalls sehr zartwandigen Dickdarm konnte ich nicht auffinden. Der Darm ist kurz. Er zieht im ganzen gerade nach hinten zum After und bildet wenige Centimeter oberhalb des letzteren einige geringe Windungen. Teile aus verschiedenen Abschnitten von Dickdarm und Diinndarm wurden in Formol ausgebreitet. Der Schleimhautbefund gleicht in der Tat, wie Cuvier angab, sehr den Verhiltnissen bei Anguilla. Wir finden ein doppeltes Netz von Falten, das am Beginn des Diinndarms sehr ansehnlich ist und dann allmahlich stark abnimmt. Die Hauptfalten bilden ausgeprigt longitudinale Zickzacklinien. Gegen das Ende des Diinndarms und im Mastdarm besteht nur noch ein einfaches, weitmaschiges, unregelmaBiges Netzwerk von niedrigen Falten. Der Seeaal ist ein ungemein gefrafiger Raubfisch, der auch schwachere Mitglieder seiner eigenen Art nicht verschont. Er ist mit Leichtigkeit im stande, Muschelschalen zu zermalmen, und bemichtigt sich der in den Hummerkérben gefangenen Krebse (BrEHM 1892, p. 404). Das mir vorliegende Exemplar enthielt noch in der zweiten Halfte des Darmes eine grofe harte Krebs- schere, wodurch das Lumen des Darmes betrachtlich erweitert und das Schleimhautrelief ganz zum Verschwinden gebracht war. *169. Conger niger. Beim ,,Congre noir“ fand Cuvier (1835, p. 389) die Darm- wandung sehr diinn und die Bander und Faden des Netzes weniger dick als bei Conger conger. Das mir vorliegende Exemplar hat eine Gesamtlinge von 772 mm und mift von der Herzspitze bis zum After 180 mm. Die Disposition und das makroskopische Verhalten des Magen- darmkanals ist dasselbe wie bei C. conger. Der Magenblindsack ist etwas dicker, da durch reichlichen Inhalt aufgetrieben, die Bd. XLIII. N. F. XXXVI. 33 502 H. Eggeling, Muskulatur auch am Ende des Darmkanals noch ziemlich kraftig. Eine auferliche Abgrenzung zwischen Diinndarm und Dickdarm fehlt, wohl aber findet sich eine Klappe ganz kurz vor dem After. Stiicke aus Mitte und Ende des Darmes wurden in Formalin aus- gebreitet. Im Gegensatz zu Cuvier fand ich bei meinem Exemplar die Darmwandung kraftig und das Relief stark ausgebildet. Die Faltungen der Darmschleimhaut zeigen denselben Typus wie bei Anguilla. Das doppelte Faltennetz ist am Beginn und in der . Mitte des Diinndarms ebenso ausgebildet wie beim Aal und die Praiparate nicht zu unterscheiden. Gegen das Diinndarmende werden die Faltungen viel schwacher und im Enddarm wieder etwas stirker. Ein doppeltes Netz von gréberen und feineren Falten ist hier noch deutlich zu unterscheiden. Im Magen dieses Exemplars fand ich mehrere halbverdaute kleine Fische. *170. Muraena helena (Figur auf Taf. XVIII). Die Innenfliche tragt nach einer alteren Angabe von CUVIER (1810, p. 530) nur leichte Runzeln, die rautenformige Felder um- schlieSen. Der Darm ist kurz und fast geradegestreckt. Spater (1835, p. 389) fand er ein polygonales Maschennetz nur im ersten Drittel des Diinndarms deutlich ausgepragt. Weiterhin soll es ab- nehmen und durch einige Lingsfalten ersetzt werden, um endlich im Rectum wieder aufzutreten. Nach Mrecket (1829, p. 258) ist die Schleimhautoberfliche von Muraenophis zellig, besonders stark im Anfangsteil des Darmes. OweEn (1866, p. 421) erwahnt nur kurz das Vorkommen von netzférmigen Falten. Das von mir untersuchte Tier mit im ganzen 634 mm und von der Herzspitze bis zum After 205 mm. Form und Lage des Darmtraktus ist dieselbe wie bei den anderen Muraniden, nur ist der Magenblindsack vielleicht etwas kiirzer, allerdings auch leer, und der Darm ebenfalls kiirzer, insofern er ohne jede Windung vom Pylorus direkt zum After zieht. Stiicke aus dem Anfang und der Mitte des Diinndarms sowie aus dem AuB8erlich nicht ab- gegrenzten Enddarm dicht vor dem After wurden in Formol aus- gebreitet. Auch hier ist auf der Schleimhautinnenfliche dasselbe doppelte Faltennetz ausgepragt wie bei den iibrigen Muraniden. Anfangs stark ausgebildet, nimmt es in der Mitte des Diinndarms ab und | | | Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 503 laft dann gegen das Ende nur noch deutliche Langsfalten hervor- treten. Im Enddarm findet sich wieder ein Netzwerk, hier aber nur ein einfaches, von niedrigen Falten gebildet, mit weiten un- regelmafigen, polygonalen Maschenraiumen. Die Murane lebt nach GUNTHER (1886, p. 487) von Fischen, nach Breum (1892, p. 408) vorwiegend von Krebsen und Tinten- schnecken. Ihre Gefrafigkeit soll sehr grof sein. XX, Ophisuridae, 171. Ophisurus serpens. Das Relief der Schleimhaut gleicht nach Cuvrirr (1835, p. 389) dem von Anguilla. Die Maschen des Faltennetzes sind vielleicht noch zahlreicher. Kleinere werden von gré8eren umschlossen. Das Netz ist noch gegen das Ende des Diinndarms zu sehr ausgeprigt. Im Rectum wird dasselbe durch breite Lingsbander gebildet, die, durch schmalere Querstreifen untereinander verbunden, viereckige Maschenréume einschlieBen. Auch nach Mreckret (1829, p. 258) ist die Innenfliiche des Darmes von Ophisurus zellig gebildet. Angaben tiber die Ernihrung dieses Fisches fehlten in den herangezogenen Werken. B. Plectognathi. I, Sclerodermidae. fi) Balistes: Nach Cuvier (1835, p. 392) kommen bei den Plectognathen niemals Appendices pyloricae vor. Der Magen erscheint durch seine cylindrische Form und geringe Kapazitaét sowie durch seinen allmahlichen Uebergang (wenigstens auferlich) in den Darm rudi- mentair, wenn auch nicht in so hohem Grade wie bei den Cypri- niden. Bei Balistes findet Cuvier (1810, p. 527; 1835, p. 393) den Magen muskulés, den Darm diinnhautig und an seiner Innen- fliche gréftenteils glatt. Am Anfang des letzten Drittels tragt der sich gegen das Rectum stark erweiternde Darm einige An- schwellungen. In dieser Gegend erscheint die Schleimhaut sammet- artig, mit sehr niedlichen Zotten besetzt. Allein in dem kurzen Mastdarm finden sich Langsfalten. Epincer zitiert eine Angabe von RaTHKE (18247), wonach unter anderen bei Balistes der Rand der Schleimhautfalten gekrauselt und vielfach ausgeschnitten sei. Er selbst fiihrt den Darm von Balistes als eine der seltenen 30% 504 H. Eggeling, Stellen an, wo sich unter den Fischen und speziell den Teleostiern zottenartige Auswiichse der Darmschleimhaut finden. Diese hatten ganz denselben Bau ,,wie die tibrigen Teile der Falten, aus denen sie auch durch mannigfache Ueberginge hervorgehen“. Die Balistes-Arten néhren sich nach Leunis (1883, p. 764) und GinrHer (1886, p. 494) vorwiegend von Muscheln, die sie nach Eréffnung der Schale ausfressen, und von Korallen, die von den Stécken abgebissen werden. Dagegen gibt Brenm (1892, p. 416) neben Korallentierchen vorwiegend Tange als Nahrungs- mittel der Hornfische an. 173. Monacanthus (Balistes penicilligerus Cuvier 1835, p. 393). Der Darm ist sehr weit, ungleichmabig erweitert durch Nah- rungsbestandteile. Seine Wandungen sind diinn, durchscheinend, an der Innenflaiche mit Liangsfalten versehen, die gegen den Anus sehr fein werden. Das Gebi8 von Monacanthus gleicht dem von Balistes (GUNTHER 1886, p. 495) und wird wohl auch in ahnlicher Weise verwandt zum Abbeigen von Korallen und Eréffnen von Muschelschalen. 174. Ostracion (Coffre parallélipipéde Cuvier 1835, p. 394). Der Darmkanal ist anfangs etwas erweitert, dann bis zum Ende ziemlich gleichmafig. Die Schleimhaut erscheint ganz am Beginn sammetartig und bildet kleine wellige Falten; weiterhin wird sie glatt im Rest des Duodenum, des ersten erweiterten Darmabschnittes. Dann treten die kleinen Falten wieder auf bis zum Rectum, dessen Innenfliche einige etwas stirkere parallele Langsfalten zeigt. Die Nahrung der Kofferfische soll nach Bream (1892, p. 418) aus Krebsen und Weichtieren bestehen. II. Gymnodontidae. 175. Tetrodon hispidus. Cuvier (1810, p. 527; 1835, p. 392) schildert den Darm- kanal der Gattung Tetrodon als sehr kurz und ziemlich dick- wandig. Das Lumen ist tiberall ungefahr gleich weit, und die Innenfliche tragt wellig verlaufende Langsfalten, die im Mastdarm am stirksten ausgeprigt sind. Nach MrckeL (1829, p. 295) ist der Darm sehr diinnhautig und verengt sich allmahlich von vorn nach hinten, um sich dann gegen den After wieder zu erweitern. An seiner Innenflache fand er ziemlich starke Lingsfalten. Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 505 176. Tetrodon testudinarius (MrcKEL 1829, p. 295). Auf der Darmschleimhaut beobachtete Mrecket ,sehr deut- liche und lange Zotten, die aber in Langenreihen stehen“. Er glaubt hier einen Uebergang zu den Befunden bei Orthagoriscus mola zu sehen. Nach Leunis (1883, p. 765) und GinrnHer (1886, p. 497) dienen Korallen und hartschalige Weich- und Krustentiere zur Ernaihrung der Tetrodon-Arten. 177. Orthagoriscus (Tetrodon) mola. MECKEL (1829, p. 293) schildert den Speisekanal als verhalt- nismafkig sehr lang; Cuvier (1810, p. 528; 1835, p. 392) nennt ihn nur verhaltnismafig langer als bei anderen Tetrodon-Arten. Weite des Lumens und Dicke der Wand sind anfangs betrachtlich und nehmen gegen den After zu allmablich ab. Der Magen ist aiuferlich vom Darm nicht gesondert. Die Schleimhautoberflaiche ist mit zottenartigen Faltungen bedeckt, tiber deren Einzelheiten die Autoren nicht ganz tibereinstimmen. Rupoxput (1828, p. 209) gibt an, daf Orthagoriscus mola unter mehr als 100 von ihm untersuchten Arten der einzige Fisch ist, in dessen oberem Darm- teile die Innenflaiche tauschend Zotten darstellt. Er fahrt dann fort: ,,Bei naherer Untersuchung findet man aber doch wesentliche Unterschiede. Es sind namlich nirgends haarférmige, zarte Ver- langerungen, sondern platte, mehr oder weniger breite, aus einem harten Epithelium gebildete Fortsitze, die sich auf das mannigfal- tigste und unregelmafigste teilen, so da ein solcher Fortsatz 10 bis 12 wie zerrissene Spitzen bildet. So etwas kommt nie bei Sauge- tieren und Végeln vor.“ Nach der ersten Darstellung von CUVIER (1810) ist der erste Darmteil, der dem Magen zu entsprechen scheint, ausgezeichnet durch diinne Winde und Langsfalten der Schleimhaut. Dagegen konnte MECKEL einen solchen Magenabschnitt nicht erkennen, sondern fand nur eine mit Langsfalten versehene kurze Speiseréhre. Auch ist in der spaiteren Schilderung von CUVIER (1835) von diesem Magenabschnitt keine Rede mehr. Vielmehr stimmen beide Autoren darin tiberein, da’ sich im Anfangsteil des Darmes grobe Zotten vorfinden. Sie sind nach MECKEL ,,zugleich sehr zusammengesetzt, indem sich 50—60 kleine Nebenzacken von ihrem Umfange wegbegeben‘t. Nach hinten zu werden die Zotten allmahlich immer kleiner und verschwinden nach CUVIER nicht weit vor dem Anfang des Mastdarms. Hier tritt an ihre Stelle ein feines, aus vieleckigen Maschen gebildetes Netz. Dies bestatigt auch MEcKEL, er sah aber, daf von den Wanden dieser 506 H. Eggeling, Netzmaschen tiberall deutliche Zotten entsprangen, die nie ver- schwinden. Im Rectum fanden beide Autoren tibereinstimmend wieder langere, dichtstehende Zotten. MrcKEL meint, da8 in An- betracht der groBen Linge des Darmkanals und der auSerordent- lichen VergréSerung der Oberflache durch die starken Zotten es ungeachtet der Einfachheit des Baues kaum ein Tier gabe mit verhaltnismabig so groBem Speisekanal wie Orthagoriscus mola. Nach OweEn (1866, p. 422) ist die Schleimhaut hier gleichzeitig netzformig gefaltet und mit Zotten versehen, die am Anfang des Darmes am langsten sind. Wahrend GUnrHeR (1886, p. 498) als Nahrung des Mondfisches kleine pelagische Krustentiere angibt, erwihnt Bream (1892, p. 422) eine Mitteilung, wonach er von Meerpflanzen lebt. C. Lophobranchii. 178. Syngnathus acus (pelagicus, variegatus). Cuvier (1810, p. 526; 1835, p. 391) und Mecket (1829, p. 291) schildern tibereinstimmend den Speisekanal der Lophobranchii resp. von Syngnathus als sehr einfach, kurz und diinnwandig. Er zieht gerade nach abwairts vom Mund zum After und ist nach MeEcKEL nicht deutlich gesondert in Magen und Darm. CUVIER fand den cylindrischen Magen durch eine leichte Einschniirung vom tibrigen Darmkanal abgesetzt und mit starkerer Muskelwand versehen. Appendices pyloricae fehlen. Die Schleimhaut bildet nach Cuvier in dem ersten, dem Magen entsprechenden Anfangs- stiick des Darmkanals breite, parallele, gerade, nicht wellenformig verlaufende Falten, weiterhin kleine, wellenformige, verastelte Langs- falten. Die Innenflache des Mastdarms tragt dicke, dicht neben- einander stehende, wellenformige Langsrunzeln, die durch Queraste miteinander verbunden sind. Mrckren fand die Innenfliche des Darmes nur schwach der Linge nach gefaltet. Nach RatTaKe (1837, p. 349, 350) verlaufen die Schleimhautfalten im Mitteldarm von Syngnathus variegatus im Zickzack, ,,so daS sie meistens spitze, seltener rechte Winkel bilden, jedoch mitunter auch unterbrochen sind; dagegen stellen sie im Afterdarm der Syngnathen ein ziem- lich weitmaschiges und unregelmafiges Netzwerk dar‘. PILLIET (1885, p. 305) sah im ersten Abschnitt des Darmes von Syngnathus zahlreiche, weiterhin nur sehr einfache und wenig hervortretende Schleimhautfalten. i ee scape pian ain tp at Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochentischen. 507 179. Syngnathus argentosus (Siphonostoma argentatum?) [RATHKE 1837, p. 349, 350]. Es liegen dieselben Verhaltnisse vor wie bei Syngnathus varie- gatus. Die Seenadeln leben von allerlei kleinen Tieren, namentlich jungen, diinnschaligen Krebsen, kleinen Weichtierchen, Wirmern u. dergl. (LEunIs 1883, p. 768; Bream 1892, p. 412). Vergleichung und Zusammenfassung. Zunichst seien die oben mitgeteilten Einzelbefunde nach den verschiedenen Familien zusammengestellt. Bei 9 Arten der Percidae und der mit ihnen nahe ver- wandten Maenidae finden wir itiberall Faltungen der Dinn- darmschleimhaut. Ueberall, mit Ausnahme des hinteren Mittel- darmabschnittes von Smaris, sind diese Falten durch Seitendste miteinander verbunden und begrenzen somit rautenférmige oder polygonale Felder. Eine vorwiegend longitudinale Richtung der Falten wurde festgestellt bei Perca fluviatilis, Acerina cernua, Labrax lupus und Smaris vulgaris, waihrend fir die tibrigen Arten nur die Existenz eines Netzwerkes von Falten angegeben wird ohne Hinweis auf eine bestimmte Hauptrichtung derselben. Sehr ausehnliche Falten mit gekraiuseltem, wellig verlaufendem freien Rand sind bei Perca fluviatilis, Acerina cernua und Labrax lupus am Anfang des Darmes beobachtet. Bei Lucioperca lucioperca sollen einzelne Faltchen ,,stérkere Verlingerungen“ bilden. Bei den mit ansehnlichen Falten am Beginn des Darmes ausgestatteten Formen (Acerina?) sind die Zwischenraume zwischen den Hauptfalten mit einem feineren polygonalen Faltennetz bedeckt. Gegen das Ende des Darmes werden die Hauptfalten immer niedriger, und es bildet sich ein ziemlich gleichmafiges, niedriges Maschenwerk von Falten aus. Ein solches scheint bei den tibrigen Formen im ganzen Diinndarm zu bestehen, wie ich es bei Serranus cabrilla feststellte, wobei eine Laingsrichtung der Falten meist nicht hervortritt. Alle Percidae und Maenidae werden als Fleischfresser bezeichnet. Sie nihren sich von Wiirmern, Insektenlarven, Krebsen, Fischlaich, Fischen und der Barsch selbst von Lurchen und kleinen Saéugern. Nur der Kaulbarsch soll auch Gras und Ried fressen. Die Beute wird in einem mit langem Blindsack versehenen Magen geborgen. Der ziemlich kurze Darm ist mit Appendices pyloricae versehen. 508 H. Eggeling, Die Squamipinnes sollen sich meist von kleinen weichen Seetieren nihren. Von 5 bearbeiteten Arten zeigen 4 im Zickzack verlaufende Schleimhautfalten. Nur bei Chaetodon ciliaris fand MECKEL wellenférmige Langsfalten, die teilweise zu einem Netz verbunden sind. Der Darm ist ziemlich lang, mit Appendices versehen, der Magen von Chaetodon ciliaris ohne Blindsack. Einen Magen mit grof’em Blindsack, zahlreiche Appendices und einen relativ kurzen Darm fand ich bei den Mullidae, deren Nahrung aus Weichtieren und mehr oder weniger weichen Krebsen besteht. Das Relief der Darmschleimhaut besteht aus einem feinen Netz von Falten, das bei M. surmuletus gegen das Ende verschwinden soll. Recht verschiedenartige Verhiltnisse bestehen in der Gruppe der Sparidae, die zum Teil als Fleischfresser, zum Teil als Pflanzenfresser bezeichnet werden. Unter den Sarginae hat der von hartschaligen Tieren sich ernihrende Sargus annularis im Mitteldarm ein einfaches Netz von Falten, im Afterdarm Zotten, wihrend der ganze mafig lange Darmkanal von Charax puntazzo mit Papillen besetzt sein soll. Auch die Pagrinae leben von hartschaligen Tieren, Weich- tieren und Krustern. Bei Chrysophrys aurata fand ich die Ober- fliche der Darmschleimhaut ahnlich wie bei Perca und Labrax mit einem Netz von Falten bedeckt. Anfangs bestehen sehr hohe Langsfalten mit gekraéuseltem und eingeschnittenem freien Rand und zwischen ihnen ein feineres Netz. Letzteres bleibt bis zum Ende erhalten, wahrend die grofen, longitudinalen Falten nach hinten allmahlich verschwinden. Als Nahrung dienen hauptsachlich Muscheln, deren Schalen aber nicht mit in den Darm gelangen. Zahlreiche Falten sollen bei Pagellus bogaraveo, ein feines Netz bei Pagellus centrodontus bestehen und die Innenfliche des Darmes von Pagrus spinifer und Lethrinus bungus glatt sein. Chrysophrys hat einen schlingenférmigen Magen mit kurzem Blindsack und einen mittellangen Darm mit kraftiger Wandung, wiahrend diese bei Pagrus spinifer und Lethrinus bungus diinn ist. Pagellus centrodontus scheint auch Seegras zu fressen. Appendices pyloricae fehlen bei Pagrus spinifer. Unter den Cantharinae fand ich bei der Gattung Box einen schlingenférmigen Magen mit kurzem Blindsack, einen langen, ziemnlich weiten Darm mit mehreren Appendices pyloricae. Das Schleimhautrelief ahnelt dem der Percidae. Es besteht aus Falten- netzen mit deutlicher Ausprigung der Lingsfalten. Bei den gréSeren Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 509 Tieren finden sich am Anfang des Darmes sehr ansehnliche Falten, deren freier Rand krausenartig und mit Einschnitten versehen ist. Das Faltennetz ist hier auch streckenweise ein doppeltes. Die Gattung Box gilt als herbivor. Holocentrum als Vertreter der Berycidae hat einen mabig langen Darm mit glatter Innenfliche. Ueber seine Ernahrung kann ich keine Angaben machen. Unter den Sciaenidae trigt Pristipoma auf der Innenflache des Darmes Zotten, die tibrigen 4 untersuchten Gattungen Falten, die mehr oder weniger regelmafig longitudinal verlaufen und meist zu einem Netz untereinander verbunden sind. Die Falten werden als grob geschildert bei Lobotes und Corvina. Der Darm ist kurz und mit Appendices pyloricae versehen. Alle Sciaenidae sind Fleischfresser. Sie nahren sich von Wiirmern, Weichtieren und Fischen, Umbrina und Corvina auch von Seegras und ‘l'angen. Die Scombridae sind alle Fleischfresser. Sie nahren sich vorwiegend von Fischbrut und Fischen, fiir Zeus und Xiphias werden auch noch Tintenfische erwaihnt. Kruster und Muscheln scheinen die Hauptnahrung der Echeneis-Arten zu bilden. Der Magen stellt einen mehr oder weniger umfangreichen langlichen oder rundlichen Blindsack dar bei Zeus, Brama, Stromateus und Xiphias, dagegen ist er mehr schlingenformig mit einem schlanken Blindsack bei Scomber und Echeneis. Appendices pyloricae sind iiberall vorhanden. Der Darm ist kurz oder nicht lang bei Scomber, Zeus, Brama, Echeneis remora, mifig lang bei Xiphias, lang bei Stromateus und Echeneis naucrates. Auch die Reliefverhaltnisse sind sehr wechselnd. Eine geringe Oberflachenvergréferung bietet Scomber mit einem schwachen Faltennetz, eine starkere Brama, dessen Darm am Anfang ein Netz von starken, vorwiegend longitu- dinalen Falten darbietet und am Ende glatt ist. Ziemlich grobe, netzférmig verbundene Langsfalten mit einem feineren Netz in den Zwischenriumen zeigte Zeus und nur geschlaingelte Lings- falten der Darm von Stromateus. Die Angaben iiber Xiphias sind schwankend. Rupouput beschrieb ein starkes Faltennetz, MECKEL mit Zotten besetzte Querfalten. Sehr auffallig sind die Ver- schiedenheiten von Echeneis naucrates und remora. Bei ersterem trigt der lange Darm zahlreiche spitze Zotten in Liingsreihen, bei letzterem der kurze Darm nach Mecket teilweise untereinander verbundene Lingsfalten, nach Cuvier eine glatte Oberfliche. Die Befunde bei den fieischfressenden Trachinidae sind insofern einheitlich, als sich bei den untersuchten Genera ein 510 H. Eggeling, doppeltes Netz von niedrigen Schleimhautfalten mit engen Maschen vorfindet. Bei Uranoscopus dehnt sich dies mit geringen Modi- fikationen durch den ganzen Darm aus und zeigt mehr oder weniger deutlich eine Lingsanordnung der Hauptfalten; dagegen ist es bei Trachinus auf den Anfang und das Ende des Darmes beschrankt, wahrend in einem mittleren Abschnitt nur Langsfalten mit schwachen Seitenisten bestehen. Uranoscopus lebt von Fischen, Trachinus vorwiegend von kleinen Krustern. Beide besitzen einen grofen Magenblindsack und einen mit Appendices pyloricae versehenen, ziemlich langen Darm. Der Darmkanal der Batrachidae ist anscheinend von dem der Lophiidae nicht sehr verschieden. Vertreter beider Familien besitzen einen Magen mit mehr oder weniger grofem Blindsack und einen mittellangen Darm, der nur bei Lophius Appendices pyloricae tragt. Die Schleimhaut bildet ein einfaches Netz von nicht sehr starken Falten, die meir oder weniger deutlich longitu- dinal verlaufen. Die Maschen sind ziemlich weit. Ganz schwach wird das Relief am Ende des Diinndarms. Im Rectum besteht ein doppeltes Netz mit sehr stark hervortretenden Laingsfalten, deren freier Rand leicht gezahnelt erscheint. Bei Batrachus sollen nach MEcKEL nur einfache Langsfalten vorkommen, nach Cuvier der Befund mit Lophius tibereinstimmen. Alle sind Fleischfresser, und zwar leben der gefrafige Lophius und Malthe von Fischen. Unter der groSen Zahl von fleischfressenden Cottidae, iiber welche Berichte vorliegen, sind die Befunde nicht ganz einheitlich. Die Genera Peristedion, Trigla, Scorpaena, Sebastes und zum Teil auch Cottus bieten ein Netz von Schleimhautfalten, das nirgends sehr stark ausgepragt ist, meist am Anfang gréber und weiterhin feiner bis zum Enddarm, wo gewohnlich die Falten wieder stairker werden. Das Faltennetz ist meist ein einfaches mit weiteren Maschen; doppelt und mit engen Maschen fand ich es nur bei Trigla lyra und Scorpaena. Hier und da tritt ein Langsverlauf der Schleimhautfalten deutlich hervor, besonders im hinteren Teil des Darmes von Peristedion, wo die Seiteniste verschwinden und meist im Enddarm. Nirgends fand ich die Darminnenflaiche glatt, wie dies Cuvier fiir einen Teil des Darmes von Peristedion und Trigla angibt. Bei den eben genannten Formen mit Ausnahme von Cottus ist der Darm von mittlerer Lange. Bei Trigla ist der Magen schlingenformig und mit einem Blindsack versehen, bei Peristedion, Scorpaena und Sebastes bildet der Blindsack den Hauptteil des Magens. Appendices pyloricae scheinen nur bei Synanceia verrucosa ating ae Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 511 zu fehlen. Hier soll die Darmschleimhaut Liangsfalten bilden, wabrend Cuvier in dem nicht langen Darm von Synanceia horrida leichte Falten und Zotten beobachtete. Im Genus Cottus ist der Darm kurz, bei C. gobio angeblich glatt, bei C. scorpius und nilo- ticus mit einem Faltennetz versehen. Nur Priuier sah bei C. scorpius Zotten. Die Nahrung besteht vorwiegend aus Krustern neben schalenlosen Weichtieren, Quallen, Muscheln (Peristedion, Trigla, Scorpaena, Sebastes, Cottus scorpius und niloticus). Von Laich und Kerbtieren lebt Cottus gobio, verzehrt aber bei seiner groken Gefraifigkeit auch Fische ebenso wie Cottus scorpius, Scor- paena, Sebastes und Synanceia. Dem Darmkanal von Pegasidae fehlt ein gesonderter Magen, ebenso wie Appendices pyloricae. Die Darmschleimhaut triagt schwache Lingsfalten. Unter den pflanzenfressenden Theutidae besitzt Th. hepatus einen sehr langen, diinnwandigen Darmkanal, dessen Innenflache nach Cuvier leicht gezottet ist. Appendices pyloricae sind vorhanden. Die in der Literatur vorliegenden Mitteilungen iiber die fleisch- fressenden Gobiidae lassen sich dahin zusammenfassen, daf ein gesonderter Magen fehlt und die Innenflache des mittellangen Darmes mehr oder weniger gerade verlaufende Langsfalten tragt, die vielfach durch Seitenaiste zu einem Netzwerk verbunden sind. Stellenweise sind am Anfang des Diinndarms die Falten am Rande gezackt oder sogar so tief eingeschnitten, daf sie formliche Zotten darstellen. Appendices pyloricae fehlen oder sind nur in geringer Zahl vorhanden. Als Nahrung dienen Wiirmer, Garneelen, Fisch- eier und auch Tange. Auch die Callionymidae sind Fleischfresser. Sie leben von Muscheln, Wiirmern und anderen Weichtieren. Ein gesonderter Magen und Appendices pyloricae fehlen. Die Schleimhaut des ziemlich kurzen Darmes bildet ein einfaches oder doppeltes Netz von Falten, die stellenweise in der Langsrichtung des Darmes verlaufen. Bei den Blenniidae ist ebenfalls der Magen nicht oder nur durch etwas gréfere Weite und starkere Muskulatur vom ziemlich kurzen Darm gesondert. Appendices pyloricae fehlen oder sind nur in geringer Zahl vorhanden. Das Relief der Darminnenflache bilden gerade oder wellig oder im Zickzack verlaufende Langsfalten, die auch vielfach, meist am Beginn des Diinndarms oder im End- darm zu einem Netzwerk untereinander verbunden sein sollen. Fiir Blennius pholis und Anarhichas lupus wird angegeben, da die groben Falten am Rande ausgefranst sind. Bei Bl. lepidus 512 H. Eggeling, sind sie am Anfang stark gekrauselt. Das vorwiegende Nahrungs- mittel der Blenniidae sind offenbar Muscheln, verschiedene Weich- tiere, Wiirmer und Laich. Anarhichas und Zoarces viviparus er- beuten auch Fische, der Seewolf vor allem auch Krustentiere. Zickzackformige Schleimhautfalten durchziehen den Darm der fleischfressenden Atherinidae. Ganz eigenartige Verhaltnisse liegen bei den Mugilidae vor. Die Darminnenflache zeigt nirgends Falten, sondern tiberall - feine, zottenartige Erhebungen. Diese sind lang am Beginn des Darmes, ganz besonders von Mugil cephalus, und werden dann immer niedriger, bis sie im Rectum als kurze, plumpe, kleine Dornen sich darstellen. Der sehr muskelkraftige Magen tragt einen Blindsack und zeichnet sich durch eine mit auferordentlich dicker Muskelwand versehene Pars pylorica aus. Der sehr lange Darm ist mit Appendices pyloricae versehen. Als Nahrung dienen meist in Verwesung begrifiene tierische und pflanzliche Stoffe, die mit Schlamm und Sand vermischt aufgenommen werden. Kin Netz von Schleimhautfalten mit vorwiegender Querrichtung besitzt der nicht lange Darm einer Species der gefraBigen fleisch- fressenden Gasterosteidae, die vorwiegend vom Laich und der Brut anderer Fische leben, aber auch Blutegel und Schmetter- linge angreifen sollen. Der Magen ist langlich-eiformig; Appen- dices pyloricae sind vorhanden. Bei einem Vertreter der Centriscidae wurden breite, im Zickzack angeordnete Schleimhautpapillen beschrieben; sie sind besonders ansehnlich am Beginn des langen Darmes und nehmen gegen den After zu ab. Der Magen ist rudimentaér. Als Nahrung dienen Muscheln und andere Weichtiere, vielleicht auch Fischlaich. Die Mehrzahl der Labriden sind Fleischfresser. Sie leben vorwiegend von Krebsen und Muscheln, deren harte Schalen sich in Triimmern im Darm vorfinden, auch gelegentlich von Korallen, Wiirmern und Fischen. Der Magen ist nicht scharf vom Darm gesondert, Appendices pyloricae fehlen. Die Linge des Darmes wechselt, ist aber nirgends betrachtlich, abgesehen vielleicht von dem pflanzenfressenden Scarus, dessen Darm zellenartige Erweiterungen zeigen soll. Bei den meisten Labriden bildet die Schleimhaut ein ein- faches oder haufiger ein mehr oder weniger vollstandiges doppeltes Faltennetz. Die Hauptfalten sind meist krausenartig gefaltet, am Rande mit Einschnitten versehen. Die dadurch entstehenden Pa- pillen scheinen bei Crenilabren besonders ansehnlich zu sein. Sie sind ansehnlich am Beginn des Darmes, besonders bei dem mit Diinndarmrelief und Ernaéhrung bei Knochenfischen. iia einem kurzen Darm versehenen Labr. festivus, und nehmen gegen den After zu ab. Stellenweise verlaufen sie in der Langsrichtung. Einen sehr unregelmafigen wellenformigen Verlauf haben die Falten bei Labr. viridis. Reine Liaingsfalten sind bei Novacula, Zickzack- falten bei Coricus beschrieben worden. Auch im hinteren Diinn- darmabschnitt der Crenilabren ist das Faltennetz durch Zickzack- falten ersetzt. Die Pomacentridae leben von kleinen Meerestieren, be- sonders den Zoophyten der Korallenbinke. Die Innenflache ihres kurzen Darmes soll kegelformige borstenartige Papillen tragen. Appendices pyloricae sind vorhanden. Unter den Chromidae kommt dem _ pflanzenfressenden Chromis niloticus ein Magen mit weitem Blindsack und ein langer Darm mit Appendices pyloricae zu. Die Schleimhaut soll schwache Langsfalten oder ein Faltennetz bilden. Langsfalten finden sich auch bei den Cyclopteridae. Sie sind mehr oder weniger geschlangelt, bei Lepadogaster auch durch Seitenaiste verbunden. Der Magen hat einen Blindsack; der mit Appendices pyloricae versehene Darm ist mafig lang und eng. Zur Nahrung dienen Kruster und Fische, bei Cyclopt. lumpus auch Fischlaich, Mollusken und Quallen. Sehr verschiedenartig sind die Befunde bei den Gadidae. Die Darminnenfliche soll glatt oder fast glatt sein bei Gadus morrhua, Merlangus merlangus und Merl. pollachius. Der Magen dieser Formen trigt einen meist kurzen Blindsack, der Darm ist mabig lang und mit Appendices pyloricae ausgestattet. Zur Nahrung dienen Kruster, Wiirmer, Mollusken und Fische. Einen langen Blindsack bildet der Magen von Merlucius merlucius, der Darm ist ziemlich kurz und tragt Langsfalten. Diese sind am Beginn des Darmes sehr hoch, eventuell auch am freien Rand gefranst und bilden ein Netz, dessen weite Maschen ein feineres Netz enthalten. Im weiteren Verlauf finden sich nur Zickzackfalten in der Lingsrichtung und endlich im Rectum wieder ein Doppelnetz. Merlucius nabrt sich vorwiegeud von Fischen. Ein sehr engmaschiges, gleichmafiges, flaches Netz bilden die Schleimhautfalten bei Lota, Motella und Phycis im Diinndarm, im Dickdarm dagegen Langsfalten. Diese Fische besitzen einen Magen mit geringem Blindsack, einen ziem- lich langen Darm und nahren sich wie die anderen Gadiden von Krebsen, Fischlaich, Wiirmern und kleinen Fischen. Auch die Pleuronectiden sind Fleischfresser. Ihre Beute werden Krebse, Muscheln, Wiirmer und Fische. Die Schleimhaut 514 H. Eggeling, bildet meist zickzackformig oder gerade verlaufende Langsfalten, die am Beginn des Darmes starker ausgebildet, auch krausen- formig gefaltet oder am freien Rand ausgefranst sind. Sie sind am Anfang des Darmes auch netzformig verbunden. Bei Limanda soll der hintere Abschnitt des Darmes eine glatte Innenflaiche be- sitzen. Bei Platessa platessa und Rhombus maximus wurden auch zahlreiche, dicht gedraingte gefranste Plattchen im Diinndarm be- schrieben. Im Rectum von Rhombus sollen die Schleimhautfalten lange zottenartige Auswiichse tragen. Form des Magens und Zahl der Appendices scheinen sehr zu wechseln. Der Darm ist mittel- lang bis lang. Die Cyprinoiden kann man wohl als omnivor bezeichnen. Sie ernahren sich von lebenden und abgestorbenen tierischen und pflanzlichen Stoffen (Wiirmer, Insekten und deren Larven, Krebse, Fische und deren Brut, auch Frésche und Mause, sowie frische und vermoderte Pflanzen und Schlamm). Einzelne Formen (Aspius, Barbus, Squalius, Idus) scheinen aber tierische, andere dagegen (Blicca, Abramis) pflanzliche Nahrung zu bevorzugen. Der sehr einfach gebaute Darm entbehrt eines gesonderten Magens und der Appendices pyloricae. Er ist von mafiger Linge. Soweit die vorliegenden Angaben einen klaren Entscheid gestatten, ist mit Ausnahme von Alburnus und Gobio die OberflachenvergréSerung der Darmschleimhaut eine sehr betrachtliche. Fast tiberall finden sich sehr hohe Falten, die dicht aneinander liegen und entweder ganz unregelmabig oder in Zickzacklinien, bald mehr quer, bald deutlich in der Langsrichtung verlaufen. Meist stehen anscheinend diese hohen Falten durch kleinere Faltchen untereinander in Ver- bindung und bilden so eine Art Netz. Gelegentlich (Scardinius, Abramis) ist der freie Rand der Falten auch gezahnelt und krausen- artig gefaltet. Ganz schwache Faltungen werden fiir Gobio und Alburnus angegeben. V6llig eigenartig und isoliert steht das gleichmafige, durch sehr tiefe und enge Maschen ausgezeichnete Faltennetz von Cyprinus carpio unter den Cypriniden da. Am naichsten daran anzuschlieBen ist das Netz von Tinca tinca. Unter den Cobitiden, deren Nahrungsmittel mit denen der Cypriniden itibereinstimmen, ist der Darm kurz und an seiner Innenflache mit einem Netz von Falten versehen, das anfangs stark ist, nach hinten schwach wird, oder auch verschwindet. Der lange oder ziemlich lange Darm der auferordentlich gefraBigen und alles Tierische angreifenden Characiniden soll an seiner Innenfliche ganz oder fast ganz glatt sein. Appendices Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen. 515 pyloricae sind vorhanden. Der Magen von Serrasalmo ist schlingen- férmig wie beim Lachs, der von Myletes dagegen mit einem grofen Blindsack versehen. Die Befunde bei Cyprinodontidae erscheinen noch nicht gentigend geklart. Im Darm der Siluridae treten offenbar Langsfalten ganz besonders in den Vordergrund. Diese sind am Beginn des Darmes sehr hoch, am Rande gekréuselt und gefranst, geben auch Seiten- iste ab. Nach hinten zu werden sie immer einfacher. Zwischen den Hauptlaingsfalten findet sich vielfach noch ein feines Netz. Nur der Darm yon Clarias anguillaris soll eine fast glatte Innen- fliche haben. Der Magen hat einen Blindsack, Appendices pyloricae fehlen, der Darm ist von maBiger Linge oder sogar lang. Als Nahrung dienen Fische, Krebse, Frésche, auch Végel und Aas. Die Clupeidae haben einen Magen mit Blindsack und einen ziemlich kurzen, mit Appendices pyloricae versehenen Darm. Ihre Nahrung bilden vorwiegend kleine Krebse, Mollusken und auferdem Fische und deren Brut. Die Innenfliche des Darmes zeigt am Beginn dichtstehende, zarte, wenig verastelte, gerade Liangsfalten resp. ist glatt (Clupea harengus). In der zweiten Halfte des Darmkanals finden sich zahlreiche Querfalten. Eine sehr starke Oberflachenvergréferung zeigt der kurze Darm der Esocidae. Anscheinend handelt es sich um sehr hohe, netzformig untereinander verbundene Schleimhautfalten, die dicht aneinander liegen, meist keine bestimmte Richtung erkennen lassen und am Beginn des Darmes durch tiefe Einschnitte in zotten- ahnliche Fortsaitze gespalten sind. Diese sind auch krausenartig in sich gefaltet. Der Magen ist einfach, ohne Blindsack. Ap- pendices pyloricae fehlen. Zur Nahrung dienen hauptsachlich Fische, aber auch Amphibien und sogar Végel und Sauger. Der Darm der fleischfressenden Scombresocidae ist kurz. Der Magen ist nicht gesondert vom Darm, und Pylorusanhange fehlen. Das Schleimhautrelief soll nach einigen Angaben aus dicht gedringten, wellig oder im Zickzack verlaufenden Langsfalten be- stehen, die am Beginn des Darmes sehr hoch und am Rande mit Zotten besetzt sind. Bei Exocoetus volitans wurde am Beginn des Darmes ein Faltennetz mit Zotten beobachtet, wahrend nach hinten zu die Innenfliche glatt war. Ich fand bei Belone ein sehr engmaschiges Netz, von hohen Falten gebildet, die tiefe Griibchen umschlieRen und am Rande zottenartige Anhinge tragen. Die Nahrung besteht aus kleinen Fischen, Krustern und Weichtieren. 516 H. Eggeling, Die Innenfliche des Darmes von 5 Species der Mormyridae wurde glatt gefunden. Leider fehlen iiber diese anscheinend inter- essante Gruppe naihere Angaben. Bei Gonostoma denudatum als einzigem Vertreter der Sco- pelidae sollen Schleimhautfalten ein besonders reichlich aus- gebildetes engmaschiges Netz darstellen. Der Magen der Salmoniden ist schlingenformig, ohne Blindsack, der Darm kurz, Appendices pyloricae sind in groSer Zahl vorhanden. Die Darmschleimhaut zeigt ein verschiedenes Relief in einem vorderen und hinteren Darmabschnitt. Am Beginn finden sich dichtstehende, ziemlich niedrige Falten, die entweder unregelmakig oder schrag oder longitudinal verlaufen (Trutta salar) oder in der Mehrzahl der Falle eine quere Anordnung besitzen. Verschiedentlich wurde beobachtet, daf diese Falten ein weit- maschiges Netzwerk bilden, in dessen Zwischenraéumen auch noch ein zweites feineres Netzwerk besteht. Der freie Rand der Haupt- falten tract Ofters zottenartige Anhinge (Trutta, Epitomynis). Der zweite hintere Darmabschnitt ist stets ausgezeichnet durch eine gréfkere Zahl ansehnlicher, mehr oder weniger ringférmiger Quer- falten, tiber welche sich jedenfalls in manchen Fallen (Trutta fario, Thymallus, Coregonus, Epitomynis) auch noch ein feines Doppel- netz ausbreitet. Zur Nahrung der fleischfressenden Salmoniden dienen Wiirmer, Insekten, Kruster, Mollusken, auch Fischbrut, Fische und selbst Amphibien. Ammodytes tobianus als Vertreter der Ammodytidae zeigt einen Magen mit Blindsack und einen kurzen Darm, in welchen eine Appendix pylorica miindet. Die Darmschleimhaut soll nach widersprechenden Angaben lange Zotten oder mit Zotten versehene Falten tragen. Die Beute des Sandaals sind Wiirmer, Krebse und Fischbrut. Unter den Ophidiidae fand ich bei Ophidium barbatum ein schwaches Faltennetz mit Vorwiegen der Querfalten und An- deutungen eines Doppelnetzes. Der Magen hat einen Blindsack; der Darm ist ziemlich lang und entbehrt der Pfértneranhange. Als Nahrung dienen Krebse und kleine Fische. Die Gymnotidae leben von allerhand Tieren, Krabben, In- sekten, Fischen, Amphibien etc. Ihr Magen bildet einen Blind- sack, der Darm ist makig lang, Appendices pyloricae sind vor- handen. Das Relief besteht anscheinend aus einem sehr schwachen, am Beginn kraftigeren Faltennetz. Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen. 517 Bei Symbranchidae soll nur am Beginn des_ kurzen Darmes ein schwaches Faltennetz vorhanden, weiterhin die Innen- fliche glatt sein. Die verschiedenen untersuchten Vertreter der Muraenidae zeigen groBe Uebereinstimmung. Sie besitzen einen Magen mit langem Blindsack und einen kurzen Darm ohne Appendices py- loricae. Die Oberflachenvergréferung der Schleimhaut ist sehr betrachtlich. Wir finden iiberall ein doppeltes Faltennetz. Die Hauptfalten sind am Beginn des Darmes sehr hoch und verlaufen mehr oder weniger gestreckt, in welligen oder Zickzacklinien longi- tudinal. Nach hinten zu werden die Faltungen schwacher. Bei Muraena helena fanden sich im hinteren Diinndarmabschnitt nur noch Lingsfalten. Die Muraniden sind alle Fleischfresser. Sie nihren sich vorwiegend von Krebsen, Mollusken und Fischen. Bei dem einzigen Vertreter der Ophisuridae wurde ein doppeltes Faltennetz ahnlich dem von Anguilla beobachtet. Die Befunde bei den Sklerodermidae sind nicht ganz klar- gestellt und ziemlich abweichend. Balistes nahrt sich von Korallen und Muschelfleisch, vielleicht auch von Tangen. Seine Darminnen- flache ist von Falten bedeckt, die am Rande gekrauselt und viel- fach ausgeschnitten oder, nach anderer Darstellung, glatt sind. In beschrankter Ausdehnung sollen auch Zotten vorkommen. Mona- canthus scheint sich in gleicher Weise zu ernahren, seine Darm- schleimhaut bildet Langsfalten. Ostracion lebt von Krebsen und Weichtieren und trigt auf der Darminnenflaiche kleine wellige Falten. Auch unter den Gymnodontidae sind die Befunde keines- wegs einheitlich. Die Tetrodon-Arten nahren sich von Korallen und hartschaligen Krebsen und Mollusken. Ihr Darm ist kurz und tragt bei Tetr. hispidus ziemlich starke Lingsfalten, bei Tetr. testudinarius in Liangsreihen angeordnete Zotten. Grobe und ver- iistelte komplizierte Zottenbildungen, am Ende des Darmes mit einem Faltennetz kombiniert, wurden in dem relativ langen Darm von Orthagoriscus mola beobachtet. Dieser Fisch scheint sich von kleinen pelagischen Krustentieren oder Meerpflanzen zu ernahren. Unter den Lophobranchiern fand sich ein einfacher, kurzer Darmkanal, an welchem ein gesonderter Magen und Ap- pendices pyloricae fehlen. Die Schleimhaut bildet schwache, wellige, verdstelte Lingsfalten. Zur Nahrung dienen junge Krebse, Weichtierchen und Wirmer. Diese Zusammenstellung zeigt, daf& bei Knochenfischen in sehr verschiedenem Umfang eine VergréS8erung der Darminnenfliche Bd, XLIUl, N. F. XXXVI. 34 518 H. Eggeling, durch Erhebung der Schleimhaut in Form von Falten oder Zotten zu stande kommt. Bei einer ganzen Reihe von Arten ist die Darminnenflaiche als glatt oder fast ganz glatt beschrieben worden. Unter den von mir untersuchten Fischen befand sich kein Beispiel fiir dies Verhalten der Darmschleimhaut. Es findet sich offenbar unter den verschiedensten Verhaltnissen. Eine glatte Darminnen- fliche wurde beobachtet bei Pagrus spinifer, Lethrinus bungus, Holocentrum, Echeneis remora, Cottus gobio, Gadus morrhua, Merlangus merlangus und pollachius, den Characinidae und Mormy- ridae, also Vertretern der verschiedensten Familien und Ordnungen. Alle stimmen insofern tiberein, als sie Fleischfresser sind, aber in sehr verschiedener Weise. Die einen (Pagrus, Echeneis) leben von hartschaligen Krustern und Weichtieren, die anderen (Gadidae, Characinidae) sind sehr gefrafige Raubfische, die auch Fische er- beuten. Die meisten haben einen Darm von mabiger Linge; die glatte Beschaffenheit der Innenfliche findet sich aber ebensowohl bei kurzem (Echeneis remora, Cottus gobio) wie bei langem (Chara- cinidae) Darm. Ganz auferordentlich verbreitet sind Erhebungen der Schleim- haut in Form von Falten. Diese kénnen isoliert verlaufen oder untereinander zu einem Netzwerk verbunden sein. Selten sind sie durch die ganze Lange des Darmes gleichmafig entfaltet, sondern gewohnlich am Beginn starker, werden dann nach hinten schwacher oder verschwinden auch ganz (Limanda limanda, Exocoetus voli- tans, Symbranchus) und treten haufig im Rectum wieder verstarkt hervor. Bei den Falten tritt gew6hnlich die longitudinale als die Hauptrichtung hervor, in wenigen Fallen auch die transversale. Nur selten ist der Verlauf ein gerader, meist in welligen oder Zickzacklinien. An meinem Material fand ich niemals im ganzen Darm isoliert verlaufende Lingsfalten, sondern ich fand solche nur im weiteren Verlauf des Diinndarms als Fortsetzung eines Netzes von Falten, dessen Queranastomosen verschwinden (Mer- lucius merl.). Doch sind solche reinen Liangs- resp. Zickzack- falten verschiedentlich beschrieben worden (Squamipinnes, Synan- ceia verrucosa, Pegasidae, Gobiidae, Atherinidae, Labridae, Chro- midae, Pleuronectidae, Siluridae, Scombresocidae, Tetrodon, Lopho- branchii). Darunter finden sich Formen mit kurzem (Lopho- branchii) wie mit langem (Chromidae) Darm; neben zahlreichen Fleischfressern, die sich teils von kleinen weichen Seetieren (Squami- pinnes), teils von Krustern und Fischen (Cyclopteridae, Pleuro- nectidae, Siluridae) ernahren, auch Pflanzenfresser (Labridae, ee Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfiscken, 519 Chromidae). Solche isoliert verlaufenden Falten sind wohl meist, wenn nicht immer, von geringer Hohe. Sind die Falten starker ausgepraigt, wie das meist am Beginn des Darmes der Fall ist, so besitzen sie kleinere Seiteniste und diese kénnen unter- einander in Verbindung treten, so da8 ein Netzwerk entsteht mit ziemlich weiten, rautenférmigen oder rundlich-polygonalen und unregelmafigen Maschen. Ein solches Netzwerk kann am Beginn des Darmes bestehen, waihrend im weiteren Verlauf die Anasto- mosen verschwinden und nur die isolierten Hauptfalten iibrig bleiben (Squamipinnes, Crenilabren, Gobiidae, Blenniidae). AuB8er- ordentlich verbreitet ist ein Netz von Falten durch den ganzen Darm hindurch. Es findet sich in sehr verschiedener Aus- bildung, die einerseits die Héhe der Falten, andererseits die Weite der Maschenraiume betriffit. Ein niedriges Faltennetz mit relativ weiten Maschen zeigt der ziemlich kurze Darm von Serranus und Scomber, sowie der mittellange Darm der Batra- chidae, Lophiidae, mancher Cottidae und der Ophidiidae. Bei letzteren tritt eine quere Anordnung der Falten hervor, wah- rend sonst die Langsrichtung tiberwiegt, soweit iiberhaupt eine bestimmte Richtung zu erkennen ist. Alle diese Formen sind Fleischfresser, die sich von Wirmern und Insekten, Fischen, Krebsen und Weichtieren aller Art ernahren. Ein recht enges und feines, ziemlich gleichmifiges Netz kommt ebenfalls unter sehr verschiedenen Verhaltnissen vor. Es fand sich bei Mullidae und Pagellus centrodontus, die vorwiegend von Weichtieren und Krebsen leben, sowie bei einer Gruppe von Gadiden (Lota, Mo- tella, Phycis), die neben kleineren Wassertieren auch Fische er- beuten. Auch bei den Scopelidae soll es sehr reichlich entwickelt sein. Sehr haufig beobachteten wir die Kombination eines starken mit einem schwachen zu einem Doppelnetz, das sich durch den ganzen Darm hindurch erstrecken kann, oder auch auf den An- fang nur sich beschrainkt und dann in ein einfaches engeres oder weiteres Netz sich fortsetzt. In besonders reichlicher Ausbildung findet sich dies Doppelnetz im kurzen Darm der Muraniden, deren Nahrung aus Krebsen, Mollusken und Fischen besteht, in ahnlicher Weise im kurzen Darm von Zeus, der von Tintenfischen und Fischen lebt. Es zeichnet in etwas anderer Form auch den mittel- langen Darm von Chrysophrys aurata, wie den langen Darm von Box aus. Letztere Gattung gilt allgemein als Pflanzenfresser, wahrend erstere Form hauptsachlich Muscheln erbeutet, deren Schalen jedoch nicht mitverschluckt werden. Ferner findet es sich 34* 520 H. Eggeling, bei manchen fleischfressenden Labriden und Perciden. Schwéacher ist das Doppelnetz ausgebildet bei den Trachiniden und manchen Cottiden. Deren Darm ist von mittlerer Linge. Sie nahren sich von Krustern, Fischen und Weichtieren. Haufig kommt an den stark hervortretenden Schleimhautfalten noch eine weitere Vergréferung der Oberflache dadurch zu stande, dafi die Falten in sich krausenformig gefaltet oder auch an ihrem freien Rande nicht glatt, sondern mit Einschnitten versehen und . dadurch gezahnelt oder mit zottenartigeu Anhangen versehen sind. Beispiele fiir solches Verhalten zeigt uns der sehr verschieden lange Darm bei Chrysophrys, Lucioperca, Box, Merlucius und einzelnen Vertretern der Gobiidae, Blenniidae, Labridae, Pleuro- nectidae, Siluridae, Esocidae, Scombresocidae. Es finden sich darunter neben Fleischfressern mit den mannigfaltigsten An- spriichen auch Pflanzenfresser. Besondere Erwahnung verdient das Schleimhautrelief von Belone, das aus einem sehr engen Netz mit tiefen, bienenwabengleichen Maschenriumen mit zottenahnlichen Anhangen am Rand der Netzfalten besteht. Die Nahrung besteht vorwiegend aus Fischen. Ein ahnliches Verhalten, das durch die eigenartige Form der Kiefer eine gewisse Erganzung findet, ist mir nicht bekannt geworden. Diese Befunde leiten hiniiber zu denjenigen Formen, bei welchen zottenartige Bildungen direkt von der im iibrigen glatten Darmschleimhaut entspringen. Ein derartiges Verhalten ist mehr- fach beschrieben worden und zwar bei Vertretern der verschiedensten Familien. Als solche sind aufzufiihren die Sarginae, Pristipoma, Echeneis naucrates, Synanceia horrida, Teuthidae, Mugilidae, Cen- triscidae, Pomacentridae, Ammodytidae, Balistes, Tetrodon testu- dinarius und Orthagoriscus mola. Bald ist von Papillen, bald von kegelférmigen Zotten oder nur einfach von Zotten die Rede. Ich selbst untersuchte nur. die Mugilidae und fand hier teilweise lange, teilweise kiirzere fadenférmige Anhainge und gegen das Ende des Darmes kurze, plumpe Papillen. Der Darmkanal ist bald kurz (Pomacentridae, Ammodytidae), bald lang (Echeneis, Teuthidae, Mugilidae, Centriscidae). Die Nahrung der mit Zotten versehenen Knochenfische ist auSerordentlich verschieden. Pflanzenfresser sind die Teuthidae, von hartschaligen Weichtieren und Krustern leben die Sarginae, von kleinen Meerestieren und Zoophyten die Pomacen- tridae, andere von Wiirmern, Mollusken, Krustern, Fischen und deren Brut und Tangen. Bei Orthagoriscus mola, der von kleinen pelagischen Tieren und Pflanzen lebt, sollen die groben Zotten Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 521 veristelt sein. Ganz eigenartige Verhiltnisse liegen wohl bei den Mugilidae vor, wie aus der besonderen Gestaltung ihres Mundes und Schlundes, sowie des Magens hervorgeht. Sie nahren sich von verwesenden tierischen und pflanzlichen Stoffen, die sie ver- mischt mit Schlamm und Sand in sich aufnehmen. In dieser Ernahrungsweise zeigen sie eine gewisse Annaiherung an die Cy- priniden. AnschlieSend an diese kurze Uebersicht der Haupttypen ver- dienen noch einige Befunde eine gesonderte Besprechung. Durch eine besonders reiche und eigenartige Faltenbildung zeichnen sich die Cypriniden aus. Die Falten sind hier, wenigstens am Anfang des Darmes, sehr hoch und liegen sehr dicht beieinander. Die Ernahrung der Cypriniden ist eine so vielseitige, omnivore, wie wohl in keiner anderen Gruppe der Teleostier. In der Anordnung ' der Schleimhautfalten zeigen die einzelnen Gattungen mannigfache Unterschiede. Sie bilden ein gleichmabiges, anfangs sehr tiefe, enge Griibchen einschlieBendes Netz bei Cyprinus carpio. Am nachsten schlieft sich daran noch der Befund bei Tinca tinca an. Diese beiden Formen nahren sich von Wiirmern, Insekten- larven, vermoderten Tieren und Pflanzen und nehmen auch Schlamm auf. Deutlich davon unterschieden sind die hohen, dicht aneinander liegenden und gelegentlich durch kleine Anastomosen verbundenen Falten zahlreicher anderer Cypriniden. Sie verlaufen teils unregelmifig, teils quer, teils langs. Es laft sich aber kein durchgreifender Unterschied nachweisen zwischen denjenigen Formen, welche wie Aspius, Barbus, Squalius und Idus vor- wiegend von tierischen und wie Blicca, Abramis und Chondro- stoma vorwiegend von pflanzlichen Stoffen sich ernéhren. Geringe Faltungen bestehen nur bei Gobio und Alburnus, die von Wiirmern, Fischbrut, faulendem Fleisch und Pflanzen, resp. von Insekten leben. Bei allen fehlt ein vom Darm scharf gesonderter Magen, eine Eigentimlichkeit, die sie mit mancherlei anderen Fischen teilen. Eine andere Eigentiimlichkeit zeichnet die Clupeiden und Sal- moniden in gleicher Weise aus. Es sind das zablreiche, dicht- stehende, mehr oder weniger ringférmige Querfalten im hinteren Teil des Darmes. Diese sind bei manchen Salmoniden kombiniert mit einem doppelten Faltennetz. Der erste Darmabschnitt zeigt bei den Clupeiden dichtstehende zarte Liangsfalten, bei den Sal- moniden ebenfalls dichtstehende, nicht hohe Falten, die meist quer verlaufen, eventuell mit einem Doppelnetz kombiniert und am 522 H. Eggeling, Rand mit Zotten besetzt sind. Bei beiden Familien ist die Lange des Darmes gering, die Ernaihrung aber ziemlich verschieden. Die Clupeiden leben von kleinen Krebsen und Fischen, sowie deren Brut, die Salmoniden von Wiirmern, Insekten, Krustern, Mollusken, Fischbrut, Fischen und auch Amphibien. Die vorstehenden Ausfiihrungen haben gezeigt, da8 dasselbe Relief der Darmschleimhaut bei verschiedener Lange des Darm- kanals und sehr verschiedener Ernaihrungsweise vorkommen kann. Nicht viel erfolgreicher ist ein Versuch, von der Ernahrungsweise ausgehend das Darmrelief festzustellen. Die gro8e Mehrzahl der Knochenfische sind Fleischfresser. Daf die omnivoren Cypriniden in gewisser Weise durch die Anordnung der Schleimhautfalten sich auszeichnen, haben wir bereits gesehen. Stellen wir nur diejenigen Formen zusammen, die als reine Pflanzenfresser gelten, so er- fahren wir folgendes: Box hat ein doppeltes Netz von Schleim- — hautfalten ahnlich den Percidae. Die Hauptfalten verlaufen longi- tudinal; sie sind am Anfang sehr hoch, krausenartig gefaltet und mit papillenartigen Fortsatzen am freien Rand versehen. Der Darm ist lang. Der ebenfalls lange Darm der Teuthidae wird als leicht gezottet bezeichnet. Bei den Chromidae soll der lange Darm schwache Lingsfalten oder ein Netz von Falten tragen. Die Befunde sind also nur insofern einheitlich, als wir bei allen herbivoren Fischen einen langen Darmkanal konstatieren k6nnen. Das Darmrelief dagegen zeigt sehr abweichende Befunde, die ibrigens auch in gleicher Weise bei carnivoren Knochenfischen vorkommen. Auf Grund dieser Erfahrungen miissen wir die in der Ein- leitung aufgestellte Frage, ob sich Beziehungen zwischen dem Diinndarmrelief und der Ernahrungsweise bei Knochenfischen fest- stellen lassen, vorerst verneinen. Gewif werden solche Beziehungen bestehen. Zu deren Erkenntnis bedarf es aber noch weiter aus- gedehnter Untersuchungen, die die gesamten tiberaus mannigfal- tigen Verhiltnisse des Darmkanals und die noch sehr unvoll- kommen bekannten Vorgainge bei der Verarbeitung der Nahrung durch die Verdauungsorgane der Knochenfische beriicksichtigen. Dringend wiinschenswerte Vorarbeiten dazu sind eine Revision und Klarung zahlreicher widersprechender und unklarer Angaben, die moglichst mit Abbildungen zu belegen sind, und eine Priifung, wie weit das bisher beobachtete und beschriebene Darmrelief bei jeder Art konstant oder vom Alter, Jahreszeit und Funktionszustand ab- hingig ist. Diinndarmrelief und Ernihrung bei Knochenfischen. 523 Uebersicht der hier besprochenen Teleostier-Arten. Die mit einem * versehenen Arten wurden von mir untersucht. Das Darmrelief der mit ** versehenen Arten war in der mir zu- ganglichen Literatur bisher nicht beschrieben. A. Chorignathi. a) Acanthopterysgii. Seite I. Percidae. *1 Perca fluviatilis 420 2 Lucioperca (Perca) lucio- perca 421 3 Aspro apron 422 4 Acerina (Perca) cernua 422 *5 Labrax (Dicentrarchus) lupus 422 6 Serranus scriba 423 7 Serranus hepatus 423 **8 Serranus cabrilla 423 Il. Maenidae. 9 Smaris vulgaris 424 Ill. Squamipinnes. 10 Pomacanthus 424 11 Chaetodon ciliaris 425 12 Chaetodon arcuatus 425 13 Chaetodon triostegus 425 14 Chaetodon ephippium 425 IV. Mullidae. 15 Mullus surmuletus *16 Mullus barbatus Va. Sparidae, Sarginae. 426 17 Sargus annularis 18 Charax puntazzo 426 Vb. Sparidae, Pagrinae. 19 Pagellus bogaraveo 427 20 Pagellus centrodontus 427 21 Pagellus (Sparus) spinifer 427 22 Lethrinus bungus 427 #*23 Chrysophrys aurata 427 Ve. Sparidae, Cantha- rinae. **24 Box salpa **25 Box boops VI. Berycidae. 26 Holocentrus (Holocen- trum?) sogo VII. Sciaenidae. 27 Pristipoma Lobotes Umbrina cirrhosa Sciaena Corvina nigra . Scombridae. Scomber scomber Zeus faber Brama Rayi Stromateus fiatola Xiphias gladius Echeneis naucrates Echeneis remora IX. Trachinidae. *39 Uranoscopus scaber *40 Trachinus draco 5|X. Batrachidae. 41 Batrachus tau 42 Batrachus grunniens XI. Lophiidae. 43 Lophius piscatorius **44 Lophius budegassa 45 Malthe 46 Chironectes XII. Cottidae. Seite 428 429 431 *47 Peristedion cataphractum 441 *48 Trigla lyra 442 524 H. Eggeling, Seite Seite ##49 Trigla lineata 444|XXJI. Centriscidae. *#50 Trigla spec. 444 78 Centriscus scolopax 456 51 Trigla gurnardus 445 *52 Scorpaena porcus 445| XXII. Labridae. *53 Scorpaena scrofa 446 79 Scarus 456 **54 Sebastes dactyloptera 447 *80 Labrus turdus 457 55 Cottus gobio 448 *81 Labrus viridis 458 56 Cottus scorpius 448 82 Labrus bergylta 459 57 Cottus niloticus 448 #£Q3 TLabrus merula 459 - 58 Synanceia (Scorpaena) **84 Labrus festivus 460 horrida 449 85 Crenilabrus fuscus 460 59 Synanceia verrucosa 449 86 Crenilabrus _ perspici- ’ latus 461 XII. Pegasidae. 87 Coricus rostratus 461 60 Pegasus 449 88 Coris (Labrus) julis 461 ! 89 Novacula 461 XIV: Teuthidae. 61 Teuthis hepatus 449| XXIII. Pomacentridae. 90 Pomacentrus castaneus 461 XV. Gobiidae. 4 : 62 Gobius niger 449| XXIV. Chromidae. 63 Gobius ophiocephalus 450 91 Chromis niloticus 462 64 Gobius melanostomus 450 65 Gobius batrachocephalus 450 b) Malacopterygii. XVI. Callionymidae. I. Cyclopteridae. 66 Callionymus lyra 451 92 Cyclopterus lumpus 462 94 Lepadogaster biciliatus 462 XVI. Blenniidae. 67 Blennius pholis 4p, | Ul: Gadidae. 68 Blennius sanguinolentus 451 94 Gadus morrhua 463 69 Blennius lepidus ABI 95 Merlangus merlangus 463 70 Clinus superciliosus 452 96 Merlangus (Gadus) pol- 71 Zoarces (Blennius) vivi- fel see eee Ganea eve 463 parus é 7) Aderiehasel A52 lucius 463 Se a a 98 Lota (Gadus) lota (vul- XVIII. Atherinidae. aay ae i ee 99 Motella tricirrata (Ga- 73 Atherina Boyeri 453 dus jubatus) AGG : Pigs **100 Motella maculata 466 DREN IN lov: **101 Phycis mediterraneus 467 *74 Mugil cephalus 453 75 Mugil capito 454|III. Pleuronectidae. **76 Mugil auratus 455| 102 Limanda limanda 468 : 103 Platessa platessa 468 XX. Gasterosteidae. 104 Flesus (Pleuronectes) 77 Gasterosteus aculeatus 456 flesus 468 Diinndarmrelief und Ernahrung bei Knochenfischen. 105 Flesus (Pleuronectes) passer 106 Solea solea 107 Pleuronectes nasutus 108 Pleuronectes luscus 109 Rhombus maximus (acu- leatus) IV. Cyprinidae. *110 Cyprinus carpio 111 Cyprinus chrysoprasius 112 Cyprinus niloticus 113 Carassius carassius *114 Barbus barbus Gobio gobio Tinea tinca Leuciscus rutilus Scardinius erythr- ophthalmus Idus idus Squalius cephalus Squalius leuciscus Chondrostoma nasus Blicca bjérkna (Abra- mis blicca) Abramis brama Abramis vimba Aspius aspius Alburnus alburnus V. Cobitidae. 128 Misgurnus (Cobitis) fos- silis 129 Nemachilus barbatulus (Cobitis barbat.) VI. Characinidae. 130 Serrasalmo (Salmo rhombus) 131 Myletes VII. Cyprinodontidae. 132 Anableps tetrophthal- mus VIII. Siluridae. 133 Silurus glanis 134 Silurus clarias Seite 468 468 469 469 469 481 481 481 482 481 525 Seite 135 Clarias (Heterobran- chus) anguillaris 483 136 Clarias melanoderma 484 137 Bagrus (Silurus) bayad 484 138 Bagrus spec. 484 139 Arius (Silurus) Herz- bergii 484 140 Callichthys spec. 484 IX. Clupeidae. 141 Clupea harengus 484 142 Alosa sardina (Clupea pilehardus) 485 143 Alosa vulgaris (Clupea alosa) 485 X. Esocidae. #144 Esox lucius 486 XI. Scombresocidae. 145 Exocoetus exiliens 488 146 Exocoetus volitans 488 *147 Belone acus 489 148 Scombresox 490 XII. Mormyridae. 149 Mormyrus herse 490 150 Mormyrus labiatus 490 151 Mormyrus oxyrhynchus 491 152 Mormyrus dorsalis 491 153 Mormyrus cyprinus 491 XIII. Scopelidae. 154 Gonostoma denudatum 491 XIV. Salmonidae. 155 Trutta salar 492 *156 Trutta fario 493 157 Salmo (Curimates) uni- maculatus 494. 158 Salmo labrax 495 159 Thymallus thymallus 495 160 Coregonus (Salmo). la- varetus 495 482 | *#*161 Epitomynis (Salmo) sal- velinus 495 483 526 H. XV. Ammodytidae. 162 Ammodytes tobianus XVI. Ophidiidae, *163 Ophidium barbatum XVII. Gymnotidae. 164 Gymnotus electricus 165 Carapus brachyurus XVIII Symbranchidae. 166 Symbranchus XIX. Muraenidae. *167 Anguilla anguilla *168 Conger conger *169 Conger niger *170 Muraena helena XX. Ophisuridae. 171 Ophisurus serpens Kggeling, Seite B. Pleetognathi. Seite 496 |T. Sklerodermidae. 172 Balistes 503 173 Monacanthus (Balistes 40% penicilligerus) 504 174 Ostracion 504 498|/TI. Gymnodontidae. 498) 175 Tetrodon hispidus 504 176 Tetrodon testudinarius 505 i 177 Orthagoriscus (Tetr- 38 odon) mola 505 499 C. Lophobranchii. 500 5O1 178 Syngnathus acus (pela- 502 gicus, variegatus) 506 179 Syngnathus argentosus (Siphonostoma argen- 503 tatum ?) 507 ee ee = ar oa a a a a etait ooceees = Diinndarmrelief und Ernaihrung bei Knochenfischen. 527 Literaturverzeichnis. Die mit einem * versehenen Werke waren leider dem Verf. nicht zuginglich. 1904 Béumn, RicHarp, Ueber den Intestinaltractus von Clarias melanoderma BLEEKER. Philos. Inaug.-Diss. Bern. 40 pp., 3 Taf. 1892 Breums Tierleben, 3. Aufl, herausgegeb. von PacHusrn-Léscns, Fische. 1905 Busarp, Kuehne, Villosités intestinales. C. R. Assoc. anat. 7. sess. Geneve, p. 128—129. 1905 — Sur les villosités intestinales. Bibliogr. anat., T. XIV, p. 236—242, 10 Fig. 1906 — Sur les villosités intestinales. Quelques types chez les oiseaux. C. R. Assoc. anat. 8. sess. Bordeaux, p. 128—132, 4 Fig. 1889 Carus, J. 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Die Abbildungen sind nicht fortlaufend numeriert, sondern die den Speciesnamen beigefiigten Zahlen entsprechen der fortlaufenden Numerierung in der Abhand- lung selbst. Zur Frage der Konkreszenztheorie. Von Dr. Adloff in Kénigsberg. Derenvorr priifte kiirzlich in dieser Zeitschrift noch einmal die Tatsachen, die zur Aufstellung der sogenannten Konkreszenz- theorie gefiihrt haben. Er kommt zu dem Schlusse, daf dieselben eine gentigende Erklarung fiir die Entwickelung des Saugetier- gebisses zu geben nicht im stande sind. Seine Ausfiihrungen richten sich zum Teil auch gegen meine Arbeiten auf diesem Ge- biete, und ich méchte mir erlauben, kurz auf einige Punkte der Derenvorrschen Beweisfithrung aufmerksam zu machen, denen mir doch schwere Bedenken entgegenzustehen scheinen. Die Konkreszenztheorie nimmt bekanntlich an, daf die kom- plizierten Zihne der Saugetiere aufer durch mechanische Um- gestaltungen durch Verschmelzung mehrerer urspriinglich getrennter, einfacher Zahngebilde entstanden seien; sie stiitzt sich im wesent- lichen auf gelegentlich auftretende Anomalien im Zahnsystem der Sdiugetiere und des Menschen, die die Méglichkeit von Ver- schmelzungen iiberhaupt ohne weiteres demonstrieren, vor allem jedoch auf entwickelungsgeschichtliche Befunde, die eine andere Deutung kaum erfahren konnten. Es handelte sich im letzteren Falle darum, daf zusammen mit den Anlagen der funktionierenden Zihne Reste friiherer Dentitionen in Erscheinung treten, die teils von ersteren getrennt bleiben, teils mit ihnen eine mehr oder weniger enge Verbindung eingehen. Diese Reste wurden zuerst und am hiiufigsten bei Marsupialiern beobachtet, spater jedoch auch bei Placentaliern festgestellt. Ihre Entdeckung wurde einmal im allgemeinen als Beweis fiir den phylogenetischen Entwickelungs- gang des Zahnsystems der Siiugetiere aufgefaft, dessen Entstehung aus der einfachen, einem mehrfachen Wechsel unterliegenden Am- phibien- resp. Reptilienbezahnung hiermit nachgewiesen war, es schien hiermit ferner aber auch eine plausible Erklarung fiir die Entstehung der heutigen hochkomplizierten Saiugetierzihne aus den einfachen Formen jener niederen Wirbeltiere gegeben zu sein. Zur Frage der Konkreszenztheorie. 531 Man nahm eben an, daf die geringere Zahl, aber héhere Spezia- lisierung der Siaugetierzihne dadurch entstanden sei, da mehrere einfache Reptilienzahnchen derselben resp. verschiedener Dentitionen zu einem besser ausgebildeten Zahne, der auch nicht mehrmals, sondern nur einmal gewechselt wird, zusammengetreten seien. Die wiahrend der Umbildung der wasserbewohnenden Ahnen der Siuge- tiere zu Landtieren eingetretene Verkiirzung der Kiefer und die durch verlangertes Eileben bedingte Verzigerung der embryonalen Entwickelung sollen die Momente gewesen sein, die eine Ver- schmelzung der Zahnanlagen herbeigefiihrt haben. Derenporr leugnet nun zunachst, da’ die Verkiirzung der Kiefer eine Verschmelzung herbeigefiihrt haben kénnte. Nach ihm fiihrt dieselbe zur Beseitigung von Zihnen, nicht aber zum Zu- sammenriicken einzelner Zihne oder Zahnanlagen. DrEpenporr meint, daf die Zahnanlagen, die miteinander verschmelzen sollen, doch samtlich nahezu die gleiche Entwickelungsstufe einnehmen miibten, denn verkalkte und unverkalkte Anlagen, miteinander verschmolzen, diirften kaum ein brauchbares Gebilde abgeben. Er fahrt dann fort: ,,Normalerweise entwickelt sich die nachstfolgende Anlage bei Amphibien und Reptilien nicht eher, als bis die vorherige eine bestimmte Grife erreicht hat. Ein iiberall gleichmafig erfolgender Stillstand in der Entwickelung der Zahnkeime scheint aber aus- geschlossen, er wiirde nur zur Verkiimmerung fiihren. Anzunehmen ist hingegen, da einzelne Keime wiihrend des verlaingerten Ei- lebens durchbrechen und ausfallen, andere im Kiefer verbleiben und verkiimmern, und wieder andere zu brauchbaren Zihnen auf Kosten der zu Grunde gehenden auswachsen. Die unbrauchbaren iiberzihligen Zihne gehen zu Grunde und verschmelzen nicht. Der Zahn erhilt Material zu seinem Aufbau, solange er in Funktion steht, die Zahnleiste nimmt dieses Material zuriick, sobald der Zahn funktionslos wird, und verwendet es, wo es angebracht ist. Zahnleiste und Zahnkeime werden vererbt mit der Tendenz, sich zu vervollkommnen*“}). Mit dieser Hypothese — denn auch dieser Erklarungsversuch ist nur Hypothese — verzichtet Deppnporr von vornherein auf jede natiirliche Erklaérung. Denn wenn Zahnleiste und Zahnkeime mit der Tendenz, sich zu vervollkommnen, bereits vererbt werden, dann brauchen wir uns ja nicht mehr den Kopf dariiber zu zer- brechen, ob noch andere Ursachen bei der Entwickelung des Sauge- tiergebisses mitgewirkt haben. Abgesehen aber hiervon ermangelt auch die Behauptung Drpmnporrs, daf die Verkiirzung der Kiefer zur Beseitigung von Zihnen, nicht aber zum Zusammenriicken einzelner Zihne oder Zahnanlagen fiihrt, jeglichen Beweises. Wenn auch heute bei der stammesgeschichtlichen Verkiirzung der Kiefer, die bei vielen Stugetierformen in der Tat noch im Gange zu sein scheint, eine Verschmelzung von Zahnanlagen nicht mehr vorkommt, so schlieSt dieses doch keineswegs aus, dah unter 1) Von mir durch gesperrten Druck hervorgehoben. 532 Adloff, den besonderen Bedingungen der Umwandlungszeit derartige Vor- ginge wirklich stattgefunden haben. Von den heutigen Verhiilt- nissen auf jene zu schliefen, zu behaupten, weil die Verkirzung der Kiefer heute keine Verschmelzungen mehr zu stande bringt, deswegen sind dieselben tiberhaupt unméglich, das heift die Ent- wickelungslehre iiberhaupt leugnen, denn dieser Hinwand kann gegen jedes entwickelungsgeschichtliche Problem ins Feld gefiihrt werden. Ich halte es vielmehr fiir viel plausibler, daf durch die Ver- langerung des Hilebens, die eine Verzégerung, kein Still- stehen in der Entwickelung der Zahnanlagen verursacht haben wird, und durch die Verkiirzung der Kiefer, die ihrerseits ein niheres Zusammenriicken der einzelnen Schmelzkeime herbeifihrt, eine Verschmelzung derselben zu stande kommt, als daf nach der Annahme von DeprmnporF einzelne Keime zu Grunde gehen, wih- rend andere sich auf Kosten dieser auswachsen und spezialisieren. Letzteres erscheint mir nur verstindlich, wenn wir eben das teleo- logische Prinzip der Vervollkommnung tiitig sein lassen. Denn daf Verschmelzungen nebeneinander liegender Zahn- keime méglich sind, beweisen ja nicht allein die zahlreichen Falle derartiger Anomalien, sondern auch die Tatsache, daf gerade unter den niedersten Wirbeltieren, den Fischen, mannigfache Modifi- kationen sowohl der echten Zihne als auch der Hautziihne vor- kommen, die nur durch Verschmelzungsprozesse erklirbar sind. Ich erinnere auch an die Zahne der fossilen Multituberculaten, die der Erklirung nur durch Spezialisierung gleichfalls groke Schwierig- keiten bereiten wiirden. Alle diese Erwigungen hiatten aber niemals zur Aufstellung der Theorie gefiihrt, wenn nicht die Entwickelungsgeschichte die vorher erwahnten tatsiichlichen Befunde geliefert hitte, die noch heute ihre wesentlichste Stiitze bilden. Depmnporr behauptet nun, daf die Reste ererbter Zahn- generationen, die bald getrennt, bald vereinigt mit den funktio- nierenden Zahnanlagen zur Beobachtung gelangen, nur der Aus- druck reggressiver Vorginge sind, daf es sich nicht um Ver- schmelzungs-, sondern vielmehr um Trennungsvorginge handelt. Er betont, daf die treibende Kraft fiir die Bildung von Seiten- sprossen nicht der Zahnkeim oder die Anlage ist, sondern die Zahnileiste. Die Zahnleistenfortsitze verschmelzen nicht mit der Anlage, sondern sie lésen sich nach urspriinglich gemeinsamer Anlage von ihr ab. Derrenporr kommt also zu derselben Auffassung, die ich schon friiher an anderer Stelle vertreten habe. Ich machte damals darauf aufmerksam, da die pralaktealen Reste bei Placentaliern sich fast stets bei Ziihnen finden, die mehr oder weniger der Reduktion anheimgefallen sind, und daS auch Verschmelzungen in der Mehr- zahl der Fille bei Zihnen beobachtet werden, die, wenn auch nicht riickgebildet, doch einem Abschnitte des Zahnsystems angehéren, in dem Reduktion bereits titig gewesen ist. Ich sprach daher die Zur Frage der Konkreszenztheorie. 533 Vermutung aus, daf das Vorhandensein prilaktealer Anlagen in Zusammenhang stehe mit der gréferen oder geringeren Reduktion. Wir kéunten annehmen — sagte ich — dab, sowie jeder Zahn aus einer Verschmelzung verschiedener Dentitionen seinen Ursprung finde, er umgekehrt bei beginnender Riickbildung wieder in seine Komponenten zerfiele. Das Sichtbarwerden einer einst statt- gehabten Verschmelzung ware vielleicht das erste Anzeichen der schwindenden Lebensfahigkeit, bis bei immer weiter gehender Re- duktion schlieflich wieder eine Trennung der beiden Dentitionen stattfinde. Derartige prilakteale Reste hiatten also eigentlich keinen primitiven Charakter, sondern waren gewissermafen erst sekundar zu ihrer alten Unabhingigkeit zuriickgekehrt. Ich fiigte hinzu, daf mir ihr Wert fiir die Phylogenie des Gebisses auch durch diese etwas modifizierte Auffassung keinesfalls beeintrachtigt erscheine. Derenporr halt es nun von dem allgemeinen Standpunkt aus fir unméglich, derartige Riickschliisse zu ziehen, weil die Auf- lésung von Organen, als ein anormaler Zustand regressiver Art, niemals einen einwandsfreien Aufschluf itiber seine Entstehung zu geben vermag. Nach ihm handelt es sich hier nur um die unter- driickten oder schlecht entwickelten Keime friiherer Ersatzdenti- tionen oder prialaktealer Zahnreihen, die infolge von Verkiimmerung der bestehenden Zahnreihen neues Leben erhalten; ,,das sonst verwertete und jetzt iiberfliissige Material wird von der Zahnleiste auf andere benachbarte Keime iibertragen in der Absicht, einen Ersatz zu schaffen. Von derartigen Keimen entstehen bisweilen mehrere zu gleicher Zeit; sie verbleiben mehr oder weniger im direkten Bereich und Verkehr mit der zu Grunde gehenden Zahn- anlage und kénnen selbst mit ihr sekundir verwachsen.“ Ich kann dieser Auffassung nicht beistimmen. Wenn ein Organ verkiimmert, sei es infolge entweder von Nichtgebrauch oder von Spezialisation benachbarter Teile, die sich auf seine Kosten vergréfern, immer ist Reduktion der Ausdruck von Mangel an Material und nicht von Ueberflu& an demselben. Die Zahn- leiste kann wohl! sicherlich Material an sich reifen, nicht allerdings, weil es irgendwo iiberflissig ist, sondern weil es an dieser Stelle besser verwertet werden kann. Daf aber iiberfliissiges Schmelzkeimmaterial zur Bildung itiberfliissiger Zahnanlagen verwandt wird, das halte ich fir wenig wahrscheinlich. Gegen die Annahme von Drrrenporr spricht auch die Kon- stanz des Vorkommens dieser Reste an gewissen Stellen und ihre ganz bestimmten Lagebeziehungen zu der funktionierenden Anlage. Ich mu entschieden bestreiten, wenn Drrenporr behauptet, daf bei Placentaliern diese Reste niemals konstant sind. Diese Angabe ist ebenso irrtiimlich, wie seine Kritik der von mir bei verschiedenen Placentaliern beobachteten und als pralakteale Reste gedeuteten Schmelzleistenfortsitze, die er zum Teil als kaum er- wahnenswert bezeichnet, zum Teil fiir zufillige Fortsitze der per- Bd. XLII, N. F, XXXVI. 35 534 Adloff, sistierenden Zahnkeime erklirt. Ich gebe heute gern zu, daf einige derselben eine besondere Bedeutung in der Tat wohl nicht besitzen, so Arbeit III, Fig. 76, 37. Dieses trifft aber keineswegs fir saimtliche von Derprnnporr kritisierten Befunde zu; fiir den gréften Teil mu ich auch nach meinen heutigen Erfahrungen meine damalige Deutung aufrecht erhalten. Drprnporr hat zweifel- los die fraglichen Arbeiten nicht genauer durchgesehen, sondern nur nach den Abbildungen geurteilt; sonst hatte er gefunden, daf viele Reste, die ohne Zusammenhang betrachtet, allerdings klein und bedeutungslos oder gar nur zufillig erscheinen, ihre Bedeutung erst durch analoge Beobachtungen einwandsfreier Natur erhalten haben. Aus meinen Untersuchungen des Zahnsystems der Nagetiere geht aber hervor, da die prilaktealen Reste auf einer gewissen Entwickelungsstufe an derselben Stelle konstant vorhanden sind, und ferner, daf auch ihre Lage zu den funktionierenden Zahn- anlagen unabinderlich dieselbe ist, und zwar nicht allein bei ver- schiedenen Individuen und verschiedenen Arten, sondern auch bei verschiedenen Gattungen, wie bei Sciurus und Spermophilus. Es geht aber auch weiter hervor, dai entschieden Beziehungen vor- handen sind zwischen dem Grade der Reduktion und der Lage der prilaktealen Reste. Das Zahnsystem der Rodentien ist besonders instruktiv, weil in demselben Riickbildung in hohem Grade titig gewesen ist und noch tiitig ist. Bei exzessiver Ausbildung der ersten Schneideziihne zu Nagezihnen sind die tibrigen Incisivi, Eckzihne und Primolaren vollstindig oder nahezu geschwunden. Die Pramolaren haben aber nur die spezialisiertesten Formen voll- kommen eingebii8t, wahrend die primitiven Typen, so die Sciuriden, sie noch teilweise erhalten haben. Jedoch sind auch letztere zweifellos auf dem Wege, sie schlieflich ganz zu verlieren. Von den beiden im Oberkiefer vorhandenen Backzahnen ist der erste bei den meisten Arten ganz klein, rudimentér und _ stiftférmig, wahrend einige Formen ihn iiberhaupt nicht mehr besitzen; unten ist bei allen Gattungen nur ein Pramolar vorhanden. Labialwarts des kleinen stiftférmigen ersten Backzahnes im Oberkiefer finden wir nun, stets vollstandig von ihm getrennt, einen typischen pralaktealen Schmelzkeim, wiihrend bei dem letzten Primolar im Ober- wie im Unterkiefer ein Aahnlicher pralaktealer Rest stets in Verbindung mit der funktionierenden Anlage an- getroffen wird. Es geht hier also fraglos eine Abtrennung von statten, und zwar wird dieselbe bei den weniger riickgebildeten resp. noch im Beginn der Reduktion befindlichen P, eingeleitet, wihrend sie bei dem stiftformigen ersten Pramolaren vollstandig geworden ist. Auch D»prnporr muf eine derartige Abtrennung zugeben und er setzt sich selbst in Widerspruch, wenn er spater erklart, daS die Zahnleiste Seitensprosse treibt; beides zusammen ist nicht gut médglich. Eine Abtrennung setzt eine urspriinglich gemeinsame Anlage voraus, wahrend die Bildung von Seitensprossen eine Neubildung ist. Hine Neubildung der Zahnleiste in dieser in Zur Frage der Konkreszenztheorie. 535 jeder Beziehung gesetzmafigen Weise, entweder, wie Duprnporr ausfiihrt, aus Sorge um Ersatz oder aus alter Gewohnheit, halte ich aber bei in Riickbildung begriffenen Zaihnen aus den vorher er- érterten Griinden fiir ausgeschlossen. Es wird hierdurch auch nicht erklart, warum die pralaktealen Reste in dem einen Falle mit der funktionierenden Zahnanlage in Zusammenhang, in dem anderen von ihr getrennt bleiben. Sind dieselben nur die Folge iiberfliissigen Materials, dann miifte man auch annehmen, daf sie bei im Beginn der Reduktion befindlichen Anlagen haufiger und selbstandiger vorkommen wiirden, als bei stark riickgebildeten Zahnen, denn je reduzierter ein Organ ist, um so weniger Material wird naturgem&8 vorhanden sein. Ferner: da DerenporF annimmt, daf das heutige Saugetiergebif allein durch ‘Ausfall und Untergang der iiberfliissigen Zahne zu stande ge- kommen ist: warum hat der Ueberflu8 an Schmelzleistenmaterial nicht auch gelegentlich die Wirkung, da die ausgefallenen Kom- ponenten derselben Dentition zum Vorschein kommen? Warum dokumentiert sich die ererbte Fahigkeit der Zahnleiste, bei Ueberfluf an Material ausgefallene Glieder von neuem zum Leben zu er- wecken, nur durch ihre Wiederholung, soweit sie verschiedenen Dentitionen angehéren? Nehmen wir aber Verschmelzungsprozesse an, dann ist die Erklarung nicht schwer. Die nur értlich getrennt gewesenen Schmelzkeime sind so ineinander aufgegangen, daf ein nachheriger Zerfall ausgeschlossen erscheint. Dagegen lassen die ehemals értlich und zeitlich geschiedenen Bestandteile naturgemaf viel eher die Méglichkeit zu, unter besonderen Umstinden aus dem gemeinsamen Verbande zu dem alten Zustand zuriickzukehren. Eine andere Frage ist es allerdings, ob, wie ich friiher glaubte, die prilaktealen Reste eine Verstéarkung der Anlage des funk- tionierenden Zahnes herbeifiihren kénnen. Auch ich halte dieses heute fiir ausgeschlossen; im Gegenteil: die Loslésung derselben aus der gemeinsamen Anlage ist ja ein Zeichen der schwindenden Lebenskraft, bedeutet also keine Vervollkommnung, sondern Riick- bildung. Die Ausfiihrungen Depunporrs zeigen eine gewisse Unklarheit und Unsicherheit. Wihrend er eingangs bemerkt, da8 er gegen meine Aeuferungen Stellung nimmt, nicht in der Absicht, die Konkreszenztheorie zu verwerfen, fiihrt er einige Seiten spiter aus, daf die spezialisierte Form des Siugetierzahnes nicht durch Verwachsen oder Ver- schmelzen der einzelnen Glieder, sondern durch Ausfall und Unter- gang der iberfliissigen zu stande kommt, treu dem Prinzip der Anpassung und Vererbung und mit der Tendenz, sich zu vervoll- kommnen. Wabhrend er in den labialen Fortsitzen der Schmelzleiste einmal die Reste alter untergegangener Dentitionen erblickt, erklart er sie kurz darauf fiir Neubildungen. Er halt schlieSlich einen un- umstoBlichen Beweis fiir die Annahme einer Verwachsung mehrerer Kegelzihne zu einem Siaugetierzahn fiir recht wiinschenswert. 35 * 536 Adloff, Zur Frage der Konkreszenztheorie. Nun ich fiirchte, da8 dieser Wunsch nicht erfiillt werden wird, wenigstens nicht in dem Mae, wie Drerenporr es zu verlangen scheint. Wir miissen in dem Buche der Natur zwischen den Zeilen zu lesen versuchen, auf ganz klar und deutlich geschriebene Doku- mente warten wir wohl vergebens, sicherlich wenigstens, was die so unendlich weit zuriickliegenden Vorginge der Stammesgeschichte anbetrifft. Hypothesen kénnen nach Drprnporr keine Theorie stiitzen. Demgegeniiber méchte ich bemerken, daf ja die gesamte Ent- wickelungslehre doch zum gréften Teil auf Hypothesen beruht und ich nehme wohl mit Recht an, da8 Drerrnporr dieselbe deswegen nicht verwerfen wird. Es kommt eben allein auf den Wert und die Bedeutung der Hypothesen an. Die einen besitzen einen hohen Grad von Wabhrscheinlichkeit, die anderen sind reine Phantasie- gebilde. Solch letztere diirfen allerdings kaum zum Aufbau einer Theorie verwandt werden. Ich glaube aber kaum, daf die Tat- sachen, die zur Aufstellung der Konkreszenztheorie gefiihrt haben, zu diesen gehéren. Derprnporr ist es jedenfalls nicht gelungen, von ihrer Bedeutungslosigkeit zu iiberzeugen. Noch weniger hat er es aber vermocht, an ihre Stelle etwas anderes, Besseres zu setzen. Die Tendenz der Vervollkommnung bedeutet einen Verzicht auf jede natiirliche Erklirung. Solange aber noch die Méglichkeit vorliegt, eine solche zu geben, erscheint es mir zweckmifiger, diese Méglichkeit ins Auge zu fassen, als von vornherein die Unméglichkeit um jeden Preis nachweisen zu wollen. Au8erdem hat die Konkreszenztheorie so ungemein befruchtend auf die Entwickelung und den weiteren Ausbau der Zahnforschung eingewirkt, daf sie allein schon als heuristische Hypothese unsere dauernde Wertschitzung beanspruchen darf. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohble) in Jena. — 3291 Verlag von Gustav Fiseher in Jena. 4 Lars, e s oa _ Regeneration und Transplantation. Von E. Korschelt, Professor der - Zoologie in Marburg. Mit 144 Textfiguren. 1907. Preis: 7 Mark. “Vortrige tiber botanische Stammesgeschichte, gehalten an der Reichs- universitit zu Leiden. Ein Lehrdueh der Pflanzensystematik von J. P. Lotsy. - Erster Band: Algen und Pilze. Mit 430 Abbildungen im Text. 1907. Preis: ~ 20 Mark. Inhalt: 1. Einleitung. 2. Volvocales. 3. Siphonales. 4. Archimycetes und Syphonomycetes. 5. Multizelluliire monoenergide Isokenten. 6. Stephanokonten. 7. Heterokonten. §&. Desmidiaceae. 9. Die Phaeophytenreihe. 10. Die Peridinales. 11. Die Diatomeen. 12. Phaeophyceae. 13. Rhodophyceae. 14. Die Schizophyten (Bakterien). 15. schizo 16. Die Myxobakterien. 17. Myxomyceten. 18. Die sscamyceten. 19. Erysiphales. 20. Pletascieae. 21. Pyrenomyceten und Laboulbeniales. 22. Lichenen. 23. Discomyceten. 24. Helvellineae. 25. Eutuberaceae. 26. Exoascineae. 27. Die Saccharomyceten. 28. Basidiomycetes, Hemibasidii. 29. Die Uredineae. 30. Basidiomyceten. 1. u. 2. Teil. Charphyten. Namenregister. Sachregister. Vorlesungen tiber Deszendenztheorien mit besonderer Beriicksichtigung der botanischen Seite der Frage, gehalten an der Reichsuniversitaét zu Leiden von Dr. J. P. Lotsy. Erster Teil. Mit 2 Tafeln u. 124 Textfiguren. 