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Raw A Ken r Fi oR Je yes KINN u ak Aa IR IN Dei Yhanaahh Ad: gi Mom Yin: Et) “A ach. re IP EIR EN ET ut Ahern An Un u ve ala rn un N Kai du He Ra N En He A va Jenaische Zeitschrift NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der Medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Dreiundfünfzigster Band. Neue Folge: Sechsundvierzigster Band. 14 R Pf f. m N N / Jena, 2 33354 Verlag von Gustav Fischer. 1915. ALLE RECHTE VORBEHALTEN Inhalt. Heft 1. Ausgegeben am 28. Oktober 1914. MATTHES, WILHELM, Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. Mit 35 Figuren im Text LusoscHh, W., Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere, in fünf Teilen. Erster Teil. Mit Tafel 1—5 und 28 Figuren im Text . Heft 2. Ausgegeben am 12. Dezember 1914. SAUERBREI, FRIEDRICH, Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. Mit 9 Figuren im Text HEINER, HEINRICH, Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L., Baetis binoculatus L. und Habrophlebia fusca Curt. Mit 43 Figuren im Text BisPINGHOFF, WILHELM, Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck nebst Bemerkungen zu ihrer Ent- wicklungsgeschichte. Mit 16 Figuren im Text Heft 3. Ausgegeben am 4. Juni 1915. FAHRENHOLZ, CURT, Über die Verbreitung von Zahnbildungen und Sinnesorganen im Vorderdarm der Selachier und ihre phylogenetische Beurteilung. Mit Tafel 6—7 und 7 Figuren im Text Seite 189 341 389 IV Inhalt. JACOBSHAGEN, EDUARD, Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. Mit 68 Figuren im Text . MATTHES, E., Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. Mit Tafel 8 LusTie, WALTER, Die Retroversion und Retroflexion der Tibia bei den Europäer-Neugeborenen in ihren Beziehungen zu den prähistorischen Menschenrassen. Mit 28 Figuren im Text Heft 4. Ausgegeben am 4. Oktober 1915. FISCHER, RICHARD, Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philipp. Mit 28 Figuren im Text ‚JACOBSHAGEN, E., Zur Morphologie des Oberflächenreliefs der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. Mit 42 Figuren im Text WILLE, JOHANNES, Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke Stenogyra decollata L. Mit Tafel 9 und 10 und 38 Textfiguren . DoscH, FRIEDRICH, Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. Mit 15 Figuren im Text . SCHMIDT, WALTHER, Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. Mit 36 Figuren im Text Seite 445 557 597 663 805 855 JENAISCHE ZEITSCHRIFT FÜR NATURWISSENSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON DER MEDIZINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA DREIUNDFÜNFZIGSTER BAND NEUE FOLGE, SECHSUNDVIERZIGSTER BAND ERSTES HEFT MIT 63 FIGUREN IM TEXT UND 5 TAFELN Inhalt: MATTHES, WILHELM, Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. Mit 35 Figuren im Text. LugoscH, W., Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere, in fünf Teilen. Erster Teil: Die Kaumuskeln der Amphibien. Mit Tafel 1—5 und 28 Figuren im Text. Sitzungsberichte der Medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, erstattet von ALBRECHT HAsE und H. von EGGELING. PREIS: 24 MARK JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1914 Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 28. Oktober 1914. Verlag von Gustav Fischer in Tena. Soeben erschien: Über Plasmastrukturen und ihre funktionelle Bedeutung Von Prof. Dr. Julius Arnold Heidelberg Mit 4 lithographischen Tafeln. (XVII, 471 Seiten gr. 8°.) 1914. Preis: 16 Mark. Inhalt: Über die Formbestandteile des Epithels der Froschzunge und ihre Funktionen. Zur feineren Struktur der Wimperzellen. Die Assimilation von Fetten und Glykogen. — Über die Formbestandteile des Oberflächen- und Drüsen- epithels des Magens und ihre Funktionen. Zur feineren Struktur der Zellen. — Über die Formbestandteile der Oberflächen- und Drüsenepithelien des Darmes und ihre Funktionen. Zur feineren Struktur dieser Zellformen. — Über die Formbestandteile der Leberzellen und ihre Funktionen. Zur feineren Struktur | der Leberzellen. — Über die Formbestandteile der Nierenzellen und ihre Funk- | tionen. Zur feineren Struktur der Nierenzellen. — Über die Formbestandteile der Drüsenzellen der Mamma und ihre Funktionen. Zur feineren Struktur der | Drüsenzellen. — Über die Formbestandteile der Haut und Nickhaut des Frosches, | sowie ihrer Drüsen und ihre Funktionen. Froschhaut. Drüsen der Froschhaut. Granulabilder der Nickhaut und ihrer Drüsen. Granulabilder der Cornea. — Über die Formbestandteile der Knorpelzellen und ihre Funktionen. Zur feineren Straktur der Knorpelzellen. — Über die Formbestandteile der Skelettmuskulatur und ihre Funktionen. Zur feineren Struktur des Myoplasmas und des Sarko- plasmas. — Über die Formbestandteile der Muskulatur des Froschherzens und ihre Funktionen. Zur feineren Struktur der Muskelfasern und des Sarkoplasmas. — Über die Formbestandteile der Muskulatur des Warmblüterherzens und ihre Funktionen. — Über die Formbestandteile der weißen Blutkörper und ver- wandter Zellarten, sowie über ihre Funktionen. Eosinophile und pseudoeosino- phile Zellen. Leukozyten mit polymorphen Kernen. Lymphozyten. Entzündliche Zellforımen. — Über die Formbestandteile der histiogenen Mastzellen und ihre | Funktionen. — Rückblieke und Ausblicke. Methoden. — Formbestandteile des Plasmas. — Alimentäre Veränderungen der Granula, Mitosomen und Mito- chonpdrien. — Biologische Bedeutung der Formbestandteile des Plasmas. Ad- sorption und Absorption. Speicherung, Assimilation und Synthese. Resorption. Sekretion. Oxydase und Peroxydase. Rolle der Formbestandteile des Plasmas bei der Histogenese. Degenerative Veränderungen der Formbestandteile. Als Ergebnis langjähriger Untersuchungen über Plasmastrukturen wird das morpho- logische Wesen der Formbestandteile des Plasmas (der Plasmosomen und Granula, Mito- somen und Mitochondrien, sowie der sog. Netzapparate) bei verschiedenen Zellformen ge- schildert und ihre funktionelle Bedeutung erörtert. Die Beteiligung dieser Formelemente an den Stoffwechselvorgängen unter normalen und pathologischen Verhältnissen erfährt eine eingehende Besprechung. In diesen Beiträgen zur Morphologie und Biologie der Zellen sind für Anatomen, Physiologen und Pathologen wertvolle Beobachtungen niedergelegt. | Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. Von Wilhelm Matthes, Reichenhausen (S.-W.). Mit 35 Figuren im Text. Vorbemerkung. Während die bisherigen Untersuchungen der Helix-Arten sich mehr auf die Formen aspersa, pomatia, arbustorum usw. be- schränkten, war über die bald zu den Xerophilen, bald zu den Pentatänien (A. ScHMiprT) gerechnete Form Helix pisana MÜLL. keine ausführliche Beschreibung vorhanden. Lediglich in Rücksicht auf die Systematik behandeln den Geschlechtsapparat in kurzen Ab- handlungen AD. SCHMIDT und SCHUBERTH, letzterer außerdem die Radula. Ferner liegen einige Bemerkungen von NABIAS über das Nervensystem und von ANDREE über die Fußdrüse vor. Herr Prof. PLATE machte mir daher den Vorschlag, die Anatomie dieser Form näher zu untersuchen. Ich möchte nicht versäumen, auch an dieser Stelle Herrn Prof. PLATE für das rege Interesse, das er meiner Arbeit stets entgegengebracht hat, meinen ergebensten Dank auszusprechen. Desgleichen bin ich Herrn Privatdozenten Dr. HAsE zu großem Danke verpflichtet, der die Freundlichkeit besaß, mir das Material, das er selbst auf Palma gesammelt hatte, zur Be- arbeitung zu überlassen. Die Untersuchung der einzelnen Organe wurde an Total- präparaten vorgenommen, während der histologische Bau an Schnitt- serien einzelner Organe wie auch des ganzen Tieres untersucht wurde. Als Fixierungsmittel benutzte ich vorwiegend Sublimat- alkohol (2 Teile Subl. conc. wässerige Lösung und 1 Teil Alcoh. abs.); daneben wurde auch Sublimat und Sublimateisessig (9 Teile Sublimat und 1 Teil Eisessig) verwandt. Gefärbt wurde ausschließlich im Schnitt mit Hämatoxylin nach DELAFIELD oder Hämalaun und van GIEsonschem Gemisch (Säurefuchsin- Jenaische Zeitschrift. Bd. LI. 1 2 Wilhelm Matthes, Pikrinsäure), ferner, um Schleim nachzuweisen, mit Boraxkarmin, Bismarckbraun, Bleu de Lyon, sowie mit Hämatoxylin und Eosin. I. Äußere Form und Vorkommen. Die Schale von Helix pisana MüLr. (Textfig. 1) ist kugelig und in der Regel mit vier Bändern gestreift. Die Zahl der Um- gänge beläuft sich auf fünf; die größte Höhe beträgt 15mm, die größte Breite 19mm. Die Farbe der Schale ist jedoch so variabel, daß man alle Übergänge von einem ungebänderten gelbbraunen bis zu den gebänderten Exemplaren finden kann. Die einzelnen Bänder verhalten sich untereinander auch wieder verschieden; so kann beispielsweise das zweite und dritte Band in drei einzelne Streifen gespalten sein, während das erste in M-förmige Zacken aufgelöst ist; oder das dritte Band zeigt überhaupt keine Streifung, sondern ist als breites dunkelbraunes Band vorhanden. Die Mün- dung ist schwach rötlich gefärbt; die Lippe weist außerdem eine wulstige Verdickung auf. Nach Anpr£E kommt Helix pisana vorzugsweise auf „des Chardons, des Eryngium et autres plantes rugueuses“ vor und ist sehr seßhaft.e. Auch Hase fand sie vor- wiegend auf dornigem Gestrüpp, wo sie sich während der trockenen Jahreszeit in beträcht- licher Höhe, bis zu 2 m und mehr, aufhängen. Um an den dünnen Ästchen, an die sie sich an- kleben, einen festen Halt zu haben, und um sich vor dem Austrocknen zu schützen, schei- den sie nicht nur, wie es unsere Helix-Formen tun, eine Textfig. 1. feste, durchsichtige Membran ab, Textfig. 2. sondern außerdem eine kalkige Masse, die fast den ganzen Stengel umschließt, wie es Textfig. 2 zeigt, und die dem Epiphragma der Weinbergschnecke ent- sprechen dürfte. II. Haut, Hautdrüsen und ihre Derivate. a) Integument. Das Integument von Helix pisana besteht aus einem ein- schichtigen Zylinderepithel, das in bezug auf seine Größe sehr va- Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 3 riabel ist. Seine größte Höhe erreicht es am Mundeingange; kleiner ist es auf der Fußsohle und den seitlichen Körperflächen, während der Rücken und der Rest der Epidermis kubisches Epithel aufweisen. Ein Flimmersaum ist nur auf dem vorderen Teile der Fußsohle gut ausgebildet vorhanden; dagegen werden die Flimmern nach dem Schwanzende zu immer kleiner, bis sie zu- letzt überhaupt nicht mehr nachweisbar sind. Das übrige Epithel besitzt eine Kutikula und eine Basalmembran; am stärksten sind beide, sowohl Kutikula als auch Basalmembran, am Mundeingange und an den Lippenrändern entwickelt. Wo die Haut nicht durch die Schale geschützt ist, wird das Epithel von zahlreichen einzelligen Drüsen durchsetzt, die alle flaschenförmigen Bau haben. Am Mantelrand kommen drei Arten von Drüsenzellen vor, die Schleim-, Eiweiß- und Kalkdrüsen. Die sogenannten Eiweißdrüsen sind dadurch charakterisiert, daß ihr Sekret gekörneit und zu einem Klumpen zusammengeballt ist; sie färben sich mit der Dreifachfärbung durch Hämatoxylin (oder Hämalaun) und van GIESonschem Gemisch gelb und mit der Dreifachfärbung durch Boraxkarmin, Bismarckbraun und Bleu de Lyon hellblau. Außer am Mantelrande trifft man diese Drüsen- zellen auf der Oberseite des Schwanzes und vereinzelt auch auf dem Rücken an. Die Kalkzellen färben sich mit Hämatoxylin- VAN GIESON dunkelblau; der Kalk wird in ihnen ausgeschieden in Form von runden Exkretkörnchen ; deshalb kann man sie leicht von der dritten Art von Drüsenzellen, den Schleimdrüsen, unter- scheiden, die sich mit demselben Farbreagens ebenfalls dunkelblau färben. Die Schleimdrüsen sind auf der ganzen Körperoberfläche verteilt und kommen naturgemäß auf der Fußsohle am zahl- reichsten vor. Hier werden die Zellen ständig vom Bindegewebe aus ergänzt, da man bis tief in die Fußmuskulatur hinein sämt- liche Übergänge von einer Bindegewebszelle zur definitiven Schleim- zelle vorfindet. Stark entwickelt sind die Schleimdrüsen auch an den Lippen und am vorderen Teile des Kopfes und des Rückens, wo sie sich, oft zu Komplexen vereinigt, tief in das Bindegewebe einsenken. b) Manteldrüse von Helix lactea. Bei vergleichenden anatomischen Studien, zu denen ich die größere Form Helix lactea MÜLL., die ebenfalls von Palma stammte, heranzog, fand ich zwischen dem Boden und dem Dach 1* 4 Wilhelm Matthes, der Lungenhöhle auf der linken Seite unter und hinter dem Mantelrand ein stark entwickeltes drüsiges Organ (Textfig. 3 m2dr.); ich hielt es zunächst für pathologisch, jedoch bald überzeugte ich mich, daß ich es mit einer dieser Form eigentümlichen Mantel- drüse zu tun hatte. Ein ähnliches Organ beschreibt nach SIMROTH (Bronns Klassen, III. Bd.: Mollusca) PELSENEER von Auricula myosotis. (Die Arbeit selbst war mir nicht zugänglich.) Diese Drüse liegt an derselben Stelle im Mantelwulst „als ein abgeschlossener Körper mit enger Mündung. Zwi- schen der Drüse und der Körperwand senkt sich außer- dem der Mantel zu einem engen Coecum ein von unbekannter Bedeutung“. Ferner erwähnt SIMROTH ebenda, daß bei der Helicidengruppe Iberus „sich links die Haut unter dem Mantelrand zu einer tiefen Tasche einsenkt, der Manteldrüse, die noch der näheren Untersuchung harrt‘“. (Leider war mir aus dem Literaturverzeichnis nicht ersichtlich, welcher Autor die Drüse erwähnt; deshalb zitiere ich hier Sım- ROTH.) Dagegen habe ich in der Literatur darüber nichts vor- gefunden, daß eine Manteldrüse bei der Helicidengruppe Macularia, zu denen Helix lactea gehört, vorkommt. Gänzlich verschieden ist diese Manteldrüse von der Nackendrüse, die BECK bei Buli- minus beschreibt, da die letztere bei weitem nicht solche Dimen- sionen erreicht und sich auch histologisch von ihr unterscheidet, da sie nur aus Eiweißdrüsen besteht. Auch mit den schlauch- förmigen Drüsen, die PLATE bei Janella schauinslandi gefunden hat und die frei in eine Vertiefung am vordersten Ende des Mantelfeldes in der Nähe der Nierenöffnung münden, stimmt die Manteldrüse nicht überein, da der histologische Bau von beiden ebenfalls verschieden ist. Ebenso unterscheidet sich diese Drüse von dem von PLATE bei Daudebardia beschriebenen Schleimsack, da dieser rechts gelegen ist und neben dem After sich öffnet. Die Drüse selbst stellt also eine sackartige Einstülpung des Mantelrandes dar und erreichte bei einem Exemplar die stattliche Länge von fast 8 mm. Im Gegensatze zu der Drüse, die PEL- SENEER bei Auricula gefunden hat, ist die Mündung ein breiter, schlitzförmiger Gang, der die Drüse in ihrer ganzen Länge durch- zieht, wie ein Querschnitt (Textfig. 4) zeigt, und der von einem kubischen Epithel ausgekleidet ist. In diesen Gang münden die nn u m Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 5 einzelnen Drüsenzellen, die durchweg dem einzelligen, tubulösen Typus angehören (Textfig. 5), und zwar sind es sowohl Eiweiß- drüsen (edr) als auch Schleimdrüsen (sc//dr), da sie den gleichen Bau haben und dieselben Farbreaktionen geben wie die oben bei der Haut beschriebenen Drüsenzellen. Mit schönem Erfolge habe ich zum Nachweis von Schleimdrüsen die Dreifachfärbung Boraxkarmin — Bismarckbraun — BLEU DE Lyon angewandt, da der Schleim sich hierbei intensiv braun und die Kerne rot färben. Textfig. 4. Beide Zellarten kommen ungefähr in gleicher Anzahl vor; die Eiweißdrüsen sind etwas größer als die Schleimdrüsen und münden mit ihren engeren Ausführgängen zwischen den letzteren aus. Soweit ich aus den einzelnen Entwicklungsstadien der Drüse schließen kann, scheint die Bildung des Sekretes folgendermaßen vor sich zu gehen. Eine Eiweißdrüsenzelle, deren Sekret entleert ist, enthält einen kleinen Rest wandständiges Protoplasma, in dem der Kern sich befinde. Während sich in einer sekreterfüllten 6 Wilhelm Matthes, Zelle der Kern stark färbt, so daß man von seiner Struktur nichts erkennen kann, so sieht man hier, daß er neben einer großen An- zahl Chromatinkörner wenigstens einen Nucleolus enthält. Auf einem weiteren Stadium verlagert sich der Kern mehr nach dem basalen Ende der Drüsenzelle zu, und die Bildung des Sekretes geht so vor sich, daß zunächst kleine, runde Sekretkörnchen aus- geschieden werden, die sich mit Hämalaun — vAN GIESON bräun- lichgelb färben. Allmählich verwandeln sich die Exkretkörnchen in ein sich gelbfärbendes, gekörneltes Sekret, das infolge seines starken Gehaltes an Wasser bei der Fixierung sich von der Zell- wand ablöst und zu einem Klumpen zusammengeballt in der Mitte der Zelle liegt. Durch einen langen, engen Ausführgang wird das Sekret in das Lumen der Drüse entleert. Charakteristisch für die Eiweißdrüsen ist ferner der Umstand, daß der Kern, haubenförmig umgeben von Protoplasma, das an den seit- lichen Drüsenwänden entlang zieht, am basalen Ende der Zelle liegt, so daß in der Drüsenzelle, zumal auf jungen Entwicklungsstadien, eine Va- kuole vorhanden zu sein scheint. Ähnlich verhält sich die zweite Art von Drüsen, die in der Manteldrüse vor- kommen, die Schleimdrüsen. Die Bildung des Sekrets geht hier in der Weise vor sich, daß der Kern, der, meistens in der Mitte der Zellen liegend, an einem Netz von Plasma- fäden aufgehängt ist, sich ebenfalls vergrößert. An den Kreuzungsstellen der Plasmafäden werden dann kleine, keilförmige Exkretkörnchen gebildet, die sich mit Hämalaun- van GIESON bläulich-violett färben. Diese Körnchen werden dann größer, in- dem sie sich abrunden, und gehen dann in ein schaumiges, blasiges Sekret über, das sich dunkelblau färbt und den Kern, da es die Textfig. 5. Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 7 ganze Zelle erfüllt, an das basale Ende drängt. Wie die Kerne von entleerten Drüsenzellen zeigen, weisen diese gewöhnlich mehrere Nucleoli auf und außerdem gleichmäßig verteilte Chro- matinkörner. Wie oft eine Drüsenzelle sezernieren kann, läßt sich natürlich nicht feststellen; wenn aber die Zellen sich erschöpft haben, dann werden sie von außen her durch Bindegewebszellen ersetzt, die nach dem Lumen der Drüse hinwandern. Gerade an der Peripherie der Drüse findet man eine Menge von Binde- gewebszellen, die in Umwandlung zu einer Schleim- oder Eiweib- drüse begriffen sind. Die ganze Drüse wird nach der Lungenhöhle hin begrenzt von einem Plattenepithel, an das sich Längs- und Quermuskeln nach innen hin anschließen, die die Drüse hutförmig umgeben. Auch zwischen den einzelnen Drüsenzellen befinden sich noch Muskelfasern, die eine rasche Entleerung der Drüsen ermöglichen. Auf Serienschnitten lassen sich noch mehrere Seitengänge außer dem Hauptgang feststellen, so daß die Drüse ein ziemlich kom- pliziertes Organ darstellen würde. Da ich aber diese Seitengänge nicht regelmäßig an derselben Stelle auf verschiedenen Serien fest- stellen konnte, so nehme ich an, daß diese Seitengänge sekundär infolge der Kontraktion der Muskeln entstanden sind, ebenso wie eine Verschiebung der vorderen Partie der Drüse nach außen eingetreten ist infolge von Kontraktion, wie die Textfig. 4 zeigt. Was die Bedeutung der’ Drüse anlangt, so erhellt diese so- fort aus ihrer Lage. Indem sie ihr Sekret ergießt, läuft es an der Rinne, die gebildet wird vom Rücken und dem Mantelrand, entlang und verbreitet sich gleichzeitig auf der ganzen Rücken- oberfläche. Dadurch wird einerseits der Rücken feucht und ge- schmeidig gehalten, andererseits wird das oft sich wiederholende Zurückziehen in die Schale und das Ausstülpen aus derselben erleichtert, indem die Manteldrüse infolge ihrer mächtigen Aus- bildung die übrigen Drüsen des Mantelrandes bei der Abscheidung von Sekret in hohem Maße unterstützt. Vielleicht hat die Drüse auch noch die Bedeutung, daß ihr Sekret ein Abwehrmittel gegen Feinde darstellt, insofern, als Tiere, die die Schnecken angreifen, infolge der Menge des Sekretes der Schleim- und Eiweißdrüsen, die auf einmal ausgestoßen werden kann, von ihrer Beute ab- lassen; außerdem könnte das Sekret ätzend oder giftig sein, was die Bedeutung als Abwehrmittel noch erhöhen würde. Eine derartig gebaute Drüse konnte ich bei Helix pisana nicht konstatieren. 6) Wilhelm Matthes, c) Fußdrüse von Helix pisana. Die Fußdrüse ist ein langgestrecktes, schlauchförmiges Ge- bilde, das in die Fußmuskulatur eingesenkt ist. Sie mündet vorn median aus und nimmt ungefähr zwei Drittel der Gesamtlänge des Fußes ein. Eine besondere Schwanzdrüse, wie sie die Nackt- schnecken besitzen, ist nicht ausgebildet. Am stärksten fand ich die Fußdrüse immer entwickelt bei ausgewachsenen Tieren. Um so mehr befremdend erscheint mir daher die Behauptung ANDREES, der die Fußdrüse auch speziell von Helix pisana untersucht hat: „Glande pedieuse tr&s reduite, ne se composant, dans certaines regions, que du canal excreteur.“ Leider kann ich diese Angaben nicht bestätigen, da man doch nicht von starker Rückbildung reden ARM Fr k Be rt \ ENTE e rg | EEE 7 RI Neu ” Ge ER n$ 2 en ne DANN SA #€ N NINE EERSTLN, \ IR \ Tr NE # 05 HAHN 7 / Textfig. 6. kann, wenn beispielsweise bei einem ausgewachsenen Exemplar bei einer Gesamtlänge des Fußes von 20,5 mm die Fußdrüse 14,5 mm einnimmt. Wie man auf Querschnitten und auf Längs- schnitten durch ausgestreckte Exemplare sehen kann, trifft wohl die Angabe, daß die Drüsenzellen sich auf den Ausführgang be- schränkten, für einen Teil des Daches in der Mitte des Ganges zu — falls AnDREE hierunter die „certaines regions“ versteht — nicht aber für die Drüse im allgemeinen. Vorn liegt dem Aus- führgang eine mehr flache Drüsenmasse, die „masses superieures“ ÄNDREES, auf. Der Ausführgang selbst stellt eine Ellipse dar, die nach vorne immer flacher wird. In der Mitte des Bodens (Textfig. 6) verläuft eine flache Rinne (s— „sillon“), die gebildet Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 9 wird von zwei kleinen Längswülsten (do —= „bourrelets“); im vor- deren Abschnitt verschwindet jedoch diese Rinne. Besonders aus- gebildete Längsfalten („plis longitudinaux“) am Dache des Aus- führganges habe ich nur in seinem hinteren Abschnitt gefunden, wohl aber öfters auf Längsschnitten herabhängende Falten, die dann Querwülsten entsprechen würden; doch können letztere mehr oder weniger auf Kontraktion beruhen. Ausgekleidet wird der Ausführgang von einem Epithel, das von vielen Interzellularräumen (Textfig. 7z2) durchsetzt ist. Von Epithelzellen haben wir drei Arten zu unterscheiden: die des Daches, die der Seiten und die des Bodens. Das erstere Epithel ist ein kubisches mit runden Kernen; nach AnDREE soll das Protoplasma zweierlei Strukturen zeigen: einmal soll es Streifen aufweisen, die parallel der Zell- wand laufen, dann aber soll es auch netzförmig ange- ordnet sein. Ich habe nur eine Zellart feststellen kön- nen, in der das Protoplasma gekörnelt ist. Während das Sehldr - Epithel der Seitenwände aus einem Plattenepithel besteht, stellt das des Bodens ein Zylinderepithel mit ellipti- schen, basalständigen, oft fast die ganze Zelle aus- füllenden Kernen dar, das im ganzen Ausführgang Flimmern trägt. Nach An- | DREE soll dieses Epithel Textfig. 7. keine Cuticula aufweisen im Gegensatz zu anderen Formen, z. B. Vitrina, Limax usw. Bei den von mir untersuchten Exemplaren war stets eine deutlich aus- geprägte Cuticula vorhanden, die sich besonders gut abhebt bei Färbung mit Hämalaun-van GIESsoN (Textfig. 7cx). Histologisch setzt sich die Drüse zusammen aus drei ver- schiedenen Zellarten; erstens haben wir Schleimdrüsen, deren Kern in der Ruhe an einem Netz von Plasmafäden aufgehängt ist (Textfig. Tschldr). An den Kreuzungsstellen der Plasmafäden werden zunächst keilförmige Exkretkörnchen ausgeschieden, die sich dann vergrößern und abrunden; somit dürften diese Drüsen- zellen identisch sein mit den Schleimdrüsen des Integuments. 10 Wilhelm Matthes, Wie bereits AnDREE bemerkt, münden diese Schleimzellen nur auf der Rinne zwischen den Längswülsten aus (vgl. Texttig. 6). Zweitens haben wir die Drüsenzellen zu unterscheiden, die vorn über dem Ausführgang liegen („masses superieures“). Histo- logisch sind sie dieselben wie die anderen Schleimdrüsen, unter- scheiden sich aber von ihnen durch intensivere Färbung mit Häm- alaun. Die dritte Zellart ist diejenige, die eine Vakuole enthalten sollen, die „cellules ä vacuoles“ (Textfig. S v.z.). Diese Zellen kommen vor an den Seiten und im Dach der Fußdrüse; ich möchte sie für die sogenannten Eiweißdrüsen halten, da, wie ein Vergleich mit den Eiweißdrüsen z. B. des Mantelrandes ergibt, sich diese nicht nur entsprechend färben, sondern auch dieselbe Gestalt besitzen. Der Kern liegt meist an dem basalen’ Ende der Zelle und ist hutförmig umgeben von Protoplasma, das die seit- Textfig. 8. lichen Wände der Zelle aus- kleidet. Da das Plasma sich durch die Färbung abhebt von dem in der Zelle befindlichen Sekret, so scheint es, als ob eine Vakuole vorhanden sei, wie ich es bereits oben für die Eiweißdrüsen angegeben habe. ANDREE hat ferner chemisch im Schleim der Fußdrüse phosphorsauren und kohlensauren Kalk nachgewiesen, besondere Kalkzellen aber nicht gefunden. Trotz Anwendung verschiedener Farbreagentien habe ich ebenfalls keine besonderen Kalkzellen nachweisen können; auch Differentiation mit salzsaurem Alkohol unter dem Mikroskop führte zu keinem Resultate, da eine Kohlen- säureentwicklung in Form aufsteigender Gasblasen nicht wahr- zunehmen war und die Drüse nach der Differentiation das un- veränderte Bild zeigte. d) Schale und Schalenbildung. Um die Schichten, aus denen die Schale besteht, unter- suchen zu können, fertigte ich Dünnschliffe parallel und senkrecht zu den Zuwachsstreifen an. Es ergab sich, daß die Schale, wie THIELE und BIEDERMANN bei anderen Mollusken gefunden haben, aus drei Schichten besteht (Textfig. 9): Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. tl 1. dem Periostracum, 2. dem Ostracum, 3. dem Hypostracum. Die äußerste Schicht, das Periostraecum (Zer.) stellt ein BE iurlosen, homogenes Häutchen von organischer Substanz dar. Es besteht aus zwei Schichten, einer oberen, dünnen, die hellgelb, und einer unteren, die gelbbraun erscheint. Letztere ist wahr- scheinlich die Ursache der hellbraunen Färbung der Schale. Auf einem Schliffe folgte dieser Zone noch eine dritte, die der ersten vollständig gleich ist, so daß also die dunklere Schicht nach oben und unten von einer hellen abgeschlossen wurde. An das Peri- ostracum schließt sich nach innen das Ostracum an. BIEDERMANN bezeichnet dieses als die „Stalaktitenschicht“. Sie zerfällt in drei Zonen; die erste ist der Träger des schwarzen Pigmentes der Bänderung. Im durchfallenden Lichte erscheint sie dunkel; die „Stalaktiten“, die einzelnen Kalkfibrillen, stehen senkrecht zur Oberfläche, infolge dessen tritt hier eine senkrechte Streifung auf. Durch zogen wird diese Schicht ferner von mehreren Anwachsstreifen, die ab- wechselnd hell und dunkel erscheinen, was nach BIEDERMANN auf dem ver- Textfig. 9. schiedenen optischen Verhalten der „Stalaktiten“ beruht, da infolge der verschiedenen Dichte die Licht- strahlen mehr oder weniger gebrochen werden. Die zweite Zone, die sich an die vorige anschließt, sieht im durchfallenden Lichte heller aus und ist von dunklen Längsstreifen durchsetzt. Die dritte Schicht endlich nähert sich in ihrem Aus- sehen der ersten und zeigt auch dasselbe optische Verhalten; nur ist sie etwas dunkler als die erste. Auf diese drei Schichten des Östracums folgt dann die letzte Schicht, das Hypostracum, die „Blätterschicht“ BIEDERMANNs. Diese ist im durchfallenden Lichte hell und besteht aus senkrecht zur Schalenoberfläche stehenden Platten, die gerade so hoch als die ganze Schicht sind. Ein Schliff endlich durch den Wulst des Peristoms zeigt, daß man hier nur eine Schicht des Ostracums unterscheiden kann. Dieses zeigt zunächst das normale Verhalten; nach innen zu aber werden dann kurze, stark verdickte, halbmondförmige Zuwachs- streifen gebildet, wie die Textfig. 10 zeigt. Dagegen ist das Hypostracum weniger stark entwickelt. ostr 12 Wilhelm Matthes, Die Schale wird abgeschieden von der Oberseite des Mantel- randes. Bei vollständig ausgewachsenen Tieren ist der Mantelrand jedoch nicht mehr deutlich genug differenziert. sodaß man die einzelnen Zonen, == =E za fe die an der Bil- we a ee dung der Schale et nnaeen beteiligt sind, unterscheiden könnte. Infolge- dessen ver- wandte ich zur Untersuchung Textfig. 10. Längsschnitte durch den Man- telrand von jüngeren Tieren, die ein gutes Übersichtsbild ergaben. Wir haben hier bei dem schalenbildenden Epithel drei Zonen zu unterscheiden (Textfig. 11): 1. Die Mantelfurche (,Sillon pall&al“ von MoYNIER DE VILLE- POIXI; 2. das „Drüsenpolster“ BIEDERMANNS („Bandelette“ von MoynIErR de Villepoix):; 3. das daran sich anschließende Epithel des Intestinalsackes. Textfig. 11. Das Epithel des Mantelwulstes senkt sich zu einer tiefen Furche ein, der Mantelfurche (,,/) oder dem „Sillon pall&eal“, indem Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 13 es allmählich drüsigen Charakter annimmt. Man kann hier wieder zwei Zonen unterscheiden: eine vordere und eine hintere. Die vordere Zone (z,) schließt sich an das Epithel des Mantelwulstes an und besteht aus langen zylindrischen Zellen, deren Plasma gekörnelt ist und hell erscheint, da es sich wenig färbt, und infolge- dessen diese Zellen sich schärfer von dem übrigen Epithel abheben. Die Kerne liegen basal und sind länglich-elliptisch; sie enthalten meist mehr als einen Nucleolus und gleichmässig verteiltes Chro- matin. Im Grunde der Mantelfurche geht dieses Epithel über in ein unregelmäßiges, das bereits den Charakter der hinteren Zone besitzt. Das Epithel der hinteren Zone (z,) selbst besteht eben- falls aus langen, zylindrischen Zellen; ihr Plasma ist gekörnelt und im Gegensatze zu dem der vorderen Zone stärker färbbar; die Kerne sind mehr oval und enthalten gewöhnlich auch mehrere Nucleoli und verteiltes Chromatin. Da man nun einerseits über den Zellen der vorderen und hinteren Zone bei solchen Exemplaren, die gerade in Bildung der Schale begriffen waren, erstarrtes Sekret vorfindet, andererseits das Periostracum aus zwei Schichten besteht, wie oben gezeigt wurde, so nehme ich an, daß von der vorderen Zone die obere Schicht und von der hinteren Zone die untere Schicht des Periostracums gebildet wird. An die Mantelfurche - schließt sich die „Bandelette pall&ale“ (da), das „Drüsenpolster“, an. Die Zellen dieses Epithels sind gegenüber den anderen bedeutend verlängert. Die Kerne können in jeder Höhe der Zelle liegen und besitzen die Gestalt von stark in die Länge gezogenen Ellipsen; manchmal sind die Kerne auch keulenförmig, was aber die Folge von Kontraktion der Zelle sein kann. Fast stets enthalten die Kerne zwei Nucleoli. An ihrem basalen Ende sind die Zellen flaschenförmig erweitert und senken sich in das darunterliegende Bindegewebe ein. Von diesen Zellen werden die Schichten des ÖOstracums abgeschieden. Da nun in den ersten Lagen des ÖOstra- cums sich das Pigment befindet und in dem unter diesen Zellen der „Bandelette“ befindlichen Bindegeweberegelmäßig starke Pigment- anhäufungen (/z,) vorkommen, so sind es wohl die Zellen der „bandelette“, die zugleich Pigment und Kalk abscheiden; ich möchte daher, im Gegensatze zu SIMROTH, eine besondere, pigment- liefernde Zone nicht annehmen, da DısTaso an Helix hortensis und H. nemoralis den Nachweis geliefert hat, daß das im Bindegewebe befindliche Pigment in das Epithel übertritt. Auf einem Schnitt (Textfig, 11 /z,) habe ich auch Pigment gefunden, das teils noch im Bindegewebe liegt, teils aber bereits im Epithel der hinteren 14 Wilhelm Matthes, Zone der Mantelfurche sich befindet, und von dem man annehmen muß, daß es in das Epithel übergetreten ist. Das Drüsenpolster geht allmählich über in das bei weitem kleinere Epithel des Intestinalsackes (e/. r/.), das die letzte Schicht der Schale liefert, das Hypostracum. Die Zellen dieses Epithels sind zylindrisch, ihre Kerne elliptisch und basalständig mit ver- teiltem Chromatin; das Plasma ist gekörnelt. Die Zellen werden nach hinten immer kleiner und kleiner, bis sie in das gewöhnliche, kubische Epithel des Eingeweidesackes übergehen. Das Epithel im Grunde der Mantelfurche ist zu einer Globuligendrüse „glande globuligene“, nicht ausgebildet, wie es MOYNIER DE VILLEPOIX von Helix aspersa beschreibt, wo nämlich die Epithelzellen sich bedeutend verlängern und ihr Plasma zu Körnchen umbilden, die dann zu Kügelchen heranwachsen und in Vakuolen liegen. Wohl ist das Plasma dieser Zellen bei Helix pisana körnig, aber in Vakuolen liegende Kügelchen habe ich nicht gefunden. Eine Schalenanalyse zu machen hielt ich nicht für notwendig, da sich in der chemischen Zusammensetzung der Schale wohl kaum größere Abweichungen von den Helix-Formen, die DÖRING näher untersucht hat, ergeben haben würden. Dagegen habe ich die Frage, ob der kohlensaure Kalk in Form von Aragonit (Rose) oder Kalkspat (Graf BOURON, BIEDERMANN) auskristallisiert ist, für die Helix-Formen, ebenso wie es BECK für Buliminus getan hat, zugunsten der Ansicht Roses entschieden; denn das in der Reibschale pulverisierte Gehäuse, das ich in dem Reagens Kobalt- nitrat kochte, gab einen deutlich violetten Niederschlag. Infolge- dessen ist der kohlensaure Kalk in den Schalen nicht als Kalk- spat, da der Niederschlag sonst hell hätte bleiben müssen, sondern als Aragonit kristallisiert. Ill. Muskulatur und Bindegewebe. Der Hautmuskelschlauch zeigt den für die anderen Helix- Formen beschriebenen typischen Bau, ebenso der Columellarmuskel. Dieser zieht in zwei ungleich starken Bändern nach vorn. Von dem linken, das seinerseits aus zwei Bändern besteht, begibt sich das eine, über den ventralen Teil des Schlundringes hinweg- ziehend, nach dem Pharynx, wo es an der unteren Seite und der seitlichen Furche, in zwei Bänder gespalten, inseriert und so als Pharynxretraktor wirkt. Nachdem sich von den beiden anderen Bändern in der Mitte und im vorderen Teile des Fußes größere Teile abgetrennt und sich dort verzweigt haben, zieht der Rest Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 15 nach vorne, spaltet sich und begibt sich einerseits zum großen Tentakel, andererseits zu dem kleinen Tentakel und den Lippen. Insofern weist der Columellarmuskel eine Besonderheit auf, als der rechte Ast, der sich nach dem großen Tentakel begibt, zwischen Penis und Spermovidukt hindurchzieht. Histologisch setzen sich die Muskeln aus Muskelfasern zu- sammen; in der Mitte einer jeden Faser befindet sich der Kern, umgeben von etwas Protoplasma, während sie nach außen von kontraktilen Muskelfibrillen abgeschlossen wird. Zwischen den Muskelfasern befindet sich interfascikuläres Bindegewebe, das an die Stelle des Sarkolemms tritt (MErRToN). (Querstreifung habe ich in der Muskulatur des Schlundkopfes nur in einer Serie ge- funden. Wie Textfig. 12 zeigt, wechselten dunkle mit hellen Zonen ab; in der Mitte der Faser waren die Streifen am breitesten, während sie sich nach rechts und links verjüngten. Da ich nur in einer einzigen Serie trotz gleicher Fixierung mit Sublimat- alkohol und derselben Färbung mit van GIESoNnschem Gemisch Querstreifung gefunden, und da in derselben Serie das Herz nicht einmal Spuren von (uerstreifung aufwies, so nehme ich mit MER- TON und BEcK an, daß ein prin- zipieller Unterschied zwischen RD. quergestreiften und glatten Muskel- i fasern bei den Pulmonaten nicht vorhanden ist, sondern daß die Querstreifung infolge der Tätigkeit eines Muskels hervorgerufen wird und in der Ruhe wieder schwindet. | Von den verschiedenen Formen der Bindegewebszellen kommt das gewöhnliche, blasige Bindegewebe am häufigsten vor. Dieses dient zur Umhüllung der Organe und Ausfüllung von Hohlräumen; so umgibt es die Lakunen, die Ganglien, den Darm, die Leber usw. Die Zellen zeigen deutliche Zellgrenzen und besitzen einen kleinen, meist wandständigen Kern. In diesen Zellen, besonders häufig bei dem die Leber umhüllenden Bindegewebe, in der Lunge usw. finden sich Kalkkörnchen, die sich mit Hämatoxylin blau färben, in solcher Menge abgelagert, daß die Zellen voll- ständig damit angefüllt sind (Textfig. 13 %2). Ähnlich wie diese Zellen verhalten sich die Leypısschen Zellen; es sind ebenfalls blasige Bindegewebszellen mit wand- ständigem Kern, die aber in ihrem Inneren Glykogen aufspeichern; 16 Wilhelm Matthes, sie finden sich namentlich in der Leber, im Fuße und auch in den Speicheldrüsen. Eine weitere Art von Bindegewebe findet sich in der Radula- tasche vor, das „vesikulöse“ Bindegewebe MERTONSs. Dieses Gewebe, das er nur morphologisch, nicht färberisch untersucht hat, ist nach seinen Angaben je nach dem Alter des Tieres und nach der Lage verschieden. Im vorderen Teile des Pfropfes ist es weniger weit differenziert als hinten. Vorne hat jede „vesiku- löse“ Zelle ihre eigene Membran, die nur teilweise mit der der Nachbarzelle zusammenstößt. Sie enthält 1—2 kugelige Kerne und ist von einem homogenen Inhalt erfüllt. Dazwischen befindet sich feinfaseriges Bindegewebe mit intensiv färbbaren Kernen. Nach hinten zu verändert sich das Bild, da hier eine feinkörnige Interzellularsubstanz auftritt, welche die einzelnen Blasenzellen auseinander- drängt und Bindegewebszellen und Fasern dicht umhüllt, schließlich sogar sie assimiliert. Die Kernbilder sind dieselben wie vorne, aber die Blasen- zellen, deren Wandungen hier von der Grundsubstanz sich nicht mehr unter- scheiden lassen, werden von einer fein- körnigen Masse erfüllt, die sich inten- siver färbt als der Inhalt der vesi- culösen Zelle. Inder Nähe der Kerne be- Textfig. 13. findet sich außerdem eine färbbare, kör- nige Masse, die er für die Chromidien NOWIKOFFSs hält. Diese Angaben kann ich nur teilweise bestätigen. Was zunächst die Verschiedenheit des Gewebes nach dem Alter des Tieres anlangt, so habe ich weder bei jungen, noch bei halb-, noch bei ganz ausgewachsenen Tieren einen Unterschied bemerken können. Immer bot sich mir dasselbe Bild dar. Ferner habe ich, ebenso wie BEcK für Buli- minus, gefunden, daß hier die Kerne nicht kugelig sind und auch nicht in beiden Abschnitten übereinstimmen; vielmehr wiesen sie die abenteuerlichsten Formen auf; bald waren sie elliptisch, bald keulenförmig, bald gedreht usw. Das Gewebe selbst färbte sich mit Hämalaun-van GIESoN ganz charakteristisch, nämlich rötlich- violett, sowohl im vorderen wie im hinteren Teile. Es wiesen nur, wie auch MERTON sagt, die Blasenzellen im hinteren Teile eine etwas intensivere Färbung auf. Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 17 Schließlich kommen noch überall zerstreut Pigmentzellen vor, namentlich aber im Mantelrand hinter der Zone der „Bande- lette“, wie oben bereits angegeben wurde. IV. Blutkreislauf. a) Herz und arterielles Gefäßsystem. Das Zentralorgan des Blutgefäßsystems, das Herz, besteht aus Vorkammer und Herzkammer und befindet sich, im Perikard eingeschlossen, am hinteren Teil der Lungenhöhle auf der linken Seite des Kör- pers. Während das Atrium, das vor dem Ventri- kel liegt, aus ei- ner dünnen Schicht von Mus- kelfasern be- steht, weist die Herzkammer stärkere, sich kreuzende Mus- kelbündel auf, die ins Lumen der Kammer hin- “ einragen und Textfig. 14. von denen ein Paar am Verbindungsgang zwischen Atrium und Ventrikel als Klappen funktionieren (Textfig. 1442). Diese Klappen sind halbmond- förmig; histologisch bestehen sie fast ausschließlich aus Längs- muskelfasern. Zieht sich nun die Herzkammer zusammen, so werden die Klappen durch die Blutflüssigkeit zusammengedrückt, so daß ein Zurücktreten der Blutflüssigkeit in die Vorkammer unmöglich gemacht wird. Dagegen werden die Klappen bei der Kontraktion der Vorkammer durch das Blut auseinandergedrängt, so daß die Blutflüssigkeit in die Herzkammer eintreten kann. Ebenso findet sich eine Stauvorrichtung in der Aorta (Textfig. 15 £2.). Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. 2 18 Wilhelm Matthes, Diese besteht jedoch nur aus einer Klappe; sie befindet sich an der Stelle, wo die Herzwandung in die der Aorta übergeht. Im Vergleich zu den Klappen im Ventrikel ist sie jedoch bedeutend ärmer an Muskelfasern. Auch sie gestattet wohl den Eintritt des Blutes in die Aorta, verhindert aber ein Zurückfließen, indem sie sich fest auf die gegenüberliegende Wand des Ventrikels auflegt. Ein besonderes Epithel, das sog. Endothel, habe ich weder in der Vorkammer und Herzkammer noch in den Arterien nachweisen können. Auch habe ich im Herzen keine (uerstreifung konsta- tieren können; nicht einmal in der Serie, wo ich im Schlundkopfe deutlich ausgeprägte quergestreifte Muskulatur gefunden habe, wie Fig. 12 zeigt, war eine Querstreifung angedeutet. Textfig. 15. Das Perikard, welches das Herz vom Eintritt der Lungen- vene in das Atrium ab bis zum Austritt der Aorta aus dem Ventrikel einschließt, besitzt ein Plattenepithel mit ziemlich unregel- mäßig geformten Kernen. Um den Verlauf der Blutgefäße verfolgen zu können, habe ich das Gefäßsystem von der Herzkammer aus injiziert. Trotz der Schwierigheiten, die sich wegen der Kleinheit des Herzens ergaben, sind mir die Injektionen doch gelungen, so daß sich die Verteilung der arteriellen Gefäße gut erkennen ließ. Nicht so gut geglückt sind mir die Injektionen des venösen Gefäßsystems von der Mantelrandvene aus nach rechts und links; jedoch konnte man wenigstens die Hauptstämme ganz gut verfolgen. Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 19 Betrachten wir zunächst das arterielle Gefäßsystem. Von dem Ventrikel geht eine einheitliche Aorta ab, die über den Darm hinwegzieht und sich dann in zwei Hauptäste teilt. Von diesen zieht der eine, die Arteria visceralis, an der Leber entlang. sich vielfach verzweigend und sie so mit Blut versorgend. Sie ist von außen sichtbar, da sie unmittelbar unter der die Leber umgebenden Haut verläuft, und steigt dann an dem Leberlappen empor, geht über diesen hinweg nach der Eiweißdrüse, auch diese mit Blut versorgend, und begibt sich dann zu den letzten Windungen des Eingeweidesackes, um dem Zwittergang und der Zwitterdrüse sowohl als auch dem zweiten Leberlappen Blut zuzuführen. Der zweite Hauptast, die Arteria cephalica, wendet sich, um den Darm herumziehend, nach vorn und gibt nach rechts sofort die Genitalarterie ab, die, am Spermovidukt nach vorn verlaufend, sich mehrfach verzweigt und so zunächst das Receptaculum mit Divertikel und den Spermovidukt mit Blut versorgt. Unmittelbar nach Abzweigung der Genitalarterie können wir ein kleineres Gefäß nach links verfolgen, das sich zu dem zwischen Magen und Blindsack liegenden Abschnitt des Darmes begibt. In ihrem weiteren Verlaufe gibt die Arteria cephalica noch einen zweiten, weit stärkeren Ast nach links ab, der sich seinerseits wieder in zwei Äste teilt. Von diesen begibt sich der eine Zweig, nachdem er sich nochmals geteilt, sowohl an die beiden Speicheldrüsenlappen als auch an den Magen selbst, während der zweite Ast nach unten an den Columellarmuskel zieht und nach hinten in den Fuß ein- dringt, so diese Teile mit Blut versorgend. In der Gegend des Mantelrandes gibt die Arteria cephalica noch einen Zweig nach rechts ab, der nach dem Mantelrand zieht; dann verläuft sie unter dem Ösophagus entlang nach vorne und zieht zwischen den Pedal- und Visceralganglien durch den ventralen Teil des Schlundringes hindurch. Hier teilt sie sich mehrfach; ein größerer Ast biegt nach hinten wieder um und zieht, unter den Ganglien des Schlund- ringes verlaufend, unmittelbar über der Fußdrüse nach hinten, so die Drüse und den Fuß mit Blut versorgend. Ein zweiter Ast begibt sich an den Pharynx und verzweigt sich dort an der Radulatasche usw. Ein weiterer Zweig zieht links nach oben und gibt an das Zerebralganglion kleinere Äste ab, um sich dann nach vorn zu begeben; nachdem er sich noch- mals geteilt, geht ein Ast nach dem großen und der andere nach dem kleinen Tentakel, um diese wichtigen Organe mit Blut zu versorgen. Der letzte Zweig endlich geht nach rechts ab, 2%* 20 Wilhelm Matthes, entspricht also dem vorigen und verzweigt sich in genau derselben Weise: nur haben wir hier noch einen Zweig mehr, der sich nach dem Penis begibt und diesen sowie den unteren Teil des Vas deferens versorgt. b) Venöses Gefäßsystem. Nachdem die Arterien sich in feinen Kapillaren aufgelöst haben, sammelt sich das Blut in Lakunen, die an den verschiedenen Stellen des Körpers zu finden sind, so in der Leber, im Fuß usw. Von hier gelangt das Blut in die Venen. Eine Hauptvene beginnt an der Spitze des Eingeweidesackes und verläuft, der Columella zugewandt, nach unten, indem sie aus den Lakunen der Leber das venöse Blut aufnimmt; sie zieht hierauf dem Enddarm parallel nach vorne, um dann nach links umzubiegen und im Mantel- rand weiter zu verlaufen. Hier trifft sie mit der zweiten Haupt- vene, die das Blut aus Kopf und Fuß sammelt und ebenfalls nach dem Mantelrand zieht, zusammen, so einen Ring im Mantel- rand bildend. Von dieser Ringvene gehen dann mehrere Äste nach der Lunge hin ab, die sich stark verzweigen und schließlich in Kapillaren auflösen. Nachdem hier der Gasaustausch statt- gefunden hat, sammelt sich das Blut wieder in kleineren Gefäßen, die zum Teil nach der Niere ziehen und die sich alle zu einem Hauptstamm vereinigen, der Lungenvene, die dann in das Atrium einmündet. c) Lunge. Die Lungenhöhle, in der der Gasaustausch — abgesehen von der Hautatmung, die vielleicht durch die Intercellularräume des Körperepithels unterstüzt wird —- stattfindet, besitzt beim ausgewachsenen Tiere eine Länge von ca. 20 mm und liegt unter der letzten Schalenwindung. Die Verwachsung des Mantel- randes mit dem Nacken bildet den Abschluß der Lungenhöhle nach vorn; nur durch eine Öffnung, das Atemloch oder Pneumostom, steht sie mit der Außenwelt in Verbindung. Im Gegensatz zu Helix pomatia, wo das Pneumostom durch zwei Lippen, von denen die obere, größere über die untere, kleinere durch Muskeln ge- zogen werden kann, geschlossen wird, ist das Atemloch bei Helix pisana durch einen Sphinkter verschließbar. In der Lungenhöhle haben wir zwischen Dach und Boden zu unterscheiden; das Dach trägt das respiratorische Gewebe. Während bei H. pomatia die Lunge in zwei ungleiche Teile zerfällt, von denen nur der rechts Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 21 neben dem Enddarm gelegene Teil des Lungendaches vorspringende Falten zeigt, der andere, links liegende dagegen eine glatte, von zarten Gefäßen durchzogene Oberfläche besitzt, so springen bei Helix pisana die Gefäße überall als Leisten vor. Nach außen wird die Lungenhöhle von einem kubischen Epithel begrenzt, an das sich nach innen eine Muskelschicht anschließt, deren Fasern quer, von rechts nach links, verlaufen. Auf die Muskelschicht folgt ein spongiöses Bindegewebe, das nach innen abgeschlossen wird von einem sehr niedrigen Plattenepithel. In dem spongiösen Bindegewebe befinden sich die Blutgefäße, die das Bindegewebe nach unten drängen und so die leistenartig vorspringenden Falten erzeugen. Der Boden der Lungenhöhle wird nach oben hin abgeschlossen von einer dünnen Membran, an die sich nach unten zwei Lagen von Muskeln anschließen; die obere Schicht besteht aus Muskel- bündeln, die längs, von hinten nach vorn, verlaufen, die untere Schicht dagegen von solchen, die quer, von rechts nach links, ziehen. Beide Schichten sind ungefähr gleich stark ausgebildet; gewöhnlich ist allerdings die Quermuskelschicht etwas stärker entwickelt als die Längsmuskelschicht. d) Niere. Die Niere stellt, wie Textfig. 16 zeigt, ein längliches, sack- artiges Gebilde dar und liegt im hinteren Teile der Lungenhöhle der Unterseite des Lungendaches auf. Der hintere Abschnitt der Niere grenzt an die Leber und ist ziemlich erweitert, während sie sich nach vorn zu verjüngt. Mit dem Perikard ist sie ver- bunden durch einen engen Gang, den Renoperikardialgang oder Nierenspritze (ref.). Dieser beginnt im Perikard mit einer etwas erweiterten, trichterförmigen Öffnung. Ausgekleidet ist er von einem niederen Zylinderepithel, das ziemlich lange Flimmern trägt. Die Kerne sind meist rund oder elliptisch und mehr oder weniger mittelständig und zeigen gleichmäßig verteiltes Chromatin. Die vordere Spitze des Nierensackes ist nicht von sezernierendem Epithel ausgekleidet, sondern ungefähr bei vdg (Textfig. 16 u. 17) geht die Niere in den primären Ureter über durch einen Gang, der etwas weiter als der Renoperikardialgang ist. Dieser Ver- bindungsgang besitzt kubisches Epithel mit ovalen Kernen, die reich an Chromatin sind; außerdem tragen die Zellen kurze Flimmern. Das Epithel des Verbindungsganges geht dann sofort über in das bedeutend höhere des primären Ureters (fr. Ur. 22 Wilhelm Matthes, Textfig. 16). Dieser selbst bildet in seinem Anfangsteile eine Aussackung, biegt dann aber bald nach rückwärts um und ver- läuft nach hinten bis an die Leber, um dann wieder nach vorn umzubiegen und als sekundärer Ureter (sec. Ur.) parallel zum Enddarm nach vorn zu ziehen. Das Epithel des primären Ureters (Textfig. 18) zeigt auf Querschnitten Längsstreifung des Proto- plasmas; die Kerne liegen weder median noch basal, sondern sind an das distale Ende der Zelle verlagert. Sie sind entweder vollständig rund oder zeigen noch eine kleine Spitze nach innen. : Die Zellen selbst tragen einen Po kleinen, dichten Flimmer- besatz. Zahlreiche Schleim- drüsen kommen hier im Epi- thel nicht vor, wie sie KRA- HELSKA für Helix arbustorum Pi > \ } SA -_.pr.Ur. angibt, wo aber im Gegen- ‘ . . Ha ---Tep satz zu Helix pisana in der | E+-- sec. Ur Kr in taschenförmigen Aussackung \ u. Flimmern nicht vorhanden 'E sind. vbg --- | | 4 In dem nach hinten ver- Se 44-p---Auss. pr. Ur. Jaufenden Teil des primären Ureters fängt das Epithel an größer zu werden, und es tritt zur Längsstreifung der Zellen noch ein heller Hof : '® des Plasmas um den Kern, Textfig. 16. der ebenfalls durch seine Lage an der Spitze der Zelle sich auszeichnet und der meistens keulenförmige Gestalt besitzt (Textfig. 19). Einen kontinuierlichen Flimmersaum konnte ich nicht konstatieren; es treten abwechselnd Zellen auf, die ein Büschel von Flimmern tragen, und zwar sind es gewöhnlich die- jenigen, die am weitesten ins Lumen der Zelle hineinragen; es sind dies die Kalotten- oder Haubenzellen. Daneben kommt aber auch noch die andere Zellart, die Stern- oder Lamellenzellen vor — wie man auf Flächenschnitten des Ureters sehr leicht erkennen kann —, die mit den von PLATE bei den Jannelliden gefundenen übereinstimmen. Der Kern ist rund und liegt ungefähr in der Mitte der Zelle, die sternförmig verästelte Ausläufer bildet (Text- fig. 20). = = m =. Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 23 Während der primäre Ureter vollständig geschlossen ist, so ist der sekundäre Ureter, wie bereits BEHME gefunden hat, der Textfig. 17. das Verhalten des sekundären Ureters bei verschiedenen Helix- Arten näher untersucht hat, in seiner ganzen Länge offen. Sobald Textfig. 18. Textfig. 19. der primäre Ureter aus dem Nierensacke ausgetreten ist und wieder nach vorn umgebogen, öffnet er sich und zieht als eine Hohlrinne, wie Fig. 21 zeigt, neben dem Enddarm (ed) nach vorn. Durch eine bald mehr nach links, bald mehr nach rechts gelegene 24 Wilhelm Matthes, sichelförmige Falte (Textfig. 22 s./.) ist er bis zu einem gewissen Grade nach der Lungenhöhle hin abgeschlossen. Auf der anderen Seite geht das Epithel des sekundären Ureters allmählich über in ein kubisches Epithel, das den Enddarm nach der Lunge hin abschließt. Histologisch setzt sich der sekundäre Ureter aus Textfig. 21. Textfig. 23. Textfig. 22. denselben Elementen zusammen, wie der primäre (Textfig. 23); ein mächtiger, homogener Kutikularsaum, wie er nach KRAHELSKA im sekundären Ureter von Helixarten (arbustorum, pomatia, fruticum) vorkommt, ist hier nicht entwickelt. Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 25 Das Epithel der Niere selbst springt lamellenartig ins Lumen vor, im Innern gestützt durch Bindegewebe. Die Zahl der Lamellen ist variabel je nach der Größe des Tieres. Jede Lamelle enthält in ihrem vorderen Abschnitt eine Lakune (/ec. Fig. 21); am stärksten sind die Falten auf der oberen, nach der Schale zu gerichteten Seite entwickelt, während die gegenüberliegende Seite nur von glattem Nierenepithel ausgekleidet ist wie die Figg. 17 und 21 zeigen. Das eigentliche sezernierende Epithel besteht aus zylindrischen Zellen, deren Protoplasma körnig ist und meistens, ebenso wie der runde Kern, an das basale Ende gedrängt ist, während der übrige Raum von einer Vakuole eingenommen wird, in der die Abscheidung der Konkremente zunächst in Form von kleinen Körnchen erfolgt. Allmählich werden sie größer und größer, bis sie schließlich die ganze Vakuole ausfüllen. Diese Konkremente sind meistens rund und stark lichtbrechend. In der Mitte ent- halten sie einen runden bis ovalen, dunkleren Körper, der sich, im Gegensatz zu den Konkrementen von Buliminus (BECK), mit Hämatoxylin nicht färbt. Um diesen Körper legen sich nach außen eine oder mehrere konzentrische Schichten, außerdem treten radiäre Strahlen auf. Die Entleerung der Konkremente geht in der Weise vor sich, daß ganze Teile des Nierenepithels auf ein- mal abgestoßen werden, und nicht etwa allein durch Platzen der Membran einzelner Zellen; denn bei einem Exemplare fand ich den primären Ureter ganz erfüllt von Epithelfetzen, ja sogar von ganzen Nierenlamellen. Hier wiesen alle Epithelzellen Konkre- mente auf. Meist waren sie unverletzt; nur bei einer ganz ver- schwindenden Anzahl war die Membran geplatzt, die Zellen ent- hielten jedoch trotzdem noch die Konkremente. V. Nervensystem und Sinnesorgane. a) Zentralnervensystem. Das Zentralnervensystem besteht wie bei Helix pomatia oder aspersa aus einem Schlundring, der im allgemeinen hinter dem Pharynx liegend, den Ösophagus umschließt. Bei stark kontra- hierten Tieren kann er sich jedoch bis auf den vorderen Teil des Pharynx verschieben. Die Ganglien des ventralen Teiles des Schlundringes sind sehr konzentriert und zum Teil innig ver- schmolzen, so daß man sie, da sie außerdem von starken Binde- gewebshüllen umgeben sind, makroskopisch schwer trennen kann. Histologisch bestehen die Ganglien naturgemäß auch aus den- selben Elementen wie die von Helix aspersa oder pom. An der 26 Wilhelm Matthes, Peripherie der Ganglien liegen die gewöhnlichen großen Ganglien- zellen, die „cellules ganglionnaires proprement dites“ von NABIAS. Daneben kommt im Zerebralganglion, sowie in den Ganglien der Tentakeln eine zweite Art von Zellen vor, die ganz bedeutend kleiner sind und wenig Protoplasma um den Kern enthalten; es sind dies die „petites cellules ä noyeau spherique“ oder auch „cellules chromatiques“ von NABıas. Im Innern der Ganglien findet sich die sogenannte Punktsubstanz, die aus den Fasern der Ganglienzellen besteht. Vorhanden sind 11 Ganglien, wie bei den übrigen Pulmo- naten und zwar: 2 Zerebralganglien, 2 Pedalganglien, 2 Pleuralganglien, 3 Visceralganglien (2 Parietal- und 1 Abdominalganglion), 2 Buccalganglien. Die Zerebralganglien, die einzigen Ganglien des Schlund- ringes, die dorsal liegen, haben lappenförmige Gestalt. Eine Teilung in Proto-, Meso-, Metacerebrum, wie sie BÖHMIG für Helix pom. und NABIAs für Helix aspersa angibt, ist äußerlich nicht erkennbar; dagegen lassen in Xylol aufgehellte Ganglien von jungen Exemplaren eine Dreiteilung erkennen, wie Textfig. 24 zeigt. Miteinander sind die Ganglien durch eine kurze, starke Kommissur verbunden. Die Anzahl der von den Cerebralganglien abgehenden Nerven stimmt vollständig überein mit denen von Helix aspersa und pomatia, wie bereits NABIAs erwähnt: „le nombre des nerfs cer&braux est absolument constant pour les especes du G. Helix: Helix pomata, Helix aspersa, Helix pisana“. Außerdem gibt er Abbildungen von Serienschnitten durch die Zerebral- ganglien, so daß ich mich darauf beschränken kann, die einzelnen Nerven kurz zu erwähnen. Als ersten Nerv treffen wir einen starken Nervenast an, der zum großen Tentakel zieht und sich dann teilt in 1. den Riechnerv (c,) oder „Nerf du gros tentacule ou nerf olfactif“, der im Fühler ein großes Ganglion bildet, und’ 2. den Sehnerv (c,) oder „nerf optique“. Der dritte Nerv ist der „nerf peritentaculaire externe“ (c,), der die Basis der Tentakelscheide und die umgebenden Teile der Haut innerviert. Der vierte Nerv ist der „nerf peritentaculaire interne“ (c,), der das Innere der Tentakelscheide innerviert. Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 27 Als fünften Nerv treffen wir den Gehörnerv oder nerf de l’otocyste“ (c,) an, der als feiner Nerv neben dem Zerebropedal- konnektiv nach unten verläuft, um sich zu den an den Pedal- ganglien gelegenen Statocysten zu begeben. Die drei letzten Nerven sind der „nerf labial interne“ (c,), „nerf labial m&dian“ (c,), „nerf labial externe“ (c,). Von diesen inner- viert der erste den ÖOberrand der Lippen und die Haut zwi- schen dem großen und kleinen Tenta- kel, während der zweite die Lippen und den kleinen Tenta- kel innerviert, wo er in einem kleinen, dem Geruchsgang- lion des großen Tentakels ent- sprechenden Ganglion en- det; der dritte endlich verläuft nach vorn, um in einem Gang- lion zu enden, von dem Ner- venfasern sich nach der unte- ren Partie des Pharynx in der Umgebung der Lippen begeben. Vom rechten Zerebralganglion geht als neunter Nerv der Penisnerv, „nerf penial“ (c,), ab, der in der Nähe des „nerf labial - median“ entspringt und die Penisscheide innerviert. NaABIAS gibt noch als ein weiteres Nervenpaar die „Nerfs du stomatogastrique“, das Zerebrobuccalkonnektiv (cd%), an, das jedoch nur die Verbindung von Buccal- und Zerebralganglien darstellt. abdg+ptg.l. Textfig. 24. 28 Wilhelm Matthes, Der ventrale Teil des Schlundringes setzt sich aus den Pedal-, den Pleural- und den Visceralganglien zusammen. Die Pedalganglien sind untereinander durch zwei Kommissuren ver- bunden; mit den Zerebralganglien stehen sie durch das Zerebro- pedalkonnektiv, mit den Pleuralganglien durch das Pleuropedal- konnektiv in Verbindung, während die Pleuralganglien mit den Zerebralganglien durch das Zerebropleuralkonnektiv und mit den Visceralganglien durch das Pleuroparietalkonnektiv verbunden sind. Von den Pedalganglien (Zde) gehen seitlich fünf Nerven ab (#5 — Ps), während auf der Oberseite vier Nerven (Z, —Z,) ent- springen. Alle diese begeben sich in den Fuß, wo sie die ver- schiedenen Regionen innervieren. Von den Pleuralganglien (//g) entspringen keine Nerven, sondern sie stellen nur die Verbindung dar zwischen den Pedal- ganglien einerseits und den Zerebral- und Visceralganglien andererseits. Die Visceralganglien bestehen aus zwei Parietalganglien (Ze. r. und /ig.l) und einem Abdominalganglion (addg), von denen das letztere mit dem linken Parietalganglion vollständig verschmolzen ist. Aus dem Bereich des linken Parietalganglions geht ein Nerv (v,) ab, der sich nach der linken Seite des Mandelrandes begibt. Das Abdominalganglion entsendet drei Nerven, von denen einer (v,) nach der Haut, ein zweiter (7,) nach der Aftergegend zieht, während der dritte, der eigentliche Eingeweidenerv (v,), an der Arterie nach hinten entlang zieht und sich an die Eingeweide verzweigt. Auch ein Teil des Geschlechtsapparates scheint von diesem Nerven versorgt zu werden; denn auf Schnitten findet man neben dem unteren Teile des Zwitterganges in der bindegewebigen Umhüllung ein kleines Ganglion vor. Von dem rechten Parietal- ganglion geht ein starker Nervenast (7,,,) ab, der aus zwei Nerven besteht und die sich beide nach der rechten Seite des Mantel- randes begeben. Die Buccalganglien (2) endlich liegen an der hinteren Seite des Pharynx in der Nähe der Einmündung der Speicheldrüsen in denselben; sie haben die Gestalt eines Ellipsoids; untereinander sind sie durch eine längere Kommissur, die Buccalkommissur, mit den Zerebralganglien durch das Zerebrobuccalkonnektiv ver- bunden. Von den Buccalganglien entspringen vier Nerven; der eine (5,) entspringt unmittelbar hinter der Kommissur und dringt dann in den Pharynx ein; von den übrigen begibt sich der eine Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 29 (6,) nach den Speicheldrüsen, während die beiden anderen (2,, ,) den Osophagus innervieren. b) Auge. Das Auge zeigt denselben typischen Bau, wie es BÄCKER von Helix pomatia angibt (Textfig. 25). Zu äußerst haben wir die Pellucida externa (Ze. ex), die aus abgeplatteten Fpithelzellen be- steht. Diese sind durchsichtig geworden; außerdem befinden sich hier weder Schleimdrüsen noch Sinneszellen. An die Pellucida externa schließt sich die Augenblase an, die um- SER geben ist von einer Binde- = gewebsschicht. Die Wan- dung der Augenblase selbst zerfällt in zwei ; i a Abschnitte, einen vorde- u pe. ren kleinen, die Pellucida N. | interna (/e.z), und einen vr fe 10.2 gröberen, die Retina (re/.). \ Up Erstere setzt sich aus A = | F°----Stb. z hohen prismatischen oder es" zylindrischen Zellen zu- sammen, die ein sehr we- nigfärbbares Plasma und kleine, chromatinreiche Kerne enthalten. Zellen mit großen, chromatin- Textfig. 25. armen Kernen und mit besonders sich färbendem Plasma, wie sie BECK bei Buliminus am Übergang von Pellucida interna und Retina beschreibt, habe ich nur bei einem Exemplar angetroffen; aber hier war nur der Kern der Zelle enorm vergrößert, während das Plasma sich nicht sehr durch seine Färbbarkeit von den anderen Zellen unterschied. Welche Bedeutung diese Zellen haben, vermag ich nicht zu sagen. Die Retina selbst besteht aus zwei Zellarten, den Pigment- (/zg. 2.) und den Stäbchenzellen (s/Ö. 2... Die letzteren sind an ihrem basalen Teile erweitert und haben einen großen, runden Kern, während sie an ihrem distalen, verjüngten Ende ein Büschel von Stiftchen tragen. Die Pigmentzellen verhalten sich gerade um- gekehrt, da sie an ihrem distalen Ende erweitert sind. Im Innern 30 Wilhelm Matthes, der Augenblase befindet sich die Linse (/), die aus einer homo- genen, glaskörperartigen Masse besteht. Außerdem sind im Ten- takel bindegewebige Schleimzellen (sc/r/dr) vorhanden, die bereits von Jung und BEcK erwähnt wurden, und welche die Aufgabe haben, das Innere des Tentakels geschmeidig zu erhalten, um das häufige Ein- und Ausstülpen zu ermöglichen. c) Statocyste. Dem oberen Teile der Pedalganglien liegen, wie bereits er- wähnt, die Statocysten in einer schwachen Vertiefung auf. Sie haben die Gestalt einer Kugel, wie auch W. SCHMIDT für sämt- liche von ihm untersuchten Formen gefunden hat; nur für stark kontrahierte Tiere trifft die Angabe Leyvıcs, daß sie die Form zweier aufeinander gelegter Uhrschalen hätten, zu, eben in- folge der Deforma- tion durch Kontrak- tion benachbarter Muskelkomplexe. Im Innern der Stato- cyste befinden sich die Statolithen. Ihre Größe und Zahl ist sehr verschieden; meist haben sie die Gestalt eines Ellip- soids. In der Mitte Textfig. 26. enthalten sie einen mit Hämalaun sich bläulich färbenden Kern, an den sich nach außen eine oder mehrere konzentrische Schichten anschließen. Auch Viellings- statolithen, wie sie W. SchMipr für Helix pomatia und arbustorum angibt, sind hier vorhanden, wenn auch in geringer Anzahl. Außen wird die Statocyste von einer Bindegewebsschicht (Textfig. 26 dzg) umgeben, während sie im Innern von einem Sinnesepithel aus- gekleidet wird. Dieses besteht aus drei verschiedenen Zellarten: den Riesenzellen (zz), den Syncytialzellen (scz) und den Blasen- zellen (/2), im Gegensatz zu den Buliminusarten, wo BEck ein Plattenepithel mit deutlichen Zellgrenzen beschreibt. Die Riesen- Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. al zellen (Textfig. 27 72) haben einen großen, chromatinarmen Kern, der sehr deutlich einen runden Nucleolus erkennen läßt, und sind über die ganze Statocyste verteilt. Ihre Zahl ist verschieden, beträgt jedoch durchschnittlich 10—12. Wie man auf Flächen- schnitten (Textfig. 27) sehen kann, sind um jeden Riesenkern kleinere Kerne im Kreise angeordnet. Die Syneytialkerne sind bedeutend kleiner, aber chromatinreicher "und lassen ein Kernkörperchen nicht erkennen. Die Blasenzellen bedingen schwache Verdickungen an der Statocystenwand infolge der Va- kuolen, die sie enthalten. Während bei Helix arbustorum nach W. ScHmipr die Blasenzellen sich auf ein Viertel der Statocysten- kugelfläche be- schränken, so sind sie bei He- lix pisana über die ganze Fläche zerstreut. Sämt- liche Zellen tra- gen einen gleich- mäßigen, feinen Flimmerbesatz . ebenso, wie bei Helix pomatia, im Gegensatze zu Helix arbusto- rum, wo die Textfig. 27. Blasenzellen we- niger mit Härchen besetzt sind. Was die Bedeutung der Blasen- zellen anlangt, so haben sie nach W. ScHumiprT die Aufgabe, die Statolithensubstanz auszuscheiden. Eine Macula acustica gegenüber der Eintrittsstelle des Nerven, wie LEyYDIG für H. hortensis angibt!), habe ich ebenso- wenig konstatieren können, wie einzelne größere Sinnesborsten. Der Durchmesser der Statocyste beträgt durchschnittlich 160—180 u. 1) BEcK zitiert Leypie irrtümlich, da er schreibt (p. 241) ». . . und eine wulstig verdickte Stelle des Epithels am Nerveneintritt, eine Macula acustica, wie sie LexpIG bei seinen Untersuchungsobjekten ind .. & 39 Wilhelm Matthes, VI. Darmkanal. Der Darmkanal beginnt mit der Mundhöhle, die von zwei äußeren seitlichen und zwei kleineren inneren Lippen begrenzt wird. Nach dem Pharynx wird sie durch einen Kiefer abgeschlossen, der eine cuticulare Abscheidung des Epithels der oberen Mund- höhle darstellt und auf Längsschnitten deutliche Anwachsstreifen erkennen läßt. Auf der Vorderseite des Kiefers befinden sich vorspringende Leisten, deren Zahl zwischen 2 und 3 wechselt (Textfig. 28). Nach MoQuIn-TAnDoN, wie SCHUBERTH angibt (ef. L. V.), sollen junge Exemplare zwei, ältere dagegen drei Leisten besitzen; diese Behauptung läßt sich aber nicht aufrecht erhalten, da ich meist das umgekehrte Verhalten vorgefunden habe. In der Mundhöhle befindet sich das SEMPERSche Organ. Es = % sind dieses zwei kleine Wülste, Textfig. 28. die in der Mitte durch eine Furche getrennt sind und im Innern von einzelligen Drüsen erfüllt sind. Mithin ist es wie bei Helix pomatia eine pharyngeale Speicheldrüse. SEMPERS Angabe, daß Flimmerepithel in der Mundhöhle vorhanden sei, kann ich nicht bestätigen; gegen das Vorkommen von Flimmern spricht auch die Tatsache, daß die Mundhöhle so- wohl wie die Pharynxhöhle von einer derben Cuticula ausgekleidet werden. Der Pharynx selbst stellt ein ellipsoidartiges Gebilde vor, das sich nach vorn verjüngt. Seitlich befinden sich starke muskulöse Anschwellungen, die zwischen sich die nach hinten und unten umgebogene Radulascheide umfassen. Im Innern befindet sich die Radula, die durch den löffelförmigen Zungenknorpel ge- stützt wird. Diesen sogenannten Zungenknorpel rechnet NOWIKOFF zum echten Knorpelgewebe. Er unterscheidet überhaupt echtes Knorpelgewebe und knorpelähnliches Bindegewebe, das einige Merkmale des Knorpels enthält. Den echten Knorpel teilt er wieder ein in den Cephalopodenknorpel und parenchymartigen Knorpel der Gastropoden, Anneliden usw., der dem embryonalen Vertebratenknorpel entsprechen soll. Ich kann mich jedoch dieser Ansihet nicht anschließen, daß wir es hier mit echtem Knorpel- gewebe zu tun haben, da die Radulastütze aus Muskelfasern und Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 33 dazwischen liegenden, großen blasigen Zellen besteht, die prall gefüllt sind von einer klaren Flüssigkeit. Was die Pharynxmuskulatur anlangt, so stimmt sie mit der von H. pomatia beschriebenen überein, abgesehen von einigen individuellen Verschiedenheiten, indem die Protraktoren oder Retraktoren statt eines Bandes sich in zwei Bänder spalten. In- tolgedessen erübrigt es sich, hier näher darauf einzugehen. Die Radula hat bereits SCHUBERTH behandelt und auch Ab- bildungen davon gegeben. Nach ihm beträgt die Zahl der Quer- reihen 175 und die der Längsreihen 70. Ich habe jedoch nur als Maximalzahl der Querreihen 164 und als die der Längsreihen 76 gefunden. Mit der Bildung der Radula haben sich eine große Anzahl Autoren beschäftigt. Im allgemeinen werden fünf Odontoblasten angegeben, die zur Bildung eines Zahnes nötig sind, so von RÜCKER, SCHNABEL, SHARP, SOLLAS, BLOCH, RÖSSLER usw. Während nach RÖSSLER dieselben Odontoblasten alle Zähne einer Längsreihe bilden, so nehmen die übrigen an, daß die Odonto- blasten stetig ihre Funktion wechseln, indem die am weitesten nach hinten gelegenen Zellen die Zahnbildung veranlassen. Daß eine Einwirkung des oberen Epithels bei der Bildung der Zähne stattfindet, wird von sämtlichen Autoren angegeben, mit Ausnahme von SCHNABEL. Indessen gibt schon RÖSSLER an, daß es bei Pulmonaten scheine, als ob eine Doppelreihe von Odontoblasten vorhanden sei, daß jedenfalls mehr als fünf Odontoblasten zur Bildung eines Zahnes nötig sind. Diese Vermutung wird von BEcK für Buliminus bestätigt, der zu dem Resultat gelangt, daß zur Bildung eines Lateralzahnes 14, des Rhachiszahnes 16 Odonto- blasten gehören, ohne Basalmembran. Letztere wird von der vordersten Zellreihe gebildet, und zwar so, daß eine Zelle die Hälfte der Membran von zwei Zähnen abscheidet, daß also an der Bildung der Membran immer zwei Zellen beteiligt sind. Ich habe für H. pisana die Anzahl der Odontoblasten festzustellen versucht, und zwar durch schräg von vorne oben nach hinten unten durch die Radulascheide geführte Serienschnitte; es ist mir dies jedoch ‚nur für die Lateralzähne gelungen, da man äußerst selten günstige Schnitte bekommt. Es erstreckte sich die zu einem Zahne gehörige Odonto- blastengruppe über drei 5 «-Schnitte. Die Zellkerne, die alle einen deutlichen Nucleolus aufwiesen, waren auf einen Haufen zusammen- gedrängt; ihre Zahl betrug 14. Vor ihnen, nach der Basalmembran Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 3 34 Wilhelm Matthes. zu, lagen seitlich noch je ein größerer Odontoblast, die vermutlich die Basalmembran abscheiden. Es würde also, was die Anzahl der Odontoblasten für einen Lateralzahn und die Ausbildung der Basalmembran anlangt, mein Ergebnis mit dem von BECK für Buliminus übereinstimmen. Daß eine Einwirkung des oberen Epithels bei der Bildung der Zähne stattfindet, geht, wie auch BECK hervorgehoben hat, aus der verschiedenen Färbbarkeit der einzelnen Zähne hervor, indem eben entstehende Zähne sich mit Hämalaun- VAN GIESON schwach rötlich färben und erst nach und nach, je weiter sie nach vorne rücken, ihr gelblich-chitiniges Aussehen er- halten. Obwohl mir die Annahme, daß sämtliche Zähne von der- selben Odontoblastengruppe gebildet werden, sehr wahrscheinlich erscheint, so vermag ich sie doch nicht durch Belege wie BECK zu stützen, da ich derartige, durch ganze Längsreihen gehende Verkümmerungen oder Mißbildungen nicht gefunden habe. An den Pharynx schließt sich der Ösophagus an. Dieser zieht durch den Schlundring des Nervensystems hindurch nach hinten, um allmählich in den Magen überzugehen. In das Lumen des Ösophagus ragen mehrere Längsfalten hinein, die ein Zylinder- epithel mit basalständigen, runden Kernen aufweisen, und die außerdem teilweise Flimmern tragen. An das Epithel schließt sich eine Schicht von Längsmuskelfasern an, auf die eine Schicht von Ringmuskeln folgt. Eine Erweiterung des Ösophagus stellt der Magen dar; auch er wird von einer Anzahl Längsfalten durch- zogen und ist von einem Zylinderepithel mit basalständigen Kernen ausgekleidet, das außerdem eine Cuticula besitzt. Schleimzellen sind im Magenepithel von Rına Monti beschrieben worden, jedoch habe ich solche bei Helix pisana nicht konstatieren können. In seinem weiteren Verlaufe verengt sich der Magen wieder und geht in den Blindsack über, der die beiden Lebergänge aufnimmt. Dem Magen aufgelagert sind die Speicheldrüsen; diese stellen selappte Organe dar, die in ihrem hinteren Abschnitte miteinander mehrfach verschmolzen sind. Durch je einen längeren Gang, der von einem Plattenepithel mit runden Kernen ausgekleidet ist, münden sie rechts und links vom Ösophagus in den Pharynx. SIEBOLDTS Angabe, daß die Gänge Flimmern tragen, kann ich nicht bestätigen. Die histologische Zusammensetzung der Speichel- drüse ist von LANGE untersucht worden; seine Ergebnisse sind jedoch durch neuere Forschungen überholt. Man unterscheidet jetzt bei Helix pomatia zwei verschiedene Gruppen, und zwar Schleim- und Fermentzellen. Die ersteren zerfallen wieder in Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 35 punktierte Zellen, die sich durch dichtes Cytoplasma, feine Punk- tierung und kleine Vakuolen auszeichnen, und mucöse Zellen, die hauptsächlich Mueinreaktionen geben. Die Fermentzellen ihrerseits setzen sich aus drei Zellformen zusammen, nämlich aus alveolären mit schaumigem, schwach färbbarem Plasma, aus granulösen, mit stark lichtbrechenden und färbbaren Körnchen und aus zystischen Zellen, die große Vakuolen mit zur Seite gedrängtem Kern ent- halten. Ich habe nur die sich auch durch ihre Färbbarkeit unter- scheidenden Schleim- und Fermentzellen, nicht jedoch die fünf verschiedenen Zellformen konstatieren können. Meist versagen die Unterscheidungsmerkmale vollständig, da die einzelnen Zellen in verschiedener Ausbildung begriffen sind. Mithin ist es sehr schwierig zu entscheiden, ob man es mit einer typischen neuen Zellform zu tun hat oder nur mit einem Übergangsstadium. An ihrer Mündung in den Pharynx werden die Gänge der Speichel- drüse von der sekundären oder NatEraAschen Speicheldrüse um- geben. Diese entleert ihre Sekrete ebenfalls in die Speicheldrüsen- gänge. Ob freilich die NaLepasche Speicheldrüse aus denselben Elementen besteht, wie die eigentlichen Speicheldrüsen, konnte ich nicht entscheiden; aufgefallen ist mir die verschiedene Färb- barkeit der Zellen. Während die eigentlichen Speicheldrüsen sich mit Hämatoxylin und van GIEsoN hauptsächlich blau färben, also Schleimreaktionen geben, daneben aber auch einige braun gefärbte Zellen vorkommen, so habe ich in der NauLepaschen Speicheldrüse nicht in einer einzigen Serie blaugefärbte Drüsenzellen gefunden, sondern die Zellen besaßen alle körnigen Inhalt, der sich braun färbte. Die Leber, die in den Blindsack des Darmes mündet, besteht aus zwei Lappen; ein jeder setzt sich aus einer großen Anzahl von Acini zusammen. Histologisch besteht die Leber aus drei Zellarten, die auch für andere Pulmonaten nachgewiesen sind (Textfig. 29): l. Den Leberzellen (/.) von BARFURTH (Körnerzellen von FRENZEL; Resorptionszellen von BIEDERMANN). 2. Den Fermentzellen (72) von BARFURTH (Keulenzellen von FRENZEL; Sekretzellen von BIEDERMANN). 3. Den Kalkzellen (2.). Die Leberzellen kommen am häufigsten vor; es sind zylindrische Zellen mit basalständigem, rundem Kern, deren Proto- plasma gekörnelt ist. 3* 36 Wilhelm Matthes, Weniger häufig finden sich die Fermentzellen; diese besitzen eine Vakuole, in derem Innern gelbe Sekretkörner sich befinden. Die Kalkzellen endlich haben einen großen Kern und zeigen im Innern der Zelle Kalk in Form von runden, stark licht- brechenden Körnchen abgelagert. Differenziertt man mit salz- sauerem Alkohol einen Schnitt durch die Leber oder bringt man ihn in Orrusches Entkalkungsgemisch, so verschwindet der in den Zellen befindliche Kalk. Die einzelnen Lebertubuli münden zunächst in feine Leber- gänge und dann in immer größere, bis sie schließlich auf den Hauptlebergang treffen. Dieser weist mehrere Fal- ten auf; die Epithelzellen sind zylindrisch und be- sitzen einen Flimmersaum. An den Blindsack schließt sich der Dünn- darm an; dieser weist in seinem Anfange eine hohe Längsfalte auf, außerdem besitzt er einen starken Flimmerbesatz. Zwischen den Epithelzellen befinden sich zahlreiche Schleim- Textfig. 29. zellen. Allmählich geht der Dünndarm über in den Enddarm. Dieser zeichnet sich durch starke Muskulatur aus; auch hier wird das Epithel von zahlreichen Becherzellen durch- setzt, die Schleim absondern und so das Weitergleiten des Darm- inhaltes fördern. Wie BIEDERMANN und MorITZz nachgewiesen haben, findet die Resorption der verdauten Nahrung allein in der Leber statt, während Dünndarm und Enddarm lediglich der Weiterbeförderung der unverdauten Stoffe dienen. VII. Geschlechtsapparat. Der Geschlechtsapparat beginnt mit der Zwitterdrüse, die in die Leber eingelagert ist. An sie schließt sich der Zwittergang an, der in einen kleinen, länglichen Behälter, die „Befruchtungs- tasche“ mündet, um dann überzugehen in den Spermovidukt. Der DYei Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. PM eine Teil des letzteren, der Ovidukt. nimmt das Sekret der Eiweiß- drüse auf, während in den anderen Teil die dem Spermovidukt aufgelagerten Drüsen, die Prostata, einmünden. An seinem unteren Ende teilt sich der Spermovidukt in zwei gesonderte Gänge, in das Vas deferens, das zum hinteren Abschnitte des Penis zieht, und in den Ovidukt, der nach kurzem Verlaufe in die Vagina mündet. Hier endet auch der Bursagang, der in seinem distalen Ende das kugelige Receptaculum seminis trägt und in seinem unteren Drittel ein Divertikel abgibt, das dem Spermovidukt und der Prostata aufgelagert ist. Unmittelbar darauf münden die finger- förmigen Drüsen, die aus zwei langen, wurmförmigen Schläuchen bestehen, in die Vagina, sowie der Pfeilsack, der ein kleines kuppelförmiges Gebilde darstellt. Zwischen Penis einerseits und den weiblichen Teilen des Geschlechtsapparates andererseits zieht, wie bereits erwähnt, der Retraktor des rechten großen Tentakels hindurch. Vagina wie Penis münden in ein gemeinsames Atrium genitale. Eine Abbildung des Geschlechtsapparates hat bereits A. SCHMIDT gegeben und ebenso SCHUBERTH. Letzterer bildet ihn von einem Exemplare, das von Marseille stammte, ab, und zwar ohne Diver- tikel am Bursagang, während A. SCHMIDT nach einem von Murcia stammenden Exemplare ihn mit einem Divertikel darstellt. Bei sämtlichen Exemplaren, die ich untersucht habe, war stets ein Divertikel vorhanden: möglicherweise stellte das Exemplar, das SCHUBERTH untersucht hat, eine Sprungvariation dar, wie beispiels- weise umgekehrt bei Helix pomatia, die normalerweise kein Diver- tikel am Stiel des Receptaculums besitzt, ein solches auftreten kann. Andernfalls hätten wir es mit einer geographischen Variation zu tun. Die Zwitterdrüse ist, wie bereits erwähnt, in die Leber ein- gebettet, und zwar liegt sie in der zweiten Windung des Ein- geweidebruchsackes, der Columella zugewandt. Sie besteht aus vielen Acini, die alle in ein größeres Lumen münden, an das sich der Zwittergang anschließt. Ein jeder Acinus ist ausgekleidet von dem Keimepithel, das ein Syneytium darstellt. In diesem ent- stehen gleichzeitig nebeneinander Spermatozoen und Eier; schon in der Zwitterdrüse von jungen Exemplaren findet man, während das Lumen angefüllt ist mit Spermatogonien, einzelne in Bildung begriffene Eier vor (Textfig. 30 e22). Die Bildung der Keimzellen, der Eier und Spermien, aus dem Keimepithel verläuft bis zu einem ‘gewissen Stadium, dem „indifferenten Stadium“ (BUREScH) voll- 38 Wilhelm Matthes, ständig gleich. Ein Kern des Epithels wird größer, und wenn er eine bestimmte Größe erreicht hat und es finden sich sog. Nähr- _ zellen, — Zellen, die sich durch starke Färbbarkeit auszeichnen, und deren Kern in einzelne Chromatinstücke aufgelöst ist —, in der Nähe, so entwickelt sich daraus eine Eizelle; andernfalls fällt der Kern, nachdem er etwas Protoplasma an sich gezogen hat, ins Lumen des Acinus und stellt die Spermatogonie erster Ordnung (sg 7) dar. Diese enthält einen deutlich sichtbaren Nucleolus und liegt in der Nähe des Keimepithels. Durch wiederholte Teilungen gehen aus diesen die Spermatogonien zweiter Ordnung hervor, die kleiner als die ersteren sind und meist mehrere Nucleolen aufweisen; sie liegen in der Mitte des Lumens und sind durch Protoplasma rosettenartig miteinander verbunden (Textfig. 31 sdg/7). Die Spermatogonien zweiter Ordnung vergrößern sich und durch Teilung gehen aus ihnen die Spermatocyten und durchReduktionsteilung aus diesen die Sperma- tiden hervor. Aus den letzteren endlich ent- stehen die Spermatozoen in derselben Weise wie bei anderen Helixarten (pomatia, arbustorum), Ä Textfig. 30. indem aus dem Kern Textfig. 31. der Spermatide der Kopf und aus dem Protoplasma und einem Achsenfaden der Schwanz des Spermatozoons sich bildet. Die Eizelle fällt nicht in das Lumen der Acini, wenn sie das Stadium der „indifferenten Geschlechtszelle“ erreicht hat, sondern wächst im Keimepithel heran, ohne sich zu teilen, umgeben von Nährzellen, die eine Follikelwand bilden. Im Anfange enthalten die Eizellen einen Nucleolus, auf späteren Stadien dagegen meist zwei Nucleoli. Diejenigen Ovocyten, die sich bereits entwickeln, bevor noch die Spermien vollständig ausgereift sind, fallen dann auch ins Lumen des Acinus, wo sie zugrunde gehen, ohne die Reife- teilungen durchgemacht zu haben. Solche degenerierende Eizellen habe ich in großer Anzahl bei eiuem Exemplar in der „Befruchtungs- tasche“ vorgefunden. Der Zwittergang, in den die einzelnen Acini münden, stellt einen gewundenen Gang dar, der ausgekleidet ist von einem Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 39 kubischen Epithel und zwei flimmernde Leisten enthält. Nach der Eiweißdrüse zu wird das Lumen immer größer, das bei einem geschlechtsreifen Tiere vollständig erfüllt mit Spermatozoen ist. Schließlich mündet der Zwittergang in einen länglichen Hohlraum, der in der Eiweißdrüse liegt, die „Befruchtungstasche“ MEISEN- HEIMERS, — so genannt, weil hier die Befruchtung der Eier stattfindet — und geht dann über in den Spermovidukt. In letzteren mündet auch die Eiweißdrüse, die in ihrem Inneren von einem Hauptkanal durchzogen wird, in den seitlich kleinere Kanäle eintreten. Histologisch setzt sich nach KRAHELSKA die Eiweißdrüse aus sekretorischem Epithel, interstitiellem Parenchym und zentro- tubulösem Syncytium zusammen. Das sekretorische Epithel be- steht aus Eiweißzellen, die normal von Sekretkörnchen erfüllt sind, die einen sehr komplizierten Bau aufweisen. Tritt die Drüse in Funktion, so vergrößern sich die Zellen enorm durch Verquellung der Körnchen. Das Sekret färbt sich dann mit Hämalaun- VAN GIESON rötlichbraun bis bläulich. Ausgekleidet werden die kleinen Drüsenkanäle von einem Plattenepithel ohne nachweis- bare Zellgrenzen, dem zentrotubulösen Syneytium. Das intersti- tielle Parenchym ist nur schwach entwickelt als ein dünnes, fein- faseriges Geflecht, das die einzelnen Drüsenkanäle voneinander trennt. Levpissche Zellen habe ich ebenso wie KRAHELSKA in der Eiweißdrüse nicht konstatieren können. Der Spermovidukt besteht aus einer großen Rinne, die der Eileitung dient, und einer kleineren, dem Samenleiter. Der Ovi- dukt wird ausgekleidet von einem Flimmerepithel; in das Lumen münden zahlreiche, sich blaufärbende Drüsenzellen. Der Samen- leiter stellt eine zu drei Viertel geschlossene Hohlrinne dar, die einen starken Flimmerbesatz aufweist, und in die die Prostata mündet; es besteht diese aus Drüsenzellen mit basalständigem, rundem oder elliptischem Kern; sie enthalten feine Körnchen, die sich mit Hämatoxylin-van GIESoN gelbbraun färben. Der Stiel des Receptaculum seminis hat ebenso wie das Divertikel im Innern mehrere vorspringende Falten, die von einem Zylinderepithel mit basalständigen Kernen ausgekleidet werden. Das Receptaculum selbst besitzt ein hohes Zylinderepithel mit basalständigen, runden Kernen; an dieses schließt sich eine Ring- muskel- und Bindegewebsschicht, die zahlreiche Pigmentzellen enthält. 40 Wilhelm Matthes, Das Vas deferens, das sich vor seiner Abzweigung vom Spermovidukt zu einer vollständigen Rinne schließt, trägt eben- falls auf vorpringenden Falten ein Flimmerepithel, das sich bis in den hinteren Penisabschnitt fortsetzt. Die fingerförmigen Drüsen bestehen nur aus zwei blindsack- ähnlichen Schläuchen, die zu beiden Seiten der Vagina sich be- finden und eine Länge von ca. 20 mm und eine Breite von 2-3 mm haben. Sie zeigen meh- rere ins Lumen vor- springende Falten mit Zylinderepithel; nach außen werden sie von einer Ringmuskelschicht abgeschlossen, auf die noch eine Schicht von Längsfasern folgt. Der Pfeilsack ent- hält im Innern einen kleinen Pfeil, von dem SCHUBERTH auch be- reits eine Abbildung gegeben hat. Man kann an dem Pfeil zwei Ab- schnitte unterscheiden, einen lang gestreckten --Absch V Hauptteil, der innen von einem Kanal durchbohrt ist, und die Fußkrone. Ausgekleidet wird der Pfeilsack von einem hohen Zylinderepithel mit basalständigen Ker- nen. Entsprechend den zwei Abschnitten des Textfig. 32. Pfeiles zerfällt auch der Pfeilsack in zwei Teile. Derjenige, von dem die Krone abgeschieden wird, wölbt sich als Papille vor, ähnlich wie bei H. pomatia. Hier ist das Epithel radiär gefaltet, entsprechend den Zacken der Krone. Unter Absch V---% | Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 41 der Papille befindet sich lockeres Gewebe, das von Muskelfasern durchzogen ist, und an das sich weiterhin Drüsenzellen anschließen. Die Wandung des Pfeilsackes zerfällt in zwei Lagen, eine innere, ebenfalls mit lockerem, faserigem Gewebe, und eine äußere, die eine starke Längsmuskelschicht aufweist. Beide Lagen werden durch eine schmale Schicht ganz lockeren Gewebes getrennt, das auch die Papille halbkugelförmig umschließt. Was nun den Penis anlangt, so unterscheidet MEISENHEIMER bei H. pomatia drei Abschnitte; eine vordere Papille, einen daran sich anschließenden engeren Gang und eine hintere Papille, die vom Penisrohr durchbohrt sind. Vorne ist ein Zy- linderepithel mit sehr starker Cuticula, in dem hinteren Ab- schnitt dagegen ein niedrigeres Epithel ohne Cuticula vor- handen ; ein Flimmer- epithel fehlt vollkom- men. Unter den Epithelien der Wand befindet sich eine starke muskulöse Hülle, die nach hinten in gelockertes Binde- gewebe übergeht. Das Penisrohr ist außen umgeben von zwei mächtigen Hüll- muskeln, einem äus- seren und einem inneren, der an der Textfig. 33. Basis des vorderen Zapfens entspringt. Zwischen Penisrohr und inneren Hüllmuskel verlaufen Quersepten, so daß hier eine Kammerung auftritt. Hiervon unterscheidet sich der Penis von H. pisana wesentlich. Man kann hier fünf Abschnitte unterscheiden (Textfig. 32 u. 33), 42 Wilhelm Matthes, eine vordere Papille (af. 1), ein kurzer, enger Gang (gg), eine zweite Papille (#a/.2), die sich ebenfalls vorne befindet; der sich an- schließende, bedeu- tend erweiterte Teil (Adsch. /V) zeigt mehrere unregel- mäßige Falten, die sich ins Penisrohr vor- stülpen und die drü- siger Natursind.Text- figur 34 stellt einige Zellen mit erstarrten Sekretklumpen (5%) dar,diesichmitHäm- alaun-vAn GIESON intensiv gelb färben und auch auf unge- färbten Schnitten be- reits gelbliches Aus- sehenhaben;ichhalte infolgedessen dieses Sekret für Spermato- phorensubstanz. Auf diesen erweiterten Teil folgt dann der | letzte, sich wieder verengendeAbschnitt des Penisrohrs, der von Längsfalten durchzogen ist und hinten in das Vas deferens übergeht (Aösch. V). Auch dieser letzte Ab- schnitt ist drüsiger Natur. Es sind hier die unter dem Epithel gelegenen Bindege- webszellen (Fig. 55, drz.), die sich mit Hämalaun-vAn GIESON intensiv bläulich-violett färben und ein feinkörniges Sekret enthalten. Was jedoch die Funktion dieser Zellen ist, vermag ich nicht zu sagen. Textfig. 35. i Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 45 Leider habe ich ein gut erhaltenes Exemplar einer Sperma- tophore nicht bekommen. Bei einem Tiere, bei dem ich im Diver- tikel zwei Spermatophoren vorgefunden habe, waren sie zum Teil schon aufgelöst, so daß man nur noch die Hauptumrisse erkennen konnte. Es lassen sich an ihr zwei Abschnitte unterscheiden, ein vorderer, verdickter und ein sich anschließender dünnerer Teil. Ein besonderer Endfaden, wie sie die Spermatophore von Helix pomatia besitzt, existiert hier nicht, da eben das Flagellum fehlt, das nach MEISENHEIMER den Endfaden liefert. Wie ich bereits oben erwähnte, wird die Spermatophorensubstanz bei Helix pisana von dem vierten Penisabschnitte geliefert und der vordere verdickte Teil_ der Spermatophore würde dem erweiterten Teile des Penis entsprechen, während der dünnere Teil der Spermatophore ein Ausguß des letzten Penisabschnittes darstellt, da die Sperma- tophore infolge der Längsfalten dieses Stückes des Penis dasselbe Relief erkennen läßt wie ein in Xylol aufgehellter Penis (Fig. 32). Die auf das Vas deferens folgende Falte des letzten Penisab- schnittes zeigt übrigens auf der dem Vas deferens zugekehrten Seite noch eine deutliche Bewimperung (Fig. 35), während die andere Seite und das übrige Penisepithel der Flimmern entbehren. Was noch die Höhe des Epithels in den einzelnen Penisabschnitten anlangt, so ist der Unterschied nur gering; auch ist eine Cuticula nicht besonders stark entwickelt. VII. Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. 1. Die Fußdrüse von Helix pisana zeigt keine starke Rück- bildung, wie ANDREE angibt; ebenso ist das Epithel des Bodens des Ausführkanals nicht nackt, sondern besitzt eine deutlich mit VAN GIESonschem Gemisch färbbare Cuticula. Die „cellules ä vacuoles“ sind identisch mit den Eiweißdrüsen des Integuments. 2. Der kohlensaure Kalk ist in der Schale von Helix pisana, und wahrscheinlich in der der anderen Helixformen auch, als Aragonit auskristallisiert. — Das Periostracum der Schale läßt zwei Schichten erkennen, von denen die äußere von der vorderen Seite, die innere von der hinteren Seite der Mantelfurche abge- schieden wird. 3. Eine besondere Manteldrüse, wie ich sie bei Helix lactea auf der linken Seite des Körpers unter dem Mantelrand in mächtiger Ausbildung gefunden habe, die aus Schleimdrüsen und den sog. Eiweißdrüsen besteht, besitzt Helix pisana nicht. 44 Wilhelm Matthes, 4. Querstreifung von Muskeln habe ich nur im Pharynx und nur in einer Serie vorgefunden. 5. Atrium und Ventrikel sind durch ein Paar Muskelbündel getrennt, die am Verbindungsgang als Klappen funktionieren, während Ventrikel und Aorta nur durch eine einfache Klappe gegeneinander abgeschlossen sind. 6. Die Entleerung der Nierenkonkremente erfolgt nicht nur durch Dehiszenz der Membran, sondern es werden ganze Teile des Nierenepithels mit den Konkrementen abgestoßen. In der „taschenförmigen“ Erweiterung des primären Ureters finden sich Flimmern; Schleimzellen fehlen; dagegen besteht der Ureter aus Stern- und Haubenzellen. 7. Das Sinnesepithel der Statocyste besteht nicht wie bei Buliminus aus einem Plattenepithel mit deutlichen Zellgrenzen, sondern aus Riesen-, Blasen- und Syncytialzellen. Eine Macula acustica gegenüber der Eintrittsstelle des Nerven ist nicht vor- handen; große Sinnesborsten fehlen. 8. Zur Bildung eines Zahnes der Radula gehören mehr als eine Reihe von fünf Odontoblasten, und zwar habe ich für einen Lateralzahn (wie BEck für Buliminus) deren 14 gefunden, während die Basalmembran von zwei seitlich nach der Membran hin gelegenen Odontoblasten gebildet wird, doch so, daß eine jede dieser Zellen sich auch an der Bildung der Basalmenbran des Nachbarzahnes beteiligt. 9. Das „vesikulöse“ Bindegewebe des Pfropfes in der Radula- scheide ist nicht nach dem Alter des Tieres verschieden; auch sind die Kerne nicht kugelig, sondern weisen die abenteuerlichsten Formen auf. 10. Der Zungenknorpel ist kein echtes Knorpelgewebe, wie NOWIKOFF angibt, sondern besteht aus Muskelfasern und großen, blasigen Zellen, die prall mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt sind. 11. Am Penis lassen sich fünf Abschnitte unterscheiden; eine vordere Papille, ein Gang, eine hintere Papille, ein kürzerer erweiterter und ein langer engerer Abschnitt. Flimmern sind nur im letzten Abschnitt auf der dem Vas deferens zugekehrten Seite der Falten noch vorhanden. .Der erweiterte Teil des Penis- rohres ist drüsiger Natur und liefert die Spermatophorensubstanz, während die Drüsenzellen des letzten Abschnittes eine mir un- bekannte Bedeutung haben. Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. : 45 12. Die Spermatophore besteht aus zwei Teilen, einem vorderen verdickten und einem hinteren dünneren Abschnitt; sie stellt einen Ausguß des vierten und fünften Abschnitt des Penis- rohres dar. Ein Endfaden fehlt dagegen, da er nicht wie bei Helix pomatia von einem Flagellum gebildet werden kann. Literaturverzeichnis. 1) AMAUDRUT, A. La partie anterieure du tube digestif et la torsion “ chez les Mollusques Gasteropodes. Ann. scienc. nat. (8) zool. 1898, TI, VI. 2) Ders., Sur le syst&me nerveux de quelques Mollusques pulmones (Achatina, Bulime, Helix, Nanina, Vaginula). 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Quergestreifte Muskulatur aus dem Schlundkopfe. Vergr. Kom- pens -Ok. 6, Im. Blasiges Bindegewebe mit Kalkzellen. Vergr. Ok. 4, D. Schnitt durch Atrium und Ventrikel. Vergr. Ok. 2, D. Schnitt durch Ventrikel und Aorta. Vergr. Ok. 2, D. Flächenansicht der Niere. Vergr. ca. 4. Schnitt durch die Niere und die Aussackung des primären Ureters. Vergr. Ok. 3, a,. Epithel der Aussackung des primären Ureters. Vergr. Ok. 2, Im. Epithel des primären Ureters. Verg. Ok. 2, Im. Flächenschnitt durch den primären Ureter. (Sternzellen.) Vergr. Ok. 4, Im. Schnitt durch den vorderen Teil der Niere. Vergr. Ok. 4, &,. Querschnitt durch den sekundären Ureter. Vergr. Ok. 2, D. Epithel des sekundären Ureters. Vergr. Ok. 2, Im. Nervensystem, nach einem in Xylol aufgehellten Schlundring. Vergr. Ok. 2, A. BOrEHnE *) Alle Vergrößerungen sind auf Zeiss-Mikroskope bezogen. Textfie. 25. Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. 49 Schnitt durch das Auge. Vergr. Ok. 2, D. 1 26. Schnitt durch die Statocyste. Vergr. Ok. 2, D. s 27. Flächenschnitt durch die Statocyste. Verg. Ok. 2, Im. i 28. Kiefer. Vergr. Ok. 4, a,. 3 29. Schnitt durch einen Lebertubulus. Vergr. Ok. 2, Im. ® 30. Schnitt durch einen Acinus der Zwitterdrüse von einem jungen Exemplar. Vergr. Ok. 2, Im. z5 31. Schnitt durch einen Acinus der Zwitterdrüse von einem jungen Tiere mit Spermatogonien II. Ordnung. Vergr. Ok. 2, Im. 32. Penis, in Xylol aufgehellt. Vergr. Ok. 3, a,. 5 33. Längsschnitt durch den vorderen Teil des Penis. Vergr. Ok. 2, A. : 34. Drüsenzellen des IV. Penisabschnittes. Vergr. Ok. 2, Im. » 35. Schnitt durch den V. Penisabschnitt am Übergang zum Vas deferens. Vergr. Ok. 2, D. Erklärung der Figurenbezeichnungen. abdg Abdominalganglion. Absch Abschnitt. atr Atrium. Auss. dr. Ur. Äussackung des primären Ureters. ba Bandelette. b4 Buccalnerven. bg Bucealganglien. big Bindegewebe. blz Blasenzelle. bou bourrelet. 61-9 Zerebralnerven. cbg Zerebralganglien. cbk Zerebrobuccalkonnectiv. cbpek Zerebropedalkonnectiv. cbpIlk Zerebropleuralkonneectiv. cu Cuticula. drz Drüsenzelle. Bu..e..d Enddarm edr Eiweißdrüse. eiz Eizelle. ep. int. Epithel des Intestinelsackes. fa Fußarterie. 2 Fermentzelle. gg Gang. hyp Hypostracum. 12 Interzellularraum. kl Klappen des Ventrikels bzw. der Aorta. Rz Kalkzelle. Jenaische Zeitschrift. Bd. LII., 4 50 W.Matthes, Beiträge zur Anatomie von Helix pisana Müll. dig. 1. DIE. V. Vz Lakune. Linse. Lungenvene. Leberzelle. Manteldrüse. Mantelfurche. Muskeln des Ventrikels. Nerv. Östracum. Papillen. Pedalnerven. Pedalganglien. Pleuropedalkonnectiv. Pellueida externa. Pellueida interna. Periostracum. Pigmentanhäufungen. Pigmentzelle. Pleuralganglion. primärer Ureter. linkes Parietalganglion. rechtes Parietalganglion. Renopericardialgang. Retina. Riesenzelle. Schleimdrüse. Syneytialzellen. secundärer Ureter. sichelförmige Falte. Sillon. Secretklumpen. Spermatogonien I. bzw. II. Ordnung. Stäbchenzellen. Visceralnerven. Verbindungsgang. Ventrikel. Vakuolenzelle. Zonen des Epithels der Mantelfurche. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbel- tiere, in fünf Teilen. Von W. Lubosch. (Aus dem anatomischen Institut zu Würzburg.) Erster Teil'). Die Kaumuskeln der Amphibien. Mit Tafel 1—5 und 28 Figuren im Text. Literatur. 1873— 1878 Broxns Klassen und Ordnungen, 2. Abt. Amphibien Bd. VI (p. 90ff. u. p. 204ff.).. Herausg. v. Hoffmann. 1900 Bowers, The peripheral distribution of the cranial nerves of Spelerpes bilineatus. Proc. Amer. Acad. Arts and Se., Vol. XXXVL 1902 BURCKARD, Über die Periorbita der Wirbeltiere und ihre mus- kulösen Apparate. Archiv f. Anat. u. Phys., Anat. Abt., Suppl.-Bd. 1902 CosHILL, The cranial nerves of Amblystoma tigrinum. Journ. of comp. 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Nat. Zool., 4° Serie, Tome XIX. 1898 VERSLUyYs, Die mittlere und äußere Ohrsphäre der Lacertilia und Rhynchocephalia. Zool. Jahrb., Abt. f. Anat. u. Ont,, Bd. XI. 1910 Ders., Streptostylie bei Dinosauriern. Zool. Jahrb., Abt. f. Ont. u. Anat., Bd. XXX. 1904 Ders., Über Kaumuskeln bei Lacertilia. Anat. Anz. Bd. XXIV. 1912 Ders., Das Streptostylie-Problem und die Bewegungen im Schädel bei Sauropsiden. Zool. Jahrb., Suppl. XV., II. Bd. 'Festschr. f. Spengel. 1878 VETTER, B., Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Kiemen- und Kiefermuskulatur der Fische. .Jen. Zeitschr., FISRIINZ FR. Bi.'V. 1833 VOLKMANnN, Von dem Baue und den Verrichtungen der Kopf- nerven des Frosches. Müllers Archiv, Jahrg. 1838. 54 . W. Lubosch, 1875 WATTEVILLE, A. DE, A description of the cerebral and spinal nerves of Rana esculenta. Journ. of anat. and phys., Vol. IX. 1381 WILDER, A Contribution to the anatomy of Siren lacertina. Zool. Jahrb., Abt. f. Morphol., Bd. IV, p. 653—696. 1892 Ders., Die Nasengegend von Menopoma alleghaniense und Amphiuma tridaetylum. Zool. Jahrb., Abt. f. Morph., Bd. V, p. 155—176. 1877 WIEDERSHEIM, Das Kopfskelett der Urodelen. Morphol. Jahrb,, Bd. IE Einleitung. Aufgabe und Plan der Untersuchung. — Material, Untersuchungs- methode. — Literatur. — Nomenklatur, Der Wunsch, einige von mir früher erkannte Eigentümlichkeiten im Bau der Articulatio squamoso-dentalis der Säugetiere inihrem Wesen gründlicher verstehen zu lernen, hatte mich vor einiger Zeit dazu geführt, die Frage von einer neuen Seite her in Angriff zu nehmen und die Genese der Wirbeltiergelenke im allgemeinen zu untersuchen: Die Ergebnisse dieser Untersuchung (1910) hatten jene erwähnten Eigentümlichkeiten in neuem Lichte er- scheinen lassen und mich in einer früheren Annahme bestärkt, nach der ich mir die Neubildung des Kiefergelenkes der Säuge- tiere als auf einem anderen Wege erfolgt vorstellen mußte, als es die heutigen Theorien tun, die in irgendeiner Weise die knorpligen Bestandteile des Gelenkes sekundär und unabhängig vom primordialen Mutterboden zur Erscheinung gelangen lassen. Ebensowenig, wie ich mich bisher veranlaßt gesehen habe, jene meine Vorstellung ausführlich darzustellen, kann ich mich heute dazu entschließen, auf die Gefahr hin, erneut als Gewährsmann für meiner Ansicht nach fehlerhafte Grundvorstellungen herangezogen zu werden. Um indes Mißverständnissen, wie das hier angedeutete?), 1) Vgl. hierzu folgendes Zitat: „Bezüglich des zweiten Punktes, der genetischen Ableitung (des Condylusknorpels) vom Meckerschen Knorpel verweise ich zunächst auf DRÜNERs und meine Beobachtungen an Embryonen von Maus und Kaninchen, welche die frühe Anlage des Condylus als Blastem in Zusammenhang mit der Anlage der Viszeralspange ergeben haben. Neuerdings habe ich nun bei zwei Katzenembryonen diesen Zusammenhang sogar vorknorpelig und bis ins Vorknorpelstadium des Condylus dauernd gefunden. Ich muß dies zwar als Ausnahme ansehen, da ich bei anderen gleichaltrigen Em- bryonen keinen Zusammenhang mehr finde; aber auch als Entwicklungs- hemmung, als welche diese Erscheinung ja wohl aufzufassen ist, ver- lıert dieselbe nicht ihre Bedeutung für die Frage nach der Herkunft Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 55 soweit es in meiner Macht steht, vorzubeugen, möchte ich be- tonen, daß meine Überzeugung, es möchte möglich sein, die des Condylusknorpels. Neuerdings ist nun auch Lusosch, allerdings auf ganz anderem Wege, zu der gleichen Ansicht gekommen („Was lehrt die Phylogenese der Gelenke für die Beurteilung des Kau- gelenkes der Säugetiere?“, Biol. Zentralbl. 1911, Bd. XXXI). Vor allem ist es die in seinen Untersuchungen über die Extremitäten- gelenke so klar hervorgetretene Kontinuität des Knorpelgewebes, w Iche nach seiner Ansicht veranlassen muß, nachzuforschen, ob be® der Entstehung des Säugerkiefergelenkes nicht auf irgendeinem nachlweis- baren Wege hyaliner Knorpel in Mitleidenschaft gezogen worden sei... In diesem wichtigen Punkte, in der Frage nach der histologischen Natur des Condylusknorpels und seiner Herkunft vom Primordialskelett, ins- besondere dem MeEckELschen Knorpel (eine Frage, die meiner Ansicht nach doch wohl eine Kernfrage des ganzen Kiefergelenkproblems dar- stellt), stimmt LuBosch also jetzt DRÜNER und mir zu, was allerdings aus seiner Darstellung nicht hervorgeht, indem er unserer Arbeiten und Angaben nicht mit einer einzigen Silbe gedenkt, wiewohl ich meinen sollte, daß ihm DRÜNERSs und meine vorausgegangenen unmittelbaren embryo- logischen Beobachtungen für seine jetzige Ansicht nur hätten will- kommen sein können.“ — Dieses Zitat findet sich am Schluß einer Abhandlung von Fuchs: Über die Entwicklung der Clavicula bei Talpa europaea und Erinaceus europaeus, Zeitschr. f. Morphologie u. Anthropologie 1912, Bd. II, Sonderheft. — Daß ich die von Fuchs zitierte Ansicht erst neuerdings vertrete, ist nur insofern richtig, als ich in meiner Beschreibung des Kiefergelenkes der Monotremen (1606 Jen. Zeit- schr., Bd. XLI, p. 589) eine andere Begründung für die Möglichkeit einer Annahme der primordialen Natur den Condylusknorpel erörtert hatte. Hier- bei (p. 589, Zeile 15 v. o.) ist denn auch ganz ausdrücklich der Befunde von DRÜNER und FocHs Erwähnung geschehen, genau in dem Sinne, wie es Fuchs in dem obigen Zitat verlangt. Ich bedauere, daß Fuchs diese Stelle, wie auch eine andere (Jenaer Denkschr. 1907, Bd. VII, p- 553) entgangen ist. Nicht gleichgültig ist es ja, wenn Fuchs heute eine „Kernfrage des ganzen Kiefergelenkproblems“ in der nach der Her- kunft des Knorpels erblickt und die Homologiefrage mehr in den Hintergrund treten läßt, wie es wenigstens nach der Fortsetzung des obigen Zitates den Anschein hat. Ich für meinen Teil habe die Kern- frage aber nicht darin gesehen, sondern darin, ob das Kiefergelenk bei allen Gnathostomen eine homologe Bildung sei oder nicht. Diese schwerwiegende Abweichung zwischen Fuchs und mir könnte leicht verwischt werden durch die Fassung, die FucHs ihr gibt: „Der Unterschied zwischen LuBoscH und mir besteht . ... darin, daß ich glaube, den Condylusknorpel vom Gelenkteil des Meckeuschen Knorpels ableiten zu sollen, LusoscH hingegen von einem anderen, nämlich weiter nach vorn gelegenen Teil desselben.“ — Was soll das be- deuten: „Den Condylusknorpel vom Gelenkteil ableiten“? — Warum sagt FucHs nicht, wie früher, präzis, daß er das Squamosodental- und Quadratoartieulargelenk für homolog hält? 56 W. Lubosch, knorpligen Teile des Kiefergelenkes irgendwie auf primordiale, am Schädel gegebene zu beziehen, in keiner Weise irgend etwas gemein hat mit der Vorstellung einer Homologie des Quadratums und des Articulare mit den Knorpelpartien des Säugetiergelenkes. Jeder neue Schritt, der unternommen wird, um die Homologien der Weichteile der Kieferregion bei den Wirbeltieren aufzuklären, führt zu weiterer Befestigung der Überzeugung, daß die Gelenk- region der Emammalia in der Gelenkregion der Säugetiere nicht enthalten sei. Insbesondere haben sich die Prüfungen der Kau- muskulatur, die in den letzten Jahren vorgenommen worden sind (SCHULMAN 1906, EDGEWORTH 1911, ich selbst 1915), ausnahmslos der Annahme einer Homologie der Gelenkregionen bei Säugern und Emammalia hinderlich in den Weg gestellt. So ist heute, wie ich schon in einem Vortrage vor 2 Jahren (1911) ausgeführt habe, die Frage der Homologie selbst überhaupt kein wissenschaftliches Problem mehr (vgl. darüber GAuPpP 1913). Anders ist es dagegen mit der Frage nach der Entstehung des neuen Gelenkes, die mir bisher eine befriedigende Antwort nicht gefunden zu haben scheint. Die notwendige Voraussetzung dazu ist es, zunächst einmal über die Kräfte ins Reine zu kommen, die auf den kompliziert zusammengesetzten Unterkiefer der Emammalia wirken. Denn da mit einer Zerlegung des Unter- kiefers dieser Tiere zu rechnen ist, müssen die dabei wirksamen Teile des aktiven Bewegungsapparates bekannt sein, ehe man sagen kann, welche rezenten oder fossilen Formen den kompli- zierten Umbildungen zum Ausgang gedient haben. Es muß aber weiter bekannt sein, welche Komponenten der Kaumuskeln bei Fischen, Amphibien, Sauropsiden und Säugern einander ent- sprechen, denn nur so wird auch ein mechanisches Verständnis der Umbildungen zu gewinnen sein. Weit entfernt also, durch meine frühere Untersuchung über die Gelenkbildung bei Wirbeltieren einer Beantwortung der mich seit langem beschäftigenden Fragen entscheidend nahegekommen zu sein, wurde im Gegenteil eine neue Reihe schwieriger Auf- gaben dargeboten; denn ein Überblick über das, was über die Kaumuskulatur bekannt war, lehrte, daß hier alles im argen lag und daß selbst neuere sorgfältige Arbeiten (EDGEWORTH 1906, 1911) hier nur Fragen aufgeworfen, nicht gelöst hatten. Mit Ausnahme der Arbeiten von VETTER und SCHULMAN fehlen, trotz Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil 57 mancher hervorragender Einzeldarstellungen (z. B. LUTHER 1909, 19135, Hormauvist 1911, Dietz 1912) wirklich!), vergleichende Untersuchungen ganz. Um also weiter zu kommen, mußte hier selbst die Hand an- gelegt werden und der Entschluß, diesem Mangel unserer Kennt- nisse abzuhelfen, ist mir, weil er auf längere Zeit hin meinen Ar- beiten wieder einen Seitenweg wies, nicht leicht gefallen; aber nachdem er gefaßt war, mußte der Plan auch so in Angriff ge- nommen und durchgeführt werden, daß auf kürzestem Wege der Erfolg gewährleistet würde. Dieser Weg erschien mir ausschließ- lich in der Erforschung der Kaumuskulatur der erwachsenen Tiere gegeben. Die embryologischen Untersuchungen von EDGE- WwoRTH (1906, 1911), so wertvoll sie auch in bestimmter Hinsicht sind, geben doch für die spezielle Auffassung der Muskulatur bei den einzelnen Klassen der Wirbeltiere keinen Anhalt; im Gegen- teil: es werden die Ergebnisse von EDGEWORTH selbst, wie wir sehen werden (vgl. p. 165 dieser Abhandlung), erst wirklich ganz zu verstehen sein, wenn eine Homologisierung der ausgebildeten Muskelsysteme erfolgt ist. Daß ein möglichst reiches Material zur Untersuchung zu gelangen hatte, versteht sich von selbst; ebenso, daß die Unter- suchung wertlos wäre, wenn bei der Auswahl der untersuchten Formen die genealogisch maßgebenden unter ihnen unberück- sichtigt blieben. Daß es auf diesem Wege gelingt, schlechthin Unbekanntes aufzufinden, ist klar; inwieweit es aber dadurch auch zur Klärung grundsätzlicher Fragen kommt, wird sich im Laufe der Darstellung selbst ergeben. Den ganzen Stoff schien es mir zweckmäßig in fünf Teilen vorzutragen, deren erster hier folgt. Daß ich die Amphibien in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt habe, bedarf einer kurzen Erläuterung. Ich habe sie als erste Untersuchungsobjekte aus drei Gründen ge- wählt. Zunächst ist tatsächlich über ihre Kaumuskulatur wenig bekannt. Während von Fischen und Reptilien wenigstens eine Anzahl bedeut- samer Formen auf dieses Merkmal auch in neuerer Zeit untersucht worden ist, stehen unsere Kenntnisse der Urodelen im wesent- lichen auf dem Punkte, wo sie vor 50 Jahren standen, und für die Anuren ist ‘außer Gauprs Anatomie des Frosches und den Arbeiten über die larvalen Kaumuskeln (Dus&s, GOETTE, GAUPP, 1) Vergleiche den Nachtrag am Schluß dieser Abhandlung. 58 W. Lubosch, Fr. E. SCHULZE, EDGEWORTH) so gut wie nichts bekannt. Aber selbst in diesen spärlichen Angaben vermissen wir jeden Versuch einer systematischen Prüfung des Verhaltens der motorischen Trigeminusäste, das den Schlüssel zum Ver- ständnis der Muskulatur bildet. Demzufolge ist auch die Mög- lichkeit, die Muskeln der Urodelen und der Anuren auf einander zu beziehen, bisher nicht gegeben gewesen, und der Versuch dazu nur einmal und gänzlich verfehlt unternommen worden. In zweiter Linie leitete mich die Überlegung, daß bei jeder Art der phyletischen Erklärung und aufjedem Wege, auf dem auch immer wir die genealogischen Zusammenhänge der Wirbeltiere zu ver- stehen suchen mögen, die Amphibien schließlich doch den Aus- schlag geben. Sie vermitteln in ihrer Organisation zwischen den aquatilen Wirbeltieren und den Amnioten. Sie führen in das Ver- ständnis des unendlich umfangreichen Komplexes der Stegocephalen ein, sie bieten Anklänge an die Organisation der Säugetiere und primitiver Reptilien. Eine Kenntnis ihrer Kaumuskulatur ist daher schlechthin unerläßlich und wird an und für sich bereits das Ver- ständnis der Bildungen bei Fischen und Reptilien erleichtern, da diese besser bekannt, aber bis jetzt schwer aufeinander beziehbar sind. Endlich drittens aber bestand die Überzeugung, daß den Perennibranchiern, die häufig als „rückgebildete“ Formen in ge- ringer Geltung stehen, ein ungemeiner Wert für jede vergleichend- anatomische Frage zukommt, um so mehr, als im vorliegenden Falle sofort bereits die erste Präparation zeigte, daß die Kaumuskeln einen hohen Grad der Differenzierung aufwiesen, weit entfernt also waren von dem Zustande, den man sich von ihnen so lange macht, wie man von einer scheinbar einfachen Kaufunktion dieser Tiere auch auf einen einfachen Zustand der dazu gehörigen Muskulatur schließt. Der Plan dieses ersten Teiles meiner Untersuchungen umfaßt also die Kaumuskulatur der Urodelen und Anuren, und zwar im wesentlichen in deskriptiv-systematischer Hinsicht. Eine ein- gehende Schilderung der Komponenten der Kaumuskeln, mit bild- lichen Darstellungen belegt, muß die Grundlage für alles Weitere bilden. An sie schließt sich ein synthetischer Teil an, der in erster Linie die Aufgabe zu lösen sucht, die Muskulatur der Urodelen und Anuren aufeinander zu beziehen, festzustellen, was als gemeinsamer Besitz, was als Sonderbesitz zu gelten hat und zu verfolgen, wie Rückbildungen und Neubildungen an der Aus- gestaltung der Muskulatur beider Gruppen tätig gewesen sind. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 59 Dagegen liegt eine eingehende Erörterung der Beziehungen der Amphibienmuskulatur zu der der Fische, zu der der Amnioten nur teilweis im Plan meiner diesmaligen Darstellung. Nur soweit — übrigens spärliche — Angaben über solche Homologien vorliegen oder ich selbst Erfahrungen erworben habe, bin ich genötigt, auf sie einzugehen. Wenigstens die Grundlagen für eine Homologisierung haben sich gewinnen lassen. Als Material meiner Untersuchung dienten mir ausgewachsene Exemplare folgender Perennibranchier, Derotremen und Anuren: Perennibranchier: Siredon pisciformis zahlreiche Exemplare (Zool. Inst. Würz- burg!) Amblystoma tigrinum 1 Exemplar (Zool. Inst. Würzburg) Proteus anguineus 2 Exemplare (eigener Besitz) Menobranchus lateralis zahlreiche Exemplare (Zool. Inst. Würz- burg Siren lacertina 1 Exemplar (eigener Besitz). Derotremen: Brluuma 2 2 a) (Zool. Inst. Würzburg). Cryptobranchus japonicus 1 s Anuren: Rana mugiens 2 Exemplare (eigener Besitz) Hyla spec.? mehrere Exemplare Bufo agua 1 (teilweis versehrtes)| Y Exemplar \ (Zool. Inst. Würz- Bufo granulosus (Spix) 1 Exemplar burg) Dactylethra capensis i! er Ceratophrys dorsata 1 & (Anatom. Inst. Würzburg) Larven von Pelobates verschiedenen Alters bis nach Verlust des Schwanzes. Korrodierte Larven von Rana fusca und Rana esculenta?). 1) Ich fühle mich Herrn Geh. Hofrat Prof. Dr. BovERI zu Danke dafür verpflichtet, daß er mir die hier erwähnten Objekte mit großer Freigebigkeit überlassen hat. 2) Ich verdanke sie Herrn Prof. Dr. O. SCHULTZE, dem ich für die Überlassung seiner Originalpräparate zu Danke verpflichtet bin. 60 W. Lubosch, Nur in zwei Fällen, nämlich an einem halben Proteuskopf und dem Kopf von Amblystoma, habe ich mich der Methode einer Zer- legung des ganzen Kopfes in eine Schnittserie bedient. Für die Feststellung des Verlaufes der Nerven haben sich amerikanische Autoren neuerdings vielfach dieser Methode mit Erfolg bedient (COGHILL, HARRIS, WILDER u.a.) Für die Einsicht in den Auf-' bau der Muskulatur halte ich diese Methode aber für durchaus unbefriedigend; denn es ist nötig, nicht nur die Schichtung der Muskulatur im Schnitt zu sehen, sondern auch das Wesen der Schichtung durch Präparation festzustellen. Bei Proteus z. B. erwies sich, was im Schnitt als selbständige Schicht anmutete, bei der Kontrollpräparation der anderen Kopfhälfte als viel weniger selb- ständig. Nur wenn man die Möglichkeit hat, mit Messer, Pinzette und Nadeln die Muskeln voneinander zu sondern, gewinnt man ein Urteil über ihren Aufbau und den Grad der Selbständigkeit ihrer Schichten, Ich habe daher diese Methode fast ausschließlich be- folgt, so schwierig sie bei den kleinen Objekten auch ist. Die Unter- suchung geschah an dem in Wasser versenkten und mit Nadeln fixierten Objekt unter der monokularen Lupe, in anderen Fällen unter dem bin- okularen Präpariermikroskop von BRAUS und DRÜNER. Das Wasser war leicht mit Essigsäure versetzt. Schichtweis wurden Skizzen ‚angefertigt, die später das Gesamtbild lieferten. Nach diesen Skizzen wurden die dieser Abhandlung beigegebenen Tafelfiguren in folgender Weise hergestellt. Zunächst wurde vor Beginn der Präparation jeweils ein Schädel in geeigneter Stellung gezeichnet. Bis auf Ceratophrys und die präparierten Bufonen war es stets möglich einen geeigneten Schädel zu beschaffen. Diese Zeich- nungen sind auf den Figuren 1, 3, 5, 8, 12 und 20 wiedergegeben. Auf photographischem Wege wurden von diesen Originalen eine Anzahl Kopien hergestellt, die zur Grundlage der Skizzen dienten. Nach diesen Skizzen endlich wurden kombinierte Abbildungen zusammengestellt, die also in diesem Sinne zwar konstruiert sind, jedoch, was die eingezeichneten Details anlangt, den Anspruch naturgetreuer Wiedergabe erheben. In zahlreichen Abbildungen zu Untersuchungen über ver- gleichende Myologie ist eine Technik gebräuchlich geworden, die, so instruktiv sie für die Zwecke jener Untersuchungen ist, doch durch die eigentümliche Stilisierung der Zeichnung, die einheit- liche Färbung der Muskeln und ihre Bezeichnung mit schwer- fälligen Chiffren die Benutzung sehr erschwert. Ich habe daher den Versuch gemacht, neben direkten Bezeichnungen an Hinweis- Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 61 strichen, die Muskeln unter Verzicht auf Wiedergabe ihrer „natür- lichen“ Farbe mit verschiedenen Farben zu bezeichnen, so zwar, daß die homologen Muskeln durchweg mit dem gleichen Farben- ton gezeichnet wiederkehren. Was die Zeichnungen der Nerven anlangt, so ist zu sagen, daß sie hinsichtlich ‚ihres freien Ver- laufes jenseits des Austrittes des 3. Trigeminusastes nicht als Schemata, sondern als naturgetreue Abbildungen aufgefaßt sein wollen. Am Abgang vom Stamm sind indessen die motorischen Elemente, dadurch leicht schematisiert worden daß sie in einigen Figuren mehr auseinandergelegt worden sind als es in Wirklichkeit bei den winzigen Verhältnissen erkennbar war. In dem ersten Teil meiner Präparationen habe ich leider die Verfolgung des motorischen Anteils intrakraniell bis zum Gehirn nicht vorgenommen. Vielfach wäre das auch für makroskopische Präparationen an den kleinen Ob- jekten zu schwierig gewesen. Bei den Anuren, die erst nach Untersuchung der Sauropsiden bearbeitet wurden, gelang es in einem Falle (Ceratophrys) durch makroskopische Präparation unter dem binokularen Mikroskop zu einem klaren Einblick in die Be- ziehungen der motorischen Wurzel zum sensiblen Anteil zu ge- langen, nicht aber bei Rana, Bufo und Dactylethra. Bei Lacer- tiiiern und Krokodiliern gelingt eine solche Präparation besser. Die bisherigen Kenntnisse über die Muskulatur der Urodelen beruhen auf den Darstellungen von BRONX (1873 — 78), Dusks (1855), HumpoHry (1872), STAnNIUs(1856), VAILLANT (1863), WILDER (1891), über die der Anuren auf den Arbeiten von BRonNN (1873— 78), Dvszs (1835) GAupP (1893, 1896), GOETTE (1875) Fr. E. SCHULZE (1892), Stannıus (1856) und VOLKMANN (1838). Die Beschreibungen beschränken sich auf eine allerdings oft recht genaue Schilderung des Ursprunges und Ansatzes. Die abweichende Gliederung der Mus- kulatur in einen mehrschichtigen „Masseter“, mehrschichtigen „Tem - poralis“ und „Pterygoideus“ bei den Urodelen und ähnliche, aber jenen nicht ohne weiteres vergleichbare Muskeln beim Frosch ist be- kannt. Neuere Abhandlungen (CocHırı (1902, 1906), Dopps (1906), KınssLey (1902), Norrıs (1908, 1909, 1911, 1913), NORRIS und BUucKLET (1911), WILDER (1891, 1892) gehen gelegentlich ihrer Nervenstudien auch auf die Kaumuskeln ein, ohne an ihrer Beschrei- bung und Terminologie Wesentliches zu ändern. Noch schlimmer ist es mit der Kenntnis der Nerven bestellt. Weder die soeben er- wähnten neueren Untersucher, noch die älteren J. G. FISCHER (1843) und DE WATTEVILLE (1875) wissen der Hauptsache nach mehr 62 W. Lubosch, zu sagen, als daß der Ramus maxill. inferior motorische Äste „an die Kaumuskeln“ abgibt. Bei NoRRIS und WILDER finden sich allerdings, teils in Abbildungen, teils mit Worten ausgesprochen einige Beobachtungen, die mit den meinigen übereinstimmen. Im allgemeinen sind jedoch die Eigentümlichkeiten des Verlaufs der motorischen Trigeminusäste und die Zugehörigkeit bestimmter Nerven zu bestimmten Muskeln bis zu meinem Vortrage (1913) nicht bekannt geworden. Über all dies wird bei der speziellen Beschreibung das Nötige angegeben werden. Hier habe ich nur noch einen aller- dings sehr wichtigen Punkt zur Sprache zu bringen: die Nomen- klatur der Kaumuskeln. Da zunächst als unbekannt voraus- gesetzt wird, welche Teile der Muskulatur der Emammalia bei den Mammalia selbst wiederkehren, so ist es als ein Fehler aller bisherigen Darstellungen zu bezeichnen, daß die in der mensch- lichen Anatomie gebräuchlichen Namen auch bei Amphibien und Sauropsiden wiederkehren. Die älteren Arbeiten von VETTER hatten durch Begründung der Nomenklatur auf die Beziehungen zwischen Muskeln und Visceralbögen einen neuen, wissenschaft- lichen Weg der Namengebung gewiesen. Für die uns beschäftigende Frage (soweit ich sehe auch für gewisse Fischformen) ist er indes nicht gangbar, weil ja innerhalb des „Adductor mandi- bulae‘“ die Sonderungen angetroffen werden, die uns in der reich differenzierten Muskulatur der Amphibien entgegentreten. Es bedurfte also für die einzelnen Komponenten des „Adductor mandibulae* neuer Namen. Ducks hatte wohl als erster die Benennung der Kaumuskeln nach den Knochen des Ursprungs und Ansatzes ausgebildet, indem er Adjectiva aus den aneinander- geketteten Skelettnamen bildete (z. B. Muscle pr&-temporo-coro- noidien); BRONN und andere sind ihm darin gefolgt. Diese Ter- minologie ist zwar indifferent, aber, selbst wenn sie weniger schleppend und dem Gebrauch bequemer wäre, so wäre sie zum mindesten unvollkommen. Denn es ist z. B. falsch, daß der „Tem- poralis“ der Urodelen nur ein „Fronto-parieto-mandibularis* ist; seine Ursprünge vom Örbitosphenoid und die Insertionen am Goniale oder am Gelenkteile des MECKELschen Knorpels sind in dieser Bezeichnung nicht mit enthalten. Neuerdings hat GAUPP für Reptilien einen mehr indifferenten Terminus für einen Teil der Kaumuskeln vorgeschlagen, nämlich den eines „Capiti-mandi- bularis“. Es läßt sich nicht leugnen, daß bis zur Feststellung einer konstanten Gliederung der Kaumuskeln diese indifferente und Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teile 63 gleichzeitig umfassende Benennung das Richtigste ist. Sobald aber eine solche Gliederung festgestellt ist, sind auch Namen erforderlich, um das Gleiche stets wieder kenntlich zu machen. Die Innervation erweist nun innerhalb der Kaumuskeln der Amphibien — und wie schon hier bemerkt sei, auch der Sauro- psiden — drei Muskelkomplexe als konstant nach, die im all- gemeinen mit den durch die alten Namen des Masseter, Tem- poralis und Pterygoideus bezeichneten zusammenfallen, ohne sich doch völlig mit ihnen zu decken. Von ihnen stehen sich zwei Komplexe wieder nahe, weil sie ihre Nerven von der lateralen (dorsalen) Seite des dritten Trigeminusastes her empfangen. Sie decken sich im wesentlichen, wenn auch nicht durchweg, mit den- jenigen, die EDGEWORTH (1911) als Abkömmlinge des lateralen Myotomabschnittes der larvalen Kiefermuskulatur aufführt. Die dritte Komponente empfängt ihre Nerven aber von der medialen (ven- tralen) Seite des Trigeminusastes und fällt annähernd mit dem Abkömmling des inneren Myotomabschnittes (EDGEWORTH 1911) zusammen. In welcher Weise die Komponenten ineinander über- gehen und inwieweit sie selbständig sind, wird im speziellen Teil beschrieben werden. Es empfiehlt sich demnach, diese drei Kom- ponenten mit verschiedenen Namen zu belegen. Als solche wähle ich gebräuchliche Namen mit geringfügiger Modifikation, um ihrer weiteren Anwendung möglichst geringe Schwierigkeiten zu bereiten. Die vorhandenen Namen des Oapiti-mandibularis und Pterygoideus werden dabei am besten beibehalten zur Kennzeichnung der dorsalen und ventralen Kaumuskulatur. Die weitere Gliederung der Muskeln erfordert dann die Einführung je zweier neuer Benennungen in jedem Muskelgebiet. Das Gebiet des Capiti-mandibularis sondert sich in einen Musculus Cranio-mandibularis und einen Mus- ceulus mandibularis externus. Das Gebiet des Pterygoideus sondert sich in einen Musculus pterygoideus anterior und pterygoideus posterior. Die dazu gehörigen motorischen Nerven werden demgemäß als Nervi ceranio-mandibulares, Nervi mandibulares externi, Nervus pterygoideus anterior und Nervus pterygoideus posterior zu bezeichnen sein. Die einzelnen Muskeln spalten sich in Schichten, die durch Anwendung der Ausdrücke sublimis, medius, profundus zu kenn- zeichnen sind, und sondern sich in nebeneinander oder hinter- einander gelegene Portionen, welche als Portio anterior, pos- terior bezeichnet werden. 64 W. Lubosch, Ich gebe zunächst nun eine Übersicht über diese Nomen- klatur, deren tiefere Begründung in der speziellen Beschreibung gegeben werden wird und schließe die Synonyma der Literatur daran an. I. Urodelen. 1. Dorsale Muskeln: M. capiti-mandibularis (GAUPP). a) Musculus mandibularis externus. Masseter. Bowers (1900 Spelerpes), CoGHILL (1902 Amblystoma, 1906 Triton), EDGEWORTH (1911 Necturus, Triton), HumpHury (1872 Cryptobranchus), KINGSLEY (1902 Amphiuma), Norrıs (1908 Amphiuma, 1913 Siren), WILDER (1891 Siren). Petro-tympano-maxillaris HOoFFMANN-BRONN (1873—1878). Pre-temporo-maxillaire. Ducks (1855). Adduceteur commun des mächoires. VAILLANT (1863 Siren). Adduetor mandibulae externus. LUTHER (1914). b) Musculus eranio-mandibularis. Temporalis. Bowers (l.c.), CoGHILL (l.c.), FISCHER (1843), DRÜNER (1903 Siren), EDGEWORTH (l. c.), HuMm- | PHRY (l.c.), KINGSLEY (l.c.), NORRIS (].c.), WILDER (l.c.). | Frontalis. FISCHER (l.c.). Temporale. VAILLANT (l.c.). | Fronto-parieto-maxillaris. HOFFMANN-BRONN (1873 bis 1378), WILDER (|. c.). Pseudotemporalis. LUTHER (1914). | 2. Ventrale Muskeln: Mm. pterygoidei. a) Musculus pterygoideus anterior. | Pterygoideus. LUTHER (1914). | b) Musculus pterygoideus posterior. Pterygoideus. EDGEWORTH, NORRIS. Pterygoidien. VAILANT. Pterygo-maxillaris. HOFFMANN-BRONN (1873— 1878 Siren, Amphiuma). Pterygo-maxillaire. WILDER. Temporalisursprünge vom Pterygoid kommend. HUMPHRY. Postorbito-coronoidien. DUGks. Adduetormandibulae posterior. LUTHER (1914). . Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 65 II. Anuren. A. Muskeln der Anurenlarven. 1. Dorsale Muskeln: M. Capiti-mandibularis. a) Musculus mandibularis externus. Oberflächliche Portion des Masseter. Gaupp (1893). Tympano-mandibularis. GAupPp (ebenda). Oberflächliches Bündel des Masseter. GoETTE (1875). Adducetor mandibulae externus. LUTHER (1914) nebst Adduetor mandibulae subexternus. LUTHER (1914). Fehlt bei Fr. E. ScHhuLzeE (1892). Fehlt bei EDGEwoRTH (1911). b) Musculus cranio-mandibularis. a) Sublimis. Masseter. Ducks (1835). Temporalis. GOETTE, GAUPP, FR. E. SCHULZE, EDGE- WORTH. Adductor mandibulae posterior superficialis. LUTHER. ß) Profundus. Temporalis. Dvcks. Fehlt bei GoETTE. Fehlt bei GAuPpP. Subtemporalis. SCHULZE, EDGEWORTH. Adductor mandibulae posterior profundus. LUTHER. 2. Ventrale Muskeln: Mm. pterygoidei. a) Musculus pterygoideus anterior. Pterygoideus. DuGäs, GOETTE, GAUPP, SCHULZE, EDGEWORTH, LUTHER. b) Musculus pterygoideus posterior. a) Portio tympanica. Teile des Masseter: GAUPP, GOETTE, SCHULZE. Extratemporalis. EDGEWORTH. Adductor mandibulae posterior lateralis? LUTHER. ß) Portio quadrata. Teile des Masseter autorum. Adductormandibulaeposteriorarticularis. LUTHER. Jenaische Zeitschrift. Bd. LII. ” 66 W. Lubosch, B. Muskeln der erwachsenen Anuren. 1. Dorsale Muskeln. a) Musculus mandibularis externus. Masseter. DE WATTEVILLE (1875 Rana esculenta), STAnNIUs (1856). Masseter major. GAupp (1896 Rana fusca, esculenta, arvalis). Temporalis minor. VOLKMANN (Rana). Adductor mandibulae externus. LUTHER. Fehlt bei HOFFMANN-BRONN. Fehlt bei Dueks. 2. Muskeln von nicht durchweg streng gesonderter Zugehörigkeit. a) Musculus eranio-mandibularis. a) Sublimis. Temporalis. GAUPP (l. €), DE WATTEVILLE (lee STANNIUS (|. c.). Temporalis major. VOLKMAnN (bei BRONN ist dieses Synonym falsch wiedergegeben). Petromaxillaris (Masseter). HOFFMANN-BRONN (|. c.). Sus-rup&o-temporo-coronoidien. DuGäs (l.c.). Adductor mandibulae posterior longus. LUTHER. ß) Profundus. | Fehlt bei den Autoren. | 3. Ventrale Muskeln: Mm. pterygoidei. | a) Musculus pterygoideus anterior. Pterygoideus. -GAUPP: (l. c.), -DE-WATTEVILLE (. C.), LUTHER (1914). \ Masseter (?). VOLKMANN (|. c.). Cephalo-maxillaris. HOFFMANN-BRONN (l. c.). Pr&e-rupe6o-pterygo-maxillaire. Duvscäs (|. c.). b) Musculus pterygoideus posterior. a) Portio articularis. Masseter minor. GAUPP (l. c.). Jugali-maxillaris. HOFFMAnNN-BRoONN (|. c.). Zygomatico-maxillaire. Ducss (I. c.). Adduetormandibulaeposteriorarticularis. LUTHER. ß) Portio tympanica. „Fasern des Masseter vom Tympanicum und Annulus tympanicus.“ HoFFMANN-BRONN (I. c.). „Kurzer breiter Kopf des Temporalis.“ GAupP (l. c.). Adduetor mandibulae posterior. LUTHER. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 67 I. Descriptiver Teil. Urodelen. 1. Siredon pisciformis. (Vgl. Tafel 1, Fig. 1 u. 2. Fig. 1 stellt die Seitenansicht des Schädels dar. Die Muskelursprünge sind eingetragen. Fig. 2 stellt den M. mandi- bularis externus und den M. cranio-mandibularis sublimis am Ursprung ab- gelöst und zurückgeschlagen dar. Der M. cranio-mandib. profundus ist in ganzer Ausdehnung sichtbar.) Osteologie. "Am Schädeldach kommt als Ursprung der Kaumuskulatur in Betracht das Parietale und Frontale. Das Parietale bildet einen viereckigen platten Knochen, der in der Mittellinie mit dem der anderen Seite zusammenstößt. Hinten grenzt er an das ÖOceipitale nur an einem kleinen Bezirk medianwärts. Lateral davon schiebt sich das Petrosum gegen das Parietale vor. Der Seitenrand des Parietale ist nach abwärts gebogen und oralwärts in einen Fortsatz ausgezogen, der das Stirnbein umfaßt. Der Vorderrand des Parietale grenzt mit schräg verlaufender Naht an das Stirnbein. Das Stirnbein ist ein breit-lanzettförmiger Knochen, der gegen die Mittellinie zu flach ausgehöhlt ist. In der Mittellinie grenzt er gegen den gleichen Knochen der anderen Seite. Lateral und hinten liegt das Scheitelbein, dem sich dann das Praefrontale in der lateralen Begrenzung anschließt. An der vorderen Spitze des Frontale liegt die knorpelige Nasenkapsel und ihr median au der schlanke, aufsteigende Teil des Praemaxillare. Die seitliche Schädelwand wird vorn von einer vertikal stehenden knöchernen Lamelle gebildet: dem Orbitosphenoid, an dessen Basis die Kante das Parasphenoid zutage tritt. Oceipitalwärts schließt sich eine knorpelige Wandstrecke an: das Alisphenoid, mit dem Durchlaß für den Trigeminus. Diese knorpelige Wandung dehnt sich weiter oceipitalwärts aus bis zum Quadratum, welches außen vom Para- quadratum überlagert wird. Dieses, das Paraquadratum, ist ein läng- licher, dreieckiger Knochen, welcher oben breit an Petrosum und Öceipitale stößt, unten spitz sich bis über das Quadratum erstreckt. Die Ecke zwischen Paraquadratum, Parietale und Alisphenoid wird durch die Verknöcherung des Petrosum eingenommen. Zwischen der Kieferregion des Schädels und der Quadratregion spannt sich der Pterygo-palatinbogen aus. Dieser besteht aus dem Pterygoid hinten, dem Palatinum vorn und einer membranösen Ver- bindung zwischen beiden Knochen. Das Pterygoid ist ein annähernd T-förmiger Knochen, der mit seinem Querschenkel dem Quadrat- knorpel anliegt, ınit seiner Spitze oralwärts schaut. Das Palatinum besitzt eine horizontale zahntragende Platte und eine von da aus sich an der Seitenwand des Schädels emporwölbende Fläche mit nach hinten 5* 68 W. Lubosch, gewendeter Spitze. Die Spitzen beider Knochen sind durch ein straffes Ligament verbunden, welches sich als membranöse Platte dem unteren Rande des Pterygoids anschließt und bis zum Gelenkteil des Quadratums hinzieht. Der Unterkiefer besteht der Hauptsache nach aus einem starken knorpeligen Rest des MeckeErschen Knorpels. Dieser trägt hinten die ausgehöhlte Gelenkfläche für das Quadratum. Vor der Gelenk- fläche bleibt eine breite oberflächliche Strecke des Knorpels un- bedeckt von Knochen. Als Deckknochen kommen das Dentale, Goniale und Operculare in Betracht. Myologie. Siredon besitzt zwei Kaumuskeln: einen M. cranio-mandibularis, der aus zwei Schichten besteht, und einen einschichtigen M. man- dibularis externus. 1. Musculus mandibularis externus. Er stellt ein Trapez dar, dessen längste Seite oral, dessen kürzeste vor dem Kiefergelenk liegt. Ursprung und Ansatz bilden “___—— Parietale Cranio-mandib.”—__ / subl. DE IL —— Alisphen. R. ophthalm. SB: Di N ON ? prof. 2 FF { | \ \W N__— Parasphenoid Cranio- fi) BIN W \\ Pterygoid mand. prof. "777 - ee | \N N ea x tl __-- Dentale i ___ Meckelscher wenn Knorpel Chordatymp. * ren Goniale Textfig. 1. Siredon, schematische Darstellung der Schichtung des Cranio- mandibularis. Links hinter dem Auge, rechts vor dem Kiefergelenk. die beiden anderen Seiten des Trapezes. Der Ursprung liegt am Paraquadratum und nur an diesem. Er besetzt die vordere Fa- cette dieses Knochens. Seine Bündel verlaufen einander parallel. Die zu oberst entspringenden verlaufen am weitesten nach vorn zum Dentale, wo sie sich dicht hinter dem letzten Zähnchen be- festigen. Von da an läuft die Insertion bis dicht unter den vor- dersten Teil des Kiefergelenkes. Die Innervation dieses Muskels erfolgt durch zwei kräftige Stämmchen, die sich aus dem R. maxillaris inferior. ablösen und sich nach hinten unten und aus- wärts in den Muskel einsenken. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 69 2. Musculus cranio-mandibularis. (Taf. 2, Fig. 2 u. Textfig. 1), Er zerfällt in zwei Schichten, die voneinander durch lockeres Bindegewebe und die Ausbreitung der Nervi cranio- mandibulares getrennt sind. Die beiden Muskelschichten sind als Cranio-mandibularis sublimis und Cranio-mandibularis profundus zu bezeichnen. Beide Schichten sind gleichzeitig sichtbar, indem der tiefe Teil mit einer dreieckigen Fläche unter dem oberfläch- lichen hervorschaut. Der Cranio-mandibularis sublimis entspringt vom medialen Teile des Scheitelbeines und vom hinteren Bezirk des Frontale. Die vordersten Fasern steigen senkrecht nach abwärts, um eine starke Sehne zu entwickeln. ‚Diese Sehne tritt, sich mit den vordersten Fasern des Mandi- bularis externus verbindend, an das Dentale und der Hauptmasse nach an den MECKELSschen Knorpel. Diesen vordersten Cranio-mandi- bularis-Fasern schließen sich weitere an, die sich um die vorderen Fasern herumschlingen und nach einwärts geraten. Der Muskel ge- winnt dadurch einen Aufbau, der an denjenigen des Pectoralis major des Menschen erinnert. Auch in der Wirkung führt dieser Auf- bau zu einer ähnlichen Einrichtnng, denn der Muskel bildet mit seiner Sehne eine flache Tasche. Die Sehne heftet sich eine Strecke weit am MECKELSchen Knorpel fest. Die Innervation dieses Muskelteiles erfolgt durch einen Nervus cranio-mandibularis, der an der oralen Seite des Nervus maxillaris inferior, dicht nach dessen Austritt aus dem Schädel den Stamm verläßt. (Textfig. 4 u. Taf. 1, Fig. 2 5). Der Cranio-mandibularis profundus ist eine am Ursprung von der oberflächlichen Schicht scharf und bequem trenn- bare Muskellage. Gegen die Insertion dagegen legt sie sich inniger an die obere Schicht an. Der Ursprung beginnt am Frontale. Der vorderste Teil dieses Knochens bleibt unbedeckt. Von hier tritt der Ursprung auf den seitlichen, nach abwärts abgebogenen Teil des Parietale über, dessen über dem Foramen prooticum gelegene äußerste Ecke indes frei bleibt. Hier tritt der Ur- sprung auf die knorplige Seitenwand des Schädels über, wo er zugleich vom Ramus ophthalmieus profundus des Trigeminus durchsetzt wird. Er umgreift das Foramen prooticum, so daß dies nur zu wenig mehr als ein Drittel an seinem oberen Rande frei bleibt. Nun zieht der Ursprung unterhalb des knöchernen Petrosum weiter an der Knorpelwand entlang und tritt schließlich an das Quadratum bis etwa zur halben Länge des Paraquadra- 70 W. Lubosch, tums hinab. Auch von der Innenfläche des Paraquadratums kommen noch Muskelbündel. Es entwickelt sich nun von diesem Ursprunge aus eine ziem- lich dicke Muskelplatte, deren Ansatz (Textfig. 2) ausschließlich an dem vom Dentale und Goniale nicht bedeckten Umfang des MEckELschen Knorpels, und zwar vorn in direktem Anschluß an “"” Textfig. 3. Siredon, Schema der tiefen Cranio-mandibularisschicht. die Cranio-mandibularissehne und im Zusammenhang mit ihr, hinten bis dicht an die Gelenkkapsel des Kiefergelenkes!). Der Ansatz 1) LUTHER findet, daß diese meine Angabe (1913) nur für junge Larven zutreffe. Bei alten Tieren greife der Ursprung auch auf das Goniale über. (Oberer Rand und Fläche die dem Knorpel zugewandt ist.) Meine Präparationen wurden an erwachsenen Tieren angestellt. Die Fig. 31 bei LUTHER zeigt mit meiner Textfig. 2 das Ge- meinsame, daß jedenfalls ein Übergreifen auf die Schleimhautseite des Goniale, wie bei allen anderen Urodelen, bei Siredon nicht stattfindet. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 71 ist vorn kurzsehnig, hinten vor dem Gelenk fleischig. Der Ramus ophthalmieus profundus des Trigeminus liegt vom vorderen, nicht aber vom hinteren Teil des Muskels bedeckt. Faserrichtung und Faserverlauf des Cranio- mandibularis profundus. Die langausgedehnte Ursprungs- linie und die kurze Insertionsstrecke macht es verständlich, daß die Bündel dieser Muskelplatte eine fächerförmige Anordnung besitzen (Textfig. 2 und 3). Die am meisten gelenkwärts ver- laufenden Fasern schlagen den kürzesten Weg ein und treten ganz nach außen an die Grenze des Dentale. So entsteht eine besondere Muskelportion (Textfig. 3 z), die auch durch einen besonderen Ast des N. eranio-mandibularis versorgt wird (Textfig. 4 5 u. Taf. 1, Fig. 25). Ihr unmittelbar schließen sich die von der Umgebung des Foramen ovale kommenden Fasern an (Textfig. 3 2). Diese treten mehr an die Mitte des MECKELSschen Knorpels entfernter vom Dentale. An ihnen treten kurze Endsehnen auf Weiter nach vorn folgen dann die Fasern vom Parietale (Text- fig. 5 5), die sich nach innen um die hinteren Fasern herum- schlagen und mit länger und länger werdenden Sehnen bis nach hinten zum Gelenk treten, nahe an die Grenze des Goniale. Eine „Lasche“ entsteht dadurch nicht. Es ist vielmehr ein kompakter Muskel- und Sehnenstumpf, der an seiner Oberfläche außen und innen verschiedenen Verlauf der Muskel- und Sehnenbündel auf- weist (Textfig. 2.) Die Innervation des vorderen Teils der Muskelmasse ge- schieht durch zwei Ästchen, von denen einer neben dem N. eranio- mandib. sublimis aus dem Hauptstamm entspringt, der andere als Ästechen des N. cranio-mandib. sublimis auftritt (Textfig. 4 3, 4, Mar 1, Kie. 2 3,.4). Neurologie (Textfig. 4). Der aus dem Foramen prooticum tretende Stamm des 3. Tri- geminusastes verläuft zwischen dem Cranio-mandib. profundus einer- seits, dem Cranio-mandib. sublimis und Mandibularis externusanderer- seits. Seine Lage wird bestimmt durch die Grenze zwischen der hinteren und mittleren Portion des Cranio mandib. profundus. Er bettet sich hier in eine Mulde ein, die dadurch hervorgerufen wird, daß der oceipitale Teil des Muskels eben durch seinen Faser- verlauf mehr nach lateral vorspringt als die übrigen Teile. Aus dem Stamm gehen zwei Gruppen von Nerven hervor: 1. Nervimandibulares externi: nach hinten, unten und außen verlaufend (Textfig. 4 r, 2). 12 W..Lubesch, 2. Nervi eranio-mandibulares: zum Teil vorwärts, zum Teil nach hinten verlaufend (Textfig. 4, 3—5). Die Verzweigung im einzelnen vollzieht sich folgendermaßen (s. Textfig. 4): 1. Nervi mandibulares externi. Sie verlassen den Stamm dicht übereinander in der Zweizahl, in der Mitte der Entfernung zwischen Foramen prooticum und Unterkiefer (auf Taf. 1, Fig. 2 durch zwei Kreuzchen als abgeschnitten gekenn- zeichnet). 2, Nervwi veramıo2 mandibulares. Sie bilden ein kleines Stämmchen dicht unter dem Austritt des Stam- mes aus dem Schädel. Dieses Stämmcehen sondert sich in drei Ästchen: a) Ramus sublimis zum Cranio-mandib. sublimis (3). Er tritt von der Unterseite in diesen Muskel ein und gibt auch einen Ast zum M. cranio- mandib. profundus. b) R. profundus (4) ver- a läuft dicht neben dem vorigen, Textfig. 4. Schema der motorischen Aste : : des 3. Trigeminusastes von Siredon. ebenfalls zwischen beiden Schwarz: Nn. mandib. externi; grau: Temporalisschichten, und tritt Nn. eranio-mandib.; rot: Ast des N. cran.- Mn nn. die Bere Par ; mand. prof., der zur hinteren Portion alleın ın dıe tiefe Fortion ein. des Muskels tritt. Das Schema beruht er r nur nach abwärts von * * auf Beob- g R. poiezEE 6) achtung. schlingt sich hinter dem Stamm herum und tritt mit zwei Zweigen in die hintere Portion des Cranio-mandib. profundus (z in Textfig. 3). 2. Amblystoma tigrinum. Soweit das Studium einer Schnittserie durch den Kopf dieses Tieres lehrte, bestand genau die gleiche Anordnung der Muskulatur wie bei Siredon. Die Lage der Hauptnervenstämme war die gleiche. Die Anordnung der motorischen Äste war nicht mit Sicherheit zu über- Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 75 sehen. CocHILL (1902) hat die motorischen Äste kurz beschrieben, auch den Verlauf der motorischen Wurzel vom Gehirn zur Peri- pherie auf Serienschnitten untersucht. Es ergibt sich aus seiner Beschreibung, daß sie sich innerhalb des Ganglions über den Teil der Nervenfasern, die zum N. ophthalmicus prof. werden, wenden. Die Wurzel zieht dann nach lateral und geht zur postero-ventralen Portion des Ramus mandibularis. Die motorischen Äste sind bei Co6HILL nicht abgebildet; er erwähnt Äste zu jedem der beiden großen Muskeln. Bedeutsam ist indes, daß er in der Abbildung den Rest der motorischen Portion, der zum M. mylohyoideus geht, am hinteren Rande und von der ventralen Seite sich herumschlingend gezeichnet hat. 3. Menobranchus lateralis. (Vgl. hierzu Taf. 2, Fig. 8, 9, 10 und 11.) Fig. 8 zeigt den Schädel eines erwachsenen Menobranchus von lateral mit eingezeichneten Muskel- ursprüngen. Fig.9 Ansicht des unversehrten Muskelpräparates, Mm. mandibularis externus und M. cranio-mandibularis. Fig. 10 zeigt die Schichtung des Cranio- mandibularis, Fig. 11 seine tiefste Schicht, welche einen M. pterygoideus re- präsentiert. Osteologie. Das Dach des flachen Schädels wird fast ausschließlich vom Frontale und Parietale gebildet. Das Parietale bildet die obere Um- grenzung des Foramen magnum und erscheint weiterhin als eine gebogene Platte, an welcher man vier Ränder und vier Fortsätze unterscheiden kann. Der hintere Rand verläuft nahezu quer, vom vorderen Rande des Hinterhauptloches bis zum hintersten Pol des seitlichen Schädelgebietes (Proc. oceipitalis mihi). Der mediale Rand lagert sich in der Mittellinie neben das Scheitelbein der anderen Seite und ragt neben dem Stirnbein innen eine Strecke weit nach vorn (Proc. frontalis m.). Der vordere Rand verläuft tief nach hinten ein- springend, um sich dann weit nach vorwärts zu erstrecken (Proc. orbitalis m.). Der seitliche Rand endlich zieht sich längs des seit- lichen Randes des Schädeldaches bis nach hinten entlang. Er über- lagert, dachförmig vorspringend, den hinteren Teil der Seitenwand des Primordialeraniums, so daß das Primordialeranium, welches hier das Foramen prooticum trägt, an dieser Stelle von außen her tief ein- gesenkt und versteckt liegt. Die ganze seitliche Region des Parietale ist im Bereiche des Processus orbitalis nach abwärts gesenkt und ent- wickelt oberhalb des Foramen ovale einen weiteren, vierten Fortsatz, den Proc. temporalis (m.). Das Os frontale erstreckt sich von der Spitze des Schädels, wo es zwischen Vomer und Praemaxillare eingekeilt ist, bis nach hinten 74 W. Lubosch, zwischen die erwähnten Fortsätze des Scheitelbeins, so daß an ihm ein vorderer und hinterer Teil unterschieden werden kann. An der Grenze zwischen beiden Teilen erhebt sich ein Kamm, der (Crista temporalis) im Bogen bis nahe zur Mittellinie und von da seitwärts über das Scheitelbein nach außen bis nahe zum Proc. temporalis zieht. In der so abgegrenzten Grube entspringt ein Teil des M. cranio- mandibularis. Nach einwärts von dieser Crista temporalis ist der hintere Teil des Scheitelbeins dellenartig eingezogen; auch hier ent- springt ein Teil des Cranio-mandibularis. Das Os frontale grenzt seitlich an die Knochen der Kieferregion, die hier Besonderheiten darbieten (WIEDERSHEIM). Die Maxilla fehlt. An ihrer Statt zieht ein Ligament vom Intermaxillare zu dem sognannter Proc. antorbitalis, das Primordialeranium. Der Vomer steht mit einer vertikalen Lamelle neben dem Stirnbein, welches hier mit seinem Proc. uneinatus die Öffnung des N. olfactorius umgibt. An der Seitenwand des Schädels sind zwei Gebiete zu unter- scheiden: die knorplige Wandung des Primordialeraniums und der ihr vorgelagerte Pterygopalatinbogen. Die Seitenwand ist hier völlig knorpelig. Ein verknöchertes Orbitosphenoid existiert nicht. Diese seitliche Knorpelwand ist von mehreren Nervenöffnungen durchsetzt. Sie trägt vorn, unter dem Proc. uneinatus des Stirnbeins, den Proc. antorbitalis, hinten unter dem Proc. temporalis des Scheitelbeins den Proc. postorbitalis (WIEDERSHEIM gibt letztere Deutung als möglich zu). Hinter dem Proc. postorbitalis findet sich in einer nischenartigen Einsenkung des knorpeligen Alisphenoids das Foramen ovale. Der Pterygopalatinbogen besteht aus einem Knochenstück, dessen vorderer, zahntragender Teil dem Palatinum entspricht. Er ist an dem Vomer befestigt. Das Pterygoid, welches den hinteren Teil des Knochens bildet, umgreift mit seinem hinteren und unteren Rande das Quadratum. Dieser Knochen, das Quadratum, ist im Gelenkteil verknöchert, dagegen in dem vom Paraquadratum überlagerten Teil knorpelig. Hier tritt es zwischen Pterygoid, Alisphenoid und Paraquadratum in weiter Ausdehnung zutage, mit dem Alisphenoid zusammenfließend. Das Paraquadratum ist eine „Bumarang-ähnlich“ (HuxLey, WIEDERSHEIM) gestaltete Platte, welche durch eine Leiste in zwei Facetten zerfällt. Die hintere ist breiter, die vordere schmal. Zwischen ihm und dem Parietale bleibt ein schmaler Saum der knorpeligen Labyrinthregion sichtbar, in welcher eine Verknöcherung, als Petrosum, aufgetreten ist. Der Unterkiefer besitzt Dentale und Goniale als selbständige Knochen. Das Articulare bleibt knorpelig, der Meckeusche Knorpel erhalten. Auf dem Goniale sitzt ein, sechs Zähnchen tragendes Öperculare. Myologie. Die Kaumuskeln von Menobranchus sind der Mandibularis externus, der Cranio-mandibularis und ein Pterygoideus. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 75 1. Musculus mandibularis externus. (Taf. 2, Fig. 9) Die große Stärke dieses Muskels bei Menobranchus wird von BRONN hervorgehoben, seine Mehrschichtiekeit und sein Ursprung von ihm richtig geschildert. Er erscheint aus zwei Portionen zusammengesetzt. Die eine liegt ganz oberflächlich und zieht mit ihren Bündeln schräg vom Paraquadratum nach vorn und unten zum Dentale. Sie wird durch Bündel fortgesetzt, die sich von unten her bogenförmig jenen anderen anlegen. Der Ursprung dieser Portion liegt längs des ganzen Paraquadratums an dessen vorderer Facette. Sie inseriert hinten kurzsehnig unterhalb des Gelenkes, vorn dagegen mit langen Sehnenzügen am Dentale, in der Höhe der hintersten Oper- kularzähnchen. Von ihr teilweise bedeckt liegt die zweite Portion, die nur oceipital- und scheitelwärts unter jener hervorschaut. Diese entspringt an der verknöcherten Partie der Labyrinthregion (dem Petrosum) zwischen Parietale und Paraquadratum, sodann aber sehnig vom hintersten seitlichen Rande des Parietale bis zu der Stelle, wo es mit seinem Processus temporalis das Foramen prooticum überlagert. Von hier spannt sich eine fibröse Platte bis zum Para- quadratum, die ebenfalls von Ursprüngen des Mandibularis ein- genommen wird. Will man also auf den Stamm des Trigeminus und die tiefen Muskelportionen des M. cranio-mandibularis ein- gehen, so müssen diese Masseterursprünge abgetragen werden (Fig. 10). Die sich von diesen Ursprüngen entwickelnden Bündel (tiefe Lage des Mandibularis externus) verwachsen in ganzer Ausdehnung mit der oberen Lage, gewinnen indes eine von dieser getrennte Insertion und zwar gemeinschaftlich mit der starken Sehne des Cranio-mandibularis. Beide Teile dieses Muskels erweisen sich insofern als eine Einheit, als nur zwei Nerven existieren, die sie gemeinsam ver- sorgen (Fig. 107 u. 2, abgeschnitten). 2. Musculus cranio-mandibularis (Textfig. 5). Dieser starke Muskel besteht aus drei Schichten, die als sublimis, medius und profundus bezeichnet werden können. Von diesen entspringen der sublimis und medius auf dem Schädeldach vom Parietale und Frontale, der profundus von der knorpeligen Seitenwand des Primordialeranimus. Im einzelnen verhalten sie sich folgendermaßen. 76 W. Lubosch, 1. Der M. eranio-mandibularis sublimis entspringt (Fig. 9) mit einer hinteren Portion in einer Delle des Scheitelbeins dicht neben der Mittellinie und bis nahe zum Foramen magnum hin. Diese Portion entwickelt an ihrem hinteren Rande eine starke Sehne, die auch auf die Unterfläche des Muskels übergreift. Die vordere Portion (Fig. 9) entspringt lateralwärts neben der Crista temporalis vom Scheitelbein und dem hintersten Teil des Stirnbeins und schließt sich mit anfänglich kurzen, je weiter nach vorn desto längeren Bündeln der von hinten kommenden Endsehne an. Die Innervation dieser Schicht erfolgt durch einen kräftigen N. ceranio-mandibularis sublimis, der sich, entsprechend der Zwei- Cranio-mand. subl.---— — 5 —— SI --" Parietale Cranio-mand. med.---5 Cranio-mand. prof. h R. ophth, prof. 7 M Cranio- mand. prof. ""” Chordatymp. SHE Va OR, .o- - Textfig. 5. Menobranchus. Schichtung des Cranio-mandibularis, schema- tisch. Links hinter dem Auge, rechts vor dem Gelenk. teilung des Muskels in zwei Ästchen gabelt (Fig. 10 3 zwei ab- geschnittene Stümpfe, Textfig. 6 >). 3. Der M. eranio-mandibularis medius liegt dicht unter dem vorigen Muskel, vorn ihn noch überragend (Fig. 9), jedoch nicht so weit nach hinten reichend wie der vordere Abschnitt der oberflächlichen Portion (Fig. 10). Diese mittlere Muskelschicht schließt sich, mit einer kurzen sehnigen Insertion der oberflächlichen Schicht an. Als Nerv tritt zunächst ein zweiter Ast des N. cranio-mandibularis an die Schicht heran (N. eranio-mandibularis medius [Fig. 10 u. Textfig. 6 7]). Dieser tritt mit zwei Ästchen in das Innere der Schicht und an ihre mediale Fläche. Ferner tritt ein sehr starker Ast des folgenden Nerven von medial an diese mittlere Muskelschicht (l. e. 5). 3. Der M. cranio-mandibularis profundus (Fig. 10 u. 11) ent- springt vom Proc. orbitalis des Scheitelbeins und vom lateralen Rande dieses Knochens bis oberhalb des Foramen prooticum, d.h. bis zum Proc. temporalis. Auch diese Muskelmasse gewinnt Anschluß an u Parasphenoid Pterygoid Dentale Meckelscher Knorpel Goniale Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 17 die beiden vorhergehenden. Innerviert wird die Schicht vom N. cranio-mandibularis profundus (l. ce. 5), der einen Ast wie schon erwähnt, zur vorhergehenden Schicht abgibt, mit einem zweiten sich in diese tiefe Muskelmasse einsenkt. Die gesamte Cranio-mandi- bularis-Masse inseriert am MECKELschen Knorpel mit einer kräftigen Sehne im Bereich des Operculare, fleischig von da aus nach hinten zum Gelenk. 3. M. pterygoideus [anterior et posterior]. Löst man nun auch diese Muskelmasse ab, so liest eine äußerst dünne, nur wenige Fäserchen dicke Schicht da (Fig. 11, Textfig. 5 rot), die deutlich von der oberen Masse gesondert ist. Ihre Trennung von der oberen Schicht ist zwar deutlich und läßt sich leicht herbeiführen, ist aber nicht durch dazwischengelagerte Fascien erleichtert. Der Ramus ophthalmieus profundus des Trigeminus liegt zwischen ihr und der oberen Schicht. Der Ursprung dieser Muskeln, die einen Pterygoideus bilden, liegt ausschließlich am Knorpel der seitlichen Schädelwand. Er nimmt hier mit drei Zacken die Gegend des Orbito- sphenoids ein und greift auf das Alisphenoid über bis dicht vor dem Foramen prooticum. Die Fasern gehen in eine sehr dünne Sehne über, die an der medialen Seite des Goniale Ansatz findet. Durch einen Zwischenraum getrennt entspringt unterhalb des Foramen prooticum ein weiterer Muskel, mit sehr wenig Bündeln. Dieser kommt gleichzeitig noch vom knorpeligen Teil des Qua- dratums neben dem Paraquadratum. Er zieht schräg nach vorn, jenen anderen überdeckend und inseriert am MECKELschen Knorpel vor dem Gelenk. Mit aller wünschenswerten Sicherheit kann ich die Inner- vation dieser tiefsten Schicht nicht vortragen. Sicher ist nur, daß keiner der bisher oben genannten Nervenstämme in diese Bündel eintritt. An zwei Präparaten habe ich zwei äußerst feine Fädchen angetroffen, die sich von lateral her in die dünnen Muskelchen einsenkten. Eines von ihnen versorgte, sich gabelnd, den vorderen Teil, ein anderes auf dem Alisphenoid- knorpel nach abwärts ziehend den hinteren Teil des Muskels. (Textfie. 6 u! Tafı2; Fig: 11:6). Neurologie, Der Stamm des dritten Trigeminusastes verläuft parallel dem Paraquadratum vom Foramen prooticum zum MEcKELschen Knorpel, 78 W. Lubosch, liegt also am hinteren Rande des ganzen Muskelkomplexes, nicht wie bei Siredon zwischen seinen Komponenten. Dabei wird er vom M. mandibularis externus gedeckt. Nachdem er sich in zwei End- äste geteilt hat, verläuft der mit dem MEcKELschen Knorpel nach vorn tretende Endast lateral von der Insertion der tiefsten Muskelschicht. Die motorischen Nerven zerfallen in Nn. mandibulares, Nn. cranio-mandibulares und Nn. pterygoidei (s. Textfig. 6). 1. Die Nn. masse- terici (Textfig. 6, 7 2). Sie sind zwei an der Zahl und treten vom motorischen Teil des Nerven nach oceipital hin über den sensiblen Haupt- stamm hinweg. Sie legen sich dann an den sensiblen Ast an, der, vom Hauptstamm ab- gehend, nach rückwärts den M. mandibularis externus durchbohrt und sich an die Haut in der Umgebung des Ohres verästelt. Die beiden motorischen Äste versorgen, wie oben beschrieben, die beiden Portionen des M. man- Textfig.6. Schema der motorischen Äste dibularis externus. des 3. Trigeminusastes von Menobranchus. 2. Die Nn. eranio- Abwärts von * * auf Beobachtung be- , 5 ruhend. Schwarz: die beiden Rami mandibulares (Textfig. 6, mandibulares externi, neben dem sen- __ 6) lösen sich n siblen, durch den Muskel tretenden Ast J ) >> alsbald nach gelegen; grau: die Nn. cranio-mandi- dem Durchtritt des Nerven bulares sublimis medius und profundus; Aurch das Foramen prooticum rot: die an 2 Präparaten gefundenen 2 , A Nn. pterygoidei. von ihm ab. Sie müssen einen etwas weiteren Weg zurücklegen, weil sie sich um den knorpligen Proc. postorbitalis herumzubegeben haben. Sie zeıfallen in a) den N. eranio-mandibularis sublimis (Textfig. 6, 5), zwischen der Sublimis- und Mediusportion des Muskels verlaufend mit zwei Ästchen für die beiden Portionen des M. cranio-mandibularis sublimis; b) N. eranio-mandibularis medius, stärkerer Nerv (Text- fig. 6, 4), ebenfalls zwischen Sublimis und Medius verlaufend und Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil 79 sich in zwei Äste sondernd, die den Medius versorgen und zum Teil durch ihn hindurch an seine mediale Fläche dringen; c) N. eranio-mandibularis profundus, starker Nerv (Text- fig. 6, 5), medial vom Medius verlaufend und sich in zwei Äste gabelnd. Einer dringt von medial in diese Schicht ein, der andere versorgt den M. cranio-mandibularis profundus. 3. Nn. pterygoidei (Textfig. 6, 6). So sind jene erwähnten zwei äußerst zarten Nerven zu bezeichnen, die, den Nn. cranio- mandibulares zugehörig. zu den tiefsten oben beschriebenen Mm. pterygoidei ziehen. In ihrer anatomischen Anordnung besteht‘ Ursprünge von der Pterygo- palatinspange Cranio-mandibularis (tiefe Schicht) Mandibularis externus Cranio-mandibularis insertion (obere Schichten) Textfig. 7. kein Anlaß, sie von den Nn. cranio-mandibulares zu sondern. Dies geschieht vielmehr vornehmlich mit Rücksicht auf ihr motorisches Endgebiet. Sie stellen die am meisten medial ge- lagerten Äste jener Nerven dar. 4. Proteus anguineus (Textfig. 7). Der Kaumuskelkomplex von Proteus nimmt eine sehr inter- essante Mittelstellung zwischen dem von Siredon und dem soeben von Menobranchus beschriebenen ein. Der M. mandibularis ex- ternus (in der Textfig. 7 gegen den Unterkiefer zurückgelegt, ist eine einfache Schicht, von ähnlichem Ursprung wie die gleiche von Siredon. Mit Sicherheit konnte ein Nerv festgestellt werden, 80 W. Lubosch, der sich in der, in Textfig. 7 durch ein * als abgeschnitten ge- kennzeichneten, Lage befindet. Doch möchte ich noch die Existenz eines zweiten Nerven, der leider durchriß und nicht mehr in seinem urprünglichen Situs festgestellt werden konnte, als ge- sichert ansehen. Der M. eranio-mandibularis teilt mit dem von Meno- branchus die Mehrschichtigkeit. In der Textfigur sind die beiden Schichten eines Sublimis und Medius, auf dem Schädeldach ab- geschnitten, zu erkennen. Die kräftige Sehne, die beide Schichten vereinigt, inseriert weit vorn hinter dem letzten Dentale-Zähnchen, und lateral von den Opercular-Zähnchen am Goniale. Der orale Rand des Mandibularis externus und der oceipitale des Cranio- mandibularis sind in ganzer Länge durch ein Sehnenblatt ver- wachsen, das von der Endsehne aus zwischen beide Muskeln tritt. In der von diesem Sehnenblatt gebildeten Rinne liegt der zweite Ast des Trigeminus. Die zu den erwähnten Portionen des Cranio-mandibularis tretenden Nerven sind nicht so kompliziert wie bei Menobranchus angeordnet. Ein stärkerer Ast tritt zu ihnen, am hinteren Rande der mittleren Schicht sich spaltend. Zwischen Sublimis und Medius, wie auch medial von letzterem, treten sie an die zugehörigen Muskel- teile. Aus demselben Hauptstamm tritt ein zweiter motorischer Ast zu der tiefen, nunmehr zu beschreibenden Muskelportion ab. Diese tiefe Schicht ist dadurch charakterisiert, daß sie mit der Hauptmasse zwar dorsal liegt vom Ramus ophthalmicus pro- fundus, jedoch medial vom R. tertius des Trigeminus. Nur ein kleiner Teil ihrer Ursprünge (in der Textfigur links) entsteht vom vordersten Teil der Pterygo-palatinspange. [Hierdurch berichtige ich die Angabe meines Greifswalder Vortrages, in dem ich angegeben hatte, daß bei Proteus Ursprünge vom Pterygoid fehlen. Ich hatte damals die sehr winzigen Verhältnisse noch nicht auf einer Schnittserie untersucht.] Diese vordersten Fasern liegen ventral vom R. ophthalmicus profundus. In ihrem Aufbau erinnert dieser Cranio-mandibularis pro- fundus an den tiefen Muskel von Siredon. Auch hier besteht eine fächerförmige Faltung (vgl. Textfig. 1), nur mit dem Unter- schiede, daß bei Proteus der oceipitale Teil mit seiner Insertion weiter nach vorn reicht als bei Siredon. Ebenso reicht aber der vordere Teil mit seiner Insertion auch weiter nach occipital; und während die Insertion des hinteren Teiles ganz streng auf das Articulare beschränkt bleibt, greift die sehnige Vergleichende Anatomie der Kaumuskel nder Wirbeltiere. I. Teil. 81 Insertion mit verlängerter Sehne weiter nach abwärts an das Goniale. Darin weicht also Proteus von Siredon ab und neigt zu Menobranchus hin. Auch hinsichtlich der Innervation erinnert diese Schicht an die gleiche von Siredon. Erstens nämlich empfängt sie einen Ast aus. dem gemeinsamen N. ceranio-mandibularis, so wie bei Siredon der M. cranio-mandibularis profundus und die darüber liegende Schicht semeinsam innerviert werden. Sodann aber empfängt die tiefe: Schicht bei Proteus ebenso wie bei den anderen Formen einen besonderen Nerven. Bei Menobranchus wurden die beiden Ästchen dieses Nerven als Nn. pterygoidei bezeichnet (Fig. 11 und Text- fig. 6 6), bei Siredon war es der rückwärts ventral um den Stamm tretende Nerv (Fig. 2 und Textfig. 4 5). Man ist vielleicht zu der Vermutung berechtigt, daß auch bei Menobranchusund Proteus diese Nerven ventral vom Stamm verlaufen würden, wenn nicht der Ramus maxillaris inferior selbst schon am hinteren Rande der Muskulatur verliefe. Bei Proteus tritt der Nerv zu derjenigen Portion, die die äußere Wand des Fächers bildet und sich an dem Articulare befestigt. Die tiefe Muskelschicht läßt ein Bündel, sehr platt und dünn nach lateralwärts zum äußeren Rande des Unterkiefers treten, wo es neben der Insertion des Mandibularis externus inseriert. (S. Textfig. 7 *.) Die Neurologie der motorischen Äste gestaltet sich hier also ähnlich einfach wie bei Siredon. Es bestehen 1. ein (zwei?) N. (nn.) mandibularis externus (i), der (die) lateral-dorsal über den R. maxillaris inferior hinwegzieht (ziehen), 2. ein N. eranio-mandibularis mit mehreren Ästen für die Schichten des gleichnamigen Muskels, 3. ein N. eranio-mandibularis profundus, speziell „ur tiefen Portion, und zwar zu demjenigen Bezirk von ihr, der an das Artieulare tritt. 5. Siren lacertina. (kierzus Taf!’ 1, Pig.)5 u. 6, Taf.-2, Fig. 7.) Literatur. Wichtig ist, daß bei Siren die Existenz eines besonderen Muskels, eines „Pterygo-maxillaris“ von BRONN (1873 bis 1875) angegeben wird. Diese Angabe ist aber insofern unrichtig, als daß der Ursprung an die „Unterfläche des Os pterygoideum“ verlegt wird. Ein solcher Knochen kommt bei Siren überhaupt nicht vor. Bereits VAILLANT (1863) hatte denn auch den Ursprung richtiger, wenn auch nicht exakt, angegeben; er nennt den Muskel Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 6 82 W. Lubosch, „Pterygoidien“ und läßt ihn „an den Seitenflächen des Schädels, am unteren Teil der Fossa temporalis“ entspringen. Später hat WILDER (1891) ihn richtig beschrieben: an „einem scharfen Rande des Schädels zwischen dem Kiefergelenk und dem Antorbitalfort- satz, sowie von den Knochen oberhalb dieser Linie, dem Para- sphenoid und Ethmoid“. Während VAILLANT und BRONN den Muskel als eine einheitliche Masse am Unterkiefer ansetzen lassen, erkennt WILDER bereits einen doppelten Ansatz, und zwar „vermittelst direkter Fasern zum unteren Kieferwinkel, ferner durch zwei bis drei Sehnen zu einer Leiste, welche von diesem Punkt quer über den Knochen zieht“. — Aber auch WILDER hat nicht erkannt, daß es sich um zwei Muskeln handelt, sei es, daß der Muskel an seinem Exemplar anders ausgebildet war, sei es, daß, was mir wahrscheinlicher ist, die Methode der Serien- schnitte nicht gestattete, die Trennung der beiden Muskeln ganz zu ermitteln. Neuerdings spricht denn auch Norrıs (1913), ohne sie näher nach Ursprung und Ansatz zu charakterisieren, von „den Pterygoidmuskeln‘“. Über die beiden anderen Muskeln macht die genauesten Angaben WILDER (1891), dessen Darstellung des „Masseter“ ich im Ganzen beipflichten muß, während seine Schilderung des „lTemporalis‘“ die Gliederung dieses Muskels nicht ganz erschöpft. Die motorischen Nerven sind von WILDER (1891) und Norrıs (1913), wenn auch unvollkommen, geschildert worden (s. unten). Osteologie der für Ursprung und Ansatz der Kaumuskeln in Betracht kommenden Skeletteile. Die Kaumuskeln entspringen von einer Fläche des Schädels, die als „Schläfengrube“ bezeichnet werden kann. Ihre Grenzen werden bezeichnet durch das Paraquadratum und die Crista mediana, welche sich kammartig oben auf dem Schädel entlang zieht. Der größte Teil der Ursprungsfläche ist flach gelagert und gehört dem Schädeldach an. Ein kleinerer Teil gehört der Grube zwischen Scheitel- bein und Paraquadratum und diesem selbst zu. Ein ganz kleiner Bezirk gehört endlich der Seitenwand des Schädels an. 1. Der Muskelbezirk des Schädeldaches umfaßt das Os Parietale und Os Frontale. Am Parietale sind die zwei von WIEDERSHEIM beschriebenen Processus frontales zu unterscheiden, die das Stirn- bein medial und seitlich umgreifen. Beide Scheitelbeine stoßen in der Medianlinie mit einer erhabenen Kante zusammen, die nach hinten bis an die Sutura parieto-oceipitalis reicht. Diese Sutur liegt auf einem scharfen Vorsprung, der die Oberfläche des Schädels eo Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 83 von dem Planum nuchale trennt. Über das Scheitelbein hinweg zieht sich eine Erhabenheit (linea muscularis), die vom Proc. fron- talis lateralis nach hinten zieht. Durch sie wird das Scheitelbein in zwei Bezirke zerlegt. Die beiderseitigen Frontalia stoßen in einen starken Kamm, der aber nur etwa die Hälfte der Länge des Knochens einnimmt, zusammen. Nur in diesem Bezirk ist der Knochen ver- tieft, während er nach vorn davon, dem Prämaxillare und dem medianen Knochenstück benachbart, plan ausgebreitet ist. 2. Oceipitalwärts dehnt sich das Muskelursprungsgebiet über den hinteren Fortsatz des Scheitelbeins, das Os Petrosum und das Paraquadratum aus: Der erwähnte Fortsatz des Scheitelbeins ist spitz- winkelig nach hinten ausgezogen und stellt eine leicht vertiefte Fläche dar. Ihm benachbart liegt der oberste Teil des Paraquadratum und Os Petrosum. Dieses füllt mit leichter Vertiefung die Fläche zwischen Scheitelbein und Paraquadratum aus. Sein unterer Rand ist scharf be- grenzt und überlagert einen knorpeligen spitzen Fortsatz, der, an dem knöchernen Schädel fehlend, am Muskelpräparat aber vorhanden und als Processus postorbitalis (WIEDERSHEIM) in die Ab- bildungen eingetragen ist. Ganz lateral schließt sich das Para- quadratum an, das seine ganze gekrümmte Außenfläche der Muskulatur zum Ursprung darbietet. Eine scharfe Leiste zieht auf ihm nach ab- wärts, den Knochen in eine orale und oceipitale Facette sondernd. Nur die vordere, orale bietet der Trigeminusmuskulatur Ursprünge, die hintere dagegen dem Depressor mandibulae. Der untere Teil des Paraquadratums ist (an dem vorliegenden Exemplar) gegen das Qua- dratum nicht abgegrenzt. Oberhalb der Gelenkfläche prägen sich indes die Fortsetzungen der beiden Muskelfacetten sehr deutlich aus. 3. Die Seitenwand des Schädels bietet Jdie grobe Besonderheit dar, daß ein Pterygoid völlig fehlt. Ocei- pital findet sich in knorpeligem Zustande das Alisphenoid, durch- setzt von der Öffnung für den N. ophthalmieus profundus und einer zweiten, durch die der 2. und 3. Trigeminusast austreten. Vorn grenzt ziemlich scharf das verknöcherte Orbitosphenoid, die Seiten- wand bildend, an jene Knorpelwand. Opticus und Oculomotorius besitzen hier ihre Öffnungen. Am bedeutsamsten ist für die Muskel- ursprünge die Tatsache, daß an der seitlichen Schädelwand das Parasphenoid mit breitem, stumpfem Rande hervor- tritt. Es bildet hier, vom Processus antorbitalis beginnend, eine Kante, die nach hinten bis unter das Foramen ovale verläuft. Mandibula. Schon WIEDERSHEIM hat auf die absonderliche Form der Man- dibula von Siren aufmerksam gemacht. Ein stark verbreitertes Dentale trägt dazu bei, die beiderseitigen Unterkiefer zu einer schüssel- förmig vertieften Grube zu gestalten. Wesentlich aber ist, daß dieses verbreiterte Dentale mit einem Giebel dem knorpeligen Proc. antorbitalis gegenübersteht. Das Dentale erstreckt sich im übrigen weit nach hinten, um dort hinter dem Gelenk ein Stück hinaus- zuragen. Eine sanfte Erhebung läuft außen auf dem Dentale entlang. 6* 84 W. Lubosch, Das innen gelegene Goniale bildet eine dreieckige Platte, deren höchste Erhebung sich an die Spitze des Dentale anschließt. Der Knochen reicht oceipital nicht soweit wie das Dentale. Das Articulare wird rinnenartig von ihm umfaßt, so, daß es auch von außen her sichtbar ist. Ein eigentlicher Processus coronoides fehlt. Die Innenfläche des Unterkiefers ist leicht ausgehöhlt und weist etwa an der Grenze von mittlerem und hinterem Drittel das dem Goniale angehörige Foramen pro chorda tympani auf. Der Meckeusche Knorpel ist nur in den vordersten zwei Dritteln erhalten. Er steckt hier in der Röhre, die beide Deck- knochen um ihn bilden. Das Gelenkstück ist verknöchert. Es stellt zwischen Dentale und Gelenkfläche die breite Oberfläche des Knochens dar. Der Gelenkteil ist stark konvex und unregelmäßig geformt. Er ist überknorpelt und fügt sich in eine seiner Form angepaßte Ge- lenkkavität des Quadratums hinein. Als Hilfsapparate des Muskelsystems, ihnen Ursprünge dar- bietend, bestehen bei Siren starke Aponeurosen und Lig. inter- musecularia. Sie werden von WILDER (1891) als Lig. intermusculare anterius, posterius, laterale und mediale beschrieben. Das Lig. i. ant. entspringt vom Processus antorbitalis und bildet die Scheidewand zwischen „Masseter“ und „Temporalis“. Es ver- liert sich nach vorn in das neben der Nasenkapsel gelegene Bindegewebe. Das Lig. i. post. liegt zwischen dem sogenannten „Masseter“ und den Nackenmuskeln und entspringt vom Schädel- dach. Das Lig. i. lat. entspringt von dem scharfen Rande des Schädels, der vom Quadratum, Tympanicum (i. e. quadratojugale) und Oceipito-petrosum gebildet wird und liegt zwischen „Masseter“ und Depressor mandibulae. Myologie. Die Kaumuskeln von Siren lassen sich in drei Gruppen sondern, die ich auch hier als Mandibularis externus, Cranio- mandibularis und Pterygoideus bezeichne. 1. Musculus mandibularis externus (Taf. 1, Fig. 6). Er zerfällt in eine oberflächliche und eine tiefe Schicht (Pars sublimis, Pars profunda); die oberflächliche Schicht bildet mit drei Portionen einen im Umkreis hufeisenförmigen Belag der Schädeloberfläche. Sie entspricht einem Teil der sogenannten 1. Portion WILDERS. Sie entspringt vom hinteren Fortsatz des Scheitelbeins und greift dann über auf das Paraquadratum, dessen vordere Facette sie bis dicht über das Gelenk hin einnimmt. Die Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 85 drei sich daraus formierenden Portionen konvergieren gegen den höchsten Punkt des Os dentale, an das sie sich befestigen. Die Insertion überschreitet die oben erwähnte Erhabenheit des Dentale und endigt unterhalb des Gelenkes. Die untersten Fasern der Portion verlaufen bei geschlossenen Kiefern fast parallel dem Unterkieferrande. Die Innervation geschieht durch zwei feine Nervenäste eines Nervus mandibularis externus (auf Taf. 1, Fig. 6 als abgeschnitten durch * * und mit 1 und 2 bezeichnet). Nach Abtragung dieser oberflächlichen Schicht erscheint eine tiefe Muskelschicht, die abermals aus zwei völlig voneinander gesonderten Portionen besteht. Sie sind neben der abgetragenen oberflächlichen auf Taf. 1, Fig. 6 zu sehen. Die vom Proc. post- orbitalis kommende ist die oberflächlichere von beiden. Sie ent- spricht der „zweiten Portion“ WILDERS!). Von ihrem Ursprung am Proc. orbitalis zieht sie schräg nach unten, um fleischig am Dentale, dicht nach innen von der oberflächlichen Schicht zu inserieren. Die andere Portion entspringt vom Petrosum und der benachbarten Fläche des Paraquadratum, um, ein wenig nach vor- wärts verlaufend, dicht nach einwärts von der vorhergehenden Portion zu inserieren. Die Ansätze sämtlicher 3 Mandibularis- externus-Portionen bilden eine enger zusammengehörige Fleisch- masse. WILDER unterscheidet die tiefere Schicht nicht als selbst- ständige Portion, als welche sie aber durch ihre Innervation kenntlich gemacht wird. Sie geschieht nämlich, entsprechend den zwei Portionen, durch zwei an verschiedenen Stellen vom Trige- minus sich ablösende Nervenstämmchen. Die Nervenfädchen zur dritten Portion kommen aus dem proximalen, sensiblen Ast des Hauptstammes, der am Kiefergelenk vorbeizieht (Textfig. 10 u. Taf. 1, Fig. 635, 4). Die Nerven zu der vom Proc. postorbitalis entspringenden Portion kommen gemeinsam mit denen zu der oberflächlichen Muskelschicht aus dem zweiten großen sensiblen Aste, der dicht unterhalb des Kiefergelenkes zur Haut tritt (Textfig. 10 u. Taf. 1, Fig. 65, 6). Gleichzeitig empfängt diese Portion jedoch noch ein Ästchen aus dem später zu beschreiben- den N. eranio-mandibularis, das von medial her (also in der Ab- bildung verdeckt) in den Muskel eintritt. 1) So faßt sie auch LUTHER (1914) auf, rechnet sie aber zum Pterygoideus posterior, vom dem sie indes durch die Innervation durchaus getrennt ist. 36 W. Lubosch, Ein Vergleich mit WILDERs Beschreibung ergibt, daß dessen erste und zweite Portion in meinen dreien enthalten sind. Für seine drei „Masseter“portionen finde ich bei meinen Präparaten keinen Beleg. Aus seiner Beschreibung geht nun aber mit Sicher- heit hervor, daß er in seiner tiefen Masseterportion den von mir so genannten und weiter unten beschriebenen M. pterygoideus posterior vor sich gehabt hat!). — Abgesehen davon hat WILDER Recht, wenn er den „hohen Grad der Differenzierung“ bewundert, „die dieser Muskel erreicht hat, besonders bei einem so tief- stehenden Tier“. WILDER hat — unter der falschen Voraus- setzung, daß seine dritte Portion zum Masseter gehöre —, Recht, wenn er vermutet, daß es sich vielleicht bei dieser Komplikation um eine Trennung der Pterygoidmuskeln von der primitiven Masse der Kaumuskeln handele. Er hebt hervor, daß der Nervus maxillaris inferior durch seine (WILDERS) zweite und dritte Masseterportion hindurchlaufe und er ist geneigt, die zweite Portion dem „Pterygoideus externus“, die dritte Portion nebst dem Pterygo- mandibularis dem „Pterygoideus internus“ zu homologisieren. Dies ist natürlich eine müßige Vermutung, denn seine „dritte Portion“ ist eben kein „Masseter“teil, wie schon seine Beschreibung von der Lage des dritten Trigeminusastes, sodann aber die von mir nachgewiesene Innervation mit Sicherheit beweist. Nur die drei von mir oben als Portionen des Mandibularis externus be- schriebenen Teile wurden von einer Nervenquelle aus versorgt, nämlich durch zwei stärkere Nerven, die ich weiter unten als Nn. mandibulares externi beschreiben werde. 2. Museulus cranio-mandibularis. Er besteht aus vier gesonderten Portionen, deren erste eine Verbindung herstellt zwischen ihm und dem Mandibularis externus, und als „Verbindungsportion“ zu bezeichnen ist. Die übrigen sind als M. cranio-mandibularis sublimis medius und anterior zu benennen. Die Verbindungsportion erscheint ihrem Verlaufe nach als abgesonderter Teil des Mandibularis externus. Sie entspringt (Taf. 1, Fig. 6) in der Fortsetzung der oberflächlichen Schicht dieses Muskels vom hinteren und medialen Bezirk des Parietale und lagert sich von medial her an die vom Processus postorbitalis kommende Mandibularis externus-Masse, mit der vereinigt sie auch 1) LUTHER faßt: WILDERs „dritte Portion“ ebenfalls als Ptery- goideus posterior (— Add. mandibulae posterior seiner Nomenklatur) auf. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 37 inseriert. Die Innervation indes läßt sie als dem Cranio-mandi- bularis-Komplex zugehörig erscheinen, da sie durch zwei Nerven- fäden aus dem Ramus cranio-mandibularis, nicht aber aus dem R. mandibularis externus innerviert wird. Diese beide Nerven treten als gesonderte Fädchen aus dem R. cranio-mandibularis heraus und begeben sich von lateral und medial her in den Muskel. Der eine Nervenast verläßt den Stamm gemeinsam mit dem vorher erwähnten Nerven, der die vom Processus postorbitalis entspringende Mandibularis externus-Portion mit innerviert. Der Cranio-mandibularis sublimis (Taf. 1, Fig. 65 und Textfig. 8) stellt die Hauptmasse des kräftigen Komplexes dar. Er entspringt vom Parietale in der Fortsetzung der Verbindungsportion und tritt auf den hinteren Teil des Frontale über. Hierbei nımmt der Ursprung die vertiefte Fläche des Schädeldaches neben der Crista mediana ein. Am oceipitalen Rande entwickelt dieser fächerförmig gestaltete Muskelbauch eine kräftige Sehne, die sich am Dentale und Goniale, oralwärts vom Eingang in den Canalis primordialis befestigt und beide Knochen innen und außen sehnig überkleidet. Die Innervation erfolgt durch zwei Ästchen aus einem N. cranio-mandibularis, von denen der eine lateral, der andere medial (Taf. 1, Fig. 6 u. Textfig. 10 70) von dem Muskel verläuft und sich in ihn einsenkt. Nach Ablösung dieses Sublimis erscheint der weniger dicke und auch weniger weit in die Länge gedehnte Cranio-mandibularis medius. Sein Ursprung nimmt die seitliche Fläche des Parietale bis zu seiner lateralen Kante ein. Eine platte, sehr dünne Sehne entwickelt sich aus den Fasern. Die Sehne verschmilzt mit der der oberflächlichen Portion. Die Innervation erfolgt auch hier aus zwei Quellen. Lateral und medial breiten sich Rami cranio-mandibulares aus. Derlateral gelegene (l. e. 11) ist gemeinsam ihm und der oberflächlichen Muskelschicht; der medial sich verästelnde tritt auch zur folgenden Schicht hin. (Siehe unten bei der Beschreibung des Pterygoideus posterior.) Diese, ein M. cranio-mandibularis profundus ist ein wenig selbständiger, von dem vorigen nur durch den Verlauf des N. ophthalmieus profundus gesonderter Bestandteil (s. Taf. 1, Fig. 6). Dieser Nervenstamm liegt medial von der Pars media, dagegen lateral von der Pars profunda (Taf. 1, Fig. 6). Ihr Ursprung nimmt 88 W. Lubosch, den lateralen Stirnfortsatz des Scheitelbeins ein und die Fasern verschmelzen bald mit denen der vorhergehenden Portion. Nach Wegnahme des gesamten M. cranio-mandibularis er- scheint der von BRAUN, WILDER und NoRrRIS bereits beschrie- Cranio-mand. subl.-------------- = Cranio-mand. medius-—-77 R. ophth. prof. =77—277 Pteryg. posterior ” Pteryg. anterior — Textfig. 8. Schema der Schichtung des Cranio-mandibularis von Siren. bene, wenn auch nach Verlauf und Innervierung noch nicht genau gewürdigte Komplex der Pterygoidmuskulatur von Siren. Diese Muskulatur verhält sich folgendermaßen. 3. Museculi pterygoidei (anterior und posterior) (Taf. 2, Ries ur Textfig: 8). Sie erscheint wie gesagt erst, nachdem die vordere und mittlere Cranio-mandibularis-Portion abgetragen worden ist. Dann liegt die seitliche Schädelwand völlig frei, vorn knöchern (Orbitophenoid), hinten knorpelig (Alisphenoid), überlagert von den an der Schädel- wand verlaufenden Nervi opticus und oculomotorius und dem Ramus ophthalmicus profundus des Trigeminus. Basalwärts liegt nun eine kurze dicke Muskelmasse zwischen lateraler Kante der Schädel- basis und Unterkiefer ausgebreitet. Der Ursprung der Muskeln findet sich längs des lateralen freien Randes des Parasphenoids, und zwar so, daß der Ursprung oralwärts bis an den Processus antorbitalis, occipitalwärts bis unter das Foramen ovale reicht. Von hier aus sondert sich die Muskelmasse in zwei deutlich voneinander gesonderte Muskeln. Bindegewebe und Fascien liegen zwischen beiden. Keiner dieser beiden Muskeln hat Beziehungen zu einem, hier völlig fehlenden Os pterygoides. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Tel. 89 a) Musculus pterygoideus posterior (Taf. 2, Fig. 7). Vom oceipitalen Bezirk des Ursprungs tritt ein lateral ge- legener Muskel zum Unterkiefer. Er inseriert hier medial vom Canalis primordialis auf dem verknöcherten Articulare bis zum Gelenkkopf hin. Die letzten Fasern ziehen schräg am Unter- kieferkopf vorbei, um sich an seiner äußeren Seite zu befestigen. Auch die Innenseite des Gelenkkopfes wird von Fasern dieses Muskels umgeben, wo sie eine platte Sehne, an die Innenwand des Goniale ziehend, entwickeln. b) Musculus pterygoideus anterior. Dieser Muskel entspringt vom vorderen Gebiete des Para- sphenoids. Möglicherweise greifen seine Ursprungsfasern auch Textfig. 9. Unterkiefer von Siren von der medialen Seite. Insertion des Pterygoideus anterior (am unteren Rande), posterior (rechts) und Cranio- mandibularis (links). — Chorda tympani. noch auf den benachbarten Bezirk des Orbitosphenoid über. Ocei- pitalwärts liegen beide Muskeln, Pterygoideus externus und inter- nus, eine Strecke weit nebeneinander. Der Pterygoideus anterior wendet sich dann an die Innenseite des Unterkiefers, wo er bei oceipital gerichtetem Verlauf seine Fasern am hinteren Winkel des Goniale und an der inneren vertieften Fläche dieses Knochens ansetzt. Seine Fasern greifen auch auf die Außenseite des Kno- chens herum, wo sie sichtbar werden (Textfig. 9). Über die Innervation dieses Muskels sagt WILDER folgendes: „Die Innervation dieses Muskels wurde nur auf Serienschnitten festgestellt, und zwar nur ein kleiner Ast unmittelbar nach dem Austritt des dritten Trigeminusastes aus dem Schädel von ihm entspringend. Er verläuft zwischen „Temporalis“ (i. e. Cranio- mandibularis meiner Terminologie) und Pterygo-maxillaris (i. e. 90 W. Lubosch, Pterygoideus anterior —- posterior meiner Terminologie). Die Existenz dieses Nerven beweist die Quelle seiner Versorgung und ich bin überzeugt, daß spätere Sektionen imstande sein werden, noch manchen stärkeren Ast des Trigeminus nachzuweisen, der (diesen Muskel von oben her erreichen wird.“ Ich selbst habe die Innervation komplizierter gefunden als WILDER, teilweis indes mit seiner tatsächlichen Feststellung und — abgesehen davon — seiner Vermutung in Einklang. Sie geschieht durch ein Stämmchen, das neben den Rami cranio-mandibulares aus dem Trigeminus heraustretend in drei Ästchen zerfällt. Ein mehr selbständiges ist der schon oben erwähnte auch an die mediale Fläche des M. cranio-mandibularis medius tretende Nerv. Es ist, wie aus WILDERS und meiner Beschreibung hervorgeht, derjenige Nerv, den WILDER gefunden hat. Zwei andere Äste jenes Stämmchens treten aber in die Pterygoidei selbst ein (Taf. 2, Fig. 7 u. Textfig. 10), so daß diese beidenMuskeln noch einen selbständigen, keine sonstigen cranio-mandibularen Komplexe versorgenden Nerven erhalten. Ein Ast zum Pterygoideus posterior tritt unmittelbar vom Foramen prooticum aus in die laterale Seite des Muskels, der Zweig zum Pterygoideus anterior in fast rechtem Winkel von jenem Ast abgehend in die Tiefe zwischen beiden Muskeln, und sodann zum Pterygoideus anterior gleichfalls von lateral her. Zwischen den Insertionen der beiden Pterygoidei liegt die Chorda tympani und zwar von dort an, wo sie neben dem Kiefer- gelenk sichtbar wird, bis zu ihrem Eintritt in das Goniale. Neurologie. Die Kleinheit des Objektes verhindert für die Präparation eine genaue Feststellung der Lagerung der motorischen Fasern innerhalb des Stammes des 3. Trigeminusastes. Die Abgänge der motorischen Äste vom Stamme dagegen sind genauestens in dem folgenden schematischen Bilde niedergelegt. Der 3. Trige- minusast zerfällt (ohne daß die sensiblen Äste bei der Unter- suchung eingehend bearbeitet wären) erst kurz vor seinem Eintritt in den Canalis primordialis in seine beiden Endäste. Der Hauptast läuft nach vorwärts am Unterkiefer weiter. Ein anderer Ast läuft am Kiefergelenk vorbei und löst sich in drei Ästchen zur Haut über dem Gelenk und längs des Unterkiefers auf. Näher der Schädelbasis tritt ein sensibler Ast vom 3. Trigeminusast ab durch den M. mandibularis externus hindurch zur Haut des Halses hin. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 91 Die Lage des Hauptstammes findet sich zwischen dem M. man- dibularis externus und .der „Verbindungsportion“ des M. cranio- mandibularis einerseits und den beiden Mm. pterygoidei andererseits. Er verläuft genau parallel der erwähnten „Verbindungsportion“ und am oceipitalen Rande der cranio-mandi- bularen Muskulatur. Die _motori- schen Äste zerfallen in zwei Gruppen: Il. Nervi mand. externi (zu dreien vorhanden). 2. Nervi cranio- mandib. (zu vieren vorhanden). Die Nervi man- dib. externi ver- lassen den Stamm mit den Hals- und Gelenkhautästen. Die Nervi cranio-mandib. verlassen den Stamm am N. mandibularis, dicht unterhalb des Textfig. 10. Schema der motorischen Äste des Foramen prooticum. 3. Trigeminusastes von Siren. (Erklärung im Text.) Die Nervi man- Schwarz Nn. mandibulares externi, Grau Nn. cranio- } b mandibulares, Rot Nn. pterygoideus. Nach abwärts dib. externi verlaufen von x—x auf Beobachtung beruhend. nach lateral und ocei- pital, die Nn. eranio-mandib. verlaufen nach oral, lateral und abwärts. Zwischen den Gebieten der beiden Nervengruppen besteht bis auf eine Ausnahme eine scharfe Trennung. 1. Nervi mandib. ext.: Sie laufen von der vorderen Peri- pherie des Stammes dorsal über ihn hinweg zu der nicht in den Unterkiefer tretenden sensiblen Abteilung des Stammes. Hier treten von dem größeren distalen Aste zunächst ab: a) Rami superfieiales anteriores (zwei feine Fädchen, Taf. 1, Fig. 6 u. Textfig. 107 u. 2), welche in den oberflächlichen Muskel- teil eintreten. b) Ramus superfieialis posterior (Textfig. 10 u. Taf. 2, Fig. 6 3.u.4). Dieser Faden tritt über den Winkel zwischen Hauptstamm 92 W. Lubosch, und Halsast hinweg und lagert sich dem Halsast an. Er versorgt mit zwei Ästchen die tiefere Lage des oberflächlichen Mandibularis. c) Ramus profundus verläuft am sensiblen Hauptstamm weiter und tritt (Textfig. 10 u. Taf. 1 Fig. 65 u. 6) zur Pars profunda des Mandibularis. Er gabelt sich auf der lateralen Seite dieses Muskels in zwei Fädchen, von denen das eine entlang der Außenseite des Muskels nach abwärts zieht. 2. Die Nervi cranio-mandibulares: Sie lagern sich dem sensiblen Hauptstamm gar nicht an, sondern bilden dicht unter dem Foramen prooticum ein kleines selbständiges Stämm- chen, das am oceipitalen Rande der eranio-mandibularen Muskulatur sofort in seine vier Äste zerfällt. Von diesen ist der hintere (Textfig. 107, 8, 9) selbständiger, die vorderen dagegen liegen enger aneinander. a) Der Ramus communicans tritt mit einem Zweige zwischen den tiefen Mandibularis und die „Verbindungsportion“, beiden Muskeln Äste abgebend (7 u. 8); mit einem anderen Zweige (9) tritt er an die mediale Seite der vom proc. postorbitalis kommen- den Mandibularisportion. b) und ec) Rami cranio-mandibulares superficialis und medius (zo u. zz): Diese beiden treten zwischen die Pars superficialis und Pars media des Cranio-mandibularis. Der erste Ast liegt auf der Innenfläche der Pars superficialis und verzweigt sich in ihr (mit zwei Fädchen, 70). Der andere (77) liegt an der Außen- fläche der Pars media und verzweigt sich mit drei Fädchen in ihr, während ein anderer gleich nach dem Abgange des Ramus vom Hauptstamme sich ablöst und zum ÖCranio-mandibularis super- ficialis zieht. d) Ramus temporalis profundus seu pterygoideus: Dieser Ast tritt an die Innenseite des Cranio-mandibularis medius. Bei genauer Zergliederung des eingetauchten Präparates unter der Lupe zeigt sich dieser Nerv aus zwei Fädchen zusammengesetzt. Der eine (72) tritt von medial her in den Üranio-mandibularis medius ein (scheint insbesondere für die Pars anterior bestimmt, was nicht genau festzustellen war). Es ist der Nerv von WILSoNn. Das andere Fädchen dagegen versorgt allein die oben als Mm. pterygoidei bezeichneten Muskeln. Es gabelt sich in zwei Ästchen; von diesen tritt das eine (z2@) von außen in den Pterygoideus posterior, das andere (725) geht unterkieferwärts an der medialen Seite des Pterygoideus posterior entlang und tritt von lateralwärts in den Pterygoideus anterior ein. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 93 Rückblick. 1. Wie die Muskulatur ist also auch die Nervengruppierung bei Siren in zwei Komplexe gesondert. Mandibularis externus-Mus- kulatur mit Nervi mandibulares und Cranio-mandibularis-Muskulatur mit Nervi eranio-mandibulares. 2. Die Sonderung ist aber nicht absolut durchgreifend. Denn a) der vom Proc. postorbitalis kommende tiefe Teil des Mandibularis externus wird von zwei Nervengebieten her innerviert, b) die sogenannte „Verbindungsportion“ würde, ohne Berück- sichtigung der Nerven, schlechthin zum Mandibularis externus ge- rechnet werden, dem sie sich mit ihrer Insertion anschließt. Die Innervation weist sie jedoch dem Cranio-mandibularis zu, c) die ohne Berücksichtigung der Nerven als Museuli pterygoidei bezeichneten tiefen Muskelschichten erscheinen hin- sichtlich ihrer Innervation als tiefste Teile des Cranio-mandibularis. Oral von den eigentlichen Kaumuskeln liegen bei Siren kleinere Muskeln von besonderer Bedeutung. Sie sind zum ersten Male von VAILLANT (Adducteur de la mächoire superieure), von WILDER und NoRRIS (Levator und Retractor bulbi) beschrieben worden. Ich habe die Muskelchen an der einen Hälfte des Kopfes auspräpariert, doch ge- lang es mir leider nicht, ihre Innervation 3 festzustellen. Ich be- nenne sie vorab mit der Terminologie von are. Don. NorRIS (1913), ob- Textfig. 11. gleich ich seine An- gaben über ihren Ansatz nicht völlig mit meiner Beobachtung in Einklang bringen kann (vgl. Textfig. 11). Pteryg. ant. 1. Musculus levator bulbi (Textfig. 11, 7). Nach NoRRIS entspringt dieser Muskel von der Seitenfläche des Orbitosphenoids und inseriert an der hinteren dorsalen Fläche des Proc. antorbitalis. Ich habe den Muskelursprung am Orbito- sphenoid gefunden, in beträchtlicher Ausdehnung die vordere, 94 W. Lubosch, obere Spitze des Knochens einnehmend bis an die Grenze des Parietale hin. Hieraus formte sich ein dicker, spindelförmiger Muskelbauch, der teils in eine Sehne überging, teils an einem kurzen Sehnenbogen inserierte, der sich am Orbitosphenoid be- festigte. Beziehungen zum Proc. antorbitalis konnte ich jedoch nicht feststellen. Die Sehne strahlte in das Gewebe in der hinteren Umgebung der Nase aus. 2. Musculus retractor bulbi (Textfig. 11, 2). Nach NOoRRIS entspringt auch er am ÖOrbitosphenoid und inseriert am ventral-lateralen Umfang des Proc. antorbitalis. Nach meiner Präparation entspringt der Muskel von der vorderen Kante und der äußeren Fläche des Orbitosphenoids längs einer Linie, die oberhalb des Ursprungs des Pterygoideus anterior be- ginnt und nach vorn über den Proc. antorbitalis hinwegzieht. Die Fasern des Muskels divergieren in ihrer Richtung von der Faserrichtung des Pterygoideus anterior nach vorn. Sie bilden einen sehr platten, ungefähr quadratischen Muskelbauch, der sich der Sehne des Levator bulbi anschließt. Dieser Muskel ist nach NorRIS Ansicht homolog einem von WILDER beschriebenen Muskel, der eine Klappe am inneren Nasenloch verschließt. Nach meinen Beobachtungen findet also im Gegensatz zu NORRIS Angaben keine Insertion am Proc. antorbitalis statt; dieser Fortsatz lag vielmehr an meinem Präparat von beiden Muskeln bedeckt, aber ohne Beziehung zu ihnen da. Die Erklärung dieser Unstimmigkeit kann entweder darin gefunden werden, daß NORRIS die Insertionen nicht genau feststellen konnte. NORRIS hat an Querschnitten untersucht. Seine Abbildungen 7—9, auf denen nach seinem Hinweis die Insertionen zu sehen sein sollen, zeigen Schnittbilder, auf denen in der Tat eine solche Anheftung zu sehen ist; vielleicht aber ist es nur eine auf dem Schnitt nicht genauer zu analysierende enge Anlagerung. Ich will dies nicht mit Sicherheit behaupten und bin eher geneigt, im Untersuchungs- objekt selbst eine Quelle für die Abweichung zu sehen. NORRIS Objekte waren junge Tiere von 14—22 cm Länge. Mein Objekt war ein ausgewachsenes Tier von 65 cm Länge. Es ist nicht unmöglich, daß eine primitive Insertion am Proc. antorbitalis beim weiteren Wachstum verloren geht. Die Übereinstimmung der In- sertion dieser Muskeln mit einem ähnlichen bei Amphiuma und Cryptobranchus spricht vielleicht zugunsten meiner Beobachtungen. EEE er —— Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 95 3. Sogenannter „Muscle adducteur de la mächoire superieure“ (VAILLANT) (Textfig. 11, 7). Nach vorn von den beschriebenen Muskeln fand sich an meinem Präparat eine ziemlich derbe, aponeurotische Platte, die sich vom Palatinum aus lateralwärts erstreckte. Diese Platte enthielt keine Muskelfasern, wie Zupfpräparate unter dem Mikroskop erwiesen. Nach lateral ließen sie sich zu einem kleinen unregelmäßigen Knochenstück (Textfig. 11, 4) verfolgen, an dem sie angewachsen waren. Dieses Stück lag genau an der Stelle, an der Cuvier (1824, Taf. 27, Fig. 1,,2°) sein Rudiment eines Maxillare abgebildet hat. Spätere Forscher (WIEDERSHEIM, WILDER, NORRIS) haben dies Rudiment eines Maxillare vermißt. Es ist denkbar, daß hier individuelle Schwankungen vorliegen. Vielleicht handelt es sich in VAILLANTSs Muskel um den sehnig zurück- gebildeten Rest eines Adductor maxillae, der aber darum nicht minder bedeutsam und für spätere Vergleichungen von Wert wäre. Die Innervation des Levator und Retractor bulbi (ob sie diese von NORRIS ihnen verliehenen Namen mit Recht tragen, bleibe dahingestellt) ist von NORRIS festgestellt worden. Ein Ast aus der Portio minor des Trigeminusastes begibt sich zu ihnen. 6. Cryptobranchus japonicus. (Hierzu Tafel 3, Fig. 12, 13, 14.) Literatur. Die Stärke des „Temporalis“ der Derotremata wird bei BRONN hervorgehoben. Seine hintere, selbständige, von den Dornfortsätzen der Halswirbel kommende Portion mit ihrer kräftigen Sehne wird dort ebenfalls erwähnt. — Eine monogra- phische Behandlung der Muskeln findet sich bei HUMPHRY. Dieser Autor hat zwei wichtige Beobachtungen gemacht. Er beschreibt zunächst einige tiefe Ursprungsbündel des „Temporalis“ vom Os pterygoides und fügt hinzu, daß diese Fasern wahrscheinlich einen „Pterygoideus externus“ darstellen. Er beschreibt aber ferner beim „Masseter“ eine „vom Quadratum entspringende Portion‘, die sehr stark ist und zwischen „Masseter und Temporalis‘‘ an der oberen Fläche des Unterkiefers inseriert. Vom Masseter ist diese Portion, wie HumPpHrY findet, durch lockeres Binde- gewebe getrennt, in dem Äste des dritten Trigeminusastes ver- laufen. Die Fasern des Muskels sind teils mit dem „Temporalis“, teils mit dem „Masseter“ verbunden, und HumPpHry bleibt zweifel- 96 W. Lubosch, haft, ob er zu einem dieser beiden Muskeln gehöre oder einen selbständigen Muskel darstelle, den er dann als einen M. ptery- goideus aufzufassen geneigt wäre. — Wir werden die Bedeutung dieses Muskels, den auch ich bei der von mir vorgenommenen Zer- gliederung gefunden habe, weiterhin besprechen. Osteologie. (Hierzu Tafel 3, Fig. 12.) Der flache Schädel bringt es mit sich, daß die Muskeln mit dem größten Teil ihrer Fläche der Schädeloberfläche aufliegen, um mit geringer Biegung zum Unterkiefer zu treten. Nur die tiefste Schicht macht hiervon eine Ausnahme. Am Schädel prägt sich eine jederseits bestehende muldenförmige Vertiefung aus. Diese wird durch eine über Scheitel- und Stirnbein hinweglaufende Leiste medianwärts abgegrenzt. Zwischen den beiderseitigen Leisten liegt, an der Mittel- linie zusammenstoßend, ein flaches Feld, das sich nach vorn ver- jüngt, nach hinten verbreitert. Das Feld wird vom Scheitelbein und Stirnbein gebildet. Das Scheitelbein ist ein im hinteren Teil vier- seitiger Knochen, der in der Mittellinie mit dem andersseitigen zusammenstößt; hinterwärts grenzt es an das Oceipitale laterale. Seit- lich liegt es zunächst neben dem verknöcherten Teil der Labyrinth- region, weiterhin neben dem Paraquadratum, doch so, daß ein schmaler Knorpelstreifen, der zum Primordialeranium gehört, zwischen beiden Knochen sichtbar bleibt. Mehr nach vorn liegt das Scheitelbein neben dem knorpeligen Alisphenoid, weiter schließlich neben dem Orbitosphenoid. Die vordere Grenze des Scheitelbeins ist zackig ge- staltet und umfaßt mit zwei Fortsätzen das Stirnbein. Der mediale Fortsatz ist kurz, der seitliche dagegen ist sehr lang und steigt, als Processus orbitalis neben dem Örbitosphenoid verlaufend, zur Nasen- region hin. Hier bildet es noch eine Strecke weit über das Orbito- sphenoid hinaus neben der knorpeligen Nasenkapsel einen Bestandteil des Schädeldaches. Seine vordere Grenze wird hier von einer kurzen zackigen Quernaht gebildet, an die sich das Praefrontale anschließt. Das Stirnbein läßt einen hinteren und vorderen Abschnitt er- kennen. Der hintere ist zwischen die erwähnten Fortsätze des Scheitelbeins eingeschoben, der vordere Teil weicht von der Mittel- linie aus auseinander, um die Nasalia zwischen sich zu fassen. Diese Oberfläche des Schädels von Cryptobranchus neigt sich seitlich zu der schon oben erwähnten muldenförmigen Vertiefung hinab (Fossa temporalis). Dieser gehört ein Teil des Stirnbeins und Scheitel- beins an, ferner das Praefrontale Die eigentliche Seitenwand des Schädels ist sehr niedrig. Sie wird vorn repräsentiert durch einen Teil der knorpeligen Nasenkapsel, an welche sich rückwärts das Orbitosphenoid anschließt. Dieser Knochen liegt also parallel dem Praefrontale und Proc. orbitalis des Parietale.e Nach rückwärts vom Orbitosphenoid tritt das Parietale mit dem Pterygoid so nahe zusammen, daß vom Knorpel des Alisphenoids nur ein schmaler Streifen sichtbar Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 97 bleibt. Hinsichtlich des Parasphenoid sei bemerkt, daß es an der Seite der Schädelbasis nicht zum Vorschein gelangt. Diese verbreitert sich nach hinten aber ziemlich beträchtlich und umschließt hier die Öffnung des Foramen prooticum. Dieser Strecke ist das Pterygoid angelagert, das eine breite, schaufelförmige Platte bildet. Das Ptery- goid liegt dem knorpeligen Quadratum teilweise auf, das nach vorn und hinten mit Fortsätzen unter ihm hervorragt. Der in weiter Aus- dehnung knorpelige Quadratteildes Schädels ist an der Gelenkstelle verknöchert und vom Paraquadratum überlagert. An diesem son- dert eine Leiste eine vordere von einer hinteren Facette. Mit einer zackigen Naht grenzt das Paraquadratum an das verknöcherten Qua- dratum fest an. Alle diese Teile (knorpelige Nasenkapsel, Praefrontale, Proc. orbitalis des Scheitelbeins, Orbitosphenoid, Alisphenoid, Pterygoid) bilden den Boden einer flachen Mulde. Nach vorn wird diese Örtlichkeit ümrandet und vervollständigt durch den mächtig nach hinten aus- gedehnten Fortsatz des Maxillare. Zwischen ihm, dem Pterygoid, der Nasenkapsel und dem Orbitosphenoid zeigt der mazerierte Schädel eine ovale Lücke. Am feuchten Präparat ist diese durch eine Membran verschlossen, die besonders kräftig zwischen dem Ende des Maxillare und dem unteren freien Rande des Pterygoids entfaltet ist. Unterhalb dieses freien Randes erstreckt sich diese fibröse Platte noch einige Millimeter weit gegen den Unterkiefer, die Kaumuskeln von unten her bedeckend. Der Unterkiefer zeigt, abgesehen von seiner Größe und starken Verknöcherung aller Teile, verhältnismäßig wenig Besonderheiten. Das Dentale reicht nicht bis zum hinteren Ende des Unterkiefers. Sein oberer Rand grenzt an das verknöcherte Articulare. Diesem innen angelagert findet sich das Goniale, bis nahe an den Gelenk- teil hinreichend. Myologie. Wir können an den Kaumuskeln des Cryptobranchus den M. mandibularis externus und den M. cranio-man- dibularis unterscheiden, an letzterem eine reiche Gliederung in einzelne Portionen und Schichten. 1. Museulus mandibularis externus. Dieser Muskel besteht der Hauptsache nach aus einer. stark ausgebildeten oberflächlichen Schicht (Pars sublimis) und einer von ihr teilweis verdeckten tiefen Schicht, deren Bedeutung nicht ohne weiteres zu bestimmen ist (s. oben HuMPHRY). a) Die Pars sublimis beschränkt sich, soweit Skeletteile in Frage kommen in ihrem Ursprung ausschließlich auf das Para- quadratum. Zwischen dem dorsalen Teil dieses Knochens und dem Parietale, dort, wo die knorpelige Labyrinthregion in dem Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 7 98 W. Lubosch, Spalt zwischen beiden Knochen zutage tritt, findet sich kein Ursprung des Muskels mehr vor. Am Paraquadratum nimmt der Ursprung die vordere Facette des Knochens ein. Erist scheitelwärts dick und verschmälert sich nach abwärts gegen das Quadratum hin. Er überschreitet scheinbar die Grenze des Paraquadratums nicht. Auber dem Ursprung vom Knochen kommen noch Ursprünge von Aponeurosen in Betracht. Die oberflächlichsten Fasern gehen aponeurotisch in die Fascien über, die die Nackenmuskeln überlagern, die untersten Fasern entspringen in der Fortsetzung des Ursprungs vom Paraquadratum von einer Fascie, die seit- lich Hals und Gelenkgegend überkleidet. Die gesamte Muskel- masse bildet eine zum hinteren Ende des Dentale konvergierende dicke Platte, so, daß die obersten Bündel bogenförmig nach ab- wärts, die untersten bogenförmig nach aufwärts, die mittleren dagegen langgestreckt verlaufen. Die Befestigung findet an der äußeren Fläche des Dentale statt, vom Processus coronoides des Goniale an, wo eine Verwachsung mit der Sehne des Cranio- mandibularis stattfindet, bis an das hintere Ende des Dentale hin, unterhalb der vorderen Grenze des Kiefergelenkes. Die Innervation dieses Muskels findet durch zwei Nerven statt, die von unten her in den Muskel eintreten !). b) Die Pars profunda tritt bei erhaltener oberflächlicher Schicht an deren unterem Rande hervor. Sie stellt ein pyramidal gestaltetes Muskelchen vor, das vom Paraquadratum, in der Fortsetzung des oberflächlichen Muskels entspringt, teilweise auch noch vom Quadratum. Seine Fasern ordnen sich fächerförmig so an, daß die zu unterst entspringenden weit nach außen und abwärts zum Articulare ziehen, und zwar bis zum unteren Rande des Knochens. Die weiter nach oben entspringenden treten mehr nach vorn zum Dentale, wo sie einwärts und oben von der oberflächlichen Schicht inserieren. Dieser Muskel erhielt auf der rechten Seite zwei Nervenstämme, die von oben her in ihn ein- traten. Links konnte ich nur einen Nervenstamm nachweisen, der in ähnlicher Lage in ihn einging. Hier trat der soeben (s. An- merkung 1) erwähnte Zweig zur oberflächlichen Schicht von ihm 1) So der Befund auf der rechten Seite des Tieres der auch der Abbildung Taf. 3, Fig 13 zugrunde gelegt ist. Auf der linken fand sich ein dritter Nerv, der sich aus einem anderen Stämmchen ablöste und in die tiefe Schicht des Muskels ging. Dieser Befund kann nicht als durchaus sicher bezeichnet werden. Vielleicht war es eine Bindegewebsfaser. Siehe hierüber weiter unten. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 99 ab. Diese kleinen motorischen Äste müssen die von HumpHurY beschriebenen Nerven sein, die er zwischen oberflächlicher und tiefer Schicht gefunden hat; denn der sensible Hauptstamm des | N. maxillaris inferior liegt unter dem fraglichen Muskel. Die | Abgrenzung dieser pars profunda ist nun weder gegen die darüber | gelegene Muskelschicht noch gegen den darunter gelegenen Muskel vollständig. Es kommen nach beiden Richtungen hin Faser- bündelverwachsungen vor. Auch in der Innervation wird sich dies aussprechen. Die Berechtigung ihn zum Mandibularis externus zu rechnen, ergäbe sich zunächst nur dadurch, daß der starke sensible Halsast des dritten Trigeminusastes wie gesagt unter ihm hinwegzieht und an seinem hinteren unteren Rande zutage tritt. 2. Musculus eranio-mandibularis. Er besteht zunächst aus drei Schichten, die durch ihre | Selbständigkeit am Ursprunge ausgezeichnet sind. Sie werden | 'Cr.-mand. subl,______-- 2 > = | F FH | 7 I EP | Cr.-m. med..__-- 77 VE | Chorda > | tymp. 2 | Textfig. 12. Schema der Schichtung des Cranio-mandibularis von Crypto- branchus. Links hinter dem Auge, rechts vor dem Gelenk. | als Cranio-mandibularis superfieialis, medius und profundus be- zeichnet. Der Profundus läßt wiederum eine Gliederung in mehrere Portionen erkennen (Textfig. 12). a) Der Cranio-mandibularissublimis besitzt zwei Portionen (Taf. 3, Fig. 13). Die vordere entspringt längs der Medianlinie des Schädels vom hinteren Teil des Frontale und dem gesamten Parietale. Mit dem Ursprung der folgenden Portion bedeckt er den oberen planen Teil des Schädeldaches. Er ist fleischig, etwa bis zum vordersten Teil des Parietale, insbesondere dessen medialen Stirnbeinfortsatz einnehmend. Die hintere Portion entspringt sehr verdünnt längs des Parietale und Oceipitale, auch noch auf die Nackengegend übergreifend. Am hintersten Teil entwickelt diese 7* 100 W. Lubosch, Portion eine starke Sehne, die auf die untere Fläche des Muskels übergreift. Die vorwärts anschließenden Fasern gehen nach zu- nächst kurzem, dann längerem Verlauf in die Sehne über. Die orale Portion des Muskels, ist anfänglich mehr selbständig, und entwickeit eine kurze breite Sehne. Vermittelst ihrer schließt sie sich der hinteren Portion an. Die Innervation erfolgt durch mehrere lange Ästchen (Text- figur 13 5a, 56, 6a), die an der Unterseite des Muskels verlaufen und von zwei Nerven herrühren. Der eine von ihnen (N. tempo- ralis superficialis) gehört ganz dieser Schicht an. Er teilt sich in zwei Äste, die sich in beiden Portionen dieser Schicht ver- ästeln. Der zweite stammt aus dem Nerven der mittleren Portion (6a), von dem er sich löst, um in die oberflächliche Schicht zu treten. b) Der Cranio-mandibularis medius liegt nur teil- weise unter dem ersten, seine Fasern kommen vom vorderen Teil des Scheitelbeins und dem gesamten Stirnbein, so daß er vorn unter dem oberflächlichen zutage tritt. Demgemäß verlaufen seine Fasern vorn auch weit schräger nach hinten gerichtet. Der Muskel entwickelt eine platte Sehne, vermittels derer er mit der oberflächlichen Portion in langer Ausdehnung verschmilzt. Seine Innervation erfolgt von zwei Seiten her. Einmal durch Äste eines N. cranio-mandibularis medius (6). Dieser gibt starke Zweige ab, die zunächst vom hinteren Rande aus sich im Iunern des Muskels auflösen, sodann einen Ast, der der medialen Fläche des Muskels anliegt. Weiterhin geben die beiden tieferen Muskel- nerven Äste an diese mittlere Temporalisschicht ab (7a 6a). c) Der Cranio-mandibularis profundus (Taf. 3, Fig. 13 und Textfig. 10) erscheint als eine im ganzen einheitliche Muskel- masse, die zutage tritt, wenn der Medius zurückgelegt worden ist. Während die beiden oberen Schichten von der oberen planen Fläche des Schädels kommen, nimmt diese tiefe Schicht als Ur- sprung die bei der osteologischen Beschreibung erwähnte flache Mulde (Fossa temporalis) ein. Mithin liegt ihr Ursprung: zuvorderst am Praefrontale, weiterhin an dem Processus orbitalis des Parietale, sodann am knöchernen Orbitosphenoid und am Seitenabhang des Parietale, bis oberhalb des Foramen ovale. Tiefere Bündel ent- springen endlich rings um das Foramen ovale herum vom Ali- sphenoid, endlich von der knorpeligen Schädelwand bis an das Paraquadratum hin und zwar nicht ganz bis zum Gelenk nach abwärts reichend. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 101 Diese gesamte Muskelmasse verschmilzt in ihren oberfläch- lichen Lagen mit dem Cranio-mandibularis medius, während die tieferen Lagen mehr selbständig bleiben. Auch in der Innervation prägt sich die Sonderstellung einer tieferen Lage aus. Es gehen nämlich zu der gesamten sub ce beschriebenen Muskel- masse drei verschiedene Nervenstämme hin (7, & und der rot getönte Komplex 9, zo, 17). Die ersten beiden (7 und 8) liegen lateral und medial neben dem Cranio-mandibularis profundus; ein weiterer dagegen liegt mit mehreren Ästen mehr in der Tiefe und versorgt speziell die erwähnte tiefste Muskellage. Man kann nun diese tiefste Muskellage dadurch zur Darstellung bringen, daß die obere Schicht am Praefrontale, Orbitosphenoid, Parietale abgelöst wird (Taf. 3, Fig. 14). Es bleibt dann noch eine Schicht übrig, die vom Alisphenoid um das Foramen prooticum herum und am Quadratknorpel entspringt. Ein weiteres, noch tieferes, also in fünfter Schicht gelegenes Bündel entspringt schließlich vom oberen Teil des Pterygoids. Die Fasern dieser vierten und fünften Schicht, die so entstehen, convergieren gegen das Articulare und Goniale. Sie schieben sich, um diesen Ansatz zu gewinnen, gleichsam kulissenartig übereinander, derart, daß die vor dem Foramen ovale entspringenden Fasern am weitesten nach innen und hinten inserieren, die unter und hinter dem Foramen ovale fast senkrecht nach abwärts treten und endlich die am Quadratum entspringenden Bündel schräg nach vorn und aus, wärts hinziehen. Alle diese Bündel der vierten und fünften Schicht inserieren nach einwärts vom Ein- gangin den Canalis primordialis. Der Stamm des dritten Trigeminusastes und seines sensiblen Hauptzweiges lagert sich gerade vom Foramen prooticum hinabziehend, zwischen die Muskulatur ein. Gerade hier, in der Rinne zwischen den beiden, der vor und hinter dem Foramen ovale entspringenden Abteilungen der beschriebenen tiefen Muskelschicht liegen, verdeckt von dem Stamm des Trigeminusastes, die tiefen, oben erwähnten Nervenstämme, die sich in den Muskel selbst in einer noch näher zu erläutern- den Weise einsenken (in Textfig. 13 rot gezeichnet). Hinsichtlich der Insertion dieses Muskels bleibt noch ein Punkt zu erwähnen. Die oralen Bündel nämlich, die schräg nach innen und hinten ziehen, werden sehnig und inserieren sich an der Innenfläche des Goniale, wo die Sehne ins Periost über- geht. Die Chorda tympani liegt medial von diesem sehnigen Ansatz. 102 W. Lubosch, Anhangsweise seien zwei kleinere Muskeln beschrieben, deren Existenz bei Cryptobranchus bisher nicht bekannt war. 1. Musculus tensor membranae pterygo-maxil- laris. Dieser Muskel ist mit wenig zarten Bündelchen ver- treten, die vom Rande der knorpeligen Nasenkapsel entspringen und strahlig konvergierend zur Membrana pterygo-maxillaris ziehen. Er ist nach Ursprung und Insertion vielleicht als Homolog des oben bei Siren beschriebenen und als „Levator“ bezeichneten Muskels anzusehen oder aber auch des von VAILLANT beschrie- benen „Adducteur de la mächoire superieure“ (s. oben Seite 93). 2. Musculus pterygo-maxillaris (Retractor bulbi? NORRIS). Dies ist ein rundlicher dünner Muskel, der vom knorpligen Schädel dicht unter dem Vorderrand des knöchernen Pterygoids entspringt, gerade unter der Durchtrittsstelle des 1. Trigeminus- astes. Der Muskel geht in eine Sehne über, die bis in die Nähe des Maxillare zu verfolgen war. Der Muskel kreuzt den vorigen. Die tiefe Portion des Cranio-mandibularis liest, wenn sie sich in ihrer natürlichen Lage befindet, dicht über diesen reduzierten Muskeln. Dieser Muskel könnte vielleicht mit Rücksicht auf seinen Ursprung dem Retractor bulbi von Siren homologisiert werden, doch kann ich nichts Sicheres darüber sagen. Die Innervation stimmt mit derjenigen der reduzierten Muskeln von Siren und Amphiuma überein, wie sie von NoRRIıS (1908 und 1913) auf Serienschnitten festgestellt worden ist. Ich beschreibe und bilde nach makroskopischer Präparation folgende Innervation ab (Fig. 14, Taf.5). Ein von einem der Nn. cranio-mandibulares pro- fundi stammendes, an der Innenseite des Musculus eranio-mandi- bularis hinziehendes Fädchen (Textfig. 13, 8c) tritt zunächst an den M. tensor membranae pterygo-maxillaris und gibt ihm einen Zweig ab; der Rest des Ästchens zieht unter rück- läufigem Verlauf zum M. pterygo-maxillaris. 3. Neurologie. Die Lage des 3. Astes des Trigeminus ist durch das Foramen prooticum und den Eingang in den Canalis primordialis bestimmt. Etwa nachdem er ein Dritteil der Strecke seines Gesamtverlaufes zurückgelegt hat, gibt er einen starken sensiblen Ast ab, welcher unterhalb des Masseter hindurch verlaufend nach außen über das Kiefergelenk hinwegtritt und sich in der Haut über dem Gelenk, des Halses und am Rande des Unterkiefers nach vorn verzweigt. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 105 Bedeckt wird der Stamm des 3. Trigeminusastes von den beiden Schichten des Mandibularis externus; der Cranio-mandibularis sublimis, medius und ein Teil des profundus liegen dorsal und * 8€ F a 7% 1 ee, Te ” —E 5a u 50° 2 gv ; Textfig. 13. Schema der motorischen Äste des 3. Trigeminusastes von Cryptobranchus. Von *—* nach abwärts auf Beobachtung beruhend. Schwarz, grau und rot die Komponenten wie in den früheren Figuren. oralwärts von ihm. Medioventral von ihm liegt die tiefste Schicht des Cranio-mandibularis. Die motorischen Äste gehen in drei Gruppen (vgl. Textfig. 13) vom Hauptstamme ab. Die beiden ersten Gruppen müssen als Nn. 104 W. Lubosch, mandibulares externi und cranio-mandibulares bezeichnet werden, während der dritten Gruppe die Bezeichnung der Nn. pterygoidei beizulegen ist. Die Nerven verhalten sich wie folgt. 1. Nervi mandibulares externi. Sie zerfallen in solche zum oberflächlichen und solche zum tiefen Muskelanteil: a) Nn. superficiales (Textfig. 13, zr u. 2 und Taf. 3, Fig. 13, wo sie abgeschnitten sind). Sie lösen sich von der moto- rischen Portion hoch oben am vorderen Umfang des sensiblen Stammes ab und ziehen lang an der Vorderseite desStammes hinab, zugleich dorsal quer über ihn hinweg und verlassen den unter dem Muskel hinweglaufenden sensiblen Stamm am oceipitalen Um- fang, kurz bevor er sich vom Hauptstamme abspaltet. Die beiden Nn. mandibulares superficiales laufen schräg nach außen unten und hinten und treten von innen her in den Muskel ein. b) Nn. profundi (l.c. 3,4). Für maßgebend möchte ich den Befund zweier solcher Nerven halten, von denen der eine neben dem oberflächlichen Paar den Hauptstamm verläßt (3), der andere ein wenig tiefer, aber ebenfalls vom Auriculo-temporalis ab- geht (4). Beide traten in die tiefe Muskelschicht ein. Auf der linken Seite gab es ebenfalls zwei Nerven, die aber nur kurze Zeit getrennt verliefen um sich dann zu einem Stämmchen zu vereinigen. Dieses zerfiel dann erneut in zwei Ästchen, von denen aber das eine zum oberflächlichen, das andere zum tiefen Muskelteil trat. Diese Abweichung, wenn sie tatsächlich be- stand (s. 8.98 Anm.), wäre leicht zu interpretieren, insofern dann offenbar solche Bündel, die rechts zum tiefen Teil des Muskels gehören, links mit dem oberflächlichen verbunden sind. Die ganze Stellung dieser tiefen Masseterportion ist aber noch aus anderen Gründen problematisch (s. u.). 2. Nervi eranio-mandibulares. Es existieren deren vier kräftige Stämme, die den Stamm des 3. Trigeminusastes am vorderen und oberen Umfang des sensiblen Hauptstammes verlassen. Sie zerfallen in den N. sublimis und medius und die Nn. profundi. a) Der N. cranio-mandibularis sublimis (5a u. 5) verläuft an der Innenseite der oberflächlichen Muskelportion zwischen ihr und der mittleren Schicht. Er zerfällt in zwei Äste, die von medial her in die oberflächliche Portion eingehen. b) Der N. eranio-mandibularesmedius (6a u. 65) tritt mit einem Ästchen zwischen die oberflächlichen Muskelportionen und geht zum M. sublimis. Mit einem zweiten Ästchen senkt er Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 105 sich in den Medius ein, mit einem dritten Ästehen geht er an den hin- teren Rand des Medius, sich von da aus in seine Masse einsenkend. c) Die Nn. eranio-mandibulares profundi sind zu zweit vorhanden (7, 8). Der eine (7) tritt zwischen Medius und Profundus, beide Portionen mit Ästen versorgend. Der andere (8) senkt sich in die tiefe Portion selbst ein, um auch noch ein Ästchen (8a) zum Cranio-mandibularis medius abzugeben. Im Innern des Profundus teilt er sich erstlich in Äste zur tiefen (8a) und der von dieser bedeckten Portion (&c), die oben als besondere (vierte) Schicht beschrieben worden ist. Sodann begibt er sich mit einem langen feinen Zweige nach vorn um den M. tensor membranae pterygo-maxillaris und M. pterygo-maxillaris zu versorgen (65) (Taf. 3, Fig. 14). Außer diesem Nerven bestehen nun jedoch noch andere, die als Verzweigungsgebiet die tiefen, vom Alisphenoid zum Arti- culare ziehenden Muskelmassen haben. Es seien diese Nerven als 3. Nn. pterygoidei bezeichnet. Sie verlassen den Stamm zwischen den Nn. ceranio-mandibulares und mandibulares externi und tiefer, versteckter gelegen als diese, so daß sie erst nach Beiseitedrängung des Hauptstammes deutlich gesehen werden können. Wir finden dann (ga, b, zoa, b, ır) a) einen R. pterygoideus anterior (l.c.9a, 9), der vorn am Hauptstamm des Trigeminus entlang zieht und zwischen die beiden Lagen der vorderen Portion eintritt, diejenigen, die vor dem Foramen prooticum vom Alisphenoid und vom Pterygoid entspringen; b) den R. pterygoideus medius (l.c.zoa u. 5). Dies ist ein sehr dickes, kräftiges Stämmchen, das dicht neben dem vorigen, aber in sehr versteckter Lage senkrecht nach abwärts zieht und die ganze occipitale tiefe Muskelmasse versorgt; c) Rr. pterygoidei posteriores (zz). Dieses sind zwei feine Stämmchen, die zusammen mit dem einen der oben als Rr. masseteriei profundi bezeichneten Nerven verlaufen, sich dann aber von ihm lösen und anstatt in eine der beiden Mandi- bularis-externus-portionen in die tiefe Muskelschicht einsenken. Rückblick. Bei der Beschreibung der Muskeln von Cryptobranchus sind vier Umstände auffällig gewesen. 1. Die äußerst reiche Differenzierung im Aufbau des Cranio- mandibularis. Drei Schichten wurden als superficialis, medius und pro- fundus bezeichnet. Von letzterem konnte eine vierte noch tiefere 106 W. Lubosch, Schicht abgegrenzt werden, durch Ursprünge und Innervation ziemlich gut individualisiert. Auch bei dieser vierten Schicht fand sich abermals eine Sonderung in zwei Lagen, von denen die tiefere, also im ganzen fünfte, zwar nur schwach, aber doch sehr deutlich war. Diese tiefsten Portionen setzten sich kon- tinuierlich nach oceipital fort. Man hätte also wohl ein Recht, gesamte Masse als einen mit zahlreiehen Köpfen entspringenden und durch Nerven zerspaltenen mächtigen Cranio-mandibularis zu beschreiben. 2. Indes die Existenz dreier besonders stark ausgebildeter und isoliert verlaufender Nerven, die ich oben als Nn. ptery- goidei bezeichnet habe, sodann aber auch der Vergleich mit anderen Formen der Urodelen läßt es gerechtfertigt erscheinen, diesen Portionen eine Sonderstellung zuzuerteilen. Auch lassen sie sich zu anderen Insertionsstellen verfolgen, als sie für die drei oberen Schichten bestehen. Es läßt sich endlich präpa- ratorisch eine Sonderung ohne Schwierigkeit lediglich durch Zug mit der Pinzette erzielen. Wir gelangen also zur Feststellung einer vom Cranio-mandibularis zwar nicht unabhängigen, von ihm indes in mancherlei Hinsicht (Ursprung, Ansatz, Innervation) wohl unter- schiedenen tiefgelegenen Muskelmasse, der der Name einer Ptery- gsoidmuskulatur beizulegen sein wird. 3. Die Existenz des M. mandibularis profundus scheint darauf hinzuweisen, daß dessen Muskelbündel möglicherweise zu dieser Pterygoidmuskulatur zu rechnen sein könnten. Es spricht dafür erstens die eigentümliche Faserrichtung, die sich dem kulissenartigen Aufbau des Pterygoideus anschließt und gleichsam eine weit lateral vorgeschobene Kulisse dieses Muskels ist. Es spricht dafür zweitens die Tatsache, daß Nerven, die zum Ptery- goideus treten, streckenweise mit einem Ast des Mandibularis profundus verlaufen, so daß es ein einfacheres Bild gäbe, sich auch diese tiefe Muskelportion als Pterygoideus vorzustellen. Es handelt sich hier um einen Muskel, der in ganz ähnlichen Ver- hältnissen bei Cryptobranchus vorkommt, wie der sogenannte „M. masseter minor“ (GAuPpPp) des Frosches. Seine morphologische Stellung ist schwer zu definieren. Der Versuch, dies zu tun, soll später im vergleichenden Teil gemacht werden. 7. Amphiuma tridactylum. (Hierzu Tafel 1, Fig. 3 u. 4.) Literatur. Außer der alten Beschreibung bei BRonnN, in der Amphiuma allein neben Siren der Besitz eines „M. ptery- Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 107 goideus“ zuerkannt wird (allerdings mit falscher Angabe des Ur- sprungs), sind mir Beschreibungen der Kaumuskulatur von Amphiuma nicht bekannt geworden. Die Nerven werden von KıngsLey (1892) und Norrıs (1908) beschrieben. NORRIS (ibid.). beschreibt auch die von ihm als „Levator“ und „Retractor bulbi“ bezeichneten von mir ebenfalls aufgefundenen reduzierten Muskeln. Osteologie. Die Kaumuskeln entspringen vom Schädeldach, von der Grube zwischen Paraquadratum und Parietale und von der Seitenwand des Schädel. Am Schädeldach bietet das Parietale und Frontale Ur- sprungsflächen dar. Das Parietale grenzt nach rückwärts in einer transversalen Linie gegen das Petroso-oceipitale. Die beiderseitigen Scheitelbeine stoßen in einer medianen Crista aneinander. Lateral schiebt sich das Scheitelbein neben dem Stirnbein vor. Hier findet sich der laterale Rand des Scheitelbeins grubig vertieft und eine seit- liche Crista bildet einen Abschluß dieser Grube. Der vordere Teil des Scheitelbeins senkt sich als Processus orbitalis in die Orbitalregion ein. Nach auswärts grenzt das Scheitelbein an das Paraquadratum und die knorpelige Seitenwand des Schädels. Das Frontale schiebt sich nach hinten gegen das Scheitelbein vor und bildet mit dem der anderen Seite den vorderen Teil des Schädeldaches. Es grenzt vorn an das Praefrontale, das seiner- seits an das Nasale anstößt. Über die Oberfläche des Frontale hinweg zieht eine von außen vorn nach hinten innen gerichtete Muskelleiste, die ein äußeres für Muskelursprünge bestimmtes Feld von einem inneren, freibleibenden abgrenzt. Jenes erste Feld bildet zusammen mit der Scheitelbeingrube das Ursprungsfeld für den Schläfenmuskel. Das Stirnbein ragt lateralwärts plattenartig über den Rand des Schädels hinaus. Von ihm aus geht eine mehr senkrecht stehende Stirnbein- lamelle nach abwärts bis zur knorpeligen Nasenkapsel. Erst die Unter- suchungen und Abbildungen WIEDERSHEIMs haben diese Verhältnisse aufgeklärt. Oceipitalwärts springt das Paraquadratum scharf, kammartig hervor. Es läßt vor und hinter dem Kamm je eine längliche Facette erkennen. Nach abwärts von ihm springt der Gelenkteil des Qua- dratums als ein länglicher Höcker vor. Oralwärts vom Paraquadratum liegt eine Grube, die nach dorsal vom dachartig sich überwölbenden Parietale begrenzt wird und als Boden die knorpelige Seitenwand des Schädels trägt. Das Parietale, das sich hier mit einer Naht dem Paraquadratum anlagert; bildet an dem mir zur Verfügung stehenden trockenen Schädel unregelmäßige Kämme und Einsenkungen, die als Muskelursprungsfelder aufzufassen sind. Der knorpelige Teil der Seitenwand des Schädels liegt infolge des Parietaldaches sehr versteckt. Er geht kontinuierlich in den vom Paraquadratum überlagerten Quadrat- knorpel über. Der Austritt des Trigeminus aus dem Foramen prooti- 108 W. Lubosch, cum ist erst nach Abtragung der Seitenteile des Parietale zu über- sehen. An der Seitenfläche des Schädels liegt eine nach außen offene Räumlichkeit, die eine mediale Wand und einen flachen Boden besitzt. und nach vorn spitz zuläuft. Die mediale Wand wird vom Alisphenoid gebildet, der nach vorn sich anschließenden knöchernen Orbitosphenoid- platte und der hier ausnahmsweise von der Schädelbasis aus empor- tretenden Vomeropalatinplatte. Nach Absprengung der horizontalen oberen Platte des Stirnbeins erscheint eine vertikale Fortsetzung dieser Schädelseitenwand in Gestalt der lateralen knorpeligen Wand der Nasenkapsel und einer Pars verticalis des Stirnbeins. Am Boden dieser Seitenwand des Schädels erscheint unterhalb des Orbitosphenoids und weiter nach hinten bis in die Gegend des Foramen ovale die laterale Kante des Parasphenoids. Nahezu senkrecht zu dieser Seitenwand des Schädels steht eine Platte, die vom Pterygoid und einer sich vom Pterygoid zum Parasphenoid, Vomeropalatinum und Maxillare ausspannenden Membran gebildet wird. Das Pterygoid ist ein nahezu rechteckiges, knöchernes Plättchen, das durch fibröse Züge an das Alisphenoid und Qua- dratum befestigt ist. Am mazerierten Schädel hat es lateral und vorn ‘je einen freien Rand. Am feuchten Präparat erstreckt sich indes von diesen beiden Rändern aus die schon erwähnte Membran. Diese füllt den Raum zwischen Pterygoid, Vomeropalatinum und Parasphenoid vollständig aus. Sie ist in der Hauptsache zart und durchscheinend, lateral aber zu einem kräftigen, straffen Bande verdickt, das das Os pterygoides an die Spitze des Maxillare befestigt. Auch lateral vom Pterygoid breitet die Membran sich noch flächenhaft aus, um sich vor der Gelenkfläche des Quadratums, sehr verschmälert, zu befestigen. Der Unterkiefer besitzt im ausgebildeten Zustande zwei Stücke: Dentale und Gonioartieulare. Das Dentale bildet als eine Hülse vorn und fast zu drei Viertel den Hauptteil des Knochens. An seiner Außenfläche findet sich die Naht gegen das Articulare deutlich ausgeprägt. Dicht davor liegt als sanfte Erhebung eine Muskelinsertionsstelle. Hier begrenzt das Dentale den Canalis pri- mordialis, läuft mit scharfer Kante am Processus coronoides vorbei und senkt sich zur Höhe der Zahnkronen hinab. Ein Goniale ist mit dem Artieulare verwachsen. Der Gelenkteil ist breit und unregelmäßig dreieckig gestaltet. Dahinter liegt ein kurzer Processus retroarticularis. Vor der Gelenkfläche ist das Articulare breit und verjüngt sich gegen den Processus coronoides. Dieser ist hoch und kammartig. Er gehört dem Goniale an und begrenzt den Eingang in den Unterkieferkanal von medial her. An der medialen Fläche des Unterkiefers fällt eine rauhe Linie auf, die vom Processus coronoides bis nahe zum Processus retro- articularis zieht. Hierdurch wird dicht vor dem Gelenkteil ein (dem Goniale zugehöriges) Muskelinsertionsfeld abgegrenzt. Nach vorn findet sich eine Grenznaht zwischen dem Goniale und Dentale. Letzterem Knochen sitzt ein von der Innenseite her sichtbares und mit einigen Zähnchen versehenes besonderes Knochenstückchen auf (Operculare?). Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 109 2. Myologie. Amphiuma besitzt eine reichgegliederte Kaumuskulatur, die dem Typus der Muskulatur von Siredon, Proteus, Menobranchus und Oryptobranchus nahesteht hinsichtlich der Art ihrer Schich- tung — Siren hingegen nahesteht in der Selbständigkeit einer tiefen „Pterygoideus“-Schicht. Die Muskulatur besteht aus einem zweischichtigen M. mandibularis externus, einem dreischichtigen M. cranio-mandibularis und einem aus zwei Portionen bestehen- den M. pterygoideus. 1.Musculusmandibularis externus (Ursprünge in Taf. 1, Fig. 4). Dieser Muskel erstreckt sich vom Paraquadratum und dem Seitenteil des Parietale zur Außenseite des Dentale Es sind an ihm zwei Portionen wohl zu unterscheiden. Eine obere (M. superficialis) entspringt von der vorderen Facette des Paraquadra- tums und der Unterfläche des vom Parietale gebildeten Knochen- daches, ferner auch von einer grubigen Vertiefung an der Außen- seite dieses Knochens. Von der mehr nach vorn gelegenen Grube desselben Knochens entspringt eine zweite platte Portion, die sich der ersteren anlegt, ohne vollständig mit ihr zu verwachsen. Die obere Portion inseriert fleischig an der Außenseite des Den- tale von der Gegend des Processus coronoides, wo sie kurzsehnig mit der Cranio-mandibularis-sehne verschmilzt, bis unterhalb des vordersten Teils des Gelenkes. Die tiefe Portion inseriert von ihr getrennt, näher der Cranio-mandibularis-sehne an einem rund- lichen Bezirk des Processus coronoides. Die Innervation beider Teile des Muskels erfolgt durch vier Nervenstämmchen (Textfig. 16, und Taf. 1, Fig.47,2a,26,5). Eines davon (R. superfic. 7) tritt in den Mandibularis externus superficialis ein. Es löst sich ausdem N- auriculo-temporalis ab, kurz nachdem dieser durch Teilung aus dem Hauptstamm hervorgegangen ist. Er verläuft am hinteren Rande des Mandibularis externus profundus nach außen. In den Mandibularis externus profundus treten dann von medial her drei weitere Stämmchen (Rr. profundi) ein, die einem einzigen Haupt- zweige (2) als Ästehen angehören. Dieser (N. profundus) tritt gleich- falls vom N. auriculo-temporalis ab, und zwar ein wenig höher als der superfizielle Ast. Er zerfällt in zwei Ästehen, von denen das eine sich sofort wieder gabelt. Unentschieden muß ich es lassen, ob ein weiteres von mir festgestelltes Fädchen wirklich als Nerv zu bezeichnen war. 110 W. Lubosch, Es lief neben dem Ramus III Trigemini nach abwärts, um in den tiefen Mandibularisteil zu dringen. Dies Stämmchen kam aus einer viel höher gelegenen Gegend des Trigeminus und löste sich aus den Nn. ceranio-mandibulares ab. Ob es wirklich ein Nerv oder ein Gefäß oder ein Bindegewebsstrang war, hätte ich | bei den winzigen Verhältnissen nicht feststellen können, ohne das | Gebilde zu zerstören. 2. Musculus eranio-mandibularis, Er besteht zunächst aus zwei äußeren Lagen, die als Cranio-mandibularis sublimis und medius zu bezeichnen sind. Daran schließen sich noch medial zwei weitere Schichten, die aus Cranio- ’ mand. subl.STor 1 .ı,, 7a __..— Frontale Granjo- Eee P; & mand. med. Ber _ Alisphenoid Cranio- 9 = mand. prof.\__--—; N NUN 0 Je - Parasphenoid = Pr R. ophth. prof.---""% j BA N.---- Pterygoid --——-- Dentale _._... Meckelscher e Knorpel Chordaitymp. 2 Zu 1 N IF Een... N RL Goniale Textfig. 14. einer tiefen Cranio-mandibularis-Schicht und einer Pterygoideus- schicht zusammengesetzt sind (Textfig. 14). a) Musculus eranio-mandibularis pars sublimis entspringt mit zwei gesonderten Portionen vom Scheitelbein und Stirnbein (Ursprünge s. Taf. 1, Fig.4). Die oceipitalwärts gelegene Portion, die auch von den Dornfortsätzen der oberen Halswirbel kommt, bildet eine starke Sehne und ein schlankes Muskelbändchen, das sich dieser Sehne anschließt. Die Sehne lagert sich in die von der lateralen Crista des Scheitelbeins gebildete Führungslinie (WIEDERS- HEIM) ein und zieht zum Proc. coronoides, den sie, sich allseitig (innen und außen) ausbreitend, überzieht. Vom vordersten Teil des Scheitelbeins und oceipitalen Teil des Stirnbeins ent- \ Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 111 springt platt nach vorn verhältnismäßig wenig ausgedehnt eine weitere Muskelmasse, die, eine platte Sehne entwickelnd mit der hinteren Portion verschmilzt und am Aufbau der Cranio-mandi- bularissehne teilnimmt. Für beide Portionen dieser oberfläch- lichen Muskelschicht ist ein N. eranio-mandibularis bestimmt, der, sich gabelnd in beide Portionen von der medialen Seite eindringt (Textfig. 16, za u. 45 in Taf. 1, Fig. 4 abgeschnitten). b) Musculus eranio-mandibularis pars media nimmt den von der vorigen Portion nicht besetzten Bezirk des Stirnbeins (Taf. 1, Fig. 4) ein, liegt also von ihr unbedeckt frei zutage. Sie ist, nach Ablösung der oberflächlichen Portion sicht- bar als eine schmale platte Lage, die eine Sehne entwickelnd, sich der vorigen Portion von medial anlagert. Ein Nervenstämmchen tritt an seine mediale Seite (Textfig. 16, 5 in Taf. 1, Fig. 4 ab- geschnitten). Nach Ablösung auch dieser Portion erscheint eine tiefe Muskelmasse (Taf. 1, Fig. 4), die sich von der Seitenwand des Schädels zum Unterkiefer erstreckt. Die Abtragung eines Teiles des Parietale und der horizontalen Platte des Frontale ist nötig, um sie ganz zu Gesicht zu bringen. Sie ist sowohl von vorn nach hinten, als von außen nach innen gegliedert. Der 3. Ast des Trigeminus liegt völlig an der lateral-dorsalen Seite der Schicht. Keine ihrer Muskelfasern überschreitet die Grenze des Canalis primordialis, es sei denn gegen das Gelenk hin. Die Lage des 3. Trigeminusastes scheidet die Muskelmasse ferner in einen oralen und oceipitalen Bezirk. Letzterer ist der tiefen Schicht des M. mandibularis externus (s. oben) zwar innig an- gelagert, läßt sich aber von ihr ohne künstliche Trennung glatt absondern. Der gesamte Komplex dieser tiefen Muskulatur wird vom R. ophthalmicus profundus durchsetzt. Dieser Ast sondert einen schmalen Streifen der Muskulatur von dem Rest ab. Der Nerv erscheint dann, unter jenem schmalen Streifen hervor- tretend, vorn und liegt hier frei zutage. Die Ursprünge des gesamten Komplexes liegen am Orbitosphenoid, am knorpeligen Alisphenoid, das Foramen ovale ventral zu fast drei Vierteln umlagernd, end- lich am knorpeligen Teil des Quadratums, und zwar in dem von ihm und dem Paraquadratum gebildeten Winkel. Einen Ur- sprung vom Os pterygoides konnte ich dagegen nicht nachweisen, ebensowenig von der fibrösenMembrana pterygo-maxillaris Die Angaben bei Bronn, daß die 112 W. Lubosch, Pterygoidmuskulatur von Amphiuma „von derunteren Fläche des Os pterygoides“ entspringe, ist daher sicherlich unrichtig. Was den Ursprung des vordersten Teiles dieser Muskulatur vom Orbitosphenoid anlangt, so nimmt ‘er sicherlich vorn die ganze Breite dieser Schädelseitenwand- verknöcherung ein. Durch die eben bereits hervorgehobene Lage desR. ophthalmicus profundus gliedert sich der ganze Komplex nunmehr in zwei Schichten. Die jetzt äußere, schmale, lateral und dorsal von den R. ophthal- micus profundus liegende ist ein tiefer Teil des M. eranio-mandi- bularis. Der mächtige Rest dagegen repräsentiert durch seinen Ursprung, seine Insertion und Innervation einen Pterygoideus. c) Der Musculus eranio-mandibularis (pars profunda) entspringt nach vorwärts vom Foramen ovale dicht unterhalb des Parietale und zieht zum Proc. coronoides, wo sie nach vorn vom Eingang in den Kanal sehnig inseriert. In Fig. 4 der Taf. 1 ist (diese Schicht durchgeschnitten und zurückgeschlagen dargestellt. 3. Musculi pterygoidei (Taf. 1, Fig. 4). Es liegt jetzt der R. ophthalmieus profundus frei und die gesamte tiefste Schicht der Kaumuskulatur. Innerhalb ihrer lassen sich zwei Portionen durch ihre Innervationen leicht auseinander halten. Der orale Teil erstreckt seine Ursprünge bis zu der vertikal stehenden Lamelle des Frontale empor. Er wird von einem Nervenstämmchen versorgt, das außen, lateral um den vorher- genannten tiefen Teil des M. cranio-mandibularis herumläuft (Taf. 1. Fig. 4 sowie Textfig. 16, 6). Dieser vordere, durch seine Inner- vation bereits durch diesen Befund dem Cranio-mandibularis enger zugehörige Teil des Muskels ist ein M. pterygoideus anterior. An sie schließen sich Ursprünge vom Orbitosphenoid (Para- sphenoid?), Alisphenoid und der Gegend des knorpligen Quadratums. Es handelt sich um eine kontinuierliche Ursprungsfläche; die von ihr entstehenden Fleischmassen bilden platte Sehnen, die man wohl künstlich in einzelne Lagen spalten kann, die indes bis zum Ansatz hin eine in natürlichem Zustande zusammenhängende Masse bilden. Diese Teile bilden einen M. pterygoideus posterior. (Er ist in Fig. 4, Taf. 1 nur an der Insertion er- halten. Daß die aus der Innervation (s. weiter unten) folgende Beurteilung des Komplexes als aus zwei Teilen bestehend nicht unberechtigt ist, dafür bietet eine Stütze der Verlauf und die Insertion der Muskeln, die fast genau den bei Siredon, Meno- Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 113 branchus, Proteus und Cryptobranchus beobachteten Verhältnissen entspricht. Die Ansätze nehmen die Gegend um das Kiefergelenk ein, die Strecke zwischen diesem und dem Eingang in den Kanal, endlich die Schleimhautfläche des Gonioarticulare. Hierbei ist zu erkennen, daß, je weiter oral die Muskeln entspringen, desto mehr sie zur Schleimhautfläche gelangen und um- gekehrt, daß sie um so mehr die Ober- und Außenfläche des Articulare gewinnen, jenäher am Gelenk sie ent- springen. Demgemäß finden wir den Pterygoideus anterior mit einer ziemlich selbständigen Sehne ganz schräg nach hinten und innen verlaufen (Textfig. 152). Ihm schließt sich ein Bündel der gelenkwärts zunächst folgenden Fasern des Pterygoideus posterior an (Textfig. 152). Diese inserieren also dicht neben dem Gelenk einwärts am Goniale, nach hinten von der eingangs erwähnten rauhen Linie. Die weiter- hin folgenden Bündel des Ptery- N 5 goideus posterior treten zum Arti- MRS culare (Textfig. 155), so daß die dicht vor dem Gelenk entspringenden Fasern kurz sind und fast senkrecht nach abwärts und außen verlaufen. Hinsichtlich der Innervation ist folgendes festzustellen. Dicht neben den oben beschriebenen R. cranio- Textfig. 15. Amphiuma. In- mandibularis (Vextlig, 16, Tat 1, () und der Pemeada nn Fig. 44a, 45 und 5) entspringen von medial. drei weitere Stämmchen (6 —7, 8,9 — 10,17). Der eine Ast (6) gehört enger dem R. cranio-mandib. medius an; er zieht an seiner medialen Seite und lateral an der tiefen Schicht vorbei zum Pterygoideus anterior. Ein zweites Stämmchen (N. pterygoideus anterior [7o, zz]) senkt sich, ventral um den Stamm des 3. Trigeminusastes herumlaufend, nach hinten in den vor dem Gelenk verlaufenden Teil des M. pteryg. posterior ein. Ein drittes Stämmchen (7, 6, 9) endlich dringt in die Tiefe und tritt unter den Cranio-mandibularis profundus. Dort erfährt es eine reiche Verästelung, und zwar an den zuletzt genannten Muskeln (7) und den vorderen Teil des Pterygoideus (6). Ein einzelnes, enorm feines Ästchen (9), dessen Zusammenhang mit dem Hauptstamm leider an einer Stelle durchriß, zog nach vorwärts, lateral vom Pterygoideus und neben dem R. ophthal- micus profundus gelegen, zu einem kleinen Muskel, der als Jenaische Zeitschrift. Bd. LII. 8 114 W. Lubosch, M. levator bulbi von Norrıs (1908)!) beschrieben worden ist. Er entsprang von der knorpeligen Schädelwand (Nasenkapsel) und zog zum vorderen Teil der Membrana pterygo-maxillaris. Ein Retractor bulbi (NORRIS) war an meinem Präparat nicht vorhanden. 3. Neurologie. Bei Amphiuma tritt der 3. Trigeminusast so zum Unter- kiefer hin, daß er zwischen der mittleren und tiefen Komponente des Cranio-mandibularis gelagert ist. In einiger Entfernung vom Foramen prooticum, etwa in der Mitte zwischen diesem und dem m Textfig. 16. Schema der motorischen Äste des 3. Trigeminusastes von Amphiumla. Von ** ab nach abwärts auf Beobachtung beruhend. Schwarz, grau und rot wie in den bisherigen Schemata. Unterkiefer zerfällt der Stamm in zwei Äste: den N. mandibularis, der die Richtung des Stammes fortsetzt und den Auriculo- temporalis, der nach lateral über das Kiefergelenk hinwegtritt, um sich an der Haut über ihm und längs des Unterkiefers hin zu verästeln. Die motorischen Äste zerfallen in zwei Gruppen: 1. Die Nervi mandibulares externi (zu zweit vorhanden und sich weiter teilend vor dem Eintritt in die Muskulatur). 1) Mediale Portion des Dilatator Choanae (LUTHER). Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 115 2. Die Nervi eranio-mandibulares (zu fünft vorhanden). Die Nervi mandibulares externi verlassen den Nerv auf dem Weg über den seitlichen sensiblen Ast und treten von ihm ab. Sie verlaufen nach außen oceipitalwärts und abwärts. Die Nervi eranio-mandibulares verlassen den Nerven dicht unter seinem Austritt aus dem Foramen ovale. Sie ver- laufen oralwärts, Jateralwärts und medial wärts. 1. Die Nervi mandibulares externi zerfallen in zwei längere feine Stämmchen, die zur oberflächlichen und tiefen Portion des Mandibularis externus hintreten. a) Ramus sublimis (7) zum oberflächlichen Muskelteil. b) Ramus profundus. Er teilt sich in einen absteigenden längeren (5) und einen kürzeren mehr horizontal verlaufenden Ast (2a und 2). Wie schon oben (S. 110) erwähnt, gelangte ein unsicheres Fädchen zur Beobachtung, das ohne Beziehung zu diesen Nerven zu dem Muskel hintrat. Es ist in das Schema der Textfig. 14 nicht eingetragen. 2. Die Nervi eranio-mandibulares treten zwischen die einzelnen Schichten der gleichnamigen Muskulatur. Sie bilden am Beginn des 3. Trigeminusastes ein kurzes gemeinsames Stämmchen, des alsbald in vier bis fünf Ästchen zerfällt. a) Ramus cranio-mandibularis sublimis (4@+45). Dieser verläuft medial vom Musculus cranio-mandibularis sublimis und teilt sich in zwei Ästchen für die beiden Portionen dieser Schicht. Letzterer legt, um zu seinem Eintritt in den Muskel zu gelangen, einen weiten Weg an der Innenseite der hinteren sehnigen Portion zurück. b) Ramus cranio-mandibularis medius verläuft an der me- dialen Seite der mittleren Schicht (5). c) Ramus cranio-mandibularis profundus (7+&+-9). Dieser kürzeste Ast dringt mit zwei kurzen Stämmchen an dem hinteren Rande der tiefen Cranio-mandibularis-Schicht in die Tiefe und ver- breitet sich zwischen ihr und dem Pterygoideus. Beide Muskeln empfangen Ästchen von ihm. Als feiner Nervenfaden verläuft als Ende dieses Stämmchens der Nervus pro musc. levatore bulbi weit nach vorn (9). Die Nn. pterygoidei sind den soeben aufgeführten Koordi- .diniert. Ich führe sie auf als d) Ramus pterygoideus anterior (Textfig. 