59 rr — 5 9 zum enge — 2 * En: „nie 7 = ae? — 1 — 1 — eng 2 F ˙ ET RE a TE rt en HARVARD UNIVERSITY Ru LIBRARY MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY N 9 D 1 J. A. Naumann’s Naturgeſchichte 5 der \ Vogel Deutſchlands. ei Herausgegeben deſſen Sohne . V N * * » * 2 r F * . z . 3 8 8 er * * 4 „ 7 * 1 = * * 5 N 1 1 2 — ren Ci Herr „ , DIL eee. Geb. d. 13 b. Apr 4744 He, der natunforschenden res chwehaft zu Halb, der Porst - und Jagdkunde ge i, zu Dreysstqacker zend Aler- zungen ‚der Melteraueschen Gesellschaft fir die geit te e ‚und der Gewellschaft für die geram ebe Ur wunsenwehaften ZU 4 Harburg - 7 1 7 2 „ N „ . KA tel rn 7 Y r Johann Andreas Naumann's, mehrerer gelehrten Geſellſchaften Mitgliede, * Naturgeſchichte . der Voͤgel Deutſchlands, eigenen ee entworfen. — — ̃ꝗ Durchaus \ umgearbeitet, ſyſtematiſch geordnet, ſehr vermehrt, vervollſtaͤn— digt, und mit getreu nach der Natur eigenhaͤndig gezeichneten und geſtochenen Abbildungen aller deutſchen Voͤgel, nebſt ihren Hauptverſchiedenheiten, aufs Neue herausgegeben von deen Sohne Johann Friedrich Naumann, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Halle; der Societaͤt für Forſt- und Jagdkunde zu Waltershauſen und Dreyßigacker; der Wetteraueſchen Geſellſchaft für die gex ſammte Naturkunde zu Hanau; der Geſellſchaft fuͤr die geſammten Naturwiſſen⸗ ſchaften zu Marburg; der Leipziger naturforſchenden Geſellſchaft, wirklichem und correſpondirendem Mitgliede, und der allgemeinen Schweizeriſchen Geſellſchaft für die geſammten Naturwiſſenſchaften Ehrenmitgliede. ——— —ů— Erſter Theil. 1 Mit 48 colorirten und 2 ſchwarzen Kupfern. Leipzig, bei Gerhard Fleiſcher. 1820. v Ser 1 5 um — — ee x ER a 8 05 N PN e Dem Durchlauchtigſten Herzoge und Herrn, n Friedrich Ferdinand, regierendem Herzoge zu Anhalt⸗ ⸗Koͤthen, Herzoge zu Suchſen, Engern und Weſtphalen, Grafen zu Askanien, Herrn zu Bernburg und Zerbſt z. 16, meinem allergnaͤdigſten Landesvater, e D e m ein ſichtsvollſten Kenner u n d erhabenſten Befärde en, alles Wahren und Guten in tiefſter Verehrung und Unterthaͤnigkeit zugeeignet von Johann Friedrich Naumann. Sendſchreiben an Naturforſcher, gebildete Forſtmaͤnner und Oekonomen, die Herausgabe eines Prachtwerks der Bögelkunde Deutſchlands, betreffend. De Fortſchritte, welche ſeit einigen Jahrzehenden in dieſem Zweige der Naturgeſchichte gemacht ſind, ſind eben ſo bewunderns— werth, als ehrenvoll fuͤr unſer deutſches Vaterland. Aber je mehr an Kenntniß der Voͤgel aller Art durch Erfahrung und Forſchung i gewonnen iſt, deſto mehr bedarf es einer ordnenden Zuſammen— ſtellung ſowoßl, als einer pruͤfenden Beleuchtung Alles deſſen, was hier und da in ſo vielen einzelnen, zum Theil ſehr ſeltenen oder ſehr koſtbaren Werken zerſtreut iſt; es bedarf mit einem Worte eines Werkes, das die Voͤgel Deutſchlands moͤglichſt vollſtaͤndig befaßt, und gründlich ſowohl als hinreichend ausführlich beſchreibt, inſon— derheit aber auch hoͤchſt getreu abbildet. Mit welchen großen Koſten und Schwierigkeiten eine ſolche Arbeit verbunden iſt, bedarf für Kenner und Liebhaber des Fachs keiner Eroͤrterung, denn ſie wiſſen es, wie ſchwankend unſere Syſteme find, wie viel Verwir— rung die gleichnamigen Benennungen oder Synonyme erregen, und wie viel Aufwand an Zeit, Muͤhe und Geld es fordert, ſich aus der Natur ſelbſt von allen Arten Voͤgeln, von den ſeltenſten ſogar, Exemplare zu verſchaffen, die fuͤr die Abbildung und ſelbſt auch fuͤr die Beſchreibung tauglich ſind. Mit allen dieſen und manchen andern Schwierigkeiten hat es dennoch deutſcher Muth und eiſerner Sinn aufgenommen, und wir erhalten mit naͤchſtem den erſten Theil von: a Johann Andreas Naumann's Naturgeſchichte der Voͤgel Deutſchlan ds, nach eigenen Erfahrungen entworfen. Durchaus umgearbeitet, ſyſtematiſch geordnet, ſehr vermehrt, vervollſtaͤndigt, und mit getreu nach der Natur von ihm ſelbſt gezeichneten und geſtochenen Abbildungen aller deutſchen Vögel, nebſt ihren Hauptverſchiedenheiten, aufs Neue herausgegeben von deſſen Sohne Johann Friedrich Naumann. Mit 48 colorirten und 2 ſchwarzen Kupfern. Leipzig, bei Gerhard Fleiſcher. Der wackere Herausgeber arbeitete ſchon an des Vaters hoch⸗ geachteter Naturgeſchichte der Land- und Waſſervoͤgel des noͤrd⸗ lichen Deutſchlands mit, und die ſaͤmmtlichen Abbildungen in der⸗ ſelben waren ſeine Arbeit. 5 Die gegenwaͤrtige Ausgabe iſt in der That ein gaͤnzlich neues Werk, das von den Platten des vorigen nur die gelungenſten auf— genommen hat, die fehlenden, zum Theil noch unbeſchriebenen Arten hingegen und viele Hauptverſchiedenheiten, neu und genau befchries ben, neu gezeichnet und geſtochen enthaͤlt, wozu die Verlagshand— lung die hoͤchſt getreue Illumination beſorgt hat, ohne den dazu er— forderlichen ſehr großen Aufwand zu ſcheuen, indem hier auf der moͤglichſten Wahrheit des Colorits ſo uͤberaus viel beruht. Daß auch in Papier und Druck das Möglichfte geſchehen fey, um ein in jedem Betracht wahrhaftes Kunſtwerk zu liefern, iſt unnoͤthig beſon— ders zu verſichern. Der erſte Theil mit 50 Kupfern enthaͤlt die ſaͤmmtlichen Raubvogel mit ihren Abbildungen. — Die Materialien zum voll: ſtaͤndigen Werke, deſſen ſchnelle Beendigung keinem Zweifel unter: worfen iſt, liegen vorraͤthig. ö Das ſeltene Unternehmen bedarf der ſeltenen und ermuntern= den Theilnahme der Kenner und Liebhaber. — Damit aber auch weniger Bemittelte, die fuͤr Wiſſenſchaft und das Verdienſtvolle deutſcher Unternehmungen Sinn haben, gleichfalls Antheil nehmen koͤnnen, wird das Werk in Heften ausgegeben werden. Der ıfte und ꝛ2te Heft des ıften Theils, deren Preis 6 Rthlr. iſt, ſind bereits an alle gute Buchhandlungen geſandt und durch dieſe zu erhalten. Leipzig, den 1. April 1820. Gerhard Fleiſcher. Bord Die Stürme der Zeit nicht achtend, erhob ſich ſeit einem Viertel⸗Jahrhunderte die Naturkunde zu einer immer allge⸗ meiner werdenden Wiſſenſchaft. In allen Faͤchern derſelben traten wackere Männer auf, welche ihr Moͤglichſtes thaten, die Wißbegierde der zahlreichen Liebhaber zu befriedigen. Eine Menge der in der neueſten Zeit erſchienenen Werke und Huͤlfsmittel aller Art, ſind Zeugen hiervon. Auch in der Ornithologie blieb man nicht zuruck, am wenigſten, wie billig, in der vaterlaͤndiſchen. Bei der Menge der uͤber dieſen Gegenſtand, für welchen man fich täglich, mehr zu intreſſiren ſcheint, erſchienenen Schriften, iſt doch immer der Mangel eines Werkes fuͤhlbar, das eine moͤglichſt vollſtaͤndige, durch eigene Beobachtungen gepruͤfte und wahrhafte Darſtellung der Naturgeſchichte aller deutſchen Voͤgel enthielt; welchen die zur richtigen Erkenntniß jeder Art nothwendigen, treu nach der lebendigen Natur entworfenen Abbildungen beigefuͤgt, dies alles aber in ein, nach dem beſten Wiſſen unſerer Zeit geord⸗ netes, Syſtem aufgeſtellt waͤre; deſſen Beſcheidenheit in chalkographiſcher wie in typographiſcher Hinſicht einen Preis geſtatte, welcher dem Liebhaber die Anſchaffung deſſelben nicht unmöglich mache. vor SI ODE Aufgefordert von Freunden und Verehrern der vater⸗ laͤndiſchen Ornithologie, und durch ein Zuſammentreffen beſonderer Umſtaͤnde, entſchloß ich mich zu der Bear— beitung eines ſolchen Werkes, wobei ich die fruͤhern Arbei ten und Erfahrungen meines Vaters aus ſeiner Natur— geſchichte der Land- und Waſſervoͤgel des noͤrd— lichen Deutſchlands u. ſ. w., an welchem Werke ich ſpaͤterhin ſelbſt Mitarbeiter war, und was von 1796 an bis 1817 heftweiſe erſchien und mit vielem Beifall auf— genommen wurde, zum Grund lege oder vielmehr eine neue Auflage davon erſcheinen laſſe. Obſchon der ganze Schatz jener Erfahrungen, dieſer neuen Auflage zur Baſis dienen, und die meinigen, ſeit mehr als zwanzig Jahren theils auf Reiſen, theils an der Seite meines Vaters muͤhevoll ge- ſammelt, ihr beigefuͤgt, alſo das Praktiſche dieſes deutſchen Werks anſehnlich vermehrt werden ſoll; ſo wird es doch die hier mit ihm auf das Sorgfaͤltigſte verbundene Theorie der Wiſſenſchaft, dieſe erſte Stuͤtze des Neulings, fo um- wandeln, daß die neue Ausgabe der alten nur in der Wahrheit, dem innern Gehalt nach gleich bleiben, aber von außen her, in Hinſicht der Zuſammenſtellung der Ma⸗ terien und dem Ordnen derſelben, ihr nicht mehr aͤhneln wird. Was dort in einzelnen Heften und vielen Nach— traͤgen zerſtreuet war, das ſoll hier in ſyſtematiſcher Ord— nung neben einander ſtehen, das Fehlende ergaͤnzt werden, und ſo eine moͤglichſt vollſtaͤndige Naturgeſchichte aller deutſchen, bis jetzt wenigſtens als ſolche bekannten, Vogel entſtehen. Als Graͤnzen fuͤr Deutſchland nehme ich hier die natuͤrlichen, ſoweit ſie durch die deutſche Sprache aus— gedehnt und gebildet werden. Alle Voͤgelbeſchreibungen, ſo wie auch, bis auf einige wenige Ausnahmen, die natürliche Geſchichte aller beſchriebenen Voͤgel, ſind von meinem Vater oder von mir nach der Natur entworfen. Da, wo dieſes aus Mangel an Gelegenheit von uns nicht geſchehen Vorrede. 1* konnte, wurde ich von meinen Freunden, denen ich hier auf, das Verbindlichſte dafür danke, thaͤtigſt unterſtuͤtzt. Jeder mir hierzu gelieferte Beitrag iſt ſtets mit dem Namen des Einſenders bezeichnet, und dieſer Name ſoll hoffentlich die Wahrheit jener verbuͤrgen. Nur in ſolchen Faͤllen, wo auch dieſes Mittel, mich auf dem ſicherſten Wege meinem Zwecke zu een, mir verſagt war, wo keine neuen Be⸗ obachtungen auf dieſe Weiſe zu dee waren, ſahe ich mich genoͤthigt, unſre beſten und neueſten Schriftſteller um Rath zu fragen. Das Wenige, was ich indeſſen, außer der Nomenklatur, von ihnen entlehnte, ſo wie eine hie und da angeführte Nachricht von einer nicht ganz zuverläßigen Perſon, habe ich immer von den ſelbſtgepruͤften Beobach⸗ tungen, durch ein: Es ſoll — Man ſagt — u. dergl. ausgezeichnet. Durch dieſe Vorſicht hoffe ich 5 und Vorwuͤrfe zu vermeiden. Wenn ich mein eifrigſtes Beſtreben dahin richten werde, dem Werke eine ſolche Vollſtaͤndigkeit zu geben, wie ſie unſere jetzigen Entdeckungen in dieſem Zweige der vaterlaͤndiſchen Naturkunde nur immer zulaſſen; ſo werde ich mich im Gegentheil auch bemuͤhen, nicht in den Fehler einer gar zu großen Weitſchweifigkeit zu verfallen. Sollte dies vielleicht bei Beſchreibungen einzelner Arten der Fall zu ſeyn ſcheinen, ſo wird man bei genauer Unterſuchung dennoch bald finden, daß eine ſolche Ausführlichfeie da nicht uͤberfluͤßig war, weil fie die Geſchichte ſolcher Voͤgel betrifft, uͤber welche bis hieher noch irrige Meinungen und falſche Anſichten herrſchten, oder über deren Naturgeſchichte bis jetzt nur wenig Zuverlaͤßiges bekannt war. Ehe ich zu der Beſchreibung einzelner Voͤgel ſchreite, habe ich für nicht uͤberfluͤßig gehalten, eine allgemeine Na⸗ turgeſchichte derſelben vorausgehen zu laſſen. Sie zerfaͤllt in zwei Abtheilungen, wovon die erſte, die der Leſer der Güte meines geſchaͤtzten Freundes, dem Herrn Dr. Nitzſch, x Vorrede. Profeſſor der Naturgeſchichte zu Halle, verdankt, die Ana— tomie des Vogels nach ſeinen innern und aͤußern Theilen enthalten wird. In der Zweiten wird dagegen von mir das Leben und Wirken der Voͤgel im Allgemeinen, und in beſonderer Hinſicht auf unſere deutſchen, nach eige— nen Erfahrungen beſchrieben. Ich glaube es wird dieſes als Einleitung zum Ganzen nicht uͤberfluͤßig ſeyn. | Die Synonymik, dieſen fo ſchwierigen Punkt in der Naturgeſchichte, habe ich mit Muͤhe und Vorſicht gefam- melt und ſorgfaͤltig zu ordnen geſucht. Welche kitzliche Aufgabe dies iſt, weiß jeder Theoretiker. Ich habe mein Moͤglichſtes gethan, und bitte, wenn die Anſichten eines Andern von den meinigen irgendwo abweichen ſollten, um genaue Pruͤfung dieſer, und da, wo ich wirklich gefehlt haben koͤnnte, um gutige Nachſicht. Von den deutſchen Namen habe ich immer den oben angeſtellt, welcher ent— weder den Vogel am beſten bezeichnet oder der befanntefte iſt, ohne beſondere Ruͤckſicht auf eine Gegend zu nehmen. Was die Terminologie oder die in den Voͤgelbeſchrei— bungen vorkommenden Kunſtwoͤrter betrifft, ſo glaube ich nicht noͤthig zu haben, eine weitlaͤuftige Erklaͤrung davon vorauszuſchicken, weil ſie wol allgemein verſtaͤndlich ſind. Wer ſich aber des Weitern daruͤber zu belehren wuͤnſcht, den verweiſe ich auf unſeres vortrefflichen Illiger's Pro- dromus systematis mammalium et avium etc. In dieſem Werkchen wird er die Termini ornithographici in lateini⸗ ſcher und deutſcher Sprache ſo finden, wie er es nur wuͤn— ſchen kann. Nur einiger Abweichungen muß ich, um Misverſtaͤndniſſe zu verhuͤten, erwaͤhnen. Z. B. das Wort: Steiß, habe ich deswegen aus der erſten Auflage beibe— halten, weil es im gemeinen Leben, allgemein verſtaͤndlich, den Koͤrpertheil bezeichnet, der auch in meinen Beſchrei— bungen damit gemeint iſt, naͤmlich den hinterſten Theil des Ruͤckens uͤber den Schwanzwirbeln, welche Stelle aber Vorrede. xı Illiger den Buͤrzel nennt; eine Benennung, die. ge- meinhin wenig bekannt iſt, oͤfters aber gar den Schwanz ſelbſt bezeichnet. Das, was ich alſo Steiß nenne, heißt im Lateiniſchen: Uropygium — und was hier durch Crissum bezeichnet wird, nenne ich in meinen Beſchreibungen die untern Schwanzdeckfedern. — Ferner finde ich in gar vielen, ſelbſt neuen, vortrefflichen Werken, daß man oft Bauch (Abdomen) nennt, was doch eigentlich Bruſt (Pectus) heißen muͤßte. Um daher Misverſtaͤndniſſen vor⸗ zubeugen, erklaͤre ich hier, daß ich in meinen Beſchreibun⸗ gen ſtets unter der Benennung: Bruſt, die ganze Flaͤche verſtehe, die vom Anfange des großen Bruſtbeins anhebt und bis an ſein Ende reicht. Dies ſtimmt auch mit Illiger uͤberein. — Unter Kropf iſt im Folgenden immer die Stelle zwiſchen Gurgel (Jugulum) und Bruſt Cectus) zu verſtehen. Das Uebrige wird, wie ich hoffe, verſtaͤndlich ſeyn und keiner Erörterung bedürfen. 15 Schon in der alten Auflage waren alle Zeichnungen von meiner Hand nach natuͤrlichen Exemplaren entworfen. Nur im Nothfall bediente ich mich hierzu ausgeſtopfter Stuͤcke, gewoͤhnlich aber friſcher und, wo ich es nur irgend haben konnte, lebender Voͤgel. Ich ſahe an vielen meiner Vorgaͤnger, wie ſchlecht das Copiren mehrentheils gelang, daher vermied ich es durchaus, und ließ die Abbildung eines Vogels, den ich nicht in Natura bekommen konnte, lieber einſtweilen fehlen. — An dieſe Art von Eigenſinn habe ich mich nun fo gewöhnt, daß ich auch fernerhin da- bei bleiben werde; doch ſoll es hoffentlich in Hinſicht des letztern Punktes nichts zu ſagen haben, da theils meine eigene Sammlung, theils meine jetzige ſehr ausgebreitete Bekanntſchaft mich in den Stand ſetzen, alles in jener Ausgabe Fehlende herbeizuſchaffen und an ſeinem Orte einzuſchalten. Wie ich nun bei der Umarbeitung des ge— nannten Werks alles, was ſich auf wahrhaft begruͤndete XII Vorrede. Beobachtungen ſtuͤtzte, beibehielt, ſo iſt dies auch der Fall mit den von mir dazu gelieferten Platten. Da, wo die Zeichnungen gut, der Stich ſauber und die Zuſammenſtel⸗ lung der Figuren auf einzelnen Platten nicht gegen die im vorliegenden Werke zu befolgende ſyſtematiſche Ordnung war, behielt ich die Octav-Platten der erſten Ausgabe bei. Bei genauerer Vergleichung beider Ausgaben wird man aber finden, daß nur wenige derſelben unveraͤndert ge⸗ blieben find, indem die meiſten Zuſaͤtze oder Verbeſſerun⸗ gen erhalten haben; andere ganz umgearbeitet, und eine große Anzahl ganz neuer, welche in der fruͤhern Ausgabe fehlten, hinzugekommen ſind. Alle Zeichnungen ſind der tatur moͤglichſt treu nachgebildet, und fo wie der Stich der Platten meiner Haͤnde Werk. Um jedoch die Zahl der Platten nicht ohne Noth zu vermehren, und dadurch den Ankauf des Werks zu erſchweren, habe ich mit dem Raume auf den Platten zuweilen etwas haushaͤlteriſch um⸗ gehen muͤſſen; da dies jedoch immer der Deutlichkeit unbe— ſchadet geſchehen iſt, ſo wird man hoffentlich mit 9 Sparſamkeit nicht unzufrieden ſeyn. | Man wird es mir ohne Betheurung glauben, daß es bei allem Fleiße eine voͤllige Unmoͤglichkeit ſey, neben haͤuslichen Sorgen und Brodgeſchaͤften, und an ein kleines Fleckchen Erde gefeſſelt, den ganzen Umfang einer Wiffen: ſchaft, wie die deutſche Ornithologie iſt, zu umfaſſen; daß dies nicht das Werk eines einzelnen Menſchen ſey, viel weniger in einem Zeitraume von ein paar. Decennien. er: langt werden koͤnne. Zwar habe ich fuͤr meine Perſon keine Muͤhſeligkeiten geſcheuet; ich trat mit meinen beiden Bruͤdern in die Fußtapfen meines Vaters, eines bei Jagd und Fang der Voͤgel grau gewordenen Waidmanns, und gemeinſchaftlich verſaͤumten wir bis jetzt noch nie eine, ſich in unſerer Naͤhe darbietende Gelegenheit zur Jagd dieſes oder jenen Vogels; ſo, daß ſich wol nur eine geringe Vorrede. XIII Anzahl deutſcher Voͤgelarten möchte ruͤhmen koͤnnen, nicht von einem unter uns einmal geſchoſſen oder beobachtet worden zu ſeyn. Dazu bedurfte es aber auch einer groͤße⸗ ren Ausdehnung, als unſre eignen Jagdreviere uns dar: boten, und ich muß den Eifer ruͤhmen, mit dem uns die Herren Jagdbeſitzer zuvorkamen, deren Bezirke wir, irgend eines Vogels wegen, zu beſuchen wuͤnſchten, und wie ſie mit Freuden die Erlaubniß dazu gaben. — Demunge⸗ achtet fehlte es uns doch an Manchem, woran die geogra⸗ phiſche Sage unſrer Wohnorte die meiſte Schuld hat. Uns fehlen Gebirge und Meereskuͤſten, folglich fehlen uns auch ſolche Voͤgel, die ihren Aufenthalt ſtets dort haben und hoͤchſtens nur durch ein blindes Ungefaͤhr einmal zu uns verſchlagen werden. Hier halfen aber meine auswaͤrtigen Freunde, von denen ich mit Empfindung des innigſten Dankes nur einige namentlich hier anzufuͤhren mich ge- traue. Wer kennt nicht die hochverdienten Namen: von Minckwitz, Temminck, Schinz, Benicken, Nat— terer. Sie werden mir, wie der ſo manches anderen Befoͤrderers meines Unternehmens, den ich hier nicht auf. führe, ſtets ein Gegenſtand wahrer Verehrung ſeyn. — Zu mehrerer Bequemlichkeit, ſoll das ganze Werk in vier Baͤnde abgetheilt werden, und dieſe ſo ſchnell, als es die vielen noͤthigen Vorarbeiten nur erlauben wollen, auf einander folgen. Der Herr Verleger, bekannt als ein Mann, der Gutes und Nuͤtzliches fo gerne befoͤrdert, wird gewiß nichts ſparen, was Papier, Druck, Illumination und dergl. zur Verſchönerung und Empfehlung des Ganzen en koͤnnen. Ziebigk, im Herzogthum Anhalt Cöthen im September 1818. | | e Johann Friedrich Naumann. xIv Vorrede. Nach ſchrift. Da es vielleicht manchem meiner Leſer angenehm ſeyn moͤchte, hier die erſte Entſtehung dieſes Werks oder die Urſachen, welche meinen Vater zur Herausgabe feiner Mas turgeſchichte der deutſchen Voͤgel veranlaßten, kennen zu lernen; ſo theile ich ſeine Selbſtbiographie aus der erſten Auflage fo mit, wie er fie damals, 1797, ſelbſt nieder— ſchrieb: „Mein Geburts- und Erziehungs⸗Ort iſt ein kleines Dorf, Ziebigk, eine Meile von Coͤthen, und 25 Meilen von Deſſau gelegen.“ „In dem verderblichen 30jaͤhrigen Kriege 1636, kaufte einer meiner Vorfahren allhier ein verwuͤſtetes und verlaſſenes Ackergut, mit einem ſchoͤnen anmuthigen Waͤld⸗ chen. Durch ſeinen Fleiß brachte er mit Huͤlfe ſeiner Kinder dieſes verwuͤſtete Gut wieder in Stand, und übergab es feinem einzigen Sohne. Dieſer fieng nun erſt an die Fruͤchte ſeiner, und ſeines Vaters ſaurer Arbeit zu genießen; er ſuchte ſich nun auch neben ſeinen Arbeitsſtun⸗ den eine Gemuͤthsergötzung zu machen. Die ſchoͤne an⸗ muthige Lage dieſes Dorfes, welches auf der einen Seite das Feld hat, und auf der andern mit Gebuͤſche, Wieſen und Teiche abwechſelt, mag ihn wol gereitzt haben, ſein Vergnügen am Vögelfungen und Jagen zu ſuchen; er legte daher verſchiedene Sue an, wovon man noch jetzt Spuren ſiehet.“ „Er hatte nur einen Sohn, dem uͤberließ er zuletzt das Gut, wo dieſer denn auch den Vogelfang und die Jagd fortſetzte. Dieſer war mein Großvater und hatte vier Söhne, welche alle den Vogelfang betrieben. Da er in ſeinem Alter das Gut meinem Vater uͤbergeben hatte, ſo ſetzte derſelbe den Vogelfang ebenfalls fort.“ Vorrede. xv 1980 „ d dieſe meine Vorfahren gleich keine N EN waren, fo wurden fie doch aus der Erfahrung gute Vogel— kenner; die Söhne lernten vom Vater, und . noch eigne Erfahrungen dazu. u „Ich war der einzige Sohn meines Vaters und wurde daher von meiner e an n F e be⸗ ſtimmt. | „Die Liebe zu den ſchoͤnen kuſtbewohnern 1 bei mir ſo ſtark eingewurzelt zu ſeyn, daß es mir unmoͤglich war, die Voͤgel mit gleichguͤltigen Augen anzuſehn, und in meinen Juͤnglingsjahren wurde dieſelbe voͤllig zur Leiden⸗ ſchaft. Als Kind begleitete ich meinen Vater ſtets beim Vogelfange, und fragte fleißig nach den Namen und Ei⸗ genſchaften der Voͤgel, die uns vorkamen. Nach meinem 10ten Jahre brachten mich meine Eltern zu einem ihrer Anverwandten in die Koſt, und von da nach Coͤthen in die Schule, welche ich bis in mein 15tes Jahr beſuchte. Unterdeſſen ſtarb mein Vater, und meine Mutter berief mich nach Hauſe und hielt mich zum Ackerbau und zur Hauswirthſchaft an. Hier hatte ich nun manche Neben⸗ ſtunden, den Vogelfang ſo und noch mehr als meine Vor⸗ fahren fortzuſetzen. Unſer damaliger Gerichtsherr übergab mir das Ziebigker Jagdrevier, ließ den Jaͤger öfters das Revier beſuchen und mich zugleich mit unterrichten. Dies war mir ein erwuͤnſchter Auftrag und ich uͤbte die Jagd nun eben ſo fleißig als den Vogelfang. Bei meiner Feld⸗ arbeit war auch immer meine Flinte bei mir, und kein vorbeifliegender Vogel entgieng meiner Aufmerksamkeit ich begleitete ihn mit den Augen, ſoweit ich ihn ſehen konnte, wodurch ich auch die Voͤgel in der Ferne gut kennen lernte.“ „Den Sommer und Herbſt 1 ſchlief ich in einem Gartenhauſe; mein Bette mußte immer hart ſeyn, um die Morgenſtunde nicht zu verſchlafen, doch einmal in xv2 Vorrede. der Woche mußte ich es auf ausdruͤcklichen Befehl meiner Mutter machen laſſen. Ehe es Tag ward, war ich ſchon auf dem Vogelheerde, oder hatte mich auf der Jagd angeſtellt; des Abends wurde der Beſchluß auf eben dieſe Art gemacht, ſo a ich öfters e cen daruͤber vergaß.“ | „In der Saal. und Erndtezeit wartete ich der Feld⸗ arbeit, allwo ich nicht blos als ein Aufſeher neben den Arbeitern muͤßig einherging, ſondern ſelbſt fleißig arbeiten half; aber nach dem Feierabende wurde oft noch nach den. Schlingen und Netzen geſehen, oder auf dem ee etwas geſchoſſen.“ „Durch dieſe Geſchaͤfte ee ich nun, a weder Muͤßiggang noch Neigung zur Bequemlichkeit bei mir ſtatt fanden, ſondern ich wurde dadurch hart und arbeitſam.“ „Ich liebte die Einſamkeit, und hatte he Wohl. gefallen am Umgang, wenn es nicht mit einem erfahrnen Vogelſteller, Jaͤger, oder Kuͤnſtler war. Wenn ich allein war, ließ ich meinen Gedanken freien Lauf, und gewoͤhnete mich immer, diejenige Arbeit, die ich vorhatte, vorher erſt gehörig durchzudenken. Etwas Neues zu erfinden, war eine meiner Lieblingsneigungen. Dieſes hatte nachgehends immer feinen guten Nutzen, und wenn zumal mein Vogelfang gluͤcklich von ſtatten gieng, ſo ſchaͤtzte ich mich fuͤr den gluͤcklichſten Menſchen in der Welt, und bekuͤmmerte mich im Geringſten nicht um die Sufberteien anderer jungen Leute.“ „Außer der Zugzeit der Vogel erwachte ein AR Trieb in mir, welcher darinnen beſtand, die Arbeiten der Kuͤnſtler und Handwerker nachzuahmen. Anfangs machte ich allerlei nuͤtzliches Hausgeräthe von Holz, von da gieng es weiter zu Horn und Knochen, endlich zu Eifen. und andern Metallen.“ ** 1 N N Ma a u XVII „Meine guten Freunde und geweſenen f.. die jetzt ſtudirten, beſuchten mich zuweilen, bewunderten r meinen Fleiß, und gaben mir den Rath, gute Buͤcher zu leſen, dadurch wuͤrden mir dieſe Arbeiten erleichtert werden. Sie verſprachen mir auch dergleichen zu verſchaffen, hielten Wort, und nun wurden die Sonntage nach dem Gottesdienſt und die langen Winterabende meine Studirſtunden. Ich machte mir das Merkwuͤrdigſte aus der Mathematik, Phyſik, und Chemie bekannt, ſchaffte Inſtrumente an, machte Verſuche, und kam endlich dahin, daß ich mir mein Hausgeraͤth, Jagdzeug, Schießgewehr und andre nuͤtzliche Dinge ſelbſt verfertigte.“ „Durch eine beſtaͤndige Me erlangte ich immer mehr Fertigkeit in meinen Handthierungen, ſo daß es mir gar nicht ſchwer ſiel, alles in beſſerer Ordnung zu ver⸗ richten. Alle weine Ak en waren in gewiſſe Klaffen abgetheilet.“ 165 „Der Ackerbau und die haͤusliche Wirthſchaft waren allemal das Hauptwerk und wurden jederzeit als eine Sache betrachtet, die durchaus keinen Aufſchub leidet; nur wenn dieſe in gehoͤrigen Gang gebracht war, ſo wurde in den Nebenſtunden eine ſolche Beſchaͤftigung vorgenommen, wie ſie ſich fuͤr die Jahreszeit gerade ſchickte. Ich bekam zwar hierdurch ſehr viele Arbeit, jedoch trieb mich Liebe zur Ordnung immer zum Fleiß an, ſo daß ich alles Unter⸗ nommene gluͤcklich fortſetzte.“ f „Als ich nun die Wald- und Feldvoͤgel ſo ziemlich hatte kennen lernen, fo fehlte es noch an den Waſſervoͤ⸗ geln, welche nicht alle an unſern Teichen zu finden waren, und mir alſo immer noch unbekannt blieben. Ich wuͤnſchte recht ſehr ihre Bekanntſchaft zu machen und biezu fand ſich unverhofft eine Gelegenheit.“ „Es befand ſich etwa 3 Stunde Weges von uns ein, jetzt jedoch ausgetrockneter, Bruch, welcher einem guten * xVill Vorre d e. Freunde von mir zugehoͤrete, der mir damals die Jagd in demſelben gaͤnzlich uͤbergab. Hierauf kamen die ſo außer⸗ ordentlich naſſen Jahre, dergleichen wir wol in einem Jahr⸗ hundert nicht gehabt hatten. Da unſre Gegend etwas tief liegt, ſo wurden unſre beſten Felder wuͤſte und bewuchſen mit Binſengras und Schilf, weil ſie wegen des vielen Waſſers nicht beſtellt und bearbeitet werden konnten.“ „Unter dieſen traurigen Umſtaͤnden hatte ich damals beim Ackerbau weniger zu thun, und konnte alſo meine Waſſerjagd deſto beſſer abwarten. Der vorerwaͤhnte Bruch ſahe einem See aͤhnlich, und es fanden ſich allda eine Menge Waſſervoͤgel ein, von welchen ich viele zum erſten— male ſahe. Durch dieſen, mir ſo ſeltſamen und freudigen Anblick wurde ich begierig, dieſe Voͤgel in meine Gewalt zu bekommen, um fie genauer kennen zu lernen; ich erſann allerlei Mittel, ſie durch Liſt mit Schleifen, Netzen oder mit Schichen in meine Gewalt zu bekommen. So lange der Zug waͤhrte, war faſt mein täglicher Aufenthalt in dieſem Bruche; obgleich die fuͤrchterlichſten Regenguͤſſe auf mich herabſtuͤrzten, die Stiefeln an den Fuͤßen ver— faulten und leck wurden, ſo betrachtete ich dieſes doch nur als Kleinigkeiten, gegen das Vergnügen dieſe Voͤgel genau kennen zu lernen. Von dieſer Lebensart bekam ich end— lich das kalte Fieber, ich kurirte mich aber ſelbſt wieder mit einem Kraut (Teucrium Scordium L.), welches ich in dem Bruche fand, und ließ mir gute Fiſcherſtiefeln machen. Nun gieng es wieder friſch durch; ich wadete auf die her- vorragenden kleinen Huͤgel, bauete Schirme von Schilf und Geſtraͤuche darauf, ſaß in dieſen des Nachts beim Mondenſcheine und lauerte auf die auffallenden Enten und andre Waſſervoͤgel.“ „Dieſes waͤhrete drei Serum nach einander, als in den Jahren 1770 —71— 72.“ Vorrede. Zah „O, wenn ich an die ſeeligen Stunden gedenke, wo mich weder Nahrungsſergen noch andre Unfälle kraͤnkten, ſo moͤchte ich mich jetzt wieder dahin wuͤnſchen! Ich wuͤrde dieſe meine Beſchreibungen mit dem groͤßten Vergnuͤgen machen. Jetzt aber, da ich keine ſolche Bruchjagd in der Naͤhe wieder bekommen kann, wird es mir ſehr ſchwer, die Waſſervoͤgel zuſammen zu bringen, die ich doch nach meinem Plane alle in Natur haben muß.“ — 9% Nachdem nun die naſſen Jahre vorbei waren, und wieder gute Witterung ſich einſtellte, ſo baueten wir wieder unſer verwildertes Feld, und ich machte meinen Vogelheerd, der nun drei Jahre unter Waſſer geſtanden hatte, wieder zurechte. Run ſaß ich wieder vergnuͤgt in meinem Vo⸗ gelhaͤuschen, und ſchrieb damals zum Zeitvertreibe meinen Vogelſteller, welchen ich hernach im Jahre 1789 her⸗ ausgab.“ „Unter dieſen luſtigen, zum Theil zwar muͤhſamen, jedoch mir ſehr angenehmen Beſchaͤftigungen, verſtrichen meine Jugendjahre unvermerkt; meine gute Mutter, die bisher ihre Wirthſchaft ſelbſt geführte hatte, ſtarb, und überließ mir das Gut. Ich war nun 32 Jahr alt, und mein ganzes Jugendleben war eine beſtaͤndige Lehrſchule geweſen, in welcher ich mich zwar muͤhſam, jedoch mit Luſt und Freuden herum getummelt hatte; nunmehr aber mußte ich meine Zeiteintheilung anders machen.“ „Da jetzt meine ganze Wirthſchaft auf mir allein be⸗ ruhete und ich auch dieſelbe mit der groͤßten Sorgfalt und Fleiß abwartete, fo legte ſich der ſtarke Trieb zum Vogel⸗ fange und Jagen einigermaaßen, und ich hatte jetzt meine Freude an meiner Wirthſchaft; ich ſahe mich nach einer Gattin um, traf 1779 auch eine ſo gute Wahl, daß ich an derſelben eine wahre Gehuͤlfin hatte, die ſich eine Freude daraus machte, meine Geſchaͤfte indeſſen zu beſorgen, wenn ich auf den Vogelheerd oder auf die Jagd gieng. Ich \ 8 xx Dorrede hatte alſo noch immer fo viel Zeit übrig, dieſe Nebendinge fortzuſetzen, und ſchrieb in dieſer Zeit, in meinem Vogel⸗ hauschen, meinen philoſophiſchen Bauer, welchen ich 1791 herausgab. Denn der Vogelheerd, bei welchem ich ein bequemes Häuschen hatte, war immer noch der Ort, wo ich mein groͤßtes Vergnuͤgen fand; hier war ich mitten im Buſche, von allem Weltgetuͤmmel entfernt, und in den Tagen, an welchen die Voͤgel nicht ſtark zogen, hatte ich nicht viel zu fangen, mithin Zeit genug zum Schreiben. Meine Frau beſorgte indeſſen die Wirthſchaft. So hatten wir zehn Jahre in der groͤßten Zufriedenheit und Ein⸗ keacht verlebt, als mich der grauſame Tod meiner getreuen Sehhlfin beraubte, und ich nun die Wirthſchaft und Er- ziehung meiner vier Kinder allein zu beſorgen hatte.“ — „Der Aelteſte von meinen drei Soͤhnen zeigte große zuſt und Faͤhigkeit zum Zeichnen und Mahlen; ich ließ ihm Unterricht darin geben. Wenn ich nun einen ſeltnen Vogel gefangen oder geſchoſſen hatte, ſo mahlte er den⸗ ſelben ab; dies brachte uns auf die Idee, eine Sammlung von allen Voͤgeln, die unſre Gegenden durchfliegen, zu unſerm Vergnuͤgen anzulegen. Um ſich im Voͤgelmahlen recht zu uͤben, mußte mein Sohn die Vögel oͤfterer mah⸗ len, und dies, unter meiner Aufſicht, ſo lange fortſetzen, bis das Gemaͤhlde dem natuͤrlichen Urbilde glich. So er⸗ langte er bald einige Fertigkeit darin, die mich zu dem Entſchluß brachte, dieſe Abbildungen in Kupfer ſtechen zu laſſen, und eine Naturbeſchreibung dieſer Vogel dazu ber: aus zu geben. Weil ich vorher einige Werke uͤber die Naturgeſchichte der Voͤgel geleſen „ und gefunden, daß hie und da Dunkelheit und Irrungen darin herrſchten, es hauptſaͤchlich aber an Erfahrungen mangelte, fo glaubte ich, daß mein Werk wol nicht uͤberfluͤßig ſeyn wuͤrde. Da alle Voͤgel nach der Natur gezeichnet wurden, ſo machte es mir unſaͤgliche Muͤhe, alle Zugvoͤgel, beſonders ſolche, RAN RED ee wo. welche ſich oft nur nach Verlauf einiger Jahre einmal bei uns ſehen laſſen, zu ſchießen und zu fangen, ſo daß ich ſehr oft bereuete, ſo etwas angefangen zu haben. Da mich aber die Kupfer zu viel koſteten, und ich vor⸗ ausſahe, daß dadurch die Fortſetzung des Werks unmoglich gemacht werden wuͤrde, ſo mußte mein Sohn endlich auch die Platten ſtechen, und ich das Abdrucken ſelbſt verrich⸗ ten, wodurch ich mir abermals eine muͤhſame Arbeit zu⸗ zog.“ . IR ? „Unendliche Mühe und Arbeit koſtete es mir, dieſe Voͤgel alle in Natur herbei zu ſchaffen, weil ich es mehrentheils ſelbſt verrichten mußte; denn an dieſer muͤhſamen Jagd koͤnnen nur allein Naturforſcher Vergnu⸗ gen finden. Andre Jagdliebhaber, die ich zuweilen dazu einlud, wurden es gar bald uͤberdruͤßig, und auch nur wenige gute Freunde ſchickten mir zuweilen einen ſeltnen Vogel zu. Beſonders wurde mir aber die Sammlung der Waſſervoͤgel dadurch erſchwert, daß ich keine Jagd an einem großen Waſſer in Pacht bekommen konnte. Daher ſahe ich mich genoͤthigt, oft weite Reifen darnach zu thun und bei guten Freunden, die ſolche Jagden befaßen, um Erlaubniß zu bitten, mich daſelbſt ſchießen zu laſſen u. . w.“ „Wahrheit und Verſtändlichkeit — das find die Eigenſchaften, die ich meinem Buche zu geben mich bemuͤhte. Anmuth aber und Zierlichkeit im Stil — die werden meine billigen Leſer mir erlaſſen, in der Hin⸗ ſicht „ weil ich (wie meine Lebensbeſchreibung beweiſet) im Vogelſtellen mehr als im Schriftſtellen geuͤbt bin, und von jeher lieber ein Natur⸗Forſcher als ein Bücher- Forſcher war.“ 5 So weit ſeine eigenen Worte, welchen ich nur noch hinzuzufuͤgen mir erlaube, daß er ſeit der Zeit, da er jenes XxXII Vor r ed e ſchrieb, in feinem Lieblingsſtudium immer thaͤtigſt fortar— beitete, von ſeinen Soͤhnen unterſtuͤtzt wurde, und auch mehrere Gelegenheit fand, Waſſerjagden zu uͤben, um die Naturgeſchichte der Sumpf- und Waſſervoͤgel in der Natur ſtudiren zu koͤnnen. Die neueſten und beſten orni— thologiſchen Schriften blieben ihm nicht unbekannt; fie waren fuͤr ihn ein maͤchtiger Sporn, ſich auch in der Natur von ihren Angaben zu uͤberzeugen. Seit mehr als 10 Jahren entzog er ſich den Geſchaͤften der Landwirth— ſchaft gaͤnzlich, und lebte in ſtiller Abgeſchiedenheit von der laͤrmenden Welt einzig der mit ihm vertraueten Natur. In ſeiner ihm ſo lieben Einſamkeit ſchrieb er noch manches uͤber neu erfundene und gepruͤfte Arten des Vogelfangs, auch manche wichtige ornithologiſche Beobach— tung nieder, welche ich zu ſeiner Zeit bekannt machen werde. Auch jetzt noͤch, in feinem 75ſten Jahre, geht er nur ſelten ohne Flinte aus und der Vogelfang iſt noch immer feine liebſte BeſchaͤftigQung. Obgleich feine Koͤr— perkraͤfte durch die vielen Anſtrengungen nach und nach er— lahmen, ſo haͤlt doch die philoſophiſche Ruhe ſeines Geiſtes jene noch aufrecht, ſo macht ihn die Liebe ſeiner Kinder und die Achtung feiner Freunde das Druͤckende des Grei— ſenalters nicht unertraͤglich. Johann Friedrich Naumann. ei nleitung. Die Vögel im Allgemeinen. Erſte Abtheilung. Von der eigenthuͤmlichen Organiſation der Voͤg el.) | Die Voͤgel zeigen in ihrer ganzen Organiſation ſich als Glieder der großen Familie, die wir Ruͤckgraththiere nennen, folglich als Verwandte der Saͤugthiere, Amphibien und Fiſche. Sie haben mit dieſen nicht nur die hervorſtechenden Verhaͤltniſſe, welche man gewoͤhnlich als Merkmale der Ruͤckgraththiere hervorhebt, naͤmlich ein inneres, gegliedertes Skelet, ein wahres Ruͤckgrath und Ruͤcken⸗ mark, rothes Blut, einſaugende Gefäße und Harnwerkzeuge ges mein, ſondern überhaupt in der weſentlichen Anordnung und Bil- dung aller Hauptarten ihrer Organe zeigt ſich eine unverkennbare Parallele und Uebereinſtimmung mit den genannten Familien. Eine beſondere oder noch naͤhere Verwandtſchaft aber verbindet die Voͤgel mit den Saͤugthieren. Sie bilden mit dieſen die Gruppe der ſo genannten Warmbluͤter. Als ſolche ſind ſie charakteriſirt und den Kaltbluͤtern (Amphibien und Fiſchen) entgegengeſetzt vors zuͤglich durch den Bau des Herzens, inſofern dieſes zwei vollkom⸗ men geſchiedene Ventrikel hat; durch compacte, aus unzaͤhligen „) Von Chr. L. Nitzſch. 2 Einleitung. neten der Luftroͤhre gebildete Lungen; durch eine Einrichtung des Blutumlaufs, vermoͤge welcher alles Blut, bevor es im uͤbrigen Körper cirkuliren kann, die Lungen paſſirt haben muß; durch die hohe, von der Luft minder abhaͤngige Temperatur ihres Blutes, ſo wie durch die pflanzenartigen Gebilde auf der Haut und übrigens noch durch manche andere Verhaͤltniſſe, welche ebenfalls zuſammen—⸗ genommen eine beſondere, durchgreifende Aehnlichkeit im Bau der Voͤgel und Saͤugthiere begruͤnden, obgleich nicht zu laͤugnen iſt, daß es auch mehrere Punkte giebt, in welchen die Voͤgel mehr den Kaltbluͤtern gleichen. Es bietet alſo die Organiſation der Voͤgel viele Verhaͤltniſſe dar, welche keineswegs den Voͤgeln eigenthuͤmlich, ſondern (abge— ſehen von den, allen oder den meiſten Thieren zukommenden Bil⸗ dungsverhaͤltniſſen) ihnen mit den übrigen Ruͤckgraththieren oder insbeſondere mit den Saͤugthieren gemein ſind. Dieſe allgemeinern Formen der Organiſation der Voͤgel muͤſſen wohl von den beſon— dern unterſchieden werden; nur die letztern, nur diejenigen Verhaͤlt⸗ niſſe, welche den Voͤgeln eigenthuͤmlich ſind und ſie vorzuͤglich den Saͤugthieren entgegenſetzen, koͤnnen hier Gegenſtand unſerer Betrach— tung werden. Indeſſen koͤmmt es uns hier nicht auf bloße Unterſchei⸗ dung an. Dazu wuͤrden ſchon einige wenige, aͤußerlich wahrnehmbare Merkmale, als: der bewegliche, lippenloſe Oberkiefer, die aͤſtigen Hautgewaͤchſe (Federn), die Fluͤgelf orm der Vorder- und die Fußform der Hinterglieder hin— reichen; wodurch namlich die Voͤgel ſchon ſehr beſtimmt den Saͤug⸗ thieren, ja allen uͤbrigen Ruͤckgraththieren entgegengeſetzt find. Vielmehr iſt noͤthig, ſo viel der Raum hier geſtattet, die wichtigſten, gemeinſamen Eigenheiten der Voͤgel in allen ihren organiſchen Syſtemen, da ſich in allen ſolche hervorthun, nachzuweiſen; damit ſich ein Bild vom Organismus des Vogels geſtalte und offenbar werde, daß die Voͤgel eine wahre und eigenthuͤmliche Naturgruppe ſind; denn eine ſolche kann nur durch vielſeitige Uebereinſtimmungen unter ſich und Gegenſaͤtze mit andern begruͤndet und dargethan werden. Einleötung. 25 Dieſe Uebereinſtimmungen in charakteriſtiſchen Eigenheiten ſind bei den Voͤgeln beſonders groß und zahlreich. Es herrſcht in dieſer Thierfamilie uͤberhaupt eine Gleichmaͤßigkeit der Bildung, welche in keiner andern von aͤhnlichem Range ſo vorkoͤmmt. Solche Abweichungen von der Hauptform der Familie, ſolche Uebergaͤnge zu andern Familien, als ſie bei Saͤugthieren Schnabelthiere und Wallthiere, bei Amphibien die Sirene und der Proteus, bei Fiſchen z. B. die Pricken und die Bauchkieme darſtellen, finden ſich nicht unter den Voͤgeln, welche eben ſo ſehr immer ſich ſelbſt aͤhnlich als ausgezeichnet vor andern Thieren ſind. Fiaſt alle eigenthuͤmlichen Bildungsverhaͤltniſſe der Voͤgel ſtehen ſichtlich in mittel⸗ oder unmittelbarer, naͤherer oder entfernter Be: ziehung auf ihren eigenthuͤmlichen phyſikaliſchen Charakter. Die Voͤgel ſind durch die Luft eben ſo beſtimmt, wie die Fiſche durch das Waſſer, die Saͤugthiere durch die Erde und die Amphibien (eine amphiboliſche Reihe) durch Erde und Waſſer. Ihre luftige Natur ſpricht ſich durch das, hier faſt allgemeine, Flugvermoͤgen, durch die ausnehmende Erweiterung ihrer Athmungsorgane und die hohe Dignitaͤt ihrer Reſpiration uͤberhaupt unverkennbat aus, und ihre anderweiten organiſchen oder functionellen Eigenheiten haben gro— ßentheils in jenem Vermoͤgen, oder in der Ausbildung dieſer Func⸗ tion ihren naͤhern oder entferntern Grund; worauf wir hier nur im Allgemeinen hindeuten dürfen, da uns der Raum zur einzelnen Nach: weiſung dieſer Beziehungen gebricht. Die Voͤgel verhalten ſich in jener Hinſicht zu den uͤbrigen Rück⸗ graththieren wie die eigentlichen Inſecten zu den uͤbrigen Panzer⸗ thieren *) und haben ebendarum auf eine merkwuͤrdige Weiſe in vielen Punkten nur an den Inſecten ihres Gleichen. Immer ſcheint die Luft höhere Formen zu ſetzen als die uͤbri⸗ gen, Thierformen-beſtimmenden Elemente. Dieſes beſtaͤtigt ſich ) Panzerthiere (Loricata) nenne ich alle Snfecten Linne’s oder die Articulata Cuvier s, mit Ausnahme der von letzterm dazu gezaͤhlten Wuͤrmer. welche ich als untergeordnete Gruppe in die letzte Urfamilie der Thiere, die Feuchtthiere (Humectata) fege. 26 Einleitung nicht nur bei den Inſecten als Panzerthieren, ſondern auch bei den⸗ jenigen untergeordneten Gruppen der Saͤugthiere, Voͤgel und Fiſche, von welchen nachgewieſen werden kann, daß ſie ſich als die Luft⸗ thiere ihrer Familie verhalten; denn die Verſchiedenheit der Wir— kung der Elemente wiederholt ſich und beſtimmt untergeordnete Familien ſo gut wie allgemeinere. Die Voͤgel ſollten daher auch in der Reihe der Ruͤckgraththiere den Vorrang behaupten; allein man hat ihnen denſelben zum Vortheil der Saͤugthiere ſtreitig gemacht, ob ſie gleich nur in Hinſicht der Ausbildung einer Organart (der empfindenden) den Saͤugthieren nachſtehen moͤgen, in anderer Hin— ſicht aber theils denſelben gewiß nicht nachſtehen, theils weit über ſelbige erhaben ſind. Bei der Muſterung der Organe der Voͤgel ) machen wir nach der gewoͤhnlichen Sitte mit den empfind enden den Anfang, ob⸗ gleich alle Organe gegenſeitig durch einander beſtimmt find und folg⸗ lich jede Ordnung, die man bei der Betrachtung derſelben befolgt, willkuͤhrlich ſeyn muß. Vom Hirn, Ruͤckenmark und den Nerven der Vögel koͤnnen hier nur einige Eigenheiten angefuͤhrt werden. Die Hemisphaͤren des großen Gehirns ſind ſehr duͤnn, und wie auch bei manchen Saͤugthieren ohne Windungen; es fehlen manche Theile, welche die Saͤugthiere haben, als der Hirnbalken und Bogen, waͤhrend die ſo genannten Nates ſehr groß und nicht von den Hemisphaͤren verdeckt, ſondern von unten ſehr ſichtbar ſind; — alles Verhaͤltniſſe, welche auch dem Hirn der Kaltbluͤter zukommen. Die Maſſe des Gehirns iſt aber im Ganzen betraͤchtlich im Verhaͤltniß zur Groͤße des Koͤrpers; ſie compenſirt wol manche andere Maͤngel deſſelben, wird aber hauptſaͤchlich durch die Vergroͤße— rung der geſtreiften Koͤrper hervorgebracht. Das kleine Gehirn iſt ziemlich groß, hat faſt keine Seitenloben oder Hemisphaͤren und 7) n uͤber den Bau der Voͤgel ſind bekanntlich Cuvier's Vorle⸗ fungen über die vergleichende Anatomie, uͤberſetzt von Meckel, und Tiedemann 's Zoologie. 2 B. — Minder ausfuͤhrlich, aber eben⸗ falls ſehr lehrreich, iſt davon gehandelt in Blum enbach's Handbuch der vergleichenden Anatomie, (zweite Aufl.) und in Carus Lehr⸗ buch der Sootomie. Einleitung 27 entfpricht mehr dem fogenannten Wurm. Das Ruͤckenmark zeich⸗ net ſich durch eine Spaltung in der Lendengegend (sinus rhomboi- dalis), in welcher eine waͤſſerige Feuchtigkeit iſt, aus; ſo wie unter den Nerven der große ſympathiſche dadurch merkwuͤrdig iſt, daß ſein Halstheil in dem, von den Wirbelfortſaͤtzen gebildeten Kanal neben der Wirbelarterie laͤuft. Was die Sinnwerkzeuge und zuvoͤrderſt das Geruch organ betrifft, ſo ſind die Naſenloͤcher faſt immer ſeitlich und weit von der Kieferſpitze entfernt, uͤbrigens nach Verſchiedenheit der Voͤgel ſehr verſchieden in ihrer Lage, Richtung, Weite, Figur und Erſtreckung; bisweilen ſind ſie ſcheinbar voͤllig geſchloſſen, (ſo bei dem Toͤlpel, dem Kormoran u. a.). Mehrentheils ſind knorpelige Naſenfluͤgel da, aber fie find nicht beweglich. Die Naſenhoͤhlen find durch eine Scheidewand getrennt, welche jedoch nicht ſelten (be— ſonders auffallend bei vielen Waſſervoͤgeln) vorn fehlt, ſo daß man durch die Naſenloͤcher von der Seite hindurch ſehen kann und ſo genannte durchgehende Nafenlöcher (nares perviae) *) gebildet werden. Die fo genannten Mufcheln, deren drei jederſeits find, beſtehen blos aus Knorpelſubſtanz; das Riechbein — eine bloße Platte zwiſchen beiden Augenhoͤhlen — traͤgt nichts zur Bildung des Geruchsorgans bei. Die hintern Naſenoͤffnungen oder Gau⸗ mennaſenloͤcher (choanae) bilden zwei lange, ſchmale, meiſt in Eine zuſammentretende Spalten. 6 Die Augen der Vögel zeichnen ſich meiſt durch enorme Größe aus. Nur die zuſammengeſetzten Augen der Infeeten gleichen im Ganzen denen der Voͤgel an Maſſe. Uebrigens bieten die Augen der Voͤgel mehrere Eigenheiten dar. Ihr Grund iſt breit, gewoͤlbt; ihre Seiten aber ſind flach oder gar eingezogen und die Peripherie der mehr oder weniger gewoͤlbten Hornhaut iſt viel kleiner als die des Grundes. In den Seiten der harten Augenhaut (sclerotica) ) Da die verſchiedenen Modificationen in der Bildung der äußern Theile der Vogel, und folglich auch die zu ihrer Bezeichnung erfundenen Kunſtausdruͤcke hier nur wenig berührt werden koͤnnen, ſo verweiſen wir in dieſer Hinſicht auf Iligeri Prodromus systematis mammalium et avium. Berolin. 1811. 28 N Einleitung. befindet ſich ein, aus knochigen Schuppen gebildeter Ring, welcher mit ſeinem vordern Rande faſt bis zur Hornhaut reicht und bei den Eulen ganz beſonders entwickelt iſt. Im Innern des Auges aber zeichnet ſich der ſo genannte Faͤcher (pecten plicatum) beſonders aus. Dieſes ſonderbare Organ gleicht einem verſchobenen Viereck, iſt wie ein Faͤcher gefaltet, von ſchwaͤrzlicher Farbe und ſehr gefaͤß— reich; es entſpringt von der laͤnglichen Inſertion des Sehnerven und geht durch den Glaskoͤrper bis an die Kryſtallinſe. Ueber ſeine Verrichtung giebt es nur Vermuthungen. Die Blendung oder Regenbogenhaut (iris), welche von ſehr verſchiedener Farbe vor— koͤmmt, aber immer eine runde Oeffnung oder Pupille hat, iſt nicht blos auf den Reiz des Lichtes, ſondern willkuͤhrlich beweg— lich. Die Augen ſelbſt find bei den Vögeln weit weniger beweg⸗ lich als bei den Saͤugthieren, ob ſie gleich eben ſo viele und denen der Saͤugthiere analoge Muskeln haben. Außer dem obern und, untern Augenliede, von welchen bei vielen Voͤgeln (nicht bei allen) das untere beweglicher iſt als das obere, iſt auch das dritte oder in= nere, die fo genannte Blinzhaut oder Nickhaut (membrana nictitans) ſehr entwickelt; dieſes dritte Augenlied iſt halb durchſichtig, zieht ſich vom innern oder vordern Augenwinkel nach dem aͤußern oder hintern, und kann immer das Auge voͤllig bedecken und ſchuͤtzen, ohne den Einfall der Lichtſtrahlen gaͤnzlich zu hemmen. Die Be— wegung der Nickhaut wird auf eine ganz eigenthuͤmliche Weiſe durch eine Sehne und zwei, am Grunde des Augapfels befindliche Muss keln, von denen der eine eine Schlinge fuͤr die Sehne des andern bildet, bewirkt. Das Auge der Voͤgel iſt vielleicht vollkommener als das der Saͤugthiere; auch giebt es keinen Vogel, bei dem die Augen verkuͤmmerten, wie bei mehrern Saͤugthieren, wo ſie ſogar auf ein zweckloſes Rudiment herabſinken konnten. Die Thraͤnendruͤſe der Voͤgel hat einen ſehr deutlichen Ausfuͤhrungsgang oder mehrere. Daſſelbe gilt von der großen Harderſchen Druͤſe, welche im innern Augenwinkel liegt und von einer dritten in der Naͤhe des Auges be— findlichen Druͤſe — der Naſendruͤſe. Dieſe letztere iſt durch ihre ſehr verſchiedene Lage und Größe und dadurch merkwuͤrdig, daß ihr Aus⸗ Einleitung 29 fuͤhrungsgang unmittelbar in die Naſe geht. Bei manchen Waſſer⸗ voͤgeln iſt fie beſonders groß und liegt dann gewöhnlich auf der Stirn oder am Rande der Augenhoͤhlen. Die Thraͤnengaͤnge a jederſeits) find ſehr deutlich und weit geöffnet. Das Ohr der Voͤgel ſcheint minder ausgebildet als das der Saͤugthiere, obgleich die Voͤgel im Ganzen nicht nur ſehr leiſe hoͤren, ſondern auch fuͤr Melodieen und Worte eine ſo richtige Empfindung haben, daß ſie dieſe vollkommen nachahmen koͤnnen, was ſonſt außer dem Menſchen kein Thier vermag; ein Fall, der nebſt ſo vielen andern beweiſt, wie wenig der Werth eines Organs, beſonders eines empfindenden, blos nach ſeiner Maſſe und Form geſchaͤtzt werden kann. Die aͤußere knorpelige Ohrmuſchel fehlt allen Voͤ⸗ geln; einige aber, namentlich manche Raubvoͤgel, zumal Eulen, haben Hautfalten um die Ohroͤffnung, welche mit Hülfe der Stel: lung der Federn jenen Mangel erſetzen. Faſt immer iſt die Ohr⸗ oͤffnung von kleinen Federn bedeckt, die ſo gebildet ſind, daß ſie die Luft leicht zwiſchen ſich hindurch laſſen. Der aͤußere Gehoͤrgang iſt kurz, aber meiſt ziemlich weit; das Trommelfell wird von dem einzi⸗ gen ſtielfoͤrmigen Gehoͤrknoͤchelchen, welches einwaͤrts auf dem ovalen Fenſter aufſteht, beruͤhrt. Das Labyrinth beſteht aus Schnecke und halbcirkelfoͤrmigen Kanälen. Jene macht keine Windungen und ſtellt nur einen leicht gebogenen Kegel vor, waͤhrend hingegen die halbcirkelfoͤrmigen Kanaͤle ſehr anſehnlich ſind und vermuthlich hier die Vollkommenheit des Gehoͤrs vorzuͤglich bedingen. Die euſtachiſchen Roͤhren fangen mit einer gemeinſchaftlichen Oeffnung hinter den Gaumennaſenloͤchern an und Sehen dann jederſeits 5 zum Ohre. Die Zunge der Voͤgel ſcheint gewoͤhnlich mehr Ingeſtions⸗ organ als Geſchmacksorgan zu ſeyn; eigentliche Papillen ſind auf der Oberflaͤche derſelben meiſt gar nicht bemerklich, indem ſie ge⸗ woͤhnlich, zumal am vordern Theile, mit harter oder haͤrtlicher Haut uͤberzogen iſt. Hinten iſt ſie wol immer zweiſpitzig oder getheilt und oft mit einigen oder vielen harten kleinen Zaͤhnen oder Spitzen verſehen; vorn aber iſt ſie bald einfach ſpitzig, bald geſpalten, bald 50 Einleitung in mehrere Zaſern getheilt, bald abgeſtumpft und mit Borſten beſetzt; bei einigen Voͤgeln zur Seite faſerig oder baͤrtig wie eine Feder, bei andern mit ſeitlichen Widerhaken oder Zaͤhnen beſetzt. Bei wenigen iſt ſie ſo dick und ſtumpf, daß ſte mit der der Saͤugthiere verglichen werden kann ). Beſonders merkwuͤrdig iſt, daß gerade mehrere Vogelgattungen mit ſehr langem Schnabel nur eine ſehr kurze und kleine Zunge haben, wie z. B. die Stoͤrche, Eisvoͤgel und Wiedehopfe. Immer iſt die Zunge der Voͤgel hinten mit einem Knochenkern verſehen, der aus zwei paarigen Stuͤcken (ossa entoglossa) beſteht. Dieſe große Eigenheit iſt nebſt der haͤrtern Be⸗ deckung und dem wenigen Fleiſche der Zunge Urſache, daß dieſes Organ bei den Voͤgeln faſt gar keiner Kruͤmmungen und Bewegungen in ſich ſelbſt faͤhig iſt. Die Zungenkernſtuͤcke aber articuliren mit dem laͤng⸗ lichen Koͤrper des Zungenbeins, an dem dann jederſeits die duͤnnen, graͤthenfoͤrmigen, wenigſtens aus einem vordern und einem hintern Stuͤck beſtehenden Hoͤrner des Zungenbeins eingelenkt ſind. Dieſe Zungenbeinhoͤrner ſind bei einigen Gattungen ausnehmend duͤnn und lang; ſie reichen dann von hinten nach oben wol uͤber den ganzen Schaͤdel hinweg, laſſen ſich aber vorn, in einer fleiſchigen Scheide ver: bunden, mit der eigentlichen Zunge weit aus dem Schnabel hervor— ſchieben. So wird die ſo genannte wurmfoͤrmige Schnellzunge bei Spechten und dem Drehhals gebildet. Der Geſchmackſinn der Voͤgel hat unſtreitig mehr in der Zungenwurzel und im Gaumen ſeinen Sitz, als in der Zunge ſelbſt. Die Haut, welche wir als Organ des Gefuͤhls an dieſer Stelle betrachten, beſteht wie bei andern Ruͤckgraththieren aus Oberhaut, Schleimhaut und Lederhaut. Die Lederhaut iſt an den beftederten Theilen faſt immer ſehr duͤnn, und die Schleimhaut mei iſt farben⸗ los. Dadurch entſteht, zumal bei kleinen Voͤgeln, eine merkwuͤrdige, ſonſt bei Ruͤckgraththieren faſt beiſpielloſe Durchſichtigkeit der Haut uͤberhaupt (indem auch die Oberhaut * duͤnn iſt), ſo daß man oft ) Die Zungenformen der deutſchen Voͤgel find vorzüglich von Koch genauer et und abgebildet worden. Siehe Deſſen Baierſche Zoologie I. Nürns erg 1816. U Einleitung. 51 alle, dicht unter derſelben liegende Organe, als Muskeln, Sehnen, Nerven, Gefaͤße, Baͤnder, ſelbſt Knochen deutlich durch die Haut hindurch ſcheinen ſieht. Auch hier enthaͤlt die Schleimhaut den faͤrbenden Stoff, wenn die Haut gefaͤrbt erſcheint „was vor⸗ zuͤglich an den nackten federloſen, dem Lichte ausgeſetzten Stellen der Fall iſt. Die voͤllige Nacktheit findet ſtatt immer an beiden Kiefern, wo ſich die Oberhaut zu horniger Subſtanz verdickt, und ſo den nackten, lippenloſen Schnabel bildet, ferner allermeiſt an den Fuͤßen, nicht ſelten auch um die Augen und an andern Stellen, zu⸗ mal des Kopfes. Bei manchen iſt die Haut des Schnabels doch großentheils oder durchgängig ſehr weich und wegen vieler, unter ihr befindlicher Nervenwaͤrzchen vom fuͤnften Hirnnervenpaare ſehr empfindlich. Dies iſt faſt der einzige Fall, wo ein Taſtorgan bei Voͤgeln deutlich ausgebildet iſt, wenn nicht die ſo genannten Fleiſch⸗ lappen (paleae), Fleiſchwarzen (carunculae) und Kaͤmme (cristae carnosae) am Kopfe oder Halſe mancher Voͤgel, wie wol angenommen wird, unter jene Kategorie gehoͤren, was mir nicht wahrſcheinlich iſt. Wenn der hintere Theil der nackten Schnabelbedeckung etwas weicher und durch eine Falte oder Furche von dem vordern, haͤrtern geſchieden iſt, ſo wird die ſo genannte Wachshaut (cera s. ceroma) gebildet. An den Füßen, naͤmlich am Ferſenſtuͤck und den Zehen iſt die Haut faſt immer, und auch wol an einem Theil des Unterſchenkels, wenn dieſer federlos iſt, in Schuppen oder Schilder oder in beide abgetheilt, eine Bildung, an welcher alle Hautſchichten Antheil haben. Die Klauen, welche ebenfalls durch hornartige Verdickung der Oberhaut gebildet werden, fehlen an den Zehen der Hinterglieder niemals; an den Vorder⸗ gliedern hingegen hat der Daumen haͤufig, der große Finger aber wol nur hoͤchſt ſelten und der kleine Finger niemals eine Klaue. Die unbeweglichen Spornen, welche an den Ferſen mehrerer huͤhner⸗ artigen Vögel, und an den Handwurzeln einiger Waſſervoͤgel vor: kommen, ſind auch mit Horn uͤberzogen. An manchen Theilen bildet das ganze Fell hervorſtehende ausgebreitete Falten; namentlich bildet es an den Vordergliedern, vorn zwiſchen Schulter und Hand⸗ 52 Einleitung. wurzel, die große vordere Flughaut (plica alaris magna) und hinten die kleine, oft wenig bemerkbare (plica alaris parva s. posterior), welche die Achſelhoͤhle von hinten verdeckt. Die fo genannten Lappen fuͤße und Schwimmfuͤße werden ebenfalls durch ſolche hervorſtehende Plicaturen der Haut der Zehen gebildet. Die Haut aller Voͤgel iſt, die oben erwaͤhnten nackten Stellen ausgenommen, mit aͤſtigen, pflanzenaͤhnlichen Gebilden oder Federn bedeckt. Indeſſen ſind doch nicht alle mit Federn bedeckte Stellen immer ſelbſt mit Federn beſetzt; vielmehr giebt es an den Seiten des Halſes, laͤngs der Bruſt und anderwaͤrts Striche, die eigentlich ganz nackt, oder ſehr einzeln mit kleinen Federchen bekleidet ſind, und welche nur von den daneben ſtehen— den laͤngern Federn uͤberlegt werden. Die Federn ſind eine große Eigenheit der Voͤgel. Kein andres Ruͤckgraththier hat deren, und ſonſt kommen ſie nur etwa bei Inſecten vor. Sie ſind wie die Haare unempfindliche, aber weit vollkommenere Gebilde, welche ſich durch ihr größeres Volumen, durch ihre unendlich feine Veräftes lung eben ſo ſehr als durch ihre knoſpenartige embryoniſche Entwicke— lung *) und den gaͤnzlichen Mangel des Vermögens, verlorene Theile wieder zu erſetzen (ob fie ſich gleich alljährlich ein oder zwei Mal ganz neu bilden), auf eine hoͤchſt merkwuͤrdige Art auszeichnen. Die vollkommene Vogelfeder beſteht aus Stamm, Aeſten, Strahlen und Zaſern. Die Aeſte ſitzen zweireihig am Stamme, die Strahlen eben ſo an den Aeſten und die Zaſern an den Strahlen. Jedoch fehlen die Zaſern haͤufig einerſeits oder gaͤnzlich; auch giebt es Vogelfedern, an welchen die Strahlen, oder gar noch die Aeſte, zum Theil oder ganz untergegangen ſind. Solche faſt auf der Stufe der Haare, Borſten oder Stacheln ſtehen gebliebene Federn ſind z. B. die fo genannten Schnurrborſten (vibrissae) an den Backen oder Zuͤgeln, oder am Kinne; ferner die bei mehrern Voͤgeln vorkom— menden Augenwimpern, die ſtachelartigen Kiele an den Fluͤgeln ) Eine treffliche Abhandlung über dieſen merkwuͤrdigen Proceß, als Reſultat ſehr genauer Unterſuchungen, von A. Meckel d. J., befindet ſich in Neil's Arch iv f. d. Phyſiol. B. 12, S. 37. N Einleitung 33 des Kaſuars u. a. Dieſe unvollkommenen Federn verrathen ihre Federnatur, wenn ſie von allen Aeſten entbloͤßt ſind, nur durch ihren innern Bau, ihre N und, den Mangel an 1 ee vn 2 J Die Aeſte der Federn mit ihren weitern Entwickelungen biden die ſogenannte Fahne (vexillum); der Stamm oder der Kiel (scapus) iſt, ungefaͤhr ſo weit die Fahne reicht, markig, nach der Wurzel zu aber hornig und hohl und enthaͤlt da den haͤutigen Apparat oder die Seele, welche aus lauter in einan⸗ der ſteckenden, haͤutigen Trichtern beſteht. Der Marktheil heißt Schaft (rhachis), der Wurzeltheil Spuhle (calamus); jedoch ſetzt ſich die Spuhle mit einem hornigem Streif uͤber den gan⸗ zen Schaft aͤußerlich fort. Uebrigens iſt die Verſchiedenheit des Vogelgefieders unendlich groß, nicht nur nach Verſchiedenheit der Familien, Gattungen und Arten der Voͤgel, ſondern auch nach Ver⸗ ſchiedenheit der Regionen des Koͤrpers. Eine Hauptverſchiedenheit des Vogelgeſieders aber entſpricht einer aͤhnlichen des Saͤugthier⸗ haares. So wie naͤmlich dieſes theils Wollhaar, theils Conturhaar iſt, fo theilt ſich das Vogelgefieder ein: in Flaum- und Conturge⸗ ſieder. Erſteres liegt verdeckt und im Dunkeln, iſt in allen Theilen ſehr zart, und die Strahlen deſſelben find groͤßtentheils fadenfoͤr⸗ mig, ungemein fein und von Abſtand zu Abſtand mit regelmaͤßigen, oft ſchwarzen Knoͤtchen verſehen, waͤhrend die duͤnnern Strecken weiß find ). Das Conturgeſieder iſt im Ganzen ſtaͤrker, ſtraffer; es ſteht meiſt zu Tage aus und die Strahlen ſind mehr blattartig, und verketten meiſt auf eine hoͤchſt intereſſante Weiſe die neben ein⸗ ander ſtehenden Aeſte durch ſehr feine Haͤkchen, keineswegs durch bloßes Einſchieben, wie gewöhnlich angenommen wird. Dieſe Ber- kettung der Fahnen der Conturfedern war durchaus nothwendig, wenn der Vogel vorzuͤglich mittelſt von Federn gebildeter Flaͤchen die Luft ſchlagen und fliegen ſollte; da ſonſt der geringſte Luftſtrom „) Dieſe merkwuͤrdige, blos bei ſtarker Vergroͤßerung wahrnehmbare Beſchaffen⸗ heit des Flaumgefieders habe ich beſchrieben und durch Abbildungen erläutert in Voigt's Magazin für die Naturkunde, 11. Band, 5. Stuck, vom Jahr 1806. Seite 394. 3 34 Ein leit un g jene Flächen durchbrechen und unwirkſam machen würde, Indeſſen findet ſich die Verkettung der Fahntheile nicht nur an den Contur⸗ federn der Fluͤgel, ſondern gewoͤhnlich auch an den meiſten Federn des ganzen Leibes, weil auch dieſe beim Fluge einigermaßen wirk⸗ ſam ſind, und zur geordneten Lage Zuſammenhang der Fahne haben mußten. Denjenigen Voͤgeln aber, welche gar nicht fliegen, ſcheinen die Haͤkchen gaͤnzlich zu fehlen, ſo wie fie ſich auch niemals am Flaumgefieder finden. An jedem Vogel giebt es Federn, die blos flaumig find, aber faſt keine, die blos Conturgefieder hatten, indem der untere, verdeckt ſtehende Theil der Fahnen der Conturfedern faſt immer wenigſtens aus einigen, ganz oder zum Theil flaumartigen Aeſten beſteht. Merkwuͤrdig iſt, daß die meiſten Conturfedern vieler Voͤgel gleichſam verdoppelt ſind, indem ſie einen zweiten Schaft haben, welcher hinten aus dem Hauptſtamm entſpringt, ge⸗ woͤhnlich ſchwaͤcher, kuͤrzer als dieſer und blos flaumig iſt, beim Kaſuar aber ganz dem Hauptſchaft an Länge und Bildung gleicht. — Die Conturfedern ſitzen, indem ſie Dunen oder ganz flaumige Federn meiſt zwiſchen ſich haben, in regelmaͤßigen, ſich deckenden Reihen (in quincunce) im Felle, welches ſie gewoͤhnlich faſt ganz durchbohren. Die Conturfedern ſind es, welche die Vorderglieder erſt zu Flugorganen machen, indem ſich an der Hand und dem VBor- derarm jedes Fluͤgels hinten eine Reihe derſelben zu langen, ſtarken Schwungfedern ) (remiges) ausbildet, welche mit ihren Kielen beweglich an den Knochen der Fluͤgel angeheftet ſind, ſich faͤcherartig beim Ausſtrecken oder Zuſammenlegen der Fluͤgel ausbreiten oder zuſammenſchieben laſſen, und den Vordergliedern die ausgedehnte Flaͤche geben, welche zum Flug nothwendig war. Oben und unten ſind die Schwungfedern mit einer Reihe aͤhnlicher, aber kuͤrzerer Deckfedern (tectrices) bedeckt. Auch am hintern Ende des Rumpfs, naͤmlich an den Schwanzwirbeln, ſteht faſt immer eine faͤcherartige „) Man nennt diejenigen, welche an der Hand des Flügels, als dem aͤußerſten. Haupttheil deſſelben fisen, Schwungfedern der erften, die aber, welche am Vorderarm befindlich find, Schwungfedern der zweiten Ordnung. Am Oberarm find keine eigentlichen Schwungfedern, ſondern nur die ſogenannten Schulterfedern (plumae scapulares). Einleitung 55 Reihe langer Conturfedern, die man Steuerfedern (reotrices); Schwanzfedern oder Schwanz nennt und welche ebenfalls auf den Flug Beziehung haben ). — Die Federn ſind es uͤbrigens, welche die an ſich haͤßliche Ungeſtalt des Vogels verdecken, ihm jene gefaͤlli⸗ gen, ſanften Umriſſe, jene ſchoͤnen Farben und Zeichnungen und uͤberhaupt großentheils jene Annehmlichkeit geben, vermoͤge welcher der . eine ſo ſichtliche angeborene Vorliebe fuͤr die Voͤgel hat. in Da bie Benennungen der gewöhnlich befiederten Regionen bes Vogelkörpers vorzüglich in Beziehung auf das Geſieder gebraucht worden, ſo fuͤhren wir die ublichſten hier kurzlich an. — Die Region dicht an der Schnabelwurzel heißt die Halfter (capistrum) ; die ganze obere Fläche des Kopfs der Oberkopf oder Hut (pileus); der vordere Theil deſſelben Stirn (krons); derſelbe etwas weiter nach hinten genommen Vorderhaupft (sinciput)z Det oberſte, mittlere Theil des Kopfs Scheitel (wertex); der. hintere Theil das Hin⸗ terhaupt (occiput). Seitliche, durch Farbe oder Nacktheit ausgezeichnete Streifen von der Oberſchnabelwurzel bis zu den Augen werden Zügel (lora) z ein ſolcher Streif uͤber den Augen wird Augen braune ‚(supercilium) ge⸗ nannt. Die Seiten des Kopfs vor und zum Theil unter den Augen heißen Wangen (genae); die Seitengegend zwiſchen Ohr und Auge die Schlaf e (tempora); dle Gegend rings um die Augen Augengegend (orbita); die um die Ohren Ohrgegend (regio parotica); der ganze, vordere Theil des Kopfs (außer der Stirn) nebſt der Augengegend Geſicht (Facies); der untere Theil zwiſchen beiden Aeſten des Unterkiefers das Kinn oder Unterkinn (mentum). Der vordere Theil des Halſes vom Unterkinn an bis zur Bruſt heißt Vorderhals (guttur), welcher wieder in die Keh le (gZula), als die Gegend, melche dem Unterkinne am naͤchſten iſt, und in die Unterkehle, Gurgel (jugulum), als den Theil von der Kehle bis zur Bruſt, eingetheilt wird. Unter dem Hinterhals (cervix) wird die hintere Seite des Halſes vom Kopf bis zum Ruͤcken verſtanden, und daran wieder das Genick (nucha), als der dem Hinterkopf zunaͤchſt befindliche Theil, und der Nacken (auchenium Illig.), als die Strecke unterhalb dem Genick, unterſchieden. Am Rumpfe wird der Rüden (dorsum) eingetheilt in den Ober ruͤcken (interscapilium), als die Gegend zwiſchen den Schulterblaͤttern, in den Unterruͤcken (tergum), als den darauf folgenden Theil, welcher auch die Kreuzgegend begreift, und in den Buͤrzel (uropygium), als den hinterſten Theil, uͤber den Schwanzwirbeln. An der untern Seite des Rumpfs, welche überhaupt wohl Bauch oder B auch⸗ =. ‚Teite (Venter s. gastraeum Illig.) genannt wird, unterſcheidet man die Bruft (pectus), welche auf den Unterhals folgt und eigentlich die ganze Bruſt⸗ u, beinregion einnimmt; dann den Unterleib (abdomen) zwiſchen Bruſt und After, und endlich den Steiß (exissum), als die Gegend zwiſchen After und Schwanz, welcher daher dem Buͤrzel gegenüber ſteht. Die laͤngern, zunaͤchſt auf den Schwanzfedern aufliegenden Federn des Steißes und Buͤrzels werden, Deckfedern des Schwanzes, jene die untern, dieſe die obern ge⸗ nannt. Die Seiten des Rumpfs, welche gewoͤhnlich in der Ruhe des Vogels von den Fluͤgeln verdeckt werden, heißen Weichen. (hypochondria); die Gegend um die Anfuͤgung der Flügel die Schultern (humeri s. armi). Die Regionen der Glieder werden beym Skelet angegeben. Nicht immer find in den Beſchreibungen der Voͤgel die hier angegebenen Kunſtausdruͤcke fo beſtimmt. genommen als hier. Manche ſehr zweckmaͤßig von Illiger vorgeſchlagene, aber noch nicht uͤbliche 5 Ba in EDEN oben NEE Werke nachgeſehen werden. b 36 Einleitung. ö 5 Die Farben des Vogelgeſieders find ſehr mannigfaltig. Alle, auch die praͤchtigſten, glaͤnzendſten und die metalliſchen Foliefarben, der⸗ gleichen wir am Saͤugthierhaar niemals wahrnehmen, kommen an demſelben vor. Allein dieſe ſchoͤnen Farben, durch welche ſich vor⸗ zuͤglich die Voͤgel heißer Erdſtriche auszeichnen, ſind immer auf das Conturgeſteder beſchraͤnkt und erſtrecken ſich nie auf das Flaumge⸗ fieder, als welches wol weiß, ſchwarz, grau, braun, braͤunlich, roͤthlich oder gelblich, niemals aber ſchoͤn gelb, blau, roth oder grün gefarbt iſt. So wie aber die Färbung des Flaums, wenigſtens des grauen oder ſchwaͤrzlichen, bei mikroskopiſcher Unterſuchung haͤufigſt eine, dem bloßen Auge unbemerkbare Buntheit zeigt, ſo habe ich daſſelbe auch am Conturgefieder wahrgenommen. Ich wurde nicht wenig uͤberraſcht, als ich ſah, wie das grünliche Conturgefieder meh⸗ rerer Deutſchen Voͤgel, als des Gruͤnſpechts, der Kohlmeiſe nnd anderer unter dem Mikroskop nichts Gruͤnes, wol aber gelbe Aeſte und blauſchwarze Strahlen, das graue Gefieder der meiſten Voͤgel hingegen nur ſchwarze und weiße Parthieen in verſchiedenen Verhaͤlt⸗ niſſen zeigte. Eben ſo fand ich bei anderer, ſcheinbar einfacher Faͤr⸗ bung des Gefieders oft unſichtbare Buntheit von mancherlei Art ). — Doch wir muͤſſen es hier bei dieſer Betrachtung des Vogelgefieders, eines der vielſeitigſten und weitſchichtigſten Gegen⸗ ſtaͤnde der Beſchreibung der Vögel, bewenden laſſen. — Die Voͤgel ſind im Stande, ihre Federn nebſt der Haut faſt am ganzen Koͤrper willkuͤhrlich zu ſtraͤuben, welches fie mittels einiger Hautmuskeln thun, die einerſeits am Skelete, andrerſeits an der Haut oder an den Kielen der Federgruppen befeſtigt ſind. — Gewiſſermaßen in Beziehung auf die Federn ſteht die ſogenannte Buͤrzeldruͤſe, eine Delzabfondernde Doppeldruͤſe mit einer gemeinſchaftlichen oder zwei ſehr genaͤherten Oeffnungen nach außen, welche auf den Schwanzwirbeln aufliegt, und mit deren oͤliger Abſonderung die Voͤgel ihre Federn einſalben, um ſie vor dem Naßwerden zu ſchüten. a ) Die hier mitgetheilten Veobachtungen uͤber den Bau und die Farbe des Con⸗ turgeftebers werde ich an einem andern Orte vollſtaͤndiger aus einander ſetzen. Einleitung. 