1906. Preis: 8 Mark, geb. 9 Mark. Botanische Zeitung, 1906, Nr. 5 ... Fiir den einzelnen ist schon heute diese ganze Literatur kaum iibersehbar und deshalb ist Lotsys Versuch einer allgemein verstindlichen, zusammenfassenden Darstellung mit Freuden zu begriissen. Frankfurter Zeitung, 1906: ... Hs kann also das Buch allen denen empfohlen werden, die sich fiir die Theorien von der Entstehung der Arten, der Anpassung, der Variation und Vererbung * Interessieren. Die Hymenopteren Mitteleuropas. Nach ihren Gattungen und zum grossen Teil auch nach ihren Arten amalytisch bearbeitet. Von Prof. Dr. Otto Schmiedekneeht, Custos des F. Naturalienkabinets in Rudolstadt. Mit 120 Figuren im Text. 1907. Preis: 20 Mark. Einfiihrung in die Deszendenztheorie. Sechs Vortrige, gehalten yon Karl Camillo Schneider, a. 0. Prof. der Zoologie an der Universitit Wien. Mit 2 Tafeln, einer Karte und 108 teils farbigen Textfigur en. 1906. Preis: 4 Mark. Frankfurter Zeitung vom 25. Nov. 1906: Schneiders Vortriige geben einen guten Ueberblick iiber den heutigen Stand der Abstammungsfrage; sie bieten in konzentrierter Form ein reiches Material dar. . . Wer sich mit diesen Fragen schon etwas beschiftigt hat, wird mancherlei Anregung finden; er wird sich vor allem an der Hand dieses Buches bequem dariiber orientieren, wie die einzelnen Unterprobleme der Deszendenztheorie ineinander greifen und in welchem Verhiiltnis sie zur Hauptfrage der Abstammung stehen. Temperatur und Zustand des Erdinnern. ine Zusammenstellung und kritische Beleuchtung aller Hypothesen. Von Dr. Hermann Thiene, Assistent am mineralog. Institut der Universitit Jena. 1907. Preis: 2 Mark 50 Pf. Zoologisches Worterbuch. Erklirung der zoologischen Fachausdriicke. Zum Gebrauch beim Studium z zovlogischer , entwicklungsgeschichtlicher und natur- philosophischer Werke verfasst von Dr. E. Bress! au, Privatdozent in Strassburg 1. E., Professor Dr. J. Eichler in Stuttgart, Professor Dr. E. Fraas in Stuttgart, Professor Dr. K. Lampert in Stuttgart, Dr. Heinrich Schmidt in Jena und Professor Dr. HE. ZieglerinJena, herausgegeben von Prof. Dr. H. E. Ziegler in Jena. Erste Lieferung. A—F. Seite 1—208. Mit 196 Abbildungen im Text. 1907. Preis: 3 Mark. Entwicklungslehre der Wirbeltiere. Bd. Il. Bd. Il. Bd. Il. Bd. Ill. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Handbuch der vergleichenden und experimentellen Herausgegeben von Dr. Oskar Hertwig, o. 6, Prof., Direktor des anatomisch-biologischen Instituts in Berlin. Mit 3236 Abbildungen im Text. Preis des ganzen Werkes: 135 Mark, geb. 150 Mark. |v} Inhalt: Teil 1, I. Halfte: O. Hertwig, Einleitung und allgemeine Literatur- iibersicht. Waldeyer, Geschlechtszellen. R. Hertwig, Eireife, Be- fruchtung und FurchungsprozeB, O. Hertwig Lehre von den Keim- blattern. O. Hertwig, Mifbildungen und Mehrfachbildungen. Mit 244 Abbildungen. Preis: 32 Mark, geb. 34,50 Mark. Teil 1, Il. Halfte und Teil 2: Riickert u. Mollier, Entstehung der GefaBe tad des Blutes. Keibel, AeuSere Kérperform. Schauinsland, Eihaute der Reptilien und Vogel. Strahl, Embryonalzellen der Sauger und die Placenta. Mit 886 Abbildungen. Preis: 21 Mark, geb. 23,50 Mark. Teil 1 und 2: G6ppert, Mund, Mundhdhle mit Driisen und Zunge, Schwimmblase, Lunge und Kehlkopf. Maurer, Darmsystem. W. Krause, Hautund ihre Nebenorgane. Burckhardt, Verknocherr~¢gen des Integuments und der Mundhohle. Peter, Geruchsorgar. und Jacobsonsches Organ. Peter, Aeufere Nase und Gaumen. R. Krause, Gehoérorgan. Froriep, Auge. Mit 507 Abbildungen. Preis: 23,50 Mark, geb. 26 Mark. Teil 3: v. Kupffer, Morphogenie des -ntral asystems. Ziehen, Morphogenie des Zentralnervensystem. der Saugetieree Neumayer, ~ Histogenese und Morphogenese des peripheren Nervensystems, der Spinalganglien und des Nervus sympathicus. Mit 568 Abbildungen. Preis: 20 Mark, geb. 22,50 Mark. Teil 1: Maurer, Muskelsystem und elektrische Organe. Felix und Biihler, Harn- und Geschlechtsorgane. Poll, Nebennierensysteme. Mit 509 Abbildungen. Preis: 28,50 Mark, geb. 31 Mark. Teil 2 und 3. Flemming, Histogenese der Stiitzsubstanzen der Binde- substanzgruppe. Hochstetter, BlutgefaBsystem. Braus, Extremitaten und Extremitatenskelett. Schauinsland, Wirbelsaule nebst Rippen und Brustbein. Gaupp, Kopfskelett. Barfurth, Regenerationen der Wirbeltierembryonen. Keibel, Entwicklungsgrad der Organe in den — verschiedenen Stadien der embryonalen Entwicklung. O. Hertwig, Stellung der vergleichenden Entwicklungslehre zur vergleichenden Ana- — tomie, zur Systematik und Deszendenztheorie. Mit 522 Abbildungen. Preis: 34 Mark, geb. 36,50 Mark. Frommannsthe Buchdruckerei (Hermann Pohle)invena. — $291 Ge\ > JENAISCHE ZEITSCHRIFT FUR NATURWISSENSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON. DER MEDIZINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA DREIUNDVIERZIGSTER BAND NEUE FOLGE, SECHSUNDDREISSIGSTER BAND DRITTES UND VIERTES HEFT MIT 15 TAFELN UND 69 FIGUREN IM TEXT Inhalt: BECKER, J., Ueber Zungenpapillen. Ein Beitrag zur philogenetischen Ent- wickelung der Geschmacksorgane. Hierzu Tafel XIX. PETERSEN, HANS, Beitrage zur Kenntnis des Baues und der Entwickelung des Selachierdarmes. Hierzu Tafel XX—XXII. ZIEGLER, HEINRICH ERNST, Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. Hierzu Tafel XXIII. JONESCO, CONSTANTIN N., Ueber die Ctenophore Eurhamphaea vexilligera. Hierzu Tafel XXIV. PYCHLAU, WALDEMAR, Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. Hierzu Tafel XXV—XXVIL. HALLER, B., Zur Phylogenese des Nierenorganes (Holonephros) der Knochen- fische. Hierzu Tafel XXVIII—XXXII1. DEPENDORF, Zur Frage der sogenannten Konkreszenztheorie. KNOPF, Orto, Jahresbericht der Medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesell- schaft zu Jena fiir das Jahr 1907. PREIS: 32 MARK “ JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1908 Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. . Ausgegeben am 25. August 1908. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Zellen-Studien. Von Dr. Theodor Boveri, Professor an der Universitit Wirzburg. Heft I. Die Bildung der Richtungskérper bei Ascaris megalocephala und Asearis lumbricoides. (Aus dem Zoologischen Institut zu Miinchen.) 1887. Mit 4 lithographischen Tafeln. Preis: 4 Mark 50 Pf. — Heft II. Die Befruchtung und Teilung des Eies von Ascaris megalocephala. (Aus dem Zoologischen Institut zu Miinchen.) 1888, Mit 5 lithographischen Tafeln. Preis: 7 Mark 50 Pf. — Heft Ill. Ueber das Ver- halten der chromatischen Kernsubstanz bei der Bildung der Richtungskérper und bei der Befruchtung. 1890. Mit 3 lithographischen Tafeln. Preis: 4 Mark. — Heft IV. Ueber die Natur der Centrosomen. 1901. Mit 8 lithographischen Tafeln und 3 Textfiguren. Preis: 15 Mark. — Heft V. Ueber die Abhingigkeit der Kerngrésse und Zellenzahl der Seeigel-Larvenvonder Chromosomenzahl der Ausgangszellen 1905. Mit 2 lithographischen Tafeln und 7 Textfiguren. Preis: 4 Mark. — Heft VI Die Entwicklung dispermer Seeigel-Eier. Kin Beitrag zur Befruchtungs- lehre und zur Theorie des Kerns. 1907. Mit 10 Tafeln und 73 Figuren im Text Preis: 30 Mark. Das Problem der Befruchtung. Von Dr. Th. Boveri, Professor an der Universitat Wiirzburg. Mit 19 Abbildungen im Text. 1902. Preis: 1 Mark 80 Pf Ergebnisse tiber die Konstitution der chromatischen Substanz des Zellkerns. Von Dr. Th. Boveri, Professor an der Universitit Wiirzburg. Mit 75 Abbildungen im Text. 1904. Preis: 2 Mark 50 Pf. Die Tiefsee-Fische. Bearbeitet von Prof. Dr. August Brauer in Berlin. I. Systematischer Teil. Mit 16 Tafeln, 2 Karten und 176 Figuren im Text. 1906. Preis: 140 Mark (fiir Abnehmer des Gesamtwerkes ,,Wissenschaftliche Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition’: 120 Mark). (Bildet zugleich Bd. XV, Lfg. 1 der ,,Wissenschaftlichen Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition auf dem Dampfer Valdivia 1898—99“, herausgegeben von Geheimrat Prof. Dr. Carl Chun, Leiter der Expedition.) Durch die Expedition ist die Kenntnis namentlich der bathypelagischen I'ische ausserordentlich erweitert worden. Von den 90 Gattungen und 206 Arten gehéren zu ihnen 60 Gattungen und 151 Arten, und 14 Gattungen und 54 Arten sind neu. Aber nicht nur in quantitativer Hinsicht ist ein grosser Gewinn erzielt, sondern auch in qualitativer, indem neue biologisch ausserordentlich interessante und fiir allgemeine Fragen wichtige Formen gefangen wurden, die zu einer Fiille von neuen Fragen, die die Tiefsee bietet, fiihren. Einen nicht geringen Vorzug hat diese Bearbeitung vor friiheren, nimlich den einer ganz vorziiglichen farbigen Abbildung der neuen und yieler schon bekannt gewesener Formen. Diesem wichtigen Teile der Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition, dem Werke von Brauer itiber die Tiefsee-Fische, werden viele ein Interesse entgegenbringen, die auf die Anschaffung des ganzen vielbiindiger Unternehmens verzichten miissen. Die blutsaugenden Dipteren. Leitfaden zur allgemeinen Orientierung, mit besonderer Beriicksichtigung der in den deutschen Kolonien lebenden Krank- heitsiibertriger. Von Dr. Karl Griinberg, Assistent am zoologischen Museum zu Berlin. Mit 127 Abbildungen im Text. 1907. Preis: 4 Mark 50 Pf. Organische Zweckmassigkeit, Entwicklung und Vererbung vom Standpunkte der Physiologie. Von Dr. Paul Jensen, Professor an der Universitit Breslau. Mit 5 Figuren im Text. 1907. Preis: 5 Mark. Handatlas der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Von Dr. Julius Kollmann, o. 6. Professor der Anatomie an der Universitit Basel. 1907. Preis des vollstindigen Werkes (2 Teile) 26 Mark, geb. 30 Mark. Erster Teil: Progenie, Blastogenie, Adnexa embryonis, Forma externa embryonum, Embryologia ossium, Embryologia musculorum. Mit 340 zum Teil mehrfarbigen Abbildungen und einem kurzgefassten erliuternden Texte. Zweiter Teil: Embry: logia intestinorum, Embryologia cordis et vasorum, Embryologia cerebri et ner- vorum, Organa sensuum, Nomina auctorum, Index rerum, Index auctorum. Mit 429 zum Teil mehrfarbigen Abbildungen und einem kurzgefassten erliuternden Texte. — Ueber Zungenpapillen. Ein Beitrag: zur phylogenetischen Entwickelung der Geschmacksorgane. Von J. Beeker, Tierarzt, Hanau. Hierzu Tafel XIX und 44 Figuren im Text. Kinleitung. Auf der Oberflaiche der Zungenschleimhaut der Saugetiere er- heben sich als Papillen bezeichnete Fortsitze, welche nach Gestalt, Zahl, Anordnung und Funktion wesentlich verschieden sind. Zahl- reiche wissenschaftliche Arbeiten, deren Gegenstand sie seit langem geworden sind, haben bis heute die Frage der verwandtschatt- lichen Beziehungen dieser Papillen zueinander noch nicht zweifellos klarzustellen vermocht, so daf weitere Untersuchungen nach dieser Richtung wohl noch von Wert und Interesse sein diirften. Die vorliegende Arbeit wurde unternommen auf Anregung des Herrn Prof. Dr. phil. F. ROémer, Direktors des Senckenbergischen Museums zu Frankfurt a. M., in der Erwartung, an den mir zahl- reich zur Verfiigung stehenden Zungen unserer Haussaugetiere durch sorgfaltigste Untersuchungen neue bemerkenswerte Tatsachen feststellen zu kénnen, welche geeignet sind, die obige Frage ihrer Loésung naher zu bringen. Zur Untersuchung dienten Zungen von Pferd, Rind, Schaf, Ziege, Schwein, Hund und Katze. Solche von Rind, Schaf und Schwein standen besonders zahlreich zur Verfiigung, auBerdem eine gréBere Anzahl Rinder-, Schaf- und Schweinefoten. Teehnik. Simtliches Material wurde frisch untersucht, ein grofer Teil nochmals nach Einlegen in Alkohol oder Formol. Zur mikro- skopischen Untersuchung bestimmte Stiickchen wurden frisch, teil- weise noch lebenswarm in die Fixierungsfliissigkeit gebracht. Als solche wurde teils eine Lésung von 10 Proz. Salpetersiure — Bd. XLII. N. F, XXXVI. 36 538 J. Becker, 0,5 Proz. Chromsiure — 96-proz. Alkohol im Verhaltnis von 4:3:3 verwendet, teils eine Mischung von 10-proz. Formollésung mit Miuuerscher Fliissigkeit nach den Angaben in den BEHRENS- schen ,,Tabellen zum Gebrauch bei mikroskopischen Arbeiten“, Leipzig 1898. Als Farbemittel wurde eine Mischung von Borax- karmin und Bleu de Lyon (7/,: 1/s), als Einbettungsmittel Paraffin beniitzt. Die Zeichnungen wurden, soweit nicht anders angegeben, unter Beniitzung eines Leitzschen Zeichenokulars und Systems 2 angefertigt. Vor der Wiedergabe der Untersuchungsergebnisse diirfte es sich empfehlen, einige anatomische Angaben allgemeiner Natur iiber die Zunge zur Orientierung vorauszuschicken. Die Zunge ist ein mehr oder weniger langgestrecktes, weiches, muskuléses Organ, das sich am Zungenbein, an den beiden Aesten des Unterkiefers und im Kinnwinkel befestigt. Man unterscheidet an ihr den Grund (Wurzel), den Kérper und die Spitze. Als Zungengrund betrachtet man den hintersten Teil bis zur Einpflan- zungsstelle des Arcus palato-glossus; der Kérper ist nach vorn begrenzt durch das Frenulum an der Bodenflache und auf der Riickenflache durch eine beim Pferd und den Wiederkéuern deut- lich vorhandene Querfurche; als Zungenspitze bezeichnet man den freibeweglichen vordersten Teil. Da die Zunge im allgemeinen ein plattes Gebilde ist, so lassen sich an ihr eine obere oder Riickenflache und eine Unter- oder Bodenflache unterscheiden; am Zungenkérper sind auferdem Seitenflachen vorhanden, die beson- ders bei jenen Tieren, deren Zungenriickenflache eine starke Her- vorwoélbung — Riickenwulst — im Bereiche des Mittelstiickes zeigen, gréBeren Umfang aufweisen. Der Riickenwulst ist stark ausgebildet vorhanden bei den Wiederkauern und in gewissem Sinne auch beim Pferd, also bei jenen Tieren, deren Zungenriicken- flache eine Querfurche aufweist. Beim Hund, mehr noch bei der Katze ist an Stelle eines Wulstes eine muldenférmige Vertiefung vorhanden. Die Zunge des Hundes lat auferdem eine in der Mitte der Riickenflache von der aufersten Spitze bis zum Grande verlaufende deutliche Furche, Sulcus medialis, erkennen. Eine solche findet sich mehr oder weniger lang und deutlich bei allen Zungen mit mehr abgerundeter freier Spitze (Pferd, Schaf, Ziege) und mit einer leichten Kinkerbung an der Stelle, wo die beiden Zungenrander sich vereinigen. Die Zunge ist von einer im allge- meinen von vorn nach riickwarts an Dicke zunehmenden Schleim- Ueber Zungenpapillen, 539 haut tiberkleidet. Besonders dick ist diegelbe auch auf der Zungen- spitze an der Stelle, wo sich beim Rind und der Katze die Horn- zihne finden, und zwar wird dies durch den erheblich stairkeren Epithelzellenbelag bedingt, welcher den Hornzahnen eine fiir ihre mechanische Funktion notwendige Festigkeit geben soll. Man kann wohl sagen, dafi die Dicke der Schleimhaut und die Héhe der mechanisch wirkenden Papillen proportional sind. DemgemaB ist die Schleimhaut an der Unterflache der Zunge, wo die genannten Papillen fehlen, am diinnsten. Die Oberflache, insbesondere die Riickenfliche der Zungen- schleimhaut tragt Fortsitze oder Papillen, welche man ihrer Form nach unterscheidet in: 1) Papillae filiformes, fadenformige Papillen, Fadenpapillen, 2) .. fungiformes, pilzférmige Papillen, Pilzpapillen, 3) is vallatae, umwallte Papillen, Wallpapillen, 4) re foliatae, blatterige Papillen. Die blatterigen Papillen werden auch als MAyersche Organe oder nach ihrer Lage am Zungenrande als ,,Randorgane“ bezeichnet. ‘Letztere Bezeichnung muS nach der Entstehung dieses Organes als die passendere angesehen werden. Die unter 2—4 genannten Papillen stellen die den Geschmack vermittelnden Organe dar, indem ihr Epithel spezifisch gebaute, bald mehr ovale, bald mehr schlauchférmig gestaltete Zellengebilde beherbergt, welche als Geschmacksknospen oder Schmeckbecher bezeichnet werden. Diese stehen mit dem Geschmacksnerven (Nervus glossopharyngeus, IX. Gehirnnerv) in Verbindung. Nach ARNSTEIN (1) umrankt dieser Nerv mit feinsten varikésen Endfibrillen sowohl die Deckzellen, als auch die axialen Zellen, Sinneszellen, aus denen sich eine Geschmacksknospe zusammensetzt. Eigene Untersuchungen. A. Einige Angaben tiber die Gréfenverhiltnisse bei den Zungen der untersuchten Tiergattungen. Bei alteren Pferden betragt die Linge der Zunge etwa 43 cm, ihre Breite an dem Standort der Wallpapillen 7 cm, an der schmalsten Stelle der Zunge vor der Querfurche (ca. 17 cm vom freien Ende entfernt) 5 cm, kurz vor dem freien Ende 7 bis 7,5 cm. 36 * 540 J. Becker, Bei einem 11/, Jahr, alten Pferde betrug die Lange 34 cm die Breite 6,5 cm bezw. 4,1 cm bezw. 6,3 cm. Die Zunge eines 1 Jahr alten Pferdes war 30 cm lang und 6,5 cm bezw. 3,5 cm bezw. 5,7 cm _ breit. Die Zunge des Pferdes verjiingt sich also in ihrem mittleren Teile ganz betrachtlich, ja nahezn bis zur halben Breite des Zungenkérpers bei jungen Tieren, bei welchen sie auch eine auBerst schlanke Gestalt aufweist. Die Spitze ist an ihrem freien Ende . bei alteren Tieren gleich breit oder etwas breiter, bei jiingeren Tieren nur wenig schmaler als der Zungenkoérper. Bei letzteren erhalt man an dem verjiingten Teil der Zungenspitze eine ovale Querschnittsflache gegentiber einer mehr dreieckigen bei alteren Pferden. Der ovale Teil von 2,5 cm Dicke verflacht zur breiten Zungenspitze mit zuletzt nur 3—4 mm Dicke. Die Zunge des Rindes wird 37—40 cm lang, die Quer- furche liegt 20--25 cm hinter dem Zungenende. Die Breite be- tragt an den Wallpapillen 8,5 cm, vor der Furche 8 cm, an der Spitze 8,5 cm. Bei der Zunge eines 3 Wochen alten Kalbes ergab sich eine Linge ven 20 cm, eine Breite von 5 cm bezw. 5 cm bezw. 5,3 cm. Die Querfurche lag 10,5 cm hinter dem Zungenende. Die Zunge vom Schafe wird etwa 13 cm lang; die Quer- furche liegt 9 cm hinter dem Zungenende. Die Breite betragt 3,5 cm bezw. 3 cm bezw. 3,3 cm. Die Zunge der Ziege wird etwa 14 cm lang; die Querfurche liegt 9 cm hinter dem Zungenende. Die Breite betragt 3,5 cm bezw. 3 cm bezw. 3,5 cm. Die Zunge des Schweines zeigt eine Linge von 19—24 cm bei etwa °/, bis 1 Jahr alten Tieren. Die Breite betragt ziemlich gleichmabig bis zum spitz zulaufenden Ende 4,5—5 cm. Die Zunge eines etwa 3 Jahre alten weiblichen Tieres wies folgende Gréfenverhaltnisse auf: Linge = 30 cm (freie Spitze 11 cm lang), Breite = 5,5 cm bezw. 6 cm bezw. 7,5 cm, und die eines 2 Jahre alten mannlichen Tieres: Lange = 28 cm (Spitze 11 cm), Breite == 5,2 cm bezw. 6 cm bezw. 6,2 cm. Beim Hunde fanden sich folgende GréSen: bei 21 cm Lange der Zunge kamen auf die freie Spitze 6 cm, bei 13 cm Linge 4,5 cm; die Breite betrug im ersten Falle 4,8 cm, im zweiten 3,5 cm. Die Zunge der Katze ist etwa 5,5 cm lang, davon kommen auf die freie Spitze 1,7 cm; die Breite betragt 1,8 cm. Erwahnt sei noch, daS das Endstiick der Zungenspitze der Fleischfresser auffallend diinn ist. Ueber Zungenpapillen. 541 Ueber das Vorkommen von Pigment in der Zunge der Tiere. Das Vorkommen von Pigment in der Zunge beobachtete ich bei Rind, Schaf, Ziege und Hund, und zwar finden sich beim Schafe Zungen, bei welchen die ganze Schleimhaut pigmentiert ist. Bei den Wiederkiuern kommt Pigment auch ausschlieflich in den Pilz- und Wallpapillen oder nur in einzelnen derselben vor; sie fallen durch ihre tiefschwarze, glainzende Oberflache in die Augen. Unter 332 Rinderzungen zeigten 51 Stiick = 15,36 Proz. Pig- mentierung. Auch bei vollkommen weifen Rindern kommt Pigment in der Zungenschleimhaut vor; nicht alle schwarzhaarigen Rinder haben Zungenpigment. Beziiglich des Vorkommens von Pigment in der Zungenschleim- haut der Schafe stellte ich fest: von 86 weiBen Schafen hatten 10 Stiick pigmentierte yauncen ™, 3° 4 == 116 Proz von 16 brannen Scherer teeter 16 Stiick prmmienuert yongen .) = 100 Proz. von 8 weil} und Beanies patiten iericny 8 ‘Stick pigmentierte Zungen. . . —OOMeraz: von 20 weifen Schafen mit pea irrei Kopfen ater 20 Stiick pigmentierte Zungen . . . ; = 100 Proz. Es hatten also von 130 Schafen 54 Stiick = 41,5 Proz. pigmen- tierte Zungen. Alle Schafe, welche Pigment in der Haut fiihren, zeigen auch Pigment in der Zungenschleimhaut. Das Pigment lagert in seiner Hauptmasse im Epithel, an der Grenze gegen das Bindegewebsstratum. Es bildet hier ein dichtes, einem Wurzelwerk aAhnliches Netz, dessen Faden von rundlichen, triibkérnigen Zellen in 2—6 Fortsatzen ausgehen. Von diesen ziehen zwischen den Epithelzellen sich anscheinend verastelnde Pigmentfaden von kérniger Struktur rankenférmig gegen die Schleimhautoberflache, ohne dieselbe ganz zu erreichen. Das Oberflachenepithel fihrt nur kérnige Mengen um den Zellkern herum. Die Pigmentfaden umranken auch die Geschmacks- knospen und treten in den unteren Teil derselben ein, wahrend man im Innern Schollen und Ké6rner findet. Nahe der Epithel- grenze finden sich vereinzelte kleine Pigmentanhaéufungen auch im Bindegewebsstratum. 542 J. Becker, B. Spezielle Untersuchungen tiber die Zungenpapillen. 1, Pferd. Papillae filiformes. Die fadenférmigen Papillen stellen beim Pferde diinne, gegen den Zungengrund gerichtete Gebilde dar mit einer tief in das Schleimhautepithel hineinreichenden Horn- scheide. Sie bedecken die ganze Riickenflaiche der Zunge bis ca. 2 cm hinter den Wallpapillen, wo sie sich vom hinteren Ende des Rand- organes einer Seite zu dem der anderen Seite geradlinig oder in Form eines W abgrenzen. Auch findet man Fadenpapillen an den Seiten- flichen des Zungenkérpers etwa 4 cm vom Rande nach abwiarts. Am freien Ende der Zungenspitze greifen sie ca. 1/, cm breit auf die Bodenfliche tiber. Die Hohe dieser Papillen nimmt von der Spitze gegen den Zungengrund zu; sie geben der Zungenriicken- flache ein sammetahnliches Aussehen. Hinter den Wallpapillen werden die Papillae filiformes sofort kleiner und nehmen die Form rundlicher Prominenzen an, die sich schlieSlich mit den Ausfih- rungsgangen der Balgdriisen mischen. An Horizontalschnitten labt sich erkennen, dafi die Fadenpapillen der Pferdezunge in Gruppen von 2—6 KEinzelpapillen, die hufeisenformig gelagert sind, zu- sammenstehen, daf’ diese Gruppen Reihen bilden und innerhalb derselben alternierend angeordnet sind. Bei der Zunge eines */, Jahr alten Fohlens fiel es auf, da die Bodenflache der Zunge in gleicher Weise wie die Riickenflaiche ein sammetahnliches Aussehen zeigte. Bei Betrachtung eines Stiick- chens derselben unter dem Mikroskope bei auffallendem Lichte lieB sich eine gleichmabige dichte Besetzung mit feinen, fadenformigen Papillen er- kennen. Sie waren gegen das Zungenbindchen ge- richtet, biegsam, weich, und das Bild erinnerte an den Zungengrund des Schweines und der Fleischfresser. Wah- rend die Fadenpapillen der Zungenriickenflache mit einer Hornscheide versehen sind, sehen wir diese Papillen, welche nur +/,—'/, so hoch wie jene waren (Fig. 1), auf ihrer Oberflache mit losen Hornplattchen oder ver- hornten Zellen besetzt, welche langlich-oval, manchmal auch spitz und gegen das freie Ende der Papille gerichtet sind. Fig. 1. Fadenférmige Papillen auf der Bodenflache einer Fohlenzunge. med Sy Ueber Zungenpapillen. 543 Papillae fungiformes. Diese Papillenart ist beim Pferde mehr als bei den anderen hier untersuchten Tieren von der Riicken- flache der Zunge verschwunden. Abgesehen von ganz vereinzelten Exemplaren in der Nahe der Wallpapillen, finden sie sich nur auf der Zungenspitze, vom freien Ende bis etwa 5 cm nach riickwirts. Sie stehen hier als flache, kleine Gebilde schwer sichtbar zwischen den Papillae filiformes, meist nur durch ihren Glanz erkennbar. Etwa 10—12 Stiick kommen auf den Raum eines Quadratcenti- meters. Im iibrigen bilden sie einen seitlichen Kranz um die Riickenfliche der Zunge vom Randorgan der einen Seite um die Zungenspitze herum zu dem der anderen Seite. An den Seiten- flachen kommen sie in 2, 3 und 4 Reihen vor, etwa 50—55 Stiick auf jeder Seite, und auf 1 qcm kommen im giinstigsten Falle 5 Pilz- papillen. Sie finden sich nicht selten zu zweien und dreien an- éinander gelagert oder auch verwachsen, in welchem Falle ihre Mehrzahl durch Einbuchtungen des Randes und 2 oder 3 Zentren auf der Oberfliche zu erkennen ist. Gegen die Randorgane hin ist ihre Zahl geringer, und haufig héren sie schon in einiger Ent- fernung vor denselben auf. In einem Falle fand sich aber noch auf einer mittleren Leiste des Randorganes eine typische Pilzpapille. Am Rande der Zungenspitze treten sie in ein oder zwei Reihen auf. Hier, wie auch an den Seitenflichen, sieht man, daf die Pilzpapillen in Reihen und alternierend stehen, d. h. eine Papille der einen Reihe steht seitlich zwischen zwei Papillen der benach- barten Reihe. AuS8erdem beobachtet man am Rande der Zungen- spitze, daB eine Pilzreihe, nahe der Bodenflache beginnend, schrag nach vorn und oben gegen die Riickenfliche verlauft. Gegen die Umbiegungsstelle des Seitenrandes in den vorderen Rand der abgerundeten Zungenspitze werden die Reihen zahlreicher, und dementsprechend auch die Papillen, letztere aber auch kleiner. Sie treten hier mit den Fadenpapillen, jedoch in etwas breiterer Ausdehnung als diese, auf die Bodenfliche tiber und stehen hier sehr dicht. Auf eine Flache von 6 10 mm kommen 23 Pilz- papillen. Die Breite der Pilzpapillen des Pferdes wechselt zwischen schwach 1/, mm bis 2 mm. Ihre bedeutendste Héhe und Gre erlangen sie auf dem hinteren Teile des Randes der Spitze; ihre Hohe haingt ganz vom Standort und der Umgebung ab. Wahrend die in Schleimhautfalten stehenden oft betrachtlich, in einem Falle 3 mm hoch wurden, fand ich unmittelbar daneben am Rande der Furche solche von kaum 1 mm Hohe. An der Zunge eines 14/, Jahr alten Pferdes fanden sich auf 544 J. Becker, der Bodenfliche der Zungenspitze zahlreiche griibchenformige Stellen, die gegen das Frenulum hin deutlicher wurden und _ hier zum Teil von einem gut sichtbaren Kreise umgeben waren, so wie die Papillae fungiformes haufig von einer Vertiefung im Epithel umgeben sind. Diese Gebilde (Fig. 2) sahen aus wie auf der Schleimhaut plattgedriickte Papillen. Vom Frenulum setzten sie sich eine Strecke weit nach riickwirts parallel den Papillenreihen am Zungenrande fort. Hier waren sie dann unter der Lupe mit Sicherheit als deutlich umgrenzte, ganz flache Pilzpapillen zu er- kennen. In einem Falle fand ich riick- warts von den umwallten Papillen nahe der Mittellinie 3 ziemlich grofke Pilzpapillen von deutlich keulenformiger Gestalt nahe bei- einander stehend. m4 An der Zunge eines andert- - { halbjihrigen Pferdes war es mir - méeglich, festzustellen, da8 die Papillen der Seitenflachen des Zungenkérpers von vorn- unten ' nach hinten-oben gegen den -. Zungenrand verlaufende Reihen bilden, da8 dagegen auf der Riickenfliche der Zungenspitze die Pilzreihen vom Rande nach vorn gegen die Zungenmittellinie ziehen. Papillae vallatae. Die Wallpapillen des Pferdes liegen gewohnlich zu zweien auf dem hinteren Teile des Zungenkérpers beiderseits der Medianlinie, gegen diese mit ihrer Langsachse von vorn-augen nach hinten-innen geneigt derart, daf sie mit ihrem vorderen Ende ungefihr 1 cm, mit dem hinteren +, cm von der Zungenmittellinie, beide also vorn 2 cm, hinten 1 cm voneinander entfernt sind. Ihre Lage zu den Randorganen kann insofern wechseln, als sie an manchen Zungen weiter von diesen weg nach vorn geriickt erscheinen, wie dies aus einem Vergleich der Figg. 3 und 5 ersichtlich ist, welche die Lageverhaltnisse bei einem mt bere a | 1-9 12-9 3 3,3 3—5 6 Pe 16 | Tie) 23 Ne o—A 2 13 22 9-12 | G- 11 3,4 2,5 |11/,—4 2 14 22 10-6 8. 3,2 3,4 2 2 2085, | Ve Salsa gh 2 clay yn cA 131) brn 8 16 22,5 7-12 6-7 3,1 3 11/,,—3 2 hed. 22,5 11-8 12-8 3] 4,3 2—4 2 18 23 13-10 8-9 2,3 3 2 3 is) 93'°5: | 108 elo 1,4 2,2 3 2, 20 23,5 8-8 | aeoie9 2,2 aaa 3 2 21 24 10-8 | 10-10 4. 4,2 |11/,-4 2 22 24 10-10 | 8-11 3 3,2 4 2 23 24 10-11 | aO=42 Gil Dies 2 2 24 24. oa a! | 10-9 3,2 5 2—5 4 25 24 10-11 | 10-11 4,5 3,5 2—6 | 2 Nach vorstehender Tabelle scheint mit der Gréfe der Zunge auch diejenige des Driisenfeldes und die Anzahl der Furchen zu wachsen, denn wir finden bei den laingsten Zungen die héchsten Zahlen beziiglich der Ausdehnung des Driisenfeldes und der Anzahl der Furchen. Zwecks Feststellung der am Randorgane des Schweines vor- kommenden héchsten Furchenzahl und des Verhialtnisses der Zahl kleinerer Gruben und Spalten zur Zahl der gréferen Furchen habe ich noch Zahlungen an weiteren 100 Zungen vorgenommen, tiber deren Resultat folgende Tabelle berichtet: Bd, XLII, N. F. XXXVI. 38 570 J. Becker, rechts | links rechts | links rechts | links rechts | links | rechts | links Ono | 3B 1,2 | 4,2 12,3 |) S,Sresen iene 4,3 LHP 23) 229) S22 Vie. 1 | 8 3 3,3 | 4 HAP 2 | Wd. dD, alee BD d|| Stalag 3 4 1d, | 4,1 n2 Sia] 2. oealies 2 3 fly laa ee. alae 1 2 2,9 22 Meare | 22° oe etal 3 LQ 2 2D es) 2 alee oe, A. |! Site ell 4,2 | 3,2 13° [DS 252) eS ees 2,3 | Soe Pasa Ane oee: dor 25 Acne Meee 3 2.2 | Vee eae 4 3 1,4. \62.9 I 2, 6.4) Qeoaneee 2,3 | 3,2 | 4 4 3 Loo ee a2 eae |, O | ootle alo 4. shah ye deen ad ae) eee ae. | 2, a eae ee 3,3 Mes al eo ea Rabe | 4 7p Wa een s).4 Sefer) |) i! 4 Dea A ERLS ID SONS Te a 3,2 |2 3 ees | 4,1 | 4,4 2.9) 1h N09, 4 Ne 3 D) 3,3 |3 4,1 |5 Be Ase lier Meo. |e 4,2 |2 Be 2 iw 4,1 |4 24S 1eibl 2.3 Ween. | 2,2 1 oe | Aa 4,1 | 4,1 Die i Mate | oe el ete Be | 2 Fis Ptoaal ln 4,2 | 4,2 2 14253) | Seeaiee.t | 3 3) 4. 5 4,2 2 13° 2,2) 9) So aaiese 2) | 3,1 | 35 14 5 4,2 353 di See oe 3 3,2 ea oaa Bel, |i4 Unter diesen 100 Zungen fand sich also nur eine einzige, bei der die Randorgane ohne gut ausgebildete, mindestens 1 mm lange Furchen*wareneee ee 1 Proz. der Randorgane. Die Zahl 1 finden wir in 22 Fallen = 11 ” ” ” ” ” 2 ” ee?) 58 ” = 29 ” ” ” ” ” 3 ” ” ” 65 5) = 321/, ” ” ” ” ” 4 ” » 0 45 ” a 2OUs ” ” ” 5 ” » 8 ” = ” ” ” ” Ihrer Haufigkeit nach folgen sich also die Zahlen 3—2—4— 1—5—0 als Anzahl gr6éBerer Furchen an 1 Randorgan des Schweines, wobei meistens noch kleinere Spalten und Gruben gleichzeitig vor- handen sind. Daf auch einmal 6 Furchen vorkommen kénnen, geht aus der ersten Tabelle (No. 23) hervor. Mit der Zunahme der Zahl gréferer Furchen geht eine Abnahme der gleichzeitig vorhandenen kleineren Oeffnungen und Gruben einher : bei 22 Randorganen mit1 Furche 1 Organ ohne kleine Oeffnungen 1 ” mit 9 ” vb] Pps 4 , 2Furchen 9 Organe ohne _,, z 1: Organ wait Ge - p » 089 z ome. LS Organe ohne a3 . Oo mee Mit ae ‘ , 45 | ee ohne _,, K Be yk mit 4 ,, . ” 8 ” , 5 ” q ” ohne ” ” 1 Organ aoe os ~ rae Ueber Zungenpapillen. 571 Es wurde oben bereits angefiihrt, da8 auf dem Randorgane des Schweines vereinzelt Pilzpapillen vorkommen. Als eine solche, in ganz eigentiimlicher Lage und Form, ist wohl auch die Bildung in Fig. 32 anzusehen, welche sich auf dem hinteren Teile des Driisenfeldes eines Randorganes hinter den Furchen fand. Kin eiférmiges, ziemlich grofes Gebilde liegt, rings von einem Epithel- zellenring umgeben, der mit einem verhaltnismafig kleinen Teile an die Schleimhautoberfliche tritt, im Grundgewebe der Schleim- haut, mit welchem dasjenige der Papille durch eine schmale Gewebsbriicke, auf dem Bilde _ links- seitig, in Verbindung steht. Der Epithel- ring schlieSt einen Hohlraum ein, den wir an anderen Fig. 32. Eigentiimliche Bildung im Randorgan Schnitten sich breit eines Schweines. nach der Schleim- hautoberflache 6ff- nen sehen, wie der Graben einer Wall- papille, mit welcher das Gebilde dann groke Aehnlichkeit zeigt. Geschmacks- driisen liegen in der Nahe, in den Graben ausintindende Drii- Fig. 33. Papillenahnliche Bildung im Rand- senginge konnte ich organ eines Schweines. jedoch nicht sehen, ebensowenig Geschmacksknospen. Das Grundgewebe der Papille ist dicht erfiillt von Rundzellen und einem grofen und 2 kleineren Lymphnoduli. Ein papillenahnliches Gebilde stellt auch die kegelformige, oben abgerundete Erhebung in Fig. 33 dar. Sie fand sich eben- falls in dem hinter den Furchen gelegenen Teile des Driisenteldes eines Randorganes des Schweines. In den rechtsseitigen tieferen Graben miindet eine kleine, unmittelbar daran liegende Eiweifdriise. Die Bildung ist namentlich von Interesse wegen ihrer Aehnlichkeit, 38 * 572 J. Becker, man kann fast sagen Uebereinstimmnng, mit den in den Figg. 18 und 19 wiedergegebenen Abbildungen der rudimentaren Randorgane von Kalbern. 6. Hund. Papillae filiformes, Die Fadenpapillen bedecken beim Hunde die ganze Riickenflaiche der Zunge von der Spitze bis zum . Kehlkopf, ohne auf die Boden- oder die Seitenflaichen tiberzutreten. Sie stehen in Reihen bezw. Doppelreihen, die von vorn-lateral nach hinten-medial gegen die Zungenfurche verlaufen und deutlich er- kennbar sind. Jede Papille tragt eine Anzahl Hornfortsatze, deren Spitzen gegen den Zungengrund gerichtet sind. Auf der Zungen- spitze ist die mehr breite Papillenoberfliche von einem Kranz von 10—12 Hornfortsaétzen umstellt, die nach hinten an Lange und Starke zunehmen. Die 3 hintersten Spitzen sind ziemlich gleich lang und stark. Weiter riickwarts auf der Zunge streckt sich die Papille mehr und mehr; von den 3 hintersten Hornfortsitzen tritt der mittlere durch bedeutendere Linge und Dicke immer mehr ip den Vordergrund, die 2 seitlichen bleiben gleich lang und kaum halb so dick wie der mittlere, die nach vorn gelegenen zart blei- benden Hornfortsitze treten immer mehr in den Hintergrund und sind an manchen Papillen ganz verschwunden. Hinter den Papillae vallatae im Gebiete der Schleimdriisen des Zungengrundes wachsen die filiformes in lange, ziemlich schlanke, weiche Zotten aus, mit mehr oder weniger weit verhornter Spitze. Daneben kann man noch sehr kleine verhornte Spitzchen finden, oder die Papillenober- flache zeigt sich rings mit kleinen runden Kndéspchen besetzt. Schon in dem Gebiete zwischen den beiden Wallpapillenreihen ist die Tendenz zur Verhornung der Papillenfortsitze betrachtlich zuriickgegangen. Papillae fungiformes. Sie sind iiber die ganze Riicken- flache gleichmaBig verteilt; am vorderen Ende der Zungenspitze ist eine dichtere Stellung nicht zu konstatieren. Wie die Fadenpapillen sind auch die Pilzpapillen hier sehr klein und mit bloBem Auge schwer erkennbar. Gegen den Zungengrund nehmen sie in gleichem Mae wie jene an Hohe und Breite zu und stellen innerhalb des Gebietes der zottenférmigen Fadenpapillen dicke, keulenformige Gebilde dar. Keulenformige Pilzpapillen fand ich in annahernd normaler Gré8e hinter den Wallpapillen sowohl vereinzelt als auch zu dreien in einer vom Rande gegen die Zungenmitte hin- ziehenden Reihe, also in derselben Anordnung wie die vor den Ueber Zungenpapillen. 573 Wallpapillen stehenden Pilzpapillen, wie aus Fig. 34 zu ersehen ist. In Fig. 35 findet sich eine vereinzelte Pilzpapille hinter den Fig. 34. Riickwarts von den Wallpapillen vorkommende Pilzpapillen beim Hunde. Wallpapillen der linken Zungenseite; auf der rechten Zungenseite liegen 4 Pilzpapillen, zu einer Gruppe vereinigt, an Stelle einer hinteren, dritten, Wallpapille. Pilzpapillen bilden beiderseits die Fortsetzung der Wallpapillenreihen gegen den Zungenrand. Die Papillae fungiformes stehen genau in der Reihe der Papillae filiformes, sie bilden einen Teil dieser Reihe an Stelle von filiformes. Sie bilden unter sich selbst Reihen, deren einzelne Pilz- papillen alternierend angeordnet sind. Auf der Zungenspitze stehen sie etwas naiher beisammen und bei kleinen Zungen naturgemas naher als an grofen. An einer Zunge von 13 cm Lange kamen ca. 16 Pilzpapillen, an_ einer solchen von 21 cm Lange 8—10 auf 1 qcm und auf eine Reihe Fig. 35. Eine Gruppe von 4 Pilz- papillen an Stelle einer dritten Wall- papille (Hund). vom Rande bis zum Sulcus 10—12 Pilzpapillen; auf eine sagittale Halfte entfallen etwa 50 Reihen. Da die Breite einer Hundezunge 574 J. Becker, ziemlich gleich bleibt, so ist die Zah]l der Pilzpapillen der 21 cm langen Zunge auf 1000 bis 1200 zu schatzen. Papillae vallatae. Auf der Zunge des Hundes kommen 4—6 Wallpapillen vor. Sie stehen seltener auf beiden Seiten in gleicher Zahl, in den tiberwiegend meisten Fallen finden sich rechts nur 2, links 3 derselben. Unter 8 Zungen waren 5 mit rechts 2, links 3 Wallpapillen, je 1 Zunge mit beiderseits 2 und 3 Wall- papillen und 1 mit rechts 3 und links 2 Wallpapillen. Waren 3 Wall- papillen auf einer Seite vorhanden, so nahmen sie von vorn gegen den Zungengrund an Gréfe ab derart, daf die folgende Papille immer etwa um die Halfte kleiner war als die vorhergehende und die hinterste ungefahr so grof wie eine Papilla fungiformis. Die Wallpapillen liegen auf der Zunge des Hundes in zwei gegen den Zungengrund und den Sulcus medialis konvergierenden Reihen direkt an der vorderen Grenze der zottenfoérmigen Fadenpapillen, ohne jedoch an die Mittellinie der Zunge vollkommen heranzureichen. An einer 21 cm langen Zunge hatte die hintere der 2 rechtsseitigen Wallpapillen einen Durchmesser von nicht ganz 3 mm. Eine linksseitige vordere Wallpapille von etwa 2!/, mm Durch- messer war durch tiefe, bis ins Niveau des Grabenbodens herab- reichende Furchen in drei Teile gespalten, wie dies aus einem Hori- zontalschnitt durch dieselbe, etwa in der Mitte der Papillenhohe (Tafelfig. 36), zu ersehen ist. Die beiden kleineren Teile bilden die laterale, der gréfere Teil die mediale Hilfte der ganzen Papille. Die zahlreichen facherférmigen Einbuchtungen des Randepithels und die Epithelperlen in dem gréferen Teile der lateralen Halfte lassen erkennen, daf diese drei Teile wieder durch Verschmelzung kleinerer Teile, d. h. durch Verschmelzung einzelner Papillen der Zungenoberfliche, entstanden sind. Geschmacksknospen finden sich im Wandepithel der auferen wie der einander zugekehrten Papillen- seiten. Die tieferen Schnitte zeigen eine Verschmelzung erst der beiden lateralen Teile und unmittelbar tiber der Einpflanzungsstelle eine solche aller drei Teile in der Art, da8 sie nur noch im Mittel- punkt der Papille durch einen Hohlraum getrennt sind. An diesen Schnitten erscheint nun die aufere Umrandung der Papille glatt, wahrend der Wallrand bezw. die aufSere Wand des Grabens durch die zahlreich von der Seite einmiindenden Driisenausfiihrungsgange entsprechende Einbuchtungen aufweist. An den letzten Schnitten unmittelbar unter dem Wallgrabenboden sehen wir zahlreiche ver- schieden grofe, quer durchschnittene Driisenausfiihrungsgainge im Kreise um die Einpflanzungsstelle der Papille gelagert. Ueber Zungenpapillen. 575 Die Oberfliche der Wallpapillen erscheint meist uneben. An einer gréBeren Wallpapille (Fig. 35, hintere rechts) lief die Ober- flachenbetrachtung zwei Teile unterscheiden. Der vordere Teil hatte das Aussehen zweier dicht aneinander gelagerter Pilzpapillen. Der hintere etwas héhere Teil zeigte ein wurmférmig gekriimmtes Aus- sehen, seichte Einschniirungen und war heller in der Farbe. Von letzterem Teile ragten an 4 Stellen ganz kleine Spitzchen seitlich ins Lumen des Grabens herein. Auch der Vertikalschnitt durch diese Papille in Tafelfig. 37 laBt auf deren Oberfliche 2 deutliche, verhornte Spitzen erkennen. Der Wall der Wallpapillen des Hundes zeigt ein verschiedenes Verhalten. Er ist bei kleineren Papillen meist gut ausgebildet und geschlossen oder nur halbkreisférmig hinten oder vorn vor- handen. Bei gréSeren Papillen sieht man ihn oft nur als 2 wenig gebogene, hinten und vorn nicht zusammenhangende Leisten lateral und medial von der Wallpapille liegend. Es kommen auch 2 und 3 solcher Leisten nebeneinander als Wall vor. ‘Tafelfig. 38 zeigt einen Teil eines solchen dreifachen Walles an der lateralen Seite der Papille Tafelfig. 36. Wo der Wall unterbrochen ist, wird er durch einzelne Fadenpapillen erginzt. Die Enden der Leisten tragen haufig eine oder 2 kraftige Spitzen, genau wie die benach- barten Papillae filiformes; die Leisten selbst zeigen Einschniirungen. Randorgan. Die Randorgane liegen in gleicher Héhe mit den umwallten Papillen beiderseits am aufersten Rande des Zungen- kérpers in gerader Richtung von hinten nach vorn; ihre Form ist langgestreckt, bohnen- oder spindelférmig. Je nach der Grofe der Zunge betragt die Lange 6—11 mm, die Breite 2—4 mm. Lateral ist das Randorgan durch eine Schleimhautfalte abgegrenzt, medial geht es in die Schleimhaut des Zungenriickens tiber. Ent- sprechend der Linge kénnen 4—10 Furchen vorhanden sein. Die Leisten sind mehr oder weniger deutlich als solche ausgebildet und weisen bei grofen Zungen eine Breite von nicht ganz 1 mm auf. Die mittleren Leisten sind halbkreisférmig von vorn bezw. hinten gegeneinander gebogen. Ein Fehlen des Randorgans konnte ich nicht konstatieren, ein solches kann vorgetéiuscht werden durch schlechte Ausbildung oder das Fehlen der Leisten, an deren Stelle sich dann kraftige, medialwarts gerichtete Papillae filiformes finden. In diesen Fallen sind doch am Orte des Randorgans zahlreiche Eiweifdriisen, sogar bis unmittelbar unter das Oberflaichenepithel eingelagert, deren Ausfiihrungsginge teils unmittelbar auf die Ober- fliche der Schleimhaut, teils in Einbuchtungen derselben miinden. 576 J. Becker, Tiefere Furchen mit Geschmacksknospen kommen dann daneben nur vereinzelt und unregelmafig vor. — Auch an gut ausgebildeten Randorganen mit regelmafigen, zur Liingsachse des Organs senk- recht stehenden Furchen und Leisten kommen auf letzteren kraftige Spitzen wie an den Fadenpapillen zur Beobachtung. 7. Katze. Papillae filiformes. Die fadenformigen Papillen bedecken bei der Katze die Riickenflache der Zunge, greifen am vorderen Ende derselben auf die Bodenflaiche iiber und ziehen sich von hier in immer breiter werdender Ausdehnung bis zum Frenulum hin. Bis 8 mm riickwarts von der Spitze und 2—3 mm breit an den Seiten- randern der vorderen Zungenhalfte sind die Fadenpapillen auferst niedrig, so daf die Oberflache kahl erscheint. Nach hinten nehmen sie auf der Riickenflache rasch an Gréfe zu und bilden einen 1,5—2 cm langen Bezirk hoher, kraftiger Hornzihne. Ein sol- cher ca. 21/, cm langer Horn- zabn legt sich, zwischen zwei Fadenpapillen der folgenden Reihe hindurchgreifend, auf die Papille der tibernachsten Reihe auf. Fig. 39 stellt einen Fig. 39. Hornzahn einer Katze. solchen Hornzahn der Katzen- zunge dar (Vergréerung: Oku- lar 1, Objektiv 2); auf seiner unteren Seite ist er rinnenformig vertieft. Die Hornzaihne bilden sich durch erhéhtes Wachstum des hintersten, mittleren Fortsatzes jeder Papille des betreffenden Be- zirkes. Riickwarts auf der Zunge gehen sie in niedrigere und schwichere Fortsatze iiber. Hier bilden die Fadenpapillen wie beim Hunde von vorn-lateral nach hinten-medial verlaufende Doppelreihen. Auf dem Zungengrunde werden sie zu langen weichen Zotten. Papillae fungiformes. Die Pilzpapillen bedecken die Riickenflache der Zunge mit Ausnahme des Gebietes der Hornzihne. Besonders dicht stehen sie auf dem mittleren Teile des Zungen- riickens von den Hornzihnen bis zu den hintersten Wallpapillen. Auf diesem 20 mm langen und 8 mm breiten Zungenteil waren ca. 60 Pilzpapillen zu zahlen, zwei und drei derselben sieht man hier dicht aneinander stehen. In der Nahe der Randorgane sind sie oft auffallend breit, ihre Oberfliche erscheint unter dem Mikro- skope leicht facettiert. Auch zwischen den Fadenpapillen am Ueber Zungenpapillen. 577 Rande der Boden flache finden sich kleine, runde ganz flache Pilz- papillen und vereinzelte vor dem Frenulum. An einer Zunge waren hier auch mehrere solche Papillen von einem Rande zum anderen stehend mit bloBem Auge zu erkennen (Tafelfig. 40). Der vordere scharfe Rand der Zungenspitze ist mit iiberragenden Papillae fungi- formes besetzt und erscheint dadurch nicht glatt. Auch bei der Katze stehen die Pilzpapillen im Verlaufe der Reihen der Faden- papillen und an deren Stelle. Papillae vallatae. Sie liegen auf dem hinteren Teile der Zunge in zwei nach hinten konvergierenden Reihen, die gewéhnlich nicht an die Mittellinie der Zunge heranreichen. Die vordersten Wallpapillen liegen 8—10 mm, die hintersten 4—5 mm voneinander. Ihre Form ist lainglich-rund, soweit sie keine Verschmelzung mit Fadenpapillen aufweisen. Die Oberfliche der gréferen Wallpapillen erscheint unter dem Mikroskope deutlich gefeldert. Bemerkenswert war die Anlagerung von 5 Wallpapillen auf einer Zunge (Fig. 41). Rechterseits liegen zwei gréfere Papillen Fig. 41. Fig. 42. Fig. 41. Anlagerung von 5 Wallpapillen auf einer Zunge der Katze. Fig. 42. Oberfliichenbild einer Wallpapille der Katze, III. Ordnung. in gewohnter Weise hintereinander, linkerseits war nur eine, aber besonders grofe Papille vorhanden. Die zwei weiteren Wallpapillen liegen in der Mittellinie der Zunge, die vordere zwischen den beiderseitigen grofen Papillen, etwas nach vorn geriickt, die hin- tere seitlich und riickwarts von der hintersten der beiden rechts- seitigen Papillen. Bei der Oberflichenbetrachtung unter dem Mikro- skope liefen alle diese Wallpapillen, mit Ausnahme der vorderen 578 J. Becker, mittleren, Verschmelzungen mit Fadenpapillen erkennen, und zwar die beiden vorderen grofen Wallpapillen an beiden Enden, die zwei anderen nur am hinteren Ende, wie dies Fig. 42 als Oberflachen- bild der hintersten kleinen Papille zeigt. Diese und die vordere mittlere Papille hatten auf einer Seite einen Wall, auf der an- deren wurde dieser durch starke Fadenpapillen ersetzt; letzteres war bei den anderen Wallpapillen ringsum der Fall. Auch bei: der Katze sind im allgemeinen die hintersten Wallpapillen die kleinsten. In Bezug auf ihre Anzahl habe ich, abgesehen von dem oben beschriebenen Falle von 5 Wallpapillen in besonderer Anlagerung, gefunden bei 6 weiteren Zungen: rechts links zusammen 3 4. -: 7 2 2, = 4. 2 3 — 5 3 3 = 6 2 2 = 4 a 2) = 6 Auch bei der Katze findet sich die gréfere Anzahl Wall- papillen auf einer Zunge haufiger linksseitig als rechtsseitig. Randorgan. Das Vorkommen eines Randorganes an der Zunge der Katze ist unregelmifig; es kann ganz fehlen, einseitig oder beiderseitig vorhanden sein. An 7 Zungen fand ich mit der Lupe in 4 Fallen ein Randorgan, und zwar 2mal einseitig und 2mal doppelseitig. Bei mikroskopischen Schnittuntersuchungen diirfte wohl ein noch haufigeres Vorkommen zu konstatieren sein, da bei der Katze schon in nicht sehr tiefen Furchen Geschmacksknospen angetroffen werden, die in charakteristischer Weise meistens von einer die Basis der Geschmacksknospen gabelférmig umgreifenden Bindegewebspapille der Schleimhaut getragen werden (Fig. 46). An den weniger gut ausgebildeten oberflachlicheren und breiten Furchen liegen die Geschmacksknospen mehr zu einer Gruppe vereinigt. Was die Lage des Organs anbetrifft, so wird dieselbe gekenn- zeichnet durch die langen kraftigen, vereinzelt zweilappigen Faden- papillen, welche beiderseits am Rande der Zunge unmittelbar vor dem Arcus palatoglossus zu 8—12 in einer Reihe hintereinander stehen. Sie sind nicht verhornt und liegen mit ihren Enden auf dem lateral an sie angrenzenden etwas erhabenen, 7—10 mm langen, hinten an der Basis 4 mm breiten dreieckigen Felde auf, welches bei Betrachtung der Zunge einer Katze durch seine hellere Farbe sofort auffillt. In der Mitte der genannten Papillenreihe stehen die langsten und kraftigsten Papillen, von denen nun zwei oder Ueber Zungenpapillen. 579 drei mit ihrer Basis eine, bezw. zwei, mehr oder weniger tief in die Schleimhaut eindringende Furchen umschliefen, die das Randorgan der Katze darstellen. An einer Zunge, auf der alle Geschmacksknospen fiihrenden Papillen gut entwickelt waren, fand ich auch die Randorgane beiderseits in besonders guter, leicht er- kennbarer Weise ausgebildet. Fig. 43 gibt ein Oberflachenbild des rechtsseitigen, Fig. 44 des linksseitigen Randorgans und Tafelfig. 45 einen Querschnitt (etwas schrig vou vorn-innen nach hinten-aufen) durch das letztere wieder. Am rechtsseitigen Randorgane sehen wir die zwei Furchen von kraftigen Leisten, ahnlich denjenigen am Randorgane des Hundes, eingeschlossen; doch ist zu beachten, da8 diese Leisten hier durch der Schleimhaut auflagernde Gebilde pee hi ae ‘ “a Fa rad a “hs = caer Fig. 43. Fig. 44. Fig. 43 u. 44. Oberflichenbild zweier Randorgane der Katze, mit je 2 Furchen. dargestellt werden, an die sich dann erst in der Tiefe derjenige Teil der Leiste anschlieht, welcher der Leiste z. B. am Randorgane des Schweines entspricht. Diese Gebilde entsprechen dem Wall der Wallpapillen. Das tritt namentlich an dem linksseitigen Randorgan (Fig. 44) klar hervor, dessen Oberflachenbild eine auftallende Aehnlichkeit mit einer Wallpapille aufweist, indem ein einer Pilz- papille ahnliches Gebilde, anscheinend gestielt, von Erhebungen der Schleimhaut umgeben ist, welche mit dem Wall der Wallpapillen des Hundes und der Katze (vergl. Fig. 42) nach Form und Aussehen iibereinstimmen. Eine zweite solche leistenformige Erhebung liegt parallel neben der ersten rechtsseitigen und schlieft mit dieser eine zweite Furche ein, was besonders an dem Querschnitt (Tafelfig. 45) deutlich zu sehen ist. Zahlreiche Geschmacksknospen sind im 580 J. Becker, Wandepithel beider Furchen vorhanden. An der Schnittserie labt sich feststellen, da deren 10—12 jederseits tibereinander liegen. In einzelnen Schnitten finden sie sich auch an der Oberflache der - von den beiden Furchen gebildeten Leiste (Fig. 46). Als ,,rudi- mentir“ oder ,,verkiimmert’t (GMELIN) méchte ich, wenigstens im vorliegenden Falle, das Organ nicht bezeichnen. Die Ausfiihrungs- ginge der zugehérigen Geschmacksdriisen miinden am Boden der’ Furchen. In die hintere furchenahnliche Einbuchtung der Schleim- hautoberflache (Tafelfig. 45 links) miinden keine Geschmacks- driisen, wohl aber Schleimdriisen. pee a ie Fig. 46. Geschmacksknospen auf der Oberfliche der Weis im Rand- organe der Katze (No. 44). Das Vorhandensein von Lymphnoduli innerhalb der randstian- digen langen Fadenpapillen konnte ich nicht beobachten. Das schon erwahnte, mit der Spitze nach vorn gerichtete dreieckige Feld seitlich des Randorgans hat als Grundlage ein lockeres fibrillares Bindegewebe, in welches zahlreiche Schleimdritisen eingelagert sind. AuSerdem sind hier auffallend lange, anscheinend das Organ in seiner ganzen Linge durchziehende, bald sehr breite, bald enge Lymphraéume vorhanden, die nach vorn tiber der Driisen- schicht liegen. Zusammenfassung und Schluf&Bfolgerungen. Nach den vorstehenden Untersuchungsergebnissen bedecken die Papillae filiformes bei allen untersuchten Tierarten die ganze Zungenriickenfliche. Auf den Seitenflaichen der Zunge findet man sie beim Pferd, Rind, Schaf, bei der Ziege und beim Schwein, beim Pferd und Schwein jedoch nur im Bereiche der Ueber Zungenpapillen. 581 hier vorhandenen Pilzpapillen und in verkiimmerter Form. Auf die Bodenflache der Zungenspitze greifen sie tiber beim Pferd und Schaf, bei der Ziege und Katze. Bei einem */, Jahr alten Pferde war die ganze Bodenfliche der Zunge mit fadenfoérmigen Papillen (Fig. 1) dicht besetzt, so daf sie das gleiche sammetiahnliche Aus- sehen hatte wie die Riickenflache der Zungenspitze. Diese Faden- papillen hatten jedoch statt einer geschlossenen Hornscheide einen Besatz von lainglichen, blattaéhnlich aufsitzenden verhornten Zellen. Die Papillae filiformes der Zungenriickenflaiche gehen beim Schwein in scharfer Abgrenzung, beim Hund und der Katze mehr allmah- lich in lange, weiche, zottenférmige Papillen lateral und hinter den Wahlpapillen tiber und bedecken in dieser Form den Zungengrund bis zum Kehlkopf. Muncu (16) sagt: ,,Die wahren Zungenpapillen, Papillae vallatae, fungiformes, filiformes und foliatae liegen aus- schlieflich im Bereich des Tuberculum impar. Auf der Zungen- basis befinden sich keine eigentlichen Papillen, sondern nur Schleimhautwucherungen.‘* Demgegeniiber konnte ich speziell beim Hunde den allmahlichen Uebergang der verhornenden Papillen in die zottenférmigen weichen Papillen unter dem Mikroskope fest- stellen, indem die letzteren noch sekundére Knospen und Spitzen erkennen lassen, welche als die Ueberreste der neben dem Haupt- fortsatze auf der Papille noch vorhandenen kleineren Fortsiatze zu betrachten sind. Sie sind bei dem erhédhten Wachstum der Papille bezw. des Hauptfortsatzes in diesem aufgegangen. Dieses erhohte Wachstum und das Unterbleiben der Bildung einer Horn- scheide ist auf den Einflu8 der hier in die Schleimhaut reichlich eingelagerten Schleimdriisen zuriickzufiihren. Wie die mikro- skopische Untersuchung beim Schwein ergab, fallt die scharfe Grenze dieser unverhornten Papillen genau zusammen mit der vorderen Grenze der Schleimdriisen. Allein nicht nur diese, auch die serésen Driisen bewirken bei den Fadenpapillen das Ver- schwinden der Tendenz zur Verhornung, ein Umstand, der fiir die Bildung der Wallpapillen von grofer Bedeutung ist. Mit der Hornscheide entbehren die Fadenpapillen des Zungengrundes auch eines wesentlichen Schutzes gegen mechanische Einfliisse, sie gehen infolgedessen bei manchen Tieren, so beim Pferd und den Wieder- kauern, unter. Die Art des Futters diirfte dabei von erster Be- deutung sein. Die sekundaren Fortsatze der Fadenpapillen stehen bei Pferd, Schaf, Ziege, Hund und Katze in einem nach vorn nicht ganz geschlossenen Kreise auf der Oberflache der Papillen, beim Schwein 582 J. Becker, bedecken sie dieselbe gleichmaBig. An Stelle des einfachen Horn- fortsatzes beim erwachsenen Rinde findet sich beim Foetus eben- falls ein Kranz von Fortsatzen, der auch beim Kalbe noch zu sehen ist. Jedoch sind hier die hinteren mittleren drei Fortsitze be- deutend gréfer geworden als die iibrigen und unter sich zu einem einfachen Hornzahn verschmolzen, in welchem schlieflich alle, auch die vorderen, Fortsitze aufgehen. Langs- und Horizontal-— schnitte durch Fadenpapillen eines alteren Rinderfoetus liefern Bilder, welche in jeder Beziehung mit denjenigen tibereinstimmen, wie sie PoutTon (19) fiir die Papilla coronata der Zunge von Parameles nasuta zeichnet. Die Papillae filiformes bedeckten also urspriing- lich die ganze Zungenoberflache, nicht nur die Riickenflache, sondern auch die Seiten- und Boden- flache, auBerdem den Zungengrund bis zum Kehl- kopft. Im Gebiete und unter dem Einflu8 der Schleim- und EKiweifSdriisen verloren oder beschrankten die Papillae filiformes ihre Tendenz zur Bildung einer Hornscheide, sie blieben weich, nahmen aber an GréoBe zu. Dementsprechend finden sie sich auf dem Zungengrunde mancher Tiere (Schwein, Hund Katze) zu langen und dicken, zottenférmigen Papillen ver- andert. Bei anderen Tieren (Pferd, Rind, Schaf, Ziege) gingen sie hier mehr oder weniger voll- standig unter, weil sie mit der Hornscheide ihre Schutzhiille gegen iuhere, mechanische Einwirkun- gen verloren hatten. Die Art des Futters dirfte hierbei von erster Bedeutung sein. Die Papillae filiformes des Pferdes, Rindes, Schafes, der Ziege, des Hundes und der Katze haben als Grundform eine Pap. coronata, d. h. eine zu- sammengesetzte Papille mit kranz- bezw. hufeisen- formiger Anordnung sekundarer Papillen. Beim Schwein kommt auf dem Zungenkérper eine zu- sammengesetzte (fasciculata), auf der Zungenspitze eine einfache Fadenpapille vor. Die Papillae fungiformes bedecken den Zungenriicken beim Pferd, bei den Wiederkaéuern und beim Schwein gruppenweise, beim Hund sind sie gleichmafig verteilt und beim Rind und bei der Katze fehlen sie speziell auch im Gebiete der Hornzahne der Ueber Zungenpapillen. 583 Zungenspitze. Beim Rind finden sich nicht selten Zungen, bei denen die die Pilzgruppen trennenden pilzfreien Stellen der Zungen- riickenflaiche vereinzelte Pilzpapillen oder auch eine gleichmafige Besetzung mit solchen aufweisen. An den Seitenflichen kommen Pilzpapillen vor beim Schwein, und auch beim Rinde habe ich ganz vereinzelte derselben hier gefunden. Auf die Bodenflache der Zungenspitze greifen die Pilzpapillen im selben Umfange wie die Fadenpapillen beim Pferd, Schaf, bei der Ziege und der Katze iiber. Auferdem fand ich mitten auf der Bodenfliche vor dem Frenulum Pilzpapillen, jedoch nur in stark verkiimmerter Ent- wickelung, beim Pferd, Schwein und der Katze. Wahrend GmMELin an keiner der ihm zu Gebote stehenden Zun- gen Pilzpapillen riick- warts von den Papil- lae vallatae auffinden konnte, gelang mir dies beim Pferd und Hund. Sie sind hier bedeutend gréBer als auf dem vor- deren Teile der Zunge, und die Umfangsver- mehrung ist um so be- trachtlicher, je mehr die Papillen in das Gebiet der Schleim- Fig. 48. Schnitt durch eine Pilzpapille riick- driisen hineinriicken, wiirts von den Wallpapillen (Hund). wie sich aus einem Vergleich der Schnittbilder Tafelfig. 47 und Fig. 48 ergibt, indem Tafelfig. 47 einen Vertikalschnitt durch die Pilzpapille in Fig. 34 darstellt, welche unmittelbar hinter der hintersten rechtsseitigen (im Bilde linksseitigen) Wallpapille liegt, Fig. 48 dagegen einen solchen durch die zu hinterst auf dem Zungengrund gelegene Pilzpapille. Die Papillae fungiformes stehen in Reihen geordnet und die einzelnen Papillen der einen Reihe alternierend zu denen der be- nachbarten Reihen. Die Reihen jeder sagittalen Zungenhalfte laufen bei den Fleischfressern, Hund und Katze, auf der ganzen Zungen- riickenflache parallel zueinander vom Zungenrande schrég nach hinten bis zur Mittellinie der Zunge und bilden somit mit der entsprechenden Reihe der anderen Sagittalhalfte einen mit der 584 J. Becker, Spitze gegen den Zungengrund gerichteten Winkel. Beim Pferd und den Wiederkaéuern, also bei jenen der untersuchten Tierarten, bei welchen sich der wulstformig hervortretende Zungenkérper von der Zungenspitze durch eine Querfurche in der Zungenriickenflache scharf abgrenzt, laufen die Pilzpapillenreihen einer sagittalen Zungenhalfte hinter der Querfurche vom Rande nach hinten gegen die Zungenmitte, die Reihen vor der Querfurche dagegen 2 Gruppen (links und rechts) Wall- papillen mit Ge- biet der serdsen Driisen (schwarz) Reihenverlauf. Die Wallpapillen als laterale Teile urspriingl. — Pilz- papillenreihen 2 hintere Gruppen der Pilzpapillen (dunkel) Reihenverlauf und Stellung der Pilze der einzel- nen Reihen = 2 vordere Grup- pen der Pilzpapil- Jen (dunkel) EE Gn =) c. o---> . a Gebiet der Horn- --- 78, ‘ zahne Fig. 49. Schema der urspriinglichen Besetzung der Rinderzunge mit Geschmackspapillen. () Wallpapillen (schwarz), 2 Pilzpapillen (dunkel), e untergegangene, zu Fadenpapillen zuriickgebildete Pilzpapillen (hell). Ueber Zungenpapillen. 585 vom Rande nach vorn gegen die Zungenmitte. Die beiderseitigen Reihen bilden also auf dem Zungenkérper einen mit der Spitze nach hinten gerichteten, auf der Zungenspitze einen mit der Spitze nach vorn gerichteten Winkel (Fig. 49). In der Nahe des Zungen- endes (Spitze) schieben sich die Papillenreihen naiher an- und in- einander, wodurch die dichte Besetzung der auBersten Zungenspitze mit Pilzpapillen bei den betreffenden Tieren bedingt ist. Diese Anordnung zeigt sich natiirlich heute vielfach gestért infolge der Formveranderungen, welche die Zunge durch Anpassung an ver- anderte Verhaltnisse erfahren haben diirfte. Beim Schwein konnte ich eine Richtungsanderung im Verlaufe der Pilzpapillenreihen nicht mit Bestimmtheit feststellen. Die Pilzpapillen der Seiten- und Bodenfliche bilden die un- mittelbare Fortsetzung der Pilzreihen der Zungenriickenflaiche. Je héher die umgebenden Fadenpapillen sind, um so hoéher und kraftiger sind auch die Pilzpapillen, die méglichst an die freie Oberflache zu kommen suchen. So fand ich in einer Schleimhautfurche an der Seitenflache einer Pferdezunge eine Pilzpapille, neben anderen stark entwickelten, in der Lange von 3 mm, wahrend unmittelbar daneben auf dem Rande der Furche stehende klein und diinn geblieben waren. Die Pilzpapillen be- diirfen demnach eines Schutzes gegen aufere Einwirkungen, um sich gut zu entwickeln und zu erhalten. Wo dieser fehlt, sehen wir sie mehr und mehr in das Epithel der Schleimhaut einsinken, und wo sie Insulten ausgesetzt sind durch Reibung, Druck u. s. w., gehen sie unter. Sie fehlen deshalb bei vielen Tieren auf der Mitte der Zungenriickenflache (Futterstrafe), in grékerem Umfange besonders im mittleren Teile der Zunge an der Stelle, wo das Futter bald rechts, bald links zwischen die Backzaihne geschoben und der Bissen zum Abschlucken geformt wird. Auf dem hinteren Teile der Zunge wird ihre Widerstandsfahigkeit noch geschwacht durch die Einwirkung der Schleimdriisen, ‘die sich an ihnen in derselben Weise bemerkbar macht wie an den Fadenpapillen. Schlieflich wire als weitere Ursache fiir die Riickbildung und den Untergang von Pilzpapillen noch die vorherrschende Geschmackstatigkeit der Wallpapillen und Randorgane zu erwahnen. Demgegeniiber finden sich an den Seitenflachen der Zungen beim Pferd und Schwein auSerhalb des Bereiches der mechanischen Einwirkung des Futters und des seitlichen Druckes sehr stark entwickelte Pilzpapillen, die jene der Zungenriickenfliche an Gréfe weit tibertreffen. Da an Zungen von Rinder- und Schweineféten nachweisbar ist, dai an Bd. XLII. N. F, XXXVI. 39 586 J. Becker, den von Pilzpapillen freien Stellen urspriinglich Pilzpapillen ge- standen haben, was auch aus dem sporadischen Auftreten solcher an den betreffenden Stellen hervorgeht, da ferner an solchen Zungen und denen vom Hund und der Katze zu ersehen ist, daf die Pilzpapillen nicht zwischen den Reihen der Fadenpapillen, sondern in den Reihen, d. h. an Stelle einer Fadenpapille stehen, somit einen Teil der Papillenreihen darstellen, so méchte man annehmen, daf dort, wo die Pilzpapillen fehlen, eine Liicken- haftigkeit, eine Unterbrechung in den Papillenreihen zu beobachten sein miifte. Das ist jedoch nicht der Fall. Soweit an solchen Stellen nicht noch verkiimmerte Pilzpapillen (Fig. 11) mit der Lupe oder unter dem Mikroskope nachweisbar sind, finden wir deren Platz durch Fadenpapillen ausgefiillt. Das ist aber nur méglich bei der Voraussetzung, daf die Fadenpapillen und Pilz- papillen einen gemeinsamen Ursprung haben, da die Pilz- papillen nur eine weiterent- wickelte Form der Fadenpapil- len darstellen und sich unter Umstanden wieder zu solchen zurtickbilden kénnen. Fiir die Richtigkeit dieser Voraus- setzung spricht nun das Vor- kommen yon Riickbildungs- formen, wie sie in den Figg. 8 und 9 dargestellt sind, denen ich eine weitere in Fig. 50 beifiige. Diese Formen fanden sich beide beim Rind an der Grenze pilz- papillenfreier Teile der Zungenriickenflaiche. Auch der Umstand, da sich am Rande des Zungenkérpers beim Rind und zwischen den Wallpapillen des Schweines Pilzpapillen finden, die statt einer keulenférmigen Papille eine solche mit scharfer, verhornter Spitze aufweisen, sowie ein Vergleich der Fadenpapillen des Schweines in Fig. 21 mit dessen Pilzpapillen in Fig. 22 dringen die Ansicht auf, daf beide Papillenarten verwandte Gebilde sind. Nach ge- legentlichen Beobachtungen an Schnittpraparaten durch Zungen von Féten des Rindes, die ich jedoch durch weitere spezielle Untersuchungen tiber die ontogenetische Entwickelung der Zungen- papillen einer Nachpriifung unterstellen werde, scheint die Dif- ferenzierung zur Pilzpapille in einem bestimmten, durch Bildung Fig. 50. Riickbildungsform der Pilz- papille beim Rind. Ueber Zungenpapillen. 587 knospenférmiger Epithelzellenanhaéufungen gekennzeichneten Ent- wickelungsstadium einzutreten, indem bei bestimmten, durch ihre Lage bevorzugten Papillen die Bindegewebspapillen friihzeitig in die genannten Epithelzellenknospen hineinbrechen, durch sie ihren Weg nach der Schleimhautoberflaiche nehmen und hier sich aus- breiten. Da diese Bindegewebspapillen Traiger der Blutgefife und der nervésen Elemente, d. h. der Endfasern des Geschmacksnerven sind, verhindern sie durch ihren friihzeitigen Eintritt in die Zell- anhaufungen die Verhornung, wie sie bei den anderen zu Faden- papillen sich ausbiidenden zu beobachten ist. Indem sich dann zwischen die sekundaren Fortsatze der tiber die Oberflache hervor- ragenden Bindegewebspapillen starkere Epithelzapfen einschieben und hier Geschmacksknospen sich einlagern, nehmen diese Papillen eine mehr oder weniger ausgebreitete knopf- oder keulenférmige Gestalt an (vergl. Fig. 10 und 11). Die Resultate meiner Untersuchungen tiber die Papillae fungi- formes fasse ich in folgenden Satzen zusammen: Die Papillae fungiformes stehen mit alternieren- der Anordnung in Reihen, die vom Zungenrande schrag nach hinten gegen die Mittellinie der Zunge verlaufen. Die beiderseitigen Reihen bilden einen gegen den Zungengrund gerichteten spitzen Winkel. Bei den Tieren, bei welchen der Zungenkoérper mehr oder weniger stark wulstférmig hervortritt und durch eine Querfurche gegen die Zungenspitze ab- gegrenzt ist, tritt ein Wechsel im Verlauf der Papillenreihen ein derart, da& vor der Querfurche die Spitze des von den beiderseitigen Reihen ge- bildeten Winkels gegen die Zungenspitze ge- richtet ist. Die Papillae fungiformes finden sich auf der Riicken- und Seitenflache, sowie am Rande der Bodenflache der Zunge und vereinzelt und in ver- kimmertem Zustande auch in der Mitte derselben. Papillae fungiformes kommen auch riickwarts von den Papillae vallatae vor. Die Papillae fungiformes sind aus Papillae fili- formes hervorgegangen, indem Endfasern des Ge- schmacksnerven mit bestimmten, durch ihre Lage bevorzugten Papillae filiformes in Verbindung traten. 39 * 588 J. Becker, Die Papillae fungiformes kénnen sich wieder zu Papillae filiftormes zuriickbilden. Die Papillae filiformes und fungiformes be- \ deckten ursprtiinglich auch denjenigen Teil der ‘Zungenoberflache, der heute als Unter- oder Boden- flache bezeichnet wird. . Die Bodenflache diirfte aus Seitenflachen durch allmahliche Abschniirung des zwischenliegenden Gewebes hervorgegangen sein. Nachdem ich nachgewiesen habe, dafS aus den mechanisch wirkenden Papillae filiformes die Papillae fungiformes, welche die einfachste Form der dem Geschmackssinne dienenden Zungen- papillen darstellen, hervorgegangen sind, werden nun weiterhin die verwandtschaftlichen Beziehungen dieser mit den héheren Ge- schmackspapillen, Papillae vallatae und foliatae (Randorgane), d. h. der Geschmackspapillen unter sich, noch zu untersuchen sein. Ehe ich jedoch meine eigenen Befunde und Schluffolgerungen zu- sammenfassend wiedergebe, sollen die Ansichten der verschiedenen Autoren tiber diesen Punkt hier eingeschaltet werden. J. C. Mayer (15) laBt die Papillae vallatae in Papillae fungi- formes tibergehen. Er sagt: ,,Man sieht deutlich, sowohl bei den Menschen als besonders auch bei den Séugetieren, den allmahlichen Uebergang der Papillae vallatae zu den Papillae fungiformes, in- dem der umgebende Wall allmahlich wegfallt und der einge- schlossene Pilz kleiner wird. — Die sogenannten Papillae vallatae sind nicht von den Papillis fungiformibus verschieden, sondern mit ihnen gleichartig, oder jene bestehen blof aus Anhaufungen von diesen und verdienen mehr den Namen Papillae agminatae.“ v. Wyss (21) aufert sich im selben Sinne: ,,Zwischen den Papillae fungiformes und vallatae finden sich zahlreiche Ueber- gangsformen. Oft ist der Wall nicht vollstandig, welcher die Papillen umgibt. Diese selbst sind schmachtiger als die eigent- lichen vallatae. Daneben finden sich breitere ohne Wall.‘ Die Papilla foliata geht nach ihm durch seitliche Abplattung aus der Papilla vallata hervor. ,,Die Analogie dieses Organs mit den Papillae vallatae wird am einleuchtendsten, wenn man sich die kreisférmigen Papillen samt ihrem dazugehérigen Graben ab- geplattet denkt.“ E. B. Poutron (19) kommt nach seinen Befunden an der Zunge von Ornithorhynchus gerade zur umgekehrten Ansicht, daB nimlich die Papilla vallata durch Kiirzerwerden der Geschmacks- Ueber Zungenpapillen. 589 kaimme, wie solche die Papilla foliata durch seitliche Aneinander- lagerung bilden, entstehe. C. Bricuer (5) labt auf Grund seiner Befunde an der Zunge von Hystrix cristata die Papilla vallata aus der Papilla fungi- formis entstehen durch Einsinken der letzteren in das Zungen- epithel. Auch die Papilla foliata geht nach ihm aus der Papilla fungiformis hervor, da er an der Stelle, wo die foliata zu suchen ist, bei Cervus axis eine fungiformis fand. Er sagt: ,,Die eigent- liche Geschmackspapille ist die Pap. fungiformis, und aus dieser haben sich mit der Zeit die beiden anderen Geschmackspapillen, Pap. circumvallata und Pap. foliata durch Einsinken in das Epithel erst herausgebildet.“* — ,,Die Papilla fungiformis ist die Grund- form der Geschmackspapillen. Die Papilla vallata entwickelt sich aus der Papilla fungiformis. Die Papilla foliata entwickelt sich aus der Papilla fungiformis.“ R. Boutart und A. Pinuret (4) halten, wie v. Wyss, die Papillae foliatae fiir seitlich abgeplattete umwallte Papillen. TucKERMAN (20) meint beziiglich der Entwickelung der Papilla vallata aus der Papilla fungiformis: ,,Kinige Papillen mégen so entstanden sein, andere, und das ist sicherlich die Mehrzahl, haben gewif’ einen anderen Ursprung.“ In Bezug auf die Ent- stehung des Randorgans stimmt er mit PouLTon tiberein, indem er dasselbe aus Driisenausfiihrungsgingen hervorgehen abt. GMELIN (9) sagt hinsichtlich des Ueberganges der Papilla fungiformis in die Papilla vallata: ,,Vor allem fehlen ihr (Pap. fung.) die serésen Driisen. Diese sind ein wesentlicher Bestandteil der Pap. vallatae, wie v. EBNER nachgewiesen hat, und man kénnte erwarten, daf die Pap. fungiformes, zumal wenn sie in nachster Nachbarschaft der umwallten Warzchen stehen, als ein Zeichen der Verwandtschaft mit diesen gleichfalls mit serésen Driisen ausgestattet wiren.“* ,,Kine Verschmelzung beider Papillen- formen wire leichter denkbar, wenn der Standort der einen oder anderen Papille einmal sich andern wiirde in der Art, daf eine Papilla vallata innerhalb des Bezirks der Papillae fungiformes zu stehen kiime, oder wenn die Pap. fungiformes auch riickwarts von den umwallten Warzchen angetroffen wiirden. Dieses ist aber, wie weiter unten gezeigt werden soll, an keiner der mir zu Gebote stehenden Zungen der Fall. In Anbetracht dieser Tatsachen muf also wohl die Ansicht eines allmahlichen Uebergangs der niederen Form in die héhere, der Pap. fungiformis in die vallata fallen gelassen werden. Vielmehr ist zu sagen, da’ die Pap. vallata in 590 J. Becker, ihrer Bildung von der fungiformis unabhaingig ist und ein Organ eigenen Ursprungs darstellt.“ Von der Papilla foliata sagt er: ,,Wir miissen vielmehr als die beiden Komponenten des Organs die Furchen der Schleimhaut und die in sie miindenden Driisen auffassen.“ SchlieBlich kommt Gmetin zu dem Resultat: ,,Die Papilla vallata ist nicht aus der Papilla fungiformis hervorgegangen, — ebensowenig die Papilla foliata aus der Papilla vallata. Die beiden letzten Organe sind in ihrer Entstehung unabhangig voneinander ; Uebergangsformen werden zwischen beiden nicht beobachtet, viel- mehr hat jede ihren bestimmten Standort.“ HoOniascuHmieD (12) hat beim Eber Uebergangsformen der Papillae fungiformes zu den Papillae vallatae beobachtet. Er schreibt: ,,Man findet hier zuweilen einzelne schwammfoérmige Warzchen, welche gar nicht tiber die Oberflache der Zunge hervor- ragen, allseits von einem Wall umgeben. Dieselben unterscheiden sich von den Pap. vallatis nicht nur durch ihren Bau, namlich das Verhalten der Epithelbekleidung zum bindegewebigen Stroma, sondern auch durch den Umstand, daS am Seitenabhange Ge- schmacksknospen vollstandig fehlen.“ Csokor (6) sagt von den Papillae fungiformes: ,,Nach riick- wirts nehmen sie an GréSe zu und gehen, so bei den Wieder- kauern, allmahlich in die umwallten Papillen tiber.“ Auch Renaut (18) halt die Papillae vallatae fiir nichts anderes als kolossale Papillae fungiformes, welche von einer Ringfalte der Zungenschleimhaut umgeben werden. OpPeL (17) neigt ebenfalls der Ansicht zu, ,daf die Wall- papillen weitergebildete Pilzpapillen sind, welche ihre hohe Ent- wickelung besonders dadurch dokumentieren, daf sie die Geschmacks- driisen aus sich hervorgehen lassen“. Und in Bezug auf Ueber- gangsformen von den Papillae fungiformes zu den Papillae vallatae sagt er: ,,Als solche kénnte ich nur anerkennen mit den ersten Anlagen der Geschmacksdriisen versehene Papillen, nicht etwa be- sonders groBe Papillen.“ Ueber die Entstehung des Randorgans aufert sich OPPEL folgendermafen: ,Auch daf die Entstehung des Randorgans (Pa- pilla foliata) so vor sich gehen sollte, daf in den Wanden einer Reihe von seitlichen Driisenausgangen Knospen aufgetreten waren, wie Poutron will (auch TUCKERMAN und GMELIN stimmen ihm zu), ist mir durchaus unwahrscheinlich. Es kénnten ja nur zweierlei Driisen gewesen sein, aus denen die Papillae foliatae Ueber Zungenpapillen. 591 nach Poutrons Ansicht hervorgegangen waren, ntimlich Schleim- driisen oder serése Driisen. Schleimdriisen miinden aber nirgends zu den Geschmackspapillen, und da8 die serésen Driisen nicht Ge- schmackspapillen bilden, sondern im Gegenteil in Abhangigkeit von letzteren entstehen, beweist die Art ihrer Entwickelung; auch gibt es zwar Geschmacksknospen ohne Geschmacksdriisen, nicht aber Geschmacksdriisen ohne Geschmacksknospen.“ Kurz zusammengefaft, sehen wir also tiber die verwandtschaft- lichen Beziehungen der Geschmackspapillen folgende Anschauungen vertreten : Die Papillae vallatae gehen tiber in die Papillae fungiformes (J. C. MayEr). Die Papilla vallata geht aus der Papilla fungiformis hervor (v. Wyss, Csoxor, BRUCHER, RENAUT, OPPEL). Die Papilla vallata geht nicht aus der Papilla fungiformis hervor (GMELIN, TUCKERMAN beziiglich der Mehrzahl der Wall- papillen). Die Papilla foliata geht aus der Papilla vallata hervor (v. Wyss, Bounart et PiuieT, OPPEL). Die Papilla foliata geht aus der Papilla fungiformis hervor (BRUCHER). Die Papilla foliata geht nicht aus der Papilla vallata hervor (PouLTon, TUCKERMAN, GMELIN). Ich gehe nun weiter in der zusammenfassenden Wiederholung meiner Untersuchungsbefunde an Wallpapillen und Randorganen. Die Papillae vallatae haben ihren Standort auf einem eng begrenzten Teile der Zungenriickenflache, unmittelbar vor dem Zungengrunde und der Einpflanzungsstelle des Arcus palatoglossus. Sie liegen hier in ihrer Gesamtheit symmetrisch auf beiden sagit- talen Zungenhalften als gréBere oder kleinere Papillen, umgeben von einem Graben, der nach aufen von einer mehr oder weniger deutlichen ringformigen Erhéhung der Schleimhaut begrenzt wird, die man als Wall bezeichnet. Dieser ist am besten ausgebildet bei den Wiederkaiuern, dann bei den Fleischfressern und Schweinen, am schlechtesten bei Pferden. Beim Rind kommen nicht selten an Stelle einzelner Wall- papillen mit Wall umgebene Gruben ohne Pilz vor; in einem Falle sah ich 4 derselben auf der hinteren Hialfte eines Papillenfeldes. Beim Pferd und Schwein finden sich in der Regel 2 gré8ere Wallpapillen von ovaler Gestalt und so gelagert zueinander, daf ihre Langsachsen in ihrer Fortsetzung gegen den Zungengrund in 592 J. Becker, spitzem Winkel zusammenlaufen. Das Vorkommen einer dritten Wallpapille sowohl beim Pferd als beim Schwein wird von einer Anzahl Autoren angegeben, von anderen in Abrede gestellt. In allen Fallen handelt es sich dabei um eine Papilla centralis (nach Muncus Schema), d. h. um eine Papille, die im Schnittpunkte der verlangert gedachten Lingsachsen der Hauptpapillen liegt. Ueber . deren Vorkommen sagt Mitncw (16): ,,Bei den Perissodactyla kénnen wir also als Grundtypus diejenige Form hinstellen, die durch ein Papillenpaar dargestellt wird, indem wir hinzufiigen, daf in dieser Ordnung bis jetzt das Vorkommen einer anderen Anordnung iiberhaupt nicht mit Sicherheit nachgewiesen ist.“ Und beziiglich einer dritten Papilla vallata beim Schwein fihrt er aus: Hine dritte Papilla vallata habe ich nie gesehen Wohl findet sich vor dem Scheitel der winkligen Grenze oft eine Papille, die bald mehr, bald minder grof sein kann und hie und da beim ersten Anblick fiir eine Papilla vallata imponieren dtirfte. Dem ist je- doch nicht so, und immer gehort diese Papille, sofern sie tiberhaupt vorhanden ist, zu der Ordnung der Papillae fungiformes. In einem Falle, in dem dieselbe fast so grof war als die vallatae und infolge dieser GréSe mit einer solchen hatte verwechselt werden kénnen, habe ich sie mikrotomiert. Auf dem Schnitt zeigte sie die Umrisse einer grofen Papilla fungiformis mit enger Implantations- basis; auch lieSen sich keinerlei serése Driisen in ihrer Umgebung nachweisen, so daf tiber ihre Natur als fungiformis kein Zweifel bestehen kann.“ Grofe, eine Wallpapille vortauschende Pilzpapillen, die man als Pseudo-vallatae bezeichnen kénnte, kommen an Stelle einer Papilla vallata centralis sowohl beim Pferd als auch beim Schwein vor. Bei letzterem habe ich deren auch 2 hintereinander liegend gefunden, so da8 sie mit den 2 Wallpapillen eine Y-Form bildeten. Ebenso kommen deren 6fter, besonders beim Schwein, auf der Grenze der Fadenpapillen und der grof’en zottenférmigen Papillen in dem nach hinten sich erstreckenden Winkel vor. Aber auch echte Wallpapillen mit Driisen und Geschmacksknospen finden sich hier, haiufiger beim Pferd, sehr selten beim Schwein. In den Figg. 3, 4, 5, 6 (Pferd), Tafelfig. 23 und Fig. 25 (Schwein) habe ich dieselben in ihrer natiirlichen Lage und Gréfe dargestellt, die Papilla vallata centralis des Schweines (Tafelfig. 23) in einem Vertikalschnitt zwecks Widerlegung der oben angefiihrten Angabe MUncus (16). Er hat 94 Zungen untersucht, ich habe deren mehrere 100 im Verlaufe eines Jahres beobachtet, bis ich eine veritable Papilla Ueber Zungenpapillen. 593 vallata centralis mit Driisen und Geschmacksknospen auffand. Ich fand, daf, wo es sich um eine echte Papilla vallata handelte, beim Herausschneiden der Papille mit blo’em Auge schon ein zugehériges Eiweifdriisenlager zu erkennen war. Nur in einem Falle blieb bei einer Papilla vallata centralis des Pferdes die mikroskopische Untersuchung hierzu notwendig. Fig. 51 zeigt einen Schnitt durch dieselbe. Wir sehen einen weiten, durch Einbuchtung der Schleim- hautoberfliche entstandenen Graben um die Papille, in welchen die Driisenausfiihrungsginge miinden. Zur Bildung eines tieferen sekundiren Grabenteiles ist es nicht gekommen, und es finden sich dementsprechend erst hier sich einlagernde Geschmacksknospen Fig. 51. Schnitt durch eine Papilla vallata centralis vom Pferd. nicht vor. Allein Minow sagt selbst: ,Mikroskopisch ist der Charakter einer Papilla vallata durch den Nachweis, daf serdése Driisen an der Basis der Papillen miinden, nach den gewohnlichen Anschauungen sichergestellt“, und die Ansicht Opprets (17), dab es zwar Geschmacksknospen ohne Geschmacksdriisen, nicht aber Geschmacksdriisen ohne Geschmacksknospen gebe, kann ich nach meinen mehrfachen Beobachtungen, namentlich am Randorgan des Hundes, nicht als zutreffend bezeichnen. Wenn nun die fragliche Papille auch kaum wohl fiir die Betaétigung einer Geschmacksiiber- mittelung in Frage kommen kann, so muB sie doch ihrem Habitus nach als Wallpapille anerkannt werden. Es ist eine unvollkommen entwickelte Papilla vallata centralis. 594 J. Becker, Wabrend bei den aufgefundenen lateralen accessorischen Wall- papillen in den Figg. 4, 5, 6, 25 das Driisenlager stets mit dem der gleichseitigen Hauptpapille zusammenhing, lag das der Papilla vallata centralis des Pferdes isoliert; dasjenige der Papilla vallata centralis des Schweines ging in die Driisenlager der beiden Haupt- papillen iiber, die ihrerseits wieder sich direkt in die Driisenlager der Randorgane fortsetzten, sodafi sich eine zusammenhingende, mit spitzem Winkel nach hinten zur zentralen Wallpapille vor- springende ae res Eiweifdriisenzone quer itiber die Zunge von einem Randorgane zum andern erstreckte. Dieses Verhalten der Eiweifdriisen in Bezug auf ihre Lagerung und Ausdehnung halte ich fiir den urspriinglichen Zustand bei allen Tieren und erblicke einen weiteren Beweis hierfiir in dem jetzt noch konstatierbaren unmittelbaren Uebergang der beider- seitigen letzten Wallpapillenreihen beim Schaf und der Ziege in- einander, wie dies unten naiher beschrieben wird. In der Art ihrer Anlagerung folgen die Wallpapillen, sobald mehrere derselben auf einer sagittalen Zungenhalfte vorhanden sind, derjenigen der Pilzpapillen, d. h. sie liegen in Reihen ge- ordnet, die beiderseits vom Zungenrande riickwarts gegen die Mittel- linie der Zunge verlaufen und somit ebenfalls einen mit der Spitze gegen den Zungengrund gerichteten Winkel bilden. Dies gilt auch fiir die Wiederkauer, und zwar kommen beim Rind, wie dies an Kalber- und Fétenzungen schén zu sehen ist, 3—4, beim Schaf und der Ziege 5—6 Reihen in Betracht, jedoch nur mit den lateral gelegenen Papillen derselben. Die vorderste Reihe kann auf die Grenze des eiweifSdriisenhaltigen und driisenfreien Zungenteils zu liegen kommen, und man findet in diesem Falle Papillen, die nur auf der dem driisenhaltigen Gebiet zugewendeten Seite einen Graben und Wall aufweisen (Tafelfig. 16). An Zungen von Schafen und Ziegen, namentlich an pigmentierten, ist noch ein Zusammen- hang der beiderseitigen hintersten Wallpapillenreihen durch das Vorhandensein verkiimmerter, langgestreckter Wallpapillen, bei denen bald mehr der Pilz, bald mehr der Wall erhalten ist, zu konstatieren. Jedoch stofen die Reihen nicht im spitzen Winkel zusammen, sondern im Bogen, als ob die Winkelspitze zwischen die beiden Schenkel zuriickgedringt worden ware. Wahrend die Wallpapillen des Rindes, weniger die des Schafes und der Ziege, nach riickwirts an Gréfe zunehmen, ist dies beim Hund und der Katze umgekehrt der Fall, sie werden immer kleiner, d. h., wenn Ueber Zungenpapillen. 