14 „6“) und e) Ramus pterygoidei posteriores (r7o+7zr). Beide sind oben beschrieben worden. Zahlengröße wie bei den übrigen. 8* 116 W. Lubosch, 8. Zusammenfassung. Die Kaumuskulatur wie sie hier beschrieben worden ist, bietet die auffällige Tatsache dar, daß trotz im ganzen betrachtet großer Einförmigkeit, dennoch zahlreiche Variationen in den Einzelheiten bestehen. Was zunächst die Ursprungsstätten der Muskeln am Schädel anlangt, so sind sie für den Mandibularis. externus und die oberflächlichen Cranio-mandibularis-Schichten ziemlich konstant. Für den Mandibularis externus kommt aus- nahmslos die vordere Facette des Paraquadratum in Betracht, daneben noch Teile der verknöcherten Zone der Labyrinthregion, der benachbarte Rand des Parietale und der Processus post- orbitalis. Der oberflächliche und mittlere Teil des Cranio-mandi- bularis nimmt stets von der Schädeloberfläche seinen Ursprung und zwar vom gesamten Scheitelbein und hinteren Teil des Stirn- beins. Der Ursprung ist durch eine über beide Knochen ver- laufende Crista temporalis nach medial abgegrenzt; zwischen ihr und der Sagittalnaht entspringen oceipitale Bündel des Cranio- mandibularis. Der laterale Rand des Parietale ist für die tiefe Schicht dieses Muskels bestimmt, denen sich solche vom Praefron- tale, auch Frontale (Amphiuma) anschließen. Endlich ist die seitliche Schädelwand ebenfalls das Ursprungsgebiet tiefer Cranio- mandibularis-Schichten und der sich ihnen anschließenden Ptery- goidei. Diese seitliche Region des Schädels gehört dem Primor- dialeranium an; sie kann sehr niedrig sein (Cryptobranchus) oder sehr steil (Siren); dazwischen kommen Übergänge vor. Das Ursprungsgebiet der erwähnten Muskeln dehnt sich hier vom Orbito- sphenoid an nach hinten bis zum Foramen prooticum aus. Dies. wird zu mehr als der Hälfte von unten her umfaßt, worauf der Ursprung weiter auf die knorplige Quadratregion längs des Para- quadratum bis etwa zu ?/, seiner Länge übergeht. Das Os pterygoides kommt als Ursprung der Kaumuskulatur nicht in Betracht. Bei Proteus, Menobranchus und Cryptobranchus entspringen zwar einige Fasern von ihm, doch spielen diese wenigen Bündel in anbetracht der ganzen Muskel- masse keine Rolle. Daß sich dies so verhalten muß, lehrt die Überlegung, daß das Os pterygoides bei den Urodelen ein nur locker am Schädel befestigtes Element ist, also einen wirksamen Ursprung für kräftig wirkende Muskeln nicht liefern kann. Gerade bei Menobranchus und Cryptobranchus ist andererseits ein festerer Anschluß an den Schädel erreicht (bei Menobranchus durch den Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 117 festen Palatopterygoidbogen, bei Cryptobranchus durch Anlagerung des Pterygoids an das Parasphenoid). Hier wird daher die Be- ziehung der Muskeln zu diesem Knochen physiologisch ver- ständlich. Während also das Os pterygoides bei den Urodelen als Ursprungsstätte der Kaumuskulatur vielfach ganz ausscheidet, findet sich das Parasphenoid in einem Falle als Ursprung der Mm. pterygoidei deutlich nachweisbar. (Siren.) Die Insertionen der Kaumuskeln befinden sich am Unter- kiefer von der Gegend des letzten Zähnchens an bis zum Gelenk. Der Mandibularis externus verschmilzt am Ansatz gelegentlich mit dem Cranio-mandibularis. Beide Muskeln nehmen das Dentale in Anspruch. Der Cranio-mandibularis erreicht daneben auch mit seinen oberen Schichten den Processus coronoides des Goniale. Die tiefen Cranio-mandibularis-Schichten und die Mm. pterygoidei inserieren am Articulare oder am unverknöcherten Meckerschen Knorpel, greifen auch seitlich innen auf das Goniale mehr oder weniger weit über. 1. Der Mandibularis externus erscheint bei den untersuchten Formen als eine wohl charakterisierte und selbständige Muskelmasse. Allen Formen gemeinsam ist sein Hauptteil vom Paraquadratum kommend. Er bildet den einzigen Be- standteil des Muskels bei Siredon. Ein zweiter Kopf vom Parietale und Petrosum gesellt sich dazu bei Siren undAmphiuma. Gegen die Tiefe hin gewinnt der Muskel einen Zuwachs bei Siren, wo ein dritter Kopf vom Processus postorbitalis kommt. Meno- branchus verbindet Eigentümlichkeiten der beiden letztgenannten Kategorien, insofern ein zweiter Kopf des Muskels vom Parietale, Petrosum und vom Proc. postorbitalis herkommt. Wir haben also einen einköpfigen Muskel bei Siredon und Proteus, einen zwei- köpfigen bei Menobranchus und Amphiuma. Einen dreiköpfigen Muskel endlich besitzt Siren, doch ist dessen Anordnung, wie ersichtlich leicht auf die von Proteus, Menobranchus und Amphiuma zurückzuführen. Charakterisiert ist der Mandibularis externus durch seine Lage zum sensiblen Teil des 3. Trigeminusastes. Dieser liegt mit seiner gesamten sensiblen Ver- ästelung stets unter ihm, nicht zwischen seinen Ele- menten. Was ventral davon liegt, gehört nicht zu ihm, 118 W. Lubosch, Cranio-mandib. subl. N N Alisphen. R. ophthalm. prof. I Cranio- mand. prof. \ ——- Parasphenoid Wer_ WM ___— Pterygoid \ " _- Dentale ____ Meckelscher Sie Knorpel Chordatymp. Rn Goniale Textfig. 17. Siredon. Cranio-mand. subl.---—— _--— Parietale Cranio-mand. med.- \ Bo Alisphenoid Cranio-mand. N prof. \ . R.ophth. prof. — nn Parasphenoid Cranio- . A a E GEEEEE _--- Pterygoid mand. prof. "79 a EL re Dentale _ Meckelscher 3 Knorpel Brerdabmp ee ET EN Fu Goniale Textfig. 13. Menobranchus. “Frontale Cr.-mand. subl. Alisphenoid _- Parasphenoid __- Pterygoid Textfig. 19. Cryptobranchus. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 119 wird auch stets, direkt oder indirekt, aus anderer Quelle innerviert. Die Innervation des Muskels erfolgt in seiner Hauptportion durch einen Ast bei Proteus (siehe aber $. 81), durch zwei Äste bei allen anderen Formen. Der Cranio- enaNsubl m 0 0 __ Frontale Cranio- 2777 mand. med. en — Alisphenoid Cranio- 9 "M N | mand. prof.\__--——4$ a Den = Parasphenoid R. ophth. prof.-—-7f I-- Pterygoid -——" Dentale -._.._. Meckelscher Knorpel Binordaatymn.: a ET Be Goniale Cranio-mand. medius---— R. ophth. prof. = -7 Pteryg. posterior "” Pteryg. anterior ——7 zweite Kopf (vom Parietale und Petrosum) wird besonders inner- viert bei Siren und Amphiuma. Doppelinnervation eines Kopfes zeigen Siren und Amphiuma. Bei letzterem ist der zweite ober- flächliche, bei Siren der tiefe Kopf der doppelt innervierte. Es 120 W. Lubosch, treten hier bei Siren Nerven aus dem Cranio-mandibularisgebiet in das Mandibularis-externusgebiet über, so daß über die Zu- gehörigkeit der tieferen Muskelbündel Zweifel entstehen können. Funktionell ist der Mandibularis externus der untersuchten Tiere offenbar ein sehr ungleichwertiger Muskel. Er wird bei geöffnetem Maul auf einen Schluß des Maules hinwirken. Hierbei aber arbeitet er unter ungünstigen Verhältnissen, insofern das Paraquadratum mehr oder weniger nach hinten geneigt liegt. Den stärksten Grad dieser Neigung zeigen Menobranchus und Proteus, «en geringsten Cryptobranchus, denn hier liegt der Ursprung des Muskels am Schädel vor dem Kiefergelenk, und es ist klar, daß die im Sinne eines Schlusses der Zahnreihen wirksame Komponente um so kleiner ausfällt, je flacher das Paraquadratum am Schädel steht. Andererseits kommt dem Muskel auch eine Wirkung als Retractor mandibulae zu, die in dem Maße stärker ist, wie die Neigung des Paraquadratums wächst. Bei den Urodelen ist also die adduzierende Wirkung des Mandibularis externus umgekehrt, die retrahierende direkt proportional der Größe des Winkels, den das Para- quadratum mit dem Horizont bildet. Welche Bedeutung dies Schädelmerkmal für den Kau- und Kaugelenkmecha- nismus besitzt, bliebe genauer zu ermitteln. Der 2. Musculus cranio-mandibularis (vgl. die Schemata Fig. 17—21). ist bei den Urodelen ein mehrfach geschichteter Muskel. Die Sonde- rung in einzelne Schichten erfolgt nicht durch derbere Fascienblätter, ist auch nicht immer so, daß die tiefere allein durch das Aufheben einer oberen Portion sichtbar wird. Vielmehr bedarf es meist des Zuges, um die eine Schicht von der anderen abzuheben, wobei indes stumpfe Trennung möglich ist. Zwischen den einzelnen Schichten breiten sich aberdieÄstederNn. cranio-mandibulares aus. Hinsichtlich des Grades der Schichtung lassen sich, ledig- lich die Zahl der Schichten in Betracht ziehend, Zustände von nur zwei Schichten (Siredon) bis zu solchen mit fünf Schichten (Menobranchus) unterscheiden. Hinsichtlich des Wertes und der Vergleichbarkeit aber dieser mannigfachen Schichten gestaltet sich die Sachlage einfacher. Es wird zweckmäßig sein, hierbei auszu- gehen von einer Sonderung des ganzen Komplexes nur in zwei Schichten, einen Cranio-mandibularis sublimis (grau) und profundus (rot). Ein solcher Zustand liegt bei Siredon vor. Alle anderen Formen lassen zwischen der oberen und tiefen Schicht eine mitt- lere Schicht. (schwarz) erkennen, die in näheren Beziehungen zur oberen steht. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 121 Die tiefe Muskelschicht selbst ist nun nicht durchweg übereinstimmend zu beurteilen. Sie kann entweder vom seit- lichen Rande des Parietale und Frontale entspringen oder auch weiter basalwärts gelegene Ursprungspunkte an der Seitenwand des Schädels aufsuchen. Demgemäß ist ihre Lage entweder so, daß sie den Ramus ophthalmicus prof, Nervi trige- minibedeckt oder unter ihm liegt. Letzteres ist der Fall bei Proteus, Amphiuma und Siren, ersteres bei Proteus, Menobranchus und Cryptobranchus. Bei diesen Formen aber ist dann eine weitere, die vierte Muskelschicht vorhanden, die unter dem R. ophthalmieus profundus verläuft. Nach der Lage zum R. ophthalmicus können wir also fol- gende Zustände des Muskels unterscheiden: Keine Schicht unter. zwei über dem Nerven: Siredon. Eine Schicht unter, zwei über dem Nerven: Siren. Eine Schicht unter, drei über dem Nerven: Proteus, Amphiuma, Menobranchus, Cryptobranchus. Wir erkennen also eine steigende Komplikation im Aufbau des Muskels, die dazu führt, seinen Ur- sprung vom Schädeldach auf die Seitenwand des Schädels und von da weiter bis zur Basis hin zu verlegen. Diese Komplikation ist an den Cranio-mandibularis profundus geknüpft, dessen Bündel teilweis oder im ganzen am Schädel in die Tiefe rücken. Halten wir die einzelnen Stadien dieses Prozesses fest, so zeigt I. Siredon, daß die tiefe Lage seines überhaupt nur zwei- schichtigen Temporalis bereits in der Gegend des Foramen prooticum den Übertritt auf die seitliche Schädelwand und unter den R. ophthalmicus zeigt. II. Es zeigen Menobranchus, Amphiuma und Orypto- branchus die tiefste Lage ihres dreischichtigen Muskels reicher gegliedert. Denn nach Wegnahme dieses Muskels liegt eine vierte Schicht da in Verhältnissen, die bei den drei einzelnen Formen untereinander durchaus ähnlich sind. Bei Menobranchus kommt sie vom Orbitosphenoid, Alisphenoid, der Umgebung des Foramen prooticum und dem knorpeligen Quadratum; bei Cryptobranchus fehlt der Ursprung vom Orbitosphenoid. Der Muskel reicht hier nicht so weit nach vorn. Dafür kommen Bündel des darüber- gelegenen Cranio-mandibularis profundus von diesem Knochen. III. Siren zeigt die tiefste Lage des dreischichtigen Mus- kels basalswärts vom R. ophthalmicus, und zwar durch einen 122 W. Lubosch, breiten Zwischenraum von den oberen Schichten getrennt, vom Orbitosphenoid und Parasphenoid herkommend. IV. Eine vermittelnde Stellung nimmt Proteus insofern ein, als nur ein dreischichtiger Muskel vorhanden ist (wie bei Siren). Diese Schicht liegt aber nach außen vom R. ophthalmicus profundus, wie die dritte Schicht von Menobranchus und Cryptobranchus, und nur mit wenig Fasern unter ihm. “ Über die funktionelle Bedeutung dieser Abgliederung einer tiefen Muskelmasse gibt der Verlauf dieser Bündel und ihre Insertion Auf- schluß. Schon die tiefe Lage des zweischichtigen Muskels bei Siredon zeigt die oben mehrfach beschriebene fächerförmige Anordnung. Sie ist für die tiefste Muskelschicht auch bei allen anderen Formen maßgebend. Die Insertion zeigt sodann, daß es sich um solche Teile des Muskels handelt, die an das Articulare zwischen Goniale und Dentale, sowie an die Innenseite des Goniale ge- langen. Nun ist es gewiß auffällig, daß Siredon allein trotz des fächerförmigen Verlaufes den Muskel ausschließlich auf das Arti- culare beschränkt zeigt!). Die Bündel schließen hart nach auswärts vom Goniale ab. Die komplizierteren Muskeln aber greifen mit ihrer tiefsten, unter dem R. ophthalmicus verlaufenden Schicht zugleich ein- wärts aufs Goniale über, und zwar Amphiuma weniger weit als Proteus, Menobranchus und Cryptobranchus, die sich auch hierin gleich ver- halten. Die Chorda tympani verläuft medial von diesen Insertionen. Am weitesten ist die Insertion bei Siren lacertina nach unten ver- lagert, wo sie sich sogar auf die laterale, äußere Fläche des Goniale herumschlägt. Die Chorda tympani wird hierdurch über- lagert. Wir sehen also: 1. daß die Komplikation der Schichtung Hand in Hand geht mit einer Inanspruchnahme des Goniale; 2. daß die freieste, unabhängigste Ausbildung der tiefsten Schicht zu einem Hinabgreifen der Insertion an die untere Kante des Goniale führt, ja über diese noch hinaus. Es steht also die Verlagerung von Ursprung und Ansatz einigermaßen in Zusammenhang und führt zu ge- steigerter Rollung des Unterkiefer. Dies führt zur Bildung einer Pterygoideusmuskulatur. Die Pterygoideusmuskulatur findet sich bei allen Formen in zwei hintereinander geschlossene Portionen ge- sondert. Beide Portionen werden different in dem Maße, in dem die Insertion weiter nach abwärts aufs Goniale tritt. Die occipitale Portion ist dabei die konservative. Sie behält ihre Insertion vor dem Gelenk am Articulare bis zum Processus coronoides hin bei. Die vordere Portion trennt sich von ihr und sucht am Goniale einen tieferen Ansatz. Die Reihe Siredon, Proteus, Menobranchus, Amphiuma, Cryptobranchus zeigt eine Steigerung dieses Zerfalles in zwei hinter- 1) S. oben S. 70 Anmerkung. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 123 einander gelegene Portionen. Bei Siredon ist die Einheitlichkeit deut- lich gewahrt, bei Proteus (s. Textfig. 7) treten die vorderen Bündel schon mit größerer Unabhängigkeit an das Goniale, ohne daß der Zusammenhang mit der oceipitalen Portion aufgegeben ist. Bei Meno- branchus und den anderen Formen ist die Trennung der Portionen vollständig. Somit können wir über das Wesen und die Gliederung der 3. Museuli pterygoidei der Urodelen folgendes zusammenfassend sagen. Die Mm. pterygoidei sind die an dem Articulare und Goniale befestigten tiefsten Cranio-mandibularis-Schichten. In einfachster Form beschränken sie sich auf den MEckeuschen Knorpel, weder das Dentale noch das Goniale beanspruchend). Sie sondern sich aber um so deutlicher vom Cranio-mandibularis, je weiter basalwärts die In- sertion am Unterkiefer hinabtritt. Die orale Portion, die vom Orbitosphenoid kommt, tritt fächerförmig medial neben die oceipitale. Bei Siredon (s. Textfig. 3, p. 70) sind diese zwei Portionen nicht gesondert. Bei Proteus ist eine Sonderung angedeutet, bei anderen Formen vollzogen. Dabei tritt nur der orale Teil mit seiner Sehne auf das Goniale über, in Endzuständen die Chorda tympani überlagernd. Der orale Teil ist hier (Siren) völlig zu einem Ptery- goideus anterior, der occipitale zu einem Pterygoideus posterior geworden. Die Chorda tympani liegt zwischen beiden Muskeln. So sind die beiden Pterygoidei der Urodelen, Sonderungen einer ur- sprünglich einheitlichen, fächerförmig gefalteten Muskel- platte, deren zwei Portionen verschiedene Funktionen auszuüben beginnen. Der Schlüssel zum Verständnis des geschilderten Differenzierungs- vorganges liegt wohl auf funktionellem Gebiet. Es handelt sich um den Einfluß eines Antagonismus der oberen und der tiefen Cranio-mandibularis-Schichten auf die Rollung des Unter- kiefers. Die oberen Cranio-mandibularis-Schichten und der Mandibularis externus inserieren stets lateral vom Articularee Ihre Haupt- leistung ist die Herbeiführung des Mundschlusses. Hierbei werden retrahierende Wirkungen des Mandibularis externus, protrahierende des Cranio-mandibularis möglich erscheinen, wofern man lediglich den Bündelverlauf der Muskeln ins Auge faßt. Prüft man aber die Möglichkeiten einer Bewegung im Gelenk, so erkennt man, daß weder eine irgendwie nennenswerte Vorschiebung oder Zurück- schiebung möglich ist. Ohne dies hier ausführlicher zu erörtern, sei nur bemerkt, daß mit Ausnahme von Siren die untersuchten Amphibien einen Gelenkkopf am Quadratum, eine Gelenkpfanne am Articulare zeigen; bei Siren ist es umgekehrt. Köpfe und Pfannen sind aber nie einfach gewölbte Körper, sondern so gestaltet, daß die Köpfe Ver- tiefungen, die Pfannen Erhebungen zeigen.‘ Eigentlich also bietet 1) Vgl. S.70 Anm. und $. 122 Anm. 124 W. Lubosch, jeder Gelenkteil Köpfe und Pfannen dar, ähnlich wie es für das Quadrato-Articulargelenk der Selachier von GEGENBAUR geschildert worden ist. Will man annähernd eine Vorstellung von den Verhältnissen bekommen, so denke man sich das Ileosacralgelenk der menschlichen Anatomie verkleinert, mit etwas schlaffer Kapsel und mit stärker ausgeprägten aber sanfter vermittelten Niveauverschiedenheiten der Flächen. Die einzige Bewegung, die in solchem Gelenk außer Öffnung und Schließung überhaupt noch ergiebig erfolgen kann, ist die Rollung. Es wäre daher unrichtig, von Protraktoren und Re- traktoren des Unterkiefers bei der Muskelaktion der Urodelen zu reden. Die weit oral und weit oceipital am Schädel entspringenden Bündel der Kaumuskulatur setzen ihre ziehende Wirkung in eine rollende um, etwa so, wie der menschliche M. biceps brachii bei proniertem Arm wirkt, oder so, wie der Biceps femoris die Außenrollung im Kniegelenk unterstützen. Dadurch werden also die Insertionen außen oder innen vom MECKELschen Knorpel maßgebend für den Ablauf der Rotation. Muskeln, die außen inserieren, sind Einwärtsroller; Muskeln, die innen inserieren, sind Auswärtsroller; Muskeln, die genau am Articulare inserieren, sind reine Heber. Bei wenig differenzierten Muskeln, wie sie Siredon zeigt, wird möglicherweise ein Übergewicht der Einwärtsroller vorhanden), aber schwerlich kompensationsbedürftig sein. Jede wesentliche Verstärkung des Cranio-mandibularis muß aber, um das Gleichgewicht beim Kieferschluß zu erhalten, mit einer Entfaltung auch der medialen Muskelmassen verbunden sein; eine Muskulatur kann bei stärkerer Entfaltung ohne die andere nicht gut gedacht werden. Beide Muskelgruppen sind Anta- gonisten in der Rollung. Sie sind Synergisten beim Kieferschluß, wobei die Rollungen sich ausgleichen. Es ist nun aber wohl zu beachten, daß die Darstellung die hier von der Differenzierung des Cranio-mandibularis gegeben worden ist, zunächst nur der Würdigung der Befunde innerhalb der Urodelen dienen soll. Dagegen soll über die phyletische Stellung der Schichten zueinander und ihr phyletisches Alter der späteren Erörterung nicht präjudiziert sein. Eine andere Frage ist es, ob die erwähnten Muskeln auch als Antagonisten wirksam werden. Dies möchte ich bejahen, schon mit Rücksicht auf die anatomische Einrichtung der Muskeln, ganz ab- gesehen davon, daß Seitenbewegungen beim Kauen der Uro- S. p. 70 Anm. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 125 delen und Amphibien beobachtet worden sind. Es geht aus der Anordnung der Muskulatur nun mit Sicherheit hervor, daß diese Tiere den Unterkiefer um seine Längsachse drehen können, und zwar desto ergiebiger, je weiter die Muskeln außen am Dentale oder innen am Goniale hinabgreifen. Daraus ergibt sich, daß sie ihre Zahnreihen aneinander vorbeiführen, die Spitzen der Zähnchen also wie Scheren gebrauchen können. Es ist die vordere und mittlere Portion des tiefsten Cranio- mandibularis, der die Aufgabe zufällt, den Unterkiefer nach auswärts zu rollen. Aufs höchste Maß gesteigert liegt dies bei Siren vor, wo sich unter dem Einfluß dieser Leistung der Pterygoideus anterior völlig selbständig ausgebildet hat. Den oceipitalen Bündeln fällt eine vermittelnde Rolle nach beiden Seiten hin zu. Sie stellen jedenfalls den kräftigsten reinen Heber des Unter- kiefers dar. Sie können aber nach innen aufs Goniale und nach außen aufs Dentale übergreifen und so die Rotationswirkungen der anderen Muskeln unterstützen. Die allgemeineren Ergebnisse, die sich durch die Unter- suchung der Nerven gewinnen lassen, werden später im ver- gleichenden Teil erörtert werden. Dagegen will ich ihrer großen Wichtigkeit wegen hier die Muskeln nochmals zusammenstellen, die für spätere Vergleichung der Kaumuskeln der Amphibien mit denen der Fische in Betracht kommen werden. Es sind solche Muskeln beobachtet worden bei Siren, Amphiuma und Cryptobranchus, und zwar folgende. 1. Siren lacertina: a) M. levator bulbi (Norrıs [1913], zc%), b) M. retractor bulbi (WıLvdeEr [1891], Norrıs [1913], ich), c) sehnig umgebildeter (ich) M. adductor maxillae supe- rioris (VAILLANT [1838]); 2 Eryptobranechus: a) M. tensor membranae pterygo-maxillaris (ich 1913 „Levator arcus palatini“), b) M. pterygo-maxillaris (ich 1913 „Adductor maxillae‘); 3. Amphiuma: a) Levator bulbi (Norrıs [1908, 1913], ich 1913), b) Retractor bulbi (NORRIS). 1) Dilatator choanae LuTser 1914. 126 W. Lubosch, In meiner ersten Darstellung im vorigen Jahre waren mir die Angaben von NorRIS (1908) und WILDER (1891) entgangen, so daß ich die von mir für Cryptobranchus und Amphiuma be- schriebenen Muskeln als bisher nicht bekannt anführte. Die Mus- keln wurden sämtlich vom 3. Ast des Trigeminus versorgt, und es läßt sich trotz aller darüber geäußerten Ansichten mit Sicher- heit vorab weder sagen, wie sie untereinander zu homologisieren sind, noch auf welche Muskeln der Fische sie zu beziehen sein werden. Daß sie Reduktionsprodukte derjenigen Muskeln sind, die bei Fischen den Palatoquadratbogen und seine Knochen bewegen, scheint ja wohl sicher. Die gegenwärtige Auffassung (vor allem VErsLuyYs 1912)') erblickt in diesen Muskeln Ab- kömmlinge des Levator arcus pterygo-palatini (suspensorii) der Fische?). Weiterhin wird aber dann (VEersLuys 1898 und 1912) auch die Entstehung der Heber des Pterygoids bei kinetischen Sauropsidenschädeln auf dieselbe Quelle zurückgeführt. Über diese letztere Annahme s. weiter unten S. 170ff. Bei der Beurteilung der Homologien dieser kleinen Amphibienmuskeln scheint mir aber noch eine Möglichkeit der Berücksichtigung wert. Auch der Adductor suspensorii der Teleostier wird in höherem Maße vom Trigeminus innerviert, als man annimmt. VETTER (1878) hatte ihn ins Gebiet des Facialis gewiesen; doch braucht bei den verwickelten Verschiebungen im Trigeminus-Facialis-Komplex der Teleostier selbst diese Innervation nicht absolut gegen eine Homologie zu sprechen. Anuren. So einfach die Beschreibung der Kaumuskeln bei Anuren an und für sich ist, so schwierig ist die richtige Beurteilung ihrer einzelnen Komponenten, wenn man sie mit denen der Urodelen vergleichen will. Unsere Kenntnisse stützen sich vorzugsweise auf die Schilderung der Kaumuskeln beim Frosch, wie sie von GAUuUPP gegeben worden ist. Hiernach wären vier Kaumuskeln zu unterscheiden: Ein „Masseter“, ein zweiköpfiger „Temporalis‘, ein 1) Auch LuTHErR 1914. 2) LUTHER, gestützt auf seine schöne Entdeckung eines Levator quadrati bei Gymnophyonen, und seine Forschungen über die Entstehung des Levator bulbi bei Salamandriden und Anuren gibt in seiner neuesten Schrift eine Zusammenstellung der Gründe, die für diese Homologie sprechen. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 127 „Pterygoideus“ und ein in seinem Wesen nicht klarer „Masseter minor“. Diese Muskeln liegen hinter der Orbita, entspringen am hinteren Teil des Schädels und begeben sich nach lateral und medial vom MECcKELSchen Knorpel und zwar so, daß die beiden ‚„Masseteren“ außen (lateral), der „Temporalis“ und „Pterygoideus“ innen (medial) vom MECcKELschen Knorpel inserieren. Sehr auf- fällig ist das Verhalten der Nerven. Der 3. Ast des Trige- minus liegt ganz oberflächlich unter dem Masseter. Auch sind nicht, wie bei Urodelen, lange motorische Nervenfäden vorhanden, die man am Stamm entlang verfolgen kann, sondern kurze Stämmchen, die an verschiedenen Stellen des Stammes abgehen und keine Möglichkeit geben, ihre gegenseitige Zugehörigkeit festzustellen. Um dem Leser dieser Abhandlung ein Bild der Muskulatur zu geben und ihm die Fragen, die sich dabei erheben, zu- nächst verständlich zu machen, schildere ich die Muskulatur, wie ich sie an zwei Köpfen erwachsener, aber kleiner Exemplare von Rana mugiens gefunden habe. In den Hauptpunkten habe ich sie entsprechend der erwähnten Schilderung von GAUPP angetroffen. Ich gebrauche bei der Beschreibung indes gleich die von mir bisher angewendeten Namen für die einzelnen Muskelkomponenten (s. Synonymentabelle auf p. 66). 1. Rana mugiens. (Vgl. hierzu Tafel 4, Fig. 15 u. 16a, 2.) Osteologische Vorbemerkung. Der Ursprung der gesamten Kaumuskulatur liegt am hinteren Teil des Schädels. Der vordere Teil des Schädeldaches, der bei den Urodelen Sitz der Ursprünge des Cranio-mandibulariskomplexes ist, ist hier frei von Muskeln. Die Ursprünge der Muskeln beschreiben zwei Halbmonde, die nebeneinander gelagert ein gemeinsames Horn am Proc. zygomaticus des Tympanicum besitzen. Beide Halbmonde kehren ihre Konkavität nach vorn. Medial erstreckt sich ein halbmond- förmiges Ursprungsgebiet vom Parieto-Frontale zur Cartilago prootico- oceipitalis und bis auf den horizontalen Schenkel des Tympanicum, dem es bis zur Spitze des Proc. zygomaticus folgt. Der zweite Halbmond beginnt hier und folgt dem Tympanicum abwärts bis zum Gelenk- höcker des Quadratums. 1. Myologie. Die Einteilung der Kaumuskeln macht bei Rana besondere Schwierigkeiten, da die Lage des 3. Trigeminusastes scheinbar von der abweicht, wie sie bei allen Urodelen und Reptilien ge- funden wird. Nur am Austritt aus dem Schädel liegt der Nerv 128 W. Lubosch, eine kurze Strecke in derjenigen Lage, die für die anderen Formen charakteristisch ist: d. h. zwischen Temporalis und Pterygoideus oder, wie diese Muskeln hier genannt sein sollen: Cranio- mandibularis und Pterygoideus anterior. Weiterhin ge- winnt er eine oberflächliche Lage unter dem „Masseter“ (=Mandibularis externus). Was diesen letzteren Muskel anbelangt, so beschreibe ich ihn ganz ähnlich, wie es GAUPP getan hat. l. Musculus mandibularis externus (Tafel 4, Fig. 15). Dieser Muskel entspringt von der Innenfläche des Processus zygomaticus des Tympanicums und „von der Innenfläche des vor- deren unteren Quadranten des Annulus tympanicus“ (GAUPP). Letztere Angabe wird durch den Befund der Rana mugiens- Muskulatur bestätigt. Der Muskel stellt eine sehr dünne Lage dar, deren Gestalt unregelmäßig rhombisch ist. Die hinteren Fasern vom Annulus laufen schräg nach vorn, die mittleren mehr senkrecht nach abwärts, die vordersten ein wenig nach hinten. Die Insertion findet am Goniale außen am Unterkiefer statt. Schlägt man diesen dünnen Muskel zurück (wie in Fig. 15 ge- schehen), so liegt unmittelbar der 3. Ast des Trigeminus zutage; von seinem vorderen und lateralen Umfang treten zwei Nervi mandibulares externi von unten her in den Muskel ein (l. c. und Textfig. 22 5, 42). Der distale bleibt allein in ihm, der proxi- male gabelt sich und gibt ein Ästchen in den darunter gelegenen Muskel ab. Unter diesem Muskel liegen nun zwei Muskeln, die von (saupp als „Masseter minor“ und als „kurzer, breiter Kopf des Temporalis“ bezeichnet werden. Da sie nicht nur bei Rana, son- dern auch bei den übrigen untersuchten Anuren stets selbst- ständige Nerven empfangen, habe ich sie als besondere Muskeln aufgefaßt und ihnen auch besondere Bezeichnungen ge- geben. Vorbehaltlich späterer Begründung fasse ich sie auf als besondere Portionen eines auch bei Urodelen vorhanden Ptery- goideus posterior. 2. Musculus pterygoideus posterior. a) Portio articularis entspringt vom Gelenkteil des Quadratums und füllt, wie GAUPP zutreffend beschreibt, als kräftiger dreieckiger Muskel den Raum vor dem Kiefergelenk aus. Er inseriert gelenkwärts vom Mas- Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 129 seter am Goniale bis seitlich vom Gelenk hin, während er medial auf den MeckeEschen Knorpel übergreift. Dieser Übertritt auf den MECcKELschen Knorpel wird bei. GAuUPpP nicht angegeben. Abgebildet ist er auf Fig. 19b der Tafel 4. Der Muskel emp- fängt einen besonderen Nervenast, der sich von der oceipitalen Kante des Trigeminusastes ablöst und von lateral her in den Muskel eintritt (l. c. 6). b) Portio tympanica. Der Muskel entspringt getrennt von der vorigen Portion, zum Teil vom Annulus tympanicus, zum Teil vom Tympanicum. Er tritt medial neben den vorigen, divergiert dann von ihm und inseriert medial vom MEcKELschen Knorpel am Goniale, bis hinab an den Rand des Unterkiefers, greift aber auch auf den MECKEL- schen Knorpel selbst über (Fig. 16b, Taf. 4), was in den bisherigen Beschreibungen nicht zum Ausdruck gelangt ist. Nur die obere Fläche des MEcKELschen Knorpels bleibt also von Muskelansätzen frei. Auch dieser Muskel empfängt einen besonderen, und zwar ziemlich kräftigen Nerven, der sich ebenfalls vom oceipitalen Rande des Hauptstammes ablöst und von lateral her in den (l. ec. 5) Muskel eintritt. 3. Musculus eranio-mandibularis (Taf. 4, Fig. 15). Dieser Muskel, in der Literatur bisher als „Temporalis‘“ bezeichnet, besitzt bei Rana mugiens, aber auch bei den anderen von mir untersuchten Anuren zwei Schichten, von denen nur die oberflächliche in der Literatur besonders unterschieden wird. Die tiefe ist unbekannt geblieben oder ist zu einem anderen Muskel gerechnet worden. a) M. eranio-mandibularis sublimis. Er entspringt vom Prooticum und der Synchondrosis prootico-oceipitalis und zieht unter dem Jochbogen hinweg zum Unterkiefer. b) M. cranio-mandibularis profundus (fehlt bei allen Autoren. Er wird von dem oberflächlichen völlig zugedeckt, entspringt vom vorderen Teil des Prooticums und dem queren Schenkel des Tympanicums und schaut unter der ersteren ein wenig oceipitalwärts hervor. Er schließt sich räumlich innig an die schon beschriebene Pars tympanica des Pterygoideus posterior an, so daß es begreiflich ist, wenn diese Pars tympanica als Teil des „Temporalis“ betrachtet wurde. Gleichwohl scheidet die Innervation beide Bestandteile. Denn die beiden Portionen Jenaische Zeitschrift. Bd, LIII. ie) 130 W. Lubosch, des Cranio-mandibularis werden aus einer ganz anderen Quelle, und zwar aus einem und demselben selbstständigen Nerven in- nerviert, der sich vom vorderen Umfang des dritten Trigeminus- astes ablöst an der Stelle, wo er zwischen Pterygoideus anterior und Cranio-mandibularis hindurchtritt (l. ec. 1). Die Insertion beider Portionen erfolgt gemeinsam am Proc. coronoides des Goniale. 4. Musculus pterygoideus anterior. Dieser Muskel entspringt am hinteren Bezirk des Parieto- Frontale aus einer dellenartigen Vertiefung, die gegen den Ursprung des Cranio-mandibularis einen deutlichen Wall auf- weist. Ich habe den Übertritt des Ursprungs auf das Prooti- cum und auf die vordere Begrenzung des Foramen ovale (GAuPP) bei meinen Präparaten nicht mit Sicherheit feststellen können. Der Muskel entwickelt eine lange schlanke Sehne, die an die Innenseite der gesamten Kaumuskulatur gelangt und sich an dem inneren, unteren Winkel des Goniale befestigt. Abgesehen vom Mandibularis externus bieten die übrigen Kaumuskeln eine fächerförmige Anordnung dar, indem die Pars articularis des Pterygoideus posterior kulissenartig die Pars tym- panica desselben Muskels, diese den Cranio-mandibularis, dieser ‚den Pterygoideus anterior in gleicher Weise überlagert. Hieraus ergibt sich für die Insertion am Unterkiefer die Reihenfolge der Insertionen, die von lateral nach medial hin angeordnet sind und deren Details ich oben geschildert habe. Zu vergleichen ist die Fig. 16 der Taf. 4. 3. Neurologie (Textfig. 22). Die beiden aus dem „Ganglion commune“ (GAUPP) aus- tretenden und nach abwärts ziehenden Nn. maxillaris superior und maxillaris inferior liegen zwischen Cranio-mandibularis und Pterygoideus anterior dicht nebeneinander. Sie trennen sich am vorderen Rande des Cranio-mandibularis voneinander und es folgt nun der R. maxillaris inferior seinem Wege über den Cranio- mandibularis hinweg und zwischen M. mandibularis externus und Pterygoideus posterior zum Unterkiefer, den er außen umgreift. Die Abgabe der motorischen Äste vollzieht sich in höchst einfacher Form. Von der Bildung größerer Nervenstämme ist nicht die Rede. Zwischen dem Cranio-mandibularis und Ptery- goideus entspringen nebeneinander zwei Äste. 1. Ramus cranio-mandibularis (Textfig. 22, ‚1%. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 131 2. Ramus pterygoideus anterior (Textfig. 22, 2“). Der erste der beiden Äste verläßt den Stamm deut- lich an seinem vorderen Um- fang. Er tritt von innen und vorn in zwei Äste gegabelt zwischen die beiden Schich- ten des Cranio-mandibularis ein und verästelt sich an sie. Der Ast zum Pterygoideus anterior tritt von der oralen Kante des Nervenstammes ab und geht als kurzer, kräf- tiger Ast in den Muskel von außen her (vgl. Taf.4, Fig. 15). Die weiteren Äste wer- den erst weit entfernt von dieser ersten Gruppe ab- gegeben, und zwar dort, wo der Stamm zwischen Mandi- bularis externus und Ptery- goideus posterior liegt. Es sind dies vier Äste. d., 4a und 5. Rami mandibulares externi. 5. Ramus pterygoideus posterior superior. 6. Ramus pterygoideus posterior inferior. Von den zwei Rami mandibulares externi geht der eine direkt in den M. mandibularis externus (37). Der andere (4@ + 4b) zerfällt in zwei Zweige. Einer von diesen geht unter erneuter Gabelung Fig. 22. Schema des rechten Trigemi- nus mit den motorischen Ästen von Rana mugiens. in den Mandibularis externus, der andere zieht über den 3. Trige- minusast hinweg zur Portiotympanica des Pterygoideus posterior!). — 1) In Taf. 4, Fig. 15 ist dieser Ast 45 schematisch nicht über den 3. Trigeminusasthin weggeführt, sondern vorihm direkt in Muskel eintretend. 9* 132 W. Lubosch, Beide Pterygoideusportionen empfangen sodann je einen der oben genannten (5, 6) Äste, die deutlich von der oceipitalen Kante des Nerven abgehen, ja sogar mehr von seiner Hinterfläche zu kommen scheinen. Außer mit den Angaben von GAuPpP steht diese meine Be- schreibung der Innervation auch mit denen älterer Autoren (FISCHER [Bufo palmarum, Hyla, Rana, 1843], VOLKMAnN [Rana, 1838] und DE WATTEVILLE [Rana esculenta, 1875]) im Einklang. Allgemein wird festgestellt, daß die beiden von mir als R. cranio-mandibularis und R. pterygoideus anterior (zu. 2 Textfig. 22) bezeichneten Äste an dieser Stelle abgehen. Sie scheinen auch vereinigten Ursprunges beobachtet worden zu sein. In einem meiner beiden Präparate traten sie in der Tat nicht gesondert vom Stamm ab, sondern zu einem kurzen dicken Stämmchen vereinigt, das an der Vorderseite des R. maxillaris inferior entstand. So habe ich es im obigen Schema wiedergegeben. Im Anschluß daran beschreibe ich sogleich kurz die Ver- hältnisse der Kaumuskeln bei Hyla; ich konnte von einer nicht näher bestimmbaren Spezies fünf Exemplare unter dem Präparier- mikroskop untersuchen. 2. Hyla spec.? Abweichend verhält sich hier die Lage des 3. Trigeminus- astes zur Muskulatur. Bei allen Exemplaren läuft der Ramus tertius, nachdem er zwischen Pterygoideus anterior und Cranio- mandibularis hindurchgetreten ist, am vorderen Rande des M. mandi- bularis externus nach abwärts, um dann, ihm außen aufgelagert, seinen hinteren Rand zu gewinnen, längs dessen er seitlich über den Unterkiefer tritt). Auch die Verteilung der motorischen Äste weicht von der bei Rana einigermaßen ab, insofern zwar der Ast zur Pars articularis des M. pterygoideus posterior („6“) auch hier isoliert besteht, jedoch die Pars tympanica gemeinsam mit dem Mandibularis externus nur einen starken, sich mehrfach gabelnden 1) Luruer (1914) findet ebenso bei Hyla keinen Muskel über dem Nervenstamm. Der medial vom Nervenstamm liegende Mandibularis externus wäre nach LUTHERS Auffassung ein besonderer Mukel — Adductor mandibulae subexternus. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 133 Ast empfängt. Es sind also hier die in obigem Schema mit „45 und 5“ bezeichneten Nerven vereinigt. 3. Neue Fragenstellungen. Betrachten wir die hier geschilderten Verhältnisse, so finden wir in drei auffälligen Besonderheiten Probleme, die zu weiterer Forschung auffordern. Zunächst die Lage des 3. Trigeminusastes selbst. Schon Gaupp bemerkt (Anatomie des Frosches Bd. II, p. 140), daß der N. mandibularis zwar ein einfaches, aber sicherlich kein primi- tives Verhalten zeige; dies wird nun auch durch das Verhältnis zur Muskulatur begründet. Und zwar ist es der als „Cranio- mandibularis“ („Temporalis“ auctorum) bezeichnete Komplex, der sich scheinbar in abweichender Lage zu dem Nerven befindet, wenn wir die Verhältnisse der Urodelen [und Reptilien] hierin als Norm auffassen. Man könnte so auf den Gedanken kommen, in dem vermeintlichen „Temporalis“ ein zum Pterygoideus- komplex gehöriges Element der Muskulatur zu erblicken und zu vermuten, daß bei den Anuren eine völlige Reduktion des Cranio-mandibularis eingetreten sei. Dagegen ist aber zu berück- sichtigen, daß ja die Lage des Nerven dicht unter dem „Masseter“ (M. mandibularis externus) und auf dem „Temporalis“ (M. cranio- mandibularis) die Folge seines larvalen Verlaufes ist und als solche natürlich aus den besonderen Bedingungen der larvalen Topographie zu erklären sein wird. Wird dieses larvale Verhältnis als das eigentlich Erklärungsbedürftige angesehen, so scheidet die Frage nach der Ursache des Nervenverlaufs beim erwachsenen Tier zunächst aus, um so mehr, als der Durchtritt des proximalen Teils des Nerven zwischen Pterygoideus [anterior] und Cranio- mandibularis stattfindet, also in einer Lage, die dem Verhalten bei Urodelen entspricht. Mehr als die Lage des Nerven fesseln zwei Besonderheiten der Muskulatur selbst. Zunächst ist es die Bedeutung der beiden, oben als Teile eines Pterygoideus posterior beschriebenen Muskel- komponenten, die der Kontroverse unterliegt. Der als „Gelenk- portion“ beschriebene Teil ist in seiner Selbständigkeit, wenn auch mit verschiedenen Namen bezeichnet, seit langem anerkannt; die Portio tympanica dagegen ist bisher als selbständiger Muskel nicht angesehen worden!). Hier entsteht also zunächst die Auf- 1) LUTHER ist wie ich dazu gelangt, die Selbständigkeit dieser Portion zu erkennen. 134 W. Lubosch, gabe, zu prüfen, ob die bei Rana mugiens festgestellte selbständige Innervation beider Komponenten auch sonst vorkommt. Sodann ist festzustellen, ob die Innervation bei anderen Anuren etwa klarer ist und für die Einordnung der beiden Muskeln in das System der Kaumuskeln brauchbare Merkmale liefert. Die zweite schwierige Sachlage ist durch die Topographie des Pterygoideus anterior gegeben. Die Literatur bezeichnet ihn ohne diesen Zusatz schlechthin als Pterygoideus. Durch die nähere Bezeich- nung „Pterygoideus anterior“, die ich ihm gegeben habe, soll seine Homologie mit den gleichnamigen Gebilden der Urodelen aus- gedrückt werden, mit denen allein er ja seiner Lage nach zu- nächst verglichen werden kann. Diese Muskulatur fanden wir jedoch bei Urodelen stets von „Temporalis-“ (i. e. Oranio-mandi- bularis-) Schichten überlagert, während hier der „Temporalis“ — zwar auch zweischichtig — aber occipitalwärts vom Pterygoideus angetroffen wird. Lassen sich — diese Frage erhebt sich — bei anderen Anuren Zustände finden, aus denen das Verhältnis zwischen beiden Muskelkomponenten klarer, als beim Frosch, hervorgeht? Liefert insbesondere die Innervation einen Anhalt für die Beurteilung der fraglichen Muskeln ? Wie wir sehen, kommt es darauf an, zu untersuchen, erstens, ob der Verästelungsmodus der motorischen Trigeminus- äste bei allen Anuren so unklar ist, wie beim Frosch, oder ob anderswo längere, zusammenhängende Nervenstämme existieren — zweitens, ob bei anderen Anuren die Kaumuskeln selbst eine andere, etwa stärkere Ausbildung aufweisen. Ich hatte mein Augenmerk daher auf Pipa, Dactylethra und Ceratophrys gerichtet. Leider war es mir unmöglich, Pipa zur Untersuchung zu erhalten; andererseits habe ich aber durch einen günstigen Zufall in einer südamerikanischen Kröte (Bufo granulosus Spix) ein Untersuchungsobjekt gefunden, das bereits in einem wesent- ichen Punkte von Rana abweicht. So glaube ich, den Aufbau der Anurenmuskulatur in ihren Grundzügen verständlich machen zu können, wenn ich die Verhältnisse von Bufo granulosus, Dactylethra und Ceratophrys schildere. 4. Bufo granulosus (Spix). (Vgl. Taf. 4, Fig. 17, 18,19.) Osteologie. (Fig. 18). Schon am knöchernen Schädel finden sich mehrere interessante Besonderheiten. Das Tympanicum wird durch einen seitlichen Fort- Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 155 satz das Parieto-frontale überlagert, so daß von seinen beiden Fort- sätzen nur der ocecipitale zutage tritt. Ein Stiel des Tympanicums existiert hier nicht, vielmehr eine sehr breite, vertikale Platte, der sich durch eine lange Naht das Quadrato-jugale anschließt. Das Parieto- frontale bildet eine breite seitliche Überdachung der Orbitae und läßt demnach eine horizontale und vertikale Platte erkennen. Letztere lagert sich dem Cranium auf und grenzt an den unverknöcherten Teil der otischen Region des Schädels. Durch diesen festen Anschluß des Tympanicums an das Schädeldach ist ein stegocrotapher Typus des Amphibienschädels entstanden. 2. Myologie. Die Abweichungen von Rana beziehen sich auf die Ur- sprünge der Muskeln, insofern der Mandibularis externus nicht vom Annulus tympanicus entspringt, sondern von der gesamten Innenfläche der vertikalen Platte dieses Knochens (Taf. 4, Fig. 19), sowie vom sehr kräftigen Annulus perioorbitalis. Der Masse nach ist dieser Muskel relativ schwächer als bei Rana. Er be- deckt die beiden Portionen des Pterygoideus posterior gar nicht. Abweichend im Ursprung verhalten sich ferner der Cranio- mandibularis und Pterygoideus anterior. Beide entspringen (Fig. 18) von der Innenfläche des Parieto-Frontale, und zwar der Cranio- mandibularis mit zwei kräftigen, deutlich voneinander gesonderten Portionen von dem horizontalen Dach der Orbita, der Pterygoideus anterior von der senkrecht gestellten Platte. Im Gegensatz zu Rana und Hyla ist der Pterygoideus anterior ein sehr deutlich dreifach geschichteter Muskel. Nur die laterale d. h. oberste Schicht entwickelt eine lange, platte Sehne, an die die beiden medialen Schichten weiter gegen das Kiefergelenk hin Anschluß gewinnen (Fig. 17). Es ist ferner bemerkenswert, daß der Cranio-mandibularis den Ptery- goideus sehr viel mehr zudeckt, als es beim Frosch der Fall gewesen war (in Fig. 17 umgeklappt). 3. Innervation (Textfig. 23). Während bei Rana der 3. Ast des Trigeminus dicht unter dem Mandibularis externus, bei Hyla subeutan auf diesem Muskel verläuft, tritt er bei der hier untersuchten Bufoart durch den Cranio-mandibularis hindurch. Man sieht also, daß konstant nur die Lage der ersten Verlaufsstrecke ist (zwischen Cranio-mandi- bularis und Pterygoideus anterior), daß aber die zweite Verlaufs- strecke von da bis zum Unterkiefer bei den Anuren in wechselnder 136 W. Lubosch, Textfig. 23. Schema des rechten 2. u. 3. Astes des Trigeminus mit den moto- rischen Ästen von Bufo granulosus Spix. Schwarz: Ast zum Mandibularis exter- nus; grau: Äste zum Üranio - mandi- bularis; rot: Äste zu den Pterygoidei. Die Nerven so weit fett ausgezeichnet, wie sie außerhalb des Stammes lagen. Punktiert: der wahrscheinliche Verlauf am Stamme (nicht beobachtet!). Tiefe stattfindet. Die moto- rischen Äste unterscheiden sich zunächst dadurch von denen beim Frosche, daß un- mittelbar hinter dem Foramen prooticum, bevor der Stamm zwischen die Kaumuskeln tritt, ein kräftiger Ast den Stamm verläßt (Textfig.23 „z* und Taf. 4 Biere Zweigen für den Cranio-man- dibularis („z 5“) und Ptery- goideus anterior („z a“). Der erstgenannte Asttritt zwischen die beiden Portionen des Muskel sein, der Rest (72) zieht ventral um den Stamm herum nach vorn und verläuft über die ganze Breite des Pterygoideus an- terior bis zu seinem vorderen Rand; hier schlingt er sich um den Rand herum und verläuft rückläufig zwischen oberer und mittlerer Schicht des Muskels. Er gibt zwei Äste ab: den ersten während seines Verlaufes über die laterale Fläche des Muskels, den zweiten an seiner Um- biegungsstelle um den freien Rand. Jener durchbohrt den Pterygoideus, um in die mittlere Portion zu dringen; dieser innerviert die tiefste Portion. Wichtig ist hierbei also die Tatsache, daß ein ven- tral verlaufender Ast zur Pterygoidmuskulatur bei ei- nem Anuren nachgewiesen u Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 137 ist, und zwar, genau wie bei den Urodelen, kein selbständiger Nerv, sondern ein Ast, gleichsam ein ventraler Ramus ptery- goideus anterior aus einem N. cranio-mandibularis. Je einen selbst- ständigen Nerven empfangen: 1. Die beiden Portionen des Pterygoideus posterior; 2. die durch den sensiblen Hauptstamm abgetrennte Lage des Cranio-mandibularis; 3. der M. mandibularis externus. Die Portio tympanica (Taf. 4, Fig. 17 und Textfig. 23 „2*) empfängt einen kräftigen, mehrfach sich gabelnden Nerven; die Portio articularis desgleichen einen kurzen dicken Ast (Textfig. 23 „3"). Beide Nerven verlassen den Hauptstamm an seinem oceipitalen Rande in einiger Entfernung voneivander. Der Ast zur Gelenk- portion kann noch eine Strecke weit am Stamm zentripetal ver- folgt werden. Von der vorderen, oralen Kante tritt der Ast zum Mandi- bularis externus (5) und zu der oberflächlichen abgespaltenen cranio-mandibularen Portion (4). 5. Dactylethra capensis (Textfig. 25). Zeigte schon das System der motorischen Nerven von Bufo granulosus eine größere Neigung zur Bildung längerer motorischer Nervenfäden, so war dies in höherem Maße und teil- weise überraschend der Fall bei der Kaumuskulatur von Dacty- lethra. Ich stelle die Kaumuskulatur in den Textfiguren 24 und 25 dar, die verglichen mit den Fig. 17, 20 und 21 der Tafeln 4 u.5 eine Vorstellung von der fraglichen Muskulatur geben werden. 1. Myologie. 1. Mandibularis externus. Dieser Muskel liegt hier ähnlich wie bei Hyla (s. oben) völlig unter dem N. maxillaris inferior. Er stellt eine dünne, vom Annulus tympanicus und vom Os tympanicum kommende Muskellage dar. Innerviert wird sie von medialwärts her; d. h. es muß der Muskel zurück- geschlagen werden, wenn die Nerven, die zu ihm gehen, sichtbar gemacht werden sollen. Man sieht dann zunächst einen schwachen Nerven, der allein für diesen Muskel bestimmt ist (Textfig. 25 7). Sodann tritt noch ein zweiter Ast in ihn hinein, der von einem anderen, sehr kräftigen Nerven (Textfig. 252) herstammt aber im Schema der Textfig. 25 nicht angedeutet ist. 138 W. Lubosch, 2. M. pterygoideus a) Pars articularis. Im Ver- halten dieses Muskels liegt eine Abweichung von dem sonst be- obachteten Verhalten. Es liegt nämlich dieser Muskel nicht als eine kegelförmige Portion etwa wie in den Abbildungen 15, 17 und 19 der Taf. 4, vor, entspringt auch nicht vom Gelenkteil des Quadratums, sondern nimmt, bedeckt vom Mandibularis externus ebenfalls seinen Ursprung vom Os tympanicum. Dies ist sehr interessant, weil ein anscheinend homologer Muskel bei Lacertiliern und Krokodilen in ganz ähn- licher Lage gefunden wird. Er inseriert dicht einwärts vom Mandibularis externus. Trägt man diesen Muskel ab, so liegt eine weitere, außerordentlich dicke und kräftige Muskelmasse vor, die b) die eigentliche Pars tympanica des Pterygoideus posterior darstellt. Ihr Ursprung nimmt die ganze, sehr breite untere Fläche ‚des Os tympanicum, sowie wahrscheinlich auch des Prooticum ein. Ganz ähnlich, wie in Fig. 15, 17 und 19 der Taf. 4 dargestellt, begaben sich zwei Nerven zu diesen beiden Portionen hin, die in der Textfig. 25 mit „2“ und „5“ bezeichnet sind. Der Nerv „2“ gibt zunächst den schon oben erwähnten Ast zum Mandibu- laris externus ab und tritt dann unter reichlicher Auffaserung (es ließen sich zwei Äste feststellen, deren einer in weitere fünf Ästehen zerfiel) in die Pars artieularis. Der andere Nerv (5), von sehr kräftigem Kaliber, zieht im Bogen über diese Portion hinweg, gibt ihr aber keinen Ast ab und tritt ausschließlich unter reichlichem Zerfall, in die Pars tympanica hinein. 3. Sehr auffällig ist die Anordnung des M. eranio-man- dibularis. Er ist in der Textfig. 24 dargestellt. Oberhalb des Auges beginnen seine Ursprünge und bilden einen fächerförmigen Bauch, dem sich weitere Ursprünge vom Parieto-Frontale und Prooticum anschließen. Die gesamte Muskelmasse bildet einen dicken fleischigen Insertionsteil, der mit kurzer Sehne am Goniale, einwärts vom MECKELschen Knorpel inseriert. Der 2. und 3. Ast des Trigeminus brechen durch diese Muskelmasse hindurch. Die hier „den Raum zwischen Prooticum und Augapfel‘ ausfüllende Muskelmasse könnte ja zunächst wegen dieser Lage mit dem „Ptery- goideus anterior“ des Frosches verglichen werden. Dies ist indes durch zwei Tatsachen auszuschließen. Erstens nämlich trifft man, wenn man den fraglichen Muskel vom Schädeldach abhebt, den vermißten Pterygoideus anterior unter ihm gelegen. Aus der Gestalt dieses tiefen Muskels und seiner charakteristischen langen Sehne geht das ganz deutlich hervor. Ferner aber spricht Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 139 die Innervation dafür, denn es begeben sich zwei Nervenstiämme nach vorn, die einmal den verdeckten Pterygoideus anterior (Textfig. 25 „7“) mit zwei Ästen, sodann den über ihm liegenden - Muskel (Textfig. 25 „6“) innervieren. Beide Nerven sind aber unabhängig voneinander, indem der Nerv „7“ selbständig, der Nerv „6“ gemeinsam mit einem oceipitalwärts verlaufenden Aste’ („3,4“) entspringt. Hierdurch wird die wichtige Tatsache festgestellt, daß bei Dactylethra zwischen Bulbus oculi und Prooticum eine zweischichtige Muskulatur liegt und daß die obere ihrer Schichten dem Cranio Textfig. 24. mandibularis angehört. Diese obere Schicht fehlt also bei Rana und Bufo. Oceipitalwärts ist der Muskel eben- falls zweischichtig und es entspricht diese Zweischichtigkeit der auch sonst bei Rana, Hyla, Bufo angetroffenen. 4. Über den Pterygoideus anterior ist nach dem eben Gesagten nur hinzuzufügen, daß er kleiner ist, als bei Rana indes nach Ablösung des darüberliegenden Cranio-mandibularis im wesentlichen in der bekannten und oben beschriebenen Situation auftritt. Ich gehe nun zur Darstellung der höchst merkwürdigen Anordnung der motorischen Nerven über und bediene mich zu ihrer Erläuterung des Schemas der Textfig. 25. 2. Innervation. Das Schema ist nach den bei der Präparation hergestellten Skizzen entworfen und in stärkerer Vergrößerung gezeichnet 140 W. Lubosch, worden. Mit fett ausgezeichneten Linien sind die motorischen Nerven dargestellt, soweit sie außerhalb des Stammes des 3. Trigeminusastes ver- laufen. Blaß sind die vom Stamm verdeckten f | Strecken der motorischen 0 Nerven gehalten, punktiert ; 4 die auf der dorsalen (la- teralen) Oberfläche entlang WW ___.. 37, ziehenden Nerven, soweit ni SR sie sichtbar waren. Schwarz IS “2 und grau sind die dorsal AN verlaufenden, rot die ven- tral verlaufenden Äste markiert. Es bezeichnet: ı den Ast zum Mandi- bularis externus; > den Ast zur Pars arti- cularis des Pterygoi- deus posterior, der einen, im Schema nicht angedeuteten Ast zum Mandibularis externus abgibt; 5; den Ast zur Pars tym- panica des Pterygoi- deus posterior; 37,4 6 die Äste zum Cranio mandibularis; 7 die Äste zum Ptery- goideus anterior; $& den Ast zum Levator membranae nictitantis. y Hiernach zeigt es sich nun, daß die bei Rana Textfig. 25. Schema der motorischen Äste unmittelbar und ma- | des rechten 3. Trigeminus von Dactylethra. . : Erklärung im Text. Vergr. etwa 8:1. kroskopisch nicht zu- sammenhängend vom 3. Ast des Trigeminus abtretenden Äste bei Dactylethra eine weitere Verfolgung zulassen. Es zeigt sich, daß ein Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 141 Teil der Muskeläste dorsal, ein Teil ventral vom Stamme verläuft, weiterhin aber, daß zwei dieser Äste, nämlich der Ast „5“ und der Ast „3+4“, aus Fasern aufgebaut sind, die bis dahin dorsal und ventral am Stamm entlang gelaufen sind. Im einzelnen er- geben sich folgende Verhältnisse. 1.N.mandibularis externus ist ein rein dorsaler Ast (7). Er setzt sich aus zwei Fädchen zusammen, die ein wenig entfernt vom Stamm unter spitzem Winkel zusammentreten. 2. Nn. pterygoidei posteriores: a) inferior (zur Pars articularis) ist ein rein ventraler Ast (2). b) superior (zur Pars tympanica) entsteht aus der Verflech- tung dorsaler und ventraler Elemente (5). Der dorsale Teil entstand mit feinen Fädchen an der Oberfläche des Stammes und schien zwischen den Faserbündeln des Stammes herauszutreten, als wenn seine Fasern aus der Tiefe herauskämen. Dies letztere sei indes nur unter Vorbehalt angegeben. Der ventrale Teil kam deutlich von der hinteren (unteren) Fläche des Stammes her. 3. Nn. cranio-mandibulares. Sie entstanden aus einem kurzen dicken Stämmchen an der ventralen Seite des Nerven- stammes und zerfielen in oceipital- und oralwärts verlaufende Ästehen. Ein Ast (3-44) trat oceipitalwärts zwischen die beiden Portionen des Cranio-mandibularis. Ihm schloß sich ein von der Vorderseite her kommendes Stämmchen innig an. Ein anderer Ast lief nach vorn, durchsetzte die Rr. pterygoidei anteriores und verzweigte sich (6) in dem vorderen Teil des Cranio-mandi- bularis. 4. N. pterygoideus anterior war ein kurzer, ventral entspringender Stamm, der mit zwei Ästchen (7) in den gleich- namigen Muskel trat. 5. N. levatoris membranae nictitantis setzte sich aus zwei deutlich ventral verlaufenden Ästchen zusammen, die in be- trächtlicher Entfernung vom Stamm zu einem einheitlichen Nerven zusammentreten (8). Wenn nun auch die Anordnung der Nerven hier schon sehr viel durchsichtiger ist, als bei Rana und Bufo, so bleibt doch des Fraglichen noch mancherlei; vor allem ist von dem Gesamtverlauf der Portio minor nichts Sicheres zu erkennen und der Zusammen- hang der einzelnen Nervenäste bleibt unklar. Dieser Mangel wird nun in glücklicher Weise durch das Studium von Ceratophrys beseitigt, zu dessen Kaumuskulatur ich mich nun wende. 142 W. Lubosch, 6. Ceratophrys dorsata. (Textfig. 26 u. 27.) Der M. mandibularis externus und die beiden Portionen des M. pterygoideus posterior bieten keine Abweichungen gegen die von Rana und Bufo geschilderten Zustände. Auch die hinteren (oceipitalen) Teile der cranio-mandibularen Muskulatur sind in typischer Weise zweischichtig vorhanden. Eine Abweichung ergibt sich nach vorwärts, wo ein „Pterygoideus anterior“ nicht in der von Rana und Bufo bekannten Anordnung vorliegt. Der Zustand der Muskulatur von Ceratophrys erinnert vielmehr sehr an den soeben von Dactylethra beschriebenen. Auch hier liegt eine doppelte Muskelschicht vor, die auch hier, wie bei Dactylethra, doppelt innerviert wird. Die Sonderung beider Muskelschichten ist indes hier nicht so scharf wie bei Dactylethra; doch ergibt sich aus der Insertionssehne, daß die tiefere Schicht einem Pterygoideus anterior vergleichbar ist. Die Innervation der Kaumuskeln mag nach den Abbildungen 15 und 17 der Tafel 4 zunächst kurz erläutert werden. Der R. maxillaris inferior liegt auch bei Ceratophrys bedeckt vom M. mandibularis externus. An homologen Stellen, wie in den Figuren 17 und 21, gehen zwei Äste zu den Komponenten der hinteren Pterygoideusmuskulatur („2* und „3“ der Textfig. 26). Außerdem aber geht zur Pars articularis bei Ceratophrys noch ein besonderer kleiner Nerv hin („“ der Textfig. 26). Der Mandibularis externus („Masseter major“) empfängt keinen selb- ständigen Nervenast, sondern erhält deren zwei, abgegeben von den Ästen „3“ und „2“ des Schemas (im Schema aber nicht besonders markiert), und zwar von „3“ einen sehr feinen, von „2“ einen etwas derberen. Die Äste zum Cranio-mandi- bularis-Pterygoideus-anterior-Komplex verlassen den Stamm, dicht, nachdem der 2. Ast des Trigeminus sich vom 3. Ast gelöst hat; sie entspringen aus einem dicken Stämmchen, das innig einem sensiblen Ast (a) angelagert ist, so daß es schwer ist, beide Bestandteile zu sondern. Der sensible Bestandteil („a“) tritt indes deutlich durch den Cranio-mandibularis hindurch und endigt in der Haut der Schläfengegend. Die motorischen Ästchen verhalten sich so, daß der Cranio-mandibularis sublimis einen besonderen Ast empfängt („4“), ferner aber beide Schichten des Cranio-mandi- bularis noch einen zweiten Ast, der sich, sich gabelnd, unter Faseraustausch an sie verteilt (,„5“, „ö“). Ein dritter Ast („7“) a — Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 143 dringt in die Tiefe zum Pterygoideus anterior. Die Verzweigung ist also ganz ähnlich, wie bei Dactylethra. Die weite Ausdehnung des ÜCranio - mandibularis über den Pterygoideus an- terior nach vorn führt auch hier zur Entfaltungeinesbe- sonderen Nervenastes (,,4“). Was aber nun die Ner- ven von Ceratophrys so wertvoll macht, ist die Tat- sache, daß hier mit Sicher- heit eine dorsale und ven- trale Verteilung der moto- rischen Äste nachgewiesen werden kann. Die Textfiguren 26 und 27 erläutern die hier ob- waltenden Verhältnisse. In Textfig.. 26 ist der R. maxillaris inferior der linken Kopfseite so darge- stellt, daß das Ganglion nebst dem proximalen Teile des Stammes um die Längs- achse rotiert ist. Man sieht also im oberen Teil der Figur aufdie ventrale Fläche des Stammes. Unter der binokularen Präparierlupe ließ sich die motorische Wurzel, nachdem die Ver- bindungdesTrigeminus mit dem Gehirn durchgeschnit- ten worden war, leicht vom Stamm und vom Ganglion ablösen und eine Strecke weitisolieren. Ob steigende Geschicklichkeit bei der Präparation oder die Be- Fig. 26. Motorische Äste des 3. Trigeminus- astes von Ceratophrys. Erklärung im Text. Vergr. etwa 8:1. sonderheit des Objektes daran schuld trug, weiß ich nicht zu sagen — vermute aber, daß Ceratophrys vermöge der Größe der 144 W. Lubosch, Elemente uud vielleicht auch durch spezielle Besonderheiten eben ein günstiges Objekt gewesen ist. Man sieht nun u deutlich, wie sich \ = die motorischen 4 Fasern an der oc- if &_ ._.? cipitalen Kante f \ SF ‘ des Nerven spal- £ N \ ! Free, ten, ihn zwischen F N 1a Pe; sich fassen und nun \\h teils ventral, teils dorsal am Stamm entlanglaufen. Hier- bei schien es, als ob ein Teil der ventralen (rot gezeichneten) Fasern mehr in das Innere des Nerven eindrang, doch kann ich nichts Sicheres darüber sagen. Auch in dem Schema der Textfig. 19 sind fett ausgezeichnet die Nerven, soweit sie frei neben dem Stam- me verlaufen. Punk- tiert ist der Verlauf der Nerven auf der dem Beschauer zu- gekehrten Seite des GR Hauptstammes mar- — \ kiert, blaß der Ver- II 2 lauf auf der Rück- N f seite. Diese punk- Q tierten und blassen Strecken sind indes ee > nichtdurchweg sicher auspräpariert ge- wesen: dies ist bei dem Objekt unmöglich. Nur eine Strecke weit waren sie zu verfolgen; weiterhin ist dann ihr Verlauf Die im Schema der Textfig. 26 abgebildeten Nerven größert. ‚ „2“ und „3“ in ihrer natürlichen Lagerung, etwa 16fach ver- Textfig. 27. [77 „1 Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 145 schematisch angegeben. Den wirklichen Zustand dieses wichtigen Befundes, wie er unter dem Präpariermikroskop aussah, soll Textfig. 27 wiedergeben. Was nun die einzelnen Nerven anlangt, so haben wir folgende zu unterscheiden: 1. Nervi pterygoidei posteriores (zu den beiden Teilen der hinteren Pterygoidmuskulatur): a) inferiores. Zwei Äste zur Pars articularis des Mus- kels („z“ und „2“). Während „z“ ein dorsaler Ast ist, bezieht „2“ Bestandteile von ventral und dorsal. „2“ gibt einen Ast an den Mandibularis externus ab; b) superior. Ein kräftiger Ast, aus dorsalen und ventralen Elementen aufgebaut. Auch er gibt einen Ast zum Mandibularis externus ab; 2. N. ecranio-mandibularis. Ein starker rein ventraler Stamm, welcher in Äste zum Cranio-mandibularis und Pterygoideus anterior zerfällt. In der Textfig. 27 habe ich noch einmal das Verhältnis der soeben beschriebenen Äste 1, 2, 3 wiedergegeben, so wie sie sich bei stärkerer Vergrößerung des in Wasser versenkten Prä- parates mit dem Präpariermikroskop ergeben. Die Zusammen- setzung des Astes „7“ aus ventralen und dorsalen Elementen ist hier besonders schön sichtbar, ferner die eigentümliche Geflecht- bildung, die zwischen diesen Elementen stattfindet und sich auch auf die weiter distal abtretenden Äste erstreckt. 7. Die Kaumuskeln und motorischen Nerven der Anuren- larven und ihre Metamorphose. Obwohl wir durch DuGEs, GOETTE, GAUPP, FR. E. SCHULZE und EDGEWORTH über alle Einzelheiten der Entstehung und Um- bildung der larvalen Kaumuskeln allmählich unterrichtet worden sind, schien es mir doch mit Rücksicht auf meine eigenen Fest- stellungen an der Kaumuskulatur der erwachsenen Tiere erwünscht, ein eigenes Urteil über die Entstehung dieser Muskulatur zu ge- winnen. Vor allem handelte es sich darum, festzustellen, ob die von den einzelnen Autoren beschriebenen Komponenten einen Vergleich mit der von mir für die erwachsenen Anuren erkannten Gliederung zulassen — sowie darum, ob in der Innervation bereits Anklänge an den definitiven Zustand bestehen. Beide Fragen Jenaische Zeitschrift. Bd. LI. 10 146 W. Lubosch, sind zu bejahen. Alle definitiven sechs Komponenten kommen bereits bei der Anurenlarve vor, und bereits bei der Larve findet sich die typische Innervation der Muskeln des erwachsenen Tieres. Es gelang außerdem, wie ich gewünscht hatte, den Modus der Verlagerung der Muskeln in einem wichtigen Punkte genauer zu erforschen, als es bisher geschehen war. Wegen dieses dreifachen Ergebnisses halte ich es, trotz mehrfacher schon existierender Be- schreibungen, für motiviert, den Sachverhalt hier nochmals dar- zustellen. — Als Untersuchungsmaterial dienten mir in Spiritus konservierte Pelobates-Larven, die unter der Präparierlupe be- arbeitet wurden. Zum Vergleich wurden Rana fusca- und escu- lenta-Larven herangezogen. Die Pelobates-Larven standen auf fünf Stadien der Entwicklung. Ihre Gesamtlänge betrug 9,5, 7,5, 6,0, 6,5 und 2 em. Auf dem ersten Stadium fehlten vordere Extremitäten; bei den folgenden Stadien waren sie vorhanden; die jüngsten Stadien besaßen nur noch einen äußerst kurzen Schwanz und waren nahe am Ende der Verwandlung. Bei einer der beiden, 2 cm langen Larven waren die Skelettverhältnisse schon sehr ab- geändert, ein langer Proc. pterygoideus quadrati vorhanden, der Proc. muscularis des Quadratums dicht vor der Labyrinthregion und das Kiefergelenk ebendort. Trommelfell aber und Tympanicum fehlten noch, so daß sich dieses von mir untersuchte Larvenstadium zwischen den Stadien III und IV einschiebt, die GAuPP bei Rana abgegrenzt hat. Ein zweites der beiden, 2 cm langen Exemplare, war dagegen noch weiter entwickelt. Das Prooticum war teilweis verknöchert, Goniale, Praemaxillare, Maxillare, Septomaxillare und Tympanicum waren angelegt (Textfig. 28). Von den vier jüngeren Stadien standen mir zahlreiche Exemplare, von den beiden ältesten (2 cm) nur je ein Exemplar zur Verfügung. Da die drei ersten Stadien sich im einzelnen nicht wesentlich voneinander unterscheiden, so schildere ich die Befunde für sie gemeinsam. Myologie (s. die Synomymentabelle auf p. 65). (Hierzu Taf. 5, Fig. 20 u. 21.) Die jüngeren Larven besitzen, sobald man sie überhaupt plastisch zergliedern kann, bereits alle Teile der Kaumuskulatur, die das erwachsene Tier besitzt. Diese Muskeln zerfallen in lange und kurze, — Musculi quadrato-mandibulares longi und breves. Jene liefern den „Pterygoideus“ und die beiden „Tem- porales“ (Cranio-mandibulares) des erwachsenen Tieres, diese den Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 147 „Masseter“ (Mandibulares externus) und die beiden Portionen des darunter gelegenen Pterygoideus posterior. Von den drei langen Muskeln entspringt der medialste am Proc. ascendens und an deı Seitenwand des Craniums. Es ist ein 1. Musculus pterygoideus anterior (M. pterygoideus, mpt LUTHER). Seine Fasern laufen in einem Winkel von etwa 45° von der Medianebene nach lateral zum Kiefergelenk. Die beiden anderen 2. und 3. Musculi eranio-mandibularis sublimis und profundus (Adduetor mandibulae posterior longus sublimis und profundus af/s, al LUTHER). liegen flach in der Höhlung des Quadratums, und zwar so, dab ein tieferer nahezu völlig von einem oberflächlichen überdeckt wird. Der oberflächliche entspringt mehr linear in einer bogen- förmigen Linie, welche lateral neben dem Foramen prooticum beginnt und an der Grenze von Quadratum und Prooticum ent- lang zieht bis an den seitlichen aufwärtsgebogenen Rand des Quadratums. Der von ihm verdeckte entspringt mehr flächenhaft von dem ganzen Boden des Proc. ascendens. Diese drei Muskeln sind von Dusz£s beschrieben worden. Insbesondere schildert er richtig die Zweischichtigkeit des seit- lichen Muskels. Fälschlicherweise bezeichnet er indes den ober- flächlichen der beiden als künftigen Masseter. „Celui qu'on recouvre en enlevant celui-ci* ... ist dann bei ihm der künftige Temporalis. GOETTE und-GAUPpP schildern diese Zweischichtigkeit nicht, fassen hingegen richtig diesen ganzen (bei ihnen also ein- schichtigen, in Wirklichkeit zweischichtigen) Komplex als künftigen Temporalis auf. Fr. E. ScHhuzzE und nach ihm EDGEWORTH erkennen die Zweischichtigkeit und bezeichnen den tiefen Muskel als „Subtemporalis*!). Weiter mundwärts liegen bei der Larve die kurzen Kau- muskeln. Diese sind bei Dusks nicht geschildert, hingegen bei GOETTE und GAupPp vorhanden. GOETTE spricht von einem solchen Muskel, den er vom Jochfortsatz (i. e. Proc. muscularis) entstehen läßt, und den er als Abzweigung des Temporalis beschreibt und abbildet. Er gewinnt später zwei Portionen. GOETTE faßt ihn 1) Desgl. schildert ihn Lurner (1914) als zweischichtig. 10* 148 W,. Lubosch, als Ausgang für den Masseter auf. GaupP schildert den Muskel als aus zwei Portionen bestehend, welche vom Proc. museularis herkommen. Zwischen ihnen trete der Nervus maxillaris inferior hindurch. Nach Fr. E. SCHULZE ist es ein „kurzer, konischer Muskel, der von der medialen Seite der Basis des Proc. orbi- talis und von der benachbarten Partie der Oberseite des Corpus suspensorii entspringt und sich mit einer kurzen Sehne unmittel- bar lateral neben der Insertion des Pterygoideus an den Condylus mandibulae ansetzt. Nur EDGEWORTH unterscheidet innerhalb des von ihm als „Masseter“ bezeichneten Muskels eine Portion noch besonders und benennt sie als „Extratemporalis“. Auf dem jüngsten von mir untersuchten Larvenstadium be- stand nur eine einzige, von der Innenseite des Proc. muscularis kommende, sich auch noch oceipitalwärts auf den Rand des Qua- dratums ausdehnende Muskelmasse. Schon bei einer Larve von 7,5 cm fand sich an Stelle dieses einen ein doppelter Muskel, der mit dem einen Ursprung die obere Kante des Proc. muscularis, mit dem anderen die mediale Fläche und Basis dieses Fortsatzes einnahm. Diese gesamte Muskulatur liefert, wie sich durch die Verfolgung der Metamorphose feststellen läßt, drei Muskeln des erwachsenen Tieres, nämlich den Mandibularis externus (auf Tafel 5 rosa) und die beiden Portionen des Pterygoideus posterior (auf Tafel 5 rot). GOoETTE und GAUPP bezeichnen eine oberflächliche Schicht dieses Muskels als künftigen „Masseter“ (= Mandibularis externus), SCHULZE und EDGEWORTH dagegen unterscheiden eine solche ober- flächliche Schicht nicht. Da die beiden Portionen des Pterygoideus posterior bei den erwachsenen Anuren bisher nicht unterschieden worden waren, so fehlen Bezeichnungen auch bei der Larvenmuskulatur. Der von EDGEWORTH unterschiedenen „Extratemporalis“ muß nach der ganzen Sachlage die tympanale Portion des Pterygoideus posterior sein 1). Über die Insertionen der Muskeln bestehen in der Literatur Unstimmigkeiten zwischen DUGES, GOETTE, EDGEWORTH einer- 1) Dieser Teil der Untersuchungen ist bei LuTHER mit großer Vollendung bearbeitet und bildlich dargestellt worden. Er gelangt zur Sonderung der Muskulatur in vier Teile, statt wie ich, in drei. Die bei mir als „Pterygoideus posterior“ (Taf. 5 rot) bezeichnete An- lage tritt bei LUTHER auf, gesondert in den a) Add. mandibulae posterior articularis „Aa“; b) Add. mandibulae posterior lateralis „Apl«“. Letzterer liefert den späteren „Masseter minor“, d. h. die Pars articularis des Pterygoideus posterior meiner Terminologie. Ersterer Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil 149 seits, Fr. E. SCHULZE andererseits. Es handelt sich um die Insertionen der beiden cranio-mandibularen Muskeln („Temporalis“, „Subtemporalis“). Die fraglichen zwei Muskeln stehen bei Pelobates-Larven zum MECcKELschen Knorpel in antagonistischem Verhältnis. ‚Sie gehen in der Höhe des Proc. muscularis in breite Sehnen über, die nun so auseinanderweichen, daß sich der oberflächliche Muskel nach innen, der tiefe Muskel nach außen begibt. Die Sehnen beider gehen dann an den MEckELschen Knorpel, dicht neben die Verbindung mit dem unteren Labialknorpel. Der oberflächliche Muskel tritt (worin ich mich also Fr. E. SCHULZEs Angaben nıcht anschließe) an die innere und untere Fläche hinab; der tiefe Muskel tritt auf die obere und vordere Fläche des MECKELschen Knorpels empor, so daß also durch alternierende Tätigkeit beider Muskeln das quere seitliche Stück des MEcKELschen Knorpels um seine Längsachse gerollt werden kann. Auf die Mechanik dieser Bewegungen (GOETTE, FR. E. SCHULZE) beabsichtige ich nicht näher einzugehen. Es besteht aber nun noch eine Abzweigung von der Sehne des tiefen Cranio-mandibularis („Temporalis profundus“), die während des Larvenlebens zum Oberlippenknorpel zieht. DuGks, GOETTE und EDGEWORTH erwähnen diese Gabelung der Sehne, Fr. E. SCHULZE nicht. Ich selbst habe sie an den Pelobates- liefert die Pars tympanica des Pterygoideus posterior meiner Nomen- klatur. — Die in meiner Beschreibung als Mandibularis externus angeführte Portion findet sich in ganz gleicher Weise bei LUTHER mehrfach abgebildet und als Adductor mand. post. subexternus As bezeichnet. Seine enge Beziehung zur Sehne des tiefen Cranio-mandi- bularis ist auch von LUTHER erkannt und abgebildet worden. Offenbar ist aber der Add. mand. externus „Ale“ LUTHER nur der durch den V; abgespaltene Teil (s. Anm. p. 132). Nach meinen Befunden wurde bei Rana fusca der Muskel durchbohrt (wie Gaupp 1893); bei Rana esculenta gelegentlich nicht, bei Pelobates (wie LUTHER) nicht. So erklärt es sich, wenn bei Pelobates ein „Ae“ fehlt, bei Rana (LUTHER p- 83), die Sehne von „As“ erst mit „Ae“ verwächst, ehe sie inseriert. Ob die Sonderung des Mandibularis exterhus also nach dem Vorgange LuUTHERs in As und Ae eine den übrigen Sonderungen gleichwertige darstellt, ist mir fraglich, zumal da bei Bufo granulosus (oben p. 77) der V, sogar durch den Cranio-mandibularis (Als LuTHER) hindurch tritt. Die Larven dieser Art würden also noch weitere Differenzierungen aufweisen. 150 W. Lubosch, Larven stets gefunden. In typischer Weise besteht sie, wie (Taf. 5, Fig. 20) links angegeben. Es kommt aber noch eine zweite Art vor, in der der Oberlippenknorpel einen sehnigen Ansatz empfängt. Es kann nämlich der dicht dabei gelegene Pterygoideus posterior mit seiner Pars articularis an die Stelle des tiefen cranio-mandibularen Muskels treten. Dies Verhältnis ist auf der rechten Seite der Fig. 20 (Taf. 5) abgebildet. Links sieht man die Insertion des fraglichen Muskels dicht neben die Unterkieferinsertion des tiefen Cranio- mandibularis treten. Rechts dagegen ist es die Sehne der Pars tympanica, welche sich gabelt; ein Teil von ihr tritt gemeinsam mit den Fasern des Cranio-mandibularis profundus an den Unter- kiefer, ein anderer Teil zum Oberlippenknorpel. Dieser Befund (rechts) fand sich ausnahmsweise bei einer 6,0 cm langen Pelo- bates-Larve. Mit diesen Angaben ist bereits die Insertion der kurzen, vorderen Muskeln berührt worden. Daß es in der Tat zwei Muskeln sind, geht nicht nur aus ihrer Anordnung hervor, sondern auch aus ihrer Innervation. Der oberflächliche (Pars tympanica des Pterygoideus posterior) von beiden setzt sich in Verbindung mit dem tiefen Cranio-mandi- bularis. Ganz anders der tiefe Muskel, aus dem sich die Pars tympanica des Pterygoideus posterior entwickelt (Extratemporalis EDGEWORTH). Dieser ist ganz und gar fleischig und inseriert isoliert von den anderen in ziemlich breiter Ausdehnung an dem rückwärts gewendeten Umfang des Seitenstückes des MECKELSchen Knorpels bis dicht zum Gelenk hin. Dicht neben ihm am Gelenk inseriert nun auch der Pterygoideus anterior (Taf.5, Fig. 20 links”). Seine Insertion ist nie verkannt worden. Er ist unverkennbar bereits der Muskel des erwachsenen Tieres, kenntlich an seiner sehr langen, platten Sehne, mit der er bereits auf früher Larven- zeit dicht einwärts vom Gelenk am MECKELschen Knorpel inseriert. Pterygoideus anterior und posterior greifen also bei der Larve dicht am Gelenk an; beide Muskeln sind Retraktoren, dem Pterygoideus kommt gleichzeitig eine nach außen rollerde Wir- kung zu. Die Betrachtung der Umbildung dieser Muskulatur in die des erwachsenen Tieres hat die Verlagerung der Ursprünge und Insertionen gesondert zu behandeln. Was die Ursprünge an- langt, so ist auf frühere Untersuchungen zu verweisen. Der Pterygoideus tritt auf die Schädelseitenwand und das Parietale empor: bei einer Pelobates-Larve von 6,5 cm Länge finde ich Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 151 seinen Ursprung auch basalwärts bis nahe an das Parasphenoid ausgedehnt. Die beiden Cranio-mandibulares treten gänzlich auf das Prooticum. Die zwei kurzen Kaumuskeln verlegen ihren Ursprung mit der Rückwärtsverlagerung des Proc. muscularis ebenfalls nach hinten, werden also beträchtlich länger. Mit dem Auftreten des Tympanicum geht ein Teil von ihr auf diesen Knochen über (GOETTE). In Textfig. 28 ist der älteste von mir angetroffene Zustand dargestellt. Bis auf einen Mandibularis externus (Masseter major) ‚. Pteryg. ant. I Cranio- mandib. Tympanicum. — Daneben die Pars tympanica des Pteryg. posterior (Taf. 5 rot) Septomaxillare ee. / us (e L Maxilla Cranio-mandib. N Pars articeularis des Pteryg. post. (Taf. 5 rot) Textfig. 28. sind sämtliche Komponenten der Kaumuskulatur nahezu in ihren späteren Ursprungsverhältnissen. Wie die Umbildung der ober- flächlichen Muskelschichten in den „Masseter major“ hier bei Pelobates erfolgt — ob sie überhaupt eintritt — gelang mir nicht festzustellen. Interessanter sind nun die Insertionsumbildungen, wie sie sich aus dem ältesten von mir präparierten Zustand ergeben. Es müssen nämlich die langen Muskeln kürzer, die kurzen länger werden. Diese Längenveränderungen geschehen durch Ver- mittelung der Sehnen, welche sich hierbei als überaus plastisch erweisen. Fast unverändert bleibt (Taf. 5, Fig. 21). 1. der Pterygoideus anterior. Seine an sich schon lange Sehne wird im Verhältnis zum Muskelbauch noch etwas länger. 152 W. Lubosch, Um den Ursprung des Muskels beschreibt die Insertion einen Kreisbogen in der Richtung des Uhrzeigers. 2. Der tiefere Cranio-mandibularis gibt seine Verbindung mit dem Oberlippenknorpel auf. Die gesonderte Insertion beider Cranio-mandibulares findet ihr Ende. Beide Muskeln bilden eine einzige Insertion. Diese liegt an ähnlicher Stelle wie früher, doch verläuft die länger gewordene Sehne eine große Strecke platt auf dem Meckeıschen Knorpel, um dann an seiner medialen Seite zu enden. Durch eine fibröse Scheide wird die Sehne fest an dem Knorpel gehalten, so daß der Muskel bereits nahe am Gelenk wirksam angreifen kann. 3. u. 4. Die beiden kurzen Muskeln haben jetzt ebenfalls sehr lange Sehnen entwickelt. Die des oberflächlichen liegt lateral auf dem Knorpel, die des tiefen gerade auf der oberen Fläche. Auch diese beiden Sehnen liegen in der gleichen Scheide ein- geschlossen, wie die des Temporalis. Wenn wir nun wissen, daß im definitiven Zustand (vgl. Textfig. 28) nur der Pterygoideus sehnig, alle anderen Muskeln fleischig am Unterkiefer inserieren, so liegt es nahe, anzunehmen), daß die definitive Länge der Kaumuskeln durch Verödung der in die Sehnenscheide eingeschlossenen drei Sehnen hergestellt wird. Dies bliebe allerdings noch durch histologische Untersuchung zu bestätigen. Auch muß ich hervorheben, daß es mir nur einmal gelungen ist, ein Stadium, wie in Taf. 5, Fig. 2 abgebildet, zu präparieren, eben das eine der 2 cm langen Larvenexemplare. Gestatten wir uns aber, diesen Fall zu verallgemeinern, so ließe sich sagen, daß die Mm. cranio-mandibulares dadurch kürzer werden, daß ihre Sehnen veröden; die kurzen Muskeln werden aber nur scheinbar länger, insofern ihre Sehnen wachsen, um dann gleichfalls zu veröden. Die Sehnen spielen also hier eine transitorische Rolle für den Transport der Insertionen. Zugleich wird klar, warum der Pterygoideus, und nur dieser, im definitiven Zustand die ganz absonder- liche Sehne besitzt. Sie ist ein Zeugnis für den Larven- zustand, der erhalten bleiben mußte, weilihr Muskel der einzige ist, der während der Metamorphose nicht parallel zur Längsachse des MEckELschen Knorpels wirkt. 1) Wir dürfen dies in der Tat annehmen, da unabhängig von mir LUTHER eine ganz ähnliche Beschreibung des Vorganges gibt. Nach ihm wären sogar im Stadium der Textfig, 28 die Sehnen noch an der Oberfläche des Mecketschen Knorpels nachweisbar. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 153 2. Innervation. Über die Lage des 3. Trigeminusastes zu den Kaumuskeln der Larve hat nur GAupPp Feststellungen gemacht. Hiernach ist zu beachten, daß der 2. u. 3. Trigeminusast anfänglich in einem Stamm verlaufen, der anfänglich vor, später hinter dem „Ptery- goideus“ (anterior) verläuft. Auf den von mir untersuchten Stadien hatte der Nerv bereits diese seine definitive Lage eingenommen. Er trat an der Grenze von Pterygoideus anterior und Üranio- mandibularis aus dem Schädel heraus, um zwischen beiden Muskeln hindurchzutreten. Nach GAupP verläuft nun nach der Teilung der N. maxillaris inferior so, daß er anfänglich weiter vorn, später mehr nach hinten die den Cranio-mandibularis bedeckende Fascie durchbohrt und dann (unter dem Bulbus) auf dem Cranio-mandibularis nach vorn zieht. Er „biegt dann zwischen dem ‚Temporalis‘ (Cranio-mandibularis) und der Innenfläche des Processus muscularis nach abwärts, durchsetzt dabei den von dieser Innenfläche entspringenden ‚Masseter‘ (Mandi- bularis externus -+- Pterygoideus posterior pars articularis) und steigt vor dem lateralen Teil des Meckerschen Knorpels herab“ (p. 289). Diese Schilderung ist vollkommen zutreffend, wie ich mich auch an Larven von R. fusca überzeugt habe (Gesamtlänge von 3 cm u. 23,5 cm). Es ergibt sich also ohne weiteres, daß der Verlauf des Nerven bereits jetzt im Prinzip derjenige des defi- nitiven Zustandes ist und daß aus jener oberflächlichen Muskelportion die spätere, den Nerven oberflächlich deckende Lage des M. mandibularis externus wird. Auffällig aber ist es, daß bei Pelobates-Larven sowie einigen R. esceulenta-Larven die Durchbohrung des kurzen Muskels fehlte. Die schwankende Lage des Nervenstammes, die sich aus der Beschreibung der Muskeln von Hyla und Bufo ergab, scheint sich also bereits im Larvenzustande geltend zu machen. Es wird danach anzunehmen sein, daß bei der erwachsenen Pelobates der Nerv, wie bei Hyla, subcutan auf dem Masseter liege'). Über die Verteilung der motorischen Äste zu den Kau- muskeln der Larve sind bisher Angaben nirgends gemacht worden). Sie stellen aber die entscheidende Instanz für unsere Auffassung von ihrer Gliederung dar. Die Nerven wurden an den Pelobates- 1) So hat es in der Tat LurTHer gefunden; die Verhältnisse liegen hier offenbar ähnlich wie bei Hyla (s. p. 132 Anm. 2 u. Anm. auf p. 133.) 2) LUTHER erwähnt diese Nerven p. 99 seiner Arbeit. Nach seiner Schilderung sind unsere Ergebnisse bis auf einen einzigen Punkt die gleichen. Den proximalen Nerven für den Pterygoideus anterior 154 W. Lubosch, Larven präpariert, ferner an den mir zur Verfügung gestellten korrodierten Larven von Rana fusca und esculenta aufgefunden. Die Nerven zu den kurzen Muskeln sind mit einer Ausnahme nur an den drei korrodierten Larven feststellbar gewesen. Auch die motorischen Nerven zerfallen in lange und kurze. Die langen entstammen einem in allen Fällen (Pelobates) stets gleich sich verhaltenden Stämmchen, das unmittelbar nach dem Austritt des Stammes aus dem Foramen prooticum von seiner lateralen Seite abgeht. Es gibt ein kurzes Ästchen ab, das ventral vom Stamm zum Pterygoideus zieht. Der Rest zieht als langer feiner Stamm zwischen den beiden Schichten des Cranio-mandibularis nach vorn, in dem oberflächlichen endend und dem tiefen ein kurzes Ästchen abgebend. Die kurzen Muskeln bekommen gesonderte Nerven, die ganz vorn, dort, wo der Nerv am Proc. muscularis vorbeizieht, abgehen. Es ließen sich zwei davon feststellen, die gesondert dicht hintereinander abgingen, und zwar der eine zu der oberflächlichen (Taf. 5, Fig. 20), der andere, zwischen dieser und dem Cranio-mandibularis eindringend, zu der tiefen Portion ebenda. Weitere Einzelheiten ließen sich nicht feststellen bei der ungemeinen Feinheit der Gebilde. Doch ist so viel immerhin bewiesen, daß den beiden kurzen Muskeln sowohl gegeneinander, als auch gegenüber den langen eine morphologische Selbständig- keit zukommt. Verglichen nun mit dem definitiven Zustande, zeigt sich auch hier völlige Präfomation aller Details. Der Zustand des (pt) und die beiden Cranio-mandibulares („apls“ „aplp“) hat er bei Bufo und Pelobates am Abgang und in der ersten Verlaufsstrecke so gefunden, wie ich. Doch scheint er diesen Verlauf für Pelobates nicht als typisch anzusehen, dafür vielmehr ein Verhalten in Anspruch zu nehmen, wie er es bei Rana gefunden hat, wo nämlich der Nerv durch den Cranio-mandib. sublimis (A4//s) hindurch in die Tiefe tritt. Ich habe solchen Verlauf nie gefunden. Die Verteilung an die drei Muskeln schildert LuTHER nicht; wohl aber, daß in einigen Fällen (Pelobates individuell, Bufo) zum ÜÖranio-mandib. sublimis ein be- sonderer Ast life Aus LurHers Abbildungen geht hervor, daß dieser Ast, wie bei mir beschrieben, von innen an den Muskel tritt. Von den kurzen Nerven hat LUTHER drei, ich nur zwei fest- gestellt. Dabei ist es interessant, daß er, wie ich, einen Nerven zum Mandibularis externus (As) beobachtet hat. Die beiden anderen Nerven LuUTHERs gingen zu den zwei Portionen „Aa“ und „Apla“ die in meinem Pterygoideus posterior enthalten sind. Zu diesem hatte ich nur einen Nerven verlaufend gefunden. Mein Schluß über die Bedeutung dieser Befunde (p. 150) besteht also zu Recht. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 155 proximalen Nerven von Pelobates gleicht nahezu völlig dem, der oben von Bufo beschrieben worden ist, während bei Rana der ursprüngliche Zustand verwischt erscheint. In welcher Weise die beiden distalen Nerven zu den kurzen Muskeln sich zu den drei Nerven der erwachsenen Anuren umbilden, gelang mir nicht fest- zustellen. 3. Über die erste Anlage des Levator bulbi habe ich als Nebenbefund — ohne speziell meine Aufmerksamkeit darauf zu richten — einige Aufschlüsse gewonnen. Sowohl an einer Pelobates-Larve von der Länge von 6,5 cm, als auch an den korrodierten Larven von Rana fand sich nämlich dicht vor dem Bulbus horizontal ausgebreitet ein zartes muskulöses Häutchen. Es entsprang von der Seitenwand des Schädels hinter den Nasenkapseln mit breiter Anheftung und zog nach lateral, sich dabei ver- schmälernd und gegen den Processus muscularis quadrati hin un- deutlich werdend. Unter dem Mikroskop konnte in zwei solchen exstirpierten Membranen (einer von Pelobates, einer von Rana) die Anwesenheit parallel gerichteter, aber noch nicht kompakt liegender, quergestreifter Muskelfasern mit völliger Sicherheit fest- gestellt werden. Die Lage dieser zarten Membran erinnert durchaus an die von mir bei Amphiuma, Cryptobranchus und Siren präparierten Muskeln, die von der knorpeligen Nasenkapsel zur Membrana pterygo-mandibularis zogen. Sie erinnert der Lage nach an diese Muskeln; ob es sich um Vergleichbares handelt, bleibt abzuwarten. Es scheint mir, was die Bedeutung bei Anurenlarven anlangt, unmöglich, etwas anderes in dieser Bildung zu sehen, als einen Teil, wahrscheinlich den vorderen Teil des M. levator bulbi, der nach der Verlagerung der Kaumuskeln unmittelbar auf die Rachenschleimhaut tritt. Nach EDGEWORTH wird bei sehr viel jüngeren Larven (9 mm) die Anlage des Levator bulbi von der Oberfläche des hinteren Randes des „Temporalis“ abgegeben. Auch der Depressor membranae nietitantis stammt aus dieser Anlage. Inwieweit dieser primitivste Zustand und der von mir festgestellte Befund aufeinander beziehbar sind, würde sich durch genauere Verfolgung auf Serienschnitten durch verschieden alte Larven leicht fest- stellen lassen. Diese Ermittelungen lagen außerhalb des Rahmens meiner Aufgabe). 1) LUTHER, der solche Ermittelungen eingehend vorgenommen hat, gelangt nicht dazu, die Angabe von EDGEWORTH zu bestätigen. 156 W. Lubosch, II. Vergleichender Teil (nebst vorläufigen Mitteilungen über die Trigeminusmuskulatur der Amnioten). Nachdem eine Zusammenfassung der Verhältnisse bei Uro- delen oben (p. 116—126) gegeben worden war und da die Zu- stände der Anuren, auch ohne daß eine besondere „Zusammen- fassung“ stattgefunden hat, im großen und ganzen als ziemlich einheitlich durch die soeben gelieferte Schilderung dargetan worden sind, kann eine Vergleichung zwischen beiden Formenkreisen statt- finden. Hierdurch wird sich das, was wir unter der „Amphibien- kaumuskulatur“ zu verstehen haben, erst klarer herausstellen. Im Anschluß daran wird es sich empfehlen, von den Amphibien den Blick auf die Fische und Amnioten zu richten, um zu prüfen, inwieweit bisher geäußerte Ansichten über die Homologien der Amniotenmuskulatur mit unseren neuen Erfahrungen vereinbar sind. 1. Urodelen und Anuren. a) Ihre Beziehungen zueinander in den durch die Kau- muskulatur gebotenen Merkmalen. Die erste Frage, die sich dem Forscher jetzt aufdrängt, ist die, ob sich die Kaumuskulatur der beiden Amphibienklassen auf einen einheitlichen Typus zurückführen lasse, ferner, unabhängig davon, die Frage, ob eine dieser Formen den Anspruch erheben könne, als „primitiv“ zu gelten. Die Beantwortung dieser Fragen ist sehr viel schwieriger, als es bei Abschätzung des allgemeinen Eindrucks der geschilderten Muskulatur scheinen möchte!). Leicht Vielmehr entsteht nach ihm der Levator bulbi aus dem Blastem dorsal von der Anlage des Adductor. Mein eigener Befund schließt sich also demjenigen von LUTHER an. 1) So äußert sich LuTHER über diese Frage nur kurz. Nach ihm bieten die Verhältnisse der Urodelen den Schlüssel zum Verständnis sämtlicher Derivate des Adductor mandibulae bei den Anuren. Im Einzelnen findet er (in meiner Nomenklatur ausgedrückt): a) den Mandibularis externus auch bei den Anuren, bei einigen von ihnen fehlend; b) den Cranio-mandibularis sublimis und medius der Urodelen bei den Anuren ganz geschwunden und ersetzt durch oceipital davon gelegene Muskelmasse („A//“); c) die Pars tympanica des Pterygoideus posterior der Anuren betrachtet er als den konservativsten Teil des Adductor Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 157 ist man geneigt, die Anuren als abseitsstehende Formen für genealogische Entscheidungen außer acht zu lassen. Um so nötiger ist es, das, worin sie bedeutsam sind, ausdrücklich hervorzuheben. Die Kaumuskeln der Urodelen und Anuren lassen ja einen gemeinsamen Grundzug im Aufbau nicht vermissen; dennoch zeigen sie, neben gemeinsamen Zügen, bestimmte Merkmale, von denen schwer zu sagen ist, ob sie homolog seien oder nicht. Endlich aber zeigen sie eine Anzahl entschiedener Gegensätze, und zwar gerade in den wichtigsten Punkten. Gemeinsam ist zunächst, daß sich bei beiden Formen im großen und ganzen dieselbe Anzahl der Komponenten der Kau- muskulatur hat nachweisen lassen. Gemeinsam ist ferner die Schiehtung dieser Komponenten, gemeinsam endlich die Lage des Nervenstammes des Ramus maxillaris inferior, wenigstens für die allererste Verlaufsstrecke und die Gruppierung der motorischen Äste in dorsale und ventrale Nerven. Zweifelhaft ist die Homologie des als M. pterygoideus posterior bezeichneten Muskels. An seiner Statt finden wir bei Anuren einen aus zwei Portionen zusammengesetzten Muskel, ‚der mit einem in Ursprung und Ansatz sich ähnlich verhaltenden Muskel der Urodelen vor allem die Innervation durch ventrale Äste teilt. Gegensätzlich dagegen verhalten sich beide Formen in dem Schichtenreichtum (bei Urodelen schichtenreich, bei Anuren schichtenarm); gegensätzlich ferner in der Lage der Muskeln (bei den Urodelen die Hauptmasse zum Auge hin, bei den Anuren vor dem Kiefergelenk). Endlich besteht eine auffällige Gegensätzlichkeit darin, daß bei Anuren die zu den Kaumuskeln tretenden dorsalen und ventralen Äste durch die occipitale Kante des R. 'maxillaris inferior gesondert werden (Ceratophrys), bei Urodelen dagegen die orsalen Nerven um die orale Kante des R. maxillaris inferior herumlaufen und dann über den Stamm hinwegziehen. Wenn wir die Abbildungen, die SCHULMAN (1906) von den Ästen der Kaumuskeln bei Echidna und ÖOrnithorchynchus gibt, mandibulae, also wohl entsprechend dem Pterygoideus posterior meiner Beschreibung; d) die Pars articularis (Masseter minor) der Anuren entstammt dem Übergangsgebiet zwischen Mandibularis externus und Pterygoideus posterior; e) den Pterygoideus anterior der Anuren als letzten Rest einer bei Urodelen mächtigen Muskelmasse. 158 W. Lubosch, studieren, finden wir, daß die Urodelen, nicht aber die Anuren das Verhalten der Monotremen aufweisen. Angesichts dieser Sachlage ist es nun von Interesse, zu sehen, daß das Studium von Dactylethra und Ceratophrys wenigstens einen Teil der Gegensätze zwischen Urodelen und Anuren be- seitigen konnte. Die Tatsache, daß bei diesen Formen der M. eranio-mandibularis bis weit nach vorn reicht und daß nicht nur, wie beim Frosch, ein einziger N. pterygoideus (anterior), sondern auch mehrere Nn. cranio-mandibulares oralwärts ziehen — diese Tatsache lehrt, daß es auch Anuren gibt, bei denen oralwärts eine ähnliche Schichtung besteht wie bei Urodelen!). Ja, auch der ge- schichtete Pterygoideus anterior von Bufo granulosus lehrt Ähn- liches. Die Übereinstimmung wird noch größer, wenn wir daran denken, daß bei Urodelen im Bereich des Pterygoideus anterior die Sonderung dieses Muskels von den darüber liegenden Schichten oft recht unvollkommen ist: ganz so ist bei Dactylethra und Ceratophrys eine enge Zusammengehörigkeit der übereinander gelegenen Schichten nicht zu verkennen. Was den M. pterygoideus posterior anlangt, so ist zwar sein Ursprung bei Urodelen und Anuren nicht völlig übereinstimmend. Um so wesentlicher ist aber seine Insertion vor dem Gelenk: bei Urodelen als einheitlicher Muskel, bei Anuren in zwei Portionen geteilt, diese beide aber vor dem Gelenk und rechts und links am MECKELschen Knorpel inserierend.. Ein dem Muskel bei Anuren entsprechend gelagerter Muskel fand sich bei Crypto- branchus und auch bei Amphiuma; auch darin, daß der tiefgelegene, als „tiefe Schicht des Masseter“ bei Urodelen oder „Masseter minor“ beim Frosch bezeichnete doppelte Innervation aufwies, steigert die Übereinstimmung, wozu, wie schon oben betont, noch kommt, daß die Nerven, die die fraglichen Muskeln versorgen, bei Anuren und Urodelen „ventrale“ Äste des R. maxillaris inferior sind. Als einzige Abweichung bliebe also die Lage und die Zusammen- setzung aus zwei Portionen vei den Anuren. Aber auch diese Abweichung wird gemildert, weil wir einerseits bei Cryptobranchus einen stark nach unten gerückten Muskel haben, andererseits bei Dactylethra beide Portionen am Tympanicum entspringen und, einander bedeckend, mehr als bei anderen Anuren einen Muskel bilden (allerdings von zwei selbständigen Nerven versorgt). 1) Hierin also trifft LurTuer (Anm. zu p. 156 sub. „“) nicht ganz das Richtige. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 159 Ob nun diese Muskeln bei Urodelen und Anuren „komplett“ homolog sind, bleibe dahingestellt: sicher ist, daß bei beiden Formen ein Muskel besteht, der als Muskel der Gelenkregion aufzufassen ist, d.h. am MECKELSchen Knorpel dicht vor dem Gelenk inseriert und der Hauptsache nach als ventraler Muskel erscheint. Wir können uns also die Vorstellung bilden, daß die Mus- kulatur der Urodelen auch bei Anuren wiederkehrt mit Abweich- ungen in der Lage der Komponenten, wie sie durch die Gestalt des Schädels und den Einfluß der larvalen Zustände herbeigeführt werden. Dabei zeigt es sich, daß die orale Cranio-mandibularis- schicht bei rezenteren Anurenformen die deutliche Tendenz der Rückbildung zeigt, so daß der darunter gelegene Pterygoideus anterior als oberster Muskel frei wird und an diesem Ort als einziger Muskel erscheint. Vom Cranio-mandibularis bleibt dann nur oceipital davon ein Rest übrig. Das lehren die Zustände von Dactylethra und Ceratophrys sehr eindringlich. Was nun die Dicke der Schichten anlangt, so sind die Anuren hierin deutlich gegen die Urodelen im Nachteil, wenn wir an Formen wie Proteus, Menobranchus, Amphiuma, Cryptobranchus denken, von Siren ganz zu schweigen! Aber andererseits ist auch Siredon schichtenarm, Dactylethra und Bufo granulosus schichten- reich. Kurz, es sind, was diese Abweichungen anlangt, alles nur relative Abweichungen. Als einzige grundsätzliche Abweichung besteht, soweit ich sehe, nur die eine, daß die dorsalen Nerven in jedem Falle auf einem anderen Wege zu ihren Endgebieten gelangen: bei Anuren von hinten, bei Urodelen von vorn her um den Stamm. Und dies ist ein Merkmal, das nicht ohne weiteres als Folge einer abweichenden Lage des Nerven einleuchtet, sondern tiefere, vorab nicht erkennbare Gründe haben muß. Zusammenfassend ist also daran festzuhalten, daß wir es zweifellos mit einer „Amphibien“kaumuskulatur zu tun haben, die un- verkennbare Züge der Übereinstimmung trägt, zugleich aber deut- liche Merkmale einer Sonderentwicklung in beiden großen Formen- kreisen der Amphibien. Wichtiger, als eine zurzeit schwer mögliche Entscheidung, wo die primitiven Zustände liegen, ist es, sich darüber klar zu werden, wo die Anschlüsse an andere Formen liegen. Da ist nun zunächst einwandfrei festzustellen, daß die Reptilienmuskulatur, wie ich sie selbst aus Untersuchungen an Lacertiliern, Cheloniern und Krokodiliern bereits kenne, aufs deut- lichste eine Anordnung nach dem bei Menobranchus, besonders aber 160 W. Lubosch, Cryptöbranchus bestehenden Bauplane zeigt, sö daß wir hier wohl engere Beziehungen historischer Art annehmen dürfen. Anderer- seits ist etwas sehr Merkwürdiges zu betonen, was zeigt. wie bei Reptilien Dinge vorkommen, die ihre Parallelen nun gerade bei Anuren, nicht aber bei Urodelen besitzen. Es handelt sich um sekundäre Nerven- und Muskelverschmel- zungen im Gebiete des Pterygoideus posterior und Mandibularis externus. Daß Pterygoideus anterior und Cranio-mandibularis bei Amphibien vielfach noch ungesondert, daher ihre Nerven auch nicht scharf voneinander gesondert sind, wurde in der speziellen Beschreibung schon vielfach be- merkt. Auch bei Reptilien (Krokodiliern und Lacertiliern) finden sich noch Spuren dieser mangelhaften Sonderung. Ich habe bereits kürzlich (1914) darauf hingewiesen. Etwas anderes findet sich aber bei den sonst stets gut gesonderten, oceipital ge- legenen Muskelschichten. Daß der Pterygoideus posterior von Amphiuma und Cryptobranchus doppelt innerviert wird, haben wir gesehen. Ganz ähnliche Zustände treten nun bei Schildkröten und Krokodilen auf. Hier trifft man den Mandibularis externus („Masseter“) von den tiefen, unter dem Quadratum entspringenden Muskelmassen des Pterygoideus posterior nur unvollkommen ge- sondert und findet sowohl einen N. mandibularis externus (einen dorsalen Nerven) wie auch den sehr kräftigen N. pterygoideus posterior (einen ventralen Nerven) in diese Muskelmasse hinein tretend. Es sind also, um so zu sagen, hier die Endorgane beider Nerven in nähere Beziehung getreten, bei noch bestehender Selbständigkeit der Nervenstämme. Die Zustände von Amphiuma und Cryptobranchus, bei denen dorsale Äste in den ventralen Pterygoideus posterior dringen, können — und müssen — dahin interpretiert werden, daß embryonal dorsale Bestandteile der Muskulatur sich mit ventralen vereinigt haben. Viel inniger ist diese Vereinigung nun bei den Lacertiliern geworden. Sie hat sich hier auch auf die Nervenstämme fort- gesetzt. Man findet hier so selbständige Nn. mandibulares externi („Nn. masseterici“) wie ich sie als erster bei Urodelen beschrieben und inzwischen auch bei Schildkröten und Krokodilen gefunden habe, nicht vor. Man findet hier (Varanus, Chamaeleon) einen einzigen, dicken, nach hinten ziehenden Nerven. Erst genauerer Analyse gelingt es, zu zeigen, dab dieser Nerv am Stamme aus zwei PBündeln entsteht, von denen das eine dorsal, das andere ventral am Stamm entsteht, um Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 161 sich dann sofort innig miteinander zu vereinigen. Distalwärts treten die Bündel dann, entsprechend ihren Endgebieten, aus- einander. Da überrascht es denn nun sehr, ganz ähnliche Zu- stände bei den Anuren zu entdecken, Geflechtbildungen der motorischen Bündel am sensiblen Stamme selbst; die Ab- bildungen p. 145 u. 144 haben dies zur Darstellung gebracht. Im speziellen Sinne erscheint daher, von dieser Seite betrachtet, die schwache Ausbildung und sogar das Fehlen eines Mandibularis externus („Masseter major“) bei Anuren in ganz anderem Lichte. Ein Teil von ihm steckt eben in der Pars tympanica und Pars arti- ceularis des Pterygoideus posterior (Masseter minor“) und zu diesem Anschluß ist während des Larvenstadiums ja Gelegenheit geboten, wo die Ausgänge dieser Muskulatur als „kurze Muskeln“ nahezu eine Einheit bilden. Wenn ich nun auch weit entfernt davon bin, etwa die Anuren als Vorläufer der Lacertilier anzusehen, so möchte ich doch nicht ohne weiteres die Anuren von jeder Bedeutung für die Aus- bildung bestimmter Merkmale bei Amnioten ausschließen. Bei Urodelen und Anuren handelt es sich um zwei Formenkreise, die in den Merkmalen ihrer Kaumuskulatur alle beide gegen die Amnioten tendieren, die Urodelen deutlicher und vollkommener, die Anuren in allerdings untergeordneten, aber doch nicht ganz zu eliminieren- den Symptomen. Neben der vorher erwähnten Tendenz zur Ge- flechtbildung an Nerven und Verschmelzung an Muskeln besteht nämlich noch eine auffällige Übereinstimmung zwischen Anuren und Reptilien: es ist die der bereits erwähnten Tendenz der Rückbildung bestimmter Muskelportionen. Bei den Lacertiliern ist fast die gesamte Muskulatur eine Differenzierung des Ptery- goideus anterior und posterior. Geringe Stärke hat der Mandi- bularis externus; sehr reduziert zu wenigen zarten Portionen ist der Cranio-mandibularis. Ähnlich liegen die Dinge bei den Krokodilen, während die Chelonier eine mehr gleichmäßige Aus- bildung ihrer Kaumuskelkomponenten zeigen. Wenn ich so nachdrücklich darauf hinweise, daß die Anuren nicht völlig abseits von den großen Bahnen stehen, auf denen die Entwicklung der Gnathostomen erfolgt ist, so geschieht es nicht zum mindestens auch deshalb, weil die eigentümlichen Ver- hältnisse der larvalen Muskulatur mir ein palingenetisches Mo- ment zu enthalten scheinen. Auffällig sind die Übereinstimmungen zwischen der Muskulatur der Kaulquappen und der der Knochen- Jenaische Zeitschrift. Bd. LII. 11 162 W. Lubosch, fische, wie sie nach VETTERS Untersuchungen (1878)) bestehen. Die weit nach hinten verlagerten Ursprünge, die weit nach vorn reichenden langsehnigen Insertionen, die Gabelung einer Sehne zum Ansatz an beide Labialknorpel sind immerhin auffällige Symptome, die man durch das Wort „Konvergenz“ nicht ohne weiteres erledigen dürfte. Es bleibt aber, nachdem wir versucht haben, die Stellung der Anuren und Urodelen zueinander zu kennzeichnen, übrig, sich die Frage vorzulegen, ob wir innerhalb der einzelnen Formen- kreise primitivere und fortgebildete Formen unterscheiden können. Bei «len Anuren hat die Untersuchung von Dactylethra deren primitivere Stellung, die uns geläufig ist, bestätigt. Auch Cera- tophrys repräsentiert einen älteren Typus. Innerhalb der Uro- delen scheint es mir sicher, daß die Formenreihe Siredon, Proteus, Menobranchus, Cryptobranchus eine steigende Entfaltung des Typus der Urodelenmuskulatur aufweist. Fraglich ist dabei nur 1. ob ein so einfacher Zustand wie beim zweischichtigen Kau- muskel von Siredon als Ausgang zu denken ist, 2. an welche Stelle wir Siren mit seinem ausgesprochenen Sondertypus setzen wollen. Auf jeden Fall lassen sich bei den Urodelen zwei Typen der Kaumuskulatur auseinanderhalten, von denen der eine (Siredon Proteus Menobranchus Cryptobranchus) seine Fortbildung bei den Reptilien erfährt. Der andere, zunächst nur bei Siren bekannte, hat vielleicht bei Stegocephalenahnen eine Rolle gespielt und hat, wie ich an anderer Stelle bereits kurz hervorgehoben habe (1915), seine Bedeutung auch darin, daß wir den mußmaßlichen Aus- sangsmuskel des Pterygoideus „internus“ der Mammalia, d. h. den Pterygoideus „anterior“ der Amphibien, hier bei Siren an dem Teile des Schädels entspringen sehen, wo er bei Säugetieren ent- springt, d. h. am Parabasale, dem Homologon der Lamina in- terna des Proc. pterygoideus ((GAUPP). Wie dem auch sei — die weitere Forschung wird die Sonderstellung von Siren nicht außer acht lassen dürfen. Ehe ich nun daran gehe, die Beziehungen der Kaumuskulatur der Amphibien zu derjenigen der Gnathostomen überhaupt ins Auge zu fassen, muß ich auf den Kernpunkt der ganzen Organisations- frage mit einigen Worten eingehen. 1) und eigenen. eg Paopee - Sen Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 163 b) Was sind „dorsale“ und „ventrale‘ Kaumuskeln? „ Seitdem SCHULMAN (1906) bei Monotremen und einigen anderen Säugetieren gezeigt hatte, daß die motorischen Äste des Trigeminus teils um den Stamm herumbiegen, um dorsal von ihm zur Muskulatur zu gelangen, teils ventral vom Stamme bleibend, sich zu ihrem Endgebiet begeben, ist diese Gliederung der Nerven und Muskeln zum wichtigen Merkmal der Vergleichung geworden. Praktische Bedeutung hat diese Erfahrung allerdings erst in zwei Fällen erhalten, indem nämlich von SCHULMAN erstlich gezeigt werden konnte, daß die Monotremen keinen Pterygoideus internus besitzen, zweitens sich ergab, daß der sogenannte „Detrahens mandibulae“ der Monotremen weder dem hinteren, noch dem vorderen Bauch des Digastricus homolog sei (vgl. des näheren die Darstellungen von ToLpr [1908] und GAupP [1913]). Nunmehr hat sich gezeigt, daß auch bei Amphibien und, wie ich bereits mitgeteilt habe (1913), auch bei Sauropsiden eine solche Gliederung besteht; wenn auch mit Unterschieden im Verlauf, erfolgt doch die Anordnung der motorischen Äste un- verkennbar nach dem gleichen Typus. Leider sind bei den schönen Untersuchungen LUTHERs über die Fische (1909 und 1915) die Nerven, wie in allen früheren Untersuchungen der Kau- muskulatur, zu kurz gekommen, so daß man noch nicht sagen kann, wie sich das Verhältnis der Nerven zum Stamm hier heraus- stellen wird. Immerhin hat jeder Versuch einer Homologisierung der Gnathostomenkaumuskulatur an dieser Grundtatsache fest- zuhalten, daß nur dorsale und ventrale Muskeln untereinander verglichen werden dürfen. Wenn dem aber so ist, so ist es auf- fällig, daß man der Frage nach den Ursachen dieses Nerven- verlaufes und dem tieferen Sinn der ganzen Erscheinung noch nicht nachgegangen ist. In seinen embryologischen Untersuchungen über die Entwicklung der Kaumuskulatur hat nun EDGEWORTH im Jahre 1911 gefunden, daß Fische und Sauropsiden, sowie Amphibien und Säuger anfänglich den gleichen Ausgang der Bildung besitzen, nämlich eine schräg zum Unterkiefer liegende Myotomknospe. Bei den Fischen und Sauropsiden zerlegt sich diese Knospe in einen dorsalen und ventralen Teil, bei den Am- phibien und Säugetieren dagegen in einen äußeren und inneren Teil. Die Entwicklung bei Säugetieren zeigte nun, daß der äußere Teil des Myotoms den Ursprung gab dem Masseter, Temporalis und Pterygoideus externus, der innere Teil dagegen 11* 164 W. Lubosch, dem Pterygoideus internus und Tensor tympani — daß also die Scheidung der später von „dorsalen“ und „ventralen“ Nerven versorgten Muskeln bereits zusammenfällt mit der embryonalen Scheidung des Myotoms in einen äußeren und inneren Abschnitt! Hierdurch ist nachgewiesen, daß jener ScHULMANschen Scheidung doch ein sehr viel tieferer Sinn zugrunde liegen muß. DBestärkt werden wir in dieser Ansicht durch die Anatomie der Kaumusku- latur der Amphibien. Auch hier fällt die von mir nachgewiesene Gliederung nach der Innervation zusammen mit der Gliederung nach der Genese. EDGEWORTH hat nämlich gefunden, daß beim Triton das Myotom des Kiefersegments mit seinem inneren Teil einen Pterygoideus, mit seinem äußeren Teil einen den Ursprung des 3. Trigeminusastes bedeckenden „Masseter“ und eine innere Portion dieses Muskels („Temporalis“) liefert. Das gemeinsame Merkmal all dieser Erscheinungen ist nun zweifellos die Lage der Muskelkomponenten zum 3. Ast des Trigeminus. Die Kaumuskeln zerfallen in solche, die medial (ventral) von ihm liegen, und solche, welche lateral (dorsal) von ihm liegen!,. Dies muß für den Verlauf der motorischen Äste maßgebend sein. Denn da die Portio minor in einem Bündel geschlossen zum 3. Ast des Trigeminus und zwar an seine mediale Seite tritt, so müssen diejenigen Äste, die zu den außen liegenden Muskeln ziehen, diejenige Seite des Stammes gewinnen, die jenen Muskeln zugekehrt ist. Nun könnte man meinen, es sei nach EDGEWORTHS Be- funden in Zukunft besser, von „inneren“ und „äußeren“ Muskeln zu sprechen und die Innervation als etwas, was sich „von selbst“ verstehe und nach der ganzen Sachlage nur „naturgemäß“ sei, auf sich beruhen zu lassen. Demgegenüber ist auf die bisher unbekannte Tatsache hinzuweisen, die ich bei Amphibien und Reptilien gefunden und in der vorliegenden Abhandlung, wie auch früher (1913, 1914) mitgeteilt habe: Die Doppelinnervation von Muskeln und die Plexusbildung an den motorischen Nerven, bei Anuren und Lacertiliern. Diese Befunde kommen also nur bei Amphibien und Reptilien und wahrscheinlich auch bei Vögeln zur Beobachtung; warum sie bei Säugern fehlen, ist bei der 1) LUTHER unterscheidet lateral, kaudal und medio-rostral ge- legene Muskeln. Dies ist aber eine rein äußerliche Scheidung, da grade die „kaudalen“ Muskeln von ventralen Nerven versorgt werden. a er. en Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 169 später zu begründenden (p. 175ff.) Annahme klar, daß hier nahezu einzig „dorsale“ (laterale) Muskeln zur Entwicklung gelangt sind. Bei Amphibien und Reptilien zeigen sie aber, und beweisen: daß sekundäre Zusammenschlüsse der Muskel- komponenten vorkommen, daß also dorsal innervierte Muskel- teile ihren Anschluß an ventral innervierte vollziehen können. Dieser Verschmelzungsprozeß kann auf die Muskeln beschränkt sein (Amphiuma, Cryptobranchus, Emys, Krokodilier) oder sich auf die Nervenstämme ausdehnen (Dactylethra, Ceratophrys, Varanus, Chamaeleo). Im letzteren Falle wird sich also der EDGEWoRTHsche Begriff eines „inneren“ Myotomteiles nicht mehr mit dem eines medial innervierten Muskel decken. Die Ontogenese schließt vielmehr hier sogleich den später dort liegenden Muskel in diesen Ort seiner Entstehung ein und, wenn alle Nerven ab- geschnitten werden, bleibt keine Möglichkeit einer Analyse. Das zeigt sich bei EDGEWORTHs Befunden an Ranalarven. Hier entsteht nach EDGEWORTH bei Larven von 7 mm Länge aus dem Myotom gleichfalls eine innere und äußere Portion. Die innere Portion läßt hier aber nur den „Pterygoideus“ (i. e. Pterygoideus anterior meiner Terminologie) entstehen. Alle anderen Muskeln entstehen aus dem äußeren Teil des Myotoms. Trotzdem lieb sich mit Sicherheit zeigen, daß viel umfänglichere Teile dieser „äußeren“ Muskulatur ventral innerviert werden und zwar vorzugsweise durch solche Nervenstämmchen, die gleichzeitig dor- sale Elemente mit sich führen. So konnte oben die Ansicht be- gründet werden, daß ein Teil des Mandibularis externus der Urodelen („Masseter major“) in den tieferliegenden Muskeln stecke. Mit einem Worte: „Innere“ und „äußere“ embryonale Portionen bei verschiedenen Formen sind prospektiv nicht gleichwertig; die Ontogenie ist hier nicht eindeutig; die peripherischen Nerven bleiben das feinere Reagens auf die Zugehörigkeit der Muskelteile !). Erst alle drei jetzt feststehenden Tatsachen führen auf die richtige Auffassung der Kaumuskulatur und auf das Kernproblem der ganzen Frage. Die erste Tatsache: die Existenz dorsaler und ventraler motorischer Trigeminusäste (SCHULMAN 1906) die zweite Tatsache: die Existenz innerer und äußerer Myotomteile (EnGE- WORTH) die dritte Tatsache: Muskelverschmelzungen und Nerven- 1) Durch außer acht lassen dieser Tatsache entsteht eine große Unsicherheit der Beurteilung, wenn wir uns eben allein auf die Lage der Muskeln zum Trigeminus stützen (vgl. LUTHER p. 110). 166 W. Lubosch, plexusbildungen bei Amphibien und Reptilien (ich selbst 1913, 1914 und in vorliegender Schrift). Dies zusammengenommen bedeutet: Nicht, daß jetzt noch bei allen Formen die Lage der Muskeln außen und innen von N. maxillaris inferior unverrückbar feststünde, kann die Annahme sein und nicht diese rein topographische Abgrenzung hat einen inneren Wert, sondern daß im ursprünglichen Typus der Kaumuskulatur der Gnathostomen diese Lage bestanden hat wird uns dadurch gezeigt; weiterhin, daß die mit diesem Typus verbundene Verlaufsrichtung der motorischen Äste so tief in der Organisation der Kaumuskulatur festhaftet, daß sie bewahrt bleibt, unbeschadet der komplizierten Umlagerungen innerhalb der Musku- latur; endlich daß wir, auch wenn im einzelnen Falle die Lage der Muskeln zum R. maxillaris inferior nicht mehr maßgebend bleibt (z. B. die Cranio-pterygoid-Muskeln der streptostylen Sauro- psiden!) in der Anordnung der Nerven dennoch einen Hinweis auf ihren ursprünglichen Mutterboden haben. Erst dadurch nun, daß wir durch die Erkenntnis der Plexusbildung eine Vorstellung davon bekommen haben, wie zäh die Nerven ihre ihnen durch Vererbung vorgeschriebenen Bahnen festhalten, werden wir zu der Frage geführt, ob diese beiden Muskelschichten, die eine, die den 3. Trigeminusast trägt, die andere, die ihn bedeckt, einander gleichwertig sind. Bisher hat man sich vorzugsweise vorgestellt, daß der „Adductor mandibulae“ der Selachier der gemeinsame Mutterboden für die Kaumuskeln der Amnioten sei. So läßt z. B. DRÜNER (1905) den Temporalis, Masseter und Pterygoideus der Urodelen aus dem Adductor mandibulae der Selachier hervorgehen; (1904) nimmt er den „Temporalis* der Amphibien davon aus, während EDGEWORTH (1911) seine (DRÜNERS) erste (1863) Ansicht zu der seinigen macht. Nun liegt aber der Adductor mandibulae der Selachier typisch medial (ventral) vom 9. Ast des Trigeminus. So zeigen es VETTERS Darstellungen, so hebt es besonders LUTHER (1909) hervor, ohne die sich dabei bietenden Ausnahmen zu verkennen oder unerörtert zu lassen. Es kann also unter keinen Umständen davon die Rede sein, die Kaumuskeln der Amphibien und Amnioten insgesamt auf den „Adductor mandibularis“ der Haie zu beziehen. Vielmehr ist der in dieser Weise bei Selachiern als gefestigter Besitz er- scheinende Muskel als ein Homologon nur der ventralen Kau- muskulatur anzusehen. Mit anderen Worten: die bei Selachiern existierenden Kaumuskeln sind nur ein Teil der später existieren- den. Hiermit ist nicht gesagt, daß die Selachier nun auch den Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 167 [historischen] Ausgangspunkt gebildet haben, so sehr man ganz allgemein dieser Beurteilung zuneigt. Es kann bei Selachiern auch Rückbildung einer schon bei ihren Ahnen vorhandenen ober- flächlichen Muskelschicht angenommen werden. 2. Amphibien und Gnathostomen hinsichtlich der Homologie der Kaumuskeln. Durch zahlreiche, zuletzt durch LurTHers (1909— 1913) vortreffliche Untersuchungen, sind uns die Kaumuskeln der Fische gut bekannt geworden. Auch die Bedeutung der einzelnen Kom- ponenten dieser Muskulatur ist schon ausgiebig erörtert worden. Wir kennen weiter durch eine Anzahl Arbeiten (VERSLUYS (1903) BrADLEY (1905) WATKINSoN (1906)) einige Grundzüge des Auf- baues der Reptilienmuskulatur und durch SCHULMAN (1906) die entsprechenden Verhältnisse der Säugetiere. Nachdem nun auch die Trigeminusmuskeln der Amphibien analysiert worden sind, stände dem Versuch einer zusammenfassenden Beurteilung der Homologien nichts mehr im Wege, zumal ich selbst auf manchen Gebieten (Schildkröten, Lacertilier, Crokodilier) eigene Erfahrungen gesammelt habe. Dennoch will ich mich nur auf wenige An- deutungen beschränken und nur das, was mir gesichert erscheint, hervorheben. Was zunächst a) Amphibien und Fische anbelangt, so stehen wir hier teilweis noch auf recht unsicherem Boden. Eine Möglichkeit, die bei Fischen beschriebenen Muskeln auf Teile der Amphibienmuskulatur zu beziehen, scheint mir vorab noch nicht gegeben. Es stellen sich diesem Vergleich gegen- wärtig noch Schwierigkeiten in den Weg. Nach dem am Schluß des vorigen Abschnittes Bemerkten ist es vor allem die Frage, wie die oberflächlichen („dorsalen‘“) Schichten dieser Muskulatur: Mandibularis externus und Cranio-mandibularis, entstanden seien? Der innigere Zusammenhang zwischen den tiefen Cranio-mandibularis-Schichten und den vorderen Teilen des Ptery- goideus anterior, wie auch die Gemeinsamkeit der zu diesen Muskeln tretenden Nerven spricht unbedingt dafür, daß hier, in der hinteren Umgebung des Auges, ein primitiver Zusammenhang zwischen dorsaler und ventraler Muskulatur besteht. Es gibt also drei Möglichkeiten, sich die Bildung der beiden Muskelschichten zu erklären. Entweder 168 W. Luoosch, geht man aus von dem rein ventral liegenden Adductor mandi- bulae der Haie: dann gelangt man zu der Ansicht, daß von vorn her die Ausbreitung einer oberflächlichen Schicht stattgefunden habe. Oder man betrachtet die Ausbildung des Adductor mandi- bulae bei Haien als Produkt der Rückbildung einer früher vor- handenen oberflächlichen Schicht. Auch in diesem Falle käme man zu der Annahme der sekundären Entstehung einer ober- flächlichen Schicht, müßte sie dann aber bei unbekannten Aus- gängen erfolgt ansehen — oder aber man rechnete von vorn- herein mit der Existenz einer geschichteten, den Nerven ein- schließenden Muskulatur. Alle diese Wege halte ich für gang- bar; stets aber spricht der Zusammenhang beider Schichten oral- wärts, wie ich ihn bei Urodelen und Anuren nachgewiesen habe, für eine Sonderstellung dieser Zone: im genetischen Sinne. Die Entscheidung für den ersten Weg liegt wohl am nächsten, und sie wäre gerechtfertigt, wenn wir irgendwelche Ansätze zur Bildung einer oberflächlichen Schicht bei Fischen realisiert fänden. Soweit ich aber den Darstellungen VETTERS und LUTHERS ent- nehmen kann, finden wir entweder nur den einfachen Zustand (Selachier [VETTER, LUTHER]| und Chondrostei [LUTHER 1913]) oder bereits den einer vollendeten Schichtung. Dies geht aus VETTERS Beschreibungen namentlich der Teleostier hervor, aber auch aus LUTHERS Darstellung der Ganoiden und Crossopterygier. Besonders erfreulich ist an und für sich, und für theoretische Entscheidungen förderlich, die große Übereinstimmung, die zwischen Crosso- pterygieren (LUTHER [1913]) und meinen Befunden besteht. Die Beschreibung, die LUTHER von Polypterus und Calamoichthys gibt (Ursprung des „Temporalis“ dorsal vom N. ophthalm. pro- fundus, des Pterygoideus ventral davon, Durchtritt des 2. Trigeminus- astes zwischen „Temporalis“ und „Masseter“), gilt, wie wir ge- sehen haben, auch von den Urodelen. Ein eigentlicher „Status nascendi* für diese oberflächliche Schicht ist aber bei Fischen nirgends nachgewiesen. Die Zustände bei Chondrostei hält LUTHER selbst für rückgebildet. So gelange ich vorderhand zu einer Annahme der zweiten der drei oben- genannten Möglichkeiten, ohne aber den 3. Weg völlig aus- schließen zu wollen. Immerhin ist der Zustand der Selachier für das Verständnis der höheren Organisationen sehr bedeutsam. Demgemäß haben sich auch VETTER und LUTHER in Überlegungen darüber klar zu werden versucht, wie aus dem einschichtigen Adductor mandibulae Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 169 die geschichtete Muskulatur der Fische entstanden sein möchte. VETTER, und ihm folgt GEGENBAUR in seiner Vergleichenden Ana- tomie, faßt dafür zwei Möglichkeiten ins Auge: Erstlich, daß die oberen Schichten durch Auswachsen des Constrietor des Hyoid- bogens über den Adduetor mandibulae enstanden seien — sodann, daß mit der Entstehung der dermalen Ossifikationen neue Ursprünge und Insertionen des Adductor entstanden seien. Die tiefsten Schichten seien die ältesten, die äußeren desto jünger, je ober- flächlicher sie lägen. LUTHER hat beobachtet, daß bei einigen Selachiern der N. maxillaris inferior in einer Rinne des Muskels liege, bei anderen von dem Muskel umwachsen werde (1909). Daneben gelangt er (1913) zu Vorstellungen, die denen VETTERS über die Verlagerung der Ursprünge und Ansätze nahestehen. LUTHER unterscheidet sich aber in einem wichtigen Punkte von VETTER. Während dieser den Gegensatz zwischen Adductor und Constrietor dorsalis hinterer Visceralbogen auch auf den Kiefer- bogen überträgt, bezweifelt es LUTHER (1909, p. YÖff.), ob solche Sonderung in einen Adductor arcuum und einen Constriector am Kieferbogen wirklich stattgefunden habe und leitet auch den „Adductor mandibulae“ der Haie von einem Constrictorteile ab. So scheint mir die Sachlage gegenwärtig die zu sein, dab Urodelen und höhere Fische bereits Komplikationen der Schichtung ihrer Kaumuskeln aufweisen und daß wohl gemeinsame Ausgänge in der Differenzierung dieser Schichten angenommen werden dürfen. Ob sich für die Feststellung des Ganges dieser Differenzierung positive Anhaltspunkte ergeben werden, wird mir die weitere Bearbeitung der Frage zeigen. Zweifellos scheint mir das eine zu sein, daß die tiefe (Pterygoid-)Schicht die ältere ist und daß die Ausbildung der oberen Schicht von der vorderen Grenze dieser tiefen Schicht ihren Ausgang genommen habe!'!). Spezielle Homologien aufzustellen, ist zurzeit untunlich, so sicher sie für manche Formen (z. B. Crossopterygier nach LUTHER) auch begründbar erscheinen. Aber wenn man erfahren hat, wie oft ein einziger neuer Befund in der Innervation eines Muskel- komplexes die gesamte Beurteilung verschiebt, wird man geneigter, mit definitiven Urteilen zurückzuhalten. Mehr also zu sagen, als daß die gesamte ventrale Muskulatur der Amphibien dem Ad- 1) LUTHER (p. 115) vermutet, daß sich diese Ausbreitung von hinten nach vorn vollzogen habe. Ich halte dies für weniger wahr- scheinlich, als die von mir ausgesprochene Annahme. 170 W. Lubosch, ductor mandibulae der Haie homolog ist, scheint mir heute ver- früht. Andererseits scheint es mir sicher, daß in einigen Punkten die Fische primitivere Merkmale aufweisen, als die Amphibien dies betrifft vor allem die Insertionen am Unterkiefer und die Breitenausdehnung der Muskeln. Es gibt Zustände (VETTER, HOLM- auıst [1911], Drierz [1912] bei Teleostiern), wo Teile des tiefsten Kaumuskels (also eines Pterygoideus) bis zur Symphyse des Unter- kiefers reichen. Bei Amphibien erstreckt sich der M. pteryg. post. nur bis nahe vor das Gelenk; dagegen finden sich wiederum bei Reptilien Zustände, wo der Pterygoideus posterior viel weiter nach vorn reicht. Für das Krokodil habe ich (1914) von solchem Zustande schon berichtet?2). Auch bei Varanus und Chamaeleon finden sich Portionen dieses Muskels weit nach vorn, bis zum Auge hin, ausgedehnt. Hieraus würde die Möglichkeit folgen, sich die Beschränkung des M. pterygoideus posterior auf die Gelenkregion, wie sie bei Amphibien stattfindet, als etwas Sekun- däres vorzustellen. Die Würdigung der Adduktorenteile der Fische und ihren Vergleich mit denen der Amphibien behalte ich mir für einen folgenden Teil meiner Untersuchungen vor. b) Amphibien und Amnioten. Die entscheidende Rolle, die die Kaumuskeln in der Frage des Kiefergelenkes und seiner Homologie spielen, haben schon oft zur Vergleichung der Muskeln der Gnathostomen untereinander 1) Die Vermutung von LUTHER, „daß die Vorfahren der Tetrapoden einst einen solchen ventralen (intramandibularen) Adductorteil besaßen“, ist von mir, gestützt auf diesen Nachweis beim Krokodil, bereits damals ausgesprochen worden; L.’s weiterer Schluß, „daß derselbe jedoch bei den Amphibien und Amnioten verloren ging“, ist demnach nicht zu- treffend. Dagegen hat er sehr recht, wenn er fortfährt: „Es ist mir wahrscheinlich, daß ein kaudalster (articularer) und tiefster Teil des Muskels bei den Vorfahren der Tetrapoden stets ungeteilt (i. e. durch eine Zwischensehne) verblieb, ähnlich, wie es bei den Selachiern der Fall ist. Dafür sprechen auch die Verhältnisse bei den Orossopterygiern, indem unmittelbar vor dem Kiefergelenk durchaus fleischige Fasern vom Quadratum zum Unterkiefer ziehen“. — Ich habe gerade zeigen können, daß es in der Tat ein zu dieser Gelenkportion des Pterygoideus posterior gehöriger Muskel ist, der in den Canalis primordialis ein- tritt. — Was indes diese merkwürdige Poriion Aw VETTERS betrifft, so glaube ich nach meinen Erfahrungen bei Fischen, daß ihre Ent- stehung wesentlich anders wird erklärt werden müssen, als bisher geschehen. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 171 geführt. Ehe ich die hierüber bestehenden Ansichten erörtere, liest mir an der Aussonderung einer besonderen Frage, der nämlich nach der Homologie derjenigen Muskeln, die bei Reptilien und Vögeln die Pterygopalatinspange bewegen. Sie scheint mir noch nicht eindeutig entschieden und erfordert weitere Erforschung. Die allgemeine Ansicht geht dahin, daß die bewegliche Pterygo- palatinspange den älteren Zustand repräsentiere und der feste An- schluß dieser Knochen an den Schädel etwas sekundär von Amphibien und Säugetieren Erworbenes sei. VERSLUYS hat in seinen hervor- ragenden Werken über das Streptostylieproblem (1910, 1912) die ganze Frage eingehend erörtert, so daß ich von Wiederholungen absehen kann; in einem Punkte ist er weiter gegangen und hat, indeın er anstatt von einem „streptostylen“ von einem „kinetischen‘“ Schädel spricht, eine große Vertiefung des ganzen Problems herbeigeführt. VeErsLuYs hält einen an bestimmten Stellen beweglichen Schädel für das älteste Stadium des Gnathostomencraniums. Von ihm aus seien mannigfache Typen kinetischer Schädel entstanden: ein metakinetischer bei gewissen Reptilien, ein mesokinetischer bei Vögeln, zu mehreren Malen endlich sei der Schädel „akinetisch“ geworden. Was die bei dieser Beweglich- keit des Schädels wirksamen Muskeln anlangt, so hält er an seiner schon früher (1898) geäußerten Ansicht der Homologie der Cranio- pterygoid-Muskulatur mit dem Levator pterygopalatini der Fische fest !). Man hätte also hiernach anzunehmen, daß bei Amphibien und Mammalia diese Muskulatur rudimentär geworden sei. In diesem Falle würde also der Mangel eines Ursprungs der tiefsten Cranio-mandibularis- Schichten am Pterygoid (s. oben p. 116) als ein sekundärer Zustand zu beurteilen sein. Die Reptilien hätten hiernach primitivere Zustände bewahrt als die Amphibien. In einer Fußnote zu meinem Vortrage (1913) habe ich bemerkt, daß ich mich der erwähnten Homologisierung nicht ganz anschließen könne, weil mir teils die Beobachtungen von EDGEWORTH (1911), teils meine eigenen die Sachlage doch vielleicht etwas komplizierter erscheinen ließen. Was EDGEWoRTHs Beobachtungen anlangt, so hat dieser in der Ontogenese der Kaumuskulatur zwei Typen angetroffen. In Ent- faltung des einen Typus teilt sich das Myotom in einen oberen und unteren Abschnitt (Seyllium, Acipenser, Lepidosteus, Amia, Salmo, Sauropsiden); bei dem zweiten Typus teilt sich das Myotom nicht in einen oberen und unteren, sondern in einen äußeren und inneren Abschnitt (Ceratodus, Necturus, Triton, Rana, Alytes, Bufo lentiginosus, Pelobates, Lepus). EDGEWORTH betont nun, daß in primitiver Lage das noch ungeteilte Myotom bei allen Gnathostomen ursprünglich quer zum Palatoquadratum und unbefestigt an ihm liege, also in 1) Die Wahrscheinlichkeit dieser Homologie wird verstärkt durch den schönen Fund Lurners (1914) eines Levator quadrati bei Gymnophionen. 172 W. Lubosch, derjenigen Lage, die die dauernde bei den akinetischen Schädeln (zweiter Typus) sei. EDGEWORTH folgert hieraus, daß die Palato- quadratspange nicht von Anfang an ein für Muskelbefestigungen be- stimmtes Skelettstück gewesen sei. Er betont ferner, daß er nirgends bei Amphibien oder Säugern ontogenetische Spuren des dorsalen Myotomteiles gefunden habet), hält daher auch aus diesem Grunde den festen Schädel für primitiver und meint, die Streptostylie sei im Zu- sammenhang mit der Teilung des Myotoms in einen oberen und unteren Abschnitt entstanden. Bei Sauropsiden nimmt er zwei Formen der Streptostylie an und läßt die Monimostylie der Chelonier, Krokodilier und Rhynchocephalier von der Streptostylie der Vögel sekundär ent- stehen. Ich will diesen Überlegungen weder folgen, noch ihnen ent- gegentreten, doch aber auf einen Punkt hinweisen, der für die Diskussion beachtenswert ist. Zweifellos ist nämlich die Sonderung in einen äußeren und inneren Teil des Kaumuskelmyotoms die über- geordnete und nicht etwa gleichwertig derjenigen in einen oberen und unteren Abschnitt. Dies geht nicht nur aus EDGEWORTHs Befunden hervor, sondern auch daraus, daß nach meinen eigenen Feststellungen bei Lacertiliern diejenigen Muskeln, die offenbar aus dem „oberen“ Myotom hervorgehen, ventral innervierte Muskeln sind, daß also der „obere“ Myotomteil nicht aus dem gesamten ungeteilten Myotom hervorgegangen sein kann, sondern nur aus denjenigen seiner Komponenten, die bei Amphibien die innere Abteilung des Myotoms bildet. Es unterbleibt also offenbar in diesen Fällen die Sonderung in einen inneren und äußeren Teil; sie wird übersprungen, ohne daß wir schließen dürften, daß das Material dazu nicht vorhanden sei. Zweifellos hat also indirekt der „untere“ Teil des Myotoms auch einen Anteil an der Ausbildung der Heber des Pterygoids, wenngleich das in der Ontogenie nicht mehr zum Ausdruck zu gelangen scheint. Ich folgere hieraus, daß allein die Tatsache, daß zwei Muskel- gruppen bei Fischen und Reptilien der gleichen „dorsalen“ Myotom- schicht entstammen, nicht zwingend sei, um uns zur Annahme einer kompletten Homologie zwischen den beiden Gruppen zu führen, daß vielmehr dabei auch die Natur der Nerven Berücksichtigung verdient. Nach meinen Erfahrungen werden sie von dem N. pterygoideus anterior abgegeben und man kann durch einen Vergleich zwischen Varanus und Chamaeleon feststellen, daß mit dem Fehlen besonderer Heber des Pterygoids (Chamaeleon) auch diejenigen Rami ventrales anteriores fehlen, die bei Varanus vorhanden sind. Beiden Formen gemeinsam bleibt dann nur der Ast zum Depressor palpebrae inferioris in ähnlichem Verlauf. Eine andere Erwägung knüpft sich an die Muskelursprünge am Pterygoid. Solange man die Kaumuskeln der Amphibien nicht kannte, konnte man annehmen, zudem gestützt auf falsche Angaben 1) Dem widerspricht allerdings LUTHER. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 173 über diese Muskulatur, daß auch bei ihnen eine besondere vom Pterygoid entspringende und am Unterkiefer inserierende Muskulatur existiere. Wir haben uns aber davon zu überzeugen gehabt, daß bei Am- phibien das Pterygoid als Muskelursprung überhaupt keine Rolle spielt. Dadurch entsteht nun die bis jetzt noch nicht dis- kutierte Frage, ob dieser Zustand primitiv oder sekundär zu beurteilen sei; es leuchtet (s. oben p. 116) ein, daß solche Ursprünge bei strepto- stylen Schädeln nur existieren können, wenn gleichzeitig suspensoriale Muskeln vorhanden sind. Man müßte daher die pterygo-mandibularen Muskeln der Reptilien und zwar dann auch diejenigen der mit akine- tische. Schädeln versehenen für primitive halten und sie unmittelbar an die Zustände der Fische anschließen, während bei den Amphibien diese Muskeln bis auf Spuren verloren gegangen wären. Vorderhand scheint mir diese Frage, wenngleich sie sich begründen läßt, doch noch weiterer Prüfung bedürftig, wie auch die andere, ob die Teile des Pterygo-palatin-Spange, an denen bei Reptilien die Adduktoren- teile entspringen homolog denen sind, an denen sich die Muskeln der Fische befestigen (Metapterygoid, Ectopterygoid). Auch mit einem neuerlichen, sekundären Übertritt von Muskeln, entsprechend meiner Darstellung im speziellen Teil, auf das Pterygoid muß gerechnet werden. Dies würde dann zu dem Gedanken führen, wie ich ihn (1913) ausgesprochen habe, daß die Muskeln zwischen Cranium und Pterygoid in dem Maße entwickelt worden seien, wie der Übertritt eines Teiles der eraniomandibularen Muskulatur auf das Pterygoid erfolgte. Zu dieser Ansicht ist aus anderen Gründen auch EDGEWORTH gelangt. Die Einheitlichkeit der Innervation, wie ich sie bei Reptilien nach- weisen konnte, würde ebenfalls die Cranio-pterygoid- und Pterygo- mandibular-Muskulatur als zusammengehörig erkennen lassen. Die Annahme einer primitiven Streptostylie erfordert nicht un- bedingt gleichzeitig die Annahme einer Homologie der diesen Skelett- einrichtungen dienstbaren Muskulatur. Wenn ich somit auch glaube, daß eine Entscheidung noch von weiteren Untersuchungen abhängig zu machen sein wird, so möchte ich dabei die Möglichkeit offen gehalten wissen, daß trotz homologer Skelettverhältnisse dennoch andere Muskeln bei Sauropsiden als Beweger der Pterygo-palatin-Spange zur . Entwicklung gelangt seien, als bei Fischen Für eine Homologisierung der Amphibienmuskulatur mit derjenigen der Gnathostomen ist eine Entscheidung über den Wert dieser pterygocranialen Muskulatur zunächst auch nicht unerläß- lich. Entweder ist sie derjenigen der Fische homolog — dann ist sie bei Amphibien und Mammalia überhaupt nicht da — oder sie ist bei Reptilien erst enstanden — dann steckt sie in einem Teil der Amphibienmuskulatur, der dann jedenfalls für die Vergleichung der übrigen Komponenten nicht direkt von Wert ist. Eine gesonderte Prüfung der Beziehungen der Amphibien zu beiden Amniotenabteilungen scheint geboten. 174 W. Lubosch, a) Amphibien und Reptilien !). Wer von der Kaumuskulatur der Amphibien ein Bild be- kommen hat, dem bietet die Kaumuskulatur der Schildkröten und Krokodile und — wenn wir von den Muskeln des beweg- lichen Pterygopalatinum absehen — auch die der Lacertilier, Ophi- dier und Vögel nichts grundsätzlich Neues. Insbesondere ist die Muskulatur von Cryptobranchus geeignet, den Anschluß an die Amphibien zu vermitteln. Inwiefern auch gewisse Merk- male der Lacertilier bei Anuren hervortreten, ist oben bemerkt worden, woran erinnert sei, um einer allzu einfachen Vorstellung von dem genealogischen Zusammenhang entgegenzutreten. Lagerung der Muskeln, Beziehung zu den Nerven, Sonde- rung der Komponenten — alles ist im Grunde völlig überein- stimmend mit den Zuständen bei den Urodelen der Siredon-Crypto- branchus-Reihe. Hinsichtlich der Nomenklatur herrscht bei Reptilien große Verwirrung (vgl. VERSLUYS 1904), an deren Klärung ich hier nicht herangehen möchte; die Berücksichtigung von Ursprung und Ansatz und die Innervation wird leicht die Bedeutung der von den einzelnen als Pterygoideus, Pterygoideus externus, internus, Pterygo- mandibularis usw. gedeuteten Teile enthüllen, und die von mir vorgeschlagene und in der vorliegenden Abhandlung durchgeführte Nomenklatur wird die Übersicht erleichtern. Was die einzelnen Komponenten anlangt, so ist bei Chelo- niern eine Übereinstimmung, auch was die Massenverhältnisse der Komponenten anlangt, vorhanden. Bei Krokodilen und Eidechsen scheint der Cranio-mandibularis an Bedeutung zurückzutreten und 1) LUTHER macht Angaben über Homologien zwischen Anamniern und Amnioten mit Reserve, „da dıe Angaben in der Literatur, sowie seine eigenen bisherigen Untersuchungen nicht im Einzelnen für ein definitives Urteil genügen“. Ich sehe daher von einer nachträglichen Diskussion dieser Angaben ab. Den Versuch einer Vergleichung hatte ich ja bereits selbst (1913) gemacht; LuTHER geht auf ihn nicht ein. Was die Vergleiche mit den Säugetieren anlangt, so homologisiert LUTHER den mit dem Cranio-mandibularis verbundenen inneren Teil („Add. mand. internus“ LUTHER, Pteryg. anterior ich) mit dem Pterygoideus internus + Tensor veli palatini und Tensor tym- pani +- (Pterygo-tympanicus). Aus dem Pterygoideus posterior dagegen (i. e. Add. mand. post. seiner Nomenklatur) läßt er den Detrahens mandibulae der Monotremen werden. Lage und Innervation des Detrahens mandibulae widerspricht dieser Homologisierung. S. weiter unten. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 175 der Mandibularis externus neigt zur Verschmelzung mit dem Pterygoideus posterior. Der Pterygoideus anterior ist bei Kroko- dilen einfach, bei Cheloniern mehrfach geschichtet, bei beiden gegen den Cranio-mandibularis nicht scharf gesondert. Bei Lacerti- liern gehören anscheinend die vom Cranium zum Augenlid und zum Pterygo-palatinum ziehenden Muskelteile in sein Nerven- gebiet hinein. Ganz besonders wichtig aber ist die Tatsache, daß der Pterygoideus posterior, der bei Cheloniern ganz überein- stimmend mit dem der Amphibien ist, bei Krokodiliern und Lacertiliern ungewöhnlich reiche Differenzierungen eingeht. Über die Verhältnisse beim Krokodil habe ich bereits kurz berichtet, daß er nämlich dort vermittels einer besonders innervierten Portion weit oralwärts am MECKELschen Knorpel inseriert (Aw VETTER). Auch bei Vögeln scheinen die Hauptkomplikationen von dem Pterygoideus posterior auszugehen. Dies ist ja begreiflich, denn es ist der Muskel des Articulare und des MEckEuschen Knorpels. Er inseriert vor dem Gelenk und scheint auf die mannigfache Beanspruchung des Gelenkes bei der Nahrungsaufnahme der Sau- ropsiden besonders fein zu reagieren. Er tritt sogar an die Stelle anderer Komponenten, so daß die Rückbildung der oberflächlichen Cranio-mandibularis- („Temporalis-“) und Mandibularis - externus- („Masseter-“)Schichten von da aus verständlich wird. Möglicher- weise wird die Verschmelzung zwischen Pterygoideus posterior und Mandibularis externus von eben daher verständlich. Man kann sagen, daß, unbeschadet nahezu völliger Homo- logie der Muskulaturen, die der Sauropsiden eine steigende einseitige AusbildungundDifferenzierungdesPtery- goideus posterior darbietet, der mit den Portionen, in die er sich gliedert, das Bild oft durchaus beherrscht. ) Amphibien nnd Säugetiere. Ich möchte daher die gegenwärtig durchweg geübte Ver- gleichung zwischen der Kaumuskulatur der Säugetiere und Rep- tilien auch nicht ohne weiteres gutheißen. Wenn wir nur die Frage erheben, auf welche Bestandteile der Emammalia-Muskulatur wir die Kaumuskeln der Säugetiere zurückführen können, so ist es für die rein spekulative Festsetzung der Homologien gleichgültig, ob wir die Amphibien oder Reptilien als Vergleichsmaterial heran- ziehen, denn grundsätzlich enthalten beide die gleichen Be- standteile. Handelt es sich aber um die praktische Frage, welchen Ausgang wir für die Umbildung des Kauapparates annehmen wollen, 176 W. Lubosch, so erschweren wir meines Erachtens den Vergleich, wenn wir gerade die Reptilienmuskulatur als Ausgang betrachten. Fuchs (1906, p. 88) hat dies Bedenken benutzt, um die Umbildung der starken Muskelmassen, die sich am Articulare befestigen, im Sinne der REICHERTschen Theorie für unmöglich zu erklären. Zurzeit erscheint es mir sogar bedenklich, an urodelen- artige Ausgänge mit der Neubildung des Säugetiergelenks an- zuknüpfen. Es spielen hier andere Fragen hinein, die ich noch nicht für spruchreif halte, in deren Erörterung ich mich also vorab durchaus bescheidee Nur so viel möchte ich aussprechen, daß, da es gerade der Pterygoideus posterior zu sein scheint, der den Säugern als Kaumuskel fehlt, ein Ursprung des Säuge- tierzustandes von den Formen, wo wir den fraglichen Muskel gerade in reichster Differenzierung antreffen, nicht sehr wahr- scheinlich ist. Die grundsätzliche Betrachtung, die also von speziellen An- schlüssen zunächst absieht, hat vor allem einer Ansicht über die Kaumuskeln der Säugetiere ganz entschieden entgegenzutreten. Sie unterscheiden sich von denen der Emammalia nicht nur im Grade der Ausbildung einzelner Teile oder in der Kombination ihrer Komponenten, wie man vielleicht nach der Lektüre von JAEKEL (1906) annehmen möchte. Sie sind vielmehr ihrem Wesen nach durchaus von jenen verschieden. Es fehlen ihnen zwei Muskeln (Pterygoideus posterior und Mandibularis externus), während einer neu hinzugekommen ist, der allerdings schon bei den Emammalia präformiert in bestimmten Teilen der Kaumuskeln enthalten ist. Die Versuche einer Homologisierung reichen schon weit zurück. Ganz ohne Rücksicht auf die Kiefergelenk- frage hatte KınLıan (1890) bereits festgestellt, daß der Tensor veli palatini und Tensor tympani „als solcher“ den Embryonen der Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische wie den erwachsenen Tieren fehlt. Er hat bereits damals die gemeinsame Innervation des Tensor tympani, Tensor veli und Pterygoideus internus festgestellt, desgleichen daß (bei Didelphys-Embryonen) Tensor veli und Tensor tympani dicke Faserbündel austauschen oder (Mensch, Hund) einzelne Fasern. Schon damals leitete KILLIAN alle drei Teile von einem gemeinsamen Muskel ab und sah diesen im „M. pterygoideus“ der Amphibien, und zwar der Anuren, Siren und Menopoma. Diesen betrachtete er als die ver- einigten M. pterygoidei externus und internus der Reptilien, wäh- rend bei den meisten Urodelen nach KırLıan die Pterygoidei Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 177 noch im innersten Abschnitt des Temporalis steckten. So leitete - KırLıan bereits den Tensor tympani von einem Kaumuskel ab. Spätere Untersuchungen hat REUTER über die Entwick- lung der Kaumuskeln bei Säugetieren (1897) angestellt, ohne wesentliche Förderung der — von ihm auch gar nicht in Be- tracht gezogenen — Homologiefrage. Wichtig ist nur, daß er die Fasern der Anlage des Pterygoideus externus lateral, die des Pterygoideus internus medial vom MEcKELschen Knorpel verlaufen läßt, was als gesetzmäßig für die Säugetiere erkannt worden ist (GAupP 1913, p. 142 und Fig. 120) und zugleich insofern von Wichtigkeit, als daraus folgt, daß der Mutterboden dieses Muskels schwerlich ein medial vom MEcKELschen Knorpel liegender Muskel sein kann. REUTER schildert beim Schwein die Anlage der Kau- muskulatur als ein umgekehrtes Y, dessen Stiel den Temporalis, dessen außen vom MECcKELschen Knorpel liegender Teil den Mas- seter, dessen innen gelegener Teil die beiden Pterygoidei hervor- gehen lasse. Vergleicht man seine Figuren, so stimmt diese An- gabe wohl mit seiner Fig. 9, nicht aber mit dem ersten Stadium der Fig. 8 (16 mm Nackensteißlänge) überein. Hier sieht man vielmehr deutlich eine A-förmige Bildung, deren Basis vom Quer- schnitt des MEcKELschen Knorpels und dem dicht medial davon liegenden Blastem des Pterygoideus internus gebildet wird. Die Spitze wird dagegen von der Anlage der drei anderen Kaumuskeln gebildet und zwischen beiderlei Muskelanlagen liegt der dicke Quer- schnitt des N. mandibularis. Erst später bildet sich die A-för- mige Anlage in eine A-förmige um. Mit dieser Ergänzung stimmt REUTERS Darstellung sehr schön überein mit derjenigen von EDGEWORTH (1911, p. 194), wonach bei Kaninchenembryonen von 15 mm Länge die Anlage der Kaumuskulatur eine /\-förmige Gestalt zeigt. Der äußere Teil dieses /| schief stehenden Kom- plexes liefert den Masseter, Temporalis und Pterygoideus externus, der innere Teil den Pterygoideus internus und Tensor tympani. Trotz dieser Befunde und obgleich SCHULMAN (1906) ge- zeigt hatte, daß der M. pterygoideus externus ein dorsaler Muskel sei, ist eine sicher begründete Homologie der vier Kom- ponenten der Säugermuskulatur mit Komponenten bei Emammalia noch nicht gegeben worden. Dies rührt vor allem daher, daß die Innervation und Gliederung der Amphibien- (und Reptilien-) Kau- muskulatur nicht bekannt war, also an dem ungenügenden Ver- gleichsmaterial. Es rührte teilweise aber auch von dem bedenk- Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 12 178 W. Lubosch, lichen Irrtum her, daß man vom „Pterygoid“ entspringende Mus- keln als Vorläufer der beiden Mm. pterygoidei der Säugetiere finden wollte. GAupPp (1913) hat hierauf schon hingewiesen und hat ausgeführt, daß ja der Pterygoideus externus an der Ala temporalis entspringe und höchstens der Pterygoideus internus am „Pterygoid“. Dieser Knochen ist aber, wie wir gleichfalls durch GAupp (1910) wissen, gar nicht das „Pterygoid“ der Am- phibien und Sauropsiden, sondern ein Rest des „Os parabasale“ dieser Tiere. — Es ist also in keinem Falle nötig, für einen der beiden Muskeln einen Vorläufer mit einem Ursprung am „Os pterygoides“ aufzusuchen — ja es würde jetzt geradezu ein Ur- sprung von diesem Knochen als Bedenken gegen eine Homo- logie geltend gemacht werden können. Der gegenwärtige Stand der Frage findet sich bei GAUPP (1913, p. 134—146) in der kritisch-umsichtigen Weise dieses Forschers dargestellt. Ich selbst habe (1913) den Versuch ge- macht, die Homologien, begründet auf die Innervation durch- zuführen. Der Kernpunkt des Vergleichs ist der, daß bei den Säugern nur ein ventral innervierter Kaumuskel (Pterygoideus internus) vorhanden ist, bei den Amphibien und Reptilien deren zwei. Ferner liegt der 3. Ast des Trigeminus bei den Säuge- tieren zwischen beiden Mm. pterygoidei, bei den Amphibien und Reptilien dagegen zwischen der Gruppe der Mm. pterygoidei einer- seits!) und dem Cranio-mandibularis nebst Mandibularis externus?) andererseits. Bereits im vorigen Jahre habe ich diese Verhält- nisse so erklärt, daß die laterale und oceipitale Schicht des Ptery- goideuskomplexes, d.h. also der M. pterygoideus posterior), sich als Kaumuskel nicht auf die Säugetiere vererbt haben könne. Der vordere, orale Teil, der Pterygoideus anterior‘), würde dadurch seine Lage zum Nerven beibehalten haben, während das, was wir „Ptery- goideus externus“ nennen, unmittelbar nach lateral davon als eine Neugliederung entstanden sein müsse. Als Mutterboden für diese Neugliederung kann aber nach der ganzen Sachlage nur eine tiefere Schicht des M. ceranio-mandibularis®) in Betracht kommen. 1) Ad. mand. internus und posterior LUTHER. 2) Pseudotemporalis und Add. mandib. externus LUTHER. 3) Add. mand. posterior LUTHER. 4) Add. mand. internus LUTHER. 5) Pseudotemporalis LUTHER. Vergleichende Anatemie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 179 Diese Annahme läßt sich durch eine Anzahl schwerwiegender Gründe — abgesehen von den soeben schon genannten — stützen. Es sind dies erstens solche, die in embryologischen Beobachtungen ihre Stütze haben. Nach REUTER und EDGEWORTH steht beim Schwein und Kaninchen das Blastem des Pterygoideus externus ursprünglich in innigstem Zusammenhang mit demjenigen des Temporalis. Es wäre also, falls der Temporalis der Säuger im Craniomandibularis!) der Amphibien und Reptilien steckte, und das ist wahrscheinlich der Fall, an sich schon die embryonale Unter- suchung ein Beweis für die vorgetragene Ansicht; Zweitens Gründe in der Beschaffenheit der cranio-mandi- bularen Muskulatur bei Amphibien. Wir haben diese als ein Gebilde von steigendem Schichtenreichtum kennen gelernt und können ihr die Disposition, eine neue innere Schicht, etwa vom Cranio-mand- bularis medius aus, selbständig abzugliedern, nichtabsprechen. Unter welchen Umständen dies erfolgte, ist eine Frage für sich. Es eröffnet sich jedenfalls dem Verständnis der Kieterfrage ein neuer Weg, wenn wir annehmen, daß eine Komponente dieses Muskels, von besonderem Wert für spezifische, neue (etwa Sauge-) Be- wegungen, es war, die für die Zerlegung des Unterkiefers von Wert wurde und daher in besonderer Weise zur Selbständigkeit gelangte‘ Hierdurch soll ebensowenig eine feste Ansicht über den gänzlich dunklen Hergang geäußert werden, wie über die für eine solche Wirkungsweise vorauszusetzende Insertion. Beides behalte ich mir für den Fortgang meiner Arbeiten vor. Drittens Gründe gegeben in der Innervation des Ptery- goideus externus bei den Säugetieren. Hierbei berichte ich zugleich über eigene noch unveröffentlichte Teile meiner Arbeiten. Durch SCHULMAN ist bekannt geworden, daß der Pterygoideus externus aus derselben Quelle wie der Tempo- ralis und Masseter innerviert wird. Insbesondere besteht eine tiefe Portion des Temporalis, der er nahesteht, bei Ornithor- rhynchus. Es existiert hier ein N. temp. prof. anterior, der mit dem N. pteryg. externus zusammen dem N. buceinatorius angeschlossen verläuft. Ähnlich ist es auch bei Echidna. Diese tiefe Temporalisportion (Pars sphenoidalis des Caput anterius) der 1) Pseudotemporalis LUTHER. 12* 180 W. Lubosch, Pars temporalis des M. masseterico-temporalis von Echidna und Ornithorrhynchus ist also dem Pterygoideus externus innig ver- wandt. Auch ihre Ursprünge liegen nahe beieinander (s. bei SCHULMAN). Ich habe nun dies Verhältnis bei Säugetieren in großem Umfange geprüft und finde, daß es durchaus gesetzmäßig ist. Die Doppelinnervation des Temporalis durch Nn. temporales profundi anteriores und posteriores (Mensch) ist bekannt. Die vorderen dieser Nerven gehen vom N. buceinatorius ab. Bei einer großen Reihe von Säugetierköpfen, die ich daraufhin untersucht habe, ist die Doppelinnervation durchgehends anzutreffen; dabei wechselt aber der Anteil der beiden Nervenbezirke sehr stark. Am geringsten ist ihr Anteil am Aufbau des Temporalis nach meinen Präparaten bei Huftieren und Paarhufern; am größten bei Insectivoren (be- sonders Centetes) und Marsupialiern, d. h. dieser, dem Ptery- goideus externus eng verwandte tiefste Kopf des Tem- poralis bildet in diesen Fällen fast den ganzen Tem- poralis; der durch Nn. temporales proff. posteriores versorgte Anteil ist hier nur gering. Die Gesamtheit all dieser Gründe fällt schwer ins Gewicht für die Annahme, daß der Cranio-mandibularis der Amphibien (oder Reptilien?) in seinen tieferen Schichten Sonderungen erfahren habe, die zur Bildung einer völlig selbständigen (Pterygoideus externus) und einer an den Temporalis angeschlossenen bleiben- den, Portion (Caput anterius) geführt haben mögen. Dabei muß aber ein bisher unbekanntes Moment funktioneller Art, eine für die ganze zur Säugetierorganisation führende Entwicklungsrichtung, eine entscheidende Rolle gespielt haben. Die Analyse dieses Momentes und die Feststellung der für seine Wirksamkeit voraus- zusetzende Organisation halte ich für die Hauptaufgabe der weiteren Forschung. Noch eine weitere Homologie, die bereits in der Literatur erörtert worden ist, läßt sich nach meinen Untersuchungen nun- mehr sicherer begründen. Es ist die zwischen dem „Detrahens mandibulae“ der Monotremen und dem „Masseter“ der Nicht- säuger!). Hierüber sagt ToLpr (1908) Folgendes: „Vor allem ist die Sonderstellung des M. detrahens mandibulae der Monotremen 1) LUTHER scheint diesen Muskel der Monotremen vom Ptery- goideus posterior (Add. mand. posterior seiner Nomenklatur) ab- zuleiten. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 181 in seiner Innervation durch einen Zweig des Trigeminus be- gründet. Diese hat bis jetzt eine befriedigende Erklärung nicht gefunden.“ ToLpr ist aber der Meinung, daß Anhaltspunkte zu einer morphologischen Deutung bestehen. Als solche Deutung gibt er an, „daß sich dieser Muskel bei der Neubildung des Kiefer- gelenks .... von dem Masseter abgespalten habe; ... . diese Annahme befindet sich auch in Einklang mit den Ermittelungen SCHULMANs über den Nerven des M. detrahens, nach welchem sich dieser vom gemeinsamen Nervenstamm für die Mm. tempo- ralis und masseter, und zwar erst nach dessen Austritt aus der Schädelhöhle, abzweigt“. GAaupP hatte bereits vor SCHULMAN auf die Bedeutung dieses Muskels hingewiesen und betont, daß, da er ein Trigeminusmuskel sei, er gerade Zeugnis für die Theorie ablege, daß das Kiefergelenk der Säuger zwischen den Trigeminus- muskeln entstanden sei, so daß dann einer dieser Muskeln eben occipital vom Gelenk zu liegen komme. Abgesehen von der oben zitierten Ansicht ToLpDTs ist eine genauere Fixierung eines bestimmten Muskels als Homologon des Detrahens mandibulae nicht erfolgt. Jene Ansicht ToLprs er- läutert GAupp folgendermaßen (1913): Unter „Abspaltung vom Masseter“ sei wohl nicht zu verstehen, daß er sich „von einem schon gut differenzierten Säugermasseter nachträglich abgespalten habe und kaudalwärts gewandert sei, sondern... daß er sich zugleich mit dem Masseter selbst aus einer gemeinsamen Muskel- masse der Reptilien (dem sogenannten capiti-mandibularis) bei der Neubildung des Kiefergelenks herausdifferenziert hat; GAUPP meint dann, daß als Ausgang in erster Linie in Betracht kämen die Portionen des großen M. capiti-mandibularis, die unmittelbar vor dem Quadrato-Artieulargelenk gelegen sind. — Nach der ganzen Sachlage kann nun nur ein dorsal innervierter Muskel dabei in Frage kommen. Diese Muskelteile besitzen aber gerade bei Reptilien nach meinen Erfahrungen eine so geringe Selbständigkeit, daß man schwerlich gerade bei ihnen den Ausgang der Neubildung suchen möchte. Sehr viel klarer liegen die Dinge bei den Urodelen, wo in der Tat der M. mandibularis externus!) als wohl charakterisierter und sehr selbständiger Muskel in Betracht kommt. Er mit seinem oft weit nach hinten reichenden Ursprung (z. B. Menobranchus) leistet auch hinsichtlich seiner Topographie allen 1) Add. mand. externus LuTHEr. 182 W. Lubosch, Forderungen genüge, die an das Homologon des Detrahens mandibulae zu stellen sind. Bei der Abgliederung des Unter- kiefers empfängt er ohne weiteres die Lage, die der Detrahens bei Monotremen innehat. Insbesondere ist seine Innervation durch die beiden von mir nachgewiesenen Äste so, daß sie fast un- mittelbar gültig sein kann für die von SCHULMAN für seinen Detrahens gemachten Angaben. Ob freilich der Muskel ganz oder partiell zum Detrahens geworden sei, muß vorab unbeantwortet bleiben. Somit glaube ich in dem M. mandibularis externus den Mutterboden für den Detrahens mandibulae der Monotremen sehen zu können. Es bleibt also noch die gesamte Masse der oberflächlichen Schichten des M. cranio-mandibularis übrig!), deren Vererbbarkeit auf die Säugetiere nach der ganzen Sachlage nicht bezweifelt werden kann. Aus diesen Schichten müssen die als Pars masse- terica, Pars zygomatico-mandibularis und Caput medium + posterius des M. temporalis bezeichneten Kaumuskeln hervorgegangen sein. Die Innervation. die sie alle als abhängig von einem einzigen dorsalen Nervenstamm nachweist, widerspricht dem nicht; im (segenteil wird diese Annahme dadurch unterstützt, daß alle diese Portionen — wenigstens bei Monotremen nach SCHULMAN — unselbständig sind, weil sie ihre Nerven mit Nachbarportionen gemeinsam beziehen. Nur das Caput anterius des Temporalis macht mit einem selbständigen Nerven eine Ausnahme. Ganz ähnlich aber zeigen sich bei Urodelen die oberen Schichten des Cranio-mandibularis im Gegensatz zu der tiefsten Schicht. Es ist nach all dem möglich, ein Grundschema für die Homologien zwischen Emammalia und Mammalia aufzustellen. Es liefert l. der M. mandibularis externus denM.detrahens mandibulae der Monotremen. Bei höheren Säugetieren sind Reste des Muskels bis jetzt nicht nach- gewiesen; 2. der M. cranio-mandibularis a) mitseinen oberenSchichten den Masseter und obere Por- tionen des Temporalis; 1) Pseudotemporalis LUTHER. Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere I. Teil. 183: b) mit tiefen Schichten das Caput anterius des Tem- poralis und den M. ptery- goideus externus; 3. der M.pterygoideus anterior denM.pterygoideusinternus (fehlt bei den Monotremen); 4. der M. pterygoideus posterior keine, als Kaumuskeln wirk- s. levator partis articularis samen Elemente, wahrschein- cartilag. Meckeli lich den M. tensor tympani und M. pterygospinosus. Die Tatsache, daß der Pterygoideus internus den Monotremen fehlt, ist für die tiefe und höchst einseitig verschobene Stellung dieser Tiere bedeutsam, spricht indes von einer anderen Seite für die Richtigkeit der Homologien. Denn wenn nach unseren obigen Darlegungen dieser Muskel mit den tiefsten Teilen des Cranio- mandibularis bei Urodelen fast stets noch zusammenhängt (s. S. 167) und wenn diese Tatsache so gedeutet worden ist, daß an dieser Stelle: die Entfaltung einer dorsalen Schicht von dem ursprünglichen, ventral innervierten Adductor mandibulae begonnen habe, so würde man als Ausgang für die Monotremen Formen anzunehmen haben, bei denen der Adductor mandibulae in die Bildung eines Ptery- goideus posterior nahezu ganz aufgegangen war, während ein kleiner Bezirk an der Verwachsungsstelle mit den oberflächlichen Schichten bestehen blieb, der, bei Rückbildung des Pterygoideus posterior, sich als nicht scharf in seiner Zugehörigkeit definierter Bestandteil den tiefen Teilen des Cranio-mandibularis anschloß. Das hier entworfene Bild wurde gewonnen durch Fest- stellung der Innervation der Kaumuskeln bei Amphibien und durch Vergleich der Ergebnisse dieser Feststellung mit dem, was über die Innervation der Säugermuskeln bekannt war. Im ein- zelnen ergeben sich nun noch interessante Parallelen. Zu- nächst ist es bedeutsam, daß Säuger und Reptilien, was die Ver- wendung der einzelnen Komponenten anlangt, in deutlichem Gegensatze stehen. Die Reptilien entwickeln die ältesten Bestandteile der Muskulatur, die direkten Abkömmlinge des Ad- ductor mandibulae zu ungemeiner Höhe der Ausbildung. Sie kauen vorzugsweise mit dem Pterygoideus posterior (und verwenden den Pterygoideus anterior teilweise zur Bewegung des beweglichen Pterygopalatingerüstes?). Die dorsalen Schichten der Muskulatur 184 W. Lubosch, sind, namentlich was den Cranio-mandibularis anlangt, stark redu- ziert, zum Teil (Mandibularis externus) mit dem Pterygoideus posterior verschmolzen oder in Verschmelzung begriffen. Die Säugetiere haben die uralten Bestandteile des Adductor mandi- bulae bis auf den zum Pterygoideus internus umgebildeten Teil als Kaumuskeln verloren. Die Hauptmasse ihrer Kaumuskeln entstammt der sekundären, dorsalen Kaumuskulatur, die bei ihnen eine enorme Entwicklung genommen hat. Ganz im Gegensatz zu den Reptilien ist es gerade der Cranio-mandibularis, der die wichtigen und charakteristischen Kaumuskeln der Säugetiere liefert. In der sehr geringen Entfaltung der dorsalen Trigeminusmuskulatur bei Reptilien und ihrer starken Ausbildung bei Säugetieren erblicke ich ein Moment, das einer direkten Ableitung der Kaumuskeln der Säugetiere von denen der Reptilien hinderlich in den Weg tritt. Höchstens die Chelonier kämen hierbei in Betracht. Eine Kaumuskulatur, wie sie die Urodelen, und unter ihnen Formen wie Cryptobranchus, besessen haben, ist als Ausgang eher brauch- bar; auch an Siren muß gedacht werden. Es wird Aufgabe der weiteren Untersuchung, auch an fossilem Material, sein, diesen Ausgängen nachzuforschen. Einige Worte über den Tensor veli palatini seien anmerkungs- weise hinzugefügt. Man leitet ihn entweder (KosSTAnEckI) vom Pterygo-mandibularis oder vom Pterygo-sphenoidalis (FÜRBRINGER, CORDS) ab. GAUPP, der diese ganze Frage eingehend erörtert (1913, p. 137138), scheint der ersteren Annahme näher zu stehen. Die von mir geschilderten Tatsachen (vgl. z. B. Textfig. 15 2, 3) würden am ehesten mit dieser Annahme vereinbar sein. Pterygoideus internus, Tensor veli palatini und Tensor tympani würden dann Teile des Pterygoideus anterior + posterior sein, derart, daß der Tensor veli palatini dem Übergangs- gebiet zwischen beiden (s. auch Textfig. 2) entspricht, aber nähere Beziehungen (Textfig. 15) zum Pterygoideus anterior behielt. Interessant ist nun, daß beide erwähnten Ansichten eine Vereinigung unter der Voraussetzung zulassen, daß der Pterygo-sphenoidalis der Reptilien aus dem Pterygoideus anterior herzuleiten sei, wie mir das durch seine Innervation wahrscheinlich gemacht wird. Dann könnte auch in ihnen, nicht aber im Levator suspensorii der Selachier der Mutterboden für den Muskel liegen. Was die Ursprünge und Insertionen anlangt, so ist die oben gegebene Übersicht über die Homologien auch mit ihnen keines- wegs im Widerspruch. Im Gegenteil: das Gebiet, das der Ursprung des Cranio-mandibularis am Schädel der Urodelen ein- Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 185 nimmt: Frontale, Parietale, Orbitosphenoid und Parabasale, läßt sich ohne Annahme größerer „Wanderungen“ auch als Ursprungs- gebiet des Masseter, Temporalis und Pterygoideus externus bei Säugetieren betrachten. Die Insertionen all dieser Muskeln liegen am Dentale, wie die des Cranio-mandibularis. Auch für Ursprung und Ansatz des Pterygoideus internus bestehen keine Schwierig- keiten, während in der Insertion des Pterygoideus externus aller- dings noch ein ungelöstes und für die ganze Kieferfrage ent- scheidendes Problem steckt, auf das ich im II. Teil dieser Unter- suchungen eingehen zu können hoffe. Würzburg, 4. Mai 1914. Nachtrag. Als der vorletzte Korrekturbogen dieser Abhandlung an mich gelangt war, kam mir die Arbeit von LUTHER zu Händen: „Über die vom N. trigeminus versorgte Muskulatur der Amphibien mit einem vergleichenden Ausblick über den Adductor mandibulae der Gnathostomen und einem Beitrag zum Verständnis der Organisation der Anurenlarven“, Acta soc. scient. fennicae, Bd. XLIV, Nr. 7, Helsingfors 1914. Die Abhandlung bildet eine Fortsetzung früherer Abhandlungen desselben Verfassers (vgl. das Literaturverzeichnis 1909, 1913). Die Schrift LuUTHERs behandelt zum Teil andere, für die Gesamtfrage nach dem Wert der einzelnen Bestandteile der Trigeminusmuskulatur höchst wichtige Gebiete (Kaumuskeln der Gymnophionen, ventrale Constrietorengruppe) in mustergültiger, umfassenden Weise. In dem von uns gemeinsam behandelten Gebiete ist LuTHERs Darstellung von der Kaumuskulatur der Anurenlarven und deren Metamorphose auf viel reicheres Material gestützt und zum Teil auch eingehender gehalien, als bei mir. Trotzdem stimmen unsere Ergebnisse nahezu völlig überein. In dem speziellen Gegenstande meiner Untersuchungen aber, den Componenten der Adduktor mandibulae, scheinen mir die Ergebnisse LUTHERS noch nicht als Abschluß unserer Kenntnis gelten zu können. In der Beschreibung stimmen unsere Darstellung in dem, was wir beide gesehen haben auch hier völlig überein. Nicht an allen, wenn auch an einigen Punkten hebt LuTHER diese Übereinstimmung mit meineu Angaben, soweit sie (1913) publiziert waren, hervor. Die Konstatierung dieser Übereinstimmung vermisse ich z. B. an der wichtigsten Stelle auf p. 65, wo LuTtHER den Verlauf des Nerven zum Pterygoideus posterior beschreibt. Was die Vergleichung bei LUTHER anbelangt, so scheint sie mir in ihrer Würdigung der Beziehungen zwischen Amphibien und Fischen reich an fruchtbaren Anregungen, die jedoch wegen unzureichender Kenntnisse der Fisch- verhältnisse (namentlich des durch meine Untersuchungen am Krokodil 1914 besonders wichtig gewordenen M. mandibularis internus [4 VETTERS]) noch weiterer Prüfung bedürfen werden. Die Vergleichung 186 Lubosch, mit Amnioten, die LUTHER selbst nur (p. 121) als provisorisch be- trachtet wissen möchte, weicht von der in meiner Darstellung ge- gebenen, wie sie auch in ihren Grundzügen schon in meinem Vor- trage (1913) mitgeteilt war, in jeder Hinsicht ab. Insbesondere scheint mir, daß LUTHER dem Übergewicht der ventralen Muskulatur bei Sauropsiden und ihrer starken Reduktion zugunsten der dorsalen bei Säugetieren nicht hinreichende Würdigung hat zuteil werden lassen. LuTHERs Terminologie habe ich noch in die Synonymentabelle auf- nehmen können. Im Übrigen habe ich Abweichungen in Fußnoten erwähnt. Würzburg, 26. Juli 1914. Erklärung zu den Tafeln 1—5. In allen Abbildungen, mit Ausnahme der Figg. 1, 3, 5, 8, 12, sind die homologen Muskelteile mit den gleichen Farben wiedergegeben und zwar: Rosa, der M. mandibularis externus, Hellbraun, der M. eranio-mandibularis sublimis, Dunkelbraun, der M. ceranio-mandibularis medius, Rot, der M. cranio-mandibularis profundus und die Mm. pterygoidei. In der Darstellung der Nerven sind: Gelb, die sensiblen Weiß, die each ste gekennzeichnet. Tafel 1. Fig. 1. Schädel von Siredon nach einem in der Würzburger anatomischen Sammlung vorhandenen, stark getrockneten Exemplar. Die Ursprungsflächen der Muskeln eingetragen, desgl. teilweise die Insertionen. Cranio-mandibularis profundus dunkelrot. Fig. 2. Kaumuskeln von Siredon. Mandibularis externus am Ursprung abgelöst und zurückgeschlagen. Craniomandibularis sublimis und vorderster Teil des Profundus am Ursprung abgelöst und nach unten geschlagen. R. /7. Trigeminus abgeschnitten und nach außen geschlagen. R. ophthalmicus profundus ein wenig sichtbar, ehe er unter den Muskel tritt. Fig. 3. Schädel von Amphiuma mit Muskelursprüngen und Insertionen wie in Fig. 1. Schädel nach einem Exemplar des Sencken- bergischen Museums in Frankfurt. Fig. 4. Kaumuskeln von Amphiuma. Mandibularis externus abgetragen. Oberflächliche und mittlere Schichten des Craniomandi- Vergleichende Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. 187 bularis gleichfalls abgetragen. Vom Cranio-mandibularis profundus ist aus dem oceipitalen Teil ein Stück herausgenommen, um den Nerven ‚zo‘ deutlich zu machen. Die lateral vom R. ophthalmicus profundus gelegene Schicht des Muskels ist am Ursprung abgelöst und zur Seite geschlagen. A. //. Trigemini abgeschnitten, der Stumpf emporgeschlagen. R. ophthalmicus profundus in situ, doch ist in der Mitte ein Stück entfernt, um die Nerven ‚,7, ö, 9‘ deutlich zu machen. Fig. 5. Schädel von Siren lacertina. Original im Zoologischen Institut zu Würzburg. Ursprünge der Muskulatur (s. Fig. 1). Fig. 6. Oberflächliche Lage der Kaumuskeln von Siren. Die oberflächliche Portion des Mandibularis externus am Ursprung abge- löst und gegen den Unterkiefer zurückgeschlagen. Tiefe Portionen des Muskels in situ „Verbindungsportion“ in situ. Oberflächliche Schicht des Cranio-mandibularis am Ursprung abgeschnitten und zu- rückgeschlagen. Mittlere Schicht des Cranio-mandibularis in situ. Pterygoideus anterior und posterior teilweise sichtbar; ersterer an seiner Insertion am Außenrande des Dentale, letzterer an seiner Insertion vor dem Gelenk. R. ophthalmieus profundus zwischen Cranio-mandi- bularis medius und anterior heraustretend. Tafel 2. Fig. 7. Die in Fig. 6 in situ befindlichen Muskelschichten abgelöst und heruntergeschlagen. Processus postorbitalis mit dem an ihm entspringenden Muskel in Zusammenhang gelassen. Übersicht über den Situs der Mm. pterygoideus anterior und posterior. Die Nerven „zo“ und ‚zz“ der Fig. 6 abgelöst. An der Außenseite der Pterygoidmuskulatur. Der Nerv 72a, sich gabelnd und in den Muskel eintretend. Der Nerv 7225 schlingt sich um den oceipitalen Rand des Muskels und erscheint vorn zwischen beiden Muskeln wieder. Fig. 8. Schädel von Menobranchus. Original in eigenem Besitz. Muskelursprünge und -ansätze wie Fig. 1. Fig. 9. Situs der Kaumuskeln von Menobranchus-Mandibularis 'externus, Cranio-mandibularis sublimis und medius. Fig. 10. Die in Fig. 9 dargestellten Muskeln abgelöst und heruntergeschlagen. Äußere Lage des Cranio-mandibularis profundus. R. /I. Trigemini abgeschnitten, Stumpf zurückgeschlagen. R. oph- thalmicus profundus verdeckt. Fig. 11. Darstellung der tiefsten Schichten des Cranio-mandi- bularis von Menobranchus mit ihren Nerven. Die äußerste Feinheit des Nerven „6“ ist in der Wiedergabe der Originalfigur nicht zum Ausdruck gelangt. Tafel 3. Fig. 12. Schädel von Cryptobranchus mit Muskelursprüngen und -ansätzen (s. Fig. 1). Original im Zoologischen Institut zu Würzburg. Fig. 13. Cryptobranchus. Ursprung des Mandibularis externus erhalten. Die beiden oberen Schichten des Craniomandibularis am Ursprung abgelöst und zurückgeschlagen, mit ihren Nerven noch teil- 188 Lubosch, Vergl. Anatomie der Kaumuskeln der Wirbeltiere. I. Teil. weise in Zusammenhang. Äußere Schicht des Craniomandibularis pro- fundus in situ. Gelenkwärts die tiefere Lage, nasenwärts darunter der Tensor membranae pterygo-maxillaris sichtbar: ÄR. 77. Trigemini abgeschnitten. R. ophthalmicus profundus unter dem Cranio-mandi- bularis profundus tretend. Fig. 14. Cryptobranchus. Äußere Schicht des Cranio-mandi- bularis profundus zurückgelegt. Tiefste Schicht freigelegt. Die vom Pterygoid kommenden Fasern an deren linkem Rande sichtbar. Nasen- wärts die Mm. tensor membranae pterygo-maxillaris und pterygo- maxillaris. M. ophthalmieus profundus abgetragen. Die außerordent- liche Feinheit des motorischen Nerven ‚‚$‘““ ist in der Reproduktion nicht zum Ausdruck gelangt. Tafel 4. Fig. 15. Kaumuskeln und Nerven von Rana mugiens; etwa dreifach vergrößert. Fig. 16. Unterkiefer von Rana mugiens von oben. a Skelett, 5 mit Insertionen. Fig. 17. Situs der Kaumuskeln von Bufo granulosus Spix; etwa vierfach vergrößert. Fig. 18. Schädel des Tieres, wie er nach der Präparation der Muskeln sich darstellte; etwa dreifach vergrößert. Fig. 19. Situs der Kaumuskeln in ihrer oberflächlichen Lage. Nerven ,.2“%, „3°“ ‚5“ der Fig. 17 sichtbar. Erklärung dieser Figuren im Text. Tafel 5. Eig. 20. Schädel einer etwa 6 cm langen Peloboteslarve vor der Metamorphose von oben. Situs der Kaumuskeln. Das Bild bringt rechts und links verschiedene Zustände der Muskulatur zum Ausdruck. Fig. 21. Halbschematische Abbildung eines Schädels einer 2 cm langen Peloboteslarve, während der Metamorphose der Kaumuskeln. Erklärung dieser Figuren im Text. Druck von Anton Kämpfe, Jena. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: Experimentelle Untersuchungen über die innere Sekretion der Keimdrüsen und deren Beziehung zum Gesamtorganismus Von Dr. W. Harms Privatdozent in Marburg a.L. Mit 126 Abbildungen im Text und 2 Tafeln. 1914. (IV, 368 Seiten.) Preis: 12 Mark. Inhalt. I. Die gesetzmäßigen Beziehungen zwischen der Organisationshöhe der Tiere und der Differenzierung der Soma- und Generationszellen. a) Allgemeines. b) Keimbau. c) Die ontogenetische Differenzierung der Keimzellen bis zur Bildung der Keimdrüse. II. Das Interstitium. III. Sekundäre Merkmale, Mendelsche Regeln und Heterochromosom. IV. Der Einfluß der Keimzellen und -drüsen auf den Entwicklungsgang des Organismus und ihre Beziehungen zu anderen Organen, die fördernd oder hemmend auf die Differenzierung einwirken. V. Was sind Geschlechtsmerkmale (sekundäre Merkmale)? VI. Was ist innere Sekretion und wie ist sie entstanden ? VII. Die innere Sekretion der Keimdrüsen. a) Wird das Keimdrüsenhormon vom Interstiiium oder von den Keimzellen produziert? Das Interstitium des Ovariums. b) Gibt es Sexusmerkmale, die von ihren entsprechenden männ- lichen oder weiblichen Keimdrüsen unabhängig sind? c) Versuche, um die Abhängigkeit der männlichen und weiblichen Ausführorgane und der sekun- dären Geschlechtscharaktere von den Keimdrüsen im allgemeinen zu erweisen. d) Die Keimdrüse in ihrem Verhältnis zu den übrigen Drüsen mit innerer Sekretion. e) Keimdrüsen und die Organe der Brutpflege. f) Der Einfluß der Kastration auf die Milchdrüsen. g) Die Bekämpfung der Ausfalls- erscheinungen nach Kastration. h) Ist eine geschlechtliche Umstimmung möglich ? VIII. Die Frage nach dem Ablauf der inneren Sekretion. a) Experimenteller Beweis der vollständigen Ausschaltung des Nerveneinflusses bei der inneren Sekretion der Keimdrüsen. b) Eigene Transplantationsversuche der Daumenschwiele. IX. Keimdrüsen und Senescenz. X. Charakterisierung des Keimdrüsensekrets und Folgerung für die Substitutions- therapie. Protokolle. Literaturverzeichnis. Das Buch behandelt die aktuelle Frage der Beziehungen zwischen Geschlechts- und Körperzellen auf Grund eingehender Literaturstudien und eigenen experimentellen Unter- suchungen. Das neuerdings eine so wichtige Bedeutung erlangende Problem der inneren Sekretion steht daher im Mittelpunkt der Darstellung. Bestimmt ist das Buch für die weitesten Kreise der Ärzte, Lehrer und Studierenden. | EREPRSDUCTISNEN S ron WISSENSHAFTUKUNST Nur erstklassige Ausführung in allen Verfahren Spezialität für Beilagen und Werke in Lichtdruck. Duplexdruck. Heliogravüre. Echt Kupferdruck. i .8.0BERNEMER Mü UNHEN SCHILLER-STRASSE 20. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: Die Raumorientierung“der Ameisen und das Orientierungsproblem im allgemeinen Eine kritisch-experimentelle Studie; zugleich ein Beitrag zur Theorie der Mneme Von Dr. med. Rudolf Brun Mit 51 Abbildungen im Text. 1914. (VIII, 234 S. gr. 8°.) Preis: 6 Mark. Inhalt: Einleitung: Kurze Übersicht über die Literatur und die verschie- denen Theorien der Raumorientierung bei den Ameisen. Uber Raumorientierung bei anderen Tieren (Insekten, Vögel, Säuger, Mensch). I. Allgemeiner Teil: Die psychophysiologischen Grundlagen der Orientierung im Raume. 1. Vorbemerkungen zur Terminologie. A. Mne- mische (psychologische) Terminologie. B. Physiologisch-biologische Terminologie. — 2.Über Raumorientierung im allgemeinen. A. Die statistische (propriozeptive) Orientierung. B. Die dynamische (exterozeptive) Orientierung. — 3. Die psycho- physiologischen Grundlagen der Raumorientierung bei den Ameisen. A. Die sinnesphysiologischen Grundlagen. B. Die mnemischen Grundlagen. II. Spezieller Teil: Beobachtungen und Experimente. A. Die Orien- tierung auf Geruchsfährten. 1. Kritische Bemerkungen über das sog. „‚Polari- sationsphönomen“. 2. Experimentelles. Zusammenfassung der Ergebnisse “über die Orientierung auf Geruchsfährten. — B. Die Orientierung auf Ameisenstraßen. — C. Die Orientierung auf Durchgangsstrecken. — D. Die Orientierung auf Einzelwanderung. 1. Kritische Vorbemerkungen. 2. Experimentelle. — E. Zusammenfassung sämtlicher Ergebnisse. — Sachregister. In der vorliegenden Monographie ist der Versuch gemacht, das verwickelte Problem der Raumorientierung bei den Ameisen auf eine festere theoretische Basis zu stellen und auf Grund einer großen Zahl eigener Beobachtungen und unter kritischer Lichtung der um- fangreichen Literatur zusammenhängend darzustellen. Wenn somit die sorgfältige Bearbeitung eines Tatsachenmaterials von 150 Einzelversuchen nach teilweise ganz neuen physiologischen Methoden im speziellen Teile des Werkes hauptsächlich den Physiologen angeht, so ist die allgemeine Erörterung der mnemischen Grundlagen der Orientierung im Raum in gleicher Weise auch für den Biologen und Zoologen bestimmt. DRUCK VON ANT, KAMPFE, JENA. nt TEE au - JENAISCHE ZEITSCHRIFT - FÜR NATURWISSENSCHAFT EEE ENT NT a E N. IE HERAUSGEGEBEN VON DER MEDIZINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA DREIUNDFÜNFZIGSTER BAND NEUE FOLGE, SECHSUNDVIERZIGSTER BAND ZWEITES HEFT MIT 68 FIGUREN IM TEXT Inhalt: SAUERBREI, FRIEDRICH, Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. Mit 9 Figuren im Text. (S. 189.) HEINER, HEINRıcH, Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L., Baetis binoculatus L. und Habrophlebia fusca Curt. Mit 43 Figuren im Text. (S. 289.) BISPINGHOFF, WILHELM, Über die Anatomie von Modivlarca trapezina Lamarck nebst Bemerkungen zu ihrer Entwicklungsgeschichte. Mit 16 Figuren im Text. (S. 341.) PREIS: 7.30 MARK wien I nötigen N $; FO AS FEB ud ) Y Natlanal et JENA, VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1914 Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 12. Dezember 1914. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Neue Veröffentlichungen. Die experimentelle Vererbungslehre in der Zoo- r r Ein Sammelwerk und Hilfsbuch bei Untersuchungen. lo ie seit 1900. Von Prof. Dr. Arnold Lang, Zürich. Mit einem Abschnitt: Anfangsgründe der Biometrik der Variation und Korrelation. Erste Hälfte. Mit 112 Abbildungen im Text und 4 Tafeln. (VIII, 892 S. 4°.) 1914. Preis: 28 Mark 50 Pf., geb. 30 Mark. Dieses neue Werk des rühmlichst bekannten Verfassers orientiert eingehend über die moderne Vererbungslehre speziell auf zoologischem Gebiete. Es ist zugleich ein ausführliches und zuverlässiges Nachschlagebuch über die einschlägige Welt- literatur seit der Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze, das eine direkte Konsultation der zahllosen verschiedensprachigen, zoologischen Originalabhandlungen zum großen Teil unnötig macht. Das Werk enthält eine ausführliche, aber elementar lehrhafte Anleitung zum Verständnis und zur selbständigen Anwendung mathematischer Methoden für Nicht- mathematiker und bietet auch sonst alle Hilfsmittel für selbständige Forschung. Die vor- liegende erste Hälfte enthält außer einer allgemeinen Übersicht den mathematischen Abschnitt und die Weltliteratur über Säugetiere. Ein zusammenfassendes Buch für Naturforscher, Mediziner und namentlich auch praktische Züchter, das überall gute Aufnahme finden wird. r u+la n ı Von ©. Abel. Mit 250 Ab- Die vorzeitlichen Säugetiere. bildungen und 2 Tabellen im Text. (VII, 309 S. gr. 8°.) 1914. Preis: 8 Mark 50 Pf., geb. 9 Mark 50 Pf. Inhalt: Einleitung. — Die erhaltenen Überreste der fossilen Säugetiere. — Der Erhaltungszustand der vorzeitlichen Säugetierreste.e — Die wichtigsten Fundorte größerer vorzeitlicher Säugetierfaunen. — Die ältesten Säugetierreste. — Die Einreihung der vorzeitlichen Säugetiere in das System der lebenden Säuge- tiere. — Übersicht der vorzeitlichen Säugetiere. — Aufstieg, Blüte und Niedergang der Säugetierstämme. — Sachregister. Unter den verschiedenen Forschungszweigen der Biologie hat in den letzten 50 Jahren vielleicht kein anderer so außerordentliche Fortschritte gemacht wie die Paläozoologie. Ein ungeheures Heer vorzeitlicher Formen ist in diesem Zeitraume entdeckt worden, und in dem Maße, als sich die Museen mit den Überresten von Tieren aus vergangenen Zeiten der Erdgeschichte füllten, hat sich auch die Arbeitsmethode der Paläontologen wesentlich geändert. Während früher das Ziel der paläontologischen Forschung in dem bloßen Katalogisieren der verschiedenen Formen, ihrer Einreihung in das „System‘ und in der Feststellung ihres geologischen Alters erblickt wurde, ist in den letzten 30 Jahren das Bestreben immer mehr in den Vordergrund getreten, die stammesgeschichtlichen Zusammen- hänge der einzelnen Arten, Gattungen, Familien und Ordnungen zu ermitteln und die Wege zu verfolgen, auf denen sich die Entwicklung von niederen Formen zu höheren vollzogen hat und noch immer vollzieht. Nur historische Dokumente können uns über die Geschichte eines Volkes überzeugende Beweisstücke liefern, und das gleiche gilt für die Geschichte der Tierwelt. Seit längerer Zeit ist der Versuch nicht unternommen worden, die Ergebnisse der Forschung auf dem Gebiete der vorzeitlichen Säugetiere in abgerundetem Bilde einem größeren Kreise zu erschließen. Wohl sind in einzelnen Handbüchern aus neuerer Zeit dem Fachmanne die Errungenschaften der Forschung über die Säugetiere der Vorzeit zu- gänglich gemacht worden, aber eine übersichtliche und allgemeinverständliche Darstellung dieser Fragen hat bis heute gefehlt. Diese Lücke will das vorliegende, von einem der berufensten Kenner geschriebene Buch ausfüllen. Auf eine sorgfältig ausgewählte, gute bildliche Darstellung, das wichtigste Mittel zur Einführung in all diese Fragen, ist besonders Wert gelegt worden, So wird dieses Buch allen jenen, die einen Einblick in die Vorgeschichte des Säugetierstammes gewinnen wollen, zeigen, daß auf diesem Gebiete in den letzten Jahr- zehnten eine Reihe wichtiger Erfolge erzielt worden ist, auch in solchen Fragen, die noch vor kurzer Zeit hartnäckig einer Lösung getrotzt haben. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. | Von Kan It Friedrich Sauerbrei aus Gothy&* RS ä Mit 9 Figuren im Text. Na; N Vorbemerkung. «onal Mi Wenn man die Schemata für den Gefäßbündelverlauf der Dicotylen etwa in NÄGeLıs!) klassischen Untersuchungen studiert, so fällt auf, daß bei gewissen Typen die Bündel im Stengel untereinander seitlich zusammenhängen, während bei anderen ge- trennte Bündelstämme auftreten, zwischen denen ein solcher Zu- sammenhang fehlt. Man vergleiche z. B. bei NÄsELı das Schema für Juniperus communis, Taf. II, Fig. 5, mit dem für Iberis amara, Taf. III, 5; oder im Bonner Lehrbuch (12. Aufl.) den Bündelverlauf von Clematis (Fig. 96 — NägeLı, Taf. XIV, 1) mit dem von Taxus (Fig. 95). Die Fragestellung in vorliegenden Untersuchungen war zu- nächst die, ob sich unter den Dicotylen gewisse Gruppen öko- logischer oder systematischer Art eruieren lassen, die durch Vor- handensein oder Fehlen von Bündelverbindungen im Stengel charakterisiert sind. Im Laufe der Untersuchung, die auf die krautigen Vertreter beschränkt wurde, trat sehr bald die Tatsache in den Vordergrund, daß die Schemata nur für junge Zustände Geltung haben und daß mannigfache sekundäre Veränderungen auftreten, die den Bündelverlauf modifizieren. Durch diese Veränderungen wird vielfach eine seitliche leitende Verbindung der Gefäßbündel hervor- gebracht, und es ergab sich mehr und mehr, daß in dieser seit- lichen leitenden Verbindung sämtlicher Stengelbündel eine äußerst weit verbreitete Eigenschaft der späteren Zustände der krautigen Dicotylen vorliegt. Sie wurde bei den weitaus meisten unter- 1) NäseLı, Das Wachsstum des Stammes und der Wurzel bei den Gefäßpflanzen und die Anordnung der Gefäßstränge im Stengel. Beitr. z. wiss. Bot. 1858, Heft 1. Jenaische Zeitschrift. Bd. LIT. 13 190 Friedrich Sauerbrei, suchten Arten in mittleren und unteren Stengelteilen innerhalb weniger aufeinanderfolgender Stengelinternodien oder -knoten ver- wirklicht gefunden. Der näheren Begründung dieses Satzes dienen im wesentlichen die folgenden Ausführungen. Meine praktischen Untersuchungen führte ich in den drei Sommersemestern 1911, 1912 und 1913 der Hauptsache nach im Botanischen Institut der Universität Jena unter Leitung von Herrn Prof. Dr. STAHL aus. Meinem hochverehrten Lehrer spreche ich auch an dieser Stelle für all sein förderndes Interesse meinen herzlichsten Dank aus. Auch Herrn Garteninspektor RETTIG danke ich für seine stets freundlichst erteilte Auskunft. I. Einleitung. Fragestellung. Im Sproß der Dicotylen unterscheidet man dreierlei Arten von Gefäßbündeln: erstens bloß dem Blatt angehörende, zweitens bloß der Achse angehörende und drittens solche, die aus dem Blatt in den Stengel eintreten und dort abwärts laufen, also beiden Sproßteilen gemeinsam sind. NÄGELI!) bezeichnet sie als blatt- eigene, stammeigene und gemeinsame Fibrovasalstränge. Die im Dicotylenstengel zuerst gebildeten Stränge sind (mit ganz verschwindenden Ausnahmen) die unteren Teile gemeinsamer Leitbündel, die im Stengel sich sympodiumartig aneinandersetzen und nach HAnsSTEIN ?) als Blattspurstränge bezeichnet werden. Die Gesamtheit der zu einem ‚Blatte gehörenden Spurstränge be- zeichnet man meist kurz als die Blattspur des betreffenden Blattes. Eigentlich stellen sie nur die innere Blattspur dar, während die äußere durch Rillen am Stengel, herablaufende Flügel usw. ver- körpert sein kann. Diese äußere Spur hatte vor HAnsTEIN schon Kürzına (Philos. Botan. II, 1852, p. 130) als Blattspur bezeichnet; es wird jedoch seit HAnsTEIn der Ausdruck fast allgemein für die Spurstränge verwendet. Diese aus dem Blatt in den Stengel eintretenden Stränge steigen durch eine bestimmte Anzahl von Internodien im Stengel 1) Näseuı, 1. c. p. 35. 2) HAnsTEIS, J., Über den Zusammenhang der Blattstellung mit dem Bau des dicotylen Holzringes. Pringsh. Jahrb. I, 1858, p. 242. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 191 abwärts und setzen sich dann in der Nachbarschaft eines Knotens an einen anderen Strang an. Die aus den Seitensprossen kommen- den Gefäßbündel setzen sich nach ihrem Eintritt in die Haupt- achse ebenfalls an bestimmte axiale Bündel an. Nach der Basis des Stengels zu verschmelzen die Bündel mehr und mehr mit- einander (in vielen Fällen zu zwei Strängen) und gehen in den axilen Radialstrang der Hauptwurzel über. So stellt das primäre Gefäßbündelgewebe der dicotylen Pflanze ein ununterbrochenes Leitungssystem dar, das von dem Axilstrang der Wurzel aus- gehend sich nach den Vegetationspunkten des Sprosses zu mehr und mehr verzweigt, um schließlich mit seinen Ausläufern in den Blättern zu endigen. Auf dieser Ausbildungsstufe bleibt das Leitbündelsystem des krautigen Dicotylenstengels in einzelnen Fällen stehen, häufig aber folgt nun noch die Bildung stammeigener Bündel nach. Die letzteren verlaufen im Stengel in den primären Markstrahlen !) zwischen den Spursträngen und werden von DE BarY?) kurz Zwischenstränge genannt. Sie können bei krautigen Dicotylen in dreierlei Form vor- kommen: 1. Sie treten zwischen den primären Bündeln als kleine ge- sonderte Gefäßbündel auf, die diesen parallel durch das ganze Internodium laufen und sich nur in den Knoten an die primären Bündel mit ihren Enden ansetzen. 2. Es erscheinen im Knoten selbst Bündelverbindungen zwischen den primären Strängen; entweder verbinden sie nur be- stimmte Nachbarstränge oder bewirken, im weitesten Ausbildungs- grade, einen vollständigen Anastomosengürtel?) zwischen den axialen Bündeln. So ist es z. B. eine häufige Erscheinung, daß ein Spurstrang, der ursprünglich nach einer Seite ausbiegend an einen anderen Strang sich ansetzt, später nach der anderen Seite noch einen zweiten Schenkel bildet, welcher mit dem Nachbarstrang verschmilzt und so eine Anastomose zwischen dem Spurstrang und diesem Nachbarstrang darstellt. 3. Es bilden sich im Internodium schräg von einem Spur- strang zum anderen verlaufende, bald steilere, bald weniger steile 1) Von den Fällen, wo im Mark oder in der Rinde stammeigne Stränge auftreten, sehen wir hier ab. 2) pm Bary, Vergleichende Anatomie der Vegetationsorgane der Phanerogamen und Farne, 1877, p. 470 ft. 3) Vgl. unten p. 197. 13* 192 Friedrich Sauerbrei, Stränge in größerer oder geringerer Zahl; in extremen Fällen stellen sie eine netzartige Verbindung zwischen diesen her!). Gewöhnlich treten diese drei besprochenen Fälle nicht rein auf, sondern es kommen Komplikationen vor. So können die unter 1. genannten parallelen Zwischenstränge mit dem Knotengürtel zusammen erscheinen. Sie setzen sich dann im Knoten an diesen an. Oder sie treten mit den unter 3. genannten schrägen Verbindungen zusammen auf. Diese ver- laufen dann teilweise von Spursträngen zu Zwischensträngen, teils verbinden sie, wenn deren mehrere in einem großen Markstrahl erscheinen, die Zwischenstränge unter sich. Wenn die Zahl der Zwischenbildungen sehr groß wird, so stellen diese gewöhnlich schmale, unduliert-zickzackartig verlau- fende Gefäßbündelchen dar, die sich auf kurze Strecken seitlich sowohl untereinander als mit den Spursträngen vereinigen und wieder voneinander trennen, so daß ein engmaschiges Netz ent- steht, welches den ganzen primären Markstrahl erfüllt und die Verbirdung zwischen den Spursträngen herstellt ?). Wo eine derartige reichliche Zwischenstrangbildung sich findet, fällt sie zeitlich vielfach ungefähr mit dem Auftreten eines geschlossenen Cambiumringes zusammen. Sie nimmt ihren Aus- gang von den Rändern der Gefäßbündel und setzt sich durch den ganzen Markstrahl fort. Dieser erscheint dann erfüllt von Ge- fäßbündelgewebe, welches gewöhnlich von schmalen und nicht sehr hohen Markstrahlen durchsetzt wird und sich histologisch wie der später gebildete Teil der Blattspurstränge verhält. Wo der Cambiumring kontinuierlich wird, ohne daß durch derartige reichliche Zwischenstränge das Bündelrohr solid?) wird, kann der sekundäre Zuwachs in zwei Formen vor sich gehen, die in ihrem Effekt sich unterscheiden. Entweder vermehrt das Cambium die Elemente des pri- mären Zentralzylinders durch gleichnamige Elemente, scheidet also im fascicularen Teil Holz- resp. Bastelemente ab, im inter- fascicularen dagegen nur Markstrahlzellen, führt also zu keiner seitlichen Verbindung der Leitbündel. Oder aber es erzeugt auch im Raume des primären Markstrahles, eventuell anschließend an vorhergebildete einzelne Zwischenstränge, Gefäßbündelelemente, 1) Näcerı, 1. c. p. 36. 2) Vgl. DE Bary, lleip. A708. 3) Vgl. unten p. 195f. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 193 die seitlichen Anschluß an die primären Stränge erfahren und diese untereinander verbinden. In noch anderen Fällen verstärken sich die in den großen Markstrahlen gebildeten, durch das Inter- nodium längsverlaufenden Zwischenstränge durch das Cambium- wachstum in radialer Richtung, ohne seitlichen Anschluß an die Spurstränge zu gewinnen. Die oben unter 2. aufgeführten Knotenanastomosen gelten nach einer Bemerkung von DE Barr!) als häufige und weitver- breitete Erscheinung. NÄGELI?) sagt, die nach der Ausbildung der Spurstränge nachfolgenden stammeigenen Stränge seien „an- fänglich immer solche, welche zwischen den ursprünglichen (ge- meinsamen) Strängen schief verlaufen und dieselben vorzugsweise in tangentialer Richtung zu einem Netz mit langgezogenen Maschen vereinigen“. Doch macht er keine weiteren allgemeinen Aus- führungen darüber. Überhaupt scheinen ausführliche Angaben sowohl über die Knoten- wie die Internodialverbindungen der axialen Bündel in der Literatur zu fehlen®). Es wurde deshalb unternommen, eine Anzahl von krautigen Dicotylen auf diese Frage hin neu zu untersuchen. Es wurde dabei folgende Fragestellung zugrunde gelegt: 1. Wo finden sich im krautigen Dicotylenstengel Leitbündel- anastomosen und andere Leitbündelverbindungen ? Als Nebenfragen kamen hinzu: 2. Läßt sich in ihrem Vorkommen eine Beziehung zu syste- matischen Abteilungen erkennen oder ergeben sich Beziehungen zu ökologischen Gruppen ? 3. Ist den Leitbündelverbindungen vorwiegend eine Bedeutung für die Festigung oder für die Leitungsvorgänge in der Pflanze zuzuerkennen ? Um für die Diskussion der letzteren Frage eine Basis zu gewinnen, mußten die mechanischen Verhältnisse der untersuchten Formen berücksichtigt werden. Vom Studium der gesamten rein systematischen und syste- matisch-anatomischen Literatur glaubte ich absehen zu dürfen, da meine Fragestellung im wesentlichen eine abweichende ist. IT. 2) Le a 36. 3) Einzelne spezielle Angaben werden an geeigneter Stelle an- geführt. 194 Friedrich Sauerbrei, Wo es mir nötig schien, habe ich die letztere herangezogen, im wesentlichen mich auf die zusammenfassenden Werke von ENGLER- PrAntL (Die natürlichen Pflanzenfamilien) und SOLEREDER (Syste- matische Anatomie der Dicotyledonen 1899 und Nachtrag 1908) gestützt. Material und Methode. Für die Entscheidung der angeführten Fragen konnte aus der Fülle der krautigen Dicotylen, selbst der einheimischen, nur ein kleiner Teil der Untersuchung unterworfen werden; vielleicht ist die Zahl der untersuchten Arten viel zu gering, um daraus Schlüsse ziehen zu dürfen. Wenn dies doch geschehen ist, so möge man bedenken, daß jeder empirisch gewonnenen wissen- schaftlichen Erkenntnis zunächst nur eine vorläufige Gültigkeit zukommt, bis sie durch eine ausgedehntere Induktion entweder eine Bestätigung oder eine Berichtigung erfährt. Das verwendete Material entstammt zum größten Teil dem Jenaer botanischen Garten oder der Umgebung von Jena, zum kleineren auch der Umgebung von Gotha. Die Methode war im allgemeinen folgende. Die Pflanzen wurden solange in Eosinlösung gestellt, bis die Blätter respektive die Blattbündel sich röteten, dann wurde durch Abpräparieren der Rinde das Bündelrohr freigelegt. In manchen Fällen, besonders bei hohlen Stengeln, wurde der Stengel längs aufgeschnitten und von innen her das Bündelrohr untersucht, eventuell das Mark vorher entfernt. Die Präparation erfolgte meist mit Hilfe einer Zeissschen binokulären Lupe (dreifach), die Untersuchung teils damit, teils mit einer STEINHEILschen Lupe von LeEıTz (12fach). Wo diese Methode nicht ausreichte, wurden: Serien von sukzessiven Querschnitten mikroskopisch untersucht. In allen Fällen wurden die Querschnitte, wo es nötig erschien, außerdem tangentiale und radiale Längsschnitte mikroskopisch kontrolliert. Terminologisches. Zum Schlusse dieser einleitenden Ausführungen sollen noch einige Termini besprochen werden, die zum Teil von mir neu verwendet werden. Unter den Spursträngen unterscheidet man seit NÄGELI!) solche, die in ihrem ganzen Verlaufe eigenläufig bleiben und I) AL. ep: Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 195 solche, die sich nach einer gewissen Strecke an andere ansetzen, mit ihnen vereintläufig werden. Die Stränge einer mehr- strängigen Spur wie die sukzessiver Spuren können nebeneinander im Stengel hinabsteigen oder sie können zwischen die Stränge anderer Spuren eintreten, sich mit diesen verschränken; sie heißen danach nebenläufige oder mit anderen verschränktläufige Spuren (NÄGELI). Der Querschnitt der Achse zeigt gewöhnlich einen Bündel- ring, welcher den Durchschnitt des in der Achse vorhandenen Bündelrohres!) darstellt. Verfolgt? man einen gemeinsamen Strang von unten nach oben im Stengel bis zu seinem Austritt ins Blatt, so sieht man, daß über der Austrittsstelle im axialen Bündelrohr eine Lücke entsteht, die ich als Bündellücke be- zeichnen will; tritt eine mehrsträngige nebenläufige Spur aus, so ist die Lücke größer, ich nenne sie Blattlücke. Bei den Filieinen wird bekanntlich (vgl. DE Bary, p. 294) als „Blattlücke“ die Öffnung in dem dort aus Bündelmaschen bestehenden Rohr bezeichnet, welche sich unter jeder Blattansatzstelle befindet. Man kann dort wie hier an dem Vorhandensein der Blattlücken im „Bündelrohr“ die Ansatzstellen der Blätter erkennen. Auch an der Ansatzstelle des Achselsprosses ist häufig eine Lücke im Gefäßbündelrohr der Achse vorhanden, man kann sie als Achselsproßlücke von der darunterliegenden Blattlücke trennen. Die ersten seitlich von einer Bündellücke respektive Blattlücke nicht mehr ins Blatt austretenden, sondern im Stengel bleibenden Stränge nenne ich Begrenzungsstränge der Bündel- respektive der Blattlücke. Ebenso nennen wir die im Stengel bleibenden äußeren Nachbarstränge einer mehrsträngigen Spur Begrenzungs- stränge der Blattspur. Es sind demnach bei nebenläufigen mehrsträngigen Spuren die Begrenzungsstränge der Spur gleich- zeitig Grenzstränge der Blattlücke, während bei mehrsträngigen verschränktläufigen Spuren die Blattspur durch je einen äußeren Grenzstrang der beiden äußeren Bündellücken begrenzt wird. Wenn die Bündel des Bündelrohres, sei es durch seitliche Verbreiterung, sei es durch Zwischenstrangbildung oder durch die Tätigkeit des Cambiums seitlich miteinander verschmelzen, so spreche ich von einem soliden Bündelrohr. Dieses stellt also 1) Vgl. pe Bary, 1. c. p. 294 (für Filieinen) und GERRES- HEIM, E., Über den anatomischen Bau und die damit zusammen- hängende Wirkungsweise der Wasserbahnen in Fiederblättern der Dicotyledonen. Diss. Marburg 1912, p. 4 (für Blattstiele). 196 Friedrich Sauerbrei, einen soliden Hohlzylinder von Gefäßbündelbau dar, der höchstens von schmalen Markstrahlen durchbrochen wird. Im Extrem fehlen selbst diese. Unter den Markstrahlen stehen nach der jetzt gewöhnlich angewandten Terminologie im Gegensatz zu den „kleinen“ oder „sekundären“ die „großen“ Markstrahlen. Letztere können mit den primären, zwischen den Spursträngen befindlichen identisch sein oder durch Zwischenstränge abgetrennte Teile von diesen darstellen. Der Deutlichkeit halber bezeichne ich sie als durchgehende Markstrahlen. Häufig ist der Raum der großen oder durchgehenden Mark- strahlen, wenigstens in seinem interxylären Teil, von Libriform oder sklerenchymatischem Parenchym eingenommen. In extremen Fällen wird man dann statt von Markstrahlen besser von den interfaszikularen Teilen des Bündelrohres sprechen. Allerdings ist nicht zu vergessen, daß zwischen unverdicktem, unverholztem Markstrahlparenchym einerseits und stark verdiektem und verholztem Sklerenchymgewebe andererseits alle Übergangsstufen vorkommen. Bei der Besprechung des mechanischen Systems sind unter SCHWENDENERS Bezeichnung Stereom sämtliche spezifisch mecha- nischen Gewebekomplexe verstanden, also Kollenchym und Sklerenehym; mit letzterem Ausdruck fasse ich die Gewebe zusammen, die sich aus Sklerenchymfasern [Bastfasern !) und Libriformfasern )] und Sklerenchymzellen [im Sinne HABER- LANDTS ?)] aufbauen. Um einigermaßen eine Vorstellung von der relativen Zahl der Bündel in der Achse zu vermitteln, ist in manchen Fällen ihre Entfernung voneinander angegeben. Diese wurde ausge- drückt durch die mittlere Bündelbreite, d. h. das arithmetische Mittel aus der Breite sämtlicher Bündel eines Querschnittes durch die Mitte des Internodiums. Unter Bündelbreite ist die tangentiale Entfernung der äußersten Xylemelemente an der Grenze des Xylems nach dem Bündelcambium hin verstanden. Dabei ist eine eventuell verhandene Hartbastscheide nicht mitgerechnet. GERRESHEIM unterscheidet °) passend lockere Bündelrohre, bei denen die Entfernung der Bündel über Bündelbreite beträgt, 1) Bastfasern außerhalb, Libriformfasern innerhalb des Ver- diekungsringes. 2) HABERLANDT, G., Physiolog. Pflanzenanatomie, 4. Aufl., p. 147. 3) L. ce. p. A. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 197 und dichte Bündelrohre, bei denen der Zwischenraum die Bündelbreite nicht erreicht. Vielfach wird eine Bündellücke oder Blattlücke akropetal durch eine Anastomose zwischen den Grenzsträngen abgeschlossen; bei mehrsträngigen Spuren, deren Stränge sich beim Eintritt in die Achse mit Stengelsträngen verschränken, anastomosieren im Knoten häufig auch die zwischen den Spursträngen hindurch- laufenden Stengelstränge miteinander, so daß eine indirekte Ver- bindung der Spurgrenzstränge entsteht. Öfter sind jederseits von diesen Grenzsträngen noch ein oder zwei benachbarte Stengelstränge durch Anastomosen angeschlossen. Eine derartige Bildung im Knoten werde ich als partiellen Anastomosengürtel (Knoten- gürtel) bezeichnen. In manchen Fällen, besonders wenn die Blattspur vielsträngig ist, reicht der Anastomosengürtel um den ganzen Umfang des Stengels; wir wollen dann von einem vollkommenen oder vollständigen Anastomosengürtel des Knotens sprechen. An den partiellen oder vollkommenen Gürtel können die in dem betreffenden Knoten in die Achse eintretenden Spur- stränge ihrerseits durch Anastomosen angeschlossen sein, doch ist dies gewöhnlich nicht der Fall. Von den besprochenen Gürtelbildungen, die zwischen den Strängen des axialen Bündelrohres zustande kommen, sind streng die von HANSTEIN !) zuerst beschriebenen „gürtelförmigen Gefäßstrangverbindungen“ zu unterscheiden. Diese laufen außerhalb des Bündelrohres im Rindenparenchym und stellen Verbindungen der in die Achse eintretenden gemeinsamen Gefäß- bündel dar. Sie finden sich besonders bei Pflanzen mit oppo- nierter oder wirteliger Blattstellung. Im folgenden ist die Darstellung so eingerichtet, daß zu- nächst im speziellen Teil die untersuchten Arten familienweise besprochen werden, später werden im allgemeinen Teil die daraus resultierenden Ergebnisse diskutiert. Um bei der Besprechung der Familien überhaupt ein Ein- teilungsprinzip zu haben, habe ich sie, da sich eine gewisse, wenn auch geringe Beziehung der Bündelverbindungen zu der Blatt- stellung ergeben hatte, nach dieser in drei Gruppen angeordnet: 1) Hanstein, J., Über gürtelförmige Gefäßstrangverbindungen im Stengelknoten dikotyler Gewächse. Abh. Berl. Akad. d. Wiss. 1857. 198 Friedrich Sauerbrei, A. Familien, deren Vertreter wechselständige Blätter besitzen ; B. Familien, deren Vertreter opponierte oder wirtelige Blätter aufweisen ; C. Familien, die Vertreter mit wechselständigen und solche mit opponierten resp. wirteligen Blättern zeigen, oder bei deren einzelnen Vertretern die Blattstellung von der wechselständigen zur opponierten resp. wirteligen wechselt. II. Spezieller Teil. Die Angaben über die Blattstellung der Familien sind, wo nichts anderes bemerkt ist, dem ENGLER-PRANTLschen Werke entnommen. A. Familien, deren (untersuchte) Vertreter wechsel- ständige Blätter besitzen. Papaveraceen. Die Papaveraceen sind meist Kräuter und Stauden mit ab- wechselnden, selten gegenständigen Blättern. Die Fumarioideen sowohl wie die Papaveroideen sind für vorliegende Unter- suchungen deshalb besonders interessant, weil ihre Gefäßbündel- stränge in der krautigen Achse eines sekundären Zuwachses voll- kommen entbehren!. Erstere sind milchsaftlos, während die Papaveroideen im allgemeinen Milchsaft führen. Von den a) Fumarioideen wurden neun Arten untersucht: Corydalisnobilis Pers. Cor. cava Wahl, Cor. lutea DC. Cor. ochroleuca Koch, Cor. glauca Pursh., Bicuculla fungosa Ktze. (= Adlumia cirrhosa DC.), Fumaria offieinalis L.,, F.VaillantiiLoisl. und Dielytra spectabilis Borkh. Die Achse dieser Arten ist unverzweigt (C. nobilis u. cava) oder verzweigt; bei einigen auch im Knoten gleichmäßig hohl (Cor. nob., cava, glauca, Dielytra), bei den anderen solid (bei Fum. offieinalis auch öfter hohl. Die Basis der Achselsprosse kann angeschwollen sein (Cor. lutea, ochrol., glauca), der Stengel- knoten zeigt keine Anschwellung. Die Blattspur ist bei sämtlichen Formen dreisträngig neben- läufig, ihre Stränge sind in der Blattbasis verbunden (C. glauca, lutea, ochrol., Fumaria) oder eine Verbindung liegt weiter distal- 1) ‘Vgl. EngLEer-PrRANTL, UI, 2, p. 131. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 199 wärts im Blattstiel (Bicuculla. Bei Cor. nobilis und auch cava pflegen sie in der Blattstielbasis unverbunden zu sein, aber kurz unter der Eintrittsstelle in das axiale Bündelrohr finden sich häufig verbindende Anastomosen. DBei Diclytra liegen Ver- bindungen an der Eintrittsstelle ins axiale Rohr oder weiter distal- wärts im Blattstiel. Die mittlere Bündelentfernung beträgt nur bei Bicuculla etwas unter Bündelbreite, bei allen übrigen Formen ist das Rohr locker (im Durchschnitt beträgt die Bündelentfernung bei Cor. nobilis 3—5 Bündelbreiten, Cor. lutea und ochroleuca 3—4 Bündelbreiten, Cor. cava ca. 3 Bündelbreiten, Dielytra und Fu- maria 2 Bündelbreiten, Cor. glauca unter 2 Bündelbreiten) }). Inbezug auf die Bündelverbindungen scheiden sich die unter- suchten Fumarioideen in 2 Gruppen. Die I. Gruppe bilden Formen, welche im Internodium Zwischenstränge und reichlich Leitbündelanastomosen enthalten. Diese offenbar sekundären Strangbildungen wären eines ge- naueren entwicklungsgeschichtlichen Studiums wert. Es gehören hierher die beiden unverzweigten Corydalis-Arten, ferner die monopodial gebaute, mit ziemlich kräftigen Seiten- sprossen versehene Dielytra und die ebenfalls monopodiale, stark verzweigte Cor. glauca, bei der die Seitensprosse den Hauptsproß übergipfeln können. Bei Corydalis nobilis zeigt der Stengelquerschnitt stärkere und dazwischen sehr feine Stränge, von letzteren gewöhnlich je einen zwischen zwei benachbarten stärkeren Bündeln. Diese feinen Stränge stellen stammeigene Zwischenstränge dar. Sie verlaufen zum Teil zwischen den starken Blattspurbündeln diesen parallel nach unten und entsenden von Zeit zu Zeit eine Anasto- mose schräg nach der einen oder anderen Seite zum Nachbar- bündel hinüber; zum anderen Teil laufen sie direkt, aber stets in mehr oder weniger schräger Richtung von einem der starken Stränge zum anderen hinüber. Ihre Stärke ist etwas verschieden, meist sind sie auch in unteren Internodien ziemlich fein. Sie verbinden sowohl die Stränge der nebenläufigen Blattspur unter- einander als auch deren Lateralstränge mit den Nachbarbündeln (vgl. Textfig. 1). Bei unteren Blättern sind an ihrer Eintrittsstelle ins axiale Bündelrohr die drei Spurstränge ziemlich regelmäßig durch Anasto- 1) Über das mechanische System der Fumaroideen und Papa- veroideen vgl. den allg. Teil. 200 Friedrich Sauerbrei, mosen verbunden, die sich von denen des Internodiums öfter durch etwas größere Stärke unterscheiden. Die Zahl der Anastomosen ist ziemlich groß. An einem kräftigen Exemplar enthielt das unterste sich über die Erdober- fläche erhebende Internodium (20 cm lang, 7 mm Durchmesser „| I über dem Erdboden) 11 starke | Bündel auf dem Querschnitt. Je ı\d " 1 x zwei benachbarte dieser starken F I Stränge waren zum mindesten ) (\ zweimal, im Maximum fünfmal mit- einander in diesem Internodium durch die Anastomosen verknüpft. Aufeinanderfolgende Anastomosen In zwischen den nämlichen Bündeln El steigen entweder gleichsinnig oder in entgegengesetztem Sinne zum Nachbarstrang auf (vgl. Textfig. 1). Textfig. 1. Corydalis nobilis. Von unten nach oben nimmt die Teil des Bündelrohres mit aus- 7an] der Anastomosen allmählich tretender Blattspur. Darstellung ; auf der eben gelegten Zylinder-- ab; Knoten und Internodium unter- fläche. Das mit 2 Kreuzen be- scheiden sich durchaus nicht in zeichnete Bündel ist doppelt ge- F ie ? zeichnet. Die starken Stränge bezug auf die Häufigkeit der An- stellen Spurbündel, die feinen „stomosen. Die Internodien ver- Zwischenstrangbildungen (vielfach 4 e 1 i -anastomosen) dar. kürzen sich akropetal nicht gleich- mäßig. x Bei einer Pflanze z. B., die fünf Internodien bis zum untersten Blütendeckblatt besaß, betrugen die Längen: 19—3,5 —5—6—5 cm. In mittleren und unteren Stengelteilen pflegen die starken Stengelbündel im Raume eines Internodiums sämtlich mindestens einmal miteinander in Verbindung zu stehen, im obersten oder in den beiden obersten Internodien ist meist nur noch ein Teil von ihnen verbunden. In dem erwähnten Beispiel waren im zweitobersten Internodium noch sämtliche, im obersten nicht mehr sämtliche Bündel in Verbindung. Corydalis cava verhält sich sehr ähnlich wie nobilis. Sie besitzt ein sehr kurzes Internodium zwischen zwei langen (z. B. von unten nach oben 11 cm id me em). ln den beiden langen Internodien sind die starken Bündel in der Regel sämtlich, zum Teil mehrfach in Verbindung. Im angeführten Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 201 Fall z. B. im unteren bis dreifach, im oberen bis fünffach. In dem mittleren kurzen Internodium kann die eine oder andere Verbindung fehlen. Corydalis glauca weist ebenfalls Internodialanastomosen auf, die zum Teil von schwachen Zwischensträngen zu Spursträngen hinübergehen, zum Teil benachbarte Spurstränge direkt verbinden. Ihre Zahl ist geringer als bei nobilis; sie finden sich etwas dichter in der Nähe der Blattansatzstellen. In unteren und mitt- leren Stengelteilen sind in ein bis drei Indernodien sämtliche Stengel- bündel in seitlicher Kommunikation. Akropetal nehmen die Verbindungen an Zahl ab, in oberen Internodien finden sie sich meist in der Nachbarschaft der Blatt- ansatzstellen. So enthielt ein beliebig herausgegriffenes viertunteres Inter- nodium (5 cm lang, 6 mm Durchmesser) 17 Blattspurstränge, von denen die benachbarten 11mal, zum Teil mehrfach verbunden waren, während 6mal die Verbindungen fehlten. Sehr zahlreich sind die Zwischenstrangbildungen beiDiclytra. Sie treten hier auch zwischen den eintretenden Blattspursträngen auf und gehören dann zum Teil Blattstiel und Achse gemeinsam an. Im Stengel stellen sie häufig sehr steile, eine Strecke mit den Spurbündeln fast parallel verlaufende Anastomosen dar; in anderen Fällen setzen sie sich gabelig an die Spurstränge an und durchziehen dann mit diesen parallel vielfach mehrere Inter- nodien des Stengels, wobei sie ab und zu eine Anastomose nach den beiden benachbarten Strängen entsenden. In unteren Achsen- teilen sind dadurch alle Stränge des Stengels innerhalb eines Internodiums, in mittleren innerhalb von ein bis zwei Internodien verbunden. Nach oben zu nehmen die Verbindungen an Zahl allmählich ab, ohne daß sich aber eine Bevorzugung der Knoten- nähe bemerkbar macht. An einem 65 cm hohen Exemplar waren im zweituntersten Internodium (19 cm lang, 8,5 mm Durchmesser) mit Zwischensträngen 25 Bündel vorhanden, sie waren im Laufe des Internodiums sämtlich verbunden, meist 3—5mal, im Minimum 2mal, im Maximum 7 mal; im nächstoberen Internodium (15 cm, 5,7 mm) waren sämtliche Bündel durchschnittlich 2—3mal, im Minimum I1mal, im Maximum 5mal verbunden. In die II. Gruppe gehören Formen ohne Anastomosen im Internodium): vier Arten mit kräftigen Seitensprossen, die den 1) Zwischenstränge wurden in unteren Teilen von Cor. lutea beobachtet. 202 Friedrich Sauerbrei, Hauptsproß vielfach übergipfeln (Cor. lutea, unterwärts; Cor. ochroleuca und Fumaria oberwärts) und mehr oder weniger aus der Richtung drängen können, so daß teilweise eine sympodiale Hauptachse resultiert; ferner eine monopodiale, windende Art mit relativ schwachen Achselsprossen: Bicuculla. Bei Fumaria officinalis anastomosieren die drei Stränge der nebenläufigen Blattspur an ihrer Eintrittsstelle in die Achse (oft mehrfach). Die Spurgrenzstränge sind miteinander oberhalb der Blattlücke resp. des Achselsprosses durch eine schräge Ana- stomose verbunden. Ist ein Achselsproß vorhanden, so ist die Blattlücke nach oben in der Basis des Achselsprosses dadurch abgeschlossen, daß eines seiner Bündel gabelig an die Spurgrenz- stränge sich ansetzt. Die übrigen Bündel des Achselsprosses ver- einigen sich jederseits mit dem entsprechenden dieser Gabeläste. Eine ringförmige Anastomosenbildung um seine Basis kommt also nicht zustande. Der anodische?) Lateralstrang der Spur wird im zweitunteren Knoten mit seinem (anodischen) Grenzstrang ver- eintläufig; der vereintläufige Strang bildet den kathodischen Grenz- strang der dort eintretenden Spur; im Internodium unterhalb desselben Knotens, spätestens im nächstunteren Knoten, nimmt der entstehende Strang den Medianstrang desselben Blattes auf. Der kathodische Lateralstrang verschmilzt im Laufe des zweit- unteren Internodiums, spätestens im zweitunteren Knoten mit seinem (kathodischen) Grenzstrang; er kann (in unteren Stengel- teilen) schon im nächstunteren Knoten mit ihm anastomosieren. Dieser Nachbarstrang stellt den anodischen Grenzstrang der nächst- unteren Spur dar. Auf diese Weise sind alle in einem Knoten vorhandenen Bündel (einschließlich der eintretenden Spur) innerhalb dreier aufeinanderfolgender Knoten miteinander in seitlicher Ver- bindung. Fumaria Vaillantii verhält sich analog, nur pflegt auch auf der dem Hauptsproß zugekehrten Seite des Achselsprosses ein diesem angehörender Strang gabelig an die Grenzstränge der Lücke anzusetzen, so daß um die Basis ein Bündelring ge- bildet wird. Ähnlich verhalten sich auch die beiden Corydalis-Formen. Die lateralen Spurstränge werden abwärts mit ihren Grenzsträngen vereintläufig und der eine der so entstehenden starken Stränge nimmt den Medianstrang auf, der schon in einem höheren Knoten mit seinem Nachbarstrang anastomosieren kann. Über der Blatt- 1) „Anodisch“, „kathodisch“ im Sinne der Blattspirale. | Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 203 lücke wie oberhalb des Achselsprosses anastomosieren die beiden Spurgrenzstränge, so daß auch hier innerhalb von drei aufeinander- folgenden Knoten sämtliche Bündel eines Knotens miteinander in seitlicher Verbindung stehen. Bei Bicuculla durchlaufen die Lateralstränge mehrere Internodien, der anodische mindestens zwei, der kathodische zwei bis drei, bis sie mit den Spurgrenzsträngen vereintläufig werden. Mit diesen sind sie manchmal etwa in Knotenhöhe durch kleine schräge Anastomosen verbunden. Der Medianstrang legt sich nach zwei Internodien oder tiefer an den anodisch benachbarten Strang an; ist letzteres der Fall, so kann er im zweitunteren Knoten mit dem anodischen Nachbarstrang anastomosieren. Die Blattlücke ist nach oben durch eine kräftige schräge Verbindung der Grenzstränge abgeschlossen. Durch das Vereintläufigwerden der verschiedenen Spurstränge und die schrägen Verbindungen über der Blattlicke kommt ein maschenartiges Netzwerk starker Stengelstränge zustande, dessen Maschenlänge drei Internodien beträgt; in jeder Masche laufen die drei Spurstränge eine Strecke frei nach unten, bis sie sich dann in der geschilderten Weise seitlich an die starken Stränge anlegen!). Sämtliche Stengelbündel eines Knotens (mit eintretender Spur) sind so innerhalb von vier aufeinanderfolgenden Knoten miteinander in seitlichem Konnex. Von den b) Papaveroideen wurden sechs Arten untersucht: Chelidonium maiusL. Esch- scholtzia californica Cham., Bocconia microcarpa hort. Jen., Glaucium luteum Scop., Papaver somni- ferum L., Argemone mexicana L. Von diesen besitzt Eschscholtzia in oberirdischen?) Teilen keinen Milchsaft, die übrigen führen ihn auch in diesen Organen‘). Sämtliche Formen außer Argemone sind verzweigt, bei Chelidonium stellt sich der kräftigere Achselsproß eventuell in die Richtung der Hauptachse und setzt sie sympodial scheinbar fort; bei ihm sind die Achselsprosse an ihrer Basis angeschwollen. Die Achse selbst ist hohl bei Eschscholtzia, Bocconia und Papaver; 1) In dieser Weise stellt sich der Bündelverlauf am entwickelten Sproß dar, eine genauere Untersuchung ist geplant. 2) In unterirdischen wohl. 3) EngLer-PrantL, II, 2, p. 130ff. 204 Friedrich Sauerbrei, hohl mit solidem Knoten bei Chelidonium; vollkommen solid bei Argemone und Glaucium. Das mechanische System ist, wenigstens in unteren Teilen, deutlich kräftiger entwickelt als bei den Fu- marioideen !). Die Blattspur besitzt einen oder mehrere Stränge; in letzterem Fall sind diese in der Blattbasis für gewöhnlich durch Anastomosen verbunden. Eschscholtzia zeigt einsträngige Spur. Oberhalb der Blatt- resp. der Achselsproßlücke kommt durch gabeligen Ansatz eines Stengelbündels eine Verbindung der Grenzstränge zustande. Im Internodium finden sich sehr steil schräg verlaufende Anastomosen zwischen den Bündeln, in oberen Internodien vereinzelt, in basipetaler Richtung zahlreicher werdend. In unteren Knoten ist häufig der Blattspurstrang direkt unterhalb seiner Ein- trittsstelle in das axiale Bündelrohr durch schräge Bündelkommissuren an seine Nachbar- stränge angeschlossen (vgl. Textfig. 2). Im ganzen sind die Bündelverbindungen in mitt- leren und unteren Stengelteilen so zahlreich, daß etwa in zwei bis drei aufeinanderfolgenden Internodien und dazwischenliegenden Knoten alle Stengelbündel miteinander in seitlicher a Verbindung stehen. z Chelidonium maius besitzt eine drei- Weite. BL Beck: strängig nebenläufige Blattspur, deren Stränge scholtzia californica, indirekt durch Vermittlung des Achselsprosses ee miteinander verbunden werden. In dessen denBlattspurstranges Basis sind nämlich seine sämtlichen Bündel ke une enz- durch Anastomosen miteinander und mit den Be- ” grenzungssträngen der Achselsproßlücke ring- artig verbunden. Mit dem so gebildeten Ring stehen die Blattspur- stränge ihrerseits durch Anastomosen in Verbindung. In unteren Stengelteilen tritt zwischen den Spursträngen jederseits ein Zwischen- strang auf, der Haupt- und Achselsproß gemeinsam anzugehören scheint. Mit diesen Zwischensträngen anastomosieren dann die Blattspurstränge an ihrer Eintrittsstelle. Untereinander sind die Spurstränge durch direkte Kommissuren nur in der Blattbasis 1) Vgl. den allgem. Teil. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 205 unterer Blätter verbunden. Durch den genannten Anastomosen- ring in der Basis des Achselsprosses stehen dessen Grenzstränge indirekt in Verbindung, oberhalb der Achselsproßlücke sind diese ein zweites Mal durch gabelig ansetzende Stengelbündel in Ver- bindung. In unteren Knoten ist seitlich von der Blattansatzstelle meist eine Verbindungsanastomose zwischen dem Begrenzungs- strang des Achselsprosses und dem nächsten Stengelbündel vor- handen, manchmal anastomosiert auch -dieses noch mit seinem Nachbarbündel. Es wird so häufig über die Hälfte des Bündel- rohres durch die Anastomosenhbildung umfaßt. In unteren und mittleren Partien sind durch die partiellen Gürtel sämtliche im Stengel vorhandenen Bündel (eingerechnet die eintretenden Spuren) innerhalb dreier aufeinanderfolgenden Hauptsproßknoten miteinander in seitlicher Kommunikation. Im Internodium kommen hin und wieder schön ausgebildete schräge Bündelanastomosen vor (vgl. Textfig. 9), doch bleiben sie vereinzelt und es gelingt nicht bei jedem Exemplar, überhaupt solche nachzuweisen. Bei Papaver somniferum, das sich durch ziemlich variable Verhältnisse auszeichnet, ist die Spur gewöhnlich drei- strängig und derart verschränktläufig, daß je ein Stengelstrang zwischen zwei Spurstränge gefaßt wird; manchmal bleiben zwei der Stränge nebenläufig, auch kann sich die Strangzahl dadurch erhöhen, daß anstatt eines Spurbündels zwei (oder mehr) neben- läufige auftreten. Beim Medianstrang wurde beobachtet, daß der in der Blattbasis einheitliche Strang sich in zwei Blattspurstränge auflöst, die entweder getrennt hinabsteigen oder bald wieder ver- schmelzen. In der Blattbasis sind die Spurstränge gewöhnlich nicht, seltener zum Teil oder alle durch feine Anastomosen ver- bunden; über den Bündellücken anastomosieren deren Grenzstränge. Es entsteht auf diese Weise ein partieller Knotengürtel mindestens zwischen den Spurgrenzsträngen; er kann (in unteren Knoten) durch Anastomosen jederseits bis zum nächsten oder übernächsten Stengelbündel ausgedehnt werden. Von der eintretenden Blatt- spur sind in der Regel die Lateralstränge, seltener der Median- strang ihrerseits durch Bündelanastomosen an den eigenen Knoten- gürtel angeschlossen. Die Blattstellung folgt der Zweifünftel- Spirale. Dadurch sind stets innerhalb von fünf aufeinanderfolgenden Knoten sämtliche in einem Knoten vorhandenen Bündel (ein- Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. 14 206 Friedrich Sauerbrei, schließlich eintretender Lateralstränge)!) seitlich miteinander in Verbindung. Vielfach allerdings ist dies schon in drei aufeinander- folgenden Knoten der Fall, wenn nämlich der partielle Gürtel sich seitlich in der besprochenen Weise erweitert. Im Internodium finden sich Bündelanastomosen ebenfalls, aber unregelmäßig und ziemlich vereinzelt, mit einiger Sicherheit etwas unterhalb der Blattansatzstelle. Die drei noch zu besprechenden Formen weisen sämtlich Internodialanastomosen auf, doch sind diese nicht besonders zahl- reich. Argemone besitzt eine -dreisträngig nebenläufige Blatt- spur, deren Stränge durch steile, ins nächste Internodium hinab- reichende Anastomosen verbunden sind. Über der Blatt- resp. Achselsproßlücke anastomosieren deren Grenzstränge. Internodial- anastomosen kommen in oberen Teilen vereinzelt vor oder fehlen, in unteren finden sie sich häufiger. Glaucium luteum und Bocconia microcarpa be- sitzen mehrsträngige (Gl. 3-, B. 7- und mehrsträngige) Spuren, die sich beim Eintritt mit Stengelsträngen so verschränken, daß von diesen je mehrere zwischen zwei benachbarte Spurstränge gefaßt werden. Die Spurstränge selbst sind in der Blattbasis durch schräge oder quere Anastomosen resp. gabelig ansetzende blatteigene Bündel meist sämtlich in Verbindung. Über den Bündellücken pflegen die Grenzstränge miteinander zu anasto- mosieren, manchmal werden auch zwei dazwischenlaufende Stengel- stränge durch eine Anastomose verknüpft, aber ein partieller Gürtel pflegt im allgemeinen nicht zustande zu kommen. Im Internodium finden sich Anastomosen bei Glaucium unterhalb der Blattansatzstelle zwischen Stengelsträngen am gewöhnlichsten, auch sonst hin und wieder; bei Bocconia bevorzugen sie in höheren Stengelteilen ebenfalls die Nähe der Blattansatzstellen, finden sich sowohl seitlich als unterhalb von diesen, wo sie Stengel- stränge unter sich oder solche mit Spursträngen verbinden. In unteren Internodien von Bocconia sind sie (fruktifizierende Exem- plare) ziemlich häufig; sie verlaufen dort vielfach sehr steil von einem Bündel zum anderen hinüber, durch sie werden dort in etwa drei bis vier aufeinanderfolgenden Stengelinternodien sämt- liche Bündel verbunden. 1) Der eintretende Medianstrang ebenfalls, wenn er an seinen Knotengürtel angeschlossen ist. Ist dies nicht der Fall, so wird die Verbindung sämtlicher Bündel erst in 6 Knoten erreicht. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 207 Crueiferen. Die Cruciferen sind meist Kräuter oder Stauden mit wech- selständigen, nur ausnahmsweise opponierten Blättern. Im ent- wickelten Stengel sind die Xylemteile ihrer Gefäßbündel in den meisten Fällen durch interfaszikulares prosenchymatisches Gewebe in stärkerer oder schwächerer Ausbildung und Verdickung zu einem mechanischen Rohr verbunden !). Da hierdurch der osmo- tische Austausch zwischen den leitenden Bahnen stark beein- trächtigt werden muß, war es besonders interessant zu erfahren, ob bei den Cruciferen Bündelverbindungen vorhanden sind oder nicht. Untersucht wurden folgende 12 Arten: Nasturtium officinale R. Br., amphibium R. Br, Cardamine amara L., Conringia orientalis Andr,, Alli- aria officinalis Andr., Brassica nigra Koch, Napus L., Sinapis arvensis L, Sisymbrium officinale Scop., Lu- naria rediviva L,, Thlaspi arvense L., Alyssum saxa- tile L. Vergleichsweise wurden noch weitere 5 Arten heran- gezogen (vgl. unten pag. 211). Die Achse dieser untersuchten Formen ist monopodial ge- baut, verzweigt oder unverzweigt, bei einigen hohl (Nasturtium, Alliaria, Brassica nigra, oft ältere Stengel), bei anderen solid (Thlaspi, Alyssum, Sisymbrium, Cardamine, Sinapis, Lunaria). Weder die Stengelknoten noch die Achselsproßbasis zeigen Anschwel- lungen. Die Blattspur kann einsträngig (Thlaspi, Cardamine, Alyssum) oder mehrsträngig sein; in letzterem Fall anastomosieren die (meist 3) Stränge in der Blattstielbasis (Nasturtium ?), Brassica, Sinapis, Lunaria, Alliaria) oder etwas weiter distalwärts in Blatt- stiel (Sisymbrium) oder unterem Teil der Blattspreite (Conringia). Das Bündelrohr ist entweder locker (Nasturtium, Alliaria, Car- damine) oder dicht (Brassica, Lunaria, Thlaspi, Sisymbrium). Das mechanische System ist im allgemeinen gut entwickelt). Über die Bündelverbindungen der Achse ist folgendes zu bemerken: Nasturtium officinale: Die drei Stränge der Blattspur werden im Laufe des ersten Internodiums vereintläufig. Die 1) SOLEREDER, Syst. Anat d. Dicotylen, p. 74. 2) Bei Nasturtium office. liegen die Anastomosen schon fast im Bündelrohr der Achse. 3) Vgl. im allgem. Teil. 14* 208 Friedrich Sauerbrei, Spur wird seitlich von zwei kräftigen Strängen begrenzt, welche über der Blattlücke (resp. wenn ein Achselsproß vorhanden ist, über der Achselsproßlücke) miteinander anastomosieren. Die Blattstellung folgt der 2/,-spirale.. Der kathodische Grenzstrang eines Blattes, welches mit x bezeichnet sei, ist wieder anodischer Grenzstrang des drittunteren Blattes (x—3), der anodische wird mit dem ver- schmolzenen Spurstrang des drittoberen Blattes (x+-3) im Laufe des nächstunteren Internodiums vereintläufig und der resultierende Strang stellt den kathodischen Grenzstrang des zweitunteren Blattes (x—2) dar. Die drei Blattspurstränge sind an der Ein- trittsstelle in das Bündelrohr der Achse durch schräge Anasto- mosen verbunden; die lateralen Stränge anastomosieren außer- dem mit den DBegrenzungssträngen. Da diese oberhalb des Achselsprosses ebenfalls verbunden sind, entsteht um Blatt- und Achselsproßlücke herum eine ringartige Bündelverbindung, von der aus die beiden Grenzstränge abwärts ziehen. Auf diese Weise sind innerhalb von fünf Knoten sämtliche Bündel der Achse seitlich miteinander im Konnex. In stärkeren Stengeln treten ganz allgemein Zwischenstränge auf, die jedoch keine schrägen Anastomosen zwischen den Stengelbündeln !) darstellen. Sie gehen von der Querverbindung des Knotens zwischen lateralem Spurstrang und Grenzbündel der Spur aus, steigen durch zwei bis drei Internodien hinab und verschmelzen dann etwa in Knoten- höhe mit dem einen ihrer Nachbarstränge. Außerdem findet sich manchmal in Knotenhöhe auf der einen oder anderen Seite eine kleine schräge Anastomose zwischen Blattlückengrenzstrang und einem dort vorkeilaufenden Zwischenstrang. Mit dem Auftreten des Cambiumringes, der nur in älteren Stengelteilen (besonders der kriechenden Achse) vollständig sich schließt, entstehen weitere Zwischenstrangbildungen; zunächst treten sie als seitliche Verbreiterung der ursprünglichen Bündel auf, später auch in der Mitte der Zwischenräume. Sie stellen im extremsten Ausbildungsgrade, der übrigens keineswegs immer erreicht wird, ein durch den ganzen ursprünglichen Markstrahl reichendes engmaschiges Netz dar und bewerkstelligen so den Schluß zum soliden Bündelrohr. Sie bestehen aus einem Siebteil mit gewöhnlich viel kleinerem Gefäßteil; letzterer wird öfter nur 1) Einzig bei dieser Crucifere fehlen schräge Bündelanastomosen zwischen den Spursträngen im Internodium. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 209 aus einem trachealen Element gebildet und fehlt in manchen Fällen ganz. Bei Cardamine amara liegen die Verhältnisse ähnlich. Die Blätter haben ?/,-Stellung. Die einsträngige Blattspur steigt fünf Internodien hinab, biegt über der dort eintretenden seitlich aus und verschmilzt mit einem ihrer Grenzstränge. Oberhalb der Blattlücke sind deren Grenzstränge durch eine gerade oder schräg herüberlaufende Anastomose verbunden. Manchmal sind auch zwei Verbindungen übereinander vorhanden. Die Blattspur selbst steht mit ihren Grenzsträngen an der Eintrittsstelle ins axiale Bündelrohr nicht in Konnex. Der anodische Grenzstrang steht im zweitunteren, der kathodische im drittunteren Knoten mit dem entsprechenden Nachbarstrang oberhalb der dortigen Blattlücke wieder in Anastomosenverbindung. Auf diese Weise sind auch hier innerhalb von fünf aufeinanderfolgenden Knoten sämtliche Stengelbündel eines Knotens außer dem in diesem eintretenden Spurstrang seitlich verbunden. Letzterer findet erst in einem weiteren Knoten (also von seiner Eintrittsstelle im fünftunteren) Anschluß. In basalen Internodien kommen Anastomosen zwischen den Stengelbündeln hinzu. Sie verlaufen stets schräg, in mehr oder weniger steiler Richtung von einem Bündel zum anderen hinüber. Bei meinen ca. 40 cm langen blühenden Sprossen fand ich sie in den unteren 5—6 cm des Stengels. Derartige Internodialanastomosen sind für sämtliche übrigen untersuchten Cruciferen charakteristisch. In ähnlicher Weise wie bei den beiden besprochenen Arten ist bei Conringia orientalis der anodische Grenzstrang einer eintretenden Blattspur wieder kathodischer Grenzstrang der zweitunteren, der kathodische ist anodischer Grenzstrang der drittunteren Spur. Diese selbst ist mehrsträngig (bis 9 beobachtet) und nebenläufig, ihre Stränge sind in der Blattbasis unverbunden, etwas weiter distalwärts in der Blattspreite aber gewöhnlich durch schräge Verbindungen im Konnex!). Sämtliche Stränge eines Knotens (ausschließlich eintretender Spuren) sind so innerhalb von fünf aufeinanderfolgenden Knoten seitlich in Verbindung. Zu diesen Knotenverbindungen kommen noch zahlreiche Inter- nodialanastomosen hinzu, die steiler oder weniger steil die Bündel verbinden, sich öfter über 1!/, bis 2 Internodien erstreckend. 1) Die Grenzstränge der Spur anastomosieren über der Blattlücke 210 Friedrich Sauerbrei, Sie sind in mittleren und unteren Stengelteilen recht häufig; durch sie werden die nebenläufigen Spurstränge abwärts von ihrer Eintrittsstelle ins axiale Rohr häufig untereinander oder die lateralen mit ihren Nachbarsträngen verbunden. In zwei willkür- lich herausgegriffenen, aufeinanderfolgenden mittleren Internodien von je 3,5 em Länge fehlten zwischen den 28 stärkeren Bündeln nur dreimal die Verbindungen, 25 mal waren sie (teilweise mehr- fach) vorhanden. Durch Knoten- und Internodialanastomosen sind in mittleren und unteren Stengelteilen sämtliche Bündel eines Knotens (einschließlich eintretender Spurstränge) im Raume von zwei bis drei Internodien verbunden. Thlaspi arvense und Alyssum saxatile besitzen ein- strängige Blattspuren. Die Blattstellung wurde bei ersterem der 2/;-, ®/s- oder 5/,s-Spirale, bei letzterem der ®/,-Spirale folgend gefunden. Über den Blattlücken verbindet ziemlich regelmäßig eine schräge Anastomose die Grenzstränge. Im Internodium sind bei Thlaspi häufig Bündelanastomosen vorhanden (in blühenden Exemplaren waren durchschnittlich in vier aufeinanderfolgenden der ca. 1,5 cm langen Internodien sämtliche Stengelbündel ver- bunden); bei Alyssum kommen sie in blühenden Sprossen auch vor, können auch in Form von schräg herüber- und hinüber- laufenden Bündelchen auftreten, sind aber zunächst ziemlich ver- einzelt und werden erst mit Auftreten des Cambiumzuwachses häufiger (s. unten). | Sinapis arvensis hat ?/,-Blattstellung. Die Blattspur ist dreisträngig, je zwischen zwei Stränge wird ein Stengelstrang gefaßt, die drei Stränge anastomosieren in der Blattbasis, öfter ist der eine oder andere von ihnen (gern der mediane) durch mehrere nebenläufige ersetzt, die dann an der Eintrittsstelle in die Achse oder weiter abwärts durch kleine Kommissuren ver- bunden sind. Achselsprosse sind überall vorhanden. Über den Bündellücken sind in der Regel Anastomosen zwischen den Grenz- strängen vorhanden, ebenso erzeugen sich sympodial aneinander- setzende Stränge über dem Achselsproß eine Verbindung der im Hauptsproß bleibenden Stränge, so daß gewöhnlich ein partieller Gürtel zwischen den Spurgrenzsträngen im Knoten vorhanden ist, ehe das Cambium kontinuierlich wird. Die eintretenden Spur- bündel sind an den Gürtel nicht angeschlossen. An der dem Blatt zugewandten Seite des Achselsprosses pflegt um dessen Basis durch zahlreiche Zwischenstränge, die öfter netzartig-wellig ausgebildet sind, die Verbindung geschlossen zu sein. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 211 Der anodische Lateralstrang ist am zweitunteren, der katho- dische am drittunteren Gürtel beteiligt, der Medianstrang ist häufig als anodischer Grenzstrang an den drittunteren Gürtel angeschlossen, sodaß allein durch die Knotengürtel, die je etwa ein Drittel des Stengels umfassen, sämtliche Stränge eines Knotens (einschließlich der eintretenden Spurbündel) in vier auf- einanderfolgenden Knoten seitlich in Verbindung stehen. Hierzu kommen zahlreiche Internodialanastomosen, die mit fortschreitendem sekundärem Cambiumwachstum zahlreicher werden (s. unten). Durch die Verbindungen in Knoten und Internodium stehen sämt- liche Bündel der Achse in mittleren Stengelteilen eben blühender Pflanzen im Raume von etwa zwei, oft sogar einem Internodium in seitlichem Konnex. _ Ähnlich wie Sinapis verhalten sich eine Reihe Cruciferen mit ?/,‚-Blattstellung und dreisträngiger verschränkter Spur: Brassica nigra und Napus, Lunaria rediviva, Nasturtium amphibium, Alliaria, Sisymbrium officinale. Von den Spursträngen ist der mediane öfter (z.B. Brassica, Alliaria) durch mehrere nebenläufige, miteinander an der Eintrittsstelle oder tiefer anastomosierende ersetzt. Über den Blattlücken sind die Grenz- stränge durch schräge Kommissuren gewöhnlich verbunden, ebenso können die Grenzstränge des Achselsprosses in Verbindung sein. Es entsteht so auch hier häufig ein partieller Knotengürtel zwischen den Spurgrenzsträngen; außerdem kommen im Internodium mehr oder weniger steile, oft über ein Internodium durchmessende Bündelanastomosen vor, die nach der Basis des Stengels zu an Zahl zunehmen. Es sind bei diesen Formen, ähnlich wie bei Sinapis, durch Knoten- und Internodialverbindungen in mittleren Stengelteilen blühender Exemplare sämtliche Bündel eines Knotens (eintretende Spurstränge eingerechnet) im Raum von höchstens vier Internodien seitlich miteinander im Konnex. Um die Verbreitung der Internodialanastomosen bei den Cruciferen festzustellen, wurden noch einige Formen vergleichs- weise untersucht, sie wiesen sämtlich die Anastomosen auf: Mo- ricandia arvensis DC. Ochtodium aegyptiacum DC., Bu- nias orientalis L, Nasturtium palustre DC, Erysimum virgatum Rth.; Nägeli!) erwähnt die Anastomosen für Iberis amara L. und Lepidium sativum L. 1). 1..er pr 6X 2und65. 212 Friedrich Sauerbrei, In der obigen Darstellung wurde keine scharfe Trennung zwischen den Internodialanastomosen gemacht, die vor, und denen, die nach Schluß des Cambiums zum kontinuierlichen Ring gebildet werden. Es gehen diese beiden Bildungen in der Tat ineinander über. Bei den Arten, deren Cambium gewöhnlich nicht kon- tinuierlich wird (z. B. Bunias orientalis!) sind im wesentlichen nur die ersteren vorhanden. Bei den meisten Formen entstehen die ersten vor Schluß des Cambiums und wachsen, nachdem dieser eingetreten ist, wie die Spurbündel in die Dicke. Durch die Tätigkeit des Cambiums wird im interfaszikularen Raume zunächst sekundäres Prosenchym 2?) abgeschieden, bald aber entstehen hier neue Zwischenbündel, die ebenfalls mehr oder weniger steile Anastomosen zwischen den benachbarten Bündeln darstellen. Dieser Zustand kann der endgültige bleiben (Alliaria); bei manchen Arten aber wird die Bildung von Gefäßelementen im Xylemteil so häufig, daß in unteren Teilen schließlich ein solides Xylemrohr zustande kommt (Sisymbrium, Lunaria, Sinapis, Thlaspi usw.). Sehr schön ist die Einschiebung von gefäßführenden Zwischenbildungen im sekundären Xylem bei Alyssum saxatile zu beobachten. Das wasserleitende System besteht in den starken, überwinternden Stengelteilen schließlich aus einem Maschenwerk von Gefäßgruppen, dessen Maschen etwas längs gestreckt sind und dessen Stränge im Laufe eines oder zweier Indernodien sämtlich miteinander seitlich in Verbindung stehen. Wie wir gesehen haben, besteht auch bei den Crueciferen in mittleren und unteren Stengelteilen innerhalb weniger auf- einanderfolgender Knoten oder Internodien eine seitliche Kommu- nikation sämtlicher Bündel der Achse. Resedaceen. Die Blätter der Resedaceen sind durchweg wechselständig angeordnet. Untersucht wurden zwei Arten: Reseda odorata L. und lutea L. Die Achse bleibt solid (odorata) oder wird hohl (lutea), ist verzweigt, Knotenanschwellungen fehlen. Die Blattspuren sind breit einsträngig; auf dem Querschnitt junger Internodien zeigen sie sich schon primär von wenigreihigen durchgehenden Mark- 1) Vgl. DEnNeERT, Beitr. zur vergl. Anat. d. Laubstengels der Crueiferen. Diss. Marburg 1884, p. 17. 2) Nach DENNERTs Ausdrucksweise. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 213 strahlen durchsetzt. In tangentialer Richtung laufen im Bündel die trachealen Elemente respektive Elementgruppen von Zeit zu Zeit seitlich zusammen, wodurch — was wenigstens den Xylemteil anbelangt — eine Art langmaschiges Netzwerk gebildet wird, durch das die Markstrahlen in ihrer Höhe begrenzt werden. Mit Älterwerden des Stengels werden die Spurstränge durch inter- faszikulare Zwischenstränge nach der Seite zu allmählich ver- breitert, indem hier im Raume der primären Markstrahlen an den Bündelrändern neue tracheale Elemente entstehen, die ebenso angeordnet sind wie die im Spurstrang ursprünglichen. Sehr frühzeitig schließt sich das Cambium zum kontinuierlichen Ring und beginnt alsbald sekundären Zuwachs abzuscheiden. In seit- lichen Laubsprossen von R. odorata fand ich den Cambiumring z. B. schon im dritten bis vierten gefäßführenden Internodium geschlossen. Die seitliche Verbreiterung der Bündel scheint zum Teil dem Schluß des Cambiumringes unmittelbar vorauszugehen und setzt sich auch nachher weiter fort. Infolge des Cambium- wachstums entstehen interfaszikular weitere Zwischenbildungen, dieses Gewebe erhält schließlich einen etwa gleichartigen Bau wie der Zuwachs der Bündel, es besteht aus Bündelgewebe, das durch wenigreihige Markstrahlen durchbrochen wird, mit anderen Worten: das Bündelrohr wird solid. Dieser Zustand ist an blühenden Exemplaren von odorata etwa unterhalb des oberen Stengeldrittels !), bei lutea noch etwas früher erreicht. Das mechanische System der beiden Reseden besteht im wesentlichen aus dem Xylemrohr ?2). Dazu kommen extraphloemale Hartbastgruppen, Kollenchymleisten in den Stengelkanten; Epi- dermisaußen- und -innenwand sind verdickt und der periphere Teil des Markes etwas sklerotisch. Reseda Phyteuma, die zur Zeit der Untersuchung schon fruktifizierte, scheint sich in allen Stücken ähnlich zu verhalten. Die untersuchten Resedaarten zeigen also in mittleren und unteren Stengelteilen ein solides Bündelrohr, das auf seiner ganzen Peripherie von schmalen und ziemlich niedrigen Markstrahlen durchsetzt wird. 1) Im Herbst untersuchte blühende Exemplare zeigten 7”—8 cm unter dem Gipfel geschlossenes Rohr. 2) In blühenden Sprossen sind, wo das Xylemrohr nicht solid geworden ist, die interxylären Partien von Sklerenchym erfüllt. 