57 Nach diefer Betrachtung der empfindenden oder Empfindung vermittelnden Organe kommen wir zu den eigentlichen Bewe⸗ gungswerkzeugen der Voͤgel, und zwar zuvoͤrderſt zum Knoch engeruͤſt, welches ſehr viele von dem der Saͤugthiere ab⸗ weichende Verhaͤltniſſe zeigt. Im Ganzen erhaͤlt daſſelbe ſchon durch die Lange der Glieder und des Halſes und die Eiform des Rumpfes, ſo wie durch die zweifuͤßige Stellung, ein eigenthuͤmliches, dem des menſchlichen Gerippes wol zuweilen bei oberflaͤchlicher Betrachtung entfernt aͤhnliches Anſehn. Die auffallendſten Eigenheiken des Kopfgeruͤſtes ſind vorzuͤglich: die völlige Zahnloſigkeit der Kiefer (denn die bisweilen vorkommenden ſogenannten Zaͤhne werden nur durch die hornige Bedeckung gebildet); ferner die enorme Groͤße der Augenhoͤhlen; die Beſchaffenheit des Siebbeins, welches hier gar nicht dieſen Namen verdient, keine Siebplatte und keine Windungen hat, ſondern nur eine einfache, oft nur zum Theil knoͤcherne Scheidewand zwiſchen beiden Augenhoͤhlen bildet; und dann der zur Bewegung der Kiefer eingerichtete Hebelapparat. Es iſt nämlich nicht wie bei den Saͤugthieren blos der Unterkiefer, ſondern ſtets auch der Ober⸗ kiefer beweglich und dies wird durch eine eigene Maſchinerie bewirkt, wobei das ſogenannte Gelenkbein (os articulare, ſonſt auch Qua⸗ dratbein, os quadratum genannt) eine Hauptrolle ſpielt. Dieſer paarige Knochen iſt als der losgeloͤßte Gelenktheil des Schlaͤfbeins zu betrachten. Er gelenkt dicht am Ohre oben mit dem Hirnſchaͤdel, unten mit dem Unterkiefer und zugleich nach innen mit dem laͤng⸗ lichen Verbindungsbeine (os oommunicans s. pterygeideum) und nach außen mit dem langen, graͤthenfoͤrmigen Jochbogen (zygoma). Indem nun die Verbindungsbeine vorn wieder mit den Gaumen⸗ beinen articuliren, und die Gaumenbeine ſowohl als die Jochboͤgen in der Naͤhe ihrer Verbindung mit dem Oberfich r wenigſtens eine Biegung zulaſſen, auch der Oberſchnabel ſelbſt Hi. oben auf feinem Ruͤcken, entweder dicht an der Stirn oder auch vor den Naſenloͤchern, einen beweglichen oder leicht biegbaren Punkt hat, ſo wird durch die Bewegung des Gelenkbeins zugleich die ganze, außerdem aus Jochboͤgen, Verbindungsbeinen und Gaumenbeinen beſtehende 38 he, Maſchine in Bewegung geſetzt und dieſe egen bis zum Ober⸗ kiefer nach vorn fortgepflanzt. Wird naͤmlich das Gelenkbein mit ſeinem untern Ende nach vorn gedruͤckt, was immer beim Abziehen des Unterkiefers geſchieht, ſo ſchiebt es nothwendig alle genannten Theile der Oberkiefermaſchine nach vorn und den Oberkiefer ſelbſt entweder ganz, was der gewoͤhnliche Fall iſt, oder wenigſtens ſeinen vordern Theil ) aufwärts; wird es hingegen nach hinten bewegt, wie dies beim Anziehn des Unterkiefers der Fall iſt, ſo zieht es die Maſchine hinterwaͤrts und den Oberkiefer nach unten. Durch dieſe ſehr merkwürdige Einrichtung, von welcher ſich ein Analogon bei Am⸗ phibien und Fiſchen, niemals aber bei Saͤugthieren findet, wird zu— gleich die Harmonie der Bewegung des Unter- und Oberkiefers bewirkt und moͤglich gemacht, daß dieſelben Muskeln, welche den Unterkiefer bewegen, zugleich zur Bewegung des Oberkiefers ge— ſchickt werden. — Zu den Merkwuͤrdigkeiten des Kopfgeruͤſtes der Vogel gehoͤren noch folgende: Der Oberkiefer wird groͤßtentheils vom Zwiſchenkieferbein (os intermaxillare) gebildet, welches ſon⸗ derbarer Weiſe gleich urſpruͤnglich ein einfaches, nicht paariges Stuͤck iſt **). Die Ausſchnitte fuͤr die Naſenloͤcher find von ſehr verſchie— dener Groͤße, bisweilen ungemein groß, und zumal ganz enorm in die Laͤnge gezogen bei denen Voͤgeln, die nur die Spitze des Ober— kiefers bewegen koͤnnen. Der ſogenannte Jochbogen (zygoma) iſt gerade, graͤthenfoͤrmig, beſteht aus drei ſich ſehr ſchief an einander legenden und gewöhnlich bald völlig verwachſenden Stuͤcken, naͤm⸗ lich aus dem Jochfortſatz des Oberkieferbeins, dem eigentlichen Joch⸗ ) Die merkwuͤrdige Verſchiedenheit in der Stellung des Biegungspunktes des Schnabelruͤckens, nach welcher bald der ganze Oberkiefer, bald nur der vordere Theil, bald abwechſelnd der erſte oder dieſer beweglich iſt, habe ich in meiner Abhandlung „über die Bewegung des Oberkiefers der Vögel“ in Meckel's Archiv für die Phyfiologie, zweiter B. drittes Heft, S 361, (man vergleiche noch die Nachtraͤge dazu, ebendaſelbſt S. 470. und im dritten B. S. 384.) ausfuͤhrlich beſchrieben. ) Man vergleiche meine Abhandlung über die Knochenſtuͤcke im Kie⸗ fergeruͤſt der Voͤgel, in Meckel's Archiv für die Phyſiolo⸗ gie, tr Bd., S. 221. Bei dieſer Gelegenheit muß ich berichtigend bemerken, daß die dort ſogenannten Naſenbeine, welche ich fuͤr bloße Fortſaͤtze des Inter⸗ maxrillarknochens erklaͤrt habe, wirklich nichts anders als ſolche Fortſaͤtze, die ossa nasomaxillaria aber die wahren Naſenbeine find. Einleitung 39 beine und dem urſpruͤnglichen Jochfortſatz des Schlaͤfbeins, welcher hier aber zu einem eigenen Knochenſtuͤck, dem Gelenkjochbeine (os articulojugale) geworden iſt und hinten mit dem Gelenkbeine arti⸗ kulirt. Die Augenhoͤhlen ſind im Ganzen ſelten geſchloſſen; wenn ſie es ſind, ſo wird dies durch Verbindung des untern Fortſatzes des Thraͤnenbeins mit einem, hinten von der Hirnſchale ihm ent⸗ gegen kommenden Fortſatz bewirkt. Die Knochen der Hirnſchale, welche denen der Saͤugthiere analog ſind, als die Stirnbeine, die Scheitelbeine, die Schuppenbeine, das urſpruͤnglich aus vier Stuͤk⸗ ken beſtehende Hinterhauptsbein und das Keilbein, ſo wie die Ethmoidalſcheidewand, verwachſen ſtets ſehr fruͤh voͤllig mit ein⸗ ander, fo daß die Hirnſchale eine ganz ungetheilte, knoͤcherne Kapſel bildet. Eben ſo verwachſen die Knochen des Oberkiefers unter einander und mit der Stirn faſt immer, und die Bewegung des Oberkiefers geſchieht in ihm ſelbſt nur durch Biegungen, die nies mals mit den Vereinigungslinien der urſpruͤnglichen Stuͤcke zuſam⸗ menfallen. Das Hinterhauptsloch ſteht oft eben ſo weit nach unten als beim Menſchen; aber die Articulation des Schaͤdels mit dem erſten Halswirbel geſchieht nur durch einen einfachen rundlichem Gelenkkopf. — Der Unterkiefer hat gerade nach hinten gehende: Aeſte, einen ſehr kleinen Kronenfortſatz, aber auch am hintern Ende der Aeſte gewoͤhnlich nach innen und zuweilen wol noch nach hinten einen verſchieden geſtalteten Fortſatz. Er articulirt nicht durch einen Gelenkkopf mit dem Gelenkbeine, ſondern vielmehr durch eine Ge⸗ lenkpfanne, welche einen laͤnglichen, faſt doppelten Gelenkkopf des Gelenkbeins aufnimmt. Urſpruͤnglich beſteht der Unterkiefer aus wenigſtens fünf Knochenſtuͤcken, von denen das eine vordere, welches den Unterſchnabel bildet, eben ſo unpaar iſt, als der In⸗ termaxillarknochen. Beide Kiefer, zumal fo weit fie mit ihrem nackten Ueberzug den Schnabel bilden, zeigen die mannigfaltigſten Verſchiedenheiten in Größe und Form, welche mit der verſchie— denen Nahrung und Lebensart der Voͤgel in deutlicher Beziehung ſtehen, und bei der Beſtimmung ihrer Familien und Gattungen von beſonderer Wichtigkeit ſind. 40 Einleitung An der Wirbelſaͤule der Voͤgel laſſen fich nur die Regionen des Halſes, des Ruͤckens, des Beckens und des Schwanzes deutlich unterſcheiden, indem die Lendenregion mit der Beckenregion ver⸗ ſchmolzen iſt. Die Zahl der Halswirbel, deren faſt bei allen Saͤug⸗ thieren nur ſieben find, iſt hier ſtets größer, aber auch ſehr ver—⸗ ſchieden; ſie ſteigt von neun bis zwei und dreißig. Eben ſo iſt die Zahl der Becken- oder Kreuzwirbel ſchon wegen Hinzukommen der Lendenwirbel größer, die der Ruͤckenwirbel aber und vorzuͤglich die der Schwanzwirbel im Allgemeinen geringer als bei Saͤugthieren. In der Länge des Halſes übertreffen die Voͤgel im Durchſchnitt alle uͤbrigen Ruͤckgraththiere bei weitem, indem derſelbe oft noch ein Mal, ja bisweilen über zwei Mal ſo lang als die ganze übrige Wir⸗ belſaͤule iſt. Seine Laͤnge entſpricht oft, aber nicht immer, der Laͤnge der Fuͤße. Wo der Hals der Voͤgel ſehr kurz zu ſeyn ſcheint, rührt dieſes doch zum Theil nur von feiner gewöhnlichen, unter Haut und Federn und zumal zwiſchen beiden Schultern verſteckten Krümmung her. Immer find die Halswirbel zuß einer S-⸗foͤrmigen Biegung des Halſes eingerichtet. Sie ſind ſehr beweglich, auch kann der Vogel, beſonders vermoͤge der Verbindungsart der beiden erſten Halswirbel unter ſich und mit dem Kopfe, den Kopf nach allen Richtungen bewegen und ganz nach hinten drehen. Die Ruͤcken⸗ wirbel, welche nach der Zahl der Rippenpaare beſtimmt werden, und deren ſieben bis elf vorkommen, ſind dagegen wenig beweglich, ja bisweilen (jedoch bei weitem nicht immer) feſt mit einander ver⸗ wachſen. An ihrem Koͤrper bemerkt man nicht ſelten nach innen gehende Dornfortſaͤtze. Die Beckenwirbel, — neun bis zwanzig an der Zahl, — verwachſen nicht nur gewoͤhnlich alle unter einan⸗ der zu einem ganzen Stuͤck, ſondern nicht felten auch mit den Huͤft⸗ knochen und ſelbſt wol noch mit dem letzten Ruͤckenwirbel, wenn auch die uͤbrigen Ruͤckenwirbel nicht unter einander verwachſen ſind. Die Schwanzwirbel, deren fuͤnf bis neun vorkommen, ſind alle ſehr beweglich. Sie dienen den Steuerfedern zur Anfuͤgung und der Buͤrzeldruͤſe zur Grundlage. Der letzte Schwanzwirbel iſt beſonders N Einleitung. 41 durch feine Größe und Geſtalt ausgezeichnet. Eine eigentliche aͤußerlich ſichtbare Schwanzruͤbe hat kein Vogel. Die Rippen weichen in mancher Hinſicht von denen der Saͤugthiere ab; 1) find die vorderſten, dem Hals zunaͤchſt ſtehen⸗ den Paare, 2, 2 bis 5 an der Zahl, immer ſogenannte falſche oder Fleiſchrippen (costae spuriae s. vertebrales), indem ſie ſich nicht mit dem Bruſtbeine verbinden, auch gar keinen Knorpel oder deſſen Stellvertreter haben, was wol bei dem letzten Paare der Fall iſt, welches auch nicht mit dem Bruſtbein articulirt; 2) verbinden ſich die wahren Rippen (costae verae;s. sternovertebrales) nicht durch Knorpel, ſondern mittels duͤnner, an beiden Enden articulirender Knochen (ossa sternocostalia) mit dem Bruſtbeine; 5) hat jede Rippe, mit Ausnahme der letzten und der erſten, einen ſchraͤg nach hinten gehenden flachen Aſt (Rippenaſt, ramus costalis) welcher ſich immer auf die folgende Rippe auflegt und in der Age ein eigenes Knochenſtuͤck iſt. | Das Bruſtbein iſt durch feine Größe und Geſtalt ungemein ausgezeichnet. Um den ſehr großen Bruſtmuskeln eine moͤglichſt ausgedehnte Flaͤche zur Anfuͤgung zu geben, breitet es ſich nicht nur ſchildartig aus, ſondern es hat noch der Laͤnge nach eine oft ſehr er⸗ habene Leiſte (orista sterni), welche nur einigen, nicht fliegenden Voͤgeln fehlt. Seine Geſtalt bietet uͤbrigens, nach Verſchiedenheit der Familien und Gattungen, manche erhebliche Verſchiedenheit dar. Meiſt bildet es nach dem Unterleib zu jederſeits einen oder zwei Fortſaͤtze. Eben die ſichtliche Beziehung, ele die Form und Groͤße des Bruſtbeins der Voͤgel auf ihr Flugvermoͤgen hat, finden wir bei den Schulterknochen. Nicht nur find bei allen Vögeln Schluͤſſelbeine da, welche bei den Saͤugthieren ſo oft ganz fehlen oder ſehr verkuͤmmert ſind, ſondern es ſind dieſelben hier zugleich von ganz ausnehmender Staͤrke, ſehr feſt, obgleich beweglich, mit dem Bruſtbein verbunden und uͤberdem durch das ſogenannte Ga⸗ belbein (furcula), welches offenbar ein zweites, aber zu einem Stuͤck verwachſenes Paar Schluͤſſelbeine darſtellt, gleichſam, verdoppelt. 42 Einleitung. Die Schulterblaͤtter ſind ebenfalls ſtark, aber ſtets ſchmal, lang, ſaͤbelfoͤrmig. Alle drei . bilden jederſeits eine ſehr hohe Schulter, indem ſie ſich an der Schulterhoͤhe durch Baͤnder und Knorpel faſt unbeweglich mit einander verbinden, jedoch ſo, daß nur die eigentlichen Schluͤſſelbeine und Schulterblaͤtter die flache Gelenkhoͤhle fuͤr den Oberarmknochen zuſammenſetzen. Bei vielen Voͤgeln zeigt ſich ſogar ein Verſuch der Natur die Schulterblaͤtter zu verdoppeln, in der Anweſenheit eines kleinen Knochens, des Neben⸗ ſchulterblattes (scapula accessoria), welcher jederſeits neben dem aͤchten Schulterblatte auf der Gelenkkapſel des Oberarmknochens aufſitzt ). Daß durch die angegebene Einrichtung eine ungemeine Feſtigkeit der Schultern der Voͤgel bewirkt wird und daß dieſe bei der, zum Flug noͤthigen, heftigen Bewegung der Fluͤgel von groͤßter Zweckmaͤßigkeit ſeyn muß, leuchtet von ſelbſt ein. Blos bei einigen, zum Flug ungeſchickten Voͤgeln findet einige Abweichung von jener Einrichtung ſtatt. Die Vorderglieder, welche hier allein die eigentlichen Flug⸗ organe bilden, zeichnen ſich auch in ihrem Knochengeruͤſte faſt bei allen fliegenden Voͤgeln durch betraͤchtliche Laͤnge aus. Sie gleichen in ihren weſentlichen Abtheilungen den Vordergliedern der Saͤug— thiere, indem ſie aus Oberarm, Vorderarm und Hand beſtehen. Die Knochen im Ober- und Vorderarm ſind der Oberarmknochen, die Ellenbogenroͤhre und die Speiche. Die Hand aber zeichnet ſich beſonders aus; fie iſt ſehr ſchmal und lang, und beſteht aus folgen den Knochen, naͤmlich aus 2 Handwurzelknochen (ossa carpi), aus 2 laͤnglichen und einem dritten kleinen Mittelhandknochen (ossa metacarpi), welche frühzeitig zu einem Stüd verwachſen, und aus 5 Fingern, als dem Daumen, dem großen und kleinen Finger. Der letztere iſt aͤußerlich nicht zu bemerken; er beſteht aus einem Gliede, der große Finger aber aus zweien, ſelten aus dreien, und der Daumen, welcher an dem dritten kleinen Mittelhandſtuͤck fitzt , wieder aus einem, wenn nicht noch ein Klauenglied da iſt. Der ) Dieſer Knochen iſt zuerſt beſchrieben in meinen oſteographiſchen Bei⸗ trägen zur Naturgeſchichte der Vögel, S. 83 u. f. Einleitung. 45 große Finger bildet die aͤußerſte Spitze des Fluͤgelgeruͤſtes; ſein erſtes Glied iſt ſonderbar breit und mit Eindruͤcken von den feſt daran ſitzenden Schwungfedern verſehen. Der Daumen bildet mit ſeinen Federn den ſogenannten Afterfluͤgel (ala spuria). Dieſe Bildung der Vorderglieder hat eine merkwuͤrdige Allgemeinheit bei den Voͤgeln und iſt ſehr von der der Saͤugthiere ſelbſt der fliegenden verſchieden. Nur bei den eee ee einige e von ae vor. Die Huͤft⸗ oder Beckenknochen unterſcheiden ſich von denen der Saͤugthiere zumal durch ihre ausgedehnte Verbindung mit der Wirbelſaͤule, indem ſie ſich ſelbſt noch uͤber Ruͤckenwirbel erſtrecken und dann mit dieſen, ja ſogar mit den letzten Rippen, ſo wie mit allen Lenden- und Kreuzwirbeln, gewohnlich zu einem einzigen Stuͤck verwachſen; dann zeichnen fie ſich aus durch die tie: fen Gruben, welche das Becken hinterwaͤrts fuͤr die Nieren bildet, und dadurch, daß daſſelbe (außer beim Strauß) nicht durch Der: bindung der Schamſtuͤcke geſchloſſen, ſondern offen iſt. Die Hinterglieder oder Fuͤße, welche von ſehr verſchiede⸗ ner Laͤnge vorkommen, theilen ſich in Oberſchenkel, Unterſchenkel (haͤufig Schenkel genannt), Unterfuß oder Ferſe (oft Schienbein faͤlſchlich genannt) und Zehen ein. Der Oberſchenkelknochen, die Knieſcheibe, die Schienbeinroͤhre (tibia) und die Nebenroͤhre (fibula) gleichen im Ganzen denen der Saͤugthiere. Die Nebenroͤhre iſt immer ſehr duͤnn und nach unten nicht ſelten blos knorpelig und unvollkommen; ſie laͤßt aber ſtets einige Bewegung gegen die Schienbeinroͤhre zu. Fußwurzel und Mittelfuß (tarsus und meta- tarsus) ſind bei erwachſenen Voͤgeln (etwa die Penguine ausgenom⸗ men) immer ein einziges Stuͤck, Ferſenbein, oder Mittelfußbe n (os metatarsi) genannt, welches unten 5 Gelenkkoͤpfe und außerdem einen beweglichen Anhang (appendix metatarsi pro hallice) hat, wenn nämlich der Daumen da iſt. Das Maximum der normalen Zehen: zahl iſt ſeltſamer Weiſe 4. Ein fuͤnfter Zeh iſt immer Monſtroſitaͤt, die freilich bei manchen Hühnern erblich iſt. In der Gliederzahl der Zehen herrſcht eine merkwuͤrdige Progreſſion, mit ſehr ſeltener 44 Einleitung. \ Ausnahme, indem der Daumen 2, der innere Zeh 5, der folgende, gewoͤhnlich mittlere und laͤngſte, 4, der aͤußere aber 5 Glieder hat, wenn man das Nagelglied mitzaͤhlt. Sind nur 3 Zehen da, ſo fehlt faſt immer der Daumen, ſelten der aͤußere fuͤnfgliederige Zeh, welches letztere aber doch z. B. bei Phytotoma tridactyla der Fall zu ſeyn ſcheint. Es iſt alſo in beiden Faͤllen die Progreſſion in der Gliederzahl nicht aufgehoben. Zwei Zehen hat nur der Strauß. Gewoͤhnlich ſteht nur der Daumen, der bisweilen zu einem Rudi⸗ ment verkuͤmmert, nach hinten, die übrigen nach vorn; bei ſoge— nannten Kletterfüßen (pedes scansorii) aber hat ſich auch der fünf gliederige Zeh völlig nach hinten gewöhnt, der ſonſt manchmal bald ruͤckwaͤrts, bald vorwaͤrts geſchlagen werden kann oder zum Wendezeh (digitus versatilis) wird; wie z. B. bei den Eulen, dem Fiſchaar und andern. Selten iſt der Daumen nebſt allen uͤbrigen Zehen nach vorn gerichtet, wie bei Mauerſchwalben. Illig er nennt ſolche Fuͤße: Klammerfuͤße Cped. adhamantes); fo. wie die vierzehigen Fuͤße mit der gewoͤhnlichſten Richtung der Zehen Gang- oder Wandelfuͤße (p. ambulatorii), die dreizehigen aber ohne Hinterzeh Lauffuͤße (p. cursorii) genannt werden. Durch die aͤußere Beklei⸗ dung werden noch einige beſondere Verhaͤltniſſe der Zehen hervorges bracht. So iſt bei den ſogenannten Schreitfuͤßen (p. gressorii), welche ſonſt in Zahl und Richtung der Zehen mit den Gangfuͤßen uͤbereinkommen, der aͤußere Vorderzeh mit dem mittlern großen⸗ theils dicht verbunden. So entſtehen, wie ſchon oben erwaͤhnt iſt, Lappenfuͤße (p. lobati) durch breite Saͤumung der Zehen und Schwimmfuͤße oder halbe Schwimmfuͤße (p. palmati und semipal- mati), wenn die Zehen ganz oder zum Theil durch Haut (Schwimm- haut) verbunden ſind *). Beiderlei Verhaͤltniſſe kommen nur bei Waſſervoͤgeln vor; jedoch findet man eine ſehr kurze, haͤutige Ver⸗ bindung der Vorderzehen auch bei vielen Landvoͤgeln. Durch die Fußbildung der Voͤgel wird oftmals die aͤußere Oekonomie und die *) Ich glaubte hier einige Kunſtausdruͤcke nicht unberührt laſſen zu duͤrfen, da biefe gerade ſehr uͤblich und an ſich minder verſtaͤndlich find als viele andere in der Ornithologie, verweiſe jedoch wegen der übrigen Beſtimmungen ber Vers haͤltniſſe der Vogelfuͤße noch auf Illiger 's Werk. Einleitung 45 ganze Natur derfelben ſehr beſtimmt ausgeſprochen, daher fie mit Recht zu charakteriſtiſchen Merkmalen der e und een bbc wird. | | Von ans vielen keine, in der Anordnung der eee der Voͤgel koͤnnen hier nur einige wenige beruͤhrt wer⸗ | den. Die großen Bruſtmuskeln find, zum Behuf der ſtarken, zum Flug noͤthigen Bewegung der Fluͤgel beim Niederſchlag, von ganz enormer Groͤße und Staͤrke, wodurch ſie zugleich von unten dem Rumpfe den noͤthigen Ballaſt geben. Es ſcheint uͤberhaupt, als wenn ſich alles Fleiſch des Vogelkoͤrpers nach unten gezogen haͤtte, indem alle, am Rüden befindlichen Muskeln von geringem Volumen ſind. Vom Geſicht (Schnabel) aber iſt das Fleiſch wirklich ganz gewichen. An den Vordergliedern zeichnet ſich ein kleiner, von der Schulter entſpringender Muskel durch die ungemeine Laͤnge und Zuſammenziehungskraft ſeiner Sehne aus, welche naͤmlich im vordern Rande der großen Flughautfalte von der Schulter bis zur Handwurzel läuft und ſonderbarer Weiſe nicht nur die Flughaut bei ausgeſtrecktem Fluͤgel ſpannt, ſondern fie auch, wenn der Flügel zuſammengelegt wird, zuſammenzieht. An den Hintergliedern aber iſt eine Anordnung beſonders merkwuͤrdig und dem Vogel eigenthuͤmlich, welche darin beſteht, daß der, von einer Hervorragung des Schamſtuͤcks des Beckens entſpringende, ſchlanke Schenkelmus⸗ kel (musculus gracilis) über die vordere Biegung des Knies zum Unterſchenkel geht, und ſich da mit den Sehnen der Muskeln ver⸗ bindet, welche die Zehen beugen, indem jene Sehnen hinten uͤber das Ferſengelenk zur Ferſe und dann zu den Zehen gehen. Vermoͤge dieſer Einrichtung wird naͤmlich bewirkt, daß durch die bloße Beu⸗ gung des Knie- und Ferſengelenks, ganz mechaniſch eine ſehr ſtarke Kruͤmmung der Zehen erfolgt und der Vogel durch bloßes Nieder⸗ kauern, auch im Schlafe und mit einem Fuße ſich og einem Zweige ſicher zu halten vermag. Was die Verdauungswerkzeuge betiift, ſo kommen alle Voͤgel darin mit einander uͤberein, daß ihr Schlund vor feinem! Eintritt in den eigentlichen Magen einen mit dichten, ſtarken, nach 46 Einleitung. innen geoͤffneten Schleimdruͤſen beſetzten Vormagen (prolobus, proventriculus, tubus Peyerianus) bildet. Bei mehrern aber er⸗ weitert ıfich der Schlund ſchon vor feinem Eintritt in den Rumpf in einen ſogenannten Kropf (ingluvies),. in welchem das Futter vor⸗ laͤufig erweicht wird, ehe es in den Vormagen und Magen kommt. Dieſer Kropf iſt, wenn er angefuͤllt iſt, nicht nur aͤußerlich leicht zu fuͤhlen, ſondern er tritt dann ſogar bei einigen Raubvoͤgeln ganz ſichtlich nebſt dem Felle aus den Federn hervor. Der eigentliche Magen (ventriculus, le gésier) wird bei ſehr vielen, zumal koͤrner⸗ und pflanzenfreſſenden Voͤgeln vorzuͤglich von zwei, bisweilen un⸗ gemein ſtarken, durch ſtrahlige glaͤnzende Sehnen verbundenen Muskeln gebildet, indem er inwendig mit einer harten, lederartigen Haut ausgekleidet iſt. Bei den mehreſten fleiſchfreſſenden aber ſind die Waͤnde des Magens ſehr duͤnn und hautartig. Das Ge⸗ daͤrm iſt im Ganzen kürzer als bei Saͤugthieren. Am duͤnnen Ge daͤrm iſt der vom Magen ausgehende Theil oder der ſogenannte Zwoͤlffingerdarm, der eine Schlinge bildet, in welcher die Bauch ſpeicheldruͤſe liegt, gewoͤhnlich der weiteſte. Der Dickdarm iſt kurz und wird faſt nur durch den Maſtdarm dargeſtellt, an deſſen Anfange gewoͤhnlich zwei Blinddaͤrme, deren Länge und Weite manche erheb⸗ liche Verſchiedenheit zeigen, einmuͤnden. Die Faͤlle, wo nur ein einfacher, kleiner Blinddarm oder gar keiner da iſt, ſind ſelten. Außer dieſen eigentlichen Blinddaͤrmen aber findet man nicht ſelten am Duͤnndarm einen einzelnen blinden Anhang als Reſt des ehe: maligen Dotterkanals. Der Maſtdarm aller Voͤgel iſt vor ſeinem Uebergange in den After in eine Cloaca erweitert, in welche Ge⸗ ſchlechts- und Urinwerkzeuge ſich oͤffnen; eine Anordnung, die nur ſehr ſelten bei Saͤugthieren vorkommt. Auch der ſogenannte Fabriciuſiſche Beutel (bursa Fabricii), ein kleiner, hinter dem Maſtdarm liegender druͤſiger Sack, welcher eine ſchleimige Feuch⸗ tigkeit abſondert, mündet dicht am After in die Kloake. Die innere: oder flockige Haut des Gedaͤrms iſt ſehr ſchleimig und meiſt mit deutlichen Zotten verſehen, welche jedoch nach dem Dickdarm zu Einleitung. | 1 ſchwinden und manchen, zumal Heinen Wigan überhaupt zu man⸗ 0 ſch eine. 1 Zu den Wie ne en Wa der Vögel gehoͤren die Ath⸗ mungsorgane, mit welchen, wie bei andern Ruͤckgraththieren, die Stimmorgane in unmittelbarer Verbindung ſtehen. Gleich die Luftroͤhre oder Gurgel zeichnet ſich faſt immer durch ganze, meiſt knochige Ringe und einen zweiten Kehlkopf an ihrem untern Ende aus. Der obere Kehlkopf hat keinen Kehldeckel und es wird die ſchmale, laͤngliche Stimmritze blos durch die Bewegung der Gieß⸗ kannenknochen verſchloſſen oder geoͤffnet. Das Geruͤſt des obern Kehlkopfs iſt ſonſt dem der Saͤugthiere analog, aber nicht, wie bei dieſen knorpelig ſondern knochig, und die Ränder der Stimmritze ſind nicht bandartig. Dieſer obere Kehlkopf trägt wenig zur Bildung der Stimme bei, welche vielmehr durch den zweiten oder untern (larynx bronchialis), der zumal in dem letzten, oft ſtarken, ganz knochigen, inwendig meiſt in zwei Ritzen oder Oeffnungen getheilten und mit einer etwas vorſpringenden elaſtiſchen, ſchwingbaren Haut⸗ falte verſehenen Luftroͤhrenringe beſteht, vorzuͤglich hervorgebracht wird; indem die beiden Luftroͤhrenaͤſte, welche meiſt nur knorpelige, beim Eintritt in die Lungen ganz ſchwindende Halbringe haben, auf der innern, blos haͤutigen Seite zugleich in Schwingungen geſetzt werden koͤnnen. Die Stimmbildung geſchieht hier nach den Geſetzen der blaſenden Inſtrumente. Eigene Muskeln, welche theils den untern Kehlkopf theils die Ringe der Luftroͤhre und der Bronchien bewegen, ſind hiebei wirkſam; ſie ſind am zahlreichſten bei den Ge⸗ ſangvoͤgeln, mit denen jedoch in dieſer Hinſicht auch manche nicht fingende Voͤgel z. B. Kraͤhen, wegen ſonſtiger, naher Verwandt⸗ ſchaft uͤbereinſtimmen ). Bei mehrern Voͤgeln, zumal aus den Familien der Huͤhnerartigen und der Waſſervögel, finden ſich beſon⸗ dere Biegungen und Erweiterungen der Luftroͤhre oder knoͤcherne „) Man vergleiche Cuvier's treffliche Abhandlung uͤber den untern Kehlkopf der Voͤgel, uͤberſetzt in Reile's Archiv für die Phyſiologie, Bd. 5. ©. 62., fo wie das hieher gehörige Kapitel in den e uͤber vergleichende Anatomie. 48 Einleitung. Pauken am untern Kehlkopfe, welche ebenfalls auf die Stimme Be⸗ zug haben und gewoͤhnlich ein Eigenthum der maͤnnlichen Indivi⸗ duen ſind. Die Lungen find feſt an den hintern Theil der Rippen und die Ruͤckenwirbel angewachſen; ſie bleiben ſtets, auch bei der groͤßten Ausdehnung weit vom Bruſtbeine entfernt und fuͤllen nie⸗ mals die Bruſthoͤhle aus, welche übrigens gar nicht von der Bauch- hoͤhle getrennt iſt. Kleine Muskeln, die von den Lungenraͤndern zu den Rippen gehen, ſind zwar das Analogon des Zwergmuskels der Saͤugthiere, von dieſem aber doch in Richtung und Wirkung ſehr verſchieden. Zu dieſen Eigenheiten in den Athmungsorganen der Voͤgel geſellt ſich folgende ausnehmende Merkwuͤrdigkeit. Die ein⸗ geathmete Luft iſt naͤmlich keineswegs auf die Lungen beſchraͤnkt, ſondern geht durch mehrere Loͤcher aus den Lungen heraus in duͤnn⸗ haͤutige Cellen des Rumpfs, beſpuͤhlt ſo alle Eingeweide und dringt ſogar bei fehr vielen Vögeln in die markloſen Höhlen mehrerer Kno⸗ chen, jedoch keineswegs in die Federſpuhlen ein, wie man ſo oft irrig behauptet hat. Man unterſcheidet im Rumpfe wol bei allen Voͤgeln folgende Luftcellen, nämlich: eine oder zwei leere Seitens cellen jederſeits, welche kein Eingeweide enthalten; zwiſchen dieſen zwei Lebercellen, deren jede eine Haͤlfte der Leber umſchließt; ferner die Celle der Daͤrme und die Bronchialcelle, mit welcher die Herz- celle faſt eins iſt. Bisweilen ſetzen ſich dieſe Luftcellen noch unter die Haut am Halſe, unter die Schultern und anderwaͤrts fort. Die Zahl der pneumatiſchen (Luft- aufnehmenden) Knochen iſt ſehr verſchieden. Bei nicht wenigen Vögeln (z. B. den ſchnepfenartigen, den Blaͤßlingen, Tauchern und manchen kleinen Singvoͤgeln) wird kein einziger Knochen, etwa mit Ausnahme einiger Kopfknochen, mit Luft gefuͤllt, bei andern mehrere und bei manchen alle Knochen, die jemals in die Sphaͤre der Athmungsorgane gezogen werden koͤnnen, als von welchen blos die Knochen der Glieder, welche unterhalb des Knies und des Ellenbogen= gelenks liegen, dann etwa der erſte Halswirbel und der Joch- bogen ausgenommen ſind. Der Oberarmknochen, das Bruſtbein und zum Theil die Hirnſchale find diejenigen Knochen, welche wol Einleitung 49 am haͤufigſten lufthohl vorkommen, während der Oberſchenkelknochen es am ſeltenſten iſt. Die Kopfknochen aber werden nicht von den Lungen her, ſondern merkwuͤrdiger Weiſe gleich von der Naſe aus mit Luft gefüllt. Es iſt alſo ein eigener Reſpirationsapparat im Kopfe angelegt und auf dieſen beſchraͤnkt. — Offenbar hat die Aushoͤhlung der Knochen ſchon inſofern Bezug auf das Flugver⸗ moͤgen, als ſie das Hinderniß vermindert oder hebt, was ſonſt aus der zu großen Schwere derſelben, zumal bei groͤßern Voͤgeln, für den Flug entſtehen wuͤrde; große und voluminoͤſe Knochen ſind bei fliegenden Voͤgeln beſonders zum Hohlwerden geneigt; die Zahl der Luftknochen nimmt mit der Groͤße der Voͤgel und der Ausbildung des Flugvermoͤgens zu; kleine Voͤgel, ob fie gleich gut fliegen, haben nur wenige oder faſt gar keine Lufthoͤhlen im Skelet “). Das Aus⸗ und Einathmen in den Lungen und haͤutigen Luftcellen wird durch die Bewegung der Rippen und des Bruſtbeins, inſofern die Bruſt⸗ hoͤhle dadurch abwechſelnd erweitert und verengert wird, bewirkt, indem zugleich die Zwerchmuskeln bei ihrer Zuſammenziehung zur Erweiterung der Lunge und folglich zum Einathmen derſelben bei— tragen. Jedoch iſt manches im mechaniſchen Vorgang des Ath— mens der Voͤgel, beſonders die Erneuerung der Luft in den Knochen⸗ hoͤhlen noch nicht befriedigend erklaͤrt. — Durch die angegebene Verbreitung der Luft im ganzen Rumpfe oder faſt im ganzen Koͤrper des Vogels wird, bei der oben beruͤhrten Einrichtung des Blutum⸗ laufs das Blut zwei Mal, namlich ſowohl in den Lungen als außer⸗ halb derſelben dem Einfluß der Luft ausgeſetzt und mit Sauerſtoff verſehen. Es muͤſſen daher auch die Erſcheinungen, welche als Wirkungen des Athmens anzuſehen find, in hohem Grade geſtei⸗ gert ſeyn, wie dies wirklich der Fall iſt, indem die Voͤgel in der Schnelligkeit ihres, immer fieberhaften Pulsſchlages, in der hohen Temperatur ihres Blutes, uͤberhaupt in der Staͤrke der Irritabili⸗ taͤt alle andere Thiere uͤbertreffen. ») Ueber die Lufthoͤhlen der Knochen habe ich ausfuhrlich gehandelt in meinen oſteographiſchen Beiträgen zur Naturgeſchichte der Vögel. 4 * 50 Einleitung. Die Gefäße der Vögel anlangend, fo bilden die aus dem Darmkanal entſpringenden Saugadern, welche den hier farbenlofen Nahrungsſaft (chylus) führen, keine Gekroͤsdruͤſen, wie bei den Saͤugthieren; ſonſt findet man Saugaderdruͤſen bei Voͤgeln nur am Halſe. Die Staͤmme, in welche alle einſaugenden Gefaͤße zuſam⸗ menkommen, deren zwei oder drei ſind, gehen in die innere Seite der Droſſelbenen. — Das Herz, welches ſymmetriſch in der Mitte des vordern Theils der Bruſt liegt, ſich jedoch bisweilen mit der Spitze ein wenig rechts wendet, iſt ſehr derb und muskuloͤs und hat in der rechten oder Lungen⸗Kammer eine ſehr ſtarke fleiſchige Klappe, vermuthlich um das Blut mit groͤßerer Gewalt in die Lungen zu treiben, was wegen der mindern Erhebung und Aufblaͤhung der letztern vielleicht noͤthig wird. Die Irritabilitaͤt des Herzens dauert nach dem Tode der Voͤgel viel kuͤrzere Zeit als bei allen uͤbri⸗ gen Thieren, wie dies auch von der Irritabilitaͤt der Muskeln gilt; in Folge der Staͤrke dieſer Kraft, welche mit der Dauer derſelben nach dem Tode im umgekehrten Verhaͤltniſſe ſteht. — Das Bluts gefaͤß ſyſtem zeichnet ſich durch ſehr ſtarke Schlagadern und durch manche Eigenheiten in der Vertheilung aus. So theilt ſich z. B. die Koͤrperſchlagader (aorta) ohne einen, Bogen zu bilden gleich in drei Aeſte, in die beiden Schluͤſſelbeinarterien und die herabſteigende Aorta; ſo iſt die Bruſtarterie bei weitem ſtaͤrker als die Achſelarterie, weil ſie die enorm großen Bruſtmuskeln mit Blute verſorgt. Was die wichtigſten Abſonderungsorgane betrifft, fo ift die Leber (zumal bei Waſſervoͤgeln) von betraͤchtlicher Größe und meiſt ziemlich ſymmetriſch in einen rechten und linken Hauptlappen getheilt, welche oͤfters nach vorn die Spitze des Herzens und nach hinten den Magen zum Theil zwiſchen fich nehmen. Haͤufiger liegt aber der Magen mehr auf der linken Seite, und dann iſt der linke Leberlappen kuͤrzer, wol viel kuͤrzer, als der rechte. Immer liegt die Leber wenigſtens groͤßtentheils in der Bruſthoͤhle. Die Gallenblaſe fehlt nur ſelten und es wird die Galle durch zwei Aus⸗ fuͤhrungsgaͤnge, welche mit denen der großen langgeſtreckten Bauch⸗ ſpeicheldruͤſe (panereas), deren zwei oder drei ſind, oͤfters alterniren, Einleitung | 51 in den Darmkanal ergoſſen. Die Milz, welche hinterwaͤrts am Vor: magen liegt, iſt bei allen Voͤgeln klein, theils rundlich, theils laͤng⸗ lich. Die Nieren hingegen find (vorzuͤglich bei Waſſervoͤgeln) unge⸗ mein groß; ſie fangen vom hintern Ende der Lungen an, und neh— men den ganzen Ruͤcktheil des Beckens ein, indem ſie ſeine großen Gruben ganz ausfuͤllen. Die Harnleiter gehen unmittelbar in die Cloaca; es miſcht ſich der kalkige Urin mit dem Kothe und wird mit diefem zugleich ausgeworfen. Nur der Strauß hat eine Art Harnblaſe. Die Nebennieren ſind klein, gelblich oder orangefarben, und liegen unter dem vordern Ende der Nieren. Einige andere abſondernde Organe ſind ſchon oben gelegentlich beruͤhrt worden. Wir beſchließen dieſe Muſterung der organiſchen Eigenheiten der Voͤgel mit denen der Geſchlechtstheile, zuvor bemerkend, daß der Geſchlechtsunterſchied der Vögel haͤufigſt viel deutlicher im Aeußern ausgeſprochen iſt, als der anderer Ruͤckgraththiere, indem die Maͤnnchen ſehr oft (andere Unterſchiede und Abzeichnungen zu geſchweigen) eine ganz andere und nicht ſelten viel ſchoͤnere Faͤrbung, Zeichnung oder Bildung des Gefieders als die Weibchen haben, welche aͤußere Verſchiedenheit ſich jedoch meiſt nicht vor dem Eintritt der Fortpflanzungsfaͤhigkeit ausbildet. — Die Hoden der Maͤnn⸗ chen liegen ſtets in der Rumpfhoͤhle, gleich hinter den Lungen, in der Lendengegend, unter dem vordern Theil der Nieren; ſie ſind laͤnglich oͤfters ſehr in die Laͤnge gezogen, bisweilen aber faſt rund, bei manchen gleich groß, bei den meiſten aber ungleich, ſo, daß der linke, ſeltener der rechte, groͤßer oder laͤnger iſt. Sie nehmen zur Begattungszeit ungemein an Groͤße zu; auch ſieht man faſt nur zu dieſer Zeit die, überhaupt kaum von den Hoden geſchiedenen, Neben— hoden. Die Samengaͤnge (ductus deferentes) gehen meiſt ges ſchlaͤngelt unmittelbar zur Cloake, wo ſie neben den Harnleitern muͤnden. Nur einige Voͤgel, wie z. B. der Strauß und die Enten, haben eine Ruthe, welche bei der Begattung heraustritt und, ohne durchbohrt zu ſeyn, den Samen in die Cloake des Weibchens leitet. Sonſt geſchieht die Begattung durch bloße Berührung des Afters. — Die weiblichen Geſchlechtstheile ſind durchaus einfach und beſtehen 52 Einleitung. in einem traubenfoͤrmigen, in der Lendengegend am Ruͤcken ſitzenden Eierſtock“) und einem geſchlaͤngelten, ebenfalls am Rüden durch Haut etwas links gehaltenen darmaͤhnlichen Schlauch (tubus geni- talis) mit zwei Muͤndungen, von denen die vordere frei in die Bauch⸗ hoͤhle geht und die vom Eierſtock losgeloͤßten Eier aufnimmt, die andere aber ſich in die Cloake oͤffnet. Man nennt den vordern, engern, darmartig gewundenen Theil dieſes Schlauches — Eierleiter (oviductus), wovon der ſogenannte Trichter (infundibulum) den Anfang ausmacht, den weitern, mittlern — Gebaͤrmutter und den engern hintern, welcher in die Cloake muͤndet — die Scheide; alle drei aber gehen faſt unmerklich in einander uͤber. *) Das Rudiment eines zweiten Eierſtocks, welches Emmert in einigen Vögeln beobachtete, konnte ich niemals wahrnehmen. RN 3weite Abtheilung. Vom äußern Leben der Voͤgel. Die Stellung und die aͤußern locomotiven Bewegungen der Voͤgel ſind das erſte, was wir hier zu betrachten haben. Beide ſind ſehr eigenthümlich. Die Vögel find die einzige Gruppe der Ruͤckgrath⸗ thiere, welche durchgaͤngig blos mit den hintern Gliedern auftritt, waͤhrend ſie nur mit den vordern fliegt. Ihre Stellung naͤhert ſich daher mehr oder weniger der aufrechten. Die Vordergl'eder oder Fluͤgel werden dabei zuſammen gefaltet und an den Rumpf angelegt, der Hals aber gewöhnlich Sfoͤrmig gekruͤmmt getragen. Allein es zeigt die ruhige Stellung des Vogels manche Modificationen, welche theils von der Form des Rumpfs, theils von der Proportion der Glieder und des Halſes abhaͤngen; daher ſchon in der Stellung Familien, Gattungen und ſelbſt Arten ihre Eigenheiten haben. Einige tragen den Rumpf gewoͤhnlich faſt horizontal, einige wenige ſtehen ſogar mit ſo tief geneigtem Vorderrumpf, daß der Buͤrzel faſt hoͤher ſteht, als der Vorderruͤcken; manche hingegen ſtehen beinahe vollkommen aufrecht, wie in der Regel z. B. Taucher, und zuwei⸗ len die Raubvoͤgel und viele andere; denn daß jeder Vogel ſeine Stellung mehr oder weniger veraͤndert, verſteht ſich von ſelbſt. Die meiſten Voͤgel veraͤndern ihre Stellung ſchon, indem ſie die Theile der Füße in verſchiedenen Richtungen biegen. Jemehr die Schenkel auf⸗ waͤrts gezogen, die Unterſchenkel aber vorgebogen werden, deſto mehr ſcheinen die Fuͤße den Rumpf in ſeiner Mitte zu beugen, und deſto mehr iſt gewoͤhnlich ſein Vordertheil geneigt, waͤhrend im entgegengeſetzten Falle die Fuͤße mehr am hintern Ende zu ſtehen ſcheinen, und der Rumpf dann aufgerichtet wird. Je nachdem die Voͤgel in der Regel den Rumpf mehr aufrecht, oder mehr vorliegend 54 Einleitung tragen, je nachdem tragen fie auch gewoͤhnlich die Fuͤße; jedoch ſind bey den Tauchern Ober- und Unterſchenkel ſo wenig frey, daß ihre Richtung gegen den Rumpf ſchon an ſich beſtimmt iſt, und fie im⸗ mer nach hinten ſtehen muͤſſen. Am befiederten Vogel ſieht man aͤußerlich faſt nie die Oberſchenkel, und die Unterſchenkel meiſt nur zum Theil. Die allermeiſten Voͤgel tragen die Unterſchenkel und Ferſen immer gegen einander, wenigſtens etwas, gebogen; aber einige ſtehen auch mit ganz geraden Ferſen. Die locomotiven Bewegungen der Bögel find der Gang, Flug und das Schwimmen. Der Gang (im weiteften Sinne) oder die Fortbewegung auf einer feften Fläche ift kriechend, ſchreitend, huͤpfend und kletternd. Faſt jede Voͤgel⸗Gattung hat wieder in der Art und Weiſe, wie fie das eine oder das andere verrichtet, Eigenthuͤmlichkeiten, wodurch fie ſich von andern unterſcheidet. Manche Voͤgel gehen jedoch faſt gar nicht. Das Kriechen oder der Gang mit ganz geducktem, aufliegendem Rumpfe koͤmmt bey Voͤgeln nur ſelten vor. Das Schreiten, wo die Fuͤße einzeln fortgeſetzt werden, iſt dagegen die am haͤufigſten vor: kommende Art des Fortbewegens auf feſter Flaͤche. Manche ſchrei— ten nur langſam und ſchwerfaͤllig, andere bedaͤchtig und ernſt, mit einem gewiſſen edlen Anſtande, noch andere leicht und keck einher, und viele zeigen im ſchnellen Gange und im Laufen eine bewun⸗ drungswuͤrdige Fertigkeit. Einige haben einen wackelnden Gang, wo bey jedem Tritte der Rumpf auf eine andere Seite zu ſchwanken ſcheint, oder einen nickenden, indem ſie Schritt vor Schritt mit dem Kopfe nicken; bey andern ſieht man nur die Fuͤße in Bewegung, waͤhrend der Rumpf in ſeiner Stellung ſo bleibt, als wenn der Vo— gel ſtill ſtaͤnde. Die Schnellaufenden gehen oft ruckweiſe, d. h. das ſchnelle Fortſchreiten ihrer Füße wird öfter oder ſeltner durch kurze Pauſen unterbrochen. So ſind alle Huͤhnerarten und die Sumpf— voͤgel ſchnelle Läufer, wenn die Schwimm- und Raubvoͤgel dagegen nur fchwerfallig fortſchreiten. Einleitung. a: Das Hüpfen, wo beide Füße zugleich aufgehoben und fortge⸗ ſetzt werden, koͤmmt weniger vor, als das Schreiten. Wir finden es weder bey einem Waſſer- noch bei einem Erdvogel, nur di I welche im Gebuͤſch und auf Bäumen leben, huͤpfen. In der Art, wie es geſchieht, iſt daher auch weit weniger Unterſchied; ſie huͤpfen auf gleichem Boden leichter oder ſchwerfaͤlliger, in größern oder klei⸗ nern Spruͤngen, und mit mehr oder weniger gebogenem Ferſengelenk. Wenn das Rothkehlchen, auf der Erde huͤpfend, ſeine Fuͤße in dieſem Gelenke nur wenig biegt; ſo druͤckt dagegen der Sperling die ge⸗ rade Flaͤche der Knochen der Unterſchenkel und der Fußwurzeln ſo nahe zuſammen, daß er mit der Unterbruſt faſt den Boden beruͤhrt. Oefters kommen dieſe Arten des Ganges in Verbindung vor; ſo haben manche Voͤgel einen Gang, der halb huͤpfend halb ſchreitend iſt, z. B. der gemeine Fink, die Elſter, u. a. m. Das Klettern iſt dem Huͤpfen ganz aͤhnlich, nur daß es mit mehr gebogenen Fußgelenken, an einer ſchiefen oder ſenkrechten Flaͤche und faſt immer aufwaͤrts geſchieht. Die ſehr zweckmaͤßig dazu eingerichteten Füße haben ſowohl hinter- wie vorwärts zwei Zehen, mit ſcharfen Naͤgeln; doch giebt es auch Gattungen, welche mit gewoͤhnlichen Gangfuͤßen verſehen ſind und doch eben ſo geſchickt klettern. Viele dieſer Voͤgel haben auch Kletterſchwaͤnze, mit harten Federn, womit fie den Körper unterſtuͤtzen. Die Kleiber oder Spechtmeiſen haben weder Fuͤße noch Schwanz der eigentlichen Kletterer, und doch ſteigen fie an den Baumſtaͤmmen mit einer Leich⸗ tigkeit auf und nieder, die ſelbſt den Spechten abgeht. Einige Gat⸗ tungen, vorzuͤglich unter den auslaͤndiſchen Klettervoͤgeln, nehmen beim Klettern auch den Schnabel zu Huͤlfe. Der Flug oder die Geſ ſchicklichkeit, ſich mittels ſeiner Flug⸗ werkzeuge durch die Luft ſchnell von einem Orte zum andern zu bes geben, wodurch ſich der Vogel vor fo vielen andern Geſchoͤpfen aus⸗ zeichnet, iſt faſt allen Voͤgeln eigen. Nur wenige koͤnnen gar nicht fliegen, von welchen ſich jedoch keiner in Deutſchland vorfindet. Die Bildung des ganzen Vogelkoͤrpers, nebſt der aͤußern Be⸗ deckung des Gefieders, entſprechen dem Zweck, zu fliegen, mehr oder 56 Einleitung. weniger, je nachdem die vorzuͤglichſten Flugwerkzeuge, Fluͤgel und Schwanz, ſo gebildet ſind, den Vogel mit groͤßerer oder geringerer e an durch die Lüfte tragen zu koͤnnen. Manche haben das er einen ſchweren, andere einen leichten Flug; manche erheben ſich mit einem Sprunge in die Luft, bei andern bedarf es dagegen mehrerer oder auch eines kurzen Anlaufs auf der Erde oder auf dem Waſſerſpiegel, ja einige wenige muͤſſen ſich von einem erhabenen Gegenſtande herabſtürzen, wenn ſie fliegen wollen. So koͤnnen ſich z. B. die Mauerſchwalben wegen ihrer kurzen Fuͤße und langen Flügel nicht von platter Erde erheben. Dies letztere iſt auch bei den Tau⸗ chern, namentlich den Steißfuͤßen, der Fall; ſie muͤſſen auf einem Waſſerſpiegel einen Anlauf nehmen, ehe ſie auffliegen koͤnnen. Sobald ſich der Vogel in Flug geſetzt hat, nimmt ſein Rumpf mit dem Halſe, den hinten ausgeſtreckten Fuͤßen und dem Schwanze eine wagerechte Lage in der Luft an, die ausgebreiteten Fluͤgel ſchlagen auf und nieder und der Koͤrper wird ſo fortgeſchoben oder vorwaͤrts geſtoßen. So wie die Beſchaffenheit des ganzen Federkleides, das den Vogel uͤberdem noch gegen Kälte und rauhe Luft ſchuͤtzt, weſent⸗ lich zum Fluge beitraͤgt, ſo iſt es außer den Fluͤgeln auch noch der Schwanz, welcher gewiſſermaßen dem Vogel, wenn wir uns ihn als ein Schiff denken, als Steuerruder dient. Wie nothwendig der Schwanz zum Fluge iſt, ſehen wir daran, daß der Vogel, welchem er ausgeriſſen wurde, nur mit groͤßter Anſtrengung fliegt, und ſein eigenthuͤmlicher Flug dadurch ganz veraͤndert wird. Dieſe Bemer— kung gilt vorzuͤglich von denen, welche große Schwaͤnze haben; den kurzgeſchwaͤnzten hindert der Mangel deſſelben weniger, denn ſie ſind, wenn ſie zu den leichtfliegenden gehoͤren, mit langen Haͤlſen oder mit langen Beinen, oft mit beiden zugleich, begabt, die ſie in gerader Richtung mit dem Koͤrper ausſtrecken, und ſich dadurch leicht in der wagerechten Lage erhalten. Um ſich durch den Flug in hoͤhere Luftregionen zu verſetzen, bedarf es oft vieler Anſtrengungen und es geſchieht bei den meiſten in ſchiefer Richtung; bei andern, wo es weit leichter von ſtatten geht, aber in einer Schneckenlinie. Die, welche ſich auf dieſe Art zu einer unermeßlichen, Höhe aufſchwingen Einleitun . 57 koͤnnen, laſſen ſich auch auf dieſelbe Weiſe wieder aus dieſer herab. Manche ſturzen ſich auch in einer von der ſenkrechten wenig abwei⸗ chenden Linie, unter ſchnellem Hin- und Herwenden des Koͤrpers, aus der Luft herab. Beim Niederſetzen würde der völlige Sturz unver⸗ meidlich ſeyn, wenn ſie, indem ſie ſich dem Ruhepunkte ſo eben naͤhern, nicht durch Flattern ſich aufzuhalten und den Schwung zu maͤßigen verſtaͤnden. So laſſen ſich manche ſehr ſanft nieder, andere muͤſſen noch einige Schritte hinlaufen und die Schwimmvoͤgel mehrentheils noch eine gute Strecke auf dem Waſſerſpiegel hingleiten, ehe der Schuß, in welchem ſie ſich niederlaſſen, aufhoͤrt. N Kein Geſchoͤpf der Erde iſt im Stande ſich ſo ſchnell von einem Orte zum andern zu begeben, oder eine Reiſe zu machen, als der Vogel. Zwar wurde vielleicht der Fiſch im Waſſer, wenn ihm nicht das Ufer Schranken ſetzte, ſich aͤhnlich ſchnell fortbewegen koͤnnen; aber unbegraͤnzt iſt der Vogel in den Luͤften, und er durchfliegt ſie | uͤber Land und Meer mit bewundrungswuͤrdiger Schnelligkeit. Man kann ſich leicht hiervon uͤberzeugen, wenn man die Entfernung zwi- ſchen zwei feſten Gegenſtaͤnden, z. B. zweien Baͤumen, mißt, auf den daruͤber hinſtreichenden Vogel genau Acht hat, und die Zeit, die er zum Durchfliegen dieſes Zwiſchenraums gebraucht, mit Zählen oder einer Sekundenuhr abmißt, und dies nachher auf groͤßere Raͤume berechnet. Ich fand auf dieſe Art, daß eine nach Hauſe eilende Taube, einen Raum von 100 Schritten Laͤnge, in einer Zeit von 5 Sekunden durchflog, fie alſo im Stande it, eine Entfernung von 5 Meilen (die Meile zu 12000 Schritte gerechnet) in einer Stunde zu durchfliegen. Doch gleichen in Anſehung der Schnelle des Flugs nur wenige Voͤgel der Feldtaube, und die weit langſamer fliegende Nebelkraͤhe kann daher in einer Stunde nur ſeinen Raum von 3 Meilen zuruͤcklegen. Wie ſchnell koͤnnen ſich alſo die Zugvoͤgel in eine andere Gegend verſetzen, wenn man berechnet, daß die, an fchnele lem Fluge der Taube gleichende, Wachholderdroſſel, wenn ſie, ohne ſich aufzuhalten, von früh 7 bis Nachmittag 3 Uhr in einem weg fliegend einen Weg von 40 Meilen zuruͤcklegen kann! — Wollte man die Schnelle des Vogelflugs nach einzeln vorfallenden Momen⸗ 5% Einleitung. ten berechnen, ſo wuͤrde jene Rechnung noch weit hoͤher ſteigen, und er dem Winde an Schnelligkeit faſt gleich kommen. Sieht man eine von einem Raubvogel verfolgte Taube oder Schwalbe, und einen dieſer Raubvoͤgel ſelbſt dieſe verfolgen, ſo gleicht ihr reißend ſchnel— ler Flug einem abgeſchoſſenen Pfeil. Allein ſie koͤnnen dieſen Kraft— aufwand nicht lange aushalten. Die Energie, womit einige Voͤgel fliegen, iſt oft bewundrungs— wuͤrdig. Wir ſehen manche faſt ununterbrochen ſich in den Luͤften ſchaukeln, ſich hin und her werfen und die kuͤhnſten Schwenkungen machen, ohne daß ſie ermuͤden; andere ſich kuͤhn bis über die Wol— ken erheben und unſern Augen entziehen; einige ohne eine ſichtbare Fluͤgelbewegung an einer Stelle in der Luft gleichſam iſtill ſtehen; andere wieder mit kraͤftigen ſchnell auf einander folgenden Fluͤgel— ſchlaͤgen ſich durch die Luft gleichſam fortreißen. Welche Kraftfuͤlle zeigen nicht manche Falken beim Niederſtoßen ihres Raubes, welche Gewandtheit in ſchnellen Schwenkungen, beim Verfolgen deſſelben! Wie ein Pfeil ſchießt der Sperber mit angelegten Fittigen durch die dichten Aeſte belaubter Baͤume, ohne anzuſtoßen, hinter ſeiner Beute her; mit reißender Schnelle ſtreicht er dicht über der Erde hin, um die kleinen Voͤgel in ihrer Sicherheit zu uͤberrumpeln, uͤberſpringt gleichſam im ſchnellſten Fluge die ihm aufſtoßenden hoͤhern Gegen⸗ ſtaͤnde, als Mauern, Zaͤune und dergleichen, und ſchwenkt ſich mit großer Kuͤhnheit um die naͤchſte ſcharfe Ecke. Obgleich die geringe Groͤße ſeiner Fluͤgel ſo etwas nicht ahnden ließ, ſo zeigt dies doch Knochen- und Muskelbau derſelben deutlich. Dieſer, ſo wie die aͤußere Bekleidung des Fluͤgels, iſt aber immer ſo eingerichtet, daß ſie dem Zwecke vollkommen entſprechen. So ſehen wir z. B. wie alle ſehr hochfliegende Vögel ſehr lange Fluͤgelknochen und ſehr große Schwungfedern haben, und wie dieſe nach allen drei Ord— nungen, in welche man ſie zu theilen pflegt, an Groͤße wenig unter⸗ ſchieden ſind, z. B. Geier und Adler. Andere, zwar ſchnell und leicht fliegende Voͤgel, die ſich aber nie zu einer ſolchen Hoͤhe wie jene erheben, wie z. B. die Schwalben, haben nicht fo lange Fluͤ⸗ gelknochen, dagegen aber ſehr lange Schwungfedern, jedoch iſt die Einleitung. 59 erſte Ordnung diefer bei weitem langer und größer als die übrigen. Eben dieſelbe Verſchiedenheit finden wir auch im Baue der Flügel derjenigen Voͤgelgattungen, die ſchwerfaͤllig und ungern, daher wenig fliegen. Ob ſie gleich oft ſehr lange Armknochen haben, ſo ſind dagegen ihre Schwingen unverhaͤltnißmaͤßig kurz, wie bei den Tauchern. Seltner iſt dies bei beiden der Fall, dann ſind aber die Muskeln viel ſtaͤrker, und die Schwingen der erſten Ordnung ſteifer, wie bei den Wald- und Feldhuͤhnern. Bei manchen Arten ſind die Schaͤfte der Schwungfedern ſehr ſtark einwaͤrts gekruͤmmt, bei den meiſten aber beinahe gerade; auch dies traͤgt zur Verſchieden— heit des Fluges bei. 7 Auch die Dauer des Flugs ift fo merkwürdig, als fie unter den Arten verſchieden iſt. Wenn manche nur kurze Strecken fliegen und oͤfters ausruhen muͤſſen, ſo halten andere einen Tag lang im ununterbrochenen Fluge aus. Unſre Sommervoͤgel ziehen bekannt⸗ lich weg, und viele, in welche man dieſe Ausdauer nicht vorausgeſetzt hätte, uͤberfliegen das mittellaͤndiſche Meer. Oft ſetzten ſich Land⸗ voͤgel, viele Meilen weit vom Lande, auf Schiffe um auszuruhen. Den Fregattvogel, zwar ein Waſſervogel, ob man ihn gleich nie ſchwimmend angetroffen hat und von ihm ſagt, daß er, ſeiner langen Fluͤgel wegen, ſich nicht von ebener Flaͤche aufſchwingen koͤnne, hat man in offner See bei 400 Meilen weit vom Lande angetroffen. Unſre Mauerſchwalben fliegen faſt ununterbrochen den ganzen Tag lang herum; eben ſo die Meerſchwalben u. a. m. und man bemerkt an ihnen nicht, daß ſie am Abend mehr Muͤdigkeit zeigten als am Morgen. Welch ein weit ausgedehntes Jagdrevier muͤſſen nicht die großen Raubvoͤgel taͤglich mehr als einmal durchſtreifen, um hin— laͤngliches Futter fuͤr ihre Jungen herbei zu ſchaffen! Es dehnt ſich oft auf Meilen im Umfange aus, ſie muͤſſen fliegend die gefangene Beute zum Neſte ſchleppen, wie oft alſo taͤglich hin und her fliegen; und doch ſieht man dabei keinen großen Aufwand ihrer Kraͤfte, es geſchieht alles mit einer bewundernswuͤrdigen Leichtigkeit, bei der ſinkenden Sonne, wie bei der aufgehenden. Wollen die Voͤgel weite Reiſen machen, alſo auf die Dauer fliegen, ſo geſchieht es 60 Einleitung immer in den obern Luftregionen, fie erheben ſich zu dieſen, weil dort die duͤnnere, lichtere Luft ihren Anſtrengungen weniger wider— ſteht. In den untern werden fie auch zu oft vom Winde aufgehalten; denn fo empfindlich dem Vogel jede Berührung feines Gefieders iſt, ſo unangenehm iſt es ihm auch, wenn der Wind von hinten in ſeine Federn blaͤßt und fie aufhebt. Nur die aͤußerſte Noth kann ihn ver— anlaſſen mit dem Winde zu fliegen, ſonſt geſchieht es allemal gegen denſelben. | Es bedarf nur eines oberflächlichen Blicks, um das ſchon Ges ſagte im Betreff der Verſchiedenheit des Baues der Flugwerkzeuge ſo gleich zu bemerken. Hieraus laͤßt ſich denn auch leicht erklaͤren, wie verſchiedenartig der Flug der Voͤgel ſeyn muß. Wir ſehen auch in der That darin eine ſo große Mannigfaltigkeit, daß es ein nicht geringes Vergnuͤgen gewaͤhrt, ſich davon in Kenntniß zu ſetzen; ſie wird uns vorzuͤglich bei der Jagd und dem Fange der Voͤgel von ſehr großem Nutzen ſeyn, und viele Vortheile gewaͤhren. Obgleich die Arten einer Gattung auch im Fluge immer Aehnlichkeit mit einander haben „ſo wird der aufmerkſame Beobachter doch die meiſten in der Ferne ſchon von andern unterſcheiden koͤnnen. Manche aͤhneln einander freilich hierin ſo ſehr, daß es viel Uebung erfordert, ſie, wenn die Entſernung keine andern Unterſcheidungsmerkmale geſtat⸗ tet, blos daran von andern verwandten Arten zu unterſcheiden. Aber die Gattungen (Genera) laſſen ſich, auch bei wenigerer Uebung, ziemlich leicht am Fluge erkennen. Manche haben einen aus wenigen und langſamen Schwingungen der Flügel zuſammengeſetzten Flug, ſie gleiten oder ſchwimmen gleichſam durch die Luft (viele Raubvogel), wenn ſich andere dagegen mit vielen anſtrengenden Bewegungen fortarbeiten muͤſſen, die bei manchen ſo gar ſo ſchnell auf einander folgen, daß fie einem Schnurren gleichen (die Hühnerarten). Wenn viele die Luft in gerader Linie durchſchneiden (Tauben), ſo beſchrei⸗ ben andere wieder aneinanderhaͤngende, kuͤrzere oder laͤngere Bogen oder Schlangenlinien (Spechte, Bachſtelzen, Finken). Einige fliegen ruckweiſe und' ſcheinen gleichſam durch die Luft zu huͤpfen; z. B. der Rohrammer. Marche haben einen fo fanften Flug, daß Einleitung. 61 man nicht das mindeſte Geraͤuſch dabei bemerkt; bei andern iſt er dagegen oft mit einem Rauſchen, Schnurren, Knarren oder mit einem pfeifenden Getoͤſe begleitet, worunter ebenfalls wieder die größten Verſchiedenheiten ſtatt finden, fo daß wir im Stande ſind auch blos nach dem Gehoͤr ſchon manche Art von der andern zu unter⸗ ſcheiden. Wem fallt hiebei nicht das pfeifende Getoͤſe der gemeinen wilden Enten, das Klingeln der Schellenten, das ſauſende Geheul der Schwaͤne, das Fuchteln des Kiebitzes, das Schnurren der Rebhuͤhner und anderer ein? Den leiſeſten Flug unter allen haben Eulen und Tagſchlaͤfer, den . nach ee or Größe, die Huͤhnerarten. 8 Das Schwimmen oder die Fähigkeit, ſich leicht und in beliebiger Richtung auf der Oberflaͤche des Waſſers fortzubewegen, iſt nicht allein allen Waſſervoͤgeln eigen, ſondern es beſitzen ſie auch noch unzaͤhlige andere; ja faſt alle Voͤgel koͤnnen ſich, wie die Saͤug⸗ thiere, wenigſtens eine Zeit lang durch Schwimmen auf der Oberflaͤche des Waſſers erhalten. So wie ſich die Landvoͤgel durch einen ſchrei⸗ tenden oder huͤpfenden Gang auf feſtem Boden fortbewegen, fo be⸗ wirken dies die Waſſervoͤgel auf dem fluͤßigen Elemente durch das Schwimmen und Fortrudern. Jeder Vogel ſchwimmt ſchon darum auf dem Waſſer, weil ſein Koͤrper ſpecifiſch leichter als dieſes iſt, doch wird das Schwimmen dem eigentlichen Schwimmvogel dadurch um vieles erleichtert, daß ſein Rumpf platt gedruͤckt und mit einem ſehr dichten elaſtiſchen Geſteder, worunter eine dichte Lage erwaͤr⸗ mender Dunen die Haut unmittelbar bedeckt, bekleidet iſt. Das Gefieder aller Voͤgel iſt gegen das Naßwerden bekanntlich mit einer oͤhlichten Feuchtigkeit überzogen; die Drüfe über dem Schwanze, welche es beſonders häufig abſetzt, wird vom Vogel mit dem Schna⸗ bel gedruͤckt, die einzeln Federn durch dieſen gezogen und mit dem Fette beſtrichen, Kopf und Hals aber, wo dies nicht angeht, auf der Drüfe herum gewalzt. Sobald ſie ihr erſtes Beduͤrfniß, Nah⸗ rung befriedigt haben, ſieht man ſie unablaͤßig ſich damit beſchaͤfti⸗ gen; aber die Waſſervögel bedurften dies noch in größerer Menge als die Landvoͤgel. Krankheit und Tod machen dies Fett bald ver⸗ d2 Einleitung. ſchwinden, und es iſt eine merkwürdige Erſcheinung, daß ſelbſt Schwimmvoͤgel, wenn man ſie getoͤdtet auf dem Waſſer liegen laͤßt, in kurzer Zeit gaͤnzlich durchnaͤßt werden, da doch wenige Stunden vorher, da ſie noch lebten, kein Tropfen Waſſer an ihren Federn haftete. Der Vogel ſchwimmt entweder mit flach auf der Oberflaͤche des Waſſers liegender Bruſt und Bauch, oder dieſe Theile ſind etwas in das Waſſer eingeſenkt, ſo daß bei manchen kaum mehr als Kopf, Hals, Rüden und ein kleiner Theil der Flügel über der Waſſerflaͤche hervorragt. Auf dieſe letztere Art ſuchen ſich manche auch den Augen ihrer Feinde unbemerklich zu machen, ja bei ſich vergroͤßernder Gefahr ſo tief unter Waſſer zu tauchen, daß von ihnen nichts als der Schnabel und die Augen uͤber dem Waſſer zu ſehen find. Alle Schwimmvoͤgel haben in den Seiten des Rumpfs große Tragfedern, hinter welche ſie die Fluͤgel von unten her bergen, und ſtarke Schulterfedern, welche ſie von oben ſo decken, daß die Naͤſſe nicht unter die Fluͤgel eindringen kann. Die Füße liegen in ſchwim⸗ mender Stellung weit nach hinten, faſt am Ende des Rumpfs, und haben groͤßtentheils ſehr zuſammengedruͤckte Laͤufe, damit ſie das Waſſer durchſchneiden koͤnnen. Die Zehen haben entweder an den Seiten breite Lappen, oder ſie ſind durch ſogenannte Schwimmhaͤute verbunden; doch giebt es auch Voͤgel, welche mit ganz ſchlichten Zehen, die keine Spur von Schwimmhaͤuten oder Lappen haben, ſehr geſchickt ſchwimmen und ihrer Lebensart nach wahre Schwimmvoͤgel ſind, wie unſere Rohrhuͤhner; dagegen wieder andere, deren Füße wahren Schwimmfuͤßen aͤhnlich find, und die dennoch nur ſehr ſelten ſchwimmen. — So wie der junge Sumpf- und Feldvogel fortlaͤuft, ſo bald er dem Eie entſchluͤpft und abgetrocknet iſt, fo ſchwimmt dagegen auch der junge Schwimmvogel mit feinen Eltern ſo gleich auf dem Waſſer fort und er braucht dieſe Kunſt, eben fo wenig wie jener die ſeinige, nicht erſt zu erlernen. Manche bez ſitzen eine große Fertigkeit im Schwimmen und koͤnnen ſehr ſchnell fortrudern, ſich nach allen Richtungen wenden, aber auch, ſelbſt wenn ſie ſchwimmend ſchlafen, ſich ſo auf einer Stelle erhalten, Einleitung N daß fie weder die Gewalt der Wellen noch die Stroͤhmung des Waf- ſers weiter treibt. Manche ſchwimmen mit Anſtand, wie die Schwaͤne, andere mit niedergeducktem Kopfe und eingezogenem Halſe, und einige mit beſtaͤndigem Kopfnicken, wie die Waſſer⸗ und Rohrhuͤhner. Nicht allein auf der Oberflaͤche, . auch unter derſelben, im Waſſer ſelbſt, koͤnnen ſehr viele Vögel ſchwimmen. Wir nennen dieſe Kunſt: Tauchen oder Untertauchen. Ob ſie wol eigentlich nur den Schwimmvoͤgeln eigen iſt, ſo ſehen wir doch, daß ſie im Nothfall auch viel andere Vögel verſtehen. Die von einem Raub— vogel hart zugeſetzte Taube ſtuͤrzt ſich, wenn ſich ihr in dem Augen⸗ blicke kein anderes Rettungsmittel darbietet, in die Fluten, taucht unter, koͤmmt mit trockenem Gefieder wieder hervor, und fliegt gerettet davon. Der fluͤgellahm geſchoſſene Strandlaͤufer ſchwimmt wie eine Ente, taucht, wenn ihn fein Verfolger ergreifen will, blitz⸗ ſchnell unter, und koͤmmt oft erſt weit von der erſten Stelle wieder an die Oberflaͤche des Waſſers. — Da aber die allermeiſten Schwimmvoͤgel ihre Nahrung aus dem Waſſer nehmen, und fie dieſe nur ſelten an der Oberflaͤche deſſelben finden, ſo ſind ſie gezwun⸗ gen darnach unterzutauchen. Dies geſchieht entweder mit dem halben oder mit dem ganzen Koͤrper. Bei der erſten Art ſtellen ſie Kapf, Hals und Rumpf in eine gerade ſenkrechte Linie, den Kopf unten uud den Schwanz oben; indem ſie mit den Fuͤßen das Gleichgewicht in dieſer Stellung zu erhalten ſuchen, durchwuͤhlen fie mit dem Schna⸗ bel den Boden und die auf demſelben wachſenden Pflanzen des ſeich- ten Waſſers. Man nennt dies auch wol: Gruͤndeln. — Die andere Art, wo ſie mit dem ganzen Koͤrper unter das Waſſer fahren, iſt gewoͤhnlicher. Manche beſitzen eine ſo große Fertigkeit hierin, daß ihre Bewegungen der Schnelle des Blitzes gleichen; denn viele ſind, da ſie beim Blitzen der Pfanne des auf ſie abgedruͤckten Schieß— gewehrs ſchnell untertauchen, ſchon laͤngſt unter der Oberflaͤche des Waſſers, wenn das Schrot oder der Hagel erſt auf die nun leere Stelle ſchlaͤgt, auf welcher ſie noch beim Abdruͤcken ſchwammen. Meiſter in dieſer Kunſt ſind vor allen die Steißfuͤße; doch verſtehen 64 Einleitung fie auch noch mehrere ihnen verwandte Gattungen. Jene, fo wie die Saͤger, verfolgen die fliehenden Fiſche unter dem Waſſer mit einer unglaublichen Schnelle, verſchlucken die erhaſchten aber nicht eher, bis ſie den Kopf wieder außer dem Waſſer haben. Sie ſehen unter dem Waſſer durch das Nickhaͤutchen und koͤnnen die Gegenſtaͤnde folglich genau unterſcheiden. Man ſagt, daß manche Arten beim ſchnellen Nachſetzen der Fiſche unter dem Waſſer nicht allein mit den Fuͤßen, ſondern auch mit den Fluͤgeln ruderten, und gleichſam im Waſſer floͤgen, und dies iſt gar nicht unwahrſcheinlich; denn ich ſahe das Naͤmliche von einem lahmgeſchoſſenen Strandlaͤufer, welcher die Fluͤgel unter dem Waſſer ebenfalls als Ruder gebrauchte. — Manche tauchen ſehr tief unter, ja viele gehen auf dem Boden des Waſſers umher, ziehen hier Fiſche, Froͤſche, Conchylien und ders gleichen aus dem Schlamme hervor und durchſuchen die hier wach— ſenden Waſſerpflanzen. Um ſo bald als moͤglich mit dem Aufgefun⸗ denen wieder an die Oberflaͤche des Waſſers zu kommen, muͤſſen ſie ſchnell umwenden, den aus ſtarkkieligen Federn beſtehenden Schwanz aufſtuͤtzen und ſich damit vom Boden in die Hoͤhe ſchnellen. Daher ſind die ſtarren Schwanzfedern dieſer Voͤgel an den Spitzen ſtets ſehr verſtoßen und abgerieben. — Daß kein Vogel unter dem Waſſer athmen koͤnne, verſteht ſich von ſelbſt; doch muͤſſen wir die Laͤnge der Zeit, die ſie, ohne Athem zu holen, daſelbſt zubringen koͤnnen, billig bewundern. Man ſieht manche, z. B. die Schell⸗ enten, zuweilen eine volle Minute lang ſich unter dem Waſſer auf⸗ halten. * 5 * Die Voͤgel ſind empfindliche Geſchoͤpfe, denen jede Beruͤhrung, wäre ſie auch noch fo ſanft, hoͤchſt unangenehm if. Der gezaͤhmte Vogel mag ſich noch ſo ſehr an Menſchen gewoͤhnt haben, ſo iſt ihm doch das Betaſten im hoͤchſten Grade zuwider; ſelbſt der leiſeſte Hauch iſt ihm empfindlich. Weil er ein ſo feines Gefuͤhl hat, ſo wirken auch die Veraͤnderungen der atmoſphaͤriſchen Luft ſo ſtark auf ihn, daß er ſie oft ſchon vorher empfindet, und fie uns * Einleitung e durch ſein Betragen ankuͤndigt. Wenn daher die Droſſeln, Saͤn⸗ ger und andere Singvoͤgel, welche ich in einer Kammer mit einem ſogenannten Univerſalfutter erhalte, zur täglichen Fuͤtterungszeit ihre Freßgeſchirre nicht geleert haben, ſo regnet es binnen 24 Stunden gewiß. Daß das ungewoͤhnlich haͤufige SEN der Haushaͤhne Regen verkuͤndigt, weiß jeder Landmann. 