595 3 Papillen auf einer Seite vorhanden sind, ist die hinterste die kleinste und hat fast immer die ungefaihre GréBe der Pilzpapillen. Bei diesen Tieren finden wir auch, daf in gleichen Abstaénden der Wallpapillen gegen den Zungenrand hin Pilzpapillen die unmittel- bare Fortsetzung der Wallpapillen bilden, und in einem Falle fanden sich auch medialwarts an Stelle der hintersten, dritten, linksseitigen Wallpapille rechterseits 4 zu einer Gruppe vereinigte Pilzpapillen. Hier bildeten also die 2 Wallpapillen die Mittelglieder einer vom Rande bis zur Mitte der Zunge von vorn nach hinten verlaufenden Reihe von Geschmackspapillen, die sich aus Pilzpapillen, Wall- papillen und wieder Pilzpapillen zusammensetzte (Fig. 35). Oben habe ich bereits erwihnt, da8 ich riickwarts von den Wallpapillen Pilzpapillen auffinden konnte, und daf in einem Fall 3 dieser Pilz- papillen auf der Zunge des Hundes eine den Wallpapillen parallele Reihe bildeten. Die etwa 4 mm hinter der hintersten Wallpapille gelegene Pilzpapille habe ich in Schnitte zerlegt und in Tafelfig. 47 ein Schnittbild derselben wiedergegeben. Wir sehen an demselben, da8 sich an der Basis der Papille die Zungenoberflache breitbuchtig vertieft hat und in diese Bucht Ausfiihrungsginge darunter liegender Eiweifdriisen miinden. Geschmacksknospen sind hier keine vor- handen, wohl aber noch im Epithel der Pilzpapille, so daf deren Kigenschaft als solche nicht zweifelhaft erscheinen kann. Wenn wir nun die Oberfliche der Wallpapillen betrachten, so finden wir in den weitaus selteneren Fallen dieselbe glatt, vielmehr sind strahlige Furchen, narbenahnliche Einziehungen, Spaltung oder Zerkliftung, letzteres. namentlich beim Pferd, zu beobachten. Durch tiefe Furchen in zwei und mehr Teile getrennte Papillen findet man bei allen hier untersuchten Tierarten mit Ausnahme der Schafe und Ziegen. Bei den Wiederkaéuern kommen nicht selten Zusammenlagerungen von 2 und 3 Wallpapillen innerhalb eines gemeinsamen Walles vor, und mit ihnen ist wohl die Wallpapille des Hundes in Tafelfig. 36 auf gleiche Stufe zu stellen. Beim Schweine und den Fleischfressern finden sich auf den Wallpapillen nicht selten noch sekundére Erhebungen, und in einem Falle sah ich eine solche auf einer Wallpapille des Rindes in Form einer hohen Papilla filiformis (Fig. 13). Auch bei der Wallpapille vom Hund in Tafelfig. 37 handelt es sich bei der aufsitzenden se- kundairen Papille mit den beiden verhornten Spitzen um eine Fadenpapille, wie auch in Fig. 42 die Vereinigung einer solchen mit der Wallpapille der Katze zweifellos zu erkennen ist. Da- gegen haben wir in den sekundaren Papillen auf den Wallpapillen 596 J. Becker, der Schweine, wie ein Vergleich der Fig. 22 mit Tafelfig. 23 (Papilla vallata centralis) mit Sicherheit feststellen aft, Pilz- papillen vor uns. - Wenn wir uns nun die Vielgestaltigkeit der Papilla vallata, wie sie nicht nur an Zungen der verschiedenen Tiergattungen, sondern bei ein und derselben Art, ja selbst an einem einzelnen Tiere nachweisbar ist, in den Figg. 13, 14, 15, Tafelfig. 16, Fig. 20, Tafelfigg. 23, 36, 37, Figg. 42, 51 und 52, welch letztere eine Wall- papille von einem Ochsen darstellt, vor Augen fiihren, so miissen wir zu der Auffassung kom- men, daf wir in den Wallpapillen keine einheitlich entstan- denen Gebilde zu er- blicken haben, son- dern solche, die teils aus einzelnen, teils aus durch Ver- schmelzung meh- Fig. 52. Wallpapille von einem Rind (Ochs). rerer, bald gleich- artiger, bald un- gleichartiger praexistierender Papillen hervorgegangenen Gebilden bestehen. Demgemaf sind drei Ordnungen dieser Papillenart zu unterscheiden: Die I. Ordnung der Wallpapillen, die urspriing- lichste Form, wird dargestellt durch eine von Wall und Graben umgebene einfache Papille, hervorge- gangen aus einer Papilla fungiformis. Auf der Ober- fliche sind weder Furchen, noch Gruben, noch sekundare Er- hebungen zu sehen, in GréfSe und Aussehen stimmen sie ganz oder annahernd mit den Pilzpapillen der betreffenden Zunge iiber- ein. Sie finden sich hauptsichlich bei den Wiederkauern, und diirften hierher fast alle Wallpapillen vom Schaf und der Ziege zu rechnen sein, vom Rind dagegen nur die vordersten und mehr lateral gelegenen (Fig. 20 und Fig. 52 und zum Vergleiche die Pilzpapille in Fig. 10). Bei den Fleischfressern diirften nur die zu hinterst liegenden dritten Wallpapillen einer Zungenseite und beim Pferd und Schwein Ueber Zungenpapillen. 597 nur accessorische Bildungen als zu dieser Ordnung gehérig in Be- tracht kommen. In Hinsicht auf Papillenformen, wie die in Fig. 14 wieder- gegebene, erscheint es nicht absolut ausgeschlossen, zumal bei Beriicksichtigung der Einwirkung der Driisen auf die Papillen, dal auch einmal eine Papilla filiformis in eine einfache Papilla vallata iibergefiihrt wird. Ich halte dies namentlich bei den Fleischfressern fiir méglich. Diell.Ordnung der Wallpapillen wird dargestellt durch eine von Wall und Graben umgebene Papille, deren gréferer Pilz hervorgegangen ist aus der Ver- schmelzung von zwei oder mehr Papillae fungifor- mes. Die Oberfliche zeigt mehr oder weniger deutliche Furchen oder Vertiefungen (Fig. 15). Solche Wallpapillen finden sich namentlich beim Rind unter den gréferen, nach hinten liegenden Wallpapillen. Der Einschlu8 mehrerer Papillen in einen gemein- samen Wall darf als Vorstadium zur Bildung solcher Wallpapilien zWweiter Ordnung angesehen werden. DielIll. Ordnung der Wallpapillen wird dargestellt durch eine von Wall und Graben umgebene groéfere Papille, deren Pilz hervorgegangen ist aus der Ver- einigung von Papillae filiformes und fungiformes zu einem mehr oder weniger einheitlicben Gebilde. Die Oberflache zeigt teils tiefere Gruben, Oeffnungen oder Furchen, so daB der Pilz aus mehreren kleineren Teilen zusammengesetzt erscheint, teils sekundire Erhebungen in Form der Faden- oder Pilzpapillen der betreffenden Tierart. Bei diesen gréferen Wall- papillen kommt es auch vor, daf der Pilz durch eine den Graben teilende Gewebsbriicke noch mit der Zungenschleimhaut in Ver- bindung steht. Der Pilz der Wallpapillen dritter Ordnung stellt eigentlich nichts anderes dar als einen durch einen tiefen Graben von der Umgebung abgegrenzten Teil der Zungenschleimhaut. Dies gilt besonders fiir die Wallpapillen des Pferdes und Schweines. AuSer bei diesen Tieren kommen Wallpapillen dritter Ordnung vor bei den Fleischfressern (Tafelfig. 36, 37 [Hund], Fig. 41, 42 [Katze]), und ineinem Falle fand ich eine solche auch beim Rind (Fig. 13). Beim Rind finden sich also Wallpapillen der drei Ordnungen vor, und sehr wahrscheinlich diirfte dies auch fiir die Fleischfresser nachweisbar sein. Da8 gerade diejenigen Tiere, auf deren Zungen- riickenfliche die verhaltnismafig kleinsten Pilzpapillen vorkommen (Pferd und Schwein), die gré8ten Wallpapillen aufweisen, erklart 598 J. Becker, sich dadurch, daf die die Basis der Pilzpapillen umgebende rinnen- formige Vertiefung des Epithels, welche in erster Linie als Miin- dungsstelle der Driisenausftihrungsginge in Betracht kommt, den zahlreichen Ausfiihrungsgingen nicht gentigend Raum bietet, sie nicht fassen kann; letztere miissen sich deshalb in einem gréferen Kreise lagern und schlieBen dann in denselben beide vorhandenen Papillenarten, Fadenpapillen und Pilzpapillen, ein. Demgegeniiber bietet die Basis bezw. Rinne um die verhaltnismaSig grofen Pilz- papillen auf dem Zungenkérper der Wiederkaéuer genug Raum zum Ausmiinden der Driisenausfiihrungsganege. Wiederholt habe ich darauf hingewiesen, da’ die Einlagerung von Driisen, serésen und Schleimdriisen, in die Zungenschleimhaut zur Folge hat, daf die in ihrem Bezirke stehenden Faden- und Pilzpapillen nicht oder nur in beschranktem Make an der aufersten Spitze verhornen. Dieser Umstand bildet die Vorbedin- gung ftir die Verschmelzung der Papillen und fiir die Bildung des Walles. Der Wall ist ausschlieflichdas Produkt verschmolzener Fadenpapillen. In der Regel verschmelzen nur die dem Graben benachbarten Fadenpapillen, um denselben herum einen geschlossenen oder hinten und vorn unter- brochenen Ring bildend, was auf Horizontalschnitten durch den Wall (Tafelfig. 38) deutlich zu Tage tritt, so da’ die Zahl der ver- schmolzenen Fadenpapillen noch feststellbar ist. Auch an einem Horizontalschnitt durch eine Wallpapille des Schafes sah ich, daf der Wall gebildet wurde durch 2 nach hinten spitz zulaufende Fadenpapillen, deren Enden durch Epithelzellen verkittet waren Dagegen sehen wir den Wall um die Wallpapille von der Ziege in Fig. 20 von 7 unvollkommen verschmolzenen Papillen gebildet. Bei der Wallpapille der Katze in Fig. 42 ist es nur auf der einen Seite zur Wallbildung durch Verschmelzung von Fadenpapillen gekommen, wahrend der Wall auf der anderen Seite durch Faden- papillen vertreten wird, was bei Katzen haufig beobachtet werden kann. Beim Pferd finden wir den Wall in der Regel schlecht ausgebildet, weil die Fadenpapillen sehr zart sind und die binde- gewebige Grundlage derselben nicht iiber die Schleimhautoberflache hervorragt. Beim Schwein dagegen werden die an die Wallpapillen unmittelbar angrenzenden zottenfoérmigen Fadenpapillen zur Wall- bildung herangezogen, infolgedessen der hintere Teil des Walles gewohnlich besser in die Erscheinung tritt als der vordere. Am schénsten und regelmafigsten finden wir den Wall zweifellos aus- vebildet beim Rind als runden geschlossenen, ziemlich hohen Ring Ueber Zungenpapillen. 599 .| : ‘um den Graben der Papille. Betrachten wir uns aber das Gebiet der Wallpapillen bei einem Foetus vom Rind, so finden wir keine - Walle um die Papillen, sondern eine gleichmaBige, glatte und glian- zende, etwas erhdhte Flache, in die die einzelnen Wallpapillen wie ~~ Aa Pa ~ Fig. 53. Wallpapille vom Rind (Ochs). in kraterférmige Vertiefungen eingesenkt erscheinen der Art, daf die Oberflaichen beider in einer Ebene liegen. Einzelne Papillen kénnen auch teilweise von der erhéhten Platte tiberdeckt werden, so daf sie in eine gewoélbedhnliche Grube zu stehen kommen, aus deren Oeffnung der Pilz der betreffen- : den Wallpapille mit einem sich verjiin- -genden oberen Teile abe wenn, MET als “herausschaut. Eine _ derartige Papille vom ay _ erwachsenen ‘Tiere Mo, (eine der vorderen “RE: Papillen von einem yt ve aan _ Ochsen) bringen die SS cs ae ete te 53 und 54 zur Fig. 54. Wallpapille vom Rind (Ochs). Anschauung. Fig. 53 zeigt einen Schnitt durch die Mitte der Wallpapille, Fig. 54 einen seitlich gefiihrten. Die beim Foetus vorhandene etwas hervortretende Platte ist aus den flichenweise miteinander verschmolzenen Faden- papillen hervorgegangen. Kinen eigentlichen Wall, d. h. einen nach 600 J. Becker, auBen von der Umgebung abgesetzten Ring finden wir beim Foetus noch nicht; ein solcher tritt erst spaiter hervor, indem das nicht unmittelbar an den Graben der Wallpapille angrenzende Gewebe einsinkt. Es kann sich auch noch ein zweiter, mehr oder weniger verhornender Wall bilden. Zwischen dem Pilz und dem Wall der Wallpapille liegt der Graben, welcher zur Aufnahme des Sekretes der Eiweifdriisen dient; im auskleidenden Epithel sind die Geschmacksknospen ein- gelagert. GMELIN (9) sagt, der Graben ,,ist hervorgegangen aus der Verschmelzung einzelner mit Sinnesepithelien ausgestatteter Driisenausfiihrungsginge“. Demnach wiirde der Graben die Enden der Ausfiihrungsgiinge selbst darstellen. Das ist jedoch nicht der Fall. Graben und Ausfiihrungsgiinge sind verschiedene Bildungen. Bei Besprechung des Randorgans werde ich hierauf zuriick- kommen. Am Graben und dem ihn auskleidenden Epithel miissen zwei Regionen unterschieden werden, eine obere und eine untere (vergl. Tafelfig. 16, 23, Fig. 52 und Tafelfig. 37). Die obere Region geht hervor aus der rinnenférmigen Ver- tiefung um die Basis der Pilzpapille. Dieser Teil des Grabens wird auf der einen Seite vom Epithel der urspriinglichen Pilz- papille, auf der anderen vom Epithel der zum Wall verschmolzenen Fadenpapillen ausgekleidet; er kann sich bei den verschiedenen Tierarten mebr oder weniger weit in die Tiefe erstrecken. In ihm finden sich in der Regel keine Geschmacksknospen, sondern nur ausnahmsweise, und zwar auf der Pilzseite; diese sind dann sicher noch von der Pilzpapille tiberkommen, da man deren ja manchmal auch noch im Oberflichenepithel der Wallpapille vor- findet. So hat HorrmMann (13) sie auf der Oberfliche der Wall- papillen des Menschen, HerMANN (11) beim Kaninchen und ich selbst beim Rind und bei Féten vom Rinde beobachtet. Nach HorFMANN (13) verschwinden die im Oberflachenepithel der Wall- papillen von Féten zahlreich vorhandenen Geschmacksknospen im selben Mae, wie deren neue im Wandepithel des Grabens ent- stehen. Demnach entwickelt sich die Wallpapille, indem sie zunachst das Stadium der Pilzpapille durchlauft. Der untere, tiefere Teil des Grabens ist eine neue Bildung. Er entsteht durch ringformige Tiefenwucherung des Epithels vom oberen Grabenteile aus und entspricht der Furche des Randorgans. Nur im Wandepithel dieses jiingeren Grabenteils finden sich regelmaSig Geschmacksknospen und in dieser Region kommen mitunter, besonders beim Hund, Geschmacksknospen auch im Epithel der Wallseite vor; in einem Ueber Zungenpapillen. 601 Fall fand sich hier eine solche auch beim Schwein. Bei einer Wallpapille des Hundes bildeten 3 itibereinander liegende Ge- schmacksknospen an der Wallseite nach oben hin gewissermafen die Fortsetzung der Knospenreihe in der unteren, verhaltnismabig kurzen Region der Papillenseitenwand, an der das Oberflichen- epithel ziemlich weit herabreichte. Ueberhaupt fand ich beim Hund Geschmacksknospen stets nur von da an im Wallepithel des Grabens eingelagert, wo sie an der Papillenseite aufhérten. Auch das Miindungsgebiet der Driisenausfiihrungsginge scheint sich auf diese untere Region zu beschrinken, wenigstens konnte ich an keinem Priparate beobachten, daf solche im primaren Grabenteil miindeten. Der primaire und sekundire Teil des Grabens ist in sehr vielen oder vielleicht den meisten Fallen auch daran unter- scheidbar, daf die epitheliale Auskleidung im sekundaren Teile plotzlich um die Halfte der Dicke abnimmt und einen mehr lymphoiden Charakter zeigt. Wie am Graben, so kann man natiir- lich auch an der Papille einen primaren und sekundaren Teil unterscheiden. In Fig. 52 stellt der Kopf d. h. die urspriingliche Pilzpapille den primaren, der untere ampullenformige K6rper den sekundaren Papillenteil dar. In vorstehenden Ausfiihrungen habe ich geniigend zum Aus- druck gebracht, daf& ich in den Wallpapillen keine ab initio neuen Gebilde erblicke, sondern sie auf Grund meiner Untersuchungsbefunde als Organe betrachte, die hervorgegangen sind teils aus ein- zelnen Pilzpapillen, teils aus der Verschmelzung von mehreren derselben oder von Fadenpapillen und Pilzpapillen, also immer aus praéexistierenden Zungenpapillen, unter Hinzutreten von EiweiB8- driisen und deren Ausftihrungsgingen. Als Beweis hierfiir dient mir: 1) Die Anordnung der Wallpapillen in nach riickwarts ge- richteten Reihen, entsprechend der Anordnung der Pilzpapillen; ihr regelmafiger Abstand voneinander in gleichen Entfernungen wie die der betreffenden Pilzpapillen bei reihenweisem Auftreten. 2) Die Uebereinstimmung des primiren Pilzteiles von Wall- papillen erster Ordnung in Bezug auf Form und Gréfe mit den Pilzpapillen der betreffenden Zunge. 3) Der Umstand, daf sowohl lateral wie medial von den Wall- papillen des Hundes Papillae fungiformes die Reihen fortsetzen in der Art, da erst Pilzpapillen, dann Wallpapillen, dann wieder Bd, XLII. N. F. XXXVI. 40 602 J. Becker, Pilzpapillen in gleichen Abstaénden eine vom Rande bis zur Mittel- linie der Zunge verlaufende Reihe bilden und da8 auch beim Rinderfoetus und beim Kalb medial von den Reihen der Wall- papillen sich Pilzpapillen als Fortsetzung der ersteren finden. 4) Das Vorkommen von 4 zu einer Gruppe vereinigten Pilz- papillen auf der rechtsseitigen Zungenhalfte eines Hundes an der — Stelle, wo linksseitig eine dritte Wallpapille stand, wahrend rechts eine solche fehlte. 5) Das Vorkommen von Pilzpapillen riickwarts von den Wall- papillen. 6) Das Vorkommen von Fadenpapillen und Pilzpapillen auf Wallpapillen des Pferdes, Rindes und Schweines und die Ver- schmelzung dieser Papillenarten zum Pilz der Wallpapille, wie dies bei den Fleischfressern nachgewiesen wurde. 7) Das Vorkommen von Geschmacksknospen im Oberflachen- epithel der Wallpapillen bei verschiedenen Tieren und besonders bei Féten, was beweist, daf{ die Wallpapille in ihrer ontogene- tischen Entwickelung das Stadium der Pilzpapille durchlauft. 8) Das Vorkommen von Uebergangsformen zwischen Pilz- papillen und Wallpapillen. Es fragt sich nun, welche Bildungen als Uebergangsformen zu den Papillae vallatae gelten kénnen. Nach BricHer (5) wiirden in das Oberflaichenepithel der Zunge eingesunkene Pilzpapillen schon Uebergangsformen darstellen, und miiften dann fast alle auf dem Zungenkérper der Wiederkauer gelegenen Pilzpapillen dafiir angesehen werden. Hierzu liegt aber kaum wohl eine Berechtigung vor, wenn auch das Einsinken ins Epithel solche Papillen als besonders geeignet zur Ueberfiihrung in Wallpapillen erscheinen 1a8t. H6niascumiep (12) sieht beim Eber gefundene schwammformige Warzchen, welche gar nicht iiber die Oberflache der Zunge hervorragen, zwar allseits von einem Wall umgeben sind, im Epithel des Seitenabhanges aber keine Geschmacksknospen enthalten, fiir Uebergangsformen an. Nach GMELIN (9) kommen als solche in Betracht Papillae fungiformes, welche ,,zumal, wenn sie in naichster Nachbarschaft der umwallten Warzchen stehen, als ein Zeichen der Verwandtschaft mit den Wallpapillen gleichfalls mit serdsen Driisen ausgestattet waren“, und OppeL (17) stellt die gleichen Anforderungen, wenn er sagt: Val Wallpapillen aus Pilzpapillen heutzutage hervorgehen, glaube ich nicht, weil Uebergangsformen, als welche ich Pilzpapillen mit spirlichen Geschmacksdriisen betrachten wiirde, vollstandig fehlen.“ Ueber Zungenpapillen. 603 Kine Pilzpapille, welche diesen Anforderungen entspricht, habe ich nun aber bei einem Hunde riickwiarts von den Wallpapillen auf- finden kénnen (Tafelfig. 47). Sie lag 4mm von einer Wallpapille, also ,,in nichster Nachbarschaft der umwallten Warzchen“, und ist »gleichfalls mit serésen Driisen ausgestattet’, es ist eine Pilz- papille ,mit sparlichen Geschmacksdriisen“. Letztere gehéren zWeifellos dem Driisenlager der benachbarten Wallpapillen an, haben aber, an der Aufersten Grenze desselben liegend, ihre Ausfithrungs- giinge nicht nach der Wallpapille, sondern nach der niaheren, tiber ihnen liegenden Pilzpapille gesandt. Daf Eiweifdriisen nicht immer in einen Graben oder eine Furche, sondern vereinzelt auch an der Zungenoberflache miinden, ist von verschiedenen Autoren und auch von mir beobachtet worden. Eine solche Pilzpapille mit an ihrer Basis ausmiindenden Eiweifdriisengingen muf als Ueber- gangsform angesehen werden. Weiterhin miissen als Uebergangs- formen Papillen gelten, wie die in Fig. 14 dargestellte, bei denen es zwar zur ringférmigen Tiefenwucherung des Epithels gekommen ist, nicht aber zur Ausbildung desselben zum Sekretbehalter oder Graben, indem sich entweder keine Ausfiihrungsginge der am Standort solcher Papillen an der Grenze des Driisenfeldes meist nicht mehr so zahlreich vorhandenen serésen Driisen nach dem Epithelring gewendet haben oder, wenn dies auch der Fall ist, eine Spaltung der Zellmassen durch sie nicht bewerkstelligt werden konnte. Man koénnte in diesen Fallen daran denken, daf die be- treffenden Driisen entweder nicht tatig waren oder ihr Sekret- druck nicht hinreichte, um einen Durchbruch nach aufen herbei- zufiihren. Eine Uebergangsform, meines Erachtens die tiber- zeugendste, stellt ferner die Papille in Tafelfig. 16 vor. Ks ist eine an der vorderen Grenze des Eiweifdriisenlagers beim Rind vorgefundene Pilzpapille, die auf der dem Driisenfeld zugekehrten Seite von einer wallahnlichen Erhebung umgeben war. Die mikro- skopische Untersuchung ergab das Vorhandensein eines mit Ge- schmacksknospen ausgestatteten sekundiren Papillenteiles, also auch einer tieferen Grabenregion, in welche vereinzelte Aus- fiihrungsginge sparlich vorhandener seréser Driisen einmiindeten. In Bezug auf die Grundlagen fiir die Lehre, da’ die Wall- papillen aus Pilzpapillen hervorgehen, sagt OppEL (17): ,,Schwer- wiegend ist der hochwichtige Fund, daf auch bei den Saugetieren in der Entwickelung der Wallpapillen zuerst auf der Oberflache Geschmacksknospen auftreten.“ Dem Vorkommen von Uebergangs- formen, wie ich sie oben nachgewiesen habe, diirfte, zumal in 40 * 604 J. Becker, Hinsicht auf ihre Lage an der Grenze der Driisenbezirke, nicht weniger Beweiskraft fiir die Berechtigung der fraglichen Lehre innewohnen. Was nun das Randorgan (Papilla foliata) anbetrifft, so findet sich ein solches beiderseits am Zungenkorper regelmaBig beim Pferd, Schwein und Hund, bei letzteren beiden aber nicht immer . in gleich guter Ausbildung. Bei der Katze kann es_ beiderseitig oder einseitig vorhanden sein oder ganz fehlen. Beim Rind kommt an analoger Stelle bei den weitaus meisten Zungen, und zwar haufiger doppelseitig als nur einseitig, eine Bildung vor, die als ein unvollkommen ausgebildetes Randorgan angesehen werden mu. In Bezug auf die makroskopischen Verhaltnisse verweise ich auf die an friiherer Stelle gemachten naheren Angaben und Fig. 17. — Das in gleicher Weise wie die Wallpapillen durch das Vorhandensein seréser Driisen ausgezeichnete Randorgan liegt wie jene ausschlieflich auf dem hintersten Teile der Zunge, und zwar mit Ausnahme beim Pferd, bei dem es mehr gegen den Zungen- grund gertickt ist, in gleicher Héhe mit den Wallpapillen. Beim Pferd finden wir es auf dem hintersten Teile des Zungenrandes, beim Schwein mehr an den Seitenflichen der Zunge, beim Hund und der Katze ebenfalls am Zungenrande, aber noch im Bereiche der Fadenpapillen. Dargestellt wird das Organ durch eine gréfere oder kleinere Anzahl in die Scbleimhaut sich einsenkender, langerer oder kiirzerer Furchen mit dazwischen liegenden Gewebsleisten. Konstant in seiner Ausbildung und in Bezug auf Gestalt, Zahl und Richtung der Furchen und Leisten ist eigentlich nur das Rand- organ des Pferdes. Die auf den Leisten desselben hier und da vorkommenden feinen Oeffnungen stellen die Miindungen von Ausfiihrungsgingen oberflachlich gelagerter seréser Driisen dar, wihrend die etwas gréferen Oeffnungen, wie sie auf der Oberflache der Wallpapillen des Pferdes beobachtet werden, als durch un- vollkommene Verschmelzung benachbarter Papillen entstandene Gruben zu betrachten sind, an deren Boden in der Regel auch serése Driisen miinden. Beim Randorgan des Schweines finden sich dagegen ziemlich haufig wesentliche Unterschiede in der auferen Form, wie in der Zahl und Richtung der Furchen. Zunachst sei bemerkt, dal die Angabe vy. Exsners (8), daS im Epithel der Schleimhautfalte am Boden der Furche Geschmacksknospen nicht vorkommen, unzu- treffend ist. Ich habe in einem Falle solche vorgefunden. Uebrigens kann diese Schleimhautfalte fehlen oder auch zu zweien oder Ueber Zungenpapillen. 605 dreien, dann aber entsprechend kleiner, vorhanden sein. Ebenso konnte ich entgegen der Angabe Csoxors (6) feststellen, daf8 Driisenausfiihrungsgange nicht nur am Boden der Furche, sondern auch an den Seiten einmiinden, und zwar in zweierlei Weise. Ent- weder miindet der Ausfiihrungsgang in eine seitliche Ausbuchtung der Furche oder er hért am AuSeren Rande des gerade ver- laufenden Wandepithels der Furche auf, und dieses wird nur vom Sekretstrom geradlinig bis zum Lumen der Furche durchbrochen. Besonders interessant ist der Umstand, daf} wir beim Randorgan des Schweines neben und an Stelle gréSerer Furchen kleine, teils offene, teils vom Oberflichenepithel tiberdeckte Gruben und kleinste Spalten antreffen, und daf die Anzahl der ausgebildeten Furchen und dieser Gruben zueinander in umgekehrtem Verhiltnisse stehen. Wenn schon aus dieser Tatsache der Schlu8 berechtigt erscheint, da8 die Furchen aus solchen seitlich ineinander tibergegangenen Gruben entstanden sein miissen, so wird diese Annahme noch unterstiitzt durch den Befund, da sich auch unter den itiber- deckten grubenf6rmigen Einsenkungen des Epithels mehr oder weniger ausgebildete Spalten befinden, die in ihrem Wandepithel zahlreiche Geschmacksknospen aufweisen (Tafelfig. 30 u. 31). Hin Vertikalschnitt durch einen Teil des Randorgans mit 2 oder 3 solcher Gruben liefert uns ein Bild, das mit einem gleichen Schnitt durch normale Leisten nahezu tibereinstimmt (Tafelfig. 30) und er- kennen laft, daf das Randorgan beim Schwein nicht aus pra- existierenden Papillen (Wallpapillen) hervorgeht, sondern sich bildet, indem tiber einem Eiweifdriisenfeld das Oberflichenepithel in die Tiefe dringt, um mit den Ausfiihrungsgingen der serésen Driisen in Verbindung zu treten. Durch den Druck des Driisensekretes spaltet sich dann das Epithel, die obersten Zellschichten der Wand der entstehenden Rinne werden abgeplattet, und in demselben Mae, wie dies von der Tiefe nach der Oberfliche fortschreitet, lagern sich in die den Sekretstrom umgebenden Epithelmassen der Grabenwand Geschmacksknospen ein. Zu diesen fiihren vom Lumen der Rinne weite trichterférmige Oeffnungen im Wand- epithel. Indem nun die so entstandenen reihenweise neben- einander gelagerten Sekretkanaile durch Schwund der zwischen- liegenden Epithelwande ineinander tibergehen, entstehen ktirzere oder laingere Sekretbehalter oder Furchen. Gegen die Oberflaiche kann sich der Sekretstrom teilen und einen Epithelsequester zwischen sich einschliefen, durch dessen Abstofung beim Durch- bruch des Sekretes nach auBen ein breiter Zugang zu dem Sekret- 606 J. Becker, behalter geschaffen wird. Wir miissen also unterscheiden zwischen den eigentlichen Drisenausfiihrungsgingen und den epithelialen Sekretbehaltern, in welchen die ersteren ihr Ende erreichen. Nur im Wandepithel der Sekretbehilter oder Furchen kommen Ge- schmacksknospen vor, in der Wand der Driisenausfiihrungsginge dagegen niemals. In diesem Sinne ist die Feststellung Gmetins (9), | daf der Graben der Wallpapillen hervorgegangen ist aus der Verschmelzung einzelner ,,mit Sinnesepithelien ausgestatteter Driisenausfiihrungsginge“, zu prazisieren, denn die Furche des Randorgans entspricht der tieferen Region des Grabens, die sich in analoger Weise bilden diirfte. Die Leiste dagegen ent- spricht nicht dem Pilz der Wallpapille, sondern dem Wall. Diese Uebereinstimmung von Wall und Leiste kommt besonders zum Ausdruck bei jenen Tieren, bei welchen das Rand- organ nicht wie beim Schwein an der papillenfreien Seitenflache der Zunge, sondern noch im Bereiche der Papillen der Zungen- riickenflache liegt, wie dies beim Hunde und der Katze der Fall ist. Wie bei diesen Tieren um den Graben der Wallpapille herum die Fadenpapillen zum Wall verschmelzen, so verschmelzen am Randorgan die zwischen den Furchen liegenden Fadenpapillen zu kammférmigen Erhéhungen der Leisten, die beim Hunde eine bogenférmige Krtimmung gegen die Mitte des Randorgans er- kennen lassen. Man konnte schlieflich bei diesen Tieren dann auch einen primaren und sekundiren Teil der Furche wie beim Graben unterscheiden. Im allgemeinen aber kann man das Rand- organ, wenn man es als eine Papille gelten lassen will, als eine passive den anderen — Pap. filiformes, fungiformes und vallatae — als aktiven, d. h. tiber die Schleimhautoberflache sich erhebenden Papillen gegentiberstellen. Die Bildung des Randorgans beim Schwein beweist, daf die Entstehung eines Geschmacksorgans nicht vom Vorhandensein wahrer Papillen abhangig ist, sondern sich tiberall da bilden kann, wo serése Driisen sich entwickeln, und daf diese Driisen demnach nicht, wie OppeL (17) annimmt, in Abhangigkeit, d. h. als ein Produkt von Papillen entstehen, sondern als selbstaindige Gebilde unabhangig von praexistierenden Papillen, dagegen abhangig von bestimmten aiuBeren Reizen. Ferner sieht OpPeL (17) ,,in den Geschmacksdriisen der Siuger ganz junge Erwerbungen“. Danach mu angenommen werden, daf zur Zeit des Auftretens von Geschmacksdriisen beim Pferd und Schwein (wohl auch noch bei anderen Tieren), d. h. zur Zeit der Entstehung des Randorgans dieser Tiere, die auf den Ueber Zungenpapillen. 607 Seitenflachen der Zunge ehemals sicher vorhanden gewesenen Pa- pillen durch den Druck der Umgebung u. s. w. bereits verschwunden oder doch so zuriickgebildet und verkiimmert waren, daf sie fiir die aufere Gestaltung des neuen Organs nicht mehr in Betracht kamen. Ware dies nicht der Fall, so wiirden wir bei diesen Tieren nicht ein Randorgan in seiner heutigen Form finden, son- dern in der einer Wallpapille oder einer ihr ahnlichen Gestalt. Diese Ansicht stiitzt sich auf folgende zwei Befunde: An einer Zunge des Schweines fand ich auf dem Randorgan (Fig. 32) eine Papille, die ich fiir eine Pilzpapille ansah. Bei der mikroskopischen Untersuchung erkannte man ein ziemlich grofes, rundes Gebilde, das von seiner Umgebung durch einen breiten Epithelzellenring scharf abgegrenzt war. Mit einem kleinen Teil seiner Oberflache schwach iiber die Schleimhautoberflache hervorragend, erscheint das Gebilde in die Schleimhaut bezw. das Randorgan hineingesenkt und seine bindegewebige Grundiage mit Rundzellen geradezu voll- gepfropft, in welchen 3 verschieden grofe Lymphnoduli lagen. Das Grundgewebe ging seitlich an einer beschrankten Stelle in das der Schleimhaut tiber. Der Epithelrmg schlof einen langen Hohl- raum ein, der an anderen Schnitten zu einem Graben erweitert an der Schleimhautoberflache ausmiindete; dadurch entstand das Bild einer Wallpapille, die aber nicht am Boden der Grube, sondern an der Wand derselben festgewachsen war. Ich erklare mir das Ganze folgendermagen: In dem vorliegenden Falle ist auf dem Gebiete des Randorgans eine gréBere Pilzpapille zur Entwickelung gekommen. Infolge des Druckes der benachbarten Teile konnte sie sich aber nicht aufrecht auf der Oberfliche entwickeln, sondern wurde nach der Seite umgedriickt und samt dem unterliegenden Oberflichenepithel in das Gewebe des Randorgans hineingepreBt, wobei es zu einer innigen epithelialen Verkittung zwischen der Papille und der Schleimhautoberfliche kam. Da nun serése Driisen in der Umgebung vorhanden sind, so diirften sich Ausfiihrungs- gange derselben, wie wir das iiberall gefunden haben, der — hier aber passiv — in die Tiefe gelangten Epithelzellenhiille zugewen- det, durch den Druck ihres Sekretes dieselbe gespalten und zum grabenférmigen Behilter erweitert haben. Dadurch entstand ein einer Papilla vallata ahnliches Gebilde im Randorgan. Geschmacks- knospen konnte ich im Wandepithel dieses Grabens nicht feststellen. Allein, da ein sekundarer Grabenteil fehlt, wiirde das Fehlen der Knospen die Richtigkeit des friiher Gesagten bestatigen, daf neue Geschmacksknospen sich nur im sekundaren Grabenteil, welcher 608 J. Becker, der Furche des Randorgans entspricht, bilden und dafi Knospen, die sich im primaren oberen Teile finden, von der Pilzpapille tiberkommen sind. Ferner fand ich bei der Katze ein Randorgan in der Form einer von einem Wall und Graben umgebenen Papille (Fig. 44). Bei der mikroskopischen Untersuchung ergab sich, daf der Graben auf der einen Seite, wo Schleimdriisen benachbart . waren, ohne sekundéren Teil und ohne Knospen war, auf der an- deren Seite im Gebiete der serésen Driisen dagegen einen tiefen Teil mit Geschmacksknospen aufwies (Tafelfig. 45). Neben dieser Grabenseite lag noch eine zweite mit zahlreicheren Geschmacks- knospen ausgestatte Furche. Nach diesen beiden Befunden darf gesagt werden, dak das Randorgan eine verschiedene Gestalt aufweisen wird, je nachdem zur Zeit der Entstehung seiner Ge- schmacksdriisen in deren Bereiche Papillae fungi- formes und filiformes vorhanden waren oder nicht. Damit erklirt sich die Mannigfaltigkeit der auBeren Form dieses Organs und die Tatsache, daf beispielsweise bei einer Fledermaus die Papillae foliatae dermaen Papillae vallatae ahnlich sehen, dah sie von TucKERMAN fiir am Zungenrande liegende Papillae val- latae erklirt wurden. Andererseits kommen, wie schon erwahnt, beim Rind nicht selten an Stelle der Wallpapillen nur entsprechend groBe und tiefe Gruben vor, in einem Falle 4 auf einer Zungen- seite, indem der Pilz der Wallpapille fehlte. Denkt man sich solche Gruben nebeneinander liegend seitlich zusammengepreBt, so bekommen wir ein einer Papilla foliata ahnliches Gebilde an Stelle der Papillae vallatae. Bei der Bildung der Geschmackspapillen héherer Ordnung, der Wallpapillen und Randorgane, ist das Wesentliche das Auftreten der Geschmacksdrisen, die Tiefenwucherungdes Oberflachenepithels, durch welches das Sekret von den Driisenausfiihrungs- gingen nach der Oberflache seinen Weg nimmt, das Auftreten neuer Geschmacksknospen in der Wan- dung der so entstandenen Sekretkanale und die reihenweise seitliche Verschmelzung der letzteren zu einem zusammenhangenden Sekretbehalter, zum Graben bezw. zur Furche. Liegen im Gebiete der Ge- schmacksdriisen Pilzpapillen, so entstehen Wall- papillen; fehlen solche Papillen, so entstehen Or- gane nach Form der Randorgane des Pferdes und Ueber Zungenpapillen. 609 Schweines, oder, wenn vorhandene Fadenpapillen gut entwickelt sind, nach Form der Randorgane beim Hund oder bei der Katze. Dieses Untersuchungsergebnis steht auch im Einklang mit den experimentellen Beobachtungen GrIFFINIS (10). Er hat festgestellt, da’ bei totaler und partieller Abtragung der Papilla foliata und der Papilla vallata (calyciforme), selbst wenn dieselbe so tief erfolgt, da% noch ein gutes Stiick des Muskelgewebes entfernt wird, immer wieder an der alten Stelle eine Neubildung des Organs erfolgt, und zwar in Form halbkugeliger Erhebungen mit einer zentralen Vertiefung, wie wenn es Miin- dungen von Driisenausfiihrungsgingen waren. Die Zahl der Pro- minenzen ist verschieden grof (4—-60). ,Les proéminences hémi- sphériques les plus grandes offrent dans leur ensemble beaucoup de ressemblance avec un petit appareil folié, qui, se trouvant en voie de développement, aurait été arrété dans un stade peu avan- cé.“ Die Prominenzen machten also in ihrer Gesamtheit den Ein- druck einer kleinen Papilla foliata, die auf einem wenig vorge- schrittenen Entwickelungstadium stehen geblieben ist. Halbkugelige Erhebungen (proéminences hémisphériques) sehen wir aber auch in den beiden Schnittbildern Fig. 18 und 19, welche Gebilde ich als verkiimmerte Randorgane des Kalbes bezeichnet habe. Beriicksichtigt man noch deren Uebereinstimmung mit der halb- kugeligen Erhebung im Randorgane des Schweines, die Fig. 33 zeigt, so diirfte es kaum einem Zweifel unterliegen, da’ auch die fraglichen Bildungen beim Kalb bezw. Rind eine Papilla foliata darstellen, ,,un petit appareil folié, qui, se trouvant en voie de développement, aurait été arrété dans un stade peu avancé“. Die Ursache fiir die unvollkommene Ausbildung oder fiir die Riick- bildung — Oppen (17) sagt ,,wir haben es als Riickbildungser- scheinung zu deuten, wenn wir bei einem Saugetier Randorgane vermissen“’ — des Randorgans beim Rind, sowie fiir das Fehlen beim Schaf und der Ziege, haben wir meines Erachtens in dem Umstande zu suchen, daf bei diesen Tieren die Wallpapillen in so reichlicher Anzahl vorhanden und besonders beim Schaf und der Ziege so gelagert sind, daf sie teilweise noch iiber den Zungen- rand nach der Seitenflache tibergreifen, und daf ferner die einzelnen Wallpapillen aufs reichlichste mit Geschmacksknospen ausgestattet sind. Diese Tiere bediirfen einer Erweiterung der Geschmacks- zone nach der Seitenflache der Zunge nicht, wie jene Tiere, welche nur verhaltnismafig wenige und mehr nach der Zungenmitte ge- lagerte Wallpapillen besitzen. L. Lannors (14) sagt in seinem 610 J. Becker, Lehrbuch der Physiologie des Menschen: ,,Die Intensitat der Ge- schmacksempfindung hangt ab: 1) Von der GréSe der affizierten Flache, wie namentlich CAMERER feststellte, als er auf 1, 2, 3, 4 umwallte Papillen die schmeckende Substanz brachte.“ Betrachten wir die Wallpapille vom Ochsen in Fig. 52, so bekommen wir eine Vorstellung von der reichen Anzahl von Geschmacksknospen, die die Wiederkaéuer in ihren vielen Wallpapillen beherbergen, und von der Gréfe der atiizierbaren Flache. Eines Erganzungsorgans in Form eines Randorgans bediirfen sie infolgedessen nicht, das vorhandene verkiimmert und verschwindet allmahlich. Ich habe mich an friiherer Stelle dahin ausgesprochen, da die serésen Driisen ihre Entstehung nicht einer den Papillen inne- wohnenden besonderen Eigenschaft verdanken kénnen, sondern unter der Einwirkung bestimmter auferer Reize urspriinglich ent- standen sein diirften. Diese Reize suche ich beziiglich der Ge- schmacksdriisen der Zunge in der Inspirationsluft und den in ihr enthaltenen verschiedenen Stoffen; denn Geschmacksdriisen und héhere Geschmackspapillen finden sich bei allen damit ausgestatteten Tieren nur auf dem hintersten Teile der Zunge, also dort, wo die Respirationsluft andauernd auf die Oberflaiche der Zunge einzu- wirken im stande ist, und die héheren Geschmackspapillen, Wall- papillen und Randorgane, sind durch die ganze Saugetierklasse, abgesehen von der einfach vorhandenen Wallpapille der Muriden und Geomyiden, auf dem Zungenkérper bilateral angeordnet, ent- sprechend der bilateralen Anordnung der Respirationswege der Nase. Nun sehen wir in dem auf einer niederen Entwickelungs- stufe stehenbleibenden Randorgan des Kalbes in Fig. 19 drei Lymphnoduli in ziemlich gleichen Absténden voneinander. Sie liegen unmittelbar unter der Schleimhautoberflache. Ueber dem einen hat sich eine Grube gebildet, und an einzelnen Zungen vom Rind kamen ja auch 2 und 3 solcher Gruben nebeneinander vor. Danach méchte man annehmen, daf die Einwirkung der Respi- rationsluft zunachst die Bildung von Lymphnoduli und lympha- denoider Substanz zur Folge hat, die dann das Material zum Bau der Driisen liefern. An Randorganen des Hundes und der Katze lassen sich nimlich von der lymphadenoiden Substanz unter der Schleimhautoberflache Zellstrange in die Tiefe verfolgen, welche die quer vorgelagerten Muskelfaserbiindel durchdringen und zum Teil zur Atrophie bringen, indem sie die Fasern einschliefen. Je tiefer diese Wanderung sich erstreckt, je tiefer dann die aus diesen Zellen sich bildenden Driisen zu liegen kommen, um so tiefer Ueber Zungenpapillen. 611 werden auch der Graben um die Wallpapille und die Furchen des Randorgans. Andererseits haben wir gesehen, da8 oberflach- lich gelagerte Driisen, z. B. an einem schlecht ausgebildeten Randorgan des Hundes, frei auf der Schleimhautoberfliche miinden, ohne daf es zur Bildung einer Furche mit Geschmacksknospen kommt. Je tiefer sich nun also die Furchen gestalten, um so mehr Raum bieten sie in ihren Wandungen zur Einlagerung von Geschmacksknospen, und um so besser geformt und ausgebildet wird das Organ, um so gréSer seine Bedeutung fiir. das Ge- schmacksvermégen des betrettenden Tieres. Naheliegend ist nun auch die Frage, welche physiologische Bedeutung das Sekret der Geschmacksdrtisen hat, welche Auf- gaben ihm fiir das Zustandekommen von Geschmacksempfindungen beizumessen sein diirften. Ueber diesen Punkt spricht sich y. Epner (8) folgendermaSen aus: ,Die Aufgaben, die man dem Driisensekret vermutungsweise zuschreiben darf, sind Lésung fester schmeckbarer Stoffe, Verdiinnung oder chemische Veraénderung von Fliissigkeiten, die als zu starke Reize wirken, endlich rasche Reinigung der Graben und Furchen der Geschmacksorgane von schmeckbaren Fliissigkeiten, um die Geschmacksknospen fir die Vermittlung neuer Erregungen tauglich zu machen. — Allein es ist klar, dab, die Stichhaltigkeit der aufgestellten Vermutung vor- ausgesetzt, die Funktionsfaihigkeit der Geschmacksknospen durch die Driisen nur beférdert, nicht bedingt wird, daf also auch Ge- schmacksknospen, die fern von serésen Driisen sind, ihrer Aufgabe, wenn auch in weniger vollkommener Weise, werden geniigen kénnen.“ Drascu (7) sagt: ,Das Sekret der Hiweifdriisen kann nicht einzig und allein den Zweck haben, die Geschmacksfurchen zu reinigen. Im Geschmacksorgan selbst muf ein Mechanismus vorhanden sein, um die Furchen von Schmeckstoffen und Sekret zu reinigen, um neuen Reizungen zuginglich zu sein.“ Er halt die Schmeckbecher fiir Kapillarvorrichtungen, um die Flissigkeit aus den Spalten in die Tiefe zu leiten, von wo sie durch Lymph- strémung weggefiihrt werden. Dieser Ansicht Drascus méchte ich mich anschlieSen und annehmen, dafi die fragliche Hinweg- schaffung oder Neutralisierung der in die Knospen gelangten Schmeckstoffe der lymphadenoiden Substanz zufallt, die tiberall um die Graben und Furchen der héheren Geschmacksorgane vor- handen ist und in ihrer Ausbreitung iibereinstimmt mit derjenigen der Geschmacksknospen, zu welchen sich von der lymphadenoiden Substanz Rundzellenstrange hinziehen. Was nun aber die Aufgabe 612 J. Becker, des Driisensekrets selbst anbetrifft, so ist zunaichst zu beriicksich- tigen, da’ Geschmacksdriisen fiir die Méglichkeit des Schmeckens nicht unbedingt notwendig sind, was sich aus der Tatsache er- gibt, dafi die Pilzpapillen dieser Sinnesvermittlung fahig sind, ohne mit Geschmacksdriisen ausgestattet zu sein. Das Schmeckvermégen an sich ist also an das Vorhandensein von Geschmacksknospen gekniipft, die Intensitaét des Schmeckens hingt, wie wir oben ge- hért haben, von der Zahl der Knospen ab, und, um nur dem Zweck einer mechanischen Reinigung des Sekretbehalters zu dienen, diirfte die Bildung spezifischer Driisen und ihre organische Ver- einigung mit den vorhandenen Geschmackspapillen als eine zu hoch entwickelte Einrichtung erscheinen. Dies beriicksichtigend, sowie die bereits hervorgehobene Tatsache, daf die Wallpapillen und Rand- organe ausschlieflich auf dem hintersten Teile der Zunge und zwar in bilateraler, den Respirationswegen der Nase entsprechender An- ordnung vorkommen, geht meine Ansicht dahin: Wahrend die in der Hauptsache auf der vorderen Zungenhalfte, der Zungeuspitze, lokalisierten Pilzpapillen dem Tiere in erster Linie dazu dienen, die bereits in die Mund- héhle aufgenommenen festen und fliissigen Nahrungs- mittel auf ihren Geschmack und ihre Genie8barkeit zu priifen, vermag es durch die Wallpapillen und Rand- organe — diese befaihigt durch das Sekret der Ge- schmacksdriisen — aus den mit der Respirationsluft auf- gesogenen gasférmigen und korpuskularen Schmeck- stoffen, also ohne erst die Dinge, von welchen die letz- teren ausgehen, in den Mund nehmen und verkauen zu mniissen, festzustellen, ob ihm diese Dinge zur Nahrung dienlich sind oder nicht, indem die in der eingeat- meten Luft enthaltenen Schmeckstoffe in raschester Weise von dem Driisensekret fixiert, gelést und den percipierenden Organen zugefiihrt werden. In dieser Aufgabe und Fahigkeit liegt meines Erachtens die spezifische, die Wallpapillen und Randorgane tiber die Pilzpapillen erhebende EKigenschaft des Sekretes der serésen Dritisen. Die Fahigkeit, das Vorhandensein ge- eigneter Futtermittel aus gréferer oder kleinerer Entfernung fest- stellen zu kénnen, ist fiir die Erhaltung des Individuums von nicht geringerer Bedeutung als ein hochentwickelter Geruch-, Gesicht- oder Gehérsinn. Da wir wissen, wie potenziert die betretfenden Sinnesorgane bei den Tieren entwickelt sein kénnen, haben wir Ueber Zungenpapillen. 613 keine Veranlassung, dies vom Geschmacksinn nicht ebenfalls vor- aussetzen zu diirfen, wenn auch durch Domestikation und andere Umstiinde eine gewisse Abschwachung desselben eingetreten sein mag. Aus dem Geruch allein kann die Tauglichkeit einer Sache als Nahrungsmittel nicht ohne weiteres festgestellt werden. Wenn ein junges Tier zum erstenmal aus dem Stall auf die Weide kommt und sofort die fiir sich geeigneten Graser zwischen ungeeigneten herauszufinden vermag, so ist das nicht Instinkt, sondern die Folge eines entsprechend hochentwickelten Geschmacksinnes. Dieser wird dann wohl noch beim alteren Tiere durch die Erfahrung, durch den Geruch- und den Gesichtssinn unterstiitzt. Letzterer kann, wie dies bei den Végeln zweifellos der Fall ist, fiir das Aufsuchen der Nahrung, d.h. fiir die Futterwahl in den Vordergrund treten, und wir sehen deshalb bei diesen Tieren die Geschmacksorgane, welche nach Borrezar (3) auch den Végeln nicht fehlen, ganz be- deutend in ihrer Entwickelung und Bedeutung zuriicktreten. Ob- wohl sie in groBer Menge in der Rachenhoéhle ihren Sitz haben, teils in Form schlanker, spindelf6rmiger Gebilde, teils in der fiir die Végel spezifischen Form von in ihrer Achse von Schleimdriisen- ausfiihrungsgangen durchbohrten Knospen (nach Borrzat), so finden sie sich doch nicht in Form von Geschmackspapillen, spe- ziell von solchen mit serésen Driisen. Sie diirften also nur die Aufgabe haben, wie ich sie speziell den Pilzpapillen zurechne, und BorezaT (3) sagt auch: ,Ein Huhn oder ein Sperling wird auch ihm nicht zusagende Stoffe aufnehmen, jedoch, sobald es zum Ver- schlucken kommt, wieder von sich geben.‘ Diejenigen Tiere, welche auf der Zunge bis zur Spitze Pilzpapillen d.h. Geschmacksknospen besitzen, brauchen nicht erst die Stotfe bis zum Rachen zu be- fordern, um feststellen zu kénnen, ob sie ihnen schmecken oder nicht. Andererseits unterliegt es keinem Zweifel, da’ die mit so zahlreichen Geschmacksknospen ausgestatteten Wallpapillen und Randorgane in zweiter Linie auch in die Mundhéhle aufgenommene Stoffe mit um so gréferer Schnelligkeit und Sicherheit auf ihren Geschmack zu priifen im stande sind, und daf infolgedessen die Pilzpapillen mit dem Auftreten der Wallpapillen und Randorgane in ihrer Bedeutung als geschmackvermittelnde Organe fiir die in die Mundhéhle gelangten Nahrungsstoffe zuriicktraten und zum Teil untergingen. Sie waren aber jedenfalls urspriinglich die einzigen Geschmackspapillen, wahrend die Wallpapillen und Randorgane erst mit der Entwickelung einer ausgedehnten Flora ein Bediirfnis ge- worden sein diirften. 614 J. Becker, Das Resultat meiner Untersuchungen ist in Bezug auf die phylogenetische Entwickelung und Verwandtschaft der Zungen- papillen folgendes: Die Papillae filiformes stellen in der Form einer Papilla coronata und fasciculata die urspriinglichsten Zungenpapillen vor, Die Papillae fungiformes haben sich aus den Papillae fili- formes entwickelt und kénnen sich wieder zu solchen zuriickbilden. Uebergangsformen kommen vor. Die Papillae vallatae haben sich aus den praexistierenden Zungenpapillen, in erster Linie aus den Papillae fungiformes durch das Hinzutreten von Geschmacksdriisen gebildet. Ihre Zusammen- setzung nach kann man sie in 3 Ordnungen einteilen: Eine Wallpapille I. Ordnung ist hervorgegangen aus einer einfachen Papilla fungiformis, eine Wallpapille II. Ordnung ist hervorgegangen aus zwei oder mehreren Papillae fungiformes, eine Wallpapille III. Ordnung ist hervorgegangen aus der Ver- einigung von Papillae filiformes und fungiformes. Eine Wallpapille der III. Ordnung kann auch als ein durch einen tiefen Graben abgegrenzter Teil der Zungenschleimhaut an- gesehen werden. Uebergangsformen von den Papillae fungiformes zu den Pa- pillae vallatae kommen vor. Papillae fungiformes kommen auch noch riickwarts von den Papillae vallatae vor. Die serésen Driisen sind ureigene Gebilde und entstehen nicht in Abhangigkeit oder als ein Produkt von Papillen. Sie vereinigen sich aber mit solchen aus Zweckmiakigkeitsgriinden. Das Randorgan (Papilla foliata) ist, soweit es sich um die hier untersuchten Tiere handelt, nicht aus der Papilla vallata her- vorgegangen, auch nicht aus der Papilla fungiformis, sondern dieses Organ stellt ausschlieBlich einen unter dem Einfluf der zugehérigen serésen Driisen veranderten Schleimhautteil der Zunge dar. Die Leisten sind keine veranderten Pilz- oder Wallpapillen, sondern entsprechen dem Wall der Wallpapillen. Bei den Fleischfressern werden Fadenpapillen zur Bildung der Leisten herangezogen. Die Furchen entstehen zunachst durch zapfenformige Tiefenwucherung des Oberflichenepithels, durch welches das Driisensekret, einen Sekretkanal bildend, nach aufen sich Bahn bricht. Durch Ver- schmelzung dieser Sekretkanile entstehen dann Sekretbehalter in Form von Graben und Furchen. In der Wand der Sekretkanale, ee Ueber Zungenpapillen. 615 nicht in der der Ausfiihrungsginge, die ja an ersteren ihr Ende erreichen, entstehen Geschmacksknospen. Das Vorkommen von Randorganen, die aus mehr oder weniger verainderten Pilzpapillen hervorgegangen sind und eine den Wall- papillen mehr oder weniger ahnliche Form zeigen, ist nicht aus- geschlossen, und es ist anzunehmen, daf in diesen Fallen bezw. bei den betreffenden Tierfamilien zur Zeit der Entstehung der serosen Driisen an der Stelle des Randorgans noch gut erhaltene Pilzpapillen vorhanden waren. Als weitere Ergebnisse sind anzufihren: Die Papillae filiformes bedeckten urspriinglich die ganze Zungenschleimhaut, d. h. auch die Seiten- und Bodenflaiche. Die zottenférmigen Papillen riickwarts von den Papillae val- latae bis zum Kehlkopf (Schwein, Fleischfresser) sind Papillae filiformes, die unter der Einwirkung der hier in die Schleimhaut eingelagerten Schleimdriisen die Eigenschaft, eine starke Horn- scheide zu bilden, verloren und sich stark vergréfert haben. Die Papillae fungiformes stehen in parallelen, beiderseits vom Rande riickwirts gegen die Mittellinie der Zunge in spitzem Winkel zusammenlaufenden Reihen mit alternierender Stellung der einzelnen Pilze. Bei den Tieren mit einer Querfurche auf der Riickenfliche der Zunge (Pferd und Wiederkauer) tritt ein Wechsel in der Richtung der Pilzpapillenreihen ein in der Art, daf vor dieser Querfurche die Reihen einen nach vorn gerichteten spitzen Winkel bilden. Die Papillae fungiformes kamen urspriinglich, wie die Pap. filiformes, auf der ganzen Zungenschleimhaut vor. Im Gebiete der Schleimdriisen des Zungengrundes vergréfern sie sich und nehmen andere Formen an oder sie gehen unter. Die Zungenbodenflache ist aus Seitenflichen hervorgegangen. Auch die Wallpapillen der Wiederkaiuer sind ins Gebiet der serésen Driisen fallende laterale Teile von Pilzpapillenreihen. Sowohl beim Pferd wie beim Schwein kommen eine Papilla vallata centralis und Papillae vallatae accessoriae laterales vor, sowie bei der Katze Papillae vallatae medianae anteriores (Nomen- klatur nach Mincu). Solche accessorische Bildungen diirften als Atavismen zu betrachten sein. Das Rind hat beiderseits ein verkiimmertes Randorgan in Form einer runden Grube an analoger Stelle wie das Schwein. Das Organ kommt auch nur einseitig vor und fehlt in selteneren Fallen ganz. 616 J. Becker, Das Randorgan der Katze kann mehr als eine Furche auf- weisen. Die serésen Driisen entstehen unter der Einwirkung der Respirationsluft auf die Zungenschleimhaut; sie kénnen deshalb nur auf dem hintersten Teile der Zunge vorkommen, und die Bildung von Wallpapillen an einem anderen Teile der Zunge ist ausgeschlossen. Als erste Folgeerscheinung der Einwirkung der Respirationsluft ist die Bildung von Lymphnoduli und lymph- adenoider Substanz zu betrachten, welche das Material zum Bau der serésen Driisen liefern. Die Papillae fungiformes dienen der Feststellung des Ge- schmackes, also der Geniefbarkeit der in die Mundhohle bereits aufgenommenen Stoffe, die Papillae vallatae und die Randorgane dagegen, befahigt durch das Sekret der serésen Drtisen, vermégen schon aus der Respirationsluft das Vorhandensein von Futter- stoffen und die Tauglichkeit eines Gegenstandes als Nahrungs- mittel festzustellen, ohne denselben erst in die Mundhohle auf- nehmen und verkauen zu miissen, Selbst bei ganz weiBen Rindern kommt Pigment in der Zungen- schleimhaut vor; nicht alle schwarzhaarigen Rinder haben pig- mentierte Zungen. Alle Schafe, welche Pigment in der Haut fiihren, zeigen auch Pigment in der Zungenschleimhaut. Am Schlusse vorliegender Arbeit ist es mir ein Bediirfnis, Herrn Professor Dr. phil. F. Romer fiir das mir entgegengebrachte Wohlwollen und die stets bereitwillige Unterstiitzung bei der Aus- fiihrung dieser Arbeit meinen herzlichsten und dauernden Dank auszusprechen. Ueber Zungenpapillen. 617 Literatur. 1) Arnstein, C., Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Sauger. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XLI, 1893. 2) Benrens, W., Tabellen zum Gebrauch bei mikroskopischen Arbeiten, Leipzig 1898. 3) Borrnzat, Geschmacksorgane und andere nervése Endapparate im Schnabel der Vogel. Biolog. Centralbl., Bd. XXIV, No. 21 u. 22, 1904. 4) Bovtart, R., et Psruuimt, A., Note sur l’organe folié de la langue des Mammiferes. Journ. de |’Anat. et de la Physiol., T. XXI, 1885. 5) Bricuer, C., Abhandlung iiber Verteilung und Anordnung der Geschmackspapillen auf der Zunge der Huftiere. Deutsche Zeitschr. f. Tiermedizin u. vergl. Pathol, Bd. X, 1884. 6) Csoxor, Vergleichende histologische Studien iiber den Bau der Geschmacksorgane der Haussaugetiere. Oecesterreich. Viertel- jahrschr. f. wissensch. Veterinarkunde, Bd. LXII, 1884. 7) Drascu, O., Histologische und physiologische Studien tiber das Geschmacksorgan. Sitzungsber. der Akad. der Wiss. Wien, Til. Abt., Math.-naturw. Kl, Bd. LX XXVIII, 1883. 8) Epner, v., Die acinédsen Driisen der Zunge und ihre Be- ziehungen zu den Geschmacksorganen, Graz 1873. 9) Gmetin, Zur Morphologie der Papilla vallata und foliata. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XL, 1892. 10) Grirrin, L., Sur la reproduction totale ou partielle de l’appareil folié du lapin et des papilles calyciformes. Arch. ital. de Biol., Vol. V, 1884. 11) Hermann, F., Beitrag zur Entwickelungsgeschichte des Ge- schmacksorgans beim Kaninchen. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XXTV, 1885. 12) Héntascumizp, J., Kleine Beitrage betreffend die Anordnung der Geschmacksknospen bei den Saugetieren. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XLVII, 1888. 13) Horrmann, A., Ueber die Verbreitung der Geschmacksknospen beim Menschen. Vircuows Arch. f. path. Anat. Bd. LXII, 1875. 14) Lanpois, L., Lehrbuch der Physiologie des Menschen, Wien und Leipzig 1885. Bd. XLII. WN. F. XXXVI. 41 618 J. Becker, Ueber Zungenpapillen. 15) Mayur, J. 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Schnitt durch 3 nebeneinander liegende Gruben im hinteren Teile eines Randorgans vom Schwein. Fig. 31. Horizontalschnitt durch eine solche Grube. Fig. 36. Geteilte Wallpapille vom Hund. Fig. 37. Wallpapille vom Hund III. Ordnung (aus Pilz- und Fadenpapille). Fig. 38. Dreifacher Wall einer Wallpapille vom Hund. Fig. 40. Verkiimmerte Pilzpapillen vor dem Frenulum der Katzenzunge (Bodenfliche). Fig. 45. Schnitt durch ein Randorgan der Katze mit 2 Furchen, Textfig. 44. ’ Fig. 47. Schnitt durch eine Pilzpapille riickwarts von den Wallpapillen (Hund). om Beitrage zur Kenntnis des Baues und der Entwickelung des Selachierdarmes. Von Hans Petersen, cand. med. (Aus dem Anatomischen Institut zu Jena.) Hierzu Tafel XX—XXII und 4 Figuren im Text. Teil I: Oesophagus. Kinleituug. Das Darmsystem der niedersten Wirbeltiere, vor allem die Entwickelung seines mikroskopischen Baues ist bisher nicht oft der Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen. Neben alteren Arbeiten, die in allen makroskopischen Verhaltnissen reiches Material bieten, war vor allem die Epincersche Arbeit (1876) grundlegend. Wenn man das Lehrbuch von OppEt (1896/97) zu Rate zieht, worin die samtliche bis 1896/97 erschienene Literatur Vverarbeitet ist, so fallt einem die Sparlichkeit der Angaben auf, die sich auf Selachier, Ganoiden und Teleostier beziehen, im Ver- gleich zu dem reichen Tatsachenmaterial, das tiber die héheren Vertebraten vorliegt. Seitdem sind nur wenige Arbeiten er- schienen, und tiber die Entwickelung der verschiedenen Driisen und Faltenbildungen ist tiberhaupt nichts bekannt. ,,In welcher Weise sich die Ontogenese der stark entwickelten Magendriisen bei Selachieren abspielt, bedarf noch der Untersuchung. In welcher Weise und in welchen Stadien die mannigfaltigen Faltenbildungen im Darm der Fische sich entwickeln, ist bis jetzt nicht genauer erforscht.“ So lesen wir noch 1902 bei Maurer im Abschnitt tber die Entwickelung des Darmsystems im Hertwicschen Handbuch. Als ich von einer Fischdampferfahrt nach dem Skagerrak einiges Material von alteren Acanthias-Embryonen mitbrachte, gab Herr Professor MAuRER mir die Anregung, die Entwickelung des 4] * 620 Hans Petersen, Darmsystems, insbesondere der Schleimhautgebilde, Driisen und Falten, zu studieren. Das Material erwies sich als wenig aus- reichend, und so sammelte ich gelegentlich eines Aufenthaltes an der englischen Siidkiste von Hastings aus mehr Material, aller- dings nur von ausgebildeten, wenn auch jungen Exemplaren, die, sorgfaltig konserviert, mir von grofem Nutzen beim Studium der fertigen Verhaltnisse waren. Vorher hatte Herr Prof. ScHuLTZE in Jena noch die Liebenswiirdigkeit gehabt, mir einige fast aus- gewachsene Exemplare zur Verfiigung zu stellen. Endlich erlangte ich noch das nétige embryologische Material auf Helgoland, wo ich auch Studien an frischem Material machen konnte, sowie auch einige wichtige Injektionen ausfiihrte. Auch ausgewachsene Tiere erhielt ich dort. Dies Material erwies sich als ausreichend zur Loésung der meisten Fragen. Die Entwickelung des lymphoiden Oesophagus- organs, der Magendriisen und der Darmfalten, sowie die weitere Ausbildung des fingerférmigen Organs konnte ich verfolgen. Den Bau des lymphoiden Organs konnte ich klarstellen, sowie eine ganze Reihe, zum Teil neuer, Beobachtungen tiber andere Teile des Darmsystems machen. Die Arbeit wurde im Jenaer Anatomischen Institut ausgefiihrt, wo ich Herrn Prof. Maurer fiir Ueberlassung des Platzes, fiir die nétigen Hilfsmittel, die mir in weitgehendster Weise zur Ver- fiigung standen, endlich fiir das Interesse und die Férderung, die er meinen Bestrebungen jederzeit in reichstem Mafe angedeihen lie8, zu aufrichtigem Danke verpflichtet bin. Allen denen, die mir bei Beschaffung des Materials behilflich waren, insbesondere den Herren an der biologischen Station auf Helgoland, méchte ich auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank sagen. Herrn Professor LEHMANN in Altona méchte ich danken, da8 ich in den Ferien im Altonaer Museum arbeiten konnte. Endlich bin ich auch Herrn Professor Lusoscn fiir manchen Rat und manche Unterstiitzung verpflichtet. Den Stoff méchte ich so einteilen, daf ich nach Voraus- schickung einer allgemeinen orientierenden Uebersicht tiber den Bau des Darmes der Selachier zunachst die vorhandene Literatur bespreche, worauf ich nach kurzer Erérterung der angewandten Methoden zur Materie selbst komme, die sich nach der Natur der Sache in eine Besprechung der Speiseréhre, des Magens und des Spiral- nebst Enddarms gliedert. Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 621 Orientierende Uebersicht tiber den Selachierdarm. Hinter dem Kiemenkorb, ventral an die Copula des letzten Kiemenbogens, dorsal an die Schidelkapsel angeheftet, beginnt der Darm mit dem wohlausgebildeten Oesophagus. Er scheint bei allen Selachiern vorhanden zu sein, im Gegensatz zu Knochen- fischen, wo er oft auSerordentlich kurz ist und oft nur an der Besonderheit des Epithels zu erkennen ist, wo auch oft der ganze Vorderdarm riickgebildet ist, indem der Ductus choledochus dicht hinter dem Kiemenkorb in den Darm einmiindet. Er liegt in der Leibeshéhle und ist demgemaf aufen mit einer Serosa tiberkleidet. Im Anfang tiberzieht diese nur die ventrale Halfte; er ist breit dem Dache der Bauchhéhle angeheftet, wahrend am kaudalen Ab- schnitt ein deutliches Mesenterium zur Ausbildung gelangt. Unter der Serosa liegt eine wohlausgebildete Muskulatur. Zwischen dieser und der unmittelbar dem Epithel anliegenden Bindegewebsschicht befindet sich das zuerst von Lrypia eingehender beschriebene, deshalb auch oft ,Leypiasches“ genannte lymphoide Organ. Die schon erwahnte derbfaserige Schicht schlieBt diese Bildung nach dem Epithel hin ab und nimmt dieselbe Lage ein wie die Tunica muscularis mucosae, die an der Cardia an ihre Stelle tritt. Ich werde sie mit dem Ausdruck Randschicht bezeichnen und die sie zusammensetzenden Fasern Randfasern, da sie vom Rande her in das lymphoide Organ eindringen und da die ganze Schicht die lymphoiden Massen vom Epithel trennt. Zwischen dieser Schicht und dem Epithel liegt ein etwas lockereres Gewebe mit zahl- reichen Kapillaren, die eigentliche Mucosa, auf die das mit einer dicken Basalmembran versehene Epithel folet. Dem Oesophagus, als eine Erweiterung, schlieSt sich der Magen an. Die Uebergangsstelle, die Cardia, bietet charak- teristische Befunde. Es beginnt das typische Magenepithel mit dem zum ,,Pfropf*+) ausgebildeten oberen Ende. Magengriibchen und zahlreiche schlauchférmige Driisen senken sich in das darunter liegende, ernihrende, und deshalb mit Blutgefa®en reich versehene 1) Dieser Ausdruck, von BirprErMAann 1875 (siehe Oppxrn, Lehr- buch, Bd. I) gepragt, bezeichnet meines Erachtens dieses Organ prig- nanter, als die meist gebrauchte Bezeichnung: Oberende. Es gelang mir z. B. durch Mazeration in Mtuuerscher Fliissigkeit beim Magen einer jungen Rana esculenta, den ,,Pfropf* zum Ausfallen zu bringen. Man sah die ausgefallenen Pfrépfe und das_ becher- formig gestaltete obere Ende der Zelle, wo der Pfropf gesessen hatte. 622 Hans Petersen, Bindegewebe ein. Die Schichten sind dieselben wie im Oeceso- phagus, nur daf, wie schon erwahnt, eine wohlausgebildete Mus- cularis mucosae vorhanden ist. Der Magen hat die Form eines U-foérmig gebogenen Rohres, und wir werden deshalb einen absteigenden und einen aufsteigenden Schenkel zu unterscheiden haben. Ein Magenblindsack, wie er bei manchen Teleostiern (z. B. Aalen, Anguilla und Conger) sich findet, besteht nicht. Im letzten Teile des aufsteigenden Schenkels fehlen die Magendriisen, die Magengriibchen bestehen in einer etwas modifizierten Form allein fort. Am Pylorus, oder kurz vorher, biegt der aufsteigende Magen- teil wieder um und geht in den Darm tiber. Nicht gleich beginnt der Spiraldarm, sondern ein Vorhof, die Bursa pylorica (GEGEN- BAUR) ist eingeschaltet, in den die Ausfiihrungsginge von Leber und Pankreas einmiinden, und wo wahrend des embryonalen Lebens die Kommunikation des Darmes mit dem Dottersack sich befindet. An den Spiraldarm schlieft sich ein kurzer Enddarm, der in die Kloake miindet. An oder kurz vor dieser Ausmiindung findet sich ein eigentiimliches driisiges Organ, das ,fingerformige Organ“, von einigen fiir ein Homologon des Blinddarms gehalten. Lange Zeit waihrend des embryonalen Lebens sind Oesophagus und Enddarm durch Konfluieren des Epithels geschlossen. Die iibrigen Teile des Darmes besitzen wahrend dieser Zeit (Lange bis 70 mm, Acanthias) ein einschichtiges Epithel, im Magen hoher, im Spiraldarm, der schon fertig ist, niedriger. Die Cardia bleibt am lingsten geschlossen. Zuerst entwickeln sich die Falten der Darmschleimhaut, spiter die Magendriisen, an die sich zuletzt, sehr spat, die Magenkrypten anschlieBen. Das lymphoide Organ erscheint ungefahr zu gleicher Zeit mit den Darmfalten. Wie aile diese Vorginge im einzelnen sich abspielen, werden wir im spe- ziellen Teil sehen. Die Behandlung der einzelnen Themata ist etwas ungleich. Wahrend Oesophagus und Magen sich einer relativ eingehenden Behandlung erfreuen, sind die ibrigen Teile verhaltnismafig schlecht weggekommen. Zeit, Material, sowie die beim Studium der Literatur und der Objekte auftauchenden Fragen haben es so gefiigt. Doch hoffe ich mit dem Gebotenen einige Liicken in unserer Kenntnis auszufiillen; auch werden wir sehen, wie manches in der mikroskopischen Anatomie dieser niederen Wirbeltiere noch der Liésung und einer an reichhaltigem Material vorgenommenen Durcharbeitung bedarf. Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 623 Uebersicht der Literatur. Der makroskopisch sichtbare Bau des Darmkanals der Se- lachier ist schon lange und in fast allen Einzelheiten erforscht, und die Anzahl der Arten, die diesen Studien dienten, ist eine betrichtliche. Es eriibrigt sich hier, diese altere Literatur im einzelnen anzufiihren. In dem Lehrbuch von Oppren, auf das hinzuweisen ich noch oftmals Gelegenheit haben werde, findet sie sich zusammengestellt. AuSer dem Handbuch der Zootomie von SIEBOLD und Srannius (1854) habe ich sie nicht eingesehen. Eine auferordentliche Menge von Einzelheiten ist angegeben. Arbeiten, die sich speziell mit dem Darm der Selachier be- schaftigen, sind mir aus dieser Zeit nicht bekannt. Unsere Kenntnis vom mikroskopischen Bau des Selachier- darms geht auf eine Arbeit von Lreypie (1852) zuriick: , Beitrige zur mikroskopischen Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Rochen und Haie“, in der auch dem Verdauungsapparat ein Kapitel gewidmet ist: er erwahnt die Langsfaltung der Oesophagus- schleimhaut und konstatiert die Tatsache, da’ die Muskulatur im Oesophagus aus quergestreiften Fasern besteht. Das Lymphorgan des Oesophagus beschreibt er genauer, bei Torpedo, Scyllium und Scymnus findet er es, die Schicht, in der es sich findet, gibt er richtig an. Dann: ,Es entspricht diese weife, zwischen Muskel und Schleimhaut gelagerte Masse nach ihrer Struktur der weif- lichen Driisensubstanz in der Augenhéhle und der Rachen- schleimhaut von Chimaera.“ Leider hatte ich nicht Gelegenheit, auf dieses interessante Tier meine Studien auszudehnen, da mir brauchbares Material nicht zur Verfiigung stand. Vom Magen konstatiert Leypia das Vorhandensein einer glatten Muskulatur, sowie die Driisen, die gegen den Pylorus zu aufhéren. Magen- driisen und iibrige Driisen werden dann kurz beschrieben. Dem fingerformigen Organ ist ein langerer Abschnitt gewidmet. Im Jahre 1877 erschien eine Arbeit Epinerrs ,Ueber die Schleimhaut des Fischdarms“, in der zum ersten Male ver- gleichende Betrachtungen tiber den mikroskopischen Bau des Darmes sowohl von Selachiern, als auch von Ganoiden und Tele- ostiern angestellt wurden, eine Arbeit, die grundlegend fiir alle weiteren Forschungen auf diesem Gebiete wurde. Die Haupt- sachen werden im allgemeinen richtig beschrieben, viele Einzel- heiten aber, wohl auch in Anbetracht der Unvollkommenheit der 624 Hans Petersen, damaligen Technik, unrichtig gedeutet. Das wesentlichste Er- gebnis ist die Ableitung der Oberflichengestaltungen, Krypten und Driisen aus der Kombination von Langs- und Querfalten, eine Auffassung, auf die sich auch spiter BizzozEro bezog, als er seine Theorie tiber die Regeneration des Oberflichenepithels im Darm aufstellte, und hierbei die Basis der Falten im Darm der. Fische mit dem Grunde der LizperKtunschen Driisen in Parailele Setzte. Noch in der letzten Auflage des WiEDERSHEIMSChen Lehrbuches (1906) findet diese Ableitung Beriicksichtigung, und Epincersche Abbildungen sind reproduziert. ,,Das Darmrohr der altesten Wirbeltiere und das der Embryonen héherer ist glatt an seiner Oberfliche. Die ersten OberflichenvergréSerungen treten in der Bildung von Langsfalten auf (Petromyzon), Darmkrypten entstanden, als die Bildung von den Lingsfalten entstammenden Querfalten begann, welche von einer Langsfalte zur anderen ziehen. Diese Uebergangsformen zu eigentlichen Blind- sicken aus langen Buchten finden sich bei Sela- chiern, Ganoiden und einigen Teleostiern. Eine reichlichere Ausbildung der Maschen hat zuerst im Magen, spater auch auf der Mitteldarmschleimhaut enge schlauchformige Krypten erzeugt. Diese héchste Form der Falten- entwickelung, welche sich bis zu den Séugetieren erhalt, ist bei niederen Fischen noch selten und selbst bei Teleostiern noch keineswegs konstant.‘ Wir werden uns noch spater bei Be- sprechung des Magens und des Darmes mit dieser Theorie des naiheren zu beschaftigen haben. Was den Oesophagus anbetrifft, so homologisiert er das lymphoide Organ mit den Follikeln der Darmschleimhaut der anderen Vertebraten, und die Auffassung der die lymphoiden Zellmassen umgebenden und durchziehenden weiten Sinus als dem Lymphgefafsystem zugehérige Bildungen hat sich bis in die neueste Zeit erhalten. Die Angaben iiber das Epithel des Oesophagus werde ich als richtig bestatigen kénnen. In dem Lehrbuch der mikroskopischen Anatomie der Wirbel- tiere von OppEeL (1897) ist der Stand unserer Kenntnisse auch tiber das Darmsystem der Selachier niedergelegt. Da die gesamte bis dahin (1897) erschienene Literatur darin verarbeitet und aus- giebig zitiert ist, habe ich es nicht fiir nétig befunden, sie im Original einzusehen. Es sind ihrer auch nur wenige. SAapPEy (1880), Morrau (1881), Ayers (1885), Pinner (1885), CarranEo (1886 und 1887), P. Mayer (1888), der die Sphinkteren der ee ee ae eee eee Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 625 Venen und Lymphgefife beschreibt; endlich sind OPPELs eigene Untersuchungen zu nennen. Der Magen mit seinen Driisen wird am eingehendsten behandelt, und iiber eine gréfere Anzahl von Arten sind Angaben vorhanden. Chimaera sollen Magen- driisen fehlen, aber ,eine griindliche mikroskopische Untersuchung wire hier dringend zu wiinschen“ (OppEL). Der Oesophagus ist weniger eingehend behandelt, der Spiraldarm in seinen feinsten Details so gut wie gar nicht. Unsere Kenntnis des Leypraschen Organs wird nicht weiter geférdert, als dies schon durch Lreyp1IG und Epincer geschehen war. AyeERS vergleicht es mit der Thymus, Pinter mit dem adenoiden Gewebe, das sich im Isthmus pharyngis bei héheren Evertebraten findet. Opperx lat es offen, ob wir es iiberhaupt mit einem lymphoiden Organ zu tun haben, und denkt an eine andere, ,vielleicht blutbildende Funktion“, was doch wohl heiSen soll, da’ Erythrocyten hier ihren Ur- sprung nehmen. Ferner weist er darauf hin, da das Organ schon vermége seiner Lage (im Oesophagus und nicht im Darm)“ nicht direkt den Knétchenbildungen im Darm hoherer Vertebraten gleichgestellt werden kann“. Eine eigenartige Beschreibung gibt Moreau, indem er von Zellen und Granulationen spricht, die zum Teil frei, zum Teil in ,Blasen“ eingeschlossen waren. Zu jeder dieser ,Blasen“ solle ein Lymphgefaéf% verlaufen. Welche tatsichlichen Verhaltnisse zu dieser Deutung Anla8 gegeben haben, ist mir unklar. Seit dem Erscheinen des Oprrnschen Lehrbuches haben nur wenige Autoren tiber das Darmsystem der Selachier gearbeitet. Rickert (1896) und P. Mayer (1897) unterzogen die Entstehung der Spiralwindung im Darm einer genauen Untersuchung. Dieser ist schon fertig ausgebildet, ehe die histologische Differenzierung beginnt. Fiir die von mir hier zu behandelnden Fragen kommen diese Arbeiten also nicht in Betracht. Das lymphoide Organ machte sich A. Dazwina zum Objekt ihrer Studien 1904 ff. Ks wird als solches gewiirdigt, d. h. als Ausgangspunkt von weifen Blutkérperchen. Das Reticulum wird richtig als aus anastomo- sierenden Zellen beschrieben. Granulazellen sind nach ihr die charakteristischen Zellen, und die verschiedenen Zellformen, die ich nachher zu unterscheiden haben werde, kann man hier auch beschrieben finden. Die Beziehungen dieser Zellen zueinander finden keine Beriicksichtigung. Den Hauptteil machen farben- analytische Studien aus, und die verschiedenen Farbungsresultate bei verschiedenen Selachiern werden miteinander verglichen. Ueber 626 Hans Petersen, das Schicksal der Zellen und ihre Beziehung zur Umgebung finden sich keine Angaben. Was die Angaben tiber die Schichten des Oesophagus anbetrifit, so habe ich mich nicht in der Lage ge- funden, die Angaben zu bestiatigen. Es werden von Galeus canis folgende 9 (!) Schichten aufgezihlt: 1) un épithélium cylendrique, 2) une couche de tissu conjonctif assez serré, a éléments lympho-- ides rares, 3) une forte couche de muscularis mucosae, 4) une nouvelle couche de tissu conjonctif lache, 5) une large bande de tissu lymphoide, organe de Lreypic, 6) une couche de tissu con- jonctit lache, 7) une couche circulaire de muscle lisse, 8) une couche circulaire de muscle striée, 9) une couche longitudinale musculaire. No. 3 besteht aus Bindegewebe, No. 4, 5, 6 sind Submucosa, in die dorsal und ventral das lymphoide Organ ein- gelagert ist. Ueber die Muskulatur habe ich mich im speziellen Teil noch zu aufern. Yuna (1899) gibt eine ausfihrliche Beschreibung der Darm- schleimhaut von Scyllium canicula. VIALLETON gibt 1902 eine sehr sorgfaltige Beschreibung des Blutgefaf- und Lymphgefafsystems des Darmes von Torpedo marmorata. LAGUESSE schildert die Entwickelung des Bindegewebes in der Kapsel der Milz von Acanthias vulgaris. Was die Schleimhaut des ganzen Darmes anbetrifft, so haben REDECKE (1900) und Kousrer (1907) unsere Kenntnis derselben gefordert. REDECKE Stellte seine Untersuchungen an einem ausgedehnten Material an. Wie schon CATTANEO zieht auch er die Giiltigkeit der Epinaerschen Theorie fiir den Magen und seine Driisen in Zweifel. Koster beschreibt den Magen von Centrophorus granulosus. Kinige entwickelungsgeschichtliche Notizen sowie das Vorkommen von anders gearteten Zellen im Verbande des gewéhnlichen Magen- epithels sind von Interesse. Ueber die histologische Differenzierung der verschiedenen, im allgemeinen, wie wir sehen, ganz gut bekannten Verhiltnisse habe ich Angaben nicht finden kénnen. Eine Arbeit von KreuUTER (1903) beschaftigt sich mit dem embryonalen Oesophagusverschlu8 und bestimmt den Zeitpunkt des Eintretens und Aufhérens dieser Epithelverwachsung genauer. WEINLAND (1900 und 1901) macht einige Angaben iiber die Physiologie der betreffenden Organe. Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. — 627 Material und Methoden. Wie ich schon anfangs kurz erwihnt habe, bestand mein erstes Material in einigen jiingeren (60 mm)?) und einigen alteren (190 mm) Embryonen von Acanthias vulgaris, die in Sublimat und in Formol konserviert waren. An erwachsenen Exemplaren standen mir einige 5—6 gréfere und kleinere 60—90 cm lange Tiere zur Verfiigung; einige jiingere (50 cm) Exemplare von Raja radiata und batis, alles in Formol konserviert und meist nur fiir makro- skopische Zwecke brauchbar. Die Muskulatur des Darmes war an allen diesen vorziiglich erhalten, besser fixiert (ohne jede Schrumpfung) als die spateren nach histologischen Gesichtspunkten behandelten Objekte. Alles das hatte ich auf einer Fischdampfer- tour im Skagerrak gesammelt. Dazu kamen einige kleinere (45 mm) Embryonen von Acanthias, die Herr Prof. Lusoscu so freundlich war mir zur Verfiigung zu stellen, und 2 grofe, fast ausgebildete, die ich von Herrn Prof. L. Scoutrze in Jena erhielt. Wesent- lichen Fortschritt machte die Arbeit, als ich von Hastings aus auf einem englischen Fischkutter reichliches Material von jiingeren ausgebildeten Tieren sammelte, das diesmal nach allen Regeln der histologischen Technik konserviert wurde. Die nétigen Embryonal- stadien erhielt ich im Friihjahr 1907 wahrend eines Aufenthaltes auf Helgoland, wo ich auch erwachsene Tiere erlangte und auch einige fiir die Aufklarung der Sinus des lymphoiden Organs wichtige Injektionen machen konnte. Material lag mir von folgenden Arten vor: 1) Acanthias vulgaris, zahlreiche fertige Tiere und Embryonen jeder GréSe von 45 mm an; 2) Galeus canis, 1 junges Tier von Hastings, 2 grofe Em- bryonen von Helgoland; 3) Scyllium stellare, 2 Exemplare (Hastings) ; 4) Squatina angelus, 2 Exemplare (Hastings); 5) Raja clavata, zahlreiche groSe und kleine Exemplare; 6) Raja radiata, (Formolexemplare von Skagen) ; 7) Raja batis (Formolexemplare von Skagen). Meist hatte ich nur den Darm aufgehoben. Die Konservierung war, wie schon oben erwahnt, zum Teil Formol, das, wenn man nichts anderes zur Verfiigung hat, immer 1) Alle Angaben sind von der Schnauzenspitze bis zum Ende der Schwanzflosse gerechnet. 628 Hans Petersen, noch bessese Resultate gibt als Alkohol von 70 Proz. z. B. An dem nach histologischen Gesichtspunkten konservierten Material waren die verschiedensten Fixierungsmittel verwandt, so daf, wenn ich mehrere Exemplare hatte, mehrere Flissigkeiten in An- wendung kamen. Konzentrierte Sublimatlésung (meist mit NaCl-Zusatz, also: von 5 Proz. aufwarts bis 15 Proz. Sublimatgehalt), mit Essigsaure angesiuert, hat mir vorziigliche Resultate gegeben. Fir die feinsten histologischen Zwecke méchte ich lieber die ZENKERsche Fliissigkeit, passend mit Formol (5—10 auf 100 unmittelbar vor dem Gebrauch) versetzt, empfehlen. Auch Kalibichromat-Formol und Pikroformol nach Bourn hat mir prachtvolle Praparate ge- geben, wahrend ich mit FLemmrneascher Flissigkeit nichts Brauch- bares zu stande gebracht habe, Besseres mit Chromessigsaure. Fiir Magendriisen und Epithel sind Sublimatgemische vor- zuziehen (sehr schén die Gitsonsche Fliissigkeit)+), wahrend fiir das bei Selachiern durchaus nicht leicht in gré8eren Stiicken gut zu fixierende Darmepithel (es list sich leicht ab und wird leicht sehr spréde) Pikroformol das Beste war. Die Embryonen, die ich von der biologischen Station in Helgo- land erwarb, waren in Sublimat und in der ZenKeRschen Fliissig- keit fixiert und meistens brauchbar. Ein vollkommen erwachsener Embryo (Dottersack ginzlich in die Bauchhéhle aufgenommen), den ich von Herrn Dr. V. Franz in Helgoland erhielt, war mit 10: 100 Formol unter Eisessigzusatz behandelt, und obgleich nicht aufgeschnitten, doch gut konserviert. Dies Gemisch dringt also leicht ein. Ich miéchte hier konstatieren, da’, wenn man grofere Wirbeltierembryonen (von 5 cm Linge an) in den mit Recht so sehr beliebten Sublimatgemischen fixiert — auch sonst ist es immer sicherer — man die Bauchhoéhle breit eréffnet und womdglich kleine Einschnitte in die Wand des Darmkanals macht. Auf diese Weise kann man sich vor Miferfolgen schiitzen. Aufer den Bauchdecken braucht nichts verletzt zu sein; die in der Bauch- héhle liegenden Organe kann man nur so mit Sicherheit brauch- bar fixieren. Die Darmwand wird in ihrem Zusammenhang sowohl, als auch die einzelnen Elemente unvergleichlich viel besser konserviert, wenn 1) Alkohol absol. 30, Hisessig 30, Chloroform 30, Sublimat bis zur Sattigung (etwa 20 Proz.). Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 629 die Fixierungsfliissigkeit direkt aufs Epithel trifft, als wenn sie yon auSen her ins Lumen vordringen muf. Die Objekte wurden an gefarbten Schnittbildern studiert, tiberall aber die makroskopischen Verhaltnisse beriicksichtigt, was mich vor manchen Tauschungen bewahrt hat. Um die Oberflaichen- bilder der Schleimhaut zu studieren, warf ich mittelst einer Stativ- lupe einen Lichtkegel von einem Auerbrenner auf das in Glyzerin oder Wasser befindliche Objekt, das mit dem Objektiv a* von Zeif betrachtet wurde. Letzteres System ist tiberhaupt fiir das Arbeiten mit schwachen Vergréferungen unvergleichlich. Eingebettet habe ich meist in Paraffin, in einigen Fallen Muskulatur auch in Celloidin; bei den Oesophagusarten eines 1,20 m langen (trachtigen) Acanthiasweibchens leistete mir die Doppeleinbettung von Celloidin tiber Chloroform in Paraffin gute Dienste, da nur dann das harte Bindegewebe der ,fibrésen Rand- schicht“ schneidbar war. Farbungen habe ich eine grofe Anzahl versucht. Hamatoxylin nach Hansen, Himalaun nach P. Mayer und nach ApArTay (I A) gentigt eigentlich in allen Fallen, wenn man es mit einer passenden Plasmafarbe kombiniert. Manchmal farbte ich vorher mit Borax- karmin durch. Safranin in Anilinwasserlésung habe ich so an- gewandt, dai ich nach 1—24-stiindiger Farbung nicht so weit dif- ferenzierte, bis alles auBer dem Chromatin entfarbt war, sondern vorher Halt machte; auf diese Weise habe ich einige wunder- schéne Praparate des Magenepithels, der Magendriisen und des sie umhiillenden Bindegewebes erhalten. Wasserblau-Safranin nach Unna kann ich nur empfehlen. Mit anderen Kernfarbstoffen habe ich meist nicht lange herumexperimentiert, da sie nur kompliziert anzuwenden sind und durchaus keine besseren Resultate geben als eine gute Himatoxylinfarbung. Die Hemenuarnsche Ferrialaunhaimatoxylinfarbung habe ich natiirlich auch verwandt. Passend und sorgfaltig differenziert, gibt sie zugleich die schénsten Protoplasmafirbungen. Als Protoplasmafirbung reichen fiir die meisten Zwecke Kosin, Orange G, Fuchsin S oder Pikrinsiure’) aus. Fiir das lymphoide Oesophagusorgan habe ich in weitgehendem Mage die Kombination 1) Fir Serien habe ich gern Pikrinsiiure verwandt, da sie ein rasches Arbeiten gestattet, indem sie die Hiamatoxylindifferenzierung iiberflissig macht. Alle Plasmafarben mit Formolzusatz, was die Farbekraft erhoht. 