214 Friedrich Sauerbrei, Violaceen. Die Violaceen besitzen gewöhnlich wechselständige, nur in seltenen Fällen gegenständige Blätter. Untersucht wurden vier Arten der Gattung Viola: V. dactyloides R. u. S., graeilis Sibth. u. Sm, cornuta-L. und eornutaL. var. „PBapilioz Diese besitzen hohle Achsen mit soliden Knoten; die Hauptachse trägt relativ schwache Seitensprosse. Die Bündel des Bündelrohres sind breit und von Anfang an von ein- bis dreireihigen Markstrahlen durchsetzt. Das me- chanische System besteht aus der kollenchymatischen Epidermis, mehr oder weniger stark entwickelten extraphloemalen Hartbast- schienen, welche die Bündel begleiten, (bei dactyloides bilden sie ein 1—3 Zellschichten starkes, hin und wieder unterbrochenes Rohr) und dem durch Xyleme und sklerenchymatisches inter- xyläres Gewebe gebildeten mechanischen Rohr. Die drei Blattspurstränge sind im Blattgrund miteinander durch Anastomosen verbunden und treten mit Stengelsträngen verschränkt in die Achse ein. Oberhalb der Bündellücken anasto- mosieren deren Grenzstränge; zwischen den Spursträngen ver- schmelzen die von oben herabkommenden Stengelbündel zu je einem einheitlichen Strang, so daß ein partieller Knotengürtel zwischen den äußeren Grenzsträngen der Spur zustande kommt. An diesen können die eintretenden Spurstränge ihrerseits durch kleine Anastomosen angeschlossen sein. So ist es bei Viola cornuta die Regel für alle drei Blattspurstränge, bei gracilis und dactyloides sind öfter einer oder beide Lateralstränge angeschlossen. Am Knotengürtel unbeteiligt sind höchstens drei der herabkom- menden Stengelstränge (cornuta var. Papilio). Es sind dies der mediane und der anodisch-laterale Spurstrang des nächstoberen Blattes, die beide am nächstunteren Knotengürtel wieder beteiligt sind, und das beide trennende Bündel, welches sowohl im nächst- oberen wie nächstunteren Knoten am Gürtel teilnimmt. In an- deren Fällen ist auch der anodische Lateralstrang (wie in allen der kathodische) schon im nächstunteren Knoten am Gürtel be- teiligt, es laufen dann an diesem nächstunteren Gürtel nur zwei Bündel frei vorbei (V. cornuta typ. und gracilis). Stets sind so sämtliche in einem Knoten vorhandenen Bündel (inklusive ein- tretender Spurstränge) innerhalb höchstens dreier Knoten in seit- licher Verbindung; bei cornuta, bei der die eintretenden Spur- stränge am Gürtel teilnehmen, ist dies schon innerhalb zweier | Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 215 Knoten der Fall. Im Internodium fehlen Bündelanastomosen. Bei dactyloides verbreitern sich die Bündel bald nach ihrer Entstehung seitlich und verschmelzen teilweise miteinander. Auf dem Quer- schnitt findet man in blühenden Exemplaren daher einen Ring von Bündelbau, der an wenigen Stellen unterbrochen ist. Ein vollkommen solides Bündelrohr scheint nicht zustande zu kommen. Bei cornuta und gracilis verbreitern sich die Bündel kaum und verschmelzen seitlich nicht miteinander. Sekundäres Cambiumwachstum tritt später besonders in unteren Stengelteilen auf, doch scheidet es im Markstrahl gleichnamiges Gewebe ab, so daß dadurch keine seitliche Verbindung der Gefäßbündel her- vorgerufen wird. Papilionaceen. Bei den Papilionaceen stehen die Blätter, wie bei den Legu- minosen überhaupt, wechselständig (selten opponiert oder wirtelig). Untersucht wurden: Melilotus coerulea Lm., Trifolium rubens L., Astragalus glyciphyllos L, Hedysarum coronarium L. Alle untersuchten Arten besitzen (wenigstens oberwärts) Achselsprosse oder blattachselständige Infloreszenzen. Der Stengel ist bei Melilotus und Astragalus hohl, im Knoten durch Quer- platten geschlossen, bei den anderen solid. Die Achsen sind fest gebaut, das mechanische System besteht aus dem von den Xylem- teilen der Bündel und frühzeitig sich stark verdiekendem und verholzendem interxylärem Gewebe gebildeten mechanischen Rohr, extraphloemalen (bei Trifolium und Hedysarum sehr kräftigen) Sklerenchymschienen, und Kollenchymleisten in den Stengelkanten (bei Trifolium fehlend). Die dreisträngige (bei Hedysarum in oberen Blättern 3-, in unteren bis 7-strängige) Blattspur tritt mit Stengelbündeln verschränkt in die Achse ein; jederseits umfaßt der Lateralstrang mehrere (meist 3—4) der Stengelstränge. Die Blattspurbündel sind vor ihrem Eintritt in die Achse durch Anastomosen ver- bunden (bei Trifolium liegen diese am distalen Ende des ge- streckten Blattgrundes).. Im Internodium fehlen wie bei den Violaceen zunächst Bündelverbindungen ganz. Im Knoten findet sich ein partieller Anastomosengürtel zwischen den äußeren Grenz- strängen der Spur. Bei Trifolium verlängert sich dieser seitlich durch Anastomosenanschluß der ein bis zwei nächsten Nachbar- 216 Friedrich Sauerbrei, stränge. Durch den partiellen Gürtel sind bei Hedysarum nicht ganz die Hälfte der oberhalb des Knotens vorhandenen Stengel- stränge verbunden (z. B. 7 von 17), bei Melilotus etwas über die Hälfte (z. B. 12 von 21), bei Astragalus etwa zwei Drittel (z. B. 10 von 15) und bei Trifolium fast sämtliche (z. B. 16 von 17). Doch kommt auch bei dieser Pflanze nie ein vollkommener Gürtel zustande, mindestens ein Stengelbündel (= der mediane Spurstrang des nächstoberen Blattes, zweizeilige Blattstellung) läuft stets am Knoten frei vorbei. Die eintretenden Spurstränge sind bei keiner Art im eigenen Knoten am Gürtel beteiligt; ober- halb des Achselsprosses sind die Grenzstränge der Lücke ver- bunden. Bei Trifolium nimmt der vorbeilaufende Medianstrang des nächsthöheren Blattes am nächstunteren Knoten teil, so daß sämtliche Bündel eines Knotens (die eintretenden Spurstränge mitgerechnet) innerhalb dreier Knoten in seitlicher Verbindung stehen. In ähnlicher Weise sind bei Astragalus und Hedysarum sämtliche Bündel innerhalb dreier Knoten in seitlichem Konnex. Bei Melilotus ist nur ein Teil der an einem Knoten frei vorbei- laufenden Bündel im nächstunteren, der Rest erst im übernächsten Knoten am Gürtel beteiligt, so daß hier innerhalb von 4 Knoten alle Bündel verbunden sind. Auf älterem Stadium schließt sich das Cambium zu einem soliden Rohr und scheidet neue Elemente ab. Das sekundäre Diekenwachstum ist in unteren Stengelteilen relativ erheblich, be- schränkt sich aber im wesentlichen auf das Xylem; Phloem- elemente scheinen kaum neu gebildet zu werden. Bei Trifolium bleiben die Bündel dabei vollkommen getrennt, interfaszikular wird nur Libriform abgeschieden. Bei den drei übrigen Arten entstehen im Cambium zwischen den ursprünglichen Bündeln neue Gefäßelemente, so daß schließlich im Xylemteil teilweise eine seitliche Verbindung der Bündel zustande kommt. Bei Astragalus treten gewöhnlich nur einige der Xyleme in Verbindung, bei Hedysarum schon mehrere, und bei Melilotus kann in unteren Stengelpartien auf diese Weise ein vollkommen solides Xylemrohr entstehen. Malvaceen. Von den Malvaceen wurden fünf Arten mit wechselständigen Blättern untersucht: Althaea officinalis L., Malope grandi- flora F. G. Dietr, Malva Alcea L, Sida Napaea Cav. u Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 217 und Anoda triloba Cav. Diese Arten besitzen unbedeutende Achselsprosse, nur Malva ist kräftiger verzweigt. Der Stengel ist bei dieser und bei Anoda solid, bei den übrigen hohl mit solidem Knoten. Das Bündelrohr ist überall als dicht zu be- zeichnen. Das mechanische System der Rinde besteht aus einem unter dem Assimilationsgewebe liegenden mehrschichtigen Kollenchym- mantel — auch die Epidermiswände sind öfter verdickt — und extraphloemalen Hartbastschienen. Im sekundären Phloem treten ebenfalls Hartbaststränge auf. Im übrigen ist das Rindenparen- chym wie das interphloemale Markstrahlgewebe unverdickt, während der interxyläre Teil des letzteren mehr oder weniger skleren- chymatischen Charakter trägt. Die drei Stränge der Blattspuren anastomosieren in der Blattbasis; die lateralen fassen zwei bis drei Stengelbündel zwischen sich und den Medianstrang. Bündelanastomosen sind im Knoten selten, über den Bündellücken wurden bei Malope und Anoda in manchen Fällen Verbindungen aufgefunden, während sie in anderen vermißt wurden; bei den übrigen Formen fehlen sie stets. Die Achselsproßlücke wird bei den genannten beiden Arten nach oben durch eine schwache Anastomose abgeschlossen, bei Anoda fehlt diese Verbindung öfter, bei den übrigen immer. Die Spurstränge zeigen sich mit ihren Nachbarsträngen unverbunden. In jüngeren Internodien fehlen seitliche Bündelverbindungen vollkommen. Schon die primären Bündel sind von schmalen Markstrahlen durchbrochen. Ziemlich frühzeitig schließt sich das Cambium interfaszikular zu einem vollständigen Ring und scheidet nach innen und außen im Bündel sekundäres Xylem und Phloem, im Markstrahl zunächst gleichnamiges Gewebe ab. Bald aber entstehen hier innerhalb des sich bildenden sekundären Zuwachses neue Gefäß- und Siebelemente, die schräg aufwärts von einem Nachbar- bündel zum anderen laufen. Durch diese Zwischenbildungen treten die benachbarten Bündel seitlich miteinander in Ver- bindung. Bei Malope bleibt die Erscheinung (an fruktifizieren- den, 90 cm hohen Exemplaren) auf einzelne Nachbarbündel be- schränkt, bei Anoda wird in unteren Stengelteilen das Bündelrohr solid, bei Malva nimmt im fruchtenden Sproß das solide Rohr etwa die drei unteren Viertel des Stengels ein und bei Sida und Althaea wurde es an blühenden 1,50 m hohen Exemplaren schon ca. 25 cm unterhalb des Gipfels geschlossen gefunden. 218 Friedrich Sauerbrei, Campanulaceen. Die Campanulaceen besitzen wechselständige (selten quirlige) Blätter und sind durch den Besitz von gegliederten Milchsaftröhren interessant). Nach den Untersuchungen von Hans ScHaipr ?), die sich aller- dings nur auf das Blatt beziehen, kommen gegliederte Milchröhren bei sämtlichen von mir untersuchten Arten vor; nur Wahlenbergia Roylei ist von ScHMipr nicht beschrieben. Bei dieser Pflanze zeigt der reichlich aus Schnittwunden hervortretende Milchsaft den Besitz von Milchröhren an. Untersucht wurden fünf Arten mit abwechselnden Blättern: Campanula lactiflora Bbrst., C. glomerata L, CO. rapun- culoides L, Phyteuma canescens W. K., Wahlenbergia Roylei DC. Diese sind unverzweigt oder schwach verzweigt, nur Wahlenbergia zeigt kräftige Seitensprosse. Die Achse ist solid, bei ©. rapunculoides und Phyteuma in älteren Sprossen ge- wöhnlich hohl. Die Blattspur ist einsträngig. Das mechanische System der Rinde ist schwach: Epidermis und ein bis zwei sub- epidermale Schichten oder nur letztere sind kollenchymatisch, oder es laufen in den Stengelkanten mehrschichtige Kollenchymrippen (Phyteuma). Die Festigung des Stengels übernimmt der Xylem- teil des frühzeitig entstehenden soliden Bündelrohres. Die Spur- stränge sind schon bei ihrer Anlage sehr breit, verbreitern sich alsbald noch und schließen sich seitlich zusammen. So kommt schon in sehr jungen Stengelteilen ein solides Bündelrohr zu- stande, bei C. lactiflora z. B. in Laubsprossen schon einen bis wenige Zentimeter unter dem Gipfel. Schon die primären Spur- stränge sind von wenigreihigen durchgehenden Markstrahlen durch- setzt; dieser Zustand ist auch später noch zu erkennen: das solide Rohr ist durchbrochen von ein- bis achtreihigen, nicht sehr hohen Markstrahlen, die im Xylemteil durch Sklerenchym ausgefüllt werden. Bei Campanula rapunculoides bleiben die Bündel im Gipfelteil der Blütenstandsachse getrennt, d. h. das Bündelrohr wird dort nicht solid. Seine interxylären Partien sind dort durch Sklerenchym erfüllt. Auf diesem Zustand standen an 60 cm hohen Sprossen etwa die obersten 8 cm. 1) SoLEREDER 1899, p. 533f., 1908, p. 191f.; ENGLER- PrANTL IV, 5, p. 41. 2) System. anat. Unters. d. Blattes der Campanuloideen. Diss, Erlangen 1904. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 219 Das Bündelrohr wird nachträglich noch durch sekundäres | Cambiumwachstum mehr oder weniger verstärkt. / Auch die zum Vergleich noch herangezogenen Arten: Ja- sione montana L. und Specularia Speculum L. verhalten sich in bezug auf das Bündelrohr wie die übrigen untersuchten Formen. Die Polemoniaceen sind milchsaftlos, ihre Blätter opponiert oder wechselständig. Die einzige untersuchte Art: Collomia grandiflora Dougl, die wie die Campanulaceen wechselständige Blätter besitzt, verhält sich in bezug auf das Bündelrohr ähnlich wie diese. Die Blätter tragen Achselsprosse, die Achse ist solid, Epidermis und eventuell eine subepidermale Schicht sind kollenchymatisch. Außerhalb des Phloemteiles findet sich ein Rohr schwach verdickten Skleren- chyms. Die Blattspur ist einsträngig; in jugendlichen Sprossen findet man ein diehtes Bündelrohr, dessen Bündel breit sind und von ein- bis dreireihigen Markstrahlen durchsetzt werden. So- lange die Stränge getrennt sind, lassen sich Anastomosen zwischen ihnen in Knoten und Internodium im allgemeinen nicht nachweisen, nur die Grenzstränge der Blattlücke sind über dieser manchmal durch eine schräge Kommissur verbunden. Auch bei Collomia tritt, wenn auch später als bei den Campanulaceen, ein seitliches Zusammenschließen der Bündel zum soliden Rohr ein, welches dann weiter durch das sekundäre Cambiumwachstum, besonders im Xylemteil, kräftig verstärkt wird. Asperifoliaceen. Die Asperifoliaceen besitzen fast stets (die untersuchten Arten sämtlich) wechselständige Blätter. Untersucht: Sym- phytum asperrimum Bbrst, Borrago offcinalis L., Echium violaceum L. Anchusa capensis atrocoerulea hort. Jen., Cerinthe maior L. Alle diese Arten sind ver- zweigt und zeigen gewöhnlich solide Achsen, nur Symphytum und Borrago haben hohle Stengel. Das Bündelrohr ist in jugend- lichen Stengelteilen bei Symphytum locker, bei den übrigen dicht. Das mechanische System besteht im wesentlichen aus den durch sklerenchymatisches Gewebe verbundenen primären Xylemteilen. Die Rinde enthält nur einen meist ziemlich schwachen Kollenchym- mantel unter dem Assimilationsgewebe oder schwache Kollenchym- 220 Friedrich Sauerbrei, leisten in den Stengelkanten, außerdem eventuell etwas Kollenchym vor den Phloemen. Die Blattspur ist meist einsträngig, bei Symphytum und Borrago dreisträngig-nebenläufig (Spurstränge dann in der Blatt- basis miteinander anastomosierend). In jungen Stengelteilen sind die Bündel wohlgetrennt. Auf diesem Stadium fehlen im Knoten und Internodium Bündelverbindungen, nur über der Blatt- respek- tive der Achselsproßlücke sind die Grenzstränge durch eine schräge Anastomose verknüpft. Die Spurstränge treten an ihrer Eintritts- stelle mit ihren Nachbarsträngen nicht in Verbindung. Die Anastomose über Blatt- resp. Achselsproßlücke wurde auch bei Pulmonaria saccharata Mill, Anchusa arvensis Bbrst., italica Retz und sempervirens L, die auf jungem Sta- dium verglichen wurden, beobachtet; ebenso fehlten auch dort ander- weitige Bündelverbindungen. Auf späterem Stadium tritt, besonders in unteren Stengel- partien, ein Cambiumwachstum auf und unmittelbar vorher oder mit diesem zusammen eine Zwischenstrangbildung, welche häufig von den Rändern der primären Stränge ihren Ausgang nimmt. Unter Mitwirkung beider Faktoren verschmelzen vielfach die be- nachbarten Bündel miteinander. Bei Symphytum scheint das Cambium nicht kontinuierlich zu werden, das Bündelrohr wird nicht solid. Bei Borrago ist es ähnlich, ein solides Bündelrohr findet sich höchstens in den ältesten Stengelteilen. Viel früh- zeitiger schließt es sich bei Cerinthe, bei der an blühenden F m hohen Exemplaren das Rohr etwa 50 cm unter dem Gipfel solid war, und noch zeitiger wird dieser Zustand bei Echium und Anchusa capensis erreicht, bei letzterer z. B. an 0,75 m hohen blühenden Exemplaren ca. 20 cm unter dem Gipfel. Nachdem das Bündelrohr solid geworden ist, wird es meist durch das Cambiumwachstum noch kräftig verstärkt. Polygonaceen. Die Polygonaceen sind fast durchweg krautige Gewächse mit spiralig gestellten, seltener opponierten oder wirteligen Blättern. Untersucht wurden sieben Kräuter mit wechselständigen, ochreaten Blättern: Polygonum Bistorta L., P. divaricatum L.. Fagopyrum esculentum Moench., Oxyria elatior R. Br., Rumex salieifolias Weinm., R. scutatus L., R.Patientia L. Bei Polygonum Bistorta ist die Achse unverzweigt, trägt höchstens Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 221 unterwärts einen Achselsproß, bei Rumex Patientia sind bloß oberwärts blattachselständige Infloreszenzen vorhanden, die übrigen Arten haben regelmäßig .(zum Teil recht stark) verzweigte Achsen. Der Stengel ist nur bei R. salicifolius lange solid und wird erst in späterem Stadium etwas hohl, bei den anderen Formen ist er schon frühzeitig hohl, im Knoten durch Querplatten geschlossen. Nur bei Polygonum Bistorta und divaricatum zeigt er oberhalb der Blattansatzstelle eine Anschwellung. Rumex Patienta besitzt markständige Gefäßbündel, die übrigen Formen zeigen ein einfaches Bündelrohr. Dieses ist bei Oxyria und Fogopyrum locker (Oxyria: Bündelentf. 2—3, Fag. etwa 2 Bündelbreiten), bei den anderen dicht; bei R. Patientia stellen die normalen Bündel ebenfalls ein dichtes Rohr dar. Die Achse ist im allgemeinen ziemlich fest gebaut. Das mechanische System besteht aus verschieden verteiltem subepidermalem Kollenchym (Leisten oder Rohr), extraphloemalem Sklerenchym (ebenfalls Schienen oder geschlossener Mantel), inneren Stereombelegen der Bündel (alle Formen außer Fagopyrum) und dem Sklerenchym, welches die interfaszikulären Partien ganz oder nur zwischen den Xylemen erfüllt. Die Blattspuren sind mehrsträngig bis vielsträngig, meist von ungerader Strangzahl (niedrigste Zahl bei Oxyria (5), höchste bei Patientia (23) festgestellt); ihre Stränge anastomosieren im proximalen Teil des Blattgrundes (P. divaricatum, Fagopyrum, R. Patientia) oder erst weiter distalwärts im Blattgrund oder im Blattstiel (R. salieifolius, scutatus, P. Bistorta, Oxyria). Bei ihrem Eintritt in die Achse verschränken sich die Spurstränge mit axia- len Bündeln so, daß von diesen gewöhnlich mehrere zwischen je zwei Spursträngen bleiben (meist 2—5, bei P. Bistorta 1—2). Durch die Internodien laufen die Bündel des Stengels wohl- getrennt, Bündelverbindungen fehlen vollkommen, im Knoten da- gegen anastomosieren bei allen Formen außer R. Patientia sämtliche benachbarten Bündel miteinander und über den Bündellücken die Grenzstränge, so daß dort ein vollkommener Anastomosengürtel um den Sproß respektive je um Haupt- und Achselsproß zustande kommt. An diesen Gürtel sind die eintretenden Spuren nicht angeschlossen, doch nehmen diese am nächstunteren Knotengürtel teil, so daß alle in einem Knoten vorhandenen Bündel (samt ein- tretenden Spursträngen) innerhalb zweier aufeinanderfolgender Knoten miteinander in seitlicher Verbindung stehen. Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. 15 222 Friedrich Sauerbrei, Bei RumexPatientia sind innerhalb des äußeren, normalen, nur etwas unregelmäßigen Bündelrohres noch markständige Bündel vorhanden. Von ihnen läuft meist je eines hinter einem der stärkeren Bündel des äußeren Rohres, in manchen Fällen befindet sich hinter diesem noch ein drittes. Die anomalen Stränge sind mit dem zugehörigen Bündel des normalen Rohres gewöhnlich in eine Sklerenchymplatte eingeschlossen, die ins Mark hinein vorspringt. Durchs Internodium laufen die genannten Bündel parallel, im Knoten anastomosieren die markständigen untereinander und mit ihren zugehörigen normalen Bündeln. Die Stränge der stengelumfassenden Spur verschränken sich mit Stengelbündeln, etwa drei von diesen laufen je zwischen zwei benachbarten Spur- strängen; über jeder Bündellücke anastomosieren die Grenzbündel. Die Spurstränge eines Blattes treffen bei ihrem Abwärtslauf im nächstunteren Knoten auf die Mitte des Zwischenraumes zwischen zwei eintretenden Spursträngen. Es sind auf der Seite der Blatt- mediane die herabkommenden Spurstränge des nächstoberen Blattes durch Anastomosen an ihre Nachbarbündel angeschlossen, während sie in dem der Blattmediane abgewandten Stengeldrittel frei vorbeilaufen. Wir haben also im Knoten einen partiellen Gürtel von etwa zwei Drittel Stengelumfang auf der Seite der Blattmediane, in dem übrigen Drittel sind nur die Grenzstränge der eintretenden Spurbündel über der Bündellücke verbunden. Da die eintretenden Spurstränge an den Gürtel nicht angeschlossen sind und da die an einem Knoten vorbeilaufenden Stränge am nächstunteren Gürtel teilnehmen, sind bei R. Patientia sämtliche in einem Knoten vorhandenen Stränge (einschließlich der ein- tretenden) innerhalb dreier aufeinanderfolgender Knoten verbunden. Die im Internodium vorhandene Isolierung der Bündel bleibt bei den untersuchten Polygonaceen im allgemeinen dauernd erhalten; entweder fehlt sekundäres Cambiumwachstum ganz (Polygon. Bistorta und divaricatum) oder es führt zu keiner seit- lichen Verschmelzung der Bündel (Rumex salicifolius, scutatus; Patientia: äußeres Rohr; Oxyria). Nur in unteren Internodien kräftiger Fagopyrum-Exemplare wird bisweilen das Xylemrohr solid. Umbelliferen. Die Umbelliferen besitzen durchweg wechselständige, am Grunde scheidig umfassende Blätter. Untersucht wurden: Phel- landrium aquaticum L.,, Eryngium campestre L., Bupleu- rum falcatum L., Berula angustifolia Koch, Levisticum Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 223 offiecinale Koch, Foeniculum vulgare Mill., Siler trilobum Scop., Imperatoria Ostruthium L. Diese Formen sind sämtlich verzweigt. Entweder tragen alle Blätter Achselsprosse oder diese fehlen den ein bis zwei (bei Eryngium bis 6) untersten Blättern. Der Stengel ist bei Foeniculum und Eryngium solid, bei den übrigen Formen hohl mit solidem Knoten. Das Bündelrohr ist dicht oder locker (bei Phellandrium und Berula beträgt die Bündelentfernung das Vier- bis Fünffache der Bündelbreite). Das mechanische System ist verschieden kräftig, schwach bei den hygrophytischen Arten, stärker bei den übrigen. Es besteht im wesentlichen aus mehr- schichtigen subepidermalen Kollenchymrippen (bei Bupleurum bis an die Phloeme heranreichend), extraphloemalen Stereomschienen (kräftig bei Siler und Eryngium, bei den anderen schwach bis angedeutet), inneren Stereombelegen und den gewöhnlich in ihrem äußeren Teil durch Sklerenchymbrücken seitlich verbundenen Xylemen (bei Phellandrium die Brücken sehr schwach oder fehlend, bei Siler interfaszikulare Partien auch zwischen den Phloemen und den extraphloemalen Stereombelegen sklerenchymatisch, bei Berula sind die Brücken in den untersten Internodien unterbrochen). Der Blattgrund und die Blattspur umfassen den Stengel unten gewöhnlich ganz (Bupleurum: nur zu zwei Dritteln), oben meist nicht mehr vollkommen. Die Spur ist vielsträngig, an unteren Blättern mehrsträngig als an oberen, die Strangzahl ist gewöhnlich eine ungerade (gezählt habe ich bei Berula und Bup- leurum bis 9, Foeniculum und Phellandrium bis 11, Eryngium bis 17, Levisticum bis 31, Imperatoria bis 35 Spurstränge). Die Stränge treten verschränkt in die Achse ein, wobei gewöhnlich ein, aber auch bis drei Stengelbündel zwischen zwei Spursträngen bleiben. Später können sich auch Zwischenstränge bilden (z. B. Foeniculum, Berula). Die Spurbündel sind in der Blattbasis un- verbunden; durch den Ansatz der Bündel des Achselsprosses kommt eine indirekte Verbindung zustande, die bei allen unter- suchten Formen in recht ähnlicher Weise vor sich geht!). Die Basis des Achselsprosses umfaßt den Stengel etwa soweit wie die Blattbasis. Seine zahlreichen Stränge verbreitern sich nach außen hin und legen sich jederseits zu einem breiten Bündelstrang zusammen, der in der Rinde nach außen läuft und von dem aus 1) Vgl. De Bary, Il. c. p. 321. Dort ist dieser Achselsproß- ansatz nach C. F. ScHimpEr als „Astkorb“ bezeichnet. 15= 224 Friedrich Sauerbrei, an die äußeren Spurbündel je zwei Ästehen abgegeben werden. Es wird dabei jeder Spurstrang von beiden Seiten her von den Ästehen umfaßt, die abwärts mit ihm verschmelzen. Nach der Blattmediane zu bleiben gewöhnlich eines oder einige Bündel des Achselsprosses außer Konnex mit den beiden Sammelsträngen. Sie teilen sich gabelig, je ein Strang umfaßt den Medianstrang des Tragblattes respektive dessen Nachbarstränge mit seinen Gabelästchen, die abwärts mit ihm verschmelzen. Auf diese Weise werden häufig jederseits die lateralen Stränge der Spur mitein- ander verbunden (z.B. von 11 Spursträngen jederseits 5), während der mediane, eventuell auch seine Nachbarstränge gewöhnlich nicht angeschlossen sind. Durch das Internodium verlaufen die Bündel ohne jede Verbindung. Im unteren Knoten kommt im allgemeinen ein voll- kommener (bei Bupleurum partieller), in oberen ein partieller Anastomosengürtel zustande, an den die eintretenden Spurstränge angeschlossen sind. Sehr übersichtlich sind die Verhältnisse bei Phellandrium. Es’ bleiben hier 1—3 Stengelstränge zwischen den eintretenden Spursträngen. Diese Stengelstränge anastomosieren, wenn sie in Mehrzahl vorhanden sind, zwischen den Spursträngen miteinander. Jederseits läuft schräg nach unten vom Nachbarstrang eine Anastomose zum eintretenden Spurstrang hinüber. Über dessen Bündellücke können die Nachbarstränge nochmals ver- bunden sein. Sehr ähnlich verhält sich Berula. Bei beiden Pflanzen ist der Gürtel auch in den oberen Knoten vollständig, wo die Blattbasis den Stengel nicht mehr ganz umfaßt. Ähnlich liegen die Verhältnisse auch bei den übrigen Arten. Dort kann — ebenfalls unter Teilnahme der eintretenden Spurstränge — in unteren Knoten ein vollkommener, in oberen ein partieller Gürtel zustande kommen. Es wurde aber hier auch öfter beobachtet, daß die eine oder andere Verbindung fehlt und der Gürtel daher unterbrochen erscheint. Doch stehen innerhalb zweier aufein- anderfolgender Gürtel alle in einem Knoten vorhandenen Bündel (einschließlich der eintretenden Spur) seitlich miteinander in Ver- bindung. Es sind also: 1. bei Phellandrium uud Berula in jedem Knoten sämtliche Bündel in seitlicher Verbindung; 2. bei Eryngium, Levisticum, Foeniculum, Siler, Imperatoria: in den unteren Teilen eventuell sämtliche Bündel in 1 Knoten, häufiger in den unteren Teilen und stets in oberen innerhalb zweier aufeinanderfolgender Knoten in Verbindung; Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 225 3. bei Bupleurum: in unteren und oberen Stengelteilen sämtliche Bündel innerhalb zweier aufeinanderfolgender Knoten in Verbindung. Über einige Umbelliferen liegen ältere Angaben vor. REICHARDT!) hat einige Formen, teils mit einfachem Bündelrohr (Heracleum, Seseli, Pimpinella spec.), teils mit markständigem Gefäßbündelsystem (Silaus pratensis Bess. und Peucedanum Oreoselinum Mnch.) näher untersucht. Er stellte fest, daß die Ge- fäßbündel des Stengels parallel durch das Internodium laufen, ohne zu anastomosieren, daß sie aber im Knoten miteinander in Anastomosenverbindung treten; bei den Formen mit markständi- gen Bündeln geben „die peripherischen Gefäßbündel Zweige nach innen ab, welche sowohl mit den zentralen als auch untereinander anastomosierend das Knotengeflechte bilden.“ In bezug auf Silaus pratensis war schon früher JOCHMANN’?) zu einem ähnlichen Resultat wie REICHARDT gekommen, TSCHERMAK°) konstatiertte an Anthriscus silvestris nach Aufsteigenlassen von Farblösungen durch Bloßlegen der Gefäß- bündel im Knoten „die gürtelförmige Verbindung der meisten, in manchen Fällen auch aller Gefäßbündel untereinander“, d. i. einen partiellen oder vollkommenen Knotengürtel. Ein späterer seitlicher Zusammenschluß der Bündel im In- ternodium fehlt vollkommen. Teils wird sekundäres Cambium- wachstum überhaupt nicht beobachtet (Phellandrium, Berula, teils bleibt es auf die Bündel beschränkt, die Markstrahlzellen folgen durch radiale Streckung (Siler, Imperatoria); wo das Cambium sich zum kontinuierlichen Rohr schließt und der sekundäre Zu- wachs beträchtlicher ist (Eryngium, Bupleurum, Levisticum, Foeni- culum), bleiben die Bündel seitlich wohlgetrennt, im interfascieu- laren Teil werden Markstrahlzellen abgeschieden, die in den inter- xylären Partien gewöhnlich sklerotisieren. 1) H. W. ReEıcHARDT, Über das zentrale Gefäßbündelsystem einiger Umbelliferen. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch., Mathem.-Naturw. Klasse, 1856, Bd. XXI, p. 140 u. 149. 2) JOoCHMANN, De Umbelliferarum evolutione et structura non- nulla. Diss. Vratislav 1854, p. 10—12. 3) E. TSCHERMAK, Über die Bahnen von Farbstoff- und Salz- lösungen in dicotylen Kraut- und Holzgewächsen. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch., Mathem.-Naturw. Klasse, 1896, p. 62. 226 Friedrich Sauerbrei, Zusammenfassung der Gruppe A. Überblicken wir die bis jetzt besprochenen Familien mit wechselständigen Blättern noch einmal kurz, so ergeben sich folgende allgemeine Tatsachen: 1. Eskommen beiihnen einsträngige, mehrsträngig-nebenläufige und mehrsträngig-verschränktläufige Blattspuren vor. Die Stränge der mehrsträngigen Spuren pflegen in- der Blattbasis, d.h. vor ihrem Eintritt ins axiale Bündelrohr miteinander zu anastomosieren. In einigen Fällen sind sie dort unverbunden, dann aber finden sich Ver- bindungen etwas weiter abwärts im Internodium (Corydalis nobilis, cava), weiter distalwärts im Blattgrund, Blattstiel oder dem unteren Teil der Spreite (Bicuculla, Dielytra, Conringia, Papaver, Trifolium, Rumex salicifolius und scutatus, Polygonum Bistorta, Oxyria); oder aber die in der Blattbasis unverbundenen Spurstränge erfahren eine Verbindung durch den Ansatz der Achselsproßbündel (Umbelliferen). Im eigenen Knoten sind die Spurstränge für gewöhnlich nicht an ihre Nachbarstränge resp. einen dort vorhandenen Ana- stomosengürtel angeschlossen, doch kommt ein derartiger Anschluß vor: Eschscholtzia (untere Spuren), Papaver (gew. die Lateral- stränge), Chelidonium; Conringia (seitliche Stränge), Nasturtium offiei- nale; hin und wieder sind einzelne Stränge auch bei den anderen Papa- veraceen und Cruciferen angeschlossen, öfter auch die Lateralstränge der Fumariaceen der 1. Gruppe; bei Viola cornuta sind gewöhn- lich alle Stränge, bei den anderen Viola-Arten hin und wieder die lateralen, bei den Umbelliferen meist alle Spurstränge angeschlossen. 2. Die Bündel der Achse sind in mittleren und unteren Stengelpartien (blühender Pflanzen) fast überall innerhalb eines gewissen Stengelbruchteiles sämtlich miteinander in seitlicher Ver- bindung. Bei der Feststellung dieses Bruchteiles gehen wir von einem beliebigen Knoten aus und untersuchen die Größe des Achsenstückes, innerhalb dessen alle in diesem Knoten vorhandenen Bündel miteinander in seitlicher Kommunikation stehen. Die im Ausgangsknoten eintretenden Spurstränge rechnen wir dabei ein. Es sind so alle Bündel verbunden bei den Fumariaceen: in 1—2 Internodien: Corydalis cava, nobilis, Dielytra; 1—3 Internodien: Corydalis glauca; 3 Knoten: Fumaria, Cory- dalis ochroleuca und lutea; 4 Knoten: Bicuculla. Papaveraceen: 2—3 Internodien: Eschscholtzia; 3 Knoten: Chelido- nium, Papaver (untere Teile); 3—4 Internodien: Boeconia; 5 Knoten: Papaver (mittlere und obere Teile). Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 227 Cruciferen: 6 Knoten: Cardamine (obere Teile); 5 Knoten: Nastur- tium offieinale; 4 Knoten und dazwischenliegende Internodien: Sinapis (obere Teile), mittlere Teile von Brassica, Lunaria, Nast. amphibium, Alliaria, Sisymbrium, Alyssum; 4 Internodien: Thlaspi (mittlere Teile); 2—3 Knoten und zwischenliegende Internodien: Cardamine (untere Teile); 1—2 Internodien: Sinapis (mittlere Teile); 1 Internodium (wenigstens im Xylem): untere Teile der Arten, bei denen das Xylemrohr später solid wird: Sisymbrium, Lunaria, Sinapis, Brassica, Thlaspi, Alyssum u. a. Resedaceen: 1 Internodium (mittlere und untere Teile), wenigstens innerhalb des Xylems. Violaceen: 2 Knoten: Viola cornuta; 3 Knoten: V. cornuta var. Papilio, V. dactyloides und gracilis. Papilionaceen: 3 Knoten: Trifolium, Astragalus, Hedysarum; 4 Knoten: Melilotus; eventuell 1 Internodium: untere Teile von Melilotus. Malvaceen: 1 Internodium: untere Teile von Anoda, mittlere und untere von Malva, Sida, Althaea. Campanulaceen: 1 Internodium (schon in jungen Teilen). Collomia: 1 Internodium (in mittleren und unteren Teilen). Asperifoliaceen: 1 Internodium: älteste Teile von Borrago, mittlere und ältere von Cerinthe, Echium, Anchusa. Polygonaceen: 3 Knoten: Rumex Patientia; 2 Knoten: übrige Formen. Umbelliferen: 1 Knoten: Berula, Phellandrium; 1—-2 Knoten: Eryn- gium, Levistieum, Foeniculum, Siler, Imperatoria; 2 Knoten: Bupleurum. Den zahlreichen eben angeführten Arten, bei denen die Bündelverbindung in mittleren und unteren Stengelteilen innerhalb weniger aufeinanderfolgender Stengelglieder verwirklicht erscheint, stehen nur sehr wenige gegenüber, bei denen dies nicht der Fall ist, es sind dies folgende: unter den Papaveraceen sind bei Argemone und Glaucium nur wenig zahlreiche Internodialana- stomosen vorhanden; unter den Malvaceen finden sich bei Malope und übrigens auch in mittleren Teilen von Anoda nur hin und wieder über den Bündellücken Verbindungen der Grenzstränge; ebenso weisen von den Asperifoliaceen Symphytum und Borrago (mittlere Teile) nur über Bündel- resp. Achselsproßlücken eine Anastomose auf. 3. Die Modi der seitlichen Bündelverbindung sind ver- schieden. In interessantem Gegensatz stehen die Arten, bei denen die Bündelverbindungen in Form von Anastomosen regellos im Laufe des Internodiums auftreten, zu denen, bei welchen diese auf den Knoten konzentriert werden. Bei gewissen Papaveraceen und Cruciferen sind beide Modi kombiniert. Bei allen Violaceen, Papilionaceen, Polygonaceen und Umbelliferen fehlen Internodial- 228 Friedrich Sauerbrei, anastomosen vollkommen, während in den Knoten charakteristische partielle oder vollständige Anastomosengürtel sich vorfinden. Bei ihnen ist die Lokalisation der Verbindungen auf den Knoten scharf durchgeführt. Eine derartige Lokalisation im Knoten ist, wie sich im weiteren ergeben wird, weitverbreitet; recht deutlich tritt sie vielfach bei den Pflanzen hervor, deren Achsenknoten mehrere Blätter trägt. B. Familien, deren (untersuchte) Vertreter opponierte oder wirtelige Blattstellung aufweisen. Labiaten. Die Labiaten weisen stets dekussierte oder (seltener) wirte- lige Blattstellung auf. Untersucht wurden 8 Arten mit dekus- sierten Blättern: Stachys annua L. und recta L, Teucrium Scorodonia L., Scutellaria albida L, Lamium album L. und purpureum L, Salvia Sclarea L. und cocecinea L. Die Sproßachse ist meist verzweigt, hohl mit solidem Knoten (St. recta, Lamium) oder ganz solid (übrige), vierkantig; die Blätter sind seitenständig; Knotenanschwellungen des Stengels fehlen. Die äußeren Teile der Xyleme sind durch sklerenchyma- tisches Gewebe miteinander zu einem mechanischen Rohr ver- einigt; in den Stengelkanten verlaufen mehr oder weniger kräftige Kollenchymrippen, bei einigen Formen finden sich auch (meist schwache) extraphloemale Stereombelege der Bündel (Lamium album, Salvia, Stachys, Teucrium); hin und wieder kommt noch etwas subepidermales Kollenchym vor. Die Blattspuren sind zweisträngig und nicht verschränkt. Die beiden Stränge vereinigen sich im Blattstiel gewöhnlich zu einem (Salvia, Stachys, Teucrium, Scutellaria; nicht bei Lamium); im Stengel steigen sie in den Kanten durch zwei (oder mehr) Internodien hinab, bis sie sich an andere Spurstränge ansetzen !). In jungen Stengelteilen sind daher in jeder Kante zwei oder mehr genäherte Stränge vorhanden. Diese verschmelzen früh- zeitig in jeder Kante zu einem breiten Strang, so daß im größten Teil der erwachsenen Pflanze vier starke Kantenbündel vorhanden sind, zwischen denen sich zarte Zwischenstränge in Ein- oder Mehrzahl einstellen. Diese laufen durch das Internodium den 1) Näheres s. bei NÄserı, 1. c. p. 108 (Stachys angustifolia und Satureja variegata). Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 229 Kantensträngen parallel, ohne mit ihnen zu anastomosieren. Im Knoten setzen sie sich gewöhnlich gabelig an die Kantenbündel an. So werden diese überall oberhalb von Blatt respektive Achsel- sproß verbunden. Auf den nicht blattragenden Stengelseiten sind ebenfalls die Kantenbündel teils durch Vermittelung dieser Zwischen- stränge, teils, wo solche fehlen, durch direkte Anastomosen ver- knüpft (letzteres öfter bei Lamium album). Bei Teucrium und Stachys recta kann diese Verbindung in oberen Stengelteilen fehlen. Es sind also sämtliche Bündel (abgesehen von den aller- Jüngsten Stengelteilen) in einem, bei Teucrium und Stachys recta (obere Stengelteile) in höchstens zwei Knoten in seitlichem Konnex. An den blattragenden Seiten ist die Verbindung durch das Zu- sammenlaufen der beiden Spurstränge im Blattstiel sogar doppelt. (Bei Lamium werden die beiden Spurstränge durch ein gabelig ansetzendes Zwischenbündel des Stengels ebenfalls verbunden.) Bei sämtlichen untersuchten Formen wird auf späterem Stadium das Cambium kontinuierlich. Der sekundäre Zuwachs ist bei Lamium gering, bei den anderen Formen zum Teil recht beträchtlich. Das Cambium scheidet zwischen den Bündeln zu- nächst Libriformgewebe ab. Bald aber entstehen vielfach außer den vor Schluß des Cambiumringes entstandenen Zwischensträngen interfaseieular durch die Cambiumtätigkeit neue Zwischenbildungen, welche im Gefäßteil seitlich miteinander in Beziehung treten können. Es wird so in manchen Fällen (Sceutellaria, starke Exem- plare von Teucrium, Stachys) das Xylemrohr in den untersten Stengelpartien solid, während in anderen trotz des starken Zu- wachses eine seitliche Verbindung der Bündel nur auf den Stengel- seiten eintritt, an denen im nächstoberen Knoten Blätter inseriert sind (Salvia Sclarea, schwächere Exemplare von Teucrium und Stachys). Caryophyllaceen. Die Caryophyllaceen sind Kräuter (oder Halbsträucher) mit gegenständigen (selten abwechselnden) Blättern. Untersucht wurden von den a) Sileneen acht Arten mit dekussierter Blattstellung: Silene catho- lica Ait., S. viridiflora L., Lychnis coronaria Lk. Cu- cubalus baccifer L., Gypsophila paniculata L, Tunica prolifera Scop. Saponaria cerastioides Fisch, 8. offi- 230 Friedrich Sauerbrei, cinalis L. Sämtliche Arten sind verzweigt, besitzen zum Teil hohlen Stengel mit solidem Knoten (Cucubalus, S. catholica, Tunica) oder ganz soliden Stengel und zeigen alle über der Blattansatz- stelle mehr oder minder kräftige Anschwellung der Achse. Das mechanische System besteht im wesentlichen aus einem unter dem Assimilationsgewebe liegenden kräftig entwickelten extraphloemalen Sklerenchymrohr; die subepidermale Schicht kann kollenchymatisch sein (Saponaria officinalis), vor den Phloemen findet sich öfter ein schwacher Kollenchymbeleg (Silene, Cueu- balus, Lychnis, Saponaria), seltener ist der äußere Teil des Markes später sklerotisch (Tunica, Silene viridiflora). Die Blattspuren sind einsträngig, sie laufen, solange sie seitlich getrennt sind, ohne zu anastomosieren durch das Inter- nodium. Doch zeichnen sie sich alle mehr oder weniger durch die Eigenschaft aus, in die Breite zu wachsen und miteinander seitlich zu verschmelzen. Zuerst tritt die Verschmelzung im Knoten ein, und es pflegt dort frühzeitig ein gewöhnlich vollkommener Bündelgürtel zu entstehen, dessen Zustandekommen eventuell durch kleine Anastomosen unterstützt wird (Sap. cerastioides). Die eintretende Blattspur nimmt gewöhnlich an diesem Gürtel teil. In jungen Stengelteilen kann der Gürtel an einer oder der anderen Stelle unterbrochen sein; in mittleren und unteren sind innerhalb höchstens zweier aufeinanderfolgender Knoten die sämt- lichen Stengelbündel seitlich miteinander in Verbindung. Auf diesem Zustand bleiben einige Arten im wesentlichen stehen: im Internodium verschmelzen eventuell einzelne benachbarte Bündel, aber es kommt entweder im ganzen Stengel kein solides Rohr zustande (L. coronaria) oder höchstens in den untersten Inter- nodien (Saponaria cerastioides, Silene catholica). Bei $. viridi- flora und Cucubalus tritt das solide Rohr wesentlich eher auf und bei Saponaria offieinalis, Gypsophila, Tunica und nach NÄGELI!) auch bei Dianthus plumarius so frühzeitig, daß, abgesehen von den jüngsten Zuständen, das Bündelrohr im ganzen Stengel solid ist. Durchbrechungen durch durchgehende Markstrahlen scheinen diesem soliden Rohr zu fehlen; häufig wird das Cambium kontinuierlich und verstärkt es noch durch sekundären Zuwachs (Sap. cerastioides, Cucubalus, Gypsophila), manchmal ist der Zu- wachs recht bedeutend (Silene viridiflora, catholica, Saponaria offieinalis). Doc pe Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 231 Ein solides Gefäßbündelrohr findet sich nach Curısrt!) auch noch in unteren Teilen bei zahlreichen Arten der Gattungen Silene, Lychnis, Dianthus, Gypsophila, Saponaria, Velezia. b) Alsineen, Untersucht wurden fünf Kräuter mit dekussierten Blättern und einsträngiger Spur: Cerastium perfoliatumL., C. tomen- tosum DC., Stellaria Holostea L., Spergula arvensis L,, Arenaria serpyllifolia L. Bei Spergula sind die Blätter wegen der in ihren Achseln stehenden gestauchten Zweige schein- bar büschelig angeordnet?). Die einsträngigen Spuren des unter- sten oder der beiden untersten Blattpaare des Achselsprosses werden bei dieser Art entweder mit der Spur des Tragblattes vereintläufig oder steigen neben dieser im Stengel hinab, so daß die Tragblattspur mehrsträngig-nebenläufig erscheint 3). Der Stengel sämtlicher Formen zeigt eine mehr oder minder starke Knotenanschwellung, er ist verzweigt und gewöhnlich solid (Cerastium perfoliatum hohl mit solidem Knoten). Das mechani- sche System ist bei Stellaria besonders ausgebildet: Die Epidermis ist stark sklerotisch, in den vier Stengelkanten verlaufen Leisten stark verdickten Sklerenchyms, das subepidermale großzellige Rindengewebe ist ebenfalls sklerenchymatisch; nur ein schmales Rohr von Assimilationsgewebe trennt es von dem extraphloemalen Kollenchymrohr. Die übrigen Arten besitzen ein ähnliches Festi- gungsrohr unter dem subepidermalen Assimilationsgewebe wie die Sileneen. Bei Cerastium kommt noch ein schwaches extraphloe- males Kollenchym hinzu. Bei Cerastium perfoliatum, Spergula und Arenaria bleiben die Bündel im Internodium gut getrennt, im Knoten bildet sich durch seitliche Verbreiterung und kleine Anastomosen ein voll- kommener Gürtel aus, an den die eintretenden Spuren gewöhnlich angeschlossen sind. Bei Cerastium perfoliatum sind die Basen der Blätter eines Paares verwachsen, im Knoten findet sich bei dieser Pflanze die HansteEinsche Seitenverbindung®) zwischen den 1) Carıst, Vergleichende Anatomie des Laubstengels der Caryo- phyllaceen usw. Diss. Marburg 1887. 2) EnGLER-PrANTL III, 1b, p. 85. 3) Vgl. Näcerı, 1. c. p. 98£. 4) Vgl. oben p. 195: „Seitenverbindung“* nach HANsTEINn = Gefäßstrangverbindung der (seitlichen) Spurstränge verschiedener Blätter eines Wirtels; „Rückenverbindung“ zwischen den Spursträngen desselben Blattes. 232 Friedrich Sauerbrei, Spursträngen beider Blätter. Bei Cerastium tomentosum und Stellaria Holostea verbreitern sich die Bündel frühzeitig und bilden auch im Internodium ein solides Rohr. Während bei den drei übrigen Arten fruktifizierende Exemplare untersucht wurden, kamen bei Stellarıa Holostea und Cerastium tomen- tosum nur sterile Laubsprosse zur Untersuchung. Nach Carısrt (p. 57) ist das Bündelrohr im blühenden Stengel von Stell. Holostea nicht solid; vermutlich verhält sich dieser wie Cerast. perfoliatum. Ahnlich ist es wahrscheinlich bei Cerast. tomentosum, bei dem CHRrIsT (p. 52) ebenfalls in Basalinternodien blühender Laubstengel (p. 6) getrennte Bündel gefunden hat. Ein ähnliches rasches Verschmelzen zum soliden Rohr gibt NÄGELI!) für Frühjahrstriebe von Alsine laricifolia Wahl. an, „die noch keine Endblüte angelegt haben‘. Analog scheinen sich viele Caryophyllaceen zu verhalten, wenigstens fand CHRIST bei verschiedenen Spezies aus den Gattungen Cerastium, Moenchia, Alsine, Buffonia, Minuartia, Moehringia, Cherleria, Malachium, Arenaria, Sagina, ebenso auch bei manchen Paronychieen, Sclerantheen und Portula- caceen das Gefäßbündelrohr respektive das Xylemrohr in unteren Internodien blühender Sprosse geschlossen. Rubiaceen. Die Rubiaceen besitzen fast ausnahmslos dekussierte Blätter mit Nebenblättern. Die sieben untersuchten Formen gehören alle der Abteilung der Galieen an: Rubia tinetorum L. Crucia- nella stylosa Trin., Galium Cruciata Scop., G. Mol- lugo L., Asperula tinctoria L, A. glauca Bess., Sher- ardia arvensis L. Die Nebenblätter der Galieen sind beinahe ohne Ausnahme laubig entwickelt?). Sie zeigen den Laubblättern ähnliche Aus- bildung, so daß, je nachdem sie frei oder verwachsen sind, ver- schiedenzählige Blattwirtel entstehen. Nur die eigentlichen Laub- blätter enthalten die oberen Teile von Blatt und Achse gemein- samen Gefäßbündeln. Um den Knoten läuft durch die Rinde ein Anastomosengürtel, an den sich die blatteigenen Stränge der übrigen Wirtelblätter ansetzen ?). Die Blattspuren sind einsträngig. Die vierkantige Achse ist gewöhnlich solid, bei Asperula tinctoria 1). er n29. 2) EnGLER-PRANTL IV, 4, p. 3. 3) Vgl. HANsSTEIN, Abhandl. d. Berliner Akad. d. Wiss. 1857 Physikalische Abhandlungen, p. 78 ff. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 233 hohl mit solidem Knoten (schwach hohl öfter bei einigen anderen Formen) und im Knoten etwas angeschwollen. Seitensprosse können vorhanden sein oder fehlen. In bezug auf die Bündel- verbindungen verhalten sich alle Formen gleich. Bei Galium Mollugo bildet das Procambium vor Ausdifferenzierung des Proto- xylems und Protophloems auf dem Querschnitt einen geschlossenen Ring. Bald nach Auftreten der ersten Gefäßbündelstränge (in den vier Stengelkanten) schließt sich das Rohr durch Verbreite- rung der Bündel und wird wenige Millimeter unter dem Gipfel (nichtblühender Sprosse) solid. Ebenso bei sämtlichen übrigen untersuchten Formen: G. Cruciata z. B. 3 mm, Rubia ca. 3 cm unter dem Gipfel. Den frühzeitigen Schluß zum soliden Bündel- rohr konstatierte NÄGELI!) noch an Galium rubioides L,; ich fand ihn ferner bei einigen kurz darauf untersuchten Formen: Vaillantia hispida L., Asperula arvensis L., A. orien- talis Boiss. u. Hoh. und A. odorata L. Die Funktion der Festigung der Achse übernimmt im wesent- lichen das Xylemrohr. In den Stengelkanten laufen Kollenchym- leisten, die Epidermis kann kollenchymatisch sein, spezifisch me- chanische Elemente fehlen der Rinde fast ganz, vor dem Phloem ist manchmal ein Kollenchymmantel angedeutet (Asperula, Crucia- nella, Galium). Durchgehende Markstrahlen scheinen dem Bündelrohr zu fehlen; es kann in unteren Teilen noch durch sekundäres Cam- biumwachstum (besonders im Xylemteil) verstärkt werden: Rubia, recht kräftig bei Asperula glauca und tinctoria. Valerianaceen. Untersucht wurden: Centranthus ruber DC. C. macro- siphon Boiss, Fedia Cornucopiae Vahl, Valeriana Phu L., Valerianella coronata DC. Die Valerianaceen zeichnen sich durch ihre stets dekussiert stehenden Blätter und ihre dichasiale Verzweigung aus, die zum Teil in falsche Dichotomie übergeht ?). Der Stengel meiner Arten ist hohl mit Knotenquerplatten (©. macrosiphon, Fedia, Valeriana) oder solid (C. ruber, Valeria- nella), Knotenanschwellungen fehlen. Das mechanische System wird im wesentlichen durch das von Xylemteilen und interxylärem 1). e>pr 108, 2) EnGLER-PRANTL IV, 4, p. 172. 234 - Friedrich Sauerbrei, Sklerenchym gebildete Festigungsrohr und den mehr oder weniger sklerotischen äußeren Teil des Markes dargestellt. Etwas subepider- males Kollenchym kann hinzukommen, Hartbast fehlt in der Rinde. Die Blattspur ist mehrsträngig (dreisträngig; bei Valeriana bis fünfsträngig), die Spurstränge sind in der Blattbasis verbunden, außerdem ist die Seitenverbindung zwischen den beiden Spuren eines Blattpaares vorhanden‘). Die Blattspurstränge treten mit Stengelsträngen verschränkt in die Achse ein und fassen dabei etwa drei von diesen zwischen sich. Während im Laufe des Internodiums Bündelverbindungen fehlen, höchstens in unteren Internodien von ÜCentranthus und Valeriana hin und wieder zwei benachbarte Bündel durch seitliche Verbreiterung miteinander verschmelzen, sind im Knoten gewöhn- lich zwei partielle Bündelgürtel vorhanden. Es werden nämlich oberhalb der Bündellücken die Grenzstränge miteinander ver- bunden und die zwischen zwei Spursträngen hindurchlaufenden Stengelstränge treten miteinander durch seitliche Verbreiterung oder kleine Anastomosen in Verbindung. Zwischen den beiden partiellen Gürteln laufen dann die Medianstränge des nächstoberen Blattpaares frei vorbei. In manchen Fällen jedoch werden auch diese Stränge noch durch kleine Anastomosen angeschlossen, so daß dann ein vollkommener Knotengürtel zustande kommt. Dies ist seltener bei Fedia und Valeriana, häufiger bei C. ruber der Fall und bei C. macrosiphon beinahe die Regel. Die eintretenden Blattspurbündel nehmen an dem Gürtel gewöhnlich nicht teil (in unteren Knoten von C. ruber und macrosiphon können sie durch seitliche Verbreiterung angeschlossen werden). Es sind also bei den untersuchten Valerianaceen, selbst wenn kein Spurstrang an- geschlossen ist, sämtliche in einem Knoten vorhandenen Bündel in zwei, höchstens drei aufeinanderfolgenden ?2) Knoten in seitlicher Verbindung. Dieser Zustand bleibt erhalten, auch wenn das Cambium kontinuierlich wird (Centranthus, Fedia, Valeriana); der sekundäre Zuwachs (bei Centranthus und Fedia nicht unbedeutend) vermittelt kein Verschmelzen der Bündel zum soliden Rohr. Geraniaceen. Die Geraniaceen besitzen gegenständige oder wechselständige Blätter®). Untersucht wurden: Geranium rotundifolium L, 1) Vgl. Hanstein, Abh. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1857, p. S4f. 2) Eventuell Zweigen verschiedener Ordnung angehörenden. 3) SWEET, Geraniaceae, Vol. I, p. VII. London 1820—1822. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 235 pratense L, sanguineum L., Robertianum L, Erodium gruinum Willd. Da bei allen diesen Arten die Blätter annähernd opponiert stehen und nur in unteren Teilen von Geranium rotundifolium abwechselnde Blätter vorkommen, sollen die Geraniaceen an dieser Stelle besprochen werden. Die Opposition der Blätter ist keine genaue, die Blätter eines Paares sind einseitig genähert. Die Verzweigung ist im allgemeinen dichasial, häufig ist der eine Seitensproß gegen den anderen gefördert. (Bei G. rotundifolium trägt der Hauptsproß unterwärts einzelnstehende Blätter mit ge- ringen Achselsprossen, dann folgen einige Blattpaare mit geringen, nach oben mit stärkeren Achselsprossen, dann gewöhnlich ein dreizähliger Wirtel mit reduziertem Haupt- und kräftigen Achsel- sprossen, die ihrerseits dichasial verzweigt sein können.) Der Stengel ist bei allen 5 Arten solid, seine Knoten sind ebenso wie die Basis der Achselsprosse kräftig angeschwollen (bei rotundifolium fehlt im unteren Stengelteil die Achsenanschwellung). Die Blattspur ist dreisträngig, ihre Stränge sind in der Blattbasis miteinander durch Anastomosen oder gabelig ansetzende blatteigene Zwischenstränge verbunden; sie treten verschränkt in die Achse ein und fassen dabei je eines oder mehrere der axialen Bündel zwischen sich. Auf der Stengelseite, wo die Blätter eines Paares einander genähert sind, verhalten sich deren Spuren ver- schieden. Entweder verschränken sich auch noch die einander zugekehrten Lateralstränge (G. pratense), oder werden vereint- läufig (sanguineum, Robertianum), oder aber sie bleiben durch einen oder mehrere Stengelstränge getrennt (G. rotundifolium, Erodium). Das Bündelrohr ist locker (pratense, Robertianum) oder dicht (sanguineum, rotundifolium, Erodium). Das mechanische System besteht im wesentlichen aus einem rindenständigen, unter dem Assimilationsgewebe liegenden, geschlossenen Hartbastrohr (bei Erodium geschlossen oder unterbrochen), von dem aus an die markständigen Bündel gewöhnlich (bei Robertianum nicht) Hartbastleisten heranreichen (teilweise bis in das Phloem hinein: pratense, sanguineum). Epidermis und eventuell subepidermale Schicht sind kollenchymatisch. Während im Internodium Bündelverbindungen vollkommen fehlen, zieht sich im Knoten der dichasial verzweigten Arten, wenn ein Hauptsproß vorhanden ist, um diesen herum ein voll- kommener Bündelgürtel, an den sich jederseits ein größerer, 236 Friedrich Sauerbrei, ebenfalls vollkommener, um die Basis des Achselsprosses laufender Gürtel anschließt. Wenn der Hauptsproß — wie häufig an der entwickelten Pflanze — fehlt, so schließen sich die Achselsproß- gürtel zu einem ooförmigen Doppelgürtel zusammen. Die ein- tretenden Spurstränge sind in manchen Fällen an diesen ange- schlossen, gewöhnlich aber frei. (Bei Erodium sind in unteren Knoten meist alle drei, in oberen die lateralen Stränge ange- schlossen oder dort alle frei; bei G. pratense ist in unteren Knoten öfter der eine oder andere Lateralstrang angeschlossen.) Auf dem Querschnitt sind die Bündel nur bei Erodium annähernd in einen einfachen Kreis geordnet, bei den übrigen Arten er- scheinen die stärkeren Bündel mehr zentral gelagert als die: schwächeren; am ausgeprägtesten ist diese Erscheinung bei G. Robertianum, wo die Bündel in zwei deutliche Kreise geordnet erscheinen. An den Knotengürteln nehmen die beiden Kreise in gleicher Weise teil. Bei G. rotundifolium liegen die Knotenverhältnisse im oberen dichasialen (respektive trichasialen) Teil der Pflanze analog. Im unteren Teil sind keine vollkommenen Gürtel vorhanden: wo die Blätter einzeln stehen, findet sich ein partieller Knotengürtel zwischen den Grenzsträngen der Spur; wo die Blätter opponiert stehen, schließen sich die beiden entsprechenden partiellen Gürtel auf der Seite, auf der die Blätter einander genähert sind, zu- sammen (auf dieser befindet sich nur. ein Stengelstrang zwischen den beiden Spuren, so daß dieser gleichzeitig Grenzstrang von beiden ist). Es entsteht hier also ein partieller Gürtel, der beide Blätter des Paares umfaßt und an dem auf der stärker ent- wickelten Stengelseite etwa drei Stengelstränge frei vorbeilaufen. Diese nehmen im nächstunteren Knoten am dortigen partiellen Gürtel teil. In diesem Falle reichen zur Verbindung sämtlicher in einem Knoten vorhandenen Stränge (einschließlich der eintretenden Spuren) drei Knoten aus, bei einzelnstehenden Blättern würden vier bis fünf dazu nötig sein!). In oberen Teilen von rotundi- folium und bei allen übrigen Formen sind die Stränge in zwei aufeinanderfolgenden Knoten (die allerdings meist Sprossen ver- schiedener Ordnung angehören) sämtlich in seitlichem Konnex ; im unteren Teil von Erodium gruinum ist dies regelmäßig, in mittleren Teilen dieser Pflanze und unteren von Geranium pra- tense hin und wieder schon in einem Knoten der Fall. 1) Gewöhnlich stehen nur die beiden untersten Blätter einzeln. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 237 Dieser Zustand bleibt dauernd erhalten, denn das Cambium wird nicht kontinuierlich und sekundärer Zuwachs fehlt gänzlich. Zusammenfassung der Gruppe B. Von den fünf untersuchten Familien weisen zwei (Cary- ophyllaceen und Rubiaceen) einsträngige Spuren, eine (Labiaten) zweisträngig-unverschränkte und zwei (Valerianaceen, Geraniaceen) mehrsträngig-verschränkte auf. Bei den Labiaten laufen die beiden Stränge zum Blatt- mittelnerven zusammen oder werden durch ein gabelig ansetzendes stammeigenes Zwischenbündel verbunden. Bei Geraniaceen und Valerianaceen anastomosieren die Spurstränge in der Blattbasis, bei letzteren sind die einander zugekehrten Lateralstränge des Blattpaares außerdem durch einen Rindenstrang verbunden; ähn- lich auch die Spuren eines Paares bei den Rubiaceen und bei Thlaspi perfoliatum. Auch innerhalb dieser Gruppe ist mindestens für mittlere und untere Stengelteile eine Verbindung sämtlicher Stränge eines Knotens (einschließlich der eintretenden Spurstränge) in wenigen aufeinanderfolgenden Stengelgliedern garantiert. Bei den Labiaten: in 1—2 Knoten; Sileneen und Alsineen: zum Teil in 1—2 Knoten, zum Teil (solides Rohr) in 1 Internodium; Valerianaceen: in höchstens 3 Knoten, teilweise schon in 2 Knoten; Rubiaceen: schon in jungen Teilen in 1 Internodium; Geraniaceen: in 2 aufeinanderfolgenden Knoten, die meist Zweigen verschiedener Ordnung angehören, eventuell schon in einem; bei Ger. rotundifolium würde in unteren Teilen, wenn genug einzelstehende Blätter vorhanden wären, die Verbindung in 4 bis 5 Knoten erreicht sein. Die eintretenden Spurstränge nehmen bei Geraniaceen und Valerianaceen in der Regel nicht an den Knotenverbindungen teil (unter ersteren nur in unteren Partien von Erodium häufig alle 3, von Geranium pratense hin und wieder ein lateraler; bei letzteren können sie in unteren Knoten von Centranthus ruber und macrosiphon angeschlossen werden). Bei Caryophyllaceen und Rubiaceen nehmen sie gewöhnlich teil, bei den Labiaten sind sie durch die Verschmelzung in der Kante angeschlossen. Die Bündelverbindungen sind auf den Knoten beschränkt bei Geraniaceen und Valerianaceen, ebenso bei den Labiaten, bei Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. 16 238 Friedrich Sauerbrei, denen jedoch die Verschmelzung der Kantenbündel in Knoten und Internodium hinzukommt. Auch bei den Sileneen und Al- sineen sind die Verbindungen zunächst im Knoten vorhanden, die Verschmelzung dehnt sich aber später häufig auf das Internodium aus. Bei den Rubiaceen tritt die Verschmelzung zum soliden Rohr etwa gleichzeitig in Knoten und Internodium auf. Wir konstatieren also auch bei der Gruppe B eine Ver- bindung der axialen Bündel innerhalb weniger Stengelglieder, dabei teils eine Lokalisation der Bündelverbindungen im Knoten, teils eine Verschmelzung der Spurstränge zum soliden Bündel- rohr, wie wir sie schon früher bei Campanulaceen und Resedaceen antrafen. C. Familien, die Vertreter mit wechselständigen und solche mit opponierten resp. wirteligen Blättern auf- weisen, oder bei deren einzelnen Vertretern die Blatt- stellung von der wechselständigen zur opponierten resp. wirteligen wechselt. Primulaceen. Untersucht wurden: Anagallis arvensis L.,, Lysimachia vulgaris L, punctata L, ephemerum L. und ciliata L. 1. Anagallis arvensis besitzt am ausgebildeten Sproß gewöhnlich opponiert-dekussierte Blätter, seltener drei- oder vier- zählige alternierende Wirte. Nach oben hin stehen die Blätter abwechselnd, ihre definitive Anordnung geht aus der Spiralstellung hervor!). Sie tragen achselständige Blüten, unterwärts kommen auch größere Seitensprosse vor. Der Stengel ist solid, je nach der Blattstellung vier- bis sechskantig, die Blätter sind an den Stengelseiten inseriert. Das mechanische System wird im wesentlichen durch die Xyleme und diese verbindende schmale Sklerenchymbrücken dar- gestellt. Kollenchym und Hartbast fehlen. Der Gefäßbündel- verlauf ist von NÄGELI!) ausführlich beschrieben. Er ähnelt sehr dem der Labiaten, mit den durch die mehrzähligen Wirtel be- dingten Modifikationen. Die beiden Blattspurstränge verschmelzen zum Mittelnerven des Blattes. Die beiden in jeder Stengelkante laufenden Spurstränge verschmelzen sehr frühzeitig zu je einem breiten Kantenstrang. An den Stengeln mit dreizähligen Wirteln 1) NÄseuı, 1. c. p. 109. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 239 wird häufig eine Kante unterdrückt, es verschmelzen dort zwei Bündelpaare, so daß diese Stengel dann fünf Kantenstränge ent- halten (vgl. NÄGELI, ]. c.). Zwischen je zwei Kantensträngen tritt häufig, aber nicht immer, ein Zwischenstrang auf, der ihnen parallel durchs Internodium läuft und sich oberhalb des Achsel- sprosses gabelig an sie ansetzt. Auf den nicht blattragenden Stengelseiten sind die Kantenbündel ebenfalls (durch Anastomosen) in Verbindung, auch wenn die Zwischenstränge fehlen. Es sind also die axialen Bündel innerhalb eines Knotens in seitlichem Konnex. Dieser Zustand bleibt für gewöhnlich dauernd erhalten. In manchen Fällen verbreitern sich zwei benachbarte Kantenbündel seitlich bis zu ihrer Verschmelzung innerhalb der Stengelseiten. Diese Erscheinung scheint aber seltener zu sein und erstreckt sich nur auf einzelne Bündelpaare und Internodien (nicht immer die untersten). Das Cambium wird nicht kontinuierlich; das Zustande- kommen eines soliden Rohres wurde nirgends beobachtet. Nach KAMIENSKIs Untersuchungen !) schließt sich Lysi- machianemorumL.engan Anagallisan. Dekussierte Blattstellung, vierkantiger Stengel mit vier starken Kantenbündeln, deren Xyleme durch Sklerenchym verbunden sind, zweisträngige Blattspur, deren Stränge im Knoten nach den beiden Kanten divergieren und in die starken Kantenbündel übergehen, beim Eintritt ins Blatt sich zum Mittelnerven aneinanderlegen und so die Kantenstränge ver- binden, sind dieser Pflanze mit erwachsenen Zuständen von Ana- gallis gemeinsam. In zwei aufeinanderfolgenden Knoten sind sämtliche Stengelstränge in Verbindung. Knotenanastomosen sind bei KAMIENSKI nicht erwähnt, ich hatte keine Gelegenheit, die Pflanze daraufhin zu untersuchen. 2. Lysimachia vulgaris, punctata, ephemerum, ciliata. Die von mir untersuchten Lysimachia-Arten zeichnen sich zum Teil durch sehr wechselnde Blattstellung aus. L. vulgaris besitzt ge- wöhnlich zwei-, drei- oder vierzählige alternierende Wirtel, doch auch spiralig bis zerstreut angeordnete Blätter. Ähnlich finden sich bei punctata drei- bis fünfzählige alternierende Wirtel, seltener Spiral- oder zerstreute Stellung. Bei meinen Exemplaren von ephemerum fand ich die letztere, bei ciliata dekussierte Blatt- 1) F. Kamıenskı, Vgl. Anatomie d. Primulaceen. Abh. d. naturf. Ges. zu Halle, 1880, Bd. XIV, p. 200f; vgl. Taf. IX, Fig. 6° 16* 240 Friedrich Sauerbrei, stellung, doch kommen auch drei- bis vierzählige Wirtel vor). Die Achse ist solid und bei allen Formen verzweigt. Das mechanische System besteht im wesentlichen aus einem extraphloemalen Sklerenchymrohr; auch der äußere Teil des Markes sklerotisiert etwas, am stärksten bei ciliata, dort kann man von einem intraxylären mechanischen Rohr sprechen. Dazu kommt das frühzeitig solid werdende Xylemrohr, eventuell noch etwas subepidermales Kollenchym. Die Blattspur ist bei vulgaris, punctata, ephemerum breit einsträngig, schon primär von schmalen Markstrahlen von geringer Höhe durchsetzt; bei ciliata kommt zu dem ebenso gebauten Medianstrang jederseits noch ein feiner Lateralstrang hinzu, so- daß die Spur dreisträngig ist; ihre Stränge sind in der Blattbasis unverbunden. Die einander zugekehrten Lateralstränge der Blätter eines Paares werden sofort vereintläufig und verschmelzen mit den Mediansträngen des nächstoberen Blattpaares. Die Me- dianstränge gabeln sich im zweitunteren Knoten über der ein- tretenden Spur und setzen ihre Gabeläste an die Medianstränge des nächstunteren Knotens an. Es sind so primär alle Bündel in zwei aufeinanderfolgenden Knoten seitlich verbunden. Sehr ähnlich ist der ursprüngliche Verlauf nach KAMIENSKI?) bei vul- garis und punctata mit wirteliger Blattstellung. Dort entspricht der Spurstrang dem Medianstrang von ciliata, nur daß die Lateral- stränge fehlen. Auch hier ist die Verbindung in zwei Knoten erreicht. Der ursprüngliche Zustand ist aber nur in den jüngsten Teilen vorhanden. Sehr frühzeitig verschmelzen bei allen unter- suchten Arten die Bündel teils durch seitliche Verbreiterung, teils durch Bildung von Zwischensträngen zum soliden Rohr°). Bei punctata wurde das Rohr in Laubtrieben schon wenige Millimeter unter dem Gipfel solid gefunden, bei vulgaris und ephemerum erfolgt die Verschmelzung etwas später, am spätesten und unvoll- ständig bei ciliata. Bei dieser Art bleiben in den obersten Inter- nodien (fruktifizierender Exemplare) einzelne Bündel dauernd ge- trennt; sie werden dann dort durch interxyläres Sklerenchym zum mechanischen Rohr verbunden. 1) Überall, wo Wirtelstellung vorkommt, pflegen die Blätter des Wirtels nicht genau auf gleicher Höhe zu stehen. 2) Lse0pr 195m IE VII,’ Fie2i 8 3) Vgl. auch KamIEnsKI1, 1. c. p. 195, 197, 200; 198. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 241 Nach KAMIENSKI verschmelzen auch bei L. nummularia L. die Bündel zum soliden Rohr. Balsaminaceen. Die Balsaminaceen besitzen wechsel-, gegen- oder quirl- ständige Blätter. Untersucht wurden fünf Impatiens-Arten: I. par- viflora DC., amphorata Edgw. fulva Nutt., Noli tan- gere L. und glanduligera Royle. Bei letzterer Art, die ab- gerundet sechskantige Stengel besitzt, stehen die Blätter unter- wärts dekussiert (bis 3 Paare), weiter nach oben in alternierenden dreizähligen Wirteln, deren Blätter häufig etwas auseinanderrücken. Bei den übrigen Arten folgt auf die opponierten Primordialblätter noch ein Paar fast opponierter Blätter, darauf tritt die 2/,-Spiral- stellung ein. Am ausgebildeten Sproß nehmen bei ihnen die Internodien nach oben hin nicht gleichmäßig an Länge ab. Die Formen sind sämtlich verzweigt, die Seitensprosse sind an ihrer Basis ebenso wie der Achsenknoten selbst kräftig angeschwollen. Der Stengel ist hohl mit solidem Knoten (doch sind auch die unteren Knoten von glanduligera hohl). Das mechanische System ist schwach, es besteht aus einem mehrschichtigen subepidermalen Kollenchymmantel und schmalen Sklerenchymbrücken, welche die Xyleme verbinden. Über den Bündelverlauf ist folgendes zu bemerken. 1. IL. fulva, amphorata, parviflora, Noli tangere: Im entwickelten Stengel sind in dem Teil mit spiraliger Blatt- stellung fünf starke Stränge vorhanden, welche durch frühzeitige Verschmelzung ursprünglich nebeneinander absteigender lateraler Spurstränge zustande kommen. Die Blattspuren sind dreisträngig- nebenläufig; an ihrer Eintrittsstelle in die Achse anastomosieren sie miteinander und zwar liegt diese Verbindung schon in der Achse. Jede Blattlücke wird von zwei dieser starken Bündel begrenzt. Die lateralen Spurstränge werden jederseits sofort mit dem Grenzstrang vereintläufig. Der anodische starke Grenzstrang läuft durch zwei, der kathodische durch drei Internodien, bildet wieder kathodischen respektive anodischen Grenzstrang der zweit- respektive drittunteren Spur und nimmt den entsprechenden Lateralstrang auf. Unter- halb des Achselsprosses sind die beiden starken Grenzstränge durch die Spurstranganastomosen in Verbindung, ebenso ist ober- halb von ihm eine Verbindung vorhanden, so daß der Achselsproß auf einem Ring aufsitzt. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß 242 Friedrich Sauerbrei, sämtliche in einem Knoten vorhandenen Bündel des Stengels (einschließlich der eintretenden Spur) innerhalb von fünf aufein- anderfolgenden Knoten in seitlicher Verbindung stehen. Die medianen Spurbündel laufen zwischen den starken Strängen durch drei Internodien frei und setzen sich im drittunteren Knoten kathodisch ausbiegend an den benachbarten starken Strang (d. h. ursprünglich an den Lateralstrang) an. Zu diesen Bündeln kommen in älteren Stengelteilen noch Zwischenstränge in wechselnder Zahl hinzu. Sie treten zuers auf, wenn das Cambium kontinuierlich wird, sind gewöhnlich recht fein und verlaufen durchs Internodium parallel, dagegen können sie im Knoten miteinander oder mit den starken Nachbarsträngen anastomosieren. In unteren Knoten wird auch häufig der vorbei- laufende Medianstrang eines höheren Blattes durch eine Anasto- mose an eines der starken Bündel angeschlossen. Der Knoten- gürtel wird im untersten Knoten gewöhnlich vollkommen. 2. Impatiens glanduligera: Entsprechend der Blatt- stellung finden sich hier sechs starke Stränge!) im Stengel, die in den Stengelkanten verlaufen und zu je zwei ein Blatt seitlich begrenzen. Sie sind auch hier durch Verschmelzung zugekehrter Lateralstränge verschiedener Blätter entstanden. Die Blattspur verhält sich an ihrer Eintrittstelle in die Achse wie bei den ge- schilderten Arten. Der Achselsproß sitzt auch hier auf einem Bündelring auf. Die Medianstränge laufen durch zwei Inter- nodien frei und setzen sich im zweitunteren Knoten an den einen begrenzenden starken Strang an, respektive laufen in die dort über dem Achselsproß vorhandene Anastomose hinein. Schon in relativ jungen Knoten entstehen Anastomosen zwischen vorbei- laufenden Mediansträngen des nächstoberen Wirtels und deren starken Nachbarsträngen, so daß der Gürtel in der Regel schon in mittleren Knoten vollkommen wird. Ebenso ist im erwachsenen Stengel in den Knoten, wo die Blätter opponiert sind, der Gürtel vollkommen. Es sind also in mittleren und unteren Teilen sämt- liche Stengelbündel innerhalb eines, höchstens zweier Wirtel in seitlicher Verbindung. In stärkeren Knoten tragen die Anasto- mosen des Gürtels häufig den Charakter eines wirren Geflechtes, in dem die anastomosierenden Gefäßelemente und kleinen Ge- 1) Im unteren Teil der Pflanze, wo die Blätter opponiert stehen, ist eine größere Zahl vorhanden. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 243 fäßgruppen eigenartig hin und hergebogen und verkrümmt er- scheinen. Das Cambium aller untersuchten Arten wird früh kon- tinuierlich, es scheidet zunächst zwischen den Bündeln nach innen Libriform ab; aber alsbald beginnen sich im sekundären Holz interxylär zahlreiche tracheale Elemente auszubilden, zuerst als parallele Zwischenstränge, nach unten zu häufiger werdend. In den unteren Partien fruktifizierender Pflanzen stellen sie zum Teil schräg miteinander anastomosierende Stranggruppen dar. In den alleruntersten Internodien füllen diese Zwischenbildungen — wellig hin- und herlaufend, sich aneinanderlegend und wieder trennend — den ganzen Raum zwischen den primären Strängen aus, so dab das Bündelrohr im extremen Fall (starke Exemplare) als solid angesprochen werden kann. Cannabaceen. Von den Cannabaceen wurden zwei krautige Vertreter unter- sucht, von denen der eine, Humulus Lupulus L., stets oppo- nierte Blätter besitzt, während am anderen, Cannabis sativaL,., die dekussierte Blattstellung oberwärts und besonders an Seiten- sprossen dadurch in eine wechselständige übergeht, daß die Blätter der Paare auseinandergerückt erscheinen. Beide Arten besitzen eine verzweigte, sechskantige, im In- ternodium hohle, im Knoten solide Achse; Knotenanschwellungen fehlen. Bei Humulus werden die ursprünglich dekussierten Blatt- paare am entwickelten Sproß häufig durch Torsionen der Inter- nodien in eine Ebene gebracht. Das mechanische Gewebe besteht aus kollenchymatischer Epidermis (bei Cannabis ist auch die sub- epidermale Zellschicht kollenchymatisch), in den Stengelkanten laufenden Kollenchymleisten, rindenständigen Bastfasergruppen und sklerenchymatischem interxylärem Gewebe. Humulus!) wie Cannabis (nach TscHIRcH ?)) weisen unge- gliederte Milchröhren auf. Die Spuren sind dreisträngig, ihre Stränge mit Stengel- bündeln verschränkt. Bei Humulus sind die Spurstränge in der Blattbasis durch Anastomosen verknüpft, außerdem ist zwischen den benachbarten Lateralsträngen die HAnstEinsche Seitenver- bindung vorhanden); bei Cannabis laufen die drei Stränge in 1) SOLEREDER, Systematische Anatomie, 1899, p. 365. 2) SOLEREDER, Ergänzungsband 1908, p. 296. Sue INAemerl..cchp. 115. 244 Friedrich Sauerbrei, dem Blattstiel zu einem breiten zusammen. Das Bündelrohr beider Arten ist dicht. Über den Achselsprossen sind gewöhnlich Verbindungen der Grenzstränge vorhanden. Zwischen je zwei benachbarten . Spursträngen laufen mehrere Stengelbündel. Bei Humulus ist auf frühem Stadium, ehe vom Cambium die weiten, auf dem Querschnitt sehr auffallenden sekundären Gefäße gebildet werden, im Knoten keine Gürtelbildung vor- handen, und es fehlen auch im Internodium Bündelverbindungen. Das Cambium wird früh kontinuierlich (in den im Herbst unter- suchten Exemplaren war es an sterilen Seitenzweigen im dritt- oberen ausgebildeten Internodium vollkommen kontinuierlich) und scheidet in den interfaszikulären Teilen zunächst Libriform ab. Durch die Bildung sekundärer Gefäßelemente nehmen die Xyleme an Breite zu und können seitlich in Verbindung treten. Im In- ternodium erfolgt dies ziemlich spät und unregelmäßig, Im Knoten dagegen treten frühzeitig die Gefäße der zwischen den Spursträngen durchlaufenden Bündel in seitliche Verbindung, teils einfach durch Verbreiterung der Xyleme, teils durch kleine Ana- stomosen. Die Grenzstränge treten ebenfalls oberhalb der Bündel- lücken in Verbindung, und es kommen zunächst zwei partielle Gürtel zwischen den äußeren Begrenzungssträngen der Spuren zustande, zwischen denen jederseits ein Medianstrang des nächst- höheren Blattpaares frei vorbeiläuft; bald wird auch dieser auf ähnliche Weise angeschlossen und der Gürtel wird vollkommen. Die eintretenden Spuren dagegen treten nicht mit ihren Nachbar- strängen in seitliche Berührung. Es sind also auf diesem Sta- dium (das an sterilen Seitenzweigen etwa 15 cm unter dem Gipfel erreicht war) sämtliche Bündel eines Knotens (mit eintretenden Spursträngen) in zwei aufeinanderfolgenden Knoten (wenn zwei partielle Gürtel vorhanden sind, in drei Knoten) in seitlichem Konnex. Die sekundären Gefäße treten später auch im inter- faszikularen Raum der Internodien auf, doch kommt kein solides Xylemrohr zustande. Cannabis verhält sich sehr ähnlich, weicht nur in unteren Teilen ab. Zunächst fehlen auch hier Knoten- und Internodial- verbindungen. Das Cambium wird frühzeitig kontinuierlich (an Seitenzweigen 15—20 cm unter dem Gipfel. Im Knoten treten die Bündel früher in seitliche Kommunikation, so daß in mittleren Stengelteilen vollkommene Knotengürtel zustande kommen und die Stengelstränge innerhalb zweier (respektive bei abwechselnder Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 245 Stellung in vier) Knoten in Verbindung stehen. In unteren Teilen wird das Xylemrohr solid. Urticaceen. Untersucht wurden drei Kräuter mit dekussierten Blättern: Boehmeria spicata Thbg., Urtica dioica L., U. piluli- fera L. und eines mit spiraliger Blattstellung: Parietaria offi- cinalis L. Der Stengel ist bei Boehmeria und Parietaria solid, bei den beiden Urtica-Arten hohl mit solidem Knoten. Boehmeria trägt nur oberwärts blattachselständige Infloreszenzen, die anderen Arten sind verzweigt. Knotenanschwellungen des Stengels fehlen vollkommen. Die Festigung des Stengels übernimmt neben sub- epidermalem mehrschichtigem Kollenchym (bei Urtica nur Leisten in den Stengelkanten) und Bastfasergruppen in der extraphloe- malen Rindenschicht das von den Xylemen und interfaszikularen Sklerenchymbrücken gebildete mechanische Rohr. Über die Bündel- verbindungen ist zu konstatieren: 1. Boehmeria spicata. Der Stengel ist undeutlich sechs- kantig, die drei Spurstränge anastomosieren in der Blattbasıs und treten mit je ein bis drei Stengelsträngen verschränkt in die Achse ein. Sonst verhält sich Boehmeria wie Cannabis. Das Cambium ist (an den ca. 50 cm hohen blühenden Exemplaren) etwa 10 cm unter dem Gipfel kontinuierlich. Bündelverbindungen fehlen zunächst. In mittleren Stengelteilen sind zwei partielle, wenig tiefer ein vollkommener Gürtel im Knoten vorhanden; hier stehen also die Bündel (samt eintretenden Spursträngen) in zwei, höchstens drei Knoten in Verbindung, in unteren Teilen ist das Xylemrohr solid geworden. 2. Urtica dioica und pilulifera. Der Stengel ist ursprüng- lich sechskantig, zwei Kanten fließen am entwickelten Sproß zu- sammen, so daß die Achse abgerundet vierkantig erscheint. Die Blattspur verhält sich wie bei Boehmeria. Die Blätter sind kanten- ständig, der Medianstrang tritt in die eigene Kante ein, während je zwei der vier Lateralstränge eines Blattpaares in die beiden anderen (verschmolzenen) Kanten eintreten. Während im Inter- nodium Bündelverbindungen fehlen, kommt im Knoten ein voll- kommener Gürtel zustande. Über den Bündellücken anasto- mosieren die Nachbarstränge miteinander, auf jeder Seite ist ein breiter Strang gleichzeitig Spurgrenzstrang beider Blätter eines Paares. Die eintretenden Spurstränge sind nicht angeschlossen, 246 Friedrich Sauerbrei, aber im nächsten Knoten am Gürtel beteiligt. Alle Bündel eines Knotens sind demnach in zwei aufeinanderfolgenden Gürteln in seitlicher Verbindung. Das Cambium wird frühzeitig kontinuier- lich, scheidet interfaszikulär zunächst Libriform, dann abwechselnd Libriform- und Parenchymplatten ab!), allmählich entstehen im Zuwachs auch sekundäre Zwischenstränge, doch kommt kein solides Rohr zustande. Vielmehr treten im sekundären Zuwachs Zer- klüftungen der Bündel in einzelne radiale Platten ein, die aber im Knoten in Verbindung bleiben. 3. Parietaria offieinalis besitzt zahlreiche, kurze Inter- nodien. Blattstellung nach der ?/,-Spirale, der Stengel ist an- 'nähernd rund. Die Blattspur ist dreisträngig, ihre Stränge sind in der Blattbasis unverbunden. Im Internodium fehlen zunächst Bündel- verbindungen; im Knoten findet sich ein partieller Gürtel zwischen den Grenzsträngen der Spur. Es sind so sämtliche Stränge eines Knotens (mit eintretender Spur) innerhalb von fünf Gürteln mit- einander in seitlicher Verbindung. Das Cambium wird schon in ziemlich jungen Stengelteilen kontinuierlich, bildet später inter- faszikular auch tracheale Elemente aus, wodurch einzelne Xyleme in seitliche Verbindung treten, ohne daß dadurch aber ein solides Rohr entsteht. Euphorbiaceen. Die Euphorbiaceen führen öfter (giftigen) Milchsaft, ihre Blattstellung ist wechsel- oder gegenständig. Untersucht wurden zwei Euphorbieen (mit Milchsaft): Eu. altissima Boiss. und Lathyris L. und zwei Mercurialinen (ohne Milchsaft): Mer- curialis perennis L und annual. _ 1. Euphorbia. Die Blattstellung ist bei Lathyris dekus- siert, an der entwickelten Pflanze von altissima zerstreut. Knoten- anschwellungen fehlen vollkommen. Die Achse ist bei altissima solid, bei Lathyris hohl. Die Spuren sind dreisträngig, die Stränge in der Blattbasis unverbunden, mit Stengelsträngen so verschränkt, daß zwei bis drei von diesen zwischen zwei Spursträngen bleiben. Das Bündelrohr ist dicht. Bei altissima ist manchmal über der Bündellücke des Medianstranges eine Anastomose zwischen den Grenzsträngen vorhanden, bei Lathyris sind diese über sämtlichen Bündellücken außer in den jüngsten Stengelteilen regelmäßig 1) Vgl. Gravis, Recherches anat. sur les organes de l’Urtica dioica. Brüssel 1885, p. 28 und Taf. II, Fig. 5—9; Taf. VIII, 4—6. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 247 durch gabelig ansetzende Stengelbündel oder kleine Anastomosen verbunden. In mittleren Teilen der letzteren Art können im Knoten zwei partielle Gürtel zwischen den Spursträngen zustande kommen, indem die zwischen den Spurbündeln laufenden Stengel- stränge anastomosieren oder seitlich verschmelzen. Der Spur- begrenzungsstrang der einen Seite eines Blattes wird abwärts häufig mit dem zugekehrten des nächstunteren, mit ihm gekreuzten Blattes vereintläufig. In anderen Fällen bleiben beide getrennt- läufig, ohne sich zu verschränken. Sind bei drei aufeinander- folgenden Blattpaaren die partiellen Gürtel vorhanden und stehen die Grenzstränge in der geschilderten Weise miteinander in Ver- bindung, so sind sämtliche in einem Knoten vorhandenen Bündel von Lathyris (inklusive eintretender Spurstränge) innerhalb der Knoten dieser drei Blattpaare verbunden. Dieser Fall wird in mittleren Stengelteilen öfter beobachtet, ist aber keineswegs immer verwirklicht. Bei beiden Arten fehlen zunächst Bündelverbin- dungen im Internodium. Bei beiden wird das Cambium bald kontinuierlich (an sterilen Sprossen von altissima etwa 10 cm, von Lathyris schon ca. 5 em unter dem Gipfel). Durch den sekundären Zuwachs kommen bei altissima die Bündel bald in seitliche Verbindung: schon 20 cm unter dem Gipfel sind im sekundären Xylem vielfach Gefäßelemente gebildet worden, die schräg anastomosenartig miteinander in Kommunikation treten, und wenig tiefer im Stengel ist das Xylemrohr solid geworden (ca. 25 cm unter dem Gipfel der untersuchten 1,50 m hohen Exemplare). Bei Lathyris ist der Cambiumzuwachs ebenfalls recht ansehnlich, die seitliche Verschmelzung tritt später ein als bei altissima, in unteren Teilen der untersuchten, ca. 40 em hohen sterilen Exemplare war erst teilweise eine seitliche Verbindung der Bündel zustande gekommen. Nach NÄGELI tritt, wenn man seine Bemerkung (l. c. p. 116), daß die Spurstränge weiter nach unten zu „in einen Holzring ver- einigt“ seien, so auffassen darf, später ein solides Xylemrohr auf. 2. Mereurialis. Der solide, vierkantige Stengel zeigt deutlich (bei annua sehr kräftig) angeschwollene Knoten, die dekussierten Blattpaare sind kantenständig, die blattragenden Kanten im nächstunteren Internodium abgerundet. M. annua ist stark verzweigt, die untersuchten Exemplare von perennis waren unverzweigt. Die Stränge der dreisträngigen Blattspur verschränken sich mit Stengelbündeln, die lateralen beschreiben einen Bogen 248 Friedrich Sauerbrei, von nicht ganz !/,-Stengelumfang!), der rechte des einen und der linke des anderen Blattes treten gewöhnlich vereintläufig in die Achse ein, seltener steigen sie nebeneinander hinab (vgl. Text- fig. 5). In der Blattbasis anastomosieren die drei Spurstränge miteinander. Auch zwischen den Stengelbündeln, welche von oben in die Gabel der vereintläufigen Lateralstränge einmünden, und ihren Nachbarsträngen finden sich Anastomosen, ebenso oberhalb der medianen Bündellücke. So kommt im Knoten ge- wöhnlich ein vollkommener Gürtel zustande, der unter- | brochen erscheint, wenn die lateralen Stränge nebenläufig bleiben (vgl. Textfig. 3 ,, ı-) An den Gürtel sind die ein- tretenden Spuren durch ihre Lateralstränge angeschlossen. . Es sind also alle Bündel eines ' Knotens in einem Gürtel, ! wenn beiderseits die Lateral- stränge nebenläufig bleiben, ‘ #9 in zwei aufeinanderfolgenden N j Knotengürteln verbunden. Im " Internodium fehlen dieBündel- verbindungen bei perennis ganz, ebenso längere Zeit bei annua. Später (an kräftigen EIECTS a a na Textfig. 3. Mercurialis perennis. Knoten- gürtel auf der abgerollten Zylinderfläche dargestellt, von außen gesehen. Strang (1+9), 3, 5, 7 in den 4 Stengelkanten. 3 und 7 mediane Spurstränge; die zu- gekehrten Lateralstränge (1 und 9) der einen Kante nebenläufig, die der gegen- überliegenden Kante (5) vereintläufig. Die 3 Stränge jeder Spur anastomosieren beim Übergang in den Blattstiel. fruktifizierenden Pflanzen in mittleren und unteren Stengel- teilen) wird bei letzterer das Cambium kontinuierlich und das Bündelrohr gewöhnlich solid. Ihre Festigung verdankt die Achse der untersuchten Arten im wesentlichen dem aus Xylemen und interxylären Sklerenchym- brücken gebildeten mechanischen Rohr (außer bei Eu. Lathyris). Bei Eu. Lathyris übernimmt das bald gebildete sekundäre Holz, dessen Wände übrigens nur schwach verdickt werden, einen wesentlichen Teil der mechanischen Funktionen. Subepidermales Kollenchym und extraphloemales Sklerenchym können hinzu- kommen. 1) Vgl. Näceus, 1. c. p. 116. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 249 Die Scrophulariaceen besitzen abwechselnde, gegenständige oder quirlig angeordnete Blätter. Untersucht wurden: Digitalis lutea L, Verbascum thapsiforme Schr, Scrophularia nodosa L. und ver- nalis L., Collinsia bicolor Benth., Mimulus luteus Auct. und cardinalis Dougl., Veronica Beccabunga L,., Anagallis L., scutellata L., azurea Lk., longifolia L., Chamaedrys L., caucasica Bieb. neglecta Hort. Jen, gentianoides Vahl, virginica L. Die ersten beiden Arten haben spiralige, die übrigen am entwickelten Sproß dekussierte oder wirtelige Blattstellung; diese beiden sind unverzweigt: bedeutendere Achselsprosse tragen Mi- mulus, Collinsia, Melampyrum und Scrophularia, während die Vero- nica-Arten meist kleine Achselsprosse oder achselständige In- floreszenzen besitzen. Die Sproßachse ist gewöhnlich solid, seltener hohl mit solidem Knoten (Scroph. vernalis, Collinsia, ältere Stengel von Mimulus) und zeigt manchmal Knotenanschwel- lungen (Mimulus luteus, wenig cardinalis).. Mechanisch am wich- tigsten ist das Rohr, welches, wo kein solides Xylemrohr gebildet wird, aus den Xylemen und interxylären Libriformbrücken besteht (Serophularia, Collinsia, Mimulus, oberer Teil der Fruchtstands- achse von Digitalis und Verbascum). Hinzukommen können extra- phloemaler Hartbast (Digitalis, Verbascum, Scrophularia, Mimulus cardinalis, einige Veronica spec.) und subepidermales Kollenchym (Verbascum, Veronica spec., Collinsia, Scrophularia). Das Verhalten der einzelnen Formen in bezug auf die Ge- fäßbündelverbindungen ist verschieden, gemeinsam haben alle, daß im Internodium Bündelverbindungen fehlen, solange kein solides Rohr gebildet wird. 1. Collinsia, Serophularia nodosa und vernalis. Die Blattstellung ist bei den ersteren Arten dekussiert, die dritte zeigt dekussierte Paare oder alternierende dreizählige Wirtel, der Stengel ist je nachdem vier- oder sechskantig; die Blätter sind seitenständig. Die Blattspur ist zweisträngig-unverschränkt, der Bündelverlauf wie bei den Labiaten, in jeder Stengelkante findet sich, wie dort, frühzeitig ein aus Spursträngen verschmol- zener breiter Strang. Bei Übergang in den Blattstiel verschmelzen die Spurstränge zum Blattmittelnerven. Auf diese Weise stehen an den blattragenden Seiten die entsprechenden Kantenbündel in Verbindung, auf den nicht blattragenden Seiten fehlt eine 250 Friedrich Sauerbrei, solche. Sämtliche Stränge der Achse sind so innerhalb zweier aufeinanderfolgender Knoten in seitlichem Zusammenhang. Bei Collinsia ist über dem Achselsproß ein nach unten offener Ge- fäßbündelbogen zwischen den Kantensträngen vorhanden. In den Stengelseiten stellen sich meist feine Zwischenstrangbildungen in wechselnder Zahl ein, die über dem Achselsproß gabelig an die Kantenstränge anzusetzen pflegen. Auf späterem Stadium wird das Cambium kontinuierlich, interfaszikular treten weitere Zwischen- bildungen auf, in unteren Teilen verschmelzen die Bündel eventuell zum soliden Rohr. Bei Collinsia ist dies die Regel, bei Scro- phularia ist es nur in untersten Internodien starker Exemplare der Fall. 2. Mimulus luteus und cardinalis zeigen dekussierte Blattstellung. Der Stengel ist bei cardinalis rund, bei luteus ungleich sechskantig: zwei abgerundete Kanten entsprechen den Blattmedianen des nächstoberen Knotens, dazwischen laufen jeder- seits zwei etwas genäherte scharfe Kanten. Im Stengel sind vier stärkere Bündel vorhanden, die bei luteus den scharfen Kanten entsprechen und die offenbar durch Verschmelzung aus lateralen, verschiedenen Blättern angehörenden Spurbündeln entstehen. Im entwickelten Sproß ist der Bündelverlauf folgender. Die Blatt- spuren sind dreisträngig, ihre Stränge in der Blattbasis verbunden; außerdem sind die einander zugekehrten Lateralstränge durch die Seitenverbindung!) verknüpft. Die Spurbündel steigen zwischen je zwei der starken Kantenbündel nebenläufig durch zwei Inter- nodien ab, dann werden die lateralen Stränge mit den Kanten- bündeln vereintläufig, während der mediane über dem dort vor- handenen Achselsproß durch gabeligen Ansatz eine Verbindung der starken Bündel herstellt. Auf diesem Zustand sind sämtliche in einem Knoten vorhandenen Bündel (einschließlich der ein- tretenden Spurstränge) innerhalb von drei aufeinanderfolgenden Knoten seitlich in Verbindung. In älteren Stengelteilen treten Zwischenbündel auf und die vorhandenen Stränge verbreitern sich seitlich. Es verschmelzen dann gewöhnlich zunächst die lateralen Spurstränge schon im zweitunteren Internodium ihres Abstieges mit den Kantenbündeln, so daß sie dann nur durch ein Inter- nodium frei verlaufen und schon in zwei Knoten sämtliche Bündel seitlich zusammenhängen. Auch kommt in unteren Knoten älterer Exemplare manchmal ein vollkommener Anastomosengürtel vor, indem an den nicht blattragenden Stengelseiten die durch die 1) Vgl. oben p. 229. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 251 lateralen Spurstränge verbreiterten Kantenbündel mit den vorbei- laufenden medianen Spursträngen anastomosieren. Selten und höchstens in unteren Internodien fruktifizierender Exemplare führt die Zwischenstrangbildung bei luteus zum soliden Bündelrohr, während ein solches bei cardinalis (fruktizierend) schon in mittleren Internodien vorhanden ist. Das Cambium wird bei beiden Arten kontinuierlich, bei luteus ist der Zuwachs gering, bei cardinalis kann er das solide Bündelrohr noch ziemlich kräftig verstärken. 3. Digitalis lutea, Verbascum thapsiforme, Vero- nica. Die Blattstellung wurde bei Digitalis als eine ?2/,-, bei Verbascum als eine ?/,-Spirale, bei Veronica gewöhnlich dekussiert gefunden: Beccabunga, Anagallis, scutellata, longifolia, Chamaedrys, caucasica, neglecta; bei den letztgenannten beiden Arten wurde ein Übergang der opponierten Blattstellung in eine wechsel- ständige beobachtet, ebenso oberwärts an azurea, die gewöhnlich zwei- oder dreizählige Wirtel besitzt; V. virginica weist drei- bis sechszählige Wirtel auf. Die Blattspuren sind breit einsträngig. Bei Digitalis ver- schmelzen sie bald zum soliden Rohr, das Cambium wird konti- nuierlich und verstärkt das solide Bündelrohr noch. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Verbascum (das solide Rohr tritt später auf als bei Digitalis), bei dem der sekundäre Zuwachs beträchtlich ist. Bei beiden Formen sind in fruktifizierenden Sprossen nur im oberen Teil der Infloreszenzachse die Bündelrohre nicht solid geworden. Das Rohr bleibt von ein- bis zweireihigen 'paren- chymatischen Markstrahlen durchsetzet. Noch früher und weit- gehender verschmelzen die Spurstränge bei den Veronica-Arten zum soliden Rohr, dem hier Markstrahlen vollkommen fehlen. Schon wenige Millimeter unter dem Gipfel sind keine Spurstränge auf dem Querschnitt mehr zu unterscheiden (Beccabunga), an blühenden Sprossen ist das Rohr bis in die Blütenstandsachsen solid (z. B. V. azurea, longifalia). JuEL!) hat die Entwicklungsgeschichte von V. longifolia unter- sucht und gefunden, daß das Procambium „einen vollständigen Ring bildet“ und daß „schon in sehr frühen Stadien ein vollständiger Holz- ring ausgebildet ist, der von keinen Markstrahlen unterbrochen wird“. 1) Jue, H. O., De tela fibrovasali Ver. long. L. Om byg- gnaden och utvecklingen af stammens fibrovasalväfnad hos Ver. long. L. (Über den Bau und die Entwicklung des Fibrovasalgewebes des Stammes von Ver. long. L.). Acta horti Bergiani, Bd. II. Stockholm 1892. Referat im Just 1892, I, p. 572. 252 Friedrich Sauerbrei, Das frühzeitige Solidewerden des Bündelrohres wurde außer bei den drei genannten Arten ferner bei allen untersuchten Vero- nicaformen beobachtet: V. Chamaedrys, caucasica, neglecta, gen- tianoides, virginica, Anagallis und scutellata; von NÄGELI!) wurde es bei V. incisa Ait. gefunden. Das kontinuierliche Rohr von Veronica kann sich noch durch sekundäres Cambiumwachstum verstärken (z. B. bei V. azurea und longifolia). Auch bei Melampyrum arvense L., das vergleichsweise untersucht wurde, verbreitern sich die Spurstränge und verschmelzen frühzeitig zum soliden Rohr, welches durch sekundäres Dickenwachstum in unteren Teilen noch verstärkt wird. Ranunculaceen. Die Ranunculaceen besitzen gegen- oder wechselständige Blätter und in den oberirdischen Stengeln meist getrennte Gefäßbündel ?). Gerade die letztere Eigentümlichkeit macht sie für die vorliegende Untersuchung besonders interessant. Untersucht wurden drei Arten mit opponierten Blättern: Ammone japoniea S. und Z,, Clematis recta L. und Clematis Vitalba L., und neun Arten mit spiraliger Blattstellung: Ranunculus lanugino- sus L., R. sceleratus L. Caltha palustris L, Thalietrum elatum Jacq. Th. maius Jacq, Aconitum Lycoctonum L., A. Fischeri Rchb. Delphinium spec. und D. Staphy- sagria L. All diese Formen sind mehr oder minder verzweigt, eine Knotenanschwellung ist nur bei Clematis Vitalba angedeutet, bei den übrigen fehlt sie ganz. Die Achse ist solid (Anemone, Clematis, Aconitum, D. Staphysagria), hohl mit solidem Knoten (Ranunculus, Caltha, Thalietrum) oder ganz hohl (Delphinium spec.) Das mechanische System besteht bei Caltha und Ranunculus im wesentlichen aus sklerenchymatischen Scheiden um die Bündel, bei den übrigen Arten außer Cl. recta aus einem rindenständigen Festigungsrohr, in welches die Belege der äußeren oder aller Bündel hineinreichen. Bei Cl. recta begleiten kräftige Skleren- chymschienen die Bündel auf ihrer Außenseite. Hinzukommen kann subepidermales Kollenchym (Clematis). Die interfaszikularen Partien sind vielfach in ihrem äußeren Teil sklerenchymatisch (Clematis, Aconitum Fischeri, Anemone, Thalietrum), teils auch Li ltetp: 96: 2) ENGLER-PRANTL III, 2, p. 43. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 253 der äußere Teil des Markes (Clematis). Bei Ran. lanuginosus ist das Rindenparenchym etwas sklerotisch. In bezug auf die Bündelverbindungen können wir die unter- suchten Arten in drei Gruppen einteilen: I. Gruppe: Blätter opponiert, Bündelverbindungen im Internodium fehlen vollständig: Clematis Vitalba, Cl. reeta, Anemone japonica. Die erstgenannte Clematis ist zwar ein oberirdisch ausdauerndes Holzgewächs, doch schien es nicht uninteressant, ihre einjährigen krautigen Triebe mit den krautigen Ranunculaceen zu vergleichen. Cl. recta ist eine Staude. Beide Arten besitzen dreisträngige Spuren, deren Stränge in der Blattbasis durch Anastomosen oder gabelig ansetzende blatteigene Stränge verbunden sind. Bei recta lösen sich manchmal einzelne oder alle Spurstränge im Blattstiel in mehrere kleinere Stränge auf, die an der Eintrittsstelle entweder vereintläufig werden oder anastomosieren. Bei Vitalba!) sind die einjährigen Triebe sechs- kantig, die Kanten alternieren in den aufeinanderfolgenden Inter- nodien. In jeder Kante läuft ein stärkeres Bündel (im nächst- oberen Knoten eintretende Spurstränge), in jeder Stengelseite ge- wöhnlich ein schwächeres (stammeigene Zwischenstränge). Die herabkommenden Kantenbündel teilen sich kurz oberhalb des Knotens gabelig und setzen sich mit ihren Gabelästen an die eintretenden Spurstränge an?).. Auf diese Weise kommt im Knoten ein vollkommener Bündelgürtel zustande, an dem die ein- tretenden Spurstränge teilnehmen. Die Zwischenstränge des Inter- nodiums setzen sich an den Knotengürtel an. Bei Cl. recta verschränken sich die eintretenden Spurstränge mit Stengelbündeln, im Knoten anastomosieren sämtliche Bündel (zum Teil mehrfach) und bilden so ebenfalls einen vollkommenen Gürtel, an dem die eintretenden Spuren teilnehmen. Das Bündelrohr beider Arten ist dicht, bei recta fanden sich in einem 5 mm starken Internodium 36 mehr oder weniger starke Stränge, offenbar zum Teil Zwischenstränge. Bei Anemone stehen die Blätter annähernd dekussiert; an unteren Paaren umfaßt das eine Blatt das andere, die Achsel- sprosse übergipfeln den Hauptsproß; dieser trägt im untersten Knoten häufig noch ein drittes (wohl auch viertes) zu den anderen gekreuztes Blatt (mit Achselsproß), welches direkt oberhalb der 1) Vgl. hierzu Näcerı, ]. c. p. 110; DE Bary, ]. c. p. 470 u. 475. 2) Näheres s. NÄcerr, 1. c. p. 110f. Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 17 254 Friedrich Sauerbrei, beiden anderen steht, so daß scheinbar dieser Knoten drei Blätter trägt. Die Blätter der oberen Paare (am Achselsproß) umfassen einander nicht. Die Blattspur ist vielsträngig (als Minimum in oberen Blättern fünf, als Maximum in unteren 19 Stränge beobachtet), ihre Stränge treten mit Stengelbündeln verschränkt ein, fassen deren mehrere zwischen sich, durchbrechen das Bündelrohr und dringen ins Mark ein, um sich abwärts der Peripherie allmählich wieder zu nähern. Man findet daher auf dem Querschnitt eines Internodiums mehrere (bis fünf) ineinander übergehende Kreise von Bündeln, von denen die zentral gelegenen die stärksten sind. Oberhalb und unterhalb der Durchtrittsstelle eines Spurstranges durch das Bündelrohr anastomosieren seine Grenzstränge. Außber- dem sind die Bündel sämtlicher Kreise, auch die eintretenden Spurstränge, miteinander im Knoten durch Anastomosen verbunden. Es findet sich daher einerseits um den Hauptsproß, andererseits um die Basis jedes Achselsprosses herum ein vollkommener Knotengürtel; die drei Gürtel sind miteinander im Konnex. Es stehen also im Knoten sowohl die sämtlichen Bündel des Haupt- und der Achselsprosse; als auch die eintretenden Spurstränge miteinander in seitlicher Verbindung. Im Internodium fehlen der Anemone wie den Olematis-Arten Bündelverbindungen vollkommen. Während bei ersterer ein inter- faszikulares Cambium durchaus fehlt, schließt sich bei Clematis auf späterem Stadium das Cambium zum kontinuierlichen Rohr. Bei recta kommt es in den interfaszikularen Teilen nur zur Ab- scheidung weniger Markstrahlzellen. Bei Vitalba dagegen findet ein kräftiges sekundäres Dickenwachstum statt; aber auch hier bleiben die 12 Bündel (selbst jahrelang) im Internodium seitlich getrennt. In manchen Fällen nur treten in späteren Jahren nach SAnıo!) und STRASBURGER?) im Zuwachs der Markstrahlen schräg von Bündel zu Bündel verlaufende Zwischenstrangbildungen auf. II. Gruppe: Blätter wechselständig, Bündelverbin- dungen auf den Knoten beschränkt: Ranunculus la- nuginosus und sceleratus, Caltha, Thalictrum elatum und maius. Die Blattstellung folgt bei allen der 2/,-Spirale, 1) Sanıo, Botanische Zeitung 1863, p. 127. 2) STRASBURGER, Über den Bau und die Verrichtungen der Leitungsbahnen, Jena 1891, p. 319. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 255 bei Ran. lanuginosus sind die beiden untersten Blätter fast oppo- niert. Die Blattbasis umfaßt nur an unteren Blättern von Tha- lietrum den Stengelumfang ganz, sonst nur zu etwa ein bis zwei Dritteilen. Bei Caltha sind die Bündel zu einem einfachen Rohr ange- ordnet, bei den übrigen Formen treten die Spurstränge durch die anderen hindurch und man findet auf dem Querschnitt mehrere Bündelkreise, die ineinander übergehen und deren stärkste Bündel am meisten zentral gelegen sind. Das Bündelrohr ist sehr locker bei Caltha (mittlere Bündelentfernung vier bis sechs Bündelbreiten), locker auch bei Ranunculus; bei Thalietrum dicht. Die Blattspur ist mehrsträngig (Caltha dreisträngig) häufig an unteren Blättern vielsträngiger als an oberen (an Ran. scele- ratus 3—5, lanuginosus 3—9; Thal. maius 3—19, elatum 9—17 Stränge beobachtet); ihre Stränge verschränken sich beim Eintritt in den Stengel mit axialen Bündeln, deren sie mehrere zwischen sich fassen (bei Ran. sceleratus 1—5); untereinander sind sie in der Blattbasis meist nicht sämtlich verbunden. Bei Caltha in oberen, seltener in unteren Blattbasen die drei Spurstränge durch feine Anastomosen verbunden; bei Ran. sceleratus in unteren (5 Stränge) höchstens jederseits die Lateralstränge; bei R. lanuginosus in oberen (3 Stränge) gewöhnlich unverbunden, in mittleren (5 Stränge) jederseits die lateralen, in unteren hin und wieder zwei benachbarte Stränge; bei Thalictrum sind die Spurstränge über der Eintrittsstelle in die Achse ganz unverbunden, erst weiter distal- wärts in dem scheidigen Blattgrund verbunden. Im Internodium fehlen Bündelverbindungen durchgängig. Im Knoten ist bei Caltha der Gürtel vollständig, er reicht um Haupt- und Achselsproß herum. An ihn sind die lateralen Spur- stränge ziemlich regelmäßig, seltener die medianen durch kleine Anastomosen angeschlossen. Bei Ranunculus lanuginosus besteht der Knotengürtel zwischen den äußeren Begrenzungssträngen der Spur aus kräftigen Anastomosen, auf der der Blattmediane abgewandten Seite des Stengels wird er durch feine Bündelanastomosen vervollständigt, welche die Stengelbündel in verschiedener Höhe verknüpfen. Selten fehlt dort die eine oder andere Verbindung (höchstens in oberen Knoten), so daß der Gürtel dann partiell erscheint. Auch oberhalb des Achselsprosses anastomosieren sämtliche Stengel- bündel miteinander, so daß — wenn man so sagen will — sich eine Abzweigung des Gürtels über die Basis des Achselsprosses hinwegzieht. Von den eintretenden Blattspursträngen sind die 17° 256 Friedrich Sauerbrei, lateralen meist, weniger häufig die medianen durch kleine Anasto- mosen an den Gürtel angeschlossen. Bei Ran. sceleratus wird der Gürtel partiell ausgebildet. Er spannt sich zwischen den Grenzsträngen der Spur aus; in unteren Knoten, häufig auch in oberen, sind jederseits noch ein bis zwei weitere Stränge angeschlossen. Für gewöhnlich sind (besonders in unteren Teilen) sämtliche eintretenden Spurstränge mittels kleiner Anastomosen am Gürtel beteiligt. Durch diesen partiellen Gürtel werden durchschnittlich etwa die Hälfte der oberhalb des Knotens im Stengel vorhandenen Bündel verbunden (z. B. 15 von 29; 14 von 26; 10 von 20). Der anodische Lateral- strang der Spur nimmt am zweitunteren Gürtel teil, der Median- strang pflegt (als letzter Strang auf der kathodischen Seite) an denselben Gürtel angeschlossen zu sein, während der kathodische Lateralstrang schon im nächstunteren Gürtel beteiligt ist. Daher stehen, selbst wenn die eintretenden Spurstränge alle nicht an den eigenen Gürtel angeschlossen sein sollten, innerhalb von drei Knoten sämtliche Stränge seitlich in Beziehung. Die beiden Thalietren verhalten sich übereinstimmend. Bei ihnen ist, je nachdem die Blattbasis ganz (untere Teile) oder nur teilweise (oben) den’ Stengel umfaßt, ein vollkommener oder partieller Knotengürtel ausgebildet; in letzterem Fall laufen auf der dem Blatt abgewandten Stengelseite einige Bündel frei vorbei. Der Gürtel kommt durch weitgehendes Anastomosieren, Verschmelzen und Sichwiederteilen der Bündel zustande, an dem sämtliche Bündelkreise des Stengels, doch nicht die eintretenden Spurstränge teilnehmen. Manchmal findet das eine oder andere Bündel keinen Anschluß an den Gürtel und läuft frei vorbei, ist aber dann im nächstunteren Knoten angeschlossen; in zwei, höchstens drei aufeinanderfolgenden Knoten stehen alle Bündel eines Knotens (die eintretende Spur mitgerechnet) miteinander in Verbindung. Wo ein Achselsproß vorhanden ist, werden die Spur- stränge, die in der Blattbasis unverbunden sind, an ihrer Ein- trittsstelle in das axiale Rohr durch seinen Bündelansatz indirekt verknüpft. Seine Gefäßbündel nämlich legen sich (ähnlich wie bei den Umbelliferen) über seiner Insertionsstelle zu zwei nach beiden Seiten divergierenden Stämmen aneinander, welche sich oberhalb der eintretenden Blattspurstränge in der wulstartig ver- dickten Rinde des Hauptsprosses halten und mit kleinen Bündel- ästchen auf ihnen inseriert sind. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 257 Allen Formen der zweiten Gruppe geht ein interfaszikulares Cambium und überhaupt ein sekundäres Cambiumwachstum voll- ständig ab. III. Gruppe: Blätter wechselständig, Bündelver- bindungen in Knoten und Internodium vorkommend: Aconitum Lycoctonum, A. Fischeri, Delphinium spec. und Staphysagria. Die Blätter sind nach der ?/,- bis 3/,-Spirale angeordnet, bei Delphinium spec. stehen öfter zwei bis drei Blätter fast auf gleicher Höhe. Bei dieser Pflanze bilden die Bündel auf dem Querschnitt annähernd einen Kreis, bei den übrigen Formen sind mehrere ineinander übergehende Bündelkreise vorhanden. Das Bündelrohr ist locker (Lycoctonum) oder dicht. Die Stränge der dreisträngigen (bei Lycoctonum an unteren Blättern fünf- Textfig. 4. Aconitum Fischeri. Anastomosensystem eines fünftunteren Inter- nodiums. Schematisch. Näheres im Text. strängigen) Blattspuren treten mit je mehreren (bei Lycoctonum ein bis zwei) Stengelbündeln verschränkt in die Achse ein; in der Blattbasis pflegen sie zu anastomosieren (bei Staphysagria oft mehrfach). Im Knoten von Aconitum Lycoctonum anasto- mosieren über den Bündellücken deren Grenzstränge, ebenso die dazwischenlaufenden Stengelstränge. Es ist dadurch stets ein partieller Gürtel zwischen den äußeren Grenzsträngen der Spur vorhanden. Dieser umfaßt ungefähr die Hälfte der oberhalb des Knotens vorhandenen Bündel (z. B. 8 von 15). Gewöhnlich ist er beiderseits noch durch Anschluß der ein bis zwei benachbarten Stengelstränge mittels (stets sehr feiner) Anastomosen verlängert. In unteren Knoten wurde in einigen (seltenen) Fällen ein voll- 258 Friedrich Sauerbrei, kommener Gürtel beobachtet. Die eintretenden Blattspuren stehen mit dem eigenen Gürtel nicht in Verbindung. Der kathodische Lateralstrang, respektive bei fünfsträngiger Spur die beiden katho- dischen Lateralstränge, nehmen am nächstunteren Gürtel teil, der Medianstrang ist im zweitunteren Knoten kathodischer Grenz- strang der dort eintretenden Spur; er und die anodischen Lateral- stränge sind an diesem zweitunteren Gürtel beteiligt. In drei Knoten ist also durch die partiellen Gürtel alles (auch eintretende Spur des obersten) seitlich verbunden. Die Verbindung oberhalb (les Medianstranges zwischen seinen Grenzsträngen wird durch eine meist sehr steile Anastomose dargestellt, deren unteres Ende einige Millimeter über der Blattansatzstelle liegt und die sich über mehrere (2—4) cm in das darüber befindliche Internodium hinauferstrecken kann. Wenn man diese Verbindung auch als Internodialanastomose betrachten kann, so ist sie doch durch ihre Beziehung zum darunterliegenden Knoten fixiert. Hin und wieder finden sich im Internodium einzelne, ebenfalls steile Bündel- anastomosen, welche keine derartige Beziehung zu haben scheinen. Bei Aconitum Fischeri findet sich ein ähnlicher Anasto- mosengürtel zwischen den äußeren Spurgrenzsträngen, an den noch ein bis zwei benachbarte Stengelstränge angeschlossen sein können. Die Internodialanastomosen sind viel zahlreicher als an voriger Art. Sie werden durch kleine Bündelchen dargestellt, die sich von einem größeren ablösen und schräg aufwärts laufend an das benachbarte anlegen. In anderen Fällen läuft zwischen zwei größeren Bündeln ein kleines in dem Zwischenraum herüber und hinüber, verschmilzt streckenweise bald mit dem einen, bald mit dem anderen der Bündel und stellt so mehrere übereinander- liegende Anastomosen dar. Oder eines der kleinen Bündelchen. (vermutlich Zwischenstränge) teilt sich mitten im Internodium gabelig und die Gabeläste verschmelzen mit den benachbarten Strängen. Auf diese Weise waren an noch nicht blühenden Sprossen in mittleren Internodien zahlreiche Bündel miteinander verbunden. In dem Beispiel eines beliebig herausgegriffenen, 2,5 em langen Internodiums (fünftunteres einer blühenden Pflanze), dessen Stränge in Textfig. 4 schematisch dargestellt sind, umschließt die untere Klammer die im nächstunteren, die obere die im nächstoberen Knoten mit- einander durch partielle Bündelgürtel verbundenen Stengelstränge 5), m und s, sind die im nächstoberen Knoten austretenden Spur stränge, die an dem dortigen Gürtel nicht beteiligt sind. Zwischen den 30 Strängen ist im Internodium 19mal die Verbindung vorhanden (viermal doppelt), während sie 11 mal fehlt. Berücksichtigt man die u mr > m A EEE un — = Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 259 beiden Bündelgürtel mit, so sieht man, daß nur das einzige Bündel $; nicht mit einem Nachbarstrang in Verbindung steht, und daß zwischen den Bündeln, welche an den Knotengürteln unbeteiligt sind, nur in einem Falle die Verbindung fehlt. (s, ist in der Blattstiel- basis mit 2 verbunden, es sind also sämtliche Bündel tatsächlich in seitlichem Konnex.) Durch die partiellen Gürtel allein sind innerhalb von drei Knoten sämtliche Bündel eines Knotens exklusive, innerhalb von vier Knoten inklusive eintretender Spurstränge seitlich in Verbindung. Durch Gürtel und Internodialverbindungen kann diese Verknüpfung schon in einem Internodium und den beiden anschließenden Gürteln erreicht werden, ist in mittleren und unteren Stengelteilen aber für gewöhnlich erst in zwei Internodien und den beiden zu- gehörigen Knoten verwirklicht. Bei Delphinium spec. umfaßt der partielle Knotengürtel etwas über ein Drittel des Stengelumfangs; die eintretende Blatt- spur ist auch hier nicht an den (Gürtel angeschlossen, die Ver- bindungsanastomosen sind über den Bündellücken kräftig und ziemlich steil, dazwischen feiner und ge- wöhnlich viel weniger steil (vgl. Textfig. 5). Im Internodium sind unabhängig von den Blattansatz- stellen regelmäßig feine, mehr oder weniger schräge Anastomosen vorhanden, deren Zahl ziemlich gering ist. Durch die Gürtel- bildungen allein sind sämtliche in einem Knoten vorhandenen Stränge (mit dort eintretender Spur) inner- halb von vier aufeinanderfolgenden u m °2g Knoten (?/s-Stellung) verbunden. Textfig.. 5. Delphinium spec. Die Internodialanastomosen er- Partieller Anastomosengürtel des scheinen nicht häufig genug, um en a 3 ie da die Verbindung regelmäßig in einer Blattspurstränge. kürzeren Strecke zu ermöglichen. Delphinium Staphysagria verhält sich ähnlich wie die vorige Art. Die Grenzstränge anastomosieren über den Blattlücken miteinander, häufig dagegen die dazwischen durchlaufenden Stengel- stränge nicht, so daß nur in manchen Fällen ein partieller Knoten- 260 Friedrich Sauerbrei, gürtel resultiert. Die eintretenden Spurstränge sind nicht ange- schlossen. Die Internodialanastomosen finden sich viel häufiger als bei voriger Art, und zwar verbinden sie sowohl Bündel des äußeren Kreises unter sich, sowie Bündel der innern Kreise unter sich, als auch verschiedenen Kreisen angehörende Bündel mitein- ander. Ich glaube behaupten zu dürfen, daß durch Knoten- und Internodialanastomosen in der Regel sämtliche in einem Knoten vorhandenen Bündel (samt eintretender Spur) in dem Raume zwischen drei bis vier aufeinanderfolgenden Stengelknoten in seit- licher Beziehung stehen. Ein sekundäres Cambiumwachstum fehlt auch den Formen der dritten Gruppe im allgemeinen. Nur bei der unbestimmten Delphinium-Spezies treten in älteren Stengelteilen interfaszikulare Teilungen auf, welche zur Bildung eines kontinuierlichen Cam- biumringes führen, ohne daß aber durch den (geringen) Zuwachs eine seitliche Verbindung der Stränge hergestellt wird. (Compositen.) Anhangsweise sei hier noch einiges über Carduus nutansL. mitgeteilt. Ich hätte die mannigfaltige Familie der Compositen gern näher in den Kreis der Untersuchung gezogen, aber die vor- geschrittene Jahreszeit brach diese ab. Carduus nutans besitzt 2/,- bis 3/s-Blattstellung, die Blattbasis ist etwa halbumfassend, sie läuft auf der kathodischen Seite gewöhnlich durch zwei, auf der anodischen durch drei Internodien am Stengel herab, so daß dieser fünf Flügel zeigt. Die Achse ist verzweigt, später meist etwas hohl. Die Blattspur wird durch eine mediane (drei- bis fünf-strängig-nebenläufige) Stranggruppe, die sofort in das axiale Rohr eintritt, und jederseits einen lateralen Strang dargestellt, welcher in einer der geflügelten Stengelkanten abwärts läuft, um sich später an ein axiales Bündel anzusetzen. Sämtliche Stränge sind in der Blattbasis durch Anastomosen verbunden. Oberhalb der Bündellücke der medianen Stranggruppe respektive des Achsel- sprosses ist regelmäßig eine Verbindungsanastomose der Grenz- stränge vorhanden. Ebenso finden sich etwas tiefer ziemlich regelmäßig schräge Verbindungen zwischen diesen Grenzsträngen und den zwei ersten Nachbarbündeln, so daß dann ein partieller Knotengürtel vorliegt. Im Internodium sind regelmäßig zahlreiche Anastomosen vorhanden (vgl. die Textfig. 7 und 8), die zum Teil von feinen Zwischensträngen ausgehen. In mittleren und unteren Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 261 Stengelteilen sind sämtliche Bündel der Achse innerhalb von ein bis zwei Internodien seitlich in Verbindung. Die Zwischenstränge und Anastomosen, die vor Auftreten des Cambiumwachstums ent- stehen, werden nach Kontinuierlichwerden des Cambiums wie die ursprünglichen Bündel radial verstärkt, ohne daß ein solides Bündelrohr zustande kommt. Zusammenfassung der Gruppe C. Bei den untersuchten Familien findet sich einsträngige (einige Primulaceen, einige Scrophulariaceen) und mehrsträngige Spur. In letzterem Fall bleiben die Stränge in der Blattbasis nur selten unverbunden (Lysimachia eiliata, Parietaria, Euphorbia), gewöhnlich sind sie verbunden: entweder laufen sie zum Blatt- mittelnerven zusammen (Anagallis, Lysimachia nemorum, Collinsia, Scrophularia, Cannabis), oder sie anastomosieren im Blattgrund zum Teil (Caltha, Ranunculus) oder sämtlich (Humulus, Boehmeria, Urtica, Mercurialis, Mimulus, Clematis, Thalietrum, Aconitum, Del- phinium, Carduus; bei den Balsaminen liegen die Verbindungen schon in der Achse), oder die Spurstränge treten durch ihren Ausschluß an den Knotengürtel in Kommunikation (Anemone). Hansteinsche Seitenverbindung zwischen den Spuren der Blätter eines Paares findet sich bei Humulus und Mimulus. Durch Anastomosen sind die eintretenden Spurstränge an den Knotengürtel außer bei Anemone auch bei Clematis, einzelne gewöhnlich auch bei Caltha und Ranunculus angeschlossen, durch Verschmelzung der kantenläufigen Spurstränge nehmen sie bei den Balsaminen, Anagallis, Collinsia, Scerophularia teil, bei den von mir untersuchten Lysimachien nach Eintritt des soliden Bündel- rohres. Auch bei den Familien der Gruppe C sind die Stengel- bündel innerhalb weniger aufeinanderfolgender Stengelglieder miteinander in seitlicher Verbindung. Wie die folgende Tabelle zeigt, ist dabei kein wesentlicher Unterschied zwischen Pflanzen mit wechselständigen und solchen mit wirteligen Blättern, nur wird bei letzteren gewöhnlich die Verbindung in weniger Stengel- gliedern erreicht als bei den Pflanzen mit abwechselnden Blättern. Es ist angegeben, in wieviel Knoten oder Internodien mittlerer und unterer Stengelteile die Verbindung sämtlicher Bündel eines Knotens (samt dort eintretender Spur) verwirklicht ist. zv bedeutet opponierte oder wirtelige, @ abwechselnde Blattstellung. 262 Friedrich Sauerbrei, Primulaceen: Lysimachia nemorum (zw) und Anagallis (w) in 2 Knoten; übrige Lysimachien (@ oder w): 1 Internodium. Balsaminaceen: a: J. parviflora, amphorata, fulva, Nolitangere: in 5 Knoten; w: J. glanduligera in 2 Knoten; unterstes Internodium (2 und w): solides Rohr. Cannabaceen: Humulus (w): 2—3 Knoten; Cannabis (w): 2 Knoten, (a): 4 Knoten, untere Teile: 1 Internodium. Urticaceen: Urtica (w): 2 Knoten; Boehmeria (w): 2—3 Knoten, unten: 1 Internodium; Parietaria (@): 5 Knoten. Euphorbiaceen: Eu. Lathyris (w): mittlere Teile: eventuell 3 Knoten, in unteren Teilen, wie Eu. altissima (@) schon in mittleren : 1 Internodium; Merecurialis (w): 1—2 Knoten, annua in unteren Teilen: 1 Internodium. Serophulariaceen: Mimulus (zw) mittlere Teile: 2—3 Knoten, unterste Teile eventuell (luteus) oder schon mittlere (cardinalis): 1 Inter- nodium; Collinsia (zw) und Scrophularia (w): 2 Knoten, untere Teile eventuell 1 Internodium; Digitalis (@), Verbascum (a): 1 Internodium; Veronica (w): schon frühzeitig 1 Internodium. Ranunculaceen: Clematis (w) und Anemone (w): 1 Knoten; Caltha (a) und Ranunc. lanuginosus (@): 1—2 Knoten; Ac. Fischeri (a): 2 Knoten—+ 1— 2 Internodien; Thalietrum (a): 2—3 Knoten; Ran. sceleratus (@) und Ac. Lycoctonum (@): 3 Knoten; Delph. Staphysagria (@): 3—4 Knoten + 2—3 Internodien; Delph. spec. (@): 4 Knoten. Compositen: Carduus (a2): 1—2 Internodien — 1—-2 Knoten. Aus der Aufstellung ergibt sich, daß auch in der Gruppe C die Beschränkung der Bündelverbindungen auf den Knoten vor- herrscht, sei es, daß die Stränge dort durch Anastomosen ver- knüpft sind, sei es dab die ursprünglich getrennten Bündel dort frühzeitiger als im Internodium seitlich verschmelzen; beides kommt bei a- und bei w- Stellung vor. Ebenso auch die Ver- schmelzung zum soliden Bündelrohr. Ein geringer Unterschied zwischen Pflanzen mit wechsel- ständigen und opponierten resp. wirteligen Blättern, der bei sämt- lichen untersuchten Formen durchgreift, besteht darin, daß Bündel- anastomosen im Internodium bei getrenntbleibenden Bündeln nur bei den ersteren auftreten: Aconitum Lycoctonum und Fischeri, Delphinium spec. und Staphysagria, Carduus nutans (vgl. oben die Fumariaceen, Papaveraceen, Oruciferen und unten die Auf- stellung der Typen). Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 263 III. Allgemeiner Teil. Zusammenfassung. Wenn wir aus den in den drei Einzelzusammenfassungen hervorgehobenen Punkten das Fazit ziehen, so erhalten wir folgendes wesentliche Resultat. In erwachsenen, vielfach auch schon in jungen Stengel- teilen sind die sämtlichen axialen Bündel bei der weitaus größeren Mehrzahl der untersuchten Formen innerhalb weniger Stengel- glieder miteinander in seitlicher Verbindung. Im allgemeinen kommt diese Verbindung innerhalb von 1—4 aufeinanderfolgen- den Knoten respektive Internodien zustande, seltener erst in 5 oder 6 Stengelgliedern. Dabei zeigt sich, daß bei opponierter respektive wirteliger An- ordnung der Blätter die Verbindung durchschnittlich in weniger Stengelgliedern erreicht wird als bei wechselständiger. Bei den w-Familien!) sind zur Verbindung sämtlicher Bündel 1—3, vor- herrschend 1—2 Knoten oder Internodien notwendig, während bei den a-Familien 1—6, vorherrschend 2—4 Knoten respektive Internodien dazu nötig sind. Bei den gemischten Familien tritt diese Beziehung ebenfalls vielfach hervor (vgl. Urticaceen, Ranun- culaceen, Balsaminaceen), besonders deutlich, wenn a-Stellung in w-Stellung übergeht: Cannabis (@ 4, w 2 Knoten), vgl. auch untere Teile von Geranium rotundifolium (a 4—5, w 3 Knoten). Von dieser im allgemeinen geltenden Beziehung kommen allerdings im einzelnen Abweichungen vor. So muß sich das Verhältnis bei Vertretern einer Familie umkehren, wenn bei a-Stellung das Bündelrohr solid wird (Lysimachia ephemerum), während die Bündel bei w-Stellung getrennt bleiben (Anagallis). Der allgemeine Vorteil des Zahlenverhältnisses zugunsten der Pflanzen mit wirteligen Blättern ist nichts Auffallendes, denn es ist klar, daß eine Pflanze, die z. B. die Verbindung ihrer Bündel durch partielle Knotengürtel zwischen den Spurgrenz- strängen herstellt, in weniger Knoten die Verbindung sämtlicher axialen Bündel erreichen muß, wenn im Knoten zwei oder mehr dieser partiellen Gürtel vorhanden sind, als wenn nur einer sich dort vorfindet. 1) Vgl. oben p. 261. 264 Friedrich Sauerbrei, An dem Zustandekommen dieser Verbindung der axialen Bündel wirkt sehr häufig der Umstand mit, daß die Stränge mehrsträngiger Blattspuren vor ihrer Eintrittsstelle in die Achse durch Anastomosen oder anderweitig in Kommunikation stehen. Von den 164 daraufhin genauer untersuchten Arten ist bei 158 in mittleren und unteren Teilen die Verbindung innerhalb weniger Stengelglieder erreicht, nur 6 (=3,66%), fügen sich nicht in die allgemeine Regel. Es sind dies 2 Papaveraceen, 2 Malvaceen und 2 Asperifoliaceen. Es sind jedoch bei den beiden Papaveraceen (Argemone, Glaucium) Bündel- anastomosen im Internodium vorhanden, nur bleiben sie dort wenig zahlreich, bei je einer der Malvaceen (Anoda) und der Asperifoliaceen (Borrago) wird das Bündelrohr in den untersten Teilen solid, und bei diesen wie bei den beiden letzten Arten (Malope, Symphytum) finden sich Anastomosen über den Bündellücken. Es ist also auch bei diesen sechs Formen eine ge- wisse Tendenz zur Bündelverbindung zu konstatieren. Ich glaube nach all dem berechtigt zu sein, mit der durch die Beschränkung auf das untersuchte Material nötigen Reserve folgenden Satz auszusprechen. Es ist eine äußerst weit verbreitete Eigenschaft der krautigen Dicotylen, ihren primären Gefäß- bündelverlauf, wenn nötig, durch nachträgliche Ver- änderungen derartig zu modifizieren, daß in mittle- ren und unteren Stengelteilen der erwachsenen Pflanze sämtliche in einem Knoten vorhandenen Stränge, eingerechnet die dort eintretenden Spur- stränge, innerhalb weniger aufeinanderfolgender Stengelglieder (Knoten oder Internodien) mitein- ander in seitlicher Verbindung stehen. Die Anzahl dieser Knoten oder Internodien überschreitet ge- wöhnlich die Zahl 5, vielfach auch die Zahl 4 nicht. Typen der Gefäßbündelverbindungen. Der Modus der seitlichen Verbindung der Gefäßbündel ist verschieden (vgl. die Einleitung). Es kommen folgende Fälle und deren Kombinationen in Betracht: 1. Bündelanastomosen im Knoten vorhanden. 2. Bündelanastomosen im Internodium vorhanden. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 265 3. Frühzeitiges seitliches Verschmelzen der Bündel im Knoten. 4. Frühzeitiges seitliches Verschmelzen: a) einzelner; b) aller Bündel im Knoten und Internodium. 5. Seitliches Verschmelzen zum soliden Rohr durch die Cambiumtätigkeit. Es lassen sich darnach die folgenden Typen der Gefäßbündel- verbindung aufstellen. w bedeutet wieder opponierte oder wirtelige, @ abwechselnde Blatt- stellung, sek. Dw. — sekundäres Cambiumwachstum. Aus der Aufstellung ist ersichtlich, daß in sämtlichen Typen außer I4 sich w- und a-Vertreter finden. Für jeden Typ sind Bei- spiele gegeben. 1. Bündel längere Zeit getrennt bleibend (@ und w). 1. Bündelanastomosen fehlen ganz oder fast ganz, ein Knoten- sürtel kommt nicht zustande; es können sich einzelne Ana- stomosen im Knoten finden (über der Lücke der einsträngigen Spur oder bei mehrsträngig-verschränkter Spur über den Bündellücken), aber durch die Knotenanastomosen wird nicht die Verbindung aller Stengelbündel in wenigen aufeinander- folgenden Stengelgliedern hergestellt (2 und w). a. Auch durch sek. Dw. kein solides Rohr ge- bildet: Malope (ae), Symphytum (ae), oder dies höchstensin denalleruntersten Teilen: Anoda (a), Borrago (a), b. In mittleren und unteren Teilen durch das sek. Dw. solides Rohr gebildet: z. B. Euphor- biaLathyris (w), Eu. altissima(a), meisteMalva- ceen (a) u. Asperifoliaceen (a). 2. Bündelanastomosen fehlen, durch frühzeitige Verbreiterung der Bündel im Knoten kommen dort Gürtelbildungen zu- stande (a und ”). a. In unteren Internodien bleiben die Bündel getrennt: z. B. Humulus (w), Caryophyllaceen zum Teil (w): Cerastium perfoliatum, Sper- gula, Arenaria, Lychnis coronaria. b. Später wird durch das sek. Dw. das Bündel- rohr auch im Internodium solid: z. B. Cannabis (aund w),Boehmeria (w), Caryophyllaceen zum Teil (w): Silene viridiflora, Cucubalus. 266 Friedrich Sauerbrei, 3. Bündelanastomosen im Internodium fehlen, im Knoten vor- handen. Durch die Knotenanastomosen Verbindung in einigen Stengelgliedern garantiert (a und w). A. Im Knoten Anastomosen über der einsträngigen oder mehrsträngigen nebenläufigen Spur (= und w). a. Später kein solides Rohr): Fumariaceen («) II. Gruppe. b. Durch sek. Dw. später eventuell solides Rohr: Nasturtium officinale (@) und Mimulus luteus (w) zeigen höchstens in den untersten Teilen, Mimulus cardinalis (w) schon in mittleren ein solides Rohr. B. Gürtelbildungen im Knoten (bei verschränkter Spur). (a und w). | a. Partieller Gürtel oder zwei partielle Gürtel (a und w). a. Sek. Dw. fehlt vollkommen: Ranunculaceen zum Teil(a):Ranunc. sceleratus, Thalietrum (obere Teile); oder bringt keine Verbindung zum soliden Rohr hervor: z. B. Violaceen («@) zum Teil; Papilionaceen zum Teil (a): Tri- folium, Astragalus,Hedysarum; Bupleurum (a); Parietaria (a); Valerianaceen zum Teil (w): Fedia, Valeriana. ß. Sek. Dw. erzeugt in unteren Teilen solides (Xylem-) Rohr: z. B. Melilotus (a). b. Vollkommener Gürtel (a und »). a. Sek. Dw. fehlt ganz: Ranunculaceen zum Teil(zeund w): Caltha (ae), Ranunculuslanugi- | nosus (a), Anemone (w); Polygonum Bistorta (@) und divaricatum (a); Phellandrium («), Berula (ae); Geraniaceen (w); oder bringt kein solides Rohr hervor: Clematis (w); Rumex (a), Oxyria (e); untere Teile von Levisticum (a) und Foeniculum (e); Mercurialis peren- nis (w). 1) Hierher kann man auch die oberen Teile von Cardamine amara rechnen, bei der in unteren Teilen schräge Anastomosen auftreten. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 267 ß. In unteren Teilen wird durch das sek. Dw. ein solides Rohr gebildet: Fagopyrum (a); Mercurialis annua (w). 4. Anastomosen im Internodium vorhanden (nur ae). a. Sek. Dw. fehlt vollkommen. Knotenanasto- mosen entweder nicht vor denen des Inter- nodiums hervorgehoben: Fumariaceen I. Gruppe (über der dreisträngig-nebenläufigen Spur Anastomose der Grenzstränge); Papa- veraceen zum Teil: Eschscholtzia, Bocconia, Argemone, Glaucium; Delphinium Staphy- sagria; Cruciferen zum Teil: z. B. Bunias orientalis; oder im Knoten deutlicher par- tieller Gürtel: Ranunculaceen zum Teil: Aconitum. Auf der Grenze stehen: Papa- veraceen zum Teil: Chelidonium, Papaver somniferum. b. Sek. Dw. in unteren Teilen eintretend, im Knoten kann ein partieller Gürtel zustande kommen oder fehlen. a. Kein solides Rohr: Carduus; Cruciferen zum Teil: Alliaria; Delphinium species. ß. In unteren Teilen durch sek. Dw. solides Rohr: Cruciferen zum Teil: z. B. Thlaspi, Sisymbrium. ll. Einige Bündel (kantenläufige Spurstränge) frühzeitig ver- schmelzend; dadurch und durch Knotenanastomosen oder Ver- schmelzung der Spurstränge im Blattstiel kommt die Ver- bindung zustande (2 und w). a. Keine Bildung eines soliden Rohres: Labiaten (w) zum Teil: z. B. Lamium; Balsaminaceen (a und w) schwächere Exemplare; Primula- ceen zumTeil: Anagallis (w);Scrophularia (w). b. In unteren Teilen solides Rohr durch Ver- mittlung des sek. Dw: Labiaten (w) zum Teil: Seutellaria, starke Exemplare von Teucrium, Stachys; Balsaminaceen (a und mw): starke Exemplare von Impatiens amphorata, parvi- flora, glanduligera; Scerophulariaceen zum Teil (w): Collinsia. 268 Friedrich Sauerbrei, IH. Sämtliche Bündel mehr oder weniger frühzeitig zum soliden Rohr verschmelzend (az und w). Zum Beispiel Campanulaceen (a); Resedaceen (a); Rubiaceen (w); Sileneen zum Teil (w): Saponaria offi- cinalis, Gypsophila, Tunica prolifera; Alsineen zum Teil (w): Cerastium tomentosum, Stellaria Holostea; Primulaceen zum Teil (@ und w): Lysimachia vul- garis, punctata, ephemerum,ciliata; Serophulariaceen zum Teil: Digitalis (e), Veronica (w). Beziehung der Typen zu systematischen Gruppen. Wenn wir jetzt die Frage zu beantworten suchen, inwiefern stimmen die Typen der Bündelverbindungen mit systematischen Gruppen überein, so lehrt uns ein Blick auf die aufgestellte Ta- belle zweierlei. Einmal zeigen gewisse Familien einen recht einheitlichen Charakter, so die Campanulaceen, Rubiaceen, Geraniaceen. Andererseits finden sich innerhalb gewisser Familien teilweise ziemlich starke Verschiedenheiten. Diese sind öfter nur quantitativer Art. So ist es z.B. in der Gruppe der Sileneen, Alsineen, Cannabaceen, deren Bündel bei gewissen Arten nur innerhalb der Knoten seitlich ver- schmelzen, während sich bei anderen die Verschmelzung auf das Internodium ausdehnt. Ähnlich verhalten sich die Malvaceen, Asperifoliaceen,Papilionaceen,Labiaten, wo die Unterschiede auf früherem oder späterem Zustandekommen des soliden Rohres durch das Cambiumwachstum beruhen. Auch wenn bei gewissen Valerianaceen die beiden partiellen Gürtel des Knotens getrennt bleiben, während sie sich bei gewissen Arten zu einem voll- ständigen Gürtel vereinigen, kann man darin eine nur quantitative Verschiedenheit sehen. Bei anderen Familien sind tiefergreifende Unterschiede vor- handen. So besitzt die eine Gruppe der Fumariaceen inter- nodiale Bündelanastomosen, während diese der zweiten Gruppe vollkommen fehlen. Unter den Primulaceen verschmelzen die Bündel bei gewissen Lysimachien zum soliden Rohr, bei Ana- gallis und Lysimachia nemorum bleiben sie getrennt. Unter den Scrophulariaceen sind drei verschiedene Typen vertreten: Mimulus’ verhält sich ähnlich wie die zweite Gruppe der Fu- Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 269 mariaceen, Collinsia und Scrophularia wie die Labiaten, während Veronica, Verbascum und Digitalis ein solides Rohr zeigen. Auch die Ranunculaceen weisen trotz ihrer Überein- stimmung in dem Mangel einer Verbindung der Bündel durch sekundäres Cambium-Wachstum ziemlich weitgehende Verschieden- heiten auf. Es kommen vor: Vollkommener Anastomosengürtel im Knoten bei Fehlen von Verbindungen im Internodium; Partieller Knotengürtel bei Fehlen von Verbindungen im Internodium; Internodialanastomosen bei Fehlen des Knotengürtels: Internodialanastomosen in Verbindung mit einem partiellen Knotengürtel. In manchen Fällen machen die Unterschiede auch vor den Gattungen nicht Halt: so gehören z. B. drei Corydalisformen zur ersten, zwei zur zweiten Gruppe der Fumariaceen. Zusammenfassend läßt sich sagen: die verschiedenen Typen der Bündelverbindungen stehen in gewissen Fällen mit den systematischen Gruppen in Korrelation, während in anderen Fällen eine derartige Beziehung vermißt wird. Ob sich die Art der Bündelverbindung in der systematischen Anatomie verwenden läßt, vielleicht in ähnlicher Weise, wie viel- fach die Markstrahlen sich haben verwenden lassen, müssen weitere, speziell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen ergeben. Physiologische Bedeutung der Leitbündelverbindungen. a) Stoffleitung. Das Leitbündelgewebe vereinigt in sich zwei Funktionen, die der Stoffleitung und — wenigstens in seinem Xylemteil — auch die der Festigung des Pflanzenkörpers, für welche letztere noch ein spezifisch mechanisches Gewebe zur Verfügung steht. Wirft man die Frage nach der physiologischen Bedeutung der Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel auf, so wird man diese in den beiden genannten Richtungen zu suchen haben. In der Frage nach ihrer Bedeutung für die Stoffleitung wird vorzugsweise das Experiment entscheiden müssen, während eine Diskussion der Bedeutung für die Festigung sich mehr auf Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. 18 270 Friedrich Sauerbrei, die vergleichende Anatomie stützen wird. Beide Fragen seien hier anhangsweise gestreift. Man geht bei ihrer Beurteilung am besten von den sozu- sagen einfachsten Fällen der Bündelverbindung aus, in denen Anastomosen zwischen den Stengelsträngen vorhanden sind, ohne daß diese anderweitig verbunden werden. Dieser Fall ist ver- wirklicht z. B. bei den Fumariaceen, denen ein sekundäres Cambium-Wachstum vollkommen abgeht.. Bei der ersten Gruppe dieser Familie (vgl. oben p. 197), bei der zahlreiche Bündel- anastomosen im Internodium zerstreut vorkommen, erscheint ein Vergleich mit den Bündelanastomosen in der erwachsenen Laub- spreite berechtigt. HABERLANDT!) findet, gestützt auf Versuche an Ahorn- blättern, abgesehen von ihrer mechanischen Bedeutung die Haupt- aufgabe der Bündelanastomosen der Blattspreite in der gleich- mäßigen Wasserversorgung des Assimilationssystems, die noch garantiert bleibt, wenn auch einige Zuleitungsbahnen durch Ver- letzung (Tierfraß, Hagelschlag usw.) unterbrochen werden. WIELER?) hat einen Ausgleich der Wasservorgung durch die Leitbündelverbindungen in unverletzten Stengeln und Blättern geleugnet und ihn nur für anomale Verhältnisse (Unterbrechung einzelner Bahnen) zugegeben, obwohl einige seiner Versuche an Blättern einen solchen Ausgleich sehr wahrscheinlich machen. Er sagt selbst, daß bei Unter- brechung gewisser Blattbündel „eine lebhaftere Bewegung durch die Anastomosen stattfinde“. RiıPPEL®) hat (p. 63) für einige der von WIELER benutzten Versuchsblätter den Ausgleich von Lösungen ex- perimentell zeigen können. Neuerdings haben GERRESHEIM !) und RIPPEL°) in ihren zusammenhängenden Arbeiten durch zahlreiche Versuche gezeigt, daß bei ungleichmäßiger Transpiration einzelner Blattspreitenteile, überhaupt bei ungleichen Druckverhältnissen innerhalb der ein- 1) Phys. Anat., 4. Aufl., p. 350. 2) A. WIELER, Über den Anteil des sekundären Holzes der dicotyledonen Gewächse an der Saftleitung und über die Bedeutung der Anastomosen für die Wasserversorgung der transpirierenden Flächen. Pringsh. Jahrb. XIX, 1888, p. 132. 3) A. Ripper, Anatomische und physiologische Untersuchungen über die Wasserbahnen der Dicotylen-Laubblätter mit besonderer Be- rücksichtigung der handnervigen Blätter. Diss. Marburg 1913. 4) E. GERRESHEIM, Über den anatomischen Bau und die da- mit zusammenhängende Wirkungsweise der Wasserbahnen in Fieder- blättern der Dieotyledonen. Diss. Marburg 1912. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 271 zelnen Leitungsbahnen die stärker beanspruchten Bahnen aus schwächer beanspruchten Wasser durch aktive Saugung durch die (in Blattgrund, Blattstiel und Blattspreite vorhandenen) Leitbündel- verbindungen hindurch entnehmen können, und „daß die Ver- bindungsbahnen im erwachsenen Laubblatt der Dicotyledonen, wenn sie reichlich vorhanden sind, wie es in den weitaus über- wiegendsten Fällen zutrifft, einen völlig ausreichenden, schnellen Wasserausgleich zwischen allen Teilen der direkten Leitungs- bahnen herbeiführen können“. (RIPPEL, p. 63 f.) Einige Versuche an erwachsenen Blättern, die von PoOToNIE!) und BOSHART?) angestellt wurden, weisen auf ein ähnliches Re- sultat hin). TSCHERMAK*) konstatierte durch Aufsteigenlassen von Farb- lösungen in Stengeln von Anthriscus silvestris und Impatiens Roylei, daß, wenn nur einzelne Leitungsbahnen in die Farbstofflösung tauchten, oder wenn gewisse Bahnen durch Einkerbungen von der direkten Zufuhr abgeschnitten waren, durch die gürtelförmige Ver- bindung der Gefäßbündel im nächstoberen Knoten Farbstofflösung in die nicht direkt damit versorgten Gefäßbündel übertrat. Schon vor Erscheinen der oben genannten Arbeiten von GERRESHEIM und RıPrpEL hatte ich einige Versuche angestellt, die mich zu analogen Anschauungen über die Bedeutung der Bündelanastomosen im Stengel führten. Einer davon sei hier besprochen. Es wurde Mitte Juni vormittags 9 Uhr an einem er- wachsenen (fruktifizierenden) Stengel von Corydalis nobilis im untersten Internodium etwa 5 cm median unter dem Blatt ein bis über die Mitte gehender Einschnitt angebracht, in diesen ein Stanniolblättchen geklemmt, dann die Pflanze dicht über dem Boden abgeschnitten und in Wasser gestellt. Das Verkleben des Schnittes mit Kakaobutter lieferte kein anderes Resultat, wie vor- ausgehende Versuche gezeigt hatten. Der Rest des untersten Internodiums war 30 cm lang. Um 11 Uhr 50 waren sämtliche Blätter noch vollkommen turgeszent. Jetzt wurde die untere 1) H. Poronı&, Grundlinien der Pflanzenmorphologie im Lichte der Paläontologie. Jena 1912, p. 141. 2) K. BosHART, Beiträge zur Kenntnis der Blattasymmetrie und Exotrophie. Flora 1911, p. 9. 3) Vgl. hierzu Rıppen, 1. c. p. 63. 4) Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wiss., mathem.-naturw. Kl. 1896, p. 62 u. 64. 18* 272 Friedrich Sauerbrei, Schnittfläche erneuert und die Pflanze in eine mäßig konzentrierte Eosinlösung übergestell. Nachmittag 4 Uhr folgte die Unter- N | \ | 1a _23 _33 53 BE A Ba 3 A 2 Textfig. 6. Corydalis nobilis. Teil des Bündelrohres auf der eben gelegten Cylinderfläche von innen gesehen dargestellt. Die natürliche Länge ist beibeibehalten, die Breite etwa verdoppelt. Die gebogene Querlinie in der Mitte der Zeichnung stellt den Ein- schnitt dar. Näheres im Text. suchung. Das in Frage kommende Stück des Stengels ist in Fig. 6 dargestellt. Von den 12 vorhan- denen Spursträngen sind acht durch schnitten. Strang 6—7-—-8 stellen die Spur des Blattes dar, sie sind vollkommen durchtrennt. Trotzdem zeigte die Untersuchung, daß sämt- liche Bündel des Blattes vom Eosin gerötet waren. Sie sind also aus den Nachbarbündeln durch Ver- mittlung der Anastomosen versorgt worden. Allerdings war die Ver- sorgung doch zu schwach, um den Transpirationsverlust vollständig decken zu können, denn nach- mittags 4 Uhr war das Blatt, unterhalb dessen der Einschnitt lag, gewelkt, während die übrigen, höher inserierten Blätter strotzend geblieben waren. Für diese höheren Stengelteile hatte also der dritte Teil der vorhandenen Leitbündel genügt, um eine ausreichende Wasserzufuhr zu ermöglichen; schon dicht über dem gewelkten Blatt waren sämtliche Bündel der Achse vollkommen gerötet. Daß ein Transport von Wasser respektive Eosinlösung durch die Bündel- anastomosen stattgefunden hat (und nicht auf osmotischem Wege durch das unverdickte Markstrahlparen- chym erfolgt ist), läßt sich in der Verteilung der Rötung genau ver- folgen. In der Textfig. 6 soll durch die verschiedene Tiefe der Schwär- zung die ‘Stärke der Rötung angedeutet sein. Die ganz leicht schraffierten Bündel (z. B. unterer Teil von 7) waren ganz un- Leitbündelverbindunden im krautigen Dicotylenstengel. 273 gerötet geblieben. An der Verteilung des Eosins ist folgende Tatsache besonders interessant. Der oberhalb des Finschnittes befindliche Teil des Bündels 5 (ähnlich auch die Bündel 4, 6, 9, schwächer 7) ist bis zum Schnittherab stark gerötet, obwohl dieses erst bedeutend höher, in der Nachbarschaft des Knotens, mit seinem Nachbarbündel 4, von dem es die Lösung bezogen hat, in Ver- bindung steht. Es hat also keineswegs bloß beim Aufwärtssaugen eine Überleitung aus einem Strang in den anderen stattgefunden, sondern es ist das Wasser (respektive die Lösung) durch die Anastomosen hindurch auch abwärts nach der — da von der direkten Zuleitung abgeschnittenen — relativ stärker beanspruchten Bahn übergeleitet worden. Dies wirft Licht auf die Wirkungs- weise der Anastomosen überhaupt. Es erscheint folgender Schluß berechtigt: die Leitbündelanastomosen haben innerhalb der erwachsenen Pflanzein ihrem Gefäßteil die Funktion der leichteren Verteilung von Wasser und darin ge- lösten Stoffen über die Leitungsbahnen der Pflanze; das Wasser strömt dabei von weniger beanspruchten Bahnen nach den Stätten stärkeren Verbrauches. Besonders bedeutungsvoll muß die Ausgleichsmöglichkeit des Wassers respektive der Lösungen werden, wenn einzelne Leitungs- bahnen unterbrochen (durch Hagelschlag, Tierfraß usw.) oder unweg- sam gemacht werden (durch Quetschungen, Knickungen usw.). Es scheint mir kein Grund vorzuliegen, für die übrigen Modi der seitlichen Bündelverbindung in erwachsenen Stengeln eine gleiche Funktion des Xylemteiles zu verneinen. Daß in der normalen Pflanze die Xylemteile der Bündelverbindungen tat- sächlich von dem Wasserstrom durchflossen werden, darauf weist schon der Umstand hin, daß sich die Bündelverbindungen regel- mäßig röteten, wenn ich abgeschnittene, in Eosinlösung stehende Pflanzen ungehindert transpirieren ließ. Ob dem Phloemteil der Bündelanastomosen in erwachsenen Stengelteilen eine gewichtigere Bedeutung zuzusprechen ist, kann hier nicht entschieden werden. Dagegen scheint der Umstand zu sprechen, daß bei zahlreichen Pflanzen das Xylemrohr solid wird, ohne daß sich die Phloemteile seitlich zusammenschließen. Gleich- wohl ist anzunehmen, daß durch den Siebteil der Anastomosen Überleitungen aus einem benachbarten Bündel in das andere stattfinden. Die Frage, ob den Bündelverbindungen in jugendlichen Stengelteilen, soweit sie dort überhaupt schon vorhanden sind, 274 Friedrich Sauerbrei, eine wichtigere Bedeutung zukommt, ist eine Frage für sich, zu deren experimenteller Behandlung vielleicht Corydalis und Di- clytra oder gewisse Veronica-Arten geeignete Objekte abgeben würden. Nach Erfahrungen, die KÜsTER!), GENTNER?) und Bos- HART) an wachsenden Blättern gemacht haben, ist eine solche Bedeutung übrigens ziemlich unwahrscheinlich. Aus den Untersuchungen der drei Autoren geht hervor, daß bei Durchschneidung gewisser Bündel der Spreite oder des Blattstieles an jungen Blättern die Leitbündelanastomosen einen vollständigen Ersatz nicht zu bieten vermochten, daß vielmehr die Spreitenteile, deren Hauptzuleitungsbahnen unterbrochen waren, mehr oder weniger stark in der Entwicklung zurückblieben (vgl. hierzu RıppEL, 1. c. p. 65 f). b) Mechanische Bedeutung. Die zweite Funktion, die dem Gefäßbündelgewebe — in seinem Xylemteil — zukommt, ist die der Festigung des Pflanzen- körpers. Die spezifisch mechanischen Gewebe, welche die dicotyle Pflanze besitzt, sehen wir häufig mit den Xylemteilen der Bündel sich zu einer mechanischen Einheit verbinden. So ist die Er- scheinung weit verbreitet, daß die Xylemteile durch interfaszikulare Libriformbrücken zu einem mechanischen Rohr vereinigt werden. Eine gewisse mechanische Bedeutung auch der Leitbündelverbin- dungen ist so von vornherein als wahrscheinlich anzunehmen. Wir gehen wieder von den Bündelanastomosen aus. Mögen diese nun im Knoten oder im Internodium liegen, so können sie — in ähnlicher Weise wie die von SCHWENDENER“) beschriebenen „Mestomanastomosen“ in den Luftgangdiaphragmen gewisser Mono- cotylen — als tangentiale Verspannungen zwischen den längs- verlaufenden Bündeln dienen. In diesem Sinne können sie in Fällen wichtig werden, wo das spezifisch mechanische System nur schwach ausgebildet ist. Dies ist z. B. bei den Fumariaceen der Fall. Diese seien hier etwas näher betrachtet. Wir haben unter ihnen (vgl. den speziellen Teil) zwei Gruppen zu unterscheiden: die erste mit zahlreichen Zwischensträngen und 1) Küster, E., Pathologische Pflanzenanatomie. Jena 1903, p. 144. 2) GENTNER, G., Untersuchungen über Anisophyllie und Blatt- asymmetrie. Flora 1909, p. 290. 3) BosHART, K., Beiträge zur Kenntnis der Blattasymmetrie und Exotrophie. Ibid. 1911, p. 94. 4) SCHWENDENER, S., Das mechanische Prineip im Bau der Monocotylen. Leipzig 1874, p. 89f. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 275 reichlichen Leitbündelanastomosen in (Knoten und) Internodium: Corydalis nobilis, cava, glauca, Diclytra; die zweite ohne Internodialanastomosen, nur mit einzelnen Verbindungen im Knoten: Corydalis ochroleuca, lutea, Fumaria, Bicu- culla. Die Frage ist jetzt: läßt sich eine Korrelation zwischen dem Vorhandensein der Leitbündelanastomosen und der Aus- bildung des axialen Stereoms nachweisen, oder mit anderen Worten: ist das mechanische System der Arten der ersten Gruppe schwächer ausgebildet als bei denen der zweiten? Ist dies der Fall, so ge- winnt die Annahme einer eingreifenderen mechanischen Bedeutung der Anastomosen an Wahrscheinlichkeit. Ist nun der Bau der untersuchten Fumariaceen auch im allgemeinen als schwach zu bezeichnen, so existieren doch deut- liche relative Unterschiede in der Stärke des mechanischen Systems. Am schwächsten ist Corydalis cava gebaut. Das Festigungs- gewebe besteht nur aus drei- bis vierschichtigen Kollenchymleisten vor den stärkeren Bündeln und der kollenchymatischen subepider- malen Schicht. Bei Cor. ochroleuca kommt noch eine ganz schwache Kollenchymscheide an der Innenseite der Bündel hinzu. Bei Cor. lutea sind ferner die Wände der im Rindenparenchym zerstreuten Sekretzellen verdickt, außerdem findet sich ein extra- phloemaler Stereommantel, gebildet aus schwach verdicktem und verholztem Rindenparenchym. Bei Fumaria officinalis und Vaillantii kommen zu den in den Kanten verlaufenden Kollen- chymleisten Hartbastschienen vor den Phloemen hinzu, durch schwach verdicktes und verholztes Rindenparenchym zum Stereom- rohr verbunden. Bei Cor. nobilis ist das Rindenparenchym unverdickt, dafür begleiten Stereomschienen die Außen- und Innen- seiten der Bündel und in den Stengelkanten laufen kräftige Kollenchymrippen. Bei Diclytra fehlt Kollenchym, aber die Skleren- chymleisten vor den Bündeln sind ziemlich stark und das da- zwischenliegende Rindenparenchym ist recht kräftig verdickt. Noch stärker wird der Stereommantel bei Bieuculla, die auch noch die Kollenchymschienen besitzt; mechanisch am stärksten gebaut ist schließlich Corydalis glauca. Bei ihr ist Epidermis und subepidermale Schicht vor den Bündeln kollenchymatisch, Stereom- schienen aus stark verdicktem Sklerenchym begleiten die Auben- seite der Gefäßbündel, das Rindenparenchym zwischen diesen Leisten, ebenso auch das Markstrahlgewebe und der äußere Teil des Markes sind kräftig verdickt und verholzt, so daß die Bündel rings von Stereom umgeben erscheinen. 276 Friedrich Sauerbrei, Eine Korrelation zwischen Entwicklung des Stereoms und ddes Anastomosensystems ist demnach innerhalb der Fumariaceen nicht vorhanden. Die mechanisch kräftigste Form (Cor. glauca) und ebenso die kräftig gebaute Dielytra gehören neben der schwächsten Art (Cor. cava) und der mittelstarken Cor. nobilis zur ersten Gruppe, und ebenso finden wir in der zweiten mecha- nisch kräftigere (Bicuculla) neben schwachen bis mittelstarken Formen (Cor. ochroleuca, lutea, Fumaria). Auf eine mechanische Bedeutung der Bündelanastomosen scheint eine andere Tatsache hinzuweisen. Es besitzen nämlich sämtliche Arten der ersten Gruppe hohle Achsen, während der Stengel bei denen der zweiten gewöhnlich solid bleibt. Aber schon bei Fumaria officinalis kommt öfters eine hohle Achse vor und wie sich leicht zeigen läßt, ist in anderen Gruppen durch- aus keine Beziehung zwischen Hohlsein des Stengels und Vor- kommen von Bündelverbindungen vorhanden. Die untersuchten Geraniaceen zeigen vollkommenen Gürtel und solide Achse, die Violaceen und Polygonaceen partiellen respektive vollkommenen Gürtel und hohle Achse, die Balsami- naceen hohle Achse und keinen Knotengürtel; die meisten Familien weisen Formen mit solidem und solche mit hohlem Stengel auf, ganz ohne Beziehung zum Typ der Bündelverbindung: Papilionaceen, Malvaceen, Asperifoliaceen, Resedaceen, Cruciferen, Umbelliferen, Labiaten, Caryophyllaceen, Rubiaceen, Valerianaceen, Urticaceen, Euphorbiaceen, Scrophula- riaceen, Ranunculaceen. Nur bei den Papaveraceen be- sitzen gerade die beiden Arten, die sich durch die geringe Zahl der Bündelverbindungen auszeichnen, solide, die übrigen hohle Achsen. Ebensowenig wie die Fumariaceen geben die übrigen Familien mit Internodialanastomosen einen Anhaltspunkt für eine eingreifende Bedeutung der letzteren für die Festigung der Achse. Die Crueiferen sind ziemlich allgemein kräftig gebaut. Von den untersuchten Arten fehlt das aus dem interfaszikularen Prosen- chym und den Xylemen gebildete mechanische Rohr keiner, wenn es auch bei den hygrophytischen Arten (Nasturtium offici- nale und Cardamine amara) nur schwach ausgebildet ist. Extraphloemale (oft sehr kräftige) Hartbastschienen sind allgemein verbreitet, auch kommen öfters Verdickungen der Außen- und Innenwand der Epidermis, kollenchymatisch ausgebildete äußere Lagen des Rindenparenchyms und in den Stengelkanten verlaufende subepidermale Kollenchymleisten vor. Die Leitbündelanastomosen sind in das mechanisch festere interxyläre Prosenchym eingebettet, Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 277 verlaufen außerdem meist so steil (oft über mehrere Internodien), daß sie als Tangentialverspannung zwischen den Mestomsträngen kaum in Betracht kommen können. Umgekehrt leuchtet gerade hier, wo die seitliche Diffusion von Bündel zu Bündel aufgehoben oder stark erschwert ist, ihre Bedeutung als Austauschvermittler der geleiteten Stoffe sehr ein. Dazu kommt, daß die einzige Crucifere, bei welcher die Anastomosen vor dem Kontinuier- lichwerden des Cambium-Ringes vermißt wurden, Nasturtium officinale, gerade mechanisch mit am schwächsten gebaut er- scheint!). Die Bündel der Papaveraceen sind außerhalb des Lep- toms von starken Stereomschienen begleitet; bei Bocconia, Glaucium, Argemone, Papaver gehen schwächere auch an der Innenseite der Gefäßbündel entlang. Gewöhnlich sind eine oder mehrere subepidermale Zellschichten kollenchymatisch, unter dem schwachen Assimilationsgewebe ist das Rindengewebe (außer bei Argemone) kräftig verdickt und verholzt; oft zeigt auch das Markstrahlgewebe mehr oder weniger stark verdickte Wände. Es wird so (außer bei Argemone) in unteren und mittleren Teilen des Stengels ein ziemlich breiter und kräftiger mechani- scher Hohlzylinder gebildet, an den sich die Bündel innen an- lehnen. Diese letzteren bilden bei Bocconia, Argemone, Papaver und Glaucium außerdem ein sehr dichtes Rohr. Bei den Ranunculaceen, die Internodialanastomosen be- sitzen, ist ebenfalls in der Rinde ein kräftiges mechanisches Rohr vorhanden, an das die Bündel mit ihren extraphloemalen Skleren- chymleisten von innen heranreichen; auch hier würde eine mecha- nische Leistung der dünnen Mestomanastomosen, wie bei den Papaveraceen, gegenüber der dieses Rohres verschwinden. Können wir uns nicht entschließen, in dem Auftreten der Internodialanastomosen eine spezifisch mechanische Einrichtung zu erblicken, so dürfen wir dies nicht ohne weiteres auf die Knotenanastomosen übertragen. Wohl kommen auch hier Ver- bindungen vor, die sich nur durch ihre Stellung und eventuell durch etwas weniger steilen Verlauf von denen des Internodiums unterscheiden, und von denen wir die gleiche Funktion wohl ohne weiteres annehmen dürfen (so ist es z. B. bei verschiedenen Papaveraceen, Cruciferen), aber es finden sich hier auch vielfach kräftige Gürtelbildungen. Zweifellos kann bei zartem 1) Übrigens auch diese gerade eine hohle Achse besitzt. 278 Friedrich Sauerbrei, Rinden- und Markstrahlgewebe und sehr lockerem Bündelrohr wie etwa bei Caltha palustris oder Phellandrium aqua- ticum der vollkommene Knotengürtel eine wichtige Verspannung der axialen Bündel darstellen, die an der Ansatzstelle des Achsel- sprosses liegt und in den genannten Fällen auch den Knoten- querplatten des sonst hohlen Stengels ein Widerlager bietet. Andererseits aber ist auch hier zu betonen, daß es Fälle gibt, in denen die mechanische Leistung des Knotengürtels augen- scheinlich gegen die der eigentlichen Festigungsgewebe stark zu- rücktritt. So ist es, um ein paar Beispiele herauszugreifen, etwa bei Siler trilobum oder gewissen Polygonaceen (Polyg. Bistorta, divaricatum, Rumex salicifolius) der Fall. Siler besitzt sehr kräftige extraphloemale Hartbastschienen, die durch sklerotisches Gewebe zu einem mechanischen Rohr ver- bunden werden. Das interfaszikulare Gewebe ist ebenfalls durch Sklerenchymfasern dargestellt, die nach innen allmählich in skle- rotisches Parenchym übergehen. Außerdem laufen in der Rinde unter dem schmalen Assimilationsgewebe kräftige Kollenchym- leisten, die vielfach zu breiten Platten seitlich verschmelzen. Die drei Polygonaceen besitzen ein kräftiges extra- phloemales Hartbastrohr, an das sich die Bündel innen anlehnen; um das Bündel zieht sich eine aus Sklerenchymfasern gebildete Scheide; der Raum der primären Markstrahlen wird interxylär, meist auch interphloemal von Sklerenchym eingenommen, in der Rinde findet sich außerdem Kollenchym. Werfen wir noch einen Blick auf die mechanische Bedeutung eines soliden Xylemrohres. Zunächst die Fälle, wo es durch seitliche Verschmelzung ohne Mitwirkung des Cambiumwachstums zustande kommt. An und für sich dürfte wieder außer allem Zweifel stehen, daß diese Bildung eine mechanische Leistung er- füllt. In manchen Fällen übernimmt das solide Xylemrohr fast allein die Festigung des Pflanzenkörpers. So ist es bei den Campanulaceen und Rubiaceen, wo in der Rinde an me- chanischen Elementen höchstens ein wenig schwaches Kollenchym vorhanden ist. Trotzdem können wir in der Bildung dieses Rohres keine Anpassung an mechanische Bedürfnisse erkennen. Denn erstens kommt es auch in Fällen zustande, wo durch ein starkes Skleren- chymrohr der Rinde (viele Caryophyllaceen) oder gar ein extraphloemales und intraxyläres, also doppeltes rein mechanisches Rohr (Lysimachia eciliata) für eine Festigung des Stengels Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 279 genügend gesorgt ist. Und zweitens hat die Pflanze ein Mittel, das sie äußerst häufig anwendet und demgegenüber das solide Xylemrohr vom rein mechanischen Standpunkte mindestens keinen Vorteil bietet, nämlich den interxylären Teil der primären Mark- strahlen mit sklerenchymatischem Gewebe zu erfüllen und auf diese Weise ebenfalls ein mechanisches Rohr herzustellen. Letzterer Modus findet sich zudem öfter in den oberen Stengelteilen bei Pflanzen, in deren unteren Stengelpartien ein solides Xylemrohr vorhanden ist, wenn dort die Bündel getrennt bleiben: so z. B. in den Infloreszenzachsen von Campanula rapunculoides, Verbascum thapsiforme. Wo das solide Rohr durch die Tätigkeit des Cambiums zu- stande kommt, werden in fast allen Fällen zunächst im inter- faszikulären Teil Sklerenchymzellen (meist im Anschluß an inter- xyläre primäre Sklerenchymelemente) und erst allmählich auch tracheale Elemente abgeschieden, bis das Ganze in xylemähnliches Gewebe übergeht. Auch hier ist nicht einzusehen, welchen me- chanischen Vorteil ein derartiger Übergang bieten sollte. Nach alledem glaube ich berechtigt zu sein, den für die Internodialanastomosen ausgesprochenen Satz auf sämtliche Bündel- verbindungen auszudehnen und zu sagen: den Bündelverbin- dungen kommt wohl in vielen Fällen eine gewisse mechanische Bedeutung zu, doch ist diese immerhin untergeordnet und als eine Nebenfunktion anzu- sehen. Die Hauptfunktion der Bündelverbindungen sehen wir darin, daß sie eine leichtere seitliche Ver- teilung des Wassers und der Nährsalze, vielleicht auch noch anderer geleiteter Stoffe über das axiale Leitungssystem ermöglichen. Beziehung der Typen zu ökologischen Gruppen. Es soll hier noch einiges über eine Fragestellung gesagt werden, wie sie im ersten Anfang der Arbeit im Vordergrund stand. Es wurde damals gefragt, ob sich etwa das Auftreten der Bündelverbindungen als eine Anpassung an gewisse ökologische Faktoren auffassen lasse, mit anderen Worten, ob sich bei ge- wissen Ökologischen Gruppen Bündelverbindungen vorfinden und bei anderen nicht. Je mehr sich die Bündelverbindung im Laufe der Untersuchung als eine fast allgemeine Eigenschaft der be- handelten Pflanzenformen herausstellte, verlor diese Fragestellung an Berechtigung. Jetzt kann sie nur noch lauten: lassen sich in 280 Friedrich Sauerbrei, den verschiedenen Typen der Bündelverbindungen Anpassungs- zustände an gewisse Lebensbedingungen erkennen? Da sich auf diese Frage keine positive Antwort hat geben lassen, sollen hier nur ganz kurz drei Grupen betrachtet werden, um an ihnen die Inkongruenz zwischen ökologischem Typ und Typus der Bündel- verbindung zu zeigen. Bei dem funktionellen Zusammenhang, der zweifellos zwischen Wasserleitung in der Pflanze und Bündelverbindungen vorhanden ist, wäre es von vornherein denkbar, daß bei den Hygrophyten, denen das Wasser reichlich zur Verfügung steht, sich ein Zusammen- hang zwischen dem Vegetationsmedium und der Ausbildung der Bündelverbindungen zeigt. Den Milchröhren wird heute!) neben ihrer Funktion als. Aufnahmeort gewisser überflüssiger Stoffwechselprodukte vielfach eine direkte Bedeutung für die pflanzliche Ernährungsphysiologie zugesprochen, insofern als man eine Beteiligung an der Leitung kohlehydrat- und eiweißartiger Bildungsstoffe annimmt. Außer- dem?) werden dem Milchsaft zwei Nebenfunktionen zugeschrieben, die in ökologischer Hinsicht von Bedeutung sind. Einerseits ge- rinnt er rasch an der Luft und erzeugt so bei mechanischen Ver- letzungen einen schnellen Verschluß der Wunde, andererseits kommt er wegen seiner (vielfach giftigen) Eigenschaften als Schutz- mittel gegen Tierfraß in Betracht. Es wäre vielleicht denkbar, daß sich eine Beziehung zu der einen oder anderen dieser Eigen- schaften in einer besonderen Ausbildung der Bündelverbindungen bei den Milchsaftpflanzen äußert. In ähnlicher Weise könnte man fragen, ob etwa bei den giftigen Pflanzen überhaupt, die ja besonders gegen Angriffe der Tierwelt geschützt erscheinen, ein besonderer Modus dieser Verbindungen zutage tritt. Wie sich aus den speziellen Ausführungen ergibt, ist in keinem dieser Fälle ein derartiger Zusammenhang verwirklicht. Es seien hier einige Beispiele angeführt. Hygrophyten. Es zeigen: Nasturtium officinale: lange Zeit nur Anastomosen über der Blattlücke respektive dem Achselsproß, in ältesten Teilen even- tuell nach Eintritt des kontinuierlichen Cambium-Ringes ein solides Rohr. 1) Vgl. die Darstellung von HABERLANDT, ]. c. p. 310ff. 2) Ibid., p. 314. EEE — Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengell. 281 Cardamine amara: zunächst Anastomosen über der Blattlücke re- spektive oberhalb des Achselsprosses, in älteren Teilen schräge Anastomosen auch im Internodium. Berula angustifolia, Phellandrium aquaticum: einen voll- kommenen Anastomosengürtel im Knoten unter Anschluß der eintretenden Spurstränge, im Internodium getrenntbleibende Bündel. Lysimachia nemorum: vollkommenen Knotenanastomosengürtel ohne Anschluß der eintretenden Spuren. Im Internodium dauernd getrennte Bündel. Veronica Beecabunga, scutellata, Anagallis: ein frühzeitig solides Bündelrohr. Caltha palustris: einen vollkommenen Anastomosengürtel im Knoten, bei teilweisem Anschluß der eintretenden Spurstränge, im Internodium dauernd getrennte Stränge. Ranunculus sceleratus: einen partiellen Anastomosengürtel im Knoten, sonst wie Caltha. Milchsaftpflanzen. Es zeigen: diePapaveraceen: mehr oder weniger zahlreiche Internodialanastomosen, zum Teil auch Knotenanastomosen, eventuell partiellen Knoten- gürtel (vgl. speziellen Teil). Von den untersuchten Arten be- sitzen sämtliche Milchsaft, der allerdings den oberirdischen Organen von Eschscholtzia fehlt. die Campanulaceen: ein frühzeitig solides Rohr. Sämtliche unter- suchten Arten weisen Milchsaft auf. Humulus: bald zwei partielle, später einen vollkommenen Knoten- gürtel, der durch seitliche Verbreiterung der Bündel infolge des Cambium-Wachstums gebildet wird; die eintretenden Spuren sind nicht angeschlossen. Cannabis: wie Humulus, später solides Rohr durch sekundäres Dickenwachstum. Euphorbia: bald solides Rohr durch sekundäres Dickenwachstum. Giftige Pflanzen. Bezeichnung der Giftigkeit nach Leunis-FRAnk!): 7 wenig giftig oder schädlich oder als giftig oder schädlich verdächtig, 7 giftig, rr sehr giftig. Es zeigen: + Chelidonium: partiellen Knotengürtel, an den die eintretende Spur angeschlossen ist, einzelne Anastomosen im Internodium. r Viola-Arten: partiellen Anastomosengürtel im Knoten, meist unter teilweisem Anschluß der eintretenden Spurstränge, im Inter- nodium Bündel getrennt. 7 Humuluss. o. 1) J. Leunıs, Synopsis der Pflanzenkunde. III. Auflage von A. B. Frank, Bd. I, 1883, p. 889 ff. 282 Friedrich Sauerbrei, rt Caltha palustris s. o. tr Cannabis s. o. r Mercurialis: vollständigen Anastomosengürtel im Knoten unter Anschluß der eintretenden Spur, Bündel im Internodium bei M. perennis dauernd getrennt, bei M.annua später solides Rohr infolge sekundären Cambium-Wachstums. tr Phellandrium s. o. tr Euphorbia s. o. tr Clematis: vollkommenen Anastomosengürtel im Knoten unter Anschluß der Spur, im Internodium getrennte Bündel. tr Aconitum: partiellen Anastomosengürtel im Knoten ohne An- schluß der eintretenden Spur, mehr oder weniger zahlreiche Anastomosen im Internodium. rrr Papaver somniferum: im Internodium und Knoten einzelne Anastomosen, eventuell partiellen Knotengürtel unter teilweisem Anschluß der eintretenden Spur, im Internodium sonst dauernd getrennte Bündel. trr Ranunculus scleratus s. o. trr Delphinium Staphysagria: im Internodium und Knoten Anastomosen, eventuell im Knoten partiellen Gürtel ohne Anschluß der eintretenden Spur. 7 T Schon diese wenigen Beispiele zeigen, daß innerhalb der drei Gruppen keine Gesetzmäßigkeit herrscht, daß vielmehr die Typen ganz regellos verteilt erscheinen. Dies ist, wie man sieht, bei den angeführten giftigen Pflanzen auch der Fall, wenn man die nur verdächtigen Arten ganz außer Betracht läßt. Auch zwischen der Art der Verzweigung des Sprosses und dem Typus der Bündelverbindung ließ sich keine Beziehung erkennen, beide sind unabhängig voneinander. (Man vergleiche z. B. die Fu- mariaceen.) Es sei hier noch kurz auf eine Auffassung FRIEDRICH WETTSTEINS eingegangen, die dieser gelegentlich und ohne nähere Begründung in seiner Abhandlung über die Entwicklung der Beiwurzeln einiger dicotyler Sumpf- und Wasserpflanzen !) äußert. Er sagt dort: „Die Leitbündel sind zu einem einzigen Bündel- ring vereinigt bei Veronica beccabunga L., Lysimachia nummu- laria L., Jussiaea grandiflora MıcH. und Myriophyllum verticilla- tum L. „Die einfache Stranganordnung ist vermutlich dem gestaltenden Einfluß des Wassers zuzuschreiben. Bei gesonderten Leitbündeln ist der Transport des Wassers in bestimmte, voneinander un- abhängige Bahnen eingeengt, was bei Landpflanzen insofern von 1) Beih. bot. Centralbl. 1906, XX, Abt. 2, p. 58. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 283 Wert ist, als eine Regulierung der Wasserversorgung der ein- zelnen Pflanzenteile möglich ist. Da den Sumpf- und Wasser- pflanzen unbeschränkt Wasser zu Gebote steht, unterbleibt hier die Isolierung der einzelnen Stränge.“ Diese Auffassung ist in mehr als einer Hinsicht unberechtigt. Einmal nämlich ist bei Veronica das solide Bündelrohr keines- wegs auf unsere drei hygrophytischen Arten beschränkt, sondern findet sich ebensogut bei landbewohnenden Arten, z. B. bei V. Chamaedrys, gentianoides usw., die von mir untersuchten 10 Arten besitzen es sämtlich schon in frühem Stadium. Es scheint hier als (ökologisch einstweilen unverständlicher) Gattungs- charakter aufzutreten. Unter den Lysimachien besitzen neben nummularia auch einige größere wasserliebende Formen ein solides Bündelrohr (vul- garis, punctata, ephemerum, ciliata), dagegen bleiben bei der ebenfalls feuchtigkeitsliebenden Lys. nemorum die Bündel im Inter- nodium getrennt. Ferner ist das solide Bündelrohr auch vielfach bei anderen Landpflanzen verbreitet. Ich erinnere nur an die Campanulaceen und die Rubiaceen. Weiter glaube ich durch diese Untersuchung gezeigt zu haben, daß auch in Fällen, wo das Bündelrohr nicht solid wird, in der Regel Verbindungen der Gefäßbündel vorhanden sind, so- daß diese gar keine „voneinander unabhängigen Bahnen“ dar- stellen. Und schließlich scheint mir eine „Regulierung der Wasser- versorgung“ gerade durch den seitlichen Zusammenhang der ver- schiedenen Leitungswege zum mindesten stark begünstigt zu werden, ob nun dieser Zusammenhang durch einzelne Anastomosen bei sonst getrennten Bündeln oder durch Verschmelzung der Gefäßbündelstränge zum soliden Bündelrohr hergestellt wird. Auch von einem „Unterbleiben der Isolierung der einzelnen Stränge“ darf man strenggenommen nicht sprechen, da wie bei an- deren Formen mit solidem Rohr (vgl. Galium Mollugo, p. 231), so auch bei Veronica, die ersten Gefäße und Siebröhren „in den Blattspurpartien‘ auftreten!), es sich also hier um ein Verschmelzen der Spurstränge, bei den Formen mit isolierten Strängen um ein Unterbleiben dieser Verschmelzung handelt. 1) Vgl. im Just 1892, I, p. 572 das Referat über JuELs Arbeit in Acta Horti Bergiani, Bd. II, 1892. 284 Friedrich Sauerbrei, Knotenanschwellungen. Auf eine Frage will ich noch hinweisen, weil sie sich viel- leicht weiter ausbauen läßt. StaHL hat in seiner Abhandlung über den Sinn der Mykorrhizenbildung'!) durch Wägungsversuche gezeigt, daß die Knotenanschwellungen an der Achse der Sileneen als Wasserreservoire wirksam sind, in denen die Pflanze bei herabgesetzter Transpiration nicht unerhebliche Mengen von Wasser zu speichern vermag, um es bei Bedarf wieder daraus zu ent- nehmen. Es kommen nun derartige Knotenanschwellungen, die vielleicht eine ähnliche Bedeutung haben, bei verschiedenen anderen krautigen Dicotylen vor. Betrachten wir kurz die von mir unter- suchten derartigen Formen und die Beziehung der Leitbündel- verbindungen zu den Anschwellungen. Es zeigen: Polygonum Bistorta und divaricatum, bei denen die Achse über der Blattansatzstelle angeschwollen ist, einen voll- kommenen Knotengürtel; die Caryophyllaceen (Sileneen und Alsineen) meist vollkommenen Gürtel oder solides Bündelrohr; die Rubiaceen oberhalb ihres Wirtels wenig, aber doch deutlich angeschwollene Achse und solides Rohr; die Geraniaceen, bei denen die Basis der Achselsprosse und die Hauptachse im Knoten angeschwollen sind, haben einen vollkommenen Gürtel je um die Achse und die Basis der Achsel- sprosse; bei den Balsaminaceen, bei denen die Achse im Knoten, sowie die Basis der Achselsprosse starke Anschwellung aufweist, sitzt der Achselsproß auf einem kräftigen Anastomosenring auf; Mercurialis perennis besitzt eine deutliche, wenn auch geringe Knotenanschwellung, M. annua eine sehr kräftige und ebenfalls angeschwollene Achselsproßbasis. Bei beiden Arten ist ein gewöhnlich vollkommener Knotengürtel vorhanden, bei annua wird die Achselsproßbasis von einem Anastomosenring umfaßt. Bei Chelidonium läuft ebenfalls ein vollkommener Ana- stomosengürtel um die kräftig angeschwollene Basis des Achsel- sprosses, und ähnlich ist es bei Corydalis lutea, ochroleuca, glauca. 1) Pringsh. Jahrb., Bd. XXXIV, Heft 4, p. 600f. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 285 Man möchte versucht sein, diese nahe allseitige Beziehung des Leitbündelgewebes zu den Anschwellungen als eine Einrichtung zur raschen Füllung (und Entleerung) des Wassergewebes anzusprechen, wenn sich auch dagegen einwenden läßt, daß erstens derartige Anastomosenverbindungen rings um die Basis des Achselsprosses auch bei Formen anzutreffen sind, wo keine Anschwellung vor- handen ist, z. B. bei Fumaria Vaillantii, und daß zweitens eine von mir untersuchte Form — allerdings als einzige — Mimulus luteus, deren Stengelknoten kräftige Verdickung zeigt, dort erst in ältesten Stengelteilen einen vollkommenen Gürtel des Bündelrohres aufweist. Aber gerade bei dieser Pflanze wird Textfig. . Carduus nutans. Querschnitt einer feinen Büudelanastomose, die in ihrer Querschnittsgröße etwa einer Markstrahlzelle entspricht. Vergr.390. schon in jungen Knoten durch Anastomosen der drei Spurstränge und HanstEinsche Seitenverbindung ein rindenständiger voll- kommener Bündelgürtel hergestellt. Es wäre vielleicht eine lohnende Aufgabe, die krautigen Pflanzen mit Knotenanschwellungen auf die angeschnittene Frage hin einer vergleichenden Untersuchung zu unterziehen. Hierbei wäre jedesmal anatomisch und experimentell fest- zustellen, ob die Anschwellung als Wasserspeicher fungiert, denn in gewissen Fällen sind Verstärkungen der Achse in der Nähe des Knotens als rein mechanische Einrichtungen zur Verstärkung der interkalaren Wachstumszone zu deuten!). 1) Vgl. HABERLANDT, Phys. Anat., 4. Aufl., p. 168. Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 19 286 Friedrich Sauerbrei, Eine Beziehung soll nicht ganz unerwähnt bleiben. Es be- sitzen nämlich meine Formen mit frühzeitig solidem Bündelrohr (vgl. p. 266, III) fast durchweg einsträngige, meist breit einsträngige Blatt- spur. Nur bei Lysimachia eiliata kommt zu dem breiten Median- strang noch jederseits ein feiner, ich möchte fast sagen, akzessorischer Lateralstrang hinzu, der auf den Bündelverlauf übrigens keinen Ein- fluß hat. Die breiten Medianstränge verlaufen wie bei den ver- wandten Lysimachien mit einsträngiger Spur (z. B. L. vulgaris), und die lateralen setzen sich an diese an. — Es kommen einsträngige Spuren aber ebensogut unter den anderen Typen vor. Überschauen wir die letzten Ausführungen nochmals kurz und fassen wir ihren Inhalt zusammen, so können wir sagen: die verschiedenen Typen der Bündelverbindungen im Stengel der krautigen Dicotylen lassen sich ebensowenig wie im wesentlichen der Bündelverlauf im Stamme!) überhaupt als „direkte Kon- sequenzen von Anpassungen“ erkennen. Wir müssen uns viel- mehr vorläufig auch in diesem Falle, wie so oft, wo uns eine nähere Einsicht versagt ist, mit der viel ausgesprochenen Wahr- heit begnügen, daß der Natur zur Erreichung desselben End- erfolges mannigfache Wege zu Gebote stehen, ohne daß wir im Einzelfalle einsehen können, warum sie diesen oder jenen geht. Anatomisches. Unter den Bündelverbindungen nehmen unser besonderes Interesse die Anastomosen in Anspruch; deshalb sei hier über ihre genauere Anatomie noch folgendes gesagt. Sie stellen auf dem Querschnitt gewöhnlich normal, öfter auch ein wenig schräg orientierte kollaterale Bündelchen dar, selbst wenn die Haupt- stränge bikollateral sind, wie z. B. bei Carduus nutans (vgl. Fig. ?). Die trachealen Elemente des Holzteiles sind in den Knoten- anastomosen Tracheiden oder kurzgliederige Gefäße (beiderlei Ele- mente z. B. bei Polygonum divaricatum vorhanden); in den internodialen Anastomosen kommen ebenfalls Tracheiden (vgl. die Zeichnung von Carduus nutans, Fig. 8) oder Gefäße (z. B. bei Chelidonium maius, Fig. 9) oder auch beides vor (Corydalis nobilis, größere Anastomosen von Carduus nutans). Zusammenstellung der Hauptresultate. 1. Es ist eine weitverbreitete Eigenschaft der krautigen Dicotylen, ihren primären Gefäßbündelverlauf, wenn nötig, durch 1) De Barry, Vergl. Anat,, p. 245. Leitbündelverbindungen im krautigen Dicotylenstengel. 287 nachträgliche Veränderungen derart zu modifizieren, daß in mittleren und unteren Stengelteilen sämtliche in einem Knoten vorhandenen Stränge, eingerechnet die dort eintretenden Spurstränge, inner- halb weniger aufeinanderfolgen- der Stengelglieder (Knoten oder Internodien) miteinander in seit- licher Verbindung stehen. Die Anzahl dieser Knoten oder Inter- nodien überschreitet gewöhnlich die Zahl 5, oft auch die Zahl 4 nicht. 2. Die Verbindung der axialen Bündel kann auf ver- %% ° E REAHNDIFA eis „® Textfie. & Carduus Textfie. 9. Chelidonium nutans. Tangentialan- maius. Gefäßteil einer Bündel- sicht des Gefäßteiles einer anastomose zwischen zwei starken Bündelanastomose zwi- Stengelsträngen, von denen nur schen zweistarken Stengel- einige Elemente gezeichnet sind. bündeln, von denen nur Tangentialansicht nach einem wenige Elemente gezeich- durchsichtig gemachten Präparat. net sind. Vergr. 97. Vergr. 45. Schiedene Art und Weise zustande kommen, man kann danach die dicotylen Kräuter in die oben aufgeführten Typen einordnen. 195 288 Sauerbrei, Leitbündelverbind. im krautigen Dicotylenstengel. 3. Diese Typen der Bündelverbindung stehen in gewissen Fällen mit den systematischen Gruppen in Korrelation, während in anderen Fällen eine derartige Beziehung vermißt wird. 4. Dagegen ist es nicht gelungen, eine ökologische Bedeu- tung der verschiedenen Typen festzustellen. 5. In physiologischer Beziehung schreiben wir den Leitbündel- verbindungen in vielen Fällen eine gewisse Bedeutung für dieFestigung des Pflanzenkörpers zu, betrachten diese aber als Nebenfunktion und sehen ihre Hauptfunktion darin, daß sie eine leichtere seit- liche Verteilung des Wassers und der Nährsalze, vielleicht auch noch anderer geleiteter Stoffe über das axiale Leitungssystem ermöglichen. 6. Bei Formen, welche im Knoten oder an der Basis der Achselsprosse Anschwellungen aufweisen, scheint eine nahe Be- ziehung der Anschwellungen zum Leitsystem vorhanden zu sein; es werden in oder direkt unter den Anschwellungen vollkommene Gefäßbündelgürtel gefunden, wenn nicht ein solides Bündelrohr vorhanden ist. Zur Biologie und Anatomie von Cloöon dipterum L., Baetis binoculatus L. und Habrophlebia fusca Curt. Von Heinrich Heiner, Münster i. W. Mit 43 Figuren im Text. Vorwort. Als ich im Sommer 1911 Herrn Universitätsprofessor Dr. W. STEMPELL, den Direktor des zoologischen Instituts der hiesigen Universität, bat, mir ein Thema für eine Dissertationsarbeit zu stellen, beauftragte er mich, die Ephemeriden Clo&on dipterum, Baötis binoculatus und Habrophlebia fusca biologisch und ana- tomisch zu bearbeiten, in der richtigen Überzeugung, daß es nur auf Grund von ganz detaillierten Untersuchungen über alle Ver- treter einer Tiergruppe möglich ist, ein zutreffendes, vergleichend- biologisches und anatomisches Urteil über die betreffende Gruppe zu fällen. Die Resultate dieser mir durch meine geringe Mitarbeit an der Monographie von Siphlurus lacustris von DRENKELFORT (1910) so günstig liegenden Arbeit habe ich in folgenden Blättern niedergelegt. Da es von vornherein klar war, daß sehr viele Über- einstimmungen mit den schon veröffentlichten Untersuchungen über Ephemeriden zu konstatieren waren, habe ich möglichst Wiederholungen zu vermeiden gesucht und bin nur da auf die Literatur näher eingegangen, wo es zum Verständnis der Sache unbedingt notwendig, zum Teil auch, wo Unrichtiges richtig zu stellen war. Sollte dadurch vorliegende Arbeit an einzelnen Stellen, so besonders bei der inneren Anatomie, einen etwas fragmen- tarischen Charakter angenommen haben, so möge man das dem Zwecke der Arbeit, der eine erschöpfende Behandlung der vor- liegenden Tiere nicht verlangte, zugute halten. Für die Stellung des Themas, ferner für Überlassung eines Arbeitsplatzes in seinem Institute und für das mir zur. Verfügung gestellte Institutsmaterial von Ephemeridenlarven, weiterhin für 290 Heinrich Heiner, die liebenswürdige Unterweisung und Unterstützung bei Abfassung der Arbeit spreche ich meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. W. STEMPELL meinen wärmsten Dank aus. An zweiter Stelle danke ich Herrn Oberlehrer Dr. DRENKELFORT, dem Verfasser der Arbeit über Siphlurus lacustris, der mir nicht nur seine gesamten Sehnittserien zur Verfügung stellte, sondern mir auch durch manchen Ratschlag wesentliche Dienste leistete. Dank bin ich ferner schuldig dem Herrn Privatdozenten Dr. THIENEMANN für Überlassung von Literatur aus seiner Privatbibliothek, ebenso dem Herrn Assistenten Dr. H. JAKOBFEUERBORN für seine Rat- schläge bei Anfertigung der Figuren. Nicht unterlassen möchte ich es, Herrn stud. rer. nat. W. SCHWERMER, der zu derselben Zeit im hiesigen Institute die Perliden bearbeitete, für seine Unter- stützung zu danken, ebenso meinem jüngeren Bruder für die An- fertigung von Auszügen aus einzelnen Werken der Literatur. Fundorte, Beschaffung und Behandlung des Materials. Nach KıarAreX (1909, p. 3) halten sich die Larven der Eintagstliegen in fließenden Gewässern auf, „obwohl“, wie er sagt, „einige Arten auch in den Teichen und Seen sieh entwickeln“. ZimMER (1897, p. 240) findet Larven von Clo& pumila und Clo& fuscata nur an Stellen, an denen das Wasser „reißend über Kies hinwegströmt“, was er mit dem großen Sauerstoffbedürfnis der Tiere erklärt. Im Gegensatze dazu berichtet BERNHARD (1907, p. 476): „„Die an den beweglichen, doppelblätterigen Kiemen leicht kenntlichen Larven von Clo&on leben ausschließlich in stehenden Gewässern, sind jedoch in fast jedem noch so kleinen, freiliegenden Teich oder Tümpel in großer Zahl zu finden, nicht bloß in der Ebene, sondern auch in beträchtlicher Höhenlage.“ Ich selbst beobachtete Larven der Gattung Clo&on in stehenden wie langsam fließenden Gewässern, deren Grund mit Wasserpflanzen bewachsen war, immer in großer Anzahl, in schneller strömenden, z. B. der Weser und deren Nebenflüssen nur in vereinzelten Exemplaren. In der Umgegend von Münster sind sie zahlreich in der Aa vorhanden, aber auch nur oberhalb der Stadt, während ihnen der Aufenthalt unter- halb derselben durch die in den Fluß abgeleiteten Schmutzwässer unmöglich gemacht wird. Bei der großen Verbreitung dieser Gattung läßt sich die interessante Tatsache konstatieren, daß die einzelnen Niederschlagsgebiete, sofern sie klimatisch und geologisch ver- Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 291 schieden sind, in der Durchschnittsgröße speziell der Schwanz- borsten und Tracheenkiemen variierende Individuen aufweisen. Baötislarven halten sich in rasch strömenden Gebirgsbächen mit steinichtem Grunde auf, bei Münster nur in den Bächen der Baum- berge, besonders in dem Quellgebiete der Aa. Die Larven der Gattung Habrophlebia sind recht selten, lieben ein langsam fließen- des Gewässer, das stark mit Wasserpflanzen durchsetzt ist, zwischen denen sie sich aufhalten; ich habe sie bei Münster nur in dem die Bauernschaft Gievenbeck durchschneidenden, sogenannten Guört- pott gefunden. Larven von Habrophlebia und Siphlurus fand ich immer, von Clo&on und Caenis sehr oft zusammen, dagegen auch immer Baötis allein vor, in ihrer Gesellschaft immer Larven von Libellen, Nemura, Wasserkäfern, Ostracoden, Gammarus usw. Bezüglich der geographischen Verbreitung der vorliegenden Gattungen verweise ich auf KrAPArer (1909, p. 121f.). Clo&eon- und Baötislarven sind leicht mit dem Kescher, Habrophlebialarven nur durch Herausreißen der Wasserpflanzen und durch sorgfältiges Absuchen derselben zu erlangen. Clo&on übersteht den Transport im Sammelglase gut, weniger Habro- phlebia, während es nur selten und bei sehr häufigem Wechseln des Wassers gelingt, Baötislarven lebend ins Aquarium zu bringen. In dem letzteren halten sie es hier in Münster längere Zeit über- haupt nicht aus, da ihnen die chemische Zusammensetzung des Leitungswassers und die Temperatur desselben nicht zusagt. Imagines vermag man durch Fang im Freien und durch Auf- zucht im Aquarium leicht in genügender Anzahl sich zu verschaffen. Getötet wurden die Tiere — ich gebe nur die erfolgreichste Methode an — durch Übergießen mit heißem Sublimat-Alkohol, vermischt mit einigen Tropfen Eisessig; beim Übergießen wurden die Tiere durchschnitten, damit möglichst alle Organe durchtränkt wurden. Zwecks makroskopischer Präparation wurden die Tiere 24 Stunden mit Parakarmin behandelt und unter Lupe und Bin- okular mit Nadeln in ihre einzelnen Teile zerlest, die in Glyzerin- gelatine oder Kanadabalsam eingeschlossen wurden. Um Schnittserien herzustellen, wurde der Chitinpanzer, auch bei frisch gehäuteten Tieren, in stark verdünntem Eau de Javelle oder in Hewnınescher Lösung erweicht. Dann wurden die Objekte nach erfolgter Entwässerung und je Östündiger Behand- lung mit Xylol und Xylolparaffin 24 Stunden in reines Paraifin gelegt, um dann eingebettet zu werden. Später benutzte ich an 292 Heinrich Heiner, Stelle von Xylol Benzol, durch welches das Chitin nicht so sehr gehärtet wurde. Die Schnitte, die in einer Dicke von 5,10 und 15 u in sagit- taler, frontaler und transversaler Richtung hergestellt wurden, färbte ich mit DerArıeLpschen Hämatoxylin, färbte mit 4proz. Eosin kurz nach und schloß sie dann in Kanadabalsam ein. A. Biologie. 1. Larvulastadium. Bezüglich des Embryonalstadiums, auf das sich meine Unter- suchungen nicht erstreckten, verweise ich auf die Arbeiten von R. Heymons (1896, p. 1—66; 1895, p. 1—836). Das aus dem Ei ausschlüpfende Tier besitzt bei allen Epheme- ridengattungen schon die Gestalt der ausgewachsenen Larve, wovon Clo&on dipterum insofern eine Ausnahme macht, als die mittlere Schwanzborste später erscheint als die beiden seitlichen ; diese morphologische Differenz in der medianen und lateralen Schwanzborstenanlage, die bei den schnell aufeinanderfolgenden, ersten Häutungen durch ein rasches Wachsen der mittleren Schwanz- borste recht bald beseitigt wird, ist schon von LuBBock (1863), der die mediane Schwanzborste in seiner Figur eines ganz jungen Tieres nicht einmal andeutet, ferner von VAYsSIERE (1882) und anderen beobachtet worden. Die Atmung geht auf diesem Stadium, da Tracheenkiemen fehlen und die Stigmen sämtlich geschlossen gehalten werden, durch die zarte Körperwand vor sich, während wiederum Clo&on dipterum als Ausnahme eine schon von DRENKEL- FORT (1910, p. 533ff.) beobachtete Darmatmung besitzt, die bis in das späte Larvenalter beibehalten wird. Die Tiere ziehen von Zeit zu Zeit Wasser in den Darm und stoßen es wieder aus, ein Vorgang, der sich häufiger wiederholt, sobald das Tier in einer geringen Wassermenge Mangel an Sauerstoff leidet. Eine Ver- ästelung von zahlreichen Tracheen an der Darmwand oder gar ein Durchbrechen derselben durch diese und Bildung von Darm- kiemen, wie sie bei einzelnen Libellenarten vorkommen, ist hier nicht vorhanden, so daß man einen direkten Gasaustausch durch die Darmwand hindurch annehmen muß. Im übrigen ist die Lebens- weise der Tiere auf diesem Stadium gleich der der Larven. 2. Larvenstadium. Das Larvenstadium wird charakterisiert durch die Änderung der Respirationsvorrichtungen. Da die Körperhaut wegen Bildung Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 293 von Chitin für die Luft undurchlässig geworden ist, so wird die Atmung auf die Tracheenkiemen, deren Form und Funktion später beschrieben werden soll, lokalisiert. Die Darmatmung von Clo&on dipterum verschwindet immer mehr im Verhältnis zum Erscheinen der einzelnen Tracheenkiemen, wird aber bei Sauerstoffmangel von den ausgebildeten Larven wieder zu Hilfe gezogen. Betreffs der Ortsveränderung gleichen die Cloöonlarven völlig denen von Siphlurus lacustris, deren Art zu schwimmen von DRENkKELFORT (1910, p. 535) eingehend dargelegt worden ist. Das Schwimmen charakterisiert sich durch ein fortwährendes Schlängeln des ganzen Körpers, durch ein schnelles Auf- und Abwärtsschlagen des Abdomens mitsamt der Schwanzborsten und ist am besten zu vergleichen mit der Schwimmbewegung der Fische, wenn man die Bewegungen ihres Schwanzes 90° um die Längsachse des Körpers sich gedreht denkt. Die Tiere vermögen einem ziemlich starken Strome Widerstand zu leisten, was schön zu beobachten ist, wenn man die Larven in ein hohes, zylinder- förmiges Gefäß setzt und vom Boden her nach oben einen starken Strom leitet. Da die Tiere sich nicht anklammern können, streben sie, um nicht weggespült zu werden, immer dem Boden zu, so dab sie sozusagen auf dem Kopfe stehen. Der Wasserstrom läßt sich so genau regulieren, daß die Larven an einer Stelle fest- gehalten werden, ihre Vorwärtsbewegung also durch die Bewegung des Wassers aufgehoben wird. Die Schwanzborsten dienen in der Hauptsache zur Fortbewegung des Tieres; schneidet man nämlich sämtliche Schwanzborsten kurz vor dem Körperende ab, so ver- ringert sich die Schnelligkeit um mehr als die Hälfte. Ein gutes Gleichgewichtssteuer besitzen die Larven von Clo&on dipterum in dem letzten Tracheenkiemenpaar, das aus einem einfachen Blatte besteht und niemals an den vibrierenden Bewegungen der übrigen teilnimmt, auch sich beim Schwimmen nicht an den Körper anlegt. Die beiden Blätter sind am Hinter- rande des 7. Segmentes inseriert und nehmen eine zur Längs- richtung des Körpers schräge Stellung ein, die sich von der ventralen Seite zur dorsalen nach hinten erstreckt. Indem sie ihre Stellung der jeweiligen Geschwindigkeit des Tieres im Wasser anpassen, drücken sie das Abdomen nach unten, da ja dieses einmal schon infolge seiner Gewichtsdifferenz mit dem anderen Teile des Körpers, wohl auch wegen des heftigen Abwärtsschlagens der Schwanz- borsten nach oben zu steigen bestrebt ist. Verletzt man ein Blatt 294 Heinrich Heiner, dieses letzten Kiemenpaares, so schwimmt die Larve in Spiral- linie schräg nach unten. Die Meinung Tümpers (1910, p. 104), daß die Tracheenkiemen ‚‚durch ruderähnliche Bewegungen die Larven beim Schwimmen unterstützen“, ist unzutreffend. Ja, schon 1876, p. 77 meint LuBBock richtig: „Es ist allerdings wahr, daß bei Clo&on die schwingende Bewegung der Branchienkiemen, wenn überhaupt für die Lokomotion von Nutzen sein kann, die Branchien sind zu weit nach hinten angebracht, als daß sie wirk- sam sein könnten‘). Unrichtig ist ferner die Bemerkung DRENKEL- FORTS (1910, p. 535), daß die Larven mit büschelförmigen Tracheen- kiemen ebenso gewandt und schnell schwimmen wie die mit blatt- förmigen, da sich z. B. Habrophlebia-Larven viel unbeholfener und langsamer durch das Wasser fortbewegen, was aber nur durch die abweichende Gestaltung des Abdomens bedingt ist. Bezüglich der Schwimmbewegung stimmen die Larven von Baötis binoculatus mit denen von Clo&on dipterum überein. Viel weniger als diese gehen die Larven von Habrophlebia. fusca zum Schwimmen über; sie verlassen sich fast nur auf ihre Beine. Sind sie aber zum Schwimmen gezwungen, so bewegen sie sich nur langsam und unbeholfen fort und zwar völlig anders wie die Clo&on- und Baötis-Larven, da ihre Schwanzborsten nicht behaart, das Abdomen zylindrisch, also zum Schwimmen in der beschriebenen Art und Weise ungeeignet ist. Der ganze Körper schlängelt sich vielmehr durch das Wasser fort und zwar nicht in wagerecht zur Medianebene des Körpers sich haltenden Be- wegungen, sondern in senkrecht dazu stehenden, so daß die Tiere in ihrer Schwimmbewesung völlig der Perlidenart Nemura gleichen, mit der sie leicht im Wasser verwechselt werden können. Die Beine der vorliegenden Gattungen sind sämtlich im Ver- hältnis zur Körpergröße kräftig entwickelt und zum Laufen wohl geeignet, wenn auch bei den Clo&on-Larven nicht in dem Maße wie bei den Larven von Habrophlebia fusca. Die Larven von Baötis binoculatus vermögen auf der Suche nach Nahrung nach allen Richtungen hin äußerst gewandt zu laufen, während die Habrophlebia-Larven das nur in geringerem Maße können. Bezüglich der Bewegungen der Tracheenkiemen und der Nahrung der Larven verweise ich auf VAyssıEre (1890), TÜMPEL (1901) und DRENKELFORT (1910), deren Beobachtungen mit den meinigen übereinstimmen. 1) Dieser in seiner Konstruktion fehlerhafte Satz ist wörtlich dem Original entnommen. Zur Biologie und Anatomie von Cloöon dipterum L. usw. 295 Die Lebensdauer der Larven festzustellen, ist sehr schwierig, da sowohl die Erscheinungszeit der geflügelten Tiere als auch das Alter der Larven durch die Witterung, die Nahrungsverhältnisse, die chemische Beschaffenheit des Wassers usw. in hohem Maße beeinflußt wird. Das aber weiter auszuführen, wird der Schluß des folgenden Kapitels Gelegenheit geben. 3. Nymphenstadium. Das Nymphenstadium wird charakterisiert durch die große Ruhe des Tieres, durch die allmählich einsetzende Änderung der Respirationsvorrichtungen und durch die weißschimmernde Farbe des Körpers, die durch Ansammluxug von Gas zwischen der Haut der Nymphe und der schon gebildeten Subimago hervorgerufen wird. Das Tier hat bei allen Gattungen seine frühere Lebhaftig- keit verloren und hält sich fast immer an der Oberfläche des Wassers auf. Bezüglich des Überganges von Wasser- zur Luftatmung ver- weise ich auf das Kapitel über die Respiration. Kurz vor der Häutung zum Luftleben wird der sämtliche Inhalt des Darmes ausgestoßen, der Darm mit einem luftförmigen Gase angefüllt und hermetisch durch den Sphinkter nach außen hin verschlossen. Im Gegensatz dazu findet Frırze (1889, p. 75 bis 77) den Darm der Subimagines mit Wasser angefüllt, eine Beobachtung, die durch die meinigen nicht bestätigt wird. Die Gattungen Clo&on und Baötis besitzen nun auf dem Larvenstadium drei, auf dem der Subimago nur zwei Schwanz- borsten, verlieren also beim Übergange zum Luttleben die mittlere, eine Tatsache, die schon früh bekannt war, und welche man durch Atrophie zu erklären suchte. DRENKLLFORT (1910, p. 5391.) hat hier bei Siphlurus lacustris festgestellt, daß eine Selbstamputation stattfindet, die ich für die Gattungen Clo&on und Baetis in allen ihren Teilen vollständig unterschreiben kann. Nur ganz kurz will ich sie hier daher wiederholen. Kurz vor dem Hinterende des Körpers schnürt sich die in der alten Hülle neu gebildete, mittlere Schwanzborste ein und zwar so eng, daß sie bei der Häutung ganz abreißt; ein kurzer Stummel bleibt an dem Körper haften. Die beiden seitlichen Schwanzborsten legen sich, da sie bedeutend länger sind als ihre Hüllen, in diesen spiralig an die Wand an. Macht man nun Querschnitte durch die drei Schwanzborsten einer Nymphe, so läßt sich feststellen, daß in den beiden seit- 296 Heinrich Heiner, lichen Schwanzborsten eine normale Häutung mit Ausbildung der definitiven Imaginaleutieula stattgefunden hat, während das Epithel und die übrigen Gewebe der mittleren Schwanzborste mannigfache Zeichen von Degeneration (Vakuolenbildung) zeigen und hier auch eine Ausbildung der Imaginaleutieula nicht zu kon- statieren ist. Um diese Verhältnisse näher darzulegen, gebe ich nebenstehende Figuren, die einer Querschnittserie einer Nymphe von Clo&on dipterum entnommen sind. Fig. 1 zeigt uns die starke Degene- ration der mittle- Textfig. 1. ren Schwanzbor- ste(Mm),während die seitlichen die schon entwickelte Imaginaleuticula (kn) aufweisen. Ferner erkennt man, daß die mitt- lere Schwanzbor- ste (Mm) stark aufgetrieben und Textfig. 2. : mit Blut angefüllt ’ en Kamp ka ist. Diese Auf- rm, kn treibung wird her- A _bı vorgerufen durch eine Einschnü- rung, welche das 2 Zurückströmen apl des Blutes aus MI der Schwanz- Textfig. 1 u. 2. Querschnittbilder durch die Schwanz- horste in den borsten einer Nymphe von Cloöon dipterum. #a Cuticula = 3 der Nymphen; #2 Cuticula der Subimagoschwanz- Körper verhin- borste; a5 Aorta posterior lateralis; a2 Aorta post. dert. Textfig. 92 med.; 52 Blut; a5 Amputationsstelle; 272 Laterale; : 3 Mm Mediane Schwanzborste. Vergr. 94:1. zeigt uns diese Einschnürung im Querschnitt (amp). Der physiologische Grund für das Aufquellen und Absterben des hinter der Einschnürungsstelle liegenden Schwanzborstenteiles wird also darin zu suchen sein, daß an der Einschnürungsstelle der Zu- und Abfluß des Blutes vollkommen unterbunden wird, daher auch keine Ernährung und kein Weiterwachsen des hinter der Einschnürung liegenden Teiles der Schwanzborste mehr möglich ist. Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 297 Eine biologische Erklärung für den Verlust der mittleren Schwanzborste gibt DRENKELFORT (1910, p. 55517). Er nimmt an, daß die Dreizahl der Schwanzborsten als die ursprüngliche anzu- sehen ist. ,‚Da aber,‘ um seine eigenen Worte zu gebrauchen, „die Männchen der Eintagsfliegen die mittlere Schwanzborste bei der Begattung als lästig und hinderlich empfanden, so gingen sie im Laufe der Entwicklung dazu über, sich dieselbe zu ampu- tieren. Bei Habrophlebia fusca, bei der die drei Schwanzborsten beim Übergange zum Luftleben erhalten bleiben, beginnen selt- samerweise bei den einzelnen Tieren die neu gebildeten Schwanz- borsten teils von der Spitze ab dem Körper zu, teils umgekehrt, was bei den anderen Gattungen die Regel ist, sich von der alten Hülle loszulösen und in die bekannte spiralige Ringelung zu legen. Ist der Augenblick des Überganges vom Wasser- zum Luft- leben gekommen, begeben sich die Nymphen von Clo&on dipterum und Baötis binoculatus an die Oberfläche des Wassers, um sich dort zu häuten, während Habrophlebia fusca immer erst zur Hälfte aus dem Wasser herauskriecht. Das Tier beginnt plötzlich das Abdomen lebhaft hin und her zu bewegen; eine schon vorgebildete Naht, die gleich noch näher beschrieben werden soll, platzt auf dem Thorax und der Stirn auf. Langsam erscheint das Tier, und zwar nicht wie bei Siphlurus lacustris zuerst mit dem Kopfe, son- dern mit Prothorax, unter den der Kopf stark nach unten gebogen ist. Sobald Kopf und Thorax, der erstere wiederum gerade gestreckt, erschienen sind, tritt eine Pause ein; dann werden die Flügel langsam entfaltet, die Beine gestreckt, und mit diesen zieht das Tier, schon auf dem Wasser stehend, die langen Schwanzfäden aus der alten Hülle, erhebt sich und fliegt zu dem ersten besten Gegenstande, der sich in der Nähe befindet. Erleichtert wird die Häutung der Nymphe zur Subimago durch die den Subimagines charakteristische Behaarung. Diese besteht aus ganz feinen, kleinen Haaren, die überall, auf den Beinen sowohl als auch auf den Flügeln, zu finden sind. Ihre Spitzen sind scharf umgebogen und zwar auf dem Körper dem Hinterende zu, auf den Beinen und den Flügeln den Spitzen derselben zu. Schon DRENKELFORT (1910, p. 575) glaubt, daß diese Haare auf den Flügeln „wahrscheinlich eine Rolle spielen beim Häuten, indem sie sich wie Widerhaken in die Flügelscheiden einbohren“. Dieselbe Funk- tion haben die Haare auf dem ganzen Körper, wo sie wie Sperr- 298 Heinrich Heiner, vorrichtungen wirken und die an sich so schwierige Häutung zur Subimago zu einer verhältnismäßig leichten machen. Bei den Nymphen von Clo&on dipterum ist die Naht, welche auf dem Thorax aufplatzt, in eigenartiger Weise vorgebildet. — Von den beiden anderen Tieren habe ich keine Nymphe geschnitten. — Die Naht kommt folgendermaßen zustande. Die Chitineuticula wölbt sich in einem schmalen Längsstreifen auf dem Pro- und Mesonotum. Diese Wölbung wird allmählich stärker, so daß die Verbindungsstellen derselben mit der übrigen Cuticula schließ- lich so dünn werden, daß ein nur geringer Druck genügt, um die Naht zum Aufplatzen zu bringen. Vorstehende Textfig. 3 zeigt uns die Naht im Queen 8 Wie kommt nun das Platzen der Haut zustande, wodurch wird das neue Tier aus der alten Hülle hinausgeschoben? Zwei Fragen, die bisher heiß umstritten sind ! Daß die Meinung MONNIERS(VAYSSIE- RE 1882, p. 97), dab ER a R a, ’ der Rückstoß der extfig. 3. Querschnitt durch die dorsale Wan . des Prothorax einer älteren Larve von Cloöon Luft, die den Darm dipterum. of Öffnungsstellen; #5 Körperepithel mit verläßt, das Tier aus Chitincuticula c}. Vergr. 234: 1. der alten Eile sozie sagen hinauswirft, nicht richtig ist, hat DRENKELFORT (1910, p. 542) in längeren Aus- führungen dargelegt. FrITzE (1889, p. 74ff.), der das Wasser mit „ziemlicher Kraft‘ in den Darm eintreten läßt, so daß die dadurch hervorgerufene Ausdehnung des Tieres die Nymphenhaut zum Platzen bringt, berücksichtigt nicht die unzweifelhaft auftretende Gasschicht zwischen alter und neuer Hülle, ebenso wie meines Er- achtens dann die Haut eher am Abdomen als am Thorax platzen müßte, und auch ferner Wasser im Darm der frisch ausgeschlüpften Subimagines von mir nicht gefunden ist. DRENKELFORT (18%, p. 545) schiebt das Platzen der Haut der aktiven Bewegung des neu ge- bildeten Tieres durch die eigene Muskulatur und dem mechanischen Drucke der spiralig aufgewundenen Schwanzborsten zu, was wohl bei der Zartheit des neuen Tieres kaum möglich sein wird. Es ist mir mehrfach gelungen, unter dem Binokular das Ausschlüpfen einer Subimago von Cloöon dipterum zu beobachten. Bis zum letzten Augenblicke blieb die Naht wie auch der ganze Körper silberglänzend infolge der Gasansammlung unter der Zur Biologie und Anatomie von Cloöon dipterum L. usw. 299 Nymphenhaut, während erstere doch bei einem Drucke des in der Hülle gebildeten Tieres gegen die alte Wand hätte dunkel werden müssen. Beim Platzen tritt an der Naht, da das Tier durch ein Glaskämmerchen unter Wasser gehalten wurde, zuerst ein Gas- bläschen auf, wodurch wohl unzweifelhaft erwiesen wäre, daß durch Gasdruck die Naht gesprengt wird, was noch durch einen anderen Vorgang näher begründet wird. Das Wasser, das nach Ausstoßung der Fäkalien auf dem Nymphenstadium in den Darm eindringt (FrıTzeE 1889, p. 741f.), mag das Tier ausdehnen und mit ihm die alte Hülle, wird dann aber wieder herausgepreßt und der Darm mit Gas oder Luft angefüllt. Der Druck des zwischen Nymphenhaut und dem neu gebildeten Tiere angesammelten Gases, der selbstverständlich sich auch auf das Innere des Tieres überträgt, da ja sonst das Insekt Schaden erleiden würde, wird allmählich so groß, daß die Hülle platzt. Dadurch wird plötzlich eine Druckdifferenz zwischen dem Gase im Innern des Tieres und außen auftreten. Der Darm wird infolge derselben zu einem prall ausgedehnten Luftschlauch und prebt sämtliche übrigen Organe zusammen und an die Außenwände des Tieres. Jetzt treten die aufgewundenen Schwanzborsten in Tätigkeit und schieben das Tier aus der Hülle hinaus, bis sie ge- streckt sind. Dann kommt, wie schon oben erwähnt, das Tier einen Augenblick zur Ruhe und benutzt zur weiteren Abstreifung der alten Hülle die Beine. Die Beobachtung, daß der Gasdruck die Hülle sprengt, kann noch durch ein einfaches, nicht allzu schwer ausführbares Experiment bewiesen werden, das ich mehrfach vorgenommen habe. Schneidet oder sticht man die Nymphenhaut kurz vor der Häutung an, so daß ein Teil des Gases entweicht, so kommt das Tier niemals zur Häutung und geht regelmäßig zu Grunde. Also Öffnung der Hülle in der vorgebildeten Naht durch Gas- druck, Ausdehnung des Darmes durch die entstehende Differenz des Gasdruckes, Hinausschieben des Tieres auf rein mechanischem Wege durch die Schwanzborsten bis zum Abdomen, weiteres Ausschlüpfen durch die Bewegung der Beine, das ist der ganze Vorgang, wie er wohl bei vielen Gattungen gleich sein wird, sicher aber von mir bei Cloöon dipterum beobachtet worden ist. Über die Zeit des Auftretens der geflügelten Insekten der vorliegenden Gattungen werden fast von allen Schriftstellern andere Angaben gemacht. Nach BErRNnHARDT (1907, p. 467) er- scheint Clo&on dipterum Juli bis August in großen Schwärmen, 300 Heinrich Heiner, vereinzelt bis Ende Oktober, nach KıarArek (1910, p. 12ff.) Clo&on dipterum August und September, Baötis binoculatus Mai bis Oktober, Habrophlebia fusca Juni und Juli, nach PıcTEr (1843, p. 31ff.) Baötis in zwei getrennten Seiten, nach BERRY (1903, p. 30) Callibaetis ferruginea in zwei Formen, einer Frühlings- und Sommerform, die in den Schwanzborsten und den Segment- rändern des Abdomens unterschieden sind, nach Tümper (1904, p. 92ff.) Habrophlebia fusca Juni bis August, Baetis binoculatus Mai bis Oktober, Clo&on dipterum August bis September. Die Erscheinungszeit der Fliegen von Baötis binoculatus, die oben von Mai bis Oktober angegeben ist, kann ich durch meine Beobachtungen unterstützen, nicht aber die Angabe PıcTETs, daß zwei Erscheinungszeiten existieren, da die Tiere den ganzen Sommer über, dann einzeln, dann in Menge vorkommen, ebenso wie ich zwei Formen, wie BERRY von Callibaötis ferruginea nicht ge- funden habe. Während dagegen das Erscheinen von Clo&on dipterum bis jetzt nur in die Monate August bis September verlegt wird, habe ich die Fliegen schon anfangs Mai und ebenso wie Baötis binoculatus den ganzen Sommer über beobachten können. Habro- phlebia fusca war noch im August vorhanden. Zahlreich treten die Imagines nur auf nach längerem warmen, ja heißen Wetter, während nur geringer Regen oder ein wenig Wind sie sofort zwingt, Schutz im Grase oder unter Blättern zu suchen. Bei anhaltendem, schlechten Wetter sind sie nur schwer zu finden. Ob das Auftreten der Imagines früher oder später vor sich geht, darauf haben jedenfalls, die klimatischen Verhältnisse einen großen Einfluß, wie z. B. die Fliegen von Clo&on dipterum bei Münster schon im Mai, in der Wesergegend bei Höxter-Corvey viel später erscheinen. Daß sogar das Alter der Larven von diesen klimatischen, vielleicht auch von den chemischen Verhältnissen des Wassers beeinflußt wird, auch das glaube ich mit einer wenn auch nicht ganz exakten Beobachtung begründen zu können. Die Larven, in der Umgegend von Münster gefangen, treten nämlich durchweg in zwei Größen auf, woraus ich folgere, daß sie ein Alter von 2 Jahren erreichen. Dagegen sind die Tiere aus der Wesergegend bei Höxter- Corvey, deren Wässer zum Teil kohlensäure- und eisenhaltig sind, was sicherlich einen Einfluß auf das Wachstum der Tiere, die ja, wie schon oben erwähnt, hier kleiner bleiben als bei Münster, ausübt, Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 301 in allen Größen vorhanden, so daß sie meines Erachtens ein Alter von mehreren Jahren erreichen. Was ferner das frühere Erscheinen der Imagines bei Münster betrifft, wird sicherlich auch, wie STEMPELL (1908, p. 23) meint, dieses eine Anpassung an das frühe Austrocknen der Bäche sein. 4. Subimagostadium. Das Stadium des Luftlebens zerfällt bei den Ephemeriden und zwar im Gegensatze zu allen anderen Insekten nur bei diesen in zwei Stadien, dem Subimago- und Imagostadium, die sich durch die eine dunklere Färbung des Tieres bedingende Behaarung der Subimago, die aus ganz feinen, kurzen Haaren auf dem ganzen Körper besteht, bei den Flügeln aber am meisten auffällt, unter- scheiden. DRENKELFORT (1910, p. 547ff.) erklärt diese Ausnahme- stellung der Eintagsfliegen damit, daß er diese Trennung des Luft- lebens in zwei Teile als das phylogenetisch Ursprüngliche annimmt, so daß alle Wasserinsekten die letzte Häutung nach ihm verloren haben. In einem großen Glase, auf dessen Boden man ein feuchtes Tuchläppchen legt, halten sich die Tiere immer an der Sonnenseite auf. SCHÖNEMUND (1912, Manuskript) führt nun in seiner Arbeit über die Perliden folgendes Experiment an. Er ließ die Gläser, in denen die Imagines gefangen gehalten wurden, lange von der Sonne durchscheinen; darauf ließ er einen Tropfen Wasser auf den Boden des Gefäßes fallen, auf den sich sofort die Tiere mit „wahrem Heiß- hunger“ stürzten, um davon zu saugen. Diesen Versuch habe ich bei meinen Imagines immer und immer wiederholt, ohne daß ich ein ähnliches Resultat erzielt hätte, wieder ein Beweis dafür, daß die geflügelten Insekten der Ephemeriden keinerlei Nahrung, nicht einmal Flüssigkeit zu sich nehmen. Wie lange das Subimagostadium dauert, dafür kann ich eine einheitliche Zeit mit Sicherheit nicht angeben, wie auch eine solche Zeitbestimmung, die auf anerkannte Gültiskeit Anspruch erhebt, nur äußerst schwer aufzustellen ist, da gerade ausschlüpfende Subimagines in der Natur nur ganz selten zu finden sind. Wurden die Larven in Aquarien gehalten, so war die Länge der Zeit zwischen den Häutungen zur Subimago und Imago recht verschieden. Ich glaube, daß die besonderen Verhältnisse der Gefangenschaft (Leitungswasser) hier einen großen Einfluß ausüben. Wenn man z. B. eine ganze Menge Larven von Clo&on dipterum, die wohl Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 20 302 Heinrich Heiner, alle kurz vor dem Nymphenstadium stehen, in das Aquarium setzt, so dauert es nur ganz kurze Zeit, bis alle Tiere zur Subimago ausgeschlüpft sind, während aber die Zeit bis zur Häutung zur Imago sehr verschieden ist. Ich folgere daraus, daß die Tiere, durch die Ungunst der Umgebung gezwungen, rasch ihre äußere Umwandlung vollziehen, während die innere Entwicklung, be- sonders die der Genitalprodukte, noch nicht so weit gediehen ist. Diese vollzieht sich dann auf dem Subimagostadium, das so ein Stadium der Ruhe darstellt, also auch längere oder kürzere Dauer besitzt. Natürlich müssen dann die in der Freiheit aus- schlüpfenden Larven einigermaßen nach derselben Zeit zum Imagoleben übergehen, wenn sie auch in Gefangenschaft gehalten werden. Mit vieler Geduld ist es mir bei dem zahlreichen Vor- kommen von Clo&on dipterum gelungen, einige im Freien gerade ausschlüpfende Subimagines zu fangen, die sich dann tatsächlich alle nach einem Zeitraum von 24—32 Stunden zur Imago häuteten, und zwar vollzogen sie die Metamorphose fast immer des Nachts. Die Dauer des Subimagostadiums von Clo&on dipterum wird also wohl nach dem Angeführten einen und einen halben Tag betragen. Das Ausschlüpfen zur Imago habe ich bei Clo&on dipterum und besonders bei Caenis dimidiata häufig beobachten können. Das Tier sitzt ganz ruhig da, ohne jede Bewegung, bis plötzlich die Flügel in eine rhythmische Bewegung auf- und abwärts versetzt werden, worauf sie nach kurzer Zeit ebenso plötzlich zusammenfallen. In demselben Augenblicke platzt die Haut auf Kopf und Thorax an der Dorsalseite auf, der Prothorax wird, der Kopf nach hinten unter ihn gebeugst, aus der alten Hülle herausgeschoben, und schon arbeiten die Beine, die schnell frei werden, mit daran, die übrigen Teile des Tieres zu befreien; hauptsächlich beruht hier die Häutung auf der Bewegung der Beine, die bei der ausschlüpfenden Imago schon ihre definitive Ausbildung besitzen, so daß die Häutung viel schneller als die zur Subimago vor sich geht. Eine eigentümliche Haarbildung zeigt uns die obige Figur eines Subimagoflügelstückes von Clo&on dipterum, dem Hinter- rande entnommen. Zunächst fällt einmal die typische Behaarung der Subimago auf, die in kurzen, feinen Haaren besteht, die mit einer kugeligen Anschwellung in dem Subimagoflügel haften und auf Ober- und Unterseite zu finden sind. Außerdem sieht man noch dreimal so lange, gerade Borsten, die mit einer knopfförmigen Verdiekung im Subimagoflügel befestigt sind; sie liegen ebenfalls auf Ober- und Unterseite der Flügel überall verstreut und lösen Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 303 sich, wie man an Präparaten feststellen kann, sehr leicht los. Wahrscheinlich ist ihre Funktion so zu denken, daß sie eine Be- netzung der Flügel bei der Häutung der Nymphe zur Subimago verhindern; dafür spricht einmal die Tatsache, daß sie nur bei % 7 y ” M Textfig. 4. Stück aus dem Hinterrande eines Flügels einer Subimago von Cloöon dipterum. fa Haare, die eine Benetzung der Flügel bei Häutung zur Subimago verhindern; /% Behaarung der Subimago; fr Fransenbesatz der Subimagoflügel am Hinterrande. Vergr. 80:1. den Subimagines von Clo&on dipterum zu finden sind, deren Nymphe sich an der Oberfläche des Wassers häuten, ferner auch der Umstand, daß sie sehr leicht ausfallen, da sie ja, sobald die Häutung zur Subimago vollzogen ist, ihre Aufgabe erfüllt haben. 5. Imagostadium. Die Imagines, die sich durch die glashelle Farbe der Flügel und durch das vollkommene Fehlen der den Subimagines charakte- ristiischen Behaarung auszeichnen, haben bei allen Gattungen die alleinige Aufgabe, das Geschlecht zu erhalten. Am Tage, bei schlechtem Wetter oder auch bei sehr großer Hitze halten sie sich im Grase oder im Gebüsche auf, ruhig an der Unterseite der Blätter sitzend. Nahrung nehmen sie in keiner Weise mehr zu sich. An warmen Abenden kommen sie etwa 1 Stunde vor Sonnen- untergang hervor und führen den ihnen eigenen Hochzeitsflug aus, der von den verschiedensten Autoren oft beschrieben worden ist. Während des Fluges suchen die Männchen die Weibchen und begatten sie im Fluge. Die Stellung bei der Kopulation ist von DRENKELFORT (1910, p. 551ff.) für Siphlurus lacustris eingehend 20* 304 Heinrich Heiner, beschrieben worden und stimmt mit der der vorliegenden Gattungen überein. Baötis binoculatus entzieht sich dabei durch die Höhe dem beobachtenden Auge. Habrophlebia fusca bekommt man nur selten zu Gesicht, da sie vereinzelt hin und her fliegen und niemals große Schwärme bilden. Dagegen kommt Caenis dimidiata in großen Massen vor, häutet sich an einem Abend zur Subimago und Imago und geht nach erfolgter Begattung zu Grunde, so daß ihr Luftleben nicht einmal einen ganzen Tag dauert. Alle Arten halten sich über dem Wasser oder in der Nähe desselben auf und sind besonders gut zu beobachten an den Brücken. Daß nur Männchen den Hochzeitsflug ausüben, wie DRENKEL- FORT (1910, p. 551) von Siphlurus lacustris festgestellt hat und BERNHARD (1907, p. 468) auch von Clo&on angibt, kann ich von den vorliegenden Gattungen nicht bestätigen. Von Caenis dimidiata wirbeln die Weibchen gerade so zahlreich wie die Männchen in der Luft umher, und die Begattung findet immer in, oft über dem Schwarme der übrigen statt. Von Clo&on dipterum, die ich als einzige größere Gattung beim Hochzeitsfluge beobachtet habe, fängt man mit den Männchen auch stets Weibchen, ebenso wie die Befruchtung meist an Ort und Stelle vor sich geht. Die Eiablage findet bei Habrophlebia fusca sofort nach der Begattung statt und geht in der Weise vor sich, dab das Weib- chen nahe über dem Wasser dahinflattert und die Eier in Paketchen in dasselbe fallen läßt. Daß die Imagines von Baötis binoculatus in das Wasser hinabsteigen sollen, wie KrAPALER (1909, p. 3) berichtet, habe ich nirgends feststellen können. Die Tiere setzen sich vielmehr mit den Füßen auf das Wasser und lassen sich von diesem forttreiben, tauchen dabei mit dem Abdomen in das Wasser ein und lassen ihre Eier fallen, was man allerdings nur beobachten kann, wenn man weiter in das Wasser hineingeht, da die Hahlagz selten nahe am Ufer stattfindet. Wie lange das Imagostadium dauert, ist sehr verschieden und hängt von vielen Umständen ab. Clo&on dipterum lebt durch- schnittlich 4—5 Tage; in der Gefangenschaft halten sich die Weib- chen, wenn sie nicht zur Befruchtung kommen, sogar bis zu 3 Wochen. Basötis binoculatus geht gewöhnlich schon nach 2 Tagen zu Grunde, während Caenis dimidiata an demselben Tage, an dem Befruchtung und Eiablage stattfindet, stirbt. Einen recht interessanten Fall, der mir aber in der Literatur zu spät zu Gesicht gekommen ist, als daß ich meine Untersuchungen speziell hätte auf diesen Punkt richten können, möchte ich zum Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 305 Schlusse dieses Abschnittes noch anführen, nämlich die Viviparie von Cloöon dipterum. Schon REAUMUR — ich zitiere nach PALMEN (1884) — hatte gefunden, daß die Weibchen von Clo&on dipterum ihre Eier in perlschnurartigen Fäden ins Wasser fallen ließen, eine Tatsache, die mit meinen Beobachtungen übereinstimmt. Dann berichtet wiederum v. SıEBoLp (1837) in einer kurzen Mitteilung, daß eine nieht sicher bestimmte Ephemeridengattung vivipar sei. Dieses Insekt wurde von dem Italiener Carorı (1848) näher als Clo& diptera bestimmt. E. Jory (1877) übersetzte diese Mitteilung in die französische Sprache und knüpfte einige Bemerkungen daran. Dann behandelt erst 1907 wieder BERNHARD die Viviparie von Cloöon dipterum. In längeren Ausführungen beantwortet er die Frage: ob die Viviparie normal oder anormal ist, mit den Worten (p. 471): „Meine darauf gerichteten Untersuchungen haben jedoch zu dem sicheren Resultate geführt, daß die Viviparie bei Clo&on dipterum durchaus das normale Verhalten darstellt.“ Das abe r möchte ich bezweifeln, da eine ganze Reihe von meinen Beobach- tungen mit den seinigen nicht übereinstimmt. Zunächst verlegt BERNHARD den Aufenthaltsort der Larven nur in stillstehende Gewässer, in alle „noch so kleinen Teiche und Tümpel“, obwohl die Tiere am zahlreichsten in langsam fließenden Flüssen, in kleineren Tümpeln dagegen gar nicht zu finden sind. Ferner ver- legt er den Ort des Hochzeitsfluges weit ab vom Ursprungsorte des Tieres; die Begattung, die nach ihm 10 Minuten dauert, während die Tiere diese nach meinen Beobachtungen innerhalb einer halben Minute vollziehen, findet nach ihm hoch in den Lüften statt, ja, die Tiere sollen sogar, wenn sie die Kopulationsstellung angenommen haben, „hoch in die Lüfte steigen“ und dem „Auge gewöhnlich entschwinden‘, während doch das Paar bei der Befruchtung rasch zur Erde niedersinktt Nach der Begattung sollen die Weibchen 10—14 Tage ruhig verharren und dann erst die fertigen Embryonen ins Wasser ablegen. Weibchen, von ihm gefangen, gaben nicht bei gewaltsamer Berührung wie z. B. die Baötis-Imagines ihre Eier von sich, selbst nieht nach 6—-8 Tagen, während ich oft genug weibliche Exemplare aus dem Schwarme herausfing, die, wenn ich sie an den Flügeln festhielt, sofort ihre Eier am Hinterende des Abdomens herauspreßten, während allerdings andere das nicht taten. Leider habe ich die ersteren als unbrauchbar für Her- stellung von Sehnittserien fortgeworfen, die letzteren aber sofort getötet. Nach allem halte ich, wie gesagt, die Viviparie von Clo&on dipterum als eine normale noch für zweifelhaft. ” 306 Heinrich Heiner, B. Anatomie. I. Äußere Anatomie. Fine eingehende Beschreibung des Äußeren der drei vor- liegenden Tiere auf dem Larven- und Imagostadium würde einen allzu großen Raum beanspruchen. Nur ganz kurz soll sie deshalb hier gegeben werden, und zwar ist immer nur das wesentliche hervor- gehoben; da ja Figuren immer besser wirken als die eingehendste Beschreibung, habe ich eine große Anzahl Zeichnungen zum Abdruck gebracht, die mit Hilfe des Projektions-Zeichenapparates ange- fertigt wurde, und auf die ich zwecks näherer Orientierung verweise. Tabelle 1. 1. Größenmaße in Millimeter. Larve. Imago. % der ‚ Be . der Schwanz- Tane'ties ne an des Körpers | der Flügel horsten 1 . a 2 Reel Elodon diente 8,58 | 4,59 | 6,8 8,5 5,991 10:97 78,9 14 11 a P gs za | 78:1: 58.084 za, DaTo o12 93,1 5,78 | 10,1 7,2 7,2 Fan! 16 13 Baötisbinoen- | 824 34 5,35 | 5,4°.|4,9 4,9 10 13 1a 7,9 3.6: .| °5,8 71 6,2 6,2 9,51 10,5 un 81 |33 | 5859| 6 5,6 5,6 11 3 Habrophlebia | „. = zen = a fusca 6,7 e Fin 5 EB = > ; 6,8 4,8 — — — Z— _ Nach TÜMPEL p. 63ff. 1901. Cloöon dipt. 2.5 DD 7—11| 5—10) 8—11| 5—10| 8-15112—21 Baötis binoc. — _ 5—8 7—8 11 13 Habrophleb.f. | 8,5 168 6 6—7 8 10 Nach KLAPALER p. 1ff. 1910. Clo&on dipt. — — — | 8—11| 5—10) 9—12| 6—11|12—15j13—20 Baötis binoc. — — — 4—8 6—8 8—10110—13 Habrophleb.f. | — —_ E= 5—7 | 6—7 6—9 | 8-18,5 2. Färbung. a) Clo&on dipterum. a) Larve. Die Larven von Clo&on dipterum sind gleichmäßig mittelbraun gefärbt; über den ganzen Körper zieht sich auf der Dorsalseite eine hellere Medianlinie. Als besondere Zeichnung trägt der Kopf zwischen den drei Ozellen ein dunkles Dreieck. Die Schwanzborsten sind braun bis weißlich, in der Zone der stärksten Behaarung schwarz und zeigen eine dunkle Ringelung. Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 307 ß) Imago. Bezüglich der Farbe der Imagines von Clo&on dipterum verweise ich auf KıArArer (1910, p. 19). Ergänzend dazu bemerke ich, daß die Turbanaugen der Männchen hellgelb bis rötlichbraun, an der Basis einfach braun sind; ihre Nebenaugen sind dunkelbraun mit einem schwarzen Längsstreifen. Die Augen der Weibchen sind hellgelb mit zwei dunklen Längsstreifen, zwischen denen ein schwarzer Punkt liegt. b) Baetis binoculatus. a) Larve. Die Larven von Baötis binoculatus sind braun bis dunkelbraun gefärbt. Der Kopf trägt unter den schwarzen, Textfig. 5. Textfig. 6. Textfig. 5. Vorderansicht des Kopfes einer Larve von Clo&on tipterum. ep Epikranium; Za vorgebildetes Turbanauge; »a Nebenauge; soc seitliches, moc mittleres Ozellum; az? Antenne; dg Basalglied; 5 Pedizellum; /a Labrum; cl Klypeus; »»ad Mandibel. Vergr. 20:1. Textfig. 6. Labrum und Klypeus einer Larve von Cloöon dipterum von der Ventralseite mit Epipharynx. ed Einbuchtung am Vorderrande; gf% gefiederte Haare, /a Labrum, c/ Klypeus; ed Epikranium; ir Tracheen; e5% Epipharynx; sh S-förmig gelegene Haare; gg Geschmacksgruben. Vergr. 40:1. seitlichen Ozellen einen dunklen Streifen, ebenso der Mesothorax zwei dunkle Dreiecke. Die beiden letzten Abdominalringe sind hellbraun, die Schwanzborsten wie bei Clo&on dipterum gefärbt. ß) Imago. S. KıapArer (1910, p. 17). Die Turbanaugen der Männchen sind hellgelb, die Nebenaugen grünlich schwarz, die Ozellen bei beiden Geschlechtern schwarz. ec) Habrophlebia fusca. a) Larve. Die Larven von Habrophlebia fusca sind tief- braun bis schwarz gefärbt; der Meso- und Metathorax tragen zwei 308 Heinrich Heiner, Textfig. 7. Textfig. 8. Textfig. 7. Rechte Mandibel einer Larve von Cloöon dipterum. z Zähne; hb bewegliches Haarbüschel; #/ Kaufläche; a’z2 Adductores mandibulae ten- torici; lim Flexor lobi interni mandibulae. Vergr. 40:1. Textfig. 8. Rechte Maxille einer Larve von Cloöon dipterum. z Zähne; & Borsten; c# Chitineinkerbung zwischen lobus int. und ext.; Z#m Levator palpi maxillaris; 7” Tracheen; ax? Adductores maxillae tentoriei; /imx Flexor lobi interni maxillae; 7 Trochanterofemur; 7:6 Tibia; tar Tarsus. Vergr. 36:1. konzentrische, schwarze Kreise. Die Abdominalsegmente sind in ihrem vorderen Teile dunkler, im hinteren Teile heller gefärbt. Die Schwanzborsten sind hellgelb bis schwarz. ß) Imago. S. KrarArek (1910, p. 12). Textfig. 9. Textfig. 10. Textfig. 9. Labrum einer Larve von Cloöon dipterum. z/ Trochanterofemur; tib Tibia; Zar Tarsus; Sg Paraglossa; g2 Glossa; » Mentum; s» Submentum; Flemx Flexor lobi externi labii; /#mx Flexor lobi interni labii; 25 Levator palpi labialis; #2 Palpus labialis. Vergr. 42:1. Textfig. 10. Hypopharynx einer Larve von Cloöon dipterum. Z£ lateraler; mt medianer Teil; gg Geschmacksgruben; %% hakenförmige Haare. Vergr. 30:1. Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 309 3. Der Kopf und seine Anhänge, a) Clo&on dipterum. a) Larve. Der Kopf der Larve von Cloöon dipterum hat die Gestalt eines Dreieckes; er trägt vorn als Anhang am Klypeus das Labrum. Auf der Unterseite des Labrums und des Klypeus besitzen die Larven einen Epipharynx. Einen solchen hat DRENKELFORT (1910, p. 566) als erster bei Ephemeriden überhaupt und zwar bei Siphlurus lacustris gefunden. Er besteht bei den Larven von Cloeon dipterum Textfig. 11. Textfig. 12. M;; en Textfig. 11. Kopf einer Larve von Baötis binoculatus in Vorderansicht. ep Epikranium; fa Fazettenauge; soc seitliches, »zoc mittleres Ozellum; dg Basal- glied; 5 Pedizellum; art Antenne; /a Labrum; c2 Klypeus; »2dd Mandibel. Verer. 36:1. Textfig. 12. Labrum mit Epipharynx einer Larve von Baötis binoculatus. eb Einbuchtung; /a Labrum; c/ Klypeus; ed Epikranium; ?r Tracheen; %% haken- förmig gebogene Haare; e5% Epipharynx; gg Geschmacksgruben. Vergr. 88:1. aus zwei Reihen S-förmig gebogener, starker Haare und einer halb- kreisförmigen Erhöhung auf dem Labrum, die mit feinen Härchen besetzt ist, welche sämtlich dem Mittelpunkte des Halbkreises zugerichtet sind, wo eine Menge kleiner Geschmacksgrübchen liegt. Die Mundwerkzeuge gehören dem Typus der kauenden an. Zwecks näherer Orientierung verweise ich auf obige Textfiguren. Ich erwähne noch, daß STERNEFELD (1907, p. 421, Fig. 0) das Bild einer Unterlippe von Baötis gibt, das aber eine Unterlippe von Clo&on darstellt, eine Verwechslung, die nicht scharf genug gerügt werden kann. Ä 310 Heinrieh Heiner, ß) Imago. Bezüglich der Veränderungen, welchen die ein- zelnen Teile bei der Metamorphose zur Imago unterliegen, ver- weise ich auf DRENKELFORT (1910, p. 572). Textfig. 13. Textfig. 14. Textflg. 13. Mandibel einer Larve von Baötis binoculatus. 2 Zähne; #/ Kau- fläche; /4m Flexor lobi interni mandibulae; a2? Adductores mandibulae tentorici. Vergr. 74:1. Textfig. 14. Maxille einer Larve von Baötis binoculatus. z Zähne; 5 Borsten; ck Chitineinkerbung; 272 Palpus maxillaris; z Tibiotarsus; z/ Trochanterofemur; !öm Levator palpi maxillaris; az? Adductores maxillae tentoriei; lin Flexor lobi interni maxillaris. Vergr. 80:1. Textfig. 15. Textfig. 16. 9972 Gi tar | \ --tib- -;pl i ng! ss F-tf Ipl flel flil flel ip %--sm Va Fi Textfig. 15. Labium einer Larve von Baötis binoculatus. 2 Palpus labialis; tar Tarsus; t:5 Tibia; {/ Trochanterofemur; g/ Glossa; Zg Paraglossa; =» Men- tum; sr Submentum; /32 Levator palpi labialis; Ze2 Flexor lobi externi labii, flil Flexor lobi interni labii. Vergr. 84:1. Textfig. 16. Hypopharynx einer Larve von Baötis binoculatus. /Z lateraler; mt medianer Teil. Vergr. 66:1. b) Baötis binoculatus. a) Larve. (S. Textfig. 11—16). Als auffallende Unter- schiede gegnüber anderen Gattungen erwähne ich, daß der beweg- Zur Biologie und Anatomie von Cloöon dipterum L. usw. 311 Textfig. 17. Textfig. 18. STRR\ erelalrs HIER ‚ NN N ni nn EN HI \ j A EN, } \ -tib ? Ba N SS nn N ee aa) Se = EIN SSEN Be 7a -- Irf — » ' NN } \\ + "N wi = / Wir Si g!h N Textfig. 17. Mandibel einer Larve von Habrophlebia fusca. z Zähne; 75 be- weglicher Anhang; #/ Kaufläche; /e Lobus externus; / Lobus internus; s/ Stipes. Vergr. 84:1. Textfig. 18. Maxille einer Larve von Habrophlebia fusca. zars Tarsus; tb Tibia; Zrf Trochanterofemur; 5 Haarbürste; s2 S-förmige Borsten;. glh Gelenkhaare. Vergr. 100: 1. Textfig. 19. Labium einer Larve von Habrophlebia fusca. gZ Glossa:. pg Paraglossa; tar Tarsus; 26 Tibia; i/ Trochanterofemur; s2 Submentum;. m Mentum. Vergr. 80:1. 312 Heinrich Heiner, liche Anhang bei der Mandibel fehlt, und daß der Palpus maxillaris nur zweigliederig ist. Auch hier ist ein Epipharynx ähnlich dem von Clo&on dipterum vorhanden. ß) Imago. S. Clo&on dipterum. c) Habrophlebia fusca. a) Larve. (8. Textfig. 17—19.) Ein Epipharynx fehlt hier vollständig. Die Maxille trägt als auffallendes Merkmal eine Reihe langer Gelenkborsten an der Innenseite, die mit denen der gegengleichen Maxille eines feinen Filters zu bilden imstande sind. ß) Imago. S. Cloöon dipterum. 4. Der Thorax und seine Anhänge. a) Clo&on dipterum. Bezüglich der Form des Thorax und der Beine verweise ich auf DRENKELFORT (1910, p. 572), da hier eine weitgehende Über- _ d \ N Textfig. 20. Flügel einer Imago von Cloöon dipterum 9. C Kosta; Sc Sub- kosta; R Radius; Xs Radiussektor; M7 Media; Cx Kubitalader; 74—Z/274 Anal- ader; ‚S? Stachel; #2 Flügeldreieck. Vergr. 17:1. einstimmung mit Siphlurus lacustris herrscht. Was die Nervatur der Flügel anbetrifft, verweise ich auf Textfig. 20. Als eigentüm- liche Bildungen trägt der Flügel am Vorderrande feine, distalwärts gerichtete Härchen, die als Sinnesorgane aufzufassen sind und dem Tiere den Widerstand der Luft zur Perzeption bringen. b) Baötis binoculatus. Auch hier trägt der Vorderflügel, wie Textfig. 21 zeigt, am Vorderrande die feinen Sinneshärchen, die hier etwas geringer an Zur Biologie und Anatomie von Cloöon dipterum L. usw. 313 Zahl als bei Cloöon dipterum sind und auch nicht an treppenförmigen Abstufungen inseriert sind, sondern aus Verdickungen der Kostal- ae z 108 . a 1A Textfig. 21. Vorderflügel einer Imago von Baötis binoculatus 9. 7a Flügel- dreieck; S? Stachel; C Kosta; Sc Subkosta; $ Radius; Rs Radiussektor; M Media; Cx Kubitalader; Z74—77/4 Analadern. Vergr. 20:1. ader entspringen. Die ovalen Hinterflügel sind klein und unschein- bar, tragen am Vorderrande eine scharfe Ausbuchtung, ferner zwei Längsadern und zwei Zwi- schenraumadern. c) Habrophlebia fusca. Bezüglich der Flügel verweise ich auf TÜnMPEL, ; : c. Textfig. 22. Hinterflügel einer Imago von a el Baötis binoculatus 9. % Höcker; 2 Längs- hier keine Sinneshaare. adern; z” Zwischenraumader. Vergr. 20:1. 4. Das Abdomen und seine Anhänge. a) Clo&on dipterum. a) Larve. Das Verhältnis der Längen der einzelnen Segmente zueinander gibt apikalwärts gezählt die Zahlenreihe wieder 9, 8, 7,2=4=6, 3,5, 10,1. Lateral sind die Segmente nach hinten ein wenig ausgezogen. Die Segmentränder sind dorsal sägeartig mit abwechselnd längeren und kürzeren Zacken versehen, ventral dagegen glatt. Die Analblätter sind kleine, in eine Spitze ausgezogene Blätter. An Tracheenkiemen sind sieben Paare vorhanden, von denen die ersten sechs aus doppelten Blättern bestehen; die doppelten Blätter setzen sich aus einem größeren, ovalen bis kreisrunden und 314 Heinrich Heiner, einem lanzettförmigen Blatte zusammen. In den ersteren ver- ästeln sich die Tracheenstämme baumartig; in den letzteren ist nur ein wenig verzweigter Längsstamm vorhanden. Am Rande, besonders am Hinterrande, sind überall feine, lange Haare vorhanden die wohl als Sinneshaare zu deuten sind. Die lateralen Schwanz- borsten bestehen aus 70—80, die medianen aus 60—70 Ringen, die am Hinterrande kurze, scharfe Stacheln tragen. Die medianen Schwanzborsten sind zweizeilig, die lateralen nur an der Innenseite behaart; die Haare stehen in Büscheln von 5—6 zusammen. Textfig. 23. Textfig. 24. ° Textfig. 23. Haltezange einer Imago von Cloöon dipterum d. S 9. Seg- ment; /g—/Vg Erstes bis viertes Glied. Vergr. 66:1. Textfig. 24. Linksseitige, dritte Tracheenkieme einer Larve von Baötis binoculatus. 7” Tracheenast, Sinneshaare. Vergr. 66:1. ß) Imago. Die Segmentränder sind bei den Imagines ein- gerollt; das 7. Segment trägt bei den Weibchen die Eiklappe, das 9. bei den Männchen den Forzeps. Dieser besteht jederseits aus vier Gliedern; das erste ist kurz, aber breit, das zweite schmaler, sich verjüngend, das dritte säulenartig, das vierte sehr klein und kugelförmig. Die Schwanzborsten haben Haare und Stacheln verloren, die einzelnen Segmente sind lang ausgezogen. b) Baötis binoculatus. a) Larve. Die Länge der Segmente gibt die Zahlenreihe wieder :.6°= 9,025 4 322,7 =8 = 10,012 7 Diespesmene ränder sind glatt, lateral nicht ausgezogen. An Tracheenkiemen sind sieben Paare vorhanden, die aus einfachen Blättern bestehen. Diese sind fast elliptisch, besitzen nur einen Tracheenlängsstamm und am Hinterrande wenige feine Sinneshaare. Die lateralen Schwanzborsten zählen 100—110, die medianen 60—70 Glieder. Ihre Behaarung ist gleich der von Cloeon dipterum. Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 315 ß) Imago. Der Forzeps besteht wiederum aus vier Gliedern, von denen das dritte nach innen gebogen, das vierte keulenförmig ausgezogen ist. Im übrigen s. Clo&on dipterum. c) Habrophlebia fusca. a) Larve. Die Segmente nehmen nach hinten regelmäßig an Länge ab. Die beiden letzten sind ähnlich wie bei Siphlurus lacustris lateral nach hinten in eine scharfe Chitinspitze aus- Textfig. 26. Textfig. 25. Textfig. 25. Haltezangen einer Imago von Baötis binoculatus d. S 9. Seg- ment; /£—/Vg 1.—4. Segment. Vergr. 66:1. Textfig. 26. Linksseitige, vierte Tracheenkieme einer Larve von Habrophlebia fusca. /% Feine Haut; Zr Tracheenast, umhüllt von der feinen Haut; sh Sinneshaare. Vergr. 66:1. gezogen. Die Tracheenkiemen, von denen wiederum sieben Paare vorhanden sind, bestehen aus Büscheln von einzelnen Tracheen- ästen, die ihrerseits wieder von einer feinen Haut umgeben sind, so daß die Tracheen selbst niemals mit dem Wasser direkt in Be- rührung treten. Die Verzweigung wird bis zum fünften Paare reicher, nimmt bei den beiden letzten wieder ab. Die feinen Sinnes- haare sind auf die einzelnen Fäden gerückt. Die Schwanzborsten bestehen aus 50—60 Ringen; sie sind nicht wie bei Clo6on dipterum 316 Heinrich Heiner, und Baötis binoculatus behaart, sondern tragen nur an den Hinter- rändern der Segmente einzelne längere Haare. ß) Imago. 5. Clo&on dipterum; bezüglich Forzeps s. KLAPALEXR (1910, Fig. 11). II. Innere Anatomie. 1. Endoskelett. An endoskelettalen Bildungen ist bei den Ephemeriden bis jetzt nur das Tentorium, das Endoskelett des Kopfes, beschrieben worden. Es besteht aus einer zentralen unterhalb des Ösophagus liegenden Platte, die vier Ausläufer nach vorn zu den Antennen und den Mundwerkzeugen, ferner zwei nach hinten ins Freie mündende Kanäle entsendet. Diese Bildung ist bei allen Ephe- meridengattungen in gleicher Weise organisiert und von DRENKEL- FORT (1910, p. 566—56”7) beschrieben worden, auf den ich zwecks näherer Orientierung verweise. Irgendwelche Bemerkungen über das Vorhandensein eines thorakalen oder abdominalen Endoskelettes bei Ephemeriden habe ich in der Literatur nicht finden können, wie mir auch Herr stud. rer. nat. W. SCHWERMER, der im hiesigen Institut das Endoskelett. der Perliden bearbeitet, in liebenswürdiger Weise dasselbe mitteilt. Auch DRENKELFORT (1910, p. 567) bemerkt ebenfalls ausdrücklich, daß ein thorakales Endoskelett bei Siphlurus lacustris nicht existiert. Er hat hier wahrscheinlich nur jüngere Larven seinen Unter- suchungen zu Grunde gelegt, bei denen ein thorakales Endoskelett nicht vorhanden ist. Bei älteren Larven von Clo&on dipterum, Baötis binoculatus und Habrophlebia fusca, ebenso auch von Siphlurus lacustris, von welchem Tiere Schnittserien mir in dankens- werter Weise von Herrn Oberlehrer Dr. DRENKELFORT zur Ver- fügung gestellt wurden, findet man auf Transversalschnitten in den lateralen und dorsalen Teilen des Mesothorax Einstülpungen, die bei den Imagines ihre höchste Ausbildung erfahren und den Flügelmuskeln, besonders den großen Hebern des Flügels als. Ansatzstellen dienen. Dieses thorakale Endoskelett ist überall in derselben Weise ausgebildet und soil von Clo&on dipterum näher beschrieben werden. Die Bildung besteht jederseits aus zwei Teilen, einem late- ralen, der Apodeme, und einem dorsalen, dem Phragma. Die Apodeme und das Phragma sind entstanden durch Einstülpungen des Körperepithels, bilden also Doppelplatten, deren Ausmündungs- Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 317 stellen an der Körperoberfläche langgestreckt spaltförmig sind. Dieser Spalt beginnt für die Apodeme in der vorderen Partie des ersten Mesopleuron nahe über der Verbindungslinie von Meso- sternum mit den Mesopleuren, kurz vor dem Stigma des Mesothorax, er- streckt sich dann über die beiden Meso- pleuren unterhalb der Verbindungsstelle der Flügelscheiden mit dem Mesothorax, wendet sich darauf dorsal-lateral, um schließlich mit dem zugehörigen Schlitz des Mesophragma vereint auszulaufen. Die Spalten der bei- den Phragmen be- ginnen hinter der Verbindungsstelle der Flügelscheiden mit dem Körper je- derseits der Median- linie auf dem Meso- notum und laufen gerade nach hinten, ohne den Hinterrand des Mesonotums zu erreichen. Die Mesa- podeme ist also eine längere Doppel- platte, die, in ihrem Anfange nur schmal, über dem Stigma des Mesothoraxliegt, Textfig. 27. später breiter geworden den zugehörigen, lateralen Tracheen- längsstamm überdeckt; ihr Innenrand ist etwas ventral gebogen und endet in der Nähe des Darmkanals. Ihr Innenrand tritt in Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII, 21 318 Heinrich Heiner, dem letzten Teile mit dem Innenrande des zugehörigen Meso- phragmas in Verbindung; letzteres besteht ebenfalls aus einer Doppelplatte, die etwas lateral-ventral gerichtet ist, sonst sich gerade nach hinten erstreckt. Aus einer Transversalschnittserie einer älteren Larve von Cloöon dipterum habe ich folgende drei Bilder entnommen. Textfig. 27. zeigt uns den Beginn der Mesapodeme (mab) als Einstülpung über dem Stigma (sZ) des Mesothorax im unteren Teile des vorderen Mesopleurons (mP). Textfig. 29. as N GN. hl) N NN N ua Uk IN \ N rom tr Textfig. 27, 28, 29. Teile von Transversalschnitten einer Larve von Clo&on dipterum. »zad linksseitige, ar rechtsseitige Apodeme; =?r rechtsseitiges Phragma; Zr längsgeschnittener, g72 quergeschnittener Muskel; »»5 Meso- pleuron; 2» Mesosternum; s/ Stigma; /r Trachee; /Z Flügelscheide; dd Binde- gewebe; vd Verbindungsstelle von Phragma und Apodeme; v4 Verbindungs- glied der Flügelscheiden; /2A Flügelherz; a/2 vorgebildeter Flügel. Vergr. 74:1. In Textfig. 28 ist diese Einstülpung (mab) in ihrer stärksten Ausbildung zu sehen. Sie ist schon mehr dorsal gewendet, ihre Ausmündung von dem unteren Teile der Flügelscheide (fl) be- deckt, ihr Innenrand etwas ventral gebogen. Textfig. 29 zeigt uns die schon hergestellte Verbindung zwischen Mesapodeme und Mesophragma (vb). Erstere (mar) ist Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 319 ganz dorsal-lateral gelegen, letztere (mPr) erstreckt sich lateral- ventral. Überdeekt werden beide von den Flügelscheiden (fl) und dem Verbindungsgliede derselben (vbd). Histologisch sind diese endoskelettalen Bildungen gleich dem Körperepithel, aus dem sie ja durch Einstülpung entstanden sind. Ihr Chitin weist insofern eine Verschiedenheit auf, als es mit Eosin leicht, mit Hämatoxylin nur schwer zu färben ist. Funktionell dienen beide, sowohl das Mesophragma als auch die Mesapodeme, als Ansatzstellen einer ganzen Reihe von Muskeln, unter denen die großen Flügelmuskeln besonders zu nennen sind. Daß sie gerade für diese in erster Linie da sind, beweist der Um- stand, daß bei ganz jungen Larven ein thorakales Endoskelett nicht zu finden ist. Anzunehmen wäre, daß bei den Ephemeriden mit zwei Paar Flügel im Metathorax eine ähnliche endoskelettale Bildung vorhanden wäre. Das aber ist nicht der Fall; zu erklären ist das Fehlen derselben mit der funktionellen Bedeutungslosig- keit der kleinen Hinterflügel, für die nicht einmal Muskel aus- gebildet sind. Anschließen will ich hier, weil an anderer Stelle schwer unter- zubringen, das Resultat meiner Untersuchungen über die Art und Weise der Ansetzung der Muskel an die Körperwand. Es ist die Frage zu entscheiden, ob die Muskel durch das Epithel hindurchgehen und an die Cuticula ansetzen oder ob sie direkt dem Epithel angeheftet sind. Bei den Ephemeriden ist das letztere der Fall. Die Basalmembran des Epithels bleibt erhalten; das Epithel selbst aber wird einer Veränderung unter- Textfig. 30. Stück aus der 3 : . ‚ Körperwand einer Larve von worfen. Es bilden sich im Epithel (ioöon dipterum im Querschnitte. festere Streifen aus, so daß es in der pe Rrchel on Ba ar Zugrichtung der Muskel fibrillär membran; 2% längsgeschnittene differenziert ist. Die Muskel selbst Muskel. Vergr. 142:1. haben in ihrem letzten Ende vor der Ansatzstelle an das Epithel ein sehnenartiges Aussehen. Interes- sant ist die Übereinstimmung bezüglich der Anheftung der Muskel an das Epithel zwischen den Ephemeriden und Nukuliden; bei letzteren hat STEMPELL (1898, p. 379) ebenfalls gefunden, daß die Muskel an das Epithel ansetzen, daß ferner dieses selbst 21 320 Heinrich Heiner, ebenfalls fibrillär differenziert ist. Weiter auf diese Frage ein- zugehen, lag nicht im Plane der Arbeit. 2. Zirkulation. Das Zirkulationssystem von Clo&on dipterum, Baetis binoeu- latus und Habrophlebia fusca ist in allen seinen Teilen genau so organisiert wie das von Siphlurus lacustris, das DRENKELFORT (1910, p. 583f£.) eingehend behandelt hat, so daß eine ausführliche Beschreibung sich hier wohl erübrigt. Eigenartige dorsale Aus- sackungen, die an der Aorta anterior bei Siphlurus lacustris und auch bei den drei vorliegenden Tieren, wahrscheinlich also auch bei allen Ephemeriden-Gattungen sich finden, sollen hier, da sie bisher noch nicht näher untersucht worden sind, Erwähnung finden. In der Literatur ist wenig über diese Bildungen gesagt. ZIMMERMANN (1884, p. 406) erwähnt sie zuerst von Clo& diptera mit den Worten: „Die Larve von (lo& diptera hat noch eine besondere Eigentüm- lichkeit. Der Mittelbrustteil des Rücken- Textfig. 31. Seitliche Ansicht der vorderen Aorta von Siphlurus lacustris mit ihren beiden Aussackungen im Meso- und Metathorax. (Nach DRENKELFORT 1910, Tafel 40, Fig. 16.) aa Aorta anterior; a, meso- thorakale, a, metathora- kale Ampulle; sz Stiel derselben. Vergr. 34:1. ten Verlängerungen gefäbes trägt an seiner Oberseite eine kurz gestielte Blase, welche sich nach rückwärts legt und sich unregelmäßig und schwach an den Kontraktionen des Herzens betei- ligt.“ Nach DRENKELFORT (1910, p. 584) be- findet sich bei Siphlurus laeustris eine kurz- gestielte Blase im Mesothorax und eine um mehr als die Hälfte kleinere im Metathorax, „die sich in die dorsal nach hinten gerichte- des Meso- und Metathorax erstrecken.“ Nach ihm ist „die Wandung der Aussackungen von einer 0,005 mm betragenden Muskelschicht umgeben, die ihrerseits wieder von einer besonderen Hülle eingeschlossen ist. Zwischen den Aussackungen und der Körperwand befindet sich ein Hohlraum, der ebenfalls mit Blut angefüllt ist.“ Nach C. Janer (1906) befinden sich bei den geflügelten Ameisen im Meta- und Mesothorax zwei Diaphragmen zwischen der Rückendecke, die aus quer verlaufenden Muskeln gebildet werden, und die ihrerseits wieder durch kontraktile Muskelfasern mit der Rückendecke in Verbindung stehen, eine Bildung, die aber im Zusammenhange mit der Aorta anterior steht. Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 321 Ebenso beschreibt E. OBERLE (1912) zwei ähnliche thorakale Aussackungen der Aorta anterior bei Dytiscus marginalis mit den Worten: „Auf diesen Querschnitten konnte festgestellt werden, daß vom Herzen dorsalwärts ein Kanal abgeht, der zu einem starken Muskel hinzieht, mit dem er in Verbindung tritt. Der Muskel ist zwischen der Rückendecke ausgebreitet. Es wird also eine Ampulle gebildet. . . .“ (!?). Wie mir Herr W. SCHWERMER in liebenswürdiger Weise mitteilt, sind bei den Larven der großen Perliden ähnliche Bildungen vorhanden, die einer Beschleunigung des Blutstromes dienen. Bei meinen Untersuchungen fand ich diese Aussackungen bei jedem der drei vorliegenden Tiere und zwar in übereinstimmen- der Ausbildung. Baötis bino- culatus und Habrophlebia fusca n n Se ag 2 besitzen entsprechend der An- \ u 8 zahl der Flügelpaare eine meso- a———e re I und metathorakale Ampulle, en le: Clos&on dipterum dagegen nur ee er EN: eine mesothorakale. Letztere Ku soll hier als Schema näher be- -38 schrieben werden. ß { . Textfig. 32. Seitliche Ansicht der Die Aussackung ist bei Aorta anterior mit mesothorakaler Cloöon dipterum, wie obige aus Ampulle von Clo&on dipterum. (Sche- 3 ; matisiert.) #5 Körperwand; aa Aorta Querschnitten rekonstruierte, anterior; Zn Perikardialzellen; « Am- Bee L R neaeten ter Fifyelscheiden zeigt, nur in der Einzahl vor- Vergr. 34:1. handen und kommt folgender- maßen zustande. Die Aorta anterior (aa), die nach vorn nahe unter dem Körperepithel verläuft, steigt plötzlich bei Eintritt in den Meso- thorax in die Höhe und entsendet einen Arm in das Verbindungs- glied der beiden Flügelscheiden (vbd), das die dorsale Verlängerung des Mesothorax bildet, um dann wieder in demselben Abstande vom dorsalen Epithel im Prothorax nach vorn zu verlaufen. In dem basalen Verbindungsgliede der Flügelscheiden (vd) läuft der abzweigende Gang (ag) in eine größere Blase (a) aus, die in ihrem äußersten Ende von feinen Öffnungen durchbrochen ist. Ampullengang wie die anschließenden Teile der Aorta anterior, die stark muskulös sind, sind von einer Schicht reichlicher Peri- kardialzellen umgeben. 399 Heinrich Heiner, Textfig. 33. vbd a ar WNEZERUIEIESES ANIWIY?) „bl il Rn 5; SD „cf I, ; rg I >fls u Ni Ah D NN 77/7 Ye EN Ina ln NN N Hi N " hi un Luna Da Figuren die Sachlage immer klarer darstellen als die beste Beschrei- bung, habe ich aus etwa 74 Quer- schnitten fünf aus- gewählt; sie sind von hinten nach vorn, dem Verlauf der Aorta folgend, angeordnet. Die Pfeile in Textfig. 31 bezeichnen die La- se der einzelnen Schnitte. Textfig. 33 zeigt uns zwei Teile, das basale Verbin- dungsglied der Flügelscheiden und den dorsalen Teil des Mesothorax. In dem ersteren se- hen wir die in ihrer größten Ausdeh- nung durchschnit- Textfig. 36. Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 323 tene Blase (a), die in einem weiten Perikardialsinus liegt, der mit Blut (dl) angefüllt ist, in dem letzteren die Aorta anterior in ihrer gewöhnlichen Lage, eingebettet in starkes Bindegewebe (ba). In Textfig. 34 ist die Verbindung zwischen den Flügelscheiden und der Leibeshöhle des Mesothorax schon hergestellt; die auf- wärts steigende Aorta (aa) ist hier etwas längs geschnitten, der zur Blase gehende Ast (ag) ist von Perikardialzellen umgeben. In Textfig. 35 ist die Verbindung zwischen den beiden Teilen des Herzens vollzogen. Die Perikardialzellen haben sich vom Körperepithel abgehoben, so daß hier ein Hohlraum zwischen Herz und Körperwand entsteht, der von Bindegewebe ausgefüllt ist. Textfig. 36 zeigt uns nur mehir die Aorta anterior, die von Perikardialzellen (alm) umgeben ist. Textfig. 37 läßt wiederum Herz und Perikardialzellen er- kennen. Über die Funktion dieser Bildungen herrschen verschiedene Meinungen. Der Entdecker derselben, ZIMMERMANN, schreibt (1889, p. 406) darüber: „Über die Bedeutung dieser Blase, deren Ausdehnung und Zusammensetzung wahrscheinlich nur eine Folge des wechselnden Blutdruckes ist, wird eine eingehendere Unter- suchung Klarheit verschaffen.‘ C. Janet (1906) meint, daß die bei den geflügelten Ameisen von ihm gefundenen Gefäße nur ein Stagnieren des zum Abdomen Textfig. 37. Textfig. 33, 34, 35, 36, 37. Querschnitte durch den dorsalen Teil des Meso- thorax einer älteren Larve von Cloöon dipterum. Die Pfeile in Textfig. 32 zeigen die Lage der Schnitte an. dd Verbindungsglied der Flügelscheiden; a Ampulle; «g Ampullengang; aa Aorta anterior; #5 Körperepithel; cr Chitin- cuticula; dd Bindegewebe; 52 Blut; a/z Perikardialzellen; 22 längsgeschnittene Muskulatur; /2s Flügelscheiden. Vergr. 100: 1. 324 Heinrich Heiner, zurückfließenden Blutes in dem unter dem Integumente sich be- findenden Räumen durch zeitweise Kontraktionen der verschiedenen Muskeln verhüten sollen, eine Meinung, die wohl angängig erscheint, da nach ihm die Gefäße mit der Aorta anterior nicht in Verbindung stehen. E. OBERLE (1912) schreibt über die Funktion dieser Ampullen bei Dytiseus marginalis nur: ‚Die funktionelle Bedeutung dieser Ampullen wäre vielleicht bei Dytiscus so zu denken, daß sie infolge ihres Baues (? d. V.) die Aufgabe hätten, die Strömung des Blutes vom Abdomen zum Kopfe hin zu unterstützen.“ Diese Deutung halte ich direkt für ausgeschlossen. Zunächst würde eine Kontrak- tion der Ampullen ein Stagnieren des Blutes in dem zuführenden Ampullengänge, der ja zugleich die Aufgabe der Abführung des Blutes hätte, herbeiführen; ferner würde der Druck des Blutes in der Aorta sich zum Teil auch nach dem Abdomen zu bemerkbar machen, also direkt eine Verlangsamerung des Blutstromes zur Folge haben. DRENKELFORT (1910, p. 585) gibt schon die allein richtige Deutung mit den Worten: ‚Nach meiner Ansicht handelt es sich bei diesen Aussackungen um pulsierende Ampullen oder auch um Flügelherzen, die ähnlich den Kiemenherzen der Cephalopoden die großen Widerstände, welche die Zirkulation in den Flügelscheiden respektive in den Flügeln findet, überwinden helfen.