5 Was die Sinne der Voͤgel betrifft, ſo ſcheint jedoch der des Geſichts der hervorſtechendſte. Es iſt oft unbegreiflich, aus welcher großen Entfernung der Vogel den kleinſten Gegenſtand erblickt und ihn von andern unterſcheiden kann. Wenn er recht ſcharf ſehen will, ſo gebrancht er dazu nur ein Auge, und ſein Scharfblick ie die Gegenſtaͤnde in einer Entfernung, wohin das menſchliche Auge nicht reicht. Manche ſehen in der Daͤmmerung und bei Mondſchein beffer, als am hellen Tage; andere eben fo gut unter dem Waſſer, indem fie zum Schutze des Auges, hier das dünne durchſichtige Nick⸗ haͤutchen daruͤber ziehen. . Obgleich die inneren Gehoͤrwerkzeuge RE als an den Saͤugethieren ſind, ſo iſt das Gehoͤr der Voͤgel doch fein genug. Manche hoͤren beſonders ſehr leiſe, wie 3. B. die Eulen, deren äußere Ohroffnung beſonders ſehr erweitert iſt. Damit der Schall deſto leichter zum Ohr gelange, iſt es von außen oft unbedeckt, oder es hat, am haͤufigſten, nur eine lockere Decke von Federn, deren Bart⸗ ſtrahlen nicht zuſammenhaͤngend find. Auch der Sinn des Geruchs iſt bei den Voͤgeln von ara Schärfe, ja er übertrifft bei manchen ſogar Geſicht und Gehör. Die Kolkraben wittern ein Aas ſtundenweit, wenn ſie es auch nicht ſehen koͤnnen, und den wilden Enten entdeckt ihr feiner Geruch die Naͤhe des Schuͤtzen, wenn er ſich vor ihren Augen auch noch ſo gut zu verbergen weiß. Wie oft kann man, wenn man dem Luftzuge entgegen ſchleicht, bei finſterer Nacht, ſich dieſen ſcheuen Vögeln bis auf wenige Schritte naͤhern, da ſie im entgegengeſetzten Falle die Annäherung des Menſchen ſchon in weiter Entfernung wittern. Der Geſchmack ſcheint bei den Voͤgeln zwar ſchwaͤcher als die andern Sinne zu ſeyn, aber daß dies nicht durchgaͤngig ſo ſey, bewei⸗ 66 Einleitung fen viele Arten. Der Taube ſchmeckt z. B. der Waitzen weit beſſer als die Gerſte, ob ſie gleich die Koͤrner beider ganz verſchluckt. Bei andern Vögeln, die ſaftige Nahrung genießen oder die Körner zer⸗ beißen, iſt es uns weniger auffallend. Freilich muß man auch an⸗ nehmen, daß ihnen Geruch und Gefuͤhl hiebei ſehr zu Huͤlfe kommen. Enten und Schnepfen zeigt ihr zartes Gefuͤhl im Schnabel die kleinen Inſekten u. d. gl. an, die ſie aus dem Schlamme hervorſchnattern, und der Storch unterſcheidet vielleicht am Geruche ſchon die Froͤſche von den Kroͤten; denn er laͤßt dieſe getoͤdtet liegen und frißt nur jene. 0 Wenn wir die Voͤgel nach ihren Seelenkraͤften betrachten, ſo finden wir eine große Verſchiedenheit unter ihnen, denn manche ſind dumm, andere dagegen klug und gelehrig, und bei manchen finden wir ein ſo gutes Gedaͤchtniß, daß ſie merkwuͤrdige Vorfaͤlle nach Jahren kaum vergeſſen. Wie manche Arten lernen fremde Melodieen und Worte nachahmen, auch andere unterhaltende Kunſt—⸗ flüdchen, die oft unſere Bewunderung erregen. Die Schwalbe und der Storch ſind als Zugvoͤgel faſt ein halbes Jahr abweſend, und doch finden fie bei ihrer Zuruͤckkunft im Frühjahr ihr Dörfchen wies der, und nehmen, vertraulich gegen ihren alten Wirth, ihr vorjaͤhriges Neſt wieder ein. Man muß hier jedoch immer Inſtinkt langebohrnen Kunſttrieb) von wirklicher Klugheit unterſcheiden. Man erlaube mir nur ein Beiſpiel ſtatt vieler von letzterer anzufuͤhren: Ich unter⸗ hielt immer mehrere gezaͤhmte wilde Gaͤnſe in meinem Garten, wo bei einigen die Schußwunden, durch welche ich ſie in meine Gewalt bekam, ſo gut geheilt waren, daß ſie recht gut fliegen konnten, und ich, um ihnen das Fortfliegen zu verbieten, mich genoͤthigt ſahe, ihnen alljaͤhrlich, nach der Mauſer, die großen Schwingfedern zu verſtutzen. Um dies zu verrichten, mußten ſie eingefangen werden, wozu die Gaͤnſe in einen Winkel getrieben, und ein langes Klebegarn, an jedem der zwei Enden von einer Perſon gehalten, aber zuſammen gelegt, vorgezogen wurde. Die geaͤngſtigten Gaͤnſe wollten nun, aus dem Winkel, uͤber das an der Erde liegende Netz laufen, dies wurde aber, wenn ſie eben davor waren, ſchnell aufgezogen, ſie Gi ne iu n g 67 fuhren hinein und verwickelten ſich darin. Dieſe hoͤchſt unangenehme Partie wurde doch nur jaͤhrlich einmal mit ihnen vorgenommen, aber die ſchlauen Saatgaͤnſe merkten es ſich, nachdem ſie es einige Jahre hinter einander hatten aushalten muͤſſen, dennoch ſo genau, daß ſie es nie wieder vergaßen. Wenn ich nach einem Jahr wieder mit dem Netze kam, ſo ergriff ſie Schrecken und Angſt, ſie flohen auf den Teich, und wollten ſich in keinen Winkel treiben laſſen; ja es gieng nachher ſo weit, daß ich, mit noch jemanden, nur eine bloße Schnur an beiden Enden faſſen und ſo thun durfte, als wollte ich ſie gemaͤchlich nach einer Ecke zu treiben, um Furcht und Angſt bei ihnen aufs hoͤchſte zu bringen. Und dennoch waren ſie übrigens fo zahm, daß ich meinen Liebling unter ihnen an mich locken und ſtreicheln, daher ihm nachher auch immer die Angſt vor dem Netze erſparen konnte. Die Phantaſie der Voͤgel iſt ſehr lebhaft, welches man ſelbſt an ihrem Schlafe bemerkt, indem ſie oft und lebhaft traͤumen. Der Schlaf iſt übrigens bei den mehreſten kurz und leiſe. Das geringſte Geraͤuſch ſchreckt ſie aus ſelbigem auf. Er iſt im Allgemeinen an keine Zeit gebunden; denn manche ſchlafen in den Stunden der Nacht, wenn andere wachen und gerade am thaͤtigſten find. Die Waldvoͤ⸗ gel, mit wenigen Ausnahmen, ſchlafen des Nachts, von der Abenddaͤm⸗ merung bis zur Morgendaͤmmerung; die Sumpf- und Waſſervoͤgel am Tage, vorzuͤglich um die Mittagszeit. Viele ſchlafen auf einem Beine ſtehend, das andere unter die Bauchfedern, und den Kopf, auf der, dem ſtuͤtzenden Beine entgegengeſetzten Seite, unter die Ruͤcken⸗ federn verſteckt; manche auch indem ſie ſich niederkauern. Die große Sehne, welche im Beine herunter, ſich in alle Zehen vertheilend, bis an die Naͤgel geht, wird durch die Biegung des ſogenannten Knies angezogen, und ſichert den ſchlafenden Vogel vor dem Herab⸗ fallen von ſeiner Schlafſtelle. Je mehr ſie die obern Gelenke im Winkel biegen, deſto feſter umſchließen die Zehen den Zweig, worauf ſie ſitzen. Auch wachend ſieht man ſie daher an der Erde oder auf ſtarken Aeſten weit aufrechter, als auf duͤnnen Zweigen ſitzen. Man betrachte z. B. eine Kraͤhe auf dem oberſten duͤnnen Gipfel eines 68 „Ein leit uf g Baumes ſich ſchaukelnd, und ſehe ſie nachher auf der Erde oder auf einem ſtarken Aſte ſtehen. — Beim Schlafe der Schwimmvoͤgel bes merken wir noch einen ganz beſondern Umſtand. Wenn z. B. Enten, Taucher u. dgl. auf dem Waſſer ſchwimmend ſchlafen, ſo ſtecken ſie den Kopf unter die Ruͤckenfedern und wiſſen ſich, wahrſcheinlich durch ein gleichfoͤrmiges Rudern, ſo auf einer Stelle zu erhalten, daß ſie, trotz den Wellen und Winde, weder dem Ufer zu- noch abgetrieben werden, ob fie gleich oft fehr feft ſchlafen. Wenn ich ſonſt, ehe ich dies wußte, ſchlafende Enten auf einem großen Waſſer ſahe, ſo poſtirte ich mich unbemerkt ſo, daß ſie mir die Wellen ſehr bald zum Schuß antreiben konnten; aber immer ſahe ich mich getaͤuſcht. Sie ſchlie⸗ fen ungeſtoͤrt fort, blieben dabei aber auch ſtets an derſelben Stelle, ohne daß fie ſich auch nur im mindeſten hätten von derſelben fort— treiben laſſen. e Alle Voͤgel koͤnnen eine Stimme hervorbringen, nur iſt ſie bei wenigen fo leiſe und ſelten, daß man dieſe lange für ſtumm hielt, was aber, im ſtrengſten Sinne, bei keinem deutſchen Vogel der Fall iſt. Das der verſchiedene Bau der Luftroͤhre und des Kehlkopfs (Larynx), vielleicht auch die großen knoͤchernen Erweiterungen, die man in den Luftroͤhren der Maͤnnchen der meiſten Entenarten an= trifft, zum Hervorbringen der verſchiedenen Stimmen beitragen, iſt gewiß. Den Weibchen der Enten fehlen jene Knochenblaſen der Luftroͤhre, ſie haben aber auch eine andere Stimme als die Maͤnn⸗ chen. Die Toͤne, die man von den Voͤgeln hoͤrt, ſind ſehr ver— ſchieden, ſelbſt die, welche ein und derſelbe Vogel, bei verſchiedenen Veranlaſſungen, von ſich hoͤren laͤßt. Wenn die Stimmen auch nicht mit der menſchlichen Sprache verglichen werden koͤnnen, ſo ſind ſie es ihnen doch unter ſich, obgleich jede Art ihre eigene Sprache zu haben ſcheint. Aber es giebt auch Stimmen, die allen Voͤgeln, ohne Unterſchied, verſtaͤndlich ſind, ſo diejenigen, welche Angſt ausdruͤcken oder ein Warnungsruf fuͤr andere ſeyn ſollen, zum Theil auch wol die, welche Wohlbehagen verkuͤndigen. Wenn irgend ein Vogel einen Raubvogel zuerſt erblickt, ſo werden durch ſein warnendes Angſtgeſchrei ſogleich alle uͤbrigen hievon benachrichtigt, Einleitung. 69 welche ihn auch eben fo ſchnell verſtehen; augenblicklich verſtummen alle übrigen Stimmen, bis auf den leiſen Warnungsruf, der ſich ſchnell, von einem zum andern fortpflanzt; aber bald herrſcht eine wahre Todtenſtille, die ſo lange dauert, bis die Gefahr voruͤber iſt. So verſteht die Taube die Kraͤhe, der Faſan das Rothkehlchen u. ſ. w. Die mehreſten Voͤgelſtimmen gleichen einem hellen Pfeifen, doch find ihre Modulationen fo außerordentlich verfchleden, daß jede Art ſich leicht daran unterſcheiden laͤßt. Andre bringen rauhe Toͤne hervor, manche quaken, kreiſchen, klirren u. ſ. w. ſo daß es oft ſchwer wird, zuweilen unmoͤglich iſt, durch Worte einen deutlichen Begriff davon zu geben. Obgleich die meiſten Voͤgelſtimmen aus uns angenehmen Toͤnen beſtehen, ſo giebt es doch auch viele, welche ſehr haͤßlich klingen, z. B. welchem Ohre iſt nicht der graͤßliche Ruf der Schleiereule zuwider? Und welcher Voͤgelfreund hoͤrte nicht die ſchoͤne volltoͤnende Stimme des großen krummſchnaͤbligen Brach— vogels gern? Doch ſtimmt auch hier Liebhaberei bald fuͤr das eine, bald für das andere. Es iſt indeß für den Forſcher von großer Wichtigkeit, ſich Kenntniſſe von den Stimmen der Voͤgel zu ver⸗ ſchaffen, um die verſchiedenen Arten ſchnell daran unterſcheiden zu koͤnnen; aber es erfordert viel lebung. Man kann daran den prakti⸗ ſchen Ornithologen erkennen. — Oft gleichen die Stimmen mans cher Arten einer Gattung einander ſo ſehr, daß es auch den geuͤb— teſten Beobachter, in manchen Faͤllen, taͤuſchen kann. Es erſchwert die Sache um ſomehr, da die allermeiſten Voͤgel mehr als eine Stimme hoͤren laſſen, ja manche ſo vielſtimmig ſind, daß ſie die verſchiedenen Leidenſchaften und Beduͤrfniſſe faſt mit eben ſo viel Toͤnen auszudrucken im Stande find. Die verſchiedenſten Stimmen bringen vor allen die Singvoͤgel hervor, doch koͤnnen wir auch bei den meiſten der andern, wenn ſie auch keinen ſogenannten Geſang haben, die Lockſtimme vom Angſtgeſchrei, und den Ausdruck der Freude von dem der Trauer, an ihrer Stimme, unterſcheiden. Die Lockſtim me beſteht aus einem oder doch nur wenigen Toͤnen, wodurch ſie ſich einander zurufen, zur Reiſe ermuntern, ſich anzuzeigen ſuchen, daß hier Nahrung zu finden ſey oder daß ſie 70 Einleitung. Geſellſchaft wuͤnſchen, u. ſ. w. Man hoͤrt ſie vorzuͤglich auf ihren Wanderungen und am meiſten von denen, die geſellſchaftlich reiſen. Diejenigen, welche des Nachts ziehen, laſſen dann oft eine Stimme hoͤren, die man am Tage nie von ihnen vernimmt. Dies wird man 3. B. an dem in der Stube gehaltenen Rothkehlchen ſehr leicht bemerken koͤnnen. Wenn man daher in der Zugzeit, des Nachts, oft ganz unbekannte Voͤgelſtimmen in den Lüften ertönen hört, ſo wird dies den Kenner nicht befremden; aber noch wird ſich keiner, haͤtte er auch den groͤßten Theil ſeines Lebens mit Beobachten der Voͤgel zugebracht, ruͤhmen koͤnnen, von allen den, des Nachts in der Luft gehoͤrten, Voͤgelſtimmen mit Gewißheit ſagen zu koͤnnen: das war die Stimme dieſes und dies die jenes Vogels. Der Grund von dem Mangel an Kenntniſſen dieſes Theils der Wiſſenſchaft iſt nicht weit zu ſuchen; denn ſo lange wir kein anderes Mittel, als das hoͤchſt unvollkommene, die Voͤgelſtimmen durch Worte und Buchſtaben uns mitzutheilen, haben, und hier keine Theorie mit der Praxis verbinden koͤnnen, ſo lange werden auch nur einzelne A im alleinigen Beſitze dieſer Kenntniſſe bleiben. — Die Stimmen der Furcht, der Angſt und des Schrecks ſind unter ſich wenig verſchieden, deſto mehr aber, bei vielen Arten, von der eigentlichen Lockſtimme. Wenn es gleich nicht immer, wie beim gemeinen Finken, ganz verſchiedene Toͤne ſind, ſo wird es der Ken— ner doch groͤßtentheils an der Modulation, dem Tempo und andern Veraͤnderungen der gewoͤhnlichen Stimme ſogleich verſtehen, was der Vogel damit eben ausdrucken will. Dies weiter durch Beiſpiele zu erläutern, halte ich nicht für noͤthig, da man von dem eben Ge— fagten, durch Beobachtungen an Kraͤhen, Elſtern und andern ge= meinen Voͤgeln, ſich leicht ſelbſt uͤberzeugen kann. Die Toͤne der Freude und Trauer ſind auch bei vielen Arten ausgezeichnet, doch bei den meiſten nicht ſehr auffallend. Unter Geſang der Voͤgel verſtehen wir eine Reihefolge von Toͤnen, die faſt immer nur Ausdruck der Liebe oder des innigſten Wohlbehagens find. Nur wenige laſſen daher dieſe oft fo angeneh⸗ men Toͤne auch außer der Fortpflanzungszeit hoͤren, und dies ſeltner Einleitung. 71 noch im freien Zuſtande, als in der Gefangenſchaft, wo fie ſich wol oft die Langeweile damit zu vertreiben ſcheinen. Manche Arten fing: gen kaum einen Monat, da hingegen andere ihr Liedchen mehrere Monate hören laſſen; einige fingen ſogar oft mitten im Winter, wie z. B. der Zeiſig und der Zaunkoͤnig; doch ſingen ſie dann nicht ſo ſtark, ſo anhaltend, als im Fruͤhlinge. Im Anfange der Begat⸗ tungszeit find viele unermuͤdet im Singen, und mit größter Anz ſtrengung geſchiehet es waͤhrend der Begattung ſelbſt. Da manche unter ihnen erſt gegen dieſe Zeit zu ſingen anfangen, und nur ſo lange damit anhalten, bis ſie Junge haben, ſo bleiben ihnen die Melodieen ihres Geſangs nicht gelaͤufig, und ſie muͤſſen ſich ſelbige erſt wieder einſtudiren, wenn der Fruͤhling heran nahet. Sie fangen damit ſchon in ihrer Abweſenheit an, weil ſie, als Zugvoͤgel, den Winter in waͤrmern Laͤndern zubringen, und die meiſten koͤnnen daher ihren Geſang, bei ihrer oh im 0 Ion ziemlich ohne Anſtoß. Viele Voͤgel ſingen des Abends noch, aber alle am ſchoͤnſten und anhaltendſten des Morgens mit Anbruch des Tags. O, es ger waͤhrt einen unvergleichlichen Genuß, einen ſchoͤnen Maimorgen, in einem von vielen Singvoͤgeln belebten Laubholzwalde zuzubrin⸗ gen! Alle Kehlen wetteifern mit einander und ſuchen einander zu uͤbertreffen. Schon nach 12 Uhr des Nachts eroͤffnet der Kuckuck, mit ſeinem einfoͤrmigen Ruf, den er dann, auf einer Stelle bleibend, mehrere hundertmal hinter einander ausruft, das Conzert. Nicht lange nach ihm faͤngt der Pirol an, mit ſeinen Orgeltoͤnen ihm zu accompagniren. Kaum zeigt ſich eine Spur der Morgendaͤmmerung am Horizonte, fo ſtimmen der ſchwarzruͤckige Fliegenfaͤnger und das Gartenrothſchwaͤnzchen ihre melancholiſchen Melodieen an; dann folgt der gelbbruͤſtige Saͤnger, mit ſeinem melodienreichen Allegro, die Koͤnigin der Saͤnger, die Nachtigall, mit ihren ſchmelzenden Harmonieen, die Amſel und die Zippdroſſel. Iſt Feld in der Naͤhe, ſo hoͤrt man jetzt auch die Feldlerchen ihr Liedchen wirbeln. Endlich iſt völlige Daͤmmerung eingetreten, und alle uͤbrigen Saͤnger, Fitis, Grasmuͤcken, Finken u. ſ. w. miſchen ihre Lieder ſo durch einander, 72 \ Einleitung. daß man kaum noch eins von dem andern unterſcheiden kann. So wie ſich die Sonne am Rande des Horizonts zeigt, verſtummen ſchon die, welche das Conzert anfiengen und ſchicken ſich an, ihr Fruͤhſtück aufzuſuchen, während die, welche ſpaͤter zu fingen anſiengen, ſo lange eifrig damit fortfahren, bis die Sonne voͤllig aufgegangen iſt. Nun faͤngt eins nach dem andern an ſich Nahrung zu ſuchen, und ſo wie es dieſen Trieb befriedigt hat, ſingt es zwar wieder, doch nicht ſo anhaltend, nicht ſo kraͤftig und man hoͤrt nun die Ge— ſaͤnge nur einzeln, bis gegen Mittag. In den Mittagsſtunden laſſen ſich nur die fleißigſten Saͤnger, z. B. der gemeine Fink, der Fitis⸗ ſaͤnger und wenig andere, und auch nicht anhaltend hoͤren; mehr noch gegen Abend, wo dann die Nachtigall, Amſel, Zippdroſſel und Miſteldroſſel ausſchließend bis faſt zu Ende der Abenddaͤmmerung, doch nicht ſo kraͤftig, als des Morgens, ihre Lieder ertoͤnen laſſen. So angenehm dem Menſchen, beſonders aber dem Ornithologen der Voͤgelgeſang an ſich ſchon iſt, um fo mehr entzuͤckt er das Ohr, wenn er bei der feierlichen Stille der Nacht, oder am fruͤhen Mor: gen eines erwachenden herrlichen Maitages gehoͤrt wird, und die Gegend iſt wie veroͤdet, wo ſich kein ſingender Vogel aufhaͤlt. Doch haben faſt alle Gegenden ihnen eigenthuͤmliche, wenn auch nicht ſo zahlreiche Arten aufzuweiſen, und wenn wir in ſtiller Nacht den lullenden Tönen der ſingenden Haidelerche, die vom duͤrren Gipfel einer alten Kiefer herabtoͤnen, mit ſeligem Entzuͤcken zuhoͤren, ſo vergeſſen wir einſtweilen, auf was für elendem Boden wir uns be— finden. Auch die unwirthbaren Suͤmpfe belebt im Fruͤhling der Geſang der Voͤgel; und wir weilen mit Vergnuͤgen da, wo noch vor Anbruch der Morgendaͤmmerung ſchon, der große Rohrſaͤnger ſein kraͤftiges Lied uns vorſchnerkelt, dem bald nachher auch die kleinern Arten mit ihren feinern Stimmen zu folgen pflegen. Aber nicht alle Voͤgel ſingen; denn dieſe Eigenſchaft beſitzen ausſchließend nur die kleinern Arten der Landvoͤgel, obgleich auch einige hievon noch eine Ausnahme machen. Eben ſo finden ſich aber f auch unter den groͤßern welche, die einen Geſang haben, wie z. B. der Holzheher, und viele laſſen zur Fruͤhlingszeit Stimmen und Einteitung. \ i 73 meeting hören, die man in einer andern Fuhreszeit nicht hoͤrt, und die man fuͤglich ihren Geſang nennen kann, z. B. Milanen, Kraͤhen, der Kleiber, der Tagſchlaͤfer, die Wachtel, der Auer⸗ und Birk hahn, und manche andere, und unter den Sumpfvoͤgeln Regenpfeifer, Kiebitze, Strandlaͤufer, Waſſerlaͤufer und Schnepfen. Unter den Schwimmvoͤgeln ſuchen wir vergebens nach einem Saͤnger, aber eine ganz eigene Art von Tonkuͤnſtler ſind unſere Spechte. Wenn im Frühlinge alle geflügelten Waldbewohner ihre Geſaͤnge ertönen laſſen, ſo ſuchen ſich dieſe einen duͤrren Zweig, groͤßtentheils auf dem Gipfel eines alten Baumes, und haͤmmern, in abgemeſſenen Pauſen, ſo ſchnell mit ihrem harten Schnabel darauf, daß der Aſt dadurch in eine zitternde Bewegung geraͤth und durch ſchnelle Be⸗ b ruͤhrung mit dem Schnabel ein weit ertoͤnendes Schnurren oder Knarren hervorgebracht wird. So ſieht man ſie ſtundenlang auf demſelben Zacken gemaͤchlich ihre Trommel ruͤhren. Soll dieſe Be⸗ luſtigung nun wirklich ſtatt des Geſanges dienen oder bezwecken ſie damit etwas Anders? Wollten ſie Kaͤf ferlarven, die vielleicht nur in dieſer Jahreszeit ſolche Aeſte bewohnen koͤnnten, herauspoltern, ſo wuͤrde man bemerken, wie ſie ſich von Zeit zu Zeit darnach umſaͤhen und ſie verzehrten. Aber, ſie ſitzen ſtill, und fliegen, wenn ſie es überdrüßig find, weg, kommen, ſobald ſie wieder Luſt zu trommeln haben, wieder auf denſelben Aſt, und treiben dieſe Kunſt auch nur in den Fruͤhſtunden am eifrigſten, eben dann wo ſich andere Vögel vorzüglich mit Singen beluſtigen. . Wir kommen jetzt zum Aufenthalte der Voͤgel, nher ſo außerordentlich verſchieden iſt, daß ſich im Allgemeinen nur wenig daruͤber ſagen läßt. Die Vögel find über alle bekannten Länder der Erde verbreitet, doch hat der hohe Norden weit weniger, als die gemaͤßigte und warme Zone aufzuweiſen. Auch in den unwirthbar⸗ ſten Gegenden findet man wenigſtens einzelne Voͤgel. Manche Arten ſind nur auf einzelne Laͤnder angewieſen, da hingegen andere über mehrere Theile der Erde verbreitet ſind. Einige bewohnen blos Baͤume; andere dieſe und die Erde; wieder andere nur dieſe allein. Manche leben auf dem Waſſer, andere an demſelben; wieder andere 74 Einleitung wechſeln ihren Aufenthalt bald mit dieſem, bald mit dem Trockenen. Es iſt daher eine ziemlich ungewiſſe Sache eine Graͤnze zwiſchen Land- und Waſſervoͤgeln beſtimmen zu wollen. Es giebt einſame und geſellige Voͤgel; nur in der Begattungs— zeit halten ſich faſt alle paarweiſe zuſammen. Die, welche die Ein— ſamkeit lieben, ſieht man immer einzeln, felten bei ihrer Nachkom⸗ menſchaft oder familienweis, dagegen andere in ihren Familien unzertrennlich ſind, und noch andere große Schaaren bilden. Faſt jede Art liebt die Geſellſchaft ihres gleichen, nur in der Brutzeit nicht; auch viele Arten mancher Gattungen halten innige Freundſchaft mit einander, z. B. mehrere Kraͤhen, Finken, Droſſeln, Strandlaͤufer und viele andere. Aber auch unter Arten nicht verwandter Gattun⸗ gen herrſcht zuweilen eine eigene Zuneigung, z. B. zwiſchen dem Goldammer und der Wachholderdroſſel, dem Staar und den Saat— kraͤhen, zwiſchen Spechten, Meiſen und Goldhaͤhnchen u. a. m. Wenn von den geſellſchaftliebenden Voͤgeln einzelne Individuen keine von ihrer Art auffinden koͤnnen, ſo ſchlagen ſie ſich oft zu den Schaaren aͤhnlicher Arten, wie z. B. die roſenfarbene Staaramſel unter die gemeinen Staare, der graue Waſſertreter unter die Alpenſtrandlaͤufer u. ſ. w. Manche Voͤgel ſind ſo geſellig, daß ſie ſich weit lieber noch in ſehr großen Heerden, als in kleinern beiſam— men halten, daher ſich kleinere Geſellſchaften gelegentlich immer noch zu den groͤßern ſchlagen und dann zuſammen oft ungeheure Schaa⸗ ren bilden, z. B. Finken, Zeiſige, Staare, Saatkraͤhen u. a. m. Da nun der Aufenthalt der Voͤgel ſehr ausgedehnt iſt, und da ſie denſelben ſo ſchnell veraͤndern koͤnnen, aber auch hierin ſich man⸗ | che gar fehr von andern unterſcheiden, fo muͤſſen wir fie in diefer - Hinſicht in drei Abtheilungen bringen, und Stand-, Strich⸗ und Zugvoͤgel von einander unterſcheiden. Der erſtern haben wir in Deutſchland nur wenige; denn da die Voͤgel ſowol Mangel an tauglichen Nahrungsmitteln, als auch die kalte Witterung, zum Aufſuchen von Gegenden zwingt, wo ſie eine ihnen angemeſſene warme Luft und hinlaͤngliches Futter finden, fo find nur wenige mit dem zufrieden, was und wie fie es bei uns im Winter haben koͤnnen. — Ein bei tun g 75 Diejenigen, welche aus kaͤltern Laͤndern kommen, um bei uns zu überwintern, gehören nicht hieher, dies find Zugvoͤgel; auch die nicht, welche nur einzeln hier bleiben und wovon der große Haufen in waͤrmere Laͤnder zieht. So haben wir manche, von denen wir ſagen koͤnnen, daß fie Stand-, Strich- und Zugvoͤgel zugleich, ſehr viel aber Stand- und Strichvoͤgel find; denn Stand vogel iſt nur ein ſolcher, der die Gegenden, wo er ausgebruͤtet wurde, in einem kleinen Bezirke, wenn ihn nicht gaͤnzlicher Mangel an Nahrung daraus vertreibt, nie verlaͤßt, wenn er ſich aber dazu gezwungen ſieht, nicht uͤber einige Meilen weit geht, um ſobald wie möglich feinen Wohnort wieder beziehen zu koͤnnen. Hieher gehoͤren Sperlinge, Goldammer, Zaunkoͤnige und Kolkraben. Es iſt zu bewundern, welche Kaͤlte ſolche Voͤgel aushalten koͤnnen, daher auch nur aͤußerſt ſelten geſunde Voͤgel, denen es nicht an Nahrung fehlte, erfroren gefunden werden. Wir erſtaunen uͤber unſere kleinen Standvoͤgel, daß ſie bei ſtrenger Kaͤlte nicht einmal die Beine erfrieren. Wenn dies bei unſern Haushuͤhnern zuweilen der Fall iſt, ſo iſt wol ihre urſpruͤng⸗ lich viel waͤrmere Heimath eines Theils Urſache davon. ar Strich voͤgel find ſolche, die fi) mehrentheils in kleinen oder groͤßern Geſellſchaften vereinigen, ſich da, wo fie Nahrung finden, eine Zeitlang aufhalten, wenn dieſe aufgezehrt iſt oder die Witterung ihnen nicht gefaͤllt, ſich an bequemere Orte begeben, und fo das Land nach allen Richtungen durchſtreichen. Wahre Strich: voͤgel find demnach Spechte, Stieglitze, Zeiſige, Haͤnflinge, Kreutz⸗ ſchnaͤbel u. a. Aber es giebt gar viele, die Stand- und Strich: voͤgel zugleich find, wie die Haubenlerchen, die Rebhuͤhner und die hier ausgebrüteten Nebelkraͤhen; ja es giebt viele, die ſowol Stand⸗ als Strich- und Zugvoͤgel zugleich find, wie die gemeinen Finken, manche Meiſen und mehrere andere Arten. Was die eigentlichen Zug voͤgel betrifft, fo verſtehen wir darunter ſolche, die ſowol der Kaͤlte als Nahrung wegen ihr Vater⸗ land verlaſſen, und in waͤrmere Gegenden wandern. Nicht allein die, welche bei uns bruͤten, und im Winter in ſuͤdlichere Laͤnder ziehen, ſondern auch die, welche aus dem Norden kommen, um bei uns zu 0 76 Einleitung. uͤberwintern, gehoͤren hieher. Die allermeiſten Voͤgel ſind demnach, fuͤr Deutſchland, Zugvoͤgel. Von dieſen und den vorher genannten machen aber die eine Ausnahme, welche ſuͤdlichere und waͤrmere Laͤnder, als unſer Deutſchland bewohnen, die wir aber dennoch zu⸗ weilen hier antreffen. Sie halten keine beſtimmte Zeit, aber, ſehr natuͤrlich, kommen ſie nur in den waͤrmern Monaten zu uns, weil ſie nichts Anders, als die warme Temperatur der Luft irre leiten kann; denn wuͤrden ſie in den kaͤltern Jahreszeiten zu uns kommen wollen, ſo wuͤrde die ihnen gar nicht behagliche kalte Luft ſie bald zuruͤck ſchrecken. Wir muͤſſen dieſe Vögel als Verirrte betrachten, die durch irgend ein Geſchick'von ihrem Aufenthaltsorte verſcheucht, vielleicht durch Stuͤrme verſchlagen, immer fortgetrieben werden und ſo in ihnen fremde Laͤnder kommen. Hiebei koͤnnen bei manchen noch beſondere Umſtaͤnde mit wirken; ſo glaube ich, daß die Donau herauf mancher ſuͤdliche Vogel, beſonders manche Waſſer- oder Sumpfvoͤgel (obgleich auch viel andere gern die Fluͤſſe entlang ziehen) ſich verleiten laſſen, bis nach Deutſchland zu kommen, ſo wie dies, bei nördlichen Voͤgeln, auf der Elbe eben der Fall iſt; durch mancherlei Zufaͤlle koͤnnen fie früher oder ſpaͤter gezwungen werden, den Fluß nicht weiter hinauf zu gehen, und irren nun im Lande herum, bis ſte von der kaͤlter werdenden Luft nach und nach wieder ihrer Heimath zu gedraͤngt werden. Auf dieſe Art ſehen wir in Deutſchland zuweilen den ſichelſchnaͤbligen Ibis, das Sandhuhn, den großen Pelekan und mehrere andere, und von nordiſchen Vögeln, den baſſanſchen Toͤlpel, die Eiderente, den Petrel u. a. m. Die Voͤgel verlaffen unfere Gegenden, um der eintretenden Kälte und dem Mangel an Nahrung auszuweichen, ſie fliegen gemaͤchlich in waͤrmere Laͤnder, haben waͤhrend ihres Zugs alſo immer dieſelbe Temperatur der Luft und dieſelben Nahrungsmittel im Ueberfluß, bis zu dem Orte ihres Winteraufenthalts, und kommen, ſo wie jene Urſachen ſich allmaͤhlich verlieren, eben ſo wieder von da zuruͤck. Daß ſie jedoch auf ihren Reiſen noch von einem unbekannten Etwas geleitet werden, iſt ſehr wahrſcheinlich; allein zu unbekannt mit alle dem, was in den obern Regionen der Luͤfte vorgeht, wird uns Einleitung. . dieſer Punkt noch lange ein Räthfel bleiben. — Die Vögel find gewöhnlich vor und im Anfange der Zugzeit viel fetter als ſonſt, weil ſie Kraͤfte und Zehrung zur Reiſe beduͤrfen, denn vorempfun⸗ dene uͤble Witterung und andere unbekannten Urſachen, gebieten ihnen oft ſolche Eile, daß fie ſich unterwegs nicht die Zeit nehmen, um Nahrung fuͤr ſich aufzuſuchen. Der Vogelſteller bemerkt dies ſehr oft an dem Zuge der kleinern Waldvoͤgel, der dann, gegen ihre Gewohnheit, nicht dem Gebuͤſche nach, ſondern unaufhaltſam uͤber das freie Feld, gerade gegen Weſten, gerichtet iſt, und oft von fruͤh an bis Nachmittags 5 Uhr anhaͤlt, da er ſonſt nur bis gegen Mittag dauert. Sie achten dann nicht auf die Sirenenſtimmen der Lock⸗ vogel, ſondern eilen nur vorwärts, ohne ſich fo viel Zeit zu nehmen, als dazu erforderlich iſt, ſich ſatt zu freſſen, was doch z. B. bei der Wachholderdroſſel, auf einem volltragenden Beerenſtrauche, in wenigen Minuten geſchehen waͤre. Bei ſchlechter Witterung und widrigem Winde liegen fie dagegen ſtill, beſchaͤftigen ſich blos mit Aufſuchen ihrer Nahrungsmittel und freſſen dann gleichſam zum Vorrath. Sie maͤſten ſich, wenn ſie einige Tage nicht anhaltend ziehen koͤnnen oder gar ſtille liegen muͤſſen, eben ſo ſchnell, als ſie bei ſtarkem Zuge abmagern. Bei den Lerchen und manchen andern ſcheint es uns oft umgekehrt zu ſeyn. Muͤſſen ſie mit dem Winde ziehen und weht dieſer im Herbſte in der beſten Zugzeit anhaltend aus Oſten, ſo kommen ſie ſehr mager an; ſpringt er aber nach Weſten herum, fo werden bald fette Lerchen gefangen. — Wie unangenehm und hoͤchſt anſtrengend ihnen aber der Flug mit dem Winde iſt, ſieht man hieraus und bemerkt dabei oft beim Aufliegen, wie unentſchloſſen ſie ſich bald gegen den Wind wenden, bald ſich jedoch gezwungen ſehen die Richtung nach Weſten einzuſchlagen. Durch die große Anſtrengung werden ſie alſo ſo mager, weil manche, wenn ſie ihre Zeit ſehen, ſich kaum durch die ſchlechteſte Witterung vom weitern Fortziehen aufhalten laſſen. — Die Zugzeit der allermeiſten Voͤgel iſt die Tag- und Nacht⸗ gleiche im Herbſte und Fruͤhlinge; manche ziehen indeß ſchon früher, manche wieder ſpaͤter weg. Die, welche uns fruͤh verlaſſen, ruͤſten 78 Einleitung. ſich ſchon gegen Ende des Juli zum Zuge und dieſer beginnt wirklich ſchon im folgenden Monate, wie z. B. der des Pirol, der Man del— kraͤhe, der kleinen Meerſchwalbe und anderer. Dieſe kommen auch erſt im Mai wieder zu uns. Manche Voͤgel ziehen am Tage, andere des Nachts, und noch andere, nach Umſtaͤnden, bei Tag und bei Nacht zugleich. Diejenigen, welche bei Tage ziehen, verſammeln ſich gegen die Zugzeit in kleinen und nach und nach in großen Geſell— ſchaften, und ziehen, ſo wie ihre Zeit herannahet, in Schaaren fort. Der Zug faͤngt mehrentheils mit Anbruch des Tages an und dauert bis Mittag, ſehr ſelten einige Stunden laͤnger; das uͤbrige des Tages iſt zum Aufſuchen ihrer Nahrung und zur Erholung beſtimmt. Ihr Flug iſt vom Aufgange der Sonne gerade gegen Niedergang derfeiben gerichtet, welches man bei guͤnſtigem Winde an den Feldvoͤgeln, da ſie ſich nicht nach dem Gebuͤſche richten, am beſten bemerken kann; weil ſie aber am liebſten dem Winde entgegen fliegen, ſo macht ein Seitenwind oft eine geringe Abweichung hievon, und man darf dieſen Umſtand bei anzuſtellenden Beobachtungen nicht uͤberſehen. Blaͤßt aber der Wind von hinten in das Gefieder, ſo ziehen ſie nur ſehr kurze Strecken, unordentlich, und oͤfters, wenn er zu heftig iſt, lieber gar nicht. Die Waldvoͤgel, welche am Tage ziehen, fliegen groͤßtentheils dem Gebuͤſch nach, vielleicht aus Furcht vor den Raub⸗ voͤgeln oder auch um zuweilen Nahrung zu ſich nehmen zu koͤnnen. Wenn daher zwiſchen zwei groͤßern Waldungen, eine große Strecke freies Feld iſt, beide Waͤlder aber durch wenig unterbrochne Reihen von Gebuͤſch und Baͤumen zuſammen haͤngen, und dieſe Baumreihen von Oſten gegen Weſten gehen, ſo ſind dies wahre Heerſtraßen der Waldvoͤgel, beſonders wenn noch dazu ein Bach, ein Fluͤßchen oder Waſſergraͤben durch das Gebuͤſch in dieſer Richtung hinfließen. Uebrigens wird der Zug der am Tage ziehenden Vögel gar oft unter brochen, und er geht daher auch weit langſamer von ſtatten, als der, der bei ſtiller Nacht ziehenden, welcher doch wenigſtens von keinen feindſeligen Anfaͤllen der Raubvoͤgel unterbrochen wird. Alle Raub— voͤgel, die zu den Zugvoͤgeln gehören, ziehen bei Tage und groͤßten— theils bei heiterm Himmel. si * Einleitun g. 79 unter den Voͤgeln, welche bei Tag und bei Nacht zugleich ziehen, iſt ein Unterſchied zu machen, weil fie entweder ſolche find, die eigentlich nur am Tage, oder ſolche, die vorzuͤglich des Nachts ziehen, und nur dann die eine oder die andere Tagszeit zu Hülfe nehmen, wenn ſie ſehr eilen. So ziehet die Feldlerche eigentlich am Tage in großen Heerden, befuͤrchtet ſie aber uͤble Witterung, ſo benutzt ſie auch die ſtillen hellen Naͤchte dazu, fliegt dann aber einzeln, welches man an ihrem Geſchrei deutlich vernehmen kann. Die Droſſeln ziehen des Nachts wie am Tage und aus ihrem Geſchrei, was, wie das der Feldlerchen, die gewoͤhnliche Lockſtimme iſt, durch die ſie ſich am Tage zuſammen rufen, kann man bei naͤchtlicher Stille recht deutlich hoͤren, daß ihr Zug im Herbſte gerade von Oſten gegen Weſten gerichtet iſt. Faſt alle Ufer- oder Strandvoͤgel ziehen des Nachts, wenn ſie aber Eile haben auch am Tage. Uebrigens iſt bei weitem die groͤßte Anzahl der Voͤgel, Nachtzugvoͤgel. Nur bei ſtuͤr⸗ miſchen Naͤchten hoͤrt man keine in den Luͤften, dagegen dauert aber bei Mondenſchein And hellgeſtirntem Himmel der Zug die ganze Nacht hindurch. Alle kleinen inſektenfreſſenden Voͤgel ziehen des Nachts; ſie brechen mit beendigter Abenddaͤmmerung auf und laſſen ſich erſt mit der Morgendaͤmmerung in das Gebüfch oder an die Erde nieder, um ſich nun am Tage von den naͤchtlichen Anſtrengungen zu erholen und Nahrung zu ſich zu nehmen. Das in der Stube ge⸗ haltene Rothkehlchen fliegt waͤhrend der Zugzeit, bei einem brennenden Lichte oder bei Mondenſchein, die ganze Nacht in der Stube herum und läßt dabei feine zietſchende Zugſtimme öfters hören, Es gewährt ein herrliches Vergnügen des Abends in der Zugzeit in einem Walde zu ſeyn, die verſchiedenen Nachtzugvoͤgel, vorzuͤglich Droſſeln und Rothkehlchen, zu beobachten, wie ſie ſich durch freudiges Zurufen zum Fortzuge aufmuntern und endlich mit einbrechender Nacht mit einem⸗ mal abreiſen. Die meiſten Nachtzugvoͤgel ziehen einzeln, manche aber auch, wie viele Waſſervoͤgel, Enten, Gaͤnſe u. d. gl. in Heerden; man kann dieſe aber als halbe Nachtvoͤgel betrachten, weil ſie auch des Nachts Nahrung aufſuchen und zu ſich nehmen. 80 Cinleitung — Manche Zugvoͤgel ziehen, fo lange es die Witterung erlaubt, ununterbrochen fort, bis an den Ort ihres Winteraufenthalts, welches man an der ununterbrochenen Unruhe der gezaͤhmten, zur Gnuͤge beobachten kann; andere machen da, wo es ihnen gefaͤllt, Halt und bleiben hier, bis Mangel an Nahrung und ſchlechte Witterung ſie wieder ein Stuͤck weiter treibt; dieſe aͤhneln alſo den Strichvoͤgeln, wie z. B. die Saatgaͤnſe. Viele Zugvögel fliegen auf ihren Reifen unordentlich durch einander und nicht hoch, bei unguͤnſtigem Wetter oft dicht uͤber der Erde hin, wie die Schwalben und Lerchen; da hingegen andere in ſchoͤnſter Ordnung und dabei ſehr hoch die Luͤfte durchſegeln, wie die Kraniche und gemeinen Reiher. Manche fliegen in gerader Richtung und ſchnell, andere bedaͤchtig und mit mehreren Abwechslungen. Eine Heerde rother Milanen oder Maͤuſebußarde zuweilen von 20 bis 200 Stuͤck) an einem recht ſchoͤnen heitern Herbſttage auf dem Zuge zu ſehen, gewaͤhrt in der That ein ſchoͤnes Schauſpiel. Mit langſamen Schwingungen der Fluͤgel ziehen ſie eine Strecke gerade aus, fliegen dabei ſehr hoch und nicht nahe an einander, bis ſie auf einmal gewiſſermaßen Halt machen, um ſich nun in großen ſchoͤnen Kreiſen, ohne irgend eine ſichtbare Be— wegung der Flügel, eine Zeitlang langſam herum- und gemaͤchlich fortzudrehen. Sind ſie dies Drehen, wobei ſie weit fortgeruͤckt ſind, uͤberdruͤßig, ſo fliegen ſie wieder eine Strecke gerade aus, drehen ſich dann wieder, bis ſie ſich ſo nach und nach am fernen Horizonte aus unſern Augen verlieren. Manche geſellſchaftliche Voͤgel beobachten auf ihrem Zuge, wenn er raſch geht, gewiſſe Regeln; ſo fliegen viele Entenarten, die gruͤnen Regenpfeifer, grauen Kiebitze, gemeinen Reiher, zuweilen auch die gemeinen Meven und einige andere in einer ſchiefen Linie; andere, wie die Gaͤnſe und Kraniche, auch die gemeinen wilden Enten, in zwei ſchiefen, ſich vorn in einen ſpitzen Winkel vereinigenden oder wie ein umgekehrtes V geftalteten Linien. Sie beobachten dieſe Ordnung, wahrſcheinlich um die Luft gemein— ſchaftlich beſſer zu durchſchneiden und ſich das Fliegen dadurch zu erleichtern, oder vielleicht auch darum, daß kein Glied der Geſellſchaft von dem andern am beſſern Umſehen gehindert werde. — Einleitung. 81 Daß unſere Zugvoͤgel in waͤrmere Laͤnder wandern, um den Winter daſelbſt zuzubringen, und im Fruͤhlinge von dort her wie— derkehren, iſt eine bekannte Sache, doch bleibt uns dabei noch man— cher Umſtand raͤthſelhaft. Sie fliegen von uns weg, der Waͤrme entgegen, um immer eine gleiche Temperatur der Luft zu genießen und ihre Tafel mit denſelben Speiſen beſetzt zu finden, bis dahin, wo ſie ſich, dieſer Urſachen wegen, einige Zeit aufhalten, und nachher eben wieder ſo die Ruͤckreiſe beginnen koͤnnen. So wie ſie alſo von der ihnen folgenden Kaͤlte nach und nach von uns fortgetrieben werden, ſo muß ſie im Gegentheil eine groͤßere Waͤrme, als ihnen angenehm iſt, zum Ruͤckzuge beſtimmen, und fo wie fie dieſer aus⸗ zuweichen ſuchen, uns nach und nach wieder herdraͤngen. Es iſt uns freilich unbegreiflich, wie ſie ihre alten Wohnplaͤtze ſo genau wiederfinden, und daß man ſie bei ihrer Ankunft im Fruͤhlinge nicht etwa lange darnach herumirren und ſie aufſuchen ſieht. Sie moͤgen alſo wol noch beſondere Merkmale in der Luft, vielleicht beſondere Stroͤmungen? haben, die ihnen als Wegweiſer dienen, und dies muß ihnen ein beſonderer Inſtinkt ſagen. — Wie wuͤrden ſich ſonſt junge Voͤgel, welche die Reiſe zum erſtenmal machen, zurecht finden? Eben ſo ſchlecht wuͤrden dieſe und die mehreſten Nachtzugvoͤgel dabei zurecht kommen, wenn man annehmen wollte, daß ſie an der Erde ſolche Merkmale haͤtten. Gegen die Vermuthung, daß dies beſondere Luftſtroͤme in den obern Regionen ſeyn koͤnnten, ſcheint aber auch wieder der Umſtand zu ſtreiten, daß viele Voͤgel auf ihren Zuͤgen nahe an der Erde hin fliegen, wo dergleichen Stroͤmungen, wenn es anders welche hier giebt, doch wol nicht ſo auf ſie wirken koͤnnten, weil hier die Luft von den Ausduͤnſtungen der Erde zu dick iſt. Man hat hieruͤber ſo Manches geſchrieben und ſo verſchiedene Theorien aufgeſtellt, ſie genuͤgen aber nicht, weil ſie groͤßtentheils gegen die Erfahrungen ſtreiten. — Wir ſehen an den meiſten unſrer Voͤgel, welche einen regelmaͤßigen Zug haben, daß ſie beim Wegzug gerade vom Aufgang gegen den Niedergang der Sonne ziehen und fo um: gekehrt, wenn ſie im Fruͤhlinge wieder kommen. Sie koͤnnten auf dieſe Weiſe alſo in die waͤrmern Abendlaͤnder von Europa, aber doch 6 82 Einleitung. nicht alle in die Nähe der Kuͤſten des Mittellaͤndiſchen Meeres kommen. Diejenigen nun, welche noch weiter ziehen wollen, muͤßten dort von der geraden Richtung abweichen, um uͤber dies Meer nach Afrika uͤberzuſetzen. Es fehlt uns aber zur Zeit noch zu ſehr an ge⸗ nauen Beobachtungen, die mehr Licht in dieſer Sache geben koͤnnten, wir muͤſſen demnach immer nur noch bei dem ſtehen bleiben, was wir hier bei dem Zuge beobachten konnten“). Diejenigen, welche, aus kaͤltern Laͤndern kommend, bei uns durchziehen, koͤnnen auch wol nicht gerade aus Oſten, ſondern mehr aus nordoͤſtlichen Gegen- den kommen. — Auch ſcheinen die Nacht-Zugvoͤgel, gewiſſe Heerſtraßen in den Luͤften zu haben, ebenſo wie man dies auch von den am Tage ziehenden bemerkt. — Daß fie übrigens ſehr haufig in den waͤrmern Kuͤſtenlaͤndern und auf den Inſeln des Mittelmeers überwintern, und viele auch über daſſelbe wegziehen, davon haben wir mehrere ſichere Nachrichten. So gehen die meiſten unſerer inſektenfreſſenden Voͤgel gewiß uͤber dies Meer, und manche, ſichern Nachrichten zufolge, ſogar bis an den Senegal. Wenn man die Schnelligkeit ihres Fluges kennt, ſo laͤßt ſich dies auch leicht berechnen, da man an den in Gefangenſchaft gehaltenen, welche in einer eigenen Kammer frei herumfliegen, ſieht, wie ſie ihre Zugzeit hindurch die ganze Nacht unruhig find. Meine Pirole und Fliegen- fänger waren vom Auguſt bis in die Mitte des Novembers die Nächte hindurch unruhig, ſie koͤnnen alſo in dieſem Zeitraum recht gut uͤber das Mittellaͤndiſche Meer und weiter fliegen. n Der Aufenthalt in der Fremde mag nun bei vielen, beſonders bei denen die langſam ziehen, ſpaͤt weggehen und zeitig wieder kommen, nicht von langer Dauer ſeyn. Bei manchen kann er jedoch auch uͤber zwei Monate und laͤnger waͤhren, wie man dies ebenfalls „) Meine Muthmaßungen, daß unfere Zugvoͤgel, wenn ſie in ſuͤdlichere Breiten kommen, von der geraden Linie abweichen, beſtaͤtigen ſich ſchon zum Theil durch die Beobachtungen des Herrn Temminck, welcher bemerkt, daß der Lauf des Rheins große Schaaren von Zugvoͤgeln von der weſtlichen Richtung abzog und ihrem Wege eine mehr ſuͤdliche gab; daß auf dem Genferſee alle Arten nordiſcher Voͤgel auf ihrem Zuge vorkommen, zum Theil dort überwintern, zum Theil auch weiter ſuͤdlich ziehen, auch auf ihrem Ruͤckzuge den See wieder beſuchen. ’ Einleitung. 83 an den in Gefangenſchaft gehaltenen beobachten kann, wo z. B. die Pirole vom Ende Novembers bis gegen den Maͤrz hin ſich ganz ruhig verhalten, ſich auch waͤhrend dieſer Zeit mauſern. Dies thun mehrere Arten in der Fremde, aber die Behauptung, daß ſie dort auch noch einmal bruͤten ſollten, iſt ganz falſch, indem wir ſonſt, wenn ſie im Fruͤhlinge bei uns ankommen, die Jungen leicht von den Alten wuͤrden unterſcheiden koͤnnen. Beim Ruͤckzuge, aus ihrem Winteraufenthalte zu uns, reiſen die Zugvoͤgel ſtets ſchneller, als auf dem Hinzuge. Vielleicht daß ſie der nun ſchon in ihnen rege werdende Trieb der Liebe dazu antreibt. Wir ſehen wenigſtens die, welche weiter nordwaͤrts gehen, hier im Fruͤhlinge viel ſchneller durchreiſen, als im Herbſte. Manche haben ſich in ungeheuren Schaaren verſammelt, wie mehrere Droſſeln; andere kommen dagegen weit einzelner zuruͤck; ja manche, die auf dem Hinzuge haͤufig bemerkt werden, ſieht man in derſelben Gegend auf dem Herzuge nur ſehr ſelten, z. B. den Mornellregenpfeifer, den dunkelbraunen Waſſerlaͤufer und viele andere Sumpfoögel. Es ſcheint, daß dieſe auf dem Ruͤckzuge eine ganz andere Straße ziehen, als auf dem Hinzuge. — Auch iſt bei einigen Arten noch ſehr merkwuͤrdig, daß beide Geſchlechter einer Art in voneinander abgeſonderten Heerden, und gewoͤhnlich die Maͤnnchen eher als die Weibchen, hier im Fruͤhlinge ankommen, wie z. B. die gemeinen Finken. 5 Ä Ob gleich, wie auch ſchon im vorhergehenden bemerkt iſt, die Voͤgel eine Vorempfindung von bevorſtehenden Veraͤnderungen des Wetters fuͤhlen und dies durch allerlei Merkmale anzeigen, ſo mag ſich dies doch nicht auf mehrere Tage, ſondern hoͤchſtens auf 24 bis 36 Stunden erſtrecken. Daß wir ihre Anzeigen zuweilen unrecht verſtehen, mag ſeyn; aber daß ſie ſich wirklich irren und verrechnen koͤnnen, ſehen wir bei der Ankunft der Zugvoͤgel im Fruͤhlinge ſehr oft. Auch im Herbſte laſſen fie fich zuweilen von eintretenden ſtar⸗ ken Froͤſten und fruͤher Kälte oft genug uͤberraſchen. Ich kann mich ſehr wohl erinnern, daß oft im Fruͤhlinge, wenn ſchon ſehr viel Vogel angekommen und wochenlang hier durchgezogen waren, 84 Einleitung. > ploͤtzlich ein Nachwinter, mit tiefem Schnee und heftigen Froͤſten begleitet, eintrat, der ihnen alle Nahrung entzog, ſo daß Stoͤrche, Kraniche, Schnepfen, Droſſeln, Staaren, Rothkehlchen und an- dere kleine inſektenfreſſende Voͤgel allerlei Schlupfwinkel aufſuchten, um ſich nur vor der Kaͤlte zu verbergen und hier den Hungertod ſtarben. Behaͤlt das Waſſer hie und da noch offene Stellen, ſo ſuchen ſie dieſe auf und mancher erhaͤlt da noch ſein Leben, ſo wie die geſaͤmefreſſenden in die Doͤrfer kommen und ihr Leben vor den Scheuern und auf den Mifthöfen zu friſten ſuchen. Iſt die Witte rung der Jahreszeiten, beſonders des Winters, regelmaͤßig, ſo kommen auch die Zugvoͤgel regelmaͤßig nach der Reihe an, ſo wie hingegen ein ſpaͤter Winter, der etwa vom Januar bis Anfang Märzes anhaltende ſtrenge Kälte und Schnee hat, ihre Ankunft verſpaͤtet und macht, daß ſie bei nun ploͤtzlich eintretendem Fruͤh⸗ lingswetter auf einmal geſtuͤrzt kommen. So ſahe man im Jahr 1785, wo der Winter vom 21ſten Dezember 1784 bis faſt zur Mitte des Apris 1785 ununterbrochen anhielt, am loten April, gemeine Meven in der Luft von Weſten herkommen; aber ſie ſchie⸗ nen, da hier allenthalben Waſſer und Erde mit Eis und tiefem Schnee bedeckt war, unentſchloſſen, wohin ſie ſich wenden ſollten. Bald darauf ward es jedoch ploͤtzlich warm, es trat ſchnell Thau— wetter ein, fo daß des andern Tags ſchon unſre ebenen Fluren uns ter Waſſer ſtanden. Nun ſah man Meven und andere Waſſervoͤ— gel zu hunderten in großen Heerden und alle durch die Kälte auf— gehaltene Zugvoͤgel kamen nun auf einmal geſtuͤrzt. Ich koͤnnte eine lange Reihe ſolcher Beobachtungen, von vielen Jahren her, hier aufzaͤhlen, wenn ichs fuͤr nothwendig hielt, doch kann ich einen aͤußerſt merkwuͤrdigen Fruͤhling, den des Jahres 1817, deswegen nicht unbemerkt laſſen, weil er in vielen Hinſichten zu den ſeltenen gehoͤrt. Bekanntlich war der Winter, den Vorwinter im November abgerechnet, ſehr gelinde; der Januar hatte am Ende ſchon wahre Fruͤhlingstage, und ob gleich der Februar und März mit Stuͤrmen, Regen- Schloßen- und Schneeſchauern ab— wechſelten, fo hatte erſterer doch ſchon einige Tage, und der März Einleitung 85 in feiner letzten Hälfte faft durchgängig, fhönes Fruͤhlingswetter, was bis in den Anfang des Aprils anhielt, dann ſich aber in ſehr rauhes Wetter mit kalten Winden und Nachtfroͤſten umwandelte. Bei dieſer Anfangs ſo guͤnſtig ſcheinenden Witterung hätte man ver- muthen ſollen, daß alle fruͤher zuruͤckkehrende Zugvoͤgel in Menge ankommen und durchziehen würden; aber fie kamen zu unſerm Er—⸗ ſtaunen nur einzeln und zogen ſo langſam, daß manche, deren ganzer Zug gewöhnlich in zwei Wochen beendigt iſt, eine drei- bis viermal laͤngere Zeit darauf verwandten. Ob gleich die Zeit der Ankunft mancher Arten da war, fo ſuchte man fie doch vergeblich an ihren gewoͤhnlichen Aufenthaltsorten oder man traf ſie hoͤchſtens nur einzeln, aber einzeln auch lange nachher noch an. So ver— einzelten ſich Droſſeln und Waldſchnepfen und faſt alle Sumpf⸗ und Waſſervoͤgel. Die Strandvoͤgel trieben ſich Monate lang in unſern Suͤmpfen und an den Ufern der Gewaͤſſer umher, und ſchie— nen nicht weiter zu wollen; ja die zuerſt angekommenen Kiebitze hatten ſchon Junge ausgebruͤtet, als man noch Heerden dieſer Voͤ— gel auf dem Zuge ſahe. Noch wollte ſich keiner der kleinen, von Inſekten lebenden Voͤgel zeigen; die Stachelſchwalbe, das Garten— rothſchwaͤnzchen, der Wiedehopf erſchienen hoͤchſt einzeln nach dem ıoten April, doch es dauerte noch drei volle Wochen, ehe der ei— gentliche Zug kam, naͤmlich bis zum Mai. Hier wurde es auf einmal warm, ſanfte Regen und Gewitter machten die Temperatur der Luft hoͤchſt angenehm und alle zuruckgebliebene Zugvögel kamen nun in ſolcher Menge und in ſo großer Eil, daß waͤhrend der drei erſten Maitage die Luͤfte, Tag und Nacht, von tauſenderlei Stim— men und Getoͤſe wiederhallten. Alle die, welche ſich ſchon lange hier herumgetrieben hatten, brachen nun zugleich mit auf, und in wenigen Tagen ſahe man in den Suͤmpfen und an den Ufern nichts weiter, als was bei uns bruͤtet, wovon viele ſchon Eier u. ſ. w. hatten. Die meiſten der kleinen Waldvoͤgel kamen ebenfalls alle in dieſen drei Tagen an. Die unſtaͤte Witterung hatte die Zugvoͤ⸗ gel ſo lange aufgehalten, bis die, mit dem Mai ſich einſtellenden, ſchoͤnen, warmen, nun nicht mehr mit kalten wechſelnden, Tage 86 Einleitung fie alle zu uns herzogen und ſchnell nach ihren nördlichen Brutoͤr⸗ tern hintrieben. Hievon machten nur die Saatgaͤnſe, die alle ſchon fruͤher uns verlaſſen hatten, eine Ausnahme. Wir bemerken aber an dieſen auch oft, daß fie eine vergebliche Reife in ihr Vater⸗ land nicht achten mögen. So ſehen wir fie manchmal im Fruͤh⸗ linge ſchnell die Ruͤckreiſe antreten, wahrſcheinlich weil ſie in ihrer Heimath Fruͤhlingswetter vermutheten. Aber ſie moͤgen ſich hierin manchmal taͤuſchen; denn kaum ſind ſie zuweilen einige Tage lang regelmaͤßig nach Oſten gezogen, als man ſie auch in eben ſo kurzer Zeit ſchon wieder von da zuruͤck kommen ſieht, vermuthlich weil fie von wieder eingetretener uͤblen Witterung von dort noch⸗ mals vertrieben wurden. Wir ſehen fie hier manchmal noch wo= chenlang nach einer ſo vergeblichen Heimreiſe, ehe ſie dieſelbe aber⸗ mals verſuchen. Der Trieb in waͤrmere Länder zu ziehen iſt dem Vogel ange- boren, und die Eltern haben nicht noͤthig ihren Kindern erſt den Weg zu zeigen. Jung aus dem Neſte genommene und aufgezo— gene, in einer geraͤumigen Kammer frei herumfliegend, unterhal— tene Voͤgel beweiſen dies hinlaͤnglich. Sie ſchwaͤrmen waͤhrend ihrer Zugzeit ſo gut des Nachts in ihrem Gefaͤngniſſe umher, als wenn man Alte ihrer Art darinnen unterhält. Der Zug der Vögel gleicht uͤbrigens einem Heereszuge, der ſich in den Vortrab, in die Hauptarmee und den Nachtrab theilt. Den erſtern machen gewoͤhnlich ſolche alten Voͤgel, die im Bruͤten ungluͤcklich waren; ſie haben Zeit genug zur Reiſe und eilen daher nicht ſehr. Das Hauptkorps, das iſt der große Haufen, nach welchem man eigent— lich die Zugzeit beſtimmt, beſteht aus gluͤcklichen Eltern mit ihren zahlreichen Kindern von den erſten, zur rechten Zeit ausgebrach— ten Bruten deſſelben Jahres; der Nachzug aber aus den Jun— gen ſpaͤter Bruten, welche ſich nicht eher auf die Reiſe wagen, bis ſie ſich ſtark und fluͤchtig genug dazu fuͤhlen, und aus einzel— nen, durch irgend ein Misgeſchick zuruͤckgehaltenen Alten, aus Kranken und Kruͤppeln. Die letztern werden aus der Geſellſchaft ihrer geſunden Kameraden ausgeſtoßen und man ſieht ſie haͤufig zu— rückbleiben und umkommen; ja man erzählt ſogar Beiſpiele von — Einleitung. | e manchen, namentlich von den Stoͤrchen, daß ſie ſich vor der Ab⸗ reiſe verſammelten, und einen Kranken, den ſie wahrſcheinlich zur bevorſtehenden Reiſe untuͤchtig hielten, ſogar toͤdteten. Die Schwalben ziehen, ſo gut wie andere infettenfseffenbe Vögel, in waͤrmere Laͤnder, wahrſcheinlich bis tief in Afrika. Die Natur ſtattete ſie vor allen andern ganz vorzuͤglich mit den beſten Flugwerkzeugen dazu aus, und es iſt kein einziger Grund vorhan⸗ den, dem alten Maͤhrchen vom Winterſchlafe derſelben in unſern Suͤmpfen, im Schlamm der Teiche u. ſ. w. nur einigen Glauben beizumeſſen. Es bleibt aber immer hoͤchſt ſonderbar, wie ſich dieſe Sage fo ſehr verbreiten und fo lange erhalten konnte, da der Bei⸗ ſpiele von aufgefundenen Schwalben in Suͤmpfen oder in Hoͤhlen, die den Winterſchlaf derſelben beweiſen ſollen, ſo ſehr wenige ſind, und dieſe Angaben insgeſammt von Leuten herruͤhren, die nicht ge— ſchickt waren richtig zu beobachten, weil es ihnen durchaus an na⸗ turhiſtoriſchen Kenntniſſen fehlte. Wie ſchwer es haͤlt, oͤfters beim beſten Willen und mit den noͤthigen Kenntniſſen verſehen, Beobach⸗ tungen in der Natur anzuſtellen und ein richtiges Reſultat daraus zu ziehen, weiß der praktiſche Naturforſcher nur zu gut, als daß man, wie in dieſer Sache geſchehen iſt, ſeine Angaben auf Beobachtungen kenntnißloſer Leute ſtuͤtzen koͤnnte. Es koͤnnen ſich wol im Herbſte ermattete junge Schwalben von ſpaͤter Brut, bei rauher Witterung, unter die Ufer kriechen, da erſtarrt hervorgezogen und in einer war⸗ men Stube wieder ins Leben gebracht werden, wenn ſie vielleicht nicht lange erſt in jene Erſtarrung verfallen waren. Es wird, wie die Erfahrung lehrt, jedoch nur mit wenigen gluͤcken; aber noch ſind dieſe nicht in dem Schlamme unter dem Waſſer geweſen. Auch alte Schwalben koͤnnen bei einem, nach ihrer Ankunft im Fruͤhling ſie uͤberfallenden, Nachwinter erſtarrt gefunden, doch ge— wiß nicht aus dem Waſſer gezogen und wieder lebendig gemacht werden. Noch wird ſich aber kein einziger wahrer Naturforſcher ruͤhmen koͤnnen, ſelbſt geſehen zu haben, daß eine erſtarrte Schwal- be im Winter aus dem Schlamme gezogen wurde, die nachher wies der aufgelebt waͤre. Es gibt ja in unſern Zeiten der Naturliebha⸗ 88 8 Einleitung. ber und Naturforſcher ſo viele, daß dieſe Sache, wenn nur irgend etwas an ihr waͤre, laͤngſt im Klaren ſeyn muͤßte. Ich meines Theils halte es für ganz uͤberfluͤßig hier noch viel Darüber zu ſagen, da der Gegenſtand in mehreren Werken bis zum Ekel erfchöpft iſt, und jeder wuͤrdige Forſcher mit mir einverſtanden ſeyn wird, daß der Winterſchlaf der Schwalben nichts als ein altes Maͤhrchen ſey. Durch phyſiſche Gruͤnde, auf naturhiſtoriſche Thatſachen beruhend, widerlegt es ſich ja zur Gnuͤge; ich will nur einen ſtatt vieler an⸗ führen: Bekanntlich verſchwinden die alten Schwalben im Herbſte aus unſern Gegenden in dem alten abgenutzten Federkleide, die Jungen in ihrem Jugendkleide; beide, junge und alte, mauſern ſich aber waͤhrend ihrer Abweſenheit und erſcheinen in einem neuen, ſchoͤnglaͤnzenden und vollſtaͤndigen Kleide im Fruͤhlinge wieder, ſo daß man alte und junge nicht mehr von einander unterſcheiden kann. Iſt es nun, wenn man weiß, welchen Kraftaufwand und welche Mittel die Natur zum Hervortreiben der neuen Federn ge⸗ braucht, nicht völlig unmöglich, daß ſich die Schwalben, im Schlam— me verſenkt, hätten mauſern und ihr Geſieder ſich verſchoͤnern koͤnnen? — b Ich komme jetzt zur Nahrung der Voͤgel, wovon ſich aber im Allgemeinen wenig fagen laßt, weil faſt jeder feine eigenthuͤm— lichen Nahrungsmittel, wenigſtens ſeine Lieblingsſpeiſen hat. Manche naͤhren ſich aus dem Thierreich, andere aus dem Pflanzenreich, und wieder andere aus beiden zugleich. So leben die Raubvoͤgel vom Fleiſche anderer lebendiger oder todter Thiere und Voͤgel. Sie fangen dieſe mit ihren ſcharfen Klauen; nur wenige nehmen hiebei auch den Schnabel zu Huͤlfe. Viele freſſen Fiſche und deren Laich; manche Froͤſche und andere Amphibien; manche Waſſer- andere Landinſekten; einige nur kriechende Inſekten und deren Larven; an: dere blos fliegende Inſekten. Die Spechte meiſſeln, mit ihren ſcharfen Schnaͤbeln, die Larven der Holzinſekten aus dem ſtockichten Holze und unter der Rinde der Baͤume hervor; viel andere leſen dagegen die Inſekten an der Erde auf; und wieder andere wiſſen fie aus dem Moraſte heraus zu finden. Manche Vögel lieben blos Gim lei thun g 89 mehlige Geſaͤme, waͤhrend andere die oͤhlhaltenden vorziehen; einige freſſen blos Saͤmereien; andere daneben auch gruͤne Kraͤuter und Insekten. Unter allen aber find die Kraͤhenarten diejenigen, welche die gemiſchteſten Nahrungsmittel zu ſich nehmen, denn ſie freſſen alles Geniesbare aus dem Thier- und Pflanzenreiche und find in dieſer Hinſicht die Schweine unter den Vögeln. — Manche Voͤgel finden ihre Speiſen in der Luft, andere auf Baͤumen, wieder andere an und zum Theil in der Erde, noch andere am und im Waſſer. Auch die Art, wie die Vögel ihre Nahrungsmittel ver: zehren, iſt ſehr verſchieden; denn manche, wie Huͤhner und Tau⸗ ben, verſchlucken die Samenkoͤrner ganz, andere huͤlſen und ſchaͤlen ſie. Sie waͤlzen zu dem Ende das Korn im Schnabel herum, bis ſie mit ſeinen Schneiden auf die Fuge der Schaale kommen, ſie ſo mit Leichtigkeit durchbeißen oder durchſpalten, die Huͤlſen fallen laſſen und den Kern allein verſchlucken. Die fleiſchfreſſenden Voͤgel zerreiſſen ihre Speiſen in Stuͤcken, und verſchlingen dieſe; andere Voͤgel zerpicken die Speiſen in ſehr kleine Portionen und lecken ſie gleichſam hinein, wie die Meiſen. Manche freſſen nur kleine Fi: ſche und verſchlucken dieſe ganz, andere fangen größere und zerflei⸗ ſchen ſie; manche unter dieſen letztern klauben blos das Fleiſch aus den Graͤten, andere verſchlingen dieſe mit; doch es wuͤrde zu weit fuͤhren hier alle Verſchiedenheiten hierin aufzuzaͤhlen, da dies in der beſondern Naturgeſchichte jedes einzeln Vogels vorkommen wird. Es giebt keinen Vogel, welcher nur auf eine einzige ſpecielle Art Nahrungsmittel angewieſen waͤre, wenn es bei manchem gleich fo ſcheint; die z. B. nichts als Fiſche freſſen, wiſſen doch unter die— fen eine Auswahl zu treffen, und fo hat jede Art ihre Lieblings- ſpeiſe, die ſie andern Dingen, von denen ſie ſich im Nothfall auch naͤhrt, vorzieht, die ihr am beſten bekoͤmmt, und von der ſie, wenn ſie ſelbige in Menge hat, leicht fett wird. Wir bemerken dabei, daß die eine Art eine Lieblingsſpeiſe haben kann, die dies aber nicht immer auch fuͤr eine andere, wenn auch verwandte Art iſt. So ge— hoͤren z. B. die Wicken zum bekannten Lieblingsfutter der Tauben; “ 90 Einleitung. aber die Hühner freffen fie nicht, und den Gaͤnſen ſind ſie ſchaͤdlich und, oͤfter oder in Menge genoſſen, ſogar toͤdtlich. Manche freſſen dagegen giftige Saamen ohne Nachtheil, z. B. die Spechtmeiſe die Saamenkerne der Fruͤchte des Eibenbaumes (Taxus baccata), die Moͤnchgraſemuͤcke die Beeren vom Kellerhals, Daphne Mezereum. - Wenn der Goldammer ſehr gern Kohlraupen frißt, ſo ruͤhrt fie da— gegen ſein naher Verwandter, der Rohrammer, nicht an. Meh— rere Beiſpiele hier anzufuͤhren waͤre uͤberfluͤßig, wir wollen ſtatt die⸗ ſer einen andern Umſtand in Erwaͤgung ziehen, der ſo oft in Voͤ⸗ gelbeſchreibungen unter der Rubrik Nahrung vorkoͤmmt, aber bis⸗ her immer, ungeachtet ſeiner Unwahrſcheinlichkeit, nicht gehoͤrig unterſucht wurde. Es heißt bei den Schriftſtellern naͤmlich oft, bei Aufzaͤhlung der Nahrungsmittel eines Vogels: Er frißt auch Bienen. Unter Bienen kann man freilich die ganze Gattung Apis verſtehen, doch ſcheint es das Meiſtemal, daß man damit nur die Honigbiene (Apis mellifica) meinte. Ich glaube indeß nicht, daß es einen Vogel giebt, der unfre, fo empfindlich ſtechende Honigbiene ohne Schaden verſchlucken koͤnnte, da bekanntlich der Stachel noch eben ſo empfindlich bei der todten, wie bei der lebenden Biene verletzt. Wenn der Hinterleib nur gedruͤckt wird, faͤhrt der Stachel aus ſeiner Scheide und verwundet die Haut, welche er erreicht, folglich waͤren dieſem Verwunden alle Voͤgel ausgeſetzt, welche die Bienen ganz verſchlucken wollten, wie man Schwalben, Stoͤrche und andere mehr deswegen fo oft angeklagt hat. Daß aber die verſchluckten Bienen wirklich die Vögel in der Speiſeroͤhre verwun⸗ den koͤnnen, und daß dies alsbald Geſchwulſt und ſchnellen Tod herbeifuͤhrt, habe ich einſt an einer ganzen Brut junger Enten er- fahren muͤſſen. Ich ſahe, daß, als ſie vor meinem Bienenhauſe, mit dem Wegfangen der Bienen ſehr emſig beſchaͤftigt waren, eine nach der andern, ſo wie ſie eine Biene verſchluckt hatte, augenblick— lich zu taumeln anfing und unter Verzuckungen in wenigen Mi⸗ nuten ihren Geiſt aufgab. Eben ſo machte ich einen Verſuch mit einer jungen Schwalbe, welche die vorgehaltene Biene zwar ver— ſchlucken wollte, was aber nicht gelang, indem ſie außen an der * Einleitung. 91 Kehle ſchon fo geſtochen wurde, daß fie in einigen Minuten darauf ſtarb. Oft ſahe ich die Schwalben ihren Jungen Bienen fuͤttern, ich ſuchte ſie ihnen mehrmals abzujagen und fand, daß es jederzeit Drohnen oder maͤnnliche Bienen waren, die bekanntlich keinen Sta⸗ chel haben. Nicht allein Drohnen, ſondern auch andere, den Bie⸗ nen aͤhnliche Inſekten mag man fuͤr wirkliche Honigbienen angeſe⸗ hen haben und ſo jener Irrthum entſtanden ſeyn. Blos die Meiſen freſſen Bienen, verſchlucken ſie aber 855 ganz, 1 W nur die Eingeweide heraus. ; Jeder Vogel weiß die Orte ee wo er eine Lieblings⸗ ſpeiſen antrifft, und dies iſt dann ſein Aufenthaltsort, ſo lange als es jene da giebt. Die allmaͤliche Abnahme und der endliche Mangel derſelben beſtimmt ihn auszuwandern; er zieht weg, und kommt erſt dann wieder, wenn jener Mangel wieder erſetzt iſt. Ihr Fut⸗ ter ſuchen viele Voͤgel nur am Tage, andere wieder nur des Nachts (Eulen und Tagſchlaͤfer), und noch andere bei Tag und Nacht; ob dieſe uͤbrigens die eine oder die andere dieſer Zeiten mehr oder we⸗ niger dazu benutzen, beſtimmt vorzuͤglich die Furcht vor dem Men⸗ ſchen, wie z. B. bei den allermeiſten Schwimm ⸗ und hf voͤgeln. Da die Voͤgel ſehr ſchnell verdauen, ſo beduͤrfen fe g viel Nahrung. Ihr Appetit iſt immer gut, ja manche Arten ſieht man felten mit etwas anderem als mit Aufſuchen ihrer Nahrung beſchaͤf⸗ tigt, z. B. Meiſen, Goldhaͤhnchen, Schwalben und viel andere. Manche freſſen erſtaunend viel, mehreren Beobachtungen an gezaͤhm⸗ ten zu Folge, in einem Tage fo viel, als die Schwere ihres Koͤr⸗ pers betraͤgt. Wenn es unter den kleinen inſektenfreſſenden Voͤ⸗ geln Arten giebt, die kaum einen halben Tag ohne Nahrung aus— halten, ſo giebt es dagegen wieder andere, die ſehr lange hungern koͤnnen; fo haben wir unter den groͤßern Raubvoͤgeln viele, denen ein zwei⸗ bis dreiwoͤchentliches Faſten eben keine großen Unbequem⸗ lichkeiten zu verurſachen ſcheint. Eine Droſſel haͤlt, wenn ſie fett iſt, wol zwei Tage ohne Nahrung aus, ein Finke, ein Fliegen⸗ faͤnger ſtirbt dagegen in weniger als einem Tage ſchon den e gertod. 92 Einleitung. Das Getraͤnk der Voͤgel iſt friſches Waſſer, was einige mehr, andere weniger haͤufig zu ſich nehmen, je nachdem ſie mehr oder weniger ſaftige Speiſen genießen. Nur die Raubvoͤgel, welche das friſche blutende Fleiſch ſelbſt getoͤdteter Thiere verzehren, ſind hievon ausgenommen. Sie trinken kein Waſſer, weil ihre Spei⸗ ſen ſaftig genug ſind; da hingegen die Huͤhner und Tauben, zum Aufquellen und Verdauen der harten, ganz verſchluckten Koͤr— ner, deſto mehr beduͤrfen. Manche pumpen es gleichſam in ſich, wie die Tauben; manche, wie Huͤhner und Gaͤnſe, muͤſſen den Schnabel in die Hoͤhe heben, wenn es den Schlund hinunter ſoll; die meiſten ſchluͤrfen es aber ein. Manche Voͤgel koͤnnen lange dur= ſten, andere kaum einen Tag, wie z. B. die zaͤrtlichen kleinen In⸗ ſektenfreſſer, die aber doch noch laͤnger duͤrſten, als hungern koͤnnen. Sehr viele Landvoͤgel trinken nur des Abends oder des Morgens auf dem Thaue. Ein beſonderer Umſtand beim Verdauungsprozeſſe mancher Voͤgel verdient hier noch einer Erwähnung. Es ſondern ſich name lich bei den fleiſchfreſſenden, bei vielen welche von Fiſchen leben, und auch bei den mehreſten inſektenfreſſenden Voͤgeln die harten unverdaulichen Dinge, als Haare, Federn, Knochen, Fiſchgraͤten und Schuppen, die harten Fluͤgeldecken, Beine und Schalen von Inſekten, auch zum Theil Kerne und Schalen von ganz verſchluck— ten Beeren und dergleichen, von dem, was wirklich verdauet wird, im Magen ab, bilden zuſammen gepreßte Klumpen von walzenfoͤr— miger oder eifoͤrmiger Geſtalt, die ſie durch Erbrechen wieder von ſich geben. Bei den Raubvoͤgeln heißen dieſe Ballen in der Jaͤ⸗ ger-Kunſtſprache: Busen oder Gewoͤlle, und nicht ſelten enthal— ten ſie auch kleine Steinchen, die aber die Raubvoͤgel gewiß nur mit den Maͤgen der gefangenen Vögel, alſo blos zufällig, ver— ſchluckt haben. Viele andere Voͤgel, und am haͤufigſten die, welche von Koͤrnern leben und dieſe ganz verzehren, verſchlucken indeß, wahrſcheinlich um dadurch mehr Reibung und ſchnelleres Zermalmen der Speiſen im Magen zu befoͤrdern, eine Menge grober Sandkoͤr— ner oder kleiner Steinchen, die aber nachher auf dem gewoͤhnlichen Einleitung. 