630 Hans Petersen, von Fuchsin S-Orange G nach Squire!) angewandt. Mit einer guten Hamatoxylinfirbung?) kombiniert, ist sie fiir viele Zwecke ein guter Ersatz fiir die kapriziése und komplizierte Bronpr- EHRLICH-HEIDENHAINSChe Dreifarbenfarbung, wie dies auch THom&é (1903) fand. Fiir die Bindegewebsfibrillen habe ich mancherlei Methoden - verwandt. VAN Gieson, MALLORy-SrOursches phosphormolybdin- saures Hamatoxylin, Pikronigrosin nach ScuHarrer gaben gute Resultate. tir besondere Fibrillen, die im speziellen Teil naher besprochen werden sollen, habe ich die Gramsche Bakterien- farbung mit oder ohne Orange G-Vorfairbung (mindestens 24 Stunden) mit Erfolg verwandt. Die Zeichnungen wurden mit Hilfe des ABpeschen Zeichen- apparates von mir selbst gemacht, das Zeichenpapier lag in der Hohe des Objekttisches. Spezieller Teil. Das allgemeine Verhalten des Oesophagus habe ich schon oben geschildert, und so kann ich hier gleich auf die Beschreibung der Einzelheiten in Bau und Entwickelung eingehen. Die Serosa bietet nichts Besonderes. Nur grofe Nerven- stimme sind zu erwahnen, die, aus dem Vagus stammend, an der dorsalen Seite links und rechts von der Ansatzstelle des Mes- enteriums hinziehen, von dort auf der Muskulatur des Oesophagus und des Magens sich verbreiten, wo sie ihr Endgebiet erreichen. Bei allen Selachiern, die ich untersuchen konnte, findet sich zu auferst eine machtige Ringlage quergestreifter Fasern, die auch noch auf einem grofen Teil des Magens die auferste Schicht bildet. In der Literatur finden sich mancherlei Angaben (SAPPEY, OpprL, Drzwina) tiber eine aubere Lingsschicht. Pimuier aller- dings erwaihnt nichts von einer solchen, sondern nennt als dritte 1) Siehe Lun, The Microtomist’s Vademecum, London, Chur- chill, 1906. 2) Gut differenziert oder mit diinner ApArny I A-Lésung pro- gressiv gefarbt. Ich wende alle Hamatoxylinfiirbungen in stark essigsaurer Loésung an, was die Fiarbung beschleunigt und die Lésung lange haltbar macht. Auch zur Herppnnain-Farbung setze ich Essigsaure zu. Die Liésungen miissen immer braunrot, niemals blau oder blauviolett aussehen. Bau und Entwickelung des Selachierdarmes, 631 Schicht der Oesophaguswandung von T'orpedo ,,eine diinne Schicht glatter Ringfasern, verdoppelt durch eine ebenfalls ringférmig ver- laufende Schicht quergestreifter Fasern“ (zit. nach OppEL). In den meisten Fallen werden wohl auf Lingsschnitten mitgetroffene Nervenbiindel als Langsmuskulatur imponiert haben. Opret. bildet einen Oesophagusschnitt aus der Nahe der Cardia von Raja asterias (radiata) ab und eine diinne Langsschicht von Muskel- fasern. Nun ist der Anfang der auSeren Lingsschicht bei der Gattung Raja (clavata, radiata, batis) weiter gegen die Cardia zu verschoben, als dies bei Acanthias der Fall ist. Diese Verhiltnisse sind bei verschiedenen Individuen tiberhaupt etwas variabel; au8er- dem beschreibt Leypia glatte Muskelfasern im Mesenterium, und diese mégen auch wohl mal im Bereich der Darmserosa in ver- schiedener Weise die eigentliche Muscularis des Tractus intestinalis tiberlagern. Wie dem nun sei, jedenfalls erscheint es gewagt, einem erfahrenen Beobachter wie OppEL eine Verwechslung yon Muskel- und Nervenelementen im mikroskopischen Bilde unter- zuschieben. Die Regel ist jedenfalls bei Acanthias, Raja, Scyllium, Squa- tina und Galeus eine aufSere Ringschicht michtiger quergestreifter Fasern. Im Anfangsteil des Oesophagus ist diese Muskulatur in besonderer Weise ausgebildet. Die Fasern verlaufen namlich nicht “nur genau ringférmig und einander parallel, sondern kreuzen sich zum Teil. Eine dorsale und eine ventrale Raphe, die sich an die Schadelkapselbasis und an die Copula des letzten Kiemenbogens ansetzen, sind auf eine kurze Strecke weit unterscheidbar. Auch an den eben erwaéhnten Skelettelementen entspringen und _ in- serieren Muskelfasern. Man findet also eine erste Andeutung dessen, was man einen Pharynx nennen kénnte, womit aber nicht gesagt sein soll, daf diese Bildung dem Pharynx anderer Wirbel- tiere homolog ist. Nach innen von der eben beschriebenen Ringschicht findet sich eine Langsschicht ebenfalls quergestreifter Muskulatur. Sie erscheint in individuell etwas wechselnder Weise aunalwarts von der pharynxahnlichen Bildung. Eine sehr diinne Schicht glatter Ringsmuskulatur habe ich einwarts von der eben erwahnten bei Acanthias stets gefunden. Eine Muscularis mucosae fehlt im Oesophagus, tritt aber an der Cardia auf, wo sie die schon in der allgemeinen Uebersicht er- wahnte fibrése Randschicht ersetzt. Ueber einen grofen Teil des Magens bestehen, was die Mus- 632 Hans Petersen, kulatur anbetrifft, dieselben Verhaltnisse wie im Magen. In der kaudalen Halfte des absteigenden Magenschenkels andert sich dies. Es erscheint eine glatte Lingsmuskulatur auf der quer- gestreiften Ringschicht. Die quergestreifte Lingsschicht ver- schwindet. Die auf dieser liegende glatte (bis dahin sehr wenig machtige) Schicht nimmt an Dicke zu, die quergestreifte Ring- muskulatur, die noch eine Strecke weit unter der auSeren Langs- ~, =~ L.qu Lgl a R.qu R.gl Fig. 2. Fig. 1. Uebergangsstelle der Muskulatur. Magen. Acanthias vulgaris. L.qu Lingsschicht quergestreift, Z.g/ Liingsschicht glatt, R.qu Ringschicht quer- gestreift, R.gl Ringschicht glatt, Sm Submucosa, Mm Muscularis mucosae, M Schleimhaut. Vergr. a*, 2. ; Fig. 2. Dasselbe im Lingsschnitt. a....a Stelle des Querschnittes. Die punktierte Linie bedeutet die mit R.gi bezeichnete glatte Bineeenent, die als duBerst diinne Lage im Bereiche des ganzen Magens und Oesophagus sich findet. Vergr. a*, 2, schwicher als Fig. 1. Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 633 schicht fortbesteht, ersetzend. MHierbei findet nirgends ein all- mahlicher Uebergang statt, tiberall sind scharfe Grenzen zu sehen (Textfig. 1 und 2). Die innere glatte Ringschicht nimmt immer mehr an Dicke zu und wird am Pylorus zum Sphincter pylori. Der Wechsel der Verlaufsrichtung der duferen Schichten ist auch makroskopisch gut erkennbar. Auch die letzten Auslaiufer des N. vagus treten mit der quergestreiften Ringschicht in die Tiefe. Es hat also den Anschein, als ob nur die quergestreifte Musku- latur, die sich also, wenigstens bei Acanthias, noch weit auf den Magen erstreckt, unter dem Einfluf des Nervus vagus steht. Die Muskulatur bildet den einen funktionell wichtigen Teil des Darmrohres, ihr gegentiber kénnen wir alle einwarts von dieser gelegenen Schichten als Schleimhaut zusammenfassen. Diese bildet auch allein das Relief der Innenflaiche des Darmes, woran jene nicht teilnimmt. Im allgemeinen findet man im Oesophagus Lings- falten (vergl. OpPEL, Epmncer, STannius). Bei Acanthias findet Sau Lnw 7. ~ , Gon > 2 ys ass Fig. 3. Zotten aus dem Oesophagus von Acanthias, etwas vergrodfert, siehe die Mafe im Text. man Zotten. Bei Selache maxima sollen solche Gebilde auch vor- kommen, aber auf einen Kranz um die Cardia beschrinkt sein (OvEN nach OpprL). Bei Acanthias (wo ich sie allein gesehen habe) sind sie sehr kompliziert und grofe Gebilde (Fig. 3). Bei einem grofen Exemplar, einem ungefahr 1,20 m_ langen Bd. XLII. N. F. XXXVI. 42 634 Hans Petersen, traichtigen Weibchen, hatten sie an der Basis einen Umfang von 12—13 mm, eine Linge von 9—10 mm und einen Durchmesser von 4 mm. Eine Zotte besa’ 2 Hauptspitzen und 41 kleine und kleinste Nebenspitzen, war 7 mm hoch, 4 mm im Durchmesser und maf 10 mm im Umfang. Wie die Abbildung (Textfig. 3) zeigt, sind sie verzweigt, und die grofen sind an der Basis von. einem Kranz von kleinen Zotten umgeben, mitunter haben sie eine Hauptspitze, mitunter zwei und mehr. Auch solche mit ab- gerundetem Ende kommen vor, doch scheint das die Folge von Verletzungen zu sein, denen sie ja im reichsten Mabe ausgesetzt sind, da dauernd harte und dabei sich heftig bewegende Nahrungs- tiere verschluckt werden. Im frischen Zustande sind sie ziemlich weich; sie sind alle nach hinten gerichtet. Der Apparat ist als eine Art Gitter gedeutet worden, das der lebend verschluckten Nahrung den Riickweg versperren soll, eine Erklarung, die ja ganz einleuchtend ist. Es ist aber nicht ein- zusehen, warum sie gerade nur bei Acanthias sich findet, die Nahrung ist nicht verschieden von derjenigen verwandter Formen. Ich notiere z. B. von einem kleinen, ungefabr halbmeterlangen Acanthias: 3 kleine Gadiden von ca. 15 cm Linge nebst Resten von Portunus und Pagurus, und bei einem kleinen Rochen (Raja batis): 6 Crangon und Muschelschalen, wobei ich mich erinnere, auch Fische recht betrachtlicher Grife bei Rochen im Magen gesehen zu haben. Was diese Zotten aber sonst fiir eine spezielle Funktion haben kénnen, ist mir unklar. Sie entwickeln sich aus Liangsfalten. Wenn der Oesophagus sich wieder gedffnet hat (verg]. KREUTER), was, am kranialen Ende beginnend, nach der Cardia fortschreitend zu geschehen pflegt, erhebt sich die Schleimhaut, mit der Oeffnung des Lumens gleichen Schritt haltend, in Lingsfalten (Textfig. 4). Diese wachsen an einigen Stellen starker in die Héhe. Sieht man in diesem Stadium den Oesophagus von der Flache an (Taf. XX, Fig. 4), so erkennt man Liangsfalten, die in regelmaifigen Abstanden knétchenformig angeschwollen sind. Diese Knoten wachsen immer mehr, so daf man bald nichts mehr von kontinuierlichen Falten sieht, sondern Reihen von kubischen Erhebungen. Diese gestalten sich immer mehr aus, die Fortsaétze an der Basis bilden selb- stindige Zotten, und so ist am alten Tier von einer Anordnung in Reihen nichts mehr zn sehen, aber noch am jungen Tier ist Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 635 diese Anordnung deutlich. Wir sehen also auch hier, wie das Aeltere und Allgemeinere als embryonales Durchgangsstadium des Weiterentwickelten und Komplizierteren erscheint. i —_ C Fig. 4. Oesophagus. Acanthias-Embryo, 45 mm. Schnitt nahe dem Kopf. Zeigt schon weiter entwickelte Falten sowie die Lage in der Leibes- hdéhle. C Colom, A Aorta, Ch Chorda dorsalis mit Scheide. An die Muskulatur des Oesophagus nach innen zu schlieBt sich lymphoides Gewebe an, das, ungeheuer reich entwickelt, das lymphoide oder Lrypiesche Organ bildet. In der literarischen Uebersicht habe ich gezeigt, wie verschiedene Angaben und Ansichten tiber dieses Organ herrschen. Das lag zum Teil am Objekt. Bei Rajiden und den meisten Haien Scyllium, Galeus, Pristiurus, Scymnus (LeypiG) sowie bei Squatina liegt es in der Form zweier kompakter Haufen, von im Leben gelblich-weifer Farbe, im Oeso- phagus, so angeordnet, daf seine Wandung in eine dorsale und ventrale Halfte geteilt erscheint. Die beiden voluminésen Klumpen platten das Lumen zu einem queren Spalt (Taf. XX, Fig. 2) ab. Bei Acanthias ist das anders. Wie ich oben beschrieben habe, ist die Innenflache mit einer grofen Menge von Zotten besetzt. Dadurch wird das lymphoide Organ aufgelést in eine Menge kleinerer und gréSerer, mehr oder minder lockerer Knétchen, die an der Basis der meisten dieser Zotten liegen. Auch mehrere gréBere Pakete, die sich unter mehreren Zotten hinziehen, sind Iieist anzutreffen. Die schon von Epincrr beschriebenen, aber falsch gedeuteten Sinus befinden sich nicht nur in der Masse der Lymphzellen selbst oder unmittelbar ihnen auf- oder unterlagernd, 42% 636 Hans Petersen, sondern weit entfernt davon an der Peripherie der Zotten, so daf die Beziehungen der Lymphzellen zu diesen Sinus deutlicher er- kennbar sind. Die Kapsel, als welche die schon oben genannte fibrése Randschicht anzusehen ist, liegt bei Raja und den iibrigen von mir untersuchten Selachiern direkt den lymphoiden Gewebs- massen auf, wahrend sie bei Acanthias unter dem Epithel von den eigentlichen Knétchen entfernt sich findet, so daf ein freier, nur vom Stiitzgeriist erfiillter Raum entsteht, in den die Wander- zellen natiirlich auch vordringen, so daf’ das lymphoide Organ im Vergleich mit dem von Raja auf einen viel gréferen Raum verteilt erscheint. Die im folgenden beschriebenen Verhaltnisse beziehen sich auf Acanthias, nur nebenbei wird auf andere Formen, besonders Raja, hingewiesen werden, da ich das Organ von Acanthias wegen der Klarheit und Uebersichtlichkeit der Verhiltnisse allein einem eingehenden Studium unterzogen habe. Ja, ich fiihre die wenig eingehenden Angaben tiber dieses Organ vor allem darauf zuriick, da ein geeignetes, den betreffenden Studien Vorschub leistendes Objekt fehlte, und die Tatsache, daS der Gegenstand meiner Darmuntersuchungen Acanthias war, veranlaBte mich, auf dieses bisher mit wenig Glick studierte lymphoide Organ itberhaupt naiher einzugehen. Wie schon die Bezeichnung lymphoides Organ besagt, haben wir hier eine Anhaiufung von lymphoiden Zellen, Leukocyten, Wanderzellen vor uns, die im einzelnen recht verschiedenen Bau besitzen und in ein Stiitzgeriist, das Reticulum, eingelagert sind. Kin eigentliches Keimzentrum in der Anordnung dieser Zellen existiert nicht, nur in den Knétchen des Organs bei Acanthias ist meist ein Mittelpunkt nachweisbar, ohne daf jedoch die Mitosen gerade auf diesen Teil beschrankt waren. Was das Charak- teristische hier ist, werden wir spiter sehen. Die Anzahl der verschiedenartigen Zellen ist gro, aber es bieten sich grofe Schwierigkeiten, sie zu klassifizieren, nur die Endstadien einer Entwickelung, die sich nach diesen Uebergangen aufstellen lat, sind deutlich. Besonders nach Farbung mit Hamatoxylin und Fuchsin S- Orange G sind alle diese Verschiedenheiten und Aehnlichkeiten deutlich, ohne da jedoch damit gesagt sein soll, da sie nicht auch mit anderen Methoden darzustellen waren. Besonders eine Form fallt ins Auge, die einen kleinen exzentrisch gelegenen Kern und eine mehr oder minder grofe Menge lebhaft (Orange) Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 637 gefarbter Granula besitzt (Taf. XXI, Fig. 2, 5, 6), Typus I. Bei Raja (Taf. XXI, Fig. 6) sind diese Granula besonders grof und die Zellen machen den Eindruck von kleinen (nach der genannten Farbung) lebhaft gelben Himbeeren (Taf. XXI, Fig. 19). Diese Zellen sind auch schon von anderen gesehen und_beschrieben worden. Auch Drzwra erwahnt, da8 einige Zellen von Raja fiir Orange besonders empfanglich sind. Bei gut fixierten Praparaten sieht man sie oft in amdboider Bewegung fixiert (Taf. XXI, Fig. 2). Woraus diese Granula bestehen, laf%t sich nicht angeben. Bei Raja clavata, deren lymphoides Organ allein ich frisch untersucht habe, sind die einzelnen Korner, wie schon gesagt, sehr grof, stark lichtbrechend und daher im mikroskopischen Bild glanzend- Sie schwirzen sich nicht mit Osmiumsiure und farben sich in- tensiv mit Methylenblau, nicht mit Neutralrot. Sie machen nicht den Eindruck runder Kugeln, sondern sind unregelmafig gestaltet, oft abgeflacht, wie kleine runde Scheibchen. Bei Acanthias sind die einzelnen Kérner, wie gesagt, bedeutend kleiner. Mit Eosin kann man bei Raja clavata diese Zellen auch hervorheben; OpreL beschreibt sie auch: ,,Vor anderen Elementen fallt jene Art von Wanderzellen ins Auge, deren Leib zahlreiche Kérnchen zeigt .... die sich lebhaft mit Eosin tingieren, und so den eosinophilen Zellen anderer Vertebraten gleichen.“ Eine andere Art von Zellen, die man im lymphoiden Oeso- phagusorgan von Acanthias trifft, besitzt einen grofen runden ovalen oder bohnenférmigen Kern, der, wenig Chromatin ent- haltend, wie eine Blase aussieht (Taf. XXI, Fig. 3, 4, 8, 9, 10, 18, 19). Der Nucleolus ist meist deutlich (Fig. 18, 19). Der Protoplasmaleib ist im Verhaltnis zum Kern nicht sehr grof und besitzt keine Granula, sondern nur um den Kern herum eine Triibung, die sich basophil verhalt, Typus II. Die dritte Art besitzt wieder deutliche, aber sehr feine Granula, die sich besonders mit Fuchsin farben und in typischen Fallen auBerordentlich zahlreich sind. Das Charakteristische ist der Kern, der polymorph ist, bald hufeisenférmig, bald mehrfach eingeschniirt, bald in mehrere Teile zerfallen (Fig. 7, 11, 12, 13, 16). Bei Fig. 1, 3 sind noch nicht so viele Granula vorhanden wie in typischen Fallen (16), Typus III. Eine vierte Art besitzt einen volikommen kompakten Kern, an dem von einer Struktur nur wenig zu sehen ist und der auch Plasmafarben speichert, daher nach der mehrfach genannten Farbung violett aussieht. Der Zell- leib ist grof, matt mit geringer rétlicher Triibung. Diese Zell- 638 Hans Petersen, form (Typus IV) habe ich nicht so glatt von dem gemeinsamen Ausgangspunkt ableiten kénnen wie die anderen. Sie ist selten, vielleicht eine Degenerationsform (Taf. XXI, Fig. 23, 24). Studiert man die Praparate genauer, so weisen die Ueber- ginge alle auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt hin: eine Zell- form mit mabig grofem Protoplasmaleib, mittelgroBem bis grofem . Kern, der wenig Chromatin und meist einige deutliche Nukleolen enthalt. Wenige acidophile (Fuchsin-Orange: rot) Granulationen sind vorhanden. Diese Zellen sehe ich als die Mutterzellen an, aus denen die anderen sich entwickeln. Sie allein teilen sich. Niemals habe ich andere Formen in mitotischer Teilung gesehen. Sie bilden auch die sogenannten Keimzentren; als hellere Stellen, von dunkleren Zonen umgeben, erscheinen sie bei schwacher Ver- gréferung. Die sparlichen Granula, die grofen chromatinarmen Kerne veranlassen das hellere Aussehen. Sie liegen dicht bei- einander und pressen sich daher zu polyedrischen Formen zu- sammen. Jedoch sind die Mitosen durchaus nicht nur auf diesen Teil, der sich oft um eine gréSere Arterie als Mittelpunkt herum gruppiert, beschrinkt. Die Entwickelung geht nun in 3 Rich- tungen vor sich. Einmal verindert sich hauptsichlich der Kern, der polymorph wird, die Granula nehmen etwas an Zahl zu, Typus III. Das andere Mal geht der Protoplasmakérper allein eine Umwandlung ein, indem die Granula verschwinden, Typus IL. Drittens veraindern sich Kern und Kérper; die Granula nehmen an Zahl und Gréfe zu, der Kern wird kleiner und kompakter und liegt an der Peripherie der Zelle, Typus I. Das Mengenverhaltnis der 3 Formen ist bei Acanthias ungefaihr gleich, nur der Typus I ist ein wenig an Zahl zuriicktretend gegentiber den anderen. Typus IV habe ich, wie gesagt, nicht so in diesen Entwickelungs- gang einreihen kénnen. Er ist sehr selten. Bei Raja sind die Himbeerzellen die zahlreichsten. Sie sieht man iiberall, in der Magenschleimhaut und ihren Blutgefifen, in der Milz, auch in den die Nieren und den Hoden einhiillenden lymphoiden Paketen. Scumipt erwahnt sie 1898 als ,,Kérnchenzellen‘’ aus dem Ovarium von Raja. Er fand sie auch im Blut und nimmt an, daf sie zur Ernahrung der Eier beitriigen; er beschreibt Zerfallserscheinungen dieser Zellen im Ovarium. Wir haben es hier mit denselben Ge- bilden zu tun wie im Hoden: lymphoiden Massen, die zu beiden Seiten der Wirbelsiule, dort, wo das Mesenterium ansetzt, sich hinziehen und alle Organe, die in gleicher Lage sich befinden, einhiillen. Die scheinbaren Zerfallserscheinungen erklaren sich saa Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 639 durch Schnittbilder von in lymphoider Bewegung fixierten Zellen, wie ich sie z. B. aus der Magenschleimhaut kenne. Bei Scyllium, Galeus und Squatina konnte ich Zellen mit grofen, stark acidophilen Granulis und exzentrischem Kern nicht finden. Ich méchte aber auf farbenanalytische Untersuchungen als Basis vergleichender Betrachtungen von Art zu Art keinen grofen Wert legen. Wir kénnen wohl bei einem und demselben Tier, sicher an einem und demselben Praparat) Schliisse iiber die Beziehungen verschiedenartiger Leukocyten zueinander machen. Wir kénnen uns den Chemismus einer solchen Zelle gar nicht kompliziert genug vorstellen, so kompliziert, daf wir nach einem derartig auferlichen Merkmal, wie es eine Farbung ist, die, wie Drzwina selbst angibt, je nach der Vorbehandlung oft ganz ent- gegengesetzte Resultate gibt, Vergleiche von Art zu Art und Schliisse tiber das Vorkommen physiologisch gleichwertiger Zellen bei verschiedenen Formen ziehen. Wir kénnen uns doch sehr wohl vorstellen, dafi Zellen, die fiir die verschiedenen Arten dieselbe physiologische Bedeutung haben, sich bestimmten Farbstoffen gegen- liber ganz entgegengesetzt verhalten. Mir liegt vor allem daran, zu zeigen, dafi diese Tiere (Paradigma: Acanthias) auch schon wie die hédheren Vertebraten verschiedene Leukocyten besitzen, von denen bei Raja scheinbar eine besonders bedeutungsvolle Art die ist, die ich als himbeerfoérmige beschrieben habe; da8 diese Zellen aber (Acanthias) nicht unabhingig voneinander existieren und entstehen, sondern daf8 sie im lymphoiden Organ des Oesophagus aus einer gemeinsamen Grundform sich differenzieren. Alle die oben beschriebenen Zellformen sind nun im lympho- iden Organ von Acanthias nicht raumlich voneinander getrennt, so daf die Mutterzellen nur in der Mitte liegen, man sieht sie auch am Rande, ebenso in der Ruhe wie in Teilung begriffen. Im allgemeinen sind aber mehr fertige Zellen am Rande als in der Mitte, und mehr Mutterzellen in der Mitte als am Rande anzu- treffen. Diese Zellen wandern nun, und zwar vom Zentrum nach der Peripherie zu. Hier, aber auch ab und an im lymphoiden Organ selbst sieht man eine Reihe weiter Sinus, die, wie schon EDINGER 1) Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 23 stammen aus demselben Schnitt, an dem sich alle erwahnten Verhiltnisse stu- dieren lassen. 640 Hans Petersen, beschrieb, nur aus einem Endothel bestehen, an das sich das reti- kulierte Bindegewebe der Umgebung direkt ansetzt; er hielt sie deshalb, und weil er Blutzellen in ihnen konstant vermifte, fiir Lymphsinus, eine Auffassung, die bisher, wohl auf EpincEr zuriick- greifend, iiberall zu finden war. Ich fand nun konstant Blutzellen in ihnen. VraLLeETON, der die Verteilung der Lymphgefafe des. Darmes von Torpedo genau untersuchte, konstatiert ausdriicklich, daf LymphgefaSe sich im Oesophagus nur auf die Serosa be- schrinken und einwarts von der Muskulatur nicht vorkommen, wo er sie im tibrigen Darm auferordentlich reichlich fand. Das lie mir die Vermutung aufkommen, daf wir es hier nicht mit Teilen des LymphgefafSsystems*), sondern mit Venensinus oder, wenn man will, ausgeweiteten Kapillaren zu tun haben. Diese Vermutung erhob sich zur Gewifheit, als es mir gelang, bei Raja clavata diese Bildungen von der Pfortader aus zu injizieren, was leicht auszufiihren ist. Auch die Entwickelung aus weiten, strotzend mit Erythrocyten gefiillten Kapillaren beweist ihre Natur (Taf. XX, Fig. 3, 5, 6). In diese Sinus wandern nun die Leukocyten ein. Das ist nur bei Acanthias zu sehen, wo diese Bildungen zum Teil weit von der Masse der lymphoiden Zellen entfernt liegen. In langen Ziigen sieht man sie, eine hinter der anderen, auf den Maschen des Reticulums hinkriechen und sich um die Sinus in dichten Klumpen sammeln. Auch in den Venensinus selbst findet man sie. Ins Epithel oder durch dieses gelangen sie nicht, wie EpinGER beschreibt ?). Die dicke Bindegewebsschicht und die Basalmembran hindern sie daran. Aber auch wo ein locus minoris resistentiae ist, namlich wo ein Blutgefa die fibrése Randschicht durchbricht, begleiten nur vereinzelte Wanderzellen dieses, die Hauptmenge lagert sich um die daneben liegenden weiten Aussackungen der Blutbahn. Einrichtungen, die eine Anpassung an die Aufnahme von Wander- 1) Sie fiir LymphgefaSe zu halten, widerspricht auch unserer Auffassung vom Lymphgefaisystem iiberhaupt. Dieses entspringt aus Gewebsliicken, die gerade hier reichlich entwickelt sind. Es waren also schon weite, mit dem LymphgefaSsystem kommunizierende Raume da, so daf besondere Aussackungen der Lymphbahnen mit besonderen Wandungen ohne Bedeutung wiiren. 2) Bilder wie etwa aus der Tonsille oder aus den Peyrrschen Plaques sehen ganz anders aus, Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 641 zellen darstellen, eine Funktion, die sie auch durch ihre lang- gestreckte, zuweilen verzweigte Gestalt!) verraten. Die Funktion des lymphoiden Oesophagusorgans wire also vollkommen klar: Wanderzellen werden gebildet und ins Blut ab- gefiihrt. Wir haben es mit einem Organ zu tun, das die Stelle der Lymphdriisen der héheren Wirbeltiere einnimmt. Solche fehlen bekanntlich den Selachiern. Eigenartig ist die Beziehung zu den BlutgefaBen. Aber diese bilden keinen prinzipiellen Gegensatz zu anderen lymphatischen Bildungen. Auch bei den Saugetieren unter- scheidet man solche, die ins Lymph-, andere, die ins BlutgefaSsystem eingeschaltet sind, eigentliche Lymphknoten und Blutgefalymph- driisen, die an der Ansatzstelle des Mesenteriums zu finden sind. Das Wichtigste ist die Ansammlung von Wanderzellen, die hier ihren Ursprung nehmen aus Keimen, die auf irgend eine, hier fiirs erste irrelevante Weise hierher gelangt sind. Wird die An- sammlung gréfer, so bilden sich Hilfsorgane aus: eine feste Kapsel aus straffem Bindegewebe, die die Umgebung vor einer Ueber- infiltration schiitzt, und, daran anschliefend, Ausfuhrwege, als welche bei den typischen Lymphknoten der Siéuger Teile des Lymph- gefafisystems, hier eigenartig entwickelte Teile des Blutgefaf- systems herangezogen werden. Die Entwickelung des lymphoiden Organs bei Acanthias voll- zieht sich folgendermafen: Die jugendliche Zotte ist angefiillt mit embryonalem Bindegewebe, in dem Blutkapillare in reichem Mafe zu sehen sind (Taf. XX, Fig. 5). In der Umgebung dieser Blut- raume treten einzelne Zellen auf, die vorher hier nicht zu finden waren. Sie gleichen im allgemeinen den oben als Mutterzellen charakterisierten Elementen: grofer blasenformiger Kern, meist deutlicher Nucleolus, mittelgrofer Zellkérper, der hier nur un- deutlich Granula erkennen lat. Spater sieht man diese Zellen- anhaufung an Gréfe und Bedeutung zunehmen, bis der Stand- punkt des erwachsenen Organs erreicht ist. Die Zotte ist nicht in demselben MaSe gewachsen, so daf zu einer Zeit (kurz vor der Geburt) relativ gréSere Teile der Zotte von lymphoiden Zellen ausgefiillt werden, als dies spiter der Fall ist. Die ersten Zellen liegen in der unmittelbaren Nachbarschaft von Blutgefifen, und die Tatsache, daf letztere eher auftreten als die Wanderzellen, legt die Vermutung nahe, da sie dem Blute entstammen. Fiir 1) Im Schnittbild, ins Raumliche iibertragen, natiirlich platte und verzweigte Schlauche. 642 Hans Petersen, eine Auffassung, da’ sie aus umgewandelten Mesenchymzellen der Umgebung sich ausbilden oder zum Epithel des Oesophagus in genetischer Beziehung stehen, habe ich Anhaltspunkte nicht finden kénnen. Ich neige also der Ansicht zu, daS die ersten Zellen des lymphoiden Organs durch den Blutstrom hierher transportiert werden, hier, wie auch an anderen Orten nach Art von Leukocyten: iiberhaupt, die Blutbahn verlassen und aus irgend welchen Griinden hier sich vermehren und den Grundstock des spiateren so machtig entwickelten lymphoiden oder Leypieschen Organs bilden. Ehe ich mich der Schilderung des Reticulums zuwende, in das diese lymphatischen Zellen eingelagert sind, méchte ich die Frage nach dem morphologischen Wert, nach der vergleichend- anatomischen Bedeutung der Ansammlung lymphatischen Gewebes im Oesophagus der Selachier erértern, eines Gewebes, das an dieser Stelle in dieser Ausbildung in der Wirbeltierreihe einzig dasteht. Wie wir schon gesehen haben, sieht Epincger das Organ als eleichbedeutend mit den Nodulis, die auch sonst im Darm (bei Selachiern nur bei Torpedo und Lamna cornubica, von PILLET aus der Bursa pylorica beschrieben) reichlich vorkommen. Ich mus Oppreis Ansicht beipflichten, da8 es eine fiir sich stehende Bildung ist, denn die Lage ist eine andere. Nicht nur, daf der Oesophagus der Ort der Entwickelung ist, auch die Hohe der Schicht ist eine andere. Die Submucosa, nicht die Mucosa birgt es; die Beziehung zum Epithel fehlt ganzlich. Nun finden sich bei Raja clavata, wahrscheinlich bei allen Selachiern, Teile dieses Organs auferhalb des eigentlichen Oeso- phagus in dem dorsalen Mesenterium; und langs der ganzen Wirbelsiule die Hauptblutgefife, die Nieren und die Gonaden ein- hiillend, sind bei Selachiern und Teleostiern (verg]. Drzwina) eben- falls lymphoide Massen reich, wenn auch nicht in solch kolossaler Ausbildung, wie z. B. bei Squatina oder Raja im Oesophagus, ent- wickelt. Der vordere Teil des Oesophagus entbehrt eines eigent- lichen Mesenteriums, ein Lageverhaltnis, das embryonal bis zur Cardia reicht. Er erscheint der Wirbelsaule direkt anliegend und somit auch den eben erwiahnten lymphatischen Organen benach- bart. Es ist deshalb méeglich, sogar wahrscheinlich, daf Teile dieser Bildungen sich auch auf den Oesophagus ausdehnten und hier in reichstem Mae sich entwickelten. Das lymphoide Oesophagusorgan ist ein abgegliederter Teil der langs der Wirbelsdiule an der Ansatzstelle des Mes- Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 643 enteriums befindlichen lymphatischen Gewebs- massen. Der Zustand bei Acanthias ist ein sekundirer, eine Folgeerscheinung der Ausbildung der Zotten. Er zeigt aber auch die Leichtigkeit, mit der derartige lymphatische Bildungen in einzelne Teile zerfallen, die dann eine mehr oder minder grofe Selbstandigkeit erlangen. Die Lage im Oesophagus ist giinstig. Die Selachier sind sehr gefrabige Raubtiere, ihr Oesophagus oder vielmehr dessen Musku- latur ist in stindiger Aktion. Das muf die Abfuhr der Zellen in die Venensinus und die Zirkulation in diesen begtinstigen; das ganze lymphatische Gewebe wird gleichsam fortwihrend durch- geknetet, und lebhafte Lageveranderungen der einzelnen, es zu- sammensetzenden Elemente erfolgen, die nach den oben dargelegten Erérterungen der Funktion nur dienlich sein kénnen. Wir sehen ja auch sonst, wie die fiir eine bestimmte Funktion aufgewandte Energie zugleich fiir andere Funktionen dienstbar gemacht wird. (Mit der Ausbildung der Lungenatmung wird der vorhandene und durch die Inspiration verstarkte negative Druck im Thoraxraum fiir den Venenblutstrom férdernd.) Wir kommen jetzt zur Besprechung des Stiitzgeriistes, in das die im vorigen besprochenen Massen verschiedenartiger lympha- tischer Zellen eingelagert sind. Wie Drzwina zuerst zeigte, be- steht dasselbe aus miteinander anastomosierenden Zellen, die fast stets in einer Richtung des Raumes entwickelt sind, d. h. stark abgeplattete, schleierférmige Elemente, die ein Maschenwerk mit langgestreckten Maschen bilden. Es ist dasselbe Gewebe, das man embryonal allgemein sowohl bei Selachiern als auch bei héheren Formen, als Gallertgewebe, den Ausgangspunkt der verschiedenen Stiitz- und Bindesubstanzen bilden sieht: die erste Gewebeformation der Mesenchymzellen. In den lymphatischen Organen erhalt es sich (THoms& 1905), so auch in dem lymphatischen Oesophagusorgan der Selachier. Bei Acan- thias kann man es besonders schén studieren. Embryonal erfillt es die ganze Zotte (Taf. XX, Fig. 5). Spéter sondert sich die fibrése Randschicht und das zwischen dieser und dem Epithel liegende etwas lockerere Gewebe. Das Reticulum des lymphoiden Organs wird nur unwesentlich modifiziert. In der Oesophaguszotte von Acanthias ist es ausgespannt in dem vom Epithel mit den darunter liegenden Schichten gebildeten Hohlkegel. Wir haben gesehen, wie das Lumen dieses Hohlkegels nicht vollstindig von lymphoiden Zellen ausgefiillt wird, es bleibt 644 Hans Petersen, somit ein Raum, in dem das Reticulum ohne oder mit nur ver- einzelten eingelagerten Wanderzellen sich findet. Die Kerne dieser Reticulumzellen sind meist oval und ab- geflacht, so dafS man nach den Schnitten verschiedene Bilder vor sich hat. Sieht man sie von der Fliche, so erscheinen sie arm an Chromatin, das fein verteilt ist und aufSerordentlich ahnlich denen jener Zellen, die Maximow (1904) als Fibroblasten, also als integrierenden Bestandteil des lockeren faserigen Bindegewebes bei Saugern beschreibt. Auch die Zellleiber der Reticulumzellen haben mancherlei Aehnlichkeiten mit den Fibroblasten Maximows, nur daf die Anastomosen iiberall zu beobachten sind. Beide Zell- arten sind ja auch nahe miteinander verwandt. Die richtigen Fibro- blasten sind weiter fortgebildet, sie haben iiberall Fibrillen aus- geschieden, die das Innere der Zelle verlassen haben, und die — Anastomosen haben sich (vielleicht nur zum Teil) riickgebildet, wahrend das retikulaére Bindegewebe, wie wir es in der Zotte von Acanthias antreffen, in den meisten Eigentiimlichkeiten auf dem Standpunkt des embryonalen Gallertgewebes (Paradigma: Nabel- strang, Kaulquappenschwanz) stehen geblieben ist, von dem beide, ontogenetisch und phylogenetisch, abstammen. Ich méchte tiber- haupt der Vermutung Raum geben, daf das Gallertgewebe, das Bindegewebe aus anastomosierenden Zellen, bei Selachiern weiter verbreitet und im spateren Leben nicht nur an lymphatische Organe gebunden ist. So fand ich es als Mucosa im Magen er- wachsener Exemplare von Raja clavata (Taf. XXII, Fig. 5) und auch in der Submucosa ebenda. Diese Frage weiter zu verfolgen, fiihrte mich jedoch zu weit vom Thema ab, als daf ich eingehend sie hatte studieren kénnen. In diesen anastomosierenden Zellen werden nun Fibrillen aus- gebildet. Zuerst schon wihrend des embryonalen Lebens (Embryo von 70 mm Linge) an der Peripherie, wo sie die von mir schon oben genannte fibrése Randschicht bilden. Spater, bei jungen Tieren, treten auch in den anderen Reticulumzellen, die zentral im Bereich des lymphoiden Organs liegen, feinste Fibrillen auf, deren erste diinnste Stadien sich nach der Gramschen Methode farben lassen. An alten Tieren lassen sie sich auch mit anderen Methoden darstellen und sind betrachtlich dicker. In dem Reticulum verlaufen nun Fasern, die zum Teil in den Reticulumzellen, meist aber, ohne der allgemeinen Maschenkonstruk- tion zu folgen, als dicke Querschnitte und hellglinzende ge- schlingelte Baiumchen verlaufen. Sie sehe ich als Ueberbleibsel Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 645 der Randschicht an, da sie schon in jungen Stadien sichtbar sind, wo von einer allgemeinen Fibrillenbildung noch nicht die Rede sein kann. Sie sind auch noch mit den die Randschicht kom- ponierenden Fasern identisch. Betrachten wir nun die fibrése Randschicht. Wie gesagt, haben wir auch hier embryonal Gallertgewebe. In dieses werden Fibrillen eingelagert, die an Dicke und Zahl immer mehr zunehmen. Auf einem gewissen Stadium (junges Tier, giinstige Stelle) hat man dasselbe Bild, wie es LAGuEssE (1903) Fig. 10, 11, 12, 13 abbildet. Dieselben Maschen mit denselben dicken Fibrillen. Da es sich hier auch um Acanthias und um ein abnliches Gebilde (Milz- kapsel — Kapsel des lymphoiden Organs) handelt, nehme ich keinen Anstand, die Verhaltnisse als identisch zu betrachten. Man ver- gleiche auch meine Figg. 4 und 5 auf Taf. XXII und Fig. 11 auf der Tafel von LacurEsse. Spater sieht man wegen der Masse und Dicke der Fibrillen nichts mehr von den Maschen der Zellen. Die Fasern haben wohl auch zum Teil den Verband der Zellen verlassen, d. h. sie sind so dick und zahlreich geworden, daf sie nicht mehr Platz im Innern des Reticulums haben, auch ver- findern sich wohl die Maschen, wahrend die Fasern ihren Platz beibehalten. Dieser Mantel von Fasern bildet nun, wie schon oben aus- gefiihrt, einen Hohlkegel. Die jiingere Zotte wiirde sich bei einer Rekonstruktion innerhalb dieses Hohlkegels befinden. Die Rand- schicht wird also nach aufen verschoben. Da die Schicht nun immer nur einen kleinen Teil der Zotte ausmacht, der an der Peripherie sich befindet, so werden wir zu der Folgerung gedrangt, da8 neben einer Vermehrung der Fasern, die mit der Oberflachen- vergroéferung gleichen Schritt halt, an der Innenseite ein Abbau erfolgt. Nur so ist es erklarlich, da’ dem Innenraum der Zotte die miichtigen Fasermassen fehlen. Daf Reste bei dem Abbau der Fasern iibrig bleiben, zeigen die Fasern, die ich, als im Innern der Zotte befindlich, schon oben beschrieben habe. Wer diese Auflésung der inneren Fasern besorgt, habe ich nicht ermitteln kénnen, wahrscheinlich sind es die Bindegewebszellen selbst, da ich besondere Elemente nach Analogie der Osteoklasten nicht habe ermitteln kénnen. Wir miissen also den Zellen der Randschicht eine weitgehende formative Tatigkeit zuweisen, nur so kénnen sie auch den beim Wachstum des Organismus wechselnden Anforde- rungen an die konstruktive Anordnung der Faserelemente gerecht werden. * 646 Hans Petersen, An den Spitzen kommt es zur Ausbildung einer kompakten Schicht nicht, die am Koérper der Zotte dichte Schicht ist hier gleichsam aufgefasert. Zwischen der Randfaserschicht und dem nun zu beschreibenden Epithel liegt eine Lage faserarmeren und mit diimneren Fasern durchsetzten Gewebes, das, nur streckenweise deutlich entwickelt, eine grofe Menge weiter Kapillaren enthalt. Epithel. Als ontogenetisch alteste und morphologisch wich- tigste Schicht liegt zu innerst das Epithel. Dieses zeigt bei den ver- schiedenen Gattungen der Selachier ein merkwiirdig verschiedenes Aussehen, wie das auch von allen Autoren konstatiert wurde. Das Gewo6hnliche scheint, soweit Angaben in der Literatur und eigene Untersuchungen reichen, ein zwei- oder mehrschichtiges flimmerndes “ylinderepithel zu sein. Schleimzellen, die bei den verschiedenen Gattungen ein verschiedenes Aussehen haben, sind reichlich und hiufen sich meist an der Cardia. Bei Raja sind sie schlank, flaschenformig, bei Squatina bauchig, bei Scyllium laufen sie in spitze Fortsitze aus, die den Kern enthalten (Taf. XXII, Fig. 7). Die Schleimzellen sind sehr in die Lange entwickelt und fuSen unmittelbar auf der Basalzellenlage. Die oberste Zelllage lebt und funktioniert lebhaft: die flimmernden Cylinderzellen, die schleim- absondernden Flaschenzellen. Nur von Zeit zu Zeit, miissen wir uns vorstellen, geht eines der die oberste Zellschicht bildenden Elemente zu Grunde und wird durch von unten aus der Basalreihe nachriickende Zellen ersetzt. Anders organisiert ist das Oesophagusepithel von Acanthias (Taf. XXII, Fig. 10). Die unterste Lage besteht aus zylindrischen Zellen, die folgenden Lagen werden nach dem Lumen zu immer niedriger. Die auBerste Schicht ist kubisch. Auf diesem Wege, von der Basis nach dem Lumen zu, verdéndert sich das Aussehen der Zellen. Der Kern wird eckig und schrumpelig. Das Proto- plasma wird in seinen auferen Schichten homogen, wahrscheinlich erleidet es eine Art Verhornungsprozef. Die auferste Schicht zeigt diese Verainderung am meisten. Sie wird dauernd abge- stofen, neue Zellen riicken von unten nach. Mit ihnen Schleim- zellen, die wihrend dieses Weges sich mit Schleim vollstandig fiillen, wobei Kern und Protoplasma zu einer diinnen Sichel zu- sammengepreft werden. Ihre Grife ist bedeutend, bis zu 30 « bei jungen Tieren, 40 w bei alten Tieren im gréSten Durchmesser. Der Druck in ihnen muf ein bedeutender sein, da die Zellen der Umgebung stark deformiert sind. Gelangen sie an die Oberflache, ae Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 647 so platzen sie, ihren Inhalt ins Lumen entleerend. Die Zellen gehen also bei der Sekretion zu Grunde, wihrend sie im flim- mernden Zylinderepithel von langerer Lebensdauer sind. Das von Acanthias im Oesophagus oben beschriebene Epithel ist das fiir Selachier in der Mundhéhle und in der Kloake charakteristische wenn es auch nirgends so massig entwickelt ist wie hier. Von den verschiedenen Arten der Gattung Torpedo sowie von Centrophorus granulosus wird ein Epithel beschrieben, das im oberen Teil des Schlundes dem fiir Acanthias geschilderten gleicht. Im unteren Teil nehmen die Becherzellen an Zahl zu, so daf die oberste Schicht nur aus ihnen besteht. Es erscheint also als eine Modifikation, als eine Weiter- entwickelung der bei Acanthias bestehenden Verhiltnisse. Auch bei Raja und Scyllium findet man das Mundhohlenepithel eine Strecke weit in den Oesophagus hineinragen, bei Acanthias hatte es das Flimmerepithel vollstandig verdrangt. Das Oberflichenepithel macht bei Acanthias eine eigentiim- liche Entwickelung durch. Wahrend einer langen Zeit ist das Lumen verschwunden, und das Epithel bildet eine einzige kompakte Zellmasse. Nach der Eréffnung!) (45 mm) besteht es aus einem zweischichtigen kubischen Epithel (Taf. XX, Fig. 5). Die oberste Zellschicht plattet sich ab, die Zellgrenzen verschwinden, und man erhalt eine platte, strukturlose Schicht mit platten, in regelmaSigen Abstanden befigdlichen Kernen (Taf. XXII, Fig. 8). Die darunter befindlichen Zellen vermehren sich, die oberste Lage wird abge- blattert (Taf. XXII, Fig. 9), und die Verhaltnisse des fertigen Tieres liegen vor uns. Was dieser Vorgang fiir eine Bedeutung hat, ist mir unbekannt, der Vollstandigkeit halber méchte ich ihn aber beschrieben und abgebildet haben (Taf. XXII, Fig. 10). Bei den Selachiern, die ich untersucht habe, existiert unter dem Oesophagusepithel eine auffallig dicke Basalmembran. Im ganzen tibrigen Darm fehlt sie, wie schon Leypic¢ vom Magen beschrieb. Sie erscheint als eine den untersten Epithelzellen ge- meinsame Haut, die unter simtlichen Zellen hinwegzieht und die Zellgrenzen ohne Verainderung tiberbriickt. Sie ist also eine nach innen abgeschiedene Cuticula. Mit der VAN Gresonschen Methode gelang es mir, sie sowohl vom Epithel, als auch besonders vom unterliegenden Bindegewebe different gefarbt darzustellen. Sie war 7 1) Naheres siehe bei Krevutur (1903), die Cardia bleibt noch lange geschlossen. 648 Hans Petersen, leuchtend gelbrot, wahrend das Bindegewebe blaurot und das Epithel rein gelb gefirbt war. Wie gesagt, fehlt eine Basal- membran dem itibrigen Darmepithel. Es wiirde ja auch fiir Zellen, die mit der Unterlage in einem regen Stoffaustausch stehen, ein derartiger Abschlu8 physiologisch widersinnig sein. Im Oeso- phagus findet eine Resorption und eine nennenswerte Exkretion: nicht statt. Bei dem massigen Epithel im Oesophagus von Acanthias, wo die Basalmembran auch besonders dick ist+), ist in anderer Weise fiir eine ausgiebige Ernaihrung gesorgt, wie wir nachher sehen werden. Die Basalmembran in dieser Ausbildung an dieser Stelle mochte ich fiir eine Anpassungserscheinung halten. Erstens gibt sie dem Epithel eine feste Unterlage, die bei den, gerade diesen Darmabschnitt treffenden, mechanischen Insulten von Bedeutung ist. Lebende, oft hartschalige Tiere werden ganz verschlungen. Zweitens méchte ich sie aber auch fiir eine Anpassung an das lymphoide Organ halten. Opprn?) halt die Durchwanderung von Wanderzellen durchs Epithel fiir eine bedeutungslose Neben- erscheinung. Hier ist sie tatsichlich nicht vorhanden. Eine aus- gedehnte Schadigung des Epithels von durchwandernden Zellen mu in der Ausdebnung, wie das lymphoide Organ im Oesophagus der Selachier besteht, fiir das Tier von Nachteil sein. Schon die Existenz der Randfaserschicht erschwert den Zutritt der Zellen zum Epithel, die dicke ,,innere Cuticula“, die Basalmembran, macht sie vollstandig unméglich. Die Basalmembran konnte sich hier so ausbilden, weil kein Hindernis in irgend einer anderen Funktion vorlag, und bildete sich aus, weil sie, je starker sie wurde, den Wanderzellen, die von dem sich vergréfernden lymphoiden Organ ihren Ursprung nahmen, desto besseren Widerstand entgegensetzte. Eine andere Erklarung dieser auffalligen Erscheinung scheint mir nicht naheliegend, und jede Struktureigentiimlichkeit ist der Aus- druck einer besonderen Funktion und das Produkt der Anpassung an diese Funktion. Die auferordentlich stark ausgebildete Basalmembran muf notwendigerweise den Stoffaustausch mit der Unterlage, besonders wenn das Epithel, wie bei Acanthias, sehr dick und schichtenreich ist, stérend beeinflussen. Bei Acanthias ist deshalb eine andere Einrichtung ausgebildet, die diese Stérung aufhebt. Es treten Teile der Blutbahnen ins Epithel. 1) Hier ist die fibrése Randschicht diinner. 2) Im Anschlu8 an Puiupsr, Orpen: Lehrbuch, Bd. III, p. 74 Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 649 Maurer beschrieb 1897 aus der Mundhoéhle der Amphibien (Rana, Hyla, Triton, Salamandra) Blutgefaife im Epithel. Die Ein- richtung sollte mit der respiratorischen Tatigkeit zusammenhangen. Spiter wurden diese Beobachtungen angegriffen, und man deutete die Befunde als identisch mit den von Bran 1863 und spater 1867 von LANGER beschriebenen Divertikeln der weiten Kapillaren, die, unter dem Epithel liegend, als Papillen, vielfach gewunden, ohne oder mit nur sehr wenig Bindegewebe, das Epithel von unten her ausbuchten. Die respiratorische Funktion lie8 man bestehen !). Hier bei Acanthias sind die Verhaltnisse unzweifelhaft. Daf wir es mit Vorbuchtungen der Unterlage zu tun haben, ist aus- geschlossen. Ware das der Fall, so miiSten die intraepithelialen Kapillaren von der Basis des Epithels angehérenden Zellen be- grenzt sein, die senkrecht, mit ihnen die langlich-ovalen Kerne, auf der Unterlage zu stehen pflegen. Das ist nicht der Fall (Taf. XXI, Fig. 21). Beschreiben wir die Befunde genauer. Bei schwacher Ver- gréferung (Zeif A) sehen wir, am besten an méglichst senkrechten Schnitten, auf der Basalmembran eine wohlausgebildete Reihe von prismatischen Basiszellen. Darauf folgen Schichten (1—2), die durchsetzt sind von Hohlriumen, an deren Wand dunkle Kerne auffallen. Weiter nach aufen ist das Epithel wieder tiberall dicht und ohne kleinste Liicke. Bei starkerer Vergréferung er- kennen wir, dafi die dunklen Kerne die von Endothelzellen sind. Haufige granulaerfiillte Leukocyten sind zu sehen. Erythrocyten, nach der Hamatoxylin- Fuchsin-Orange-Methode leuchtend gelb gefairbt, sind wohl in den in der Mucosa liegenden weiten Kapil- laren, nicht aber in den intraepithelialen Gefafen haufig. Es hat mir Miihe gemacht, sie tiberhaupt zu finden. Die Raume sind auferordentlich eng, ihre Weite geringer als der Durchmesser der Erythrocyten. Diese miissen sich daher stark deformieren, wenn sie iberhaupt hineingelangen. Fiir die améboid beweglichen Leuko- cyten besteht ein solcher Hinderungsgrund nicht, daher ihre relative Haufigkeit. Auch untersuchte ich an Schnitten, und so wurden die schon stark deformierten Blutzellen auch noch zerstiickelt, was der Diagnose nicht forderlich ist. Zusammenhange mit der Unterlage miissen selten sein, ich habe nur sehr wenige beobachten kénnen. Nur bei Acanthias habe ich diese Einrichtung beobachten kénnen. Hier ist aber auch das Epithel besonders dick, und die 1) Opprx, Bd. IIT, p. 20 ff. Bd, XLII. N. F. XXXYI. 43 650 Hans Petersen, Schleimzellen erlangen ihren gréf8ten Umfang in den hdéheren Schichten, wobei eine betrachtliche Stoff-, besonders wohl Wasser- aufnahme erfolgen muf, da sie sich auSerordentlich vergréfern. Eine respiratorische Funktion kommt dieser Bildung hier nicht zu. Eine solche setzt einen lebhaften Wasserwechsel voraus, der hier im Oesophagus nicht stattfindet. Die Ernahrung des Epithels sehe ich daher als die Funktion des intraepithelialen GefaBplexus an‘). In der Mundhéhle, wo das Epithel niedriger ist, und eine solche dicke Basalmembran fehlt, ist der Plexus nicht nachweisbar. 1) Aehnliche Einrichtungen beschrieb Maurer (1896): Die Epidermis und ihre Abkémmlinge, aus der Oberhaut von Teleostiern, wo ein A4hnliches schichtenreiches Epithel vorkommt. Die Bildungen gehéren dem Lymphsystem an. Bau und Entwickelung des Selachierdarmes. 651 Tafelerklirung. Patel XxX. Fig. 1. Oesophagus von Acanthias vulgaris, Lingsschnitt. Man sieht 2 langsdurchschnittene Zotten mit dem lymphoiden Organ. Vergr. a*, 2. L.O lymphoides Organ, V.S Venensinus, K.C Keim- zentrum, FR fibrése Randschicht, H Epithel, M7 Muskulatur, Langsschicht, MR Muskulatur, Ringschicht, §.Z Schleimzellen. Fig. 2. Oesophagus von Raja clavata, Querschnitt. Vergr. a*, 2. L.O \ymphoides Organ, MJ Muskulatur, S Serosa, V Nervus vagus, B BlutgefiSe, Arterie und Vene, F’ Falten der Schleimhaut. Fig. 3. Oecesophaguszotte von Acanthias vulgaris, Langsschnitt. . Vergr. A, 2. Bezeichnungen wie vorher. R Reticulum, W.L.Z wandernde lymphoide Zellen. Fig. 4. Oberflachenbild des embryonalen Oesophagus von Acanthias vulgaris. Embryo von 55 mm Linge. Lupenvergréferung. Fig. 5. Embryonale Oesophaguszotte von Acanthias vulgaris. Vergr. A, 2. C Kapillaren. Bezeichnungen wie oben. Fig. 6. Oesophagus von Raja clavata, Querschnitt. Die Venen- sinus waren von der Pfortader aus injiziert. Die Injektionsmasse (in der Zeichnung weggelassen) hat die Venensinus etwas gedehnt. Vergr. a*, 2. Bezeichnungen wie oben. Fig. 7. Ocesophaguszotte von Acanthias vulgaris, Langsschnitt. Vergr. E, 2. Ein die fibrése Randschicht durchbrechendes Blut- gefa8 B.G. Bezeichnungen wie oben. Fig. 8. Oesophagus von Acanthias vulgaris, Querschnitt. Em- bryo von 45 mm Lange. Schnitt nahe der Cardia. Vergr. A, 2. Mare. XxX XT. Fig. 1—19 Zei’, apochrom. Immersion 2/1,30, K.-Okul. 6. Fig. 1, 2, 3, 4, 5, 14, 15, 16, 17, 18, 19. Acanthias, aus dem- selben Schnitt. Zenxer-Formol, Hamat.-Fuchsin S-Orange G. Grofes Tier (1,20 m). Fig. 7, 8, 9, 10, 11, 12, 18. Acanthias, aus demselben Schnitt. Zenxur, Wasserblau-Saffranin. Fig. 6. Raja clavata, himbeerférmige Zelle, isoliert mit Pikrin- siure, nach der Heiennatnschen Zentrifugenmethode mit Hamat.- Fuchsin-Orange gefirbt. 43 * 652 H. Petersen, Bau u. Entwickelung des Selachierdarmes. Fig. 2,5. Typus I (siehe Text). Fig. 7, 11, 12,13, 16. Typus IT. Fig. 4, 8, 9, 10, 18, 19. Typus III. Fig. 14, 15. Mautterzelle (Fig. 15 in Teilung). Fig. 1, 8, 17. Uebergangsformen zu II. Fig. 20. Lymphoides Organ von Raja clavata. Zeif, Achr. E, Okul. 2. V Venensinus. Kalibichr. Form. Hamat.-Fuchsin-Orange. Etwas schematisiert. Fig. 21. Intraepitheliale Blutgefafe. Acanthias. Zenxer-Formol. Hamat.-Fuchsin-Orange. Zeif, Achr. 3/1,30, Okul. 4. Das Gelbe ist ein zerschnittener Erythrocyt. Fig. 22. Erste Anlage des lymphoiden Organs bei Acanthias. (Helgoland, Biol. Stat.) Zeif, Achr. E, Okul. 4. Sublimat. Hamat.- Fuchsin-Orange. Fig. 23. Typus IV. Hom. Imm. 2/1,30, K.-Okul. 6. Aus demselben Schnitte wie 1—5, 14—19. Fig. 24. Lymphoides Organ von Acanthias. Grofes Tier. Reticulum mit den dieses durchsetzenden Randfasern in der Mitte (etwas schematisiert). ZankeR-Formol, Hamat.-Fuchsin-Orange. Zeil, hom. Imm. 2: 1,30, Okul. 2. intel xox Fig. 1. Reticulumzellen. Zupfpriparat des frischen Organs. Raja clavata. Fig. 2. Reticulumzelle, Acanthias. Hine Granulazelle auf dem Reticulum. Hamat.-Sublimat-Fuchsin-Orange. Vergr. EH, 2. Fig. 3. Fibrése Randschicht. Junges Tier. Vergr. E, 2. Borax- karmin (Subl.). Fig. 4 und 6. Fibrése Randschicht sich entwickelnd. Van Gimson. Hom. Imm. 2/1,3, Okul. 4. Zenxer (Embryo 70 mm). Fig. 5. Reticulum aus der Magenmucosa von Raja clavata. Ginson. Safranin. a Vergr. E, 2; b hom. Imm. 2/1,3, Ok. 4. Fig. 7. Schleimzellen aus dem Flimmerepithel des Oesophagus von Scyllium stellata. Pikroform. Hamat.-Fuchsin-Orange. Vergr. KE, 2. Fig. 8 und 9. Entwickelung des Oesophagusepithels von Acan- thias. Vergr. H, 2. Fig. 10. Ausgebildetes Oesophagusepithel mit @ Basalmembran, b intraepithelialem GefaBplexus, ¢ Schleimzellen. Vergr. E, 2. Fig. 11. Flimmerepithel aus dem Oesophagus von Squatina ~ angelus. Vergr. E, 2. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbelitiere. Von Dr. Heinrich Ernst Ziegler, Professor in Jena. Vortrag, gehalten gemaf den Bestimmungen der Pavut von Rirrur- schen Stiftung fiir phylogenetische Zoologie am 8. Juli 1907. Hierzu Tafel XXIII und 11 Figuren im Text. Das Kopfproblem hat im Laufe der Zeit seine Gestalt mehr- fach geindert!). Vor etwa 100 Jahren entstand die Lehre, daf der Schidel aus einigen Wirbeln zusammengesetzt sei. Diese von GOETHE und OKeEN begriindete Theorie herrschte mit geringen Abinderungen bis tiber die Mitte des 19. Jahrhunderts. Dann folgte eine Periode, in welcher man die Wirbeltheorie des Schidels ganzlich verwarf; dabei stiitzte man sich auf entwickelungsgeschicht- liche und vergleichend-anatomische Tatsachen, naimlich einerseits auf das Auftreten eines ungegliederten Knorpelschadels in der Ontogenie aller Cranioten, andererseits auf die Kinheitlichkeit des Knorpelschadels bei den niederen Fischen?). Eine neue Periode begann mit den Arbeiten von GEGENBAUR, sowohl insofern als er die Schaidelfrage als ein stammesgeschichtliches (phylogenetisches) Problem auffa8te, als auch dadurch, daf er in Bezug auf den Knorpelschaidel eine neue Theorie einfiihrte, indem er den hinteren Teil desselben als ein Produkt der Verschmelzung von Wirbeln be- trachtete, den vorderen Teil aber als ein einheitliches Gebilde ansah. Durch die embryologischen Studien der neueren Zeit, ins- besondere durch die Arbeiten von vaAN WiJHE, FRorteEP, Dorn 1) Hinsichtlich der Geschichte des Kopfproblems verweise ich auf das Referat von C. Rast (Verhandl. d. Anat. Ges., 1892).und auf die Darstellung von Gaurp (EH. Gaupp, Die Metamerie des Schadels. Ergebnisse d. Anatomie und Entwickelungsg., Bd. VII, 1897. E. Gavupr, Die Entwickelung des Kopfskelettes; in O. H»rrwic, Hand- buch der vergl. u. exp. Entwickelungslehre der Wirbeltiere, 1905). 2) Der wichtigste Vertreter dieser Auffassung war Hux.ey. 654 Heinrich Ernst Ziegler, und Braus hat das Kopfproblem wieder eine neue Gestalt er- halten. Die grundlegende Frage lautet jetzt: Wie viele Ur- segmente (Somite) sind in die Bildung des Kopfes eingegangen? Diese Frage ist in der Tat die wichtigste, denn cu 2x WR G Tae Fig. 1. Vorderende von Amphioxus, von links gesehen (Zeichnung yon HATSCHEK, Verh. d. Anat. Ges., 1892). Die Figur zeigt die Myomeren (deren Grenzen punktiert sind) und die segmentalen Nerven. Die zur Haut gehenden Nerven sind schwarz, die tief liegenden Nerven weif gezeichnet. I vorderer (rostraler) Fortsatz des sog. 1. Somits (Mandibularsomit), IT sog. 1. Somit (Mandibularsomit), Z77, IV u. s. w. folgende Somite. a vorderstes Hirnnervenpaar, bd, bv und c zweites Hirnnervenpaar, cu zur Haut gehende Nerveniste, Ch Spitze der Chorda, # Flimmergrube (an der Stelle de vorderen Neuroporus), VR sog. Nervus recurrens (zu dem Kiemen- pew gehérig), WS Nerv zu dem oralen Sinnesorgan S§ (welches zu dem fiderorgan gehdért), 7 und / rechter und linker Rand des vorderen Mund- winkels, 7 Mundcirren, Vel Velum. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 655 die Ursegmente sind phylogenetisch alter als der Schidel und in gewissem Sinne auch alter als das Gehirn. Dies kann einfach durch den Hinweis auf Amphioxus bewiesen werden, bei welchem die Reihe der Ursegmente bis zum vorderen Kérperende geht (Textfig. 1), und weder ein Schidel vorhanden noch ein Gehirn differenziert ist. Geht man von Amphioxus zu den Cranioten tiber, so handelt es sich zunichst darum, bei letzteren die Ursegmente im Kopf zu erkennen und ihre Beziehungen zu den Nerven und zu den Kiemenspalten festzustellen. Bekanntlich gibt es tiber dieses Problem eine umfangreiche Literatur, in welcher die Arbeiten tiber die Segmentierung des Kopfes der Selachier die wichtigsten sind. Auch ich gehe von den Selachiern aus und kann vielfach Angaben friiherer Autoren bestitigen. Ich gelange aber zu einer neuen Auffassung und zu einem Gesamtbilde der Segmentierung des Kopfes, wie es bisher in der Literatur nicht vorhanden ist. In den letzten Jahren haben sich zwei meiner Schiiler, die Herren Dr. WERNER KLINKHARDT (1905) und Dr. Ernst GUTHKE (1906), mit der Entwickelung der Ganglien des Kopfes der Selachier beschiaftigt, wobei sich zeigte, da% die Ganglien anfangs eine deut- liche Beziehung zu den Kiemenbégen haben, welche aber durch sekundére Verschiebungen bald verwischt wird‘). Bei diesen Studien sah ich, da’ die mesodermalen Héhlen des Mandibular- bogens und der folgenden Kiemenbégen in ganz ahnlicher Weise mit dem Pericardium in Verbindung stehen, wie die Rumpfsegmente mit der Peritonealhéhle zusammenhingen (was freilich, wie ich spater bemerkte, schon BALFour bekannt war). Diese Beobachtung schien mir von grofer theoretischer Wichtigkeit zu sein und veranlafte mich zu einer Untersuchung der Ursegmente des Kopfes; eine solche lag mir um so naher, als ich mich schon friiher (1888) mit der Ausbildung der Ursegmente des Rumpfes beschaftigt habe ’). 1) Werner Kuinxuarpt, Beitrage zur Entwickelungsgeschichte der Kopfganglien und Sinneslinien der Selachier. Jen. Zeitschr., Bd. XXXIX, 1905. Ernst Guruxe, Embryologische Studien iiber die Ganglien und Nerven des Kopfes von Torpedo ocellata. Jen. Zeitschr., Bd. XLII, 1906. 2) H. E. Zimeter, Der Ursprung der mesenchymatischen Ge- webe bei den Selachiern. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXXII, 1888. Diese Arbeit war ihrem Plane nach gegen die Parablasttheorieen 656 Heinrich Ernst Ziegler, Es ergaben sich die deutlichsten Beziehungen zwischen den segmentalen Anlagen der Ganglien, den Somiten des Kopfes und den Kiemenspalten, so daf ich die primitive Segmentierung des Craniotenkopfes erkennen konnte. Indem ich dann Amphioxus zum Vergleich beizog, gelangte ich zu einer allgemeineren Theorie iiber die stammesgeschichtliche Entstehung des Wirbeltierkopfes.. Die Segmentierung des Kopfes bei Selachierembryonen in den Stadien H—K. Es gibt in der Entwickelung der Selachier ein Stadium, welches fiir das Kopfproblem ganz besonders wichtig ist. Dieses Stadium tritt dann ein, wenn die Kopfganglien und die Spinalganglien sich aus der Ganglienleiste herausdifferenziert haben, und wenn die Ursegmente so weit ausgebildet sind, da man die Muskelbildung in den Myotomen erkennen kann. Zu dieser Zeit zeigt der Em- bryo eine relativ regelmafige Segmentierung, welche in spateren Stadien durch sekundére Verschiebungen im Kopfgebiet wieder verwischt wird. Dieses Stadium ist bei Torpedo zu der Zeit vorhanden, wenn 3—4 Kiemenspalten durchgebrochen sind. Meine Untersuchungen beziehen sich auf ein solches Stadium, wie es in Textfig. 2 dargestellt ist. Der Embryo besitzt etwa 44 Ursegmente, ist 6,5 mm lang und gehért nach der Bezeichnung von BALFour dem Stadium J—K an. Die Ganglien dieses Stadiums sind nach einer Querschnittserie von meinem Schiiler Herrn Dr. GurHKeE durch graphische Rekonstruktion dargestellt worden (Textfig. 4). Ich benutzte dieselbe Querschnittserie und eine Serie frontaler Lings- schnitte. Nach letzterer Serie hat mein Schiiler Herr P. BROHMER durch graphische Rekonstruktion die mesodermalen Gebilde des Kopfes rekonstruiert, und ich habe dann sein Bild nach dem Studium der Schnittserien noch genauer ausgearbeitet (Taf. XXIII, Fig. 1). Betrachten wir in diesem Stadium ein Ursegment (Somit) des Rumpfes, so sehen wir, daf aus der Peritonealhéhle nach oben (dorsalwarts) die Ursegmenthéhle aufsteigt. Der obere Teil des Ursegments stellt bekanntlich das Myotom dar, in dessen Muskel- blatt zu dieser Zeit schon deutliche Muskelfasern differenziert gerichtet. Ich zeigte, da! das Mesenchym bei den Selachiern nicht auferhalb des Embryo entsteht, sondern von den Ursegmenten und von den Seitenplattea aus gebildet wird. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 657 sind. Der untere Teil des Ursegments wurde von Rasu ,,Ur- wirbelkommunikation“® genannt, wahrend Rickerr daran das »Skleronephrotom* und das ,Gonotom“ unterscheidet und vANn WisHE diese Teile als ,Mesomer“ und ,Hypomer“ bezeichnet. Aus dem Skleronephrotom (Mesomer) wuchert medianwarts und aufwirts eine reichliche Menge von Mesenchym hervor, welche das Sklerotom darstellt. Das Mesenchym, welches an einem Seg- ment entstanden ist, flieSt mit dem Mesenchym des vorhergehenden und des nachfolgenden Segments zusammen ?). Fig. 2. Kopf eines Embryo von Torpedo ocellata im Stadium J—K. Nach einem in Kanadabalsam eingebetteten Kopfe gezeichnet. Das Bild dient zur Bezeichnung des Stadiums, welchem die Rekonstruktion Fig. 1 auf Taf. XXIIT angehort. e Herz, m Mandibularbogen, hy Hyoidbogen, pe Pericardium, o Ohkr- blaschen, sp Spritzloch, wrs Ursegmente. Nahern wir uns von hinten her dem Kopfe und gelangen in das Gebiet, welches zwischen der Vorniere und der Kiemengegend liegt, so bilden das Mesomer und das Hypomer (welche in diesem Gebiet nicht geschieden werden kénnen) sehr reichliches Mes- enchym; das ganze innere Blatt des Ursegments wird im Bereich 1) Vergl. in meiner friiheren Publikation (1888) p. 383—390. »Das Bildungsgewebe (Mesenchym), welches von den einzelnen Ursegmenten aus entstanden ist, flieft zu einer kontinuierlichen Masse zusammen, und es scheint jede Spur der urspriinglichen seg- mentierten Anlage verloren zu gehen“ (p. 388). 658 Heinrich Ernst Ziegler, des Mesomers und Hypomers in Mesenchym aufgelést, und nur an dem auferen Blatt bleibt der Zusammenhang zwischen dem Myotom und den Seitenplatten noch einige Zeit erhalten. Etwas spaiter wird der epitheliale Zusammenhang durch Mesenchym- bildung véllig unterbrochen, so da das Myotom mit den Seiten- platten keine Verbindung mehr hat. Kommen wir (von hinten nach vorn gehend) in die Gegend der Kiemenspalten, so sehen wir, da8 die Ursegmente im Bereiche des Mesomers ganz in Mesenchym aufgelést sind. Ein solches Ursegment zeigt sich am deutlichsten auf der Héhe des Myotoms, und meistens ist es auch recht deutlich an seinem untersten Ende zu erkennen, wo es aus der Pericardialhéhle entspringt (Textfig. 3). Der Ursprung an der Pericardialhéhle ist tiberaus deutlich bei der Mandibularhéhle und bei der Hyoidhéhle, da hier ein deutliches Lumen von der Pericardialhéhle aus in die Segmenthéhle hinein- fiihrt. Recht deutlich ist auch der Ursprung des Ursegments in dem Glossopharyngeusbogen und in den 2 folgenden Kiemen- bégen, wobei aber, wie Fig. 1 auf Taf. XXIII zeigt, die epitheliale Begrenzung immer weniger hoch hinaufreicht, d. h. das Segment sich schon auf niedrigerem Niveau in Mesenchym auflést; dadurch wird es schwierig, den unten sichtbaren Ursprung des Ursegments mit dem oben sichtbaren Myotom in Verbindung zu bringen, und dies ist bis jetzt keinem einzigen Forscher in der richtigen Weise gelungen. Auf Querschnitten allein ist es kaum méglich, diese Schwierigkeit zu tiberwinden, weil die Segmente in der hinteren Kiemenregion sich in schiefer Richtung nach vorn wenden, was auf Querschnitten schwer zu erkennen ist und leicht zu Irrtiimern fiihrt. Nur auf Grund genauer Messungen an Frontalschnitten konnte ich (nach Ueberwindung einiger Irrtiimer) zu dem Bild ge- langen, welches Fig. 1 auf Taf. XXIII darstellt. Aus diesem Bild und dem dabeistehenden Schema Fig. 2 ist ersichtlich, daf in der Kiemenregion jedem Kiemenbogen ein Ursegment ent- spricht, da8 also die Myomerie mit der Branchio- merietibereinstimmt. Es wird dann weiterhin gezeigt werden, dafi auch die Ganglien des Kopfes dieser Myomerie entsprechen. Alle Verschiebungen, welche wir in diesem Stadium schon am Kopf finden, insbesondere die Biegung der Ursegmente nach vorn, lassen sich leicht daraus erkliren, da8 das Gehirn bei den Embryonen aller Cranioten zu einer relativ enormen Gréfe heran- wichst und bet seinem Wachstum alle ihm benachbarten Teile nach vorn zieht. = ee I Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 659 Nach diesen Vorbemerkungen will ich nun die einzelnen Ur- segmente der Reihe nach besprechen und dabei auch auf die Be- obachtungen der friiheren Autoren Bezug nehmen. Das Pramandibularsomit, das Mandibularsomit und das Hyoidsomit. Das erste Ursegment (Somit) unterscheidet sich sehr wesentlich von allen iibrigen. Es ist unter dem Namen der Pra- mandibularhdéhle bekannt. Es liegt vor dem Munde und hat folglich kein Darmstiick zu umfassen, so daf hier ein Unterschied zwischen Seitenplatten und Ursegment nicht besteht. Dagegen hangt die Primandibularhéhle der einen Seite mit derjenigen der anderen Seite zusammen durch eine diinne Verbindung, welche bekanntlich unmittelbar vor dem obersten Ende der Mundbucht sich befindet *). Die Préimandibularhéhle ist zuerst von BALFour (1878) be- obachtet worden”). vAN WisHE (1883) beobachtete, daf sie etwas Spater entsteht als die Mandibularhéhle; das Mandibularsomit hat schon eine grofe Hoéhle, wahrend das Pramandibularsomit noch eine kompakte Zellenmasse ist, welche vor dem vordersten Ende des Kopfdarms liegt und mit diesem zusammenhingt*). BaLFour glaubte, daf die Pramandibularhéhle aus einer Ausstiilpung der Mandibularhéhle hervorgehe, was vAN WiJHE mit Recht bestritten hat. Es liegt mir eine Querschnittserie eines Torpedo-Embryo vom Stadium H vor, bei welchem das Praimandibularsomit noch eine kompakte, bilateral verdickte Zellmasse ist, waihrend der vordere Teil des Mandibularsomits schon eine grofe Hohle aufweist. Minnes MARSHALL (1881) und van WiJHE erkannten, daf aus dem Pramandibularsomit Augenmuskeln hervorgehen, nimlich der 1) Vergl. in der Schrift von GuTuxn (1906) Textfig. 4 und at Ef . Vie, 9). 2) F. M. Batrour, A. Monograph on the Development of Elasmo- branch Fishes, London 1878. — Ich fiige meiner Arbeit kein Literaturverzeichnis bei, sondern erwahne nur eine kleine Zahl von Biichern und Schriften, weil ich die Literatur iiber die Selachier- entwickelung in meinem Lehrbuch der vergleichenden Entwicke- lungsgeschichte zusammengestellt habe (p. 147—151), und weil die Arbeiten meiner Schiiler, der Herren Kuinxuarpt (1905) und GuTHKy (1906) ausfiihrliche Literaturverzeichnisse enthalten. 3) J. W. van Winn, Ueber die Mesodermsegmente und die Entwickelung der Nerven des Selachierkopfes. Natuurk. Verh. d. K. Akademie, Deel XXII, Amsterdam 1883. 660 Heinrich Ernst Ziegler, Musc. obliquus inferior, der Musc. rectus superior, der Muse. rectus internus und der Muse. rectus inferior. Es sind also diejenigen Augenmuskeln, welche von dem Oculomotorius innerviert werden. Die quere Briicke, welche die rechte und die linke Primandi- bularhéhle verbindet, verschwindet spurlos, wie schon vAN WIJHE beobachtete. ; Am ausfiihrlichsten ist die Praimandibularhéhle von Dourn (1906) beschrieben worden!). Er berichtet genau, wie die solide Anlage des Pramandibularsomits mit dem vordersten Ende des Kopfdarms zusammenhangt, und wie das vorderste Ende der Chorda urspriinglich in dieselbe Zellmasse tibergeht. Dourn erkannte auch, dafi die von Miss PLarr (1891) be- schriebene Héhle (anterior head cavity) mit der Pramandibular- héhle die engste Beziehung hat, indem sich die Zellmasse, in der diese Hoéhle entsteht, von der Pramandibularmasse abspaltet (1906, p- 129). Ich bin daher der Ansicht, da dieser Héhle gar keine theoretische Bedeutung beizulegen ist. Bei Torpedo tritt diese Hohle nicht auf; Donrn berichtet dariiber folgendes (1. c. p. 187): »DVie Zellen, welche bei den Squaliden die PLiarrsche Kopfhohle herstellen, werden offenbar auch bei Torpedo-Embryonen von An- fang an gebildet, sonderen sich aber nicht mehr von den ibrigen, aus denen die Pramandibularhéhle hervorgeht.“ — Die von Miss Piatt beschriebene Hohle (anterior head cavity) ist nur bei einigen Selachiern beobachtet worden und fehlt tberhaupt allen anderen Wirbeltieren. Auch aus diesem Grunde kann ich sie mit der Pramandibularhéhle und der Mandibularhéhle nicht fir gleich- wertig halten. Ich werde daher bei den spateren theoretischen Erérterungen diese Héhle auSer Betracht lassen. Das zweite Ursegment (Somit) ist das Mandibular- segment. Es zieht durch den Kieferbogen hindurch und besitzt in der ganzen Lange desselben eine epitheliale Wandung. Es enthalt in seinem unteren Teile eine deutliche Héhlung, welche mit der Pericardialhéhle zuasammenhingt, und ist an seinem oberen Ende zu einer weit nach vorn vordringenden Blase erweitert (Taf. XXIII, Fig. 1). Diese Blase geht an der Aufenseite der Prémandibular- hohle vorbei und reicht noch etwas weiter nach vorn als diese Hohle. Von dem blasenférmigen Teile entwickelt sich reichliches 1) A. Dourn, Studien zur Urgeschichte des Wirbeltierkérpers. 23. Die Mandibularhéhle. 24. Die Primandibularhéhle. Mitteil. aus der Zoolog. Station zu Neapel, Bd. XVII, 1906. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 661 Mesenchym; es wird fast alles Mesenchym des vordersten Kopf- teiles von hier aus gebildet. Insbesondere zieht sich ein dichterer Streifen von Mesenchym nach oben und nach hinten und kommt mit dem Mesenchym des Hyoidsegments in Verbindung (Fig. 1). In diesem Mesenchymstreifen entstehen einige kleine Hoéhlen, yoriibergehende Gebilde, von variabler Natur, welche nicht einmal rechts und links genau tibereinstimmen. Ich bin der Meinung, daB diesen kleinen Héhlen gar keine theoretische Bedeutung bei- zulegen ist, und daf sie jedenfalls nicht als rudimentire Urseg- mente aufgefafit zu werden brauchen. Nicht alle Hohlraume im Mesoderm des Kopfes entsprechen Ursegmenten. Ich schlage fiir die genannten kleinen Hoéhlen den Namen Microcélen vor. Dieser Ausdruck soll solche Hohlraume im Mesoderm bezeichnen, welche man nicht als Ursegmenthéhlen auffaSt 4). Da der Mandibularhéhle sehr viel Raum zur Verfiigung steht und da sie sehr viel Mesenchym liefert, so zeigt sie schon im Sta- dium H die Neigung, Ausstiilpungen und Nebenhéhlen zu _bilden, welche aber keineswegs die Bedeutung von Ursegmenten haben. Das Mandibularsomit wurde auch schon von BALFour (1878) be- schrieben. VAN WisHE fand die Hohle in demselben am gréSten bei Galeus ausgebildet (1883, Taf. II, Fig. 13); sie geht da nicht allein durch den ganzen Mandibularbogen hindurch, sondern zeigt iiber demselben eine grofe Erweiterung, welche nach vorn an der Pramandibularhéhle vorbeigeht (ahnlich wie in meiner Fig. 1) und auch vor dem vorderen Ende des Spritzloches weit nach oben reicht (wo sie bei Torpedo nur durch dichtes Mesenchym ver- treten ist, wie meine Fig. 1 auf Taf. XXIII zeigt), van WIJHE erkannte, daf aus einem Teile des Mandibularsomits ein Augen- muskel, der Musc. obliquus superior, hervorgeht. Bei Dourn (1906) finden wir wieder die ausfiihrlichste Be- schreibung mit zahlreichen Abbildungen. Dourn legt grofen Wert auf die kleinen Héhlen, welche tiber der Mandibularhohle sich ausbilden und zum Teil zeitweise mit der Mandibularhdéhle zusammenhangen. Es besteht also zwischen DoHRN und mir eine Differenz in der theoretischen Auffassung, indem Dourn diese 1) Wenn man jede Héhle, welche man im Mesoderm des Kopfes findet, als ein Somit ansehen wollte, so wiirde man fiir die einzelnen Gattungen der Selachier verschiedene Zahlen erhalten und niemals zu einem Verstiindnis der Gliederung des Kopfes gelangen. Nicht einmal fiir eine Gattung stimmen die Angaben iiberein; fiir Torpedo nimmt Sewerrzorr (1899) 13, Donen itiber 15, Kiniian (1891) mindestens 18 Kopfsomite an. 662 Heinrich Ernst Ziegler, Hohlen als Somite auffa8t, wahrend ich denselben gar keine theo- retische Bedeutung beilege (s. oben). Dourn zerlegt das Gebiet der Mandibularhéhle in 4—5 Seg- mente. Aus dem nach oben und hinten gehenden Teil des Mandi- bularsomits, in welchem die kleinen Hohlen liegen, und in welchem Donrn 3 Segmente annimmt, sowie aus einem davor liegenden Teil, welchen Dourn zu dem Mandibularsomit selbst rechnet, wird, wie Dourn zeigt, ein Augenmuskel gebildet, der Muse. rectus externus, wihrend aus einem vorderen Teil des Mandibular- Segments (wie schon vAN WigHE angab) der Musc. obliquus su- perior hervorgeht. Es werden also aus dem oberen Teil des Mandibularbogens zwei Augenmuskeln erzeugt, und Donen schlieBt auch aus diesem Umstand auf eine urspriingliche Mehrteiligkeit des Mesoderms des Mandibulargebietes. Aber das Auge und die zugehorigen Muskeln sind in phylogenetischer Hinsicht viel neuere Bildungen als die Ursegmente, und die Augenmuskeln sind wahr- scheinlich nicht direkt aus segmentalen Muskeln hervorgegangen. Ich glaube daher, da8 uns die Augenmuskeln iiber die urspriing- liche Segmentierung keinerlei Aufschlu8 geben kénnen; ich kann mich also der Schluffolgerung von Donrn nicht anschliefen und halte das Mandibularsomit fiir ein einheitliches Gebilde, welches nur ein einziges Segment reprasentiert. Froriep will tiberhaupt in der ganzen Gegend vor dem Ohr- blaschen keine Somite gelten lassen!). Er zeichnet aber ganz schén die Mandibularhéhle (man vergleiche Frorieps Fig. 4 und 5 mit meiner Fig. 1). Beachtenswert ist die Angabe von FRoRIE=pP, da der Hohlraum der mandibularen Héhle zeitweise sich nach hinten bis zum Hyoidbogen fortsetzt (s. bei Frorter Fig. 5). Das dritte Ursegment ist das Segment des Hyoidbogens. Es besitzt in seinem untersten Teile eine deutliche Héhlung, welche mit derjenigen des Mandibularbogens und somit auch mit der Pericardialhéhle zusammenhingt. Er besitzt durch die ganze Lange des Hyoidbogens hindurch eine epitheliale Wandung, welche sich erst auf der Hohe der Aortenwurzeln auflést und einen dichten Strang von Mesenchym bildet, der an der Innenseite des Facialisganglions nach vorn zieht und mit dem Mesenchym des Mandibularbogens sich verbindet (Fig. 1). Unmittelbar vor dem Facialisganglion liegt in diesem Mesenchymstrang jederseits ein kleines Blaschen, welches ich ebenso beurteile wie die bei dem 1) A. Froriep, Zur Entwickelungsgeschichte des Wirbeltierkopfes. Verhandl. d. Anat. Gesellschaft, 1902. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 663 Mandibularbogen erwahnten kleinen Blaischen (Microcélen), welchen ich keine theoretische Bedeutung beilege. Allerdings besteht hier noch die Méglichkeit, daf dieses kleine Blischen, welches man bei Torpedo findet, der gréferen Blase entspricht, welche bei anderen Selachiern an dieser Stelle vorkommt, der sogenannten dritten Kopfhéhle, welche zu dem Hyoidbogen zu rechnen ist. Man sieht diese Hohle in den Figuren von van WiJHE, welche sich auf Pristiurus beziehen (1883, Fig. 15—17, mit der Zahl 3 bezeichnet) und in der Figur von Braus, welche eine Rekon- struktion des Kopfes von Spinax darstellt (1899, Taf. XXI, Fig. 6, mit 3 S bezeichnet). In Bezug auf das Hyoidsomit befinde ich mich in Ueberein- stimmung mit BaLFrour (1882), welcher folgendes schrieb (iiber- setzt): ,In jedem der auf den Kieferbogen folgenden Bégen liegt ein Abschnitt der urspriinglichen Leibeshéhle, ahnlich demjenigen des Mandibularbogens; eine dorsale Erweiterung scheint aber nur bei dem Hyoidbogen vorhanden zu sein und verschwindet auch hier im Stadium K. Die Héhlungen in den hinteren Bogen ver- schwinden auch wie die in den vordersten Bogen, allerdings etwas spiter“ (I. c. p. 207). Batrour hat also offenbar das Somit des Hyoidbogens und die Somiten der folgenden Bégen als homodyname Bildungen betrachtet wie den Mandibularbogen; meine Auffassung stimmt folglich mit der seinigen tiberein. Wahrend BaLrour jedem Kiemenbogen ein Somit entsprechen lie, gab vAN WisHeE (1883) fiir die hinter dem Hyoidbogen fol- genden Somiten diese Beziehung auf. In Bezug auf das Somit des Hyoidbogens lassen sich aber seine Angaben in dem Sinne der Theorie von BaLFour und meiner Auffassung verwerten. VAN WisHeE schreibt: ,,Das dritte Somit befindet sich mit seiner Hauptmasse tiber der ersten Kiementasche; sein hinterer Teil hangt gerade noch mit der soliden Zellmasse im Hyoidbogen zu- sammen.“ VAN WiJHE beschrieb aber als 4. Segment einen Teil des Kopfmesoderms, welchen ich noch zum 3. Segment rechne, wie unten dargelegt werden wird (S. 664). Das Glossopharyngeussomit und die folgenden Kopfsomite. Das vierte Ursegment geht durch den Glossopharyngeus- bogen, d. h. durch denjenigen Kiemenbogen, zu welchem die Anlage des Glossopharyngeus gehért. Dieses Somit beginnt mit einer deutlichen trichterartigen Oeffnung am Pericardium und hat eine 664 Heinrich Ernst Ziegler, epitheliale Wandung bis in den oberen Teil des Bogens. Auf der Hohe der Aorten lést sich das Epithel auf, und seine Fort- setzung bildet ein Strang von dichtem Mesenchym, welcher noch ein wenig aufsteigt und nach vorn mit dem Mesenchym des Hyoid- bogens, nach hinten mit demjenigen des 1. Vagusbogens zu- sammenhangt (Taf. XXIII, Fig. 1 und 2). Dieses Somit entspricht dem ,,5. Somit‘, welches VAN aioe (1883) bei Scyllium gefunden hat. Er schrieb: ,,Das 5. Somit, dessen vorderer Teil aufen von der Anlage des Glossopharyngeus gekreuzt wird, liegt tiber der 3. Kiementasche und hangt mit dem Mesoderm des 3. Visceralbogens zusammen.’ Zweifelhaft bleibt mir aber das ,,4. Segment’ von vaAN WwHeE. Seine Hohle ist ,kaum mehr als ein Spalt“, und es wird sehr bald ,,héchst rudi- mentir“. Ich vermute, dafi hier kein Ursegment, sondern nur eine kleine Héhle in dem Mesenchym vorlag, welcher keine theoretische Bedeutung beizulegen ist. Vergleicht man die Figur von Braus‘), welche eine Rekonstruktion des Kopfes von Spinax in einem entsprechenden Stadium darstellt, so sieht man dieselbe Hohle, welche VAN WIJHE als 4. Somitenhéhle betrachtet; diese Hoéhle hangt aber in der Figur mit der Héhle des Hyoidbogens zusammen (Braus, Taf. XXI, Fig. 6). Ich sehe darin auch einen Grund, die selbstindige Existenz der 4. Kopfhéhle von van WHE zu bezweifeln. Das fiinfte, das sechste und das siebente Seg- ment liegen in den 3 folgenden Kiemenbégen. Ich bezeichne sie als die drei Segmente des Vagus. GUTHKE (I. c. p. 39) hat gezeigt, dali der Vagus drei Wurzeln am Medullarrohr hat, welche einzeln der Wurzel des Glossopharyngeus entsprechen; der Vagus entsendet auch 3 deutliche Fortsitze in diese 3 Bogen (vergl. Textfig. 4 u. 5 und Textfig. 7 u. 8). Jedenfalls darf man also diese 3 Bégen als Vagusbégen, die zugehérigen Ursegmente als Vagussegmente bezeichnen. Wie ich oben schon sagte (p. 658), ist die Erkennung der Ursegmente in diesen 3 Bégen mit Schwierigkeiten verbunden, weil die Segmente grofenteils in Mesenchym aufgelést sind. Im 1. Vagusbogen beginnt das Somit unten noch mit einer deutlichen trichterformigen Oeffhnung und hat noch durch den gréften Teil 1) H. Braus, Beitrage zur Entwickelung der Muskulatur und des peripheren Nervensystems der Selachier. I. Teil Die meto- tischen Urwirbel und spino-occipitalen Nerven. Morphol. Jahrbuch, Bd. XXVIII, 1899. 7 - a * Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 665 des Kiemenbogens eine epitheliale Wandung (Textfig. 3 und Taf. XXII, Fig. 1); aber im obersten Teil des Kiemenbogens, sobald es sich der Aorta nahert, lést es sich in Mesenchym auf). In dem folgenden Kiemenbogen ist das Somit durch eine dichte Mesenchymmasse reprasentiert, welche unten deutlich mit dem Pericardepithel zu- sammenhingt, aber keine deutliche epi- theliale Anordnung der Zellen mehr zeigt (Taf. XXIII, Fig. 1). Dasselbe gilt dann von dem Somit des folgenden Bogens, des 3. Va- gusbogens. Daf hier Somite vorliegen, ist nicht allein durch die Analogie der vor- hergehenden Bégen wabrscheinlich ge- macht, sondern wird auch dadurch be- wiesen, dafi die zu- gehorigen Myotome vorhanden sind. Es : det 2 Fig. 3. Querschnitt eines Torpedo-Embryo des liegen namlich un Stadiums J—K. Der Schnitt trifft den 1. Vagus- ter dem Vagus bogen und geht links etwas weiter hinten als rechts. drei Myotome; ao Aortenwurzeln, g Gefaf des Kiemenbogens, das vorderste, das 4% Herz, ent Entoderm des Kiemendarms, my Myotom Myotom des 1. Va- (rudimentir), pc Pericardialhéhle, ms Mesoderm- : 2 schlauch, welcher vom Pericardium entspringt (Somit gussomits, enthalt des Ki 3 es Kiemenbogens), vag 1. Vagusast. nur wenige Muskel- fasern, gleicht aber im Habitus durchaus den beiden folgenden Myotomen, welche besser ausgebildet sind (Taf. XXIII, Fig. 1 6 u. 7). 1) Guruxe (1906) hat dieses Somit abgebildet Taf. II, Fig. 12a, aber irrtiimlich bezeichnet. Bei dem erneuten Studium der Schnittserien habe ich das Verseken bemerkt und will es hier richtigstellen. Der Fig. 12a abgebildete Schnitt geht durch den 1. Vagusbogen und der darauf abgebildete Nerv ist der erste Vagusast. Bd. XLII. N. F. XXXVI. 44 666 Heinrich Ernst Ziegler, Es ist ein giinstiger Zufall, da’ in dem 1. Vagussegment, in welchem das Myotom am wenigsten deutlich ist, das Somit in dem Kiemenbogen klar zu sehen ist, wahrend an den beiden folgenden Segmenten, wo die Somite in den Kiemenbégen weniger deutlich sind, die Myotome klar hervortreten und eine gréfere Menge deutlicher Muskelfasern enthalten (Taf. XXIII, Fig. 1 bei 6 und 7). Die 3 Ursegmente der Vagusregion haben keine epithelialen Kuppen, wie die Rumpfsegmente (Taf. XXIII, Fig. 15—7); das Mesenchym ist verdichtet in der Umgebung der Muskelfasern und geht allmahlich in das umgebende lockere Mesenchym tiber. Die oberen Teile dieser Myotome sind offenbar deswegen nicht aus- gebildet, weil sie oben von den Vagusganglien bedeckt werden. Zwischen dem 3. Vagussomit und dem folgenden Somit bricht die letzte Kiemenspalte durch. Das folgende Somit (das 8. nach meiner Zahlung) ist also das erste hinter der Kiemenregion. Es beginnt unten auf einem héheren Niveau als die vorhergehenden Somite, namlich auf derselben Héhe wie die folgenden Somite; denn die Pericardialhéhle steigt am hinteren Teil der Kiemen- region dorsalwarts an (Textfig. 