‘‘ Ausschlag- gebend ist für ihn die Tatsache, daß Siphlurus lacustris entsprechend der Zahl der Flügelpaare zwei, Cloöon dipterum, das nur ein Flügel- paar besitzt, nur eine Ampulle hat. Als weiteren Grund für diese Ansicht führe ich folgende Beobachtung an. Bei jungen, frisch gehäuteten Larven findet eine, wenn auch nur undeutlich zu sehende Kontraktion im Meso- thorax statt, und zwar unabhäng'g von den Kontraktionen des Herzens. Auf etwa drei Kontraktionen des Herzens kommt eine Kontraktion der Ampulle. Der Vorgang ist also folgendermaßen zu denken. Durch die Kontraktionen des Herzens wird die Ampulle mit Blut angefüllt. Ist dieses geschehen, kontrahiert sich die Herzmuskulatur, übt also einen starken Druck aus auf das Blut in der Ampulle, so daß dieses durch die erwähnten Ampullenöffnungen in die Flügel\ scheiden hineingetrieben wird. Ob ventilartige Vorrichtungen in dem Ampullengange, die ein Zurückfließen des Blutes in die Aorta bei Kontraktion der Ampulle verhüten könnten, vorhanden sind, wage ich bei den Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 325: relativ wenig dünnen Schnitten nicht zu entscheiden, obschon solche Anlagen bei Untersuchung einzelner Präparate mit stärksten Vergrößerungen bei gutem Willen zu erkennen’ waren. Erst ge- nügend feine Schnitte können das entscheiden. 3. Respirationssystem. Das Respirationssystem der vorliegenden Tiere stellt sich alsein typisches Tracheensystem dar, das bei den Imagines ein offenes, bei den Larven ein geschlossenes ist; letzteres zerfällt wieder in eine allgemeine Hautatmung, wie wir sie für die kiemenlosen, ganz jungen Larven anzunehmen gezwungen sind, in eine typische Darmatmung bei den jungen Larven von Clo&on dipterum und in eine Hautatmung, die auf bestimmte Stellen des Körpers, die Kiemen, lokalisiert ist. Im Körper verlaufen zwei laterale Längs- stämme, von denen zahlreiche Nebenäste abzweigen, über deren Zahl und Anordnung uns folgendes Schema orientiert (s. Tab. II, p. 324 und 325). Die einzelnen Tracheenäste laufen in zahlreiche, ganz feine Spitzen aus, die miteinander anastomosieren und tief in die einzelnen Gewebe eindringen. Bezüglich der Entstehung der Kiemen herrschen die ver- schiedensten Ansichten. DüÜRKEN (1907, p. 1ff.) sucht aus der Natur der Muskel der Kiemen und der Anheftungslage der letzteren nachzuweisen, daß die Kiemen Ausstülpungen der Tergite dar- stellen, eine Meinung, die von BÖRNER (1908, p. 806ff.) lebhaft bekämpft wird. Dieser deutet die Kiemen in teilweiser Überein- stimmung mit Heymons (1896, p. 37), nach dem diese Blätter als lateral gelegene Hypodermisverdickungen des Abdomens ent- stehen, und mit HanpLircsH (1906, p. 38), der sie Extremitäten homolog setzt, als subkoxale Ausstülpungen; ja, er homologisiert sogar den Crustaceen-Außenast mit dem Außenast der Tracheen- kieme von Clo&on dipterum. Ihm gegenüber hält Dürken (1909) seine Ansicht in einem Gegenartikel aufrecht. Interessanter und für die systematische Stellung der Ephe- meriden wichtiger ist die Frage, ob das geschlossene oder offene Tracheensystem, ob Luft- oder Wasseratmung das phylogenetisch Ursprüngliche bei den Insekten ist, in weiterem Sinne, ob das Ur- insekt als Luft- oder Wasserinsekt anzusehen ist. PALMmEn (1877, p. 10) findet bei den Larven der Ephemeriden, daß die beiden late- ralen Tracheenstämme durch feste, solide Bänder, von denen 10 vorhanden sind, an die Körperwand angeheftet sind. Er deutet | [oysnwusowery umz SIOMZ ur oweory Anz JSY Aofedayer] ar Mr | jeueywaieq wnz 4SY A9fBIOZSIA | uszI9y wep pun [oysnw nz ISY Aofesıoq | uorsuer) wop pun [oysnw nz IsY AopeıyuoyA Nuswsospeunmopqy '"T urag wnz ISY + + | jeueywaeq wnz 48Y | upoysnpy Uap nz 845Y ojesıop pun ofeıyuo‘ xe.IoypeIo N | | | josnpJ wnz 9sY 5 | UOTJDUBL) wnZz ISY = + | + | urag unz 48Y = | | feueywieg wnz ISY 19}19MZIoA Yı18ıS = | | upoysnpy uap nz oJsy ofesıop pun ofeıyuo A XBIOUJOSO N | | = | ug umz IsY = aR | 2 ' O9sp[oysum Pfesıop pun ofeyuo‘ == = | | uaaoyun ERENTO S | | U9UIO UT XEIOUJOAT UEp ur Yıayuıg 1Oq Yoıs 4]10) 4seydnep od | XBIOUJ0II as | | UBSIG UOYOSNAWIYg umz , umnseqdosso-e.yyur uolsueg unz “© UBSIQ USTOSNAWIYZ unz En | 4b | wngeg unz “ oöny unz | | [oqıpuew .ınz “ wndeydosoo-wıdns uoısuen) umz “ O]IIXeN ınz ISY auusyuy ınz “ | upoysnp] uop nz 9sY oddınısgg anz ISY | jydoy 2 eISnJ | aD OE ENTE | vrqorgdoagen | wnısJdıp U090]9 © = = = a SIWWLISSFURJUAAUIB.L] UHLEIOFE] SOP 9IJSgu9goN 9Iq II OIIOAEL 3 327 Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. BE SuLoJs -Buy 9feyug‘ + (IyaAııpur) EWoIs -wuy ofeyuaA 2 u 978.10q -ZUBMTOS UAJEL | -ayep anz Isy ug | u - | ULoJSs -Buy ofes1ıod | Au | 9IS1I0NZUBATIS UEUBIpo9UL Anz Aaute ‘uajeaoye] anz JSyY um SISPIONSNIN OJOLA uU9UWEISSUFT UHPIag UHP UAUOSIMZ AKOWMOISLUY HJyaııp oTeıyuo‘ (Sunwgeuneg) A997 y wnz sıq wage) wnz JsY dofeaozsıy IayIoA 9ImM zZ pun [ AOTIOA 9IM yuswseospeurumopqy 'T wi aIM JOUIOA OIM JAOUIOA OMA usugs.toe}tueN) UEP NZ ISY AOJEIOZSIA AOUIOA OIM yuawsosjeurmopgqy 'T wı or yuawsag "OL yuswsag '6 yuewsag 'g yuswsag *) yuswsag 'g yuausag " ie) yuaewsas F yuewseg 'E uawsag 'Z 328 Heinrich Heiner, diese Stränge (p. 72) als angelegte Stigmenäste, da an ihren Endi- gungen die späteren Stigmen des offenen Tracheensystems liegen, und durch die die Reste der abgenutzten Tracheenäste bei den Häutungen aus dem Körper herausgezogen werden. Er schreibt dann weiter (p. 72): „Es ist undenkbar, daß sie von vornherein Rudimente wären und als Stränge phylogenetisch entstanden, d. h. erworben sind. Im Gegenteil müssen sie früher in derselben Weise wie das übrige Tracheensystem organisiert gewesen sein und ihre volle Funktion gehabt haben, wenn sie jetzt als Hemmungs- bildungen auftreten können.“ Eine Deutung der Luftatmung als phylogenetisch primäre bekämpft HAGEn (1881, p. 404—406) hauptsächlich mit dem Hinweise, daß rudimentäre Organe bei den nächsten Verwandten in wesentlicher Weise variieren, was aber bei diesen Strängen nicht der Fall sei. Wie jeder negativer Beweis, hat auch dieser keine allzu große Durchschlagskraft. Daß aber diese Stränge nicht festgeschlossen, sondern als Röhren aufzufassen sind, läßt sich durch ein einfaches Experiment erweisen. Erwärmt man das Wasser, in dem die Larven sich befinden, so dehnt sich die Luft in den Tracheenstämmen aus und entweicht gewöhnlich durch die angelegten Stigmen des Thorax in kleinen Bläschen. In Textfig. 27 sieht man ein solches Stigma einer Larve quer ge- schnitten. Es ist hier fest geschlossen. Hinter der Einmündungs- stelle ist eine blasenförmige Erweiterung vorhanden, die aber, je mehr sie sich dem Tracheenlängsstamm nähert, zusammen- fällt und zu dem von PaLmEn entdeckten, festen „soliden“ Strange wird. Nach allem dürfte wohl die PALm&nsche Ansicht, daß die Luftatmung die phylogenetisch primäre ist, die richtige sein. Wir haben es also bei den Larven nicht mit einem typischen, ge- schlossenen Tracheensystem zu tun, sondern mit einem zeitweise geschlossenen. Der Tracheenast, der zu der Kieme führt, wäre dann als phylogenetisch akzessorischer Ast aufzufassen, der bei der Häutung von Wasser zum Luftleben einfach abreißt und nur eine Narbe an dem Tracheenlängsstamm zurückläßt. Über die physiologische Bedeutung der Tracheen ist bisher wenig geschrieben worden. Für das offene Tracheensystem nimmt man überall an, daß die Tracheen die Leitbahnen der Luft dar- stellen. Wie jetzt aber der Sauerstoff den einzelnen Geweben mit- geteilt wird, darüber herrschen zwei Ansichten. Die eine vertritt PALMEN (1877, p. 11ff.), der glaubt, daß direkt durch die Wände der Tracheen das Blut den Sauerstoff aufnimmt und den Geweben zuführt, die andere Hrrrwıc (1903, p. 419) in seinem Lehrbuche Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 329 der Zoologie, nach dem die Tracheen mit ihren feinsten Enden bis in die einzelnen Organe eindringen und den Sauerstoff direkt _ an diese abgeben. Der Mittelweg wird auch wohl hier der rechte sein; die Tracheen führen die Luft bis in die einzelnen Körper- teile, geben sie hier teils an die Gewebe, teils an das Blut selbst ab. Bei dem geschlossenen Tracheensystem geht die Atmung als Hautatmung auf diosmotischem Wege vor sich, ein Vorgang, wie ihn zuerst DUTROCHET (1832) beschreibt; erst spät fand er mit seiner Theorie Anerkennung und zwar wiederum durch PALMEN (1877, p. 1ff.). Dieser letztere mißt den Tracheen bei dem ge- schlossenen Tracheensystemen keine respiratorische Funktion bei; sie sind nach ihm mit Kohlensäure angefüllt und dienen dazu, die Blutbahnen auszudehnen. Nach ihm muß also das Blut in den Kiemen der Larven selbst zirkulieren, um hier auf diosmotischem direkt die Luft aus dem Wasser aufzunehmen und dann den ein- zelnen Organen zuzuführen. Daß diese Theorie höchst unwahr- scheinlich ist, liegt auf der Hand. Boas faßt denn auch in seinem Lehrbuch der Zoologie (1906) die Tracheenstämme des geschlossenen Tracheensystems als Leitbahnen der Luft auf, die sie durch die Hautatmung, welche auf die Tracheenkiemen lokalisiert ist, auf- nehmen. ‚ Nach Parm&n versorgen also die Tracheen bei dem offenen Tracheensystem die Organe indirekt durch Vermittelung des Blutes mit Luft, nach Herrwıc direkt; bei dem geschlossenen Tracheensystem treten die Tracheen nach PALMEN als Luftbahnen außer Funktion, welche von dem Blute in vollem Maße übernommen wird, nach Boas behalten sie ihre Funktion. 4. Verdauungssystem. Der Darmkanal der Ephemeriden zeigt bei allen Gattungen eine weitgehende Übereinstimmung. Frıtze (1889) hat als erster im Zusammenhange den Darmkanal der Gattungen Clo&on und Baötis beschrieben und nur ganz minimale Unterschiede zwischen beiden gefunden. Sodann hat DRENKELFORT (1910, p. 591—596) den Verdauungsapparat von Siphlurus lacustris in seiner Mono- graphie dieser Eintagsfliege eingehend untersucht, eine Beschrei- bung, die in allen wesentlichen Teilen mit den Resultaten von Fritze übereinstimmt. STERNEFELD (1907, p. 415—430) ergänzt die Ausführungen Frırzes und konstatiert, daß bei den Gattungen 330 Heinrich Heiner, Hexagenia, Ephemera, Ephemerella, Caenis, Clo&on, Centroptilum, Heptagenia, Choroterpes und Habrophlebia überall dieselben Ver- hältnisse wiederkehren. Tatsächlich stimmen auch die drei vor- liegenden Tiere in der histologischen Differenzierung des Darm- kanals sowohl untereinander als auch mit den schon beschriebenen Gattungen überein, so daß ein näheres Eingehen auf dieses Thema sich erübrigt. Nur in einem möchte ich die Untersuchungen FRrITZEs be- züglich des Darmkanals der Larve von Ülo&on dipterum ergänzen. Frıtze läßt das Ileum in das Colon in gerader Linie direkt ein- Textfig. 38 Textfig. 39. Textfig. 38, 39. Querschnitte durch Dünn- und Dickdarm einer Larve von Clo&on dipterum. z/ Ileum; co? Colon; Zr Trachee; Zm Längs-, m Ring- muskulatur; dd Bindegewebe; ze Zylinderepithel; 5/7 Pflasterepithel; 5 Peri- toneum; zz Intima; # Kern. Vergr. 134:1. münden. Das aber ist nicht der Fall. Vielmehr legt sich der Dick- darm als eine breite Falte (s. Textfig. 38) dorsal über die letzte Spitze des Dünndarmes, so daß der Dünndarm ventral in den Dick- darm einmündet. Der Dickdarm (col), dessen Epithel in seinem ersten Teile (d/l) aus großen, kubischen Zellen besteht, weist so nach Vereinigung mit dem Dünndarm (z2) in dem Epithel zwei Arten von Zellen auf. Dorsal und lateral (s. Textfig. 39) besitzt er noch die ihm in seinem ersten Teile charakteristischen, großen Zellen (fl) mit großen, rundlichen, blasenförmigen Kernen (k), ventral behält er dagegen das aus stäbchenförmigen Zellen (zZ) mit kleineren Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 331 Kernen bestehende Epithel des Dünndarmes. In dem weiteren Verlaufe des Diekdarmes dem Anus zu verbreitert sich das klein- zellige Epithel und verdrängt so immer mehr das großzellise, das bei Eintritt in den Mastdarm vollständig verschwindet. Über die Physiologie des Darmes ist bisher viel gestritten worden. Fest steht, daß ein Funktionswechsel eintritt, da die ausgebildeten Insekten keinerlei Nahrung mehr zu sich nehmen und die Zellenwand des Darmes zu einem dünnen Häutchen auf dem Imagostadium geworden ist. Daß das nur auf mechanischem Wege vor sich gehen kann, ist klar, da ein Zerfall von Zellen nirgends zu finden ist. Frırtze (1889, p. 77) läßt durch den kräftigen Stoß von einflutendem Wasser die Ausdehnung des Darmes stattfinden. Daß diese Ansicht nicht die richtige ist, ist von mir schon früher dargelest worden. Dab auf dem Luftlebenstadium irgend ein Gas im Darm zu finden ist, das haben alle Eintagsfliegenforscher konstatieren können; wie aber dieses Gas in den Darm hineingelangt, darüber herrschen verschiedene Meinungen. FRITzZE läßt es durch den von ihm beschriebenen Sphinkter eintreten, dem STERNE- FELD (1907, p. 415ff.) nur eine mechanische, abschließende Tätig- keit zugesteht. Nach ihm tritt die Luft durch den Vorderdarm ein und zwar auf folgende Weise. Dilatatoren, Muskel, die von der Wand des Vorderdarmes an das Körperepithel gehen, ziehen den Ösophagus auseinander und lassen durch die Mundöffnung Luft eintreten, welche durch die starke Ringmuskulatur in den Mitteldarm gepreßt wird. Ja, er glaubt, die aufrechte Stellung der Insekten beim Hochzeitsfluge, besonders beim Steigen, damit erklären zu können, daß der Ösophagus, nachdem er gegen die Mundöffnung und gegen den Mitteldarm durch Ringmuskulatur abgeschlossen ist, durch die Dilatatoren erweitert wird und so einen luftleeren Raum bildet, der den Vorderteil des Tieres erleichtert. Er schreibt also dem Mitteldarm eine Verringerung des spezifischen Gewichtes des Insektes zu, dem Vorderdarm eine aerostatische Wirkung. PALMEN (1884, p. 61) deutet den prallausgedehnten Mitteldarm als Übertragungsmittel der Muskelbewegung auf die Geschlechtsorgane. Je einfacher und natürlicher die Erklärung, desto besser! Und so glaube ich, daß, wie schon früher erwähnt, die Ausdehnung des Darmes auf die entstehende Gasdruckdifferenz zwischen dem Gase im Darm und der umgebenden Luft bei der Häutung von Nymphe zur Subimago zurückzuführen ist. Immerhin mag dann 332 Heinrich Heiner, wohl die Ansicht PALMENS richtig sein, da die rege Betätigung der großen Flügelmuskel beim Hochzeitsfluge einen Druck auf den Darmluftschlauch ausübt, der, auf die Geschlechtsorgane über- tragen, dort eine Reizwirkung auslöst. Wahrscheinlich ist auch die Ansicht Frıtzes, daß beim Steigen der Darm mit Luft angefüllt das Tier erleichtert, dann beim Sinken aber die Luft ausgestoßen wird, richtig mit der Abänderung, daß die Füllung des Darmes mit Luft durch die Saugpumpenwirkung des Vorderdarmes be- wirkt wird. Daß aber der Vorderdarm nach STERNEFELD als luft- leerer Raum wirken soll, erscheint mir bei der sehr geringen Aus- dehnung desselben und der dabei anzunehmenden Doppelfunktion des Vorderdarmes höchst unwahrscheinlich zu sein. 5. Genitalsystem. Männliche Geschlechtsorgane. Die männlichen Geschlechts- organe, die wie überall bei den Ephemeriden, so auch bei den vor- liegenden Tieren aus den Testes, Vasa deferentia und den Dueti ejaculatorii bestehen, zeigen untereinander, wie auch mit den schon beschriebenen männlichen Genitalien, eine weitgehende Über- einstimmung. Als einzige Abweichung hat PALmEn (1884, p. 45) eine Anastomose zwischen den beiden Vasa deferentia bei Poly- mitareys virgo konstatiert; eine solche ist bei den vorliegenden Genitalien, die im übrigen dem von PALMmEn beschriebenen Typus gleichen, wie auch der eingehenden DRENKELFORTSchen Beschrei- bung von Siphlurus lacustris, nicht zu finden. Weibliche Geschlechtsorgane. So übereinstimmend die männ- lichen Genitalien gebaut sind, so verschieden sind bei den Epheme- riden die weiblichen. Baötis binoculatus besitzt zunächst, wie Paım&n schon festgestellt hat, polyoistische Ovarialröhren, d. h. in den Eiröhren werden nacheinander mehrere Eier gebildet, während Cloöon dipterum monoistische Ovarialröhren aufweist, also in jeder Eiröhre nur ein Ei gebildet wird. Der Calyx, dem die einzelnen Ovarialröhren dorsal aufsitzen, geht bei Baötis binoculatus fast bis in den Prothorax, während er bei Clo&on dipterum kaum den Metathorax erreicht. Weiterhin sind die Uteri, histologisch gleich den Vasa deferentia, nach dem von PALmEn beschriebenen Typus gebaut. Erst an ihrer Ausmündungsstelle zeigen die Ovidukte bei den einzelnen Gattungen eine Verschiedenheit. Schon PALMEN (p. 79) hat bei Heptagenia venosa eine Art Receptaculum seminis Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 333 gefunden, das auch von DRENKELFORT (1910, p. 606ff.) bei Si- phlurus lacustris entdeckt und von ihm näher beschrieben worden ist. Ein solches ist bei Baötis binoculatus nicht vorhanden, bei Clo&on dipterum aber wahrscheinlich, wenn man eine ganz geringe ventrale Ausstülpung an der Ausmündungsstelle der Ovidukte als ein solches ansehen will. Genaueres darüber zu sagen, ist mir nicht möglich, da mir befruchtete Weibchen (Schnittserien) nicht zur Verfügung standen, ich also an der Anwesenheit von Spermien ein Receptaculum seminis nicht feststellen konnte. Näher will ich auf die Ovidukte von Habrophlebia fusca ein- gehen, und zwar wegen der überraschenden Tatsache, daß diese Ephemeride einer unpaaren Ausführungsgang besitzt, während alle his jetzt beschriebenen Formen paarige Ovidukte aufweisen. Mir selbst ist es nur gelungen, eine, wenn auch wenig befrie- digende Schnittserie einer weiblichen Nymphe von Habro- phlebia fusca herzustellen. Eine solche anzufertigen von einer Imago, war unmöglich. An dieser Serie fand ich, daß die beiden Ovidukte (s. Textfig. 40—43) (ov), die bisher dorsal-lateral verliefen, im Anfange des 7. Segmentes sich plötzlich ventral wenden, um sich plötzlich hinter dem letzten Abdominalganglion der Bauchdecke zu einem Gange zu vereinigen (Textfig. 42 0v). Dieser Gang (ov), der zuerst breit ist — wohl der Ort für die Auf- nahme der Spermien — wird bald kreisrund und mündet oberhalb der Eiklappe nach außen. Umgeben ist dieser Gang wie auch die Ovidukte von einer mächtigen Schicht Längsmuskulatur (Im), der nur wenig Ringmuskulatur beigemischt ist; dieser Längs- muskulatur liegt eine kleinere Schicht (Zm,) derselben Art auf, die bei der Vereinigung der Ovidukte getrennt bleibt, während erstere zu einer Schicht verschmilzt. Auf diese Längsmuskulatur folst nach innen zu eine dünne Tunica propria (2), darauf das Drüsen- epithel (de) der Ovidukte. Wenn es mir auch nicht gelungen ist, wegen der Präparationsschwierigkeiten männliche Organe zu unter- suchen, so sind doch auch bei diesen die Ausführungsgänge sicher- lich unpaar, da die Rute nur in der Einzahl vorhanden ist und auch schon von KLAPALEX (1909, p. 13, Fig. 11 u. 12) von Habro- phlebia fusca und Habrophlebia lauta unpaar gezeichnet wird. So haben wir die interessante Erscheinung, daß bei den Ephemeriden, einer im übrigen so einheitlichen Gruppe, bezüglich der Genitalien alle möglichen Übergänge vom unpaaren zum paarigen System vorhanden sind. Als Vertreter des unpaaren Ausführungsganges kommen allein in Betracht Habrophlebia fusca Jenaische Zeitschrift. Bd. LIH. 22 334 Heinrich Heiner, und Habrophlebia lauta, des paarigen alle bisher beschriebenen Ephemeriden. Als weitere Differenzierungen und Übergänge 4 4 © © r [2 er + = = ® = u > So = = = £ & = 3 = u > > wm = Textfig. 40, 41, 42, 43. Ouerschnittbilder der Ovidukte einer Nymphe von Habrophlebia fusca. ov Ovidukt; de Drüsenepithel; 25 Tunica propia; Zm Längsmuskulatur; Zr, aufgelagerte Längsmuskulatur; s?r Sternit des 7. Abdo- minalsegmentes; dg Bauchstrang des Zentralnervensystems; »2s Marksubstanz; rs Rindensubstanz; rec Rektum; e’ Ei; cAo Chorion; dom Dorsoventralmuskel; | ep Epithel; cA Chitin. Vergr. 190:1. | Zur Biologie und Anatomie von Clo&on dipterum L. usw. 335 zwischen beiden Systemen sind zu nennen die Queranastomose zwischen den Vasa deferentia bei Polymitareys virgo und das Receptaculum seminis bei Heptagenia venosa und Siphlurus lacustris. Daneben besitzen dann noch Cloöon dipterum und Clo&on simile Viviparie, von der allerdings ich es für zweifelhaft halte, ob sie nicht eine Ovoviviparie ist, eine Streitfrage, die nur auf Grund genauer, biologisch-experimenteller Untersuchung gelöst werden kann. 22* 336 1737. 17712 1819. 1841. 1842. 1843. 1847. 1848. 1863. 1863. 1869. 1865. 1866. 1868. 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Er erkannte auch, daß Modiola trapezina — der neue Gattungsname war ihm nicht bekannt — in manchen Eigenschaften von Gattungswert von der Familie der Mytiliden, zu der sie bis dahin gestellt worden war, abweicht. GoULD schlägt vor, sie nach einem für die Wissen- schaft sehr verdienten Manne Gaimardia trapezina zu benennen. Er fand die untersuchten Exemplare in Orange Harbour mittels Byssusfäden auf dem Riesenblasentang festgeheitet vor. SımItH (1885, p. 279) verwechselt Modiolarca trapezina mit Phaseo- licama magellanica Rousseau, obwohl sich letztere, abgesehen von ihrer geringeren Größe und ihrem anatomischen Bau, durch den gänzlichen Mangel der Schloßzähne (STEMPELL 1899, p. 227) von Modiolarca trapezina, die zwei deutliche aufrecht stehende Zähne am Schloßrande besitzt (FıiscHEr, 1887, p. 971), schon in der äußeren Form der Schale unterscheidet. Ebenso ist FISCHER (1887, p. 972) der Ansicht, daß die beiden Muscheln synonym seien. 342 Wilhelm Bispinghoff, Wie spätere Feststellungen ergaben, ist die Familie der Modio- lareiden sehr artenreich. MABILLE und ROCHEBRUNE (1889, p. 120 bis 124, Tab. 7) glauben in der Baie Orange außer Modiolarea trapezina Lam. und Modiolarca pusilla Gould noch sieben andere Modiolareca-Arten gefunden zu haben. Eine noch größere Ausbeute an Modiolarca-Arten hat PFEFFER (1890, p. 467) auf einer Süd- polarexpedition gemacht. Außer den vorgenannten neun Arten zählt er noch weitere neun auf. Auch stellt er fest, daß Modiolarca trapezina circumpolar verbreitet ist. Sie ist bekannt von der Südspitze Amerikas, von Süd-Georgien, von der Marioninsel und vom Kerguelenland. Sie lebt dort meist auf Tangblättern fest- gesponnen. Von PLATE ist Modiolarca trapezina auf seiner chilen- sischen Reise im Jahre 1895 gesammelt und von STEMPELL (1899 b, p. 227) in den Muscheln der Sammlung PLATE systematisch be- stimmt worden. STEMPELL ist der Ansicht, daß die von MABILLE und ROCHEBRUNE in der Baie Orange gefundenen sieben Arten nur als Varietäten von Modiolarca trapezina anzusehen sind. Die Entwicklung der Schale einschließlich des Schlosses und des Ligaments unterzieht BERNARD (1895 und 1898) bei Embryonen dreier Modiolarca-Arten, M. trapezina, M. pusilla und M. fuegiensis, die er den Kiemen der Muttertiere entnommen hat, einer eingehen- den Untersuchung. Systematisch bringt BERNARD (1898, p. 62) Modiolarca bei der Ordnung der Cvpriniden unter. Die erste anatomische Beschreibung ist in neuerer Zeit von PELSENEER (1903, p. 44—47) veröffentlicht worden. Sein Untersuchungs- material stammt auch von der chilensischen Reise PLATES (PELSENEER 1899, p. 101 Anm.). Großzügig beschreibt PEL- SENEER die einzelnen Organsysteme, ohne sie in ihren Einzelheiten zu behandeln. Eingehend weist er auf die Merkmale hin, die Modiolarca trapezina von den Mytiliden unterscheiden. Die syste- matische Stellung der Modiolareiden hat den Autoren immer Schwierigkeiten bereitet, und man ist auch bis zum heutigen Tage noch zu keinem befriedigenden Resultate gekommen. Obwohl PELSENEER ausdrücklich bemerkt, Modiolarca sei kein Mytilide, sondern ein Eulamellibranchier (1903, p. 51), so trägt er dennoch Bedenken, sie definitiv von den Mytiliden zurückzuziehen (1903, p. 47). Von STEMPELL (1899 b, p. 227) wird sie bei den Filibran- chiern untergebracht. Entgegen BERNARD hält PELSENEER die Ähnlichkeiten in der Organisation nicht für ausreichend, um Modiolarca in die Ordnung der Cypriniden zu stellen. In neuester Zeit hat OpHner (1912, p. 336) die Niere einer Modiolarca-Spezies Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 343 genau untersucht. Eine eingehende anatomische Beschreibung einer Modiolarca-Art ist nicht vorhanden. Eine solche durchzu- führen, dürfte besonders nach den beachtenswerten Funden bei der nahen Verwandten Phaseolicama magellanica Rousseau (Iser 1908) der Mühe wert erscheinen. Aus diesem Grunde hat auch wohl Herr Prof. STEMPELL die Bearbeitung der Anatomie von Modiolarca trapezina unter Be- rücksiehtigung der Icerschen Arbeit „Über die Anatomie von Phaseolicama magellanica‘ angeregt. Ich fühle mich verpflichtet, Herrn Prof. Dr. PLATE an dieser Stelle bestens zu danken für die Überlassung des Materials. Ebenso spreche ich dem Assistenten am zoologischen Institut, Herrn Dr. JAKOBFEUERBORN, meinen Dank aus für seine zahlreichen Gefällig- keiten. Die größte Dankesschuld aber habe ich meinem hochver- ehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. STEMPELL abzutragen für die Freund- lichkeit, mit der derselbe, aus dem reichen Schatze seiner Fr- fahrung schöpfend, meine Arbeit unterstützte, für die Überlassung eines Arbeitsplatzes im zoologischen Institut und für die Bereit- willigkeit, mit der derselbe mir die Hilfsmittel des Instituts zur Verfügung stellte. 2. Material und Untersuchungsmethode. Die untersuchten Muscheln wurden von Herrn Prof. PLATE auf seiner chilensischen Reise im Januar des Jahres 1895 bei Punta Arenas in der Magalhaensstraße gesammelt und in Alkohol konserviert. Die Konservierung war, abgesehen von wenigen Ausnahmen, ziemlich gut. Die Größe der einzelnen Tiere schwankte zwischen 18 und 24 mm von vorn nach hinten gemessen und zwischen 11 und 16 mm in dorsoventraler Richtung. Die Unter- suchung erfolgte wegen der nicht allzugroßen Dimensionen der Muschel mittels lückenloser Schnittserien des ganzen Tieres oder passend ausgewählter Teile desselben. Die Schale wurde nach den Angaben STEMPELLS im Leitfaden für das mikroskopische Prak- tikum (1911, p. 70) in Pikrinsalpetersäure entkalkt. Da die Schale sehr dünn und zerbrechlich ist, und um die Weichteile nach Mög- lichkeit vor den schädigenden Einwirkungen der Säure za schützen, genügte ein Zusatz von 5 Teilen 25proz. Salpetersäure. Bevor die Tiere mit dem Mikrotom geschnitten wurden, wurden sie in DELA- FIELDschem Hämatoxylin 1—1%, Tage durchfärbt und nach der Behandlung mit Alkohol, Xylol, Xylol-Paraffin und reinem Paraffin 344 Wilhelm Bispinghoff, in Paraffin eingebettet. Alsdann wurden die Muscheln mit Hilfe des Mikrotoms in transversaler, sagittaler und frontaler Richtung in Schnittserien von 10—15 u Dicke zerlegt. Von den kleineren Teilen, wie Fuß, Mantelwand und Kiemen mit Embryonen, wurden Sondersehnitte von 3—6 u Dicke hergestellt. Meist wurde dann auch Doppelfärbung mit DerArıerpschen Hämatoxylin und Eosin angewandt. B. Spezielle Beschreibung. 1. Schale und ihre Färbung. Auf eine Beschreibung der Form der Schale brauche ich nicht näher einzugehen, da dies bereits von mehreren Autoren, besonders von GoULD in ausführlicher Weise geschehen ist. Seine Zeichnungen (1852, Tab. 41, Fig. 568 und Fig. 568a und 5) stimmen mit den vorliegenden Exemplaren genau überein. Wie StEmpELL (1899 b, p. 227) bemerkt, machen sich bei den Exemplaren der Sammlung PrAte neben Abweichungen in der Form Verschiedenheiten in der Farbe bemerkbar, indem die Färbung zwischen hellgelb und dunkelbraun variiert. Auch anderen Zoologen ist die verschiedene Färbung der Schale aufgefallen. Wenn es auch wünschenswert wäre, bei der Angabe der Farbe frische Muscheln zu benutzen, so läßt sich doch bei dem konser- vierten Material feststellen, daß die Färbung der Schale von zwei Komponenten, von der Farbe des Periostrakums und der der Kalkschale, abhängig ist. Um diese zu erkennen, muß man das Periostrakum loslösen, was bei den konservierten Muscheln leicht gelingt. Das Periostrakum besitzt eine gelbbräunliche Grund- farbe, die nahezu konstant bleibt. Bei den hellgelben Schalen ist die Kalkschale ganz farblos weiß und ruft im Verein mit dem darüberliegenden gelbbräunlichen Periostrakum die hellgelbe Farbe der Schale hervor. Dagegen hat bei den braunen Schalen das Periostrakum keinen bestimmenden Einfluß auf die Gesamt- färbung der Schale, sondern sie ist allein von der braunen Kalk- schale abhängig. Die bisweilen vorhandenen helleren Flecke sind darauf zurückzuführen, daß sich das Periostrakum losgelöst hatte. Ob der mangelnde Einfluß des Sonnenlichtes bei der Entfärbung der Schalen eine Rolle spielt, ist unsicher. Zwar liegen über den Fundort der hell- und dunkelgefärbten Schalen in der Magel- haensstraße keine Angaben vor, ob sie frei im Meere auf Tang- blättern festgesponnen oder in Ritzen und Spalten der Felsen oder Über die Anatomie von Modiolarca trepezina Lamarck. 345: unter Steinen, wie Phaseolicama magellanica (IGEL 1908, p. 2), vorkommen. so scheint es sich doch um erbliche Farbenvarietäten zu handeln. Denn nach Gourn (1852, p. 460) sind die Embryonen in den Kiemen ein und desselben Muttertieres teils nach dem Rande hin dunkelbraun, teils bleicher, beinahe weiß gefärbt. Nach PELSENEERS Feststellungen (1903, p. 46) erhält sich die Embryonal-- muschel mit rotbrauner Schale deutlich bei den erwachsenen. Bei dem konservierten Material waren solche Unterschiede in der Färbung nicht mehr festzustellen. In ihrem inneren Ausbau stimmen die Muscheln mit den verschieden gefärbten Schalen genau überein. Ich habe, obwohl meine Untersuchungen darauf gerichtet waren, keine anatomischen Verschiedenheiten ausfindig machen können. Den Bau und die Struktur der Kalkschale habe ich nicht näher untersucht. Trotz mehrerer Versuche ist es mir nicht ge- lungen, brauchbare Dünnschliffe herzustellen. Meine diesbezüg- lichen Bemühungen sind an der geringen Dicke der Schale gescheitert. 2. Mantel, Muskulatur. Der spiegelbildlichen Gleichheit der Schalenhälften ent- spricht eine symmetrische Ausbildung der beiden Mantellappen. Sie sind beiderseits weit dorsal am Körper befestigt. Die Ver- wachsungsstellen mit dem Körper sind nur eine kurze Strecke von- einander entfernt. Vorn und hinten verläuft die Befestigungslinie an den ventralen lateralen Ecken der Adduktoren. Der Mantel ist äußerst dünnhäutig, nur eine dünne Bindegewebsschicht trennt die beiden Epithelien voneinander. Die Dicke des Mantels wechselt ein wenig. Dorsal vor seiner Verwachsung mit dem Körper und ventral, bevor er sich in die drei Mantelfalten teilt, nimmt der Mantel an Dieke zu. Auch dort, wo die äußeren Mundlappen am Mantel befestigt sind, ist er durch Bindegewebe bedeutend ver- stärkt. Die schwache Entwicklung des Mantels bedingt die geringe Dicke der Schale. Der freie ventrale Mantelrand besteht aus drei dem Schalen- rande parallel verlaufenden Falten: Außenfalte, Mittelfalte und Innenfalte. Die beiderseitigen Innenfalten sind größtenteils mit- einander verwachsen und lassen nur drei Öffnungen: die Pedal- öffnung, die Branchialöffnung und die Analöffnung frei. Der Mantelraum ist auf diese Weise ziemlich geschlossen, zum Unter- schiede von den Mytiliden, wo er mit Ausnahme der dreieckigen Membran, die am Beginn des Unterrandes der Schale die beiden 346 Wilhelm Bispinghoff, Mantelhälften verbindet, ganz offen ist (vgl. Lıst 1902, p. 95 und PELSENER 1903, p. 44). [\ IN EESSSESETSTE RS Ki Fi Po Bf Textfig. 1. Weichkörper von der linken Seite aus gesehen, nach Entfernung der linken Schalen- und Mantelhälfte. Vergr. 10:1. Ada Adductor anterior; Adp Adductor posterior; Aö Analöffnung; 3/ Byssus- fäden; 2ö Branchialöffnung; 7x Fuß; Aäu äußere Kiemen; X7 innere Kiemen; Maldu äußerer Mund- lappen; 76 Pedalöffnung. Weichkörper von der linken Seite aus gesehen, nach Entfernung der linken Schalen- und Mantelhälfte und der linken Hälfte des Kiemen- apparates. Verdauungskanal und Byssusapparat sind gestrichelt eingezeichnet. Vergr. 10:1. Ada Adductor anterior; Add Adductor posterior; Aö Analöffnung; Bf Byssusfäden; 3% Byssushöhle; 356 Branchial- Textfig. 2. öffnung; Br PByssusrinne; /« Fuß; JBX Infra- branchialkammer; X? innere Kiemen; Mai innerer Mundlappen; ?ö Pedalöffnung‘ SPA Suprabranchial- kammer; 77 Trichter. chialöffnung von der Analöffnung trennt, Die Pedalöffnung (Textfig. 1 und 2 Pö) liegt ventral vom Fuß und beginnt hinter dem vorde- ren Adduktor. Die Öffnung ist ziem- lich umfangreich, da sie dem verhält- nismäßig großem Fuße und dem Byssusfaden zum Durehtritt dient. Noch größer ist die Branchialöffnung (Textfig.1 u. 2 Bö), die auf der hinteren ventralen Ecke des Körpers gelegen ist. Durch sie bringt der zuführende Wasserstrom das Atemwasser und die darin suspen- dierten Nahrungs- teilchen in den Mantelraum hin- ein. Die kleinste von allen drei Mantelöffnungen ist die Analöffnung (Textfig. 1u.2 Aö), die am hinteren Ende ziemlich dor- sal kurz hinter dem Adductor posterior beginnt. Die Man- telrandkommissur, welche die Bran- ist in ihrem dor- salen Teile mit den Kiemen verwachsen, so daß der gesamte . Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 347 Mantelraum in zwei Abschnitte, die infra- und suprabranchiale Kammer (Stenta 1903, p. 4), geteilt wird. Aus der zuletzt genannten geht der obere ausführende Wasserstrom durch die Analöffnung nach außen. Dieser entfernt das durch die Atmung unbrauchbar gewordene Wasser, und zugleich werden die Exkre- mente und Stoffwechselprodukte und gelegentlich die Geschlechts- produkte resp. Embryonen hinausbefördert. In den Öffnungen sind die drei Falten des ventralen Mantel- randes am deutlichsten ausgeprägt. Die Form der einzelnen Falten in den drei Öffnungen hat ein wechselndes Aussehen. In der Branchial- öffnung sind die Falten am längsten ausgezogen, während sie in den beiden anderen Öffnungen kürzer und plumper erscheinen. Bei weitem am dünnsten ist die Mittelfalte (Textfig.. 3 Mf). Sie kommt an Länge den anderen Falten beinahe gleich und besteht aus den beider- seitigen Epithelwänden und einer sehr dünnen Bindegewebsschicht. Das distale Ende läuft spitz zu und hat auf einem Querschnitt ein schneidenartiges Aus- sehen. Die Außenfalte (Textfig. 3 A/) ist plumper und weist eine oder mehrere AT; sekundäre Falten auf. Die Innenfalte uf (Textfig. 3 /f) besitzt eine ansehnliche { Größe. An den Verwachsungsstellen Texifig. 3. Transrerasl- der beiderseitigen Mantelränder ver- schnitt durch den ventralen schmelzen die proximalen Teile der Innen- wein ee: falten, während die distalen Enden ge- Außenfalte des ventralen wöhnlich frei auf der Mantelrandkom- a, en missur sich erheben oder zu einer median 4f Mittelfalte; »5 Nervus gelegenen Leiste sich vereinigen. Palau 02 ‚Deriastraenn Im’allgemeinen ist das Epithel der äußeren Mantelbedeekung ein wenig höher, bisweilen gerade so hoch oder auch wohl niedriger als das der Innenfläche. Das äußere Mantel- und Körperepithel setzt sich zusammen aus kubischen Zellen mit ziemlich großem Kern, der beinahe die ganze Zelle ausfüllt. Der dorsale Teil des Mantels besitzt ziemlich gleichmäßiges Epithel. An der Stelle, wo die Mantelrandmuskeln an die Schale ansetzen, erreicht das Epithel die geringste Höhe. Nach außen wird das Epithel von einer 7 X S R FRREGREEERUNN Fr --# np EA BI 348 Wilhelm Bispinghoff, feinen Cutieula abgeschlossen. Sehr spärlich finden sich zwischen den eigentlichen Epithelzellen becherförmige Zellen mit hellem Inhalt. Ob diese mit den Kalkzellen von Leda und Malletia (STEM- PELL 1898, p. 346) identisch sind, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Das äußere Mantelepithel steht in innigem Zusammen- hang mit der Schale und hat infolgedessen keine Cilien. Öfters waren zwischen dem Mantel und der Schale Parasiten eingedrungen. Durch den Reiz veranlaßt, sind die Zellen des umliegenden Epithels sehr hochprismatisch geworden. Das innere Mantelepithel ist in seiner Zusammensetzung dem äußeren sehr ähnlich. Es setzt sich aus flachem, niedrigem Epithel zusammen mit ovalem, verhältnismäßig großem Kern. Nur erscheint es bei Hämatoxylinfärbung dunkler tingiert als das äußere Mantelepithel. Die stärkere Tingierbarkeit ist auf den Reich- tum an Mueindrüsenzellen zurückzuführen. Außerdem ist die Mantelinnenfläche in der ventralen Hälfte mit Cilien bekleidet. Nach STENTA (1905, p. 6 und 7) erregen diese Flimmern eine fort- währende Strömung nach außen, die er die untere ausführende Rückströmung des Mantels nennt. Auf diese Weise werden Fremd- körper und die überschüssige, mit dem Atemwasserstrom ein- geführte Nahrung aus der infrabranchialen Kammer entfernt. Das Epithel der Außenseite des Mantels geht in das der Außenfalte über. Ventral der Ansatzstelle der Mantelrandmusku- latur erheben sich auf der Außenseite hohe, unregelmäßige Zell- gruppen, die mit dem niedrigen Mantelepithel abwechseln (vgl. Textfig. 3). Sie bestehen aus dichtgestellten, sehr hohen und schmalen Zellen mit langgestrecktem, ovalem Kern, der proximal gelegen ist. Mit Beginn der freien Mantelfalte wird das Epithel zusammenhängend. Zum distalen Rande der Außenfalte werden die Epithel- zellen noch niedriger. An sie schließt sich eine prismatische Zell- reihe an, die den angeschwollenen distalen Rand der Außenfalte bekleidet. Ventralwärts auf der Innenseite nimmt das Epithel immer mehr an Höhe zu und erreicht seine größte Höhe an der eingerollten Sekundärfalte der Innenfläche der Außenfalte. An diese Region schließt sich das sehr niedrige Epithel der Mittelfalte an, das auf deren Außenseite als Mutterepithel des Periostrakums fungiert. An der Ausscheidung dieses Häutchens ist die ganze Außenseite beteiligt bis an die Einrollung. Die aus- geschiedene Schicht wird zum distalen Ende hin immer dicker. Das Periostrakum ist, wie bei allen Muscheln, fest mit dem erzeugen- ‘Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 349 den Epithel verwachsen. Auch bei den Exemplaren, bei denen die Schale mechanisch entfernt worden war, blieb das Periostrakum an seiner Matrix haften. Nach Lists Ansicht (1902, p. 96) geht ja das Periostrakum aus den Epithelzellen unter Beteiligung von Muskelzellen hervor, die zwischen die Epithelzellen hindurchtreten und mit dem Periostrakum verwachsen sind. Die Zellgrenzen sind an dem proximalen Ende der Außenseite schlecht zu erkennen. Distalwärts fällt die Schrägstellung der Zellen nach der Spitze hin in die Augen (vgl. STEMPELL 1898 a, p. 347 und 1899, p. 101). Icer (1908, p. 6) gibt für die Schrägstellung dieser Zellen eine mir plausibel erscheinende Erklärung. Das Epithel der Mittelfalte wird an der Innenfläche ein wenig höher. In gleicher Höhe setzt sich der Epithelbelag auf die Außen- fläche der Innenfalte fort. Die Innenseite weist noch höheres Epithel auf, das nach der Verdickung in das niedrige Epithel der Innenfläche des Mantels übergeht. Ein Wimperbelag ist nur auf der Innenseite der Innenfalte der Branchialöffnung als Fortsetzung des die untere ausführende Rückströmung des Mantels bewirken- den Cilienkomplexes vorhanden. Die Innenseite der Innenfalte, besonders der Teil oberhalb der freien Spitze, ist sehr reich an epithelialen und subepithelialen Mueindrüsen, wie sie STEMPELL (1898 a, pag. 349) in ähnlicher Ausbildung bei Malletia chilensis vorgefunden hat. Auffallend zahlreich finden sich diese Mucindrüsen in der Mantelrandinnenfalte der Branchialöffnung. Die Ansicht von Rawırz (1888, 1890 und 1892) und von STEMPELL (1898, p. 349) über die Bedeutung dieser Drüsengebilde scheint mir durch das Vorkommen an dieser Stelle bestätigt zu sein. Durch Umhüllung mit Schleimmasse machen sie die dauernd durch die Branchial- öffnungeindringenden Fremdkörperchen unschädlich. Auch scheinen Wimperbekleidung und Schleimdrüsenzellen für die untere Rück- strömung unbedingt zusammen zu gehören (vgl. StentA 1905, p 29): Der dorsale Mantelrand läßt in der Richtung von der Anal- öffnung nach vorn nach der Verwachsung noch deutlich die drei Faltenpaare des ventralen Mantelrandes erkennen. Weiter nach vorn verschmelzen die freien, distalen Enden der beiden Innen- falten zu einem median gelegenen Wulst, der wiederum auch bald verschwindet. Die Bildungsstätten des Periostrakums rücken immer näher zusammen und vereinigen sich. Die noch freien Außen- falten werden immer kleiner und scharfkantiger, bis sie mit Beginn Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. 23 390 Wilhelm Bispinghoff, des Ligaments vollständig verschwinden. Von der Pedalöffnung nach vorn gleichen die verwachsenen Mantelränder ganz einer Mantelrandkommissur zwischen zwei Öffnungen. Vorn verwächst der Mantel erst in der Frontalregion der Mündung des Ösophagus in den Magen mit dem Körper. Ein Teil des Mantelraumes erstreckt sich nach vorn und dorsal vom Adductor anterior. Bei zurück- gezogenem Fuß findet die vordere Spitze in diesem Teil des Mantel- raumes Platz. Dorsal vom Adduetor anterior verschwinden die Mantelfalten in der vorher beschriebenen Weise und machen dem Ligament Platz. Die Lage des Ligaments ist bei der verwachsenen Muschel eine äußere (vgl. GouLp 1857, p. 25), während sie im Em- bryonalstadium als eine innere zu bezeichnen ist (vgl. BERNARD 1898, p. 48). Im allgemeinen stimmt die Mor- k phologie des Li- Textfig. 4. Querschnitt durch das Ligament in der am mit. der Mitte seiner Längserstreckung. Vergr. 103:1. ZZ gaments 1 e hintere Schicht des Ligaments; Zeö das Ligament er- der Nueuliden zeugende Epithel; 477 mittlere Schicht des Ligaments; EMPE 898 VI vordere Schicht des Ligaments. (ST LL 1 ’ p- 360--363) über- ein. Doch während bei den Nuculiden das Ligament einen mehr oder weniger stark gewölbten Bogen von der einen zur andern Schalenhälfte bildet, stellt das Ligament von Modiolarca trape- zina eine auf Querschnitten fast gerade, nur wenig gewölbte, aber feste Verbindung her (Textfig. 4). Auch die Anordnung der Schichten ist eine andere. Das Ligament setzt sich aus drei Teilen: dem vorderen (Textfig. 4 V!), dem mittleren (Ml) und dem hinteren (Hl) zusammen. Die vordere Partie stellt das un- elastische und die mittlere und hintere Partie das elastische Liga- ment dar (vgl. Reıs 1902, p. 181). In ihrer Tingierbarkeit mit Hämatoxylin sind die drei Teile deutlich unterschieden. Die vordere Schicht färbt sich hellblau, die mittlere dunkelblau und die hintere behält ihre ursprüngliche gelbe Farbe bei. Das unelastische Liga- ment ist dem elastischen auf beiden Seiten angelagert und erstreckt sich paarig nach vorn ein wenig über den Scheitelpunkt des Wirbels hinaus. Der ältere Teil des elastischen Ligaments ist herausge- fallen. Der mittlere Teil hat dorsal vom Fuß seine stärkste Ent- Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 351 wicklung erreicht. Der hintere Teil reicht etwa bis zum höchsten dorsalen Punkt der Schale. Textfigur 4 stellt einen Querschnitt durch das Ligament an der Stelle seiner stärksten Ausbildung dar. Dorsal greifen zwei Zipfel des unelastischen Ligaments über das elastische Ligament hinüber, ohne in Kommunikation zu treten. Die untere laterale Fläche des unelastischen Ligaments ist in zahlreiche kleine Falten gelegt. Das elastische Ligament weist in beiden Teilen eine der Grundfläche parallele Schichtung auf. Eine radiäre Schichtung, die auf Einlagerung feinster Kalk- fasern in die Conchyolinsubstanz hinweist, habe ich nicht nach- weisen können. Die radial angeordneten Kalkfasern sollen nach Reıs (1902, p. 182) neben der organischen Substanz die physi- kalische Ursache der Biegungselastizität bedingen. In seltenen Fällen, was bei diesem kaum gebogenen Ligament wohl zutrifft, können die Kalkfasern fehlen (vgl. Reıs 1902, p. 184). Nach dem Ligament hin verschwindet das niedrige Mantel- epithel und ein mehrmals höheres beginnt. Das Mutterepithel des Ligaments besteht aus hohen, schmalen Zylinderzellen mit basal gelegenen Kernen. Die Muskulatur weist wenig komplizierte Verhältnisse auf. Die Hautmuskulatur ist an der Ventralseite und daranschließend an den lateralen Körperpartien gut ausgebildet und steht in innigem Zusammenhang mit den Rückziehmuskeln des Fußes und mit der Fußmuskulatur selbst. Der zarte Mantel enthält keine nennenswerte Muskulatur Am Mantelrande aber findet sie sich in der typischen Weise aus- gebildet, (vgl. Textfig. 3) indem Muskelzüge ihn in allen drei Richtungen des Raumes durchziehen (vgl. STEMPELL 1898, p. 349). Die Hauptmuskelzüge verlaufen senkrecht zum Mantelrande und zu den Falten und lassen auf der Schale dort, wo sie entspringen, die dem Schalenrande parallel verlaufende Mantellinie zurück. Der von der dorsalen Ursprungsstelle ausgehende Muskelzug teilt sich bald, die Mantelrandarterie und den Mantelrandnerv zwischen sich lassend, in zwei Äste (vgl. Textfig. 3). Der eine Ast ver- läuft dicht unter dem äußeren Epithel zur Außenfalte, der andere tritt in die Innenfalte ein und spaltet sich in größere und kleinere Züge, die in die Innenfalte eintreten. Ein bedeutenderer Zweig geht zur Mittelfalte und verläuft direkt unter dem Mutterepithel Ms Periostrakums. Dort, wo die Innenfalten der beiderseitigen deantellappen verwachsen sind, treten auch die Muskelzüge in 23* 352 Wilhelm Bispinghoft, Verbindung und sind außerordentlich stark ausgebildet. Weiter ist die Längsmuskulatur zu erwähnen, die dem Mantelsaum parallel verläuft und sich hauptsächlich auf die Innen- und Außen- falte beschränkt. Schließlich verlaufen Muskelfasern von der Außenseite jeder Falte und des Mantels zur Innenseite. Die beiden Adduktoren sind gleich stark und haben den- selben Abstand von der Mitte des Ligaments. Der Adductor anterior (Textfig. 1 und 2 Ada) ist vor der Mundöffnung gelegen und aus drei ungleich großen Muskelbündeln zusammengesetzt. Das ventral gelegene Bündel hat auf einem Sagittalschnitt ovale Form und ist bei weitem das mächtigste. Das mittlere Bündel ist bedeutend kleiner und am unscheinbarsten ist das dorsal gelegene. Auf diese Weise erhält der gesamte Muskel eine langgestreckte Form. Der Adduetor posterior (Textfig. 1 und 2 Ad) besteht aus einer einheitlichen Muskelmasse und liegt dorsal am hinteren Ende des Körpers vor der Analöffnung. Bei den den Muskel zusammen- setzenden Fasern habe ich bei beiden Adduktoren keine Verschie- denheiten ausfindig machen können, wie IGEL bei Phaseolicama magellanica (1908, p. 9), wo der Adductor posterior in zwei gleiche Hälften geteilt ist, deren Muskelfasern verschiedene Dicke haben, und GRIESER bei Chama pellucida (1912, p. 16), wo derselbe Muskel in seinem peripheren und zentralen Teile aus ungleichen Fasern zusammengesetzt ist. Zwei Paar symmetrisch gelegene Muskelzüge verbinden den vorderen und hinteren Teil des Fußes mit der Schale. Es sind dies die Retractores pedis anteriores und Retractores pedis posteriores. Beide Retraktorenpaare spielen bei der Lokomotion eine Rolle. Bei festsitzender Lebensweise dienen sie der Muschel im Sinne SEYDELS als Byssusmuskeln und sind dann als Retractores byssus anteriores bzw. posteriores zu benennen. Die Retractores pedis anteriores inserieren dorsal vom Adduetor anterior unterhalb der Wirbel an der Schale. Die In- sertionsstellen liegen ziemlich weit voneinander entfernt. Sie ver- laufen an der ventralen Seite des Körpers, wo sie eine flache Gestalt annehmen. Vor dem vorderen drüsigen Teil des Byssusapparates nähern sie sich einander. Ein Teil der Fasern zieht nach hinten und vermischt sich mit denen der hinteren Retraktoren, ein anderer Teil biegt in den Fuß hinab. Gemeinsam mit den Retractores pedis anteriores zweigt jJeder- seits von den Anheftungsstellen ein kleines Muskelbündel in ven- Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 353 traler Richtung zur Mundöffnung ab. Es ist der von STEMPELL (1898, p. 378) auch bei den Nuculiden beschriebene Musculus levator oris. Die Retractores pedis posteriores sind dorsal vom Adductor posterior seitlich an der Schale befestigt. Sie sind doppelt so lang als die vorderen Retraktoren und im Vergleich zu diesen auch mächtiger entwickelt. In sehr dorsoventraler Richtung verlaufen sie nach unten und vorn. Kurz hinter dem Visceralganglion treten sie median zu einer einheitlichen Muskelmasse zusammen, die als Anheftungsstelle für die Kiemen dient. Weiter ventralwärts wölbt sich, durch die Einsenkung der Byssushöhle veranlaßt, die ver- schmolzene Muskulatur ein wenig vor. Die Fasern dieser Muskel- züge dringen teils in den Byssuswulst und dessen Falten ein, teils gehen sie in die periphere Fußmuskulatur über. Ein Museulus levator pedis ist, wie schon PELSENEER (1903, p. 45) festgestellt hat, nicht vorhanden. 3. Fuß und Byssusapparat. Modiolarca trapezina besitzt einen kleinen, gut entwickelten Fuß (Textfig. 1 und 2 Fu), der nicht über die vordere Hälfte des Mantelraumes hinausreicht. Der Fuß von Phaseolicama magel- lanica (vgl. IGer 1908, p. 10, Fig. 1 und 9) ist verhältnismäßig kleiner als der von Modiolarca trapezina. In ihrer äußeren Form gleichen beide ganz einem Menschenfuße. Der ventrale Teil ist bis zur Spitze zu einer Kriechsohle abgeplattet und seitlich ver- breitet. Derjenige Teil des Fußes, der mit dem Körper in Verbindung steht, ist bilateral zusammengedrückt und meist lang ausgezogen. Der Fuß ist stark muskulös und von vielen Blutgefäßen durch- zogen, aber keine Eingeweide reichen in denselben hinab. GoULD, der Modiolarca trapezina lebend beobachtet hat, berichtet, daß der Fuß großer Ausdehnung fähig sei (1852, p. 460). Hinten dorsal im Fuße liegt eine hochentwickelte Byssushöhle, an die sich ventral- wärts die zugehörige, median verlaufende Rinne mit dem umgeben- den Drüsenkomplex anschließt. In seiner ganzen Form und Aus- bildung gleicht der Fuß samt dem Byssusapparat dem von Phaseoli- cama magellanica (IGer 1908, p. 10ff.). Nur ist bei Modiolarca trapezina die Kriechsohle besser entwickelt. Die äußere Wandung des Fußes ist in viele Falten gelegt und erscheint auf Querschnitten mehr oder weniger stark gewellt. Besonders die sohlenartige Verbreiterung weist tiefigehende Falten 354 Wilhelm Bispinghoff, auf. An den Rändern der länglichen Sohle sind regelmäßige papillen- artige Erhebungen vorhanden. Die leichte Kräuselung der gesamten übrigen Fußwandung ist wahrscheinlich eine Folge der Konser- vierung. Das Epithel des Fußes ist auf der Unterseite zum Wenigsten doppelt so hoch als auf der Oberseite und überall mit einem gleich hohen und sehr dichten Ciliensaum bekleidet. Die Zellen sind prismatisch und nach außen mit einer kräftigen Cuticula bedeckt, die auch an der ventralen Seite entsprechend der Höhe der Zellen dicker ist. Zwischen den Epithelzellen sind überall in Hämatoxylin dunkel gefärbte Mucindrüsen eingestreut. Besonders die Unter- seite hat einen stark drüsigen Charakter. Zu den auf der ganzen Fußfläche zwischen dem Epithel zerstreuten Drüsenzellen kommt in der Sohle eine Schicht von subepithelial gelegenen Mucindrüsen. Sie finden sich unter der zirkulären Fußmuskulatur vor und münden mit engem Hals nach außen. Ihre Verbreitung ist im wesentlichen auf die Stellen des Fußes beschränkt, die bei der Lokomotion mit der Unterfläche in Berührung kommen. Die Muskulatur des Fußes ist entsprechend seiner Funktion recht bedeutend und steht in innigem Zusammenhang mit den Retraktoren, deren periphere Faserzüge in den Fuß eindringen. Ferner besitzt der Fuß eine dieke muskulöse Decke, die sich dicht unter dem Epithel erstreckt. Besonders in dem vorderen Teil verbinden Querfaserzüge die gegenüberliegenden Seiten der Fuß- wandung kreuz und quer. In dem hinteren dorsalen und fersenähnlichen Teile des Fußes ist auf der hinteren Seite der Byssusapparat gelegen. Er setzt sich wie bei allen Byssiferen aus der Byssushöhle (Textfig. 2 BA) mit den fadenbildenden Falten und aus der Byssusrinne (Textfig. 2 Br), die sich ventral an die Höhle anschließt, zusammen. Beide Teile des Byssusapparates sind von einem mächtigen Komplex von sezernierenden Drüsen umgeben. Die Byssushöhle hat die Gestalt eines vorn und hinten zu- gespitzten elliptischen Zylinders, dessen Längsachse median in der Richtung von vorn nach hinten verläuft. Von den Wänden der Höhle ragen Lamellen oder Falten, die für die Bildung des Byssus- fadens in Betracht kommen, in das Lumen der Höhle hinein. Auf dem vorderen Teile der ventralen Wand bleibt eine Öffnung für den Durehtritt des Fadens in die Rinne. Die von den Falten ge- bildeten Fächer verlaufen in der Längsrichtung, und zwar sind die freien Enden der Falten der Mittelachse der Höhle zugekehrt. ‚Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 355 Von der Decke der Höhle hängt ein keilförmiger Wulst mit breiter Basis herab, dessen Oberfläche in zahlreiche dünne Falten gelegt ist. Die Spitze des Keils verwächst nach hinten zu mit der ven- tralen Wand, so daß der hintere Teil der Höhle in zwei, wenn auch nur kurze Zipfel geteilt wird. Nach vorn nimmt der Keil allmählich an Höhe ab und die Falten verschwinden. Nach hinten nehmen die Falten an Länge zu und verschmelzen mit der Höhlenwand, so daß die Höhlungen zwischen den Falten blind endigen. Die längsten Falten befinden sich an den Seitenwänden der Höhle. Die Falten sind sehr dünn und laufen zum distalen Ende spitz zu. Bisweilen sind sie in zwei oder mehrere sekundäre Falten gespalten. Die Zahl der Falten, die ein Maß für die Ausbildungshöhe des Byssus- apparates abzugeben vermag, ist sehr groß und schwankt zwischen 40 und 70 je nach der Größe des Tieres. Die Höhle und die ganze Oberfläche der Falten sind mit einschichtigem Wimperepithel ausgekleidet. Das Epithel der Lamellen wird zum distalen Rande hin höher und schmäler. Die verschiedenen Ansichten der älteren Autoren über den lamellen- artigen Teil des Byssusapparates und seine Beteiligung bei dem Zustandekommen des Byssusfadens hat IGEL (1908, p. 13 und 14) zusammengestellt. Deshalb brauche ich nicht darauf einzugehen und verweise nur auf die neuere Arbeit von SEYDEL (1909), der aus- drücklich darauf hinweist, daß das Epithel der Falten keinen sekre- torischen Charakter hat und nie kutikulare Bildungen zum Aufbau des Byssus oder zu seiner Befestigung in der Höhle liefert (1909, p. 567). In der schmalen Bindegewebsschicht, die die beiden Epithel- lagen voneinander trennt, liegen am unteren Ende der Falten kleine Drüsenzellen mit hellem feinkörnigem Inhalt. Es sind dies die Faltendrüsen SEYDELS. Ihr Sekret sieht man bei einem in Tätig- keit befindlichen Byssusapparat als kleine Tropfen, die in Häma- toxylin hellblau gefärbt sind, zwischen die Epithelzellen hindurch- treten. Eine dieke Schicht von großen flaschenförmigen Drüsen- zellen, den acidophilen Höhlendrüsen SEYDELS, umlagert die ganze Höhle von allen Seiten. Der Inhalt dieser Drüsenzellen stellt eine dunkelblau gefärbte, grobkörnige Masse dar, in der ein großer kugeliger Kern liegt. Mit äußerst engem und langem Hals münden sie in die äußersten Ecken der Fächer ein. Die Byssushöhle öffnet sich in ihrem vorderen Ende nach außen und geht, ohne einen besonderen Kanal zu bilden, in die Byssusrinne über. Die Ränder der Höhlenöffnung sind verdickt und wulstförmig nach innen umgebogen. Auch weisen sie eine 356 Wilhelm Bispinghoff, starke Muskulatur auf, mit der die Höhle gegen die Außenwelt abgesperrt werden kann. Die Byssusrinne verläuft median an dem hinteren fersen- ähnlichen Teile des Fußes in dorsoventraler Richtung und mündet an der hinteren ventralen Fußkante aus. Die Rinne senkt sich tief in den Fuß ein und bildet einen ziemlich gleichweiten Spalt, der durch seine verdiekten und gefalteten Ränder an der Mündung verengert ist. Die Rinne ist mit Wimperepithel ausgekleidet. Die Zellen sind höher und dichter gestellt als an der Fußwandung, auch die Flimmerbekleidung ist etwas höher. Durch zahlreiche Muskelfasern steht die Wandung der Rinne mit der peripheren Fußmuskulatur in Verbindung. Nach vorn und an den Seiten ist die Rinne von einer dicken Lage von birnförmigen Drüsenzellen, den acidophilen Rinnendrüsen SEYDELS, umgeben. Sie schließen sich den acidophilenHöhlendrüsen, denen sie vollkommen homolog sind, an. Mit ihrem engen Hals- teil münden sie in die Rinne ein. In dem äußeren Teil der Seiten- wand der Rinne liegt auf den Vorsprüngen eine kleine Drüsengruppe, deren Zellen deutlich von den acidophilen Drüsenzellen unter- schieden sind. Sie sind bedeutend kleiner und tingieren bei Doppel- färbung mit Hämatoxylin und Eosin stärker als jene. SEYDEL (1909, p. 503) bezeichnet sie als basophile Rinnendrüsen und sie dürften nach seiner Meinung aus den peripheren Mucindrüsen hervorgegangen sein. Sie sind wie diese länglich birnförmig und mit engem Hals versehen. Die Drüsengruppe breitet sich auch auf dem vorspringenden Rande der Höhlenöffnung aus. Die acidophilen Rinnen und Höhlendrüsen haben, wie ich mit SEYDEL nach meiner Bearbeitung bestätigen kann, den größten Anteil bei dem Aufbau des Byssusfadens und von ihrer Entfaltung ist die Dicke des Fadens abhängig. Die übrigen Drüsen sind nur von untergeordneter Bedeutung für die Bildung des Fadens. Wenn ein Faden hergestellt werden soll, so wird die Höhle und die Rinne nach außen abgeschlossen und in den vollständig ge- schlossenen Raum das Sekret ergossen, bis er gefüllt ist. Nach kurzer Zeit ist der Faden erhärtet; die Rinne läßt ihn frei, wogegen er in der Höhle befestigt bleibt. So werden von Modiolarca trape- zina mehrere Fäden gebildet, die in verschiedenen Richtungen verankert werden (vgl. GouLp 1852, p. 461 und Gray 1857, p. 25, Fig. 8). Vorn vor der Mündung der Byssusrinne an der ventralen hinteren Kante der Fußsohle findet sich eine in dorsaler Richtung Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 357 in den Fuß sich erweiternde Einstülpung (Textfig. 2 Tr), die voll- ständig von der Rinne getrennt ist. PELSENEER (1903, p. 45, Fig. 108 und 109) bezeichnet sie als „Glande pedieuse‘“ und hält sie ihrer Funktion nach für eine deutliche Schleimdrüse. Er betont ausdrücklich, daß sie nicht mit der Byssusfurche wie bei den Mytiliden in Verbindung stehe. Diese Einstülpung ist der „vorderen Fußdrüse‘‘ von Arca (TureLe 1897, p. 652) oder dem „Trichter“ von Peeten und anderen Lamellibranchiern, wie SEeyYpEr (1909, p. 475) sie bezeichnet, als homolog zu betrachten. Bei Modiolarca trapezina weicht der Trichter in seiner Lage von der bei anderen Lamellibranchiern festgestellten Lage ab, indem er nicht in der Nähe der vorderen Fußspitze gelegen ist, sondern ganz nahe an die hintere Kante der Kriechsohle gerückt ist, stimmt aber darin mit den Byssiferen überein, daß er vor dem ventralen Ende der Byssusfurche liegt. Diese Verlagerung nach hinten hat wohl darin ihren Grund, daß die ventrale Fußfläche zu einer Kriechsohle umgebildet ist, an die sich erst von der hinteren Kante aus die Byssusrinne mit dem vorgelagerten Trichter an- schließt. Bei anderen Byssiferen erstreckt sich die Rinne auf der ventralen Seite des zylindrischen Fußes bis beinahe zur Spitze, die dann, falls eine solche vorhanden ist, von dem Trichter eingenommen wird. Die Wand des Trichters ist ziemlich glatt und nur wenig gefaltet. Sein Epithel besteht aus mäßig hohen, prismatischen Zellen. Die Cilien sind höher und straffer als die des Fußepithels. Unter dem Epithel, das den Trichter auskleidet, liegt eine Schicht von unregelmäßig geformten Zellen, deren Kerne dunkler gefärbt sind als die des Epithels. Zellgrenzen sind nicht deutlich zu erkennen. Jedenfalls haben die Zellen einen drüsigen Charakter; denn zwischen den Cilien ist immer eine Schleimmasse vorhanden. Wir haben es hier wahrscheinlich mit umgewandelten Mueindrüsen zu tun. SEYDEL fand bei dem von ihm untersuchten Lamellibranchiern zweierlei Trichterdrüsen vor (1909, p. 565). Bei den Arciden und Mytiliden sind sie nämlich den peripheren Mucindrüsen des Fußes homolog, bei Lima und Pecten dagegen sind sie von diesen ver- schieden, wohl aber nach SeyYpEıs Ansicht aus ihnen hervor- gegangen. Das letztere wird auch für Modiolarca trapezina zu- treffen. THIELE bezeichnet (1897, p. 661) die vordere Fußdrüse als ein rätselhaftes Organ, welches nur bei einer Reihe von Lamelli- 358 Wilhelm Bispinghoff, branchiern zu bedeutender Entwicklung gelangt. Der Trichter spielt bei der Lokomotion eine wichtige Rolle (Seyper 1909, p. 472). Der weit ausgestreckte Fuß, der an der Spitze mit einem Trichter versehen ist, heftet sich nämlich mit diesem an die Unter- lage fest und durch Kontraktion der Fußmuskulatur wird der Körper nachgezogen. Diese Funktion scheint der Trichter bei Modiolarca trapezina verloren zu haben, worauf die Verlagerung nach hinten hindeutet. Vielmehr wird hier der Trichter dazu dienen, mit dem ausgeschiedenen verkittenden Sekret den Byssus- faden an die Unterlage festzuheiten (vgl. Lang 1900, p. 176). An der Spitze des Fußes wird der Trichter in seiner Wirkung physiologisch unterstützt durch eine besonders reichliche Anhäu- fung von Mueindrüsen. Von den gewöhnlichen Beziehungen, die zwischen der Aus- bildung des Fußes und derjenigen des Byssusapparates bestehen, macht Modiolarca trapezina eine Ausnahme. Bei den meisten Byssiferen verliert der Fuß infolge der hohen Entwicklung des Byssusapparates seine Bedeutung als Lokomotionsorgan, und die flache Sohle verschwindet. Der fingerförmige Fuß dient dann zum Anheften des Byssusfadens.. Trotz des hochstehenden Byssus- apparates ist bei Modiolarca trapezina eine flache Kriechsohle vorhanden wie bei den Nuculiden und Pectunculiden (vgl. PEL- SENEER, 1903 p. 44). Neben der festsitzenden Lebensweise muß also Modiolarca trapezina den Fuß zeitweilig zur Kriechbewegung benutzen. Die Vorwärtsbewegung geht aber nichtin der Weise vonstatten wie GouD (1852, p. 461) es beschreibt. Danach soll die Muschel sich mit Hilfe von Fuß und Byssusfaden fortbewegen und nach der endgültigen Festheftung sollen auch die Fäden noch elastisch sein. Zwar habe ich selbst darüber keine Beobachtungen machen können, da mir konserviertes Material zur Verfügung stand, aber nach allen aus der neueren Literatur bekannten Tatsachen dient der Byssusfaden nie als Mittel zur Fortbewegung. Auch findet keine Ortsbewegung durch Verkürzung oder Verlängerung der Fäden statt (vgl. SEYDEer 1909, p. 495). Die Vorwärtsbewegung besorgt allein der Fuß. Die Fußspitze wird soweit als möglich ausgestreckt und dann wohl wie ein Saugnapf verwendet. Durch Zusammenziehen der Fußmuskulatur ziehen sich die Tiere auf dem Grund fort. Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 359 4. Verdauungssystem. Der Mund liegt unmittelbar hinter dem Adduktor anterior (vgl. Textfig. 2 und 5) und wird jederseits von zwei Mundlappen flankiert. Der Ösophagus (Oes) verläuft parallel der vorderen Rückenlinie und mündet in die vordere ventrale Ecke des Magens (Mg). Der sackförmig erweiterte Magen ist dorsoventralabgeplattet, und seine Längsachse ist etwas nach vorn geneigt. Dorsal von der Eintrittsstelle des Ösophagus in den Magen befindet sich ein kleiner Blindsack (Bis). Am hinteren ventralen Ende geht der Magen in den Magendarm über, der etwas schräg nach hinten ventralwärts gerichtet ist. Der Magendarm (Md) besteht wie bei vielen anderen Muscheln, aus zwei nicht vollständig von einander getrennten Teilen, der Magenrinne und der Kristallstielrinne. Die Magenrinne setzt sich in den Dünndarm (Dad) fort. Dieser wendet sich nach vorn und beschreibt in einer Frontalebene verlaufend eine Schleife nach rechts. Nachdem der Dünndarm das untere Ende des Magendarms auf der rechten Seite passiert hat, biegt er nach oben um und ver- läuft in einiger Entfernung vom Magendarm diesem parallel dorsal- wärts. Hat der Darm median die Hälfte der dorsalen Magen- wandung erreicht, so wendet er sich analwärts.. Der Enddarm (Ed) tritt in den Herzventrikel ein, den er in seiner ganzen Länge durchbohrt. Er rückt immer näher an den dorsalen Mantelrand heran. Kurz hinter dem Adduktor mündet der Enddarm in die Suprabranchialkammer (Textfig. 2 Sbrk). Bei einer 20 mm langen Muschel beträgt die Länge des Öso- phagus 3 mm, des Magens 2,5 mm, des Magendarms 12 mm und des Enddarms 9,5 mm. Die Mundlappen sind stark reduziert (vgl. auch PELSENEER 1903, p. 44). Die geringe Größe der Mundlappen ist wohl wie bei Phaseolicama magellanica (vgl. IGeL 1908, p. 17) auf die starke Entwicklung der Kiemen, durch die sie zum größten Teile ersetzt werden, zurückzuführen. Das äußere Mundlappenpaar (Textfig. 1 Malpäu) ist lateral am Mantel und das innere Mundlappenpaar (Textfig. 2.Malpi) am Körper befestigt. Eine gemeinschaftliche Achse besitzen die beiden Mundlappenpaare nicht. Nach vorn gehen die äußeren Mundlappen, wie bei den meisten Muscheln, in die Oberlippe und die inneren in die Unterlippe über. Die äußeren Mundlappen sind etwas länger und haben eine größere Flächen- ausdehnung als die inneren. Das Epithel der Mundlappen verhält sich ganz typisch, wie es IGEer (1908, p. 17) bei der Verwandten 360 Wilhelm Bispinghoff, Phaseolicama magellanica beschrieben hat. Auch die Innen- flächen zeigen die bekannte Riefung. Der Ösophagus (Textfig. 50Oes) zieht von der Mundöffnung dorsalwärts. Das Lumen des Schlundrohres ist bei seinem Beginn weit und besonders in lateraler Richtung breit ausgezogen. Nach der Mündung des Ösophagus in den Magen verengert sich sein Lumen allmählich, indem es gerade in der Breite an Ausdehnung DER Textfig.5. Verdauungskanal von der linken Seite aus gesehen. Rekonstruktion nach Messungen an einer Transversalschnittserie. Vergr. 10:1. 2/s Blindsack des Magens; Dd Dünndarm; Zd Enddarm; M7d Magendarm; Mg Magen; Oes Ösophagus. Die Zahlen 6, 7, 8, 9, ro geben die Stellen an, denen die Querschnitte der Textfig. 6, 7, 8, 9, 10 entstammen. verliert. Die Verengerung an der Mündung erfolgt aber nicht in dem Maße wie bei Phaseolicama magellanica (IGEL 1908, p. 8), wo die Mündung so eng ist, daß nur die kleinsten Nahrungsteilchen passieren können. Das den Ösophagus aus- | kleidende Epithel ist in zahlreiche Längsfalten | gelegt (vgl. Textfig. 6), die zur Mitte hin an | Höhe zunehmen. Die Zahl der Längsfalten | variiert bei den einzelnen Tieren sehr und | Textfig. 6. Quer- jst zum Munde hin größer als an der Mün- schnitt durch den F i : Ösophagus, der die dungin den Magen. Das Schlundepithel wird FH BR _ von einem dünnen Cuticularsaum abgeschlossen nen läßt. Vergr.50:1. und ist mit Cilien dicht besetzt. Ein dünner Muskelring umgibt rings das Schlundrohr. Der Magen (Textfig. 5 Mg) hat seinen größten Umfang in seinem vorderen Teile hinter den Lebermündungen. Das Epithel UMR N Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 361 des Magens (Textfig. 7) ist abgesehen von einigen Wülsten und Falten ziemlich gleichmäßig. Im allgemeinen ist das Epithel der dorsalen Magenwand höher als das der ventralen. Zahlreiche, dünne und lange Falten, die sich mehrmals verzweigen können, treten an der ventralen Magenfläche kurz hinter der Mündung des Ösophagus auf. Weiter verläuft auf der ventralen Magenwand median eine konstante Leiste von vorn nach hinten, die in dem einen Epithelwulst des Magendarms mit der schwach entwickelten Drüsenpartie ihre Fortsetzung findet. Das Magenepithel trägt überall Cilien. Bisweilen sind diese an einigen Stellen von dem Ausschei- dungsprodukt der hochprismatischen Zellen verdeckt. Diese homogene Schicht, die Fläche tricuspide (Textfig. Fig. 7. Querschnitt durch den Magen. Vergr. 7Flir) der älteren 29:1. Zitr Fleche tricuspide; vM? ventrale Magenleiste. Autoren, färbt sich in Hämatoxylin nur wenig. Sie erstreckt sich auch in den dor- salen Blindsack und in die Lebermündungen hinein. Im hinteren Teile des Magens wird der hochprismatische Epithelstreifen, der die Fleche trieuspide ausscheidet, lateralwärts verlagert und geht ventral in den Epithelwulst des Magendarms über, der in der Hauptsache für die Sezernierung des Kristallstiels in Betracht kommt. Der Blindsack (Textfig. 5 Bis) liegt dem vorderen Teil des Magens dorsal auf und zeigt mit der Spitze nach vorn. Der Blind- sack ist verhältnismäßig breit und in dorsoventraler Richtung stark abgeplattet. Das ihn auskleidende Epithel ist hochprismatisch und erreicht die größte Höhe an der Ecke, wo der Blindsack in den Magen übergeht. An derselben Stelle findet sich nach IGEL ein ähnlicher Blindsack bei Phaseolicama magellanica (Icer 1908, p- 19, Fig. 9 dc). An der ventralen, hinteren Ecke geht der Magen in den Magen- darm über, der aus zwei miteinander kommunizierenden Teilen, der Dünndarmhalbrinne (Textfig. 8Ddh) und der Kristallstiel- 362 Wilhelm Bispinghoff, halbrinne (Krh), besteht. In ihrem histologischen Aufbau ist das Epithel der beiden Halbrinnen sehr verschieden voneinander. Die Kristallstielhalbrinne liegt zur rechten Seite und ist bei erwachsenen Exemplaren bedeutend umfangreicher als die Dünndarmhalbrinne. Bei einem kleinen jüngeren Tiere waren beide Rinnen gleich groß. Der enge Kanal ist der eigentliche Darm, in dem man gewöhnlich Nahrungsreste antrifft. Der ee, weitere Kanal ist mit Stücken N, ; einer gallertartigen Masse, Teilen des Kristallstiels, er- füllt. Einen vollständig erhal- tenen, konzentrisch geschich- teten Kristallstiel habe ich nirgends angetroffen. Das Zylinderepithel der Kristallstielhalbrinne hat einen sehr breiten Cuticularsaum mit straffen, dicht stehenden Textfig. 8. Querschnitt durch den Cilien. Die der Kristallstiel- Magendarm 51:1. 2sm Basalmembran; halbrinne zugewandte Seite Ddh Dünndarmhalbrinne des Magen- darmes; Z5#W" Epithelwulst mit der der Epithelwülste wird von stark ausgebildeten, den Kristallstiel den den Kristallstiel ausschei- secernierenden Drüsenpartie; ZW? Epithelwulst mit der undeutlich aus- denden Drüsenpartien einge- gebildeten Drüsenpartie; Xr% Kristall- nommen, die auffällig ungleich stielhalbrinne des Magendarmes. entwickelt sind Antennen Epithelwulst (Efw') ist die sezernierende Partie sehr stark aus- gebildet. Ihre Zellelemente sind sehr feine, zarte Gebilde und außer- ordentlich hoch und schmal mit proximal gelegenem Kern. Eine zarte Cutieula mit äußerst feinen Cilien bildet den Abschluß. Auf dem anderen Wulst (EPw?) ist die Drüsenpartie nur schwach ent- wickelt und nicht immer deutlich zu erkennen. Wahrscheinlich entspricht der ventrale Blindsack von Phaseo- licama magellanica (vgl. IGEr 1908, p. 19) der Kristallstielrinne von Modiolarca trapezina, die beide das gleiche Borstenepithel (vgl. Iser 1908, Fig. 8vc) aufweisen. Auch glaube ich nach Durchsicht einiger Schnittserien von Phaseolicama magellanica, die mir in liebenswürdiger Weise von Herrn Prof. STEMPELL zur Verfügung gestellt wurden, die von IcEer (1908, p. 20) erwähnten hohen Prismenzellen des ventralen Coecums als die den Kristallstiel ausscheidende Drüsenpartie ansprechen zu dürfen. Dann wäre also der ventrale Blindsack von Phaseolicama magellanica der Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 363 Kristallstielrinne des Magendarms von Modiolarca trapezina homo- log, und somit besäße die zuerst genannte Muschel einen höher differenzierten Magen als letztere, weil der Kristallstielsack voll- ständig vom Dünndarm getrennt ist. Das Epithel der Dünndarmhalbrinne ist etwas niedriger als das Borstenepithel der Kristallstielhalbrinne und mit dünner Cutieula und feinen Wimpern versehen. Der Epithelwulst mit der schwach entwickelten Drüsenpartie stellt die Fortsetzung der ven- tralen Epithelfalte des Magens dar und springt sehr weit in das Lumen des Magendarms vor. Der Epithelbelag dieser Falte ist sehr niedrig, aber mit sehr langen und dünnen Cilien bekleidet, die erst allmählich in den niedrigen Ciliensaum der Dünndarmhalbrinne übergehen. Die unter dem gesamten Darmepithel gelegene Basal- membran ist in den Epithelwülsten besonders stark ausgebildet. III FE, df = -- er, es z ne Textfie.. 9. Querschnitt durch Textfig. 10. Querschnitt durch den den Dünndarm mit dem dorsalen Enddarm und den ihn umgebenden Längswulst. Vergr. 51:1. Ventrikel kurz vor der Einmündung der Vorhöfe in denselben. Vergr. 51:1. Am ventralen Ende des Magendarms nimmt das Lumen der Kristallstielhalbrinne rasch ab und verschwindet. Die Dünndarm- halbrinne geht seitlich in den Dünndarm über. Die weit vor- springende Epithelfalte des Magendarms setzt sich in dem Dünn- darm (Textfig. 9) als Längswulst fort, wo sie ihre Gestalt vielfach wechselnd an der dorsalen Seite verläuft. Sobald der Darm sich ventralwärts wendet, verstreicht der Wulst allmählich. Der Dünn- darm beschreibt, der ventralen Muskulatur dicht anliegend, einen Bogen nach rechts und vorn. Der auf dem größten Teile vom Ventrikel umgebene End- darm (Textfig. 10) bildet ein vollständig kreisrundes Rohr. Das Ende ist in viele dünne und lange Falten gelegt und verengert sich ein wenig. Der Enddarm ist mit Kotmasse prall gefüllt, die mittels einer Papille in die Suprabranchialkammer entleert wird. 364 Wilhelm Bispinghoff, Die Leber besteht aus zwei symmetrischen Hälften, die jeder- seits durch eine große Öffnung in den Magen münden. Muskel- fasern durchziehen die Zwischenräume der Leberschläuche in transversaler Richtung von der linken zur rechten Körperseite. Durch die beiden Lebermündungen unterscheidet sich Modiolarca trapezina wie Phaseolicama magellanica (vgl. Icer 1908, p. 22), von den Mytiliden, wo 11—13 Mündungen vorhanden sind (vgl. PELSENEER 1903, p. 45). An den Mündungen geht das niedrige Magenepithel ohne jede Grenze in das der Magenleberkanäle über, die auch bewimpert sind. In etwas weiterem Abstande von den Mündungen sondert sich das Epithel der Magenleberkanäle in zwei voneinander ver- schiedene Elemente, die auf die dorsale und ventrale Fläche des Kanals getrennt verteilt sind (Lısr 1902, p. 284). Die obere Hälfte ist von niedrigen, breiten Zylinderzellen mit großen Kernen und feinen dichtstehenden Cilien eingenommen. Das Epithel der unteren Hälfte ist dem niedrigen Magenepithel vollständig gleich. Es be- steht aus schmalen, hohen Zellen mit weiter voneinander getrennt stehenden Cilien. Die kleinen Lebergänge, die die eigentlichen sezernierenden Leberteile darstellen, weisen histologisch dieselbe Zusammensetzung: auf wie bei den Nuculiden (vgl. STEMPELL 1898, p. 388). Große, breite Zellen, die Körnerzellen FREnZELs, wölben sich in das Lumen des Schlauches vor. Sie sind mehr oder minder stark mit Körnern, den Granula FRENZELS, oder mit Vakuolen gefüllt. Neben diesen Drüsenzellen kommen kleinere Zellen vor, die nicht bis an das. Lumen des Leberkanals heranreichen. STEMPELL (1898, p. 338) und List (1902, p. 384) halten sie für Jugendstadien der Körner- zellen. 5. Zirkulationssystem. Das Herz besteht aus dem Ventrikel mit seinen beiden Vor- höfen. Der Perikardialraum ist mäßig groß. Vorn wird er begrenzt von den Gonaden, nach hinten von den Nieren, denen er auch ven- tral aufliegt. Lateral berührt die Wand des Perikards das Körper- epithel und dorsal die Rückenhaut. Vorn dorsal reicht ein Zipfel des Perikardialraumes über die Umbiegestelle des Enddarms hinaus, nach hinten nicht ganz bis an den Adductor posterior. Den größten Umfang hat der Perikardialraum kurz vor den Nieren. Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 365 Der langgestreckte Ventrikel, der auf seiner ganzen Länge vom Enddarm durchbohrt wird, durchquert median den dorsalen Teil des Perikardialraumes. Der schlauchförmige Ventrikel besteht aus Muskelfasern, die nach allen Richtungen ineinander geflochten verlaufen (vgl. Textfig. 10). Auf Querschnitten erscheint er als ein kreisrundes Rohr, das in seinem vorderen Teile, wo die Vorhöfe einmünden, lateral ausgebuchtet ist. Hier ist der Muskelring am stärksten ausgebildet und stellt den hauptsächlich wirksamen Teil des Herzens dar. Nach hinten zu wird der Muskelring sehr dünn- wandig. Nach vorn verjüngt sich der Ventrikel ziemlich plötzlich zur Aorta anterior, die dorsal vom Darm verläuft und noch eine kurze Strecke vom Perikard umgeben wird. Gleich im Anfange der Aorta befindet sich eine Klappe, die bei der Diastole des Herzens das Zurückfließen des Blutes verhindert. Die Aorta anterior ver- läuft direkt unter dem das Ligament bildenden Epithel nach vorn über den Magen hinweg und gibt auf diesem Wege mehrere kleine Äste an die Eingeweide ab. Ein bedeutender Ast biegt vorn um den Magen ventralwärts nach hinten zum Magendarm. Der Hauptast verläuft ventral am Ösophagus bis zur Mundöffnung. Hier gehen die beiden Mantelrandarterien ab und kleine Seiten- zweige zum Adducetor anterior. Die eigentliche Aorta wendet sich dann nach vorn und dringt am Pedalganglion entlangziehend als Arteria pedis in den Fuß ein. Nach hinten geht der Ventrikel in die Aorta posterior über, die außerhalb des Perikardialraumes beginnt und ventral vom End- darm verläuft. Nach ihrem Austritt aus dem Perikardialraum ist die Aorta posterior bedeutend dünner als die Aorta anterior. Sie erweitert sich dann und erreicht beinahe das Lumen des Enddarmes. Aus dieser Erweiterung geht ein Ast ab, der zwischen dem Adduktor und der Niere dorsal verläuft und sich nach vorn wendet. Nach der Erweiterung teilt sich die Aorta posterior in zwei Äste, die ventral vom Enddarm hinziehen und dem Adductor posterior dorsal auf- liegen. Die beiden Äste ziehen in den ventralen Mantelraum hinab und treten als hintere Mantelrandarterie mit den vorderen in Kommunikation. An der Aorta posterior findet sich derselbe Klappenmechanis- mus wie bei Chama pellucida (GrıEser 1912, p. 45). Von dem engen Teil der Aorta setzt sich die ventrale Wand als dünner Lappen in den weitlumigen Teil fort. Jenaische Zeitschrift. Bd. LII. 24 366 Wilhelm Bispinghoff, Die symmetrischen Vorhöfe füllen ausgedehnt den ganzen ventralen Teil des Perikardialraumes aus. Die Mündung in den Ventrikel liegt an der ventralen lateralen Ecke, wo die Muskulatur am stärksten entwickelt ist. Dadurch, daß der Spalt tief in das Lumen des Ventrikels hineingebuchtet ist, wird eine Klappen- wirkung erzielt. Lateral verwachsen die Vorhöfe mit der Körper- wandung, an der auch die Kiemenachse mit der Kiemenvene be- festigt ist. Perikardialdrüsen kommen an zwei Stellen vor. Zunächst findet sich auf dem Vorhofepithel ein unregelmäßiger Überzug von verhältnismäßig großen Zellen mit dunkelgefärbtem Kern und konkrementartigen Einlagerungen. Weiter stülpen sich zwei Drüsenschläuche aus dem vorderen dorsalen Zipfel des Perikards in den Mantel vor, wo sie sich in kleine Blindsäckchen verzweigen. Die distal abgerundeten Zellen mit den erwähnten Einschlüssen lassen darauf schließen, daß wir es mit Perikardialdrüsen im GROBBEN’Schen Sinne zu tun \ #2 ---]-Psch haben. Auf der Muskulatur des Ventrikels sind solche Bildungen nicht nachzuweisen. Pr Textfig. 11. Schema der Niere von oben betrachtet. Vergr. 10:1. 2ZAs linker Außensack der Niere; . . : r4s rechter Außensack; Asc Kom- Die beiden symmetrischen munikation des rechten und linken Nieren (Textfig. 11) haben eine a a en langgezogene Gestalt und sind be- Nö äußere Nierenöffnung (Nephro- trächtlich nach vorn geneigt. pipkt)), 2, Eeuikanliaiaum. Sie beginnen hinter den Gona- den und enden dorsal über dem Adductor posterior. Ventral und lateral liegen sie dem Körper- epithel und den Retractores pedis posteriores an. Der größte Teil der Nieren liegt bei Modiolarca trapezina dorsal von den Fuß- retraktoren. Bei der von ODHNER 1912, p. 336 beschriebenen Niere einer Modiolarca-Art liegen die Hauptteile derselben zwischen den Rückziehmuskeln des Fußes. Diese Muskeln ziehen bei Phaseoli- cama magellanica (vgl. IGer 1908, p. 28) zwischen den Nieren hindurch und schneiden in sie eine tiefe Furche ein, die nach hinten zu einer Spaltung der Niere in zwei ungleiche Teile führt. In der 6. Exkretionssystem. Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 367 vorderen Hälfte, wo den Nieren dorsal der Perikardialraum auf- liegt, sind sie stark dorso-ventral abgeplattet. Hinter dem Peri- kardialraum füllen sie den ganzen Körperraum aus. Die hinteren Zipfel der Nieren liegen zu beiden Seiten des Enddarmes und werden dorsal vom Adductor posterior und außen von den Retractores pedis posteriores eingeschlossen. Da die Niere von Modiolarca trapezina von PELSENERER (1903, p. 45) und noch genauer die einer Modiolarca-Art von OÖDHNER (1912, p. 336, Fig. 24) zutreffend beschrieben worden ist, so kann ich mich auf das Wesentlichste beschränken. Jede Niere besteht aus zwei Teilen, dem median gelegenen Wimpertrichter, auch Perikardialschenkel genannt, und dem eigentlichen Nierensack, der wegen seiner lateralen Lage auch als Außensack bezeichnet wird. Der Perikardialschenkel steht ventral kurz vor der vorderen Spitze des Nephridiums durch das Nephrostom mit dem Perikardial- raum in Verbindung. Der Wimpertrichter stellt in seinem vorderen Teil einen engen röhrenförmigen Gang dar, der sich nach hinten trichterartig erweitert und in den Außensack übergeht. Der er- weiterte Teil des Perikardialschenkels liegt der ventralen Wand des Außensackes dicht an, während der vordere engere Teil sich der Mediane und der dorsalen Wand nähert. Die Außensäcke sind sehr umfangreich und berühren sich in der Mitte. In ihrem vorderen Viertel stehen sie über den Wimper- trichter hinweg in offener Kommunikation (vgl. PELSENEER 1903, p- 45, Fig. 103). Durch diese Eigentümlichkeit und durch die ganze Form und Lage schließt sich Modiolarca trapezina eng an Dreis- sensia polymorpha an (ÖDuner 1912, p. 336). Die Verbindung der beiden Außensäcke findet sich bei vielen Lamellibranchiern, dagegen ist sie bei der Verwandten Phaseolicama magellanica nicht vorhanden (vgl. IGEL 1908, p. 29). Auch die Nieren von Chama pellueida stehen in Kommunikation (GRIESER 1912, p. 47). Ein Querschnittsbild, das durch den Anfangsteil der Niere von Modiolarca trapezina gemacht worden ist, stimmt genau mit dem von Chama pellucida überein (vgl. GrIEser 1912, Fig. 9). Hier wie dort sind auch die Wandungen des Außensackes vielfach ge- faltet. Die Falten sind Einbiegungen der Wände und treten im ganzen Außensack und im hinteren Teil des Wimpertrichters sehr zahlreich auf. Die Faltenbildung bezweckt die Vergrößerung der exkretorischen Fläche der Nieren. Oft verwachsen die Falten, die von den verschiedenen Seiten in das Lumen der Niere hinein, ragen, und bilden so kleine und größere Coeca. Das Nephroprokt- 24* 368 Wilhelm Bispinghoff, die Öffnung des Außensackes in die Mantelhöhle, liegt nahe der vorderen Spitze dort, wo die Nephridien den tiefsten Punkt er- reichen. Die spaltförmige Öffnung ist mit Wimperepithel bekleidet, das an Höhe das Körperepithel bei weitem übertrifft. Das Epithel des Perikardialschenkels ist in seinem vorderen engeren Teil niedrig und mit straffen und auffällig langen Cilien besetzt. Die kubischen Zellen des Wimpertrichters sind nach Hämatoxylinfärbung dunkler tingiert als der Zellenbelag des Außensackes, die sich kaum färben. Die Cilien sind so lang, daß sich die Spitzen in der Mitte des Lumens berühren. Entsprechend ihrer Schlagrichtung zeigen die Wimpern mit ihrem distalen Ende nach hinten. An der Stelle, wo sich der Perikardialschenkel nach hinten zu erweitert — ein beträchtliches Stück hinter der Kom- munikation ——, bekommt er als Auskleidung das exkretorische Epithel des Außensacks, das anfangs auch mit Cilien versehen ist. Das einschichtige Epithel des Außensacks wird gebildet aus großen, zum distalen Ende blasenförmig abgerundeten Zellen. Dieselben weisen helle Vakuolen auf und führen Konkremente. <. Respirationssystem. Modiolarca trapezina besitzt einen umfangreichen Kiemen- apparat, der für das Tier von hoher Bedeutung ist. In den Kiemen wird nämlich die junge Brut in gleicher Weise wie bei Phaseolicama magellanica eine Zeitlang beherbergt und macht dort einen Teil ihrer Entwicklung durch. Wie bei den meisten Lamellibranchiern sind zwei äußere und zwei innere Kiemen vorhanden, von denen die äußeren den inneren an Größe nachstehen. Vorn reichen die inneren Kiemen bis auf den Adduktor anterior hinab. Ihrfreier Rand verläuft dem ventralen Schalenrande parallel. Die äußeren Kiemen beginnen in der Höhe des Wirbels und ihr unteres Ende zieht zum ventralen Schalenrande schief nach hinten, so daß im hinteren Teil der Infrabranchialkammer die beiden Kiemen einer Seite der jederseitigen'Kiemenpaare gleich tief nach unten reichen. Die absteigenden Äste der inneren und äußeren Kiemen nehmen ihren Ursprung an der Kiemenachse, die sich ziemlich geradlinig von vorn nach hinten erstreckt, ungefähr parallel dem Schalenrande. In dem größten Teile ihrer Längserstreckung ist die Kiemenachse seitlich am Körper befestigt. Im vorderen Teile ist sie auf ein Minimum reduziert, so daß die Kiemenblätter fast unmittelbar am Körper sitzen. Weiter nach hinten konvergieren Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 369 die beiden Kiemenachsen zur Medianebene hin. Erst hinter der Stelle, wo sie vom Viszeralganglion den Nervus branchialis auf- genommen haben, lösen sich die nunmehr umfangreicheren Kiemen- achsen vom Körper los und sind frei im Mantelraum ausgespannt. Die vereinigten aufsteigenden Äste und die freien Kiemenachsen verwachsen mit dem Mantelrand unterhalb der Analöffnung. Auf diese Weise wird vom Mantelraum die Analkammer oder die Suprabranchialkammer abgetrennt (vgl. Textfig. 2 Sork). Die aufsteigenden Äste der äußeren Kiemen sind überall mit dem Körper verbunden. Die inneren Kiemen übertreffen die äußeren wohl um ein Drittel an Umfang. Dieser Unterschied in der Größe ist nicht allein, wie es bei Phaseolicama magellanica nach Icers Ansicht (1908, p. 30) der Fall sein soll, von ihrer Bestimmung zur Aufnahme der Geschlechtsprodukte abhängig. Denn bei Modiolarca trapezina werden nicht nur die inneren, wie bei Phaseolicama magellanica, sondern auch die äußeren Kiemen für die Brutpflege in Anspruch genommen. Der Hauptgrund für die ungleiche Ausbildung der Kiemen gerade im vorderen Teile des Körpers wird in der bedeutend späteren Ausbildung der äußeren Kiemen im Embryonalstadium, worauf ich weiter unten noch näher eingehen werde, zu suchen sein. Vielleicht ist dies so zu erklären, daß, wenn die innere Kieme an- gelegt wird, die vordere Hälfte der Schale bereits von der Einge- weidemasse ganz gefüllt ist, so daß für die äußere Kieme kein Raum zur Entfaltung übrig bleibt. In der hinteren Hälfte der Schale dagegen, wo Platz genug vorhanden ist, sind die inneren und äußeren Kiemen gleich umfangreich. Nach dem Kiemenbau gehört Modiolarca trapezina zu den Eulamellibranchiern (PELSENEER 1903, p. 45). Die einzelnen Filamente sind in regelmäßigen Abständen durch interfilamentäre Verbindungen (Textfig. 12 :/V) senkrecht miteinander verwachsen, so daß diese mit den Filamenten ein Gitterwerk mit rechteckigen Maschen bilden. Die Größe eines solehen Rechtecks beträgt im Mittel 0,3-0,1 mm, und zwar werden die längeren Seiten von den Filamenten gebildet. Die interlamellären Verbindungen (Textfig. 12 22V) bestehen aus hohlen Platten. Jedes 15.—20. Filament (Grenzfilament, Rice) weist eine solehe Verbindung auf. Sie teilen den Interlamellar- raum in Fächer, die auch äußerlich deutlich sichtbar sind. Die nicht miteinander verbundenen Filamentschenkel wölben sich nach außen vor, und so erscheinen die Kiemenlamellen senkrecht zur 370 Wilhelm Bispinghoff, Längsachse des Körper gefalten. Diese Vorwölbung tritt am meisten bei weiblichen Tieren hervor, wo die Fächer mit Embryonen ge- füllt sind. Die interlamellären Brücken sind bisweilen durch- brochen. Im dorsalen Teile sind sie lang ausgezogen und im ven- tralen Teile sind die verbundenen Filamentschenkel einander genähert und gehen an der Umbiegestelle ineinander über. Die oberen Teile der auf- und absteigenden La- melle sind nicht durch interlamelläre Brük- ken verbunden. Inder Nähe des freien Ran- des sind die inter- lamellären Verbindun- gen in fast jedem Fila- ment vorhanden. Die filamentären als auch die interlamellären Verbindungen enthal- ten Blutbahnen und besitzen ein niedriges Epithel. Am unteren freien Rande beschrei- ben die Filamente der inneren und äußeren Kieme eine Einbuch- tung, die Marginal- rinne (Textfig. 12 Mr). Längs dieser Wimper- rinne wird die Nahrung von dem Flimmer- Textfig. 12. Teil einer Kieme senkrecht zu den epithel der Kiemen Filamenten geschnitten mit Embryonen in den : ersten Entwicklungsstadien. Vergr. 51:1. :fV zum Munde weiter- interfilamentäre Verbindungen; z2Y’interlamelläre geführt (vgl. STENTA Verbindungen; Mr Marginalrinne. 1903, p. 5). Der Aufbau jedes einzelnen Filaments stimmt im großen und ganzen mit dem von Phaseolicama magellanica (IczL 1908, p. 32) überein. Jedes Filament stellt eine durch Stützsubstanz eingefaßte Blutbahn dar und ist mit verschiedenartigem Epithel, das stellen- weise Flimmern trägt, überzogen. Die chitinöse Stützsubstanz- lamelle ist lateral verdickt und schließt auf der äußeren Seite des Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 371 Kiemenblattes das Filamentgefäß ab. Auf einem Querschnitt (Textfig. 13) ist das verschiedenartige Epithel leicht zu erkennen. Das Epithel der nach innen gekehrten Seite des Filaments besteht aus niedrigen Grundzellen (Gz) mit dünner Cuticula. Zu ihnen sind auch die Zellen, die den verdickten Teil der chitinösen Stütz- substanz (Chst) abscheiden, zu rechnen. Auf diese folgen zwei oder drei große, breite Seitenzellen (Sz) mit dichter Cuticula und feinen, dichtsitzenden und verhältnismäßig langen Wimpern. Diese sogenannten Lateralcilien sind nach ENGELMANN (1880) in schräg parallel verlaufenden Reihen angeordnet. Sie dienen wohl nicht lediglich zur gegenseitigen Befestigung der Filamente (vgl. STEMPELL 1899 a, p. 139), sondern hauptsächlich wird durch ihre Wirk- samkeit das Atemwasser in den interlamellären Raum hineingetrieben (vgl. WALLENGREN 1905, p. 49). In ausgestrecktem Zustande greifen sie in die Lateralcilien des Nachbarfilaments hinein und können so die interfilamentären Spalten beinahe absperren. Schaltzellen sind nicht vorhanden. Die äußere Ecke wird von Textfig. 13. Quer- : KR schnitt durch ein einer großen Zelle von fast dreieckiger Ge- Kiemenfilament. Chst stalt eingenommen. Diese Eekzelle (Ez) wird Cbitinöse Stützsub- : j u stanz; Zz Eckzelle; nach außen von einer ansehnlichen Cutieula Gz Grundzellen; 4: abgeschlossen. Darauf steht ein Büschel Höhenzellen; S2 . E : : Seitenzellen. langer, diehtstehender Cilien, die an ihren vor- deren Enden oft verklebt sind. Sie stellen den Filtrierapparat der Kiemen dar und verhindern das Eindringen der mit dem Wasser aufgenommenen festen Partikelchen durch die interlamentären Öffnungen. Den Abschluß des Epithelkranzes bilden nach der äußeren Seite hin schmale Höhenzellen (Hz). Die dünne Cuticula trägt feine kleine Wimperhaare. Nervensystem (Fig. 14). Modiolarca trapezina besitzt außer den bis jetzt als typisch geltenden Nervenzentren Cerebral-, Pleural-, Pedal- und Viszeral- ganglion auch ein gut ausgebildetes, getrennt liegendes Buccal- ganglion. Die beiden Cerebralganglien liegen nahe hinter dem Addue tor anterior zu beiden Seiten der erweiterten Mundöffnung. Sie sind weit voneinander getrennt (vgl. PELSENEER 1903, p. 45) und durch eine 2—2,5 mm lange Kommissur über dem Ösophagus miteinander 372 Wilhelm Bispinghoff, verbunden. Cerebral- und Pleuralganglion sind beinahe vollständig zu einem Nervenknoten verschmolzen und von einer gemeinsamen Ganglienzellmasse umlagert. Auf Transversal- und Frontalschnitten deutet die in der Mitte gelegene seichte Einschnürung der Nerven- fasermasse und die längliche Form auf eine Zusammensetzung aus Cerebral- und Pleuralganglion hin. PELSENEER (1903, p. 45) hat das- selbe konstatiert. Aus jedem Cerebro - Pleuralganglion (Text- fig. 14 c#g) entspringen folgende Nerven: 1. Der Nervus pallialis an- terior dorsalis (nfda), der vorn dorsal in der Nähe des Ursprunges der Cerebralkommissur abgeht. Er wendet sich dem dorsalen Mantel- rand zu, nachdem ein kleiner Nerv zur Anheftungsstelle des Adductor anterior abgezweigt ist. Textfig. 14. Nervensystem (etwas sche- matisiert) 10:1. dg Buccalganglion; cd Buccalgangliencommissur; c35c Cerebro- pleurobuccalconnectiv ;c2e Cerebropleural- commissur; c2g Cerebropleuralganglion; cppc Cerebropleuralconnectiv; cdve Ce- rebropleuroviszeralconnectiv; cdvcc Com- missur zwischen den Cerebropleuro- viszeralconnektiven. zaa Nervusadductoris anterior; zad Nervus adductoris posterior; ndor Nervus branchialis; ds Nervus buccalis superior; 05 Nervus opticus; not Nervus otocystieus; »2av Nervus pallialis anterior ventralis; »dda Nervus pallialis dorsalis anterior; »#dö Nervus pallialis dorsalis posterior; rdeda Nervus / pedalis anterior; repd£ Nervus pedalis ep posterior; »dedv Nervus pedalis ventralis; pvp npvp Nervus pallialis ventralis posterior; Y Oes Ösophagus; /g Pedalganglien; vg | j Viszeralganglion. 2. An der vorderen lateralen Ecke zweigt ein sehr starker Nerv, der Nervus pallialis anterior ventralis (nfav) ab, der auf seinem Verlauf einen Ast zum Adductor anterior abgibt. Es ist dies der Nervus adduetoris anterioris (naa). Der Hauptnerv verläuft in Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 373 einem Bogen nach vorn, biegt dann nach hinten ventralwärts zu der Stelle, wo der Mantel am Körper befestigt ist. Immer tiefer senkt er sich in den Mantel hinab zur Basis des Mantelrandes (Textfig. 3nf). Hier nimmt er seinen gewöhnlichen Verlauf, der in der Höhe der Abzweigungsstelle der Mantelrandinnenfalte liegt. Auf dem Wege zu dieser Stelle gibt er eine Reihe von Seiten- ästen ab. Er nimmt seinen Weg an der Pallialaorta entlang und geht nach hinten in den Nervus pallialis posterior über. 3. Das kurze Cerebropleurobuccalkonnektiv (cpbe). Es ent- springt auf der ventralen Seite des Cerebropleuralganglions etwas nach vorn und lateral. Nach kurzem Verlauf geht es in das Buceal- ganglion über. 4. Gemeinsam mit dem Cerebropleurobuccalkonnektiv geht aus dem Schlundganglion ein ziemlich starker Nerv hervor, der unter dem Ösophagus verläuft und auf der Gegenseite in das Cerebropleuralganglion einmündet. Der gemeinsame Nerv wird von Nervenfasern gebildet, die beiden Teilen des Cerebropleural- ganglions entstammen. Nahe ihrem Ursprunge gibt die suböso- phageale Kommissur jederseits einen Nerv ab, der an der Dorsal- seite des Ösophagus verläuft. Die Kommissur zieht in tiefem Bogen unter dem Ösophagus her. Aufihrem Wege gibt sie mehrere Nervchen ab, die sich auf der Ventralseite des Ösophagus ver- zweigen. Jederseits begleitet lateral ein bedeutenderer Nerv das Schlundrohr in der Richtung zum Magen. 5. Das Cerebropleuroviszeralkonnektiv (c?vc) geht nach hinten an der lateralen Ecke aus dem Teile des Ganglions hervor, der dem Pleuralganglion entspricht. Der sehr bedeutende Nervenstrang nimmt zur Mitte hin ein wenig an Dicke ab. Zunächst verläuft er an der Außenseite des Rückziehmuskels in einer Rinne, zieht dann durch die Leberschläuche hin nahe am Magen vorbei. Auf seinem weiteren Verlaufe gelangt das Cerebropleuroviszeralkonnek- tiv zwischen die Geschlechtsschläuche. Die beiden symmetrisch verlaufenden Nervenstränge konvergieren immer mehr zur Mediane. An der Stelle, wo sie sich am nächsten kommen, kurz vor den Ge- schlechtsöffnungen, nehmen sie wieder an Dicke zu und werden durch eine Querkommissur miteinander verbunden. Die Querkommissur (cdvec) entspringt auf der dorsalen Seite des Cerebroviszeralkonnektivs und führt in einem kurzen Bogen zu dem der Gegenseite. An der Ursprungsstelle gehen zwei feine Nerven ab, von denen der vordere zur Geschlechtsöffnung und der hintere zur Niere — scheinbar zur äußeren Nierenöffnung — 374 Wilhelm Bispinghoff, verläuft. Von der Querkommissur selbst gehen zwei feine Nerven- fasern zu den Geschlechtsschläuchen ab. Aus den Geschlechtsschläuchen treten die Konnektive in die Niere ein und verlaufen dort ein wenig divergierend ventral von Renoperikardialtrichter. Bald nähern sie sich wieder und schwellen etwas an, um kurz vor dem Adductor posterior in das Viszeral- ganglion überzugehen. 6. Der Nervus optieus (noP). Er entspringt dorsal vom Cerebropleuralganglion an der lateralen Ecke und führt zu der Stelle, wo noch bei einigen Lamellibranchiern das larvale Auge sitzt. 7. Das Cerebropleuropedalkonnektiv (c$fc) entsteht medial aus der hinteren Fläche des Cerebropleuralganglions. An dem Zustandekommen des Konnektivs sind Cerebral- und Pleuralteil deutlich in gleichem Maße beteiligt. Es durchbohrt den Rückzieh- muskel des Fußes und zieht dicht unter dem ventralen Körper- epithel hin. Das Cerebropleuropedalkonnektiv ist sehr stark ab- geplattet, so daß die Breite die Höhe mehrmals übertrifft. Die flache Seite ist dem Epithel zugekehrt. Zum Fuße hin rücken die beiden Nervenstränge immer näher zusammen und vereinigen sich bald zu dem Pedalganglion. 8. Kurz vor dem Übergang in das Pedalganglion geben die Konnektive auf der dorsalen Seite einen feinen Nerven zur Oto- cyste ab, den Nervus otoeysticus (not). Das Bucealganglion (dcg) ist vollkommen vom Cerebro- pleuralganglion getrennt und liegt ventral und lateral von dem- selben dem Körperepithel dieht an. Der starke Nervus pallialis anterior ventralis geht dieht am Buccalganglion vorbei. Die Form desselben ist länglich oval. Durch ein kurzes Konnektiv steht es mit dem Cerebropleuralganglion in Verbindung. Lateral gibt das Bucealganglion viele Nervenfasern an das Epithel der Unterlippe und des inneren Mundlappens ab. Weiter nach vorn geht ein stärkerer Nerv, der Nervus buccalis superior (nbs), vom Buccal- ganglion aus, der wahrscheinlich den äußeren Mundlappen innerviert. Wegen seiner Feinheit ließ er sich aber nicht sicher verfolgen. Das Pedalganglion (?g) liegt 2,5—3 mm vom Schlundganglion entfernt ungefähr in gleicher Frontalebene mit demselben. Es ist gelegen an der vorderen Übergangsstelle des Fußes in den Körper zwischen den vorderen Retraktoren. Die beiden Ganglien sind innig mit einander verschmolzen. In der Mediane verläuft eine Furche, die auf eine Vereinigung aus zwei Ganglien hinweist. Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 375 Jede Hälfte des Pedalganglions nimmt von vorn das Cerebro- pleuropedalkonnektiv in sich auf und gibt außerdem drei Haupt- nervenstränge an die Muskulatur des Fußes ab. 1. Der bedeutendste Nerv, der Nervus pedalis anterior (ndeda), entspringt auf der lateralen Fläche und biegt ventralwärts in den vorderen Teil des Fußes hinab, wo er sich in mehrere Äste spaltet. Er innerviert hauptsächlich die vordere Fußspitze. 2. An der hinteren Seite des Pedalganglions geht ein starker Nerv, der Nervus pedalis ventralis (ndedv) ventralwärts. Sein Innervationsgebiet stellt die Muskulatur der Byssusrinne und der zugehörige Drüsenkomplex dar. 3. Der dritte Nerv, der Nervus pedalis posterior (npedp), geht ebenfalls von der hinteren Kante des Pedalganglions aus und wendet sich analwärts. Er verläuft unter der Darmschlinge und besorgt die Innervierung der Muskulatur, die der Byssushöhle angehört. Die Viszeralganglien (vg) sind wie die Pedalganglien nahe aneinander gefügt und liegen in der Medianebene des Körpers kurz vor dem Adductor posterior 10 mm vom Cerebropleural- ganglion entfernt. Auch ist es durch die in lateraler Richtung ge- streckte Form als aus ursprünglich zwei getrennten Zentren be- stehend gekennzeichnet. Vom Viszeralganglion nehmen außer den Üerebropleuro- viszeralkonnektiv jederseits folgende Nerven ihren Ursprung: 1. Der Nervus branchialis (ndr). Dieser Nerv entspringt auf der vorderen Ecke, beschreibt einen kleinen Bogen nach vorn und biegt dann ventralwärts in die Ctenidienachse ein. Dort zieht er an der medialen Seite dieht unter dem Epithelbelag hin. Hier bildet er das langgestreckte Osphradialganglion und verzweigt sich dann in den Kiemen. 2. Auf der lateralen Seite unmittelbar hinter dem Nervus branchialis geht noch ein unbedeutender Nerv ab. Er zieht parallel dem Cerebropleuroviszeralkonnektiv nach vorn dicht unter dem ventralen Körperepithel hin. 3. Der Nervus pallialis ventralis posterior (npvp). Dieser Nerv entsteht als posteriore Verlängerung beiderseits aus dem Viszeralganglion. Die beiden Nerven verlaufen gegeneinander divergierend unter dem Adduetor posterior her in dem dorsalen, verdiekten Teil des aufsteigenden Astes der äußeren Kiemen. Nach hinten nähern sie sich wieder einander, begeben sich dann in den Mantel und schließlich in den ventralen Mantelrand. In 376 Wilhelm Bispinghoff, diesem verlaufen sie nach vorn und vereinigen sich mit den Nervus pallialis ventralis anterior zu einem großen geschlossenen Ring- nerven. Hinter dem Adduktor gibt der Nervus pallialis ventralis posterior einen Seitenast ab, der den Retractor pedis an seiner Anheftungsstelle und die Muskulatur des Enddarmes mit Nerven- fasern versorgt. 4. Zugleich mit dem Nervus pallialis ventralis posterior ent- springt ein Nerv, der ein gutes Stück dieht über ihm hinzieht. Vor dem Schließmuskel teilt er sich in zwei gleich starke Nerven, von denen der eine in den Adductor posterior eintritt und sich daselbst verzweigt. Es ist dies der Nervus adductoris posterior (na). Der andere Ast stellt den Nervus pallialis dorsalis posterior (npdp) dar. Derselbe zieht an der inneren Seite des Adduetor posterior dorsalwärts zum dorsalen Mantelrand. 5. Zwischen den beiden Cerebropleuroviszeralkonnektiven gehen vom Viszeralganglion zwei Paar feine Nerven aus. Das äußere Paar dringt in den Retractor pedis posterior ein und das andere verschwindet in der Richtung der Nieren. An dem Nervensystem von Modiolarca trapezina beanspruchen das Bucealganglion mit der subösophagealen Kommissur und die Querkommissur zwischen den beiden Cerebropleuroviszeralkon- nektiven ein besonderes Interesse. Nachdem das Buccalganglion bei mehreren Lamellibranchiern, die im zoologischen Institut der hiesigen Universität daraufhin untersucht worden sind (vgl. auch STEMPELL 1912), aufgefunden worden ist, war es mit ziemlicher Bestimmtheit zu erwarten, daß auch bei Modiolarca trapezina ein Buecalganglion vorhanden sei. Es ist auffallenderweise nicht wie bei der Verwandten Phaseolicama magellanica dem Schlund- ganglion direkt angelagert, sondern wie bei den übrigen Muscheln durch ein verhältnismäßig langes Konnektiv mit demselben ver- bunden. Eigentümlich ist das Verhalten der supösophagealen Kommissur, die der Buccalganglienkommissur der übrigen Lamelli- branchier, bei denen ein Buccalganglion nachzuweisen ist, homolog ist. Daß sie in engem Zusammenhang mit dem Buccalganglion steht, geht aus ihrem gemeinsamen Ursprung mit dem Cerebro- pleurobuccalkonnektiv aus dem Cerebralganglion hervor. Modio- larca trapezina nimmt in der Ausbildung des Buccalnervensystems nach meiner Ansicht eine Mittelstellung ein zwischen Phaseo- licama magellanica und Mytilus chorus einerseits und Phaseo- licama und Chama pellueida andrerseits. Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 377 Eine weitere Eigentümlichkeit des Nervensystems von Modio- larca trapezina ist die Querkommissur zwischen den Üerebro- pleuroviszeralkonnektiven. Sie weist die gleiche Ausbildung auf wie bei Chama pellucida, und somit gilt auch für sie das von Chama pellueida Gesagte (GRIESER 1912, p. 59 und 60, und STEMPELL 1912, p. 6 und 7 und p. 10 und 11). Nur führt der eine von den lateralen Nerven zur äußeren Nierenöffnung und nicht wie bei Chama pellucida (GRIESER 1912, p. 56) zum Renoperikardialtrichter. Dieser wird vom Konnektiv selbst, das direkt ventral von ihm hinzieht, innerviert. Höchstwahrscheinlich ist dieser Nerv in gleicher oder ähnlicher Ausbildung auch noch bei vielen anderen Lamelli- branchiern vorhanden, aber wegen seiner geringen Größe noch nicht aufgefunden worden. Modiolarca trapezina ist insofern ein günstiges Objekt für den Nachweis dieser Querkommissur, da sich die Cerebropleuroviszeralkonnektive an der Abgangsstelle des Nerven einander stark nähern. 9. Sinnesorgane. Otocysten. Sie stellen kleine, ovale und vollkommen ge- schlossene Bläschen dar, die der dorsalen Seite der Fußzentren lateral umgelagert sind (PELSENEER, p. 45, Fig. 112 ot). Meistens sind die Otocysten durch Bindegwebe vom Pedalganglion getrennt oder auch nach vorn an das Cerebropleuropedalkonnektiv gerückt. Die Otoeysten zeigen also bei Modiolarca trapezina eine variable Lage (vgl. Icer 1908, p. 38 und GRIESER 1912, p. 63). Bei den Mytiliden liegt die Otocyste stets zwischen Cerebropedal- und Cerebroviszeralkonnektiv, aber immer näher dem letzteren (List 1912, p. 222). Außerdem weicht Modiolarca trapezina von den Mytiliden in bezug auf die Otocyste in folgender Hinsicht ab (vgl. auch PELSENEER 1903, p. 45). Die Otocyste steht nicht durch einen Ausführungsgang mit der Außenwelt in Verbindung, sondern sie ist vollständig geschlossen. Infolgedessen schließt sie auch nur einen einzigen Otolithen ein. Auch Dreissenscia polymorpha zeigt dasselbe Verhalten (PELSENEER 1903, p. 45). Der Otolith färbt sich in Hämatoxylin sehr intensiv und ist kugelrund. Da sein Durch- messer 12—15 4# beträgt, ist er immer nur auf einem Schnitt zu sehen. Scheinbar ist der Otolith so hart, daß er vom Mikrotom- messer nicht zerschnitten werden kann. 378 Wilhelm Bispinghoff, Das Epithel der Otocyste ist einschichtig und aus niedrigen Zellen zusammengesetzt. In einem Bläschen waren auch die Sinneshaare noch ziemlich gut erhalten. Es ließ sich feststellen, daß jede Zelle einen Büschel von kurzen Haaren trägt. Bei den Embryonen tritt die Otocyste sehr früh in die Er- scheinung. Sie liegt dorsal im Fuß und ist sehr klein, aber trotz- dem verhältnismäßig gut aufzufinden, da der dunkeltingierte Otolith sehr in die Augen fällt. Er hat dort erst einen Durchmseser von 4—5 #. Der Otolith nimmt also noch bedeutend an Masse zu und muß deshalb ein Absonderungsprodukt des Otocystenepithels sein. Osphradium. Das Osphradium ist bei Modiolarca trapezina deutlich ausgebildet, wenn es auch im Vergleich zu den Mytiliden (List 1902, p. 232) etwas reduziert erscheint. Es ist ventral vom Viszeralganglion an der Innenseite des Kiementrägers gelegen, dort, wo der Nervus branchialis in sie eintritt. Dieser Nerv ist auf der medianen Seite sehr reich an großen Ganglienzellen, von denen Nervenfibrillen an das Epithel herangehen und als feine Sinnes- haare nach außen hindurchtreten. Die Zellen des Osphradiums sind höher als die Körperzellen und von einem breiten Cutieular- saum, der doppelt konturiert erscheint, abgeschlossen. Von einem rudimentären Auge, das bei den Mytiliden ganz vorn an der Basis des inneren Kiementrägers vorhanden ist und zwar auf dessen Außenseite, ist bei Modiolarca nichts zu finden (vgl. auch PELSENEER 1899, p. 101). Nach den Angaben von PEL- SENEER sollen auch im Larvenstadium keine Augen vorhanden sein. Nun ist aber bei der erwachsenen Muschel ein Nervus opticus vor- handen, der zu der Stelle verläuft, an der bei anderen Muscheln das larvale Auge seinen Platz hat. Auch habe ich die in den Kiemen ° befindliehen Embryonen untersucht und kein Auge gefunden. Es ist aber wahrscheinlich, daß bei der Entwicklungsstufe, die die Embryonen in den Kiemen des Muttertieres erreichen — die äußeren Kiemen sind kaum angelegt — von einem Auge noch nichts zu sehen ist. Auch PELsENEER hat Embryonen in späteren Entwicklungsstadien nicht untersucht. Das Vorhandensein des Nervus opticus macht es jedenfalls wahrscheinlich, daß bei der weiteren Entwicklung ein larvales Auge auftritt, welches später wieder zurückgebildet wird. Von einem abdominalen und pallialen Sinnesorgan ist an den in Betracht kommenden Stellen nichts zu bemerken. Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 379 10. Genitalsystem. An letzter Stelle behandele ich das Genitalsystem, um im Anschlusse daran die damit im Zusammenhange stehende Brut- pflege und Entwicklungsgeschichte kurz zu besprechen. Modiolarca trapezina ist getrennt geschlechtlich. Sehon äußerlich sind die beiden Geschlechter daran zu erkennen, daß die Schale der weiblichen Tiere stärker gewölbt ist als die der männ- lichen. STEnpELL (1899 b, p. 227) ist es aufgefallen, daß sich bei den Schalen kleine Verschiedenheiten bemerkbar machen, indem sie verschieden stark aufgeblasen sind. Die stärkere Wölbung der Schale bei den weiblichen Tieren ist veranlaßt durch die um- fangreichen Gonaden, besonders aber durch die Ausdehnung der Kiemen, die mit Embryonen prall gefüllt sind. Die Geschlechtsdrüsen sind paarig und sehr umfangreich. Sie machen nach Gourp (1852, p. 460) zwei Drittel der ganzen Eingeweidemasse aus. Ihre Lage ist bei männlichen und weiblichen Individuen dieselbe. Die Mündungen der Gonaden liegen bilateral am hinteren Ende des Drüsenkomplexes dort, wo sie mit den Nieren und dem Perikardialraum zusammenstoßen und dorsal von den vereinigten Retractores pedis posteriores. Die Mündungen selbst sind in den Kiemenraum vorgestülpt. Ihr Epithel ist mäßig hoch und mit langen starken Cilien, die nicht sehr dicht stehen, bekleidet. Das Wimperepithel erstreckt sich noch ein Stück in die Geschlechtsschläuche hinein und geht dann unvermittelt in das Keimepithel über. Das größte Lumen hat der Ausführungs- gang kurz vor der Mündung. Diese Erweiterung bildet einen An- sammlungsraum für die reifen Geschlechtsprodukte. Von der Mündung aus erstrecken sich die Schläuche dorsalwärts nach vorn bis an den Magen, dessen hinteren Teil sie umlagern und den sie zuweilen dorsalwärts bei starker Entwicklung bis an den Blindsack überdecken. Ventral umgeben sie die Darmschlingen, jedoch reichen sie niemals bis an den Ösophagus heran. Der Fußmuskulatur und den Retraktoren liegen sie dicht auf. Bei starker Entwicklung der Gonaden tritt die Leber zurück. Muskelfasern durchziehen die Zwischenräume der Gonaden von der linken zur rechten Körper- wand. Die männlichen Gonaden sind mit lockergefügtem, mehr- schichtigem Epithel ausgekleidet, das aus kleinen runden Zellen besteht. Die Spermien setzen sich aus einem ovalen Kopfteil, der vorn spitz zuläuft und einem langen Schwanziaden zusammen. Bei den weiblichen Tieren sind die Geschlechtsschläuche noch stärker verzweigt und nehmen einen größeren Raum ein als 380 Wilhelm Bispinghoff, bei den männlichen Tieren. Die Ursache ist in der großen Menge der umfangreichen Eier, die in den Geschlechtsschläuchen produ- ziert werden, zu suchen. Das Epithel der weiblichen Gonaden besteht aus einer Schicht von länglichen keulenförmigen Zellen, den Keimepithelzellen. Sie schließen einen verhältnismäßig großen Kern ein, der sich in Hämatoxylin kaum tingiert. Um so intensiver ist der in dem Kern gelegene Nucleolus gefärbt. Einige von diesen Zellen vergrößern sich auf Kosten der Nachbarzellen, die aus ihrer ursprünglichen Lage zur Seite geschoben werden. Die verdrängten Zellen wachsen um das sich entwickelnde Ei herum und umgeben es an der zum Innern des Schlauches sich vorwölbenden Fläche als Follikelepithel. Die Eier liegen mit der Breitseite der Basal- membran dicht an. Der Kern vergrößert sich bedeutend und füllt anfangs die ganze Zelle aus. Gewöhnlich ist ein Nucleolus im Kern vorhanden, doch können zwei oder mehrere kleine an seine Stelle treten. Das Nährmaterial stammt aus den angrenzenden Epithel- zellen, aus denen keine Geschlechtsprodukte hervorgehen. Sie ergießen ihren feinkörnigen Inhalt in die Eizelle und spielen so eine bedeutende Rolle bei der Ernährung des Eies (vgl. STAUFFACHER 1894, p. 204). Der Dotter eines im Entstehen begriffenen Eies ist sehr feinkörnig und wird mit dem Zunehmen der Dottermasse immer grobkörniger. Beim fertigen abgelösten Ei besteht der Dotter aus kleinen Kugeln. Sobald das Ei mit ausreichendem Nähr- material versorgt ist, löst es sich von der Basalmembran los. Die fertigen Eier sind allseitig von dem Follikelepithel umgeben. Der Durchmesser eines fer- tigen Eies beträgt im Mittel 0,2 mm. Auf einem Querschnitt (vgl. Textfig. 15) Textfig. 15. Querschnitt durch einen Eischlauch findet man Eier durch einen Eischlauch. in allen Größen vor von den kleinsten, ee: die man eben von den Epithelzellen unterscheiden kann, bis zum fertigen Ei, das im Begriffe ist sich abzulösen. Bei meinen Untersuchungen haben die Funde, daß sonst getrenntgeschlechtliche Arten wie Mytilus und Anodonta (vgl. LanG 1900, p. 368) gelegentlich hermaphroditisch sein können, in Modiolarca trapezina eine Bereicherung gefunden. Unter den 12 in Schnitte zerlegten Individuen fand ich eines mit zwitterigen Genitalschläuchen. In einer Drüse werden beide Geschlechtsstoffe, Samen und Eier, jedoch in getrennten Schläuchen, produziert, Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 381 die sich in dem erweiterten Ansammlungsraum vereinigen. Der eierbildende Teil des zwitterigen Geschlechtsapparates ist bedeutend umfangreicher als der Spermatozoen erzeugende Teil. Der letztere erstreckt sich von der gemeinsamen Öffnung dorsalwärts und bedeckt dorsal die Eischläuche. Die reifen Eier sammeln sich vor dem Ausführungsgang in dem erweiterten Teil in großer Zahl an und werden von einer Menge ausgebildeter Samenfäden um- schwärmt, so daß an dieser Stelle (wahrscheinlich) die Befruchtung erfolgt. Bei den vor der Geschlechtsöffnung lagernden Eiern ist aus dem Verhalten des Kernes zu erkennen, daß die Befruchtung stattgefunden hat. Es findet also bei dem ausnahmsweise zwitte- rigen Exemplar von Modiolarca trapezina Selbstbefruchtung statt. In dem hinteren Teil des erzeugenden Schlauches fand ich mehrere Eier in Teilung begriffen. Sie sind durch den Eintritt von Samen- fäden aus den männlichen Follikeln befruchtet worden und durch die vor der Geschlechtsöffnung lagernden Eier am Austritt ge- hindert, machen sie in dem Schlauch ihre ersten Teilungsstadien durch. Bemerkenswert ist ferner die Tatsache, daß in den Kiemen des zwitterigen Individuums nur ganz vereinzelte Embryonen vorhanden sind, die sonst bei Weibchen dort in großer Menge der Ausbrütung harren. 11. Brutpflege. Einen Teil ihrer Entwicklung machen die Embryonen in den Kiemen des Muttertieres durch. Die Brutpflege hängt wohl zusammen mit der erwähnten zirkumpolaren Verbreitung der Muschel in der Antarktis. Zum Schutze gegen die Temperatur- einflüsse bleibt die junge Brut eine Zeitlang in den Kiemen des Weibehens. Nirgends sind, wie bekannt, die Formen mit Brut- pflege so zahlreich wie in den arktischen Meeren (PELSENEER 1903, p. 51). Mehrere Autoren (GouLp 1852, BomAarp 1898 und PEL- SENEER 1899 und 19053) haben bereits darauf hingewiesen, daß Modiolarca trapezina Brutpflege ausübt. Auch bei Phaseolicama magellanica findet sich Brutpflege vor, allerdings mit dem Unter- schiede, daß nur die inneren Kiemen als Brutraum benutzt werden (vgl. Iser 1908, p. 24). Durch die Genitalöffnung gelangen die reifen Eier mit dem Follikelepithel umgeben in den Interlamellarraum der inneren Kiemen und, wenn dieser gefüllt ist, in den der äußeren Kiemen. Dort werden die befruchteten Eier mit Hilfe eines Stieles an die Jenaische Zeitschrift. Bd. LI. 25 382 Wilhelm Bispinghoff, Kiemenfäden, und zwar meist an die interfilamentären, zuweilen auch an die interlamellärenVerbindungen befestigt (vgl. Textfig. 12). An der Stelle, wo das Ei mit dem Epithel der Filamente oder deren Verbindungen in Berührung kommt, entsteht eine Verdickung des Follikelepithels, die fest mit dem Kiemenepithel verwächst. Diese Verdickung streckt sich in die Länge und so werden die jungen Embryonen mit dem vom Follikelepithel ausgeschiedenen Stiel im Kiemenraum befestigt (vgl. Textfig. 16). Die Länge und Dicke des Stieles ist von der Lage des Embryos im Kiemenraum und von der Entfernung desselben von der Anheftungsstelle abhängig. Die Festheftung erfolgt zu dem Zwecke, daß die Embryonen von der Strömung des Atem- wassers nicht fortgeschwemmt werden. Trotz- dem werden manche Eier mit der Strömung fortgerissen, ehe sie sich anheften konnten. Die Zahl der in dem ganzen Kiemenapparat vorhandenen Embryonen geht bei ihren kleinen N Dimensionen in die Tausende. Auf einem \ N Transversalschnitt an der Stelle, wo der DOADDUDENEEE Kiemenapparat seinen größten Umfang hat, ifV waren 450 Embryonen angeschnitten. Man . trifft in den Kiemen eines weiblichen Tieres Textfig. 16. Befesti- : c gung eines Embryos Fmbryonen in den verschiedensten Phasen der im Kiemenraumstark Entwicklung an. Sind die Embryonen bis zu vergrößert. Vergr. i ; 2 525:1. Z Embryo; einem bestimmten Stadium herangewachsen, Fep Yollikelepithel; so platzt die sie umgebende Hülle. Mit dem St Stiel; z/V inter- # A ananarewar oberen ausführenden Wasserstrom werden die bindung. bereits mit einer dünnen Schale versehenen jungen Muscheln durch die Analöffnung hinaus- befördert. Die Maße der größten Embryonen, die in den Kiemen zu finden sind, betragen in die Länge 0,5 mm, in die Höhe 0,3 mm, bei Phaseolicama magellamica werden sie entsprechend 0,7 und 0,35 mm groß. Die verschiedenen Entwicklungsstadien sind nicht regellos durcheinander gelagert. Denn die Eiablage scheint zeitlich in gewissen Abständen zu erfolgen, da eine größere Anzahl von Embryonen auf gleicher Entwicklungsstufe steht. h N 12. Entwicklungsgeschichte. Es würde zu weit führen, im Rahmen dieser Arbeit die Ent- wicklungsgeschiechte von Modiolarca trapezina eingehend zu be- Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 383 handeln. Auch würde man bei dem konservierten Material auf große Schwierigkeiten stoßen, die aufeinander folgenden Stadien herauszufinden. Ich beabsichtige nur Andeutungen über einige markante Stadien der Entwicklung zu machen. Zur Untersuchung benutzte ich die Schnitte durch ganze weibliche Tiere. Außerdem präparierte ich Kiemen, die mit Embryonen gefüllt waren, heraus und zerlegte sie in 3—6 4 dieke Sehnitte. Die Richtung, in der die einzelnen Embryonen zerschnitten wurden, war natürlich vom Zu- fall abhängig. Nur bei einem Teil fiel die Sehnittriehtung in eine der drei Hauptebenen. Die Befruchtung erfolgt normalerweise in dem Kiemenraum, wo man bisweilen Spermien antrifft. Darauf werden am animalen Pole zwei Richtungskörperchen gebildet (vgl. Textfig. 12). Das Stadium, das diesen Vorgang zeigt, habe ich nur zweimal ange- troffen. Die Riehtungskörperchenbildung und die ersten Furchungs- stadien werden wohl sehr schnell durchlaufen. Nach dem Eireife- prozeß teilt sich die Eizelle in eine größere und kleinere Furehungs- zelle. Die weiteren Teilungen erfolgen in der Hauptsache nach dem Furchungsmodus, wie er von MEISENHEIMER (1901) bei Dreissensia genau beschrieben worden ist. Eine Furchungshöhle wird wegen des großen Reichtums an Dotter nicht gebildet. Aus demselben Grunde erscheint die Furchung als ein Umwachsungsprozeß, indem die große Zelle, nach MEISENHEIMER der „Somatoblast“, von den Mikromeren umlagert wird. PELSENEER (1903, p. 46) beschreibt daher zutreffend die ersten Entwicklungsstadien in folgender Weise: ‚Les stades de premiere segmentation montrent que les mieromeres se multiplient beaucoup plus rapidement que les cellules de l’endoderme (Fig. 113, III, IV) et qu’il y a certaine- ment de gastrula par epibolie.‘ Durch Einstülpung des Ektoderms erfolgt die Anlage des Mitteldarmes. Sie stellt zunächst eine leichte Einbuchtung dar, die sich immer tiefer in das Innere erstreckt und nach der Mündung hin wieder schließt. Eine zweite Einstülpung des Ektoderms stellt die Schalendrüse dar, die schon in frühen Stadien als seichte Grube zu erkennen ist. Nachdem auch sie gleichzeitig mit dem Mittel- darm sich vertieft hat, breitet sie sich unter Verflachung aus und scheidet entsprechend ihrer Funktion ein kleines Schalenhäutchenab. Als Folge des Lebens im Kiemenraum und der umgebenden Hülle kann man bei Modiolarca trapezina von einer eigentlichen Trochophoralarve, die bei den freischwimmenden Larvenformen auftritt, nicht sprechen. Sie ist noch mehr reduziert wie bei Nucula 25* 384 Wilhelm Bispinghoff, delphinodonta, wo sich die jungen Muscheln in einem Brutsack entwickeln, und wie bei Cyclas cornea, wo die Embryonen in Brut- kapseln der Kiemen heranwachsen. Das Lokomotionsorgan in Gestalt des Velums, der charakteristischste Bestandteil der Larve ist wegen der Brutpflege vollständig fortgefallen. Mit der Rück- bildung des Velums ist auch die Scheitelplatte reduziert. Auch die Wimperkränze fehlen, auf der Außenseite sind überhaupt keine Cilien festzustellen. Ein larvales Muskelsystem wird nicht ausgebildet. Der Mitteldarm erweitert sich und differenziert sich zum Magen, an dem sich seitlich die beiden Lebersäckchen ausstülpen. Ösophagus und Enddarm gehen aus sekundären Ektodermein- stülpungen hervor. An der Ventralseite zwischen Mund und After wölbt sich als Ektodermwulst die Anlage des Fußes vor. Durch eine vordere Furche wird die Spitze des Fußes vom Körper abge- grenzt. Der Embryo hat inzwischen an Größe zugenommen und seine Gestalt hat sich verändert. Seitlich plattet er sich ab. und nimmt in der Richtung von vorn nach hinten an Länge zu. Lateral entstehen die Mantelfalten, die sich mit der vergrößernden Schale nach unten verlängern. Am Fuß entstehen zwei Ektodermver- diekungen, die zu Wülsten anschwellen und in den Fuß eindringen. Die Otolithenblase liegt seitlich vom Pedalganglion und geht aus einer Einsenkung des Ektoderms hervor. Ventralwärts stülpt sich die Byssusdrüse in den Fuß ein. Unter dem Mantel entsteht lateral am Körper eine Epithelverdiekung als ursprüngliche Anlage der Kieme. In der Richtung von vorn nach hinten wird dieser Längs- wulst in dünne Papillen ausgezogen. Die inneren Kiemen werden also nach dem Papillenmodus gebildet. Von einer Anlage der äußeren Kiemen war bei den in den Kiemen befindlichen Em- bryonen noch nichts zu bemerken. Die Cerebralganglien, die bei den freischwimmenden Larven mit der Scheitelplatte ausgebildet werden, gehen einfach aus einer paarigen Ektodermverdiekung . über der Mundöffnung hervor. Beinahe gleichzeitig entstehen der vordere und hintere Schließmuskel, der erstere etwas früher als der letztere. Über den hinteren Teil des Körpers der jungen Muschel, der die Anlagen des Herzens, Perikards, des Viszeralganglions, der Niere und der Gonaden enthält, habe ich keine sicheren Fest- stellungen machen können. | 1819. 1836. 1844. 1847. 1852. 1853. 1855. 1857. 1865. 1877. 171. 1879. 1880. 1885. 1885. 1885. 1887 Über die Anatomie von Modiolarca trapezina Lamarck. 385 Literaturverzeichnis. LAMARCcK, Histoire naturelle des anımaux sans vertebres. Paris. Ders., Histoire naturelle des animaux sans vertebres ed. 2. par Deshayes et Milne Edwards, V. 7. Paris. Revue Zoologique. Paris. GRAY, J., A list of the genera of recent Mollusca. Proc. Zool. Soc., XV. London. GouLD, A., Mollusca and Shells Exploring Expedition United- States mit Atlas. Philadelphia. PHıLippr, R. A., Handbuch der Conchyliologie und Malaco- zoologie. Halle. LeyDIG, Anatomie und Entwicklungsgeschichte von Cyeclas. Müllers Archiv f. Anatomie. GrAY, M. E., Figures of molluscous animals. Vol. V. London. 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Dies hat seinen Grund darin, daß die bis jetzt bestehenden mineralogischen und geologischen Zeitschriften mit Material überhäuft sind; daher hat es der Unterzeichnete unternommen, eine neue Zeitschrift unter dem Titel „Chemie der Erde“ herauszugeben, damit die auf die besagten Gebiete bezüglichen Arbeiten gesammelt werden, Außer der deutschen ist auch die französische und englische Sprache izugelassen, aber es sollen nur anderweitig noch nicht in diesen Sprachen veröffentlichte Orig nalarbeiten aufgenommen werden und Dissertationen nur dann, wenn sie wissenschaftlich Neues bieten und nicht zu breit geschrieben sind. Die Referate, für die die letzten Bogen des Schluß- heftes eines jeden Bandes vorgesehen sind, werden nur die an den Herausgeber eingesandten selbständigen Werke, dagegen nicht die in anderen Zeitschriften veröffentlichten Arbeiten berücksichtigen. Inhalt des ersten Heftes: Über das Eozoon und die Ophikalzite. Von G. Linck. (Mit 3 Abbild.) Über die Mischkristalle von Salmiak und Eisenchlorid. Von A. Ritzel. (Mit 6 Abbild.) Photochemie der Erde. Von R. E. Liesegang. Chemische und optische Untersuchungen an Hornblenden und Augiten aus dem Diorit-Gabbro-Massiv des oberen Veltlin. Von H. Küchler. (Mit 2 Abbild.) Die ‚‚Chemie der Erde‘‘ erscheint je nach Bedarf in zwanglosen Heften. Der Preis für den Band von etwa 40 Druckbogen (bzw. Ausgleich durch Tafeln) beträgt 20 Mark. Manuskripte der ÖOriginalarbeiten und Referate (deutsch, französisch oder englisch) sind an den Redakteur Herrn Geh. Hofrat Prof. Dr. 6. Linck, Minera- logisch-Geologisches Institut (Schillerstraße) erbeten. Das Honorar beträgt 40 Mark für den Druckbogen, zahlbar beim Abschluß des Bandes. (Dissertationen werden nicht honoriert!) Den Herren Verfassern werden 30 Sonderabzüge kosten- frei geliefert. Weitere Exemplare sind rechtzeitig (d. h. bei Rücksendung der Korrekturbogen) zu bestellen und werden, wie folgt, berechnet: jedes Exemplarfürden Druckbogen 10 Pf. | jede Doppeltafel mit nur einer Umschlag mit besonderem Titel . 10 „, Grundplatte, ea era NH Br, jede Tafel einfachen Formats mit Tafeln mit mehreren Platten er- nur einer Grundplatte . . . 5, höhen sich für jede Platte um 3 „ Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien: Die steinzeitliche Muscheltechnik und ihre Beziehungen zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeit und zur Physiologie der Geräte. Von Dr. Ludwig Pfeiffer, Geh. Reg.-Rat in Weimar. Mit 332 Abbildungen im Text. 1914. (VIII, 334 Seiten. 4°) Preis: 15 Mark. Inhalt: 1. Einleitung. — 2. Die Eigenschaften des Schnecken- und Muschel-Materials, sowie die Schleif- und Bohrtechnik. — 3. Das Tridaena- Material. — 4. Das Busycon-(Pyrula-, Tritonium-, Murex- und Mitra-)Material, Die Verwendung der Columella und des Gehäuses von großen Seeschnecken. — 5. Das Cassis- und Strombus-Material. Die Verwendung des Gehäuses zu Hohl- gefäßen, der bunten Mundplatte zu Scheibehenperlen und zu Beilklingen. — 6. Das Trochus-Materiale Die Verwendung der Gehäusewindungen zu Armringen. — 7. Das Material aus der Spondylusgruppe (Spondylus, Chama, Venus, Pecten, Pectunculus, Cardium, Mytilus, Pinna). — 8. Das Haliotis-, Patella-, Cymbium- und Nautilus-Material. — 9. Das Perlmuttermuschel- (‚Meleagrina, s. Avicula‘“) Material. 10. Das Flußmuschel-Material (Unio und Margaritana). — 11. Das Cypraea-(Kauri-)Material. Die Verwendung zu Schmuck und Gold in der Südsee, Afrika, Europa. — 12. Das Nassa-Material (Diwarra, Tambu). Die Verwendung zu Geld und Schmuck in der Südsee. — 13. Das Ovula-Material für Kampfschmuck- motive, Penisstülpe u. dgl. m. — 14. Conus-Material. Die Verwendung der Wirbel- böden zu Spiralschmuck und Scheibehenperlen. — 15. Das anderweitige Klein- schneeken-Material, dessen Aufreihung zu Schmuckketten. — 16. Das Material für Pele-Pele der Südsee und das Achatina-(Landschnecken-)Material von Afrika. Die Herstellung von Pele-Pele-Scheibehen und -Ketten. — 17. Das amerikanische Muschelwampun. — 18. Fossiles Muschel-Material. — 19. Anhang I. Die Ver- wendung von anderweitigem Material: Schildpatt, Bernstein, Gagat, Früchten u. dgl. m. — 20. Anhang II. Das Zahn-Material in Verbindung mit Muschel- Material. — 21. Geräte und Werkzeuge aus Muschel-Material. — 22. Haus-, Waffen-, Lippen- und Ohrenschmuck. — 23. Muschelgeld und Muschelsehmuck. — 24. Muschel-Material und Metall in Konkurrenz in Indonesien. — 25. Muschel- und Stein-Material in Konkurrenz in Nord-Amerika. — 26. Muschel-Material von der Südsee in- Konkurrenz mit Steinmaterial. — 27. Welche Tauschwerte hat es im vorgeschichtlichen Europa gegeben? — 28. Angezogene Literatur. — 29. Stichwörterverzeichnis. Dieser Beitrag zur Geschichte der Arbeit ist die Ergänzung der 1912 in Weimar den Teilnehmern am 43. Anthropologen-Kongreß dargebotenen Festschrift: Die steinzeitliche Technik und ihre Beziehungen zur Gegenwart (s. unten!), enthaltend die Beschreibung der Stein-, Fell-, Fleisch-, Holz- und Knochen- technik. Der zweite Beitrag stellt die Muscheltechnik dar, wie sie sich als Mitträgerin der materiellen Kultur und in Konkurrenz mit der Steintechnik entwickelt hat, sowohl in Ozeanien, Amerika, Afrika als auch in Europa, hier allerdings verschiedene Jahrtausende früher. Der Schwerpunkt der vorgeführten Untersuchungen ist auf die Technologie gelegt. Als Ausdruck für das in frühester Zeit eingetretene Emporsteigen von Kultur und Technik haben wir bis jetzt nur einen Maßstab: das Werkzeug und den Schmuck aus Stein und Knochen. Wir be- trachten dieselben nicht als Leitfossil, sondern jedes Stück als ein Individuum, welches uns zusammen mit den Fundumständen etwas von seinem Besitzer erzählt. Verfasser will noch nachzuweisen versuchen, daß auch in Europa das Muschelmaterial im Besitz des steinzeitlichen Menschen eine Rolle spielt, welche größer ist als bisher angenommen wird. Das beigebrachte Material genügt noch nicht, Kulturkreise und Kulturschichten abzugrenzen, wie das z.B. für die Feuersteinindustrie mittels der französischen Typologie gelungen ist. Ganz erhebliche Anfänge sind aber bereits von anderer Seite vorhanden. Mit voller Absicht geht Verfasser nicht auf Mythologie, Philosophie, Religion und Sitten ein; das bleibt den Forschern überlassen, die Land und Leute aus eigener Anschauung schildern. Die Muscheltechnik schließt, ebenso wie früher die Stein- und Knochentechnik, ab mit dem Erscheinen der Bronze in Europa, mit dem Import europäischen Eisens nach Amerika, Ozeanien. Von demselben Verfasser erschien früher: Die steinzeitliche Technik und ihre Beziehungen zur Me Gegenwart. Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeit. (Festschrift zur 43. allgemeinen Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft. Weimar, 4.—8. Aug. 1912. Heft 1.) Mit 250 Originalabbildungen im Text. (340 Seiten. 4°.) 1912. Preis: 13 Mark. Inhalt: 1. Zur Geschichte der Technik in der Steinzeit. — 2. Die physikalischen Unterlagen der Steintechnik. — 3. Von den Werkzeugen. — 4. Die steinzeitliche Knochenverarbeitung. — 5. Die steinzeitliche Holzverarbeitung. — 6. Das Zerlegen der Jagdtiere in der Steinzeit. — 7. Das Erlöschen der Steinzeittechnik RIINHNBIITKEDE:I ANT VAÄAMDEEr ımÄıÄa JENAISCHE ZEITSCHRIFT FÜR NATURWISSENSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON DER MEDIZINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA DREIUNDFÜNFZIGSTER BAND NEUE FOLGE, SECHSUNDVIERZIGSTER BAND DRITTES HEFT MIT TAFEL 6—8 UND 103 FIGUREN IM TEXT Inhalt: ‘ FAHRENHOLZ, CURT, Über die Verbreitung von Zahnbildungen und Sinnes- organen im Vorderdarm der Selachier und ihre phylogenetische Be- urteilung. Mit Tafel 6—7 und 7 Figuren im Text. (S. 389.) JACOBSHAGEN, EDUARD, Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. Mit 68 Figuren im Text. (S. 445.) MATTHES, E., Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. Mit Tafel 8. (S. 557.) LUSTIG, WALTER, Die Retroversion und Retroflexion der Tibia bei den Europäer-Neugeborenen in ihren Beziehungen zu den prähistorischen Menschenrassen. Mit 25 Figuren im ‚Text. . (S. 581.) NOLL, ALFRED, Jahresbericht der .Medizinisch-naturwissenschaftlichen' Gesell- schaft zu Jena für das Jahr 1914. PREIS: 16 MARK JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER | 1915 ach Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlur Ausgegeben am 4.. Juni 1915. Verlag von Gustav Fischer in Jena. ae VODRÜRTERS | | HAKI (eg hIEH y aa DER NATUR IR | DER NOIR AN rn 400 BEA an En WISSENSCHAFTEN AISSERSOWTE NSSERSCHTIN | mens Sü Soeben Mitarbeiter. vollendet! 777 selbständige Aufsätze. 627 Biographien IMCRlAHDA DZ Le er Handwörterbuch der Naturwissenschaften Herausgegeben von Prof. Dr. E. Korschelt-Marburg (Zoologie), Prof. Dr. G. Linck-Jena (Minera=- logie und Geologie), Prof. Dr. F. Oltmanns-Freiburg (Botanik), Prof. Dr. K. Schaum-Leipzig (Chemie), Prof. Dr. H. Th. Simon - Göttingen (Physik), Prof. Dr. M. Verworn-Bonn (Pbysiologie) und Dr. E. Teichmann -Frank= furt a. M. (Hauptredaktion). | Zehn Bände. | Mit 8863 Abbildungen im Text, 12030 Seiten Text und 360 Seiten Sachregister. Mit der soeben erfolgten Ausgabe des 10. Bandes bzw. der Schlußlieferung (79/80), einschließlich eines 360 Seiten (—= 1080 Spalten) umfassenden Sachregister für Band 1—10, ist das Werk — unbeeinflußt durcb den Krieg — nunmehr zum Abschluß gelangt. Preis: 200 Mark, in a gebunden 230 Mark. ... eine Kulturtat von böchster Bedeutung. (Techn. Monatsbefte.) .. . eine hervorragende Schöpfung deutschen Geistes und deutschen Gelebrtenfleißes . . (Rhein. Hochschulzeitung.) . eine der großartigsten Unter- nebmungen auf dem Gebiete der Bibliographie ..... (Wiener klin. Wochenschrift.) ... ein Werk, das weit in alle Welt binausgeben wird, um dort ‚on deutschem Gelebrtenfleiß und utscher Gründlichkeit Kunde zu en... (Neue Freie Pr se, Wien.) . eine Universalität des natur: wissenschaftlichben Wissens .. . (Pharmazeut. Post.) . eine Bibliothek im kleinen, die über alle Fragen des großen Gebietes der Naturwissenschaften Aufschluß- erteilt... (Zentralbl. f. Zoologie.) . ein monumentales Werk, dem die Literatur anderer Völker Äbn- liches bisber nicht an die Seite zu stellen hat. (Mikrokosmos.) . Es ist staunenerregend, was. bier an naturwissenschaftlichbem Wis- sen und Können zusammengetragen worden ist... . (Apotheker-Zeitung.) Über die Verbreitung von Zahnbildungen und Sinnes- organen im Vorderdarm der Selachier und ihre phylogenetische Beurteilung. Von Curt Fahrenholz, cand. med. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Jena.) Mit Tafel 6—7 und 7 Figuren im Text. Unter dem Vorderdarm der Wirbeltiere wird diejenige Strecke des Darmrohres verstanden, welche vorn durch die Mundöffnung gegen die äußere Haut und hinten durch die Pylorusklappe gegen den übrigen Darm abgegrenzt ist. Der Vorderdarm wird auch als Cephalogaster bezeichnet, um anzudeuten, daß er sich aus dem Teil des Darmrohres ent- wickelt hat, der ursprünglich dem Kopfteil des Tieres zugeteilt war. An diesem Kopfdarm macht sich infolge seiner großen physiologischen Bedeutung anfänglich für die Atmung, später auch für die Verdauung ein bedeutendes Längenwachstum bemerk- bar, das dazu führt, daß sich der Kopfdarm mit seinem hinteren Abschnitt weit in den Rumpfteil des Körpers vorschiebt. Beim primitivsten Zustand des Wirbeltierkörpers, wie er unsim Amphioxus erhalten ist, kann man an dem Vorderdarm zwei Abteilungen unterscheiden, eine vordere, den Munddarm, und eine hintere, den Kiemendarm. Durch die bei höheren Formen auftretende pro- gressive Beschränkung der respiratorischen Funktion auf den vorderen Teil dieses zweiten Abschnittes wird noch ein dritter Teil — ursprünglich der hintere Abschnitt des zweiten, respira- torischen Teiles — unterscheidbar, der, nachdem er dieser Funktion entfremdet ist, in den Dienst der Verdauung tritt. Es sind dann, wie das bei allen kranioten Wirbeltieren der Fall ist, drei Vorder- darmabschnitte zu unterscheiden. HAECKEL bezeichnet siein seiner „systematischen Phylogenie“ (Teil III) als 1. Munddarm oder Stomodaeum, 2. Schlunddarm oder Pharyngaeum und 3. Magen- Jarm oder Autogaster. Bei den höheren Wirbeltieren, besonders den Säugetieren, besitzt der Munddarm eine bedeutende Ausbildung. Bei den Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. 26 390 Curt Fahrenholz, Selachiern dagegen stellt er nur die kurze, kaum einige Zentimeter lange Strecke zwischen der Mundspalte und den Spritzlöchern dar. Hier schließt sich an ihn der Schlunddarm oder Kiemendarm an, der eine bedeutendere Entfaltung zeigt und mit seinen Kiemen- spalten kaudalwärts das Cranium bereits überragt. Beide Gebilde lassen eine Grenze zwischen sich vollständig vermissen und bieten in ihrer makroskopischen wie mikroskopischen Struktur vollständig gleichartige Verhältnisse. Wir wollen daher im folgenden von einer Trennung dieser beiden Abschnitte absehen und sie als einheitliches Ganzes unter dem Namen „Mund-Kiemendarm“ zu- sammenfassen. Dieser Mund-Kiemendarm stellt einen Raum dar, der vorn durch die Mundspalte, seitlich durch die Kiemenbogen, ventral durch die Medianteile des Kiemenskelettes und dorsal im vor- deren Abschnitt durch die Basis cranii, im folgenden durch den kranialen Teil der Wirbelsäule und die dazugehörigen Muskel- massen begrenzt wird. Als Grenze gegen den Autogaster kann man den Hinterrand des letzten Kiemenbogens betrachten. Wenn damit auch nicht bei allen Haien infolge der verschiedenen An- zahl der Kiemenspalten die gleiche Stelle des Vorderdarmes ge- troffen wird, so dürfte die Abgrenzung doch mit Rücksicht auf die Phylogenie des Autogasters berechtigt sein, indem man den- jenigen Teil des Vorderdarmes als Autogaster bezeichnet, der seine ursprünglich bestehenden Beziehungen zur Respiration auf- gegeben hat. Die Schleimhaut überkleidet die Wände des Mund-Kiemen- darmes in vielen Fällen glatt, doch finden sich sehr verbreitet in bestimmten Zügen angeordnete Falten, die auch stellenweise zu deutlichen Netzbildungen führen können. ‘ Nicht selten gehen diese Falten kontinuierlich in die Falten des Ösophagus über. Besonders hervorzuheben sind zwei größere Falten, die sich bei den meisten untersuchten Plagiostomen in sehr ausgebildeter Weise dicht hinter der Zahnreihe der Kiefer, diesen parallel laufend, je eine oben und unten, finden. Diese Falten können sehr verschiedene Formen annehmen, doch ist ihnen allen gemein, daß ihre Oberfläche mit kleineren oedr größeren, verschiedenartig gestalteten Papillen besetzt ist. Ähnliche meist sehr kleine Papillen sind gewöhnlich über die ganze Oberfläche der Schleimhaut des Mund-Kiemendarmes verstreut. Auch auf der medianwärts gerichteten Fläche der Kiemenbogen fehlen sie nicht. An den vorderen und hinteren Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 391 Rändern der inneren Kiemenspalten findet sich in vielen Fällen ein oft nur eben angedeuteter, manchmal aber sehr entwickelter Reusenapparat. Dieser kann in zwei Formen auftreten, einmal als papillen- oder zapfenartige Erhebung der Schleimhaut (Acan- thias) oder aber als eine Reihe vergrößerter oder besonders differen- zierter Plakoidzähnchen (Selache maxima und Rhinodon typicum vgl. HENDRICKS)). Der Boden des Mund-Kiemendarmes ist durch die bei allen Plagiostomen sehr wenig entwickelte Zunge ausgezeichnet. Be- züglich der eingehenderen Beschreibung aller dieser Gebilde und auch des Ösophagusreliefs verweise ich auf das den Sinnes- organen gewidmete Kapitel dieser Arbeit. “ Der dritte Abschnitt des Vorderdarmes, der Autogaster, bewahrt unter den Selachiern nur bei Chimaera (und Callorhyn- chus?) den primitiven Zustand eines undifferenzierten längsgefal- teten Rohres. Es läßt sich hier an ihm weder eine magenartige Erweiterung erkennen, noch hat sich histologisch eine besondere Magenregion differenziert. Ich möchte die Tatsache, daß Chimaera Magendrüsen vollständig fehlen, schon hier besonders hervorheben, da über diesen Punkt sichere Angaben noch fehlen (vgl. Oppels Lehrbuch, Bd. I, S. 50 und S. 355). Ich fertigte durch den hinteren Teil des orderdarmer von Chimaera spec. längere Querschnittserien an, konnte aber nirgends eine Spur von Drüsen entdecken. Vielmehr reicht das geschichtete Epithel bis an die Stelle, wo der Vorderdarm ohne eine deutliche Pylorusklappe in den zottentragenden Mitteldarm übergeht, den ein sehr hohes Zylinderepithel auskleidet. Bei allen Rochen und Haien dagegen hat sich, soweit sie untersucht sind, makroskopisch wie mikroskopisch die Sonderung in einen zuleitenden Teil, den Ösophagus und einen verdauenden, mit Drüsen versehenen Magen vollzogen. Der Ösophagus stellt gewöhnlich ein Rohr dar, das an seiner Innenfläche mit Längs- falten versehen ist, doch können die Längsfalten durch große, derbe Papillen (Acanthias, Aetobates) oder auch durch Querfalten (Trygon) vertreten sein. Der Magen der Plagiostomen hat stets die Form einer Schlinge, deren absteigender Teil, die Pars cardiaca, gewöhnlich mit einer scharfen Knickung umbiegend, in den aufsteigenden Pylorusast (Pars pylorica) übergeht. Die Pars cardiaca bildet die eigentliche Magenerweiterung. Ihre Innenfläche ist im kontra- hierten Zustande in grobe, unregelmäßige Falten gelegt, die je- 26* 392 Curt Fahrenholz, doch, wie PETERSEN hervorhebt, und wie ich in mehreren Fällen bestätigt sah, bei gefülltem Zustande vollständig verstreichen. Der Übergang in den Pylorusteil bietet bei den einzelnen Arten Verschiedenheiten dar. Entweder gehen beide Teile allmählich ineinander über, indem durch zunehmende Verengerung die Pars cardiaca zur Pars pylorica wird, wie das meist bei den Rochen der Fall ist, oder der Übergang in das enge Pylorusrohr ist ein plötzlicher, wie bei den meisten Haien. In diesem Falle kann die Übergangsstelle einmal an dem kaudalen Pol der absteigenden Magenerweiterung liegen, oder sie kann sich etwas vor diesem seitlich finden, in welchem Falle der Magen einen mehr oder weniger entwickelten Blindsack bilden kann. Das enge Pylorus- rohr wechselt in seiner Länge sehr. Manchmal besitzt es (z. B. Spinax niger) kaum eine Länge von 1!/, em, während es bei anderen Arten (z. B. Alopecias vulpes) die bedeutende Länge von 10 cm überschreiten kann. Das Ende des Pylorusrohres mündet unter der Bildung einer deutlichen, meist papillenartig vorspringenden Pylorusklappe, in den folgenden Klappen- bzw. Zwischendarm. Die komplizierten und differenten Zustände zusammen mit dem Verhalten der Schleimhaut des Magens mit deren Drüsen nötigen zu der bereits von PETERSEN vertretenen Ansicht, daß in dem Magen der Plagiostomen ein hoch differenziertes Organ zu sehen ist, welches sich in seinem Bau weit von den einfachen Verhältnissen der Proselachier entfernt hat. In das Gebiet des Vorderdarmes fällt nun eine morpho- logisch sehr wichtige Grenze. Das ist die Grenze zwischen dem ektodermalen und dem entodermalen Gebiete des Vorderdarmes. Der ektodermale Teil entstammt bekanntlich der Mundbucht, die sich in wechselnder, doch nie bedeutender Tiefe während der Ontogenese anlegt. Solange in ihrer Tiefe die Rachenhaut er- halten bleibt, ist in dieser die zweifellose Grenze zwischen Ekto- derm und Entoderm gegeben. Nach ihrem Verschwinden erhalten sich aber nur bei Amphioxus und Ammocoetes Reste in Form des Velums, das dann einen, wenn auch nicht mehr sicheren, Hinweis auf die Grenze bietet. Bei allen gnathostomen Wirbel- tieren dagegen verschwindet die Rachenhaut und damit auch scheinbar die Möglichkeit, die Grenze zu bestimmen, vollkommen. Nach der allgemein herrschenden Auffassung fällt die Ekto- derm-Entodermgrenze mit der Grenze des Stomodaeums gegen das Pharyngaeum zusammen, so daß das Mundhöhlenepithel ekto- Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 393 dermal, das Kiemendarmepithel dagegen entodermal wäre. Diese Anschauung, die auch HAECKEL in seiner systematischen Phylo- genie vertritt, gründet sich lediglich darauf, daß während der ÖOntogenese an dieser Stelle, solange die Rachenhaut bestand, die Ektoderm-Entodermgrenze sicherlich einmal lag. Wer aber kann dafür bürgen, daß sie sich später nicht verschiebt? Ich habe schon oben darauf hingewiesen, daß die Schleimhaut des Kiemen- darmes sich weder in ihrem makroskopischen Verhalten, noch in ihrem mikroskopischen Bau im geringsten von der der Mundhöhle unterscheidet, daß beide sich vielmehr in jeder Beziehung voll- kommen gleichen. Wenn sich schon der Annahme Schwierigkeiten in den Weg stellen, daß zwei Zellarten ganz verschiedener Herkunft — stellt doch die Sonderung in Ektoderm und Entoderm die älteste Diffe- renzierung des tierischen Körpers dar — sich zu in allen Einzel- heiten vollständig übereinstimmenden Geweben differenzieren sollten, so werden diese Schwierigkeiten unüberwindlich, wenn wir uns gewisse Eigentümlichkeiten der Pharyngealschleimhaut besonders niederer Wirbeltiere erklären wollen. Vor allen Dingen ist die Annahme ihrer entodermalen Abkunft nicht geeignet, das so verbreitete Vorkommen von Zähnen im Kiemendarm der Fische und Amphibien zu erklären, denn die von RyDER geäußerte Annahme, daß auch das Entoderm imstande sei, Zähne zu bilden, dürfte wohl mit Recht auf allgemeinen Widerspruch stoßen, zumal in neuerer Zeit tatsächlich Beobachtungen gemacht sind, die auf ein Vorrücken des Ektoderms in kaudaler Richtung hinweisen. Bei seinen Untersuchungen über das Darmsystem der Fische kam mein Freund Dr. JACOBSHAGEN, Assistent am anatomischen Institut zu Jena, zu der Überzeugung, daß wahrscheinlich das Ektoderm bedeutend weiter in den Darmkanal hineinreiche, als man bisher annahm, und er legte mir nahe, mich mit dieser Frage zu beschäftigen, eine Anregung, für die ich ihm auch hier meinen besten Dank sage. Unter diesen Umständen schien es verlockend, den Spuren des Ektoderms im Vorderdarme einmal systematisch nachzugehen. Als Kriterien für die Ausdehnung des Ektoderms kamen in erster Linie Zahnbildungen und epitheliale Sinnesorgane in Betracht. Ein besonders geeignetes Objekt boten dementsprechend die Selachier dar, da sich bei ihnen in der Bezahnung der Mund- kiemenhöhle die primitivsten Zustände erhalten haben, und solche auch in anderer Beziehung am ersten zu erwarten waren. 394 Curt Fahrenholz, Außerordentlich zu Dank verpflichtet bin ich dem Direktor der Jenaer anatomischen Anstalt, Herrn Geheimrat Prof. Dr. MAURER, der mir in der liebenswürdigsten Weise sowohl das reiche Material des Institutes zur Verfügung stellte, als auch frisches Material zur mikroskopischen Untersuchung aus Neapel kommen ließ und das regste Interesse an der Arbeit nahm. Die Arbeit, wie sie hier — abgesehen von einigen Ein- fügungen — vorliegt, wurde von der medizinischen Fakultät der Universität Jena am 15. Juni 1912 mit dem Preis der Karl- Friedrich Stiftung belegt. Teil Zähne. Die Tatsache, daß sich im Vorderdarm der Haifische und Rochen Zähne nicht nur auf den Knorpeln des Kieferbogens, sondern auch auf der übrigen Schleimhaut der Mund- und Schlund- höhle befinden, ist schon längere Zeit bekannt. Der erste, der darauf hingewiesen hat, war wohl LEYDIe in seinen „Beiträgen zur mikroskopischen Anatomie und Entwick- lungsgeschichte der Rochen und Haie“ (1852). Er erwähnt die Schleimhautzähnchen hier von Hexanchus und Raja clavata. Die betreffende Stelle lautet: „Streift man da mit dem Finger über die Schleimhaut am Gaumengewölbe, so fühlt sie sich rauh an, und die mikroskopische Untersuchung lehrt, daß schöne 0,155“ und noch größere Zähnchen (Hexanchus) die Papillen vertreten !). Der Bau ist derselbe, wie er von den Zähnen des Gebisses ge- meldet wurde.“ 1873 erwähnt sie ToDArRO in seiner Arbeit über die Ge- schmacksorgane der Rochen und Haie. Nach ihm findet sich eine Lage von Plakoidschuppen unter dem Epithel der Mund-Kiemen- darmschleimhaut und zwar überall mit Einschluß der Kiemen- bogen, außer auf den beiden Falten, welche hinter dem Mandi- bulare und Palatoquadratum der Tiere stehen. TODAROo gibt diesen Befund für alle von ihm untersuchten Haie an (Squatina angelus, Acanthias vulgaris, Mustelus plebejus und Scyllium canicula). Er schließt daran eine kurze Schilderung ihres Baues. 1) Daß die Ansicht, die Zähne „vertreten“ hier die Papillen, irrig ist, werden wir unten S. 420 sehen. Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 395 Schließlich führt sie noch HErRTwIG 1874 in seiner Arbeit „Über Bau und Entwicklung der Plakoidschuppen und der Zähne der Selachier“ an, und zwar von Hexanchus und Acanthias auf der Mund- und Rachenschleimhaut und auf den Kiemenbogen. Eine eingehendere Bearbeitung in bezug auf ihr Vorkommen und ihre Verbreitung fanden die Schleimhautzähne erst in neuerer Zeit. Kurz nacheinander erschienen zwei Veröffentlichungen von STEINHARD (1903) und Imms (1905), die sich speziell mit ihnen beschäftigen. Trotzdem in diesen Arbeiten ein umfangreiches Material niedergelegt ist, glaube ich doch, nicht auf eine nähere Beschreibung der einzelnen Befunde verzichten zu dürfen, da ich ihren Angaben manches hinzuzufügen habe, besonders in bezug auf gewisse Einzelheiten der Verteilung, die auf bemerkenswerte Beziehungen zu anderen Organen hinweisen. Übrigens war mir die Arbeit von IMms erst zugänglich, als ich meine Untersuchungen bereits abgeschlossen hatte. Kleine Differenzen in den Angaben erklären sich wohl dadurch, daß die Schleimhautzähne, wenn sie sehr klein sind, oft nicht leicht zu finden sind. Sicherer orientiert man sich über ihr Vorhandensein durch das Gehör, indem man mit einem Metallgegenstand, etwa einem Skalpell, über die Schleim- haut fährt. Eine deutliche Übersicht über ihre Verbreitung kann man sich mühelos dadurch verschaffen, daß man mit einem Blei- stift leicht über die Schleimhautoberfläche streicht, wobei sich jedes Zähnchen durch einen schwarzen Punkt markiert. Die nachfolgende Übersicht, die 42 Arten umfaßt, fußt auf den Resultaten von STEINHARD und ImMs, auf meinen eignen Untersuchungen und auf den mir bekannten übrigen Angaben in der Literatur. STEINHARD untersuchte: Heptanchus einereus, Mustelus vul- garis, Carcharias glaucus, Pristiurus spec., Pristiurus melanostoma, Acanthias vulgaris, Centrophorus spec., Scyllium Bürgeri, Seyllium canicula, Galeorhinus japonicus, Spinax niger, Squatina vulgaris, Galeus canis, Pristis Perotteti, Rhynchobatis djettensis, Raja cla- vata, Torpedo marmorata, Trygon sephen und Chimaera monstrosa. Imms untersuchte: Heptanchus cinereus, Cestracion Philippi, Seyllium canicula, Chyloseyllium indicum, Pristiurus melanostoma, Carcharias glaucus, Carcharias laticaudus, Galeus canis, Zygaena malleus, Mustelus laevis, Acanthias vulgaris, Centrina Salviani, Rhina squatina, Lamna cornubica, Rhinobatis produetus, Mylio- batis aquila, Raja clavata, Trygon valga, Torpedo ocellata, Chi- maera monstrosa. 396 Curt Fahrenholz, Mir standen aus dem reichhaltigen Material des Jenaer Instituts zur Verfügung: Heptanchus cinereus, Hexanchus griseus, Chlamydoselachus anguineus, Cestracion Philippi, Seyllium cani- cula, Seyllium catulus, Pristiurus melanostoma, Carcharias glaucus, Carcharias obtusirostris, Galeus canis, Zygaena malleus, Mustelus vulgaris, Mustelus laevis, Acanthias vulgaris, Spinax niger, Rhina squatina, Rhinobatis spec., Raja fullonica, Raja clavata, Trygon pastinaca, Trygon violacea, Torpedo marmorata, Torpedo ocellata, Chimaera monstrosa und Callorhynchus antarctieus. Die Bezahnung des Kieferbogens will ich als genügend be- kannt von der Betrachtung ausschließen (eine neuere Übersicht über die verschiedenen Gebißformen der Selachier findet sich bei DE TERRA). Was die Form der Schleimhautzähne betrifft, ver- weise ich, soweit sie STEINHARD untersucht hat, auf dessen An- gaben. | A. Squalidae. 1. Heptanchus cinereus: STEINHARD und IMMS geben an, daß sich Zähnchen in der ganzen Mund- und Rachenhöhle bis zum Ösophagus finden. Nur ein wenige Millimeter breiter Streifen hinter der Ober- und Unterkieferzahnreihe bleibt frei. Die Zähnchen stehen dicht gedrängt, nur auf dem Kiemenbogen weiter, ihre Spitzen sind stets dem Schwanz zugekehrt (STEINHARD). Ich kann mich mit diesen Angaben nicht ganz einverstanden erklären und gebe daher eine eingehendere Darstellung nach meinem Befund. Ich untersuchte mehrere Exemplare und fand bei allen die gleichen Verhältnisse. Am Boden der Mund-Kiemenhöhle (vgl. .Textfig. 1) beginnt diese Zahnung dicht hinter einer fleischigen Falte, welche die gering entwickelte Zunge vorn und seitlich umgibt. Die Zähne überziehen die ganze Zunge und reichen kontinuierlich über den Boden der Mund-Kiemenhöhle bis zum Beginn des Ösophagus, wo sie ziemlich scharf in einem nach vorn konvexen, flachen Bogen enden. Seitlich setzen sich die Zähne auf die Kiemenbogen fort. Am Dach beginnt der Zahnbesatz fast unmittelbar hinter der Zahnreihe des Kiefers, so daß nur derjenige Teil der Schleim- haut frei bleibt, welcher sich in Form von wellenförmigen Papillen zwischen die einzelnen Ersatzzahnreihen des Oberkiefers einschiebt. Von der ersten Kiemenspalte an finden sich Zähne nur noch in den seitlichen Partien, die den Kiemenspalten benachbart sind, und setzen sich mit dem Zahnbesatz der Kiemenbogen in Ver- Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 397 bindung. Sie fehlen dagegen vollständig in dem medialen Teil des Kiemendarmdaches. Ebenfalls frei von Zähnen ist die Schleim- haut da, wo sie sich — im vorderen seitlichen Teil der Mund- kiemenhöhle — zu dem Spritzloch und der ersten Kiemenspalte einsenkt. Diese Einsenkung stellt beim lebenden Tier nur eine spaltförmige Vertiefung vor, indem sich ihre mediale und laterale Wand direkt aneinanderlegen. (In der Abbildung ist der Ober- kiefer auseinan- dergezogen, um einen besseren Überblick zu er- möglichen.) IMMS bemerkt aus- drücklich, daß auf der Vorder- und der Hinterfläche der Kiemenbogen bei einem Hep- tanchus cinereus von 65 cm keine Zahngebilde vor- handen waren. Bei einem von mir ‚untersuchten Exemplar von un- gefähr gleicher Größe (69 cm) war das ebenfalls so. Dagegen be- saß ein offenbar Textfig. 1. Mundkiemendarm von Heptanchus (ge- größeres Exem- öffnet), um die Verbreitung der Schleimhautzähnchen plar (es war nur zeigen. A Unterkieferplatte; 3 Zunge; C Spritz- loch; 2 Einrisse in die Wandung des Ösophagus; der Kopf vorhan- E Miliariforme Papillen. den) auch an die- sen Flächen kleine Zähne, die sich an der Hinterfläche des Bogens bis an den Fuß der Kiemenblätter erstreckten und nur die Stellen frei ließen, wo der knorpelige Kiemenbogen und seine Radien durch die Schleimhaut hindurchschimmerten (vgl. Textfig. 2). An der Vorderseite reicht der Zahnbesatz nicht so weit. Am dichtesten stehen die Schleimhautzähne auf der Zunge, am Boden vor dem Ösophagus und am vordersten Teil des Daches. 398 Curt Fahrenholz, Was die Richtung der Spitzen anbetrifft, kann ich STEIN- HARDS Angaben zum Teil bestätigen, die Zähne können wohl mit ihrer Spitze im wesentlichen kaudalwärts gerichtet sein. Doch ist das durchaus nicht immer der Fall, wie mir ein anderes Exemplar bewies, bei dem am Dach des Mund- Kiemendarmes ein Teil der Zähne mit der Spitze direkt rostralwärts wies. Ich gebe die verschiedenen Befunde durch zwei Skizzen wieder (Textfig. 32 und 35). Die Pfeile bedeuten die Richtung Textfig. 2. Kiemenbogen von Hept- der Spitzen in den verschie- anchus cinereus (Hinterseite) Ver- denen Regionen. a an 2. Hoxanchus griseus. LEyDiG (l. c.) erwähnt das Vorhandensein von Zähnen am Gaumengewölbe. HERTWIG findet sie in der Mundrachenhöhle und auf der die Kiemenbögen über- ziehenden Schleimhaut. An dem Kopf eines außerordentlich großen Exemplares konnte ich feststellen, daß die Verhältnisse in jeder Hinsicht denen von Heptanchus gleichen. Die Bezahnung der Kiemenbögen ent- spricht derjenigen bei den größeren Exemplaren von Heptanchus. Die Spitzen der Zähne waren alle nach hinten gerichtet, nur in den Kiemenspalten wiesen sie medianwärts. i 3. Chlamydoselachus anguineus. Die Schleimhautzähne beginnen unmittelbar hinter den Kieferzahnreihen und reichen bis zum Beginne des Ösophagus. Auch die Falte hinter dem Ober- kiefer ist mit Zähnchen besetzt. Die Zähne stehen ziemlich dicht. In der Form unterscheiden sich die des Daches von denen des Bodens. Während bei ersteren ein richtiger Schuppenstachel ausgebildet ist, dessen Spitze nach hinten gerichtet ist, wird bei den letzteren dieser durch einen stumpfen Höcker vertreten, dessen Oberfläche durch mehrere über sie verlaufende Kämme in eine Anzahl von einzelnen Feldern zerlegt wird. Diese Schleimhautzähnchen ähneln denen von Rhina (Nr. 28), nur daß ihre Form infolge einer größeren Anzahl von Kämmen etwas komplizierter erscheint. Von den beiden bei Chlamydoselachus auftretenden Formen von Zähn- Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 399 chen läßt sich die eine von der anderen ableiten (Taf. 7, Fig. 11 und 12). 4. Cestracion Philippi besitzt am Boden auf der Zunge, wie auch am Dach bis in die Höhe der ersten Kiemenspalte Zähne, die sich von den Schleimhautzähnen der übrigen Haie De >— -.” =4 —un.--- ne Textfig. 3a u. 5. Mundkiemendarmdach von Heptan chus cinereus. (Die Pfeile deuten die Richtung der Spitzen der Schleimhautzähne, die punktierte Linie die Grenze ihres Vorkommens an. durch ihre bedeutende Größe unterscheiden. Sie bestehen aus einer unregelmäßig viereckigen Basalplatte, auf der sich ein meist schlanker, manchmal aber plumperer, nach hinten gebogener Stachel erhebt (vgl. Textfig. 4). 400 Curt Fahrenholz, Angeordnet sind die Zähnchen gleich denen der äußeren Haut, regelmäßig in schrägen Reihen. Die Zungenzähne haben ihre Spitze nach vorn gerichtet. 5. Seyllium canicula. Leypıc fand keine Zähne in der Schleimhaut, auch STEINHARD und ImMs geben an, daß sie fehlen. Bei der Mehrzahl der von mir untersuchten Exemplare war eben- falls keine Spur davon zu finden. TopAros Angabe, daß Scyllium canicula Schleimhautzähne zukommen, beruht auf einem offen- baren Irrtum (vgl.S. 420). Dagegen zeigte sich bei einem größeren Tiere von 66 cm Länge, an dem das Epithel fehlte, im Hinter- Textfig. 4. Schleimhautzähne von Cestracion Philippi (isoliert). Zeiss Obj. A, Ok. 1. teile des Kiemendarmes — von dem dritten Kiemenbogen an bis zum Ösophagus — am Dach sowohl wie am Boden je eine Insel von anfangs ganz vereinzelt, von der vorletzten Spalte an jedoch etwas dichter stehenden, außerordentlich kleinen Hartgebilden. Auch in den Kiemenspalten schienen einzelne vorhanden zu sein. Diese Hartgebilde zeigten eine ganz unregelmäßige Gestalt und waren regellos verteilt, indem oft mehrere nestartig zusammen- saßen. Ihre Isolation gelang leider nicht. 6. Seyllium catulus. Zähne fehlen in der Schleimhaut des Mund-Kiemendarmes vollständig. 7. Bei Sceyllium Bürgeri dagegen finden sich noch in der Schleimhaut der Kiemenbogen regellos verstreute Zähne in Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 401 wenigen Exemplaren. Ihre Gestalt ist ähnlich derjenigen der dreispitzigen Hautzähnchen, nur sind gewöhnlich die beiden late- ralen Spitzen weniger ausgebildet (STEINHARD). 8. Bei Chyloscyllium indicum sah Imms Zähne unregel- mäßig über die Auskleidung des Mundes und des Pharynx ver- teilt. Sie fehlten jedoch auf den Kiemenbogen. 9. Pristiurus melanostoma. Zähne sind nach STEINHARD auf die Kiemenbogenschleimhaut beschränkt. Ich konnte an anderen Stellen ebenfalls keine entdecken. Bei einem von IMMS untersuchten jungen Exemplare von 14 cr Länge fehlten alle Zahnbildungen. 10. Dagegen finden sich bei einem diesem offenbar sehr nahestehenden Pristiurus spec.? nach STEINHARD auch am Gaumen bis zur ersten Spalte und an einigen Stellen auf der Zunge Zähne, wobei sich die Zähne des Gaumens von denen der Zunge durch ihre Gestalt unterscheiden (vgl. STEINHARDS Abb.). 11. Carcharias glaucus untersuchte STEINHARD an einem beschädigten Exemplare. Er fand hier Zähne bis zum Ösophagus (von der gleichen Gestalt wie die Hautschuppen), doch konnte er nicht erkennen, ob sich freie Stellen fänden. Ich konnte Zähne im vorderen Teile des Mund-Kiemendarmes sowohl oben wie unten feststellen. Am Gaumen reichen sie etwa bis an den ersten Kiemenbogen, am Boden saßen sie auf dem Vorderteile der Zunge. Am Dach fanden sich sonst keine. Dagegen zeigte sich am Boden in der Höhe des letzten Kiemenbogens ein mit einem breiten Ende nach vorn sehendes keilförmiges Feld mit Zähnen besetzt. - Seine Gestalt entspricht dem darunterliegenden Cardiobranchiale, das nach hinten stark verlängert ist. Außerdem war der Hinter- rand der Kiemenbogen mit Plakoidzähnchen besetzt, die sich un- gefähr einen Millimeter weit in die Kiemenspalten erstreckten. Darauf folgt ein zahnfreier Streifen, und hinter diesem beginnt der Zahnbesatz von neuem, um erst am Fuß der Kiemenblättchen zu enden. 12. Carcharias laticaudus. Imms Untersuchung von vier Exemplaren von 18—42 cm Länge ergab, daß die Mundhöhle bis in die Höhe der ersten Kiemenspalte dicht mit kleinen Zahnbil- dungen bedeckt war. Im Gebiete des Pharynx wurden sie nur am inneren konkaven Rande der Kiemenbogen gefunden. Bei einem fünften Exemplare (26 cm lang) waren nur einige Zähne auf dem Kiemenbogen zu finden. 402 Carl Fahrenholz, 13. Carcharias obtusirostris ließ Schleimhautzähne ver- missen. Auch auf dem Kieferbogen zeigten sich eigentümliche Verhältnisse, insofern ich keine funktionierende Zahnreihe auf den Kiefern sehen konnte, sondern nur an ihrer Hinterfläche, also in der Kısatzleiste, trotzdem das Exemplar schon 40 cm maß. 14. Für Galeus canis geben STEINHARD und IMmMS richtig an, daß die Zähne den ganzen Mund-Kiemendarm bis zum Öso- phagus und die Kiemenbogen bis unmittelbar an den Fuß der Kiemenblätter überziehen. Zahnlos sah ich nur die beiden Falten hinter dem Öber- und Unterkiefer, die Unterseite der Zunge und die Stelle der Schleimhaut, welche dem Gelenk zwischen dem dorsalen und ventralen Teile des Kiemenbogens auflagert. Doch bildeten die Zähne am hinteren Teile des Daches nicht wie an den anderen Stellen einen kontinuierlichen Überzug, sondern ließen stets die Täler zwischen den sich hier findenden feinen Längsfalten frei. 15. Galeorhinus japonicus fehlen Schleimhautzähne _ (STEINHARD). 16. Zygaena malleus. Der Mund-Kiemendarm zeigt in seinem größten Teile einen sehr dichten Besatz von Zähnen, die so klein sind, daß sie der Schleimhaut ein samtartiges Aus- sehen verleihen. Wenn man ein Stückchen der Schleimhaut ab- präpariert und in hellem durchfallendem Licht bei Zusatz von Kalilauge mit schwacher Vergrößerung (Zeiss- Obj. A., Ok. 4) von oben betrachtet, so sieht man, daß die Zähnchen gleich denen des Integumentes sehr regelmäßig verteilt sind und so eng stehen, daß die rhombischen Basalplatten einander fast berühren. Der nach hinten gebogene Schuppenstachel zeigt, von oben gesehen, eine breite, herzförmige Gestalt. Er hat gewöhnlich nur eine Mittel- spitze, doch zeigen sich sehr häufig auch deutlich dreispitzige Zähne. Zwischen beiden Formen finden sich alle Übergänge. Über die Mitte des Stachels verläuft ein flacher Kamm, der in die Mittelspitze ausläuft (vgl. Taf. 7, Fig. 13). Die ganze Oberfläche zeigt eine deutliche Felderung. Zwischen den Zähnen finden sich verstreut kleine zahnfreie Lücken, die ungefähr die Größe eines Zahnes haben. Ob sie durch Ausfall einzelner Zähne entstanden waren, oder andere Bedeutung (Sitz von Geschmackspapillen) haben, konnte ich nicht entscheiden, da an dem Exemplar das Epithel nicht erhalten war. Am Dach des Mund-Kiemendarmes beginnt der Zahnbesatz dicht hinter der zahnfreien Oberkieferfalte und reicht in seiner Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 403 Vollständigkeit bis zur zweiten Kiemenspalte, doch setzen sich darüber hinaus Zähne auf den hier beginnenden flachen Längs- falten noch eine Strecke weit fort. Besonders deutlich ist das der Fall auf den seitlichen Teilen, wo die Zähne auf den Falten bis zur vierten Spalte reichen können. Der Boden ist von dem Vorderrande der Zunge bis zum Ösophagus dicht mit Zähnen besetzt. Interessant ist hier die hintere Grenze des Zahnbesatzes. Er endet ganz plötzlich, indem er genau die hintere Grenze des letzten Kiemenbogenknorpels und seiner Copula, die direkt unter der Schleimhaut liegt, nach- zeichnet, in der Form eines umgekehrten W (AM). Die Kiemenbogen zeigen die gleiche Bezahnung, die ventral direkt in die des Bodens übergeht, während sie dorsal an den hinteren Bogen plötzlich endet. Die letzten Kiemenbögen zeigen, wie das öfter bei Haien der Fall ist, am dorsalen medialen Ende ihren Hinterrand zu einer lappenartigen Zunge verbreitert, die die Kiemenspalte an ihrem dorsalen Ende begrenzt. Dieser lappige Fortsatz ist bei Zygaena noch mit Zähnen besetzt. In den Kiemenspalten reichen die Zähne bis unmittelbar an die Kiemenblättchen. Die Spitzen aller Zähne sind nach hinten ge- richtet. 17. Von Mustelus vulgaris gibt STEINHARD als Verbrei- tungsgebiet der Schleimhautzähnchen den gesamten Mund- und Kiemendarm bis zum Ösophagus an, wo die Zähne plötzlich mit einer zackigen Linie ohne jeden Übergang endigen. Ich kann das bestätigen. Der Zahnbesatz erstreckt sich über die ganze Mund- und Kiemendarmschleimhaut, sowohl oben wie unten bis zum Ösophagus, wo er scharf endet. Die zackige Form der Grenze am Dach kommt dadurch zustande, daß die Zähnchen auf den in die Ösophagusfalten übergehenden Längsfalten des hinteren Kiemendarmabschnittes sich weiter fortsetzen, als in den Tälern zwischen ihnen. Am Boden, wo diese kleinen Falten fehlen, zeigt sich der Hinterrand des bezahnten Feldes auch nicht zackig. Interessant war die Tatsache, daß sich hinter der scharfen Grenze noch einzeln stehende Zähne fanden. Die Kiemenbogen sind ebenfalls dicht mit Zähnen besetzt, die sich in den Kiemenspalten bis fast an die Kiemenblätter er- strecken. Besonders hervorzuheben erscheint mir, daß auch auf dem Kamm der Ober- und Unterkieferfalte die Zähne nicht fehlten. Es sind Mustelus vulgaris und Chlamydoselachus anguineus die 404 Carl Fahrenholz, einzigen Arten, die diesen Befund zeigen, und zwar stellt er offenbar nicht eine individuelle Variation dar, da ich ihn bei mehreren Exemplaren antraf. Frei von Zähnen sah ich nur die spaltförmigen Vertiefungen, die vorn und hinten diese Falten be- grenzen, die Mundwinkel, d. h. die Stellen über den Kiefer- gelenken und die Berührungsstellen der oberen und unteren Kiemenbogenknorpel, ebenfalls über den Gelenken. Die Zähne stehen so dicht, daß sich die Schuppenteile gegen- seitig dachziegelartig überdecken. 18. Sehr ähnlich wie bei Mustelus vulgaris verhält sich die Bezahnung bei Mustelus laevis. Doch reicht der Zahnbesatz am Dach nicht ganz bis zum Ösophagus. In der Medianlinie erstrecken sich die Zähnchen bis zur vorletzten Kiemenspalte, während sie an den Seiten schon eine Strecke früher enden. Außerdem fehlten die Zähne auf der Oberkieferfalte. Die Kiemen- bogen sind bis fast an die Kiemenblätter mit Zähnen besetzt. Die Zähne stehen eng gedrängt. Am Dach ist ihre Spitze nach vorn gerichtet, am Boden bei einem großen Teil der Zähne eben- falls, bei den vorderen jedoch nach hinten. Bei einem sehr jungen Exemplare von M. laevis fanden sich am Dach wie am Boden nur in den vordersten Abschnitten Zähne. Für Mustelus laevis gibt bereits SPENGEL an, daß die Spitzen der meisten Schleimhautzähne (bei einem Embryo von 15 cm) am Boden nach vorn gerichtet sind. Auch bei Mustelus vulgaris sah ich am Boden die abgerundete Spitze des Stachels nach vorn gerichtet. 19. Selache maxima weist nach HENDRICKS an den Kiemenbögen einen sehr gut ausgebildeten Reusenapparat aus vergrößerten Plakoidzähnchen auf. Ob sich im übrigen Teil der Schleimhaut noch Zähne finden, ist mir nicht bekannt. 20. Nach CopTA besitzt Alopecias vulpes nur auf den Kiemenbogen kleine Zähnchen, deren Spitzen nach hinten ge- kehrt sind. 21. Reichlichen Zahnbesatz zeigt Lamna cornubica, dessen Schleimhautbezahnung nach Imms derjenigen von Zygaena gleicht. 22. Rhinodon typiecum besitzt wie Selache einen aus Plakoidzähnen gebildeten Reusenapparat. 23. Daß die Schleimhaut der Mundkiemenhöhle und der Kiemenbögen von Acanthias vulgaris Zähne trägt, gibt schon HERTwIG an. STEINHARD und Imms finden in der unteren Region Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 405 der Mundrachenhöhle und auf den Kiemenbögen bis zum Öso- phagus Schleimhautzähne, vermissen sie dagegen am Gaumen. In den Kiemenspalten zeigen die Zähnchen nach STEINHARD eine ganz andere Gestalt als sonst, wo sie den Hautschuppen ähneln. Sie bestehen aus einem fünfzackigen Gebilde als Stachel, das sich auf einer glockenförmigen Basalplatte erhebt. Auf der Vorderseite der Kiemenbögen stehen sie überall dicht, auf der Hinterseite dagegen vereinzelt. Meine Untersuchungen zeigten mir, daß sich in der Ver- breitung der Zähne sehr große individuelle Variationen darbieten können. Außer einem Exemplar, das überhaupt keine Zähnchen in der Schleimhaut besaß, sah ich verschiedene Fälle, wo sich die Zähne auf den hinteren Teil der Kiemenhöhle beschränkten, am Boden dichter, am Dach verstreut standen, und schließlich ein Tier, das am Boden sowohl wie am Dach überall bis auf die vordersten Teile, allerdings nicht sehr dicht stehende, Zähne besaß. In den Kiemenspalten sah ich im großen ganzen die glei- chen Verhältnisse wie STEINHARD. An den Kiemenbögen hat sich ein Reusenapparat entwickelt, der aus einer Reihe von langen konischen Papillen an der Vorderfläche der Bogen besteht, die in den Kiemenspalten, von den Kiemenblättern ein Stück nach innen zu, entspringen und sich mit ihren Enden an den Hinter- rand des vorhergehenden Bogens anlegen, der an dieser Stelle eine etwas vorspringende Schleimhautfalte trägt. Diese Vorder- seite der Bögen ist, soweit sie nach innen vom Fuß der konischen Papillen liegt, mit Zähnen besetzt, die sich auch auf diese Pa- pillen fortsetzen, an denen sie nur die Seite freilassen, welche sich nach vorn an den vorhergehenden Bogen anlegt. Nach außen zu vom Fuß der Papillen folgt gewöhnlich ein schmaler, zahn- freier Streifen, dahinter beginnt der Zahnbesatz wieder und reicht bis unmittelbar an die Kiemenblättchen. Die Hinterseite der Kiemenbögen ist, wie STEINHARD angibt, mit verstreuten Zähnen besetzt. 24. Bei Spinax niger konnte ich ebenso wie STEINHARD nirgends Spuren von Plakoidorganen an der Schleimhaut ent- decken, trotzdem ich mehrere Exemplare untersuchte. 25. In gleicher Weise fehlen sie Centrina Salviani nach Imms vollständig. 26. Auf die Kiemenbogenschleimhaut beschränkt sind die Zähnchen bei Centrophorus spec. Ihre Gestalt ist ‘ähnlich Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. 27 406 Curt Fahrenholz, derjenigen der Plakoidschuppen der Haut, doch sind sie ge- drungener (STEINHARD). 27. Bei Echinorhinus ist die Schleimhaut frei von Zahn- gebilden. 28. Rhina squatina schließlich besitzt Plakoidorgane im vorderen Teile der Mundhöhle und zwar am Dach bis in die Höhe des ersten Kiemenbogens, am Boden wenige auf den seitlichen Teilen der Zunge. Von ihrer Gestalt gibt STEINHARD folgende Schilderung, die ich bestätigen kann. Die Basalplatte bildet eine große kreisförmige mit unregelmäßigen Einbuchtungen versehene Platte, auf der sich als Stachel eine zweite, kleinere Platte erhebt, deren Oberfläche von einer wechselnden Anzahl hoher, am Rand beginnender Leisten durchzogen ist, die zusammen die Form eines —, eines )—{ oder eines Sternes bilden. Histologisch gleichen sie den Plakoidschuppen vollkommen. Die Zähnchen liegen unter dem Epithel, stellen also, wie das ihre Gestalt auch anzudeuten scheint, offenbar rudimentäre Organe vor. Im gleichen Sinne äußert sich IMmMS. B. Rochen. 1. Pristis perotteti besitzt auf der ganzen Schleimhaut von den Kieferbogen bis zum Ösophagus einen sammetartigen Überzug von Zähnen. Die Zähne beginnen unmittelbar hinter den Kieferzähnen und besitzen eine diesen sehr ähnliche Form, so daß fast der Anschein hervorgerufen wird, daß die Kieferzähne sich aus den Schleimhautzähnen ersetzen (STEINHARD). 2. Bei Rhinobatis productus bekleiden nach Imms’ An- gaben dicht gestellte Zähne die Mund-Kiemendarmschleimhaut vollständig bis zum Ösophagus. Sie fehlen dagegen auf den Kiemenbogen, indem der Zahnbesatz mit einer scharfen Grenze endet. Imms weist darauf hin, daß dieser Mangel eventuell in der Jugendlichkeit des untersuchten Tieres beruhen könnte, da dies nur 27 cm maß. 3. Rhinobatis spec. Die ganze Mund- und Rachenhöhle ist bis zum Hinterrande der letzten Spalte pflasterartig mit dicht- stehenden Zähnen bedeckt, die in gleicher Weise die Kiemen- bogen bis an den Fuß der Kiemenblättchen überziehen. Allein ein rautenförmiges Feld über dem Gelenk der oberen und unteren Bogen lassen sie frei, unter dessen Schleimhaut der Muskel zwischen diesen beiden Skeletteilen liegt. Im übrigen finden sich Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 407 ziemlich gleichmäßig verteilt am Dach wie am Boden zwischen den Zähnen kleine zahnfreie Stellen, in deren Zentrum sich jedes- mal eine kleine Papille erhebt. 4. An einem ausgestopften Tiere der Art Rhynchobatis djettensis konnte STEINHARD erkennen, daß die Mundhöhle be- schuppt ist. Die Gestalt der dichtstehenden Zähnchen war drei- zackig ähnlich den Hautschuppen, doch gedrungener als diese. Ihre Verbreitung konnte er an dem Exemplare nicht feststellen. 5. Weder auf den Kiemenbogen noch auf der übrigen Schleimhaut des Mund-Kiemendarmes fand ich Hartgebilde bei Raja fullonica. 6. Dagegen besitzt Raja clavata — außer in dem vorderen Teile der Mundhöhle — bis zum Ösophagus Schleimhautzähnchen. Sie haben die Gestalt eines Hornes, das sich auf einer viereckigen bis kreuzförmigen Basalplatte erhebt. Die Spitze des Hornes war am Boden bei allen Zähnen bis auf die letzten nach vorn ge- richte. Die Zähne stehen nicht sehr dicht. Die Entfernung zwischen den einzelnen beträgt stets das mehrfache des Basal- plattendurchmessers, damit überein stimmen die Angaben von ImMs. 7. Während ich bei Trygon pastinaca in der Höhe des letzten Kiemenbogens am Boden wie am Dach einen Streifen kleiner Zähne fand, konnte ich keine Spur davon bei Trygon violacea entdecken, ebenso weder STEINHARD bei Trygon sephen, noch Imms bei Trygon valga. 8. Das gleiche war bei Torpedo ocellata und Torpedo marmorata der Fall, wogegen STEINHARD bei einem 6 cm langen Exemplare von letzterer Artregellos verteilte Hartgebilde fand, die, unregelmäßig gestaltet, der Basalplatte eines Plakoidzähnchens ähnelten, doch waren die Kalksalze weitmaschiger angeordnet. Etwas dichter sah er die Hartgebilde nur in der hinteren oberen Region der Mundhöhle stehen. Ein von ihm untersuchtes 20 cm langes Individuum dagegen zeigte ebenfalls keine Reste von Hart- gebilden. C. Holocephalen. Von den Holocephalen besitzt weder Chimaera noch Callorhynchus Schleimhautzähnchen. 20 408 Curt Fahrenholz, Allgemeines. Wenn wir nach dem gemeinsamen Urzustand suchen, aus dem heraus die verschiedenen Befunde der Bezahnung sich ent- wickelt haben, so müssen wir einen solchen zweifellos in dem Zustand sehen, daß die ganze Strecke des Vorderdarmes, soweit, die Bezahnung reichen kann, bis zum Ösophagus, gleichmäßig und dicht mit Zähnen besetzt war, die denen der äußeren Haut in jeder Beziehung glichen. Fast unverändert hat sich diese primitive Form der Schleimhautbezahnung, sowohl was die Ver- breitung der Zähne als auch ihre Ähnlichkeit mit den Hautzähnen anbetrifft, bei Mustelus vulgaris, Galeus canis und einigen Rochen erhalten. Während ihre Verbreitung im Mund-Kiemendarme bei den meisten Plagiostomen sich wesentlich einschränkt, bleiben bei der Mehrzahl der Arten die Spuren ihrer primitiven Gleich- förmigkeit mit den Hautzähnen unverkennbar. Ich verweise in dieser Hinsicht auf STEINHARDS Arbeit, in welcher der Verglei- chung der Form beider Gebilde ein breiterer Raum gewidmet ist. Die neuen Beziehungen, die die Plakoidorgane mit ihrer Einwanderung in den Vorderdarm zu der Funktion der Ernäh- rung gewinnen, bieten die Veranlassung zu verschiedenen Diffe- renzierungen. Als wichtigste von diesen stellt sich neben der Entwicklung von Kiemenreusenzähnen (Selache und Rhinodon) die Ausbildung der Kieferzähne dar. Die Stellung der Zähnchen auf der Schleimhaut der gegeneinander beweglichen Kieferbogen- knorpel übertrug ihnen eine wichtige Rolle bei der Nahrungs- aufnahme. Dieser wichtigen Rolle entspricht die nach den ver- schiedenen Lebensbedingungen der Selachier sehr mannigfache, aber stets gegenüber derjenigen der gewöhnlichen Plakoidorgane bedeutende Entwicklung der Kieferzähne. Die gleiche Beziehung zwischen Plakoidorganen und knorpe- liger Skelettunterlage, welche am Kiefer eine so große Bedeutung für die Genese des Gebisses gewann, macht sich auch in den übrigen Teilen des Mund-Kiemendarmes deutlich bemerkbar. Bei dem ursprünglichen Verhalten hat sie, wie im Integument der Plagiostomen (außer bei den Flossenstacheln von Acanthias usw.), wahrscheinlich nicht bestanden. Die feste Unterlage, deren die Plakoidschuppen bedürfen, um nicht eine Gefahr für das sie tragende Gewebe zu bedeuten, werden sie, wie in der äußeren Haut, in dem außerordentlich resistenten, bindegewebigen Teil des in den Munddarm eingestülpten Hautstückes gefunden haben. Doch mit der Umwandlung dieses Hautteiles in Schleimhaut ging Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 409 auch die Festigkeit des Bindegewebes zum Teil verloren. Einen Ersatz für diesen Verlust an fester Unterlage bot sich den Zähnen in den die Wandung des Mund-Kiemendarmes bildenden Skelett- teilen dar, also in der Schädelbasis und den medianwärts gerich- teten Flächen des Viszeralskelettes. Durch diese Beziehung zwischen den Skeletteilen und den Plakoidzähnchen erklären sich viele Befunde in der Zahnverteilung, indem sich die Zähne ge- wöhnlich auf die Stellen der Schleimhaut beschränken, welche einem knorpeligen Skelettstück unmittelbar aufliegen. Alle die verschiedenen Formen der Zahnverteilung lassen sich leicht in fünf Gruppen einordnen, deren erste von denjenigen Arten gebildet wird, bei denen mehr oder weniger die ganze Wand des Mund-Kiemendarmes mit Zähnen besetzt ist. Es sind das: Chlamydoselachus anguineus, Galeus canis, Mustelus vulgaris, Pristis Perotteti, Rhinobatis productus, Rhinobatis spec. und Raja clavata. Ausgehend von diesem Befunde macht sich bei den übrigen Formen eine fortschreitende Verminderung der Bezah- nung bemerkbar. Zunächst schließt sich die zweite Gruppe an, deren Vertreter Lamna cornubica, Zygaena malleus, Heptanchus und Hexanchus auf den Kiemenbogen und am Boden bis zum Öso- phagus Plakoidorgane besitzen, am Dach dagegen nur im vor- deren Teile des Mund-Kiemendarmes. Unter diesen ist besonders Heptanchus bemerkenswert (vgl. Textfig. 1), indem die Schleim- hautzähne bei ihm am vordersten Teile des Daches und Bodens, sowie am Boden dicht vor dem Ösophagus sich dicht drängen, in dem mittleren Abschnitt dagegen auffallend weiter stehen. Diese Art der Verteilung leitet nämlich zusammen mit derjenigen bei Carcharias glaucus, welchem die Zähne der mittleren Region des Bodens ganz fehlen, zu der dritten Gruppe über, bei der sich, abgesehen von den Kiemenbögen, die Zähne auf dem hin- teren Teile des Mund-Kiemendarmes (Trygon pastinaca) resp. die vorderen Teile des Mund-Kiemendarnes beschränken (Cestracion Philippi, Pristiurus spec. Carcharias laticaudus, Rhina squatina). Fallen auch diese Plakoidorgane fort, so erhalten sich Zähne nur noch auf den Kiemenbogen, wie das bei Sceyllium Bürgeri, Pristinrus melanostoma, Alopecias vulpes, Rhinodon typicum, Pristiurus, Centrophorus spec. und Selache(?) der Fall ist. Zu der fünften und letzten Gruppe gehören schließlich alle diejenigen, welche gar keine Schleimhautzähne aufweisen. Seyllium can., Scyllium catulus, Carcharias obtusirostris(?), Galleorhinus japonicus, Spinax niger, Centrina Salviani, Echinorhinus spinosus, Raja fullonica, 410 Curt Fahrenholz, Trygon violacea, Trygon sephen, Trygon valga, Torpedo ocellata, Torpedo marmorata, Chimaera monstrosa, Callorhynchus antarctieus. Sehen wir zunächst von der ersten Gruppe ab, so ist bei der Mehrzahl der übrigen ein enger Zusammenhang zwischen Skelettunterlage und Zahnverteilung nicht zu verkennen. Zunächst gehen die Zähne im oberen, hinteren Teile des Kiemendarmes, wo eine Skelettunterlage fehlt, verloren, erhalten sich dagegen überall, wo von Kiemenskelett und Cranium eine solche gegeben ist. Sogar die feineren Verhältnisse der Bezahnung am Boden der Mundhöhle von Heptanchus, Hexanchus und Carcharias glaucus geben ein getreues Abbild der Verhältnisse des Kiemenskelettes: die Bezahnung zeigt sich bedeutend dichter im vorderen und hinteren Abschnitt, wo ihre Unterlage durch die voluminösere Entfaltung der Copula des Hyoids und des Cardiobranchiale eine größere Ausdehnung gewinnt. In dem mittleren Abschnitt da- gegen, wo die medianen Teile des Viszeralskelettes eine weniger zusammenhängende Grundlage bilden, verliert die Bezahnung be- deutend an Dichtigkeit (Heptanchus, Hexanchus) oder verschwindet vollständig (Carcharias glaucus). Schließlich ist auch an den Kiemenbogen, auf denen sich die Schleimhautzähnchen am längsten behaupten, die Schleimhaut von dem knorpeligen Viszeralbogen dicht unterlagert. Bei denjenigen Tieren, deren Bezahnung sich am vollstän- digsten erhält, scheint bei oberflächlicher Betrachtung die Regel, daß der Zahnbesatz die von Skeletteilen gestützte Schleimhaut bevorzugt, durchbrochen, doch wird man durch näheres Zusehen leicht eines anderen belehrt. Präpariert man nämlich bei Mustelus vulgaris die Schleimhaut am hinteren Teile des Kiemendarmdaches ab, so trifft man unter ihr die bei diesem Tier bedeutend ent- falteten und abgeflachten Pharyngobranchialia, die in ihrer Ge- samtheit eine fast kontinuierliche Unterlage auch für diese Region abgeben. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den in Frage kommenden Rochen. Bei diesen ist infolge der starken dorso- ventralen Abflachung die Wirbelsäule in die unmittelbare Nach- barschaft der dorsalen Wand des Kiemendarmes gelangt und gibt mit ihrer ventralen, abgeplatteten Fläche zusammen mit dem Pha- ryngobranchiale auch hier eine stützende Unterlage für die Zähne ab. Bei Galeus canis, wo die Pharyngobranchialia nicht in dem Maße wie bei Mustelus verbreitert sind, ist auch die Bezahnung nicht so vollständig wie bei diesem, indem sich die Zähne immer nur auf dem Kamme der Längsfalten der Schleimhaut dieses Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 411 Teiles finden, dagegen in den Tälern zwischen ihnen nicht. Be- sonders bemerkenswert erscheint mir in dieser Hinsicht an dem von mir untersuchten Exemplare, daß dort, wo die Pharyngo- branchiala unter der Schleimhaut lagen, der Zahnbesatz zweier benachbarter Falten oft zusammenfloß, so daß über ihnen eine zusammenhängende Lage von Zähnchen vorhanden war. Es erscheint demnach nicht unwahrscheinlich, daß die vollständige Erhaltung des Zahnbesatzes bei diesen Tieren gerade darauf zurück- zuführen ist, daß die Zähne überall eine knorpelige Unterlage fanden. Am hinteren Teile des Daches des Kiemendarmes sah ich nur in zwei Fällen, wo man von einer Unterlage durch die Pha- ryngobranchialia kaum sprechen kann, Zähne. Das war einmal bei Acanthias vulgaris und ein andermal bei Seyllium canicula. Bei beiden Spezies handelte es sich aber nur um wenige ver- streute Zähnchen, und beide Fälle stellen offenbar individuelle Variationen dar, da es sich nur bei einem einzigen Exemplare zeigte. Da diese Hartgebilde bei Scyllium außerordentlich klein und vollständig unregelmäßig geformt waren, und bei Acanthias offenbar der Bezahnung ein großer individueller Spielraum ge- lassen ist, glaube ich, daß beiden Fällen als Gegenbeweis gegen die sonst so evidenten Zusammenhänge zwischen Skelettunterlage und Bezahnung keine Bedeutung zuzusprechen ist. Ich bin auf diese Beziehungen zwischen Skelett und Plakoid- organen, die sich auch außerordentlich deutlich da zeigen, wo die hintere scharfe Grenze der Bezahnung am Boden der Mund- höhle eine genaue Kopie des letzten Kiemenbogens darstellt, näher eingegangen, weil sie mir auf die Verteilung der Zähne einiges Licht zu werfen scheinen, und ich andererseits glaube, daß sie ein gewisses Interesse beanspruchen können, da man in ihnen wohl mit Recht eine Vorstufe zu der engeren Verbindung beider Gebilde sehen kann, die für die Genese des knöchernen Skelettes bei den höheren Wirbeltieren von so großer Bedeutung wurde (GEGEN- BAUR, Vergleichende Anatomie, Bd. I, p. 200 und HERTWIG). Doch neben dem Skelett hat noch ein anderer Faktor einen offenbaren Einfluß auf die Verteilung der Zähne. Das sind die Sinnesorgane, die gleich den Zähnen ursprünglich Organe der äußeren Haut, wie diese mit dem Ektoderm in den Vorderdarm gelangten und hier eine große Bedeutung als Organe des Ge- schmackssinnes gewannen. Diese Geschmacksorgane haben ihren Sitz auf kleinen Papillen, die in der Mundrachenhöhle der Plagio- stomen sich verstreut finden. Wo nun ein dichter Zahnbesatz 412 Curt Fahrenholz, und diese Sinnespapillen vereint vorkommen, finden sich die letz- teren zwischen den Zähnen und sind frei von Zahnbesatz. Ein besonders deutliches Beispiel hierbei bietet Rhinobatis spec. dar. Hier zeigt sich jede dieser Papillen von einem zahnfreien Hof umgeben. Leider konnte ich speziell für diese Form nicht ein- wandfrei feststellen, daß die betreffenden Papillen Sinnesorgane tragen, da an dem mir zur Verfügung stehenden Exemplare das Epithel nicht erhalten war. Doch halte ich es mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die gleichen Papillen aller bisher daraufhin untersuchten Plagiostomen- arten stets Sinnesorgane trugen, für unzweifelhaft, besonders da ich an Trockenpräparaten die für die Sinnespapillen typische Ge- stalt mit einer kleinen napfartigen Grube auf der Spitze deutlich an ihnen konstatieren konnte. Ebenfalls für eine Folge dieser Konkurrenz zwischen Zähnen und Sinnesorganen halte ich die Fälle, in denen sich (wie z. B. bei Raja clavata) bei sonst vollständigem Zahnüberzug nur der vorderste Teil der Mundhöhle zahnfrei zeigt, da hier die Sinnes- organe, was Dichtigkeit und Größe anbelangt, am besten aus- gebildet sind. Daher erklärt sich auch die Tatsache, daß bis auf Mustelus bei allen Plagiostomen die Falten hinter dem Ober- und Unterkiefer frei von Zähnen bleiben. Daß dieser Mangel der Zähne nicht als eine in der Organisation dieser Tiere beruhende ursprüngliche Eigenschaft, sondern als eine sekundäre Anpassung aufgefaßt werden muß, beweist das Vorhandensein von Zähnen auf der Kieferfalte von Mustelus und ein Fall, in dem ich in einer Querschnittserie durch die Oberkieferfalte von Heptanchus ein Plakoidzähnchen fand. Der Grund dieses sekundären Zahn- verlustes auf den Falten ist eben wahrscheinlich in deren Aus- bildung zu einem ausgesprochenen Sinnesapparat zu suchen. Schließlich fehlen die Zähne, wie das fast selbstverständlich ist, an denjenigen Stellen der Schleimhaut, die sich ständig gegen- einander reiben (z. B. die Stelle auf den Kiemenbogengelenken, an den Einsenkungen zum Spritzloch bei Heptanchus und an den Stellen der Reusenpapillen von Acanthias, die sich an den vor- hergehenden Bogen anlegen), da sie hier leicht zu Verletzungen Anlaß geben und zum Teil wohl auch (Kiemenbogengelenke) die Bewegungsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Alle diese verschiedenen Faktoren, verbunden mit einer sich in den verschiedensten Gruppen der Plagiostomen zeigenden Ten- denz auf Einschränkung der Bezahnung, sind geeignet, uns einen Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 413: befriedigenden Einblick in die Gesetze, die die Verteilung der Zähne bei den einzelnen Formen beherrschen, zu geben. Worauf beruht nun aber diese Tendenz der Zähne zu ver- schwinden? Ich meine zweifellos auf ihrer geringen physiologi- schen Bedeutung. Man hat über die Funktion der Schleimhautzähnchen manche Vermutungen geäußert. TODARO sieht in ihnen Sinnesorgane zur Wahrnehmung harter Gegenstände, während andere ihnen eine gewisse mechanische Bedeutung für die Zerkleinerung der Nah- rung zuschreiben. Doch hat die Annahme einer solchen mecha- nischen Funktion in Anbetracht der minimalen Größe der Zähn- chen wenig Wahrscheinlichkeit für sich, besonders wenn man in Betracht zieht, daß sie nur mit einem Bruchteil ihrer Länge über die Oberfläche des Epithels hervorragen. Nachdem bei einem jungen Mustelus laevis SPENGEL fest- gestellt hat, daß die Spitzen der Zähne nach verschiedenen Rich- tungen weisen, und ich dasselbe auch bei Heptanchus, Cestracion,, Mustelus vulgaris und Raja clavata gefunden habe, dürfte auch der Annahme von Imms, daß die Zähne mit ihren nach hinten gerichteten Spitzen das Verschlingen der Beute erleichtern sollen, der Boden entzogen sein. Eine derartige Bedeutung könnte höchstens den in der Nähe der Kiemenspalten sitzenden Zähnchen zugeschrieben werden, indem die Tatsache, daß ihre Spitzen immer mehr oder weniger medianwärts gerichtet sind, als eine Einrich- tung betrachtet werden kann, die das Eindringen von Speisen in die Spalten verhindern soll. Besonders differenziert erweisen sich ferner die Zähne nach STEINHARD in den Kiemenspalten von Acanthias (s. 0.) und Rhina, wo ihr Stachel die Form eines Pilzes besitzt, dessen Schirm sternförmig gezackt ist. Es erscheint mir nicht ausgeschlossen, daß dadurch eine gewisse Strudelbewegung des über die Kiemen- blätter streichenden Wassers hervorgerufen wird, welche dessen intensivere Ausnutzung zur Atmung ermöglicht. Auf sicherem Boden stehen jedoch die Vermutungen über die Funktionen der Plakoidschuppen der Mundrachenhöhle erst da, wo ihre spezielle Ausbildung, wie in den Kiemenreusen von Selache und Rhinodon und im Gebiß einen sicheren Anhalt für ihre Beurteilung bietet. Von den gewöhnlichen Plakoidschuppen des Mund-Kiemen- darmes müssen wir dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit an- nehmen, daß ihnen eine wesentliche Funktion nicht zukommt, daß. 414 Curt Fahrenholz, sie vielmehr funktionslose Organe sind, die sich durch zähe Ver- erbung bei vielen Arten erhalten haben. Dafür scheint mir auch ihre offenbare Neigung zu sprechen, an verschiedenen Orten ganz verschiedene Funktionen zu erfüllen. Denn die Eigenschaft, gleichsam als Gelegenheitsarbeiter diese und jene Arbeit zu über- nehmen, läßt darauf schließen, daß im allgemeinen ihre Funktion keine wesentliche ist; denn ein Organ, das eine spezifisch aus- gebildete Funktion besitzt, pflegt nicht zu solchen verschiedenen Funktionswechseln zu neigen. Gerade aber in dieser geringen physiologischen Bedeutung des Zahnbesatzes müssen wir die Ur- sache für das in den verschiedensten Abteilungen der Plagiostomen unabhängig voneinander auftretende Verschwinden der Bezah- nung sehen. Offenbar, um überhaupt eine Erklärung für das Vorhanden- sein der Plakoidzähnchen im Mund-Kiemendarme und ihre Ver- breitung bis zum Ösophagus zu geben, hat Imms die Theorie aufgestellt, daß die Urgnathostomen, bevor sich ein besonderer Kieferbogen herausgebildet hatte, mit dem gesamten Kiemen- bogenapparat kauten, und daß für diese primitive Art der Nah- rungszerkleinerung die Schleimhautzähne eine Bedeutung besessen haben, die ihnen durch Beschränkung der Kaubewegungen auf den ersten Viszeralbogen verloren gegangen ist. Ich meine, die Spuren einer solchen Funktion würden sich wahrscheinlich an den Zähnen noch erkennen lassen, sicherlich jedoch wäre die sich überall zeigende weitgehende Übereinstimmung der Schleimhaut- zähnchen mit den Zähnen des Integumentes verwischt. Meiner Ansicht nach haben sie eine solche Funktion, wie sie bei den Ganoiden und Teleostiern besteht, nie bei den Selachiern besessen, sondern sind einfach, als Bestandteile der äußeren Haut, deren Einstülpung in den Vorderdarm gefolgt, zu der nicht sie, sondern die Sinnesorgane und die größere Widerstandsfähigkeit des Inte- gumentes den Anstoß gegeben haben. Die wichtigste theoretische Bedeutung, welche die Plakoid- zähnchen des Mund-Kiemendarmes besitzen, liegt zweifellos darin, daß man sie als Kriterien für die Ausdehnung der Hauteinstül- pung in den Vorderdarm benutzen kann, da sie typische integu- mentale Organe darstellen. Überall, wo die Schleimhautzähnchen erwähnt sind (LeypIG, TODARO), wird ihre vollständige Gleich- artigkeit mit den Plakoidschuppen des Integumentes hervorgehoben. Das Verdienst, diese Homologie zwischen Zähnen und Plakoid- schuppen eingehend bewiesen zu haben, gebührt OÖ. HERTWIG. Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 415 Mit welchem Recht dürfen wir nun die Zähnchen als Be- weise für die Ausdehnung des Ektoderms ansehen? Ein vollständiger Zahn setzt sich bekanntlich aus zwei ver- schiedenen Arten von Hartsubstanzen zusammen, einmal den knochensubstanzähnlichen, Dentin und Zement, und zweitens der strukturlosen Schmelzkappe. Beide Hartgebilde unterscheiden sich in ihrer Entstehung, indem der Schmelz ein Abkömmling des ektodermalen Epithels ist, während Dentin und Zement sich in dem darunterliegenden Bindegewebe als Ausscheideprodukte von Zellen entwickeln, über deren Zugehörigkeit zum Ektoderm oder Mesoderm man noch nicht zu einem endgültigen Entscheid gekommen ist. Wir wollen uns daher im folgenden auch nicht auf die Annahme der ektodermalen Abkunft von Dentin und Zement stützen. Zweifellos dagegen ist die ektodermale Abkunft des Schmelzes bewiesen. Da nun die Zähnchen in der Schleimhaut des ganzen Mund- Kiemendarmes sich finden, d. h. bedeutend tiefer als die primitive ektodermale Mundbucht reicht, ergab sich hier eine gewisse Schwierigkeit, der man dadurch aus dem Wege zu gehen suchte, daß man den Zähnen der Selachier einen Schmelz- überzug absprach und die betreffende Schicht für Vitrodentin erklärte (KLaatsch 1889, Röse 1897 und Owen 1845). Ab- gesehen davon, daß hierdurch die Schwierigkeit durchaus nicht beseitigt ist, da auch bei den übrigen Fischen und den Amphibien in dem hinteren Teile des Mund-Kiemendarmes Zähne mit zum Teil „mächtigen Schmelzkappen“ (vgl. Herrwıgs Handb., Bd. I, Teil 1, p. 382) vorkommen, führen diese Forscher keinen einzigen stichhaltigen Grund für ihre Ansicht an. Die Mehrzahl der Autoren spricht sich demgemäß auch für die gegenteilige Ansicht aus (HERTwIG 1873, Romon 1889, TomEs 1898, JENTSCH 1898, WALKOFF 1901 und STEINHARD 1903. Die Schmelzähnlichkeit betonen TODARO und HENDRICKS). Für die letztere Anschauung führt TomEs eine Anzahl sehr schwerwiegender Gründe an, die ich im einzelnen hier anführen möchte. 1. Die Rindenschicht der Zähnchen ist zwar nicht so hart wie Schmelz, doch übertrifft sie bei weitem die Härte und Glätte des Dentins. 2. Sie erscheint doppelbrechend in polarisiertem Licht. 3. Säuren lösen die Schicht bis auf einen geringen Rück- stand auf, während vom Dentin eine kollagene Substanz zurück- bleibt, die Bau und Struktur des Gewebes behält. 416 Curt Fahrenholz, 4. Das Dentin fossiler Zähne wird braun, der Schmelz bleibt weiß. Die hier in Betracht kommende Schicht bleibt ebenfalls weiß. 5. Die Salze, die der Schicht die Härte geben, sind denen des Schmelzes ähnlich. Diese Gründe vereint mit der Entstehung der Schicht aus. der basalen Lage des Epithels unter Bildung von typischen Amelo- blasten scheinen mir das Vorhandensein von Schmelz an den Zähnen der Selachier über allen Zweifel zu erheben. Und so weit mir bekannt ist, hat sich gegen diese von TomEs 1898 ge- äußerten Beweise auch bisher kein Widerspruch erhoben. Da nun aber die ektodermale Abkunft des Schmelzes ohne Zweifel festgestellt erscheint!), so darf man offenbar die Zähnchen der Schleimhaut, da für sie das Vorhandensein der Schmelzschicht durch ©. HERTwIG, TODARO, STEINHARD und HENDRICKS fest- gestellt wurde und ich bei den Zähnchen des hinteren Kiemen- darmes von Heptanchus auch das Auftreten der Schmelzmembran sah (vgl. Taf. 7, Fig. 8), diese Zähne mit Sicherheit als Kri- terien für die Ausbildung des Ektoderms ansehen. Damit ist aber gesagt, daß entsprechend der Verbreitung der Zähne das Ekto- derm sich bei den Rochen und Haien bis wenigstens zum Öso- phagus erstreckt, und zwar sehen wir keine Stellen im gesamten Mund-Kiemendarme, welche nicht Zähne tragen könnten. Überall, wo sie aber fehlen, lassen sich dafür einleuchtende Gründe geltend machen. Interessant ist in dieser Richtung auch die Tatsache, daß in mehreren Fällen die Zähnchen bis unmittelbar an den Beginn der Kiemenblättchen reichen. Da nun nach neueren Unter- suchungen ?) die Kiemen der Fische ektodermalen Ursprungs sind, so geht daraus hervor, daß wir im gesamten Kiemendarm keinen 1) Die Annahme Rypers (vgl. Herrwıss Handbuch, Bd. II, Teil 1, S. 357), daß auch dem Entoderm die Fähigkeit, Zähne zu bilden, zukommt, glaube ich übergehen zu können, da sie zu unhalt- baren Folgerungen führt. 2) GoETTE, Zur Entwicklung der Teleostierkiemen. Zool. Anz., Bd. I, 1888. — Ders., Über die Kiemen der Fische. Zeitschr. für wissensch. Zool., Bd. LXIX, 1901. MoROFF, Über die Entwicklung der Kiemen bei Knochenfischen, Arch. für mikrosk. Anatomie, Bd. LX, 1902. — Ders., Über die Entwicklung der Kiemen bei Fischen. Arch. für mikrosk. Anatomie, Bd. LXIV, 1904. Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 417 Rest seiner ursprünglichen entodermalen Auskleidung erhalten sehen. Diese Erkenntnis wird vielleicht auch die Möglichkeit bieten, dienach den bisherigen Anschauungen (GOETTE) bestehende Schranke zwischen den „Hautkiemen“ der gnathostomen Fische und den „Darmkiemen“ der Cyclostomen zu beseitigen. Wenn wir nun somit zu der Überzeugung gelangt sind, daß die gesamte Auskleidung des Mund-Kiemendarmes ektoder- maler Abkunft ist, so entsteht im weiteren die Frage: Fällt nun auch mit der hinteren Grenze dieses Vorderdarmabschnittes die- jenige der Ektodermausbreitung zusammen, oder dehnt sich dieses noch auf weitere Teile des Vorderdarmes aus? Für die erste Annahme scheint das häufige scharfe Auf- hören des Zahnbesatzes an der Grenze des Ösophagus zu sprechen. Doch einer genaueren Kritik gegenüber verliert dieser Befund wesentlich an Bedeutung. Wir sahen bereits oben, daß dieses scharfe Aufhören des Zahnbesatzes, das sich übrigens öfter auch an anderen Stellen, nicht nur am Übergang in den Ösophagus zeigt, seine Ursache in den physiologischen Beziehungen zwischen Zahnbildungen und Skelettunterlage hat, und ihm deshalb eine derartige morphologische Bedeutung nur mit großer Vorsicht zu- geschrieben werden darf. Dazu kommt noch, daß, wie ebenfalls oben erwähnt, die Grenze zwischen Ösophagus und Kiemendarm bei den verschiedenen Haien nicht immer an die gleiche Stelle fällt. Der letzte Kiemendarmabschnitt der Notidaniden, in dem sich noch Zähne finden, gehört bei den pentanchen Selachiern schon zum Ösophagus. Um sich über diese Frage Klarheit zu verschaffen, muß man sich nach einem anderen Kriterium umsehen. Da nun die Zähne phylogenetisch nichts anderes als verkalkte Papillen dar- stellen, so lag es nahe, zu untersuchen, ob bei ihrer Rückbildung sich nicht wieder papillenartige Reste oder andere Spuren fänden, die einen Aufschluß über die ehemalige Verbreitung verloren ge- gangener Zähne gäben. Leider konnten in dieser Beziehung keine positiven Ergebnisse erzielt werden. Die Zähne verschwinden scheinbar spurlos. Wenigstens standen alle Papillen, die sich bei den Selachiern fanden, offenbar in keiner genetischen Beziehung ‘zu den Schleimhautzähnen. Vielmehr trugen sie fast alle deut lich den Charakter von Sinnespapillen, indem sie die Basis ab- gaben für die bei allen untersuchten Plagiostomen verbreiteten epithelialen Sinnesorgane. 418 Curt Fahrenholz, Wenn die Zähne in dieser Hinsicht den Dienst versagen, so bietet sich eben in diesen Sinnesorganen eine willkommene Gelegenheit, teils die bisherigen Ergebnisse nachzuprüfen, teils auch über den fraglichen Punkt eventuell Auskunft zu erhalten. 7. Teil. Sinnesorgane. Die Sinnesorgane des Vorderdarmes stellen sich als soge- nannte „becherförmige Organe“ dar. Ursprünglich gleich den Zähnen Organe der äußeren Haut, haben sie ebenfalls erst sekun- där Beziehungen zum Darmsystem gewonnen. Da sie einerseits in ihrer Eigenschaft als Sinnesorgane ektodermalen Ursprung haben, andererseits lokale Differenzierungen des sie umgebenden Epithels darstellen, erscheinen sie wie die Zähne aufs beste ge- eignet, die Anwesenheit des Ektoderms im Bereich ihres Vor- kommens zu beweisen. Bevor ich jedoch ihre Verbreitung im Vorderdarme behandle, halte ich es für nötig, auf die allgemeine Oberflächengestaltung der in Frage kommenden Vordertarmteile etwas näher einzugehen, da diese mit der Verteilung der Sinnesorgane aufs engste im Zusammenhange steht. Während sich bei den Rochen der Boden der Mund-Kiemen- höhle mehr oder weniger glatt vom Unterkiefer bis zum Öso- phagus erstreckt, ist bei den Haien der vordere Teil dieser Strecke durch den Besitz einer Zunge ausgezeichnet. Diese Zunge erscheint bei den einzelnen Arten in verschiedener Aus- bildung. Am wenigsten entwickelt ist sie bei den niederen Formen Hexanchus und Heptanchus. Hier stellt sie lediglich einen durch die Copula des Hyoid- bogens veranlaßten Wulst vor, den die Schleimhaut überkleidet, ohne daß es zur Ausbildung einer richtigen „Zunge“, d. h. eines in seinem Vorderteile von dem Boden losgelösten Organes kommt. Eher ist das bei den übrigen Haien der Fall, bei denen sich alle Übergänge von diesem Verhalten bis zu dem Zustande bei Scyl- lium und Mustelus finden, wo es sehr deutlich zu einer solchen Abhebung des Vorderteiles gekommen ist. Doch stellt auch hier die Zunge noch immer ein unbewegliches, nur aus Knorpel und s Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 419 Schleimhaut bestehendes Organ dar, das der Zunge der höheren Wirbeltiere nur in seiner äußeren Form ähnelt. Die Zunge wie den folgenden Teil des Bodens überzieht die Schleimhaut in den meisten Fällen glatt, nur bei Seyllium finden sich auf dem hinteren Teile des Kiemendarmbodens einige unregelmäßige Falten. Anders liegen in dieser Hinsicht die Verhältnisse am Dache des Mund-Kiemendarmes der Plagiostomen. Während hier die Schleimhaut bei den Rochen ebenfalls glatt ist (nur bei Tor- pedo erscheint sie runzelig), zeigt sich bei den meisten Haien ein in bestimmter Weise ausge- bildetes System von Falten. Als Mittelpunkt dieses Faltensystems erscheint ungefähr die innere Mündung des Spritzlochkanals. Von dieser aus strahlen die Falten radienförmig auseinander (vgl. Textfig. 5). Da sie am deutlichsten in den vorderen Teilen hinter den Kieferbogen und in den seit- lichen Teilen der Kiemenregionen ausgebildet sind, so entstehen gewöhnlich in der ersteren Stelle mehr oder weniger bogig ver- laufende Querfalten, während Textfig. 5. Verlauf der Falten der hinten im Kiemendarme von den Schleimhaut am Dach des Mund- Kiemenspalten ausgehende, nach Kiemendarmes RE vul- hinten konvergierende Längs- DR falten gebildet werden (Acanthias vulgaris, Spinax niger, Pristi- urus melanostoma), die sich manchmal direkt in die Ösophagus- falten fortsetzen. In einzelnen Fällen (Scyllium catulus) können sich die Falten durch Querverbindung zu einen besonders in dem vorderen Teile des Daches sehr deutlichen Netzwerk ver- einigen. Auch im vorderen Teile des Bodens befindet sich ein ähnliches Netzwerk bei Scyllium catulus.. Das Epithel, das dieses bindegewebige Netz überzieht, füllt die stellenweise recht entwickelten Fächer zwischen den Netzfalten zum großen Teil aus, so daß sie an der Oberfläche nur als grübchenartige Ver- 420 Curt Fahrenbholz, tiefungen zu erkennen sind. Die Entstehung des Netzes und die starke Ausbildung der Falten scheint mit der bei Scyllium sehr starken Entwicklung von Schleimzellen im Zusammenhang zu stehen, insofern dem Epithel, das durch die vielen Becherzellen an Widerstandsfähigkeit verloren hat, in dem Bindegewebe eine festere Stütze geboten werden soll. Die Mehrzahl der Schleimzellen sitzt nestartig zusammen in den Vertiefungen. In den Fällen, wo eine dichtere Bezahnung des Daches sich findet, verschwinden die Falten im vorderen Teile, während sie sich in der Kiemenregion, wo ja gewöhnlich die Bezahnung weniger vollständig ist, erhalten (Heptanchus, Hexanchus, Galeus, Mustelus, Zygaena). In einzelnen Fällen schließlich (Carcharias und Rhina) war auch von diesen Falten nichts mehr zu sehen, so daß die Schleimhaut eine ganz glatte Oberfläche zeigte. Bei den Rochen fehlt, wie gesagt, ein derartiges Falten- system, denn die unregelmäßigen Runzeln, die sich bei Torpedo finden, sind kaum hierher zu rechnen. Nur bei Rhinobatis, der den Haien ja nahe steht, erhält sich ein Teil des Faltensystems in Form deutlicher Querrunzeln hinter dem Oberkiefer. Neben diesen Faltenbildungen fallen bei der Betrachtung des Mund-Kiemendarmes der Plagiostomen am meisten ziemlich gleichmäßig verteilte kleine Papillen auf, welche über die ganze Schleimhaut verstreut sind. Diese Papillen waren schon LEYDIG bekannt. Er gibt an, daß sich die Schleimhaut bei Rochen und Haien „in warzenförmige oder fadenförmige Papillen (Seyllium, Acanthias, Scymnus)“ erhebt. Doch erkannte er nicht ihre wesent- liche Bedeutung als Träger der Sinnesorgane. Eine genauere Be- schreibung dieser von ihm „miliariforme Papillen‘“ genannten Papillen gibt TopARO, der auch ihre Eigenschaft als Träger der Sinnes- organe feststelltee Während TopAro die Verbreitung für die Rochen richtig angibt, vermißt er die Papillen auf der Mund- kiemendarmschleimhaut der Haie, trotzdem sie hier gewöhnlich mit der gleichen Deutlichkeit vorhanden sind. Das hat seinen Grund wohl darin, daß er diese Papillen bei den Haien fälsch- lich für von den Schleimhautzähnen veranlaßte Erhebungen hielt. Er sagt wenigstens: „All di sotto del’ epitelio in tutta la mucosa bocco-branchiale si trova uno strato formato delle scaglie placoid, alcune delle quale si presentano piu voluminose delle altre, e fanno un tal relievo al di sopra delle superficie, che sembrano altretanto papille miliariforme.” Daher erklärt sich auch die Tatsache, daß er irrtümlich für alle von ihm untersuchten Haie Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 421 (auch Seyllium canicula) das Vorhandensein von Schleimhautzähnen angibt. Diese Lücke in TopAaros Angaben füllte MERKEL 1880 aus, der auch bei den Haien die Papillen in der Schleimhaut des Mund-Kiemendarmes fand. Ich selbst vermißte die Papillen bei keiner Art und fand sie stets am Dache, am Boden, wie auch auf der medialen Fläche der Kiemenbogen. In der Größe und der Dichtigkeit macht sich sowohl nach den verschiedenen Arten als auch nach den einzelnen Regionen der Mund-Kiemenhöhle mancher Unterschied bemerkbar. Gewöhnlich stehen die Papillen in Abständen von wenigen Millimetern voneinander. Ihr Umfang kann die Größe eines Stecknadelkopfes erreichen. Am Boden sind sie mit bloßem Auge überall bis zum Ösophagus deutlich zu erkennen. Am Dache dagegen sind sie öfters bei makroskopischer Betrachtung nur in der vorderen und seitlichen Region zu sehen, während sie in dem mittleren und hinteren Teile zu fehlen scheinen. Doch dann lehrt die mikroskopische Untersuchung, daß sie zwar vorhanden sind, aber vom Epithel glatt überzogen werden, ohne daß es auf der Oberfläche eine Erhebung gibt. Auch in den Fällen, wo man sie hier schon mit bloßem Auge sehen kann, sind sie merk- lich kleiner als vorn und an den Seiten, was auch MERKEL be- tont. Am Boden macht sich der gleiche Unterschied, doch weniger in die Augen fallend, bemerkbar, indem auch hier die Papillen an den Seiten, besonders aber vorn, voluminöser ent- faltet sind. Nicht selten sind die Papillen mehr oder weniger deutlich in Längsreihen angeordnet. Besonders auffallend ist das bei Seyllium canicula der Fall, wo die medialen Papillen eine schnur- grade Linie bilden. Wie sich die einzelnen Papillen zu den Schleimhautzähnchen verhalten, ist bereits oben (S. 411) gesagt worden. Papillen, welche diesen „miliariformen Papillen“ TopAros in vieler Hinsicht ähneln, sitzen auch den schon mehrfach er- wähnten Falten auf, die sich bei den meisten Plagiostomen hinter den Kiefern, oben und unten je eine, finden. Diese Falten bieten bei den Rochen und Haien sehr ver- schiedene Ausbildungszustände. Die einfachsten Verhältnisse sind bei Chimaera und Callo- rhynchus vorhanden. Hier legt sich die Schleimhaut mit einem glatten Vorderrande einfach der Basis der Kieferzähne auf, ohne Jenaische Zeitschrift. Bd. LIM. 28 422 Curt Fahrenholz, daß es zur Bildung von Falten kommt. Doch darf man diesen Zustand in Anbetracht der einseitigen Differenzierung des Ge- bisses dieser Tiere kaum als primitiv ansehen. Eher ist das bei Heptanchus und Hexanchus berechtigt, wo die Schleimhaut am Oberkiefer ebenfalls keine Falte bildet, doch endet die Schleimhaut nicht wie bei Chimaera mit einem glatten Rande, sondern bildet große, wellenförmige Papillen, die durch einen ebenfalls welligen Sulcus von dem benachbarten Oberkiefer getrennt sind. Die Stelle dieses Sulcus entspricht der Ersatz- leiste der Kieferzähne. Die Entstehung der Papillen steht in offenbarem Zusammenhange mit der Entwicklung der Kieferzähne. Jede Einbuchtung zwischen zwei Papillen entspricht nämlich einer Ersatzzahnreihe und hat ihre Bedeutung darin, daß die neugebil- deten Zähne sich, bevor sie in Funktion treten, in ihr auf- richten können, ohne das Epithel zu verletzen. Die wellenför- migen Papillen legen sich zwischen je zwei solchen Ersatzzahn- reihen an die Hinterfläche des Kiefers an (s. Textfig. 3, S. 399). Derartige Papillen sind mehr oder weniger ausgebildet bei allen Rochen und Haien vorhanden. Ihre Form wechselt entsprechend der Form und Größe der Zähne sehr. Gewöhnlich stellen sie ein negatives Abbild der Gebißform dar. So kommt auch jene Reihe von dreispitzigen Papillen bei Seyllium canicula zustande, die LEYDIG für eine Reihe rudimentärer Zähne hielt, denen nur die Kappe von Kalksalzen fehlte. Diese Ansicht ist jedoch nicht berechtigt, da sich nach dem oben Gesagten aus der Form der Papillen kein Schluß auf ihre Entstehung aus Zähnen ziehen läßt. Es ist irrtümlich, wenn TOoDARO und STEINHARD annehmen, daß Leyvıg auch die miliariformen Papillen für rudimentäre Zähne ansah. Das geht aus seinen Worten durchaus nicht hervor, und es war deshalb überflüssig, daß STEINHARD dieser vermeintlichen Ansicht LeypıGs ausdrücklich entgegentritt. Während sich so die verschiedenen Formen der Papillen am vorderen Rande der Gaumenfalten durch die Beziehung zu den Kieferzähnen leicht erklären lassen, können wir die Ursachen, welche zu der Ausbildung der sich an diese Papillen anschließen- den Oberkieferfalte führen, schwieriger erkennen. Vielleicht stand ihre erste Ausbildung mit der Physiologie der Atmung im Zu- sammenhang, indem die Falte den Verschluß der Mundhöhle nach vorn vervollständigte, so daß das in die Mundhöhle aufgenommene Wasser nieht wieder durch die Mundöffnung abfließen konnte, sondern seinen Weg durch die Kiemenspalte nehmen mußte. Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 423 Hierfür scheint auch die Tatsache zu sprechen, daß die Formen, denen die Falte fehlt (Heptanchus, Hexanchus und Chimaera), statt. dessen besser ausgebildete lippenartige Hautfalten besitzen, die diese Funktion gleichfalls verrichten können. Ihre besondere Ausbildung hat die Oberkieferfalte wohl später infolge ihrer Ent- wicklung zu einem spezifischen Geschmacksorgan erfahren. Die Kieferfalte schließt sich unmittelbar an den Hinterrand der Papillenreihe an, so daß deren Vorderrand gleichzeitig als Vorderende der Falte aufgefaßt werden kann. Bei Carcharias glaucus bildet die Falte einen unregelmäßigen, runzeligen Wulst. Eine bestimmtere Form nimmt sie dagegen bei den meisten anderen Haien an. Sie ist nach hinten gegen die übrige Schleim- haut durch eine tiefe Furche abgegrenzt und stellt gewöhnlich ein schmales Band von spitzwinkelig dreieckigem Querschnitt vor, das nach hinten segelartig vorspringt, so daß man an ihr je eine breite obere und untere und eine schmälere vorn ansetzende Fläche unterscheiden kann. Die nach hinten stehende zugeschärfte Kante ist entweder glatt (Zygaena) oder sie ist mehr oder weniger ausgezackt und in dorsoventral abgeplattete Papillen ausgezogen. Die Oberfläche ist meist dicht mit kleinen Papillen besetzt, die den miliariformen Papillen ähneln, und wohl auch nur eine Abart von diesen vorstellen (vgl. Textfig. 5, S. 419). Auf dem vorderen Teile der Falte sind diese Papillen ein wenig größer, stehen etwas dichter und sind in Reihen angeordnet, die dem Vorderrande parallel laufen. Die eigentliche Kieferfalte ist manchmal gegen die oben beschriebene, sich vorn an sie anschließende Papillen- reihe durch eine oberflächliche Furche abgegrenzt. Während bei der Mehrzahl der Haie, die Kieferfalte auf ihrer ganzen Länge die gleiche Breite zeigt, tritt bei einzelnen Arten (z. B. Spinax niger und Pristiurus) ein flacher Ausschnitt an dem medianen Teile ihres Hinterrandes auf. Dieser Befund leitet zu den bei Rochen vorhandenen Verhältnissen über. Bei den Rajiden nämlich wird die einheitliche Kieferfalte durch einen tiefen Medianausschnitt, der fast bis an den Kiefer reicht, in zwei dreieckige lappenartige Teile zerlegt. Außerdem erscheinen bei den Rajiden die Papillen der Oberfläche und des Hinterrandes bedeutender entwickelt; besonders ausgebildet er- scheinen bei Raja fullonica die Papillen des Hinterrandes, indem sie wieder sekundäre Papillen tragen können. Ganz ähnlich, wie bei der Gattung Raja, verhält sich die Oberkieferfalte bei Rhino- batis, so daß sich Toparos Vermutung, sie würde derjenigen 28* 424 Curt Fahrenholz, der Haie sehr nahe stehen, nicht bewahrheitet. Eher ist dieses der Fall bei Trygon; hier bildet die Falte ein in der Mitte nur wenig eingebuchtetes Band, das am Hinterrande in regelmäßige dorsoventral abgeplattete Papillen ausgezogen ist, jedoch im Gegensatz zu der Falte bei den Haien auf der Oberfläche keine Papillen besitzt. Einen unregelmäßig in Falten zerlegten Wulst stellt die Oberkieferfalte bei Torpedo dar. Ob dieser Wulst durch eine Rückbildung der typisch entwickelten Oberkieferfalte ent- standen ist, der einen primitiven Zustand darstellt, läßt sich schwer sagen, wenn man mit HAECKEL für die Rochen einen poly- phyletischen Ursprung annimmt. Die Unterkieferfalte weist allgemein eine einfachere Form auf. Bei Heptanchus und Hexanchus stellt sie eine einfache fleischige Falte vor, welche dem Kiefer, zwischen diesem und dem Vorderrande der Zunge stehend, parallel läuft (vgl. Textfig. 1, S. 397). Über ihre Oberfläche verteilt sind einfache miliariforme Papillen, die übrigens bei Heptanchus sich dadurch auszeichnen, daß unmittelbar um ihre Basis eine ringförmige, rinnenartige Vertiefung läuft. Dadurch erhält auf einem Durchschnitt die Papille den Anschein, als ob sie in einer kleinen Mulde steht. Bei den übrigen Haien wird durch das Vorderende der sich hinter der Falte entwickelnden Zunge der basale Faltenteil be- deckt, so daß nur ihr Kamm frei bleibt, der sich zu einer schmalen, dicht mit kleinen Papillen besetzten Fläche abplattet. Bei Acanthias vulgaris und Spinax niger verbreitert sich diese Fläche etwas mehr und die Falte erhält dadurch, indem sie mit dem Hinterrande schirmartig vorspringt, eine gewisse Ähnlichkeit mit der Oberkieferfalte. Unter den von mir untersuchten Rochen zeigt nur Torpedo ocellata eine eigentliche Falte hinter dem Unterkiefer. Bei Torpedo marmorata ist sie durch einen rund- lichen Wulst vertreten, während Trygon und Rhinobatis auch dieser fehlt. Dagegen erhebt sich die Schleimhaut bei den letz- teren hinter dem Unterkiefer zu einer Anzahl in einer Querreihe stehender Papillen. Bei Rhinobatis sind es etwa 15 fadenförmige Papillen, die 2 mm von der Kieferzahnreihe entfernt stehen und eine Länge von 1 mm erreichen. Ihre Spitze zeigt sich — offenbar zur Aufnahme eines Sinnesorganes — napfartig ausgehöhlt. Größer (fast 3 mm lang), aber auch in geringerer Anzahl (6—8) vorhanden, sind die Papillen bei Trygon pastinaca. Die mittleren sind größer als die seitlichen. Ihre Gestalt ist eher konisch als zylindrisch. Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 425 Außer all den bisher beschriebenen Bildungen der Mund- Rachenschleimhaut der Plagiostomen finden sich mehrfach noch an den Kiemenbogen ein oder zwei Reihen von Papillen, die sich durch ihre Größe deutlich von den auf den Kiemenbogen ebenfalls vorhandenen miliariformen Papillen unterscheiden, und wahrscheinlich einen wenig entwickelten Kiemenschutzapparat dar- stellen. Am Vorderrande der Kiemenbogen steht eine Reihe solcher Papillen von rundlicher Gestalt bei Pristiurus; bei Seyl- lium catulus, Spinax niger und Chimaera, je eine Reihe vorn und hinten. Einen wesentlich besser ausgebildeten Reusenapparat besitzt Acanthias. An der Vorderfläche der Kiemenbogen von Acanthias noch in den Kiemen- spalten entspringen eine Anzahl langer konischer Papillen, die sich nach vorn an den Hinter- rand des vorhergehenden Kie- menbogens anlegen, so daß da- durch auf einem (Querschnitt Textfig. 6. Schematischer Querschnitt durch die Kiemenbögen sich ein durch 3 Kiemenbogen von Acanthias Bild zeigt, wie es schematisch nulgaris. Textfig. 6 dargestellt hat. Die Papillen tragen bis auf die dem vorhergehenden Bogen anliegende Fläche Schleimhautzähnchen. Schließlich zeigt die Mund-Rachenhöhle von Trygon patinaca noch einige auf diese Art beschränkte Eigentümlichkeiten. Es findet sich nämlich bei dieser Art am Gaumen dorsal hinter der Oberkieferfalte, zum Teil von dieser bedeckt, eine trichterförmige Grube, deren Grund in die Nachbarschaft der Nasengruben zu liegen kommt. Von den lateralen Rändern dieser Grube läuft auf jeder Seite eine ungefähr 2 cm lange niedrige Falte bis zum Spritzioch. Eine ähnliche Falte beginnt in der Mitte des Hinter- randes und setzt sich ungefähr 1 cm weit nach hinten fort. Am Boden laufen neben der Mittellinie zwei Längsfalten von 25 mm Länge von vorn bis ungefähr zur dritten Kiemenspalte. Wo sie enden, befindet sich in der Medianebene eine kurze Falte und schließlich verlaufen weiter hinten, von der vierten und fünften Spalte beginnend, jederseits zwei Falten nach vorn, indem sie auf das Hinterende der letzt erwähnten Medianfalte zu kon- vergieren. Alle diese Falten sind auf ihrer Oberfläche dicht mit miliariformen Papillen besetzt. Zu beiden Seiten der inneren Spritzlochöffnungen von Trygon pastinaca steht schließlich je eine dreieckige Papille, die ebenfalls 426 Curt Fahrenholz, kleine Papillen trägt und eine Größe von 1—2 cm besitzt. Eine geringer ausgebildete ähnliche Papille findet sich übrigens auch medial neben dem Spritzloch von Spinax niger und Acanthias vulgaris. Besonders zu erwähnen ist noch, das Verhalten der Schleim- haut von Chimaera. Die ganze Schleimhaut ist bei diesem Tiere mit warzenartigen Papillen besetzt. Eigentümlich ist auch. die Form der Zunge bei Chimaera. Sie stellt nämlich eine drei- eckige, kissenartige Erhabenheit vor, die nach hinten deutlich gegen die übrige Schleimhaut abgesetzt ist. Der Ösophagus der Selachier ist meist in Längsfalten ge- legt, die auf ihrer Oberfläche nicht selten wieder sekundäre Längsfalten aufweisen. Eine Ausnahme hiervon machen Acanthias und Trygon. Acanthias!) besitzt statt der Längsfalten Papillen, die eine Größe von I cm erreichen können. Ihre Grundform ist konisch, doch können die Papillen dadurch, daß sie sich ver- zweigen und mit sekundären konischen Papillen besetzt sind, die verschiedenste Gestalt annehmen. Da die in Längsreihen ange- ordneten Papillen mit ihren Basalteilen zu Längsfalten verbunden sind, macht die Ableitung dieses Befundes von dem gewöhnlichen Verhalten keine Schwierigkeit). Eigenartiger erscheint in dieser Beziehung Trygon, wo der Ösophagus deutliche Querfaltung aufweist. Diese Falten umziehen nicht ringförmig das ganze Lumen, sondern sind derartig unter- brochen, daß drei Kolumnen von Querfalten entstehen, die durch drei längsverlaufende faltenfreie Streifen voneinander getrennt sind. Von diesen faltenfreien Streifen stehen zwei lateral und der dritte dorsal. Daher entsprechen einer Kolumne breiterer Querfalten an der ventralen Seite des Ösophagus zwei solche von schmäleren an dessen Dorsalseite.. Jede Kolumne besteht aus neun einzelnen Falten, von oben betrachtet zeigen sie eine runzelig-papillöse Beschaffenheit, während sie einen baumförmigen Querschnitt besitzen. Von einer Beschreibung der Faltenbildung des Magens will ich absehen, da die Falten, wie bereits oben erwähnt, ephemerer Natur sind und bei der Ausdehnung des Magens verstreichen. 1) Außer Acanthias besitzen Papillen im Ösophagus Aötobatis Marinaria (Srtannıus), Lamna (Pıruıer), „Selache und einige Haie“ (Owen), Myliobatis (MECKEL). 2) Vergleiche darüber PETERSEN. Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 497 Die Schleimhaut des Pylorusrohres schließlich ist überall mit Längsfalten versehen. Die Grundlage der Schleimhaut, die den Mund-Kiemendarm auskleidet, bildet, bei den Haien, bei Chimaera und bei Torpedo marmorata eine aus groben Binde- gewebsbündeln bestehende Propria, die vielfach sehr deutlich die für die Cutis der Selachier typische Durchflechtung der Binde- gewebsbündel in drei zueinander senkrechten Richtungen erkennen läßt. Bei Trygon und basonders bei Torpedo ocellata zeigt sich die Propria viel weniger kompakt und ist von Bindegewebsbün- deln gebildet, die ihrer Oberfläche parallel laufen. In ihr finden sich verstreut Bindegewebskerne (besonders zahlreich bei Acan- thias und Trygon). Bei denjenigen Tieren, welche eine pigmentierte Schleimhaut besitzen, haben die Pigmentzellen ihren Sitz hauptsächlich in dieser Propria, wenn sie auch nicht in dem darunter liegenden lockeren Bindegewebe besonders in der Umgebung der Gefäße und Nerven fehlen. Während ihre Mehrzahl bei Chimaera an der Basis der Propria verteilt war, lagen sie bei Spinax niger meist dicht unter dem Epithel. Die Grenze zwischen Bindegewebe und Epithel wird von einer gewöhnlich sehr deutlichen Basalmembran gebildet. Das Epithel der Mund-Kiemendarmschleimhaut selbst be- sitzt bei allen Selachiern den Charakter des mehrschichtigen kubischen Epithels, dessen Höhe sowohl nach Arten, wie auch bei den einzelnen Arten nach Regionen bedeutend schwankt (vgl. Textfig. 7, S. 432). Die unterste Zellage wird von Zylinderzellen mit länglichem Kern gebildet. Je weiter man von dieser basalen Zellage nach oben steigt, desto mehr nehmen die Zellen polygonale bzw. rund- liche Form an, und desto deutlicher treten die Zellgrenzen, die sich in den untersten Lagen wenig markieren, in Erscheinung. Es entwickeln sich gleichzeitig damit meist sehr deutliche Inter- zellularräume, in denen man häufig sehr schöne Interzellular- brücken erkennen kann. Die oberste Zellage wird von kubischen Zellen gebildet, die an ihrer freien Oberfläche einen Cuticular- saum entwickelt haben. Stellenweise jedoch sind auch die Ober- flächenzellen stark abgeplattet und scheinen sich als Schüppchen abzustoßen. In der unteren Hälfte des Epithels sieht man oft (bei Chimaera besonders schön) Kernteilungsfiguren. Die Kerne der Epithelzellen sind für gewöhnlich bläschenförmig und rund. Da aber in manchen Fällen (z. B. Chimaera) die oberen Zellen 428 Curt Fahrenholz, in ihrem Inneren schleimartige Substanzen abscheiden, kann der Kern an die Basis der Zelle rücken und sich abplatten, was in extremen Fällen (Torpedo marmorata) dazu führen kann, daß die zwei obersten Zellagen, abgesehen von ihrer etwas geringeren Größe, vollkommen echten Schleimzellen gleichen. Die echten Becherzellen fehlen ferner bei keinem der unter- suchten Selachier, wenn auch ihre Zahl bei den einzelnen Arten sehr wechselt. In großer Menge sind sie bei Scyllium und Rhina vor- handen, wo die gewöhnlichen Epithelzellen gleichsam nur ein Netzwerk um sie bilden, nicht so viele besitzen Heptanchus, Spinax, Torpedo ocellata und Torpedo marmorata, während sie nur vereinzelt bei Acanthias, Chimaera und Trygon pastinaca vorkommen. Sie fehlen jedoch auch bei denjenigen Tieren, die sonst reichlich damit versehen sind, auf den Kieferfalten und (außer bei Torpedo) auf den die Sinnesorgane tragenden Papillen. Interessant sind ferner an der Mundkiemendarmschleimhaut der Selachier einige Drüsenbildungen. Bei Trygon entdeckte TopARo eine eigentümliche Art von Drüsen, doch ist seine Ent- deckung offenbar nicht beachtet worden. Diese intraepithelialen Drüsen bestehen aus einer Anzahl (ca. 3—10) großer, heller Zellen von ungefähr ovaler Gestalt, und mit hellem bläschen- artigem, mittelständigem Kern, die nestartig zusammensitzen und in den unteren Schichten des Epithels liegen. Mit ihren oberen Teilen beugen sie sich gewöhnlich gewölbeartig gegeneinander, und von hier steigt ein enger Ausführungskanal zur Oberfläche des Epithels empor, dessen Länge entsprechend der Dicke des Epithels an der betreffenden Stelle wechselt. Die den Ausführ- kanal begrenzenden Zellen sind wie die Deckzellen des Epithels mit einer Cuticula versehen (Fig. 1, Taf. 6). Diese Drüsen finden sich in größerer Anzahl über die Schleimhaut des Mundkiemen- darms von Trygon verstreut, doch trifft man auf Schnitten infolge seiner Enge den Ausführungsgang nur selten in seiner ganzen Länge. (In dem abgebildeten Präparat ist er ungewöhnlich weit und kurz.) TOopARo will diese Drüsen mit den Kolbenzellen von Petromyzon in Zusammenhang bringen. Andert geartete intraepitheliale Drüsenbildungen fand ich bei Chimaera im vorderen Teile des Bodens der Mundhöhle. Bei der Betrachtung der Sinnesorgane fällt zunächst die Tatsache auf, daß sie stets an erhabenen Stellen der Schleimhaut, Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 429 besonders auf den Spitzen der Papillen sitzen. Es macht sich in dieser Stellung der Sinnesorgane, die sich bis zu den Reptilien hinauf findet, ein Gegensatz zu den Säugetieren be- merkbar, bei denen die Geschmacksorgane vertiefte, geschützte Stellen bevorzugen. Dieser Unterschied in der Stellung der Ge- schmacksknospen erklärt sich leicht durch die physiologische Verschiedenheit der Nahrungsaufnahme bei den Tieren und steht in enger Beziehung zu der Differenzierung des (rebisses bei den Säugetieren. Bei den niederen Wirbeltieren stellt die Mundhöhle, wie der Ösophagus, lediglich ein zuleitendes Organ dar, durch das die aufgenommene Nahrung hindurchgeht, ohne einen längeren Aufenthalt zum Zwecke der mechanischen Zerkleinerung zu nehmen. Infolgedessen müssen die Geschmacksorgane, um über- haupt ihre Funktionen ausüben zu können, die Nachteile mit in den Kauf nehmen, welche ihre exponierte Stellung mit sich bringt. Bei den Säugetieren dagegen verweilt die Nahrung zum Zwecke der Zerkleinerung längere Zeit ın der Mundhöhle, und es ist den Nahrungsstoffen durch den Kauakt mit seinen mecha- nischen Einwirkungen und durch die chemische Einwirkung der Drüsensekrete Gelegenheit gegeben, auch zu den versteckt und geschützt liegenden Geschmacksorganen vorzudringen. Für diese Annahme scheint ferner zu sprechen, daß beim Menschen eine Geschmacksempfindung nicht eintritt, wenn die Nahrung ruhig auf der Zunge liegt, ohne durch Reibung der Zunge gegen den Gaumen in die Vertiefungen der Schleimhaut eingeführt zu werden. Übrigens scheinen die becherförmigen Organe der Haie ziemlich widerstandsfähig zu sein; bei älteren Alkoholpräparaten, an denen das Epithel ziemlich mazeriert war, waren häufig gerade die Geschmacksknospen und ihre nächste Umgebung erhalten, so daß man auch an solchen Präparaten oft noch recht deutliche Bilder von ihnen bekommen konnte. Die Sinnesorgane der Plagiostomen hat TODARO zuerst ge- sehen, der 1872 eine vorläufige Mitteilung über diese Entdeckung veröffentlichte. Ein Jahr später erschien seine ausführliche Arbeit. Toparo sah die Sinnesorgane bei allen von ihm untersuchten Plagiostomenarten. Bei den Rochen, von denen er Torpedo, Raja clavata, Trygon pastinaca und Myliobatis Nottola untersuchte, fand er die Sinnesknospen auf der gesamten Schleimhaut das Mund- kiemendarmes bis zum Ösophagus. Bei den Haien dagegen — seine Untersuchungen erstreckten sich auf Rhina squatina, Acan- 430 Curt Fahrenholz, thias vulgaris, Seyllium canieula und Mustelus vulgaris — sah er sie auf der Oberkieferfalte und Unterkieferfalte. Schließlich ent- deckte er noch auf der Zunge von Chimaera Sinnesorgane, konnte aber ihr sonstiges Vorkommen nicht feststellen, da ihm kein ge- eignetes Material zur mikroskopischen Untersuchung zur Ver- fügung stand. Erst 1880 wurden die Sinnesorgane der Plagiostomen wieder untersucht, und zwar von MERKEL. Er konnte für Torpedo, Seyllium canicula und Mustelus ihre Anwesenheit bestätigen und fand sie außerdem bei Pristiurus. Wichtig für uns ist, daß MERKEL erkannte, daß die Geschmacksorgane bei den Haien nicht, wie TODARO annahm, auf die Kieferfalteu beschränkt, sondern ebenso wie bei den Rochen über die ganze Schleimhaut des Mundkiemendarmes bis zum Ösophagus verteilt sind. Das sind bisher die einzigen Arbeiten, die von den Ge- schmacksorganen der Rochen und Haie handeln. Nur eine kurze Notiz von RETZIUS, die in seinen biologischen Untersuchungen enthalten ist, muß hier noch erwähnt werden. RETZIUS unter- suchte mit der Methylenblaumethode die Mundschleimhaut von Acanthias. Er fand bei der Betrachtung der Schleimhaut von der Oberfläche, daß diese in der direkten Umgebung der (miliari- formen) Papillen besonders reichlich mit Nerven versorgt ist und gibt auch von diesem Befunde eine Abbildung. Da ihn die An- gaben ToDAROs und MERKELS offenbar nicht bekannt waren, läßt er die Frage offen, ob sich auf diesen Papillen Sinnesorgane finden. ToDARrO unterscheidet in seiner Arbeit scharf zwischen zwei Formen von Sinnesorganen, den „Geschmacksglocken“ (campane del gusto) und den „Geschmackskelchen“ (caliei del gusto). Die Geschmacksglocken sitzen nach seiner Angabe mit dem abgerun- deten breiten Ende in der napfförmigen Vertiefung auf dem Scheitel der miliariformen Papillen und münden mit dem schmale- ren distalen Ende auf der Oberfläche des Epithels. Die Ge- schmackskelche, die nach Toparo mit ihrem schmaleren unteren Ende auf dem Bindegewebe fußen und sich distalwärts trichter- artig verbreitern, sollen bei den Rochen zu sechs Stück in regel- mäßigen Abständen die Geschmacksglocken umstehen, während sie bei den Haien mit-diesen zu einem einheitlichen Organ ver- schmolzen sind. Von beiden Befunden, die er für die Rochen einerseits, für die Haie andererseits als allgemeinen Typus an- gibt, ohne Unterschiede in der Form der Sinnesorgane bei den Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 431 einzelnen Arten zu erwähnen, gibt er Abbildungen, die stark schematisiert sind. Den Angaben TOoDARos gegenüber betont MERKEL mit Recht, daß er eine Scheidung der Sinnesorgane in Kelche und Glocken nicht habe bemerken können. Ich habe ebenfalls bei den Haien vergeblich nach Kelchen gesucht. Alle Sinnesorgane, die ich bei ihnen sah, konnte man nur zu den Geschmacksglocken zählen. Ich stimme daher mit MERKEL vollkommen überein, wenn er TopARos Angaben für die Haie (soweit sie MERKEL untersuchte Seyllium und Mustelus) für unzutreffend erklärt, und kann das Gleiche auch für die beiden anderen von TODARO untersuchten Spezies (Acanthias und Rhina) bestätigen, ebenso wie ich auch bei Torpedo (vgl. MERKEL) nicht die von TODARoO für die Rochen angegebenen Verhältnisse fand. Dagegen sah ich bei Trygon auf den miliariformen Papillen neben den Geschmacksglocken auch die Gebilde, die Toparo als Geschmackskelche auffaßt. Sie stellen sehr wenig auffallende Epitheldifferenzierungen dar, die auf minimalen Erhebungen des Bindegewebes stehen (Fig. 2, Taf. 6). Ihre Eigenschaft als Sinnesorgane erscheint mir zweifel- haft. Nerven sah ich nicht zu ihnen treten. Wenn diese Kelche auch vorwiegend in der Umgebung der Geschmacksknospen auf- treten, so ist doch von einer so regelmäßigen Verteilung um diese, wie sie TODARO angibt, nichts zu erkennen. Die irrigen Angaben TopAaros für die Haie kann ich mir nur so erklären, daß er das ganze Epithel auf den miliariformen Papillen von Scyllium canicula, soweit es frei von Becherzellen ist, als Sinnesorgane angesehen hat. In diesem Fall erhält man aller- dings eine ähnliche Form von „Sinnesorganen“, wie sie TODARO (Fig. 4, Taf. 6) abbildet. Es ist jedoch bei etwas genauerem Zusehen leicht zu erkennen, daß dieser schleimzellenfreie Bezirk nicht mit dem Sinnesorgan identisch ist. Dieses nimmt vielmehr nur dessen zentralen Bezirk ein. Während TopAro einen Unterschied in der Form der Ge- schinacksorgane der einzelnen Spezies nicht angibt, hebt MERKEL richtig hervor, daß kaum zwei Arten der Selachier gleichgeformte Sinnesorgane besitzen. Ich konnte sogar mehrfach feststellen, daß sie auch bei einem Tiere sich in den verschiedenen Regionen merklich voneinander unterschieden. Sehr auffallend war dies bei Chimaera der Fall, wo die Organe, was Größe und Form anbe- trifft außerordentlich variieren. Ihre Größe scheint lediglich von der Dicke des Epithels, in dem sie stehen, abhängig zu sein 452 Curt Fahrenholz, (vgl. die Nebenstehenden fünf Abbildungen, die alle bei gleicher Vergrößerung gezeichnet sind). In betreff der Verteilung der Sinnesorgane gibt MERKEL an, daß sie bei Torpedo, Scyllium und Mustelus einzeln auf den Papillen stehen, zu mehreren dagegen bei Pristiurus. Wenn das im allgemeinen auch zutrifft, so darf man hier doch keinen allzu scharfen Unterschied machen, denn ich fand bei Scyllium und ebenso bei Chimaera, wo gewöhnlich ebenfalls nur ein Organ auf Textfig. 7. Verschiedene Formen von Sinnesorganen von Chimaera monstrosa, bei gleicher Vergrößerung (Zeiss Obj. A, Ok. 3) mit dem Abbeschen Zeichenapparat gezeichnet und dann auf !/, verkleinert. 7. 