95 Wege, mit dem Unrathe, abgehen. Da der Harn nicht beſonders abgeführt wird, ſondern die Harngaͤnge bei den Vögeln ſich im Leibe mit den Ausgaͤngen, die den Unrath abfuͤhren, vereinigen, ſo iſt dieſer mit dem Harne vermengt, welcher das kalchartig weiße flüffige Weſen ſeyn ſoll, was aber bei vielen Arten in ſolcher Men⸗ ge abgeſetzt wird, daß man kaum etwas e als wi wach i Fluͤſſigkeit in dem Auswurfe bemerkt. f Der großen Verſchiedenheit der Nahrungsmittel wegen iſt auch der Unrath (Gepraͤge, Looſung, in der Jaͤgerſprache) von ſo ver— ſchiedenem Anſehn, daß ſich viele Gattungen dadurch von andern auszeichnen. So iſt er bei den Raubvoͤgeln fluͤſſig und wird weit weggeſpritzt, wozu ſie gewoͤhnlich den Schwanz hoch aufheben. So wie bei dieſen Fleiſchfreſſern, iſt es bei den Fiſchfreſſern und den meiſten Strandvoͤgeln. Bei denen, welche von Vegetabilien leben, iſt er ſchon haͤrter, und bei den Koͤrnerfreſſenden noch mehr; ja hier hat faſt jede Gattung auch in der Form etwas Eigenthuͤm⸗ liches. Der fleißige Beobachter iſt daher ſehr oft im Stande, an der aufgefundenen Looſung den Vogel zu errathen, von dem dieſe kam, eben ſo wie der Hirſchgerechte Jaͤger ſeinen Sechzehnender vom alten Thier u. ſ. w. an der Looſung zu unterſcheiden weiß. Koͤnnte man bei den Voͤgeln immer, wie das oft bei jenen Thieren der Fall iſt, hiebei die Spuren oder Fußtapfen zu Huͤlfe nehmen, ſo moͤchte es hier eben ſo leicht, vielleicht noch leichter ſeyn, die ver⸗ ſchiedenen Voͤgelgattungen, ja viele Arten daran zu unterſcheiden. Aber nur da, wo im weichen Boden, im Schlamme, Schnee und dergleichen die Fußtapfen Eindruͤcke zuräd laſſen, iſt der Kenner im Stande daraus ſeinen Vogel zu errathen; doch hievon an einem andern Orte. — m Wir kommen nur zur See er Voͤgel und wol⸗ len in moͤglichſter Kuͤrze das Wichtigſte aus dieſem Theil der Na⸗ turgeſchichte, ſo viel naͤmlich im Allgemeinen daruͤber geſagt wer⸗ den kann, in Betrachtung ziehen. f Die eigentliche Begattungs zeit der Voͤgel iſt das Fruͤhjahr, und zwar bei den allermeiſten die Monate April und Mai, bei we⸗ 94 Einleitung. nigen fpäter, bei manchen aber auch früher ſchon. Unſere Stand- und Strichvoͤgel machen ſehr bald dazu Anſtalt, ja unter dieſen der kleine Kreutzſchnabel ſchon im Januar, der Waſſerſchwaͤtzer, die Kolkraben zu Ende des Februars und im Maͤrz, und zu Ende die— ſes Monats der Maͤuſe-Bußard, Kiebitz und andere. Den Kreutz ſchnabel ſcheint weder Froſt noch Schnee davon abzuhalten, bei den folgenden aber kommt es immer ſehr auf die Witterung in die: ſen Monaten an, ſo daß dadurch die Anſtalten zur Brut um einige Wochen fruͤher oder ſpaͤter gemacht werden. Gemeiniglich legen die im Februar und Maͤrz wiederkehrenden Zugvoͤgel im April ſchon Eier, eilen damit aber, der jetzt noch zu ſehr wechſelnden Witterung wegen, nicht ſo ſehr, als die ſpaͤter im Mai erſt ankommenden, welche ſich ſogleich nach ihrer Ankunft einem Bruͤteplatz auffuchen, ihre Neſter zu bauen anfangen und Eier legen. Die meiſten Zugvoͤgel kehren im Fruͤhlinge in einem ſchoͤnern Kleide wieder und man bemerkt auch in ihrem Innern eine große Veraͤnderung. Der Trieb der Liebe, der ſie jetzt beherrſcht, macht, daß ſich die hier durchziehenden unaufhaltſam ſchnell weiter begeben und weit ſchneller reiſen, als im Herbſte bei ihrem Wegzuge. Die hierbleibenden ſind dagegen weit heiterer als im Herbſt; alles ath— met Freude und die Singvoͤgel ſuchen dieſe durch den Geſang, die andern durch allerlei Toͤne und Gebehrden auszudrucken, die man in einer andern Jahreszeit nicht, oder doch nur ſelten von ihnen hoͤrt und ſieht. Db gleich ſehr viel Voͤgelarten auf ihren Wanderungen in Geſell— ſchaften bei einander leben, fo giebt es doch nur wenige, welche ſich nicht ordentlich paaren. Von einem ſolchen Paar ſuchet im Fruͤh— jahr das faſt immer etwas früher ankommende Männchen zuerſt feie nen Brutort auf und leidet, ſobald ſich auch fein Weibchen dabei eingefunden, in einem gewiſſen Bezirk um denſelben, kein anderes Paͤrchen ſeiner Art. Nur wenige Arten niſten geſellſchaftlich, in mehreren Paaren, neben einander, wie z. B. die Saatkraͤhen. Man kann ſichern Beobachtungen zu Folge, annehmen, daß es unter den Voͤgeln viele giebt, deren Ehen nicht allein fuͤr das Fruͤhjahr, Einleitung 95 in welchem fie gefchloffen wurden, ſondern für immer beſtehen. Ob gleich beide Gatten nach der Bruͤtezeit von einander abgeſondert, einzeln oder in Geſellſchaft andrer leben, ſo finden ſie ſich doch im folgenden Fruͤhjahr wieder zuſammen. Sie ſind aber in Erfüllung der Pflichten ehlicher Treue eben nicht fehr genau und man hat von ihnen in dieſer Hinſicht auffallende Beiſpiele von Immoralitaͤt. Nur wenige Voͤgel leben im freien Zuſtande in Polygamie, z. B. die Auerhuͤhner, die Streitſchnepfe und andere, im gezaͤhmten Zu⸗ ſtande thun es aber die Hühnerarten, die Gaͤnſe und Enten. Es gewaͤhrt dem Beobachter viel Vergnuͤgen zuzuſehen, wie ein verliebtes Männchen um eine Braut wirbt, wie es ſeine Zaͤrt— lichkeit durch Stellung, Bewegungen und Stimme auszudruͤcken ſucht, und wenn ſeine Antraͤge Gehoͤr finden, zu taͤndeln und zu ſchnaͤbeln anfängt und die Scene ſich faſt immer mit der wirklichen Begattung endet. Die Singvögel fingen hierbei gewöhnlich aus allen Kräften. Das Begattungsgeſchaͤft wird übrigens aller Orten, nur nicht fliegend vollzogen. Dann iſt gewoͤhnlich auch der Platz zur Anlage des Neſtes ſchon gewaͤhlt, worinnen ſich jede Art wies der nach ihrem eigentlichen Aufenthalt richtet. So niſten die mei- ſten Raubvoͤgel auf großen Baͤumen und hohen Felſen, die uͤbrigen Waldvoͤgel auf Baͤumen, im Gebuͤſch, in Baumhoͤhlen u. ſ. w. N Huͤhnerarten und die Feldvoͤgel an der Erde; die Sumpfvoͤgel meiſtens in Suͤmpfen auf feuchtem Boden; die Waffervögel im Schilfe und Rohre der Gewaͤſſer; die Lappentaucher bauen gar ein ſchwimmendes Neſt, welches aus einem unordentlichen Klumpen faulender Waſſerpflanzen beſteht. Es giebt aber unter jeder Ab⸗ theilung Ausnahmen hievon, fo z. B. bauet die Rohr- und Korn⸗ weihe ihr Neſt auf die Erde, der Storch auf Haͤuſer, der Fiſchrei⸗ her, die gemeine wilde Ente, der Kormoran auf Baͤume u. ſ. w. Die Wahl des Orts zur Anlage des Neſtes richtet ſich immer nach der Lebensart und den verſchiedenen Beduͤrfniſſen der Voͤgel, doch bindet ſich hierbei keine Art immer an dieſelben ſtrengen Regeln und es giebt mehrere, welche eben fo oft in Baum- oder Felſenhoͤhlen als frei auf den Bäumen niſten, andere, die ſogar an der Erde und . 96 Einleitung eben fo in hohlen Bäumen ihr Neſt anlegen ꝛc. Die Huͤhnerarten f bruͤten wol deswegen auf der Erde, weil ihre Jungen gleich nach dem Ausſchluͤpfen aus den Eiern das Neſt verlaſſen und ihre Nah: rung an platter Erde ſuchen muͤſſen; die kleinen Sänger im dichten Gebuͤſch, weil ihre Jungen ſich hier am beſten vor ihren Feinden verbergen und ſich ruhig naͤhren koͤnnen; viel andere auf hohen Bäumen, weil fie hier am erſten vor N der Menfchen gefichert find, u. ſ. w. Die Sorge für Sicherheit der Eier und Jungen gebietet den meiſten Voͤgeln, ein Neſt zu bauen. Sie bauen ein Neſt, um ihre Eier hinein zu legen, ſie darin auszubruͤten und ein bequemes Wochenbett zu haben. Viele Arten polſtern es fo weich aus, daß die zarten Jungen darinnen vollkommen vor rauher Luft und Kaͤlte geſchuͤtzt ſind, andere bauen es dagegen leicht, und wieder andere machen den Eiern nur eine geringe ſchlechte Unterlage. Manche aber bauen gar kein Neſt; eine aufgeſcharrte kleine Grube, ja oft dieſe nicht einmal, finden ſie zum Ausbruͤten ihrer Eier oft ſchon hinreichend, und der Kuckuck uͤberhebt ſich des Neſtbaues, indem er ſeine Eier in die Neſter anderer Voͤgel legt. Jede Art hat ihre beſondern Materialien, woraus ſie das Neſt bauet, und weicht hierin weit ſeltener ab, als in der Wahl des Orts. Kein Gold⸗ ammer bauet z. B. ein Neſt ohne wenigſtens einzelne Pferdehaare oder Schweinsborſten mit hinein zu weben; keine bekannte Enten⸗ art bruͤtet ihre Eier aus, ohne das Neſt mit den eigenen Flaumfe⸗ dern auszupolſtern; der Haͤnfling muß dazu Wolle haben, ſey dieſe nun von Thieren oder Pflanzen, und ſo hat faſt jede Art in der Wahl der Neſtmaterialien etwas Eigenthuͤmliches. Wenn viele das Innere des Neſtes ſorgfaͤltig mit weichen, waͤrmenden Dingen, als Federn, Wolle, Haaren und dergl. auspolſtern, um dadurch die Brutwaͤrme beſſer zuſammen zu halten und den Jungen ein weis ches warmes Lager zu bereiten, ſo ſuchen dagegen andre dieſe Zwecke auf ganz andere Weiſe zu erreichen, ſo pflaſtern z. B. Kraͤhen und und Elſtern ihr Neſt inwendig mit Erde und Raſen aus, ehe ſie die weichern Dinge, Haare, Borſten und dergl. eintragen, ja die Am— ſel ſchmiert die innern Waͤnde glatt mit Schlamm, und die Zipp— Ernte it un g 97 droſſel gar mit klar gebiſſenem, mit ihrem Speichel als Bindemit⸗ tel vermiſchtem, faulen Holze aus, welcher ſonderbaren Maſſe, die auf einen fluͤchtigen Blick viel Aehnlichkeit mit trocknem Kuhmiſt, und daher zu mancher irrigen Meinung Veranlaſſung gegeben hat, ſie zuweilen, doch ſelten, etwas Lehm beimiſcht. Nicht allein auf das Innere des Neſtes verwenden manche ſo viel Sorgfalt, ſondern auch auf das Aeußere, um demſelben entweder mehr Feſtigkeit zu geben oder es den Augen ihrer Feinde unbemerklich zu machen. So bekleiden der Buchfink und die Schwanzmeiſe ihre Neſter immer mit demſelben Moos und den Baumflechten, die den Baum beklei⸗ den, an dem das Neſt angebauet iſt, ſo daß es dadurch einem be⸗ moosten Aſte taͤuſchend aͤhnlich ſieht. Andere, weniger kunſtreiche Baumeiſter wiſſen es im wilden Geſtruͤppe, in Schlupfwinkeln, in den Zweigen der Baͤume u. ſ. w. ſo geſchickt zu verſtecken, daß es ſich ſchwer auffinden laßt; noch andere, wie z. B. die kleine und die rothfuͤßige Meerſchwalbe, die kein eigentliches Neſt bauen, legen dennoch ihre Eier auf den gleichfarbigen Kies der trocknen Flußbet⸗ ten N daß fie deswegen nicht ſo leicht entdeckt werden koͤnnen. Jede Art hat in der Anlage und Verfertigung des Neſtes etwas ihr Eigenthuͤmliches, wovon ſie nur im hoͤchſten Nothfall und da⸗ her nur in einzeln Faͤllen zuweilen etwas abweicht. Wir bewun⸗ dern vorzüglich aber an jungen Vögeln, welche zum erſtenmal bruͤ⸗ ten und ihre Eltern nie ein Neſt bauen ſahen, daß ſie durch einen geheimen Kunſttrieb dabei ſo geleitet werden, daß man in Hinſicht der Wahl des Orts, der Materialien, der Form u. ſ. w., keinen Unterſchied von denen ihrer Eltern findet; doch iſt nicht zu laͤugnen, daß fie durch oͤftere Uebung und Erfahrung dieſe Kunſt doch wirk⸗ lich auch zu einer groͤßern Vollkommenheit bringen. — Wenn gleich beide Gatten bei der Anlage und Verfertigung des Neſtes in den mehreſten Fällen thätig mitwirken, fo beſchraͤnkt ſich die Beihuͤlfe des Maͤnnchens bei vielen doch nur auf das Hers beitragen der Materialien, weil faſt durchgaͤngig nur das Weibchen die Baumeiſterin iſt. Bis auf die Raubvoͤgel, tragen alle die Ma⸗ terialien im Schnabel herbei, dieſe aber in den Beinen. Es ge⸗ 7 g 96 Einleitung. währt ein großes Vergnügen, ein Pärchen kleiner Vögel, denn dieſe bauen die beſten Neſter, erſt den Ort dazu auszuwaͤhlen, die erſte Grundlage verfertigen, nun das Weibchen unter beſtaͤndigem Drehen die runde Form heraus zu bringen und dem Männchen eif⸗ rig Materialien herbei ſchaffen zu ſehen; alles lebt an ihnen und man ſieht die Arbeit mit groͤßter Eilfertigkeit ſchnell von Statten gehen, fo daß auch das Weibchen mit zutragen hilft, wenn das Maͤnnchen nicht Materialien genug herbeiſchaffen kann. Das letz⸗ tere ſucht auch außerdem die Arbeit ſich und ſeiner Geliebten durch fröhlichen Geſang zu erleichtern. Sie nehmen daher die noͤthigen Materialien, ſoviel wie moͤglich, aus den naͤchſten Umgebungen und der Ort iſt ſchon ſo gewaͤhlt, daß ſie dieſe nicht erſt von weitem dazu herbei tragen dürfen. Hierbei find nun die meiſten fo vorſichtig, daß ſie, ſobald ſie ſich belauſcht ſehen, den Bau augenblicklich lie⸗ gen laſſen, und nachher oft weit vom erſten entfernt, einen neuen anfangen. Der Bau der kuͤnſtlichern Neſter, an welchen wir das Gewebe und die Verfilzung der Materialien mit Recht bewundern muͤſſen, erfordern meiſtens mehrere Tage, ja die Hausſchwalben bringen mit dem Aufmauern ihres ſonderbaren Neſtes, obgleich beide Gatten gemeinſchaftlich daran bauen, beim ſchoͤnſten Wetter faſt zwei Wochen damit zu. Wie ſehr verſpaͤtet daher eine muth⸗ willige oder zufaͤllige Zerſtoͤrung eiche cen Gebaͤude die Bruten dieſer Voͤgel! — Die Form der mehreſten Neſter iſt die napffoͤrmige; allein es finden ſich auch hievon gar viele Abweichungen. Bald ſind ſie flächer bald tiefer, bald iſt der Rand mehr oder weniger einwaͤrts gebogen. Bei manchen hat es zwar. dünne, aber dabei dicht ge⸗ webte Waͤnde und ſtellt auch von außen eine Halbkugel vor; bei vielen iſt dagegen die Außenflaͤche locker gewebt und es hat ein ſpar⸗ richtes Anſehen. Die innere Flaͤche iſt immer ſchoͤn gerundet und glatt. Dies gilt aber blos von den kuͤnſtlichen Neſtern. Die weniger gut gebaueten ſind auch in ihrer Form unregelmaͤßiger; die Neſter der Raubvoͤgel platt, ohne ſehr merkliche Vertiefung u. ſ. w. Manche bauen auch korbfoͤrmige Neſter, wie der Pirol; — Einleitung. | 99 manche backofenfoͤrmige, mit einem kleinen runden Ausgange zur Seite nach oben, wie der Fitisſaͤnger und andere; die Schwanz⸗ meiſe bauet es, bis auf ein kleines Eingangsloch zur Seite, rund⸗ um zu; ja die Beutelmeiſe verlängert oft den Eingang zur Seite des aufrecht eifoͤrmigen Neſtes in Geſtalt eines kurzen Flaſchen⸗ halſes und haͤngt das ganze aͤußerſt kuͤnſtliche Neſt in die Schwebe, an einem Zweige oder Rohrſtengel auf. Die Rohrſaͤnger und Haus⸗ ſchwalben bauen auch ſehr kuͤnſtliche Neſter. Wenn dieſen kuͤnſtlichen Baumeiſtern das erſte Neſt im Früh⸗ linge, deſſen Bau ihnen ſo viel Zeit und Arbeit koſtete, zerſtoͤrt wird, ſo bauen ſie zwar kurz darauf ein aͤhnliches, doch wird es, weil ſie gewoͤhnlich ſehr mit dem Baue dieſes zweiten eilen, nie ſo ſchoͤn als das erſte, und ſie ſuchen ſich die Arbeit oft ſchon dadurch zu erleichtern, daß ſie es an einen verſtecktern Ort bauen. Ich wuͤrde meine hier mitgetheilten Beobachtungen uͤber Anla⸗ ge und Verfertigung der Neſter der Voͤgel noch ſehr vervielfaͤltigen und ausdehnen koͤnnen, wenn ich mich nicht zu wiederholen bes fuͤrchten muͤßte, weil ich an einem andern Orte hieruͤber ſehr weit⸗ Läufig geſprochen, und daher diejenigen, die etwas Ausführlicheres über dieſen intereſſanten Gegenſtand zu leſen wuͤnſchen, auf ein juͤngſt von mir herausgegebenes Werk: Die Eier der Voͤgel Deutſchlands ıc. Halle, bei Kuͤmmel, verweiſen muß. Die Urſache der Eilfertigkeit, welche man beim Neſtbau, vor⸗ zuͤglich am Weibchen bemerkt, zeigt ſich gewoͤhnlich ſehr bald; denn kaum iſt das Neſt fertig, ſo wird auch ſchon das erſte Ei hinein ge⸗ legt, und damit alle Tage fortgefahren, bis die Anzahl voll iſt. Selten wird einmal einen Tag dazwiſchen keins gelegt. Wahrend das Weibchen auf dem Neſte ſitzt, ſingt ihm entweder das Maͤnn⸗ chen, das ſich in der Nähe aufhaͤlt, etwas vor oder es ſucht ihm, wenn es dies nicht kann, durch allerlei ſchoͤne Schwenkungen im Fliegen, die oft mit wunderbaren Toͤnen begleitet ſind, Unterhal⸗ tung zu machen. Die Anzahl, welche ein Weibchen zu einer Brut legt, iſt bei den mannichfaltigen Gattungen und Arten ſehr verſchie⸗ den. Sie weichen ſelten davon ab, doch am erſten noch die, welche 100 Einleitung. viel Eier legen, z. B. die Meiſen von 8 bis 12 Stuͤck, und das Rebhuhn von 12 bis 20 Stuͤck. Junge Voͤgel, welche zum erſten⸗ male bruͤten, legen auch gewoͤhnlich weniger als alte, aber es nimmt auch ſo im hohen Alter ab. Manche Schwimmvoͤgel legen nur ein einziges Ei, z. B. die Alken; die Tauben zwei, und wenn ſie ja ein drittes legen, ſo iſt es gewoͤhnlich unfruchtbar. So wie die Meven ſtets drei Eier legen, ſo uͤberſteigen die ſchnepfenartigen Voͤgel die Zahl 4 faſt nie. Der Ueberſchuß uͤber die gewoͤhnliche Zahl iſt das meiſtemal unfruchtbar und bei denen, welche viel Eier En ſind es zuweilen mehrere Stück. Wenn wir gleich im Ganzen genommen, hinſichtlich der Groͤ— . Be des Eies zu der des Vogels, ein gewiſſes Verhaͤltniß anneh⸗ men koͤnnen, ſo weicht es doch in vielen Faͤllen außerordentlich ab. Der Groͤße des Koͤrpers am angemeſſenſten ſcheinen die Eier der kleinen Singvoͤgel zu ſeyn. Auffallend groß aber find die Eier vie⸗ ler Sumpf- und Waſſervoͤgel, z. B. der Lummen, der Strandlaͤufer, uͤberhaupt der ſchnepfenartigen Voͤgel; dagegen find die des Kormo⸗ ran klein und die des Kuckuks ſehr klein zu nennen, ja die des letz⸗ tern ſind unſtreitig die kleinſten, da ſie nur die Groͤße des Sperlings⸗ eies haben. Auch in der Form haben viele Gattungen etwas Ei— genes; ſo naͤhert ſich die der Raubvoͤgel und Eulen mehr der runden, waͤhrend man die des Wiedehopfs und der Mauerſchwalben beinahe walzenfoͤrmig nennen kann. Die der Strandvoͤgel haben eine birn⸗ foͤrmige Geſtalt, das eine Ende des Eies iſt naͤmlich ſehr kurz ab⸗ geſtumpft, das entgegengeſetzte dagegen ſehr ſpitz. Bei manchen kann man in dieſer Hinſicht wieder kaum einen Unterſchied zwiſchen beiden Enden finden, z. B. am Tagſchlaͤfer- und Rohrdommelei, wenn andere dagegen die ſchoͤnſte Eiform haben; doch es wuͤrde er⸗ muͤdend und unnuͤtz, auch ohne bildliche Darſtellung kaum moͤglich ſeyn, alle Verſchiedenheiten der Geſtalt der Eier zu beſchreiben, da ſelbſt oft ein Individuum einer Art von einem andern ziemlich ab: weicht, obgleich jede Gattung immer etwas Charakteriſtiſches hierin hat, das an ſeinem Orte angezeigt werden ſoll. „Si nleitung. 101% So vielfältig die Geſtalt der Eier auch iſt, ſo ſind ſie es an Farbe doch faſt noch mehr. Die Grundfarbe der kalchartigen Schale iſt immer die Weiße und viele ſind auch auf der Oberflaͤche ganz weiß; aber manchen iſt hier eine roͤthliche, gelbe, braͤunliche, am haͤufigſten eine meergruͤne Farbe in ſchwaͤcherer oder ſtaͤrkerer Anlage beigemiſcht; dies ſind die einfarbigen. Oft aber ſind ſie noch mit einer, oder mehreren dunklern Farben, als: ſchwarz, braun, roth, grau ꝛc. in den verſchiedenſten Nuͤancen, beſpritzt, beſtrichelt, gefleckt, punktirt, marmorirt und gewoͤlkt. Auch in Hinſicht der Farben, ja ſelbſt der dunklen Zeichnungen, haben die Eier mancher Gattungen etwas Uebereinſtimmendes, fo find z. B alle Euleneier weiß, die Eier aller wahren Enten einfarbig ſchmu⸗ *giggrünlich, die aller ächten Ammern mit geaͤderten feinen Strichen mehr oder weniger bezeichnet, die der Waldmeiſen alle auf einer⸗ lei Art rothbraun gefleckt oder punktirt u. ſ. w. Doch auch hier⸗ über wird man mehreres, theils in meinem oben ſchon angeführten Werke: Die Eier der Voͤgel Deutſchlands, theils auch weiterhin bei den Beſchreibungen der Voͤgel ſelbſt finden. Außer der duͤnnen, aber harten, kalchartigen, aͤußern Schale, beſteht das Ei im Innern aus mehreren Haͤuten, dem Eiweiß, dem Dotter, dem Hagel und der Narbe. Die aͤußere Schale iſt zwar hart, laͤßt ſich jedoch zerreiben, und iſt bald von feinem bald groͤberm Korn, bald mit einer ziemlich rauhen, bald mit einer glatten, wie polirten Oberflaͤche, uberall voller feiner, dem bloßen Auge nicht ſichtbarer Löcher, durch welche das Ei ausduͤnſten und die Luft und Brutwaͤrme beſſer eindringen koͤnnen. Das Innere wird, unter dieſer harten Schale, von drei zarten pergamentartigen Haͤuten umſchloſſen, ſo wie der runde, gelbe, in ein Haͤutchen ge⸗ huͤllte Dotter von dem Eiweiß umgeben iſt, das zaͤher an dieſem und fluͤßiger nach außen zu iſt. Hagel, werden zwei zarte Schwe⸗ bebaͤnder genannt, die oben und unten an dem Dotter angebracht ſind, und die Narbe, heißt ein kleiner linſenfoͤrmiger Koͤrper zur Seite im Dotter, die in der Mitte eine graulich ausſehende Stelle enthält, welches der Keim zum kuͤnftigen Geſchoͤpf iſt. Die Ent 102 Einleitung. wickelung und Ausbildung deſſelben wird alſo erſt außer dem Leibe der Mutter, durch die Brutwaͤrme bewirkt, die übrigens auch kuͤnſt⸗ lich in Brutoͤfen, bei Lampenfeuer, durch die Waͤrme anderer Thie— re, auch der Menſchen, hervorgebracht werden kann. Durch eigene körperliche Waͤrme bruͤten die Voͤgel alſo ihre Eier aus. Unſer Kuckuk allein macht hievon eine Ausnahme, indem er ſeine Eier einzeln in die Neſter der kleinen Saͤnger legt und dieſen ſowol Bebruͤtung derſelben als Ernaͤhrung der Jungen gaͤnzlich überläßt. Eigentlich gehört zwar das Gefchäft des Bruͤtens dem Weib: chen, vorzuͤglich bei denen, welche in Polygamie leben, aber bei denen, welche ſich ordentlich paaren, nimmt auch das Maͤnn⸗ chen oft Antheil daran; es loͤßt entweder das Weibchen mehrere Stunden hinter einander ab, damit es ſich unterdeſſen Nahrung aufſuchen kann, oder es traͤgt ihm Futter herbei, oder es haͤlt wenigſtens unterdeſſen in der Naͤhe des Neſtes Wache. Es giebt indeſſen doch auch einige, die ſich, waͤhrend das Weibchen bruͤtet, gar nicht um daſſelbe bekuͤmmern, und auch die nachherige Er— ziehung der Jungen ganz demſelben überlaffen. 8 Alle Voͤgel ſind in der Brutzeit magrer als in andern Jahres⸗ zeiten, weil ſie zu viel Zeit und Kraͤfte auf die Fortpflanzungsge⸗ ſchaͤfte verwenden muͤſſen. Die Weibchen leiden, waͤhrend dem Bruͤten wegen der Sorgfalt und Emſigkeit, mit der fie es verrich⸗ ten, beſonders ſehr. Sie ſitzen zu lange in einer hoͤchſt unbequemen Stellung, die freie Bewegung fehlt ihnen, ſie koͤnnen ihre Nahrung nicht gehörig aufſuchen und gehmen ſich oft auch kaum fo viel Zeit die aufgefundene zu verzehren. Mancher Vogel verlaͤugnet da fein ſonſt ſcheues Weſen, ja die Weibchen mancher kleinen laſſen ſich oft mit Haͤnden auf dem Neſte fangen. Viele haben die Gewohnheit, bei der zu großen Annaͤherung eines Feindes, ſich gleichſam aus dem Neſte zu ſtuͤrzen, aͤngſtlich und ſich lahm ſtellend an der Erde hinzu— flattern, um ſo die Aufmerkſamkeit des Feindes auf ſich und vom Neſte abzuziehen, (wodurch ſie unerfahrne Knaben und Raubthiere faſt immer täufchen,) doch ſchnell entfliehen, ſobald fie den vers meintlichen Feind durch dieſen Kunſtgriff weit genug vom Neſte ent- Eindleitun 5 105 fernt zu haben glauben. Oft darf man indeſſen ein Neſt nicht be⸗ ſuchen, auch die Eier, bei manchen ſogar auch das Neſt nicht beta⸗ ſten; dies koͤnnen oͤfters auch die zutraulichſten nicht leiden; ſie ver⸗ laſſen es lieber. Manche Voͤgel, welche an der Erde bruͤten, lau- fen geduckt, bei Annaͤherung der Gefahr, ſchon vom Neſte, fliegen erſt dann auf, wenn ſie ſchon eine Strecke davon weg find und ſu⸗ chen dadurch das Auffinden des Neſtes zu vereiteln oder doch zu er— ſchweren. Am eifrigſten im Bruͤten ſind ſie immer gegen das bald bevorſtehende Ausſchluͤpfen der Jungen aus den Eiern, ja manche wagen es ſogar, ohne vom Neſte zu gehen, ſich gegen ihren Feind dbu vertheidigen, andere ſitzen dagegen ſtill und erwarten was man mit ihnen macht. Ein Steinkautz ließ einſtens, in einer hohlen Weide bruͤtend, ruhig zu, daß ich ein Ei ihm unter dem Leibe ua vorholte, wobei ich, weil das Loch ziemlich enge war, ſehr ſtark mit ihm in Beruͤhrung kam, ohne zu entfliehen oder ſich fernerhin vom Ausbruͤten der übrigen Eier abhalten zu laſſen. — Mehrere Voͤgel verdecken, wenn ſie vom Neſte gehen, die Eier mit dem Neſtmaterial, das fie an der Seite deſſelben auszupfen, und verber— gen dadurch auf eine ſehr gute Art die Eier den Augen ihrer Feinde. Die Dauer der Bruͤtezeit ſteht faſt mit der Groͤße der Voͤgel im Verhaͤltniß, fo daß die kleinen weniger Zeit zum Aus⸗ brüten ihrer Eier bedürfen als die großen. Wenn daher die kleinen Singvögel nur dreizehn bis vierzehn Tage brüten, fo braucht das Rebhuhn ſchon zwanzig bis ein und zwanzig, die wilde Gans acht und zwanzig Tage, und der Schwan gar fuͤnf Wochen. — Zwar hat die Temperatur der Luft auch hierauf einigen Einfluß, doch iſt der Unterſchied ſelten ſo merklich, als er es nachher vielmehr bei Erziehung der Jungen iſt; denn dieſe kommen bei ſchoͤner Witte: rung, faſt in der Haͤlfte der Zeit, früher zum Aus fliegen, als bei anhaltend ſchlechtem Wetter. Das erſte, was ſich im bebruͤteten Eie vom Leben eines wer— denden jungen Vogels zeigt, iſt das ſich, als ein kleiner Blutfleck, ſchon bewegende Herz; nach und nach zeigt ſich auch das ganze Vo: gelchen deutlicher, es erſcheint als eine durchſichtige Gallerte mit 104 Einleitung. großem Kopf und noch groͤßern Augen; mit dem letzten Drittel der Brutzeit ſind die Eingeweide ausgebildet und die Federn zeigen ſich, es faͤngt an nach Luft zu ſchnappen und endlich kurz vor dem Aus⸗ ſchluͤpfen einen piependen Laut von ſich zu geben. Zum Durch⸗ brechen der Schale gab die Natur dem jungen Vogel ein hartes Huͤgelchen auf der Spitze des Oberſchnabels, was nachher als uns nuͤtz, bald abfaͤllt. Es wurde im Eie, theils vom Eiweiß, theils vom Dotter ernaͤhrt, und ein Theil des letztern muß, ihm im Bauche eingeſchloſſen, noch ſo lange, bis es hinlaͤngliche Speiſe durch den Mund zu ſich nehmen kann, zur Ernaͤhrung dienen, bis er ſich völlig verzehrt hat; daher die unfoͤrmlich dicken Baͤuche dieſer jungen Geſchoͤpfe, die bald ganz nackt, bald mit mehreren oder wenigern Flaumfedern, am ganzen Koͤrper oder ſtellenweis, be⸗ kleidet ſind. Dieſe zarte Bedeckung verliert ſich bei einigen bald, bei andern dauert ſie laͤnger, indem ſie von dem hervorkeimenden Gefie⸗ der nach und nach verdraͤngt wird. Dies geſchieht auf folgende Art: Die Wurzel der Flaumfeder ſitzt auf der Spitze der ordentli⸗ chen Feder feſt, wird durch das Hervorkeimen dieſer aus der Haut geſchoben und fallt erſt dann von der Spitze ab, wenn dieſe ziem= lich ausgebildet iſt. Dieſer Wechſedegeht bei einigen Arten ſchneller, bei andern langſamer. Manche jungen Voͤgel kommen auch mit geſchloſſenen Augenliedern zur Welt, die ſich erſt nach und nach oͤffnen. Alle werden, nach dem Auskriechen aus dem Ei, noch eine Zeit lang von der Mutter bebruͤtet oder durchwaͤrmt, weil nur Waͤr⸗ me ſie ſtaͤrkt und Futter nicht ſogleich nothwendig iſt, da ſie an⸗ faͤnglich noch von dem Dotter, den ſie im Leibe haben, zehren. Die Vorſehung ſorgte uͤberall weislich fuͤr die Erhaltung ihrer er⸗ ſchaffenen Weſen. Wir ſehen, wie fie in den Vogel, deſſen Sun: gen, nach ewigen Naturgeſetzen, mit nackender Haut aus dem Eie kommen und eine Zeit lang ſo bleiben muͤſſen, den Inſtinkt legte, ein warmes Neſt fuͤr dieſe zu bauen, weil ſie in dieſem ſo | lange ſitzen müffen, bis ihnen ein volftändiges Federkleid ges wachſen iſt. Andere bekleidete ſie, nach jenen unwandelbaren Geſetzen, ſchon im Ei dicht mit weichem Flaum, der ſich eben ſo Einleitung. 105 ſchnell zur erwaͤrmenden Bekleidung geftaltet, als ſich die Kraft ſich fortzubewegen in ihnen entwickelt, und ihnen das warme Neſt ent⸗ behrlich macht. Sobald ſie ſich nur unter der Mutter von der aus dem Ei mitgebrachten Feuchtigkeit abgetrocknet haben, laufen oder ſchwimmen ſie auch mit dieſer davon, und kehren nur, um bei uͤbler Witterung oder des Nachts ſich zu erwaͤrmen, unter die Flügel und Bauchfedern derſelben zuruͤck, an einem Orte, wo es dieſe gerade für gut befindet, am feltenften im Neſte ſelbſt. In Hinſicht der erſten Bekleidung unterſcheiden ſich die Jungen nach den verſchiedenen Ordnungen, in welche man die Voͤ⸗ gel theilt, ſo wie ſich dagegen die verwandter Gattungen wieder ähneln. So find z. B. die jungen Raubvogel mit wollichten wei⸗ ßen Dunen dicht bedeckt; die Eulen mit grauen; die jungen Fin⸗ ken, Ammern u. a. ſind nackt; die Tauben mit ſehr duͤnnſtehenden ſchwefelgelben Dunen; die huͤhnerartigen Voͤgel mit braun⸗ gelb⸗ und ſchwarzgeſtreiften, dichten, weichen Dunen, die Sumpfvoͤgel auf aͤhnliche Art, doch nicht ſo dicht und die jungen Enten und an⸗ dere Schwimmvoͤgel mit gelben und gruͤnlichen, auch ſchwarzen haaraͤhnlichen Dunen dicht bekleidet. | Die Ernährung der Jungen liegt bei den Voͤgeln, deren Junge im Neſte ſo lange gefuttert werden, bis ſie fliegen koͤnnen oder fluͤgge ſind, beiden Gatten ob; ſie vertheidigen ſie auch ge⸗ meinſchaftlich bei eintretenden Gefahren, oft mit Lebensgefahr, und man ſieht jetzt, wie ſehr Sorge und Arbeit fuͤr die Erhaltung und Erziehung ihrer Kinder beide Eltern beſchaͤftigt, ſo daß ſie faſt ihr eigenes Wohl daruͤber vergeſſen. Der anmuthige Geſang der Singvoͤgel, der von manchen kaum vier Wochen lang gehoͤrt wurde, verſtummt nun und an feiner Stelle ertoͤnen oft die aͤngſtlichen Kla⸗ getoͤne der um ihre Kinder beſorgten Eltern, oder die unangenehmen Stimmen lungernder Jungen. Manche werden lange im Nefte gefüt- tert, ehe ſie ausfliegen koͤnnen, und auch dann beduͤrfen viele, faſt eben fo lange noch, die Unterſtuͤtzung der Eltern. Bei ſchoͤnem Wetter gedeihen die jungen Voͤgel beſſer und weit ſchneller als bei Regen⸗ wetter, und zwar aus der einfachen Urſache: weil ſie dann unge⸗ 106 Einleitung. hindert, mit der hinreichendſten Menge von Nahrungsmitteln, weit leichter verſorgt werden koͤnnen, als bei ſchlechtem Wetter. Bei mehrere Tage anhaltendem, kaltem Regenwetter gehen daher oft viele junge Voͤgel zu Grunde, und ein naßkalter Maimonat iſt ge wiß eine mit von den Urſachen, warum es in einem Jahre weit we⸗ niger junge Voͤgel giebt, als in manchen andern. — Manche laſſen ſich lange im Neſte füttern, andere verlaſſen daſſelbe, ſobald fie nur von einem Zweige zum andern fliegen koͤnnen. Wenn ſie ſich ent⸗ deckt glauben, verlaſſen fie es auch früher, als wenn fie nicht ge⸗ ſtoͤrt werden. Wenn es denſelben Tag, als ſie das Neſt verlie⸗ ßen, ſtark und anhaltend regnet, ſo retten ſie ſich zuweilen dadurch, daß fie zum Neſte zuruͤckkehren; aber es iſt dies nur ein aͤußerſt ſel⸗ ner Fall. Die kleinen Singvoͤgel fliegen bei ſchoͤnem warmen Wet⸗ ter nach 8 bis 10 Tagen ſchon aus, ſitzen aber bei anhaltend ſchlech⸗ ter Witterung wol noch einmal ſo lange, gewoͤhnlich jedoch 12 bis 15 Tage, wenn das Wetter gemiſcht iſt, im Neſte, und werden dann noch außer demſelben eben fo lange noch gefüttert, bis fie ſich ſelbſt naͤhren koͤnnen. Oft ſieht man fie ſchon weit vom Neſte auf den Zweigen herumſitzen, wenn die Schwanzfedern kaum erſt die Haͤlfte ihrer Laͤnge erreicht haben. Junge Raubvogel und Kraͤhen ſitzen lange im Neſte, und es waͤhrt nachher bei erſtern noch eine Zeit lang, ehe ſie ſich ſelbſt ihren Raub erhaſchen lernen, wobei ſie von Seiten der Eltern noch viel Unterſtuͤtzung bedürfen und erhal⸗ ten. Ganz anders verhalten ſich aber die huͤhnerartigen, die mei: ſten Sumpf- und faſt alle Waſfervöͤgel; denn ſobald die Jungen trocken ſind und ſich einige Zeit durch die Waͤrme unter der Mutter geſtaͤrkt haben, ſo laufen oder ſchwimmen ſie mit dieſer davon und kommen ſelten, wenigſtens nur um zuweilen einmal auszuruhen oder Nachruhe darin zu halten, wieder zum Neſte. Viele machen ſich hiezu gewöhnlich eigene Ruheplaͤtze im Schilfe, Graſe und der⸗ gleichen, aber nur bei wenigen kuͤmmert ſich auch der Vater um die Erziehung ſeiner Kinder; er uͤberlaͤßt dies Geſchaͤft der Mutter allein, ſelbſt oft auch die Vertheidigung gegen ihre Feinde, indem er feigherzig flieht. Deſto mehr ſteht aber auch die Mutter mit Leib * Einleitung. 10% und Leben fuͤr ihre Kinder, ja ſie treibt dieſe Liebe, z. B. bei den Entenarten, zuweilen ſo weit, daß ſie ihr zu nahe kommende Junge anderer Mütter heftig verfolgt, ja oft toͤdtet. — Es herrſcht uͤbri—⸗ gens in der Art, die Jungen mit Speiſe zu verſehen, eine ſehr große Verſchiedenheit unter den Voͤgeln, ſo daß jede Gattung hierin ihre Eigenheiten hat. Die Falken tragen den Jungen die Speiſen in den Beinen zu, zerſtuͤckeln ſie und legen ſie ihnen zum Verſchlingen vor; die Kraͤhenarten bringen dieſelbe in der dehnba— ren Kehle und ſtecken ſie mit dem Schnabel in den der Jungen; die inſektenfreſſenden Voͤgel tragen das Futter blos im Schnabel herbei und ſtecken es den Jungen in den aufgeſperrten Rachen; die, welche ihre Jungen mit Saͤumereien auffuͤttern, quellen dieſe entweder ges huͤlſet (wie die Haͤnflinge) oder ungehuͤlſet (wie die Tauben) in ih: rem Kropfe und ſtecken ſie den Jungen erweicht in den Schnabel u. ſ. w. Auch Reinlichkeit wird von manchen hierbei beobachtet, in— dem ſie die Exkremente der Jungen weit vom Neſte wegtragen. Alle dieſe Muͤhe haben jene nicht, welchen die Jungen gleich nachlaufen und das Neſt fuͤr immer verlaſſen. Sie fuͤhren dieſe gleich an, ſich ſelbſt zu naͤhren, legen ihnen allenfalls die Speiſen vor, laſſen ſie ſich auch wol von ihnen aus dem Schnabel nehmen, oder zeigen ſie ihnen durch Picken u. dergl. an. Auch von dieſen toͤdtet üble Wit⸗ terung oft ſehr viele, doch ſchadet den jungen Waſſervoͤgeln Regen weniger als Kaͤlte, und ſie ſind auch hiergegen haͤrter als die jun⸗ gen Landvoͤgel. | Die meiſten Voͤgel machen nur eine Brut im Jahre, wenn ih: nen aber die Eier zerſtoͤrt werden, auch eine Zweite; mehrere bruͤten gewoͤhnlich zweimal. Das oͤftere Zerſtoͤren ihrer Neſter veranlaßt fie oft mehrmals ein neues Neſt zu bauen und Eier zu legen. Die: jenigen, deren Eier man zum Verſpeiſen aufſucht, ſind dieſem Uebel am meiſten ausgeſetzt, und werden oft gezwungen eine große Menge zu legen, ehe ſie wirklich bruͤten koͤnnen. Das Ende des Fruͤhlings iſt für die Voͤgel auch das Ende der Bruͤtzeit; nur unter den ges zaͤhmten giebt es Ausnahmen hievon, wie z. B. die Haustauben, 100 Einleitung wovon manche nur fo lange nicht niften, als ihre Mauſerzeit waͤhret. 4 a a | Jede Art paaret fich im freien Zuſtande nur mit ihres Gleichen und weicht von dieſer Ordnung nicht ab. So wie indeß jede Regel ihre Ausnahmen hat, ſo auch dieſe. Unter allen bis hieher bekann⸗ ten deutſchen Voͤgeln finden ſich nur zwei Arten, welche aus freiem Willen, aber nur im Nothfall, wenn von ihrer Art kein paſſendes Individuum da iſt, ſich mit einander paaren; naͤmlich die Raben⸗ kraͤhe und Nebelkraͤhe. Beide Arten gleichen ſich aber auch in allen ſo ſehr, daß ſte faſt nichts als die Farbe von einander unterſcheidet. Dieſe Baſtardbrut aͤhnelt beiden Eltern in der Farbe, pflanzt ſich auch nachher, unter ſich oder mit einer ihrer Stammart fort, und die Jungen derſelben bekommen häufig die Farben ihrer Großeltern wieder. Außer dieſen beiden Kraͤhenarten iſt mir keine bekannt, die dies ungezwungen im freien Zuſtande thaͤte. Wenn man das mitt⸗ lere Waldhuhn (Tetrao hybridus, Linn.) zu einem Baſtarde vom Auerhuhn und Birkhahn machen will, ſo irrt man ſich; denn beide angebliche Eltern ſind ſich an Groͤße und Geſtalt fo ungleich, daß es gar nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſie ungezwungen dieſen Schritt aus dem Geleiſe der Natur thun ſollten. Etwas ganz Anderes iſt es mit gezaͤhmten Voͤgeln, wenn man dem Begattungsluſtigen keinen Gatten oder Gattin ſeiner Art geben will oder kann, ihm alſo dieſe oder jene von einer andern verwandten Art beigeſellt, ſo daß da⸗ durch Baſtardbruten entſtehen. Wie unnatuͤrlich aber ſolche Ehen ſind, beweiſen die Früchte derſelben; denn die Nachkommenſchaft iſt gewoͤhnlich nicht faͤhig ſich fortzupflanzen. Nur ſehr aͤhnliche Arten einer Gattung koͤnnen fruchtbare Baſtarden erzeugen; bei ſo abweichenden Arten aber, wie z. B. bei Haushuͤhnern und Enten, iſt ſchon die Begattung immer unfruchtbar. Faſt alle Voͤgel erlangen noch im erſten Jahre ihre Mannbar⸗ r keit, doch iſt es noch nicht voͤllig ausgemacht, ob man dies nicht durchgaͤngig von allen annehmen kann. Da bei manchen jungen Voͤgeln mehr als ein Jahr vergeht, ehe ſie die Farben des Gefieders und andere Auszeichnungen der Alten ihrer Art bekommen, und Einleitung ". 109 man ſie in der Brutzeit oft ungepaart herumſtreichen ſieht, ſo iſt es i von dieſen wenigſtens wahrſcheinlich, daß ſie im erſten Jahre ſich nicht fortpflanzen, z. B. einige Meven und Taucher. — Man findet unter den Eiern und Jungen der domeſticirten Voͤ gel oft Mißgeburten. Die zuerſt und zuletzt gelegten Eier ſind ge⸗ woͤhnlich viel kleiner; aber auch Eier mit einem doppelten oder zwei Dottern ſind nicht ſelten. Aus dieſen kommen gewoͤhnlich zwei junge Voͤgel, die haͤufig zuſammengewachſen ſind. Mißgeburten mit fehlenden oder doppelten Gliedmaßen ſind nicht ſelten, ſeltener aber die mit verſetzten Gliedern. Haͤufig kommen die am Schna— bel, an den Fuͤßen oder den Fluͤgeln verkruͤppelten vor. Bei wil⸗ den Voͤgeln gehoͤrt indeſſen dies alles zu den groͤßten Seltenheiten. Wenn mit Ausgang des Fruͤhlings die Fortpflanzungszeit ſich ihrem Ende nähert, fo verſtummen nach und nach die ſchoͤnen Ges ſaͤnge der Singvoͤgel, Luſt und Freude verwandeln ſich in Angſt und Sorgen fuͤr die Fruͤchte des Eheſtandes. Man hoͤrt das klaͤg— liche Angſtgeſchrei der Eltern, wenn man ſich dem Neſte oder dem Orte naͤhert, wo ſich die Jungen aufhalten, welche ſie auch endlich, ſobald fie ſich allein zu ernähren im Stande ſind, ſich ſelbſt überlaf- ſen. Jetzt heißt es: Gute Nacht Eheſtand. Die Geſellſchaft, der Umgang mit dem andern Geſchlecht, wird ihnen gleichgliltig, die Ehen trennen ſich, wol nicht fuͤr immer, doch auf eine lange Zeit. Wenige Voͤgel bleiben Jahr aus Jahr ein gepaart; aber man kann mit vieler Wahrſcheinlichkeit von den uͤbrigen annehmen, daß fich alle Paͤrchen, von denen nicht einer der Gatten in der Zwiſchenzeit verunglückte, gegen das Frühjahr wieder zuſammen finden, alfo das Maͤnnchen daſſelbe Weibchen wieder bekoͤmmt, mit dem es ſich im vorigen Jahre gepaart hatte. — Mit der Eheſcheidung tritt fuͤr die meiſten Voͤgel eine traurige Zeit, die traurigſte im ganzen Jahr, die Mauſerzeit ein. Die Mauſer, das Mauſtern oder Rauhen bezeichnet einen gewiſſermaßen krankhaften Zuſtand bei den Voͤgeln, waͤhrend wel— chen fie ihre alten Federn verlieren und an deren Stelle neue be— kommen. Dieſer Zuſtand tritt bei allen Voͤgeln alljaͤhrlich wenig⸗ * 1:0 Einleitung ſtens einmal, bei vielen aber auch zweimal ein, fie vertauſchen alfo ihr altes Kleid, alle Jahr mit einem neuen, oder wechſeln es zwei— mal. Dieſer Wechſel iſt ihnen ſehr nothwendig und zur Erhaltung ihrer Geſundheit unentbehrlich; denn das Gefieder nutzt ſich binnen einem Jahr, oder bei vielen in der Haͤlfte dieſer Zeit, ſo ab, daß es unmöglich feinen Zweck noch laͤnger würde erfüllen koͤnnen. Es wird gleichſam reif zum Abfallen, indem das Aeußere der Feder durch Luft, Sonne, Staub, durch Reibungen und vielerlei andere Urſachen, ſich abnutzt, der innere Zufluß ernaͤhrender Saͤfte durch das Vertrocknen ihrer Kanaͤle aufhört, und die aus der Haut herz vorkeimende junge Feder, die alte abſtoͤßt. j Die Zeit der Mauſer fällt bei den meiften in den Monat Juli, bei einigen noch etwas fruͤher, bei vielen wieder ſpaͤter, ja bei einigen gar in den Winter, den dieſe aber in waͤrmern Laͤndern zubringen, folglich ſich auch nicht bei uns mauſern koͤnnen. Hieher gehoͤren unſer Pirol, der graue Fliegenfaͤnger, die Schwalben und andere Sommervoͤgel, die erſt im Mai zu uns kommen und uns im Auguſt ſchon wieder verlaſſen. Bei vielen Raubvoͤgeln, den Kraͤ— henarten, den Droſſeln, Saͤngern, Tauben, Waldhuͤhnern und andern mehr, welche ſich nur einmal mauſern, geſchieht es im Juli und Auguſt. Sie legen jetzt den Hochzeitſchmuck ab und zie⸗ hen ein neues, das Reiſekleid, dafür an. Ihr ganzes Weſen hat ſich geaͤndert, die Geſaͤnge der kleinen Waldvoͤgel verſtummen, ſo wie der Begattungstrieb in ihnen erliſcht; ſie ſind ſtill und traurig, leiden auch wol Schmerzen, oder das Durchbrechen neuer Federn verurſacht ihnen wenigſtens Jucken in der Haut. Man ſieht fie da- her immer in dem Gefieder herumſtoͤhren, die Federn von den aus der Haut mitgebrachten Huͤlſen reinigen, und ſich bald mit dem Schnabel bald mit den Fuͤßen kratzen u. ſ. w. Aber alle alten Fe⸗ dern fallen nicht auf einmal, ſondern nach und nach aus, jedoch bei manchen ſchneller, bei andern langſamer. Wenn manche in zwei bis drei Wochen voͤllig damit fertig ſind, wie z. B. die Graugaͤnſe; fo mauſern ſich manche, z. B. die Spechte, kaum in fo viel Mona- ten aus. Die nordiſchen Voͤgel, d. h. ſolche die, wie der Seiden⸗ Einleitung. 111 ſchwanz und der Flachszeiſig, eigentlich den Norden bewohnen, und nur im Winter als Zugvoͤgel zu uns kommen, mauſern ſich einen Monat fpäter, als ihre bei uns einheimiſchen Verwandten. Jene Bemerkung, daß die Federn bei der Mauſer nach und nach ausfal⸗ len, gilt beſonders auch bei den Schwanz- und Fluͤgelfedern; aber die Natur beobachtet auch hiebei eine gewiſſe Ordnung und feſte Regeln; denn mit derſelben Feder, die auf der einen Seite des Schwanzes oder des einen Flügels ausfaͤllt, faͤllt gerade auch die an der naͤmlichen Stelle auf der andern Seite zugleich aus. Ge⸗ woͤhnlich verlieren ſie erſt daun ein zweites Paar, wenn die neuen Federn des vorher ausgefallenen ihren Wachsthum faſt beendigt ha- ben, und ihnen dadurch der Flug, wol etwas erſchwert, doch nicht ganz unterſagt werden kann. Nur wenige, von den ſich ſchnell⸗ mauſernden, machen hievon eine Ausnahme, wie z. B. die wilden Gaͤnſe und Enten, die deswegen einige Zeit gar nicht fliegen koͤn⸗ nen. Sie wiſſen dies, wiſſen welchen Gefahren ſie dadurch in die⸗ ſer Zeit ausgeſetzt find, recht gut, und füchen ſich daher fichere Schlupfwinkel aus, um die Mauſer hier in Ruhe vollbringen zu koͤnnen. Alle ſind zu Anfang der Mauſerzeit beſonders ſehr traurig und haben ſchlechten Appetit; allein bald findet ſich dieſer wieder und ſie freſſen gegen das Ende derſelben außerordentlich viel; aber der große Aufwand an Kraͤften zum Anwuchs neuer Federn laͤßt dennoch nicht zu, daß fie fett würden, fie magern dabei vielmehr ſehr ab und koͤnnen ſich nachher nicht ſobald erſt wieder erholen. Obſchon die Sommervoͤgel, welche im Mai erſt zu uns kom⸗ men und im Auguſt ſchon wegziehen, wie ſchon bemerkt, ſich in ih⸗ rer Abweſenheit mauſern, ſo verlieren dennoch ihre Jungen, ſobald ſie voͤllig erwachſen ſind, ihre erſten Federn, bis auf die Schwing⸗ und Schwanzfedern, und vertauſchen ſie mit neuen dauerhaftern; denn jene erften Federn find nicht allein kleiner, ſondern auch von ſo ſchlechter Beſchaffenheit, daß ſie nur wenig Dauer verſprechen. Dies iſt bei vielen Voͤgeln der Fall, aber viel andere Arten behal⸗ ten dagegen auch ihre erſten Federn und wechſeln dieſe erſt dann, % 112 Einleitung. wenn ſich ihre Eltern mauſern. So tragen manche ihr Jugendkleid über ein ganzes Jahr. f Diejenigen, welche einer zweifachen Mauſer in einem Jahr unterworfen ſind, leiden, einige Ausnahmen abgerechnet, weniger bei dem Federwechſel, weil er größtentheils langſamer von Statten geht, und mauſern ſich ſo das einemal im Sommer, das andere im Winter, und bringen jedesmal uͤber einen Monat damit zu. Bei den Strand- und Waſſerlaͤufern, Regenpfeifern „einigen Meerſchwalben und vielen andern, faͤllt die erſte Mauſer in den Auguſt und September, die zweite in den Januar und Februar, wo fie in gelindern Climaten überwintern. Doch mauſern ſich eis nige Voͤgel fruͤher, andere derſelben Art wieder ſpaͤter, wovon aber die Urſachen nicht ſo leicht mit Gewißheit angegeben werden koͤnnen. Vielleicht daß das Alter Einfluß hierauf hat, und ſich ſpaͤt im Früh: jahr ausgebrütete Vögel, ſogenannte Spaͤtlinge, nachher auch um deſto ſpaͤter mauſern. Man trifft von einigen, z. B. von Limosa Meyeri, zuweilen im Mai des andern Jahres Junge, welche das Jugendkleid noch tragen, auch Alte, welche noch im reinen Winter: kleide ſind, zu Anfang Auguſts Vögel, welche noch im vollen Wech— ſel des alten Winterkleides mit dem neuen Sommerkleide, was man nun nicht mehr Hochzeitskleid nennen kann, begriffen ſind. Vom Totanus calidris iſt es gewiß, daß ſich recht alte Voͤgel um Mo- nate fruͤher mauſern als die jungen. Auch die Jungen der mehre⸗ ſten dieſer doppeltmauſernden Arten ſind einer zwiefachen Mauſer unterworfen. Die meiſten Arten der wilden Enten beſtehen eben— falls eine doppelte Mauſer, fangen mit der erſten, die viel ſchneller als die zweite von Statten geht, aber ſchon im Juni an und ſind mit der andern ſchon im November und December fertig. Die neuen Federn, die ſie durch die Mauſer erhalten, haben, gegen die alten gehalten, ein ganz anderes Anſehen; ſie ſind in allen ihren Theilen noch vollſtaͤndig, nicht abgerieben und nicht ver⸗ ſtoßen, ihre Farben ſehen weit friſcher, und die Raͤnder der Federn groͤßtentheils anders aus, als man ſie gegen die Mauſer hin findet, wo ſie ſich durch den beſtaͤndigen Gebrauch abgenutzt und die Wit⸗ Einleitung. 113 terung und andere Urſachen ihre Farben ausgebleicht haben. Die mehreſten Voͤgel ſehen im Fruͤhjahr weit ſchoͤner aus, als im Herbſt gleich nach der Mauſer, und dies aus dem Grunde, weil alle jun: gen Federn einen andern gefaͤrbten Rand haben, der ſich nach und nach abnutzt, ſo daß ſie, bei ihrer Wiederkehr im Fruͤhlinge nun in einem zum Theil ganz anders gefaͤrbten Gewande erſcheinen. Sieht man z. B. das alte Maͤnnchen des Gartenrothſchwaͤnzchens gleich nach der Mauſer im Auguſt, ſo wird man auf den erſten Blick kaum einigen Unterſchied der Farben mit denen ſeines Weibchens finden, unterſucht man es aber genauer, ſo finden ſich alle ſeine ſchoͤnen Farben, die es im Fruͤhlinge ſchmuͤcken, unter den oben braun⸗ grauen, unten weißlichen, Federraͤndern verſteckt. So haben die meiſten Stirnfedern, die aſchblauen Nacken- und Oberruͤckenfedern breite braungraue Saͤume, die ſchwarzen Federn der Kehle und die ſchoͤn roſtrothen der Bruſt breite weiße Raͤnder. Dieſe Raͤnder decken jene ſchoͤnen Farben faſt ganz, aber im Fruͤhjahr ſind ſie abgerie— ben und die Farben ſtehen rein da. Wenn ſich die Federn bis auf einen gewiſſen Punkt abgenutzt haben, ſo ſind ſie am ſchoͤnſten; werden fie aber nun gegen die Mauſer hin, durch den Gebrauch, im⸗ mer mehr abgerieben, ſo werden ſie ſchlechter und der Vogel wird zuletzt unanſehnlicher, weil es beſonders bei manchen ſo arg wird, daß der dunenartige untere Theil der Federn ſichtbar wird. Der Kiel der Feder kann aber hier mit dem Barte derſelben nicht glei⸗ chen Schritt halten, weil er den Reibungen, ſeiner Staͤrke wegen, mehr Widerſtand leiſtet; er ſteht daher bei vielen Voͤgeln, beſon— ders an den Kopffedern, faſt zur Hälfte ohne Bart da und tritt haaraͤhnlich vor. Auf dieſe Weiſe erklaͤrt ſich nun die Verſchieden⸗ heit in dem Herbſt⸗ und Fruͤhlings- oder Hochzeitkleide, oder wie es einige nennen im Winter- und Sommerkleide, bei den Voͤgeln, die ſich nur einmal im Jahr mauſern und doch in Hinſicht der Farben und Zeichnungen vom Herbſt und Fruͤhjahr fo ſehr unterſchieden ſind. Haͤnflinge, Finken und manche andere kleinen Voͤgel koͤnnen hier als Beiſpiel angefuͤhrt werden, und wer ſich die Mühe nehmen will, wird das Geſagte auch am Hausſper 8 114 Einleitung. lingsmaͤnnchen beſtaͤtigt ſinden und das ſtufenweiſe Abnutzen der anders gefaͤrbten Federraͤnder genau beobachten koͤnnen, wenn er vom Auguſt an, alle Monate, bis im April immer ein Hausfperlings- maͤnnchen, um dies an ihm unterſuchen zu koͤnnen, toͤdtet. So und nicht anders geht es bei allen den Voͤgeln, welche ſich nur ein⸗ mal im Jahr mauſern und bei welchen dennoch das Hochzeitkleid ſo ſehr vom Herbſtkleide unterſchieden iſt. Die Federn ſind gleich ſo gefaͤrbt und aͤndern ſich gegen das Fruͤhjahr nicht etwa, wie oft die Beine und Schnaͤbel, und wie man ſonſt wol glaubte, ihre Farben; blos matter, unanſehnlicher oder blaͤſſer werden fie durch den Ein⸗ fluß des Lichts und dergleichen, aber nie ſchoͤner; denn die ſchoͤnen Farben ſind immer gleich da und ſtecken nur unter ſchlechtgefaͤrbten Raͤndern, welche ſich nach und nach abnutzen. Dadurch verlieren dann die Federn merklich am Umfange. Bei groͤßern Voͤgeln fallt dies noch mehr in die Augen, als bei kleinern; man ſieht hier wie die Federn nicht nur an Groͤße, ſondern auch der Geſtalt ihres Umfanges nach, verlieren, wie aus ſehr runden Federn, ſehr ſpitzige werden koͤnnen, weil die Federſchaͤfte den Reibungen mehr wider— ſtehen und alſo auch den Baͤrten der Federn mit zum Schutze dienen. Man betrachte z. B. die Rohrweihe gleich nach der Mauſer im September und ſehe denſelben Vogel im April wieder. Kaum wird man zugeben, daß beides ein und derſelbe Vogel ſey, noch vielweniger aber glauben wollen, daß es noch das— ſelbe Gefieder vom Herbſte her ſey, ſo außerordentlich hat er ſich verwandelt. Alle jungen Federn ſind abgerundet, am Kopfe dun— kel roſtgelb, am Körper dunkel chokoladebraun. Im Fruͤhjahr iſt dagegen ihre Form die ſcharf zugeſpitzte geworden, an den Kopffe— dern ſind die dunkelroſtgelben Raͤnder weg, ſie erſcheinen gelblich weiß und die ſchwarzen Schaftſtriche find ſichtbar geworden; das dun— Ele chokoladefarbige Braun iſt in helles Kaffeebraun abgeſchoſſen, die roſtgelben Endſaͤume find verſchwunden; am Vorderhalſe kommen, da der Umfang der Federn ſich durch das Abreiben vermindert hat, die weißen Wurzeln zum Vorſchein, u. ſ. w. Einleitung. 115 Es iſt bekannt, daß der Aufenthalt der Voͤgel oder die ſie in der Nähe umgebenden Gegenſtaͤnde mehr oder weniger dazu geeignet ſind, das Gefieder ſchneller oder langſamer abzunutzen. Auch iſt es erwieſen, daß ſelbſt die Hitze einen ſehr großen Einfluß auf die Dauer der Federn hat, und daß ſich dieſe unter einem ſuͤdlichen Himmel mehr und ſchneller abſchaben als in einem kaͤltern Klima; wie ein Vergleich der in Italien lebenden S. Stapazina mit unſrer 8. Phoenicurus nach ihren Kleidern in den verſchiedenen Jahreszei⸗ ten bald beweiſen wird. Selbſt manche Farben widerſtehen den Reibungen mehr als andere an denſelben Federn vorkommende, und man ſieht nicht ſelten die hellen Binden in den Schwanzfedern mancher Raubvoͤgel ganz abgeſchabt, waͤhrend die daran graͤnzenden dunkeln ſich ungleich beffer erhalten haben; ſo daß, wenn der Bart an dieſen noch voͤllig zuſammen haͤngt, man an jenen Stellen wie durch ein Gitter hindurch blicken kann. Der Rand der Ruͤckenfedern vieler Strandvoͤgel wird dadurch ausgezackt, weil die dreieckigen lichten Randflecke ſich abreiben und ſammt dem Bart berſchwin⸗ den. — Das regelmaͤßige Abreiben der Federraͤnder und die dadurch hervorgebrachten Farbenveraͤnderungen koͤnnen aber nur im freien Zuſtande des Vogels ordentlich vor ſich gehen. Weit weniger ge: ſchiehet es in der Gefangenſchaft, wo dem Vogel nur zu viel von dem entzogen iſt, was ſie bewirkt und hervorbringt; ja wir bemer⸗ ken ſogar, daß manche Farben gar nicht wieder kommen, wie z. B. die rothe am maͤnnlichen Haͤnfling. Das hochzeitliche Kleid entſteht alſo auf zweierlei Weiſe, einmal naͤmlich durch das Abreiben der Federraͤnder des Herbſtkleides, und das andere Mal bei vielen Arten durch eine dop⸗ pelte Mauſer oder einen nochmaligen Federwechſel. Aber es finden ſich auch welche, die ſich nur einmal mauſern, deren Hochzeitkleid ſich aber noch durch einem beſondern Schmuck auszeichnet, der erſt gegen die Begattungszeit hervortritt, und ſich nach derſelben auch bald wieder verliert. Beim Kormoran brechen z. B. gegen das Fruͤhjahr zwiſchen den gewoͤhnlichen Kopf- und Halsfedern einzel⸗ 1% Einleitung. ne, uber den Schenkeln aber ein ganzer Klumpen, ſchneeweißer, ſeidenartiger, zarter Federn hervor, die ſchon nach der Begattungs⸗ zeit ſich nach und nach verlieren, und kaum bis zur wahren Mauſer dauern. So bricht auch die ſchoͤne Zierde der maͤnnlichen Streit⸗ ſchnepfe, der große Federkragen, erſt gegen die Begattungszeit her— vor und fällt mit Ende dieſer ſchon wieder aus. Bei den ſich zweimal im Jahre mauſernden Voͤgeln beſteht das hochzeitliche Kleid wirklich aus andern Federn, als das Reiſekleid; es prangt groͤßtentheils mit weit ſchoͤnern Farben, wogegen das letztere, immer unanſehnlichere, ſehr abſticht. Bei vielen iſt die Ver ſchiedenheit der Farben beider anßerordentlich, bei einigen nicht ſo auffallend. So wird man an den beiden Kleidern der Linneiſchen Tringa ochropus eben keinen ſehr auffallenden Unterſchied finden; bei dem Phalaropus rufus Bechſteins dagegen bemerken, daß bei⸗ nahe keine einzige Farbe vom Winterkleide auch am Sommerkleide zu ſehen iſt; denn dies iſt ſchoͤn roſtroth, am Ruͤcken ſchwarz mit orangefarbnen Federeinfaſſungen; da hingegen jenes von oben her ſchoͤn aſchblau, von unten weiß iſt. — Wie ſehr die jaͤhrlich doppelte Mauſer das Studium der Na: turgeſchichte dieſer Voͤgel erſchwert hat, iſt bekannt. Ehe man dieſen zweimaligen Federwechſel kennen lernte, wußte man ſich ſo manche Erſcheinung nicht zu erklaͤren, und es entſtand eine Ver⸗ wirrung in den Beſchreibungen, daß man ſich kaum durch zu arbei⸗ ten im Stande war. Ein und derſelbe Vogel war oft, nach den verſchiedenen Kleidern, in ſo viel verſchiedene Arten getheilt und ſo in naturhiſtoriſchen Werken aufgefuͤhrt. Zu den Verſchiedenheiten des zweifachen Kleides vieler Voͤgel, kommt nun bei vielen noch ein ganz anders ausſehendes, alſo ein drittes, das SugendEleid iwas die jungen Voͤgel erſt im Herbſt ablegen, mit dem Winterkleide vertauſchen, und dies im Fruͤhjahr wieder mit dem Sommerkleide wechſeln. Da fie das Winterkleid ſpaͤter als die alten Vögel an⸗ ziehen, ſo erſcheint dann auch das Sommerkleid ſpaͤter. Eben da— her kommt es, daß man jene Arten faſt zu allen Jahreszeiten in der Einleitung 117 Mauſer antrifft. Hierher gehören z. B. Totanus Calidris, Trin- ga alpina und viele andere. Sind es Junge ſpaͤter Bruten, fo maus ſern ſie oft vor dem zurückgelegten erſten Jahr in keiner Mauſer ordentlich aus, wie man an der gemeinen Meve (Larus ridibundus) ; fehr oft bemerkt. Will man z. B. von dieſem Vogel alle Haupt⸗ verſchiedenheiten in den Farben und der Zeichnung des Gefieders ae ſo ſind es nicht weniger als folgende fuͤnfe: 1) Junger Vogel vor der erſten Herbſtmauſer; 20 junger Herbſtvogel, nach dieſer Mauſer; 3) junger Fruͤhlingsvogel nach der zweiten Mauſer; 4) Vollkommener Herbſtvogel nach der dritten, und endlich 5) Vollkommener alter Frühlingsvogel nach der vierten Mauſer. So wie es bei dieſer iſt, fo ift es noch bei mehreren Meven⸗ arten und andern Voͤgeln; ja manche bekommen das beſtaͤndige Kleid erſt nach mehrmaligen Mauſern, und nach mehreren zuruͤck⸗ gelegten Jahren. Noch iſt als allgemeine Regel zu Hemer e daß ſich bei allen Voͤgeln, welche einer doppelten Mauſer unterworfen ſind, die Schwing- und Schwanzfedern nicht zweimal verjüngen, daher man den Federwechſel in welchem dies geſchieht, namlich in welchem fie das Herbſt- oder Winterkleid anlegen, die Hauptmauſer nennen kann. Bei den meiſten Entenarten und vielen andern iſt dies ſo. Die mittlern Schwanzfedern ſind jedoch von dieſer Regel ausge⸗ ſchloſſen, fie erneuen ſich, wie das uͤbrige Gefieder, zweimal. Nicht allein das Gefieder erneuet ſich bei der Mauſer, ſondern auch das Oberhaͤutchen an den Fuͤßen, an dem Schnabel und andern kahlen Theilen. An den letztern und am Schnabel, beſonders an der Wachshaut der Naubvögel, loͤſet es ſich in Geſtalt eines kleie⸗ artigen, ſchaͤbigen Weſens in kleinen Theilchen nach und nach ab; an den Beinen wird es aber bemerkbarer, weil ſich hier groͤßere Stuͤcken, oft das ganze Oberhaͤutchen eines einzelnen Schildes oder Taͤfelchens auf einmal, abloͤſen. Bei groͤßern Landvoͤgeln, z. B. bei den Raubvoͤgeln, laͤßt ſich dies am beſten beobachten, bei Waſſer⸗ 118 Einleitung, voͤgeln aber deswegen nicht fo gut, weil ihre Schnaͤbel und Fuͤße immer naß ſind und jenes in ein ſtaubichtes Weſen ſich verwandelnde Oberhaͤutchen, fobald ſich etwas davon abloͤſet, vom Waſſer abge⸗ ſpuͤhlt wird. Die Farbe der Schnaͤbel und Beine wird faſt bei allen Voͤgeln gegen das Fruͤhjahr hin lebhafter, bei vielen aͤndert ſie ſich aber ganz. So haben die meiſten jungen Vögel anders gefaͤrbte Schnaͤ⸗ bel und Beine als die Alten und bekommen die ſtaͤten Farben erſt nach Verlauf eines gewiſſen Zeitraumes. Auch von der Farbe der Regenbogenhaut im Auge (Iris) gilt daſſelbe. Sie erhalt ſehr haͤufig erſt nach mehreren Jahren ihre ſtaͤte Farbe. Wenn bei vielen Schnaͤbel und Beine zur Begattungszeit viel ſchoͤner gefärbt werden, ſo dehnt ſich dies bei manchen auch noch auf andere nackte Theile aus. So werden dann z. B. die warzigen kahlen Augen⸗ braunen der Waldhuͤhner groͤßer und die aufgeſchwollenen Warzen derſelben viel roͤther. Bei manchen kommen ſogar Theile zum Vorſchein, die man außer dieſer Zeit nicht ſieht. Die Warzen im Geſicht der männlichen Streitſchnepfe keimen z. B. erſt im Frühjahr hervor und verſchwinden, ſo wie die Begattungszeit ſich endigt. Nun ein paar Worte uͤber die Dauer der Farben: Alle Farben am Gefieder der Voͤgel ſind bald mehr bald weniger dem Verbleichen ausgeſetzt und ſehen daher vor der Mauſer, wenn ſie gleichſam zum Abfallen reif ſind, oft ganz anders aus, als da, wo ſie noch neu ſind. Ein dunkles Roͤthlichſchwarzbraun bleicht z. B. gewoͤhnlich zu einem matten ſchmutzigen Braun aus; ein ſchoͤn glaͤnzendes Schwarz, wird Rauchſchwarz; ſchoͤnes Aſchgrau wird Fahl; fehönes Roſtroth, Roſtfarben, u. ſ. w. Doch find die lich: ten Farben der Veraͤnderung noch mehr ausgeſetzt, und haufig ſchwinden die roſtgelben, die roſtroͤthlichen und andere ſchwachen Farbenanſtriche ganz und wandeln ſich in Weiß um. Die ſchoͤne roſtroͤthliche Bruſt des jungen Taubenhabichts wird gegen die Mauſer hin faſt ganz weiß, ſo auch die des jungen Wanderfalken, der 1 Kopf der Rohrweihe weiß, und ſo giebt es gar viele Voͤgel, die, wie bereits oben geſagt wurde, gegen die Mauſer hin ernten gs 119 ein fo abgeſchoſſenes Kleid tragen, daß man kaum glauben follte, daß es noch daſſelbe war, was man gleich nach der Mauſer in ſei— ner Vollkommenheit an ihnen kennen lernte. Wenn dies aber am lebenden Vogel ſo auffallend iſt, ſo darf es uns nicht wundern, wenn wir es auch am todten, beſonders am ausgeſtopften und ausgetrod= neten Balge bemerken. Manche zarten Farbenanfluͤge verſchwinden ſogleich mit dem Leben des Vogels; manche halten ſich zwar laͤnger, aber alle Farben leiden, beſonders am ausgeſtopften, bei ſchlechter Aufbewahrung, ſo, daß ſie zuletzt ganz unkenntlich werden. So ſchwindet der aſchblaue Anflug am Mantel des alten Taubenhabichts ſehr bald, und dieſer verwandelt ſich in ein duͤſtres Graubraun. Je aͤlter das ausgeſtopfte Exemplar wird, je brauner wird es, beſonders wenn es frei aufgeſtellt und dem Tageslichte zu ſehr aus— geſetzt iſt. Beim alten Sperber ift es wieder nicht ſo auffallend; aber man ſieht daraus, daß man im Entwerfen von Zeichnungen und Beſchreibungen nach Kabinersſtuͤcken nicht vorſichtig genug ſeyn kann. Manche zarten Farben verſchwinden nach dem Tode ſo ganz und gar, daß auch keine Spur von ihnen übrig bleibt. Zum Bei: ſpiel kann hier der Nachtreiher dienen. Das angenehme ſanfte Gelb (die ſchoͤne Farbe des Schwefels) womit im Leben, beſonders am alten Männchen, alle untern Theile uͤberflogen find, verfchwin- det, wenn der Vogel eine Zeit lang todt iſt und verwandelt ſich am ausgeſtopften in Weiß. Auch iſt die aſchgraue Farbe an dieſem Vogel, wie am gemeinen Reiher, im Leben wie mit einem blauen Duft uͤberflogen, welcher bei ausgeſtopften auch gaͤnzlich verſchwin⸗ det. Eben ſo leicht vergaͤnglich iſt die herrliche, ſanfte Roſenfarbe, die man an einigen Waſſervoͤgeln z. B. am Unterleibe der gemeinen Meve und der Kentiſchen Meerſchwalbe zuweilen bemerkt. — Dieſe zarten Farbenanfluͤge, die gleichſam nur wie ein ſanfter Hauch uͤber das Gefieder mancher Voͤgel verbreitet ſind, haben wol ihr Daſeyn oft nur beſondern Urſachen zu verdanken; indem ſie in der Fettig⸗ keit, welche die Federn beim lebenden Vogel, vor dem Naßwerden ſchuͤtzt, ihren Sitz zu haben ſcheinen. Hier die Belege fuͤr dieſe Meinung. Wir bemerken z. B. die gelbe oder gelbrothe Farbe in 120 -E iun.heistin,n ge blaffer Anlage am Unterleibe vieler Waſſervögel; hebt man die Federn etwas auf, ſo findet man ihre Wurzeln dunkler, und die Dunen am dunkelſten von dieſer Farbe, und endlich ſehen wir, daß das Fett des Vogels dieſelbe Farbe, aber noch dunkler hat. Es iſt daher hoͤchſt wahrſcheinlich, daß das Fett in die Federn geht und dieſe färbt, ſelbſt in dem Maaße als es vorhanden iſt. — Der große Saͤger (Mergus merganser) diene hier zum Beiſpiel. An ihm bemerkte ich jederzeit, daß die am fetteſten waren, welche die ſo angenehme Aurorafarbe am dunkelſten und ſchoͤnſten aufzuweiſen harten; dagegen magere Voͤgel dieſer Art am blaͤſſeſten ausſahen. Ein ganz abgezehrtes Exemplar, was mir lebendig uͤberbracht wurde, hatte kaum noch eine ſchwache Spur von dieſer ſchoͤnen flüchtigen Farbe, und nach dem Tode verſchwand fie vollends ganz und-gar. — Daß ſelbſt die Nahrungsmittel Einfluß auf die Farbe des Fettes haben, halte ich fuͤr ausgemacht; durch den haͤufigen Genuß der Fiſche entſteht z. B. ein ſehr rothgelbes Fett, deſſen Farbe um ſo mehr erhoͤhet wird, je weniger ſich der Vogel darneben noch andrer Dinge zur Nahrung bedient. Dieſe meine Meinung erhielt durch folgende Beobachtung vällige Gewißheit: In dem trocknen Som— mer 1811 wo das Waſſer in den Teichen bei meinem Wohnorte bis auf wenige Pfuͤtzen vertrocknete, in dieſen ſich aber eine große Menge kleiner Fiſche zuſammen gezogen hatte, ſahe ich meine zahmen Enten taͤglich mit Fiſchfangen beſchaͤftigt und daran ſoviel Geſchmack finden, daß ſie einige Wochen lang faſt nichts als Fiſche fraßen. Sie befanden ſich nicht nur außerordentlich wohl dabei, ſondern wurden auch ſehr fett davon; aber das Fett ſah nicht gelb, wie ge— woͤhnlich, ſondern gelbroth aus. Es hatte ſich in die Federn gezo— gen, die ſonſt ſchneeweißen Enten bekamen nun nach und nach mit ſchoͤner Aurorafarbe uͤberflogene Baͤuche und Brite, und ihr Fleiſch ſchmeckte gerade wie das von wilden Enten. Als die Fiſche alle wurden, ſo verlor ſich auch der ſogenannte wilderige Geſchmack, die gelbrothe Farbe des Fettes hatte ſich wieder in die gewoͤhnliche verwandelt, und die Baͤuche waren wieder ſchneeweiß. — Einleitung. 121 Wie verſchieden dit Farben des Gefieders einer Art ſind, wenn man mehrere Individuen derſelben mit einander vergleicht, erhellt ſchon aus dem oben Geſagten. Dazu koͤmmt nun noch, daß bei vielen Arten die Maͤnnchen ganz anders als die Weibchen gefaͤrbt ſind, welches bei manchen fuͤr das ganze Jahr und, wenn ſie ein gewiſſes Alter erreicht haben, fuͤr ihre ganze Lebenszeit dauert; bei andern nur waͤhrend der Begattungszeit ſtatt findet; und bei noch andern ſo vielfaͤltig iſt, daß ſich Maͤnnchen und Weibchen in der Jugend, ſowol unter ſich, als von den alten Voͤgeln ihrer Art, und dieſe wieder nach dem Geſchlecht unter ſich, auffallend unterſcheiden. Unſre Kreuzſchnaͤbel dienen zum Beleg dieſer Bemerkungen; hier ſehen ſogar die Maͤnnchen im in Lebensjahr ſchoͤner aus, als die alten Maͤnnchen. \ = Es erſcheinen auch unter den Voͤgeln ſo manche Ausartungen (Spielarten, Varietaͤten) die naͤmlich nicht in der Regel ſind, alſo weder zu den Alters-Geſchlechts- noch Jahreszeitsverſchiedenheiten gezahlt werden durfen. Die ganze Bekleidung des Vogels hat entweder ihre eigentliche Farben, nur in ſehr blaſſer Anlage, fo daß ſie im Ganzen weißlich, gelblich oder blaß iſabellfarben erſcheint, oder das ganze Gefieder iſt rein weiß, in welchem Falle Schnabel, Beine und Regenbogen im Auge gewoͤhnlich fleiſchfarben und die Pupille roth iſt. Dieſe werden vorzuͤglich unter der Benennung: Albinos oder Kakerlaken, bezeichnet, und man haͤlt allgemein dafuͤr, daß ſie ſchwaͤchliche Kinder ſchwaͤchlicher Eltern ſind ob man ſie gleichwol mehrentheils nur einzeln unter andern gewoͤhn— lich gefaͤrbten Jungen in einem Neſte oder Gehecke antrifft. Nicht ſo zaͤrtlich als bei dieſen ſcheint die Leibeskonſtitution derjenigen weißen Ausartungen, die keine rothen Augen haben, und diejenigen, an welchen nur einzelne Theile des Koͤrpers mit weißen Federn be— kleidet find, nämlich die weiß gefleckten Voͤgel. Daß jedoch immer ein gewiſſer Grad von Schwaͤche auch hier die Urſache ſeyn muß, beweiſt der Umſtand, daß wenn man einzelne Federn oͤfter hinter einander ausrupft, endlich weiße an ihrer Stelle hervorkei⸗ men. Die weiß: oder weißgeflecktgebohrnen Vögel, bleiben ims 122 Einleitung. mer ſo, ihre Farbe verändert ſich nicht nach dem Mauſern; dage⸗ gen die, welche durch Zufall an einigen Theilen weiß wurden, bei der Mauſer ihre gewoͤhnlich gefaͤrbten Federn wieder bekommen. — Welche Urſachen alle zum Hervorbringen weißer Federn beitragen können, iſt zur Zeit noch nicht bekannt. Hier ein merkwuͤrdiges Beiſpiel: Ich hatte eine am Mauſern ſehr kranke Wachholderdroſſel, gerade als ich das Kaͤmmerchen, in welchem ich dieſe, wie noch viel andere lebendige Voͤgel hatte, einmal ordentlich reinigen, und friſch mit Kalch ausweißen ließ. Ohne das Trocknen abzuwarten, ſetzte ich alle Voͤgel, ſo auch die Wachholderdroſſel wieder, in die feuchte Kammer, ſahe aber zu meinem Erſtaunen wie die letztere, nach einiger Zeit, weiße Flecken bekam. Als ſie wieder geſund war und ſich voͤllig ausgemauſert hatte, waren beide Fluͤgel, ſoweit die eigentlichen Flederwiſche gehen, und die eine Hälfte des Schwanz zes, auf einer Seite naͤmlich die ganzen Federn, ſchneeweiß. — Ich bin geneigt zu glauben, daß hier die Ausduͤnſtung des friſchen Kalches auf die Farben der eben hervorkeimenden Federn des kran⸗ ken Vogels ſo nachtheiligen Einfluß hatten, und daß dadurch jene merkwuͤrdige Erſcheinung hervor gebracht wurde; denn als ſich dieſer Vogel im folgenden Jahr wieder mauſerte, bekam er ſeine gewoͤhnlichen Farben wieder, und ob ich ihn gleich noch mehrere Jahr hatte, nie wieder weiße Federn an jenem Theile. — Ein Andermal bekam ich einige lebendige Rebhuͤhner, denen man die Fluͤgelfedern verſchnitten hatte. Da ich fie zum Ausſetzen für mein Jagdrevier brſtimmt hatte, ſo mußten ſie fliegen koͤnnen; ich zog ihnen daher, lange vorher ſchon, die abgeſtutzten Schwungfedern aus, damit ihnen neue, vollſtaͤndige dafuͤr wachſen moͤchten. Dies geſchah bald, aber alle neuen Schwungfedern waren an allen ſchnee⸗ weiß. Sie mochten ebenfalls nach der eigentlichen Mauſer wieder gewoͤhnlich gefaͤrbte bekommen haben, denn ich ſahe nachher keine weißſchwingigen Rebhuͤhner mehr. — Ich bemerkte ferner noch, daß das Ausrupfen der Federn nur zu gewiſſen Jahreszeiten ge— ſchehen muͤſſe, um weiße Federn an ihrer Stelle hervorkeimen zu machen, ſonſt kann es nur durch oͤftere Wiederholung des Ausrupfens Einleitung. 