2 und Taf. XXIII, Fig. 1). Ich nenne dieses Ursegment das erste postbranchiale Somit der pentanchen Selachier (bei welchen 5 Kiemenspalten hinter dem Spritzloch folgen). Dieses Somit (das 8. nach meiner Zahlung) ist auch dadurch wichtig, weil tiber ihm die Ganglienleiste von der AuSenseite der Ursegmente nach der Innen- seite derselben zieht; es wird von der Ganglienleiste tiber- kreuzt (siehe in der Schrift von GurHKe 1906, Fig. 14). Es war schon BaLrour bekannt, daf die Vagusanlage an der AufSenseite der Ursegmente sich befindet, wihrend die Spinalganglien an der Innenseite derselben liegen. Die Kreuzungsstelle selbst ist von Froriep beschrieben worden‘). Dieser Forscher spricht sich aber in dem Sinne aus, dafi die aufere Ganglienleiste und die innere nebeneinander enden. In dem vorliegenden Stadium trifft dies nicht zu, sondern es ist ein unbestreitbarer kontinuierlicher Ueber- gang vorhanden, in der Art, dai die Ganglienleiste von vorn-auSen nach hinten-innen tiber das genannte Somit hinwegzieht. Dasselbe 1) A. Frortepr, Ueber die Ganglienleisten des Kopfes und des Rumpfes und ihre Kreuzung in der Occipitalregion. Archiv f. Anatomie u. Physiologie, Anat. Abt., 1901. SS Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 667 berichtet C. K. Horrmann (1897, p. 258), welcher dieses Somit ,das erste cinogenetische Kopfsegment“ nennt. Dieses Somit reicht dorsalwarts nicht so weit hinauf wie das folgende, es wird — bildlich gesprochen — durch die dariiber hinwegziehende Ganglienleiste niedergedriickt. Es besitzt aber eine epitheliale Kuppe, wodurch es sich von den vorhergekenden Somiten unterscheidet und den folgenden gleicht; die epitheliale _Kuppe ist allerdings bei diesem Segment noch unvollstindig und weniger gut entwickelt als bei den folgenden Segmenten. Die folgenden Somite bieten nun keine Besonderheiten mehr; sie sind gleichartig. Erst beim Beginn der Vorniere treten wieder ‘neue Bilder auf; der Anfang der Vorniere erscheint im 9. oder 10. postbranchialen Segment (wenn man vom 1. postbranchialen Segment an zahlt). Die 3 Vagussegmente sind von mehreren Autoren beschrieben worden. Schon Batrour bildete sie teilweise ab (Taf. XIV, Fig. 15) und schrieb (iibersetzt): ,,Nicht weit hinter dem Ohrblaschen sind am Ende der Periode K einige wenige Muskelplatten sichtbar, zu denen der ventrale Teil fehlt.“ van Wisse (1883) beschrieb das 1. Vagussomit mit folgenden Worten: ,,das 6. Myotom liegt iiber der 4, Kiementasche und wird an seiner Aufenseite vom Ramus bran- chialis primus vagi gekreuzt; es ist das erste, welches embryonale Muskelfasern besitzt; sie bleiben aber auf einer rudimentiren Stufe, daher es nicht unwahrscheinlich ist, daf dieses Myotom schlieBlich abortiert.* ,,Das 7. bis 9. Myotom sind viel besser entwickelt.“ FRORIEP spricht von ,,drei mit reduzierten Muskelplatten _Yersehenen Rudimenten von Occipitalsegmenten“, und das folgende Segment ist dasjenige, tiber welches der Vagusrand hinweggeht, ‘um in die Rumpfganglienleiste tiberzugehen (I. c. Fig. Ila); dieses Segment ist also dasselbe, welches ich als 8. bezeichne (Fig. 1). ‘Froriep nennt dieses Somit 2 und glaubt sich damit in Ueber- einstimmung mit der Bezeichnungsweise -von FURBRINGER und Braus. Mir scheint aber, da diese Beziehung zu der Be- hennung von FURBRINGER und Bravus nicht richtig ist. Nach Bravs (1899) liegen die rudimentéren Somite ¢ und w unter dem Vagus, waihrend das Somit v nur ,,mit seinem rostralen Rande Medial vom Vagus liegt’. So zeigt auch die Fig. 2 bei Braus deutlich, dafS das Somit w noch unter dem Vagus liegt, wahrend das Somit w schon ein Spinalganglion aufweist, woraus hervor- geht, daf die Ganglienleiste itiber dem Somit v die Reihe der Somite iiberkreuzt. Braus beschreibt genau, da8 das Somit v 44* ——— 668 Heinrich Ernst Ziegler, sich ,mit seinem Vorderrand noch ein wenig tiber den Hinterrand des Vagus, medial von diesem, vorschiebt, im tibrigen kaudal vom Vagus angeordnet ist“. Ich bin also der Meinung, daf die Benennungen von FrorrmP mit denjenigen von Bravus nicht iibereinstimmen. Das Somit, welches ich als 8. (oder als 1. postbranchiales Somit der pentanchen Selachier) bezeichne, ist das Somit v von Braus und das Somit x von Frortep (Frorter 1901, Fig. Ila und 1902, Fig. 5). Ich wollte anfangs die Bezeichnungen von FURBRINGER und Braus auch anwenden, habe dies aber dann unterlassen, weil die Bezcichnungen zu denen von FrortepP nicht gepaft hatten. Ich halte das genannte 8. Somit (Somit v nach Braus) fir einen sehr wichtigen Orientierungspunkt, jedenfalls einen viel sichereren Anhalt als das sog. ,,erste metotische Segment’. Das 1. metotische (postotische) Segment (d. h. das erste Segment hinter dem Ohrblaschen) ist, theoretisch betrachtet, das Glossopharyngeus- segment. Da dieses aber keine Muskelplatte entwickelt, wird es gewohnlich gar nicht gezaihit. Das 2. metotische Segment ist das 1. Vagussomit; da dieses nur sehr wenige Muskelfasern ent- wickelt, wird es leicht tibersehen und ist auch von Braus nicht beachtet worden; es mu nach der Bezeichnungsweise von Fir- BRINGER und Braus als Somit s bezeichnet werden. Das Somit v (nach der Bezeichnungsweise von Braus) gehért also, theoretisch betrachtet, dem 5. metotischen Segment an. Nach van WiyHE (1883) liegt der Vagus tiber dem 6.—9. mo Somit. van WisHE spricht dem 9. Somit noch einen Vagusast — yu, er spricht also von 4 Vagussomiten. Ich halte dies nicht fiir richtig und bin der Ansicht, daf zum Vagus nur 3 Somite ge- héren. Es ist aber aus der Figur von vAN WIJHE (1883, Fig. 10) ersichtlich, dafi das 4. Vagussomit dem Somit w (nach der Be- zeichnung von FURBRINGER und Braus) entspricht. Das Somit 9 nach vAN WIJHE ist also dasselbe wie mein Somit 8, was damit iibereinstimmt, daf ich am Vorderkopf ein Segment weniger ziahle — als vAN WIJHE indem ich sein 4. Somit nicht als selbstindiges Gebilde anerkenne. Das 10. Somit von vaAN WiJHE stimmt mit meinem 9. Somit iiberein, sowie mit dem Somit w von Bravus und dem Somit y von FRoriepP; es ist das erste Somit, welches dorsalwarts bis zur vollen Héhe der folgenden Somite ansteigt und eine normale epitheliale Kuppe besitzt, wahrend die Kuppe des vorhergehenden Somits (8. Somits) noch durch den Vagus zum Teil in der Entwickelung behindert ist. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 669 Wie Braus sehr schén gezeigt hat, schwinden die Somite in der Richtung von vorn nach hinten. In den Stadien, welche 70 Ur- segmente zeigen, sind die Somite ¢ und w schon verschwunden, und bald darauf verschwindet auch das Segment v (das 8. nach meiner Zaihlung). Nach den Darlegungen von Braus ist das letzte zum Schadel gehérige Segment das Somit z, es gehéren also zur Kopfregion der Selachier nach meiner Zahlung 12 Segmente. Die Ganglien des Kopfes. Was die Ganglien betrifft, so kann ich mich kurz fassen und auf die zwei in meinem Laboratorium gemachten Arbeiten von KLINKHARDT (1905) und GurHKE (1906) verweisen; dort ist auch die Literatur beriicksichtigt. Hier will ich nur wenige Punkte hervorheben. Vor allem muf ich betonen, daf die Reihe der Ganglien des Kopfes der Reihe der Somite ent- spricht. Betrachtet man die erste Figur von GuTHKE, welche sich auf Torpedo bezieht (Textfig. 4), oder die Figur von KLINKHARDT, welche Spinax betrifft (Textfig. 7), so sieht man auf den ersten Blick, daf das Facialis-Acusticus-Ganglion tiber dem Hyoidbogen liegt, das Glossopharyngeusganglion tiber dem Glossopharyngeus- bogen und die Vagusganglien tiber den Vagusbégen. In ent- sprechender Weise liegt das Trigeminusganglion tiber dem Mandi- bularbogen. Es bleibt dann am Vorderende noch das Ciliar- ganglion tibrig, welches man unbedenklich der Pramandibularhéhle zuordnen kann. Sehr bald treten aber Verschiebungen auf, welche das ur- spriinglich so einfache Schema verwischen. Schon in dem fol- genden Stadium (Textfig. 5 u. 8) hat man den Anschein, als ob das Facialis- Acusticus-Ganglion auch zu dem Mandibularbogen gehore. In dem spateren Stadium ist auferdem in der Gegend hinter dem Ohrblaschen die segmentale Anlage der Ganglien ganz verwischt, da der Glossopharyngeus und die Vagusiste scheinbar alle zusammen einen einheitlichen Ursprung haben (Textfig. 6). Wenn man den urspriinglichen Bau des Kopfes erkennen will, mul man natiirlich von allen diesen sekundaren Verschiebungen absehen. Indem ich die Kopfganglien den einzelnen Kiemenbégen zu- ordne, kann ich mich auch auf Ko.trzorr!) berufen, welcher durch 1) N. K. Koxrzorr, Entwickelungsgeschichte des Kopfes von Petromyzon Planeri, Moskau 1902. (Bull. de Moscou, 1901.) 670 Heinrich Ernst Ziegler, seine Beobachtungen an Petromyzon zu der Ansicht kam, daf sich in jedem Intersomitenraum je ein Ganglion befindet. Nach Kor- TZOFF liegt daf Ganglion I des Trigeminus (d. h. das Ciliarganglion) zwischen dem Primandibularsomit und dem Mandibularsomit, das Ganglion II des Trigeminus (Hauptganglion des Trigeminus) zwischen dem Mandibularsomit und dem Hyoidsomit, das Facialis-- Acusticus-Ganglion und das Glossopharyngeusganglion hinter den beiden folgenden Somiten. Den Vagus betrachtet KoLrTzorr als einen zusammengesetzten Nervenkomplex, ,,welcher sich auf zahl- reiche Segmente bezieht“. Ich stehe mit Koutrzorr auch insofern in Uebereinstimmung, als er zwischen je zwei Kiemenspalten ein Somit annimmt. Ko.urzorr schreibt (1. c p. 571): ,Die acht Visceralsicke des Neunauges liegen zwischen dem Mandibular- bogen und dem ventralen Fortsatz des 10. Somits, entsprechend auf diese Weise 8 Intersomitalriumen.“ Ich habe in Fig. 4 auf Taf. XXIII eine Figur von KoirzorF in etwas vereinfachter Weise reproduziert und die Farben mit meinen Figuren tiberein- stimmend gewahlt, um die Aehnlichkeiten hervortreten zu lassen. Hinsichtlich der Spinalganglien ist noch die Frage zu erértern, welchem Somit das erste Spinalganglion zukommt. Halt man die Kopfganglien fiir gleichwertig mit den Spinalganglien, so kann keinem Somit gleichzeitig ein Kopfganglion und ein Spinalganglion zukommen; die Spinalganglien miissen also bei dem Somit anfangen, vor welchem die Kopfganglien aufgehoért haben. Da ich 3 Somite zum Vagus rechne, so ist nach meiner Auffassung zu erwarten, daf das erste Spinalganglion an dem 8. Segment meiner Rechnung, also an dem Somit v von Braus auftrete. An diesem Somit geht die Ganglienleiste tiber die Reihe der Somiten hinweg, und hier vermag sie also zum erstenmal ein medial von dem Somit liegendes Ganglion zu liefern, d. h. es ist die theoretische Méglichkeit zur Bildung eines Ganglions vorhanden. Verfolgt man in der Frontalschnittserie die Reihe der Spinal- ganglien von hinten nach vorn, so erkennt man, daf die Ganglien Fig. 4—6. Drei Figuren aus der Abhandlung von GUTHKE (1906). Die Kopfganglien bei Embryonen von Torpedo ocellata, Fig. 4 im Stadium J—K, Fig. 5 im Stadium L, Fig. 6 im Stadium O. c Ganglion ciliare (Trigeminus I), t Trigeminusganglion (Trigeminus I1), f Ganglion des Facialis Acusticus, g/ Glossopharyngeusganglion, vJ erstes Vagusganglion, JI zweites, vIII drittes Vagusganglion, g Ganglienleiste, gm scheinbar gemeinsame Wurzel des Glossopharyngeus und des Vagus, oc Oculomotorius, tr Trochlearis, sp Spinalganglien, ve ventrale Wurzeln, vo vorderer Fortsatz des Trigeminus-Ganglions oder Reste desselben. Pie mm Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 671 gt vf vil vill g { | | { l Le el Lp pe hp. ---sp iN =" n ill we --------- 4 ve TESS : mM a IN aN {tom a ) hy Ym A wet ' \4 ‘ \ Mt \ EN Oy WN SS “AS Wood tro- oc” Fig. 6. 672 Heinrich Ernst Ziegler, des 9., 10. und 11. Segments (der Somite w, x, y nach Braus) erheblich kleiner sind als diejenigen der folgenden Somite. Darin zeigt sich schon der rudimentiare Charakter dieser Ganglien (Text- fig. 5). Ob an dem 8. Somit noch ein Ganglion vorkommt, ist mir beim Studium meiner Schnittserien zweifelhaft geblieben. Braus. beschreibt wohl die kleinen rudimentaren Ganglien der Somite - w und a, bei dem Somit wv spricht er zwar von einem ,,ventralen Auswuchs der Nervenleiste“, fiigt aber hinzu: ,,es entwickelt sich kein Ganglion und keine dorsale Wurzel‘ (1. c. p. 468). Es ist in theoretischer Hinsicht von untergeordneter Bedeu- tung, ob man bei dem Somit v noch ein rudimentires Ganglion nachweisen kann. Aber wichtig scheint mir die Tatsache, daf in den 3 Vagussomiten (s, ¢, w) keine Spinalganglienanlagen auftreten. Denn sie spricht zu Gunsten der oben besprochenen Auffassung, dafi die Kopfganglien (Ciliarganglion, Trigeminusganglion, Facialis- Acusticus-Ganglion, Glossopharyngeusganglion und 3 Vagusganglien). den Spinalganglien entsprechen und deren Stelle vertreten, ob- gleich sie lateral von den Ursegmenten liegen. Diese eigenartige Lage der Kopfganglien steht wahrscheinlich in Beziehung zu der Plakodenbildung und ist demnach die Folge der Ausbildung der eigenartigen Sinnesorgane, als deren palingenetische Reste jetzt die Plakoden auftreten. SchlieSlich mu ich noch einige Worte iiber die ventralen Wurzeln sagen. Sie scheinen mir fiir die urspriingliche Seg- mentierung des Kopfes wenig Anhaltspunkte zu bieten. In Text- figur 5 sind drei kleine ventrale Wurzeln angedeutet, welche je- weils vor den kleinen Spinalganglien liegen, also den Segmenten 9., 10 und 11 (w, x, y) angehéren. Braus fand noch eine ventrale Wurzel an dem vorhergehenden Somit, dem Somit v (dem 8. nach meiner Rechnung). Es wird dadurch wahrscheinlich gemacht, daf diesem Somit urspriinglich auch ein Spinalganglion zukam (vgl. oben). Am Vorderkopf werden der Oculomotorius und der Ab- ducens als ventrale Nerven aufgefa8t; ersterer wird meistens dem Trigeminus, letzterer dem Facialis-Acusticus zugeordnet *). Ersterer innerviert diejenigen Augenmuskeln, welche aus dem Primandibularsomit hervorgehen, letzterer den Rectus externus, 1) Bearp (1886) und Kourzorr (1902) betrachten den Oculo- motorius als die ventrale Wurzel zu dem Ciliarganglion (Tri- geminus I). Diese Ansicht paft zu der Auffassung, daf das Ciliar- ganglion zu dem Primandibularsomit gehért (S. 669), dessen Muskeln der Oculomotorius versorgt. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 673 NC] Mine iy uN Fig. 8. Fig. 7u.8. Zwei Figuren aus der Abhandlung von KLINKHARDT (1905). Die Kopfganglien bei Embryonen von Spinax niger, im Stadium L und im Stadium M—N. Die dunklen Stellen auf den Ganglien bedeuten Verbindungen mit dem Ektoderm. e Ganglion ciliare (Trigeminus I), « Trigeminusganglion (Trigeminus I), f Ganglion des Facialis Acusticus, g Glossopharyngeusganglion, vJ erstes Vagusganglion, »JI zweites, vJIJ drittes Vagusganglion. 674 Heinrich Ernst Ziegler, _welcher dem hinteren Teil des Mandibularsomits, sozusagen dem Uebergangsgebiet zwischen dem Mandibularsomit und dem Hyoid- somit angehért (p. 262). Da ich die Augenmuskeln fiir relativ junge Muskeln halte, welche nicht direkt aus segmentalen Muskeln hervorgingen, so meine ich, daf man die Innervierung der Augen- muskeln nicht zu phylogenetischen Schliissen brauchen kann. Ich gehe deshalb auch nicht auf das schwierige Problem des Trochlearis ein. Der Trochlearis innerviert den Muse. obli- quus superior, welcher aus dem vorderen Teil des Mandibular- somits hervorgeht (vergl. p. 662). Nach Froriep (1891) entsteht er aus dem vorderen Ast der zu dieser Zeit noch zusammenhangen- den Trigeminus- und Ciliarganglien (Textfig. 4 vo). Man kénnte ihn also zum Trigeminus- oder zum Ciliarganglion rechnen. Ob diese Ansicht von Frortep richtig ist, laBt sich schwer entschei- den, da der Ast sich in Stiicke auflést (Textfig. 5), welche bis auf kleine Reste verschwinden, ehe man den Trochlearis erkennen kann. Ich kann in der Trochlearisfrage keine eigene Meinung aussprechen und verweise nur auf die Darstellung von GuUTHKE, welche auch die Angaben von vAN WIJHE, FURBRINGER, C. K. HoFF- MANN, Miss PLatt, MirropHanow und Kourzorr beriicksichtigt (GuTHKE 1906, p. 43—49). Ich will nur noch erwahnen, daf VAN WiJHE und manche andere Autoren den Trochlearis als eine ventrale Wurzel betrachten und sie dem Trigeminus (Trigeminus II) zuweisen. Auch Koirzorr (1902, p. 542—546) hat sich ent- schieden in diesem Sinne ausgesprochen. Die urspriingliche Segmentierung des Kopfes der Cranioten. Aus den Befunden, welche man bei jungen Selachierembryonen erhalt (p. 658—674), kann man folgendes Grundschema des Craniotenkopfes konstruieren (Taf. XXIII, Fig. 2 und 3). Vor dem Mund liegt nur ein Segment. Es ist im Mesoderm charakterisiert durch das Primandibularsomit. Als Ganglion gehort zu diesem Segment das Ciliarganglion. Hinter dem Mund liegt das Mandibularsegment. Dazu ge- hért das Ganglion des Trigeminus. Auf dieses Segment folgt die 1. Kiemenspalte (das Spritzloch). Das nachste Segment ist das Hyoidsegment. Das zugehorige Ganglion ist das Facialis-Acusticus-Ganglion. Hinter diesem Seg- ment liegt die 2. Kiemenspalte. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 675 Das 4. Segment ist das Glossopharyngeussegment mit dem Glossopharyngeusganglion. Auf diesesSegment folgt die 3. Kiemen- spalte. Das 5. Segment ist das erste Vagussegment mit dem ersten Ast des Vagus. Hinter demselben liegt die 4. Kiemenspalte. Das 6. und 7. Segment sind die beiden folgenden Vagus- segmente mit zwei Vagusdsten. Zwischen dem 6. und 7. Segment liegt die 5. Kiemenspalte und hinter dem 7. Segment die 6. — Zu den folgenden Segmenten gehéren Spinalganglien. Diese Aufstellung bedarf aber noch einiger Erlauterungen. Was zunachst die mesodermalen Gebilde betrifft, so nimmt das Pramandibularsomit eine Ausnahmestellung ein, indem hier ein Unterschied von Ursegment und Seitenplatten nicht besteht. Das Primandibularsegment liegt vor dem Mund, es ist ein praorales Gebilde. Wollte man glauben, daf’ der Mund aus der Verschmel- zung zweier Kiemenspalten entstanden sei, so kénnte man an- nehmen, dali das Pramandibularsomit urspriinglich unter dieser Mund-Kiemenspalte eine Verbindung mit dem Pericardium gehabt habe, wie das Mandibularsegment eine solche Verbindung besitzt. Dafiir liegt aber kein Anhaltspunkt vor. Ich bin daher der Ansicht, daf der Mund der Cranioten nicht aus Kiemenspalten hervorgegangen ist, sondern halte ihn fiir ein medianes und von Anfang an unpaares Gebilde. Die Kiemenspalten sind paarige, laterale Gebilde; jede Spalte liegt zwischen zwei Ursegmenten. An den Vagussomiten sieht man, dafi die Myotome héher liegen als die Kiemenspalten; die letzteren entstehen also nicht zwischen den Myotomen, sondern zwischen den tiefer liegenden Teilen der Somite (zwischen den Mesomeren und Hypomeren nach vAN WiHE, den Urwirbel- kommunikationen nach RABL). Bei der Betrachtung meiner Figuren 1—3 wird es evident, daf die trichterférmigen Oeffnungen, mit welchen die postbranchialen Ursegmente aus der Peritonealhéhle entspringen, ihre Homologa in der branchialen Region am unteren Ende der Kiemenbégen am Pericardium haben. Durch die Verlingerung der Kiemenspalten wurde also der untere Teil der Ursegmente in die Lange ge- zogen und bildet den epithelialen Schlauch, welcher durch den Kiemenbogen hindurchzieht. Am oberen Ende des Kiemenbogens (auf der Héhe der Aortenwurzeln) lést sich dieser Schlauch in 676 Heinrich Ernst Ziegler, Mesenchym auf, ein Vorgang, welcher der Bildung des Sklerotoms entspricht (Textfig. 3). Gehen wir. bei dem Selachierembryo von hinten nach vorn, so sehen wir die oberen Teile der Somite allmahlich verkiimmern, da sie von den grofen Ganglien bedeckt werden: das 8. Somit (das erste postbranchiale Somit der pentanchen Selachier) hat — noch eine obere Kuppe, welche allerdings schon durch den Rand des Vagus niedergedriickt wird, die vorhergehenden Somite haben keine epithelialen Kuppen mehr. Das letzte und das vorletzte Vagussomit haben noch ein deutliches Myotom mit Muskelbildung (Myomer), das erste Vagussomit hat noch ein rudimentaires Myomer, die vorhergehenden Somite bilden gar keine Myomere mehr (verg]l. das Schema Taf. XXIII, Fig. 2). Durch das Wachstum des Gehirns und die damit in Verbin- dung stehende Kopfbeuge wird das Somit des Mandibularbogens sozusagen nach vorn umgekippt, so da es anstatt einer vertikalen (dorsoventralen) Stellung eine schiefe, sogar nahezu horizontale Lage erhalt (Taf. XXIII, Fig. 1 u. 2). In geringerem Grade findet eine solche Verschiebung auch bei dem Hyoidbogen statt. Denkt man sich das Mandibularsegment in seine urspriingliche Lage, so zeigt das Vorderende ein Bild wie das Schema Taf. XXIII, Fig. 3. Auf dieses Bild komme ich spater bei der Besprechung des Amphioxus zuriick (S. 680). Amphioxus und die Urgeschichte des Wirbeltierkopfes. Schlieflich muf ich noch das niederste Wirbeltier, den Am- phioxus, in Betracht ziehen. Wenn die im vorigen Abschnitt aus- gesprochene Theorie richtig ist, so muf sie sich mit den Beobach- tungen an Amphioxus in Beziehung setzen lassen. Amphioxus interessiert uns aber nicht allein wegen des Uebergangs von den Acraniern zu den Cranioten, sondern auch deshalb, weil man aus seiner Entwickelung nach dem biogenetischen Grundgesetz einige Ziige der altesten Stammesgeschichte der Wirbeltiere herauslesen kann. In der Entwickelung des Amphioxus sind palingenetische und cinogenetische Vorginge gemischt, und ich glaube, da’ man die Asymmetrie der Larven und das ungleichmaSige Erscheinen der beiden Kiemenspaltenreihen als sekundire Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 677 Abinderungen ansehen muS'). Aber die ersten Vorgiinge bei Amphioxus und die junge Larve, solange sie noch symmetrisch ist, halte ich fiir palingenetisch und schlieSe daraus nach dem biogenetischen Grundgesetz auf folgende Entwickelungsweise des Wirbeltierkopfes ?). Gehen wir von der Gastrula aus, so miissen wir annehmen, dafi sie sich urspriinglich durch den Blastoporus ernahrte. Die Medullarplatte wimperte urspriinglich die Nahrung nach dem Blastoporus hin und konnte dabei auch schon die Funktion eines Sinnesepithels besitzen. Als die Medullarplatte sich zum Medullarrohr umgestaltete, ging der Strom des Wassers durch den vorderen Neuroporus ein und ge- langte durch den Canalis neurentericus in den Darm (Textfig. 9). Es ist bekannt, daf die Flimmerung in dem Medullarrohr der 1) Ick kann daher die Theorieen aufer acht lassen, welche GoLpscHmMipt an die Beschreibung der asymmetrischen Amp hio- xides-Formen angeknipft hat (R. Gotpscummr, Amphioxides, in: Wiss. Ergebnisse der Deutschen Valdivia-Expedition, Bd. XII, Jena 1905). Die merkwiirdigen Amphioxidesarten haben die gréfte Aehn- lichkeit mit den Larven von Amphioxus lanceolatus in dem Stadium, in welchem nur die eine Reihe der Kiemenspalten (die spiatere linke) angelegt ist, welche sich zu dieser Zeit median an der Unter- seite des Kérpers befindet. GontpscHmipt faft neuerdings die Amphioxidesarten als neo- tenische Larven auf, welche infolge pelagischer Lebensweise sich nicht umwandelten, sondern in der Larvenform geschlechtsreif wurden (Amphioxides und Amphioxus, Zoolog. Anz., Bd. XXX, 1906, p- 446). Ich halte diese Auffassung fiir durchaus einleuchtend, glaube aber, daf man gerade auf Grund dieser Anschauung davon absehen mu, die Amphioxidesformen als Reprasentanten eines ur- spriinglichen Wirbeltiertypus zu betrachten. 2) Ich habe die Grundziige meiner Theorie schon in meinem Lehrbuche in kurzer Form ausgesprochen (H. E. Zincurr, Lehr- buch der Entwickelungsgeschichte der niederen Wirbeltiere, Jena 1902, p. 57). — Hine Entgegnung gegen meine Theorie hat D. Rosa veréffentlicht (Il canale neurenterico ed il blastoporo anale, Bolle- tino dei Musei di Zoologia ed Anatomia comparata della R. Univ di Torino, Vol. XVIII, 1903). Wie Gecunzpavr meint auch Rosa, daf der Canalis neurentericus eime ciinogenetische Bildung sei, an welche man keine phylogenetischen Schliisse ankniipfen diirfe. Ich kann diese Meinung nicht teilen, da der Canalis neurentericus bei den Embryonen aller Klassen der Wirbeltiere (mit Ausnahme der Teleostei) vorkommt und daher sehr wohl fiir ein uraltes Organ der Wirbeltiere gehalten werden kann. 678 Heinrich Ernst Ziegler, Amphioxuslarve von vorn nach hinten geht (HarscHeK 1882). Mund, After und Kiemenspalten waren zu dieser Zeit noch nicht vorhanden. Wohl aber bestand schon die segmentale Muskulatur '), welche schlangelnde Bewegungen des Kérpers erméglichte (vergl. die Amphioxuslarve Textfig. 10). Das durch den Canalis neurentericus in die Darmhohle ein- - tretende Wasser multe zuweilen durch Kontraktionen der tiber dem Darm liegenden segmentalen Muskulatur wieder entfernt werden 2). Diese riicklaufige Bewegung des Wassers war natiirlich eine unvollkommene Einrichtung, und es mul} daher zuerst die Bildung des Afters erfolgt sein. Nun wurde das Wasser, welches durch das Neuralrohr kontinuierlich mit Fig. 9. Amphioxus-Larve im gen Nahrungsteilchen in den Darm Stadium dor Nevrnla ee eae kam, periodisch durch Kontraktion Medullarrohr), nach HATSCHECK, 3 i eae Ne der Muskulatur durch den After ausgestofen. Erst die folgende Stufe ist durch die Bildung der Kiemenspalten und des Mundes charakterisiert. Nun ging das Wasser durch den Mund und die Kiemenspalten ein, und der Canalis neurentericus wurde iiberfliissig. Infolge dessen obliterierte der Canalis neurentericus. So konnte das Medullarrohr, welches schon bisher zur Priifung 1) van Wine (1906, p. 38) schreibt tiber die erste Ent- stehung der Muskulatur folgendes: ,Ich halte die Segmentierung der Chordaten fir véllig unabhingig von derjenigen der Anne- liden und Arthropoden und fiir gleichzeitig mit der Chorda- bildung entstanden. Die Vorfahren der Chordaten waren kleine Tiere, deren dorsale Darmwand sich in Anpassung an die Schwimm- bewegung zu einem etwas starren Stiitzgewebe umbildete, welches der Vorlaufer der sich spater abschniirenden Chorda war. An jeder Seite der Chorda entstand ein Muskelband. Das Band war segmentiert, und jedes Segment hatte die Linge einer Muskelzelle, wie dies noch jetzt bleibend bei den Appendicularicn der Fall ist.“ 2) Es war unvermeidlich, daf mit der Nahrung auch sehr viel Wasser in den Darm kam. Vielleicht diffundierte ein Teil des Wassers in das Célom und wurde von da durch die Exkretions- organe nach aufen geleitet. Aber solange kein After bestand, multe jedenfalls periodisch eine Entleerung der Darmhéhle durch das Medullarrohr erfolgen zur Entfernung der unverdaulichen Reste der Nahrung. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 679 des Wassers und der Nahrungsbestandteile ein Sinnesepithel enthielt, ein ausschlieflich nervéses Organ, das Zentralorgan des Nervensystems werden. Ob der Mund friiher entstanden ist als die Kiemenspalten oder spiter, das ist eine Frage von untergeordneter Bedeutung. War der Mund?) friiher da, so diente er hauptsichlich der Er- nihrung, bis er mit der Entstehung der Kiemenspalten auch eine groBe Bedeutung fiir die Respiration erhielt. Waren die Kiemen- spalten friiher da, so muften sie periodisch Wasser eintreten Jassen und konnten in dieser Art sowohl eine nutritorische als auch eine respiratorische Funktion haben. Auch bei Amphioxus hat ja der Kiemendarm neben der respiratorischen Bedeutung noch eine Wichtigkeit fiir die Ernahrung, wie aus folgender Be- schreibung von vAN WiJHE (1906) hervorgeht: ,,Im Meerwasser schwebende Teilchen werden mit dem Atemwasser aufgenommen, zu einem Strange verklebt, bei welchem das Sekret der Hypo- branchialrinne (Endostyl, Schilddriise) eine wichtige Rolle spielt, und gelangen so weiter in den Speisedarm, wihrend das Wasser durch die Kiemenspalten abflieBt.“ Die Kiemenspalten konnten nicht an beliebigen Stellen durchbrechen, da die Somite den Darm schon umgaben; sie konnten also nur zwischen den Somiten durchbrechen, und zwar zwischen den unteren Teilen derselben. Daraus folgt, da’ die Kiemenspalten urspriing- lich metamere Organe gewesen sind, wie ich das schon vorhin aus- gefiihrt habe (p. 674 und 675). Die Spalten liegen intersegmental. Auf Grund dieser Theorie muS man erwarten, da& die Kiemen- spalten bei Amphioxus metamer angelegt werden; das ist in der Tat der Fall. HarscuexK schreibt dariiber foleendes (B. Hat- SCHEK, Die Metamerie des Amphioxus und des Ammocoetes, Verh. der Anat. Gesellsch., 1892, p. 145): ,Die ersten wahrend der larvalen Entwickelung entstandenen Kiemen- spalten sind metamer angeordnet. Diese Metamerie ist nur in den urspriinglichen Lagebeziehungen zu den Myomeren be- griindet; bestimmte Beziehungen zu den metameren Nerven sind durch die Plexusbildung aufgehoben. Nach der Metamorphose findet eine successive Neubildung von Kiemenspalten am hinteren 1) Ich spreche hier von dem Mund der urspriinglichen Wirbel- tiere, welcher ein unpaares medianes Gebilde ist (vergl. p. 675). Von dem Mund des Amphioxus wird spiiter die Rede sein (p. 681). 680 . Heinrich Ernst Ziegler, Rande des Kiemenkorbes statt, und es wird so im Laufe des Wachstums noch eine grofe Zahl von Kiemenspalten gebildet, ohne daf hierzu wesentlich neue Metamerenbezirke herangezogen werden. Die alten Kiemenspalten werden dabei von den neuen nach vorn zusammengedranet.“ Da bei Amphioxus die ersten Kiemenspalten metamer ange- ordnet sind+) und jedem Myomer ein Nervenpaar zukommt (s. Textfig. 1), so sehe ich darin eine Bestatigung der Auffassung, welche ich oben bei der Besprechung der Cranioten vertreten habe, da8 jedem Kiemenbogen ein Somit und ein Ganglion entspricht. Fig. 10.. Embryo von Amphioxus mit 9 Ursegmenten. (Nach HaTscHEK aus KorscHELT und HEIDER.) dv vorderes Entodermdivertikel (linkes Ento- dermsiickchen HATSCHEKs), ec Ektoderm, en Entoderm, m vorderer Fortsatz des sog. 1. Ursegments (us‘), mf ungegliederter Teil des Mesoderms, mp HatscHeks Mesoderm-Polzellen, mz Muskelbildungszellen, np vorderer Neu- roporus. Es bleibt nun nur noch die Frage; welches Segment des Am- phioxus entspricht dem Kieferbogen der anderen Wirbeltiere ? Ich teile die Ansicht von van WiJHE (1894, 1901 und 1906), da& das sogenannte erste Segment des Amphioxus, welches den eigenartigen Fortsatz nach vorn be- sitzt, dem Mandibularsegment der anderen Wirbel- tiere entspricht. Man sieht den Fortsatz an den Textfig. 1 und i0. Auch bei dem von GoLpscHmipr beschriebenen Amphio- 1) An Fig. 11, welche der Arbeit von Wixtny entnommen ist kann man ebenfalls erkennen, dai die Anlagen der Kiemenspalten den Somiten entsprechen, obgleich die Verhialtnisse durch die un- gleichzeitige Anlage der beiden Kiemenspaltenreihen kompliziert sind. Die 6 Kiemenspaltenanlagen der rechten Seite liegen offenbar zwischen 6 Somiten, die 14 Kiemenspalten der linken Seite zwischen 14 Somiten. — Auch Goxnpscumipr (1905) spricht von der seg- mentalen Lage der Kiemenspalten bei den Amphioxidesarten. Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 681 xides ist dieser Fortsatz sehr deutlich zu sehen (1. c. Taf. VII, Fig. 33 Rht). Nach Harscuex (1892) bildet er bei der Amphioxus- larve Muskeln, welche spiter rudimentir werden. Es ist evident, daf dieser Fortsatz an den nach vorn gehenden Teil des Mandibular- segments der Cranioten erinnert (vergl. Textfig. 10 mit Tafelfig. 3). Da ich in der Homologisierung des Mandibularsomites mit VAN Wise iibereinstimme, teile ich auch seine Meinung, daf das sogenannte ,rechte Entodermsackchen“ Hatscuexks, welches vAN WIJHE ,,Schnauzenblaschen“ nennt, dem Pramandibularsegment der anderen Vertebraten homolog ist. Es entsteht nach HaTscHEeK und nach VAN WiJHE aus dem Entoderm und gehért offenbar zu der Reihe der Ursegmente. Es bildet ein unpaares diinnwandiges Saickchen, welches den unteren Teil des praoralen Kopfabschnittes ausfillt. Nicht allein vAN WignHE, sondern auch Kouitzorr (1902) und GoLpscumipT (1906) homologisieren das Schnauzenblaschen (das rechte Entodermsackchen) des Amphioxus mit der Pramandi- bularhéhle der Cranioten. Die mediane Verbindung der beiden Pramandibularhéhlen der Cranioten kann also in dem Sinne er- klart werden, dal die beiden Hohlen urspriinglich ein einziges unpaares Gebilde, ein praorales Célom darstellten. So komme ich schlieSlich noch auf die Frage, ob der Mund des Amphioxus dem Munde der anderen Wirbeltiere entspricht, wie dies HarscHEK, WILLEY und FURBRINGER meinen. Ks ist dies nicht so selbstverstindlich, wie man auf den ersten Blick glauben kénnte. VAN WIJHE vertritt mit beachtenswerten Griinden die Ansicht, dafi’ der Mund des Amphioxus dem linken Spritzloch der iibrigen Wirbeltiere entspricht!). Da das Spritzloch dem Mittelohr der luftatmenden Wirbeltiere homolog ist, spricht van Wise seine Meinung in sehr drastischer Form mit folgenden Worten aus: ,,Amphioxus kann nicht héren; er frift mit dem linken Ohre und hat infolgedessen den Mund verloren.“ Diese Ansicht von VAN WIJHE griindet sich auf die Tatsache, dafi der Mund bei Amphioxus auf der linken Seite der Larve entsteht und von Nerven der linken Seite versorgt wird (wahrend der Mund der Cranioten ein medianes Gebilde ist, vergl. p. 675); ferner auf die Beobachtung, daf der Mund hinter dem Mandi- 1) van Wine hat diese Ansicht schon im Jahre 1901 aus- gesprochen (Beitrige zur Anatomie der Kopfregion des Amphioxus, Petrus Camper, Deel I) und im Jahre 1906 ausfiihrlicher dargelegt (Die Homologisierung des Mundes des Amphioxus und die primitive Leibesgliederung der Wirbeltiere, Petrus Camper, Deel IV, 1906). Bd, XLII, N. F, XXXVI. 45 682 Heinrich Ernst Ziegler, bularsomit (also hinter dem sog. 1. Somit) gelegen ist. Wenn letzteres richtig ist — was ich nicht aus eigener Anschauung ent- scheiden kann — so mu8 man die Richtigkeit der Ansicht von vAN WisHeE anerkennen, daf der Mund des Amphioxus dem Munde_ | der anderen Wirbeltiere nicht homolog ist. Die eigenartige Natur des Mundes des Amphioxus ist dann aus der Asymmetrie der | Larve zu erkliren. Diese Asymmetrie hingt mit der Bewegungs- form der schwimmenden Larve zusammen, welche (wie HatscHek beobachtete) sich beim Vorwartsschwimmen um ihre Achse dreht in der Richtung von rechts nach links, so daf also die linke Seite die vorangehende und infolgedessen die bevorzugte ist. Ferner | oes wird angegeben, dali die asymmetrische Larve, wenn sie zu Boden | sinkt, auf einer Seite liegt, namlich auf der rechten, so da& der — links liegende Mund nach oben gerichtet ist. Erst spater, wenn die Larve ihre Lebensweise andert, indem sie sich in den Sand eingrabt, wird der Bau mehr symmetrisch. Fig. 11. Amphioxuslarve mit 14 Kiemenspalten der linken Seite. (Nach WILLEY aus KoRSCHELT und HEIDER.) aw Augenfleck, es Endostyl, dr kolben- formige Driise, ch Chorda, m unterer Rand des links liegenden Mundes, mf Rand der rechten Metapleuralfalte, » Medullarrohr, w Wimperorgan (Raéderorgan). Als das Antimer des Amphioxusmundes betrachtet vAN WIJHE die sog. kolbenfoérmige Driise (Fig. 11 dr), welche an der rechten K6rperseite entsteht (vAN WiyHE 1906, p. 11). Diese Auffassung ist fiir unsere Betrachtung von untergeordneter Bedeutung. Wohl aber mu8 noch erwihnt werden, daS’ van WHE das Wimperorgan oder Raderorgan des Amphioxus (Fig. 11w) als das Homologon des Mundes der Cranioten ansieht. Dieses Organ entsteht nach HarscHek aus dem Entoderm (als sog. linkes Entodermsickchen); Legros leitete es aus dem Ektoderm ab, VAN WIJHE itiberzeugte sich an den Praparaten von Mac BripE und von Legros, daf es in der Tat durch eine kleine Aus- Die phylogenetische Entstehung des Kopfes der Wirbeltiere. 683 stiilpung des Entoderms angelegt wird (vAN WisHE 1906, p. 13). Bei der Ausbildung des definitiven Mundes des Amphioxus (welcher ein gréferes Gebiet umfa’t als der Mund der jungen Larve) kommt das Wimperorgan bekanntlich in die Mundhéhle zu liegen. Die Eigenartigkeit des Amphioxus ist fiir meine Auffassung von untergeordneter Bedeutung. Amphioxus kommt nur insofern in Betracht, als wir an ihm urspriingliche Eigenschaften der Wirbeltiere erkennen kénnen. Die Befunde bei Amphioxus sind hier um so wichtiger, je mehr sie mit den Befunden bei Cranioten iibereinstimmen. Ich ziehe daher aus der Entwickelung des Am- phioxus vor allem folgende Schliisse: Die Ursegmente sind phylogenetisch alter als die Kiemen- spalten. Jede Kiemenspalte entsteht urspriinglich zwischen 2 Ur- segmenten, jeder Kiemenbogen entspricht also einem Somit. Das sog. 1. Somit des Amphioxus entspricht dem Mandibularsomit der Cranioten. Das priaorale Schnauzenblaschen des Amphioxus ist dem Pramandibularsomit der Cranioten homolog. Die phylogene- tisch alten Ganglien des Kopfes der Cranioten (Ciliarganglion, Trigeminusganglion, Facialis-Acusticusganglion, Glossopharyngeus- ganglion und 3 Vagusganglien) entsprechen segmentalen Nerven des Amphioxus. Der vordere Teil des Kopfes der Cranioten entspricht in Bezug auf die urspriingliche Gliederung dem vordersten Teil des Am- phioxus. Die weitgehenden Unterschiede, welche zwischen dem Kopf des Amphioxus und demjenigen der Cranioten bestehen, er- klaren sich einerseits aus der cé&nogenetischen Asymetrie der Amphioxus-Larve, andererseits aus dem grofen Wachstum des Gehirns und der Entwickelung der grofen Sinnesorgane (Nase, Auge, Ohr) bei den Cranioten. ’ 684 H. E. Ziegler, Phyl. Entsteh. d. Kopfes d. Wirbeltiere. ores I Tafelerklirung. Tafel XXIII. Figurenbezeichnungen: ° tet ye gg sD ch Chorda md Mandibularbogen und Mandi- fac Facialis-Acusticus-Ganglion _ bularsomit gl Glossopharyngeus-Ganglion pe Pericardialhdhle gil Ganglienleiste vag Ganglien des Vagus G.c Ganglion ciliare v, W, 2, y, 2 die Bezeichnungen hy Hyoidbogen und Hyoidsomit der Somite nach Firprincur m Muskelplatten der Myotome und Bravs me Microcoele (kleine Héhle im 7—72 Zahlen der Somite nach Mesenchym); s. 8. 661 ' meiner Auffassung. Die rote Farbe bedeutet in allen Figuren mesodermale und mesenchymatische Zellen; die gelbe Farbe bezeichnet die Ganglien- leiste und die Ganglien. #2 Fig. 1. Zeichnerische Rekonstruktion der Mesodermsegmente bei einem Embryo von Torpedo ocellata, Stadium J—K, aus- gefiihrt von P. Broumer, vervollstandigt von H. E. Zmerer. Es lag eine Serie von Frontalschnitten zu Grunde, deren Richtung durch die langen schwarzen Linien bezeichnet ist. Die gelbe Linie be- deutet die ventrale Grenzlinie der Ganglien. Fig. 2. Schematisiertes Bild der Mesodermsegmente (Somite) desselben Embryos. ; Fig. 3. Vereinfachtes Schema des Wirbeltierkopfes (S. 676). Man sieht die Kiemenspalten, die Kopfsegmente und die Kopfganglien. i £ Fig. 4. Kopie einer Figur von Kourzorr, welche sich auf : Petromyzon Planeri bezieht (Kourzorr 1902, Taf. VI, Fig. VIO und IX). Die rote Linie und die roten Zahlen bezeichnen die Kopfsegmente. | ommal - Ueber die Ctenophore Eurhamphaea vexilligera. Von Constantin N. Joneseu, Gymnasialprofessor in Jassy (Rumiinien). Hierzu Tafel XXIV und 2 Figuren im Text. Die Eurhamphaea vexilligera GEGENBAUR ist unter den Cteno- phoren des Mittelmeeres eine der seltensten. Daher ist sie auch bis jetzt nicht vollstandig und genau bekannt geworden. Diese Tatsache veranlaft mich, eine neue Beschreibung dieses merk- wiirdigen Tieres zu geben. Die Art wurde von GEGENBAUR (1856) entdeckt und beschrieben; seine Angaben sind zutreffend, aber sie geben kein vollstandiges Bild der Organisation, da er das Tier nur kurze Zeit studieren konnte, wie er selbst sagt: ,,Es wurden zwei Exemplare beobachtet, beide an einem Tage im Monat Februar.‘ Vor GEGENBAUR hat Sars (1856) als Mnemia elegans ein Tier beschrieben, welches er bei Messina gefunden hatte und welches der vorliegenden Species ahnlich ist; da seine Beschreibung sehr kurz ist und keine Abbildung beigefiigt wird, bleibt es zweifel- haft, ob die von Sars beschriebene Species mit der vorliegenden identisch ist. Spater ist die Ctenophore auch von H. Fou (1859) beobachtet worden, welcher sich aber besonders mit der Embryologie der Species beschaftigte. Er traf das Tier bei den Canarischen Inseln in Menge an. CHUN erwabnt aber in seiner grofen Monographie: ,,Die Cteno- phoren des Golfes von Neapel“ nur ein einziges Exemplar, welches » er in Neapel im Monat Marz 1875 gefunden hat. — Wahrscheinlich ist die Eurhamphaea nicht fiir das Mittelmeer charakteristisch, weil man von 1856 bis jetzt nur so wenige Exemplare bei Neapel 686 Constantin N. Jonescu, ‘ gefunden hat; ich glaube, da sie von der Strémung aus dem Atlantischen Ozean in das Mittelmeer gefiihrt wird. Ich habe meine Beobachtungen am lebenden Tiere gemacht, da es mir gelang, das Exemplar mehrere Tage am Leben zu er- halten. Ich bekam das Tier in der Zoologischen Station zu Neapel am 25. Marz 1907; ich méchte nicht verfehlen, auch an dieser Stelle Herrn Dr. Lopranco meinen besten Dank fiir die Ueberlassung des so seltenen Tieres auszusprechen. Eurhamphaea vexilligera ist in hohem Grade durchsichtig; die Lange betrigt 8 cm, die Breite 3,5 cm. Die Bewegungen im Wasser sind denen der Callianira ahnlich, aber etwas langsamer. Man mu das Tier in den beiden charakteristischen Ebenen betrachten, indem man das eine Mal auf die Magenebene, das andere Mal auf die Trichterebene blickt. Um die Beschreibung zu erleichtern, vergleiche ich die Gestalt des Tieres mit der eines Prismas, dessen Grundflache ein Rechteck ist. Wenn wir das Tier von der breiteren Seite betrachten, so sehen wir die Magenebene vor uns; wenn wir es aber von der schmaleren Seite betrachten (Fig. 2), bietet sich uns das Tier in der Trichterebene dar. Wie alle gelappten Ctenophoren, so ist auch Eurhamphaea in der Trichter- ebene zusammengedriickt (Textfig. 1 und 2). Ein Hauptmerkmal dieser Tierart ist der Besitz von zwei schnabelférmigen Fortsitzen, welche in der Trichterebene liegen und zwar inmitten der breiteren Seite (Textfig. 1 und 2). Diese Fortsitze beginnen, wie schon GrGENBAUR angab, in der Gegend des Sinnespoles, laufen nach aufen auseinander und endigen jeder in einem fadenformigen, kontraktilen rotgefarbten Fortsatz (Textfig. 1 und 2, Tafelfig. 1 und 2). Cuun hat diese schnabelférmigen Fortsitze mit denen der Callianira verglichen, aber ich finde bei Eurhamphaea einen Unter- schied, den Caun nicht erwihnt hat: beide Arten besitzen zwar solche Fortsitze in der Trichterebene; Callianira ist jedoch in der Magenebene zusammengedriickt, so da die Fortsitze eine Ver- langerung der schmaleren Seiten bilden, wihrend sie bei Kurham- phaea eine Verlingerung der breiteren Seiten darstellen. Anderer- seits besitzen die Fortsitze von Callianira vier kleine Flachen und vier Kanten, wihrend Eurhamphaea dreikantige Fortsatze hat mit drei Flachen und mit einer mittleren und zwei seitlichen Kanten (Textfig. 2). Das ‘Tier besitzt am oralen Pol zwei halbkreisformige und vollstandig durchsichtige Schilder oder Schirme, welche in der “ a Ueber die Ctenophore Eurhamphaea vexilligera. 687 Trichterebene ausgebreitet sind. Gewoéhnlich sind die Schilder so gebogen, daf ihre freien Rander an der Trichterebene nahe zu- sammenkommen (Textfig. 2); manchmal aber 6ffnen sie sich und nehmen dabei die Form eines Halbkreises an, wie dies in der Tafelfig. 1 durch die punktierte Linie angegeben ist. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 1 und 2. Eurhamphaea vexilligera GEGENBAUR, als un- ae eichtizes Objekt gezeichnet (nach einem Tonmodell). Fig. 1. Blick auf die Trichterebene. Fig. 2. Blick auf die Magenebene. Die Schilder von Eurhamphaea sind gréfer als die von Bolina und kleiner als die von Eucharis; ebenso laft sich die Verastelung ihrer Kanale als eine Uebergangsform zwischen Bolina und Eucharis betrachten. Ich habe diese Kanile weggelassen, um die Zeichnung nicht zu verwirren, doch sind sie genau so, wie sie GEGENBAUR beschrieben hat. Wenn wir auf die Magenebene blicken (Textfig. 2), sehen wir unter den Schildern zu beiden Seiten der Medianlinie zwei charak- teristische Verlingerungen, welche Aurikel genannt werden; sie sind kleiner als diejenigen von Bolina. Die beiden Aurikel sind annahernd senkrecht gegen die Trichterebene gerichtet, d. h. sie stehen fast horizontal, und besitzen au der oralen Seite eine konvexe und an der aboralen Seite eine konkave Oberfliche. An dem Rand der Aurikeln sieht man kleine Cilien, welche sich gleich- mafig bewegen, wodurch eine leichte Bewegung der Aurikeln hervor- gerufen und gleichzeitig Wasser zum Mund gefiihrt wird. 688 Constantin N. Jonescu, Der Kérper besitzt acht Rippen mit Schwimmpliittchenreihen, — von denen vier subtentakulare und vier subventrale Rippen sind. Die subventralen Rippen (Fig. 1 Sv.R) liegen an den Raindern der kleineren Seiten (Fig. 2); sie besitzen Schwimm- plattchen von gleicher Form wie die von Eucharis; die Entfernung der Plattchen voneinander ist jedoch etwas gréfer, auch ist ihre Zahl geringer. Von den Schwimmplattchenreihen gehen feine Flimmerstreifen bis in die Nahe des Sinnesorgans. Nach der Mitte der Kleinseiten zu vergriéfern sich die Schwimmplattchen bedeutend und nehmen. yon da wieder an Grée ab. Von der Mitte des Schirmes an werden sie wieder durch kleine Cilien ersetzt, welche endlich verschwinden. An der inneren Seite der subventralen Rippen sieht man auch ohne Lupe zwei Reihen roter und verhaltnismabig groBer Punkte, die zwischen den Schwimmplittchen liegen. Diese roten Punkte, welche Driisen sind, setzen sich, indem sie immer kleiner werden, auf die Schilder fort und die Reihe endet in zwei gréferen Punkten am Rande der Schilder (Fig. 1 u. 2). GEGENBAUR hat einen zwischen diesen beiden Endpunkten gelegenen roten Pigmentfleck beschrieben, den ich jedoch nicht bemerken konnte. cnet ey ana ae is 7 Diese roten subventralen Driisenreihen haben eine besondere — Eigenschaft, indem sie, wenn das Tier angegriffen wird, eine rote Fliissigkeit ausstofen, welche im Wasser orangerot wird. Ich habe zur Beobachtung dieses Phainomens, auf welches Fou zuerst hingewiesen hat, mehrere Experimente angestellt und bemerkt, da8 die Fliissigkeit nicht auf einen StoB abgesondert wird, sondern ~ in successiver Weise der Bewegung der Schwimmplattchen ent- sprechend, und zwar vom oralen Pol aus zu dem aboralen Pol bin fortschreitend. Man kann dieses Phanomen mit dem Ausstofen der Tintenfliissigkeit bei den Cephalopoden vergleichen; in unserem Falle geht aber die Entleerung successiv durch eine ganze Reihe von Driisen hindurch. Man kann den Vorgang gut mit einem Lauf auf den Tasten eines Klaviers vergleichen. Die Struktur dieser Driisen und ebenso die chemische Natur des Driisenpigments sind noch nicht studiert; wahrscheinlich haben wir es mit einer zusammengesetzten Farbe zu tun, welche sich im Wasser zersetzt. Die Farbe des in den Driisen enthaltenen Pigments ist von | dem der Callianira durchaus verschieden, so daf wir auf Grund ee Ueber die Ctenophore Eurhamphaea vexilligera. 689 der Natur der Pigmente diese beide Arten nicht miteinander in verwandtschaftliche Beziehung bringen kénnen. Um eine Erklarung fiir die Entleerung der Farbe geben zu kénnen, muf man sie als ein Verteidigungsmittel des Tieres be- trachten. Die subtentakularen Rippen (Fig. 1 s¢.R) beginnen als feine Flimmerstreifen etwas unter den Aurikeln. Die Flimmer- streifen gehen in die Reihe der Schwimmplattchen iiber. Die Ent- fernung zwischen diesen Schwimmplattchen ist gréfer als bei Eucharis. Die beiden Reihen der Schwimmplattchen setzen sich auf die beiden seitlichen Kanten der schnabelférmigen Fortsitze fort, an deren Spitze sie wieder in Flimmerstreifen tibergehen, die sich vereinigen (Tafelfig. 2). An der auf eren Seite der subtentakularen Rippen bemerkt man mit der Lupe je eine Reihe kleiner roter Punkte, welche zwischen den Schwimmplattchen liegen. Diese Punkte sind viel kleiner als diejenigen, welche an den subventralen Rippen zu sehen waren. Eine Entleerung der Farbe habe ich hier nicht bemerkt. Das Gastrovascularsystem. Der Mund liegt in der Magenebene und hat die Form einer Falte, die durch zwei Mund- lappen gebildet wird. Auf die Trichterebene blickend sieht man auf beiden Seiten des Mundes die Tentakelscheide (Fig. 1 u. 2 T'sch) und ein Biindel von Fangfaden. Wahrend bei Eucharis der Tentakel sehr gut entwickelt ist, fehlt er bei Eurhamphaea vollstandig. An den Randern der Mund- lappen bemerkt man eine Rinne, die sich bis zu den Punkten zz’ erstreckt und kleine Fangfaden besitzt. Der Magen (JZ) hat die Form eines Sackes, der in der Trichterebene zusammen- gedriickt ist. Von dem Trichter entspringen 2 Magengefai®e, die an den breiteren Seiten des Magens liegen und sich in der Gegend des Mundes in 2 Aeste teilen (die Magengefafschenkel Fig. 2 Mgsch), welche in den Punkten zz‘ mit den Subtentakulargefafen kommuni- zieren. Die TentakelgefaéBe verlaufen in einem Bogen neben dem Magen und endigen in den Tentakelscheiden. Das TrichtergefaS lauft nach dem Aboralpol; an seinem unteren Ende befindet sich das Zentralnervensystem, d. h. der Sinneskérper (So Fig. 1). Vom Trichter entspringen 4 Interradiargefaife, die sich wieder verzweigen, wodurch 8 Gefafe entstehen, namlich die 4 subtenta- kularen und die 4 subventralen, welche den entsprechenden Rippen folgen. 690 Constantin N. Jonescu, Der Teilungspunkt der Interradiargefaife besitzt hier noch eine Kigentiimlichkeit. Bei Bolina findet die Teilung im Niveau des Sinneskérpers statt, bei der ausgebildeten Eucharis unter diesem Niveau (nach dem Aboralpol), bei Eurhamphaea tiber diesem Niveau (nach dem Oralpol hin). Caun hat gefunden, daf bei Larven von Eucharis die Teilung ebenfalls iiber dem Sinneskérper geschieht. Eurhamphaea zeigt also in diesem Verhalten einen Uebergang zu Kucharis. Die subtentakularen Gefi8e setzen sich unter den ent- sprechenden Rippen fort und vereinigen sich an der Spitze der grofen Fortsitze. Diese Kommunikation ist charakteristisch fiir Eurhamphaea, denn so ergibt sich dadurch ein Zusammenhang des Systems, der den anderen gelappten Ctenophoren fehlt. Die subventralen Gefife entspringen in der Nahe des Trichters, beschreiben dann einen Bogen, gehen hierauf nach oben unter den entsprechenden Rippen und verzweigen sich endlich im Schirm. Nach dem duSeren Charakter und nach der Anordnung des Gastrovascularsystems ist die Eurhamphaea einer jungen Eucharis ziemlich ahnlich; daher kann man sie als eine Uebergangsform zwischen Bolina und Eucharis betrachten. Jena, Zoologisches Institut, Februar 1908. ly IRIs ~ Some. Ueber die Ctenophore EKurhamphaea vexilligera. 691 Literatur. Sars, Middelhavets littoral fauna, 1856. Mnemia elegans. Greensaur, C., Studien iiber Organisation und Systematik der Ctenophoren. Archiv fir Naturgeschichte, Bd. XXII, 1856. Fou, H., Ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte einiger Rippen- quallen. Med. Inaug.-Dissert. Berlin, 1869. Cuun, Die Ctenophoren des Golfes von Neapel. Fauna und Flora des Golfes von Neapel, 1880. Haxcxet, Ursprung und Stammesverwandtschaft der Ctenophoren, Hertwie, R., Ueber den Bau der Ctenophoren. Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss., Bd. XIV, 1880. Cuaus, C., Ueber Deiopea kaloktenota (Coun) nebst Bemerkungen tiber die Architektonik der Rippenquallen. Arb. Zool. Inst. Wien, Bd. VII, 1886. Tafelerkliirung. Patel, XXIV. Msch Mundschirm Tr Trichter o Oralpol Trg Trichtergefak s Sinnespol (Aboralpol) Cir interradiale Gefafstiimme Mgsch Magengefafschenkel C.ad.st adradial - subtentakulare T.sch Tentakelscheide Gefaistimme Mr Mundrinne C.ad.sv adradiale subventrale Ge- Aur Aurikel fafistimme Mg Magengefas Sv.R subventrale Rippen M Magen St.R subtentakulare Rippen Tg Tentakelgefif Cr Crista Mw Magenwiilste W die roten kontraktilen Faden- Sv.Dr rote subventrale Driisen anhange Fig. 1. Eurhamphaea vexilligera Gnernpaur. Blick auf die Trichterebene. Auf die doppelte Lange vergréfert. Der Mundpol ist nach oben gerichtet, der Sinnespol nach unten. Fig. 2. Eurhamphaea vexilligera. Blick auf die Magenebene. Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. Von cand. med. Waldemar Pyehlau. Hierzu Tafel XXV—XXVII. Einleitung. Vorliegende Arbeit hat den Zweck, eine Beschreibung der Verbindungen der Brustflossen mit dem Schultergiirtel bei einigen Teleostiern zu liefern. Die meiste Aufmerksamkeit wurde hierbei auf die Verbindung zwischen dem Schultergiirtel und dem aufersten Strahl der Brustflosse gerichtet. Diese Verbindung, da sie zwischen den von GEGENBAUR in allen seinen Untersuchungen als Scapulare bezeichneten Knochen des Schultergiirtels und dem Randstrahl stattfindet, wollen wir als Scapulare- Randstrahlverbindung be- zeichnen. Diese Verbindung hat auch GEGENBAUR in seiner Arbeit ,Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere“ (1865, II) hervorgehoben, indem er hier p. 154 folgendes sagt: » Wenn wir auch die in der Regel vorhandenen vier Stiicke (Carpus der Autoren) wegen ihres im wesentlichen gleichartigen Verhaltens auch als genetisch gleichartige ansehen (der Autor meint hier die Basalstiicke der Teleostier im Vergleich mit den der Ganoiden), so tritt doch in dem basalen Abschnitt der Flosse etwas Ungleich- artiges ein, indem ein offenbar dem sekundaren Flossenskelett an- gehériger Strahl sich mit dem Schultergiirtel verbindet. Dieser Strahl ist gew6hnlich der starkste der Brustflosse, er besitzt ein eigenes, meist sattelf6rmig konstruiertes Gelenk, an dem als Scapulare bezeichneten Knochenstiicke des Schultergiirtels, — es ist dies die einzige wahre Gelenkverbindung eines sekundaren Strahles, denn alle iibrigen sind nur durch Bandmasse mit den vier Basal- stiicken oder den diesen angefiigten Knorpeln in Verbindung.“ AG a Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 693 Nach dieser Mitteilung GmeGENBAURS zu schliefen, handelt es sich hier um sehr eigenartige lokale Bildungen, welche zugleich als sekundire zu beurteilen sind. Ich habe mir die Aufgabe ge- stellt, diese Bildungen genauer zu untersuchen und nach Méglich- keit die Griinde, welche die Entstehung dieser eigenartigen Ver- hialtnisse veranlaft haben, nachzuweisen. Material. Es empfahl sich, mit Physostomen zu beginnen. Folgende Arten standen mir fiir die Untersuchung zu Gebote: Barbus fluviatilis als Vertreter der Cyprinoiden, Esox lucius als Vertreter der Esociden, Salmo salar als Vertreter der Salmoniden, Alosa vulgaris als Vertreter der Clupeiden und einige Siluroiden. Auferdem habe ich noch im Anschlu8 an die oben erwahnten Arten Hypoglossus vulgaris als Vertreter der Anacanthini pleuro- nectoidei untersucht, um auch bei diesen abseits stehenden Re- prisentanten die an den Physostomen gewonnenen Ergebnisse ge- wissermafen zu kontrollieren. Ebenfalls habe ich aus spater zur Erérterung kommenden Griinden Trigla hirundo der Untersuchung unterzogen. Die oben erwahnten Reprasentanten verschiedener Ordnungen der Teleostier wurden von mir genau auf Muskulatur, Skelett und Gelenkverbindungen untersucht. Von einer eingehenden Unter- suchung der Nerven wurde abgesehen, da es sich in dieser Arbeit weniger um die Bestimmung von Homologien, als um Aufklairung funktioneller Verhaltnisse handelt. Daran anschlieSend folgten noch Untersuchungen an mehreren anderen Fischen, jedoch nur in Bezug auf die Gelenkverbindungen. Der allergréfte Teil der Untersuchungen geschah durch makro- skopische Préparation. Doch wurden auch Serienschnitte ange- fertigt, wo es galt, genau die histologischen Verhaltnisse zu unter- suchen. Solche Serien habe ich von Barbus fluviatilis und Mugil gemacht. Hierzu wurden, da es nicht auf entwickelungsgeschicht- liche Vorgainge bei jungen Embryonen ankam, kleine Fische von etwa 1'),—2 cm Korperlainge beniitzt. Fir die mikroskopischen Untersuchungen erwies mir das Braus-Drinersche Binokular-Mikroskop gute Dienste. Schon hier in der Einleitung sei darauf hingewiesen, da8 die vorliegende Arbeit meine erste wissenschaftliche Arbeit ist, und daf andererseits die Untersuchungen neben einem viel Zeit ranbenden medizinischen Studium durchgefiihrt worden sind. Daher michte ich um nachsichtige Beurteilung des Vorliegenden bitten. 694 Waldemar Pychlau, Skelett. Das Skelett des Schultergiirtels ist schon von mehreren Autoren genau beschrieben und auch in der oben erwadhnten Arbeit von GEGENBAUR (1865, II) ist diesem Skeletteil ein grofes Kapitel gewidmet, das zugleich fiir seine Kenntnis die Grundlage bildet. . An Stelle einer weiteren Beschreibung sei darauf verwiesen. Taf. XXV, Fig. 1 u. 2 zeigt uns den Schultergiirtel des Lachses; ich begniige mich mit einer ganz kurzen Beschreibung dieser Ab- bildung. Der Schultergiirtel besteht aus einem primiren und sekundaren Anteil. Ersterer setzt sich zusammen aus dem Sca- pulare (Sc), dem Coracoid (Cor) und dem mit aw bezeichneten Spangenstiick. Letzterer wird durch die umfangreiche Clavicula (Clav) reprasentiert. Das Flossenskelett wird gleichfalls vom primaren und sekundiren Teile gebildet. Das primare Flossenskelett besteht in bekannter Weise aus den Basalia und den dahinter liegenden Knorpeln. Das sekundire verdient eine genauere Beschreibung. Wir wollen daher uns mit dem Bau der Strahlen naher be- schaftigen, indem wir zunachst einen in der Mitte der Flosse gelegenen Strahl beschreiben und dann zu den Randstrahlen ver- schiedener Knochenfische tibergehen. Mittelstrahlen der Flosse. Jeder Strahl beginnt mit dickerer Basis und lauft distal ziemlich spitz aus. Er ist nicht einheitlich, sondern setzt sich aus einer ventralen und dorsalen Lage zusammen, die basal auseinander liegen, im weiteren Verlauf des Strahles dagegen sich beriihren, sie kénnen also leicht getrennt werden. O. Hertwic hat dies schon beschrieben in seiner Arbeit Ueber das Hautskelett der Fische“‘ (Morphologisches Jahrbuch, Bd. II, 1876, p. 328). Er hat in dieser Abhandlung auf die ge- sonderte Verknécherung des ventralen und dorsalen Integuments der aus dem Rumpfe hervorsprossenden embryonalen Flosse hingewiesen. Zwischen dem basalen Abschnitt der beiden Halften dieser Falte schieben sich Teile des primaren Flossenskelettes ein; diese beiden Halften der Strahlen beriihren sich daher am basalen Ende nicht, sondern weichen auseinander, um zwischen sich die Teile des primaren Flossenskelettes aufzunehmen. Wir kénnen hier also von zwei Fortsiitzen des Strahles sprechen. Diese basale Endigung des Strahles hat in Anpassung an die Muskulatur, die diese Fort- siitze als Ansatz benutzt, eine ganz charakteristische Form an- ni nee ace ee A tie oe Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 695 genommen. So sehen wir einen solchen Strahl von einem Maifisch auf Taf. XXV, Fig. 3 abgebildet. Hier ist der ventrale Fortsatz ziemlich stark aboralwarts gebogen, dagegen ragt der dorsale frei von jeder Kriimmung, etwas nach oben gerichtet, hervor. Aufer- dem kénnen wir hier auch sehr gut die abgerundete Oetffnung zwischen beiden Fortsatzen sehen (0), die zur Aufnahme eines Knorpelchens vom primaren Flossenskelett dient. Dasselbe ist durch Band- und Bindegewebsmasse mit dem Strahl verbunden. In der obenerwahnten Kriimmung des ventralen Fortsatzes erblicke ich eine Einrichtung, die ihr Entstehen der Muskulatur verdankt; der Muskel, der diesen Fortsatz als Ansatz benutzt, erhalt durch diese Kriimmung eine gréSere Ansatzflache, die fast parallel zu der Ansatzsehne steht; ware diese Kriimmung nicht vorhanden, miiSte sich der Muskel mit der aufersten Spitze des Fortsatzes begniigen. Anders wieder beim dorsalen Fortsatz. Hier kommt der Muskel in schrager Richtung zur Flosse und kann somit be- quem an dem geraden, etwas in die Héhe ragenden Fortsatz seinen Ansatz nehmen. Jedoch ist diese Form der Strahlenfortsaitze nicht bei allen Arten konstant, vielmehr zeigt sich in dieser Beziehung eine grofe Verschiedenheit der Form. Allein diese Verschiedenheiten sind von keiner prinzipiellen Bedeutung und sind meistens von der Muskulatur abhangig, die natiirlich bei verschiedenen Arten, wenn auch an Zahl und Funktion konstant, so doch in ihrem Verlauf wechselnd ist. Andererseits spielen auch die Teile des primaren Flossenskelettes nicht die letzte Rolle bei der Bestimmung der Form, die diese Strahlenfortsaitze zeigen. So z. B. beim Karpfen sind die dorsalen Fortsaitze mit ihren Spitzen nach unten ein- gebogen, um so den Teilen der zweiten Reihe des primaren Flossen- skelettes, die hier von sehr kleinem Umfange sind, einen gréferen Halt zu verschaffen. Der Muskel setzt sich dann an dem nicht ein- gebogenen Teil des Fortsatzes an. Da aber, wie schon gesagt, alle diese Verschiedenheiten von keiner prinzipiellen Bedeutung sind, brauche ich wohl nicht alle hier aufzuzihlen. Fiir uns ist ja blo8 von Wichtigkeit zu wissen, wie sich die Strahlen der Flossen im allgemeinen zum primaren Flossenskelett und zur Muskulatur ver- halten. Daher will ich nur kurz an der Hand der Fig. 3 auf Taf. XXV das hervorheben, was fiir uns von Wichtigkeit ist. Wir sehen, daf der Flossenstrahl basalwarts sich wieder in die ihn zusammensetzenden Hialften teilt, die hier die Rolle der Muskelfortsaitze spielen. Wir unterscheiden einen dorsalen Fort- 696 Waldemar Pychlau, satz (a) und einen ventralen (b), zwischen beiden sehen wir schlief- lich eine Abrundung des Skelettes zur Aufnahme von Teilen des primaren Flossenskelettes (0). Was die Verbindung der einzelnen Strahlen unter sich an- betrifft, so verhalt sich das basale Ende der Strahlen anders als der tibrige Teil derselben. Die Strahlen sind vom Ende bis zur ~ Gabelungstelle durch Schwimmhaut verbunden. Dagegen im ba- salen Abschnitt ist die Verbindung viel inniger; die einzeinen Strahlen gehen hier bedeutend naiher aneinander und sind meist durch Bandmasse miteinander verbunden. Dank dieser innigeren Verbindung kommen die abgerundeten Oeffnungen der einzelnen Strahlen nahe aneinander zu liegen, und da der kleine Spalt zwischen den einzelnen noch teils durch Bindegewebe, teils durch Bandmasse ausgefiillt wird, so entsteht aus diesen einzelnen Oefi- nungen ein linglicher Kanal, in den nun die Teile des primaren Flossenskelettes zu liegen kommen. Diese Teile sind ebenfalls durch Bander mit den Strahlen und zwar meistens mit den Muskelfortsitzen derselben verbunden. Die Festigkeit dieser Verbindung, oder sagen wir besser der Grad des Bewegungsvermégens dieser Verbindung zwischen den Teilen des primaren Flossenskelettes und den Strahlen ist bei allen Arten der Teleostier sehr beschrankt. Es soll noch spater bei der Er- érterung der verschiedenen Verbindungen an den Flossen der Teleostier naher auf diese Frage eingegangen werden. Auf jeden Fall kénnen wir schon jetzt aus dem oben Gesagten schlieSen, da8 diese bedeutend innigere Verbindung der Strahlen am basalen Ende daher riihrt, da sie das Bestreben kundgibt, diesem Teil des primaren Flossenskelettes einen méglichst festen Boden fiir seine Lage zu geben. Also eine Anpassung eines sekundaren Gebildes an ein primares. Auf den feineren inneren Bau der Strahlen gehe ich nicht ein, da ja O. HErTwIG in seiner oben erwahnten Abhandlung tiber den feineren Aufbau der Strahlen eine ausfiihrliche Beschreibung gegeben hat. Es sei von mir aus blof noch kurz darauf hin- gewiesen, daf auch im feineren Bau O. Hertwic eine Verschieden- heit zwischen dem basalen und dem iibrigen Teil der Strahlen bemerkt hat, indem eben von ihm darauf hingewiesen wird, da8 die Plattchen, die den Strahl zusammensetzen, nach der Flossen- basis zu immer breiter und dicker werden; ebenfalls werden auch die Ziahnchen, die die Platchen bedecken, nach der Basis zu stirker. Dadurch namlich ist auch die bedeutendere Starke eines util Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 697 Strahles an seinem Basalende im Vergleich zur Peripherie er- klarlich. - Randstrahlen. Bereits am Anfange meiner Abhandlung habe ich durch Zitierung einer Stelle aus der Arbeit von GrGeEn- BAUR auf die Sonderstellung der Randstrahlen hingewiesen. Es handelte sich hier vor allem darum, wie kommt es zustande, daf der Randstrahl, der doch ontogenetisch zum sekundiren Flossen- skelett gehért, eine Stellung erwirbt, die sonst nur den Basal- stiicken als den Reprasentanten des primiren Flossenskelettes zu- kommt. Kurz, wie gelangt der Randstrahl zu einer direkten Gelenkverbindung mit dem primaéren Schultergiirtel? — Die Ant- wort auf diese Frage hat uns GEGENBAUR schon gegeben, indem er nachgewiesen hat, daf der Randstrahl als solcher nicht nur aus Elementen des sekundaéren Flossenskelettes hervorgegangen ist, sondern auch Teile des primaéren Flossenskelettes in sich birgt. Es handelt sich hier bekanntlich um das anscheinend verschwundene Propterygium, das in Wirklichkeit nicht verschwunden, sondern so vom Randstrahl umwachsen worden ist, daf es schlieBlich eins mit ihm wurde. Also miissen wir bei der Untersuchung der Randstrahlen uns immer gewif sein, daf wir es hier mit zweierlei Elementen zu tun haben. Daher werde ich bei der Beschreibung der verschiedenen Randstrahlen immer yon dem Gesichtspunkte ausgehen, daf wir hier wenigstens zum Teil ein Gebilde vorfinden miissen, welches auf sein friiheres hinweist; ich will also die Beschreibung des Randstrahles immer Hand in Hand mit einer genauen Vergleichung desselben mit den tibrigen Strahlen durchzufiihren versuchen. Betrachten wir eine beliebige Teleostierflosse, so bemerken wir schon gleich auf den ersten Blick die auSerordentliche Starke des Randstrahles, er ist der langste von allen und zeigt auch schon bei der oberflachlichsten Untersuchung eine Sonderstellung den anderen Strahlen gegeniiber. Wenn wir nimlich die Flossenbewegungen eines lebenden Fisches beobachten, so kénnen wir diese Sonderstellung leicht konstatieren, indem wir sehen, da8 ein Fisch 6fters den Randstrahl in eine bestimmte Stellung bringt, in der er sodann langere Zeit verharren kann, wobei der tibrige Teil der Flosse fichelnde Be- Wegungen ausfiihrt. Dagegen ist es dem Fisch unméglich, seinen zweiten oder dritten Strahl in eine feste Stellung zu bringen, um mit den tibrigen Strahlen die Bewegungen auszufiihren. Schon diese Tatsache mu8 in uns die Ueberzeugung erwecken, daf der Bd. XLII, N. F. XXXVI. 46 698 Waldemar Pychlau, Randstrahl sich im Laufe der Zeit besondere Einrichtungen und ein gréferes Bewegungsvermégen erworben hat. Meine Untersuchungen haben mir weiter noch gezeigt, daf diese neuerworbenen Eigenschaften nicht bei allen Arten der Teleostier auf der gleichen Héhe ihrer Entwickelung stehen, viel- mehr kann man diese allmahlichen Entwickelungsstadien durch verschiedene Teleostier-Arten hindurch verfolgen. So z. B. ist der Randstrahl der Cyprinoiden und Clupeiden primitiver gebaut als der der Salmoniden und noch weiter wieder sehen wir eine starke Komplikation der Verhaltnisse bei Siluroiden. Daher will ich auch in meiner Beschreibung diesen allmahlichen Uebergang von ein- facheren Verhiltnissen zu komplizierteren einhalten und zunichst mit der Beschreibung des Randstrahles bei Cyprinoiden anfangen, und zwar nehme ich als Untersuchungsobjekt den Randstrahl von Barbus fluviatilis. Der Randstrahl von Barbus fluviatilis wird ebenso wie auch die iibrigen Strahlen nach seinem basalen Ende zu stiarker. Wir kénnen an dem Randstrahl drei Seitenfliichen unterscheiden: eine obere, eine seitliche, den tibrigen Strahlen zugekehrte, und eine seitlich-untere; da hier die éuBere der Clavicula zugekehrte seitliche Flache ohne jegliche Grenze abgerundet in die untere Flache tiber- geht, erscheint eben der Randstrahl dreiseitig und man kann von einer seitlich-unteren Flache sprechen. Die obere Flaiche des Randstrahles zeigt eine stark ausge- prigte rauhe Erhebung. Auf der Fig. 4 (A), Taf. XXV sehen wir sie nicht so deutlich, da sie hier von der Muskelsehne (a) bedeckt ist. Diese Erhebung verdankt ihre Entstehung jedenfalls dem Muskel, dessen Sehne wir auf Fig. 4, Taf. XXV (a) sehen und die hier diese Erhebung als ihren Ansatz beniitzt. Diese Erhebung ist also eine Art Muskelhécker; und da, wie wir spater sehen werden, an der unteren Fliche des Randstrahls auch eine ahnliche Einrichtung vorhanden ist, wollen wir diese Erhebung als ,,Tuber- culum superius“ bezeichnen. Wenn wir nun den Randstrahl an seiner oberen Fliche aboralwairts von dem Tuberculum superius betrachten, so zeigt hier der Randstrahl einen seitlichen haken- formigen Fortsatz, dank dem hier an seiner basalen Flache der Randstrahl auch so breit erscheint. Wenn wir nun etwas zurtickgreifen, um den oben beschriebenen ventralen Muskelfortsatzen der tibrigen Strahlen zu gedenken, die, wie schon beschrieben, in gekriimmter Richtung etwas nach unten ein- gebogen hervortreten, so miissen wir konstatieren, da der haken-- Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 699 formige Fortsatz des Randstrahls ein mit ihnen homologes Ge- bilde ist. Dieser Fortsatz des Randstrahls gehért ebenso wie die der tibrigen Strahlen dem sekundéren Flossenskelett an und kann ebenfalls als ein Muskelfortsatz bezeichnet werden, denn wie wir spiter sehen werden, wird er als Ansatzpunkt von einem Muskel in An- spruch genommen, der auch an den iibrigen ventralen Muskelfort- sitzen Ansatz nimmt. Nun was die Form dieses Fortsatzes anbe- trifft, so kénnte man beinahe behaupten, da8 dieselbe, wie sie Fig. 4 (A), Taf. XXV uns zeigt (0), konstant ist. Diese haken- _férmige Kriimmung dieses Fortsatzes kann man sich leicht aus dem Umstande erklairen, daf der Randstrahl gegentiber den iibrigen Strahlen eine Lageverinderung erfahren hat und infolgedessen erfuhr im Laufe der Zeit auch der Muskelfortsatz des Randstrahles diese Kriimmung, um durch diese wieder in eine gleiche Lage mit den tibrigen ventralen Fortsatzen zu kommen. Denn wir sehen, da8 dieser hakenférmige Fortsatz sich den andern Fortsitzen gegeniiber vollstandig gleich in der Lagebeziehung verhalt, er erreicht eben durch seine Kriimmung eine Parallelstellung den andern gegeniiber. An der seitlichen Flaiche des Randstrahles, mit der er den tibrigen Strahlen anliegt, stofen wir auf auferst interessante Ein- richtungen, die jedoch wiederum alle an das basale Ende des Randstrahles zu liegen kommen. Schon auf den ersten Blick fallt es uns auf, daf an diese Seitenfliche ein knorpeliger Knopf zu liegen kommt, der, wenn wir den Randstrahl von seiner oberen Fliche betrachten, nicht zu sehen ist, da er dann von dem oben beschriebenen Muskelfortsatz des Randstrahles verdeckt wird. Durch diesen knorpeligen Knopf wird eine bewegliche Ver- bindung des Randstrahles mit dem tibrigen Teil der Flosse her- gestellt. Die Tatsache, daf dieser Knopf von knorpeliger Be- schaffenheit ist, zeigt uns, dafi er dem primaren Flossenskelett angehért. Weiterhin zeigt der Randstrahl an dieser Flache noch eine Rinne, die an dem erwiahnten Gelenkknopf vorbeizieht. Auf Taf. XXV, Fig. 4 (B) ist diese Rinne leicht zu erkennen (0). Diese Rinne zeigt uns die Grenze zwischen dem Teil des Randstrahls, der dem primiren Flossenskelett angehért und dem, der dem sekundiren Flossenskelett angehért. An dieser Stelle ist eben die yollstindige Verwachsung beider Teile ausgeblieben. Die untere Flache des Randstrahles zeigt ebenfalls wie die obere einen Muskelhécker, den wir hier als ,Tuberculum inferius“ bezeichnen wollen. 46 * 700 Waldemar Pychlau, Weiter zeigt diese Flache auf den ersten Blick keine Be- sonderheiten. Jedoch drangt sich jetzt an uns unwillkiirlich die Frage, ob wir nicht auch an dieser Flache einen Muskelfortsatz des Randstrahles, ahnlich wie wir an der oberen Flache einen gesehen haben, wahrnehmen kénnen. Nun, was diese Frage anbetrifft, so miissen wir sie negativ beantworten, denn ein Fortsatz besteht hier nicht. Allein eine Andeutung fiir sein friiheres Bestehen kénnen wir auch hier wahrnehmen. Betrachten wir uns namlich die auf Taf. XXV, Fig. 4 (A) dargestellte Gelenkpfanne von der unteren Seitenflaiche her, nachdem die Gelenkkapsel sorgfaltig wegprapariert ist, so kénnen wir mit Leichtigkeit konstatieren, daf hier die Ge- lenkpfanne von der Seite her von einer Knochenlamelle, die fast bis zur oralen Kante der Gelenkpfanne reicht, tiberdeckt ist, und diese Knochenlamelle gehért dem sekundiren Flossenskelett an; sie reprasentiert eben den zuriickgebildeten Muskelfortsatz des Randstrahls. Wir sehen also, da’ der Randstrahl eines Teleostiers noch deutlich seine Verwandtschaft mit den iibrigen Strahlen zeigt. Er hat eben, so wie auch alle iibrigen Strahlen, Teile des primiéren Flossenskeletts zwischen seine Fortsitze aufgenommen, jedoch durch verschiedene Lebensverhiltnisse der Teleostier, die wir spiter noch genauer besprechen werden, hat sich der Randstrahl zu einem Organ ausgebildet, das bedeutend gréfere Funktionen aufzufihren hat als die iibrigen Strahlen. Daher wurden die Teile des priméren Flossenskeletts zur Erreichung einer direkten Verbindung mit dem Schultergiirtel beniitzt. Die vordere Fliche des Randstrahles wird durch die auf Taf. XXV, Fig. 4 (A) dargestellte Gelenkpfanne vollstandig ein- genommen. Diese Gelenkfliche ist an ihrer Oberfliche knorpelig, was dadurch erklarlich ist, daf auch dieser Teil dem priméren Flossenskelette angehért. Wir erkennen auch leicht an dieser Gelenkfliche eine Konkavitét in der Mitte und Konvexitaéten an den beiden Seiten der Gelenkpfanne. Ich habe absichtlich die f Beschreibung der Gelenkfliche ganz kurz abgefaft, da wir spater noch genauer alle Verhiltnisse hierbei beriicksichtigen werden miissen. Somit hatten wir ein vollstindiges Bild vom basalen Ende des Randstrahles entworfen; der iibrige Teil des Randstrahles bietet fiir uns nichts besonders Interessantes. Hier verhalt sich der Randstrahl ganz genau so wie die iibrigen Strahlen. Mit dem zweiten von denselben wird er, ebenso wie die iibrigen, durch Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 701 Schwimmhaut verbunden; blof durch eine gréSere Starke, die auch an dem peripheren Teil zutage tritt, tritt er vor den andern hervor. Die Umbildungen kommen somit nur im basalen Ende des Rand- strahls zum Vorschein. Was endlich den feinern Bau des Randstrahles anbetrifft, so finden wir in der Arbeit von O. Hertrwia ,,Ueber das Haut- skelett der Fische“ sehr interessante Mitteilungen. So sind hier die Knochenplattchen breiter und die Knochensubstanz ist von Mehreren Haversschen Riumen durchsetzt, wodurch sie eine spongiése Beschaffenheit erhalt. Die Knochensubstanz umschlieB8t einen an Fett und BlutgefaSen reichen Kanal. Wir hatten also eine Art von Réhrenknochen vor uns und wenn wir noch bedenken, da8 gerade die spongiése Bauart des Knochens ihm eine gréfere Festigkeit verschafft, so miissen wir auch hier wiederum das Be- streben erklicken, dem Randstrahl nicht nur freiere Bewegung zuteil werden zu lassen, sondern ihn auch moglichst fest gegen verschiedene Widerstande zu gestalten. Wenn wir nun jetzt zum Randstrahl des Lachses tibergehen, so wollen wir an dem Randstrahl des Lachses beobachten, inwie- fern derselbe von dem eben beschriebenen abweicht. Mit andern Worten, wir wollen jetzt konstatieren, inwieweit der Randstrahl des Lachses tiber dem eben beschriebenen steht. Am Randstrahl des Lachses (Salmo salar) sind saimt- liche Einrichtungen und Gebilde des Randstrahles von Barbus fluviatilis wiederzufinden. Dagegen ragt beim Randstrahl des Lachses, wenn wir die Gelenkpfannen beider Randstrahlen miteinander vergleichen, die _ untere Fliche der Gelenkpfanne bedeutend mehr in die Hohe und _ ist dabei ziemlich stark nach innen, also nach der Mitte zu, ge- bogen. Die Bedeutung und die physiologische Aufgabe dieser Vor- richtung wollen wir erst beim Kapitel tiber die Gelenkverbindungen naher besprechen. AuSer dieser Einrichtung verhalt sich der Rand- strahl des Lachses vollstiindig ebenso wie der von Barbus fluviatilis, was auch leicht aus dem Vergleich der auf Taf. XXV abgebildeten Fig. 4 (A) und Fig. 5 zu ersehen ist. Der Randstrahl eines Siluroiden zeigt auch dies stirkere Hervortreten der unteren Gelenkpfannenfliche, jedoch ist hier diese Fliche so stark in die Héhe gezogen und nach der Mitte eingebogen, daf man hier schon von einem vollkommenen Hemmvorsatz sprechen kann (Taf. XXV, Fig.6 a). AuSerdem be- steht hier noch eine sekundaére Vorrichtung, die dem sekundaren 702 Waldemar Pychlau, Teil des Randstrahles angehért, durch die eine Verbindung des Randstrahles, der hier einen stachelartigen Charakter annimmt, mit der Clavicula zustande kommt. Dies Gebilde ist auf Taf. XXV, Fig. 6 mit b bezeichnet. Diese letzte Vorrichtung dient ebenso zur Hemmung des Niederlegens des Randstrahls durch duBere Gewalten. Naheres tiber diese Vorrichtungen und ihre physio- logischen Aufgaben finden wir im Kapitel tiber die Gelenkver- bindungen an den Brustflossen der Knochenfische. Nachdem wir nun das Skelettgertiste der Schultergegend der Knochenfische soweit kennen gelernt haben, gehen wir jetzt zur niheren Betrachtung des zweiten Komponenten der Schultergegend, und zwar zu den Muskeln, tiber. Muskulatur. Die Flossenmuskulatur gibt die Erklirung fiir viele Verhilt- nisse des Flossenskeletts. In erster Linie gilt dies fiir die Ge- lenkverbindungen. In der Literatur, auch in den gréSeren Werken von Cuvier, OwEN, MecKEL fehlen diesbeziigliche genauere Mit- teilungen tiber diese Muskulatur. Die Angaben, die wir in ihren Arbeiten finden, gehen dahin, dafi diese Muskulatur in zwei Gruppen eingeteilt werden kann: Senker an der unteren und Heber an der oberen Fliche. In einigen Werken wird noch erwahnt, da8 man unten zwei und oben drei Lagen unterscheiden kann. Dieser Mangel macht eine eingehendere Beschreibung der Brustflossenmuskulatur bei den von mir untersuchten Teleostiern nétig. Auch von Fim- BIGER (Anatom. Anzeiger 1905, Bd. 27) wurde eine ahnliche Be- schreibung der Bauchflossenmuskulatur gegeben, wobei derselbe sich ebenfalls tiber die geringen Mitteilungen tiber die betreffende Muskulatur beklagt. Es galt nun fiir mich, fiir diese von mir genau untersuchten Muskeln auch die entsprechende Bezeichnung zu geben; denn, wie schon oben erwahnt, war es mir unmdglich, genauere Angaben in der Literatur zu finden. Es ist aber auch anderseits ziemlich schwierig, fiir diese Muskeln, von denen jeder einzelne verschiedene Funktionen ausfiihrt, eine passende Nomen- klatur zu wahlen. Fiepicer hat fiir die Bauchflossenmuskeln die Bezeichnung als Flexoren und Extensoren gewihlt und ich dachte auch anfangs, diese Nomenklatur an den Brustflossenmuskeln anzuwenden; je- doch mute ich mir zuletzt sagen, daf die Funktionen, die durch ieee Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 703 die von mir untersuchten Muskeln ausgefiihrt werden, keineswegs mit der Bezeichnung einerseits als Flexoren, anderseits als Exten- soren in Kinklang zu bringen waren. Da es aber auch rein un- miéglich ist, schon durch eine Bezeichnung Andeutung auf die mannigfaltige Funktion der einzelnen Muskeln zu geben, habe ich mich damit begniigen miissen, daf’ ich die Muskeln, die an der unteren ventralen Fliche liegen, als die Abductoren bezeichne, da sie vor allem durch ihre Tatigkeit die Flosse von der Mittellinie entfernen, dagegen will ich die an der oberen dorsalen Flache ge- legenen Muskeln als Antagonisten zu den ersteren als Adductoren bezeichnen. Natiirlich liegt es mir fern, hierdurch eine neue Nomen- klatur ins Leben rufen zu wollen, vielmehr geschah das aus dem Grunde, dem Leser eine leichtere Orientierung zu _ verschaffen. Schon bei Beobachtung der Bewegungen, die ein lebender Fisch mit seiner Brustflosse ausfiihrt, kénnen wir mit Leichtigkeit kon- statieren, da hier zwei verschiedene Muskelgruppen vorhanden sein miissen, die gegenseitig antagonistisch wirken. Und zwar kénnen wir hier eben, wie schon oben erwihnt, die obere dorsale Muskelgruppe und die untere ventrale unterscheiden. Da mir meine Untersuchungen gezeigt haben, da die Muskeln bei allen von mir untersuchten Teleostier-Arten konstant sind, so werde ich mich mit der Beschreibung der Muskulatur an einer Art begniigen kénnen. Wie fiir die Beschreibung, so auch fir die Abbildungen der einzelnen Muskeln habe ich die Brustflossen- muskeln des Lachses anderen Fischen vorgezogen, da ich an den- Selben infolge seiner Gréfe am sichersten und bequemsten die einzelnen Muskeln auspraparieren und untersuchen konnte. Jedoch werde ich bei der Beschreibung der Muskeln am Lachs auch auf die kleinen individuellen Verschiedenheiten bei anderen Arten immer hinweisen. Ventrale Muskulatur. Das gréfte Gewicht soll bei dieser Muskelbeschreibung auf die funktionelle Frage gelegt werden. Entfernen wir an der ventralen Fliche das Integument, so stofen wir gleich auf den ersten oberflachlichsten Muskel der ventralen Brustflossenmuskulatur. Dieser Muskel, den wir als Abductor Superior pinnae thoracicae bezeichnen wollen, zeigt zwei Portionen. Die einen Fasern ziehen in schriger Richtung von der Clavicula her, die anderen dagegen in mehr gerader Richtung vom Coracoid. Wenn wir nun die genaue Ursprungslinie am Knochen verfolgen, yom oberen oralen Muskelrande ausgehend, so wie sie auf Fig. 1 auf Taf. XXV durch punktierte Linie gekennzeichnet ist, so sehen 704 Waldemar Pychlau, wir dem oben Gesagten entsprechend die Ursprungslinie am Clavi- cularbogen entlang ziehen. Die ersten Fasern des Muskels reichen hier fast bis zu der Stelle, wo die Verbindung des Scapulare und des Coracoids mit der Clavicula ein Dreieck bildet. Weiter von hier entspringen die Muskelfasern lings des Clavicularbogens bis zu der medianen Verbindungsstelle der beiden Schultergiirtel, von wo aus auch noch einige Fasern entspringen, durch die dann die Grenze zwischen dem oralen und dem aboralen Teil des Muskels gezogen wird. Die aborale Ursprungslinie lauft an dem auSeren Rande des Coracoids entlang, wobei auch der aborale Vorsprung des Coracoids benutzt wird, um dann endlich in der Nahe von der Scapulare-Coracoid-Nahtverbindung zu endigen. Bei naherer Betrachtung kann man leicht am Coracoid an seinem oralen Ende verschiedene Rauhigkeiten bemerken, die meist aus einzelnen Leisten bestehen. Nun was diese Rauhigkeiten anbetrifft, so ist es leicht, beim Abtrennen des beschriebenen Muskels nachzuweisen. da auch sie als Ursprungsstellen fiir die tieferen Fasern dienen. Dieser Muskel setzt sich nun folgendermafien an der Flosse an: er geht vor dem basalen Ende der Flosse in eine gréfere Sehne tiber, die ihrerseits sich in mehrere, der Zahl der Knochenstrahlen der Flosse entsprechende Sehnenzipfel teilt und nun mit diesen Sehnenzipfeln inseriert der Muskel an den, wie schon beschrieben, aboralwairts gebogenen ventralen Muskelfortsitzen der einzelnen Strahlen, wobei auch der Randstrahl durch seinen lateralen Fort- satz beteiligt ist. Wie der Ursprung, so verhalt sich auch der Ansatz des Musculus abductor superior pinnae thoracicae bei allen von mir untersuchten Arten konstant. Wenn man eine indi- viduelle Verschiedenheit feststellen will, so beschrankt sich dieselbe bloS auf die Starke der Ausbildung der einzelnen Sehnenzipfel. Bei Barbus fluviatilis und bei Esox lucius z. B. sind die ein- zelnen Sehnenzipfel besonders stark voneinander getrennt, dagegen beim Lachs gehen sie vielmehr ineinander tiber, um so mehr eine Vorstellung von einer einheitlichen Sehne zu erwecken. Denken wir uns nun den Muskel sich kontrahierend, so ist die Folge davon, daf die Flosse von dem Kérper zur Seite ge- zogen wird und zu gleicher Zeit nach vorn; also ist der Muskel ein Vorwartszieher. Dieser Muskel steht, wie wir an seinem Ansatz sehen, nur mit dem sekundaren Skeletteil der Brustflosse in Verbindung. Durch die Funktion dieses Muskels, durch die die Flosse seitlich ausgebreitet wird, wird natiirlich eine gréfere K6rperoberfliche erreicht, was fiir den Fisch bei vielen Schwimm- Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 705 bewegungen von grofer Bedeutung ist, da der Fisch beim Schwimmen die Brustflosse vor allen Dingen als einen Steuer- apparat beniitzt. Man kann es sich ja auch sehr leicht vorstellen — nehmen wir an, da der Fisch wihrend des Schwimmens aus irgend einem Grunde links oder rechts ausweichen mu8, so braucht er nur die entsprechende Flosse in die Lage zu bringen, in der die Flosse etwa senkrecht zur K6rperlinge gestellt wird und durch den Strom wird dann der Fisch in die gewiinschte Richtung ge- bracht. Wir sehen also, daf die Tatigkeit des Musculus abductor superior pinnae thoracicae eine auferst zweckmaSige ist. Auf Taf. XXVI, Fig. 7 ist dieser Muskel in seiner vollen Ausdehnung abgebildet. Entfernen wir nun diesen Muskel an seinem Ursprung wie auch an seinem Ansatz, so kommen wir auf zwei tiefere, neben- einander liegende Muskeln, von denen der untere vollstindig, der obere zum gréf8ten Teil vom oben beschriebenen bedeckt sind. Diese beiden Muskeln sehen wir auf Taf. XXVI, Fig. 8 neben- einander liegen. Den unteren aboralen wollen wir als Musculus abductor in- ferior pinnae thoracicae bezeichnen. Der Ursprung dieses Muskels ist blo’ auf die Knochen des primaren Schultergiirtels beschrankt, und zwar verliuft zum gréften Teil die Ursprungslinie auf dem Coracoid. Dieser Muskel liegt nicht so nahe der Medianlinie wie der vorige, vielmehr fangt derselbe erst in der Mitte des Coracoids an. Die ersten Fasern des Muskels entspringen von der Stelle des Coracoids, wo die Oeffnung, die zwischen der Clavicula und dem Coracoid besteht, ihren oberen dorsalen Winkel bildet — diese Stelle ist auf der Fig. 1, Taf. XXV mit w bezeichnet. Gehen wir nun der oralen Ursprungslinie weiter nach, so sehen wir, da sie von der bezeichneten Stelle aus bis zur Verbindungsstelle des Coracoids mit dem Scapulare dem duferen Rande des Coracoids fast parallel an einer Rauhigkeit desselben verlauft; an der Ver- bindungsstelle des Coracoids mit dem Scapulare angelangt, tiber- springt der Ursprung des Muskels dieselbe, um noch mit einigen Fasern von dem Scapulare selbst zu entspringen. Verfolgen wir nun vom Punkt w die aborale Ursprungslinie des Muskels, so fiihrt uns dieselbe in einer queren Richtung von hier aus zum duferen Rande des Coracoids, wo sie ungefaihr an der Abgangsstelle des auferen Fortsatzes des Coracoids endet. In der Richtung der aboralen Ursprungslinie des Muskels zeigt das Coracoid eine durch Wolbung entstandene Vertiefung, wodurch natiirlich eine Art von 706 Waldemar Pychlau, einer Crista gebildet wird, die vom Muskel sodann als Ursprung bentitzt wird. Diese ganze Ursprungslinie des Muskels ist auf Fig. 1, Taf. XXV durch eine durchgezogene Linie markiert. Vor dem basalen Ende der Flosse geht der Muskel in eine ziemlich breite, starke Sehne iiber, die unter die Sehne des oben be- schriebenen Musculus abductor superior pinnae thoracicae zu liegen kommt. Mit dieser Sehne setzt sich nun der Muskel an den Basal- stiicken an, also an Teilen des primiren Flossenskelettes. Nur bei einigen Arten kommt es ab und zu vor, daf der Muskel teil- weise auch an den einzelnen Strahlen Ansatz nimmt. Jedoch ist das jedenfalls eine sekundire Krscheinung, und wie wir spater aus der Funktion des Muskels ersehen werden, ist als wesentlich und als die Hauptrolle spielendes blof der Ansatz an den Basalstiicken anzusehen. Die Sehne setzt sich an den der Flosse zugekehrten Enden der Basalstiicke an. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden blo’, wie es scheint, einige Siluroiden, wo der Muskel die Teile des primaren Flossenskelettes als Ansatz benutzt, die hinter den Basalstiicken zu liegen kommen. Dies Verhalten bei einigen Siluroidenarten ist leicht aus dem Umstande erklarlich, da8 — wie wir spaiter sehen werden und wie auch schon GEGENBAUR in seiner Arbeit (1865) uns gezeigt hat — bei einigen Siluroiden die Ver- bindung zwischen den Basalstiicken und dem Schultergiirtel so straff ist, daf jegliche Bewegung ausgeschlossen ist. Die Be- wegungen, die sonst eben durch diese Verbindung ausgefiihrt werden, sind bei solchen Arten auf die Verbindung zwischen den Basalstiicken und den dahinter liegenden Teilen des primaren Flossenskelettes verlagert, wodurch dann auch der Musculus ab- ductor inferior pinnae thoracicae gezwungen wird, seinen Ansatz- punkt zu andern, da ja sonst sein Vorhandensein tiberhaupt zweck- los wire. Wir sehen also hier wieder ein gutes Beispiel der An- passung eines Teiles an die Funktion des anderen. Wir wollen aber auf jeden Fall festhalten, da’ an dem Ansatz dieses Muskels bei allen Arten der Randstrahl unbeteiligt verbleibt. Denken wir uns nun den Musculus abductor pinnae thoracicae in Tatigkeit versetzt, so sehen wir, daf er mit dem friiher beschriebenen Muskel synergistisch wirkt. Jedoch durch seinen Ansatz an den tieferen Teil der Flosse kann er die ganze Flosse nicht nur zur Seite ziehen, sondern auch dieselbe niederziehen. Dadurch gelangt die Flosse noch leichter in die fiir den Fisch 6fters vorteilhafte Lage, in der sie senkrecht zur K6rperlainge des Fisches zu stehen kommt. Dieser Muskel wire also ein Niederzieher. | Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 707 Schon oben haben wir erwiahnt, daf ein Fisch 6fters fachelnde Bewegungen mit seiner Flosse ausfiihrt. Diese fachelnde Be- wegung wird nun von dem sekundiren Teil der Brustflosse aus- gefiihrt und zwar wird dieses méglich, da der sekundire Teil der Brustflosse auf dem primaren Teil derselben verschiebbar ist. Der sekundare Teil oder die Strahlen gleiten sozusagen auf den Teilen des primiren Flossenskeletts. Diese fachelnden Bewegungen werden yon der ventralen Seite aus durch den Musculus abductor superior pinnae thoracicae ausgefiihrt. Wenn wir nun die Funktion der - beiden eben beschriebenen Muskeln kombiniert denken, so ist es eben méglich, da8 auch in der senkrecht zur Kérperlinge ge- richteten Lage der Flosse noch diese fachelnden Bewegungen ausgefiihrt werden. — Der dritte Muskel der ventralen Seite ent- springt von der Clavicula und dem Coracoid. Diesen Muskel wollen wir als Musculus abductor proprior des Randstrahles bezeichnen. Verfolgen wir seine Ursprungslinie am Knochen, so sehen wir in der Clavicularwélbung eine lingsverlaufende Leiste liegen. Diese Langsleiste ist bis zur Verbindungsstelle des Coracoids und des Scapulare mit der Clavicula verfolgbar. Diese Leiste wird nun in ihrem ganzen Verlauf als Ursprung fiir den oralen Teil des Musculus proprior des Randstrahles benutzt. Somit wire die Ursprungslinie jenes Muskels von der oben erwahnten Verbindung bis zur medialen Verbindung beider Schultergiirtel verfolgbar. Verfolgen wir nun von dieser medianen Verbindung der beiden Schultergiirtel die aborale Ursprungslinie des Muskels, so lauft dieselbe an dem oberen Coracoidealrande, mit dem das Coracoid die oben erwihnte Oeffnung v (Taf. XXV, Fig. 1) begrenzt, um dann von dem schon oben erwahnten Punkt w an an einer Rauhigkeit des Coracoids zu verlaufen, bis zu der Stelle, wo die Verbindung zwischen dem Coracoid und dem Scapulare mit der Clavicula stattfindet. Diese Ursprungslinie ist auf Taf. XXV, Fig. 1 durch strichpunktierte Linie gekennzeichnet. Den Muskel selbst in seinem vollen Verlauf zeigt uns wie Fig. 8, so auch Fig. 9 auf Taf. XXVI. Der Ansatz des Muskels beschrankt sich bei simtlichen von mir untersuchten Arten auf den Randstrahl und zwar kommt derselbe auf das schon oben erwahnte Tuberculum superius des Rand- strahles zu liegen. Von diesem Ansatz geht der Muskel in eine starke drehrunde Sehne iiber, die iiber der Gelenkverbindung des Randstrahles mit dem Schultergiirtel zu liegen kommt. Dieser Muskel ist fiir uns von besonders grofem Interesse, denn er zeigt uns, daS auch in der Beziehung der Muskulatur der Randstrahl 708 Waldemar Pychlau, den iibrigen Strahlen gegentiber der bevorzugte ist, — er besitzt eben, wie wir sehen, einen eigenen selbstandigen Vorwirtszieher. Es liegt natiirlich klar auf der Hand, da’ schon auch durch diese Bevorzugung der Randstrahl eine viel gréfere Bewegungsfahigkeit besitzt, deutet andererseits aber auch darauf hin, daf auch in Bezug auf Gelenkverbindung der Randstrahl eine gréfere Selb- standigkeit besitzen muf. Durch die Tatigkeit dieses Muskels wird der Randstrahl nicht nur zur Seite, sondern auch nach unten gezogen und da dabei auch die Schwimmhaut, die den Randstrahl, wie auch die tibrigen Strahlen miteinander verbindet, gespannt wird, so zieht der Muskel die Strahlen auseinander und man kénnte somit den Muskel auch als Spreizer der Brustflosse bezeichnen, wie es auch MECKEL in seiner Arbeit ,System der vergleichenden Anatomie“ (Halle 1828) tut. Nachdem wir uns nun mit den ventralen Muskeln der Brust- flosse bekannt gemacht haben, méchte ich noch die Frage der Entstehung dieser Muskulatur aufwerfen. Was namlich den Mus- culus abductor superior pinnae thoracicae und den Musculus ab- ductor inferior pinnae thoracicae anbetrifft, so kénnen wir schon nach den Ansitzen der beiden das Urteil fallen, daf der erstere ein sekundires, der zweite dagegen ein primares Gebilde ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat sich der erstere durch Glie- derung vom zweiten ausgebildet. Nicht so klar liegen die Ver- haltnisse beim Musculus abductor proprior des Randstrahles. Betrachten wir uns jedoch die Verhaltnisse naher, so miissen wir zu der Ueberzeugung gelangen, daf auch dieser Muskel, wenn er auch ein sekundares Gebilde ist, eher der primaren Muskulatur zuzurechnen ist. Als Beweise zu dieser Annahme sollen uns folgende Tatsachen dienen: 1) die tiefe Lage des Muskels, 2) daf die sekundaire Muskulatur durch den lateralen Fort- satz auch den Randstrahl in Mitleidenschaft zieht, und 3) da der Ansatz dieses Muskels auf den Teil des Rand- strahles zu liegen kommt, wo die Verwachsung des Propterygium mit dem Randstrahl stattgefunden hat. Dieser Muskel ist also blo8 ein seitlicher Teil des Musculus abductor inferior pinnae thoracicae, der blo’ dank der Sonder- stellung des Randstrahles seine Selbstindigkeit erlangt. Die dorsale Muskulatur besteht ebenfalls aus drei Muskeln, von denen jeder dem entsprechenden auf der ventralen Seite ant- agonistisch wirkt. Wir hatten dann somit einen oberflachlichen a Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 709 Musculus adductor superior pinnae thoracicae und zwei tiefere, von denen der eine als Adductor inferior pinnae thoracicae, der andere orale als Adductor proprior des Randstrahles zu bezeichnen wire. An dem Ursprung des Musculus adductor superior pinnae thoracicae sind die Clavicula, das Coracoid und das bei den meisten Teleostiern dazukommende oben erwahnte Spangenstiick beteiligt. Die ersten Fasern des Muskels entspringen von der Stelle, wo die - Clavicula und das Scapulare sich durch eine Zackennaht verbinden. Weiter fiihrt uns die Ursprungslinie einer Rauhigkeit an der Clavi- cula entlang bis zu der Stelle, wo sich das Spangenstiick ebenfalls durch eine Zackennaht mit der Clacicula verbindet. Ueber diese Verbindungsstelle hinweggehend, lauft die Ursprungslinie des Muskels auf dem Spangenstiick entlang, bis zum andern Ende desselben, wo das Spangenstiick mit dem Coracoid in Verbindung tritt. Nach- dem auch diese Verbindungsstelle tibersprungen wird, entspringen noch ein Paar Fasern auch vom Coracoid. Diese Ursprungslinie des Musculus adductor superior pinnae thoracicae ist auf Taf. XXV, Fig. 2 durch eine punktierte Linie gekennzeichnet. Auch dieser Muskel geht nach dem basalen Ende zu in eine mit einzelnen Zipfeln versehene Sehne tiber. Mit dieser Sehne inseriert sodann der Muskel an den einzelnen dorsalen Fort- sitzen der Strahlen. Jedoch ist hierbei der Randstrahl nicht be- teiligt, da, wie wir ja schon wissen, sich an dieser Seite der Muskel- fortsatz des Randstrahles zuriickgebildet hat. Die Funktion dieses Muskels ist genau die entgegengesetzte der des Musculus adductor superior pinnae thoracicae. Er zieht eben die Flosse zuriick und nahert sie der Koérperoberflache. Er beteiligt sich natiirlich auch bei der oben erwahnten fachelnden Bewegung der Flosse des Fisches, denn diese Bewegung kommt ja eben aus den rasch abwechselnden aufeinanderfolgenden Beweg- ungen der beiderseitigen oberflichlichen Muskeln zustande. Nach der Wegnahme des Musculus adductor superior pinnae thoracicae kommen wir auf den vollen Verlauf der beiden tieferen Muskeln; ich sage vollen Verlauf, denn den oberen Teil dieser beiden Muskeln, deren Ursprung weiter von der Flosse zu liegen kommt, sehen wir auch, wenn der Musculus adductor superior pinnae thoracicae noch nicht weggedrangt ist, wie es auch Fig. 10 auf Taf. XXV uns zeigt, auf der der eben erwihnte Muskel in seinem vollen Ver- lauf zu ersehen ist. Der Musculus adductor inferior pinnae thoracicae zerfallt in zwei Teile, indem der erstere von der Clavicula, der zweite von 710 Waldemar Pychlau, dem Spangenstiick entspringt. Die Ursprungslinie des ersten Teiles liegt auf dem duSeren Clavicularrande und zwar ist dieselbe von der Stelle aus, wo sich das Spangensttick an die Clavicula an- schlieSt, bis zur Oeffnung, die zwischen dem Coracoid und der Clavicula besteht (Oeffnung r auf Fig. 2, Taf. XXV) verfolgbar. Von hier aus zieht dieser Teil des Muskels zur Flosse hin, indem er unter dem Clavicularende des Spangenstiicks hindurchtritt. Der andere Teil dieses Muskels entspringt von der untern innern Coracoidealfliche des Spangenstiicks. Diese beiden Ursprungs- linien des Muskels sind auf Fig. 2, Taf. XXV durch eine durch- gezogene Linie markiert. Beide Teile des Muskels treten be- sonders deutlich dadurch hervor, daf zwischen ihnen der untere Teil des Musculus adductor proprior des Randstrahles zu liegen kommt. Die volle Vereinigung beider Teile ist tiberhaupt blof in der Tiefe, also unter dem letzterwibnten Muskel, zu konstatieren. Die Lage dieses Muskels im Zusammenhang mit dem Musculus adductor proprior des Randstrahles zeigt uns am besten Fig. 11, Taf. XXVL.i Der Muskel setzt sich mit beiden Portionen an den Basalia an, es besteht jedoch hier meistens als eine sekundare Erscheinung auch Beziehung der Ansatzsehne des Muskels zu den Strahlen, indem eben der Muskel hier und da auch sich an den Strahlen ansetzt. Der Randstrahl ist auch beim Ansatz dieses Muskels un- beteiligt. In funktioneller Hinsicht wirkt der Muskel synergistisch mit dem Musculus adductor superior pinnae thoracicae, blo8 da8 er durch seinen tieferen Ansatz imstande ist, die Flosse noch weiter zuriickzuziehen und dieselbe auch noch in die Héhe empor- zuziehen. Wir kénnten also diesen Muskel als Heber der Flosse bezeichnen. Wenden wir uns nun dem dritten Muskel der dorsalen Seite zu. Schon die Benennung des Muskels: ,,Musculus adductor pro- prior des Randstrahles“ zeigt uns, da8 wir auch auf der dorsalen Seite einen Muskel antreffen, der speziell in Diensten des Rand- strahles steht. Er stellt ebenfalls den Antogonisten des Musculus abductor proprior des Randstrahles dar. Auch seine Lage ent- spricht genau der des letztgenannten. Wir sehen namlich, daf der Musculus adductor proprior des Randstrahles iiber die Oeffnung, die zwischen dem Coracoid und der Clavicula besteht, zu legen kommt. Der obere Teil des Muskels entspringt, von der medianen Verbindung beider Schultergiirtel ausgehend, von der vorspringenden Leiste, die wir an der Clavicula bemerkten, bis zu der Stelle, wo Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 711 basalwirts die Oeffnung » abgeschlossen wird. Der untere Teil dagegen liuft von der medianen Verbindung aus auf dem Coracoid und zwar auf der Leiste, die von der Verbindungsstelle des Spangen- stiicks mit dem Coracoid ausliuft. AuSerdem miissen wir bemerken, da diese Oeffnung r (Fig. 2, Taf. XXV) durch eine sehnige Mem- bran tiberzogen wird, die somit eine Art ,,Membrana interossea“ bildet. Diese Membran wird ebenfalls von den tieferen Fasern des Muskels als Ursprung benutzt. Unter dem Spangenstiick liuft der ' Muskel vollkommen frei hindurch, indem er sich der Wélbung an- schmiegt, die das Spangenstiick hier vor seiner Vereinigung mit dem Coracoid bildet. Mit einer drehrunden Sehne inseriert nun der Muskel an dem schon bei Beschreibung der Skelettteile er- wihnten Tuberculum inferius des Randstrahles. Fig. 11 und 12 auf Taf. XX VI zeigt uns diesen Muskel in seinem vollen Verlauf. Fig. 2 auf Taf. XXV zeigt uns dagegen die genaue Ursprungs- linie des Muskels am Knochen. Wir haben schon oben gesagt, da’ der Musculus adductor proprior des Randstrahles ein Antogonist von dem auf der ventralen Seite liegenden Musculus adductor proprior des Randstrahles ist; daher ist es auch ein leichtes, die Titigkeit dieses Muskels zu bestimmen. Seine Aufgabe ist eben, den Randstrahl zuriickzuziehen und so dem Korper des Tieres zu naihern. AuSerdem zieht er den Randstrahl nach oben und kann bei einer gewissen Hohe der Kontraktion die Flosse in einer Weise spreitzen, die gerade ent- gegengesetzt ist der, wie es sein Antogonist — der Muasculus abduc- tor proprior des Randstrahles — tut, indem er eben die Flosse nach oben zu spreizt, wogegen der letztere sie nach unten zu auseinanderzieht. So wie wir hier die dorsale Brustflossenmuskulatur antreffen, verhalt sie sich bei allen von mir untersuchten Arten konstant. Jedoch wissen wir, daf nicht alle Teleostierarten an ihrem Schulter- giirtel das Spangenstiick besitzen. So z. B. von den von mir unter- suchten Arten gehért der Hecht zu denen, die kein Spangenstiick besitzen. Die Muskulatur verhalt sich in solchen Fallen jedoch ebenso. Es sind wiederum drei Muskeln mit derselben Funktion, blo daf& die Muskeln, die das Spangenstiick als Ursprung benutzen, auch nur vom Coracoid und der Clavicula entspringen, wobei das Coracoid hier auch entsprechend gréfer ausgebildet ist. Fiir uns ist die Tatsache, dai die Muskulatur der Teleostier, die kein Spangenstiick besitzen, sich ebenso verhalt, wie die der mit Spangenstiick ausgeriisteten Arten, von weittragender Bedeutung, 712 Waldemar Pychlau, denn wir ersehen daraus, dafi das Spangenstiick nicht der Mus- kulatur sein Entstehen verdankt, sondern von derselben unab- hangig ist. Wir ersehen weiter daraus, daS das Spangenstiick zur gréferen Befestigung der Teile des Schultergiirtels dient. Durch das Spangen- stiick wird nimlich, wie schon O. THIo in seiner umfangreichen Arbeit: ,,Die Umbildungen der Gliedmafen der Fische“t bewiesen hat, das Scapulare gegen die Clavicula gestiitzt. Also wir sehen, dai hier wieder eine Vorrichtung getroffen wird, den gelenk- tragenden Teil des Schultergiirtels méglichst fest zu gestalten. Was die Entstehung der einzelnen Muskeln der dorsalen Seite anbetrifft, so verhalt es sich hier ebenso, wie wir es schon an der ventralen Seite gesehen haben. Auch hier miissen wir annehmen, daf der Musculus adductor superior pinnae thoracicae ein sekun- dares Gebilde ist, dagegen die zwei tibrigen tiefer gelegenen Muskeln primar entstanden sind, wenn man natiirlich auch hier den Musculus adductor proprior des Randstrahls als einen Spré8ling des Musculus adductor inferior pinnae thoracicae betrachten muB. Ueberblicken wir nun jetzt noch einmal die ganze Brustflossen- muskulatur der Teleostier, so miissen wir, wenn wir die Muskel- verhiltnisse bei Selachiern und den Ganoiden ins Auge fassen, kon- statieren, dafS die ganze Muskulatur der Teleostier viel mehr differenziert ist. Schon allein die Untersuchung der Muskulatur der Teleostier muff uns vermuten lassen, daf das Bewegungver- mégen der Knochenfische ein viel reicheres und komplizierteres ist. Insbesondere tiberrascht einen die genaue Abgrenzung einzelner Muskeln. Jeder Muskel laft leicht auf seine funktionelle Aufgabe schlieBen. AufSerdem muS uns die Ausbildung einer speziellen Muskulatur fiir den Randstrahl unwillkirlich auf den Gedanken bringen, daf derselbe eine Sonderstellung andern gegeniiber ein- nimmt. Man kann leicht ersehen, daf es sich hier um Arbeits- teilung handelt. Denn nimmt der Randstrahl eine Sonderstellung ein, fihrt er freiere Bewegungen aus im Vergleich mit anderen, so ist die spezielle Muskulatur fiir denselben eine duferst zweck- mavige Errungenschaft der Knochenfische. Noch viel bedeutendere Angaben liefert uns die Muskulatur, wenn wir auch die Versorgung derselben mit Nerven einer Unter- suchung unterziehen. Wenn wir nimlich die Nerven, die zur Ver- sorgung dieser Muskulatur dienen, genau verfolgen, so sehen wir, dafi aus den drei oder vier Nervenstiimmen, die den Plexus brachialis bilden, einer stets seine Aeste nur an die zwei Muskeln des Rand- Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 713 strahles abgibt, wobei er, nachdem er an der obern Fliiche den einen Muskel versorgt hat, durch das an dem Scapulare liegende Nervenloch (Taf. XXV, Fig. 2 O) zur unteren Flache durchtritt und hier den anderseitigen Muskel des Randstrahls versorgt. Dieser Nerv tritt auch mit einem Ast in das spiter zur Besprechung ge- langende Scapulare-Randstrahlgelenk. Wir sehen also, daf die Mus- kulatur des Randstrahls vollstaudig selbstindig ist und das fihrt uns natiirlich auch indirekt zu der Annahme, daf der Randstrahl eine grofe Selbstindigkeit besitzt und da8 er gréfere Aufgaben auszufiihren hat als die tibrigen. Diese Annahme wird noch weiter bestirkt, wenn wir namlich die Verhiltnisse bei Trigla hirundo uns ansehen. Wir wissen, daf bei Trigla hirundo drei Strahlen eine besondere Selbstindigkeit erlangen und wenn wir die Musku- latur derselben untersuchen, so sehen wir, daf auch hier fiir jeden dieser drei Strahlen selbstindige Muskeln ausgebildet sind. Und in der Arbeit von Sranntus: ,,Peripheres Nervensystem der Wirbel- tiere“‘ finden wir eine Angabe, danach diese speziellen Muskeln der fingerférmigen Organe der Trigla hirundo ausschlieBlich vom 3. Spinalnerven versorgt werden. Gelenkverbindungen. An den Gelenkverbindungen nimmt vor allem einerseits der primaire Schultergiirtel, andererseits das primare Flossenskelett teil. Die Ontogenese dieser Teile ist bereits von mehreren Forschern behandelt worden. So gibt uns z. B. Swirskr in seiner Abhand- lung ,,Untersuchungen tiber die Entwicklung des Schultergiirtels und des Skeletts der Brustflosse des Hechts‘ (Dorpat 1880) iiber die ontogenetischen Vorgainge bei Bildung dieser Skeletteile ein klares Bild. Er zeigt an der Hand von genau durchgefiihrten Serienuntersuchungen, dafi der primaire Schultergiirtel und das primaire Flossenskelett des Hechtes ontogenetisch nicht nur mit- einander sehr nahe verwandt sind, sondern auch aus einer einheit- lichen Knorpelplatte hervorgehen, die erst weiterhin sich in die einzelnen Elemente des primaren Schultergiirtels, und in die einzelnen Basalia mit den hinter ihnen liegenden Teilen des pri- miren Flossenskeletts differenziert. Swrirsk1 sagt: ,,Die Extre- mitatenplatte steht mit dem Schultergiirtel in kontinuirelichem ge- weblichen Zusammenhange.‘' Zwar bemerkt er weiter, da8 der Schultergiirtel unverkennbar friiher zur vollen Entwickelung gelange Bd. XLII, N, F, XXXVI. 47 714 Waldemar Pychlau, als die Flosse, doch ist diese Differenz von keiner gréSeren Be- deutung. Hauptsache ist die einheitliche Anlage beider und diese ist auf Grund der Untersuchungen anderer Forscher auch fiir andere Teleostier nachgewiesen worden. Also erst durch eine sekun- dire Gliederung ist die Gelenkverbindung von Schultergiirtel und Basalia zustande gekommen, indem an der Stelle der Trennung zunichst eine Lockerung des Gewebes vor sich ging. Ueber diese histologische Veriinderung des Knorpels finden wir auch Angaben | bei Swirski. Es tritt als Bindungsglied zwischen beiden Teilen | Faserknorpel auf, der — wie leicht aus dem oben Gesagten zu ersehen — ist — eine Umbildung aus dem anfanglichen Hyalinknorpel dar- stellt. Dieser intermediiire Faserknorpel bildete zunachst eine Synarthrose zwischen dem Schultergiirtel und Basalia des Flossen- | skeletts und aus dieser Synarthrose ging weiterhin eine hédhere Gelenkverbindung zwischen beiden hervor. Eine solche Umwand- — lung wird uns in vortrefflicher Weise von Prof. S—mon in seiner Abhandlung: ,,Zur vergleichenden Anatomie der Gelenkverbindungen der Wirbeltiere“ geschildert. Prof. Semon geht in seiner Arbeit ebenfalls von der Synarthrose als der primitivsten Form aller Ver- | bindungen aus. Er zeigt, daf eine Synarthrose entweder konstanter | Besitz des Individuums bleibt oder den Ausgang fiir die neue Ge- lenkform bildet. Diese Umbildungen umfassen eben das Zwischen- gewebe der Synarthrose. Indem dies Zwischengewebe der Synar- throse seine Festigkeit verliert und allmahlich hier und da Spalten | im Gewebe auftreten, bilden sich einzelne Héhlen im Zwischen- raum. Natiirlich treten dieselben mehr im Zentrum des Zwischen- raumes auf. An der Peripherie bleibt die kontinuierliche Verbindung vollstindig intakt. Derartige Umbildungen fiihren nun zu Gelenk- verbindungen, die Prof. Semon als Periarthrosen bezeichnet. Periar- throsen sind eben Gelenkverbindungen, in denen schon von einer | gewissen Gelenkhéhlung oder einem Gelenkspalt die Rede sein kann. Die Periarthrose ist somit ein Uebergangsstadium von einer Synarthrose zu einer Diarthrose. Prof. Semon aufert sich in seiner Arbeit dahin, da diese Héhlenbildungen durch den Umstand hervorgerufen werden kénnen, daS von einer gewissen synarthro- tischen Gelenkverbindung gréfere Tatigkeit verlangt wirde. Er ist der Ansicht, daS8 im Kampfe ums Dasein primitiv angelegte Gelenkverbindungen eine héhere Stufe der Entwickelung erlangen kénnen. Betrachten wir an der Hand dieser Grundlage die Verhaltnisse der Schulterflosse der Teleostier. Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 715 Verbindungen der Basalia mit dem Schulter- giirtel. Die Basalia verbinden sich teils mit dem Scapulare, teils mit dem Coracoid. Sowohl an ihnen, wie an den mit ihnen in Verbindung tretenden Knochen des Schultergiirtels finden wir im entwickelten Zustande angepafte Gelenkflaichen. Die dufere Untersuchung zeigt ein straffes Gewebe, welches vom Periost des Schultergiirtels auf den Periost der Basalia iibergeht und diese einheitlich, nicht gesondert, mit dem Schultergiirtel verbindet (Taf. XXVII, Fig. 14). Dies straffe Gewebe bildet eine ventro- dorsal zusammengedriickte, eine breite ventrale und dorsale Flache und einen schmalen oralen und aboralen Rand darbietende Scheide um die betreffende Stelle; oralwarts grenzt sie an die Gelenkkapsel des Randstrahles, ohne jedoch mit ihr in innige Beziehung zu treten. Schneiden wir nun das du8ere straffe Gewebe dorsal durch, so da8 wir einen Kinblick ins Innere der Gelenkverbindung erhalten, so finden wir folgendes: Zwischen dem Schultergiirtel und den einzelnen Basalia besteht ein Zwischengewebe. Hierbei ist zwischen jiingeren und alteren Individuen zu unterscheiden. Bei kleinen jungen Fischen ndet sich eine kontinuierliche innere Verbindung derselben, also ine Synarthrose, oder nach der S—monschen Nomenklatur ein Voll- gelenk. Hat dagegen der Fisch ein ilteres, mehr entwickeltes Stadium erreicht, so existieren im Innern des Gelenkes einzelne Liicken und Spalten, das Zwischengewebe nimmt eine Art von Netzgestalt an, indem sich einzelne Ziige desselben in netzformiger Weise von einem Skelettteil zum andern hiniiberziehen. Nament- lich treten diese Liicken und Spalten besonders stark im zentralen Teil auf, wihrend gegen die Rainder zu die kontinuierliche Ver- indung tiberwiegt, bis endlich das Zwischengewebe in die schon ben erwahnte dufere, in den Periost beider Teile iibergehende eriphere Scheide auslauft. $ Wir sehen hier also deutlich die Idee, die Prof. Semon in ‘seiner Arbeit ausgesprochen hat — daf namlich infolge von Aus- fihrung gréfSerer Bewegungen auch die Art der Gelenke sich andert — bei den Teleostiern bewiesen. Ein junges Individuum stellt lange nicht die Anforderung an Seine Gelenkverbindungen wie ein im Kampfe ums Dasein stehendes, Yollentwickeltes Tier. Kurz, wir sehen, daf der Uebergang von der Synarthrose zur Periarthrose unter erschwerten Lebensver- haltnissen leicht vor sich geht; ich bezeichne diese weiterent- wickelte Form der Verbindung als Periarthrose, da dieselbe in ihrer Yollen Reife vollkommen mit der Auffassung einer Periarthrose 47* 716 Waldemar Pychlau, tibereinstimmt. Wir werden spater auch die Gelegenheit haben, zu sehen, daf auch eine Diarthrose sich auf ahnlichem Wege von primaren Formen ableiten laft. Taf. XXVII, Fig. 13 zeigt uns dies Gelenk zwischen den Basalia und dem Schultergiirtel in seiner zur vollen Reife gelangten Gestalt. Der periphere gewebliche Zu- sammenhang ist von oben her der Linge nach durchgetrennt und wir haben somit hier die Méglichkeit, auf der Skizze die Ver- haltnisse auch im Innern des Gelenkes uns anzusehen. Wir sehen hier eben das Zwischengewebe in netzformiger Weise von dem Schultergiirtel zu den Basalia heriiberziehen, ebenfalls sehen wir, da8 sich, wie schon oben erwaihnt, wie an den Basalia so auch an dem Schultergiirtel primitive Gelenkpfannen ausgebildet Laben. Es sei aber schon gleich hier erwahnt, daf diese Gelenk- verbindung zwischen den Basalia und dem primaren Schultergiirtel als konstant fiir fast alle von mir untersuchten Arten angenommen werden darf. Jedoch finden wir auch eine Ausnahme von diesem in der Regel konstanten Verhalten, und zwar zeigen diese Aus- nahme einige der Cyprinoiden, so z. B. der Karpfen und Barbus fluviatilis, wir finden auch bei diesen die ersten drei Basalia ab- oralwairts gerechnet ebenso mit dem Schultergiirtel verbunden, wie oben geschildert wurde, dagegen weicht das vierte Basale von der Regel ab. Dies vierte Basale ist das Skelettstiick, welches wir in der Arbeit von GEGENBAUR (1865) als Metapterigium be- zeichnet finden. Es ist auch bei allen von mir untersuchten Arten das ansehnlichste von allen tibrigen Basalia. Bei Cyprinoiden da- gegen finden wir es ziemlich stark zuriickgebildet und die Ver- bindung dieses Basale ist hier viel primitiver, als es sonst in der Regel ist; wir sehen naimlich, da8 dies Basale hier einfach syn- desmodisch mit dem Coracoid verbunden ist. Und zwar dient zu dieser Verbindung ein Teil der oben erwihnten peripheren Scheide; nachdem dieselbe naimlich den iibrigen drei Basalia als Gelenk- kapsel sozusagen gedient hat, geht aus ihrem aboralen Ende ein straffes Band hervor, das die Verbindung herstellt. Wenn wir uns nun nach dem Grunde dieses Sichzuriickbildens fragen, so glaube ich, daf wir die richtige Antwort treffen, wenn wir den Grund zu diesem Verhalten darin erblicken, daf gerade diese Teleostierart diejenige ist, bei der zuerst die grofen Umbildungen am Rand- strahle zu erblicken sind und da8 dadurch eben die tibrigen Teile in ihrer Entwickelung mehr oder weniger vernachlassigt wurden. Wir haben schon oben gesehen, daf die ersten primitiveren Um- bildungen des Randstrahles bei den Cyprinoiden zu konstatieren Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 717 sind, dagegen bei andern Arten sehen wir nur weitere Ausbildungen der bei den Cyprinoiden festgelegten Gestalt des Randstrahls. Und daf das Verhalten des vierten Basale bei den Cyprinoiden eine Riickbildung ist, ersehen wir am besten daraus, daf das ent- sprechende Basale schon eine bedeutend hohere Stufe der Ent- wickelung bei den Ganoiden erreicht hat. Wenn wir nun diese Gelenkbildungen verlassen, so wollen wir uns jetzt weiter zu der, welche hinter der eben beschriebenen Ver- bindung zu liegen kommt, wenden. Verbindung der Basalia mit den distal von ihnen gelegenen Skeletteilen der primaren Flosse. Wir wollen hier zunichst unsere Aufmerksamkeit auf das Verhalten der distal von den Basalia liegenden Skeletteilen der priméren Flosse zu dem sekundaren Flossenskelett lenken. Dieses ist fiir uns insoweit gerade jetzt von Wichtigkeit, als daf wir dadurch erst uns Klarheit verschaffen, wie diese bei vielen Teleostierarten auferordentlich kleinen Gebilde zu einer Gelenkverbindung mit den verhaltnismafig grofen Basalia gelangen. Diese Teile des primaren Flossenskelettes werden zwischen die Muskelfortsitze der Strahlen aufgenommen. Sie kommen in die Rinne zu liegen, die durch die Strahlen am basalen Ende der Flosse gebildet wird; und nun werden diese kleinen Skeletteile in dieser Rinne durch Bandver- bindungen mit den einzelnen Strahlen festgehalten, so daf eine gelenkartige Bewegung zwischen den Strahlen und diesen Teilen der primaren Flosse nicht stattfindet. Die ziemlich straffe Band- verbindung gestattet bloB eine Verschiebung der Strahlen auf der primiren Flosse. Wir haben schon bei der Beschreibung der Muskulatur und ihrer Funktion Gelegenheit gehabt, von einer solchen Verschiebung oder einem Gleiten der Strahlen auf der primaren Flosse zu sprechen. Durch diese straffe Bandverbindung werden die kleinen Teile somit zu einem Ganzen verbunden. Man kénnte dies Verhalten mit dem der Carpalknochen der héheren Wirbeltiere vergleichen. Wie diese durch straffe Bander miteinander verbunden sind, um zusammen hier und da eine gemeinschaftliche Gelenkfliche zu bilden, so ahnlich verhalten sich hier diese kleinen Teile der primiren Flosse. Durch Bander mit Strahlen verbunden, sind sie innig aneinandergekettet, und so festgehalten bilden sie nach ihrem basalen Ende zu eine Art von Gelenkfliiche, der anderseits einzelne Gelenkflaichen am peripheren Ende der Basalia entsprechen. Erst nach dieser Feststellung kénnen wir uns richtig eine Méglichkeit der Verbindung zwischen diesen Teilen und den Basalia vorstellen. 718 Waldemar Pychlau, Diese Verbindung zeigt denselben Charakter, wie wir es bei der Verbindung der Basalia mit dem Schultergiirtel kennen gelernt haben. Jedoch finden wir bei dieser Verbindung bei den meisten Teleostiern keinen Uebergang von der reinen Synarthrose zur Periarthrose. Diese Verbindung ist sehr straff und laBt fast bei allen Arten nur auferst geringe Bewegungen zu. Wie wir aus der Fig. 13 (Taf. XXVII) ersehen, liuft auch hier eine ahnliche periphere Scheide von den einzelnen Komponenten der Verbindung heriiber. Eine Ausnahme bilden in Bezug auf diese Verbindung blo8 einige Siluroiden. Schon oben haben wir erwahnt, daf bei einigen Siluroiden die Tatigkeit, die sonst bei allen Arten der Verbindung zwischen den Basalia und dem Schultergiirtel zufallt, auf die Ver- bindung der Basalia, mithin distal von denselben liegenden Teilen der primaren Flosse iibertragen wird. Die Folge davon ist natiir- lich, da8 diese letztere Verbindung bei diesen einzelnen Knochen- fischen weiter entwickelt ist. Wir kénnen hier den Uebergang von Synarthrose zur Periarthrose ebenso konstatieren, wie wir es friiher bei der Verbindung der Basalia mit dem priméren Schulter- giirtel getan haben. Dagegen bleibt die Verbindung der Basalia mit dem primaren Schultergiirtel auf ihrem primitiven Zustande bei diesen Arten bestehen, oder diese Verbindung bildet sich noch weiter zuriick, bis wir bei einigen Siluroiden die Basalia mit dem Schultergiirtel verwachsen antreffen. Auch hier sehen wir deut- lich, daS infolge verschiedener Lebensverhaltnisse ganz abnorme lokale Bildungen zu stande kommen. Verbindung des Randstrahles mit dem Schulter- giirtel (Scapulare). Sie ist die interessanteste Gelenkverbindung. Zuvor mbégen einige biologische Verhiiltnisse betreffend diese Verbindung mitgeteilt werden. Gerade die Gliedmaken der Fische sind im weitesten Sinne von den Lebensverhiltnissen und den Leistungen, die von den Tieren verlangt werden, abhingig. Es ist eine unbestrittene Tatsache, daf z. B. die paarigen Extremitiaten der Fische vor allem Schwimmorgane sind, also Organe, die zur Fortbewegung nach Art von Rudern dienen. Sie besitzen aber eine noch viel ausgedehntere Tatigkeit. Auf diese verschiedenen Formen von Tatigkeit und Aufgabe, die an die Extremititen ge- stellt werden, ist neuerdings vielfach in der Literatur hingewiesen worden. O. Txrio beschaftigt sich genau mit diesen Fragen. Auch in der schon oben erwihnten Arbeit von FresicEer finden wir Angaben hieriiber. Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 719 Vor allem zeigen simtliche Knochenfische das Bestreben, ihre Extremitaten so zu gestalten, daB sie dieselben nicht nur als Steuer- oder Schwimmapparat benutzen kénnen, sondern auch durch die- selben auf dem Meeres- oder Flufboden sich fortbewegen kénnen. Das beste Beispiel hierfiir bietet uns z. B. die Fischart Trigla hirundo; wir sehen, da8 sich hier an der vorderen Extremitat des Fisches ganz besondere Organe aus den friiheren Strahlen aus- gebildet haben — die sogenannten fingerférmigen Organe. Mit diesen Organen ausgeriistet, sehen wir den Fisch auf dem Meeres- boden einfach dahinkriechen. Aber auch Knochenfische, die ‘hnlicher Organe entbehren, bewegen sich ganz gut zwischen Pflanzen und Steinen des Bodens yorwarts, und wie die Erfahrung uns lehrt, wird hierzu in erster Linie der besonders giinstig dazu ausgebildete Randstrahl benutzt. Wir haben oben schon einmal erwahnt, daf man leicht beim lebenden Fisch bemerken kann, da er den Randstrahl unabhangig yon den iibrigen Strahlen bewegen kann und auch umgekehrt. Dank diesem Umstande ist es méglich, da’ die Fische sich durch Abstofung mit dem Randstrahl von den Pflanzen und Steinen und durch die oben schon erwahnte faichelnde Bewegung der tibrigen Flossen allmihlich sich auf dem Boden weiter bewegen. Von einigen brasilianischen Welsen berichtet z. B. O. Tumo, daf sie, auf ihre Brustflosse gestiitzt, sogar tibers trockene Land von einem Tiimpel zum anderen wandern kénnen. Jedem, der sich mit der Fischerei beschaftigt hat, wird auf- gefallen sein, da8 manche Fische, wie z. B. die Forelle, Lachs und auch andere eine enorme Gewandtheit im Springen erreichen. Oefters habe ich z. B. Gelegenheit gehabt, zu sehen, wie eine Bachforelle, wenn sie vor einen Widerstand gelangte, aus dem Wasser emporschnellte durch ein starkes Sichkriimmen, um dann bisweilen ein paar Meter zu iiberspringen und sich dann wieder ins Wasser nieder zu lassen. Hierbei werden, was schon von Fach- mainnern wie auch von Mannern der Wissenschaft festgestellt worden ist, die Brustflossen stark ausgespreizt und gleich Fall- schirmen ausgespannt. Wir sehen also, daf hier wiederum den Extremititen eine ganz besondere Tatigkeit zukommt. Von den sogenannten fliegenden Fischen wird berichtet, daS sie dank ahn- licher Vorrichtung in Distanzen bis zu 400 m durch die Luft schiefen. Wir sehen also, daS die Extremititen zu den ver- schiedensten Arten der Fortbewegung benutzt werden; jedoch ist auch das noch nicht die volle Aufgabe, die an die Flossen der 720 Waldemar Pychlau, Knochenfische gestellt wird. Wir sehen vielmehr, daf dieselben Brustflossen der Knochenfische auch zum dauernden Festhalten an verschiedenen Gegenstinden benutzt werden. Manche Knochen- fische kénnen z. B. lingere Zeit sich an ein und demselben Ort aufhalten, indem sie sich entweder durch die ganze Brustflosse an einem Gegenstand festklammern, oder auch hier leistet wieder der Randstrahl allein diese Aufgabe, indem er sich an Steinen oder Pflanzen festhalt. Auch beim Schwimmen hat der Randstrahl keine leichte Auf- gabe. Wir haben schon aus seinem Bau ersehen kénnen, daf er der stirkste von allen ist und der Grund hierfiir liegt darin, da8 er, wie beim Schwimmen, so auch bei anderen Bewegungen dem grof8ten Widerstand ausgesetzt ist. Z. B. beim Schwimmen ist er mit seiner Seitenfliche meistens gegen den Strom gerichtet und schiitzt somit den tibrigen Teil der Flosse vor der zerstérenden Kraft des Stromes. Der iibrige Teil seinerseits ist dann viel leichter imstande, die Steuerfunktionen auszufiihren. Endlich sehen wir, dafi der Randstrahl der Flosse bei einigen Formen direkt den stachelartigen Charakter annimmt und dann nicht selten als Waffe dient. Hieriiber finden wir naihere Angaben in der schon genannten Arbeit von O. TurLo (1896). Auch die von mir untersuchten Knochenfische zeigen, wie wir weiter sehen werden, in vielen Einrichtungen den allmahlichen Uebergang eines Randstrahles in einen Stachel. Auf jeden Fall ersehen wir aus diesen biologischen Betrachtungen, daf der Rand- strahl sich erstens ein gréferes Bewegungsvermégen erworben hat und zweitens ist das Bestreben der Fische, ihren Randstrahl in einer bestimmten Lage festzuhalten, nicht zu verkennen. Und nun wollen wir sehen, durch welche Umbildungen der Randstrahl sich das gréfere Bewegungsvermégen erworben hat und endlich, was es fiir Vorrichtungen sind, durch die der Fisch im- stande ist, den Randstrahl in einer bestimmten Lage dauernd festzuhalten. Wir haben schon gesehen, dafi der gelenktragende Teil des Randstrahles dem primaren Flossenskelett angehért, also hat sich auch diese Verbindung ontogenetisch ebenso ausgebildet durch Trennung von einer gemeinsamen Anlage, wie auch die zwischen den Basalia und dem primiren Schultergiirtel Wenn also diese Scapulare-Randstrahlverbindung auch bei entwickelten Individuen eine héhere Stufe erreicht hat, so verdankt sie das ausschlieflich den oben erérterten Umstinden, die dem Randstrahl seine auSer- Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 721 ordentliche Stellung verliehen haben. Schon bei der Skelett- beschreibung haben wir gesehen, daf sich am basalen Ende des Randstrahles eine regelrechte Gelenkfliche ausgebildet hat, die mit Leichtigkeit auf eine Sattelform schliefen la8t. Wenn wir das Scapulare-Randstrahlgelenk bei den Knochenfischen in voll- stindig entwickeltem Zustande untersuchen, so finden wir stets, da8 sich dasselbe wie eine Diarthrose verhalt. Wir kénnen leicht an diesem Gelenk alle Merkmale finden, die eine Verbindung zur Diarthrose stempeln. Wir haben hier eine vollkommene Gelenkkapsel, einen von jeglichem Zwischengewebe freien Gelenk- spalt und die beiden Gelenkflachen zeigen auch bei der genauesten mikroskopischen Untersuchung ihren reinen hyalin-knorpeligen Charakter. Also ist hier die Entwickelung noch weiter geschritten, denn eine primére Synarthrose mtissen wir auch hier annehmen. Denn es ist wohl ginzlich ausgeschlossen, daS Gebilde, die so nahe verwandt sind wie der gelenktragende Teil des Randstrahles und die Basalia, einen grundverschiedenen entwickelungsgeschicht- lichen Gang durchmachen. Wenn wir uns naher mit dieser Frage befassen, so finden wir auch die Bestitigung unserer Annahme. Wenn wir namlich einen ganz jungen Fisch, etwa von 11/,—2 cm Korperlange, auf die Scapulare-Randstrahlverbindung untersuchen, indem wir so einen kleinen Fisch in mikroskopische Serien zerlegen, so finden wir, daf in diesem Alter diese Verbindung noch sehr gut ihre urspriingliche Beschaffenheit zeigt. Wir sehen namlich auf so einem Serien- schnitt, daf’ die Gelenkhéhle noch nicht ganz frei von Zwischen- gewebe ist, vielmehr ziehen durch dieselbe einzelne Fasern des Zwischengewebes, und je jiinger das Individuum ist, desto mehr Reste des Zwischengewebes kénnen wir in der Gelenkhéhle kon- statieren. Einen ahnlichen Schnitt zeigt Fig. 14 auf Taf. XXV. Hier zieht ein Faserzug durch die Gelenkhéhle hindurch. Jedoch fallt es einem leicht ins Auge, wenn man diesen Zug mit dem seitlichen Kapselgewebe vergleicht, daf die Zellen des in der Ge- lenkhéhle liegenden Faserzugs stark zusammengedriickt und in die Lange gezogen sind. Dieser Umstand zeigt uns, daf durch aus- giebigere Bewegungen, die von dem Randstrahl ausgefiihrt werden, das Zwischengewebe gepreBt wird und auf diesem Wege all- mihlich verschwindet, bis wir endlich bei einem vollstandig ent- wickelten Fisch mit einer reinen Diarthrose zu tun haben. Die Periarthrose ist also eine Zwischenstufe zwischen Syn- und Di- arthrose, anderseits kénnen wir jetzt den Satz aufstellen: Je gréfer 122 Waldemar Pychlau, und mannigfaltiger das Bewegungsvermégen eines Skeletteiles ist, eine desto héhere Form erlangt das Gelenk. Die Gelenkflachen des Scapulare-Randstrahlgelenkes erfahren ebenfalls eine héhere Entwickelung, und es ist leicht begreiflich, daf hierbei gerade die Sattelform zur Ausbildung gelangt. Die Sattelform ist ja gerade diejenige, durch die der Randstrahl am besten die Méglichkeit erlangt, nicht nur die einfachen Streck- und Beugebewegungen auszuftihren, sondern auch in der zweiten Achse des Gelenkes die so iiberaus wichtige seitliche Bewegung auszufthren, durch die er sodann die ganze Flosse spreizen und ausspannen kann. Fig. 13 auf Taf. XX VII zeigt uns das Scapulare-Randstrahlgelenk mit oben aufgeschnittener Gelenkkapsel. Hier sehen wir deutlich, da8 es sich um eine echte Diarthrose handelt. Es wurde auch noch ein Praparat hergestellt, auf dem wir das Gelenk in der Langsachse der Skeletteile beschnitten sehen. Dies Praparat ist auf Fig. 15, Taf. XXVII abgebildet. Nach dieser Zeichnung kénnen wir leicht feststellen, daf es sich hier um eine sattelf6rmige diarthrotische Verbindung handelt. Das Praiparat wurde in der Weise hergestellt, da die ganze Flosse und der Schultergiirtel mit einer ganz feinen Sage in der Langsrichtung der Flosse durchsagt wurde und daf der Knorpel nach einer besonderen Farbemethode tiberall gekennzeichnet wurde. Bei samtlichen Knochenfischen, die auf diese Verbindung von mir untersucht wurden, gelang es mir nachzuweisen, daf bei vollentwickelten Fischen diese Verbind- ung stets diarthrotisch ist und da das Gelenk sattelf6rmig ge- staltet ist. Eine merkwiirdige, aber duferst interessante Sonderstellung zeigt in dieser Beziehung der Hypoglossus vulgaris. Wir sehen naimlich, da8 bei diesem Fisch im Scapulare-Randstrahlgelenk eine Art von Meniskus vorhanden ist, die dazu dient, die Gelenkfliche des Randstrahls der des Scapulare anzupassen. Durch langere Untersuchungen dieses Gelenkes bin ich zur Annahme gelangt, da dieser Meniskus aus dem ontogenetisch bestehenden Zwischen- gewebe sich ausgebildet hat. Im tibrigen verhalt sich das Gelenk auch bei diesem ziemlich abseits stehenden Individuum identisch mit dem oben beschriebenen. Somit haitten wir nun die erste Aufgabe — welche Uminde- rungen es sind, die dem Randstrahl das gréfere Bewegungsver- mégen verleihen — gelést. Der Randstrahl, an den durch den Kampf ums Dasein gréfere Aufgaben gestellt werden, erreicht eben die diarthrotische Gelenkverbindung und wird dadurch in die vor- | 4 4 3 2 Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 723 teilhafte Lage versetzt, in einem zweiachsigen Gelenk seine Be- wegungen auszufihren. Schon am Anfang der Arbeit ist darauf hingewiesen worden, da8 nicht alle Randstrahlen in der gleichen Entwickelungshéhe sich befinden. Als erste und zugleich eingreifende Kinrichtung zum Zweck des Festhaltens des Randstrahles in einer bestimmten Lage ist natiirlich die Ausbildung einer eigenen speziellen Muskulatur fiir den Randstrahl, die in ihrer Tatigkeit von den tibrigen Brust- flossenmuskeln unabhingig ist. Diese Einrichtung treffen wir, wie schon oben gesagt, bei allen Knochenfischen an. Allein hat es sich gezeigt, daS im Laufe der Zeit diese Vorrichtung nicht ge- niigend ist, denn bei einer eintretenden Ermiidung dieser Muskeln fallt diese Vorrichtung naturgemé8 weg. Daher sehen wir an ver- schiedenen Randstrahlen der Knochenfische Vorrichtungen getroffen, durch die das Ziel ohne anstrengende Tatigkeit der Muskeln er- reicht wird. Am Randstrahl der Cyprinoiden konnte man der- gleichen Vorrichtungen nicht finden. Dagegen zeigt schon der Lachs eine sehr zweckmafige Einrichtung in dieser Hinsicht. Wir haben schon beim Besprechen des Skelettgeriistes der Randstrahlen darauf hingewiesen, da beim Lachs die untere seitliche Flache der sattelformigen Gelenkpfanne des Randstrahls bedeutend hoher ist als die obere. Wenn wir nun bedenken, daf diese untere Flaiche fest yon unten her sich dem Scapulare anlegt und dabei beim Aufrichten des Strahles an dem Scapulare bergabgleitet, dagegen beim Nieder- legen desselben bergauf, so miissen wir uns sagen, daf’ hier die Natur wieder eine auferordentlich zweckmafige Hinrichtung ge- trofien hat. Stellen wir uns vor, daf der Randstrahl durch seinen Muskel aufgerichtet wird, so braucht nun der Muskel nicht die ganze Zeit in gespanntem Zustande zu verharren, da ja das Nieder- legen des Randstrahls durch aufSere Gewalten, wie Strom und der- gleichen, unméglich wird, da die untere Flache der Gelenkpfanne fest gegen das Scapulare gestiitzt ist und nicht so leicht herauf- rutschen kann, da die beiden Knochen sich gegenseitig stark hemmen. Um ein geringes ist diese Einrichtung bei den Siluroiden fortge- schritten, wo sich, wie wir schon oben bei der Skelettbeschreibung gesehen haben, die untere Fliche der sattelférmigen Gelenkpfanne direkt zu einem Hemmfortsatz ausgebildet hat, der ebenso, wie oben beschrieben, gegen das Scapulare sich stiitzt. Dazu kommt noch eine sekundire Verbindung mit der Clavicula, die ebenfalls das Niederlegen des Randstrahls in grofem Mae verhindert. Diese Einrichtungen zeigen uns aber auch zugleich das oben erwahnte 124 Waldemar Pychlau, Bestreben der einzelnen Randstrahlen, in Stacheln tiberzugehen. So kann man z. B. die Randstrahlen vieler Siluroiden vollkommen als Stachel auffassen. Also wir sehen, daf auch in dieser Be- ziehung zweckmafige Vorkehrungen von der Natur getroffen werden. Es kommt eben durch verschiedene Lebensverhiltnisse eine ganze Hemmvorrichtung zustande. Gedenken wir noch einmal dessen, was wir oben von der Lebensart der Fische und den Aufgaben, die an die Extremititen und speziell an die Randstrahlen der Knochenfische gestellt werden, gesehen haben, so wird uns die Beantwortung der letzten Frage — welchen Umstiinden verdanken diese lokalen Umbildungen, die wir hier bei den Knochenfischen angetroffen haben, ihre Entstehung —, ziemlich leicht. Nachdem wir eben eingesehen haben, wie not- wendig und andererseits wie zweckmikig diese Kinrichtungen sind, miissen wir sagen, daf die Entstehung all dieser Umbildungen ihren Ausgangspunkt und den berechtigten Grund im Kampfe ums Dasein haben. Alle diese Einrichtungen sind aus Anpassung an die gegebenen Lebensverhaltnisse entstanden. Ergebnisse. I. Skelettgerist. a) Am primiren Schultergiirtel der meisten Teleostier bildet sich neben dem Coracoid und dem Scapulare ein besonderer Knochen aus — das Spangenstiick. Dasselbe dient der gréSeren Befestigung des gelenktragenden Teiles des Schultergiirtels. b) Das Propterygium der primiren Brustflosse wird vom Rand- strahl so umwachsen, daf es schlieSlich mit ihm ein einheitliches Skelettstiick darstellt. Hierdurch gelangt ein dem Schultergiirtel urspriinglich ganz fremdes sekundires Skelettgebilde mit demselben in Artikulation. c) Von den Basalia ist das Metapterygium bei allen Teleostiern das stirkste. Kine Ausnahme bilden die Cyprinoiden, wo sich das Metapterygium stark zuriickbildet. d) Der Randstrahl zeigt durch bei verschiedenen Arten auf- tretende Hemmvorrichtungen die Tendenz, in einen Stachel tiber- zugehen. e) Dabei wird der Randstrahl als Gehwerkzeug, Bewegungs- und Festhaltungs-Organ benutzt. Bei voller Umbildung eines Rand- Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 725 strahls in einen Stachel wird derselbe zur Waffe, so bei einem Siluroiden. II. Muskulatur. a) Dieselbe zeigt bei den Teleostiern eine bedeutend gréfere Differenzierung als bei den Ganoiden. b) Die Ausbildung einer speziellen Muskulatur fiir den Rand- strahl zeigt unverkennbar das Bestreben einer Arbeitsersparnis. Wir sehen darin eine zweckmafige Arbeitsteilung zum Ausdruck gebracht. c) Diese spezielle Muskulatur des Randstrahles ist die primi- tivste Einrichtung, die zum Festhalten des Randstrahls in einer bestimmten Lage dient. III. Gelenkverbindungen. a) Bei Gelenkverbindungen, die durch Trennung der Skelett- teile aus einer gemeinschaftlichen Anlage entstehen, kommt zundchst eine Synarthrose zur Ausbildung. b) Diese primitive Synarthrose kann sich allmahlich zu den héchsten Gelenkformen — der Diarthrose — durch successives Schwinden des Zwischengewebes ausbilden. c) Die Zwischenstufe zwischen Synarthrose und Diarthrose bei dieser Umbildung bildet die Periarthrose (Prof. Semon). d) Diese Umbildungen von den primitiveren Gelenkformen zu den héheren werden durch anstrengende Tatigkeit und besondere Bewegungen, z. B. grabende, kriechende, die von den betreffenden Gelenkverbindungen geleistet werden miissen, hervorgerufen. IV. Fiir alle diese héheren Differenzierungen in den Muskeln, Skeletteilen und Gelenken bilden die speziellen Lebensverhaltnisse die causae efficientes. Sie sind im Kampfe ums Dasein entstanden. Auch an dieser Stelle méchte ich nicht unterlassen, meinen tiefgefiihlten und bleibenden Dank Herrn Prof. Dr. F. MAuRER in Jena auszusprechen, unter dessen Leitung ich die ersten Schritte in meinen Untersuchungen getan habe. Ferner danke ich Herrn Professor Dr. W. Lusoscu fiir vielseitige Unterstiitzung wahrend der Bearbeitung meines Themas, wie auch fir das mir in Jena 726 Waldemar Pychlau, zur Verfiigung gestellte Material und fiir die Kinfiihrung in die mikroskopische Technik. Ebenso méchte ich Herrn Prof. Dr. E. G6prert fiir seine freundlichen Ratschlige und das mir zur Verfiigung gestellte Material meinen aufrichtigsten Dank sagen. AufSerdem spreche ich hier meine aufrichtigste Dankbarkeit meinem Onkel Tu. PycuiAu aus fiir die mir in reichem Mae wihrend meiner Arbeit zugedachte materielle Unterstiitzung. Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleostier. 727 Literaturverzeichnis. 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Ur- sprungslinie des Musculus abd. prop. d. R. Ursprungslinie des Mus- culus abd. inf. p. th. Fig. 2. Schultergiirtel eines Salmo salar von der dorsalen Seite gesehen. Ursprungslinie des Musculus add. sup. p. th. Ursprungs- linie des Musculus add. prop. d. R. Ursprungslinie des Musculus add. inf. p. th. Fig. 3. Mittelstrahl aus der Flosse einer Alosa vulgaris. Vergr. 23 Fig.4A. Randstrahl eines Barbus fluviatilis von oben. Vergr. oes Fig. 4 B. Randstrahl eines Barbus fluviatilis von der aboralen Seite. Vergr. 3:1. Fig. 5. Randstrahl eines Salmo salar von vorn. Vergr. 11/,: 1. Fig. 6. Randstrahl eines Siluroiden von vorn. Vergr. 3:1. Fig. 14, Mikroskopisches Bild vom Scapulare-Randstrahlgelenk eines Barbus fluviatilis. Vergr. 250: 1. Tafel XXVL Fig. 7. Musculus abd. sup. p. th. von Salmo salar. Fig. 8. Musculus abd. inf. p. th. und Musculus abd. prop. d. R. vom Salmo salar. Fig. 9. Musculus abd. prop. d. R. von Salmo salar. Fig. 10. Musculus add. sup. p. th. von Salmo salar. Fig. 11. Musculus add. inf. p. th. und Musculus add. prop. d. R. von Salmo salar. Fig. 12. Musculus add. prop. d. R. von Salmo salar. Patel Xx VIL. Fig. 13. Verbindungen der Brustflosse mit dem Schultergiirtel mit aufgeschnittenen Gelenkkapseln. Fig. 15. Ein feiner Sageschnitt durch ein vollstindig ent- wickeltes Scapulare-Randstrahlgelenk eines Barbus fluviatilis. a “i Zur Phylogenese des Nierenorganes (Holo- nephros) der Knochenfische. Von B. Haller, a. o. Professor der Zoologie in Heidelberg. Hierzu Tafel XXVIII—XXXIII und 8 Figuren im Text. Emery war bekanntlich der erste, der, nachdem er bei dem geschlechtsreifen Fierasfer die Niere aus drei Abschnitten, einem kopfwiartigen, riickenwartigen und hinteren bestehend erkannte und in dem kopfwartigen Abschnitt das grof’e Ma.piguische Nierenkérperchen mit seinem geschlangelten Nierengang feststellte, den er spater auch bei jungen Tieren von Aetherina und Mugil und Zoarcesembryonen sah, und welcher kopfwartige Abschnitt den Namen Vorniere fiihrt, den Satz aussprach, daf diese Vor- niere ,,bei erwachsenen Teleostiern fortbestehen kann und in vielen Fallen wirklich fortbesteht“ (4). Seither ist die Knochenfischniere auf ihre Ontogenese bei verschiedenen Formen verfolgt, die Vor- niere oder Kopfniere in der durch Emery erkannten Gestalt ge- sehen, doch jedesmal, zuerst durch BaLFrour (1, p. 16), betont worden, daf die Vorniere sich beim entwickelten Tiere stets rickbildet und sich blo als ,,pseudolymphoides Organ“ erhalt. Parker (16) behauptete dann, da’ das Vornierenrudiment durch den Mesonephros oder die Urniere, indem sich dieser den Vornieren- platz aneigne, verdrangt wiirde. Seither ist Emerys Behauptung zu ihrem guten Rechte ge- langt, da Gurren (9) den Nachweis dafiir erbrachte, dal die Vor- niere als grofes Mawpicuisches Kérperchen und aufgewundener Nierengang, welch letzterer sich in den des iibrigen Nierenteiles kon- tinuierlich fortsetzt, bei den Gobiesociden sich zeitlebens forterhalt. Ist somit diesbeziiglich ein Fortschritt erzielt worden, da nun das Fortbestehen der ,,Vorniere‘‘ fiir manche Formen, den Fieras- Bd. XLII. N. F, XXXVI. 48 730 B. Haller, feriden, Zoarces und Gobiesociden, also bei Vertretern verschiedener Abteilungen, festgestellt ist, indessen sie sich bei vielen anderen, unter anderen bei den Salmoniden, riickbildet, so ist beziiglich des Verhaltens des tibrigen Nierenorganes des geschlechtsreifen Tieres seit Hyrrn fast nichts geschehen. Dieser unterschied in seiner auf eine grof’e Zahl von Formen ausgedehnten Arbeit (11) an der Knochenfischniere drei Abschnitte: die Kopf-, Bauch- und Kaudalniere. Die zweite hat verschiedene Ausdehnung der Linge nach. Es bilden die drei Abschnitte entweder ein zusammen- hangendes Ganzes, oder sind verschiedentlich voneinander ge- trennt. Vielfach fehlt die Kaudalniere. Die Kopfniere kann auch fehlen, so bei simtlichen Lophobranchiern, dann bei Muraena, dem Mastacombalus und Centronotus, indessen sie bei den Sklerodermi, Gymnodonten und Ptervis die Gesamtniere vertreten soll. Um aber die Frage beantworten zu kénnen, welche Umstiande das Erhaltenbleiben der sogenannten Vorniere bei den Knochen- fischen erforderten und welche wieder ihre Riickbildung bedingten, dazu bedarf es in erster Linie der Feststellung der Verhaltnisse des gesamten Nierenapparates bei verschiedenen Formen in ge- nauer Weise. Dabei ist die Beriicksichtigung der Ontogenese von Bedeutung, wie denn auch der Vergleich der ontogenetischen Zusténde mit den der nachsten Verwandten, namlich der Ganoiden. Hierfiir bietet die vorhandene Literatur reichlichen Stoff. Was zuvoérderst die ontogenetischen Zustinde bei den Ga- noiden betrifft, so sind auch beziiglich der Nierenentfaltung die direkten Anschliisse an die Selachier selbst bei den Knorpel- ganoiden nicht mehr erhalten, wie denn dies die ganze Organi- sation dieser erfordert, um so mehr sind ihre diesbeziiglichen Verhaltnisse geeignet, Licht auf den Werdegang der Teleostier- niere zu werfen. Aus den klaren Beschreibungen JiNGERSENS (12) wissen wir, daf die ,,Vor- oder Kopfniere“ von Acipenser aus dem vorderen Ende des sich am After 6ffnenden jederseitigen Nierenganges und aus einem grofen Glomus besteht. Das vordere Ende des Nieren- ganges beschreibt in den 5—6 ersten postpericardialen Korper- segmenten Windungen, biegt dann am vordersten Ende dieses Raumes um und endet mit einem gleichfalls gewundenen ab- steigenden Schenkel. Dieser ,,mediale Schenkel ist nun jederseits mit 6 flimmernden Peritonealtrichtern ausgestattet, von denen 5 in offene Verbindung mit einer Art machtig entwickelter BowMAn- scher Kapsel treten, die sich unter der Aorta zwischen den beider- Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 731 seitigen Vornieren entlang zieht, waihrend das vorderste Paar von Trichtern vor der Kapsel in die offene Bauchhéhle miindet. In die grofe Kapsel ist der grofe Glomus eingestiilpt und dadurch, da’ der Kapselraum durch Querwainde in ebenso viele Kammern abgeteilt ist wieviele Trichter sich vorfinden, erweist sich dieses ganze grofe Nierenkérperchen als aus ebensovielen, also fiinf Einzelnierenkérperchen gebildet. Die Aufwindung des Nieren- ganges an der ,,Vorniere“ erweist sich dabei als etwas Sekundires, da in friiheren ontogenetischen Stadien das Rohr auch hier nach SALENSKys (20) Befunde gerade war. Schon vorgeschrittener sind die Verhaltnisse der ,,Vorniere bei Amia nach JUnGERSEN (13), da bei dieser der grofe Glomus sich in eine nicht mehr durch Scheidewande abgeteilte und somit einheitliche Kapsel 6ffnet, die nun den Namen Vornierenkammer fiihrt. Der LEinheitlichkeit dieses, aus mehreren Teilen ent- standenen abgeschniirten Célomraumes entspricht auch die Einzahl des Innentrichters, indessen ein Aufentrichter, von dem Quergang dieses sich abzweigend, in den grofen Célomraum miindet. Fiihrt nun dieser Zustand von Amia zu den Teleostiern hintiber, so schlie8t er an Acipenser nicht an, zwischen beiden vermittelt vielmehr Lepidosteus. Nach Brarp (2) gehen von dem Vornierenwulst die vorderen Abschnitte vor der Entfaltung der ,Vorniere“ schon zugrunde, doch mag so etwas in geringerem Grade schon bei Acipenser erreicht worden sein, da nach FELIx (6, p. 140) die Vorniere im Maximalfalle auch bei Lepidosteus aus 5 Segmenten besteht. Es sind dann ebenso viele Vornieren- kammern vorhanden, wobei aber schon die zwei oder drei hintersten miteinander verschmelzen. Da nun gleich wie bei Acipenser der in den grofen Célomraum einmiindende Trichter auch bei Lepi- dosteus von dem Querkandlchen des ersten inneren Trichters ab- geht, so ist wohl die Annahme gestattet, daf es die hinteren 4—5 auBeren und inneren Trichter sind bei Amia, welche sich rickbilden. Nach Angabe aller Autoren riickbildet sich die ,,Vorniere‘’ bei den erwachsenen bez. geschlechtsreifen Ganoiden. Was nun den auf die ,,Vorniere folgenden, als ,,Urniere“ bezeichneten Abschnitt des Nierenorganes betrifft, so tritt dieser bei Acipenser nach J@NGERSEN schon am 6. Tage auf und erstreckt sich dann auf das 3.—4. Segment hinter der ,,Vorniere“, indessen bei Amia diese Segmente bis zum 16. davon freibleiben und nur dieses und das nachstfolgende Segment Querkanilchen aufweisen. 48 * 132 B. Haller, Bei dem Stor finden sich dann nach JUNGERSEN in einem gewissen Stadium des jungen Tieres mit Ausnahme der bezeich- neten Segmente, in allen anderen Segmenten streng segmental an- geordnete, den Myocommata entsprechende Harnkanalchen vor. » Nach hinten zu werden diese Urnierenkanalchen immer weniger und weniger entwickelt und gehen allmahlich in einfache Anlagen iiber, bis auch diese in der Region hinter den Bauchflossen ver- schwinden, so daf durch die letzten Segmente nur der blofe Nierengang existiert.“ Die vordersten Harnkandalchen besitzen alle je ein Maupianuisches Kérperchen, jedoch noch keinen freien Trichter in das Célom. Dagegen haben die nachfolgenden gleich- falls mit Nierenkérperchen versehenen geschlangelten Harnkanalchen schon die Peritonealtrichteranlage vom MALpiauischen Kérperchen aus, die bei den weiter hinten gelegenen noch weniger entfaltet ist, wie denn iiberhaupt die hintersten Harnkanalchen weniger ent- faltet sind. Spater, am 9. Tage, tritt die célomale Kommunikation tiberall auf. Solche finden sich auch bei Amia nach diesem Autor, doch gibt es dann ein Stadium, in welchem ziemlich regel- mabig ,,gréfere und mehr entwickelte Urnierenkanalchen mit kleineren und weniger entwickelten abwechseln“, und zwar meistens so, ,,daf ein kleineres der einen Seite einem gréferen der’ anderen gegeniiber liegt’. Gleiches findet sich nach Banrour (15) und PARKER (16) auch bei Lepidosteus. Zu dieser Zeit besteht noch die ,,Vorniere‘.. Jetzt besteht jedes aufgewundene Harnkandalchen aus einem aufsteigenden Schenkel, an dessen Ende das MAL- picHische Kérperchen und der Peritonealtrichter sich befinden, und einem absteigenden, in den Nierengang miindenden Schenkel, wobei das die beiden Schenkel verbindende Stiick Schlangelungen aufweist. Des weiteren wachsen diese Urnierenkanalchen stark in die Lange, wodurch ein formlicher Knauel entsteht und die segmentweise Anordnung einer einheitiichen Driisenmasse weicht, wobei samtliche AuBentrichter sich riickbilden. Nur nebenbei méchte ich bemerken, da beziiglich der Entfaltung des Nieren- organes nach LEeBEpINSKY (15) auch der Crossopterygier Cala- moichthys ahnliche Zustinde aufzuweisen scheint. Wenden wir uns von diesem kurzen historischen Ueberblick an die Zustinde der Knochenfische, so sind beziiglich der Onto- genese in erster Reihe FreLrx’ (5, 6) Befunde zu _beriicksichtigen. Ks entsteht das groe MaLriauische Kérperchen der ,,Vorniere“ aus 5 segmentalen Anlagen, welche zur ,,primiéiren Vornierenfalte“ sich zuvor yereinigt haben und es besteht dann die funktionierende Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 1733 Embryonalniere gute Zeit hindurch aus dem groBen MALPiauischen Kérperchen und dem Nierengange. Es zeigt sich somit, wie ich bemerken méchte, an der ,,Vorniere“ eine im Verhaltnis zu den Ganoiden cinogenetische Entfaltung, wobei aber der in das Célom miindende Aufentrichter nicht einmal zur Anlage gelangt. Auch ist das Kopfende des Nierenganges noch nicht geschlingelt. Die Fiinfwirtigkeit der einheitlichen ,,Vornierenkammer“ ist nur noch daran zu erkennen, daf der groBe aber einheitliche Glomus durch 4 Aortenzweige versehen wird, die sich erst spiter zu einem Gefaf- ast vereinigen. Wahrend der Weiterentwickelung an der _ ,,Vor- niere“ bildet wie bei den Ganoiden das vordere Ende des Nieren- ganges einen auf- und einen absteigenden Schenkel, wobei sich dann beide in viele Schlingen legen. Umgeben wird die ganze »Vorniere’ von einem ,,pseudolymphaoiden“ Gewebe, das FEerx von einer Wucherung der Wande des Venenplexus herleitet. Das Ganze wird dann yon einer diinnen Kapsel umgeben. Vom 185. bis 192. Tage nach der Befruchtung, nachdem die bleibende Niere in véllige Funktion getreten, beginnt die ,,Vorniere“ sich zurtick- zubilden, die als Embryonalniere allein mit dem Nierengange be- standen hatte. Die Entfaltung der bleibenden Nieren, die der Harnkanalchen, von denen schon M. FURBRINGER (8) die anfangs metamere, spater aber dysmetamer werdende Anlage beobachtet hatte, beginnt am 70. Tage der Ontogenese und ist am 150. beendet. Die Harn- kanilchen werden in drei einander zeitlich folgenden Etappen an-~ gelegt und sind danach Harnkanilchen 1., 2. und 3. Ordnung. Die Harnkanilchen 1. Ordnung entstehen als solide kleine Zell- haufen von unbestimmter Herkunft, wobei eine Apposition bei ihrem Wachstum von der Umgegend her ausgeschlossen ist. Sie treten spiter mit dem Nierengang in Verbindung und erhalten dann ihre Lichtung. Die primaren Harnkanalchen entfalten sich nie im vorderen Drittel des Nierenganges, sie treten zuerst im mittleren Drittel desselben auf und greift dann ihre Entwickelung kaudalwarts auf das ganze hintere Drittel iiber. Eine segmentale Anordnung dieser Harnkanalchen findet sich zwar im mittleren Drittel, nicht aber weiter kaudalwarts. Die Harnkanalchen 2. Ordnung treten im ,,kranialen Ab- schnitt‘' des Nierenganges etwa am 150. Tage erst auf und zwar zwischen den Kanalchen 1. Ordnung in ganz gleicher Weise wie diese. Wahrend aber die letzteren nur an der dorsalen Seite des Nierenganges entstehen, kénnen erstere rings um den Gang liegen 134 B. Haller, und somit auch ventralwarts. Es besetzen die Kanalchen 2. Ord- nung eine gréfere Strecke am Nierengange, da sie kranialwirts endlich bis fast an die Vorniere reichen. Die Harnkanalchen 3. Ordnung treten erst auf, nachdem ,,im vorderen Abschnitt Kanalchen 1. und 2. Ordnung vollstandig aus- gebildet sind. Sie unterscheiden sich dann von den beiden letzten auBer der Zeit ihres Auftretens noch dadurch, daf sie nicht nur an der Peripherie des Nierenganges, ,,sondern auch an der Peri- pherie der Kanalchen 1. und 2. Ordnung entstehen kénnen‘. Keines der 3 Kanalchen ist von einem der beiden anderen ableitbar, doch miinden die Kanalchen 3. Ordnung aufer in den Nierengang auch in Kanalchen 1. und 2. Ordnung. ,,Jedes Kanalchen 3. Ordnung erhalt einen Glomerulus.“ In der bleibenden Niere verschlingen sich alle diese Kanalchen zu einer massigen Driise miteinander, wodurch auch die Grenze der beiderseitigen Nierenhalften unkenntlich wird, dort verlauft nur die ,,Stammvene“. Das ,,pseudolymphoide Gewebe“, bestehend aus ,,Rundzellenmassen“, fiillt mit dem Venenplexus die Zwischen- raume aus. Die bleibende Niere verlangert sich postanal zur Kaudalniere, welche durch einen rechtsseitigen ,,Urnierenureter“ mit der tibrigen Niere bez. dem Nierengange in Verbindung sich erhalt. Dieser ,,Urnierenureter“ entsteht auf die Weise, da der Nierengang einen kaudalwartigen Blindsack aus sich ausstiilpt, der mit seinem Kanalchen der Kaudalniere anschmilzt. So die funktionierende Niere, die aber auch funktionslose Bestandteile enthalt. Diese treten noch vor den Harnkanalchen 1. Ordnung auf und sind ,,in der Mitte des Verlaufes des primaren Harnleiters (so nennt FeLrx den Nierengang) solide Verdickungen seiner Wand“, streng segmental und dorsal angeordnet. Diese Anlagen schniiren sich spaiter vom Nierengang ab und liegen dann dorsal von diesem. Es liegen diese Kanalchen immer lateral, die Harnkanalchen medial. Da diese fraglichen ,,Kanalchenanlagen“ nach dem Embryonal- leben noch an Masse zunehmen und sogar miteinander vielfach verschmelzen und so Pakete bilden, ist ihre rudimentire Bedeutung klar und Frtrx ist neuerdings darum geneigt, mit ScHwAEN und BracuHET in ihnen ahnliche Gebilde zu sehen, wie es die Supra- renalkérper der Selachier sind. Es riickbildet sich zum Schlusse die ,,Vorniere“ bei dem wachsenden Tier, ohne aber dabei zu verstreichen. Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 735 A. Die Zustiinde bei Salmo. Nach diesem Ueberblick tiber das momentane Wissen von der Teleostierniere méchte ich zur Mitteilung meiner eigenen Beobach- tungen tibergehen, doch glaube ich zuvor beziiglich der Auffassung des Nierenganges mit Friix mich auseinandersetzen zu sollen. Dieser Gang, der zuerst die sogenannte Vorniere oder, wie ich von nun an sie nennen moéchte, den ersten Nierenabschnitt mit der renalen Miindung verbindet, nennt FrLix den primaren Harn- leiter. Die Bezeichnungen Vornierengang und Urnierengang will FeLrx nicht verwenden und wohl mit Recht, denn dieser Gang der Knochenfische ist ja beides. Darum gebraucht er die Be- zeichnung primarer Urnierengang im Gegensatz zum Ureter der Amnioten. Die Bezeichnung riihrt von Semprr (25) her, doch hat dieser unter dieser Bezeichnung, die er ja mit Bezug auf die Selachier zuerst gebraucht, wohl etwas anderes verstanden. Ich will hier die Geschichte der Nieren-Geschlechtsgange der Selachier ins Gedichtnis wachrufen. Jener Gang (s. C. Rasris [18] Taf. XVIII), in welchen in einem gewissen Stadium der Nierenentfaltung die segmentalen Querkanalchen miinden und welcher Gang kopf- warts im sogenannten Vornierennephrostom endigt, analwarts aber getrennt von dem der anderen Seite sich nach aufen 6ffnet, fiihrt den Namen primarer Harnleiter. Allein wie verhalt sich dieser Harnleiter zu jenem der Teleostier? Von diesem primaren Harn- leiter spaltet sich bei den Selachiern ein lateraler Gang ab, der mit dem Vornierennephrostom, der spateren Tube, zeitlebens in Verbindung bleibt und zum Ovidukt wird. Es ist dies der Muuiersche Gang. Nach diesem Vorgang bleibt somit ein Harn- leiter zuriick, der nicht mehr der primare ist und auferdem beim minnlichen Tiere auch als Samengang dient. An diesem, als se- kundarer Urnierengang bezeichnetem Rohr (die sog. Vorniere ist ja nun verschwunden) gelangt dann bei héheren Formen der Prozef zu weiterem Fortgang, indem der Samengang sich von ihm trennt. Da ich auf diese Frage speziell bei den Teleostiern zum Schlusse noch zu sprechen komme, méchte ich hier nur kurz erwahnen, daf wir allen Grund zu der Annahme haben, da8 der Miiuersche Gang und der Samengang bei den Teleostiern sich vom primaren Ur- nierengang abgetrennt haben und zwar schon bei ihren Vorgangern. Hat doch schon Semon (22) fiir Acipenser und Lepidosteus den Nachweis erbracht, da’ Hoden und Niere den Zusammenhang zeigen und hat dann spiter Jincersen (14) fiir Amia nachgewiesen, dab 736 Bo wWaller; hier ein weiterer Schritt beziiglich der Emanzipierung des Hodens von der Niere erfolgte, indem das Hodennetz die Niere nicht mehr durchsetzt und das extratestikulare Hodennetz nicht mehr mit dem Nierengang in Verbindung bleibt. Einen weiteren Schritt zeigt dann der Crossopterygier Polypterus, bei dem das extratestikulare Hodennetz nicht mehr mit dem Nierengang, sondern blo mit dessen Endstiick noch zusammenhingt, welcher Zustand, wie JUNGERSEN darauf hinweist, ,,im grofen und ganzen mit dem bei Teleostiern vollkommen iibereinstimmt’. Trotz unserer mangel- haften diesbeziiglichen Kenntnisse bei den Teleostiern steht heute der Annahme durchaus nichts im Wege — ein rudi- mentiares Mesorchium wird ja in vorliegender Arbeit fir Tinca fest- gestellt — daB die beiden Geschlechtsgange sich vom primaren Harnleiter abgetrennt haben und da der Teleostierharnleiter etwas Sekundares ist. Ks ist ein sekundairer Harnleiter oder Nierengang, doch freilich nicht im Sinne der Selachier. Am besten wiirde der Name tertidrer Harn- leiter passen, aber auf keinen Fall kann die Bezeichnung primar dem Namen vorgesetzt werden. Im obigen Sinne nenne ich ihn den sekundairen Harnleiter oder der Kirze wegen allein Harn- leiter. Meine Untersuchungen, die ich beziiglich von Salmo als eine Ergainzung der Fetrxschen Arbeit betrachten mdéchte, erstrecken sich nicht auf Serien von Embryonen, sondern beginnen mit einem Embryo, bei dem die sogenannte Vorniere vollig ausgebildet und am Nierengang die Weiterentfaltung eingesetzt hat. Letzterer ist bereits in der sogenannten Vorniere aufgerollt. An einem sagittalen Lingsschnitte durch einen Embryo von 6 mm Linge, welcher das grofe Nierenkérperchen etwas lateral- warts traf (Textfig.1 NK) und somit auch die rechte Kardinal- vene (ve.d), aber nicht den Nierengang seiner Lange nach, sondern bloB das Zwischenstiick zwischen dessen auf- und absteigendem Schenkel (sug), erkennt man kaudalwarts vom grofen Nieren- kérperchen 3 andere, viel kleinere Nierenkérperchen (7k, r.nk', r.nk), die sich angelegt und bis zu einem gewissen Grade ent- faltet haben, nun aber sich riickzubilden beginnen. Querschnitte zeigen noch ihren Zusammenhang mit dem Nierengang (Fig. 22 sug, sug’, sug’). Die Stelle, welche mit dem Nierengang zusammenhingt, ist stark eingeschniirt und ein Lumen findet sich nur noch im MaAtpranischen Kérperchen vor. Sie be- stehen aus dicht aneinander liegenden Zellen mit stark durch Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 737 Alaunkarmin gefairbten Zellkernen. Sie hingen an den Windungen des Nierenganges. Auf dem Langsschnitt (Textfig. 1) erkennt man deutlich zwischen dem 1. und 2. Querkanailchen eine Quer- verbindung; der 3. Querkanal ist linger, gewunden und zeigt yyy anysyy Wey tf Hy} | aon ae I] ih] / \/ /g | | | |/] IH} ‘Se 1? I fi | | Lf} Ii Sagittaler Lingsschnitt durch den ersten Nieren- lorgane (r.nk—r.nk“) zeigend. Alter Embryo. Salmo irideus. 3 hintereinander gelegene rudimentiire Segmenta 5 iors 1 abschnitt, noch an einer Stelle eine Lichtung (a), doch wie die Schnittserie belehrt, sonst nirgends. Es hangt dieser Querkanal schon an der Stelle mit dem Nierengange zusammen, wo dieser bereits ge- streckt ist und somit im Bereiche des 5.—6. Myomers, wobei das Nierenkérperchen im Bereiche des 4. Myomers liegt. 738 B. Haller, Es haben diese 3 Paar Nierenkérperchen nicht immer, nicht bei jedem Embryo gleichen Alters dieselbe hintereinander gelegene Stellung in der gleichen Sagittalebene, sondern wie es der Quer- schnitt zeigt (Fig. 22), kénnen sie auch weiter lateralwarts liegen (r.nk“) und ihr Zusammenhang mit dem Nierengang kann dorsal oder ventral an diesem sein. Auch kann, was diesen Zusammen- hang der beiden ersten Kanalchen betrifft, derselbe in gleicher Querebene oder weiter hinten sein. Eben darum 1a8t es sich schwer sagen, welchem Muskelsegment sie angehéren und ist die Annahme wohl berechtigt, dafi sie sich zur Zeit in sekundar vorgeschobener Lage befnden. Auf demselben Schnitte (Textfig. 1 7g) war dorsalwarts ein Strang von ganz gleichem Gewebe wie jetzt die in der Riick- bildung begriffenen Harnkanilchen. Auf dem Querschnitte eines nur wenig alteren Embryos (Fig. 22) war dieser Strang in gleicher Lage nicht da, indessen waren jederseits ein median gelegener Strang oberhalb des grofen Nierenkérperchens vorhanden, von ganz demselben Gewebe. Aber auch sonst fanden sich abnliche inselférmige Zellgruppen gleicher Art vor, die auch nur auf de- generierte Teile der Querkanalchen sich beziehen konnten, denn daf diese sich spaiter zum ,,pseudolymphoiden“ Gewebe um- wandelnden Zellstrange sich von den jetzt schon gut entfalteten Teilen des intrarenalen Venennetzes abgespalten hatten, wie dies Fetrx beobachtet haben will, habe ich nie gesehen. Es finden sich auferdem Bindegewebsnetze in der Kopfniere vor und das Ganze wird jetzt schon durch die von FrELix richtig beobachtete Nierenkapselhiille umgeben. Diese besteht aus einer dinnen Mem- bran einer einschichtig platten Zelllage. Ueberall beginnen aber jetzt schon jene Zellstrénge an ihrer Peripherie lockerer zu werden, so, da’ stellenweise wenigstens kleinere Zellgruppen sich abspalten. Ich habe nach Quer- sowie horizontalen Langsschnitten die Form der Kopfniere zusammengestellt und auf Fig. 1 gezeichnet. In der Kopfniere (Z) ist alles, was nicht funktionierend ist, grau, das Funk- tionierende gelb eingetragen. In der Mitte beriihren sich bekanntlich die beiderseitigen grofen Nierenkérperchen (NK), dann geht von jedem dieser der mediane Schenkel des Nierenganges ab, der dann, zwei Schlingen beschreibend, mit der dritten in den absteigenden Schenkel des Nierenganges tibergeht. Dieser beschreibt jetzt noch keine weiteren Schlingen, héchstens Biegungen, zieht medianwarts und verlaSt dann die Kopfniere, um in der bekannten Weise nach kaudalwarts zu ziehen. lLateralwarts von diesem Teil des Nieren- Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 739 ganges in der Kopfniere habe ich die rudimentaren Querkanalchen mit ihren Nierenkérperchen eingezeichnet, und zwar ohne Zu- sammenhang mit dem Nierengang, welcher sich bei nur etwas jiingeren Embryonen noch erhalt. Ich habe jederseits 4 solche Querkanalchen eingetragen, und zwar hinten die 3 beschriebenen, weiter vorn noch je ein anderes. Dieses habe ich nur an einem meiner 4 Querschnittserien als solches erkennen kénnen, sonst lag an seiner Stelle nur ein Zellhaufen von ,,pseudolymphoidem“ Ge- webe. Dies war um so iiberraschender, als ich dieses rudimentar gewordene Nierenkérperchen in einem Falle bei einem schon aus- geschliipften, dottersacklosen Fischchen erkennen konnte (Fig. 30 or.nk). Es scheinen also beziiglich dieses ersten rudimentiren Nierenkérperchens variante Zustande in der Zeit zu_bestehen, was wohl aus dem Verhalten rudimentirer Organe seine Erklarung finden diirfte. Somit hat die ganze Kopfniere eine etwa hammerférmige Gestalt, wobei ihr hinterer Abschnitt, allmahlich sich verschmalernd, an dem gerade gewordenen Nierengange sich verliert. Median- wirts im breiten Abschnitte (Fig. 1) liegt, etwa im hinteren Teil der kopfwirtigen Halfte, das grofe Nierenkérperchen, und dann folgen lateralwirts die Windungen des Nierenganges, die jedoch nicht ganz bis zur lateralen Peripherie reichen (Fig. 22). Zwischen ihnen knaueln sich die 4 rudimentaéren Querkandle und liegen ihre gleichen Nierenkérperchen. Alles andere wird eingenommen durch das Venennetz und abgeschniirten Zellenkomplexen von »pseudolymphoiden“ Strangen. Wie meine Vorgaénger, so habe auch ich nie auch nur eine Andeutung von Anlagen auferer, in das Cédlom miindender Trichter gesehen, weder an den kleinen Nierenkérperchen noch an dem grofen Nierenkérperchen, Es zieht die Célomwand kontinuier- lich an der ventralen Seite der Kopfniere hinweg bis zum medianen Mesenterium (Fig. 22); iiber ihr liegt die Nierenkapsel- wand, dann folgt die Venenwand oder rudimentire Nierenteile. Im Stadium wie das besprochene, sind bereits Querkanalchen, wie wir gleich sehen werden, entlang des Nierenganges angelegt, ja sogar die Nierenkérperchen sind in der Bildung begriffen, doch ist bis auf ein Paar die Bildung noch nicht abgeschlossen. Dieses Paar von fertigen Querkanalen und Nierenkérperchen wurde bisher auffallenderweise tibersehen, was um so iiberraschender ist, als diese Nierenkérperchen an Gré8e alle spiteren itibertreffen, mit Ausnahme der beiden grofen in der Kopfniere. 