77. und ZZZ. von der Schleimhaut hinter der Zunge; ZV. vor der Zunge; V. aus dem hinteren Abschnitt des Vorderdarms. jeder Papille steht, stellenweise (bei Scyllium canicula auf manchen Papillen der Kiemenbogenschleimhaut und bei Chimaera auf den größeren Papillen hinter der Zunge) mehrere Geschmacksorgane auf einer Papille sitzend. In der Regel sitzt jedes Sinnesorgan mit seinem unteren, abgerundeten Ende auf der ausgehöhlten Spitze einer kleinen eierbecherförmigen Papille. Nur an einzelnen Sinnesorganen von Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 433 Chimaera (Fig. 6, Taf. 6) wurde diese Papille vermißt. Die Pa- pillen, welche, was Höhe und Breite betrifft, erheblichem Wechsel unterworfen sind, ohne jedoch irgendwo ihre typische Gestalt zu verlieren, sitzen meist auf der Oberfläche von rundlichen hügel- förmigen, etwas größeren Papillen (den miliariformen Papillen ToDARos), doch können sie sich auch direkt auf der ebenen Ober- fläche des Bindegewebes finden. Bei Chimaera und bei Acanthias ist unter der Sinnesorgan- papille die Propria der Schleimhaut durchbrochen, so daß das unter dieser liegende, lockere, schleimige Bindegewebe direkt in die Papille eintritt. Man sieht in diesen Fällen sehr deutlich, ein Nervenstämmchen in die Papille eintreten und in deren Achse senkrecht emporsteigen (Fig. 5, Taf. 6). Nicht ganz so deutlich sieht man das Nervenstämmchen in den Fällen, wo das grobe Bindegewebe der Propria selbst in die Papille aufsteigt, doch fehlt es auch hier nie. Im oberen Teil der Papille verliert sich der Nerv in ein helles Gewebe, dessen zahlreiche Kerne in querer Richtung angeordnet sind. Dieses Gewebe, das die obere Höhle der Papille auskleidet, ist offenbar nervöser Natur. Außer dem Nerven tritt gewöhnlich noch ein Blutgefäß in die Papille ein und läuft meist ringförmig im oberen Rand der Papille entlang. Während die seitlichen Wände der Papille ebenso wie das Bindegewebe der übrigen Schleimhäute durch eine deutliche Basal- membran gegen das Epithel abgegrenzt ist, fehlt diese am Boden . der napfförmigen Einsenkung an dem Öberende der Papille, indem sie an deren Rande endet. Nicht selten finden sich unter den Geschmacksorganen Lymphozythen-Anhäufungen, die auch an anderen Stellen der Schleimhaut, besonders an deren Rändern gegen die Kieferzahn- reihe und in der Gaumengrube von Trygon vorkommen. Der epitheliale Teil der Geschmacksknospen tritt, abgesehen von den kegelförmigen „Geschmackskelchen“ von Trygon, in zwei verschiedenen Formen auf. Bei der einen Form erhält sich über dem Organ, die mit einer Cuticula versehene Deckzellenschicht des Epithels in kontinuierlichem Zusammenhang, so daß die Sinneszellen mit ihren Fortsätzen einzeln zwischen den Zellen münden. Das Geschmacksorgan hat in diesem Fall die Gestalt einer Glocke, deren breite Öffnung der Epitheloberfläche zugekehrt ist (Torpedo, und nach MERKEL auch Mustelus). Bei den meisten Arten dagegen besitzt das Sinnesorgan eine einheitliche Mündung, in deren Ausdehnung die Deckzellenschicht 434 Curt Fahrenholz, unterbrochen ist. Durch diese einheitliche Mündung erhält das Organ, indem sich die oberen Zellenden bündelartig vereinigen, eine distalwärts verjüngte Gestalt. So sah ich die Geschmacks- organe bei Chimaera, Heptanchus, Rhina, Acanthias, Spinax und entgegen der Angabe MERKELS, auch bei Seyllium. Bei Trygon ist es bei den meisten Sinnesorganen noch nicht deutlich zu einer solchen Durchbrechung der Deckschicht gekommen. An der Mündung der Sinnesorgane kann sich in diesem Fall eine mehr oder weniger ausgesprochene Finsenkung der Epitheloberfläche ausbilden (s. die Fig. 5, 6 u. 7 auf den Taf. 6 u. 7). Von dem umgebenden Epithel unterscheiden sich die Ge- schmacksknospen mehr oder weniger deutlich durch ihre Längs- streifung, die durch die Spindelform der sie zusammensetzenden Zellen bedingt ist. Die Zellgrenzen sind in dem Organ bedeutend weniger in die Augen fallend, als bei dem polygonalzelligen Epithel. Außerdem besitzt das Organ meist ein helleres Aus- sehen und die Kerne sind in ihm dichter angeordnet. Zwischen den bündelförmigen Stützzellen sieht man oft mehrere hellere Sinneszellen eingebettet. Ähnliche helle Zellen finden sich am unteren Ende des Organes genau auf der Grenze zwischen Epithel und Bindegewebe. Sie sind sehr deutlich zu erkennen durch ihre hellere Färbung und dadurch, daß sie und besonders ihre Kerne im Gegensatz zu allen übrigen Zellen des Organes quer gestellt sind. Auf einem Schnitt durch ein Sinnesorgan sind sie je nach der Art, und je nachdem das Organ getroffen ist, in der Zahl von zwei bis fünf zu sehen. Sie waren so konstant, daß ich sie in keinem Geschmacksorgan vermißte. Da sich ähn- liche Zellen sonst nirgends an der Basis des Epithels finden, kann man sie in den Fällen, wo sich wie bei Torpedo, die Sinnes- organe kaum von dem umgebenden Epithel unterscheiden, geradezu zum Auffinden der Organe benutzen. (Vgl. die Tafelfiguren.) Was die Verbreitung der Sinnesorgane anbetrifft, so ist bereits durch TopARoO und MERKEL für Raja, Trygon, Torpedo, Myliobatis, Acanthias, Mustelus, Sceyllium und Pristiurus festgestellt, daß sie über die Schleimhaut des ganzen Mundkiemendarmes ver- streut sind. Für Trygon, Torpedo, Acanthias und Scyllium kann ich diese Verbreitung bestätigen und fand außerdem bei Heptanchus und Spinax niger die gleichen Verhältnisse, während ich von Raja fullonica, von Rhina squatina und Carcharias obtusirostris Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 455 nur einzelne Stellen schneiden konnte, an denen ich jedoch auch nirgends Sinnesorgane vermißte. Die Sinnesorgane finden sich auf der Ober- und Unter- kieferfalte, auf der Zunge und am Boden der Mundkiemendarm- höhle, wie auch am Dach bis zum Ösophagus. Auf den Kiemen- bogen erstrecken sie sich (z. B. Scyllium canieula) bis in die unmittelbare Nähe der Kiemenblättchen, und schließlich fehlen sie auch nicht auf allen oben erwähnten Papillenarten, sowie auf den Schleimhautfalten von Trygon, die infolge der Anhäufung von 'Geschmacksknospen auf ihnen direkt als Sinnesapparate anzu- sehen sind. Die Sinnesorgane bestätigen also durch ihre Verbreitung vollkommen, was die Zähne uns bereits lehrten, daß das ur- sprüngliche Entoderm des Kiemendarmes restlos durch das Ekto- derm verdrängt wird. Wenn die Sinnesorgane somit auf der einen Seite für die Richtigkeit der im ersten Teil gezogenen Schlüsse Zeugnis ab- legen, so ermöglichen sie uns auf der anderen Seite außerdem noch die Frage zu entscheiden, ob das Ektoderm sich im Vorder- darm der Selachier noch weiter, als bis zum Ende des Mund- kiemendarmes ausdehnt, worüber uns die Zähne keine Klarheit verschaffen konnten. Es gelang mir nämlich, nachzuweisen, daß in dem Beginn des Ösophagus der Verbreitung der Sinnesorgane bei den Se- lachiern durchaus keine Grenze gesetzt ist. Ich untersuchte unter diesem Gesichtspunkte den Ösophagus von Heptanchus, Acanthias, Spinax, Scyllium canicula, Raja fullo- nica und Trygon, wie auch den Vorderdarm von Chimaera. Es ist uns bereits durch EDINGER bekannt, daß sich im Ösophagus der Plagiostomen zwei verschiedene Epithelarten finden können: entweder geschichtetes Pflasterepithel oder Flimmerepithel. In den Fällen, wo sich Flimmerepithel findet (Raja clavata, Mustelus laevis, Squatina angelus und Pristiurus) erstreckt sich das mehrschichtige Mundepithel noch ein kurzes Stück weit in den Ösophagus, wo dann erst das Flimmerepithel beginnt. OPPEL bestätigt die Angaben EDINGERs von Raja asterias (Flimmerepithel) und Torpedo marmorata (mehrschichtiges Pflasterepithel). Die gleichen zwei Epithelformen sah ich auch, und zwar Flimmerepithel mit anfangs Pflasterepithel bei Hep- tanchus, Scyllium und Raja fullonica, mehrschichtiges Epithel bei 436 Curt Fahrenholz, Acanthias, Spinax und Trygon. Auch Chimaera besaß geschichtetes Pflasterepithel im ganzen Vorderdarm. Das Flimmerepithel besteht aus hohen nagelförmigen Flimmer- zellen, zwischen denen sich (im Gegensatz zu EDINGERs Angaben) bei allen von mir untersuchten Formen mehr (Raja fullonica, Heptanchus) oder weniger (Scyllium canicula) zahlreiche schmale, keulenförmige Becherzellen sah, die nur in ihrer oberen Hälfte mit Schleim erfüllt sind. Die Kerne des Epithels sind in drei Lagen angeordnet. Zu oberst stehen die länglichen schmalen Kerne der Flimmerzellen, etwas tiefer, die im oberen Teil durch den Schleiminhalt etwas eingedrückten Kerne der Becherzellen. In dem basalen Teil schließlich finden sich die in 1I—2 Lagen angeordneten, rundlichen Kerne der Ersatzzellen des Epithels. Das geschichtete Pflasterepithel des Ösophagus gleicht dem- jenigen des Mundkiemendarms, nur das manchmal in den oberen Zellagen sich Schleim entwickelt, der den Zellkern an die Basis drückt (Torpedo marmorata, ocellata und Acanthias). Bei Trygon, der in der Mundkiemendarmschleimhaut nur vereinzelte Becher- zellen besitzt, finden sich diese sehr zahlreich im Ösophagus an den gegeneinander gekehrten Seiten der Querfalten, und zwar sitzen sie dichter auf der Hinterseite der Falten, als auf deren Vorderseite (geschütztere Lage?). Auf der Oberfläche der Falten fehlen sie fast ganz. Bei allen Haien und Rochen, durch deren Ösophagus ich Schnitte machte, d. h. bei Heptanchus, Acanthias, Spinax, Scyllium canicula, Torpedo marmorata, Torpedo ocellata, Raja fullonica und Trygon fand sich unter der Schleimhaut das sogenannte „Iymphoide Organ.“ Es fehlt bei Chimaera, welche es jedoch unter der Mund-Kiemendarmschleimhaut besitzt. Der Ösophagus aller Selachier besitzt eine dünnere oder dickere Schicht quergestreifter Ringmuskulatur. Bei Acanthias kommt dazu eine quergestreifte innere Längsmuskulatur, doch sind beide Schichten nicht sehr scharf voneinander geschieden. Eine äußere Ringmuskelschicht und innere Längsmuskelschicht quergestreifter Muskeln weist auch der Vorderdarm von Chimaera auf. Unter den mit Flimmerepithel versehenen Arten konnte ich bei Heptanchus und Seyllium canicula Sinnesorgane soweit im Ösophagus sehen, wie sich das Pflasterepithel erstreckte. Bei Raja fullonica waren in meiner Querschnittsserie leider nur Spuren des Pflasterepithels getroffen, und ich fand dementsprechend hier auch keine Sinnesorgane. Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 437 Es fragte sich nun, ob in denjenigen Fällen, wo das ge- schichtete Pflasterepithel bis zur Cardia reichte, auch die Sinnes- organe in gleicher Weise an Verbreitung gewinnen. Einigermaßen aussichtsreich erschien mir in dieser Hinsicht Acanthias, denn hier gehen, wie man deutlich sehen kann, die miliariformen (also Sinnes-)Papillen durch schnelle Größenzunahme (2— 3 Papillen bilden den Übergang) in die großen Papillen des Ösophagus über. Meine Erwartung hatte mich nicht getäuscht: Auch die Papillen des Ösophagus von Acanthias stellen in dessen ganzer Ausdehnung Sinnespapillen vor. Auf jeder der vielen Spitzen und Spitzchen der Papillen sitzt wie auf den miliariformen Papillen ein sehr deutliches Sinnesorgan, und zwar ebenso am Beginn des Ösophagus wie an der Cardia. Daß dieses Verhalten bei Acanthias nicht einen einzelnen Ausnahmefall darstellt, beweist Trygon, wo ebenso wie bei Acan- thias die Sinnesorgane im ganzen Ösophagus bis zur Cardia, aller- dings weniger häufig als dort, verbreitet sind. Auch bei Spinax niger sah ich im Ösophagus Sinnesorgane, doch konnte ich ihre Verbreitung wegen Mangels an für mikroskopische Zwecke brauch- barem Material nicht feststellen. Von Interesse mußte es sein, die Verbreitung der Sinnes- organe an einem primitiven, undifferenzierten Vorderdarm kennen zu lernen, wie ihn unter den Plagiostomen Chimaera aufweist. Ich untersuchte Chimaera spec.? (die Art konnte ich nicht fest- stellen, doch handelte es sich offenbar nicht um Ch. monstrosa, da der Vorderdarm nicht wie bei dieser Art an seiner Innenfläche mit hohen, schmalen Längsfalten besetzt war, die bis fast zur Mittelachse des Vorderdarms reichend, dem Querschnitt ein zitronenscheibenartiges Aussehen verleihen. Die Falten zeigten sich vielmehr niederiger und dicker. Ihr Querschnitt war wellen- förmig). Diese Chimaera-Art besaß einenVorderdarm von 7 cm Länge, und die mikroskopische Untersuchung zeigte mir, daß sich die Sinnesorgane über die vordere Strecke des Vorderdarms bis zum Ende des 6. Zentimeters verbreitet finden, so daß nur ein Streifen von 1 cm Breite an der Cardia frei von Sinnesorganen ist. Doch halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß auch hier sich noch einzelne Sinnesorgane finden, wenn ich auch in meinen Serien- schnitten keines antraf. Wir sehen somit, daß die Anwesenheit von Sinnesorganen im Ösophagus offenbar, wenigstens für die Plagiostomen, durch- aus nicht als eine Ausnahme zu betrachten ist, sondern sich wohl Jenaische Zeitschrift. Bd. LI. 29 438 Curt Fahrenholz, ziemlich verbreitet findet, denn in allen untersuchten Fällen fand ich in der Ausdehnung des Pflasterepithels auch Sinnesorgane. Doch die Eigentümlichkeit, daß sich Geschmacksknospen im Ösophagus finden, ist nicht auf die Plagiostomen beschränkt, sondern es finden sich in der Literatur verstreut mehrere Angaben über das Vorkommen von Sinnesorganen im Ösophagus. So fand MACALLUM bei Acipenser rubicundus im Ösophagus Sinnesorgane, von denen er eine Abbildung gibt, für Acipenser ruthenus be- stätigte dies JACOBSHAGEN und macht ihre Anwesenheit im Öso- phagus von Scaphirynchus cataphractus wahrscheinlich. Im Öso- phagus von Hatteria sah OsawA Sinnesorgane. Ja auch bei den Säugetieren erstrecken sich die Geschmacksorgane weit nach hinten; allgemein scheinen sie sich auf dem Kehldeckel und in dessen Umgebung zu finden (vgl. OPrpELs Lehrbuch, Bd. III, p. 470 £. und Bd. VI, p. 389 £). Für den Menschen jedoch ist durch Ponzo das Vorkommen von Sinnesorganen an noch tieferen Stellen nachgewiesen. Er fand bei zwei etwa 6 Monate und bei einem etwa 7 Monate alten Embryo Geschmacksknospen im Öso- phagus noch 2 mm unter dem unteren Rande des Ringknorpels. Schließlich erwähnt KEIBEL noch „epithelknospenähnliche“ Gebilde im Mitteldarm von Affen. Diese Gebilde jedoch haben, wie wohl auch KEIBEL annimmt, nichts mit echten Sinnesorganen zu tun, an die nur ihre Gestalt erinnert. Dafür spricht auch die Umwandlung zu kleinen Krypten, die sie später erfahren. Wenn man nun in Betracht zieht, daß die bisherigen An- gaben in der Literatur nur Gelegenheitsfunde vorstellen, so scheint es nicht unberechtigt, anzunehmen, daß sich wahrscheinlich zu den bisher bekannten Fällen bei eingehenderer Untersuchung noch eine ganze Reihe neuer gesellen werden; wenigstens machen mir meine Funde bei den Plagiostomen das sehr wahrscheinlich }). Die Verteilung der Sinnesorgane läßt einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen ihnen und dem mehrschichtlichen Pflaster- epithel erkennen, der sich nicht nur bei den Plagiostomen, sondern in gleicher Weise auch bei den Säugetieren in der Kehlkopf- schleimhaut bemerkbar macht, wo die im Bereich des Flimmer- epithels stehenden Sinnesorgane, wie auch Ponzo ausdrücklich hervorhebt, stets von einer Insel von Pflasterepithel umgeben sind (vgl. OPPEL, 1. c.). 1) Wie ich jetzt von meinem Freunde Dr. E. JACOBSHAGEN erfahre, hat sich nach seinen Untersuchungen diese Vermutung auch für Tele- ostier bestätigt. Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 439 Da ausnahmslos bei den von mir untersuchten Plagiostomen das Pflasterepithel überall, wo es im Vorderdarm vorkommt, Sinnes- organe aufwies, halte ich den Schluß für berechtigt, daß wir es in dem mehrschichtigen Pflasterepithel des Selachierdarms mit einem ektodermalen Gebilde zu tun haben und daß daher das Ektoderm bei ihnen mindestens bis zur hinteren Grenze dieses Epithels reicht. Ich sage „mindestens“, denn es entsteht die Frage, ob das Flimmerepithel des Ösophagus und das Magen- epithel mit zum Ektoderm oder zum Entoderm zu rechnen ist. Zu dieser Frage möchte ich jetzt noch nicht Stellung nehmen, da mir vorläufig die Grundlagen für die Entscheidung in der einen oder anderen Richtung noch nicht vorhanden zu sein scheinen. Vor allen Dingen ist es meiner Ansicht nach dazu nötig, daß man eine genaue Kenntnis der frühesten Ontogenese des Epithels besitzt und daß man sicher entscheiden kann, ob das Flimmer- epithel des Ösophagus wirklich den primitiven Zustand gegenüber dem Pflasterepithel darstellt. Die Tatsache, daß sich im undifferen- zierten Vorderdarm stets mehrschichtiges Epithel findet, scheint diese Annahme in Frage zu stellen und läßt es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß Magenepithel und Flimmerepithel Differenzierungen des mehrschichtigen Epithels des primitiven Vorderdarms vorstellen. In gleicher Weise will ich mich heute noch nicht darüber äußern, wie weit meine Ergebnisse für die Selachier auch auf andere Wirbeltierabteilungen auszudehnen sind. Auch hier erscheint es mir schwierig, auf Grund der jetzt bekannten Tatsachen zu einem sicheren Ergebnis zu gelangen. Doch glaube ich, sprechen eine Anzahl von Tatsachen dafür, daß auch bei den höheren Wirbeltieren dem Ektoderm im Vorderdarm eine größere Ausdehnung zuzuschreiben ist. Zu diesen Tatsachen rechne ich neben dem Vorkommen von Sinnesorganen vor allem die Verhornung der oberflächlichen Epithellagen des Ösophagus und die Unterschiede in der Innervierung der Vorder- und Mitteldarmschleimhaut (im Vorderdarm dringen die Nerven in das Epithel ein, während im Mitteldarm davon bisher nichts bemerkt werden konnte). Ferner macht mir die Tatsache, daß bei den Selachiern und Ganoiden!) (Acipenser und Scaphirynchus) das Ektoderm sich weit 1) Der eventuelle Einwand, es handele sich bei dem Vorkommen von Sinnesorganen um individuelle Variationen, wird wohl dadurch entkräftet, daß bei Acipenser in zwei Fällen die Sinnesorgane gesehen sind und ich sie auch bei zwei Exemplaren von Trygon pastinaca im Ösophagus fand. 295 440 Curt Fahrenholz, in den Vorderdarm erstreckt, die Annahme wahrscheinlich, daß sich die Proselachier, also die Stammeltern aller gnathostomen Wirbeltiere, in dieser Hinsicht diesen Formen ähnlich verhielten. Bevor man jedoch über alle diese Dinge ein abschließendes Urteil zu fällen imstande ist, scheinen mir ausgedehntere Untersuchungen nötig zu sein. Wollen wir uns nun klar werden, auf welchem Wege das Ektoderm bei der Ontogenese so tief in den Vorderdarm gelangt, so haben wir zwischen zwei Möglichkeiten zu wählen. Einmal könnte sich der Einwanderungsprozeß ontogenetisch in der gleichen Art abspielen wie er phylogenetisch vor sich gegangen sein muß; das würde heißen, das Epithel schiebt sich von der Mundbucht und den Kiemenspalten aus kaudalwärts in den Darm vor, oder die Ontogenese könnte känogenetisch abgeändert sein, in welchem Fall das Ektoderm schon bei der Gastrulation in die Urdarmanlage gelangen könnte. Von diesen beiden möglichen Annahmen hat wohl die erstere größere Wahrscheinlichkeit für sich, besonders da GrEIL an Teleostiern, Dipnoern, Urodelen und Anuren die Ausbreitung des Ektoderms von der Mundöffnung und den Kiemen- spalten aus über den ganzen Mundkiemendarm direkt beobachten konnte. Es erscheint mir ferner mit JACOBSHAGEN nicht unwahr- scheinlich, daß der vorübergehende Verschluß des Vorderdarm- lumens auf frühen Entwicklungsstufen, für den man schon lange nach einer phylogenetischen Bedeutung sucht, mit diesem Vorrücken des Ektoderms in Verbindung steht. Das zeitliche Auftreten des Verschlusses nach der Eröffnung der Kiemenspalten (KREUTER) würde mit dieser Annahme im Einklang stehen. Es würden sich dann bei der Entwicklung des Wirbeltier- darms ähnliche auf die Beschränkung des entodermalen Darm- abschnittes zugunsten des Ektoderms hinzielende Vorgänge ab- spielen, wie sie auch bei Wirbellosen auftreten und hier in dem extremen Fall (bei den Orthopteren) dazu führen können, daß der entodermale Darm vollständig durch das Ektoderm ersetzt wird. Alle diese Fragen, über die man jetzt noch kein endgültiges Urteil fällen kann, werden spätere Untersuchungen zu entscheiden haben. Wenn es mir auch bis jetzt noch nicht gelungen ist, die Lage der Ektoderm-Entoderm- Grenze im Vorderdarm der Pla- giostomen sicher festzustellen, so glaube ich doch, bewiesen zu haben, daß die Grenze sicherlich ein bedeutendes Stück weiter kaudal liegt als bisher angenommen wurde. Ferner glaube ich, Zahnbildungen und Sinnesorgane im Vorderdarm der Selachier. 441 daß nunmehr als Ektodermgrenze bei den Plagiostomen nur zwei Stellen, nämlich 1. der Hinterrand des geschichteten Pflaster- epithels und 2. der Pylorus in Betracht kommen und daß die Ent- scheidung für die eine oder die andere davon abhängen wird, ob man das Magenepithel als eine Differenzierung des mehrschichtigen Epithels des primitiven Vorderdarms ansehen wird oder nicht. Bei Chimaera fällt meiner Ansicht nach die Grenze des Ektoderms mit dem Pylorus zusammen. 442 Curt Fahrenholz, Literaturverzeichnis. 1) CoPTA, Les appendices des arches branchiaux des Poissons. Ann. Sei. Nat. Zool., T. XII, 1900. 2) EDINGER, Über die Schleimhaut des Fischdarms nebst Bemerkungen zur Phylogenese der Drüsen des Darmrohres. Arch. f. mikr. Anat,, Bd. XI 71876: 3) GARMAN, Chlamydoselachus anguineus. Bull. Mus. Comp. Zool. Harv., Vol. XII, 1886. 4) GEGENBAUR, Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 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Fig. 6. „Sitzendes“ Sinnesorgan aus dem Kiemendarm von Chimaera monstrosa. (Zeiss-Obj. D, Ok. 3). Tafel 7. Fig. 7. Sinnesorgan aus dem Anfang des Ösophagus von Heptanchus cinereus. (Zeiss-Obj. D, Ok. 1). Fig. 8. Sinnesorgan und Zahnanlage vom Mundkiemendarm- dache von Heptanchus cinereus (Zeiss-Obj. A, Ok. 3). Fig. 9. Sinnesorgan aus dem. Kiemendarm eines jungen Acan- thias vulgaris. (Zeiss-Immers. Y/ı, Ok. 1). Fig. 10. Sinnesorgan aus dem Ösophagus von Acanthias vul- garis. (Zeiss-Immers. !/,,, Ok. 1). Fig. 11. Schleimhautzähnchen vom Boden des Mundkiemen- darmes von Chlamydoselachus anguineus. Fig. 12. Schleimhautzähnchen vom Dache des Mundkiemen- darmes Chlamydoselachus anguineus. Fig. 13. Schleimhautzähnchen von Zygaena malleus. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. Terl.II. Über die Appendices pyloricae, nebst Bemerkungen zur Anatomie und Morphologie des Rumpfdarmes. Von Dr. med. Eduard Jacobshagen, Assistent am Anatomischen Institut Jena. (Mit 68 Textfiguren.) Einleitung. Kein Organ der Fische hat der Naturforschung größere Mühe bereitet als das Pankreas. Jahrhunderte hindurch ist es dem Blicke der Naturforscher ganz entgangen. Gerade die Ganoiden und Teleosteer hatten offenbar kein Pankreas. Wohl aber hatten wieder gerade sie, und nur sie, etwa an gleicher Stelle Blind- därme sitzen: Appendices pyloricae. So sprach CuVIER die Ver- mutung aus, die Appendices pyloricae möchten ein Äquivalent der Bauchspeicheldrüse sein. In seiner „Histoire naturelle des Poissons“ 1828 heißt es im ersten Bande: „O’est tout pres du pylore, qu’il y a dans le grand nombre des poissons des boyaux aveugles souvent tr&s nombreux, et dont la veloutee, repli6e en mailles serr&es, parait fournir abondamment une liqueur glaireuse, que l’on croit avec vraisemblance tenir lieu de celle du pancr£6as, et qui est d’autant plus utile, que les poissons, comme nous l’avons dit, n’ont gen6ralement pas de glandes salivaires.” CUVIER blieb sich der Gewagtheit seines Vergleiches also bewußt, nicht aber seine Zeitgenossen und Nachfolger. RATHKE sah in den Appen- dices noch „erste und rohe Andeutungen“ des Pankreas, MECKEL aber konstruierte bereits eine Art von Stammbaum für das Pankreas, in dem er die Appendices unterzubringen wußte. Er betrachtete als erster die Appendices und das Pankreas als homologe Gebilde und erhob CuviEers Idee zu einer morphologischen Hypothese. Die Appendices entwickeln sich nach MECKEL „sehr deutlich von einem einfachen, blinden Anhange durch mehrere, die anfangs einfach, dann mehrfach gespalten, immer aber durch lockeres 446 Eduard Jacobshagen, Zellgewebe, Fett und Gefäße verbunden sind, in den Knochen- fischen allmählich zu einem in den meisten, namentlich den höheren Knorpelfischen deutlich drüsigem Organe, und entsprechen hier völlig auch durch ihren Bau der Bauchspeicheldrüse der übrigen Wirbeltiere, an die sie auch bei den übrigen Fischen durch ihre Stellung dicht hinter dem Pförtner und ihre allmähliche, eben angegebene Vervollkommnung erinnern“. Diese Theorie wurde von RUDOLPHI, JOH. MÜLLER, WAGENER CARUS und anderen mehr geteilt. Bis 1831 war es nur ein ein- ziger Naturforscher, der bei Ganoiden und Knochenfischen das Pankreas kannte und darum der CuUVIER-MEcKELschen Hypothese fernstand, das war STELLER. Er lehrte, Pankreas und Appen- dices bestehen nebeneinander. Diese Angabe fand sich in einem nachgelassenen Werke des russischen Forschers. So hielt denn RuDoLPHI diese Notiz STELLERS für einen Zusatz des unbedeu- tenden Herausgebers der Werke STELLERs. Eine solche Notiz konnte nicht von einem Manne wie STELLER herrühren. MECKEL aber tat sie mit den Worten apodiktisch ab, die Erfahrung widerlege sie „bestimmt“. Indessen fanden BRAND und RATZBURG 1831 das Pankreas bei Silurus glanis, ALESSANDRINI bei Esox lucius. Unglücklicher- weise hatten nun beide Fische, ebenso wie die, bei denen man bald darauf auch ein Pankreas fand, keine Appendices pyloricae. So blieb man bei der Theorie: die Appendices ersetzen das Pankreas der Fische. Auch daß Stannıus 1839 bei Cyelopterus, Trigla und Trachinus, alles Fischen mit Appendices pyloricae, ein Pankreas nachwies, konnte die CUVIER-MECKELsche Theorie nicht stürzen, denn STANNIUS hatte ja einen Pankreasausführgang nicht gefunden! Ja, als dann 1844 WAGENER bei der Forelle wirk- lich ein Pankreas und Appendices nebeneinander voll entwickelt sah, traute er sich diese Entdeckung selbst nicht zu, ebensowenig wie später CARL VOGT, LOUIS AGaAssız und JOHANNES MÜLLER sie sich zutrauten. So gewaltig war der Einfluß der alten Theorie. Aber nun begann doch das Ende jener Lehre. BROCKMANN, ein Schüler von STAnNIUs, und ganz besonders 27 Jahre nach ihm LEGou1s wiesen bei zahlreichen Fischen ein Pankreas neben Appen- dicees nach. Zumal Le@ovıs konnte in seiner umfangreichen Arbeit: „Recherches sur les tubes de WEBER et sur le pancreas des poissons osseux“, die 1873 erschien, bei 54 Knochenfischen ein Pankreas nachweisen, deren 18 zugleich Appendices hatten. Aber beide verdienstvolle Arbeiten blieben so gut wie unbeachtet. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 447 In der Mehrzahl der Köpfe lebte noch in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die längst widerlegte Theorie CUVIER- MECKELS fort. Erst LAGUESSE brachte LEGouIs’s Arbeit zu Ehren. LAGUESSE, der die Ontogenese des Fischpankreas am eingehendsten erforscht hat, bestätigte 1889 und in den Jahren 1890—1895 die Angaben von LEGoUIs und richtete auf sie die Aufmerksam- keit. Andere Forscher wie MACALLUM, EBERTH und MÜLLER, GULLAND, OPPEL, RENNIE und vor allem KRÜGER haben seitdem unsere Kenntnis vom Pankreas der Fische sehr gefördert. Es ist kein Fisch bekannt, dem ein Pankreas fehlt! Das Pankreas, das bei Rochen schon im 17. Jahrhundert (STENON), bei Haien mindestens CuvIER bekannt war, und bei Chimaera von STAnnIus entdeckt zu sein scheint, tritt bei Plagio- stomen als kompaktes Organ deutlich hervor. Nicht so bei den Teleostomen. Hier liegt die Bauchspeicheldrüse diffus verteilt im Mesen- terium und pflegt sich entlang des ganzen Darmtraktus zu finden, dessen Krümmungen es genau folgt. Das Pankreas der Fische ist eine verzweigte tubulöse Drüse, deren Schläuche vielfach mit- einander anastomosieren (LAGUESSE). Es mündet neben dem Ductus choledochus in den Darm, manchmal von ihm getrennt, sonst ihm eng angeschlossen. Die Pankreasschläuche schließen sich nun als dünne, oft fast mikroskopisch feine Stränge in mannig- facher Art den Ästen der Pfortader oder der Arterien an, die sie mehr oder minder vollständig umhüllen und meist, wie er- wähnt, durch die ganze Bauchhöhle begleiten, z. B. auch in die Leber hinein (Pancereas intrahepatique)!). So ist das Organ bei den Teleostomen also nur anders gelagert und angeordnet als bei den übrigen Vertebraten. Der Umstand, daß es oft fettum- wachsen oder durchwachsen ist, konnte es, solange man nur makroskopisch arbeitete, leicht den Blicken entziehen und ist die Hauptschuld an der späten Auffindung der Drüse. 1) Die von KRUKENBERG aufgebrachte Bezeichnung Hepato- pankreas für die rein änßerlich verschmolzenen Organe, deren ana- tomischer Aufbau bei näherer Besichtigung natürlich eine Selbst- ständigkeit beider wie bei allen Vertebraten ergibt, die ebenso. kritische physiologische Untersuchung bestätigen würde, sollte man wahrlich einmal endlich schwinden lassen. Würde man bei den innigen Lagebeziehungen der Organe auch von einem Appendicopankreas sprechen wollen ? 448 Eduard Jacobshagen, Selten tritt das Pankreas in kompakterer Form auf, meist weit verzweigt und verteilt. Wo es mehr kompakt ist, scheinen Appendices pyloricae immer selten zu sein oder ganz zu fehlen. Wahrscheinlich wird eine genaue Untersuchung da eine Gesetz- mäßigkeit ergeben, die wohl damit zu erklären wäre, daß die Entfaltung der Appendices eine Komplikation des Gefäßverlaufes und eine Gefäßvermehrung mit sich bringt, die sich das Pankreas zunutze macht. Denn bei der engen Leibeshöhle der Fische, die die Schwimmbewegung mit sich bringt, ist eine Verbreitung der Bauchspeicheldrüse längs der Gefäße ebensowenig platzraubend, wie sie eine leichte Ernährung des Organes ermöglicht, ohne einen besonderen Raum für Blutgefäße zu beanspruchen. Ob dies in der Tat freilich die Ursache der Pankreaslagerung ist, bleibt zu erweisen. Es ist das Pankreas also bei Fischen überall vorhanden und nicht verkümmert. Auch in seinem feineren Aufbau bietet es bei den hier am meisten interessierenden Knochenfischen nichts prinzipiell ver- schiedenes vom Pankreas der anderen Wirbeltiere. Die Pankreasschläuche sind an ihrer Peripherie von einer Membrana propria bekleidet. Die unregelmäßig geformten Pankreas- zellen haben im ganzen eine abgestumpfte Kegelform, wobei die Basis der Membrana propria anliegt. Jede Zelle läßt ebenso wie bei höheren Vertebraten eine homogene Außenzöne und eine fein- körnige Innenzone unterscheiden, die mit unscharfer Grenze in- einander übergehen. Das Plasma der Außenzone zeigte bei Cottus scorpius und Gasterosteus aculeatus (KRÜGER) feine Längs- streifung, die auch LAGUESSE bei Fischen manchmal, wenn auch nur gering ausgebildet, sah, EBERTH und MÜLLER beim Hecht aber vermißten. Die Innenzone zeigt das Plasma (Salmo trutta) von einem deutlichen Maschenwerk feiner Fädchen durchzogen, in dessen runden Maschen die .Zymogenkörnchen liegen. Diese sind beim Hecht und anderen ungewöhnlich groß und im Ruhe- stadium der Zelle überall zahlreich. Die Zymogenkörnchen färben sich nach EBERTH und MÜLLER mit Safranin, nach GULLAND mit Eisenhämatoxylin, nach meinen Beobachtungen mit Eosin und mit Pikrinsäure, gut, mit Karmin, nach MACALLUM schwach. Neben diesen Zymogenkörnern fanden EBERTH und MÜLLER beim Hecht noch solche, die sich mit Hämatoxylin dunkel färben und von ihnen als Vorstufen der Zymogenkörnchen aufgefaßt wurden. Die Zahl der Zymogenkörnchen ist einige Stunden nach der Fütte- Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 449 rung des Tieres (MACALLUM, GULLAND) vermindert durch Abgabe der Körnchen ins Drüsenlumen, der Rest hat sich in einem dem Lumen anliegenden Zellteil versammelt. Der Zellkern liest in der Außenzone und nahe der Innenzone. Er ist groß, meist oval, manchmal auch kugelig. Mehrere Kerne in einer Zelle sind nur von LAGUESSE und zwar manchmal, von LEGovIs angeblich oft gesehen. Im Inneren der deutlichen Kernmembran liegen ein bis zwei Nukleolen, meist ist es einer. Mitosen sind in den Pankreaszellen von Fischen bisher nicht beobachtet. EBERTH und MÜLLER fanden beim Hecht, LAGUESSE bei der Forelle einen Nebenkern, KRÜGER konnte ihn bei 14 untersuchten Arten aber niemals entdecken. Seine Bedeutung ist unklar, seine Herkunft zweifelhaft. LAGUESSE glaubte, daß man einen aus dem Kern ausgetretenen Nukleolus vor sich habe, deutet ihn aber später als künstlich erzeugte Vakuole. Nicht nur die eigentliche Pankreaszelle kommt den Fischen zu, sondern auch die durchweg zum Ausführgangsystem gerech- neten zentroazinären Zellen, die 1873 durch LeEsouvıs entdeckt wurden. LAGUESSE bestätigte bei der Forelle die Entdeckung und wies nach, daß es sich um Elemente epithelialer Natur handle. Die ursprünglich soliden Drüsenschläuche höhlen sich später aus und es entstehen nun zwei Zellagen. Die äußere wird zu Pankreas- zellen, die innere, diskontinuierliche, läßt spindelförmige Elemente hervorgehen, die zu zentroazinären Zellen werden. Nachdem auch PISCHINGER diese Elemente beim Hecht sah, beschrieb sie be- sonders KRÜGER näher. Er fand sie bei allen Tieren reichlich entwickelt: „Die nach PISCHINGER als Stütze für die kleinen Ausführgänge dienenden zentroazinären Zellen besitzen spindel- förmige Gestalt, so daß sie mit zwei Fortsätzen versehen zu sein scheinen. Mit ihrer Längsachse liegen sie genau wie bei höheren Wirbeltieren in der Richtung des Ganges. Bei Salmo trutta schienen sie, ohne deutlichen Protoplasmaleib, dem unteren Teil der Drüsenzelle aufgelagert zu sein, bei Cottus scorpius zeigten sie sich dagegen im Gang und mit deutlichem Protoplasmaleib. Der Protoplasmaleib war völlig homogen, ohne Körnelung oder Strichelung. Der Zellkern der zentroazinären Zellen ist bei allen Fischen elliptisch ohne irgendwelche Ausrandungen, und von einer deutlichen Kernmembran umgeben. Im Inneren des Kernes liegen ein oder zwei größere Nukleolen, von denen allseitig feine Ge- rüstfäden ausgehen. Außer diesen Nukleolen, die übrigens nie die Größe von Drüsenkernkörperchen erreichten, fanden sich eine 450 Eduard Jacobshagen, Anzahl kleiner, ebenso gefärbter Körperchen an den Gerüstfäden in den Zellkernen. Mit der Größe der Ausführgänge wächst die Zahl der zentroazinären Zellen. Die spindelförmige Gestalt der Zellen schwindet, auch nehmen die Zellen an Größe zu und ver- binden sich zu einer zusammenhängenden Zellschicht. Führt man einen Querschnitt durch einen derartigen Gang, so zeigt sich der- selbe mit kubischem Epithel ausgekleidet. Die zentroazinären Zellen gehen also in Gangepithel über. Mit der Größenzunahme der Ausführgänge findet auch eine Streckung der sie auskleiden- den Epithelzellen statt, deren Gestalt schließlich völlig zylindrisch wird. Sobald die zentroazinären Zellen zu einer Zellschicht zu- sammengewachsen sind, beginnt auch eine, die Gangzelle ring- förmig umschließende Bindegewebsschicht sich auszubilden, die an Umfang mit der Größe des Ganges zunimmt.“ Erweist sich also hier das Pankreas der Fische als im hohen Maße übereinstimmend mit dem der anderen Wirbeltiere, so tut es das auch in der Ausbildung von LANGERHANSschen Inseln. Erst 1895 entdeckte LAGUESSE bei Crenilabrus und im gleichen Jahre DIAMARE bei Muraeniden LANGERHANSSsche Inseln. Nach- dem MassArı 1898 beim Aal die Inseln näher studierte, zeigte DIAMARE 1899, daß schon BROCKMANN diese Gebilde bei Lophius, Anguilla, Conger, Congruomuraena, Sphagebranchus, Orthagoriscus mola, Rhombus laevis und Motella trieirrata gesehen hatte, ohne ihre Natur zu beachten. RENNIE 1905 und 1904 und KRÜGER 1905 bestätigten LAGUESSE und DIAMARE. Die LANGERHANSschen Inseln der Knochenfische bestehen nach LAGUESSE aus soliden Strängen polyedrischer oder zylindrischer Zellen. Diese Stränge sind vielfach gewunden und durch zahl- reiche Blutgefäße voneinander getrennt. DIAMARE gibt eine reich- liche Vaskularisation der Inseln an, was von allen späteren Unter- suchern bestätigt ist. Er fand, was auch KRÜGER angibt, jede Insel von einer Bindegewebskapsel abgegrenzt, so daß die Inseln völlig vom übrigen Pankreas getrennt sind. Im diffusen Pankreas sollen die Inseln stets groß, im kompakten aber klein sein. Die LANGERHANSschen Inseln gehen aus demselben Epithel hervor wie die Pankreasschläuche. Wenn DIAmARE und MassARrı sich stark und schwachfärbende Zellstränge in den LANGERHANSSchen Inseln unterschieden, so kann KRÜGER diese Beobachtung nicht bestätigen. Nach ihm zeichnen sich die Zellen der LANGERHANS- schen Inseln generell dadurch aus, daß sie sich schlechter färben lassen. Sie liegen ungeordnet zusammen und lassen eine genaue Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 451 Abgrenzung der Zellen nicht erkennen, „so daß es wohl zunächst scheinen mag, als seien nur einzelne Kerne in einer etwas helleren, homogenen Grundsubstanz eingelagert. Eine Streifung oder Körne- lung ebenso wie eine Differenzierung in eine Außen- und Innen- zone war nicht zu erkennen. Die Gestalt der Kerne war oval, in ihrer Größe glichen sie meist den Drüsenzellkernen. Die die Pankreaszellkerne färbenden Substanzen zeigten sich weniger aktiv für diese Kerne. Eine Kernmembran war an allen deutlich zu unterscheiden. In den Kernen fanden sich meist ein bis zwei Nukleolen mitfeinen Fädchenausstrahlungen. Neben diesen Nukleolen waren eine Anzahl kleiner, ebenfalls mit Hämatoxylin blau ge- färbter Körnchen zu erkennen, die an den einzelnen Fäden des Kerngerüstes als runde Klümpchen angelagert waren. Nukleolen waren fast immer vorhanden. Ein Lumen oder die Spur eines Ausführganges war .... bei keinem intertubulären Zellhaufen anzutreffen“ (KRÜGER). Auch bei Selachiern sind durch OPPEL, LAGUESSE, HELLY und DIAMARE intertubuläre Zellhaufen wohl bekannt. Dies Referat über das Pankreas wurde ausführlich gegeben und an den Kopf dieser Arbeit gestellt, denn es ist nichts so nötig, als erst einmal die alte Hypothese CuvıErs und MECKELS mit ihren letzten Resten gründlich auszurotten. Man muß sich ein für allemal heute sagen, daß ein sachlicher Grund nicht be- steht, in irgend einer Form noch die ehemalige Hypothese zu verwerten. Erst wenn wir uns bemühen, diese schier unausrott- bare Hypothese ganz zu vergessen, können wir eine solide Basis für unsere Untersuchungen gewinnen und werden die Tatsachen lauter zu uns sprechen lassen, als es bisher der Fall gewesen ist. Wollen wir die Bedeutung der Appendices pyloricae er- gründen, so müssen wir ganz von vorn anfangen und alle Tat- sachen und Beobachtungen neu revidieren! Verbreitung, Sitz, Anordnung und Form der Appendices pyloricae. Als Appendices pyloricae werden Ausstülpungen der Darm- wand am Anfange des Rumpfdarmes bezeichnet. Wo ist der Anfang des Rumpfdarmes? Im Teil I dieser Untersuchungen habe ich die Grenze zwischen Kopfdarm und Rumpfdarm bei den Fischen kritisch 452 Eduard Jacobshagen, geprüft und kam zu dem Schluß, daß diese Grenze am Pylorus liege. Diese Stelle ist stets scharf markiert, bei der Mehrzahl der Fische, die einen Magen haben, durch die Valvula pylori, bei solchen ohne Magen, entweder auch durch eine Falte oder durch einen plötzlichen Reliefwechsel. Der so abgegrenzte Vorder- darm zeigt stets eine Vagusinnervation und besitzt in mehrminder großen Ausdehnung -— oft über den ganzen Vorderdarm hin (Si- luriden usw.) — die quergestreifte Muskulatur der Kiemenregion. Auch histologisch ist die Grenze durchaus fest und das möchte ich besonders denen gegenüber betonen, die meinen, erst die mikro- skopische Richtung der vergleichenden Anatomie gäbe die wahren Daten an. Der völlig undifferenzierte Vorderdarm der Cyclostomen, Dipnoer und Fische ist von einem mehrschichtigen Epithel aus- gekleidet, das nach dem Urteil aller Untersucher große Ähnlich- keit mit der Epidermis zeigt!). Dies Epithel geht an der von mir angegebenen Vorderdarmgrenze bei allen daraufhin untersuchten Formen mit haarscharfer Grenze in das typische Darmepithel mit Randsaum und Schleimzellen über. Soweit wir wissen, ist die Grenze genau so scharf bei den wenigen Formen, an deren Vorder- darmende ein Zylinderepithel sich findet, ohne daß hier Magen- drüsen vorkämen. Bei der Mehrzahl der Fische findet sich ja ein Drüsenmagen, der ganz allgemein ein typisches Epithel mit BIEDERMANNschen Pfröpfen besitzt, wie OPPEL schon lange betont hat. Dies typische Magenepithel kommt allen Vertebraten zu und ist, da es bereits bei den Selachiern vollentwickelt vorkommt, fraglos uralt. Dies Magenepithel verschwindet jäh am Pylorus)! 1) Diese verrät sich auch im scheinbar ständigen Vorkommen von epithelialen Sinnesknospen, die ich bei allen bisher untersuchten Formen bis zum Ende des undifferenzierten Vorderdarmes fand (Cy- prinus carpio, Carassius carassius, Gobio fluviatilis, Leueiscus rutilus, Tinca tinca, Abramis vimba, Phoxinus laevis, Idus orphus, Squalius cephalus, Scardinius erythophthalmus, Misgurnus fossilis, Fundulus gularis, Poecilia spec., Mollienesia latipinna, Blennius palmicornis). Wo ein Magen entwickelt ist, reichen sie bis zur Cardia (Acipenser ruthenus, Scaphirhynchus cataphractus, Salmo fario, Thymallus thy- mallus, Clupea harengus, Anguilla anguilla, Umbra krameri, Gaste- rosteus pungitius, Mugil chelo, Ophiocephalus striatus, Serranus cabrilla, Lota lota, Acara coeruleo-punctata). 2) Ich habe mich früher über B. HALLers abweichende An- sichten über die Vorderdarmgrenze bei Selachiern mit Zwischendarm geäußert, die auf falschen Beobachtungen basieren. Der Zwischen- darm gehört zum Rumpfdarm ohne Frage. Es liegt mir fern, hier nochmals den Streit aufzunehmen. HALLER hätte seinerzeit eine Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 453 So glaube ich, daß es eines weiteren Beweises nicht mehr bedarf, daß am Pylorus die Grenze von Kopf- und Rumpfdarm liegt. Die von A. WEBER 1903 verfaßte Arbeit (Oü passe chez les vertebres adultes la limite entre liintestin anterieur et l’in- testin moyen? Compt. rend. de la soc. de biol.. T. LV) glaube ich fast ignorieren zu dürfen. Das Ösophagusende kann nicht als Ende des Vorderdarmes angesehen werden. Es bliebe nicht nur die Vagusverbreitung und das Verhalten der Muskulatur des Magens bei vielen Tieren problematisch, auch das Vorkommen von geschichtetem Plattenepithel in den drei ersten Magenteilen der Wiederkäuer und die Zustände bei Monotremen (s. OPPEL) machen jenen Versuch sofort unmöglich. Wenn auch bei den ge- nannten Säugetieren ein Magen sich erst typisch anlegt, bevor es zur Ausbildung des Plattenepithels kommt, so würde es WEBER doch wohl recht schwer fallen, bei den erwachsenen Vertebraten seine Grenze zu demonstrieren! Wenn wir somit die Grenze zwischen Kopfdarm und Rumpf- darm an den Pylorus verlegen, so kommen wir zu dem Resultat, daß Appendices bereits einigen Plagiostoni zukommen. Laemargus borealis und Laemargus rostratus besitzen zwei solcher Appen- Angabe EDINnGERs für sich in Anspruch nehmen können, die die mikroskopische Anatomie des Zwischendarmes betraf. EDINGER hat angegeben, daß jener Zwischendarm Magenepithel besitze, das die Merkwürdigkeit aufweise, daß die BIEDERMAnNschen Pfröpfe nicht nur auf die oberflächlichen Teile der Zellen beschränkt blieben, sondern daß die Metamorphose tiefer hinabgegriffen habe und es hier häufig zu einem Verbrauche sämtlichen Protoplasmas gekommen sei. Mußte schon nach meiner Beweisführung diese Tatsache als wenig glaubwürdig erscheinen, so sehe ich, daß REDEKE diesen Punkt be- reits vor Jahren richtig gestellt hat. REDERE fand, daß der Zwischen- darm nicht nur im Relief an den Mitteldarm sich anschließt, sondern beide auch dasselbe Epithel besitzen. Das Magenepithel verschwindet auf der Valvula pylori. Zwar gelang es REDEKE nicht, hier eine haar- scharfe Grenze zu finden, allein die Zahl der zweifelhaften Zellen war sehr gering. Bei Selachiern ist es vielfach schwierig, Magen und Darmepithel zu unterscheiden dann, wenn die BIEDERMANN schen Pfröpfe sehr flach sind. Das ist fraglos der Grund für EDINGERSs Irrtum gewesen, denn EDINGER fand gegen Ende des Zwischendarmes auch typisches Darmepithel! Ich selbst beabsichtige, den Vorderdarm der niederen Vertebraten in umfassenderer Weise einheitlich zu be- arbeiten und hoffe, in einiger Zeit meine Resultate darüber mitteilen zu können. Schon heute möchte ich mit Nachdrnck darauf hinweisen, daß das Magenepithel uns frühzeitig ganz spezialisiert entgegentritt und sich scharf vom Darmepithel bereits bei den Fischen unterscheidet. Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 30 454 Eduard Jacobshagen, dices am Anfang des Zwischendarmes. (Siehe Teil I, Jen. Zeit- schrift, Bd. XLVII, p. 541, vergl. auch Fig. 61.) Es scheint fast, als ob auch bei Scymnus lichia eine Andeutung einer weiten Appendix bestehe. Unter den Ganoiden ist nur Amia ohne Appendices. Äußerst verschieden verhalten sich die Knochenfische. Man weiß seit langem, daß ganzen Gruppen Appendices fehlen können, während sie der Mehrzahl sonst zukommen. Beispielsweise sind die Apodes und Plectognathen ohne Pförtneranhänge. Gewöhnlich aber sind es in den einzelnen Ordnungen nur wenige Familien, die keine Appendices haben, so z. B. die Labriden, Scariden, Gobiiden, Trichonotiden, Callionymiden, Gobiesociden, Batrachiden und Pholiiden unter den Acanthopterygiern.. Im Teil II kann man über diese Dinge weiteren Aufschluß bekommen (Jen. Zeitschr., Bd. XLIX). Häufig sind aber innerhalb von Familien mit sonst wohl- entwickelten und zahlreichen Appendices doch einige Genera, denen Appendices völlig fehlen. Als Beispiel erwähne ich die Salmoniden. Bei Osmerus arcticus findet man 5, Osmerus eper- lanus 6, den Argentina-Arten. 12—20, bei Thymallus: 19—24, bei Salmo 20 bis über 200 Pförtneranhänge, ebensoviel etwa bei Plecoglössus, dagegen kommt keine einzige Appendix vor bei Nansenia, Bathylagus. Microstoma, Salanx und Retropinna! Auch bei verschiedenen Spezies eines Genus können Appendices vor- kommen oder fehlen. So pflegt Gasterosteus aculeatus zwei Appendices zu haben, G. pungitius aber ist ohne Pförtneranhänge. Selbst bei verschiedenen Individuen einer Spezies zeigen die Appendices mehr oder minder wechselndes Verhalten. So sind für Lota lota von Cuvier (1810) 32 Appendices angegeben, später (1835) aber nur 24, MECKEL fand etwa 40, Yung und FUHRMANN dagegen 14—15, ich 41. Für Lucioperca zandra gab BLocH 6 Pförtneranhänge an, CUVIER ebenso, CUVIER-VALEN- CIENNES fanden nur 4, MECKEL und RATHKE geben wieder 6 an, RupoLprHı fand 7 und ich auch. Ja, es scheint, daß das Vorkommen von Appendices sogar bei einer Spezies nicht immer konstant ist, freilich nur bei Tieren, die ohnehin gewöhnlich nur sehr wenige Appendices haben. Als Beispiel nenne ich Ammo- dytes tobianus, von dem CuvIER 1829 angab, daß ihm Appen- dices fehlten, von dem auch BLocH keine Appendix angibt, wäh- rend andererseits RATHKE eine abgebildet und beschrieben hat und ebenso ARTEDI und MECKEL eine sahen. Im übrigen Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 455 schwankt die Zahl der Pförtneranhänge bei Knochenfischen von 1—909 (Merlangus carbonarius), wird von manchen Scombriden und Gadiden vielleicht sogar noch höher anzugeben sein. Die höchst lückenhafte und variable Verbreitung der Appen- dices pyloricae, die bei Fischen zuerst auftreten und auch nur auf die Fischklasse beschränkt bleiben, gibt den Hinweis, daß wir hier keine Einrichtung von allgemeiner Bedeutung vor uns haben, sondern daß ihre Ursache in der Morphologie dieser Gruppe allein zu suchen ist. Gleichzeitig deutet die Art der Verbreitung darauf hin, was auch durch das (von LAGUESSE bei der Forelle, von FORCHHAMMER bei Zoarces, von VoGT für die Salmoniden generell und von CATTANEO bei Salmo carpio und Salmo lacustris angegeben) späte ontogenetische Auftreten der Appendices erwiesen wird, daß wir es hier mit einer stammes- geschichtlich sehr jungen Einrichtung zu tun haben, die mit solch uralten Organen wie Leber und Pankreas unter keinen Um- ständen auf eine Stufe gestellt werden kann. Die Tatsache, daß die Appendices pyloricae stets am An- fange des manchmal nicht, meist aber in Mittel- und Enddarm gesonderten Rumpfdarmes beginnen, von wo aussie bei zahlreichem Vorkommen freilich weit nach hinten sich erstrecken können, legt es nahe, ihr Vorkommen mit der Ausbildung des Magens oder der Lage von Leber und Pankreas in Beziehung zu bringen. Betrachten wir einmal das Verhältnis der Magenausbildung und der Appendicesentfaltung! Da ergibt es sich, daß, wo ein Magen überhaupt fehlt (Cypriniden, Cyprinodonten, Labrus, Creni- labrus usw.), auch niemals Appendices vorkommen. Ja sie fehlen auch da, wo am Vorderdarmende auf kurze Strecke ein Zylinder- epithel auftritt, ohne daß aber Magendrüsen entwickelt wären (Callionymus lyra, C. maculatus, Syngnathus acus, Lepadogaster bimaculatus). Auch, wo sehr wenige Magendrüsen in geringer Entfaltung anzutreffen sind, scheinen Appendices zu fehlen. In- dessen bedarf es über diesen Punkt noch sorgsamer Nachprüfung. Scheint sich da eine Gesetzmäßigkeit zu ergeben, so sehen wir uns schwer enttäuscht, verfolgen wir die Magenentwicklung weiter. Es ergibt sich da weder ein Zusammenhang mit der Magenform, noch der Entfaltung der Magengröße oder einzelner Magenteile oder des anatomischen Aufbaues der Magendrüsen. Die Hoff- nungslosigkeit dieser Untersuchungen hat denn auch mein Interesse an dem Problem stark abgekühlt, so daß ich von einer weiteren Bearbeitung der Appendicesfrage absehe und hier nur mitteile, 30* 456 Eduard Jacobshagen, was ich bisher fand, gern anderen die endgültige Lösung über- lassend, zumal andere Dinge mich weit lebhafter beschäftigen. Die Lage der Ausmündungsstelle von Leber und Pankreas ist für das Problem von Interesse. Bei zahllosen Fischen liegen die Appendices pyloricae zwischen Pylorus und Ductus chole- dochus-Mündung, bei vielen aber mündet der Ductus choledochus zwischen den Appendices, in seltenen Fällen in eine Appendix hinein, in vielen Fällen aber vor den Appendices (s. spezielle An- gaben in Teil II). Trotzdem muß man zweifellos die Lage der Pförtneranhänge am Rumpfdarmanfang für sehr wichtig halten, denn in allen Fällen beginnen die Appendices sofort hinter dem Pylorus auch dann, wenn sie noch so weit kaudalwärts sich erstrecken. Es müssen die Appendices sich aus Gründen entwickelt haben, die mit der Nähe des Magens und der Entfaltung von Leber und Pankreas in ursächlichem Zusammenhang standen. Die vielfach weite Ausdehnung der Appendices auf entferntere Darmteile weist nach, daß unter Umständen der formative Reiz auch noch in größerer Entfernung der drei großen Verdauungsdrüsen wirk- sam ist. Wenden wir der Anordnung der Appendices unser Augen- merk zu! Selten nur findet sich eine Appendix pylorica (Polypterus, Calamichthys, Hyodon, Panthodon, Paralepis eoregonoides, Ammo- dytes tobianus, Merlucius und Hippoglossus, Monoecirrhus polya- canthus), deren Platz dann stets unmittelbar am Pylorus liegt. Finden wir zwei (Laemargus, Carapus macrurus, Gasterosteus aculeatus, Ophiocephalus striatus, Pleuronectes, Rhombus, Flesus, Zoarces und Lophius), so stehen sie einander am Darmanfang gegenüber. Nur bei einigen Malacopterygiern trifft man sie hier dicht nebeneinander (Mormyriden, Osteoglossiden, Notopteriden). Sind mehr als zwei Appendices pyloricae da, so kommt es wohl ausnahmslos zunächst zu einer ringförmigen Anordnung derselben, wobei der Ring aber weder ganz vollständig noch ganz regel- mäßig zu sein pflegt, immer aber gleich hinter dem Pylorus liegt. Wenn HyrrL von Elops angibt, die Appendices ständen „nur an der rechtsseitigen Peripherie der Pylorusgegend und am konkaven Rand des Überganges der Portio pylorica ventrieuli in den Darmkanal“, umringen also nicht erst den Pylorus krauz- artig, so halte ich das für eine unvollständige Angabe. Ebenso, halte ich seine Figur des Befundes für nicht zutreffend. Es Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 457 ist mir mehr wie wahrscheinlich, daß wie bei seiner Figur von Coilia Dussumieria HyRTL hier eine Ungenauigkeit unterlief. Dort sollen drei Viertel des Darmumfanges von Appendices besetzt sein, das zeigt aber die Figur nicht (siehe Teil II, p. 421, Fig. 17). Bei Elops würde nun zu der ungenauen Figur (siehe Teil II, p. 404, Fig. 5) der ungenaue Text dazukommen. Solche Zweifel muß man mir wohl auf Grund meiner hier ausgedehnten eigenen Untersuchungen gestatten, um so mehr, als’ich außer der Hyrrrschen Figur von Coilia auch die von Ölupea harengus be- anstanden muß. Auch sie stimmt nicht zu der richtigen Text- darstellung. Sachlich nicht ganz zutreffend ist RATHKEs Figur von Meletta sprattus und HALLERs von Alosa finta. Es dürfte wohl ganz allgemein erst ein ziemlich vollständiger Ring von Blinddärmen hinter dem Pylorus folgen, wie ich es für Meletta, Clupea und Alosa auch festgestellt habe (s. Teil II). Bei einem Vorkommen von mehreren Appendices bleibt es nun aber nicht immer bei einem Ring von einzelnen Blindschläuchen um den Rumpfdarmanfang herum. Es kann hier zu Modifikationen der Anordnung kommen, die zwei Hauptrichtungen unterscheiden lassen. Der erste Typus läßt ein mehr minder ausgedehntes Darm- stück hinter dem Appendicesring mit Pförtneranhängen besetzt sein. Die vermehrte Appendiceszahl führt zu einem größeren Mündungsgebiet. Bei Elops, Albula, Engraulis, Dussumieria, Clupea, Clupeonia, Harengula. Meletta, Sardinella, Alosa, Cha- toessus, Kowala, Salmo, Coregonus, Thymallus, Osmerus, Ery- thrinus, Uranoscopus, Scomber und sehr zahlreichen anderen sehen wir dies Prinzip zutage treten. Wann tritt diese An- ordnung auf? Zunächst zeigt sich da, daß sie keineswegs an eine bestimmte Zahl oder Form von Appendices geknüpft ist. Bei Osmerus fand ich 5 kurze, dicke Appendices in Kranzstellung, die 6. aber bereits dahinterstehend. Bei Hemitripterus fanden aber 7 im Kranze Platz, 8 bei Brosmius, 12 bei Molva, bei Sardinella und anderen über 20. Bei wenigen und weiten, sehr kurzen Pförtneranhängen wie bei vielen langen und haarfeinen kann eine große Darmfläche als Ausgangspunkt der Appendices dienen. Auch der feine Auf- bau der Organe gibt uns keinen Hinweis dafür, warum es zu einer vermehrten Ursprungsfläche der Appendices vielfach kommt. Ebensowenig läßt sich zurzeit dieser Anordnungsmodus aus der Ausbildung des Mittel- oder Enddarms herleiten. Nur soviel ist 458 Eduard Jacobshagen, wohl sicher, daß kein allgemeines Gesetz dieser Einrichtung zu- grunde liegt, sondern daß spezifische Einflüsse hier zur Geltung gelangen, über die sich zurzeit nur Vermutungen äußern lassen. Hierauf wird später zurückzukommen sein. Die Art, in der die Besetzung eines größeren Darmstückes hinter dem ersten Ring von Pförtneranhängen erfolgt, ist nicht regellos und wohl zu beachten. Oft sieht man hinter dem Ringe eine Anzahl von ®/,, !/, oder !/, Ringen folgen, d. h. die anderen Appendices stehen in queren Reihen angeordnet, wobei stets die dem Pylorus nächsten Querreihen auch die längsten sind und die größte Appendiceszahl besitzen, während die am meisten kaudal gelegene Reihe meist nur aus einer, selten zwei Appendices besteht. Es bleibt also die Pylorusnähe auch hier immer bevorzugt. Was die Länge dieser Appendices anlangt, so erhebt man da wechselnde Befunde. Bei Salmo, Coregonus und vielen anderen zeigen sich immer die Kranzbildner als die längsten Pförtneranhänge. Bei Thymallus sah ich dagegen die letzte Appendix länger als alle anderen, bei Meletta sprattus die zweitletzte. Aber diese Fälle, wo die letzten Appendices länger als die ersten sind, sind doch nur spärlich. Auch darf man sie nicht zu hoch bewerten, denn meist sind die Appendices unter sich überhaupt sehr ungleich in der Länge — bei Sardinella fand ich die längste mehr als zehnmal so lang als die kürzeste — und zwar wenig gesetzmäßig und recht wenig konstant. Auf alle Fälle ist die Oberflächenvergrößerung durch Appendices bei der (uerreibenstellung am größten ganz am Rumpfdarmanfang. Wohl durchweg ist diejenige Darmwand frei von Appendices, die der Leber direkt anliegt, während sonst mannigfache Zustände angetroffen werden. Bei allen Coregonus ist der Magen nach der rechten Seite in seinem Pylorusabschnitt gekrümmt, bei Core- gonus oxyrhynchus aber nach links. Bei allen Arten lassen die Appendices das der Leber und das der Bauchwand anliegende Rumpfdarmstück frei. Folglich stehen bei Coregonus oxyrhyn- chus (Situs inversus) die Appendices um 180° anders zur Darm- achse wie bei den übrigen. Durch diesen keineswegs irgendwie isolierten Befund wird bewiesen, daß das Alter der Appendices pyloricae ein recht geringes sein muß, unter keinen Umständen mit dem von Leber und Pankreas zu vergleichen ist. Andererseits macht der Befund wahrscheinlich, daß die Anordnung der Appen- dices von den Raumverhältnissen der engen Bauchhöhle größten- teils abhängt. Warum entwickeln sich die Appendices von Üore- Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 459 gonus oxyrhynchus sonst nicht an gleicher Darmseite wie bei den anderen Coregonusarten ? Ein anderer Modus der flächenhaften Anordnung der Pförtner- anhänge zeigt Längsreihen. Sie treten hinter dem Blinddarm- kranz entweder je eine rechts oder links an den Darmseiten auf, bisweilen auf beiden Seiten zugleich (Brosmius). Das von Quer- oder Längsreihen von Appendices besetzte Darmstück kann minimal im Verhältnis zur Rumpfdarmlänge sein, wird aber manchmal sehr bedeutend. Bei Serrasalmo ist es schon etwa gleich !/,, der Rumpfdarmlänge, bei Brosmius und Molva bereits !/,,, bei Sarcodaces gleich !/,, Distichodus, Myletes und Clupea !/,, Ichthyoborus und Hydrocyon t/,, Salmo fario und Macrodon !/,, Meletta und Alosa !/,, Coregonus bis zu /,, bei Lampris mindestens !/,—!/,, wenn ich hier CUVIER-VALENCIENNES aber recht verstehe, sogar ?/, der gesamten Rumpfdarmlänge. Der zweite Haupttypus der Anordnung, der bei größerer Appendicesanzahl gefunden wird, besetzt weniger große Darmgebiete. Er führt im Gegenteil zu einer Verkleinerung des Mündungsbezirkes. Er besteht in einer Büschel- bildung. Ein oder mehrere Mündungsstämme zweigen sich in eine größere Zahl von Blindschläuchen auf. Einfache Zustände bieten nach VALENCIENNES Mugil macro- lepidotus und andere, wo neben im ganzen unverzweigten Pförtner- anhängen einige verzweigte vorkommen. Den weitaus häufigsten Typus studieren wir aber bei den Gadiden. Hier sehen wir von den in verschiedener Anzahl zu treffenden Mün- dungsstämmen (s. Text- fig. 1) ganz kurze, viel dünnere Rohre abgehen, die sich sodann paarig in lange, schlanke Blinddärme fortsetzen, die mit runder oder spitzer Kuppe enden. Textfig.1. Appendix- Textfig.2. Appendix- enktriftsnam naheidäm Büschel von Merlan- Büschel von Cyelop- gus carbonarius. terus. blinden Schlauchende noch- mals eine Gabelung. Weitaus häufiger ist proximal eine drei- bis vierfache Gabelung statt der zweifachen. Bei Cyclopterus ist der Mündungsstamm länger, die Verzweigung weniger regelmäßig. Dabei sind die Schläuche viel weiter (Textfig. 2). 460 Eduard Jacobshagen, Gadus, Merlangus, Lota und Cyclopterus zeigten immer mehrere Mündungsstämme. Deren Zahl sinkt nun bei manchen Scombriformes derart, daß wir bei Thynnus thynnus fünf, nach CUVIER gar nur zwei, bei Thynnus alalonga, Auxis Rochei und Pelamys sarda nur noch einen einzigen Mündungsstamm finden. Dabei ist bei diesen Tieren die Büschelbildung ungemein üppig. Bei Xiphias wird die reiche Verzweigung als eine dreifache an- gegeben (MECKEL), VALENCIENNES berichtet ebenso von Thynnus, bei Pelamys ist sie vielleicht noch weiter gediehen. Die massen- haften Blinddärmchen liegen bei diesen Tieren zu einem Klumpen geballt im Peritoneum. Zwischen den feinen Schläuchen verlaufen reichlich Arterien und Venen, und längs dieser das Pankreas, meist begleitet, oft umhüllt von Fett. So wird der drüsige Ein- druck der Appendices noch vermehrt und konnte ein Vergleich zwischen diesen Bildungen und dem Pankreas bei älteren Unter- suchern naheliegen. Mit einer Drüse aber haben diese Dinge nur eine rein äußerliche, entfernte Ähnlichkeit. Es handelt sich immer um reichverzweigte Blinddärme mit voll entwickelter Mus- kulatur und Schleimhaut. In etwas anderer Richtung liegt die Entfaltung der Appen- dices bei Lepidosteus und den Chondrosteern. Hier teilt sich jeder der minimal kurzen und buchtartigen Mündungsstämme in einige ebenfalls kurze, weite Hauptäste. Einen solchen Hauptast zeigt Textfig. 5. Dieser Hauptast pflegt sich | ( Textfig. 3. Appendix-Büschel Textfig. 4. Stück aus den Appendices von Poly- von Lepidosteus osseus. odon (schemat. Durchschnitt, Lumen schwarz). dann in ein Büschel zwei- bis dreimal aufzuteilen, aber alle Stücke, auch die Endschläuche, sind kurz. Dabei ist die Weite der abgeplatteten Blindsäcke recht beträchtlich. Von außen gesehen liegt die zweite Teilungsstelle ziemlich peripher, weniger aber, schneidet man die Gebilde auf. Dann sieht man die Scheidewände der meist zwei Endschläuche weiter zentripetal reichen, wie ich das in Textfig. 4 Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 461 von Polyodon angedeutet habe. Bei Polyodon ist der Befund ähnlich wie bei Lepidosteus. Aber die Zahl der Mündungen in den Darm ist auf eine reduziert. Der ihr angeschlossene sehr kurze Mündungsstamm teilt sich fünfmal und es liegen diese fünf Hauptäste und ebenso ihre Äste und Zweige alle in einer Ebene, was bei Lepidosteus keineswegs der Fall war. Wir haben also bei Polyodon eine weit ge- ringere Ausbildung der Appendices pylori- cae vor uns. Acipenser ruthenuszeigt9 Haupt- äste, ähnlich verhalten sich“ die Dinge bei Scaphirhynchus cata- phractus. Allen ge- nannten Formen ist ge- meinsam, daß sie kom- plizierter verzweigte Büschel von geringer Länge besitzen und die Büschelbildung als solche am eröffneten Organ besser zutage tritt als von außen. Äußerlich erscheinen die Gebilde als am freien Rande mehr minder tief gekerbte Scheiben, innen liegt der Büschelbau klar zutage. j SEE A lehe Befund Textfig. 5. AÄußerlich zu einem einheitlichen n solche Belunde Organ verschmolzene Appendices - Büschel von. können wir Acipenser Acipenser sturio. sturio anreihen. Bei ihm ist äußerlich an den Appendices keinerlei Lappung des Randes mehr zu erkennen (s. Textfig. 5). Nach einem nicht durch die Darmmündungen des Organs gelegten Trans-- versalschnitt (Textfig. 6) hat man einen sehr sonderbaren Anblick. Dunkle Züge von Muskelgewebe wechseln mit netzartig gefalteten Schleimhautpartien, die sich in zahlreiche angeschnittene Röhren hineinerstrecken. Öffnet man nun vom Darm her einen der drei großen Mündungsstämme, mit denen bei meinem alten, von 462 Eduard Jacobshagen, einem sehr großen Tier herrührenden Präparat die Appen- dices sich in den Zwischendarm öffnen, so gelangt man in ein drei-dimensional verzweigtes Büschelsystem, dessen einzelne Äste nicht mit denen des benachbarten Mündungsstammes kommuni- zieren. In dem Büschelsystem lassen sich außer dem kurzen, weiten Mündungsstamm mehrere weite Hauptäste unterscheiden, die sich in etwas engere Äste aufzweigen, welche sich in Zweige, seltener noch feinste Zweige aufteilen. Trotz der erwähnten drei- dimensionalen Verzwei- gung wird doch eine Ebene, die horizontale, von den Zweigen weitaus bevorzugt, so daß darin eine Annäherung an die Befunde bei Polyodon sich kundgibt. Da beim Stör die Verzweigung 4—-5fach ist, meist 4fach, geht sie somit kaum über die bei Polyodon hinaus. Das Gebiet der einzelnen Hauptstämme innerhalb des Organs ist sehr ungleich. Am klein- sten ist der Anteil des am meisten kranial und zugleich am meisten ven- tral gelegenen Stammes, am größten der des am meisten kaudalund rechts- Textfig. 6. Ein nicht durch die Ausbreitungs- 4]: ebene der Appendices-Büschel gelegter Trans- seitlich gelegenen. Der versalschnitt (Acipenser sturio). mittlere Stamm baut ein mittelgroßes Stück des Örganes auf. Im Bereich des kaudal gelegenen Stammes ist die 3 dimensionale Entfaltung des Büscheltypus am stärksten ausge- prägt, das Organ also am dicksten, im Bereich des kranial ge- legenen Stammes herrscht dagegen überwiegend horizontale Lage- rung der Büschel ähnlich wie bei Polyodon. Wir können also zusammenfassend die Appendices pyloricae von Lepidosteus und den Chondrosteern als höher organisierte Büschelsysteme bezeichnen, deren einzelne Abschnitte kurz und Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 463 weit sind, und deren Wände eine in zentrifugaler Richtung fort- schreitende Verschmelzung zeigen. Diese, bei Lepidosteus noch gering ausgesprochen, nimmt bei Polyodon, Scaphirhynchus und den Acipenser-Arten zu und erreicht bei Acipenser sturio solche Höhe, daß äußerlich von dem ganzen Büschelbau nichts mehr zu erkennen ist, obwohl innerlich durchaus unverändertes Verhalten bestehen bleibt. | Es stellen sich die Befunde der genannten Ganoiden und der oben zitierten Scombriformes also als zwei getrennte Gipfel der Büschelformation dar. Kürze und Weite der Schläuche sowie die Tendenz zur Verschmelzung der muskulösen Wände charakte- risieren die Ganoiden, an Endschläuchen wohl allgemein reicher sind die Appendices vieler Scombriformes. Dabei sind die Appen- dices schlanker und stets unverschmolzen. An Masse können sie hier sehr hervortreten. Wir können die Büschelbildung nicht verlassen, ohne auf einen Punkt wenigstens noch hingewiesen zu haben. VALENCIENNES gibt für Thynnus thynnus an, die Appen- dices mündeten mit fünf Mündungsstämmen, CUVIER und, wohl auf Grund der Cuviıerschen Angaben, auch MECKEL notieren das Bestehen nur zweier Mündungsstämme, für Zeus faber gibt VALENCIENNES 12—15 Mündungsstämme an, MECKEL aber nur 8, für Acipenser sturio fanden CUVIER, MECKEL und ich 3 Mündungs- stämme, RATHKE aber nur einen. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß alle Untersucher richtig beobachtet haben mindestens bei Zeus und Acipenser. Mir scheint das von Interesse zu sein. Es dürfte sich schon daraus ergeben, daß es nicht angeht, aus der Zahl der Mündungen einfach auf die Zahl der die Organe bil- denden einzelnen Appendices zu schließen. RATHKES Figur von 1824 (s. Teil II, Textfig. 159) stimmt ausgezeichnet mit dem von mir untersuchten Situs überein. Sollte eine ungleiche Zahl von Appendices zwei äußerlich weitgehend übereinstimmende Formen bilden können? Viel näherliegend scheint mir da ein anderer Gedanke, nämlich daß bei dem RATHKEschen Exemplar der Prozeß der Büschelbildung auf eine höher entwickelte Stufe ge- kommen war. Wir wissen nämlich durch BALFoUR, daß die Appendices des Störes sich ontogenetisch als isolierte Aussackungen der Darmwand anlegen, die erst später einen gemeinsamen Ausführgang durch einen eigentüm- lichen Einbuchtungsprozeß der Darmwand gewinnen. MACALLUM hat die gleiche Entstehungsweise für die Büschel von 464 Eduard Jacobshagen, Lepidosteus nachgewiesen. Die blinden Endstücke entstehen also erst isoliert, dann die Äste und die Haupt- und Mündungs- stämme. Ein weiterschreitender Prozeß der Entwicklung würde auch die drei weiten Mündungsstämme des Störs auf zwei oder einen reduzieren können. Das Büschelsystem rückte in eine höhere Kategorie auf, erhielte einen neuen Mündungsstamm, und die drei alten würden zu Hauptästen. Auf jeden Fall ist die Frage, wie viel Appendices das kom- pakte Organ des Störes bilden, nicht durch die Untersuchung der Mündungen zu entscheiden, wie es RATHKE tat, sondern nur durch die der Endzweige. Es gehört also der Stör zu den Tieren mit sehr vielen Appendices pyloricae und bezeichnet einen sehr spezialisierten Endzweig der Appendices Entfaltung, keines- wegs das Urbild, wie es GEGENBAUR wollte. Der von GEGEN- BAUR angenommene phylogenetische Vorgang einer Einbeziehung der Büschelmündungen in den Darm, wodurch die bei Teleosteern meist unverzweigten Appendices entstanden sein sollen, findet in der Ontogenie keine Stütze, sondern ein gewichtiges Gegenargument. Ontogenetisch sind Einzelschläuche älter, Büschel jünger. Die vergleichende Anatomie aber scheint mir auch keine Anhaltspunkte für den GEGENBAURschen Gedanken zu bieten. Zögen wir aber das hohe Alter der Ganoiden etwa heran, so ist auch das nicht beweisend. In Chondrosteus und Gyrosteus kennen wir zwar alte Chondrosteer aus dem Lias. Aber Acipenser, Crossopholis (Polyodontide) und Lepidosteus kennen wir erst aus dem Eozän. Es sind diese von den alten Ganoiden sehr abweichenden, speziali- sierten Gruppen paläontologisch jünger als etwa Clupea, die Sco- peliden, Stromateiden, Mugiliden, Sphyraeniden, Atheripiden, Mu- raeniden und Perciden, die in der unteren oder oberen Kreide vorkommen, und gleichaltrig mit Engraulis, Trigla, Acanthurus, Naseus, Toxotus, Trachinus, Lophius, und den Pleuronectiden. Es treten also im Eozän bereits sehr viele der Familien auf, teilweise mit gleichem Genera sogar, die heute im Darm- system so sehr divergieren. Wenn wir daraus auch nicht schließen wollen, das Darmsystem jener eozänen Engraulis, Trigla, Acipen- ser, Lepidosteus usw. sei genau so gewesen, so läßt sich doch der entgegengesetzte Schluß auch nicht ziehen. Wir können aus dem Alter der Ganoiden nicht den Schluß ziehen, die bei einem Teil ihrer rezenten, sehr spärlichen Reste zu findende Form der Appendices pyloricae sei ein altes Erbstück eines Organs, das bei allen anderen Fischen rückgebildet sei. Bei solchen Fragen Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 465 spielt die Paläontologie für jetzt und lange hinaus gewiß noch keine wichtige Rolle. Also eine regressive Umbildung von den Zuständen des Störes zu denen etwa der Clupeiden und Salmoniden kennen wir nieht. Ontogenetisch sehen wir nur entgegengerichtete Vorgänge. Zuerst treten an vielen Darmstellen Ausbuchtungen auf, deren Zahl aber nicht ins Ungemessene geht. Bei den Einen später (Gadiden, Scombriformes), bei den Andern schon früher (Lepi- dosteus, Chondrosteer) buchten sich wechselnd große mit Appen- dices besetzte Darmstellen aus, die ältesten künftigen Mündungs- stämme. Die Appendices am Rumpfdarm von Meletta thryssa (Teil II, Textfig. 21) und Chatoessus chacunda (Teil II, Textfig. 39) mögen uns davon ein Bild geben. Wiederholt sich der Vorgang mehrfach, so haben wir ein dreifaches, vierfaches bis fünffaches Büschelsystem vor uns. Bedenkt man die eigenartige Idee (GEGENBAURS, so könnte man zu dem Glauben kommen, als habe der geniale Meister, vielleicht mit gewisser Sympathie für die alte CUVIER-MECKEL- sche Hypothese, hier einmal nicht ausschließlich morphologische Gesichtspunkte walten lassen, Selbst, wenn man, wie GEGENBAUR, an eine Drüsentätigkeit der Appendices denken wollte, die auch bei Acipenser indessen anatomisch nicht nachweisbar ist, muß man nach meiner Meinung angesichts der vor mehr als 25 Jahren durch BALFOUR und MACALLUM festgestellten ontogenetischen Tatsachen davon abkommen, „die Lösung des Apparates in ein- zelne Schläuche“ als phylogenetisches Stadium zwischen den Zu- stand von Polyodon und den der Mehrzahl der Teleosteer einzu- schieben. Was aber die „wichtigen Spuren des früheren Zu- standes“ betrifft, die in einem den Schlauchkomplex der Teleosteer verbindenden Gewebe, oft noch „von Blutgefäßen durchzogen“, bestehen sollen, so wissen wir, daß es sich um die Gefäße der Appendices handelt, denen das Pankreas und viel Fettgewebe an- liegen. Bindegewebe ist hier sehr spärlich entwickelt. Was die Anordnung der Büschel von Appendices am Darm anlangt, so ist am häufigsten eine ringförmige um den Darm- anfang. Manchmal können ein oder mehrere Büschel dahinter eine einreihige Stellung einnehmen, bei anderen Formen treten sogar zwei Längsreihen auf, an jeder Darmseite eine. Interessant ist in letzterem Falle (Chatoessus und Meletta thryssa), daß die Büschel in regelmäßigen Abständen einander gegenüberstehen. Die Ursache dieser segmentalen Stellung dürfte wohl in mecha- 466 Eduard Jacobshagen, nischen Momenten des motorischen Systems liegen, über die wir zurzeit nichts aussagen können. Wie schon früher von Mugil macrolepidotus erwähnt, ist die Büschelbildung, wo sie auftritt, nicht immer die ausschließliche. Es kommen auch bei höherer Büschelbildung fast immer noch einige isolierte, unverzweigte Appendices vor. Das ist bei Gadus und Merlangus ein sehr häufiger Fall und scheint mir zu bekunden, was auch die mikro- skopische Untersuchung lehrt, daß die Büschel nicht ein höheres Funktionsstadium gegenüber einfachen Schläuchen darstellen. Betrachten wir nun noch kurz die Form der Appendices! Sie zeigt sehr große Verschiedenheiten. Minimale Ausbuchtungen der Darmwand finden sich bei Anarrhichas, Pleuronectiden und Gasterosteus gelegentlich. Wenig größer sind die weiten, kegel- förmigen Blinddärme mancher Pleuronectiden, von Zoarces und Hyodon, rundendend die ähnlich weiten und kurzen von Polypterus, Calamichthys, Ammodytes und manchen Acanthopterygiern. Ab- gerundete Enden und größere Länge der Appendices zeigen die meisten Salmoniden und andere. Bedeutend ist die Länge der Gebilde von Heterotis, den Mormyriden und besonders von Ophio- cephalus. Bis zu !/, der Rumpfdarmlänge kann von einzelnen Appendices erreicht werden. Konisch zugespitzt sind die Appen- dices zahlreicher Acanthopterygier, zumal bei großer Blinddarm- zahl findet man das häufig. Wenn manchen Appendices eine leichte, distal gelegene Auftreibung zugeschrieben wurde (Mormy- riden, Heterotis), so mag das auch auf zufälligen Funktionszuständen beruht haben, die mit stärkerer Anfüllung der Organe mit Darm- inhalt verbunden waren. Wie erwähnt, schwankt die Weite der Appendices. Einige sind am Ursprung, nahe der Mündung, so weit wie der Darm, andere erreichen nicht mal !/, des Darm- durchmessers dieser Gegend. Aber nicht allein bei den einzelnen Arten zeigen sich Formunterschiede, kleinere Differenzen bestehen sogar bei verschiedenen Individuen der gleichen Art. So scheinen vielfach ältere Tiere auch relativ entwickeltere Blinddärme zu haben (Perca). Die Muskulatur der Appendices. Die Muskulatur der Appendices ist bis heute so gut wie unbe- kannt, unbekannt wohl deswegen, weil man es nicht für nötig hielt,solch scheinbar einfache und uninteressante Dinge näher zu beschreiben. Wenn ich aus Mangel an für diesen Zweck tadellosen Präparaten über eine sehr große Zahl von Fischen auch davon Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 467 absehe, hier eine allseitig geschlossene Darstellung des motorischen Apparates des Darmes zu geben, so glaube ich doch, daß meine Beiträge zu diesem Thema einiges Interesse beanspruchen dürfen, um so mehr, als sie den Beweis liefern, wie notwendig es ist, an- scheinend so gleichförmige Gebilde doch sorgsam zu betrachten. Die Muskulatur der Appendices pyloricae besteht stets aus glatten Muskelzellen, die in allen Fällen die gleiche Lagerung zeigen. Stets findet sich eine innere Ringmuskulatur und eine äußere Schicht von Längsfasern !. Im übrigen aber herrschen sehr wechselnde Verhältnisse bei den Fischen. Es läßt.sich ge- wöhnlich eine geringe Abnahme der Muskulatur gegen das blinde Ende der Pförtneranhänge beobachten, infolgedessen werden vergleichende Muskeluntersuchungen möglichst gleiche Bezirke zu berücksichtigen haben. Ich wählte etwa die Mitte der Appendices zu Vergleichung. Aber damit sind nun die Schwierigkeiten leider keineswegs behoben, die sich gerade einer Untersuchung der Muskulatur entgegenstellen. Eine Schwierigkeit bietet schon die Fixierung. Gerade die Muskeln werden von der Fixierungsflüssigkeit sehr stark alteriert, was ja allbekannt ist. Die einzelnen Muskelzüge weichen von- einander oder drängen sich stellenweise dicht ineinander usw. Auch glaube ich bemerkt zu haben, daß der Grad der Quellung oder Schrumpfung der Muskeln sehr verschieden ist nach den Fixierungsflüssigkeiten, und ihrer Konzentration. Es wird die Längsmuskulatur oder Ringmuskulatur zweier verschieden be- handelter Tiere sich quantitativ nicht ohne weiteres vergleichen lassen. Man bekommt keine exakten Resultate, sondern nur schwer kontrollierbare Näherungswerte. Vermeidet man die Fixie- rung, so ist die Sache nicht besser, denn auf mechanische Reize reagiert der Fischdarm auch mit Kontraktionen. Das Untersuchungsobjekt zeigt gerade hier niemals die Zu- stände so, wie sie beim Lebenden sind, und es gelingt nicht, den Grad der Abweichung zuverlässig zu erkennen. Wir dürfen uns auch nicht der Hoffnung hingeben, daß die gleiche Fixierungsflüssigkeit überall gleich wirke. Wo mehr Bindegewebe, mehr Blutgefäße im Muskel sind, wird anders fixiert als da, wo weniger sind. So haben Zahlenangaben für die Dicke der Muskelschichten meines Er- achtens nur einen zweifelhaften Wert und ich habe darum auf 1) Nur bei ÜÖyclopterus sah ich innerhalb der Ringmuskel- schicht noch vereinzelte Längszüge von Muskeln, die bei diesem Tier scheinbar konstant vorkommen. 468 Eduard Jacobshagen, sie verzichtet. Selbst bei genauer Angabe der Länge des Tieres und seines Darmes dürften sie wertlos sein. Der Tonus der einzelnen glatten Muskelzellen der Darmmuskulatur ist in vivo fast niemals wohl überall der gleiche und somit muß auch der Endzustand, der auf den Reiz der Fixierungsflüssigkeit einzu- setzen beginnt, sehr ungleich sein, was tatsächlich leicht zu be- obachten ist (s. Teil I, S. 557). Darum dürfen wir auch ver- schiedene Abschnitte eines Darmes hinsichtlich der Muskulatur nur mit größter Vorsicht vergleichen. Regel scheint vielfach zu sein, daß gefüllte Därme sich stärker in Fixierungsflüssigkeiten kontrahieren als leere. Um den vollen Wert der Muskulatur zu erkennen, müßte man eigentlich alle Darmweiten auf eine gemeinsame Weise um- rechnen. Eine enge Appendix — in die nur geringe Darm- Inhaltsmassen eindringen können — braucht nicht die Muskulatur, die manche weite Appendix nötig hat. Man könnte also etwa die Stärke der Muskelschichten auf den Radius der Appendix umrechnen und käme da zu guten Resultaten. Technisch ist das aber ein sehr schwer durchzuführendes Mittel, da die unregel- mäßige Gestalt des Querschnitts eine sorgsame Berechnung er- schwert und die Fehlerquellen der Muskelfixierung doch nicht beseitigt wären. Drum mögen vorerst noch die im Teil II gebrauchten Ausdrücke dünnwandige und dickwandige usw. Appendices ge- nügen um die Quantität der Muskulatur anzugeben. Beachtens- wert ist da die Tatsache, daß die Muskulatur der Appendices pyloricae sehr verschieden dick ist! Weit wichtiger indessen sind wohl andere Dinge, auf die hier, glaube ich, zum erstenmal hingewiesen wird. Das Ver- hältnis der Ausbildung von Längsmuskulatur zur Aus- bildung von Ringmuskulatur ist kein konstantes, son- dern ist starken Schwankungen unterworfen. Läßt schon die Tatsache, daß es dünnwandige und dickwandige Appendices gibt, erkennen, daß die motorischen Leistungen quantitativ in.den Appendices ungleichwertig sind, so verrät die Beobachtung, daß das Verhältnis der beiden Muskelschichten zueinander nicht immer das gleiche ist, daß auch der Modus der Arbeitsleistung sich verschieden abspielen muß. Für die vergleichende Anatomie und die vergleichende Physiologie ist das ein bemerkenswertes Resultat. Es zeigt der Rumpfdarm damit, daß seine Morphologie und Physiologie stark _ Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 469 abhängig ist von der Ausbildung des Kopfdarms und mahnt daran, daß die völlige Lösung der Probleme des Rumpfdarms erst nach denen des Kopfdarms erfolgen kann. Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der Verhältnisse bei einer Zahl von Teleostomen. Annähernd gleiche Ausbildung der Ring- und der Längs- muskelschicht zeigen sehr wenige Formen. Fast genau dürfte dies Verhalten bestehen bei Agonus cataphractus. Minimal überwiegt an Stärke die innere Ringmuskulatur bei Serranus cabrilla, sodann bei Scorpaena porcus, Cottus scorpius und Sphy- raena sphyraena. Weniger als 1!/,mal so dick als die Längs- muskulatur ist die Ringmuskelschicht noch bei Sardinella aurita, Engraulis encrasicholus, Alosa sardina, Coregonus albula, Osmerus eperlanus, Mugil chelo, Anabas scandens, Merlucius merlucius, sowie bei Perca fluviatilis, Acerina cernua, Cepola rubescens, Oblata melanura, Charax puntazzo, Trigla hirundo und Trachinus draco. 1!1/,—2mal so stark ist die Ringmuskulatur bei Scomber scombrus, Trigla gurnardus und Lophius piscatorius. 2—3 mal übertrifft die Ringmuskulatur bei Coregonus oxyrhynchus, Core- gonus maraena, Thymallus vulgaris und Alosa finta die äußere Längsschicht. Bei Ophiocephalus striatus, Rhombus laevis und und Gadus callarias wird vier- bis fünffache Stärke erreicht, sechs- bis siebenfache bei Gadus aeglefinus, Lota lota und Brosmius brosme, sieben- bis neunfach bei Merlangus carbonarius, Merlangus pollachius und Merlangus merlangus. Bei Molva ist die Ring- muskelschicht 11mal so dick als die Längsfaserschicht! Entgegengesetztes Verhalten zeigen andere Fische, die aber an Zahl geringer sind. Bei ihnen besteht auch ungleiches Ver- halten der beiden Muskelschichten, aber an Stärke überwiegt die Längsmuskulatur, wenn auch nicht annähernd in dem Maße wie wir die Ringmuskulatur bei den meisten Gadiden die Längsmuskulatur überwiegen sahen. Kaum erkennbar übertrifft die Längsmuskulatur bei Mugil auratus, Box salpa und auch bei Rhombus maximus die Dicke der Ringmuskelschicht. Bei einem Exemplar dieses Fisches war dagegen der Dickenunterschied recht deutlich. Deutlich beobachtete ich ihn auch bei Dentex vul- garis und mehr noch bei Pleuronectes platessa. Stets aber blieb die Stärke der Längsmuskulatur unter dem 1!/,fachen der Ring- muskelschicht. Betrachten wir wegen der sehr großen Zahl der Fehler- quellen diese Daten auch mit größter Vorsicht, so ist ihnen doch Jenaische Zeitschrift. Bd. LIH. 31 470 Eduard Jacobshagen, aa a DT A ee RM. TE en Textfig. 8. Merlucius merlucius (in der Mitte Schrägschnitt durch einen Venen- Sn stamm). Textfig. 7. Sardinella aurita. Er \ LM. RE a ar nn Textfig. 9. Lota vulgaris. R.M Textfig. 10. Rhombus maximus. SER NREN — 1 L.M. EM RM R.M Er ge Textfig. 12. Molva molva. Re Textfig. 11. Brosmius brosme. L.M SmSBaNN on LM. En a | Aueh au R.M Bene ee Texfig. 13. Dentex vulgaris. Textfig 14. Rhombus laevis. Die Textfiguren 7—14 stellen Querschnittstücke der beiden Muskelschichten von Appendices pyloricae dar. Z. M. bezeichnet die Dicke der Längsmuskel- schicht, R. 47. die der Ringmuskulatur. Es soll das verschiedene Verhalten der Dicke beider Schichten zueinander gezeigt werden. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 471 auf jeden Fall zu entnehmen, daß bei den Acanthopterygiern sehr ähnliche Verhältnisse im allgemeinen bestehen, indem die Differenz der beiden Muskelschichten niemals sehr groß wird. Niemals wird die Ringmuskulatur mehr als doppelt so dick als die Längs- muskulatur, bei Box und Dentex scheint sogar ein geringes Über- wiegen der Längsmuskulatur vorzukommen. Eine Ausnahme bilden hier allein die Pleuronectiden, die sonderbare Befunde darbieten. Pleuronectes platessa und Rhombus maximus zeigen eine spur- weise stärker ausgebildete Längsmuskulatur, während bei Rhombus laevis die Ringmuskulatur vier- bis fünfmal so dick ist als die Längsmuskelschicht (Textfig. 10 u. 14)! Unter den Pere- soces schließen sich Sphyraena, Mugil und Anabas eng den Acanthopterygier-Verhältnissen an, während bei Ophiocephalus bereits starkes Prävalieren der Ringschicht auffällt. Die Mala- copterygier besitzen eine stärkere Ausbildung der Ringschicht allgemein, die bis zu dreimal überwiegen kann, aber ich vermute fast, daß meine Maße durch Fixierungseinflüsse im einzelnen hier besonders wenig sicher sind. Sollte die Differenz bei zwei nahe verwandten Tieren wie Alosa sardina und Alosa finta oder bei den Coregonus-Arten im Leben in der Tat bestehen? Sehr ein- mütig ist das Verhalten der Muskulatur bei den Gadiden. Ein mindestens fünffaches Überwiegen der Ringschicht besteht hier, das bei den Merlangus-Arten etwa achtfach, bei Molva sogar llfach wird. Aus der Reihe heraus fällt hier nur Merlucius (vgl. das unten über das Schleimhautbindegewebe und die LIEBER- KÜHN schen Drüsen Gesagte). Vergleichen wir nun diese Befunde mit denen am Rumpf- darm derselben Tiere, so ergibt sich da eine weitgehende Über- einstimmung, soweit das bei der Schwierigkeit exakter Messungen erwartet werden kann. Dieselben Tiere, die die Ringmuskulatur die Längsmuskelschicht in den Appendices so vielfach überwiegend zeigten, hatten gleiche Verhältnisse auch im Rumpfdarm und zwar im Mitteldarmabschnitt, nicht immer aber im Enddarm. So ist bei den Gadiden im Enddarm das Verhältnis der Längs- und Ringschicht lange nicht so abweichend. Die Längsfaserschicht ist dicker als im Mitteldarm und zwar ist die Ringschicht höchstens vier- bis fünfmal so dick als die Längsschicht. Am Enddarm scheint sehr häufig eine leichte Abweichung vom Mitteldarm durch Zunahme der Längsmuskulatur zu bestehen, wenngleich ich diese Angabe vorerst nur sehr mit Vorsicht machen möchte. Die lange Beschäftigung mit dem Fischdarm warnt mich, vor- 31* 472 Eduard Jacobshagen, eilige Schlüsse ziehen zu wollen. Diese Fragen würden durch vorherige Ausarbeitung einer geeigneten Fixierungstechnik wesent- lich gefördert werden können. Ich weise nochmals auf die enorm zahlreichen Fehlerquellen hin, die vergleichenden Muskelmessungen im Wege stehen. Eine Entleerung der vielleicht am besten erst dann zu lähmenden Därme würde wohl jeder genauen Fixierung vorangehen müssen. Da alle derartige Dinge bei meinem nun meist alten Material leider nicht rechtzeitig sorgfältig beachtet sind, kann es leider gründlicher Aufklärung der fraglichen Ver- hältnisse nur mangelhaft dienen. Fassen wir kurz zusammen, was der Aufbau der Muskulatur der Appendices pyloricae uns lehrt, so können wir mit Sicherheit sagen: die Muskulatur ist quantitativ bei den einzelnen Fischen sehr verschieden entwickelt, daneben aber auch qualitativ. Die innere Ringmuskelschicht ist bei vielen Arten in den Appendices der Längsmuskelschicht an Stärke ziemlich gleich oder zwei- bis dreimal höchstens so stark, bei anderen aber (Gadiden) wird bis- weilen Il fache Längsmuskelschichtdicke erreicht. Es folgt hieraus, daß die Funktion der Muskulatur quantitativ und qualitativ sehr verschieden sein muß. Bei einem Vergleich mit dem Darm er- gibt sich, daß die Muskulatur der Appendices mit der des Mittel- darms weitgehend oder völlig qualitativ übereinstimmt. Das Verhältnis der Muskelschichtenstärke ist das Gleiche! Quantitativ dagegen bestehen je nach der Weite und Größe der Appendices Differenzen gegen den Darmbefund. Wir dürfen daraus wohl den berechtigten Schluß ziehen, daß die mechanische Leistung der Appendices von der des Mitteldarmes nur quantitativ, nicht aber qualitativ unterschiedlich ist. Das Relief der Schleimhautoberfläche der Appendices. Der Betrachtung der Muskulatur der Appendices pyloricae folgt die der Schleimhaut. Wir wollen zunächst ihr Relief ins Auge fassen und hernach die mikroskopisch-anatomische Unter- suchung anschließen. Im zweiten Teile der Untersuchungen über das Darm- system der Fische und Dipnoer habe ich unter anderem auch die Materialien zu einer Reliefvergleichung der Schleimhaut geliefert. Jetzt gilt es, Schlüsse aus diesem Material, das inzwischen teil- weise vervollständigt wurde, zu ziehen (vgl. Textfig. 15—33). Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 473 Ein einfaches Faltennetz findet sich in den Appendices pyloricae von Calamichthys, Polypterus, Lepidosteus, Sphyraena, Gadus, Merlangus, Molva, Brosmius, Merlucius, Perca, Acerina, Aspro, Serranus, Cepola, Oblata, Box, Charax, Pagellus, Brama, i h 1 Nr Textfig. 15. Polypterus bichir. Textfig. 16. Perca fluviatilis. Obj. 2, Ok. 2. Leitz. Obj. 2, Ok. 3. Leitz. Textfig. 17. Molva molva. Textfig. 18. Merlucius merlueius. Obj. 1, Ok. 3. Leitz. Obj. 1, Ok. 3. Leitz. Reliefs der Schleimhautoberfläche in den Appendices. Pleuroneetes, Rhombus, Echeneis, Cottus scorpius, Agonus, Trigla, Trachinus und Lophius. Entweder ist es ganz einfach oder mit kleinen Fortsätzen am freien Rande versehen. Osmerus und Gasterosteus haben ein apart gebautes Netz. 474 Eduard Jacobshagen, Lota, Cottus gobio und groenlandicus, Hemitripterus, Cycelop- terus, Trigla, Uranoscopus, Scaphirhynchus und Acipenser haben dagegen ein Doppelnetz. Ein mehr oder minder vollständiges dreifaches Netz besitzen Lueioperca und Polyodon. Textfie. 19. Percide (nicht näher Textfig. 20. Box boops. bestimmt). Obj. 2, Ok. 3. Leitz. Textfig. 21. Pleuronectes micro- Textfig. 22. Pleuronectes platessa. cephala. Obj. 2, Ok. 3. Leitz. Obj. 1, Ok. 3. Leitz. Reliefs der Schleimhautoberfläche in den Appendices. Längsfalten kommen zu: Clupea, Meletta, Sardinella, Alosa, Salmo, Coregonus, Thymallus, Ophiocephalus und Scomber. Während bei ÖOphiocephalus ziemlich oft, seltener noch bei Thymallus, Clupea, ‚Meletta und Sardinella, schräge oder quere Verbindungs- äste zwischen den Längsfalten angetroffen werden, vermißt man Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 475 sie bei Alosa, Salmo, Coregonus und Scomber scheinbar immer gänzlich. Wenn ich bei Heterotis Ehrenbergii eine spiralige Falten- anordnung fand, notiert hier Hyrrır, der sicherlich ein weniger Textfig. 23. Pagellus centro- Textfig. 24. Pagellus centrodontus. dontus. Obj. 1, Ok. 3 Leitz. Obj. 2, Ok. 3 Leitz. Textfig 25. Cottus groenlandieus. Textfig. 26. Cottus gobio. Obj. 1, Ok. 3 Leitz. Obj. A, Ok. 3 Zeiss. teliefs der Schleimhautoberfläche in den Appendices. zerstörtes Tier vor sich hatte, daß eine Netzstruktur im Relief der Appendices deutlich zutage träte. Zotten hat Mugil in der Appendices. Bei Mugil cephalus zeigte abweichend davon eine einzige Appendix ein flaches, glatt- 476 Eduard Jacobshagen, randiges Netzrelief. Auch Zoarces und Ammodytes zeigten zotten- ähnliche Fortsätze in den Pförtneranhängen. Das Relief der Appendices ist bei den einzelnen Arten also sehr verschieden. Wie verhält es sich nun zum Darmrelief, aus Textfig. 27. Scaphirhynchus ca- Textfig. 28. Hemitripterus aca- taphractus. Obj. 2, Ok. 3. Leitz. dianus. Obj. 1. Ok. 2 Leitz. Textfig. 29. Hemitripterus aca- Textfig. 30. Acipenser ruthenus. dianus. Obj. 2, Ok. 3 Leitz. Obj. 2, Ok. 3 Leitz. Reliefs der Schleimhautoberfläche in den Appendices. dem es sich entwickelt? Diese Frage ist von großem Interesse, da sie uns eventuell einen Hinweis auf die Funktion der Pförtner- anhänge gestattet. Es zeigt sich da, daß es Tiere gibt, bei denen das Relief der Pförtneranhänge fast bis ins Kleinste übereinstimmt mit dem Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 477 des Rumpfdarms an seinem Anfange. Das ist z. B. der Fall bei Polypterus, Osmerus, Gasterosteus, manchem Gadus und Merlangus, Motella, Merlucius, Serranus, Cepola, Box salpa, Rhombus, Pleuro- nectes, manchem Cottus, bei Trachinus und Zoarces. Bei anderen stimmt es mit einer Darmreliefstelle, etwa der Mitteldarmmitte, überein, so bei Le- pidosteus, Ophiocephalus, einem der untersuchten Exemplare von Perca, bei Aspro, Charax und Echeneis. Hier ist das Appendicesrelief weniger hoch und einfacher. -Stimmte bei der ersten Fisch- gruppe das Relief der Appendices mit dem des Darmanfanges, bei der zweiten mit dem eines späteren Mitteldarm- abschnittes fast völlig überein, so bietet eine eur Gruppe Anschlüsse EP ARD an hernach näher zu betrachtende For- Obj. 2, Ok. 3. Leitz. Textfig. 32. Mugil auratus. Textfig. 33. Mugil cephalus. Obj. 2, Obj. 2, Ok. 3. Leitz. Ok. 3. Leitz. (Nur Zotten hell.) Reliefs der Schleimhautoberfläche in den Appendices. mationen. Schon in unserer zweiten Gruppe zeigt sich hier und dort mal eine leichte Abweichung vom Darmrelief, die Fische der dritten Gruppe zeigen dies allgemein. wenngleich diese Ab- weichungen noch niemals die große Darmähnlichkeit verwischen. 478 Eduard Jacobshagen, Den dritten Relieftyp fand ich bei Sphyraena, Lota, Molva, Bros- mius, einem Exemplar von Perca, bei Lucioperca, Acerina, Oblata, Box boops, auch Cottus, Hemitripterus, Agonus, mancher Trigla, bei Uranoscopus, Lophius und Acipenser. Diese Abweichungen vom! Darmrelief bestehen 1. darin, daß das Relief eine Tendenz zur Vergrößerung der Schleimhaut- oberfläche zeigt. Das sah ich bei Acipenser, Lota, Sphyraena, Oblata, Cottus, Perca, Lucioperca, Hemitripterus, Trigla, Uranos- copus und Lophius. Hier finden sich allgemein engere aber nicht höhere Netze. In einigen Fällen — stets handelt es sich um Netze — kommt es zu einer Differenzierung einzelner Falten, deren einige höher als die anderen werden, und so ein Doppel- netz oder gar ein dreifaches erzeugen. Bisweilen wird die Ober- fläche auch durch freie Fortsatzbildungen vergrößert (mancher Box boops s. Textfig. 20), die entwederim Darm ganz fehlen können (Agonus) oder dort weniger zahlreich und hoch entwickelt sind (Brosmius, Acerina). In wieder anderen Fällen sind die Falten des Reliefs in den Appendices selbst wieder gefältelt (manche Exemplare von Box boops). Demgegenüber bringt die 2. Form der Reliefabweichungen absolut gerechnet eine geringe Vereinfachung gegenüber dem Darm. Das sah ich sehr selten nur und auch nicht konstant, so bei Molva und manchem Gadus, Merlangus, Cyclopterus und Scaphirhynchus Hier wurden die Maschen weiter, die Falten spärlicher und niedriger als im Darm. Diese Vereinfachung ist nur unbedeutend, aber doch wohl sehr beachtenswert. Alle Tiere, die sie zeigten, hatten sehr viele Appendices und den, Büscheltypus. Das Bestreben des Schleimhautreliefs der Appendices, gegen- über dem Darm sich selbstständig auszubilden, ist beim vierten Typ am stärksten ausgeprägt. Hier ist das Relief sehr verschieden von dem des ganzen Rumpfdarms. In einem Fall, bei Brama, besteht nach VALENCIENNES in den Appendices ein Netzwerk, im Darm aber findet man konische, borstenartige, ziemlich lange, engstehende Papillen. Bei den meisten, wie bei Clupea, Me- letta, Sardinella, Alosa, Salmo, Coregonus und Thymallus, kommen Längsfalten vor, während im Rumpfdarmanfang ein ein- faches, selten doppeltes Netz auftritt, das oft lappige Anhänge zeigt, im späteren Darm aber, mit Ausnahme von Scomber, überall Ringfalten bestehen. Können wir eine Ursache für alle Momente der Schleimhaut- differenzierung in den Appendices finden’? Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 47% Ich muß hier einen Augenblick auf die Ausführungen zurück- kommen, die ich im I. Teil dieser Untersuchungen (S. 549 — 565) gemacht habe. Damals stellte ich den Satz auf, daß alle Rumpfdarm- reliefs sich im letzten Grunde aus einem einfachen Netzwerk herleiteten, wie es bei der Mehrzahl der Fische noch verbreitet ist. Ich wies darauf hin, dab dises Netzrelief auf keinen Fall von speziellen Faktoren der Ernährung abhängen könne, sondern -daß seine allgemeine Verbreitung den schlagenden Beweis liefere, daß nur eine allgemeine Ursache dieser Gestaltung zugrunde liegen müsse. Diese Ursache fand ich in dem motorischen Apparat des Darmes und seinen Leistungen. Die kaum elastische Darm- schleimhaut mußte sich den mannigfachen Zuständen des mo- torischen Apparates anpassen. Letzterer wird von einer inneren Ringmuskulatur und einer äußeren Längsmuskulatur gebildet, die proportional nicht überall gleichentwickelt sind und damit schon die verschiedenartige Tätig- keit des Darmes bei verschiedenen Tieren deutlich anzeigen. Ein leerer Darm wird einen mittleren Muskeltonus seiner Wände besitzen, die Schleimhaut ist zu groß, sie faltet sich darum. Sie faltet sich längs, damit sie einer Querdehnung folgen kann, sie faltet sich quer, damit sie einer Längsdehnung des Darmes nachgibt. Zieht sich die Ringmuskulatur intensiver zusammen, so treten die Längsfalten höher hervor, eine Kontraktion der Längs- muskulatur wölbt die Querfalten stärker. Bei starker Darmfüllung aber flachen Längs- und (Querfalten, die zusammen ein Netzwerk bilden, ab und zwar bei Längsdehnung mehr die queren Falten, bei Dehnung der Ringmuskelschicht mehr die Längsfalten. Daß eine solche Veränderung des Reliefs je nach den Darmfüllungen auftritt, kann man leicht beobachten. Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß auch bei starker Darmfüllung immer noch eine Spur des Reliefs erhalten bleibt, denn daß die Darmreliefs kon- stant sind, ist ja bekannt!). Betonen aber möchte ich, daß die konstanten Reliefs stark abgeflacht werden bei stärkerer Darm- füllung und dabei darauf hinweisen, daß die Ösophagusreliefs z. B. auch zum großen Teil konstant sind. Ich möchte das des- halb hervorheben, weil von manchen Seiten behauptet ist, die des 1) Bei Amphibien, über deren Rumpfdarmschleimhautrelief ich in Kürze eine kleine Abhandlung veröffentliche, steht das Relief in vieler Hinsicht auf tieferer Stufe als bei allen Fischgruppen. Es ist nicht allgemein konstant geworden. 480 Eduard Jacobshagen, Ösophagus z. B. seien inkonstant. Bisweilen ist das zwar der Fall, so bei vielen Säugetieren, bei Fischen ist es meistens aber anders. Ich muß es darum verurteilen, wenn manche Gegner der auf jeden Fall geistreichen Theorie EDINGERS, die seit 40 Jahren Anregungen gebracht hat, und die meines Erachtens erst dann ganz zu altem Eisen zu legen ist, wenn man sie durch Besseres ersetzen kann, sich zu solch seltsamen Aufstellungen verstanden. Indem wir nun die motorischen Verhältnisse des Darmes für die Ausbildung des Grundbaues der Darmschleimhaut ver- antwortlich machen, haben wir noch zu erklären, warum das Relief der Darmschleimhaut konstant ist. Dafür habe ich im Jahre 1911 Erklärungen zu geben ver- sucht. Jedenfalls hat der Gefäßapparat der Darmschleimhaut hier eine entscheidende Rolle gespielt. Der Gefäßapparat konnte nur zu größerer Entfaltung kommen, wo stabilere Verhältnisse bestanden. | Wenn eine Längsfalte bald hier, bald aber da auftrat, wenn die Lage der Querfalten nicht immer am gleichen Ort war, konnte kein großer Gefäßapparat sich entwickeln. Nun wird niemand den unmethodischen Schritt verlangen, anzunehmen, das zu er- reichende Ziel habe als morphogenetischer Reiz gewirkt. Nein, aber wir werden sogleich eins erkennen, daß eine gleichmäßige Ernährungsweise mit gleichen Füllungszuständen immer ein gleich- lokalisiertes ephemeres Relief erzeugen mußte, das dann die Ent- faltung eines komplizierten Gefäßapparates gestattete. Tiere mit gleichmäßigen Füllungszuständen des Darmes hatten auch einen besseren Gefäßapparat und nutzten darum die Nahrung auch resorptiv besser aus. Die Auslese mußte sie vor anderen erhalten. So läßt sich aus der gleichmäßigen Muskeltätigkeit und den Bedürfnissen des Gefäßapparates wohl erklären, warum im Darm überall konstante Reliefs vorkommen. Nicht ganz unmöglich wäre es, daß auch die Maschenanordnung und Form mitabhängig wäre von mechanischen Ursachen. Vorerst, solange man die mechanischen Gesetze der Peristaltik nicht kennt, wäre es denkbar, daß die Arbeit der Muskelschichten so erfolgt, daß regelmäßige Schwingungsknotenpunkte der Kontraktionswellen entstünden, die Ruhepunkten entsprächen. Die Ruhepunkte würden den Netzecken entsprechen. Auf diese Idee, die vorläufig schwer beweisbar sein wird, kam ich durch die offenbar ganz gesetzmäßige Anordnung des Fibrins auf dem Perikard bei exsudativer Pleuritis des Menschen Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 481 (Cor villosum), deren Erklärung kaum anders als rein mechanisch sein kann. Muskeltätigkeit und Gefäßapparat sind die Dinge, welche sich im Reliefbau weiterhin deutlich spiegeln! Befand sich einmal ein Schleimhautnetz immer an gleicher Stelle, so lag in der Basis. der Falten die gegebene Bahn der Blut- und Lymphgefäße, und ganz besonders die Netzknotenpunkte mußten eine Rolle über- nehmen, denn hier war der geschützteste Ort. Sodann begünstigten besonders hohe Netzecken die Resorption und gaben darum der Auslese Richtung. So lassen Netzecken Fortsätze hervorgehen, die als Resorptionsorgane große Bedeutung gewinnen und physio- logische Äquivalente der Zotten darstellen. Bei anderen Tieren gehen von der Basis der Netzfalten kleinere, gefäßführende Fältchen ab (s. Teil II. S. 756 u. 639), die auf die Art die resorbierende Fläche vermehren, oder die Netzfalten verlaufen geschlängelt, sind gefältelt (s. Teil II, S. 702) mit gleichem Erfolg. Motorischen Einflüssen begegnen wir auch noch sonst viel im Relief. Wir wollen einige der wichtigsten hervorheben, die nach meiner Ansicht für das Verständnis des Appendicesbaues von Bedeutung sind. Ein Blick auf die im II. Teile ausgiebig geschilderten Darm- reliefs läßt uns teilweise erhebliche Abweichungen vom alten Netzwerk erkennen. Hier und dort, zumal an Rumpfdarmanfängen, sind die Netzmaschen stark in die Länge gezogen, daß man (Malopterurus) anfangs glauben könnte, man habe nur Längsfalten vor sich. Erst weiterhin werden die Maschen kürzer und tritt das Netzwerk deutlich hervor. Ein zweiter Typus zeigt umgekehrt Ringfalten überwiegen. Das ist besonders häufig der Fall bei Clupeiden und Salmoniden. Diese Anordnung pflegt erst gegen den hinteren Darmabschnitt platzzugreifen, geht aber oft vorn und hinten kontinuierlich und allmählich in ein Netzwerk über. Eine dritte Hauptrichtung der Schleimhautentwicklung führt zur Zottenbildung. Ich habe in Teil I und II ausgeführt, daß diese Zotten wohl immer aus Netzecken hervorgegangen sind, wo- bei gleichzeitig die übrigen Netzteile sich mehr minder vollständig zurückbildeten. Solche Übergänge von Netzecken in Zotten stellte ich auch photographisch dar (Teil II, S. 533). Worin liegt das Wesen der drei Bildungen? Ein starkes Prävalieren von Längsfalten gestattet zweierlei. Einmal eine stärkere Querdehnung des Darmlumens. Es können also auf einmal große Speisemengen in den Darm aufgenommen 482 Eduard Jacobshagen, werden. Tatsächlich findet man ein Überwiegen von Längsfalten fast ausnahmslos am Darmanfang, wo die Verhältnisse dafür am ersten gegeben sind. Nie finden sie sich am Mitteldarmende allein, meist überwiegen sie im Netz hier nicht mal die Schräg- und Querfalten!). Aber die Längsfalten haben noch einen anderen Vorzug. Das Darmrelief der Fische ist konstant, es bleibt also immer ein niedriges Relief bestehen! Infolgedessen bilden quere und die viel häufigeren schrägen Falten ein Hindernis für die Fortbewegung der chymösen Massen. Es liegt auf der Hand, daß eine geringe Ausbildung von schrägen und queren Falten also eine geringere Muskelleistung in dem betreffenden Darmteil zur Folge hat. Man wird mir vorhalten, daß ja aber am Rumpfdarmanfang gerade die stärkste Muskulatur sei. Gewiß ist das so, aber hier ist auch die größte Darmweite, hier ist eine größere Inhalts- masse fortzuschaffen als später, wo bereits ein Teil der Nahrung resorbiert ist, infolgedessen muß darum hier eine starke Musku- latur erwartet werden. Wenn sich nun ein mathemafisches Ge- setz in den Beziehungen zwischen Faltenhöhe und Muskulatur auch nicht ergibt — bei einem konstanten Relief ist das auch‘ nicht zu erwarten, denn es bleibt ja ein verschieden entwickelter, nicht verstreichender Rest bestehen — so ist doch die Tatsache, daß die Reliefs vorn höher sind als hinten, beachtenswert genug. Der resorbierende, am meisten ins Darmlumen vorragende Reliefteil, der an der Abflachung bei starkem Füllungszustand nicht mehr teil- nimmt, kann gerade am Darmanfang besonders wichtig sein, da hier die stärkste Resorption erfolgen wird. Ein hohes Längsfalten- relief am Darmanfang bietet somit auch, zumal bei mäßiger Darmfüllung, günstigste Chancen für die Resorption. Bequeme Anpassungsfähigkeit an starke Füllungszustände, geringe An- forderung an die Ausbildung des motorischen Apparates und eventuell günstige Resorptionsverhältnisse sind die Vorzüge eines Längsfaltenreliefs. Nach diesem Prinzip gebaut sind aber die Appendices-Reliefs der Clupeiden, Salmoniden und von Scomber. Rasch können sich die Pförtneranhänge stark mit chymösen Massen füllen, denn die hier relativ recht hohen Längsfalten lassen günstige Resorption zu, und der Entleerung der Organe stellen keine Querfalten ein Hindernis in 1)‘'Das Verhalten des Mitteldarmreliefs ist bei Amphibien in diesen Dingen fast entgegengesetzt. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 483 den Weg. Die genannten Tiere haben durchweg eine größere, teilweise sehr große Zahl von Blinddärmen. Trotz der im ein- zelnen vielleicht nicht besonders erheblichen Oberflächenvergröße- rung, die etwa ein feines dreifaches Netz weit überbieten könnte, ist die Gesamtvergrößerung der Darmfläche durch die vielen Appendices doch eine ganz riesige. Die Verstärkung der Darm- muskulatur im Bereich der Appendicesmündungen, die gelegentlich wahrnehmbar ist, bringt die Arbeitsteilung des offenbar haupt- sächlich resorbierenden Apparates der Appendices und des an dieser Stelle bei Appendicesvorkommen wohl mehr motorisch tätigen Darmes zur Anschauung. Betrachten wir nun einmal die Querfaltenreliefbildung näher. Sie weist deutlich auf eine Anpassung an die Längs- muskulatur des Darmes hin und das tut sie um so mehr, als sie bei der Mehrzahl der Fische, bei der sie sich findet (Clupeiden, Salmoniden). den hinteren Darmabschnitt betrifft, der sicherlich als eine wesentliche Funktion die der Kotaustreibung besitzt. Leider sieht man sich dank der fast immer noch aus- schließlich angewandten experimentierenden Methode der Physiologie ohne genügende Materialien für eine klare Einsicht in die motorischen Darmfunktionen, die auf dem Wege exakter Beobachtung und erst in zweiter Linie auf nachfolgender experimenteller Nachprüfung zu gewinnen wäre. Hier will ich nur einige spärliche Angaben machen, die mehr anregend wirken können, als daß sie wertvolle Resultate darstellen. Die motorischen Leistungen des letzten Rumpfdarmabschnittes, der ja keineswegs bei Fischen allgemein als Enddarm differenziert ist, sind offenkundig sehr ungleich. Das bezeugt schon die Tatsache, daß viele Fische wie z. B. die Cypri- niden überhaupt keinen Enddarm haben oder eine spezifische Ausbildung des Rumpfdarmendes, während andere einen mit kräftiger Muskulatur und einem abweichenden Relief versehenen Enddarm aufweisen, den eine oft sehr mächtige BauHınsche Klappe vom Mitteldarm trennt. Dem abweichenden anatomischen Bau muß selbstverständlich eine verschiedene physiologische Funktion ‚der betreffenden Darmteile zugrunde liegen. Worin diese besteht, ist noch unklar. Bei der Mehrzahl der Aquarienfische erfolgt scheinbar die Defäkation in kleinen Kotballen, die ziemlich plötzlich entleert werden, bei anderen erscheinen langsam größere Säulen von Kot, bei wieder anderen sieht man, wenn man sie fängt, mit einem Ruck den Darm sich mächtig entleeren, so daß man denken kann, hier läge, vielleicht nur bei Chockwirkung, etwas vor wie die 484 Eduard Jacobshagen, ‚in den letzten Jahren beim Menschen besonders von HOLZKNECHT studierten blitzartigen Dickdarmkontraktionen. Wenn bei Cypriniden gar keine mechanische Vorrichtung sichtbar ist, die bei der Kotaustreibung, zumal der ruckweise er- folgenden, eine Rückstauung des Kotes verhindert, so sollte man hier fast gleichmäßige peristaltische Wellen beider Muskelschichten erwarten. Schwerlich wird der Kot eigentlich geballt werden können, sondern die jeweils aufgenommenen Nahrungsmassen müssen wohl in langsamem gleichmäßigem Tempo den Darm passieren. Wo sich Enddärme finden, sind nicht nur die Muskulaturverhältnisse ungleich, sondern auch der Bau der Enddarmklappe ist verschieden, die Klappe ist oft trichterförmig und kann darum rein passiv schon geschlossen werden durch Kotstauung, oft aber wird auch nur ein flacher Ringwulst gebildet, dessen Verschluß sicher aktive Muskeltätigkeit erfordert. In Enddärmen begegnen wir nun niemals Querfalten, letztere trifft man nur in typischer Ausbildung, wo ein Enddarm nicht ausgebildet ist, und da nicht überall. Auch unterscheiden sich scheinbar Salmoniden und Clupeiden wieder von einander. Zwar findet man bei beiden die im II. Teil be- schriebenen, sich dachziegelartig deckenden Querfalten, die bei einer Bewegung der Speisen von vorn nach hinten sich nieder- legen und freie Bahn lassen, bei umgekehrter Bewegung aber ein schweres Hindernis dem Inhalt bieten müssen; aber während bei Salmoniden vor dem Anus eine kleine querfaltenlose Ampulle besteht, scheint bei den Clupeiden das Querklappenrelief bis zum Anus sich fortzusetzen. Sicherlich ‘dient bei beiden Familien das Quer- faltenrelief der Kotaustreibung, aber während in der ampullen- artigen Ausweitung der Salmoniden eine Kotansammlung erfolgen kann, muß bei Clupeiden eine mehr gleichmäßige Kotaustreibung erwartet werden. In den Appendices pyloricae kommt diese Form der Relief- ausbildung nicht vor und das ist ja auch begreiflich. Zwar könnten die chymösen Massen in die Pförtneranhänge hinein, aber sehr schwer wieder heraus. Letzteres aber ist erforderlich, denn wenn auch ein großer Teil des Inhaltes der Appendices sicher bereits verdaut und resorptionsfähig ist, so gelangen doch be- stimmt auch unverdaute und oft auch unverdauliche Substanzen in die Appendices!), deren Verbleib das Leben des Tieres gefährden 1) Bei Mugil traf ich z. B. oft Sand in den Appendices pylo- ricae wie im Darm. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 485 müßten. Ein Relief der bezeichneten Art würde also in den’ Appendices von der natürlichen Auslese niemals erhalten werden. Nur ein einziges Tier zeigt in seinen Appendices ein Netzrelief mit hervortretenden Querfalten: Gasterosteus aculeatus. Aber die minimalen Appendices dieses Tieres stellen bei rein seitlicher Anordnung mehr Buchten dar, in der verschiedene Stromrichtungen kaum in Frage kommen können, wie sie in längeren Blindsäcken notwendig entstehen müssen. Die Tendenz des Reliefs, Zotten zu bilden, ist für die Appendices weit wichtiger. Zotten sind hervorragende Resorptions- apparate, deren breitere, bei Darmdehnung flach verstreichende Basis den oben genannten Elastizitätsmißverhältnis von Schleim- haut und Muskulatur Rechnung trägt. Aber ebenso wichtig viel- leicht wie für die Resorption sind die Zotten für die motorischen Leistungen eines Darmes und darauf möchte ich besonders hin- hinweisen. Schon RupoLpHı lehrte, daß die Zotten der Fische sich aus einem Netzwerk entwickelten und 1824 sehen wir auch RATHKE teilweise wenigstens gleiche Ansichten vertreten. Bei Belone bemerkte er, „daß durch den größten Teil des Darm- kanales auf dem Netzwerke stark vorspringende Zotten aufsaßen, an etlichen Stellen des Darmes aber das Netzwerk gänzlich ver- schwunden war und an dessen Statt nur Zotten, untermischt mit kurzen, am Rande ein oder etliche Mal eingeschnittenen und einzeln dastehenden Falten vorkommen.“ Im I. Teil dieser Untersuchungen und mehr noch im II. habe ich selbst auf Grund meiner Beobachtungen in einer Reihe von Fällen nachzuweisen versucht, daß die Zotten aus Netzecken entstehen. Die Zotten haben sich aus konstanten Netzen um- gebildet. Es mußte also Hand in Hand mit der Ausbildung der bereits zottenähnlichen Netzecken eine Rückbildung der Falten des Netzwerkes erfolgen. Wodurch läßt sich dies Schwinden der Falten nun begründen? Ich denke sehr einfach dadurch, daß die motorische Leistung im Darm wesentlich sinken kann, wenn nicht mehr der Widerstand des Darminhaltes in der Darmschleimhaut zu groß ist. Da nun das Netz bei Fischen nie verstreicht, sondern mindestens als flaches Leistenwerk das Schleimhautniveau über- ragt, besteht stets ein Hindernis, das natürlich geringer wird, wenn entweder die Querfalten und Schrägfalten gegenüber den Längsfalten zurücktreten, oder mehr noch, wenn auch in den Längs- falten große Lücken auftreten, wenn Zotten allein stehen bleiben. Nur einen Nachteil dürften Zottenreliefs haben: daß nämlich die Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 32 486 Eduard Jacobshagen, Dehnungsfähigkeit des Darmes doch eine geringere ist als bei Faltennetzreliefs. So scheint bei echten Zotten denn auch die Muskulatur des Darmes im ganzen schwächer zu sein, wenn- gleich betont werden muß, daß Muskelstärke des Darmes und Dehnungsfähigkeit nicht unbedingt einander ganz entsprechen müssen. Die Dehnungsfähigkeit gestattet das Aufnehmen großer Nahrungsmassen auf einmal, eine starke Muskulatur ein Vorwärts- bewegen eines bisweilen auch trägen Darminhaltes noch dazu. Eine Steigerung der Verdauung, eine gründlichere mechanische und chemische Zerlegung im Kopfdarm kann dem Rumpfdarm wesentliche Arbeit ersparen. Man tut gut, das wechselvolle Spiel der Kräfte ständig im Auge zu haben, wenn man solche Gebilde wie Darmreliefs vergleichend würdigen will. Es ist noch nicht mal gesagt, ob Dehnungsfähigkeit und Inhaltstransport die einzigen Leistungen der Darmmuskulatur sind. Ist es doch sehr wohl denkbar, daß namentlich am Darmanfang andersartige Be- wegungen stattfinden, die eine stärkere Durchsetzung des eben aus dem Magen hervorgetretenen Inhaltes mit den Sekreten von Leber und Pankreas herbeiführen ähnlich wie im Magen. Ein dunkles, kaum betretenes Gebiet liegt hier dem Physiologen offen, das dem anatomisch geschulten Beobachter wertvolle Aufschlüsse bieten dürfte. Wenn wir nun sowohl bei den höheren Fischen wie auch bei den höheren Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren nicht allgemein Zotten, oder doch wenigstens eine Tendenz zur Zottenbildung antreffen, so darf-uns das nicht befremden. Wenn auch das Netz die älteste Reliefform des Mitteldarms der Wirbel- tiere darstellt, aus dem Längsfaltenreliefs, Querfaltenstrukturen, Zotten usw. sich ableiten lassen, die Zotten also morphologisch eine höhere Stufe repräsentieren, so ist andererseits die Er- reichung dieses Zieles keineswegs mit der allgemeinen Höher- entwicklung der Tiere unmittelbar verknüpft, was leicht ein- zusehen ist. Eine Erleichterung der Passage bedeutet auch ein leichteres und schnelleres Passieren, eine Erschwerung aber der Resorption. Fraglos kann die Resorptionsfähigkeit der Zotten nicht ins Ungemessene gehen. Es wird also, wenn im Lauf der Stammesgeschichte allmählich ein Nahrungswechsel z. B. sich vollzog von leichter verdaulicher zu schwerer verdaulicher Nahrung, leicht dasjenige Tier den Vorzug gehabt haben, dessen Relief dem Passieren der chymösen Mengen einen größeren Widerstand entgegensetzte. Hatte dies Tier etwa Zotten, so konnte zweierlei Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 487 eintreten, a) es konnte der Darm länger werden, b) es konnte sein Relief sich zurückbilden, so daß es dem ,Netzcharakter sich näherte, oder direkt wieder netzförmig wurde. Welcher Fall eintrat, wird verschieden gewesen sein. Speziell der erste Fall konnte nur eintreten, wenn die Bauchhöhle dem Raum gab. Bedenken wir dazu, daß eine Hilfseinrichtung in einer Steige- rung etwa der Magenverdauung und des Gebisses (Wieder- käuer!) auch erstehen konnte, so wird uns klar, daß die Darm- phylogenie kein einfaches Stammbaumschema als Vergleichsobjekt benutzen kann, sondern daß nur umfassende Betrachtungsweise die viel verschlungenen Pfade der Geschichte des Rumpfdarms der Wirbeltiere wird näher treten können. Auch das Blinddarm- problem wird trotz aller Spezialarbeiten ohne jene Betrachtungs- weise niemals zu Ende geführt werden. Gerade der Rumpfdarm muß in seiner Ausbildung von hunderten von Faktoren beeinflußt werden. Vor solchen Problemen aber steht dann noch das ganze Gebiet des Kopfdarms mit seinen zahllosen Rätseln. So wird die Morphologie sich noch ein Weilchen gedulden müssen, ehe sie an Fragen gehen kann, zu deren Beantwortung wir zur Zeit nicht reif sind. Der Vorteil des Zottenreliefs in den Appendices liegt auf der Hand. Hier dürfte ihre mechanisch günstige Form häufiger von Nutzen sein als im Darm, darum scheint es mir sonderbar, daß nach VALENCIENNES im Darm von Brama Rayi zottenartige Bildungen sich finden sollen, nicht aber in den Appendices. Leider konnte ich diese Angabe nicht nachprüfen! Von den erwähnten Abweichungen vom Netzrelief waren zwei, die Längsfalten und Zotten, auch in den Appendices vor- handen. Beide bedeuteten mechanische Erleichterungen gegenüber dem Netzwerk, wobei vielleicht eine Oberflächenverringerung gegenüber dem Darm gar nicht oder fast gar nicht vorlag. Die dritte, für Blindsäcke mechanisch schwierige Form des Reliefs, die des Querfaltenreliefs, fehlte gänzlich. Wir wollen nun noch weitere Appendicesreliefs prüfen, um zu sehen, ob auch sie uns über die Leistungen der Organe etwas zu sagen vermögen. Es handelt sich um Netzreliefs. Ein Teil der Tiere zeigte dasselbe Relief in den Appendices und im Darmanfang. Hier liegt gleiche Reliefhöhe bei gerin- gerem Lumen als im Darm vor: also eine Steigerung der Ober- flächenvergrößerung gegenüber dem Darm, dabei sind die moto- rischen Leistungen nicht gering. 32* 488 Eduard Jacobshagen, Ein zweiter Teil zeigt Appendicesreliefs, die mit einem späteren Rumpfdarmstück übereinstimmen, das enger ist als der Darm an seinem Anfang. Hier ist das Relief also im Verhältnis zur Blinddarmweite schon mehr oder minder vollständig dem des Darmes gleichwertig hinsichtlich der Leistungsfähigkeit. Interessanter sind die Netzreliefs, die vom Darmrelief ab- weichen. Wenn hier bei einem Teile der Fische engere und nicht höhere Maschen bestehen, so vereint !sich damit ein gesteigerter Resorptionsapparat mit einer nicht oder kaum vermehrten moto- rischen Leistung. Treten im Netz gegenüber dem Darm einzelne Falten stärker hervor, steigt die mechanische Leistung und zu- gleich die Größe der Oberfläche. Das Auftreten von freien Fortsätzen auf Netzen allein in den Appendices oder stärker in den Appendices als im Darm bringt unerhebliche mechanische Hindernisse gegenüber einer bedeutenden Vermehrung der resor- bierenden Fläche. Wenige Tiere zeigten ein einfacheres Relief als der Darm. Hier wird dann, wenn das Lumen der Appendices viel kleiner ist als im Darm — was meist so ist — relativ durchaus keine geringere Oberfläche gegenüber dem Darm vorliegen, sondern sie wird ihr mindestens gleichen. Nur bei einigermaßen gleicher Darm- und Appendicesweite würde ein Minus auf Seiten der Appendix vorliegen. Das ist aber wohl nirgends der Fall. Be- denken wir dazu, daß die sehr wenigen Tiere, die überhaupt ein einfaches Relief in den Appendices haben, zugleich zu denen mit sehr zahlreichen Appendices gehören, so verliert diese Tatsache noch an Bedeutung. Das Relief der Appendices pyloricae läßt also fast ohne jede Ausnahme eine Oberflächenvermehrung über die des Darmes hinaus erkennen. Die mancherlei Abweichungen vom Darmrelief führen neben einer mehr oder minder stark entwickelten Ver- mehrung der resorbierenden Fläche bisweilen zu einer entsprechend gesteigerten Anforderung an die Appendicesmuskulatur, meist steigt aber diese Anforderung keineswegs proportional, sondern nimmt dadurch ab, daß die Oberflächenvermehrung durch mechanisch günstige Relieftypen zustande kommt. Die in jeder einzelnen Appendix hervortretende Oberflächen- gestaltung, die fast ohne Ausnahme die eines entsprechend weiten Darmes oft sehr weit übertrifft, bedeutet in der Gesamtheit der Gebilde einen ganz bedeutenden Apparat, der fraglos der Re- sorption der bereits verdauten Teile der chymösen Massen dient, Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 489 die bis zu seinem blinden Ende in ihn eindringen. Schon allein auf Grund des Schleimhautreliefs mit seinen Spezialeinrichtungen, muß man den Appendiees pyloricae der Fische eine unbestreit- bar resorbierende Funktion zuschreiben, die auch gleichzeitig die dominierende ist. Die von manchen Physiologen, zuletzt auch von Boupouy getane: Äußerung, das Lumen der: Appendices sei schon meist so gering, daß sie als Resorptionsorgane kaum in Frage kämen, ist mindestens zur Hälfte übertrieben. Dann aber ist noch zu sagen, daß selbst bei den Formen mit wirklich kleinem Lumen und großer Appendices-Zahl doch auf jeden Fall viel eindringen kann. Wie ernähren sich denn die kleinen Fische, deren ganzer Darm nicht weiter ist? Nahrung dringt, wovon ich mich überzeugt habe, bestimmt in sie ein, und daß es sich z. B. bei Scombriden um ansehnliche Mengen handeln muß, ist anzunehmen. Der größte Teil des Darminhaltes jener Region ist obendrein bereits gelöst und dringt so leicht in feinere Kanäle ein. Das Schleimhautbindegewebe der Appendices. Die Schleimhaut der Appendices pyloricae setzt sich genau wie die des Darmes zusammen a) aus dem bindegewebigen Stütz- gerüst mit seinem Gefäßapparat und den bisweilen in ihn ein- gelagerten glatten Muskeln und b) dem Oberflächenepithel mit den von ihm bei einem Teil der Fische ausgehenden LIEBERKÜHN- schen Drüsen. Wir wollen zunächst dem Stützgerüst der Schleim- haut Beachtung schenken. Das bindegewebige Stützgerüst wird bei der großen Mehrzahl der Fische zum wenigsten in seinem zentralen Anteil von einem lockeren, maschigen, ziemlich zarten Bindegewebe gebildet, das sehr stark an adenoides erinnert, wofür es auch lange Zeit hindurch ge- golten hat. Indessen hat KuLTSCHITzKY 1897 im ganzen mit Recht darauf hingewiesen, daß das Bindegewebe meistens dem adenoiden nur sehr nahestehe, aber nicht mit ihm zu identifizieren sei, da sich allerorts daneben, wenn auch oft in geringer Menge, bündel- artig angeordnetes Zwischengewebe zeige. Die Maschen dieses Gewebes sind erfüllt von Lymphzellen, die oft massenhaft auf- treten, nie fehlen. Echte Lymphfollikel habe ich in keinem von 50 untersuchten Tieren gefunden. Die Ausbildung des Schleim- hautbindegewebes ist nun keineswegs uniform bei Fischen, sondern 490 Eduard Jacobshagen, zeigt erhebliche Differenzen. Zunächst sind da quantitative Unter- schiede in die Augen fallend. Sehr viel dünner als die Schicht der Längsmuskulatur, die wir als Maßstab setzen wollen, ist das Schleimhautbindegewebe von Acipenser ruthenus, Lepidosteus osseus, Sardinella aurita, Cottus scorpius und Scorpaena porcus und erreicht auch bei Gymnotus electrieus, Perca fluviatilis und Cyelopterus lumpus nur etwa die Hälfte der Dicke dieser Schicht. Auch bei dem No- topteriden Xenomystus nigri, bei Alosa sardina, Coregonus albula, Thymallus thymallus, Mugil chelo, Mugil auratus, Ophiocephalus striatus, Merlucius merlucius, Cepola rubescens, Charax puntazzo, Rhombus laevis, Agonus cataphractus, Trachinus draco, Zoarces viviparus und Lophius piscatorius wird nicht die Dicke der Längs- muskulatur erreicht, die man etwa bei Alosa finta, Salmo fario, Coregonus maraena, Serranus cabrilla und Scomber scombrus antrifft. Coregonus lavaretus, Trigla hirundo und Trigla gurnardus übertreffen dies Maß nur wenig. DBei Clupea harengus und Acerina cernua wird 1,5—2fache Dicke der Längsmuskelschicht gefunden, etwa zweifache bei Anabas scandens und etwas mehr bei Brosmius brosme, Box salpa und Rhombus maximus; reichlich vierfache bei Dentex vulgaris und Oblata melanura, drei- bis vierfache bei Lota lota, vier- bis fünffache bei Molva molva und den Gadusarten, und etwa fünf- bis sechsfache bei den Merlangus- Arten. 2 Neben diesen beachtenswerten quantitativen Unterschieden weist nun das Stützgerüst noch solche der Qualität auf. Es lassen sich bei den Fischen etwa vier große Typen im Stützgerüst voneinander unterscheiden. Der erste Typus besitzt ein mehrminder zartes, netzförmig angeordnetes Bindegewebe, das stark an adenoides erinnert. Seine Maschen sind meist mit reichlichen Lymphzellen erfüllt. Wie aber schon KULTSCHITZKY betont hat, SunDvIK auch fand und ich vollauf bestätige, ist wohl niemals dies Gewebe ganz rein adenoid. Zumal peripher, in der Nähe der Muskulatur trifft man häufig Bündel von Kollagenfibrillen, die bisweilen allerdings nur an einzelnen Stellen dort zu finden sind. Bei der Anwendung der von RIBBERT modifizierten Kollagenfärbung Mallorys, die bei Fischen ausgezeichnete Resultate ergab, fand ich in der Mehrzahl der Fälle keinen positiven Ausfall. Nur bei Anabas scandens und Ophiocephalus striatus war eine schwache Kollagenfärbung Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 491 da, obgleich der adenoide Charakter sonst deutlich und der Reichtum an Lymphzellen hier sehr groß war. Bei Perca habe ich nur ganz peripher und dann ganz zentral in der tunica propria des Epithels schwach positiven Ausfall der Färbung gefunden. Glatte Muskel- zellen habe ich niemals bei diesem Typus gesehen. So gebaut fand ich das Stützgerüst der Appendices von Calamichthys calabaricus, Lepidosteus osseus und Acipenser ruthenus, bei Xenomystus nigri — wo allerdings peripher eine Andeutung des hernach zu besprechen- den Stratum compactum wahrnehmbar ist — ferner bei Gymnotus electricus, Anabas scandens, Mugil chelo, Mugil auratus, Ophio- cephalus striatus und den Acanthopterygiern: Perca fluviatilis Acerina cernua, Serranus cabrilla, Cepola rubescens, Oblata mela- Textfig. 34. Schleimhautbindegewebe von Mugil chelo. Typus I. nura, Charax puntazzo, Box salpa, Scorpaena porcus, Cottus scorpius, Cyelopterus lumpus, Agonus cataphractus, Trigla gur- nardus, Trigla hirundo, Trachinus draco und Zoarces viviparus. Anzureihen wären hier die Gadiden: Gadus morrhua, Gadus callarias, Gadus aeglefinus, Merlangus merlangus, Merlangus pollachius, Merlangus carbonarius, Lota lota, Molva molva und Brosmius brosme. Bei ihnen fiel die Kollagenfärbung negativ aus. Die Lymphzellen sind aber seltner, die Maschen des Reti- culums enger, so daß oft ein geradezu fibrillärer Charakter vor- getäuscht wird. Was aber dem Bindegewebe dieser Tiere einen besonderen Ausdruck gibt, das ist seine Anordnung (vgl. auch Textfig. 44). Es handelt sich bei den Gadiden um Fische, denen LIEBERKÜHNsche Drüsen zu kommen. Diese sind in das Binde- gewebe eingelagert und haben es sich in drei Zonen sondern lassen. Peripher liegt eine wenig dicke Lage von Bindegewebe 492 Eduard Jacobshagen, mit überwiegend zirkulärer Anordnung der Fasern und Maschen- achsen. Die Maschen sind von Lymphzellen einigermaßen erfüllt. Die Dicke dieser Zone bleibt etwas hinter der der Längsmusku- latur zurück (Lota, Brosmius, Merlangus carbonarius und besonders Merlangus pollachius) oder übertrifft sie soeben (Gadus, Molva und Merlangus merlangus). Bei Merlangus carbonarius, Brosmius und Molva hat das Gewebe etwas mehr fibrillären Charakter. An diese basale Bindegewebszone schließt sich nach innen zu eine mittlere sehr breite an, in der die Körper der LIEBERKÜHN- schen Drüsen liegen. Infolge der meist dichten Lagerung der Drüsen ist das Bindegewebe hier auf schmale Züge bei allen Formen zusammengedrängt, die einen vorwiegend radiären Verlauf nehmen. Daneben finden sich spärliche, die Drüsen in Form einer Tunica propria umspinnende Fasern. Die dritte, zentrale Lage des Bindegewebes ist am voluminösesten. Sie be- steht aus dicht verflochtenen, ringförmig gruppierten Fasern, die einerseits peripher die Hälse der Drüsen umfassen, zentralwärts aber die recht dicken Bindegewebskämme der Falten aus sich hervorgehen lassen. Die beiden inneren Schichten bestehen bei Gadus morrhua, aeglefinus und callarias sowie bei Merlangus merlangus aus gröberen Fasern als gewöhnlich. Schon beim ersten Bindegewebstypus wurde das Hervor- treten eines mehr fibrillären Charakters in der peripheren Zone vieler Fische erwähnt. Der zweite Typus ist durch ausgesprochene Fibrillenbündel in dieser Zone charakterisiert. Die periphere Hälfte des Stützgerüstes besteht aus kräftigen Fibrillenbündeln. Bei großen Exemplaren von Merlucius und Lophius waren diese Bündel wohl entwickelt, imponierten aber besonders bei einem großen Rhombus laevis, in dessen Faltenbasen zumal mächtige Fibrillenbündel auftraten, die mich direkt an die Fibrillenbündel der menschlichen Lederhaut erinnerten. Die Kollagenfärbung fiel stark positiv aus. Lymphzellen fehlen. Die zentrale Hälfte des Stützgerüstes hat einen lockeren Charakter. Auch dort hat man bei Rhombus laevis den Eindruck, als handele es sich um fibrilläres und nicht adenoides Gewebe. Es besteht aber ein enges Fasernetz mit eingestreuten spärlichen Lymphzellen. Es gibt eine sehr schwache Kollagenfärbung nach Mallory und pflegt sich mit der Pikrofuchsinfärbung ganz matt rot bis gelblich zu färben. Es geht kontinuierlich in die periphere Kollagenschicht über, die sicher aus ihr umgewandelt ist. Bei Rhombus maximus, Lophius und Merlucius ist der adenoide Typus zentral deutlicher. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 493 Hier sind auch Lymphzellen leichter zu finden. Leider fehlt es mir an dem nötigen Material zu einer Nachprüfung. Ich will aber hier den Verdacht äußern, daß das stärkere Hervortreten von Fibrillen möglicherweise eine Alterserscheinung ist, daß unser Typus II auch häufig bei großen Exemplaren unserer ersten Gruppe vorkommen könnte. Das Vorherrschen kollagener Fasern in der peripheren Binde- gewebszone hat bei einigen Fischen zu einer Bildung besonderer Art geführt, die wir mit OPPEL als das Stratum compactum be- zeichnen. Fische mit einem Stratum compactum bilden unseren dritten Bindegewebstypus. Hierher rechnen: Clupea, Alosa, Sar- dinella, Salmo, Coregonus, Thymallus und Scomber. 1870 wurde von LANGER das Stratum compactum bei Fischen zum erstenmal beschrieben. LANGER fand es, bei Fischen mit Appendices pyloricae, bei Salmo fario und Salmo hucho. 1898 Textfig 35. Schleimhautbindegewebe von Rhombus laevis. Typus II. beschrieb es GuULLAND dann näher bei Salmo salar, 1907 notiert Sunpvik sein Vorkommen bei Coregonus arbrus. Ich selbst habe es dann bei Clupea harengus, Alosa finta und sardina, Sardinella aurita, Coregonus maraena, albula, lavaretus und oxy- rhynchus gefunden, sowie bei Thymallus vulgaris und Scomber scombrus. Es handelt sich um eine hyalin bei der Mehrzahl, bei einigen aber fein fibrillär aussehende kompakte Bindegewebs- schicht, die streckenweise scharf begrenzt erscheint zumal bei schwachen Vergrößerungen. Sie liegt entweder in der Mitte des Schleimhautbindegewebes oder ein wenig peripher davon. An zahlreichen Orten steht sie, wovon man sich am leichtesten bei Anwendung einer Kollagenfärbung überzeugt, mit kleinen 494 Eduard Jacobshagen, Fortsätzen peripher wie zentral mit dem übrigen Bindegewebe in kontinuierlicher Verbindung. Dieses übrige Bindegewebe ist ein lockeres, ziemlich weitmaschiges, zartes adenoides Gewebe mit spärlich eingelagerten Lymphzellen. Gegen die Muskulatur hin geht es, wie alles Schleimhautbindegewebe, in kollagenes Gewebe zwischen die Muskulatur über. Dies Stratum compactum ist von verschiedener, meist an- sehnlicher Breite und fällt durch seine Armut an Kernen sehr auf. Es gibt eine sehr intensive Kollagenfärbung nach MALLORY-, RıBBERT, zumal bei der Forelle (auch gut nach ZENKERfixierung) und färbt sich mit Pikrofuchsin schön fuchsinrot. Überfärbt man mit Pikrofuchsin, so bleibt, ebenso wie bei Pikrinsäurezusatz, lange noch das Rot erhalten. Schon GULLAND hat festgestellt daß mit Hilfe der Orcein-Methode elastische Fasern in Stratum Textfig. 36. Schleimhautbindegewebe von Salmo fario. Typus III. compactum des Lachses nicht nachweisbar sind. OPPEL, dem diese Angabe offenbar entgangen ist, hat bei der Forelle den Versuch wiederholt und erhielt eine diffuse, wenig intensive Orcein- Färbung der ganzen Schicht, also einen negativen Ausfall wie GuLLanDd. Mit Pikrinsäure läßt sich nach meinen Versuchen auch keine elastische Faser nachweisen. Wir dürften hier also eine reine Kollagenschicht vor uns haben. Bei allen genannten Tieren sieht man zum mindesten an einzelnen Stellen, daß das scheinbar homogene Stratum compactum aus meist wellig verlaufenden, sehr dichtliegenden Fibrillen zu- sammengesetzt ist. Nach Sunpviks leider recht unvollständig gebliebener Arbeit über diese Schicht wissen wir nur, daß sie aus einer peripheren Verdichtung des Schleimhautbindegewebes Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 495 resultiert. Stadien solcher Verdichtung konnte SuUNnDVIK bei Cypriniden aufzeigen, habe auch ich am Darm der Forelle deutlich gesehen. Indessen steht die histogenetische Arbeit SunDvIks über das Stratum compactum leider noch aus und so wissen wir über den Verbleib der Bindegewebskerne, denen man nur äußerst spärlich in dieser Zone begegnet, nichts. Leider eignete sich auch mein Material nicht zu histogenetischen Unter- suchungen. Welche Rolle physiologisch dieser stark verdichteten, kernarmen Kollagenfaserschicht zukommen mag, ist wohl schwer zu entscheiden. Ihr Vorkommen innerhalb gewisser nahverwandter Gruppen ist auf jeden Fall sehr interessant und bestärkt die unten geäußerte Ansicht, daß die Vererbung in der Darmanatomie sich weit deutlicher nachweisen läßt als die Funktion. Ein Stratum compactum der bezeichneten Art haben (die oben genannten Fische bis auf Coregonus oxyrhynchus. Es liegt bei ihnen meist etwa in der Schleimhautmittee Nur bei Alosa finta und Scomber scombrus sah ich es der Ringmuskulatur dicht aufliegen. Bei einem Exemplar von Coregonus oxyrhynchus aber sah ich zwei Strata compacta. Ein schmales lag ganz peripher und nach innen davon folgte ein zweites, breiteres.. Beide waren getrennt durch sehr lockeres Bindegewebe, das etwa die Dicke des inneren Stratums hatte. Die beiden Strata hingen an vielen Orten zusammen durch schräge Äste, ja an einzelnen Stellen waren sie flächenhaft verschmolzen, so daß hier nur ein Stratum bestand. Häufiger als sonst fand ich bei Coregonus oxyrhynchus die sonst im Stratum compactum so sehr seltenen Kerne. Den vierten und letzten Typus fand ich bei Dentex vulgaris. Auch hier ist ein Stratum compactum entwickelt, dazu aber findet man noch in der zentralen Zone viele glatte Muskelzellen. Die sehr mächtige Schleimhaut dieses Tieres besteht aus einer peri- pheren Schicht, lockeren, ziemlich derben Bindegewebes, die an Dicke hinter der Ringmuskulatur etwas zurücksteht. In dieser Schicht liegen zahlreiche größere Gefäßäste und viele Lymphzellen. Die zweite Zone bildet das Stratum compactum, das etwas mehr als halb so breit wie die periphere Bindegewebszone ist. Es setzt sich wie gewöhnlich aus dicht liegenden, leichtgeschlängelten, sehr kernarmen, hyalinen Fasern zusammen, zwischen denen hin und wieder kleine Gefäße liegen. Zu innerst des Stratum stößt man wieder auf eine breite Zone lockeren, adenoiden Gewebes, das nach dem Lumen zu sich in die dicken Falten mächtig vorwölbt. 496 Eduard Jacobshagen, Diese Schicht ist nun ausgezeichnet durch den Besitz sehr zahl- reicher Muskelzellen. Sie verlaufen in allen nur denkbaren Richtungen, liegen oft bandartig aneinander, bilden aber keine Musecularis mucosae, wenn man auch stellenweise daran erinnernde Zusammenschlüsse finden mag. Bis dicht unter das Epithel konnte ich einzelne solche glatten Muskelzellen beobachten. Ob sie sich an das Epithel ansetzen, wie KULTSCHITZKY angab, mag ich nicht behaupten, wenn es auch oft so aussieht. Innerhalb dieser vier Typen ist nun der bindegewebige Anteil am Aufbau der Falten und Zotten sehr ungleich. Bei Calamichthys, Lepidosteus und Acipenser, bei Clupea harengus, Sardinella aurita, Alosa finta und sardina, Salmo fario, Coregonus Textfig. 37. Schleimhautbindegewebe von Dentex vulgaris. Schwarz: Stratum compactum, grau: Muskeln. Typus IV. maraena, albula, lavaretus und oxyrhynchus, Gymnotus, Anabas und ÖOphiocephalus ist das Bindegewebe in den Falten nur sehr schwach entwickelt, desgleichen bei Serranus cabrilla. Bei Mugil chelo und auratus, Merlucius, Acerina, Charax, Perca und Cottus, mehr noch bei Cepola, Rhombus maximus und laevis, Scomber, Scorpaena porcus, Cyelopterus lumpus, Agonus, Trigla hirundo und gurnardus, Trachinus draco und Zoarces viviparus ist die geringe Bindegewebsbeteiligung schon größer. Die kurzen Bindegewebsfalten von Gadus- und Merlangus-Arten sind ziemlich breit und massiv, schwächer sind die höheren Falten von Lota Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 497 und Molva durch Bindegewebe gestützt und noch weniger die von Brosmius, der nur in den Faltenbasen ansehnlicheres Bindegewebe besitzt. Oblata hat kräftige Falten, zumal aber Dentex. In diesem Verhalten des Bindegewebes gelangt keineswegs wie dies R. HEIDENHAIN 1888 für die Säugetiere annahm (Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünndarmschleimhaut, PFLÜGERS Arch., Bd. XLIII, Suppl.), der Einfluß der Nahrung zum Aus- druck. Bei Carnivoren meinte HEIDENHAIN, Epithel und Stroma von gleicher Dicke oder letzteres noch überwiegend zu finden, bei Herbivoren mehr Epithelhöhe als Bindegewebsdicke. Bei Fischen ist von derartigen Beziehungen nichts zu finden. Die herbivoren (Faulschlammfresser) Mugilarten haben zwar gerade wenig Binde- -gewebe, aber die karnivoren Clupeiden, Salmoniden, Gymnotus usw. haben noch weniger! Daß diese Beziehungen auch bei Säugetieren nicht bestehen, glaube ich annehmen zu dürfen und werde wohl Gelegenheit finden, die dort bestehenden Verhältnisse an größerem Material nachzuprüfen. Die Aufstellung ähnlicher Spekulationen ist bei den Säugetieren in überreichem Maße zu beobachten. Gemeinsam ist allen eine sehr bescheidene empirische Basis, indem man immer Hund, Katze, Ratte, Kaninchen, Hamster, Rind, Schwein als „die“ Säugetiere in extenso genommen hat. Die Überraschungen, die aber andere Familien diesen Forschern einst bereiten werden, dürften sehr erhebliche sein. Die Ausbildung des bindegewebigen Stützgerüstes der Schleim- haut der Appendices pyloricae steht in aller erster Linie in Abhängig- keit von der Stammesverwandtschaft. Gewisse Familien wie die Clupeiden und Salmoniden, die große Masse der Acanthopterygier, die Gadiden u. s. w. zeigen bestimmte Strukturen, die dort bei verschiedener Lebensweise angetroffen werden. So sahen wir bei den Gadiden einen Bindegewebstypus, obwohl Gadus omnivor, die anderen rein karnivor sind. Freilich wäre es auch denkbar, daß die vom Gadus manchmal aufgenommenen Pflanzenstoffe gar nicht der Ernährung dienen, sondern nur die Rolle von Füllstoffen haben, deren Wert nnd Notwendigkeit von Tierzüchtern für manche Säugetiere bewiesen ist. Der herbivore Box salpa hat Bindegewebsstrukturen ähnlich wie die karnivoren Perciden, denen er auch im Schleimhautrelief ähnelt. Wir dürfen nicht erwarten, innerhalb der jetzt lebenden Fische die Darmstrukturen rein funktionell begründet zu sehen. Die jetzigen Fische sind ja nur an bestimmte Lebensweise angepaßte Epigonen ihrer Stamm- formen, die in gleichem Verhältnis wieder zu ihren Stamm- 498 Eduard Jacobshagen, eltern stehen. Ungleiche Bindegewebsstrukturen bei gleicher Lebensweise innerhalb verschiedener Familien zeigen, daß der Darm wie jedes Organ auch Ererbtes festhält und nicht bloß ein Spielball der wechselnden physiologischen Funktionen ist, ein so- gleich umzuknetendes Wachs. Für die Funktion der Appendices erfahren wir durch das Studium des bindegewebigen Stützgerüstes nichts Direktes, da wir nicht in der Lage sind, die funktionelle Rolle unserer vier Typen zu verstehen. Indirekt aber hat unsere Untersuchung doch Erfolg. Wir sehen nämlich im Darm jedesmal ganz dieselben Zustände herrschen wie in den Appendices. Der Typus des Schleimhaut- bindegewebes in den Appendices und im Mitteldarm ist derselbe, wie auch die Muskulatur die gleichen Verhältnisse zeigte wieim Darm. Damit wird erwiesen, daß von jeher ähnliche oder fast gleiche Einflüsse auf die Gestaltung des Darmes und der Appendices gewirkt haben müssen, damit wird es so gut wie sichergestellt, daß wir die Funktion des Appendices als der des Darmes gleich oder fast gleich ansehen dürfen. Endlich ist durch die ungleiche Struktur des Stützgerüstes in den Appendices verschiedener Tiere gezeigt, daß wir nicht die Leistung einer gleichen Schleimhautfläche aus zwei im Stützgerüst verschieden gebauten Pförtneranhängen als vollkommen gleich betrachten dürfen, daß wir ebensowenig zwei gleichgroße Stücke der Darmschleimhaut verschiedener Fische einfach funktionell gleichstellen können. Ungleichem Bau ent- sprechen a priori ungleiche, nicht gleiche Leistungen ! Was die Blutversorgung der Appendices-Schleimhaut betrifft, so verläuft sie im ganzen nach dem von MELNIKOwW schon 1866 gegebenen Schema. Arterien und Venen durchbohren gemeinsam die Muskulatur und verzweigen sich nach Abgabe von Gefäßen zur Serosa und zur Muskulatur an der Basis der Schleimhaut. Von hier steigen zahlreiche Äste zentralwärts zu den Falten und den eventuell bestehenden Drüsen, indem sie in ein Kapillarnetz allmählich übergehen. Dies liegt in den Falten immer an der Peripherie und läßt die Achse frei. Wo das Bindegewebe spärlich ist, sieht man in den ganzen Falten nichts als Kapillaren, sonst findet man diese erst nahe der Peripherie. Gefäßsphinkteren, wie sie besonders durch P. MAyvEr bei Selachiern gefunden wurden, sah ich bei keinem Teleosteer. | Wie bei den höheren Wirbeltieren liegen die Chylusgefäße in den Falten- und Zottenachsen und gehen an deren Basen in ein komplizierteres Geflecht über. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 49% Das Epithel. Das Epithel der Appendices ist einschichtiges Darmepithel, wie wir es schon lange kennen. Von dünner, bindegewebiger Membrana propria erheben sich verschieden hohe, meist lange, schlanke Zylinderzellen, die basal leicht verjüngt sind. Letzteres Verhalten tritt auf der Höhe der Falten bei manchen Arten (Thy- mallus) mehr hervor. Die Zellhöhe variiert stark und zwar erstens nach dem Fundort der Zelle. Zellen der Faltentäler sind meist kürzer als Zellen der Faltenkuppen. Am extremsten und einzig dastehend erhob ich solchen Befund bei einem mittelgroßen Exemplar von Scorpaena porcus (s. Textfig. 40 u. 41). In diesen Fällen sind die niedrigeren Zellen auch durchweg breiter. Die Zellhöhe variiert auch zweitens nach dem Alter der Tiere. Junge Fische haben wohl allgemein in den Appendices wie im Darm niedrigere und breitere Zellen als sehr alte. Ich sah das immer bei Clupea, Meletta sprattus, Alosa finta, Gadus callarias und Merlangus merlangus. Ich bin überzeugt, daß EDINGERs Notiz über das Bestehen mehr kubischer Zellen bei Clupea harengus von der Untersuchung eines jungen Tieres herrührt, alte Tiere haben sie niemals. Wegen solcher Vorkommnisse halte ich es für unangebracht, auf die Zellhöhe der Epithelien bei verschiedenen Arten besonderes Gewicht zu legen. Ich möchte geradezu ein Fragezeichen dazu setzen, ob wirklich die Zellhöhe nach den Arten prinzipiell verschieden sei. Manchmal schien es mir so, aber immer habe ich mich, wo ich genug Material hatte, davon über- zeugen können, daß die Zellhöhe auch beim selben Tiere stark variiert und offenbar auch nach dem Funktionszustand, vielleicht auch nach dem Füllungszustand des Darmes wechselt. Auf dem Querschnitt sind die Epithelzellen oft rund (Cottus), oft rein polygonal, am häufigsten aber ein Mittelding von beiden. Die dem Lumen der Appendix anliegende Zelloberfläche trägt in weitaus den meisten Fällen einen deutlichen Cuticularsaum. Ich habe das beobachtet bei Calamichthys calabarieus, Xenomystus nigri, Engraulis encrasicholus, Clupea harengus, Sardinella aurita, Alosa finta und sardina, Salmo fario (wo OPPpEL keinen Saum abbildet!), Coregonus maraena, albula, lavaretus und oxyrhynchus, Thymallus thymallus, Osmerus eperlanus, Gymnotus eleetricus, Anabas, Ophio- cephalus, Mugil chelo und auratus, Gadus aeglefinus, morrhua, und callarias, Merlangus carbonarius, merlangus und pollachius, Brosmius, Molva, Lota, Merlucius, Perca, Acerina, Serranus ca- 500 Eduard Jacobshagen, brilla, Cepola, Oblata melanura, Dentex, Box salpa, Charax, Rhom- bus maximus und laevis, Cottus scorpius und Agonus cataphractus. Die Dicke dieses gestrichelten Saumes ist recht verschieden. Nur dünn ist er bei Perca, Acerina, Mugil chelo und anderen, sehr breit aber bei Alosa sardina, Sardinella und Box salpa und. anderen. An sehr schmalen Säumen ist die Strichelung oft schwer sichtbar. Eine besondere Erwähnung soll der Randsaum von Scorpaena poreus finden. Er ist sehr breit und deutlich gestrichelt. Basal Textfig. 38. Mugil Textfig. 39. Mugil Textfig. 40. Scorpaena chelo. auratus. porcus. Faltental. Textfig. 41. Scorpaena porcus Textfig. 42. Acerina Textfig. 43. Faltenkuppe. cernua. Alosa sardina. Umrißskizzen von Schleimhautepithelzellen aus Appendices pyloricae bei gleicher Vergrößerung entworfen; Textfig. 40 und 41 stammen vom gleichen Schnitt. ist er stärker gefärbt und man könnte dort Blepharoplasten vor sich haben. Der freie Rand dieses Randsaumes endet nun nicht wie bei den zuvor erwähnten mit scharfer, präziser Kante, sondern erinnert mit mehr verwaschenen Grenzen an Flimmerepithel. Trotz- dem möchte ich ihn nicht dafür halten, denn nirgends habe ich auch nur eine Spur von Unordnung in den Pseudoflimmerhaaren gesehen, wie man sie bei Flimmerepithel irgendwo immer findet. Überall war das gleiche Bild der Regelmäßigkeit. Wohl aber wurde ich sehr lebhaft an ein Präparat des anatomischen Instituts aus dem menschlichen Dickdarm eines Justifizierten erinnert, wo ich den Cuticularsaum in ganz ungewöhnlicher Höhe und Aus- bildung sah. Ob hier ein Flimmerepithel oder ein Cuticularsaum Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 501 vorliegt, konnte ich nicht entscheiden. Schlecht fixierte Präparate von Lepidosteus, Acipenser, Trigla gurnardus und Trigla hirundo gestatteten keinen sicheren Schluß. Doch glaubte ich, hier Flimmer- epithel vor mir zu haben. Bei meinen nicht sehr brauchbaren Präparaten von Lophius, Cycelopterus und Trachinus habe ich mich nicht sicher entscheiden können. Hier schien in den Faltentälern oft Flimmerepithel vorzukommen. Wenn EpInGErR 1876 in seiner berühmten Dissertation gemeint hat, in den Appendices pyloricae der Fische bestünden immer Flimmerhaare, so ist das in der Ausdehnung auf keinen Fall richtig. EDINGER hat acht Tiere untersucht: Lepidosteus. Perca, Rhombus aculeatus, Uranos- copus scaber, Dactylopterus volitans, Naucrates ductor, Scorpaena (sp. ?) und Mullus barbatus und überall Flimmerepithel gefunden. Nur bei Perca sah er keins und meinte, hier sei es möglich, daß tatsächlich kein Flimmerepithel vorkomme. Ich bin der Ansicht, daß auch EDINGER vielfach nicht sicher hat entscheiden können, ob er Flimmerepithel oder Cuticularsaum vor sich hatte, und daß er vielleicht hin und wieder einen hohen Cuticularsaum für Flimmersaum ansah. Das Vorkommen von Flimmerepithel, wenn es überhaupt besteht, gehört ganz sicher zu den Ausnahmen. Auch EDInGERs Angabe über die besondere Schmalheit und Kleinheit der Zellen in den Appendices gegenüber den Darm- epithelien vermag ich nicht zu bestätigen, ebensowenig, wie ich mich davon überzeugen konnte, daß um die Mündungen der Appendices herum im Darm Flimmerepithel „sehr häufig“ vor- käme. Im Gegenteil, mit PırLıEr und anderen muß ich die Gleichheit der Epithelverhältnisse im Darm und in den Appen- dices hervorheben! Das Plasma der Epithelzellen ist zart gekörnelt und hat den Kern fast ohne Ausnahme in der Mitte oder unmittelbar unter ihr liegen. Selten, wie bei Mugil chelo und Scorpaena porcus lag er mehr peripher, aber niemals, wie es EDInGER als allgemein angibt, im oberen Drittel. Wo ein Befund wie bei Mugil chelo und Scorpaena erhoben würde, war er dazu lokal beschränkt und nicht allgemein, so daß man an funktionell be- dingte geringe Bewegungsfähigkeit des Kerns denken mag. Der Kern ist von deutlicher Membran umschlossen und zeigt einen Nucleolus in dem deutlichen Chromatingerüst. Seine Form ist kugelig, oval oder sehr langgestreckt oval, je nach der Zell- form. Bei ein- und demselben Tier findet man im gleichen Schnitt schon verschiedene Kernformen. Jenaische Zeitschrift. Bd. LI. 33 502 Eduard Jacobshagen, Neben den Epithelzellen bestehen dann noch, wie überall im Darm, Schleimzellen in verschiedener Zahl. Ihre Häufigkeit ist bei den Individuen verschieden, scheinbar aber unerheblich bei den Arten. Untersucht man eine größere Zahl von Indivi- duen, so kommt man davon ab, Einzelbefunde über die Häufig- keit besonders aufzuführen. Es bestehen da die gleichen Zu- stände wie im Darm, wo die Häufigkeit der Schleimzellen ja auch individuell und zeitweise weitgehend schwankt. Faltentäler und Faltenkuppen sind ziemlich gleichmäßig Sitz von Schleim- zellen. Was das Vorkommen von Kernteilungsfiguren anlangt, so finde ich sie in der Schleimhaut der Appendices wie in der des Darmes überall, am wenigsten aber direkt auf den Faltenkuppen. Eine besondere Bevorzugung der Faltentäler für die Zellrermehrung ist aber kaum zu behaupten. Vom Epithel der Appendices pyloricae nehmen nun bei einer kleinen Gruppe von Fischen (bei den Gadiden) LiEBER- Künnsche Drüsen ihren Ausgang. Diese Drüsen sind 1866 von MELNIKOW bei Lota lota entdeckt worden, denn es scheint mir mehr als fraglich, ob Kun, der nach MECKEL schon 1820 bei Gadus carbonarius Darmdrüsen sah, wirklich die von mir hier näher zu beschreibenden Drüsen beobachtete oder ob er nicht vielmehr, wie das damals üblich war, die Faltentäler des engen Netzreliefs für Drüsenmündungen ausgab. Auch STIRLING hat Darmdrüsen bei Gadus morrhua 1884 gesehen. Indessen ist PıLLıer 1885 der erste, der solche Drüsen etwas näher be- schrieben hat. Er beschreibt sie von Motella trieirrata so: „Elles sont losangiques, allongees dans le sens de l’intestin, toutes sont de möme longueur, quelques unes sont bilobees ä leur base. Elles se continuent avec une parfaite r&gularite jusqu’ & l’ampoule anale. Lä, leur diamötre est reduit an !/,, elles sont done beaucoup plus petites. Dans les culs-de-sac pyloriques, elles sont semblables ä celles de liintestin. Les cellules sont serr&es, assez variables de dimension, granuleuses et recouvertes möme au fond des glandes d’une forte cuticule striee“. 1890 hat dann J. THESEN bei Gadus morrhua die Drüsen, die schon STIRLING sah, näher beschrieben. Leider war mir THESENns Arbeit nicht zugängig, ich entnahm daher meine Kenntnis dieser Arbeit Yung et FUHR- MANN. Nach THESEn würden die Darmdrüsen des Kabeljaus denen des Magens an Form und Größe ähneln, verhalten sich aber histologisch anders. Der Hals jeder Drüse teilt sich in zwei Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 503 bis drei Endschläuche. Er ist mit Epithel und Becherzellen be- setzt, die denen des Öberflächenepithels ähneln. Im Drüsen- körper aber findet man große Schleimzellen und daneben kleine kubische Zellen, die sich intensiv färben. In den Appendices sollen nach THESEN Drüsen fehlen, während sie aber schon STIR- LING vor ihm hier gefunden hatte. 1900 haben dann Yung und FUHRMANN Lota lota untersucht und die von MELNIKOW ent- deckten Drüsen näher beschrieben. Ich selbst habe außer Lota lota und Gadus morrhua untersucht: Gadus callarias, Gadus aegle- finus, Merlangus merlangus, Merlangus carbonarius und Merlangus pollachius, ferner Molva molva und Brosmius brosme. Alle hatten die Drüsen. Dazu käme dann noch die von PILLIET untersuchte => = = = = = > Z > 7 ra une Textfig. 44. Schleimhautkrypten von Lota lota mit LIEBERKÜHN schen Drüsen (Appendix pylorica). Motella trieirrata. Keine Drüsen hat der bisher zu den Gadiden gleichfalls gestellte Merlucius vulgaris, der aber wohl nicht in diese Familie hineingehört. Der Bau der Drüsen ist bereits durch Yung und FUHR- MANN ziemlich genau bekannt und ich habe ihre Untersuchung nur in einzelnen Punkten zu vervollständigen. Es handelt sich um tubulöse, nicht sehr lange Darmdrüsen, die vom Boden der Faltentäler ihren Ausgang nehmen und sich terminal in zwei bis sieben Äste, meist zwei bis vier, aufgabeln. Der unpaare Anfangsteil ist der Hals der Drüse, die Endschläuche stellen den Drüsenkörper dar. Bei allen untersuchten Tieren sind die Befunde fast dieselben. Der Hals der Drüsen ist bei 33* 504 Eduard Jacobshagen, erwachsenen Tieren immer durch eine leichte Einschnürung gegen die Crypte abgesetzt, bei jungen Tieren dagegen besteht ein fast ganz kontinuierlicher Übergang von der Crypte in den Halsteil. Der Halsteil ist 1—-1!/,mal so lang wie der Drüsenteil und besitzt ein ziemlich enges Lumen. Seine Zellen sind hochkubisch oder kubisch und gehen allmählich an Höhe zunehmend nach dem Lumen zu, zentralwärts, in das Cryptenepithel über, peripher- wärts aber allmählich in das Drüsenepithel. Die Zellen des Hals- teiles tragen wie das Darmepithel einen deutlichen Cuticularsaum und haben zwischen sich mit Muzikarmin leicht färbbare Schleim- zellen. Auch hinsichtlich des Kerns ähneln die Zellen des Halses sehr denen des Oberflächenepithels. Gegen diese Epithelzellen unterscheiden sich die des Drüsenhalses nur durch die stärkere Affinität ihres Plasmas für Hämatoxylin und andere Farbstoffe, die ihr Plasma begierig annimmt. Auch in diesem Verhalten be- steht ein allmählicher Übergang zu den Epithelzellen der Ober- fläche. Eine stärkere Granulation weist das Plasma der Halszellen nicht auf. Die Zellen des Drüsengrundes sind klein und poly- edrisch. Ihr Plasma färbt sich tiefer noch als das der Halszellen. Der große Kern ist kugelig, blasig. Daneben bestehen, wie im Hals der Drüsen, mit Muzikarmin sich färbende Schleimzellen. Das Lumen der Drüsen ist schon am Ende des Drüsenhalses recht eng und fast verschwunden. In den Drüsen selbst ist es kaum mit der Immersion nachweisbar, besteht aber noch, so daß der Ausdruck „glandes pleins“ nicht ganz zutreffend ist. Der Cutikularsaum ist in den kurzen Endstücken sehr schwer oder kaum nachzuweisen, doch hatte ich durchaus den Eindruck, daß er überall in sehr feiner Form fortbesteht. Bisweilen sah ich deutlich einen solchen Saum. YunG und FUHRMANN fanden keine Kern- teilungen in den Drüsen, meinten aber, das möge ein Zufall gewesen sein. Ich war in der Tat glücklicher und fand auch bei Lota in den Drüsen vereinzelte Kernteilungen in den allermeisten Fällen. Fragen wir uns nach der Bedeutung dieser LIEBERKÜHN- schen Drüsen der Gadiden, so ist es schwer, zu einem sicheren Schluß zu kommen. Daß sie nicht im Sinne BıIZZozERos der Oberflächenepithelregeneration allein dienen, halte ich für gewiß. Kernteilungen findet man überall im Epithel und in den Drüsen auch kaum mehr oder gar nicht mehr wie sonst. Die Erfahrung muß Bi1zzozEros Lehre hier widerlegen. Es mag ja sein, daß in den Faltentälern oder den Drüsen mehr Ersatzzellen gebildet Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 505 werden als anderswo, aber eine strenge Scheidung besteht keines- wegs zwischen Drüse, Faltental und Faltenkuppe. Andererseits wäre die Annahme, daß ein spezifisches Sekret in diesen Drüsen gebildet wird, das nicht auch das Epithel liefern könnte, wohl nicht ohne Weiteres gerechtfertigt. Nur eine langsam gegen den Drüsengrund zunehmende Verkleinerung der Zellen auf Kosten des Plasmas, nur eine langsam zunehmende Neigung der Drüsenhals- und Drüsenkörperzellen, sich mit einer Reihe von Farbstoffen intensiver zu färben, sind der anato- mische Unterschied gegen das Epithel der Appendices, der bei jungen Tieren noch viel geringer ist als bei erwachsenen. Wir werden es wohl mit Drüsen zu tun haben, die ein Sekret liefern, das in ähnlicher Weise auch von den Darmepithelien gebildet werden kann. Diese Drüsen bestehen in gleicher Weise im Mitteldarm und ganz ähnlich auch im Enddarm der genannten Gadiden. Damit zeigen also auch im Bau der Schleimhautdrüsen die Appendices der Gadiden dasselbe, was wir überall fanden, sie lehnen sich an aufs engste an den Bau des Mitteldarms. Physiologische Beobachtungen und Reflexionen über die Appendices. Wenden wir uns nunmehr kurz der Physiologie der Appen- dices pyloricae zu! Alle exakten Angaben, die wir da in der Literatur finden, stammen aus der Zeit vor CLAUDE BERNARD, aus der Zeit, in der noch nicht von der experimentellen Methode nahezu jede andere unterdrückt wurde, oder sie stammen aus gelegentlichen Notizen anatomischer Untersucher. STELLER sah die Appendices pyloricae als Chylusbehälter an und ebenso nach STIRLING MORDECAI (1860). Letzterer fand eine bräunlich-gefärbte schleimige Flüssigkeit in den Appendices von Alosa sapidissima (WILSON) und meinte, wie einst STELLER, es handele sich hier um ein Vorratsmaterial, das den Tieren zur- zeit des Hungers (Wanderungen usw.) nützlich wäre. RUDOLPHI macht bei der Wiedergabe der STELLERschen Hypothese mit Recht darauf aufmerksam, daß in den „mit dem zähen Safte er- füllten“ Blinddärmen bei manchen Fischen beständig Bandwürmer vorkommen. Das Vorkommen von Entozoen in den Appendices 506 Eduard Jacobshagen, ist seither von nahezu allen Untersuchern betont. In gewissen Familien (Salmoniden, Gadiden) findet man kaum ein Tier, das keine Bandwürmer oder Nematoden in den Pförtneranhängen hat. Bei Gadiden verdient das besondere Beachtung, da hier ja Drüsen in den Appendices vorkommen. Man kann es fast als Gesetz hinstellen, daß die Darmparasiten der Fische durchweg die Appen- dices weit häufiger bevölkern als den Darm selbst. Ohne Frage ist das eine wichtige Tatsache für die Beurteilung der Organe, es weist offenbar auf eine starke Resorption in den Appendices hin, mindestens auf das Eindringen chymöser Massen. Der Inhalt der Appendices, der überaus häufig aus einer zähen, leicht trüben Flüssigkeit besteht, wie schon STELLER und RupoLrnHiı fanden, und wie er nach MEcKEL mit dem Darminhalt übereinstimmt, ist aber keineswegs regelmäßig derart, wenngleich RATHKE (1824) und auch EDINGER (1876) das angaben. Nach RATHKE müssen die an ihrer Basis oft bedeutend weiten Appen- dices hier „im lebenden Zustand des Tieres‘ verschlossen sein, um den Eintritt von Speisebrei zu verhindern. EDINGER über- nimmt diese Ansicht. RATHKE fand damals nämlich nur bei Zoarces und den Pleuronectiden Speisebrei in den Appendices pyloricae, also nur bei Formen mit sehr wenigen, sehr kurzen und weiten Pförtneranhängen. Wohl darum meinte EDINGER, daß „die zum Resorbieren geeigneten flüssigen Produkte der Magenverdauung“ allein in den Appendices resorbiert würden, worin ihn RATHKESs Angabe noch bestärken konnte, daß mit gefärbten Palae- monen gefütterte Exemplare von Motella trieirrata hernach den Farbstoff auch in den Pförtneranhängen bis tief an das blinde Ende hin erkennen ließen. Seither sind wir aber weit besser belehrt. KnER, der schon die Vermutung aussprach, es müsse bei Fischen die Resorption sogleich hinter dem Pylorus beginnen, fand bei Salar spectabilis, daß „Schlund- und Pförtnerteil des Magens“ leer waren, „die Blinddärme aber strotzend voll“. Auch bei einem anderen Salmoniden fand er bei den größeren Exem- plaren die Appendices pyloricae „mit breiiger Masse gefüllt und aus vielen (Appendices), besonders den Kranzbildnern rechts, schimmerte das Silberpigment von Schuppen durch (die aber nicht von dem noch im Cardienteile des Magens befindlichen Fische stammen konnten, sondern einem bereits völlig verdauten ange- hören mußten); es fand sich zumeist gerade in den blinden Enden zusammengedrängt vor, und ebenso glänzte es noch stärker durch die dünnwandigen Wände des gleichfalls von Nahrungsbrei strotzen- Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 507 den Dünndarms hindurch“. Ferner wies HyrTL auch in den beiden Pförtneranhängen von Heterotis Ehrenbergii Nahrungsreste nach. Flüssigkeiten, die HyrTL dem Tiere in den Magen in- jizierte, pflegten beim Übertritt in den Darm immer die Appen- dices zuerst zu füllen. GULLAND fand bei einem der von ihm untersuchten Exemplare der Forelle auch Nahrungsreste in den Appendices. Bei Salmo salar sah er die Pförtneranhänge von einer halbflüssigen, breiartigen Masse, die in ihrer Konsistenz zwischen einer Gallert und Eiter die Mitte hielt, und mehr weniger gelb gefärbt war, erfüllt. Auch B. HALLER erwähnt das Eindringen von Nahrung in die Appendices. Ich selbst habe natürlich gleich- falls auf das Vorhandensein oder Fehlen von Speisebrei in den Appendices geachtet. Wenn ich in der Mehrzahl aller Fälle eine verschieden gefärbte Flüssigkeit — oft entschieden mit Galle ver- mischt — in den Pförtneranhängen fand, in der sogut wie keine gröberen Nahrungspartikelchen suspendiert waren — einer gleichen Flüssigkeit pflegt man auch im Darm zu begegnen — so war das doch bei einer Anzahl von Fischen anders! Feinbreiige Nahrungs- masse fand ich in den Appendices pyloricae von Coregonus maraena und oxyrhynchus, Mugil auratus, wo ihm feine Sandkörner bis- weilen beigemischt waren, ferner bei Merlangus carbonarius und pollachius, Molva molva, Lota lota und Brosmius, bei Perca, Acerina, Lucioperca, Dentex vulgaris, Sphyraena sphyraena, Box salpa, Box boops und Charax puntazzo, bei welch letzteren drei Arten es sich um noch bestimmbare Algenreste handelte, zumal sah ich das bei einem Charax, wo alle Appendices strotzend voll von noch wenig angedauten Algen saßen. Auch fand ich Nahrungsreste bei Pleuronectes platessa, limanda, microcephala, bei Flesus und Rhombus laevis, bei Cottus bubalis und gobio, Agonus cataphractus und Trigla gurnardus. Meist zeigten nur einige Exemplare Speise- reste in den Appendices, der größere Teil von ihnen gar keine oder geringe. Es waren auch nicht alle Appendices genau gleich gefüllt. Prall gefüllt waren die Appendices ebensoselten wie der Darm. Schneckenhäuser, Muschelreste und Knochen sah ich nie in den Appendices, obwohl das vielleicht doch gelegent- lich vorkommen dürfte. Bei großen Exemplaren von Merlangus carbonarius ging die Füllung der Appendices mit Speisebrei bis an die blinden Enden. Wenn ich mit Inhalt angefüllte Appendices von Salmo fario und Thymallus thymallus mit Osmiumsäure behandelte, konnte ich meist im Epithel kleine schwarze Kügelchen auf Schnitten 508 Eduard Jacobshagen, erkennen. Bei der Mehrzahl sah ich sie nur im peripheren Zell- teil, bei einigen im basalen, bei sehr wenigen in beiden gleich- zeitig. Die Tropfen waren verschieden groß. Der exakte Nach- weis dafür, daß es sich hier um Fett handelt, würde sich wohl erbringen lassen. Es ist so gut wie sicher, daß es sich hier in der Tat um resorbiertes Fett handelt. Dies ist alles, was an sicheren Beobachtungen über die Funktion der Appendices pyloricae vorliegt. Eine sezernierende Tätigkeit für Appendices nahm in- dessen CUVIER an. Er schloß auf sie aus der Menge von „Feuchtig- keiten“, welche die Wände der Pförtneranhänge gewöhnlich zeigen und die auch die „Wände des Anfangsstückes des Darmkanales“ auf- weisen oder letztere allein, wenn Appendices fehlen. Er hielt diese „Feuchtigkeiten“ für Verdauungssaft, denn sie seien in solcher Menge vorhanden, daß sie nicht bloß zum „Schlüpfrig- machen der Darmwände“ dienen könnten. Die Pankreastheorie mußte diese Ansicht bestärken. Energischer trat denn auch MEcKEL als Anhänger der Sekretionshypothese hervor. Wenn er es auch für „unstreitig“ richtig ansieht, daß Darminhalt in die Appendices tritt und hier Resorptionsvorgänge sich abspielen, so hält er doch Verdauungsprozesse hier für die beherrschenden. Allein in dieser Ansicht hätten ihn schon Angaben CuUVIERSs un- sicher machen müssen. CuVIER, der überall, wo die „Feuchtig- keiten“ vorkamen, eine „Drüsenschicht“ fand — die in unserem Sinne ja fast stets fehlt —, vermißte sie und alles, was sonst auf eine sekretorische Einrichtung hinweisen konnte, bei mehreren Chaetodon-Arten und bei Holocentrus sogo, bei Uranoscopus scaber und bei Fischen ohne Appendices — bei denen also sonst der Darmanfang „Feuchtigkeiten“ sezernieren soll — auch bei Bagrus, Syngnathus, Ostracion und anderen. Auch VALATOUR hat sich 1861 für die Sekretion erklärt und hielt es für wahrscheinlich, daß das Epithel, in dem Drüsen nicht zu finden seien, das Sekret der Appendices bilde. In neuerer Zeit sprach sich zumal GEGENBAUR für die Annahme einer Sekretion in den Appendices aus. Er sieht in den Appen-. dices der Störe einen primitiven Zustand. Nun findet er hier ein einheitliches Organ, dessen „drüsenreiche Schleimhaut“ von der weiten Mündungsstelle her zahlreiche Hohlrinnen auskleidet. Also, schließt er, es liegt hier eine einheitliche Drüse vor. In- dessen besitzt die Schleimhaut in Wirklichkeit nur Krypten aber Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 509 keine Drüsen. Mit dieser drüsigen „Urform‘“ fällt wohl die Haupt- stütze der GEGENBAUERschen Ansicht. Später ist von physiologischer Seite eine Sekretion in den Appendices behauptet. Aber obwohl ein CLAUDE BERNARD die Reihe der Physio- logen eröffnete, dem dann KRUKENBERG, BLANCHARD, STIRLING, DEKKER und Boupovy folgten, müssen wir sogleich erkennen, daß der Erfolg und Nutzen der Experimente auf der negativen Seite für unsere Frage wenigstens zu suchen ist. In jeder Be- ziehung haben diese Forscher unser Wissen bei dem gelassen, was es vordem war, keinen Schritt haben sie zur Lösung der Fragen getan. -Woran lag die Schuld? Nur an der Methode, die mindestens unkritisch zu benennen ist. Alle Forscher arbeiteten mit Schleim- hautextrakten, ein Teil wenigstens, ganz besonders gilt das für Boupovy, schickte der Extraktgewinnung eine mechanische Rei- nigung der Schleimhaut voraus, letzterer auch eine vorherige Isolierung vom Darm, bei anderen bleibt es fraglich, ob man selbst diese Vorsicht anwandte. Keiner hat wirklich gründlich die Magennähe und die unmittelbare Nachbarschaft der Mündungen vom Ductus choledochus und Ductus pancreaticus in Rechnung gezogen, keiner sich eingehend um die anatomischen Verhältnisse jener Region gekümmert, ja nicht einmal das Eindringen oder Nichteindringen von Nahrungsmassen hat einen der sechs Forscher nachweislich irgendwie besonders interessiert. Ja KRUKENBERG konnte sogar trotz der ihm bekannten Anatomie des Pankreas der Fische LeGovIs’ Entdeckung eines dem anderer Wirbeltiere gleichgebauten Pankreas bei Fischen völlig in den Wind schlagen. Man sprach wohl von der Magennähe, allein was interessiert es, ob die mit Magensekret durchsetzten chymösen Mengen etwa in die Appendices eindringen! KRUKENBERG, obwohl er beim Barsch mit Zinnober und Ultramarin gefärbten Chymus in die Appendices dringen sah, beruhigte sich und andere mit dem Bemerken, daß „das Gelangen der Fermente eines Darm- abschnittes in andere Bezirke“ zwar eine Fehlerquelle abgäbe, daß das aber nicht „in der zuweilen angenommenen Tragweite“ der Fall sei. Diese Beruhigung konnte nur wirken, wo man Beobachtung und Kritik dem Experiment unterordnete. Daß die Appendices unmittelbar hinter dem Magen beginnen, wissen wir allgemein seit CuvIER, auch daß Nahrung in die Appendices eindringt, ist früh beobachtet. Was heißt da KRUKENBERGS Be- 510 Eduard Jacobshagen, ruhigung? Genau so steht es mit der Mündung von Leber und Pankreas! Nur mangelnde Kritik kann jenen Arbeiten irgend einen anderen Wert beilegen, als daß sie vielleicht die experi- mentellen Fertigkeiten jener Forscher für andere Ziele vorbereitet haben, für die Frage der Appendices sind sie höchstens hinderlich gewesen, indem sie bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck erwirken konnten, als lägen hier wissenschaftlich diskutierbare Beobachtungen vor, die bei den widerspruchsvollen Resultaten schwerlich zu einer Bearbeitung der Appendicesfrage ermutigen konnten. Wir wissen durch jene Forscher nicht einmal sicher, welche Reaktion in den Appendices vorkommt, ob, wie BLANCHARD all- gemein fand und wohl wahrscheinlicher ist, alkalische, oder ob neutrale, wie sie auch beobachtet wurde, oder aber saure. Die Enzymangaben widersprechen sich völlig. MACALLUM hat kritischer verfahren, nicht so sehr in der experimentellen Anordnung der Untersuchungen, als im Geist wissenschaftlicher Methode. Er reinigte Appendicesschleimhaut von Acipenser stark oder weniger stark und fand in Wasserextrakten niemals Enzyme; in 0,2°/, Salzsäurelösungsextrakten oder 0,5°/, Sodaextrakten nur dann Enzyme (Pepsin und Trypsin), wenn er die Schleimhaut nicht gründlich abgespült hatte, niemals nach gründlichem Spülen. Bei wenig gut gesäubertem Material stammt nach seiner Meinung das Pepsin aus dem Magen, das Trypsin aus dem Pankreas. Durch die vorliegenden experimentell-physiologischen Arbeiten scheint mir eine Sekretion für die Appendices auch in keiner Weise wahrscheinlich gemacht zu sein. Ob nur vom Magen oder vom Darm her verschleppte Enzyme in den Appendices vor- kommen, oder ob hier besondere Enzyme aktiv werden oder gar hier entstehen, wäre wohl noch ab ovo zu erweisen. Ein Sekret ist nicht deshalb in den Appendices gebildet, weil es dort vor- kommt oder besonders vorkommt. Magensaft, Galle und Pankreas- sekret kommen sicher in die Appendices pyloricae, da Nahrung in sie eindringt. Möchte in Zukunft die Physiologie in diesen Dingen mit der Anatomie freundschaftlicher zusammengehen und wieder mehr Anschluß gewinnen an die kritische und vergleichende Beobachtung, zu der doch das Experiment nur eine wertvolle Ergänzung bildet, nicht den Ersatz. Dann würde die Darm- anatomie gewiß mit Zinsen zurückzahlen, was sie an Material und an Anregungen den verdauungsphysiologischen Arbeiten an vielen Orten schuldig ist. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 511 Ernährung und Appendices pyloricae. Wir haben gesehen, daß die Appendices pyloricae der Fische als Ausstülpungen der Wand des Rumpfdarmanfanges auch in ausgebildeter Form noch durchaus den Charakter des Darmes haben. Wohl lassen sie in Einzelheiten, wie in der Quantität der Muskulatur, der feineren Reliefgestaltung der Schleimhaut noch Differenzen gegen den Darm erkennen, aber diese sind offenbar verursacht durch die Anpassung an die Funktionen eines Blinddarmes, die naturgemäß von denen des Darmrohres ab- weichen. Wir wissen, daß der Speisebrei in die Appendices pyloricae bis ans blinde Ende hin eintritt und wieder in den Darm zurücktreten kann. Funktionell müssen wir der Schleim- haut der Pförtneranhänge auf Grund des anatomischen Baues die gleiche Bedeutung zusprechen wie der Rumpfdarmschleimhaut, d. h. vorwiegend dürften die Appendices pyloricae jedenfalls als Resorptionsorgane aufzufassen sein, wenngleich ihnen wenigstens bei den Gadiden daneben noch eine sezernierende Rolle zu- kommen dürfte, die aber auch hier der ganze übrige Rumpf- darm hat. Dieser Apparat ist nur auf einen Teil der Fische beschränkt und fehlt überall sonst. Was veranlaßt die Bildung der Appendices, warum hat nur ein Teil der Fische Pförtneranhänge ? Man könnte da in Versuchung kommen, die Verbreitung der Appendices mit der Ernährungsweise in engste Beziehung setzen zu wollen etwa derart, daß man sich umsieht, ob nicht eine bestimmte Ernährungsart immer mit Pförtneranhängen ver- bunden vorkommt. Das ist indessen ganz entschieden nicht der Fall, wie der aufmerksame Leser aus den unten mitgeteilten Tat- sachen klar ersehen wird. Bestehen zwischen Ernährung und Appendicesverbreitung keinerlei Beziehungen, so muß man andere Wege wählen, die Frage zu beantworten, warum nur ein Teil der Fische, warum nur Fische Appendices pyloricae haben. Da liegt es nahe, einmal außer Acht zu lassen, daß die Appendices pyloricae Blinddärme sind und nur das zu betonen, daß sie einen die Schleimhaut- oberfläche vergrößernden Apparat repräsentieren. Man wird sich dann nach vikariierenden Einrichtungen umsehen, die für die Appendices bestehen können. Wir werden also die Schleimhaut- oberfläche der Fischdärme miteinander vergleichen. Diese Ober- 512 Eduard Jacobshagen, fläche ergibt sich einmal aus der Länge und Weite und der Appendiceszahl eines Darmes, sodann aus der Art des Schleim- hautreliefs. Wir betrachten diese Faktoren für sich und prüfen zunächst: Wie verhält sich bei einer bestimmten Ernährungsart die Länge und Weite des Rumpfdarms, wie verhalten sich hier die Appendices pyloricae? Es kann ja einem Zweifel gar nicht unterliegen, daß der Rumpfdarm in seinem Bau weitgehend durch die physiologische Leistung bestimmt wird, daß jede Muskelfaser seiner Wandungen, jedes Schleimhautfältchen in inniger Beziehung zur Leistung des betreffenden Darmstückes steht. Das Wechselverhältnis zwischen dem Bau eines Organes und seiner Funktion kann am Darm natürlich nicht aufgehoben sein. Wenn nun aber solche Be- ziehungen sicher bestehen werden, ist damit noch nicht gesagt, daß wir sie bereits klar erkennen können. Denn es ist erforder- lich, daß die Leistung des Darmes genau beurteilt werden kann, daß wir den Darmbau vollkommen kennen, ehe wir die Be- ziehungen von Organ und Funktion klar erfassen können. Seit alter Zeit ist es üblich, die Leistung gleicher Rumpf- darmflächen als gleichwertig anzusehen. Wie selbstverständlich hat man diese Anschauung hingenommen und sich berechtigt gefühlt, beliebige Darmflächen miteinander einfach zu vergleichen, indem man kaum einmal darauf acht gab, nur solche Schleim- häute miteinander zu vergleichen, die entweder sämtlich Drüsen haben oder sämtlich ohne Drüsen sind. Das anatomische Studium des Rumpfdarmes der Fische hat uns aber gezeigt, daß in Wirk- lichkeit große Unterschiede im Darmbau bestehen. Wir fanden Darmdrüsen im gesamten Rumpfdarm der Ga- diden (Merlucius ausgenommen), die allen anderen Fischen fehlten, wir fanden sehr wechselnde Stärke der Darmmuskulatur, die als Ausdruck ungleich starker motorischer Leistungen angesprochen werden muß, ja wir konnten sogar die Feststellung machen, daß das Stärkeverhältnis von Ring- und Längsmuskulatur bei ver- schiedenen Tieren keineswegs das gleiche ist, auch sahen wir nach vier verschiedenen Richtungen hin das Schleimhautbinde- gewebe sich differenzieren. Ungleicher anatomischer Bau kann uns kein Ausdruck gleicher physiologischer Leistung sein. Aus diesem Grunde müßten wir eigentlich den Einfluß der Nahrung auf Länge und Weite des Darmes und das Ver- halten von Appendices pyloricae nur an solchen Tieren studieren, Untersuchungen über das Darnısystem der Fische und Dipnoer. 515 die gleiche Darmtypen haben. Leider aber ist das zurzeit un- möglich, denn noch fehlt uns eine Methode, die es uns gestattet, die Darmmuskulatur einer exakten Vergleichung zu unterziehen. Diese Methode ist aber eine conditio sine qua non! Wir bescheiden uns unter diesen Umständen damit, nach altem Brauch einmal wieder gleiche Darmflächen als funktionell gleichwertig zu betrachten. Auch so werden wir einige Resultate bekommen und beständen sie auch vorwiegend darin, daß sie uns zeigten, daß die Mehrzahl angeblicher Resultate dieser Methoden einer Kritik keinen Stand halten, daß wir fernerhin keine törichten Fragen mehr stellen, die vorläufig nicht zu beantworten sind. Es dürfte einen Gewinn bedeuten, wenn wir in dem im ganzen noch recht wüst daliegenden Gebiete der Darmmorphologie und der Darmphysiologie erst einmal lernen, kritischer vorzugehen und uns nach Methoden umzusehen, die der modernen Natur- forschung würdiger sind. Über die Ernährung der Fische ist immer noch ziemlich wenig bekannt!). Meist erstrecken sich unsere Erfahrungen nur über einige Nutzfische der europäischen Binnengewässer und über Aquarienfische. Verhältnismäßig wenig wissen wir über die Nahrung der Seefische. Soviel aber dürfen wir als voll- kommen gesichert betrachten, daß ein sehr großer Teil der Fische omnivor ist. Pflanzen und Tiere der verschiedensten Art werden in nach Alter, Jahreszeit, Standort und Gelegenheit ver- schiedenem Verhältnis in den Darm aufgenommen. Ein ebenfalls sehr großer Prozentsatz von Fischen lebt nur von lebenden und toten Tieren der verschiedensten zoologischen Gruppen. Fast immer ist die Beuteauswahl karnivorer Fische sehr reichhaltig. Immer kleiner wird indessen eine dritte Gruppe von Fischen, das sind die ausschließlichen Pflanzenfresser. Die Aquarien- liebhaberei hat zur Verringerung der Zahl der Pflanzenfresser viel beigetragen. Es ist hier mancher Herbivore als ein Omnivore erkannt; man hat auch gefunden, daß sich viele Fische 1) Gegen die neuesten Lehren PÜTTERs zu diesem Thema sind unlängst von BIEDERMANN schwere physiologische Bedenken geäußert. Die hohe Entwicklung des Darmsystems der Fische und seine fabel- hafte Variationsbreite bei diesen Tieren kann Morphologen nicht be- wegen, die Resorption von Nährlösungen im Bereiche der Kiemen- region als morphogenetischen Reiz hierfür anzunehmen. Karpfen- züchter und Anatomen werden den Fischen künftig eine altmodischere Ernährung ruhig belassen. 514 Eduard Jacobshagen, leicht an andere Nahrung gewöhnen und kann darum kaum zweifeln, daß solche Nahrungswechsel auch in der Natur oft vor- kommen, wo der Ort und die Gelegenheit dazu verführen. Die von mir unten als Pflanzenfresser aufgeführten Fische sind nun teilweise nicht sehr genau bekannt und ich bin deshalb über- zeugt, daß in einiger Zeit noch manche von ihnen als omnivor entlarvt werden, wie es mit so vielen vor ihnen der Fall ge- wesen ist (Mollienesia, Girardinus usw.). Es sind wahrscheinlich nicht alle von mir zitierten Pflanzenfresser rein herbivor. Die gleiche Reserve müssen wir bei allen anderen von mir unten aufgestellten Ernährungsarten walten lassen. Auch hier sind unsere Kenntnisse vielfach nur partielle und werden mit der Zeit vielleicht anderen Erfahrungen Platz machen müssen. Ich werde unten die Ernährungsarten möglichst spezialisiert angeben, wobei mir nichts so fern liegt, als mit dieser Spezialisierung physiolo- gische Nahrungstypen aufstellen zu wollen. Lediglich im Interesse einer klaren Einsicht in die Ernährungsverhältnisse habe ich innerhalb der Karnivoren eine feinere Rubrizierung vorgenommen. Ehe wir zur Untersuchung über die Beziehungen zwischen der Nahrung und der Darmlänge, Darmweite und dem Vorhandensein und der Entfaltung der Appendices pyloricae schreiten, müssen wir noch eins tun, nämlich uns nach einem gemeinsamen Maß- stab umsehen, auf den wir die Darmlängen beziehen. Zwei Methoden sind bisher hierfür gebräuchlich. Die erste bezieht die Darmlänge auf das Gewicht des Tieres. Warum man diesen Maßstab wählte, ist leicht einzusehen. Keine andere Methode scheint so sehr den Gesamtbestand an organischer Ma- terie zu berücksichtigen, die im Abspiel der Lebensvorgänge ständig ernährt und ersetzt werden muß. Aber diese Methode läßt eins ganz unberücksichtigt, das ist die Intensität der Lebens- prozesse, die natürlich die physiologische Leistung des Darmes allermindestens ebenso beeinflußt wie die Gesamtmasse des Körpers. Der Karpfen, der mit unendlicher Trägheit in unseren Fischteichen dahinlebt, hat fraglos weit weniger Stoffumsatz als etwa der be- wegliche Hering und die räuberischen Gadiden. Dazu bringt diese Methode schwere Bedenken anderer Art mit sich. Wenn man das Körpergewicht als Maß nimmt, muß man fordern, daß alle berücksichtigten Tiere einen leeren Darm haben, da sonst, zumal bei kleinen Tieren, ungeheuere Fehler im Gewicht unterlaufen müssen.. Aber man muß noch mehr fordern: daß alle Tiere im gleichen Ernährungs- und Kräftezustand sind, was vom Fangort, Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 515 der Fangzeit, vielleicht auch dem Alter der Tiere, der Körper- größe und sicher vom Geschlecht mit abhängt. Diesen absolut notwendigen Anforderungen kann man nicht entsprechen. Besser scheint mir die zweite, ältere Methode, die Darm- längen auf Körperlängen bezieht. Auch diese Methode ist ja mit sehr vielen Fehlern verbunden, aber doch wohl anwendbarer als die erste. Denn wenn auch die Körperlänge sehr oft die Gesamt- masse an organischer Materie des Tieres nicht zum Ausdruck bringt, so kompensiert sie doch großenteils den Hauptfehler der ersten Methode, indem die Körperlänge bis zu einem gewissen Grade die Agilität des Tieres kennzeichnet. Die schlanke See- nadel, der langgestreckte Hecht haben zwar weniger Masse als etwa gleichgroße Karpfen, aber dafür bringt die Gestalt der ersteren gut die größere Intensität der Lebensprozesse zum Ausdruck. Daß die Schwanzflossenausbildung nicht allein Ausdruck der be- zeichneten Agilität ist, sondern oft von anderen Einflüssen regu- liert wird, ist ein sicherer Fehler der Methode, aber trotzdem beziehen wir besser nicht auf die Rumpflänge, weil auch sie weitgehend durch die Ausbildung des Schwanzes beeinflußt wird, auch nicht auf die Entfernung vom Mund zum After, da die Lage des Afters zum Beckengürtel enormen Schwankungen unterliegt. Trotz der angedeuteten und anderer Mängel, wollen wir die Darm- längen auf die Gesamtlänge des Tieres von der Schnauzenspitze bis zur Spitze der Schwanzflosse rechnen. Wir sind uns dabei bewußt, daß die Methode nicht allen Anforderungen der Kritik standhalten kann, aber eine einwandsfreie Methode gibt es bisher nicht und wir bekommen immerhin so gewisse Anhaltspunkte, mit denen wir uns begnügen müssen. Indem wir uns jetzt an die Untersuchung unserer Frage heranbegeben, wählen wir als erste Gruppe uns Pflanzenfresser aus und zwar nur solche, die sich von Faulschlamm nähren, d. h. von allen möglichen vegetabilen Trümmern vermischt mit Diatomeen, Protozoen und Ähnlichem. 1. Faulschlammfresser sind die Characiniden: Xenocharax, Disti- chodus, Citharinus, Prochilodus und Lebiasina, höchst wahrscheinlich auch Curimatus, ferner die Panzerwelse: Loricariaund Hypostomus und die Peresociden-Familie Mugil. Allen diesen Faulschlammfressern ist gemeinsam ein langer Darmkanal. Am kürzesten ist er noch bei Lebiasina, wo er aber doch schon von Körperlänge ist und damit oberhalb der durchschnittlichen Darmlänge der Fische sich befindet (s. Tabelle auf S. 72—74). Aber dieses Maß geht schon bei 516 Eduard Jacobshagen, Tabellarische Übersicht über die Länge des Rumpfdarms einiger Teleostomi bezogen auf deren (Gesamtlänge von der Schnauzenspitze bis zum Ende der Schwanzflosse. Curs:ıv Carmivore, halbfett Omnivore, fett Herbivore. Die Nahrung der Tiere deren Namen durch gewöhnlichen Druck wiedergegeben sind, ist nicht näher bekannt (z. B. 6, 9, 20, 26). 1. Panthodon Buchholzi | 0,20 2. Nenomystus nıgrı | 0,20 3. Syngnathus acus | 0,29 4. Regalecus gladius (Cuvier et Valeneiennes) 0,30 5. Conger conger 0,33 6. Lepidosteus osseus 1... 087 7. Anguilla anguılla | 0,37 8. Lamprıs guttatus (Cuvier et Valenciennes) | 0,41 9. Ophiocephalus spec. 0,41 10. Delone vulgarıs 0,43 11. Polypterus bichir | 0,43 12. Clupea harengus | 0,46 13. Nerophis oßhidıon | 044 14. Trachinus draco 0,46 15. Calamichthys calabarıcus | 0,49 16. Osmerus eperlanus 0,50 17. Gymnotus_ electricus 0,50 18. Fundulus gularıs 0,50 19. Echeneıs spec. | 0,50 20. Monoecirrhus polyacanthus 0,08 21. Gasterosteus aculeatus 0,52 22. Amıa calva | 0,55 23. Anabas scandens 0,56 24. Perca fluviatilis 0,56 25. Coregonus lavaretus 0,59 26. Acipenser rubicundus (Macallum) 0,60 27. Gadus callarias 0,61 28. Esox lucius 0,62 29. Amiurus nebulosus 0,63 30. Sargus vulgaris 0,64 3l. Zrigla gurnardus 0,65 Untersuchungen über das Darmsysteın der Fische und Dipnoer. 517 32. 33. 34. 39. 36. a7. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. AT. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. Macropodus virıdi-auratus Lucioperca zandra Mormyrops elongatus Macrodon tahıra Alestes Kotschyı Alestes nurse Tetraganoßterus abramıs Tetragonopterus fascıatus Mormyrus Caschive Tinca tinca Sulurus glanıs Phoxinus laevis Coftus scorprius Zoarces viviparus Charax puntazzo Sarcodaces odoe Aydrocyon Forskalü Ichthyoborus naloticus Pelecus cultratus Pleuronectes platessa Pimelodus Stegilichii Lebiasina bimaculata Alestes macrolepıdotus Anostomus Leporinus Frederici Squalius cephalus Leuciscus rutilus Abramis brama Mollienesia latipinna Barbus barbus Cyclopterus lumpus Anarrhıchas lupus Alestes longipinnis Alestes dentex Osphromenus trichopterus Malopterurus electricus Carassius carassius Scatophagus argus Box boops Salarias meleagris Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. (Marcusen) (Rowntree) (Rowntree) (Rowntree) (Rowntree) (Rowntree) (Marcusen) (Haempel) (Rowntree) (Rowntree) (Rowntree) (Haempel) (Rowntree) (Rowntree) (Rowntree) (Rowntree) (Haempel) (Haempel) (Haempel) (Cuvier et Valenciennes) (Rowntree) (Rowntree) (Haempel) (Cuvier et Valenciennes) 34 0,66 0,67 0,67 0,66 — 0,80 0,66 — 0,80 0,66—0,80 | 0,66 — 0,80 0,66 — 0,80 0,69 0,72 0,72 0,73 ED: 0,73 0,80 0,80 0,80 bis 0,80 0,83 7,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,27 1,30 1,33 1,36 1,40 1,40 1,46 1,50 1,50 1,87 fast 2,00 2,00 Eduard Jacobshagen, 12. Perilampus ostreographus 13. Solea solea 14. Blennius gattorugine 75. Idus orphus 76. dd. 78. 79. sv. sl. 82. 83, 34. 85. 36. 37. 88. 89. 0. 91: 22. 93. 94. 3. 96. IA. 98. 99. 100. 101. 102. 103. 104. 105. Xenocharax spilurius Lophius piscatorius Blennius palmicornıs Catostomus macrolepıdotus Meletta thryssa Loricaria Acanthurus coeruleus Prochilodus lineatus Distichodus niloticus Catostomus bostontiensıs Catostomus aureolus Poecilia Surinamensis Sieydium Plumieri Mugil cephalus Mugil chelo Mugil auratus Ortbagoriscus mola Citharinus latus Sclerognathus eyprinus Oreinus Gobio limnophilus Cirrhina mrigala (Cuvier et Valenciennes) (Meckel) (Cuvier) (Rowntree) (Cuvier et Valenciennes) (Hyrtl) (Meckel) (Cuvier et Valenciennes) (Rowntree) (Rowntree) (Cuvier et Valenciennes) (Cuvier et Valenciennes) (Cuvier et Valenciennes) (Cuvier et Valenciennes) (Cuvier) (Rowntree) (Cuvier et Valenciennes) (Cuvier et Valenciennes) (Cuvier et Valenciennes) (Cuvier et Valenciennes) Gonorhynchus gobioides (Cuvier et Valenciennes) Gonorhynchus petrophilus (Cuvier et Valenciennes) Gonorhynchus rupicolus (Cuvier et Valenciennes) Chanos arabicus Gobio isurus Gobio bicolor Gobio armen Hypostomus (Cuvier et Valenciennes) (Cuvier et Valenciennes) (Cuvier et Valenciennes) ) (Cuvier et Valenciennes (Cuvier) 2,00 2,00 2,00 2,02 reichlich ’ 2,40 2,41 2,50 2,60 bis 3,00 3,00 3,00 3,00 3,20 über 37,20 4,00 reichlich 4,00 mindestens 4, mindestens , fast 5,00 fast 5,00 5,0 3 5—6 8,0 8,0 8,0 8,0 8,0 8,0 11,0 11,0 mindestens ’ 12—15 Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 519 Xenocharax auf das Doppelte. Der Darm von Prochilodus und Distichodus und, im Maximum, auch bei Loricaria erreicht dreifache Körperlänge, die fünffache bei Citharinus und wohl mehr noch bei dem in flacher Spirale von 23 Touren aufgewundenen Darm von Curimatus. Hypostomus erreicht mit 12 — 15 facher Körper- länge in seinem Rumpfdarm das größte bisher von Fischen be- kannte Maß. Wechselnde Zustände findet man bei Mugil. Mugil chelo, cephalus und auratus haben einen Darm von vier bis fünf- facher Körperlänge. M. liza erreicht wohl gleiches Maß, etwas weniger nur M. lineatus und Dubahra. Kürzer ist aber der Darm von M. capito, grandisquamis und labeo, und vielleicht ist nach CUVIER ET VALENCIENNES der Darm von M. saliens nur ein Viertel so lang wie bei M. cephalus. Trotz der durchweg beträchtlichen Darmlänge aller Faulschlammfresser haben die meisten noch Appen- dices pyloricae, nur die Panzerwelse lassen sie ganz vermissen. Unter den Characiniden hat Lebiasina, die Form also mit dem kürzesten Darm, nur 5—6 Pförtneranhänge, der längere Darm von Xenocharax auch nur wenige, der noch längere von Prochilodus und Distichodus aber sehr viele. Dagegen haben Citharinus und Curimatus bei noch größerer Darmlänge nur 10 Appendices. Auch bei den Mugil-Arten besteht zwischen der Darmlänge und Appendices-Entfaltung kein deutliches Gesetz. Der kürzeste Darm von Mugil saliens trägt acht Pförtneranhänge, der von M. capito 6. der von M. labeo, grandisquamis und der längere Darm von M. Dubahra 7, der lange Rumpfdarm von M. lineatus hat aber nur zwei Appendices und bei den Formen mit längstem Darm (M. auratus, liza, chelo, cephalus) schwankt die Appendiceszahl zwischen zwei und acht! 2. Als zweite Gruppe wollen wir Fische auswählen, deren Nahrung sich, soweit man weiß, gänzlich aus Fucus und anderen Algen zusammensetzt. Hierher gehört nach allgemeinem Urteil bestimmt Box, und — nach meinen Untersuchungen an einer größeren Reihe von Exemplaren, denen keine Literaturangabe zu wider- sprechen scheint — ebenso bestimmt Charax. Mit hoher Wahrschein- lichkeit stimmen die Angaben von CUVIER et VALENCIENNES über solche Lebensweise für Acanthurus, Prionurus, Amphacanthus und Naseus. Dieselben Autoren, rechnen auch Pomacanthus niger und Haplodactylus hierher. Fast alle Formen haben einen langen Darm und alle auch Appendices pyloricae. Der Darm von Acan- thurus coeruleus erreicht dreifache Körperlänge. Ähnlich ist offenbar die Darmlänge bei den anderen Acanthurus-Arten und bei Naseus, 34* 520 Eduard Jacobshagen, dagegen etwas kürzer bei Prionurus. Lang ist auch der Darm von Amphacanthus. Über die Zustände bei dem Chaetodontiden Pomacanthus und über Haplodactylus fehlen nähere Notizen. Der Darm von Box boops hat auch noch doppelte Körperlänge. Da- gegen widerstrebt dem Dogma vom langen Darm der herbivoren Tiere: Charax. In seinem Darm fand ich stets sehr reichliche, oft enorme Mengen von Algen und nur solche. Dabei ist der Darm nur vier Fünftel so lang als der gedrungene Körper. Die maxi- male bekannte Appendices-Zahl dieser zweiten Gruppe ist 15, Charax hat aber nur acht und kompensiert also seine geringe Darmlänge nicht durch Pförtneranhänge. 3. Die dritte Gruppe von Fischen bilden einige Pflanzen- fresser, die gern noch Sämereien und Körner zu anderer Pflanzen- nahrung in den Darm aufnehmen, z. B. Samen von Leguminosen. Die Siluriden Doras, Auchenipterus und Synodontis tun das. Diesen Formen fehlen Appendices pyloricae Ihr Darm ist lang (Auchenipterus) oder sogar sehr lang. 4. Von anderen Vegetariern ist die Nahrung nicht näher definiert. Rhodeus unter den Cypriniden gilt als rein herbivorer Fisch, der vorwiegend kleine Algen frißt. Nach BoULENGER würde auch Hemiramphus, ein Scombresocide, ähnlich leben. In- dessen halte ich diese Angabe in der Verallgemeinerung jeden- falls für irrtümlich, denn der im Aquarium gehaltene Hemiramphus fluviatilis lebt nur von tierischer Nahrung. Osteoglossum ist nach SCHOMBURGS Angabe Vegetarier. Nach der Histoire naturelle sind auch Cestraeus, Amphiprion und Oreinus Pflanzenfresser. Die als herbivor geltenden Mollienesia latipinna und Girardinus sind es wenigstens im Aquarium nicht. Sie nehmen hier auch Tiere auf und sogar, wie mir von Aquariumliebhabern mitgeteilt wird, mit Vorliebe. Mollienesia latipinna soll regelmäßig, trotz anderer dargebotener Kost, rote Mückenlarven begierig fressen und man schätzt die Zahl der täglich von jedem dieser kleinen Cyprinodonten gefressenen Larven auf 20 —30 Stück. Im Aqua- rium ist das Tier also omnivor. Ich führe das hier besonders an, weil ich Mollienesia aus dem Aquarium erhielt. CUVIER et VALEN- CIENNES fanden den Darm von Mollienesia latipinna von vier- facher Körperlänge, die von mir untersuchten Tiere hatten im Durchschnitt einen Darm von 1,27 der Körperlänge. Sollte Mol- lienesia nur im Aquarium omnivor sein? Da weder VALENCIENNES noch mir ein Irrtum bei der Untersuchung so leicht. untergelaufen sein könnte, wäre zu untersuchen, ob der Darm frisch importierter Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 521 Mollienesia latipinna sich anders verhält als der von Arten, die lange im Aquarium lebten. Was nun den Darm der genannten Vegetarier anlangt, so ist er lang und eng bei Rhodeus, sehr lang bei dem Peresociden Cestraeus plicatilis und besonders bei dem Cypriniden Oreinus, wo der Darm fünf bis sechsfache Körperlänge erreicht. Dagegen ist der Darm von Amphiprion kurz bis höchstens mittel- lang, der von Osteoglossum aber ganz kurz, denn er läuft gerade vom Pylorus zum After. Ebenso kurz wäre der Darm der be- kannten Hemiramphus-Arten (CUVIER et VALENCIENNES). Rho- deus, Oreinus und Hemiramphus haben keine Appendices pyloricae, dagegen Cestraeus, Amphiprion und Osteoglossum zwei. Wir wenden uns nun den rein karnivoren Fischen zu. Auch hier wollen wir die Nahrung möglichst speziell angeben. Daß unsere Nahrungsgruppen vielfach ungenau sind, ist zu betonen. Es handelt sich oft um Tiere, deren Nahrung man wohl nur un- vollständig kennt. 5. Die Planktonfresser bilden die erste Gruppe der karnivoren Fische. Engraulis, Clupea, Meletta sprattus, Alosa, Coregonus palea und oxyrhynchus, Osmerus eperlanus, Alburnus lueidus, Scomber scombrus, Gobius minutus und Centronotus sind Fische, die vom Plankton leben. Auch Nerophis kann man für unsere Zwecke gewiß hierher rechnen. Alle haben einen kurzen Darm, der bei Clupea und Nerophis nicht die Hälfte der Körper- länge erreicht, dies Maß bei Osmerus gerade besitzt, bei den Coregonen nur wenig überschreitet und wohl auch bei Scomber, wo er am längsten ist, noch hinter der Körperlänge erheblich zurückbleibt.. Alburnus, Gobius minutus und Centronotus sind ohne Appendices pyloricae. Bei den Clupeiden- und Salmoniden- Arten bestehen oft nur wenige (Ösmerus, Meletta sprattus), oft aber viele, ja sehr viele Appendices (Coregonus). Letzterer Be- fund wird auch von Scomber erhoben. 6. Größere Krustaceen bilden die Nahrung von Arius papillosus, Galeichthys feliceps, Eremophilus, Polynemus americanus, Cyphosus marciac, Serranus hepatus, Dules rupestris, Ambassis Commersonii, Sillago punctata, Upeneus taeniopterus, Eleotris guavina, Pterois, Pelor, Agonus, Trigla pini, kumu und lineata, von Trichonotus und Crenilabrus. Von ihnen haben Eleotris und Trichonotus einen sehr kurzen Darm. Kurz ist auch der Rumpf- darm von Serranus, Sillago, Upeneus, Pterois, Crenilabrus, mittel- lang der von Galeichthys und wahrscheinlich auch Polynemus, desgleichen der Darm von Dules, Ambassis, Pelor, Agonus und 522 Eduard Jacobshagen, Trigla kumu. Etwas länger wird er bei Arius und Trigla lineata und ist ansehnlich bei Eremophilus und Trigla pini, äußerst lang bei Cyphosus marciac. Zahlenmäßige Angaben fehlen überall. Appendices pyloricae kommen nicht vor bei den Siluriden: Arius, Galeichthys und Eremophilus, bei Ambassis, Eleotris, Trichonotus und Crenilabrus. Sillago und Upeneus haben nur 2 Pförtner- anhänge, 3 hat Pterois, 4 Pelor, 5 haben Serranus, Cyphosus und Agonus, 6 Trigla kumu, 7 Dules, 10 Trigla pini und lineata. Sehr zahlreich sind die Appendices von Polynemus. 7. Insektenfresser sind Panthodon Buchholzi, Petrocephalus, Pimelodus Sebae, Nemachilus und Gasteropelecus sternicla, ferner Grystes salmoides, Datnia cancellata, Platyptera aspro, Perilampus ostreographus und Toxotus. Sehr kurz ist der fast gerade Darm von Gasteropelecus und Panthodon, bei letzterem Physostomen nur 0,20 der Körperlänge erreichend.. Auch bei Pimelodus, Platyptera, Nemachilus, Grystes, Datnia und Petrocephalus bleibt er wohl noch ein ansehnliches Stück hinter der Körperlänge zu- rück, vielleicht auch noch bei Toxotus. Indessen ist nach CUVIER et VALENCIENNES der Darm von Perilampus, einem Fisch von mir unbekannter systematischer Stellung, von doppelter Körper- länge, also 10 mal so lang wie bei Panthodon! Pimelodus, Nemachilus und Platyptera aspro haben keine Pförtneranhänge. Scheinbar fehlen sie auch bei Perilampus. Eine Appendix hat Panthodon, 2 Petrocephalus, 7 Gasteropelecus, 7—9 Toxotus, 14 Grystes. Über Datnia fehlen Angaben. 8. Fischfresser bilden unsere achte Gruppe. Fische bilden die scheinbar ausschließliche Nahrung von Stomias boa, Elops saurus, Meletta matowacca und Chirocentrus dorab, desgleichen von Sphyraena, Rypticus saponaceus, Thynnus alalonga, Pteraclis carolinus, Lophius und Malthe. Von ihnen haben Stomias, Elops, Chirocentrus und Sphyraena einen sehr kurzen Darm, der gerade zum After läuft. Nicht sehr lang ist auch der Darm bei Meletta, Rypticus, Thynnus und Pteraclis, offenbar auch Malthe. Indessen erreicht der Rumpfdarm von Lophius piscatorius 2,4 der Körper- länge. Stomias und Chirocentrus haben keine Appendices, Malthe hat Andeutung von zweien in Form kleiner Darmbuchten, Lophius besitzt zwei ansehnliche Blinddärme, Rypticus und Pteraclis haben 6, Sphyraena 48, Meletta und Elops sehr viele. Ihre Zahl wurde bei Elops auf über 100 geschätzt. 9. Die neunte Gruppe sollen Molluskenfresser bilden. Nur Corvina oscula, Lampris guttatus, Arius pavimentosus, Plotosus Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 523 limbatus und Catostomus zählen hierher. Von ihnen haben Cor- vina und Arius einen kurzen und weiten Darm, auch der von Lampris mißt nur 0,41 der Körperlänge. Länger ist der Darm von Plotosus, der aber noch hinter dem von Catostomus zurück- bleibt. Hier wird mindestens 2,56 der Körperlänge erreicht (C. macrolepidotus), bei C. bostoniensis und aureolus aber das 3,2- fache und mehr noch bei anderen Arten. Arius, Plotosus und Catostomus haben keine Appendices pyloricae. 7 Pförtneranhänge hat Corvina, 16 Appendices-Büschel aber Lampris. 10. Salpen fressen Centropristes truttaceus und aurorubens. Sie haben einen kurzen Darm und Appendices pyloricae, auro- rubens hat 6, truttaceus aber sehr viele. 11. Cnidarienfresser bilden die letzte Gruppe. Nur für Blennius gattorugine, Pomacentrus fuscus und Tetragonurus Cuvieri finde ich solche Nahrung angegeben. Ziemlich kurz ist der mit sehr vielen Appendices pyloricae versehene Darm von Tetragonurus, von mittlerer Länge der von Pomacentrus, der drei Appendices aufweist. Die doppelte Körperlänge erreicht der Darm von Blennius. Hier fehlen Appendices pyloricae. Was haben uns nun unsere 11 Gruppen über die Wechsel- beziehungen von Nahrung und Rumpfdarmlänge und die Appen- dices-Entfaltung gelehrt ? Sehr wechselnde Befunde boten die Pflanzenfresser. Eine Form (Osteoglossum), die vegetarisch leben soll, hat einen geraden, sehr kurzen Darm. Ein Algenfresser, Charax, bleibt bei zwar viel- fach gewundenem Darm doch noch um ein Fünftel hinter der Körperlänge zurück. Ob der Darm von Amphiprion und Cestraeus über dies Maß hinausgeht, ist zweifelhaft. Alle genannten Formen sind mit nur wenigen Appendices pyloricae versehen, die eine sehr wesentliche Kompensation der geringen Darmlänge nicht bringen können. Lang ist der Darm der übrigen Herbivoren, der gewöhnlich zwischen einfacher bis sechsfacher Körperlänge variiert, nur in einem Fall die Höchstzahl von 15 facher Körper- länge erreicht. Der letzten Art fehlen zwar Appendices, aber auch schon anderen mit viel kürzerem Darm (Loricaria), fehlen sie, während Tiere mit längerem Darm als ihn Loricaria besitzt, wieder mit Appendices ausgerüstet sein können (Citharinus, Curimatus). Man kann sagen, daß sich bei der Mehrzahl der Pflanzenfresser lange Därme finden, daß aber häufig auch kurze Därme vor- kommen. Ferner ist festzustellen, daß die Zahl und das Vor- 524 Eduard Jacobshagen, kommen von Pförtneranhängen nachweisbar in keiner Weise mit der Darmlänge in Zusammenhang steht. Auch die Fleischfresser verhalten sich verschieden. Die meisten von ihnen haben einen kurzen Darm. Aber der Crustaceen- fresser Cyphosus, der Insektenfresser Perilampus, der Fischfresser Lophius, die Molluskenfresser Catostomus und der Cnidarienfresser Blennius haben Därme von doppelter Körperlänge, ja bis über 3,2 der Körperlänge noch hinaus. Der Darm dieser Tiere kommt also dem sehr zahlreicher Pflanzenfresser an Länge gleich oder sehr nahe. Also auch hier sind reichliche Ausnahmen vorhanden. Auch bei Carnivoren finden sich keine nachweisbaren Beziehungen zwischen dem Vorkommen und der Ausbildung der Appendices pyloricae und der Darmlänge. Werfen wir nun noch einen kurzen Blick auf die Fische, deren Nahrungsbedarf weniger enge Grenzen gezogen sind. Da haben wir zunächst die Omnivoren, die allerlei Fleisch- und Pflanzennahrung nebeneinander zu sich nehmen. Omnivor sind von den Fischen unserer Tabelle (S. 72—74), zu der noch eine sehr große Zahl anderer gestellt werden könnte, Gadus, Amiurus, Sargus, Lucioperca, Mormyrus, Tinca, Phoxinus, Pelecus, Leporinus, Squalius, Leueiscus, Abramis, Barbus, Cyclopterus, Ösphromenus, Malopterurus, Carassius, Scatophagus argus, Poecilia Surinamensis und Cirrhina.. Im ganzen tritt bei diesen Tieren gegenüber den Karnivoren eine geringe Neigung zu größerer Darmlänge hervor, wie ein Blick auf die Tabelle lehrt. Jedoch ist die Darmlänge von Gadus, Amiurus usw. bis Pelecus noch unter Körperlänge und liegt damit im Durchschnittbereich der Darmlänge der Karnivoren. Erst ein Teil der Cypriniden, Cy- clopterus, Osphromenus, Malopterurus, Poecilia Surinamensis und Cirrhina haben mehr den Typus der Herbivoren. Die zweite große Gruppe bilden die Karnivoren, die aus den wechselndsten Gebieten des Tierreichs bei wenig be- schränkter Auswahl ihre Nahrung beziehen. Aus unserer Tabelle gehören hierher: Xenomystus und Syngnathus, Regalecus, Conger, Anguilla, Belone, Trachinus, Gymnotus, Fundulus gularis, Echeneis, Gasterosteus, Anabas, Perca, Coregonus lavaretus, Esox, Trigla gurnardus, Mormyrops, Macrodon, Tetragonopterus, Silurus, Cottus und Zoarces. Die Genannten sind Vertreter des bei den spezialisierteren Karnivoren gefundenen Darmtypus. In Pleuro- nectes, Anarrhichas, Solea und Blennius palmicornis, Fischen, die ebenfalls karnivor sind, haben wir Typen vor uns, die sich Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 525 den herbivoren und omnivoren sehr weit nähern. Sie stellen wichtige Ausnahmen dar, wie es deren wohl noch viele geben wird. Das Endresultat unserer Untersuchungen wäre also das: Reine Pflanzenfresser haben größtenteils lange Därme. Auch ein großer Teil der Omnivoren neigt nach der Richtung. Der überwiegende Teil der Karnivoren hat einen kurzen Darm von weniger als Körperlänge. Als Ausnahme besteht: 1. eine größere Zahl von Herbivoren, deren Darm kurz ist, 2. eine größere, ja sehr große Zahl von Omnivoren, deren Darmlänge nicht die der Karnivoren übertrifft, 3. eine größere Zahl von Karnivoren, deren Darm länger ist als bei vielen typi- schen Herbivoren und Omnivoren. Zwischen den Appendices pyloricae und der Darmlänge ist keine Beziehnung nachweisbar. Das zweite Maß der Darmschleimhautoberfläche bietet neben der Darmlänge und Appendices-Zahl das Darmrelief. Wir wollen darum nun auch dieses Maß zu Rate ziehen, müssen aber von vornherein hervorheben, daß unser Material in dieser Richtung nicht allzugroß ist, da über einige, gerade wichtige Fisch- gruppen, nähere Reliefangaben fehlen. Sahen wir gewisse Be- ziehungen zwischen der Ernährung und der Darmlänge immerhin zutage treten, so erwarten wir vielleicht, bei einer Vergleichung der Darmreliefs ein Gleiches zu finden. Dem ist aber nicht so, wie schon v. EGGELING nachweisen konnte und wie ich an meinem sehr viel größeren Material vollauf bestätigen kann. Zunächst ist festzuhalten, daß ein bestimmtes Re- lief für bestimmte Ernährungsweisen nicht besteht. Nach Kner würden bei den Faulschlammfressern Loricaria sehr regu- läre, parallele, fein wellenförmig gebogene Längsfalten das Darm- relief bilden, nach meiner bereits 1911 geäußerten Ansicht dürfte dies Relief in Wahrheit dem von Malopterurus sehr nahestehen —. Die Mugiliden, ebenfalls Faulschlammfresser, haben isoliert stehende Zotten im Darm und in den Appendices. Die Algenfresser Box und Charax haben Netzreliefs, die von denen der karnivoren Per- eiden und anderer Acanthopterygier nicht irgendwie erheblich oder typisch abweichen, sondern mit sehr vielen vollkommen übereinstimmen. „Leicht gezottet“ soll die Darmschleimhaut des herbivoren Acanthurus hepatus sein und die des Naseus fronticornis. Bei dem auch Körner aufnehmenden Siluriden Synodontis sollen neben 526 Eduard Jacobshagen, Längsfalten auch Zotten im Darmanfang bestehen. Die Plankton- fresser Clupea, Alosa, Meletta und Coregonus, wahrscheinlich auch Engraulis weisen im Rumpfdarmanfang Netzstrukturen auf, später Ringfalten besonderer Art. Querfalten herrschen im Netzrelief von Osmerus vor. Alburnus, Scomber, Gobius und Centronotus haben Netzwerke, deren Maschen bei Centronotus ziemlich weit sind, sehr unregelmäßig bei Alburnus. Der Crustaceenfresser Eremophilus besitzt zottenartige Fort- sätze der Darmschleimhaut, Serranus ein Netz mit polygonalen Maschen, ebenso Agonus, nur verlaufen bei ihm die Falten wellig. Ein niedriges Netz hat auch Trigla lineata. Kompliziert durch Schlängelung der Falten oder zungenförmige, vom freien Falten- rand ausgehende Fortsätze ist das Netzrelief der Crenilabrus- Arten. Im Enddarm scheint hier ein Doppelnetz Regel zu sein. Unter den Insektenfressern hat Nemachilus ein verschieden- artig beschriebenes Netz. Ein Netz mit weiten Maschen hat der Fischfresser Elops. Chirocentrus besitzt Ringfalten ähnlich wie die Clupeiden und Salmoniden. Bei Sphyraena treten Längsfalten im Netz in den Vordergrund. Ein schönes Netzrelief von an- sehnlicher Höhe zeigt Lophius. Feine Papillen im Mitteldarm und ein unregelmäßiges Netz mit hexagonalen Maschen im End- darm werden für den Molluskenfresser Lampris angegeben. Kom- plizierte Längsfalten sollen Catostomus zukommen. Wir sehen also bei Pflanzenfressern bald ein einfaches Netz- relief wie bei vielen Karnivoren auftreten, bald aber Zottenreliefs oder Modifikationen beider. Die spezialisierten Karnivoren variieren das Netzrelief sehr mannigfaltig und zeigen es oft durch Fort- satzbildungen kompliziert. Bei Omnivoren überwiegt das Vor- kommen von Netzreliefs mit nicht einmal erheblicher Variations- breite, während den wenig wählerischen Karnivoren reine Zotten- reliefs (Ammodytes) oder reine Netze und alle Modifikationen beider zukommen können. Eine absolute Abhängigkeit des Relieftypus von der Ernährung läßt sich somit nicht im entferntesten nachweisen. Aber ebensowenig darf man von nachweisbaren Be- ziehungen zwischen der Darmlänge und dem Relief sprechen und behaupten, geringere Darmlängen würden generell durch höhere Ausbildung des Reliefs kom- pensiert. Zottenreliefs z. B. bedecken den langen Darm der herbivoren Mugiliden und Acanthuriden wie den kurzen Darm des wenig wählerischen Karnivoren Ammodytes. Auch Netz- Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 527 reliefs mit intensiver Fortsatzbildung am freien Rand finden sich bei allen Darmlängen. Daß das eigentümliche Clupeiden- relief auch bei langen Därmen besteht, lehrt Meletta thryssa. Netze finden sich im langen Darm von Lophius wie in dem sehr kurzen von Syngnathus und den Anguilliden. Selbst da, wo einige Arten karnivor sind, andere nahe verwandte Arten aber herbivor, tritt nicht immer ein Unterschied des Reliefs hervor. Keine Spur von Komplikation zeigt das Relief der Vegetarier Box und Charax gegenüber dem der anderen rein karnivor leben- den Spariden: Smaris, Oblata, Chrysophrys. Im Gegenteil, das Relief von Chrysophrys ist komplizierter und mehr noch das des Omnivoren Pagellu. Auch Reliefbildung und Appendices- Entfaltung zeigen keine nachweisbare Abhängigkeit von- einander. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Relief der Darm- schleimhaut den funktionellen Leistungen genau angepaßt ist, aber ebensowenig kann es zweifelhaft sein, daß wir bisher absolut nicht in der Lage sind, irgendwelche Beziehungen zwischen Relief und Ernährung anzugeben. Alle Behauptungen unserer Lehr- und Handbücher über solche erkannten Beziehungen sind der Ausfluß mangelhafter empirischer Kenntnisse und können meist schon durch das empirische Material eines CUVIER, MECKEL und MILNE EDwaArDs völlig widerlegt werden. Und das ist nun keineswegs eine Behauptung, die ich nur für die Fische machen kann. Nein sie wird auch für die Säuge- tiere in Kürze volle Geltung erlangen trotz der Arbeiten BUJARDS. ‚Dieser Autor lehrt nichts kennen als Einflüsse der Ernährung auf historisch festgelegte Relieftypen. Die historisch bestehenden Typen des Darmreliefs selbst aber lassen keine so einfachen Be- ziehungen zwischen Darmrelief und Ernährung erkennen. Doch davon wird später an anderer Stelle noch zu sprechen sein. Unsere Hoffnung, vikariierende Einrichtungen für die Appen- dices zu finden durch einen Vergleich der Darmflächen, hat uns also betrogen. Eine Kompensation geringer Darmlängen durch Appendices, einfacher Reliefs durch Appendices usw. ist nicht nachweisbar. Die Appendices scheinen bei unserer Methode der Untersuchung in Vorkommen und Ausbildung unbeeinflußt durch die Ernährung, unbeeinflußt durch die Ausbildung des Rumpf- darmes. Es ist also unser Ergebnis ein rein negatives. 528 Eduard Jacobshagen, Dominierender Einfluß ererbter Typen am Darmsystem. Führt uns dieser Weg nicht zum Ziele, so sind wir damit vielleicht doch nicht ganz ratlos in bezug der Bedeutung der Appendices pyloricae. Schon oben sprach ich von historisch fest- gelegten Relieftypen bei Säugetieren. Ich wollte damit einen Faktor in der Betrachtung aller künftigen Darmuntersuchungen betonen, der von unendlich größerer Bedeutung ist, als man bis- her geglaubt hat. Im Verlauf meiner nunmehr seit 6 Jahren betriebenen Untersuchungen über das Darmsystem der Fische hat sich mir ein Resultat klar ergeben, das mir eine Entschädi- gung zu sein scheint für die zahllosen Enttäuschungen, die ich auf diesem Gebiet sonst erlebt habe. Und dieses Resultat ist die Erkenntnis, daß nichts so töricht ist, als das ständige Suchen nach generellen Beziehungen zwischen Ernährung und Darmbau. Der Darmkanal ist kein besonderes Organsystem, das sich be- liebig anpaßt, wie die Mehrzahl der Naturforscher zu meinen ge- neigt ist, sondern er zeigt überall die deutlichen Spuren seiner Geschichte, seiner Vergangenheit. Nicht die Beziehungen von Organ und Funktion können uns für sich den Darmbau erklären, es gibt keinen herbivoren, keinen karnivoren, keinen omni- voren Darmbau, sondern in jedem einzelnen Teil zeigt die Darmanatomie uns die eherne Spur der Vererbung, ein Festhalten an gewissen Grundtypen. Das konservative Prinzip ist auch im Darmbau unendlich viel wichtiger wie das Prinzip der Anpassung. Der Tag wird nicht mehr fern sein, wo in gerechter Würdigung dieser Erkenntnis die Systematik und die Phylogenie im Darmbau eine sehr wesentliche Stütze finden wird für ihre Ableitungen. Angesichts der sonderbaren Ansichten, die auch ein Teil der Morphologen über den Wert von Darmuntersuchungen hegt, muß mit allem Nachdruck betont werden, daß, wie in allen anderen Organsystemen, auch im Darmsystem der weitaus wichtigste Faktor nicht die Anpassung ist, sondern die Vererbung. Niemals können wir hoffen, mit experimentellen Untersuchungen, wie sie von BABAK, FUHR- MANN und vielen anderen über die Darmlänge der Batrachier- larven gemacht sind, oder mit solchen im Geiste von BUJARD, ein auch nur einigermaßen zureichendes Verständnis des Darmbaues zu erlangen. Sobald wir indessen in der Lage sein Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 529 werden, für das Darmstudium vollkommenere anatomische Ver- gleichsmethoden zu besitzen (Muskulaturuntersuchungen usw.), werden sich ungeahnte Resultate der vergleichenden Anatomie auf diesem Gebiet ergeben. Sodann werden wir mit Deutlichkeit einzelne Grundtypen des Darmkanals der Fische erkennen und werden bei den einzelnen Arten die Anpassungen dieser Typen an bestimmte Lebensweise studieren können. Erst nach der Er- kenntnis der noch dunklen Wege der Phylogenie des Teleostomen- darmes werden wir Nutzen ziehen aus den Arbeiten eines BUJARD und eines BABAK. Die histörische Forschung ist die wichtigste und erst durch sie kann das experimentelle Arbeiten in ange- deuteter Richtung auf eine exakte Basis gestellt werden. Wir dürfen nicht etwa fragen, welches ist der herbivore Schleimhaut- relieftypus, sondern so: Wie gestaltet sich das Relief der und der historischen Fischgruppe bei rein herbivorer Lebensweise? Gegeben ist nicht ein Wachs, das beliebig geknetet werden kann, sondern eine Reihe von Darmtypen, die sich sehr zähe vererben, und die im Kampfe ums Dasein oft genötigt sind, veränderten Ansprüchen zu genügen. Und diese neue Anpassung geschieht nicht leicht, sondern in hartem Ringen mit dem strengen Gesetz der Ver- erbung. Bald ists der Rumpfdarm, der sich anpaßt, aber oft ists auch der ganze Kopfdarm oder ein Stück von ihm, und der Rumpf- darm bleibt unverändert. Und nun gestatte man mir eine Erläuterung meiner eben getanen Behauptungen! (Vgl. auch Teil II der Untersuchungen.) Wir betrachten die großen Fischgruppen! 1. Da begegnen wir unter den Malacopterygiern zunächst einem häufig wiederkehrenden Typus des Darmkanals, der folgende Eigentümlichkeiten zeigt. Auf einen weiten, ziemlich kurzen Ösophagus folgt ein sehr geräumiger, V-förmig gebogener Magen. Gewöhnlich schließt sich an seine mächtige, meist etwas auf- geblasene Pars cardiaca ein meist kurzer, sehr weiter und stumpf endender Blindsack. Die Pars pylorica hat musku- lösere Wandungen. Bisweilen ist der Anfang der Pars pylorica durch einen besonderen muskulösen Zerkleinerungsapparat wie bei Mormyrus oxyrhynchus, Phagrus dorsalis, Petrocephalus und Heterotis ausgezeichnet. Der kurze Darm verläuft leicht ge- schlängelt und hat gar keine oder nur wenige Appendices pylo- ricae. Hierher rechne ich den von HyRTL beschriebenen Megalops atlanticus, Panthodon Buchholzi, die Familie der Mormyriden, Osteoglossiden, Hyodontiden, ferner Notopterus und Xenomystus. 530 Eduard Jacobshagen, Ob noch weitere gemeinsame Züge diesen Tieren zukommen, wird die Zukunft lehren. Dieser lediglich auf Malacopterygier beschränkte Typus bietet nun Anklänge und Übergänge zu den Befunden von Clu- peiden und Salmoniden. So hat Coilia im wesentlichen nur mehr Appendices, so ist der Magenblindsack von Chirocentrus konisch, während der Darm noch dem der ersten Gruppe sehr ähnlich. bleibt. An solche Zustände schließen sich nun leicht andere, bei denen eine größere Zahl von Pförtneranhängen hervortritt. Durch letzteres Merkmal ist Elops von einer Form wie Chirocentrus. beträchtlich unterschieden. Alle diese Malacopterygier besitzen scheinbar noch ein gemeinsames Merkmal in der eigentümlichen Gestaltung des Rumpfdarmreliefs, das den KERKRINGschen Falten ähnliche Bildungen aufweist. Ein solches Relief sah ich bei Mormyrus, Heterotis, Engraulis, Clupea, Meletta, Sardinella, Alosa, Salmo, Coregonus und Thymallus; CuviER und VALENCIENNES sowie STANNIUS beschrieben es bei Chirocentrus. Sicher schließt sich hier Alepocephalus an, wahrscheinlich aber noch weit mehr!). Wieweit im Schleimhautbindegewebe das unter Malacopterygiern weitverbreitete Stratum compactum als charakteristisch gelten darf, will ich noch offen lassen. Nansenia, Bathylagus, Microstoma, Salanx und Retropinna passen wenig zu den anderen Malacop- terygiern und die Systematiker werden gut tun, ihre An- reihung an die Salmoniden einmal neu auf ihre Berechtigung zu prüfen. Auch die Stomiatiden und Gonorhynchiden weichen wohl nicht unerheblich von unserem Typus ab. Dafür zeigen die Cha- raciniden gewisse Ähnlichkeit mit den Salmoniden. Auch Gym- notus und die Scopeliden erinnern an viele Malacopterygier. 2. Ein vollkommen abweichender Typus begegnet uns bei den Cypriniden. Eine Stellung dieser Familie gleich neben die Characiniden dürfte ganz verfehlt sein. Dagegen zeigen die Cyprinodonten mit ihnen weitgehende Ähnlichkeit im Darmbau. Ähnlich sind noch gewisse Acanthopterygier-Familien (Labriden, Scariden, Blenniiden usw... Ein sehr kurzer, undifferenzierter Kopfdarm und ein oft einheitlicher Rumpfdarm sind Charak- teristika. 1) Die neuerdings wieder vertretene Ansicht. hier lägen Spiral- darmreste vor (s. NEUMAYER, Verh. d. Anat. Ges. zu Innsbruck 1914) glaubte ich durch die Arbeiten von v. EGGELING und mir wider- legt. NEUMAYER sei die Untersuchung an lebenden Salmoniden sehr ans Herz gelegt, sie fördert hier mehr als Studien an Fossilen. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 531 3. Einen dritten Kreis bilden die Siluriden. Sie haben einen großen, rundlichen Magen mit meist unbedeutender Pars pylorica und niemals Pförtneranhänge am Darm. Die Loricarien scheinen ihnen im Ganzen recht ähnlich zu sein. Noch ein Cobitide, Ne- machilus, zeigt diesen Darmtypus, während die anderen Cobitiden- Genera (Misgurnus und Cobitis) sich engan die Cypriniden anlehnen. 4. Durch die Ausbildung eines enormen Magenblindsackes sind die Apodes ausgezeichnet, die, wie die Welse, ohne Appendices pyloricae sind. (Vergl. Textfig. 50.) 5. Die ehemaligen Ganoiden: die Crossopterygier, Holosteer und Chondrosteer zeigen viele gemeinsame Züge von großer Be- deutung. Ihr Vorderdarm zeichnet sich aus durch große Länge. Die Pars pylorica endet stets mit einem noch einmal kaudal ge- richteten Stück, das sonst bei Fischen fehlt. Eine Drüsenzone an der Cardia und das Vorkommen von Pylorusdrüsen bekunden histologisch bedeutende gemeinsame Momente. Der Rumpfdarm enthält stets eine Spiralfalte, die bei den Holosteern freilich schon erhebliche Rückbildungen erfahren hat. In all diesen Punkten zeigen die Crossopterygier, Holosteer und Chondrosteer Über- einstimmung. Im übrigen aber weichen sie voneinander ab und zwar in interessanter Weise. Die Crossopterygier: Polypterus und Calamichthys stimmen im Darmbau fast überein, ebenso die Chon- drosteer: Acipenser, Scaphirhynchus und Polyodon. Unter den Holosteern finden sich zwei recht verschiedene Typen: Lepidosteus mit blindsacklosem Magen, sehr kurzem Rumpfdarm und zahl- reichen, büschelförmigen Appendices und Amia mit Magenblind- sack, einer längeren Spiralfalte, aber mangelnden Appendices pyloricae. Wir können also getrost von einem Ganoidentypus im Darmbau sprechen und sehen sogar noch weitere Familientypen. 6. Perca zeigt einen Darmkanal, wie er unter den Acanthopte- rygiern große Verbreitung hat. (Vergl. Textfig. 57.) 7. Einen weiteren Typus fanden wir bei den Gadiden, die neben anderen Dingen (eigenartige Entwicklung der Pars pylorica ventriculi) besonders durch das Vorkommen von Darm- drüsen ausgezeichnet sind. Nur Merlucius gehört diesem Typus nicht an, wie oben im einzelnen angegeben ist. Die Pleuronectiden, Esociden, Cyclopterus, die Mugiliden und viele andere bezeichnen kleinere, ebenfalls sehr charakte- ristische Darmtypen. Da es nicht in meiner Absicht ist, hier den noch unmög- lichen Versuch einer phylogenetischen Ableitung dieser Typen zu 532 Eduard Jacobshagen, machen, noch Vollständigkeit in die erwähnten Dinge zu bringen, mag es mit diesem Hinweis genug sein. Von den sieben größeren vorhin genannten Typen kommen beim 1., 2., 3. und 6. alle Ernährungsarten nebeneinander vor. Der Grundtypus wird nirgends überwuchert, ja bei den herbi- voren Box und Charax, die dem Percatypus angehören, sieht man überhaupt keine Abweichung im Darmbau (soweit das unter- sucht ist) gegenüber den nächsten Verwandten, die karnivor oder omnivor sind. Wohl sahen wir meist Pflanzenfresser einen län- geren Darm haben inmitten der Typen, aber auch das ist kein Gesetz, wie das ja auch eine Überlegung leicht klar macht. Wenn wir uns vorstellen, ein Tier vom Mormyridentypus etwa ginge von rein tierischer zu omnivorer Lebensweise über, so kahn die Mehrleistung der Verdauungsorgane, die bei sonst gleichen Lebensverhältnissen, gleichen Energieumsätzen, im Körper nötig wird, auf sehr mannigfache Art geleistet werden, wie wir das ja auch tatsächlich manchmal beobachten können. Es ändert sich etwa das Gebiß, oder die Pars pylorica bildet einen mächtigen Muskelmagen heran (Heterotis usw.), oder die Speisen bleiben länger im Magen, kommen besser aufgeschlossen in den Darm, sind bereits chemisch weitgehend zerlegt und resorptionsfähig. Genau so gut kann aber dem Rumpfdarm mehr Arbeit zugemutet werden. Der Darm kann länger werden, die Speisen passieren den Darm langsamer, das Pankreas leistet mehr Arbeit, das Darm- relief kann sich komplizieren, Darmdrüsen können auftreten, oder es kann sogar ein neuer Modus der Peristaltik sich heranbilden. Bei solcher Überlegung sehen wir klar, wie töricht es ist, in der Darmlänge, im Darmrelief und der Appendices-Entfaltung einen klaren Ausdruck der Lebensweise finden zu wollen. Die ver- schiedene Entwicklung des Gebisses der Fische, des Ösophagus und seiner Schleimhaut, der einzelnen Teile des Magens, der Darmlänge, Appendicesbefunde, der Darmmuskulatur, des Ver- haltens der beiden Muskelschichten zueinander, des Darmreliefs, des histologischen Aufbaues des Stützgerüstes der Schleimhaut und des Epithel- und Drüsenbaues sind ja zuletzt der beste Grund dafür, daß wir in Zukunft nicht mehr von der Natur auf törichte Fragen eine vernünftige Antwort erwarten wollen. Innerhalb der Fische bestehen manche Typen des Darm- kanals, die sich zäh vererben. Sie können sich allen Ernährungs- arten anpassen und es ist den theoretisierenden Naturforschern nicht zur vorherigen Festsetzung überlassen worden, daß nur der Rumpf- Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 533 darm sich so und so der neuen Lebensweise anzupassen habe. Der Darmkanal gehorcht in der Anpassung Gesetzen, die jedenfalls sehr verwickelt sind. Zu ihnen aber gelangt man nur durch historische Untersuchungsmethoden, denen man dann das Experi- ment hinzufügen wird, das für sich hier nichts bedeutet. Nach diesem Exkurs wenden wir uns erneut der Frage der Bedeutung der Appendices pyloricae zu. Wir haben gelernt, im Darm nicht nur ein Anpassungsprodukt an physiologische Pro- zesse zu sehen, wir sahen über der Anpassung die weit wichtigere Vererbung stehen. Aus diesem Grunde werden wir nicht ganz denselben Maßstab mehr anlegen wollen in der Appendices- Frage. Wir werden nicht in jeder Appendix nur die in der jetzigen Lebensweise des Tieres begründete Naturnotwendigkeit ihres Bestehens wittern, sondern uns sagen, daß ein Teil von ihnen Erbgut ist, das sowenig verschwindet, wie unser mensch- licher omnivorer Darmtypus beim Eskimo oder dem vieljährigen Vegetarier. Solches Erbgut braucht natürlich nicht darum dann funktionslos zu sein, aber seine Rolle ist doch vielfach zu einer Nebenrolle herabgesunken. Die räumlichen Verhältnisse der Bauchhöhle als formbestimmende Faktoren. Wir hatten in den Appendices pyloricae der Fische Ver- größerungen der Darmoberfläche gesehen, wie unterscheidet sich diese Art von der üblichen? Bietet sie den Fischen besondere Vorteile oder nicht? Nur Vermutungen lassen sich da wohl äußern, aber ich glaube doch, daß man getrost die Frage bejahen darf, die Appen- dices dürften wohl einen Vorteil besitzen, nämlich den, daß sie geringen Raum bei bedeutender Öberflächenvermehrung bean- spruchen. Eine solche Raumersparnis muß bei den Fischen aber sehr ins Gewicht fallen. Die Bauchhöhle der meisten Fische ist im Interesse der Schwimmbewegung überaus eng und klein und durchweg von der Bauchhöhle der meisten höheren Tiere dadurch recht verschieden. Alle Bauchorgane der Fische zeigen nun eine sehr deutliche Anpassung an die räumlichen Verhältnisse der Bauchhöhle. Die Leber bildet einen (oder mehrere) meist sehr langgestreckten Lappen, das Pankreas ist, im Gegensatz zur Mehrzahl der Vertebraten, Jenaische Zeitschrift. Bd. LIM. 35 534 Eduard?Jacobshagen, hier äußerlich in zahllose isolierte Schläuche aufgelöst, die den Blut- gefäßen angeschlossen sind und so alle Spalträume genau ausnutzen. Textfig. 45—49 stellt Lagerungsformen des Rumpfdarmes dar bei Fischen und Dipnoern, deren Vorderdarm undifferen- ziert ist, denen ein Magen also fehlt. Textfig. 49. Protop- terus nach PARKER Textfig.. 45. Textfig. 46. Fun- Textfig. 47. und B. HALLER. Syngnathus dulus gularis var. Idus orphus. m undifferenzierter acus. ? Pylo- coerulea. / Pylorus. Vorderdarm, zz Milz, rus, 2 End- 2 Leber, sd Spiral- darmanfang. darm, gd Gallenblase. Eine gleiche Anpassung verrät nun auch der Darm. Auch er sucht jede Lücke in der Bauchhöhle sich zu Nutze zu machen, geht Raum ersparende Lagerungsverhältnisse ein und nach meiner Ansicht ent- stammen die Appendices pyloricae wie manche andere Dinge solchen Tendenzen des Fischdarmes. Überblickt man die Entfal- tung und Lagerung des Darm- Textfig. 48. Mollienesia latipinna. kanals der Fische, so gewahrt man Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 535 da einige sich oft wiederholende Bilder, denen wir unser Augen- merk einmal zuwenden wollen. Es lassen sich da in der Hauptsache drei große Kategorien unterscheiden, die wir A, B und C© nennen wollen. Die Gruppe A umfaßt nur solche Tiere, deren Vorderdarm undifferenziert ist, denen ein Drüsenmagen vollkommen fehlt. Bei solehem Verhalten des Vorderdarms lassen sich nun eine Reihe von Rumpfdarmlagerungen erkennen. Bei manchen stellt der Rumpfdarm, wie bei Syngnathus (Textfig. 45) ein völlig ge- rades Rohr dar. An diesen seltenen Befund schließt sich ein Zustand, wie er in Textfig. 46 dargestellt ist von dem Cyprino- donten Fundulus. Der Rumpfdarm beginnt sich in Windungen zu legen, da er sonst nicht genügend Raum zur Entfaltung hat. Bei dem Cypriniden Idus ist die Windungszahl sehr gesteigert, die Lagerung der Schlingen des Darmes ziemlich regellos (Text- fig. 47). Das Gegenstück ist bei Mollienesia zu beobachten: Eine spiralige Aufrollung des Darmes mit anschließender Gegenspirale, ein sehr gesetzmäßig erscheinender Typus, der sehr viel Raum ausnutzen kann (Textfig. 48). Ich reihe hier an als weitere Anpassungsform den echten Spiraldarm, wie er dem undifferen- zierten Vorderdarm der Holocephalen und Dipnoer folgt. Eine Spiralfalte vergrößert die Innenfläche des meist sehr kurzen, ge- raden Darms (Fig. 49). Ihm läßt sich ein Typus B an die Seite stellen, dessen Vorderdarm stets einen Drüsenmagen entwickelt hat, dessen Rumpfdarm niemals Appendices pyloricae aufweist. In Textfig. 50 sehen wir den einfachsten Zustand des Darm- kanals. Bei manchen Exemplaren des Aales ist der Rumpfdarm ganz gerade. Bei Pterophyllum (Textfig. 52) schließt sich an den sonderbaren Magen, der eine Pars pylorica äußerlich vermissen läßt, ein gewundener Darm; ähnlich bei Callichthys maculatus, (Textfig. 51), wo ich aber bei zwei untersuchten Exemplaren noch eine eigenartige Auftreibung am Rumpfdarmanfang feststellen konnte, die stark an die allen Siluriden sonst fehlenden Appen- dices pyloricae erinnert. Auch das Parallelstadium zu Idus und Mollienesia der vorigen Gruppe besteht. Leider habe ich es aus Mangel an Objekten nicht darstellen können. Bei Plotosus, Saccobranchus, Galeichthys und anderen dürften die Parallel- befunde zu Idus, bei Hypostomus und anderen Loricariiden die entsprechenden zu Mollienesia vorliegen. Die Rochen und Haie 3 536 Eduard Jacobshagen, (Textfig. 53), sowie Amia besitzen den Spiraldarm und ent- sprechen den Holocephalen und Dipnoern des Typus A. Unser dritter Typus C hat auch einen wohl entwickelten Magen und der Rumpfdarm hat immer Appendices pyloricae. Denselben Rumpfdarmbefunden begegnen wir bei diesem Typus. Osmerus (Textfig. 54), ein großer Teil der Clupeiden, Salmoniden und andere haben einen ganz geraden oder fast ganz geraden Rumpfdarm. Bei längerem Darm oder kürzerer Bauchhöhle finden wir gewöhnlich eine Darm- anordnung wie bei Perca (Textfig. 57). Nur auf einige Malacopterygier beschränken sich Befunde wie bei Xenomystus (Textfig. 55), und noch seltener ist ein Zustand zu treffen, wie bei dem Nandiden Monoeirrhus polyacanthus (Textfig. 56). Stark, aber regellos gewunden ist der Darm von Mugil cephalus (Textfig. 58), den Spiraltypus besitzt neben anderen Acanthopterygiern (8. Textfig. 50. An- Teil ID) Osphromenus tricho- guilla anguilla. pterus. Ich fand ihn kürzlich auch bei ‘dem Chaetodontiden Scatophagus argus. Spirale und } | | @ Textfig. 51. Call- Textfig. 52. Pterophyllum scalare. Textfig. 53. ichtthys macu- Oe Ösophagus, ? Pylorus, 32 Magen- Mustelus laevis latus. blindsack, M Mitteldarm, ZEnddarm. nach ÖPPEL. Textfig. 50—53 stellt einige Lagerungsformen des Rumpfdarms von Fischen dar, denen Appendices pyloricae zwar fehlen, ein Drüsenmagen aber zukommt. Gegenspirale. Der Darm liegt bei Osphromenus von links nach rechts in drei Schichten (Textfig. 59). In der linken Seite der Magen mit dem Rumpfdarmanfang, in der Mitte, im Sinne ent- gegen verlaufend dem Uhrzeiger, die erste Darmhälfte, ganz rechts Untersuchungen üher das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 537 in dritter Schicht der Rest des Darmes, der sich im Sinne des Uhrzeigers wieder abroll. Auch dem Spiraldarm begegnen wir Textfig. 54. Textfig. 55. Xenomystus Textfig. 56. Monocirrhus poly- Ösmerus eper- nigri. lanus. acanthus. / | : | &) R F Textfig. 57. Per-- Textfig. 58. Mugil ce- ca fluviatilis. phalus nach H. RATHKE. Textfig. 54—59 stellen Lagerungsformen Textfig. 59a —c. Osphromenus des Rumpfdarms bei Fischen dar, deren trichopterus. a in der linken Vorderdarm einen Drüsenmagen, deren Seite liegender Teil, 5 Mittel- c rechtsseitige Darm- Bumnfd ; lori itzt. scheibe, umpfdarm Appendices pyloricae besitzt Kane wieder. Ich stelle ihn dar bei dem Crossopterygier Calamichthys calabaricus (Textfig. 60), dazu begegnet man ihm unter den 538 Eduard Jacobshagen, Squalaceen bei den Laemargus-Arten (Textfig. 61) und den Ga- noiden bis auf. Amia. Es kommen also bei allen Vorderdarmzuständen so ziemlich dieselben Rumpfdarmbefunde vor, einerlei ob Appendices pyloricae bestehen oder nicht. Diese ähnliche Lagerungsweise des Rumpf- darmes dürfte nun sich leicht aus den physikalischen Zuständen Textfig. 60 u. 61 stellen Lage- ED N | rungsformen des Rumpfdarms bei Fischen dar, deren Vorderdarm einen Drüsenmagen, deren Rumpf- darm Appendices pyloricae besitzt. Textfig. 60. Calamichthys cala- Textfig. 61. Laemargus borealis nach baricus mit Appendix vor dem REDEKE. M Magen, 7% Pars pylorica, Spiraldarm. P Pylorus, c Appendices pyloricae, Z Zwischendarm, ‚S Spiraldarm. der Bauchhöhle ergeben. Die Darmlänge einmal als gegeben angenommen, liegt der Darm immer so, wie er nach der Form der Bauchhöhle am besten liegen kann, wobei allerdings wieder der ererbte Windungstypus regulierend hinzutrit. Nicht die Nahrung etwa bedingt die Lagerungsweise des Darmes. Sie tut Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 539 es höchstens soweit, als sie von Einfluß auf Darmlänge und Weite ist. So haben beispielsweise den spiraligen Windungstyp, wie‘ ihn Mollienesia, Hypostomus und Osphromenus auf unserer Tabelle zeigen, einen Typus, den man sonst nur von den phytophagen Anurenlarven her gewöhnt ist, unter den Fischen Tiere fast sämt- licher Ernährungsarten. Die herbivoren Characiniden: Distichodus, Citharinus, Prochilodus und Xenocharax, sowie Curimatus haben ihn, die herbivoren Panzerwelse Loricaria und Hypostomus, die omni- voren Cyprinodonten: Mollienesia und Poecilia sphenops, der om- nivore Scatophagus argus, die omnivoren Osphromeniden: Polya- canthus, Trichogaster und Colisa, sowie die karnivoren Blenniiden: Salarias und Myxodes, sowie der allbekannte Trachinus draco, endlich auch Zoarces. Diese Beispiele belegen zugleich, daß der spiralige Windungstypus absolut keiner ist, der bei langen Därmen allein zu finden ist. Nur 0,46 der Körperlänge mißt der Darm von Trachinus und hat damit das gleiche Maß wie der schnur- gerade des Stintes (Osmerus) und der leicht gewundene von Fundulus. Lediglich der sehr geringe Raum in der seitlich abgeplatteten, sehr kurzen Bauchhöhle des Petermännchens ist für den Windungstyp ursächlich heranzuziehen. Auch bei einer Darm- länge, wie sie Osphromenus trichopterus hat (1,46 der Körper- länge), sehen wir bei anderen, wie Malopterurus und Carassius, andere Windungstypen bestehen. Bei Osphromenus nun sehen wir eine sehr viel kleinere Bauchhöhle als bei Malopterurus und Carassius. Bei den wels- artigen Fischen findet man den Spiraltyp nur bei sehr langen Därmen, was leicht verständlich ist, da hier in der sehr geräumigen Bauchhöhle naturgemäß nicht so leicht Platzmangel eintreten kann. Gerade der Spiraltypus zeigt sehr schön die Abhängigkeit dieser Bildung vom Raume. Ähnlich liegen die Dinge beim Spiraldarm der Selachier, Dipnoer und Ganoiden. Diese Tiere sind ausgezeichnete Schwimmer und haben eine lange, schmale Bauchhöhle, in der wenig Platz ist. Die Haie und Crossopterygier haben ziemlich langgezogene Spiraldärme, bei den Rochen ist die Bauchhöhle kürzer und der Spiraldarm auch, dafür sind die Windungen des Spiraldarms im ganzen dichter und zahlreicher als bei den Haien. Bei Holo- cephalen und Dipnoer zeichnet sich der gerade Darmkanal durch ziemlich beträchtliche Weite aus. Wo bei Ganoiden die Bauch- höhlenverhältnisse sich geändert haben (Amia), sehen wir sowohl den Spiraldarm weitgehend vereinfacht, als auch eine kompli- 540 Eduard Jacobshagen, ziertere Windung des Darmes Platz greifen. Der Rumpfdarm der großen Mehrzahl der Plagiostomen ist gerade, bei den Chon- drosteern und Holosteern ist der Darm dreischenkelig und impo- niert bei Amia zumal durch große Weite und lange Darmschenkel. Es ist dies wohl ein Zeichen, daß der Windungstypus gegenüber dem Spiraldarm doch eine höhere Leistung zuläßt. Auch im vollkommen geraden Darm, der weit verbreitet ist, tritt oft die Anpassung an die Bauchhöhlenform deutlich hervor. Die sehr schlanke Seenadel, die noch schlankere, lang- gestreckte Schlangennadel (Nerophis), die Aale, der Hornhecht usw., sie haben langgestreckte, röhrenartige Bauchhöhlen. Auch beim Hecht und vielen Salmoniden, Clupeiden und Cyprinodonten (Xiphophorus, Belonesox) liegen die Dinge ähnlich. Die Bauch- höhle der Salmoniden ist zwar nahe dem Schultergürtel noch leidlich weit, wird dann aber rasch eng. Die Entfaltung der Schwimmblase beeinträchtigt den freien Bauchhöhlenraum bei vielen Tieren weiterhin erheblich, ein andermal sinds die Ge- schlechtsorgane, die mehr Raum in Anspruch nehmen und dem Darm keinen Platz lassen. Überall erscheint der Darm weit- gehend im Windungstyp bestimmt durch die Bedingungen der Bauchhöhle Auch im Auftreten mehr regelloser Windungsarten, wie sie am langen Darm zumal von Welsen aber auch vielen anderen (Mugil cephalus) gefunden werden, zusammen mit ziemlich geräumigen Bauchhöhlen scheint ein Gesetz der genannten Art vorzuliegen. Solchen Tieren fehlen sehr häufig Pförtneranhänge. Große Bauchhöhlen sind bei Fischen nicht häufig und finden sich eigentlich nur bei ruhiglebenden Tieren wie den Welsen und. Verwandten, vielen Cypriniden, Cyprinodonten und Gobien und einigen anderen. Die Schwimmbewegung hat bei den übrigen eine Verkleinerung der Bauchhöhle zur Folge gehabt. Eine solche Anpassung ist auch wohl in der oft beobachteten Verkürzung der Bauchhöhle in kaudokranialer Richtung zu erblicken. (Trachinus, Osphromenus, Gymnotus usw... Der für die Schwimmbewegung so wichtigen Schwanzmuskulatur wird dann ein neues Gebiet über- tragen. Der Darm aber paßt sich den neuen Zuständen an, indem er sich in stärkere Windungen legt, die sich womöglich in spiralige Scheiben ordnen (Trichogaster). Bis auf den Spiraldarm läßt sich das Zustandekommen aller Darmwindungstypen sehr einfach mechanisch ableiten. Man stelle sich einen gerade die Bauchhöhle durchsetzenden Rumpfdarm (Textfig.622) vor und nehme an, der Darm wüchse in die Länge oder aber, was Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 541 auf dasselbe hinauskommt, die Bauchhöhle verkürze sich. Zu- nächst wird sich dann der Darm krümmen und zwar an der Stelle, wo am meisten Raum für ihn ist (Schema 5). Weiteres Wachstum läßt drei Schenkel an ihm erkennen (Schema c). Dieses Schema kann uns als Ausgangspunkt für das Verständnis des Zustandekommens des spiral aufgewundenen .Darmes etwa von Trachinus dienen.- Im Schema e schaut die Konvexität der ersten Darmbiegung nach hinten, die zweite nach vorn. Stellen wir uns Textfig. 62. Schemata zur Erklärung der Darmwindungstypen bei Fischen und Dipnoern. vor, bei weiterem Darmwachstum werde entweder die Konvexität der ersten Darmbiegung oder der zweiten nach vorn resp. nach hinten gedrängt (Schema 4) (vgl. Teil II, Textfig. 57, auch 61, 85, 109, 110, 125, 133, 142) und dieser Prozeß setze sich weiter fort, so kommen wir (Schema e) zum spiral gewundenen Darm, wie wir ihn bei Scatophagus, Trachinus und vielen anderen finden. Spirale und Gegenspirale. Eine weitere Steigerung der Darmlänge vermehrt die Zahl der Spiralwindungen, die Lagerung 542 Eduard Jacobshagen, wird regelmäßiger. Es kann dann eventuell die Spirale in eine andere, parallele Ebene zur Gegenspirale gedrängt werden oder, wenn der Magen mit dem Darmanfang eine Ebene bereits ein- nimmt, es kann der Darmkanal, wie bei Osphromenus, in drei parallel zueinander liegenden Ebenen angeordnet sein (Textfig. 59). Aber auch regellosere Windungsarten des Darmes lassen sich vom Stadium c ableiten. Zum Beispiel kann die Konvexität der 2. Darmkrümmung erst nach hinten und dann wieder nach vorn gedrängt werden. Dann haben wir den Befund von Barbus (Teil II, Textfig. 55), erfolgt darauf nochmals eine Konvexitätsverschiebung nach hinten, so haben wir einen Befund wie bei Idus orphus (Textfig. 47). Die Hindernisse für das Vordringen der Windungen bieten neben der Bauchhöhlenwand Leber und Magen besonders. Es gelingt in allen Fällen leicht, die Geschichte eines Darmes so zu erraten. Schwierigkeiten bietet aber die Entstehung des Spiraldarmes. Darüber herrscht wohl kein Zweifel, daß es sich auch hier um eine Anpassung des Darmes an die enge Form der Bauchhöhle handelt, aber damit ist ein Verständnis dieses Spiraldarmes noch nicht gegeben. Den bei Selachiern, Dipnoern und Ganoiden zu findenden Spiraldarm hat man auf zwei Typen zurückgeführt, die man den gerollten und den gedrehten genannt hat. Der gerollte Typus besteht darin, daß von einer schwach spiral, angeblich auch gerade, durch die Länge des Darmes ziehen- den Ansatzlinie eine hohe Falte Ausgang nimmt, die um die ideale Darmachse spiral aufgerollt ist. Diese Form des Spiral- darmes ist die seltenere und findet sich bei Zygaena, Carcharias, Thalassorhinus, Prionodon, Hypoprion, Aprion, Scoliodon, Physodon und Galeocerdo. Bei der Mehrzahl der Haie z. B. Heptanchus, Hexanchus, Chlamydoselachus, Heterodontus, Sceyllium, Pristiurus, Galeus, Mustelus, Lamna, Alopecias, Acanthias, Spinax, Scymnus, Laemargus usw., bei den Rochen, Dipnoern und Ganoiden besteht der zweite, gedrehte Typus. Die Ansatzfläche der Falte verläuft nicht schwach spiral, fast gerade, sondern in stärkeren Spiral- windungen. Und zwar scheint die Ansatzlinie der Falte bei Lepidosteus immer nur 2—3t/, Spiraltouren zu beschreiben, 3— 4 bei Protopterus, 3—5 bei Amia, 5—8 bei Polypterus 5—9 bei Ceratodus und Lepidosiren, 6—61, bei Scaphirhynchus, 614, bei Rhina squatina, 6—7 bei Polyodon, 7 bei Sceyllium canicula, wenig mehr bei Mustelus vulgaris, 8—81% bei Acipenser, 84, bei Hete- Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 543 rodontus, fast 9 bei Raja clavata, 93/, bei Rhino- batis, 10 bei Spi- nax niger und Torpedo ocellata, 11 bei Trygon valga, 20 bei Hept- anchus, 23 beiLae- margus borealis, 40 bei Lamna cor- nubica, 41!/, bei Chlamydoselachus. Abweichend ver- hält sich auch die Faltenhöhe, die viel Rune "or Textfig. 63. Relief vom Anfang des Rumpfdarmes da die freien Fal- von Myxine glutinosa. tenränder sich in der Darmmitte berühren und nicht eingerollt sind. Übergänge von einem zum anderen Typus bieten die Holo- cephalen: Chimaera und Callorhynchus. Bei ihnen besteht anfangs der gerollte Typus, dem nahe dem Darmende dann noch 2—3 gedrehte Falten folgen. Diese Übergangsformen bei Holocephalen gestatten es uns, den Spiraldarm doch als einheit- liches Gebilde zu beurteilen, dessen phylogenetische Entstehung sicher einheitlich war. Bei Selachiern und Dipnoern, ebenso auch den Ganoiden treffen wir den Spiral- darm fertig aus- ; j Textfig. 64. Relief vom Ende des Rumpfdarms von gebildet und sind Myxine glutinosa. 544 Eduard Jacobshagen, nicht mehr in der Lage, klare Schlüsse für die Phylogenie zu ge- winnen. Von den Vorfahren dieser Fische aber wissen wir hin- sichtlich ihres Darmes nichts. Wie aber steht es mit den Cyclo- stomen ? Bei Eröffnung des Darmes zeigen Myxine und Bdellostoma nahezu dasselbe Bild. Die Schleimhaut erhebt sich in eine große Zahl fast paralleler Längsfalten, die sich nur hin und wieder unter spitzem Winkel verbinden. Bei Bdellostoma sah ich diese Falten immer in leichten Zickzackwindungen verlaufen, bei Myxine aber an einzelnen Orten gerade. Von diesen Falten gehen, meist alternierend, kur- ze Querfältchen ab, die an der Ba- sis der nächsten Längsfalte zu en- den pflegen. Die Querfalten sind in der zweiten Rumpfdarmhälfte von Myxine am häufigsten und lassen hier ein Netz entstehen, das an Teleosteer- zustände anklingt (Textfig. 64). In der ersten Darm- hälfte sind alle Textfig. 65. Rumpfdarmrelief von Bdellostoma Stouti. Falten niedriger, die Querfalten treten mehr zurück. Bei Bdellostoma sind im ganzen die ziekzack- verlaufenden Längsfalten höher, die Querfalten sind ebenfalls hoch und ganz ähnlich wie bei Myxine'). Dies ist das ganze Relief der Myxinoiden. Wie man sieht, von einem Spiraldarm keine Spur! 1) Ich will erwähnen, daß ich im Darm einer Myxine die Reste eines Fisches an einem großen Angelhaken ansitzend fand. Besonders gut war der Darmkanal des Beutetieres erhalten. Aus ihm sah ich, daß es sich um einen Gadus oder Merlangus nur handeln konnte. ‘Damit ist erwiesen, daß Myxine nicht nur parasitär lebt, sondern auch freischwimmende Fische erhaschen kann. Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 545 Anders liegen die Dinge bei den Petromyzonten! Ich finde bei Petromyzon marinus den langen Darm von einer niedrigen, ziemlich dicken Spiral- falte durchlaufen, die fünf Viertel-Umgänge macht. Sie beginnt sehr bald hinter dem Rumpfdarmanfangund endet ein geringes Stück vor dem After. Fast zwei Drittel des von der Klappe ein- genommenen Darm- teiles kommen auf die erste Spiraltour, mehr als ein Drittel auf die Textfig. 66. Rumpfdarmrelief neben der Spiral- falte von Petromyzon fluviatilis. letzte, langgezogene Vierteltour. Das übrige Darmrelief wird von schmalen, ziemlich dichtstehenden, fast parallelen Längsfalten mäßiger Höhe ge- bildet, die niedri- ger als die Spiral- falte sind, die sie unverändert über- ziehen. Auch diese feinen Längsfal- ten zeigen einen Verlauf in einer fünf Viertel Spi- rale. Bei Petro- myzon fluviatilis liegen nach RATH- KE die Dinge ganz ähnlich. Jedoch würde hier nur eine halbe Spiral- windung sich fin- den, wie auch Textfie. 67. Rumpfdarmrelief und Relief der Spiral- von Ammocoetes angegebenist. Die falte von Petromyzon marinus. Spiralfalte umschließt nahe der Kuppe wie die der Selachier größere, längsverlaufende Gefäße. 546 Eduard Jacobshagen, EDInGER hat seinerzeit die Spiralfalte der Petromyzonten den übrigen Relieffalten als gleichwertig bezeichnet und nur im Einschluß der Blutgefäße etwas besonderes erblickt. Diese Homo- logisierung ist aber ganz entschieden abzuweisen, denn zahlreiche Relieflängsfalten ziehen bei großen Tieren über die Spiralfalte hinweg (s. Textfig. 67), ebenso, wie das Relief bei Selachiern, Dipnoern und Ganoiden unverändert über die Klappe zieht. Es kann also die Spiralfalte nicht den Längsfalten des Reliefs ent- sprechen! Bei Petromyzonten und den oben genannten Spiral- darmbesitzern ist vielmehr die Spiralfalte als eine mit ihrem Relief vorgewölbte Schleimhautpartie zu bezeichnen. Eine homo- loge Falte für sie besteht weder bei Petromyzonten noch bei Selachiern, Dipnoern und Ganoiden, sie ist ein Gebilde sui generis. Die Spiralfalte aller Formen stimmt weiterhin durch ihren spiralen Ursprung und den Gefäßverlauf am freien Falten- rand überein und ist auch darum unbedingt ein homologes Ge- bilde bei allen, wie schon GEGENBAUR annahm. Speziell die Falte von Petromyzon und Carcharias glaucus zeigen noch Ähnlickkeit durch genau gleichen Verlauf ihrer Ur- sprungslinie, so daß Carcharias nur eine viel höhere Falte besitzt, die sich natürlich spiral einrollen muß, um Platz zu finden. Die Holocephalen gestatten aber auch einen Anschluß des Befundes bei Petromyzon an den gedrehten Typus des Spiraldarmes. Rolltypus und gedrehter Typus hängen nur ab von dem Grad der spiraligen Krümmung der Ansatzfläche der Falte, wie Chi- maera deutlich zeigt. Solange die Ursprungslinie der Falte schwach gebogen ist, besteht eine Rollfalte, hernach folgt in allmählichem Übergang (Chimaera) die gedrehte Falte unter gleichzeitiger Er- niedrigung der Falte, die nur so dem durchdringenden Speisebrei keine unüberwindliche Schranke entgegenstellt. Fragen wir uns nach der Herkunft des Spiraldarms, so geben uns auch die Be- funde der Petromyzonten keine klare Antwort. Darum sehen wir uns in der Ontogenese des Spiraldarmes nach Anhaltspunkten für die Phylogenie um. Ontogenetisch geht der Spiraldarm aus einem einfachen, ge- raden Darm hervor. Über den Weg aber, den die Entwicklung von hier bis zu ihrem Endziel verfolgt, liegen zwei recht verschiedene Auffassungen vor. Die eine hat OrpeL 1898 zuerst geäußert. Er glaubte, auf Grund der Arbeiten RÜCKERTsS annehmen zu dürfen, daß die Spiralfalte eine echte Falte sei, die durch ungleiches Epithel- Untersuchungen über,das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 547 wachstum und Längenwachstum des Rumpfdarmes entstehe. Da KANTOROWIcCzZ etwa gleichzeitig Mitosen immer an der Basis der Spiralfalte embryonal gefunden haben wollte, sah OPPEL seine Ansicht später bestätigt. Stimmte die OrpeELsche Auffassung der Spiraldarmentwicklung, so würde uns die Ontogenie für die Phy- logenie natürlich gar keinen Aufschluß mehr geben, da das Auf- treten solcher Mitosen in spiraler Anordnung ursächlich unver- ständlich bliebe. Erstaunlicherweise beschäftigt sich OPPEL nirgends mit einer Erklärung dieses Befundes. KANTOROWICZS mechanische Erklärungen aber halten einer Kritik keinen Stand, würden allerdings auch sonst phylogenetisch undiskutierbar sein'). Die zweite ontogenetische Lehre stammt von RÜCKERT und ist meines Erachtens weit sorgfältiger begründet. RÜCKERT unterscheidet zwei Prozesse bei der Spiraldarmentwicklung: ein- mal eine Längseinbuchtung des geraden Epithelrohres, durch die angeblich die erste, meist langgezogene Spiraltour (Polypterus!) entstehen soll, wahrscheinlich auch die Rollfalte der Selachier und möglicherweise die Spiralfalte der Petromyzonten,; sodann aber eine echte Achsendrehung des Darmes, die den: gedrehten Spiral- darmtypus erzeugt. Unter den beiden Prinzipien RÜCKERTS ist das wichtigste zweifellos die Achsendrehung. Ist diese Achsendrehung als er- wiesen zu betrachten? Ich meine ja. RÜCKERT führt zum Be- weise ihres Bestehens an: 1. In einem mittelalten Entwicklungs- stadium ist die erste, am meisten oral gelegene Spiraltour relativ nicht nur, sondern auch absolut kürzer als in früheren Stadien, was durch eine von hinten nach vorn vorschreitende Spiraldrehung sofort zu verstehen wäre, 2. am kaudalen Darmende verschiebt sich später noch die Richtung der Windungen (man vgl. RÜCKERTS Modelle B und © darauf, Textfig. 68). Diese rücken näher zusammen und verlaufen mehr horizontal, was wieder bei einer Achsendrehung ganz natürlich ist, 3. Der Ductus choledochus zeigt später seine Mündungsstelle in den Darm um 180° verschoben und KANTO- ROwWIcz hat exakt nachgewiesen, daß es sich hier um eine Drehung des Darmes innerhalb des Peritonealschlauches handeln müsse, und nicht etwa eine Wanderung vom Ductus choledochus ausgegangen . 1) Kanrorowicz kann die Tatsache, daß die bestehende kleine Längsfalte seiner Zeichnungen 9 und 10 auf der Seite al stärker sich einbuchtet als bei a? aus mechanischen Prinzipien nicht ableiten und darum schweben alle weiteren Schlüsse völlig in der Luft (s. S. 349 der KAantorowıczschen Arbeit). 548 Eduard Jacobshagen, sein könne. Diese Drehung verläuft im Sinne der angenommenen Achsendrehung. GOETTE hat auch bei Petromyzon eine solche Darmdrehung nachgewiesen, die MAAS bei Myxine, wo der Spiral- darm fehlt, vermißt hat. Nach RÜCckErRTs Lehre würde also der Spiraldarm durch spirale Aufrollung des epithelialen Darmrohres zustande kommen. Auch die Rollfalte und die Spiralfalte von Petromyzon könnten ursächlich vielleicht auf eine Spiraldrehung des Darmes zurückgeführt werden. In dem Falle wäre bei der „Rollfalte“ sekun- däres Wachstum erfolgt. Bekanntlich hat RÜCKERT seinen Beobachtungen eine mechanische Erklärung fol- gen lassen. Da der Rumpf- darm zwischen dem unnach- giebigen Pylorus und der soliden Kloake embryonal gleichsam fixiert ist und andererseits der den Darm umspannende Peritoneal- schlauch ein gewisses Aus- dehnungshindernis für ihn bedeutet, meinte RÜCKERT, daß man nur ein Längen- wachstum des Darmrohres innerhalb des oben am Py- lorus unten an der Kloake Textfig. 68. Drei aufeinander folgende befestigten Peritoneal- Entwieklungsstadien des Spiraldarms von schlauches anzunehmen Pristiunrus nach RÜCKERT (aus HALLER). brauche, um sich die Ent- dg Dottergang, gd Gallenblase, #c Pankreas, h gg Ductus choledochus. stehung des Spiraldarmes zu erklären, „wie ein Gummi- schlauch, den man in ein zylindrisches Glasgefäß einschiebt, sich windet, sobald sein vorangeschobenes Ende den Boden berührt . und vom anderen Ende aus neue Teile nachgeschoben werden‘, so soll auch das Darmrohr sich spiral rollen. Schon OPrPEL hat sich gegen diese Erklärung mit Recht gewandt. Denn bei dieser Erklärung müssen ja in der zweiten Darmhälfte Gegenspiralen zu denen der oralen Hälfte erwartet werden, die indessen fehlen. RÜCKERT hat sich mit der Annahme B C Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 549 helfen wollen, daß das lange Zeit hindurch solide Stück hinter dem Spiraldarm diese Gegendrehung wohl aufnähme, und die „eine Zeit- lang in hohem Grade“ gestörte, sonst regelmäßig radiäre Stellung der Epithelzellen dieser Gegend als Zeichen dafür ausgelegt; aber so einfach ist es nicht begründet, warum bei Chlamydoselachus ge- rade 41!/, Spiralwindungen fortblieben, warum zwei bei Lepi- dosteus usw. Dazu frage ich mich, warum haben dann nicht alle Wirbeltiere einen Spiraldarm, denn dieselben mechanischen Zu- stände, die RÜCKERT annimmt, bestehen da auch? Auch hier haben wir den festen Pylorus und den After, auch hier das hem- mende Peritonealrohr und das Längenwachstum des Darmes! Der Fehler RÜCKERTS dürfte in einer bedeutenden Über- schätzung mechanischer Prozesse liegen und einer Unterschätzung der Tatsache der Vererbung. Wir brauchen nach meiner Ansicht nicht den Mechanismus RÜckERTS. Das Bestehen der Spiralen ohne Gegenspiralen läßt sich leicht begreiflich machen, geht man einmal von ganz anderen Befunden aus. In e unserer Windungsschemata (S. 541) wählen wir ein Ausgangsstadium. Stellen wir uns ein weiteres Wachstum der zweiten Darmbiegung in der Richtung auf den ersten Darm- schenkel vor, so gelangen wir leicht, falls dabei der zweite Schenkel etwas dorsalwärts rückt, zu einem Zustand f, wie ihn RATHKE von Atherina Boyeri (Teil II, Textfig. 74) abgebildet hat. Windet sich der dritte Schenkel bei weiterem Wachstum etwa auch, so entsteht ein Befund, wie ich ihn bei Crenilabrus mediterraneus fand (Teil II, Textfig. 108). Bei mehrmaliger Wiederholung des Vorganges entsteht das Bild des Schemas g. Wie man sieht, besteht hier ein spiralgewundener Darm, der nicht durch RÜCKERTs Mechanismus zustande kam. Streckt sich noch obendrein die Bauchhöhle und wird sehr eng, so drücken sich die Spiraltouren eng zusammen, wie im Schema h. Durch Druck der Windungen gegeneinander konnte im Lauf der Zeit das Pe- ritoneum an den sich bedeckenden Teilen zum Schwund geraten Ein kompliziert entstandener Peritonealschlauch über- zieht einfach nun das Konvolut der Spiralwindungen, deren Muskulatur miteinander in Verbindung tritt und schließlich eine ziemlich einheitliche Muskelmasse als Wand des Ganzen entstehen ließ. Solches Ineinanderwachsen der Muskulatur ist ja nichts so Besonderes, wir haben es bei den Chondrosteern in den Appendices pyloricae ja deutlich noch vor uns! Am fertigen Spiraldarm ist die Muskulatur recht kompliziert und es fragt sich, Jenaische Zeitschrift. Bd. LIH. 36 550 Eduard Jacobshagen, ob diese Befunde sich nicht eher aus einer Verschmelzung von Darmwindungen ableiten lassen als von der gewöhnlichen Musku- latur etwa der Teleosteerdärme. Eine Histogenese der Darm- wand fehlt uns noch. Sie wird vielleicht viel Licht in die Phylo- genie des Spiraldarmes werfen können. Ich bin weit entfernt davon, mit meiner Ableitung des Spiraldarmes ein Dogma vortragen zu wollen. Sicherlich wird mancher Kritik Anlaß geboten, zumal von entwicklungsgeschicht- licher Seite wird man gern zu abfälliger Beurteilung bereit sein. Sollte dieser Kritik mindestens der Versuch einer besseren phy- letischen Ableitung des Spiraldarmes angeschlossen werden, so wird es mich freuen. Im übrigen aber ist den Vertretern der Entwicklungsgeschichte zu sagen, daß ein Anhänger des von OPPEL, KEIBEL und anderen so gern abgetanen biogenetischen Grund- gesetzes nicht erwartet, im ontogenetischen Geschehen eine Pa- rallele der Stammesgeschichte ohne weiteres zu sehen. Von einer phylogenetischen Ableitung des Spiraldarmes aus einem einfachen Darm wird man immer verlangen müssen, daß sie von fertigen erwachsenen Därmen ausgeht und zeigt, wie sie umgebildet werden konnten bis zum heutigen Spiraldarm! Zweifellos ist das Alter des Spiraldarmes ein ungemein hohes und Abweichungen der Ontogenie vom Wege der Stammesgeschichte sind zu erwarten. Aus diesem Grunde darf die Ontogenie auch nur mit Vorsicht benutzt werden, was bei der Lückenhaftigkeit vergleichend anatomischen Materials um so mehr zu beklagen bleibt. Die Appendices als Anpassungserscheinungen des Darmes an die räumlichen Bedingungen der Bauch- höhle. Als eine Anpassung des Darmkanales an die Form und Größe und die physikalischen Zustände der Bauchhöhle darf man aber außer den typischen Darmwindungen und dem durch Vererbung auf gewisse Gruppen überkommenen Spiraldarm auch sicherlich ‚die Appendices pyloricae betrachten. Vom Rumpfdarmanfang her dringen sie in jeden freien Spalt der Bauchhöhle ein und vermögen da weit mehr zu leisten als etwa eine Darmschlinge, die größeren Raum beanspruchen muß. Bald sind diese Appendices weit, bald eng, bald kurz, bald lang, bald gerade, bald leicht gewunden, bald Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 551 winkelig geknickt wie bei den Trigliden und anderen. Sie dringen in das Pankreas ein, das weit älter ist als sie, und zersprengen es in zahlreiche feine Züge und machen so aus dem nur bei Fischen ohne Appendices bisher gefundenen „kompakten“ Pankreas das diffuse, das fast allen Fischen zukommt. Sie lagern sich in die Spalträume der Leberlappen und zwischen die Darm- windungen, sie keilen sich zwischen Magen und Darm ein, ständig die Darmoberfläche vergrößernd und immer unter genauester Aus- nutzung der räumlichen Verhältnisse. So meine ich, hat man das Vorkommen der Appendices bei den Fischen zu beurteilen. Es stellen die Pförtneranhänge eine Anpassung des Rumpfdarmes an die Bauchhöhlengröße und Form dar, und sind bedingt durch die Schwimmbewegung der Fische. Gerade unter den agilsten Formen treten meist die kompliziertesten Darmverhältnisse zutage. So- mit würden die Appendices pyloricae nach meiner Mei- nung neben den Darmwindungen und neben den Spiral- därmen rangieren. Keine dieser drei Anpassungsformen schließt die andere aus. WIEDERSHEIM hat wie andere vor ihm, die Spiral- därme als analoge Gebilde der Appendices bezeichnet. Diese Annahme läßt sich in der Form nicht halten, was ja oft genug von anderer Seite betont ist. Einmal hat Amia mit seinen meist 41, Spiraltouren im Spiraldarm keine Appendices pyloricae, während Acipenser mit neun Touren einen Gipfel in der Appendices-Entfaltung bedeutet. Dann aber kennen wir ja in Polypterus, Calamichthys, Laemargus borealis und Laemargus rostratus Arten, die trotz sehr hoch ent- wickelter Spiraldärme — besonders gilt das von Laemargus! — Appendices aufweisen. Es schließen sich Appendices und Spiraldarm absolut nicht aus, ebensowenig, wie Windungszahl und Windungstypus Appendices ausschließen. Der lange Darm von Chanos arabicus, der achtfache Körperlänge erreicht, zeigt noch etwa 20 Pförtneranhänge, die oft zwei, manchmal aber gar drei gespaltene sind! Der noch längere Darm von Chanos lubina hat noch längere Appendices als die anderen Chanos-Arten, auch noch zahlreichere. Und die Befunde an anderen Fischen, ich nenne nur Mugil chelo, auratus, cephalus, Prochilodus, Distichodus und Citharinus, beweisen klar, daß es sich dabei keineswegs um ein vereinzeltes Vorkommen handelt. Fragen wir uns nun aber, warum ist gerade der Rumpfdarm- anfang der Sitz solcher Blinddärme geworden, die die Oberfläche vergrößern ? 36* 552 Eduard Jacobshagen, Auch das läßt sich wohl erklären. Die Leistungen des Rumpfdarmanfanges sind die größten. Die ersten Divertikel aber entstanden wohl, weil der Darm in der Bauchhöhle in seinem Bestreben, an Länge oder Weite zu- zunehmen, keinen anderen Ausweg hatte, als sich von hinten her um den muskulösen Pförtner herum in kranialer Richtung wulst- artig vorzustülpen, wobei nur jene Teile des Wulstes sich besser entwickeln konnten, die nicht gegen die Leber, das Pankreas oder die Bauchwand stießen und dadurch am Wachstum verhindert wurden. Bei Pleuronectiden bekommt man noch leicht den Ein- druck, als seien die Appendices hier nichts als bevorzugte Teile eines solchen Wulstes um das Vorderdarmende. Das resistente Vorderdarmende wäre ein Hemmschuh für den wachsenden Darm. Bei dieser Ansicht ist es verständlich, warum wir ausnahmslos sofort hinter dem Pylorus die Pförtneranhänge beginnen sehen, warum zwischen ihnen und dem Pylorus nie ein Zwischenstück besteht. So ists auch einleuchtend, warum die Lage vom Ductus choledochusnicht in bestimmter Weise zu den Appendices sich befindet, warum der Ductus bald vor, bald zwischen, bald hinter den Appen- dices mündet, bald in eine Appendix hinein sich öffnet. Die „Kranz- bildner“ dürfen unter den Appendices phylogenetisch die ältesten sein. Oft haben aber auch spätere Darmteile die Fähigkeit er- halten, Appendices zu entwickeln. Dann fanden wir diese Fähig- keit nicht an eine bestimmte Darmstelle (dorsal, ventral, rechts, links) gebunden, sondern an die Stelle, die durch anliegende Or- gane am wenigsten gedrückt wird (Coregonus oxyrhynchus!). Auch der Büschelbau ist raumsparend. Nur die segmentale Stellung der Appendices pyloricae mancher Clupeiden, die ich auf motorische Funktionen unbekannter Art schieben möchte, finden wohl keinerlei Erklärung auf diese Art. Nun ist aber, bei allem Betonen von physikalischen Ein- flüssen auf das Vorhandensein und die Ausbildung der Appendices pyloricae der Fische, es keineswegs meine Ansicht, daß solche Einflüsse allein die Ursache der im zweiten Teil dieser Unter- suchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer be- schriebenen Rumpfdarmbefunde sind. Wie bereits früher betont, spielt auch am Darmsystem ein anderer Faktor die übergeordnete Rolle und das ist die Vererbung. Niemals geht über der An- passung der phyletische Typus verloren. Wie der Darm eines exquisiten menschlichen Vegetariers niemals den Typus seiner weniger spezialisierten Mitmenschen verwischen kann, so hat auch Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 553 ein Nahrungswechsel, wie er im Verlauf der historischen Ent- wicklung der einzelnen Fischtypen fraglos sehr oft erfolgt ist, nicht den Typus selbst zerstört. Die Darmlänge hat geschwankt, manchmal wohl auch die Form der Bauchhöhle. Oft mögen beide in gleichem Sinne sich verändert haben, oft aber auch in ver- schiedenem, es wurde etwa der Darm länger, die Banchhöhle kürzer, es traten dann notwendige Änderungen im Darmverlauf und seiner Ausbildung zutage. Oder andere Bauchorgane nahmen eine stärkere Entwicklung unter dem Einfluß neuer Lebensbedingungen an, so etwa der Magen, die Schwimmblase oder die Geschlechtsorgane. Ihr starkes Wachstum nahm dem Darm Raum fort. Nicht kompliziert genug darf man sich das Jetzt.im Darmsystem in seinem Zustandekommen vorstellen. Die Geschichte mit all ihren Rätseln wirkt übermächtig neben der Gegenwart der Leistung. Niemals wird die Leistung eines Organs dem experimentierenden Physiologen restlos sagen können, warum das betreffende Organ so und nicht anders arbeitet. niemals kann der Morphologe seine Aufgabe darin erschöpft sehen, die Beziehungen zwischen Organ und Funktion zu erfassen. Es bedarf nur einiger Vergleichsobjekte, derart arbeitende Naturforscher von der Lächerlichkeit einer unhistorischen Betrachtungsweise zu überzeugen. Man kann nicht den Darm eines herbivoren Tieres aus der jetzigen Funktion verstehen wollen» denn er stellt ja nichts dar als eine Anpassung der Zustände seiner Vorfahren, seines Phylon, an eine pflanzliche Ernährung und doch entfernt nicht „den“ herbivoren Darmbau! Die alten Richtlinien der stammesgeschichtlichen Entwicklung aufzuspüren, muß darum für die Zukunft das energische Ziel des Morphologen sein und damit HumBoLprs Wort, daß das Sein in seinem Umfang und innerem Sein vollständig erst als ein Ge- wordenes erkannt werde, in der Praxis der Forschung Anwen- dung finden. Vergangenheit und Gegenwart enthüllt aber in Einem die vergleichende Methode. Sie lehrt uns, daß Typen der Organisation auch im Darmsystem klar hervortreten, wo man vielfach meinte, auf sie verzichten zu müssen. Diese Typen sind schon nach heutiger Kenntnis vielfach auf einen Kreis von Fischen verteilt, die als mehrminder nahe verwandt betrachtet werden auf Grund von Kriterien, die man anderen Organsystemen entnommen hat. Die Vergleichung aber läßt auch das Spezielle nur als Variation eines ererbten Grundplans erscheinen, deren Ursache teils aus 554 Eduard Jacobshagen. phylogenetisch junger Zeit, teils wohl sogar aus der Gegenwart der formbestimmenden Funktion abzuleiten sind. Diese Methode muß uns auch in der Betrachtung des Darmsystems in Zukunft davor bewahren, nur in der Funktion die Erklärung der Form zu finden oder die Form durch die Funktion allein verstehen zu wollen. Weit wichtiger als der Einfluß der Funktion bleibt auch hier stets das konservative Prinzip der Vererbung. Literatur. Außer der im Teil II angegebenen Literatur wurde benutzt: 1) BRAnDT und RATZEBURG, Medizinische Zoologie, Bd. I und II. Berlin 1829— 33, ALESSANDRINI, Observations sur le pancr&as des poissons, Ann. Science natur., T. 29. Paris 1839. 3) BROCKMANN, De pancreate piscium, Inaug.-Diss. Rostock, 1846. 4) BERNARD, M&moire sur le paner&as et sur la röle du suc pancrea- tique ete. Suppl. aux Compt. rend de l’Acad., des sc, Tome I. Paris 1856. LEGouIs, Recherches sur les tubes de Weber et sur le pancreas “ des poissons osseux. Annales des sciences nat. Zool., T.17 u. 18. 1873. 6) KRUKENBERG, Versuche zur vergleichenden Physiologie der Ver- dauung mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse bei den Fischen. 7) Ders., Vergleichend physiologische Beiträge zur Kenntnis der Verdauungsvorgänge. Beides: Untersuchungen aus dem physiologischen Institut d. Univ. Heidelberg, Vol. I u. II. 1878—1882. 8) BLANCHARD, Sur les fonctions der appendices pyloriques, Bulle- tin de la Soc. Zool. de France, T. VIII. 1883. 9) DEKKER, Zur Physiologie des Fischdarmes, Festschrift für KÖLLIKER Leipzig 1887. 10) LAGUESSE, Developpement du pancr&as chez les poissons osseux. Compt. rend. de la Soc. de biol. Annee 41, Ser. 9, T. 1. Paris 1889. 11) GoETTE, Entwicklungsgeschichte des Flußneunauges. Hamburg u. Leipzig 1890. 12) LAGUEsSE, Panereas intrah6patigue chez les poissons. Compt. rend. hebd. Soc. de biol. Ann&e 43, Ser. 9. T. 3. Paris 1891. 13) Ders., Structure du panere&as et pancr6as intrahepatique chez les poissons. Compt. rend. de l’Acad. des sciences, T. 112. Paris 1891. 14) EBERTH und MÜLLER, Untersuchungen über das Pankreas. Zeit- schrift f. wiss. Zool., Suppl.- Bd. LIII. 1892. 2 ad m a Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. 555 15) LAGUESSE, Sur les bourgeons-paner&atiques accessoires et l’ori- gine du canal pancr&atique chez les poissons. Compt. rend. de la Soc. biol. Annde 45, Ser. 9, Tome V. Paris 1893. 16) SröHr, Die Entwicklung von Leber und Pankreas der Forelle. Anat. Anzeiger 1893. 17) GöPPERT, Die Entwicklung des Pankreas der Teleosteer. Morph. Jahrbuch XX. 1893. 18) LAaGuzsse, Developpement du paner&as chez les poissons osseux. Journal de l’anatomie et de physiologie, Bd. XXX. 1894. 19) PiscHIinGER, Beiträge zur Kenntnis des Pankreas. Inaug.-Diss. München 1895. 20) DIAMARE, I corpusculi surrenali di Stannius ed i corpi del cave abdominale dei Teleostei. Boll. d. Soc. dei natur. di Napoli, Vol. IX, Anno 9. 1895. 21) Kantorowıcz, Über Bau und Entwicklung des Spiraldarmes der - Selachier. Zeitschrift für Naturwissenschaft, Bd. LXX. 1897. 22) KuttscHirzky, Zur Frage über den Bau des Darmkanals. Archiv f. mikr. Anat., Bd. XLIX. 1897. 23) OPpeEL, Verdauungsapparat in: Ergebniss der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. 1898. 24) Massarı, Sul pancreas di pesci. Rend. R. Acad. dei Lincei, Vol. VII, Fasc. 5. Rom 1898. 25) DIAMARE, Studii comparativi sulle isole di LANGERHANS del pancreas. Internationale Monatsschrift f. Anat. u. Phys., Bd. XVI. 1899. 26) Ders., Sul valore anatomico e morfologico delle isole di LANGER- HANS, Anat. Anzeiger, Bd. XVI. 1899. 27) Boupouy, Recherches sur la valeur physiologique des tubes pyloriques de quelques Tel&osteens. Compt. rend. de Yacad. des sciences, T. 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Dipnoer. 35) BIZZOZERO, Sur le r&g&neration de l’epithelium intestinal chez les poissons. Archiv. Ital. de Biol., Vol. XLI. 1904. 36) NEUMAYER, Die Entwicklung des Darmkanales, von Lunge, Leber, Milz und Pankreas bei Ceratodus Forsteri. Denkschriften d. med.-nat. Gesellschaft Jena, Bd. IV. 1904. 37) KRÜGER, Untersuchungen über das Pankreas der Knochenfische. Wiss. Meeresuntersuchungen, N. F., Bd. VIII, Abteilung Kiel. 1905. 38) Sunpvik, Über das Bindegewebe des Fischdarmes unter beson- derer Berücksichtigung von Oppels Stratum compaetum. Anat. Anzeiger, Bd. XXX. 1907. 39) BIEDERMANN, Die Aufnahme, Verarbeitung und Assimilation der Nahrung. WINTERSTEINs Handbuch der vergleichenden Phy- siologie, Bd. II. Jena 1911. 40) HıILzHEIMER, Handbuch der Biologie der Wirbeltiere. Stuttgart 1913: Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. I. Die äußere Körperform eines Embryos von Halicore dugong von 15 cm Rückenlänge. Von Dr. E. Matthes. (Assistent am Zoologischen Institut der Universität Breslau.) Mit Tafel 8. Unter dem Titel „Beiträge zur Anatomie und Entwicklungs- geschichte der Sirenen“ beabsichtige ich in zwangloser Folge einige Beobachtungen mitzuteilen, die ich beim Studium der Ent- wicklungsgeschichte des Kopfskeletts der Sirenen nebenbei zu machen Gelegenheit hatte. Es handelt sich hier also um Beob- achtungen, die nicht von einem einheitlichen Gesichtspunkt aus zur Lösung einer bestimmten Frage angestellt wurden, sondern die sich mehr zufällig bei verschiedenen Gelegenheiten und an verschiedenem Material im Laufe der Zeit ergaben, um Notizen, wie man sie sich bei der Präparation oder beim Studium der Literatur macht, um „Nebenprodukte“ also, wie der Techniker sagen würde. Da mir nun einige dieser Notizen der Mitteilung wert erschienen, da sie aber andererseits in einer Arbeit über die Entwicklung des Schädels schlecht unterzubringen waren, beschloß ich sie in dieser Form gesondert zu veröffentlichen. I. Beitrag. Durch die liebenswürdige Vermittlung meines hochverehrten Lehrers und Chefs, Herrn Professor Dr. KÜKENTHAL, bot sich mir die seltene Gelegenheit, einen noch recht jungen bisher noch unbeschriebenen Embryo von Halicore dugong untersuchen zu können. Der Embryo hat eine Körperlänge von 15 em über den Rücken gemessen, ist weiblichen Geschlechts und stammt aus den Agassizmuseum der Harvard-Universität in Cambridge. Für die Überlassung dieses kostbaren Stückes erlaube ich mir 558 E. Matthes, Herrn Professor KÜKENTHAL auch an dieser Stelle meinen er- gebensten Dank auszusprechen. Der Embryo sollte später dekapitiert werden, um nach der Querschnittserie durch den Kopf ein Plattenmodell des Primor- dialkraniums herzustellen. Eine späterhin vielleicht wünschens- werte Untersuchung der äußeren Körperform wäre dadurch er- heblich beeinträchtigt zum Teil unmöglich gemacht worden. Es erschien mir daher als unerläßliche Pflicht, zunächst einmal das zusammenzustellen, was sich an dem Embryo für die Entwicklung der äußeren Körperform der Sirenen eruieren ließ. Kann man es auch im allgemeinen nicht als dankenswerte Aufgabe be- zeichnen, einen einzelnen Säugerembryo äußerlich zu beschreiben, so ist bei Halicore eine Ausnahme von dieser Regel wohl ver- ständlich. Denn Embryonen von Halicore wie überhaupt von Sirenen sind bisher in so geringer Zahl beschrieben worden, daß ein jeder kleine, der Untersuchung neuen Materials entsprungene Beitrag auf diesem Gebiete zur Vervollständigung unserer Kennt- nisse wünschenswert erscheint; vorzüglich wenn es sich um einen Embryo von relativ so früher Entwicklungsstufe handelt wie der mir vorliegende. Die Literatur, die sich mit den Sirenen überhaupt, ihrer Systematik, Anatomie und vor allem Östeologie beschäftigt, ist namentlich im Verlauf des 19. Jahrhunderts, recht umfangreich geworden!). Demgegenüber ist die Zahl der Arbeiten, die sich mit der Entwicklungsgeschichte der Sirenen befaßt, als verschwindend klein zu bezeichnen. Über die Entwicklungs- geschichte von Halicore speziell liegen bis jetzt nur meines Wissens die Publikationen von Rapp (1837), HArTwıe (1879), TURNER (1894) und KÜKENTHAL (1897) vor?). 1) Vergleiche die Zitgte bei SCHREBER-WAGNER, Die Säuge- tiere, 7. Teil, 1846, p. 103—160; vor allem aber die Zusammen- stellung bei BRANDT, Symbolae sirenologicae, Fasc. III, p. 236ff., p. 275ff. Die äußerst sorgfältige Zusammenstellung gibt eine Über- sicht der Sirenenliteratur von den ersten fabelhaften Notizen in den naturwissenschaftlichen Schriften des Altertums und den fantasti- schen Erzählungen der Reiseberichte des Mittelalters an bis zum Jahre 1867 hin. Für die spätere Zeit ist besonders KÜKENTHAL (1897) zu vergleichen. 2) Nur das Kopfskelett behandeln Krauss, Beiträge zur Östeologie von Halicore, Archiv f. Anat., Phys. 1870, der einige Angaben über zwei fötale Schädel macht, und FREUND, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Schädels von Halicore dugong, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 959 Rapp der die Sirenen noch als „pflanzenfressende Cetaceen“ mit den Walen zusammenstellt, untersuchte einen Halicoreembryo von 13 Par. Zoll Länge (=35,19 cm). Er verwertete sein Ma- terial ausschließlich vergleichend-anatomisch, indem er die ihm aus der Literatur bekannten Beobachtungen an seinem Fötus nachprüfte und ergänzte, ohne aber für die Entwicklungsgeschichte Neues zu bringen. Zu verwerten ist demnach in unserem Falle nur die in ein Drittel natürlicher Größe gegebene Abbildung des Embryos auf Taf. 8. HARTING untersuchte einen noch mit seinen Eihüllen ver- sehenen Embryo des Zoologischen Museums Utrecht. Als Länge des Embryos werden von ihm 27,8 em angegeben (p. 2, Longueur totale du corps. prise entre le front et le point terminal de la nageoire caudal 27,8 cm), an anderer Stelle (p. 15) 28,5 cm, während sich nach seiner Abbildung, Fig. 1 eine größte direkte Körperlänge von nur 24,8 cm ergeben würde. Trotz langen Lagerns in Alkohol befand sich der Embryo noch in recht gutem Erhaltungszustand.. HARTInG wandte das Hauptinteresse der Form der Embryonalhüllen zu, die er morphologisch und ver- gleichend-anatomisch ausführlich behandelte und sodann auf ihren taxonomischen und phylogenetischen Wert hin kritisch untersuchte. Dem Embryo selbst widmete er dagegen nur wenige Sätze, die hier wiedergegeben seien (p. 2—3): Une indication quelque peu precise de l’äge du foetus est impossible. Son corps est com- plötement forme, tel que la figure 1 le montre. Üependant, comme son corps avec les enveloppes de l’oeuf ne pese que 0,533 kg, il nous parait probable, qu'il est encore loin de la maturite. Peut-&tre une ligne courbe (%), au ccu, quelque peu derriere et au dessus de la fente buccale, se detachant par sa couleur blanche de l’&piderme environnant, qui a une couleur l&görement grise et rougeätre, indique la cicatrice de la derniere fente branchiale.e Pour ceux qui plus tard auront l’occasion d’examiner un autre foetus de la m&me espece, nous ajoutons le resultat de quelques mesures prises au notre. (Es folgt eine Tabelle von 10 Massen). Nous n’entrerons pas dans de plus amples details sur la structure du foetus. Seulement nous ap- pelons l’attention sur les empreintes nombreuses, circulaires ou Deutsch. Med.-naturw. Ges. Jena, Bd. VII, 1908, der drei von den von KükENTHAL bearbeiteten Embryonen zu einer eingehenden Studie über die Entwicklung des Kopfskeletts verwertete. 560 E. Matthes, ovales, tres peu profondes, qu’on remarque ä sa surface. Leurs contours sont tr&s nets, ä petites entailles presque mieroscopiques, qui resultent de l’&cartement des petites papilles dermiques, dont la peau est parsemee. Tres probablement ces empreintes ont et@ produites par les corps ronds et ovales, qu’on remarque ä la surface interieure ou allantoidienne du chorion et dont nous parlerons plus bas“. TURNERs Material war reichhaltiger. Ihm standen zwei Embryonen von 14 cm (Stadium a) und 162 cm (Stadium e) Körperlänge!) zur Verfügung, sowie ein einzelner 10,5 em langer Kopf eines dritten Embryos (Stadium b). TURNER war der erste, der sein Material zum Studium der Embryogenese selbst ver- wertete, was RAPpP und HARTING, wie erwähnt unterlassen hatten. Seine Arbeit brachte eine bis ins Einzelne gehende Beschreibung der ihm vorliegenden Stadien und verschaffte uns durch den Vergleich der Einzelbefunde die ersten Kenntnisse von der em- bryonalen Entwicklung der Sirenen. Leider versäumte es TURNER seiner sorgfältigen Beschreibung angemessene Abbildungen bei- zufügen (vgl. Fig. 1 und 2). KÜKENTHALs Material umfaßte drei vorzüglich erhaltene Halicore-Embryonen von 72 cm (Stadium II), 99 em (Stadium III) und 162 cm (Stadium IV), sowie noch einen Embryo von 42 cm (Stadium I), der infolge starker Schrumpfungen weniger brauch- bar war. Wie TURNER verwandte auch KÜKENTHAL sein Mate- rial zunächst einmal dazu (Im 1. Kapitel seiner „Vergleichend- anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen an Sirenen“, Jenaische Denkschr. Bd. VII, 1897) die Entwicklung der äußeren Körperform der Sirenen zu studieren. Durch eine Reihe interessanter Resultate wurden unsere Kenntnisse auf diesem . Gebiete durch diese Arbeit bereichert. KÜKENTHAL gestaltete seine Untersuchungen, auf denen ich im folgenden vornehmlich fuße, besonders wertvoll durch die Beigabe einer Anzahl aus- gezeichneter Abbildungen und durch die Angabe genauer in Ta- bellenform angeordneter Maße, die so gewählt wurden, daß sie die Wachstumserscheinungen am Embryo charakteristisch zeigen. 1) Wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, ist im folgen- den unter „Körperlänge“ stets die Entfernung der Schnauzenspitze über den Rücken bis zum Endpunkt der Schwanzmittellinie (Faden- länge) gemeint. Dieses Maß ist meines Erachtens überhaupt besser geeignet, die Größe eines Embryos zu charakterisieren, als die von der Fötalkrümmung stark abhängige ‚größte direkte Körperlänge“. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. f. on 19 OO DD m oO Pe 19V 2rvpDp m 561 Unter Benutzung und zur Vervollständigung der von KÜKEN- THAL aufgestellten Maßtabelle gebe ich zunächst die an vorliegen- dem Embryo genommenen Maße in Zentimetern und deren Bruch- teilen in gleicher Reihenfolge wieder. Direkte Körperlänge. Entfernung zwischen den beiden entferntesten Punkten des Körpers . Körperlänge über den Rücken gemessen . . Länge in der Seitenlinie . Länge in der Bauchlinie . Querdurchmesser des Kopfes über den Kieferminkeln . Querdurchmesser über den Brustflossen « Querdurchmesser in der Nabelregion 5 . Querdurchmesser des Schwanzflossenansatzes . Größte Breite der Schwanzflosse : . Oberkieferspitze—Mitte zwischen den änberen Nasen öffnungen . Oberkieferspitze— deiner" . Unterkieferspitze—Mundwinkel . Mundwinkel —Vorderrand des Eruiökseneene . Länge der Basis der Brustflosse . . Unterkieferspitze—Kehlfurche . . Kehlfurche—Nabelmitte . EIN PENESNLIRENIETE . Nabelmitte— Mitte des Ansatzes des äußeren Ge- schlechtsorganes . . Mitte des Göchtächtkortnnet!öNfter . After— Schwanzende ) . Mundwinkel— Vorderrand der Andenspalle . Breite der Augenspalte . . Mundwinkel— Öffnung des Eee . Entfernung der inneren Enden der äußeren Nasen. öffnungen . Entfernung der äußeren Knden der inßdren en öffnungen . Größter Durchmesser einer ante, . Länge der freien Brustflosse . . Größte Breite an der Basis des Öberarmes 2 . Größte Breite des Unterarmes am Beginn des Canıns . Größte Breite der Hand 5,6 15 10,2 1,4 0,6 1,8 9] 0,5 2,55 1,25 0,6 0,55 0,9 0,95 [il 2,1 0,7 0,4 3,1 0,9 0,1 1,55 0,15 0,2 0,1 1,8 0,55 0,65 0,8 Schrumpfungen, die namentlich die natürliche Plastik des Kopfes störend beeinflussen, weisen darauf hin, daß der Embryo 562 E. Matthes, durch langes Lagern im Alkohol etwas gelitten hat; doch sind die Schrumpfungen nicht so stark, daß sich nicht die natürlichen Formen mit genügender Exaktheit rekonstruieren ließen. Bei den Abbildungen, die ich der geschickten Hand des Herrn Dr. LöscH- MANN verdanke wurde auf Naturtreue und Genauigkeit in den Einzelheiten gewissenhaft geachtet; nur sind einige Schrumpfungen gemildert worden zugunsten der plastischen Wirkung des Ganzen. Fig. 1 ist nach der Pause einer photographischen Aufnahme her- gestellt, so daß sie die Umrisse und Abmessungen des Embryos mit großer Genauigkeit wiedergibt. Allgemeine Körperform. Bei Betrachtung der allgemeinen Kürperform fällt zunächst die starke Krümmung des ganzen Embryos auf, durch die die Schwanzflosse der Schnauze bis auf 1,6 cm genähert wird. Sie ist bedeutend stärker als die Krümmung des fast gleich großen TURNERschen Embryos und hat zur Folge, daß sich bei 15 cm Rückenlänge eine direkte Körperlänge von nur 5,6 cm ergibt, und die Rückenlinie mehr als die Hälfte der Peripherie eines Kreises von 2,5 em Radius beschreibt. Die Vorderextremitäten liegen dem Körper dicht an, die Schwanzflosse ist nicht nur stark nach oben gekrümmt, sondern es sind zudem auch ihre Flügel nach innen eingerollt. Die fötale Krümmung des Kopfes beträgt 70° wenn als Maß dafür der Winkel zwischen der Tangente der Nackenlinie und der die Verbindung der höchsten Punkte von Nasen- und Stirnwölbung herstellenden Geraden genommen wird. KÜKEN- THAL hat für die in der Literatur beschriebenen und abgebil- dieten Halicoreembryonen die Winkel der fötalen Kopfkrümmung zusammengestellt. Es sind: TURNERs Embryo a) 14 cm Rückenlänge . . . 60° HaArTInGs Embryo 27,8 „ direkte Körperlänge . . 90° KÜKENTHALSStadiumIl 72 „ Rückenlänse . . . . 135° In diese Tabelle würde der vorliegende Embryo mit einer direkten Körperlänge von 15 cm und einem Krümmungswinkel von 70° sich gut an zweiter Stelle einfügen. Haut. Vom Integument läßt sich vorläufig, bei rein makroskopischer Betrachtung, naturgemäß nur wenig aussagen; die histologische Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 563 Untersuchug soll von anderer Seite unternommen werden. An- gaben über die Anlage natürlicher Hautfalten zu machen, wie sie in der Literatur sich vielfach finden, verbietet in unserem Falle die Anwesenheit zahlreicher künstlicher, durch Schrumpfung entstandener Faltungen. Über die interessante Entwicklungsgeschichte des Haar- kleides der Sirenen liegen einige makroskopische Befunde von TURNER vor; eine eingehendere Untersuchung verdanken wir KÜKENTHAL, der der Entwicklungsgeschichte und vergleichenden Anatomie dieses Organsystemes bei Manatus und Halicore ein eigenes Kapitel in seinem mehrfach zitierten Werk widmete und und als erster eine Fülle histologischer Details brachte. TURNER schreibt (p. 316) von seinem jüngsten Stadium (a) 14 cm Rückenlänge: „The surface of the skin was of a pale drab colour, quite smooth, and with no hairs visible; but, with a simple lens, minute spots could be seen, which probably marked the site of hair follicles.“ Bei dem zweiten Stadium (b), von dem er nur den abgetrennten Kopf besaß (Länge des Kopfes, „from the front to the back of the head“ 195 mm), waren bereits kurze, weiße Haare („very stout silky hairs“, p. 318) durchgebrochen. Besonders wichtig sind für uns TURNERS Angaben über die Behaarung seines größten Halicoreembryos 162,6 em Rückenlänge. Außer den 5—10 mm langen Haupthaaren fanden sich hier noch die Anlagen kleinerer Haare (Mittelhaare), die nicht durchgebrochen waren (p. 321): „On the back of the foetus the hairs were arran- ged in rows running from the head towards the tail, with con- siderable intervals between the rows and the hairs in each row. In these intervals fine dark spots were seen, which marked apparently the follicles of more delicate hairs, which had not yet pierced the skin.“ KÜKENTHAL bestätigte diese Annahme TURNERs, indem er histologisch nachwies, daß es sich bei diesen, „feinen dunklen Flecken“ tatsächlich um die Anlagen kleinerer Haare, von ihm „Mittelhaare“ genannt, handelte, die nicht, oder doch nur ge- legentlich zum Durchbruch kommen. Außerdem konstatierte er eine allmähliche Entwicklung dichtgedrängter zu Leisten ver- schmelzender Epidermiszapfen, die der Haut der erwachsenen Halicore im Querschnitt das für die Walhaut so charakterische Aussehen verleihen. Diese Epithelzapfen sind nach KÜKENTHALS Vermutung entstanden aus den (infolge eines Funktionswechsels) 564 E. Matthes, umgewandelten Anlagen eines dichten Kleides von „Beihaaren“; darauf deuten wenigstens analoge Befunde bei Manatus hin. Bei dem mir vorliegenden Embryo, der nur unbedeutend älter ist als TURNERS jüngstes Stadium, fand ich Haare gleichfalls. noch an keiner Stelle des Körpers zum Durchbruch gekommen. Sehr deutlich markieren sich aber bereits die Anlagen der Haupt- haare, so daß sie nicht nur mit einer Lupe, sondern auch mit dem unbewaffneten Auge gut sichtbar sind. Sie treten auf als. kleine Papillen von !/, mm Durchmesser, dunkler braun gefärbt als die umgebende Haut, auf der Spitze oft von einem kleinen schwarzbraunen Kreis gekrönt. Besonders gut entwickelt sind die Anlagen auf dem Rücken des Embryos, vom Nacken bis auf den Schwanzflossenansatz hin; dagegen treten sie mehr zurück auf den Seiten des Rumpfes und dem Bauche, wo sie nicht mehr als Erhebungen hervortreten, sondern sich nur noch als kleine: schwarze Flecken abheben. Sie finden sich an allen Stellen des Körpers, auf dem Kopf, der dorsalen Fläche der Brustflosse, so- wie auf Oberseite und Unterseite der Schwanzflosse!. Nur auf der volaren Fläche der Vorderextremität vermisse ich Haaranlagen ?). Ihr gegenseitiger Abstand beträgt 1,2—5 mm. Am Unterkiefer: stehen sie bedeutend dichter und fallen durch ihre Größe be- sonders auf. Auch die Partien des Öberkiefers, die die Mund- spalte seitlich und von oben her decken, zeigen einen dichten Papillenbesatz. Am radialen Rande des Unterarmes fällt eine Reihe ähnlicher, etwas höherer und spitzerer Erhebungen auf, denen aber vielleicht eine andere Deutung zuteil werden muß: (vgl. Fig. 3). TURNER gibt an (vgl. das oben wiedergegebene Zitat), daß: die Haupthaare auf dem Rücken des größten Embryos (102,6 cm) in Längsreihen angeordnet waren. KÜKENTHAL schreibt von seinem II. Halicorestadium (72 cm), TURNERS Angabe bestätigend: „Über den übrigen Körper sind die Haare ziemlich regelmäßig zerstreut, durchschnittlich in Abständen von 4—8 mm, und es macht keine Schwierigkeiten, eine Anordnung der Haare in lon- 1) Einige Autoren (RÜPPEL, BREHM, FInsch) haben behauptet, daß auf den Brustflossen bzw. der Schwanzflosse Haare fehlen. DEXLER u. FREUND weisen diese Behauptung als unrichtig zurück (1906, p. 98). Die Anlagen von Haaren sind jedenfalls auch in. den fraglichen Bezirken, wie oben bemerkt, vorhanden. 2) Bei älteren Embryonen zeigt auch die Unterseite einen: allerdings viel spärlicheren Haarbesatz (KÜKENTHAL 1897, p. 44). Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 565 gitudinalen Reihen zu erkennen, besonders deutlich auf dem Rücken.‘ Ich kann eine derartige Anordnung bei dem mir vor- liegenden Embryo nicht als deutlich hervortretend konstatieren. Die Haaranlagen sind in regelmäßigen Abständen über die Körper- oberfläche zerstreut. Selbstredend ist es möglich, auch hier lon- gitudinale Reihen zu konstruieren, die die Einzelanlagen ver- binden. In gleicher Weise können wir jedoch auch zu Quer- und Diagonalreihen gelangen, wie sie sich z. B. scheinbar in den zwischen den Rippen eingesunkenen Hautfurchen hinziehen, ein Fall, den KÜKENTHAL bei Manatus latirostris (Embryo von 6,35 em Länge) realisiert fand. Von einer strengen Regelmäßig- keit in der Innehaltung der Reihen kann bei dem mir vorliegenden Embryo nicht die Rede sein. DEXLER und FREUND verneinen für die erwachsene Halicore eine reihenweise Anordnung der Haare durchaus (1906a, p. 571): „TURNER claims to have observed that the hairs were arranged in rows in an embryo dugong, but of such an arrangement we saw nothing.“ Mit Hilfe der binokularen Lupe sehe ich außer den Anlagen der Haupthaare noch weit zahlreichere kleinere rundliche Papillen, die mit großer Wahrscheinlichkeit als Anlagen von Mittelhaaren zu deuten sind. Sie liegen in ziemlich regelmäßiger Verteilung, in Abständen von durchschnittlich 4, mm, zwischen den Haupt- haaranlagen eingestreut. Auffällig ist, daß TURNER von ihnen bei seinem jüngsten Stadium (14 cm) nichts erwähnt; erst bei seinem ältesten Embryo hat er sie beobachtet und beschrieben (vgl. das oben wiedergegebene Zitat). KÜKENTHAL fand die An- lagen der Mittelhaare bei seinem Stadium II gelegentlich durch- gebrochen. Ein außerdem wahrnehmbares chagriniertes Aussehen der Haut beruht, wie bei starker Vergrößerung ersichtlich, auf un- mittelbar nebeneinander liegenden winzig kleinen Grübchen, bzw. Papillen zwischen ihnen!). Ob es sich hierbei um die Anlagen der nach KÜKENTHAL hypothetisch zu fordernden Beihaare, oder um die äußerliche Andeutung der erwähnten Epithelzapfen, oder aber um eine belanglose Ziselierung der Oberhaut handelt, dar- über muß ich mich jeder Mutmaßung enthalten. Die merkwürdigen linsengroßen Einbeulungen der Haut, wie sie HARTInG an seinem Embryo beschreibt (1879, p. 3) und 1) Ein gleiches Verhalten konstatierte KÜKENTHAL bei einem Embryo von Manatus latirostris (13,7 cm, 1897, p. 36). Jenaische Zeitschrift. Bd. LII. 37 566 E. Matthes, als die Spuren der Eindrücke eigentümlicher rundlicher Gebilde deutet, die er an der inneren Fläche des Chorions als Divertikel der Gefäße fand, waren bei meinem Embryo ebensowenig wie an dem Turnerschen (1894, p. 316) zu sehen, so daß die interes- sante Beobachtung HArTInGs bisher keine Parallele gefunden hat. Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch, daß die Farbe der Haut ein fahles Gelb ist, das auf dem Rücken in ein lichtes Braun übergeht. Das große Auge schimmert, sich deutlich ab- hebend, bläulich durch die Haut hindurch. Kopf. Der gegen die Brust gelegte Kopf ist dorsal kaum, ventral durch eine tiefe Kehlfurche vom Rumpfe abgesetzt. Auch beim erwachsenen Tiere ist nicht, wie GREVE in seiner Ordnungs- diagnose der Sirenen angibt, der Kopf vom Rumpfe „deutlich abgesetzt“, wohl aber durch eine Nackenfurche von ihm ab- gegrenzt (DEXLER und FREUND, 1906, p. 99 und Taf. 10, Fig. 2 und 4). Ein eigentlicher Hals existiert beim Embryo äußerlich ebensowenig, wie beim erwachsenen Tiere, wenn wir darunter das vom Rumpfe deutlich abgesetzte und merklich ver- schmälerte Schaltglied zwischen Kopf und Rumpf verstehen. In der Form des Kopfes kommen einige embryonale Züge zum Ausdruck, die ihn von der eigenartig spezialisierten Kopf- form der erwachsenen Sirene entfernen, und damit andererseits dem allgemeinen Bilde des embryonalen Säugetierkopfes nähern. Vom Nacken aus biegt die dorsale Profillinie des Kopfes in gleich- mäßig starker Krümmung von der Oceipital- bis zur Frontalregion herum, um hier durch einen starken Stirnabfall eine deutliche Scheidung von Gesichtsteil und Hirnteil des Schädels hervor- treten zu lassen. Es folgt oralwärts eine leichte konkave Ein- biegung, die in eine etwas stärkere Auswölbung übergeht, auf deren Höhe beiderseits die Nasenlöcher liegen. Dann biegt der Gesichtsschädel rechtwinklig ab zur Bildung der Vorderfläche der auch hier schon auffällig stark entwickelten Schnauze. An ihrem Unterrande liegt der Gaumenfortsatz, von dem aus die Profillinie wiederum rechtwinklig in das Mundhöhlendach umbiegt. Die stark gekrümmte Scheitellinie und der Steilabfall der Stirn verschwinden im Laufe der späteren Embryonalentwicklung. Als einheitlicher, nur ganz schwach konvexer Bogen verläuft dann die dorsale Profillinie vom Nacken bis zu den an ihrem oralen Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 567 Ende liegenden Nasenöffnungen. Die beim Embryo deutlich markierte Grenze zwischen Hirnschädel und Gesichtsschädel wird dadurch völlig verwischt. Von den Knochen des Kopfes treten die Jochbogen, d. h. das Jugale als untere Einfassung der Angenhöhle und der sich ihm kaudal anschließende Processus zygomaticus des Temporale hervor. Desgleichen die schön gewölbten Frontalia, die in der Ansicht von vorn eine durch Einsinken der Haut in der großen Fontanelle entstandene Einbuchtung erkennen lassen, wie sie auch Fig. 1 bei TURNER zeigt. Schnauze. Die Schnauze ist vom übrigen Gesichtsteil des Kopfes scharf abgesetzt, indem die seitlichen Partien ihrer Vorderfläche sich nach hinten weit umschlagen. Bei älteren Embryonen tritt diese Er- scheinung nicht mehr in dem Maße zutage (KÜKENTHAL, 97, Fig. 19) und beim erwachsenen Tiere erscheinen die vorher zu- rückgeschlagenen Seitenpartien als zwei breite seitliche Begren- zungswülste der Schnauzenfläche, wie sie DEXLER und FREUND als „Seitenlefzen“ beschreiben und abbilden. Die Vorderfläche der Schnauze ist fast eben, nur in der Mitte leicht ausgehöhlt, unten etwas breiter als oben, so daß ihre seitlichen Begrenzungslinien nach oben zu leicht konvergieren. Bei dem von KÜKENTHAL als Stadium II. untersuchten Embryo (Fig. 20) ist dieses Konvergieren stärker ausgebildet, so daß hier die Schnauzenvorderfläche fast als gleichseitiges Dreieck erscheint. Im Laufe der weiteren Embryonalentwicklung wird dann jedoch, wie es Stadium IV von KÜKENTHAL zeigt (p. 27), der vorher dreieckige Umriß mehr abgerundet, die Seitenlinien der Schnauzen- vorderfläche konvergieren dann wiederum weniger nach oben zu. Beim Erwachsenen schließlich ist aus der Konvergenz eine Diver- genz geworden. Der obere (Querdurchmesser der Schnauze ist größer geworden als der untere. Die Umgrenzungslinie erhält dadurch die Form eines aufrecht gestellten Hufeisens. Die vordere Schnauzenfläche ist beim vorliegenden Embryo, abgesehen von einigen queren Schrumpfungsrunzeln im oberen Teil, vollkommen glatt. Es fehlt noch völlig die regelmäßige Querfelderung durch feine sich kreuzende Furchen, wie sie Fig. 20 bei KÜKENTHAL wiedergibt. Wie der TURNERSche Em- bryo, zeigt auch der vorliegende noch keine der später angelegten, 37* 568 E. Matthes, für die Halicoreschnauze typischen tieferen Furchen. Die Reihen- folge ihrer Entstehung ist derart, daß zunächst zwei laterale und eine mediane Längsfurche entstehen (KÜKENTHAL, Fig. 20). Durch die beiden lateralen Furchen werden die schon erwähnten Seiten- lefzen von dem übrigen Teil der Schnauzenvorderfläche „dem Mittelfeld“ (DEXLER und FREUND) abgetrennt; die mediane Furche halbiert äußerlich den unteren Teil der Schnauze der Länge nach und geht bis zum Gaumenfortsatz, bis zur Gingiva. Später ent- steht dann noch eine untere Querfurche, die vom Mittelfelde, einen „unteren Begrenzungswulst“ abtrennt (KÜKENTHAL Fig. 1, DEXLER und FReEunND Taf. 11, Fig. 2). KÜKENTHAL fand nun, daß die erwähnte mediane Furche bei einem älteren Embryo (Stadium IV) weniger tief war und besonders an der Einmündung in die Mundhöhle so seicht, daß sie fast verschwand, die Gingiva also nicht mehr erreichte. Aus einer Abbildung TURNERS von der Schnauze einer erwachsenen Halicore ersah er ferner, daß hier die mediane Furche in diesem unteren Stück ihres Verlaufs gänzlich geschwunden ist. Der er- wähnte untere Begrenzungswulst bleibt nach dieser Abbildung ungeteilt, die Furche erreicht die Gingiva nicht mehr. Aus seinem Befunde am älteren Embryo in Verbindung mit dem, was ihm die TURNERsche Abbildung für das erwachsene Tier zeigte, schloß KÜKENTHAL, daß diese mediane Furche „nur noch der letzte Rest einer vordem durchgehenden Trennung ist, welche bei Ma- natus eine Teilung der Oberlippe in zwei laterale und eine me- diane bewirkt hat. Es würde sich daraus ergeben, daß die Vor- derfläche der Halicoreschnauze, die in größeren Embryonalstadien, wie beim Erwachsenen eine einheitliche Fläche darstellt, in früher Embryonalentwicklung durch Teilung in zwei seitliche und eine mediane Partie der Oberlippe mehr manatusähnlich gewesen ist, daß also die Form der Manatusschnauze die ältere ist. Es würden also bei Halicore die rechts und links von der medianen Furche liegenden Schnauzenpartien den lateralen Oberlippen der Manaten entsprechen, während der obere über der Medianfurche gelegene Teil dem medialen Teile der vorderen Schnauzenfläche von Manatus gleich zu setzen ist.“ Nun aber haben DEXLER und FREUND, denen eine größere Anzahl erwachsener Halicoreköpfe zur Verfügung stand, beobachtet, daß auch beim erwachsenen Tiere, entgegen der Zeichnung TURNERS, die mediane Furche in ihrer ganzen Länge erhalten bleibt, ja daß gerade ihr unterer, rückwärtiger Teil viel tiefer ist als der obere. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 569 Auch beim erwachsenen Tier zieht die Furche bis zur Gingiva herab. Diese Tatsache kann wohl als feststehend betrachtet werden; denn durch die Beobachtung DEXLERsS und FREUNDs am frisch erbeuteten Tiere ist die von TURNER nach einem einzigen in Salz konservierten Kopf angefertigte widersprechende Zeichnung und Beschreibung überholt. Am besten geeignet, die Entscheidung in der von KÜKEN- THAL angeregten Frage zu bringen, erscheint die Untersuchung noch jüngerer Embryonalstadien, als sie ihm vorlagen. So schreibt auch KÜKENTHAL selbst: „Die definitive Lösung dieser Frage würde erfolgen, wenn man bei kleinen Embryonen von Halicore würde nachweisen können, ob bei ihnen diese Furche tiefer geht und eine deutlichere Trennung der beiden lateralen Oberlippenportionen bewirkt, als bei größeren Embryonen und beim Erwachsenen.“ Eine Entscheidung in dieser Frage hätte schon die Arbeit TURNERS bringen können, Leider genügt aber die Abbildung, die er von seinem 14 cm langen Embryo gibt, so wenig den an eine exakte wissenschaftliche Zeichnung zu stellenden Ansprüchen, daß sie uns hier, wie KÜKENTHAL sagt, völlig im Stiche läßt. Ich bin nun in der glücklichen Lage an einem ungefähr gleich großen Embryo das Versäumte nachholen und den in Frage stehenden Punkt genau untersuchen zu können. Das Ergebnis der Unter- suchung lautet kurz: Auf der Schnauzenvorderfläche des vor- liegenden Embryos findet sich von einer medianen Furche keine Spurt). Die Entwicklungsgeschichte hat also keine Bestätigung der Vermutung KÜKENTHALS gebracht. Die später auftretende mediane Furche ist demnach eine sekundäre Erscheinung, typisch nur speziell für Halicore, nicht homolog dem breiten Spalt, der bei Manatus die beiden seitlichen Oberlippenpartien weit trennt. Der Hypothese KÜKENTHALS lag der Gedanke zugrunde, die abweichende Schnauzenbildung der beiden Sirenengattungen, bei Halicore die einheitliche hohe, bei Manatus die dreigeteilte niedrige Schnauze, in genetische Verbindung und dadurch die starke Abweichung der beiden Genera in diesem Punkte unserem Verständnis näher zu bringen. Ich möchte darauf hinweisen, daß der Unterschied zwischen den beiden Schnauzenformen doch kein 1) Um nichts vernachlässigt zu haben, bemerke ich, daß ın der Mittellinie der Schnauzenvorderfläche sich eine äußerst schwache, nur bei günstiger Beleuchtung sichtbare Leiste hinzieht. 570 E. Matthes, allzugroßer ist!.. Denn auch die Halicoreschnauze kann man, genau besehen, nicht als einheitlich bezeichnen, wie es meist ge- schieht. Auch sie zeigt ganz deutlich die beiden Seitenlappen, den sie trennenden beiten Spalt und über dem Spalt den unpaaren medianen Teil. Nur daß dieser unpaare Teil bei Halicore durch seine mächtige Entwicklung den relativ kleinen Seitenlappen gegen- über so in den Vordergrund tritt, die Konfiguration der Gesamt- schnauze derart beherrscht, daß sie dadurch. als ein einheitliches ungegliedertes Gebilde erscheint. Die starke Höhenentwicklung der Vorderfläche der Schnauze auf die also meiner Ansicht nach letzten Grundes der ganze Unterschied zwischen Manatus und Halicore zurückzuführen ist, erklärt sich ganz natürlich aus der exzessiven Entwicklung, die die Zwischenkiefer bei Halicore erfahren haben; bei Manatus hingegen ist das bekanntlich nur in weit geringerem Maße der Fall. Zwischen den Seitenlappen der Schnauze liegt median ein- gekeilt der Gaumenfortsatz. Seine Breite beträgt 3 mm, seine Gesamthöhe 2 mm. Er gliedert sich in einen oberen glatten und schmäleren Ansatzteil und in einen unteren breiteren allseitig ab- gesetzten und rundlich vorspringenden Wulst. Der Wulst ist mit kleinen Papillen dicht besetzt, die seiner Oberfläche ein ge- körntes Aussehen verleihen. Durch eine seichte mediane Furche ist eine Zweiteilung des Wulstes angedeutet. Während der Gaumenfortsatz beim vorliegenden Embryo noch allseitig frei zutage tritt, wird er bei älteren Embryonen von den angrenzenden Partien der Oberlippe mehr und mehr überlagert (TURNER, p. 319); das mag dazu verleitet haben, ihn als einen Teil der Oberlippe selbst aufzufassen, wie es vielfach geschehen ist. So nennt ihn RÜPPEL die „eigentliche Oberlippe“, TURNER bezeichnet ihn als „mid-lip“ im Gegensatz zu den „lateral lips“. Über seine Entstehung und die Möglichkeit, für ihn ein Homologon bei anderen Säugern zu finden, hat TURNER eine in- teressante Ansicht ausgesprochen (p. 332). Danach wäre der Gaumenfortsatz der Sirenen nichts anderes als der mediale Teil 1) Ähnlich äußert sich auch GUDERNATSCH bei Beschreibung der Schnauze von Manatus latirostris (1909, p. 228): „Die Schnauzen- bildung ist aus den Abbildungen zu ersehen und zeigt eine auffallende Ähnlichkeit mit den Verhältnissen bei Halicore, was aus den bisher bekannt gewesenen Zeichnungen (MURIE, TURNER usw.) bei weitem nicht so einleuchtete.“ Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 571 der Oberlippe, der in der Hauptsache von den Processus globu- lares des embryonalen frontonasasalen Fortsatzes geliefert wird. Während nun dieser mediale Teil mit den seitlichen Teilen, die dem Bildungsmaterial des Processus maxillares entstammen, bei den anderen Mammalien normalerweise relativ früh verschmilzt, unterbliebe nach TURNER bei Sirenen diese Verschmelzung, so daß dauernd der mediale Teil (mid-lip —= Gaumenfortsatz) und die lateralen Teile voneinander getrennt bleiben. Es würde also bei Sirenen ein Entwicklungsmodus zur Norm geworden sein, der sonst nur abnormerweise als eine Mißbildung auftritt, die in der Teratologie als „doppelte Hasenscharte“ bezeichnet wird. Gegen diese Auffassung hat FREUND neuerdings (1911, p. 382f) Bedenken geltend gemacht, schwerwiegend genug, um ihre Unwahrscheinlichkeit einleuchtend zu machen. FREUND selbst sieht ein Homologon für den Gaumenfortsatz in der Zahn- oder Dentalplatte der Wiederkäuer, eine Auffassung, die wenn auch noch nicht sichergestellt, so doch weit mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat, als die Hypothese TurnErs. Beim vorliegenden, relativ jungen Embryo setzt sich der Gaumenfortsatz von der Schnauzenvorderfläche (und damit von der wahren Oberlippe) scharf und besonders deutlich ab, während er nach hinten zu direkt und ohne jede Abgrenzung in den harten Gaumen über- geht. Die Fortsatzbildung dokumentiert sich mit anderen Worten deutlich als zum Gaumen gehörig; mit der Lippe hat sie nichts zu tun. An Stelle der oben angeführten unzweckmäßigen Be- zeichnungen verdienen daher die Benennungen „Gaumenfortsatz“ oder auch „Zwischenkieferfortsatz“ entschieden den Vorzug. Die 5 mm lange und etwa ebenso breite, ziemlich weit- klaffende Mundspalte wird von unten her von dem gedrungenen Unterkiefer begrenzt. Vorn abgestuzt wölbt er sich nach unten stark löffelartig vor. Im Ansatz ist er von den Seiten und von unten her eingeschnürt. Die Kinnlinie bildet einen stark und gleichmäßig gekrümmten Bogen. Die Länge des Unterkiefers beträgt 7 mm, seine Höhe 6 mm, die größte etwa in der Mitte liegende Breite 6 mm, vorn genommen dagegen nur 4,5 mm. Vom Unterkiefer setzt sich nach oben zu ein Wulst am ganzen Umfang entlang ab, der als Unterlippe bezeichnet werden kann. In der Medianen erhebt sich eine Leiste oder Kamm, wohl ent- standen durch das Einfallen der seitlichen Partien. In ihnen ist der Unterkiefer mit relativ großen Papillen dicht besetzt. Hinter 572 E. Matthes, den Oberkiefer tritt er kaum merklich zurück; beim Erwachsenen ist das in hohem Maße der Fall. Nase. Die Nasenlöcher liegen von der oberen Ecke der Schnauzen- vorderfläche schräg aufwärt 3 mm nach hinten. Sie sind von ovalem Umriß, hinten mit scharfem stark gebogenem Rande; ihre gegenseitige mittlere Entfernung beträgt kaum 2 mm. DEXLER und FREUND beschreiben die Nasenlöcher bei der erwachsenen Halicore als „kreisrunde Öffnungen“. So zeigen es auch ihre Photographien ganz deutlich. Anderweitig wird dagegen in der Literatur betreffend der Form der Nasenlöcher meist angegeben, daß es sich um gebogene Schlitze handelt (TURNER, p. 319 u. 322 „Bach was crescentic in shape“, so auch KÜKENTHAL in der Diagnose für die Ordnung der Sirenen, p. 34: „Nasenlöcher ge- bogene Schlitze mit vorwärts gerichteter Konkavität“, und p. 25—28, „schmale Schlitze von annähernd hufeisenförmiger Gestalt“). Diese sich scheinbar widersprechenden Angaben erklären sich so, daß DEXLER und FREUND die Nasenlöcher inspiratorisch geöffnet be- schreiben und abbilden, während TURNER und KÜKENTHAL die Nasenöffnungen geschlossen vor sich sahen. Zum Verschluß der Nasenöffnungen wird der Boden des Ganges emporgehoben. Er verschließt dann die Öffnung nach Art einer Klappe. Freilich handelt es sich dabei nicht um eine echte, d. h. frei bewegliche und auch bei geöffneten Gängen sicht- bare Klappe, wie man nach den nicht ganz exakten Angaben älterer Autoren glauben müßte; eine Anschauung, gegen die sich schon MURIE, dann aber auch DEXLER und FREUND besonders energisch ausgesprochen haben (p. 81—82 und 103). KÜKENTHAL hat darauf aufmerksam gemacht (p. 32), daß ein gewichtiger Unterschied zwischen den beiden Sirenengenera bezüglich der Lage der Nasenöffnungen besteht, „die bei Manatus entweder auf der vorderen Schnauzenfläche oder doch an ihrer oberen Umbiegungsstelle liegen, bei Halicore jedoch beträchtlich weiter nach hinten gerückt sind. In dieser dorsalen Verlagerung der Nasenöffnungen nähert sich Halicore weit mehr den Cetaceen als Manatus“. Diese dorsale Verlagerung läßt sich nach TURNERS Angaben in der embryonalen Entwicklung noch verfolgen. Während nämlich bei seinen drei Embryonen die Nasenlöcher so gelegen waren, daß sie bei Frontalansicht der Schnauzenvorderfläche ge- sehen werden konnten, waren sie beim erwachsenen Tiere so weit Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 573 hinaufgerückt, daß sie nur bei der Ansicht von oben sichtbar wurden (p. 326 und Fig. 5). Durch diese dorsale Verschiebung bei Halicore kommt es zu einer Hebung des Nasenganges, worauf FrEunD (1908, p. 93 und 94) im Hinblick auf die Bedeutung, welche der Verlagerung der Nasengänge bei den Üetaceen zu- kommt und unter Berücksichtigung der Untersuchungen von KÜKENTHAL und BOENNINGHAUS hingewiesen hat. Es liegt nahe, hierin eine Konvergenzerscheinung zwischen Walen und Sirenen zu erblicken, beruhend auf der gleichen Tendenz; Die Nasenöffnung in diejenige Lage zu bringen, welche für den Aufenthalt der Säugetiere im Wasser die bequemste ist, da sie eine aktive Hebung der Schnauze zum Zwecke der Respi- ration überflüssig macht (BOENNINGHAUS p. 92). Dieser Anschauung scheint mir zunächst entgegen zu stehen, daß für die Sirenen als auf dem Grunde seichter Gewässer sich aufhaltende Säuger, die nur etwa alle Minuten zur Oberfläche aufsteigen und für den kurzen Moment der Respiration die Schnauzenspitze über das Wasser erheben, das physiologische Bedürfnis für die frontale Verlagerung der Nasenlöcher gar nicht gegeben ist; ganz im Gegensatz zu den pelagisch lebenden Walen, für die diese Verlagerung der Nasenlöcher namentlich während der Ruhelage, direkt unter der Wasseroberfläche, sicherlich von größtem Vorteil ist. Ferner nehmen bei Halicore die äußeren häutigen Nasengänge, auf die es doch hier gerade ankommt, an der Hebung nicht teil, sondern ziehen sogar vom hinteren auf- steigenden Teil des Nasenganges abgeknickt ein wenig nach vorn und unten (FREUND 1908, p. 94). Sodann möchte ich darauf hinweisen, daß bei dem unter völlig gleichen Existenzbedingungen lebenden Manatus von einer Hebung des Nasenganges kaum die Rede sein kann. So schreibt schon BRAnDT (p. 250): „Narium cavitates non ut in Cetaceis, sed ut in animalibus terrestribus, constructae, sensu fere horizontali directae.“ So zeigt es auch Fig. 37, Taf. 26 bei MuRIE. Dagegen zeigt der landbewohnende Elephant (WEBER, 1898, p. 146 u. 47, Fig. 17) eine starke Hebung des Nasenganges bis zu einem Winkel von 45° gegen die Horizontale. Bedingt wird diese Aufrichtung der Nasengänge bei Elephas nach WEBER „durch enorme Ausbildung der prä- maxillaren und maxillaren Teile des Schädels zum Zwecke der Stoßzähne“. Hierin sehe ich auch beı Halicore das bedingende Moment für die Hebung eines Teiles des Nasenganges, besonders da bei 574 E. Matthes, Manatus mit dem Fehlen der Stoßzähne und dem damit zusammen- hängenden Ausbleiben der enormen Entwicklung der Intermaxil- laria diese Hebung der Nasengänge gleichzeitig völlig in Fortfall kommt. Auge. Das vom Integument fast völlig überdeckte, bläulich durch- schimmernde Auge imponiert als große stark vorspringende Er- hebung von 5.5 mm Durchmesser. Die Lidspalte hat eine Länge von kaum 1 mm und liegt vom Mundwinkel um 9 mm, von der Nasenöffnung um 10,5 mm entfernt. Eigentliche Lider sind noch nicht entwickelt; die sich später bald ausbildende im vorderen Augenwinkel gelegene Nickhaut (schon bei älteren Embryonen, TURNER), ist noch nicht zu konstatieren. Ohr. Im Gegensatz zum Auge ist die Öffnung des Gehörorganes nur sehr schwer zu finden, als ein winzig kleines Grübchen, von kaum meßbaren Dimensionen, 11 mm hinter der Lidspalte ge- legen; Rudimente eines äußeren ÖOhres, wie sie KÜKENTHAL in der Form von Auricularhöckern an sehr kleinen Embryonen von Zahn- und Bartenwalen nachweisen konnte, waren am vorliegenden Embryo nicht zu entdecken. Wenn überhaupt vorhanden, könnten sie nur bei der Untersuchung noch bedeutend jüngerer Embryonen gefunden werden. Vorderextremität. Die dem Körper anliegenden Vorderextremitäten sind schräg nach unten und hinten gerichtet, und ihre äußersten Spitzen be- rühren einander in der Mittellinie. Sie sind frei bis zum Ell- bogengelenk. Der Oberarm ist völlig in den Körper eingezogen, tritt aber in seinen Umrissen deutlich hervor. Die Unterarm- knochen sind gegen ihn rechtwinklig eingelenkt. Auch die Knochen der Hand bilden ihrerseits mit dem Unterarm einen, wenn auch flachen Winkel, während schon bei älteren Embryonen, wie KÜKENTHAL an seinem Stadium II konstatiert, beide durchaus in einer Geraden liegen. Es steht dadurch das mir vorliegende Stadium von Halicore bezüglich der Umbildung der Vorderextre- mität zur Flosse noch auf der von Manatus repräsentierten Stufe. Im Ganzen bildet also das Skelett der Brustflosse eine doppelt gebrochene Linie. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 575 Die Umbildung der Vorderextremität zur Schwimmflosse muß im übrigen als schon recht weit vorgeschritten bezeichnet werden; denn auch der Unterarmteil ist bereits in ihre Bildung mit eingezogen, durch Bildung einer breiten, aber sehr dünnen Schwimmhaut am ulnaren Rande, die die dreieckige Lücke zwischen den Unterarmknochen und dem fünften Finger ausfüllt. Der radiale (vordere) Rand der Flosse verläuft im Unterarmteil als gerade Linie, beschreibt von hier bis zur Spitze des vierten Fingers einen stark konvexen Bogen, dessen Kurve von zwei kleinen Ein- kerbungen unterbrochen wird, die die Grenzen zwischen zweitem, drittem und viertem Finger markieren. Von der Spitze des vierten Fingers, die zugleich die distale Spitze der ganzen Flosse ist, biegt nun der Flossenrand scharf auf die ulnare Seite um, buchtet sich vor dem fünften Finger stark ein und verläuft dann als sehr flacher konvexer Bogen bis zum Ellbogengelenk. Die letzterwähnte starke Einbuchtung zwischen viertem und fünftem Finger erhält sich auch noch bei älteren Embryonen (KÜKENTHAL). Beim erwachsenen Tiere ist sie nicht mehr vor- handen. Die schwachen Einkerbungen zwischen den anderen Fingern ließen sich nur an diesem mir vorliegenden jungen Embryo bemerken; ein Hinweis auf die früher vollständiger geteilte, erst allmählich zur Schwimmflosse umgewandelte Hand. Die einzelnen Fingerstrahlen treten wenig, doch unterscheid- bar hervor, mit Ausnahme des kurzen ersten Fingers. Der fünfte Finger ist bereits stark abgespreizt, wie es die schönen Röntgeno- gramme von FREUND (1904) für die erwachsene Sirene kennen lehren. Die Gesamtlänge der Vorderextremität beträgt 15 mm, wo- von auf die Hand etwas mehr als die Hälfte entfällt; die größte über den Metacarpalia liegende Breite 8 mm, die Breite über der Mitte des Unterarmes dagegen nur 6 mm. Das Verhältnis der Flossenbreite in diesen beiden Regionen stellt sich also auf 1:1,3. KÜKENTHAL stellte nach Turners Zeichnung dieses Verhältnis als 1:2 fest. Diese starke Abweichung beruht vielleicht auf der Ungenauigkeit der Zeichnung TuURnErRs. Bestehen bleibt die inte- ressante Tatsache, daß auch beim vorliegenden Embryo die Breite über der Hand die über dem Unterarm wesentlich übertrifft, während sich bei weiterer Entwicklung dieses Verhältnis bis ins Gegenteil verschiebt. Es findet also im Laufe der Entwicklung ein Hinaufrücken der größten Breite in proximaler Richtung statt (KÜKENTHAL). 576 E. Matthes, Die Länge der Flosse im Verhältnis zur Länge des ganzen Tieres in der Seitenlinie genommen beträgt 0,18:1. Aus der TURNERschen Zeichnung berechnete KÜKENTEAL das Verhältnis als 0,14: 1. Irgendwelche Anlagen von Nagelrudimenten ließen sich nicht auffinden. Rumpf. Der gedrungene, wie erwähnt stark gekrümmte Rumpf ver- jüngt sich zum Schwanze hin allmählich, aber sehr bedeutend. Über den Rücken zieht sich vom Nacken bis auf die Schwanz- flosse hin ein hoher Kamm entlang, auf dem die Dornfortsätze der Wirbel als Querfalten hervortreten. Desgleichen treten die Rippen stark hervor, denen sich die Körperdecke so fest anlegt, daß Rippe für Rippe durch eine tiefe Furche geschieden wird. TURNER führt das starke Hervortreten der Skelettelemente beim Embryo auf das noch nicht Vorhandensein des Unterhautfett- sewebes zurück. Doch erwähnen DEXLER und FREUND auch vom erwachsenen Tiere, daß die Dornfortsätze als niedriger Wulst bis zum Schwanzende deutlich abgesetzt sind, und daß sich an den Seiten des Brustkorbes die Rippen gut abheben (1906, p. 99). Freilich nicht in dem Maße wie bei dem Turnerschen und meinem Embryo, die infolgedessen den Eindruck ungewöhnlicher Magerkeit gewähren. Infolge der Einkrümmung des ganzen Rumpfes hat sich die Haut der Bauchseite in eine Unzahl feiner Querfältchen ge- legt. Der etwa von der Höhe des äußeren Geschlechtsorganes zu rechnende Schwanzteil zeigt einige kräftige Längsfalten und Furchen. Anlage von Hinterextremitäten wie sie KÜKENTHAL an Wal- embryonen beschrieb, lassen sich an vorliegendem Embryo nicht auffinden. Wenn bei Sirenen überhaupt vorhanden, was zum mindesten wahrscheinlich, könnten sie nur an Embryonen gefunden . werden, die bedeutend jünger und zudem erheblich besser er- halten wären. Die 2 mm starke Clitoris liegt ein kleines Stück vor der Analöffnung, springt 3 mm weit vor und krümmt sich stark nach unten und hinten, dem Körper zu. An ihrer Wurzel liegt kaudal die kleine Geschlechtsspalte. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 577 Schwanzflosse. Am Schwanzteil des Rumpfes können wir unterscheiden zwischen einem relativ langen und schmalen Ansatzstück, das zur Bildung der Flosse mit herangezogen ist, und der durch eine seitlich weit ausgezogene Hautduplikatur entstandenen eigent- lichen Flosse, in deren Bildung wenig mehr als das hinterste Drittel des ganzen Schwanzteiles eingezogen ist. Der über der Rückenlinie des ganzen Embryos durch die Dornfortsätze der Wirbel gebildete Kiel setzt sich ein Stück auf die Flosse fort, um dann allmählich im Zusammenhang mit dem Niedrigerwerden der Dornfortsätze zu verstreichen. Dafür treten hier die Körper selbst und vor allem die langen Querfortsätze der letzten Schwanz- wirbel, bei der Zartheit der Flosse beiderseits deutlich als flacher aber breiter, segmentierter Wulst hervor. Die Seitenränder der Flosse biegen seitlich weit aus und sind dabei leicht eingezogen; scharf und nicht abgerundet biegen sie in den Hinterrand um. Der Hinterrand der Schwanzflosse ist bei der erwachsenen Halicore leicht eingebuchtet, bei Manatus dagegen nach außen konvex. Es resultiert daraus für Manatus die abgerundete etwa spatelförmige, für Halicore die ein wenig halbmondförmig aus- geschnittene, mehr cetaceenähnliche Schwanzform. Hierin besteht bekanntlich eins der augenfälligsten Unterscheidungsmerkmale der beiden Sirenengattungen. Es erscheint bemerkenswert, daß der vorliegende Embryo (ein Gleiches gibt TURNER an) noch nicht die für Halicore typische Flossenform zeigt: der Hinterrand ist nicht, wie bei Halicore allgemein, ausgeschnitten, sondern abge- rundet wie bei Manatus, und zwar in recht beträchtlichem Maße; denn bei einer Länge der ganzen Schwanzflosse von 18 mm liegt ihre größte Breite 6 mm vom Endpunkt entfernt. KÜKENTHAL hat nachgewiesen, daß auch bei Walen, bei denen im ausgewach- senen Zustande der halbmondförmige Ausschnitt des Flossen- hinterrandes noch bedeutend tiefer geht als bei Halicore, embryonal eine spatel- ja lanzettförmige Schwanzflosse auftritt. Es weisen diese Beobachtungen auf einen allgemein gültigen Ausgangstyp für den sich mit der Anpassung an das Wasserleben zur Schwimm- flosse umbildenden Schwanz hin, dem, in der endgültigen Aus- bildungsform, Manatus am nächsten, die Wale am fernsten stehen. Bezüglich der Wale vergleiche man näheres hierüber bei KÜKEN- THAL (1893, p. 260—264; 1914, p. 55 ff.). i 578 E. Matthes, Durch den Vergleich der verschiedenen ihm vorliegenden Embryonalstadien von Halicore gelang es KÜKENTHAL u. a. auch für die Schwanzflosse einige wertvolle Wachstumserscheinungen festzustellen. Es ergab sich nämlich ein starkes relatives Wachs- tum in der Breite des Schwanzflossenansatzes, sowie in der Breite der Schwanzflosse selbst. Als Vergleichsmaßstab dieses relativen Breitenwachstums wählte KÜKENTHAL den Brustquerdurchmesser. Die von ihm erhaltenen Zahlen, den Brustquerdurchmesser jedesmal gleich 1 gesetzt, waren für den Ansatz der Schwanzflosse für die Schwanzflosse Stadium II 1:0,27 1, Stadium III 1:0,43 14:148 Stadium IV 1:0,56 1.2.5 Die an vorliegendem Embryo zur Ergänzung genommenen Maße fügen sich in diese Tabelle gut ein und lassen damit eine Gültigkeit der von KÜKENTHAL gefundenen Wachstumstendenz noch für ein gutes Stück rückwärts konstatieren: für den Ansatz der Schwanzflosse für die Schwanzflosse 120.25 17 21K3 Besonders stark ist demnach das relative Breitenwachstum der Flosse selbst von 1:1,3 auf 1:2,5. Es folgt daraus ferner, daß auch bezüglich der Breitenentwicklung die Schwanzflosse des vorliegenden Embryos noch fast auf dem Manatusstadium, wenn ich mich so ausdrücken darf, steht, da sich bei ihm dieses Ver- hältnis nach KÜKENTHAL auf 1:1,25 (Maximum) stellt. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Sirenen. 579 1903. Literaturverzeichnis. BOENNINGHAUS, G., Der Rachen von Phocaena communis Less. Eine biologische Studie. — Zoolog. Jahrb., Abt. Anat., Ontog., Bd. XVII. 1861-1868. BRANDT, J. F., Symbolae sirenologicae, Fasc. II 1906. 1906a. 1904. 1908. 1911. 1909. 1879. 1870. 1893. 18937. 1914. 1870. 1837. 1894. 1898. et III. — Mem. Acad. imp. d. sc. d. St. Petersbourg, VII*ser., Tom. XII. DEXLER, H. u. FREUND, L., Zur Biologie und Morphologie von Halicore dugong. — Archiv f. Naturg., 72. Jahrg., Bd. I, Hr 2. Ders., External Morphology of the Dugong. — The Amer. Naturalist, Vol. XL. FREUND, L., Die Osteologie der Halicoreflosse. — Zeitschr. 1. wiss. Zool., Bd. LXXVIl. FREUND, L., Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Schädels von Halicore dugong Erxl. — Jen. Denkschr., Bd. VII. FREUND, L., Zur Morphologie des harten Gaumens der Säuge- tiere. — Zeitschr. f. Morphol. u. Anthrop., Bd. XIII. GUDERNATSCH, J. 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Erst in neuester Zeit bricht sich die Erkenntnis immer mehr und mehr Bahn, daß wir uns nicht begnügen dürfen mit einer Anatomie des Mitteleuropäers und einer sogenannten Norm des- selben. KraartscH war unverkennbar der erste, der immer wieder und wieder darauf hinwies und auch auf den beiden letzten Ana- tomenkongressen in Greifswald 1913!) und Insbruck 1914?) be- tonte er, daß die Bevölkerung Mitteleuropas eine zusammengesetzte und „der Mitteleuropäer eine der unklarsten und schwierigsten Begriffe in der Morphologie der Menschheit ist‘. Untersucht man ein größeres Europäermaterial, so lassen sich zwei Typen herauskristallisieren, deren Verwandtschaft mit prähistorischen Menschenrassen wir mit Sicherheit beweisen können. Bereits von Mrkuricz?) hatte vor langer Zeit bei seinen Untersuehungen über die individuellen Formendifferenzen der unteren Extremität die Europäerknochen in zwei Gruppen ein- seteilt. Für die eine war ein graziler, für die andere ein robusten Bau charakteristisch. Es gelang mir nun®), die Beziehungen, 1) KraartscH, Die Erwerbung der aufrechten Haltung und ihre Folgen. Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft auf der XXVIl. Versammlung in Greifswald. 2) KrLAATscH, Über einige Probleme der Morphologie des menschlichen Armskelettes, ebenda 1914. 3) von MikULIcz, Über individuelle Formdifferenzen am Femur und an der Tibia des Menschen. Archiv für Anatomie und Physio- logie, Anat. Abt. 1878. 4) Die betreffende Arbeit ist bereits abgeschlossen, wird aber erst demnächst an einem anderen Ort erscheinen. Jenaische Zeitschrift. Bd. LI. 38 582 Walter Lustig, die diese beiden Europäertypen der Gegenwart zu den Primär- rassen des Paläolithikums — der Aurignac!) und der Neander- thalrasse — haben, hinsichtlich Femur und Tibia nachzuweisen. Nicht nur in dem Verhältnis von Femur- zur Tibialänge, sondern auch in der relativen Länge von distalem und proximalen Femur- ende und von Hals und Trochanter maior, der Kniebasis, dem Neigungswinkel des Schenkelhalses, den Massen der Schenkel- schaftmitte und vielen anderen Punkten war es mir möglich, die frappante Ähnlichkeit des erazilen Europäertypus und der ebenso grazil gebauten Aurignacrasse, andererseits die Verwandt- schaft des robusten Europäertypus mit den dieken und plumpen Knochen der Neanderthalrasse zu zeigen. Oft stimmten die untersten Extreme, die von Mıkuricz bei der großen Variation der Euro- päer feststellte, mit dem Durchschnittswert, den ich bei dem Australiermaterial der Collection KıaATscH fand, genau überein, ebenso die obersten Extreme der Europäer mit den Massen der Neanderthalern. Natürlich liegt noch die Frage offen, ob noch andere — uns bisher unbekannte — Primitivrassen sich mitbeteiligt haben an der Zusammensetzung der Europäer. Andererseits aber muß man sich vergegenwärtieen, daß sich die beiden ver- schiedenen Rassen herleiten lassen von einer Urform. Denn wie enorm verschieden die ältere Neanderthalrasse, deren afrikanische Herkunft und Verwandtschaft mit Gorilla Klaatsch bewies, von der Aurignacrasse ist, die erst während der Eiszeit aus Osten her nach Europa einwanderte und mit Orang innige Beziehungen zeigt, so gibt es doch, wie KraATscH stets betont hat, bestimmte Punkte, in denen diese beiden Typen übereinstimmen. Von solehen Gesichtspunkten aus dehnte ich meine Unter- suchungen auch auf Europäer-Neugeborene aus, die zum größten Teil durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Geheimrat KüÜstNnER meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. KraarscH überlassen wurden. Von meinen bisher gewonnenen Resultaten möchte ich 1) KrAATScH, Die Aurignac-Rasse und ihre Stellung im Stamm- baum der Menschheit. Zeitschrift für Ethnologie 1910. KraatscH, Die Stellung des Menschen ım Naturganzen, in der Abstammungslehre. Verlag G. Fischer 1911. KraartscH, Die Entstehung und Erwerbung! der Menschen- merkmale. Fortschritte der naturwissenschaftlichen Forschung 1912. Retroversion u. Retroflexion d. Tibiab.d. Europäer-Neugeborenen usw. 583 hier etwas näher nur auf einen Punkt, nämlich die Krümmungen der Tibia, eingehen. Bekanntlich unterscheiden wir vor allem zwei Biegungen an dem Schienbein, die Retroversion des Kopfes und die Retroflexion des proximalen Schaftteiles. Wiewohl man daran nicht zweifeln dürfte, daß diese beiden Erscheinungen miteinander zusammen- hängen, so stellen sie doch zwei verschiedene Stadien der Auf- richtung der Tibia dar und müssen streng auseinandergehalten werden. So bemängelt es auch KraAtscH!) bei MANOUVRIERS Studien, daß man nicht ersehen könne, welehe Zustände an seinen untersuchten Tibien der ‚„proximalen Retroflexion“ und welche der ‚eigentlichen Retroversion des Kopfes entsprechen“. Letztere ist, wie RErzıus?) schreibt, zuerst im Jahre 1880 bei erwachsenen prähistorischen Skeletten aus der Quartärzeit von CorLLıGnoN beschrieben worden — dann von Fraıront und Lonuzst bei den Knochen aus der Spyhöhle Belgiens. MANoUVRIER fand sie bei den Steinzeits- menschen Frankreichs öfters als bei den ee Textfig. 1. Tibia, von einem modernen Franzosen, und HAVELOCK- Panjabiten, proximaler Teil CHARLES wies sie 1893 bei den ost- von innen gesehen, um die ER er 2 Retroversion des Tibia- indischen Panjabiten nach (Textfig. 1). kopfes zu zeigen. Verklei- Letzterer Autor spricht die Vermutung nerte Kopie n. HAvELocK- > : N CHARLES, Journ. of anat. aus, daß die Retroversion des Tibia- and physiol., Vol. XXVIII, kopfes veranlaßt sei durch die hockende 1893 (aus KLAATSCH). Stellung, in der diese Leute auf dem Boden zu sitzen pflegen. Es seien vererbte Eigenschaften, die durch die eigentümliche Körperhaltung hervorgerufen seien. Die Tatsache ferner, daß HavELock CHARLES bei seinen Untersuchungen die Retroversion auch bei den panjabitischen Fötus und Kindern fand, bestärkte ihn in der Annahme, daß es sich hier um Ver- erbung erworbener Eigenschaften handle Es erhebt sich nun 1) KLAATSCH, „Die wichtigsten Variationen am Skelett der freien unteren Extremität des Menschen“ in BONNET-MERKEL, Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte 1900. 2) G. Rerzıus, Über die Aufrichtung des fötal retrovertierten Kopfes der Tibia beim Menschen. Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie, Bd. II, H. 1, 1900. 38 584 Walter Lustig, die Frage, hat HAvELoCK-ÜCHARLES mit seiner Behautpung, daß die Retroversion der Tibia eine erst erworbene Eigentümlichkeit darstellt, recht — oder ist nicht unsere gerade moderne Europäer- tibia, wie wir sie meistens sehen, sekundär verändert und auf- gerichtet? Zur Lösung dieser Frage ist es zunächst notwendig, unsere Europäer-Neugeborenen und Föten zu untersuchen. Be- reits im Jahre 1863 zeigte HuUETER!), daß bei Neugeborenen ‚‚das sanze obere Ende der Tibia nach hinten zurückgebogen ist, so daß die beiden Gelenkflächen, welche beim Erwachsenen ungefähr in der Horizontalebene liegen, in der Richtung von vorn und oben nach hinten und unten verlaufen und der vordere Rand der- selben höher steht als der hintere. Er führte diese Biegung auf Druckerscheinungen im Uterus zurück. Bei der gebeugten Lage des Kniegelenkes sollten die von Druck verschonten vorderen Abschnitte der Tibia ein größeres Wachstum aufweisen als die hinteren Abschnitte, die sich allein mit den Gelenkflächen der Oberschenkelkondylen in Kontakt befinden. Nach der Geburt nun, wo durch die veränderte Stellung des Kniegelenkes andere Druckverhältnisse eintreten, erfahre auch das Schienbein eine Umgestaltung, vor allem die Aufrichtung des Kopfes. Einen ähnlichen Standpunkt vertritt HuLTKRANZ?) gelegent- lich der Beschreibung der Feuerländer-Tibia, deren Retroversion er auch für eine ‚„‚fötale, durch die (hockende) Haltung der Frucht im Uterus bedingte Gestaltung des Skelettes‘“ hält, ‚die bei den Europäern durch die Lebensweise während der späteren Ent- wicklung verloren geht, bei den Wilden dagegen bestehen bleibt und sich teilweise vielleicht noch weiter ausbildet“. Diese Erklärung einer intrauterinen Druckwirkung kann nicht recht befriedigen — denn erstens kann der betreffende Druck nicht so stark sein, daß er einen so großen Einfluß auf das Wachstum der Tibia haben kann, und dann ist nieht einzusehen, warum gerade das Schienbein der bevorzugte Knochen sein soll und nicht auch andere Knochen des Skelettes von diesem Druck betroffen werden. Außerdem kann ich mir nicht erklären, wie 1) ©. HUETER, Anatomische Studien an den Extremitäten- gelenken Neugeborener und Erwachsener. VIRCHOWS Archiv,. Bd. XXVI, 1869. 2) J. V. HULTKRANZ, Zur Östeologie der Ona- und Yangan- Indianer des Feuerlandes. Wissenschaftliche Ergebnisse der schwedi- schen Expedition nach den Magellansländern 1895 —1897 unter Leitung von OÖ. Nordenskjoeld. Stockholm 1900. Retroversion u. Retroflexion .d. Tibia b.d. Europäer-Neugeborenen usw. 585 der doch beinahe immer gleiche Druck die verschiedenen Modifikationen der Tibiakrümmung bewirken sollte. RErTzıus war der erste, der darauf hinwies, daß wir in der retrovertierten Tibia den ursprünglichen Zustand zu erblicken haben, den der Europäer in der Stufenfolge seiner Entwicklungs- stadien wiederholt — wie ja überhaupt auch der menschliche Embryo — in kurzer Zeit die verschiedenen Etappen seiner tieri- schen Herkunft durchläuft. Er untersuchte Föten vom 3. Monat Textfig. 2. Das obere der linken Tibia. a eines sechsmonatlichen mensch- lichen Fötus; d eines achtmonatlichen menschlichen Fötus; c eines neugeborenen (ausgetragenen, 50 cm langen) Kindes; Z eines zweimonatlichen Kindes; e eines viermonatlichen Kindes; / eines siebenmonatlichen Kindes (nach RETZIUS). intrauterinen Lebens bis zu ausgetragenen Kindern von 37 Mo- naten und konnte zeigen, daß die Retroversion des Tibiakopfes ein konstanter embryonaler Charkter ist, der nach der Geburt allmählich verloren geht — und zwar soll bereits in den ersten 6—7 Monaten die retrovertierte Tibia sich aufrichten — nur Rachitis, Lues und andere Konstitutionskrankheiten können die normale Entwieklung hemmen. Zur besseren Anschauung 586 Walter Lustig, gebe ich hier seine Skizzen des oberen Endes der Tibia eines sechs-, sowie eines achtmonatlichen menschlichen Fötus, eines Neuge- borenen und eines zwei-, vier- und siebenmonatlichen Kindes wieder. KraArsch nimmt auf Grund seiner Beobachtungen an, daß die völlige Aufrichtung erst im 10. Jahre erfolgt. .. leh untersuchte nun eine große Anzahl Neugeborener und richtete eine besondere Aufmerksamkeit den Biegungen der Tibia. Dabei fiel mir auf, daß nicht nur die von Rerzıus beobachtete Retroversion des Tibiakopfes, sondern auch oft eine Retroflexion des Schaftes teils allein, teils verbunden mit einer Retroversion des Kopfes zu konstatieren war. Ich greife einige typische Beispiele heraus und gebe sie in folgenden Zeichnungen wieder. So zeigen uns die Figuren Tibien von Neugeborenen, die nur eine Retroflexion des Schaftes aufweisen und solche, deren Schaft gerade aufgerichtet ist und deren Kopf deutlich retrovertiert erscheint. Außerdem sehen wir hier Schien- beine, deren retroflektierter Schaft einen retrovertierten Kopf besitzt. Natürlich gibt es zwischen diesen drei Gruppen auch Übergänge, was ja von vornherein bei der großen Variation zu erwarten ist. Hier ist es geboten, den Wert der morphologischen Betrachtung in den Vordergrund zu stellen gegenüber der Über- schätzung der Zahlen und Indices der früheren fast nur messenden Anthropologie. Dazu kommt, daß Messungen von Winkeln, die gerade für unseren Zweck auszuführen wären, wie ja auch ReErzıus l.e. sagt, „nur einen ungefähr richtigen Wert angeben“ würden aus leicht einzusehenden Gründen. Ich will daher absichtlich auf den von der Kondylentangente und der Tibiaachse begrenzten Winkeln hier gar nicht eingehen. Viel wichtiger erscheint es mir daher den Versuch zu machen, die Variation der Tibiakrümmungen zu erklären. Die Annahme einzelner Autoren, daß es sich hierbei um eine intrauterine Druckerscheinung handelt, haben wir bereits als höchst unwahrscheinlich hingestellt und die Gründe dafür oben erwähnt. Viel näher liegt es, darin eine Vererbung früherer Zustände zu sehen und eine Umgestaltung, welche der mensch- liche Körper erfahren mußte bei seinem Hervorgehen aus einer niederen Stufe. Zum Beweise und als Stütze dieser Annahme müssen wir nun die Frage ventilieren, ob es primitive Rassen gibt, die in ihrem erwachsenen Alter dieselben oder ähnliche Zustände auf- weisen, wie wir sie beim Europäer-Neugeborenen finden (Textfig. 4). In der Tat, wenn wir die Tibia von Spy betrachten, sehen wir deutlich die Ähnlichkeit, die sie mit den in Textfig. 3a u. 3b gezeichneten Retroversion u. Retroflexion d. Tibiab.d. Europäer-Neugeborenen usw. 987 03 EI, Textfig. 3. a Tibia eines Europäer-Neugeboren, L. 9; 5 Tibia eines Europäer- Neugeborenen; c Tibia eines Europäer-Neugeborenen, L. 3; d Tibia eines Europäer-Neugeborenen, L. 24; e Tibia eines Europäer-Neugeborenen; / Tibia eines Europäer-Nrugeborenen, L. 13; g Tibia eines Europäer-Neugeborenen, L. 49; » Tibia eines Europäer-Neugeborenen, L. 43; ’ Tibia eines Europäer- Neugeborenen, L. 17; % Tibia eines Europäer-Neugeborenen, L. 37. a—% von der medialen Seite aus gesehen; a u. 5 hauptsächlich die Retroversion des Kopfes; c, d,e, f hauptsächlich die Retroflexion des Schaftes; g, 2, 7, % die Retroflexion des Schaftes und Retroversion des Kopfes zeigend. 588 Walter Lustig, Europäer- Neugeborenen zeigt. Sie ist ein typisches Beispiel für ein Schienbein, dessen Körper gerade aufgerichtet und dessen Kopf stark retrovertiert ist. Andererseits zeigt die Tibia des Homo Textfig. 4. Textfig. 5. Textfig. 6. Textfig. 4. Tibia von Spy. Textfig. 5. Tibia von von Aurignae |. Textfig. 6. Tibia eines Australiers, K. 34. Die Retroversion des Kopfes und Retroflexion des Schaftes zeigend. Aurignacensis eine mit einer Retroflexion des Schaftes verbundene Retroversion des Kopfes — wie wir aus folgender Skizze ersehen können (Textfig. 5). Retroversion u. Retroflexion d. Tibiab.d. Europäer-Neugeborenen usw. 589 Ein ähnliches Verhalten zeigen die Australier. Unter ihnen finden wir sowohl solehe Tibien, die denen von Aurignaec ent- sprechen — also eine mit einer Retroversion des Kopfes verbundene Retroflexion des Schaftes aufweisen, als Textfig. 7. auch solche, die eine reine Retroflexion des Schaftes besitzen, wie aus beifolgen- den Skizzen ersichtlich ist (Textfig. 6 u. 7). Diese Retroflexion des Schaftes kann so hochgradig sein, dab Textfig. 8. der Knochen bogen- artig gekrümmt er- scheint, woraus ja auch die Bezeichnung ‚,der Bumerangknochen“ zu erklären ist. Textfig. 9. Textfig. 7. Tibia eines Australiers, K. 29. Retroflexion des Schaftes. Textfig. 8. Tibia eines Wedda-Mannes (Originalskizze von H. KLAATSCH). Punktierte Linie: Europäer. Aus H. KLAATSCH: Die wichtigsten Variationen am Skelett der freien unteren Extremität, 1900, MERKEL-BONNETs Ergebn. Textfig. 9. Tibia eines Feuerländers von innen gesehen. Retroversion des Kopfes. Verkleinerte Kopieskizze nach MARTIN, Archiv f. Anthrop., Bd. XXI, 1894 (nach H. KLAATSCH). An einer Originalsskizze von H. Kraarscn können wir auch bei einer Wedda-Tibia eine verhältnismäßig starke Retro- flexion des oberen Schaftes ohne «ine Kopfretroversion sehen, 590 Walter Lustig, während die Tibia eines Feuerländers auf einer Zeichnung MaAr- rıns mehr der von Spy ähnelt ee Sm 9): Paur RicHER berichtet in seiner Arbeit über die Beine der ägypti- schen Statuen!) von Skeletten ägyptischer Mu- mien aus der Sammlung Ha- MyYs und erwähnt bei der Beschrei- bung der Tibia auch ‚un leger renversement en arriere des pla- Textfig. 10. Bein einer ägyptischen Mumie nach einer Öriginalskizze von P. RICHER. Textfig. 11. Tibia von Textfig. 12. Tibia eines Hohler-Fels. Lappländers. 2 ergänzt von W. LUSTIG. teaux du tibia coineidant avec un peu d’ineurvation de l’os, dont l’effet est d’augmenter la saillie du bord anterieur‘“. Auch er führt diese Gestaltung des Schienenbeines auf die Haltung der Ägypter zu- 1) PauL RICHER, Sur quelques caracteres anatomiques des jambes des statues &gyptiennes. Revue de l’&cole d’Anthropologie de Paris‘ 1903. Retroversion u. Retroflexion d. Tibiab. d. Europäer-Neugeborenen usw. 591 rück, auf die „station accroupie, les genoux au menton et le der- riere sur les talons‘. Dieselbe Art zu sitzen sollen auch die ‚„‚Cafres du Cap“ haben, deren Tibien auch die gleichen Eigentümlichkeiten aufweisen sollen (Textfig. 10). Das Schienbein von der Station Hohler-Fels, über das ich auf dem Nürnberger Anthropologenkongreß 1913 berichtete, wo ich die hier ausgeführten Tatsachen bereits andeutetet), be- sitzt eine ziemlich starke Retroversion des Kopfes und eine leichte Retroflexion des Schaftes. Eine ebenso geringe Schaftretroflexion, doch eine schwächere Retroversion des Kopfes zeigen die Lapp- länder-Tibien des hiesigen Institutes (Textfig. 11 u. 12). Legen wir uns nun die Frage vor, welches der primitive Zustand ist, ob es eine Tibia mit einer Kopfretroversion oder eine mit einer Schaftretroflexion — ob es eine Tibia ist, die beide Eigen- schaften in sich vereint, oder aber eine gerade aufgerichtete ist, so möchte ich zunächst auf die oben erwähnte Arbeit von H. KLaarTscH hinweisen, in der er dieselbe bereits zur Diskussion stellte. Für ihn gab es damals zwei Möglichkeiten: entweder stellt die Retroflexion einen vermittelnden Zustand dar zwischen dem Spystadium und der aufgerichteten Tibia des rezenten Menschen, oder aber die Europäer- tibia einerseits — die der Weddas andererseits repräsentieren zwei verschiedene Entwicklungsbahnen, deren gemeinsamer Ausgangs- punkt in einem Zustande, ähnlich der Tibia von Spy, zu suchen wäre. Also nach beiden Ansichten ist die Spytibia der ursprüng- liche Zustand. Die erstere Annahme, daß sich die aufgerichtete Europäer-Tibia von letzterer über die retroflektierte Tibia der Weddas entwickeln solle, stützt sich auf die oft ausgesprochene jedoch nicht zutreffende Anschauung, daß sich die kindliche proximale Retroflexion an die embryonale Retroversion zeitlich anschließt. Ich glaube gezeigt zu haben, daß beim Europäer- Neugeborenen die verschiedenen Zustände vorkommen — also unabhängig von der Zeit der Entwicklung. Diese Möglichkeiten sprach H. KıaatscHh im Jahre 1900 aus, zu einer Zeit, wo der Homo Aurignacensis noch nicht entdeckt war,und wo er die Be- ziehungen zwischen dem OÖst- und West- — dem Aurignac- und dem Neanderthaltypus — noch nicht festgestellt hatte. Heute jedoch ist mein hochverehrter Lehrer auch meiner Ansicht, nach der eine Tibia, die eine Schaftretroflexion vereint mit 1) W. Lustig, Die Fragmente von Femur und Tibia aus der Station Hohler-Fels. Korrespondenz-Blatt der deutschen Gesell- schaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, $—12, 1913. 592 Walter Lustig, einer Kopfretroversion den ursprünglichen Zustand dar- stellt. Vonihr nun kann sich bei Fortfallder Retroflexion die Spytibia, bei Fortfall der Retroversion die mancher Australier — besonders die Bumerangknochen — und bei Fortfall der Retro- flexion und Retro- version die der auf- gerichteten moder- nen Europäertibien Textfig. 13. Tibia eines Textfig. 14. Tibia eines Textfig. 15. Tibia eines erwachsenen rezenten erwachsenen rezenten erwachsenen rezenten Europäers. Europäers. Europäers. entwickeln. Aber sind denn wirklich alle Tibien rezenter Europäer völlig aufgerichtet? Sehen wir näher zu, so finden wir bei der ungeheuren Variationsbreite derselben, auch solche, die eine frappante Ähnlichkeit mit der Tibia von Spy aufweisen und Retroversion u. Retroflexion d. Tibiab.d. Europäer-Neugeborenen usw. 593 andere, die der von Aurignae gleichen — wie aus folgenden Skizzen ersichtlich ist (Textfig. 13—15). Bei den gerade aufge- richteten ist fast immer an der vorderen Kante eine leicht nach vorn konkave Krümmung zu erkennen, eine Erscheinung, auf die KraArtscH zuerst aufmerksam machte, und die besonders gut bei Textfig. 8 u. 15 zu erkennen ist. Auch die Menschenaffen, die KraAtscH einen „mißglückten Versuch der Menschenwerdung‘“ nennt, die sich weit entfernt N Textfig. 16. Tibia eines Textfig. 17. Tibia eines Textfig. 18. Tibia eines Gorilla . Gorilla (Grauer d, A430). Orang. haben von der gemeinsamen Wurzel und andere Entwicklungs- bahnen einschlugen, sich in vielen Punkten sekundär stark veränderten, weisen auch an ihrer Tibia die besprochenen Krüm- mungen natürlich in verschiedener Stärke auf. Es ist hier nicht der Ort, ausführlich auf die einzelnen Menschenaffen einzugehen, zumal mir auch dazu nicht ein genügend großes Untersuchungs- material zur Verfügung stand. Ich verweise daher nur auf folgende 594 Walter Lustig, Figuren, die nach dem Material des hiesigen Institutes und Ab- güssen des Berliner Mus. f. Naturkunde gezeichnet sind (Textfig. 16 bis 25). Noch viel interessanter scheint mir die Tatsache, daß ich bei den bedeutend primitiveren Cercopithecus aetiops, bei Ateles und beim Mandrill Tibien fand, die dem von mir angenommenen ursprünglichen Zustand äußerst nahe kommen — also eine mit einer Retroflexion des Schaftes verbundene Retroversion des Kopfes zeigen (Textfig. 26, 27, 28). Textfig. 19. Tibia Textfig.20. Tibia Textfig.21. Tibia Textfig.22. Tibia eines Schimpan- eines Schimpan- eines Schimpan- eines Schimpan- sen N. d. sen (REUTER 39). sen (Nr. 6) 7. sen 9 Zum Schluß möchte ich noch darauf hinweisen, daß wir uns hüten müssen, aus der Form und den Biegungen eines Knochens irgendeinen Schluß zu ziehen auf die Haltung und den Gang des betreffenden Individuums. In diesen Fehler verfiel FRAIPONT?), der aus der starken Kopfretroversion der Tibia von Spy „avee une certitude presque absolue‘ schließt, „que ’homme de Spy avait dans la station debout une stature plus verticale sans doute que les anthropoides actuels, mais moins verticale que l’homme actuel .. - et que l’'homme aurait gagne une stature de plus 1) Fraıront, Le Tibia dans la Race de Neanderthal. Revue d’Anthropologie 1888. Retroversion u. Retroflexion d. Tibiab.d. Europäer-Neugeborenen usw. 595 en plus verticale dans la station debout depuis l’&poque du quater- naire inferieur jusqu’a nos jours“. Dieser Anschauung wider- sprachen bereits MANOUVRIER und HAVELOCK-CHARLES, welcher bei den ostindischen Panjabiten in der Retroversion des Tibia- kopfes auch kein Hindernis sieht für die aufrechte Haltung der- selben — denn sie ist „as ereet as that of a guardsman‘“. Man braucht ferner nur die Schilderungen von KraarscH über seine 3jährige australische Forschungsreise zu le- sen, um zu erkennen, wie schön die austra- lischen Eingeborenen mit ihren typischen Bumerang - Tibien auf- recht gehen. Textfig. 23. Tibia eines Textfig. 24. Tibia von Textfig. 25. Tibia von Schimpansen 9. Hylobates agilis. Hylobates syndaetylus. Es bleiben natürlich noch viele Fragen offen, die wir an das Gesagte anreihen könnten. Hier kam es mir aber lediglich nur darauf an, zu zeigen, daß wir beim Europäerneugeborenen Zu- stände finden, die sich unverkennbar herleiten lassen von denen, die die Skelettreste prähistorischer Menschenrassen und primitiv gebliebener Völker aufweisen. Auch auf die Faktoren, die die Aufrichtung der Tibia bedingt haben, war hier nicht der Ort ein- zugehen. Dies behalte ich mir für eine andere Stelle vor. Sicher- lich wird die Erwerbung und der Gebrauch des aufrechten Ganges, 596 Walter Lustig, der ja bekanntlich nicht nur am Knochensystem, sondern auch an den Weichteilen gewaltige Veränderungen bewirkte, auch dabei nicht zum wenigsten mitgespielt haben. Andererseits ist es klar, daß er nicht der einzige Faktor gewesen ist, der unsere Europäer-Tibia in so verschiedener Form schuf. Daraus schon ersehen wir die Schwierigkeit dieser Probleme. Textfig. 26. Tibia von Textfig. 27. Tibia von Textfig. 28. Tibia eines Cercopithecus aethiops. Aceles. Mandrill. Zum Schlusse möge es mir gestattet sein, meinem hoch- verehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. HERMANN KLAATSCH meinen _ herzlichsten Dank auszusprechen für das große Interesse, das er meinen Arbeiten entgegenbringt, sowie für seinen freundlichen Rat und gütige Hilfe, die er mir stets zuteil werden läßt. Druck von Ant. Kämpfe in Jena. | Verlag von Gustav Fischer in Jena. Vor kurzem erschien: Die Biologie und ihre Schöpfer. William A. Locy Ph. D., Sc. D., Professor an der Northwestern University. Autorisierte Übersetzung der zweiten amerikanischen Auflage von E. Nitardy. Mit einem Geleitworte von Prof. Dr. J. Wilhelmi. Mit 97 Abbildungen im Text. 1914. (XII, 416 S. gr. 8°.) Preis: 7 Mark 50 Pf., geb. 8 Mark 50 Pf. Inhalt: I. Die Anfänge der Biologie (mit Ausschluß der Stammes- geschichte). 1. Skizzierung des Ursprungs der Biologie und ihrer historischen Epochen. 2. Vesalius und der Sturz des Autoritätenglaubens in der Wissenschaft. 3. William Harvey und die experimentelle Beobachtung. 4. Die Einführung des Mikroskops und der Beginn unabhängiger Beobachtung. 5. Fortschritt in der mikroskopischen Anatomie im 18. Jahrhundert. 6. Linne und die Naturwissenschaft. 7. Cuvier und die vergleichende Anatomie. 8. Bichat und die Histologie. 9. Die Physiologie; Harvey, Haller und Joh. Müller. 10. Bär und die Embryologie. 11. Die Zelltheorie; Schleiden, Schwann, Schultze. 12. Das Protoplasma als Grundlage des Lebens. 13. Pasteur und Koch. 14. Erblichkeit und Keimfolge; Mendel, Galton, Weismann. 15. Die Kenntnis der Fossilien. II. Die Lehre von der Stammesentwicklung. 16. Erklärung des Aus- drucks: Entwicklung. 17. Entwicklungstheorien; Lamarck, Darwin. 18. Fort- setzung der Entwicklungstheorie; Weismann, de Vries.. 19. Der Entwicklungs- gedanke und seine Förderung. 20. Rückblick und Ausblick. Heutige Bestrebungen der Biologie. — Anmerkungen des Übersetzers. — Reading List (Literatur im Originalabdruck). — Alphabetisches Inhaltsverzeichnis. Das Werk des amerikanischen Autors behandelt den Werdegang der biologischen Forschung hauptsächlich vom zoologischen Standpunkte aus. Das ursprünglich für ameri- kanische Leser geschriebene und dort mit großem Beifall aufgenommene Buch wird durch die Übersetzung auch weiteren Kreisen in Deutschland zugeführt, die sich für die natur- wissenschaftliche Entwicklung interessieren. Der Hauptzweck des Buches liegt in der Aufdeckung der Quellen bio- logischer Gedanken und der Hauptwege der biologischen Entwick- lung, und weiterhin darin, den Leser mit jenen vornehmen Gestalten bekannt zu machen, deren Arbeit die Epochen der Geschichte der Biologie bezeichnet, sowie zu zeigen, daß die Entwicklung der biologischen An- schauungen eine lückenlose ist. Da die Illustrationen des amerikanischen Werkes teilweise zu wünschen übrig ließen, wurden dieselben nur so weit als notwendig übernommen und konnten zum großen - Teil durch bessere Abbildungen ersetzt werden, für deren Beschaffung keine Mühe ge- scheut wurde. Verlag von Gustav Fischer in Jena. | Über den } extrakardialen Kreislauf des Blutes vom Standpunkt der Physiologie, Pathologie und Therapie. | Von Dr. Karl Hasebroek leitender Arzt des Hamburger medico-mechanischen Zanderinstitutes. } Mit 20 Abbildungen im Text. (XII, 345 S. gr. 8°.) 1914. Preis: 9 Mark. Inhalt: Vorwort. — 1. Einleitung. — 2. Protoplasma und Zirkulation. — 3. Die Strömung in den Kapillaren. — 4. Die Strömung in den Arterien. — 5. Die Strömung in den Venen. — 6. Die Bedeutung der Diastole-Systole der Gefäße für Widerstände und Triebkräfte. — 7. Die Beziehungen des Protoplasmas zur Tätig- keit der Arterien. — 8. Die Bedeutung der Hormone für die regulatorische Ein- stellung des Gefäßsystems vom Gewebe aus. — 9. Die Adrenalinwirkung als Bei- spiel für die physiologische Energiesteigerung des arteriellen Systems. — 10. Die Beziehungen des diastolisch-systolischen Gefäßbetriebes zum vasomotorischen Nerven- system. — 11. Der Kreislauf im ganzen auf Grund der Stellung der extrakardialen. Organbetriebe zum Herzen. Berliner klin. Wochenschrift, Nr. 37 vom 14. September 1914: ... Was Hasebroek an physikalischen, experimentellen, physiologischen, patho- logischen Beweisstücken beibringt und mit erstaunlicher Kunst zusammenfügt, kann nicht ° genug bewundert werden. Aber was ich noch höher an seiner Arbeit schätze, ist dieses, daß für den Leser der Mensch nicht mehr bloß ein sich bewegender Leichnam ist, sondern daß er alle die kleinen und großen Pulswellen spüren lernt, die da dauernd in dem kunst- vollen Gefüge durcheinander laufen... Buttersack (Trier.) Zeitschrift für physikalische und diätetische Therapie, XVIII. Bd., Heft 5: Im vorliegenden Werke bringt der bekannte Hamburger Forscher alle bislang be- kannten Tatsachen vor, welche seine seit Jahren vertretene Anschauung von der Wichtigkeit der extrakardialen Triebkräfte für die Erhaltung des Blutkreislaufes zu stützen vermögen (mit besonderer Berücksichtigung der Gefäßmuskulatur).. Besonderen Wert gewinnt unter diesem Gesichtswinkel das Elektroardiogramm, welches für das System der höheren Tiere die Annahme eigenmotorischer peripherer Kräfte wesentlich zu stützen berufen ist. .. ... Wer sich mit der Frage des peripheren Kreislaufs beschäftigt, wird an dem Buche nicht vorübergehen können und bei der Lektüre viel Anregendes finden. Die Aus- stattung des Buches läßt nichts zu wünschen übrig. Hofbauer (Wien). Therapeutische Monatshefte, 28. Jahrg., 1914, Heft 7: Das Buch gibt eine auf reicher Literaturkenntnis beruhende umfassende Darstellung der Physiologie und Pathologie des Kreislaufs, und die Lektüre wirkt durch die auf viele eigene Arbeiten über das fragliche Gebiet gestützte subjektive Kritik differenter Urteile besonders anregend. Der Grundgedanke des Ganzen ist die These der Selbständigkeit der Gefäßfunktion neben der Tätigkeit des Herzens, die durch eine aktive Systole-Diastole der muskelführenden Gefäße zustande kommt und den Blutstrom ; aspiratorisch - peristaltisch fördert. Sie wird durch eigene Experimentaluntersuchungen .ebenso wie durch die Ergeb- nisse der Forschungen über die Hormonwirkungen und:die Kenntnisse über die Funktion des sympathischen Nervensystems gestützt. Die für die Therapie sich ergebenden Folge- rungen werden am Schluß kurz angeführt, insbesondere im Hinblick auf die Wirkung von Gymnastik und Sport auf den Kreislauf. Jungmann. a an ERTL ET u a uk > Buchdruckerei Ant. Kämpfe, Jena. JENAISCHE ZEITSCHRIFT FÜR NATURWISSENSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON DER MEDIZINISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU JENA DREIUNDFÜNFZIGSTER BAND NEUE FOLGE, SECHSUNDVIERZIGSTER BAND VIERTES HEFT MIT TAFEL 9—10 UND 159 FIGUREN IM TEXT Inhalt: FISCHER, RICHARD, Über die Anatomie von Maetra (Mulinia) coquimbana Philippi. Mit 28 Figuren im Text. (S. 597). JACOBSHAGEN, E., Zur Morphologie des Oberflächenreliefs der Rumpfdarm- schleimhaut der Amphibien. Mit 42 Figuren im Text. (S. 663). WILLE, JOHANNES, Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungen- schnecke Stenogyra decollata L. Mit Tafel 9 und 10 und 38 Figuren 1m Text. (8: 712). DoscH, FRIEDRICH, Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. Mit 15 Figuren im Text. (S. 805). SCHMIDT, WALTHER, Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. Mit 36 Figuren im Text. (S. 855). PREIS: 18 MARK en Teiln SEMPER | FR, uns "ORTEN N > | IN } ’ Ää ] 0 JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1915 Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 4. Oktober 1915. Verlag von Gustav Fischer in Jena. } s ktaah | | KANDWORTEBUG: : MANDWORIERIIUN © KUKERWÜRTENBOLR "EANDRWÜRTERBUU | X MANDWÜRTERUH | fr DER NATUR DER NALR SER NTUt DR KT | ur ANAL FÜR ° \ WISSENSCHAFTER WISSENSCHAFTEN | - WISSENSCHAFTEN , | WISSENSCHAFTEN : | WISSENSCHAFTEN WISSENSCHAFTEN | | 400 Soeben Bi Mitarbeiter. vollendet! 777 selbständige Aufsätze. 627 Biograpbien Handwörterbuch der Naturwissenschaften Herausgegeben von Prof. Dr. E. Korschelt-Marburg (Zoologie), Prof. Dr. G. Linck- Jena (Minera: logie und Geologie), Prof. Dr. F. Oltmanns-Freiburg (Botanik), Prof. Dr. K. Schaum-Leipzig (Chemie), Prof. Dr. H. Th. Simon: Göttingen (Physik), Prof. Dr. M. Verworn-Bonn (Pbysiologie) und Dr. E. Teicbmann-Frank- furt a. M. (Hauptredaktion). | Zehn Bände. | Mit 8863 Abbildungen im Text, 12030 Seiten Text und 360 Seiten Sachregister. Mit der soeben erfolgten Ausgabe des 10. Bandes bzw. der Schlußlieferung (79/80), einschließlicb eines 360 Seiten (= 1080 Spalten) umfassenden Sachregister für Band 1—10, ist das Werk — unbeeinflußt durcb den Krieg — nunmebr zum Abschluß gelangt. Preis: 200 Mark, in Halbfranz gebunden 230 Mark. . eine Kulturtat von böchster ... eine Universalität des natur- Bedeutung. (Techn. Monatsbefte.) wissenschaftlichen Wissens .. . (Pharmazeut. Post.) . eine Bibliothek im kleinen, die über alle Fragen des großen Gebietes der Naturwissenschaften Aufschluß erteilt... (Zentralbl. f. Zoologie.) . . . eine hervorragende Schöpfung deutschen Geistes und deutschen Gelebrtenfleißes . .. . (Rhein. Hocbschulzeitung.) . eine der großartigsten Unter: nebmungen auf dem Gebiete der . ein monumentales Werk, dem Bibliographie ae. die Literatur anderer Völker Äbn- (Wiener klin. Wochenschrift.) liches bisher nicht an die Seite zu & llen bat. i i .. ein Werk, das weit in alle Ben (Mikrokosmos.) Welt binausgeben wird, um dort ... Es ist staunenerregend, was von deutschem Gelebrtenfleiß und | bier an naturwissenschaftlichem Wis- deutscher Gründlichkeit Kunde zu | sen und Können zusammengetragen geben... (Neue Freie Presse, Wien.) worden ist... (Apotheker-Zeitung.) Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. Von Richard Fischer, Oberhausen (Rhld.) Mit 28 Figuren im Text. Einleitung. Mactra (Mulinia) coquimbana ist 1893 in „Las especies chilenas del jenero Mactra‘‘ (1893, p. 10, tab. 2, fig. 7 a—c) nach der rein konchologischen Seite hin von PHıLıppı beschrieben und abgebildet worden. In neuerer Zeit ist sie von STEMPELL (‚Die Muscheln der Sammlung PrartE“, 1899b, p. 234) nebst einem anderen Exemplar der Untergattung Mulinia, nämlich Maetra (Mulinia) magellanica Phil. von Punta Arenas nachbestimmt und systematisch eingereiht worden. Sie gehört hiernach der 4. Ordnung, den Eulamellibranchiaten an und stammt wie fast alle Mulinia-Arten (FiscHEr, 1887; Prıtıppi 1853, p. 310) von Süd- amerika. Als Fundort (STEMPELL 1899b, p. 234) ist angegeben: Zahlreiche typische Exemplare aus Iquique und dem Hafen von Coquimbo (beide an der chilenischen Küste). Das von mir unter- suchte Material, das nebst 52 anderen Spezies von PLATE auf seiner chilenischen Reise gesammelt worden ist, wurde mir von Herrn Professor Dr. W. STEMPELL zur anatomischen Bearbeitung sütigst überlassen. Die vorliegende Untersuchung unter möglichster Berück- sichtigung aller inneren und äußeren morphologischen Verhält- nisse ist vor allem dadurch gerechtfertigt, daß die Spezies noch nicht in dieser Weise bearbeitet worden ist, wie überhaupt die Notizen über das Subgenus Mulinia äußerst spärlich sind. Eine Veranlassung zu dieser Arbeit war aber auch die Tatsache, daß an mehr oder weniger verwandten Arten im zoologischen Institut der westfälischen Wilhelms-Universität (STEMPELL 1912, p. 222ff.) einige bemerkenswerte Funde — vor allem der deutliche Nachweis von Buccalganglien — gemacht worden sind, die den Unter- Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 39 598 Richard Fischer, suchungen bei vorliegendem Objekt eine bestimmte Richtung gaben. Während das Subgenus Mulinia anatomisch überhaupt noch nieht untersucht ist, finden sich Untersuchungen bestimmter Systeme vom Hauptgenus Mactra — besonders Mactra stulto- rum — sehr häufig. Sie sind an den betreffenden Stellen in dieser Arbeit nach Möglichkeit berücksichtigt und zum Vergleich heran- gezogen worden. Material und Untersuchungsmethode. Die untersuchten Muscheln waren mit hinten geöffneter Schale in 96proz. Alkohol aufbewahrt, wobei sich das Gewebe leidlich gut erhalten hatte. Neben der eigentlichen Hauptunter- suchung mittels lückenloser, transversaler und sagittaler Schnitt- serien von 10 und 15 u Schnittstärke bei Exemplaren von 1,5 bis 2,5 em Länge konnte eine makroskopische Untersuchung bei größeren Tieren (von einer Länge bis zu 5,5 cm) einhergehen, wobei manche, bei der ersteren Methode gemachte Beobachtungen sehr wesentlich ergänzt werden konnten. Die Behandlung der Objekte zur Anfertigung der Schnitt- serien war die bei den hiesigen Muscheluntersuchungen übliche (vgl. STEMPELL 1911, p. 70). Zur Rekonstruktion der Bilder wurden die mikroskopischen Bilder mit dem Okularmikrometer (Leitz Nr. 2) ausgemessen und auf Millimeterpapier in die jeweilig angegebenen vergrößerten Maßstäbe übertragen. Das Produkt aus Stärke und Anzahl der Schnitte ergab dann die Längsausdehnung des zu zeichnenden Objektes. Einzelbilder wurden mit dem Abbeschen Zeichen- apparat übertragen. Zur Untersuchung der Schalen wurden Querschliffe parallel und senkrecht zur Anwachsungszone aus- geführt. Ich halte es für eine angenehme Pflicht, an dieser Stelle Herrn Professor Dr. W. STEMPELL nochmals meinen größten und wärmsten Dank auszusprechen für seine tatkräftige Unterstützung, die er mir bei Ausführung dieser Arbeit in dem von ihm geleiteten Zoologischen Institut hat angedeihen lassen. Über die Anatomie von Maetra (Mulinia) coquimbana Philippi. 599 Spezielle Beschreibung. 1. Körper und Schale (Textfig. 1 und 2). Hinsichtlich des Gesamtbildes von Weichkörper und Schale verweise ich außer auf die erwähnte PnıLiprische Beschreibung auf die Textfig. 1 und 2, die nach einem besionders großen Exem- plar angefertigt wurden. Die Schale hat eine abgerundet-drei- eckige Form mit über den Schloßrand hervorragenden, nach innen und vorn etwas umgebogenen Umbonen. Die Hälften sind ziem- lich symmetrisch und klaffen hinten ein wenig, so daß selbst bei festgeschlossenen Schalen die Siphonen etwas herauszuragen fu F mr es Textfig. 1. Mactra coquimbana, Körper Textfig. 2. Rechte Schale eines Exemplars ohne Schalen. Die von Mactra coquimbana. linke Mantelhälfte : zum Teil weg- 2 Lücke zwischen hinterem geschnitten. Ada Adductor anterior, Schenkel des Kardinalzahns Ad Adductor posterior, AA äußere, /k (Cz) und Rücken des Tieres innere Kieme der linken Seite, #3 häutige (vgl. Dorsalganglion), Zg Scheide (Periost) der Siphonen, /z= Fuß, Innenligament. „m: Mantel, »zs Mundsegel, »»” Mantel- rand, »s Retractor siphon. vermögen. Während bei Mactra-Arten selbst ein inneres und äußeres Ligament zu unterscheiden ist (vgl. u. a. Leunıs 1883, p. 1016), ist bei dem Subgenus Mulinia (Prıtıprr 1893) nur ein inneres (Textfig. 2 ig) vorhanden, das im Sagittalabschnitt als abgerundet- dreieckiger, in tiefer Grube unter dem Schalenrand und hinter dem Kardinalzahn liegender Körper erscheint. Über Mulinia Gray findet sich in Prıtıpris Conchyologie (1853, p. 310) folgende INobizen „ae mean, es ist äußerlich gar kein Ligament sichtbar, indem das faserige, sonst äußerliche Ligament mit in der Ver- tiefung des knorpeligen Ligaments steckt.‘ Mit dieser Notiz steht bei vorliegender Art im Einklang, daß, während das homogene innere Ligament sich bei getrennten Schalen leicht aus der Ver- tiefung herausheben ließ, an der dorsalen Wand der Ligament- 39* 600 Richard Fischer, srube stets ein kürzerer Strang faserigen Gewebes, eben das nach innen verlagerte äußere Ligament, haften blieb. Dagegen spricht D OrRBIGNY (1847) nur von einem Ligament bei gewissen Mactra- Arten (Mulinia Gray 1836) und sagt, daß das andere nicht existiert, was vielleicht auf ungenaue Beobachtung zurückzuführen ist. Die starke, äußerlich überall intakte Schale, deren Periost aber größtenteils abgerieben ist, deutet darauf hin, daß die Muschel, die, wenn wir von den anderen amerikanischen Mactra-Arten auf sie schließen können, nach D’ORBIGNY nur lose im sandigen Boden steckt, häufig ihren Standort wechselt oder aus dem Boden gerissen und in der Brandung hin und her geschleudert wird. „Le moindre mauvais temps“, sagt genannter Autor von den amerikanischen Mactra-Arten, ‚les jette a la cöte“. Das Schloß ist heterodont. Die Seitenzähne sind einfach und wulstig. Eine Riefung, wie sie Nırs ODHneEr (1912, p. 382) bei Mactra und den Cyreniden angibt, habe ich bei keinem Exem- plar beobachtet. An jeder Schale steht vor der Grube für das Ligament ein sparrenförmiger Kardinalzahn (Textfig. 2 Cz), dessen vorderer Schenkel parallel zum Schalenrande nach vorn gerichtet ist, während der hintere, die Ligamentgrube begrenzende Schenkel fast senkrecht nach unten zeigt. Der Winkel, den die Schenkel des „Sparrens‘‘ bilden, beträgt fast 90°. Der rechte Zahn hat dünnere lamellenartige Schenkelblätter, die im Scheitelpunkt durch einen Einschnitt zum Teil getrennt sind (nach PhıLıppi 1853, p. 310 sind es zwei rechte Zähne) und über den linken Zahn übergreifen. Ventral von den hinteren Schenkeln der beiden Kardinalzähne ist eine Kommunikation zwischen Ligament und vorderem Teil des Muschelkörpers vorhanden. Die genaue Be- schreibung dieser Verhältnisse wird gerechtfertigt durch den bemerkenswerten Fund eines dorsalen Nervenplexus, der in einer wichtigen Beziehung zu Ligament und Kardinalzähnen steht und weiter unten im Anschnitt 8 (Nervensystem) beschrieben ist. Die Muskeleindrücke der Adduktoren, des Mantelrandes und der Siphonretraktoren sind ziemlich deutlich (Textfig. 2). Die Einbuehtung der Mantellinien ist im Gegensatz zu Mactra stulto- rum (Leunıs 1883, p. 1016) mehr spitzwinkelig. Hinsichtlich der mannigfachen Theorien über Entstehung und Bau der Schalen verweise ich in erster Linie auf STEMPELL (1900), der alle Abhandlungen über die Bildungsweise und das Wachstum der Muschelschalen sehr übersichtlich (vgl. List 1902, p. 43, Anm.) zusammengestellt hat und im Verlaufe seiner „kriti- Über die Anatomie von Maetra (Mulinia) coquimbana Philippi. 601 schen Erörterung der bisherigen Forschungsergebnisse‘“ zu der die Sekretionstheorie bestätigenden (vgl. auch STEMPELL 1898, p. 373) Ansicht kommt, daß ‚‚das chemische Laboratorium, welches die Sonderung, resp. Bildung von Conchiolin und Kalk besorgt, im Tierkörper selbst zu suchen ist‘ und ‚daß die ursprüngliche Architektonik der Schale durch eine Architektonik der schalen- bildenden Zellen prädestiniert ist“. Einen historischen Überblick der in dem Hin und Her der Ansichten hervortretenden Theorien von der Intussuszeption und der Sekretion (Apposition) gibt Lisr (1902, p. 43—52). Es erübrigt sich also bei der reichen Literatur über diesen Gegenstand ein näheres Eingehen. Ich beschränke mich daher auf eine bloße Schilderung der Strukturverhältnisse der Schale. Das Periostrakum war bei allen Exem- plaren bis auf einen mehr oder weniger schmalen Saum am Rande abgerieben. Mit den nach innen verlagerten Ligamenten steht es in keinerlei Verbindung. Auf Dünnschliffen der periostrakumlosen Schale lassen sich schon bei schwacher Vergrößerung unschwer drei ver- schiedene, deutlich voneinander getrennte Schichten erkennen, die ich als Innen-, Mitte- und Außenschicht bezeichnen will TREE: A GES, MS, AS; Textfig. 5) der Schale. innen: Die durch einen kräftigen braunen schicht, 275 Mittel- £ 5 - F schicht, 45 Außen- (Textfig. 5 ds) Streifen von der Mitteschicht schicht, 2X Kanäle, getrennte Außenschicht ist im mikroskopi- 7‘ Periostrakum (ab- i e : genutzt), ds brauner schen Bilde dunkelgrau und undurchsichtig, Trennungsstreifen was von einem geringen Lichtbreehungs- zwischen 4s und 25. vermögen herrühren muß, denn im auffallen- dem Lichte ist sie weiß. Die Mittelschicht ist hell durchscheinend. Jene enthält starke, sich kreuzende Kalkfasern, die aber weniger deutlich sind als die weiter unten beschriebenen. In der dunkleren Schicht ist aus obigen Gründen kaum eine prismatische Struktur zu erkennen, während sie in der helleren Schicht sehr deutlich in parallel zueinander und senkrecht zur Oberfläche liegenden feinen Streifen hervortritt. Sie werden von dünnen, zur Oberfläche der Schale parallel verlaufenden Lamellen durchschnitten, wodurch schon bei schwacher Vergrößerung (80fach) im Querschnitt eine netzförmige Struktur erzeugt wird. Bei stärkerer Vergrößerung (500fach) zeigen sich außerdem feine, fast rechtwinkelig sich 602 Richard Fischer, kreuzende Fasern. Endlich finden sich in der Mittelschicht noch scharfumgrenzte, unregelmäßig (Textfig. 3 RK), aber in der Haupt- sache quer zur Schalenoberfläche verlaufende, dunkle Linien, die wie feine Risse aussehen, und ich möchte sie ihrer Entstehung nach auch für solche halten. Sie sind vielleicht durch Spannungs- differenzen in der Schale entstanden und verlaufen naturgemäß in der Längsrichtung der Prismen. Sie durchsetzen die Mittelschicht, und beginnen zum Teil schon in der Außenschicht, überschreiten aber niemals die Grenze nach der dem Mantel zugekehrten Innen- schicht (/S). Sie sind jedenfalls zu identifizieren mit den ‚feinen Längskanälen“, die List bei Lithophagus abgebildet und be- schrieben hat (1902, Tafel VK, 1, 2, 3; Tafel XVIII, Text p. 78 und 89). Sie verlaufen bei vorliegender Muschel aber meistens nicht so schnurgerade, weil es eben Risse sind, und werden, wie schon erwähnt, in der Hauptsache auf die Innenschicht beschränkt. Bei Lithophagus durchziehen sie die Prismenschicht und die Perlmutterschicht. Nach STEMPELL (1900, p. 601 und 602) haben diese Kanäle die verschiedenste Deutung gefunden. Nur von einer Seite (EHRENBAUM) werden sie analog meiner Auffassung für mechanische Spaltungen, ‚kristallinische Spalträume‘“, ge- halten. STEMPELL spricht die Ansicht aus, „daß Kanäle als inte- grierende Bestandteile im allgemeinen der Molluskenschale fehlen, und daß die wenigen Fälle, wo sie normalerweise vorkommen, auf außergewöhnliche Lebensbedingungen zurückzuführen sind‘. Die nach dem Mantel zu gelegene Innenschicht, bei vielen Muschelschalen Perlmutterschicht, ist wiederum scharf von der Mittelschicht abgegrenzt. In ihr überwiegen (80fache Vergröße- rung) die kreuzförmig verflochtenen, hier zu kräftig ausgebildeten Bündeln vereinigten Fasern, während die dünnen Lamellen, welche bei vielen Muscheln die bekannte Perlmutterschicht erzeugen, ganz zurücktreten. Sie sind, abgesehen von vier bis fünf stärker ausgeprägten dünnen Streifen, selbst bei stärkerer Vergrößerung nur äußerst zart angedeutet. Auf das starke Hervortreten der sich kreuzenden Fasern ist es naturgemäß zurückzuführen, daß die weiße Innenfläche der Schale — abgesehen von den Muskel- eindrücken — nicht glänzend, sondern matt und fast rauh er- scheint. Die Lage der Fasern ist in allen Schichten gleich, sie schnei- den sich rechtwinkelig und stehen schräg zur Schalenoberfläche. Die letztgenannten Nadelbündel bilden ein richtiges Geflecht, das einem Korbgeflecht sehr ähnlich sieht. Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 603 Auf die Erklärung dieser merkwürdigen Strukturen will ich hier jedoch nieht näher eingehen, da es außerhalb des eigent- lichen Rahmens meiner Arbeit liegen würde. 3, Mantel. Haut und Muskulatur. Den symmetrischen Schalen entsprechen zwei gleichmäßig ausgebildete Mantelhälften, denen erstere ja ihre Entstehung durch Sekretion verdanken. Die Mantelränder sind wie bei vielen Lamellibranchiern an zwei Stellen verwachsen. Sie lassen also drei Öffnungen frei, die große vordere und untere Öffnung oder Fußschlitz sowie die zu langen muskulösen Siphonen umgebildeten Anal- und Respirationsöffnungen. Der Fußsehlitz reicht von dem vorderen Adduktor bis fast an die Siphonretraktion heran, läßt also dem stark entwickelten und anscheinend lebhaft beweglichen Fuß!) freien Spielraum. Die Dicke des Mantels ist sehr verschieden. Im vorderen Teil, in der Gegend hinter dem Adduktor anterior, zeigt er eine gleichmäßig geringe Stärke, die nur dort, wo der äußere Mundlappen an ihm herabsteigt (vgl. Abschnitt 3), etwas mächtiger wird, um dem Mundlappen mehr Halt zu geben. Vor dem Perikard wird dann der obere Teil des freien Mantels sehr stark. Hier schiebt sich die Perikardialdrüse weit nach vorn in ihn hinein. Er behält seine Mächtigkeit an der ganzen Breitseite des Perikards entlang bei, was wohl zum Teil seinen Grund in einem besseren Halt desRumpfes hat, der hier bis zum seitlichen Körperepithel ganz vom Perikard ausgefüllt wird und dadurch wenig Festigkeit besitzt. Endlich dient der dorsale Mantellappen im hinteren Teile noch zur Auf- nahme von lateral-dorsal gelegenen Nierenblindsäckchen. Nach dem Mantelrande zu behalten die Mantelhälften auf ihrer ganzen Länge die ursprüngliche geringe Stärke bei und gehen nur kurz vor dem Rande dureh allmähliche Verdiekung in ihn über. Der ventrale Mantellrand (Textfig. 4) zeigt die üblichen drei Längsduplikatoren, die Innen-, Mittel- und Außenfalte (J7, Mf, Auf). Lage der Innen- und Mittelfalte wird bestimmt durch einen starken, am Mantelrand nach innen gelegenen, im Quer- schnitt halbmondförmigen Muskelstrang (Msir), der den ganzen 1) TuıELE (1896) beobachtete bei Mactra und Cardium eine fortschleudernde Bewegungsart durch schnelle Stöße des Fußes gegen den Boden. 604 Richard Fischer, Mantelrand durchzieht, aber im hinteren Teil der Muschel stärker als im vorderen Teile ausgebildet ist. Er dient zum Abschluß des Mantelraums bei geöffneter Schale und ausgestrecktem Fuße; seine geringere Entwicklung am vorderen Ende, wo der nach vorn Textfig. 4. Ventraler Mantel- rand. Auf Außenfalte, 27 Mittelfalte, Z/Innenfalte, Pap Papille an der Mittelfalte, f Fortsatz an der Mittelfalte, s sekundäre Falte der Außen- falte, ?o Periostrakum, Mstr Muskelstrang (quer). gestreckte Fuß herausragt, ist also verständlich. Auf dem Querschnitt bilden die beiden genannten Falten nun die Ecken des ‚„Halbmondes‘‘. Entsprechend der geringen Entwick- lung des Muskelstranges im vorderen Teile der Muschel tritt die Innenfalte hier noch gar nicht hervor, sondern beginnt erst, wenn wir den Mantel- rand von vorn nach hinten verfolgen, in der Nähe der Siphonretraktoren sich stärker auszuprägen. Wie später er- örtert wird, verwachsen die Innen- falten jeder Seite dann. Die Mittel- falte tritt durchweg stärker hervor. Sie ist, wie schon die Beobachtung mit der Lupe zeigt, dicht besetzt mit kurzen, fingerartigen (in einem Falle nur schwach halbkugeligen) Papillen (Pa), deren Ende sich durch Hämatoxylin dunkler als das übrige Gewebe färbte, sich aber bei ungefärbten Exemplaren nicht besonders hervorhob. Das Epithel „M f / / Pap a Textfig. 5a und #. M Mantel. Benennung wie in des Muskel- „M stranges bzw. der Falten be- steht aus nie- drigen, wim- perlosen Zel- len. Die Mittel- Ds falte steht zum b Periostrakum in engster Be- Textfig. 4. ziehung. Sie bildet, bevor sie in die Außenfalte übergeht, eine schwache Leiste, die im mikroskopischen Bilde als kleiner Fortsatz erscheint (/), an deren Außenseite das Periostrakum ausgeschieden wird (vgl. Mytilus Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 605 gallopr. List 1902, p. 96 und 97). Auch die Außenfalte, die sich von den anderen Falten durch ein höheres Epithel und große Breite auszeichnet, ist an der Bildung des Periostrakums beteiligt, denn von den zahlreichen sekundären Falten treten zarte Lamellen an dasselbe heran. Die Außenfalte nimmt fast den ganzen ventralen Rand des Mantels ein. Das Periost greift über sie hinweg und legt sich dann über die Schale. FREIDENFELT (1895) beschreibt bei Mactra elliptica — nach Rawırz (1892) sollen sich Mactra stultorum und Mactra helvacea ähnlich verhalten — Papillen am Mantelrande, durch die dieser „wie gezähnelt‘“ aussehe. Auch Porı (1795) beschreibt und zeichnet sie bei Maectra neapolitana. Wenn man die Nomen- klatur FREIDENFELTS mit der von List (1902, p. 96) gewählten vergleicht, so geht aus der Beschreibung hervor, daß auch nach FREIDENFELT die Papillen bei Mactra auf der Mittelfalte sitzen. Das Periostrakum entsteht nach FREIDENFELT an ihrer Außen- seite (bei Maetra coquimbana an der Leiste derselben) und zieht sich über die Außenfalte (FREIDENFELT: ‚den äußersten Rand des Mantels, der von der Epieuticula bedeckt ist‘‘) hinweg, so daß die Papillen hier zwecklos wären. In der Nähe der Siphonen wachsen die Innenfalten zusammen, und infolgedessen ziehen sich die Papillen der beiderseitigen Mittel- falten eine Strecke weit in zwei parallelen Reihen (Textlig. 5 a und 5) auf dieser Verwachsungsstelle entlang, und zwar in einer Rinne, die durch die beiden inneren sekundären Falten (s. Textfig. 4 und 5) gebildet wird (FREIDENFELT: „Die Ränder der Rinne sind verdickt und in Falten gelegt‘). Etwas weiter nach hinten ver- schmelzen die beiden Papillenreihen zu einer einzigen Schur und liefern das in Textfig. 5 b wiedergegebene charakteristische Bild, das bei der mikroskopischen Untersuchung des hinteren Teils der Muschel durch seine ständige Wiederkehr auf scheinbar ganz verschiedenen Teilen den Beschauer anfangs stutzig macht. Es findet sich nämlich außerdem auf der ganzen Länge der zusammen- gewachsenen Siphonen, nämlich ventral vom Branchial- und dorsal vom Analsipho. Auch am hinteren Teile des dorsalen Mantel- randes findet sich’ dasselbe Bild, während weiter nach vorn alle Falten zu einem einzigen Rückenwulst verwachsen. Die Erklärung ist, wie auch FREIDENFELT hervorhebt, durch die Ontogenie der Siphonen gegeben, die ja bekanntlich durch Verwachsung der beiderseitigen Mantelränder entstanden sind. FREIDENFELT sagt hierüber; ;...::. es ist interesasnt zu sehen, wie auch hier, bei so 606 Richard Fischer, gut ausgebildeten Siphonen, die Spuren jener Entstehung noch so deutlich sind.“ An dem die Siphonen trennenden Septum hat genannter Autor nicht solche Verwachsungsspur gefunden. Nei Mactra coquimbana ist sie jedoch durch eine tiefe dorsale und ventrale Furche an der Innenwand des Branchialsiphos stark angedeutet und unverkennbar. FREIDENFELT vermutet die Siphonpapillen auch bei Mactra stultorum und Mactra helvacea, bei denen Rawırz nichts von solcher Anlage erwähnt hat. Ihr Vorhandensein ist aber durch meinen Befund sehr wahrscheinlich geworden. Ganz im Einklang mit der Ontogenie der Siphonen entsteht auch an den vereinigten Siphonen das Periostrakum (Textfig. 5 Po) in der Rinne zwischen Papille und sekundärer Außenfalte, also genau so wie am freien Mantelrande. Es bildet eine dünne, hyaline, die beiden Siphonen scheidenartig ein- hüllende Haut (Epidermisscheide, LanG 1900, p. 66), die das Ende der ausgestreckten Siphonen noch ein gutes Stück überragt, um end- lich in zwei unregelmäßige Seiten- lappen zu endigen (Textfig. 1 EP). Bei geschlossener Schale und kon- trahierten Siphonen ragen die Textfie. 6. Branchialsipho (d) Bänder zwischen den hinten etwas vom Mantelraum aus gesehen. kjaffenden Schalen noch etwas Ar äußere, 72 innere Kieme, s2 : x Sinneslamelle am Sipho, : Inser-- hervor. Diese Haut bildet ohne tionslinie derselben, »s retractor Zweifel einen wirksamen Schutz der siphon, »z Mantel, »222 Mantelleiste, a »ad Mantellinie, »” Mantelrand. Ausgestreckten Siphonen gegen Sandkörner u. dgl. und bildet bei kontrahierten Siphonen einen Verschluß der klaffenden Schalen (vgl. StEmpeLL 1899a, p. 116, Schutz der Mantelhöhle durch das Periost bei Solemya). Eine gute Strecke weit vor dem Zusammentritt der hinteren ventralen Mantelränder, ventral von der Basis der Siphonretrak- toren, entsteht durch dorsal-ventrale Verbreiterung des Mantel- randes nach oben zu an der Mantellinie eine breite Mantelleiste, die mit welligem Saume (Textfig. 6 ni!) in den Mantelraum hinein- ragt. Das mit hohen Wimpern versehene Epithel des Mantel- randes geht auf die ventrale Seite dieser Leiste über, ist aber in dem Winkel an der Übergangsstelle vom Mantelrand zur Leiste, Über die Anatomie von Maetra (Mulinia) eoquimbana Philippi. 607 also an deren Basis an der ventralen Seite, dadurch unterbrochen, daß sich das Epithel hier unvermittelt auf einem sehr schmalen Streifen niedriger und unterwimpert zeigt. Der wimperlose Streifen scheint den Zweck zu haben, daß die Leiste um ihn als Scharnier eine Drehung nach unten und wieder zurück vollführen kann, worauf auch eine starke Muskulatur in der Leiste hindeutet. Es fragt sich nun, welchen Zweck diese Mantelleiste haben mag. Zunächst wird man ihr wohl leicht eine stromregulierende Funktion zuschreiben. Es ist aber auffallend, daß die starke Bewimperung an der ventralen Seite mit auffallend zahlreichen Schleimzellen, die vollkommen mit der des Mantelrandes überein- stimmt, nicht auf die dorsale Seite der Leiste übergeht, sondern daß hier nur einen sehr niedrig bewimpertes Epithel zu finden ist. Diese Verschiedenheit des Epithels würde durch die Annahme, daß die Leiste lediglich einen Stromregulator bilde, nicht erklärt „werden. Was die starke Bewimperung anbelangt, so findet sie sich nicht nur am hinteren Teil der ventralen Mantelhälfte, sondern sie beginnt schon in den vorderen Partien der Mantelinnenfläche, und zwar in der Nähe des Mantelrandes und auf diesem selbst bis zur Innenfalte desselben. Es zieht sich also eine richtige Zone starker Wimpern, die sich deutlich von der übrigen Be- wimperung des Mantels abheben, in der Hauptsache auf dem Mantelrande entlang, und ventral an der Innenfalte aufhörend, nach hinten. Hier bekleiden die stärkeren Wimpern auch die Mantelleiste, die sich (Textfig. 6 mil) bis an die Basis der Siphonen heranzieht. Bemerkenswert ist noch, daß die Schleimzellen im Bereiche und in der Nähe dieser Zone besonders zahlreich sind (vgl. ventraler Teil des Fußes). Wir haben es hier offenbar mit einem Organ der Wand- strömung zu tun (Stenta 1903, WALLENGREN 1905), einer Strö- mung, die unabhängig vom Nahrungs- und Atemstrom an der Wan- dung besteht und die Aufgabe hat, durch kräftige Wimpern die in Schleimmassen eingehüllten Fremdkörper aus der Mantelhöhle direkt herauszuschaffen bzw. in die Nähe des Mantelrandes, von wo sie leicht durch Adduktionsbewegungen herausgestoßen werden können, zu bringen. Diese Wandströmung wurde zuerst von STENTA (1903, p. 219, „untere ausführende Rückströmung‘‘) erkannt und von WALLENGREN (1905, p. 27) bestätigt. Die Untersuchungen, die von beiden Forschern an reichem lebendem Material vor- genommen wurden, brachten einiges Licht in das Dunkel der Wasserströmungen und der Nahrungsaufnahme der Muscheln. 608 Richard Fischer, Folgende Punkte dürften also zur Erklärung für Existenz und Funktion der pallialen Leiste aufzustellen sein: 1. Die Leiste befördert mit ihren starken Wimpern im Verein mit der ganzen Wimperzone, die mit der von STENTA (1903, p. 222) bei Pinna beschriebenen homologisiert werden kann, Fremdkörper (eventuell auch überflüssige Nahrung) in Schleimmassen nach hinten, d.h. nach dem aus dem Boden herausragenden Teil des Tieres. Diese Massen gelangen nicht auf den ventralen Mantelrand, der bei eventuellem Verschluß des Fußschlitzes frei bleiben muß. Sie gelangen vielmehr in die Nähe des Branchialsiphos, können aber nicht in diesen hinein gelangen, da die oben beschriebene Mantelleiste, die die Leiste der Gegenseite fast zu berühren vermag, einen Abschluß bildet. Die Schleimmassen werden dagegen von dieser Stelle ventral von den Siphonen bzw. Siphonretraktoren sehr wahrscheinlich durch Adduktionsbewegungen der Schalen nach Bedarf hinausbefördert. Die ganze Anlage stellt somit für die ausführende Rückströmung einen idealen Apparat dar, der der höheren systematischen Stellung des vorliegenden Tieres entsprechend die von STENTA beobachteten Fälle an Vollkommen- heit weit übertrifft. 2. Die Bedeutung der Mantelleiste ist aber immerhin nicht auf Mitunterhaltung der Wandströmung beschränkt, vielmehr spielt sie noch eine wichtige Rolle bei dem von der Wandströmung, wie gesagt, unabhängigen Nahrungs- und Atemstrom: Da das durch den Flimmerapparat hervorgerufene (WALLENGREN, p. 37) Einströmen des Wassers nach den Beobachtungen WALLENGRENS (p. 12) außer durch den Branchialsipho auch nach Bedarf durch den Mantelschlitz erfolgen kann, so wird, wenn ich die physio- logischen Befunde WALLENGRENS auch auf die vorliegende Muschel anwenden darf, die Mantelleiste dem durch den Schlitz eintreten- den Wasserstrom eine Richtung nach vorn auf die Kiemen zu erteilen, dergestalt daß er den Branchialstrom nicht hemmen kann, ihn vielmehr bei Summierung beider Strömungen wesent- lich unterstützt. Die Wirkung der Leiste als Stromregulator wird, wie man aus der Gestaltung des Saumes und der Muskulatur schließen kann, jedenfalls durch wellenförmige Bewegungen wesentlich gefördert. Man kann übrigens um so eher eine gelegent- liche Wasserströmung durch den Mantelschlitz annehmen, als nach einer Beobachtung von D’ORBIGNY (1847) sich die Mactra- Arten bei senkrechter Lage nur wenig tief in den Sand der Küste einzugraben pflegen: „Les Mactres vivent aujourd’hui sur les Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) ecoquimbana Philippi. 609 plages sablonneuses et sur les bancs de sable, ou elles s’enfoncent peu profondement, s’y tenant verticalement les tubes en haut, le pied en bas. Le moindre mauvais temps les jette ä la cöte.‘“ Vor Einlaß des Wasserstroms durch den Schlitz wird das um- gebende Wasser natürlich erst durch die an der Basis des Bran- chialsiphos gelegene Sinneslamelle, von der sogleich die Rede sein wird, geprüft worden sein. 3. Die Mantelleiste bestimmt ebenso natürlich den Branchial- strom, der auf diese Weise ohne ventrale Abweichung seinen Weg direkt auf die Kiemen nimmt. Mit Verhinderung dieser Ablenkung nach unten steht aber noch ein wichtiger Umstand in Beziehung: An der inneren Öffnung des Branchialsiphos befindet sieh dorsal- wärts eine sehr ansehnliche, in Abschnitt 8 näher beschriebene Sinneslamelle (Textfig. 682). Die Lage dieses Organs ist derart, daß es von dem Branchialstrom bespült wird, wozu die Mantel- leiste ohne Zweifel sehr viel beitragen wird; denn bei einer ohne diese Leiste erfolgenden Verteilung des Stromes auf die ganze infrabranchiale Kammer würde die Bespülung und die damit zusammenhängende Prüfung des Atemwassers nicht so vollkommen sein. In den Porischen Zeichnungen (1795) finde ich die Leiste nicht angedeutet. Der Mantel weist außer den mächtigen Adduktoren und Re- traktoren der Siphonen nur zarte, die beiden Seiten der Mantel- hälfte verbindende, senkrecht oder schräg zur Mantelfläche gerich- tete Muskelfasern in relativ geringer Menge auf. Sie zeigen oft jene charakteristische Kreuzung, die PELSENEER (1911) bei Mactra, Tellina und Donax ebenfalls im Mantel beobachtete. Der ventrale Mantelrand ist wie üblich stark muskulös. Von der äußeren Falte einerseits und den beiden anderen Falten andererseits verlaufen radiäre Muskelbündel jederseits unter dem Epithel nach oben, um sich bei dem Übergang des Mantelrandes in den Mantel an der Schale zu befestigen, wodurch auf dieser jener Eindruck ent- steht, den wir als Mantellinie bezeichnen. Zwischen solchen radiären Muskeln liest nach dem Mantelraum zu bei der Innen- und Mittel- falte der starke, schon oben beschriebene Längsmuskelstrang (Textfig. Amstr). Etwas weiter dorsalwärts verläuft in der Mitte die starke Mantelrandarterie, unterhalb der der Mantelnerv liegt. Da das mittlere Gewebe hier sehr locker ist, so sorgen vereinzelte Quermuskelstränge für den seitlichen Zusammenhalt des Ganzen. 610 Richard Fischer, Der Retraktor der Siphonen ist der kräftigen Ausbildung dieser Organe entsprechend stark entwickelt. Lage und Gestalt gehen aus Textfig. 1 und 6>s hervor, wo wir ihn von außen bzw. voninnen sehen. Schon mit bloßem Auge erkennt man die starken, voneinander deutlich getrennten Muskelbündel, die ohne be- sonderen Übergang im Gewebe des Mantels entstehen, sich in gerader Richtung nach den Siphonen hinziehen und in diese übergehen. Die Insertion des Retraktors an der Schale ruft die sogenannte Mantelbucht der Siphoniaten (Textfig. 2) hervor, und ist so fest, daß beim Loslösen der Schalen oft ganze Teile der inneren Schalenschicht mit abgerissen wurden. Da die Siphonen vom Mantelrand gebildet werden, finden sich hier die drei Muskelsysteme des Mantelrandes wieder als Ring-, Längs- und Radiärmuskeln, und zwar in folgender Anord- nung: drei konzentrische, dünne Schichten von Ringmuskeln um- ziehen die beiden Kanäle. Die erste dicht unter dem Innenepithel, die mittlere ungefähr auf dem ersten Drittel des siphonalen Wand- durchmessers, und die äußere unter dem Außenepithel. Die mittlere Schicht verläuft um beide Siphonalkanäle herum in Form einer 8, dergestalt, daß sich in dem die Siphonen trennenden Septum die Muskelfasern kreuzen. PELSENEER (1911, p. 83) beobachtete bei Mactra, Donax und Telliniden ‚des musceles eommissureux, dits cruciformes, ä l’origine du siphon branchial.“ Sollten sich diese Muskeln mit den bei Mactra coquimbana gefundenen identifizieren, so kann ich hinzufügen, daß sie sich bei vorliegender Muschel nicht nur an der Basis des Branchialsipho, sondern auf der ganzen Länge des Septums befinden. Zwischen der äußeren und mittleren Schicht der Ringmuskeln liegen starke Längsbündel, weniger starke zwischen den beiden inneren Schichten. Alle drei Schichten sind durch Radiärmuskeln in der Weise verbunden, daß feine Bündel von Schicht zu Schicht zwischen die starken Längsbündel hindurchlaufen. Zwischen den einzelnen Schichten und Muskelbündeln liegen zahlreiche Blutlakunen. Die Siphonen sind wie bei allen Mactriden und vielen anderen Eulamellibranchien in ihrer ganzen Länge vereinigt. Als besonders lang (Lang 1900, p. 65) kann ich sie jedoch nicht bezeichnen. Sie dürften — die Schätzung ist allerdings nach konserviertem Material schwierig —in gestrecktem Zustande den hinteren Schalen- rand etwa um ein Drittel der Muschellänge überragen. Die dorsale Wand des Analsiphos reicht vom Ende der Siphonen an gerechnet Über die Anatomie von Maetra (Mulinia) coquimbana Philippi. 611 nicht so weit wie das die Siphonen trennende Septum, sondern der Analsipho geht durch Wegfall dieser Wand eine Strecke hinter dem Anus in die Analkammer über, die vom Branchialsipho und dem Mantelraum gesondert ist und deren ventrale Wand im hin- teren Teile also durch das siphonale Septum gebildet wird. Hieran schließt sich dann weiter nach vorn als weitere ventrale Begrenzung der Analkammer eine dünne Haut an, die als eine Verlängerung der Kiemen aufgefaßt werden muß. Die hinteren Kiemenenden gehen nämlich in diese Haut über und sind durch sie mit dem dorsalen Rand des Branchialsiphos verbunden. Dadurch, daß die Haut an diesem einen überstehenden Saum ausbildet (Textfig. 6 s2) wird die in Abschnitt 8 näher beschriebene Sinneslamelle gebildet. _ Hinsichtlich der histologischen Verhältnisse der Siphonen trifft im großen und ganzen das von Rawırz (1892, p. 157 —141) über Mactra stultorum und Mactra helvacea Gesagte auch für vor- liegende Muschel zu, allerdings sind die merkwürdigen Sekret- massen (,‚Giftmassen‘‘) nicht vorhanden. Von SHARP (1884) sind an Mactra solidissima Reizwirkungen durch Licht und Schatten am lebenden Objekte nachgewiesen worden. An Mactra coquim- bana fand ich solche Pigmentierungen, wie sie SHARP und RAwITz beschreiben, ebenfalls an den Papillen der Siphonen. Die augen- ähnlichen Organe PATTEns, deren Vorhandensein Rawırz (1892, p. 158) bezweifelt, sind auch hier nicht vorhanden. Lage und Querschnitt der starken Schließmuskeln sind ohne weiteres aus den Textfig. 1 und 2 zu erkennen, von denen die Schale die bekannten Muskeleindrücke sehr deutlich zeigt. In dem ansehnlichen Fuß liegen folgende paarig und sym- metrisch angelegten, an der Schale inserierten Muskeln: 1. Der Protractor pedis, ein kleiner, die Zusammenziehung der Fußbasis bewirkender Muskel (PELSENEER 1911, Mactra sub- truncata u. a.). 2. Der Retractor pedis anterior. Beide Muskeln beginnen dorsal hinter dem Adduktor anterior und steigen in den vorderen Teil des Fußes hinab. 3. Der Elevator pedis, der vor dem Perikard in der Nähe des vorderen Teils der Perikardialdrüse inseriert ist. 4. Der sehr ansehnliche Retractor pedis posterior, der dorsal vom vorderen Teile des hinteren Schließmuskels beginnt und mit dem Muskel der Gegenseite zu einem starken, in den hinteren Teil 612 Richard Fischer, des Fußes übergehenden walzenförmigen Muskelstrang verwächst. Der Muskel wirkt bestimmend auf die äußere Gestaltung der Niere ein und findet daher in Abschnitt 6 noch eingehende Be- rücksichtigung. Die Gesamtheit aller dieser Muskeln entspricht dem Columellarmuskel der übrigen Mollusken, besonders der Gastropoden (PELSENEER 1891, p. 235, STEMPELL 1898, p. 377, Lan 1990, p. 193). Der Fuß zeigt die übliche Beilform. Er nimmt schon im kon- trahierten Zustand den größten Teil des Mantelraumes ein, läßt sich demnach wohl sehr weit herausstrecken und dürfte sehr wohl auch zu der von THIELE (1896) bei Mactra und Cardium beobach- teten Fortbewegungsart (vgl. weiter oben, Fußschlitz) verwendbar sein. Die Muskulatur des Fußes ist in den peripheren Teilen sehr mächtig entwickelt und liefert hier unter dem Außenepithel ein sehr dichtes Gewebe. Nach innen zu ist das Gewebe dagegen sehr gelockert durch die starken Venen, die Blutlakunen, die zahl- reichen starken Darmschlingen und nicht zum wenigsten durch den mächtigen Kristallstielblindsack. Der Fuß erscheint daher auf makroskopischen Schnitten im Innern schwammartig porös. An Muskelfasern lassen sich nach ihrer Richtung hauptsächlich dreierlei Arten feststellen. 1. Longitudinale Fasern, welche die direkte Fortsetzung der oben genannten Muskelsysteme bzw. der peripheren Muskulatur bilden. 2. Transversale Fasern, welche die Seitenflächen des Fußes verbinden und sich in allen Teilen desselben vorfinden. In der Hauptsache bilden sie das lockere Innengewebe des Fußes, treten aber in den breiteren Teilen desselben auch zu festeren Bündeln zusammen. Ventral von dem sehr ansehnlichen Perikard bilden sie eine kräftige, festgefügte Muskelsohle, was sehr zur Festigung des Rumpfes beiträgt (‚‚plancher pericardique‘‘, MENEGAUX 1889a, p.'363 u.a. 'a. 0). 3. Die zirkulären Muskeln bilden einen sehr dünnen ge- schlossenen Muskelmantel in geringer Entfernung unter dem Fußepithel. Das Epithel des Fußes ist nicht hoch und von regelmäßiger prismatischer Art. Die Länge der über die ganze Oberfläche ver- breiteten Wimpern nimmt ventralwärts mit der Höhe des Epi- thels zu, und ich gehe wohl nicht fehl, hierin wiederum einen Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 613 innigen Zusammenhang mit Wandströmungen (vgl. weiter oben, Mantel) zu sehen, um so mehr, als sich auch die Schleimdrüsen in den ventralen hochbewimperten Teilen auffällig mehren. 3. Verdauungssystem (Textfig. 7). Die ansehnliche Mundöffnung (Textfig. 7 os) liegt an der für Muscheln typischen Stelle ventral von den vorderen Ganglien hinter dem ‘Adduktor posterior und wird von einem schwachen Ringmuskel umgeben (vgl. Nahrungsaufnahme; WALLENGREN 1905, II, p. 54). Sie bildet mit den Mundlappen (Textfig. 1 ns) einen vollkommenen Nahrungstrichter, dessen Öffnung nach hinten, also der durch die Kie- men undMund- lappen heran- gestrudelten Nahrung ent- gegen gerich- tet ist. Indem die äußeren Mundlappen an ihrer Basis verwachsen, bilden sie eine starke Ober- lippe (Textfig. und Herzbeutel. 3:1. a Anus, aa Aorta anterior, ad Aorta post, a* Analkammer, «ai Atrium, daa Bulbus arteriosus ant., dad Bulbus art. post., cmr zirkumrektaler Muskelschlauch, cr Cardia, dd Dünndarm, fa Magenfalte, #752 Kristallstielblindsack, 72 Leberkanal- Textfig. 7. Rekonstruktionen nach Messungen. Verdauungssystem mündung, »2g Magen, ndgl Magenblindsack, oav Ostium atrioventriculare, oda Ostium branchioatriale, oes Oso- phagus, os Mund, Zer Perikard, 5y/ Pylorus, {7 Wimper- trichter. 7), die durch ihre ventrale Lage den Nah- rungstrichter noch vergrößert. Auch ander Basis der inneren Mund- lappen befindet sich eine deutliche Lippe, so daß die Mundlappen tatsächlich, wie von zahlreichen Autoren hervorgehoben wurde, als seitliche Fortsetzungen der Lippen erscheinen. Die Gestalt der nicht besonders großen, dünnblätterigen Mundlappen ist ein langgestrecktes mit der Spitze nach hinten und schräg nach unten gerichtetes Dreieck. Beim äußeren Mundlappen ist die Dreieck- spitze nach hinten zu umgebogen. Im Gegensatz zu den Mundlappen von Mactra stultorum (Tuıete 1896) bedecken sie bei Mactra coquimbana nur einen kleinen Teil der vorderen Kiemen. Ihrer Funktion als Nahrungstrichter entsprechend divergieren sie nach Jenaische Zeitschrift. Bd. LI. 40 614 Richard Fischer, hinten, und zwar verlaufen die Insertionslinien nach hinten zu lateral von der Basis des kräftigen Fußes, die allmählich immer breiter wird. Anfangs liegen beide Insertionslinien in dem Winkel, der von Fußbasis und Mantel gebildet wird, später schiebt sich zwischen sie die innere Kieme. Die Insertionslinie des inneren Lappens wird nunmehr in die Einschnürung der Fußbasis hinein- gedrängt, während die des äußeren an dem Mantel heruntersteigt. Die an dem Mantel bzw. am Fuß liegenden, schwach welligen Seiten der Mundlappen besitzen nur ein flaches und niedriges Epithel mit kaum erkennbaren Cilien. Dagegen zeigen die einander zu- gekehrten Seiten eine mit starken fächerförmig verlaufenden Längsleisten besetzte Oberfläche, die mit einem stark bewimperten, hohen Fadenepithel bekleidet ist. Auch der Ösophagus (Textfig. 7 oes) ‚der auf der ganzen Länge außen mit einem dünnen Muskelschlauch umgeben ist, ist mit gleichem Epithel bekleidet, was wiederum auf die Verwandtschaft von Ösophagus und Mundlappen hindeutet. Er zieht sich als lateral bzw. dorsoventral schwach zusammen- gedrückter Schlauch vom Munde ab dorsalwärts im Bogen bis zum Magen, in dessen vorderen Teil er an der rechten Seite ein- mündet (cr). Das Epithel ist nicht überall auf der Wandung gleich- mäßig hoch, sondern an bestimmten Stellen niedriger als sonst. Dies ist durchweg der Fall an den lateralen Seiten, hin und wieder der Fall an der dorsalen und ventralen Seite. Es entstehen dadurch wie bei Phaseolicama magellanica (IGEL 1908, p. 18) und bei Chama pellueida (1912, p. 26) zwei laterale Längsrinnen, zu denen zeitweise noch eine oder zwei dorsale und eine ventrale Rinne hinzukommen. Icer (1908) erklärt diese Längsrinnen durchaus überzeugend als Stellen, wo bei Kontraktionen des Ösophagus das Epithel zu- sammengedrückt wird, ohne bei seiner geringen Höhe Schaden zu leiden. Es bilden nach seiner Ansicht ‚‚die Längsfurchen gleich- sam Scharniergelenke, um welche sich die Teile mit hochprisma- tischen Zellen drehen können“. Mit dieser Auffassung ist ein Befund bei Mactra coquimbana leicht in Einklang zu bringen: Abgesehen von einem kurzen vor- deren und dem hinteren Ende des Ösophagus sind die durch Häma- toxylin stark dunkelblau gefärbten Muzindrüsen (Textfig. 8 mz) in einer merkwürdigen, stets gleichbleibenden Anordnung ver- teilt. Sie stehen nämlich an vier diametral einander gegenüber- liegenden Stellen des Ösophagusschlauches zu starken dunklen Massen angehäuft. Diese Stellen befinden sich nun genau zwischen Über die Anatomie von Maetra (Mulinia) coquimbana Philippi. 615 je zwei Längsrinnen (/r), so daß die Drüsen bei der oben geschil- derten Kontraktion der Speiseröhre, nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, was für eine geregelte Funktion sicher von großer Bedeutung ist. Der durch die linksgelegene Hauptmasse der Leber etwas nach rechts gedrängte Magen zeigt eine Menge kleinerer und erößerer Falten und Leisten, die alle in der Hauptsache wagerecht liegen, was offenbar mit der Retraktion des Fußes zusammen- hängt. Im dorsalen Teil des Magens faltet sich dieser zu einem großen, flachen, dieht unter der Rückenhaut liegenden Blind- sack (Textfig. 7 Mgbl) zusammen, der dem dorsalen Teil des Magens aufliegt und ihn vorn, hinten und rechtsseitig überragt. Auf dieser Seite zieht er sich sogar ein gutes Stück weit ven- tralwärts. Die Verbindung des Blind- sackes mit dem Magen liegt rechts- Textfig. 8. Querschnitt durch seitig hinter der Cardia. Bemerkens- ee wert ist das reichliche Vorkommen und ventralen Längsrinnen (Zr), von Muzindrüsen in diesem Blind- Zaun uasnh anfen: sack, um so mehr als List (1902, p. 269) sagt, daß sie bei den von ihm untersuchten Mytiliden im Magen fehlen oder nur ganz vereinzelt anzutreffen sind. Das nicht sehr hohe Flimmerepithel ist teilweise, besonders an der dorsalen Wand, stark gefaltet und scheidet eine durchsichtige mit Häma- toxylin schwach gefärbte Gallertmasse aus. Die histologischen und anatomischen Verhältnisse des Magens selbst zeigen keinerlei Absonderlichkeit, weshalb ich mich hier kurz fassen kann. Das Epithel besteht aus verschieden hohen Zylinderzellen mit deut- lichem Cuticularsaum nach dem Innern des Magens zu und deut- lichen Cilien. An der linken Magenwand, ventral von dem. dicht darüber liegenden Blindsack befindet sich eine sehr starke, durch mächtige Verdickung der Basalmembran gebildete Leiste. Das hohe Zylinderepithel scheidet hier eine teilweise stark entwickelte, in das Magenlumen spitz vorgeschobene Gallertmasse ab, die die benachbarten Teile der Magenwand mit allmählich dünner werden- der Gallertschicht überzieht. Wir haben hier eine typische Form der flöche trieuspide vor uns. Ventral setzt sich der Magen in den mächtigen Kristall- stielblindsack (Krbl) fort, der bei allen untersuchten Exemplaren gleichmäßig stark entwickelt war. Seine Mündung nimmt den 40* 616 Richard Fischer, ganzen ventralen Teil des Magens ein, doch erscheint die Übergangs- stelle des Magens in den Blindsack stark zusammengeschnürt. Eine Verengerung wird hier außerdem noch durch die hier stark verdickte Basalmembran gebildet, die sich eine kurze Strecke in den Blindsack hineinzieht. Die Einschnürung zwischen Magen und Kristallstieleoeeum sowie eine starke Falte (/a) ermöglichen es dem Blindsack bei Kontraktionen des Fußes etwas nach hinten ausuweichen. Ganz unvermittelt schließt sich im oberen Teil des Blind- sacks an die erwähnte Basalmembran das eigentliche Epithel des Coecums an. Es besteht aus sehr regelmäßig und gerade neben- einanderliegenden, durchweg gleichhohen Zylinderzellen mit basa- lem Kern, die über dem scharf abgegrenzten Cuticularsaum eine ununterbrochene „Bürste“ von äußerst kräftigen, borstenartig aussehenden Cilien tragen. Die Wand hat, abgesehen von den ihr fehlenden Sinneszellen, eine große Ähnlichkeit mit dem vortreff- lichen Mikrophotogramm STEMPELLS (Leda sulculata) in dem bekannten Leitfaden (1911, p. 71). Das Coecum zieht sich, etwas nach hinten gerichtet, ventral in den mächtig entwickelten hinteren Teil des kontrahierten Fußes. Der ventrale Teil zeigt einige Querfalten und geht endlich in ein stumpfes englumiges, nach hinten umgebogenes Ende über. Der Kristallstiel war je nach dem Ernährungszustande der Tiere mehr oder weniger stark entwickelt. Bei gut ernährten Exem- plaren ließ er sich leicht durch einen Schnitt durch die Magen- wand herauspräparieren. Hier füllt er das Coecum ziemlich aus und reichte mit dem oberen unregelmäßig korrodierten Ende in den Magen hinein. Ein spiralig ausgezogenes oberes Ende, wie es Kerroc (1890, p. 402 und Taf. 87, Fig. 55) bei Mactra soli- dissima beobachtet hat, war in keinem Falle vorhanden. Der histologische Aufbau zeigte wie üblich konzentrische Lamellen, die nur schwach tingiert waren. Nicht weit von der Cardia befindet sich ventral von dieser an der rechten Magenwand dicht über dem mit starker Basal- membran (vel. oben) ausgekleideten Eingang zum Kristallstiel- blindsack der Pylorus (Textfig. 72yl). Er ist zwar starkver- engert im Gegensatz zu dem sich anschließenden weiten Darm- stück, zeigt aber nicht eine Klappe, wie Porı (1795) sie bei Mactra neapolitana (‚valvule tendineuse, qui recouvre le pylore‘‘) ge- zeichnet hat. Meiner Ansicht nach hat dieser Autor eine Magen- falte gezeichnet. Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 617 Vom Pylorus geht der Dünndarm (dd) zunächst ventral- wärts und zeigt eine starke Erweiterung, deren Oberfläche durch einen kräftigen Wulst von Basalmembran typhlosolisartig ver- srößert ist. Dann wendet der Darm nach vorn, um nun im vor- deren dorsalen Teil des Fußes eine außergewöhnlich große Zahl von bald quer, bald medial, bald in schrägen Stellungen befind- liche Schlingen zu bilden, deren Rekonstruktion für Textfig. 7 äußerst schwierig war. Der sehr lange, stark gewundene Darm kann wohl als Maßstab für die höhere Stellung des Tieres im System der Lamellibranchier angesprochen werden. Aus dem Gewirr von Schlingen löst sich endlich ventral vom Anfangsabschnitt des Darmes in der Nähe der ventralen Fußkante das hintere Ende des Dünndarms heraus, um nun rechts am Blindsack vorbei seinen Wegnach oben zu nehmen. Dicht unter dem Perikard angelangt, biegt der Darm eine kurze Strecke nach vorn um, läuft ventral vom Perikard auf den Magen zu, um kurz hinter diesen mit starker Krümmung umzubiegen und nun ventral von der Aorta anterior (aa) ins Perikard einzutreten. Der Enddarm durchbohrt, wie üblich, das Herz der Länge nach und verläßt das Perikard endlich ober- halb der Aorta posterior (af). Nun steuert er in gerader Linie auf den hinteren Schließmuskel los, biegt hinten um diesen herum und mündet endlich, sich wieder etwas nach vorn wendend, mit ziemlich weitem, mit zahlreichen Schleimdrüsen (vgl. SZEMPELL 1898, p. 389) besetzten Anus (a) in den hinteren Teil der Anal- kammer (ak). Gegenüber dem stark gewundenen vorderen Teil des Darmes muß der langgestreckte, von Windungen gänzlich freie hintere Teil auffallen. Diese Tatsache stimmt nebst mehreren anderen noch zu erörternden Befunden überein mit der Ansicht mehrerer Autoren (STEMPELL u. a.) von der sekundären Verlänge- rung des hinteren Körperendes. Bemerkenswert ist noch, daß Enddarm und Aorta vor und hinter dem Herzen bis zum Adduktor posterior von einem gemeinsamen Muskelschlauch (cmr), der beide eng zusammen hält, umschlossen werden. Die mächtige Verdauungsdrüse beginnt schon unterhalb des mittleren Teils der Speiseröhre und füllt vor dem Magen den größten Teil des Rumpfes sowie den oberen Teil des Fußes gänzlich aus. Auf den Transversalsehnitten des Magens liegt sie links von diesem und umgibt ventralwärts den oberen Teil des Kristallstielblindsacks, während sie links oben bis zur dorsalen Rückenhaut, und zwar bis in den linken Wirbel hinein, reicht. An den mittleren Partien dieses Blindsacks tritt ihre Masse dann allmählich ganz gegen 618 Richard Fischer, die hier sehr starken Gonaden zurück, während ihre dorsalen Teile vor dem Perikard ihr Ende finden. Dieht hinter der Cardia mündet etwas ventral der eine starke Leberkanal (bn), dem an der linken Magenwand der andere ziemlich genau gegenüberliegt. Eine Zweiteilung der Leber ist dagegen nirgends festzustellen. Sie erscheint überall als ein- heitliche Masse, deren einzelne Blindsäcke in kleinere Kanäle münden, die ihrerseits wiederum in die weitlumigen, fast als Aus- buchtungen des Magens erscheinenden Hauptkanäle zusammen- laufen. Hinsichtlich der histologischen Verhältnisse kann ich auf STEMPELL (1898, p. 388) verweisen, da sich hier dieselben Ver- hältnisse wie bei den Nukuliden vorfinden. Die sehr schematisierten Zeichnungen des Darmsystems von Mactra stultorum (Leunıs-LupwıiG 1883) und Mactra neapo- litanica (Porı 1795) zeigen einen ähnlichen Krsiatllstielblindsack. Bei beiden beginnt er aber im Gegensatz zu dem vorliegenden an der Hinterseite des Magens. Der Pylorus liegt bei Mactra stultorum gleichfalls rechts, bei Mactra neapolitanica ventral Der Dünndarm ist bei beiden ebenso stark verschlungen, wie bei Mactra coquimbana. 4. Genitalsystem. Die Gonaden des gonochoristischen Tieres sind paarig und münden ein gutes Stück (Textfig. 9 und 16 goe) vor dem Nephro- prokt, der Mündung des Außensacks der Niere in den Kiemen- gang der inneren Kieme. Die Mündungen zeigen die häufige, in den Kiemengang vorgestreckte Schnabelform. Ihre Lage ist wie immer (LAcAzZE-DUTHIERS) außerhalb der Cerebroviszeralkonnek- tive in dem Winkel, den die hier sehr schmale Fußbasis mit der ventralen Perikardwand bildet, an der muskulösen Trennungs- wand zwischen medialem Längssinus und Perikard. Das Epithel der Mündungen ist gleich dem umliegenden Körperepithel niedrig und mit schwacher Bewimperung versehen. Dorsal von der Mün- dung verläuft der weiter unten näher zu erörternde mediane Nerv (cdvce, Kommissur zwischen den Cerebroviszeralkonnektiven). Die Gonadengänge führen von hier aus parallel und lateral zu den Konnektiven gerade nach vorn. Sie gewinnen schnell an Um- fang und umgeben im weiteren Verlauf nach vorn die Konnektive (cdvc) halbmondförmig. In der Gegend, wo dorsalwärts das vordere Ende des Ventrikels liegt, findet eine Verzweigung in der Weise Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 619 statt, daß ein Ast mit zahlreichen Ausstülpungen dem senkrecht von unten heraufsteigenden Darm entgegenläuft, um weiter unten mit mächtigen Säcken das Kristallstieleoeeeum zu umhüllen, während der andere Ast den geraden Weg nach vorn fortsetzt. Weiterhin, wo die letzten Ausläufer der Leber enden, ist dann der ganze obere und mittlere Teil des Fußes angefüllt mit den nunmehr wieder vereinigten Geschlechtsschläuchen, und im Rumpfe schieben sich diese überall zwischen die anderen Einge- weide hindurch bis hinauf unter die Rückenhaut des rechten Wirbels. Die vordersten Gonadenteile reichen bis in die Gegend des mittleren Ösophagus. In der äußeren Gestaltung und Lage unterscheiden sich die weiblichen Gonaden nicht von den männlichen und ebensowenig in der ge- waltigen Anhäufung von Geschlechtsprodukten. Die Spermien bestehen aus einem kugeligen Kopf- stück und nicht sehr lan- gem Schwanzfaden und werden von den Zellen eines mehrschichtigen Epi- thels erzeugt. Das Epithel der Ovarien ist einschich- Textfig. 9. Transversalschnitt mit Gonaden- a i - öffnungen (goe) 50:1. Zeichenspiegel. 5/ tig. Die Zellen erschienen Blutmassen, cdvc Cerebropleuroviszeralkonnek- im allgemeinen sehr un- tive, cövcc Cerebropleuroviszeralkonnektiv- deutlich. da sie von ein- kommissur, der Perikard, /z Fuß, sv Sinus Br DR; venosus, Zr Rinne im Perikard, die nach hinten zelnen größeren eibilden- in den Renoperikardialtrichter übergeht. den Zellen sowie von den Eiern selbst stark zusammengepreßt wurden. Die Eier zeigen dieselbe Entwicklung, wie sie IGEL (1908, p. 24) bei Phaseolicama beschrieben und abgebildet hat. Die Größe der erwachsenen rundlichen oder ovalen Eier (Textfig. 17 b, o) beträgt 0,055 —0,064 mm. Sie zeigen bei Häma- toxylinfärbung ein nur schwach hellblau gefärbtes Keimbläschen, das durch eine deutliche Membran von dem Protoplasma ab- gegrenzt ist. In ungefärbtem Zustande ist eine graugrünliche Färbung (sonst meist rötliche Eier, Leunıs-Lupwic 1883, p. 1001) zu beobachten. Das Keimbläschen hebt sich hierbei durch etwas dunklere Färbung vom helleren Protoplasma mit noch hellerer 620 Richard Fischer, Zellmembran ab, und der Nucleolus als hell durchscheinender Körper wiederum vom Keimbläschen. In diesem ist das achro- matische Kerngerüst deutlicher als bei gefärbten Eiern zu er- kennen. Bei beiden Geschlechtern waren sämtliche interlamellären Gänge des inneren und äußeren Blattes vollgepfropft mit Ge- schlechtsprodukten. Bei den untersuchten Exemplaren wurden zwar keine Em- bryonen gefunden, aber die Gestalt und Lage der Kiemen mit den sehr geräumigen suprabranchialen Kammern und interlamel- lären Fächern sowie besonders der Aufenthalt der Eier auch in den äußeren Kiemen lassen auf eine Brutpflege schließen; denn der jegliche Mangel an Embryonen läßt sich ja dadurch erklären, daß zur Zeit, wo das Material gesammelt wurde, die Befruchtung noch nicht vollzogen war. Ähnliche Fälle von Brutpflege wurden bei vielen Mu- scheln beobachtet. Die Befestigung der Eier an einem Stiel (pedon- cule, PELSENEER 1905) in den Kiemen wie bei Modiolarca ist aller- dings bei Maetra nicht vorhanden. Bei Phaseolicama kommen die Eier nur in den inneren Kiemenblättern vor, bei Modiolarca aber in beiden Blättern wie bei vorliegendem Exemplar. IGEL begründet die Brutpflege durch den Aufenthalt des Tieres ‚an den Küsten der Falklandsinseln, welche von dem kalten Kap-Horn- Strom umspült werden‘, wo also die Temperaturverhältnisse un- günstig für die junge Brut sind (vgl. auch Cuun 1905). Dasselbe trifft für Mactra coquimbana zu, denn ihre Heimat ist die chile- nische Küste, die von dem kalten, den südlichen Teilen des Stillen Ozeans entstammenden und sich vom Kap-Horn-Strom abzweigen- den Peruanischen Strom bespült wird. Es kommt natürlich auch noch die Brandungszone als gefahrbringend für die junge Brut hinzu, um die Muschel ein Mittel zur Erhaltung der Art und zur leichten und schnellen Entwicklung der Embryonen finden zu lassen. Dafür, daß auch die Spermien sich in allen interlamellären Räumen beider Kiemenblätter befinden, gilt ebenfalls obige An- passungserklärung: Die Spermien dürfen bei den ungünstigen ‚Lebensbedingungen nieht zu jeder Zeit ins Wasser gelassen werden, sondern sie werden für eine günstige Gelegenheit — warmes Wetter, ruhige See usw. — aufgespart. 5. Zirkulationssystem. Das in antero-posteriorer Richtung liegende, mediale, lang- gestreekte und seitlich etwas zusammengedrückte Perikard (Textfig. Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 621 7 und 15 der) ist von ansehnlicher Größe, denn es erstreckt sich von der Nähe der Magenhinterwand bis zur Gegend oberhalb des Viszeralganglions, und zwar endigt der hintere, stark verjüngte Teil in der Höhe des Enddarms. Vorn wird es von Geschlechts- schläuchen und der Leber begrenzt, hinten von den Nieren; seitlich am vorderen Teil von den Kiemengängen und der Kiemenachse und am hinteren Teil wiederum von den Nieren, die sich mit zwei seitlichen Lappen lateral vom Perikard dorsalwärts bis zur Rückenhaut hinaufziehen und es seitlich etwas einengen. Die obere Begrenzung bildet die dorsale Rückenhaut bzw. eine dünne Bindegewebsschicht unter derselben. Ventral vom Herzbeutel befindet sich als Grenze anfangs die Fußbasis (plancher pericardique, vgl. Abschnitt 2), dahinter beginnen die umfangreichen Nieren, die das Organ in seinem Verlaufe nach hinten mehr und mehr auch von unten her zu- sammendrängen (Textfig. 15). Irgendeine Andeutung einer frü- heren Kommunikation zwischen Peri- kard und Gonadenhöhlen (Gonoperi- kardialgang), wie sie STEMPELL (1898) zum ersten Male bei Leda sulculata be- schrieben hat und wie sie auch von HERBERS (1913, p. 160ff.) bei Anodonta cellensis nachgewiesen wurde, habe ich bei Mactra nicht feststellen können. Die Vorhöfe (Textfig. 7 und 10 at) liegen im vorderen Teile des Perikards, sind langgestreckt, wenig muskulös und zeigen in der Diastole eine sackartige Form mit unregelmäßigen Einbuch- tungen. \M )) N) De NEN N Z N N N N EN N N EN N N N I>SIIIINN Pextfie, 10. durch eine starke Furche angedeutet, ber vgl die weniger deutlich auf der von der | dorsalen Seite gesehenen Zeichnung (Textfig. 18 ?g), sehr scharf aber auf | der von vorn aufgenommenen Zeich- | nung (Textfig. 19 #g) hervortritt. Die ersteren sind rundlich und liegen | medialwärts, die letzteren sind lang- ---Cpvc Textfig. 18. Zentrales Nervensystem von der Dorsalseite aus gesehen. 6,6:1. Re- konstruktion nach Messungen an einer Transversalschnittserie mit Benutzung der durch Sagittalschnittserien gewonnenen Bilder, dgl Buccalganglion, dcc Kommissur zwischen den Buccalganglien, cdc Cerebrobuccalkon- ---Cpvcc nektiv, cg Cerebralganglion, c#5c Cerebro- pleuropedalkonnektiv, cdvc Cerebropleuro- viszeralkonnektiv, cövcc Cerebropleuroviszeral- konnektivkommissur, dnp dorsaler Nerven- plexus, aa Nervus adductoris anterioris, nad N. add. post., rzda N. buccalis ant., ndöp N. bucc. post., z6r N. branchialis, zd N. .dorsalis, dx N. dors. minor ant., rdz N. dors. minor post., z3a N. pall. ventralis ant., z5da N. pallialis dorsalis ant., Seda N. pedalis ant., z5edöd N. pedalis post., npdp N. pallialis dors. post., »202 N. pall. npdp. ventr. post., zs N. siphonalis, »sö N. siphon. S 2 post.; dc Pleurobuccalkonnektiv, Ag Pleural- ganglion, vg Viszeralganglion. ndp- — ie: °---nsp gestreckt und liegen seitlich mehr nach hinten. Ein unzweifelhafter Beweis für die Existenz von gesonderten Pleural- und Cerebral- ganglien ist aber die Tatsache, daß sowohl vom Pleuralganglion wie auch vom Cerebralganglion je ein deutliches Konnektiv (bc u. cbc)) 642 Richard Fischer, (vgl. STEMPELL 1912, GRIESER 1912) zu dem weiter unten erörterten Bucealganglion abgeht; eine weitere wichtige Erhärtung der von STEMPELL 1898 bzw. 1912 und PELSENEER 1891 vertretenen und von IGEL und anderen Schülern STEMPELLS bestätigten Auf- fassung. Bei der oben geschilderten Lage der cerebralen Ganglien vor der Mundöffnung vermag die starke Cerebropleuralkommissur eine gerade Verbindung zwischen den Ganglien herzustellen. Sie ist auffallend kurz, erreicht sie doch bei einem ca. 2,5 cm langen Exemplar nur eine Länge von ca. 0,5 mm. Ich kann also das von PELSENEER (1981) über Mactra stultorum Gesagte auch für Mactra coquimbana bestätigen. Die genäherten Cerebralganglien sind nach PELSENEER (1891) (vgl. Lang 1900, p. 35) eine Eigentüm- Textfig. 19. Vorderansicht der vorderen Ganglien. 20:1. Rekonstruktion nach Transversal- und Sagittalschnittserien. Etwas schematisiert. Bezeich- nungen wie in Textfig. 18. lichkeit der ursprünglichen Gattungen (Nuenla, Solemya), während „die höher entwickelten mit Ausnahme von Mactra stultorum weit voneinander entfernte Ganglien haben‘ (PELSENEER 1891). Aus den Cerebropleuralganglien gehen — mit Ausnahme eines dorsalen Nervs — paarige Nerven ab. 1. Der Nervus dorsalis (nd), der später im Zusammenhang mit dem dorsalen Nervenapparat besprochen werden soll. 2. Der Nervus adductoris anterioris (naa) entspringt am vorderen Ende des Cerebralganglion und verläuft etwas ventral auf den Adductor anterior zu, um sich darin bald aufzulösen. 3. Der Nervus pallialis anterior ventralis (nda) geht von der vorderen ventralen Seite des Cerebralganglions etwas lateral aber sehr steil gerichtet nach unten, biegt dann dem quer Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) eoquimbana Philippi. 643 vor ihm liegenden Adductor anterior im Bogen nach hinten aus, um an ihm entlang seinen Weg nach unten und später nach vorn fortzusetzen. Nach der ersten Verästelung in der mittleren Höhe des Schließmuskels biegt der stärkere äußere Ast in den Mantel ab, während der schwächere Ast sich weiter nach vorn hin, aber noch unterhalb des Schließmuskels abermals verzweigt. Der äußere Zweig geht an den Muskel heran, der innere zweigt noch einen dünneren Nerv in den Mantel ab und geht endlich selbst in diesen über. Hier steuert er im Bogen nach hinten der Mantellinie zu, hält sich dicht unterhalb dieser und später ventral von der Pallial- aorta, etwa in der Mitte zwischen äußerstem Mantelrand und der Mantellinie. Abgesehen von einer Menge feiner Nervenäste gibt dieser palliale Hauptnerv im vorderen Teile des Tieres folgende stärkere Nerven ab: Einen Nerven etwa in derjenigen Frontalebene, die nieht sehr weit hinter der Mundöffnung liegt, nach vorn an den Mantelrand und einen ähnlich gerichteten etwas weiter nach hinten, in der Frontalebene, in der die ersten Darmschlingen beginnen. Der Hauptnerv geht schließlich in den entsprechenden n. pallialis posterior über. Das Cerebrobuceal- und Pleurobucealkonnektiv. Ein starkes kurzes Konnektiv (bc), das merkwürdigerweise teilweise gespalten ist, führt von der Außenseite des Pleuralganglions etwa hinter der Wurzel des Viszeralkonnektivs seitlich im Bogen nach hinten zu dem weiter unten beschriebenen Buccalganglion. Ein schwächeres Konnektiv (cbe) zweigt sich vom Cerebralgan- glion in der Nähe der Wurzel des Pedalkonnektivs ab und steuert ebenfalls dem Buccalganglion (dgl) zu. Buccalganglion (dgl). Das Buccalganglion stellt eine ansehnliche, scharf umgrenzte, mit loser Hülle versehene, längliche Verdickung dar, die bei ihrer typischen Beschaffenheit — Rinde aus Ganglionzellen, Inneres aus Nervenfasern bestehend — keinen Zweifel über ihre Ganglien- natur zuläßt. Das Ganglion liegt lateral und unterhalb der Mund- öffnung, es ist lang ausgezogen und nimmt seine Richtung zunächst auf den von Mantel und Rumpf gebildeten Winkel und dann nach hinten. Hier setzt es sich fort in einen starken Nerv, den n. buc- ealis posterior (nbp), der nach hinten zu dorsal und lateral außen an dem Musculus retractoris pedis anterior ansteigt und sich 644 Richard Fischer, lange Zeit in der Nähe der Ansatzlinie des inneren Mundlappens hinzieht, um endlich erst bei Beginn der inneren Kieme in den inneren Mundlappen einzutreten. Beim Übergang des Ganglions in den eben beschriebenen Nerv zweigt sich ein anderer starker Nerv ab, der n. buccalis anterior (nba), der im Bogen nach unten geht, um dann in den äußeren Mundlappen einzutreten, der mit seiner Basis ganz in der Nähe des Buccalganglions liegt. Beide Nerven innervieren die Innenseiten der Mundlappen. Die Buccalganglien sind durch eine zum Teil gangliöse Kom- missur (bec), deren Fasern ein auffallend lockeres Gefüge zeigen, verbunden, die sich durch die von den inneren Mundlappen ge- bildete, dieht unter der Ösophagusöffnung sitzende Unterlippe hindurchzieht und zahlreiche feine Nerven an den Ösophagus abgibt. Unter ihnen scheint wenigstens einer zu sein, der dem Ösophagus ventral nach hinten folgt. Dieser n. sympathicus war zwar nicht von Anfang bis zu Ende zu verfolgen, tauchte aber häufig genug mit großer Deutlichkeit ventral vom Öso- phagus auf. Die innige Beziehung dieses Nervenapparates zum Vorderdarm ist nach allem unverkennbar. Es liegt tatsächlich ein Nervenzentrum des Vorderdarms, ein Buccalgan- gslion, vor, und zwar keineswegs in rudimentärer Form. Hinsichtlich der Bedeutung und der Geschichte dieses Gan- glions, das nunmehr — abgesehen von der bestrittenen Feststellung durch Mayoux (vgl. List, p. 173) — seit der ersten Feststellung durch Icer (1908) schon in einer Reihe von Arbeiten aus dem Zoologischen Institut zu Münster beschrieben wurde, verweise ich auf eingehende Abhandlung SrTEemrELLs „Über das sogenannte sympathische Nervensystem der Muscheln (1912). Zu einem Referat über diese Abhandlung von Tuıere (1913, p. 37) möchte ich folgendes bemerken: Das Referat enthält keine erschöpfenden Angaben über den Tatsacheninhalt der STEMPELL- schen Arbeit, sondern eigentlich nur subjektive, ganz unbewiesene Meinungen des Referenten. Dabei ist absolut nicht einzusehen, warum THIELE gerade die Buccalganglien der Lamellibranchier, die sich morphologisch und physiologisch in der Hauptsache genau wie die Buccalganglien aller anderen Mollusken verhalten, (‚nicht unbeträchtliche Verschiedenheiten‘‘ der betreffenden Or- gane finden sich nicht nur zwischen primitiven Gastropoden und Lamellibranchiern, sondern auch zwischen ersteren und anderen * Über die Anatomie von Maetra (Mulinia) coquimbana Philippi. 645 Molluskengruppen, z. B. Cephalopoden!) nicht als solche gelten lassen, sondern als „sekundäre Bildungen“ aufgefaßt wissen will. Hierzu wäre er offenbar nur dann im Recht, wenn er überhaupt den Begriff Buccalganglion als vergleichend anatomische und physiologische Einheit fallen lassen wollte und dafür dürfte — trotz aller Abweichungen bei den verschiedenen Molluskenklassen — doch nicht der geringste Anlaß vorliegen! Die Möglichkeit, daß sich die Buccalganglien unabhängig voneinander zu ihrer jetzigen Gestalt erst bei den verschiedenen Molluskenklassen ent- wickelt haben und in diesem Sinne also sekundäre Bildungen sind, ist übrigens in der Arbeit von STEMPELL bereits eingehend erörtert worden. Das Cerebropleuropedalkonnektiv (cP%c). Dieser starke Nervenstrang entspringt der Hinterseite des Cerebropleuralganglions, und zwar genau in der Mitte zwischen beiden, so daß also beide Ganglien an der Wurzelbildung des sonst durchweg einheitlichen Nervenstranges beteiligt sind. Er verläuft gerade gestreckt nach hinten lateral vom Ösophagus, tritt dann in den Musc. retr. ped. ant., um allmählich ventral von dem Vis- zeralkonnektiv etwas tiefer zu gehen, und zwar lateral von der großen Fußvene, der er auch mit starker Wendung nach unten in den Fuß folgt. Nicht weit vor seinem Eintritt in den vorderen dorsalen Teil des Pedalganglions nähert er sich dem Konnektiv der Gegenseite bedeutend und sendet einen Ast an die Fußarterie, der dieser lateral eine Strecke nach hinten folgt und dann an die Breitseite der Fußmitte tritt. Ein sehr feiner, schwer zu findender, kurzer Ast löst sich kurz vor dem Pedalganglion los, um in die Otocyste zu treten. Das Cerebropleuroviszeralkonnektiv (cPvc). entsteht durch Verjüngung des Pleuralganglions und wendet sich seitlich nach hinten, um zunächst an der Außenseite des Muse. retr. ped. ant. zu verlaufen. Später durchbohrt das linke teilweise die Verdauungsdrüse, während sich das rechte Konnektiv eine lange Strecke weit in der Nähe der Einschnürung hält, in der sich die Insertionslinie der inneren Kieme und des inneren Mund- lappens befindet. Im weiteren Verlaufe geht das rechte Kon- nektiv etwas tiefer — etwa in der Höhe der Mündung des großen Kristallstielblindsackes — und durchbohrt die Gonaden, deren Schläuchen es dicht anliegt. Denselben Verlauf nimmt das linke Jenaische Zeitschrift. Bd. LII. 42 646 Richard Fischer, Konnektiv nach seinem Durchgang zwischen Verdauungsdrüse und Gonade. Das rechte Konnektiv liegt meistens dicht unter dem Körperepithel, während das linke etwas nach der Medialebene hin verschoben ist. In der Gegend unterhalb der vorderen Aorten- klappe rücken beide dicht zusammen, da hier die Basis des Fußes, in der sie verlaufen, sehr eng wird. Sie liegen hier mit den beiden ausführenden Gonadenschläuchen zusammen in dem medialen Längssinus und rücken schließlich fast bis zur Berührung anein- ander. Mit zunehmender Verbreiterung der Fußbasis treten sie wieder auseinander, um sich zu beiden Seiten und später unterhalb des Muse. retr. ped. post. und dorsal von der Niere entlang zu- ziehen und endlich von vorn in das Viszeralganglion einzutreten (vgl. Textfig. 9 cdvc). Die Cerebropleuroviszeralkonnektivkommissur (Median- kommissur, Textfig. 18 cdvcc). Sehr bemerkenswert ist ein ansehnlicher Nerv, der medial von der äußeren Nierenmündung unterhalb des proximalen Schen- kels entspringt. Er verläuft nach vorn parallel zum Viszeral- konnektiv, zieht sich dicht unter dem Renoperikardialtrichter und dann dicht über der Gonadenöffnung (Textfig. 9c?vcc) hin, gibt an die Gonadenschläuche mehrmals feine Äste ab und ver- einigt sich endlich — ungefähr in der Frontalebene, in der weiter oben die Vorhofmündungen sich befinden — dorsal von den beiden Gonadenausführgängen mit dem entsprechenden Nerv der Gegen- seite. An gleicher Stelle ist von GRIESER (1912, p. 59) eine Kom- missur bei Chama pellueida und von ScHABERG (1914) bei Meso- desma aufgefunden worden. Analoge Bildungen, u. a. auch die sogenannten ‚„medianen Ganglien‘“, bei zahlreichen Autoren, die von SITEMPELL 1912, p. 227 u. 228 und GRIESER angeführt wurden, werden von STEMPELL für Sonderzentren sympathischen Nervensystems angesprochen. Der dorsale Nervenplexus und der dorsale Nerv (Textfig. 18, 20, 21 nd, dnp). STEMPELL (1912, p. 229) erwähnt einen Nervus dorsalis, den sein Schüler STECHELE bei Lutraria tenuis Phil. gefunden hat: „Relativ stark ist rechtsseitig ein n. dorsalis (Fig. 7nd dext) entwickelt, der unterhalb des Ligaments ein merkwürdig strukturiertes Ganglion von unbekannter Funktion bildet Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 647 (Fig. 7 gl)“, und weiter unten: „Ob er (n. dorsalis) vielleicht auch mit dem von HArDIVILLER!) (1893, p. 250) bei Mactra beschrie- benen, ebenfalls nur Bone & traktus und Ventri- X 1 I N kel gehenden Nerv are eh eae: zu homologisieren ist, steht “dahin.‘“ W List erwähnt diesen Befund Harpıvir- LERS mit den Worten (1912, p. 174): „Bei Mactra wurde ein Nerv beobachtet, der vom rechten Cere- Ss . N extfig. 20. Dorsales Ganglion (ds) zwischen den bralganglion ent Kardinalzähnen »Cz und /Cz. 62:1. Zeichenspiegel springt und den Ver- (Transversalschnitt). ds Ganglion, /as Fasern, «._ doz—; Zweige des dorsalen Nervs, die ans Ganglion dauungstraktus I treten, do, Zweig, der unter das Ligament führt, nerviert. Er ent- z Zipfel zwischen den Kardinalzähnen, »s$r Vor- spricht dem paarigen sprung des Zipfels mit Rückenwulst (=). Nerven der anderen Lamelli- branchier, der von dem Cerebroviszeralkonnektiv ab- geht.‘‘ Wie wir weiter unten sehen werden, ist der Zusatz von List ein sehr kühner Schluß. el Ich bin nun in der Lage, Textfig. 21. Dorsaler Nervenplexus von . ade ; der Seite. 20:1. Rekonstruktiori nach an ähnlichen n. dorsalis, Schnitten. Bezeichnung wie in Textfig. 20. der in der Tat (vgl. StEn- PELL 1912) zu einem dorsalen Ganglion führt, etwas genauer zu beschreiben und die wenigen Angaben darüber in der Literatur zu ergänzen bzw. zu berichtigen. ' 1% HN A JA 1) KARDIVILLER schreibt: ‚,... Enfin un filet nerveux spe- cial nait du ganglion cer&broide droit et se dirige vers la bouche. Ce filet nerveux atteint le pharynx, continue son chemin au-dessus du foi et, au sortir de ce dernier organe, il s’accole a la paroi dor- sale de l’intestin et poursuit son chemin jusqu’au ventricule du coeur, qu’il innerve. En passant au-dessus du foie, ce nerf donne un filet nerveux qui se divise en deux branches innervant la partie anterieure du tube digestif.“ 42* 648 Richard Fischer, Der sehr ansehnliche Nerv entspringt dorsal von der kurzen Cerebralkommissur, und zwar — wie einwandfrei festgestellt wurde — in einem Falle dem linken, in zwei anderen untersuchten Fällen dem rechten Cerebralganglion. Der Verlauf ist dann ent- sprechend dem Ursprung des Nerven auf der linken bzw. auf der rechten Seite unmittelbar neben der Medianebene des Tieres. Diese wechselnde Lage des Nerven und der Umstand, daß sich an manchen Stellen ein allerdings äußerst schwacher, parallel verlaufender Nerv auf der Gegenseite zeigt, der nicht zu verfolgen ist, scheinen auf eine ursprünglich paarige Anlage dieses Nerven hinzudeuten. Doch folgen wir dem Hauptnerven, der sich als dicker Strang an der dorsalen Seite der Muschel bis zu dem inneren Ligament hinzieht. Er sendet bald, nachdem er das Ganglion verlassen hat, um ziemlich steil nach oben zu steuern, einen Nerven- zweig (n. pallial. dors. ant., ndda) nach vorn, der dicht unter dem dorsalen Mantelrand entlang läuft und bis über den vorderen Schließmuskel hinweg zu verfolgen ist. Nach hinten sendet der dorsale Nerv einen kräftigen Zweig ab, der sich jenem parallel in der durch die vorderen lateralen Zähne gebildeten Einschnürung unterhalb des Rückenwulstes des dorsalen Mantelrandes hinzieht (Textfig. 18 ndx), in den er endlich eintritt. Der Rückenwulst wird weiter hinten durch Ineinandergreifen der vorderen lateralen Zähne ein kurzes Stück vom Körper losgelöst. Dort, wo er dann wieder am Körper festgewachsen erscheint, zweigt sich vom Haupt- nerven abermals ein Ast (Textfig. 183ndz) ab, um nach hinten ständig dicht an der Einschnürung unter dem Rückenwulst zu verlaufen. Er ist dann ungefähr in der Gegend, wo unten der Kristall- stielblindsack beginnt, nicht weiter zu verfolgen. Der Hauptnerv folgt dem Ösophagus, bis dieser nach rechts in den Magen abbiegt, dann zieht er sich über starke Gonaden- schläuche hinweg, ziemlich dicht unter der Einschnürung des Mantelrandes hin, bis er in die Basis eines in der Medialebene liegenden, durch die Kardinalzähne gebildeten Zipfels gelangt. Auf dem Frontalabschnitt zeigt sich der Zipfel wie in Textfig. 202. Der ganze Zipfel wird gebildet durch die beiden Kardinalzähne (Textfig. 2 u. 20cz), die dicht vor dem sehr kurzen und dicken Ligament liegen. Von ihnen greift der rechte Zahn über den linken und beide nehmen den Zipfel zwischen ihre vorderen fast wage- recht liegenden Leisten, so daß die Leiste des linken Zahns bei lcz (Textfig. 20), die des rechten bei 7Cz liest und die eigenartige vogelkopfartige Bildung des Zipfels mit dem schnabelförmigen Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 649 Vorsprung (vsdr) veranlassen. In dieser Gegend wird der dorsale Nerv sehr stark und gangliös mit zum Teil sehr großen Ganglien- zellen und sendet einen sehr starken und gangliösen Ast (nd,) in den Vorsprung, wo er eine ganz kurze Strecke bis zum Übergang des Vorsprungs in den bis hier getrennt gewesenen Mantelrand- wulst (Textfig. 20 w) parallel dem ersteren verläuft und noch durch vier weitere stärkere und schwächere Anastomosen (nds—;) mit jenem verbunden wird. Es sind also im ganzen vier Brücken (nd>s—;) zwischen beiden Nerven (nd und nd,) vorhanden, so daß das ganze von der rechten oberen Seite aus gesehen eine leiter- förmige Bildung in der Art eines Plexus (Textfig. 21) zeigt. Hinter diesem leiterförmigen, in allen Teilen mit Ganglienzellen ver- sehenen Nervenapparat setzt nun der Hauptnerv (nd) seinen Weg nach hinten eine kurze Strecke fort, um sich bald im ganzen in fünf Äste (Textfig. 20, 21ndoı >) zu verteilen. Der unterste Ast (ndo,) läuft durch eine Lücke (Textfig. 22), die der vertikale Schenkel des Zahns in dem Schloß läßt, unter das Ligament, um kurz hinter diesem zu enden. Bei näherer Untersuchung der 11 Schalenbilder von Mactra-Arten Pnıtıppis (1893) fällt es auf, daß diese deutliche Lücke nur bei Mactra coquimbana (allenfalls noch bei Mactra pencana Ph.) gezeichnet ist. Es ist also wahr- scheinlich, daß die Fortsetzung des n. dorsalis unter das Ligament bei den anderen Mactra-Arten PnıLıprı nicht oder nur unvoll- kommen vorhanden ist. Während der soeben beschriebene unterste Nerv (ndo,) seinen Weg noch weiter fortsetzt, treten die anderen vier, zum Teil sehr kräftigen Äste, bald zusammen, um zu einem merk- würdigen Ganglion zu verwachsen (Textfig. 20 u. 21dg). Dies Ganglion liegt auf Frontalschnitten (Textfig. 20) rechts von dem linken Kardinalzahn (/Cz), dessen Kante hier im Querschnitt rechteckig-abgerundet ist und dem Ganglion dicht angelagert erscheint. Die Nervenäste (ndos—;), die hier mit Blutgefäßen umsponnen zu sein scheinen, biegen hier alle nach links um und endigen in das links liegende, aus starken Ganglienzellen (und Sinneszellen ?) zusammengesetzte, eigentliche Ganglion (dg), das an der seitlichen Kante des linken Zahnes mit kräftigen, durch Hämatoxylin dunkel gefärbten Fasern (jas) irgendwelcher Art festgehalten wird. Der ganze, durch rechten und linken Zahn gebildete Zipfel (z) hört hinter diesem Ganglion unvermittelt auf, da hier die nach unten gerichteten Schenkel der Kardinalzähne folgen. Der Zipfel ist 650 Richard Fischer, auf seiner ganzen Länge mit feinen Nerven durchzogen. Einen dorsalen Nerv, der zu einem dorsalen Ganglion führt, hat auch SCHABERG (1914) bei Mesodesma donacium gefunden, und es ist sehr wahrscheinlich, daß der oben ‘beschriebene Nervenapparat verbreiteter ist, als die bisherigen Funde schließen lassen. Die eigentümliche Form dieses dorsalen Nervenapparates und seine Lage zwischen den Kardinalzähnen dicht vor dem Liga- ment führen notgedrungen zu der Annahme, daß es sich hier um eine Perzeption des Druckreizes handelt, also um eine wesentliche Vervollkommnung des Schließungsapparates, der sonst nur in den Adduktoren und ihren Nerven besteht. Die Brücken (Text- fig. 21ndsz—;) führen in den kurzen, starken und gangliösen Nerven- strang (Textfig. 21 nd,), der in dem schnabelartigen Vorsprung (vspr) parallel der scharfen Kante verläuft. Der Vorsprung liegt aber zwischen den Leisten der Kardinalzähne, die hier übereinander- greifen und beim Auf- und Zuklappen der Schalen einen größeren und geringeren Druck auf den Vorsprung und sein Nervengewebe ausüben müssen. Ähnlich liest der Fall bei dem dicht dahinter liegenden Ganglion (dg). Dies berührt mit seiner gangliösen Seite die stumpfe Kante des linken Zahns (lCz), während die andere, rechts liegende Seite des Zipfels (2) von dem rechten Zahn (rCz) begrenzt wird. Der leiseste, bei der geringsten Bewegung der Schalen entstehende Druck muß auf diese Weise sehr vollkommen perzipiert werden. Dieses Sinnesorgan wird ohne Zweifel noch von zwei Einrichtungen ergänzt. 1. Der dorsale Hauptnerv zweigt wie oben erwähnt, einen Ast unterhalb des Ganglions ab (ndo,), der dicht unter das Ligament führt, hinter diesem aber aufhört. Das Ligament (Textfig. 2) ist ein inneres (vgl. Abschnitt 1), ein äußeres ist nicht vorhanden. Es liegt als kurzer querer Balken zwischen zwei parallel zur Medialebene liegenden plattenförmigen Vorsprüngen der Schalen in der Gegend der Umbonen. Der Quer- schnitt des Ligaments ist dreieckig abgerundet. Beim Schließen der Schalen pressen die plattenförmigen Vorsprünge, die also senkrecht zur Längsachse des transversal liegenden Ligaments stehen, das letztere zusammen, so daß sein Querschnitt größer wird, während es beim Auseinanderklappen der Schalen in seine natürliche Form, d. h. mit kleinerem Querschnitt zurückkehrt. 2. Wie oben beschrieben, geht vom Hauptnerven nach hinten zu an zwei verschiedenen Stellen (Textfig. 18 ndx u. ndz) je ein Ast in die Nähe des dorsalen Mantelrandes bzw. tritt in ihn ein. Die Lage dieser Nerven zu den lateralen Zähnen ist nach obiger Über die Anatomie von Maectra (Mulinia) coquimbana Philippi 651 Beschreibung so, daß sehr wohl auch hier ein Druckreiz perzipiert werden kann. Der dorsale Nerv innerviert also, trotzdem er sich anfangs oberhalb des Ösophagus hinzieht, nicht den Verdauungstraktus, wie HARDIVILLER für den dorsalen Nerv bei Mactra behauptet hat. Er entspricht auch nicht dem „paarigen Nerven der anderen Lamellibranchier, der von dem Cerebroviszeralkonnektiv abgeht‘, wie der Zusatz von List (siehe oben) behauptet, denn dieser paarige Nerv ist von mir (vgl. oben, Cerebroviszeralkonnektivkommissur) ander Stellegefunden worden, woihnnochandere Autoren gefunden haben, nämlich in der Nähe des Viszeralganglions. Es trifft also hier die Homologie mit dem von STECHELE bei Lutraria gesehenen Nerv zu, die STEMPELL (1912) unentschieden gelassen hat für den von HARDIVILLER bei Mactra gefundenen Nerv. Zur Erklärung der Existenz dieses Nervenapparates könnte auch wohl noch die folgende Erwägung dienen. Erfahrungsgemäß können die Muscheln bei starker äußerer Reizwirkung ihre Schalen auffallend lange verschlossen halten, z. B. Ostrea und Mytilus bei langem Transport usw. Dieser Zustand ist aber bekanntlich kein passiver, sondern der anhaltende Verschluß wird dadurch herbei- geführt, daß die Schließmuskeln sich in ununterbrochener Re- traktion befinden. Diese gleichsam tetanische Retraktion muB aber wiederum auf dauernde, vom Nervenzentrum ausgehende Reize aufrecht erhalten werden, wozu offenbar eine verhältnis- mäßig große Energiemenge erforderlich ist. Nach obigem Befunde liegt nun der Schluß nahe, bei dieser gewaltigen Arbeitsleistung eine Unterstützung und Vervollkommnung des Cerebralganglions durch den beschriebenen Nervenplexus, dessen kräftige Ent- wicklung und merkwürdige Struktur doch zweifellos auf eine besonders wichtige Funktion hindeuten, anzunehmen. Bei vor- liegender Mactra dürfte vielleicht ein lang anhaltender Verschluß der Schalen in dem Falle in Anwendung kommen, wo die nur lose im Ufersande steckenden Tiere (D’ORBIGBY 1847) von der heftigen Brandung herausgerissen und, bevor sie sich von neuem verankern können, längere Zeit hin- und hergeschleudert werden. Vom Viszeralganglion gehen jederseits folgende Nerven ab: 1. Der Nervus branchialis (ndr) verläßt das Viszeral- sanglion als starker Nervenstrang mit gangliöser Hülle, die in engster Beziehung zu dem weiter unten zu beschreibenden Osphra- 652 Richard Fischer, dium steht, an der vorderen Seite lateral und ventral von den Viszeralkonnektiven, um zunächst gerade nach vorn zu verlaufen. Er wird nach Innervierung des genannten Sinnesorgans schwächer und steuert ventral der Kiemenachse zu, die er am hinteren Ende der Kiemen, nämlich dort, wo die Kiemenachse sich vom Rumpfe loslöst, erreicht, geht dann im Bogen ventral nach rückwärts, und verliert sich, der Achse folgend, in den Kiemen. 2. Ein ungemein starkes Nervenbündel entspringt der hinteren Seite des Ganglions, verläuft zunächst in gerader Richtung etwas lateral nach hinten und löst sich nach und nach in mehrere Nerven auf: Ein dünner Zweig wird schon bald hinter dem Ganglion medial und etwas dorsal abgezweigt. Er bildet die Wurzel für den a) n. adductoris posterioris (na), der seitlich nach oben in den Add. post. steuert und den b) n. pallialis dorsalis post. (npdp), der in den dorsalen Mantelrand läuft. c) Dort, wo das Nervenbündel mit scharfer Wendung seine Richtung lateral und ventral nimmt, zweigt ein Nerv nach hinten ab. den ich in bezug auf seine Lage den n. siphon. post. (nsp) nennen will. Er geht ventral vom Add. post. nach hinten, hält sich dauernd lateral von der Analkammer, gibt von Zeit zu Zeit Äste an die Muskulatur der vereinigten Siphonen ab und zeigt sich zweitweise gangliös. Er ist bis in die Nähe des Anus zu ver- folgen, wo er lateral liest. Das ursprüngliche Bündel tritt nun lateral und dorsal ver- laufend in die Wand, die den Analraum (Analkammer) abtrennt (vgl. Abschnitt 7) und an der die hinteren Enden der Kiemen angewachsen sind, ein und teilt sich in den d) n. siphonalis anterior (ns) und den e) n. pallialis ventr. post. (npvp), die beide parallel nach vorn bis zur Basis der Siphonalmuskeln verlaufen. Der Siphonal- nerv ist von ansehnlicher Stärke. In der Nähe der Basis der Si- phonalmuskeln angelangt schwillt er stark an, wird gangliös und tritt nun — bei zurückgezogenem Sipho — senkrecht zu den kräftigen Längsmuskelbündeln in den Sipho ein, um diesen zu durchqueren., Kurz nach dem Verlassen der Muskelmassen biegt der Nerv nach hinten in den Mantelrand um, wo er schnell schwächer wird und bald nicht mehr zu verfolgen ist. Beim Durchgang durch die Siphonretraktoren zeigt der n. siphonalis zahlreiche, große Ganglienzellen und gibt einerseits Nervenäste an die Muskulatur Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 655 ab, andererseits innerviert er die weiter unten näher beschriebene palliale Sinneslamelle, an deren Insertionslinie er entlang läuft, mit mehreren kräftigen Seitenästen. Der n. pall. ventr. post., bedeutend schwächer als der soeben beschriebene n. siphon., hält sich dauernd in geringerer Entfernung parallel mit diesem, durchquert ebenfalls die Sipho- nalmuskulatur, steuert dann dem Mantelrande zu, in dem er nach vorn und hinten je einen Ast entsendet, von denen der vordere sich mit dem n. pallialis anterior vereinigt. Die Tatsache, daß dieser Mantelnerv die ganze Muskulatur der Siphonen durchquert, steht wiederum mit der bekannten Auffassung im Einklang, daß die Siphonen durch Verwachsung der- Mantelränder gebildet werden (vgl. Abschnitt 2). Das Pedalganglion liest in der Medianebene etwa auf der Hälfte zwischen ventralem Fußrande und dorsalem Mantel- rande einsereits und hinter dem ersten Drittel des Abstandes zwischen Cerebral- und Viszeralganglion andererseits. Eine tiefe ventrale sowie eine seichte dorsale Furche verraten seine Ab- stammung von zwei getrennten Nervenzentren. Außer den Cerebropleuroviszeralkonnektiven ent- stehen aus dem Ganglion mehrere Paare ansehnlicher Nerven, die jedoch nicht alle in Textfig. 18 eingezeichnet werden konnten. Es sind jederseits folgende Nerven: 1. Der n. pedalisanterior (npeda), ein anfangs sehr kräftiger Strang, der von der Vorderseite des Ganglions ventral von den Cere- bralkonnektiven entspringt und zur vorderen Fußmuskulatur führt. 2. Der n. pedalis ventralis entsteht durch Verjüngung der Ganglienhälfte am hinteren ventralen Ende des Ganglions, um den unteren Teil der Fußmuskulatur zu bedienen. 3. Der n. pedalis posterior (ndedp) verläuft gerade nach hinten, legt sich eine Strecke weit dicht neben den entsprechenden Nerv der Gegenseite und trennt sich dann in zwei gleichstarke Zweige, die die hintere Fußmuskulatur zu versorgen haben. 9. Sinnesorgane. 1. Die siphonale Sinneslamelle. PELSENEER (1911) erwähnt das Vorkommen von pallialen Sinnesorganen an der ventralen Seite im Innern des Branchial- sipho bei Tellina, Serobieularia, Syndosmya und einigen ver- wandten Arten sowie bei Maetra subtruncata. Er stellt aber das 654 Richard Fischer, Fehlen dieser Organe fest bei Mactra stultorum, was ich für Mactra coquimbana bestätigen kann. Dagegen hat er an der dorsalen Seite des inneren Teiles des Branchialsipho eine Sinnesklappe gefunden bei Mactra stultorum, Mactra subtruncata und Mactra antiquata, was er (1911, p. 98) mit den Worten ankündigt: ‚Une veritable valvule siphonale transverse se trouve ä l’interieur du siphon branchial, au cöte dorsal.‘“ Auf Seite 112 weist er nochmals auf das : „‚organe sensoriel du siphon inhalent‘ bei den Mactriden hin und ebenfalls in seinen „Contributions“ (1891, p. 205) mit den: Worten: „........ on voit chez Mactra une lame (ou lobe mince) saillant, porteur de cellules sensorrielles et innerve par le nerf palleal posterieur.‘“ Auch bei Lanc (1900, p. 257) findet sich ein allgemeiner Hinweis auf solche Sinnesorgane. Bei Mactra coquimbana ist die von PELSENEER erwähnte „valvule siphonale‘“ sehr deutlich und typisch. Ich will daher, zumal da genauere Beschreibungen und vor allem Abbildungen fehlen, diesen Befund etwas eingehender erörtern. Man erblickt die Sinneslamelle schon ohne Lupe sehr deutlich, wenn man vom Mantelraum aus in den zurückgezogenen Branchialsipho hinein- sieht, was nach Abtrennung der seitlichen Mantelteile leicht be- werkstelligt werden kann (Textfig. 6). Man sieht alsdann die beiden starken, dreieckigen Siphonretraktoren (Textfig. 67s), die sich vom Mantel (7) deutlich abheben. Sie verbreitern sich nach hinten zu sehr stark und gehen dann in die Muskulatur der zusammen verwachsenen Siphonen über. An dieser Stelle, wo sich also die innere Öffnung des Branchialsiphos befindet, spannt sich die hufeisenförmige Sinneslamelle (sl) vor dem Rande der Öffnung und parallel mit ihm aus. Ihre Insertionslinie (z) zieht sich von der Mantellinie (2) quer über den Retraktor hinweg, um die Öffnung des Branchialsiphos herum, um auf der anderen Seite wieder bis zur Mantellinie herabzusteigen, während die Lamelle selbst mit schwach wulstigem Rande frei in den Raum vor dem Branchialsipho hineinragt. Die Lamelle ist jedoch hinter der Festheftung an der Insertionslinie noch nicht zu Ende, sondern geht in die Haut über, die an die hinteren Ausläufer der Kiemen (JK, AK) stößt und mit diesen die Analkammer von dem Mantel- raum abtrennt (vgl. Abschnitt 7). Kerroc 1890 und Porı (1795) beschreiben bei Mactra solidissima bzw. Mactra neapolitana an dieser Stelle eine Verschlußklappe zur Absperrung des Branchial- siphos. Diese Klappe ist bei Mactra coquimbana, wie auch aus der Abbildung hervorgeht, nicht vorhanden. Die zurückgezogenen Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 655 Siphonen bilden schon durch ihre ineinandergreifenden Querfalten einen ausreichenden Verschluß. Die Beziehung der Sinneslamelle zu den Mantelleisten (mlZ) wurde schon in Abschnitt 2 eingehend erörtert. Was die Histologie (Textfig. 22) der Sinneslamelle anbetrifft, so besteht die Grundsubstanz aus gallertigem Bindegewebe (be), das von losen Muskelbündeln (mw) durchzogen ist. Das einschichtige Epithel ist niedrig und enthält außerordentlich zahlreiche spindel- förmige multipolare Ganglienzellen (gz) mit deutlichem dunkleren Kern, deren feine Nervenfasern miteinander verflochten sind. Dazwischen liegen an der dorsalen Seite zerstreut größere, tief dunkel gefärbte Schleim- zellen (mz). Das Epithel ist an Textfig. 22. Sehr schräg ge- manchen Stellen stark gefaltet. führter Querschnitt durch die : siphonale Sinneslamelle. »z2z Mu- 2. Ösphradium. zindrüsen, gz Ganglienzellen, mu Muskelfasern, dg Binde- Das Osphradium liegt eine gewebe. kurze Strecke vor dem Viszeral- ganglion an dem Branchialnerv. Es ist bei vorliegender Spezies sehr deutlich dadurch ausgeprägt, daß der starke n. branchialis von ansehnlichen Ganglienzellen umgeben ist und das Osphra- dialepithel sich durch seine spindelförmigen Kerne deutlich von dem Körperepithel abhebt. Im Gegensatz zu ersterem war das Körperepithel in allen untersuchten Fällen vom Rumpfe abgelöst. List (1905, p. 237) verweist auf einen Befund PELsEnEERs (1889, p. 534—535) bei Mactra, wonach die Nervenfasern, die ins Osphra- dium eintreten, aus dem Cerebralganglion stammen und fügt hinzu, daß jener, übrigens von keiner Seite bestätigten Angabe, keine Abbildung beigegeben ist. Ich kann dazu ergänzend bemerken, daß PELSENEER eine Beschreibung mit Abbildung in seinen „Con- tributions ä l’6tude des Lamellibranches‘‘ (1891, p. 205) bringt. Den interessanten Befund kann ich jedoch für Mactra coquimbana auch nicht bestätigen. Das Osphradium steht in keinerlei Ver- bindung mit dem Cerebroviszeralkonnektiv. 3. Otocyste (Textfig. 23). Die Otocysten sind sehr deutlich ausgebildet und liegen oberhalb des vorderen Randes des Pedalganglions, ungefähr um 656 Richard Fischer, die Breite desselben voneinander entfernt. Es sind runde, in dorso-ventraler Richtung etwas zusammengepreßte Blasen, die innen ausgekleidet sind mit nicht sehr zahlreichen (auf dem sagittalen Querschnitt habe ich acht Stück angetroffen) Zellen, die den Typus von Sinneszellen haben (Textfig. 23sz) und einen großen Kern besitzen. Sie sind nach dem Lumen der ÖOtocysten zu derartig miteinander verbunden, daß sie einen kleineren Innen- raum abgrenzen, in welchem der große, Textfig. 23. Sagittalschnitt durch Hämatoxylin schwarz gefärbte, durch die Otocyste. 250:1. zum Teil aus organischem Material be- a stehende rundliche Otolith liest. Unter- no Nervus otocysticus. einander und mit der äußeren Oto- cystenwand (on/) sind sie durch Nerven- fasern verbunden. Sehr bemerkenswert ist es, daß jede Zelle mehrere Neuriten hat. Eine Crista acustica oder Wimpern habe ich nicht feststellen können. Der Otocystennerv (no) zweigt sich vom Cerebropedalkonnektiv ab und tritt von der Median- ebene an das Sinnesorgan heran. 10. Parasiten. Die untersuchten Exemplare beherbergten in allen mög- lichen Teilen eine derartig große Menge von Parasiten, daß ich diese nicht unerwähnt lassen möchte. Es handelt sich um Para- siten, die eine Ähnlichkeit haben mit den von STEMPELL (1898, p. 417) bei Leda suleulata erwähnten. Es sind auch hier drehrunde, läng- liche Tiere von 0,24 mm Länge und 0,17 mm Durchmesser. Vorn und hinten sind sie gleichmäßig stark, enthalten zahlreiche Zellen mit großen Kernen und zeigen an einem Ende deutlich zwei Haken- kränze. STEMPELL hält sie für Scolexstadien einer Taenien-Art. Besonders häufig sind sie an der äußeren Wand der Mundsegel, wo sie durch Wucherung des umliegenden Gewebes kleine Er- höhungen erzeugen, in deren Hohlraum sie eingebettet liegen (Finnenblase ?). Einen anderen Parasiten fand ich in großer Menge in Zupf- präparaten aus der Kieme einer größeren Muschel (Textlig. 24). Dieser Parasit dokumentiert sich deutlich als Wimperinfusor, und zwar ist er einem Paramaecium sehr ähnlich. Die Pellicula zeigt ein deutliches Wimperkleid, dessen Wimpern am breiteren Über die Anatomie von Mactra (Mulinia) coquimbana Philippi. 657 Ende etwas länger sind als die anderen. Neben zahlreichen ein- fachen Exemplaren mit deutlichem Kern, zeigten sich auch Exem- plare im Teilungsstadium mit zwei deutlich sicht- baren Kernen und starkem seitlichen Einschnitt. Die Größe des Parasiten betrug 0,1508 mm Länge und 0,058 mm Breite. In einer anderen Muschel fand sich ein größerer Copepode, den ich mehr der Kuriosität halber er- wähne, als in der Annahme, daß es sich um einen ständigen Parasiten handeln könne. Der ca. 0,8 mm ® R Textfig. 24. lange, sehr flache und ca. 0,255 mm breite Krebs Parasitausder hatte zwei wohlentwickelte Fiersäckchen am hin- Kieme. Zupf- teren Ende. Er ist zweifellos zufällig an die Stelle a zwischen Rumpf und inneren Mundlappen geraten, doch ist anzunehmen, daß das verhältnismäßig große Tier dem Wirt mindestens sehr unbequem hätte werden können. 11. Zusammenfassımg der wichtigsten Resultate. Auf Querschliffen durch die Schale zeigen sich in der Mittel- schicht scharf umgrenzte, faserartige, unregelmäßige, doch in der Hauptsache parallel zu den Prismen verlaufende, feine Risse, die wahrscheinlich durch Spannungsdifferenzen in der Schale entstanden sind. Auf dem Mantelrande zieht sich eine stark und lang bewim- perte Zone entlang bis zu einem Mantelleistenpaar hin, das ventral vom Branchialsipho gelegen ist. Die Wimperzone steht im Dienste der „unteren ausführenden Rückströmung“ (Wandströmung, Stenta 1903, p. 213) und ist zu homologisieren mit der von STENTA bei Pinna beschriebenen Zone. Die genannten Mantelleisten dienen außerdem als Regu- lator für die von der Wandströmung unabhängige Hauptströmung. Außerdem veranlassen sie eine intensive Bespülung der am dorsalen Teil des Branchialsiphos liegenden Sinneslamelle, die das Atemwasser zu prüfen hat. Eine reichliche Schleimbildung in den Kiemen wird ermög- licht durch zahlreiche Muzindrüsen, die sich im Epithel der inter- lamellären Brücken sowie in dem der Filamente vorfinden, und zwar im letzteren Falle in einer für die vorliegende Art’typi- schen,fregelmäßigen Anordnung. 658 Richard Fischer, Durch den Aufenthalt der Eier in beiden Halbkiemen wird eine Brutpflege des Tieres angezeigt, die durch sein Vorkommen in kalten Meeresströmungen gerechtfertigt ist. Bemerkenswert ist auch ein zirkumrektaler Muskel- schlauch, der Enddarm und Aorta posterior bis zum Anus um- gibt. Es hat durchweg den Anschein, als ob der Darm innerhalb des Blutgefäßes liege, denn die Wände der ventral von ihm liegen- den Aorta sind nicht scharf umgrenzt, sondern meistens nur durch ein lockeres Bindegewebe, das Darm und Aorta umgibt, bestimmt (vgl. Fig. 12, 13 und 14 und Text). Im vorderen und hinteren Teil des Tieres zeigen die Aorten starke sinusartige Erweiterungen, die das herzugepumpte Blut zu sammeln und dadurch den Blutabfluß zu regeln ver- mögen. Die Kergersche Klappe ist durch ein die Unterlippe mit der dorsalen Sinuswand verbindendes Längsmuskelpaar zu einem sehr vollkommenen Schließapparat ausgebildet. Der sehr langgestreckte Ventrikel (Textfig. 10) zeigt am hin- teren Ende eine deutliche Einschnürung, wie sie von STEMPELL (1893, p. 136) bei Solemya festgestellt und mit Recht in Zusammen- hang mit der sekundären Verlängerung des Körpers nach hinten gebracht wurde. Ein starker dorsaler Nerv führt zu einem zwischen den Kardinalzähnen und dicht vor dem Innenligament liegenden dorsalen Nervenplexus, während ein Ast von ihm unter dem Ligament verläuft und hinter diesem endigt. Der gesamte Plexus steht im Dienste der Perzeption des Druckreizes und ver- vollkommnet die Kontrolle über die Bewegung (Schließen und Öffnen) der Schalen sehr wesentlich. Der merkwürdig gestaltete Nervenapparat scheint zugleich in inniger Beziehung zu stehen zu dem gewaltigen Energieverbrauch durch dauernden Nervenreiz bei der tetanischen Retraktion der Adduktoren. Nicht minder bemerkenswert ist die Ausbildung des buc- calen Nervensystems. Die Buccalganglien sind durch eine subösophagale Kommissur verbunden und innervieren mit je einem starken Nervenstrang die Mundsegel. Ein aller- dings undeutlicher n. sympathicus verläuft dicht unter dem Ösophagus nach hinten. Sowohl mit dem Cerebral- als auch mit dem Pleuralganglion ist das Buccalganglion durch je ein besonderes Konnektiv verbunden, was zugleich ein Beweis für die schon Über die Anatomie von Maectra (Mulinia) coquimbana Philippi. 659 äußerlich deutlich erkennbare Trennung jener beiden Nervenzentren ist. An der Stelle, wo bei einer Reihe von Muscheln mediane Ganglien liegen, nämlich zwischen den Cerebropleuroviszeral- konnektiven in ihrem hinteren Teile, findet sich eine Kommissur, die zu den Gonaden und Nieren führt. 660 1791 1847. 1853. 1854. 1858. 1883. 1884. 1886. 1886. 1887. 1888. 1888. Richard Fischer, Literaturverzeichnis. und 1795. PoL1, Testacea utriusque Siciliae eorumque histo- ria et anatomia, Bd. I u. II. D’ORBIGNY, A., Voyage dans l’Amerique meridionale, Tome V, Straßburg. PnıLıppı, Handbuch der Conchyliologie, Halle. DUVvERNoY, Sur le systeme nerveux des Mollusques ace- phales in: Memoires de !’Acad. Science, Tome XXIV, Paris. MILNE-EDWARDS, Lecons sur la physiologie et l’Anatomie comparee de l’homme et des animaux, Tome III, Paris. LEUNIS-LUDWIG, Synopsis der Tierkunde, Bd. I. SHARP, B., On the visual organs in Lamellibr. in: Mitteil. Zool. Stat. Neapel, Bd. V. THIELE, JoH., Die Mundlappen der Lamellibranchiaten in: Zeitschr. wiss. Zool., Bd. XXIV. 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Zur Morphologie des Oberflächenreliefs der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. Von Dr. med. E. Jacobshagen, Assistent am Anatomischen Institut Jena. Mit 42 Figuren im Text. Einleitung. Der Kopfdarm der Amphibien hat, soviel bisher bekannt ist, bei allen Formen einen Magen an seinem hinteren Abschnitt aus- gebildet. Dieser endet allgemein mit einem Schließmuskel, dem Pylorus. Eine Pylorusklappe sah ich indessen nur bei Siren la- certina. Necturus maculatus und Rana adspersa zeigten erste Ansätze einer solchen. Wo sie fehlt, läßt sich meist aus dem veränderten Schleimhautrelief doch leicht die Grenze zwischen Kopf- und Rumpfdarm feststellen. Nur bei sehr wenigen ist das ohne Untersuchung an mikroskopischen Schnitten nicht ganz einfach. Dazu gehört z. B. Amphiuma. Die Schwierigkeit rührt daher, daß diese wenigen Urodelen ein die Darmdrüsen kryptenartig umfassendes Faltennetz haben, das dem von RATHKE 1824 bei Fischen zuerst beschriebenen Kryptennetz der Magenschleimhaut höchst ähnlich sein kann. Hier muß man sich an das gröbere Relief halten, das, wie in der Pars pylorica der Fische und der meisten höheren Wirbeltiere, bei Amphibien aus ephemeren, unter dem Kryptennetz gelegenen Längswülsten besteht. Im Rumpfdarmanfang setzen sie sich in die konstanten Falten des Netzreliefs fort. Dieser Übergang vollzieht sich nicht ganz plötzlich, ist aber immerhin auch bei großen Tieren auf einen Raum von höchstens 2 mm beschränkt. Im Schnitt ist die Grenze eine haarscharfe, wie bei allen Wirbeltieren. Der nun folgende Rumpfdarm ist von wechselnder Länge und darum ungleichem Verlauf. Der kurze Darm von Siren, Proteus, Amphiuma, Hyla arborea und wenigen anderen ist fast gerade. Bei den meisten ist er länger und darum in einige, 43* 664 Eduard Jacobshagen, bei Cryptobranchus, Megalobatrachus und den meisten Anuren in zahlreiche Windungen gelegt. Konnte ich kürzlich bei Fischen zeigen, daß die Mehrzahl der Rumpfdärme eine ganz gesetzmäßige Lagerung zeigt, die wohl in den engen Bauchhöhlenverhältnissen dieser Tiere ursächlich ihre Ableitung findet, daß nur wenige Formen, wie die Welse etwa, eine regellose Anordnung der Darm- windungen aufweisen, so ist das bei Amphibien anders. Hier ist fast ausnahmslos der Darm regellos angeordnet, was wir uns, ebenso wie bei Welsen, aus der Geräumigkeit der Bauchhöhle erklären können. Der Ductus choledochus mündet fast immer ein ziemliches Stück vom Pylorus entfernt in den Darm. Was die Länge des Rumpfdarms betrifft, so berechnete ich sie bei einer Anzahl auf die Länge der Tiere von der Schnauzen- spitze bis zum Körperende. Da ich bei Urodelen den Schwanz mit einrechnete, darf man die Maße bei Urodelen und Anuren nicht miteinander direkt vergleichen. Die Schwankung der Darmlänge innerhalb beider Gruppen zeigt folgende Zusammenstellung: Urodelen. KL. Anuren. Kl 1. Proteus anguineus 0,47 | 1. Hyla arborea 0,60—0,90 2. Amblystoma mexicanum 0,61| 2. Chorophilus terrarum 0,93 3. Plethodon glutinosum 0,62 | 3. Engystoma carolinense 1,05 4. Spelerpes guttolineatus 0,65 | 4. Acris gryllus 1,09 5. Siren lacertina 0,79| 5. Hyla carolinensis 1,16 6. Salamandra maculata 0,87 | 6. Rana temporaria 1,32 7. Molge cristata 0,95 | 7. Pelobates fuscus 1,33 8. Molge alpestris 0,95 | 8. Rana adspersa 1,36 9. Cryptobranchus allegha- 9. Racophorus leucomystax 1,39 niensis 1,31 10. Megalobatrachus maximus 1,59 | 10. Leptobrachium Hasselti 1,41 11. Hyla aurea 1,65 12. Phrynobatrachus natalensis 1,68 13. Hyla coerulea 1,68 14. Bombinator bombinus 1,72 15. Rana oceipitalis 1,77 16. Microhyla achatina 1,95 17. Rana esculenta 2,07 18. Rana hexadaetyla 2,37 19. Megalophrys montana 2,40 20. Leptodactylus albilabris 2,62 21. Bufo variabilis 2,67 22. Bufo vulgaris 3,04 23. Cystignathus ocellatus 3.23 Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 665 Hinsichtlich der Sonderung des Rumpfdarmes in Mittel- und Enddarm ist zu bemerken, daß oft eine Enddarmklappe fehlt. Das ist der Fall zum Beispiel bei Siren, Necturus, Proteus, Mega- lobatrachus, Cryptobranchus, Batrachoseps, Salamandra, Molge eristata und Waltlii, bei Xenopus, Pelobates und Megalophrys. Nichts desto trotz haben doch fast alle einen Enddarm. Bei Anuren, Cadueibranchiaten und Cryptobranchiaten bezeichnet eine plötzliche Lumenerweiterung die Grenze beider Rumpfdarm- abschnitte. Bei vielen, bei Anuren z. B. immer, ist im Enddarm ein anderes Schleimhautrelief zu finden. Bei Perennibranchiaten ist die Sache aber schwieriger und es scheint in der Tat hier ein Enddarm völlig zu fehlen — ein bei Fischen ja unter den Tele- osteern verbreiteter Befund. Wo ein Enddarm entfaltet ist, ist er verhältnismäßig von ziemlich beträchtlicher Länge. Der Mitteldarm, der nach meinen Messungen den Enddarm bei Knochenfischen 2—20fach an Länge übertrifft — meist 3—10fach —, nach CuvIERs Angaben für die Säugetiere von mir als 1—5mal so lang als der Enddarm be- rechnet wurde, hat bei Amphibien ähnliche Maße. Der Mitteldarm übertrifft den Enddarm bei: 1. Buto vulgaris 27.7.7. 2 Zumodas, 3.21 fache 2 kanastemporatias 2. ur. ame er 5% Bulosvariabilis 2a San ee ih) 4: Spelerpes guttolineatus -. . . x „ 417 „ 5# Salamandra maeulatar. 2. 2,2 77,72.,.54:80 5 6. Cryptobranchus alleghaniensis . „ „ 498 „ Tshioice alnestris, .. a5. una Var san DD, < MolgerAWalchu. Le 2a DOEly la sarah RO I0Sphanazesenlentar 0 ee a N EG 11..Cystisnathus, oeellatus, „2%, 18-91, Über das Vorkommen eines Blinddarmes am Enddarmanfang finden sich viele Angaben. So soll bei Pipa, Salamandra und einigen Bufonen ein Coecum zu finden sein. MECKEL bestritt das für Pipa, ich möchte es auch für die anderen tun. Ich bin der Meinung, daß man zu weit geht, wenn man die bisweilen sichtbare kleine, kranial gerichtete Ausbuchtung (von HALLER von Salamandra wohl falsch abgebildet — wenigstens habe ich bei zahlreichen untersuchten Salamandern keinen solchen Befund er- hoben) als Blinddarm bezeichnet. Diese von mir auch mal bei 666 Eduard Jacobshagen, einem Exemplar von Hyla arborea gesehene Ausbuchtung möchte ich im Gegensatz zu GEGENBAUR — mit dessen Angaben meine Beobachtungen bei Amphibien überhaupt vielfach nicht passen wollen — doch als rein funktionell bedingte zufällige Bildungen ephemerer Natur ansehen. Wo ich „Blinddärme“ sah, war allemal der Enddarmanfang prall mit Inhalt gefüllt, niemals leer. Die Ausdehnung der runden Kuppe zwischen die dorsalen Mesenterial- blätter scheint mir aber kein Argument gegen meine Annahme zu sein, wie GEGENBAUR meint. Schwerlich ist zwischen den Mesenterialblättern ein erheblicher Widerstand zu finden, während es auf der Hand liegt, daß die ventral gelegene, mächtige Harn- blase der Urodelen im gefüllten Zustand stark auf den Darm- inhalt in dorsaler oder richtiger in dorso-anteriorer Richtung drücken muß, was leicht am Enddarmanfang zu einer Ausbuchtung des Lumens in jener Richtung führen kann. Die Homologi- sierung des Enddarmes der Amphibien aber mit dem der Selachier und der fingerförmigen Drüse mit dem angeblichen Amphibien- blinddarm, wäre wohl noch einmal gründlich zu überlegen. Auf diesen schwierigen Punkt gehe ich einstweilen nicht ein, betone hier nur die Fragwürdigkeit dieser Homologie und, daß diese Hombologisierung der Enddärme uns ja auch noch nicht berechtigte, die Glandula digitiformis der Selachier unbedingt bei den Amphi- bien im Rudiment wiederfinden zu müssen. Der Enddarm ist oft birnförmig, wobei die weiteste Stelle nahe der BauHinschen Klappe, die engste in Afternähe liegt. Das ist im ganzen ein Funktionszustand. Den Enddarm- anfang trifft man bei den meisten Amphibien gewöhnlich mit Inhalt stark angefüllt, seine Wände sind dünn und gespannt, sein Relief ist glatt, während das enge Endstück leer ist und sein Schleimhautrelief höher. Bei leerem Darm ist die bezeichnete Form so gut wie gar nicht sichtbar. Der Darm hat allgemein fast eine dünne Muskulatur. Nur bei Siren fand ich sie kräftiger. Sie besteht aus einer inneren Ring- und äußeren Längsmuskel- schicht, deren Elemente glatte Muskelzellen sind. Die Schleim- haut aller Urodelen besitzt LIEBERKÜHNSche Drüsen. Anuren und Gymnophionen fehlen sie. Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 667 Beil T. Beschreibung der Rumpfdarmreliefs. A. Ordnung der Apoda. 1. Unbestimmtes Tier, Caecilia ähnlich. Es fehlt eine Pylorusklappe, im übrigen ist die Grenze von Kopf- und Rumpfdarm aber doch leicht zu finden. Auch eine BaunHInsche Klappe fehlt und zugleich jede Ab- grenzung eines Enddarmes. Den ganz einheitlichen, ziemlich dünn- wandigen Darm bedeckt ein ein- faches, niedriges Netzwerk von glattrandigen Falten. Seine Ma- schen haben bald längliche, bald rundliche, bald mehr polygonale Form und zwar ist die Verteilung dieser Formen ganz gesetzlos. Bei gleichmäßiger Darmfüllung scheint das Netz ziemlich gleich hoch von Anfang bis zum Ende zu sein. Sehr auffallend ist die Tatsache — die ich bei hunderten von untersuch- ten Teleosteern niemals gesehen : hihi == daß) die, Erniedrieung oe des Reliefs an Darmstellen praller Füllung bis zum völligen Schwund des ganzen Reliefs sogar nahe dem Rumpfdarmanfang führen kann. Im übrigen verweise ich auf Textfig. 1. In der Literatur vermisse ich alle Angaben über das Relief von Gymnophionen. B. Ordnung der Caudata. 1. Familie: Sirenidae. a) Siren lacertina. Ich sah eine unbedeutende Pylorus- klappe; indessen habe ich bei zwei Exemplaren eine Enddarm- klappe vermißt, wie auch CUVIER und MECKEL. Eine Enddarm- grenze fehlt, wenngleich eine eigenartige Anfüllung des letzten 665 Eduard Jacobshagen, Sechstels des Darmes eines Exemplars äußerlich das Bestehen eines Enddarmes hier anzudeuten schien. Das Relief ist höchst sonderbar. Anfangs begegnet man einem Netzwerk von Falten, dessen polygonale Maschen bei einem der Exemplare an der dorsalen Darm- wand über der Linie des Mesen- terialansatzes und von da auf die lateralen Teile übergreifend stark quergezogen sind. Die Falten des Netzes sind ziemlich hoch und schmal und legen sich unter dem Druck der über sie vom Magen her kaudal sich fortbewegenden Speisemengen mit dem freien Textfig. 2. Relief des Rumpfdarm- Rande nach hinten (s. Textfig. 2). a ehe 3, Dieser Rand ist nun nicht glatt sondern besonders an Quer- und Schrägfalten, selten an Längsfalten, mit zungenartigen Fortsätzen versehen. Meist sind es drei bis vier, die von je einer Maschen- wand sich erhe- ben. Die Aus- dehnung des eben beschrie- benen Reliefs kommt im Höchstfalle ei- nem Zwölftel der Rumpfdarm- länge gleich. Wo in diesem ersten Abschnitt dorsal und lateral die Maschen eine quergestreckte, schmale Form n ee ; - & ngenommen Textfig. 3. Relief des Rumpfdarmanfanges eines zweiten as Exemplares von Siren lacertina mit viel höheren zungen- haben, pflegen förmigen Fortsätzen. (Leitz Obj. 1, Ok. 2.) an den Stellen auch viele unvollständige Maschen sich zu zeigen, deren längste Achse dabei die der ventralen Maschen weit übertrifft. Die Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 669 Unvollständigkeit der Maschen geht besonders aus einer Rück- bildung schräger und längsverlaufender Falten hervor, seltener aus einer kleinen Unterbrechung der Querfalten. Wie an der Dorsalseite gehen auch hier Fortsätze von den Faltenrändern aus, aber sowohl die Falten als auch die Fortsätze sind ventral sehr viel niedriger ge- worden. In den seitlichen Teilen zeigen sich Übergänge. Den auf dieses erste Darmstück fol- genden Abschnitt können wir mit der ventralen Darmwand des ersten bei dem einen meiner Exemplare hinsichtlich seines Reliefs vergleichen. Ziemlich Textfig. 4. Verschwinden der Fort- sätze im Relief des zweiten Exemplars von Siren lacertina. (Leitz Obj. 1, 0k.2.) dichtstehende, flache Querwülste von welligem Verlauf, die vielfach noch geschlossene Netzmaschen bilden, charakterisieren das Relief, das mit dem des ersten Stückes sich in derselben Weise verbindet, wie der ventrale und dorsale Re- liefteil des einen untersuchten Tieres, fließende Übergänge! Die- ses Relief (Text- fig. 4 und 5) wird nun rasch flacher und macht sehr bald schon den Ein- druck eines ganz ephemeren Ge- bildes, das es schließlich auch in der Tat ist, denn ich sah es an stark mit Darminhalt gefüllten Stellen völlig verstrichen und mit keiner Mikroskopvergrößerung mehr nach- Dexter >. Rumpfdarm von Siren lacertina. Relief der Querwülste aus dem hinteren (Leitz Obj.71, 022.) 670 Eduard Jacobshagen, weisbar. Diese Beobachtung konnte ich an verschiedenen Stellen beider Exemplare machen. Die oben beschriebenen Querwülste haben keine Fortsätze mehr, wie das Relief des Darmanfangs. Gegen den zweiten Abschnitt hin verliert sich die Fortsatzhöhe vielmehr sehr rasch bis zu völligem Schwinden. Fortsätze tauchen bis zum After auf dem sich gleichbleibenden Relief auch nicht wieder auf. Gegenüber dem Gymnophionen haben wir also die Tatsache zu beachten, daß das Relief des Rumpfdarmanfangs weit verwickelter ist als das des späteren Abschnittes.. Ein völliges Verstreichen des Reliefs am Darmanfang ist ganz ausge- schlossen, in den kaudalen Teilen tritt es dagegen leicht ein. Nun ist aber das Relief von Siren damit noch nicht fertig be- schrieben. Wir haben nämlich hier noch eine feinere Bildung zu unterscheiden, ein zartes, engmaschiges Netzwerk, das sich vom Pylorus bis zum After nachweisen läßt. Es ist äußerst flach und hat kleine runde Maschen, in deren Tiefe die LIEBERKÜHNSchen Drüsen liegen. Dieses Relief, das dem von RATHKE 1824 zuerst beschriebenen Faltennetz, das die Magenkrypten umspinnt, höchst ähnlich ist, dient offenbar, wie ich schon 1911 (Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer Teil I, Jen. Zeitschr., Bd. XLVII, N. F. 40, p. 563, 564) andeutete, als ein besonderer Sicherungsapparat der Drüsen gegen (Quetschung bei starken Füllungszuständen des Darmes. Eine Verschiedenheit dieses Reliefs in den einzelnen Darmteilen war nicht zu erkennen. Es bedeckt gleichmäßig, ohne je Fortsätze auszusenden, die ge- samte freie Darmoberfläche, so auch die zottenartigen Fortsätze im ersten Anfang. MECKEL zitiert eine Angabe CUVIERS, nach dem die Darm- schleimhaut schuppenförmige Warzen bilde. Das kann sich natür- lich nur auf das Relief des ersten Darmanfanges beziehen. 2. Familie: Proteidae. a) Necturus maculatus. Eine deutliche Pylorusklappe fehlt, wenn auch schwache Querfältchen im Relief eine scharfe Grenze markieren können. Bei mehreren untersuchten Tieren wurde eine Enddarmklappe stets vermißt. Das Relief wird von einem Netz gebildet, dessen Maschen meist stark längsgestreckt sind, und in dem stets Längsfalten sehr überwiegen. Etwa 16 solcher Falten trifft man an einem Querschnitt. Alle Längsfalten sind schmal, mittelhoch und glattrandig, die Schräg- und Querfalten dagegen sind mehr leistenartig flach und treten nur im hinteren Darm- Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. sechstel, wenn es leer ist, wirklich kräftig hervor. 671 Gewöhnlich ist das Relief in ganzer Darmlänge fast genau gleich hoch, ein ziemlich großes Exemplar zeigte im ersten Darmanfang einige kurze, lappenartige Fortsätze von den Längsfalten aus- gehend. Das auch hier be- stehende feine Drüsennetz hat etwas weitere Maschen und ist ungemein flach. b) Proteus anguineus. Eine Pylorusklappe fehlt, ebenso eine Enddarmklappe oder eine anderweitige Grenze des Enddarmes. Zwei Exem- plare wurden untersucht. Wie bei Siren und Necturus be- steht ein grobes Netz und ein zartes Drüsenmaschen- werk. Auch hier überwiegen im Hauptnetz die Längsfalten Textfig. 6. Rumpfdarmes Relief vom Anfang des von Proteus anguineus. (Leitz Obj. 2, Ok. 2.) an Höhe. Es sind ihrer nur etwa sechs, deren jede aber nicht etwa vom Rumpfdarmanfang bis zu seinem Ende reicht. Sie enden vielmehr nach einer gewissen Zeit und in ihrer Nähe setzt eine zweite sich zum After fort. Die Häufigkeit schräger und querer Falten ist örtlich und individuell verschieden, anfangs jedoch am größten. Die Höhe des Haupt- reliefs ist weitgehend von der Darmfüllung abhängig, scheint aber fastim Anfang nicht höher zu sein als am Ende, solange der Darm ganz leer ist. Das feine Drüsennetz erinnert recht an Si- ren,ist aber wohl eine Spur höher. Die Falten des groben wie des feineren Reliefs sind glattrandig. MECcKEL fand im ganzen Relief aus dem zweiten Textfig. 7. Rumpfdarmdrittel von Proteus angui- neus. (Leitz Obj. 2, Ok. 2.) Darm ansehnliche, dichtstehende Längsfalten, die besonders im vorderen Teil des Rumpfdarmes unter spitzen Winkeln unter- einander zusammenfließen. Das feine Netz übersah MECKEL. 672 Eduard Jacobshagen, 3. Familie: Amphiumidae. a) Megalobatrachus maximus. Pylorus- und Enddarm- klappe fehlen. Da ich nur ein Exemplar untersuchen konnte, lasse ich die Frage offen, ob die von mir gefundene ziemlich plötzliche Lumenerweiterung nahe dem Darmende als End- (larmgrenze tatsächlich gelten (larf. Das Relief ist ein Doppel- netz und erinnert an Proteus. Indessen überwiegen die Längs- falten im Hauptrelief nicht so stark und es ist auch höher und gleichmäßiger entfaltet. Allein schon kurz vor der Mitte des Darmes treten die Schräg- und Querfalten an Höhe zurück Textfig. 8. ReliefausdemMitteldarm- und schwinden bald fast restlos, anfang N (Leitz co daß nur Längsfalten im Hauptrelief bestehen. An der vielleicht als Enddarm anzusprechenden plötzlichen Lumenerwei- terung endeten diese Längsfalten sehr rasch, fast wie abgeschnitten. Textfig. 9. Relief der Mittel- Textfig. 10. Relief der „End- darmmitte von Megalobatrachus. darm“grenze von Megalobatra- (Leitz Obj. 1, Ok. 2). chus. (Leitz Obj. 1, Ok. 2.) Von da an fehlt jede Spur eines groben Reliefs. Nur einzelne grobe, längsgerichtete Kontraktionsrunzeln unbeständiger Natur - Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 673 sah ich da, die am Darmende allerdings zuletzt in konstante, ansehnliche Längsfalten übergingen. Ob der „Enddarm“ freilich nicht durch starke Füllung nur künstlich erzeugt war, will ich nicht außer Diskussion gestellt wissen. Das feine Drüsennetz ist sehr deutlich und zart und bedeckt gleichmäßig die ganze Schleim- hautoberfläche. b)Cryptobranchusalleghaniensis. Während auch hier eine Pylorusklappe fehlt, sah ich eine Enddarmgrenze in Gestalt eines minimalen ringförmigen Schließmuskels angedeutet. Das Relief wird von einem ziemlich flachen Faltennetz gebildet, dessen freie Ränder glatt sind. Seine Maschen sind unregelmäßig polygonal und nicht immer ganz geschlossen. Sie sind ziemlich weit. Schon am Anfang überwiegen die Längsfalten durch ihre Höhe, wenn- gleich nicht an jeder Stelle dieser Unterschied sehr deutlich ist. Aber bald treten die Schräg- und Querfalten an Höhe sehr zu- rück und späterhin bestehen bei flüchtiger Betrachtung nur Längsfalten. Dieses bedeutende Nachlassen der Höhe der queren Verbindungen setzt schon kurz vor der Mitte des Mitteldarmes ein und zwar erst unregelmäßig, nur an einzelnen Orten, dann allgemein. Die flachen, übriggebliebenen Reste aber stellen nur noch zarte Leistehen dar, die einen rein queren Verlauf besitzen, und im letzten Darmdrittel dann allmählich überhaupt verschwinden. Aber auch die Höhe der Längsfalten hat in kaudaler Richtung nicht unerheblich abgenommen und sie verschwinden am Mitteldarn- ende. Im Enddarm, der bei meinem Exemplar stark gedehnt ist, bestehen nur einzelne flache Längsfalten, die an einer weniger erweiterten Stelle deutlich zu einem einfachen Netz verbunden sind. Außer diesem Relief findet sich im Mittel- und Enddarm auch das feine Drüsennetz, das sich an die Quer- und Schräg- fältchen des Mitteldarmreliefs direkt anschließt. Auch seine zarten Leistchen haben keinerlei Fortsätze. Dies feine Netz besitzt im Enddarm etwas weitere Maschen. c) Amphiuma means. Eine Pylorusklappe kommt nicht vor, eine echte Enddarmklappe sah ich nicht. Das Endstück des Darmes war ziemlich plötzlich erweitert und zeigte abweichenden Reliefbefund. Ich kann aber aus Mangel an Material es nicht als ausgeschlossen betrachten, daß ein echter Enddarm fehlt und das, was ich sah, nur ein Zustandsbild darstellte.e Auch hier ist das Relief ein Netz, das dem der zuletzt beschriebenen recht ähnlich ist. Die Längsfalten sind ziemlich hoch, schmal und glatt- randig, oder auch mit flachen Einkerbungen versehen und über- 674 Eduard Jacobshagen, treffen überall die zarteren Schräg- und Querfalten ganz erheblich. Die Maschen sind sehr langgestreckt. Das feine Drüsennetz geht von den zarten Seitenfältchen aus, reicht an den lateralen Flächen der Längsfalten aber nicht bis zur Kuppe. Im „Enddarm“ traf ich kein konstantes grobes Netz. Hier fanden sich statt dessen unregelmäßige, quere und winklig gebogene, nach vorn konvexe Wülste vergänglicher Art, die recht dicht standen. Das etwas weitmaschiger gewordene Drüsennetz bedeckte diese Wülste voll- kommen. Erst in den beiden letzten Fünfteln des „Enddarmes“ tauchte ein konstantes Relief, dem Hauptrelief des Darmanfangs vergleichbar, auf, das sich an die obersten Enden der ephemeren nach hinten gerichteten Wülste direkt anschließt und eins der zahlreichen Beispiele für die bei Amphibien noch so oft nicht erreichte Konstanz des Rumpfdarmreliefs abgibt. Es finden sich hier Längsfalten ansehnlicher Höhe, deren freier Rand ebenso wie im „Mitteldarm“ nicht von dem feinen Drüsennetz bedeckt ist. Dies verschwindet gegen die Faltenkuppe hin. 4. Familie: Salamandridae. a) Amblystoma mexicanum. Eine Pylorusklappe vermißte ich stets, bei einem Tier auch die Valvula Bauhini, die ich bei zwei anderen aber wohl entwickelt sah. Im Mitteldarm besteht ein Netz. Anfangs sind seine Maschen langgestreckt und voll- ständig. Die an Höhe überragenden Längsfalten sind am freien Ende leicht wellig gekraust. Rasch ändert sich dies Bild. Die Längsfalten zeigen hin und wieder kurze Unterbrechungen, die Schräg- und Querfalten werden niedriger und bilden sich zurück, und bald bestehen nur noch Längsfalten. Dicht vor dem End- darm sah ich bei zwei Exemplaren aber dann nochmals Schräg- und Querfalten auftreten, sogar häufig und ansehnlich werden. Im Enddarm findet man ephemere Längsrunzeln. Durch den ganzen Rumpfdarm verbreitet sich zudem ein feines Drüsennetz, das aber am Darmanfang entschieden etwas höher ist als später. Es bedeckt alle Falten mit. b) Plethodon glutinosum. Hinsichtlich der Klappen herrschen die gleichen Zustände wie bei Amblystoma. Das Haupt- relief ist dasselbe wie bei Amblystoma, nur sind die Schräg- und Querfalten häufig unvollständig, werden rascher niedrig und ver- schwinden noch eher, und gänzlich. Das Drüsennetz ist weit- maschiger und bedeckt die Faltenkuppen nicht. Es lehnt sich an die Seitenflächen der Falten des Hauptreliefs an. Im Enddarm be- “ Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 675 steht das feine Relief unverändert fort, wogegen zwei Exemplare vom Hauptrelief kaum mehr etwas erkennen ließen. Beide End- därme waren mit Inhalt stark gefüllt gewesen. c) Batrachoseps attenuatus ließ keine Trennung des Rumpfdarmes in Mittel- und Enddarm erkennen. Das Relief ist ein glattrandiges, ziemlich hohes, langgestrecktes Netz, in dem Längs- falten vorherrschen. Die Maschen des feinen Netzes sind ver- hältnismäßig weit und rund, auch sind die sie umgrenzenden Falten höher als bei vielen anderen Urodelen. d) Spelerpes guttolineatus hat einen ringförmigen Schließmuskel an Stelle derEnddarmklappe. Eine Pylorusklappe fehlt. Das Relief erinnert ganz an die vorigen. Nur ist der Rand der Längsfalten des Hauptnetzes im ersten Mitteldarmdrittel mit breit zungenförmigen Fortsätzen ausgerüstet, deren Höhe kaudalwärts rasch abnimmt. Auch die Längsfalten werden bald flacher, die Schräg- und Querfalten treten ganz zurück, so daß zuletzt fast nur Längsfalten zu finden sind. Im Enddarm sah ich nur regel- lose ephemere Wülste, ein Drüsennetz sah ich nur stellenweise. Meine Präparate waren aber mäßig. Jedenfalls wird es überall be- stehen. e) Spelerpes bilineatus zeigte eine flache BAuHınsche Klappe und sonst gleiche Befunde wie guttolineatus. Auch hier konnte ich über das Drüsennetz leider keinen sicheren Befund erheben. f) Desmognathus brimleyrium besitzt eine flache End- darmklappe. Das Relief ist im Mitteldarm ein schönes Doppelnetz. Im Hauptnetz sind die Maschen langgestreckt und die sie be- grenzenden Falten haben glatte freie Ränder. Die Faltenhöhe ist anfangs beträchtlich, flacht rasch ein Stück ab und bleibt von da an gleich. Im Enddarmanfang sieht man fast nur flache Längsfalten, rasch aber folgt dann ein niedriges einfaches Netz mit leicht quergestreckten, rundlich-polygonalen Maschen, die anal- wärts allmählich in längsgestreckte übergehen. Zum Schluß werden die Querfalten spärlich. Vom Hauptnetz ausgehende zarte Fältchen bilden im Mittel- und Enddarm ein Drüsennetz, das ganz an das von Triton alpestris erinnert. g) Salamandra maculata hat keine Pylorusklappe. Eine plötzliche Lumenerweiterung des letzten Darmfünftels dürfte aber wohl mit einiger Sicherheit dem Enddarm entsprechen. Das Relief stimmt mit dem der anderen Salamandriden ziemlich über- ein. Bei manchen Exemplaren sind die Hauptmaschen sehr lang- 676 Eduard Jacobshagen, gestreckt, die Längsfalten fast allein deutlich. Meist ist das Hauptrelief ziemlich flach. Merkwürdigerweise traf ich nicht im ersten, sondern nur im letzten Mitteldarm- drittel bei mehreren untersuchten Exem- plaren die sonst immer glatten Faltenränder mit zierlichen lappigen, wohl auch einmal kurz zungenförmigen Fortsätzchen versehen, die im Enddarmanfang aber sogleich ver- schwinden. Das feine Netz lehnt sich an die Flächen der Längsfalten an, deren Kuppe es indessen, wie bei manchen anderen Urodelen, nicht bedeckt. Im Enddarm ist ddas Relief sonst wie im Mitteldarm, nur trifft man unter dem konstanten Relief ge- wöhnlich einzelne ephemere Runzeln. h) Salamandrina perspicillata zeigt gleichen Befund. Textfig.. 11. Relief : en . „ine a i) Molge cristata stimmt völlig von Salamandra macu- mit alpestris überein, nur schien mir das Jain. Drüsennetz eine Spur weitmaschiger zu sein. Die Abgrenzung des Enddarms stimmt im Gegensatz zu alpestris mit der von Salamandra überein. Textfig. 12. Mitteldarmrelief von Textfig. 13. Enddarmrelief Molge cristata. (Leitz Obj. 2, . von Molge cristata. (Leitz. OK. 2). Obj. 2, Ok. 2). k) Molge alpestris. Eine Pylorusklappe fehlt. Eine unbe- deutend erhöhte Netzquerfalte von unregelmäßigem Verlauf bildet Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 677 die erste Andeutung einer Valvula Bauhini. Der Enddarm zeichnet sich durch größeres Kaliber aus. Das Mitteldarmrelief wird zu- nächst von einem grobmaschigen Netz gebildet, in dem, wie bei allen Urodelen, die Längsfalten sich durch besondere Höhe und geraden Verlauf auszeichnen. Anfangs ist der Höhenunterschied von Längs-, Schräg- und Querfalten gering, wird aber rasch sehr ausgeprägt durch starke Höhenabnahme der Schräg- und Quer- falten. Die Höhe der Längsfalten nimmt im Mitteldarm kaum ab. Im Enddarm sah ich bei einem Exemplare ein Netz, ähnlich wie im Enddarm von M. cristata (Textfig. 15), bei einem zweiten dagegen war von Schräg- und Querfalten so gut wie nichts zu sehen, nur parallele, schmale Längsfalten von ansehnlicher Größe zeigten sich. Im Mittel- und Enddarm besteht zudem ein feines Drüsennetz, wie es in Textfig. 