123 bewirkt werden. Ein Beweis, daß die weißen oder vielmehr unge⸗ faͤrbten Federn dann allemal ein Zeichen der Schwaͤche ſind, wenn ſie nicht in der Regel dieſe Farbe haben. Nicht lange nach beendigter Mauſer beginnt gewöhnlich der Zug der meiſten Voͤgel. Diejenigen, welche im Juli mauſern, fangen in der Mitte des Auguſts ſchon an fortzuziehen. Auf die Begattungszeit folgt die Mauſer, und auf dieſe die Zugzeit; fo geht die Natur regelmäßig Schritt für Schritt und nichts bringt fie aus ihrem Gleiſe. Wenn man z. B. im Fruͤhjahr die Maͤnnchen verſchiedener Singvoͤgel, als: Finken, Goldammern, Ortolanen, Zippdroſſeln u. a. m. in einem engen Käfig fo weit gewöhnt. hat, daß ſie auch im Finſtern ihr Freß- und Trinkgeſchirr finden und anfangen ihren Geſang anzuſtimmen, fie nun mit ihrem Käfig in einen finſtern Kaſten bringt, in dem ſie ohne Licht bis gegen den Herbſt (Bartholomaͤi) hin unterhalten werden, ſo glauben ſie eine lange Nacht uͤberlebt zu haben; denn ſobald ſie nun wieder ans Tageslicht kamen, ſo ſtimmen ſie ihren Geſang an, als wenn es Frühling wär. Der Fortpflanzungstrieb, der ſich durch den Ge⸗ ſang deutlich ausſpricht, wird auf dieſe gewaltſame Art nicht unter— druͤckt, ſondern, ſo wie die drauf folgende Mauſer, blos aufgeſcho— ben; wenn fie bis ſpaͤt in den Herbſt hinein geſungen haben, fangen ſie nun auch an, ſich zu mauſern. Der Vogelfaͤnger benutzt dies zu ſeinem Vortheil, weil der Geſang die Zugvoͤgel weit mehr anlockt als alle andre Lockſtimmen. Macht ihnen nun das Anhören des Geſanges von ihres Gleichen, zu einer fo ungewoͤhnlichen Jahres—⸗ zeit, an ſich ſchon ſo viel Freude? Oder iſt es die Erinnerung an die wonnevolle Zeit der Begattung, die ihnen dadurch ins Gedaͤcht⸗ niß gerufen wird, was ſie ſo entzuͤckt? Genug, ſie find bezaubert davon, und werden dadurch um deſto leichter und häufiger die Beute des Vogelſtellers. Aber, ſonderbar genug, daß dieſe Liebhaberei bei ihnen nur bis zu Anfang Oktobers dauert; vielleicht daß nun das Andenken an die Brutzeit nicht mehr ſo lebhaft iſt. — Der periodiſche Federwechſel iſt dem Vogel zur Erhaltung ſeiner Geſundheit und ſeines Lebens unumgaͤnglich nothwendig. 124 Einleitung. Aber nur im freien Zuſtande geht er regelmaͤßig von ſtatten; was in der Gefangenſchaft nur zum Theil und dann der Fall iſt, wenn dem Vogel Luft, Sonne und zweckmaͤßige Nahrungsmittel nicht fehlen. Die Stubenvoͤgel, denen die freie Luft entzogen iſt, die ſich daher nicht regelmaͤßig oder ganz und gar nicht mauſern koͤnnen, verlieren oft nach und nach alle Federn, ohne neue zu bekommen, zehren daher bald ab und ſterben. Die Fettigkeit, welche eine Druͤſe uͤber der Schwanzwurzel beſonders haͤufig abſetzt, ſchuͤtzt das Gefieder nicht allein vor dem Eindringen der Näffe, ſondern fie tragt überhaupt auch viel zum Wohlbefinden des Vogels bei. Die Ber: ſtopfung jener Druͤſe zieht eine Krankheit, die Darre, herbei, was eine Art von Auszehrung iſt, die den baldigen Tod des Vogels gewoͤhnlich zur Folge hat. Zur Reinigung des Geſieders und Staͤrkung ſeines Koͤrpers bedient ſich der Vogel des Bades, wozu ihm auch als Stuben— vogel, wenn er lange leben bleiben ſoll, die Gelegenheit nicht ent= zogen werden darf. Manche baden ſich ſehr oft, andere ſeltner; viele im Waſſer, manche aber auch im Staube. Mehrere Arten baden ſich ſo ſtark im Waſſer, daß das ganze Gefieder uͤberall durch— naͤßt wird; andere ſpritzen dagegen das Waſſer nur tropfenweis uͤber ſich. Manche Arten baden ſich zuweilen im Waſſer, zuweilen aber auch im Staube oder Sande, wie wir an den Sperlingen oft zu bemerken Gelegenheit haben; andere, wie die Huͤhnerarten, bedienen ſich dagegen ſtets des trocknen Bades. Nach beendigtem Bade ſchuͤtteln fie ſich wiederholt, ordnen das Gefieder mit Schna— bel und Beinen und ſuchen es wieder mit dem Fette aus der Druͤſe uͤber dem Schwanze allenthalben zu beſtreichen. Wenn wir die Mauſer keine Krankheit nennen wollen, ſo möchte der erwachſene, in feiner Freiheit lebende Vogel ſchwerlich einer unterworfen ſeyn. Behagt ihm ſein Wohnort nicht mehr, findet er hier keine ſchmackhaften Speiſen, und dieſe hinlaͤnglich, ſo iſt es ihm ja durch Huͤlfe ſeiner Flugwerkzeuge ein Leichtes, ſich alles, zu ſeiner Erhaltung Nothwendige, ſchnell zu verſchaffen, wie er es wuͤnſcht. Es ſind dabei harmloſe Geſchoͤpfe, die Noth Einleitung 125 und Truͤbſal bald vergeſſen. Wenn ſtrenge Kalte und tiefer Schnee unſre Wintervoͤgel mit Nahrungsſorgen kaͤmpfen laſſen und dies ſie traurig und niedergeſchlagen macht, fo find ein paar warme Son: nenblicke im Stande, ihre ganze gewoͤhnliche Heiterkeit mit einem⸗ male wieder zuruck zu rufen. Die ploͤtzliche Erſcheinung eines Raubvogels jagt ihnen Angſt und Todesſchrecken ein; aber kaum iſt die Gefahr voruͤber, fo iſt alles vergeſſen und der vorherige Frohe ſinn tritt wieder an die Stelle des Entſetzens. Sie genießen daher auch einer ſteten Geſundheit. Nur junge Voͤgel ſind zuweilen, doch ſelten, Krankheiten unterworfen, die vielleicht in einer ihrem Ge deihen unguͤnſtigen Witterung, in Mangel oder uͤbler Beſchaffenheit ihrer gewöhnlichen Nahrungsmittel u. d. gl. ihren Grund haben moͤgen. So leiden z. B. die jungen Graugaͤnſe und wilden Tauben oft an der Pockenkrankheit. Jedoch, nur ſelten wird man in der freien Natur, einen kranken alten Vogel antreffen; wenigſtens werden ſich dann, wenn es geſchieht, gewaltſame Urſachen ſeiner Krankheit, als Hunger, ſtrenge Kälte, eine Verletzung durch Men- ſchen oder Raubvoͤgel u. d. gl. bewirkt, leicht auffinden laſſen. Aber noch weit ſeltner (faſt moͤchte ich ſagen: nie) findet man im Freien einen Vogel, an dem man bemerken koͤnnte, daß er an Ent⸗ kraͤftung oder für Alter geſtorben wär. — Man kann daher an⸗ nehmen, daß die Voͤgel ein außerordentlich hohes Alter erreichen. Wären der Verminderungsmittel der Voͤgel durch Menſchen, Raub⸗ thiere, Raubvoͤgel, uͤble Witterung u. ſ. w. nicht ſo unendlich viele, ſo muͤßte die Menge der Voͤgel mit jedem Jahre zunehmen. Daß ſie aber ein außerordentlich hohes Alter erreichen, davon haben wir ſchon an ſolchen, die man ihrer Freiheit beraubt hatte, ſehr merkwuͤrdige Beiſpiele; ungeachtet dieſe, mit denen die ſtets in Freiheit leben, gar nicht verglichen werden koͤnnen. Und doch hatte man Adler, Raben und Papageien die hundert Jahr und druͤber alt wurden, ja man erzählt ſogar, 1 Schwaͤne en Sahr gelebt haben follen. — Es iſt indeß nicht möglich eine Veſemmte⸗ Anzahl von Jahren für die Lebensdauer eines Vogels angeben zu wollen, ob es 126 Enleſitluen ge gleichwol ſcheint, daß manchen groͤßern Arten ihr Lebensziel weiter hinaus geſteckt iſt, als vielen kleinern, was jedoch keine allgemeine Regel iſt; denn ungerechnet daß die kleinern Voͤgel von zarterer Organiſation des Koͤrpers, daher mehreren Unfällen unterworfen find, fo find fie auch zutraulicher gegen ihren Hauptfeind, den Menſchen, und werden daher von dieſen, wie von andern Feinden aus dem Thierreiche, leichter und haͤufiger vernichtet, als die groͤ⸗ ßern Arten, denen ihre Schlauheit ſowol, wie das Uebergewicht, was ſie, ihrer Groͤße wegen, uͤber ſo viel andere Geſchoͤpfe haben, das Leben erhaͤlt. Wie wenig koͤnnen z. B. unſerm Kranich ſeine Feinde anhaben? Vor den Angriffen der großen Raubvoͤgel ſchuͤtzt ihn faſt immer feine eigne Größe und Staͤrke, vor denen der Men: ſchen ſeine außerordentliche Vorſichtigkeit. Faſt eben ſo iſt es mit dem großen Trappen, auf ähnliche Weiſe mit den Saatgaͤnſen u. a. Welch ein hohes Alter moͤgen oft dieſe Voͤgel erreichen! — Man hat bekanntlich manche aͤußere Zeichen des Alters, z. B. die alten Saatgaͤnſe haben weit laͤngere duͤnnere Haͤlſe, dickere Köpfe und ein dunkleres Gefieder, als die juͤngern, und zeichnen ſich von dieſen im Ganzen ſo außerordentlich aus, daß man ſie oft für von einander verſchiedene Arten halten ſollte. Fleiſch und Knochen ſind bei den jungen weich, und erſteres ſo ſaftig, daß es ein vortreffliches Gericht giebt, dagegen das der alten oft ſo zaͤhe und trocken ift, daß es keine Kochkunſt mürbe oder jenem ähnlich machen kann. Wie viel Jahre moͤgen wol uͤber eine ſo auffallende Veraͤnderung, die doch nur nach und nach koͤmmt, vergehen? Ich hatte vier lebendige Saatgaͤnſe, von ſo verſchiedenem Alter, daß der Unterſchied in Anſehung der Ausbildung der Koͤrpertheile, den des Geſchlechts ungerechnet, auch einen oberflaͤchlichen Beobachter in die Augen fallen mußte. Hierbei war eine kaum halbjaͤhrige junge Saatgans, welche ſich an den vielen noch vorhandenen ſehr kennt— lichen Federn der erſten Bekleidung, von den andern unterſchied. Gegen dieſe ſtach eine ſehr große, mit duͤnnem langen Halſe und dickem Kopfe, gar gewaltig ab. Man ſahe ihr das hohe Alter gleich gan, und auch die Stimme verrieth es. Ich hatte dieſe vier Gaͤnſe x Gimleitun 127 viele Jahre lang und die letztere ſtarb erſt nach 17 Jahren an ihrer alten Schußwunde. Sie war alſo bei mir um ſo viel aͤlter geworden und doch ſahe ich keine merkliche Veraͤnderung an ihr, obgleich die beſtaͤndigen Schmerzen an der ſchlecht geheilten Wunde (der Ober: armknochen war zerſchmettert) auch dazu haͤtten beitragen koͤnnen. Auch die andern hatten in ihrer Gefangenſchaft ſo wenig gealtert, daß es nur bei der juͤngſten in etwas zu bemerken war. Wenn man nun an den juͤngern Saatgaͤnſen binnen 15 bis 17 Jahren keine merkliche Veraͤnderung oder eine Annaͤherung im Aehnlichwerden der ganz alten, noch dazu an gefangenen und lahm geſchoſſenen, be— merken kann, fo ſieht man daraus, wie langfam dieſe Veraͤnderung vor ſich gehn muß und wie viele Jahre folglich dazu gehören moͤ— gen, jene auffallend verſchiedene Bildung vieler Koͤrpertheile her⸗ vorzubringen. Nach dieſen Beobachtungen zu urtheilen iſt es mir hoͤchſt wahrſcheinlich, daß dieſe Voͤgel ein Alter von hundert Jahren und druͤber erreichen muͤſſen. Waͤren daher die Voͤgel nicht den e ſo viele Feinde ausgeſetzt, fo müßte ſich ihre Anzahl eher vermehren Bi vermindern; aber wir bemerken wo nicht das letztere, doch dies, daß die Menge derſelben mit der anderer Geſchoͤpfe in einem gewif- ſen Verhaͤltniſſe bleibt. Ob es gegruͤndet ſey, daß viele Arten jetzt nicht mehr ſo haͤufig als ſonſt angetroffen werden, getraue ich mir zwar nicht mit Gewißheit zu behaupten. Allein mein Vater hörte in ſeiner Kindheit ſchon, alte Vogelſteller uͤber die Abnahme der kleinern Waldvoͤgel klagen; er ſelbſt fand, in einer Reihe von Er fahrungen in mehr als funfzig Jahren, ſich ebenfalls veranlaßt in jene Klagen einzuſtimmen, und auch ich weiß mich ſehr gut zu er- innern, daß vor 25 Jahren bei weitem mehr Voͤgel auf meinem Vogelheerde gefangen wurden, als jetzt, ohnerachtet die ganze Ein⸗ richtung immer noch dieſelbe iſt. Vor 50 und mehreren Jahren gab es in einem kleinen Bezirke um meinen Wohnort noch viele Vogelſteller, denen ihr Vogelheerd den Herbſt hindurch recht ge— maͤchlichen Unterhalt verſchafte; aber alle dieſe Heerde gingen, da alle Jahr weniger Voͤgel gefangen wurden, nach und nach ein, ſo — / 128 Einleitung. daß jetzt nur der meinige, in einem Umkreiſe von vielen Meilen, noch der einzige iſt, welcher auch das Schickſal jener in Kurzem er⸗ leben wird, da er durchaus nicht mehr die Muͤhe lohnt. Alſo ſcheint es doch, als wenn die Anzahl mancher Gattungen und Arten, wie z. B. die der Heerdvoͤgel, nämlich der Droſſelarten, Finken, Ammern u. a. m. von Jahr zu Jahr geringer wuͤrde; dagegen andere, als Feldlerchen, gemeine wilde Enten, Saatgaͤnſe u. a. m. noch immer ſo haͤufig zu ſeyn ſcheinen als ſie vor einem halben Jahrhundert waren. Iſt nun jener Mangel allgemein oder nur oͤrtlich? Auf dieſe Frage vermag ich aus Mangel an ſichern Nachrichten keine befriedigende Antwort zu geben. Daß durch die ſich immer mehr ausbreitende und ſteigende Cultur mehr Voͤgelbruten verſtoͤhrt werden, iſt wol nicht zu laͤugnen. Was iſt ſeit einem Menfchens alter ſchon geſchehen? Wie viel Seen und Suͤmpfe hat man nur in dieſer Zeit ausgetrocknet, — wie viel Waͤlder ausgerottet und die noch beſtehenden ausgelichtet, — wie viel wuͤſtes Land urbar gemacht! Wie vielen Voͤgeln wurde dadurch ihr ruhiges Wohn— plaͤtzchen verleidet, und ſie daraus vertrieben? Vielleicht liegt die hieſige Gegend gerade in einem Striche der nord- oder oſtwaͤrts ſolche Laͤnder hat, deren Anbau der Vermehrung jener Voͤgel ent— gegen iſt, weswegen wir ſie denn auch hier nicht mehr ſo haͤufig durchziehen ſehen koͤnnen. Es waͤr daher wol moͤglich, daß man andrer Orten, die nicht in einem ſolchen Striche laͤgen, keine Ab— nahme an der Menge der Vögel bemerkte. Der Menſch ſelbſt trägt - indeß allenthalben das Meiſte zur Verminderung derſelben, theils abſichtlich, theils zufällig, bei, und iſt in jedem Betracht ihr aͤrgſter Feind. Verzeihlich waͤr es noch, wenn es dabei ſein Bewenden haͤtte, daß wir diejenigen welche uns eine angenehme Speiſe ſind, in die— ſer Abſicht zu gewiſſen Jahreszeiten (nur nicht in der Brutzeit) toͤdteten; daß wir die Anzahl anderer, die wir als ſchaͤdlich ankla— gen, zu vermindern ſuchten; und daß wir von denen welche uns (nach unſern gewoͤhnlichen Anſichten) weder ſchaden noch nutzen, nur ſo viel toͤdteten, als wir etwa zu naturhiſtoriſchen Zwecken beduͤrften. Aber leider ſehen wir viele Jagdliebhaber blos zum Einleitung. 2) Zeitvertreib und zum Vergnuͤgen die unſchuldigſten Voͤgel kaltbl morden, ohne im mindeſten einen Gebrauch davon machen zu 1 Wenn Handlungen dieſer Art nicht oft Leichtſiun RT fo wuͤrde man fie zu den ſch aͤndlichſten Grauſamkeiten rechnen men. Auch werden durch die muthwillige Jugend vorſaͤtzlich eine Menge Bruten zerſtoͤhrt, und ich kenne Orte, in deren Nähe faſt kein Vogel⸗ neſt aufkommt. — Dazu kommt nun noch, daß viele Neſter durch Unvorſichtigkeit oder wider Willen von den Feld- und Waldarbei— tern, bei ihren Handthierungen, zerſtoͤhrt werden. Auch dadurch daß man die Eier einiger Arten zur Speiſe ſammelt, werden un= zaͤhlige andere nebenher mit verwuͤſtet. Unter den Saͤugthieren ſind Woͤlfe, Fuͤchſe, 3 Katzen, Marder, Iltiſſe, große und kleine Wieſeln die aͤrgſten Feinde der Vögel; aber auch Ratten, Maͤuſe und Igel zerſtoͤhren viel Bruten. Unter den Voͤgeln ſelbſt giebt es ſolche die ſich vom Fleiſche und Blute der andern, ihren Eiern und Jungen nähren; dies find vorzuͤglich die Raubvoͤgel. Auch unter den deutſchen Amphibien find Voͤgelfeinde; denn die Ringelnatter verſchlingt Eier und junge Bögel, ſelbſt der große grüne Waſſerfroſch wuͤrgt junge Waſſer⸗ voͤgel hinunter, und unter den Fiſchen thut dies auch der Wels. — Gewoͤhnlich werden die innern und aͤußern Schmarotzer der Voͤgel ebenfalls zu ihren Feinden gerechnet, ob ſie gleich in der Regel das Wohlbefinden derſelben wenig oder gar nicht ſtoͤhren. Die innern Schmarotzer ſind Eingeweidewuͤrmer aus den Gattungen: Filaria; Trichocephalus; Ascaris; Strongylus; Echinorhyn- chus; Monostomum; Holostomum (Nitzschii); Distomum ; Ligula; Taenia ; und Bothriocephalus (man vergleiche Rudolphi Hist. natural. Entozoorum) welche befonders im Nahrungskanal, aber auch in den Athmungsorganen und andern innern Theilen wohnen. Die aͤußern Schmarotzer der Voͤgel aber find theils acht⸗ fuͤßige Milben (alſo Arachniden nach der neuern Thierclaſſification?̃ und zwar gehoͤren ſie zu den, vom Herrn Profeſſor Nitzſch neu beſtimmten Gattungen Analges, Sathrax und Sarcoptes, einige zu Ixodes, Fabric. ; theils find es ſechsfuͤßige, wahre Inſekten, die, 9 150 r heftunmg. außer den, noch bei Voͤgeln vorkommenden Floͤhen und Zaͤken (Hippobosca) ehedem alle zu den Zhierläufen (Pediculus) gezählt, und zwar nachher als eine eigene Gattung (Ricinus, Degeer) aufge: ſtellt wurden, allein nach Herrn Profeſſor Nitzſch's Unterſuchungen in die Gattung der Federlinge (Philopterus) und in die der Haft: füße (Liotheum) getrennt werden muͤſſen. Dieſe beiden Gattun⸗ gen paraſitiſcher Inſekten ſind mit ihren zahlloſen verſchiedenen Arten uͤber alle Voͤgel verbreitet, indem jede Vogelart eine oder mehrere, entweder ihr eigenthuͤmliche, oder zum Theil auch noch einigen andern Voͤgeln zukommende Arten beherbergt. Faſt eben ſo oder nach aͤhnlichen Geſetzen verbreitet ſind die Arten einiger andern n aͤußeren und innern Schmarotzergattungen der Voͤgel. Mein hoch— geſchaͤtzter Freund, Herr Profeſſor Nitzſch, dem ich dieſe Notizen über die Schmarotzer der Voͤgel verdanke, hat jene Thiere, zumal aber die eigentlichen paraſitiſchen Inſekten ſeit vielen Jahren zu einem beſondern Gegenſtand ſeiner Forſchungen gemacht; er hat nicht nur ihre Gattungen neu beſtimmt, und eine ſehr große Anzahl Arten zuerſt aufgefunden, charakteriſirt und abgebildet, ſondern auch den Geſchlechtsunterſchied, die Nahrung, Begattungsweiſe, Ent: wickelung, uͤberhaupt die Oeconomie, ja ſelbſt den unendlich feinen innern Bau dieſer kleinen Thiere beobachtet und aufgeklärt. Mit Verlangen ſehen wir daher der Bekanntmachung ſeiner vielen Ent⸗ deckungen uͤber dieſen weitſchichtigen, ſo wenig bekannten und doch ſehr intereſſanten Gegenſtand entgegen ), von denen wol die eine der merkwuͤrdigſten iſt, daß unter den aͤußern Schmarotzern der Voͤgel nur die Gattungen Ixodes, Sathrax, Hippobosca, Carnus und Pulex wirkliche Blutſauger find, die übrigen alle aber ſich von an- dern Theilen der Haut oder der Federn naͤhren. SGeegen alle Feinde gab den Vögeln die Natur nur wenig Waffen. Manche ſchlagen zwar heftig mit den Fluͤgeln, an wel⸗ chen einige vorn einen ſtumpfen harten Knoll oder einen Stachel haben; andere beißen ſcharf mit dem Schnabel; noch andere kratzen ) Als Vorläufer deſſelben erſchien bereits etwas im dritten Bande von 2 und Zinckens Mag. f. d. Entom. Einleitung. 151 mit den ſcharfbekrallten Beinen, die zuweilen auch noch einen ſpitzi⸗ gen Sporn haben, mit welchen ſie verwunden koͤnnen; allein alle dieſe Waffen ſind ſelten ſtark genug den Angriffen ihrer Feinde ge⸗ g hoͤrigen Widerſtand zu leiſten. Das gewoͤhnlichſte Rettungsmittel der Voͤgel iſt die Flucht, durch Fliegen, Laufen oder Untertauchen. Die Jagd der Vögel gehoͤrt, wie die Jagd der meiſten Saug— thiere, in Deutſchland zu den Regalien, und wird in manchen Landern in hohe und niedere, in andern in hohe, mittlere und niedere Jagd getheilt. Zur hohen Jagd rechnet man gewoͤhnlich Auer: Birk⸗ und Haſelhühner, Trappen, Schwaͤne und Faſanen; zur niedern wilde Gaͤnſe, Enten, Rebhuͤhner, Schnepfen und alle kleinere Voͤgel. Der Fang der letztern iſt an manchen Orten fegen er⸗ laubt, doch nicht das Schießen. Die großen Voͤgel ſchießt man theils mit der Kugelbächſe theils mit der Flinte mit grobem Hagel; die kleinern mit feinem Hagel, wozu man ſich haͤufig kleinerer Gewehre, ſogenannter Vogelflinten, bedient. Auch mit der Windbuͤchſe und mit dem Blaſerohr ſchießt man haͤufig kleine Voͤgel; allein ſo unzulaͤnglich dieſe Jagdmethode auch iſt, ſo iſt das Schießen mit der Flinte, in welche man, ſtatt des Hagels, Sand oder Waſſer ladet, doch noch weniger zu empfeh⸗ len, weil es ſehr oft unanwendbar oder ganz unwirkſam if Da die Vögel groͤßtentheils ſcheue Geſchoͤpfe ſind und manche dieſe Ei⸗ genſchaft in einem hohen Grade beſitzen, ſo muͤſſen dieſe auf man⸗ cherlei Weiſe hinterſchlichen und belauert werden. Der Jaͤger muß dabei oͤfters mit vieler Kenntniß und Gewandtheit zu Werke gehen, und das Gelingen der Jagd haͤngt gar oft dann noch von feiner Ge⸗ ſchicklichkeit im Schießen ab. Viele koͤnnen nur auf dem Anſtande gefchoffen werden und die meiſten laſſen ſitzend den Schuͤtzen nicht ſchußmaͤßig an ſich kommen, ſie muͤſſen daher ungeſehen angeſchli— chen werden. Manche Arten druͤcken ſich bei Erblickung des Menſchen platt an die Erde nieder, und fliegen bei ſeiner Annaͤherung ſchnell auf und davon; dieſe koͤnnen blos im Fluge aus der Luft geſchoſſen werden, weil man ſie nur ſelten ſitzend erblicken kann. Es gehoͤrt viel Uebung dazu, um ein guter Flugſchuͤtze zu werden. I 152 Eäüän leitung. Der aufmerkſame Jaͤger und Sammler muß oft manchen klei— nen Vortheil zu benutzen verſtehen, wenn Jagd und Fang gluͤcklich fuͤr ihn ausfallen ſollen. Wenn er nicht aufs Gerathewohl alles was ihm vors Rohr koͤmmt niederſchießen oder durch unzeitiges Knallen auf gemeine Vogel, die ſeltnern, welche ſich vielleicht in der Naͤhe befinden, mit den gemeinen nicht zugleich verſcheuchen will, ſo muß er ſich zufoͤrderſt Kenntniſſe von ihren Eigenheiten in Hinſicht ihres Aufenthalts, ihrer Stimme, ihres Flugs u. ſ. w. zu verſchaf— fen ſuchen. Ein vorzuͤgliches Huͤlfsmittel gewaͤhrt ihn hiebei auch eine genaue Kenntniß der Faͤhrten oder Fußtapfen, wie fie ſich oft auf feuchtem Boden, beſonders bei den Sumpfvoͤgeln, und zum Theil auch im Sande und im Staube abdruͤcken; denn es iſt eben ſo leicht die anf der Erde laufenden Voͤgel an den hinterlaſſenen Fußtapfen zu erkennen, als die Faͤhrten der vierfuͤßigen Thiere von einander zu unterſcheiden. Jeder Vogel hat hierinnen gewiſſe Ab- zeichen, die theils nur ſeiner Art allein, theils der Familie in welche er gehoͤrt, theils auch ſeiner ganzen Gattung eigen ſind; denn ob gleich an Laͤnge und Dicke der Zehen jede Art von der andern mehr oder weniger abweicht, ſo gleichen ſich doch die verwandten Arten, bei ihren Fußtritten, immer durch eine gleichmaͤßige Entfernung der Zehenſpitzen, ſo daß die eine mit enger zuſammen gezogenen Zehen auftritt, wenn fie eine andere beim Auftreten weit von ein- ander ſpreitzt. Ob dies nun gleich ein gutes Augenmaaß ſogleich unterſcheidet, ſo iſt es, um dies zu uͤben doch gut, ſich anfaͤnglich eines Zirkels zu bedienen. Die Stelle deſſelben vertritt im Noth—⸗ fall auch wohl ein ſpitziges Holz, ein Stuͤckchen eines Pflanzenſten⸗ gels und dergleichen. Mit dieſem zieht man hinter jeder abgedruckten Zehe ruͤckwaͤrts hinaus, einen geraden Strich und zwar in der fort: laufenden geraden Richtung, wie fie vorwärts die abgedruckte Zeh— ſohle angiebt; ſetzt den einen Schenkel des Zirkels in den Ballen der gemeinſchaftlichen Zehenwurzel und beſchreibt mit dem andern einen Kreis. An dieſen wird nun die Ausmeſſung bald zeigen, in wie viel gleiche Theile er durch die Linien getheilt iſt. Man darf dabei freilich oft auch andere Verhaͤltniſſe nicht unbeachtet laſſen; ſo 3 7 eilig (Heil Ir 77 2 2 Im ll | 0 | he 22 Halte babe, vl, 12 — Einleitung. 133 haben z. B. der Kranich, der Storch, der Reiher in ihren Fußtap⸗ fen faſt gleiche Größe, theilen durch das Ausbreiten der Zehen den Zirkel auf gleiche Weiſe in ſechs Theile, und ſind dennoch leicht von einander zu unterſcheiden. Die Fußtapfe des Kranichs zeigt die drei vordern langen Zehen, aber nicht die ſehr kurze Hinterzeh, weil dieſe ſo hoch ſteht, daß ſie den Boden nicht beruͤhrt, ſich folglich auch nicht abdruͤcken kann, ausgenommen in dem ſeltnern Falle, wenn der Boden zu moraſtig iſt und der Vogel ſehr tief einſinkt; in der Faͤhrte des Storchs hinterlaͤßt dagegen die laͤngere und tiefer ſtehende Hinterzeh ſtets einen merklichen Eindruck; der Reiher end— lich zeigt in jeder Fußtapfe die mit dem Ballen der gemeinſchaft— lichen Zehenwurzel gleichſtehende lange Hinterzeh in ihrer ganzen Laͤnge vollkommen abgedruckt, und ſo unterſcheiden ſich die Faͤhrten dieſer drei Gattungen, bei aller Aehnlichkeit, doch ſattſam von ein⸗ ander. Das Rebhuhn und die Feldtaube, unterſcheiden ſich auf gleiche Weiſe, die hoͤherſtehende Hinterzehe des erſtern druckt ſich weit weniger ab, als die tiefer ſtehende der letztern, ob ſich gleich im Uebrigen die Fußtapfen beider gar ſehr gleichen. Auch iſt zu merken, daß dem Vogel nicht ein Tritt wie der andere geraͤth und ſich nicht alle gleich gut abdrucken. Man muß daher zum Aus⸗ meſſen immer nur die wählen, von deren Gleichheit ſich die größte Anzahl vorfindet. Um mich verſtaͤndlicher zu machen, habe ich eine Kupfertafel mit nach der Natur gezeichneten Abbildungen verſchiedener merk⸗ würdigen Voͤgelfaͤhrten, in halber natürlicher Größe, beigefügt *). Fig. A, die Fährte des großen Trappen, gehört zu den abweichen: den oder folchen welche keine genaue Abtheilung geſtatten. Der Kreis enthält dreizehn Theile, er follte aber eigentlich ſechstheilig ſein; denn genau auf den Punkt laͤßt ſich dies nicht allemal angeben und ſo ſind denn auch die Spuren aller huͤhnerartigen Voͤgel und der Tauben. Fig. B, die Spur des großen Regenpfeifers (Cha- radrius Oedicnemus) theilt den Kreis in zehn Theile, weil die Zehen ſehr enge beiſammen ſtehen. Bei Fig. D, der Faͤhrte des *) Man ſehe das Kupfer. j DE > Einleitung. Mornell-Regenpfeifers (Char. Morinellus) ſtehen fie ſchon etwas weiter in einem achttheiligen und bei Fig. C, der Spur des Gold— regenpfeifers (Char. auratus) in einem ſiebentheiligen Kreiſe. Alle Schnepfen und ſchnepfenartigen Voͤgel theilen den Zirkel regelmaͤ⸗ ßig in ſechs gleiche Theile, hier ſind einige: Fig. E, die Fußtapfe der Heerſchnepfe (Scolopax Gallinago) welche ſich durch die lange Mittelzeh vor andern auszeichnet; Fig. G, die Faͤhrte des großen Brachvogels Numenius arquata) Fig. H, die der Streitſchnepfe (Tringa pugnax) Fig. I, des kleinen Strandlaͤufers (Trings minuta). Unter allen Voͤgeln, ſo weit es mir bekannt iſt, breitet der gemeine Kiebitz (Vanellus cristatus, Mey.) die Zehe am wei: teſten auseinander und theilt daher den Kreis nur in fuͤnf gleiche Theile. Siehe Fig. F. Seine Faͤhrte iſt daher ſchon auf den erſten Blick kenntlich, und es aͤhnelt ihm darin auch der graue Kiebitz (Vanellus Squatarola). Diejenigen Landvoͤgel welche fi) meiſt auf Baͤumen aufhalten und einen huͤpfenden Gang haben, ſetzen die. Zehen nahe neben einander; die Schwimmvöoͤgel breiten fie aber fo weit aus, als es die Spannung der Schwimmhaͤute nur erlaubt, welches auf den in ſechs gleiche Theile getheilten Kreis paßt. Man muß daher zur Unterſcheidung der Arten auf die ü und uͤbrigen Verhaͤltniſſe der Fußtapfen ſehen. — Hat man erſt einige Uebung in dieſem Zweige der Jaͤgerei, ſo wird die Kenntniß der Fahrten nicht felten das Gelingen der beab: ſichtigten Jagd bewirken. Sucht man z. B. irgend eine Art von Sumpfvogel, fo werden uns die am Waſſer aufgefundenen friſchen Faͤhrten bald zeigen, welche Arten alle auf dieſem Platze herum ge— laufen waren, und ob ſich die geſuchte vielleicht darunter befand. Wir lernen hierdurch nicht nur die Anweſenheit dieſer, ſondern auch die Plaͤtze kennen, wo ſie ſich am liebſten aufhalten, koͤnnen uns nun in einem Hinterhalte mit mehr Sicherheit nach ihnen anſtellen und ihnen mit Schießgewehr auflauren oder durch irgend eine an dieſer Stelle anwendbare Fangmethode fie zu uͤberliſten ſuchen; denn viel Voͤgel ſchwaͤrmen waͤhrend der Zugzeit in einer Gegend, die ihnen gefaͤllt, tage- und wochenlang umher, ehe ſie weiter ziehen, und die Einleitung. 155 Sumpfvoͤgel beſuchen dann die ihnen noch nicht verleideten Lieb⸗ lingsplaͤtzchen an den Ufern, in den Abend- und Morgenſtunden regelmaͤßig, wenn man ſie gleich am Tage vergeblich da ſucht. Weil ſie dann an offenen freien Plaͤtzen weilen, wo ſie dadurch ſicherer ſind, daß ſie jede ihrem Leben drohende Gefahr ſchon von weiten anruͤcken ſehen und ſich durch die Flucht davor ſichern koͤnnen, ſo ſind ſie hier ſelten zum Schuß zu bringen. — Ich erlauerte auf obige Weiſe manchen ſeltnen Vogel, deſſen Gegenwart ich nicht geahnt haben wuͤrde, wenn mich die aufgefundenen Faͤhrten auf ihn nicht aufmerkſam gemacht haͤtten. Das Fangen der Vögel geſchieht, im Ganzen genommen, auf zweierlei Weiſe, einmal durch verſchiedene Fangwerkzeuge, bei welchen zum Fange die Gegenwart eines Menſchen, nicht nothwen⸗ dig iſt; das andere Mal in ſolchen, deren Mechanismus die Mit⸗ wirkung einer Perſon (des Vogelſtellers) erfordert. Zur erſten Art gehoͤrt der Fang mit Schleifen oder Schlingen von Pferdehaaren oder auch wol von Meſſingdrath, die man theils an der Erde ſo aufſtellt daß ſich die Voͤgel entweder mit den Beinen oder mit dem Halſe fangen muͤſſen; theils im Gebuͤſch und an den Baͤumen, in ver⸗ ſchiedengeſtalteten Buͤgeln von Holz, den ſogenannten Dohnen, befeſtigt, und mit einer Lockſpeiſe fuͤr ſie aufſtellt. Mit ſolchen Dohnen beſtellte Gange durch das Gebuͤſch, nennt man einen Doh— nenſteg, und wenn auch die bekannten Sprenkel und Aufſchlaͤge darunter mit angebracht ſind, die Schneuß. Auch in verſchiedenen Fallen von Holz oder Netz faͤngt man Voͤgel auf mancherlei Weiſe. Faſt fuͤr jede Voͤgelgattung hat man auch eine oder mehrere eigene Fangmethoden, wo man ſte entweder durch Lockvoͤgel oder durch vorgelegte Lieblingsſpeiſen, oder durch beides zuſammen, oder durch Eintreiben u. d. gl. zu beruͤcken ſucht. Die ungeſelligen Voͤgel kann man nicht durch Lockvoͤgel fangen; ſo werden z. B. die Raubvoͤgel auf verſchiedene Art nur mit einem lebendigen Thiere, Vogel oder einem Stuͤck Fleiſch in die fuͤr ſie aufgeſtellten Fallen u. d. gl. gelockt *). ) Eine aͤußerſt zweckmaͤßige Raubvoͤgelfalle, die in jeder Hinſicht alle andern Arten weit hinter ſich läßt, eine Erfindung meines Vaters, verdiente wol bes Br Gi nleitung. . Auch i in den eiſernen Fuchs⸗ Marder⸗ und BE kann man Voͤgel fangen. Diejenigen Arten des Vogelfanges, wobei die Gegeh e des Vogelfaͤngers nothwendig iſt, find der Fang mit Vogelleim oder Leimruthen, der ebenfalls außerordentlich verſchieden iſt; der Fang mit dem Kloben, den Klebegarnen, dem Tiras, dem Tag- und Nachtgarn fuͤr Lerchen, und auf dem Vogelheerde. Die letztere Methode iſt die umſtaͤndlichſte, aber auch die ergiebigſte. Man gebraucht dazu, außer den Netzen auch lebendige Lockvoͤgel von derjenigen, oder doch von einer ſehr nahe verwandten Art, als die ſind welche man fangen will. Zudem wird der Heerd gewoͤhnlich mit dem Lieblingsfutter beſtreuet oder behaͤngt. Auch ausgeſtopfter Voͤgelbaͤlge bedient man ſich bei manchen ſtatt der lebendigen Lock⸗ voͤgel, bei manchen, wie bei den Feldlerchen, ſogar eines Spiegels. kannter zu werden. Folgendes mag einſtweilen eine oberflaͤchliche Vorſtellung davon geben; Ein etwa 12 Fuß langer hoͤlzerner Bügel iſt mit feinen beiden Enden in eine ohngefaͤhr 6 bis? Fuß lange Welle gezapft und mit einem weit⸗ maſchigen Netz locker ausgeſpannt, ſo daß das Ganze, hinſichtlich der Form, Aehnlichkeit mit der bekannten Nachtigallenfalle hat. Die Welle drehet ſich an beiden Enden unter einen in die Erde geſchlagenen Haken; auch iſt ſeitwarts derſelben, damit der Buͤgel beim Fange ſchneller herabfalle, ein Gewicht ange⸗ bracht. Der mit Netz ausgeſpannte Buͤgel wird beim Aufſtellen ſo weit auf⸗ gehoben, daß er faſt ſenkrecht ſteht, wozu hinter ber Falle ein langer Pfahl in die Erde geſtoßen wird, an welchen oben eine hoͤlzerne Zange befeſtigt iſt, die um eine Querleine des Buͤgels greift und mit der Stellzunge in Verbindung ſteht, durch welche Einrichtung der Buͤgel aufrecht erhalten wird. Die Stellung iſt endlich durch einen Faden mit einer ſehr weitmaſchigen Netzhaube von Drath verbunden, welche durch eine einfache Vorrichtung, uber einen auf der Erde, unter der Falle ſtehenden Vogelbauer ſchwebend erhalten wird. Dieſer Vogel⸗ bauer iſt eng von Drath geſtrickt, damit kein Raubvogel durchgreifen und die darinnen befindliche lebendige Taube und Sperlinge nicht beſchaͤdigt werden koͤnnen. Der nach dieſen Lockſpeiſen ſtoßende Raubvogel muß durchaus die uͤber dem Kaͤfig ſchwebende Haube berühren, fo die Zunge oben abziehen und dadurch bewirken, daß Buͤgel und Netz urplötzlich nieberfallen und er fo gefangen wird. Der ganze Apparat zu dieſer Falle iſt aͤuterſt einfach, ſehr bequem, gar nicht koſtſpielig und für alle Arten der Tag- und Nachtraubvögel anwendbar. — Eine andere, von meinem Vater erfundene, ebenfalls ſehr zu empfehlende, aber zuſammengeſetztere Raubvögelfalle, gleicht im ganzen einem ſogenannten Tellereiſen, worinnen man Marder faͤngt, nur daß ſie in einem ungleich groͤßern Maaßſtabe, auch nur von Holz und Netz verfertigt iſt. Sie eignet ſich vorzuͤglich fuͤr den Fang der nur im Felde lebenden Raubvogel, und iſt darum auf freien Buͤgeln ſehr am rechten n Platze, weil ſie waͤhrend ſie aufgeſtellt iſt, platt am Boden liegt, und folglich nicht ſchon von Ferne in die Augen faͤllt. Von beiden Arten dieſer gewiß vortrefflichen Fangwerkzeuge hoffe ich den Liebhabern einmal an einem andern Orte eine genattere Beſchreibung nebſt den, zur Erlaͤu⸗ terung dieſer, nothwendigen Zeichnungen zu liefern. Einleitung. 137 So hat man Traͤnkheerde, wo man faſt alle Waldvoͤgel bei der Tränke und beim Baden faͤngt; den Finkenheerd, wo alle Ammer— und Finkenartige Vögel gefangen werden ); Krammetsvoͤgelheerde für die Droſſelarten und andere Beerenfreſſer; Ortolanen-Heide— lerchen-Feldlerchen-Schwalben- und Staarenheerde; Heerde fuͤr die Regenpfeifer, fuͤr die Kiebitze, fuͤr die Strand und Waſſerlaͤufer und endlich Waſſerheerde, fuͤr Gaͤnſe, Enten und andere Schwimm⸗ voͤgel. Es wuͤrde uns indeß zu weit fuͤhren alle dieſe Heerde, die ſich in Hinſicht der Stellung der Netze oder des Mechanismus mehr oder weniger ähneln, genau zu beſchreiben. Wo dies nicht ſchon anderer Orten zur Gnüge geſchehen iſt, werde ich es in den Vögel: beſchreibungen thun. Jede Gattung kann nur da haͤufig gefangen werden, wo ſie ſich oft und gern aufhaͤlt. Es verraͤth daher wenig Kenntniß wenn man in manchen naturhiſtoriſchen Werken angefuͤhrt findet, daß man z. B. den rothfuͤßigen Waſſerlaͤufer (Totanus Calidris) auf dem ſogenannten Brachvogelheerde, der fuͤr den Fang des grünen und Mornellregenpfeifers, Charadrius auratus und Ch. Morinellus eingerichtet iſt, auch fangen ſoll. So wie man auf dem Waſſerſchnepfen heerde nur felten einen Kiebitz oder einen Regenpfeifer bekommen wird, weil die Netze hier im ſeichten Waſſer liegen und dieſe Voͤgel in der Herbſtzugzeit, wo die meiſten Heerde nur geſtellt werden, nicht ins Waſſer gehen. — Bei alle den ge⸗ nannten Vogelheerden, den Lerchenheerd mit dem Spiegel und den Schwalbenheerd etwa ausgenommen, muß ſich der Vogelfaͤnger in einer Hütte verborgen halten. Manche Heerde find in ſolchen Ge- genden, wo es viel der Voͤgel giebt, fuͤr die ſie geſtellt werden, oft ſehr eintraͤglich, weil man ſie hier zuweilen in großer Menge faͤngt, z. B. Lerchen, Droſſeln, Saatgaͤnſe, wilde Enten u. a. m. „) Auf dieſem Heerde faͤngt man wol zuweilen durch Zufall, beſonders im Fruͤhlinge, . auch mit unter eine Droſſel. Daß man aber, wie in Bechſteins Naturge⸗ ſchichte Deutſchlands ate Auflage, Bd. 2. S. 164 angeführt wird, auch mit ausgeſtreuten Vogelbeeren auf dieſem Heerde die ſogenannten Krammetsvoͤgel fangen konne, iſt eine gegen alle Erfahrung ſtreitende Sache. Wer etwas Aus⸗ fuͤhrlicheres uͤber die verſchiedenen Fangmethoden der Vogel zu leſen wuͤnſcht, der findet es in Naumanns Vogelſteller ꝛc. Leipzig 1789. Wozu mein Vater, vielleicht bei der baldigen Herausgabe einer neuen Auflage dieſes Werk chens, noch eine Menge zum Theil von ihm erfundener, praktiſchen Fangarten Agen, und das Ganze moͤglichſt vervollſtaͤndigen wird. — 138 E imle it un gi Der Nutzen, welchen die Voͤgel in der Haushaltung der Nas tur leiſten, und den ſie ausſchließend dem Menſchen gewaͤhren, iſt groß und ſehr mannichfaltig. Sie helfen zur Erhaltung eines gewiſſen Gleichgewichts in der Natur beitragen, indem ſie ſich von Geſchoͤpfen naͤhren, deren allzugroße Vermehrung andern läſtig und ſchaͤdlich werden wuͤrde, die darum vielleicht fo haufig und zum Theil blos für fie geſchaffen zu ſeyn ſcheinen. Die inſektenfreſſenden Vögel vertilgen eine ſehr große Anzahl von ſchaͤdlichen Inſekten, die ohne dies Vermindrungsmittel bald ſo hoch ſteigen wuͤrde, daß dadurch manchen andern Geſchoͤpfen und Naturerzeugniſſen der Untergang bereitet werden wuͤrde. Durch das Aufſuchen der Eier, Larven und 5 Puppen von Inſekten aus ihren Schlupfwinkeln, werden manche noch nuͤtzlicher. Viele Arten naͤhren ſich einzig von Inſekten, ihren Eiern, Larven und Puppen, und es iſt kaum zu berechnen, welche außerordentlich große Anzahl ſie taͤglich davon zu ſich nehmen. Haͤtte z. B. die ſo laͤſtige als unglaublich ſich vermehrende Stuben— fliege, nicht eine ſo große Menge Feinde unter den Voͤgeln, zu welch einer ſchrecklichen Plage würde ſie fuͤr den Menſchen werden? Wie viel Millionen Eierchen, Larven und Puppen derſelben werden nicht von den Huͤhnern aus dem Miſte hervorgeſucht, und wie viel dieſes Inſekts, in vollkommenem Zuſtande als Fliege, verzehrt nicht täglich nur eine einzige Schwalbe? — Betrachten wir im Vor: ſommer zuweilen eine Pfuͤtze ſtehenden Waſſers, und ſehen, wie daſſelbe von Muͤcken- oder Schnakenlarven wimmelt, ſo ſollten wir glauben, daß, wenn alle dieſe Geſchoͤpfe ſich gluͤcklich zu vollkomme⸗ nen Inſekten verwandelt haben wuͤrden, ſie die Luft verfinſtern muͤßten, und das kein lebendiges Weſen ſich ihren Stichen wuͤrde entziehen koͤnnen, u. ſ. w. Doch ſehen wir wieder in welcher Un— zahl dieſe muntern Thierchen von den jungen und alten Enten ver: ſchlungen werden, wie ſie ſo vielen Waſſervoͤgeln eine angenehme Speiſe find; und wie das vollkommene Inſekt beſtimmt iſt zu Tau— ſenden die lungernden Mägen ſehr vieler Voͤgel zu füllen. Es wird uns freilich ſchwer zu entſcheiden, ob der Schoͤpfer darum die un— endlich große Vermehrung vieler Inſekten anordnete, um die Voͤgel Einleitung. 139 damit fuͤttern zu koͤnnen, oder ob dieſe darum geſchaffen ſind, der uͤbergroßen Vermehrung der Infekten Schranken zu ſetzen. — Dem ſey übrigens wie ihm wolle, genug daß Beiſpiele erwiefen haben, daß manche Inſekten bald uͤberhand nehmen und zur ver: heerenden Plage für Land und Leute werden konnen, wenn es ge— wiſſe Voͤgel nicht giebt, die fie auffreſſen und ihre Anzahl vermin⸗ dern. Eben ſo iſt es auch mit andern ſchaͤdlichen Thieren z. B. den Feldmäufen, die ſich unter guͤnſtigen Umſtaͤnden ungeheuer vermehren koͤnnen. Zwar hat die Natur, außer den Voͤgeln, auch noch andere Mittel, das Uebermaaß ihrer Zahl wieder zu vermindern, jedoch ſpielen jene darunter immer eine ſehr bedeutende Rolle. Auch dadurch werden manche, beſonders fuͤr die heißen Laͤnder, ſehr nuͤtzlich daß fie die, durch ihre Ausduͤnſtung die Luft verpeſtenden Aeſer ver: zehren. Andere nuͤtzen dadurch, daß fie eine Menge überflüffiger Saͤmereien aufleſen, und dadurch der allzugroßen Vermehrung ge— wiſſer Pflanzen, welche man mit dem Namen: Unkraut, belegt, Einhalt thun. Auch dadurch werden viele im Haushalt der Natur nuͤtzlich, daß fie nicht nur mancherlei Gewaͤchſe, fordern ſelbſt Fiſche und Muſcheln in andere Gegenden verpflanzen. Daß manche die Kerne von Beeren entweder durch den Schnabel oder auf dem gewoͤhnlichen Wege unverdauet wieder von ſich geben, daß mancher: lei Saͤmereien an ihrem Gefieder, beſonders an dem der Waſſer⸗ voͤgel, kleben bleiben und mit fortgetragen werden, welches auch mit dem Laich der Fiſche der Fall iſt, dadurch werden alle dieſe Dinge an Orte verpflanzt, wo ſie, ohne die Mitwirkung der Voͤgel, nicht hingekommen ſeyn würden. Die Muſcheln werden von Reihern und andern einſtweilen mit den Schalen verſchluckt, damit ſie ſich im Kropfe aufthun moͤgen; ſie werden wieder ausgeſpieen und nun erſt aus der Schale geholt und ohne dieſe verzehrt. Bei dieſem Ge⸗ ſchaͤft, das gar oft an einem anderen Waſſer geſchehen kann, mag es ſich denn wol manchmal zutragen, daß die ausgeſpieene, noch leben⸗ de Muſchel in zu tiefes Waſſer faͤllt oder daß der Vogel davon verjagt wird. Auch durch Verfolgung von Raubvoͤgeln fehen ſich die Reiher oͤfters veranlaßt, alles im Kropfe bei ſich habende weg⸗ 140 Einleitung. zuvomiren, was denn nicht ſelten ins Waſſer faͤllt, ſo fuͤr ſie ver⸗ clohren iſt, und fortlebt. Ich ſahe im freien Felde Teiche entſtehen, in welchen ſich bald Fiſche und Muſcheln einfanden, ohne daß dieſe ein Menſch hineingeſetzt hatte. N Der unmittelbare Nutzen der Vögel für den Menſchen iſt ſehr groß und vielfältig. *) Das Fleiſch der allermeiſten iſt eine wohl: ſchmeckende und nahrhafte Speiſe. In manchen Laͤndern verbieten zwar Vorurtheile, Aberglauben und andere Umſtaͤnde dieſen oder jenen Vogel nicht zur Speiſe zu gebrauchen; auch bei uns haben wir mehrere dergleichen, z. B. die Raubvogel, die meiſten Kraͤhen⸗ arten und einige andere; indeſſen finden wir unter denen die wir zu eſſen pflegen, in Hinſicht der Gute und des Wohlgeſchmacks ihres Fleiſches, auch einen gar großen Unterſchied, und einige haͤlt man ſo hoch, daß man ſie, wie die Schnepfen, ſogar ſammt den Eingeweiden 0 ißt, und dieſe ganz beſonders wohlſchmeckend findet. Ob gleich der Geſchmack ſehr verſchieden, ſo iſt man doch dahin einver— ſtanden, daß die aus der Ordnung der Singvoͤgel, der Sperlings— artigen, der Tauben- und Huͤhnerartigen, die Schnepfenartigen, die wilden Gaͤnſe und von den wilden Enten die Familie, deren Hinterzeh ohne fluͤgelfoͤrmigen Hautanſatz iſt, das wohlſchmeckendſte Fleiſch haben. Die delikateſten Gerichte geben die Waldſchnepfe, der Mornell⸗Regenpfeifer, die (ſogenannten) Bekaſſinen, die kleinen Strandlaͤufer, die Wachtel, Feld- und Haidelerche, Droſſeln, Ammern, Zeiſige, Meiſen u. a. m. Die Eier ſind ebenfalls eine beliebte Speiſe; man ſchaͤtzt vorzuͤglich die der Hühner, Kiebitze und aller Schnepfenartigen Voͤgel, der Enten und Gaͤnſe u. a. m. — Die Benutzung der Federn iſt ebenfalls ſehr mannichfaltig; wir ſtopfen bekanntlich mit den Dunen oder Flaumfedern und den zerſchliſſ. enen kleinen Federn Kiſſen, Matratzen und unſre behaglichen Betten aus; brauchen die Kiele der großen Schwungfedern vieler, vorzuͤglich der Gaͤnſe, Raben und Kraͤhen zu Schreibfedern, zum Zeichnen, zu ) Von dem Nutzen unſrer Baussogel will ich hier nicht reden, weil ich mich in vorliegendem Werke blos mit der Naturgeſchichte derjenigen Voͤgel beſchaͤftige, welche in Deutſchland in wildem Zuſtande angetroffen wetden. Einleitung, 141 Pinſeln und vielen andern Dingen; viele beſonders geformte und entweder naturlich oder künſtlich ſchoͤn gefärbte Federn zu allerlei Putz und Verzierungen. Die koſtbarſten unter den letztern (naͤmlich von deutſchen Vögeln) find die ſchneeweißen, beſonders geſtalteten, langen Schulterfedern des großen und auch des kleinen Silberreihers, die drei weißen Nackenfedern des Nachtreihers, und die langen, ſchmalen, meiſt ſchwarzen, ſehr ſelten weißen Federn am e des alten gemeinen Reihers. Das Vergnuͤgen das die Voͤgel uns durch ihren Geſang gewaͤh⸗ ren, wurde ſchon oben erwaͤhnt. Sie beleben dadurch, und uͤber⸗ haupt durch ihr ganzes Betragen Waͤlder, Fluren und Gewaͤſſer, und einer Gegend in welcher ſich kein Vogel hoͤren und ſehen laͤßt, fehlt ein großer Reitz. Da wir vielen wegen ihres wohlſchmeckenden Fleiſches nachſtellen, ſo gewaͤhrt uns Jagd und Fang derſelben ein großes Vergnügen. Schon ein uraltes Sprichwort, vom Vogel⸗ ſtellen, beurkundet das Anziehende dieſer Ergoͤtzlichkeit. Die ſchlauen Voͤgel zu uͤberliſten und den menſchlichen Verſtand über ihre Klug— heit ſiegen zu ſehen, erhoͤhet den Reitz dieſer Jagd um ſo mehr, da ſie oft mit Muͤhe und nicht geringen Beſchwerden verknuͤpſt iſt. Das Verguuͤgen iſt um ſo reeller, da es hier ſtets mit unverkenn⸗ barem Nutzen gepaart iſt. Die Jagdberechtigten ziehen aus Jagd und Fang mancher haͤufigen und zur Speiſe beliebten Voͤgel, wie z. B. der Rebhuͤhner, Lerchen, wilden Enten u. a. m. nicht nur weſentliche Vortheile, ſondern es naͤhren ſich in manchen Gegenden Deutſchlands ſelbſt arme Familien eine Zeitlang blos vom Vogel⸗ fange, zu geſchweigen, daß im Norden für ganze Voͤlkerſchaften wie z. B. für die Faroͤer, die Voͤgeljagd von fa großer Wichtigkeit ift, daß fie ohne dieſe nicht würden exiſtiren koͤnnen; da fie ihnen nicht allein Nahrung für den größten Theil des Jahres, ſondern auch Kleidung und mancherlei andere Beduͤrfniſſe liefert, weil fie ſelbſt die Haͤute ſamt den Federn ſo zuzubereiten verſtehen, daß ſie ihnen bequeme und warme Kleider geben. So groß und allgemein im Ganzen der Nutzen iſt, der durch die Voͤgel im Haushalte der Natur geſtiftet wird, und dem ſie auch 142 Eirtertrae dem Menfchen gewähren, fo gering ift dagegen der Schaden, welchen fie thun und der ihnen dazu oft nur angedichtet wird. Wenn manche auch zuweilen ſchaͤdlich zu ſeyn ſcheinen, ſo findet es ſich bei genauer Prüfung doch oͤfters nicht fo, oder wol das Gegen: theil. Bei vielen hält der Schaden das Gleichgewicht mit dem Nutzen. Wenn z. B. die Saatkraͤhen einmal ins Getraide gehen und einige Scheffel davon verzehren; wenn ſie das ohnehin ſchlechte Gras unter den Baͤumen, worauf ſie niſten, durch ihren Koth verderben; wenn fie die Kohlkoͤpfe zerhacken, um zu den darinnen ſteckenden Raupen zu gelangen, und was dergleichen Dinge, die man ihnen als Schaden anrechnet, mehr ſind; ſo haͤlt dieſer Schaden gewiß keinen Vergleich mit dem Nutzen aus, den dieſe Voͤgel durch Vertil⸗ gung einer ſo unzaͤhligen Menge uns ſchaͤdlicher Inſekten ſtiften. Bei ſolchen Vögeln wo Schaden und Nutzen das Gleichgewicht halten (und dies ſind die meiſten, wo nicht alle als ſchaͤdlich verſchrieene) wie z. B. beim Kolkraben, der Elſter, den Sperlingen u. a. ſcheint es unſern Vortheilen zu entſprechen, daß wir ihrer großen Vermeh— rung Schranken zu ſetzen, doch keineswegs auf ihre gaͤnzliche Ver— tilgung hinzuarbeiten ſuchen. Wollen wir uͤberhaupt dieſe Sache recht genau und ohne alle Selbſtſucht beleuchten, ſo moͤchte ſich vielleicht kein einziger Vogel finden, von dem wir mehr Böfes als Gutes ſagen koͤnnten; beides wird ſich gegen einander immer die Waage halten, und da wo wir es etwa noch nicht recht einſehen koͤnnen, iſt der Grund vielleicht in falſchen Anſichten und in Ai noch zu beſchraͤnkten Kenntniſſen zu ſuchen. — Manche Voͤgel werden uns vorzuͤglich durch ihre Nahrung ſchaͤdlich. Hieher gehoͤren die Raubvoͤgel, welche uns, wie die, welche von Fiſchen leben, ſo manchen Biſſen wegkapern, der gut genug fuͤr unſern Tiſch waͤr. Sie rauben uns nicht nur jagdbare Thiere, Voͤgel und Fiſche weg, ſondern vergreifen ſich oft genug auch an unſerem gezaͤhmten, beſonders an dem Hausgefluͤgel. Trappen und wilde Gaͤnſe weiden unſre gruͤnende Saaten ab, Sperlinge, wilde Enten, Saatkraͤhen n. a. freſſen reifes und reifendes Getraide und Saͤmereien angebauter Gewaͤchſe; viel holen die Früchte unfrer Einleitung Ä 143 Obſtbaͤume, und noch andere arbeiten der Cultur dadurch entgegen, daß ſie bei von uns gemachten Anſaaten die der Erde anvertrauten Saͤmereien wieder hervor holen und verzehren. Einige zerfreſſen die Bluͤthenknospen und wol auch die Bluͤthen der Obſtbaͤume, weil ſie Inſektenbrut darinnen vermuthen, doch nur zum Theil in ſelbigen finden, alfo, neben den ohnehin verdorbenen, auch viel gute Blüthen zerſtoͤhren. Manche werden uns auch durch ihren Aufenthalt nach⸗ theilig; die Saatkraͤhen verderben z. B. da, ws fie haufig brüten, das Gras unter den Baͤumen, ja die Fiſchreiher nicht allein dieſes, ſondern die Baͤume ſelöſt, indem dieſe von dem aͤtzenden Unrath der Jungen nach und nach verdorren. Auch das Abbrechen der Pfropf: reiſer in Gaͤrten, bewirkt durch den ſchweren Tritt mancher Voͤgel, koͤnnen wir zu dem Schaden rechnen den ſie uns zufügen, wenn wir uns nicht durch eine kleine Vorſicht und geringe Mühe davor zu ſichern wußten. Die letztere Bemerkung iſt indeß in vielen andern Fallen, wo wir Schaden von ihnen zu befürchten haben, auch an: wendbar, und es iſt unſre Schuld, wenn wir uns nicht vor ihren nachtheiligen Beſuchen ſichern, wo es uns oft ſo leicht wird. Die allermeiſten Voͤgel laſſen ſich zaͤhmen oder, wenigſtens eine Zeitlang, in gefangenem Zu ſtande unterhalten und gewähren dadurch ihren Beſitzern viel Vergnügen, und den Nutzen, ihre beſondern Eigenſchaften, ſoweit es die beſchraͤnkte Lage erlaubt, genau ſtudiren zu koͤnnen. Manche ſind ſehr wild und ungeſtuͤm oder lieben die Freiheit ſo ſehr, daß ſte, alt eingefangen, den Tod oft einer, uns für fie leidlich duͤnkenden, Gefangenſchaft vorziehen und bei Ueberfluß von ihnen vorgelegten Speiſen dennoch lieber verhungern. Man ſucht ſolche daher jung aus dem Neſte zu nehmen und aufzuziehen. So wie der Menſch mit ſeinen Koͤrperkraͤften, und wo dieſe nicht ausreichen, mit ſeinem uͤberwiegenden Verſtande alles zu beſiegen und alle Geſchoͤpfe des Erdbodens ſich unterthan zu machen weiß; ſo uͤberwindet er auch hier manche Schwierigkeit; ja er brachte es ſogar dahin, ſich ſolche Wildfaͤnge dienſtbar zu machen, ſo daß ſie fuͤr ihn andere Geſchoͤpfe fangen mußten. Die Adler, Falken und Kormorane liefern hiezu die Belege. Eine eigene 144 Einleitung Abtheilung der Jaͤgerei, die Falkonierkunſt oder Falknerei beſchaͤf⸗ tigt ſich beſonders mit dieſer Jagd, die ihres Koſtenaufwandes wegen vorzuͤglich nur fuͤr große Herren iſt. Sie iſt deswegen in unſern Tagen ſelbſt an den Hoͤfen der europaͤiſchen Großen ſehr in Ver⸗ fall gekommen. — Man kann faſt alle Voͤgel eine laͤngere oder kuͤrzere Zeit beim Leben erhalten, und manche in einem hoͤhern oder geringern Grade zahm machen; nur bei einigen treten der Zaͤhmung ſehr viele, nicht zu beſeitigende Hinderniſſe in den Weg, daß alle Kunſt an ihnen ſcheitert, und alle angewandte Muͤhe vergeblich iſt. Hieher gehören vorzüglich unſre Schwalben, welche von fliegenden Inſek⸗ ten leben, dieſe blos im Fluge in freier Luft erhaſchen, und welche man ihnen ſo in der Gefangenſchaft nicht geben kann. Da fie figend nicht freſſen, fo laſſen fie ſich auch durchaus an kein Futter gewoͤhnen, was doch mit den meiſten inſektenfreſſenden Voͤgeln gelingt, obwol einige Arten ſo zaͤrtlich ſind, daß unter mehreren Individuen nur ſelten eins den Verluſt der Freiheit uͤberlebt, oder wenigſtens nicht lange in der Gefangenſchaft dauert. Weil man ihnen oft ihr natuͤr⸗ liches Futter nicht in hinreichender Menge und zu allen Jahreszeiten friſch reichen kann, ſo muß man ſolche an ein ſogenanntes Univer— ſalfutter gewöhnen. Man hat davon mehrere, wobei ſie ſich, bei uͤbrigens guter Behandlung, viele Jahre lang wohl befinden, z. B. fuͤr Droſſeln, Staaren, Pirole u. a. ein aus klar geriebenen Moͤhren oder Mohrruͤben, eingequelltem ungeſaͤuerten Waitzenbrod und Gerſtengruͤtze zuſammengeſetztes; fuͤr kleinere Inſektenvoͤgel ein aus in Milch eingeweichter Semmel oder Gerſtengruͤtze beſtehendes, dem man nach Befinden bald etwas kleingehacktes Fleiſch, bald etwas von klar zerſchnittenen gruͤnen Kraͤutern, bald zerquetſchten Mohn— ſamen beimiſcht, wozu man oft ſogenannte Ameiſeneier und Mehl— wuͤrmer thut. Kann man ihnen von Zeit zu Zeit etwas von ihren natuͤrlichen Nahrungsmitteln reichen, ſo traͤgt es ſehr zur Erhaltung ihrer Geſundheit bei. Die von Koͤrnern und Saͤmereien lebenden ſind leicht zu erhalten, weil man ihnen ihre Lieblingsſpeiſen immer geben kann. Die welche Fleiſch oder Fiſche und Amphibien freſſen, koͤnnen nicht leicht an ein anderes Nahrungsmittel gewoͤhnt werden. Einleitung. 145 Sonderbar iſt es, daß zuweilen einzelne Individuen mancher Arten in der Gefangenſchaft Dinge mit Appetit verzehren, die ganz von ihren gewoͤhnlichen Nahrungsmittela verſchieden find, die ihnen demohngeachtet gut bekommen und die zuletzt gar zur Lieblings— ſpeiſe werden koͤnnen. So hatte ich Streitſchnepfen, die Waitzen, ja Gerſte freſſen lernten, viel davon zu ſich nahmen, ohne daß es ihnen ſichtlich ſchlecht bekommen waͤr; einen Wachtelkoͤnig, der wie ein Raubvogel, alle kleinern Voͤgel fieng, toͤdtete, das Gehirn aus dem Kopfe hackte und mit Appetit verzehrte; u. d. gl. mehr. Im Gegentheil verlaͤugnen, manche wieder ihren eigenthuͤmlichen Charakter in der Gefangenſchaft. So hatte ich z. B. Raubvogel und Uhus, die ſchlechterdings kein Geſchoͤpf toͤdten wollten und lieber den bitterſten Hunger litten, als ſich an weit ſchwaͤcheren lebenden Thieren zu vergreifen. Bei allen Voͤgeln muß man aber vorzuͤglich Sorge tragen, daß fie ihre Speiſen immer friſch und un⸗ verdorben, auch in hinlaͤnglicher Menge bekommen, daß man ſtets auf Reinlichkeit ihres Gefaͤngniſſes ſehe, ihnen ſo oft als moͤglich friſche Luft und Sonne genießen laſſe, und dies letztere ganz vor— zuͤglich während fie ſich mauſern nicht unterlaſſe. Je mehr man alles dieſes beobachtet, und je mehr Raum man ihnen geben, kurz, je ertraͤglicher man ihnen ihre Gefangenſchaft machen kann, deſto länger und beſſer werden fie ſich halten, ja einige fi) ſogar begat— ten und fortpflanzen. Diejenigen welche man ihres Geſanges wegen gern in der Naͤhe hat, ſperrt man in enge Kaͤfige, weil ſie darinnen beſſer als in weiten Behaͤltern ſingen, andere macht man fi zu Stubengeſellſchaftern, oder laßt fie in einer eigenen Kammer herumfliegen. Auch im Freien uͤberzieht man größere Räume mit Gitterwerk, Netz oder Draht, oder laßt fie, an einem Flügel ge: laͤhmt, in Gaͤrten, auf Teichen, in Hoͤfen u. ſ. w. herum gehen. Von den friedliebenden Alken kann ein geraͤumiger Behälter viele aufnehmen, wenn man dagegen die beiffigen, die raub- und mord- füchtigen, hauptſaͤchlich die Raubvoͤgel in einzelnen Gemaͤchern unterhalten muß. Doch es moͤchte uns zu weit fuͤhren, hier noch . ; : 10 146 | Einleitung. mehr uͤber dieſen Gegenſtand ſagen zu wollen, beſonders da ſchon ſo viel daruͤber geſchrieben und den Liebhabern bekannt iſt. 70 N 0 * Was das Aufbewahren der Voͤgel für Naturalientabinette betrifft, ſo habe ich daruͤber bereits in einem beſondern Werkchen, unter dem Titel: Taxidermie oder die Lehre die Thiere aller Klaſſen am leichteſten und zweckmaͤßigſten für Kabinette zuzubereiten und aufzubewahren. Halle 1815. — weitlaͤufig und, wie ich glaube, faßlich genug, gehan— delt, worauf ich denn, um Wiederholungen zu vermeiden, hier verweiſe. Nun noch einige Worte über die Claſſification oder Eintheilung der Voͤgel. — Um das Studium der Naturwiſſen⸗ ſchaften zu erleichtern, und Geiſt und Ordnung in daſſelbe zu brin= gen, ſahe man ſchon ſeit laͤngeren Zeiten Maͤnner auftreten, die ſich beſtrebten, alle ihnen bekannte Weſen, nach einem angenommenen Plane, in eine ſyſtematiſche Reihefolge zu bringen. Mehrere ge— lehrte Maͤnner und erfahrne Ornithologen bemuͤheten ſich ebenfalls auch ein der Natur angemeſſenes Lehrgebaͤude der Ornithologie aufzuſtellen. Obgleich die aͤltern unter ihnen vielleicht zu einfach waren, ſo kuͤnſtelte man dagegen in neuern Zeiten wieder zuviel daran; man fieng an, auf Kleinigkeiten einen zu großen Werth zu legen, entfernte ſich aber dadurch nur von der wahren Abſicht. Die großen Arbeiten des unſterblichen Linné find bekannt und haben einen unverkennbaren Werth; allein da ſeit jener Zeit ſehr viel neue Entdeckungen gemacht wurden, ſo ſchien ſein Syſtem hie und da unzulaͤnglich; die vielen Zufäße, W mußte, machten ſo manche Verbeſſerung nothwendig, und diejenigen, welche ſich der Englaͤnder Latham erlaubte, ſchienen daher ſehr zweckmaͤßig. Seine methodiſche Claſſification war leicht und faßlich. Aber bald war man auch hiermit nicht mehr zufrieden. Proſeſſor Illiger Einleitung 147 gab einen Beweis hievon, indem er in feinem Proclromus Syftema- tis mammalium et avium etc. eine neue veraͤnderte Claſſiſtcation aufſtellte, die auch ſehr vorzuͤglich iſt, beſonders in den Abtheilungen und Gattungen wo dieſer ausgezeichnete Gelehrte die Natur ſelbſt f vor Augen hatte. Dies ſollte zwar immer geſchehen; aber leider ſehn wir wie manche Naturforſcher in ihren Syſtemen Gat— tungen und Arten bildeten, deren ganze Exiſtenz öfters nur auf bloße Angaben unkundiger Reiſender beruhete. Man ſollte durchaus dem Grundſatze treu bleiben, ohne die dringendſte Noth und ohne die ſorgfaͤltigſte Prüfung der Natur, keine Veraͤnderung in den ſchon vorhandenen Syſtemen zu machen. Ueberall dringt ſich uns ja doch die Bemerkung auf, daß wir keins luͤckenlos nennen koͤnnen, und daß es, von der Natur gemisbilligte Trennungen und Vereinigungen noch in allen unſern Syſtemen giebt, und ſo lange geben wird, bis wir durch langen anhaltenden Fleiß und fortgeſetztes genaues Beobachten der Natur, nach und nach zu einer reinern Erkenntniß gelangt ſeyn werden. Die Linnéiſche und Lathamiſche Eintheilung iſt im Ganzen gut, und wenn ſie einige Zuſaͤtze und Verbeſſerungen bedarf, ſo ſollte man, duͤnkt mich, hierin nur immer maͤßig bleiben und in der Sache nicht zu weit gehen. Ich halte daher den Weg, den mein verehrter Freund Herr Temminck bei Bearbeitung feines Manuel d' Or- nithologie etc. befolgte, für den beſten, und werde im vorliegenden Werke nur wenig davon abgehen. Seine Anſichten uͤber die Claſ⸗ ſification der Voͤgel, die er in der Vorrede zu jenem ſchaͤtzbaren Werk und in einer erſt kuͤrzlich erſchienenen Schrift: C. J. Tem- minck Observations sur la Classification méthodique des Oiseaux etc. par L. P. Vieillot, fo ſchoͤn ausſpricht, ſind auch die meinigen, und auch jeder geuͤbte Forſcher moͤchte wol mit uns daruͤber einverſtanden ſeyn. Man hat in neuern Zeiten leider die Vervielfaͤltigung der Gattungen zu weit getrieben, und es ſcheint faſt, als waͤre in der Naturgeſchichte nichts mehr zu thun, als das 148 Einleitung kuͤnſtliche Lehrgebaͤude derſelben nur noch kuͤnſtlicher zu machen, ſtatt daß man es zu vereinfachen ſuchen ſollte. Nicht unbedeutende Kleinigkeiten, wie kleine Abweichungen an der, bei einer Gattung feſtgeſetzten, Form des Schnabels, der Nafenlöcher oder gar der Zunge nur u. ſ. w. duͤrfen uns beſtimmen, ſo viel eigene Gattungen zu bilden; wir wuͤrden ſonſt faſt ſo viel Gattungen bekommen, als es Arten giebt, wie z. B. leider die Verſuche des Herrn Koch in feiner, übrigens verdienſtlichen, Baieriſchen Zoologie auf jeder Seite zeigen. — Was ſoll am Ende noch aus der ſchoͤnen Wiſſenſchaft werden, da man über die aͤußere Form das Innere zu vergeſſen ſcheint. Wenn jeder am Aeußern deſſelben herum klauben will, ſo wird es zuletzt ganz unkenntlich werden, und nicht allein dem Anfaͤnger, ſondern ſelbſt dem Geuͤbtern wird dadurch das Studium unendlich erſchwert. Man zeigt ihm viele Wege zum Ziel, aber welches iſt nun der beſte, der kuͤrzeſte? Nur bei vielſeitigen theoretiſchen und praktiſchen Kenntniſſen, geſchoͤpft aus der reinen Quelle der Natur, iſt es moͤglich, ein Werk aufzubauen, welches in allen ſeinen Theilen ſo zweckmaͤßig iſt, wie es das Linneiſche zu feiner Zeit war. Aber auch ein Linneiſcher Scharfblick gehoͤrt dazu. — Nicht die Form des Schnabels und der Beine duͤrfen, nach meinem Dafuͤrhalten, die Kennzeichen der Gattungen allein beſtimmen, obwol ſie oben anſtehen muͤſſen, ſondern es ſind der Totalhabitus, vorzuͤglich der innere Bau, der Aufenthalt und die Lebensart, ebenfalls wichtig und muͤſſen jene wenigſtens unterſtuͤtzen, beſonders aber die Unterabtheilungen in den Gattungen bilden helfen. Daß man in neuern Zeiten die Claſſification der aͤltern Natur⸗ forſcher abaͤnderte, iſt an ſich nicht zu tadeln, deſto mehr aber iſt es der Unfug den man mit den Benennungen der Arten trieb. Alte bekannte Namen wurden aus irgend einem unbedeutenden Grunde oder aus bloßer Grille verworfen und neue, oft weit ſchlechtere, dafuͤr gegeben. Man taufte Arten um, deren alte Namen, wenn Bınkavtumgn 249 auch nicht immer ganz paſſend, oder hinlaͤnglich beſtimmend, doch einmal bekannt waren und uns die Sache eben ſo gut bezeichneten als jeder neue, den wir unſerm Gedaͤchtniß erſt einpraͤgen ſollten. Warum verwarf man z. B. den Linnéiſchen Namen Sturnus vul- garis und ſetzte dafuͤr St. varius? Iſt der Vogel den er bezeichnet nicht etwa der gemeinſte ſeiner Gattung? Warum ſetzte man Sitta caesia, ſtatt S. europaea? Haben wir etwa mehrere Arten dieſer Gattung in Europa? Und wenn wirklich noch eine neue ent⸗ deckt würde, koͤnnte deswegen nicht doch der Name der alten bleiben? Uns bliebe dabei doch der Vortheil, daß wir nur einen neuen Namen dazu zu lernen brauchten. Wenn nun aber der Name durchaus etwas Weſentliches des Vogels, dem er beigelegt wird, bezeichnen ſoll, (was aber wol nicht allemal moͤglich zu machen ſein moͤchte) warum waͤhlte man denn wieder unter mehreren, die er im Linnéiſchen Syſtem fuͤhrte, gerade einen ſolchen, der den Vogel nur in einem gewiſſen Alter charakteriſirt? So iſt z. B. der Seeadler immer in verſchiedenen Lebensperioden, im Gmelin- Linneifchen Syſtem (15te Ausgabe) unter vier bis fuͤnf verſchiedenen Namen, als eben ſoviel Arten, aufgeführt, naͤmlich unter: Falco Ossi- fragus, F. Melanaetos, F. albicaudus, F. Albicilla und vielleicht auch unter F. leucocephalus; warum waͤhlten nun die Neuern den letztern Namen zur Bezeichnung dieſer Art, der doch nur den Vogel im hohen Alter oder in hoͤchſter Vollkommenheit bezeichnen ſoll, da der jüngere Vogel dieſer Art gar keinen weißen Kopf hat? Wie ſoll nun der Anfaͤnger, der dieſe Synonymie nicht kennt, den jungen braunkoͤpfigen Seeadler für einen leucocephalus (Weißkopf) halten koͤnnen “)? Nur in ſolchen einzelnen Fallen waͤr es in der That rathſam, ſaͤmmtliche, ein und denſelben Vogel bezeichnende, Namen zu verwerfen und einen neuen dafuͤr einzu⸗ fuͤhren; wenn ſich naͤmlich kein paſſender in einem noch aͤltern ) Nach den neueſten Beobachtungen wird es ſogar klar daß der Linnsiſche F.leuco- cephalus nur in Nordamerika vorkoͤmmt und eine von unſerm alten weißkoͤpfi⸗ gen Seeadler ganz beſtimmt verſchiedene Art iſt. 250 Einleitung Werke als Linns für ihn auffinden lies. Diefer letztere Umſtand verdiente allerdings Beruͤckſichtigung, iſt aber leider nuch von vielen unbeachtet geblieben. Ich meines Theils werde in vorliegendem Werke mich nur dann der Benennungen des großen Linns nicht bedienen, wenn ich uͤber— zeugt bin, daß fie zu Verwechslungen und Misverſtaͤndniſſen Veran⸗ lafjung geben koͤnnen. In dieſem Falle werde ich mich bemühen einen ſchicklichern Namen in den alten Autoren aufzuſuchen, und nur dann, wenn auch dieſer ſich nicht finden lies, einen neuen mit ges hoͤriger Vorficht waͤhlen. . Erſte Ordnung. Rau by ög e L RAPTATORES. Schnabel: Kurz, ſtark, etwas zuſammengedruͤckt; der Oberſchnabel an der Spitze über den untern herabge⸗ kruͤmmt, an der Wurzel faſt immer mit einer weichen Haut (Wachshaut) bedeckt, in welcher ſich die unbedeckten Naſen⸗ loͤch er befinden. Süße: Stark, kurz, oder doch nur von mittelmaͤßiger Lange, gewoͤhnlich bis etwas unter die Ferſe (dem ſogenannten Knie) beſiedert, vierzehig. Won den völlig getheilten Zehen ſtehen drei nach vorne und eine nach hinten. Sie ſind unten rauhwarzig und vorn mit großen, krummen, ſcharfſchneidigen, ſpitzen Naͤgeln bewaffnet, von welcher der, der aͤußern Zehe der ſchwaͤchſte iſt; dann folgt der, der mittlern, dann der innern und zuletzt der hintern Zehe, welches der ſtaͤrkſte iſt. Die Weibchen ſind faſt immer groͤßer als die Maͤnnchen, aber nie ſo ſchoͤn gefaͤrbt. Es ſind einſame ungeſellige Voͤgel, welche in Einweiberei leben und faſt immer auf unzugaͤnglichen Felſen und ſehr hohen Bäumen niſten und wenige, hoͤchſtens 6 bis 7 Eier legen. Sie haben groͤßtentheils einen leichten, ſehr hohen, und viele einen ſchnellen Flug. Ohngeachtet ihrer Wildheit laſſen ſich doch viele ſo zahm machen, daß man ſie zum Fange andrer Voͤgel gebrauchen kann. 152 Erſte Ordnung. Waubvögel. Raptatores. Ihre Nahrung beſteht in dem Raube lebendiger und todter Thiere. Sie reinigen dieſen nur von den mehreſten Federn, zer— reißen und verſchlucken ihn ſtuͤckweiſe und koͤnnen, da ſich ihr Schlund gegen das Bruſtbein hin ſehr erweitert und einen ziemlich großen Kropf bildet, viel freſſen. Im Kropfe erweicht, gleitet das Fleiſch, ſammt Knochen, Haaren und Federn, nach und nach in den Magen, wo dann die eigentliche Verdauung vor ſich geht, hier ſich die Haare und Federn abſondern, laͤnglichrunde Ballen bilden, und, gewöhnlich des Morgens, durch den Mund mit vieler Anz ſtrengung wieder von ſich gegeben werden. Sie koͤnnen nach Ge— legenheit ſehr viel auf einmal freſſen, aber ein andermal auch wieder ſehr lange hungern, manche der groͤßern drei bis vier Wochen. Die meiſten trinken im Freien niemals und ſtellen ſich, wenn es manche in der Gefangenſchaft bei ſchlechtem Futter thun, dazu ſehr unge⸗ | ſchickt an. Ihr Unrath iſt durchaus fluͤſſig, dünn und weiß wie Kalch. Sie ſpritzen ihn mehrere Fuß weit hinter ſich, indem fie ſich dabei vorwaͤrts neigen, das Gefieder aufſtraͤuben, ſich ſchuͤtteln und den Schwanz in die Hoͤhe heben. Anmerk. Die Zehen ſind eigentlich nur bei wenigen Arten gan; gefheiltz denn bei den allermeiften iſt die äußere mit der mittleren Zeh, an ihrer Wurzel, durch ein kleines Haͤutchen, was jedoch nur bis an das erſte Gelenk reicht, verbun⸗ den. Es dient ihnen zum Feſthalten auf ſehr dünnen Zweigen, wo ſie die aͤußere Zeh, ſoweit es das Spannhäautchen geſtattet, zuruͤckſchlagen. Dies ſieht man bei 5 den Arten, denen es fehlt, noch haͤufiger und die aͤußere Zeh ui bei ihnen gleichſam eine Wendezehe, Erſte Gattung. Geier. Vultur. Schnabel: Stark, an der Wurzel mit einer 1 Wachshaut bedeckt; Oberſchnabel gerade, nur an der Spitze haken⸗ foͤrmig herabgebogen, inwendig am Gaumen mit einer muskuloͤſen Erhabenheit; Unterkiefer gerade, an der Spitze abgerundet; beide Kiefern mit ſcharfſchneidigem Rande. Ko pf: Kahl oder mit ſehr kurzem Flaum bedeckt; ee lieder mit Wimpern verſehen. Naſenloͤcher: Frei, zur Seite des Schnabels, in ſchiefer Richtung, aufwaͤrts, gegen den Rand der Wachshaut liegend. Füße: Stark, mittelmäßig hoch; die Mittelzeh ſehr lang, die ſehr ſchwache aͤußere um die Haͤlfte kuͤrzer, und die innere und die hintere noch kuͤrzer. Die Krallen ſind mittelmaͤßig, nur wenig gebogen, am geradeſten die der Mittelzeh, am groͤßten und kruͤmm⸗ ſten die der innern und hintern Zeh. Flügel: Merklich abgerundet; die erſte Schwinge kurz und mit der ſechſten von gleicher Laͤnge, die zweite und dritte nicht ſo lang als die vierte, welches die laͤngſte iſt. Sie haben einen kleinen Kopf, großen Schnabel, einen langen, theils kahlen, theils mit kurzem Flaum bekleideten Hals, den ſie ſehr einziehen und in die buſchichten Federn der Halswurzel einhuͤllen koͤnnen; einen ſchwerfaͤlligen Koͤrper; große Fluͤgel mit ſehr langen Armknochen, an welchen in Ruhe liegend, die hintern Schwingen die großen faſt bedecken. Der angefuͤllte Kropf tritt am Vorder: halſe fackſoͤrmig hervor. Die Schwanzfedern find am Ende gewoͤhn⸗ lich abgerieben oder verſtoßen, ſo daß man die Spitzen der ſtarken Kiele oft 1 Zoll lang ohne Bart ſieht. Sie haben eine uͤbelriechende Ausduͤnſtung, und behalten dieſe lange nach dem Tode noch. 154 Erſte Gattung. Geier. Vultur. Ob ſchon ihr Flug ſchwerfaͤllig und langſam iſt, fo konnen fie ſich doch zu einer unermeßlichen Hoͤhe erheben. Sie ſteigen in einer Schneckenlinie auf und laſſen ſich auch auf dieſelbe Art wieder herab. Ihr Geſicht iſt ſehr ſcharf, aber die Organe des Geruchs noch voll— kommner; ihr Anſtand traurig und ihr Betragen plump. Sie leben in großen Schaaren und naͤhren ſich beinahe einzig von Aas; niſten auf unzugaͤnglichen Felſen, tragen den Jungen die Speiſen im Kropfe zu, und ſpeien ſie ihnen vor. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich im Aeußern wenig von einander. Wi Zwei Arten. „ y 1. „)) Sellr Vultur cinereus. Linn. af 1. Weibchen. Großer — aſchgrauer — gemeiner — brauner Geier, Moͤnchs⸗ geier, Arriangeier, Kahlkopf, pyrenaͤiſcher Adler. Vul tur monachus. Gmelin Linné syst. nat. edit. 13. I. p. 246. n. 4. Vultur cinereus. Ibid. p. 247. n. 6. = Vultur niger. Ibid. p. 248. n. 9. (Die befiederten Fußwurzeln moͤgen hier wol ein vom Belon kopirter Irrthum Teyn)—: Vautour ou grand Vautour. Buffon Hist. nat. des Oiseaux. I. p. 158. Id. Planches enluminé es 425. — Id. Edit, de Deuxp. I. p. 161, t. 6. —= Le Vautour noir d’Egypte. Savigny syst. d. Ois. d' Egypte p. 14. pl. 11. Le, Chincou. Le Vaillant Ois. d’Afrique, I. pl. 12. Ueberſetzung von Bechſtein. I, ©. 66. T. ı2. — L’Arrian. Gerard Tabl. elem. d'ornith. I. p. 11. — Vau- Zour arrien. Temminck Manuel d’ornith. P-2. = Cinereous or ash coloured Vulture. Latham general synopsis I. p. 14. n. 8. == Ueberſ. v. Bechſtein I. P. 13. n. 8, = Avoltoio lepraiolo. Storia degli uccelli. I. pl. 9. = Bech⸗ ſtein 8 gem. Naturgeſch. Deutſchl. zte Aufl. II. S. 474. n. 1. = Deſſen ornith. Taſchenb. S. 2. — Wolf u. Meyer Naturgeſchichte d. Voͤgel Deutſchlands Heft 18. =: Deren Taſchenb. d. deutfch. Voͤgelk. I. S. 4. = Dr. Leis ler in den Annalen der Wetteraueſchen Geſellſchaft. I. 1. S. 127. Naumanns Ra: turg. d. Land⸗ und Waſſervoͤgel. Alte Ausgabe. Nachtrag S. 545. T. 49. Kennzeichen der Ar t. Der Hals uͤber die Haͤlfte ganz nackt, blaͤulich; die zwiſchen den Halsfedern hervorſtehenden Dunen bilden, bei eingezogenem und dadurch verſtecktem kahlen Theile des Halſes, vorn einen herzfoͤr⸗ migen Kragen, der einen dunkler befiederten dreieckigen Fleck ein⸗ ſchließt; an jeder Schulter ſteht ein beweglicher Federbuſch; die Fußwurzeln find uͤber die Hälfte herab befiedert, der kahle Theil ſchmutzig fleiſchfarben. Beſchrei bun g. \ Diefer Geier ift einer der größten deutſchen Vögel und übertrifft an Größe den Seeadler noch. Seine Länge beträgt 46 bis 4g Zoll, die Fluͤgelbreite 100 bis 115 Zoll oder 9 Fuß und 7 Zoll *). Die *) Die Ausmeſſung iſt hier, wie durchgaͤngig in dieſem Werke, nach Leipziger oder gemeinem Werkfuß, die Laͤnge von der Schnabelwurzel bis zur Schwanz⸗ ſpitze, und die Breite von einer Spitze der ausgebreiteten Fluͤgel zur andern genommen. 5 { 156 IJ. Srdn. I. Gatt. 1. Grauer Geier. Flügel ſind ſehr groß, haben erſtaunend lange Armknochen, und reichen, in Ruhe liegend, mit ihren Spitzen faſt bis an das ſtets verſtoßene und abgenutzte Ende des zugerundeten, ſtarkkieligen, 14 bis 164 Zoll langen Schwanzes. Das Gewicht des Vogels betraͤgt 14 bis 22 Pfund. Der Schnabel, mit Inbegriff der Wachshaut geht anfaͤnglich 1 (doch wird dieſe angeblich gerade Linie bisweilen da, wo die Wachshaut aufhört, durch eine kleine Vertiefung unterbrochen, die vom Bogen des Schnabels ſelbſt und der Biegung der Wachshaut entſteht) und krümmt ſich an der Spitze halbzirklich herab. Der Haken iſt nicht ſehr lang; nahe an dieſen reicht die Schneide des Oberkiefers weit uͤber die des Unterkiefers herab, und bildet gewif: ſermaßen einen großen flachen Zahn. Die Schneiden beider Kiefer ſind ſehr ſcharf, die des obern auf der inwendigen Seite nach dem Haken zu, fein gerieft und mit einem kleinen Knoͤpfchen verſehen wogegen, bei geſchloſſenem Schnabel, die Spitze des Unterkiefers ſchlägt. Eine erhoͤhete Linie geht von dieſem Knoͤpfchen bis in die Mitte des Oberkiefers, wo fie eine haͤutige, ziemlich ſtarke Hervor⸗ ragung bildet, die vorn glatt, nach hinten aber gezaͤhnt iſt, und, bei geſchloſſenem Schnabel, die durch die Zunge gebildete, nach vorn offene Rinne verſchließt. Der Schnabel mißt im Bogen von der Spitze bis zur Wachshaut 32 Zoll, von der Spitze bis zur Stirn, auf dieſe Art gemeſſen, aber 43 Zoll, von den Mundwinkeln bis zur Spitze, im Durchſchnitt, 4 Zoll, und ſeine Hoͤhe an der Wurzel betraͤgt 2 Zoll. Von Farbe iſt er ſchwarz, nach den Schneiden zu ius Braͤunliche uͤbergehend; die Wachshaut ſehr blaß blau, ober- warts, fo wie die Mundwinkel, roͤthlichweiß. Die ziemlich großen Naſenloͤcher find rund oder eirund, die Wachshaut hat vor denſelben einen flach mondfoͤrmig ausgeſchweiften Rand, und die Iris der kleinen Augen iſt dunkelbraun. Nach dem Tode des Vogels wird die Wachshaut viel dunkler und einfarbig blau. Die ſchmutzig fleiſchfarbnen Füße find ſehr ſtark und geſchuppt, die oben geſchilderten, unten geſchuppten Zehen bis auf die mittelſte ſehr kurz, dieſe aber auffallend lang; die aͤußerſte Zeh, welche mit der innern durch eine kaum bis zum erſten Gelenk reichende Spann— haut verbunden, iſt nicht allein kurz, ſondern auch ſo duͤnn und mit ſo kleiner Kralle verſehen, daß ſie gar ſehr von den andern abſticht. Die ſchwarzen Krallen find mittelmaͤßig groß, aber wenig gebogen, am wenigſten die der Mittelzeh; der Lauf (das ſonſt ſogenannte Schienbein) iſt 6 Zoll lang und davon find 4 Zoll vom ſogenannten I. Ordn. J. Gatt. 2. Grauer Geier. 10% Knie herab befiedert; die aͤußere Zeh und Kralle 53 Zoll, die Mit: telzeh und Kralle 55 Zoll, die innere wie die aͤußere, ohne der großen Kralle aber nur 13 Zoll, die Hinterzeh mit der Kralle im Durchſchnitt 23 Zoll, die Kralle im Durchſchnitt 12, im Bogen aber 24 Zoll lang. Ein kleiner Kreis um das Auge iſt kahl, blaͤulich- oder röthlic ch⸗ weiß und die Augenlieder mit ſchwarzen Wimpern verfehen; Zügel, Wangen, das runde offne Ohr und das Kinn ſind mit kurzen braͤun⸗ lichen Dunen und dunkelbraunen Haaren beſetzt; der Scheitel und Nacken mit dunkelbraunen, wolligen oder vielmehr haaraͤhnlichen Federn, die am letzteren am laͤngſten find und ſich etwas auf: waͤrts ſtraͤuben; der Vorderhals bis zur Mitte herab mit rothwei⸗ ßer Wolle und dunkelbraunen Haaren duͤnn beſetzt; der Hinterhals vom Nacken bis über die Halfte hinab gauz kahl und hellaſchblaͤulich— Vorn auf der Mitte des Vorderhalſes, wo die ordentliche Beflederung anfaͤngt, ſind die Federn lang und buſchicht und nebſt den uͤbrigen kurzen und glatt anliegenden bis zum Kropf ſehr dunkelbraun. Sie bilden hier einen dreieckigen, mit der laͤngſten Spitze unterwaͤrts gekehrten, oder beinahe herzfoͤrmigen, dunkeln Fleck. — Unter der Mitte des Hinterhalſes faͤngt ein Kragen an, der in ſchiefer Richtung nach dem Kropfe herablaͤuft und ſo die Halswurzel umgiebt, aus etwas langen, buſchicht abſtehenden, braunen Federn beſteht, und unter dieſen zwiſchen Kropf und Schultern, das iſt unter der Fluͤgel⸗ ecke, ſteht auf jeder Seite ein Buͤſchel noch groͤßerer und hellerer ſchmaler zerſchliſſener Federn. Dieſe beiden Buͤſchel, von welchen jeder etwa aus 16 bis 20 4 bis 6 Zoll langer Federn beſteht, breiten ſich oft faͤcherfoͤrmig aus, ſo daß ſie auf dem Ruͤcken faſt aneinander reichen. Dieſer Federkragen iſt aber nicht immer bemerkbar; denn der Vogel legt ſehr haͤufig die Federn deſſelben glatt an, und ſie ſtecken dann unter der vorderen Fluͤgelecke. Alle uͤbrigen Federn des Körpers find von gewöhnlicher Textur und zugeſpitzt, am längften und ſchmaͤlſten die der Bruſt und Hoſen, welche letzteren nur an den Enden etwas buſchicht oder zerſchliſſen ſind. Bruſt, Seiten, Hoſen und die bis z ihrer Laͤnge herab befiederten Beine, find ſehr dunkelbraun, Bauch und After aber heller und letzterer hell⸗ braun. Alle Federn des Oberleibes ſind tief braun, meiſtens, be⸗ ſonders am Fluͤgelbuge, etwas heller gefaͤumt, alle kleinern mit hellern Schaͤften, und das Ganze hin und wieder ſchwach ſeiden⸗ artig roͤthlichglaͤnzend; die Schwingen und Schwanzfedern ſchwarz mit dunkelbraunen, grau uͤberpuderten, aͤußern Kanfen. 158 J. Ordn. I. Gatt. 1. Grauer Geier. Die Schulter- und großen Fluͤgeldeckfedern und die zweite und dritte Ordnung Schwungfedern ſind ſehr lang, daher die Fluͤgel ſehr groß ausſehen, auch wenn ſie in Ruhe liegen, und die Schwanz⸗ federn ſind am Ende ſehr abgenutzt. Das Weibchen iſt gewoͤhnlich etwas groͤßer und auch dunkler von Farbe als das Maͤnnchen. In der Hoͤhe und Tiefe der Farben aͤndert der Vogel ab, doch iſt dies nie ſehr auffallend. a Aufenthalt. Er ſcheint in der waͤrmern Zone der alten Welt allenthalben verbreitet, doch nirgends in großer Anzahl zu ſeyn. In Eur opa bewohnt er die ſuͤdlichen hohen Gebirge und großen Waͤlder, doch mehr jene als dieſe. In Ungern, der europaͤiſchen Türkei, Italien, dem ſuͤdlichen Spanien und in Portugal iſt er nicht ſelten, bei Gibraltar z. B. ziemlich gemein, in den Pyrenaͤen aber ſchon nicht fo häufig. Von hier aus und von den Appeninen verſtreicht er ſich manchmal in die ſuͤdlichen Alpen, und von Ungarn aus nach dem Rieſengebirge, iſt jedoch dort ſchon ſelten; noch ſeltner aber in den ebneren, nördlicher gelegenen Gegenden Deutſch— lands. Er t iſt in Schleſien, Sachſen und Franken anges troffen worden; auch in hieſiger Gegend fanden ſich, in dieſem gelinden Winter (Januar 1818) die unverkennbaren, im Schnee abgedruckten Fußtapfen eines dieſer Geier, bei und in einem jungen Kiefernwaͤldchen, das ſich im ebenen Felde befindet. Man ſahe wo er ſich niedergelaſſen und wieder aufgeſchwungen hatte, daß er viel herumgegangen war, und Fluͤgel und Schwanz dabei haͤufig den Boden beruͤhrt hatten. Er haͤlt ſich am liebſten in hohen felſi— gen Gegenden auf, und ſetzt ſich ſehr ſelten auf einen Baum. Eigenſchaften. Dieſer Geier hat einen traurig-gutmuͤthigen Blick, fein Betra— gen iſt ſtill und ruhig, und in allen ſeinen Bewegungen plump und ungeſchickt. In ſeinem Benehmen zeigt er wol eine gute Portion Dummheit, aber eben keinen boshaften Sinn. Er iſt ein langſamer, traͤger Vogel, der immer mit aufgeſtraͤubten Federn und haͤngenden Fluͤgeln lange auf einer Stelle ſitzt. Stundenlang ſteht er, wenn er ſich recht ſatt gefreſſen hat, faſt unbeweglich, auf einem Beine, das Gefieder locker vom Koͤrper abſtehend und den Hals tief in die Schultern eingezogen. Er iſt manchmal ſehr ſcheu, zuweilen wieder I. Ordn. I. Gatt. 1. Grauer Geier, 159 nicht, nach einer eben abgehaltenen guten Mahlzeit fogar oft fo dumm, daß er ſich ſo nahe kommen laͤßt, daß er erſchlagen oder gar ergriffen werden kann. Er geht, wie alle Geier, ſchrittweiſe und weit lieber als andere Raubvoͤgel (worinn, wie noch in mehreren Stuͤcken, die Geier nicht ſowol dieſen als vielmehr den Kraͤhen ähneln) trägt dabei den Körper faſt horizontal, den Hals herabhaͤn— gend, den Schwanz aufgehoben und die Ruͤckenfedern aufgeſtraͤubt. Sein Flug iſt ſchwerfaͤllig, traͤge, mit langſamen Schwingungen der Fluͤgel oder mehr ſchwimmend. In einer großen Schneckenlinie weiß er ſich zu einer Höhe hinauf zu ſchwingen, daß ihn das menſch⸗ liche Auge kaum noch gewahren kann, und auf gleiche Weiſe laͤßt er ſich auch wieder auf die Erde herab. Da ſein Vaterland die waͤrmere Zone iſt, er ſich dort aber auch gern im Gebirge aufhaͤlt, . fo ſcheint er gleichgültig gegen Hitze und Kälte, was auch ange— . ſtellte Beobachtungen bei in Gefangenſchaft gehaltenen Geiern dieſer Art bethaͤtigen. Der graue Geier des verſtorbenen Dr. Leis ler zeigte bei 12 bis 15 Grad Kaͤlte nicht die geringſte Spur von Froſt. Nahe u n g Alles Aas von Thieren, ſowol friſches als faulendes, beſonders das von Haarthieren, iſt ſeine gewoͤhnliche Speiſe. Durch die be— ſondere Einrichtung ſeines Schnabels iſt er in den Stand geſetzt, das Fleiſch ſehr rein von den Knochen abzunagen, ſelbſt wenn es ſchon feſt angetrocknet iſt. Die kleinen Knochen, ſo wie die Felle der Saͤugthiere, frißt er mit, ja er ſcheint die letztern beſonders zu lieben, wovon er die Haare, im ſogenannten Gewoͤlle, durch den Mund wieder von ſich giebt, erſtere aber verdaut. Ein gezaͤhmter Vogel dieſer Art fraß beſonders gern die weichen Knochen von Kalbsfüßen, verſchluckte die ganzen Schwänze junger Fuͤchſe und verzehrte eine ſteinhart gefrorne Katze in kurzer Zeit. Von Thieren dieſer Größe ließ er nichts als den rein ſkelettirten Schädel übrig, Fiſche fraß er auch bei großem Hunger nie. Ob er auch Amphibien, vielleicht auch Schnecken, Regen⸗ wuͤrmer und große Kaͤfer freſſe, davon haben wir keine Nachrichten, doch iſt es nicht unwahrſcheinlich, beſonders von den Geiern, welche ſich bis zu uns verirren. Weil fie in einem fo kultivirten Lande, wie Deutſchland, nur zu ſelten ein Aas finden, und man fie mehrere mal auf feuchten Wieſen antraf, wo ſich fuͤr ſie wenigſtens nichts anderes als jene Geſchoͤpſe vorfinden, fo erhält dadurch jene Ver⸗ muthung viel Wahrſcheinliches. Die Nachrichten vom Naube 160 I. Ordn. I. Gatt. 1. Grauer Geier. lebender groͤßerer Thiere ſind uͤbrigens ſehr zweideutig, indem man an Gezaͤhmten ſogar Furcht vor jenen bemerkte. Es fehlen uns nur noch mehrere ſolcher Beobachtungen wie ſie ein Schaumburg und Leisler machte, um in dieſer Sache Gewißheit zu erlangen. Der Zweifel wuͤrde durch die in den Annalen der wetteraueſchen Geſellſchaft a. a. O. bekanntgemachten Erfahrungen des letztern gehoben ſeyn, wenn wir nicht 1) ähnliche Beiſpiele von gefangen gehaltenen großen Raubvoͤgeln hätten, wie ich mehrere hier anfuͤh⸗ ren koͤnnte. 2) Wurde, nach Bechſtein, ein Paͤrchen dieſer Geier auf einem Bauernhofe im Schaumburgiſchen auf einem Schaafe ge— fangen, das es niedergeſtoßen hatte, was ſie alſo wol lebendig angegriffen haben mußten. Ein andrer Geier dieſer Art wurde im Jahr 1805 ohnweit Schleſiſch Carsruh auf einer eben getoͤdteten zahmen Gans angetroffen. So haben wir mehrere aͤltere Nachrichten vom Niederſtoßen kranker, aber noch lebender Thiere, als: Schaa⸗ fen, Ziegen, Rehen u. d. gl. f Man ſieht, daß wir über dieſen Punkt, fo wie leider uͤber mehrere in der Naturgeſchichte der Geier nicht im Reinen ſind, und daher noch in Ungewißheit bleiben. Vielleicht daß ſie da wo ſie Aas genug finden, kein lebendes Thier toͤdten; daß ſie aber in ſolchen Gegenden, wo ſie das erſtere nicht haben koͤnnen, ſich durch den Hunger ge— zwungen ſehen, auch ſolche Thiere zu toͤdten, die ſie bezwingen koͤnnen. Da ſie immer in Geſellſchaft leben, ſo verrichten ſie dies vielleicht auch geſellſchaftlich und ſo wird es noch wahrſcheinlicher, weil fie einzeln, vielleicht ihre Plumpheit daran verhindern moͤchte. — Eine uͤberaus große Gefraͤßigkeit hat dieſer Geier mit andern Arten ſeiner Gattung gemein. Hat er ſich recht voll geladen, ſo tritt ſein Kropf ſackfoͤrmig aus der Bruſthoͤhle hervor; jede Bewe— gung iſt ihm dann zuwider, er bleibt, die Verdauung ruhig ab— wartend, bei ſeiner Speiſetafel ſitzen, indem er oft, wenn er auch wollte, nicht einmal wegfliegen kann. Er kann dafuͤr aber auch wieder lange hungern. An den in Gefangenſchaft gehaltenen bemerkte man, daß ſie ſich ſehr gern im Waſſer badeten und oft tranken, wodurch ſie ebenfalls den Kraͤhen aͤhnlicher, als den Adlern und Falken ſind. Da der Schnabel die vorzuͤglichſte Waffe der Geier iſt, ſo hat man ſich vor ihren Biſſen ſehr in Acht zu nehmen, weil ſie im Stande ſind, damit gefaͤhrlich zu verwunden. Sie reißen und bei— ßen zugleich das Fleiſch, das ſie mit den Beinen feſthalten, damit in verſchlingbare Stuͤcken, und zerbrechen ziemlich ſtarke Knochen I. Ordn. I. Gatt. 1. Grauer Geie 161 mit Leichtigkeit. Sie hauen mit dem Schnabel und mit den Beinen nach ihrer Beute, doch ſtets mehr mit dem erſteren. | Fortpflanzung. Von dieſer iſt nichts Zuverlaͤßiges bekannt; doch iſt es nicht unwahrſcheinlich daß ſie, nach aͤltern Nach ichten ſchon, auf hohen unzugaͤnglichen a niften und zwei Eier legen follen. 1 f Feinde unt man eben ſo wenig, wenn man nicht mehrere Schmarotzerin— ſekten (ſogenannte Voͤgellaͤuſe) dazu zaͤhlen will, was aber allge⸗ meine Feinde der Voͤgel ſind, indem faſt kein Vogel ohne eine und mehrere, Ber. Art eigene, N dieſer Peiniger ift. Jag d Er iſt nur dann leicht zu ſchießen, wenn er eben eine tuͤchtige Mahlzeit gehalten hat, ja fo unbehuͤlflich und dumm, NN er ſich ergreifen oder todtſchlagen laͤßt. Hier ein Beiſpiel: Jener, bei Carsruhe in Schleſien gefangene, graue Geier, war, bei ſtarkem Regenwetter, eben ſehr emſig beſchaͤftigt eine Gans 10 verzehren, als ihn ein voruͤbergehendes Weib gewahr ward, ihn voll Verwunde— rung ganz in der Naͤhe betrachtete, und da es ſahe, daß der große Freſſer keine Luſt bezeigte ſich fort zu machen, ihre Schuͤrze losband, den Geier damit bedeckte, band und nach Hauſe ſchleppte, wo er dem Herzoge von Wuͤrtemberg i wurde und nachher in die Stuttgarder Menagerie kam. — In Fuchseiſen, worauf als Koͤder ein Stück Fleiſch befeſtigt iſt, wird er leicht gefangen. N Nutz e n. Alle Geier find für die heißen Länder ſehr wohlthaͤtige Ge— ſchoͤpfe, indem fie die die Luft verpeſtenden Aeſer aufzehren, wes= wegen ſie auch von vielen Voͤlkern gehegt, oder doch . HR muthwillig getoͤdtet werden. Ob fie Sch a deen thun, iſt nicht erwieſen, weil es noch zweifelhaft iſt, ob ſie geſunde, lebende, groͤßere Thiere toͤdten. Beobachtung. Im Auguſt 1818 wurden drei Geier dieſer Art bei Gnand⸗ ſtein, zwei Stunden von Altenburg, auf einer abhaͤngigen feuchten Wieſe angetroffen. Es war gegen Abend. Am folgenden Tage waren ſie noch daſelbſt und es wurde ein Maͤnnchen davon geſchoſſen, was 22 Pfund wog, 3 Fuß 10 Zoll lang war und in der Breite 10 Fuß 2 Zoll maaß. Die laͤngſte ſeiner Schwanzfedern war 2 Fus lang. — Im Sommer des darauffolgenden Jahres wurden wieder zwei Voͤgel dieſer Art bei Leipzig geſehen und einer davon geſchoſſen. i 11 Na Der mweiBinapjsse Gee n I E Taf. 2. Maͤnnchen. Aasgeier, Alpengeier, roͤthlicher und rothgelber Geier, Aegyp⸗ tiſcher Aas⸗ oder Erdgeier, Perknopterusgeier, Baſtartadler, Moͤnchsadler, Bergſtorch. N 8 Vultur fulvus. Gmel. Linn. syst. I. p. 249. n. 11. = Yultur leucocephalus. Meyer u. Wolf Taſchenb. I. S. 7. n. 2. derſelben Vögel Deutſchl. Heft 20. Vultur Perenopterus. Daud. Ornith. II. p. 13. 1 7. = Teutſche Ornith. von Borkhauſen, Becker ꝛc. Heft ro. — La Peirouse Neue Schwediſche Abhandl. III. S. 99. = Vultur Trencalos. Bechſteins Naturgeſch. Deutſchl. zte Aufl. II. S. 491. n. 3. = Le Percnoptire. Buff. Ois. I. p. 149. Pl. enlum. 426. — Le Griffen. Buff. Ois. I. p. 151. Tab. 5. (unter dem falſchen Namen: Grand Vautour.) = Savigny syst. d. Ois. d' Egypte. p. 11. = Gerard Tab. elem. I. p. 7. et 8. n. 1, et 2. ==, autour giihßon. Temminck Man. 3. Fulous Vulture. Latham syn. Ueberſetz. I. S. 15. u. 11. — 45 8 70 di color castagno. Stor. deg. ucc. I. pl. 10 == Percnopterus Gier. Sepp- nederlandsche Vogeln. V. t. p. 395. == Bechſtein ornith. Taſchenb. S. 455. — Meisner u. Schinz Vogel d. Schweitz. S. 1. n. 1. = Kochs Baier.” Zool. S. 106. n. 32. == Naumann's Voͤgel. Alte Ausg. Nachtr. S. 352. Tab. 50. fig. 96. ; Junger Vogel. Vultur Kolbü. Latham ind. ornith. Supp. II. p. 1. — Te vautour chasse ente. Le Vaillant Ois. d' Afr. I. pl. 10. = Ueberſetz. v. Bechſt. I. S. 57. Taf. 10. Der Struntgeier. —: Sonini nouv. edit. de Buff. II. p. 160. Lien un zei ch en deer Ark Kopf und Hals mit kurzem weißen Flaum bedeckt, an der Halswurzel ein Buͤſchel ſchmaler weißlicher Federn; Das übrige Gefieder, bis auf die ſchwarzen Schwing- und Schwanzfedern, vom blaſſen Rothgelb bis zum duͤſtern roͤthlichen Graubraun, mit hellern Federſchaͤften; die Fuͤße blaͤulich. Beſchrei bung. Dieſer Geier iſt gewoͤhnlich etwas kleiner als der graue Geier, manchmal aber auch groͤßer als dieſer. Seine Laͤnge wechſelt von 45 bis zu 48 Zoll, ſeine Fluͤgelbreite von 100 bis 120 Zoll, ja es giebt welche von 12 Fuß Breite ). Der Schwanz mißt 14 bis „) Es iſt zwar ſchon bemerkt worden, daß die Maaße der Vögel in dieſem Werk ſtets nach Leipziger oder gemeinem Werkfuß beſtimmt find; doch iſt, um Mis⸗ verſtaͤndniſſen auszuweichen und zu einer richtigen Anſicht dieſes Maaßes zu gelangen, ein Maaßſtab von drei Zollen auf die Platte geſtochen, welche der Einleitung S. 133 beigefügt iſt. / I. Or dn. I. Gatt. 2. Weißköpfiger Geier. 165 18 Zoll und die in Ruhe liegenden Flügel bedecken über & feiner Laͤnge. | mr Der Schnabel iſt von der Spitze bis an die Wachshaut 22 Zoll, von der Spitze bis zur Stirn 34 Zoll lang, an der Wurzel im Durchſchnitt 12 Zoll hoch; ganz von der Form wie an dem grauen Geier, der ſeichte Zahn aber nur an recht alten Voͤgeln bemerklich. Er ift blauſchwarz, nach der Wurzel hellblaͤulich, die Wachshaut blaͤulich, oben ſchwarz und das Naſenloch iſt ſehr ſchiefſtehend, laͤnglich und daher verſchieden von dem des vorigen; die Iris dunkelbraun, ein faſt kahler Fleck um die Augen blaͤulich, die Augenlieder mit ſchwarzbraunen Wimpern und die Zuͤgel auf blaͤu— lichem Grunde mit dunkelbraunen Borſthaaren beſetzt. Der Bau der Zunge und des Gaumens iſt eben ſo wie beim grauen Geier. — | Auch die Geſtalt der Füße, Zehen und Krallen iſt dieſelbe. Der Lauf oder die Fußwurzel mißt 43 Zoll; die Mittelzeh mit ihrer wenig gekruͤmmten Kralle 54 Zoll; die Hinterzeh und Kralle 22 Zoll. Die Farbe der Beine iſt ſchmutzig lichtblau, mehr oder weniger in's Braͤunliche uͤbergehend, ſo daß ſie zuweilen auch ſchmutzig lichtgrau erſcheinen. 8 Kopf und Hals ſind mit einer ſehr kurzen, aber dichten, ſchmutzig weißen Wolle oder haaraͤhnlichen Dunen beſetzt, die am Kropfe länger, haaraͤhnlicher und hellbraun uͤberlaufen find; am Hinterhalſe, auf der untern Haͤlfte, nahe an der Wurzel, ſteht ein Buͤſchel ſehr ſchmaler, zarter, über 4 Zoll langer Federn, von hell⸗ brauner, in's Weiße übergehender Farbe, und ein andrer, aus viel groͤßern und breiter zugeſpitzten Federn beſtehender, loſer Buſch ſteht zwiſchen Kropf und Achſeln, welche nebſt den Federn der Bruſt, Seiten, der Außenſeite der Schenkel oder Hoſen, After, Unterruͤcken und Steißfedern hellroſtbraun find, und längs dem Schafte einen ſchmalen gelblichweißen Streif haben; alle kleinen Fluͤgeldeck⸗ federn, Oberruͤcken- und Schulterfedern roſtbraun, nach der Mitte zu graulich und jede derſelben, laͤngs dem Schafte, mit einem ſchmalen roſtroͤthlichweißen Strich; die ſehr langen größten Schul: terfedern und die großen Fluͤgeldeckfedern ſchwarzbraun, mit hell: braunen Spitzen; die zweite und dritte Ordnung Schwungfedern braunſchwarz, die großen Schwingen und der Schwanz ſchwarz. Die innern Seiten der Schenkel ſind, ſo wie die Fußwurzeln bis 2 Zoll unter das ſogenannte Knie herab, mit dichten, weißen, woll⸗ artigen Dunen beſetzt. Mi 5) 0 164 I. Ordn. I. Gatt. 2. Weißkoͤpfiger Geier. Dieſer Geier variirt ſowol in der Größe als auch in der Grund— farbe ganz außerordentlich, ſo daß man dieſe bald hellfuchsroth, bald lichtbraun, dunkelbraun, braungrau, hellmaͤuſefahl bis zum Weißlichen uͤbergehend antrifft, welche Verſchiedenheiten theils die verſchiedenen Geſchlechter, theils ein mehr oder minder hohes Alter bezeichnen, zum Theil auch wol vom Clima und den Jahreszeiten abhaͤngen moͤgen. Immer ſind die Weibchen dunkler, die Maͤnnchen lebhafter gefaͤrbt. — Die Jungen ſind ſehr licht ſchmutzigroͤthlichgelb mit Braungrau gefleckt, Schwing- und Schwanzfedern braunſchwarz, der weißwollige Kopf und Hals hin und wieder braͤunlich gefleckt. In der Ferne ſehen ſie daher, bis anf den ſchwarzen Schwanz und die Fluͤgelſpitzen, ſchmutzig weiß aus. — Im mittlern Alter naͤhert ſich die Hauptfarbe faſt der des rothen Milans, wird aber mit zunehmendem Alter dunkler, mehr in's Graubraun uͤbergehend, und nach und nach immer grauer, faſt hell roͤthlichgrau. An den untern Theilen iſt das Gefieder ſtets lichter als an den obern und die hellern Federſchaͤfte ſind in jedem Alter bemerkbar. Aufenthalt. Das eigentliche Vaterland dieſes Geiers iſt Afrika, das nördliche wie das ſuͤdliche, und das weſtliche Aſien. Von da bes ſucht er die waͤrmeren Theile unſres Welttheils oͤfters, geht bis in die Pyrenaͤen, iſt aber in den ſuͤdlichen Alpen ſchon eine Selten⸗ heit. Noch ſeltner iſt die Erſcheinung dieſes Vogels in unſerm kaͤltern Deutſchland, beſonders in dem noͤrdlichen. Man hat ihn jedoch ſchon hin und wieder angetroffen und oͤfterer als den weniger zahlreichen grauen Geier bemerkt. So wurde einer am 12ten Juni 1805 im Naſſau-Weilburgſchen gefangen und in Schleſien mehrmals große Heerden bemerkt, waͤhrend jener immer nur einzeln, hoͤchſtens paarweiſe, in Deutſchland geſehen wurde. Es ſind freilich nur Verirrte, die ein Zufall aus ihrem eigentlichen Vaterlande bis zu uns verſchlug; denn fie bewohnen die gebirgigten Länder waͤrmerer Himmelsſtriche. In der eu ropaͤi⸗ ſchen Tuͤrkei kommen ſie oͤfters vor, und von hier aus moͤgen ſie ſich dann durch Ung ern nach Schleſien, welchen Theil von Deutſchland ſie auf ihren Streifzuͤgen noch am oͤfterſten treffen, zuweilen verirren. Sie erſchienen als Strichvoͤgel, und immer nur in der waͤrmern Jahreszeit. Ihr Aufenthalt ſind nicht Waͤlder, ſondern hohe weite Gebirge, von wo aus ſie ſich am Tage uͤber \ I. Ordn. I. Gatt. 2. Weißkoͤpfiger Geier. 165 die Ebnen verbreiten, hier ihrer Nahrung nachgehen, und Nachts in jene zuruͤck kehren. Sie uͤbernachten nicht auf Baͤumen, ſondern in Felſenhoͤlen und in Bergſchluchten. Eigenſchaften. 0 In ſeinen Sitten und Betragen ähnelt er dem vorhergehenden grauen Geier faſt durchgaͤngig. Feigheit, Traͤgheit und Gefraͤßig⸗ keit ſind Hauptzuͤge ſeines Charakters. Er fliegt mit langſamen Fluͤgelſchwingungen, erhebt ſich in Schneckenlinien bis uͤber die Wolken zu einer unermeßlichen Höhe, zieht fo in Kreiſen aus einer Region in die andere, und laͤßt ſich auch mit Leichtigkeit und ziemlich ſchnell in Schneckenlinien da herab, wo er Nahrung zu finden glaubt. Iſt dieſe ſo, daß er ſich recht ſatt freſſen kann, ſo tritt ſein Kropf ſackfoͤrmig weit aus der Bruſthoͤhle hervor, und er iſt dann ſo traͤge und unbehuͤlflich, daß er, ohne ſich durch Fortfliegen retten zu koͤnnen, gefangen oder getoͤdtet werden kann; denn er bleibt gewoͤhnlich, die Verdauung ruhig abwartend, bei ſeiner Tafel ſitzen. So ſitzt er oft mehrere Stunden unbeweglich auf einer Stelle, die Fluͤgel haͤngen dabey nachlaͤſſig unter den Schwanz herab, alles Gefieder liegt locker am Koͤrper oder ſteht vielmehr davon ab, ſo daß er dadurch noch viel groͤßer erſcheint als er wirklich iſt. Der wie ein S gebogene ziemlich lange Hals iſt dabei tief in die Schultern gezogen, ſo daß man ſeine Laͤnge gar nicht ahndet, aber er ſchnellt ploͤtzlich und kraftvoll wie aus einer Scheide hervor, wenn er einen Schnabelhieb gegen etwas anbringen will. Der Schnabel iſt auch ſeine vorzuͤglichſte Waffe und er kann damit gefaͤhrlich verwunden. Sein gutmuͤthiger Blick verraͤth mehr Furcht als Boßheit; doch habe ich auch hierin merkliche Abweichun— gen getroffen. Ich ſahe einſt einen deſſen Hauptcharakterzug, die gutmuͤthigſte Traͤgheit, ſich auf den erſten Blick verrieth; ein andrer hatte dagegen ein wildes Anſehen, war unruhig und boßhaft, wie der neben ihm ſitzende Seeadler. Wenn erſterer kaum faͤhig ſchien, ein lebendes Weſen zu beleidigen, ſo ſprachen dagegen, aus den Blicken und Betragen des andern, Boßheit und Raubgier, faſt möchte ich ſagen: Mordluſt. — Den Naſenloͤchern entfließt be: ſtaͤndig eine fluͤßige Materie und die Ausduͤnſtung des Vogels riecht wie Aas, welchen Geruch auch, in zwar geringerem Maaße, der ausgeſtopfte Balg nicht ganz verliehrt. Er ſcheint empfindlicher gegen die Kaͤlte als der graue Geier, geht aber mit eben dem be— ſondern Anſtande auf dem Erdboden und badet ſich gern in reinem » 166 I. Ordn. I. Gatt. 2. Weißkoͤpfiger Geier. Waſſer. Nur Angſt und Schreck entpreſſen ihm zuweilen einige heiſere Toͤne, die man mit der Eſelſtimme vergleichen kann. In der Gefangenſchaft wird er nie ſo ganz zahm, wie man von ſeinem uͤbrigen Betragen, wie es ſich in der Regel zeigt, wol erwarten ſollte. e b Nahrung. Seine Nahrung iſt Fleiſch von Thieren, welche er todt findet, wenn es auch ſchon ſtinkend waͤr. Er reißt mit ſeinem ſchneidend fharfen Schnabel Stuͤcken ab, indem er es mit den Klauen feſt an den Boden druͤckt, und faͤngt gewoͤhnlich am Bauche an. Von den Saͤugthieren frißt er die Haͤute nicht mit. — Es iſt nicht wahrſchein— lich, daß er blos von todten Thieren leben und nicht auch lebendige angreifen ſollte. Daß es jener im Weilburgſchen gefangene in der Gefangenſchaft nicht that, ſcheint mir die Sache noch nicht zu widerlegen, weil ich, wie ſchon erwähnt, eine auffallende Wer: ſchiedenheit in der Gemuͤthsart zweier Individuen fand und eben daſſelbe auch an aͤhnlichen Fleiſchfreſſern beobachtete. Ich hatte naͤmlich einen Uhu mehrere Jahre, der durchaus kein Geſchoͤpf toͤdtete und neben lebendig ihm beigeſellten Krähen, Tauben u. dgl. den bitterſten Hunger litt, ja, wie jener Geier, ſich ebenfalls fuͤr dieſe zu fürchten ſchien und fo lange fie bei ihm waren, ſich auch von den vorgeworfenen todten Thieren nichts zu freſſen getrauete; da im Gegentheil andre Uhu's (deren ich viele in meinem Leben unter— hielt und beobachtete) jedes fuͤr ſie beſtimmte, ihnen lebendig uͤber— lieferte Geſchoͤpf, von einer ihren Kraͤften angemeſſenen Groͤße, ohne Umſtaͤnde erwuͤrgten und auffraßen. — Eben ſo unwahrſcheinlich iſt es mir auch, daß er keine Amphibien freſſen ſollte. Warum ließen ſich denn einſt 18 Stuͤck in einer ſumpfigen Gegend nieder, wo nichts als allenfalls Froͤſche oder auch Ringelnattern, aber durchaus kein Aas zu finden war? Auch fene drei grauen Geier, die ſich im Altenburgiſchen ſehen ließen und wovon, wie oben ge— meldet, einer geſchoſſen wurde, hatten ſich auf einer feuchten Wieſe niedergelaſſen, doch wol in der Abſicht, hier etwas zu freſſen zu finden? — Vielleicht frißt er auch große Käfer, Regenwuͤrmer und Schnecken. An gezaͤhmten bemerkte man uͤbrigens daß ſie friſches Fleiſch, ſtinkendem vorzogen, gern die Knochen benagten und von den Ein— geweiden Herz und Leber am liebſten fraßen; daß ſie Voͤgel nur dann angiengen, wenn man eine Stelle des Koͤrpers von Federn entbloͤßt hatte, und nie Gewoͤlle ausſpieen. — Der in Darm: I. Ordn. I. Gatt. . Weißkößp fager Geier. 167 ſtadt 15 Jahr lang unterhaltene wollte keine Amphibien freſſen; doch wird von denen am Vorgebirge der guten Hoffnung erzaͤhlt, daß ſie Krabben, Muſcheln und abgeſtandene Fiſche am Strande aufleſen und auch ſehr gern Landſchildkroͤten und Erdſchnecken ſammt den Schalen verſchlucken. Im Nothfall follen fie fogar den Koth der Thiere verzehren. Sie ſaufen gern friſches Waſſer, ſchluͤrfen es ein, wie die Raben, und koͤnnen lange hungern. VV Hievon iſt, zur Zeit, noch wenig bekannt. Blos le Vaillant erzaͤhlt uns, in ſeiner Afrikaniſchen Ornithologie, daß er im hohen Gebirge in Hoͤhlen und Spalten der Felſen bruͤte und 2 bis 3 blaulichweiße Eier lege. An der ſuͤdlichen Spitze von Afrika, wo dieſe Geier ungemein häufig find, ſollen fie, wie bei uns Saat⸗ kraͤhen oder gemeine Meven, in großen Geſellſchaften neben einander, oft ſogar zwei bis drei Paͤaͤrchen in einer Felſenhoͤhle, bruͤten, und das Männchen, während das Weibchen über den Eiern ſitzt, vor der Hoͤhle Wache halten. Die Mauſerzeit faͤllt im Juli und Auguſt. i * F nde. In ſeinem Gefieder hauſen mehrere Arten Schmarotzerinſekken und in ſeinen Eingeweiden verſchiedene Wuͤrmer. Außerdem iſt nichts weiter bekannt. SG g Nur dann, wenn er eine gute Mahlzeit gehalten hat, iſt er leicht zu ſchießen oder gar todt zu ſchlagen, oder zu fangen, ſonſt aber ſcheu und vorſichtig. Er hat ein zaͤhes Leben und achtet eine leichte Wunde wenig. In großen Tellereiſen oder in einem ſogenannten Schwanenhals, mit einem Stuͤck Fleiſch als Lockſpeiſe, mag man ihn leicht fangen koͤnnen. Nutzen ſtiftet er in heißen Laͤndern dadurch daß er die die Fall verpeſ⸗ tenden Aeſer verzehrt, und Schaden wuͤrde er noch weniger thun, wenn er in jenen Laͤndern nicht manchmal durch ſeine Zudringlichkeit laͤſtig wuͤrde, hie und da ein * 168 I. Ordn. I. Gatt. 2. Weißkoͤpfiger Geier. Stuͤck geniesbares Fleiſch wegkaperte, und dem Jaͤger das eben erlegte, oder nicht gleich in Sicherheit zu bringende Wild, allzu— voreilig anpackte. Beobachtung. Es iſt mir kein Beiſpiel bekannt, daß dieſer Geier einmal in meiner Naͤhe geſchoſſen oder gefangen worden waͤre, doch iſt es auch keineswegs unwahrſcheinlich daß er ſich nicht auch bis hieher verirren könnte, da ein ſo großer, leichtfliegender Vogel in ſehr kurzer Zeit große Laͤnderſtrecken durchfliegen kann. eine Erſcheinung dieſer Art waͤre ſo unerhoͤrt eben nicht, und wer weiß wie mancher dieſer Geier, unerkannt, auf ſeinen Streifereien zuweilen auch unſere Gegenden heruͤhrt haben mag, da in dem nahen Schleſien mehrmals, ſogar große Schaaren, gefehen wurden; was nicht allein durch die Angabe glaubwuͤrdiger Männer bewieſen, ſondern auch durch mehrere dort erlegte Exemplare bethaͤtigt wird. Im Jahre 1802 am 29 Mai ließ ſich eine Geſellſchaft von achtzehn Stuͤcken zwiſchen Domſel und Neudorf in Schleſien, bei einem Feldholzchen, auf einer naſſen Huthung, aus der größten Höhe, in Schneckeulinien ſchnell herab. Ein gewiſſer Herr v. Poſer, der gerade mit feinem Jager vorbei fuhr, durch die Menge fo großer Vögel auf: merkſam und neugierig gemacht, dieſe naͤher betrachten zu koͤnnen, ſchickte den Jaͤger hin, zu verſuchen, ob ein Schuß auf ſie anzubringen ſey, welcher auch ſo gut gelang, daß ihrer zwei zu Boden geſtreckt wurden, wovon ſich aber der eine wieder aufmachte und iu den Getraidefeldern verlor. Der andere, auch noch lebend, wurde, weil er fuͤrchterlich um ſich biß, auf Harken (Rechen) herzueilender Landleute nach Hauſe ge⸗ tragen, hier aber, da er Menſchen, Hunde und alle Geſchoͤpfe, die ſich ihm näherten, mit kraftvollen Schnabelhieben und wuͤthenden Biſſen verwundete, mit einer Stange erſchlagen und — nachher an ein Haus genagelt. — Der andere, ſchwer verwundet entkommene, wurde Tags darauf von einem Bauer bei Trempatſchau im Ge⸗ traide ſitzend und ganz ermattet angetroffen. Der Bauer, beim Anblick eines ſo großen Vogels, luͤſtern nach einem ſo zufaͤllig gefundenen ſchoͤnen Stuͤck Fleiſch, will ihn ſogleich mitnehmen, um ſich und ſeiner Familie mit demſelben ein recht feſtliches Mahl zu bereiten, geht aber zu unvorſichtig zu Werke und ein kraͤftiger Schnabel hieb reißt ihm, trotz der ledernen Beinkleider, ein Stuͤck Fleiſch aus ſeiner Lende. Dies haͤlt ihn jedoch nicht ab, den Geier ſofort zu packen und durch Abſchneiden bes Kopfes ſich auf der Stelle an ihm zu raͤchen. Als er mit ſeiner Beute bei der hocherfreuten Familie zu Haufe anlangt, hauet er noch die Flügel, die er als Fleder⸗ wiſche zu benutzen gedenkt, und die Beine ab und fuͤllt mit dem Fleiſche einige Toͤpfe; allein dies war, ſeines uͤberaus ſtarken Biſamgeruchs und aͤußerſt widrigen Geſchmackes wegen, durchaus ungeniesbar. — Hr. von Minkwitz bekam durch den Geiſtlichen des Orts nachher Kopf, Beine und Fluͤgel dieſes ſeltnen Vogels, der wol einer der groͤßten ſeiner Art geweſen war; denn als ich dieſe Theile mit andern, vorzuͤglich mit dem, wovon ich obige Beſchreibung und Abbildung nahm, verglich, ſo fand ſichs, daß jener Vogel dieſen beinahe um ein Fuͤnftheil an Groͤße mußte uͤbertroffen haben. Anmerk. In ornithologiſchen Schriften und Syſtemen herrſcht, wie uͤber die meiſten Geierarten, auch beſonders in der Geſchichte unſers Vogels große Ver⸗ wirrung. Nicht genug daß er unter einer Menge verſchiedener Namen vorkoͤmmt, fo iſt auch noch ein andrer, der hier folgende Aas vogel, fo häufig mit ihm ver⸗ wechſelt, daß es unendlich ſchwer wird ſich aus dem Wirwar heraus zu finden. Die Geſchichte beider iſt oft wunderbar untereinander gemiſcht und unter den Trivialnamen Percnopterus und leucocephalus meint man bald dieſen, bald jenen Vogel. Mit vieler Mühe habe ich die Synonymen derſelden zu ſichten geſucht, und hoffe, es ſoll mir gelungen ſeyn dieſe, wie die Naturgeſchichte beider Voͤgel, jede fuͤr ſich rein und unvermiſcht darzuſtellen. 3 wie i te Gattung. | Aasvogel. Cathartes. Illiger. Kopf: Laͤnglich und nackt. Schnabel: Lang, ziemlich duͤnn, etwas zuſammen ge⸗ druͤckt, gerade, nur an der Spitze hakenfoͤrmig gekruͤmmt; von der Wurzel bis in ſeine Mitte mit einer Wachshaut bedeckt. Naſenloͤch er: In der Mitte des Schnabels, nahe am Rande des Oberkiefers, laͤnglich gefpalten, offen. Fuße: Stark, unbedeckt, vierzehig, wovon drei Zehen nach vorne ſtehen und an der Baſis durch eine kleine Haut verbunden ſind; der Lauf netzfoͤrmig geſchuppt, die Zehenruͤcken nach vorne getaͤfelt; die Mittelzeh ſehr lang, die hintre ziemlich 1 die mittelmaͤßigen Krallen nur wenig gekruͤmmt. Kropf: Nackt und vorſtehend. Fluͤgel: Etwas zugeſpitzt; die erſte Schwinge ziemlich kurz, die zweite etwas laͤnger, und die dritte die laͤngſte. Sie leben paarweiſe oder in kleinen Geſellſchaften, naͤhren ſich von Aas und allerlei thieriſchen Abgaͤngen, greifen indeß auch kleine und ſchwache, lebendige Thiere, als: Amphibien, Inſekten und Würmer, an. Eine Art. 3. Der ſchmutzige Aas vogel. Cat hartes percnopterus. Tee | Taf. 3. Fig. 2. alter, und Fig. 2. junger Vogel. Weißer Aasfreſſer, weißer, aſchgrauer, weißkoͤpfiger, Nor: wegiſcher Geier, Aegyptiſcher Aas- oder Erdgeier, Dunggeier, Miſtgeier, Kothgeier, kleiner weißer Geier der Alten, Arabiſcher Geier, Pyrenaͤengeier, (weißer Fiſch- oder Huͤhnergeier, weißer Hühneraar), Rachamach, Urigurap, Alimoche. — Brauner und ſchwarzer Erdgeier, brauner Dunggeier, Maltheſergeier. Cathartes percnopterus. (Catharte alimoche) Temminck Man. d’Orn. p. 5. = Pultur percnopterus. Gmel. Linn. syst. T. 1. p. 249. n. 7. = Ömelins Reiſe. III. 364. t. 37. — Lath. ind. orn. I. p. 2. n. 3. = Fultur aegyptius. Briss. p. 131. n. 3. = Yultur leucocephalus. Lath. ind. I. p. 2. (Gm. Linn. I. 1. P. 248. n. 10?) Vultur stercorarius. La Peirouse neue Schwed. Abhandl. III. S. 100. = Veultur albicans. Meisner u. Schinz V. d. Schweitz. S. 2. n. 2. Neophron perenopterus, Savig. syst, d. Ois. de ’Esypt. p. 16. — Vautour de Norvege ou Vautour blanc. Buff. ois. I. p. 164. — Id. Planch. enl. 449. — Le petit Vautour. Id. Ed. d. Deuxp. I. p. 168. Vautour ourigourap. Le Vaill. Ois. d’Afrig. I. pl. 14. = Ueberſ. v. Bechſt. I. S. 77.n. 13. t. 14. Rachamach. Bruce Reiſe n. d. Q. d. N. I. S. 167. t. 33. = Fautour d’egypte. Sonn. nouv. edit. de Buff. II. p. 131. — Sacre Egyptien, Belon. hist. des Ois. P. 110. = Alpine, ash -coloured, or egyptian Fulture. Lath. syn. I. p. 12, 13..supp. II. p. 4. = Ueberſ. v. Bechſt. I. 1. S. 11 — 13. n. 7. A. B. u. Anh. S. 6355. u. 26. == Avoltoio aquilino. Stor.. deg. uc. I. t. 14. = Bechſtein — Naturg, Deutſchl. II. S. 479. n. 2.) = Klein Hiſt. d. V. S. 44. n. 62 — Junger Vogel. Fultur fuscus. Gm. Linn. syst. I. 1. p. 248. n. 8. —— Lath. ind. orn. I. P. 5 Te Vautour de Malte. Buff. ois. I. p, 167. = Id. Pl. enl. 427. Malthese Vulture. Lath. syn. I. p. 15. Ueberſ. v. Bechſt. I. 1. S. 14. n. 9. = Avoltoio aquilino. Stor. deg. uce. I. t. 16. (Gessner Thierb. v. d. Vögeln. S. 18 bis 17.) SennzeLWwenper Nee Der Schnabel ſchwach und ſehr in die Laͤnge gezogen; Geficht und Kehle nackt; der Nagel der Mittelzeh lang und wenig gekruͤmmt, ) In jenem Werke iſt die Naturgeſchichte dieſes Vogels ſo mit der andrer Geier, beſonders des Vultur fulvus, vermengt, daß es ſchwer hält ſich heraus zu finden, in den angezogenen Noten iſt jedoch unſer Vogel mehrmals beſchrieben. — I. Ordn. II. Gatt. 3. Schmutziger Aas vogel. 171 der der Hinterzeh groß und ſehr krumm; die Schwingen braun⸗ ſchwarz, die der zweiten und dritten Ordnung an der Endhaͤlfte der Auſſenfahne lichtgrau. ; | Alter Vogel: Hauptfarbe weiß. Junger Vogel: Hauptfarbe dunkelbraun. | Beſchreibung. In der Groͤße gleicht dieſer merkwuͤrdig gebildete Vogel dem Fluß⸗ oder Schreiadler oder einer nicht gar großen Puterhenne. Seine Laͤnge betraͤgt 25 bis 29 Zoll, die Fluͤgelbreite 62 bis 64 Zoll, denn die jungen Voͤgel ſind immer etwas kleiner als die alten. Der Schwanz iſt keilfoͤrmig zugerundet, indem die aͤußerſte Seiten⸗ feder nur 62 Zoll lang iſt, die folgenden ſich aber allmaͤhlig verlaͤn⸗ gern, ſo daß eine der beiden mittelſten, als die laͤngſten, 9 bis 93 Zoll mißt. Sie find etwas einwaͤrts gebogen, die laͤngſten am Ende ſtets abgeſchliffen, und die an den Leib geſchmiegten Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen bis an das Ende 5 Schwanzes oder Ruch über daſſelbe hinaus. Der Geſtalt nach hat dieſer Vogel viel Auffallendes. Der ſchwaͤchliche Schnabel, mit der flachen geſtreckten Stirn, der kleine kahle Kopf, die ſtarken Fuͤße, der breitſchultrige Rumpf und die großen Fluͤgel, bilden zuſammen genommen eben keine angenehme Figur. Im Ganzen aͤhnelt er zwar den Geiern, doch ſteht er hoͤher auf den Beinen als dieſe, und die fo eigene Kopf- und Schnabel: form giebt ihm ein noch widerlicheres Anſehen. Der Schnabel iſt, mit der Groͤße des Vogels verglichen, zwar ziemlich lang geſtreckt, doch ſchwaͤchlich und duͤnn, nach vorn ſehr zuſammen gedruͤckt, an der Wurzel viel hoͤher, als in der Mitte wo die Wachshaut aufhoͤrt; hier faͤngt ſogleich der Haken an, welcher erſt etwas aufſteigt, ſich dann in einem ſanften Bogen kruͤmmend in eine weit uͤber das Ende des Unterkiefers uͤberragende Spitze endigt. Die vor den Naſenloͤchern, nach der Stirne zu, etwas aufgetriebene Wachshaut wuͤrde mit der aͤußerſt flachen Stirne oben eine gerade, nur nach vorn ſich herabſenkende Linie machen, wenn ſie nicht durch einen kleinen Eindruck von ſelbiger getrennt wuͤrde. Die Naſenloͤcher liegen in der Mitte der Wachshaut, ſie ſind weit geoͤffnet, laͤnglich (faſt 62 Linie lang); die Schneiden des Oberkiefers nach vorn ſcharf und hier etwas uͤber die des untern ſchlagend; die des letztern gerade, vom Mundwinkel bis zur abge⸗ rundeten Spitze nur einen einzigen ſanften Bogen bildend; welchen 172 J. Ordn. II. Gatt. 3. Schmutziger Aas vogel. man uͤberhaupt an dem ganzen Unterkiefer bemerkt; der Rachen bis unter die Augen geſpalten. Der ganze Oberſchnabel mißt von der Wurzel bis zur Spitze, uͤber den Bogen gemeſſen, 3 Zoll, wovon die Wachshaut die Haͤlfte wegnimmt; der Unterſchnabel 23 Zoll. An der Wurzel iſt er 10 bis 11 Linien breit, am Haken aber nur 53 Linie; an der Wurzel im Durchſchnitt 1 Zoll hoch, vorn nur 2 Zoll. Die Farbe der Wachshaut iſt bei den Alten ſafran⸗ gelb, im Fruͤhlinge ins Gelbroͤthliche uͤbergehend, welches ſich auch bis uͤber die Haͤlfte der Unterkinnladen erſtreckt; die Spitze dieſer und der Haken des Oberſchnabels hornbraun. Bei den Jungen iſt die Wachshaut und Wurzel des Unterſchnabels graugelb und ſchmutzig, der hornige Haken und Spitze braunſchwarz; die Iris bei dieſen braun, bei den Alten gelb. Die ziemlich großen, ſtarken Fuͤße, haben hohe Laͤufe, an welche ſich im Ferſengelenk nur vorn die Befiederung des Unterſchenkels etwas Weniges herabzieht, deren Ueberzug uͤbrigens grob netzartig geſchildert iſt. Die aͤußere Zehe iſt kurz und ſchwaͤchlich; die mittlere ſehr lang; die innere kurz und ſtark; die hintere die kuͤrzeſte und nicht ganz ſo ſtark als die innere. Bei den Krallen findet wieder ein ganz anderes Verhaͤltniß ſtatt; die groͤßte iſt die der Hinterzeh, ſie und die der innern ſind anſehnlich groß und faſt ſo ſtark gekruͤmmt wie die Krallen eines großen Falken; die der Mittelzeh zwar lang, aber nur einen ſehr flachen Bogen beſchreibend; die der aͤußern zwar etwas ſtaͤrker gebogen als dieſe, jedoch klein und ſchwaͤchlich, die kleinſte von allen. Von oben ſind die Krallen rund, unten zweikantig. Zwiſchen der aͤußern und mittlern Zeh befindet ſich eine anſehnliche Spannhaut, welche bis zum erſten Gelenk der letztern reicht; zwiſchen dieſer und der innern aber eine weit kuͤrzere, weniger auffallende. Die Zehenruͤcken find grob ges taͤfelt, d. i. mit großen Schildern bedeckt, die Sohlen fein warzig. Die Länge des Laufs oder der Fußwurzel betragt 53 Zoll, welche Laͤnge auch die mit der Kralle gemeſſene Mittelzeh hat. Das genauere Maaß der Zehen und Krallen iſt folgendes: Aeußere Zeh (ohne Kralle) 13 Zoll, ihre Kralle über dem Bogen 3 Zoll; Mittelzeh 23 Zoll, ihre Kralle 1 Zoll; innere Zeh ı Zoll, die Kralle 13 Zoll; Hinterzeh 3 Zoll, die Kralle 14 Zoll. Die Farbe der Fuͤße iſt bei den Alten ſchoͤn okergelb, bei den Jungen ſchmutzig graugelb, oder gelbgrau, die der Krallen ſchwarz oder ſchwarzbraun. Der Vorderkopf, das Geſicht bis hinter die Augen und um die runde Ohroͤffnung herum, die Kehle und ein Theil des Vorderhalſes 1. Orbn. II. Gatt. 3. Schmutziger Aas vogel. 173 ſind kahl, die Haut hie und da, vorzuͤglich an der Kehle runzlicht, ſafrangelb, doch lichter als die Wachshaut, oder okergelb, uͤberall mit ſehr feinen und einzeln ſtehenden, weißen Haͤaͤrchen beſetzt, die, bei einem fluͤchtigen Ueberblick, nur an den Zuͤgeln, um den Augen und an den Ohren etwas auffallen. Der Hinterkopf iſt ſchon etwas dichter damit beſetzt und im Genick wird es eine feine weiß: wollige Bedeckung, welche aber doch die gelbe Haut durchblicken laͤßt. Hier faͤngt nun die eigentliche Befiederung an, welche anfaͤnglich aus aͤußerſt ſchmalen, langen und nadelſpitzigen, weichen, abſtehen— den oder loſe flatternden Federn beſteht, die aber den Hals abwaͤrts immer breiter werden und gegen den Ruͤcken hin ihre ſpitzige Form ganz verliehren; auch die Bruſt hat noch ſchmale, doch weniger ſpitze Federn, die obern Theile aber abgerundete, deren Textur (an alten Voͤgeln) den Gaͤnſefedern aͤhnelt. Am Vorderhalſe befindet ſich da wo der Kropf liegt, welcher, angefuͤllt, ſackfoͤrmig vortritt, eine ganz von allem Gefieder entbloͤßte ſafrangelbe Stelle. Die Schenkelfedern ſind ſchmal, am Ende zerſchliſſen, nicht auffallend lang, daher ſie nur kurze Hoſen bilden. Die großen Schwingen haben lange und ſtarke weiße Kiele und ſchwarze etwas nach innen gebogene Schaͤfte. Die Bartfahnen derſelben ſind anfaͤnglich breit, und fallen etwas über die Mitte ſchnell, doch in einem flachen Bogen, ſchmaͤler und laufen ſo in die ſtumpfe Spitze aus. Am alten Vogel, im vollkommenen Zuſtande, hat das Gefieder folgende einfache Farben: Die Daumenfedern, die Deck— federn der großen Schwingen und dieſe ſelbſt ſind ſchwarz, letztere auf der aͤußern Fahne, wo dieſe breiter zu werden anfaͤngt, etwas grau angeflogen; die Schwingen zweiter Ordnung ebenfalls braun⸗ ſchwarz, die aͤußere Fahne derſelben jedoch nur an der Wurzel und Spitze, von dieſer Farbe, uͤbrigens lichtgrau; die dritte Ordnung von derſelben Zeichnung, aber noch lichter und weniger ſchwarz, welches hier faſt nur ſchwarzbraun bleibt, ſo wie die graue Farbe von der weißen verdraͤngt wird. Der Schwanz und uͤberhaupt alles uͤbrige Gefieder iſt weiß, welches aber von einem braͤunlichen Schmutz ſo verunſtaltet wird, daß man es nie ganz rein ſiehet. Die ſchmalen flatternden Nackenfedern ſind gelblich angeflogen; wenn dieſe Farbe nicht ebenfalls vom Schmutze herruͤhrt. Das Weibchen ſoll ſich blos durch eine blaͤſſere Farbe der Wachshaut und des Kopfes unterſcheiden. Die lichtgraue Farbe auf der aͤußern Seite der Schwingen zweiter Ordnung faͤllt bei 174 I. Orbn. II. Gatt. 5. Schmutziger Aas vogel. manchen Individuen mehr oder weniger ins braͤunliche oder roͤthliche Grau. a Bei juͤngern Voͤgeln iſt die Hauptfarbe mehr ein ſchmutzi⸗ ges gelbliches oder braͤunliches Grauweiß, alſo nicht ſo hell weiß als an den ſehr Alten; auch findet man in der Mauſer begriffene Exemplare, welche eben das Jugendkleid mit dem vollkommenen vertauſchen, die daher weiß und ſchmutzigbraun gefleckt erſcheinen. Der junge Vogel iſt in den Farben ſeines Gefieders außer— ordentlich vom alten verſchieden; auch ſehen Schnabel, Kopfhaut und Fuͤße, wie oben angegeben, dunkler und ſchmutziger aus. An den Zuͤgeln ſieht man einzelne ſchwarze Borſten, aͤhnliche aber kuͤrzere um Augen und Ohren, und an der Kehle (mehr noch nach der Gurgel herab) wie Flocken eingeſtreuete Dunen mit ſchwarzen Haar- ſpitzchen, welche ſich am Hinterhaupte ſo haͤufen, daß ſie hier die Haut kaum etwas durchſchimmern laſſen. Im Genick fangen die ſchmalen flatternden Federn an, die ſich an den Halsſeiten nach der Gurgel herum ziehen, aber weit kuͤrzer als am alten Vogel ſind, übrigens auch ſchwarzbraun ausſehen. Das ganze übrige Gefieder des Vogels, die Schwingen ausgenommen, iſt ein truͤbes, erd— farbiges Dunkelbraun, welches auf dem Unterruͤcken und Buͤrzel, am Fluͤgelrande und in der Mitte des Fluͤgels, am Bauche, den Schenkeln und am After am lichteſten iſt. Faſt alle braunen Federn haben lichtere oder weißlichbraune Spitzen oder undeutliche End— ſaͤume, die an der Unterbruſt, am Fluͤgelrande und an andern Thei— len faſt wie lichte Flecken ausſehen. Die braunen Schwanzfedern ſind nach innen aſchgrau uͤberlaufen, an den Kanten und Spitzen ſchmutzig lichtbraun, von unten gelbbraͤunlichgrau. Die Daumen- federn und die Deckfedern der großen Schwingen ſind braunſchwarz; dieſe ſchwarz, auf der aͤußern Fahne, da wo dieſe breiter zu werden anfaͤngt, braͤunlichaſchgrau, welches ſich weiter hin immer mehr ausbreitet, ſo daß es auf denen der mittlern Ordnung die Endhaͤlfte der ganzen aͤußern Fahne einnimmt, hier auch an den Kanten noch braͤunlichweiß eingefaßt iſt, ſich aber an denen der dritten Ordnung nach und nach ganz verliehrt; die Grundfarbe der Schwingen dieſer beiden Ordnungen iſt aber nicht, wie die der großen, ſchwarz, ſondern ſchwarzbraun. Die Zeichnung dieſer Fluͤgelpartie ift charak⸗ teriſtiſch und mit der am alten Vogel völlig uͤbereinſtimmend. Dies braune Jugendgefieder iſt dem Abbleichen und Abreiben ſehr unterworfen, es erſcheint, wenn es der Vogel faſt ein Jahr getragen hat, ſchmutziger, viel leichter, mehr ins Gelbliche und L9:rım II. Gatt. 8. Schmutziger Aas vogel. 175 Grauliche uͤbergehend, und der Vogel hat dann erſt ein recht haͤß— liches Anſehen. Es ſcheint uͤbrigens nicht als wenn dieſer Vogel gleich bei der erſten Mauſer das braune Gewand mit dem weißen vertauſchte; denn ich habe einen vor mir, an welchem unter den alten abgenutzten Federn, viel neue hervorkeimen, welche viel dunkler als die alten ſind. Durch Zufall verlohrne, die hier durch neue erſetzt werden, koͤnnen es nicht ſeyn, dagegen ſtreitet ihre Menge; und es iſt mir daher ſehr wahrſcheinlich daß die Verwand⸗ lung erſt nach mehreren Jahren, wenigſtens erſt nach der zweiten Mauſer erfolgt. — Unter der gewoͤhnlichen Beſiederung iſt die Haut mit weißen, ſehr weichen und elaſtiſchen Dunen dicht beſetz een Dieſer Vogel iſt ein Bewohner der warmen und heißen Zone, aus welcher er nur zuweilen durch Zufall in die gemaͤßigtere ver— ſchlagen wird. Afrika iſt als fein eigentliches Vaterland zu be⸗ trachten; denn hier findet er ſich in allen Theilen deſſelben, mehr oder minder haufig, von Egypten bis zur ſuͤdlichſten Spitze, dem Vorgebirge der guten Hoffnung. In Egypten bei den Pyramiden iſt er fehr haufig, und bei den uncultivirten Voͤlkerſchaſ⸗ ten im Innern jener vaſten Landſtrecken von Afrika uͤberall gemein. Auch Syrien, Palaͤſtina und Arabien bewohnt er in Menge. In dem waͤrmern Europa iſt er vorzuͤglich im ſuͤdlichen S pa— nien bis zu den Pyrenaͤen, in Griechenland und auf den Inſeln des Archipelagus ſehr gemein, auch auf Malta, Sardinien und andern Infeln des Mittelmeeres, und in Unter⸗ italien nicht ſelten; weniger bekannt aber ſchon in Oberita— lien, und ſehr ſelten in den ſuͤdlichen Cantonen der Schweitz. Bei Genf hat man ihn in den Gebirgen, beſonders auf dem Saleve, oͤſters beobachtet, auch ſind mehrere Beiſpiele bekannt, daß ſich einzelne bis mitten in die Schweitz verflogen hatten. Es iſt daher gar nicht unwahrſcheinlich, daß er auch im ſuͤdlichen Tyrol oder im Oeſterreichiſchen Littorale manchmal vorkommen mag. — Daß er ſich aber bis nach Preußen verfliegen ſollte, wie man nach Kleins kurzer Beſchreibung feines Vultur albicans vermuthen muß, iſt ſehr unwahrſcheinlich, eben ſo auch, daß er in Norwegen vorkommen fol, woher naͤmlich Bon feinen Vautour de Norvége, was ebenfalls mit unſerm Vogel einerlei iſt, erhalten haben will. — Er ſcheint gebirgigte Gegenden ſehr zu lieben, weil er faſt immer 176 I. Ordn. II. Gatt. 3. Schmutziger Aasvogel. nur Felſen und tiefe Schluchten, um darinnen Nachtruhe zu halten, aufſucht. Eigenſchaften. Es moͤchte ſchwerlich einen Vogel geben, deſſen widerliches Aeußere ſeinen Sitten und ſeiner Lebensart ſo vollkommen ent— ſpraͤche, als dieſen. Das kahle Geſicht des kleinen Kopfes, der vorſtehende nackte Kropf, die lockere Halsbefiederung, das ſtets beſchmutzte und abgeriebene Gewand, nebſt den groben Fuͤßen, ſind nicht geeignet einen vortheilhaften Eindruck auf den Beſchauer zu machen; dazu kommt noch, daß dem lebenden Vogel haͤufig eine haͤßliche Feuchtigkeit aus der Naſe trieft, und der ganze Vogel einen aashaften Geruch, aͤhnlich dem unſerer Raben, ausduͤnſtet, welcher ſo ſtark iſt, daß ihn auch der todte Balg nach Jahren, und in einem faſt zerſtoͤhrten Zuſtande nicht ganz verliert. Er iſt ein trauriger und fo träger Vogel, daß er, wenn er ſich ſatt gefreſſen hat, ſtundenlang an einer Stelle ſitzt, und ruhig die Verdauung abwartet. Sonſt geht er auf dem Boden, gerade wie ein Rabe, um ſich Nahrungsmittel aufzuſuchen, in abgemeſſenen Schritten einher, und aͤhnelt auch in ſeinem Fluge unſern Raben mehr als andern Raubvoͤgeln. Seine Bewegungen ſind langſam und ſchwer— faͤllig, Geſicht und Geruch aber ſehr fein. In ſeinem eigentlichen Vaterlande iſt er gar nicht ſcheu, welches wol daher kommen mag, weil ihn die Voͤlker jener Laͤnder, als einen unſchaͤdlichen Vogel, gern um ſich dulden, ja manche ihn als einen nuͤtzlichen Geſellſchafter ſchuͤtzen und verehren. Im cultivirten Europa iſt das ſchon anders, und er iſt daher hier auch ſcheuer, beſonders da, wo er nur einzeln angetroffen wird. Ob er gleich ein geſellſchaftlicher Vogel iſt, ſo lebt er doch meiſt nur paarweiſe, oder in kleinen Geſellſchaften, nie aber in ſolchen Schwaͤrmen, wie die wahren Geier. Gegen Kaͤlte und Naͤſſe iſt er ſehr empfindlich, ſoll aber übrigens ein ſehr zaͤhes Leben haben. Er ſetzt ſich ſelten auf einen Baum, ſondern meiſt nur auf Felſen, Steine und auf die Erde, weswegen ſein Gefieder auch dem Abreiben ſo ausgeſetzt iſt, und er mit Recht in vielen Laͤndern Erdgeier genannt wird. Von ſeiner Stimme ſagt man daß ſie der der Buſſarde aͤhnlich ſey. Er laͤßt ſich leicht zaͤhmen, erregt aber durch ſein trauriges, traͤges Betragen, durch ſeine Unreinlichkeit, und durch ſeine ekelhafte Ausduͤnſtung, eher Wider⸗ willen und Abſcheu, als Vergnuͤgen. I. Ordn. II. Gatt. 3. Sch muütziger Aasvog el. 177 Nahrung. Aas, in jedem Zuſtande, friſch oder in gänzliche Verweſung übergegangen, iſt feine vorzuͤglichſte Speiſe. Sein ſcharfer Geruch laͤßt es ihm leicht auffinden, und ſeine Begierde darnach iſt ſo groß, daß er ſich in ſeiner Heimath gar nicht ſcheuet es in der Nähe. menſchlicher Wohnungen aufzuſuchen. Die Reiſenden erzählen viel von ſeiner Dreiſtigkeit und ſeinem Heißhunger, nicht allein nach Aas, ſondern nach allem, was von getoͤdteten Thieren als ungenieß— bar von den Menſchen weggeworfen wird. Selbſt den Unrath, den er im Magen und in den Gedaͤrmen todter Thiere antrifft, verzehrt er ſammt dieſen mit Appetit. Wenn er kein Aas vorfindet, ſo ſucht er ſich im Miſte der Thiere und ſonſt wo allerlei Gewuͤrme und Inſekten, nackte Schnecken, Froͤſche, Eidechſen, und andere kleinere Amphibien. Kann er aber von dem allen nichts auftreiben, ſo dienen ſelbſt die aufgefundenen thieriſchen Exkremente zur Stillung ſeines Hungers; man ſagt ſogar, daß er die menſchlichen beſonders liebe. Er iſt alſo, wie wir ſehen, kein Koſtveraͤchter, und auch hierin den Kraͤhen und Raben aͤhnlich. Da er ſchnell verbaut, fo hat er auch immer Hunger. Wen Fortpflanzung. N Sein Neſt findet man in Felſenkluͤften, mit drei bis vier Eiern, die jedoch noch von keinem naͤher beſchrieben ſind. Er niſtet nicht allein in Afrika, ſondern auch im ſuͤdlichen Europa. Dem nun verſtorbenen Herrn Goße in Genf, wurden vor mehreren Jahren vier, aus einem Neſte genommene Jungen, lebendig uͤberbracht, und von ihm aufgezogen, wovon ſich noch einer aus⸗ geſtopft in der Sammlung des Herrn Dr. Schinz in Zürich be⸗ findet. Das Neſt war in einer Felſenſchlucht des nahe bei Genf gelegenen Berges Saleve, aus welcher Gegend Hr. Goße fruher auch einigemal Alte lebendig erhielt. Dieſe ſollen, wie die Geier, den Jungen das Futter im Kropfe zutragen, und es ihnen vorſpeien. Die Jungen ſind anfaͤnglich, ſelbſt am Kopfe und Vorderhalſe, mit weißgrauen Dunen bekleidet. 