740 Beat ler, Sie liegen zwischen dem 12. und 13. postpericardialen Myomer. Auf einem horizontalen Langsschnitte habe ich sie abgebildet (Textfig. 2). Man sieht hier, daf das linksseitige Nierenkérperchen (nk) dem 12. postpericardialen Muskelsegment (s.12) entspricht, indessen das rechtsseitige (vk') weiter nach hinten verschoben ist und zwischen diesem Myomer und dem 13. (s.13) gelegen ist. Auch erhalt das rechtsseitige Koérperchen seinen Venenast aus einem weiter hinten gelegenen Teil der betreffenden Vene, als das linksseitige. Die Miindung des Querkanalchens in den Nieren- gang, schon Windungen zeigend, befindet sich auf der rechten 708° lees... i 2 Avda C) , + = “ER Che 50.28 "sida a Ole @ . e060, eats < @20Nee cafe. ~~ Fig. 2. Salmo irideus, alter Embryo. Stiick eines horizontalen Liangsschnittes durch das vordere Ende des dritten Nierenabschnittes, das hier sich findende groBe Nierenkérperchenpaar (nk, nk‘) zeigend. Seite gleichfalls weiter hinten, im 13. Myomer; die des links- seitigen befindet sich, wie die Schnittserie zeigt, zwischen dem 12. und 13. Myomer.. Es hat somit hier eine einseitige Verschiebung stattgefunden, ob nach vorn oder hinten, mufi ich unbeantwortet lassen. Vielleicht gehéren aber beide Querkanilchen dem 13. Segment an, wenigstens nach den Miindungsverhaltnissen. Es sind die Nierenkérperchen fast vollig fertig und die Kanilchen hohl (rechts ist das Kanialchen durch den Schnitt blo’ hoch dorsalwarts getroffen). Eine Anlage eines Au8entrichters ist nicht vorhanden. Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 741 Fassen wir nun zusammen, was iiber die embryonale Niere hier und iiberhaupt bisher ermittelt ward, so ergibt sich folgendes: Es besteht die jetzt funktionierende Niere erstens aus der sog. Kopf- oder Vorniere, die ich von nun an den ersten Nieren- abschnitt (Fig. 1 Z) nenne, und aus dem geraden Teil des Nierenganges. Dieser wird wieder dadurch, daf an ihm in der Hohe des 12. und 13. Myomers sich ein fertiges gréferes Nieren- kérperchen mit schon sich etwas schliingelndem Querkanalchen entfaltet hat, in zwei Abschnitte geteilt. Den kopfwirtigen Ab- schnitt nenne ich den zweiten (JJ), den kaudalen den dritten (II) Nierenabschnitt. Es liegt der erste Nierenabschnitt (Fig. 29) im 8.—10. oder im 1.—3. postpericardialen Myomeren- bezirk, das grofse Nierenkérperchen liegt in den beiden letzten dieser 3 Segmente‘), ebenso wie bei eben ausgeschliipften Tierchen, von welchen der Liingsschnitt auf Fig. 29 herriihrt. Jetzt schon und noch mehr in den folgenden Stadien entfalten sich die Querkanailchen sowohl in dem zweiten, also in dem vom 5.—12. postcardialen Myomer gelegenen Nierenabschnitt, als auch in dem dritten Abschnitt in raschem Lauf. Sie sind dabei seg- mental oder besser intermyosegmental angeordnet, ahnlich den Muskelasten der Vena cardinalis dextra (Fig. 25). Ein Querschnitt durch den zweiten Nierenabschnitt (Fig. 23), und zwar durch dessen hinterstem Teil, zeigt ein Querkanalchen (nk), das durch eine diinne, kompakte Briicke medialwarts mit dem rechten Nierengang (sug) zusammenhangt; es zieht dorsalwarts, und indem es medianst die sagittale Mittelebene itiberschreitet, stéBt es dorsalst fast an die Aorta (ao). Anfangs ist dies Kanalchen solid und sehr kurz, verbreitet sich aber plétzlich und weist hier eine Héhlung auf, in der lose Zellen stark in der Wucherung begriffen sind. Hier legt sich mit diesem verdickten Ende die Kapsel des MaLprenischen Kérperchens an, ohne daf sie sich weiter entfalten wiirde. Auf diesem Stadium beharren die Querkanalchen einige Zeit, bis sie sich dann riickzubilden be- ginnen. Ks sind diese Kanalchen somit median gelegene. AuBer dem Nierengang und dieser Querkanalchenanlage finden sich um die Niere herum nur noch die groéferen Venenstamme und ein lockeres Bindegewebe, ist aber nichts von ,,pseudolym- phoidem‘‘ Gewebe vorhanden. 1) Fevix gibt fiir den 37.—44. Tag das 3.—5. (welches ?) Segment an. 742 Beata er, In dem dritten Abschnitt der Niere sind die Anlagen der Querkanalchen gleichfalls intermyosegmental angeordnet (Fig. 25 und Textfig. 2), doch in ungleicher Entfaltung, indem zwischen schon in der Entwickelung weit vorgeschrittenen (nk) noch weniger entfaltete (4, g) lagern, doch alle intermyomer. Diese Kanalchen der beiden Seiten legen sich in jedem Segment fest aneinander (Fig. 24, 25), soweit sie eben in der Entwickelung geniigend weit vorgeschritten sind, und weisen dann auch ein bereits etwas ge- wundenes Kanalchen auf, das jedoch zurzeit noch keine Hohlung besitzt. Eine solche zeigt sich aber an seinem oberen verbreiterten Ende, das gleich wie an dem zweiten Nierenabschnitt, jederseits fest an die Aorta sich anlegt (Fig. 25 nk, nk‘). Es ist dies die Anlage des Maupieuischen Kérperchens. Die untere Wand der flachen Schale, welche Form diese An- lage hat, ist noch dickwandig; die obere Wand hellzelliger und einschichtig, legt sich der unteren fest an. In die Schale stiilpt sich ein Gefafsack ein, der mit je einem Aste der Aorta (ao) und mit einem Venenaste (Fig. 24 links, eigentlich rechts) zusammen- hangt. Die soliden Kanalchenanlagen hangen alle mit dem Nieren- gang zusammen und machen zumeist eine Biegung von unten nach innen und dann nach oben (Fig. 24 rechts). Auf dem abgebildeten Schnitte war der Zusammenhang mit dem linken Nierengang (swg) nicht klar, das Kanalchen schmiegte sich vielmehr fest an den Nierengang, doch wiesen zwei vorher- gehende Schnitte das richtige Verhalten deutlich auf. Man sah da (Fig. 26 D) das untere Ende der Querkanalchenanlage etwas lateral mit dem Nierengang verschmolzen und oberhalb dieser Stelle auch in demselben eine kleine Héhlung. Ueberall konnte ich mich von diesem Zusammenhange vergewissern. Es sind somit auch die beschriebenen, in der Entwickelung viel weiter vorgeschrittenen Kanalchenanlagen des dritten Nieren- abschnittes gleich denen des zweiten Abschnittes dorsal ge- legene Mediankandalchen. Auer diesen Kanalchen- anlagen sind im dritten Nierenabschnitt auch noch andere jetzt vorhanden. Wahrend die beiden beschriebenen mediodorsalen Kanalchenanlagen alle dorsal von der rechten Kardinalvene ge- legen sind, sind die zu beschreibenden Anlagen im dritten Ab- schnitte zwar gleichfalls mediane, doch ventrale. Soviel ich er- kennen konnte, sind diese Anlagen auch segmental. Jedesmal mit dem Nierengange verschmolzen, ziehen sie, zwischen Venenwand und der dorsalen Célomwand gelegen (Fig. 24 7g), medianwarts bis Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 743 zur sagittalen Medianebene der Niere. Sie sind durchaus kompakt auch an der Stelle ihres Zusammenhanges mit dem Nierengang (Fig. 26 D.lg) und lassen keine Zellgrenzen erkennen, sondern sie machen jetzt schon den Kindruck der Riickbildung. Sie gelangen, wie wir noch spiter sehen werden, nie zur Entfaltung, sondern zerfallen in ,,pseudolymphoides* Gewebe. Ein solches Gewebe ist sonst in der Nierenanlage jetzt noch nirgends vorhanden, sondern ein lockeres Bindegewebe umgibt allseitig die Niere (Fig. 23, 24), soweit nicht die weiten Venen es verdrangen. Auch eine Nieren- kapsel, die sich doch am ersten Nierenabschnitt schon gebildet hat, ist noch nicht vorhanden 4). Hier méchte ich gleich auf einen Punkt zu sprechen kommen, der vielleicht noch zu manchem Widerspruch Anlaf geben wird. Bekanntlich haben bisher, soviel mir bekannt, mit nur wenig Aus- nahmen alle Autoren die Entstehung der Querkanalchen nicht aus den Wanden der Nierengiinge, sondern aus einem Blastem unbe- stimmter Herkunft behauptet, und zwar nicht nur bei den Tele- ostiern, sondern auch bei den Ganoiden. Sie sollen sich dann nachtraglich mit dem Nierengange vereinigen. Mir ist ein solches Blastem unbekaunt, oder es handelt sich um angehendes ,,pseudo- lymphoides* Gewebe sich riickbildender Teile. Ich habe drei verschiedene Stadien abgebildet aus dem dritten Abschnitt der Niere, Querschnitte durch den Nierengang von alten Embryonen. Ich sehe vielfach an der dorsalen oder ventralen Seite des Nierenganges, dessen Wand sonst einschichtig ist, eine beginnende Zellwucherung (Fig. 26 A). Es gibt da Teilungsfiguren mancher Kerne und dann iibereinander gelegen Zellkerne, die in dieser Lage wie Tochterkerne aussehen. Dann gibt es Stadien, in denen diese Wucherung ein Vorwélben an der Kanalwand ver- ursacht (B), und endlich wird diese Vorwélbung zu einem finger- férmigen Fortsatz (C). Es sind diese Bilder so deutlich, dal ich weiter nichts hinzufiigen méchte. An den Stellen, wo die Quer- kanalchen mit dem Nierenkanal verbunden sind, sieht man Aehn- liches, nimlich sich teilende Zellkerne, doch kénnte man dies auch 1) In dem Bindegewebe lateralwarts von der Niere sieht man fast auf jedem Schnitte jene schon vielfach auch von Fenix gesehenen grofen Zellen (Fig. 24 p), die éfter bis in die Skelettanlage (Fig. 22 p) verfolgbar sind, und einmal konnte beinahe ihre Einwanderung in die Genitalfalte (Fig. 24 gf) festgestellt werden. Sie scheinen vom Ektoderm aus denselben Weg zu wandern, den wohl auch einstens die Skeletoblasten wanderten! 744 B. Haller, anders deuten. Durchschnittene Querkanalchen, die zwar von dem Nierengang getrennt sind, sieht man hiufig, und warum sollte dann dieses Stadium (D) nicht eben ein Anwachsen vom Nierengange aus bedeuten? Man k6énnte aber manche Figuren FELrx’, so Fig. 19 und 20, dann manches in Fig. 22, 24 und 28 (5) und die Fig. 137 (6) auch als Auswachsen oder Sprossen vom Nierengange aus auffassen. Uebrigens gibt ja FEnrx fiir die sogenannten ,fraglichen Kanalchen“ das Entstehen von der Wand des Nierenganges an. Daf’ aber auch manchmal auf Querschnitten Bilder sich zeigen, die aussehen, wie wenn die junge Anlage dem Nierengange sich blob angelagert hatte, ohne mit ihm verwachsen zu sein, und wie dies Fetrx (5, Fig. 21 und 29) auch richtig zeichnet, dies gebe ich gern zu, allein hier miissen die angrenzenden Schnitte sehr genau mit- betrachtet werden, wenigstens habe ich dann immer den Zusammen- hang gefunden. Jenes Stadium, in dem in der Nierenanlage viel, mehr oder weniger netzformig angeordnetes, ,pseudolymphoides* Gewebe sich findet und aus welchen ,Gitterstaben“ Frxix das Entstehen von Kanalchen erster Ordnung ableitet und dies seine Figg. 22 (5) und 140 (6) wiedergeben, bezicht sich bereits auf die Zeit ,un- mittelbar vor dem Ausschliipfen*. Friiher besteht gleiches Ge- webe in so reicher Fiille nicht (s. meine Figg. 22—25). Es ist somit jene Genese nur scheinbar, demgegentiber meine Fig. 26 schwer- wiegender sein diirfte. Auf die Anordnung der Zellkerne in der Anlage méchte ich aber nicht jenes Gewicht legen, wie FELIX, denn diese ist eine oft sehr variable, und man findet auch bei schon weit fortgeschrittenen Anlagen in der Nahe des Nieren- ganges jene reihenformige Anordnung (Fig. 24 v), auf die FELIX so hohes Gewicht legt. Ich fiir meinen Teil kann nach dem Mitgeteilten nur daran festhalten, da& siamtliche Querkanalchen des gesamten Nierenorganes bei der Forelle aus Knospen der Nierengangwand angelegt werden, Meine nun folgende Beschreibung bezieht sich auf junge Forellen, die kurz zuvor den Dottersack verbraucht und die bleibende Knochenfischform angenommen haben. Im allgemeinen handelt es sich hier um Tierchen von 2,2—-2,8 cm Lange. Ich habe dann gleich wie bei dem alten Embryo, nach Quer- und Horizontal- langsschnittserien, aber auch nach in Glyzerin aufgehellten Total- Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 745 _praparaten den Holonephros in seinem derzeitigen Zustande gusammengestellt (Fig. 2). So wie friiher, ist der nicht aktive Teil der Niere grau, der funktionierende Teil gelb gehalten. Ver- gleichen wir nun dieses Nierenorgan mit jenem der Embryonal- niere (Fig. 1), so ergibt sich folgendes. Der erste Nierenabschnitt (I) hat an Umfang auch verhaltuismaBig zugenommen, wobei der -vordere breite Querteil in einen gréferen hinteren Lingsteil sich -kontinuierlich fortsetzt. Wahrend dann im Querteil die auch schon ifriiher bestandenen Schlingen des Nierenganges liegen, hat sich dieser auch im hinteren Teil in zahlreiche, nun aber der Quere nach gestellte Schlingen gelegt. Die beiden Seitenteile des ersten Nierenabschnittes liegen' medianwarts fest aneinander, und erst mit ‘Beginn des zweiten Nierenabschnittes gehen die beiden Schenkel auseinander (JZ), wodurch die Grenze bezeichnet wird. Es hat -somit der hintere lange Teil des ersten Nierenabschnittes auch an verhaltnismaibiger Gréfe zugenommen, und indem dann der quere Teil, wie zuvor bei der embryonalen Niere, sowie der ganze erste Abschnitt, der in den 3 ersten postpericardialen Myomeren gelegen sist, erstreckt sich der hintere lange Teil des ersten Nieren- -abschnittes bei dem jungen Fischchen vom 3. bis zum 7. post- pericardialen Segment. Von hier aus beginnt der zweite Nierenabschnitt. Aeuerlich ist er gekennzeichnet dadurch, dafi die beiden seitlichen Nierenteile, die schmal und _ niedrig ‘sind, weit auseinanderliegen (JJ), kaudalwarts aber sich an- einander schmiegend, einen etwa rhombenférmigen Raum zwischen sich fassend. Es erstreckt sich nun der zweite Nierenabschnitt auf 5 Segmente, vom 7. bis zum 13. Myomer. Mit der Aneinander- fiigung der beiderseitigen Nierenteile beginnt zwar der dritte Ab- schnitt noch nicht, aber sofort darauf. Der dritte Abschnitt (III) ist michtig, tiberall hoch, und die beiden Seitenteile liegen fest aneinander. Allmahlich wird dieser Abschnitt bis zum 18. Myomer breiter, dann aber bis zu seinem Ende schmiiler. Bis zum 25. Myomer sind die beiden seitlichen Nierenteile durch die seichte ventrale Liaingsrinne voneinander abgegrenzt, wobei sie aber ganz fest aneinander liegen; von dort an sind sie bis zum -hinteren Ende vdllig einheitlich. Das Ende der Niere liegt hinter der Miindung der Nierenginge und dem After, wodurch der von Fenix als Kaudalniere bezeichnete Abschnitt zustande kommt. Bevor nun auf die inneren Zustiinde der Niere des jungen Tierchens eingegangen werden sollte, mége zuvor das Venen- system, das bisher nicht ausfiihrlicher behandelt ward, erértert Ba, XLII. N, F. XXXVI. 49 746 B. Haller, werden. Es liegen die beiden Kardinalvenen in schénem Bogen auf der ventralen Seite des Nierenorganes hinter der Pericard- héhle. Die rechtsseitige (Fig. 3 ve.d) ist ungemein viel weiter als die linksseitige (ve.s). Im quergestellten vorderen Teil des ersten Nierenabschnittes liegen sie (Fig. 30 ved.ve.s) lateralwarts, in- dessen im zweiten Nierenabschnitte die rechte Kardinalvene (Fig. 31 ved) fast die ganze rechte Niere ventralwarts ver- deckt, nur einen schwachen Saum davon einwarts und auswirts frei lassend. Es gibt die rechte Kardinalvene im hintersten Teil des ersten Nierenabschnittes entweder 2—3 schmialere oder einen breiten Querast nach der anderen Nierenhalfte (Fig. 3) ab, und genauestens an dieser Stelle nimmt sie die Vena coeliaca (v. cd) auf. Dann gibt es weiter keine Queraiste mehr bis in den zweiten Nierenabschnitt, wo dann der ganze von den beiden Nieren frei gelassene Mittelraum von Querdsten der rechten Kardinalvene iiberspannt wird. Die Zahl ist verschieden bei den einzelnen In- dividuen und diirfte zwischen 3—5 sich andern. Bestandig ist aber, dal diese Quergefibe je weiter schwanzwarts um so weiter an Querumfang zunehmen. Gerade an der Stelle, wo der zweite Nierenabschnitt in den dritten iibergeht, befindet sich dann ein breiter Querast, wahrend darauf dann schwanzwarts immer dichter aneinander gelegene Queraste folgen, bis die rechte Kardinalvene ganz medianwarts riickt und von nun an zwischen den _ beiden Nieren ihre Lage hat. So zieht sie bis etwas hinter die Stelle, wo die beiden Nierenhalften einheitlich werden, biegt dann, wie wir es von FEeLix schon wissen, die Niere durchsetzend, dorsalwarts, und dann unter der Aorta gelegen (Fig. 37, 38 ve.d), verlauft sie dorsal von dem Nierenende in den Schwanz. Die linke, viel schwaichere Kardinalvene (Fig. 3 ve.s) behalt eine gleiche oberflichliche Lage bis zum Beginn des dritten Nieren- abschnittes, wird dann hier von Nierengewebe umwachsen, und indem sie noch zuletzt eine Verbindung mit der linken Vena azygos eingeht, hért sie an der Stelle, wo die rechte Kardinalvene die mediane Lage einnimmt, auf. Die beiden Kardinalvenen stehen in keiner direkten Ver- bindung mit Maupiauischen Kérperchen, sondern sammeln (?) das Blut nur von dem Kanalsystem der Niere. Das Blut aus den Maupiauischen Kérperchen gelangt durch besondere Aestchen in andere Venen, nur die Muskeliste der dorsalen Rumpfmuskulatur ergieBen sich, wie schon bekannt, segmental angeordnet in die Kardinalvenen (s. Textfig. 2 und Fig. 23, 24, 25). Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 747 Jene Venen, welche die Aeste aus allen MAtprauischen Kérper- chen aufnehmen, sind ein gleich weites Gefifpaar, also eins auf jeder Seite (Fig. 3 vz.d; vz.s), von denen jedes lateralwarts von der Aorta und dem sympathischen Grenzstrang, aber beiden fest angelagert (Fig. 31—38 vz, vz‘) aus dem Schwanze kommend, entlang der ganzen Wirbelsdule verlauft. Sie nehmen (Fig. 32, 38) Muskelvenen auf, aber auch Eingeweideaste (vi). Sowohl dies letztere Verhalten, als auch ihre topographische Lage erlaubt ihre Gleichstellung mit den sog. Lebervenen der Selachier, und wohl auch mit den Venae azygos der Amphibien und Reptilien. Welche Umformungen im Laufe der Phylogenese sich an ihnen einstellten, ist leicht erkenntlich, jedenfalls erklairt ihre innige Beziehung zu den Cardinales manches, so ihren kaudalen Schwund bei den Quadrupeden, doch soll hier dies nicht weiter erértert werden. Gerechtfertigt ist die Bezeichnung Venae azygos fiir sie aber auch bei den Knochenfischen. Wahrend die Venae azygos iiberall, also auch von den grofen Nierenkérperchen die Veneniste aufnehmen, steht die linksseitige mit dem interrenalen Venennetz der linken Niere in vielfacher Verbindung, wodurch auch eine innige Beziehung zu den beiden Cardinales hergestellt ist, und diese Beziehung der linken Vena azygos zum ganzen linken Nierenorgan er- klart die groke Verminderung der linken Kardinal- vene. Gleich nach ihrem Aufstieg an die Seite der Kérperaorta nimmt jede Vena azygos den Ast aus dem gleichseitigen grofen Nierenkérperchen des ersten Nierenabschnittes auf (Fig. 29 vz), und dann in einem fort solche aus den einzelnen anderen Nieren- kérperchen (Fig. 37—38). Da in einem -gewissen Stadium der postembryonalen Niere die MaLpianischen Kérperchen segmental lagern, sind die Venendste auch so gestellt. Diese segmentweise Anordnung verwischt ‘sich mit jener der K6rperchen bei dem geschlechtsreifen Tiere, indem dann auch jeder Ast aus einer gréBeren Zahl von Nierenkérperchen Nebendste sammelt. Das Verhalten der linken Vena azygos zu den Kardinalvenen habe ich auf Fig. 3, selbstverstindlich nur schematisch eintragen kénnen, besonders da hier begreiflicherweise zahlreiche Varianten bestehen, und da auferdem bei Vollendung des renalen Venennetzes oben ein weitmaschiges Gefafgeflecht in den Nieren besteht, ware doch eine andere Wiedergabe ganz miflich. Immerhin glaube ich, daf bei dem jungen Tiere die bildlich dargestellten Verhaltnisse 49 * 748 B. Haller, der Wahrheit nahe kommen. Zuerst bestehen mit Sicherheit direkte Verbindungen zwischen Vena azygos (Fig. 32 vz‘) und linker Kardinalvene (ve.s), dann zwischen ersterer und der rechten Kardinalvene (v). Im ersten Nierenabschnitt sind diese im kopf- wirtigen Teil besonders michtig, von da an erscheinen sie mehr als Querverbindungen; zu Beginn des dritten Nierenabschnittes vereinigen sich hinten 6fter die beiden Venen, die linke Azygos und die gleichseitige Kardinalvene, wodurch letztere hier fehlt, doch kann sie sich noch eine Strecke erhalten. Nun moége wieder auf die Bauverhaltnisse des Nierenorganes eingegangen werden. Die beiden grofen Nierenkérperchen legen wie ehedem fest aneinander (Fig. 80 und Fig. 2 NK), und nur an ihrem hinteren Abschnitte trennt sie an einer Stelle die Arteria coeliaca (a.cé); nachdem diese unten angelangt und zuvor jederseits den Ast in den Glomus abgegeben hat, wendet sie sich, in der Nierenkapsel gelegen, nach rechts und gelangt erst an der rechten Kardinalvene (ve.d) an den Darm. Die inneren Flimmertrichter der grofen Nierenkérperchen (i/) miinden am kaudalen Ende in denselben, gleich darauf in den Nierengang tibergehend. An diesem haben sich die Verhaltnisse insofern geindert, als der absteigende Schenkel sehr kurz ist, der Gang dann kopfwarts und darauf analwirts eine Schlinge bildet und mit einer dritten vorderen Schlinge in den absteigenden Schenkel (s) tibergeht. Dieser ist bemerkenswert durch seine Weite. Er biegt dann am Ende des vorderen quergestellten Teiles des ersten Nierenabschnittes nach medianwarts, wo dann der Nierengang wieder enger wird, eine Anzahl, oft auf beiden Seiten ungleiche Schlingen beschreibt und in dieser Weise den hinteren Teil des ersten Nierenabschnittes durch- setzt. Selbst zu Beginn des zweiten Nierenabschnittes finden sich noch geringe Schlingelungen am Gang, dann aber verlauft er ziemlich gerade im dritten Nierenabschnitt, auch hier eine lateral- wirtige Lage einnehmend. Hinten vereinigen sich die beiden Nierenginge in einen unpaaren Lingenabschnitt, der spater sich zu der Harnblase erweitert. Gleich neben der Miindung der beiden Nierenginge gelangt von hinten je ein kurzer Nieren- gang (sg) aus dem unpaaren Schwanzteil der Niere in die Blase. Von diesem Gange gibt Ferrx an, daf er sich nur einseitig und zwar rechts fande, allein ich halte einen solchen Fall fir abnorm, wenigstens fand ich die Gange immer paarig. Wie der Querschnitt durch den quergestellten kopfwartigen Teil des ersten Abschnittes zeigt (Fig. 30), hat sich das Innere Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 749 des Nierenorganes hier im Verhaltnis zu friiher (s. Fig. 22) sehr veriindert. Sowohl das groBe Ma.picuische Ké6rperchen, als auch die Windungen des Nierenganges sind eingehiillt in ein reiches »pseudolymphoides* Gewebe, das sich in Strange formt, welche untereinander durch andere Querstrainge zu einem netzformigen Balkenwerk verbunden werden. Zwischen diesen Strangen liegt ein sehr reiches weitkalibriges Venennetz und die Windungen des Nierenganges. Nur, selten lassen sich noch Héhlungen in diesem Strangsystem erkennen, und an zwei Stellen liegen Bildungen, welche die Form sich riickbildender MAtpiauischer K6érperchen verraten. So findet sich jederseits eines oberhalb des grofen Koérperchens (or.nk) und je eines lateralwirts vom Nierengang (ur.nk). Das erste Rudiment bezieht sich auf das erste Paar der angelegten, doch nie zur Funktion gelangenden Ma.prcuischen Nierenkérperchenpaare, das letztere ist wohl eines der weit nach lateralwirts verschobenen hinteren gleichen Kérperchen der larvalen Niere. Von den anderen zwei Paaren ist aber keine Spur mehr zu finden, sie sind véllig in das Strangsystem aufgegangen. Bei nur wenigen Tierchen, die jetzt noch die aktiven Nierenteile des ersten Abschnittes wahren, sind die beiden rudimentaren Kérperchen in das Strangsystem vollig aufgegangen. Der so gebaute, von der bereits friiher vorhanden gewesenen Kapsel umhiillte erste Nierenabschnitt reicht dorsalst bis zur Aorta, unter welcher und zwischen der Niere, lateralwarts begrenzt durch den jederseitigen sympathischen Nervenstrang (sg), ein durch das Aneinanderlagern der beiderseitigen Nierenhalften abgegrenzter Célomraum sich befindet. Dieser erhalt sich in dieser Weise iiberall, wo die beiderseitigen Nierenhalften aneinander lagern (Fig. 31, 34, 35, 36), und wird nur im hintersten Abschnitt der Niere durch die rechte Kardinalvene verdriangt, die (Fig. 37, 38 ve.d) hier seinen Platz einnimmt. Ein Querschnitt durch den zweiten Nierenabschnitt, gerade an seinem Beginne, wo die beiden Nierenhalften noch aneinander stoBen (Fig. 31), zeigt) jederseits den Querschnitt des Nieren- ganges (sug, sug'). Auf der rechten Seite wegen der Machtigkeit der Kardinalvene (ved) nach der rechten Seite hin verschoben, liegt er auf der linken Seite median von der schwachen Vene (ves). An den rechten Gang heften sich noch durch eine solide Briicke kurze Querkanilchen in lateralster Lage (7‘), die, obgleich manche yon ihnen noch ein Lumen besitzen, nicht mehr die regel- rechte Anordnung ihrer Zellen zeigen, sondern diese haben schon 750 B. Haller, die ,pseudolymphoide* Anordnung begonnen; andere, die ihre Lichtung schon eingebiiBt haben, stellen blo& einen mit dem Nieren- gange noch zusammenhangenden Zellenstrang dar. Sie sind segmental angeordnet, manche langer, andere kiirzer, doch alle ohne Anlage eines Mauprcuischen Kérperchens. Diese lateralen Quer- kanalchen-Rudimente finden sich in gleicher Weise auch auf der rechtsseitigen Halfte der Niere und erstrecken sich die ersten 2 Paare auch noch auf den ersten Nierenabschnitt. Auf der Ab- bildung der Gesamtfigur sind diese eingetragen (Fig. 2 r’). Bei dem Embryo, von dem ich diese Zustinde beschrieb, sind diese lateralen Querkanalchen noch nicht aufgetreten, sie haben somit einen spateren Ursprung als die dort schon gut ent- falteten medianen Querkanilchen. Beziiglich dieser herrscht zwischen den beiden Nierenhalften insofern ein Unterschied, als auf der rechten sie bis auf die zwei ersten, die noch im ersten Nierenabschnitt liegen (Fig. 2 r), alle in das ,,pseudolymphoide“ Gewebe vollig aufgegangen sind. Diese bilden dann eine einheit- liche Schicht an der medianen Kante sowie an der dorsalen Seite der rechten Kardinalvene. Dagegen sind diese Kanadlchen auf der linken Seite wenigstens so weit erhalten, da8 ihre Form noch einigermaen feststellbar ist (Fig. 31 r“). Sie sind gleichfalls segmental angeordnet, wie ihre erste Anlage war, ohne von der Anlage des Manpiauischen Kérperchens noch etwas zu zeigen, diese ist vielmehr in ,,pseudolymphoides“ Gewebe zerfallen, das zwischen den medianen Querkandlchen-Rudimenten gelegen ist. Ks ist somit der zweite Abschnitt der Niere mit Ausnahme des Nierenganges bei der Forelle nie aktiv gewesen, obgleich die Querkandlchen sich noch anlegen. Der dritte Nierenabschnitt hat sich machtig entfaltet und ist tatig. In dieser Zeit laBt sich die segmentale Anordnung der Querkanalchen erkennen, dieser Zustand dauert aber nicht mehr lange. Wie ich dies auf die Figur der gesamten Niere einge- tragen habe (Fig. 2 ITZ), liegen jetzt die Matprauischen Korper- chen zum gré8ten Teil lateralwarts, freilich nicht so schematisch, wie die Abbildung dies zeigt, da viele zwar lateralwarts vom Nierengange, andere aber iiber demselben und wieder andere innen von ihm liegen kénnen (Fig. 34—38). Trotz alledem ist die segmentale Anordnung der Kérperchen noch nicht gestért, wie dies die Abbildung eines Horizontal- schnittes vom Nierenende zeigt (Fig. 33), wo die einzelnen Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 751 Kérperchen (nkt—mnk*) den Muskelsegmenten (35s—38s) ent- sprechen. Auer diesen jetzt lateralen Nierenkérperchen, die ich auch als primire bezeichnen méchte, da sie der ersten Anlage entsprechen, finden sich noch sekundire, aber einstweilen blof im vierten Fiinftel des dritten Abschnittes. Sie liegen medianst in einer Reihe vor der Harnblase (Fig. 2). Was nun die EKinmiindung der Harnkanalchen in den Nieren- gang betrifft, so konnte ich mich davon iiberzeugen, daf dies stets dorsalwarts erfolgt (Fig. 34, 38 sug‘) ohne Riicksicht auf die Lage der Matriauischen Koérperchen, und selbst in dem Falle, daf die Miindung lateralwarts gelegen ist (Fig. 36 sug’), biegt das Querkanalchen bald darauf dorsalwarts, woraus wohl auf die urspriinglich dorsale Miindung zu schliefen ist, die durch andere topographische Verschiebungen, im abgebildeten Falle wohl durch die sekundire Lage des anliegenden MAtpiauischen Koérperchens, bedingt wird. Immer zieht dann das beginnende Querkanilchen dorsalwarts, in den meisten Fallen in lateralster Lage, 6fter aber auch, wie in einem der abgebildeten Falle, in etwas mehr mediane Lage verdrangt. Da man zu dieser Zeit die Harnkanalchen eine gréfere Lange besitzen, legen sie sich in zahlreiche Schlingen, und da nicht nur yon vorhergehenden, beziehendlich darauffolgende Querkanilchen die Segmentalgrenzen tiberschritten werden, sondern im hinteren Drittel des dritten Nierenabschnittes selbst die sagittale Medianebene zwischen den beiderseitigen Nierenhilften (Fig. 33), so entsteht eine Verdichtung von Schlingenbildungen, wodurch es jetzt schon schwer halt, den Verlauf der einzelnen Querkanalchen mit der wiinschenswerten Klarheit festzustellen. Isolierungen, noch dazu bei den kleinen Tierchen, sind unméglich. Immerhin habe ich versucht, nach Querschnittserien den Verlauf der Harnkanalchen festzustellen, und da ich in mehr als 5O Fallen — dabei kommen dickere Querschnittserien der Erkenntnis sehr zugute — fast immer dasselbe Ergebnis erzielte, so wage ich die Rekon- struktion vorzulegen. Auf Fig. 34 wurde rechts der Verlauf eines so rekonstruierten Querkanalchens wiedergegeben, wobei die linke Seite von einer der vier Querschnitte den Grad der Zuverlissigkeit der Rekon- struktion beurteilen la8t. Es riihrt diese Stelle aus der vorderen Halfte des vierten Nierenabschnittes her. Hier (Fig. 34, 35, 36) greifen die Querkanalchen der einen Seitenhalfte medianst nicht (52 B. Haller, auf die der anderen Seite iiber, und stets liegt dabei das aktive Nierengewebe nur dorsal von der rechten Kardinalvene (ve.d). Es zieht hier das in den Nierengang miindende Ende des Harnkanalchens (Fig. 34 rechts) dorsalwiarts, beschreibt nach unten biegend eine Schlinge und gelangt dann ventralst, um dort in einen aufwarts und nach medianst ziehenden Schenkel (s') iiberzugehen. Dieser Schenkel ist bezeichnend fiir die beiden ersten Drittel des dritten Nierenabschnittes und wird bei jedem der Harnkanalchen ziemlich genau eingehalten. Ich bezeichne darum die Schlinge, die dieser aufsteigende Schenkel nach seiner Umbiegung an der Sagittalebene beschreibt, als Medianschlinge. Der absteigende Schenkel der Schlinge beschreibt alsbald eine weitere Schlinge, worauf eine zweite und dritte Schlinge folgen. Diese Stelle aber ist an den einzelnen Harnkanalchen die ver- anderlichste. Bisher war das Harnkanadlchen, wenn auch nicht iiberall gleich weit — ich glaube, hierin besteht weitgehende Ver- iinderlichkeit — so doch von ganz gleichem Bau. Alle Windungen hatten den gleichen Bau wie der Nierengang (Fig. 27 sug) und bestanden aus hochkubischen (g) oder niedrigzylindrischen, hellen bezeichnenden Nierenzellen mit hellem Protoplasma, mit Stiftchen- saum und grofem hellen Kern. Vor dem Uebergang in das MatL- piauischen Kérperchen verengt sich das Harnkanalchen, und dann mehrere, oft viele Schlingen bildend (Fig. 34 Ig), geht es in den noch nicht mit Wimperbesatz versehenen, beim geschlechtsreifen Tiere aber einen solchen besitzendenden, inneren Trichter iiber. Die Wande dieses engeren Kanalabschnittes wie auch des Trichters uuterscheiden sich deutlich von jenem des Harnkanalchens, indem sie aus sich stark farbenden, schmaleren und vielleicht auch etwas niedrigeren Epithelien bestehen, die durch ihre langen chro- matinreichen, den gréften Teil des Zellkérpers einnehmenden Zell- kerne auffallen (Fig. 27 Ig). Dadurch sind die Windungen dieses Kanalabschnittes auf den Querschnitten sofort deutlich zu er- kennen. Ich habe sie auf den Abbildungen der Querschnitte mit dicken Strichen schraffiert. Es besteht dieser Bau des Endstiickes vom Harnkanalchen nur so lange, bis die aktive Niere sich véllig entfaltet hat, beim geschlechtsreifen Tiere wird es anders. Da ich nun an diesen Endstiick vielfach beim jungen Tierchen kurze Knospen (Fig. 28 sh), fast immer hart am Matpienischen Kérperchen, oder auch schon etwas lingere sekundare Kanalchen gefunden habe, so verlege ich nicht nur das Wachstum des Harnkanalchens, Zar Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 753 sondern auch die Bildung der sekundiaren Kanal- chen oder der Astkanale auf diesen Abschnitt des primairen Harnkanalchens?), Die Lage dieses Endabschnittes richtet sich nach der des Mavpienischen Kérperchens; liegt dies lateral (Fig. 34 nk), so liegt der Kniuel (7g) auch so; liegt ersteres medial oder dorsal vom Nierengang, so liegt der Knauel entweder dorsomedial (Fig. 35 Ig) oder dorsoventral (Fig. 36 Ig), doch wie aus Lines- schnitten ersichtlich ist, kann das Matpicuische Koérperchen von ihm auch vielfach umgeben werden (Fig. 33 mit schwarz). Noch einmal erwahnen méchte ich hier die GefaSversorgung der Maupicuischen Kérperchen. Sie laft sich auf Querschnitten éfter bis zum Abgang der GefaBiste vom Hauptgefaif beobachten, und ich habe dies so, wie ich es sah, eingetragen (Fig. 34—38 rot und blau). Stets laufen die beiden Gefabaste fest nebeneinander gelegen senkrecht zum Ma.pienischen Koérperchen von der Aorta bezw. der gleichseitigen Vena azygos. Vergeblich habe ich bei dem beschriebenen jungen Fischchen nach dem embryonalen (dort grofen) MaLprauischen K6érperchen, zwischen dem zweiten und dritten Abschnitt gefahndet, auch ein Rudiment an gleicher Stelle war nicht zu finden, und es bleibt somit fiir dasselbe nur die Annahme iibrig, daf es, im Wachstum einhaltend, sich in die Reihe der spiter entstandenen einge- stellt. hat. Was die medianen MAupienHischen Koérperchen am unpaaren Abschnitt von der Harnblase betrifft, so konnte ich in einem Falle feststellen, da8 der Gang vom primaren Harnkanilchen weit oben abging und daf somit diese K6érperchen durch Sprossung aus dem primaren Harnkanalchen in der oben angegebenen Weise entstunden. Der Gang im beobachteten Falle war eben noch lang genug, um bis zur Mitte zu reichen. Das unpaare kaudale Ende der Niere, von der Miindung der kopfwartigen Nierengange gerechnet, umfaft 4 Paar Harnkanalchen mit ebensoviel lateral’ gelegenen Matpicuischen Kérperchen (Fig. 33); mediane solcher fehlen hier. Das letzte im 38. Muskel- segmentpaare gelegene Nierensegment ist rudimentiir, und obgleich ein schon etwas geschrumpftes Kérperchen (nk“) ihm noch zu- kommt, besteht es nur aus ,pseudolymphoidem* Gewebe. 1) Die Bezeichnung primar und sekundir wire hier dann in anderem Sinne gebraucht als bei Frrrx. 154 B. Haller, Beziiglich eines Punktes unterscheidet sich der hinterste Nierenabschnitt vom vorhergehenden, und zwar beziiglich der Windungen der Harnkanalchen. Das in den Nierengang mtindende aufsteigende Ende des Harnkanalchens biegt entweder ohne Schlingenbildung in den aufsteigenden Schenkel der Medianschlinge iiber (Fig. 38s‘), wenn die Medianschlinge eine dorsal hori- zontale Lage einnimmt, oder es biegt nach lateralem Verlaufe nach ventralwairts (Textfig. 10 s‘), und liegt dann die Schlinge nach beschriebener Biegung in ventral horizontaler Lage (s"). Jedesmal aber greift die Medianschlinge auf die anderseitige Nierenhalfte iiber und biegt erst dort um (Fig. 38). Vielfach liegen dann die beiderseitigen Schlingen eines Segmentpaares tibereinander (Fig. 37 s', s’). Aber auch die anderen Schlingen, mit Ausnahme jener des engen Endstiickes am Maupranischen Kérper, kénnen dies tun. AuBer dem aktiven Nierengewebe, dem Venennetz (blau) und einigem Bindegewebe mit Lymphspalten werden die anderen Zwischenraume des dritten Nierenabschnittes von reichlichem ,pseudolymphoidem* Gewebe ausgefiillt. Dieses ist entweder ein durchaus gleichmafig verteiltes im hinteren Drittel (auf den Figg. 36—838 fein punktiert), oder es zeigen sich an einzelnen Stellen in ihm noch Rudimente von Maupicuischen Kérperchen- anlagen und Kanalchen. Dann wird das ganze Nierenorgan also erster, zweiter und dritter Abschnitt durch eine einheitliche, aus einer platten Zellenlage bestehende, diinne Hiille, die Nieren- kapsel, umhiillt. Jene Rudimente sind von zweierlei Art, entweder ventrale Strange, die quer gelegen (Fig. 34, 357) sind und stellenweise sogar Lichtungen noch aufweisen, oder Verdichtungen an den ventralen Kanten des Nierenorganes (rnk, rnk‘); letztere sind wohl Rudimente angelegter Matricuischer Kérperchen. Oft senden erstere Strangfortsitze nach oben, die sich allmahlich im »pseudolymphoiden“ Gewebe verlieren, aber auch sonst erscheinen diese Rudimente jenem Gewebe vdollig gleich, nur etwas besser umerenzt. Zweifellos handelt es sich in diesen Gebilden um jene ventralen, weiter oben beschriebenen Anlagen, die schon bei alteren Embryonen zu degenerieren begannen. Fassen wir nun das zusammen, was hier tiber das Nieren- organ des jungen Teleostiers zu dem bereits Bekannten ermittelt wurde, so ergibt sich folgendes. Der erste Abschnitt des Nieren- organes hat an Machtigkeit auch verhiltnismafig zugenommen, wobei dies nicht nur durch eine Zunahme von Windungen an dem Nierengang erreicht ward, sondern dieser vorderste Nieren- Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 755 abschnitt sich nun auch auf mehr Segmente als ehedem erstreckt. Dabei sind nicht nur jene 4 Paar Kanalchenanlagen samt den Anlagen der Matricuischen Kérperchen, die schon als solche bei der Embryonalniere vorhanden waren, zugunsten des ,pseudo- lymphoiden* Gewebes, das eine machtige Aus- dehnung erreicht hat, verbraucht worden, sondern es zeigen sich auch zwei weitere Paare von segmen- talen Kanalchenanlagen, mediane und laterale, die jedoch, ohne es zur Koérperchenbildung gebracht zu haben, der Degeneration schon anheimgefallen sind. Diese Querkanailchenpaare in gleicher Anordnung und Riickbildungsstadium zeigen sich auch im zwei- ten Nierenabschnitt, so da8 eine Funktion dieses beiSalmo nie stattgefundenhabenkann. Demgegen- iiber ist das ganze vordere Ende des Nierenganges sowie das groke Nierenkérperchen noch in unver- anderter Tatigkeit. Der dritte Nierenabschnitt hat sich machtig entfaltet, ohne noch den segmentalen Bau eingebii&t zu haben. Es besitzt laterale Ka- nailchen samt den MALPIGHIsSCchen, segmental ange- ordneten Kérperchen, aber zum Teil auch solche, die sekundar aus diesen durch Knospung entstanden sind. Erstere sind die Abkémmlinge der dorsal an- gelegten, den lateralen Kanalchen der vorher- gehenden Abschnitte gleichen Anlagen, indessen die medianen Querkanalchen auchindem dritten Nieren- abschnitt zugunsten des segmentalen ,pseudolym- phoiden* Gewebes sich riickgebildet haben. Damit ist das héchste Stadium der larvalen Teleostier- niere erreicht, und von nun an beginnt mit der machtigen Entfaltung des dritten Nierenabschnittes, die voll- stindige Riickbildung der beiden ersten Abschnitte. Ersteres be- dingt das letztere, und damit wird bald die bleibende Teleostier- niere erreicht. Mit der Einschniirung der Arterien des grofen Maupianischen Korperchens wird, wie Fetrx sagt, der Riickbildungsproze8 des ersten Nierenabschnittes eingeleitet. Ich kenne nur das Ergebnis bei geschlechtsreifen Tieren. Bei diesen ist das ganze grofe Maricnuische Kérperchen mit Einbiifung seiner Form in das »pseudolymphoide* Gewebe vollig aufgegangen, mit ihm auch die noch vorhanden gewesenen jederseits 2 Paar Querkanalchen und 756 B. Haller, ebenso alle jene im zweiten Abschnitt. Am langsten erhalt sich jedenfalls der Nierengang bis zum zweiten Abschnitt, denn er ist auch jetzt als heller solider Strang in dem stark mit Alaunkarmin sich fairbenden, ganz dichten ,pseudolymphoiden* Gewebe ein- gebettet zu sehen. Wie das noch fiir andere Teleostier beschrieben werden soll, besteht er aus fest aneinander liegenden hellen Zellen, und um den Strang herum ist die zellése friihere Tunica propria noch gut erhalten. Bei manchen Tieren kann man den Gang lateral von den Kardinalvenen an Glyzerinpréiparaten noch durch- schimmern sehen an dem zweiten Nierenabschnitt (Fig. 5). Bei dem geschlechtsreifen Tier sowohl bei Salmo irideus als auch bei 8S. fario besteht der erste, nun vollig rudimentire Nierenabschnitt (J), zwar noch verhaltnismaBig verkleinert, aber immer noch aus den ansehnlichen Querstiicken, welche ganz fest aneinander lagern und wie miteinander verschmolzen erscheinen. Diese werden ventralst von den beiden Kardinalven (ve.d; ve.s) durchbohrt, die dann am gleichfalls véllig rudimentairen zweiten Abschnitt (JZ) ventralst wieder zum Vorschein kommen. Von diesem Abschnitt wurde offenbar wieder ein Teil in den ersten Nierenabschnitt aufgenommen, wenigstens beriihren sich die inneren Rander der beiderseitigen Halften gleich von Anfang an _ nicht, sondern beide liegen weit auseinander. Die rechte Kardinalvene ist auch jetzt viel machtiger als die linke, die Querverbindungen, ventral oberflachlich gelegen, gehen direkt in die Aeste der anderen Kardinalvene iiber. Dann ge- langt die rechte Kardinalvene im dritten, dem aktiven Nieren- abschnitt (JZZ) wie vorher median zwischen die beiden Nieren- halften zu liegen. Die eben beschriebenen Verhaltnisse sind nicht bei allen Individuen so, obgleich dies zumeist zutrifft. Bei einer groBen Bachforelle) war, bei gleichbleibenden Verhaltnissen des queren Teiles am ersten Abschnitte (Fig. 4), der zweite Abschnitt linger (JZ), und waren die inneren Rander der _beiderseitigen Halften fast bis zur Beriihrung einander genahert; auch waren sie linger als sonst. Auf der linken Seite war das Ende der Kardinalvene im Nierengewebe versunken, und die Queriaste reichten noch bis in den dritten Nierenabschnitt hinein. Der dritte Nierenabschnitt (Fig. 5 JJZ) war zwar verhiltnis- 1) Ob diese wegen der Gréfe auch Alter als die kleineren war, vermag ich nicht anzugeben, da bekanntlich das Wachstum der Forelle sehr ungleich ist. Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 757 mafig schmiler als beim jungen Tierchen (Fig. 2), doch ungemein viel linger und hoher. Hyrris (11, Taf. IX, Fig. 2) bekannte, vielfach wiedergegebene Abbildung der Niere der Bachforelle ver- gegenwirtigt die Verhaltnisse nicht richtig, da die Breite iiberall iibertrieben ist; auch sind einige andere aufere Verhiltnisse nicht zutreffend. Es zeigt der ganze dritte Abschnitt des Nierenorganes, der einzige nun aktive Teil, ventralwarts entlang bis etwa zum dritten Drittel eine Aushéhlung, ganz entsprechend der Form der Schwimm- blase, die in diese Mulde hineinpaSt und sie veranlaft hat. Die links teilweise von Nierengewebe verdeckte, sonst aber ventralst freigelassene rechte Kardinalvene versenkt sich vor dem Ende jener Mulde schon in das Nierengewebe. Sie durchzieht es und gelangt dann dorsal von der Niere zu liegen. Mit diesem Durch- bruch des BlutgefaBes ist dann auch genau jene Stelle bezeichnet, von der an bei der Niere des jungen, larvalen Tieres das unpaare hinterste Ende des dritten Nierenabschnittes begann. Vergleichend mit diesen Zustainden (Fig. 2, 3) die véllig entwickelten (Fig. 5), erkennen wir denn auch, dafi dieser hinterste Nierenabschnitt sich besonders stark der Lange nach entfaltet hat. Die beiden Nierengiange sind jederseits so in das Nierengewebe gehiillt, daf sie auSerlich nur stellenweise (sug) zu sehen sind und erst ganz kurz vor ihrer Miindung in die erweiterte Harn- blase wiedererscheinen. An dieser Stelle ist das unpaare hintere Nierenende in zwei Zapfen ausgezogen, und fehlt dann der kau- dalste Abschnitt scheinbar. Tatsachlich aber liegt er als kurzer, ganz rudimentirer Fortsatz tiber der Harnblase. Bei verschiedenen Individuen ist dieses rudimentire, einem Interrenalkérper der Selachier gleichzustellende Endstiick verschieden grof, und ich weil nicht anzugeben, ob etwa noch etwas mehr in dies Rudiment aufgegangen ist, als bei dem jungen Tierchen. In dem dritten, nur allein aktiven Teil der meisten Teleostier- nieren hat eine ungemeine Wucherung von aktivem Nierengewebe stattgefunden, was ich in dem Satze zusammenfassen will: die be- gonnene Sprossung an den Querkanailchen hat sich in der Weise gesteigert, da8 aus jedem Querkanal- chen ein Sammelgang mit zahlreichen sekundaren Kanalchen wurde, von denen jedes mit einem Maurprecuischen Koérperchen endet. Dies kann fiir alle von mir untersuchten Knochenfische ge- meinsam erértert werden. An einem Querschnitt durch die aktive 758 B. Haller, Niere von Gasterosteus (Textfig. 3) und einem isolierten Lappchen von Gobio (Textfig. 4) wollen wir diese Verhaltnisse erlautern. Bei allen Formen der untersuchten Knochenfische entfaltet sich die aktive Niere oder der dritte Abschnitt der Héhe nach, und ob- gleich nun mit dieser Entfaltung die Vermehrung der MALPIGHI- schen K6rperchen gleichen Schritt halt und damit wieder die Ver- aistelung des Harnkanalchens verbunden ist, was dann besonders bei fil f a im TM | Ls Sr . A Fa worry . IX Piimnte VAS LOSE ED S Nae <> = S ny : rd ‘th oe f \ . Si 4 j ‘ te Lea ey Al Fig. 3. Gasterosteus pungitus. Querschnitt durch den dritten Nierenabschnitt. Links ein Sammelgang mit den Sekundirgingen. Nach mehreren aufeinander folgenden Querschnitten kombiniert. den Cyprinoiden zu einer riesigen Verdichtung des Nierengewebes fiihrt, so laBt sich, eben mit dieser Ausnahme, bei den anderen, so bei Salmo, Esox, Lucioperca und selbst bei Gasterosteus die urspriingliche segmentale Anlage auf Schnitten annahernd feststellen. Dies beruht auf dem einheitlichen Erhaltensein des Miindungsendes des primiren Harnkanalchens, welches nun als Sammelrohr fiir andere aus dem primaren Harnkanilchen abgezweigte sekundare Harnkaniilchen, die im MAupiauischen Kérperchen endigen, dient. Als sekundare Harnkanilchen kénnen wir aber nur die beiden ersten Gabeliste bezeichnen, und es ist nur ein voriibergehendes Jugendstadium, wenn diese jedes fiir sich mit einem MALPIGHI- Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 759 schen Kérperchen enden. Spater teilen sich auch diese beiden sekundiren Kanalchen, und es entstehen tertiire und durch deren Gabelung quartéire Kanalchen. Bis hierher kommt es bei den angefiihrten Formen; viel weiter bei den Cyprinoiden fihrt diese Teilung, doch wie weit, vermag ich nicht anzugeben. Ks wiirde dann ein Primarkanalchen wie ein dichotomisch verzweigter Baum zu denken sein, dessen Endisten je eine runde Beere aufsitzt. Bei den geringen Raumverhiltnissen verwickeln sich aber, wie selbstverstaéndlich, aufeinander folgende Abschnitte bis zur vollen Unkenntlichkeit. Fig. 4. Gobio fluviatilis. Ein Nierenliippchen des _breitesten Nierenabschnittes. (Nach einem Glyzerinpriparat.) Ein Querschnitt durch die aktive Niere von Gasterosteus (Textfig. 3) zeigt ventrolateral jederzeit den Nierengang (sug), in den je ein priméres laterodorsal nach oben ziehendes Kanalchen oder das Sammelrohr miindet (ph'). Auf der rechten Seite wurde nach mehreren Querschnitten (sechs), von denen links einer abge- bildet ist, rekonstruiert. Es gabelt sich danach das Sammelrohr etwa in der Mitte der Nierenhéhe in die sekundiren Aeste, wobei vom ventralen festgestellt werden konnte, daf es wieder in zwei Nebeniste (st) sich teilte, die beide mit je einem Nieren- kérperchen (nk) endigten, wobei zuvor der Kanal sich zum End- gang (Ig) verengte. Von dem oberen sekundiren Kanalchen konnte das nicht ermittelt werden, wie denn auch die Zugehérigkeit eines Mawpiauischen Kérperchens (nk') ungewifS blieb. So viel konnte aber ermittelt werden, daf die Gabelung der sekundiren Harn- kanalchen, wenn bei Gasterosteus auch nicht ausgeschlossen, doch. nicht die allgemeine Regel ist. Allerdings laft sich da nur im allgemeinen etwas feststellen, im speziellen aber nichts Bestimmtes 760 B. Haller, ermitteln. Nur bei Gobio fluviatilis bietet sich hier eine gute Ge- legenheit an den lockeren Kinzellappen des vorkaudalen Nieren- abschnittes (s. Fig. 13). Ich habe dann solche Lappen abgetrennt und. gefarbt oder ungefarbt in Glyzerin aufgehellt. Nach so einem Praparat ist die Abbildung auf Textfig. 4 ent- worfen. Es besafs’ das ganze Lappchen, soviel ich mit Sicherheit erkennen konnte, 6 Maupiauische Kérperchen, wobei der Lappen in ein kopfwartiges und ein gréferes kaudalwartiges Nebenlappchen zerfiel. Zwei der MAuLpiguischen Kérperchen gehérten ersterem, 4 letzterem an. Das primare Harnkanalchen, der Sammelgang (ph) war nur sehr kurz und gabelte sich sofort in zwei sekundire Kaniilchen, von denen das obere bald darauf in zwei tertiaére Kanal- chen (th, th‘) sich spaltete. Das vordere dieser bildete mit seinen reichlichen Windungen das vordere Liappchen, doch konnte ich nicht feststellen, ob es sich in quartaére Kanalchen gabelte, denn die Zugehérigkeit eines MaLpiauischen Kérperchens zwischen den beiden sekundaren Kanalchen konnte ich nicht ermitteln. Das andere tertiire Kandalchen (th') gelangte in das hintere Neben- lappchen und spaltete sich dort in zwei Quartirkanalchen (gh, gh’) die, wie immer zum Schlusse in ein feines Kanalendstiick aus- laufend, je mit einem Mawpicuischen Koérperchen endigten. Das zweite Sekundarkanalchen (sh) spaltete sich im hinteren Neben- lippchen in zwei Tertiérkanalchen (th, th’). Beziiglich der histologischen Verhaltnisse habe ich nur wenig mitzuteilen, da ich ausfiihrlicher und mit verschiedenen Tinktions- verfahren mich darauf nicht eingelassen habe, was doch dazu erforderlich ist. Was zunichst den Nierengang betrifft, so habe ich mitzuteilen, da’ derselbe bei jungen Tieren nur eine diinne einschichtige Tunica aufweist, wie ich dies von der Forelle (Fig. 27 sug) und von jungen Schleien her wei’, und daf dann die diinne, aus Platten- zellen gebildete Umhiillung erst bei alteren Tieren mehrschichtig wird (Textfig. 5A), bei der Forelle aber stets diinn — bleibt. Anders bei Gasterosteus, den Cyprinoiden u. a., wo er sich zu einer dicken Kreislage entfaltet (Textfig. 3, 5 B). Auch be- ziiglich der epithelialen Bekleidung herrschen Verschiedenheiten. Bei der jungen Forelle war, wie wir schon gesehen haben, die Auskleidung des Nierenganges ein hochkubisches bis niedrig- zylindrisches, charakteristisches Nierenepithel mit Stabchenbesatz (Fig. 27), das als solches sich auch in dem Harnkanalchen vor- fand. Andere Zellen habe ich nicht beobachtet. Bei dem _ er- Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische.. 761 wachsenen Tiere andert sich dies insofern, als im Nierengang das Epithel hochzylindrisch wird (Textfig, 5A) und man zwischen diesen charakteristischen Nierenzellen mit Stabchenbesatz auch andere Epithelien eingestreut vorfindet, die schmaler sind, einen etwas stirker tingierten Zellleib besitzen, dem der Stabchenbesatz immer abgeht. Was diese Zellen (z) den anderen Epithelien gegen- tiber aber sehr hervorhebt, ist ihr langer, zusammengedriickter, A H a y B , & § a & re . yas oo ch A ! ~ } OM, 3 @. P “4 : Pk C Ne ie ge Gs es a ce ae 4 cd a ba oy Ay ys me SiN "9 a) sS z GOUT 4o%, Fo 1% , Sy a “a } f ; > P > 2 (oo eee? : j > gl ~ ey F | ee. ee E a é 4 ie Iz aE tQt® ie |x i = ea Oe gs Es Cc rn on we at — — si SEEK UTM, 7 aR & rs yO ee i cet te Ip & i Loe ca 7 Se ge ee ry olf oh ot i o) “ae 9) “a. = vs a OF ge] we | Bs co.” ae a b a Sab & &Q ' b me a = ‘ai CR ye is ae Fig. 5. Schnitte. bei starker VergréBerung gezeichnet, A durch den Nierengang einer erwachsenen Salmo fario, B dasselbe von Leuciscus erythrophthalmus und C solche vom letzteren Tiere, a vom Sammelgang, b von einem sekundéren Harnkandlchen. x verbrauchte Zelle; » aktive Nierenzelle; «‘, x‘ helle Zellen; / Lymphraum im Epithel; /x solcher in der Faserlage; /x Lymphzellen. stark chromophiler Zellkern. Oefter habe ich gesehen, da solche Zellen tiber die innere Oberfliche der Epithellage hervorragen, und nach alledem erblicke ich in diesen Zellen blof verbrauchte, abzustofende Elemente des gewéhnlichen Nierenepithels. Anders verhalt es sich bei den Cyprinoiden u. a. Dadurch, daf im Nierengang zwischen breiteren Streifen hochzylindrischen Epithels schmalere, niedrigere Streifen sich einschieben, entsteht eine gestreifte Oberfliche, gewissermafen eine Flachenvergréferung (Textfig. 5 B). Die Hauptmasse der hochzylindrischen Epithellage med. XL N. EF, XV 50 162 « Baller, besteht aus typischen Nierenzellen (nx) mit Staibchensaum, zwischen denen jene Zellen einlagern (¢), die wir bei der Forelle als ver- brauchte ansahen. Auer diesen finden sich noch grofe helle und breite Epithelien (2), die sich 6fter oben flaschenhalsférmig verengen und sowohl dadurch als auch durch ihren hellen Zell- leib, sowie den basalstindigen, mehr oder weniger mit ge- schrumpften Zellkern an Einzeldriisenzellen des Integumentes er- innern. Sie liegen 6fter in den Rinnen, aber auch sonst findet man sie. Ob sie freilich Zellen eigener Art sind, wage ich nicht zu behaupten, da es auch Zellen gibt (z'), die allem Anschein nach Nierenzellen der allgemeinen Art sind, doch in ihrer oberen Halfte ahnlich umgewandelt erscheinen wie diese hellen Zellen. Vielleicht handelt es sich um einen AblebungsprozeB der gewéhn- lichen Nierenzelle (7), die durch jene halbveranderten Zellen (z') hiniiberfiihren zu den hellen (2), die dann ihrerseits wieder zu- sammenschrumpfen zu den abzustofenden (z). Ich habe diese grofen hellen Zellen, nun der niedrigen Form der Zellen im Epithel angepabt, auch in den Sekundarkanalchen gefunden, auf die die dicke Kreisfaserschicht des Nierenganges nicht tibergreift (C,a), wie denn hier sich auch die abzustofenden Elemente vor- finden, allein jene Uebergangszellen vermisse ich hier oder habe sie mdglicherweise tibersehen. Weniger dies, als der Umstand macht mich in obiger Annahme unsicher, daf die tertiaéren und quartaren Kanalchen (b) zwar die tiberlebten Zellen besitzen, die hellen aber nicht. Nie finden sich Faltungen oder etwa Ausbuchtungen an dem Nierengange der von mir untersuchten Teleostier, wie diese GUITEL an dem Nierengange der (tobioesociden nachgewiesen hat. Zum Schlusse méchte ich noch bemerken, da% allem Anschein nach der diinne, an das MAtricuische Koérperchen anstofende Endgang, wenn auch nicht das embryonale stark chromophile Epithel der Jugendformen, doch ein anderes Epithel als die iibrigen Ginge besitzen diirfte. Aeuferlich freilich ist dies nicht leicht zu unterscheiden, sondern erst auf die chemische Reaktion mit anderen Tinktionsmitteln als das von mir verwendete Alaun- karmin. Bei Salmo, aber auch sonst, erkennt man am basalen Ende der Epithelien des Nierenganges, daf’ die Zellenrander nicht immer aneinander stofen, sondern daf zwischen ihnen Liicken tbrig bleiben (Textfig. 5 AZ). Es sind diese Liicken entweder leer, oder es finden sich in ihnen Lymphzellen (/z), die die Liicke oft ganz a ee Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 763 ausfiillen. Ob diese Lymphriume bestindige Bildungen sind oder jedesmal durch die einwandernden Zellen gebildet werden, wei8 ich nicht — manche sind, wie gesagt, auch leer — bestimmt sah ich jedoch Verbindungen zwischen ihnen und Lymphraiumen durch die diinne Randschicht hindurch, und dann fanden sich in jenen Oeffnungen Lymphzellen (/z‘). Bei anderen Teleostiern mit dickerer Kreisschichte um den Nierengang herum (B) fanden sich gréfere und kleinere Lymphraiume auch in der Kreischichte (ir), und diese standen wieder in Verbindung mit Lymphraumen in der Niere. In manchen Fallen sind dann die subepithelialen Lymphraume vollsténdig vollgepfropft mit Lymphzellen (Jz), deren jedesmal angebahnter Weg durch andere kenntlich gemacht ist. Es spricht dies sehr fir die lebhafte Tatigkeit des Nieren- ganges. B. Aeufere Nierenverhiltnisse anderer Knochenfische. Kine zweite Nierenform, die bei dem geschlechtsreifen Tiere an jene von Salmo erinnert, findet sich bei Esox lucius. Der erste Nierenabschnitt (Fig. 6 I), von etwas abgerundeter, drei- eckiger Form, doch hierin veranderlich bei den einzelnen Tieren, ist ungemein viel kleiner als bei Salmo, zeigt aber am inneren Rande der Form nach das grofe Maupicuische Kérperchen. Die beiden ersten Abschnitte, wie die ganze vordere Nierenhilfte liegen weit auseinander, zwischen sich die Wirbelsiule und Aorta fassend. Hyrris Angabe, daf sie untereinander verwachsen waren, ist somit unrichtig. Gefafe besitzt das voéllig rudimentire groBe Nierenkérperchen keine mehr. Es liegt der erste Nieren- abschnitt, nach hinten durch eine Querrinne abgegrenzt, fest dem folgenden Nierenabschnitt an und ist mit ihm eng verwachsen (Fig. 39). Er wird durch die betreffende Kardinalvene durchsetzt, und diese gelangt dann ventralwirts an den inneren Rand des darauf folgenden Nierenabschnittes. Die rechte Kardinalvene ist machtiger als die linke; irgendwelche Querverbindungen bestehen zwischen den beiden nirgends entlang dem zweiten Nierenabschnitt (Fig. 6 ZZ), und es gelangt dann in medianer, duferlich nicht mehr sichtbarer Lage die rechte Kardiffalvene auf den dritten Nieren- abschnitt (IZZ), gleich wie bei Salmo. Der zweite Nierenabschnitt ist schmal, rechts anfangs breiter als der linksseitige, beim Ueber- gang in den dritten Abschnitt aber schmialer als dieser, doch 50 * 764 B: Haller, ziemlich einheitlich. Die linksseitige Héalfte ist lobulés. Es ist der zweite Nierenabschnitt auffallend lang und macht beinahe die Halfte des ganzen Nierenorganes aus; wenig kirzer erscheint er indessen bei manchen Tieren. Sowohl der erste, als auch der zweite Nieren- abschnitt sind bei dem geschlechtsreifen Tiere vollig rudimentar (Fig. 39). Sie bestehen aus dicht bei- sammen gelagerten ,pseudolymphoiden“ Zellen, mit Venenasten von der Kardinalvene und links von der betreffenden V. azygos aus. In diesem Gewebe finden sich keine Andeutungen von friiheren Querkanalchen, doch sind die Zellen, freilich in sehr dicht bei- sammenliegenden, strangformigen Gruppen geordnet wie itberall. In diesem durchaus dichten Gewebe, das sich sehr stark farbt, fallen Inseln solider heller Zellgruppen auf. Es sind dies die Ueberreste des Nierenganges (swg), denn das Rudiment des grofen Matpicuischen Kérperchens besteht aus ,pseudolymphoidem“ Ge- webe. Das Rudiment des Nierenganges, ein zusammenhangender, sich windender Zellstrang, besteht, wie gesagt, aus hellen, fest zusammenliegenden, gut begrenzten Zellen mit chromophilem Kern. Um den Zellstrang erhalt sich noch die zellése Propria. Wie bei Salmo stéft auch hier der rudimentire vordere Teil des Nieren- ganges fest an den hinteren funktionierenden an der Grenze des zweiten und dritten Abschnittes und scheint mit ihm sogar noch verwachsen. Der dritte funktionierende Nierenabschnitt (IZJ) ist nicht breit, doch hoch, und die beiden Halften liegen ganz fest aneinander, ohne da die Langsfurche verwischt ware. Im tppigen Nieren- gewebe tief eingebettet, verlaufen nicht nur die Nierengénge, sondern auch die rechte Kardinalvene. Erst am hinteren Ende der sich bis zum Schlusse paarig verhaltenden Nieren kommen die Nierenginge zum Vorschein, um in eine mit Coecum versehene Harnblase zu miinden. Die sogenannte Kaudalniere, jetzt blof noch Postrenalkérper, ist voéllig abgeschniirt von dem hinteren Nierenende. In dem rudimentiren ersten und zweiten Nierenabschnitt findet sich ein schwarzes Pigment in ziemlich gleich weit von- einander entlegenen, ganz runden Haufen (Fig. 39). Rudimen- tiren Matpranischen Korperclién werden sie doch wohl nicht entsprechen. Zu den gleichen Teleostiernieren, die ich die opisthotypen nenne, gehért auch die Niere von Lucioperca sandra. Diese Niere Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 765 ist durch Hyrtt auch beschrieben worden. Er zeichnet den zweiten Abschnitt, den er vom dritten nicht unterscheidet, mit diesem gleich breit. Auch die Form des ersten Abschnittes gelangt un- richtig zur Darstellung und Beschreibung. In mancher Beziehung gleicht dieses Nierenorgan mehr jenem von Salmo, in anderen Punkten aber dem von Esox. Der riesige erste Abschnitt (Fig. 15 J) erinnert an ersteren, die Entfernung beider voneinander an den Zander. Es besitzt der erste Abschnitt ahnlich wie bei Salmo einen Querlappen, der aber viel breiter ist als dort. Das Rudi- ment des ganzen Maupianischen Kérperchens ist deutlich, und die jederseitige gleich michtige Kardinalvene') wird von dem dorsalen und ventralen Lappenrand eingehiillt, die medialwirts miteinander nicht verwachsen. In dieser Lage zieht von oben dann die auf beiden Seiten gleich starke Kardinalvene nach hinten, um dann, an der medianen Seite des zweiten Nierenabschnittes (ZZ) entlang ziehend, den dritten Nierenabschnitt (J7Z) zu erreichen und in gleicher Lage an diesem noch eine Strecke weiterzuziehen, dabei sich dann in dessen Gewebe versenkend. Der zweite, kontinuierlich mit dem ersten Nierenabschnitt zu- . sammenhangende Nierenabschnitt ist schwach entfaltet; er ist in- sofern segmental gegliedert, als er intercostal kraftiger ist, und zwar sowohl lateral- als auch medialwarts. In dieser Weise setzt er sich in den einheitlichen dritten (JZZ) Abschnitt fort. Der Nierengang an der lateralen Seite ist zwar sichtbar, doch rudi- mentaér und ohne Lichtung. Gerade verlaufend, ist er noch mit seinem unteren, ventral frei zu Tage tretenden aktiven Abschnitt mit dem des dritten Nierenabschnitts verwachsen. Erster und zweiter Nierenabschnitt sind durchaus rudimentar und ersterer, obgleich grof8 und formvoll, durchaus_,,pseudo- lymphoid“, wie bei Esox. Der dritte, aktive Nierenabschnitt ist bis zur Miindung der ventral freiliegenden Nierenginge in die Harnblase, durch die 1) Nach einer Beobachtung E. H. Ziaiers (28) ist die Kaudal- vene bis zur Hingeweidearterie (Arteria coeliaca) embryonal bei Knochenfischen einheitlich — Zmeanpr nennt diese unpaare Vene: Stammvene — und teilt sich erst hier in die beiden Kardinalvenen. Immerhin kann dies nicht als primarer Zustand betrachtet werden, da diese ,Stammvene“ nach demselben Autor bei den Teleostiern aus zwei lateralen Anlagen durch mediane Verschmelzung entsteht. Somit miissen wir auch bei den erwachsenen Formen die gleich starken Kardinalvenen als primare EKinrichtung betrachten, was ja mit den primaren Selachierzustiinden sich auch besser vertragt. 766 B. Haller, mediane Furche in die beiderseitigen Halften abgeteilt, aber von da an einheitlich, wie bei Salmo, und reicht bis hinter die aufere Ausmiindung. Allein dieser ganze unpaare Abschnitt ist aktiv mit den hinteren Nierengingen und erst hinter diesen liegt ein kleines, abgeschniirtes Postrenalkérperchen. Die Niere eines anderen Percoiden, némlich von Perca selbst, wurde von Hyrtu richtig beschrieben. Danach sind die Kopfteile der Niere sehr stark und dick und medianwarts miteinander ver- wachsen. Dagegen sind ,die Bauchteile schmal und diinn, laufen durch die ganze Lange der Bauchhohle, bleiben bis auf ihr hinterstes Ende getrennt, verwachsen erst am vorletzten Bauch- wirbel, teilen sich dann neuerdings in zwei sehr schmale, 1/, Zoll lange Streifen, welche seitwirts vom ersten Analflossentrager herablaufen und unmittelbar iiber dem Halse der Blase ineinander tibergehen“. Nach meinen Untersuchungen an Perca fluviatilis ist der erste Abschnitt gleich wie bei Lucioperca sehr machtig, doch liegt der Unterschied in dem von Hyrtt angegebenen Verhalten, namlich in dem medialwartigen Verwachsensein der beiden (Fig. 7 J). Das auf diese Weise einheitliche Gebilde hat eine H-férmige Form (Fig. 19) mit einer medianen unpaaren Verbindung, einem Vorder- (h) und einem Hinterhorn (h'). Das Vorderhorn riickt weit nach vorn und stiilpt vor sich die Pericardwand in das Pericard (pe) vor. Auf diese Weise wird die Pericardhéhle vermindert, und die beiden Vorderhérner fassen das Herz zwischen sich, indessen der Ductus Cuvieri iiber die unpaare Querverbindung zu liegen kommt. Die Hinterhérner dagegen ragen lateral in die Bauchhoéhle vor, zwischen sich das vordere Ende der Schwimmblase fassend. Die grofen MaLpicuischen Korperchen scheinen von der hinteren kon- kaven Wand der unpaaren Querverbindung (Fig. 7) durch. Diese geht jederseits in je einen schmalen Abschnitt des tibrigen Nieren- organes iiber. Dieser Abschnitt, der zweite (JZ), ist aber un- endlich viel kiirzer als der des Zanders. Die darauf folgende Niere ist der dritte Abschnitt (JZZ). Er ist schmal und in intercostale seitliche Fortsitze ausgezogen, wodurch sein duferer Rand wie ausgezackt erscheint. In dieser Weise ziehen die beiden Nieren nach hinten jederseits entlang an der Wirbelsaiule, ohne sich zu beriihren. Erst kaudalwirts am Beginn des hinteren Langsdrittels des Gesamtnierenorganes riicken die beiden Nieren aneinander, hier aber noch ein Stiick getrennt durch die hier median gelegene Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 767 rechte Kardinalvene. Dieses Nierenstiick engt sich dann allmah- lich etwas ein, die seitlichen Auszackungen verstreichen, und mit dem Nachdorsalriicken der rechten Kardinalyene verwachsen die beiden Nieren, wobei das unpaare Stiick sich wieder allmahlich etwas erweitert. An seinem vor der Harnblase sich findenden Ende liuft dieses unpaare Stiick durch eine mediane Furche, ge- teilt in zwei abgerundete Enden aus, aus denen je der jederseitige, bisher tiberall im Nierengewebe begraben gewesene Nierengang zum Vorschein kommt, um dann gleich darauf in den Blasenhals - zu miinden. Allein auch der von Hyrtt beschriebene Fall kann bestehen und wird durch das Verhalten der rechten Kardinalvene bestimmt. Diese bleibt bis kurz vor dem hinteren Nierenende ventralwirts und biegt erst dort dorsal. Hierdurch bleiben die beiden Nieren bis zu ihrem Ende getrennt voneinander. Hinter jedem hinteren Nierenende liegt je ein Postrenalkérperchen. Vergleichen wir das Nierenorgan von Perca mit dem ihres Verwandten, der Lucioperca, so ergibt sich, da&B aus dem opisthotypen Nierenorgan letzterer bei Perca ein holotypes Organ geworden ist, wobei der zweite Abschnitt an Lange einbiifen muBte. Auch beziiglich der Kardinalvenen ergeben sich Unterschiede, denn bei Perca ist die rechte Vene (Fig. 7) ungemein machtiger als die linke. Mit dem Aufhéren der linken am Ende des ersten Drittels der Nierenanlage tibernimmt dann die rechte Kardinal- vene auch die linke Niere, ohne zuvor eine mediane Lage zu beziehen, blo’ QuergefaSe sind hier vorhanden. Erst weiter hinten gelangt dann diese Vene medianwirts. Obgleich opisthotyp, ist die Niere von Gasterosteus doch ganz eigenartig entfaltet, ist jedoch nicht so wie jene der Per- coiden, wie Hyrtt dies angibt. Der erste Abschnitt (Fig. 14 Z), vollig rudimentar, ,pseudolymphoid“ und selbst ohne Andeutung eines Rudimentes vom grofen Marpicuischen Kérperchen, geht ganz kontinuierlich, ohne auch die geringste Abgrenzung in den aktiven (IIT) Nierenabschnitt tiber. Dies ist um so auffallender, als das vordere, blind in der Langsmitte des ersten Abschnittes endigende Nierengang seine Héhlung bewahrt und in dieser Weise in den iibrigen Nierengangteil tibergeht. Beide Kardinalvenen verlaufen yon Anfang an vollig oberflachlich, wobei die linke machtiger als die rechte ist. Genauestens an der Grenze zwischen dem rudimen- tiren und dem aktivem Nierenabschnitt befindet sich bei den meisten Tieren eine Querverbindung zwischen den beiden Venen, 768 Baatter, dann aber noch ein bis zwei bis zu der Stelle in der aktiven Niere, wo dann die beiden Venen zu einer von nun an eiuheit- lichen Medianvene sich vereinigen, die in dieser Weise bis etwas vor das kaudale Nierenende verlaiuft und dort, die nun einheitliche * Niere durchsetzend, eine dorsale Lage iiber der Niere einnimmt. Nach dem Verhalten der beiden GefaiSe zueinander, und dem Erhaltensein der linken Vene bis zu einer Stelle in der aktiven Niere, sowie nach deren déufSerem Verhalten nehme ich an, daf der zweite, bei den bisher be- sprochenen Formen immer rudimentire Nierenabschnitt (IZ), bei Gasterosteus wieder aktiv wurde. Ks ist dieser aktive Abschnitt. noch schmal, und die aktive Niere beginnt sich erst nach der Ver- einigung der beiden Kardinalvenen allmahlich zu verbreitern. Dies geht dann so weiter etwa bis zum dritten Drittel des Nierenorganes, von wo aus dieses dann an Breite ganz allmahlich wieder abnimmt, um zum Schlusse ganz schmal zu werden. Ks. endigt die hier einheitliche Niere noch vor der Kinmiindung der Nierengainge in die Harnblase. Der Nierengang verlauft vom Beginn der aktiven Niere an stets ganz lateral vom seitlichen Nierenrande, um zum Schlusse sich von ihr ganz abzuheben. Bis zu dieser Stelle ist der Nieren- gang anscheinend sehr weit, doch rihrt das zum Teil von der dichten Kreisfaserschicht her (Textfig. 3 sug). Von da an wird der Gang bis zu seiner Miindung in die Harnblase enger. Hier hat sich somit kaudal die Niere stark verkiirzt, ohne dafiir im abgeschnirten Postrenalkérper eine Abrechnung zu leisten. Ueber die Gadidenniere berichtet Hyrrit, daf sie bei Gadus barbatus ein dickes Kopfende, aber blof einen schmachtigen Bauchteil, der nur einen diinnen Streifen darstellt, besife. Letztere der beiden Seiten verwachsen dann bei Gadus minutus zu einem hinteren breiteren und nach hinten zugespitzten Endstiick. So soll es sich auch bei den anderen Arten und ebenso bei Motella verhalten. Aehnlich verhalten sich ferner die Nieren bei Rani- ceps, Lepidolampus und Lota nach Hyrrn, doch befindet sich hier die Hauptmasse der Niere im hinteren K6rperabschnitt, und verwachsen die beiden Nieren hier sogar zu einem unpaaren Stiick. Bei Lota erstrecken sich von hier aus ,,zwei schmale Streifen Nieren- parenchyms von ihm lings der Wirbelsiule bis zur Basis cranii*. Kin ganz anderes Verhalten soll indessen sich bei Merluccius eingestelllt haben, denn bei ihm sind die Nieren ,auffallend kurz und erstrecken sich nur bis zum 6. Wirbel“. Hyrri meint den Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 769 yorderen Wirbel. Die Schwimmblase soll es sein, welche eine Aus- dehnung nach hinten verhindert habe. Ich habe die Niere bei zwei Gadiden untersucht, bei Gadus aeglefinus und Lota vulgaris. Das primirere Verhalten findet sich bei Lota. Der erste vollig rudimentire Abschnitt weist auf den beiden Seiten eine grofe Ungleichheit auf, denn wahrend er rechts (Fig. 17 I) michtig ist und von dem 1. postpericardialen Muskelsegment sich bis zum 7. erstreckt, erhalt sich links nur noch ein schmaler, langer Ueberrest entlang dem 4.—6. Muskel- segmente (/'). Es ist dies der hintere schmale Fortsatz des ersten Nierenabschnittes rechterseits, worauf hier dann nach vorn hin ein breites Stiick (J) folgt, das sogar einen diinnen Fortsatz entlang der hinteren Pericardwand auf die andere Seite entsendet. Gleich hinter diesem Fortsatz erhalt sich der Form nach das grofe Mavriauische Kérperchen. Das vordere dicke Ende des ersten Nierenabschnittes erstreckt sich auf die 3 ersten postpericardialen Muskelsegmente. Der diinne hintere Fortsatz weist aber zweifellos darauf hin, dafi sich hier ahnlich wie bei Lepadogaster Gouanii nach GuITEL, eine lange absteigende Schlinge am Nierengange des ersten Abschnittes befand, dessen Rudiment sich erhielt. Bei dem geschlechtsreifen Tiere hat sich der erste Nierenabschnitt von der iibrigen Niere vollig abgeschniirt. Letztere verhalt sich genau so, wie Hyrrt es angibt. Der zweite Abschnitt (IZ), véllig rudi- mentir, schmal und intercostal verdickt, erstreckt sich vom 2. postcardialen Segment bis zum 12. oder 13. Die Fortsetzung der Niere von hier an ist der Form nach zwar gleich dem rudi- mentiiren Abschnitt, doch wird sie von nun an allmablich breiter und héher, da sie eben aktiv ist, bis zum unpaaren hintersten Nierenabschnitt, der etwa mit dem 17. Segment beginnt. Der Uebergang ist ein durchaus allmahlicher. Der unpaare Abschnitt wird immer massiger, biegt dann von ventral- nach dorsalwarts und vorn um, verschmialert sich dann rasch und lauft in die beiden Nierengiange, die bisher verdeckt waren, aus. Diese sind ganz kurz und miinden in eine ansehnliche Harnblase (0). Die dorsale Vorwirtsbiegung des Nierenendes erklart sich selbstverstandlich durch die Vorwirtsverschiebung des Afters bei den Gadiden, und hat somit der hinterster Nierenabschnitt mit der sog. Kaudalniere nichts zu tun. In der Lotaniere handelt es sich somit um eine opisthotype, wobei, gern gebe ich Hyrrt recht, infolge der langen einheitlichen Luftblase, nicht nur der urspriing- 770 B. Haller, lich zweite Nierenabschnitt, sondern auch noch ein gutes vorderes Stiick des dritten Abschnittes rudimentir wurde. Eigenartig verhalt sich das Venensystem bei Lota. Die auf- fallend weite rechte Kardinalvene (ve.d) zieht in vollig latero- ventraler Lage vom Nierentreifen bis nach hinten, liegt dann an der Umbiegungsstelle des hinteren Nierenabschnittes eine kurze Strecke diesem an, durchbohrt ihn und gelangt dann wie immer dorsalwarts. Nur hier an besagter Stelle tritt er mit der Niere in Beziehung, sonst ist er von der gesamten Niere getrennt und gibt keine Aeste in dieselbe. Seine Aufgabe tibernahm die rechte Vena \azygos (vzd). Auch die Kérperaorta liegt hier entlang der vorderen Kérperhalfte asymmetrisch, nicht auf den Wirbel- kérpern, sondern rechtslateral von der Wirbelsiule; so zieht sie bis zur K6rperlingsmitte, biegt dann nach links und verlauft nun in der urspriinglichen Lage medianst entlang der Wirbelsdule. Zu Beginn liegt die Vena azygos dextra lateral von der Aorta, zwischen ihr und der Kardinalvene, und erst nachdem erstere in die symmetrische Lage geraten, liegt die rechte Vena azygos median vom Nierenstreifen der Wirbelsiule seitwirts an. Diese Lage halt die linke Vena azygos von Anfang an inne. An der Stelle, an der die beiderseitigen Nieren miteinander verwachsen, vereinigen sich auch die beiden Azygos miteinander, und das un- paare Gefa8 liegt dann medianwarts der Niere unten an, versenkt sich aber bald darauf in das Nierengewebe. Von der rechten Kardinalvene zweigt ein Ast rechterseits ab (v), versorgt den ersten Nierenabschnitt und teilt sich dann in zwei Muskelaste. Links findet sich in sehr stark reduzierter Form diese Vene gleichfalls, und da dort eine Kardinalvene fehlt, so ist sie das letzte Ueberbleibsel einer solchen. Die Niere von Gadus aeglefinus ist holotyp geworden. Die beiderseitigen ersten Abschnitte (Fig. 16 Z) sind plattgedriickt von den beiden ihnen ventralwarts fest anliegenden Hoden bei dem Mannchen, etwas erhabener bei dem Weibchen, haben eine langs- ovale Form und liegen ihrer ganzen medianen Seite entlang fest aneinander. Von einem grofSen Ma.riauischen Kérper ist an diesen grofen Rudimenten nichts zu sehen, nur vorn befindet sich an jedem ein langerer fingerformiger Fortsatz. Der ganze vordere Abschnitt, wie denn auch die aktive Niere besitzt eine sehr derbe, von elastischen Fasern durchwobene silberglinzende Kapsel, welche zwischen den beiden aktiven Nieren sich zu einem langen ven- tralen Bande (s) verdickt. Dieses sehnig scheinende Gebilde geht Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 771 nach ventral auf die beiden fest aneinander liegenden Hoden medianwirts iiber, sich mit der duferen Hodenhiille unter der tiefschwarzen Peritonealdecke verwebend. Am hintersten Abschnitt zwischen den beiden aktiven Nieren fehlt diese Bildung, wodurch diese hier noch einheitlicher erscheinen. Denn die ganze aktive umfangreiche Niere (gelb) erscheint einheitlich, platt und reicht fest bis an die beiden ersten Nierenabschnitte. Somit ist an ihr ein zweiter Abschnitt nicht zu erkennen. Auf beiden Seiten sind an der aktiven Niere intercostal breite fingerférmige Fortsaitze vorhanden, die ziemlich fest an- einander liegen. Sie nehmen am hinteren Abschnitt allmahlich an Michtigkeit ab und sind die letzteren dann ganz unansehniich. Das hintere Ende biegt nicht um wie bei Lota, was eben durch die Holotypie erklirbar ist. Nicht aus dem hintersten Nieren- ende gehen die stets im Nierengewebe verborgenen Nierengange ab, sondern etwas weiter vorne (sug), so daf man nach diesem Verhalten von einer Kaudalniere wohl reden kénnte. Auch scheint duferlich nur ein einziger Gang vorhanden zu sein, der zumeist rechterseits die Niere verlaBt, allein Schnitte ergaben, dal die beiden Ginge nur fest aneinander lagern, allerdings von einer einheitlichen Hiille umgeben. Es biegt dann dieser Strang dorsalwirts nach vorne, um die mit der ventralen Wand mit der Bauchdecke verwachsene Harnblase (2b) zu erreichen. Die beiden Kardinalvenen sind weit und gleich machtig, véllig vom Nieren- gewebe verdeckt. »Die anomalste Form der Harnwerkzeuge“, sagt Hyrtt, yfindet sich bei den Siluroiden. Sie bilden die einzige Familie, bei welcher die Hauptmasse der Niere teils unter, teils hinter der Schwimmblase liegt. Die Nieren zerfallen in einen Kopf- und Bauchteil. Der Kopfteil beider Nieren bildet zwei dicke konkav- konvexe Scheiben, welche das vordere abgerundete Ende der Schwimmblase decken, und sich in der Mittellinie des ersten Wirbels miteinander durch eine bald breitere, bald schmalere zellige Commissur vereinigen. Durch diese Commissur tritt die Arteria coeliaca hindurch.“ Der Bauchteil der Niere hangt mit dem Kopfteil nicht zusammen und beginnt als schmaler Streifen weiter hinten. Wahrend dann die linke Niere etwas stirker wird, ist die rechte wieder unterbrochen. Beide vereinigen sich in einem unpaaren hinteren Abschnitt. Holotyp kénnte die Niere nach Hyrris Beschreibung bei Gymuotus sein. Diese Form ziahle ich zu den Siluroiden, wie denn schon G. Fritscu (2b) die grose T12 B. Haller, Verschiedenheit des ganzen Gehirns, insbesondere aber des Klein- hirns von dem der Aale betonte, wobei letzterer in der Knochen- fischabteilung einzig mit dem der Siluroiden gleichgestaltet ist. Dazu kommt noch das Schiadelskelett. Ich untersuchte von Siluroiden den Zwergwels Amiurus nebulosus und da sich bei ihm beziiglich des Nierenorgans die gréSte Uebereinstimmung mit dem von Silurus durch Hyrtts fest- gestellten Zustinde ergab, unterlief{ ich den hier so schwer zu er- haltenden Silurus zu untersuchen. Es besteht das Nierenorgan bei Amiurus aus zwei voneinander vollig getrennten unpaar gewordenen Abschnitten, dem ersten (Fig. 20 Z) rudimentiren und dem hinteren aktiven, dritten (II) Abschnitt. Ersterer liegt entlang der ganzen hinteren Pericard- wand mit seiner vorderen konvexen Seite jener fest an, und seine hintere konkave Seite paSte sich dem vorderen Schwimmblasen- ende an. Diese letztere griff somit hier schon formend ein, wie denn Hyrrt schon richtig erkannte, daf die sonderbaren Nieren- verhaltnisse der Welse durch die kurze und breite Form der Schwimmblase verursacht wurden. Der hintere aktive Abschnitt der Niere (JIZ) liegt im hinter- sten Abschnitte der Leibeshéhle und hat entsprechend diesem eine konische, sich nach hinten verjiingende Form. Eine miachtige Nierenmasse ist er vorne, entsprechend dem runden Ende der Schwimmblase, der sie hier fest anlagert, konkav. Diese aktive Niere steht bei Amiurus mit dem ersten Nierenabschnitte in gar keinem Zusammenhang, denn entlang der ganzen groSen Leibeshéhlenstrecke zwischen ihnen fehlt jedes Rudiment einer Niere. Nichts hangt der breiten rechten (ve.d) oder ungemein schmalen linken (ve.s) Vena cardi- nalis von ,pseudolymphoidem“ Gewebe an. Diesbeziiglich hat somit Amiurus nebulosus sekundirere Zustinde erreicht als sein europaischer Vetter, bei dem ja nach Hyrtt rechts noch der Rest der Niere zwischen erstem und zweitem Abschnitt voll er- halten ist, wenngleich links schon unterbrochen sein soll. Auch die Venenverhaltnisse sind beim Wels ganz eigenartig. Es ist die rechte Kardinalvene sehr machtig (ve.d), die linke (ve.s) sehr gering, doch bis zum dritten Nierenabschnitt erhalten, in den sie sich verzweigt. Auch die linke sehr diinne Vena azygos, die fest entlang der Wirbelséule nach unten zieht, verhalt sich so. Demgegeniiber fehlt die rechte Vena azygos oder ist vielmehr in der Vena cardinalis dextra durch Verschmelzensein mitenthalten. Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 773 Wahrend diese dann einen Ast an die Vorderseite des dritten Nierenabschnittes abgibt, versenkt sie sich in das Nierengewebe. Nun zieht sie aber nicht dorsal weiter in den Schwanz, sondern es treten ventralwarts als ihre Aeste zwei Venen aus der Niere, die sich nach Aufnahme der sich aus zwei Aesten vereinigten Ge- schlechtsdriisenvene zu einer einheitlichen Kaudalvene (vc) ver- einigen. Diese zieht dann, nachdem sie zwischen den ganz kurzen, in eine sehr kleine Harnblase miindenden Nierengangen durch- gegangen, dorsalwirts. Entfaltet hat sich aber die Siluroidenniere aus der opisthotypen Niere durch vollstandige Riickbildung des zweiten und eines grofen Teiles des dritten Abschnittes, indessen der hintere Abschnitt dieses, der sich so oft unpaar zeigt, in seiner michtigen Entfaltung die Kompensation liefert. Holotyp scheint die Niere der Anguilluliden zu sein, nach Hyrti bei Muraena und Ammodytes. Ich habe Anguilla vulgaris untersucht. Es zieht da ein ganz geringes Rudiment (Fig. 21) ohne jede Verdickung, links zusammenhingend, rechts zumeist unterbrochen von vorne nach hinten. Dieses Rudiment des ersten Abschnittes zeigt somit vorne keine Verdickung, und das Meiste von ihm ist vollig verschwunden. Sein hinteres Ende liegt fest der aktiven Niere an. Auf der rechtsseitigen Halfte ist der obliterierte Nierengang noch zu er- kennen, ohne jedoch Windungen zu zeigen, da er ganz gerade ist. So setzt er sich auch rechts kontinuierlich in den aktiven Teil des Nierenganges fort. Die aktive Niere ist ihrer ganzen Linge nach bis zum ein- heitlichen hinteren Ende schmal und verdickt intercostal. Der Nierengang ist véllig von Nierengewebe verdeckt. Die beider- seitigen schmalen Abschnitte der aktiven Niere berihren sich nirgends, zwischen ihnen liegt die Wirbelsiule und dariiber die Aorta. Erst am kaudalsten Abschnitte beriihren sich die beiden Nieren genauestens dort, wo die rechte Kardinalvene dorsalwirts biegt. Hier verwachsen sie zu einem einheitlichen dicken, vor allem hohen Abschnitte, aus welchem bald die bisher unsichtbar gewesenen Nierenginge an die Harnblase herantreten. Damit hért aber die Niere noch nicht auf, sondern setzt sich, ohne an Dicke einzubiiSen, noch ein Stiick hinter dem After in die Schwanzleibeshohle fort. Eigenartig sind die Venenverhiltnisse. Obgleich die linke Kardinalvene vorhanden ist, ist sie doch sehr gering und hort etwa mit Beginn der aktiven Niere auf. Bis in diese Querebene verlauft 174 B. Haller, die machtige rechte Kardinalvene (vc.d) einheitlich, gibt hier aber dann einen Ast ab, der in gleicher Lage wie auf der rechten Seite, medianwarts von der linken Niere, gelegen nach schwanz- warts zieht. Erst mit der Verschmelzung der beiden Nieren kaudal vereinigt sich der Venenast wieder mit dem Hauptstamm der rechten Kardinalvene. Wahrend ihres Verlaufes bestehen viele Querverbindungen zwischen den beiden GefaSen. Es hat somit bei Anguilla die rechte Kardinalvene sehr friihzeitig die Beherrschung der linken Vene iibernommen, wodurch die linke Kardinalvene sehr zuriicktritt, wie das ja in den meisten Fallen bei Knochen- fischen zu beobachten ist. Die aktive Niere der Cyprinoiden ist eigene Wege ge- wandert, woran bis zu einem gewissen Grade die geteilte Schwimm- blase schuld ist. Die urspriinglichsten diesbeztiglichen Verhaltnisse unter den von mir untersuchten Formen weist Cyprinus auratus auf. Bei ihm ist der erste Nierenabschnitt grof wie etwa bei dem Zander, doch von etwas anderer Form. Er ist (Fig. 8 J) mehr der Lange nach entfaltet, doch immerhin mit einem Quer- stiick, an dessen medianem Rande das Rudiment des groBen Mat- PiGHischen Kérperchens deutlich vorspringt. Trotz seiner Gréfe ist der Abschnitt v6llig rudimentar und besteht aus ,,pseudo- lymphoidem“ Gewebe, Venendsten und dem Rudiment des Nieren- ganges. An seiner ventralen Flache zieht die Kardinalvene, rechts unvergleichlich machtiger als links, entlang dem ganzen zweiten Abschnitte (JZ) nach hinten zum dritten Abschnitt. Auch der zweite Abschnitt ist véllig rudimentar, doch in einer etwas anderen Weise, als bei den bisherigen Formen. Er besteht namlich nur aus intercostalen Querrudimenten, die miteinander gar nicht zusammenhangen. Die Rudimente, rechts 4, links 3, liegen an der lateralen und medianen Seite der Kardinalvenen (Fig. 40 7’), ohne sie dorsal oder ventral zu be- decken. In ihnen finden sich Venenidste, und Lichtungen ohne weiteren Zusammenhang bestehen, obgleich nicht einmal ein Rest vom Nierengange mehr erhalten ist, weshalb diese »pseudolymphoiden“ Knoten untereinander auch nicht zusammen- hangen. Der dritte Nierenabschnitt (Fig. 8 IZ) gliedert sich in einen vorderen oder kopfwartigen (@) und einen hinteren oder kaudalen (6) Teil. Der vordere Teil ist miachtig entfaltet, wahrend der hintere auf einem niedrigen Entfaltungsgrad stehen geblieben ist, denn von einer Reduktion ist keine Rede. Der vordere Abschnitt ist Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 775 breit und kurz; nach hinten beiderseits gleich lang, erstreckt sich die linksseitige Halfte um ein Muskelsegment weiter nach vorne als die rechtsseitige. Die beiderseitigen Teile gehen vorne sowohl wie nach hinten auseinander, doch hangen sie in ihrer Langsmitte durch ein Querstiick miteinander zusammen. Dieses wallartige Quer- stiick, oder, wie ich es nennen mochte, die Nierenbriicke (0), ist oben breit und erhebt sich dann nach ventralwiarts, zwischen den beiden Schwimmblasen-Abschnitten gelegen, spangenartig. Auch die seitlichen Teile zeigen ventral den Eindruck der Schwimm- blase, der sie ja ganz fest aufliegen. Sowohl der kopf- als auch der schwanzwirtige Rand der Briicke geht in schénem Bogen auf die inneren Rainder des auferen Nierenrandes tiber, wodurch so- wohl vorne als hinten die genaue Anpassung an die beiden Schwimmblasenabschnitte sich erkennen lift. Dann wird fast plétz- lich nach hinten der vordere Teil des dritten Nierenabschnittes schmal, und indem er schon nach innen bog, geht er in den hinteren Teil tiber. Wie zwei Schenkel nahern sich dann die beiderseitigen hinteren Teile und legen sich ihrer ganzen Linge nach bis zur Harnblase aneinander. An der hinteren inneren Seite, gerade an der Stelle, an welcher auch die beiden Venenschenkel wieder an die ventrale Nierenoberflache treten, gelangen die Nierenginge aus dem Nierengewebe wieder zum Vorschein. Letztere liegen dann den beiden Venenschenkeln nach auswarts fest an und ziehen in dieser Lage bis zu jener Stelle, an der die beiderseitigen Nieren- halften sich aneinander legen. Hier verlassen sie die Vene und verlaufen an der lateralen Seite der Niere bis zur Harnblase. Die beiden erwahnten Venenschenkel entsprechen nicht etwa den beiden Kardinalvenen, denn die linke schwache Kardinalvene hort schon zu Beginn des dritten Nierenabschnittes auf; sie sind viel- mehr Gabeliste der rechten Kardinalvene, die sich unter der Briicke, tief versenkt in das Nierengewebe, gabelt. _Immerhin steht der linke Ast mit der linken Kardinalvene in Zusammenhang. Die beiden Gabelaste gelangen dann mit der Anniaherung der beiden hinteren Teile des dritten Nierenabschnittes nahe aneinander. Sie bilden zu Beginn drei bis fiinf Querverbindungen untereinander und vereinigen sich endlich zu einer einzigen, median zwischen beiden Nierenorganen gelegenen Vene. Aus diesen Zustiinden des Goldkarpfens entfalteten sich die weitergehenden und somit jiingeren Zustinde bei Cyprinus vulgaris, und die jungen kleinen ‘Tiere dieses Karpfens zeigen auch mehr Anschliisse an den Goldkarpfen als grofe Tiere. Beim 776 B. Haller, geschlechtsreifen Cyprius vulgaris ist der erste Nierenabschnitt (Fig. 9) im Verhaltnis zu den Teilen des zweiten Abschnittes (17) nicht grof, indessen die Kinzelteile des zweiten Nierenabschnittes verhaltnismabig gréBer sind, als jene des Cyprinus auratus. Sie liegen ebenfalls intercostal, doch ist auch bei ihnen kein allmih- licher Zusammenhang gewahrt, vielmehr beschrankt sich dieser nur auf einzelne Stellen. Erster und zweiter Nierenabschnitt sind vollstandig rudimentar, und es fehlt auch hier das Rudiment eines Nierenganges. Um so miachtiger erscheint der dritte und aktive Abschnitt (III). Es hat sich hier der vordere Teil dieses Abschnittes un- gleich machtiger entfaltet, und es zeigt sich an ihm jetzt das Bestreben, die ganze kopfwartige Rumpfhalfte, die ehedem der erste und zweite Nierenabschnitt innehatten, einzunehmen. Ks besteht der machtige vordere Teil des dritten Abschnittes aus je einem kraftigen Lappen an gleicher Stelle wie zuvor beim Goldkarpfen, doch sind diese Lappen (a) jetzt so machtig, daf sie die beiden aneinander- stofenden Enden der Schwimmblase nach ventralwarts zu um- greifen, ohne sich dabei vollstindig aneinander zu schliefen. Auch die Briicke (0) ist entsprechend kraftiger geworden. Beziiglich des oben angedeuteten Prozesses sind die beiden vorderen Lappen des dritten Abschnittes von Bedeutung. Diese senden zwar kleinere Lappen auch medianwarts in intercostaler Lage in die zwei Segmente vor der Nierenbriicke, ihr Hauptteil, links auch hier (/') machtiger als rechts (7), erstreckt sich aber weiter nach kopfwarts. Der linke Lappen reicht bis in den dritten post- pericardialen Zwischenrippenraum hinein, der rechte erreicht nur den vierten. An ihrer ventralen Flache zeigen diese Lappen den silberglanzenden Nierengang (g), bis zu ihren vorderen Enden, fortwihrend Aeste abgebend und sich damit verastelnd. Es ist dieser Gang aber nicht der Hauptgang selbst, sondern blo8 ein sich machtig entfaltender Sammelgang, denn der Hauptgang teilt sich tiber der Nierenbriicke in zwei machtige Aeste, von denen der anderere dem seitlichen machtigen Lappen (a) und der Briicke (b) angehért. Der gréfere Lappen ist schwanz- wirts dem hinteren Teile des dritten Nierenabschnittes gegentiber scharf abgesetzt und nur medianwarts mit ihm zusammenhangend. Gleich wie bei dem Goldkarpfen hat der hintere Teil im Wachstum eingehalten, ist infolgedessen schmal, und die beiderseitigen Teile legen sich bis zu ihrem Ende an der Harnblase fest aneinander. Pa Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 777 Die rechte Kardinalvene ist auch hier unendlich michtiger als die linke, die sich im vorderen linken Lappen des dritten Abschnittes schon verzweigt (/'). Die rechte Kardinalvene gibt bald nachdem sie den vorderen Lappen (/) erreicht hat, einen Ast ab, der sich aber nach unten und links wendet und, die linke Niere vor der Nierenbriicke erreichend, sich dort in zwei Aeste gabelt. Beide diese versenken sich in die linke Niere, wahrend jedoch der vordere sich nach dem vorderen Lappen (/') wendet, _ zieht der andere im hinteren Lappen nach hinten und geht dann hinter der Nierenbriicke eine Verbindung mit der inzwischen iiber der Briicke zum Vorschein gekommenen rechten Kardinalvene ein. Das so einheitlich gewordene Gefaf zieht median zwischen den beiden hinteren fest beisammenliegenden Nierenteilen nach kaudalwarts. Somit ist das Venenverhalten auch hier so wie bei C. auratus, mit dem Unterschiede, dafi der Venenast der rechten Kardinalvene fiir die linke Niere schon auferhalb der Niere abgeht. Es hat sich also bei der Gattung Cyprinus ein Proze8 eingestellt, der infolge der Pflanzen- nahrung — denn bei allen ausgesprochenen Raub- fischen ist die aktive Niere geringer — gefor- derten gréB8eren Nierenleistung eingeleitet wurde. Eine Wiederherstellung riickgebildeter Teile, des zweiten Nierenabschnittes, wie bei Gasterosteus, war dabei infolge der grogen Riickbildung — wobei das betreffende Nierengangstiick schon ver- schwand, indessen bei Gasterosteus sich noch erhielt — nicht mehr méglich, und die aktive Niere mute das Geforderte liefern. Wahrend der hintere Teil des dritten Abschnittes vielleicht infolge gréferen Druckes von dem hinteren Teil der Schwimmblase dies nicht ver- mochte, erfolgte dies an jenem Orte zuerst, wo der gréBte freie Raum dafiir geboten ward. Dies ist die Stelle, wo die zwei Enden der Schwimmblasenabschnitte sich treffen, und wo zwischen ihnen und an den Seiten Raum genug iibrig bleibt fiir die folgerichtige Entfaltung der hinteren Lappen und der sie verbindenden Nieren- briicke. Dieses Stadium wurde erreicht durch Cyprinus auratus und weitergefiihrt durch C. vulgaris, indem bei ihm die vorderen Nierenlappen kopfwiarts wachsend, auch die Rudimente des zweiten Abschnittes, wenigstens die hintersten, zu verdrangen beginnen und ihren Platz zu erwerben bestrebt sind. bd. XLIU. N. F. XXXVI. 51 778 B. Haller, Kin viel weiter vorgeschrittener diesbeztiglicher Schritt zeigt. sich dann bei Tinca. Was vor allem den ersten Nierenabschnitt betrifft, so kenne ich diesen von kleinen, 3 dm langen Tieren her und von einer Zeit also, in der bereits der ganze Abschnitt rudimentir ist, doch zu dieser Zeit noch die urspriingliche, an die der Forelle erinnernde Form bewahrt (Textfig. 6), wie dies Hyrri auch richtig angibt. Auch die zwar rudimentéren, doch der Form nach -gut erhaltenen, grofen MAupiauischen Kérperchen sind ventralwarts deutlich zu sehen (NR); sie sind langge- stielt und liegen auferhalb des Nierenabschnittes. Dieser be- steht aus je einem Querstiick, wobei die beiderseitigen sich nicht nur beriihren, sondern zu dieser Zeit sogar miteinander verwachsen sind. Da nun spiater bei dem geschlechtsreifen Tiere diese Rudimente auseinander- riicken, gleich wie bei der Gat- tung Cyprinus, dann bei Esox und Lucioperca, so nehme ich an, da8 die bei Salmo zeitlebens er- haltene feste Aneinanderfiigung des ersten Nierenabschnittes. Fig. 6. Tinca fluviatilis. Erster dag primaire Verhalten sei. (7) und der aktive Nierenabschnitt (n) N died 3 li eines jungen 3 cm langen Tieres von ur die Arteria coellaca der ventralen Seite (nach horizontalen trennt etwas noch die beiden und quergefiihrten Schnittserien rekon- : struiert). Vk rudimentiires groBes Mat- ¢rsten Abschnitte, von welchem piGHisches Kérperchen; mo rudimen- GefaiS je ein nun obliterierter Bee LSE Die “Ast an das grofe MALpiauische Kérperchen tritt. Die Kardinal- venen, von denen die rechte viel méachtiger als die andere ist, durchbohren das Rudiment und biegen dann nach einwarts an die innere Seite der hier aktiven Niere (n). Da, wo die Rudimente an die aktive Niere stoBen, geschieht dies durch einen kurzen Fortsatz ihrerseits, der sich dann der aktiven lateralen Nieren- seite fest anschmiegt und auf Schnitten noch in dieser Lage eine Strecke verfolgt werden kann. Dieser Fortsatz bildet den einzigen Rest vom zweiten Nierenabschnitt. An der Stelle, wo die Kardinalvenen auf der ventralen Seite des ersten Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 779 Abschnittes nach innen biegen, gibt jedes Gefaif einen lateralen Ast ab. Links gelangt dieses zu einer Gruppe von blinden und soliden Zellstrangen, die vollig verschieden im Gewebe von dem _,,pseudo- lymphoiden“ Gewebe sind, auch auSerhalb von der Niere sich befinden, doch diesem fest anliegen (mo'). Rechts liegt dieses Gebilde (mo) von innen dem Rudiment der Niere an, nicht von unten wie driiben. Von ihm aus zieht jederseits die Genitalfalte, die wei- ter schwanzwirts besser entfaltet ist, nach hinten (gf). Auf dem Quer- schnitt sieht man (Text- fig. 7) dieses Gebilde aus soliden Zellenschlauchen bestehen (mo), zwischen denen Veneniste liegen. Das ganze Gebilde _ wird durch Bindegewebe zusammengehalten, wel- ches auch mit dem Ru- diment des ersten Nie- renabschnittes (J) jenes innig verbindet. Nach dem Célom (cé) zu wird dies Gebilde durch das Célomepithel tiberdeckt, das sich medial davon zur Hodenanlage ein- : Fig. 7. Dieselbe Tinca fluviatilis. faltet (ta). In diesem Querschnitt durch die rechte Halfte des ersten ganzen Gebilde_ Nierenabschnittes (% 1’) mit dem Darm (d). . : ve.d Vena cardinalis dextra; cé Célom; mo ru- kan a ich nu e C10 dimentires Mesorchium ; ta ’Hodenanlage. Rudiment eines Mesorchiums erblicken, wobei es mich freilich sonderbar beriihrt, daB es sich gerade bei einem Cyprinoiden findet. Die Zustande an dem ersten Nierenabschnitt erinnern somit bei der ganz jungen Schleie an jene von Salmo und Perca. Dies indert sich dann, denn bei dem geschlechtsreifen Tiere (Fig. 10) ist das Rudiment des ersten Nierenabschnittes ungemein zusammen- geschrumpft (J) und besitzt nicht einmal die friihere Form. Auch 51 * 780 BeHaller, liegen die beiderseitigen Teile aneinander, zwischen sich die Aorta fassend. Nach hinten durch eine deutliche Querfurche von der aktiven Niere abgegrenzt, reicht diese direkt bis hierher. Es handelt sich in ihrum den kopfwarts gewachsenen Lappen des dritten Abschnittes bei Cyprinus, und es beginnt dieser Abschnitt somit gleich vorn, den ganzen Rumpf jetzt beherrschend. Zuerst jederseits schmal, wird er etwas weiter hinten fast ganz plétzlich dicker, wozu je ein lateraler, runder Lappen beitragt. Allmahlich wird er noch héher und breiter, wobei die beiderseitigen Nierenorgane weit auseinander- liegen. Mit dem Erreichen der gréSten Breite und Héhe zwischen den beiden Schwimmblasenabschnitten legen sich die beiden Nieren fest aneinander und bilden die Nierenbriicke. Hinter dieser, schon von Hyrti gekannten Briicke erhalt sich die friihere Machtigkeit der Niere nur noch auf eine kurze Strecke und geht dann ganz plétzlich in den schmalen schwanzwartigen Abschnitt tiber. Damit sind die beiden Nieren auseinandergewichen und legen sich erst mit Beginn des letzten Drittels wieder fest aneinander, dort, wo die Vene dorsalwarts biegt. An diesem letzten einheitlichen Abschnitte (@), der ganz aktiv ist, doch den After nicht er- reicht, besitzt die Niere glatte Umrandung und ist kraftig entfaltet, wihrend sie an den beiden auseinanderliegenden Teilen viel weniger machtig, doch gut erhalten ist und in den Zwischen- rippenraumen seitliche Vorspriinge schickt, wodurch sie eben seg- mental gegliedert erscheint. Die Nierengiinge gelangen ventralwarts erst am hinteren Ende des vorderen Teiles vom dritten Nieren- abschnitte an die Oberfliche und verlaufen, im Gegensatz zu allen von mir untersuchten Cyprinoiden, entlang der Mitte der Niere zur Harnblase. Die viel schwachere linke Kardinalvene versenkt sich an dem erwihnten runden Lobus in die Niere, indessen die rechte vor der Nierenbriicke sich in das Nierengewebe einbohrt. Hinter der Briicke kommt das Blutgefaf dann wieder zum Vorschein ventral- wirts, teilt sich dann in zwei Aeste, wovon der vordere, sich nach vorn wendend, sich interrenal mit dem Ende der linken Kardinal- vene trifft. Richtiger aufgefaft ist es wohl, in Anbetracht der Verhaltnisse bei den anderen noch zu beschreibenden Cyprinoiden, da8 die rechte Kardinalvene hier zum Vorschein kommt und sich durch eine Querverbindung mit der anderen Kardinalvene in Zu- sammenhang setzt. Dann ziehen die beiden Kardinalvenen am inneren Rande der beiden Nieren nach schwanzwarts zu und ver- Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 781 binden sich so lange untereinander, bis sie sich zu einer mittel- stindigen breiten Vene vereinigen. Diese wendet sich zum Schlu8 dorsalwirts. Fiir eine weitere Stufe in der phyletischen Entfaltung der Cyprinoidenniere gilt sicherlich Barbus. Bei diesem ist der erste Nierenabschnitt (Fig. 11 Z) gleich wie bei der vorigen Form klein, zeigt noch das Rudiment des grofen Maupiauischen Korper- chens duBerlich, liegt aber dann der aktiven Niere blo’ an und wird nur durch die Kardinalvenen daran befestigt, denn jedes noch so geringe Rudiment des zweiten Nieren- abschnittes ist hier wie bei der nachsten Gattung, Leuciscus namlich, véllig verschwunden. Es liegen die beiderseitigen Rudimente weit auseinander, worauf dann der aktive, urspriinglich dritte Nierenabschnitt folgt. Die aktive Niere ist gleich von Anfang an ansehnlich, wird aber bald héher und breiter, so, daf die beiderseitigen Nieren einander dann beriihren (IIT). So ziehen sie weiter bis zu der Stelle an der Grenze zwischen den beiden Schwimmblasenabteilungen, weichen dann etwas aus- einander, um sofort sich wieder bis zu ihrem Schwanzende zu be- riihren. An genannter Stelle liegt bei manchen Exemplaren die Nierenbriicke, bei anderen aber blo8 ein nach rechts gerichteter Vorsprung der inneren Seite der linken Niere, wie in dem abge- bildeten Falle, die linke Halfte der Briicke darstellend. Von phyletischer Bedeutung ware dann dieser Zustand kaum. Die beiden Kardinalvenen, die gleich breit sind und oberflaichlich bis hierher ziehen, geben an dieser Stelle unter sich eine Quer- yerbindung ab und ziehen dann, ohne solche Verbindungen weiter aufzuweisen, bis etwa in den Beginn des letzten Viertels der aktiven Niere, wo sie sich dann dorsalwarts wenden. An der Stelle, wo die beiden Nierengiinge an die ventrale Oberfliche geraten, und diese liegt noch eine gute Strecke von der Briicke entfernt, engt sich der kopfwartige Abschnitt der Niere allmahlich in den schwanzwartigen ein. Da zwischen beiden nicht mehr der grofe Volumunterschied besteht wie bisher unter den aufgefiihrten Cyprinoiden, so erklairt sich dieser Uebergang yon selbst. Die auBeren Verhaltnisse des Nierenorganes der Gattung Leuciscus entsprechen ziemlich jenen von Barbus und sind phyletisch von gleicher Bedeutung. Dabei sind die Zustande der verschiedenen Arten (L. argenteus, erythrophthalmus, rutilus, al- burnus, dobula) einander so gleich, daf ich mich hier mit der 182 B. Haller, Besprechung jener von L.argenteus begniigen will. Gleich wie bei Barbus ist der erste Nierenabschnitt reduziert (Fig. 12 I), und es fehlt jeder Rest eines zweiten Abschnittes. Es legt sich die aktive Niere oder der dritte Abschnitt gleich breit an das Rudi- ment an und zieht, ohne daf die beiden Nieren sich berihrten, bis zu der gut entfalteten Briicke. Hinter der Briicke weichen die beiden Nieren wieder auseinander, und bald darauf gelangt jederseits der Nierengang an die ventrale Oberfliche, womit der vordere Teil der aktiven Niere (@) in den schwanzwartigen (8) tibergeht. Dies geschieht aber noch viel allmahlicher als bei Barbus, da die beiden Teile keinen solchen Unter- schied in der Breite mehr aufweisen. Es berihren sich die beiden hinteren Abschnitte aber weiter hinten, erst in der Liangshalfte des hinteren Teiles einander, knapp hinter der Stelle, an der die hintere Querverbindung zwischen den beiden hier gleich weiten Kardinalvenen sich befindet. Eine erste — manchmal kommt noch eine dritte vor — solche Verbindung besteht bald hinter der Briicke; von da an nach schwanzwarts sind die Venen gleich stark. Vorne war die rechte, schon in das Nierengewebe sich versenkende Vene michtiger als die linke. Es hat also, und hierauf méchte ich einiges Ge- wicht legen, der mit Cyprinus erreichte gro8e Unterschied zwischen der Miachtigkeit des kopf- wartigen und schwanzwartigen Teiles der aktiven Niere (oder des dritten Nierenabschnittes) mit der Entfaltung des ersteren bis zum ersten Nierenabschnitt schon mit Tincabeginnend und bei Barbus sich fortsetzend, bei Leuciscus sich ziemlich ausgeglichen. Auch bei einem anderen Vertreter der Cyprinoiden, bei Gobio fluviatilis zeigt sich die eigenartige cyprinoide oder prosotype Umformung, und zwar in einem etwa Tinca ent- sprechenden Grade, doch weist der erste, zwar rudimentare Nieren- abschnitt ein eigenartiges Verhalten auf. Die beiderseitigen Ab- schnitte sitzen als zapfenformige Verlangerungen — manchmal der linke etwas linger als der rechte — der aktiven Niere an (Fig. 13 J). An der inneren Seite der beiden, voneinander ent- fernt liegenden ersten Abschnitte laft sich noch das Rudiment des grofen Mauprauischen Nierenkérperchens (Textfig. 8 NVR) er- kennen. An dieser Stelle beginnt dann der sich vielfach schlan- gelnde und in dem ersten Nierenabschnitt blind endigende Nieren- gang (sug'), der noch eine verengte Lichtung und somit gut 183 Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. angeordneten Epithelbelag hier aufweist, Nierenkérperchen vollig rudimentar ist. Der aktive, dritte Nierenabschnitt (Fig. 13 JZZ) schlieft sich direkt dem ersten Abschnitt an, ohne daf ein Rudiment eines zweiten Nierenabschnittes nachweisbar ware. Es beginnt der Nieren- gang wie iiberall bei den untersuchten Cyprinoiden mit der Ver- einigung einer Zahl von Sammelgingen. Der vordere Abschnitt der aktiven Niere gliedert sich in den kopfwirtigen, machtigen, aber kurzen und den hinteren langeren Teil. Der vordere Teil («), an dessen rechts- seitiger Halfte ich zweimal in 6 Fallen den Nierengang oberflachlich gelegen fand, wird nach hinten immer ansehn- licher, die beiden Nieren liegen aus- einander. Es endigt dieser Abschnitt nicht gleich mit der dicken, entweder von rechts nach links oder von links nach rechts schiefgestellten Briicke, sondern vorher sich verschmiilernd etwas hinter der Briicke. In diesem letzten Teil liegen die Nierenginge schon oberflichlich und ziehen auch so weiter in den hinteren Teil des obgleich das grofe We. bo dritten Abschnittes. Dieser (@) er- scheint gemindert, und zwar mehr auf der rechten als der linken Seite. Rechts sieht man kleine, ungleich grofe, von- einander getrennte, nicht ganz seg- mental angeordnete Lappen von innen in den Nierengang miinden, indessen links die Lippchen, obgleich von innen Fig. 8. Gobio fluvia- tilis. Der erste linke Nieren- abschnitt von der ventralen Seite. VK Rudiment des groBen MAwpicHischen K6rperchens; sug’ das nach vorne und hinten geschlossene, aber noch hohle vordere Ende des Nierenganges ; nm aktive Niere; vc.s Vena car- dinalis sinistra; vz.s Vena azy- : “gos sinistra; v Venenast. vyoneinander abgegrenzt, fest bei- sammen liegen. Es kénnen sich infolge der Verminderung die beiden Nieren hier medianwirts nicht beriihren, dies erfolgt erst am End- stiick, etwas von der Harnblase, doch ist die Niere auch hier gering. Die rechte Kardinalvene ist viel méachtiger als die linke. Hinter der Briicke erfolgt die erste Querverbindung zwischen den zwei hier gleich weiten Venen, eine oder zwei andere folgen darauf, bis dann schlieflich die beiden Venen, sich miteinander vereinigend, am Endstiick der Niere dorsalwirts biegen. 184 B. Haller, Aus dem Verhalten der beginnenden Zusténde bei den Cyprinoiden, dann noch mehr aus jenem von Gobio erklart sich konvergenterweise das Verhalten bei Plectognathen. Fiir Diodon und Tetrodon, aber auch fiir Pediculaten hat schon Hyrti an- gegeben, dafi diese blof eine ,,.Kopfniere“ besifen. Spater ist die gleichlautende Angabe Hyrtzs fiir einen Gadiden, naimlich Mer- luccius, durch Emery (4) bestatigt worden. Bei einem Tetrodon cutaneus, der sich jedoch fiir die mikroskopische Untersuchung nicht mehr eignete, habe ich diese Angaben in gewissem Sinne richtig gefunden. Es ist bei ihm die ganze aktive Niere (Fig. 18) auf den postcardialen Koérperabschnitt zusammengezogen; von da an zieht der Nieren- gang (sug) ohne jeden Nierenanhang glatt bis zur grofen Harn- blase (hb). Allein die Auffassung, daf sich in dieser aktiven Niere der erste Nierenabschnitt, die sog. Vor- und Kopfniere, erhalten hatte, ist unrichtig. Diese findet sich vielmehr ais ge- ringes Rudiment (J) am vorderen schmalen Ende der aktiven Niere, wahrend diese ventralwarts einen machtigen ver- astelten Sammelgang zeigt, der dann weiter nach vorne sich in das Nierengewebe versenkt, um dann medianwiarts neben der jederseitigen Kardinalvene als Nierengang zum Vorschein zu kommen. Schon darum kann es sich nicht um den ersten Nieren- abschnitt handeln, denn dieser besitzt nie einen verzweigten Gang. Vielmehr ist diese Nierenform aufzufassen als eine, die sich konvergenterweise aus einer gobioartigen Niere weiterent- wickelte, wobei der ganze Endabschnitt der Niere eingebiift wurde. C. Allgemeine Betrachtungen. Bevor ich die Teleostierniere auf ihre Phylogenie hin be- sprechen méchte, halte es fiir erforderlich, die Nierenform der Gobiesociden nach den Erérterungen Gurrets in Kiirze zu wiederholen. Nach ihm erhalt sich bei Gobiesociden, wie schon Emery fiir andere Teleostier, wie Fierasfer und Zoarces, feststellte, der vorderste Abschnitt des Nierenorganes, die ,, Vorniere“ oder unser erster Abschnitt auch bei dem geschlechtsreifen Tier funktionsfaihig. Er besteht aus einem grof8en, frei nach innen liegenden MALPIGHischen Kérperchen, das durch einen Stiel mit dem iibrigen, in dem 2.—4. postcardialen Segment gelegenen Teil der ,Vorniere“ verbunden Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 785 ist. Dieser letztere ist im allgemeinen von langer und schmaler Form bei Lepadogaster Gouanii, microcephalus und bimaculatus, © hammerférmig quergedehnt — wie ich hinzufiigen méchte, gleich jener der Forelle oder, wegen des jedesmaligen grofen Abstandes zwischen den beiderseitigen, mehr der von Lucioperca — bei Lepadogaster Candollii. Der Stiel des grofen Maxpiquischen K6rperchens ist der Beginn des ,,Urnierenganges“ und beschreibt oft schon bis zum ersten Nierenabschnitt mehrere Windungen, dort aber angelangt, biegt er in einen absteigenden, vielfach sich schlingelnden Schenkel, der, ungeachtet dessen, ob er weit aus dem Bereiche des ersten Abschnittes medianwiirts, entlang dem zweiten Abschnittes hinzieht (L. Gouanii) oder im Bereich des ersten Abschnittes verbleibt, zahlreiche Windungen beschreibt, um dann in den aufsteigenden Schenkel umzubiegen. Dieser, gerade verlaufend, geht am kopfwartigen Ende des ersten Abschnittes in den Nierengang iiber. Es besitzt der grofe Nierengang bis zur Endmiindung baum- formig verzweigte Ausbuchtungen, die, wie ich hinzufiigen méchte, bei der grofen Titigkeit des Ganges anderer Knochenfische aus dem Prinzip der Flachenvergréferung sich erkliren lassen. Diese Ausbuchtungen sind mit den Nierenkanalchen nicht zu verwechseln. Zwischen dem ersten Abschnitt und der tibrigen, in Lappen sich gliedernden Niere befindet sich bei den verschiedenen Arten, wie die photographisch gewonnenen Abbildungen Gurrets schon deutlich zeigen, ein verschieden langes Zwischenstiick, auf das zwar GUITEL kein gréferes Gewicht legt, welches ich aber als den zweiten Nierenabschnitt deute. In diesem Stiick beschreibt der Autor keine Harnkanalchen, und _folglich waren auch keine Matpiauischen Kérperchen hier vorhanden. Hierauf folgt die metamer gegliederte ,,Urniere“‘, deren Metamerie von vorne nach hinten an Deutlichkeit einbiiSt und bei manchen Formen, wie bei L. bimaculatus, durch Massenzunahme _vollig schwindet, doch sind diesbeziiglich grofe Schwankungen von der segmentalen und schmalen Form mit Uebergiangen auch bei dieser Art vorhanden. In den Segmenten der Urniere finden sich nur wenige Harnkanalchen — an ihrem Ende gegabelte erwahnt GurreL nicht — die, sich zuvor verschmalernd, mit Mavpricuischen Kérperchen enden; solche kénnen aber auch an manchen fehlen und sollen bei L. Gouanii und microcephalus iiberhaupt an allen Harnkanal- chen fehlen (?). Emery unterschied an der Niere von Fierasfer deutlich unsere 786 B. Haller, drei Abschnitte, den ersten, seinen kopfwirtigen, den zweiten, seinen dorsalen, und den dritten, seinen unpaaren, hinteren und er war ja auch der erste, der das Intatigkeitbleiben des ersten, der ,,Vor- niere‘, bei manchen Formen, namlich Fierasfer und Zoarces fest- stellte. Es aft sich aber immerhin aus Emerys Angaben nicht gut ersehen, wie weit der zweite Abschnitt zur Geltung kommt. Ankniipfend an diese Beobachtungen mit Hinzuziehung des Be- fundes bei Anderen laft sich hier somit ein bestimmter Nierentypus am geschlechtsreifen Tiere feststellen. Das Stadium vor uns lief sich als das holotypische bezeichnen. Damit soll selbstver- stindlich nicht gesagt werden, dai wir es mit einem abge- schlossenem oder nicht anschlieSendem Vorgange zu tun haben. Im Gegenteil. Es zeichnet sich aber diese Entwickelungsrichtung der Teleostierniere, die méglicherweise auch andere zur Zeit unseres jetzigen Wissens noch unbekannte Abzweigungen besitzt, durch gewisse eigenartige Wege aus. Es sind diese gekennzeichnet durch das Erhaltensein des ersten Nierenabschnittes und durch das eigen- artige Vorriicken der aktiven Niere. Ein zweiter Nierenabschnitt, als mehr oder weniger rudimentiire Strecke, ist schon aus dem Larvennierenorgan des Fischchens vorauszusetzen; darauf weisen doch die Zustande bei den geschlechtsreifen Gobiesociden hin. Das mehr oder weniger segmental angeordnete Nierengewebe in dem dritten Abschnitt zeigt zwar keine ausgesprochene Tendenz zu einer massenhaften Entfaltung, doch ist das Bestreben nach aktivem Nieren- gewebe vorhanden, was dadurch erreicht wird, daf im zweiten Abschnitt neues aktives Gewebe auftritt und dieser Abschnitt als rudimentiares Stiick damit verschwin- det. Es ist dies dann die Wiederkehr auf primaire Zustande. Da8 aber das aktive Gewebe an Ort und Stelle sich entfaltete, dies geht daraus hervor, daf der Nierengang nicht etwa wie bei dem Vorwachsen des hinteren Nierenabschnittes der Cyprinoiden durch einen neuen Zweiggang ersetzt wird. Erhalt sich doch dann auch manchmal noch der erste Abschnitt zeitlebens in voller Tatig- keit. Es zeichnet sich dann das ganze Nierenorgan durch eine gewisse Gleichmafigkeit anderen Teleostiernieren gegentiber aus, weshalb vielleicht fiir diesen Zustand die Bezeichnung holotyp geeignet ware. Bei noch gréf%eren funktionellen Anforderungen an die Niere aber erfolet eine massigere Entfaltung zwar entlang der ganzen aktiven Niere, aber am meisten an deren hinterem Abschnitt, und dies scheint den ersten Abschnitt tiberfliissig Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 787 zu machen, weshalb dieser zwar, was das grofe Maurpriauische Koérperchen betrifft, rudimentar wird, doch das vordere Ende des Nierenganges aktiv und in vollem Zusammenhange mit dem anderen Teil des Ganges sich erhalt. Diese verdinderte Holotypie zeigt sich bei Gasterosteus. Aus der gemeinsamen Larvenniere, wie wir sie bei Salmo yon Ganoiden-Ahnen ererbt erhalten finden, und die eine all- -gemeine Bedeutung fiir die Teleostier hat, kénnen sich aber auch ‘andere Zustinde entfalten. Und dies ist wohl ein Zustand, der der Holotopie vorausging, denn er ist eigentlich in der Larvenniere selbst gegeben und besteht in der Uebernahme der Funktion durch den dritten Abschnitt, wozu sich dann nachher das Rudimentérwerden des ersten Abschnittes gesellt, der aber als Erinnerung daran, dai er noch vor nicht so langer Zeit bestand, auch im rudimentaren Zustande sich massig erhalt. Mit ihm degeneriert auch der gweite Abschnitt vollstindig, wie wir diese opisthotypen Ent- wickelungsformen bei den Salmoniden, bei Lucioperca und Esox antrafen. Dabei sahen wir gerade hier, da die einzelnen Typen in derselben Abteilung bestehen kénnen, woftir Lucioperca und Perca ein Beispiel abgeben, allerdings nicht vergessend, daf die Opistho- typie bei den Knochenfischen das Urspriingliche war und sich auch in der Larvenniere zeigt. Von der Opisthotypie leiten sich aber auch die eigenartigen Zustinde der Cyprinoiden ab, denn, abgesehen von der schon weit vorgeschrittenen Vermehrung des Nierengewebes an der Briicke, steht das Nierenorgan von Cyprinus auratus noch nahe genug der Opisthotypie. Hier nun entfaltet sich der zweite Nierenabschnitt nicht wieder aus sich heraus, sondern wird, bei héherer, wohl durch die Art der Nahrung gestellter Forderung an das Nieren- organ, durch je einen sekundar entfalteten Lappen des zweiten Abschnittes iiberwuchert, wobei dieser Proze8 bei Cyprinus carpio noch im Gange ist, bei anderen Vertretern aber langst tiberstanden wurde und nur dadurch, daf der hintere Nierenabschnitt bis zum Rudimente des ersten Abschnittes gelangt, als abgeschlossen zu betrachten ist. Nach Abschlu8 aber stellt sich dann eine gewisse Gleichmafigkeit in der ganzen aktiven Niere ein, es wird ein holo- typer Zustand in anderer Weise wie in den obigen Fallen erreicht. Da in diesem Zustand der erste Beginn der massigen Nieren- 788 B. Haller, entfaltung von dem vorderen Teil des dritten Abschnittes ausgeht, so lie&e sich dieser Zustand als der prototype bezeichnen. Nicht nur den Teleostiern, sondern auch ihren Ahnen, den Ganoiden, von denen sie es ja ererbt haben, ist die Larven- niere, bestehend aus dem ersten, zweiten und einem dritten Abschnitt, eigen. AuSerdem findet sie sich auch bei den Cyclo- stomen unter den Ichthyden, nicht aber bei den Selachiern. Der gemeinsame Zustand war aber ein solcher, wie ihn die Selachier noch ontogenetisch aufweisen. Was speziell das Verhalten des kopfwartigen Endes des Nierenorganes jiingerer Selachier (denn tiber das Nierenorgan der Notidaniden liegen keine Beobachtungen vor) betrifft, so gelaugt eine bei verschiedenen Formen verschieden grofe Zahl von Nieren- segmenten, 3—10, nie zur vollen Entfaltung, sondern blof zur Anlage. Diese werden als die ,,Vorniere“ bezeichnet. Zu einer Vorniere im Sinne des ersten Abschnittes des Ganoiden-Teleostier- Nierenorganes kommt es aber nie, sondern diese ganze ,, Vorniere“ bleibt rudimentir, indem sie noch waihrend der Ausbildung Riick- bildungserscheinungen aufweist. Daf aber aus solch einer, dem Verfalle langst schon unter den Selachiern preisgegebenen Anlage bei ungemein weit sich abgezweigten Abkémmlingen der Selachier wieder ein, wenn auch larval funktionierendes Organ, wie die sog. Vorniere der Ganoiden wurde, erscheint direkt ausgeschlossen und das gleiche gilt auch noch mehr fiir die Amphibien. Auferdem aber ist die ,Selachiervorniere“ auch innerhalb der Abteilung nichts Gleichmafiges, dies geht aus der verschiedenen, in sie aufgehenden Segmentzahl bei den verschiedenen Formen hervor, sondern sie ist das vorderste, rudimentar gewordene Ende des Nierenorganes, dem sichimmerfort andere, hintere, rudimentir werdende Nierensegmente anschliefen. Daraus folgt aber zweierlei: erstens, da8 die ,,Vorniere“ der Selachier sich immerfort von der Urniere aus erginzt und folg- lich dieser gegeniiber nichts Besonderes darstellt, sondern blof ihr vorderstes Ende ist, zweitens aber, daf es ein kopfwartigeres Stiick als die ,Ganoidenvorniere“ ist. Die ,Selachiervorniere“ ver- erbt sich nicht mehr auf die Ganoiden, sondern diese entfaltet sich aus einer weiter nach hinten gelegenen Zahl von ,,Urnieren- segmenten“, wihrend die ,Selachiervorniere“ mit Ausnahme der Tube nur noch als erster grofer Suprarenalkérper erhalten bleibt, worauf ich schon friiher hingewiesen habe (10). Der Prozef der weiteren Vorwirtswanderung von ganzen Korper- Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 789 segmenten, der ja diese Anschoppung und die damit verbundene Riickbildung von Nierensegmenten bei den Selachiern hervorrief, ist mit diesen aber noch nicht abgeschlossen. Denn abgesehen davon, daf8 — wie schon weiter oben darauf hingewiesen ward — die ,, Vorniere“ von Acipenser aus 5—6, indessen bei Lepidosteus aus 5, bei Amia, gleich wie bei Salmo, aber aus 4 Segmenten hervorgeht, wurde in vorliegender Arbeit auch das Einriicken weiterer hinterer Nierensegmente in den ersten Nierenabschnitt nachgewiesen. Es gehen nach Brarp vor dem Vornierenwulst Abschnitte bei Lepidosteus noch vor der Entfaltung der ,,Vor- niere“ zu Grunde, die wohl die Reduktion von 6 Segmenten bei Acipenser auf 5 bei Lepidosteus erklaren, nicht minder die weitere Reduktion bei Amia und Salmo. Es bestand bei dem Salmo- embryo der erste Nierenabschnitt aus 4 Querkanailchen, vom grofen Nierenkérperchen abgesehen, wozu bei der Larve noch 4 hintere hinzukommen. Der Prozef der Vorwartsverschiebung be- steht somit weiter. Daraus geht aber auch hervor, da’ die RoSENBERGSChe Bezeichnung ,Vorniere“ keine bestimmte ist, denn sie bezeichnet verschiedene metamere Teile des Nierenorganes als gleichwertig. Es lat sich blo8 sagen, daf in dem embryonalen und spater in dem larvalen Leben in beiden aus derselben Ursache ein héheres Erfordernis an das Nierenorgan gestellt wird, was die héhere Entfaltung des vorderen Nierenabschnittes bedingt. Dies wohl darum, weil der hintere Nierenabschnitt, fiir héhere Entfaltung im spateren Leben be- rufen, fiir die Bildung nur zeitlicher Kinrichtungen den geeigneten Boden nicht abgeben kann. Durch das Larvenleben bedingt, kommt jene Entfaltung aber nur dort zur Geltung, wo jenes Leben besteht, also bei Ganoiden, Teleostiern, Cyclostomen und Amphi- bien, nicht aber bei Selachiern, wo durch den Dotterreichtum ein Larvalleben iiberfliissig wird. Es ist dies eine Auffassung, die bekanntlich zuerst 1881 durch Sepa@wick (21) ausgesprochen und spaiter durch F1ALpD weitere Begriindung erfuhr (2). Auch betonten beide die EKinheitlichkeit der ganzen Nierenorgane. Ueberall besteht die larvale Niere in der Entfaltung des ersten und dritten Nierenabschnittes bei gleichzeitiger Ver- kiimmerung des zweiten. Dieser auf phyletische Zustinde gegriindeten Auf- fassung gegeniiber wird die Ricxertsche, die in der ,, Vorniere“ ein von der ,Urniere* morphologisch verschiedenes Organ sieht, 790 B. Haller, weil erstere eben durch eine Ausstiilpung eines Somiten entsteht, die , Urniere“ aber durch eine Umwandlung eines dem Somiten be- nachbarten Abschnittes in die Anlage eines Urnierenkanalchens, aber keinen Fortschritt bedeuten und eben wegen der rein onto- genetischen Begriindung. Oder soll vielleicht der Umstand, dag die , Urniere“ spater entsteht, einen triftigen Grund fiir die Trennung beider Nierenteile bedeuten? Jene spatere Entfaltung wird ja er- klarlich in Anbetracht der von Anfang an bestehenden Friiher- entwickelung kopfwirtiger Somite beim Embryo und eben durch die larvalen Bediirfnisse bei vielen Formen. Damit kommen wir aber zu einem anderen Einwand Rickerts (19). Es betrifft dieser nimlich die Tatsache, dafi in spaiteren Stadien in der , Vornieren- gegend“ Rudimente von ,Vornierenkanalchen“ sich zeigen. Be- weist dies aber etwas anderes, als dal hintere Segmente weiter kopfwarts sich verschieben? AuSerdem ist der Nierengang immer einheitlich ! Etwas entschieden Bestechliches hat die Auffassung WIEDERS- HEIMS (26) fiir die Trennung der ,,Vorniere“ von der ,,Urniere“ in der Annahme, da’ bei Reptilienahnen sich die Vorniere durch die ganze Leibeshéhle hindurch erstreckt haben soll. Allein ist diese Annahme durch irgend etwas begriindet? Vielleicht durch die von Semon (24) spaiter gemachten Befunde, daf ,,Vor- und Urniere“ bei Ichthyophis in allen bis zum After reichenden Seg- menten nebeneinander, Urnierenkanailchen dorsal von denen der Vorniere liegen? Ist aber fiir diese letzteren etwa bewiesen, daB sie tatsachlich Vornierenkanailchen seien? Sie kommen unter anderem auch bei Teleostiern yor, — jene oben beschriebenen ventralen, rudimentiren — besitzen aber keine allgemeine Verbreitung und kénnen, wie ich darauf noch weiter unten zuriickkommen werde, auch anders gedeutet werden. SEMON sagt ja selbst, da jedes Nierensegment blof eine zweite, héher entfaltete Generation von Vornierensegmenten sei, und damit wire eigentlich die Einheitlichkeit des Nieren- organes zugestanden. In diesem Sinne pflichte ich Sremons wohldurchdachter Auffassung gern bei, nicht aber beziiglich des einstigen Bestehens einer Vorniere. Im grofen und ganzen schlieSt sich auch Price in seinen Studien iiber Bdellostoma (17) der Srepe@wickschen Auffassung an, und von ihm rihrt auch die Bezeichnung Holonephros. Freurx (6) vertritt die Auffassung, dai das ganze Vornieren- organ sich einstens der ganzen Leibeshdéhle entlang erstreckte, also Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 1791 im Semonschen und RickERTschen Sinne, und dann doch durch die Urniere ersetzt ward, denn die Tatsache, ,,daf Vornierenkanalchen in gleichen Segmenten nebeneinander vorkommen“, widerlege die Auffassung eines Holonephros. Und gerade dieser Punkt ist es, auf dessen Erérterung ich mich hier zum Schlusse einlassen mochte, wozu die Zustiinde hei den Knochenfischen geeignet zu sein scheinen. Den Beginn mache ich mit dem uns bekannten urspriinglichsten Zustand, wie ihn Selachier noch ontogenetisch aufweisen und dies uns C. Rasy rekonstruierte. Es besteht da die Urniere aus segmental angeordneten Harn- kanalchen, die in den primaren Harnleiter miinden und die mit einem Trichter, dem spateren Flimmertrichter, in das einheitliche Colom sich 6ffnen. Dies ist ein ontogenetisches Stadium, aus dem direkt jenes phyletische der Harnkanalchen mit MaLpicuischem Kérperchen, Innen- (in die Bowmansche Kapsel miindenden) und AuSentrichter in das einheitliche Célom sich nicht ableiten lait, und darum miissen wir entweder annehmen, daf jedes friihere, nun mit dem Miindungsende zum primiiren Harnleiter vereinigte Querkanilchen (Harnkanalchen) zwei Aufentrichter besaf’ — wie denn beim Amphioxus tatsichlich mehrere vorkommen — oder eine Spaltung des urspriinglichen Aufentrichters voraussetzen, denn jenes Stadium, in welchem das Urnierenblaschen besteht, wird kaum als primar betrachtet werden kénnen; es handelt sich hier vielmehr um eine cinogenetische Anlage. Mir scheint die erste Moglichkeit in Anbetracht der Amphioxuszustiinde heute fiir annehmbarer, und ich erblicke in dem oben angefiihrten onto- genetischen Zustande bereits ein ciinogenetisches Stadium, in welchem der Glomerulus im Sremonschen Sinne bereits mit dem Innentrichter in die Kanalchenanlage einbezogen ward. Ks entfaltet sich dann nach der Aufwindung des Querkanilchens der Glomerulus mit der Bowmanschen Kapsel, als abgeschniirter Célomabschnitt, und mit dem Innentrichter, von dessen Stiel der Aufentrichter abgeht. Dieses phyletische Stadium ist indessen nicht mehr er- halten, es miiSte denn sein bei Notidaniden, sondern im erhaltenen Stadium, wie ich es fiir Acanthiasembryonen darstellte (10), fin- den sich hier metamer angeordnet sechs Kanalchen in einen Sammelgang miindend mit ebensovielen Maupiguischen Kérperchen, von welchen Kanalchen nur eins, das hinterste, noch einen Innentrichter aufweist. Ob diese sekundaren Kanilchen nur durch Sprossung 792 B. Haller, aus dem Sammelrohre entstehen, oder aus solchen Sprossungen aus dem primaren Harnleiter sich entfaltend, mit ihren Miindungs- stiicken spiter verwachsen, wissen wir nicht, so weit reichen unsere Kenntnisse der Ontogenese leider nicht. Mag dem aber sein, wie ihm wolle, so viel steht fest, daf eine sekundare Ver- mehrung schon hier einsetzt, wobei allerdings auch in den Supra- oder Interrenalkérperchen Produkte gegeben sind, deren Abstam- mung von riickgebildeten Nierenteilen durchaus méglich und heute nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist. Freilich ware zu erwiigen, ob es sich hier nicht um grofe Zwischensegmente handelt, denn so paradox dies auch scheinen mag, ganz ignorieren laft sich die Sache doch nicht. Damit ware aber durchaus nicht gesagt, daf diese Segmente alteren phyletischen Datums waren, als die erhaltenen. Wenn wir nun einen Schritt weiter tun hiniiber zu den Ga- noiden, so fragt es sich in erster Linie bei Beriicksichtigung der gesamten Organisationsverhaltnisse dieser und der Selachier: sind wir berechtigt, die Ganoiden von den altesten Squaliden ab- zuleiten, oder sollte dies eher ankniipfend an pentanche Haie ge- schehen? Da sind vor allem die Zahl der Kiemenspalten und die Umwandlungen der ersten Kiemenbogen (Anschluf des Kiefer- apparates durch das Hyomandibulare an das Cranium) mab- gebend, und diese lassen den Anschluf nur an pentanche Haie zu. Damit will ich aber beziiglich des Nierenorganes nur sagen, daf& die Urniere der Ganoiden nicht blo8 aus ein- fachen metameren Querkandlchen abzuleiten ist, sondern dab eine gréBere Zahl solcher in jedem Seg- ment der Ganoidenahnen mit Riicksicht auf Acan- thiaszustande durchaus eine Voraussetzung ist. Die ontogenetischen Zustinde diirfen eben nicht ohne Riicksicht auf phyletische verwertet werden, was aber beziiglich der Nierenfrage nur zu reichlich geschah. . Fassen wir aber diese Méglichkeit ins Auge, so dirfen wir kaum in ontogenetischen Rudimenten der Ganoiden und Teleostier — ich méchte bei diesen bleiben — sogleich ein, vor der Urniere bestandenes ailteres Nierenorgan voraussetzen, diese kénnen ja auch von reinen Urnierenteilen herrihren. Es wird vielfach betont, dal die ,,Vornierenkanalchen“, wenn auch nicht immer, doch 6fter sich vor der Ausbildung des Sammel- ganges und nicht aus dem Nierengange entwickeln, wahrend Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 793 Urnierenkanilchen stets nach Ausbildung des Harnleiters ent- stehen, und daf die ,,Vornierenkanilchen“ nie die Entfaltung des Urnierenkanialchens erreichen. Damit ist ja allerdings der Nach- weis erbracht fiir das Aeltersein ersterer, allein kénnen wir denn annehmen, da’ die 6 Nierenkanalchen des Acanthias auf einmal aufgetreten waren? Und wenn dann das Nierenorgan der Ganoiden aus acanthiasaihnlichen Stadien entstanden wire, wobei die 5 se- kundiren Kaniilchen dieser bei Ganoiden nicht mehr zur Funktion gelangen, kénnen wir da verlangen, da8 beide, bleibende und ver- gingliche, gleichen Schritt in der Entwickelung einhalten? Ich fiir meinen Teil habe bei Salmo die Kanialchen, ob rudimentiar oder nicht, stets aus dem Nierengange sprossen sehen, und dieser Modus wurde auch schon von anderen betont; doch sollte dem auch anders sein, so ware das ja leicht erklairlich aus der Ueber- lastung des Nierenganges mit der Nierenfunktion in der embryo- nalen und larvalen Periode. Jedenfalls méchte ich die verginglichen Querkanalchenanlagen nach diesen Erwagungen nicht als Ueberbleibsel einer einstigen Vorniere betrachten, und darum ist das Zugeben des Vorhanden- seins solcher Kanalchen gleichzeitig mit bleibenden in der Urniere yon seiten Fretps noch durchaus nicht als Aufgeben seines Stand- punktes beziiglich des Holonephros, wie FELIx meint (5, p. 411), zu bezeichnen. Rudimente treten noch auf — ich leite das genannte ,pseudolymphoide‘‘ Gewebe, sowie die Interrenalkérper von ihnen ab — ohne dafi sie vor den bleibenden Teilen bestanden hiatten, und neue Teile, die Sprossen am bleibenden Querkanalchen, be- deuten eher vermehrte Funktion desselben Nierenorganes. Auch den einheitlichen grofen Glomus in dem grofen Nieren- kérperchen des ersten Nierenabschnittes méchte ich nicht als etwas fiir die ,,Vorniere“ Bezeichnendes betrachten, er ist eben aus mehreren durch Verwachsung entstanden, wie denn seine BOwMAN- sche Kapsel auch durch Schwund der Zwischenwinde mehrerer solcher Kapseln entstand und welcher Prozefi an dem dritten Nierenabschnitt zwischen den fest aneinanderliegenden MA.LpiGcut- schen Kérperchen des Ammocoetes, wie ich dies auch aus eigener Erfahrung weil, heute noch besteht, wobei manche Nierenkérperchen auch 3 Innentrichter aufweisen. Speziell die Betrachtung der Teleostierniere hat hier er- geben, dafi diese ein einheitliches Organ darstellt mit begonnener embryonaler Funktion. Sie besteht aus einem ersten Abschnitt mit dem grofen Maupiauischen Kérperchen und dem Nierengang, Ba, XLII, N. F. XXXVI. 52 794 B. Haller, wobei an ersterem noch 4 rudimentére Segmentkandlchen sich beteiligen und der Nierengang durch das Auftreten eines Quer- kanalchens mit Nierenkérperchen in der Hohe des 12. und 13. Muskelmetamers sich als Embryonalniere erweist. Dieses Stadium bezeichnet dann den weiteren Weg der Entfaltung, indem die drei Abschnitte des Holonephros sich auch im Larvenleben als solche erkennen lassen. Es entstehen mit Ausnahme des ersten Abschnittes entlang der ganzen Linge des Nierenganges dorsale und ventrale metamere Querkanalchen, wobei die ventralen als auch die dorsalen nur im dritten Nierenabschnitt zur vollen Ent- faltung gelangen. Dies besteht in der Verlaingerung des Quer- kanalchens, das in beiden Fallen yon dem Nierengange aus sproBt, und der Entfaltung eines MAupiauischen Korperchens am freien Kanalchenende. Zu Peritonealtrichtern kommt es nirgends mehr, auch zu ihrer Anlage nie. Eine starke Wucherung aus den rudi- mentiren Querkanalchen fiillt die Nierenkapsel aus, in der die aktiven Teile gelegen sind, und dies Gewebe ist dort am tippigsten, wo eben die rudimentaren Bildungen am zahlreichsten sind, néim- lich im ersten und zweiten Nierenabschnitt. Im ersten Nierenabschnitt windet sich der Nierengang jetzt mehr als ehedem, und es gesellen sich kopfwirtige Teile aus dem friiheren zweiten Abschnitt, nachweislich 2 Segmente, ihm zu. Im dritten Abschnitt entfalten sich neben den metameren, lateralen Nierenkérperchen nun auch mediane, nicht mehr metamere, wo- mit die Metamerie die erste Stérung erfahrt. So die Larven- niere. Aus dieser Larvenniere entfalten sich dann bei dem er- wachsenen Tier verschieden modifizierte Zusténde. Entweder erhalt sich der aktive Teil des ersten Abschnittes als solcher zeitlebens oder er riickbildet sich bis auf sein Rudiment. Dabei bleibt im letzten Teil der zweite Abschnitt auch rudimentar, wahrend der dritte weiter wuchernd, damit mehr weniger dysmetamer wird. Ks erfolgt seine Vermehrung stets durch Knospung von Gabelasten an dem Erstlingsharnkanalchen. Dies ist das primarste Verhalten der bleibenden Niere, die opisthotype Niere der Knochenfische von animaler Nahrung. Bei vorwiegender Pflanzenkost entfaltet sich von hinten nach vorne zu die aktive Niere bis zum Rudiment des ersten Abschnitts, das Rudiment des zweiten verdringend; es ist dies die prototype Teleostierniere. Im Falle, da der erste Nierenabschnitt sich erhalt, regeneriert sich allem Anscheine nach der zweite Abschnitt, ohne da8 dabei eine Wucherung am dritten Zur Phylogenese des Nierenorganes der Knochenfische. 795 sich einstellen wiirde. Aber auch in diesem holotypen Falle kann der erste Abschnitt teilweise sich riickbilden, naémlich das grofe Matpieuische Kérperchen, wihrend das vordere Ende des Nieren- ganges erhalten bleibt, dabei aber die aktive Niere an aktiven Teilen gewinnt. Es ist somit unverkennbar, da’ zwischen dem ersten und dritten Abschnitt der Urniere, denn diese Bezeichnung ist véllig berechtigt, ein korrelatorisches Verhaltnis besteht. Im extremsten Falle bei Plectognathen wandert der dritte Abschnitt ganz nach vorne, indem sein hinterer Teil véllig vergeht, welcher Weg durch Gobio angedeutet ist. In jedem Falle gelangt der kaudalste Abschnitt der Urniere, welcher bei Selachiern und Amphibien den Metanephrosteil abgibt und der bei den Amnioten zur bleibenden Niere wird, bei den Teleostiern teilweise zur Riickbildung und erhalt sich dann nur als Postrenalkérper, wihrend der vordere Teil in die aktive Niere miteinbezogen wird. Die Bezeichnung Urniere halte ich, wie gesagt, fiir durchaus gerechtfertigt, denn sie ist der Inbegriff des ganzen Nierenorganes, sie spielt ihre Rolle in ihrem vorderen Teile erst aus, wenn aus ihrem hintersten Teile sich bei Amnioten der Metanephros (sog. bleibende Niere) entfaltet hat, und es kommt ihr dann eine phyletisch gleich hochwichtige Rolle zu, wie der Chorda dorsalis, mit dem Unterschiede, da8 sie im Metanephros weiterlebt. Heidelberg, im Mai 1908. 796 By Haller, Literatur. 1) Batrour, F. M., On the nature of the organ in the adult Teleosteans and Ganoids etc. Quart. Journ. of micr. Sc, Vol. XXII, 1882. ; 2) Brarp, J., The pronephros of Lepidosteus osseus. Anat. Anz., Bd. X, 1894. 3) Emery, C., Fierasfer, Studi intorno alla sistematica, l’anatomia et la biologia delle specie mediterranee di questo genere. Accad. Lincei, Anno 1880. 4) — Zur Morphologie der Kopfniere der Teleostier. Biolog. Centralbl., Bd. 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Allgemeine Bezeichnungen, die auch fir die Textfiguren gelten. 1 erster IIT zweiter ITI dritter NK grokes Nierenkirperchen oder Matricuisches Kérperchen nk gewohnliches Nierenkérper- chen sug tertiarer Nierengang s dessen erweiterter Abschnitt kg Gang des kaudalen Nieren- abschnittes bl Harnblase ed Enddarm ¢t Hoden y rudimentires Segmentalorgan ynk rudimentires Nierenkérper- chen Abschnitt des Nierenorganes it Innentrichter des grofen Nieren- kérperchens sbg Schwimmblasengang sg Sammelgang oe Oesophagus sb Schwimmblase Ig Endgang ao Aorta / subvertebraler Lymphgang ve.d rechte ve.s linke vz.d rechte vz.s linke vcd Vena mesenterica le Leber sg sympathisches Ganglion c abgeschniirtes Célom } Vena cardinalis } Vena azygos Datel 127) » 128) ‘ 129) ‘ 130) , 131) : 132) ; 133) 134) . 135) * 136) Upsala 137) " i38) , . 139) Helsingfors 140) f 141) ‘ 142) : 143) Moskau 144) F 145) St. Petersburg 146) 2 147) - 148) : 149) ‘ 150) : 151) Kapstadt Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Svenska Likare-Sillskap K Svenska Vetenskaps-Akademie ) Nobelinstitut Kongl. Vetenskapssocietet Universitit Rufland. Finska Vetenskaps-Societet Société Impériale des Naturalistes ” ” ” ” Comité géologique ” ” ” ” Akademie der Wissenschaften ” ” 7 Institut Impér. de Médecine ex- périmentale Afrika. Department of Agriculture 817 Schriften: Hygiea. Foérhandlingar. Handlingar. Bihang. Ofversigt. Lefnadstecknin- gar. Arkiv for Botanik. oe pe exes » » Mathe- matik. » 97 Aoclopr Meddelanden. Nova Acta. Bulletin of the Geolog. Instit. Laikare-Férenings Foérhandlingar. Acta. Ofversigt. Bidrag till Kan- nedom of Finn- lands Natur och Folk. Observations mé- téorolog, Bulletin. Nouveaux Meé- moires. Mémoires. Bulletin. Bibliothéque géo- log. de la Russie. Bulletin. Catalogue des liv- res publiés. Archives. Annual Report of the Geological Commission. 818 152) 153) 154) 155) 156) 157) 158) 159) 160) 161) 162) 163) 164) 165 166) 167) 168) 169) 170) 171) 172) 173) 174) 175) Ort Montreal Ottawa Baltimore ” ” Boston ” Brooklyn Cambridge ) Chicago ” Cincinnati Jahresbericht. Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Nordamerika. I. Canada. Royal Society of Canada Proceedings and Transactions. Geolog. and Nat. History Survey of Canada Reports. II. Vereinigte Staaten. Johns Hopkins University Circulars. ” ” ” Bio- logical Laboratory Memoirs. Redaktion Journal of experi- mental Zodlogy. Society of Natural History Memoirs. x ‘5 = i. Proceedings. Occasional Pa- ” 17 ” ” pers. Museum of the Brooklyn Insti- Memoirs of na- tute of Arts and Sciences tural sciences. Mus. of Comparative Zodlogy Memoirs. Annual Report. Bulletins. The American Naturalist. Bulletin. Bulletin of the Geol. and. Nat. Hist. Survey. Bulletin of the Lloyd Library of botany, phar- macy and ma- teria medica. ” ” ” oP) ” ” ” 7 Redaktion Academy of Sciences ” ” ” Lloyd Library Granville (Ohio) Scientific Laboratories of Denison St. Louis ) New Haven ” Philadelphia Tufts College (M ass.) University Bulletin. Missouri Botanical Garden Annual Report. Academy of Science Transactions. Connecticut Academy of Arts and Sciences Transactions. Redaktion The Americ. Jour- nal of Science. Redaktion Journal of Compa- rative Medicine. Academy of Natural Sciences Proceedings. Studies. Ort: 176) Washington 177) ; 178) 5 179) ; 180) _ 181) i 182) . 183) 184) 2 185) 2 186) Santiago 187) Cérdoba 188) S. Paulo 189) Rio de Janeiro 190) Melbourne 191) : 192) -s 193) Sydney 194) .. 195), 196) _, 197) Tokio 198) ” B99) ti, Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: U. S. National Museum ” ” ” ” ” ” Smithsonian Institution U. 8. Geological Survey 9 ” ? Carnegie Institution Stiidamerika. I Chile. Société scientifique du Chili II. Argentinien. Academia Nacional de Ciencias Ill. Brasilien. Museu Paulista Museu Nacional Australien. Royal Society of Victoria ” ”) ” ” The Australian Museum Royal Society of New South Wales Linnean Soc. , , os ” Australasian Association Japan. College of Science, Imperial Uni- versity Medizinische Fakultat der K. Universitat Tokyo Imperial University 819 Schriften: Bulletins. Special Bulletins. Proceedings. Report. Bulletins. Annual Reports. Monographs. Mineral Re- sources. Professional Paper Publications. Actes. Boletin. Revista. Archivos. Proceedings. Transactions. Records. Journal and Pro- ceedings. Abstracts of Pro- ceedings. Proceedings. Report. Journal. Mitteilungen. Calendar. 820 Jahresbericht. Von den Schriften der Gesellschaft erschienen im Jahre 1907: 1) Jenaische Zeitschrift, Bd. XLII oder N. F. Bd. XXXV Heft 2—3, und Bd. LXIIT oder N. F. Bd. XXXVI Heft 1—2. 2) Denkschriften: Semon, Forschungsreisen, Lieferung 29 oder Denkschriften, Bd. IV, Lieferung 5. ITI. Kassenbericht, erstattet vom I. Vorsitzenden L. Wotrr. Die Einnahmen betrugen: Mitgliederbeitrage und Eintrittsgelder 629 M. — Pfg. Abonnenten der Jenaischen Zeitschrift 48 , — ~» Jahrlicher Beitrag der G. H. Regierungen 1800 , — 2477 M. — Pte. ” Die Ausgaben betrugen: Zum Lamarck-Denkmal 81 M. 40 Pfg. Verwaltungskosten 260 Oeresoag, Druckkosten und Versand der Jenaischen Zeitschrift $745 Bs 2086 M. 89 Pig. Der Vermigensbestand betrug: Bar in der Kasse 47 M. 86 Pfg. auf der Sparkasse 2687 , 90 , Zinsen 1907 QD as 2828 M. 41 Ptg. Zuwachs: 482 M. 76 Pfg. Die Abrechnung wurde von Herrn THoman geprift und richtig befunden. IV. Vorstand, Tauschkommission, Mitglieder. Den Vorstand der Gesellschaft bildeten im Jahre 1907: Orro Knorr, I. Vorsitzender, Lupwie Wotrr, I. Vorsitzender und Kassenwart, FrrepricH Maurer, Herausgeber der Zeitschrift, Kart Branonts, Bibliothekar. Die Tauschkommission bestand aus dem Vorstand und den Herren Gustav Fiscuer sen., Ernst Stant, ApnonF WINKELMANN. Die Wahl des I. Vorsitzenden fiir 1908 fiel in der Schlub- sitzung am 20. Dezember auf Herrn August WaAGENMANN. Die tibrigen Mitglieder des Vorstandes und die Tauschkommission wurden durch Zuruf wiedergewahlt. Jahresbericht. 821 Die Gesellschaft verlor im Jahre 1907 durch den Tod ein Ehren- mitglied, Orromar Domricu, und 3 ordentliche Mitglieder: Wu- HELM Burz, Srmcrriep CzApski und Jouannes Kessex; ferner durch Wegzug 3 weitere Mitglieder: K. Dove, D. Greruarpr und R. ZsIGMONDY. Neu aufgenommen wurden die 7 Herren: Dr. Gustav FiscHer jun., Privatdozent Dr. Tuuopor Mauyrr, Dr. Hans Lrxmann, Privatdozent Dr. Gustav Hussz, Prof. Dr. Paut Krauss, Dr. Hans Puruiep. Privatdozent Dr. Kart BApEKsER, Zu Ende des Jahres 1907 bestand die Gesellschaft aus 3 Ehren- mitgliedern und 101 ordentlichen Mitgliedern. Mitgliederverzeichnis. Friihere Ehrenmitglieder waren: Jahr der Ernennung Kari Scumper (+ 1867) 1855 Dietrich Gore Kinser (7 1862) 1857 RADLKOFER 1858 Lovis Sorer (7 1890) 1864 ALBERT VON Bezoup (7 1868) 1866 Tuomas Huxtgy (7 1895) 1867 Cart Grcensaur (7 1903) 1873 Matruias Jacop ScHLEIDEN (7 1881) 1878 Oskar Scumipt (7 1886) 1878 CuarLes Darwin (Ff 1882) 1878 Franz von Riep (7 1895) 1892 OrromaR Domricu (+ 1907) 1892 I. Ehrenmitglieder. Jahr der Ernennung 1) Prof. Dr. Ernst Harcxet, Wirkl. Geheimrat, Exz,Jena 1894 2) Prof. Dr. Bernnarp Sicismunp Scuvuitzz, Wirkl. Ge- heimrat, Exz., Jena 1897 3) Dr. Gustav Fiscuer sen., Jena 1902 Il. Ordentliche Mitglieder. Jahr der Aufnahme 1) Prof. Dr. Hermann AmBRONN Jena 1899 2) Prof. Dr. GinrHER ANTON » LOA 3) Prof. Dr. Ferrx AvrRBacH 5 ¥889 4) Dr. Kart Banpyxer, Privatdozent - 1907 822 Jahresbericht. Jahr der Aufnahme 5) Prof. Dr. Kart von Barpeesen, Hofrat Jena 1873 6) Prof. Dr. Hans Brrcer » 1898 @), Prof. ‘Dr. WitnELm Biepermann, Geh. Hofrat » 1888 8) Dr. med. G. BrypEr, prakt. Arzt 5. 808 9) Prof. Dr. Orro Brnswancur, Geh. Med.-Rat ames >! cy 10) Dr. med. Fritz Bocxetmann, Geh. Sanitatsrat . Rudolstadt 1875 11) Dr. K. Branois, Bibliotheksdirektor Jena 1904 12) K. Bravcxmann, Institutsdirektor Wenigenjena 1900 18) Prof. Dr. BertHotp DarLpBricK Jena 1885 14) Prof, Dr. WitneLtm Dermer, Hofrat Jena 1875 15) Prof. Dr. Hueo DinecErr str) Laee 16) Prof. Dr. WitHetm EDLER eee I (8 17) Dr. Hermrich Eeceiine, Wirkl. Geheimrat, Exz., Universitats-Kurator ntandieeo 18) Prof. Dr. Heinrice Eecenine, Prosektor » apeeo2 19) Dr. med. Gustav Eicunorn, prakt. Arzt = rsa 20) Prof. Dr. Hermann Enceruarpt, Med.-Rat » 1888 21) Dr. M. Enennnarpt, prakt. Arzt wip LOOB 22) Dr. phil. Orro EppEnsTEIN se OG 23) Dr. med. Fiesie, Stabsarzt » 1904 24) Dr. Gustav Fiscumr jun. = 4 L0F 25) Prof. Dr. Paul Fratssz ; 1899 26) Prof. Dr. Karu Franz » 1904 27) Prof. Dr. Gorrtos Freez, Hofrat S. LOC 28) Dr. Ernst Frey, Privatdozent , L906 29) Dr. Curistian GAneE, Privatdozent ; 4845 30) Prof. Dr. Aueusr GArrner, Geh. Hofrat . > S86 31) Prof. Dr. Ernst GimsE 5 1893 32) Prof. Dr. Gzore Gorz, Geh. Hofrat “. aaeee 33) Dr. med. Karz Grar, prakt. Arzt me to hie: 34) Prof. Dr. Junius GropEr pee bess )e, 35) Prof. Dr. Ernst Herren — sous 36) Dr. phil. HerscuxowiTscu 3, TEO0E 37) Dr. Gustav Hussn, Privatdozent wil D6? 38) Dr. phil. Orro Hi~pEBranpt » 1906 39) Prof. Dr. Herrich IvMenporFr ~cotelOL 40) Dr. Hernricu JAacopstHat, Privatdozent oe LOG 41) Prof. Dr. Heinrich Kironxa a J LgOr 42) Prof. Dr. Orro Knorr oe eee 43) Prof. Dr. Lupwie Knorr, Geh. Hofrat oa: ee 44) Prof. Dr. Kénie, Geh. Med.-Rat » 1904 45) Rupotr Kocu, Bankier, Kommerzienrat = L8os 46) Dr. phil. Konner » 1900 47) Prof. Dr. Karn KoxzEscu oe LSD 48) Prof. Dr. Paut KravusE at. yelisoe Fst nak tl aC DN A PN 49) Dr. phil. 50) Prof. Dr. oh)ye Prot, ir: po) Prof. Dr 53) Prof. Dr. 54) Dr. phil. 55) Dr. phil. 56) Prof. Dr. 6¢) Prot. Dr: 58) Dr. med. 59) Prof. Dr. 60) Prof. Dr. 61) Prof. Dr: Jahresbericht. Hans LEHMANN ALBERT LEITZMANN Gorrios Linck, Geh. Hofrat Fevix LomMen WitHetm Lusosce Marpure Rosert Marc, Privatdozent Hermann Martrans Frieprich Maurer et jur. THropor Meyer, Privatdozent WitHetm Mixer, Geh. Rat JOHANNES NIEDNER Autrrep Nou 62) Dr. phil. Max Pauny, Fabrikdirektor a. D. 63) Prof. Ernst Preirrer, Institutsdirektor 64) Dr. phil. @>) Prof. Dr: Hans PuHitiep Emit Putirpri 66) Oberlehrer Ernst Pitrz 67) Dr. phil. 68) Prof. Dr. 69) Prof. Dr. Razutmann, Kais. Russ. Staatsrat Nehanee Karu PuLFricH Paut RABE 70) Prof. Rupotr Rav 71) Dr. phil. 72) Prof. Dr. 73) Dr. phil. 74) Prof. Dr. 75) Dr. med. Scuirsr, Direktor der Psych. Klinik Roda Jena 76) Dr. phil. 77) Dr. phil. Ricuarp ScHRODER, Verlagsbuchhandler Max Retcn, Privatdozent Brrnuwarp Rrepet, Geh. Med.-Rat Pauut RIepEL Epuarp RosENTHAL OrTo Scnorn, Fabrikleiter 78) Pavun Scuuirze, Rat #9) Prof. Dr: 80) Prof. Dr. B1). Prof.-Dr: 82) Dr. med. 83) Dr. phil. 84) Dr. med. 85) Prof. Dr. 86) Prof. Dr. 87) Prof. Dr. 88) Dr. med. 89) Prof. Dr. 90) Dr. phil. LEONHARD SCHULTZE FRIEDRICH SCHULZ Morrirz Sern, Geh. Med.-Rat Lucas Siesert, Med.-Rat SIEDENTOPF Franz Sprtier, Stabsarzt Ernst STAHL Ropericu Stintzine, Geh. Med.-Rat Rupour STRAUBEL Wituetm Srroumayer, Privatdozent JoHANNES THoman, Geh. Hofrat Hermann Ttrex, Privatgelehrter 91) Aveusr Voer, Landkammerrat 92) Prof. Dr. EpvuAarD VONGERICHTEN 93) Prof. Dr. Avueust WaGcenmuann, Geh. Med.-Rat 94) Dr, phil. Kart Wattuer, Privatdozent Jena Jena 823 Jahr der Aufnahme Jena 1907 FS 1901 FS 1894 oe . 1902 gi pele he or oaligO6 _ 1900 . 1901 ane lO.7) 866 1905 1901 1897 = 1887 1907 1906 “ 1893 . 1891 1899 1905 1902 - 1905 . 1889 5: 1893 1897 1904 1882 1904 1879 1899 1898 1864 1881 . 1900 1905 1881 1890 z 1894 fs 1902 - 1879 1900 . 1897 1902 1892 1903 ” 824 Jahresbericht. Jahr der Aufnahme 95) Dr. phil. Ernst WanDERSLEB Jena 1906 96) Dr. med. Warpa, Nervenarzt Blankenburg 1904 97) Dr. med. Weinert, prakt. Arzt Jena 1897 98) Prof. Dr. Aponr Winketmann, Geh. Hofrat » 1886 99) Dr. phil. Wirue~tm Winter, Privatgelehrter > Leow 100) Prof. Dr. Lupwie Wo.rr ea Kk ois)~ 101) Prof. Dr. Hetnrich Ernst Zinc LER te Abb te Sho) Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — $307 Verlag von Gustav Fischer in Jena. pgeneration und Transplantation. Von E. Korsehelt, Professor der Zoologie in Marburg. Mit 144 Textfiguren. 1907. Preis: 7 Mark. ‘Vortrage iiber botanische Stammesgeschichte, cehalten an der Reichs- | universitit zu Leiden. Ein Lehrbuch der Pflanzensystematik yon J. P. Lotsy. - Ae Band: Algen und Pilze. Mit 430 Abbildungen im Text. 1907. Preis: 0 Mark. Inhalt: 1. EHinleitung. 2. Volvocales. °3. Siphonales. 4. Archimycetes und “Syphonomycetes. 5. Multizelluliire monoenergide Isokonten. 6. Stephanokonten. f. Heterokonten. 8, Desmidiaceae. 9. Die Phaeophytenreihe. 10. Die Peridinales. ‘Hi. Die Diatomeen. 12. -Phaeophyceae. 13. Rhodophyceae. 14. Die Schizophyten ‘PBakterien). 15. Schizophyceen. 16. Die Myxobakterien. 17. Myxomyceten. “38. Die Ascomyceten. 19. Erysiphales. 20. Pletascieae. 21. Pyrenomyceten und Laboulbeniales. 22. Lichenen. 23. Discomyceten. 24. Helvellineae. 25. Eutuberaceae. 26. Exoascineae. 27. Die Saccharomyceten. 28, Basidiomycetes, Hemibasidii. 29. Die Uredineae. 30. Basidiomyceten. 1. u. 2. Teil. Charphyten. Namenregister. ‘“Bachregister. Vorlesungen tiber Deszendenztheorien mit besonderer Beriicksichtigung der -} botanischen Seite der Frage, gehalten an der Reichsuniversitat zu Leiden. Von | Dr. J. P. Lotsy. Erster Teil. Mit 2 Tafeln und 124 Textfiguren. Preis: } 8 Mark, geb. 9 Mark. Zweiter Teil. Mit 13 Tafeln u. 101 Textfiguren. 1908. Preis: 12 Mark, geb. 13 Mark. : Naturwissenschaftliche Wochenschrift, N.-F., Bd V. Nr. 25: ‘| Das Buch Lotsys ist besonders verdienstlich durch die Hervorkehrung der -} botanischen Tatsachen. Werke, die zur Begriindung deszendenztheoretischer An- -} sichten vorwiegend zoologische Daten benutzen, sind zahlreich, wihrend botanische _ Deszendenztheorien von dem Umfang der Lots yschen Schrift noch nicht existieren. Der Botaniker wird dem Verfasser daher besonders Dank wissen. 4 a é Hymenopteren Mitteleuropas. Nach ihren Gattungen und zum grossen Teil auch nach ihren Arten analytisch bearbeitet. Von Prof. Dr. Otto | Schmiedeknecht, Custos des F. Naturalienkabinets in Rudolstadt. Mit 120 _ Figuren im Text. 1907. Preis: 20 Mark. : finfihrung in die Deszendenztheorie. Sechs Vortrige, gehalten von Karl Camillo Sehneider, a. 0. Prof. der Zoologie an der Universitit Wien. Mit 2 Tafeln, einer Karte und 108 teils farbigen Textfiguren. 1906. Preis: 4 Mark. Frankfurter Zeitung vom 25, Noy. 1906: Schneiders Vortrige geben einen guten Ueberblick iiber den heutigen Stand der “Abstamimungsfrage; sie bieten in konzentrierter Form ein reiches Material dar. . . Wer sich mit diesen Fragen schon etwas beschiiftigt hat, wird mancherlei Anregung finden; er wird sich vor allem an der Hand dieses Buches bequem dariiber orientieren, “Wie die einzelnen Unterprobleme der Deszendenztheorie ineinander greifen und in “Welchem Verhaltnis sie zur Hauptfrage der Abstammung stehen. emperatur und Zustand des Erdinnern. ine Zusammenstellung und kritische Beleuchtung aller Hypothesen. Von Dr. Hermann Thiene, Assistent am mineralog. Institut der Universitit Jena. 1907. reis: 2 Mark 50 Pf. bologisches Worterbuch. Erklarung der zoologischen Fachausdriicke. Zum Gebrauch beim Studium zovlogischer, entwicklungsgeschichtlicher und natur- philosophischer Werke verfasst von Dr. E. Bresslau, Privatdozent in Strassburg 1. E., Professor Dr. J. Eichler in Stuttgart, Professor Dr. E. Fraas in Stuttgart, Professor Dr. K. Lampert in Stuttgart, Dr. Heinrich Schmidt in Jena und Professor Dr. H. E. Ziegler in Jena, herausgegeben von Prof. Dr. H. E. Ziegler in Jena. Erste Lieferung. A—F. Seite 1—208. Mit 196 Abbildungen im Text. 1907. Preis: 3 Mark. Zweite Lieferung. F—O. Mit 165 Abbildungen im Text. 1908. Preis: 3 Mark. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre der Wirbeltiere. Bd. II. Bd. Il. Bd. III. Bd. Ill. Herausgegeben von Dr. Oskar Hertwiz, o. 6. Prof., Direktor des anatomisch-biologischen Instituts in Berlin. Mit 3236 Abbildungen im Text. Preis des ganzen Werkes: 135 Mark, geb. 150 Mark. fafa Inhalt: Teil 1, I. Halfte: O. Hertwig, Einleitung und allgemeine Literatur- iibersicht. Waldeyer, Geschlechtszellen. R. Hertwig, Eireife, Be- fruchtung und FurchungsprozeB. O. Hertwig Lehre von den Keim- blattern. O. Hertwig, MifSbildungen und Mehrfachbildungen. Mit. 244 Abbildungen. Preis: 32 Mark, geb. 34,50 Mark. Teil 1, Il. Halfte und Teil 2: Riickert u. Mollier, Entstehung der GefaBe und des Blutes. Keibel, AeuBere Kérperform. Schauinsland, Eihaute der Reptilien und Végel. Strahl, Embryonalzellen der Sauger und die Placenta. Mit 886 Abbildungen. Preis: 21 Mark, geb. 23,50 Mark. Teil 1 und 2: GOppert, Mund, Mundhohle mit Driisen und Zunge, Schwimmblase, Lunge und Kehlkopf. Maurer, Darmsystem. W. Krause, Hautund ihre Nebenorgane. Burckhardt, Verknécherungen des Integuments und der Mundhohle. Peter, Geruchsorgan und Jacobsonsches Organ. Peter, Aeufere Nase und Gaumen. R. Krause, Gehororgan. Froriep, Auge. Mit 507 Abbildungen. Preis: 23,50 Mark, geb. 26 Mark. Teil 3: v. Kupffer, Morphogenie des Zentralnervensystems. Ziehen, Morphogenie des Zentralnervensystems der Sdugetiere. Neumayer, Histogenese und Morphogenese des peripheren Nervensystems, der Spinalganglien und des Nervus sympathicus. Mit 568 Abbildungen. © Preis: 20 Mark, geb. 22,50 Mark. : Teil 1: Maurer, Muskelsystem und elektrische Organe. Felix und Bihler, Harn- und Geschlechtsorgane. Poll, Nebennierensysteme. Mit 509 Abbildungen. Preis: 28,50 Mark, geb. 31 Mark. Teil 2 und 3. Flemming, Histogenese der Stiitzsubstanzen der Binde- substanzgruppe. Hochstetter, BlutgefaBsystem. Braus, Extremitaten und Extremitatenskelett. Schauinsland, Wirbelsdule nebst Rippen und Brustbein. Gaupp, Kopfskelett. Barfurth, Regenerationen der Wirbeltierembryonen. Keibel, Entwicklungsgrad der Organe in den verschiedenen Stadien der embryonalen Entwicklung. O. Hertwig, : : : Stellung der vergleichenden Entwicklungslehre zur vergleichenden Ana- — tomie, zur Systematik und Deszendenztheorie. Mit 522 Abbildungen. Preis: 34 Mark, geb. 36,50 Mark. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena — 3307 ; ie -. = -_ - - i es. i~ ne . a we ~ ———— Bustay Fischer Jenaische Zetlscritt, Band XI. & Ge e 6», S0e° Be @e%e o @@': % %gfe® de o bd) Gustav Fischer O O coe OOOY ORs 5 oO O03 6 Os. O O 9 QO 06 eo ry (® \ ae y, cO \ 2 O@ ea O O Y overt, Zellen-Studien V1. Tatel 3. SS SSS Rake ee ee Sa eee rere ee nee ean enemrers as: —-—" oe ————— —— — ies a Riser = = Sa ——— a Fos a ee FSSESES = > SNR ase ee =. her © » Gustav Fise whe Zeitschrit Band XLM. Boveri, Zellen-Studien V1. Jenaische Zetischritt, Band XLII. oo ° ¢ e ogee” Boveri. Zellen-Stadten V7 tustay Fischer n-Studien. V7 S 0 mere, Zell 2 : Gustav Fischer Bovert, Zellen-Studien 1 Jenaische Zeitschrift, Band NLM. Go" Tak Anse. x Warner 4 Minter, Brand fore SMe Verlag von Gustav Fischer in Jona. “Boveri, Zellen-Studien VT. Jenaische Zettschritt’ Band XL. Tate! 9. Mf, gill a . a = = Bovert, Zellen-Studien VI = == = Gustav Fischer 1 — = > — - _— —— _ —— —- , i y y, rae) 7 7, Lith Anat r Worner a Winter Fader Boveri, Zellen-Studien V1. Verlag von Gustav Fischer th Jena ba Taf 14 Jenaische Zeitschrift Bd. XLII. Parr Ma reeew Pte, at P. Weise, Lith, Jena, Verlag von Gustav Fischer, Jena. Schiller del. Taf. i. Jenaische Zeitschrift Ba X LIM. Hr K Schiller del Verlag yon Gustav Fischer, Jena. P. Weise, Lith, Jena D a lia = eh 4) ee eee - Taf 73. Jenaische Zeitschrift Bd. XLII. if Schiller del. Verlag von Gustav Fischer, Jena. P Weise,Lith. Jena. Jenaische Zeitschrift: Bd XLII. Tat 14. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Lith.Anat.v. Email Schaal, Jena, ne Tak 15. a mieten iwi: seo stv. Emil Schaal, Jer a Ani Lith von Gustay Fischer in Jena Verlag \ bs -----Decke d.lgh Jenaische Zeitschrift fiir Naturwissenschafl, Bd. XLII, N. F. XXXVI. Tafel XVI. 1. Perea fluviatilis. Diinn- 5. Labrax lupus. Enddarm. 16. Mullus barbatus. 33. Zeus faber. Diinndarm, Mitte. darm, Anfang. Diinndarm, Anfang. 25b. Box hoops. 39a. Uranoscopns se 40, Trachinus draco. | 24. Box salpa. Diinndarm, Anfang. 24, Box salpa. Diinndarm, Mitte. Diinndarm, Mitte. Diinndarm, Mitte. Diinndarm, Anfang. Diinnd., Ende; Endd., Anf. | 48a, Trigla lyra. Diinndarm, Anfang. 48a, Trigla lyra. Diinn- 49. Trigla lineata. Diinndarm, Mitte. 2 52. Scorpaena porcus. darm, Mitte. Diinndarm, Anfang. Diinndarm, Ende. Eeveline = : sgeling. Verlag von Gustay Fischer in Jena, Jenaische Zeitschrift fiir Naturwissenschaft, Ba. XLII, N. F. XXXVI. : : : : M4 < Tafel XVIL. 53. Scorpaena scrofa. Diinn- 54. Sebastes dactyloptera, Diinndarm, 74. Mugil cephalus. Diinndarm, «Anfang. 74. Mugil cephalus. Enddarm. | darm, Anfang. Anfang. I eI Cay) se ets g gil cep! 80a. Labrus turdus. Diinndarm, Anfang. 97b. Morlietus) mprluclie. Dinndarm, 97b. Merlucius merlot: Diinndarm, 97 b. MS e ela mee ela nfang. Mitte. nadarm. 101. Phycis mediterraneus. 110, Diinndarm, Mitte. Cyprinus carpio. Anfang. 110. Cyprinus carpio. Ende. 114. Barbus barbus. Anfang. Verlag yon Gustav Fischer in Jena. Eggeling. n ail + rs iy eb hay ; : “ets tan ‘i Lae . Ag 7 _ ; ; a 2 in t if .@ er 2 as e ve t. 7 i i \ pki] eT 4 i a . aire, : ‘. 1 ’ : iu ; 7 7 oo dag ol a 5° es ob : cy = i F > s 7 7 - eS : Sameera _ , ~ 7 Bae Y it 'E- Se en WE - Tafel XVIII. Jenaische Zeitschrift fiir Naturwissenschaft, 116. ‘inca tinea. Mitte. 125. Abramis vimba. Anfang. 126. Aspius aspius. Anfang. l44a. Esox lucins. Diinndarm, Anfang. 144b. Esox lucius. Diinndarm, Anfang. {kh Reox lacii Dinndarm: Mitte. 170. Muraena helena. Diinndarm, Mitte. Sit? 147. Belone vulgaris. Diinndarm, Anfan man . : aris. arm, £. 156. Trutta fario. Hinter i . Oe 7 a Appendices pyloricae. 167. Anguilla anguilla. 156. Trutta fario. Enddarm. Diinndarm, Ende. Diinndarm, Anfang. Eggeling. Verlag von Gustay Fischer in Jena, liane ——— iG LY : : wa = ee eee ee eee et st tis i ee eee ————— Nee Jenaische Zeitschrift Ba. XLM. Taf: 19a. Becker gez. tay Fj Verlag v-Gust®y Fischer, Jeng Lith Anstv.KWesser Jena Jenaische Zeitschrift Ba _XLIM. Taf. 79b | ae - z as Becker gez , 2! : Lith Anstv.K WesserJena Verlag v Gustav Fischer,Jena es ” _— - Jenaische Zeitschrift, Bd. XLII. Tafel 20. 2 . >? ‘ 2 24° 9s90 6525 bso kaa dat Qeepe? oSce8 5B 03,2203 32-SH qo go usa Hf OY Ry 1 Ave { Do 40.09 Ge Oo 040.9 uHIE ot 8 oS hayyoull® i 7 SaEF GWG 65 gO ON HP Oats BE A jets rs ’ t Boo 1.008 ian - 20 WALZ a pa Fig. 7. : ~ aoretenes ss. Fig. 8. — —_——— Verlag von “7 Nscher in Jena. Petersen. Jenaische Zeitschrift. Bd. XLIL. Pete rsen gez Verlag von GustavFischor j, Jena Lith. Anst.x Johannes Arndt, Jena c _ Jenaische Zeitschrift Bd. XLII. Taf. XXII. > Ss < aii Oat psc > > ~ 3 QUES ~ eek @ Verlag von Gustav Fischer in Jona L ‘ith. Anst.v.Johannes Arndt, Jena, Jena. 7) Taf. 23. Lith. Anst.v. Johannes Arndt, OOO rrr . = =: = - - ag von Gustav Fischer in Jena = R BS _ “— = S = ” os a - . fs — thal. A ene as im v dy Jenaische Zeitschrift fiir Naturwissenschaft, Bd. XLII, N. F. XXXVI. _ Aur - St.R eee Soe eee , ; rs rng “Sinaamaaeees Ne noe at ae oe FF. Sv.Dr - ites eb ed a iT aa Si rappin = (Cir rine, Fig. 1. C. N. Joneseu del. nn Tafel XXIV. Tsch - ; (N\, anaes np coa gg Agqdq aaa sla? f es U ' ' 4 ' ' } . ' Y ' im u 4 Bre Suh ' Hi \ nai a ' — Nola fehl t= pA —feriebittidet ets daeidsic ho gh | | —_ IDI Shams eee if ee ‘ } y 1 : 7 =F — =; ? ‘i ; 1 ' ' ' p wit ' ' ' ne ' f ' ; Mt ' ' ! H ' ' ‘ \ ‘ / ' ' 3 5 S B 8 & ie) > as] 3 i Se SS) ~~ Q & a = wes HR Ss i=) > mR id rf > = ; e ae SR FA SS a3 Re ’ ' . ; : ey cy ay ae ee eee poet i ' ' a ' ‘ i ‘ 5 1 ' 1 s ‘ ‘ 1 ' a \ 1 , = : Y ‘. ARR 1, Os ee ers ee . ae AR Ag ' 3) m i | a“ aig ' ' 5 ¥ t ER . | A I ' ‘ ‘ arte te Sai eee Hs ' i al Ay | x , ' (a Sh ; . | — ; ; ' : wh = Nee H s ' i (May 1 | = =k ‘ rie oun - E I oleae ya es y aa | td DIYS TA vA File eel rs — ' ' ' \ i ; 4) : | ; é ! —_ ' i = d oi Fe .o0 4 a Pe \ omy = ain = SN 7 4\> re R--! i-t.+s—__} reer RAITT ts —— NE A y= = \ 1 | i Jenaische Zeitschrift Bd. XLM. Tat 25. % Gelenk kapsel M Gelenkkapel Gelenkptanne i _Muskelsehné von M. E.ctensor prop. des Randstr. Muskeltortsatz d Fandstrahles Fig. 4B Fig "A Barbus Cluviatilts. Alosa a g vulgaris Barbus Fluriatilis H M PE Ute ; { Fig. 1. Claw. , a 8 = Salmo Salar Muskelfortsatz d.Randstr Schultergurtel v.d.ventralen Seite. b ‘ i fuskelfortsatz é 4 \Geleniptanne Fig.6 Jvluroid. Fig. 5 Salmo Salar Kapselgen rebe Rest des Zivischengevebes Se. Fig. 2 Salmo Salar Scuultergurtel v.d.dorsalen Seite Pychlau aez Yer) von Gustav Fiche, : a a puis yohla’ y i Lith Anst v. Johannes Arndt, Jena. a ———— _ = ee = — — — ——————— Jenaische Zeitschrift Bd. XLII. = Tak 26. M.abductor prop.d.R. M. abductor superior 1 Clav. | ptrmac trorbiseae M.adductor sup.p.th %. M-adduetor in€p.th M.adduct. prop.d.R. Fig. 7 Salmo Salar. Fig. 10 \Muskelfortsdtze der Strailen Salmo Salar Sehnenziptel Clav: P dM. abd. supp.th se Peak Tae “sa | . f 4 Tar Se ¥ oy a (4 WS <4) , M.adductor inf p th. M. adduct.ink pth Claricular Fortion Spangenstiick Fortion + ead M.adductor prop. dR. —_ Fig. 17 y i M abductor interior p.th Salmo Satar. c ‘ ‘ D { Fig. & Wai a Salmo Salar Xx =" glay basales Ende dR. Randstrahl M adduct.prop.d.R. Basilia Fig. 12 Fig.9 Salmo Salar. Salmo Salar. Cor a op) yor Gustav Fischey Jenaische Zeitschrift Bd. XL. Verbindung der Basalia mit dem Schultergiirtel ig. 13. Salmo Salar Randstrahl Rigo. Barbus fluriatilis . == (bY) Tar. 27, von Gustav Fischer iz eee Taf: 28. Jenaische Zeitschrift Bd.XLII. Fig.6. 7 Fig. Lith Anstv.K WesserJena. Fig. 3. + ae 5 Lor! - ev s o PA 2 3 n =] rc) > S| io i => oe > i~ Q ~ S & N v 00 & ov a a ja Se eee eee eee ee eS JSenatsche ZLettschrift Bd. XLIL Fig. 13. \ yf . a AALS Fig. te rf A. a Fig. 1. Lith. Anstv. KWesserJena B. Haller pez : Jena. Verlag v. Gustay Fischer, Jenaische Zeitschrift Bd. XLII. Fig. 16. Verlag v. Gustav Fischer, Jena. Lith AnstwK.WesserJena. Jenaische Zeitschrift Bd. XLII. Taf; 31. & B.Haller gez. Verlag v. Gustav Fischer, Jena. Lith. Anstw.KWesserJena. Jenaische Zeitschrift Bd.XLIl. B.Haller gez. Lith. Anstv.K WesserJena. Verlag v. Gustav Fischer, Jena. Jenaische Zeitschrift Bd. XLII. Vi Nee 4 : ex 3} S SO SF Ooo Se] SEA BRON R ES ~/ pptots ants be aed = . B. Haller gez. . stv K Wesser, : Verlag v. Gustav Fischer, Jena. Lith Anstv KWesserJena (tO 106 263 007 ocean eae meen ama on genannten erisanal Ae tae ee nat te Bealnnsmnr alarirenne ei a Late ape a