12 u. 13 von Molge cristata dar- gestellt ist. Bei M. alpestris zeigte ein Exemplar im Mitteldarm ein weitmaschigeres Drüsennetz. Aus ihm gehen Fortsätze nicht hervor, seine Falten sind stets glattrandig. e) Molge viridescens zeigte im ganzen gleichen Befund. Die Längsfalten im Hauptnetz waren anfangs leicht geschlängelt und zeigten manchmal bis zur Basis durchgreifende schmale Ein- schnitte. Da ich nur ein Exemplar untersuchte, kann ich nicht sicher sagen, ob das ein konstanter Unterschied gegen die beiden vorigen Molge-Arten ist. m) Molge Waltlii besitzt auch keine BauHınsche Klappe, sondern nur die plötzliche Enddarmerweiterung. Das Relief er- innert ganz an die vorigen. Im Mitteldarm sah ich die Längs- falten nur zu Anfang ein Stück an Höhe abnehmen, dann blieben sie gleich. Während ein Tier, in dessen Enddarm ich viel Sand fand, nur unverbundene Längsfalten hier zeigte, waren die Zu- stände eines zweiten mit denen von cristata identisch. Das sekundäre, feine Netz verhält sich wie bei den übrigen. C. Ordnung der Ecaudata. I. Unterordnung: Aglossa. 1. Familie: Pipidae. a) Pipa americana hat nach MECcKEL im Mitteldarm überall dichtstehende, niedrige Längsfalten, die nur im Dickdarm etwas niedriger sind und längliche Maschen bilden. Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 4 678 Eduard Jacobshagen, 2. Familie: Xenopodidae. a) Xenopus Muelleri hat keine Pylorusklappe. Auch eine eigentliche Enddarmklappe fehlt. Indessen lößt sich am Mittel- darmende jede Längsfalte in zwei feine Leistchen auf, die sich bogenförmig zu den entsprechenden Leisten der benachbarten Falten hinüberziehen und sich mit ihnen in der Mitte vereinen. Im Anfang des Mitteldarms besteht das Relief aus einem ein- fachen Netzwerk schmaler, glattrandiger Falten mittlerer Höhe. Seine unregelmäßig gestalteten Maschen sind längsgestreckt. Sehr rasch aber treten in diesem Netz einzelne quere Falten durch ansehnlichere Höhe hervor und gleich danach überwiegen alle Querfalten an Höhe. Diese Querfalten verlaufen nicht gerade, sondern mehrminder stark zickzackförmig, wobei die nach vorn konvexen Faltenwinkel etwas größere Höhe haben. Wie spitz die Winkel der queren Zickzackfalten des Netzes sind, hängt stark ab vom Füllungszustand des Darmes. Bei leerem Darm ist der Winkel sehr spitz, bei stark gefülltem besteht eine fast ge- rade Querfalte. Dies Relief flacht nach und nach ab bis zum Mitteldarmende und zuletzt treten die Längsfalten des Netzes gegen die Querfalten in den Vordergrund, da ihre Höhe sich erhielt und leicht zunahm, als die anderen Falten flacher wurden. Unmittelbar vor dem Enddarm fehlen Querfalten bereits gänzlich. Im Enddarm besteht ein einfaches, glattrandiges Netzwerk, in dem hin und wieder einzelne Längsfalten besondere Höhe er- reichen. Die Maschen sind meist langgestreckt rechteckig, einige auch mehr rundlich. Dicht vorm After wird das Relief höher. Das ganze Relief ähnelt sehr dem von Rana (s. dort). II. Unterordnung: Phaneroglossa. 1. Familie: Discoglossidae. a) Bombinator bombinus. Es findet sich eine flache, zarte, glattrandige Enddarmklappe. Ein einfaches Faltennetz mit un- gleich hohen Falten bedeckt den Mitteldarmanfang. Sehr bald schon ändert sich in kaudaler Richtung dies Bild. Nur Längs- falten behalten eine ansehnlichere Höhe und alle Falten verlaufen entweder längs oder quer und nicht mehr in allen möglichen Rich- tungen. Zugleich werden die Netzmaschen enger (s. Textfig. 14 und 15). Im Enddarm sind die wieder geräumigeren Maschen polygonal, an einzelnen Stellen auch rundlich. Das nicht hohe Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 679 Relief dieses Abschnitts läßt einige Längsfalten im Netz hervor- treten, ganz besonders geschieht dies nahe dem Darmende. Hier Textfig. 15. Relief aus dem Mitteldarmende von Textfig. 14. Relief vom Mitteldarmanfang von Bombinator bombinus. Bombinator bombinus. (Leitz Obj. 1, Ok. 3.) (Leitz Obj. 1, Ok. 3.) bestehen ansehnliche, schmale Längsfalten, während zugleich die Querfalten an Höhe sehr zurücktreten. 2. Familie: Pelobatidae. a) Pelobates fuscus. Der Knoblauchkröte fehlen Pylorus- und Enddarmklappe. Ein plötzlich gedehntes Endstück kann wohl als Enddarm angesehen werden. Ähnlich wie bei Xenopus bald hinter dem Mitteldarmanfang besteht hier von vornherein ein einfaches Netz, in dem quere Zickzackfalten durch größere Höhe auffallen (Textfig. 16). Aber charakteristischerweise zeigen sie immer Unterbrechungen an einigen Stellen. Nur ein wenig hinter dem Rumpfdarmbeginn haben diese Unterbrechungen dann einen solchen Grad erreicht, wie ihn Textfig. 17 darstellt, nur an den Netzecken ist ein Rest der hohen (Querfalten erhalten geblieben in Gestalt zungenförmiger Fortsätze. Die übrigen Faltenteile sind als unbedeutende Leisten, wie man sieht, zurückgebildet, die an einzelnen Stellen sogar auch noch geschwunden sind, so daß dann isolierte Fortsätze angetroffen werden! An einzelnen Stellen haben sich auch wohl nur Längsleistchen erhalten. Betrachten wir den Darm ein Stückchen weiter kaudalwärts, so sehen wir die etwas höher gewordenen zungenförmigen Fortsätze, deren 44* 680 Eduard Jacobshagen, Basis quer steht, zu Längsreihen angeordnet (Textfig. 18). Kurz vor der Mitteldarmmitte beginnt die Höhe der Fortsätze abzunehmen Textfig. 16. Relief nahe hinter dem Textfig. 17. Relief von Pelobates Mitteldarmanfang von Pelobates fus- ein wenig später. (Leitz Obj. 2, eus., (Beitz’ Obj.,2, Ok. 3) Ok. 2.) und es bahnen sich wieder Zustände an, die zum Faltennetz über- leiten. Die Fortsätze sind zwar viel niedriger, aber breiter ge- Textfig. 18. Relief gegen die Mitte- Textfig. 19. Relief aus der Mittel- darmmitte zu von Pelobates. (Leitz darmmittte von Pelobates fuscus. Obj. 2, Ok. 2.) (Leitz Obj. 2, Ok. 2.) worden und ihre Basis ist oft nach vorn konvex oder geradezu winklig geknickt, ähnlich wie im Anfang des Darmes. Dazu stellen Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 681 sich die größtenteils geschwundenen Längs- und Schrägleisten wieder zwischen ihnen her. Ein eigenartiges Bild jener Zone ist in Textfig. 19 dargestellt. Auf der rechten Seite sieht man solche mit der breiten Basis nach hinten umgeknickte niedrige Fortsätze und sieht durch sie der Länge nach bereits eine Verbindungsfalte auftreten, die weiterhin eine Längsfalte im Netzrelief wird. In der Mitte sieht man eine isoliert auftauchende Längsfalte, links ähnlichen Befund wie rechts. Nach raschem Wiederauftreten von Netzteilen und weiterer Abflachung der Fortsatzhöhe entsteht dann ein regelrechtes Netzrelief eine kurze Strecke hindurch und dann schwindet auch dies fast ganz oder überhaupt ganz und im letzten Mitteldarmviertel ist die Schleimhaut oft glatt. Im er- weiterten Enddarm sah ich nur Andeutungen eines ganz flachen einfachen Netzes. b) Leptobrachium Hasselti hat auch keine Pylorusklappe und erinnert hinsichtlich des Reliefs an Pelobates. Anfangs be- Textfig. 20. Relief aus dem Mittel- Textfig. 21. Relief aus dem zweiten darmanfang von Leptobrachium Fünftel des Mitteldarms von Lepto- Hasselti. (Leitz Obj. 2, Ok. 2.) brachium. (Leitz Obj. 2, Ok. 2.) steht ein einfaches Netz, aber es besteht nur äußerst kurze Zeit, nur ein bis zwei Maschen lang. Die Faltenränder sind leicht ge- kräuselt und mit allerlei kurzen Fortsätzen versehen. Rasch löst sich dies Netz auf, indem seine Wände Unterbrechungen erfahren, die aber nicht vorwiegend die Querfalten betreffen, sondern ebenso alle anderen Falten, deren Reste nun auch Fortsätze tragen. Weiterhin, etwa im Anfang des zweiten Mitteldarmfünftels, be- 682 Eduard Jacobshagen, ginnen dann die Querfalten sich wieder herzustellen (Textfig. 21), während die Längsfaltenreste noch fortbestehen in Form spitzer zungen- oder dornartiger Gebilde, die stets zarter als die Quer- falten sind. Weiter 'kaudal trifft man wieder ein ähnliches Netz wie im ersten Darmanfang, das aber schon kurz vor der Mitte des Mitteldarmes sich abflacht. Die Fortsätze bilden sich zurück und schwinden dann ganz, Längsfalten werden höher, die rein queren Verbindungen zwischen ihnen sind sehr niedrig und hören bald ganz auf. Hinter der flachen Baunınschen Klappe war die Schleimhaut des sehr stark mit Inhalt gefüllten Enddarmes vollkommen glatt, ein Befund, den ich bei Fischen 'niemals 'er- hoben habe! . | c) Megalophrys montana. Auch hier fehlt eine Pylorus- klappe. Das Darmrelief ist dem von Pelobates verwandt, aber Textfig. 22. Mitteldarmrelief von Textfig. 23. Relief aus dem mittleren Megalophrys nicht weit hinter dem Mitteldarm von Megalophrys montana. Pylorus. (Leitz Obj. 1, Ok. 2.) (Leitz Obj. 1, Ok. 2.) einfacher gestaltet. Es wird von einem einfachen Netz mit ziemlich weiten, ungleichen, rundlichen Maschen gebildet, die im ersten Anfang längs, dann aber sogleich quergezogen sind. Hier sind dann auch die Querfalten gewöhnlich durch etwas größere Breite und Höhe ausgezeichnet. Fortsätze gehen sehr selten einmal vom freien Faltenrand des wenig hohen Reliefs aus. Wo sie vorkommen, sind sie auffallend niedrig, Etwas mehr kaudalwärts werden die Querfalten nur streckenweise beträchtlich höher und zeigen immer an Maschenecken ihre höchste Erhebung. Außer- Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 683 ordentlich schreitet die angedeutete Differenzierung im Relief voran, während zugleich eine starke Abflachung der nicht erhöhten Falten zu unbedeutenden Leisten parallel geht. So entsteht ein Bild wie in Fig. 23. Später nimmt auch die Höhe der zotten- artigen, dreieckigen Querfaltenreste an den alten Netzecken nicht unbedeutend ab, die sie verbindenden Leistehen erhöhen sich wieder etwas und es entsteht ein regelrechtes Netz, in dem so- gleich die Längsfalten durch geraden Verlauf und größere Höhe ein Über- gewicht erlangen. Das ganze Relief ist aber viel flacher als am Mitteldarmanfang, seine Maschen sind enger, Fortsätze fehlen hier ganz. Nachdem unter weiterer Abflachung des Reliefs auch ein Schwin- den der Querfalten eingesezt hat, sieht man im letzten Viertel des Mitteldarms nichts mehr als flache, fast parallele Längsleisten, die unverbunden sind. Vor dem Enddarm, der sich plötzlich er- weitert, findet sich an Stelle einer Klappe nur ein kaum kenntlicher flacher Ring- wulst. Leider war der Enddarm sehr stark mit Inhalt angefüllt. Sein Relief war enorm abgeflachtt. Ich sah nur Textfig. 24. Relief im 3, größtenteilsunzusammenhängendeFalten- Viertel des Mitteldarmes reste minimaler Höhe, die ich als Teile oe eines normalerweise bestehenden ein- fachen Netzes ansprechen zu dürfen glaube. Also auch hier eine nahezu glatte Schleimhaut bei starker Darmfüllung! 3. Familie: Bufonidae., a) Bufo vulgaris. Anfangs besteht hier ein einfaches mittel- hohes Faltennetz mit rundlich-polygonalen Maschen. Meist sind die Falten leicht geschlängelt. Bald schon zeichnen sich einzelne Schräg- und Querfalten durch ihre Höhe aus und hernach sind die Querfalten regelmäßig höher als die übrigen. Im zweiten Drittel des Mitteldarmes werden die Querfalten dann freilich den anderen an Höhe wieder gleich, aber die Maschen bleiben doch noch etwas quergestreckt. Erst mit Beginn der zweiten Mitteldarmhälfte wird ihre Längsachse größer und die längsgezogenen Maschen werden nun von etwas höheren Längsfalten als Querfalten begrenzt. 684 Eduard Jacobshagen, Regelmäßig querverlaufende Falten von leistenartigem Charakter kontrastieren immer stärker gegen die auch erniedrigten Längs- falten. Den Enddarm trennte bei einem Exemplar ein sehr flacher Ringwulst vom Mitteldarm, ein zweites zeigte dagegen eine kurze Enddarmklappe. Das Relief des erheblich weiteren Enddarmes ist ein einfaches, glattrandiges Faltennetz von geringer Höhe. Seine Maschen sind polygonal. Einzelne Querfalten waren etwas höher als das sonstige Relief. Ich will noch hinzufügen, daß eines meiner Exemplare im Anfang des letzten Mitteldarm- drittels starke Darmfüllung zeigte. In der Mitte des gedehnten Stückes fand ich das Relief völlig geschwunden, nach vorn wie hinten begann es dann ganz flach und ging in das normale Relief über. Also war auch der Reliefcharakter im Mitteldarm ein anderer, als ich ihn je bei Fischen traf und näherte sich mehr den ephemeren Strukturen unseres Apodiden. MECKEL gibt an, daß im Mitteldarmanfang Querfalten sehr dicht stehen, die allmählich durch wellenförmige Längsfalten in ganz gerade übergehen. Die Mastdarmschleimhaut ist plötzlich ganz glatt. MECKEL sagt, eine BauHinsche Klappe fehle Bufo. b) Bufo calamita hat eine BauHınsche Klappe. Im ein- fachen Faltennetz des Darmanfangs sind die Maschen ungleich und ebenso ist es die Faltenhöhe. Auch hier laufen die Falten meist leicht geschlängelt. Viele Maschen sind unvollständig. Die ungleiche Höhe der Falten kann an derselben Falte auf kurze Entfernung um mehr als das vierfache verschieden sein. Auf diese kurze Zone folgt eine ebenso kurze, in der das Netz voll- ständiger ist, Schräg- und Längsfalten gleichmäßige Höhe haben, und lediglich die Querfalten sich durch im ganzen größere Höhe aber bei starker lokaler Ungleichheit auszeichnen. Die höchsten Stellen der Querfalten fallen fast durchweg in die Nähe von Netzecken. Von der Mitte des Mitteldarmes an flacht dieses Relief rasch ab und die Höhe der Querfalten ist eine ganz gleichmäßige; wird zunächst der der anderen Falten gleich und sinkt darauf unter die der mehr hervortretenden Längsfalten sogar herab. Schrägfalten finden sich kaum, alle Falten laufen längs oder quer. Kurz vor der flachen BauHınschen Klappe schwinden die Quer- fältchen. Im Enddarm finde ich ein glattrandiges einfaches Netz mit polygonalen Maschen. c) Bufo variabilis schließt sich im Fehlen einer Pylorus- klappe und dem Vorhandensein einer sehr flachen Enddarmklappe sowie durch sein Relief eng an die beiden vorigen. Im Netz Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 685 des Darmanfanges sind die Faltenränder leicht gekraust und mit unregelmäßigen Einschnitten versehen. Dabei sind die Falten hoch, die Maschen polygonal. Weiterhin treten auf Querfalten zumal, aber auch auf Längsfalten an Netzecken bedeutende Fort- sätze hervor, während die übrigen Falten zu flachen Leisten reduziert sind. Dadurch wird stark an Megalophrys erinnert. Im zweiten Fünftel des Mitteldarmes sind diese Fortsätze, die sogar oft gekräuselt erscheinen, am allerhöchsten. Gegen die Mitteldarmmitte hin nimmt dann die Höhe der Fortsätze stufen- weise ab, ihre Zahl wird zugleich geringer. Dadurch tritt das Netz wieder klarer heraus, von dessen Faltenbasen man nun vielfach kleine Fältchen in die Maschenräume verlaufen sieht, die dort verschwinden. Die Neigung zur Fortsatzbildung besteht aber noch bis ans letzte Drittel des Mitteldarmes. Hier erst schwinden jegliche Fortsätze. Das Netz wird gleichmäßig und sodann bekommen, wie sonst, die Längsfalten in ihm den Vor- rang. Ein Schwund der Querfalten aber ist erst dicht vor dem Enddarm festzustellen, wo aber auch die Längsfalten niedrig ge- worden sind. Das Enddarmrelief gleicht dem von B. calamita anfangs. Kurz vor der Enddarmmitte beginnen dann Längstfalten zu überwiegen und es setzt langsam eine Rückbildung von Schräg- und Querfalten ein, die im letzten Drittel ganz fehlen. Ephemere Längsrunzeln bestanden unter diesem konstanten Relief. d) Bufo agua weicht stärker von B. vulgaris ab. Hinsicht- lich der Klappen bestehen zwar dieselben Zustände wie bei den beiden vorigen, aber das Relief zeigt charakteristische, eigene Merkmale. Man findet zu Anfang ein einfaches, flaches, nicht immer ganz vollständiges Netz mit teilweise geschlängelten Falten und leicht zackigem Rande. Einige Längs- und Querfalten treten etwas später durch größere Höhe hervor. Aus dem zackigen Rande erheben sich einzelne gröbere, dreieckige Fort- sätze. Kurze Zeit später haben die Querfalten dann das Über- gewicht, die Längsfalten sind niedrig, teilweise geschwunden. So sind nun die stark quergezogenen Maschen oft recht unvoll- ständig. Bisweilen zeigen auch die Querfalten Unterbrechungen unbedeutender Länge. Liegen diese an mehreren benachbarten Falten hintereinander in einer Längslinie, so erscheint der Darm hier wohl wie zusammengenäht. Das flache Relief nimmt lang- sam noch an Höhe ab und im zweiten Viertel des Mitteldarmes wird der Schwund von Längsfalten sehr verbreitet, die in der zweiten Hälfte dann aber wieder hervorzutreten beginnen und 686 Eduard Jacobshagen, allmählich die Höhe der Querfalten erreichen, sie dann sogar übertreffen, da die Querfalten stärker abflachen, nachdem ein kurzes Stückchen ein gleichmäßiges Netz bestand. Sie werden rein quer und flach, verschwin- den aber erst kurz vor dem flachen Ringwulst gänzlich, der den Enddarmanfang bezeichnet. Das flache Enddarmrelief ist ein glattrandiges Faltennetz. 4. Familie: Hylidae. a) Hyla coerulea bietet unter den Hyliden ‚die weitaus einfachsten Befunde. Eine Py- lorusklappe fehlt, eine flache Textfig. 25. Relief des Mitteldarm- Enddarmklappe besteht. Durch anfanges von Hyla coerulea. (Leitz ” Obj. 1, Ok. 2.) starke Darmfüllung war das Mitteldarmrelief im ersten An- fang weitgehend abgeflacht. Es wird hier von einem glattrandigen, einfachen Faltennetz mit längsgestreckten polygonalen oder rund- Textfig. 26. Relief einer nur wenig Textfig. 27. Relief des letzten Mittel- späteren Stelle als in Textfig. 25 ab- darmviertels von Hyla coerulea. (Leitz gebildet. (Leitz Obj. 1, Ok. 2.) Obj. 1, Ok. 2.) lich - polygonalen Maschen gebildet (Textfig. 25), deren Größe sehr verschieden ist. Weiter kaudal herrschen im Netz etwas verbreiterte und erhöhte Querfalten vor besonders im zweiten Mitteldarmdrittel (Textfig. 26). Wie man sieht, sind die Maschen 4 Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 687 hier auch breiter geworden. Einige der Falten sind wohl am freien Rande leicht gekerbt und lappig. Erst dicht vorm letzten Mitteldarmdrittel werden wieder alle Falten gleich hoch und glattrandig. Wenig später überwiegen dann Längsfalten (Text- fig. 27). Alle übrigen Falten verlaufen dann zuletzt rein quer und sind äußerst flache Leisten. Ein niedriges, glattrandiges einfaches Netz mit polygonalen Maschen deckt die Enddarm- schleimhaut. Anfangs 'sind die Maschen oft quer, später immer langgezogen. b) Hyla carolinensis weicht von diesem einfachen Befund schon ziemlich ab. Auch hier ist das Mitteldarmrelief in der Hauptsache ein einfaches Netzwerk, dessen Schräg- und Längs- falten aber großenteils rückgebildet sind, während die queren Falten als flache, schmale Leisten im ganzen erhalten blieben (Textfig. 28 seitlich). Nur an einzelnen Stellen sind unbedeutende Netzbezirke noch erhalten. Die (uerfalten zeigen nun verschiedene Eigentümlich- keiten. Oft umziehen sie den ganzen Darm, die Mehrzahl indessen besitzt hin und wieder Unterbrechungen oft auf ansehnliche Strecken. Sodann weisen diese Quer- falten von Zeit zu Zeit kleine Verdiekungen und Erhöhun- gen auf, von denen man an einzelnen Orten erkennen kann, daß sie sich an Stellen früherer Netzecken zu zeigen Textfig. 28. Relief nahe dem Mittel- f darmanfang von Hyla carolinensis. (Leitz pflegen. Seinen Hauptcharak- Obj. 2, Ok. 3.) ter besitzt das Relief aber durch eine besonders entwickelte dorsale, schmale Längszone über der Ansatzlinie des Mesenteriums, in der sowohl das Netz vollständiger ist, als auch höher, und die verdickten und erhöhten Teile der Querfalten als lappige, breite Fortsätze ins Lumen hinein- ragen. Etwa vier bis fünf solche Fortsätze zeigen sich in dieser Zone in einer Querreihe stehend, anfangs sogar noch etwas mehr (sechs wohl auch sieben). Diese Längszone schwindet im zweiten Viertel des Mitteldarmes und zwar allmählich. Die Höhe der Falten und Fortsätze hat vorher abgenommen, die Vollständigkeit 688 Eduard Jacobshagen, der Maschen hört auf. Dieser Übergang der Längszone in das allgemeine Relief ist viel weniger plötzlich wie der Übergang der Längszone auf die lateralen Darmwände vorher. Im zweiten Viertel bilden sich dann auch die Verdickungen und Erhöhungen aller Querfalten zurück und unter langsamer Zunahme der Längs- falten entsteht sehr rasch ein regelrechtes Netz. Die Längsfalten in ihm werden sogleich parallel, alle anderen Falten rein quer, und die Längsfalten überwiegen nun an Höhe etwas. Hinter der glattrandigen BAunHmnschen Klappe am Enddarmende sieht man einige sehr hohe, parallele Längsfalten, sonst eine glatte Schleim- haut. Der Darm war stark gefüllt gewesen. c) Hyla arborea hat ein noch höher differenziertes Relief. Wie bei allen Hyliden vermißte ich eine Pylorusklappe Ein Exemplar zeigte eine flache BauHınsche Klappe, ein anderes nichts davon. Im Mitteldarm- anfang sah ich kein Netz mehr ausgebildet, sondern fand nur iso- lierte Fortsätze mit querstehender, breiter Basis, deren Form bei dem einen Tier, dreieckig oder zungen- förmig war (Textfig. 29) beim anderen, wo die Basis viel schmaler war, von vorn nach hinten ab- geplattet zottenförmig. Hier waren (die Fortsätze zugleich höher. Von der Fortsatzbasis gehen vielfach nach vorn oder hinten und schräg Textfig.29. Relief nahe hinter dem kurze Leistenrudimente ab, die Mitteldarmanfang von Hyla arborea. » (Leitz Obj. 2, Ok. 3.) schwachen Reste eines alten Netz- werkes, das auch hier sicher einst wie bei H. coerulea bestand. Etwa im zweiten Darmachtel sind die Fortsätze höher geworden, erreichen hier ihre größte Höhe und enden manchmal, wenn sie eine sehr breite Basis haben, in zwei Spitzen, wie das auch in Textfig. 29 links in der Mitte sichtbar wird. Im zweiten Drittel des Mitteldarmes treten niedrige, schmale Leistchen als Verbindung zwischen den Fortsatzbasen, rasch an Zahl zunehmend, hervor und nun besteht ein Bild wie bei Megalophrys montana (Textfig. 25). In einem niedrigen Netz sind die Querfalten die vorherbeschriebenen breiten Fortsätze. Die Längsfaltenhöhe nimmt aber rasch zu, die Fortsätze der Querfalten verkürzen sich ebenso rasch und Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 689 schwinden bis auf die Falten ganz. In dieser Region sieht man Fortsätze von den Längsfalten bisweilen ausgehen. Die Längs- falten überwiegen immer mehr und es entsteht das am Darm- ende übliche Netz mit reinen Quer- und Längsfalten, deren letztere die höchsten sind. Ver der BauHiınschen Klappe ist auch dies Relief abgeflacht und die Querfalten sind sogar ganz geschwunden. Im Enddarm besteht ein einfaches, flaches Netz, in dem gegen den Anus hin Längsfalten nicht unerheblich hervortreten. Die Faltenränder sind glatt. d) Hyla aurea erinnert sehr stark an arborea. Wie bei einem Exemplar von arborea bestehen schmale, abgeplattete, faden- artige Fortsätze im Mittelldarmanfang und die gleichen sonstigen Befunde Im Enddarm war die Schleimhaut ganz glatt. Hier war der Darm prall mit Nahrungsresten angefüllt, das Relief also wohl nur verstrichen. Es wird fraglos ein glattrandiges einfaches Netz sonst sein. MECKEL macht über Hyla die generelle Angabe — er hatte wohl arborea im Auge — im Mitteldarmanfang fänden sich viele dichtstehende, aber niedrige Falten, „welche ansehnliche, unregel- mäßig-viereckige Zellen bilden, und von denen sehr viele lange, spitze Zotten vorspringen. Diese verschwinden allmählich und die Falten gehen alle in dichtstehende, wellenförmige Längen- falten über, die sich auch, aber niedriger und weniger zahlreich, im Mastdarm finden“. Wie man sieht, ist diese Darstellung lückenhaft. e) Acris gryllus besitzt wie Hyla arborea anfangs hohe, schöne, zottenartige Fortsätze in der gleichen Anordnung. Da- gegen sieht man später Längsfalten im Netz vorherrschen. Eine nähere Beschreibung könnte wörtlich mit der von arborea über- einstimmen. f} Chorophilus terrarum. Auch dies Tier ergibt den gleichen Befund für den Mitteldarm. Hinter der kurzen Bav- Hınschen Klappe folgt ein flaches einfaches Netzwerk als End- darmrelief. Über dies kann ich nähere Angaben nicht weiter machen, da mein Präprarat nicht gut war. 5. Familie: Cystignathidae. a) Cystignathus ocellatus. Im Mitteldarm besteht ein ein- faches, glattrandiges Netzwerk von mäßiger Höhe. Es umschließt rundliche oder polygonale, anfangs vorwiegend längsgestreckte Maschen. Obwohl eine Pylorusklappe fehlt, ist, wie Textfig. 30 690 Eduard Jacobshagen, zeigt, die Grenze zwischen dem Pylorusteil des Magens mit seinem engeren Kryptennetz und dem Netz des Mitteldarmanfangs leicht Textfig.30. Relief der Kopfdarm-Rumpfdarmgrenze von Cystignathus ocellatus. (Leitz Obj. 2, Ok. 2.) Textfig. 31. Relief gegen das Ende des ersten Mitteldarmdrittels von Cystignathus ocellatus. Leitz Obj. 1, Ok. 2.) festzustellen. Aber die Falten beider Reliefs hängen zu- sammen und sind nicht, wie bei Fischen fast stets, getrennt. Im Netz des Rumpf- darmanfanges sieht man schon anfangs, daß die Falten nicht gleich breit und hoch, sondern ein- zelne mächtiger ent- faltet sind. Etwa vom zweiten Zwölftel des Mitteldarmes an kann man feststellen, daß nun die erhöhten Falten immer nur Querfalten sind, während die Längs- falten hier bereits nicht unbedeutend niedriger geworden sind (s. Textfig. 31), ja vielfach sogar Lücken zeigen, so daß. benachbarte Maschen zusammenhängen. Beachtenswert ist, daß nicht alle Quer- falten sich durch größere Höhe aus- zeichnen,sondern nur ein Teil von ihnen. Schon kurz vor An- fang des zweiten Rumpfdarmviertels ändert sich dies Relief dahin, daß wieder alle Falten gleichhoch werden, indem besonders die Querfalten Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 691 zurücktreten, aber auch die Längsfalten sich ein wenig er- höhen. Die Längsfalten steigern ihre Höhe dann gleich darauf soweit, daß sie das Übergewicht über die anderen Falten bekommen, das sie behalten, denn schon im zweiten Viertel setzt eine Rück- bildung der Querfältchen ein, die im letzten Viertel nahezu den Schwund der Fältchen herbeigeführt hat. Mein Exemplar zeigte aber dicht vor der flachen BAauHınschen Klappe nochmals wieder etwas mehr und höhere Querfalten. Im Enddarm findet sich ein flaches einfaches Netz mit glatten Falten und ziemlich großen rundlich polygonalen Maschen. An gedehnten Darmstellen ver- streicht es ganz. b) Leptodactylus albilabris hat im Rumpfdarmanfang auch ein einfaches Netzwerk von ziemlicher Höhe, dessen Falten geschlängelt sind. Dies Relief wird sehr rasch flacher und die Falten verlieren die Schlängelung. Längsfalten treten deut- licher hervor und zwar zunächst durch einen mehr geraden Verlauf, dann auch durch ihre Höhe. Letztere nimmt aber nur gering zu, fällt nur darum so ins Auge, weil die Querfalten flacher geworden sind. Von dem beschriebenen Relief gehen im ersten Drittel von fast allen Falten, vorzüglich aber von den queren, kurze, stumpfe, lappenartige Fortsätze aus, die gegen das zweite Drittel hin verschwinden. Das Enddarmrelief scheint ein ein- faches Netz zu sein. Der Zustand meines Präparates war leider hier sehr schlecht, so daß ich nichts weiter angeben kann. 6. Familie: Engystomatidae, a) Engystoma carolinense erinnert in seinem Relief einer- seits an Cystignathus ocellatus, andererseits an Leptodactylus albi labris. Anfangs sieht man ein ziemlich hohes einfaches Netz mit ge- schlängelten Falten. Gleich darauf sieht man die Maschen eine Querrichtung bevorzugen und die Querfalten stärker entwickelt. Von ihrem Rand erheben sich einzelne breit-zungenförmige Fort- sätze von wechselnder Höhe, die späterhin aber wieder fehlen. Nach und nach wird das Relief ein gleichmäßig entwickeltes Netz und später ein Netz mit stärkerer Entwicklung der Längsfalten. Im Enddarm sah ich ein einfaches Netz. Über das letzte Drittel des Enddarmes kann ich aber keine Angaben machen, da mir dies Stück durch Unvorsichtigkeit verloren ging. b) Mierohyla achatina hat wie Engystoma eine BauHınsche Klappe. Im Rumpfdarmbeginn trifft man ein einfaches Netz mit etwas langgezogenen polygonalen Maschen und zarten, verschieden 692 Eduard Jacobshagen, hohen, am freien Rand leicht wellig gekrausten Falten, aus denen sehr kurze dreieckige Fortsätze, zumal an den Netzecken aus- gehen. Sehr bald schon sieht man, daß die Querfalten viel höher geworden sind als zuvor irgend eine Falte war, daß die Längs- falten enger stehen, rein longitudinal und fast parallel verlaufen und zu unbedeutenden Leisten, ähnlich wie bei Pelobates (Text- fig. 16) abgeflacht sind. Der Querfaltenrand ist in unregel- mäßigen Abständen und verschieden tief eingekerbt, zackig, Nun schwinden gleich darauf die Längsfältchen bis auf Bruchstücke, auch die Querfalten werden flacher und weisen einzelne Lücken auf, behalten aber ihre Fortsätze bei. Solche Fortsätzchen zeigen sich auch auf den geringen Resten der Längsleisten. Im letzten Mitteldarmdrittel konnte ich das Relief nicht untersuchen, da mir seine Präparation mißblang. Im Enddarm war unter dem Einfluß praller Füllung das Relief völlig geschwunden. 7. Familie: Ranidae. a) Rana esculenta hat keine Pylorusklappe, die BAUHINnsche Klappe ist sehr schwach und kurz. Im Darmanfang besteht ein einfaches Faltennetz von mittlerer Höhe (s. Textfig. 32). Allmählich überwiegen in ihm dann Querfalten an Höhe, während die Längsfalten niedriger werden. Am stark ge- füllten Darm verlaufen die Quer- falten fast rein quer oder in ganz flachen Zickzacklinien, am leeren Darm trifft man ein Bild wie in Textfig. 33, die Querfalten ver- laufen in starkem Zickzack und bilden ein m. Die Zahl der nach vorn gewandten Winkel scheint stets zwei zu sein. Die Falte ist hier stets höher als in den nach Textfig. 32. Relief des Mittel- hinten gewandten beiden Winkeln, darmanfanges von Rana esculenta. ; ; : (Leitz Obj. 1, Ok. 1.) was auch unsere Figur zeigt. Diese Verhältnisse hat ECKER-WIEDERS- HEIM richtig angegeben. Nicht richtig aber ist die Ansicht, daß die die nach hinten konvergierenden beiden Winkel verbindenden Längsfältchen die Querfalte in zwei Teile zerlegen und man hier zwei parallele Reihen hintereinanderstehender, nach vorn konvexer Öberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 693 Taschenklappen vor sich habe, und der daran geknüpfte Ver- gleich dieser Bildung mit den Aortenklappen. Es handelt sich lediglich um eine andere Form der üblichen Netzkonstruktion, in der die Querfalten die fast parallel und rein longitudinal ver- laufenden Längsfalten an Höhe weit übertreffen und die Längs- falten, die die nach hinten konvergierenden Winkel verbinden, keine besondere Auszeichnung vor allen anderen haben. Auch ist der Mechanismus nicht mit dem der Taschenklappen einfach zu vergleichen. Am stark gedehnten Darm bildet jedes m eine fast gerade Linie, dann haben wir ein Netz mit rechteckigen Maschen vor uns, in dem jedes m sich als eine ganz einheitliche Falte und nicht als zwei dar- stellt. Daß bei so starker Darmfüllung gerade an der gedehnten Stelle eine Rückwärtsstauung durch die angeblichen Klappen nicht wesent- lich verhindert werden kann, ergibt sich sofort, denn die Faltenhöhe muß bei der Streckung natürlich abnehmen und spielt namentlich bei der dann erreichten Lumenweite keine be- merkenswerte Rolle. Die Textfig. 33. Relief ei ig dahinter. (Leit Darmwand darf man 8 Obi Ok. 3) Bnınler: Kbeitz zumal bei Amphibien, wo man noch in späten Darmteilen oft kaum zerkleinerte, ansehnliche Käfer und dergleichen findet, nicht so einfach mit der Wand eines Blutgefäßes vergleichen. An beide werden mechanisch sehr ver- schiedenartige Anforderungen gestellt. Auf die physiologische Bedeutung der Einrichtung kommen wir noch später zurück. Schon vor der Mitte des Mitteldarmes nimmt die Höhe der Längsfältchen zu, die der Querfalten etwas ab. Am leeren Darm sieht man die zwei nach vorn konvexen Querfaltenwinkel sich einander nähern (Textfig. 34) und bald miteinander verschmelzen, wobei aus dem spitzen Winkel eine runde Kuppe zu werden pflegt. Die Längsfaltenhöhe nimmt weiter zu und bald sehen wir ein langgestrecktes Netz entstanden, in dem die Querfalten Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 45 694 Eduard Jacobshagen, eine sehr bescheidene Rolle spielen (Textfig. 35). Auch die Längsfaltenhöhe nimmt vor der BauHınschen Klappe wieder etwas Textfig. 34. Relief kurz vor der Textfig. 35. Relief aus dem Mittel- * Mitteldarmmitte. (Leitz Obj. 1, Ok. 2). darmende. (Leitz Obj. 1, Ok. 2). ab. Im Enddarm findet sich ein einfaches, glattrandiges, niedriges Faltennetz mit langgestreckten rundlich-polygonalen Maschen. An Textfig. 36. Relief des Enddarm- Textfig. 37. Relief des zweiten End- anfanges von Rana esculenta. darmdrittels an stark gedehnter Darm- (Leitz Obj. 1, Ok. 2.) stelle. (Leitz Obj. 1, Ok. 2.) gedehnten Stellen (Textfig. 37) kann es fast ganz schwinden. Vor dem After.pflegt das Relief höher als sonst im Enddarm zu sein. Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 695 b) Rana mugiens zeigt im Darmanfang ein kaum mittel- hohes Netz, dem von esculenta ähnlich. Die Falten pflegen leicht geschlängelt zu sein. Bald werden die Maschen quer- gestreckt, und Querfalten, die noch unregelmäßig und leicht im Zickzack verlaufen, werden höher als die anderen. Und zwar sind nicht alle Querfalten erhöht sondern nur einige. Die nicht erhöhten zeigen sich dann zu unbedeutenden Leisten erniedrigt. Später folgt das gleiche m Relief wie bei esculenta. Hier sah ich aber öfter zwei der benachbarten queren Zickzackfalten sich durch mächtige schräge Falten miteinander verbinden. Das spätere Relief stimmt mit dem von esculenta überein. Geringe Querfaltenreste bestehen im Netzrelief des Schlußteiles, in dem, wie immer, Längsfalten vorwalten bis zur Baunınschen Klappe. Das Enddarmrelief verhält sich ganz wie bei esculenta, unter ihm sah ich nur noch nahe dem After ephemere, gröbere Längs- Runzeln liegen. c) Rana ocecipitalis schließt sich den beiden vorigen an. Im Anfangsnetz sind die Falten leicht geschlängelt (Textfig. 38) in ihrer Höhe etwas ungleich und am Rande leicht gezackt. Rasch werden die erst längsgestreckten Maschen quergestreckt und die‘ Querfalten überwiegen die abgeflachten Längs- falten. Während die Mehrzahl der hohen Querfalten die ganze Peri- pherie des Darmes umzieht, selten an einer Stelle unterbrochen ist, zeigen die niedrigen Längsleisten, die ein Stück auf die Seitenflächen der Querfalten hinaufziehen, A ai "BE, Belief” aus’ dem Darmanfang häufiger Unterbrechun- Mitteldarmanfang von Rana occi- gen. Schon im Anfang des zweiten Pitalis. (Leitz Obj. 1, Ok. 2.) Darmdrittels ist das Relief viel flacher und hier erfolgt der Übergang in das spätere Netz mit dem üblichen Hervortreten der Längsfalten genau wie bei escu- lenta. Im Enddarm herrscht auch Übereinstimmung mit den beiden vorigen. Vor dem After treten im Netz die Längsfalten in den Vordergrund und zwar erheblich. Bei oceipitalis sieht man hier daneben eine starke Reduktion der Querfalten, die zum Schluß ganz fehlen. 45* 696 Eduard Jacobshagen, d) Rana temporaria weicht schon mehr vom Typus escu- lenta ab. Von einem Netz sind im Darmanfang nur unvollständige Teile meist erhalten. Faltenreste tragen größtenteils den Cha- rakter krauser Fortsätze, teilweise auch den eben sichtbarer Leistehen. Auch isoliert stehende zottenartige Gebilde, die an Hyla etwas erinnern, findet man bei manchen Tieren. In diesen Resten, aus denen man immerhin ein Netz sich leicht rekon- struieren kann, fallen Teile querer Falten durch ihre Häufigkeit auf. Nur wenig mehr kaudalwärts ist das Bild ziemlich verän- dert. (Querfalten sind in großer Höhe und Ausdehnung erhalten, von den Längsfalten aber sind nur minimale Leistchen, die nicht mal von einer (Querfalte zur nächsten reichen, übrig geblieben. Anfangs ist nicht jede Querfalte so ausgebildet, sondern nur jede zweite, wohl auch dritte Dann ist die da- zwischenliegende nur in Form eines meist dreieckigen, lappenartigen Fort- satzes erhalten (Textfig. 39), dessen Größe recht verschieden ist, bald aber sind alle Querfalten gleichmäßig ent- wickelt und jede von ihnen pflegt dann die ganze Darmperipherie zu umziehen. Die Höhe dieser Quer- falten ist ziemlich gleichmäßig, Fort- sätze fehlen. Oft sind Querfalten, wie bei esculenta, nach vorn Aförmig ge- knickt, doppelte m Form habe ich fast Textfig. 39. Relief gegen Ende 5 / £ Ä des ersten Mitteldarmviertels nie bei temporaria gesehen. Dicht von Rana temporaria. (Leitz \or dem zweiten Drittel des Mittel- Obj. 1, Ok. 2. - Her ; . darmes geht dies Relief in ein Netz über. Die Längsfalten treten nach und nach wieder vollständig und viel höher hervor, die Querfalten werden flacher. Das so entstehende Netz ist zunächst sehr unregelmäßig, dann aber, etwa in der Mitte des Mitteldarmes, werden Längsfalten und Querfalten in ihm säuberlich geschieden, es entsteht ein regelmäßiges Netz, in dem sehr rasch die Längsfalten dann auch die höchsten werden, wie bei allen anderen Anuren in dieser Gegend. Das unregel- mäßige Netz kann auch wohl durch eine sehr kurze Zone mit geschlängelten Längsfalten in das ganz regelmäßige übergehen. Das ist individuell verschieden. Im Enddarm besteht ein ein- Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 697 faches, glattrandiges Netz mit ungleichgroßen und verschieden geformten Maschen. Seine Höhe ist nur mäßig. e) Ranaadspersa weicht noch weiter von esculenta ab. Ein flacher Wulst bezeichnet bei ihm den Pylorus und an ihn un- mittelbar angelehnt trifft man im ersten Rumpfdarmstück eine Lage von ein bis zwei Netzmaschen (s. Textfig. 40). Die Falten dieses Reliefs sind äußerst flach und leistenartig. Gleich danach schwindet das Netz und es bestehen nur Reste eines solchen ähnlich wie bei temporaria. Aber hier war das ganze Relief flacher. Flache, leicht geschlängelte und sehr verschieden lange Querleistehen sind am häufigsten, einzelne längsgestellte, noch weit unbedeutendere Erhebungen entsprechen den Resten von Längs- falten. Etwas mehr kaudalwärts werden die Querfaltenreste länger, hängen öfter miteinander zusammen und bilden Zickzacklinien, zeigen vereinzelt auch Fortsätze geringer Höhe. Kurz vor dem zweiten Viertel des Mitteldarmes bekommen auch die längsstehenden Falten- reste eine größere Basis und etwas größere Höhe und vereinen hin und wieder benachbarte Querfält- chen, die unregelmäßiger in der „oyre. 40. Relief des Mittel- Richtung werden als vordem. In darmanfanges von Rana adspersa. der Verfolgung dieses Prozesses (Beutz Op. 1, 08 2) entsteht allmählich ein einfaches Netz flacher Leistchen, in dem nun in der ganzen hinteren Mitteldarmhälfte die Längsfalten die Hauptrolle spielen, die Zahl der Querfalten und ihre Höhe aber abnimmt. Dicht vor der flachen BauHinschen Klappe sah ich keine Querfalten mehr. Im Enddarm waren riesige Massen von Inhalt aufgestapelt. Das Relief war in ganzer Ausdehnung völlig verschwunden. f)} Rana hexadactyla endlich hat schon im ersten Darm- anfang weder ein Netz noch Reste eines solchen, sondern sogleich das Zickzackfaltenrelief, das R. esculenta hinter dem Netz des Darmanfanges aufweist. Hier besteht also sofort ein Netz mit stark überwiegenden Querfalten, die bei gedehntem Darm fast oder ganz gerade verlaufen, bei mäßiger Füllung aber im M. Hier sieht man nun häufig einen Zerfall der Zickzackfalte in 698 Eduard Jacobshagen, zwei nebeneinander liegende Winkel (AA), dies ist sogar bei der Mehrzahl der Falten so, wenigstens anfangs. Gegen die Mitte des Mitteldarmes dagegen findet man nur noch einheitliche Falten, die beiden Teile hängen wieder zusammen. Erst im Anfang des letzten Darmdrittels geht dies Relief in das bekannte Netz mit überwiegender Entwicklung von Längsfalten über. Nur eine Er- weiterung und keine BauHissche Klappe oder ein entsprechender Wulst deutet den Beginn des Enddarmes an. Im prall gefüllten Enddarm sah ich nur in der analen Hälfte, die weniger gedehnt war, Reste eines einfachen, glattrandigen Netzes. Im Anfang war die Schleimhaut völlig glatt. g) Racophorus leucomystax. Das Relief von Racophorus weicht von dem von Rana ab und erinnert in manchem mehr Textfig. 41. Relief des zweiten Mitteldarmviertels von _ Raco- Textfig. 42. Relief nahe der Mittel- phorus leucomystax. (Leitz darmmitte von Racophorus. (Leitz 0b5.1,. 0.233) 0bj. 1,08 2.) an die Reliefs anderer Anurenfamilien. Ein Netz mit stark quer- gezogenen Maschen sieht man am Anfang. Während die Mehr- zahl der Falten nur niedrige, zarte, glattrandige Leistchen dar- stellen, überwiegen einige Querfalten über sie um das vielfache an Höhe. Diese schmalen, sehr hohen Falten sind nicht rings um die ganze Peripherie gleichmäßig hoch, sondern haben auch flachere Abschnitte. Ihr freier Rand ist leicht gezackt, die Basen- länge der hohen Querfalten nimmt kaudalwärts zu, ihre Höhe und die Tiefe ihrer Randeinschnitte in gleichem Sinne ab. Schon vor Beginn des zweiten Darmviertels sind nicht mehr alle Quer- Obertlächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 699 falten so ausgebildet, sondern nur noch ein Teil von ihnen. Der andere Teil und auch Stücke der Längsleistehen können hier kleine Fortsätze darstellen, die dann meist an Netzecken stehen. Kurz danach ist ähnlich wie bei Hyla arborea jede Querfalte dann in einzelne dreieckige Fortsätze zerfallen, deren höchste Erhebung über Netzknotenpunkten liegt, die anderen Netzteile sind nur als minimale Leistchen erhalten, sogar vielfach ganz geschwunden. Etwa 8—16 solcher dreieckiger Fortsätze mit querstehender Basis gehen aus jeder Querfalte hervor, die auch in parallelen Längsreihen hinter einander stehen. Die Höhe der Fortsätze nimmt schnell ab und schon vor der Mitteldarm- mitte sind sie recht flach geworden, während ihre Basis sich verlängerte. Bald sieht man wieder glattrandige Querfalten aus ihnen geworden, deren Höhe fortgesetzt abnimmt bei gleich- zeitigem Höherwerden der Längsfalten. Auf rundlich-polygonale Netzmaschen folgen sehr bald längsgestreckte. Die Längsfalten bekommen größere relative Höhe. Absolut hat die Reliefhöhe dagegen abgenommen. Vor der flachen Enddarmklappe vermisse ich zum Schluß Querfalten. Im Enddarm besteht ein pracht- volles einfaches, glattrandiges Netz, dessen Längsfalten im analen Drittel viel höher werden. Eine Reduktion der Querfalten in diesem Abschnitt besteht aber nicht. h) Phrynobatrachus natalensis bietet unter den Raniden die einfachsten Befunde. Das mittelhohe Relief des Darmanfangs ist ein einfaches Netzwerk mit geschlängelten Falten und unregel- mäßigen Maschen. Sehr bald überwiegen für kurze Zeit in ihm Querfalten an Breite und Höhe ein wenig und gleich danach wird das Netz wieder völlig gleichmäßig und geht in ein Relief mit Überwiegen der Längsfalten über, dessen Maschen sehr lang- gestreckt sind. Nirgends bestehen Fortsätze, nirgends besteht ein Faltenzerfall. Infolge starker Dehnung war das gesamte Enddarmrelief völlig verstrichen. Über das Relief unbezeichneter Rana-Arten gibt es manche Angaben in der Literatur. Alle sind sehr lückenhaft und ober- - flächlich.. Nach RupoLpHı fehlen Zotten und es bestehen wellen- förmige Fältchen. MECKEL findet im Darmanfang: „Vier Reihen schief von vorn nach hinten gerichteter, ansehnlicher, sehr dicht- stehender Falten, die unter spitzen Winkeln abwechselnd von vorn nach hinten und von hinten nach vorn konvergieren und ineinandergreifen und nach hinten in einfache, viel niedrigere Längenfalten übergehen. Der Mastdarm ist anfangs plötzlich mit 700 Eduard Jacobshagen, äußerst feinen, zahlreichen Zellen bedeckt, in der weit größeren hinteren Hälfte nur durch Längsfalten ungleich.“ GEGENBAUR erwähnt den zickzackähnlichen Verlauf der Mitteldarmfalten bei Rana. Teil. Vergleichende Zusammenfassung der Befunde. Überblicken wir die oben beschriebenen Rumpfdarmreliefs der Amphibien, so fallen die Befunde unseres Gymnophionen als die weitaus einfachsten sogleich auf. Hier hat der Rumpfdarm keine Sonderung in Mittel- und Enddarm erfahren, sondern durch- zieht, völlig ungesondert, als einfacher Schlauch die Länge der Bauchhöhle. Seine Schleimhaut hat sich in Falten gelegt, die sich netzartig miteinander verbinden, flach und völlig glattrandig sind und bei starker Darmdehnung spurlos verstreichen. Es erscheint die Faltenbildung der kaum elastischen Rumpf- darmschleimhaut hier noch ganz ausschließlich als eine Schutz- einrichtung gegen starke Dehnung oder Kontraktion der unter ihr befindlichen Darmmuskulatur. Entsprechend der möglichen Darmdehnung in radiärer Richtung finden wir Schleimhautlängs- falten, entsprechend einer in kraniokaudaler Richtung möglichen Ringfalten. Ihre Kombination ergibt, worauf ich schon 1911 nachdrücklichst zuerst hinwies (JACOBSHAGEN, Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer, Teil I, Jen. Zeitschr. Bd. XLVII N. F., 40, Heft 4, S. 557), ein Falten- netz als mechanische Grundform des Rumpfdarm- reliefs. Indem das Rumpfdarmrelief unseres Gym- nophionen diese einfachen Zustände nicht über- schreitet, stellt es sich als das allerprimitivste dar, das wir von Wirbeltieren bisher kennen, denn selbst bei Myxinoiden (vgl. JACOBSHAGEN, Untersuchungen über das Darm- system der Fische und Dipnoer, Teil III, Jen. Zeitschr. f. Naturw., - Bd. LII) sind die Zustände insofern höhere, als das fast ephemere, netzähnliche Relief in den Längsfalten wenigstens bereits bedeutende Höhe erreicht, die ein völliges Verstreichen des Reliefs fast niemals mehr zuläßt. Die Oberflächengestaltung der Rumpfdarmschleimhaut bietet bei den übrigen Amphibien fortgeschrittenere Befunde. Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 701 Bei den Proteiden und Batrachoseps und bei einem Exemplar von Siren lacertina fand ich einen gleichfalls ungesonderten Rumpf- darm. Megalobatrachus, Amphiuma, ein Exemplar von Siren lacertina, ferner Salamandra, Salamandrina und manche Molge- Art zeigten eine fast plötzlich einsetzende, starke Lumenerweiterung kurz vor dem Rumpfdarmende, die offenbar als Vorstufe der Enddarmbildung anzusprechen ist. Bei Molge alpestris bestand am Beginn jener Erweiterung eine unregelmäßig verlaufende Reliefquerfalte, die höher als die übrigen war. Einige Exemplare von Amblystoma und Plethodon zeigten den hinteren Darm- abschnitt wohl erweitert, nicht aber schärfer abgegrenzt, während andere Exemplare dieser Tiere eine flache, ringförmige Enddarm- klappe deutlich aufwiesen, die ich bei dem Amphiumiden Crypto- branchus und den Salamandrinen Spelerpes und Desmognathus immer fand. Bei Siren, Necturus, Proteus, Batrachoseps und mancher Molge erfährt das Relief im Endabschnitt nirgends eine plötzliche oder deutliche Veränderung. Bei Desmognathus und beim Rippen- molch scheint das Hauptrelief im Enddarm plötzlich noch ein- facher zu werden, auch bei Salamandra fehlen hier immer die sonst am Mitteldarmende fast stets zu treffenden Fortsätze der Längsfalten. Die anderen pflegen überhaupt kein Hauptrelief konstanter Art im Endabschnitt aufzuweisen. Lediglich bei Crypto- branchus sah ich das schon am Mitteldarmende verschwundene Hauptrelief in unbedeutender Höhe im Enddarm wiederkehren. Man kann also im ganzen das Rumpfdarmrelief der Uro- delen noch als einheitlich im ganzen Verlauf ansehen und eine zusammenfassende Darstellung der Zustände des Rumpfdarmes dürfte berechtigt sein. Das Relief der Urodelen ist überall ein Doppelnetz, in dem ein grobes Hauptnetz und ein feines „Drüsennetz“ zu unter- scheiden sind. Bei einigen, wie Plethodon und Batrachoseps ist es anfangs durchaus nicht leicht, beide Systeme zu unterscheiden, denn das „Drüsennetz“ ist fast eben so hoch wie das weitmaschigere Haupt- netz. Bei der Mehrzahl der Tiere gelingt die Trennung aber sehr leicht, denn das „Drüsennetz“ ist sehr engmaschig und flach gegenüber dem Hauptrelie. Am schärfsten war der Gegensatz bei den Proteiden und bei Siren. Betrachten wir zunächst das Hauptrelief! Unter den Sala- mandrinen weist Molge anfangs meist längsgestreckte, rundlich 702 Eduard Jacobshagen, polygonale Maschen auf, die gegen den Enddarm hin länger und zugleich unvollständiger werden. Schräg- und Querfalten sind dort spärlicher und auch gewöhnlich kürzer und niedriger. Nach einigen nicht mehr allseitig geschlossenen Maschen können sogar reine Längsfalten allein übrig bleiben. Bei Megalobatrachus setzt der Schwund der schrägen Verbindungsfalten bereits vor der Mitteldarmmitte ein, bei anderen noch früher — individuelle Schwankungen spielen dabei eine große Rolle — am frühesten offenbar bei Proteus anguineus, wo bei zwei Exemplaren hinter dem Pylorus nur sehr wenige geschlossene Maschen bestanden. Das Vorkommen reiner Längsfalten im späteren Rumpfdarm der Urodelen steht im lebhaften Gegensatz zu den Befunden bei Teleosteern, wo wohl hin und wieder (Siluriden) am Mitteldarm- anfang auf kurze Strecke Längsfalten bestehen können, nie aber gegen Ende. Bisweilen zeigt das Hauptrelief der Urodelen Besonderheiten. So sah ich am Mitteldarmanfang von Molge viridescens die Längs- falten leicht geschlängelt verlaufen, ihren Rand bei Amblystoma leicht gekraust, bei Amphiuma mit Einschnitten versehen und Ansätze zu stumpfen Fortsätzen dazwischen, wie ich sie auch einmal bei einem großen Necturus schön entwickelt sah und sie Spelerpes immer zuzukommen scheinen. Beschränken sich alle diese Besonderheiten auf den Rumpfdarmanfang und von da aus ein verschieden weites Stück kaudalwärts, so vermißte ich beim Salamander hier bei zahlreichen Exemplaren stets Komplikationen, sah aber fast immer Fortsatzbildungen lediglich am Mitteldarm- ende den Längsfalten aufsitzen (vgl. Textfig. 11), ein Befund, der den ausdrücklichen Angaben von STAnnıus widerspricht. Eigenartig und in manchem sehr für sich stehend. ist das Hauptrelief von Siren. Im größten, vorderen Rumpfdarmabschnitt besteht ein mehr oder minder vollständiges Netz mit bald wulst- artigen und hernach rein ephemeren Falten. Aber im Gegensatz zu den übrigen Urodelen sind die Maschen stark in die Quere statt in die Länge gezogen. Längs- und Schrägfalten treten zurück, wie das bei Anuren sonst und bei manchen Lacertiliern häufig ist. Kommen bei Urodelen sonst höchstens Fortsatzbil- dungen auf Längsfalten vor, so sieht man sie hier bald nur auf Querfalten, bald diese wenigstens bevorzugend, wie das bei Anuren Regel ist. Ein Exemplar zeigte in einem Längsbezirk längs der Ansatzfläche des Mesenteriums viel höhere Fortsätze als anderswo. Auch das ist ein Verhalten, das an manche Anuren erinnert Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 703 (Hyla carolinensis). Nur das Drüsennetz verrät bei Siren das Urodel und daneben die ephemere Natur des Hauptreliefs im hinteren ungegliederten Rumpfdarm ! Betrachten wir dies Hauptrelief der Urodelen, das fraglos dem Relief von unserem Gymnophionen zu homologisieren ist, So ist zu beachten, daß in den hinteren Rumpfdarm- gegenden wohl sämtlicher Urodelen das Relief noch, wie beim Gymnophionen, ephemer ist. Es verstreicht bei Darmfüllung. Nicht mehr ist dasaber am Rumpf- darmanfang der Fall. Hier ist das Relief vielmehr zu einem konstanten durch Höhenzunahme der Fal- tunggeworden. Entsprechend der erlangten größeren Stabilität hat das Relief über den Wert einer Schutz- einrichtung der Schleimhaut gegen Insulte des mo- torischen Apparates hinaus Bedeutung für die Ver- dauungs- und Resorptionsvorgänge gewonnen. Niemals ganz verstreichende Falten bieten natürlich dem darüber hinweg zubewegenden Darminhalt ein mechanisches Hindernis, das sowohl eine Verzögerung des Transportes des Inhaltes und damit eine zeitliche Verlängerung sowohl zugunsten verdauender als auch resorptiver Prozesse schafften, als auch die Ursache einer Verstärkung des motorischen Apparates und seiner Hilfseinrich- tungen (Schleimsekretion, Verkürzung des Darmes) abgeben kann. Auf keinen Fall darf der mechanische Einfluß eines konstanten Reliefs aus dem Auge gelassen werden, Er ist natürlich ver- schieden nach der Richtung, nach der Höhe und der Länge der Faltee Auch ist es nicht gleichgültig, ob zahllose Zotten mit querstehender Basis etwa geringen aber unausgesetzten mechanischen Widerstand bieten oder in gewissen Abschnitten einzelne sehr hohe zusammenhängende Ringfalten usw. Ebenso ist im Auge zu behalten, daß ein mechanisches Hindernis, das für die Ver- dauungsenzyme günstigere Vorbedingungen schafft, gleich viel nicht ohne weiteres auch für die Resorption leistet. Für die Verdauungs- vorgängen, die im wesentlichen unter dem beherrschenden Ein- fluß von Pankreas und Leber und in zweiter Linie vom Magen sich vollziehen, kommt es vorwiegend auf die Gesamtsumme des vom Relief geleisteten Widerstandes gegen die Fortbewegung des Darminhaltes an, nicht so sehr auf die einzelnen Faktoren, die diesen Widerstand zusammensetzen, die Resorptionsvorgänge da- gegen hängen aufs engste von der Entfaltung des Gefäßapparates 704 Eduard Jacobshagen, ab. Der Gefäßapparat wird die geschützteste Lage bevorzugen und nahe den geschütztesten Punkten sich am höchsten entfalten. Als solche kommen die Faltenbasen und die Netzecken besonders in Frage. Um sie herum werden sich Reliefbildungen anhäufen, die der Resorption dienen. Außer auf Gefäßreichtum kommt es auf möglichst große Flächen bei der Resorption an. Diese bieten nach bekannten physikalischen Prinzipien eher zahlreiche kleine Erhebungen als wenige, aber größere. So entwickelten sich die Ringfalten zur mechanisch wichtigen Ringklappe, zum höchsten Resorptionsorgan aber die Fülle der kleinen, zarten Zotten. So mußte der Kampf ums Dasein aus einem konstanten, einfachen Netzrelief im Wechsel der Lebensbedingungen der Tiere, ihrer vielleicht in manchen Punkten sich langsam verändernden Organisation, schon in kurzer Zeit einen großen Reichtum an Reliefbildern heraufführen. Das Hauptrelief der Urodelen verrät deutlich, daß es zum Vorteil der mechanischen Leistung der Darmmuskulatur organi- siert ist und in der Tat ist auch die Muskulatur hier ziemlich schwach entwickelt. Hindernisse stellen sich dem vorwärtsdringen- den Darminhalt im Relief kaum entgegen, dagegen sind die hohen Längsfalten, die wir oft treffen, sicherlich der Resorption sehr günstige Gebilde, zumal wenn ihr freier Rand durch Kräuselung oder Fortsatzbildung eine vergrößerte Oberfläche aufweisen kann. Die im Rumpfdarmanfang der Urodelen beginnende Entwicklung des allmählich konstant gewordenen Haupt- reliefs zu einer die Resorption vorzüglich fördernden Einrichtung bei gleichzeitiger Unterdrückung mecha- nisch hindernder Formen ist ungemein charakteristisch für diese Gruppe. Lediglich bei Siren finden wir hindernde flache Querfalten, aber in ihrem Bereich auch hohe Fortsatzbil- dungen. Siren ist den Anuren mehr genähert. Diese Richtung der Reliefspezialisierung bei Urodelen scheint mir in dem bei dieser Gruppe überall verbreiteten Vorkommen von LIEBERKÜHN- schen Darmdrüsen vom Pylorus bis zum After ihre Begründung zu finden. Man darf wohl annehmen, daß sich im Urodelendarm intensive Verdauungsvorgänge abspielen, die einen längeren Aufent- halt des Inhaltes nicht erfordern. Dem diese LIEBERKÜHNSchen Drüsen umschließenden Kryptennetz wollen wir nun noch kurz Aufmerksamkeit schenken. Des Drüsennetzes von Plethodon und Batrachoseps wurde oben bereits gedacht. Seine Falten sind hoch, so daß man beim Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 705 ersten Anblick meinen kann, dies Relief nicht mit dem eines Siren vergleichen zu dürfen. Die Falten entspringen von den Seitenflächen der Hauptfalten und ziehen niemals über deren Kuppen hinweg. Bei Molge, Salamandra, Salamandrina und Desmognathus traf ich in diesem Punkte gleiche Zustände, in- dessen war das Kryptennetz von Molge und Desmognathus enger und mehr noch das von Salamandra und Salamandrina. Bei Amphiuma zieht ebenfalls das Kryptennetz nicht über die Haupt- falten, was ich unter den Salamandrinen bei Amblystoma zuerst beobachtete und dann auch bei Cryptobranchus, Megalobatrachus, den Proteiden und Siren sah. Bei keinem dieser Tiere erreicht das Relief eine Höhe wie bei Plethodon und Batrachoseps, sondern es ist fast immer äußerst flach und entsendet niemals irgend- welche Fortsätze. Offenbar ist das Kryptennetz aus dem Haupt- netz abzuleiten. Doch gehe ich vorerst auf Erörterungen über diesen Punkt nicht ein. Sie berühren die von EDINGER an- geregte Gedankenreihe, deren völlige Korrektur aussteht und mir vorläufig noch schwer durchführbar erscheint, denn in einfacher Ablehnung scheint mir wenig Geist und Nutzen zu beruhen. Ganz andere Wege ist die Reliefentwicklung bei den Anuren gegangen, denen allgemein, soviel bekannt ist, LIEBER- KÜHNSche Drüsen fehlen. Mit diesen Drüsen fehlt, um es vorwegzunehmen, auch jede Spur eines Kryptennetzes. Unter den Anuren fehlt eine Enddarmabgrenzung in Form einer Klappe selten. Ich vermißte sie bei Pelobates, Rana hexa- dactyla und einem Exemplar von Hyla arborea. Bei Xenopus macht, bogenartig sich von Längsfalte zu Längsfalte schwingend, eine quere Leiste den Eindruck einer sehr primitiven Klappe, die bei allen anderen Untersuchten in nur wenig höherer Aus- bildung stets angetroffen wurde, auch bei einem zweiten Exemplar von Hyla arborea. Wo die Klappe fehlte, war ein Enddarm durch plötzlichen Lumenunterschied aber doch feststellbar. Es steht also der Rumpfdarm der Anuren in dieser Hinsicht auf höherer Stufe und es ist nicht angängig, Mittel- und Enddarm einheitlich zu schildern. Die einfachsten Zustände bietet im Relief der Enddarm und darum wollen wir diesen zuerst betrachten. Ohne Ausnahme treffen wir im Enddarm ein einfaches, ziemlich flaches, glatt- randiges Faltennetz mit rundlich-polygonalen Maschen. Gegen den Anus hin sah ich in ihm bei Bombinator, Bufo variabilis, Hyla coerulea, carolinensis, arborea, Acris gryllus, Rana oceipi- 706 Eduard Jacobshagen, talis und Racophorus leucomystax Längsfalten durch etwas größere Höhe sich auszeichnen. Bei Rana ocecipitalis waren zuletzt Quer- falten selten, bei Bufo variabilis wurden sie schon in der End- darmmitte seltener und fehlten im letzten Drittel völlig. Sonder- barerweise waren bei Bufo einige Querfalten leicht erhöht. Dies höchst einfache Relief des Enddarms dürfte noch bei keinem Anuren völlig konstant sein. Bei einigen, von denen ich nur ein Exemplar untersuchen konnte, das zufällig einen stark gefüllten Enddarm besaß, fand ich die Schleimhaut völlig glatt, so bei Leptobrachium, Hyla aurea, Microhyla, Rana adspersa und Phrynobatrachus. Fraglos besteht auch hier ein ein- faches Netz in kontrahiertem Zustand, wie entsprechende Be- funde bei den übrigen Anuren zeigten. Interessantere Verhältnisse trifft man dagegen am Mitteldarm. Im allergrößten Teil des Mitteldarms ist das Relief konstant. Nur bei Pelobates fuscus fand ich es mehrmals im letzten Viertel bei starker Darm- füllung restlos verstrichen. Möglicherweise ist in- dessen bei mehreren anderen auch noch ein kleines Stück des Mitteldarmendes mit verstreichbarem Re- lief bedeckt. Alle Anurenreliefs sind einfache Netzwerke oder lassen sich mit Leichtigkeit von ihnen ableiten, immer ist am Mitteldarmende ein Netzwerk mit längsgestreckten Maschen und überwiegender Entwicklung von Längsfalten vorhanden. Alle Ver- änderungen betreffen also die vorderen Abschnitte des Mittel- darmreliefs. Das Mitteldarmrelief von Bombinator ist das einfachste und wird von einem einfachen Netz gebildet, das an- fangs ziemlich ungleiche, nachher aber gleichmäßigere Maschen besitzt. In Pylorusnähe ist die Höhe aller Falten etwa gleich. Nach und nach aber bleiben alle anderen Falten hinter den Längs- falten in der Höhe ein wenig zurück. Phrynobatrachus und Cystignathus verhalten sich fast gleich. Nur treten in der Region der regellos verlaufenden Falten einzelne Querfalten durch größere Höhe hervor, indessen erhebt man den Befund nur auf sehr kurze Strecke und dann folgt die regelmäßige Zone wie bei Bombinator, deren Maschen all- mählich länglich werden. Bei Phrynobatrachus verlaufen die Falten der ungeordneten Zone leicht geschlängelt. Ihnen schließt sich Bufo vulgaris an, in dessen Netz anfangs vereinzelte Quer- falten, dann aber alle durch größere Höhe hervortreten. Bei Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 707 der ähnlichen Hyla coerulea bedecken die erhöhten Quer- falten des Netzes schon eine größere Darmstrecke und besitzen einige Fortsätze am freien Rand. Solche Fortsätze sind auf dem sehr ähnlichen Relief des Engystoma carolinense höher entwickelt und haben breitzungenförmige Gestalt. Neben ihnen bemerkt man oft Kerben im Faltenrande. Eine Vertiefung solcher Kerben hat bei anderen Anuren zu einer Unterbrechung der; Querfalten, zu ihrem Zerfall in einzelne Stücke geführt. Nur Teile des alten Netzes blieben dann erhalten. Besonders er- hielten sich Querfaltenteile nahe den Netzecken in Form dreieckiger Lappen. Solche querstehende, drei- eckige Fortsätze hängen bisweilen noch durch niedrige Leistchen miteinander zusammen, oft sind sie aber völlig isolierte Auch die Längsfalten können nämlich eine Unterbrechung erfahren oder restlos schwinden. Das sieht man z. B. bei Hyla arborea oder Megalophrys. Anal- wärts gehen alle diese Reliefs allmählich, wie bereits erwähnt, wieder in Netze über, aus denen sie sich ja auch mit Sicherheit herleiten. , Die Spezialisierung des Netzreliefs über Querfalten- zu Zottenreliefs ist bei Bufonen, Cystignathiden, Hyliden, Engysto- matiden und Pelobates wahrzunehmen. Sie ist nicht die einzige bei Anuren. Bei Xenopus und Rana begegnen wir einer zweiten. Auch hier spielen Querfalten eine wichtige Rolle. Aber meist bleiben sie gerade in Zusammenhang. Die Quer- falten wachsen in die Länge derart, daß sie als ein fache Ringfalten keinen Platz mehr haben und sich darum in Zickzack legen, so lange der Darm sich im mäßigen Kontraktionszustand befindet. Am längsaufgeschnit- tenen Darm verlaufen sie Mförmig. Nur bei gedehntem Darm kann dies m fast zur geraden Linie werden durch Abstumpfung seiner Winkel. Bei dieser Reliefform ist gewöhnlich überall der Netzcharakter unverwischt, der auch hier am Darmende rein fortbesteht. Bisweilen ist auch bei diesem Typ eine Tendenz zur Isolation einzelner Reliefteile nachzuweisen (Rana temporaria, adspersa). Darin nähert sich der Typus dem zuerst erwähnten. Zwischen beiden steht auch Pelobates. Dies Tier zeigt stellen- weise Zickzackverlauf der Querfalten, während im ganzen die Isolation von Faltenteilen und das Zottenprinzip herrschen. Ähnlich verhält sich in der Hinsicht der Ranide Racophorus leucomystax. 708 Eduard Jacobshagen, Es verrät also das Relief des Mitteldarms der Anuren überall Zustände, die sich nicht sehr weit vomalten Netzwerk entfernt haben. BeiallenAnuren besteht die Neigung, sehr bald hinter dem Mittel- darmanfang Querfalten auszubilden. Diese bieten natürlich mechanisch hemmenden Widerstand, der im Hauptrelief der Urodelen gerade überall bis auf Siren fehlt. Anuren und Urodelen zeigen das Relief also nach verschiedener Richtung ausgebildet, die offen- bar mit dem Fehlen der Darmdrüsen bei den ersteren und dem Vorhandensein bei den letzteren Erklärung findet. Die weitere Spezialisierung des (Querfaltenreliefs der Anuren erfolgt dann in verschiedenem Sinne. Die Verlängerung der Querfalten und ihr Zickzackverlauf bei Xenopus und Rana bedeuten eine Steigerung des mechanischen Widerstandes im Relief, während den Befunden bei Bufonen, Cystignathiden, Hyliden, Engysto- matiden und Pelobates mit dem erstrebten Zerfall der Querfalten in quergestellte, einzelne Fortsätze die Tendenz zugesprochen werden muß, den Widerstand zu verringern im Interesse einer für die Resorption günstigeren -Oberflächengestaltung. Wie wenig scharf aber beide Anurenreihen im Relief sich scheiden lassen, verraten Rana adspersa, temporaria und hexadactyla, die das Ranidenrelief kombiniert mit dem Isolationsprinzip besitzen. Diese Ausführungen zeigen klar, daß meine un- längst aufgestellte Behauptung sich auch für die Amphibien voll bestätigt, daß im Darmbau sich überall die Verwandtschaft des Tieres deutlich wiederspiegelt. Wir sehen bestimmte Reliefreihen an bestimmte Verwandtschaftsreihen geknüpft. Gerade bei Amphibien vererbt sich das Schleimhautrelief so gründlich, daß man es getrost als Bestimmungsmittel für die Zugehörigkeit eines. Amphibiums zu einer der drei großen Gruppen verwenden könnte. Diese Feststellung scheint mir wichtig zu sein, denn wohin man auch blickt im Gebiet darmanatomischer und darmphysio- logischer Forschung, überall vermißt man beinahe diese Erkennt- nis und vor allem ihre Folgerungen für die Praxis. Hier wird versucht, aus der Ernährung des Besitzers die Bedeutung eines Stratum compactum, einer Muscularis mucosae, einer Magenform usw. abzuleiten, dort hat man sogar herbivore und karnivore Zotten finden wollen, und bestimmte Wechsel- beziehungen zwischen Epithelhöhen und der Quantität des binde- Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 709 gewebigen Stützgerüstes behauptet. Ja, selbst von morphologisch denkenden Forschern hat man gehört, es sei das Darmsystem das Reich, in dem von der Anpassung alles beherrscht. werde. Diese fast durchweg von dem allerkläglichsten Tatsachenmaterial gestützten Phantastereien ziehen sich seit den Tagen ÜUVIERS durch die Literatur eines Jahrhunderts als die Variationen des Themas: Das Darmsystem verrät besser als irgendein anderes die Beziehung von Organ und Funktion. Fast ohne, daß wohl auch nur ein einziger Physiologe einmal die Tatsachen nach- geprüft hätte, erscheinen viele uralte Irrtümer immer wieder und haben sich zu unglaublich hartnäckigen Dogmen verdichtet. Wer glaubt heutzutage z. B. nicht, daß aile Pflanzenfresser einen längeren Darm haben als die Fleischfresser? Und doch ists kein festes Gesetz, sondern erlebt selbst bei Säugetieren viele krasse Ausnahmen, wie ich in einer speziellen Arbeit über die Säugetiere demnächst im einzelnen darlegen werde. Es scheint mir notwendig zu sein, mit allem Nachdruck zu betonen, daß wir bisher weder einen herbivoren Magen noch einen herbivoren Darm bei Säugetieren kennen, daß wir weder einen karnivoren Magen noch karnivoren Darm gefunden haben. Ja, wir werden ihn auch niemals finden und uns hoffentlich auch gar nicht bemühen, ihn zu finden. Bisher haben wir auch bei Säugetieren nichts kennen gelernt als gewisse Magen- oder Darmformenreihen inner- halb engerer oder weiterer Verwandtschaftsgruppen, die offenbar, unter funktionellem Einfluß, in gewisser Richtung modifiziert waren. Für keine Einrichtung im Darmsystem kennen wir bisher ein herbivores oder karnivores Merkmal und das ist auch wohl begreiflich. Ein Hund wird sich niemals in einen Hasen verwandeln, die Lebensweise wird modifizierend wirken können, aber weit wichtiger ist die konservative Tendenz im Organismus, die Vererbung! Jahrhunderten galt die Konstanz der Arten als Lehrsatz und wir wollten so verblendet sein, die unermeßliche Bedeutung der Vererbung zu mißachten am Darmsystem darum, weil es hier und da den Anschein hat, als seien wir auf dem Wege, auch in die Beziehungen zwischen Funktion und Organ- bau hier vereinzelte, flüchtige Einblicke zu bekommen? Noch immer ist die Darmanatomie ein Gebiet, in dem kaum eine große Frage beantwortet ist, ja, erstaunlicherweise sind viele tief ein- greifende Probleme als solche noch gar nicht erkannt. Keine Frage, ein wichtiges, weites Gebiet liegt hier noch zur Bearbei- tung, das reiche Erträge vielleicht schon bald bringen kann. Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 46 710 Eduard Jacobshagen, Aber ehe nicht erkannt ist, welchen Weg man zu betreten hat, kann kein wesentlicher Fortschritt kommen, soviel Einzelunter- suchungen auch erscheinen mögen. Solange man eine verglei- chende Betrachtung ausschließt oder nebenher behandelt, so lange man sich der Mühe enthebt, auch hier wie überall die morpho- logischen Reihen aufzuspüren und nach den vielverschlungenen Pfaden der historischen Entwicklung zu suchen, wird alles beim Alten bleiben. Kann uns die Funktion, die Lebensweise, sagen, warum die Urodelen LIEBERKÜHNSsche Drüsen haben, die Anuren aber nicht? Kann sie uns sagen, warum Salamandra dieses, Rana jenes Relief besitzt? Ja, kann uns die Funktion sagen, warum Hyla arborea Zotten in weiten Strecken des Mitteldarmes hat? Man ernähre doch Generationen lang einmal Salamandra wie Hyla und sehe, ob sein Relief wohl dem von Hyla in irgend- einem Punkte auch nur ähnlich wird! Das Relief der Am- phibien lehrt uns, daß morphologische Reliefreihen an Verwandtschaftsgruppen sich knüpfen, nicht knüpfen sie sich an Funktionen. Möchte diese Lehre jedem vor Augen stehen, der auf darmanatomischem Gebiete arbeitet, dann kann ein rascher Fortschritt nicht ausbleiben. Oberflächenrelief der Rumpfdasmschleimhaut der Amphibien. 711 Anhang. Bekanntlich ist über die Beziehungen von Relief und Er- nährung viel philosophiert. Es erscheint mir nicht ohne Interesse, bei Amphibien einige Hinweise über diese Dinge zu geben, um auch damit zu zeigen, wie wenig solche Spekulationen bisher leisten und wie wenig man in Zukunft von ihnen zu erwarten hat. Ich gebe tabellarisch (S. 712—715) die Angaben BREHMSs (neueste Auflage von WERNER) wieder über die Ernährung der Amphibien und ergänze sie durch eigene Mitteilungen, die ausnahmslos durch Untersuchungen des Magendarminhaltes gewonnen wurden. Man vergleiche doch einmal die Angaben über die Ernährung mit den Reliefschilderungen! So verweise ich auf die Familie der Hyliden. Alle vier Arten haben fast gleiche Ernährungsweise und doch welche Verschiedenheit im Relief! Bei Rana oceipitalis und Bufo agua wird sicher Pflanzennahrung auch verdaut. Worin aber sollte sich im oben geschilderten Relief wohl die Aufnahme der Pflanzennahrung offenbaren? Und nun nehme man sich einige Familien willkürlich heraus, betrachte ihre Nahrung, dann ihr Relief und vergleiche! Man wird mir fraglos dann sofort zu- geben, daß von auch nur einer einzigen Beziehung zwischen Ernährung und Relief vorerst nichts zu sehen ist. Fraglos be- stehen Beziehungen zwischen der Funktion des Darmes und seinem Relief, aber die physiologische Leistung ergibt sich nicht aus der Art der Nahrung allein, sondern mehr noch aus dem Zustand, in dem die Nahrungin den Darm kommt, und darum dürfen wir die von BUJARD neu angeregten Ideen ruhig einer verflossenen Epoche der Natur- forschung überlassen, sie haben keine Daseinsberechtigung. An- dererseits darf ja auch nicht übersehen werden, daß für die Funktion .nicht nur der physikalische und chemische Zustand der Nahrung beim Eintritt inden Darm in Frage kommt, sondern noch viel mehr die vorhandene Leistungsfähigkeit und Leistungs- möglichkeit des Darmes, die durch den phylogene- 46* 712 Eduard Jacobshagen, tischen Werdegang allein verständlich werden kann. Endlich wird der Bedarf an Darmarbeit, der weit- gehend durch die Lebensweise der Tiere beeinflußt wird, im Darmbau sich äußern müssen. Zahlreiche Momente wirken’ auf die Nahrung ein. Wir kennen sie nicht einmal alle an einem Tier und wollen doch Ernährungstypen aufstellen? Es ist, als bemühe man sich, die Augen vor den einfachsten anatomischen Tatsachen zu verbergen, wenn man sich immer noch eingehend mit Busarpschen Ideen befassen will. Ehe wir BuJArDs Fragen beantworten, wird eine lange Zeit ver- streichen müssen oder unsere Kritik ist im Verfall. Übersicht über die Ernährung der Amphibien. Tier Siren lacertina BREHMs Angabe Fische, Kaulquappen, rohes Fleisch, Regenwürmer, In- sektenlarven. GOTHARD sah die Tiere Sand ins Maul nehmen, den sie durch die Kiemen wieder ausstießen Eigne Untersuchungen Arthropodenreste verschie- denster Art (Crustaceen!). Grüne Reste von höheren Pflanzen, dicke Büschel grüner Fadenalgen. Ein Exemplar enthielt fastnichts als Massen solcher Pflanzen- teile und Algen Necturus maculatus Frösche, kleine Fische, Fischlaich, Krebse, Insek- ten, Würmer Arthropodenreste neben sehr viel Pflanzenresten. Letztere rührten kleinen Teils von grünen Pflanzen her, meist bestanden sie in ver- moderten Gräsern, wie man sie am Boden bewachsener Teiche findet. Ab und zu im Magen und Darm mittel- körniger Sand in geringer Menge und daneben viel feiner Schlamm Proteus anguineus | Würmer, Crustaceen und Schnecken. Megalobatrachus |Fische, Frösche, Insekten, Wirbeltierreste Würmer Cryptobranchus Eigene Junge, Fische, Crustaceenreste und viel alleghaniensis Krebse, Würmer Pflanzenreste aller Art recht zerkleinert. Im Magen mehrere über '/, cm. im Durchmesser messende Holz- kohlenstückchen, die durch Wasser abgeschliffen waren Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. 713 Tier Amphiuma means BREHMs Angabe Fische, Crustaceen, Wür- mer, Mollusken Eigne Untersuchungen Amblystoma mexi- canum Crustaceen und Mollusken Plethodon gluti- Fast nur Käferreste, meist nosum von Laufkäfern. 2. Exem- plar: Unter Insektenresten bestimmte ich eine Heu- schrecke. Einzelne Sand- körnchen im Darm Batrachoseps Insektenreste, Fliegen und andere Arthropoden, Wür- mer und Schnecken Spelerpes gutto- lineatus Desmognathus brimleyrium Skorpione, Käfer, Spinnen, Asseln, Tausendfüße, Käfer- larven Milben, Teile geflügelter In- sekten und unbestimmbare Teile tierischer Nahrung Die Insektenreste stammten vorwiegend von Hymeno- pteren und von Schmetter- lingen Salamandra Regenwürmer, Schnecken Käfer, Käferlarven, Milben. Bei zwei Exemplaren dazu Sandkörnchen und Pflanzen- teile, letztere bei dem einen Tier sehr reichlich. Es handelte sich um Teile von Moosen und kleinen grünen Blattpflanzen Molge cristata und alpestris Kaulquappen, eigne Brut, Insekten und deren Larven, Crustaceen und deren Lar- ven, Mollusken und Würmer Nichts Abweichendes Molge viridescens Molge Waltlii Arthropodenreste Chitinreste kleiner Insekten. Im Enddarm sehr viel feiner Sand. Dazwischen stark zerkleinerte Pflanzenteile (grün) und Diatomeen Bombinator igneus Insekten, Würmer, Schnecken Pelobates fuscus Insekten und deren Larven, Spinnen, Würmer, Schnecken 714 Eduard Jacobshagen, Tier BREHMs Angabe Eigne Untersuchungen Leptobrachium Nur tierische Reste, die teils Hasselti von Schmetterlingen, teils von nicht bestimmbaren anderen Insekten her- rührten Megalophrys Ich fand Trümmer eines montana großen Käfers im Magen Bufo vulgaris Wespen, Bienen, Schmet- terlinge, Käfer, Spinnen, Würmer Käfer Bufo calamita Bufo agua Käfer, Spinnen, Ameisen Neben massenhaften Käfer- resten einzelne zarte Blatt- reste und nur sehr grob zerbissene Bohnen in großer Zahl. Sie waren bereits weich, doch ergaben die Stärkekörnchen noch Jod- reaktion. Ich fand in einem Tier die Reste von wenig- stens 4—6 Bohnen Hyla arborea Fliegen, Schmetterlinge, Käfer, Spinnen, Raupen und andere Insekten Hyla coerulea Kleine bis halbwüchsige Eidechsen, junge Gras- und Springfrösche, kleine Fische, Schnecken, Weich- käfer, Käferlarven, Schmet- terlinge, Heuschrecken, Spinnen, Würmer Hyla aurea Kleine Frösche, Schwaben, Fliegen und andere Insekten Ich fand Reste von Käfern und anderen Insekten Acris gryllus Fliegen Chorophilus terrarum Fliegen Im Enddarm sah ich nichts als Reste von Käfern und anderen Insekten Cystignathus ocellatus Massenhafte Reste von Kä- fern, besonders von Rüssel- käfern, daneben fand ich Schuppen von Schmetter- lingsflügeln, viel Lehm und zarte Pflanzenblätter, Gras- halme und einzelne Sand- körner Oberflächenrelief der Rumpfdarmschleimhaut der Amphibien. Tier Rana esculenta Rana mugiens Rana adspersa Rana oceipitalis Mäuse, Frösche, Regenwür- 715 BREHMs Angabe Neben Wespen und Spinnen viele andere Insekten, Schnecken, Würmer. Über- fall auf eine Bachstelze ist beschrieben Eigene Untersuchungen Frißt nach Leunis kleine Frösche, Vögel, Fische, Würmer und Insekten Ich fand Reste von Arthro- poden und anderen Tieren mer (BREHM) Neben Resten von Crusta- ceen traf ich groben und feineren Sand im Darm Rana hexadactyla Im Magen und zumal im Darm fand ich massenhaft grüne Pflanzenreste unbe- stimmbarer Herkunft mit Diatomeen und Infusorien dazwischen. Im Enddarm kamen dazu einige Sand- körner Ich begegnete Resten von Käfern und anderen In- sekten Racophorus leuco- mystax der Gymnophione Ich fand viel Arthropoden- reste Neben vielen Arthropoden- resten unterschied ich einige Milben, glaubte auch Teile einer Assel zu erkennen. Im Darm war viel Sand 716 Jacobshagen, Öberflächenrelief d. Rumpfdarmschleimhaut usw. Literatur. 1) Cuvıer, Vorlesungen über vergleichende Anatomie, Bd. III, 1810. Übersetzt von MECKEL. 2) GAUPP-ECKER-WIEDERSHEIM, Anatomie des Frosches. 3) GEGENBAUR, Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 4) JACOBSHAGEN, Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer: Teil I Jen. Zeitschr. f. Naturw., Bd. XLVII, 1911. > 110, " hs n et RILERS 103 = IDL400, = n n snmbEll, 21915: 5) LeyDiG, Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien, 1853. 6) MECKEL, System der vergleichenden Anatomie, Bd. IV, 1829. 7) MıLne-Epwarops, Lecons sur la physiologie et l’anatomie 1860. 8) RupoLpHı, Anatomisch-physiologische Abhandlungen 1802. 9) Srannıus, Zootomie, 1854. Abgeschlossen im Dezember 1914. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke Stenogyra decollata L. Von Johannes Wille aus Gera-Reuß. Mit Tafel 9 u. 10 und 38 Textfiguren. (Aus dem Zoolog. Institut der Universität Jena.) Vorbemerkung. Die merkwürdige Erscheinung der Dekollation, wie sie sich bei Stenogyra decollata L. und einigen anderen Pulmonaten findet, ist bisher noch nicht Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen. Da auch die anatomischen Verhältnisse von Stenogyra noch verschiedenes Neue boten, so schlug mir mein hoch- verehrter Lehrer, Herr Prof. Dr. L. PLATE, vor, diese Form zu bearbeiten. Bisher haben folgende Autoren über Stenogyra decollata in kürzeren Bemerkungen berichtet: WIEGMANN (allgemein); JoHN- STON, SIMROTH (Dekollation); VON JHERING, AMAUDRUT, NABIAS, H. DE LaAcAzE-DUTHIERS (Nervensystem); AMAUDRUT (Musku- latur); SEMPER (Niere); DUBRUEIL, A. ScHMIDT (Geschlechts- organe). Für das Material, welches Herr Prof. PLATE in Rovigno gesammelt hatte, und welches er mir überließ, sowie für das grobe Interesse und liebenswürdige Entgegenkommen, mit dem er mir die ersten Anleitungen zu meiner Arbeit gab, spreche ich ihm meinen besten Dank aus. Besonders fühle ich mich ver- pflichtet, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. J. MEISEN- HEIMER, ergebenst zu danken, der mir mit vielen Anregungen und unermüdlichem Interesse bei der Vollendung dieser Arbeit zur Seite stand. Ebenfalls danke ich Herr Privatdozenten Dr. A. Hase, der mich stets mit Rat und Tat unterstützte. Ferner spreche ich dem Leiter der K. K. Zoologischen Station zu Triest, Herrn Prof. Dr. C. J. Corı, meinen verbindlichsten Dank aus für die freundliche und bereitwillige Übersendung einer großen Zahl lebender Stenogyren. 718 Johannes Wille, Die Untersuchungen wurden vorgenommen an Totalpräparaten und an Schnittserien, die durch das ganze Tier oder durch die einzeln herauspräparierten Organe geführt wurden. Das lebende Material wurde einesteils zur Beobachtung der Dekollation verwandt, anderen- teils für feinere Untersuchungen fixiert. Als Fixierungsmittel be- währte sich Sublimat-Alkohol-Eisessig (1 Teil abs. Alkohol, 2 Teile Sublimat und einige Tropfen Eisessig). Als Entkalkungsflüssigkeit benutzte ich das Salpetersäure-Alkoholgemisch nach ORTH. Zu den Färbungen wurde bei Hämalaun- oder Hämatoxylinvorfärbung Nachfärbungmit van GIESONschem Pikrinsäure-Säurefuchsingemisch (1000:25) oder Nachfärbung mit Eosin angewandt. Bei der Identi- fizierung der Drüsen gab Bismarckbraun, bei Radulafärbungen Ammoniumrubinpikrat gute Resultate. Bei der Färbung von Totalpräparaten bewährte sich Alaunkarmin. I. Äußere Körperform und Lebensweise. Die Schale von Stenogyra decollata ist hoch turmförmig mit zahlreichen (4—12) Windungen, welche nur langsam an Größe zunehmen. Der Mündungsrand ist einfach, ohne Zähne oder Falten. Die Schalenoberfläche ist einfarbig gelblich, glänzend und ganz fein gerippt, parallel zu den Anwachsstreifen. Die Schale ist sehr dünn und durchscheinend.. Die Umgänge sind ganz wenig gewölbt; der letzte Umgang nimmt ein Viertel bis ein Drittel der Gehäuselänge ein. Die Mündung steht fast senkrecht und ist spitzeiförmig. Mundsaum mit einer schwachen Lippe versehen. An den Nähten feine Streifungen wie Kerben. Die Kolumella ist hohl. Die Schalen sind rechtsgewunden. An allen älteren Tieren sind die oberen Windungen abge- brochen und ein neuer, an der Kolumella mit runder Kuppe beginnender Apex gebildet. Junge Tiere, bei denen die Dekol- lation noch nicht eingetreten ist, haben einen stumpfen Scheitel. Diese Verhältnisse werden uns später genauer beschäftigen. Die Länge der Gehäuse schwankt je nach dem Alter des Tieres und der Dekollation zwischen 1,5 und 3,5 cm bei vier bzw. neun Windungen. In der äußeren Körperform gleicht Stenogyra den von Helix her bekannten Verhältnissen. Die Fußsohle ist weißlich, die übrigen Teile des Integuments schwärzlich. Die von Herrn Prof. PLATE in Rovigno gesammelten Exemplare‘ waren dunkler als die Triester Tiere. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 719 Die merkwürdige Erscheinung der Dekollation veranlaßte es, daß das Tier schon lange bekannt war. LINNE beschreibt unser Tier als Helix decollata. Von da an hat der Genus-Name verschiedene Wandlungen durchgemacht, wie Bulimus dec., Buli- minus dec., bis die Art jetzt in die Gattung Stenogyra Shuttleworth gerechnet wird. Rısso setzt sie hier noch in die Untergattung Rumina. Der von A. SCHMIDT vorgeschlagene Name Sira decollata fand keine Verbreitung. Das Verbreitungsgebiet von Stenogyra decollata liegt in den Mittelmeerländern, und die Schnecke ist jetzt auch in Nordamerika in Charleston anzutreffen, wo sie eingeschleppt ist. Sie kommt ziemlich gemein in Gärten, wie auch in der freien Natur vor. f Wie ich an meinen lebenden Tieren beobachten konnte, bildet die Nahrung Pflanzenkost; Salat und Kohlblätter wurden besonders gern von den Tieren verzehrt. Daneben verschlucken sie aber große Mengen von Erde. Dies bereitete bei der An- fertigung von Schnittserien große Schwierigkeiten; infolgedessen wurden die Tiere vor der Fixierung einige Tage lang mit feuchtem Fließpapier gefüttert, bis die Fäzes keine Erdteile mehr enthielten. Das Tier verkriecht sich am Tage meist unter Steine, oder es bohrt sich in die Erde ein. Hierbei sieht dann bloß der Apex ein wenig über dem Erdboden hervor. Mitte November verkrochen sich die Tiere sämtlich in die Erde, ohne daß von ihnen noch etwas zu sehen war. Gräbt man die Tiere aus, so findet sich ein dünnes häutiges Epiphragma an der Mündungsöffnung. Daß mehrere Epiphragmen hintereinander abgeschieden wurden, konnte ich nicht feststellen. Die lebenden Tiere, die ich aus Triest gesandt bekam, wurden in einem großen, mit einer Erdschicht bedeckten Käfig gehalten, der im Freien aufgestellt wurde. In die Erde wurde Gras ausgesät und aus einigen Kalksteinen Verstecke und Schlupf- winkel gebaut. Die Tiere fühlten sich anscheinend sehr wohl und munter in unserem Klima. Gestorben ist kein einziges. Il. Das Integument und seine Differenzierungen. Den ganzen Körper überzieht ein einschichtiges Epithel, dessen Höhe in den einzelnen Körperteilen verschieden ist. Hohes Zylinderepithel findet sich in der vorderen Kopfregion, niedrigeres bekleidet den Fuß und die übrigen nicht von der Schale bedeckten Körperteile. Der spiralig eingerollte Eingeweidesack führt kubisches 120 Johannes Wille, Epithel als Integument. Dieses zeigt schwache Erhöhung an den Außenrändern zwischen den Nähten und auf dem obersten, an die konkave Scheidewand angrenzenden Umgang. Nach der Ko- lumella zu wird es sehr niedrig, und ist hier ein Plattenepithel. An der Anheftungsstelle des Kolumellarmuskels an die Schale zeigt das Epithel eine besondere Differenzierung, die wir dort besprechen. Eine Cuticula findet sich an allen außerhalb der Schale gelegenen Körperteilen, besonders stark entwickelt am Kopf. Der Fuß zeigt auf seiner gesamten Sohlenfläche, aber nicht an den Seitenteilen deutliche Flimmern (Textfig. 1). Dem Epithel schließen sich nach innen als Stütze fibrilläres Binde- gewebe und zahlreiche Muskel- fasern an. Das Pigment tritt in verzweigten Bindegewebs- zellen auf. Spärlich verteilt ist es in der Sohle und im Mantel- rand, gänzlich fehlt es an der Mundöffnung an Papillen, die das Mundrohr umstellen. Charakteristisch für die Schneckenhaut ist der große Reichtum an Drüsenzellen. Sie sind stets einzellig und ragen mehr oder weniger tief bauchig in das Unterhautbindegewebe hinein (Textfig. 1, Taf. 9, Fig. 6). Textfig. 1. Schnitt durch die Fuß- Ihr Sekret entleeren sie nach Eohlp Seren: außen durch einen zwischen den Epithelzellen gelegenen Fortsatz, Wir unter scheiden Schleimdrüsen (scAldrz Taf. 9, Fig. 6), Kalkdrüsen (kdrz)und Eiweißdrüsen (ezdrz). Alle drei zeigen einen basalständigen. sich dunkel färbenden Kern, um den sich das Protoplasma zu- sammenzieht, während der übrige Teil der Zelle von Sekret er- füllt ist, oder wenn dieses ausgestoßen ist, leer erscheint. Mit Hämalaun und van GIESoN färben sich die Schleim- und Kalk- drüsenzellen blau, die Eiweißdrüsenzellen gelb, mit Bismarckbraun die Kalkdrüsen braun. Bei den Eiweißdrüsen (ezdrz Taf. 9, Fig. 6) erscheint das Sekret in einen homogenen Tropfen zu- sammengezogen, bei den Schleimdrüsen (schldrz) ist es grob- schaumig und gleichmäßig in der Zelle verteilt; die Kalkdrüsen- zellen (#drz) endlich führen in dem wabigen Inhalt noch kleine Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 721 rundliche Granula.. Die Verteilung der einzelnen Drüsenarten auf dem Körper ist eine ganz bestimmte. Zunächst ist der von der Schale ständig bedeckte Teil des Körpers gänzlich frei von Drüsen. An der Fußsohle liegen nur Schleimdrüsen, die hier besonders tief gelagert sind und in langen Ausführgängen ihr Sekret nach außen entleeren (Textfig. 1). Sie zeigen hier an der Fußsohle meist einen mittelständigen Kern, während sonst die Schleimdrüsen, z. B. im Mantelsaum basalständige Kerne haben. An den Seitenteilen des Fußes und der Oberseite des Fußes finden sich neben den hier kurzen Schleimdrüsen die Eiweiß- drüsen. In großer Menge finden sich im Mantelrand alle drei Arten von Drüsenzellen (Taf. 9, Fig. 6). Hier zeigen sie auch ganz bedeutende Größen. BECK beschreibt bei unseren ein- heimischen Buliminen eine Nackendrüse an der Verwachsungs- linie des Mantels mit dem Nackenintegument. Bei Stenogyra finden sich an dieser Stelle zwar auch zahlreiche große Drüsen- zellen, allein zu einer scharfen Differenzierung in einen abge- schlossenen Drüsenkomplex ist es noch nicht gekommen. Manteldrüse. Dagegen erwähnt FR. WIEGMANN ein Drüsen- organ am Mantelrand von Stenogyra decollata: „Auf der Innen- seite des Mantelrandes sitzt ein auch bei Sten. octona beobachtetes, gegen das Pneumostom sich erstreckendes und vermutlich dort öffnendes Drüsenorgan. Ob dasselbe mit der anderwärts zuweilen vorkommenden Analdrüse homolog ist, muß einstweilen unent- schieden bleiben.“ Diese Manteldrüse nimmt die mittlere Partie des Mantelwulstes ein (»2#dr Taf. 9, Fig. 1). Sie beginnt links neben dem Atemloch im Atemgang und läuft nach links bis wenig über die Medianlinie des Tieres hinüber. Dabei nimmt sie einen Teil des oberen linken Mantellappens (oZ. »22/) ein. Sie hat weder einen Ausführgang, noch liegt sie auf der Innenseite des Mantel- randes. Die Manteldrüse stellt vielmehr einen Komplex einzelliger Drüsen dar, die durch lange Fortsätze ihr Sekret nach außen auf den Mantelwulst und in den Atemgang hinein entleeren. Histolo- gisch setzt sich die Drüse aus zweierlei Drüsenzellen zusammen (Taf. 9, Fig. 2): helleren. bläulich sich färbenden, die Außenseite einnehmenden (7drz) und dunkleren braunen, nach hinten ge- legenen Zellen (Addrz). Diese letzteren finden sich einzeln ein- gesprengt auch noch vorn zwischen den hellen Zellen. Beide Zellsorten zeigen einen großen runden zentral gelegenen Kern mit einem Nucleolus. In den dunklen Kernen der hinteren Zellen findet sich das Chromatin in großen Mengen, so daß der Kern 122 Johannes Wille, beinahe homogen schwarz erscheint. Die vorderen Zellen zeigen dagegen eine losere Verteilung des Chromatins in ihren Kernen, so daß hier der etwas kleinere Kern heller ist. Das Plasma bildet in den hinteren Zellen ein feinmaschiges Wabenwerk, in das die braunen bis gelben Sekretgranula verteilt sind. Dieses Sekret ergießen die Zellen in langen Fortsätzen (ag), die homogen hellgelb aussehen, nach außen. Dabei schlingen sich die langen Fortsätze durch die hellen Zellen hindurch. Diese letzteren zeigen in ihrem Innern ein feines hellblau bis violett mit Hämalaun und VAN GIESON-Färbung erscheinendes Wabenwerk, in dem sich kleine, ebenso gefärbte Granulationen vorfinden. Das Epithel des oberen Mantellappens, welches sonst Flimmern trägt (Taf. 9, Fig. 1), zeigt diese im Bereiche der Drüse nicht; vielmehr ist das Epithel hier ein einfaches niedrig zylindrisches (e# Taf. 9, Fig. 2). Die Manteldrüse stellt also eine besondere Differen- zierung der einzelligen Hautdrüsen vor. Die Anal- oder Rektal- drüsen dagegen, mit welchen WIEGMANN diese Manteldrüse analo- gisieren will, sind Ausstülpungen und Blindsäcke des Enddarms. Die Bedeutung der Manteldrüse liegt wahrscheinlich darin, daß sie die aus der Kloake kommenden Abfallstoffe geschmeidig macht und sie so im Grunde des Atemganges nach außen be- fördert. Da die gleiche Aufgabe des Schlüpfrigmachens der Fäzes den eben erwähnten Analdrüsen zukommt, so hätten wir es bei unserer Manteldrüse mit einem Gebilde zu tun, welches den Anal- oder Rektaldrüsen nicht homolog, sondern analog wäre. Fußdrüse. Die Fußdrüse liegt als langgestreckter, runder, weißlicher Schlauch im oberen Muskelgewebe des Fußes in der Mittellinie. Eine besondere bindegewebige Umhüllung, die sich scharf gegen die Fußmuskulatur abhebt, findet sich nicht. Naeh hinten endet die Drüse blind eine Strecke vor der Schwanzspitze, nach vorn öffnet sie sich zwischen den inneren Lippen und dem Fußrand (Taf. 9, Fig. 19. Die Drüse wird durchzogen von einem Kanal, den die Drüsenzellen paketförmig anfangs nur oben und unten, weiter hinten ringförmig, aber hauptsächlich auf der Unterseite umgeben. Der Querschnitt dieses Drüsenkanals erfährt in seinem Verlaufe mannigfache Veränderungen. An der Mündung stellt er eine längliche horizontale Spalte dar, die im ersten Drittel sich elliptisch abrundet. Weiter nach hinten nähert er sich mehr und mehr der Kreisform, wobei das Dach drei in das Kanallumen vorspringende Falten trägt; von diesen ist die mittelste am stärksten ausgebildet (vac Taf. 9, Fig. 4). Die einzelnen Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 723 Drüsenzellen zeigen je nach ihrer Lage in der Drüse verschiedene Struktur und Farbreaktion, die folgenden Angaben der Färbung beziehen sich alle auf Hämalaun van GIEson-Färbung. Am Dach finden sich anfangs dunkelblaue Zellen (ddrz Taf. 9, Fig. 3), die in einem homogenen dunklen Inhalt kleine blau gefärbte Sekret- körnchen führen. Der runde Kern liegt zentral und ist chromatin- reich. Zwischen diesen Zellen finden sich hellgelb gefärbte Drüsen- zellen (Adrz), die eine äußerst feine Netzstruktur aufweisen. Ihr Kern ist stark braun färbbar, elliptisch und zentral gelegen. Diese beiden Zellarten ergießen durch Fortsätze zwischen den Epithel- zellen des Daches hindurch ihr Sekret in den Gang. Diese Zellen lagern sich zahlreich übereinander und bilden ein ziemlich breites Polster am Dach des Ganges. Nach hinten hin erniedrigt sich dieses immer mehr, so daß wir in der Mitte nur noch eine Lage von Drüsenzellen an der Oberseite antreffen. Die Zellen finden sich dann auch in den Faltenscheiteln der Wülste am Dach (wa Taf. 9, Fig. 4). Diese Drüsenzellen, die bis zum blinden Ende des Ganges am Dach sich vorfinden, färben sich anders, als die am Anfang gelegenen, nämlich rotbraun (drz Taf. 9, Fig. 4). Ihr Protoplasma ist wandständig und blasig und zeigt meist eine große Vakuole (vac). Der große runde Kern ist basal oder seitlich gelegen. Nach dem Ende des Ganges zu werden die Drüsen- zellen des Daches von denen der Unterseite umgriffen. Die Zellen der Unterseite ähneln anfangs den Schleimdrüsenzellen der Fußsohle (drz Textfig. 1), mit denen sie an der Mündung der Fußdrüse nach unten hin am vorderen Fußsaum in Verbindung treten. Sie zeigen also eine blaue Farbreaktion und ein grob- maschiges schaumiges Protoplasma und runde Kerne. Bald treten aber an Stelle dieser Zellen von den Seiten her sich eindrängend Drüsenzellen, die die gleiche schaumige Struktur haben, aber sich violett färben. Ihr Kern liegt zentral und weist einen Nucleolus auf. Aber auch die violetten Zellen schwinden wieder und es finden sich dann ungefähr in der hinteren Hälfte der Drüsen- unterseite blaugefärbte Zellen (drz Taf. 9, Fig. 5). Diese haben um den zentral gelegenen runden Kern, der ein Kernkörperchen führt, einen braunen Protoplasmahof mit ganz feiner Körnelung. Das Übrige der Zelle wird eingenommen von sich stark blau- färbenden, schaumigen Sekreten. Hier zeigen auch die Epithel- zellen der Unterseite (eö Taf. 9, Fig. 5) schaumigen Inhalt, der sich stark bläut; ihr Kern läßt sich dadurch nicht immer nach- weisen. Alle diese beschriebenen Drüsenzellen ergießen ihre 124 Johannes Wille, Sekrete durch mehr oder weniger lange Fortsätze durch die Inter- zellularen des Epithels des Drüsengangs in diesen. Das Epithel des Ganges zeigt an der Unterseite stets Flimmern (ef Taf. 9, Fig. 5), es ist hier zylindrisch. An den Seiten wird es bedeutend niedriger und geht am Dach, wieder höher werdend, in ein nicht flimmerndes Zylinderepithel über (e£ Taf. 9, Fig. 3, 4). Das flimmernde Epithel der Unterseite des Ganges setzt sich an der Vorderseite des Fußrandes direkt in das Flimmerepithel der Fuß- sohle fort. III. Schale und Dekollation. Stenogyra decollata zeigt die merkwürdige Erscheinung, daß die Schale an der Spitze abgebrochen ist (Taf. 9, Fig. 7, 8, 9, 12). Diesen Vorgang, der bei allen älteren Tieren regelmäßig eintritt, bezeichnet man als Dekollation; er findet sich auch noch bei anderen Formen in der Ordnung der Pulmonaten. Wenn das Tier im Embryonalstadium sich befindet, wird die Schale natürlich nicht als abgebrochener Stumpf angelegt. Infolgedessen zeigen junge einjährige Tiere eine hoch turmförmige, vollkommen ganze Schale mit einem normalen Apex (Taf. 9, Fig. 7 e). Am Ende des ersten Jahres, meist aber erst im zweiten tritt dann die erste Dekollation auf, der dann normalerweise jährlich eine neue folgt. Diese tritt, wie ich an meinem lebenden Material beobachten konnte, meist im Juni auf, also zu einer Zeit, wo die Schnecke den Ansatz neuer Schalensubstanz am Mantelrande haupt- sächlich vollendet hat. Im folgenden wollen wir die einzelnen Stufen der Dekollation betrachten, nämlich den Ansatz neuer Schalensubstanz an der untersten Windung, das Hinabgleiten des Tieres in diese, das Abscheiden eines neuen Apex und das Abbrechen der oberen leeren Umgänge. Im Frühjahr setzt das Tier am unteren Schalenrand ein neues Stück Schale an; meist ist dieser neuangesetzte Schalenteil ziemlich groß und beträgt ein bis ein und einhalb Umgänge. Im Vergleich hierzu setzt Helix ein viel kleineres Stück neuer Schalensubstanz im Frühjahr an. Durch dieses bedeutende Wachs- tum der Schale wird das ganze Gehäuse für den Weichkörper des Tieres zu groß, da dieser nicht so schnell an Größe zunimmt, wie neue Schalenteile angesetzt werden. Zugleich sind die neu angefügten unteren Umgänge an Durchmesser größer als die oberen, fassen also an Volumen viel mehr. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 725 Die Schnecke rutscht dann mit ihrem Weichkörper aus den oberen Windungen in die unteren hinab, bis sie diese gänzlich bis zum vorderen Rande ausfüllt. Die oberen Umgänge stehen dann leer. Bei dem Vorgang des Hinabgleitens muß der Weich- körper des Tieres, der durch den Kolumellarmuskel an der Spindel befestigt ist, sich zunächst von seiner ursprünglichen Lage loslösen, an der Spindel abwärts gleiten und sich weiter unten von neuem befestigen. Infolge der bestimmten Verhält- nisse der Kolumellarmuskelanheftung, die uns später noch be- schäftigen, dürfte das dem Tier keine allzugroßen Schwierigkeiten bereiten. Die oberste Windung des Weichkörpers der Schnecke, also die letzte Spirale des Lebersacks, ragt nun ohne Bedeckung in den oben entstandenen Hohlraum innerhalb der Schale. Sie ver- hält sich hier genau so, wie ein verletzter, von der Schale ent- blößter Teil des Schneckenkörpers. Ein solcher verletzter Teil zeigt bekanntlich die Erscheinung der Schalenregeneration, indem er, genau seiner Gestalt sich anpassend, nach außen eine Kalk- schicht als Wundverschluß abscheidet. TecHow hat bei Ga- steropoden die Erscheinung der Schalenregeneration einem ein- gehenderen Studium unterzogen. Die regeneratorischen Vorgänge, welche sich an Gehäusen finden, denen am Mündungsrand Schalen- teile entnommen wurden, kommen für unseren Fall nicht in Be- tracht. Wir haben nur den Ersatz von Schalenteilen zu berück- sichtigen, die mitten aus dem Gehäuse oder am Spindelpol ent- fernt wurden. TecHow fand nun, daß sich an diesen Stellen zunächst ein weißliches organisches Häutchen bildet, welches allmählich durch Kalkanlagerung immer mehr verstärkt wird, so daß zuletzt ein vollkommener Wundverschluß gebildet ist. Die Regenerate entsprechen aber in ihrem Bau durchaus nicht der normalen Schale. Ein ähnliches Verhalten, wie das eben ge- schilderte, findet sich nun auch an der obersten unbedeckten Windung von Stenogyra. Auch sie bildet eine Kalkschicht, die einen genauen Abguß der oberen Lekerwindung darstellt. Dieser neugebildete Apex der Schale unterscheidet sich auch in seinen Strukturverhältnissen, wie wir später sehen werden, von dem gewöhnlichen Bau der Schale. Der neugebildete Apex ist eine konkave Scheidewand (kkvw Taf. 9, Fig. 8), die innen an der Kolumella mit rundlicher Kuppe, die zuweilen auch etwas spitz auslaufen kann, dem Unterrand des obersten Umgangs aufsitzt, sich an der inneren Seite an die Kolumella anschließt, nach außen Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 47 726 Johannes Wille, spiralig an dem Außenrand emporsteigt, bis sie die Naht der Windung erreicht (Taf. 9, Fig. 8, 12). Hier schließt sie sich dann dem oberen Rande des ursprünglichen Gehäuses an. Die Scheide- wand bildet also eine vollständige Bedeckung des darunter liegenden Leberumgangs. Die Bildung des neuen Apex halte ich also für einen regeneratorischen Vorgang. Die einzelnen Stadien des regenera- torischen Prozesses lassen sich hier nicht genau verfolgen, da ja doch diese Scheidewand im Inneren der Schale abgesondert wird. Vor dem Hinabgleiten des Weichkörpers in die unteren Windungen bohrt sich die Schnecke vorher in die Erde ein, wobei sie — wie gewöhnlich am Tage — nur mit ihrem Apex aus der Erde hervorsieht. So verbleibt sie einige Zeit; kommt dann das Tier wieder aus seinem Loch hervor, so sind die oberen Win- dungen weißlich und zeigen damit an, daß sie vom Tier verlassen sind. Es hat sich dann die konkave Scheidewand schon gebildet, die anfangs noch dünn ist, und erst in den nächsten Tagen die Dicke des ausgebildeten Zustandes erreicht. Bei Tieren, die kurz vor dem Hinabgleiten und dem damit eng verbundenen Abscheiden der konkaven Wand standen, war das Bindegewebe besonders in der Gegend der Leber stark mit Kalkgranulation angefüllt (Taf. 9, Fig. 17). Diese übermäßigen Kalkansammlungen bringe ich in Verbindung mit der Abscheidung des neuen Apex. Die oberen vom Tier verlassenen und durch die konkave Scheidewand jeder Verbindung mit dem Weichkörper beraubten Schalenteile zeigen eine weißliche Farbe. Diese kommt nur durch Lichtbrechung zustande, nicht etwa durch eine innere Anlagerung von Substanz. Die oberen Windungen der Schale werden vom Tier noch einige Zeit als nutzloser und hinderlicher Balast mit herumgeschleppt, bis sie dann zerfallen. Zuerst tritt stets in der Windung, welche direkt über der Scheidewand liegt, und dort gerade im Scheitel der Außenwand, ein Riß auf (Taf. 9, Fig. 9). Daß es gerade diese Windung und diese Stelle ist, wo zuerst eine Zerstörung auftritt, erklärt sich dadurch, daß gerade diese Stelle mechanischen Einflüssen am meisten ausgesetzt ist. Denn jeder Druck oder Stoß, den das Tier an seiner oberen Spitze beim Graben in der Erde oder auch beim Kriechen erhält, pflanzt sich nach unten im Gehäuse fort. Dabei können die mit dem Weich- körper in Verbindung stehenden Schalenteile dies bequem aushalten, während im oberen Teile dort, wo bewohnter und verlassener Teil sich berühren, die Gefahr des Zerbrechens am größten ist. « Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 727 Wir müssen bei allen diesen Vorgängen, die der Abscheidung der konkaven Scheidewand zeitlich folgen, aber noch eins berück- sichtigen: den oberen Schalenteilen fehlt jede Verbindung mit dem Tier. Sie sind also in der gleichen Lage wie leere Gehäuse, deren Schnecken gestorben sind. Wie diese im Freien liegend allmählich der Verwitterung anheimfallen, genau so werden die obersten Schalenteile von den zersetzenden Einflüssen der Erde, der Luft und des Regens angegriffen. Da die Schale von Stenogyra an und für sich schon sehr dünn ist, so führt hier der Ver- witterungsprozeß sehr schnell dazu, daß die Schale brüchig und morsch wird. Der zunächst entstehende Riß verbreitert sich, und es entsteht nun eine breite Spalte, durch die hindurch Wasser bequem eindringen kann. So werden dann auch die inneren Teile des verlassenen Gehäuses, besonders aber die Spindel, den zer- setzenden äußeren Einflüssen ausgesetzt. Man braucht dann die oberen Windungen bloß leise anzustoßen, und sie brechen ab. Dieser Vorgang spielt sich in der Natur so ab, daß das Tier bei seinem häufigen Bohren im Erdboden, wenn die oberen Windungen morsch genug geworden sind, diese verliert. Dann stehen die äußeren Ränder noch kraterartig nach oben (Taf. 9, Fig. 12) ebenso bleibt auch noch ein Stumpf der Spindel stehen. Mit der Zeit brechen ja hier auch noch Teile ab, aber niemals findet man, daß der durch die Scheidewand neugebildete Apex ganz glatt von den alten Schalenteilen gesäubert ist. Das Abbrechen der ver- lassenen Schalenteile geschieht also rein mechanisch. BLAINVILLE leitet nach einer Anmerkung JOHNSTONs das Absterben und Zerbrechen des Gewindes davon her, daß die innere Oberfläche der verlassenen Windungen mit einer sehr zerbrechlichen glasigen Rinde überzogen werde. Eine solche glasige Schicht findet sich bei Stenogyra nicht. Wir sahen also, daß der Prozeß der Dekollation eingeleitet wird durch ein übermäßiges Ansetzen neuer Schalenwindungen, wodurch dann das Gehäuse für das Tier zu groß wird, und dieses die oberen Teile der Schale verläßt und nicht mehr ausfüllt. Diesen Vorgang finden wir auch bei anderen Formen, ohne daß aber eine Entscheiteiung des Gewindes darauf folgte. Nach JOHNSTON sondern diese Schnecken in dem oberen dünnen und zerbrechlichen Teile der Schale Kalk ab, wodurch diese Teile dann mit einer wandständigen dicken Kalkschicht versehen oder gänzlich mit Kalk ausgefüllt werden. SIMRoTH gibt an, daß andere Schnecken statt dieser Erscheinung eine zweite innere Schale absondern, so 47* 128 Johannes Wille, daß wir dann doppelte, ineinander geschachtelte Gehäuse erhalten. Das Resultat bei diesen Vorgängen aber ist immer, daß die oberen unbewohnten und für das Tier nutzlosen Teile verstärkt und da- durch vor Abbrechen geschützt werden. Dabei müssen sie aber für das Tier eine bedeutende Last bilden und dieses sehr in seiner Bewegungsfreiheit hindern. Dagegen scheint das Abwerfen der nutzlosen verlassenen Schalenteile, wie es unsere Stenogyra decollata zeigt, eine zweckmäßigere Einrichtung zu sein. Die feinere Struktur der Schale läßt sich am besten an Dünnschliffen studieren, die senkrecht zu den Anwachsstreifen und senkrecht zur Außenfläche geführt wurden (Taf. 9, Fig. 10). Zu äußerst liegt das Periostrakum (ferosir), welches ein schmales organisches Häutchen darstellt, das homogen erscheint. Nach innen folgen dann das Ostrakum /os/r) und das Hypostrakum (hypostr), welche beide noch einzelne Schichten wieder unter- scheiden lassen. Dem Periostrakum folgt nach innen zunächst eine halbe Kalkschicht (1), dienur spärlich Anwachsstreifen erkennen läßt, dafür aber eine Zusammensetzung aus senkrecht zur Schalenober- fläche stehenden Säulchen aufweist. An diese Schicht schließt sich weiterhin eine zweite viel mächtigere an (2), die gelbbraun er- scheint. Sie zeigt in größeren Abständen senkrecht zur Oberfläche gestellte Streifungen, ferner eine Längsstreifung parallel zur Ober- fläche und noch eine ganz feine diagonale Felderung. Sie setzt sich aus senkrecht zur Oberfläche gestellten Blättchen zusammen und verursacht die hellbraune Färbung der Schale. Nach innen folgen zwei weitere Schichten (3, 4), die der Struktur nach gleich- artig gebaut sind, von denen aber die äußere (3) dunkler erscheint als die innere (4). Beide Schichten setzen sich aus Bändern zu- sammen, die in der Längsrichtung verlaufen, sie zeigen also die Stalaktitenstruktur BIEDERMANNSs. Diese vier eben erwähnten Schichten bilden das Ostrakum. Zu innerst liegt unter dem Ostrakum das Hypostrakum /(%ypos/r), welches sich aus zwei Schichten zu- sammensetzt. Die oberste von diesen beiden (5) besteht aus feinen Kristallnadeln, die senkrecht zur Oberfläche angeordnet sind. Die zweite, innerste Hypostrakumschicht (6) weist dagegen nur Längs- streifen parallel der Außenfläche auf, sie hat also blätterige Struktur. Die nach dem Hinabgleiten des Tieres oben abgeschiedene Wand zeigt einen anderen Bau als die übrige Schale. Dies läßt sich auch am besten an Dünnschliffen erkennen, die senkrecht zur Außenfläche geführt wurden (Taf. 9, Fig. 11). Zunächst fehlt diesem neugebildeten Apex das Periostrakum, ebenso fehlen die Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 729 vier Schichten des Ostrakums. Der Schliff zeigt nur zwei Schichten, die in ihrem Bau den Schichten 5 und 6 des Hypostrakums der übrigen Schale gleichen. Während in den übrigen Schalenteilen das Hypostrakum nur eine geringe Mächtigkeit besitzt, zeigen oben am neugebildeten Apex die beiden Schichten eine derartig starke Entwicklung, daß die Schale hier genau so dick ist, wie in den übrigen Seitenwänden. Die obere Schicht (5) hat hier eine etwas dunklere Färbung wie die untere (6); im übrigen weist sie die Zusammensetzung aus senkrecht zur Oberfläche ange- ordneten Kristallnadeln auf, während die untere nur Längsstreifung parallel der Außenfläche zeig. Wir können also die beiden Schichten der konkaven Scheidewand als verdickte Schichten 5 und 6 des Hypostrakums auffassen. TecHow fand bei seinen Regenerationsversuchen, daß die Schalenregenerate nicht den Bau der normalen inneren Blätter- schicht, also des Hypostrakums besitzen, sondern ein unregel- mäßiges scholliges Gefüge. Dies trifft für Stenogyra also nicht zu, viel- mehr zeigt der Querschliff durch den neugebildeten Apex die beiden Hypostrakalschichten in dem für sie charakteristischen Bau. Flächenschliffe, an denen hauptsächlich TECHow die Untersuchungen anstellte, gelangen an der sehr zerbrechlichen Schale von Steno- gyra nur unvollkommen, doch bestätigten sie auch die Überein- stimmung des Baues von konkaver Scheidewand und Hypostrakal- schicht. Ich glaube also, daß dadurch, daß die oben an der Spitze abgeschiedene Wand sich nur aus den beiden hypostrakalen Schichten aufbaut, die oben erwähnte Annahme bestätigt wird, daß wir bei der Bildung des neuen Apex einen regeneratorischen Vorgang vor uns haben. Das Epiphragma, das im Winter abgeschieden wird, ist eine weißliche dünne Membran. Besonders starke Kalkeinlagerungen wie bei Helix finden sich nicht in ihm. Wie MOYNIER DE VILLEPRIX nachwies, geht das Ansetzen neuer Schalenwindungen vom Mantelrand aus. Hier verläuft rings um den ganzen Mantelsaum eine Furche, die Mantelfurche (/« Taf. 9, Fig. 1). Die niedrigen Epithelzellen dieser Region bilden das Periostrakum. Weiterhin schiießt sich an diese Mantel- furche nach hinten ein Polster von hohen Zylinderzellen an, welchen drüsige Funktion zukommt. Dieses Drüsenpolster (dr) färbt sich mit van GIESON stets intensiv braun und hat basalständige Kerne. Von dieser Zellgruppe und den nach hinten immer nied- riger werdenden Epithelzellen werden die Schichten des Ostrakums 1730 Johannes Wille, abgeschieden. Das kubische Epithel des Eingeweidesacks stellt endlich die Bildungsstätte des Hypostrakums dar. Diese Funktion kommt dann besonders auch den obersten Windungen zu, die, wie wir sahen, den neuen Apex abscheiden. Hierbei zeigt jedoch das Epithel der oberen Umgänge keine Differenzierungen gegen- über dem sonstigen Verhalten. Eine Veränderung des Epithels, wie sie TEcHow unter regenerierenden Stellen fand, läßt sich nicht konstatieren. Um die Frage zu entscheiden. ob in der Schale von Steno- gyra decollata der kohlensaure Kalk als Kalkspat oder Aragonit abgelagert ist, wandte ich die Kobaltprobe an. Da die gepulverte Schale nach Kochen mit Kobaltnitratlösung und nachfolgender Filtration violett gefärbt war, so ist der Kalk als Aragonit in der Schale abgelagert. IV. Muskulatur und Bindegewebe. Unter der äußeren Epithelbedeckung liegen zahlreiche, sich untereinander verflechtende Muskelstränge. Sie bilden einen Haut- muskelschlauch, bei dem die bindegewebigen Elemente stark zurück- treten (Taf. 9, Fig. 18). Es finden sich die Muskelfasern zu Gruppen vereinigt, die in den drei Richtungen des Raumes ver- laufen, also longitudinale, vertikale und transversale Bündel. Außer diesen drei Richtungen können aber auch einzelne Stränge diagonal verlaufen. Zwischen den einzelnen Muskelbündeln findet sich spärliches Bindegewebe (ödew), in welches dann und wann Kerne eingestreut sind. Als selbständiges Muskelsystem treffen wir den Kolumellar- muskel im Innern des Körpers an. Er stellt ein starkes Muskel- band dar, das oben an der Kolumella sich anheftet, in Spiral- windungen nach unten steigt und am Kopf mit seinen Anhängen und am Fuß inseriert. Der Beginn des Muskels liegt in der dritten Windung des Schneckenkörpers unter dem Magen an der Kolumella. Mit einer einheitlichen, breiten in die Länge gestreckten Platte windet er sich hier um diese herum. Unter der Eiweiß- drüse und Lungenhöhle schlingt er sich dann in Spiralen nach unten und begibt sich unterhalb des Darmrohrs in die Leibes- höhle. In seinem Verlaufe teilt sich der Kolumellarmuskel in zwei Hauptbündel (Textfig. 2). Von ihnen begibt sich das eine in die rechte, das andere in die linke Seite des vorderen Körpers. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 731 Das linke Muskelbündel spaltet zunächst nach innen von seiner Oberseite einen breiten Muskel // ab; er folgt der Medianlinie des Körpers, tritt durch den Schlundring und inseriert bogen- förmig in mehrere Bündel zerteilt an der Unterseite des Pharynx. Er bildet also den Pharynxretraktor. Nach vorn von seiner Ab- gangsstelle sondert sich nach unten ein Muskel /// ab, der sich in zwei Bündel teilt. Das innere, nach der Mitte zu gelegene /IIa dringt unterhalb des Schlundrings in die Fußmuskulatur, das äußere //75 weiter vorn unter dem Pharynx in den Haut- muskelschlauch ein. Das ganz links gelegene Muselbündel ZZZZ, das nun schon bedeutend an Stärke abgenommen hat, entsendet nach oben aus seiner Mitte den Re- traktor für den Augententakel / //7a, der vom Cerebralganglion her den großen Tentakelnerv aufnimmt und ihn röhrenförmig umschließt. Der Muskel 2/77 spaltet sich schließlich in einen nach innen verlaufenden dünnen Strang ////d, der in den linken kleinen Tentakel tritt und dessen Retraktor darstellt, und in einen breiteren Muskel ////c, der an der vorderen Kopfseite in der Gegend zwischen großem und kleinem Ten- takel inseriert. Beim rechten Haupt- muskelbündel sind die Insertionsstellen die gleichen, dagegen ist die Abspal- tung der einzelnen Bänder vom Haupt- stamm auf der rechten Seite eine Textfig. 2. Kolumellarmuskel. andere. Ferner findet sich hier auch Ma nicht der Pharynxretraktor, dieser kommt vielmehr nur der linken Seite zu und ist also gleichsam ein unpaarer Muskel. Auf der rechten Seite finden wir auch einen solchen unpaaren Strang, dem auf der rechten Seite kein Muskelbündel entspricht. Es ist dies der Muskel 7 /7c, der sich ganz nach innen von dem breiten Muskel 7/77, welcher sonst mit dem linken Muskel //7 korre- spondiert, absondert und sich mit einem oder zwei Ästen in den Schwanz des Fußes begibt. Neben dem Kolumellarmuskel finden wir noch an den ein- zelnen Teilen des Darmtraktus Muskelsysteme, die dort betrachtet werden sollen. 132 Johannes Wille, Der Penis hat einen bandartigen dünnen Rückziehmuskel. Dieser inseriert an seiner äußersten Spitze und begibt sich nach oben und hinten in die Mittellinie des Lungendaches. Hier be- festigt er sich an der Stelle, wo dieses von der Kopfarterie durch- bohrt wird. Er vereinigt sich also nicht, wie A. SCHMIDT mit- teilt, mit dem Kolumellarmuskel. Die Muskeln bestehen aus den kontraktilen Muskelfasern. Diese sind langgestreckte Zellen, die einen runden bis ovalen, zuweilen einen eckigen Querschnitt haben. Der kleine Kern ist rundlich, manchmal auch unregelmäßig gestaltet und braucht nicht immer in der Mitte der Faser zu liegen, sondern rückt oft so stark seitlich, daß er scheinbar aus der Zelle hinausragt. Die Muskelfasern werden umschlossen von einer bindegewebigen Faser- schicht (ddew Taf. 9, Fig. 14, 16, 18), die runde spärliche Kerne enthält. Eine Querstreifung der Muskeln fand ich in keiner meiner Schnittserien. Ich schließe mich daher der Ansicht MERTONs an, daß die Querstreifung nur eine vorübergehende Erscheinung ist, hervorgerufen durch die Tätigkeit des Muskels, und daß sie dann nach Aufhören derselben wieder verschwindet. An der Anheftungsstelle des Kolumellarmuskels an der Schale zeigt das Körperepithel und auch der histologische Bau des Muskels besondere Verhältnisse (Textfig. 3, Taf. 9, Fig. 13, 14). Während das Epithel in der Gegend der Kolumella ein Platten- epithel ist (ef Taf. 9, Fig. 13), wird es, je mehr es sich der Muskelanheftung nähert, höher und bildet an der Anheftungs- stelle selbst eine hohe Epithelschicht (ed). Zugleich werden die Kerne größer und elliptisch (ed Taf. 9, Fig. 14); deutliche Zell- grenzen kann man nicht in der Gegend der Anheftungsstelle feststellen. Unter dem Plattenepithel (ef Taf. 9, Fig. 13), also dort, wo der Kolumellarmuskel noch nicht herangetreten ist, liegen geringes Bindegewebe und wenige schwache Längs- und Quermuskelstränge, wie sie sich stets als Stütze des Epithels des Eingeweidebruchsackes vorfinden. Tritt der Hauptmuskel nun an das Epithel heran (zusc Taf. 9, Fig. 13, 14), so findet sich außer der Erhöhung des Epithels (e#) eine starke Vermehrung des Bindegewebes (ddew). Dieses vereinigt sich mit den bindegewebi- gen Fasern, die die einzelnen Muskelfasern des Hauptmuskels um- geben. Wir finden also ein bindegewebiges Gerüstwerk, welchem kolumellarwärts das hohe Körperepithel aufliegt (ef). Dieses zeigt keine Basalmembran, sondern das Bindegewebe dringt teil- weise zwischen die Epithelzellen ein. Dann folgen die spär- Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 733 lichen Längs- und Quermuskeln, die sich auch sonst unter dem Körperepithel des Eingeweidesacks finden und die hier in den kolumellarwärts gelegenen Teil des reichlichen Bindegewebes (dd) eingelagert sind. Nach innen folgen dann weiter die Muskelfasern des Kolumellarmuskels (sc), die sich teilweise mit den eben erwähnten Muskelfasern verflechten und so in das vordere Binde- gewebe eindringen. Der Hauptteil des Kolumellarmuskels liegt aber weiter nach innen und wird hier von bindegewebigem Gerüst- werk fest umsponnen. Durch Schrumpfungen bei der Fixierung entstehen zwischen den Muskelfasern einerseits und den Binde- gewebszellen und ihren Fortsätzen andererseits kleine Lücken. Die Muskelfasern selbst treten also nicht an die Schale heran, sondern ihre Befestigung wird durch das reichliche Bindegewebe bewirkt, welches eng mit dem Epithel verbunden ist. Dieses wieder legt sich fest der Spindel an. Die Muskelfasern laufen auch nicht senkrecht zur Kolumella, wie es der Fall sein müßte, wenn sie das Epithel durchdringend an der Schale sich anheften würden, sondern sie sind parallel zur Kolumella gerichtet. PArAVICINI hat die Anheftung des Spindelmuskels bei Helix pomatia untersucht und findet, daß die Anheftungsstelle sich zu- sammensetzt aus glatten Muskelfasern, reichlichem Bindegewebe, einer Schicht Zylinderepithel und einer homogenen Membran. Diese letztere soll, ohne daß PArAVvICINI hierfür einen Grund an- gibt, mit der Schalensubstanz fest verwachsen sein. Andererseits soll die Zylinderepithelschicht aus dem Bindegewebe hervorgehen, was er auch nicht näher begründet. Diese Erklärung der hohen Epithelschicht halte ich für unwahrscheinlich. Denn alle Teile des Körpers sind von einschichtigem Epithel bedeckt, also doch auch die Stelle, wo der Schalenmuskel sich anheftet. Dieses er- höht sich hier und so läßt sich das Vorhandensein des Zylinder- epithels viel leichter erklären, als durch die Annahme einer be- sonderen Differenzierung des Bindegewebes. Was die homogene Membran PARAVICINIS betrifft‘ so läßt sich diese an Präparaten erkennen, die entkalkt wurden, ohne daß vorher die Schale von dem Muskel gelöst wurde. Die Membran (erostr Textfig. 5) liegt hier eine Strecke von dem Epithel entfernt. Diese Strecke entspricht der Dicke der Schale. Dem Epithel selbst liegt direkt keine Membran an. Zugleich zeigt sich, daß die Membran ring- förmig geschlossen ist. Daraus geht hervor, daß sie die innere Auskleidung der hohlen Kolumella darstellt, also daß sie das Periostrakum ist. Das Epithel tritt niemals mit dieser Membran 134 Johannes Wille, in Verbindung, denn dazwischen liegt ja die anorganische Schalen- substanz des Hypostrakum und des Ostrakum. Die homogene Membran PARAVIcINIS hat demnach mit der Anheftung des Schalenmuskels nicht das geringste zu tun. Bindegewebe. Das Bindegewebe umhüllt das Nervensystem und die Gefäße und bildet zwischen den Eingeweiden feine durch- sichtige Häutchen. Ferner findet ı es sich in den oberen Win- musc I Leberläppchen umhüllt, und am äußeren Hautmuskelschlauch als innere Lage unter dem Epithel. Die Bindesubstanz setzt sich aus verschiedenen Zellelementen Re ” zusammen. Es finden sich große La; blasigeZellen mit kleinen wand- Textfig. 3. Schnitt durch die An- ständigen Kernen und geringen vente de Kolumelarmekels Plasmaresten in der Umgebung Vergr. 28:1. der Gefäße und am Schlundring. Ferner finden sie sich zwischen der äußeren Körperwand und den Lebertubuli in den oberen Windungen als dünne Schicht. Hier besonders finden sich in diesen Zellen starke kalkige Ansammlungen (%%z Taf. 9, Fig. 17), hauptsächlich an solchen Tieren, die kurz vor der Abscheidung der konkaven Scheidewand stehen. Diese Kalkkörner erscheinen bei durchfallendem Licht als dunkle amorphe Konkretionen, bei auffallendem Licht als helle weiße Klumpen. Außer dieser Sorte von Kalkzellen finden sich kleine Bindegewebszellen, die ganz fein verteilte Kalkkörnchen führen, die sich leicht blau färben (?kz Taf. 9, Fig. 16). Sie sind hauptsächlich in der Muskulatur (musc) anzutreffen, besonders reich an ihnen ist der Penisretraktor. Neben diesen Kalkzellen findet sich eine andere Art von Binde- gewebszellen, die in ihrem Innern kleine, wachsartig glänzende, ungeschichtete Kügelchen haben. Diese „Körnchenzellen“ Brocks (2 Taf. 9, 10, Fig. 17, 30, 31) finden sich im ganzen Körper verteilt, besonders häufig sind sie im Lungendach vorhanden. Schließlich wäre noch der faserigen Bindegewebselemente zu ge- denken, wie sie sich in den Falten des Nieren- und Ösophagus- epithels finden. Auch der Pfropf, welcher das Innere der Radulapapille ausfüllt, zeigt gleichmäßig faseriges Bindegewebe (Taf. 9, Fig. 15), ohne daß sich vesikulöses Gewebe zwischen dungen, wo es die einzelnen “ in & schm perostr Pr; Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 735 die Bindegewebsfasern einlagerte, wie MERTON dies für Gastero- poden beschreibt. Die Bindegewebszellen, welche in dem Haut- muskelschlauch liegen, führen das Pigment in braunen und schwarzen Körnchen. Auch am Schlundring und an dem primären und sekundären Harnleiter finden sich Pigmenteinlagerungen im Bindegewebe. V. Nervensystem und Sinnesorgane. Das Nervensystem ist schon des öfteren Gegenstand der Untersuchung verschiedener Forscher gewesen. v. IHERING gibt als erster eine Abbildung und sehr eingehende Beschreibung des- selben in seiner vergleichenden Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken. Seine Darstellungen wurden dann wesentlich verbessert durch AMAUDRUT in „Sur les systemes ner- veux de quelques Mollusques pulmon6s“ und durch einige Bemer- kungen von WIEGMANN. Ferner gab LACAZE-DUTHIERS eine Be- schreibung der Viszeralganglien. Von der Darstellung v. IHERINGS weichen meine Befunde bedeutend ab. Desgleichen bekam ich teilweise andere Resultate als AMAUDRUT. Das Nervensystem liegt als geschlossener Ring um den vorderen Abschnitt der Speiseröhre. Seine Lage ist nicht fest an eine bestimmte Stelle gebunden, sondern ändert sich je nach dem Kontraktionszustande des Tieres. Bei stark- zusammengezo- genen Tieren befindet es sich direkt an der Mundöffnung in der Gegend des Kiefers, also am Anfang des Pharynx, während es bei ausgestreckten Tieren hinter dem Pharynx am Beginn des Ösophagus liegt. Dieses ist die normale Lage. Der ganze Schlundring ist dicht eingehüllt von Bindegewebe, welches in der Gegend der Cerebralganglien Pigment führt. Dieses Bindegewebe geht auch auf die Nerven über. Besonders der Nerv, der in den Augententakel eintritt, ist von stark pigmentiertem Bindegewebe umgeben. Außerdem laufen noch zwei, zuweilen auch drei bindegewebige Brücken vom Cerebralganglion zur muskulösen Röhre des Tentakels und zur seitlichen Körperwand. Der Schlundring zerfällt in die für die Pulmonaten typischen Ganglien: ein Paar Cerebralganglien, ein Paar Pedalganglien, ein Paar Pleuralganglien, ein Paar Parietalganglien, ein unpaares Abdominalganglion und ein Paar Bukkalganglien. Die Lagerung der Ganglien untereinander, wie auch die Verbindung durch Kom- missuren und Konnektive ist die von Helix her bekannte. 736 Johannes Wille, Infolge der bindegewebigen Umhüllung ist am Cerebralganglion von Einzelheiten zunächst nicht viel zu erkennen. Bei der Be- trachtung von oben sehen wir eine trapezförmige Platte (Textfig. 7) mit ihrer längsten Seite nach vorn dem Mundrohr aufliegen. Die Cerebralganglien liegen stets dorsal vom Schlund im Gegensatz zu allen anderen ventral gelegenen Ganglien. Unter sich sind sie durch eine kurze Kommissur verbunden (c.c Textfig. 4). Eine commissure sub-cerebrale, wie sie AMAUDRUT für Bulimus und für unsere Stenogyra angibt, findet sich nicht. Durch vorsichtiges Abpräparieren des Bindegewebes und durch Schnittserien läßt sich feststellen, daß die Cerebralganglien mehrere Lappen bilden (Textfig. 4). Diese sind anders als bei Helix gestaltet; das Bild, welches v. IHERING von ihnen gibt, ist äußerst ungenau. Da die Lappen in engem Zusammenhang mit dem Austritt der Nerven (2 C5C; | Textfig. 4. Cerebralganglion. Die Nerven der linken Seite sind bis zu ihrem Ursprung auf der Unterseite punktiert. Vergr. 16:1. stehen und teilweise durch diese hervorgerufen werden, so be- trachten wir beide gemeinsam. Ganz nach außen und oben liegt ein birnförmiges Gebilde, welches einen ganz feinen Nerven (c,) an seiner äußersten Spitze entsendet. Von diesem Lappen nach innen zu und den ersteren teilweise übergreifend liegt ein schmä- lerer, aber tiefer eingreifender Komplex. Dieser Lappen setzt sich nach außen zunächst in den Tentakelnerv (c,) fort. Dieser tritt an den Muskel des großen Tentakels heran, der sich röhren- förmig um ihn schließt. An der Spitze des Fühlers bildet der Nerv ein großes Ganglion, nachdem er kurz vorher noch einen dünnen Nerven zum Auge abgegeben hat. Neben dem Tentakel- nerven (c,) entspringen unterhalb an diesem Lappen noch zwei dünne Nerven (c, und c,). Diese beiden Nerven und der Nerv (c,) vereinigen sich mit einer der oben erwähnten bindegewebigen Brücken zu einem Strang, in welchen auch noch ein Gefäß ein- Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 737 tritt. Auf der linken Seite läuft dieser Strang nach vorn zur seitlichen Körperwand und innerviert diese in der Gegend des großen Tentakels. Auf der rechten Seite ist der Verlauf des Stranges der gleiche, nur sondert sich ein Nerv mit einem Gefäß davon ab, welcher nach unten an den Penis herantritt. Es findet sich also kein gesondert entspringender, unpaarer Penisnerv der rechten Seite, vielmehr bildet dieser eine Abspaltung des Nerven (c,). Den hinteren Komplex der Cerebralganglien nehmen zwei rundliche Lappen ein, die oben durch eine kurze Furche vonein- ander getrennt sind. Der mehr nach vorn gelegene von diesen beiden Lappen entsendet von seiner Unterseite eine Reihe von Nerven. Am weitesten nach vorn entspringt der Nerv (c,) und schließt sich dem Rückenziehmuskel ///7c, r //Ic (Textfig. 2) an und innerviert die Gegend der Körperwand, wo dieser Muskel inseriert, also zwischen großem und kleinem Tentakel. Nach hinten von ihm folgt der starke Nerv (c,). Er läuft nach unten und geht neben dem Pharynx nach vorn. Hier teilt er sich in zwei Äste, von denen der stärkere in den kleinen Fühler geht, während der schwächere den benachbarten Lippententakel innerviert. Der nach hinten folgende, dünne Nerv (c,) geht wie der vorhergehende nach unten und läuft ihm immer parallel, aber unter dem Pharynx nach vorn, wo er die Unterseite der Mundöffnung mit Nerven versorgt. Weit nach innen an der Unterseite entspringt noch das lange dünne Cerebrobuccalkonnektiv (crd. dcc.c), welches unterhalb der drei vorhergehenden Nerven gerade nach vorn zu den Buccalganglien verläuft. Schließlich geht seitlich nach hinten und unten von diesem vorderen der beiden runden Lappen das starke Cerebropedalkonnektiv (crd. Ped.c.) ab. Der hintere rund- liche Lappen, der zugleich der am weitesten nach hinten gelegene Teil des Cerebralganglions ist, entsendet nur das kräftige Cerebro- pleuralkonnektiv (crd. pleur. c). Der Statocystennerv verläuft dicht neben dem Cerebropedalkonnektiv, doch gelang es mir nicht, ihn infolge seiner Kleinheit zu isolieren. Unterhalb der Einmündung des Ösophagus in den Pharynx liegen die Buccalganglien (Textfig. 10). Sie sind rundliche ovale Gebilde, die unter sich durch die Buccalkommissur verbunden sind (dec.c Textfig. 5). An ihrem vorderen äußeren Ende geben sie das sehr lange Cerebrobuccalkonnektiv (cr2. dcc.c) ab. Außer- dem entsenden sie noch einen starken und vier dünnere Nerven. Neben dem Austritt der Cerebrobuccalkommissur entspringt der Nerv (Ö,), der sich zur mittleren Pharynxpartie begibt. Ganz 738 Johannes Wille, vorn, etwas mehr nach innen, entspringen zwei dünne Nerven (&, und 2,), die die Einmündung der Speicheldrüsengänge, die Nalepaschen Drüsen, kurz, die ganze obere Pharynxwand innervieren. Am hinteren Ende der Buccalganglien, ziemlich weit an der Unterseite, nimmt der starke Nerv (d,) seinen Ursprung. Er läuft direkt nach unten und verzweigt sich hier auf der Radula- papille und der unteren Pharynxpartie. Nach innen von ihm geht ein ganz feiner Nerv (d,)} ab, der sich nur eine ganz kurze Strecke weit nach hinten und unten verfolgen ließ. Unter dem Schlundrohr liegt der Komplex der Pedalganglien, Pleuralganglien, Parietalganglien und das Abdominalganglion. Die Pedalganglien liegen am weitesten nach vorn von dieser ganzen Textfig. 5. Linkes Bukkalganglion. Textfig. 6. Pedalganglion von unten. Vergr. 24:1. Vergr. 16:1. Gruppe und etwas unterhalb der Pleuralganglien (Textfig. 7). Sie haben eine eiförmig rundliche Gestalt und zeigen nie Ein- kerbungen. In ihrer Mittellinie legen sich beide eng aneinander. Auf Schnitten sieht man, daß die Pedalganglien durch zwei Kom- missuren miteinander verbunden sind, eine vordere kräftige in der Mitte der Ganglien gelegene, und eine hintere dünnere, mehr der Basis genäherte. Auf der nach hinten gekehrten Seite liegen den Pedalganglien die Statocysten (s/a? Textfig. 7) als helle Pünktchen auf. Die Pedalganglien geben zahlreichen Nerven den Ursprung. Von der Oberseite zunächst entspringen vier Nervenpaare (Text- fig. 6, 7). Nach vorn läuft ein Nerv (Zed 4), welcher sich in zwei Äste teilt und die Mündung der Fußdrüse nebst dem vor- deren Fußteil innerviert. Seitlich gehen jederseits zwei Nerven ab, Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 739 von denen der vordere (Sed 35) ungeteilt bleibt, während der hintere (Zed 2) sich in zwei Stränge spaltet. Beide Nerven inner- vieren die Seitenteile des Fußes, auf der rechten Seite innerviert der Nerv (/ed 5) auch noch das Geschlechtsatrium. Nach hinten verläuft noch ein dünner Nerv (ed r), der die Oberseite des hinteren Fußteils mit Nerven versorgt. Auf der Unterseite der Pedalganglien entspringen die Nerven aus der Mitte in einer Linie, die einen nach vorn offenen Halbkreis bildet (Textfig. 6). Alle diese Nerven der Unterseite innervieren die Sohlenfläche des Fußes. Ihre Zahl ist nicht immer konstant; ich zählte sieben bis neun, da manchmal einer der dünnen Nerven (ed zo, ped 12) fehlte, oder auch en P4 c neben den stär- h keren Nerven noch ein. dünner —crbg Nerv mehr ent- bpedc sprang. Nach vorn De \ r erb.pleurc begibt sich stets ped; der starke Nerv Ben (ed 5) und eben- SI ped; so seitlich (Zed 06), pleurgd die sich sofort in bag die Fußmuskula- pargd tureinsenken. Alle abdg übrigen nach hin- ten gerichteten \ » Nerven (Zed7 bis NY ped 12) laufen an- AM zu fangs über und \ peds neben der Fußb- uw drüse parallel der Textfig. 7. Der ganze Schlundring. Die Cerebral- Fußarterie, bis sie ganglien mit bindegewebiger Umhüllung. Vergr. 16:1. sich in gewissen Abständen in die Fußmuskulatur nach unten begeben. Am stärksten entwickelt sind die Nerven (ed 7, ped 8, ped ır). Von diesen spalten sich die beiden ersteren bald nach dem Austritt aus dem Ganglion in je zwei Stämme. Nach hinten schließt sich an die Pedalganglien der viszerale Komplex an, der aus fünf Ganglien besteht (Textfig. 7). Während die beiden Pleuralganglien und das linke Parietalganglion scharf gegeneinander abgesetzt sind und deutliche Konnektive unter sich 740 Johannes Wille, zeigen, sind das unpaare Abdominalganglion und das rechte Parietalganglion eng miteinander verschmolzen; nur noch eine einschnürende Furche läßt diese Verschmelzung erkennen. In ihrer Größe sind die paarigen Ganglien jeder Seite voneinander verschieden. Das linke Pleural- und Parietalganglion (leur. g. s par.g.s) ist klein und rundlich, und beide sind unter sich durch ein verhältnismäßig langes Konnektiv verbunden. Dagegen ist das rechte Pleuralganglion (Zleur.g. d) bedeutend größer, und besonders das rechte Parietalganglion (Zar. g. d) ist fast dreimal so groß als das linke. Infolge dieser Größenzunahme ist das Pleuralparietalkonnektiv der rechten Seite sehr kurz und anderer- seits ist das rechte Parietalganglion eng mit dem Abdominal- ganglion (add. g) verschmolzen, während das linke Parietalganglion immer noch ein kurzes, allerdings breites Konnektiv zum Abdo- minalganglion entsendet. Die Gestalt des Abdominalganglions ist eine eiförmige, nach hinten sich verjüngende, während das fast gleich große rechte Parietalganglion die Gestalt eines Ellipsoids hat. v. IHERING beschreibt und zeichnet in dem viszeralen Komplex der eben beschriebenen fünf ungleichen Ganglien sechs Ganglien, die alle fast gleiche rundliche Gestalt und Größe zeigen. Alle Forscher, die nach ihm das Nervensystem von Stenogyra decollata untersuchten, wie AMAUDRUT und WIEGMANN, stellten die Beobachtung v. IHERINGS als Irrtum fest. Von den Pleuralganglion jeder Seite (leur. ge. s und pleur.g. d) geht nach oben das sehr lange Cerebropleuralkonnektiv (erb. pleur. c), nach vorn das kurze Pedalpleuralkonnektiv und nach hinten das Pleuroviszeralkonnektiv aus. Ein Nerv entspringt nicht aus diesem Ganglion. AMAUDRUT beschreibt einen Nerven, doch hat er wahrscheinlich ein feines Blutgefäß, welches unter diesem Ganglienpaar jederseits läuft, damit verwechselt. Aus dem linken Parietalganglion (Zar. g.s) geht ein langer Nerv (z,) hervor; er begibt sich über sämtliche Muskelbündel der linken Seite hinweg nach oben und innerviert die linke Seite des Mantelwulstes. Das Abdominalganglion (add.g) gibt den Ursprung für drei kräftige Nervenstämme. An der Unterseite des Ganglions weit nach vorn entspringt der Nerv v,. Er folgt dem Verlauf des linken Muskelbandes und läßt sich bis in die Gegend des Herzens verfolgen. Hier gibt er mehrere Äste an den hinteren Teil der Lungenhöhle und die linke Körperwand ab. Aus der Mitte des Abdominalganglions auch an seiner Unter- seite entspringt der kräftige Nerv (v,), der sich gleich nach seinem Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 741 Austritt aus dem Ganglion in einen stärkeren und einen dünneren Ast teil. Beide Äste ziehen unter dem Nerven v, und der Arterie hindurch nach rechts. Hier gibt der stärkere Ast Nerven an den Spermovidukt ab. Beide Nerven begeben sich dann nach innen zum Columellarmuskel und steigen mit ihm nach oben. Dort innervieren sie Darm, Leber, Magen und die hinteren Teile des Geschlechtsapparates. Nach hinten rechts von dem Zipfel tritt aus dem Abdominalganglion als letzter ein Nerv (7,) aus, der sich anfangs parallel der Aorta, dann aber unter derselben hinweg und über die Muskelbündel nach rechts oben begibt und Teile der Lungenhöhle innerviert. Mit dem Abdominalganglion eng verbunden liegt nach rechts das rechte Parietalganglion (Zar. g. d), das den Nerv v, entsendet. Dieser überschreitet die rechten Muskelbündel und auch den Spermovidukt und innerviert die rechte Seite des Mantelwulstes mit dem Atemloch. Die histologische Struktur des Nervensystems unseres Tieres ist die gleiche wie bei Helix und entspricht genau den Angaben von NaABIas. Wir finden die großen Ganglienzellen mit den elliptischen, chromatinreichen Kernen, die meistens einen oder mehrere Nucluoli zeigen. Ihre bedeutendste Größe erreichen sie im Abdominal- und rechten Parietalganglion. Diese „cellules ganglionnaires proprement dites“ bilden die äußere Umhüllung der Ganglienknoten und werden nach innen zu immer kleiner, bis sie ganz aufhören und ihren Fortsätzen, den Nervenfasern, Platz machen, die sich vielfach durchflechtend und durchkreuzend im Zentrum der Ganglien die sogenannte Punktsubstanz bilden. An der Bildung dieser Punktsubstanz ist außerdem noch das intranervöse Bindegewebe, die Neuroglia, beteiligt, welche auch die Ganglienzellen umhüllt. Schließlich finden sich noch als histologischer Bestandteil der Ganglien die „cellules chromatiques“, kleinere Zellen mit sehr wenig Protoplasma, aber mit chromatin- reichen Kernen. Die Verteilung dieser histologischen Elemente in den einzelnen Partien des Cerebralganglions ist eine ähnliche wie bei Helix. So finden sich die Ganglienzellen als äußere Umhüllung bei den beiden nach hinten gelegenen Lappen. Die „cellules chromatiques“ liegen in großer Menge in dem birnförmigen Gebilde, welches an seiner Spitze den Nerv c, entsendet. Der von diesem nach innen gelegene Lappen, aus welchem die Nerven C4> © 9, C, austreten, führt an seiner nach außen gelegenen Seite spärliche Ganglienzellen, sonst ist er ganz frei von solchen und nur von der Punktsubstanz erfüllt. Die anderen Ganglien haben Jenaische Zeitschrift. Bd. LI. 48 742 Johannes Wille, alle einen mehr oder weniger gleichmäßigen Belag von Ganglien- zellen auf der Außenseite. Sinnesorgane. Wie bei allen Landschnecken zeigt auch die nicht von der Schale bedeckte Hautdecke von Stenogyra decollata eine hohe Empfindlichheit gegen chemische, thermische und mechanische Reize. Besonders empfindlich sind der Mantelrand in der Gegend des Atemlochs, die Kopfgegend mit den Tentakeln und die Seiten- teile des vorderen Fußabschnitts. Diese Teile werden auch zuerst beim geringsten Reiz unter die schützende Schale geborgen. Das hintere Fußstück und besonders die Oberseite des Schwanzes reagieren viel schwächer auf Reize. Tentakel. Der Kopf zeigt in der Ausbildung der drei Tentakelpaare besondere Differenzierungen zur Reizperzeption (Taf. 9, Fig. 19). Das zu unterst gelegene Paar (a. Zz), die Lippen- tentakel, werden wir beim Darmsystem genauer kennen lernen. Sie ermangeln der Fähigkeit, sich ein- und auszustülpen und stellen jederseits von der Mundöffnung gelegene Platten dar, die durch eine Abzweigung des kleinen Tentakelnerven innerviert werden. Der große und der kleine Tentakel sind wie bei Helix ausstülpbare, hohle Röhren. Sie zeigen infolgedessen eigene Muskeln, die zum System des Kolumellarmuskels gehören. Die in sie eintretenden Nerven bilden gangliöse Anschwellungen. Im großen Tentakel, spärlicher auch im kleinen, finden sich Drüsenzellen, die von YunG zuerst bei Helix festgestellt wurden. Einzeln oder meist zu Haufen vereinigt, liegen sie als flaschen- förmige, mit Hämalaun und vAn GIEson braun bis dunkelviolett sich färbende Zellen im Bindegewebe neben den Muskelbündeln und in der Nähe der Tentakelganglien. Die Drüsen zeigen wabiges Protoplasma mit großen chromatinreichen Kernen. Ihr Sekret, welches sie nach innen in den Tentakel absondern, soll diesen bei dem häufigen Ein- und Ausstülpen schlüpfrig erhalten. Auge. An der Spitze des großen Tentakels in der Mitte der bogenförmigen Furche, die sich bei Stenogyra wie bei Helix findet, liegt das schwarze, punktförmige, durch das Epithel durch- schimmernde Auge. Es ist eine geschlossene Blase, die annähernd Kugelform hat (Textfig. 8). Sie wird umschlossen von einer faserigen Bindegewebsschicht (ddgw), die sich auch auf den in die Blase eintretenden Sehnerven ausbreitet. An der Außenseite hat Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 743 das Körperepithel (e£) über dem Auge eine besondere Differen- zierung erfahren. Die Epithelzellen (el. ext) sind niedriger geworden und haben klaren Inhalt. Zugleich haben die Zellkerne an Größe abgenommen und die hohe Cuticula (cx/) hat sich er- niedrigt. Unter dieser sogenannten pellucida externa folgt dann die hier sehr dünne bindegewebige Schicht (ddgw) der Augen- blase. An dieser selbst unterscheiden wir eine größere, pigmen- tierte Zone, die Retina, und eine kleinere pigmentfreie, die Pellu- eida interna, und die im Innern gelegene kugelförmige homogene Linse. Die Retina zeigt wie gewöhnlich bei den Pulmonaten Pigmentzellen und unpigmentierte Sehzellen. Die Pigmentzellen sind kegelförmig ge- staltet, und zwar bdgw richten sie ihr breites pellint | pellext Ende nach dem In- nern der Blase. Nach außen zu werden sie dünner, und ihr schwarzes, körnig verteiltes Pigment (fism) nimmt an Dichtigkeit ab. In dem nach außen ge- richteten schmalen Drittel liegt der el- liptische, sich stark färbende Kern (Ze’). Den Raum zwischen Textfig. 8. Das Auge seitlich in der Sagittalebene den Pigmentzellen angeschnitten. Vergr. 515: 1. nehmen die unpig- mentierten Sehzellen ein, die gerade umgekehrt ihr breiteres Ende nach der Peripherie gerichtet haben. Sie enthalten ein homogenes, sich schwach färbendes Protoplasma mit einem rundlichen Kern (%e), der größer als der der Pigmentzellen und wie bei diesen im äußeren Drittel der Zellen gelegen ist. Nach der Peripherie zu bilden die Sehzellen Fortsätze, die mit den Fasern des auf der Basalseite der Augenblase sich ausbreitenden Sehnerven in Ver- bindung treten. Nach dem Augeninnern zu drängen sich die Seh- zellen, indem sie ganz schmal werden, zwischen den breiten Pigment- zellen durch und tragen dann auf dem etwas verbreiterten, aber wenig vorgewölbten Ende einen fächerförmig gestellten Stiftchensaum. 48* 744 Johannes Wille, Dieser Retina, die den größeren und inneren Teil der Augen- blase einnimmt, sitzt wie eine Kugelhaube die pigmentfreie Zone oder Pellucida interna (Zell. int) nach außen auf. Sie wird von kubischen Zellen gebildet, die einen klaren, hellen Inhalt führen. Ihr kleiner rundlicher Kern ist basal gelegen. BECK fand im Auge unserer einheimischen Buliminen in der Pellueida interna eigenartige Zellen und gibt von diesen Verhältnissen ein treffendes Bild, auf das ich verweise (Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. XLVIII 1912, Taf. 10, Fig. 49). Auch bei Stenogyra lassen sich diese Zellen nachweisen (ze Textfig. 8). „Sie liegen in einer Reihe nebeneinander, die der Grenzlinie zwischen Retina- und Pellucida internazellen parallel läuft und stets auf der Seite des Auges, welche beim etwas eingestülpten Fühler der Pellueida externa und dem daran anschließenden äußeren Tentakelepithel am meisten genähert ist“ (BECK), d. h. also in der größeren Hälfte des Ten- takels, da durch die bogenförmige Furche der Fühler in zwei ungleiche Hälften geteilt wird. Von den benachbarten Pigment- und Sinneszellen sind sie stets durch eine oder auch mehrere Pellucidazellen getrennt. Charakteristisch für diese Zellen (ze) ist zunächst ihre bedeutende Größe gegenüber den umgebenden Pellu- cidazellen. Ferner enthalten sie Protoplasma, das sich mit Häma- laun und van GIESoN blau färbt, und einen großen Kern mit spärlichen Chromatinkörnern und einem großen Nucleolus. Der Kern liegt auch höher in der Zelle als die Kerne in den benach- barten Pellucidazellen, so daß ein Flächenschnitt durch die Pellu- eidaschicht uns Textfig. 8 liefert. Es ist hier der Kern der Zelle ze getroffen, während die benachbarten Pellucidazellen, die basalständige Kerne haben, in dieser Höhe keine Kerne führen. Die Zahl der Zellen ist wechselnd; sie schwankt zwischen fünf und acht, sie ist also größer als bei unseren einheimischen Buli- minen, wo BECK im Maximum sechs fand. Der Annahme von Beck, daß diese Zellen drüsiger Natur sind, stimme ich bei. Vielleicht haben sie Bedeutung für die Abscheidung des Glaskörpers. Statocyste. Die Statocysten liegen als kleine, bläschen- förmige Gebilde den Pedalganglien auf ihrer inneren, der Viszeral- kette zu gerichteten Seite auf (s/a? Textfig. 9). Sie stellen von oben betrachtet zwei kreisrunde Bläschen dar, die aber im Quer- schnitt eine zusammengedrückte ellipsoide Form zeigen (Textfig. 9). Außen wird die Statocyste umgeben von faserigem Bindegewebe (Ödgw), darauf folgt nach innen das Epithel. Dieses setzt sich aus großen Zellen mit langen Fortsätzen (ze) und aus kleineren Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 745 kubischen Zellen (syzze) zusammen. Die erstere Art, die soge- nannten Riesenzellen (ze) haben blasiges Protoplasma und einen großen chromatinarmen Kern, der einen Nucleolus enthält. Sie haben lange seitliche Fortsätze, mit denen sie teilweise die kleinen kubischen Zellen überdecken. Diese finden sich in der Literatur als Syncytialzellen (syzze) bezeichnet und sind viel zahlreicher als die Riesenzellen. Ihr Protoplasma ist feinkörnig und der kleine Kern hat neben einigen Chromatinkörnern ein Kernkörperchen. Des öfteren wird der Beziehung Erwähnung getan, die sich zwischen den Syneytial- und Riesenzellen findet. Um jeden Riesenkern liegen die Syneytialzellen in stern- oder kranzförmiger Anordnung. Bei Stenogyra ist diese Anordnung nicht scharf ausgeprägt, eine bestimmte Lagebeziehung zwischen Riesenzellen und Syneytial- zellen findet sich nicht. Das von Flüssigkeit erfüllte Lumen der Statocystenblase enthält die Statolithen oder Otokonien. Sie sind sehr zahlreich vorhanden und zeigen eine scheibenförmig elliptische Form (stat Textfig. 9). Die Statolithen finden sich in allen Größen, von den kleinsten bis zu ziemlich großen vor, wobei dann die größeren stets kon- zentrische Schichtung um einen zen- tralen Kern haben. Neben diesen 5 einfachen Formen finden sich auch Textfig. 9. Schnitt Fe a Statolithen, die aus zwei oder vier Statocyste. Vergr. 225:1. zusammengesetzt sind und dann zwei bzw. vier zentrale Kerne führen. Der größte Durchmesser der Statocyste war 105 u. VI. Darmkanal. Die Aufnahme und Verarbeitung der Nahrung und die Abgabe der Abfallstoffe findet durch den Darmkanal statt, der sich als ein in den ganzen Körper durchziehendes Rohr darstellt. Der Aufnahme und mechanischen Zerkleinerung dienen die Mund- ‚öffnung und der Pharynx, der chemischen Verarbeitung und der Resorption der Ösophagus und der Magen mit ihren Anhangs- drüsen und der Mitteldarm, der Abführung der Abfallprodukte der Mittel- und Enddarm mit der Kloake. Mundöffnung. An der Vorderseite des Kopfes beginnt der Darmkanal mit der Mundöffnung (Taf. 9, Fig. 19\. An Tieren, 746 Johannes Wille, die in Wasser erstickt wurden, sind die umgebenden Papillen und Wülste wie beim lebenden Tiere ausgestreckt. An der Oberseite begrenzen die Mundöffnung fünf große Papillen (a Taf. 9, Fig. 19 und 20), die sich von den übrigen Warzen der Haut durch ihre Anordnung und Größe, besonders aber durch das Fehlen von Pigment unterscheiden. Seitlich folgen dann ein oder zwei kleinere Wülste (5a Taf. 9, Fig. 19 und 20). Die Unter- seite wird eingenommen von zwei mächtigen, weit nach innen hinein sich erstreckenden Wülsten, die man in der Literatur wohl auch als innere Lippen bezeichnet findet (z. Zz Taf. 9, Fig. 19, 20, Taf. 10, Fig.22, 23). Dadurch, daß diese zwischen sich eine starke Einbuchtung bilden und weit nach innen vorspringen, erscheint die Mundöffnung von außen, makroskopisch betrachtet, wie auch besonders im Schnitt als eine T-förmige Spalte (Taf. 9, Fig. 19, Textfig. 11e). Nach außen von den inneren stehen die eigent- lichen äußeren Lippen oder die Lippententakel (a. Z:' Taf. 9, Fig. 19, 20, 22) als breite, sich nach innen zur Mundöffnung nicht fortsetzende, papillentragende Gebilde. Alle diese Organe haben die Funktion des Tast-, Geschmacks- und Geruchssinnes im besonderen Maße zu eigen. Kiefer. An der Oberseite folgt auf die erwähnten fünf groben Papillen der Kiefer (Taf. 9, Fig. 19, 20). Er ist ein halb- mondförmig gebogenes, dunkelbraun gefärbtes, chitiniges Gebilde. Daß sich zu seiner weiteren Festigung kohlensaurer Kalk in ihm ablagert, konnte ich nicht feststellen. Gebildet wird er von dem darunter liegenden Zylinderepithel genau so, wie die übrige chiti- nige Cuticula der Mundhöhle. So zeigt der Kiefer Radialstreifung und Längsstreifung, entsprechend den Anwachsstreifen. Nach hinten geht er allmählich in die starke Cuticula der Mundhöhle (cz. Textfig. 11@) über, nach vorn aber bricht er scharf gegen die dünne, heller gefärbte Cutislage der Papillen ab. Bei jungen Tieren laufen über den Kiefer zahlreiche vorspringende Quer- leisten, so daß der Kiefer fein gerippt erscheint, bei älteren Tieren sind sie wahrscheinlich infolge Abnutzung nicht mehr vorhanden. Da der Kiefer einer Eigenmuskulatur entbehrt, so bedarf er einer Stütze. Diese erhält er in der starken muskulösen Platte, die an der Oberseite des ganzen Pharynx gelegen ist (zu. $2 Taf. 9, Fig. 20, Taf. 10, Fig. 22, 23, Textfig. 11a). Sie legt sich in starker Breite und Mächtigkeit direkt dem Epithel an, auf welchem der Kiefer gebildet wird, und erstreckt sich von dieser Stelle, nach hinten allmählich schwächer werdend, bis zur Austrittsstelle Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 747 des Ösophagus aus dem Pharynx. Die Muskeln dieser Platte des Daches sind hauptsächlich dorsoventral gerichtet. Es finden sich aber auch zahlreiche Ringmuskeln und sehr spärlich Längsmuskel- fasern. Das Epithel, welches alle diese Teile der Mundöffnung aus- kleidet, ist ein Zylinderepithel mit runden, basalständigen Kernen. Es zeichnet sich überall durch eine mehr oder minder starke Cuticula aus. Pharynx. Hinter dem Kiefer beginnt der Pharynx oder die Buccalmasse. Von außen stellt er ein birnförmiges Gebilde dar (Textfig. 10), welches von zahlreichen Muskelbündeln überzogen und durchdrungen wird und dessen dickeres Ende nach hinten gerichtet ist. Nach vorn geht er in die Körperwand des Kopfes über, während er nach hinten an seiner Oberseite den Ösophagus austreten läßt. Neben der Ösophagusaustrittsstelle dringen jederseits die Speicheldrüsenkanäle in die Pharynxmuskulaturein, die, wie wirspätersehen werden, erst weiter nach vorn aus- münden. Unterhalb des Ösophagus liegen dem Pharynx noch die paarigen Buccalganglien (dcc. g) auf, bedeckt von einem dünnen transparenten Häutchen. Sie innervieren hauptsächlich die einzelnen Teile des Pharynx und stehen mit dem Üerebralganglion durch die Cerebrobuccalkonnektive, unter sich durch die Buccalkommissur in Verbindung. Am unteren hinteren Ende liegt eine rundliche Papille, die Radulascheide (za. sck), welche den Bildungsherd der Radula enthält. Am hinteren Teile des Pharynx fällt noch eine jederseits an den Seitenteilen verlaufende, schwache Furche //) auf, an die sich nach hinten jederseits eine muskulöse Anschwellung anschließt. Der innere Bau der Buccalmasse zeigt am Dach die er- wähnte muskulöse Platte (722. #2 Taf. 9, Fig. 20, Taf. 10, Fig. 22, 23). Auf der Unterseite verlaufen die beiden unteren Wülste (z. /z), die die innere Fortsetzung der inneren Lippen darstellen; sie bilden zwischen sich eine tiefe Furche, die sich nach hinten erweitert, um einem mächtigen, vom Boden aufsteigenden, halbkreisförmig prdorslat stm bcecg : prventr kpw fu aor retr Textfig. 10. Pharynx mit seinen Muskeln von der Seite. Vergr. 12:1. 748 Johannes Wille, nach vorn gebogenen Gebilde Platz zu machen. Dieser hohe Wulst (ra. # Taf. 9, Fig. 20, Taf. 10, Fig. 22, 23) wird gebildet Textfig. 11. Schematische Querschnitte durch den Pharynx. Vergr. 19:1. vom Stützapparat der Radula und trägt auf seinem Scheitel den Teil der Radula, der jeweils an der Kautätigkeit am meisten be- Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke, 749 teiligt ist. Etwas unterhalb des Scheitels des Radulapolsters nach vorne zu münden seitlich in der Rinne, welche die unteren Wülste mit dem Radulapolster bilden, jederseits die Speichel- drüsengänge mit einem länglichen Spalt ein (sd. a Taf. 9, Fig. 20, Textfig. 115,c,d.). Hinter dem Scheitel des Radulapolsters geht nach hinten und oben der Ösophagus (oes Taf. 9, Fig. 20, Taf. 10, Fig. 22) ab, der zahlreiche Längsfalten bildet. Vor dem Eingang in den Ösophagus liegen einige vorspringende Falten (ja Taf. 9, Fig. 20, Taf. 10, Fig. 22), die von den letzten Aus- läufern der unteren Wülste (z. Z7) gebildet werden. Die Funktion dieser Falten liegt darin, daß bei der Kaubewegung der Zapfen 2. chıt Taf. 9, Fig. 20, Taf. 10, Fig. 23) gegen diese Falten sich emporschiebt und daß so ein Widerlager gebildet wird gegen den Rückfluß der zerriebenen Nahrung, die sich in der Subösophagal- tasche befindet. Diese liegt unterhalb nach hinten von der Abgangs- stelle des Ösophagus als ein breiter, niedriger Hohlraum (sd. oes £ Taf. 9, Fig. 20, Textfig. 11e,/). Während das Dach dieser Tasche einfach gestaltet ist, zeigt der Boden zunächst zwei Wülste (wu, Taf. 10, Fig. 23, Textfig. 11, e), die sich an das halbkreis- förmige Radulapolster (ra. # Taf. 10, Fig. 23) als nach hinten gerichtete Schenkel anschließen und noch mit der Radulamembran bedeckt sind. Diese Wülste werden aber nicht mehr von dem eigentlichen kompakten Stützapparat getragen wie der vordere Scheitel, sondern sie erhalten ihre Stütze von Muskelbündeln, die an dem eigentlichen Stützapparat unten ansetzen (2, Textfig. 11 .d, e) und von hier aus an diese Wülste von unten herantreten. So erhält der Radulascheitel hufeisenförmige Gestalt. Diese wird außerdem hervorgerufen von dem Zapfen (2. chz£ Taf. 9, Fig. 20, Taf. 10, Fig. 23, Textfig. 11 2), der sich zwischen die beiden Schenkel der Radula von hinten hineinschiebt und so das Innere des Hufeisens aus- füllt. An seiner Spitze trägt der Zapfen eine starke chitinige Haube. Dieser Zapfen setzt sich nach hinten in ein paariges mus- kulöses Polster (wz Taf. 10, Fig. 23) fort, das durch eine tiefe, nach hinten sich verflachende Rinne getrennt ist (rz Taf. 10, Fig. 23, Textfig. 11 e). Diese beiden wulstförmigen Polster (wz) greifen auch nach vorn an die beiden Schenkel des hufeisenförmigen Radulapolsters (wz,) an und verbinden sich mit ihnen an der Furche (/« Taf. 10, Fig. 23). Die Radula setzt sich auf das paarige Polster (zw) nicht fort, sondern sie senkt sich von dem Scheitel des Stützapparates und der seitlichen Wulste (wz,) nach unten ein (Textfig. 11c) und umgreift dabei den Zapfen (z. chr£ Text- 150 Johannes Wille, fig. 11), der sich gleichsam zwischen die beiden Schenkel drängt Ehe die Radula in die Radulapapille eintritt, erleidet sie jederseits eine doppelte Einschnürung (einschn. Textfig. 11a, e). Epithel des Pharynx. Am Anfang ist das Epithel wie an der Mundöffnung gebaut und überzieht das Dach wie die Wülste am Boden mit einer starken Cuticula (cx/ Textfig 11a), die be- sonders am Dach am mächtigsten ist zum Schutz gegen Ver- letzung durch die scharfen Radulazähne. An der Unterseite legt sich nach innen zu die Radula mit ihrer Basalmembran dem Epithel auf (Textfig. 115). Dieses wird allmählich niedriger und erscheint in der Umgebung und am Scheitel der darunterliegenden Zungenstützplatten (s/. 52 Textfig. 11c) als ein Plattenepithel. Dieses zeigt im Querschnitt zwischen den einzelnen Zellen un- regelmäßig starke Partien von Kittsubstanz. Von der Fläche gesehen (Taf. 9, Fig. 21) haben die einzelnen Epithelzellen ge- zacktes Aussehen. Zwischen ihnen liegt in breiten Streifen, mit Hämalaun und van GIESoN hellgelb sich färbende, interzellulare Kittsubstanz. Die feinkörnigen Protoplasmakörper der Zellen stehen untereinander durch feine plasmatische Stränge und Brücken in Verbindung, die sich meistens an die zackigen Fortsätze der Zellen anschließen. Jede Zelle enthält einen länglichen, seltener runden oder unregelmäßig gestalteten Kern. Diese Art des Epi- thels nimmt die oberste Spitze des Radulawulstes ein und erstreckt sich von da eine kurze Strecke nach vorn und etwas tiefer nach hinten in die absteigende Radularinne. Nach den Seiten wie auch nach hinten und vorn geht dieses Epithel in das gewöhnliche niedrige Epithel über. Die bestimmte Lage am Scheitel des Zungenwulstes läßt die Erklärung gerechtfertigt erscheinen, daß die besondere Differenzierung des Epithels in die gezackten Zellen mit der starken interzellularen Ablagerung an dieser Stelle sich ausgebildet hat, um dem starken Zug und Druck, der hier an der Spitze bei der raspelnden Kaubewegung am stärksten einwirkt, mit der nötigen Festigkeit entgegenzuwirken. Im weiteren Ver- laufe unter der Radula erhöht sich allmählich das Epithel wieder, um in der Radulapapille wieder zu Zylinderepithel zu werden (ra. sch Textfig. 11/). Am Dach des Pharynx zeigt das Epi- thel geringere Differenzierungen. In der Mittellinie begleitet die starke Muskelplatte ein Zylinderepithel, das mit einer starken Cuticula ausgekleidet ist (c« Textfig. 11a). Es erstreckt sich auch nach dem Schwinden der Muskelplatte noch eine kleine Strecke in den Ösophagus hinein. An den Seitenteilen schwindet Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 751 allmählich die Cuticula. Sobald dann die Einmündung der Speichel- drüsengänge (sd. a Textfig. 1125, c) stattgefunden hat, zeigt nach hinten zu das Epithel jederseits Flimmerung, wobei aber die Speichelgänge wie auch ihre Einmündung frei von Flimmern sind. Dieses Flimmerepithel verläuft in zwei breiten Reifen (/. str Textfig. 11 d, e, /) an den Seiten entlang nach hinten, wo es erst im Ösophagus auf den Boden und später auch auf das Dach übergeht. Die flimmernde Region des Epithels zeigt eine starke Faltenbildung. SEMPER beschreibt bei Pulmonaten im Schlundkopf Flimmerung, doch scheint er mit seiner Bemerkung: „nirgends im Schlundkopfe mit Ausnahme eines Wulstes, der sich vom Schlunde aus an der oberen Wandung der Mundhöhle bis ziemlich weit nach vorn hinzieht, findet sich Flimmerung“ etwas anderes zu meinen als den beschriebenen paarigen Flimmerstreifen unserer Stenogyra. Das Epithel, welches die Subösophagealtasche auskleidet, zeigt zylindrische Form und ist mit einer dünnen Outi- cula bedeckt. Diese Cuticula vereinigt sich mit der Radulamem- bran auf dem Scheitel der Wülste (wz, und wz Taf. 10, Fig. 23, Textfig. 11d, e). Fine ganz bedeutende Dicke nimmt die Cuti- cula auf dem vorspringenden Zapfen an, der von der absteigenden Rinne der Radula umgriffen wird (2. ckit Taf. 10, Fig. 23 und Textfig. 11). Diese starke Bedeckung ist als Schutzmittel gegen die scharfen Zungenzähne zu erklären. Die Gestalt und Bedeutung des Epithels, welches sich der Radula von oben her anlegend in die Radulascheide eintritt, werden wir mit der Radula gemeinsam kennen lernen. Innere Muskulatur des Pharynx. Am Boden des Pharynx befindet sich, wie wir sahen, die Radula, welcher die Funktion der Zerkleinerung der Nahrung zukommt. Um diese Aufgabe des Kauens zu erfüllen, bedarf sie zunächst eines Stützapparates, So- dann aber eines bewegenden Muskelsystems. Den Stützapparat bilden die paarigen Stützplatten (s/. #/ Taf. 9, Fig. 20 u. Textfig. 116, c, 12, 13‘, die man infolge der Ähnlichkeit ihres histo- logischen Baues mit echtem Knorpelgewebe auch wohl als Zungen- knorpel bezeichnet findet. In natürlicher Lage bilden sie eine von hinten unten nach vorn oben gerichtete, scheinbar einheitliche, nierenförmige Platte (sZ. 5/ Taf. 9, Fig. 20, Textfig. 12, 13). Bei mikroskopischer Betrachtung eines Schnittes zeigt sich aber (Text- fig. 116,c), daß diese Platte aus zwei symmetrischen Hälften besteht, die nur im oberen Viertel fest miteinander verwachsen sind; im übrigen finden sich zwischen beiden symmetrischen Hälf- 192 Johannes Wille, ten quere muskulöse Verbindungsfasern. Während die Stützplatte von vorn und unten gesehen eine fast gleichmäßig konvex ge- krümmte Fläche hat (Textfig. 13), zeigt die Oberfläche, von hinten her betrachtet, oben einen schmalen vorspringenden Saum (vorspr. s Textfig. 12). Dieser Saum setzt sich nach unten jederseits in eine wulstartige Anschwellung fort, so daß dann der untere Teil der Platte ein paariges Polster bildet. So erhält die Stützplatte in ihrem oberen Teil eine löffelartig gekrämmte Form, wie sie uns in der Radula wieder symmetrisch begegnet. Die Stützplatte zeigt in ihrem histologischen Aufbau außen eine dünne Schicht faserigen Bindegewebes, dessen Stränge pa- rallel zur Oberfläche verlaufen. Innen wird sie durchzogen von zahlreichen Muskelsträngen, die einzeln oder auch untereinander anastomosierend von vorn nach hinten, also senkrecht zur Ober- vorsprs Textfig. 12. Radialstützplatte von Textfig. 13. Radialstützplatte von hinten. Vergr. 12:1. vorne. Vergr. 12:1. fläche einander parallel verlaufen. (Querstreifung findet sich an diesen Muskelfasern bei Stenogyra decollata nicht. Sie sind am zahlreichsten und dichtesten gelagert im obersten Teil der Platte, wo die beiden symmetrischen Hälften miteinander verwachsen sind und der Saum löffelartig vorspringt. Hier verdrängen sie fast ganz die Bindegewebszellen. Diese liegen zwischen den ein- zelnen Muskelfasern als große polygonale, blasige Zellen, die einen klaren Inhalt und runden Kern zeigen. Sie sind selten einzeln, meist in größeren Gruppen zwischen die Muskelbündel eingestreut. AMAUDRUT und LoIseEL untersuchten bei Pulmonaten das Muskel- system der Radula und ihrer Stützplatte. Stenogyra dec. zeigt verschiedene Abweichungen von der dort gegebenen Beschreibung. Wir unterscheiden zwei Muskelsysteme: die einen Muskel bewegen und befestigen die Radula, die anderen haben die Befestigung Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 753 der Stützplatte zur Aufgabe. Diese letzteren sind bedeutend kräftiger und stärker als die anderen; von ihnen soll zunächst die Rede sein. Als mächtigster Muskel inseriert an der Stütz- platte auf ihrer Hinterseite jederseits »2 (Textfig. 12). Er nimmt drei Viertel des seitlichen Saumes ein und hat seinen Ursprung in der seitlichen Wand des Pharynx. An dieser entlang entsendet er noch einige kräftige Stämme nach oben und bildet hier die Stütze für die beiden seitlichen Schenkel des Radulapolsters (mu, Taf. 10, Fig. 23). Auf der Hinterseite der Stützplatte in- seriert dicht neben der Medianlinie jederseits ein dünner Muskel, der nach hinten unter den Bändern des Muskels zz, hindurch verläuft, wobei sich dann die paarigen Äste jeder Seite vereinigen. Als einheitlicher Muskel >», zieht er dann nach hinten an die Radulapapille, die er als dünne Muskelschicht umgibt (2, Taf. 9, Fig. 20). An der Vorderseite der Stützplatte (Textfig. 13) inseriert unten jederseits ein breiter bandartiger Muskel »»z,, der unter der Platte hinweg nach hinten zieht (»»u, Taf. 9, Fig. 20). Hier hat er seinen Ursprung teils in den Pharynxretraktoren, teils geht er in die muskulöse Umhüllung der Radulapapille über. Seitlich von der Insertionsstelle dieses Muskels nach oben zu inserieren am Rande der Vorderseite der Platte die beiden Muskeln zz, und nu, (Textfig. 13). 7», stellt eine Fortsetzung von zu, nach vorne zu dar und hat seinen Ursprung wie dieser in der benachbarten seitlichen Pharynxwand. Der dicke Muskel x, verläuft weiter oben seitlich nach vorn in die Pharynxwand, wo er in die äußere Ringmuskulatur übergeht. Das Muskelsystem, welches der Befestigung der Radula- membran dient, setzt sich aus dünnen, bandartigen Muskeln zu- sammen. An der Vorderseite der Stützplatte ungefähr in der Mitte der unteren Hälften hat ein bandartiger Muskel jederseits seinen Ursprung (72, Textfig. 13, Taf. 9, Fig. 20). Er inseriert am vordersten Ende der Radulamembran und hat die Aufgabe, diese bei der Kaubewegung nach vorne zu ziehen. Dies ist ihm dadurch möglich, daß seine Ursprungsstelle, wie überhaupt das unterste Ende der Stützplatte durch die erwähnten Muskeln »»z, und 2x, in der Pharynxwand fixiert sind. Als Antagonist von mu; wirkt der paarige Muskel zu, (Taf. 9, Fig. 20, Textfig. 13). Er zieht die Radulamembran wieder nach hinten zurück, da seine Insertionsstelle an der absteigenden hinteren Radularinne liegt. Sein Urprung liegt an den unteren inneren Rändern der An- schwellungen der Stützplatte an ihrer Hinterseite. Von hier nach 154 Johannes Wille, oben steigend teilt er sich in zwei Äste; die beiden inneren jeder Seite verwachsen in der Medianlinie und inserieren gemeinsam einheitlich, die äußeren Äste setzen ebenfalls nur etwas weiter nach den Seiten zu an der Radula an. Ein kurzes Muskelband mu, (Textfig. 12) läuft auf der Hinterseite vom oberen Ende der Anschwellung jederseits nach oben seitlich an die Radulamembran. Äußere Muskulatur des Pharynx. AÄußerlich stellt der Pharynx, wie wir gesehen hatten, ein birnförmiges Gebilde dar, welches hinten jederseits eine Anschwellung zeigt (Textfig. 10). Vor dieser Anschwellung gehen seitlich und unten die Retraktor- muskeln (ze/r) nach hinten ab, die nicht in einem einzelnen Bande, sondern in mehrere Bündel geteilt am Boden und an den Seitenteilen also in einem Bogen am Pharynx ansetzen. Sie ge- hören zu dem System des Kolumellarmuskels, und ihren Verlauf haben wir dort weiter verfolgt. Die seitlichen Anschwellungen werden von einer dünnen Muskelschicht bedeckt, die von der einen Seite nach der anderen zieht und dabei die Radulapapille und die ganze hintere Seite des Pharynx umgibt. Aus ihr sondert sich an den hinteren Seitenrändern je ein Bündel ab (s7. »»), welches eine Richtung von hinten unten nach vorn oben nimmt und sich bis über die Ösophaguseinmündung nach vorn erstreckt. Hier stößt es in der Medianlinie oben an die erwähnte muskulöse Platte (2. 22), seitlich setzt es sich an beiden Seiten in je zwei Muskelbänder fort, die nach vorn an die Kopfwand ziehen (/r. dors. lat und fr. lat). Der obere Protractor dorsalis lateralis (fr. dors. lat) liegt jederseits neben der muskulösen Stützplatte (mu. pl). Das andere kräftigere Muskelbündel Protractor lateralis (fr. lat) zieht tiefer nach unten und begibt sich fast an der Unterseite des Pharynx in die vordere Körperwand. Zuweilen fand ich, daß dieser Muskel sich in zwei Stränge sonderte und dann zwei Muskeln nebeneinander in die Körperwand einliefen. Am unteren hinteren Teile des Pharynx entspringen an der Stelle, wo nach hinten die Retraktoren sich ansetzen, drei dünne Muskeln mit der Richtung nach vorn zu. Dieses System bezeichnen wir als die protractores ventrales (#7. v). Der oberste von ihnen geht in die seitliche Körperwand ungefähr dort, wo jederseits die Enden des halbmondförmigen Kiefers gelegen sind. Unterhalb von diesem, also an der Unterseite des Pharynx, laufen die beiden anderen Stämme dieses Systems in die untere Körperwand ein. Zwischen der Insertionsstelle der protractores ventrales und der der Retraktoren tritt unten in den Pharynx die Arterie (aor) ein. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 755 Unter allen äußeren Muskelbündeln befindet sich eine Ringmuskel- schicht, deren Fasern von der dorsalen Muskelplatte jederseits nach unten ringförmig den Pharynx umgreifen. Sie tritt, wie wir sahen, mit einigen Muskeln, die an der Radulastützplatte inserieren und so zur inneren Pharynxmuskulatur gehören, in Verbindung. Radula. Im hinteren Teil des Pharynx liegt innen dem Epithel der Unterseite die Radula auf. Ihre Gestalt wird bedingt durch die darunterliegende Stüzplatte und die an dieser inserie- renden Muskelsysteme, welche gemeinsam die Wülste (wz und wu,, Taf. 10, Fig. 23) bilden. Vom Scheitel dieser Erhebung erstreckt sich die Radula noch ein wenig weiter nach vorn und unten und erscheint hier an ihrem vorderen Ende zerfranst. Dies erklärt sich dadurch, daß die abgenutzten Teile der Radula stück- weise sich loslösen. Vom Scheitel des Wulstes, der einen nach hinten offenen Halbkreis bildet, senkt sich dann die Radula, eine Rinne bildend und den konischen Zapfen (z. chf) umgreifend nach hinten und unten (Taf.9, Fig. 20, Taf. 10, Fig. 23, Textfig. 11, ). Kurz vor dem Eintritt in die Radulascheide treten zwei Ein- schnürungen jederseits auf (ernschn Textfig. I1d,e). Die Radula hat also vorne die Gestalt eines umgekehrten Löffels, nach hinten die einer Rinne mit einem an einer Stelle doppelt eingeschnürtem Rande. Die am hinteren unteren Teile der Pharynxmasse gelegene Papille, die Radulascheide (ra. sck Textfig. 10, 11 /), enthält den Bildungsherd der Radula. Die Radula selbst besteht aus einer chitinigen dünnen Basal- membran, der die Zähne einzeln aufsitzen. Diese zeigen wieder eine Basal- oder Fußplatte (2. #2 Textfig. 14) und den eigentlichen beim Kauen tätigen Zahnfortsatz. Die Zähne sind regelmäßig in Längs- und Querreihen angeordnet. An jeder Querreihe unter- scheidet man einen mittleren oder Rhachiszahn, dann die seitlich davon gelegenen Lateralzähne und schließlich ganz nach außen die 'Marginalzähne. Der Rhachiszahn (7.2 Textfig. 14) ist bei unserer Form äußerst klein und winzig; meist ist er dreispitzig, doch verschwinden auch die beiden -seitlichen kleinen Spitzen, und dann ähnelt er einer einfachen dreieckigen Platte. Der Rhachis- zahn sitzt am Hinterende seiner langen schmalen Basalplatte auf und nimmt nur ungefähr ein Drittel von ihr ein. Viel größer sind die Lateralzähne; sie besitzen eine lange Mittelspitze und zwei kleinere Seitenspitzen. Am Grunde der Spitzen befindet sich eine Kimme. Die Lateralzähne ragen nach hinten über ihre Basalplatte hinaus, während nach vorn zu in der Mitte sich die 156 Johannes Wille, Spitze erhebt. Das Hinterende des vorhergehenden Zahnes greift in die so entstehende Lücke des nach hinten folgenden ein, so daß eine dachziegelartige Lagerung ensteht (Textfig. 16). Weiter nach den Seiten zu verlieren die Lateralzähne ihre typische Gestalt, indem die nach dem Rhachiszahn zu gelegene Seitenspitze allmählich immer kleiner wird. Ungefähr vom 22. Seitenzahn an ist die lz rz J = FA Textfig. 14. Rhachis- Textfig. 15. Marginalzähne. Textfig. 16. Sa- zähne und erste Lateral- a 23. und 24. Zahn. gittalschnittdurch zähne. Vergr. 338: 1. db Außerste Zähne. 2 Lateralzähne. Vergr. 338: 1. Vergr. 338:1. Spitze derartig winzig, daß man die noch nach außen folgenden Zähne als Marginalzähne bezeichnen kann (Textfig. 15). Sie zeigen in deutlicher Ausbildung nur noch zwei Spitzen, nähmlich die größere Mittelspitze und die nach außen gelegene Seitenspitze. Das Auftreten von mehr als zwei Spitzen an den Marginalzähnen konnte ich nicht beobachten. Außerdem sind die Marginalzähne bedeutend kleiner als die Lateralzähne; die bei dem Rhachis- und Lateralzahn deutlich hervortretende Basalplatte läßt sich nach den Seiten zu immer schwieriger erkennen. Die Zahl der Zähne einer Querreihe beträgt durchschnittlich 45— 71, die einer Längsreihe 91—106. Wir können als die Zahn- formel für Stenogyra decollata aufstellen: 8—13.14—22.1- 14—22.8—13 91—106 ’ Auffallende Unregelmäßigkeiten und Abnormitäten im Bau der Zähne fanden sich an den untersuchten Exemplaren nicht. Der Bildungsherd der Radulazähne liegt am Ende der Radula- papille in Gestalt des Odontoblastenpolsters. Diese Odontoblasten sind hohe Zellen mit großen runden, chromatinarmen Kernen mit Nucleolus. Im Sagittalschnitt, der dieselben Verhältnisse wie bei Helix zeigt, erscheinen sie in der bekannten Fünf- oder Vierzahl, zuweilen auch noch in größerer Anzahl. Daher findet sich in Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 757 der Literatur die irrige Annahme, daß zur Bildung eines Zahnes fünf, bzw. vier Zellen nötig seien. BECK stellte zuerst bei unseren einheimischen Buliminen fest, daß diese Zahl der Bildungszellen bei weitem nicht ausreicht, indem er Flächenpräparate von dem Odontoblastenpolster herstellte.e Auf dem gleichen Wege zeigte sich bei unserer Stenogyra, daß mehr als fünf Odontoblasten an der Bildung eines Zahnes teilnehmen und daß besondere Ver- hältnisse bei der Bildung des Rhachiszahnes vorliegen. In den Flächenpräparaten (Textfig. 17) liegt nach vorn eine Reihe von breiten großen rechteckigen Zellen (1), die genau so breit sind wie je ein Zahn. Dabei ist jede Zelle der vorderen Reihe gegen die dahinterliegende Zellgruppe, die immer je einen Zahn bildet, um eine halbe Zellbreite seitlich verschoben. Ferner zeichnen sich die Zellen durch einen etwas größeren Kern und eine deutliche Zellmembran aus. Diese vorderste Zellreihe hat die Funktion, die basale Radularmembran abzuscheiden und daraus, daß sie an der eigentlichen Zahnbildung nicht teilnimmt, erklärt sich auch ihre seitliche Verschiebung. Nach hinten folgen dann die eigentlichen Bildungszellen der Zähne. Die folgende Zellreihe (2, Textfig. 17) hat die Basalplatte der Zähne zu bilden, und die noch weiter nach hinten el LI5R RR N: gelegenen bauen dann % m Ö ne op 89 '2 die übrigen Teile des ® 86 Zahnes auf. Bei den v = 3 Flächenp Taparaten u; Textfig. 17. Odontoblastenpolster von der ten die Zellgrenzen nicht Fläche. Vergr. 338:1. scharf hervor. Trotz- dem kehren stets be- stimmte Verhältnisse in der Lage der Kerne wieder. Daraus schloß ich auf die Anordnung der Zellen und stellte das Schema des Odonte- Textfig. 18. Schema der Odontoblastengruppen mit Zähnen. Vergr. 338:1. blastenpolsters (Text- fig. 18) auf. Daraus geht hervor, das zur Bildung des Rhachis- zahnes 16, des ersten Lateralzahnes 12, und der folgenden Lateral- zähne je 13 Zellen nötig sind, wobei die vorderste Zellreihe nicht mitgerechnet ist, da sie als Bildnerin der Basalmembran am Bau des eigentlichen Zahnes nicht beteiligt ist. Jenaische Zeitschrift. Bd. LIII. 49 158 Johannes Wille, Die Frage, ob die Odontoblastengruppe des Rachiszahnes aus der Verschmelzung der Zellgruppen zweier Lateralzähne hervor- gegangen ist, daß also der Rhachiszahn durch Verschmelzung zweier Lateralzähne entstand, worauf PLATE bei Aneithella berghi hinwies, lasse ich für Stenogyra unentschieden. Dagegen schließe ich mich in der Frage, ob die Odonto- blasten von hinten nach vorn mit dem von ihnen gebildeten Zahn mitwandern, und dabei von hinten her ersetzt werden, während sie nach vorn zu den gewöhnlichen Epithelzellen werden, der Ansicht RössLers an. Die ÖOdontoblasten werden nämlich nach der Bildung eines Zahnes nicht durch neue, von hinten nach- rückende Zellen ersetzt, sondern die zahnbildenden Zellgruppen sind an ihrer Stelle fixiert und die Funktion der Zahnabscheidung kommt ihnen fortdauernd zu. Übergänge zwischen Odontoblasten- zellen und einfachen Epithelzellen müßten sich doch sonst vor- finden, und in keinem meiner Präparate ließen sich solche fest- stellen. Im Grunde der Radulapapille schließt sich an das Odonto- blastenpolster ein Epithel an, welches nach oben und dann nach vorn scharf umbiegt und sich von oben auf die Radula legt, um sich nach oben in den konischen Zapfen (2. ch:? Taf. 9, Fig. 20) mit seiner starken Cutislage fortzusetzen. Dabei zeigt das Epithel zunächst in der Gegend der Odontoblasten zylindrische Form ohne scharfe Zellgrenzen mit zerfaserten Enden, die an die in Bildung begriffenen Zähne herantreten. Weiterhin nach vorn werden die Zellen niedriger und umgeben die Zähne fest von allen Seiten her. Auf diese Weise bildet dieses obere Epithel einen Sperr- apparat gegen zu starken Zug beim Kauen. Außer dieser epi- thelialen Sperrung halte ich aber auch die erwähnten Einschnü- rungen (enschn Textfig. 11d,e), die die ganze Radula in ihrem hinteren Teile erfährt, für einen wirksamen Schutz gegen einen zu starken Zug bei der Kaubewegung. Durch diese Einschnürung wird sich leicht verhindern lassen, daß ein starker Zug sich bis nach hinten zum Odontoblastenpolster fortsetzt und hier eine in Bildung begriffene Zahnreihe in ihrer Fertigstellung stört. Ob das obere Epithel sich an der Zahnbildung beteiligt, ist der Gegenstand zahlreicher Untersuchungen gewesen. Da die Zähne nach dem Verlassen des Odontoblastenpolsters an ihrer oberen Seite noch eine Größenzunahme zeigen, so glaube ich, daß neben der Aufgabe des Sperrapparates die Abscheidung von Zahnsubstanz dem oberen Epithel zu eigen ist. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 759 Ösophagus. An der oberen Seite des Pharynx tritt nach hinten der Ösophagus aus (oes Taf. 9, Fig. 20, Taf. 10, Fig. 22, Textfig. 10, 19). Er ist ungefähr viermal so lang als der Pharynx. In zwei Windungen steigt er, sich dicht dem Kolumellarmuskel anlegend, nach oben, bis er schließlich in den Magen übergeht. Bei einigen meiner Exemplare bildet er ein einfaches dünnes Rohr, welches mit zahlreichen Querfalten, die besonders an der Decke entwickelt sind, ausgekleidet ist. Bei der Mehrzahl der Tiere dagegen fand ich, daß der Ösophagus zunächst als dünnes Rohr aus dem Pharynx austritt, sich aber kurz danach unter den aufliegenden Speicheldrüsen stark erweitert und dann wieder enger wird (Textfig. 19). Diese Aufblähung nimmt, wenn sie vorhanden ist, die Hälfte der Gesamtlänge des Ösophagus ein, und zeigt Längsfalten wie die übrigen Teile des Ösophagus. Diese An- schwellung tritt bei Helix immer auf und wird als Magen be- zeichnet. Unsere Ste- nogyra zeigt aber außerdem im weiteren Verlaufe des Darmes eine dem Magen der Buliminen entspre- chende Anschwellung. Es wäre möglich, die Ösophaguserweite- alBs rung nur für einen Textfig. 19. Schema des ganzen Darmtraktus. bestimmten Kontrak- tionszustand zu halten, in dem sich die Tiere beim plötzlichen Absterben auszudehnen pflegen. Ich glaube jedoch, daß infolge der besonderen Beschaffenheit des Ösophagusepithels diese Er- weiterung eine dem Helixmagen ähnliche Funktion besitzt und daß damit die Ösophagusanschwellung unserer Stenogyra ein dem Helix- magen analoges Gebilde darstellt. Im Anfangsteil des Ösophagus ist das Epithel ein gleich- mäßig flimmerndes, zylindrisches. Weiter nach hinten treten jedoch helle Zellen auf, die flaschenförmig gestaltet sind und einen runden, sich dunkelfärbenden Kern besitzen (drz Taf. 10, Fig. 25). Ihr Protoplasma ist fädig zusammengezogen. Neben diesen ziemlich großen Zellen, die immer einzeln und in Ab- ständen voneinander gelagert sind, liegen die gewöhnlichen zylin- 49* mtrid 760 Johannes Wille, drischen Flimmerzellen mit körnigem Protoplasma und elliptischen Kernen, die ein oder zwei Nucleoli besitzen. Ich halte die flaschenförmigen Zellen (drz) für sekretorische Schleimdrüsen- zellen, die ihr Sekret durch die zwischen den Flimmerzellen be- findliche Öffnung nach außen entleeren. Nach außen umgibt den Ösophagus, wie überhaupt das ganze Darmrohr, eine innere Längs- muskelschicht und eine äußere Ringmuskelschicht. In den hohen Falten, die in den Ösophagus vorspringen, findet sich auch spärlich faseriges Bindegewebe. Speicheldrüsen. Dem Ösophagus liegen in seiner unteren Hälfte die großen Speicheldrüsen als zwei untereinander anasto- mosierende Lappen auf (sd Textfig. 19). Diese Anastomosen treten auf der Oberseite und Unterseite auf, so daß die Speichel- drüsen teilweise den Ösophagus ringförmig umgeben. Sie sind von weißlicher bis gelblicher Farbe und ganz unregelmäßig bei den einzelnen Individuen zerteilt und gelappt. Nach vorn setzen sich die Drüsen in zwei jederseits neben dem Ösophagus her- laufende Kanäle fort, die wie dieser durch den Schlundring hin- durchgehen und sich auf der hinteren Oberseite des Pharynx in diesen einsenken, seitlich unterhalb von der Einmündungsstelle der Speiseröhre (Textfig. 10). Die Kanäle verlaufen zunächst noch eine Strecke innerhalb der Pharynxmuskulatur nach vorn und münden dann in der Rinne, die vom inneren Lippenwulst mit dem Radulapolster gebildet wird, vor dessen Scheitel in einem länglichen Schlitz aus (sfd.a Taf. 9, Fig. 20). Während seines Verlaufes innerhalb der Pharynxmuskulatur wird der Ausführgang der Speicheldrüsen von einer Nebenspeicheldrüse rings umgeben, wie sie bei Helix von NALEPA gefunden wurde. Diese Drüsen sind äußerst klein und bei makroskopischer Präparation sehr schwer aufzufinden. In den großen Speicheldrüsen von Helix finden sich nach PAcAuUT und VIGIER fünf verschiedene Arten von Drüsenzellen, die untereinander Übergänge zeigen. Bei unserer Stenogyra sind am bemerkenswertesten die zahlreichen runden Schleimzellen, die eine schaumige Struktur zeigen und sich blau färben. In ge- ringerer Anzahl sind Zellen vertreten, die runde helle Körnchen führen und mit den granulösen Zellen Rına Monrtıs übereinstimmen. Außerdem finden sich noch transparente Zellen, die entweder ganz hell sind oder nur eine ganz schwach färbbare, blasige Struktur zeigen. Alle diese Drüsenzellen haben einen sich sehr stark färbenden, runden, großen Kern; meistens ist er zentral Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 761 gelagert. Zwischen den drüsigen Zellen finden sich bindegewebige Stützzellen. Die Drüsenzellen geben ihr Sekret in ganz feine dünne, Speichelkanäle ab, die mit einem Plattenepithel ausgekleidet sind. Diese vereinigen sich zu größeren Gängen, wobei sich das Epithel allmählich erhöht, bis es im gemeinsamen großen Speichel- gang zu einem Zylinderepithel wird. Flimmern finden sich nirgends im Ausführungssystem der Speicheldrüsen, ebenso fehlen die bei Helix für den Hauptkanal beschriebenen vorspringenden Längs- falten. Sein Querschnitt ist vielmehr anfangs rundlich und wird innerhalb der Pharynxmuskulatur mehr elliptisch. Hier treten nun die NaLepaschen Drüsen auf. Sie bestehen aus einem geschlossenen Komplex einzelner flaschenförmiger Drüsenzellen mit runden Kernen und feinkörnigem Protoplasma, das sich mit Hämalaun und v. GIESoN gelbraun färbt (Taf. 10, Fig. 24). Jede Zelle besitzt einen langen,. schmalen ausführenden Fortsatz, der mit dem hellgelben Sekret angefüllt ist und sich mit denen der Nachbarzellen häufig verflechtend durch Interzellularen des Epithels in den Speichelgang ausmündet. Auf diese Weise sind die eigentlichen Drüsenzellen paketweise nach außenangeordnet, während nach innen rings um den Speicheldrüsengang die Zone ihrer Fortsätze liegt. Da sich diese sehr stark verflechten, kann man nicht immer deutlich die Zellgrenzen unterscheiden. In der Nähe der Mündung des Speichelkanals verlieren die NALEPASchen Drüsen ihren geschlossenen Charakter. Sie gehen hier in einzelne Drüsenzellen über, die isoliert stehen und durch ihren langen Ausführgang ihr Sekret entleeren. Diese einzelnen Drüsenzellen finden sich auch noch an dem länglichen Spalt, durch den der Speichelgang in die Pharynxhöhle mündet. Magen. Nachdem der Ösophagus bei seinem zweiten Umgang um die Kolumella unter der Eiweißdrüse vorbeigekommen ist, erweitert er sich allmählich zum Magen. Hierbei verdrängt er die nach außen gelegenen Teile des unteren Leberlappens und wird nun im dritten Umgang (von der Spitze her gezählt) außen sichtbar. Er nimmt von diesem die obere Hälfte und vom zweiten Umgang die untere Hälfte ein. Der Magen hat also die Aus- dehnung einer ganzen Windung. In seinem hintersten am weitesten nach oben gelegenen Abschnitt bildet der Magen eine Einschnürung und hinter dieser eine blindsackartige Erweiterung, in die die Leberausführgänge einander gegenüberliegend einmünden (Textfig. 20, Taf. 10, Fig. 26). Von diesem Blindsack steigt dann 7162 Johannes Wille, in einem spitzen Winkel nach unten und innen der Mitteldarm hinab. Im Inneren verlaufen an der Unterseite des Magens aus dem Ösophagus her Längsfalten, während sich an der Decke Querfalten finden (Taf. 10, Fig. 26). Der Magen stellt also ein gefaltetes Rohr dar, in dem sich keine besonders charakteristischen Reliefbildungen finden. Dagegen sind solche im Blindsack vor- handen und gehen von hier auf den Anfangsteil des Mitteldarms über. Zunächst zeigt der Blindsack Faltungen ähnlich wie der vordere Teil des Magens. Sobald aber die Lebergänge einmünden, finden sich zwei wulstförmige Falten, die stark in den Blindsack und weiterhin auch in den Mitteldarm vorspringen. Von diesen beiden Falten beginnt die eine (wx Taf. 10, Fig. 26) hinter der anfmttld u —— Textfig. 20. Magen und Mitteldarmschlingen. Textfig.21. Querschnitte durch Vergr. 5:1. den Mitteldarm. Vergr. 19:1. Einmündung des unteren Lebergangs (z. Z2.g); sie ist nicht allzu bedeutend und verstreicht bald im Verlaufe des Mitteldarmes (Textfig. 21). Dagegen ist der zweite Wulst (wx Taf. 10, Fig. 26, Textfig. 21) viel höher und kräftiger. Er setzt direkt an die Mündung des oberen Leberlappens (0. Zdg‘) nach hintenan und verläuft weit in den Darm hinein. Hierbei zeigt er zunächst dickwulstige Gestalt, weiterhin wird er aber schmäler und länger und stellt schließlich einen schmalen, ins Lumen vorspringenden Streifen. dar (Textfig. 21). Solange beide Wülste nebeneinander herlaufen, schließen sie eine Rinne zwischen sich ein, späterhin bildet der bedeutend erhöhte Wulst (wz) allein diese Rinne mit der Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 763 benachbarten Darmwandung. Auf die physiologische Bedeutung der Reliefbildungen des Blindsacks wies BIEDERMANN hin. Diese besonderen anatomischen Einrichtungen „dienen speziell dem Zwecke, den flüssigen Inhalt des Magens, und eventuell darin aufgeschwemmte feste Partikel in das Innere der Leber zu leiten, resp. aus derselben wieder in den; Darm zu befördern“. Diese Wülste und außerdem der scharfe Knick, mit dem der Mitteldarm sich an den Magen ansetzt, bilden einen Sperrapparat, der die eben erwähnte physiologische Funktion ermöglicht. Dazu kommt noch die starke Muskulatur, die den Blindsack umgibt und die durch ihre Kontraktion den im Magen befindlichen In- halt in die Lebergänge preßt. Erwähnenswert ist noch, daß der untere Lebergang bedeutend schmäleren Querschnitt hat wie der obere. Auf diese Weise wird, da auch die Sperrung durch den höheren Wulst (zz) am oberen Leberlappengang bedeutender ist, mehr Mageninhalt zur Resorption in den oberen Leberlappen befördert werden als in den unteren. Die aus den Leberlappen wieder hinausbeförderten Massen gelangen in den Mitteldarm; hierbei kommen die festeren Bestandteile in die von den beiden Wulsten umschlossene Rinne. Hier werden sie zu den schmalen Sehläuchen der Exkremente zusammengeprebt, während das größere Lumen des Darmes die flüssigen Partikel passieren. So stellt diese Rinne gleichsam ein Rohr für sich im Mitteldarm dar. Das Epithel des Magens ist ein Zylinderepithel mit basal- ständigen elliptischen Kernen und schwachen Cuticularsaum. Im Blindsack tritt starke Flimmerung auf, die sich von da eine Strecke in den Mitteldarm weiter erstreckt. Der Blindsack zeichnet sich ferner dadurch aus, daß die Muskulatur bedeutende Verstärkung erfährt. Die beiden Wülste (wa und wz, Textfig. 21) haben als Stütze blasiges Bindegewebe unter dem Epithel. Der absteigende Ast des Mitteldarms (ab. mmitl.dTextfig. 19) zeigt nur noch ganz spärliche Flimmerung, die schließlich ganz schwindet. Erst un- gefähr an der Stelle, wo der Darm als Enddarm in die Lungen- höhle eintritt, treffen wir wieder Flimmern an, aber nur auf der Unterseite. Im Vorderteil des Magens finden sich schleim- bereitende, flaschenförmige Drüsenzellen nur äuserst spärlich, dagegen sind sie im Blindsack und im Mitteldarm in großer Menge ver- treten. Ihr Sekret ist körnig und stark blau färbbar. Das Proto- plasma der Magenepithelzellen ist feinkörnig und zeigt Längs- streifung; diese wird, wie ELLERMANN für Helix nachwies, durch starke Längsfaltung der Zelloberfläche hervorgerufen. 764 Johannes Wille, Leber. Der Bau der Leber von Stenogyra weicht von dem gewöhnlichen Verhalten der Gasteropodenleber nicht ab. Sie zer- fällt in zwei braun gefärbte Hauptlappen, einen vorderen unteren, der dem unteren Teile des Magens aufliegt, und in einen hinteren oberen, der die beiden obersten Windungen des spiralig einge- rollten Eingeweidesacks einnimmt. Dieser Teil birgt in seinem Inneren nach der Columella zu die Zwitterdrüse. Die Leber ist eine zusammengesetzte azinöse Drüse, die sich in zahlreiche größere und kleinere Läppchen verästelt und deren Drüsenelemente stark verzweigte Follikel bilden. Dem Lebergewebe liegt außen das Körperepithel auf, welches an der Columella meist noch eine dünne Längsmuskelschicht unter sich führt. Zwischen Körper- epithel und Lebergewebe liest noch blasiges Bindegewebe, welches auch zwischen die einzelnen Tubuli dringt und so die Lappen und Läppchen verbindet. Die Leberläppchen werden von drei verschiedenen Formen von Drüsenzellen ausgekleidet, nämlich von Leber- oder Resorptions- zellen, Ferment- oder Sekretzellen, Kalkzellen. — Die Leber- zellen sind am zahlreichsten vorhanden; sie zeigen schmalzylin- drische Gestalt und haben einen basalständigen elliptischen Kern. Zuweilen sind sie am inneren Ende kolbig verdickt und springen dann in das Lumen der Tubuli vor. Das Protoplasma ist körnig und enthält zahlreiche kleine Vakuolen, die sich gelb färbende Körner und Klümpchen enthalten. Diese Zellen häufen Glykogen und Fette an. Außer dieser Resorption von Nährstoffen fällt ihnen noch die Aufgabe der Exkretion von Abfallprodukten zu. — Die Ferment- oder Sekretzellen stellen breite Zellen dar, für die eine große, fast die ganze Zelle erfüllende Vakuole charakteristisch ist. Der Kern ist unregelmäßig gestaltet und liegt an der Basis. In der klaren Vakuole liegen mehrere braune Sekretkugeln. Diese Zellen liefern in ihren Sekreten die verdauenden Enzyme oder Fermente. — Die Kalkzellen sind breite, nach dem Lumen- inneren schmäler werdende Zellen, zeigen also die Gestalt des abgestumpften Kegels. Sie haben einen großen Kern mit einem Nucleolus und grobmaschiges Protoplasma, das sich mit Häma- laun und van GIEson blau färbt. In den Maschen finden sich runde, stark lichtbrechende Kügelchen. Sie bestehen aus Kalk, der durch den Säftekreislauf an die Stellen gebracht wird, wo er gebraucht wird, wie z. B. an den Mantelrand zum Aufbau neuer Schalenteile. Die Kalkzellen finden sich am häufigsten in den Ecken der Azini. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 765 An die Endläppchen, die von diesen drei Zellelementen ausgekleidet werden, schließen sich feine Lebergänge an, die sich zu großen vereinigen und schließlich in den für jeden Leberlappen gemeinsamen großen Lebergang übergehen, der dann in den Magenblindsack einmündet. Das Epithel der Lebergänge ist ein zylindrisches mit basalständigen Kernen und einer starken Flim- merung. Mittel- und Enddarm. Aus dem Magenblindsack steigt nach unten und nach der Columella zu der Mitteldarm hinab. Er zeigt anfangs noch eine ziemliche Dicke. Er geht einmal um die Columella und um den Ösophagus herum, biegt dann scharf nach hinten um, wobei er sich allmählich nach außen durch die Teile des unteren Leberlappens hindurch arbeitet und wird nun an der Oberseite der vierten Windung sichtbar (Textfig. 19, 20). Er grenzt hier an den hintersten Teil der Lungenhöhle und bildet nun eine verkehrt S-förmige Schlinge, indem er bis fast an den Anfangsteil des Magens wieder nach oben zurückläuft (a”»/. mild). Von da kommt er auf die obere Suturlinie der Windungen und steigt nun immer von außen sichtbar abwärts zur Lungenhöhle. Nach GARTENAUER sollen sich an der Eintrittstelle des Darmes in die Lungenhöhle bei Landpulmonaten drüsige Elemente finden. Bei Stenogyra sind diese nicht vorhanden. Während seines Ver- laufs durch die Lungenhöhle bezeichnen wir den Darm als End- darm. Infolge der bedeutenden Ausdehnung der Lungenhöhle zeigt auch er die bedeutende Länge von fast ein und einhalb Windungen. Die innere Reliefbildung und die Histologie des Mitteldarmes haben wir zusammen mit dem Magenblindsack schon kennen ge- lernt. Der Enddarm bildet Querfalten auf seiner Unterseite. Diese führt allein auch Flimmern, während auf der Oberseite und den Seitenteilen ein schmaler Cuticularsaum auftritt. Etwas ober- halb und hinterwärts vom Atemloch öffnet sich der Enddarm mit dem After nach außen (Taf. 10, Fig. 27). Dieser zeigt an Stelle der Querfalten Längswülste, die nach hinten hin scharf abbrechen, während sie nach außen zu in die glatte Oberfläche des rechten Mantellappens übergehen. In der Region der Längsfalten zeigt der After vollständige Flimmerung. Links neben dem After liegt die Öffnung des sekundären Ureters, der schon während des ganzen Verlaufs durch die Lungenhöhle neben dem Rectum ge- legen ist. After und Ureteröffnung vereinigen sich zur Kloake. Bei der Behandlung der Lunge und Niere werden wir auf diese Verhältnisse nochmals ausführlicher zurückkommen. 166 Johannes Wille, VII. Lunge, Niere und Blutkreislauf. Lunge. Die Lungenhöhle, welche die letzten Schalenwin- dungen einnimmt, zeigt eine bedeutende Ausdehnung. Am leben- den Tier sieht man schon durch die dünne Schale das Gefäßnetz des Lungendachs durchschimmern, wobei besonders die in der Mitte verlaufende große Lungenvene auffällt. Präpariert man die Schale ab, so sieht man, daß die Lungenhöhle sich fast durch ein und eine halbe Windung erstreckt. An ausgewachsenen und gut ausgestreckten Tieren fand ich als Längen- maße 3,6 — 42 em. An ihrem hinteren spitz zulaufenden Ende stößt die Lungen- höhle an den vordersten Teil der verkehrt S-förmigen Schlinge des Mitteldarms (2/2d Textfig. 23), während sie nach vorn mit ihrer breiten Seite begrenzt wird durch die Ver- wachsung des Mantelwulstes mit dem Nacken- integument. Diese Verwachsung wird durch- brochen von dem Atemloch (ZzsZ Text- fig. 23), welches so die Kommunikation Textfig. 22. Querschnitt durch die Lungen- Textfig. 23. Lungendach höhle, sekundären Ureter und Enddarm, von unten. Vergr. 2:1. kurz hinter dem Atemloch. Vergr. 27:1. mit der äußeren Luft herstellt. Außen neben dem Atemloch liegen rechts oben und links unten zwei Mantellappen (Taf. 10, Fig. 28), die Ähnlichkeit mit denen von Helix zeigen. Der links oberhalb gelegene (o. /. mil) ist der größere, er mißt 3,0—3,5 mm. An seinem äußeren linken Ende läuft er zipfelförmig zugespitzt aus (22) und ragt frei vor dem Mantelwulst vor. Der rechte untere Mantellappen (z. 7. 22!) dagegen bildet, da er in seiner ganzen Ausdehnung angewachsen ist, eine wulstig vorspringende Leiste. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 767 Das Epithel dieser Mantellappen ist kubisch mit runden Kernen und zeigt auf den dem Atemgang zugekehrten Seiten deutliche Flimmern. Nach innen zu setzt sich die Flimmerung nur an der Oberseite fort, wo der Enddarm mit dem sekundären Ureter zur Kloake vereinigt, aber gänzlich getrennt von dem Pneumostom und der Lungenhöhle nach außen mit seinem Flimmer- epithel mündet. Die Kloakenwand setzt sich also gleichsam auf die Mantellappen fort. Auf der Unterseite des Atemganges schwindet allmählich die Flimmerung, das Epithel wird niedriger und kleidet so das Pneumostom mit einem niedrigen Epithel aus. Nach dem Inneren der Lungenhöhle zu und im Inneren selbst ist das Epithel noch weiter abgeplattet und bedeckt als niedriges Pflasterepithel die Lungenhöhle (Textfig. 22, Taf. 10, Fig. 29, 30). Im Gegensatz zu anderen Pulmonaten zeigt es keine Flimmerung. Links oben im Atemgang fällt ein Komplex drüsiger Zellen auf, der sich als breites Band nach links hin bis zur Mitte des Mantelwulstes erstreckt. Es ist dies die früher beschriebene Mantel- drüse (2Xldr Taf. 9, Fig. 1, 2). An dem breiten Streifen, wo die einzelligen Drüsen dieses Komplexes nach außen münden, findet sich an dem Epithel der Mantellappen keine Flimmerung. Das Respirationsgewebe der Lunge findet sich nur an der Oberseite der Lungenhöhle. Der histologische Aufbau des Gewebes ist folgender (Taf. 10, Fig. 30, 31): Nach außen liegt das kubische Körperepithel (e/), dann folgt eine schmale Lage von Quermuskel- fasern (225%) mit spärlichen Kernen. Darunter liegt das respira- torische Gewebe, welches aus zahlreichen spongiösen Bindegewebs- zellen (ddew) mit großen runden Kernen besteht. Zwischen dieses Bindewebe befinden sich die Blutgefäße eingebettet. Die Bindegewebszellen zeigen teilweise einen klaren Inhalt, teilweise finden sich in ihnen starke Anhäufungen von kleinen runden Körnern, die gelb bis braun gefärbt sind. Eine Schichtung konnte ich an den Körnern nicht feststellen. Diese Zellen sind die „Körnchenzellen“ Brocks (Az). Die Blutgefäße sind in ihren ersten Anfängen ganz feine Räume im Bindegewebe (g Taf. 9, Fig. 31), die aber stets sich durch eine Endothelauskleidung (erd) kenntlich machen. Diese ganz feinen Anfangsvenen gehen in größere über (g Taf. 10, Fig. 30), bei denen die Endothelauskleidung (end) äußerst klar zum Ausdruck kommt. Man sieht hier von den länglichen Kernen des Endothels feine Streifungen seitlich ausgehen, die parallel zur Gefäßwandung angeordnet sind. Deutliche Zellgrenzen sind "bei dem Endothel, wie auch sonst bei den 768 Johannes Wille, histologischen Elementen des Lungendaches schwer festzustellen. Die größeren Nebenvenen vereinigen sich schließlich in der Haupt- lungenvene, welche ungefähr in der Diagonale von rechts unten nach links oben durch das Lungendach verläuft (v Textfig. 23). Auch diese Hauptvene zeigt die endotheliale Auskleidung (ezd), wie ein Schnitt durch die untere Wand dieses weiten Gefäßes zeigt (Taf. 10, Fig. 29). Außerdem treten unter dem Endothel eine Umkleidung mit einer Ringmuskelschicht (225sc) und weiter nach außen Längsmuskelfasern (»2usc) auf. Das Plattenepithel des Lungendaches (ec Taf. 10, Fig. 29) ist in der Gegend der Lungenvene erhöht. Die übrigen Teile der Lungenhöhle aber werden von ganz niedrigem Pflasterepithel (ef Taf. 10, Fig. 30, 31) ausgekleidet, das, wie schon erwähnt, nirgends Flimmerung aufweist. Im Gegensatz zu Helix treten die Blutgefäße im Lungen- dach nicht stark leistenartig vor, sondern dieses bildet eine fast plane Fläche, da das Bindegewebe die Gefäße vollkommen um- schließt. Nur die in der Mitte verlaufende Hauptvene (v Text- fig. 23) tritt deutlich hervor. Färbt man das Lungendach schwach mit Alaunkarmin, so lassen sich auch die feinen Seitenvenen scharf erkennen. Man erhält so ein klares Bild von der Ver- teilung und Ausbildung des eigentlichen Atemareals.. SEMPER führte für die einzelnen Regionen des Lungendachs bestimmte Namen ein. Nach ihm teilt die Hauptvene das ganze Lungen- dach in eine Spindelfläche (s/72 Textfig. 23) und in eine Darm- fläche (dmfl). Das Gefäßnetz ist auf beiden Flächen vorn in der Nähe des Pneumostoms (Zzs/) ein sehr dichtes, während nach hinten an der Niere (z) und am Herzen (7) die dichte Lagerung der Gefäße allmählich abnimmt. Hier sind die Seitenvenen nur noch in geringer Zahl vorhanden, weiter auseinandergelagert und bilden nur spärlich seitliche Anastomosen aus. Auf der Spindel- fläche, die im ganzen von geringerer Ausdehnung ist als die Darmfläche, verlieren die Seitengefäße ihre Dichtigkeit schon weiter vorne als auf dieser. Der Boden der Lungenhöhle, der zugleich die Scheidewand gegen die eigentliche Körperhöhle bildet, zeigt unter dem Pflaster- epithel zwei senkrecht zueinander angeordnete Muskelsysteme, eine obere Quer- und eine darunter gelegene Längsmuskellage, wenn wir diese Bezeichnungen auf den ganzen Tierkörper beziehen. An Tieren, deren untere Schalenwindungen entfernt waren, ließ sich der Atmungsvorgang gut verfolgen. Dieser ist der gleiche, wie wir ihn bei Helix antreffen. Die obere Lungen- Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 769 höhlenwand, die das respiratorische Gewebe bildet, kann sich nicht von der bedeckenden Schale entfernen, sondern vermag nur rückwärts und vorwärts an dieser zu gleiten, allerdings in aus- giebigstem Maße, so daß beim Aufbrechen der Schale das Lungen- dach sich in unzählige Falten und Fältchen legt. Läßt man nach dem Aufbrechen der Schale das Tier eine Zeit lang in Ruhe, so streckt sich das Lungendach wieder und nimmt die Form an, wie wenn es noch von der Schale bedeckt wäre. Das Atemloch öffnet sich jetzt, der Lungenboden dehnt sich nach dem Körper- innern zu aus, wodurch ein Hohlraum geschaffen wird, in den die frische Luft neu einströmt. Nachdem das Atemloch geschlossen ist, dehnt sich der Lungenboden in der entgegengesetzten Richtung, also nach der Lungenhöhle zu aus. Durch das wieder geöffnete Atemloch strömt dann die verbrauchte Luft aus. Dieser Atmungs- prozeß wiederholt sich nicht rhythmisch, sondern ganz ungleich- mäßig und hängt eng mit dem jeweiligen Kontraktionszustand des ganzen Tieres zusammen. Niere. Am Dach der Lungenhöhle und an ihrem inneren Ende liegt die Niere (z Textfig. 23). Sie stellt, wie man schon von der Außenseite erkennen kann, ein bräunliches Organ dar, das fast die Gestalt eines Dreiecks hat. Präparieren wir die Lungen- höhle auf und schlagen sie zurück, so erhalten wir ein Bild wie Textfig. 23. Die Niere liegt mit ihrer hinteren kürzesten Seite eng der Mitteldarmwindung (»»/fld) an. Rechts an der Ober- seite der Windung verläuft der Enddarm (ezda.), ihm gegenüber an der Unterseite liegt das Perikard (7), welches von der Niere umgriffen wird. Während der Herzbeutel eine Länge von 3,0 bis 4.0 mm hat, mißt die Niere an dieser Seite 6,3—7,6 mm. Somit kann ich SEMPERS Bemerkung, die Niere sei so kurz wie der Herzbeutel, nicht bestätigen. Die dritte, dem Enddarm zu konvex gekrümmte Seite der Niere mißt 8,7—9,6 mm. Diese Maße zeigen, daß die Niere im Verhältnis zur großen Lungenhöhle die 3,6—4,2 em lang ist, eine sehr geringe Ausdehnung besitzt. Wir wollen uns zunächst mit dem inneren Bau der Niere vertraut machen. Öffnen wir den Nierensack, so finden wir, daß in den hinteren zwei Dritteln der Niere (»’ Textfig. 24) starke und zahlreiche Falten lamellenartig in das Lumen vorspringen. Sie sind meist parallel der Längsrichtung angeordnet, doch kommen besonders am hintersten Ende und an den Seiten Falten mit TTO Johannes Wille, anderer Richtung vor. Die größte Höhe und Mächtigkeit zeigen die Lamellen, welche von dem nach innen gelegenen Boden der Niere vorspringen; das steht im Gegensatz zu Helix, wo gerade die Lamellen am mächtigsten am Dach des Nierensackes sich entwickeln. Das vordere Drittel ist demgegenüber ganz anders gestaltet (#” Textfig. 24). Schon äußerlich erkennt man dies an der viel helleren Färbung dieses Teiles der Niere. Es fehlen hier die besonders vom Boden mächtig vorspringenden Falten gänzlich, sie hören ganz plötzlich auf, wie das Textfig. 24 zeigt, die das vordere Drittel (z”) vom Boden her geöffnet zeigt. Vom Boden, wie auch von der Decke erheben sich nur noch kleine niedrige Wülste, die in ihrer Mehrzahl parallel der Längsrichtung an- geordnet sind. Nach der Lungen- höhle zu wird die Niere von dem Pflasterepithel derselben umgeben, während nach außen das kubische Körper- epithel den Abschluß bildet. Im Innern ist der Nierensack mit ei- nem einschichtigen Epi- thel ausgekleidet, das Textfigur 24. Niere im vorderen Teil vom drüsigenCharakter zeigt. Boden aus geöffnet. Vergr. 10:1. Dieses legt sich zum Zweckeder Oberflächen- vergrößerung im oberen Teile in die mächtigen Lamellen. Sie sind in ihrem Innern durch faseriges Bindegewebe mit spär- lichen kleinen Kernen gestützt. Stets führen sie an ihrem Scheitel eine Blutlakune, wie sich auch sonst in dem die Niere umhüllenden Parenchym zahlreiche lakunäre Räume finden. Diese bilden das die Niere durchziehende Blutgefäßsystem, welches das Blut in die Nierenlamellen führt und hier den Austausch der Abfallprodukte zu den Nierenzellen bewirkt. Die drüsigen Epithelzellen des Nierensackes haben zylindrische Form und sind am höchsten an den Faltenscheiteln; an den Wandungen und im vorderen Drittel, wo nur kleine wulstige Leisten sich bilden, sind sie am niedrigsten. Der Kern liegt meist basal und zeigt einen Nucleolus, er färbt Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 771 sich stark mit Hämalaun. Das Protoplasma der Drüsenzellen zeigt körnige Struktur und färbt sich bei Hämalaun- van GIESON- Färbung gelb. Die besondere Eigentümlichkeit der Nierenzellen besteht in dem Vorhandensein der Harnkonkremente. Sie werden zunächst in Vakuolen als kleine Harnkügelchen gebildet, werden größer und bilden dann bis 17 « im Durchmesser große Kugeln oder Körner, die von einem zentralen dichteren Kern aus radiäre Streifung und konzentrisch schalige Struktur zeigen. Diese Kon- kremente liegen im oberen Drittel der Zylinderzellen, sie werden dann und wann und zwar dann immer in großen Massen in das Lumen der Niere entleert. Die Nierenzellen sind dann der Körner beraubt, dagegen sind das Lumen der Niere, besonders das vor- dere Drittel, und dann auch die beiden Harnleiter stark mit ihnen angefüll. Diese Teile erhalten dann eine dunkelbraune Färbung, die neben dem Vorhandensein von dunkelbraunem Pigment auf die starke Anhäufung des Nierenexkrets zurückzuführen ist. Neben und zwischen den ausgestoßenen Harnkörnern finden sich Proto- plasmareste, die durch die gewaltsame Entleerung der Zellen zu erklären sind, wobei Plasmateile beim Platzen der äußeren Zell- wand mit herausgerissen werden. Daß ganze Zellen sich ablösen und so die Harnstoffe hinausbefördert werden, habe ich nicht beobachtet. Da das drüsige Epithel das exkretorisch tätige Gewebe ist und dieses sich nur in den hinteren zwei Dritteln infolge der Oberflächenvergrößerung in den Lamellen zu bedeutender Mäch- tigkeit entwickelt, so müssen wir diesen Teil der Niere als den hauptsächlich exkretorisch tätigen ansprechen, während der vordere mit seiner niedrigen Wandauskleidung und den kleinen Wülsten nur noch geringeren Anteil an der Exkretion nimmt und schon der Harnleitung zugesprochen werden muß. Dies zeigt sich auch daran, daß er bei manchen Tieren stark mit Harnkonkrementen angefüllt ist, während er sonst als leerer Hohlraum auftritt. In diesen Raum ragt an seiner vordersten Spitze ein Kanal hinein, der mit ihm durch einen zweilippigen Querschlitz kommuniziert (np Textfig. 24). Dieser Kanal ist der primäre Ureter (Zr. ur Textfig. 23), er läuft auf der dem Enddarm zu konvexen Seite der Niere nach hinten in die äußerste Ecke der Lungenhöhle. Hier biegt er in einen spitzen Winkel nach vorn um und folgt nun als sekundärer Ureter (sec.«r Textfig. 23) stets geschlossen dem Enddarm nach vorn. Sekundärer Ureter und Enddarm durch- brechen gemeinsam den Mantelwulst etwas oberhalb des Atem- 112 Johannes Wille, lochs (Taf. 10, Fig. 27), vereinigen sich hier und bilden eine Kloake. Diese Kloake und das Mantelloch werden umgeben von den beiden Mantellappen (Taf. 10, Fig. 28). Die so entstehende breite Rinne am Mantelwulst nennen wir Atemgang. Das nur an der Unterseite flimmernde Rectumepithel (ezdd Textfig. 22) beginnt allmählich in seiner ganzen Ausdehnung zu flimmern, und auch das niedrige kubische Ureterepithel (sec. zr) nimmt nach der Vereinigung mit dem Enddarm Flimmerung an, so daß also die Kloake als breiter flimmernder Kanal nach außen mündet. Ihre Flimmerung setzt sich noch weiter auf die Mantellappen fort, während die Atemöffnung selbst keine Flimmern trägt. Das Epithel des primären und sekundären Ureters ist ein kubisches mit rundlichen Kernen, die einen Nukleolus enthalten. Das feingekörnelte Protoplasma zeigt Längsstreifung. Kalotten- zellen mit langen Cilien und dazwischen gelegene Zylinderzellen oder sternförmig verästelte Zellen finden sich nicht. Außer mit dem primären Ureter, mit dem die Niere durch die erwähnte quergeschlitzte Papille in Verbindung steht, kommuni- ziert sie auch noch mit dem Perikard durch den Renoperikardial- gang (rPcg Textfig. 23). Dieser liegt an der Stelle, wo der Vor- hof mit dem Ventrikel sich vereinigt, seitlich nach oben. Er beginnt trichterförmig und richtet sich als runder Kanal nach vorn gegen das Nierenlumen, in welches er allmählich zwischen zwei Lappen übergeht. Dieser Kanal wird ausgekleidet von Zylinder- epithel mit runden chromatinreichen mittelständigen Kernen. Be- sonders ausgezeichnet ist das Epithel durch lange starke Cilien, die stets nach dem Nierenlumen zu gerichtet sind. Nach der Niere zu verliert sich allmählich die Flimmerung, und Drüsen- nierenzellen treten an Stelle der Epithelzylinderzellen. In gleicher Weise geht im Perikard das flimmernde Zylinderepithel des Herz- nierenganges in das niedrige Plattenepithel des Herzbeutels über. Es bildet hier jedoch noch eine ziemlich breite trichterförmige, runde Zone, ehe es seine charakteristische Form verliert. Bisher erwähnten alle Autoren von den Nierenausführgängen von Stenogyra nur, daß der Ureter vollständig geschlossen sei. Auch BEHME, der das Verhalten des Harnleiters bei unserem Tiere näher untersuchte, sagt, daß „der sekundäre Harnleiter ganz geschlossen ist, also mit dem von Buliminus Blainvilleanus über- einstimmt“. Diese Form beschreibt von JHERING folgendermaßen: „Eine große Öffnung am Mantelrande teilt sich in den Teil, welcher in den Mastdarm führt, und den anderen, durch welchen. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 773 die Lunge sich öffnet. In letzterer, nicht weit von dem Atemloch entfernt, öffnet sich der Ureter, von dessen Mündung eine Rinne zum Atemloch weiterführt, welche an dessen Rande über und dicht an dem After endet.“ Dazu gibt von JHERING noch eine Abbildung, aus der auch klar zu erkennen ist, daß hier weder Kloake noch Atemgang vorliegt, sondern daß hier der Ureter noch in die Lungenhöhle mündet. Wir erkennen hieraus, daß Buliminus Blainvilleanus durchaus von Stenogrya getrennt werden muß. Ein Schema von den Entwicklungsstadien im Bau des Harn- apparates der Bulimusspezies stellte zuerst VON JHERING auf. PLATE erweiterte dies auf eine große Anzahl anderer Pulmonaten und Beck führte dies schließlich noch weiter aus. Wenn wir dieses letzte Schema benutzen, so müssen wir Stenogyra decollata an die letzte Stelle setzen und erhalten dann folgende Reihe: 1. Die Niere öffnet sich nach vorn mit einfacher Papille in die Atemhöhle: Bulimus oblongus, Planorbisspezies. 2. Die Niere öffnet sich mit einem gerade nach vorn ver- laufenden, primären Ureter: die meisten Basommatophoren: Lim- naea, Physa, Bulimus radiatus, B. purpa. Ferner (nach BEHME) Cionella lubrica, Pupa arenacea, Helix pulchella. 3. Der primäre, zuerst gerade nach vorn verlaufende Ureter biegt an seinem vorderen Ende nach hinten um und mündet in eine nach hinten ziehende Harnfurche: Buliminus detritus, montanus, obscurus. 4. Der primäre Ureter läuft neben der Niere nach hinten und öffnet sich am Grund der Lungenhöhle ohne sekundären Ureter: Testacella, Helix incarnata, strigella, lapieida u. a. 5. Der sekundäre Ureter bildet eine bald offene, bald mehr oder weniger geschlossene Rinne: Bulimus-, Helixspezies. 6. Der sekundäre Uretergang geschlossen, bald allein, bald zusammen mit dem After in die Lungenhöhle ausmündend: Buli- minus Blainvilleanus, Helixspezies, Daudebardia rufa, Vitrina, Hyalina, Zonites, Arion usw. 7. Der sekundäre Ureter mündet mit dem After, getrennt von der Lungenhöhle, durch eine besondere Kloake in den Atemgang aus: Stenogyra decollata, Daudebardia sauleyi, Limax, Amalia. Jenaische Zeitschrift. Bd. LI. 50 =] —] H> Johannes Wille, Blutkreislauf. Das Zentralorgan des Gefäßsystems ist das Herz (A Text- figur 23, 25). Es besteht aus Kammer und Vorkammer und liegt in dem von der Niere umgriffenen Perikard. Die Vorkammer ist mit zahlreichen, lockeren Muskelbündeln, die die verschiedensten Richtungen haben, ausgekleidet. Sie mündet in den hinter ihr gelegenen, bedeutend muskelreicheren Ventrikel, dessen Muskel- bündel dicht untereinander verflochten sind und so eine dicke Muskelwand bilden. Ein Endothel konnte ich in beiden Abschnitten des Herzens nicht feststellen. Der Ventrikel ist ausgezeichnet durch ein Klappenventil, welches das Blut am Zurückfließen in den Vorhof hindert. Außerdem findet sich ein ebensolches, aus Muskelbündeln beste- hendes Ventil am An- fang der Aorta und staut hier das Blut gegen ein Zurückfließen in die Herzkammer. Das Peri- kard ist mit Platten- epithel ausgebildet, das Textfig.. 25. Verlauf des Arteriensystems ungliche Kerus ns © 7 schematisiert. Die Zahl der Pul- sationen schwankte bei Tieren, deren Schale über dem Perikard aufgebrochen war, so daß dieses freigelegt wurde, bei gewöhnlicher Temperatur zwischen 23 bis 26 in der Minute. Aus dem Ventrikel tritt nach hinten die zunächst einheit- liche Aorta aus (Textfig. 25), die sich über die der Niere (x) benachbarte Mitteldarmschlinge (»»/£/d) hinzieht. Sie teilt sich hier in zwei Äste: die nach oben und hinten gerichtete Visceral- arterie (v@) und die nach vorn verlaufende Kopfarterie (ka). Die erstere tritt durch die Lappen der unteren Leber nach innen und nähert sich dabei der Kolumella. Sie gibt nach innen mehrere Äste an die Eiweißdrüse ab, nach außen einige an den Magen und den Mitteldarm. Weiterhin folgt die Visceralarterie dem Zwittergang nach oben an der Kolumella entlang und versorgt die Zwitterdrüse und den oberen Leberlappen. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 775 Die Kopfarterie (#2 Textfig. 25) umgreift nach der Ab- zweigung von der Visceralarterie in einem scharfen Knick die Mitteldarmschlinge (7272/d), welche an der Niere vorbeiläuft, dringt aber nicht in das Körperinnere ein, sondern schließt sich dem Diaphragma (diaf), also dem Boden der Lungenhöhle an. Hier läßt sie sich deutlich als weißer Kanal vorspringend, bis zum Ende des zweiten Drittels des Lungenbodens verfolgen. Am Anfang dieses Verlaufes in der Gegend unter der Niere geht von der Kopfarterie ein Ast in das Körperinnere ab. Dieser Ast stellt die Genitalarterie (g«@) vor und begibt sich an den Spermo- vidukt. Im vorderen unteren Teile des Diaphragmas dringt dann die Kopfarterie in das eigentliche Körperinnere ein, steigt rechts neben dem Ösophagus (oes) und den Speicheldrüsen (s/@) nach unten und gelangt unter den Darm. Weiter hin dringt sie unter der Visceralkette durch das von dieser mit den Pedal- ganglien gebildete Loch nach oben (Textfig. 26). An die Speicheldrüsen gibt die Kopfarterie vorher einige kleine Äste ab. Nach dem Durchtritt durch das Textfig. 26. Verzweigung der Kopfarterie Loch in der Visceral- und am Schlundring. Vergr. 20:1. Pedalkette spaltet sich die Kopfarterie in zahlreiche Stämme. Nach vorn und nach oben geht eine unpaare Arterie aus (Pe), die in den Pharynx vor der Insertionsstelle der Retraktormuskeln eintritt. Fbenfalls nach vorn aber nach unten verläuft ein starker, zunächst einheitlicher Stamm (/@), die Fußarterie. Sie umgreift zunächst die Pedal- ganglien (Zede) an ihrer Vorderseite und entsendet nach vorn an die Ausmündung der Fußdrüse einen schwachen Ast (v/a), während sich nach hinten der Hauptstamm begibt (»/2), der über der Fußdrüse verläuft und seitlich zahlreiche Ästchen in die Fußmuskulatur abgibt. Zu erwähnen wäre noch ein paariges System von Arterien (sa), die jederseits nach oben steigen und in die 50* 776 Johannes Wille, Tentakel und die obere Kopfregion eindringen. Auf der rechten Seite geht von diesen Arterien ein Stamm an den Penis ab. Die Arterien sind ausgekleidet mit einem deutlichen Epithel mit runden Kernen. Die Zellgrenzen sind nicht immer an diesem Epithel zu erkennen. Alle diese Arterien lösen sich in feinste Kanäle auf und diese sammeln sich wieder in den sogenannten Übergangsgefäßen, welche schließlich in die venösen Blutlakunen führen. Sie entbehren einer epithelialen Auskleidung und zeigen sich nur als große Lücken in der Muskulatur und im Bindegewebe. Besonders aus- gebildet finden sie sich im Fuß zu beiden Seiten der Fußdrüse, im Kopfteil und an den Geschlechtsorganen. Auch die am Magen und an der Eiweißdrüse gelegenen Hohlräume stellen solche venösen Bluträume dar. Aus diesen leiten dann die Venen das Blut der Lungenhöhle zu. Von den hinteren, oberen Partieen führt die Lebervene das Blut neben dem Enddarm nach vorn. Auch das Blut aus den Venenräumen des Fußes und des Kopfes gelangt durch einen venösen Stamm nach dem Vorderrand des Lungendachs. Es bildet sich hier so eine die Lungenhöhle um- greifende Ringvene. Von dieser leiten die zuleitenden Lungen- gefäße das Blut in das Lungendach, die ableitenden sammeln es wieder und führen es schließlich in die schräg von links vorn nach rechts hinten am Lungendach verlaufende Hauptvene (Av Textfig. 23). Diese führt das arteriell gewordene Blut in den Vorhof. VIII. Geschlechtsorgane. Der Geschlechtsapparat von Stenogyra decollata zeigt in den allgemeinen Verhältnissen Ähnlichkeit mit dem von HELIX. Charakteristisch für ihn ist, daß er aller Anhangsorgane an den Kopulationswerkzeugen entbehrt. Der allgemeine Verlauf des Geschlschtssystems ist folgender: Von der im oberen Leberlappen gelegenen Zwitterdrüse (zwdr Textfig. 27) steigt der vielfach gewundene Zwittergang (zwg) an der Kolumella abwärts. In seinem mittleren Teile liegt eng mit ihm verbunden eine geknäulte Vesicula seminalis (ves. sem Textfig. 27, 28), welche im unteren Drittel sich mit ihm ver- einig. Am Ende mündet in den Zwittergang noch der Ausfuhr- Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 777 gang einer bläschenförmigen Drüse ein (52. dr Textfig. 27, 23). Zusammen mit dem Ausführgang der großen Eiweißdrüse (erw dr Textfig. 27), welche am oberen Ende des Spermovidukts ge- legen ist, geht dann der Zwittergang in diesen über. Am Spermo- vidukt (s5ov Textfig. 27) unterscheiden wir den Uterusteil (z. dr) mit weißlichem, blätterig gefaltetem Drüsenmantel und die Samen- leiterrinne (/7s/. dr) mit gelb gefärbten, feiner gefälteten Drüsen- anhängen, der Prostata. Neben der Prostatarinne findet sich noch eine dritte Rinne ohne besondere Drüsenanhänge. Im vorderen Teile sondern sich die Teile des Spermovidukts: die Prostata- drüse schwindet und es spaltet sich vom Uterus das Vas deferens (vas def Textfig.27) ab, welches, bis zum Atrium genitale hinab- laufend, am Penis wieder in die Höhe steigt und in dessem hin- teren Ende einmündet. Der \ Uterus nimmt nach der Ab- N trennung des Vas deferens den | kurzen Stiel des Receptaculum er) seminis (s/. zec) auf, welches als } birnförmige Blase dem Stiel oben aufsitzt (rec. sem Textfig. 27). Von da an bezeichnen wir den Uterus als Vagina (vage). Durch das von rechts am Kopf ge- legene Atrium genitale (ar. gen) mündet die Vagina nach außen. In dieses Atrium genitale mün- det auch der kurze, aller An- hangsorgane entbehrende Penis (/ex) ein. Der Penis hat einen Retraktormuskel (re/r. pen). Zwitterdrüse. Die Zwitterdrüse liegt in der zweiten oberen Windung des Schneckenkörpers, eingebettet in Bindegewebe und Lebergewebe des oberen Lappens. Sie nimmt hier den der Kölumella zugekehrten Abschnitt der Windung ein und bildet zahlreiche Lappen, die radial nach der Kolumella zu sich ver- einigen. Aus dieser Vereinigungsstelle führt der Zwittergang die reifen Geschlechtsprodukte, Spermien und Eier, ab, die in der spov— Y Textfig. 27. Totalbild der Geschlechts- organe. Vergr. 2:1. 178 Johannes Wille, Zwitterdrüse nebeneinander gebildet werden. Bei meinen sämt- lichen Tieren war die Zwitterdrüse gleichzeitig mit männlichen, wie weiblichen Elementen angefüllt. Die Eier waren jedoch in viel geringerer Zahl vorhanden als die männlichen Produkte. Soweit meine Untersuchungen reichten, fanden sich bei der Ent- wicklung der Eier und Samenfäden keine Unterschiede von dem bekannten Entwick- lungsgang bei Helix. \ Zwittergang. Der $ Zwittergang steigt in einer ganzen Windung, die Kolumella umschlin- gend, nach unten. Er zeigt ganz besondere Verhältnisse, die an Totalpräparaten, die mit Alaunkarmin leicht ge- färbt wurden, am besten zu studieren sind (Text- fig. 28). Der eigent- liche Ausführgang der Zwitterdrüse ist ein ein- faches Rohr von gerin- ger Dicke — der Durch- messer beträgt ungefähr 35 u -—, welches von der Zwitterdrüse bis zur Mündung in den Spermovidukt gleich- mäßig, teils gerade, Textfig. 28. Zwitterdrüse und Zwittergang, teils unter Knäuelbil- Vesicula seminalis mit blasiger Drüse. Vergr. dung verläuft, allerdings Seele ; bldrg Zw0, auf diesem Wege die Mündung eines stark verschlungenen, langen, blasigen Ganges, der Vesicula seminalis (ves. serz) und eines blasenförmigen, hellen Drüsensacks (64. dr Textfig. 28) in sich aufnimmt. Dieser eigent- liche Zwittergang (zwg Textfig. 28, Taf. 10, Fig. 32—37) zeigt im Querschnitt leicht vorspringende Längsfalten und ist mit einer Ringmuskelschicht außen umgeben. Das Protoplasma der flim- mernden hohen Epithelzellen ist hell und homogen; die Kerne sind rund und chromatinreich und zeigen einen Nucleolus. Im Untersuehungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 779 obersten Fünftel des ganzen ausführenden Systems der Zwitter- drüse finden wir diesen Gang allein vor (Textfig. 287, Taf. 10, Fig. 32). Weiter unten tritt dann aber neben dem eigentlichen Zwittergang die Vesicula seminalis auf (ves. sem Textfig. 28/7 Taf. 10, Fig. 33, 38). Diese ist ein oben blind endigender, langer, stark geknäulter Gang, der in seinem ganzen Verlauf keine Kom- munikation mit dem Zwittergang hat und erst weit unten, un- gefähr im vierten Fünftel, in diesen einmündet (Textfig. 28/77). Die beiden Bilder, Taf. 10, Fig. 38, 39, geben das blinde Ende der Vesicula seminalis und ihre Einmündung in den Zwitter- gang, also die beiden Stellen A und 2 der Textfig. 28 in stärkerer Vergrößerung wieder. Die Vesicula seminalis liegt dicht neben dem Zwittergang und überdeckt ihn teilweise, da sie bedeutend voluminöser ist als dieser. Eine dünne Ringmuskelschicht und reichliches Bindegewebe umgibt beide Gänge, so daß sie makro- skopisch als ein einheitlicher, geknäulter Gang erscheinen, während nur die Vesicula seminalis die Knäuelbildungen zeigt, dagegen der Zwittergang als gerades Rohr daneben nach unten läuft. Die epitheliale Auskleidung der Vesicula seminalis zeigt ver- schiedenes Verhalten (Taf. 10, Fig. 33). Auf der dem Zwitter- gang zu gelegenen Seite befindet sich ein hohes Zylinderepithel mit deutlichem Flimmerbesatz. Das Protoplasma dieser hohen Zylinderzellen ist hell und homogen und führt elliptische, chro- matinreiche Kerne mit Nucleolus. Während sich also dem Zwittergang benachbart ein flimmernder Epithelstreifen durch die ganze Vesicula seminalis hinzieht, sind die nach außen gelegenen Teile des Ganges, welche besonders die knäuelförmigen Auf- treibungen zeigen, von einem niedrigen, nicht flimmernden Epithel ausgekleidet. Diese Epithelzellen haben in einem feingekörnelten Protoplasma große elliptische, chromatinreiche Kerne mit Nucleolus. Das Innere der Vesicula seminalis ist stets stark angefüllt mit Spermien. Im vierten Fünftel des gesamten ausführenden Systems der Zwitterdrüse mündet dann die Vesicula seminalis in den _ Zwittergang. Diese Stelle (Textfig. 232, Taf. 10, Fig. 34, 39) zeichnet sich dadurch aus, daß die Knäuelbildungen der Vesicula seminalis und die Anfüllung mit Spermien schwinden. Zugleich gewinnt der flimmernde Epithelstreifen an Raum, so daß schließ- lich an der Mündung das ganze Fpithel des Ganges Flimmern trägt. Von den ebenfalls flimmernden Zylinderzellen des Zwitter- ganges unterscheidet sich das Epithel der Vesicula seminalis an der Vereinigungsstelle beider nur durch eine etwas hellere Färbung 780 Johannes Wille, des Protoplasmas (Taf. 10, Fig. 34). Als einheitlicher Gang geht nun der Zwittergang (zwg Textfig. 28) weiter nach unten und zeigt hier starke Knäuelbildungen. In dieser Gegend finden sich an dem Gang dann und wann kleine seitliche Aussackungen (auss Taf. 10, Fig. 35). Im diesen liegen häufig Anhäufungen von Spermien. Diese kleinen Aussackungen stellen also gleichsam eine Vorstufe der Vesicula seminalis dar. Der Zwittergang nähert sich immer mehr in seinem weiteren Verlauf der großen Eiweiß- drüse (ezw. dr Textfig. 27) und zugleich einem hellen traubigen Sack (dl. dr Textfig. 27, 28). Dieses Gebilde liegt in einer Ein- senkung, welche die Eiweißdrüse auf ihrer der Kolumella be- nachbarten Seite bilde. Der Zwittergang läuft nun dicht neben der hellen traubigen Drüse her und wird, wie diese, stark von dem Gewebe der Eiweißdrüse umgeben, so daß er schließlich äußerlich nicht mehr wahrnehmbar ist. Veränderungen zeigt der Zwittergang während dieses Verlaufes nicht. Die blasige Drüse (d2. dr Textfig. 28). erscheint, makroskopisch betrachtet, hell und mit zahlreichen traubigen Aussackungen besetzt. Ihr hinteres blindgeschlossenes Ende ist breit und voluminös, nach vorn wird dann das Gebilde schmäler, um schließlich durch einen feinen Ausführgang sich mit dem Zwittergang zu vereinigen. Die Wandung der Drüse (Taf. 10, Fig. 35) wird außen gebildet von einer bindegewebigen Faserschicht. Nach innen folgt dann eine Schicht von hohen Zylinderepithelzellen. Diese können niedriger werden, wenn die Drüse stark von Sekret angefüllt und dadurch stark ausgedehnt ist. Das Protoplasma der Zylinderzellen ist gekörnelt, die elliptischen Kerne sind chromatinreich und liegen im basalen Drittel der Zelle. Das Innere des traubigen Sacks ist stets angefüllt mit Sekretklumpen, die sich mit Hämalaun und vAn GIESoNn-Färbung gelb bis violett färben. Aus dem Vorhandensein des Sekrets im Innern geht hervor, daß die Epithel- zylinderzellen drüsige Funktion besitzen. Die Drüse verengert sich allmählich zu dem Ausführgang, der einen runden Querschnitt hat und anfangs noch ähnliche Zellen wie die Drüse selbst zeigt (Taf. 10, Fig. 36). Später aber wird das Protoplasma der Epithel- zellen heller, verliert die Körnelung und zuletzt tritt dann Flimmer- besatz auf. So vereinigt sich dann der Ausführgang der traubigen Drüse mit dem Zwittergang zu einem einheitlichen Gange (Text- fig. 28377, Taf. 10, Fig. 37). Dieser gemeinsame Gang (2wg;,) führt flimmerndes Zylinderepithel mit hellem Inhalt; er ist außen umgeben von einer Ringmuskelschicht. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 781 In der Literatur werden drüsige Anhänge des Zwittergangs einmal erwähnt. DUBRUEIL stellt ihr Vorhandensein bei Bulimus decollatus und Leucochroa candidissima fest, und gibt für unser Tier an, daß jede drüsige Blase mit einem gesonderten Kanal in den Zwittergang münde, „comme les glandes de la prostate pro- prement dite“. Diese Verhältnisse liegen, wie wir sahen, nicht vor. Der Gang zwg,, der die Vereinigung von Zwittergang (zwg,) und Ausführgang der blasigen Drüse (d/.dr) darstellt, setzt sich weiterhin direkt fort in den Spermovidukt, und zwar in die Prostatarinne und die oben erwähnte dritte Rinne und vereinigt sich mit dem Ausführgang der Eiweißdrüse. Bevor wir aber auf diese Verhältnisse eingehen, wollen wir erst den Bau der Eiweißdrüse näher kennen lernen. Eiweißdrüse. Die Eiweißdrüse stellt ein längliches, einheit- liches, weißliches Gebilde dar, welches auf der einen Seite fast eben, auf der anderen Seite stark konvex gekrümmt ist (erw. dr Textfig. 27). Die ebene Seite liegt der Kolumella zu genähert und zeigt die kleine, oben erwähnte Einbuchtung für die blasige Drüse (d/. dr), welche, wie wir sahen, ein Anhangsorgan des Zwittergangs ist. Die Eiweißdrüse wird durch den Darm nicht in Zipfel geteilt, ebensowenig finden sich Einbuchtungen oder Furchen, die von dem gewundenen Laufe des Darmes herrührten. Nach hinten stößt die Drüse an den Anfangsteil des Magens, nach vorn liegt ihre Begrenzung in der Gegend des Lungen- höhlenanfangs. Die Außenseite wird überdeckt von den Mittel- darmwindungen und Teilen des unteren Leberlappens. Im Innern verläuft von der Spitze bis zum Ende als ausleitender Kanal ein Hauptgang, der der planen Seite der Eiweißdrüse genähert ist und auf Querschnitten als schlitzförmige Spalte erscheint (7# Textfig. 29a, 30a, Ö). Dieser Kanal erweitert sich etwas kurz vor der Einmündung in den Spermovidukt (Textfig. 292-—d) und geht dann in diesen über unter Verhältnissen, die uns später noch beschäftigen werden. In den zentralen Hauptkanal ergießen sich nach einem verschlungenen Verlauf zahlreiche feine Neben- kanälchen (2% Textfig. 30), die die drüsigen Blindsäcke darstellen. Die Eiweißdrüse ist also als eine zusammengesetzte tubulöse Drüse aufzufassen. Die Größe der gesamten Drüse, besonders aber ihre histo- logische Struktur ist verschieden, je nachdem die Drüse sich in Sekretion befindet oder nicht. Die beiden Übersichtsbilder Textfig. 30 zeigen im Querschnitt bei gleicher Vergrößerung eine Eiweißdrüse 7832 Johannes Wille, im Sommer und eine solche im Winter. Die letztere hat eine ungefähr zehnmal geringere Fläche im Querschnitt als die in Sekretion begriffene Eiweißdrüse des Sommers. Hand in Hand mit diesem bedeutenden Volumenunterschied geht ein verschieden- artiger histologischer Bau. Betrachten wir zunächst den histologischen Bau einer Eiweiß- drüse, die sich in Sekretion befindet, und zwar zunächst einen [4 eiwdr hk geiwdr ZWg, 00 Yo er A prost.dr —pagw prostdr ud Textfig. 29. Querschnitte durch den oberen Teil des Spermovidukts und durch den unteren Teil der Eiweißdrüse. Vergr. 19:1. drüsigen Blindsack (Textfig. 32). Dieser ist außen umgeben von einer dünnen bindegewebigen Faserschicht (ddgw), welche spär- lich Kerne enthält. Diese Bindegewebsfasern umschließen fest alle einzelnen Tubuli, und so kommt der geschlossene, kompakte Charakter der ganzen Eiweißdrüse zustande. Es folgt nach innen Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 183 das eigentliche drüsige Epithel. Dieses besteht aus sehr großen zylindrischen oder prismatischen Zellen, die mit ihrer freien Seite nach dem Lumen des Ganges zu gerichtet sind (drz). Das Proto- plasma dieser Zellen bildet ein feingekörneltes Netzwerk. Zwischen diesem Protoplasmanetz liegen gleichmäßig in der ganzen Zelle verteilt homogene Sekrete.e KRAHELSKA fand an diesen Sekretkörnern bei Helix einen zusammengesetzten Bau nach dem : le ) Mr Textfig. 30. Querschnitt durch die Eiweißdrüse. Bei a ohne Sekretion, bei 5 in Sekretion. Vergr. 28:1 Typus der „HAIDENHAINschen Halbmondkörperchen“. Einen solchen Bau konnte ich bei Stenogyra trotz Anwendung der von Kra- HELSKA angegebenen Färbemethode nicht nachweisen. Der große Kern der Drüsenzellen färbt sich intensiv und liegt basal in der Zelle; er ist chromatinreich und hat einen Nucleolus. Der Kern ist nicht von einem hellen Protoplasmahof umgeben. wie CAVALIE für Helix angibt, sondern die Fasern des Protoplasmanetzes treten 784 Johannes Wille, an den Kern heran, ohne Besonderheiten zu zeigen. Die innerste Auskleidung des Blindsackes bilden schließlich kleine spindelför- mige Zellelemente, die sich durch einen hellen kleinen Kern und faserige Struktur auszeichnen. Sie stellen die „zentrotubulösen Zellen“ dar (cZdl.2). Diese liegen als abgeplattete Zellen den großen Drüsenzellen auf, vor allem nehmen sie hier die Stelle ein, wo zwei Drüsenzellen mit ihren seitlichen Wänden aneinander stoßen und dringen hier zwischen diese Wände etwas ein (* Textfigur 32). Das Epithel des Hauptkanals der Ei- weißdrüse zeigt die gleichen Verhältnisse wie das eben beschrie- bene der einzelnen blind- geschlossenen Tubuli. Öffnetsichnun ein Blind- sack in den Hauptkanal, Textfig. 31. Zellen der Eiweißdrüse, nicht so geht die äußere sezernierend. Vergr. 451:1. secr | Bindegewebsschicht Kr elle * (bdgw Textfig. 32) des | einen in die desanderen über. Die großenDrüsen- zellenZsind in gleicher Form- im Hauptkanal wie in den Tubuli vor- handen. Ebenfalls er- halten sich die zentro- tubulösen Zellen; sie sind im Hauptkanal in Textfig. 32. Zellen der Eiweißdrüse in der Telchlicherer Menge an- Sekretionsperiode. Vergr. 196:1. zutreffen und bilden eine schmale Lage flacher Zellen, die gleichsam die innerste Auskleidung des Hauptkanals darstellt, ohne jedoch den Charakter einer epithelialen Schicht anzunehmen. Die Eiweißdrüse im Winter, also zu einer Zeit, wo die sezernierende Tätigkeit sistiert ist, zeigt einen etwas anderen Bau (Textfig. 31). Zunächst ist sie schon äußerlich stark zusammen- geschrumpft und hat eine ziemlich unscheinbare Gestalt ange- Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 785 nommen. Die einzelnen Zellelemente sind in den Grundzügen die gleichen geblieben. Auch hier finden wir um die einzelnen Tubuli außen eine bindegewebige Faserschicht mit wenigen kleinen Kernen (ddgw). Die Drüsenzellen sind bedeutend kleiner als in der Eiweißdrüse des Sommers. Zwischen den einzelnen Drüsen- zellen treten keine deutlichen Zellgrenzen auf, so daß die Kerne (drzk) in einer gleichmäßig verteilten Schicht körnigen Proto- plasmas zu liegen scheinen. Diese chromatinreichen großen runden Kerne, die einen Nucleolus führen, sind an den Außenseiten der Tubuli basal angeordnet. Im Protoplasma der Drüsenzellen liegen meist in der Nähe der basalen Kerne nach innen zu homogene Sekretklumpen (secr), die aber im Vergleich zu denen des Som- mers winzig klein erscheinen. Wenn sich diese einzelnen Sekret- klumpen stark vermehren, so wird sich das Protoplasma netz- förmig um sie anordnen, und wir haben dann die Verhältnisse, wie wir sie bei der Eiweißdrüse des Sommers antrafen. Im Zentrum der Drüsentubuli finden sich im körnigen Protoplasma feine Streifungen und die hellen Kerne der zentrotubulösen Zellen (ctöl.2).. Die Kerne dieser Zellen liegen auch in den Drüsen- zellen, welche den Zentralkanal epithelartig auskleiden, ohne daß hier wie dort eine Differenzierung des Protoplasmas beider Zell- sorten nachzuweisen wäre. Mit der lebhaften Bildung der Sekrete scheint also erst eine Scheidung der großen Drüsenzellen von den spindelförmigen, zentrotubulösen Zellen einzutreten. Spermovidukt. Aus der Eiweißdrüse führt der Hauptkanal (hk Textfig. 29a, b) die Sekrete in den Spermovidukt. Auf diesem Wege tritt der Gang an der planen Fläche der Eiweißdrüse nach außen und schnürt sich auf diese Weise von ihr ab (Textfig. 29a —d). Zugleich verliert das Epithel seinen drüsigen Charakter und wird zu einem kubischen Epithel, welches auf dieser kurzen Strecke, wo der Gang allein verläuft, Flimmern trägt. Dicht neben diesem ausführenden Kanal der Eiweißdrüse verläuft der Gang (zwg, Textfig. 292), welcher aus der Vereinigung von Zwittergang (zwg; Textfig. 28) und blasiger Drüse (5/. dr) hervorgegangen ist. Neben und um den Ausführgang der Eiweißdrüse tritt eine Umkleidung von hellen Drüsenzellen auf (odudr. Textfig. 29b—d). Zugleich erscheinen in der Umgebung des Ganges zwg, die Schläuche der Prostatadrüse (Zrosi. dr. Textfig. 29c, d). Jetzt erst tritt die Ver- einigung der beiden Gänge, des Eiweißdrüsenkanals und des Zwitterganges ein (Textfig. 297). Während der erstere, den wir als Uterusrinne (z) bezeichnen, einheitlich von dem hellen Drüsen- 186 Johannes Wille, mantel (obxdr) umgeben wird, bildet der andere zwei Rinnen, die Rinne ,, die gänzlich frei von irgendeinem Drüsenmantel bleibt und die Prostatarinne (Z7s/.r), die in Verbindung mit den Prostata- drüsenschläuchen tritt. Es geht daraus hervor, wie es sich deutlich auch auf der Serie Textfig. 29@—d erkennen läßt, daß die Fortsetzung des Zwitterganges in der Prostatarinne und der Rinne 7,, die des Eiweißdrüsenkanals in der Uterusrinne (z) zu suchen ist. Wir haben also jetzt den Spermovidukt vor uns, an dem sich, wie wir oben sahen, auch äußerlich die Scheidung in Uterus- und Prostatadrüsenteil erkennen läßt. In dieser Gestalt verläuft nun der Spermovidukt äußerlich gleichmäßig unter der Lungenhöhle nach vorn. Die epitheliale Auskleidung des Spermovidukts ist in den einzelnen Teilen eine verschiedene. _ Die Uterusrinne (x Taf. 10, Fig. 40) führt ein Zylinderepithel mit elliptischen Kernen und klarem Protoplasma. Eine Flimmerung läßt sich in diesem Teile des Spermovidukts nicht nachweisen. Wie wir schon sahen, ist der oberste Teil der Uterusrinne von einem Mantel heller Drüsen, den oberen Uterusdrüsenzellen (odudr Textfig. 295-e) umkleidet, welche sich nach oben auch noch an dem Ausführgang der Eiweißdrüse hinaufziehen. Diese unregelmäßig gestalteten Drüsenzellen färben sich ganz schwach bläulich; sie zeigen sehr deutliche Zellgrenzen und einen sehr kleinen rundlichen Kern, der verschiedene Lagen in der Zelle einnimmt. Zwischen die ein- zelnen Drüsenzellen dringen ganz feine bindegewebige Faserstränge (Textfig. 35 ddwg) ein, so daß die Zellen zu größeren Komplexen ver- einigt erscheinen. Durch interzelluläre ganz feine Lücken des Epithels entleeren die Drüsenzellen ihr Sekret (secr) in den Uterusgang. Diese obere Uterusdrüse nimmt einen verhältnismäßig geringen Raum ein: nur die obersten zwei oder drei Lappen des Drüsen- mantels sind von dieser Struktur. Im Bereich der oberen Uterus- drüse ist der Querschnitt der Uterusrinne ein schmaler Gang, der keine Aussackungen oder Nebenkanäle zeigt (Textfig. 297). An Stelle der eben beschriebenen Zellart treten aber weiterhin Drüsenelemente, welche in viel größerer Mächtigkeit entwickelt sind (x. dr Textfig 29 e, /). Zugleich ändert sich damit auch der Querschnitt der Uterusrinne: sie wird breiter und treibt seit- lich tief in den Drüsenmantel eindringende Aussackungen und Nebengänge. Die einzelnen Drüsenzellen sind viel größer als die Zellen der oberen Uterusdrüse und zeigen flaschenförmige Form (. dr Taf. 10, Fig. 40). Diese Zellen färben sich mit Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 787 Hämalaun und van GIEsoN braun bis violett. Ihr Protoplasma ist fein granuliertt und hat einen großen, rundlichen, zentral gelegenen Kern mit einem Kernkörperchen. Die Zellen sind nicht in so vielen Schichten übereinandergelagert, wie die kleineren Drüsenelemente der oberen Uterusdrüse. Zuweilen sind die dem Lumen der Rinne zunächst gelegenen Zellen heller gefärbt, was wohl auf die Entleerung des Sekrets durch Interzellularen des Epithels zurückzuführen ist. Diese Art von Drüsenzellen be- gleitet den längsten Teil der Uterusrinne. Ungefähr in der Gegend, wo das Receptaculum seminis (rec. sem Textlig. 27) mit seiner birnförmigen Blase dem Spermovidukt anliegt, geht äußerlich die weiße Farbe der Uterusdrüsen in eine braune über, die bis zum gänzlichen Schwinden des Drüsenmantels anhält. Diesem äußeren Unterschied in der Farbe entspricht ein innerer Textfig. 33. Schnitt durch die obere Uterus- Textfig. 34. Schnitt durch die drüse. Vergr. 192:1. untere Uterusdrüse. Vergr.225:1. histologisch veränderter Bau der Drüsenzellen. Zunächst hat sich aber auch das Epithel der Uterusrinne verändert: aus dem Zylinderepithel ist ein flaches kubisches Epithel geworden, welches in einem feinkörnigen Protoplasma runde Kerne führt (Textfig. 34). Hinter diesem Epithel liegen nun große blasen- und birnförmige Zellen, deren spärliches Protoplasma sich um den wandständigen Kern zusammengezogen hat. Der chromatinreiche Kern dieser Drüsenzellen hat eine schmale längliche Form. Das Lumen der Zelle erscheint entweder ganz hell und leer, oder es wird ein- genommen von einem sich stark blau färbenden Sekretklumpen (secr). Diese Drüsenzellen, die wir als untere Uterusdrüse be- zeichnen wollen (zw. z. dr), liegen meist nur in zwei oder drei 788 Johannes Wille, Schichten hintereinander. Zwischen die Drüsenpakete drängen sich allmählich Muskelfasern (zzsc Textfig. 