1 Fein d e. Es fehlt zur Zeit noch zu ſehr an, im Freien uͤber dieſen Vogel, angeſtellten genauen Beobachtungen, und an Unterſuchungen friſch getoͤdteter Exemplare, um hier etwas Zuvexlaͤſſiges angeben zu koͤnnen. 12 I. * 178 J. Ordn. II. Gatt. 3. Schmutziger Aas vogel. Jagd. ö Bei den Horden der ſogenannten Wilden in Afrika, die ihm nie etwas zu Leide thun, mag er, ſeiner Zudringlichkeit wegen, leicht auf jede Art zu erlegen ſeyn. In den von ihm befuchten Europäi- ſchen Laͤndern iſt er zwar nicht ſo zutraulich, doch auch nicht ſo ſcheu, daß er ſich nicht noch ziemlich leicht ſchußmaͤßig ankommen ließe; weil er aber ein ſehr zaͤhes Leben hat, ſo vertraͤgt er einen tuͤchtigen Schuß mit groben Schroten oder der Kugel. Beim Aaſe moͤchte er auch leicht zu fangen ſeyn. Nutz en. Weil er in den heißen Ländern die ſchnell in Faͤulniß über: gehenden Abfälle der Küche, und alles Aas, was durch den Geſtank die Luft verpeſten wuͤrde, aufzehrt, auch viel ſogenanntes Unge— ziefer vertilgt, ſo ſtand er ſchon bei den alten Egyptiern in hohem Anſehen, und genießt jetzt noch bei den Muhametanern und andern rohen Voͤlkern jener Erdſtriche alle nee fo daß man ihn über: all hegt und nichts Boͤſes zufuͤgt. In Europa darf er fich, fo viel bekannt iſt, dieſes Schutzes nicht erfreuen, denn die Bewohner der Inſeln des Archipelagus, ſollen ihn haͤufig toͤdten, die ſehr ſtarke Haut, auf welcher ſie blos die Dunen laſſen, gahr machen, und als ein ſehr zartes Pelzwerk zu allerlei Zwecken benutzen. Die Kiele der großen Schwingen gleichen den Gaͤnſeſpuhlen, und en ſich ſo gut wie dieſe zum Schreiben benutzen laſſen. Schaden. Sie Rubrik würde in feiner Naturgeſchichte leer bleiben, wenn man nicht durch die Reiſenden wuͤßte, daß er den Afrikanern ſtatt des weggeworfenen Fleiſches, auch manchmal gutes, was ſie ſelbſt genießen wollten, wegſtiehlt. Daß er in Europa durch Wegfangen des jungen Federviehes Schaden thue, . ziemlich unwahrſcheinlich. Anmerk. Da mir alle Gelegenheit, dieſen Vogel im freien Zuſtande beobachten zu koͤnnen, verſagt war, ſo mußte ich mich entſchließen, das, was ich uͤber ſein Betragen und feine Lebensart anzufuͤhren für noͤthig hielt, aus ſichern Quellen zu ſchoͤpfen. Ich benutzte dazu theils die glaubwuͤrdigſten Nachrichten zuverlaͤßiger Reiſender, theils brieflich mitgetheilte Beobachtungen meiner ornithologiſchen Freunde. Ich habe genau gepruͤft, ſorgfaͤltig gewaͤhlt, mich vor Unwahrſcheinlichkeiten moͤg⸗ lichſt zu huͤten geſucht, und darf daher hoffen, nur Wahrheiten vorgetragen zu haben. Dritte Gattung. Geier adler. Gypaötus. Kopf: Mit wolligten, laͤnglichen Federn bedeckt, klein mit flacher Stirn. Schnabel: Stark, lang, der Oberſchnabel anfaͤnglich gerade, gegen das Ende hin aufgetrieben, in einen großen Haken endigend, die Wurzel des Unterkiefers mit ſteifen Borſten beſetzt; die Wachshaut undeutlich. Naſenloͤcher: Laͤnglichoval, vorwaͤrts ſchief aufwaͤrts liegend und (an der Europaͤiſchen Art) mit ſteifen Borſten bedeckt. Fuße: Kurz, vierzehig, von den drei vorderen die mittelſte etwas lang, und an der Wurzel mit der aͤußern durch eine kleine Haut verbunden; die hintere faſt fo lang als die äußere Vorderzehz die Krallen dick, und maͤßig gekruͤmmt, weder groß noch ſcharf. . Flügel: Lang, die erſte Schwinge auffallend kuͤrzer als die zweite, dieſe aber kaum merklich kuͤrzer als die dritte, welches die laͤngſte von allen iſt. Der Schwanz abgerundet. Sie aͤhneln im Fluge, wie in der Lebensart den Geiern, wie den Falken; leben nicht in großen Geſellſchaften, ſondern einzeln oder paarweiſe; naͤhren ſich, fuͤr gewoͤhnlich, vom lebendigen Raube, den ſie meiſtens an der Stelle, wo ſie ihn fingen, verzehren, freſſen im Nothfall aber auch Aas, doch nur friſches. Ihren Jun⸗ gen tragen ſie das Futter in den Klauen zu. Eine Art. 4, Der baͤrtige Geieradler. Gypaétus Ga batus. Cuvier. Taf. 4. Alter Vogel. Taf. 5. Junger Vogel. Weißkoͤpfiger und ſchwarzkoͤpfiger Geieradler, Bartgeier, Bart: adler, Bartfalke, Laͤmmer-Gemſen-Gold-Greif- und Jochgeier, Laͤmmergeier der Alpen oder ſchweitzeriſcher Laͤmmergeier, weißkoͤp⸗ figer Geier, Weißkopf, Grimmer. Vultur barbatus Linn. syst. ed. 12. I. p. 123. n. 6. =: Gmel. Linn. I. 1. p. 250. n. 13. . Lath, ind. ornith. I. p. 3. — Falco barbatus. Gmel. Linn. syst. I. p. 252. n. 38. ZZ Aquila barbata. v. P. Schrank Faun. boic, I. p. 106. n. 51. — Gypaötus leucocephalus. Meyer u. Wolf, Taſchenb. S. 9. — Deren Voͤgel Deutſchl. Heft 14. — Vautour dore. Buff. Ois. I. p. 131. Le Gate des Alpes. Sonn. ed. de Buff, II. p. 214. pl. 12. f. 2. — Gypaöte Darbu. Temmink, Man. p. 6. == Bearded Vulture. Lath. syn. I. p. 11. n. 6. Ueberſ. v. Bechſt. I. ©. 1o. n. 6. = Avoltoio barbato. Cetti uce. di Sard. p. 16. mit einer Abbild. = Stor. deg. ucc. I. pl. 11. —= Edwards Birds t. 106. — Seeligmanns V. V. t. 1. —= Alpina I. S. 169. — Bechſtein Naturg. Deutſchl. 2te Aufl. II. S. 502. n. 1. = Deſſen orn. Taſchenb. S. 7. t. 1. = Borkh. ꝛc. teutſche Ornith. Heft. 19. —. Meisner und Schinz V. d. Schw. S. 3. n. 3. Koch baier. Zool. I. S. 107. n 33. ' (Vultur aureus. Geöner Thierb. v. d. V. S. 157.) Junger Vogel. Gp melanocephalus. Meyer und Wolf Taſchenb. S. 10. u. das Titelk. Deren Vögel Deutſchl. Heft 19. = Alpina v. Steinmuͤller. I. p. 183. Koch baier. Zool. I. S. 108. n. 34. Kennzeichen der Ar k. Wachshaut, Naſenloͤcher und Schnabelwurzel mit ſtarren borſtigen Federn bedeckt; am Kinn ein vorwaͤrts gerichteter Bor— ſtenbart; die Schaͤfte der Fluͤgel- und Schwanzfedern von außen weiß; die Fuͤße graublau. f Be ſchrei bung. Dieſer ſchoͤne Raubvogel iſt einer der groͤßten deutſchen Voͤgel. Er gleicht in den Ausmeſſungen ſeiner Laͤnge wie der Breite ſeiner Fluͤgel den groͤßten deutſchen Geiern, ob gleich das Volumen ſeines Koͤrpers geringer iſt, als bei dieſen; denn er iſt viel ſchlanker und I. Srön.» II: Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. 181 hat einen weit laͤngern Schwanz. Aus dieſer Urſache betraͤgt ſein Gewicht auch ſelten über 17 Pfund, bei juͤngern und magern Vögeln oft nur 11 bis 12 Pfunde. Die Maaße eines alten Maͤnn— chens find folgende: Laͤnge, 4 Fuß; Breite, 95 Fuß; Fluͤgellaͤnge vom Bug bis zur Spitze, 5 Fuß; Schwanzlaͤnge, 213 Zoll. Dieſer iſt zwoͤlffedrig, keilfoͤrmig oder ſpitz zugerundet, die Federn nehmen naͤmlich, von der Mitte an gerechnet, allmaͤhlig fo an Laͤnge ab, daß die aͤußerſte Seitenfeder nur 153 Zoll mißt. Die Federn haben ſtarke Schaͤfte und ſind ſehr breit, nehmen aber auf dem letzten Viertel ihrer Laͤnge allmaͤhlig an Breite ab, und runden ſich am Ende ziemlich ſchmal zu. Weder die mittelſten noch die aͤußer— ſten find die breiteſten, dieſe letztern aber in der Mitte 4 Zoll breit. Die angelegten Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen bis 2 oder 5 Zoll vor das Ende des Schwanzes. Die laͤngſte Schwingfeder mißt an 50 Zoll. Alle großen Schwingen ſind an der Spitze ſehr ſchmal, ſetzen aber, bei 2 der Laͤnge, von hier aus, ploͤtzlich in einem bogi⸗ gen Ausſchnitt ab und werden ſo ſchnell breiter, die erſten faſt noch einmal ſo breit als ſie am Ende ſind. ü Die alten Weibchen ſind immer groͤßer als die Maͤnnchen, 4 Fuß Lang und 10 Fuß breit; die juͤngern Voͤgel dagegen merklich kleiner 3 33 bis 54 Fuß lang und 7 bis 8 Fuß breit. Der Schnabel iſt ſehr geſtreckt, oben von der Stirn aus an—⸗ faͤnglich gerade, dann von der Mitte an ſanft aufſteigend, in einem großen bogenfoͤrmigen Haken endigend. Er iſt von beiden Seiten ſehr zuſammen gedruͤckt, etwas uneben, beſonders zeichnet ſich ein Eindruck aus, welcher uͤber dem Naſenloche anfaͤngt und mit dem Ruͤcken des Hakens paralell laͤuft, ſich jedoch noch weit vor der Spitze endigt. Seine Schneide iſt etwas ungerade, doch ohne Zahn, nach dem Mundwinkel zu, welcher noch hinter dem Auge endet, ganz gerade; der Unterkiefer eben ſo, an der Spitze abgeſtumpft. Die Laͤnge des Schnabels von der flachen Stirn bis auf den Ruͤcken des Hakens, in gerader Linie gemeſſen, 5 Zoll 5 Linien, mit einem Faden, uͤber den Bogen, gemeſſen 43 Zoll, von dem Ruͤcken des Hakens bis in den Mundwinkel 5 Zoll. An der Wurzel iſt er im Durchſchnitt 15 Zoll hoch, von Farbe braͤunlich horngrau, an der Spitze heller, die Mundkanten und die ziemlich undeutliche Wachs— haut licht graublau; dieſe wie die laͤnglichovalen, nach vorn ſchief aufwärts ſtehenden Naſenloͤcher mit ſtarren, borſtenartigen, gläns zend ſchwarzen Federn dicht bedeckt, welche vor dem Auge anfangen und von hier aus in einer breiter werdenden Streife nach dem 162 J. Ordn. III. Gatt. 4 Bärtiger Geieradler. Schnabel hinlaufen und alle vorwaͤrts gerichtet ſind. Auch an der Wurzel des Unterſchnabels ſtehen ſolche glatt anliegende Borſten, und endlich am Kinn, d. i. an der dreieckig auslaufenden Haut unter dem Schnabel, zwiſchen den beiden Strahlen des gabelichten Knochens der Unterkinnlade, befindet ſich ein aus Pferdehaaren aͤhnlichen, ſteifen, vorwaͤrts gerichteten, glaͤnzenden, ſchwarzen Borſten beſtehender Buͤſchel, in Geſtalt eines Ziegenbartes. Die laͤngſten dieſer Borſten meſſen, bei alten Vögeln, beinahe 13 Zoll. Der Rachen iſt ſehr breit und blau; die Iris der funkelnden Augen hellgelb, am aͤußern Rande mit einem feuerfarbenen Ringe umge— ben; die kahlen Augenlieder roͤthlichgrau. Die Fuͤße ſind, im Verhaͤltniß zur Groͤße des Vogels, klein, ſchwaͤchlich, und haben, genau genommen, der Geſtalt nach, weder mit den Klauen der Geier, noch mit denen der Adler Aehnlichkeit, oder vielmehr von beiden etwas, ſo daß ſie allein ſchon hinreichen den Vogel als eine Mittelgattung zu charakteriſiren, die ſich zwiſchen jene beide aufgeſtellt. Die Fußwurzel oder der Lauf iſt ganz, bis an die Einlenkung der Zehen herab, mit kurzen Federn dicht bedeckt, nicht ſo die Zehen ſelbſt, welche auf ihrem Rüden nur vorn über den Naͤgeln mit einigen großen Schildern bedeckt, uͤbrigens aber ge— ſchuppt und an den Sohlen rauhwarzig ſind. Die aͤußere und mittlere Zehe ſind an ihrer Wurzel mit einem kurzen Haͤutchen ver— bunden; die Krallen nicht ſehr groß, aber ſtark, weder ſehr ſpitz, noch ſtark gebogen, doch mehr als an den Geiern, aber viel weniger als an den groͤßern Adlern. Der Lauf iſt + Zoll hoch; die Mittel: zeh mit der Kralle, im Durchſchnitt 4 Zoll 4 Linien, die aͤußere 2 Zoll 11 Linien, die innere wegen der viel groͤßern Kralle mit jener von gleicher Laͤnge, die hintere 2 Zoll 10 Linien, dieſe aber ohne Kralle 1 Zoll 7 Linien lang, und die Kralle allein, uͤber dem Bogen gemeſſen, 24 Zoll. Ob nun gleich dieſe Füße, mit der Groͤße des Vogels verglichen, etwas klein ſcheinen, ſo ſind es dem— ungeachtet noch furchtbare Waffen. Die Farbe der Zehen iſt grau— blau oder bleifarben, die der Krallen horngrau mit ſchwaͤrzlichen Spitzen, welche Farbe ſich dem Dunkelbraunen naͤhert. Die Stirne iſt flach, der Hinterkopf dagegen erhaben, der Hals etwas lang, Schwanz und Fluͤgel in allen ihren Theilen lang und groß. Die Bedeckung des Kopfes bis hinter die Augen, die Kehle ausgenommen, beſteht aus einem kurzen wollichten Gefieder, mit untermiſchten harten Federchen, welche haaraͤhnliche Spitzen haben; auch an der Kehle ſind ſolche Federn noch einzeln vorhanden, — J. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. 183 übrigens iſt dieſer Theil nebſt der Gurgel mit weichen, ſehr ſchmalen und zugeſpitzten Federn bekleidet; dieſem aͤhnlich, aber groͤßer, ſind die Federn am Hinterkopfe und am Halſe. Die Hoſen oder Schenfel= federn ſind ſehr groß und ſo lang, daß ſie bis auf die Zehen herab haͤngen. An den untern Theilen des Rumpfes iſt das Gefieder ge⸗ woͤhnlich, aber etwas weich, an allen obern Theilen, ſo wie an den Fluͤgeln und dem Schwanze laͤnglich, derb und glatt. Das Kleid des alten Vogels hat folgende Farben: Vom Schnabel laͤuft uͤber das Auge hin ein kohlſchwarzer Streif, welcher ſich hinter dieſem aufwaͤrts nach der Mitte des Scheitels zu verliert, oder oben in kleinen Schmitzchen und eine Art von Kranz bildend vereinigt, zuweilen auch vom Auge nach dem Ohre herabſteigt; Scheitel und Wangen find gelblichweiß, mit eingeſtreueten ſchwarzen Borſtfedern; die Kehle und Gurgel ſchoͤn roͤthlich roſtgelb, ins Drangefarbene uͤbergehend, erſtere mit eingeſtreuten ſchwarzen Schmitzchen; Hinterkopf und Hals weißroͤthlich roſtgelb, alſo weit lichter als der Vorderhals; die Bruſt und alle uͤbrigen untern Theile von eben dieſer Farbe, nach dem Halſe zu dunkler, nach dem After hin aber ins Gelblichweiß uͤbergehend. An der Oberbruſt, in der Kropfgegend, ſtehet eine Art Ringkragen von braunſchwarzen Flecken, und die untern Schwanzdeckfedern haben an den Enden ebenfalls große graubraune Flecke; ſonſt iſt von unten alles einfarbig. Die Federn am Oberruͤcken ſind glaͤnzend braunſchwarz mit weißen Schaͤften und einem gelblichweißen Punkte an der Spitze; eben ſo ſind die kleinen Schulter- und kleinen Fluͤgeldeckfedern, doch ſind hier die kleinen Spitzenflecke groͤßer und ziehen ſich ein gut Theil an den weißen Schaft herauf, fallen hier auch mehr ins Roſtgelbe; an den großen Schulter- und großen Fluͤgeldeckfedern verſchwinden die Spitzenflecke nach und nach, und die Federn gehen nach dem weißen Schafte zu ins Aſchgrau uͤber; die zweite und dritte Ord⸗ nung Schwungfedern ſind braͤunlich aſchgrau, an den Seiten in Braunſchwarz ſanft uͤbergehend, mit weißen Schaͤften; die großen Schwingen eben ſo, aber lichter als jene. Unterruͤcken und Steiß find ſchwarzbraungrau; die Schwanzfedern laͤngſt der Mitte afch- grau, ſeitwaͤrts braͤunlichgrau und von dieſer Farbe in braun⸗ ſchwarze Kanten ſanft uͤbergehend, die Schaͤfte aller weiß. An den Enden dieſer Federn befinden ſich eigentlich noch weiße Saͤum⸗ chen, die ſich aber oft ganz abgerieben haben. Schwing- und Schwanzfedern ſind auf der untern Seite graulich ſchwarzbraun, die Schaͤfte hier aber nicht weiß, ſondern mit Graulichweiß und 184 I. Ordn. II. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. Schwarzbraun abwechſelnd ſehr artig geſchuppt; die untern Flügel: deckfedern wie die obern, der Fluͤgelrand roſtgelb gefleckt. Die ſchoͤne braͤunliche Orangenfarbe der untern Theile iſt bei manchen Voͤgeln ſo dunkel, daß ſie ſich einer lebhaften Roſtfarbe naͤhert. Sie giebt ihnen ein herrliches Anſehen. Ob aber ſo gefaͤrbte Individuen gerade ſehr alte Voͤgel oder doch aͤlter als diejenigen ſind, welche dieſe Farbe in einer weit blaͤſſern Anlage tragen, bezweifle ich daher, weil ich ein Exemplar in den Haͤnden hatte, was im Federwechſel begriffen war, an welchem aber die neuen Federn alle um vieles heller, faſt roͤthlich weißgelb waren, die alten aber jene braunliche Drangenfarbe fo dunkel hatten daß ſie ans Roſtfarbene graͤnzten. Gewoͤhnlich haͤlt man aber die Dunkelrothgelben fuͤr aͤlter als die Weißgelben. — Das Weibchen ſoll ſich immer durch eine etwas anſehnlichere Groͤße und blaͤſſere Farben vom Maͤnnchen, jedoch nicht ſehr auf— fallend, unterſcheiden. Die Bruſthoͤhle hat, wie bei den meiſten Raubvoͤgeln, keine Federn, ſondern iſt mit einem außerordentlich weichen, langen, weißgelblichen Flaum bedeckt. Dieſen Flaum, der bei den meiſten Raubvoͤgeln angetroffen wird, findet man beim baͤrtigen Geieradler am ganzen Koͤrper, unter dem gewoͤhnlichen Gefieder, in großer Menge; er verfchafft ihm ein ſehr warmes Kleid, welches ihm in den kalten Regionen ſeines Aufenthaltes auch ſehr nothwendig war. Das Gefieder des juͤngern Vogels iſt ganz anders ge— faͤrbt als das des oben beſchriebenen alten Vogels im vollkommenen Zuſtande. Es iſt im Ganzen dunkler, duͤſtrer und einfarbiger. Kopf und Hals find einfarbig ſchwarzbraun; Bruſt, Seiten, Bauch und Beine hellroſtbraun, hin und wieder mit undeutlichen weiß— braͤunlichen Flecken; alle obern Theile des Koͤrpers dunkelbraun, am Hinterhalſe, den Schultern und Fluͤgeldeckfedern mit unordent— lichen lichtern Flecken, indem die Federn hier braune Kanten haben; zwiſchen den Schultern ſind mehrere Federn mit weißem Schaft und weißen Flecken an der Spitze, Fluͤgel und Schwanz wie am alten Vogel, die Federn in der Mitte nur mehr braun als grau. Die braune Farbe der obern und untern Theile naͤhert ſich bald mehr bald weniger dem Graubraunen. R Das friſche Gefieder iſt ſtets dunkler und glaͤnzender, als das ſchon abgetragene; die Voͤgel erſcheinen darin noch einfarbiger, und es ſcheint mir daß jene lichten Enden und Kanten an den Fluͤgeldeckfedern und anderwaͤrts erſt durch Abbleichen und Abreiben 1 J. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. 185 entſtehen, wenigſtens anfaͤnglich nicht ſo auffallend waren, als ſie es nachher werden. ö Bei der zweiten oder dritten Mauſer ) wird das Gefieder heller, der Unterleib rothgrauweiß, die Flecken auf den Schultern groͤßer; am Kopfe und Nacken erſcheinen endlich ganz weiße Federn, und am Vorderhalſe orangengelbe mit ſchwarzen gemiſcht. Man vermuthet daß drei bis vier Jahre vergehen ehe dieſe Periode des Umwandelns des ſchwarzkoͤpfigen in den weißkoͤpſigen Geieradler eintritt. Sichere Beobachtungen ſind no zur Zeit darüber on befannt. — % Die Augen ſind fo ſonderbar gebildet, daß fie eine eigne Be— trachtung verdienen. Bei andern Bögeln iſt außer der Regenbogen— haut blos etwas von der Nickhaut ſichtbar, beim Geieradler aber bildet die Sclerotica einen zwei Linien breiten Ring um die Horn⸗ haut, welcher aus dichtem feſtem g e beſtehet und deſſen Farbe prachtvoll orange oder feuerfarben iſt, ſo daß man beim erſten Blick die Regenbogenhaut fuͤr ſo gefaͤrbt 1 wuͤrde. Dieſer Ring dient anſtatt der Conjunctiva zur Befeſtigung des Auges in der Hoͤhle. Sie iſt merkwuͤrdig gebauet. Gegen den innern Augen— winkel zeigt ſich naͤmlich eine eckigte knoͤcherne Hervorragung; gegen „) Herr Dr. Schinz d. j. aus Zuͤrich, der mir dieſe Bemerkung mittheilte, ſcheint die Umwandlungsperiode zu weit hinaus zu ſtellen. Wir duͤrfen wol mit einiger Sicherheit vermuthen daß es hier wie bei andern Raubvoͤgeln gehe und unſer Vogel das Jugendbkleid nicht Länger als viele von dieſen trage. Ich glaube nicht daß hier eine ſehr merkliche Abweichung von der Regel ſtatt findet, folglich die Umwandlung, wo nicht nach der erſten, doch ſicher nach der zweiten Mauſer erfolgt. — ) Dieſe Rubrik, fo wie alles was im Folgenden uͤber Sitten und Lebensart dieſes Vogels geſagt wird, verdankt der Leſer der Guͤte meines Freundes, Herrn Profeſſor Dr. H. R. Schinz in Zuͤrich. Da der baͤrtige Geieradler ſich nie bis in unſre Norddeutſchen Ebenen verfliegt, ich ſelbſt ihn auch nie an feinen eigentlichen Aufenthaltsorten beobachten konnte, und durch bloßes Bes ſchauen ausgeſtopfter Baͤlge, deren ich zwar mehrere in den Haͤnden hatte, ſich nichts daruͤber beſtimmen laͤßt, ſo wandte ich mich, um die Naturgeſchichte dieſes Alpenvogels ſo vollſtaͤndig als wahr liefern zu koͤnnen, an jenen Mann, deſſen Verdienſte um die Wiſſenſchaft ſein Vaterland, die Schweitz, wie das Ausland ſchon laͤngſt anerkannt haben, der Gelegenheit hatte die Naturgeſchichte unſres Vogels in der Natur ſelbſt zu ſtudiren, und der, was er mit gewohnten Forſcherblick beobachtete, hier aufrichtigſt mittheilt. Ich gebe ſie faſt durchgaͤn⸗ gig woͤrtlich fo, wie er fie mir im Manuſcripte mittheilte. Wenn indeſſen unſre Beſchreibung der Sitten und Lebensart des Geieradlers mit der in Wolfs und Meyers Naturgeſchichte ꝛc. a. a. O. im Allgemeinen ſehr uͤbereinſtimmt, ſo bitte ich zu „ daß auch jenes groͤßtentheils aus 0 Feder deffelben te floß. a 186 J. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. die knoͤcherne obere Augenhoͤhle findet ſich eine dicke faſt knorpeliche Haut, die ſo wie der knoͤcherne Ring bei dieſem Vogel beſonders ſtark iſt. Der feuerfarbene Ring iſt am Rande des knoͤchernen bes feſtigt, und hinter dem erſteren liegt die ſchwefelgelbe Regenbogen— haut, die ſich, wenn ſich das Sehloch ſehr erweitert, hinter den Ring zuruͤckziehen kann. Der ſtreifige Ring iſt groß, und ſeine Strahlen bilden an der Kriſtalllinſe eine zierliche Strahlenkrone. Die Netzhaut iſt von den vielen Gefäßen faſt ganz ins Purpurfar⸗ bene uͤbergehend, und ſcheint durch das ſehr dunkele ſchwarze Pigment durch, ſo daß die Regenbogenhaut und die Pupille einen roͤthlichen Anſchein dadurch erhalten. Sehr ſtarke Muskeln befeſti— gen das Auge in ſeiner weiten Hoͤhle. Dieſer merkwuͤrdige Bau der Augen ſcheint dem Geieradler einzig eigen zu ſeyn, und iſt, wie alles in der Natur, ſehr zweckmaͤßig, und ganz für feine Lebens⸗ art eingerichtet. Mehr noch, als der Adler, fuͤr die hoͤchſten Regionen des Erdballs geſchaffen, ſchwebt er beſtaͤndig uͤber Schnee, oder uͤber den hoͤchſten Gebirgen; durch dieſe Einrichtung des Auges nun wird die Einwirkung der Sonnenſtrahlen gemildert, und er wird dadurch in den Stand geſetzt, ohne geblendet zu werden, von einer unglaublichen Hoͤhe ſeine Beute zu bemerken. Die Zunge iſt klein, breit, rinnenfoͤrmig, an der Spitze horn= artig, und hinten faſt wie bei den Spechten durch elaſtiſche Knor— pelbaͤnder befeſtigt. Die Naſenhoͤhle iſt weit, und das Organ des Geruchs beſonders ſtark ausgebildet, daher ſich vermuthen laͤßt, daß dieſer Sinn, wie bei den Geiern, ſehr ſcharf ſeyn muß. Die Mundoͤffnung iſt ſehr groß, ſo daß ſich der Schnabel faſt 4 Zoll weit öffnen läßt, daher auch der Schlund fo weit iſt, daß man mit der Hand durchgreifen kann. Er bildet mit dem Magen einen einzigen faſt gleich weiten Sack, doch ſo daß man Schlund, Kropf und Magen noch ziemlich deutlich von einander unterſcheiden kann. Der Magen ſelbſt bildet einen ſchlauchfoͤrmigen Sack, und ein kleiner Wulſt unterſcheidet ihn von dem 4 Zoll langen Kropfe. Die innere Haut dieſer Theile iſt rauh und flockig, ſehr faltig und mit einer unglaublichen Menge, in querlaufenden Reihen liegender Druͤſen beſetzt, aus welchen ſich durch zarte Ausfuͤhrungsgaͤnge ein ſcharfer, uͤbelriechender Verdauungsſaft ſehr haͤufig ergießt. Die Eircularmuskelfaſern des Magens find ſehr ſtark, ſchon im Schlunde ſichtbar, dort aber ſchwaͤcher; der Pfoͤrtner beinahe 5 Zoll weit. Dieſer faltige Bau macht jene Theile ſehr ausdehnbar und faͤhig, eine unglaubliche Menge von Speiſen auf einmal zu beherbergen, J. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. 187 ohne dadurch ſeine Elaſticitaͤt zu verliehren. Der Magenſaft iſt ſo ſtark und hat ſo aufloͤſende Eigenſchaften, daß er die haͤrteſten Knochen ſchnell und leicht aufloͤſt, ſo daß der Magen gleich dem beſten Papinianiſchen Topfe den Knochen ihrer Gallerte beraubt, und nichts als die leicht zerreibliche Kalcherde, welche ſich in den Exkrementen deutlich vorfindet, uͤbrig laͤßt. Der Magenſaft verdauet ſelbſt nach dem Tode noch faſt eben fo ſchnell, wie folgendes Bei⸗ ſpiel beweißt: Ein Geieradler wurde in dem Augenblicke getoͤdtet, als er eben von einem gefangenen Fuchs die Keule mit Haut und Haaren verſchlang. Als dieſer Vogel drei Tage nachher zergliedert wurde, fand ſich das Fleiſch ganz verdauet und der Knochen bereits auch angegriffen. — Von den Knochen wird zuerſt die Lamelle angegriffen und wie weggeaͤtzt; iſt einmal das haͤrtere weggebaitzt, ſo folgt die Aufloͤſung der zellichten weichern Theile deſto ſchneller. Von den langen Knochen wird gewöhnlich der Kopf zuerſt auf— geloͤſt. Die große Dehnbarkeit des Magens geſtattet unſerm Vogel unglaublich große Mahlzeiten zu ſich zu nehmen; ſo findet man oft den Magen faſt bis zum After ausgedehnt und mit Knochen ſo vollgefuͤllt, daß man dieſe leicht von außen fuͤhlen und, beim Druck, ihre Bewegung bis oberhalb der Bruſt bemerken kann. Wenn auch noch Stuͤcke von Knochen in die Gedaͤrme uͤbergehen, ſo werden ſie, ehe ſie zum After gelangen, doch ganz zerreiblich und der Kot) weiß und flüßig, wie bei andern Raubvoͤgeln. — Ich zergliederte wol zwanzig Steinadler, fand aber bei keinem einzigen betraͤchtliche Knochen, beim Geieradler dagegen, immer Haare, Klauen und Knochen, oft in großer Menge. In die Hoͤhlungen der Knochen waren die Haare immer wie eingeknetet, und ich glaube auch, daß er ſelbſt die Haare verdauet; wenigſtens bemerkte ich bei dem lebenden, welchen ich!etwa zehn Tage unterhielt, nie ein Erbrechen von unverdaulichen Stoffen. — Die Weite des Schlundes ſetzt den Vogel in den Stand außer— ordentlich große Stuͤcke zu verſchlingen, und die Schluͤpfrigkeit und Dehnbarkeit dieſer Theile macht, daß er auch ganz eckigte und ſplitterichte Knochen ohne Beſchwerde verſchluckt. Ich bewahre in meiner Sammlung die Ueberreſte einer Mahlzeit, welche aus dem Kopfe eines 3 Zoll breiten und 5 Zoll langen Huͤftknochens einer Kuh, einem 63 Zoll langen Schienbein einer Gemſe, einer halb— verdaueten Rippe deſſelben Thieres, vielen kleinen Knochenſtuͤcken, einigen Haͤnden voll Gemſenhaaren, und den Klauen eines Birkhahns 188 J. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. beſtand. — Bei einem andern fand ich ein Stück eines ganz eckichten, 3 Zoll breiten Schaͤdelknochens, wahrſcheinlich von einer Gemſe, die Klauen und Haare eben dieſes Thieres, u. ſ. w. — Steinmuͤller fand nicht allein das 15 Zoll lange Ruͤckgrathge— rippe eines Fuchſes und deſſen Schwanz mit Haut und Haar, ſondern daneben auch noch den ganzen Hinterlauf eines Haſen und mehrere Knochen zugleich in dem Magen und Schlunde eines von ihm zer— gliederten Vogels. — Das Skelett dieſes Vogels hat ih manches Eigenthuͤmliche, welches im Vergleich mit dem des Steinadlers befonders auffällt. Die Knochen der Bruſt, der Fluͤgel und Schenkel ſind groß und ſtark, zum Theil mit Luftbehaͤltern verſehen; ganz markleer jedoch nur die obern Armknochen und obern Schenkelknochen, letztere nicht einmal durchgaͤngig. Die uͤbrigen Knochen der Extremitaͤten haben viel Mark, deſto leichter find dagegen die Knochen des Rumpfes. Das Bruſtbein iſt ſehr platt; der Leib im Ganzen zwar geſtreckter, aber viel platter, die Bruſtmuskeln weniger fleiſchig und die Mus— keln des Oberſchenkels viel ſchwaͤcher, als beim Steinadler. Der ganze Bau gleicht dem des rothen Milans; er iſt leicht und haupt- ſaͤchlich zum Fliegen eingerichtet. n ene Nach den Berichten der Schriftſteller iſt der baͤrtige Geieradler ziemlich weit verbreitet. In Europa bewohnt er nur die hoͤchſten Gebirge der ſuͤdlichen Theile deſſelben, z. B. die Pyrenaͤen, die ſuͤdlichen Alpen, die Inſel Sardinien, und die Gebirge Griechenlands; in Aſien das Tauriſche und Altaiſche Gebirge, die Alpen Perſiens und die Sibiriſchen Alpen; auch auf den Hochgebirgen des noͤrdlichen Afrika koͤmmt er vor; ob er ſich aber auch in Nordamerika findet, iſt noch nicht ganz entſchieden. In Deutſchland gehoͤrt er zu den ſeltenſten Er— ſcheinungen und wenn ſich in den ſuͤdlichſten Provinzen ja zuweilen einer blicken ließ, ſo war es immer nur auf den hoͤchſten Gebirgen in Schwaben und Salzburg, namentlich um Benedikt— baiern, Hohenſchwangau, Ettal, und beim Paſſe Joch in Tyrol; überhaupt kommt er im letztern Lande noch am oͤfterſten vor. In der Schweitz iſt er unter dem Nahmen Laͤmmergeier in den Gebirgen uͤberall bekannt, doch gehoͤrt erim Ganzen auch dort unter die ſeltnen Voͤgel. Er ſcheint uͤberhaupt in keinem Lande zahlreich zu ſeyn, in der Schweitz ſich ſogar, da ihm als I. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. 189. einem ſehr ſchaͤdlichen Vogel uͤberall nachgeſtellt wird, von Jahr zu Jahr zu vermindern. Er bewohnt die ganze Hochgebirgskette von Savoyen, des Wallis, des Bernerſchen Oberlan landes, des Gotthards, Bündtens, die Gebirge von Glarus und einige des Cantons St. Gallen. Am oͤfterſten wird er noch auf den Gebirgen, welche den Wallerſee umgeben, angetroffen, wo er ſeit den aͤlteſten Zeiten hauſet; dann auf der Kante, die Buͤndten von Tyrol ſcheidet, und welche aus uner— ſteiglichen Felſen beſteht. Nur ſelten verirrt er ſich auf die nie— drigen Gebirge von Senlis, des Hundſteines, des Toggen—⸗ burgs, und des Cantons Schwytz. Hauptſaͤchlich wohnt er nur da, wo noch ziemlich viele Gemſen ſich aufhalten, deren geſchworner Feind er iſt. Der baͤrtige Geieradler iſt ei blos auf die höchften Gebirge eingeſchraͤnkt. Den ganzen Sommer hindurch bewohnt er die hoͤchſten Gebirgsregionen, in der Nähe des ewigen Schneees, wo. blos noch Schaafe oder Ziegen weiden und die Gemſe ſich findet. Im Herbſte und Frühjahr ziehen fie nach den mittlern Alpenregio— nen herab, wo ſie auch niſten, und in ganz kalten Wintern ſteigen fie wol bis zu den hoͤhern Bergdoͤrfern, ja ſelbſt in die hohen Thaͤler herunter. Ergseninetiten Der baͤrtige Geieradler iſt ein fürchterlicher Raͤuber, kühn und verwegen wie kein Adler, ungeachtet weder die Kraft ſeiner, mit ſtumpfen ſchwachen Krallen bewaffneten kurzen Fuͤße, noch auch die Staͤrke des Schnabels dem Adler gleichkommt. Sein ganzer leicht gebauter Koͤrper, ſeine ungemein großen Fluͤgel, ſeine kurzen Fuͤße und ſein langer breiter Schwanz, bezeichnen ihn, als einen vorzuͤglichen Flieger. Wenn der Adler ſeinen plumpern Koͤrper mit wiederholten Fluͤgelſchlaͤgen nachhelfen muß, ſo durchſchwimmt in maͤchtigen Kreiſen und in außerordentlicher Hoͤhe, ohne einen Fluͤgelſchlag, der Geieradler die Luͤfte, und ſein herrliches Auge bemerkt in unglaublicher Ferne das ruhig weidende Schaaf oder die wachſame Gemſe, und ſtuͤrzt dieſe Thiere, ehe ſie noch ihren Feind bemerken, als ſichere Beute in den Abgrund, wobei er pfeilſchnell und mit den Fluͤgeln ſauſend durch die Luft faͤhrt. In ſeinen Fluͤgeln, nicht in den Fuͤßen, liegt ſeine Staͤrke; aber ungeachtet aller Erzaͤhlungen zweifle ich dennoch ſehr, daß er im Stande ſey, eine große Gemſe, oder ein altes Schaaf in die Luft zu heben und, 190 I. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. fortzutragen. Er erwartet vielmehr immer den Zeitpunkt, wenn die Gemſe an einen Abgrunde ſteht; dann macht er ſchnell einige Kreiſe uͤber ſie, ſtoͤßt mit Blitzesſchnelle von der Seite auf dieſelbe, packt ſie mit ſeinen Klauen, betaͤubt das Thier durch gewaltige Fluͤgelſchlaͤge, und ſucht es mit aller Macht uͤber den Felſen hinaus zu reißen, um es in den Abgrund ſtuͤrzen zu laſſen. Dies alles iſt das Werk weniger Sekunden, worauf er ſich dann auf das zerſchmetterte Schlachtopfer niederlaͤßt. Wie die meiſten Raubvoͤgel lebt der Geieradler hoͤchſtens in Geſellſchaft ſeines Weibchens, und jedes Paar hat ſein eignes Jagdgebiet, welches es taͤglich durchſtreift und in welchem es andere ſeines Gleichen nicht leidet. Nur im Herbſt ſollen ſich zuweilen, wie Steinmuͤller erzaͤhlt, mehrere in Geſellſchaft der Adler, auf den hoͤchſten Gebirgsruͤcken zuſammen finden, oft zehn bis funfzehn von beiden Arten, und bei dieſer Gelegenheit ſtark ſchreien. Dies ſoll ein untruͤgliches Merkmal von bevorſtehender rauher Witterung ſeyn. Ob ie de nicht bloße Jaͤgerſagen find, aße ich dahin geſtellt. N Die rothe Farbe reitzt fie, wie den Bullen, zum Angriff, und man hat Beiſpiele daß fie auf rothgekleidete Menſchen fließen. Das Kind eines Geiſtlichen im Bernerſchen Oberlande trug ein rothes Roͤckchen, und ſpielte darin, mit andern Kindern, auf einer Wieſe vor des Vaters Hauſe. Ein Geieradler ſchwebte lange uͤber dem Kinde, der gewarnte Vater ergriff eine Flinte, und erſchoß den Vogel als er ſich eben auf ſein Kind ſtuͤrzen wollte. Die Buͤndtner Jaͤger der hoͤchſten Bergdoͤrfer locken daher den Geier— adler im Winter mit auf den Schnee geſchuͤttetem Blute. So grimmig dieſer Vogel in der Freiheit iſt, und ſo weit auch ſeine Kuͤhnheit gehet, ſo wird er doch in der Gefangenſchaft ganz zahm, und verliert im Alter feinen Muth daſelbſt ganz. Be⸗ ſonders iſt dies bei jung aufgezogenen der Fall. Die kurzen Fuͤße und langen Fluͤgel machen es dem Geieradler ſchwer vom flachen Boden aufzufliegen, er wird daher zuweilen in dieſer Lage uͤberraſcht, beſonders wenn er ſich recht voll gefreſſen hat. Beim Niederſetzen und Auffliegen macht er mit ſeinen Fluͤgeln ein knarrendes Geraͤuſch. Er ſitzt beſtaͤndig auf den Abhaͤngen der Felſen, daher die Stumpfheit ſeiner Krallen, und das Verſtoßen der Spitzen ſeiner Schwanzfedern. Auf Baͤume ſetzt er ſich nur dann zuweilen, wenn ſein Neſtbau Baumreiſer erfordert. Beim angeſchoſſenen oder in einer Falle gefangenen Vogel, hat man ſich I. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. ıgı vor ſeinem Schnabel, den er mehr ele als die e ſehr in Acht zu nehmen. Er laͤßt im Fluge zuweilen ein durchdringende Geschrei hoͤren, was man mit den Sylben: Phiyyy, Phiyyy! oder Wuuu! — vergleicht; auch hoͤrt man von denen in der Gefangenſchaft lebenden ein leiſes Piepen, aͤhnlich dem der jungen Tauben. Sonſt kennt man keine Stimme weiter von ihm. Nahrung. Diͤeſe beſteht in dem Fange lebender Thiere und in friſchem Aaſe; Gemſen, Ziegen, Schaafe, Haaſen, Murmelthiere, Hunde, Fuͤchſe, junge Kaͤlber, Schweine, und Berghuͤhner dienen ihm zur Nahrung; ſelbſt den Menſchen, beſonders Kindern, wird der kuͤhne Raͤuber zuweilen gefaͤhrlich. Nur im Nothfall geht er Aas an, doch darf es nicht ſtinkend ſeyn. Kleinere Thiere verzehrt er mit Haut und Haar, mit Hufen und Knochen, alles verſchlingt und verdauet der Vielfraß ohne Beſchwerde. Die Knochen liebt er ſo ſehr, daß er im Nothfall ſelbſt trockene verſchluckt, obwol die noch weichen juͤn⸗ gerer Thiere ihm lieber und wahre Leckerbiſſen zu ſeyn ſcheinen. Er wirft kein Gewoͤlle, wie andere Raubvoͤgel, ſondern verdauet alles und giebt es in den duͤnnen weißen Exkrementen durch den After von ſich. Es iſt ſchon geſagt worden, daß er ſich der groͤßern Thiere nur dann bemaͤchtigt, wenn er fie von einem Felſenobhange hinabſtuͤrzen kann. Er ſoll dann, wie der Condor, zuerſt die Augen aus dem Kopfe reißen, und dann den Bauch öffnen, auch das was er nicht auffrißt, den folgenden Tag wieder aufſuchen. Laͤmmer Hund junge Ziegen ſind feine liebſte Nahrung, daher auch fein Nahme: Laͤmmergeier. Er thut in den Alpen daran ſehr großen Schaden. Steinmuͤller berichtet, daß ſogar ein ſolcher Vogel verſucht habe, einen Ochſen von einem Felſen herunter zu ſtuͤrzen. Eben fo erzählt derſelbe, wie ein Laͤmmergeier einen jungen Fleiſcher— hund ſeinem Herrn vor den Fuͤßen wegnahm; ein anderer den jährigen Ziegenbock des Buͤndtner Landmanns Keßler in Schu: ders, ungeachtet der Gegenwehr ſeines Herrn, den er ſogar in die Flucht ſchlug, durch die Luft davon trug; ein dritter, eine funfzehn Pfund ſchwere Ziege aus der Luft herunter fallen ließ; ein vierter, eine ſieben und zwanzig Pfund ſchwere Eiſenfalle, in welcher er ſich fing, auf ein gegenuͤberſtehendes hohes Gebirge getragen; und ein fünfter endlich, von einem Fuchs, den er lebend 192 I. Ordn. IM. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. wegtrug, in die Kehle gebiſſen wurde, und ſo getöbtet aus der Luft herabſtuͤrzte. — Die lange behauptete, oft beſtrittene, und von vielen geläug⸗ nete Sage, daß der Geieradler zuweilen Kinder raube, laͤßt ſich durch viele wahrhafte Vorfaͤlle, als unbezweifelt wahr, erweiſen. Selten muß ein ſolcher Raub wol vorkommen, da der Vogel ſelbſt ſelten iſt, und noch ſeltner ſich den menſchlichen Wohnungen naͤhert; auch moͤgen allerdings nicht alle Erzaͤhlungen von einem ſolchen Raube wirklich wahr ſeyn. Steinmuͤller hat einige angefuͤhrt, worunter beſonders die von Dr. Zellweger am meiſten Glauben verdient; daß naͤmlich ein Geieradler zu Hundsweil ein Kind in Gegenwart ſeiner Eltern von der Erde aufgehoben, und weg— getragen habe. Eben ſo iſt es Thatſache, daß im Jahr 1778 auf der Silbernalp, im Canton Schwytz, ein Hirtenknabe, welcher auf einem vorſtehenden Felſenkopf ſaß, von einem Geieradler hinabgeſtuͤrzt und angefreſſen wurde. Da auch Nahmen und Geſchlecht, einer wahrſcheinlich jetzt noch lebenden Perſon, die in ihrer Jugend von einem Laͤmmergeier weggetragen wurde, ange— führt werden koͤnnen, fo leidet die Sache wol keinen Zweifel mehr. In einem, Reiſe in die Alpen betittelten und in Bern 1814 erſchienenen Werkchen, von Koͤnig, ſteht folgende Geſchichte, welche hier angefuͤhrt zu werden verdient. „Anna Zurbuchen, von Habchern, im Bernerſchen „Dberlande, geboren 1760, wurde von ihren Eltern beim Ein „ſammeln von Grummet, als bald dreijaͤhriges Kind mitgenommen, „und legte ſich nahe bei einer Scheune nieder. Bald ſchlummerte „das Kind ein, der Vater bedeckte ihm das Geſicht mit einem „Strohhut, und gieng ſeiner Arbeit nach. Als er kurz nachher mit „einem Heubunde beladen zuruͤckkehrte, war das Kind fort, und „Eltern und Thalbewohner ſuchten es uͤberall vergebens. Waͤhrend „dem gieng Heinrich Michel von Unterſeen, auf einem „wilden Pfade dem Waͤppes bach nach, wo er zu ſeinem „Erſtaunen ein Kind ſchreien hoͤrte. Mit ſchnellen Schritten eilte „er dem Schalle nach; da erhob ſich, von ihm aufgeſchreckt, von „einer kleinen Anhoͤhe ein Geieradler, und ſchwebte uͤber den tiefen „Abgrund hin. An Rande dieſes Abgrundes, in deſſen Tiefe „der Bach wild dahin braußte, und in den jede Bewegung das „Kind haͤtte hinabſtuͤrzen koͤnnen, fand nun Michel das Kind, „welches keine andere Verwundung hatte, als am linken Arm „und der Hand, woran es wahrſcheinlich gepackt worden war. J. Ordn. III. Gatt. 4 Baͤrtiger Geieradler. ı95 „Schuhe, Struͤmpfe und Kaͤppchen waren verlohren. Dies ge— „ſchahe den 12. July 1765. Die Anhoͤhe, wo das Kind gefunden „wurde, iſt von jener Scheune, wo es ſchlummerte, etwa 1400 „Schritt entfernt. Das Kind hieß nun fortan das Laͤmmergeier—⸗ „Anni, und heirathete den Schneider Peter Frutiger in „Gewaldswyl, wo ſie im Jahr 1814 noch lebte.“ Dieſe mit allen Umſtaͤnden angefuͤhrte Thatſache muß alſo wol alle Zweifel, welche deswegen erhoben worden ſind, vernichten. Wenn man davon ſpricht, daß der Geieradler auch erwachſe— nen Menſchen gefaͤhrlich ſey, ſo halte ich dieſes allerdings fuͤr eine Fabel; ich kann mir wenigſtens nicht denken, daß der Streit zwiſchen einem geſunden Erwachſenen und einem Geieradler lange unentſchieden bleiben wuͤrde. Blos in dem Falle, wenn man ſich zufallig an einem Abgrunde befaͤnde, oder auf irgend eine Art des freien Gebrauchs ſeiner Glieder beraubt waͤre, moͤchte Gefahr ent⸗ ſtehen koͤnnen. — Meisner erfuhr von einem Gemſenjaͤger. folgende hierher gehoͤrende Geſchichte, wobey der Jaͤger den Ort bezeichnete, wo ihm dieſer Fall begegnet war. Auf einer Jagd hatte er ſich naͤmlich nebſt ſeinem Kammeraden, nahe am Rande einer Felſenwand niedergeſetzt, um auszuruhen; als ſie ploͤtzlich durch ein ſeltſames Geraͤuſch hinter ſich, welches wie das Knarren eines ungeſalbten Wagenrads toͤnte, aufmerkſam gemacht wurden. Erſchrocken ſahen fie ſich um, und erblickten einen großen Geier⸗ adler, deſſen Fluͤgelſchlaͤge jenes Geraͤuſch hervorgebracht hatten, und der nahe am Boden auf ſie zuflog. Kaum waren beide zur Seite gewichen, als ſie das Thier mit unbeſchreiblicher Kraft und Schnelligkeit uͤber ihren vorigen Sitz hinwegfahren ſahen, ſo daß ihnen kein Zweifel blieb, der Vogel habe einen von ihnen in den Abgrund ſtoßen wollen. — Ein anderer Jaͤger erzaͤhlt: Er habe ſich einft auf einer Gemſenjagd zwiſchen Brienz und Grindels wald in einer Felſenwand verſtiegen und am Rande eines Abs grundes befunden, als er ploͤtzlich von zwei Geieradlern angegriffen worden, die ihn mit heftigen Fluͤgelſchlaͤgen fo zugeſetzt hätten, baß er ſich nur mit Muͤhe habe halten koͤnnen, und die auch nicht eher nachgelaſſen, bis er einen davon erſchoſſen haͤtte, worauf ſich der andere erſt entfernt habe“). — ) Vielleicht hatten fie in dieſer Gegend ihr Neſt mit Jungen? „E s d. Herausg. > 85 / 194 J. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. Da ich im Magen dieſes Vogels oft Knochen von Rindvieh und ſogar Schaͤdelknochen fand, ſo muß wol wahr ſeyn, was Stein muͤllern von glaubwuͤrdigen Jaͤgern erzaͤhlt wurde, daß nämlich der Geieradler die Knochen, welche ihm zu groß find, mit in die Luft trage, und ſo oft auf die Felſen fallen laſſe, bis ſie in genießbare Stuͤcke zerfielen. Es laͤßt ſich wenigſtens nicht denken, wie er auf andere Art die Knochen zerbrechen koͤnnte, da er weder im Schnabel noch in den Klauen hinreichende Kraft hierzu beſitzt. Fortpflanzung. Die Zeit derſelben tritt bey dieſem Vogel, ungeachtet ſeines hohen und kalten Aufenthalts, ſehr fruͤh ein. Schon Mitte Hor— nung fand Meisner ein zum Legen reifes Ei, ich ſelbſt aber um dieſe Zeit Teſtikeln und Eierſtoͤcke, (deren das Weibchen, nach Herrn Profeſſor Emmerts Unterſuchungen, zwei haben ſoll, welches ich jedoch nie bemerkt habe) außerordentlich ausgebildet. Auch iſt der Hornung und Maͤrz die Zeit, wo der Geieradler ſich am weiteſten vom Gebirge herab wagt, und am kuͤhnſten raubt. Kein Naturforſcher hat, ſo viel ich weiß, je das Neſt des Geieradlers ſelbſt geſehen; alles was wir daruͤber wiſſen, beruht auf Jaͤgerausſagen. Daraus ergiebt ſich, daß der Geieradler ſein Neſt auf ſchwer zu erklimmende Felſenabſaͤtze und in Felſenloͤcher, an den hoͤchſten und ſteilſten Felſenwaͤnden der mittlern Alpen, wo es meiſt unmöglich iſt, ihm beizukommen, anlegt. Es beſteht aus großen Aſtſtuͤcken und Reiſern, uͤber welche zartere Reiſer und Wurzelfaſern, zuweilen auch etwas duͤrres Gras gelegt und hoch aufgetragen iſt; einzelne Flaumfedern moͤgen ſich zufaͤllig mit ein— miſchen. In dieſe weichere Lage legt das Weibchen ſeine zwei bis vier Eier ), welche größer als Gänfeeier, eifoͤrmig und von rauher Schale, entweder ganz ſchmutzig weiß, oder mit braunen Flecken unordentlich beſtreuet ſind, woruͤber indeß die Nachrichten auch nicht gleich lauten. Das zum Legen völlig reife Ei, was Meis⸗ ner aus dem Leibe eines ihm uͤberſchickten todten Weibchens ſchnitt, hatte wenigſtens keine Flecke, ſondern eine ſehr ſtarke, rauhe und grobkoͤrnichte, ganz weiße Schale. Eier und Jungen erhalten durch das ausnehmend warme Federkleid ihrer Eltern, trotz der Jahreszeit und hohen Lage des Neſtes, doch Waͤrme genug, da ) Steinmuͤller giebtedie Zahl ber Eier von drei bis zu fieben an. J. Ordn. IN. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. 195 außer den Waſſervoͤgeln kein Vogel ein waͤrmeres Federkleid hat. Die Fuͤtterung der Jungen beſorgen beide Gatten gemeinſchaftlich. Mit Wuth vertheidigen die Eltern ihre Kinder, wovon Steinmuͤller zwei Beiſpiele erzählt. Ein Glarner Harzer ent: deckte ein Neſt, auf einem kahlen Felſen, im Glarnerſchen Frei— berge, erkletterte den Felſen, band die im Neſte ſich findenden halb⸗ fluͤggen Jungen an Fluͤgeln und Fuͤßen zuſammen, hieng ſie uͤber ſeinen Ruͤcken, und gieng davon. Auf das Geſchrei der Jungen eilten aber bald die Alten herbey, und verfolgten den Mann vier Stunden weit, ſo daß er ſich oft mit der Axt gegen ſie . mußte. Das andere Beiſpiel ſeiner Kuͤhnheit in Bertjeisigung ” Jungen ift folgendes: Joſeph Scheerer, von Amon am Wallerſee, ein beruͤhmter Gemſenjaͤger, erkletterte, mit ſeiner Flinte uͤber der Achſel, ohne Schuhe und Struͤmpfe, einen Felſen, worauf ſich ein Geieradlerneſt befand. Nachdem er das Maͤnnchen getoͤdtet hatte, gelangte er zum Neſte, in welchem vier Junge ſaßen; aber kaum war er da, ſo ſtuͤrzte das Weibchen mit fuͤrchterlicher Wuth auf ihn, packte ihn mit den Klauen in feine Lenden, hieb und verwun⸗ dete mit dem Schnabel ſeinen Arm, und ſuchte ihn durch gewaltige Fluͤgelſchlaͤge vom Felſen zu ſtuͤrzen. Mit aller Kraft ſtemmte ſich Scheerer an die Felſenwand, ſetzte mit der freien Hand den Flin⸗ tenlauf dem Vogel auf die Bruſt, ſpannte mit den Zehen den Hahn, druͤckte ihn eben ſo los, und toͤdtete den Vogel, welcher ihn ſo ſtark am Arm verwundet hatte, daß er die Narben davon e behielt. F e nde! Außer dem Menſchen hat der Geieradler wenig Feinde, ja wol keinen, der ihm lebensgefährlich werden kann, wenn nicht ſel⸗ tene Umſtaͤnde eintreten, wie z. B. der Fall, daß ein Fuchs, den ein Geieradler durch die Luͤfte trug, dem Vogel die Kehle abbiß, ſo daß er todt zur Erde ſtuͤrzte, und jener ſich dadurch in Freiheit ſetzte. — f Rechnet man Schmarotzerinſekten zu den Feinden eines Thie- res, ſo findet man eine Milbenart, und die ſogenannte Falkenlaus in ſeinem Gefieder. Eingeweidewuͤrmer hat man noch nicht bey ihm gefunden, 0 196 J. Ordn. III. Gatt. 4. Baͤrtiger Geieradler. J 0 g d. Gewoͤhnlich wird der Geieradler geſchoſſen, indem man ihn mit hingeſchuͤttetem Blut anlockt und in einem Verſteck aufpaßt. Auch gebratenes Fuchsfleiſch ſoll ihn von weitem anlocken. — Da er aͤußerſt vorſichtig iſt, und ſelten in die bewohnten Gegenden herabkommt, ſo koͤmmt er auch ſelten zum Schuß oder zur Falle. Im Sommer, wo er die hoͤchſten wildeſten Gebirge bewohnt, iſt es faſt unmöglich, ihn zu fangen; man ſieht ihn dann nur ſelten, weil er nur mit Tagesanbruch auf Raub ausgeht, den Tag uͤber ſich aber meiſtens ruhig verhaͤlt. Er ſoll ſehr alt werden. Meis- ner erzaͤhlt: Man ſahe auf dem Eismeere im Grindelwald, zwi— ſchen dem Eiger- und Winterberge, ſehr oft einen alten Geier— adler, der dort unter dem Namen, des alten Weibes, bekannt war, auf einem Felſenblocke ſitzen. Die aͤlteſten Männer in Grin- delwald hatten ihn, ſchon in ihrer Jugend an der naͤmlichen Stelle bemerkt. Ihn daſelbſt zu ſchießen war unmöglich, weil fein Stand⸗ punkt außer aller Schußweite liegt, und die Eismaſſen jede An⸗ naͤherung hindern. — Nur der Hunger treibt dieſen ſcheuen und liſtigen Raubvogel im Winter und Fruͤhjahr in die Naͤhe der Menſchen und ihrer Wohnungen, wo er dann zuweilen ihren Nachſtellungen unter— liegt. Die Monate Januar, Februar und Maͤrz ſind daher die— jenigen, wo man ihn noch am oͤfterſten bekoͤmmt, und wo er auch am liebſten aufs Aas geht; nur der Zufall bringt ihn zu andern Jahreszeiten in die Gewalt des Jaͤgers. Bisweilen wird er auch, in den genannten Monaten, durch friſches Ziegen- oder 1 fleiſch gelockt, in Schwanenhaͤlſen gefangen. Nutz en. Man zahlte ehedem in der Schweitz anſehnliche Schußgelder für dieſen Vogel, auch ſollen in Buͤndten die Bauern dem Jaͤger noch zuweilen Wolle zur Belohnung geben, wenn er ſie von einem ſolchen Laͤmmerfeind befreiet hat. Die großen Schwingen ſind zu Schreibfedern zu benutzen. a e 5 Dieſer iſt ſehr beträchtlich und den Alpenbewohnern oft hoͤchſt empfindlich; denn wo ein Paͤrchen dieſer Voͤgel hauſet, ſchleppt es gelegentlich Laͤmmer von Schaafen und Ziegen bei Dutzenden weg. Auch ſchadet er, wie wir geſehen haben, den Menſchen zuweilen ſelbſt unmittelbar; der Einſchraͤnkung einer groͤßern Vermehrung — I. Ord n. II. Gatt. 4. Bärtiger Geieradler. 197 von Steinboͤcken, Gemſen, Haſen und andern e Wildpret nicht zu gedenken. f Beobachtungen. Ich kann nicht unterlaſſen, der Bollſtändigkeit wegen meine Bemerkungen über das Betragen des baͤrtigen Geieradlers in der Gefangen⸗ ſchaft, fo wie ich fie an einem lebenden Vogel, den ich eine Zeit ſelbſt beſaß, zu machen Gelegenheit hatte, und wie ſie mir auch ſchon von andern mitgetheilt waren, hier noch beizufuͤgen. Sie ſollen hoffentlich das angefangene Gemählde ſeiner Sitten und Lebensart vollenden helfen, und man wird bemerken daß zwiſchen ſeinem Be⸗ tragen in der Gefangenſchaft und Freiheit in mehr als einer Hinſicht ein merklicher Unterſchied ſtatt findet. Der Dr. Amſtein in Zizers erzaͤhlte mir oft, daß ſein Vater einige Jahre einen Laͤmmergeier unterhielt, der ſo zahm ward, daß er ſeinen Herrn erkannte, ihm auf die Schultern flog, und mit dem Schnabel ſtreichelte, ohne ihn zu verletzen. Gegen Fremde war er nicht boͤſe. Derjenige, welchen ich ſelbſt einige Zeit im Hauſe hatte, war alt in einer Falle gefangen, und Herrn Profeſſor Schnitlin in St. Gallen verkauft. Schon im Anfange war dieſer Vogel außerordentlich ſchuͤchtern und muthlos. Er ſtand den ganzen Tag in einem Winkel, duckte ſich, ſo tief er konnte, und ſteckte, beim Anblick eines Menſchen, den Kopf in das Heu, welches in ſeinem Behaͤlter lag, und blieb ſo lange, als man bei ihm verweilte, in dieſer Stellung. Ueberhaupt blieb er immer, ſo lange man bei ihm ſtand, in der Lage, die man ihm gegeben hatte; man konnte ihn z. B. auf den Ruͤcken legen, den Kopf nach Belieben drehen, er ließ, ohne ſich zu wehren, alles mit ſich machen; er ſchien todt, nur ſein feuriges Auge zeigte Leben. Nach einiger Zeit ſtand er Tag und Nacht auf einer Stange, auf welche man ihn aber hinauf heben mußte. Alle ſeine Bewegungen waren langſam und traͤge, nur ſein unbe⸗ ſchreiblich ſchoͤnes Auge und der Kopf waren in Bewegung, und mit durchdringendem Blicke firirte er die Gegenſtaͤnde, fo daß ein Mahler leicht das Auge mahlen konnte, weil er ihn waͤhrend der ganzen Arbeit unverwandt anſahe. Ohne Noth bewegte er kaum eine Zeh. Einen Strick, mit welchem man ihn Anfangs feſt band, zerriß er leicht mit dem Schnabel. Nur nach und nach gewoͤhnte er ſich an die Menſchen, und erſt nach mehr als fuͤnf Monaten fraß er in Gegenwart ihm fremder Perſonen. Er war ſtets ſanft, und ließ ſich von ſeiner Stange herunternehmen, an den Fluͤgeln aufheben, ſtreicheln u. ſ. w. Geduldig trug er eine Tabackspfeife, welche man ihm zum Spaß in den Schnabel ſteckte, faſt eine Stunde lang. Doch durfte dies nur ſein Herr thun; einen ihn Unbekannten verwundete er einſtmals ſtark mit dem Schnabel. Selbſt nach ſeinem Herrn fuhr er oft unverſehens; doch konnte er ihm oͤfterer noch den Finger in den Schnabel legen, ohne daß er ihn druͤckte; nur mit der Zunge ſuchte er ihn denſelben wegzuſtoßen. Er gab keine Stimme weiter als ein leiſes Pfeifen von ſich. 8 Rohes Kalbfleiſch fraß er täglich 11 bis 2 Pfund. Gemſenfleiſch und anderes Gewild, auch Leber und Hirn liebte er 0 Immer waren ihm jedoch Knochen, wovon er fauſtgroße, rauhe und ſpitzige Stuͤcke ohne alle Beſchwerde verſchlang, am liebſten. War der Hunger nicht groß, fo behielt er ein Stuͤck oft lange im Schnabel, ehe er es verſchlang, ſiel es ihm zufaͤllig herunter, ſo blieb er oft zwei bis drei Tage ſitzen, ehe er es wieder aufhob. Lebende Kaninchen und Tauben liefen ungeſtraft vor ihm herum; er ſahe fle kaum an. Gegen Kinder und Hunde ſchien er aber deſto luͤſterner; er ſixirte fie mit feinen Augen ſcharf, und ſtraͤubte feine Nackenfedern zu einem Buſche. Endlich ward er ganz zahm, und fraß vor allen Menſchen, er ſchien nun alle Bosheit und Falſchheit abgelegt zu haben. Todten Vögeln riß er Kopf und Fluͤgel weg, und ſchaͤlte den Koͤrper aus der Haut. Er fraß oft unglaub⸗ lich viel auf einmal, dann einmal wieder lange gar nichts. Fiſche und kleine Voͤgel mochte er nicht; Waſſer trank er auch nie, wol aber Milch, welche er begierig einſchluͤrf⸗ te. Nie ſpeiete er Gewoͤlle aus, nur ein einziges Mal einen Ballen Heu, den er ver⸗ muthlich zufallig mit verſchluckt hatte. Er zeigte alſo in ſeinem Benehmen einen bedeutenden Unterſchied von dem Adler, welcher in der Gefangenſchaft immer unbaͤndig und bofe bleibt, und nur mit der größten Muͤhe gezähmt werden kann; wahrend der Geieradler in der Freiheit weit kuͤhner iſt, als jener. | Vierte Gattung. ,,,: Hal a Bo Kopf: Mit Federn dicht bedeckt. Schnabel: Kurz, hakenfoͤrmig, von ſeiner Wurzel an gekruͤmmt, an der Wurzel mit einer gefärbten Haut (Wachshaut) bedeckt; die untere Kinnlade vorn ſchief abgerundet; die Raͤnder beider Kiefern zuweilen nach der Spitze zu ausgeſchweift oder ge— zahnt. Naſenloͤch er: : Zur Seite des Schnabels in der Wachshaut liegend, gerundet, unbedeckt. 3 uͤg el: Faſt immer mit kurzem Flaum und langen Borſten beſetzt. Der von Federn entbloͤßte obere Augenknochen uͤber die großen und funkelnden Augen hervorragend. Fuͤß e: Mit Federn bedeckten oder nackten Lauf, welcher im letztern Fall netzfoͤrmig oder geſchildert iſt; die Fußſohlen rauh und warzig; die Klauen ſpitz und ſehr gekruͤmmt; die der hintern und innern Vorderzehe am groͤßten, die der aͤußern Vorderzehe am kleinſten; die langen Schenkelfedern herabhaͤngend, und ſoge— nannte Hofen bildend. Flügel und Schwanz lang, die erſtern mit starken Schaͤften. Ihr Flug iſt erhaben; ſie koͤnnen ſich zu einer erſtaunenden Hoͤhe aufſchwingen, und ihr Geſicht iſt ſehr ſcharf. Sie leben einzeln, felten und nur auf dem Zuge manche in kleinen Geſellſchaf— ten, und naͤhren ſich von lebendigen ſitzenden, laufenden, oder fliegenden Raube, den ſie, im Fluge ſich auf ihn ſtuͤrzend, mit den Klauen fangen. Die Voͤgel ergreifen ſie groͤßtentheils beim Halſe und ſuchen ſie zu erwuͤrgen. Nachher reißen ſie mit dem Schnabel, den groͤßern, die Gurgel heraus oder kneipen, den kleinern, den Kopf ein. Manche freſſen auch Aas. Sie koͤnnen lange hungern und ſaufen im Freien niemals. Die Weibchen ſind ſtets, oft gegen 3, größer als die Maͤnnchen. Ihre Farben ändern mit dem * I. Ordn. ‚IV. Gatt. Falke. 199 Alter ſehr ab. Sie bauen große unkuͤnſtliche, flache Neſter, und tragen die Materialien dazu mit den Klauen zuſammen, legen wenige, rundliche, meiſt gefleckte Eier, und tragen ihren Jungen den Raub in den Klauen zu. Die Jungen ſind Anfangs mit weißem Flaum bedeckt. f Sie mauſern nur einmal im Jahr und die jungen Voͤgel 15 ihr erſtes Jugendkleid ein volles Jahr lang. Was den innern Bau der Falkengattung *) EN fo find folgende (freilich wol meift auch den übrigen Tagraubvoͤgeln zukommende) Verhaͤltniſſe beſonders bemerkenswerth. Am Skelet zeichnet ſich das Thraͤnenbein durch einen anſehn⸗ lichen Vorſprung aus, den es uͤber den Augen ſchraͤg nach außen und hinten bildet, und welcher meiſt noch durch eine daran geſetzte bewegliche Knochenplatte, das ſogenannte Superciliarbein, ver⸗ laͤngert iſt. Die Fluͤgelbeine oder Verbindungsbeine haben keine mittlere oder dritte Gelenkung. Die Schulterknochen ſind ſehr entwickelt, namentlich iſt das Gabelbein von betraͤchtlicher Staͤrke und ſehr geſpreitzt. Auch find Nebenfchulterblätter (Scapulae accessoriae Nitzsch.) vorhanden, jedoch find dieſe hier klein und minder ſchulterblattaͤhnlich, als bei vielen andern Voͤgeln. Das faſt viereckige Bruſtbein zeichnet ſich durch Vollſtaͤndigkeit, Breite und Woͤlbung feines Körpers oder Schildes aus. Der Bruſtbein⸗ kamm aber iſt nicht ſehr hoch. Die Abdominalfortſaͤtze des Bruſt⸗ beins fehlen; denn obgleich gewoͤhnlich jederſeits, nach dem Abdo⸗ minalende zu, eine Stelle im Bruſtbeinſchilde unverknoͤchert bleibt, fo wird dieſe doch immer nach hinten oder unten mit Knochen— ſubſtanz umzogen und erſcheint nur wie eine Inſel. Nicht ſelten aber verſchwindet fie völlig. " Der Fluͤgeldaumen iſt gewöhnlid mit einem Klauengliede ver⸗ ſehen. Uebrigens gehoͤren die Falken zu denen Voͤgeln, bei welchen die meiſten oder wol alle Knochen, welche es uͤberhaupt ſeyn koͤn⸗ nen, marklos und pneumatiſch ſind. Es nehmen daher ſelbſt die Oberſchenkelknochen der Falken ſtets Luft auf, und haben zu dem Ende nach vorn, in der Naͤhe des großen Rollhuͤgels, eine ſehr deutliche Oeffnung. Der Knochenring an den großen, ziemlich nach vorn gerichte— ten Augen iſt anſehnlich, nimmt aber doch die vordern oder Seiten⸗ ) Mitgetheilt durch Nitzſch. 200 I. Ordn. IV. Gatt. Adler. flächen der harten Augenhaut nicht fo völlig ein, wie bei den Eulen; auch fehlt das kleine Tuberkularbein daran. Die Naſen— druͤſe iſt immer vorhanden; bei einigen liegt ſie zum Theil am obern Orbitalrande, meiſt aber iſt ſie ganz in der Augenhoͤhle ver⸗ borgen. Schlund, Magen und Vormagen, überhaupt die meiſten Ein⸗ geweide, find im Ganzen wie bei allen Raubvoͤgeln befchaffen. Der Schlund erweitert ſich vor ſeinem Eintritt in die Rumpfhoͤhle in einen Kropf. Der Magen liegt ziemlich in der Mitte und wird oben von beiden Leberlappen umfaßt. Er iſt haͤutig und einer be— traͤchtlichen Ausdehnung faͤhig, ſo daß er, ſehr angefuͤllt, faſt die ganze Bauchhoͤhle einnimmt. Die Blinddaͤrme ſind ſehr kurz. Die Leber, welche nicht weiter als das Bruſtbein reicht, iſt ſymmetriſch in zwei, faſt gleichgeformte und gleich große Lappen getheilt. Die Gallenblaſe iſt groß; die Milz klein, von rundlicher Geſtalt; die Hoden ſehr in die Laͤnge gezogen und von ungleicher Groͤße. Die zahlreichen Arten eilen ſich in mehrere natürliche Fami⸗ lien oder Unterabtheilungen, welche, ſowol in Hinſicht ihres aͤußern Baues, wie ihrer Lebensart, als natürliche Verwandte in folgender Ordnung aufeinander folgen, und von welchen die letzte den natuͤr⸗ lichen Uebergang zu den Eulen, 4 zu den langgeſchwaͤnz⸗ ten oder Tageulen, macht. — E r ſt e Familie. A dle r. Aqui l a e. Kopf.: Mit plattem Scheitel, der mit laͤnglichen Federn bedeckt iſt. Schnabel: Sehr gekruͤmmt, mit langer und ſehr ſchar⸗ fer Spitze. Naſenloöͤcher: Zur Seite, ſchief oder zwerg ſtehend, ausgeſchweift. Fuͤß e: Muskulös, beftedert oder nackt; die Zehen ſtark mit großen und ſehr gekruͤmmten Krallen bewaffnet. Flügel lang und groß, die iſte Schwinge ſehr kurz, die ate und Ste langer, und die ate und Ste die laͤngſte. Das Gefieder Ordn. IV. Gatt. 5. Köͤnigs⸗Adler. 20 iſt groß, weder auffallend derb und glattanliegend, noch locker und abſtehend, die Kiele ziemlich ſtraff; die Federn am Kopfe und 0 laͤnglich ſchmal und zugeſpitzt. Sie ergreifen ihren Raub im Laufen oder Sitzen mit den Klauen und tragen ihn in denſelben auch ihren Jungen zu; nur ſehr große ſchwerfaͤllige Voͤgel fangen ſie auch zuweilen im Fluge. Sie fallen oft Thiere an, die ihnen an Groͤße und Staͤrke uͤber⸗ legen ſind. Bei Mangel an lebendigem Raube fallen ſie auch aufs Aas. a) Adler mit ganz befiederten Fußwurzeln. . > Der Koͤnigs⸗ Adler. Falco z mperi alis. Bechst. Taf. 6. Altes Weibchen. Taf. 7. Junges Maͤnnchen. N Sonnenadler, kaiſerlicher Adler, Goldadler, ſchwarzer Abler, kurzſchwaͤnziger Steinadler. 5 Falco imperialis, Bech ſtein ornith. Taſchenb. III. 553. n. 3. = Aigle imperial. Temminck Manuel d' Ornithologie. p. 9. = Aquila chrysastos. Leisler in den Annal. d. Wetteraueſchen Geſellſch. II. 1. S. 170. == Aquila heliaca. Savig. Syst. d. ois, d' Egypte, Liv. I. p. 22. pl. 12. = Meyer u. Wolf Taſchenb. I. ©. 15. a). Hier als junger Vogel vom Steinadler beſchrieben. Koch baier. Zool. I. 111. n. 36. = V. Wildungen Feierabende III. Naumanns Vgl. alte Ausgabe. IV, 109. t. 10. und Nachtr. III, 60. Kennzeichen der Art. Fuͤße bis an die Zehen dunkelfarbig befiedert, die Mittelzeh mit fuͤnf großen Schildern; Rachen bis hinter die kleinen grau⸗ gelben Augen geſpalten; Naſenloͤcher zwerg liegend, 2 Zoll hoch, der obere Rand mit einem Einſchnitt; Fluͤgelſpitzen bis an und uͤber das gerade Ende des Schwanzes hinausreichend; die ſchmalen Federn am Nacken und Hinterhalſe weißlich roſtfarben, die Shue tern weißgefleckt; der Schwanz aſchgrau gewaͤſſert mit ſchwarzer Endbinde; am jungen Vogel einfarbig braun. Beſchrei bung. Vom Steinadler unterſcheidet ſich dieſer, außer den eben an⸗ gefuͤhrten Kennzeichen, noch durch den kuͤrzern und breiteren Rumpf 202 I. Ordn. IV. Gatt. 5. Königs» Adler. und den kurzen, am Ende geraden Schwanz, was ihm ein plum— peres Anſehen giebt; durch den'groͤßern Kopf und laͤngern Schna= bel, durch die weniger zugeſpitzten Nackenfedern, durch die viel kleineren Augen und eine ganz andere Haltung des Koͤrpers. Länge: 2 Fuß, 8 Zoll; Breite: 6 Fuß, 43oll; der Schwanz 12 Zoll lang, und die Fluͤgelſpitzen über fein Ende hinaus— reichend. — a a KLlaͤnge und Breite des Maͤnnchens find um einige Zoll geringer als die hier angegebene des weiblichen Vogels. Der Schnabel iſt blauhornfarbig, an der Spitze ſchwarz die Wachshaut und Mundwinkel ſchoͤn gelb. Die Laͤnge des Schna— bels von der Stirn bis zur Spitze, in gerader Linie gemeſſen, be⸗ trägt 24 Zoll, im Bogen aber 33 Zoll; die Länge vom Mundwin⸗ kel bis zur Spitze im Durchſchnitt 55 Zoll; die Höhe an der Wur— zel, mit Wachshaut, im Durchſchnitt 12 Zoll. Die Mundſpalte reicht bis unter den hintern Augenliederrand, und der Rand des Oberſchnabels iſt gegen den Haken hin ſanft ausgeſchweift. Die Naſenloͤcher ſtehen ganz zwerg, nahe am Rande der dicken Wachs⸗ haut, find laͤnglich eirund, 2 Zoll hoch, 1 Zoll breit, der hintere Rand abgerundet, der obere mit einem Einſchnitt, unter welchem inwendig eine kurze, den Boden der Naſenoͤffnung nicht beruͤh— rende, Scheidewand herab haͤngt. Die nach Verhaͤltniß etwas kleinen Augen ſind nicht viel groͤßer, als die am rothen Milan; fie liegen etwas tief unter den ſtark hervorragenden Augen: knochen und haben einen graugelben Stern, faſt wie Katzenaugen. Die Zuͤgel ſind mit feinen, 1 weißgrauen Dunen und ſchwar⸗ zen Borſten beſetzt. Die ſtarken Beine ſind bis an die Zehen kurz und dicht befie⸗ dert, der Lauf 4 Zoll lang; die Mittelzehe 22 Zoll, und die Kralle deſſelben im Bogen 12 Zoll; die Hinterzeh 15 Zoll, und die Kralle 1 Zoll, 7 Linien lang. Die Zehen ſind ſchoͤn gelb, rauhſchuppicht, die mittlere auf ihrem Ruͤcken, nach dem Ende hin, mit 5, alle übrigen aber mit 4 großen Schildern bedeckt. Die ſehr großen Krallen ſind nicht ſo ſtark gebogen, als am Steinadler, und glaͤn⸗ zend ſchwarz. Das ſehr alte Ma hat folgende Farben: Die Stirne iſt ſchwarz, welche Farbe auf der Mitte des Scheitels einen laͤnglichten Fleck bildet; die uͤbrigen Federn des Oberkopfs, im Genick und am Hinterhalſe ſind ſchmal und abſtarrend, weißlich roſtfarben, (ſehr hell iſabell- oder ſemmelfarben) und haben ſchwarze I. Ordn. W. Gatt. 5. Königs- Adler. 205 Schaͤfte; der ganze Ruͤcken, die Fluͤgeldeckfedern, die Kehle, Vorderhals, Bruſt, Bauch, Hoſen und die Federn der Fußwurzeln ſchwarzbraun, an den untern Theilen faſt braunſchwarz, an den obern hin und wieder mit etwas lichtern Federſaͤumen. Die Schul⸗ terfedern weiß, hie und da ſchwarzbraun gefleckt und die After: federn gelblichweiß. Die Schwungfedern ſind ſchwarz, auf den innern Fahnen nach der Wurzel zu grau gewaͤſſert und an dieſer weiß. Der Schwanz hat 12, gleich lange, abgerundete Federn, welche am Ende einen ſchmalen braͤunlichweißen Saum, dann eine breite ſchwarze Binde, uͤbrigens auf den aͤußern Fahnen ſchwarze und aſchgraue, auf den innern etwas dunklere gewaͤſſerte Quer: ſtreifen haben, die auf den Mittelfedern ſehr unterbrochen ſind und mehr Flecken gleichen. An der Schwanzwurzel ſieht man zwar etwas Weißes, es wird aber durch die Deckfedern ganz verſteckt. 5 Das ganz alte Weibchen hat zwar die naͤmlichen Far: ben des Maͤnnchens, allein der Kopf und Hinterhals iſt dunkler, die Hoſen und befiederten Beine lichter, mit Roſtfarbe uͤberlaufen und von den Schulterfedern ſind nur wenige der laͤngſten weiß, uͤbrigens iſt auch das Schwarzbraun etwas lichter. Das Gefieder an den obern Theilen des Halſes hat in der Sonne einen ſchwachen Goldſchimmer. Die Hoſenfedern ſind ſo lang, daß ſie faſt bis auf die Zehen herabhaͤngen. Im mittleren Alter, ſo wie ihn der verſtorbene Dr. Leisler in Hanau beſaß, (ſ. Wetteraueſche Annalen a. a. O.), ſind Nacken und Hinterhals dunkler, die ſchwarzbraune Hauptfarbe an den uͤbrigen Theilen aber blaͤſſer, die hellern Einfaſſungen an den Ruͤcken⸗ und Fluͤgeldeckfedern hervorſtechender, einige derſelben ſogar mit roſtbraͤunlichweißen Endflecken; die Federn an den Bei: nen ins Roſtfarbene uͤbergehend; die Schultern nur mit wenigen weißen oder weißgefleckten Federn; der Schwanz viel lichter grau gewaͤſſert, mit ſchwarzer Endbinde und braͤunlichweißen Saͤumchen. N Der junge Vogel dieſer Art weicht in Hinſicht der Farben ſeines Gefieders ſo ſehr von denen des alten ab, daß man ihn leicht fuͤr eine beſondere Art halten koͤnnte, wenn es ſich nicht an mehre— ren, lange in der Gefangenſchaft gehaltenen, gezeigt haͤtte, wie ſie nach drei bis vier Jahren in das eben beſchriebene Kleid der Alten uͤbergiengen. Die Länge der jungen Vögel beträgt etwa 23 Fuß, wovon uͤber 11 Zoll auf den Schwanz abgehen. Der Schnabel iſt gewoͤhnlich etwas kleiner und lichter, weißgelblichhornfarben, mit 204 I. Ordn. IV. Gatt. 5. Königs: Adler. dunklerer Spitze; Wachshaut, Mundwinkel und Zehen gelb; die Krallen ſchwarz; die Augenſterne katzenartig gruͤnlichgrau. — Kopf und Hals ſind faſt einfarbig ſemmelfarbig, oben nur dunkler; Hinterhals und Ruͤcken braun, doch ſind die Federn in der Mitte laͤngſt dem Schaft gelbgrau, an den Enden mit einem braungelben Fleck; ſo auch die Fluͤgeldeckfedern, die groͤßern aber dunkler braun als dieſe, mit braunlichgelben Spitzen; die Schwin⸗ gen braunſchwarz. Die untere Seite des Vogels iſt ſemmelfarbig mit roͤthlichbraunen Laͤngsſtreifen, welche dadurch entſtehen, daß die Federn nur in der Mitte die Hauptfarbe, auf jeder Seite aber einen braunen Laͤngsſtreif haben; die Hoſen und die Federn der bis an die Zehen befiederten Beine hellſemmelfarbengelb, fo auch die obern und untern Deckfedern des Schwanzes; der Schwanz braun mit heller Spitze, auf der untern Seite braungelblich; und wenn man die Deckfedern aufhebt, ſieht man daß die Wurzel ein wenig weiß ſchimmert, es verdient aber kaum bemerkt zu werden, ſo wenig iſt es. — Zergliederung. Der verſtorbene Leisler fand bei der Zergliederung dieſes Adlers einen merkwuͤrdigen Unterſchied im Bau des Kehlkopfes dieſes und des Steinadlers. Hier ſeine eigenen Worte: „Bei dem Goldadler (ſo nennt er unſern Vogel) findet ſich vorn zwiſchen der Luftroͤhre und ihren Aeſten ein dreieckiger Knochen, der nach hinten und oben, und nach vorn und unten ſtarke Hervorragungen hat, welche mit den beiden Enden des erſten halben Ringes der Luft— roͤhrenaͤſte in Verbindung ſtehen. Dadurch ſind die Luftroͤhrenaͤſte nicht nur ſehr erweitert, und die Paukenmembran ſehr groß, ſondern es wird auch eine breite Luͤcke gebildet, welche mit der Luftroͤhren⸗ haut ausgefuͤllt iſt. Naͤhert ſich nun der erſte Ring dem dreieckigen Knochen, ſo bildet dieſe Haut eine in den unteren Kehlkopf vorragende Falte, entfernt ſich dagegen dieſer Ring von dem dreieckigen Kno— chen, ſo wird dieſe Haut angeſpannt.