34) ein, die dann immer mehr an Raum gewinnen, bis sie die untere Uterusdrüse nach Abzweigung des männlichen Ganges, des Vas deferens, gänzlich vom Uterus verdrängen und seine alleinige Umkleidung bilden. Während der eben beschriebene Verlauf des weiblichen Teils des Spermovidukts, der Uterusrinne, verschiedene Ver- änderungen aufwies, sind die beiden anderen Rinnen, die Rinne >, und die Samenrinne mit ihren Prostataschläuchen, in ihrem Ver- laufe von oben nach unten ganz gleichmäßig gebaut. Die Rinne >, (Taf.10, Fig. 40) liegt dicht neben der Prostata- rinne, zeigt aber keine drüsigen Anhänge, sondern als äußere Begrenzung einige Muskelfasern. Sie stellt, wie wir oben sahen, eine Abzweigung und Fortsetzung des Zwittergangs (zwg Text- fig. 29@—d) dar. Die innere Auskleidung besteht in einem hohen Zylinderepithel mit starkem Flimmerbesatz (Taf. 10, Fig. 40). Das Protoplasma der Zellen erscheint dunkel uud homogen; die Zellkerne sind elliptisch und chromatinreich und liegen in der Mitte der Zelle Nach unten geht die Rinne >,, nachdem sich das Vas deferens vom Uterus abgetrennt hat, allmählich in diesen über. Sie muß also zu den weiblichen Teilen des Spermovidukts gerechnet werden. Die neben der eben beschriebenen Rinne gelegene Samen- oder Prostatarinne (Zrosfr Taf. 10, Fig. 40) ist ausgekleidet von Zylinderepithel mit deutlichen Flimmern. Auf der Seite, wo das Epithel der Samenrinne in das des Uterus übergeht, erniedrigt sich allmählich das Zylinderepithel stark. Das Protoplasma der Epithel- zellen ist ganz hell und homogen, und die Kerne sind elliptisch und mittelständig. Außen begleitet die feingelappte Prostata- drüse (/rostdr) die Samenrinne. Die Drüse setzt sich aus vielen einzelnen Drüsenschläuchen zusammen, die nach verschlungenem Verlauf jeder einzeln ihr gelbbraun sich färbendes Sekret direkt in die Rinne ergießen. Jeder Drüsenschlauch ist zu äußerst um- geben von bindegewebigen Fasern, die elliptische Kerne führen. Die innere Auskleidung der Drüsentubuli nehmen sekretorische Epithelzellen ein. Sie färben sich mit Hämalaun und vAN GIESON rotbraun, haben zylindrische Gestalt und einen runden basal- ständigen chromatinreichen Kern. Ihr Protoplasma zeigt grob- körnige Struktur. Zwischen diesen Drüsenzellen finden sich schmale Zellen, deren langgestreckter Kern in der Mitte des Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 789 hellen homogenen Protoplasmas liegt. Sie sind als Stützzellen aufzufassen. Kurz bevor die Samenrinne sich zum Vas deferens zusammenschließt und vom Uterus abschnürt, hört die Prostata- drüse auf. Receptaculum seminis. Dem untersten Teile des Spermo- vidukts liegt als längliche Blase das Receptaculum seminis an (rec. sem Textfig. 27). Außen wird es umgeben von einer schmalen Ringmuskelschicht („2usc Taf. 10, Fig. 43, Textfig. 35a, d), während im Innern ein hohes Zylinderepithel die Blase auskleidet. Dieses Epithel, welchem drüsige Funktion zukommt, hat fein- gekörneltes Protoplasma und elliptische basalständige Kerne. Die Zylinderzellen nehmen an der Seite, wo die Blase dem Spermovidukt anliegt, bedeutend an Höhe ab, so dab sie bei Blasen, die stark ausgedehnt sind, als kubisches Epithel er- Textfig. 35. Schnitt durch die Blase des Receptakulum seminis, a im Ruhe- stadium, 5 in ausgedehntem Zustand. Vergr. 27:1. scheinen (Textfig. 355). Im Inneren finden sich leicht blauge- färbte Sekrete, die von dem Epithel ausgeschieden werden (secr Taf. 10, Fig. 43, Textfig. 35a, b). Nach unten geht das Receptaculum seminis in einen dünnen Stiel über (s/. rec Textfig. 27), der in seinem oberen Teile von Zylinderepithel mit starkem Flimmerbesatz und basalständigen elliptischen Kernen ausgekleidet ist. Ein Divertikel fehlt dem Receptaculumstil. Er nähert sich in seinem Verlaufe nach unten immer mehr dem Uterus. Dieser verliert, nachdem sich die Prostatarinne zum Vas deferens abgeschnürt hat, allmählich den Drüsenmantel der unteren Uterusdrüse und zeigt außen eine starke Ring- Jenaische Zeitschrift. Bd. LIT. 51 790 Johannes Wille, muskelschicht. Zugleich ändert sich der Charakter des Epithels: es wird zu einem Zylinderepithel mit basalständigen Kernen und starkem Flimmerbesatz. Es hat sich also gleichsam das flimmernde Epithel der Rinne r, über den ganzen Uterus ausgedehnt. Uterus und Receptaculumstiel nähern sich einander immer mehr, und hierbei zeigt der Stiel des Receptaculums eine mächtige Größen- zunahme des Querschnitts im Gegensatz zum Uterus, dessen Querschnitt kleiner wird. In dem stark erweiterten Receptaculum- stiel ragen mächtige Längsfalten vor, deren Zylinderepithel aber jetzt keine Flimmerung mehr zeigt, sondern von einer Cuticula bedeckt wird. Schließlich vereinigen sich Uterus und Recepta- culumgang, und wir bezeichnen den nach unten ziehenden ge- meinsamen Kanal als Vagina. Die Vagina ist ziemlich lang (vag Textfig. 27). Sie wird außen umgeben von einer starken Lage Ringmuskel- fasern, nach innen springen Längsfalten vor, die in spärlichem Bindegewebe verschieden gerichtete Muskelfasern als Stütze haben. Die innere Auskleidung bildet ein Zylinderepithel mit elliptischen basalständigen Kernen und einer starken Cuticula. Drüsenzellen treten an der Vagina, wie auch am Atrium genitale nicht auf, durch welches die Vagina sich nach außen öffnet. Vas deferens.. Das Vas deferens stellt die Fortsetzung der Prostatarinne des Spermovidukts dar. Von diesem schnürt es sich in der vorderen Körperhälfte nach dem Aufhören der Prostatadrüsenschläuche als, rundlicher Kanal ab (vas. def Text- fig. 27). Zunächst verläuft es noch innerhalb der Ringmuskulatur, welche den Uterus umhüllt, dann aber wird es frei und schlingt sich mit zahlreichen Windungen unter der Vagina hindurch bis hinab zum Geschlechtsatrium. Hier biegt es dann nach oben um und folgt dem Verlauf des Penis (Textfig. 27). Im unteren Drittel des Penis tritt das Vas deferens in dessen muskulöse Umhüllung ein und ist von außen nicht mehr als Rohr wahr- zunehmen. Infolgedessen findet sich in der Literatur die An- gabe, daß die Einmündung des Vas deferens in den Penis in dessen unterem Drittel gelegen sei. Jedoch innerhalb des Muskel- mantels steigt das Vas deferens bis an die Spitze des Penis und mündet hier erst in diesen ein. Der runde Querschnitt des Vas deferens zeigt meist mehrere vorspringende Längsfalten. Inner- halb der Muskulatur des Penis ist der Querschnitt bedeutend kleiner als auf der Strecke, wo das Vas deferens als selbständiger Kanal allein verläuft. Das Epithel des Ganges ist hochzylindrisch Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 791 mit länglichen basalgelegenen Kernen und ist mit langen Flimmern ausgestattet. Außen befindet sich eine schwache Ringmuskel- schicht: so lange das Vas deferens isoliert und selbständig neben der Vagina herläuft, ist es durch bindegewebige Fasern an dieser befestigt. Penis. Der Penis in eingestülptem Zustande ist ein kurzes zylindrisches Gebilde (Zer Textfig. 27), welches in seiner Mitte einen stumpfwinkeligen Knick bildet. Während er nach unten in das Geschlechtsatrium übergeht, ist an seinem hintersten Ende der Retraktormuskel befestigt (re/r. fen Textfig. 27). Dieser ist stets einheitlich vorhanden, schlingt sich unter dem rechten Augen- tentakelretraktor hindurch und strebt nach hinten hin der Mittel- hnie des Körpers zu. Er befestigt sich hier am Diaphragma an der Stelle, wo dieses von der Kopfarterie durchbrochen wird. Der genauere Bau des Penis läßt sich am besten an aus- gestülpten Exemplaren studieren. Bei einigen Tieren, die längere Zeit in lauwarmes Wasser gelegt waren, stülpte sich der Penis meist sehr schön aus. Er tritt dann als dicker, weißlicher, durch- schimmernder Kolben aus dem Geschlechtsatrium aus, wobei dann die Vaginalöffnung oberhalb des Penis nach hinten zu liegen kommt (vag Taf. 10, Fig. 41). An der ausgestülpten Rute (Taf. 10, Fig. 41, 42) können wir einen hinteren Teil von einem dickeren vorderen, die Glans bildenden Abschnitt unterscheiden, ferner an diesem wieder eine Oberseite und eine Unterseite. An den Seitenteilen ist die Glans etwas zusammengepreßt, so dab der Querschnitt (Textfig. 38) annähernd elliptische Gestalt hat. Das ganze kolbige Gebilde ist rechtwinklig eingeknickt, so dab dem unteren Teile des Penis, der senkrecht zur Seitenlinie des Körpers aus dem Geschlechtsatrium austritt, die Glans unter einem rechten Winkel nach vorn umgebogen, also dann parallel zur Seite des Körpers aufsitzt (Taf. 10, Fig. 41). Der vordere Abschnitt des Penis zeigt eine leicht gebogene Rückenseite, welche mit kleinen Papillen (52/ Taf. 10, Fig. 41, 42) besetzt ist. Nach den Seiten zu verliert die Oberseite die Papillen und geht in die Unterseite über, welche zwei stark aufgetriebene Wülste (wz Taf. 10, Fig. 41, 42) bildet. Diese Wülste stoßen in der Mittellinie der Unterseite zusammen und bilden hier zwischen sich eine Längsfurche (//). Diese erstreckt sich aber nicht über die ganze Unterseite, sondern vorn und hinten gehen die Wülste ohne Furchenbildung glatt ineinander über. So ent- steht eine angenähert sichelförmige Gestalt der Wülste. Die Su 192 Johannes Wille, Längsfurche endet nach hinten als schmaler, blinder Gang, der sich nach innen hinein abschnürt und hier noch eine kurze Strecke verläuft (/7” Textfig. 36, 38). Nach vorn an der Spitze geht die Längsfurche in einen Kanal über (//" Textfig. 36), der sich gleichfalls nach innen abschnürt und sich dann nach hinten hin in das Vas deferens (vas. def) fortsetzt. In diese Längs- furche wird also der Samen entleert. Vorn an der Spitze des ausgestülpten Penis stoßen die zu einem Wulst (wa!) vereinigten Auftreibungen (wz) der Unterseite mit dem Rücken des Daches zusammen und bilden hier zwischen sich eine Querfurche (g%/ Taf. 10, Fig. 41, 42, Text- fig. 36). Falls der Penis noch nicht voll- ständig ausgestülpt ist, setzt sich diese Querfurche nach hin- ten noch als blind- endigender Spalt- raum fort, dagegen bildet sie bei voll- ständig ausgestülp- ten Exemplaren nur eine seichte Rinne (Textfig:' 36). "An dieser Querfurche ist >24 der Retraktormuskel . Textfig. 36. Sagittalschnitt durch den ausgestülpten des Penis befestigt Penis. Vergr. 21:1. (zetr. pen) Wird der Penis eingestülpt, so ist diese Querrinne die Stelle, wo zuerst die Einrollung beginnt. Wir haben also hier ganz gleiche Verhältnisse, wie wir sie bei den Tentakeln vorfinden, wo auch die Retraktoren an einer seichten Furche des Tentakelknopfes inserieren. Diese Querrinne hat also mit der Ausleitung des Samens nichts zu tun. Der Retraktormuskel läuft beim ausgestülpten Penis von dieser Querfurche nach hinten an das Diaphragma, indem er in Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 793 der Mitte des großen zentralen, von Blutflüssigkeit angefüllten Hohlraumes bleibt (Textfig. 38). Bei diesem Verlauf schimmert es durch den Penis durch (Taf. 10, Fig. 41). Das Vas deferens tritt, wie wir sahen, im unteren Drittel in die Muskelwandung des eingestülpten Penis ein. Bei der aus- Textfig. 37. Querschnitt durch eine Reizpapille des Penis. Vergr. 805:1. gestülpten Rute verläuft das Vas deferens im unteren Drittel noch frei im zentralen "Hohlraum, dann aber schließt es sich der Muskelwand der Unterseite an und ge- langt hier nach oben bis zur Einmün- dung in die Längsfurche (//), ohne dabei stets in der Medianlinie der Unterseite zu verlaufen (Textfig. 36, 38). Der hintere Abschnitt des aus- gestülpten Penisrohres stellt einen ein- fachen Stiel dar, der höchstens einige Faltungen auf weist (Taf. 10, Fig. 41, 42). Beim eingestülpten Penis liegen die Verhältnisse nun gerade umgekehrt wie die eben geschilderten, indem durch Textfis. 38. Querschnitt die Einrollung die äußeren Teile nach durch den ausgestülpten innen verlagert sind. Hierbei treten dann nu vor allem zahlreiche Längsfalten auf. Das Epithel, welches den ganzen Penisschlauch bedeckt, ist ein zylindrisches mit schwacher Cuticula (cuf) und rundlichen chromatinreichen Kernen (ed Textfig. 57). Das Protoplasma ist fein gekörnelt und zeigt um den Kern herum einen hellen Hof. Am oberen Ende der Längsfurche (//' Textfig. 36) geht dieses Epithel in das Flimmerepithel des Vas deferens über. Die Pa- 794 Johannes Wille, pillen (Saf Taf. 10, Fig. 41, 42; Textfig. 36, 37, 38), welche den Rücken der Glans bedecken, stellen kegelförmige Vorwölbungen dar. Im Inneren findet sich als Stütze des vorspringenden Epi- thels ein blasiges Bindegewebe (ddgew Textfig. 57), welches große runde chromatinarme Kerne enthält. Nach innen von diesem Stützgewebe, wie auch unter dem übrigen Epithel des Penis- schlauchs liegt eine dünne Ringmuskelschicht (7.»2xsc) mit läng- lichen Kernen. Diese setzt sich auch auf das Vas deferens fort. Das Innere des ausgestülpten Penis wird ausgefüllt von einem zentralen, mit Blutflüssigkeit erfüllten Hohlraum und von einem diesen umschließenden, ebenfalls durch Blut aufgetriebenen Muskel- gewebe (Textfig. 36, 38). Diejenige Muskellage, welche die innerste Auskleidung des zentralen Hohlraumes darstellt, ist dann beim ein- gestülpten Penis die äußersteUmkleidung des ganzen Rohres. Während wir bei der eingestülpten Rute eine feste Längs- und Ringmuskulatur als äußere Bedeckung finden, ist diese Muskulatur beim ausge- stülpten Penis nach innen in den Raum zwischen zentralen Hohl- raum und äußerem Epithel verlagert. Die vorher kompakte Muskelmasse ist hier in ihre einzelnen Fasern aufgelöst, und zwischen diesen befindet sich Blutflüssigkeit. Auf diese Weise macht die Muskulatur den Eindruck vesikulösen Gewebes. Drüsen- zellen finden sich am Penis nicht. Spermatophoren habe ich bei Stenogyra decollata bei keinem Tiere finden können. Ich glaube daher, daß solche nicht gebildet werden. Diese Annahme läßt sich dadurch stützen, daß Anhangs- organe, die besonders der Spermatophore angepaßt sind, wie Flagellum am Penis und Divertikel am Receptaculumstiel, ferner auch drüsiges Epithel am Penis fehlen. Andererseits ist es wahr- scheinlich, daß die erwähnte Erweiterung des Receptaculumstieles an der Mündung in die Vagina es ermöglichen, daß der Penis mit seiner vordersten Spitze bis wenig über die Receptaculum- stielmündung in den Uterus eingeführt werden kann und hierbei die Uterusmündung mit seiner Spitze zupreßt und abschließt. Dann kann der Samen durch die Längsfurche des Penis direkt in den Stiel der Samenblase gelangen. Eine Kopulation habe ich an meinen Tieren nicht beob- achten können. Abnormitäten am Geschlechtsapparat fanden sich an den von mir untersuchten Schnecken nicht. In der Literatur erwähnt A. ScHMmipr einen Geschlechtsapparat mit drei und einen mit zwei Ruten. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 795. IX. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. 1. Der Körper wird von einem einschichtigen Epithel be- deckt, welches an der Fußsohle Flimmern, an den übrigen nicht von der Schale bedeckten Körperteilen eine Cuticula trägt. 2. An dem Mantelwulst liegt im Grunde des von zwei Mantel- lappen gebildeten Atemganges in der Nähe der Kioake und des Pneumostoms die Manteldrüse. Sie setzt sich aus zwei Sorten einzelliger Drüsen zusammen, die durch das Epithel nach außen münden. >. In der Fußdrüse sind die einzelligen Drüsenelemente sehr mannigfaltig in Struktur und Farbreaktion. Im hinteren Teile springen vom Dach drei Falten in das Lumen des Ganges vor. 4. Die Schale wird zusammengesetzt vom Periostracum, dem vierschichtigen Ostracum und dem zweischichtigen Hypostracum. — Der bei der Dekollation neugebildete Apex besteht aus den beiden Hypostrakalschichten. 5. Die einzelnen Stufen der Dekollation sind: Ansatz neuer Schalensubstanz an der untersten Windung, Hinabgleiten des Tieres in diese, Abscheiden eines neuen Apex, Abbrechen der oberen leeren Umgänge. — Die Abscheidung des neuen Apex ist ein regeneratorischer Vorgang. — Das Abbrechen der oberen ver- lassenen Windungen geschieht rein mechanisch. 6. Quergestreifte Muskelfasern fanden sich in keiner Schnitt- serie. 7. An der Anheftungsstelle des Kolumellarmuskels an die Kolumella liegt ein erhöhtes Körperepithel, darunter stark ange- häuftes Bindegewebe. In diesem befestigen sich die Muskelfasern, sie treten nicht bis an die Spindel heran. Eine homogene Mem- bran, die mit der Schalenmuskelanheftung etwas zu tun hat, existiert nicht. 8. Das Cerebralganglion bildet lappige Regionen. Das rechte Parietalganglion ist bedeutend größer als das linke und mit dem unpaaren Abdominalganglion stark verschmolzen. — Der Penis- nerv entspringt nicht allein gesondert, sondern ist eine Abzweigung eines paarigen Nerven, der zur seitlichen Körperwand zieht. 9. Das Epithel der Augenblase besteht im hinteren Teile aus den Retinazellen (Pigment- und Sinneszellen), vorn aus den Zellen der Pellucida interna. In dieser finden sich bis acht be- sonders große Zellen mit stark färbbarem Protoplasma und blasigem Kern. 796 Johannes Wille, 10. In der Statocyste finden sich wenige große Riesenzellen, die seitliche Fortsätze bilden, neben zahlreichen Syneytialzellen. 11. Im hinteren Teile des Pharynx liegt die Subösophageal- tasche. Sie hat zwischen zwei Wülsten einen mit starker Chitin- lage versehenen Zapfen, der gegen einige an der Ösophagus- mündung gelegene Falten gepreßt wird und so ein Widerlager gegen den Rückfluß der zerriebenen Nahrung bildet. 12. Am Scheitel der Zungenstützplatten unter der Radula zeigt das Epithel der Pharynxhöhle eine Differenzierung in ein Plattenepithel mit Einlagerung breiter Partien von Kittsubstanz. 15. Die Radula wird gestützt von paarigen Platten, die mit Knorpelgewebe nichts zu tun haben. Zu ihrer Bewegung dient ein kompliziertes Muskelsystem. 14. Die Zähne der Radula ‘werden nicht von einer Reihe von fünf hintereinander gelegenen Zellen abgeschieden. Die vorderste Reihe der Odontoblasten scheidet die Basalmembran ab. An der Bildung des Rhachiszahnes beteiligen sich 16, an der der Lateralzähne 12—13 Odontoblasten. — Die Odontoblasten werden nicht durch neue Zellen von hinten her ersetzt. — Das Epithel der Oberseite ist an der Zahnbildung beteiligt. — Das obere Epithel und eine doppelte Einschnürung der Radula bilden einen Sperrapparat gegen zu starken Zug nach außen. 15. Der Ösophagus zeigt zuweilen eine starke Anschwellung. Sein Epithel enthält Drüsenzellen. 16. An dem Ausfuhrgang der großen Speicheldrüsen finden sich innerhalb der Muskulatur des Pharynx die NALEPAschen Drüsen. 17. Im Magenblindsack und im Mitteldarm ragen zwei Wülste stark in das Lumen vor. Ihnen kommt eine wichtige physiologische Bedeutung zu. 18. Beim Eintritt des Enddarms in die Lungenhöhle finden sich keine Drüsenzellen. — Der Enddarm vereinigt sich mit dem sekundären Ureter zur Kloake, und diese mündet getrennt von der Atemhöhle und dem Pneumostom an dem Mantelwulst nach außen in den Atemgang. 19. Das Plattenepithel der Lungenhöhle und des Pneumo- stoms trägt keine Flimmern. — Die respiratorisch tätigen Gefäße des Lungendachs haben stets eine Endothelauskleidung, — An der Darmfläche des Lungendachs finden sich die Gefäßstämme dichter und zahlreicher als auf der Spindelfläche. Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 797 20. Die Niere umgreift den Herzbeutel. In ihrem hinteren Teile springen vom Boden Lamellen vor und bilden hier den eigentlich exkretorischen Abschnitt. Der sekundäre Ureter läuft geschlossen nach vorn zur Kloake. Das Epithel des Ureters ist kubisch ohne Flimmern. 21. Aus dem Ventrikel entspringt eine einheitliche Aorta. Sie teilt sich in die nach oben kolumellarwärts laufende Visceral- arterie und die nach unten am Diaphragma gelegene Kopfarterie. Diese zeigt nach dem Durchtritt durch die Visceral-Pedalkette starke Verzweigungen. 22. Am Zwittergang liegt eine geknäuelte Vesicula seminalis und eine bläschenförmige Drüse. 23. Die Eiweißdrüse zeigt je nach der Jahreszeit verschiedene Größe und verschiedenes histologisches Aussehen. Die Eiweiß- drüse ist eine zusammengesetzte tubulöse Drüse. Ihre histo- logischen Bestandteile sind: Drüsenzellen, zentrotubulöse Zellen und Bindegewebszellen. 24. Der Spermovidukt hat drei Rinnen: die Uterusrinne mit den in den einzelnen Regionen verschieden gestalteten Drüsen- anhängen, die Samenrinne mit den Prostatadrüsenschläuchen und eine Rinne ohne drüsige Bekleidung. 25. Der Penis hat einen Retraktormuskel, der sich am Diaphragma anheftet. Der ausgestülpte Penis hat eine deutlich abgesetzte Glans. An dieser finden sich eine Längsfurche, in die der Samen entleert wird, und eine Querfurche, an der der Retraktor inseriert. Auf der Rückenseite der Glans liegen Reiz- papillen. Literaturverzeichnis. 1) AMAUDRUT, A., La partie anterieure du tube digestif et la torsion chez les Mollusques gasteropodes. Ann. scienc. nat. 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Drüsenzellen des vorderen Teiles der Oberseite der Fußdrüse 225:1. Fig. 4. Drüsenzellen des hinteren Teiles der Oberseite der Fußdrüse 225:1. 802 Fig. 3. Fig. 6. Fig. 7. älteren dekollierten Tieres. Johannes Wille, Drüsenzellen der Unterseite der Fußdrüse 225:1. Drüsenzellen vom Mantelrande 225:1. Schale a) eines jungen, nicht dekollierten, b) eines Nat. Gr. Fig. 8. Schliff parallel der Kolumella durch ein Gehäuse, schematisch. Nat. Gr. Fig. 9. Schalen älterer dekollierter Tiere mit beginnender Bildung des Spaltes.. Nat. Gr. Fig. 10. Schliff durch die Schale senkrecht zur Außenseite und senkrecht zu den Anwachsstreifen. 225:1. Fig. 11. Schliff durch den neugebildeten Apex. 225:1. Fig. 12. Der neugebildete Apex von oben gesehen. 8:1. Fig. 13. Schnitt durch die Anheftungsstelle des Kolumellar- muskels an die Spindel. 225:1. Fig. 14. Anheftungsstelle des Kolumellarmuskels an die Spindel. 515:1. Fig. 15. Faseriges Bindegewebe aus dem Radulapfropf. 515:1. Fig. 16. Kalkzelle in der Muskulatur. 920:1. Fig. 17. Kalkzelle im Bindegewebe des Eingeweidesacks. 515 :1. Fig. 18. Schnitt durch den Hautmuskelschlauch. 225:1. Fig. 19. Kopf mit Mundöffnung von vorn. 5:1. Fig. 20. Mundöffnung und Pharynx durch Sagittalschnitt ge- öffnet. 12:1. Fig. 21. Pharynxepithel am Scheitel der Radulastützplatte unter der Radula von der Fläche. Fig. 22. öffnet. 12:1. Io. 23. abpräpariert. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. durchschitten. Fig. 28. Fig. 29. 405:1. Fig. 30. vene. 405:1. Big. 21. BIDEA. Fig. 32. Fig. 33. Fig. 34. Fig. 35. Fig. 36. Fig. 37. Her Tafel 10. Pharynx von oben durch einen Medianschnitt ge- Dass., Dach der Subösophagealtasche und Ösophagus 2a Schnitt durch die NAarepAsche Drüse 225:1. Schnitt durch das Ösophagusepithel. 515:1. Magen und Mitteldarm seitlich aufgeschnitten. 3:1. Kloake und Atemloch. Rectum und Mantelrand Heil Pneumostom, Kloake und Mantellappen von vorn. 5:1. Schnitt durch die untere Wandung der Hauptlungen- Schnitt durch ein größeres Gefäß des Lungendachs. Schnitt durch die feinsten Gefäße des Lungendachs. Schnitt durch den Zwittergang bei I. v.Textfig. 29. ; bei II. v. Textfig. 29. bei III. v. Textfig. 29. bei IV. v. Textfig. 29. bei V.v. Textfig. 29. bei VI. v. Textfig. 29. Ne) -] HHrHreaHnge Untersuchungen über den anatomischen Bau der Lungenschnecke. 803 Fig. 38. Die Stelle A des Zwittergangs von Textfig. 29. 54:1. Fig. 39. Die Stelle 2 des Zwittergangs von Textfig. 29. 54:1. Fig. 40. Schnitt durch die Prostatarinne, Rinne 7; und die Uterusrinne mit ihren Drüsen. 97:1. Fig. 41. Penis ausgestülpt von der Seite. 5:1. Fig. 42. Penis ausgestülpt von unten. 5:1. Fig. 43. Schnitt durch das Receptaculum seminis-Epithel. 225:1. Figurenbezeichnung. ab absteigend | “aor Fußaorta abd.g Abdominalganglion JRSEH Flimmerstreifen ag Ausführgang fs Fußsohle a.lı äußere Lippe fu Furche aor Aorta 2 Gefäß atlı Atemhöhle ga Genitalarterie atg Atemgang 2.eiw.dr Eiweißdrüsengang atr.gen Atrium genitale I Herz auf aufsteigend h.d.drz hintere dunkle Drüsen- auss Aussackung zellen bee. c Buccalkommissur h.drz helle Drüsenzelle bec.g Buccalganglion h.fa hintere Fußarterie badgw Bindegewebe Ik Hauptkanal bl. dr blasige Drüse hv Hauptvene bl. drg Ausführgangderblasi- | Ayposir _Hypostracum gen Drüse 272 innere Lippe bld's Blindsack ka K.opfarterie bpl Basalplatte ke, ke' Zellkern RE Öerebralkommissur k.drz Kalkdrüsenzelle crb.bec.c ÜCerebrobuccalkonnektiv | #7 Kiefer crb.ped.c Cerebropedalkonnektiv | A.kz Kalkkörnerzelle crb.pleur.c Cerebropleuralkon- kkv. w konkave Scheidewand nektiv kl Kloake crb.g Cerebralganglion kl.t kleiner Tentakel col Kolumella kpw Körperwand ctbl.2 zentrotubulöse Zelle kz Körnchenzelle cut Cuticula 4, lf ‚if‘ Längsfurche d. drz dunkle Drüsenzellen /z Lateralzahn drz Drüsenzelle ma Magen drp Drüsenpolster md.fdr Mündung der Fuß- dıap Diaphragma drüse dmfl Darmfläche md.ur Mündung des Ureters ei.drz Eiweißdrüsenzellen mil.dr Manteldrüse einschn Einschnürung mitld Mitteldarm eiw.dr Eiweißdrüse mupl Muskelplatte end Endothel MUSE Muskulatur end.d Enddarm n Niere ep, ed Epithel nal. dr Naregasche Drüsen a Falte ne Nerv 804 J. Wille, Untersuchung. über d. anatomisch. Bau d. Lungenschnecke. nk Nebenkanal np Nierenporus ob.u.dr obere Uterusdrüse 0es Ösophagus o.lbg oberer Lebergang 0.1. mil oberer linker Mantel- lappen ostr Östracum pa, pa’, pa Papillen par.g Parietalganglion pell. ext, int Pellucida externa, interna perostr Periostracum perc Perikard pen Penis ph Pharynx pha Pharynxarterie pıgım Pigment pleur.g Pleuralganglion Prnst Pneumostom pr.dors.lat Protractor dorsalis lateralis pr. lat Protractor lateralis pr.ventr Protractor ventralis pr. ur primärer Ureter prst.r Prostatarinne prst.dr Prostatadrüse quf Querfurche ra Radula ra.p Radulapolster ra. sch Radulascheide V5 Rinne retr Retraktor retr.pen Penisretraktor rec.sem _ Receptaculum seminis (e8 Rinne IMUSC Ringmuskel rpe.g Renoperikardialgang v2 Rhachiszahn r2e Riesenzelle sa Seitenast sb.oes.t schl. drz schlr schm Secr sec. ur sß spa spda spdg spfl spov stat st. pl stm st.rec SYM.ZE u u.dr u.lbg u.r. mil u.u.dr va vac vag vas. def ventr ves.sem v.Ja v.h.drz vorh vorspr.s wu, ww ze 2. chıt 2I zwar Subösophagealtasche Schleimdrüsenzellen Schlundring Schmutzteile Sekret sekundärer Ureter Spermien Speicheldrüsen Speicheldrüsengang- mündung Speicheldrüsengang Spindelfläche Spermovidukt Statocyste Stützplatte Seitenmuskel Receptaculumstiel Syneytialzellen Uterus Uterusdrüse unterer Lebergang unterer rechter Mantel- lappen untere Uterusdrüse Viszeralarterie Vakuole Vagina Vas deferens Ventrikel Vesicula seminalis vordere Fußarterie vordere helle Drüsen- zellen Vorhof vorspringender Saum Wulst Zelle chitiniger Zapfen Zipfel Zwitterdrüse 2W2 |,2W2,,2wg Zwittergang Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. Von Friedrich Dosch. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Breslau.) Mit 15 Figuren im Text. Im Anschluß an seine Studien über den Bau und die Ent- wicklungsgeschichte der Wale hatte W. KÜKENTHAL sich auch mit vergleichend anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen an Sirenen beschäftigt. Dabei war er u. a. bei der Bearbeitung der Haut zu neuen Resultaten gekommen, ins- besondere hatten sich eigentümliche Konvergenzerscheinungen zwischen gewissen Epidermisbildungen bei Halicore und den Ce- taceen gezeigt. Eine Fortsetzung und Ergänzung dieser Studien soll im folgenden gegeben werden. Zu dem schon benützten Materiale das mir von meinem Lehrer zur Verfügung gestellt wurde, war noch neues, insbesondere kleinere Embryonen von Halicore gekommen, und so darf ich hoffen, daß diese Unter- suchungen doch in manchen Punkten Neues bringen werden. Die ältere Literatur, die sich nur ganz gelegentlich mit Sirenenhaut befaßt und sich vorwiegend mit der Haarverteilung beschäftigt, kann ich kürzer behandeln, da sie schon in KÜKENTHALS Arbeit eingehend Berücksichtigung gefunden hat, und mich vorwiegend auf letztere Arbeit stützen. Folgendes Material stand mir zur Verfügung: Von Manatus das schon von KÜKENTHAL bearbeitete Material: 1. 1 Embryo Manatus latirostris, 13,6 em lang, über den Rücken gemessen. 2. 1 Embryo Manatus senegalensis, 29 cm lang, über den Rücken gemessen. 3. 1 Embryo Manatus senegalensis, 63,5 em lang, über den Rücken gemessen. ‚Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. oo DD 306 Friedrich Dosch. 4. 1 Embryo Manatus Koellikeri, 51 em lang, über den Rücken gemessen. 5. 1 Neonatus Manatus senegalensis, 151 cm lang, über den Rücken gemessen. Von Halicore stand mir zur Verfügung: 1. 1 Embryo, 15 em Länge, über den Rücken gemessen, welchen Prof. KÜKENTHAL aus dem zoologischen Museum der Harvard Universität mitgebracht hatte. 2. 1 Embryo, 33 cm Länge, über den Rücken gemessen, der seinerzeit von Prof. SELENKA dem hiesigen Zoologischen Museum überlassen worden war. 3. Die Hautdecke eines Embryos von 42 cm Länge, über den Rücken gemessen aus dem hiesigen Zoologischen Museum. 4. 1 Embryo von 48 cm Länge über den Rücken gemessen, der zwar schon Prof. KÜKENTHAL vorgelegen hatte, aber nur erwähnt, nicht bearbeitet worden war. 5. 2 Schnittserien durch Ober- und Unterkiefer von KÜKEN- THALS Halicore Stadium II. 6. 1 Zitze und abgelöste Haut von KÜKENTHALS Halicore- Stadium II. 7. Einige Präparate von Hautschnitten von den Halicore- Stadien III und IV. 8. 1 Zitze und Hautstücke von der Ober- und Unter- seite der Flosse einer erwachsenen Halicore, sowie einige Prä- parate mit Quer- und Längsschnitten durch Haare derselben. Letzteres Material war mir von Herrn Prof. FREUND in dankens- werter Weise überlassen worden. I. Das Integument von Manatus. Über die änßere Körperbedeckung von Manatus berichtet M. F. CuvIER in seinem Werk „De I’histoire naturelle des Ce- taces“ und stellt dort zusammen, was eine Reihe von anderen Forschern (ÖLUSIUS, ADANSON) bereits festgestellt hatten. Danach ist die Haut des amerikanischen Manatus dunkelbraun, die des afrikanischen tief schwarz gefärbt, sie ist mit nicht zu tiefen Narben versehen und trägt Haare, die zwar am Körper ziemlich vereinzelt, an der Schnauze aber recht dicht stehen, Embryonen sollen auch noch mehr behaart sein als erwachsene Tiere. CUVIER gibt ferner einige Maße für die Dicke der Haut, und zwar beträgt Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 807 diese am Bauch sechs Linien, am Rücken neun Linien und am Kopf 1,5 Zoll. Nach ALEXANDER vV. HUMBOLDT ist die Hautfarbe des Ma- natus vom Orinocco bläulich-grau, der Körper unbehaart bis auf wenige, gelbliche und steife Borsten, welche sich aber an der Schnauze in großer Anzahl befinden. Es stehen auf dem Rücken etwa 5—6, an der Schnauze 45—60 auf einem Quadratzoll, diese letzte Stelle ist auch mit Papillen besetzt. Eine gute Beschreibung der äußeren Haut hat schließlich noch MURIE für Manatus latirostris geliefert. Er weist besonders auf die Faltenbildung hin, ferner auf die Tuberkel, welche sich überall befinden, besonders zahlreich aber am Kopf, und auf die Verteilung der Haare und Borsten. Für die Kenntnis der letzteren ist seine Arbeit besonders wichtig, denn auf mehreren guten Tafeln kann man sich einen deutlichen Einblick in diese Ver- hältnisse verschaffen, und dies ist besonders deshalb wertvoll, weil die Verschiedenheit in der Größe der Haare und Borsten an der Schnauze sich nur unvollkommen schildern läßt. Über den feineren Bau des Integuments von Manatus sind vor der Arbeit KÜKENTHALS nur zwei kleinere Untersuchungen vorhanden. LeyoıG berichtet in seinem Lehrbuch der Histologie von einem Manatusembryo, welcher Barthaare, daneben jedoch auch eine allerdings spärliche Körperbehaarung gehabt habe, und meint: „In einer früheren Epoche des embryonalen Lebens mag übrigens der Haarbesatz dichter gewesen sein, denn bei mikro- skopischer Untersuchung erblickt man eine Menge von Gruben, die nur die Stellen anzukündigen scheinen, wo die Haare bereits ausgefallen sind.“ Ferner teilt LeypıG mit, daß die Haare Woll- haare ohne Mark sind und kleine Talgdrüsen besitzen, und daß ferner an der Schnauze Bündel quergestreifter Muskeln zwischen die Haarbälge ziehen. Die zweite Untersuchung stammt von BRANDT und PAULSEN. Nach ihren Angaben sind die Zellen der Epidermis in horizon- taler Richtung angeordnet und führen reichlich Pigment. Sie bilden auch einen Querschnitt durch die Haut ab und weisen in der Beschreibung auf Epidermiseinsenkungen und ebenso auf die Cutispapillen hin, doch fügen sie gleich hinzu, erstere seien nur durch das Schnittbild vorgetäuscht. Außerdem machen die Ver- fasser genaue Angaben über die Strukturverhältnisse der Cutis; auf diese letzten Angaben komme ich noch später zurück. Da 59% 808 Friedrich Dosch, aber als Untersuchungsobjekt getrocknete Hautstücke verwendet wurden, so ist natürlich die Darstellung nicht fehlerfrei. Hätten die Verfasser die wirklichen Verhältnisse erkannt, dann wären sie auch sicher nicht zu der Behauptung gekommen: „Corium Manati a reliquorium mammalium corio structura generali haud differt.“ Die Ergebnisse der Untersuchungen KÜKENTHALS sollen an den entsprechenden Stellen meiner eigenen Arbeit berücksich- tigt werden. Der kleinste Manatusembryo, der mir zur Verfügung stand, war ein Manatus latirostris, derselbe, der schon von KÜKENTHAL beschrieben worden ist, doch muß er damals erheblich besser erhalten gewesen sein, denn KÜKENTHAL bildet u. a. einen Quer- schnitt durch die Bauchhaut desselben ab, auf dem sehr schön eine Papillenanlage von der Epidermis her zu sehen ist. Jetzt aber war die Epidermis völlig abgelöst. Der Kopf dieses Embryo war in einer lückenlosen Serie aufgeschnitten, und so konnte ich wenigstens an dieser meine Untersuchungen anstellen. Allerdings war auch hier ziemlich viel Oberhaut abgestreift, und nur in Nase Mund und Augenlidern war sie noch in größerer Ausdehnung vorhanden. Über den Rücken gemessen betrug die Körperlänge dieses Embryo 13,6 em. Die Einzelmaße finden sich ebenso wie von den anderen Embryonen von Manatus bei KÜKENTHAL. KÜKENTHAL hat an diesem Embryo folgendes festgestellt. Am ganzen Körper fanden sich Haaranlagen, sehr zahlreich waren sie am Kopf und ganz besonders an der Schnauze. Die Haut zeigte ein chagriniertes Aussehen, das von hellen dicht aneinander- liegenden Erhebungen hervorgerufen wurde. Die Epidermis besaß nur einige Zellanlagen und in den obersten davon waren die Kerne abgeplattet. Die Haaranlagen waren solide Epithelzapfen mit Cutispapillen darunter, auch schwächere Epidermiseinsenkungen waren vorhanden. Das Corium war oben zellreicher, unten zell- ärmer und mit bindegewebigen Fasern reichlich durchsetzt. Pig- mentkörnchen fehlten in der Epidermis, ebenso Pigmentzellen, letztere waren auch im Corium selten. Die wenigen Stellen eigentlicher Körperhaut, die ich unter- suchen konnte, bestätigen diese Befunde. Nur in der Schnauzen- gegend und auch sonst am Kopf fand ich einige Borsten- und Haaranlagen, welche auf einem höheren Stadium sich befanden, als KÜKENTHAL angibt. Der der Epidermis entstammende Teil ist kein einfacher Zapfen mehr, sondern nach einer geringen Ein- Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 809 schnürung verbreitert er sich, um wieder etwas schmäler zu werden, an seinem unteren Ende sich nochmals zu verbreitern, und von oben die schon deutlich ausgebildete Coriumpapille zu umfassen. Der kräftig angelegte Haarbalg deutet schon in diesem Stadium auf eine Entwicklung zum Sinushaar hin. Kleinkörniges Pigment, wie man es später in den Zellen der Epidermis antrifft, konnte ich nicht feststellen, doch fanden sich Pigmentzellen im Rete Malpiehi und im Corium der Augenlider. Am Innenrand der Augenlider und an der Nickhaut sah ich Epidermisverdickungen, welche etwa 45 u breit und etwa 33 u hoch waren, sie hoben die Epidermis, die an diesen Stellen eine Dicke von 20 u besaß, etwas über die übrige Oberfläche hervor und senkten sich andererseits in das Corium hinein. Es sind dies wohl Drüsenanlagen. Bei erwachsenen Sirenen sind die hieraus entstehenden Drüsen schon bekannt, und die Anlagen an der Niekhaut lassen die HARDERSsche Drüse, vielleicht auch eine Nickhautdrüse hervorgehen, denn sie sind sehr zahlreich. Ziemlich ausgebildete Drüsen fand ich ferner in der vor- deren Mundhöhle, wo man sie ja auch erwarten konnte, hier waren sie auch von alveolärem Bau. Am Corium unterscheidet KÜKENTHAL einen oberen kern- reicheren und einen unteren kernärmeren Teil. Der letztere wird von zahlreichen Bindegewebsfasern durchzogen. Die Subeutis setzt sich scharf vom Corium ab, ihr oberster Teil ist ziemlich dicht, mit vielen Bindegewebsfasern durchsetzt und enthält Ansätze von Fettablagerungen, der untere Teil hat ein weniger dichtes Gefüge und ist von Fettansammlungen und einer Menge von Muskelzügen durchsetzt. Der nächst größere Manatusembryo, ein Manatus senegalensis, ist wie alle Exemplare dieser Gattung, welche mir zur Verfügung standen, auch schon von KÜKENTHAL zur Untersuchung heran- gezogen worden; er hatte, über den Rücken gemessen, eine Länge von 29 cm. Schon bei der ersten Bearbeitung war er nicht in gutem Zustand gewesen. Als ich nun das Material übernahm, war die Epidermis überhaupt nieht mehr vorhanden, das Corium käsig aufgequollen, und stellenweise lag die Muskulatur frei. Doch stand mir eine Reihe von Schnittpräparaten durch Unter- und Oberkiefer zur Verfügung. 810 Friedrich Dosch, KÜKENTHAL schreibt über die Haut dieses Embryo kurz folgendes: Die Körperhaare sind noch nicht durchgebrochen, im Rete Malpighi und im Corium finden sich klumpige Pigmentzellen und in den Epidermiszellen auch kleine Pigmentkörnchen. Die Haupthaaranlagen am Körper sind mit stark verdicktem Binde- gewebe umgeben, an den Schnauzenhaaren hat sich die Papille und der Haarschaft differenziert, und Sinus haben sich im Balg angelegt. Ferner beschreibt er eigentümliche schon wieder in Rückbildung begriffene Epidermiseinsenkungen, welche er als Drüsenanlagen deutet. Bei der Mangelhaftigkeit meines Materials konnte ich be- sonders den letzten Befunden leider nicht nachgehen. Neben den Pigmentzellen in klumpiger Form fand ich auch solche mit zahl- reichen feinen Fortsätzen. Die Borsten waren kräftig entwickelt und schienen stellenweise dicht vor dem Durchbruch zu stehen, wenigstens konnte ich Wurzelscheiden nnd Haarschaft deutlich voneinander unterscheiden und auch stellenweise fertige Sinus- bildungen im Balg erkennen. Der drittgrößte Embryo, wieder ein Manatus senegalensis, besaß eine Rückenlänge von 63,5 cm, sein Kopf ist in KÜKEN- THALS Arbeit (Taf. 1, Fig. 5) abgebildet, wo man besonders schön die Stellung der Haare und Borsten an der Schnauze sehen kann. Die Haare sind schon durchgebrochen, einige Millimeter lang, und die Pigmentansammlungen im Rete Malpighi oft sehr stark. Am Kopf haben sich Borsten mit Sinusbildungen im Balg entwickelt. In der Körperhaut finden sich in regelmäßigen Abständen Epi- dermiswucherungen, die Anlagen von sogenannten Beihaaren. Ferner zeigte sich die Ausbildung eines Epitrichiums. Da dieser Embryo noch gut erhalten war, als ich ihn über- nahm, so konnte auch ich einige weitere Untersuchungen daran anstellen. Die Epidermis hatte eine Dicke von 153—15 u, die Nebenhaaranlagen, welche bei KÜKENTHAL in Textfig. 6 abge- bildet sind, besitzen eine Breite von 39 u, dringen etwa 14 u in das Corium ein und stehen sehr dicht nebeneinander. Im Inneren dieser Bildungen konnte ich abgeplattete Zellen und Ansätze von Verhornungen feststellen. Ferner entdeckte ich an allen Haaren, die ich untersuchte (ich habe Hautstückchen, welche den ver- schiedensten Körperteilen entnommen waren, zur Anfertigung von Präparaten benutzt), die Ausbildung kräftiger Blutsinus im Haarbalg. Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. sıl Am Kopf sind übrigens die Nebenhaaranlagen etwas anders ausgebildet als am Körper. Zunächst sind sie breiter, sie messen 67 u, dringen weiter ins Corium ein, etwa 30 u tief, und gehen schräg zur Oberfläche. Vor allem aber senken sich sämtliche Epidermisschichten in der Mitte der Anlage in die Tiefe und lassen so eine kleine Vertiefung in der Mitte des Gebildes ent- stehen. Dieses Stadium ähnelt sehr dem, welches wir später bei dem Embryo von Manatus Koellikeri treffen werden. Wie schon vorher, so gebe ich auch für den nächstgrößeren Embryo zunächst die Angaben KÜKENTHALs wieder. Er gehört zur Art Mana- tus Koellikeri. Bei ihm sind die Haupthaare überall durch- gebrochen, 4 mm lang, auf Tuberkeln in- er - Textfig. 1. Manatus senegalensis II. Schnitt durch die Sur und u Kopfhaut. Vergr. 186. Z. Epidermis; Cor. Corium; Längsreihen Pigm. Pigmentzelle; ?a?. Einsenkung der Epidermis. angeordnet, die von der Mittellinie des Rückens schräg nach hinten verlaufen. An der Schnauze stehen Haare unıd Borsten in dichtem Besatz und ganz besonders an den sich umbiegenden Rändern der Lippen. Überall auf der Haut finden sich regelmäßig angeordnet kleine Gruben in Abständen von 0,2—0,3 mm. Ihre Bedeutung wird durch die histologische Untersuchung klar. An Querschnitten sieht man über der Muskulatur eine Schicht elastischer Fasern von etwa 1,7 mm Dicke liegen, darüber, etwa doppelt so dick, dichteres Bindegewebe, das sich nach oben zu auflockert. Die Epidermis ist in den Gruben stärker entwickelt, sonst jedoch ziemlich dünn. Jede Grube setzt sich in einen Epithelzapfen fort, der an seinem Ende von einer halbmondförmigen Zellansammlung im Corium umgeben ist. So ist es wenigstens am Bauch. Am ‘ Rücken hat sich schon eine deutliche Coriumpapille gebildet, wie man sie an Haaranlagen findet. Diese Bildungen bezeichnet KÜKENTHAL als Anlagen von Beihaaren. Da diese Benennung aber schon für kleinere Haare in Gebrauch ist, welche mit einem größeren aus demselben Follikel entspringen, so möchte ich dafür den Ausdruck Nebenhaaranlagen einführen. 812 Friedrich Dosch, Am Kopf beteiligt sich das Corium an diesen Bildungen nicht in dem gleichen Maße. Beide Arten von Anlagen sind bei KÜKENTHAL in den Textabbildungen 7, 8 und 9, der ganze Embryo und einzelne Teile davon auf den Tafeln 3 und 4 dar- gestellt. Auch an diesem Embryo war die Epidermis bis auf wenige Reste inzwischen abgestoßen, aber Haupthaare und Nebenhaar- anlagen waren ja tief genug in das darunterliegende Gewebe ein- gesenkt, so daß mir noch genug Material zur Untersuchung übrig blieb. Wie es nach den Befunden bei dem vorigen Embryo er- klärlich ist, fand ich auch hier nur Sinushaare und zwar in bester Ausbildung, alle Einzelheiten waren vorhanden, auch konnte ich die Andeutungen von Drüsenbildungen an den Haaren beobachten, welche schon KÜKENTHAL (Textfig. 10) erwähnt und abgebildet hat. Diese Drüsenanlagen erreichen bei dem vorliegenden Embryo ihre größte Ausbildung, während sie bei dem folgenden Stadium, einem Neonatus, schon wieder rückgebildet sind. Das Haar mit seinen Scheiden ist etwa 100 « dick, an der Stelle der Drüsen- anlagen aber erreicht es eine Stärke von etwa 165 u. Am oberen Teil der Wurzelscheiden finden sich besonders bei den Borsten Wucherungen, welche sich auch auf dem nächsten Stadium beobachten lassen. Die Nebenhaaranlagen konnte ich ebenfalls am ganzen Körper nachweisen. Was das Fehlen der Coriumwucherungen an den Neben- haaranlagen des Kopfes anbetrifft, so muß man bedenken, daß die Entwicklung der Kopfhaare der der anderen weit voraus ist und daß hier daher eine Reduktion leicht zu erklären ist. Vor- stufen zu diesen Nebenhaaranlagen des Kopfes sind die Bildungen, welche ich schon bei dem vorigen Stadium gefunden habe, und bei denen auch dort keinerlei erhebliche Beteiligung des Coriums vorhanden war. Die Pigmentverhältnisse sind etwa dieselben wie bei den folgenden Stadien. Pigmentzellen liegen im Rete Malpighi und kleinkörniges Pigment findet sich besonders um die Kerne herum. Das größte Exemplar von Manatus, das mir zur Verfügung stand, war ein junger Manatus senegalensis, der über den Rücken gemessen 1,51 m lang war. KÜKENTHAL berichtet darüber fol- gendes; Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 813 Die Haupthaare sind 1 em lang, seidig und weich, stehen in Abständen von 1,5 em und sind in deutlichen Längsreihen angeordnet und auf Tuberkeln inseriert. An der Schnauze und der Unterseite des Unterkiefers stehen sie dichter, an der Innen- seite der seitlich herabhängenden Oberlippe und auf dem Vorder- rand der Unterlippe befinden sich kurze gelbliche Borsten. Diese besitzen im Gegensatz zu den Haaren eine Markschicht und ihr Balg ist gebaut wie der eines Sinushaares. Die Öberhaut trägt etwa 20—25 Poren auf 1 em Länge. Im Corium finden sich zwei von unten schräg nach oben ziehende Systeme von Faser- bündeln, die sich diagonal kreuzen, dazwischen verlaufen solche in Längsrichtung und dicht unter der Epidermis finden sich auch transversale, die parallel zur Oberfläche und solche Fasern, die in die Coriumpapillen ziehen. Diese letzteren sind dadurch ent- standen, daß sich die Epidermis mit allen ihren Schichten in ziemlich gleichmäßigen Abständen ins Corium gesenkt hat. Hierbei haben sich gleichzeitig die erwähnten Gruben in der Haut ge- bildet. Diese Epidermiseinsenkungen haben sich aus den Epi- dermispapillen entwickelt, welche bei Manatus Koellikeri noch zum größten Teil Coriumpapillen besitzen und sind also als Um- bildungen von Haaren anzusehen. Pigmentzellen finden sich im Rete Malpighi und im dar- unter liegenden Corium, und kleinkörniges Pigment lagert sich halbkugelförmig über die Kerne. Dieses Exemplar von Manatus war für mich von ganz be- sonderer Wichtigkeit, denn die Befunde an ihm kann man ohne weiteres auch für den völlig erwachsenen Manatus annehmen. Da es noch .ein sehr junges Tier war, so war ich bei der Bear- beitung nicht eventuellen Täuschungen ausgesetzt, denn wie die Untersuchungen von STELLER und BRANDT an Rhytina und die von DEXLER und FREUND an Halicore ergeben haben, ist die Haut der Sirenen häufigen Verletzungen durch Steine und vor allem durch Parasiten ausgesetzt, und da diese Verletzungen sich oft über den ganzen Körper erstrecken, so lassen sich normale Bildungen von pathologischen oft nur schwer unterscheiden. Ähnliches erwähnt JapHA von der Haut erwachsener Wale. Im übrigen war die Haut dieses Exemplars gut erhalten. Das Merkwürdigste an der Manatushaut sind die eigentüm- lichen Durchdringungen von Corium und Epidermis, die schon KÜKENTHAL geschildert und abgebildet hat. Sie zeigen eine große Mannigfaltigkeit und Komplikation, wie man sie vielleicht 814 Friedrich Dosch, Textfig. 2. Manatus senegalensis II. (Querschnitt durch die Bauchhaut, etwas schräg zur Oberfläche geführt. Vergr. 42. C Stratum corneum; Zp. Epidermis; Pap. Stratum papillare; X Stratum retieulare; Pigm. Pigmentzelle; C5# Coriumpapille. dermispapillen können ihrerseits darstellen, wie sie bei KÜRENTHAL von vornherein nicht ver- muten möchte (Textfig. 2 und 3). Die Epidermis dringt mit ihren sämtlichen Schichten in die Tiefe und andererseits wuchert ihr das Corium entgegen, doch zu- nächst ist die Oberhaut das Aktive, später scheint es allerdings nur das Corium zu sein, sonst wäre es nicht erklärlich, wie einzelne Epi- dermiserhebungen so weit über die Oberfläche hervor- ragen könnten, es scheint hier die Oberhaut hervor- gedrückt zu sein. Die Epi- solch einfache Einsenkungen (Textfig. 11) abgebildet sind, andererseits aber können sie mehr oder weniger dicke Balken Textfig. 3. Manatus senegalensis III. Querschnitt durch Flossenhaut. Vergr.38. Bezeichnungen wie Textfig.2. Z. durch Schrumpfung entstandener Hohlraum, bilden und auch wieder in schmalen, spitzen Papillen die Cutis durchdringen. Dies letztere ist besonders am Kinn, an der Schwanzflosse und den Vorderextremitäten der Fall. Kompliziert werden diese Ge- bilde noch durch Verwachsun- gen. Schon bei makroskopischer Betrachtung der Manatushaut war es mir aufgefallen, daß sich die Hauteinsenkungen nicht regellos nebeneinander befanden, sondern in Reihen angeordnet waren, welche senk- recht zur Längsachse des Tieres, und an den Extremitäten senkrecht zu deren Längsachse standen, wenigstens gilt dies für den größten Teil der Haut 815 Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. des Rumpfes. Ich untersuchte nun diese Verhält- nisse unter dem Mikroskop und fand, daß sich dieVerbindungs- balken der ein- zelnen Epider- mispapillen, welche parallel zur Längsachse des Tieres ver- laufen, etwas früher, d. h. % 17 Fk Y z——z = EI LAS näher der Opextliehe auf- Textfig.. 4. Manatus senegalensis III. Flachschnitt lösen und so etwas schräg zur Oberfläche. «a Querschnitte durch ; ; Epidermishöcker; cd Coriumpapillen im Epidermishöcker; stellen diese Ein- > Epidermispapillen; c Verbindungsbrücken der Epi- wucherungen dermispapillen; 2 Querschnitte durch das eingesenkte Stratum corneum; / Fasern des Stratum reticulare; g zylinderförmige Epidermiseinsenkungen um das Haar herum; Zigm. Pigmentzelle; % Querschnitt durch das Haar mit seinen Wurzelscheiden; z Corium. Vergr. 52. wenigstens zum größten Teil mehr oder weni- ger deutliche Balken dar, welche sich allerdings weiter unten wieder in Einzelpapillen auflösen (Textfig. 5). Ich lege hierauf ein gewisses Gewicht, weil ich ähnliches bei Halicore gefunden habe. Die Art der gegenseitigen Durchdringung von Epidermis und Corium wird besonders klar bei der Betrachtung eines Schnittes, der unter einem nicht zu großen Winkel schräg gegen die Oberfläche geführt ist (Text- fig. 4). Zu oberst (a) sind nur Erhe- bungen der Epidermis getroffen, die mehr oder weniger rund- Textfig. 5. Manatus senegalensis III. liche Gebilde darstellen, außen sind sie vom Stratum corneum begrenzt, und in ihrem Innern Flachschnitt durch Rückenhaut zeigt die Reihenanordnungen der Epidermis- papillen und den Beginn der Leisten- bildung. Sonst wie Textfig. 4. Vergr.26. 16 Friedrich Dosch, sind die Spitzen der emporwuchernden Coriumpapillen getroffen. An Stellen wo der Schnitt durch tiefere Schichten der Haut geführt ist, sind wir mitten in der Epidermis, die Coriumpapillen haben sich vergrößert und sind oft miteinander verschmolzen, die Epi- dermis hängt noch durch Brücken zusammen und in ihr sieht man die Querschnitte durch die Einsenkungen des Stra- Textfig. 6. Manatus senegalensis III. Quer- tum corneum und der schnitt durch die Haut des Präputium. Vergr.32. höheren Epidermisschich- C’Stratumcorneum, Z?. Epidermis; Cor. Corium. ten. Noch etwas tiefer sind auch die Verbindungsbrücken immer schmaler geworden und schließlich ganz geschwunden. Hierdurch treten die eigentüm- lichen Epidermiszapfen in ihrer typischen Form auf. Sie haben zunächst noch zahlreiche seitliche Fortsätze und ihr Querschnitt besitzt deshalb eine etwa sternförmige Gestalt, noch weiter nach unten zu sind sie dann schließlich zu einfachen rundlichen Zapfen geworden. So wie eben beschrieben, verhält sich die gewöhnliche Körperhaut. Etwas abweichende Verhältnisse zeigen sich am Präputium und an der Schnauze Am Präputium (Textfig. 6) senkt sich die Epidermis in ziemlich breiten Wucherungen ein, und dazwischen finden sich ziemlich schmale Outispapillen, die teilweise bis dicht unter die Oberfläche dringen. Die höheren Epidermisschichten be- Er teiligen sich in keiner Weise an an den Einsenkungen. Ähn- Textfig. 7. Manatus senegalensis III. liches findet sich AD der Querschnitt durch die Unterkieferhaut. Schnauze (Textfig. 7), indem Vergr. 83. Sonst wie Textfig. 6. auch dort breite, balkenförmige Epidermiswucherungen vorhanden sind. An der Oberfläche merkt man jedoch nichts davon, denn die höheren Schichten ziehen ein- fach parallel zu ihr hin, dazwischen kommen aber sehr vereinzelt einige tiefere Einsenkungen der unteren Epidermisschichten vor, oder eine empordringende Coriumpapille treibt auch die höheren Zellreihen etwas vor sich her und läßt so Erhebungen an der Hautoberfläche entstehen. An Stellen, wo starker Haar- und Borstenbesatz sich findet, ist die Epidermis überhaupt ohne jede Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. s17 nennenswerte Papillenbildung. Zum Vergleich seien noch einige Maße gegeben. Bei der Körperhaut mit den gewöhnlichen Epidermispapillen ist der Abstand von der Spitze einer Epidermiserhebung zur Pa- pillenspitze etwa 650 u. Von dem Grund der durch die Ein- senkung der Oberfläche entstandenen Grube bis zur Papillenspitze etwa 330 u. Bei der Unterkieferhaut z. B. ist die Entfernung der Hautoberfläche vom Ende der Einwucherung etwa 285 u, an den behaarten Stellen aber nur 85 «, und am Präputium etwa 120 u. Was den feineren Bau der Epidermis anbetrifft, so findet man folgende Schichten: Zunächst das Rete Malpighi mit den chromatinreichen Kernen, durchsetzt von zahlreichen, meist klum- pigen Pigmentzellen, die sich auch in den anschließenden Schichten des Coriums und der etwas höher gelegenen Epidermis befinden. Darüber lagern sich Zellreihen, in denen die Kerne ihr Chromatin schon verloren haben und nun bläschenförmige Gebilde darstellen. Sie sind mit kappenförmigen Auflagerungen kleinkörnigen Pigments bedeckt, welche sich besonders an der Seite befinden, die nach der Hautoberfläche zu gerichtet ist. Nach dem Stratum corneum zu werden die Kerne immer mehr abgeplattet, auf dem Quer- schnitt also langgestreckter, und ebenso plattet sich die Pigment- kappe ab. Nach Schwund des Kerns im Stratum corneum sieht man dann auf Querschnitten nur noch das Pigment in Linien an- geordnet, welche zur Oberfläche parallel hinziehen. Bei stärkerer Vergrößerung erblickt man sehr schön die Fortsätze, welche die einzelnen Zellen untereinander verbinden und ihnen den Namen Stachelzellen verschafft haben. In der Mitte einer jeden Plasmaverbindung befindet sich eine verdickte Stelle, die sich mit Hämatoxylin intensiv färbt. Das Stratum corneum ist recht kräftig entwickelt und wird etwa 47 u dick. Ich komme nun zur Beschreibung der Haare. Wie schon die bisherigen Untersuchungen ergeben haben, sind alle Haar- bildungen nach dem Typus des Sinushaares gebaut, von den feinen Haaren, die sich im vorderen Teil der Nase befinden, bis zu den dicken Borsten, welche an den Ecken der Oberlippe und dem inneren Teil der Unterlippe stehen. Am Körper unter- scheiden sich die einzelnen Haare nicht bedeutend voneinander, dagegen trifft man in der Schnauzengegend solche von allen möglichen Dimensionen. Ich konnte die Balgdieke der Haare im 818 Friedrieh Dosch, vorderen Teil der Nase zu 330 u, die der Körperhaare zu 750 u und die der Borsten bis zu 2,65 mm feststellen. Rings um jedes Haar und um jede Borste erhebt sich die Haut im Kreis und bildet so einen Tuberkel, wie bereits KÜKEN- THAL und andere Forscher erwähnt haben. Nach dem Haar zu senkt sich dies Gebilde dann wieder etwas ein, um schließlich in die äußere Wurzelscheide überzugehen. Auch in der histologischen Struktur weicht die Epidermis um die Haare herum etwas ab. Am Rande des Tuberkels senkt sie sich zylinderförmig ein (Text- fig. 4), wie man es auf Flach- schnitten sehr gut sehen kann. Nach der Mitte zu folgen dann - Ähnliche Bildungen, doch reichen sie nicht mehr so tief ins Co- rıum hinab und werden nach dem Haar zu immer kleiner. Der obere Teil der äußeren Wurzelscheide, die ja doch schließlich nichts anderes ist als ein in der Tiefe liegendes Stück der Epidermis zeigt ebenfalls Zapfenbildung (Textfig. 8), die Textfig. 8. Manatus senegalensis III. sich besonders bei den Borsten Schräger Schnitt a les ben recht weit nach unten hin fort- ee ne ee setzen. Dieselben biegen stellen- mentzelle; Warz. äußere Wurzel- weise nach oben oder unten a ee um. Bei den normalen Haaren B Haarbalg. konnte ich eine Dicke der äußeren Wurzelscheide konsta- tieren, die sich nicht wesentlich von der unterschied, welche ich bei den kräftigsten Borsten fand. Daß Borsten aber verhältnis- mäßig dünne Wurzelscheiden haben, ist ja auch schon bei anderen Säugetieren oft festgestellt worden. An der äußeren Wurzelscheide ließen sich leicht die drei bekannten Schichten unterscheiden, das Rete Malpighi mit seinen Zylinderzellen, die darauffolgenden polygonalen und nach dem Haare zu die abgeplatteten Zellschichten. Die Zellen des Rete Malpighi bilden mit der Haarachse in der Richtung nach der Oberfläche zu einen Winkel von etwa 70°. An die äußere Wurzelscheide schließt sich nun nach außen zu die Region an, welche die für die Sinushaare so charak- Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 819 teristischen Blutsinus führt. In ihr lassen sich mehrere Unter- abteilungen unterscheiden. Nach innen zu wird diese Lakunen- schicht, wie wir sie nennen wollen, durch eine Schicht begrenzt, die nur aus einer Zellage besteht, nurbeiganz starken Borsten konnte ich an ihr bis zu drei Zellagen unterscheiden. Sie besitzt stark abge- plattete Zellen mit Textfig. 9. Manatus senegalensis III. Haarquer- ebensolchen Ker- schnitt unterhalb des Ringsinus. Vergr. 76. 2 Haar- = - balg; Za#. Lakunenschicht; Sir. Sinus; z.2. innere 1 BE se 2 ie und färbt sicl Balgschicht; N Nervenbündel; a.5. äußere Balg- mit Eosin recht gut. schicht; z.Gr2. innere Grenzlamelle; a. W. äußere R ee Wurzelscheide; z. W. innere Wurzelscheide; / Haar- Ich möchte für sie schaft; R. Lücke, in der ein Haar gesessen hat. dien Namen „innere Grenzlamelle“ einführen (Textfig. 9 und 10 2.Grl.). Diese Schicht umschließt die Wurzelscheiden zunächst in einem einfachen Ring, von der Gegend des Ringsinus an nach unten zu biegt sie aber in ganz kleinen Abständen nach außen, allerdings nur wenig, und entsendet an diesen Stellen Fort- sätze in die übrige Lakunenschicht. Ich konnte diese letzten Bilder besonders gut an gewöhnlichen Haaren beobachten, bei Borsten trat dies mehr zurück. Zwischen der inneren Grenzlamelle und der äußeren Wurzelscheide liegt noch die sogenannte Basalschicht. Eine bestimmte Struktur konnte ich daran nicht erkennen. Die Zellen des Rete Malpighi der äußeren Wurzelscheide dringen mit ihren äußeren Enden in sie ein und scheinen sie sogar mit Textfig. 10. Manatus senegalensis Ill. Haarquerschnitt durch den unteren Teil des Ringsinus. Vergr. 70. Bk. Bindegewebskörper des Ring- sinus; RS Ringsinus. Sonst wie Textfig. 9. Fortsätzen zu durchdringen. Auf diese Verhältnisse komme ich noch bei der Besprechung von Halicore zurück, wo alle diese 820 Friedrich Dosch, Gebilde bedeutend größer und daher leichter zu untersuchen waren. Wir kommen nun zur Beschreibung der eigentlichen La- kunenschicht, sie schließt sich nach außen zu an die eben be- schriebene innere Grenzlamelle an und stellt in ihrem oberen Teil, d. h. in dem, welcher der Hautoberfläche am nächsten liegt, ein ziemlich homogenes Gewebe dar, in dem die Zellen etwa konzentrisch zum Haar angeordnet sind. Sie färbt sich mit Eosin so gut wie gar nicht, hat bei der Doppelfärbung mit Hämatoxylin- Eosin daher einen bläulichen Schimmer und hebt sich dadurch gut von dem angrenzenden Gewebe ab. Ziemlich dicht unter der Oberfläche differenziert sie sich in eine Schicht, welche die bis- herige Struktur ungefähr beibehält, und in welche die Fortsätze der vorhin erwähnten inneren Grenzlamelle weiter unten ein- treten und sie in deutliche Abschnitte teilen. Bei Borsten fällt, wie gesagt, diese Erscheinung weniger auf. Ich möchte diese Schicht als innere Haarbalgschicht bezeichnen. Diesen Namen führe ich im Anschluß an DiETL ein, weiß aber nicht genau, ob er unter seiner „inneren Balglamelle“ nicht vielleicht auch die innere Grenzlamelle gemeint hat. Ferner differenziert sich dann eine zweite Schicht, in der nun die Blutsinus auftreten, und ich als Sinusschicht bezeichnen werde. Es bilden sich zunächst einzelne Lakunen aus, welche ringförmig um das eigentliche Haar ange- ordnet sind. Weiter nach unten zu werden diese Lakunen immer größer und es entsteht nach innen zu ein zweiter Lakunenring. Weiterhin verschmelzen die einzelnen Hohlräume dann mitein- ander und schließlich tritt der sogenannte Ringsinus auf. Dieser hebt sich nach oben und unten zu deutlich ab und umgibt das Haar mit den Wurzelscheiden und der inneren Balgschicht voll- ständig. Auf Haarlängsschnitten hat er ungefähr die Gestalt einer Ellipse. Bei den Sinushaaren, wie sie für die verschiedensten Säuge- tiere beschrieben sind, kommt es nicht immer zur Ausbildung eines Ringsinus. Oft ist die Lakunenschicht nur von Hohlräumen durchsetzt, die etwa in der Mitte des Haares am größten sind und nach oben und unten zu abnehmen. Wo aber ein solches Gebilde vorhanden ist, da ist es entweder hohl, d. h. nur von Blut erfüllt, oder enthält einen sogenannten Sinuskörper, d. h. ein Gebilde von noch unbekannter Funktion, das etwa wie eine Schuppe ziemlich breit an der Innenwand des Ringsinus ansetzt, das Haar und die darumliegenden Schichten zur Hälfte oder zu Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 821 zwei Dritteln umgibt, aber die Außenwand des Ringsinus nicht berührt. Bei Manatus und ebenso bei Halicore ist es anders. Hier durchziehen den oberen Teil des Ringsinus einzelne dünne Querbalken und im unteren Teile erfüllt ein ziemlich massiges Gebilde den Raum, das sich in seiner Affinität zu Farb- stoffen ebenso verhält wie die Querbalken. An der Innenwand setzt es sich als ein radiär angeordnetes Gewebe breit an, er- reicht aber die Außenwand nur an wenigen Stellen und wird von Eosin recht kräftig gefärbt (Textfig. 10 27.). Die innere Balgschicht dringt in diese eben beschriebene Bildung stellenweise ein und zerlegt sie so in mehrere Ab- schnitte. | Unter dem Ringsinus setzt dann wieder das Querbalken- system ein, die Lakunen treten wieder hervor und ordnen sich wie vorher in zwei Ringen an. Der innere von ihnen schwindet nach unten wieder, der äußere dagegen bleibt erhalten und um- gibt sogar noch die Haarzwiebel vollständig. Durch das Zurück- treten der Lakunenbildung ist natürlich die innere Haarbalg- schicht etwas kräftiger geworden und hat sich unterhalb des Ringsinus in besonderer Weise differenziert. Das gesamte Sinushaar ist nach außen zu von einem kräf- tigen Balg begrenzt, der aus dicht aneinandergelagerten starken Bindegewebsfasern besteht, welche nach allen Richtungen hin ziehen, besonders aber ringförmig angeordnet sind. Durch diesen Balg dringen nun Blutgefäße und Nerven in das Innere. Die Hautnerven treten zunächst in kräftigen Bündeln auf, umgeben von einem dicken Mantel von Bindegewebe. Sie ziehen oft, zunächst mehr oder weniger parallel zu den Haaren oder Borsten ziemlich hoch hinauf bis dicht unter die Epidermis, biegen dann um und dringen nun von unten in das Haar hinein, zusammen mit Blutgefäßen. Daneben konnte ich auch viele Stellen finden, an denen die Nerven einfach von unten herauf ziehen und nach einer kleinen Umbiegung etwa rechtwinklig in den Haarbalg eintraten. Diese Eintrittsstellen liegen etwa zwischen den oberen Grenzen des unteren Fünftels und des unteren Drittels des Haarbalgs.. Nach ihrem Eintritt in das Haar ziehen die Nerven die Verbindungsbalken, welche die Lakunen durchsetzen, entlang und dann im äußeren Teil der inneren Haarbalgschicht empor. Auf ihrem ganzen Wege und ganz besonders nach dem Eintritt in den Haarbalg verzweigen sich die Nervenbündel. Jedes neue Teilbündel muß nun auch eine Umhüllung haben, daher Jenaische Zeitschrift. Bd. LIT. 93 822 Friedrich Dosch, wuchert das umgebende Bindegewebe stark zwischen die einzelnen Nervenbündel ein, natürlich geschieht das schon ein ganzes Stück vor der eigentlichen Teilungsstelle, und deshalb lassen sich auf einem (Querschnitt oft die ungefärbten Nerven nur schwer zwischen der sroßen Anzahl von Kernen des umgebenden Bindegewebes wahr- nehmen. Im Haarbalg teilen sich dann die Nervenbündel solange, bis jede einzelne Nervenfaser mit ihrer Hülle für sich allein emporzieht. Auf Querschnitten kann man recht gut erkennen, wie sich die innere Haarbalgschicht nun differenziert hat, indem in ihren äußeren Teilen die Nervenbündel oder Nervenfasern eingelagert und nach unten zunächst in einen, weiter nach oben zu etwa in zwei Ringen angeordnet sind (Textfig. 9 VW). Es lassen sich übrigens nur bis zum Ringsinus größere Mengen von Nerven wahrnehmen, während sie oberhalb desselben viel seltener sind. Dies ist leicht erklärlich, da nach den Untersuchungen von Kssunın der größte Teil der Nerven im oberen Teil des Haar- balgs seine Scheiden verloren hat und so schwieriger und nur mit besonderen Methoden zu erkennen ist. Die Haare und Borsten von Manatus und Halicore werden aber noch auf eine zweite Art innerviert. Dicht unter der Epi- dermis, wo der äußere Haarbalg nicht mehr so deutlich und kräftig ausgebildet ist, aber auch schon etwas tiefer, dringen Nervenbündel in ziemlicher Anzahl und von allen Seiten in die das Haar umgebenden Schichten ein. Wie auch schon vorher konnte ich natürlich auch hier nicht den weiteren Verlauf der Nerven verfolgen, aber durch Untersuchungen an Sinushaaren anderer Säugetiere ist es ja bekannt, daß an dieser Stelle sich ein komplizierter Nervenring befindet. Der Eintritt vom Nerven an dieser Stelle weist darauf hin, daß sich auch bei Manatus und Halicore ähnliche Bildungen vorfinden. Diese Befunde schließen sich sehr gut an die Ergebnisse von BonnET an und bei Halicore werden wir noch sehen, daß sich diese Nerven in die Wurzel- scheide fortsetzen. Zu erwähnen wäre noch, daß sich die Haarpapille im Haar- schaft ziemlich weit in die Höhe zieht, ganz besonders bei den Borsten, die auch Mark besitzen. Wie ich schon vorher erwähnt habe, trifft man in der Schnauzengegend Haare von den verschiedensten Dicken-Durch- messern, es ist also ein kontinuierlicher Übergang zu den eigent- lichen Borsten vorhanden, die sich besonders dadurch auszeichnen, daß sie ziemlich stumpf, kurz und dick sind. Ihre Anordnung Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 823 ist aus den Abbildungen bei MurıE und KÜKENTHAL leicht ersichtlich. Auch bei dem Neonatus konnte ich in der äußeren Wurzel- scheide die Reste der Talgdrüsenanlagen entdecken. Es sind, wie KÜKENTHAL für den Manatus Koellikeri beschrieben hat, blasige Zellen der äußeren Wurzelscheide, die sich an diesen Stellen noch ganz schwach, aber immer noch deutlich nach außen vorwölbt. Diese Reste sind aber noch kümmerlicher, als die bei KÜKENTHAL (Textfig. 10) abgebildeten. Auch einen Fall von Haarwechsel konnte ich feststellen, wo das neue Haar einen Hohlraum mit den Wurzelscheidenresten des alten neben sich aufwies (Textfig. 9). Drüsenbildungen konnte ich außer der erwähnten nicht fest- stellen. Nur die Augenlider enthalten eine Menge Drüsen, welche wohl aus Anlagen entstanden sind, wie wir sie bei dem kleinsten Manatusembryo feststellen konnten. Sie stellen wahrscheinlich das ölige Sekret her, das die Augen der Sirenen vor eindringen- dem Wasser schützt und bei erbeuteten und ans Land gezogenen Tieren sich im inneren Augenwinkel sammelt, wo es die bekannte Sirenenträne bildet, welche von den Eingeborenen als Amulett geschätzt wird. Vom Corium des Manatus hat KÜKENTHAL schon berichtet, daß es neben kleineren und vereinzelten Bindegewebszügen, die in allen Richtungen die Haut durchziehen, aus zwei sich kreuzen- den Diagonalfaserbündeln besteht. Dies gilt natürlich nur für das Stratum reticulare. Sie laufen in den oberen Schichten etwas schräg zur Oberfläche und bilden beide mit der Längsachse des Tieres den gleichen Winkel. Da sich das Stratum reticulare auch noch etwas zwischen die Epidermispapillen eindrängt, so sieht man auf Flachschnitten die kreisförmigen Querschnitte der Spitzen derselben in der Mitte von Quadraten liegen, welche von den sich kreuzenden Coriumfasern gebildet werden (Textfig. 4/). Weiter nach unten zu werden diese Fasern immer kräftiger und zugleich ändern sie immer mehr ihre Richtung. Der Winkel zwischen ihnen und der Längsachse, der etwa 45° betrug, wird immer größer, schließlich fallen sie zusammen und laufen nun parallel zur Längsachse. Inzwischen haben sich Faserbündel, welche zunächst noch ganz unbedeutend und senkrecht zur Längs- achse gerichtet waren, immer kräftiger entwickelt und liefern jetzt mit den nun parallel zur Längsachse hinziehenden Faser- bündeln ein neues sich kreuzendes System. 53* 824 Friedrich Dosch, Schon bei makroskopischer Betrachtung eines ungefärbten Hautquerschnittes fällt die untere Grenze des Coriums durch ihre dunkle Färbung auf. Bei Anwendung der Färbung VAN GIESONS kann man nun beobachten, daß dieser dunkle Streif durch äußerst dichte und recht kräftige Bindegewebsfasern dargestellt wird, welche besonders stark das Fuchsin aufnehmen, wenigstens im Verhältnis zu den anderen Coriumfasern. Abzweigungen der- selben ziehen dann noch in die oberen Schichten des Unterhaut- bindegewebes. Das Stratum papillare setzt sich bei der eben genannten Färbung durch seinen hellroten Ton und außerdem durch seine vielen Kerne von den umgebenden Geweben deutlich ab und er- füllt hauptsächlich die Räume zwischen den Epidermispapillen. Unten um die Spitzen desselben herum ist es nur wenige Zell- lagen breit. Zwischen die Einsenkungen der Oberhaut dringt aber auch, wie schon erwähnt, das Stratum reticulare ein. Das Corium wird von kräftigen Blutgefäßen und Nerven- bündeln durchzogen. Diese verzweigen sich immer mehr und mehr und die ersteren dringen, von zarten Bindegewebsfasern begleitet, mit dem in die Epidermis einwuchernden Corium zwischen die Papillen vor. Auch für die Nervenfasern möchte ich dasselbe vermuten, doch konnte ich wegen des mangelhaften Konservierungs- zustandes meines Materials keinen sicheren Nachweis liefern und deshalb auch in den höheren Coriumschichten keine Nerven mehr feststellen. Auch Muskelfasern durchziehen die Haut, besonders an der Schnauze, wo sie in großer Menge etwa senkrecht zur Oberfläche stehen und, wie schon KÜKENTHAL angibt, sich auch an die Haare als Musculi arrectores ansetzen, und zwar häufig so, daß der Muskel vom Haarbalgfalz des einen Haares zur Haarzwiebel des anderen zieht und diese in Form einer Schleife umgibt, wie auch DIETL bei seinen Untersuchungen bei anderen Säugetieren gefunden hat. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse bei Manatus. Fassen wir nun kurz diese Beobachtungen zusammen, so finden wir: 1. Eine besonders komplizierte Schichtenbildung ließ sich an der Epidermis nicht beobachten, man findet annähernd das Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 825 gleiche wie bei andern Säugetieren, nur Keratohyalin und Eleidin- schicht fehlen. 2. Es gibt zweierlei Pigment, solches, das in besonderen Zellen aufgespeichert ist, die sich bald in klumpiger, bald in ver- ästelter Form finden und solches, das in kleinen Körnchen auf- tritt und sich um die Kerne, besonders nach außen zu lagert. Das erstere Pigment wandert vom Corium in die Epidermis ein, und zwar in der verästelten Form, das zweite jedoch kommt nur in der Oberhaut vor und stammt vielleicht aus den Pigmentzellen, die sich ja in den oberen Epidermisschichten nicht mehr befinden, doch deutet seine Lage um den Kern herum und die recht früh eintretende Degeneration des Chromatins darauf hin, daß es viel- leicht vom Kern her produziert wird. 3. Im größten Teile der Manatushaut hat sich die Epidermis in Papillen eingesenkt, an deren Bildung auch die höheren Schichten, sogar das Stratum corneum beteiligt sind. Dadurch entstehen auf der Hautoberfläche grubenartige Einsenkungen. Diese Epidermiszapfen sind stark miteinander verwachsen und zwar besonders in der Richtung senkrecht zur Längsachse des Tieres, wodurch eine Art Leistenbildung entsteht. Nach Befunden an Embryonen stellen die Epidermiszapfen rudimentäre Haaranlagen dar. Zwischen diesen Oberhautbildungen findet sich dann das seinerseits emporwuchernde Corium, das an manchen Stellen die oberen Epidermisschichten vor sich her drängt und dadurch das Hervortreten einzelner Höcker verursacht. Andererseits gibt es auch Stellen auf der Haut von Manatus, nämlich an der Schnauze und am Präputium, bei denen sich die oberen Epidermisschichten nicht an der Einwucherung beteiligen, doch stellen diese ja nur einen kleinen Teil der gesamten Haut dar und so kann man den dortigen Epidermiswucherungen mit Recht denselben Ursprung zuschreiben, wie denen am übrigen Körper, besonders da sich die ersten Entwicklungsstadien sehr ähneln. Bei diesen letzteren Bildungen ist das Corium nur wenig nach der Oberfläche zu vorgedrungen und die Epidermis hat sich nicht in Papillenform, sondern in Balken und Leisten ins Corium eingesenkt, eine Weiterbildung, die doch an der übrigen Haut nur angedeutet ist, und diese Balken lösen sich nach unten zu auch nicht mehr in Papillen auf. An den Teilen der Haut, welche mit Borsten und Haaren reich besetzt sind, haben wir schließlich überhaupt keinerlei Papillen, und dort hat die Epidermis dieselbe Struktur, wie bei den 826 Friedrich Dosch, übrigen Säugetieren. Dies ist auch sehr erklärlich, denn an diesen Stellen sind ja alle Haare erhalten geblieben und zu Papillen reduzierte Haare sind daher nicht zu finden. In der Schnauzengegend liegen Hautstellen, deren Bau die letzterwähnte Ausbildung zeigt und solche, an denen sich die zu zweit genannten Epidermisleisten befinden, dicht nebeneinander. 4. Alle Haare von Manatus und ebenso alle Borsten sind nach dem Typ des Sinushaares ausgebildet: Da sie aber voll- ständig im Bau mit denen von Halicore übereinstimmen, so werde ich hierauf später noch genauer eingehen. 5. Außer den ganz rudimentären Talgdrüsen in der äußeren Wurzelscheide der Haare kommen bei Manatus Drüsen nur im Augenlid vor. Il. Das Integument von Halicore. Über die äußere Haut von Halicore berichtet RÜPPELL etwa folgendes: Die Haut ist auf dem Rücken glatt, auf dem Bauch hat sie schmale Längsrunzeln, und auf der Körperhaut stehen dünne, steife Borsten in Abständen von etwa 1 Zoll. Die Epi- dermis ist dünn und durchsichtig, darunter befindet sich eine Schicht, welche aus vertikalen Lamellen besteht und schwarzgrau gefärbt, dicht verwebt und schwammig ist. Auf dem Rücken ist sie neun Linien, auf dem Bauch etwa einhalbmal so dick. Auch CuVIER schildert die Halicorehaut ähnlich, hebt den Unterschied von Haar und Borste hervor und gibt die Farbe des Rückens als bläulich, die des Bauches als weißlich an. BrAnDT schließt sich in seinen Angaben an RÜPPELL an und macht zum Schluß, die, wie wir sehen werden, ganz unzu- treffende Bemerkung: ‚„Halicores corium potius a Manatino supra descripto notis essentialibus vix differt.“ TURNER fand an einem Embryo von 162,6 cm Länge, 5—10 mm lange Haare, die an Schwanz- und Brustflossen weniger dicht standen als anderswo. Am Rücken war eine Reihenanordnung der Haare zu erkennen, feine schwarze Flecke deutet er als Haaranlagen. Was sie jedoch wirklich darstellen, wird sich noch im Laufe meiner Arbeit zeigen. Die Untersuchungen KÜKENTHALS werde ich auch hier, wie schon vorhin bei Manatus im speziellen Teil heranziehen, da auch hier das zugrunde liegende Material vielfach dasselbe ist und ich daher immer wieder auf seine Angaben zurückgreifen muß. Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 827 DEXLER und FREUND besprechen ebenfalls kurz die Haut von Halicore und schließen sich vielfach älteren Forschern an, stellen aber richtig, daß sich auch an den Vorderextremitäten und der Schwanzflosse, wenn auch spärlicher als sonst, Haare befinden. Die Farbe ist nach ihren Angaben lichtgraubraun bis hellbronze- braun mit einem leichten Metallschimmer, die Unterseite weiß bis hellgrau. Diese Angaben gelten jedoch nur für den Dugong Australiens, bei dem des Roten Meeres herrschen blaugraue Töne vor. Auch Angaben über Hautfurchen sind in ihrer Arbeit zu finden. Ferner sind dem Werk auch drei Tafeln beigegeben, doch sind die Photographien leider zu klein, als daß man Einzel- heiten erkennen könnte. Von Abbildungen, welche die Behaarungsverhältnisse, be- sonders die an der Schnauze, deutlich hervortreten lassen, sind die Tafeln KÜKENTHALS das Beste, und wenn diese sich auch nur auf einen Embryo bezichen, so muß man doch bedenken, daß dieser schon ziemlich groß ist und alle Haupthaare schon ent- wickelt sind. Ich komme nun zu meinen eigenen Untersuchungen. Der kleinste Embryo von Halicore, der zu meiner Verfügung stand, maß 15 cm direkte Länge und stellt somit den kleinsten Embryo dar, welcher bis jetzt zur Untersuchung des Integuments herangezogen worden ist. Der Kopf war für andere Zwecke in eine Schnittserie zerlegt worden, welche mir ebenfalls zur Ver- fügung stand. Der übrige Körper hatte leider durch die lange Aufbewahrung die Epidermis verloren. Auch am Kopf waren große Strecken davon entblößt und nur die Schnauzengegend und das Innere der Nasen- und Mundöffnung hatten vollständig ihre Epidermis behalten, so daß ich immerhin noch mancherlei beobachten konnte. Die Epidermis war nur wenige Zellagen breit, höchstens fünf bis sechs. Im Schnauzenteil des Kopfes war das Rete Malpighi mit Pigmentzellen besetzt, die sich auch im angrenzen- den Corium fanden. Die Epidermis der Nasenhöhle war ebenfalls stark pigmentiert, dort fand ich auch Epidermiswucherungen, die sich aber auf den vorderen Teil beschränken und Haaranlagen darstellen. Im vorderen Mundteil konnte ich, wie auch schon bei dem kleinsten Manatusembryo tubulöse Drüsen nachweisen, was ja auch hier von vornherein zu erwarten war. Drüsenanlagen waren auch an der Innenseite der Augenlider zu finden und dort 828 Friedrich Dosch, waren auch Pigmentzellen im Rete Malpighi und im darunter- liegenden Corium eingelagert. Die Anlagen von Borsten und Haaren am Kopf waren schon ziemlich ausgebildet. Sie setzten sich am unteren Teil der Epidermis ziemlich breit an, verengten sich dann und ver- breiterten sich gegen das Ende wieder, um die Haarzwiebel zu bilden. Bei einigen war noch eine Verdickung zwischen Haar- wurzel und Epidermis ausgebildet, doch befanden sich nur wenige Anlagen auf diesem vorgerückten Stadium. Das Corium beteiligt sich schon stark an der Bildung von Haarpapille und Balg und an der Stärke des letzteren sieht man schon deulich, daß daraus Sinusborsten und Sinushaare entstehen werden. Ich habe bei diesem Embryo Anlagen messen können, die ohne ihren Balg 180 « lang und 73 u breit waren, mit den dazu gehörigen Coriumbildungen, welche sich recht deutlich von ihrer Umgebung absetzten, betrug die Länge der Borstenanlagen 235 „ und deren Breite 120 u. Das war allerdings schon eins der größeren Gebilde der Art, wenn auch nicht das größte. Diese Gebilde standen sehr dicht auf Ober- und Unterlippe, am Kopf waren sie spärlich. Der zweitkleinste Halicore-Embryo, den ich bearbeiten durfte, war seinerzeit von Professor SELENKA dem hiesigen Zoologischen Museum überlassen worden. Er ist, über den Rücken gemessen, 38 cm lang. Die Vorderfläche der Schnauze ist mit zahlreichen Haaren besetzt, die bis 4,5 mm lang werden, sonst finden sich Haare nur noch auf den Lippen. Der Rand der Schnauzenvorderfläche und die Mitte des Rückens, die sich kammähnlich etwas vom übrigen Körper absetzt, sind dunkelbraun, ebenso der Scheitel und der hintere Teil des Schwanzes.. Nach dem Bauch zu wird die Haut immer heller und ist am Bauch selbst gelblichweiß. Dieselbe Färbung zeigt die Unterseite des Schwanzes, die Kehle, die Wangen, die Unterseite und der Rand der Vorderextremitäten, während die Oberseite der letzteren braun ist, der Unterkiefer ist hell gelblich mit braunen Flecken. Über den ganzen Körper sind zweierlei Haaranlagen ver- teilt, die sich äußerlich als kleine Tuberkel darstellen. Auf dem Rücken stehen die größeren Tuberkel unregelmäßig durchein- ander in Abständen von etwa 0,5 cm. Dazwischen befinden sich die kleineren, die etwa 0,5—1 mm voneinander entfernt sind. Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 829 Nach dem Bauch zu rücken die Haaranlagen immer mehr aus- einander und zwischen After und Schwanzwurzel beträgt der Abstand der kleineren etwa 2—3 mm. Der Schwanz selbst ist oben wie unten ziemlich schwach mit diesen Gebilden besetzt, doch finden sich dort meist größere in Zwischenräumen von etwa 0,5 em. Dem vorderen Bauchteil mangeln sie fast völlig, während der zwischen den Flossen gelegene Teil mit großen Tuberkeln bedeckt ist, die einen Abstand von etwa 0,6 cm voneinander haben. Der äußere Teil der Brustflossen trägt an seiner An- satzstelle nur wenige Haaranlagen und gegen ihr Ende sind die- selben überhaupt nur noch vereinzelt vorhanden. Der innere Teil der Vorderflosse ist bis auf einige Tuberkel an seiner An- satzstelle ohne jede derartige Bildung, Hals und Augenränder sind vollständig frei davon. Der Scheitel ist mit kleineren Haar- H Eins Nh 4, a 60282 le Tara) ver n . le —. NDR Era EN 9 er o- N : : OA S IH DIL PSS 99 (#7 = IT WETTER gs / Ce —Ie: : vo iS 0,n 20° 0 0 E2 . Textfig. 11. Halicore Dugong, zweitkleinster Embryo. Hautquerschnitt. Vergr. 173. Z. Epidermis; Cor. Corium; 47%. Mittelhaaranlage; ?Pap. Corium- papille; 2 Balganlage; N% Nebenhaaranlage; Zins Einsenkung, wohl nur eine Schrumpfung. anlagen besetzt, die unregelmäßig 1—2 mm auseinanderstehen. Nach oben zu auf den Wangen und über der Nase befinden sich wieder größere Tuberkel. Die Epidermis war bei diesem Exemplar sehr gut erhalten, hatte eine Dicke von 13—20 u und bestand aus nur wenigen Zellreihen. Über den Zylinderzellen des Rete Malpighi befanden sich einige mehr langgestreckte Zellen, und in den obersten Lagen machte sich die Verhornung bemerkbar (Textfig. 11). Durch die Alkoholkonservierung war die Haut etwas geschrumpft und der ganze Körper mit Falten bedeckt, welche sich besonders auf dem Rücken deutlich abheben. Wahrscheinlich sind auf diesen Um- stand auch die vielen kleinen Epidermiseinsenkungen zurück- zuführen, welche ich beobachten konnte (Textfig. 11 Zrzs). Diese 830 Friedrich Dosch, machten sich besonders auf Hautquerschnitten bemerkbar. Sie setzten meist oben breit an und endeten oft ziemlich spitz. Bei einem Teil war die Einsenkung aber so rundlich, daß es außer Frage ist, daß man hier ein Kunstprodukt vor sich hat. An einigen Stellen, die sich bei genauerer Durchmusterung der Präparate aber immer zahlreicher fanden, zeigte das Stratum Malpighi besonders langgestreckte Kerne und senkte sich in einer kleinen Papille etwa 8 u ins Corium ein, dabei konnte ich eine Beteiligung der höheren Schichten nicht beobachten (Textfig. 11 V.). Dies ist ja aber bei Haaranlagen oft auch nicht der Fall. Diese Bildungen stellten sich ganz so (dar, wie allererste Stadien von solchen. Hierin sehe ich die ersten Ansätze zur Bildung der später auftretenden Oberhautleisten. Pigment konnte ich in kleinkörniger Form in der Epidermis beobachten und außerdem in Pigmentzellen, welche sich besonders in dem Rete Malpighi und im Stratum papillare befanden. Die vorhin erwähnten Haaranlagen konnte ich auch auf meinen Schnitten auffinden. Die größeren waren schon recht weit entwickelt und so zeigte ein Längsschnitt durch ein solches Gebilde klar und deutlich, daß es sich hier um ein Entwicklungs- stadium eines Sinushaares handelt. Er hatte etwa eine birnen- förmige Gestalt. Der obere Teil, in dem später der Ringsinus entsteht, war schon sehr ausgeprägt und bedeutend dicker als der untere. Sein Durchmesser betrug oben etwa 385 u, während der untere nur 230 maß, dabei war er 520 u lang. Die Sinus waren bereits angedeutet, stellenweise sogar schon weiter ent- wickelt. Auch der Haarschaft war bereits in Bildung begriffen, enthielt körniges Pigment und war schon deutlich verhornt. Mit seinen Scheiden zusammen maß er oben 120 u, weiter unten 95 u. Bei den kleineren Haaranlagen (Textfig. 11 47%) bemerkte ich eine geringere Beteiligung des Coriums, immerhin aber war auch hier schon der Balg derartig entwickelt, daß man auch hierin ein künftiges Sinushaar vermuten möchte. So war auch die Coriumpapille schon gut zu erkennen. Diese letzten Haar- anlagen reichten etwa 133 u weit hinab und besaßen dabei einen Durchmesser von etwa 85 u. Am Kinn waren noch keine Haare durchgebrochen, doch deuteten sie sich schon durch kräftige Erhebungen der Ober- fläche an, und Querschnitte zeigten, daß hier schon weit fort- geschrittene Anlagen von Sinushaaren vorhanden waren, die äußerst dicht zusammenstanden, Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. s31 Wie schon vorhin erwähnt, waren auf dem vorderen Schnau- zenteil Sinushaare und Sinusborsten vollständig entwickelt, deren Balg eine Dicke bis zu 500 « erreichte. Das drittgrößte Stadium von Halicore war ein Embryo, der im hiesigen Zoologischen Museum aufgestellt war und über den Rücken gemessen eine Körperlänge von 42 cm besaß. Auch hier sind große und kleine Haaranlagen über den Körper verteilt und auch sie stellen sich äußerlich als Tuberkel dar. Über den ganzen Rücken hin stehen die äußeren Anlagen etwa 6,5 cm auseinander, am vorderen Rücken etwas weiter, am hinteren etwas näher. Dazwischen befinden sich dann kleinere Anlagen in Abständen von etwa 1 mm. Auch diese sind am Hinterrücken einander näher und am Vorderrücken weiter aus- einander gerückt. Auf den Seiten sieht man viel weniger kleine Anlagen, und auch die großen sind nicht so zahlreich wie auf dem Rücken. Der Schwanz ist gleichfalls mit beiden Arten von Tuberkeln be- setzt und zwar befinden sich auf der Unterseite mehr kleinere, während sie auf der Oberseite fast vollständig fehlen. Dort sind allerdings auch die größeren seltener. Auf der Brust stehen fast nur große Haaranlagen und zwar in einer Entfernung von etwa 1 em. Am vorderen Bauch sind sie wieder mehr auseinander- gerückt und kleine Tuberkel dort überhaupt nicht vorhanden. Nach dem Schwanz zu werden die großen wieder etwas zahlreicher, und ebenso nimmt die Menge der kleinen stetig und stark zu, so daß sie am hinteren Bauchteil, der Schwanzwurzel und dem unteren Teile des Schwanzes nur etwa 1, 5—2 mm von- einander entfernt sind. Auf den Vorderextremitäten finden sich auf beiden Seiten nur wenige kleine Anlagen, ebenso auf dem Scheitel, und über den Augen konnte ich nur 17 große und eine Reihe kleinerer Tuberkel feststellen. Auf der vorderen Schnauze traf ich wieder nur große Haaranlagen an. An der Vorderfläche der Schnauze waren, wie sich ja nach den Befunden beim vorigen Stadium schon erwarten ließ, die Haare und Borsten schon durch- gebrochen und voll entwickelt. Da dieser Embryo seiner Größe nach gerade zwischen jenen beiden Stadien stand, wo bei dem größeren die Leistenbildung schon vollständig fertiggestellt war und bei dem kleineren nur ganz geringe Spuren davon vorhanden sind, so glaubte ich zu- nächst hier ähnliche Funde machen zu können, wie KÜKENTHAL 832 Friedrich Dosch, bei dem Manatus Koellikeri. Die Untersuchung ergab indessen, daß auch hier schon die Leistenbildungen weit entwickelt sind, wenn man sie aber mit denen bei erwachsenen Tieren vergleicht, so findet man, daß hier die Einwucherungen noch nicht so zu- sammengedrängt sind, sondern jede einzelne ziemlich isoliert da- steht. Dabei sind Verwachsungen überhaupt noch nicht vor- handen. Diese Leisten sind etwa 20 u breit; und ihre untere Grenze ist von der Hautoberfläche 67—73 u entfernt. In diesem Stadium sinken die obersten Schichten der Epidermis an den Stellen, an denen die unteren die Leisten bilden, etwas ein, etwa 20 u, doch kann an diesen Bildungen leicht auch das vordrin- gende Corium schuld sein. Pigment findet sich hauptsächlich in kleinkörniger Form, doch wird es wohl nach Analogie des fol- genden Stadiums mindestens an der Schnauze in Pigmentzellen vorhanden sein. Daß die Einsenkungen der Epidermis im vorigen Stadium nichts mit der Papillen- und Leistenbildung zu tun haben, konnte ich hier deutlich sehen, denn auch hier fand ich solche Einsenkungen, und auch an diesen waren die Leisten- bildungen gut entwickelt. Wie schon gesagt, fand ich auch an diesem Embryo die beiden Arten von Haaranlagen, wie beim vorigen. Die größeren waren schon differenziert in Haarschaft, Wurzelscheide, Sinus- schicht und Haarbalg, waren schräg zur Oberfläche angelegt und hatten eine Breite von 317—320 «u und eine Länge von etwa 780 «u. Bei den kleineren Anlagen war der Balg sehr kräftig entwickelt und unten traten an ihn strangartige Gebilde heran, welche Blutgefäße und Nerven führten. Das Innere des epider- malen Teils setzte sich schon deutlich von dem äußeren ab, der Haarschaft war also schon fertig gebildet. Die ganze Anlage hatte mit dem Balg zusammen eine Dicke von etwa 117 u. Der epidermale Teil eine solche von 67 u bei einer Länge von 100 u. Das kleinste Stadium von Halicore, das KÜKENTHAL vorlag, war ein Embryo von einer Gesamtlänge von 48 cm. Dieser war aber schon damals stark geschrumpft gewesen und so hatte KÜKENTHAL ihn nicht zur Bearbeitung herangezogen. Für mich war er insofern von Bedeutung, als er das größte Stadium dar- stellte, das mir vollständig zur Verfügung stand. An ihm konnte ich all jene Untersuchungen anstellen, zu denen ich ein ganzes Exemplar von Halicore brauchte, so konnte ich z. B. durch Ent- nahme einer Menge von Proben von allen möglichen Stellen der Haut nachweisen, daß auch bei Halicore alle Haare und Borsten Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 8333 als Sinushaare ausgebildet sind. Da alle Haupthaare bei diesem Embryo bereits vollständig entwickelt und durchgebrochen sind, so kann ich dieses Resultat unbedenklich auch auf die erwachsene Halicore ausdehnen. Die Länge der Haarbälge betrug etwa 1,6 mm, ihre größte Breite etwa 0,37 mm. Der Bau ist hier vollständig der gleiche, wie bei Manatus, und ich kann auf die Schilderungen im ersten Teil der Arbeit verweisen. Die Epidermis läßt an diesem Exemplar keine besondere Differenzierung erkennen, wie es ja auch nur wenige Zellschichten sind, die sie aufweist. Das Rete Malpighi zeigt die gewöhnlichen Zylinderzellen, in denen kleinkörniges Pigment eingelagert ist. Zwischen diesen befinden sich eine ganze Reihe von Pigment- zellen, welche viele feine Ausläufer tragen und sich oft noch in höheren Schichten der Epidermis oder im Stratum papillare des Corium befinden. Die nach oben zu folgenden Schichten zeigen zunächst Kerne mit geringerem Chromatingehalt, weiter nach oben zu platten sie sich ab, und auf Schnitten stellt sich der Kern nur noch als einfaches Stäbchen dar. Die Epidermiseinwucherungen stehen auch hier noch recht weit auseinander, haben sich noch nicht sehr tief ins Corium eingesenkt und nur die unteren Oberhautschichten sind dabei beteiligt. Die Epidermisbreite, d. h. die Entfernung von Haut- oberfläche und Papillenspitze beträgt etwa 53 u, die Breite der Leisten 13—20 u, denn wie schon bei dem vorigen Stadium, so stellen auch hier die Epidermiseinsenkungen Leisten dar und nicht Papillen, wie bei Manatus. Diese Leisten laufen ungefähr parallel zueinander und stehen senkrecht zur Körperachse. Nur um die Haare herum ist es anders, da treffen wir die- selben Verhältnisse an, wie bei Manatus, auch hier senkt sich die Epidermis etwa in Form konzentrischer Ringe ein, was auf Flachschnitten sehr schön zu beobachten ist und auf diese Weise treten auch bei Halicore Tuberkelbildungen auf, wie wir sie schon bei Manatus ausführlich besprochen haben. An der Schnauze sind die Epidermisleistungen übrigens be- trächtlicher. Hier beträgt der Abstand des unteren Leistenendes von der Hautoberfläche etwa 200 u. Schon an der Körperhaut wuchert das Corium stellenweise sehr weit nach oben, und ich konnte dort Coriumpapillen beob- achten, deren Spitze nur 13 « unter der Hautoberfläche lag; an 834 Friedrich Dosch, der Schnauze jedoch biegt es sogar die Epidermisschichten über die übrige Oberfläche hinaus und veranlaßt so Höckerbildungen. Neben den eigentlichen Haaren habe ich bei diesem Embryo noch jene Bildungen angetroffen, welche KÜKENTHAL auf dem nächsten Stadium als Mittelhaaranlagen bezeichnet. Bei dem vor- liegenden Embryo sind sie noch gut ausgebildet, der verhornte Haarschaft ragt zwar nicht nach außen hervor, ist aber schön entwickelt und enthält ziemlich viel Pigment. Ihn umgeben die deutlich ausgebildeten Wurzelscheiden, und die äußere von ihnen ist an der Stelle, wo man die Talgdrüsen erwartet, etwas ange- schwollen. Nach außen zu schließt sich ein lockeres Gewebe an, das sich ähnlich verhält, wie das, welches bei Sinushaaren die Blut- räume enthält. Stellenweise treten auch hier Lakunen auf. Das Ganze wird schließlich von einem festen Balg umgeben. Am unteren Ende ändert das Gebilde seine Richtung und bildet mit seinem oberen Teile einen Winkel von weniger als 90°, eine Erscheinung, die keineswegs ein Kunstprodukt sein kann, da ich sie auf einer Flachschnittserie durch ein größeres Hautstück durch- gängig bei allen solchen Mittelhaaranlagen fand. Es lagen dann in den tieferen Schnitten Querschnitte durch das Haar und die Papillen dicht nebeneinander. Außerdem konnte ich dasselbe auch auf Querschnitten durch die Haut, d. h. auf Längsschnitten durch die Anlagen beobachten. Diese merkwürdige Umbiegung ist wohl eine Reduktionserscheinung, wodurch die Papille die Fähigkeit verliert, die Anlage weiter zu ernähren, so daß diese degenerieren muß. Der schon auf dem vorigen Stadium beobachtete Binde- gewebsstrang, in welchem Blutgefäße und Nerven zu den Mittel- haaranlagen ziehen, ist aber noch erhalten. Das Corium hatte durch das lange Liegen im Alkohol sehr ge- litten, vielleicht wären sonst die Strukturverhältnisse deutlicher hervorgetreten, so aber konnte ich eine besondere Richtung der Faserbündel nicht beobachten. Das Stratum papillare war fast frei von Bindegewebsfasern, das Reticulare ging ziemlich allmählich in die Subeutis über und in seinem unteren Teile fanden sich schon kleinere Fettansammlungen eingelagert. Zahlreiche Blut- gefäße und Bildungen, die ich in Analogie an ähnlichen bei Manatus für Nervenbündel halte, durchsetzen das ganze Corium. Von der Haut des Embryo, welchen KÜKENTHAL als Sta- dium II bezeichnet hat, lag mir eine Präparatenserie vor, welche Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 835 vor allem Sehnitte durch Ober- und Unterkiefer enthielt. KÜREN- THAL selbst berichtet über die Haut dieses Embryo kurz fol- gendes: Die Hautfarbe war an der Oberseite schwarz, unten braun, die Behaarung an der Schauze reichlich, am Ober- wie am Unter- kiefer. Diese Verhältnisse sind auf Taf. 1, Fig. 19 und 20 gut zu beobachten. An der Schnauze befinden sich eine Menge Borsten, besonders an der inneren Unter- und Umbiegungsstelle der Oberlippe. Die vordere Schnauzenfläche ist etwa rhombisch gefeldert und inmitten eines jeden Feldes steht ein 1—5 mm langes Haar. Stark behaart ist auch der hintere Innenrand der Oberlippe. Über den Körper verteilen sich die Haare in Abständen von etwa 4—8 mm und sind nahezu in Längsreihen angeordnet, die besonders deutlich auf dem Rücken zutage treten. Dasselbe gilt auch für den Schwanz und die Oberseite der Brustfläche, die Unterseite derselben ist allerdings spärlicher behaart. Alle diese Haare sitzen auf Tuberkeln. Über den ganzen Rücken hin sind auch zahlreiche Haar- anlagen verteilt, welche KÜKENTHAL Mittelhaaranlagen nennt. Sie stehen am Kopf weiter, am Rumpf enger zusammen und kenn- zeichnen sich als dunkle Punkte auf der Oberfläche, doch fehlen sie auf der Bauchseite. Die Kopfhaare sind Sinushaare mit rudimentären Talg- (lrüsen. Die Mittelhaare stecken tief im Bindegewebe und haben einen dicken Haarbalg nebst einer deutlichen Papille. Nach dem Innern zu wird die Ausbildung der einzelnen Teile dieser Haaranlagen immer undeutlicher und das ganze steckt in einem einfachen Epidermiszapfen, der nur etwas dicker ist als (die benachbarten. Da neben diesen Haupt- und Mittelhaaren die Epidermis- leisten bereits ausgebildet sind, so glaubt KÜKENTHAL die soge- nannten Beihaare damit nicht homologisieren zu können und nimmt daher für Halicore drei ursprünglich vorhandene Haar- arten an. Die oberen Schichten der Epidermis folgen nicht den Ein- senkungen und diese stehen schief zur Oberfläche, und ihr Rete Malpighi ist dicht mit Pigmentzellen durchsetzt. In den höheren Schichten finden sich Pigmentanhäufungen um die Kerne. Pig- mentzellen sind auch in dem Corium vorhanden und bilden in 836 Friedrich Dosch, dessen obersten Lagen eine dünne Schicht, auch um die Blut- gefäße'herum liegen sie recht zahlreich. Zu meinen eigenen Untersuchungen hatte ich zwar die schon erwähnten Schnitte durch ÖOber- und Unterkiefer, da mir aber keinerlei Material an Körperhaut zur Verfügung stand, so konnte ich auch die Mittelhaaranlagen nicht mehr näher unter- suchen und mit denen auf dem vorigen Stadium vergleichen. Nach der Textfig. 12 in KÜKENTHALS Arbeit reihen sich die Papillen dieses Embryo in ihrer Ausbildung ganz gut an die der vorhergehenden Stadien an und sind noch ziemlich entfernt von der Form die sie bei der ausgebildeten Halicore haben. Für die Epidermisdicke gibt KÜKENTHAL 0,19 mm an. Am Unterkiefer konnte ich ganz analog zu den Befunden bei Manatus zweierlei Papillenbildung feststellen, bei der einen Art waren die Papillen nur kurz und erreichten eine Länge von 113—135 u, wobei die darüberliegende Epidermis noch weitere 50—60 u dick war. Sie setzten an der Oberhaut mit ziemlich breiter Basis an und endeten verhältnismäßig spitz, wobei öfters mehrere bis auf die untersten Enden verwachsen waren, dabei standen sie etwas schräg zur Oberfläche. Die Verwachsung deutet darauf hin, daß auch hier leisten- artige Bildungen vorliegen. Es ist daher hier auch nur nötig die untere Grenze ihrer Breite anzugeben, die etwa 20 u betrug. An diesen Stellen waren die Hautoberfläche ganz schwach gewellt, sie erhob sich wenig über die Stellen, wo das Corium zur Oberfläche vordrang, im großen und ganzen aber beteiligten sich die höheren Schichten der Oberhaut nicht an der Leistenbildung, sondern verliefen ungefähr parallel zur Oberfläche. Diese eben erwähnte Art von Epidermisbildungen fand ich nur an Stellen, die mit Haaren oder Borsten dicht besetzt waren. An Stellen, welche frei davon waren, zeigte sich ein ganz anderes Bild. Hier waren die Papillen viel langgestreckter und erreichten eine Länge von 0,75—0,3 mm, d. h. sie waren also sechsmal so lang als die vorhin erwähnten. Dabei zeigte die stark wechselnde Breite, daß es sich hierbei ebenfalls um balken- förmige Einsenkungen handelte. Überhaupt ähneln diese Bildun- gen schon sehr stark denen, welche man bei der erwachsenen Halicore trifft, auch waren sie öfters verzweigt. Auf den Präpa- raten, die mir vorliegen, war das Stratum corneum gut erhalten geblieben und erreichte eine Dicke von 0,1 mm. Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 837 Die Hautoberfläche war keineswegs glatt, vielmehr drang das Corium seinerseits weit in die Epidermis vor und zwar oft bis 150 « unter die Oberfläche (Fig. 12) wobei man berück- sichtigen muß, daß über der Spitze der Papille noch 100 « dick das Stratum corneum lag. Bei diesem Vordringen schob das Corium die über ihm liegenden Epidermisschichten oft noch weiter hin vor sich her und ließ auf der Hautoberfläche nicht unbeträchtliche Höcker entstehen, so konnte ich unter anderen als Abstand der Spitze eines solchen vom unteren Ende einer Epi- dermiswucherung 1,05 mm messen. Wie schon aus dieser Schilderung hervorgeht, glaube ich, daß die Epidermis an der Bildung dieser Erhebungen nur passiv beteiligt ist. Darauf weist auch der Umstand hin, daß das Stratum corneum und die höheren Epidermis- schichten sich immer wellenförmig nach unten absetzen und daß es nie zu so scharfen und spitzen Einsenkungen kommt, wie bei Manatus. Haare und Borsten, die ich auf den mir vor- Textfig. 12. Halicore Dugong. Kükenthal, Z R ? Stadium II. Querschnitt durch die Unter- liegenden Präparaten in lippe. Vergr. 37. C Stratum corneum; : M . Ep. Epidermis; Cor. Corium; Cp. Corium- I W : I } : großer Menge fand, waren papille; Zigm. Pigmentzelle; Prgmk. An- vollständig entwickelt und sammlung von Pigmentkörnchen. als Sinushaare ausgebildet, von Drüsenbildungen jedoch fand ich nicht einmal Rudimente. Ich lasse nun noch einige Maße folgen: Die Länge des Haarbalgs betrug etwa 2,04 mm, die Dicke 0,53 mm, dabei kam auf die äußere Bindegewebsschicht, etwa in der Mitte des Balkens 40—50 u, der lakunisierte Teil maß etwa 100 u, die Wurzelscheiden etwa 50 « und der Haarschaft war etwa 110 u dick. Der Schaft und die innere Wurzelscheide waren fast bis zur Haarpapille stark pigmentiert, während die äußere Wurzelscheide nicht einmal ganz bis zum Ringsinus hin Pigmenteinlagerungen zeigte. Diese letztere wies an ihrem ober- sten Teil zahlreiche Wucherungen auf, die den Papillen- und Leistenbildungen homolog und bei der Beschreibung der Manatus- haare schon besprochen worden sind. Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT. 54 838 Friedrich Dosch, Der ganzen mir zugänglichen Epidermis sind im Rete Malpighi Pigmentzellen eingelagert, welche aber nie klumpig, sondern stets fein verästelt sind und zwar fand ich an den Stellen mit großen Epidermisleisten nur wenige, etwas mehr jedoch über den Spitzen der Coriumpapillen. Kleinkörniges Pigment liegt über den Zell- kernen, tritt aber erst in den untersten Schichten des Stratum corneum deutlich hervor und ist in dünnen Plättechen angeor(dnet, die sich auf Querschnitten als Reihen von einzelnen Körnchen darstellen. Über das nächstgrößere Stadium III berichtet KÜKENTHAL folgendes: Es ist ein Embryo von 99 em Rückenlänge, seine Farbe und die Anordnung der Haare und Furchen sind wie bei Stadium II. Ferner zeigt sich bei ihm ein transversales Furchen- system, dem sich am Hinterrücken noch longitudinale Furchen zugesellen und inmitten der dadurch entstehenden Felder steht je ein Haar auf einer Papille. Bei Lupenvergrößerung zeigt sich außerdem noch eine sehr feine transversale Liniierung der Haut. Die Epithelzapfen, sowie Haare und Pigment verhalten sich wie bei dem vorigen Stadium. Dabei besitzt die Epidermis etwa eine Dieke von 0,19 mm und die Haare sind 1,5 cm lang. Für meine eigenen Untersuchungen standen mir einige fertige Präparate, ein Stück einer Zitze, sowie einzelne kleine Lappen abgelöster Oberhaut zur Verfügung. Ich konnte nun feststellen, daß die Leistenbildung sich immer mehr dem End- stadium nähert, die Einsenkungen sind schon ziemlich langgestreckt und oft miteinander verwachsen. Die Coriumpapillen dringen bis 33 « unter das Stratum corneum vor und die Papillenlänge beträgt etwa 250 u, also mehr als bei den kleinen Papillen des vorigen Stadiums, wenn auch weniger als bei den größeren, doch waren die dort untersuchten Hautstücke ja auch der Schnauze entnommen. Das Stratum corneum und ein Teil der oberen Epidermis- schichten war hier nicht mehr vorhanden. Auch bei diesem Embryo war das Corium seinerseits nach oben gewuchert, hatte die darüberliegenden Epidermiszellen vor- geschoben und auf diese Weise Erhebungen geschaffen. Zwischen diesen einzelnen Höckern konnte ich, wenigstens an einigen Stellen die höheren Epidermisschichten sich in die Leisten hin- einsenken sehen und zwar in Form eines spitzen Keiles, was an ähnliche Bildungen bei Manatus erinnert. Die Haare waren bei Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 839 diesem Embryo, wie zu erwarten war, Sinushaare und an ihnen fand ich auch Drüsenrudimente. Der größte Embryo, welcher von KÜKENTHAL bearbeitet worden ist, hatte eine Rückenlänge von 162 cm. Im Gegensatz zu den anderen Embryonen war seine Farbe ein helles Blaugrau, das sich an Rücken und Bauch nicht wesentlich unterschied. Die Haupthaare standen in einer Entfernung von 2—3 em auf Tuberkeln von 2 mm Länge und 1 mm Breite. An den einzelnen Haaren sieht man Risse in der Längsrichtung, welche sich aus den Furchen, die sich schon beim vorigen Stadium zeigten, entwickelt haben. Dazwischen liegen kleinere Erhebungen in Längsabständen von 53—5 mm und Querabständen von 3 mm. Auf der Spitze dieser Tuberkel sieht man schwarze Flecke oder es befindet sich dort ein Loch. Ich glaube, daß diese Bildungen, die wir noch bei der erwachsenen Halicore antreffen werden, von den früheren Mittelhaaranlagen herrühren. An der Körperseite findet sich auch eine feine Liniierung. Die Haare sind an diesem Embryo 0,5—1 em lang, also kleiner als früher, wo sie eine Länge von 1,5 cm erreichten. Dies und der merkwürdige Wechsel der Hautfarbe lassen KÜkEN- THAL zu der Vermutung kommen, daß bei der embryonalen Ent- wicklung eine Hautabstoßung stattfindet, wie sich ja auch bei Manatus Epitrichialbildungen gezeigt haben, möglicherweise liegen aber hier auch nur Variationen in der Hautfarbe vor. Die Epidermis hat sich bei diesem Stadium auf das Sechs- fache verdickt und besitzt jetzt eine Dicke von 1,19 mm, da- neben ist freilich auch das Corium vorgedrungen und zwar nicht nur relativ, sondern sogar absolut. Bei Stadium II betrug die Minimalentfernung der Spitzen der Coriumpapillen von der Haut- oberfläche 0,08 mm, bei Stadium III 0,04 mm und bei Stadium IV schließlich nur noch 0,02 mm. In diese Coriumpapillen hinein ziehen Blutgefäße und dicht unter der Epidermis liegen in ihnen Bindegewebsfasern. Die Pigmentierung hat abgenommen, und es befinden sich nur noch wenige Pigmentzellen im Rete Malpighi, doch sind die kleineren Pigmentkörnchen, die wie eine Kappe den Kern nach der Ober- fläche zu bedeckten, erhalten geblieben. Das Stratum corneum hat nur wenige Schichten aufzuweisen. Die polygonalen Zellen, welche die Hauptmasse der Epidermis bilden, haben längliche Kerne, deren Längsachse senkrecht zur Hautoberfläche steht, und die 54* 840 Friedrich Dosch, einzelnen Zellen sind untereinander durch fädige Gebilde ver- bunden. Für meine Untersuchungen standen mir einige Präparate zur Verfügung. Außer dem, was KÜKENTHAL schon angegeben hat, fand ich unter dem Stratum corneum eine Schicht, welche mit Plasmafarbstoffen sich stärker färbte als die übrige Epidermis. Wie schon auf früheren Stadien, so fand ich auch hier Zapfenbildung am oberen Teil der äußeren Wurzelscheide, und ebenso Drüsenrudimente. Das kleinkörnige Pigment erblickte ich auch hier erst in höheren Schichten der Oberhaut und Pigment- zellen fand ich auf den allerdings nur wenigen Präparaten über- haupt nicht. Doch konnte ich einen Tuberkel untersuchen. Er stieg von außen an, um dann nach innen zu wieder etwas ein- zusinken. In der Mitte der Vertiefung saß das Haar. Die Epi- dermiswucherungen rings um dieses Gebilde waren etwas kürzer als die gewöhnlichen, sie maßen 530 u, während die anderen S00 u lang werden. Alles dasselbe haben wir ja auch schon bei Manatus gefunden. Bei den bisherigen Untersuchungen war nur embryonales Material benutzt worden. Es war für mich nun äußerst wertvoll, sewissermaßen zur Abrundung des Ganzen und auch zur Fest- stellung der Endprodukte der Entwicklung Untersuchungen an der Haut einer erwachsenen Halicore anstellen zu können. Auf die Bitte von Herrn Professor KÜKENTHAL hin übersandte mir Herr Prof. L. FREUND liebenswürdiger Weise Hautstückchen von der Ober- und Unterseite der Brustflosse, eine Zitze und drei Präparate von Quer- und Längsschnitten durch Stacheln. Für die Überlassung dieses Materials sage ich Herrn Prof. L. FREUND an dieser Stelle vielmals Dank. Die Haut von Halicore zeigte zwar an der Zitze eine Menge kleiner Runzeln und ebenso an dem Stück von der Flossenunter- seite, auf der Flossenoberseite jedoch war sie vollständig glatt, auch haben die erwähnten Falten keinen Einfluß auf die Erhaltung des feineren Baues der Epidermis. In kleinen Abständen befanden sich auf der Haut eine große Anzahl schwarzer Punkte von verschiedener Größe. Auf Schnitten durch solche Stadien zeigte sich folgendes: Die höheren vollständig verhornten Schichten des Stratum corneum haben sich hier etwas in die tieferen Lagen eingesenkt und bilden einen kleinen Zapfen von annähernd kugeliger Gestalt, 41 Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. der einen Durchmesser von 67 u hat (Textfig. 13 Cz). Er setzt sich deutlich von dem übrigen Stratum corneum ab, dessen Schichten sich abbiegen und in die darunter liegende und un- verhornte Epidermis eindringen. Der Zapfen selbst und seine nähere Umgebung enthalten viel Pigment. Hier haben wir den Haarschaftrest der Mittelhaaranlagen KÜKENTHALS vor uns und können zugleich daran beobachten, wie sehr sich ein derartiges Ge- bilde ändern kann, denn aus einer deut- HESSEN Os liehen Haar- 3) 7 ER, anlage, die sich BEHTKIANN ja Got ursprünglich % nr Hain \ kräftig ange- ER ET AH legt hat, ist 3 I In MM 7 A A Ep! eine einfache wi Ha hi Main h IN 2 Epidermisein- I Be Epf senkung ge- Hi a Ana iR worden, diesich lo ; Ye N Jh N von anderen KB Kun: ) A derartigen Bil- al AN N — Cor dungen nicht De) " unterscheidet gH N und mit ande- | a ren Oberhaut- er einwucherun- gen ihrer Um- gebung es Textfig. 13. Halicore Dugong (erwachsen). Querschnitt wachsen St. durch die Haut an der Oberseite der Flosse. Vergr. 38. C Stratum corneum; Cz Hornzapfen (Rest des Haar- ein kleiner e Nur ein kleine schaftes der reduzierten Mittelhaaranlage); Vz. ver- Hornknopf er- innert noch an den vorher so wohlentwickel- ten Haarschaft. hornende Zellreihen; Zigmk. Ansammlung von Pigment- körnchen unter dem Stratum corneum; C?. Corium- papillen; ‚Szz. Stachelzellschicht; Yac.z. Zellschicht mit vakuolisierten Kernen; 22. Epidermisleisten; Cor. Corium; Epf. Epidermisfasern. Das Merkwürdigste an der Haut der erwachsenen Halicore sind die Einsenkungen der Epidermis ins Corium, die auch schon in der Literatur öfters erwähnt worden sind. Wie schon aus den Beobachtungen an kleineren Embryonen hervorgeht, senkt sich 842 Friedrich Dosch, die Epidermis in breiten Leisten in das darunter liegende Gewebe ein. Nach oben zu sind diese durch eine Menge von Brücken mit- einander verbunden, welche nach unten zu immer mehr schwinden, bis eben nur noch die eigentlichen Leisten vorhanden sind. Da- neben ist das Corium seinerseits auch emporgewuchert und dringt bis auf wenige Zellreihen unter die verhornten Schichten vor. Auf Flachschnittserien erhält man daher etwa folgende Bilder: Auf den obersten Schnitten findet man die Epidermis ziem- lich regelmäßig durchbrochen von runden Querschnitten der Co- riumpapillen, die in Reihen angeordnet sind. Weiter nach unten zu sind diese Querschnitte etwas sternförmig geworden, aber nach einer Richtung hin stark verzerrt und hierin äußert sich jetzt schon die Leisten- bildung. Noch tiefer sind die Epidermis- leisten deren Rich- tung etwa senkrecht zur Körperachse steht, noch in der- selben Ausbildung erhalten wie vorher. j ) Die aber, welche pa- Textfig. 14. Halicore Dugong (erwachsen). Flächen- schnitt durch die Flossenhaut. Vergr. 23. Zp. rallel dazu verlaufen, Epidermis: Cor. Corium. und sieh in den höheren Schichten kaum von den anderen unterscheiden, sind schmäler geworden oder ganz geschwunden. In den untersten Schichten, auf denen über- haupt noch Epidermis zu treffen ist, finden sich nur noch die zueinander ungefähr parallel laufenden Leisten (Textfig. 14). Diese Bildungen zerfallen weiterhin nicht in einzelne Papillen, wenig- stens kommt das nur selten vor, sondern sie bleiben als Ganzes erhalten, dabei dringen von den Seitenflächen der einzelnen Ein- senkungen mehr oder weniger deutliche Fortsätze in die Zwischen- räume ein. Die Leisten haben eine mittlere Dicke von etwa 167 « und einen gegenseitigen Abstand von etwa 100 u. Der feinere Bau der Haut von Halicore ist äußerst kompliziert und weist mehrere deutlich voneinander abgesetzte Schichten auf, welche sich mit den in den Lehrbüchern angegebenen nicht ohne weiteres homologisieren lassen. Im Rete Malpighi finden wir die bekannten Zylinderzellen, deren Kerne sich durch ihren starken Chromatingehalt auszeichnen und von vielen kleinen Pigment- Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 843 körnern umgeben sind. Doch schon in der dritten Zellreihe zeigt sich eine starke Veränderung. Die Kerne verlieren etwas von ihrem Chromatin (Textfig. 13 Vee. z.), vielleicht ballt es sich auch nur zusammen, auf jeden Fall nimmt es nur noch einen verhältnismäßig kleinen Raum ein und ist wandständig geworden. Der Kern hat sich dabei vergrößert und stellt ein helles läng- liches Bläschen dar, an dessen innerer Wand das Chromatin sitzt, das nach der Hautoberfläche zu mit einer ziemlich dicken Platte von bräunlichem Pigment umgeben ist und dessen Längsachse ungefähr senkrecht zur Hautoberfläche steht. An den einzelnen Kernen vorbei ziehen in der Richtung der Leisten senkrecht zur Oberfläche zahlreiche recht kräftige Fasern (Textfig. 13 2%). Zwischen den Kernen sind sie eng aneinandergepreßt, um an Stellen, die etwas freier davon sind, wieder auseinanderzugehen. Weiter nach der Oberfläche zu wird diese Schicht abgelöst von einer anderen, der Stachelzellenschicht (Textfig. 13 .S7z.), welche sich gewöhnlich an das Rete Malpighi anschließt. Die dicken Epithelfasern, die keinerlei Zellgrenzen erkennen lassen, sind feiner geworden und die neue Schicht stellt sich dadurch etwas heller dar. Es treten deutlich umgrenzte, auf Querschnitten polygonale Zellen auf, die untereinander durch Protoplasmafort- sätze die sogenannten Stacheln, in Verbindung stehen. Durch diese ziehen die feinen Fibrillen unbekümmert um die Zellgrenzen hindurch. In der Mitte dieser Protoplasmabrücken zeigt sich ein knopf- artiges Gebilde, das Hämatoxylin sehr gut annimmt. Es ist be- reits beschrieben worden, dagegen ist seine Bedeutung noch un- bekannt. Das Pigment tritt nicht mehr so deutlich hervor und ist mehr zerstreut, lagert aber im Wesentlichen immer noch über und um den Kern; in diesem ist das Chromatin wieder ziemlich verteilt und ein deutlicher Nucleolus wird sichtbar. Die Kerne sind allerdings etwas kleiner und nicht so stark gefärbt wie die des Rete Malpighi. Nach außen zu, wenigstens in den oberen Reihen flachen sich die Stachelzellen etwas ab und das Pigment nimmt hier eine Lage ein, wie man sie vom Keratohyalin her kennt. Die folgenden Schichten setzen sich von der zuletzt besprochenen oft recht deutlich ab, vor allem dadurch, daß sie sich mit Plasmafarbstoffen ziemlich stark färben. In den unteren tritt noch deutlich die zellige Abgrenzung hervor, das Chromatin verliert sich allmählich, der Kern plattet sich ab und nach oben zu tritt allmählich völliger Schwund ein; inzwischen ist 844 Friedrich Dosch, immer mehr Pigment hervorgetreten, und in der drittuntersten Reihe dieser neuen Schicht lagert es sich in recht großen An- sammlungen und bleibt weiter nach oben zu um den Kern ver- teilt, nimmt an dessen Abplattung teil und wird nach seinem Schwund schließlich zu Pigmentscheibehen, die sich auf Quer- schnitten durch die Haut als schmale Spindeln darstellen, welche nach oben zu immer dünner werden, sich aber bis ins Stratum corneum erhalten. Wie eben geschildert, ist der Übergang der Zellagen, die noch deutliche Kerne enthalten, zum Stratum corneum sehr allmählich und läßt nichts von scharf geschiedenen Schichten erkennen, wie man sie von der Haut anderer Tiere her kennt. Doch stellen die unteren Schichten wohl Vorstadien von Ver- hornung dar, die sich in den höheren Schichten immer mehr ausbildet und schließlich in den eigentlichen Hornschichten, die an der Oberfläche hinziehen, ihr Ende erreicht. Diese Untersuchungen sind an Hautstückchen von der Außen- seite der Flosse gemacht, deren dunkelbraune Färbung von der geschilderten Pigmentansammlung in den unteren Verhornungs- schichten herrührt (Textfig. 13 Zzgn2.).. An der Unterseite der Flosse und der Zitzenhaut sind die Verhältnisse ganz ähnlich, das Pigment ist aber bedeutend weniger entwickelt. In der Stachelzellenschicht tritt es zum letzten Mal auf, und im Stratum corneum ist es nur noch in ganz geringer Menge vorhanden. Die Verhornung stellt sich auch hier nicht immer so klar dar, wie ich es hier soeben geschildert habe, sondern häufig setzen sich die höheren Schichten scharf von den noch kernhaltigen ab. Auch der Übergang der unteren ineinander ist verschieden. Oft allerdings ist die Schicht mit vakuolisierten Kernen nach oben und unten stark abgesondert, stellenweise finden sich aber vakuoli- sierte Kerne neben solchen mit verteiltem Chromatin. Von diesen einzelnen Lagen beteiligen sich im Wesentlichen nur die zwei untersten, das Rete Malpighi und die Schicht mit den vakuolisierten Kernen an der Papillenbildung. Wahrscheinlich ist die letzte Schicht überhaupt nur durch diese eigenartige Zu- sammendrängung der Zellen in den Leisten entstanden. Die Wände derselben werden natürlich vom Rete Malpighi gebildet und ebenso auch alle die kleineren Vorsprünge. Das Innere be- steht aus der vakuolisierten Schicht. Weiter nach oben zu, wo die Leisten schon sehr unterein- ander verwachsen, also breitere Massen von Epidermis vorhanden sind, ist hauptsächlich die Stachelschicht vertreten. Die ‚höheren Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 845 Zellagen werden durch die Papillenbildung nur dadurch berührt, daß das Corium stellenweise sie alle durchdringt und von dem eigentlichen Stratum corneum nur noch durch eine einzige Reihe von Epidermiszellen getrennt wird. Ich möchte noch die Maße für den Abstand des unteren Papillenendes von der Hautoberfläche geben. Er beträgt für die Oberseite der Flosse 1,57—153 mm für die Unterseite 1,20 bis 1,25 mm. Der Bau der Haare ist derselbe wie bei Manatus, wo ich ihn schon ausführlich behandelt habe; die Breite des Haarbalgs betrug etwa 1,9 mm, die Länge etwa 7,7 mm. Zur Ergänzung meiner Befunde an Manatus- und Halicore- haaren will ich die Strukturverhältnisse an Halieoreborsten noch etwas genauer behandeln. Ich hatte von Dr. FREUND sechs Längs- und vier Querschnitte durch dieselben bekommen und konnte sie also recht genau untersuchen. Wie gesagt, sind die Borsten nach dem Prinzip des Sinushaares gebaut. Nach außen wird der Balg durch eine bindegewebige Faserschicht abgeschlossen, die an ihrer breitesten Stelle, am Ringsinus 780 « dick ist, weiter unten an der Papille beträgt dieses Maß nur 500 «. Nach innen zu folgt die verhältnismäßig dünne Lakunenschicht, welche auf Schnitten nur wenige Hohlräume zeigt. Sie besitzt oberhalb des Ringsinus eine Breite von 700 u, der Sinusraum selbst hat einen Durch- messer von 690 u. Nach unten zu nimmt die Lakunenschicht immer mehr ab und biegt etwa 80 « dick unten um die Wurzel- scheiden herum in die Borstenpapille ein. Der Bau dieser Schicht ist ja bei der Beschreibung der Haare von Manatus schon hin- reichend geschildert, sie ist hier nur relativ viel schwächer als dort. Auch die Verhältnisse im Ringsinus sind dieselben wie bei Manatus. Die Basalmembran ist besonders in den oberen Teilen gut entwickelt und wird am Ringsinus 17 « dick. Sie stellt eine helle Membran mit feiner Querstreifung dar. In sie ragt die äußere Wurzelscheide mit kleinen Fortsätzen hinein, und von außen wuchern Ausläufer der Lakunenschicht durch sie hindurch. An manchen Stellen konnte ich beobachten, wie ein solcher Aus- läufer sich als dünner Faden zwischen den Zellen des Rete Mal- pighi der äußeren Wurzelscheide hindurchzwängt und dann als Knöpfchen endet. Dies dürfte wohl einer der Tastmenisken sein, die in der Literatur häufig erwähnt sind, 846 Friedrich Dosch, Bei stärkerer Vergrößerung zeigte sich ein großer Teil der Querstreifung deutlich als Verbindungsbrücken der äußeren Wurzel- scheide und es ist wohl klar, daß wir es hier mit dem Durchtritt von Nerven durch die Basalmembran zu tun haben, wie es auch schon BonnET geschildert hat. Ebenso konnte ich blasige Zellen, wie er sie in der äußeren Wurzelscheide gefunden hat, antreffen, auch diese stehen wohl mit der Innervierung in Verbindung. Die äußere Wurzel- . scheide ist, wie auch bei Manatusborsten oben ziem- lich schwach, etwa 80 u; sie wird dann nach unten zu stärker und mißt in der Gegend des Ringsinus etwa 150 u, um sich noch weiter zur Papille wieder zu ver- schmälern. Schließlich be- sitzt sie nur noch zwei Zell- reihen und biegt zusammen mit der inneren Wurzel- scheide in die Haarzwiebel ein, dort verschmilzt sie mit den Zellschichten, welche das eigentliche Haar ent- stehen lassen. Die Struktur der Wurzel- Textfig. 15. Halicore Dugong (erwachsen). a i - au Borstenlängsschnitt. Vergr. 10. 3. Haarbalg; scheiden ist die gewöhn Bk. Bindegewebskörper des Ringsinus; liche, daher kann ich von Blg. Blutgefäß; G/A Glashaut; 7 Haar- > ler schaft; z.5s. innere Balgschicht; z. @rl. einer Schilderung derselben innere Grenzlamelle; X. Nerven; Na. ‘absehen. Durchtrittsstelle eines Nerven; ?ap. Borsten- Das Innere der Borste papille; RS. Ringsinus; Szz. Sinus; W _ S 3 Wurzelscheiden. ist auf den mir vorliegen- den Präparaten vollständig von der Haarpapille erfüllt, und diese wird von einer Menge von Blutgefäßen und Bindegewebsfasern durchsetzt; auch Nerven konnte ich auffinden, allerdings nur in geringer Anzahl. An der obersten Stelle des Präparates hatte die Haarpapille noch einen Durchmesser von 0,5 mm, nach unten zu wird sie natürlich breiter Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 847 und an der Haarzwiebel erreicht sie eine Dicke von 1,2 mm. Die Gesamtbreite der Borstenzwiebel mit den dazu gehörigen Balg- schichten war 2,7 mm. Doch stellten meine Präparate nur die Borste in ihrem unteren Teil bis zur oberen Grenze des Ring- sinus dar. Der eigentliche Schaft der Borste zeigt von innen nach außen folgende Schichten. Zu innerst liegt eine Zellreihe, die mit ihren chromatinreichen Kernen an das Rete Malpighi erinnert, es folgt darauf eine Schicht, wo wir das Chromatin zusammen- geballt finden und wo es wandständig geworden ist. Dabei waren bisher die Kerne in großer Menge vertreten und einer dicht an den anderen gelagert. Nach außen zu rücken sie immer mehr auseinander. Das Plasma tritt mehr in den Vordergıund und Zellgrenzen werden sichtbar, schließlich verkleinern sich die Kerne immer mehr und die Verhornung tritt in der gewöhnlichen Weise ein. Die Innervierung der Borsten ist die gleiche wie bei Haaren. In Bündeln, die bis 70 « dick werden, ziehen die Nerven empor, biegen um und dringen oberhalb der Zwiebel ein. Das weitere ist schon eingehend geschildert. Das Corium von Halicore zeigt die gewöhnliche Scheidung in Stratum papillare und Stratum reticulare, mit den schon oft angegebenen Unterschieden. Das erstere liegt fast vollständig zwischen den Einsenkungen der Epidermis und umsäumt das untere Leistenende in dünner Schicht. Auch das letztere zieht mit seinen Fasern etwas zwischen die Einwucherungen hinein und diese werden dadurch in ihrer Richtung beeinflußt. Auber solchen, die nach allen möglichen Richtungen ziehen, finden sich besonders zwei Systeme von Bindegewebsfasern ausgeprägt, die sich senkrecht kreuzen und deren Richtungen parallel und senk- recht zur Längsachse des Tieres’ stehen. Etwas tiefer treten dann auch bedeutendere Faserbündel auf, die schräg nach oben ziehen. In den obersten Schichten finden wir Bündel von nur 20 u Dicke oder sie erreichen noch nicht einmal diese Stärke; 0,7 mm tiefer haben sie schon Durchmesser von 70 « und 5 mm unter der Oberfläche treten die ersten Fettansammlungen auf. Zunächst noch in kleineren Mengen. Von 7,5 mm Tiefe an durchsetzen jedoch größere Fettmassen das Corium, die Binde- gewebsfasern treten zurück, nur die kräftigeren bleiben bestehen, und das Corium geht auf diese Weise stetig ins Unterfett- gewebe über. 348 Friedrich Dosch, Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse bei Hlalicore. Fassen wir auch hier wie bei Manatus das Gefundene kurz zusammen, so finden wir: 1. Die Epidermis zerfällt in mehrere recht gut unterscheid- bare Schichten. Über dem Rete Malpighi liegt die sogenannte Stachelzellenschicht, dazwischen aber schieben sich Zellreihen ein, deren Kerne bläschenförmig und etwas vergrößert sind, und in denen sich das Chromatin an der Wand zusammengeklumpt hat. Zwischen den Kernen ziehen ziemlich kräftige Fasern dahin, die keinerlei Zellgrenzen sichtbar werden lassen. In der Stachel- zellenschicht sind zwar auch Fasern vorhanden, doch erreichen diese nicht die Dicke der eben beschriebenen. Ich führe diese Bildungen auf die Zusammendrängung der Zellen in den Leisten zurück und glaube, daß diese Fasern wohl geeignet sind, der Epidermis eine besondere Zugfestigkeit zu verleihen. Ferner befinden sich über der Stachelzellenschicht Zellreihen die sich mit Eosin sehr gut färben. In ihnen plattet sich der Kern ab, verschwindet allmählich und es beginnt die Verhornung. Diese letzten Bildungen treten bald deutlicher differenziert auf, bald gehen sie stetig in die angrenzenden Schichten über. Dies letztere geschieht besonders an stark pigmentierten Stellen und dort zeigen sich auch noch eine Reihe kräftiger Pigmentansamm- lungen. 2. Mit zunehmender Entwicklung treten bei Halicore Pig- mentzellen immer seltener auf und an der Haut eines erwachse- nen Exemplares konnte ich überhaupt keine mehr auffinden. Doch bleibt Pigment in kleinkörniger Form erhalten, tritt aber erst in den höheren Schichten deutlicher hervor. Vielleicht findet also ein Zusammenballen von Pigmentkörnchen statt, die vorher in den Zellen verstreut waren und daher nicht so in die Er- scheinung traten. Diese Pigmentkörhchen könnten daher von Zellen herrühren. Andererseits aber deutet dieses Verhalten doch auch wieder auf eine Entstehung aus dem Chromatin hin, dasin den höheren Schichten reduziert ist, hierauf weist auch die Lage der Pigmentkörnchen um den Kern herum hin. 3. Bei Halicore haben sich am ganzen Körper Haare er- halten und besonders an der Schnauze sind sie zusammen mit äußerst kräftigen Borsten in großer Menge vorhanden. Beide sind nach dem Typus des Sinushaares ausgebildet. Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 849 4. Bei Halicoreembryonen kommt noch eine andere Art von Haaranlagen vor, die sogenannten Mittelhaaranlagen. Sie legen sich wie ein wirkliches Haar an, kommen auch zu einem Stadium, in dem Haarschaft, Wurzelscheiden und ein Balg, wie der eines Sinushaares deutlich ausgebildet sind, dann aber werden sie rudimentär. Zunächst wird die Papille unfähig zur Ernährung des Gebildes, biegt sich um und degeneriert. Dann wandelt sich die äußere Wurzelscheide zu einem Epithelzapfen um, in dessen Mitte der verkümmerte Haarschaft liegt (vgl. KÜKENTHAL, Text- fig. 12). Dieser Epithelzapfen verwächst schließlich mit dem anderen Epidermiseinsenkungen in seiner Nähe und der Haar- schaft degeneriert noch weiter. Beim erwachsenen Tier ist schließlich die frühere Haaranlage überhaupt nicht mehr besonders zu erkennen und nur ein kleiner Hornknopf, der sich nach außen hin als schwarzer Punkt darstellt, erinnert an den früheren Haar- schaft. 5. In der ganzen Haut von Halicore ist die Epidermis leistenförmig in das darunterliegende Corium eingesenkt und an diesen Bildungen nehmen nur die unteren Schichten teil, die höheren aber ziehen einfach darüber hin, ohne sich in ihrer Richtung stören zu lassen. Das Corium wuchert aber auch seiner- seits in Papillen in die Epidermis und dringt oft in das Stratum corneum ein und so bis dicht unter die Oberfläche vor. An der Schnauze erheben sich auf der unbehaarten Haut kleine Höcker, in denen die Oberhaut besonders stark durch nach oben vordringende Coriumpapillen über die sonstige Oberfläche hervorgeschoben wird. Auf die Weise sieht man auf Schnitten auch Schichten des Stratum corneum verhältnismäßig tief liegen, (doch zeigt ihre rundliche untere Grenze, daß an diesen Bildungen die Epidermis nur passiv beteiligt ist. An behaarten Stellen sind die Leistenbildungen jedoch be- deutend kleiner. Diese eben besprochenen Oberhauteinsenkungen legen sich wie richtige Haare an, verschmelzen aber bald zu Leisten. Corium wuchert noch dazwischen ein und so kann man in der fertigen Ausbildung schließlich ihren Ursprung nicht mehr erkennen. 7. Da die Spitzen der Coriumpapillen oft nur ganz wenige Zellreihen unter der Oberfläche liegen, so möchte ich glauben, daß sie auch Tastempfindungen vermitteln, wenn ich auch in ihnen nicht besondere Tastorgane oder Nerven nachzuweisen vermochte. » 850 Friedrich Dosch, Vergleichung und allgemeine Zusammenfassung der Ergebnisse. Vergleichen wir die Epidermiseinsenkungen von Manatus und Halicore, so finden wir folgendes. Bei Manatus zeigt die Entwicklung klar und einwandsfrei, daß es sich hier um ur- sprüngliche Haaranlagen handelt, wenigstens gilt dies für die Epidermispapillen der Körperhaut. Auch die mehr leisten- und balkenförmigen Oberhautwucherungen an der Schnauze legen sich zunächst ganz ähnlich so an wie die Bildungen an der übrigen Haut, und erst sekundär tritt eine derartige Verwachsung ein, daß die ursprünglichen Verhältnisse ganz verwischt werden. An- deutungen von Leistenbildungen findet man ja auch schon an der Körperhaut. Wir können daher unbedenklich die Epidermiseinsenkungen an der Schnauze von Manatus auf reduzierte Haare zurückführen. Dadurch wird aber der Übergang zu den Oberhautleisten bei Halicore leicht verständlich, sie unterscheiden sich prinzipiell von den letzten Bildungen bei Manatus überhaupt nicht und vergleicht man Schnitte durch Schnauzenhaut von dem größten Manatus und dem Halicorestadium II, so findet man an Stellen, wo bei dem letzteren die besprochene Höckerbildung nicht so stark her- vortritt, fast vollständig gleiche Bildungen. Wie sehr sich aber eine Epidermisbildung im Laufe der Entwicklung ändern kann, haben wir schon bei den Mittelhaar- anlagen gesehen, und ich glaube durch den Nachweis der eben beschriebenen Übergänge gezeigt zu haben, daß auch die Leisten bei Halicore von reduzierten Haaren abzuleiten sind. Diese Gebilde bekommen bei Halicore und Manatus nun eine neue Funktion, nämlich die Oberhaut im Corium recht fest zu verankern, daher sind sie auch zwischen den Haaren und Borsten bei Halicore noch stärker reduziert, denn dort haben ja die Haare diese Funktion schon übernommen. In seiner Beschreibung der Haut von Rhytina ist A. BRANDT zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen, wie ich sie eben dar- gelegt habe, und die Abbildungen 7, 13, 14 und 15 weisen dar- auf hin, daß sich Rhytina in ihrer Hautstruktur an Halicore anschließt. Auch beim Vergleich mit der Haut der Wale findet man eine bedeutende Ähnlichkeit der dortigen Epidermiseinsenkungen Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen, 851 mit denen bei Halicore, und da bei Walen und Sirenen diese Veränderungen im Bau der Haut anscheinend dieselbe Ursache haben und sekundäre Anpassungen ans Wasserleben darstellen, so dürften auch die Epidermisleisten der Cetaceen ähnlichen Haaranlagen ihre Entstehung verdanken. Ein weiteres Ergebnis ist, daß alle Haare am Körper der Sirenen, von den feinsten Haaren im vorderen Nasenteil bis zu den stärksten Borsten als Sinushaare ausgebildet sind. Man hat ja in der letzten Zeit immer häufiger gefunden, daß Sinusbildungen in Haarbälgen viel weiter verbreitet sind, als man zunächst an- nehmen konnte. Außer auf den Lippen, den Wangen und in den Augenbrauen sind sie an der Palma manus des Maulwurfes, in den Ohren der Fledermäuse und am Bauch von Eichhörnchen entdeckt worden. Eine Verbreitung von Sinushaaren über den ganzen Körper ist bisher nur von WEBER für Hippopotamus nachgewiesen worden und nach einer Angabe in FRIEDENTHALS Haaratlas besitzt Heterocephalus glaber RürpELL ebenfalls nur solche. Die Sinushaare der Sirenen stellen einen Übergang dar zwischen solchen, in welchen ein typischer Ringsinus ausgebildet ist und denen, bei welchen dies nicht der Fall ist. Denn bei Manatus und Halicore findet sich zwar ein solches Gebilde in (Gestalt eines wohlausgebildeten Hohlraumes, aber es trägt keinen Sinuskörper und ist außerdem von Bindegewebsbrücken durch- zogen und sein unterer Teil ist fast ganz damit erfüllt. Zum Schluß gestatte ich mir noch, meinem verehrten Lehrer Herrn Professor KÜKENTHAL bestens zu danken für die vielen Anregungen, die ich bei meiner Arbeit von ihm erhalten habe. 2) Friedrieh Dosch, Literatur. Literatur über Haut der Sirenen. Au. BrAnD, Über d. Haut d. nord. Seekuh. M&m. d. l’acad. imp. d. science, d. St. Petersbourg, VII. Serie, 1871. JOH. FRIEDR. BRANDT, Symbol. sirenolog. Ibidem, 1861—1868. P. CAmpERSs, Kurze Nachrichten vom Dugong. Kleinere Schriften. Leipzig 1788. M. F. CuviEr, De I’histoire natur. d. Cötac&es. Paris 1836. DEXLER u. FrEunD, Zur Morphologie u. Physiologie von Hali- core. Wien 1906. A. v. HumBoLpT, Über den Manati des Orinoco. Arch. f, Naturg. 1838. W. KÜKENTHAL, Vergleich. anat. u. entwicklungsgesch. Unters. an Sirenen. Denkschr. med. nat. Ges. Jena, Bd. IV. Fr. Leyvig, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Tiere. Frankfurt a. M. 1857. J. MurRIE, On the form and structure of the Manatee. Trans- act. zool.e London 1872. Rapp, Die Cetaceen. Stuttgart 1857. RüPPpELL, Schreiben über den im Roten Meer vorkommenden Dugong. Abh. Mus. Senckenberg. Frankfurt a. M. 1857. SCHREBER u. J. A. WAGNER, Die Säugetiere. Erlangen 1846. StannIus, Beitrag zur Kenntnis der amerikanischen Manatis. Rostock 1845. (x. W. STELLER, Ausführliche Beschreibung von sonderbaren Meerestieren. Halle 1753. TURNER, The foetus of Halicore Dugong and of Manatus seneg. Journ, of Anat. and Physiol. 1894. wichtigste benutzte Literatur über Haut und Haare im allgemeinen ©. ARNSTEIN, Die Nerven der behaarten Haut. Sitzber. d. Math.-Nat. Kl. d. K. K. Akad. d. Wiss, Bd. LXXIV, Abt. 3, Jahrg. 1876, Heft 1—5. Wien 1877. A. BrancA, Recherches sur la Keratinisation. Journ. d. l’Anat. et d. !’Physiol. Paris 1911. 3) Bau und Entwicklung des Integuments der Sirenen. 8353 R. BURKART, Über die Nervenendigungen in den Tasthaaren der Säugetiere. Zentralbl. f. d. med. Wiss. Berlin 1870. 4) R. Bonner, Studien über die Innervation der Haarbälge der 5) 6) ?) 17) Haustiere. Morph. Jahrb., Bd. XV. 1878. H. R. Davies, Die Entwicklung der Feder und ihre Beziehung zu anderen Integumentgebilden. Morph. Jahrb. 1889. M. J. DietL, Untersuchungen über Tasthaare I. Sitzber. d. Math.-Nat. Kl. d. K. K. Akad. d. Wiss, Bd. LXIV, I. Abt., Juni 1871. Ders., Untersuchungen über Tasthaare II. Ibidem, Bd. LXVI, III. Abt., Juli 1872. Ders., Untersuchungen über Tasthaare III. Ibidem, Bd. LXVIII, III. Abt., Dezember 1873. J. FREDERIC, Untersuchungen über die Sinushaare der Affen. Zeitschr. f. Morph. und Anthrop. Stuttgart 1905. H. FRIEDENTHAL, Tierhaaratlas. Jena 1911. GEGENBAUER, Untersuchungen über die Tasthaare einiger Säuge- tiere. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. IH. 1851. A. JarHA, Über die Haut nordatlandischer Furchenwale. Diss. Königsberg 1907. KAZZANDER, Zur Biologie von Talpa europaea. Anat. Anz,, Bd. XXXIV. Jena 1909. KOELLIKER, Zur Entwicklungsgeschichte der äußeren Haut. Zeitschr. f. wiss. Zool, Bd. III. 1851. P. Kssunıs, Zur Frage über die Nervenendigungen in den Tast- oder Sinushaaren. Arch. f. mikrosk. Anat. u. Entwicklungs- geschichte, Bd. LIV, 1899. W. KÜKENTHAL, Vergleichend anatom. und entwicklungsgesch. Unters. an Waltieren. Denkschr. d. med.-naturw. Gesellsch., Bd. III. Jena’ 1898. A. LAFFRONT, Recherches sur l’origine des grains de Kerato- hyalin. Bibliogr. Anatom. Paris 1909. 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ToupT, jun., Studien über das Haarkleid von Vulpes vulpes. Annal. des natur.-histor. Hofmuseums. Wien 1907/08. Ders., Über eine beachtenswerte Haarsorte und über das Haar- formensystem der Säugetiere. Ibidem 1910. Ders., Beiträge zur Kenntnis der Behaarung der Säugetiere. Zool. Jahrb., Abt. f. Systematik, Bd. XXXIII. 1912. P. G. Unna, Beitrag zur Histologie und Entwicklungsgeschichte der menschlichen Oberhaut und ihrer Anhangsgebilde, 1876. Ders., Keratohyalin. Monatshefte f. prakt. Dermatolog. Ham- burg und Leipzig 1895. W. WALDEYER, Atlas der menschlichen und tierischen Haare. Lahr 1884. Ders., Untersuchungen über die Histogenese der Horngebilde. Festgabe für Hente. Bonn 1882. M. WEBER, Studien über Säugetiere (Über die Haut von Hippo- potamus amphibius). Jena 1886. Ders., Bemerkungen über den Ursprung der Haare und über Schuppen bei Säugetieren. Anatom. Anzeig,, Bd. VIII. 1893. Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. Ein Beitrag zur Histogenese der Magendrüsen der Fische. Von Walther Schmidt. Mit 36 Figuren im Text. Einleitung. ‚Untersuchungen über die mikroskopische Anatomie des Darmtraktus der Fische sind in den letzten Jahren, im Gegen- satz zu früher, sehr wenig vorgenommen worden. Der Grund dafür lag wohl darin, daß einerseits solche Arbeiten in Methode und Ergebnis als nicht lohnend angesehen wurden, andererseits auch in ihren Hauptzügen durch die Untersuchungen von EDINGER, BIEDERMANN, List und anderen für abgeschlossen galten. Da- durch ist eine Lücke entstanden, die sich oft fühlbar macht. Was nun die Entwicklung des Darmkanals betrifft, so fehlen die An- gaben hierüber fast vollständig. OPPEL, der selbst über diese Fragen gearbeitet hat, betont dies ausdrücklich in seiner mikro- skopischen Anatomie und F. MAURER sagt (Handbuch vgl. Ent- wicklungslehre der Wirbeltiere von O. HEerrwıG 1906): „Über die histologische Ausbildung der Schichten des Magens und Darmes der Ganoiden und Teleostier fehlen genauere Angaben. Wir wissen, dab im Magen Fundus- und Pylorusdrüsen zur Ausbildung kommen, daß Drüsen im Mittel- und Enddarm fehlen. In welcher Weise und in welchen Stadien die mannigfaltigen Faltenbildungen im Darm der Fische sich entwickeln, ist bis jetzt noch nicht ge- nauer erforscht.“ Das größte Interesse bei Untersuchungen nach dieser Richtung verdient der Magen. Untersuchungen über die Entstehungsgeschichte der Drüsen desselben und ihrer chemischen Natur würden, wenn in größerem Maßstab vorgenommen, der Physiologie wichtige Unter- lagen geben können. Die Ontogenie des Magens und die Histo- genese seiner Drüsen ist aber bei Fischen noch kaum bekannt. 55: 856 Walther Schmidt, Bei Lophius piscatorius waren es nun noch Besonderheiten, die zur Bearbeitung dieses Tieres reizten. Gern ging ich deshalb auf den Vorschlag meines hochverehrten Lehrers Herrn Professor PLATE ein, die Histologie des Darmes dieses Tieres einer näheren Bearbeitung zu unterziehen. Für die Überlassung von Material, sowie für das rege Interesse, das er meinen Unter- suchungen stets entgegenbrachte, bin ich ihm zu größtem Danke verpflichtet. Ebenso möchte ich nicht verfehlen, Herrn Privat- dozent Dr. ALBRECHT HasE für manche Förderung auch an dieser Stelle zu danken. Der Magen von Lophius piscatorius hat in neuerer Zeit als Bearbeiter schon ALBERT ÖOPPEL gefunden (Lehrbuch der ver- gleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere I. Teil). Das Ergebnis seiner Untersuchung war die Erkenntnis, daß dieser Fisch „ein Verhalten zeigte, das unter den Fischen einzig da- steht“. Es fanden sich nämlich im Epithel des Magens reichliche, kugelige Becherzellen, ein Befund, der „mit den sonst bei Verte- braten beobachteten Verhältnissen in Widerspruch steht“. Denn es finden sich von den Teleostiern an in der ganzen Wirbeltier- reihe keine Becherzellen, und dieses Fehlen ist gerade ein wich- tiges Moment in der Beurteilung des Magenepithels als eines Epithels sui generis. Um diesen „Verstoß gegen diese bei den Vertebraten beobachtete Regel“ zu verstehen, stellt OPPEL eine Hypothese auf, die er durch das histologische Bild stützt. Die Becherzellen befinden sich nach ihm an den Drüsenmündungen und in deren nächster Umgebung. In den Zwischenräumen zwischen den Drüsenmündungen fehlen die Becherzellen. Da nun den Fundusdrüsen nach seinen Beobachtungen ein Drüsenhals ganz zu fehlen scheint, die Drüsen vielmehr unvermittelt zwischen den Zellen des Oberflächenepithels ausmünden, hält er die Becherzellen für dislozierte Halszellen. Die Dislokation glaubt er durch die starke Faltung der Mucosa erklären zu können. Durch OPrPrEus Theorie ist die für die Anatomie grund- legende Frage nach der Spezifität des Magens auch für unseren Fall beantwortet. Die Entwicklungsgeschichte der Drüsen gab nämlich die Möglichkeit, diese Theorie zu beweisen und damit die prinzipiell wichtige Frage auch für unseren speziellen Fall zur Entscheidung zu bringen. Nach der histologischen Betrachtung der einzelnen Stadien werden wir in der Lage sein, den Beweis für die Gültigkeit der OppeEschen Theorie zu erbringen. Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 897 Geschichtlieher Rückblick. Die Literatur über Lophius piscatorius ist ziemlich groß. Ein Fisch von ebenso seltsamem Aussehen wie absonderlichen Lebensgewohnheiten hat naturgemäß seit alters viel Interesse hervorgerufen. So zahlreich aber auch die Berichte über die Lebensweise dieses Tieres sind, so fehlen im Gegensatz dazu anatomische Spezialuntersuchungen in der älteren Literatur fast völlig. Erst in den letzten 30 Jahren ist man diesen Fragen näher getreten. Als erster machte — nachdem das erwachsene Tier durch CUVIER schon seine genaue Beschreibung erfahren hatte — ALEXANDER AGASSIz genauere Angaben über jugendliche Stadien von Lophius (On the young stages of some osseous fishes Part III in Proc. of the American Academy, XVII, 1882). Er gab Beschreibung und Zeichnung einiger ziemlich junger Stadien unter hauptsächlicher Berücksichtigung der Umwandlung der Flossen und der Bildung der Pigmentzellen in der Haut. Etwas später verbreitete er sich noch ausführlicher über Eiablage, Gestalt des Eibandes und erste Embryonalentwicklung, jedoch ohne Berücksichtigung der inneren Anatomie (The deve- lopment of osseous fishes, Cambridge 1885 in Memoirs of the Museum of Comperative Zoology, Vol. XIV, No. 1, Part 1). 1884 erschien eine Arbeit von G. Fritsch „Über den Angelapparat des Lophius piscatorius“ (Sitzungsberichte der Kgl. Preußischen Akademie der Wissenschaften 1884, ID). Er be- schreibt zunächst eine auffallende Anhäufung riesiger Ganglien- zellen, die die hintere Längsspalte der Medulla erfüllen, und gibt genaue histologische Details über diese nervösen Elemente. Als das diesem Nervenzentrum entsprechende Plus an peripheren ‚Organen sieht er nun einmal die zahlreichen blattartigen Mas- kierungsgebilde an, die den Körper des Fisches umsäumen und dann den Angelapparat, von dem er eine genaue Beschreibung gibt. Es folgen die Arbeiten von FREDERIC GUITEL: Sur la ligne laterale de la Baudroie (Comptes rendus de l’Acad. Paris 110, 1890) und Recherches sur la ligne laterale de la Baudroie (Arch. Zool. exper. et gener., II. Serie, Tome IX, 1891). Bevor GUITEL auf die speziellen Fragen eingeht, beschäftigt er sich mit der Nahrungsaufnahme des Tieres, die er genau darstellt. 858 Walther Schmidt, Was nun seine Untersuchungen über die Seitenlinie an- betrifft, so unterscheidet GUITEL sechs Reihen bei Lophius, die serie laterale, sus-orbitaire, intermaxillaire, operculaire, maxillo- operculaire und mandibulo-operculaire. Die Terminalorgane, die die Seitenlinie der Fische zusammensetzen, liegen in den soge- nannten Schleimkanälen der älteren Autoren, deren wahre Natur erst LeypıG 1850 erkannt hat. Viele Fische besitzen nämlich außer den verdeckten noch freie Nervenendigungen, schließlich gibt es welche ohne Schleimkanäle, nur mit freien Nervenendi- gungen und zu diesen gehört nach GUITEL auch Lophius pisca- torius. Derselbe Autor veröffentlichte im Anschluß an die vorigen noch eine Arbeit „Sur les organes gustatifs de la Baudroie“ (in Comptes rendus de l’Acad. des sciences*de Paris 112, 1891). Seine Resultate faßt er zusammen in einem Resume: „Lophius besitzt eine sehr große Zahl von becherförmigen Buccal- organen, die zu kleinen Gruppen vereinigt sind und in Reihen in unmittelbarer Nähe der zahlreichen Zahnreihen stehen. Diese Organe, die man als Geschmacksorgane zu deuten hat, werden innerviert vom Nervus pneumogastricus, facialis und trigeminus.“* H. EHRENBAUM beruft sich in seiner Abhandlung über „Eier und Larven der Fische“ (Nordisches Plankton, Zool. Teil, Bd. I, 1905) auf die Untersuchungen früherer Autoren und fügt ihnen nichts Neues hinzu. Am umfassendsten hat THEODORE GILL unser Tier be- handelt: „Life-history of the Angler“ (Smithsonian Miscellaneous Collections 47, 1905) und Angler Fishes, Their Kinds and Ways (Annual Report of the Smithsonian Institution 1908) sind die Schriften, in denen er unter Heranziehung einer großen Literatur detaillierte Angaben über das Verbreitungsgebiet und die Biologie des Fisches macht. Ein besonderer Abschnitt beschäftigt sich mit dem Futter des Lophius, und hier gibt er eine Anzahl An- gaben, die zum großen Teil aus Fischereiberichten zu stammen scheinen. In der zweiten Arbeit gibt er außer biologischen Beob- achtungen eine Systematik der Pediculaten. Ich lasse noch einige andere systematische Abhandlungen folgen: THEODORE GILL: Synopsis of the Pediculate Fishes of the Eastern loast of Extratropical North-America in Proc. Un. States Nat. Mus. 1878, Vol. 1; Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 859 JORDAN und GILBERT: Synopsis of the Fishes of North-America in Bull, Unit. States Nat. Mus. 1882, Vol. 16; GoopE and Bean: Oceanic Ichthyology in Smithsonian Instit. Special Bulletin 1895, 2; JoRDAN and EVERMANN: Fishes of North-America in Un. States Nat. Mus. 1900; C. TATE Resan: A Revision of the Fishes of the Family Lo- phiidae in Annals and Magazine of Nat. Hist. 1903, Vel’XT; AuGust BRAUER: Tiefseefische, in Wissensch. Ergebnisse der deutschen Tiefsee-Expedition 1906, Bd. XV, 1. Lief., system. Teil; und nenne zur Vollständigkeit noch einige Arbeiten, die sich mit Lophius befassen: FRITSCH: Über einige bemerkenswerte Elemente des Zentral- nervensystems von Lophius piscatorius (SCHULTZES Arch. mikr. Anat. 1886, 27). E. HoLMGrREn: Vorläufige Mitteilung über Spinalganglien (Anat. Anz. 1898, 15). Ipem: Zur Kenntnis der Spinalganglienzellen von Lophius piscatorius (Anat. Hefte 1899, 12). F. K. Stupnıeka: Über einige Grundsubstanzgewebe (Anat. Anz. 1907,.8EXT]). HAMBURGER: Über die paarigen Extremitäten von Squalius, Trigla, Periophthalmus und Lophius (Revue Suisse de Zool. 1904, 12) *. L. BoLKk: Beobachtungen über Entwicklung und Lagerung von Pigmentzellen bei Knochenfischembryonen (SCHULTZES Arch. mikr. Anat. 1910, 75). GIDEONn S. Dopps: Germ Zells of Lophius (Journal Morph. Philad., Vol. 21) *. K. M. DerJUGIN: Über einige Stadien in der Entwicklung von Lophius piscatorius (Trav. Soc. Imp. Nat. St. Pöters- bourg, Sect. Zool. et Phys., Vol. XXXII, Livre 4). Material und Methoden. Zu Beginn meiner Untersuchungen, im Mai 1913, standen mir aus der Sammlung des zoologischen Institutes zu Jena fünf * Diese Arbeiten waren mir nicht zugänglich. 860 Walther Schmidt, erwachsene Exemplare von Lophius piscatorius L. zur Verfügung. Sie stammten aus dem Kattegat und lagen schon längere Zeit in einem Gemisch von Formaldehyd und Alkohol, waren infolge- dessen nur für morphologische Zwecke noch verwendbar. Da es mir aber, wie gesagt, hauptsächlich auf histologisch- histogenetische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen ankam, besuchte ich auf Rat des Herrn Privatdozenten Dr. HAsE für die Monate August und September 1913 die k. k. zoologische Station Triest. Stıasny hat in zwei Arbeiten (Arb. zool. Inst. Wien und Triest 1911 und 1913) postembryonale Stadien be- schrieben, die er im Golfe von Triest gefangen hatte, und es er- schien dieser Platz als besonders günstig. Durch die Vermittlung von Herrn Professor C. J. CorI, dem ich mich für seine gütige Unter- stützung zu größtem Danke verpflichtet fühle, konnte ich auch eine größere Anzahl von Jungfischen mit nach Hause nehmen, die sämtlich in Formol fixiert waren und mit Alkohol nach- behandelt wurden. Ausdrücklich möchte ich hier betonen, daß diese Fixierung sich sehr gut bewährt hat und bessere Resultate gab als Sublimatfixierung. Die postembryonalen Stadien habe ich in neun Größen- stufen eingeteilt: a) 14 mm 1 Exemplar, b) 16--15 mm 2 Exemplare, c) 20 mm il : d) 20—25 mm 4 er e) 25—30 mm 3 y f) 30—55 mm 4 g) 355—40 mm 5 “ h) 40—45 mm 5 = i) 45—50 mm 5 e Aus jeder Gruppe habe ich, sofern es möglich war, zwei Tiere geschnitten, und zwar bei den jüngeren Fischen von Kopf zum After, bei älteren nur den herauspräparierten Darmkanal. Um ein möglichst genaues Bild zu bekommen, habe ich in vollen oder halben Serien geschnitten, d. h. im letzteren Fall nur jeden zweiten Schnitt benutzt. Die Dicke der Schnitte schwankte zwischen 5 und 15 u, betrug meistens 10 u. Der Färbung standen zunächst manche Schwierigkeiten ent- gegen, da das embryonale Gewebe auf viele Farben nicht genau genug reagierte. Ich benutzte als Farben Hämatoxylin nach Dela- Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. s61 field, Eisenhämatoxylin, Hämalaun, (P. MAvEr), allein oder in Kombination mit van GIESONS Pikrinsäure - Säurefuchsingemisch, Eosin, Karmin, Orange G und Lichtgrün. Orange G gab die besten Bilder, wenn es nach Über- färbung gut differenziert wurde; van GIESoNs Gemisch bewährte sich ebenfalls, namentlich für Übersichtsbilder infolge seiner reichen Farbentonskala, wenngleich es auch den Nachteil hatte, nicht einheitlich die ganze Serie zu färben. Aus dem ziemlich reichhaltigen Material habe ich nun nur vier Stadien ausgewählt, da mit der Zunahme des Wachstums um je 5 mm die Differenzierung des Darmkanales nicht sonder- lich zunahm. Es sind folgende Größenstadien: I. Stadium ca. 18 mm, Il. Stadium ca. 25 mm, III. Stadium ca. 35 mm, IV. Stadium ca. 45 mm. Das früheste Stadium von 14 mm habe ich kurz bei I er- wähnt, näher auf den Darmkanal dieses Tieres einzugehen, hielt ich für unangebracht, da hier die Drüsenbildung, auf die es mir hauptsächlich ankam, noch gar nicht eingesetzt hat. Auf dem ersten Stadium ist die histogenetische Entwicklung der Fundusdrüsen bemerkenswert, auf dem zweiten und dritten schreitet sie fort, und zugleich entwickelt sich hier der ganze Darmkanal, indem sich die Schichten mehr differenzieren. Auf dem vierten Stadium ist die Drüsenbildung abgeschlossen, und die Becherzellen des Ösophagus und Magens sind ausgebildet. Damit ist das wesentliche in der histologischen Differenzierung erledigt. Außer den postembryonalen Stadien sammelte ich in Triest auch eine Anzahl erwachsener Tiere, womit ich die meine, bei denen schon die dorsoventrale Abplattung und die typische Ge- stalt der Flossen für die Umwandlung in den Bodenfisch spricht. Hier war ich allerdings in Triest in weniger günstiger Lage. Der erwachsene Fisch ist im Triester Golf nicht häufig und bei meinen Sammelfahrten mit dem Stationsboot ist er nie gefangen worden. Er lebt eben nicht an der Steilküste in dem Algen- und See- grasgewirr, sondern mehr auf schlammigem Untergrund. Hier wird er von den Chioggioten gefangen und auf den. Triestiner Fischmarkt gebracht, wo er fast täglich zu finden ist. Da jedoch eine längere Zeit zwischen Fang und Verkauf vergeht, so ist an eine Verwertung des Darmes für histologische Zwecke nicht mehr 862 Walther Schmidt, zu denken. Auch bei den Tieren, die auf meine Veranlassung direkt von den Fischern durch das Stationsboot eingeholt wurden und die zum Teil noch Lebenszeichen von sich gaben, hatte eine Selbstverdauung des ‘Magens schon eingesetzt. Infolgedessen waren auch die Fische, die ich im Laufe des Wintersemesters 1913/14 aus Helgoland und Hamburg erhielt, nur für morpholo- gische Arbeiten brauchbar. Da ich nun eine ganze Reihe erwachsener Tiere zur Ver- fügung hatte, habe ich vor den histologischen Teil dieser Unter- suchung einen morphologischen gestellt, in dem ich die Darm- lagerung in den verschiedenen Größenstadien darstellen werde. Eine solche Zusammenstellung ist noch nicht vorgenommen worden. I. Morphologischer Teil. JAKOBSHAGEN hat in seiner umfangreichen Arbeit „Über das Darmsystem der Fische und Dipnoer“ unter Heranziehung der gesamten Literatur und auf Grund eigener Untersuchungen eine Morphologie des Darmkanals der Fische gegeben. Es läßt diese Arbeit die Histologie ganz außer acht und beschränkt sich neben der Schilderung der grob-anatomischen Verhältnisse nur auf eine Darstellung des Schleimhautreliefs, wie sie v. EGGELING schon für eine große Anzahl von Teleostiern gegeben hatte (Dünndarmrelief und Ernährung bei Knochenfischen, Jen. Zeitschr. Bd. XLIII, 1908). Nachdem JAKOBSHAGEN So für die verschiedenen Gattungen je einen Fall von Darmlagerung beschrieben hatte, möchte ich in meinem speziellen Fall die Entwicklung der Darmlagerung bei Größenzunahme des Tieres hier erörtern. Bei Eröffnung der Leibeshöhle von Lophius durch einen die Bauchwand durchtrennenden Schnitt liegt der Darm völlig frei zutage. Er läßt sich in seinen Windungen leicht verfolgen. Durch Formol oder Alkohol wird die Muscularis so gehärtet, daß der Darm als ein pralles Rohr erscheint. Die einzelnen Windungen liegen nicht sehr dicht beieinander, da die Leibeshöhle ziemlich geräumig ist. Eine Überlagerung tritt nur in geringem Maße ein, infolge der Abplattung des Tieres. Die beigegebenen Zeich- nungen sind sämtlich in der Art entworfen, daß sie die Darm- lagerung in situ nach Eröffnung der Bauchwand zeigen. Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 863 Zunächst gebe ich der Vollständigkeit halber eine kurze Charakteristik des Darmkanales. Der Ösophagus steigt von dem hinteren Teile der mächtigen Mundhöhle steil zum Magen. Er ist ziemlich kurz und sehr dickwandig. Da Lophius ein Raubfisch ist, und die oft sehr um- fangreichen Beutetiere unzerkleinert in den Magen befördert werden, so ist der Ösophagus sehr erweiterungsfähig. Die Musku- latur ist sehr mächtig entwickelt und besitzt zwei starke Retrak- toren, die aus der Speiseröhre später heraustreten und sich an der dorsalen Wand der Leibeshöhle weit hinten anheften. Sie dienen jedenfalls dazu, das Schlingen der Tiere zu erleichtern. Der Magen nimmt den größten Teil der Leibeshöhle ein. Der enge Pylorusast ist der Cardia sehr genähert, der Pylorus ist von Wülsten umgeben. Bemerkenswert ist der mächtige, oft kugelig erscheinende Fundusblindsack. Eine Pylorusklappe fehlt. Der Darm ist verhältnismäßig lang und sehr muskulös. Am Anfang des Mitteldarmes finden sich zwei Appendices pyloricae. Der eine ist nach vorn in der Richtung des aus dem Magen aus- tretenden Darms gerichtet, der andere entgegengesetzt dazu. Dieser hintere ist viel länger und stärker als der vordere. Die Pylorusanhänge haben zunächst ungefähr den Durchmesser des Mittel- darmes, verjüngen sich aber nach dem Ende zu ziemlich stark. Etwas weiter hinter der Mündung der beiden Appendices mündet der Ductus choledochus in den Mitteldarm ein. Der Mitteldarm beschreibt einige Windungen, die sehr variabel sind, und wird dabei immer weniger mächtig, indem seine Muskulatur an Stärke abnimmt. Im Enddarm, der von ihm durch eine lange Klappe abgegrenzt ist, wird die Muskulatur zunächst wieder stärker, nimmt aber nach hinten zu an Dicke bald wieder ab. JAKOBSHAGEN sieht das letzte Zwölftel des Darmkanals als präanalen Enddarmabschnitt an, da sich hier ein anderes Schleim- hautrelief vorfindet. Wir betrachten nun die Entwicklung der Darmlagerung. Textfig. 1 zeigt den Verlauf des Darmes bei einem 20 mm großen Tier. Der ovale Magen erfüllt hier den größten Teil der Leibeshöhle. Die Appendices pyloricae zeigen kaum Größen- unterschiede Der Darm ist in seiner ganzen Länge ungefähr gleich stark. Er läuft zunächst nach hinten, biegt dann scharf um und wendet sich nach vorwärts, um darauf in sanftem Bogen nach hinten zu verlaufen. Dieser eben erwähnte, zuerst nach hinten und dann nach vorn verlaufende Ast ist stets konstant, 864 Walther Schmidt, wenn auch in den größeren Stadien oft verdeckt. Von dem 48 mm großen Tier gebe ich drei Figuren (Textfig. 2—4). Während bei 2 die Lagerung sehr einfach ist, treten bei 3 und 4 Textfig. 2. Textfig 3. Textfig. 4. SV ® Textfig. 1. Lophius, 20 mm. Darmver- Textfig. 2, 3 u. 4. Lophius, 48 mm. Darmverlauf. lauf. Vergr. 4fach. Vergr. 4fach. noch verschiedene Schlingen auf. Man sieht daraus, wie variabel die Darmlagerung und Darmlänge bei gleich großen Tieren sein kann. Textfig. 5 zeigt nun schon den Darmkanal eines Boden- fisches. Hier kann eine Schlingenbildung wie bei 3 oder 4 nicht eintreten, da die dorsoventrale Abplattung des Tieres sie nicht Textfig.5. Lophius, Textfig.6. Lophius, Textfig.7. Lophius, 37 cm. Darm- 18 cm. Darmver- 22 cm. Darmver- verlauf unnormal. t/, nat. Gr. lauf. Nat. Gr. lauf. Nat. Gr. mehr zuläßt. Es treten deshalb zunächst Schlingen zwischen den beiden konstanten Ästen auf (Textfig. 5), oder diese selbst bilden in ihrem Verlauf Schlingen (Textfig. 6). Bei dem 37 em langen Lophius der Textfig. 7 ist eine sehr eigenartige Verlagerung eingetreten. Der nach vorn zurück- steigende Ast lehnt sich nicht, wie es normalerweise der Fall ist, an den ersten an, sondern ist auf die andere Seite des Magens Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 865 Textfig. 8. Lophius, 40 cm. Darm- Textfig. 9. Lophius, 50 cm. Varia- verlauf unnormal. '/, nat. Gr. bilität des Darmverlaufs. /, nat. Gr. er \) Textfig. 10. Lophius, 50 cm. Varia- Textfig. 11. Lophius, 54 cm. Darm- bilität des Darmverlaufs. /, nat. Gr. lagerung. '/, nat. Gr. 866 Walther Schmidt, verlagert, dem er anliegt. Im weiteren Verlauf der Entwicklung wird die Abhängigkeit der Darmlagerung von der Magenform immer deutlicher. Der mächtige Magen läßt dem Darm neben sich keinen Platz mehr und drängt ihn ganz in den hinteren Teil der Leibeshöhle. Hierfür vgl. man Textfig. 8—11. Ist der Magen nicht zu sehr mit Nahrung erfüllt, so kann auch die Darmlagerung normal sein wie bei Textfig. 10, wo deut- lich der nach hinten und der nach vorn gerichtete Ast er- kennbar ist. Die weitere Komplika- tion des Darmkanals geht auf Kosten des Dickdarms vor sich, der bei unserem Tier allerdings nicht der dickste Darmabschnitt ist. Es wäre ganz unmöglich, in diesem Schlingengewirrfeste Anhalts- punkte zu gewinnen. Stets treffen wir auf ein ganz an- deres Bild. Der Grund für diese so sehr variierende Darmlage- rung ist wohl in der Nahrung gegeben. Der Magen ist sehr erweiterungsfähig und enthält Textfig. 12. Lophius, 56 cm. Darm- im Innern oft Fische, die die- lagerung. '/, nat. Gr. selbe Größe haben, wie der Lophius, der sie gefressen hat. So ist die Form des Magens nach der jeweilig darin ent- haltenen Nahrung bestimmt. Der Magen drückt dann auf den Darm, und dieser läßt sich leicht verschieben. Seine Windungen liegen nicht dicht beieinander, und die geräumige Leibeshöhle begünstigt von vornherein eine Verlagerung. Daß auch die Länge des Darmes (mit Einbeziehung der Appendices pyloricae) nicht konstant ist, habe ich schon erwähnt. Die Messungen ergaben folgendes Resultat: Lophius 2 cm ca. 53 cm Darmlänge. . 4,5 cm 6—8 cm > es 18 cm 29cm . “ 22 cm 34cm F Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 867 Lophius 40 cm 54 cm Darmlänge. s 50 cm 72—84 cm!! „, a 87 cm Fr = 56 em. «98 'cm Ar Die Länge des Darmes verhält sich also zu der des Tieres wie 1,—12/,:1. II. Histologischer Teil. I. Stadium (18 mm). Mundhöhle. Ein Schnitt durch den vorderen Teil des Kopfes, ungefähr in der Höhe der Riechgruben, läßt in der Mundhöhle eine Ver- schiedenheit des Epithels erkennen (Übersichtsbild, Textfig. 13). In der Mitte der oberen Wand ist die Epithellage am dünnsten, die Zellen am kleinsten; seitlich nimmt sie allmählich an Stärke Textfig. 13. Schnitt durch den vor- Textfig. 14. Epithel und Submucosa deren Teil des Kopfes des20mm langen der Mundhöhle. Öl-Imm. t/,, Ok. 2. Stadiums. Übersichtsbild, Vergr. B.Z Becherzellen. l5fach. R.Gr Riechgrube; 7.7 Mund- höhle; Z Zunge mit Zungenkorpel. zu. Während auch am Mundhöhlendach das Epithel allein die Bedeckung bildet, treten an den anderen Stellen noch Binde- gewebe und Muskulatur, wenn auch in nur geringer Ausbildung hinzu. Das Epithel der Mundhöhle ist, wie bei den meisten Tele- ostier, ein geschichtetes Pflasterepithel. Natürlich ist auf diesem jungen Entwicklungsstadium das histologische Bild noch nicht ganz klar, die Zellen sind meist polygonal-unregelmäßig, einige haben auch kleine Fortsätze und dokumentieren sich dadurch als Stachel- oder Riffzellen. Auch im Verhalten gegen Reagenzien 868 Walther Schmidt, zeigen sie noch deutlich embryonalen Charakter. Zwischen den Epithelzellen liegen ziemlich vereinzelt Becherzellen von rund- licher bis ovaler Gestalt. Meist haben sie den oberen Epithel- rand noch nicht erreicht, sind also erst in Bildung begriffen. In der starken Färbbarkeit ihres Netzwerks, dem hyalinen Aussehen der Interfilarmasse und dem sichelförmigen Kern unterscheiden sie sich scharf von den übrigen Zellen. Auf diesem Stadium läßt sich manchmal noch das Über- gehen des geschichteten Epithels aus einschichtigem Platten- bis kubischen Epithel erkennen. Unter dem Epithel liegt ein sehr lockeres bindegewebiges Stratum mit vereinzelten länglichen Kernen (Textfig. 14). Schon etwas weiter differenziert tritt uns das Epithel der Zunge entgegen. Zwar besteht das geschichtete Epithel auch hier nur aus zwei bis drei Lagen, doch sind die Zellen schon größer und deutlicher ausgebildet. Die Becherzellen finden sich häufiger vor. Alle Stadien der Entwicklung lassen sich erkennen. 821 - L— ® : ST ee a Textfig. 15. Epithel und Submucosa der Zunge. Öl-Imm. '/,, Ok. 2. B.Z Becherzelle, / in Entstehung, // in Funktion, /Z7 ausgestoßen; F.Z Fettzellen. Die meisten sind zwar erst in statu nascendi, jedoch findet sich schon eine ganze Reihe, die ein Stoma gebildet hat und kräftig sezerniert und sogar einige, die schon vom nachrückenden Epithel aus dem Zellverbande ausgestoßen worden sind (Textfig. 15). Unter dem Epithel liegt eine dünne Schicht von Binde- gewebe mit zahlreichen elliptischen Fettzellen, die, je weiter sie sich vom Lumen entfernen, um so zahlreicher und größer werden. Ösophagus. Die Mucosa des Ösophagus geht ganz allmählich aus der der _ Mundhöhle hervor. Auch die Schleimhautfalten haben sich schon in der Mundhöhle als kleine Wülste bemerkbar gemacht. Im vorderen Teil der Speiseröhre finden sich einige Anlagen von Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 869 Ösophagealzähnen. Die Längsfalten des Ösophagus sind frei von Vorsprüngen und Papillen. Ein Ductus pneumaticus fehlt, wie bei allen Fischen ohne Schwimmblase, und auch Rudimente davon ließen sich nicht nachweisen. Das Epithel geht ohne scharfe Grenze über in ein mehr- schichtiges Pflasterepithel, das aber viel höher als das der Mund- höhle ist. Die Becherzellen liegen auch hier zumeist in tieferen Lagen des Epithels. Flimmerzellen wurden nicht beobachtet (Text- fig. 16). Die Submucosa ist bei diesem Stadium we- nig mächtig und noch kaum differenziert. In ihr liegen auch die Bündel der Muskulatur. Am Anfang des Öso- phagus finden wir nur eine Ringmuskelschicht, die sich aus wenigen Bündeln quergestreifter Muskelfasern zusam- mensetzt, die von dün- nen Bindegewebsfibril- len der Submucosa ge- trennt werden. Die Muscularis eireularis des Ösophagus schließt sich also sofort nach dessen B Textfig. 16. Vorderer Ösophagus. Öl-Imm. Zusammenschluß. Die Yu, Ok. 2. 2.Z Becherzellen; Z5 Epithel; Längsmuskulatur da- 5.M Submucosa; Mz Muscularis. gegen äußert sich in der Hauptsache nur in zwei Bündeln, die auf dem Querschnitt zu beiden Seiten der Mediane auf der Dorsalseite liegen. Vereinzelte Fasern finden sich aber noch auf dem ganzen Umkreis verteilt, meist dort, wo Falten in das Lumen des Ösophagus einspringen. Im weiteren Verlauf des Ösophagus biegt sich nun die Circularis immer mehr nach innen vor und umfaßt schließlich die beiden Bündel der Längsmuskulatur. Nach dieser Durchkreuzung liegen dann gegen Ende der Speiseröhre die beiden starken Bündel völlig außen Jenaische Zeitschrift. Bd. LIIT, 56 870 Walther Schmidt, und nicht mehr im Zusammenhang mit dem Ösophagus (vgl. II. Stadium). Beim Übergang vom Ösophagus zum Magen treten die später so typischen, stark gefärbten Becherzellen noch nicht auf. Magen. Der Magen dieser Gruppe zeigt uns histogenetisch wichtige Stadien der Drüsenentwicklung. Die zahlreiche Literatur über die Magendrüsen der Fische läßt die Entstehungsgeschichte dieser Gebilde unerörter. Die Ursache mag in der Seltenheit des Materiales liegen, denn es ist ein Glücksfall, gerade ein Stadium zu erlangen, auf dem die Entwicklung zu verfolgen ist. Auch mir stand nur ein einziges Exemplar von dieser so wichtigen Größe zur Verfügung. Die Seltenheit dieser Stadien erklärt sich jedenfalls daraus, daß die Tiere plötzlich sehr stark zu wachsen anfangen und die wichtigen Stadien also schnell übergehen. Sieht man von dem Interesse ab, das die Entwicklungs- geschichte der Magendrüsen im allgemeinen schon beanspruchen darf, so kommt bei unserem Fall noch ein spezielles hinzu. Denn infolge der Untersuchung an Lophius gelang es, eine prinzipiell wichtige Frage, die OPPpEL, der einzige Bearbeiter des Magens dieses Fisches, aufgeworfen hatte, zu beantworten. Auf diese Dinge werden wir jedoch erst am Schluß unserer Untersuchung zu sprechen kommen. Zunächst handelt es sich darum, die Histogenese der Fundusdrüsen selbst darzustellen. Der Magen des 18 mm großen Tieres zeigt ebenso, wie alle anderen Teile des Intestinaltraktes noch undifferenzierte Ver- hältnisse. Er scheint jedoch in bezug auf den Darm in der Entwicklung schon weiter fortgeschritten zu sein, da er bessere histologische Bilder, sowohl in bezug auf Färbung, als auch auf Fixierung bietet. Das Epithel ist noch nicht das typische Zylinderepithel, wie es allen erwachsenen Fischen zukommt, die Zellen sind viel- mehr oft quadratisch oder unregelmäßig, und die Zellgrenzen sind schwach ausgebildet oder undeutlich markiert. Die Kerne dieser Zellen sind groß, rundlich bis elliptisch und haben einen großen mit Hämatoxylin sich stark färbenden Kernkörper, der in einer dunklen Grundmasse eingebettet liegt. Eine Differenzierung des oberen Teiles der Zellen hat noch nicht stattgefunden. Unter dem Epithel liegt die Submucosa. Sie zeichnet sich durch viele Fibrillen aus, die ungefähr den Ausbuchtungen des Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 871 Epithels folgen. Teilweise ist die Submucosa schon ein typisches Bindegewebe, wie bei erwachsenen Tieren, an anderen Stellen ist sie wiederum noch ganz undifferenziert und erscheint fast glasig hell. Die Kerne sind alle ungefähr elliptisch und haben einen Zellkern, der sich in seiner Gestalt der Zelle anpaßt. Diese Verhältnisse finden sich in der größeren Hälfte des Magens. Die andere Seite des Magens ist nun aber schon ganz ver- schieden davon beschaffen. Ein Schnitt quer durch das Tier, in der Längsrichtung durch den Magen geführt, zeigt dies (Textfig. 17). An Stelle der kleinen Falten, die sich auf den übrigen Teilen in das Magenlumen vorschieben, finden wir hier einen mächtigen geschlossenen Wulst, der sich fast bis zur Mitte des Magens vorstreckt und das Lumen dadurch sehr beengt. Auf diesem Wulst beginnt der Prozeß der Drüsenbildung. Bei dem Textfig. 17. Magen, Übersichtsbild. Textfig. 18. Drüsenbildung. Beginn Dr.W.Drüsenfeld (Wulst). der Einsenkung des Epithels. Öl- Imm. 2/5. Ok. 4: in Besprechung stehenden Tier waren inmitten des Wulstes die Drüsen schon ziemlich weit in der Bildung fortgeschritten. An den seitlichen Rändern des Wulstes aber und von hier aus vor- geschoben, im ganzen oberen Drittel des Magens fanden sich die verschiedensten Entwicklungsstufen vor. Und zwar, da die Bil- dung vom Wulst ausgeht, die jüngsten Formen am meisten ab- seits von ihm. Die Histogenese dieser Fundusdrüsen stellt nun der Unter- suchung mancherlei Schwierigkeiten entgegen. Zunächst in der Technik. Diese embryonalen Stadien lassen sich ja nicht so different färben, wie fertig ausgebildete Gewebskomplexe, und dies beeinträchtigt die Klarheit des histologischen Bildes natürlich sehr. Ferner muß der Entwicklungsgang kombiniert werden, da 56* 872 Walther Schmidt, die verschiedensten Stufen der Entwicklung nebeneinander liegen. Verfasser ist jedoch der festen Zuversicht, den Befund im ganzen richtig gedeutet zu haben. Was die Zeichnungen betrifft, so sind sie nicht etwa schematisch, sondern genau mit dem ABBE- schen Apparat entworfen. Nur sind manchmal einige überlagernde, unwichtige Zellen, die das Bild leicht schwerverständlich machen würden, weggelassen worden. Die Kombination von Tusche und Bleistift brachte den Unterschied der verschiedenen Zellen am besten zur Geltung und gab auch die besten Übersichtsbilder; sie wurde deshalb hauptsächlich angewandt. Das Epithel mit den noch undifferenzierten Zellen fängt zunächst an, sich etwas einzusenken. Nur selten ist diese Ein- senkung beträchtlich; meistens ist sie überhaupt kaum bemerkbar. Die größte Vertiefung gebe ich in Textfig. 18 wieder. Wir haben hier also das Anfangsstadium der Fundusdrüsenbildung vor uns. Eine Umwandlung des Kerns und des Protoplasmas der Zellen hat noch nicht stattgefunden, sie sind einfach in die Tiefe verlagert. Viel häufiger geht der Prozeß aber anders vor sich. Die Zellen des Epithels bilden sich selbst um. Wie diese Umwand- lung im feinsten Detail vor sich geht, konnte ich bei dem be- schränkten, mir zu Gebote stehenden Material nicht ganz sicher feststellen. Nach meinen Beobachtungen vollzieht sich die Um- wandlung folgendermaßen: Die Epithelzellen rücken an einigen Stellen in die Tiefe. Hier bilden sie dann auf der Grenze des Epithels oder in der Submucosa lockere Zellhaufen. Während des Herausrückens aus dem Zellverbande der übrigen Epithel- zellen wandeln sie sich um. Sie bekommen eine deutlichere Membran und werden rundlich bis elliptisch. Ihr Plasma ist sehr hell und glasig und färbt sich fast gar nicht. Der Kern dagegen hat an chromatischen Elementen zugenommen, er ist sehr dunkel, ebenso wie der Nucleolus, der relativ groß erscheint. Die umgewandelten Zellen liegen nun zunächst direkt unter dem Epithel (Textfig. 19—21). Ständig rücken sie weiter in die Tiefe, während in ihrer Nachbarschaft neue Zellen sich umbilden. Der Prozeß geht sehr lebhaft vor sich, die ganze Submucosa ist erfüllt von den blassen Zellen, zwischen denen die stark gefärbten Kerne der Bindegewebszellen deutlich sichtbar sind. Auch diese haben sich umgewandelt, sie sind viel schmäler und länger ge- worden und tingieren sich stärker. Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 873 Sind die Drüsenzellen soweit in die Tiefe gerückt, daß einige schon die Grenze der Muscularis erreicht haben, machen sie Halt. Und langsam kommt in den zuerst regellosen Haufen DEL Fä Textfig. 19, 20, 21. Bildung der Zellhaufen (Dr.7.) und Verlagerung in die Submucosa, Z5 Epithel, 47% Museularis. Öl-Imm. !/,,, Ok. 2 und 4. Ordnung. Die Zellen wandern auseinander, so daß in der Mitte ein kleiner freier Raum entsteht (Textfig. 22 u. 23). Auf diese Weise bildet sich ein kugeliger Haufen, der auf den Querschnitten sich als Ring darstellt (Dr). Im Fortgang der Entwicklung wird der Innenraum größer, die Zellen schließen sich soweit zusammen, daß sie sich gegen- Textfig. 22, 23. Zusammenschluß der Zellen und Bildung eines zentralen Raumes (Dr.77.). Öl-Imm. !/,., Ok. 4. seitig berühren. Damit ist der erste Abschnitt der Drüsenbildung beendet. Im weiteren Verlauf der Entwicklung findet nun wieder eine Umwandlung der Zelle statt. Nachdem die Zellen sich um ein gemeinsames Lumen gelagert haben, fangen sie an, bedeutend zu wachsen. Es tritt infolgedessen bald gegenseitige Beengung ein, und deshalb stellen sich bald alle Zellen mit ihrer Längsachse 874 Walther Schmidt, radial zu einem Mittelpunkt, der im Lumen liegt. Zwischen den einzelnen Zellen bleiben zunächst noch Hohlräume bestehen, namentlich in der Peripherie findet der völlige Zusammenschluß erst spät statt. Die Bindegewebskerne der Submucosa lagern sich immer deutlicher um die Drüse herum, schließlich bilden sie ein dünnes aber straffes Stratum, das die Drüse allseitig fest umschließt (Textfig. 24). Betrachten wir nun auf diesem letzten Stadium, das wir bei unserem kleinsten Tier beobachten können, den genaueren Bau der Drüsenzelle! Die Zelle hat wiederum eine völlige Strukturveränderung erfahren. Das Protoplasma, das zuerst glasig hell und hyalin war, hat jetzt ein Textfig. 24. Bildung der Drüse feinkörniges Aussehen; der Kern färbt (Dr./1I/.) durch engen, gegen- » E 5 S seitigen Zusammenschluß der Sich intensiv und zeigt neben dem einzelnen Zellen. Bildung des Nucleolus noch reichlich Brocken von Lumens. _ Z% Epithel des Ma- . Ä Br gens. Öl-Imm. !/,, Ok. 2. Chromatin, die hauptsächlich dem Kernkörperchen anhaften. Die starke Anhäufung des Chromatins ist ein Zeichen für die beginnende Sekretion. In der Tat finden sich in dem Zellraum zwischen Kern und Lumen zahlreiche gelb-braune Sekrettröpfehen vor, die nach dem Lumen zu an Größe zunehmen. Es erscheint dieser Teil der Zelle deshalb fast ganz gelb gefärbt, und diese Färbung geht nach dem Kern zu langsam in blau über, in dem die Sekret- körnchen immer mehr von dem Protoplasma verdeckt werden. Nirgends findet sich Sekret in dem Lumen der Drüsen. Auf diesem Stadium haben sie also ihre Tätigkeit noch nicht auf- genommen. Die Drüsen können ja auch noch nicht funktionieren, denn ihnen fehlt noch der Ausführgang. Nirgends läßt sich eine Ausmündung der Fundusdrüsen nachweisen. Gleichzeitig fehlen noch völlig die später typischen Becherzellen des Magens. Es sei dies an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt, im Schlußteil dieser Untersuchungen werden wir genauer auf diese Verhältnisse zurückkommen. Darm. Über die histologischen Verhältnisse des Darmes läßt sich weniger sagen. Der gesamte Darm ist einheitlich gebaut. Er Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 875 besteht aus einem Zylinderepithel, das je nach seiner Lage mehr oder weniger hoch ist. Das ganze Epithel ist mit einem dichten Flimmerkleid besetzt. Dieses erscheint bei schwächerer Ver- größerung als hyaliner heller Saum. Die Sekretion hat noch nicht begonnen, jedoch finden sich im Protoplasma des Epithels schon eine Menge Sekrettröpfehen. Die übrigen Schichten sind erst im Entstehen begriffen. Die Submucosa besteht aus einem ganz dünnen Stratum mit zahlreichen langen Kernen. In den Falten erstreckt es sich bis weit hinauf zwischen die beiden Epithellagen. Textfig. 25. Textfig. 25 und 26. Ösophagus des II. Stadiums. 7.Z Fettzellen; Pig Pigment. Öl-Imm. !/,„, Ok. 2. Über die Muskulatur läßt sich noch nichts aussagen. Die Appendices pyloricae haben dieselbe histologische Beschaffenheit, wie der übrige Darm. ll. Stadium (20—25 mm). Dieses Stadium unterscheidet sich von dem ersten nicht wesentlich. Teilweise sind die Verhältnisse im histologischen Bau etwas differenzierter geworden, in anderen Punkten ist dagegen kaum eine Entwicklung eingetreten. Betrachten wir kurz die einzelnen Teile des Darmkanals! 876 Walther Schmidt, In der Mundhöhle sehen wir zunächst, daß die Entwicklung der Zähne sehr fortgeschritten ist; neben den verschiedenen Stadien die wir schon bei dem 18 mm großen Tier bemerken konnten, sind jetzt schon einige Zähne histologisch völlig ausgebildet und scheinen auch in Funktion treten zu können. Auf die Aus- bildung der Zähne und das Gebiß von Lophius kann ich in dieser Arbeit nicht eingehen. Deutlich tritt eine Schicht von Pigment auf (Textfig. 25 und 26). Diese ist je nach der Lage in der Mundhöhle verschieden stark ausgebildet, ebenso wie die Submucosa in ihrer Erscheinung wechselt. Der Ösophagus zeigt dasselbe Verhalten wie beim ersten Stadium. Seine Falten sind schon in der Mundhöhle zu bemerken. Auch hier finden sich zahlreich Zahnanlagen und zwar im hinteren Teile der Speiseröhre mehr, als im vorderen. Das Epithel hat sich weiter differenziert und führt öfters Becherzellen. Genauer Textfig. 27. Textfig. 28. Soo, \ Rn %0g0 00 0er re Textfig. 27—29. Querschnitte durch den Ösophagus zur Veranschaulichung der Muskellagerung. Halbschematisch. Obj.a,, Ok. 4. M7.Z Muscularis longitudinalis; M.R Musculus retractor; 47.C Muscularis eircularis. läßt sich jetzt das Verhältnis der Muskulatur feststellen. Nach Zusammenschluß der Circularis finden sich neben den vereinzelten kleinen Längsbündeln die schon bei dem ersten Stadium erwähnten beiden starken Bündel. Diese liegen zunächst als zwei mächtige Komplexe zwischen Circularis und Epithel (Fig. 27). Im weiteren Verlauf werden sie von einigen Bündeln der Longitudinalis um- faßt und nach oben gedrängt. Die Circularis weicht zunächst nach der dorsalen Seite zu aus, teilt sich dann jedoch und läßt die beiden Bündel hindurchtreten (Textfig. 28, 29). Diese lassen sich noch weit verfolgen. Sie liegen im weiteren Verlauf zwischen Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 877 den beiden Nierenkomplexen, rücken schließlich mehr und mehr zusammen, bis sie sehr weit hinten verschmelzen. Das einheit- liche Bündel wird dann immer schmäler und dünner und löst sich schließlich ganz auf. Es sei hier bemerkt, daß diese Bündel beim erwachsenen Tier eine große Mächtigkeit haben. Sie treten als sehr starke Bänder aus dem Ösophagus heraus und verlaufen, zunächst als paralleles Paar, dann vereinigt, bis weit nach hinten. Diese starken Muskeln, die auch bei anderen Fischen nachgewiesen sind, sprechen wir wohl mit Recht als Retraktoren an. Die übrigen feinen Bündel von Längsmuskulatur, die sich entweder fast zu einem Kreis herumgeschlossen oder auch nur geringe Ausbildung erfahren haben, verschwinden gegen Ende des Ösophagus immer mehr, die Längsmuskulatur des Öso- phagus geht nicht in den Magen über. Der Magen dieses Stadiums ist noch nicht weiter ausgebildet. Die Drüsenentwicklung schreitet fort, ungefähr alle Drüsenschläuche sind schon differenziert, jedoch noch nirgends in Tätigkeit. Il. Stadium (85—40 mm). Trotz der Größenzunahme dieser Tiere hat die Ausbildung der Organe sich nicht wesentlich geändert. In der Mundhöhle sind bemerkenswert die Zähne, die zum großen Teil wohl schon in Funktion treten. Die Papillen, die GuiteL als Geschmacks- organe beschrieben hat, fangen an, sich jetzt herauszubilden. Das Epithel der ziemlich gefalteten Mundhöhle ist jetzt ein deutliches Pflasterepithel. Es ist scharf abgesetzt gegen die Submucosa und von ihr durch eine schmale straffe Lage von Museularis Mucosae getrennt, die sich auf diesem Stadium deutlich bemerkbar macht. Die Submucosa besteht hier aus ineinander verflochtenen Binde- gewebsfibrillen, die ein Netzwerk bilden, das je nach der Kon- traktion des betreffenden Teiles der Mundhöhle lockerer oder fester sein kann. Für diese Verhältnisse gebe ich Textfig. 30. In den Maschen der Mucosa liegen die ziemlich zahlreichen ovalen Kerne. Der Ösophagus zeigt keine Veränderungen im bezug auf Ausbildung seiner Schichten gegenüber dem II. Stadium. Die Becherzellen treten nur etwas mehr in die Erscheinung und nehmen nach hinten hin an Zahl zu. Deutlich wird schon hier das zahlreiche Auftreten derselben kurz vor dem Übergang des Ösophagus in den Magen, das uns beim nächsten Stadium näher beschäftigen wird. 878 Walther Schmidt, Im Magen ist die Entwicklung der Fundusdrüsen so weit fortgeschritten, daß sich die ersten Stadien der Drüsenbildung nicht mehr vorfinden, vielmehr überall schon das letzte Stadium des Zusammenschlusses der Zellen erreicht worden ist. Es beginnt jetzt allgemein die sekretorische Tätigkeit des Protoplasmas, die sich in der Bildung feiner Granula be- merkbar macht, die in den Drüsen- zellen auftreten. Außerdem finden „= hier und da Vorwölbungen des Epi- Textfig. 30. Epithel und Sub- thels und der Drüsenschläuche mucosa der Mundhöhle des III. s : > 3 Stadiums. Obj. D, Ok. 4. z; Statt, jedoch tritt noch keine ein- Epithel; ‚5.47 Submucosa. zige Drüse auf diesem Stadium in Funktion. Die Becherzellen des Magens fehlen auch auf diesem Stadium noch vollständig. Über den Darm läßt sich nur wenig aussagen, er entwickelt sich sehr langsam und ist histologisch noch ganz einheitlich gebaut. Auf die genaueren Verhältnisse werden wir beim nächsten Stadium ausführlicher zu sprechen kommen. IV. Stadium (45—50 mm). Auf diesem letzten zu behandelnden Stadium ist die Ent- wicklung des Magens prinzipiell abgeschlossen, indem die Fundus- drüsen zur Entwicklung kommen. Die Mundhöhle zeigt keine Veränderungen, sie ist wie bei dem dritten Stadium. Auch der Ösophagus zeigt zunächst Ver- hältnisse, wie sie uns schon bekannt sind. Gegen Ende desselben treten aber Becherzellen plötzlich in großer Anzahl auf. Sie färben sich sehr intensiv mit Hämatoxylin und erscheinen schon völlig blauschwarz, wenn die Kerne der übrigen Zellen noch nicht genug gefärbt sind. Die starke Färbbarkeit beruht auf der Menge des Sekretes, das eine einheitliche Masse bildet, die die Becher- zelle ganz erfüllt und dem sichelförmigen Kerne nur wenig Platz übrig läßt. Das Bild des Ösophagus mit den zahlreichen Becher- zellen zeigt Textfig. 31. Textfig. 32 stellt einige Becherzellen bei starker Vergrößerung dar; sie erscheinen auch hier fast völlig homogen, nur an manchen Stellen ist eine Auflockerung des Sekretes zu beobachten, und zwar, wenn die Zellen anfangen zu sezernieren. Dann quillt der obere Inhalt heraus und ergießt Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. sich über die anderen Zellen. 879 Auch dort, wo die Becherzellen noch in tieferen Lagen sich befinden und erst in Entstehung be- griffen sind, ist die Sekretbildung noch , FI nicht so stark erfolgt, r AEEN (2 v2 so daß man die Pe od Ron Pe Bänder und Stränge “ @ EL Ru 1% von Sekret erkennen . v Ed tra ON ZB kann, die die Becher- Er ’; U, en zelle zunächst durch- 7: On ef) Z ; n N setzen. Rost = \ de CR") E a) en N eo \e Hirr £p Esläßtsichschwer 77, % RS RC IR, en. Ey, entscheiden, ob diese ne Ve”! Becherzellen homo- ,% “a B: PR? BR log sind mit denen $ N AR Ir STE im vorderen Ab- Be a x DIRTY ap, RR h schnitt der Speise- & u ie Pi Ah - a \ röhre und ob sie % ae Engl & X x “ dieselbe physiologi- Me = u 3 |z BE sche Bedeutung ha- 8, ER =) 5 ben. Die Becher- MC--” AR I we > zellen im vorderen “ e ‚Nu Z %e.) a Abschnitt haben ein 5.M x ” a anderes Aussehen. SE | Sie zeigen einen sehr dichten Wandbelag von Sekret, von dem aus Stränge und Fäden nun schon Übergänge zwi- schen diesen beiden Typen, aber doch kann man diese nicht ohne weiteres identi- fizieren, da die stark ge- färbten Becherzellen des hin- teren Ösophagus sich einmal nie im vorderen Teil in ty- pischer Form finden, anderer- seits sie überhaupt erst auf diesem Stadium in die Er- Textfig. 31. ungeheuere Menge von Becherzellen. M.C Muscularis circularis; tudinalis; S.M Submucosa; ZZ Epithel. die Zelle durchsetzen, selben die Substanz hell und hyalin erscheint. Textfig. aus dem Ösophagus (Teilstück der Fig.31). Obj. D, Ok. 4. während a9, Ösophagus (halbschematisch) zeigt die Obj. A, Ok. 2. M.L Muscularis longi- den Maschen der- Es finden sich in “ + Epithel mit Becherzellen 880 Walther Schmidt, scheinung treten, nachdem sie auf dem dritten Stadium eben angefangen hatten, sich auszubilden. Später werden wir versuchen, eine Erklärung für ihr Auftreten zu finden. Magen. Das Epithel des Magens ist bei dem 50 mm langen Tier nun schon ein typisches Zylinderepithel. Die Zellen sind ungefähr vier- bis fünfmal so hoch wie breit und lassen bei starker Ver- größerung einen deutlichen Stäbchensaum erkennen. Unter diesem folgt eine hellere hyaline Plasmaschicht, die auch die Seiten jeder Zelle einfaßt. Im Innern findet sich ein trübes, feingranuliertes Protoplasma. In der unteren Hälfte der Zelle liegt der Kern, der ziemlich groß ist und ovale bis elliptische Gestalt hat. Er besitzt einen oder zwei Kernkörper von rundlicher Gestalt, die in einem Netzwerk von Chromatin liegen. Zwischen diesen Epi- thelzellen münden nun die Drüsen aus, deren Entstehung wir beim ersten Stadium betrachtet haben. Allerdings sind noch lange nicht alle Drüsen fertig ausgebildet, ja vielleicht die Mehr- zahl ist noch nicht durchgebrochen. Die Drüsen sind Schläuche von verschiedener Länge, die entweder einfach oder verzweigt erscheinen. Ihre Zellen sind grob granuliert, ziemlich klein und ebenso breit wie hoch. Ihren Bau haben wir schon an anderer Stelle betrachtet. Ihre Kerne sind rundlich und haben einen deutlichen Nucleolus, aber sonst wenig Chromatin. Die Drüsenzellen umschließen ein deutliches Lumen, das uns auf den Schnitten als Spalt entgegentritt. Sie gehen bis hinauf zum Epithel, aber Halszellen, die sonst vielfach die Ver- bindung zwischen Drüse und Epithel darstellen, fehlen in typischer Entwicklung. An ihrer Stelle finden sich die von OPPEL schon beschriebenen Becherzellen. Diese Becherzellen liegen nicht nur „an den Drüsenmündungen und in deren nächster Umgebung“, wie OPPEL angibt, sondern werden direkt auch an der Stelle ge- funden, wo sonst die Halszellen sich befinden müßten. Jedoch sind die Fälle, wo man dies beobachten kann, nicht sehr häufig, werden auch mit dem Größerwerden des Tieres immer seltener, da die Halszellen durch das Wachsen der Drüse selbst, wie durch den Druck, den die Submucosa ausübt, nach außen gedrängt werden. Auf diesem jungen Stadium, wo die Mucosa noch keine so starke Faltung aufweist, ist der Befund absolut deutlich (Textfig. 33). Wo die Drüsen noch nicht ausmünden, fehlen die Becherzellen voll- ständig. Der größere Teil der Drüsen ist noch nicht in Aktion Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. ssl getreten. Unterhalb der Drüsenregion liegt eine dünne Binde- gewebslamelle als Grenze gegen die Submucosa (Textfig. 34). Die Becherzellen des Magens haben nun ein ganz anderes Aussehen wie die des Ösophagus, mit denen man sie auf keinen Fall iden- tifizieren kann. Sie erschei- nen glasig klar und enthalten viel weniger Sekret als die des Ösophagus. Das Sekret selbst stellt sich als en Textfig. 33. Fundusdrüse fertig ausge- körnige, sehr stark sich fär- bildet. Z Epithel des Magens; 7.8 Halsbecherzellen; Dr.Z# Drüsenschlauch- bende Masse dar. Man kann ehichel Ob D, DE 9 zwei Typen von Becherzellen unterscheiden: die einen haben eine bauchige Theka, die unten abgerundet ist; sie enthalten an der Basis den typischen sichel- förmigen Kern. Die anderen sind mehr elliptisch und laufen in einen mehr oder weniger langen Fort- satz aus, in welchem der Kern liegt, der hier eine mehr ovale Gestalt angenommen hat (Textfig. 55). Sehr deutlich kann man erkennen, daß die 5 Textfig. 34. Querschnitt aus dem Magen. Zeigt noch plasmareichen Lagerung und Zahl der Fundusdrüsen. Halb- Zellen wenig Sekret schematisch. Obj. A, Ok. 4. Zp Epithel; Dr d Drüse; 7.2 Halsbecherzellen; Gef Gefäß; Gr.Mu haben. Ist die Becher- Grenze des Muscularis; 3d.Z Bindegewebslamelle. zelle mit Sekret er- füllt und beginnt die Sekretion, dann ist das Protoplasma auf den untersten Teil der Theka beschränkt, wo es einen dünnen Wand- belag bildet, in dem der Kern liegt. Ein Untergang von diesen Becherzellen ließ sich noch nirgends nachweisen. Die Submucosa des Magens ist jetzt ausgezeichnet durch ein ziemlich dichtes Netzwerk bindegewebiger Fibrillen mit reich- lichen Kernen. Hier und da finden sich Gefäße. Unter der Submucosa befindet sich scharf abgesetzt die Museularis eircu- 882 Walther Schmidt, laris und weiter außen eine Longitudinalis. Beide Muskelschichten sind schon jetzt typisch entwickelt. Der Darm ist im großen und ganzen noch einheitlich ge- baut. Die Appendices pyloricae zeigen denselben histologischen Bau wie der übrige Darm. Es scheint überhaupt der Darm in der Entwicklung langsamer fortzuschreiten als der Magen. Die Zellen sind ungefähr sechs- bis achtmal so hoch wie breit und tragen meist noch Textfig. 35. _Magenepithel mit Becherzellen. ein sehr dichtes Flimmer- Öl-Imm. '/,, Ok. 2. kleid (Textfig. 36). Die Kerne liegen ziemlich tief, meist im unteren Viertel. Sie zeichnen sich aus durch den Be- sitz eines Nucleolus, der in der Mitte eines deutlichen Chromatin- netzwerkes liegt. Die Zellen sind jetzt nicht mehr so ho- zu ” =.» mogen wie früher. Es lassen La) we sich deutliche Vakuolen und y aut et. ‚® Sekrettröpfehen erkennen. | se RR un: Namentlich bei Tieren, die schonreichliche Fundusdrüsen Fig. 36. Darmepithel. Obj. D, Ok. 2. haben, ist das Epithel von Vakuolen und Fettröpfchen durchsetzt. Gleichzeitig kann man die Beobachtung machen, daß hier die Flimmern resorbiert werden. Relativ lange erhält sich das Flimmerkleid, das als ein Residuum der Embryonalzeit auf- zufassen ist, in den Appendices. Unter dem Epithel folgt eine dünne Schicht straffen Bindegewebes mit vielen Kernen. Eine weitere Differenziation des Darmkanales ist nicht eingetreten (Textfig. 36). Zusammenfassung. Fassen wir zum Schluß kurz die gewonnenen Resultate zu- sammen und sehen wir zu, in welchem Maße wir sie für die in der Einleitung gestellten Aufgabe verwerten können. Die Mundhöhle des jungen Lophius piscatorius zeigt im Bau keine Abweichungen von den gewöhnlichen Verhältnissen. Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 885 Der Ösophagus besitzt zwei starke Retraktoren, die den Ösophagus bald verlassen und sich an der dorsalen Wand der Leibeshöhle anheften. Sie dienen jedenfalls dazu, den Tieren das Hinunterschlingen der erbeuteten, oft sehr großen Fische zu ermöglichen. Im hinteren Teil des Ösophagus kurz vor dem Magen treten Becherzellen in ungeheurer Anzahl auf. Sie unterscheiden sich in bezug auf Färbbarkeit und Struktur des Sekretes von den Becherzellen des vorderen Ösophagus. Es sei dahingestellt, ob sie sich von diesen ableiten lassen können; jedenfalls haben sie eine andere physiologische Funktion, auf die wir gleich zu sprechen kommen werden. Im Magen finden sich Fundusdrüsen. Sie entstehen durch Zellvermehrung und nicht durch Zellverminderung. Die Entwicklung der Drüsen zerfällt in zwei Phasen. Zunächst senkt sich das Epithel an einigen Stellen ein, oder die Zellen desselben werden in kleinen Portionen in die Submucosa verlagert. Hier bilden sie sich zunächst völlig um. Dann treten sie zu regel- mäßigen Haufen zusammen, die nahezu kugelig sind. Durch Verschiebung der einzelnen Zellen wird in der Mitte ein Hohl- raum frei, um den sich die Zellen herumlegen. Es beginnt nun die histologische Umbildung der Zelle zur Drüsenzelle, indem Sekret gebildet wird. Gleichzeitig grenzen sich die Zellen gegen- seitig ab. Das Bindegewebe der Submucosa legt sich dann um die einzelnen Komplexe als dünne, feste Lamelle herum. In der zweiten Phase, die zeitlich entfernt ist, brechen die Drüsen nach außen durch. Gleichzeitig senkt sich das Epithel ein, das sozusagen die Fortsetzung des Drüsenschlauches bildet. Halszellen in typischer Entwicklung, wie sie von anderen Fischen bekannt sind, fehlen. An der Stelle aber, wo sie liegen müßten, finden sich die Becherzellen OPPELs. ÖOPPEL hat dies selbst nicht gesehen, da er nur erwachsene Tiere zur Verfügung hatte, bei denen durch die starke Faltung der Mucosa die Becher- zellen schon direkt im Verbande des Oberflächenepithels lagen. War durch die Lokalisierung der Becherzellen an der Stelle, wo die Halszellen sich sonst finden, die Orpesche Annahme, daß es sich um einander entsprechende Gebilde handle, nun schon gestützt, so wurde sie bewiesen durch die Befunde bei ganz jungen Tieren. Es fanden sich nämlich dort, wo die Drüsen erst in Bildung begriffen waren, noch nirgends Becherzellen, sondern sie traten erst auf, wenn die Fundusdrüsen durchbrachen. 8384 Walther Schmidt, Die Becherzellen OPpELs sind also in der Tat die Halszellen der Fundusdrüsen, ich nenne sie deshalb Halsbecherzellen. Diese Halsbecherzellen zeigen andere histologische Ver- hältnisse wie die Becherzellen des übrigen Darmes. Man darf sie deshalb nicht mit ihnen vergleichen. Es ist also auch in unserem Fall die Spezifität des Magenepithels als eines Epithels sui generis gewahrt. Die beginnende Funktion der Fundusdrüsen bedingt zu- gleich einen Wechsel der Nahrung. Solange die Drüsen noch nicht in Tätigkeit sind, finden sich nur Reste von Plankton, hauptsächlich Crustaceen im Magen. Von dem Auftreten der Drüsen ab besteht die Nahrung nur aus Fischen. Es liegt die Vermutung nahe, daß die zugleich mit den Fundusdrüsen in die Erscheinung tretenden Becherzellen des hinteren Ösophagus mit diesen in Verbindung zu setzen sind. Wahrscheinlich fällt ihnen eine Rolle bei der Fleischverdauung zu. Sicheres kann hier nur das Experiment ergeben. Zum Schluß sei noch auf eine Tatsache hingewiesen. Hor- KInS*) hat im Magen von Ganoiden Becherzellen nachgewiesen. Sollte es sich hier um primäre Verhältnisse handeln, was man aber wohl annehmen darf, so verdienten sie in Diskussion ge- stellt zu werden, da sie wichtige Aufschlüsse über die Genese des Magenepithels und die Entstehung der Halszellen der Drüsen geben könnten. Jedenfalls entbehren die Ganoiden, die Hopkıns untersucht hat, der Halszellen und besitzen Becherzellen. Von Teleostiern ist dies bisher nur bei Lophius piscatorius bekannt. Sollte sich die Homologie zwischen beiden Fällen heraus- stellen, so wäre das für die systematische Stellung der Pediculaten von größter Wichtigkeit. *) Zitiert bei OPPEL, Anat. Anz. 1896, Bd. XI. Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. 885 Literaturverzeichnis. In nachstehendem Verzeichnis gebe ich eine Übersicht über die Arbeiten, die ich bei meiner Untersuchung benutzt habe und die sich mit dem Bau des Darmkanals der Fische befassen: 1) ARNSTEIN, C., Über die becherförmigen und wandernden Zellen des Darmes. Inaug.-Diss. Dorpat 1867. 2) BIEDERMANN, Untersuchungen über das Magenepithel. Sitz.-Ber. Wien. Akad., Bd. LXXI, Abt. 3. 3) BLANCHARD, R., Sur les fonctions des appendices pyloriques. Extrait du Bull. de la soc. zool. de France 1893, Tome VIII. 4) CAJETAN, J., Beitrag zur Lehre von der Anatomie und Physio- logie des Tractus intestinalis der Fische. Inaug.-Diss.. Bonn 1883. 5) DECKER, FR., Zur Physiologie des Fischdarmes. Festschr. Kölliker. Leipzig 1887. 6) EnDInGER, L., Über die Schleimhaut des Fischdarmes nebst Be- merkungen zur Phylogenese der Drüsen des Darmrohres. Arch. mikr. Anat. 1876, Bd. XII. 7) Ders.,, Zur Kenntnis der Drüsenzellen des Magens. Arch. mikr. Anat. 1879, Bd. XVII. 8) Eimer, Tu., Zur Geschichte der Becherzellen. Inaug.- Diss. Berlin 1868. 9) GEGENBAUR, C., Bemerkungen über den Vorderdarm niederer Wirbeltiere. Morph. Jahrb. 1878, Bd. IV. 10) HoMBURGER, Zur Verdauung der Fische. Zentralbl. f. d. med. Wiss. =t877, Nr. 31. 11) JAKOBSHAGEN, Untersuchungen über das Darmsystem der Fische und Dipnoer. Jen. Zeitschr. 1913, Bd. XLVL. 12) Laskowsky, Über die Entwicklung der Magenwand. Sitz.-Ber. Wien. Akad. 1868, Bd. LVII. 13) List, J. H., Über Becherzellen und Leydigsche Zellen. Arch. mikr. Anat. 1886, Bd. XXVI. 14) Ders, Über den Bau, die Sekretion und den Untergang von Drüsenzellen. Biol. Zentralbl. 1886, Bd. V. 15) Ders., Über Becherzellen. Arch. mikr. Anat. 1886, Bd. XXVII. 16) OPrpEL, A., Die Magendrüsen der Wirbeltiere. Anat. Anz. 1896, Bd. XI. 17) RATHRE, Über den Darmkanal der Fische. Halle 1824. 18) SCHULZE, J. E., Epithel und Drüsenzellen. Arch. mikr. Anat. 1867, Bd. III. 19) TRINKLER, N., Über den Bau der Magenschleimhaut. Arch. mikr. Anat. 1884, Bd. XXIV. 886 W. Schmidt, Über den Darmkanal von Lophius piscatorius L. Ferner: 20) BOULENGER, G. A., Fishes. The Cambridge Natural Hist., Vol. | VH. London 1904. 21) CuviER et VALENCIENNES, Histoire naturelle des Poissons. Paris 1840. 22) GoODRICH, E. S., Cyclostomes and Fishes. In Ray Lankester: A Treatise on Zoology. London 1909. 23) GÜNTHER, A., Handbuch der Ichthyologie. Wien 1886. 24) Hertrwie, O©., Handbuch der vergleichenden Entwicklungs- geschichte. 25) OrPpEL, A., Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Ana- tomie. Abgeschlossen 5. Juli 1914. Druck von Ant. Kämpfe in Jena. Sitzungsberichte der Medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Sitzung vom 23. Juni 1914. Über einen Flußkrebs mit abnormalem Geschlechts- Apparat. Von Albrecht Hase. Es liegt ein Fall vor bei einem Flußkrebs, der überzählige Genitalöffnungen, zeigte und zwar rechts 3 (am 3, 4., und 5. Schreitfußpaar) und links 2 (am 4. und 5. Schreitfußpaar.. Am ersten Abdominalsegment waren die beiden Penis normal entwickelt. Die mikroskopische Untersuchung ergab, daß das betreffende Tier rein männlicher Natur war und nicht zwitterig, wie man nach den Genitalöffnungen vermuten konnte. Die inneren Genitalargane zeigten folgenden Bau. Der ziemlich große Hoden war normal ent- wickelt. Außer den beiden normalen Ausfuhrgängen war noch ein überzähliger aber vollständiger Gang rechts vorhanden, der am 4. Schreit- fußpaar mündete. Zur Öffnung am 3. Schreitfußpaar rechts gehörte ein kurzer, in der Leibeshöhle blind endigender Gang, der also mit dem Hoden in keiner Verbindung stand. Vom Hoden selbst ging links ein etwa 1 cm langer Gang ab, der zwar histologisch normalen Bau zeigte, aber ebenfalls blind in der Leibeshöhle endete. Ferner waren links noch zwei unvollständige Gänge vorhanden. Einer der- selben war ohne Öffnung nach außen (zum 3. Schreitfußpaar hin- führend); der andere führte zum 4. Schreitfußpaar und hatte eine Ausfuhröffnung, aber diese beiden letzteren Gänge waren ebenfalls nach der Leibeshöhle zu blind und standen mit dem Hoden nicht in Verbindung, genau so wie der eine unvollständige rechte Gang. Die genauere Darlegung dieses Falles unter Berücksichtigung des histologischen Baues und der Literatur erfolgt an anderer Stelle. [&8) Sitzungsberichte. Über Rattenkönige. Von Albrecht Hase. Zunächst wurden kurz die bisher, besonders in neuerer Zeit, gefundenen Exemplare besprochen. Dann wurde der noch nicht genau untersuchte Rattenkönig des Altenburger (S.-A.) Museums im Original und in Lichtbildern demonstriert. Der Altenburger Ratten- könig besteht aus 31 Ratten (Mus decumanus) und nicht nur aus 27 wie angegeben wurde. Die Ratten sind verschiedenalterig. Eine Verklebung besonderer Art der Schwänze konnte nicht festgestellt werden. Die Schwänze sind dicht verflochten und oft im rechten Winkel umgebogen. Eine Beschreibung und Abbildungen sollen an anderer Stelle gegeben werden. Sitzung vom 24. Juli 1914. Demonstration einer Abnormität des Kehlkopf- skelettes. Von H. von Eggeling. Mit 2 Figuren im Text. Die vorjährige Anatomenversammlung in Greifswald wurde ein- geleitet durch einen anregenden Vortrag von BoxxErT über anaplastische und kataplastische Organe (MERKEL, BoxnnET Ergeb. Bd. XXI, 1914). BonnET macht hier darauf aufmerksam, daß wir vielfach den Fehler begehen, Organbildungen des tierischen Körpers, die nicht in voller Funktion und nicht auf der Höhe morphologischer Ausbildung sich befinden, ohne weitere Unterscheidungen mit verschiedenen Namen zusammenzufassen, unter welchen die Bezeichnung als rudimentäre Organe am häufigsten angewandt wird. Diese Organe zerfallen, wie schon DARWIN erkannte, in zwei Gruppen, für welche HAEcKEL die Namen kataplastische und anaplastische Rudimentärorgane vorgeschlagen hat. Kataplastische Organe sind in Rückbildung begriffen, anaplastische gehen einer weiteren Ausbildung entgegen. Dies wird oft nicht ge- nügend auseinandergehalten und die Bezeichnung rudimentär ist nur insoweit verwendbar, als sie auf anaplastische Organe angewandt wird, da „Rudimentum“ erster Anfang oder erster Versuch heißt, während wir im Gegenteil uns angewöhnt haben, unter rudimentär ein in Rückbildung begriffenes Organ zu bezeichnen. Bonxer macht nun den Versuch, diese beiden Gruppen von nicht vollständig aus- gebildeten Organen genauer zu präzisieren und in Unterabteilungen zu zerlegen. Die kataplastischen Bildungen teilt er in vier Gruppen, nämlich 1. transitorische Embryonalorgane, 2. abortive Organe, 3. redu- zierte, verkümmerte und zweifelhafte Organe und endlich 4. Wechsel- organe. Unter letzteren versteht er Gebilde, die durch Übernahme neuer Leistungen vor dem gänzlichen Schwunde bewahrt blieben, oder 4 Sitzungsbericht. sogar wieder in anaplastische Bahnen eingelenkt sind. Hierher ge- hören die Reste des Kiemenskelettes unserer wasserlebenden Wirbel- tiervorfahren, die durch Verwendung zur Stütze der Atmungsorgane eine anderweitige Verwendung und neue Ausbildung erfahren haben. Reduzierte Organe zeigen häufige Variationen. Unter diesen erscheinen von besonderem Interesse solche, die Anklänge an frühere primitive Zustände darbieten und somit als Zeugnisse für den Bau des betreffenden Organismus in der Vergangenheit angesehen werden können. In dieser Richtung ist ein Befund von besonderem Interesse, den uns im vorigen Winter auf dem Präpariersaal die Skeletteile und Bänder am Halse eines etwa 25 Jahre alten Mannes darboten. In niederen Zuständen reichen die dorsalen Enden der Kiemen- bogen bis an die Basis des Cranium respektive bis an die Wirbelsäule heran. Beim Menschen erhält sich dieser Zustand nur noch am 1. und 2. Viszeral- bogen, dem Kiefer- und Zungenbeinbogen ; dagegen kennen wir vom 3.—7. Viszeralbogen nur ventrale Stücke. Graf SpeE (1896 v. BARDELEBEN, Handb. der Anat. S. 305) gibt an, daß die Anlagen der großen Hörner des Zungenbeins, als die Reste des 3. Viszeralbogens, bis jetzt beim Menschen noch nicht im Zusammenhang mit dem Primordialeranium gefunden wurden. Er weist aber darauf hin, daß er selbst bei einem 3t/, monatlichen menschlichen Fetus drei kettenartig aneinandergefügte, sehr kleine Knorpelstückchen beobachtete, die von der Knorpelecke hinter resp. unter dem foramen stylomastoideum aus vorwärts in einer Reihe lagen. Graf Speer hält es für möglich, daß diese Knorpel- stückchen Reste einer Verbindung zwischen Schädelbasis und großem Zungenbeinhorn waren. Eine derartige Verbindung, wie sie bei er- wachsenen Menschen bisher noch nicht beobachtet zu sein scheint, zeigt nun unser Präparat. Fig. 1 erläutert den Befund auf der rechten Seite in schematischer Darstellung (auf Grund einer Figur aus L. GERLACH, Skelettafeln 8. Aufl... Wir erkennen ein ziemlich ansehnliches kleines Zungenbeinhorn, das mit einem kurzen processus styloideus durch ein kräftiges Band in Verbindung steht. Ungefähr in der Mitte dieses Bandes findet sich ein stäbchenförmiges Skelett- stück eingelagert. Ein ähnliches Band, das mit dem ligamentum stylohyoideum nahe dem processus styloideus zusammenfließt, setzt das große Zungenbeinhorn mit dem Griffelfortsatz in Verbindung. Auch in dieses ligamentum stylohyoideum inferius sind zwei kleine stabförmige Skelettstücke eingelagert. Wieweit an ihrem Aufbau Knorpel- oder Knochengewebe beteiligt ist, läßt sich nicht feststellen, da ich das Präparat nicht zu zerstören wünschte. Sehr bemerkens- wert erscheint nun, daß auch das obere Horn des Schildknorpels, das aus dem vierten Viszeralbogen hervorgegangen ist, mit dem Griffelfortsatz eine Verbindung eingeht. Es hat eine ungewöhnliche Länge und erstreckt sich bis in die Höhe des großen Zungenbein- hornes, steht aber nicht mit diesem in Zusammenhang, sondern setzt sich in ein derbes Band fort, das nach einem nicht sehr langen Ver- lauf mit dem ligamentum stylohyoideum inferius sich vereinigt. Sitzungsberichte. 5 Noch etwas anders ist der Befund auf der linken Seite, den Fig. 2 schematisch wiedergibt. Hier scheint ein kleines Zungenbein- horn zu fehlen, wie dies gelegentlich beobachtet wird. Statt dessen Fig. 1. finden wir ein kräftiges großes Zungenbeinhorn seitlich an die Copula angefügt, aus zwei etwa gleich langen Skelettstückchen in Stäbchen- form bestehend. Dieses große Zungenbeinhorn ist mit dem mittel- großen Processus stylohyoideus durch ein straffes Band vereinigt. Letzteres wird fast in seiner ganzen Länge von einem Skelettstab 6 Sitzungsberichte. durchzogen, so daß drei Skelettstückchen das Ende des Griffelfort- satzes und den Seitenrand des Zungenbeinkörpers miteinander in Verbindung setzen. Auch auf dieser Seite ist das obere Horn des Schildknorpels von außerordentlicher Länge. An sein oberes Ende schließt sich ein kleines Skelettstückchen an, das wenig länger als breit ist. Es erscheint mit seinem oberen Ende eingeschoben in den Strang, der Zungenbeinkörper und Griffelfortsatz miteinander verbindet. Es läßt sich mit dem Corpusculum triticeum des normalen Kehlkopf- skelettes vergleichen. Unser Befund zeigt uns also, daß auch noch beim Menschen gelegentlich die Reste des 3. und des 4. Viszeralbogens Anschluß am Schädel gewinnen können. Daß dieser Anschluß an derselben Stelle erfolgt, wie die Verbindung des 2. Visceralbogens mit dem Schädel erscheint insofern nicht befremdlich, als die Gesamtentwicklung des Schädels dazu geführt hat, daß die dorsalen Enden der Viszeralbogen sich zusammenschieben, während die ventralen Enden auf eine größere Strecke hin sich verteilen. Es liegt ja auch das dorsale Ende des Kieferbogens in unmittelbarster Nachbarschaft des dorsalen Endes des Zungenbeinbogens. Jahresbericht der -Medizinisch-naturwissenschaitlichen Gesellschaft zu Jena für das Jahr 1914 erstattet von Alfred Noll. I. Sitzungen. Im Jahre 1914 fanden 12 Gesamtsitzungen mit 15 Vorträgen statt, außerdem hielt die Sektion für Heilkunde 10 Sitzungen mit 47 Vorträgen und Demonstrationen ab. A. Gesamtsitzungen. 1. Sitzung am 16. Januar. Herr STÜBEL: Ultramikroskopische Untersuchungen über Blutplättchen und Blutgerinnung. Herr v. EGGELING: Über Schenkelorgane bei Amphibien und Reptilien. 2. Sitzung am 30. Januar. Herr von Seivrrrz: Über tektonische Probleme der Gebirge Europas. 3. Sitzung am 13. Februar. Festsitzung in der Aula der Universität zur Feier des 80. Geburts- tages von ERNST HAECKEL. Herr MAURER: ERNST HAECcREL und die Biologie. 4. Sitzung am 27. Februar. Herr EGER: Psychologische und physiologische Experimente während der Hypnose. 1 Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr a 5. Sitzung am 8. Mai. SchuLz: Moderne Ernährungsfragen. 6. Sitzung am 22. Mai. ScHAXEL: Zur Kritik des Neovitalismus. 7. Sitzung am 12. Juni. RÄHLMANN: Demonstrationen über die in den verschiedenen Perioden der Malerei verwendeten Farben nach mikroskopischen Untersuchungen. 8. Sitzung am 10. Juli. Erwin Hirsch: Salzwässer und Salzfaunen. 9. Sitzung am 24. Juli. v. EGGELING: Demonstration einer Abnormität des Kehlkopf- skelettes. Hase: a) Über einen Flußkrebs mit abnorm entwickeltem Genitalapparat (mit Demonstrationen). b) Uber Rattenkönige (mit Demonstrationen). 10. Sitzung am 13. November. RIEDEL: Über Schußverletzungen 1870 und 1914. 11. Sitzung am 27. November. IMMENDORFF: Die Bedeutung und Beschaffung der sogenannten künstlichen Düngemittel für Deutschland in Kriegs- und Friedens- zeiten. 12. Sitzung am 11. Dezember. BINnswAnGeEr: Psychisch-nervöse Störungen im Felde. B. Sitzungen der Sektion für Heilkunde. 1. Sitzung am 15. Januar. BINnSWANGER: Zur Serodiagnostik der Epilepsie. BERGER: Neosalvarsan und Zentralnervensystem. STROHMAYER: Geistesstörung nach Trauma. RöPER: Alkoholismus bei Frauen mit besonderer Berücksichtigung der Familie. 2. Sitzung am 29. Januar. StinTzınG: Insufflation bei Pleuritis. BucHHoLz: Demonstrationen zu diesem Thema. Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr u, HoBsSTETTRR: Einiges über die Erreger der Menschen- und der Rindertuberkulose. REICHMANN: a) Über Poliomyelitis. b) Tuberkelbazillen im Blute. von Hase: Über einen Fall von Herzblock. 3. Sıtzung am 19. Februar. RössLEe: Demonstration von Kaninchen mit Bauchfenster. Fröruıch: Die Entzündungserscheinungen bei lokaler Ana- phylaxie. WeyLAnD (als Gast): Die physiologisch-chemische Bedeutung des Siliciums. KAHLE: a) Über den Silieium-Stoffwechsel. b) Über die therapeutische Beeinflussung der experimen- tellen Tuberkulose durch Kieselsäureverbindungen. 4. Sitzung am 26. Februar. ZWEIFEL: Über medikamentöse Scheidenspülungen zur Pro- phylaxe des Puerperalfiebers. WREDE: a) Resektion des retroperitonealen Duodenumabschnittes wegen Quetschung und Perforation. b) Eisenharte Struma. ce) Osteopsathyrosis idiopathica. ErGGELET: Klinische Befunde bei fokaler Beleuchtung mit der Nernstspaltlampe. WırricH: Zur Tuberkulose der Conjunctiva. WERNER: Über Raupenhaarconjunctivitis. HE6Ner: Über Farbenblindheit mit Demonstration eines neuen Apparates zur Farbensinnprüfung. 5. Sitzung am 14. Mai. HotstE: Zur Wertbestimmung von Herzmitteln. KıonkA: Die Herzwirkungen der Erdalkalien. HırscH: Eine neue Methode zum Nachweis der Abwehrfermente. 6. Sitzung am 28. Mai. PONNDoRF (als Gast): Kutanimpfung bei Tuberkulose. StINTZING: Zur Behandlung des Pneumothorax. REICHMANN: Herdsymptome bei Meningitis. 1* Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr Herr 7. Sitzung am 18. Juni. WREDE: Kardiakarzinom. LExEr: Teratom der Bauchdecken. STEMMLER: a) Die isolierte Fraktur der Querfortsätze der Lenden- wirbelsäule. b) Zur Operation der Mastdarmfistel. BIEDERMANN: Navikularbrüche. ZANGE: Die pathologisch-anatomische Grundlage der Funktions- störungen des inneren Ohres bei Mittelohreiterungen und ihre Entstehung (mit Projektionen). ScHULTz: Neue körperliche Symptome der Dementia praecox. 8. Sitzung am 2. Juli. GÄRTNER: Anchylostomiasis. KLUNKER: Über Milchpasteurisierung, insbesondere über biori- sierte Milch. 9. Sitzung am 16. Juli. BERGER: Über Gehirnfieber. WERNER: Über den fazialen Typus der Leukämie. Hıurmann: Über Vergiftung durch Nitrosedämpfe. Epen: Neuere Versuche zur biologischen Wirkung der Röntgen- strahlen. STROMEYER: Zur Behandlung chirurgischer Tuberkulosen. 10. Sitzung am 3. Dezember. Zange: Ein Fall von geheiltem Tangentialschuß des Schädels mit Hirnabszeßb. WREDE: Demonstrationen: a) Bauchschüsse. b) Karzinom an der Papilla duodenalis. HiLTMANnN: Über Typhus-Schutzimpfung. II. Bibliothekarischer Bericht. Verzeichnis der im Jahre 1914 im Schriftenaustausch oder als Geschenk eingegangenen Veröffentlichungen: 16) 17 on 18) Ort: Berlin 2) Berlin ) Bonn Danzig Erlangen Frankfurta.M. Freiburg i. B. Gießen Halle a. S. Halle a. S. Halle a. S. Hamburg Helgoland Kiel München Würzburg Hermannstadt Prag Name der Gesellschaft oder Redaktion Deutsches Reich. Deutsche Chemische Gesellschaft Gesellschaft naturforsch. Freunde Naturhistor. Verein für preuß. Rheinlande und Westfalen Naturforschende Gesellschaft Physikalisch-medizinische Sozietät Senckenberg. naturf. Gesellschaft Naturforschende Gesellschaft Redaktion Kaiserl. Leopold.-Carol. Akademie der Naturforscher Naturforschende Gesellschaft Thüringisch-Sächsischer Natur- wissenschaftlicher Verein Naturwissenschaftlicher Verein Biologische Anstalt Wiss. Kommission zur Untersuch. der deutschen Meere Akademie d. Wissensch., Math.- physik. Klasse Physikalisch-mediz, Gesellschaft Österreich-Ungarn. Siebenbürgischer Verein für Natur- wissenschaften Böhmische Gesellschaft der Wissen- schaften Schriften: Zentralblatt. Sitzungsberichte u. Archiv für Bi- ontologie. Verhandlungen u. Sitzungsberichte. Schriften. Sitzungsberichte. Abhandlungen u. Bericht. Berichte. Zoolog. Jahrbücher. Nova acta. Abhandlungen. Zeitschrift f. Natur- wissenschaften. Abhandlungen u. Verhandlungen. Wissensch. Meeres- untersuchungen. Wissensch. Meeres- untersuchungen. Abhandlungen, Sitzungsberichte u. Festreden. Sitzungsberichte u. Verhandlungen. Verhandlungen u. Mitteilungen. Sitzungsberichte u. Jahresberichte. Be or Name der Gesellschaft Ort oder der Redaktion: Schriften: 19) Wien Akad. der Wissenschaften, Math.- Denkschriften, naturw. Klasse Sitzungsberichte, Almanach, An- zeiger u. Mittei- lungen der Erd- bebenkommission. 20) Wien Geologische Reichsanstalt Jahrbuch, Verhand- lungen u. Abhand- lungen. 21) Wien Zoolog.-Botan. Gesellschaft Verhandlungen. Schweiz. 22) Bern Allgemeine Schweizer. Gesellschaft Neue Denkschrif- f. d. gesamt. Naturwiss. ten u. Verhand- lungen. 23) Bern Naturforschende Gesellschaft Mitteilungen. 24) Genf Institut National Genevois Bulletin. 25) Genf Societe de Physique et d’Histoire M&moires u. Comp- naturelle te Rendu 26) Zürich Redaktion Morph. Jahrbuch Italien. 27) Bologna Accademia delle Scienze Memorie u. Rendi- conti. 28) Florenz Societa Botanica Italiana Nuovo Giornale u. Bullettino. 29) Mailand Societä Italiana di Scienze Naturali Atti u. Memorie. 30) Mailand Societa Lombarda di Scienze me- diche e biologiche Atti 31) Neapel Accademia delle Scienze Fisiche e Matematiche Atti u. Rendiconti. 32) Neapel Zoologische Station Mitteilungen. 33) Pisa Societa Toscana di Scienze Naturali Atti. 34) Portiei Laboratorio di zoologia generale e agraria Bollettino. 35) Rom Laboratorio di Anatomia normale Ricerche. 36) Turin Redaktion Archivio per le Scienze Mediche. 37) Turin Accademia delle Scienze Memorie, Atti u. Össervazionimete- orologiche. Monaco. 38) Monaco Institut oc&anographique Bulletin. ne Name der Gesellschaft Ort: oder der Redaktion: Schriften: Frankreich. 39) Caen Soeiete Linn&eenne de Normandie Bulletin u. M&mo- ires. 40) Marseille Muse d’Histoire natur. (Zoologie) Annales. 41) Marseille Facult& des Sciences Annales. 42) Paris Muse d’Histoire naturelle Nouvelles Archives u. Bulletin. 43) Paris Societe de Biologie Comptes Rendus. 44) Paris Societe zoologique de France M&moires u. Bul- letin. 45) Paris Redaktion Archives de Zoo- logie experimen- tale. 46) Rennes Faculte des Sciences Travaux _scienti- fiques de l’Uni- versit& de Rennes, Belgien. 47) Brüssel Academie des Sciences, des Lettres et des Beaux Arts, Classe des seiences Bulletin, M&moires couronn&s (8°) u. (4°) u. Annuaire. 48) Brüssel SoecietE entomologique Annales. 49) Brüssel Redaktion Archives de Bio- logie. 50) Löwen Redaktion La Cellule. Holland. 51) Amsterdam Akademie van Wetenschapen, Wis- en natuurkundige Afdeel. Verhandelingen, Verslagen u. Jaar- boek. 52) Amsterdam Naturk. Vereeniging Nederl. Indie Tijdschrift 53) Haarlem Musee Teyler Archives 54) Leiden Nederlandsche Dierkundige Ver- eeniging Tijdschrift u. Aan- winsten v. de Bi- bliothek. 55) Leiden Redaktion Botan. Centralbl. 56) Cambridge 57) Edinburgh 58) Edinburgh 59) London 60) 61) London London London London Oxford 65 —_— Kopenhagen 66) Christiania 67) Stockholm 68) Stockholm 69) Stockholm 70) Stockholm 71) Upsala „ ES Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Großbritannien. Philosophical Society Royal Society R. Physical Society Linnean Society R. Microscopical Society Royal Society Zoölogieal Society Redaktion Redaktion Dänemark. Danske Videnskab. Selskab Norwegen. Norske Medieinske Selskab Schweden. Redaktion Svenska Läkare-Sällskap K. Svenska Vetenskapsakadenie Nobelinstitut Vetenskaps Societet Universität Schriften: Transactions u. Pro ceedings. Transactionsu. Pro- ceedings. Proceedings. Transactions, Jour- nal u. Proceedings. Journal. Philosoph. Trans- actions, Procee- dings u. Year Book. Transactions u. Proceedings. Annals and Maga- zine of Natural History. Quarterly Journal of Microscopical Science. Skrifter u. Oversigt. Forhandlinger u. Norsk Magazin. Nordiskt Medi- einskt Arkiv. Hygiea u. För- handlingar. Handlingar, Lef- nadsteckningar, Arkiv för Botanik, för Kemi, för Ma- thematik, för Zoo- logi. Meddelanden. Nova Acta u. Läkareförenings Förhandlingar. Ort: 72) Helsingfors 73) Moskau 74) Petersburg 5) Petersburg 6) Petersburg kt Be | Montreal Ottawa Baltimore Baltimore 79) Boston Cambridge Decatur (Ll.) Garrison (New York) St. Louis 86) New Haven — 9 Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Rußland. Finska Vetenskaps-Societet Societ& des Naturalistes Comite geologique Acad&mie des Sciences Institut de Medecine experimentale Nordamerika. I. Canada. Royal Society of Canada Geolog. and Nat. History Survey of Canada I. Vereinigte Staaten. Johns Hopkins University Redaktion Society of Natural History Mus. of Comparative Zoölogy American Microscopical Society Redaktion Missouri Botanical Garden Connecticut Academy of Arts and Sciences Schriften: Acta, Öfversigt, Bi- drag till Känne- dom af Finnlands Natur och Folk, Observations me&- t&orolog. u. Mete- orologisches Jahr- buch. Bulletin u. Nouve- aux M&moires. M&moires u. Bul- letin. Bulletin. Archives des Scien- ces biologiques. Proceedings and Transactions. Reports u. Bulle- tin Vietoria Me- morial Mus. Circulars. Journal of experi- mental Zoology. Memoirs, Procee- dings u. Occasio- nal Papers. Memoirs, Annual Report u. Bulle- tins. Transactions. The American Na- turalist. Annual Report. Transactions. Ort: 87) New Haven 88) Philadelphia 89) Washington 90) Washington 91) Washington 92) Washington 93) Santiago 94) Cördoba 95) S. Paulo 96) RiodeJaneiro 97) Melbourne 98) Sydney 99) Sydney 100) Sydney 101) Sydney — 10 Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Redaktion Academy of Natural Sciences U. S. National Museum Smithsonian Institution U. S. Geological Survey Carnegie Institution Südamerika. I. Chile. Soeiete scientifigue du Chili I. Argentinien. Academia Nacional de Ciencias III. Brasilien. Museu Paulista Museu Nacional Australien. Royal Society of Victoria Australian Museum Royal Society of New South Wales Linnean Society of N. S. Wales Australasian Association Schriften: The Americ. Jour- nal of Science. Proceedings. Bulletins, Special Bulletins u. Pro- ceedings. Report. Bulletins, Annual Reports, Mono- graphs, Mineral Resources u. Pro- fessional Papers. Publications. Actes. Boletin. Revista u. Notas preliminares. Archivos. Proceedings u. Transactions. Records. Journal and Pro- ceedings. Proceedings. Report. Von den Schriften der Gesellschaft erschienen im Jahre 1914: Jenaische Zeitschrift, Bd. 51, Heft 1—4. Bdz52 Heft 1—4, Bdey53, Heit-1 u.2: U uezun | | | III. Kassenbericht, erstattet vom II. Vorsitzenden L. WOoLrFF. Einnahmen: Mitgliederbeiträge und Eintrittsgelder . 759 M. — Pfg. Abonnenten der Jenaischen Zeitschrift 48 „ — „ Jährlicher Beitrag der G. H. Regierungen 1350 „ — ,„ 2157 M. — Pfg. Ausgaben: Verwaltungskosten . . . .. 3b» M. 7orbıos Druckkosten und Versand Ser Tenmsehen Zeitschrift und der Denkschriften . 2356 „ 95 „ 2710 M. 74 Pfg. Vermögensbestand am 31. Dezember 1914. Bar/mideraBasse ... . 2... re so 24 MM. 45 Pig: Bei Banklheis, Koch I: +... 2... NE no. ARE, 60% Auf der Sparkasse. 2.2 .....20000.:4409 5,43, „ Zinsen DBEm 0. en re BB: ar ade 616 M. 87 Pig. Die Abrechnung wurde am 9. Dezember 1914 von Herrn THOMAE geprüft und richtig befunden. 1V. Vorstand, Tauschkommission, Mitglieder. Den Vorstand der Gesellschaft bildeten im Jahre 1914: ALFRED NoLL, I. Vorsitzender, Lupwıs WoLur, Il. Vorsitzender und Kassenwart, FRIEDRICH MAURER, Herausgeber der Zeitschrift, KAarL Branpiıs, Bibliothekar. Die Tauschkommission bestand aus dem Vorstand und den Herren WILHELM DETMER, GUSTAV FISCHER, ERNST STAHL, PAUL MAYER. Für 1915 wurde der bisherige Vorstand wiedergewählt. Mitgliederverzeichnis für 1914. Frühere Ehrenmitglieder waren: Jahr der Ernennung KARL ScHIMPER (T 1867) 1855 DIETRICH GEORG KIESER (f 1862) 1857 Lotıs SorRET (T 1890) 1864 ALBERT VON BEZoLD (T 1868) 1866 THomAs Hvxrery (T 1895) 1867 CARL GEGENBAUR (j 1903) 1873 MATTHIAS JAKOB SCHLEIDEN (T 1881) 1878 ÖSKAR ScHMIDT (T 1886) 1878 CHARLES Darwın (T 1882) 1878 Franz von RıED (f 1895) 1892 ÖOTTOMAR DOoMRICH (T 1907) 1892 Gustav FISCHER (7 1910) 1902 I. Ehrenmitglieder. Jahr der Ernennung 1) Prof. D. Lupwıg RADLKOFER, Geh. Hofrat, München. 1858 2) Prof. Dr. Ernst HAECKEL, Wirkl. Geheimrat, Exz., Jena 1894 3) Prof. Dr. BERNHARD SIGISMUND SCHULTZE, Wirkl. Ge- heimrat, Exz., Jena 1897 Be II. Ordentliche Mitglieder im Jahre 1914. Prof. Dr. Prof: Dr. ) "Prob Dr. . KaArL BAEDEKER 7 5) Prof. Dr. 6). Prof Dr. HERMANN AMBRONN GÜNTHER ANTON FELIX AUERBACH, Hofrat KARL vVoN BARDELEBEN, Hofrat Bruno BaAucH 7) Dr. ing. WALTER BAUERSFELD 10) Dr. med. I), Prof. Dr. 12) Dr. med. )Erof: Dr. S)erof, Dr. Hans BERGER WILHELM BIEDERMANN, Geh. Hofrat G. BINDER, Sanitätsrat Otto BinswAnGErR, Geh. Rat FrıTz BOCKELMANN, Geh. Sanitätsrat, Rudolstadt 7 13) Dan. BÖTTNER, Forstmeister 14) Dr. K. Brannıs, Bibliotheksdirektor 15) K. BRAUCKMANN, Institutsdirektor 16). Prof, Dr. 17) Brot, Dr. 18)’ Brot Dr. 19) Prof Dr. 20) Prof. Dr. Dr. med. Dr. phil. vo ovpyDyDyDyDDyIDTDIDTDMD DD HS SO SI TITPRWD D Oberarzt Dr. med. (db) w Dt St I mt LI N N m I I u 34) Prof. Dr. 35), Erof. Dr 36). Prof. Dr. 37) Dr. med. 40) Zahnarzt 44) Dr. phil. Dr. med.’ Prof. Dr. Dr. HEınR. EGER Prof: Dr. Dr. med. Pro Dr. ) Prof. Dr. 39) MAx Grossmann, Dipl.-Ingenieur Pro Dr. 42) Privatdozent Dr. HEGNER 43) Prof. Dr. med. et phil. WıLH. BRÜNINGS WıuH. Busse BERTHOLD DELBRÜCK WırLH. DerTmeER, Hofrat Huso DINGER HEINR. DiRKSEN, Marine-Generalarzt a. D. WırH. ECKARDT, Sanitätsrat WiırLH. EDLER, Geh. Hofrat HEINRICH voN EGGELING, Prosektor Gustav EICHHORN, Sanitätsrat HERMANN ENGELHARDT, Med.-Rat OrrTo EPPENSTEIN Dr. W. v. FıeBıs, Rittmeister a. D. Dr. Gustav FiscHEr, Verlagsbuchhändler Prof. Dr- GOTTHOLD FREGE, Hofrat Dr. FRIEDEL, Roda FRIEDRICH Aus. GÄRTNER, Geh. Rat ERNST GIESE, Medizinalrat GEORG Görtz, Geh. Rat KARL GRAF, prakt. Arzt JULIUS GROBER MARTIn HAHN A. Hase Max HeNnkKEL M. HERSCHKOWITSCH Jahr der Aufnahme Jena 1899 14 Jahr der Aufnahme 45) Prof. Dr. Gustav Hesse Jena 1907 46) Dr. phil. Otto HILDEBRANDT „906 47) Dr. phil. Erwın Hırsca „ir 48) Dr. phil. PauL Hirsch „ur 91a 49) Prof. Dr. H. HoBSTETTER, Regierungsrat LI 50). Dr. A. HoLsTE „ea 51) Prof. Dr. HEINRICH IMMENDORFF, Hofrat „21901 52) Dr. EDUARD JACOBSHAGEN a 53) Privatdozent Dr. H. KAPPEN „ee 54) Prof. Dr. Heinrich KıonkA „ao 55) Prof. Dr. Orro Knorr, Hofrat „41889 56) Prof. Dr. Lupwıe KnorRR, Geh. Hofrat ee 57) Dr. phil. Ausust KÖRLER „1300 58) Prof. Dr. KaArı KoLescH „LS 59) Dr. ARTHUR LEITNER, prakt. Arzt 9 60) Prof. Dr. ALBERT LEITZMANN „LION 61) Prof. ERICH LEXxER, Geh. Med.-Rat Dil, 62) Prof. Dr. GoTTLoß Linck, Geh. Hofrat „ 1894 63) Dr. phil. PauL Linke, Privatdozent Rene 64) Dr. phil. Frırz Löwe „u 65) Prof. Dr. FeLıx LoMMEL „1902 66) Dr. phil. R. MARBURG „. 1902 67) Prof. Dr. phil. RoBErRT Marc »...1906 68) Prof. Dr. HERMANN MATTHES „1908 69) Prof. Dr. FRIEDRICH MAURER, Geh. Hofrat „1901 70) Prof. Dr. PauL MAYER „. 394 71) Prof. Dr. jur. et med. THEoD. MEYER-STEINEG „41902 72) Prof. Dr. JOHANNES MEISENHEIMER end) 73) Dr. Max MÜLLER, prakt. Arzt „1909 74) Dr. Kurt NEUMANN +. 75) Prof. Dr. JOHANNES NIEDNER, Geh. Justizrat 1905 76) Dr. phil. Hermann Non, Privatdozent 5, LO 77) Prof. Dr. ALFrep NoLL EU. 78) Prof. Dr. Epvarp Pauui eh! 79) B. H. Peters, Fabrikdirektor 2909 80) Prof. Dr. Ernst PFEIFFER, OÖberrealschuldirektora. D. „ 1887 81) Prof. Ernst PıLtz tes 82) Prof. Dr. Lupwıs PLATE 1909 83) Dr. phil. CArL PULFRICH leo. 84) Prof. Dr. RAEHLMANN, Kais. Russ. Staatsrat, Weimar ,„ 1905 85) Prof. Dr. Epuarp REHN ei 86) Dr. med. VıktToR REICHMANN, Privatdozent a e 87) Prof. Dr. BERNHARD RIEDEL, Geh. Med.-Rat „.u..1889 88) Prof. Dr. ALBERT RıITzEL a kei0ls) 89) Dr. med. Erich RöPER 1914 90) Prof. Dr. RoBERT RössLE 1912 91) Dr. Ernst RössLEr, prakt. Arzt 92) Prof. Dr. EpuArp ROSENTHAL, Geh. Justizrat 93) Dr. JuLıus SCHAXEL, Privatdozent 94) Prof. Dr. WILHELM SCHNEIDER 95) F. ScHNEIDER, Dipl.-Ingenieur 96) Dr. phil. Orro ScHort, Fabrikleiter 97) Dr. phil. RICHARD SCHRÖDER 98) Prof. Dr. FRIEDRICH SCHULZ 99) Prof. Dr. W. v. SEIDLITZ 100) Dr. phil. HENRy SIEDENTOPF 101) Dr. A. SoMMER, Stabsarzt 102) Prof. Dr. Bopo SPIETHOFF 103) Prof. Dr. Erst STAHL 104) Prof. Dr. RODERICH STINTZING, Geh. Med.-Rat 105) Prof. Dr. WoLFGANG STOCK 106) Prof. Dr. RupoLF STRAUBEL 107) Prof. Dr. WILH. STROHMAYER 108) Dr. Hans STÜBEL, Privatdozent 109) Dr. med. JoH. THIEMANN, Privatdozent 110) Prof. Dr. JOHANNES THOMAE, Geh. Rat 111) Prof. Dr. CARL VOLLMER 112) Prof. Dr. EDUARD VONGERICHTEN, Hofrat 113) Fräulein Dr. WAGNER, prakt. Arzt 114) Dr. phil. Ernst WANDERSLEB 115) Dr. med. WArDA, Nervenarzt, Blankenburg 116) Dr. med. Max WEINERT, prakt. Arzt 117) Prof. Dr. Max WıEn, Geh. Hofrat 118) Ingenieur HEINRICH WILD 119) Prof. Dr. M. WINKELMANN 120) Prof. Dr. CARL WITTMAACK 121) Prof. Dr. Lupwıs WoLrF 122) Prof. Dr. L. WREDE 123) Prof. Dr. G. von ZAHN Jahr der Aufnahme Jena 1909 Neu aufgenommen als Mitglieder wurden: 1) Herr Prof. Dr. PauL Mayer. 2) Herr Dr. Kurr Neumann. 3) Herr Dr. EDUARD JACOBSHAGEN. 4) Herr Privatdozent Dr. Kappen. 5) Herr Prof. Dr. Bruno Bauch. 6) Herr Sanitätsrat Dr. Wıru. ECKARDT. 7) Herr Dr. ErıcH RöpEr. 8) Herr Dr. PauL Hirsch. 9) Herr Dr. A. Housre, 10) Herr Privatdozent Dr. K. A. HEGNER. 1897 1912 1909 1912 1882 1904 1898 1914 1900 1913 Far 1881 1890 1910 1894 1902 1910 1910 1879 1912 1902 1213 1906 1904 1897 9 1911 1912 1910 1892 LO 1912 Sr 11) Herr Dr. OrrTo FRIEDRICH. 12) Herr Dr. BIEDERMANN, Rudolstadt. 13) Herr Privatdozent Dr. JoH. ZAngGe. Durch den Tod verlor die Gesellschaft im Jahre 1914: 1) Geh. Sanitätsrat Dr. BOCKELMANN. 2) Prof. Dr. BÄDEKER. Es schieden ferner aus: 1) Dr. R. MARBURG. 2) Prof. J. MEISENHEIMER. 3) Dipl.-Ing. SCHNEIDER. | 4) Dr. R. SCHRÖDER. Buchäruckerei Ant. Kämpfe, Jena Jenuische Zeitschrift Ba.d Tap3. Maxillare — nat Gr, Vomeropalatinum. Base er | nat.Gr mn Lubosch und Freytag gez. Lith. Anst.v. A.Gilisch,Jena > f 4 [; | Br = Ser Si Jenaische Zeitschrift Bd. Lil. Taf: 7. Alisphenoid =. Frontale \ Parietale 2 7 Orbitosphenoid — — Peirosum Mir DT 11T TTTER Si U AAUIRAnAOAI na. Plerygoid. “ Bi “ | 2 d ‚Gr Maxallare Pa ; nat. 6 alalinum Goniale 3 Orbitosphenoid Fronlale Vorueropalarinum . x < = \ Parietale Praeftontals — _ et s =7 a = u une ar we EEE WERELLRRT Tan vi un Kite Ve r em Vy t wm Maxillare — Goniale = _ Dentale \ N Alisphenoid = — Gonio artieulare nat Gr, Plerygoid Alisphenoid Orbitosphenoid Eihmoid. Frontale / Proc. äntorbitalis nn Parasphenoid A.Gıltsch,Jena Verlag von Gustav Fischer ın Jena. Ze ne Da Jenaische Zeitschrift Bd. LIT. Taf 2. pariet, Parietale S Proc. temporalis _ — 0ssis pariet. > Proc. postorbitalis Lubosch und Freytag Lith.Anst.v. A.Giltsch Jena ® nt ‚Jmaische Zeitschrift Bd. LI. nut.Gr. auf Figur 11 zu aund b gezogen ı Taf. 2. Proc. front. ossiß pariet, Frontale Proc. orbilatis. ossis pariet. 1 Il 8. N Parietale Proc. antorbitalis NS B” -Quadratum Verlag von Gustav Fischer in Jena. ae N ee ” en a > Proc. postorbitalis ‘ x Proc. tenıporalis 3 { _— 05SSIS pariet Lith. Änst.v. A.Giltsch Jena Jenaische Zeitschrift Bd. LU NT NN. NA 23 Lubosch und Freytag “ he) P „ J er 1. > at Eu ku) [Bu ie; 4 & ar B ‚Jenaische Zeitschrift Bd. LIU uf 3 Alisphenoid pP z ı 2 | Orbitosphenoid Praefrontale [ ’ Joc !pitale Jateralk Nasale Paraquadratum uuugg uysE Be k P (} ro Saal DAL Alan HERREN ai shi ea PT Sen re x Bi Quadratum I N | 0 I Verlag von Gustav Fischer in Jena Jenaische Zeüschrift, Bad. 1 Taf. 4. Cranio mandibularis \ obere Schicht } dreischichtiger um = - - 7” Pierygoideus anterior . == 4 Cranio mandibularis tiefe Schicht ER zur tiefsten Portio abgespaltener Teil des Cranio mandib. sublimis exiernus Ursprung des Pterygoideus anter Ursprünge des Cranio mandibularis \ \ x e \ j 29 I \ ) Parasphenoid > 1 Meer I \e I ERTRNNNEN ‚2; Tympanieum- a 2 ee x abgeschnittene, von der Jnnenflache des Tympanıcum kommende Bündel J Lith. Äust.v. A.Giltsch, Jena. Lubosch. «€ r hi b j i ’ 4 Jnaische Zeitschrift. Bd. LIN Taf 4. jo mandibulari 73 | Granio mandibularıs Pterygoideus anterior obere Schicht | ze \ - « /6 IN ® . a a7 6 6 Pars antieularis ı! dreischichtiger Cranio mandibularis I t tiefe Schicht h ı I Pas tymp IS zur tiefsten Portic abge st ul ner T Ik des Sranio mandib. sublimis ; exiernus , Ir ff Cranio mandibuları Ursprung des Pterygoideus anterior h RN horizontale ö Ursprünge dss Cranio mandibularis ' / Platte des Parıeto-frontale Se vertikale 29. \ \ N N Bez Parasphenoid SR N 78 Portio articularis nen R : Praefrontale Tympanioum- Seplomaxillare - = — Prae maxillare | Macrano- jugale - =" Unnenflache des Iympan | ee 7 5 R Ber Lith An ” A.Giltsch, Jena Verlag von Gustav Fischer in Jena. Jenaische Zeitschrift Bd. | Oberlippeninser des Pteryg. posterior tiefen Cranio ma Jnsertion der Teile l in n \ N \ Fa \ \ h N \ \ IN \ Pa \ TEN N RAN ft Unterkieferinsertion X \ >, % \ des tiefen Cranio \ mandibularis Be M. Granio nandibularis profundus f l l f iR sublimis 1) M. Pierygeideus [anterior] N I Mandibularis externus Lubosch. Cranomandibularismsertion. Lith.Anst.v. A.Giltsch, Jena | | | | Jmaische Zeitschrift Ba.LII, Oberlippeninsertion des tiefen Granio mandibularis 1 Jnsertion der Teile des Pteryg. posterior \\ Sehne der pars tympanioa des 1 Pterygoideus posterior Pteryg. posterior / _ Sehne des \ Cranio mandibularis sublimis "N - Proc. muscularis abgeschnitten “ Pars artieularis des Pteryg. post. am Ursprung abgeschnitten Ä Ast zum tiefen. Cranio Mandibularis M. Cranio mandibularis- profundus ' l suhlinis RINVv durchgeschnitten und zur Seite gelegt um den ventral verlaufenden. motorischen Ast zu zeigen. !ı M. Pierygoideus (anterior] x , Ast zum oberfl. Cranio mandibularis abgeschnitten Taf. 5. EEE Tamm: Oberflächlicher Cranio mandibularis BR 21 Tiefer Craniomandibularis 7 | ı I | j | l | | I | | | | I j j l l I \ Ü j \ I \ \ l I I T Verlag von Gustav Fischer in Jena Cramomandibularisinserhon Pterygoideus anterior I N \ i N I I \ ! ! l [ | j Pterygoideus posterior l j 7 ı I Mandibularis externus nat. GR Sehnan Fe Jenaische Zeitschrift Bd. LI. Tafel 6. Ku FT a ee “ # ut 'ahrenholz. Verlag von Gustav Fischer in Jena. vr (® Jenaische Zeitschrift bad. LIIT. Mayer: Fahrenholz. Verlag von Gustav Fischer in Jena. ar a A u EEE Kr; Y a a Ka a Deren k £ ; 7 o i " ar, Y a » ro DR j E E ie ‚ni: 4 I u age Da 1 kp i | a ö i : Ey Be - re Zu Ba een eg Fa z II ee RE SR BR Jenaische Zeitschrift Ba. LI. Verlag von Gustav Fist in enden Aa u En. ren ‚Jenaische Zeitschrift Bd. LM. Fig. 7. Fig 2 Fig. 4. ET ee Be ee Eu 1, Lith Anstv.KWesser,Jena. ” ‚ sche Zeitschrift Bd. LI. an anal BR D8eta UEHEÜRE| 1 nn ‚perostr >osir ERNEST ID ‚yp una: : jostr sb.oes.t ar - der muy milz Milz mil; Fig. 20. Lith AnstuKWesser,Jena Verlag von Gustav Fischer in Jena. u i L = ı Pr . EEE EEE IE EEE Een BR: | SECUr-- . N en ves.sem-- E EEG ® 3 Er bagw MULSC Wille gez. LithAnstv.KWesser,sena. le 0 ae ERTL BEZ ) u: 4 N } | i | i I ’ u u u a N a u nnd u Br DE a Jenaische Zeitschrift Bd.LUl. = De enlteld #--0es Tb-nreecen TRUSC JNUSC, ; end bdgur * Fig. 32. 8 i rn urmil pnse f wu guf Fig. 30. VEs.Sem.-- retr;pen wu f Fig.42. wu zwg Fig. 38. Taf. 0. urmil md.ur SEcur bagur Fig. 33. DS ETF el olmil kl end.d bdqur we“ *“,. Weonienean®® Made Verlag von Gustav Fischer in Jena. | de 2 ee Fe Verlag von Gustav Fischer in Jena. Vor kurzem erschien: Die Biologie und ihre Schöpfer. William A. Locy Ph. D., Sc. D., Professor an der Northwestern University. Autorisierte Übersetzung der zweiten amerikanischen Auflage von E. Nitardy. Mit einem Geleitworte von Prof. Dr. J. Wilhelmi. Mit 97 Abbildungen im Text. 1914. (XII, 416 S. gr. 8°.) Preis: 7 Mark 50 Pf., geb. S Mark 50 Pi. Inhalt: I. Die Anfänge der Biologie (mit Ausschluß der Stammes- geschichte). 1. Skizzierung des Ursprungs der Biologie und ihrer historischen Epochen. 2. Vesalius und der Sturz des Autoritätenglaubens in der Wissenschaft. 3. William Harvey und die experimentelle Beobachtung. 4. Die Einführung des Mikroskops und der Beginn unabhängiger Beobachtung. 5. Fortschritt in der mikroskopischen Anatomie im 18. Jahrhundert. 6. Linne und die Naturwissenschaft. 7. Cuvier und die vergleichende Anatomie. 8. Bichat und die Histologie. 9. Die Physiologie; Harvey, Haller und Joh. Müller. 10. Bär und die Embryologie. 11. Die Zelltheorie; Schleiden, Schwann, Schultze. 12. Das Protoplasma als Grundlage des Lebens. 13. Pasteur und Koch. 14. Erblichkeit und Keimfolge; Mendel, Galton, Weismann. 15. Die Kenntnis der Fossilien. II. Die Lehre von der Stammesentwicklung. 16. Erklärung des Aus- drucks: Entwicklung. 17. Entwicklungstheorien; Lamarck, Darwin. 18. Fort- setzung der Entwieklungstheorie; Weismann, de Vries. 19. Der Entwicklungs- gedanke und seine Förderung. 20. Rückblick und Ausblick. Heutige Bestrebungen der Biologie. — Anmerkungen des Übersetzer. — Reading List (Literatur im Originalabdruck). — Alphabetisches Inhaltsverzeichnis. Das Werk des amerikanischen Autors behandelt den Werdegang der biologischen Forschung hauptsächlich vom zoologischen Standpunkte aus. Das ursprünglich für ameri- kanische Leser geschriebene und dort mit großem Beifall aufgenommene Buch wird durch die Übersetzung auch weiteren Kreisen in Deutschland zugeführt, die sich für die natur- wissenschaftliche Entwicklung interessieren. Der Hauptzweck des Buches liegt in der Aufdeckung der Quellen bio- logischer Gedanken und der Hauptwege der biologischen Entwick- lung, und weiterhin darin, den Leser mit jenen vornehmen Gestalten bekannt zu machen, deren Arbeit die Epochen der Geschichte der Biologie bezeichnet, sowie zu zeigen, daß die Entwicklung der biologischen An- schauungen eine lückenlose ist. Da die Illustrationen des amerikanischen Werkes teilweise zu wünschen übrig ließen, wurden dieselben nur so weit als notwendig übernommen und konnten zum großen Teil durch bessere Abbildungen ersetzt werden, für deren Beschaffung keine Mühe ge- scheut wurde. PER TIER PILB N Verlag von Gustav Fischer in Jena. * + 7 — — = = Über den | | extrakardialen Kreislauf des Blutes vom Standpunkt der Physiologie, Pathologie und Therapie. Von Dr. Karl Hasebroek leitender Arzt des Hamburger medico-mechanischen Zanderinstitutes. Mit 20 Abbildungen im Text. (XII, 345 S. gr. 8°.) 1914. Preis: 9 Mark. Inhalt: Vorwort. — 1. Einleitung. — 2. Protoplasma und Zirkulation. — 3. Die Strömung in den Kapillaren. — 4. Die Strömung in den Arterien. — 5. Die Strömung in den Venen. — 6. Die Bedeutung der Diastole-Systole der Gefäße für Widerstände und Triebkräfte. — 7. Die Beziehungen des Protoplasmas zur Tätig- keit der Arterien. — 8. Die Bedeutung der Hormone für die regulatorische Ein- stellung des Gefäßsystems vom Gewebe aus. — 9. Die Adrenalinwirkung als Bei- spiel für die physiologische Energiesteigerung des arteriellen Systems. — 10. Die Beziehungen des diastolisch-systolischen Gefäßbetriebes zum vasomotorischen Nerven- system. — 11. Der Kreislauf im ganzen auf Grund der Stellung der extrakardialen Organbetriebe zum Herzen. ® Berliner klin. Wochenschrift, Nr. 37 vom 14. September 1914: ... Was Hasebroek an physikalischen, experimentellen, physiologischen, patho- logischen Beweisstücken beibringt und mit erstaunlicher Kunst zusammenfügt, kann nicht genug bewundert werden. Aber was ich noch höher an seiner Arbeit schätze, ist dieses, daß für den Leser der Mensch nicht mehr bloß ein sich bewegender Leichnam ist, sondern daß er alle die kleinen und großen Pulswellen spüren lernt, die da dauernd in dem kunst- vollen Gefüge durcheinander laufen .. . Buttersack (Trier.) Zeitschrift für physikalische und diätetische Therapie, XVIII. Bd., Heft 5: Im vorliegenden Werke bringt der bekannte Hamburger Forscher alle bislang be- kannten Tatsachen vor, welche seine seit Jahren vertretene Anschauung von der Wichtigkeit der extrakardialen Triebkräfte für die Erhaltung des Blutkreislaufes zu stützen vermögen (mit besonderer Berücksichtigung der Gefäßmuskulatur). Besonderen Wert gewinnt unter diesem Gesichtswinkel das Elektroardiogramm, welches für das System der höheren Tiere die Annahme eigenmotorischer peripherer Kräfte wesentlich zu stützen berufen ist. . .. Wer sich mit der Frage des peripheren Kreislaufs beschäftigt, wird an dem Buche nicht vorübergehen können und bei der Lektüre viel Anregendes finden. Die Aus- stattung des Buches läßt nichts zu wünschen übrig. Hofbauer (Wien). Therapeutische Monatshefte, 28. Jahrg., 1914, Heft 7: Das Buch gibt eine auf reicher Literaturkenntnis beruhende umfassende Darstellung der Physiologie und Pathologie des Kreislaufs, und die Lektüre wirkt durch die auf viele eigene Arbeiten über das fragliche Gebiet gestützte subjektive Kritik differenter Urteile besonders auregend. Der Grundgedanke des Ganzen ist die These der Selbständigkeit der Gefäßfunktion neben der Tätigkeit des Herzens, die durch eine aktive Systole-Diastole der muskelführenden Gefäße zustande kommt und den Blutstrom aspiratorisch - peristaltisch fördert. Sie wird durch eigene Experimentaluntersuchungen ebenso wie durch die Ergeb- nisse der Forschungen über die Hormonwirkungen und die Kenntnisse über die Funktion des sympathischen Nervensystems gestützt. Die für die Therapie sich ergebenden Folge- rungen werden am Schluß kurz angeführt, insbeson inblick\ auf die Wirkung von dere im Gymnastik und Sport auf den Kreislauf. Ar D) = 954) Jungmann. Buchäruckerei Ant. Kämpfe, Jena. JANlh, Rh Nun SHE, Hin v 1 INN PRO I In A vs BI IKT EUNSER AITAUFER SR, INSTITUTION LIBRARIES a an mm 088 01355 6154