“ dh Aufenthalt. Dieſer Adler ſcheint, fo viel bis jetzt bekannt, ein Bewohner hoher Gebirge ſuͤdlicher Laͤnder zu ſeyn. Man hat ihn in Aegypten und Abyſſinien angetroffen. Aber auch in den waldichten Gebirgen des waͤrmern Europa mag er hin und wieder nicht ſo ſelten ſeyn, als man ſonſt wol glaubte, weil man ihn nur zu oft mit dem \ I. Ordn. IV. Gatt. 5. Königs= Adler. 205 Steinadler verwechſelte oder beide für eine Art hielt. Wenigſtens iſt dies in Deutſchland lange der Fall geweſen und der Vogel gehoͤrt ſelbſt hier nicht zu den außerordentlichen Seltenheiten. Er koͤmmt in den Tyroler Gebirgen, in der Wiener Gegend, auf den boͤhmiſchen und ſchleſiſchen Gebirgen und auch auf dem Harze manchmal vor. Gebirgichte Wälder ſcheint er den ebenen vorzu⸗ ziehen. Er iſt deutſcher Stand- und Strichvogel, denn man kai ihn iche und Sommer hier UN, Eigenſchaften. Wenn wir mit dem Koͤnigstitel einen maͤchtigen Gewalthaber bezeichnen, ſo verdient dieſer Adler vor allen andern ein Koͤnig der Vögel genannt zu werden, indem er uber alle praͤdominirt. In ihm vereinigen ſich alle Eigenſchaften die ihn zum Herrn uͤber alles Gefluͤgel erheben; Staͤrke und Muth, verbunden mit Klugheit und Wachſamkeit, ſind Hauptzuͤge ſeines Charakters. Furcht und Entſetzen ergreift die ganze Voͤgelwelt beim Erſcheinen des Groß⸗ herrſchers, deſſen Muth und Grauſamkeit alle zu fürchten haben. Sein funkelndes Auge, ſein drohender Blick, wie ſeine gewaltigen Waffen, verrathen den kuͤhnen Räuber. Wehe dem armen Schlacht— opfer das in die Klauen dieſes grimmigen Tyrannen faͤllt, ſelbſt wenn es ihm auch an Groͤße und Staͤrke uͤberlegen waͤr. Kein andrer Adler hat alle jene Eigenſchaften in einem hoͤhern Grade aufzuweiſen, als er. — Aber etwas Beſonderes zeigt ſich in ſeiner Stellung, etwas Eigenes, was von der andrer Adler ſehr abweicht. Er traͤgt naͤmlich ſitzend, gewoͤhnlich, den Koͤrper mehr horizontal als aufrecht, den Schwanz gerade ausſtehend und nicht haͤngend, ſo daß dieſe Stellung, beſonders auf dem Erdboden, eher der einer Gans, als eines Falken aͤhnelt. — Nur im Schlafe, der ſehr leiſe iſt, und dann, wenn er ſich eben aufſchwingen will, traͤgt er ſeinen Koͤrper aufrechter. Er geht ſchrittweis, aber ſelten, ungern und ſchwerfaͤllig. Er kann ſich fliegend zu einer unermeß⸗ lichen Hoͤhe bis uͤber die Wolken erheben, und gleicht zwar im Fluge dem Steinadler ſehr, kann aber doch, in weiter Ferne ſchon, an dem kuͤrzern geraden Schwanze erkannt und von dieſem und dem Seeadler unterſchieden werden. Er iſt gegen Hitze und Kaͤlte gleich unempfindlich. Die Zeit ſeiner Mauſer faͤllt im Juni und July, doch geht der Federwechſel, wie bei andern großen Raubvoͤgeln, ſehr langſam von Statten. 206 I. Ordn. IV. Gatt. 5. Königs ⸗Adler. Seine Stimme iſt dem Geſchrei des Kolkraben aͤhnlich, jedoch bei weitem ſtaͤrker und durchdringender. Sie klingt tief und rauh: Kra, — Era, — Fra! — oder frau, — frau — (nach andern: rha — rha — rha! und i — kra!) und aͤhnelt in der Ferne faſt dem Bellen eines ziemlich großen Hundes. In der Gefangenſchaft laͤßt er ſie oft, und bei jedem ihm ſich naͤhernden fremden Gegenſtande hoͤren. Hier hoͤrt man auch noch eine leiſe tiefe Baßſtimme, die wie ga, — ga, — gakl! klingt, von ihm. Alle dieſe Toͤne ſind gar ſehr von der Stimme des Steinadlers verſchieden und der Grund davon liegt unftreitig in dem verſchiede— nen Baue der Luftroͤhre beider Arten. Todesſchrecken verbreitet ſich unter allen Voͤgeln, und Furcht und Entſetzen unter dem Wilde, wenn ſich dieſe ſchrecklichen Toͤne hoͤren laſſen, und im Walde und zwiſchen den Bergen wiederhallen. b Nahrung. Dieſe beſteht in Saͤugthieren unter der mittlern Groͤße, als: Hafen, Reh- und Hirſchkaͤlbern, jungen wilden Schweinen (Friſch— lingen), Kaninchen, und ſogar Katzen und Fuͤchſen. Er faͤngt ſie im ſchnellſten Laufe und nur ſchnelles Verkriechen im dichten Ge⸗ buͤſch und andern Schlupfwinkeln rettet ſie zuweilen. Auch raubt er große Voͤgel, Trappen, Gaͤnſe, Auerhuͤhner u. a. m. Er ſtuͤrzt ſich aus ziemlicher Höhe mit angezogenen Fluͤgeln und aufgeſperrten Klauen in ſchiefer Richtung und mit großer Gewalt auf die auser⸗ ſehene Beute. Auch Laͤmmer und junge Ziegen raubt er; ja er vergreift ſich wol auch an alte Thiere dieſer Art. Im Winter treibt ihn der Hunger auch aufs Aas, doch geht er lieber an friſches Fleiſch, als an ſtinkendes. Lebendigen Raub zieht er allen vor. Wenn er ein Thier gefangen hat, ſo bemuͤht er ſich oft nicht es erſt zu toͤdten, ſondern faͤngt ſchon an es anzufreſſen, waͤhrend das ungluͤckliche Schlachtopfer noch lebt und klaͤglich ſchreiet. Dieſe Grauſamkeit bemerkt man jedoch bei mehreren Arten der Falken— gattung. Den Voͤgeln rupft er erſt die meiſten Federn aus, ehe er ſie verzehrt. Er trinkt im Freien gewiß niemals, da er ſich in der Gefangenſchaft ohne daſſelbe ſo wohl befindet, ob er es hier gleich, zuweilen thut, auch manchmal im Waſſer badet. Im hoͤchſten Nothfall frißt er auch Amphibien, aber Fiſche beruͤhrt er nie. Jr t p f lan z n ng Er niſtet in unzugaͤnglichen Felſenkluͤften und auf alten ſehr hohen Baͤumen, auch in Deutſchland, z. B. in Tyrol. Herr I. Ordn. IV. Gatt. 5. Königs-Adler. 207 Natterer zu Wien fand das Neſt auf einer großen Donauinſel, der beruͤhmten Lobau bei Aspern. Es ſaßen drei Junge darinnen, wobei man einen der Alten ſchoß. Hierdurch ſcheu gemacht, wollte der andere Alte ſich dem Neſte nicht mehr naͤhern; er ſchwebte uͤber den Wolken und ließ die Jungen einen ganzen Tag lang hungern. Als er ſich endlich ſicher glaubte, ſtuͤrzte er mit ange⸗ legten Fluͤgeln wie ein Pfeil aus der Luft herab auf das Neſt, und ward ebenfalls geſchoſſen. Die Jungen kamen in die k. k. Menagerie, wo Herr Natterer den unten beſchriebenen Farbenwechſel eben⸗ falls beobachtete. i | \ | Feinde. i Dies moͤchten wol keine andern als die gewoͤhnlichen Voͤgel⸗ feinde ſeyn, naͤmlich Schmarogerinfef en in feinem Gefieder und Eingeweidewuͤrmer im Innern feines Körpers. Sonſt find Feine befannt. | | SE Er iſt außerſt ſcheu und vorſichtig, daher ſchwer zu ſchießen, es müßte denn aus einem Hinterhalte geſchehen koͤnnen. Da er im Winter auch auf das Aas geht, ſo wird er wol zuweilen auf den ſogenannten Luderhuͤtten geſchoſſen oder in Fuchseiſen gefangen. Auf letztere Art war ein altes Weibchen, bei Stangerode am Harz gefangen und nach Koͤthen gebracht, wo es auf dem fuͤrſtlichen Schloßhofe in einem engen Behaͤlter und bei ſchlechter Wartung 20 Jahr lebte, woſelbſt ich dieſen ſchoͤnen Vogel lebendig bes obachten konnte. Nutz en. Nach unſern Anſichten moͤchte er, außer dem daß er durch ſeine Raͤubereien zur Erhaltung eines gewiſſen Gleichgewichts in der Thierwelt das Seinige beitraͤgt, keinen Nutzen haben. Schaden. Aus ſeiner Nahrung ergiebt ſich, daß er ein der Wildbahn hoͤchſt ſchaͤdlicher Vogel iſt. Er ſetzt den Haſen hart zu, und iſt in Thiergaͤrten und Wildgehegen ein arger Gaſt. Solche Orte wo er einmal war und einen guten Biſſen fand, beſucht er gewiß oͤfters wieder. Unmerk. Daß dieſer Adler vom Steinadler ſpecifiſch verſchieden iſt, wird man aus einem Vergleich der naturgetreuen Ubbildungen und Beſchreibungen beider 208 J. Ordn. IV. Satt. 6. Stein = Adler. bald erſehen. Doch glaube ich nicht, daß man, ſoviel ſich aus den kurzen Beſchrei⸗ bungen des Linné beſtimmen läßt, für fo ganz gewiß annehmen kann, daß deſſen Goldadler, Falco chrysaetos, nicht dieſer, ſondern der alte Steinadler ſeyn ſollte. Ich kannte beide Arten ſchon lange, wußte fie aber nicht gehörig zu unterſcheiden, wie aus der oben citirten Stelle der erſten Auflage dieſes Werks erhellt. Nach⸗ her ſahe ich nicht nur viele Steinadler in allen Verſchiedenheiten des Alters und Ge⸗ ſchlechts, ſondern auch mehrere alte und junge Vögel des Koͤnigsadlers und ich ſuchte bie Unterſchiede beider Voͤgel in den Nachtraͤgen a. a. O. beſtimmter anzugeben. Wenn jene Beſchreibungen auch nicht ganz vollſtaͤndig find, fo find fie doch unter⸗ ſcheidend genug, um dem wahren Kenner die Sache fo wie fie iſt vor Augen zu legen. Dem ohngeachtet trat beinahe zwei Jahr ſpaͤter Dr Leis ler auf, (in den Wetter⸗ aueſchen Annalen a. a. O.) und kuͤndigte dieſen Vogel (ſeinen Goldadler, Aquila chrysastos) als eine neue, von ihm entdeckte Art an. Meine Beſchreibungen und Abbildungen find aber bei den feinigen mit keiner Sylbe gedacht. — Daß ſpaͤterhin auch Hr. Hofr. Meyer (f. Beiträge zu jenen Annalen I. 1. S. 48. bis 49) bei einer fluͤchtigen Beurtheilung des Zten Hefts meiner Nachtraͤge, die deutlichen Beſchreibungen des ſehr alten und des jungen Vogels vom Koͤnigsadler (S. 60 — 63) ganz uͤberſahe, u. ſ. w., befremdet noch mehr. — Uebrigens ſcheint es auch daß noch andere Schriftſteller unter den Namen Gold- und Koͤnigsadler, nicht immer den alten Steinadler, ſondern auch hin und wieder unſern Vogel beſchrieben haben. 5 6. Der Stein ⸗ Adler. Falco fulvus. Linn Taf. 8. Altes Männchen. Taf. 9. Junges Männden. Gemeiner, gemeiner ſchwarzer oder brauner, brauner, ſchwarz⸗ brauner, ſchwarzer, weißſchwaͤnziger, ringelſchwaͤnziger Adler; Gold⸗, Stock-, Berg- und Haſenadler; Adler mit ſchwarzem Ruͤcken; Kurzſchwanz, Kurzſchwanz mit weißem Ringe, Ringelſchwanz, Ringelſchwanzadler, Weißring, Weißſchwanz, Weißſchwaͤnzel; Rauchfußadler, brauner Adler mit ganz rauhen Fuͤßen, kurz⸗ ſchwaͤnziger und brauner Steinadler; Haaſenaar; in hieſiger Gegend: Steinadler. Falco chrysaötos. Gmel. Linn. I. 256. n. 5. == Falco fulvus. Gmel. Linn. I. 256. n.6.== Falco niger. Gmel. Linn. I. 259. n. 54. — Falco wmelanaötos. Retz faun. suec. 60. n. 2. — Grand Aigle. Buffon Ois. I. 76. Planch, enlum, 410. Edit. de Deuxp. I. 76. pl. 1. Aigle royal. — Aigle commun. Buff. Ois. I. 86. Ed. de Deuxp. I. 86. pl. 2. Pl. enl. 409. — Aigle royal. Temminck Manuel. 10 — Golden-, Ringtailed-, Black- and Black -backed Eagle. Latham Synops. I. 3 1. n. 3. - 32.n.6 : 28. u. 2 42. n. 22. Ueberſetz. v. Bechſt. I. 27. n. 5. 28. n. 6.-25. n.2. 39. n. 22, u. Anhang. 659. n. 22. = Aquila reale di color leonato. storia deg. ucc. I. pl. 2, 4, 5. — Falco Aquila. Bechſtein ornith. Taſchenb. 6. n. 2. Deſſen Naturg. Deutſch. 2. Aufl. II. 531 = Aquila fulva. Meyer u. Wolf. Taſchenb. I. 14. n. 1. = Teut ſche Ornithologie v. Becker ꝛc. Heft 21. — Meisner u. Schinz. V. d. Schweitz. 5. n. 4. Kochs bair. Zool. 120. n. 35. - Naum. V. alte Ausg. Nachtr. 3. S. 84. I. Ordn. INV. Gatt. 6. Stein⸗ Adler. 209 Kennzeichen der Atar, bet Fuͤße bis an die Zehen hellfarbig Nene die Zehen mit drei großen Schildern; Naſenloͤcher ſchiefliegend, kaum 4 Linien hoch; der Rachen bis unter die Augen geſpalten. Die Fluͤgelſpitzen errei⸗ chen noch nicht das abgerundete Ende des Schwanzes; die ſchmal zugeſpitzten Federn am Nacken und Hinterhalſe roſtgelb; Schultern ungefleckt; Schwanz weiß, mit ſchwarzer Endbinde, bei ſehr alten in der Mitte aſchgrau bandirt; die Iris der Ben a gold: farbig oder braun. . Beſchreibun g. Vom Koͤnigsadler unterſcheidet ſich dieſer, a obigen Kennzeichen, durch einen viel ſchlankern Körperbau, durch den laͤngern Schwanz, laͤngern Kopf und Schnabel, durch die ſchmaͤ⸗ lern und ſpitzigern Nackenfedern, und durch die groͤßern Augen. Länge: 34 bis 56 Zoll; Breite: 80 bis 85 Zoll. Der etwas abgerundete Schwanz iſt 14 Zoll lang, und die Spitzen der zuſam⸗ mengelegten Fluͤgel endigen ſich gewoͤhnlich noch 4 Zoll vor dem Schwanzende, nie erreichen ſie dieſes. Alle Pangiehern find - am Ende abgerundet. Der Schnabel iſt hornblau mit ſchwarzer Spitze, Wachshaut und Mundwinkel gelb. Seine Laͤnge betraͤgt im Durchſchnitt 24 Zoll, im Bogen 24 Zoll, vom Mundwinkel in gerader Linie bis auf den Rüden des Hakens 25 Zoll; die Höhe deſſelben an der Wurzel 13 Zoll. Der Oberſchnabel iſt von der Wurzel an ges kruͤmmt, die Schneiden deſſelben nach dem Haken zu mehrentheils ſanft ausgeſchweift. Die Mundſpalte reicht nur bis unter die vordere Augenhaͤlfte. Die Naſenloͤcher liegen ſchief, ſind laͤnglichrund, 4 Linien hoch und faſt 3 Linien breit; der obere Rand hat keinen Ein⸗ ſchnitt, und der hintere Rand ik ſcharf. Die Iris ift ſtets gold⸗ farbig, und zwar in der Jugend ins Braune uͤbergehend, im Mit⸗ telalter ſchoͤn goldgelb, und im hohen Alter faſt feuerfarbig. Bei jung aufgezogenen Voͤgeln bleibt fie ſehr lange braun und geht erſt nach vielen Jahren ins Braungelbe uͤber. An den Zuͤgeln ſtehen zwiſchen den kurzen weißen Dunen ſchwarze Borſthaare. Der Lauf iſt bis an die Zehen mit kurzen, derben Federn dicht beſetzt; die Zehen haben 5 große Schilder und ſind ſchoͤn gelb. Erſterer mißt 4 Zoll, die Mittelzeh ohne Kralle 24 Zoll, die innere eben fo 12 Zoll, die hintere auf gleiche Weiſe gemeſſen 13 Zoll. Die ſchwarzen Krallen ſind ſehr groß, ſchoͤn gekrummt und ſehr 14 210 „J. Or dn. IV. Gatt. 6. Stein⸗Adler. ſpitz, im 1 gemeſſen bie innere 22 Zoll, die e faſt 5 Zoll lang. Die gelbe Furbe der Wachshaut und Zehen if bei jüngern Voͤ⸗ geln bläffer, bei ältern aber fehr lebhaft hochgelb. Das alte Männchen ſieht in der Ferne faſt ganz ſchwarz aus. Naͤher betrachtet ſind alle untern Theile, bis auf die licht— braune Beſiederung der Fußwurzeln und die untern Schwanzdeck⸗ federn ſchwarzbraun, fo auch die Ruͤcken-die Schulter- und Fluͤ⸗ geldeckfedern, welche aber etwas hellere Saͤume haben, daher der Vogel von oben lichter als von unten ausſieht. Die Stirne iſt ſchwarzbraun; der Hinterkopf, Nacken und Hinterhals hat abſtar— rende, ſchmale und ſehr ſpitze dunkelbraune Federn, die an ihren Enden ins dunkle Roſtgelb uͤbergehen. Die Schwungfedern ſind ſchwarz, der Schwanz an der Wurzel weiß, dann aſchgrau und ſchwarz bandirt und gefleckt, mit breiter ſchwarzer Endbinde und lichtbraͤunlichen, ſchmalen Spitzenſaͤumchen. Die Iris iſt feuerfar⸗ ben, die Wachshaut und Zehen hochgelb. Das alte Weibchen iſt in allen Theilen groͤßer, hat im Ganzen eben dieſelben Zeichnungen und Farben, doch dieſe ge— woͤhnlich lichter, als das Maͤnnchen. Die roſtigbraunen Oberhals— und Nackenfedern haben roſtgelbe, blaͤſſere Spitzen, die Fluͤgeldeck⸗ federn lichtbraune verwaſchene Kanten, ſo auch die Hoſen, welche auf der innern Seite nebſt den Federn der Fußwurzeln braͤunlich⸗ weiß ausſehen und ſtark mit Roſtfarbe uͤberlaufen und hin und wie⸗ der damit gefleckt ſind; die Afterfedern noch mehr von dieſer Farbe; der Schwanz wie am Maͤnnchen, aber mit mehr Weiß an der Wur⸗ zelhällke. Je aͤlter dieſer Vogel wird, deſto dunkler faͤrbt ſich ſein Gefie⸗ der, und jemehr nimmt auch das Weiße ab. Ich will nun auch ie jüngern Voͤgel beſchreiben, und fo wird man ſich die Uebergaͤnge von dieſen zu den oben beſchriebenen ganz alten Voͤ⸗ geln, auch ohne weitläufige Beſchreibungen leicht denken koͤnnen. Die Federn des Scheitels, der Backen, des Genicks und Hinter: halſes ſind an der Wurzel braun, in der Mitte roſtroͤthlich und an den Spitzen hellroſtgelb oder roſtgelblichweiß; Ruͤcken und Steiß, Kehle und Bruſt find dunkelchokolade- oder ſchwarzbraun, die Federn ſind aber an der Wurzelhaͤlfte weiß, ſo daß ſich dieſe Farbe, ſo oft einige Federn etwas aus ihrer Lage kommen, in unregelmaͤßigen Flecken blicken laͤßt, fuͤr gewoͤhnlich aber nicht zu ſehen iſt; die Vorderhals- und Bruſtfedern ſind alle ſchmal und zugeſpitzt, die I. Ordn. IV. Gatt. 6. Stein⸗Adler. 211 Spitzchen derſelben oftmals gelblichweiß; die ſehr langen Hoſenfe— dern und die bis an die Zehen befiederten Beine ſchmutzigweiß, er: ſtere mit großen ſchwarzbraunen Flecken. Die Fluͤgeldeckfedern ſind dunkelbraun etwas heller als der Ruͤcken, die kleinern am Fluͤgel⸗ rande und an den Achſeln breit roſtgelb und weißgeſaͤumt, wodurch dieſe Theile wie der Kopf und Hinterhals in einiger Entfernung ganz roſtgelb erſcheinen; uͤbrigens ſind alle Deckfedern wie die Ruͤ⸗ ckenfedern im Grunde weiß. Von den großen Schwingen iſt die dritte die laͤngſte, alle an der Wurzelhaͤlfte weiß, an der Endhaͤlfte ſchwarz, und beide Farben verliehren ſich in kleinen unregelmaͤßigen Flecken in einander, ſo daß die Mitte der Schwingen ein weißes, braunſchwarz geſchecktes Anſehen erhaͤlt. Die uͤbrigen Schwingen ſind braunſchwarz und nur nahe an der Wurzel etwas weiß ge— ſcheckt; die Spitzen derſelben hellbraͤunlich. Unten ſieht der Flügel wie oben aus, nur iſt das Weiße bemerkbarer. Der After iſt ſchmutzigweiß, zur Seite braungefleckt; der Schwanz weiß mit 4 bis 42 Zoll breiter braunſchwarzer Endbinde und ſchmutzigweißen Spitzen. e Das Weibchen iſt gewoͤhnlich einige Zolle groͤßer und ſtaͤr⸗ ker von Körperbau. Die Grundfarbe iſt ein weniger lebhaftes Dun⸗ kelbraun; Kopf und Hinterhals ſind nicht ſo hell ins Gelbe und Weiße uͤbergehend, ſondern mehr hellroſtbraun, und die Hoſen und Struͤmpfe ſind ſtark mit Roſtbraun uͤberflogen, mit feinen ſchwar⸗ zen Schmitzchen oder Federſchaͤften untermiſcht. Es ſoll auch eine ganz weiße Spielart von dieſem Adler geben, fie mag aber wol felten ſeyn. Falco albus. Gmel. Linn. I. p. 257. n. 4. Die Federn am Kopfe und Hinterhalſe ſind ſchmal und ſpitzig. Die ſchwarzbraunen Federn an den obern und untern Theilen tragen nur an der Endhaͤlfte dieſe Farbe, daher ſieht man, ſo oft ſich einige Federn aus ihrer ordentlichen Lage verſchieben, die weißen Wurzel⸗ haͤlften in Geſtalt von weißen Flecken hervorblicken, was bei juͤngern Voͤgeln auffallender als bei den Alten iſt. Von oben her zeigt das Gefieder in der Sonne einen ſchwachen Metallſchimmer. | Die braunen Farben diefes, fo wie der Übrigen Adler, find übrigens fehr dem Verbleichen ausgeſetzt. Neu find die Federn im⸗ mer ſehr dunkel, ohne merklich hellere Raͤnder; ſie bleichen aber nach einem Jahr, ehe ſie naͤmlich in der Mauſer durch neue erſetzt werden, ſo aus, die Raͤnder werden ſo hell und abgenutzt, daß ſie ſich an Farbe wie an Geſtalt faſt nicht mehr ahnlich ſehen. Da ſich 212 I. Ordn. IV. Gatt. 6. Stein:Xler. nun unter den Adlern manche Individuen ſehr langſam mauſern, ſo ſieht man ſie oft bis in's Fruͤhjahr hinein, in einem aus alten und neuen Federn zuſammengeſetzten und daher gefleckten 1 Die eigentliche Mauſerzeit faͤngt ſich ſchon im Juli an. eng. Beim Koͤnigsadler findet ſich vorn, zwiſchen der Luftroͤhre und ihren Aeſten ein dreieckiger Knochen, der aber beim Steinadler gaͤnz⸗ lich fehlt. An der Stelle dieſes Knochens, den man, von ſeiner Aehnlichkeit mit dem Schildknorpel, den Schildknochen nennen koͤnnte, befindet ſich nur eine duͤnne Haut. Da nun hier wegen Mangel des Schildknochens auch deſſen Hervorragungen fehlen, und die Ringe der Luftroͤhrenaͤſte klein ſind, ſo findet hier auch die ganze, oben in der Beſchreibung des Luftroͤhrenbaues des Koͤnigs-⸗ adlers beſchriebene Einrichtung nicht ſtatt. Auf In ganz Europa, dem noͤrdlichen Aſien und Ame rikaiſtdieſer Adler in allen Gegenden anzutreffen, wo es nur große Waͤlder und waldichte Gebirge giebt; in letztern aber haͤufiger als in ebnen Wal⸗ dungen. In Deutſchland iſter nirgends ſelten. Er durchſtreift hier im Winter die Felder, halt ſich dagegen im Sommer mehr in einfa= men Waͤldern und Gebirgen auf, und iſt daher ein deutſcher Stand⸗ und Strichvogel. In der Schweiz, wo er im Sommer die Hochge— birge bewohnt und nur ſelten in die Thaͤler und Ebnen herabkommt, iſt er ziemlich gemein, bei uns dagegen nur einzeln anzutreffen, doch überall bekannt genug. Er liebt im nördlichen Deutſchland vorzuͤg⸗ lich ſolche Waͤlder, die Fluͤſſe und Seen in der Naͤhe haben; in der Schweiz und andern Gebirgslaͤndern iſt er dagegen ein wahrer Alpen⸗ vogel. f Eigenſchaften. Muth, Kraft, Raubgier, Gewandheit und Klugheit blicken aus allen ſeinen Handlungen hervor, und er giebt hierin dem ihm ſo nahe verwandten Koͤnigsadler wenig oder nichts nach. Aus ſei— nem wilden trotzigen Blick leuchtet das Bewußtſeyn und das Vers trauen eigener Staͤrke, furchtbar allen Geſchoͤpfen die ihn hierin nicht überlegen find. Man koͤnnte ihn eben fo gut wie jenen, einen Koͤnig der Voͤgel nennen, da er ſeine Obergewalt uͤber ſie, ſo gut wie er, durch ſeine Handlungen beurkundet. Furcht und Entſetzen verbreitet ſeine ploͤtzliche Erſcheinung unter den Voͤgeln und unter IJ. Ordn. IV. Gatt. 6. SteinsXdler.. 213 den Saͤugthieren, fo weit hier nämlich feine. Macht reicht, zumal wenn er uͤbermuͤthig genug, feine helltoͤnende Stimme erſchallen läßt. Dieſe klingt hell hia, — hiah! — oder giijah! — beinahe wie die Stimme der Buſſarde, doch ſtaͤrker, durchdringender, und faſt moͤchte ich ſagen, angenehmer. Sie iſt von der Stimme des Koͤnigsadlers durchaus verſchieden und hat mit dieſer gar keine Aehn⸗ lichkeit. Erſt im verwichenen Fruͤhlinge, wo ich mich in einem gro— ßen Bruche in der Naͤhe anſehnlicher Waͤlder befand, ſchwebte maje⸗ ſtaͤtiſch ein Paͤaͤrchen Steinadler uͤber mir, und ließ meiner Ohnmacht, es mit der Buͤchſenkugel zu erreichen, ſpottend, mit einander ſpie⸗ lend, ſeine Stimme hoͤren und hier bemerkte ich, daß zwiſchen den Stimmen beider Gatten ein merklicher Unterſchied ſtatt fand, der aber mehr im Ton, als in der Modulation lag, und ſich nicht gut durch Worte verſinnlichen läßt. — Beim Angriff einer Beute hörte ich zuweilen auch ein haſtiges: Keck keck keck! von ihm, ebenfalls gaͤnzlich verſchieden von den Toͤnen des Koͤnigsadlers. Von dieſem unterſcheidet er ſich auch durch ſeine Stellung gar ſehr, indem er ſitzend den Koͤrper weit aufrechter (wie die Edelfalken u. a.) traͤgt und dazu den Schwanz etwas haͤngen laͤßt. — Er hat einen hohen majeſtaͤtiſchen Flug; langſam ſchwebend dreht er ſich ohne Flügelbe- wegung in Kreiſen himmelan, oͤfters ſo hoch daß er kaum noch ge— ſehen werden kann. In den niedern Luftregionen iſt ſein Flug ſchwimmend, mit langſamen Fluͤgelſchwingungen abwechſelnd; wenn er aber auf Beute ſtoͤßt, raſch und ungeſtuͤm. Ueberall Gefahr ah⸗ nend, iſt er ſcheu und vorſichtig im hohen Grade. Er liebt die Ein- ſamkeit, doch ſieht man ſehr oft, auch außer der Brutzeit, Maͤnn⸗ chen und Weibchen beiſammen, zuweilen beide ſogar gemeinſchaft⸗ lich jagen. f N a her u n g. f R Vom ſchuͤchternen Reh bis zur ſchnellfuͤßigen Maus, vom ſchwer⸗ faͤlligen Trappen bis zum harmloſen Rebhuhn, iſt nichts vor ſeinen Klauen ſicher. Hirſch- und Rehkaͤlber, junge wilde Schweine (Friſchlinge), Laͤmmer und junge Ziegen, Haaſen und Kaninchen, ſogar Fuͤchſe, Daͤchſe und Katzen bluten unter ſeinen Raͤuberklauen. Wenn er nichts von alle dieſen auftreiben kann, ſo nimmt er auch wol mit einem Hamſter, Maulwurf, Ratte oder Maus fuͤrlieb. Die Haaſen find feine Lieblingsſpeiſe, überhaupt ſcheint er das Fleiſch vierfuͤßiger Thiere dem der Voͤgel vorzuziehen. Er iſt ſtark genug einen erwachſenen Haaſen eine ziemliche Strecke mit ſich fort: 214 1. Ordn. IV. Gatt. 6. Stein⸗Adler. zutragen. Unter den Voͤgeln liebt er beſonders das Fleiſch der Gaͤnſe, verfolgt und erhaſcht uͤbrigens vorzugsweiſe die groͤßern, als: Trappen, wilde Gaͤnſe, Kraniche, Stoͤrche, Faſanen, Auer⸗ und Birkhuͤhner, auch wilde Enten, und von zahmen Geflügel: Gaͤnſe, Enten, Pfauen, Puter und Haushuͤhner. Er ſtuͤrzt ſich mit Ungeſtuͤm auf ſeine Beute, faͤngt die Thiere im ſchnellſten Lauf und große Voͤgel im Fluge; wenn aber Enten und Gaͤnſe das Waf— ſer erreichen koͤnnen, ſo retten ſie ſich durch blitzſchnelles Untertau⸗ chen; denn ins Waſſer geht er nicht, wie der Seeadler. Ange— ſchoſſene verfolgt er aber auf freiem Waſſer ſo lange, bis ſie durch zu oft wiederholtes Untertauchen ihre Kraͤfte ganz erſchoͤpft haben und endlich doch ſeine Beute werden muͤſſen. Die Rebhuͤhner, wel— che er ſehr verfolgt, jagt er ſo lange umher, bis ſie ermuͤdet ſich im Sitzen ergreifen laſſen; denn im Fluge find fie ihm zu ſchnell. Dem Wanderfalken jagt er zuweilen ſeine gemachte Beute ab und nimmt Beſitz davon, daher man ihn auch wol einmal eine Taube ſpeiſen ſieht, die er aber nur auf dieſe Weiſe bekommen kann, da dieſe, um fie ſich ſelbſt fangen zu koͤnnen, zu flüchtig für ihn find. — Todes⸗ ſchrecken verbreitet fein Erſcheinen unter allen Geſchoͤpfen; die zah⸗ men Gaͤnſe erheben ein graͤßliches Geſchrei und laufen oder fliegen dem erſten beſten Waſſer zu, um ſich durch Untertauchen zu retten; die Haaſen laufen nach dem naͤchſten Gebuͤſch, um ſich verſtecken zu koͤnnen; ſelbſt das größere Wild erzittert und ſucht fein Heil in der Flucht. Schon dadurch richtet er in Thiergaͤrten und Wild: parken viel Unheil an, koͤmmt auch gern oͤfterer an ſolche Orte, wo er einmal eine gute Beute machte, wieder. Auch er frißt die er⸗ haſchten Thiere oͤfters ſchon an, ehe er ſie toͤdtet, und laͤßt ſich durch ihr jaͤmmerliches Geſchrei darin nicht ſtoͤhren. Er ſoll auch Schlangen freſſen, allein Fiſche raubt er nie, wozu ſich auch ſeine Fuͤße, vorzuͤglich die Beſchaffenheit der Fußſohlen, wenn man ſie mit denen des See- und des Flußadlers vergleicht, gar nicht eig: nen, „Im Winter geht er ſehr gern aufs Aas. — In der Gefan⸗ genſchaft ſaͤuft er manchmal und kann 4 bis 5 Wochen lang hungern. Fortpflanzung. Schon im März beginnt der Bau des Neſtes oder Horſtes und man ſieht in der Gegend deſſelben, bei heitern Fruͤhlingstagen, Maͤnnchen und Weibchen ſich durch allerlei ſchoͤne Schwenkungen im Fliegen beluſtigen, ſich zu einer unermeßlichen Hoͤhe, oft bis J. Ordn. IV. Gatt. 6. Stein⸗Adler. 215 uͤber die Wolken, aufſchwingen und zuweilen wieder ploͤtzlich aus dieſer Höhe herabſtuͤrzen. Solche Uebungen treibt auch das Maͤnn⸗ chen allein, wenn das Weibchen bruͤtet, über dem Neſte. Im nördlichen Deutſchland findet man dies hin und wieder, im großen weitläufigen Wäldern, in alten Kieferwaldungen, und beſonders gern in ſolchen die nicht weit von Fluͤſſen und Seen entfernt ſind, auf den obern Gabelaͤſten einer uralten Eiche oder Kiefer. In ge⸗ birgichten Waldungen, wie z. B. im ſuͤdlichen Deutſchland und in der Schweiz, ſteht es dagegen eben ſo oft in einer geraͤumigen Spalte eines hohen unerſteiglichen Felſens des Mittelgebirgs. Es iſt von einem ſehr anſehnlichen Durchmeſſer, aus großen Stecken und duͤrren Zweigen unkuͤnſtlich geflochten, inwendig mit trocknen Pflanzenſtengeln, Heidekraut, auch Wolle und Haaren ausgelegt, aber ſo flach gebauet, daß die Eier in einer kaum merklichen Ver⸗ tiefung liegen. Dieſe ſind ſo groß wie die Eier einer Truthenne, aber viel runder oder kuͤrzer, weiß mit kaſtanienbrauner Farbe ges fleckt und beſpritzt. Man findet zwar oft drei bis vier Eier, doch ſelten mehr als zwei Junge, in einem Horſte. Die Anfangs weiß: wolligen Jungen werden mit allerlei Wildpret geaͤtzt, was ihnen von den Alten in großer Menge zugeſchleppt, und auf dem Rande des Neſtes, oder wenn dies in einer Felſenhoͤle iſt, vor demſelben zerfleiſcht wird. Es fehlt auf einer ſolchen Schlachtbank ſelten an Vorrath, und es iſt unglaublich wie viel von dieſen gefraͤßigen Voͤgeln verzehrt wird. Zu dieſer Zeit ſind auch die Alten bei ihren Raͤubereien weit dreiſter als ſonſt, fie find aber auch gezwungen ihr Jagdrevier, in welchem ſie kein andres Paͤaͤrchen ihrer Art leiden, meilenweit auszudehnen. Ein glaubwuͤrdiger Mann erzaͤhlt, daß ſie die jungen Reiher aus dem Reiherſtande holten, und 4 Meilen weit ihren Jungen zutrugen. — Kommen dieſe in Gefahr, fo ver theidigen ſie die Alten mit eigner Lebensgefahr, und zeigen dabei weit weniger Scheue, als ihnen ſonſt eigen iſt, ja ſie ſchlagen ſo⸗ gar mit den Flügeln und ſtoßen den Menſchen, der es wagt ihren Horſt zu erklimmen, nach dem Geſicht. Die Jungen werden lange im Horſte gefuͤttert, und wenn ſie ausgeflogen ſind, anfaͤnglich von den Eltern im Jagen und Rauben unterrichtet. Da wo er nicht ſeiner Eier oder Jungen beraubt oder zu ſehr geſtoͤhrt wird, ſucht er im naͤchſten Fruͤhjahr ſein altes Neſt wieder auf, und man hat 17 daß dies viele Jahre hintereinander geſchahe. f Feinde. Raben und Kraͤhen verfolgen ihn, doch ohne ihm ſchaden zu 216 I. Ord n. IV. Satt. 6. Stein⸗Adler. koͤnnen. Uebrigens plagen ihn Zangenlaͤuſe und eigene Schmarotzer⸗ inſekten und Eingeweidewuͤrmer. Nach Schinz hauſen in ihm folgende Arten: Amphistoma macrocephala, Ascaris depressa, Taenia Falconis Chrysaeti u. Distoma F. Chrysaeii. J 4g d. Nur aus einem Hinterhalte erſchlichen oder auf dem Anſtande, aus einem verborgnen Orte, kann er geſchoſſen werden; denn er iſt in der Regel ſehr ſcheu und vorſichtig. Nur wenn er eine tuͤch— tige Mahlzeit gehalten hat, iſt er manchmal auch ſo traͤge, daß er den Menſchen, beſonders wenn dieſer kein Schießgewehr zeigt, ganz nahe an ſich kommen laͤßt. Es iſt dies jedoch ein ſeltner Fall. Am leichteſten bekoͤmmt man ihn im Winter auf den Fuchshuͤtten bei hingelegtem Aaſe, am ſicherſten durch den Schuß mit der Ku— gelbuͤchſe. Er wird auch manchmal auf der Kraͤhenhuͤtte geſchoſſen, wo er aber den Uhu eben nicht eines Angriffes werth haͤlt, ſondern ſtill aufbaͤumt. In den Fuchseiſen wird er oͤfters gefangen; auch kenne ich ein Beiſpiel wo er in einer, von meinem Vater erfunde— nen, großen Netzfalle, worin man andere Raubvoͤgel faͤngt, ge: fangen wurde, indem er nach der, als Lockſpeiſe, lebendig angefeſ— ſelten Taube geſtoßen hatte. Nutz en. Fuͤr uns moͤchte dieſer von keiner oder doch nur von geringer Bedeutung ſeyn. In manchen Laͤndern wird er hingegen dadurch nuͤtzlich, daß er ſich zur Jagd auf Antilopen, Haaſen, Fuͤchſe, ja ſelbſt auf Woͤlfe abrichten laͤßt. Mehrere tatariſche Voͤlkerſchaften des nordweſtlichen Aſiens betreiben dieſe Art von Jagd ziemlich haͤu— fig, indem der Jaͤger, den abgerichteten Adler vor ſich auf dem Pferde ſitzend, das Wild ſo nahe als moͤglich anzukommen ſucht, und ihn nun darauf los laͤßt. Auch bedienen ſie ſich zur Befiede⸗ rung ihrer Pfeile der Schwung- und Schwanzfedern dieſes Adlers, als der vorzüͤglichſten. Schaden. Dieſer ergiebt ſich wol aus den angegebenen Nahrungsmitteln zur Gnuͤge. Dem Jaͤger bezahlt man daher in kultivirten Laͤndern faſt uͤberall, fuͤr die abgelieferten Beine (Faͤnge) eines den Jagden und der Wildbahn ſo nachtheiligen Vogels ein gutes Loͤſegeld. Er ſoll auch, vorzuͤglich wenn er Junge hat, zuweilen kleine Kinder 1. Orbn. V. Gatt. 5. Schrei⸗Adler. 217 von zwei Jahren und druͤber, wegſchleppen, wovon uns mehrere Beiſpiele erzaͤhlt werden, die aber nur auf Zeitungsnachrichten be⸗ ruhen, und daher nicht ganz zuverlaͤßig ſind. Anmerk. So fabelhaft auch jene Nachrichten vom Raube kleiner Kinder, die dieſer Adler zuweilen feinen Jungen zugeſchleppt haben ſoll, klingen mögen, ſo ſcheinen ſie doch nicht ganz grundlos. Herr Ziegler in Winterthur theilte dem Herrn Dr. Schinz in Zuͤrich, von einem Steinadler, welcher ſich wirklich in der Sammlung des erſteren befinden ſoll, nachſtehende Geſchichte mit: In einem ſchweizeriſchen Dorfe unweit Chur ſpielte ein zweijaͤhriges Kind vor der Thuͤr eines Hauſes, und wird plotzlich von einem Adler ergriffen und weggetragen. Der auf das Geſchrei herbeieilende Vater verfolgt den Adler bis zu den nahen Felſen, und gelangt endlich dahin, ihm feine Beute abzunehmen; das arme Kind war aber ſo uͤbel zugerichtet, daß es bald darauf ſtarb, beſonders waren die Augen verletzt. Den Vogel konnte der Vater fuͤr einmal nicht bekommen; allein aufgebracht uͤber den Moͤrder ſeines Kindes, lauert er dem taͤglich in der Gegend herumſtreifenden Adler beſtaͤndig auf, doch lange ohne Erfolg. Endlich faͤngt ſich der Vogel in einer aufgeſtellten Fuchsfalle, der ergrimmte Vater eilt ſogleich hin, faßt aber den Raͤuber in der Wuth unbedachtſam an, dieſer ergreift ihn mit dem einen noch freien Fuße und dem Schnabel, und richtet ihn fo übel zu, daß er, ſchwer ver- wundet, um Dülfe rufen muß. Einige Männer, die in der Nähe waren, erſchlu⸗ gen nun den Adler mit einem Pruͤgel. 7. Der Schrei ⸗ Adler. Ka e e e e o l l . 5 Taf. 10. Maͤnnchen. Taf. 11. Fig. 1. Altes Weibchen. — — Fig. 2. Junges Weibchen. Schreier, klingender Schellenadler, klingender, kleiner, hoch— beiniger, bunter, gefleckter, geſcheckter, Ruſſiſcher Adler, Stein: Rauhfuß⸗Schellen-Gaͤnſe-Entenadler, Entenſtoͤßer, Rauchfuß, roͤthlicher Maͤuſeaar, Morphnoskollege. Falco naevius. Gmel. Linn. syst. I. p. 258. n. 49. == Falco maculatus. Ibid. p. 258. n. 50. Aquila naevie. Mayer u. Wolf. Taschenb. 8. 19. Aigle criard. Temminck Man. d'Ornith. p. 14. — Rough-footed Eagle. Latham. Syn. I. p. 37. n. 14. Spotted Eagle. Ibid. p. 38. n. 13. = Ueberſ. v. Bechſtein I, S. 35. n. 14. u. 15. — Bechſteins Naturgeſch. Deutſchl. II. S. 561. n. 6. — Deffen ornith. Taſchenb. S. 11. n. 6, nebſt einer Abbild. — Meis⸗ ner u. Schinz Vgl. d. Schweiz. S. 8. n. 6. = Kochs baier. Zoologie. S. 113. ne 38. - Friſch Vögel Taf. 71. (wahrſcheinlich ein altes Weibchen dieſes Vogels.) — Naumanns Vögel, alte Ausg. Nachtr. Hft. 7. S. 365. Tab. 52. 218 I. Ordn. IV. Gatt. 7. Schrei : Adler. Junger Vogel? Falco Mogilnik. Gmel. Linn. I. p. 259. u. 5 Petit Aigle. Buff, Ois. I. p. 91. Edit. de Deuxp. I. p. 91. t. 2 fig. 2. (2) —= Russian Eagle, Latham syn, I. p. 43. n. 24. Bechſteins Ueberf. I. ©. 40. n. 24, Nie nen z en chern deer A t. Die Füße bis an die Zehen beftedert, die Fußwurzel auffallend lang, in der Jugend am Genick ein roſtgelber Fleck, die Haupt⸗ farbe des Rumpfes dunkelbraun, der Schwanz etwas abgerundet mit vielen ſchmalen Baͤndern (oft undeutlich) durchzogen. Die Krallen beſchreiben einen ſehr flachen Bogen; Wachshaut und Ze⸗ hen gelb; die Iris gelb, in der Jugend gelbgrau. | Beſchreibung. Er iſt nur etwas groͤßer als der Fiſchaar, hat aber hoͤhere Tarſen als die andern Adler; uͤbrigens iſt ſeine Geſtalt ſchlan— ker und geſtreckter noch als die des Steinadlers. Er iſt 27 Zoll lang, 63 Zoll breit, der etwas gerundete Schwanz 112 Zoll lang und die Fluͤgelſpitzen reichen bis beinahe ans Ende deſſelben, bei recht alten Voͤgeln oft noch etwas uͤber daſſelbe hinaus. Der Schnabel if an der Wurzel im Durchſchnitt 1 Zoll hoch, der Oberkiefer von der Spitze bis zur Stirn, im Bogen, 2 Zoll lang, hornblau‘, an der Spitze ſchwarz. Er iſt ſchmal oder ſehr zuſammengedruͤckt, ſchoͤn halbbogenfoͤrmig gekruͤmmt, mit langem Haken, ohne Zahn, doch machen die Schneiden eine ungerade Linie; das Naſenloch bohnenfoͤrmig. Die Naſenhaut und Mundwinkel ſind gelb; die Augenſterne goldgelb. Die Fußwurzel iſt auffallend hoch, (naͤmlich 4 Zoll) die Ze⸗ hen nicht ſehr lang, doch ſchoͤn, wie beim Stein-Adler, gleich uͤber den Naͤgeln nur mit drei bis vier großen Schildern; die aͤußere Zehe 13 Zoll, die Mittelzeh 2 Zoll, die innere etwas über 1 Zoll lang und die hintere von eben dieſer Laͤnge. Die Kralle der Mittelzeh mißt im Bogen 13, die der hintern 13 Zoll. Die Krallen ſind ſchwarz, nicht ſtark gekruͤmmt, ſpitzig und unten zweiſchneidig; die Zehen ſchoͤn gelb, wie die Wachshaut, bei jungen Voͤgeln blaßcitro— nengelb. Die Hauptfarbe dieſes Vogels, ein dunkles Schattenbraun, erſcheint bald mehr, bald weniger mit lichten Flecken beſtreuet, bald ganz ungefleckt. Die letzteren halte ich, weil ſie ſo am ſeltenſten vorkommen, fuͤr ſehr alte Voͤgel. — Ein ſolches Weibchen, was im vorigen Fruͤhjahr in hieſiger Gegend geſchoſſen wurde, iſt faſt 1. Ordn. IV. Gatt. 7. Schrei⸗Adler. 219 einfarbig dunkelbraun, alle Federn nur etwas lichter geſaͤumt; dieſe mit der Grundfarbe ſanft verſchmelzenden Saͤume ſind am Kopfe, Halſe und an den kleinen Fluͤgeldeckfedern am lichteſten und auffal⸗ lendſten; die Schwingen ſchwarzbraun, die großen an den Enden ſchwarz, der Schwanz ſchwarzbraun, mit bräunlihweißem End» ſaume und vielen, aber kaum zu erkennenden, nur an den innern Fahnen leiſe angedeuteten, lichten Querbinden; Wachs⸗ haut und Zehen hochgelb, die Iris pomeranzengelb. Am oͤfterſten ſieht man indeſſen dieſen Vogel in einem braunen, mit vielen und zum Theil großen gelblichweißen Flecken beſtreueten Kleide, gelbem Genick und deutlich gebaͤndertem Schwanze. Solche halte ich für zwei- bis dreijährige Vogel. — Hier iſt eine naͤhere Beſchreibung derſelben: Die Zuͤgel ſind braͤunlichweiß, mit vielen ſchwaͤrzlichen Borſt⸗ haaren; die Iris hochgelb, Wangen und Kehle dunkel roſtgelb, die Scheitelfedern braun, mit roſtgelben Spitzchen; im Nacken befindet ſich ein roſtgelber Fleck; der Hinterhals braun mit einzeln roſtgelben Punkten an den Spitzen der Federn; die Schultern chokoladebraun; Ruͤcken, Steiß und Schwanzdeckfedern braun, erſterer mit lichtern Federſpitzen, letztere mit großen gelblichweißen Enden; der Schwanz ſchwarzbraun mit vielen verloſchnen aſchgrauen Querbinden und hellbraͤunlichweißem Endſaume, auf der untern Seite hellbraun mit 12 dunkelgraubraunen ſchmalen Querbinden. Die kleinen Fluͤgel⸗ deckfedern ſind lebhaft braun, jede am Ende mit einem dreieckigen roſtgelben Fleck; in der Gegend der Achſeln befindet ſich ein Feld von hellbraunen, roſtgelblichweiß geſaͤumten Federn; die uͤbrigen Deckfedern find chokoladebraun, mit roſtgelben Flecken an ihren Enden; die hintern Schwungfedern chokoladebraun, einige mit verloſchnen roſtgelblichweißen Enden; die großen Schwingen braun⸗ ſchwarz, an der Wurzelhaͤlfte der innern Fahnen aſchgrau gebaͤn⸗ dert. Der Vorderhals, Kropf und die Oberbruſt ſind lebhaft braun mit einem langen, ſchmalen, roſtgelben Fleck in der Mitte jeder Feder; Unterbruſt, Bauch, Hoſen und die bis auf die Zehen be— fiederten Laͤufe roſtgelblichbraun, mit roſtgelblichen Federenden; die unteren Schwanzdeckfedern weißlich, mit roſtgelben Spitzen. Die Maͤnnchen ſehen, der vielen und groͤßern Flecken we⸗ gen, viel bunter aus als die Weibchen, ſonſt iſt in der Farbe wenig Unterſchied, an Größe übertrifft letzteres das erſte aber zu— weilen um ein paar Zoll. Uebrigens variirt der Vogel darin daß die braune Grundfarbe mehr oder weniger lebhaft erſcheint, bald 220 I. Ordn. IV. Gatt. 7. Schrei⸗Adler. ins Schwärzliche, bald ins Roſtbraune uͤbergeht und die tropfen⸗ ähnlichen weißen Flecke mehr oder weniger häufig find. Diejenigen, welche an den obern Theilen mehr mitRoſtfarbe gemiſcht find und daher oben heller als unten ausſehen, ſind ſolche Voͤgel, welche ſich einer neuen Mauſer naͤhern; denn was von dem Verbleichen der Farben des Gefieders und der Mauſer des Steinadlers geſagt wurde, gilt auch hier. Da die hellen Tropfenflecke an den Spitzen der Federn ſitzen, auch an manchen Stellen ſehr klein ſind, ſo verſchwinden ſolche gegen die Mauſer hin, durch das Abreiben der Federn, zum Theil ganz, ſo auch der kupferroͤthliche Schimmer an den obern Theilen. Der junge Vogel von der erſten Mauſer, weicht von dem altern fehr ab. Ich erhielt ein Weibchen in der Mitte Auguſt's, an welchem Fluͤgel und Schwanzfedern noch lange nicht die gehoͤrige Laͤnge hatten, denn ſein Laͤngenmaaß betrug nur 25 und das der Breite 59 Zoll. Der Schwanz iſt mehr abgerundet als am alten Vogel, nur 93 Zoll lang und die Fluͤgel laſſen hiervon am Ende noch 2% Zoll unbedeckt. Der ganze Vogel iſt bis auf Schwing⸗ Schwanz: und Afterfedern dunkel chokoladebraun, oben dunkler und roͤthlich glaͤnzend, unten lichter; im Genick ſteht ein ſchoͤn roſtgelber Fleck; die Federn am Hinterkopfe zunaͤchſt dieſem, die des Hinterhalſes, der Bruſt, der Weichen des Steißes und die meiſten der kleinen Fluͤgeldeckfedern oben und unter dem Fluͤgel haben an ihrer Spitze ein ſehr feines roſtgelbes Laͤngsfleckchen. Dieſe ſo eigen geſtalteten, faſt tropfenartigen Flecke ſind an den meiſten Stellen ſo fein, daß man ſie in geringer Entfernung ſchon uͤberſieht, werden aber an den kurzen Hoſenfedern größer und lich— ter und verwandeln ſich an den Spitzen der groͤßten und dunkleren Fluͤgeldeckfedern und an den laͤngſten Schulterfedern in große Tro⸗ pfenflecke, an den Enden der blaßbraunen obern Schwanzdeckfe— dern, an den Schwingen der dritten, und an den braunſchwarzen, nach innen aſchgrau gebaͤnderten Schwingen der zweiten Ordnung in große rundliche Schildflecke von hellroſtgelblicher, graulich ge— miſchter Farbe. Die großen Schwingen ſind ſchwarz, innen nach der Wurzel zu grau gebaͤndert; die After- und untern Schwanz⸗ deckfedern licht roſtgelb, mit verwachſenen braͤunlichen Flecken; die Schwanzfedern braunſchwarz, auf der innern Fahne (die mittelſten ausgenommen) verlohren aſchgrau gebaͤndert, die Spitzen aller ſchmutzig weißgelblich, wodurch der dunkle Schwanz einen band= artigen hellen Saum erhaͤlt. Von unten ſind Fluͤgel und Schwanz kaum etwas blaͤſſer als von oben; Wachshaut, Mundwinkel und I. Ordn. IV. Gatt. 7. Schrei- Adler. 221 Zehen citronengelb, der Schnabel horngrau mit ſchwarzer Spitze, der Augenliederrand gelb und die Iris gelbbraͤunlichgrau. An den Zuͤgeln und um die Augen herum ſtehen die Borſten noch ſo einzeln daß die weißwollige Bedeckung der Haut ſehr in die Augen fallt. In jedem Alter haben die Federn an den obern Theilen einen ſchwachen kupferrothen Glanz, beſonders ſo lange ſie noch neu und nicht abgebleicht ſind. Aufenthalt. Dieſer Adler bewohnt die Waͤlder des ſuͤdlichen und oͤſtlichen Europa, das ganze noͤrdliche Aſien, und ſoll auch in Afrika, na⸗ mentlich in Egypten nicht ſelten ſeyn. In Rußland iſt er ziemlich gemein, ſparſamer ſchon in Pohlen und Ungarn, und in Deutſch⸗ land gehoͤrt er unter die Seltenheiten. Im noͤrdlichen Theil unſers Vaterlandes wird er indeß doch noch oͤfterer als im ſuͤdlichen ange⸗ troffen. Ich kenne viele Beiſpiele daß er in Schleſien, Branden⸗ burg, Sachſen und hier herum geſehen oder getoͤdtet wurde. Der Spaͤtherbſt und Winter ſind eigentlich die Jahreszeiten in welchen man ihn gewoͤhnlich in Deutſchland angetroffen hat, er hat alſo ſeine Strichzeit mit dem See- und Steinadler gemein. Nicht allein im noͤrdlichen Deutſchland, ſondern auch im ſuͤdlichen und in der Schweiz iſt er mehrmals geſchoſſen worden, und ich glaube, daß er auch in unfern großen Waldungen zuweilen bruͤtet, wenig— ſtens weiß man mit Gewißheit, daß er in den Wäldern des angrän= zenden Pohlens niſtet. Er ſoll vorzuͤglich ſolche Waͤlder lieben, wo größere Gewaͤſſer in der Nähe find, und ſich gern an dieſen auf— halten, was ich auch beſtaͤtigt gefunden habe. In unſern Gegen⸗ den trifft man ihn noch am oͤfterſten in den Wäldern laͤngſt der EL: be. Auf freiem Felde ſieht man ihn ſeltner. ! Eigenſchaften. Sein Flug iſt erhaben und ſchoͤn, wie der der andern Adler. Er dreht ſich bei ſchoͤnem Wetter in Kreiſen bis über die Wolken hinauf, ohne daß man dabei eine Bewegung der Fluͤgel gewahr wird; im niedern Fluge wechfelt er dagegen mit langſamen, ſchwer⸗ faͤlligen Fluͤgelſchwingungen ab. Man ſieht ihn, nach Art der Buſſarde, gern auf einem einzeln ſtehenden Baume, auf einem Steine, alten Stamme oder auf einem aus dem Waſſer hervorra- genden Pfahle ſitzen und auf Beute lauren. Er iſt ſcheu und vor⸗ ſichtig, ſein Blick aber durchaus nicht boshaft. An einem lebendi⸗ \ 222 J. Ordn. IV. Gatt. 7. Schrei: Adler. gen Adler dieſer Art, den ich zu ſehen Gelegenheit hatte, bemerkte man weder die große Wildheit noch das unbaͤndige Weſen der groͤ⸗ ßern Adler, doch aber ein Anſehen, das dem Adlercharakter zu entſprechen ſchien; Muth und Feuer im Blicke, einen gewiſſen ed⸗ len Anſtand u. ſ. w. Aber dies Anſehen ſoll doch taͤuſchen; denn man ſagt von ihm, daß er ein ziemlich feiger Vogel ſey. Seine Stimme habe ich nicht gehoͤrt, und doch ſoll er in der Gefangen— ſchaft faſt beſtaͤndig und ſehr klaͤglich ſchreien, weshalb er auch den. Beinamen: der Schreier, erhalten hat. Beſonderes Wohlbe— hagen druͤckt er durch eine angenehme Stimme aus, die einem ſanf— ten Geklingel aͤhnelt. Er wird in der Gefangenſchaft ſehr zahm und zutraulich gegen Menſchen, lebt vertraͤglich ſogar mit andern Geflügel, und badet ſich gern im Waſſer. Nahrung. Sein ſanfterer Charakter zeigt ſich beſonders in der Art ſich zu naͤhren. Er iſt kein ſo grauſamer, kuͤhner Raͤuber, als der ihm an Geſtalt ſo aͤhnliche Steinadler, und nimmt es nur mit wehrloſen, ſchwaͤchern Geſchoͤpfen auf. Alle groͤßern Waſſervoͤgel haben an ihm einen argen Feind, ſo auch die Huͤhnerarten, vorzuͤglich die Waldhuͤhner, Eichhoͤrnchen, Maͤuſe, Hamſter, Maulwuͤrfe, junge Haaſen. Daß er auch geſunde alte Haaſen fangen ſoll, bezweifle ich. Im Sommer lebt er groͤßtentheils von Inſekten; auch ſoll er Amphibien freſſen. Allein, nicht der Fiſche, ſondern des Gefluͤ— gels wegen, mag er ſich ſo gern bei den Waſſern aufhalten; denn daß er erſtere freſſen ſoll, iſt durchaus unwahrſcheinlich, weil ſeine Faͤnge gar nicht zum Fiſchfang eingerichtet ſind. Es iſt wol keinem Zweifel unterworfen, daß er im Winter nicht aufs Aas gehen ſollte, ob mir gleich kein Beiſpiel davon bekannt iſt. In der Gefangen⸗ ſchaft frißt er alles vorgeworfene Fleiſch und trinkt auch zu— weilen. Foftpflanzung. Daß er auch zuweilen in großen Waͤldern des noͤrdlichen Deutſchlands bruͤte, iſt ſehr wahrſcheinlich; weil ſelbſt in meiner Nähe im April in einem Walde der eine von einem Paͤaͤrchen er: legt wurde, und ich ſahe wie den 1. Juni ſich Maͤnnchen und Weib— chen uͤber meinem Wohnorte lange herum dreheten, auch Tags dar— auf wieder geſehen wurden. In der Mitte Auguſt erhielt ich aus einem nachbarlichen Walde einen jungen noch nicht völlig ausge— J. Ordn. IV. Gatt. 7. Schrei⸗Adler— 223 wachſenen Vogel. Auch in Schleſien hat man kaum flugbare Junge im Sommer geſchoſſen und auch die Alten dabei geſehen. Er ſoll nach Art andrer großen Raubvoͤgel feinen Horſt auf ſehr hohen alten Baͤumen anlegen und drei weiße, roſtroͤthlich geſtrichelte Eier legen. Noch habe ich den Horſt aber nicht ſelbſt geſehen, habe je— doch große Hoffnung dazu. FJ e i nde. Außer den gewöhnlichen Voͤgelfeinden im Gefieder und den Eingeweiden, verfolgen und necken ihn Raben und Kraͤhen mit einem beſonderen Geſchrei, was beim Verfolgen der Adler immer ganz anders klingt als wenn fie einem Habicht, Falken oder Buſ— ſard nachfliegen. Sie koͤnnen ihm jedoch nicht ſchaden. Dies thun dieſe Schreier, auch bei andern Raubvoͤgeln, mehrentheils wegen der Ueberbleibſel ihrer e die 0 ee. wenn Ele ſich geſaͤttigt haben. * as Da er ſcheu und vorfichtig iſt, fo muß man ihn aus einem Hinterhalte beſchleichen, wenn man ihn ſchießen will. In den Raubvoͤgelfallen, worin ſich eine lebendige Taube als Lockſpeiſe befindet, wird er auch zuweilen gefangen. Nutz en. Er nuͤtzt dadurch daß er viel ſchaͤdliche Inſekten und Miu verzehrt, und ſeinen Schaden kann man aus den uͤbrigen oben angegebenen Nan teln beurtheilen. Er iſt eben nicht betraͤchtlich. Anmerk. Da dieſer Adler in der Größe ſehr variirt und alte und junge Voͤ⸗ gel in der Zeichnung des Gefieders merklich abweichen, fo haben Jäger und zum Theil ſelbſt Naturforſcher beide oft fuͤr von einander verſchiedene Arten gehalten, als welche fie auch in mehreren altern naturhiſtoriſchen Werken aufgeführt find. Nach meinen, an friſchen und zu verſchiedenen Jahreszeiten geſchoſſenen Exemplaren, gemachten Beobachtungen, verglichen mit einer Anzahl ausgeſtopfter Stüde, iſt das erſte Jugendkleid, wie oben geſagt, das fall einfarbige oder weniger auffallend ge⸗ fleckte, — das hell- und ſehr auffallend gefleckte, das Kleid des mittleren Alters, — das einfarbig braune, ungefleckte, dagegen das vollkommene, was der Vogel nicht vor der dritten Mauſer anlegt. — Stets find die Maͤnnchen mehr gefleckt als die 1 * b. Adler mit halb oder nur etwas befiederten Fußwurzeln. 8. Der See Adler. FAI N f M L Taf. 12. Maͤnnchen (im vollkommnen Zuſtande). Taf. 13. Aelteres Weibchen. Taf. 14. Junges Maͤnnchen (mehr als einjaͤhrig). Gemeiner und großer Fiſchadler, Gelbſchnabel, Weißſchwanz; weißſchwaͤnziger, aſchgrauer, fahler und braunfahler Adler; Gem⸗ ſenadler; Fiſch- und Steingeier, Fiſchjaͤger; Pygarg; Gaͤnſe⸗ Fiſch⸗ und Meeradler, großer See- oder Fiſchadler, ſchwarzer und großer ſchwarzer Adler, ſchwarzbrauner oder baͤrtiger Adler, großer Haaſenadler, Haaſenaar, Gaͤnſeaar; Bein- oder Stein— brecher, Beinbrechadler; in hieſiger Gegend: Steinadler, auch Seeadler. Falco Albicilla. Gmel. Linn. I. p. 253. n. 39. = Falco albicaudus. Ibid. p. 258. n. 51. Vultur Albicilla. Linn. syst. Ed. XII. p. 123. n. 8.2 Aquila leucocephala. Meyer u. Wolf Tascherb. p. 16. — Deren Naturg. Deutſchl. Hft. 25. t. 1 u. 2. Le grand Pygargue. Buff. Ois. I. p. 99. Edit. de Deuxp. I. p. 99. t. 3. L’dAigle pygargue. Temminck Man. d’Or- nith. p. 11. = Cinereous- Eagle. Latlı. syn. I. p. 33. n. 8. == leberf. von Bechſtein I. S. 32. n. 8. - Anhang S. 656. u. 3. — Tesser white tailed Eagle. Ibid. p. 39. n. 16. Ueberſ. a. a. O. S. 36. n. 16. Anh. ©. 658. n. 16. — Aquila di Testa e Coda blancd. Stor. degli ucc.p. 8. = Bechſtein Naturg. Deutſchl. II. S. 554. n. 5. — ODeſſen ornith. Taſchenb. S. ro. n. 5. — Meisner und Schinz Vgl. d. Schweiz. S. 6. u. 5. = Kochs baier. Zool. S. 112. u. 37. - Naumanns Vgl. alte Ausg. Nachtr. S. 330. = Friſch Voͤgel. t. 70. E Junger Vogel, Falco Ossifragus. Gmel. Linn. syst. I. p. 255. n. 4. = Falco mela- naetos. Ibid. p. 254.n. 2. = L’Orfraye au grand Aigle de Mer. Buff. Ois, I. p. I12. t. 3. Edit. de Deuxp. id. Pl. enlum, 112. (junger Vogel et pl. enl. 415. (zweijaͤhriger Vogel). Sea Eagle. Lath. syn. I. p. 30. n. 4. Ueberſ. v. Bech⸗ ſtein I. S. 26. n. 4. = Golden Eagle. Pennant britt. Zool. p. 61. t. A. Aquila reale commune. Stor. deg. ucc. pl. 1 et 3. Mitkoppige Arend. Sepp nederl. Vog. V. p. 417. = Bechſteins Naturg. Deutſchl. zte Aufl. II. I. Ordn. IV. Gatt. 8. See⸗Adler. 225 ©. 545. n. 3. = Deſſen orn. Taſchenb. S 8. n. 4. Teutſche Ornith. v. Becker u. a. Heft 17. Sei Vgl. t. 969, 1 A Vgl. alte Ausg, IV. S. 104.1.9. (Ein 2 bis 3 Jahr altes Männchen ) Bemerk. Hieher gehört wahrſcheinlich auch der Haaſengeier, Vultur oristatus, der ältern Ornithologen. e e a e ch 80h der Art. Gerz in der Jugend ſchwaͤrzlich, im Alter gelb; die Fuß⸗ wurzel nur halbbefiedert, der nackte Theil derſelben und die Zehen gelb; die Hoſen dunkelbraun, einfarbig, nur am jungen Vogel gefleckt; der keilfoͤrmige weiße Schwanz an dieſem ce ge⸗ fleckt, am Alten reinweiß. . Beſchreibung. Dieſer große Raubvogel iſt von ſtarkem gedrungenem Koͤrver⸗ bau; der kurze Schwanz, die großen Fluͤgel und breiten Schultern Beben ihm ein etwas plumpes Anſehen. Die Kopf- und Hals⸗ federn ſind ſchmal und ſpitz, die des Hinterhalſes abſtarrend. Die Länge varürt von 52 bis 56 Zoll oder bis zu 5 Fuß; die Breite von 86 bis 96 Zoll oder bis zu 8 Fuß. Die Spitzen der in Ruhe liegenden Fluͤgel reichen bis auf das Ende des 122 Zoll lan⸗ gen Schwanzes, deſſen Federn ſtumpf keilfoͤrmig zugeſpitzt ſind. Die Mittelfedern ſind die laͤngſten, und die nach den Seiten zu nehmen nach und nach an Laͤnge ab, ſo daß dadurch der Schwanz eine faſt keilfoͤrmige oder ſtumpf zugeſpitzte Geſtalt erhält. Der Schnabel iſt groß, ſtark, von der Stirn bis in die Ge⸗ gend der Naſenloͤcher faſt gerade, dann in einen ſchoͤnen Bogen bis zur hakenfoͤrmigen Spitze gekruͤmmt, und die Schneide des Ober- kiefers nach dem Haken hin ſanft ausgeſchweift oder flach gezahnt; die Nafenlöcher laͤnglichrund und ſchiefſtehend. Faſt koͤnnte man ſie mondfoͤrmig nennen, indem die entgegengeſetzten Enden ſich ruͤckwaͤrts neigen; auch ſieht man im Innern derſelben eine Art von Zapfen in Form einer ſchiefſtehenden Platte. Die Farbe der Wachshaut und Mundwinkel iſt in der Jugend ſchmutzig⸗ oder blaßgelb, im Alter hochgelb; die Farbe des Schnabels am jungen Vogel ſchwarz oder ſchwaͤrzlich; dann ſchmutziggelb mit Schwarz gemiſcht; dann hellokergelb, und im hohen Alter hochgelb mit weißlicher Spitze ). Er iſt, mit einem Faden uͤber dem Bogen ) Die grünliche Miſchung an ber Wachs haut der jaͤngern Vogel, und die roth 15 226 I. Ordn. IV. Gatt. 8. See : Adler. gemeſſen 53 Zoll, in gerader Linie, von der Stirn bis zur Spitze, 22 Zoll 1 und an der Wurzel, Ober- und Unterkiefer im Durchſchnitt E Zoll hoch. ir Die Regenbogenhaut ber en nicht ſehr großen Augen, ander wie der Schnabel mit zunehmendem Alter ihre Farbe. In der Jugend iſt ſie lebhaft braun, ſo daß alle noch mit ſchwarzem Schnabel verſehene Seeadler eine braune Iris haben. So wie mit zunehmendem Alter der Schnabel gelb wird, wird ſie braungelb; faͤrbt ſich erſt der Schwanz ganz weiß, ſo iſt ſie hellgelb, und er⸗ ſcheint endlich im hohen Alter der weißliche Kopf, fo find die Au⸗ genſterne goldgelb. Der kahle Augenliederrand iſt gelb. Die Fuͤße ſind halbbefiedert, d. h. die obere Haͤlfte des Laufs, von der Fußbeuge herab bis in die Mitte feiner Länge, die im Gan⸗ zen 4 Zoll betraͤgt, iſt mit kurzen, derben Federn dicht bedeckt, die untere Haͤlfte kahl, wie die Zehen. Jene hat vorn nur wenige, dieſe auf ihrer obern Seite aber mehrere große Schilder, auf ihrer untern aber rauhe. Waͤrzchen, welche fi ſich ſehr ſcharf anfuͤhlen laſſen. Die Zehen haben keine Spur einer Spannhaut, und die Krallen ſind groß, ſehr krumm, unten zweiſchneidig und ſehr ſpitzig. Die Mittelzeh mißt 5 Zoll, ihre Kralle im Bogen faſt 2 Zoll; die Hin⸗ terzehe 14 Zoll und ihre Kralle im Bogen 23 Zoll. Die Farbe des untern Theils des Laufs und die der Soßen iſt ſchoͤn gelb und naͤ⸗ hert ſich im Alter dem Orangegelben, die Farbe der Krallen glaͤn— zend ſchwarz. Im friſchen Zuſtande ſind Beine und Zehen ſehr dick und ſtark, wie aufgedunſen, ſie ſchwinden aber, nachdem ſie am ausgeſtopften Balge voͤllig ausgetrocknet ſind, ſo zuſammen, daß ſie dadurch ein ganz anderes Anſehen erhalten. Am jungen Maͤnnchen find die zugeſpitzten Kopf- und Halsfedern dunkel kaſtanienbraun oder dunkel kaffebraun, doch ſieht man hin und wieder, beſonders an der Kehle, die großen weißen Wurzeln der Federn; die Federn der Bruſt, des Ruͤckens und auf den Flügeln find im Grunde weiß, haben aber große dunkel kaſta⸗ nienbraune Spitzen, welche ſich in den weißen Wurzeln dunkel roſtgelb oder hell roſtbraun verliehren, wodurch dieſe Theile ein weiß⸗ dunkelbraun und dunkelroſtgelb geflecktes Anſehen erhalten. Die obern Fluͤgeldeckfedern ſind dunkel kaſtanienbraun mit helleren an einigen Stellen des Schnabels und an den Seiten der Zehen der altern, entſteht erſt wenn der Vogel eine Zeitlang todt iſt, an manchen Individuen. Am friſchen oder lebenden Vogel bemerkte ich nie etwas davon. I. Ordn. IV. Gatt. 8..Sees Adler 227 Kanten; die Schwingen braͤunlichſchwarz, die mittleren auf der breiten Fahne weiß geſprenkelt; die großen Deckfedern derſelben dunkelbraun, mit einzelnen verloſchenen, roſtbraun und weiß ges miſchten Flecken; die langen Schenkelfedern oder Hoſen dunkel kaſtanienbraun, mit hervorſchimmernden weißen Wurzeln; die Af: terfedern dunkelbraun, einzeln weiß gefleckt. Die Schwanzfedern ſind auf der ſchmalen Fahne dunkelbraun, auf der breiten aber weiß mit Dunkelbraun beſpritzt, alle an den Spitzen dunkler oder mehr gefleckt als in der Mitte. ö Das Weibchen iſt ſtets etwas größer als das Maͤnnchen; übrigens unterſcheidet es ſich durch die helleren Farben, den fahle: ren Oberkopf und der mehr weiß gefleckten Bruſt und Ruͤcken nur wenig von dieſem; auch ſind dieſe Farbenverſchiedenheiten nicht im— mer dieſelben, weil man von dieſem veraͤnderlichen Vogel nur ſel— ten zwei ſich in den Farben und ihrer Vertheilung ganz gleiche In⸗ dividuen antrifft. Theils traͤgt die langſame Mauſer viel zu dieſer Ungleichheit bei, theils ſind uns aber die Urſachen, wodurch ſie bewirkt wird, zur Zeit noch unbekannt. Die Veraͤnderung des Kleides am juͤngern Vogel in das des aͤltern u. ſ. w. geht ſehr lang⸗ ſam vor ſich. Ich will nun die Beſchreibung derjenigen Altersver⸗ ſchiedenheiten folgen laſſen, welche ich fuͤr zwei- bis dreijaͤhrige Voͤgel halte, und will dazu ein Weibchen waͤhlen, was ich im Ja⸗ nuar erhielt, und was in Hinſicht der Groͤße ſehr von den uͤbrigen gleichen Alters, ſoweit ſich dieſes naͤmlich aus der ſtufenweiſen Ver⸗ aͤnderung der Farben des Schnabels, der eee and. des ash fieders errathen läßt, abweicht. Das Weibchen war kleiner als mehrere mit ihm verglichen jüngere Männchen, 34 Zoll lang und nur 86 Zoll breit. Wachs⸗ haut und Schnabel ſind ſchmutziggelb, ſtark mit ſchwaͤrzlicher Farbe durchmiſcht; die Iris gelbbraun, die Kehle weiß mit Braun geſtri⸗ chelt, der Unterhals fahlbraun, Kopf- und Oberhalsfedern braun mit grauweißen Spitzen, der Steiß etwas roͤthlicher, die obern Schwanzdeckfedern weiß, mit ſchwaͤrzlichbraunen Spitzen, Schaͤf⸗ ten und mit dergleichen Punkten beſpritzt. Bruſt⸗ Bauch- und Afterfedern ſind weiß mit großen braunen Endflecken, die Hoſen braun; die Schulterfedern dunkelgrau, weißlich beſprengt; die Achſelfedern fahlbraun weißlich eingefaßt; die Fluͤgeldeckfedern hell: braun, roſtroͤthlich, aſchgrau und weiß unordentlich durcheinander gefleckt, ſo daß ſich viele große helle lecken zeigen z a ee wie am ſchon beſchriebenen Maͤnnchen. 228 I. Ordn. IV. Gatt. 8. See: Adler. Mit zunehmendem Alter wird der Grund des Gefieders zwar einfoͤrmiger, aber durch die vielen weißgrauen Saͤume, be— ſonders an den Oberruͤcken- und Fluͤgeldeckfedern, erhaͤlt es ein braun= und weißgraugewoͤlktes Anſehen; Kopf und Hals fallen ſehr ins helle Gelbgrau; Hoſen, Bauch und After ſind einfarbiger dun— kelbraun; die Schwanzfedern weiß, an der Wurzelhaͤlfte ſtark, an den Spitzen aber weniger ſchwarzbraun beſpritzt, die Wachshaut gelb, der Schnabel ſchmutziggelb, am lichteſten an der Spitze; die Iris braͤunlichgelb. Einen ſolchen Vogel erhielt ich erſt im Winter des vorigen Jahres; es war ein Weibchen. Man ſieht an ihm deutlich den Uebergang vom Falco Ossifragus zum Falco Albicilla des Linne. N 8 fi Im mittleren Alter übertrifft der Seeadler die juͤngern Voͤgel dieſer Art um einige Zoll in der Größe, welches in der Fluͤ— gelbreite, die zuweilen 8 Fuß betraͤgt, an bemerkbarſten iſt. Doch habe ich auch jüngere Seeadler geſehen, die mit den altern in den Maaßen uͤbereinſtimmten. Daß man aber zuweilen auch aͤltere Voͤgel gefunden hat, die ſogar kleiner waren, als die jungen, iſt eine Erſcheinung, die bei allen Voͤgeln vorkommt, und bei groͤßern Arten mehr auffaͤllt als bei kleinern. So maaß das Maͤnnchen, deſſen Beſchreibung hier folgt, 2 Fuß 8 Zoll Länge und 7 Fuß 7 Zoll Breite; ich habe aber auch Weibchen von dieſem Alter geſehen die dieſe Maaße um mehrere Zoll uͤbertrafen. An ihm war der Schnabel und die Wachshaut rein koͤnigsgelb, ſo wie auch die Fuͤße, die Regenbogenhaut im Auge hellgelb. Die Zuͤgel ſind mit ſehr feinen weißen Dunen und weißen Haͤaͤrchen beſetzt. Das Totalcolorit iſt ein ſchmutziges, hin und wieder mit Falb und hellem Weißgrau gemiſchtes, Graubraun, welches nur an den Enden der Fluͤgel und dem Unterleibe in mattes Schwarzbraun uͤbergeht. Kopf und Hals, ſoweit die Federn die ſchmale ſpitzſige Form haben, fallen nebſt dem Fluͤgelbug mehr ins Weißgrau, als andere Theile; im Grunde ſind ſie eigentlich matt graubraun, in der Mitte etwas roſt⸗ gelblich, mit großen weißgrauen Enden und ſchwarzen Schaͤften, die groͤßern noch uͤberdies mit einem dunkelbraunen Striche laͤngs dem Schafte. Oberruͤcken-Schulter- und Fluͤgeldeckfedern grau⸗ braun, nach den Enden zu heller (mehr braun) mit weißgrauen verduſchten Kanten und Spitzen; ſie ſind theils in der Mitte, theils auch nur auf einer Seite dunkler als an der andern, und uͤberdies mit vielen ganz dunkelbraunen neuen Federn untermiſcht, wodurch das Ganze ein dunkelbraun, falb- und weißgrau gewoͤlktes Anſehen I. Ordn. IV. Gatt. 8. See⸗Adler. 229 bekommt. Die großen Deckfedern ſind dunkelbraun, nur hin und wieder mit hellerer Miſchung, die hintern Schwingen, nebſt den laͤngſten Schulterfedern, noch dunkler, und die großen Schwingen nach den Enden zu ſchwarz und ihre Schäfte ſchmutzigweiß. Unter: ruͤcken und Steiß find ſchwarzbraun, die letzten Schwanzdeckfedern weiß mit einigen ſchwarzbraunen Flecken; die Schwanzfedern ſchnee⸗ weiß nur an der Wurzel etwas ſchwarz gefleckt und beſpritzt, wel: ches aber die Deckfedern faſt ganz bedecken. Die Federn an der Bruſt, dem Bauch und an den Hoſen ſind dunkelbraun, mit etwas helleren Spitzenſaͤumen; die Oberbruſt noch mit hellfalben Federn untermengt; die untern Schwanzdeckfedern f m mit feinen helleren Endſaͤumen. Im hohen Alter und hoͤchſter Vollkommenheit werden die Farben des Gefieders einfoͤrmiger; den ganzen Mantel deckt ein duͤſteres Braun, mit helleren Federraͤndern, hin und wieder mit roſtfarbener und gelblicher Miſchung; der ganze Unterleib iſt dun⸗ kelbraun, die großen Schwingen ſchwarz; Kopf und Hals bis zur Bruſt ſchmutzig gelbbraͤunlichweiß, mit braͤunlichen Federſchaͤften und Wurzeln; die letzte Reihe der obern Schwanzdeckfedern, fo wie der Schwanz rein weiß; Wachshaut, Iris und Fuͤße hochgelb, der Schnabel ſchoͤn gelb mit etwas lichterer Spitze. — In minde⸗ rer Vollkommenheit iſt der Kopf und Hals noch ſehr truͤbe weißlich gelbgrau, und der Schwanz nach der Wurzel zu ſchwarzbraun bes ſpritzt; auch an der Spitze deſſelben zeigen ſich zuweilen noch einzel⸗ ne Punkte und kleine Fleckchen von dieſer Farbe. Die untern Fluͤ⸗ geldeckfedern ſind graubraun und die untere Seite der en ift ſehr dunkel aſchgrau. Die herrſchende Farbe am Gewande dieſes Adlers, iſt, wie man auch aus den Beſchreibungen und an den Abbildungen erſieht, ein unanſehnliches duͤſteres Braun oder eine truͤbe, erdige Umbra- farbe, bei den Alten lichter als bei juͤngern, und am dunkelſten bei ganz jungen Voͤgeln. Dieſe Farbe ſchießt mit der Zeit ſehr ab, Luft, Sonne und Witterung bleichen ſie aus, weswegen man ſie bald nach der Mauſer nur in ihrer Eigenthuͤmlichkeit, ſpaͤterhin aber immer ſehr verändert. erblickt, fo daß vornehmlich die Feder— ſaͤume, die ſich auch noch dazu ſehr abnutzen und verſtoßen, ſehr viel lichter werden. Da nun der Vogel ſehr langſam mauſert, ſo erhaͤlt man ihn auch ſelten rein ausgemauſert, (nur etwa kurz vor dem Anfang der neuen Mauſer im Sommer) daher immer unvoll⸗ ſtaͤndig und ungleich gefaͤrbt, indem die zuerſt hervorgebrochenen 230 IJ. Ordn. IV. Gatt. 8. See⸗Adler. Federn ſchon abgeſchoſſen und abgenutzt ſind, ehe ſich viele ihrer Nachbarn erneuet haben. Dieſer Umſtand darf bei Unterſuchung dieſer Voͤgel nicht uͤberſehen werden; er iſt von großer Wichtigkeit und traͤgt das Meiſte dazu bei, daß man ſo ſelten zwei Seeadler ganz gleich gefärbt findet. Hiezu kommt nun, daß die allmaͤhlige Verwandlung des Seeadlers in den weißſchwaͤnzigen Adler, lang— ſamer als bei irgend einem andern bekannten Raubvogel vor ſich geht, und es daher die Abſtufungen von einer der drei Hauptver— ſchiedenheiten zur andern ſo viele giebt, daß es kaum moͤglich ſeyn möchte, ſie alle zu beſchreiben und zu weitläufige Beſchreibungen ſich auch nur für Monographien zu eignen ſcheinen. Ich hoffe we— nigſtens die wichtigſten hier dargeſtellt zu haben. f A u fe h bh e. Im Norden von Europa, Aſien und Amerika iſt dieſer Adler nirgends ſelten, und auf den kalten unfreundlichen Inſeln und in den Kuͤſtenlaͤndern unſres Welttheils ſehr gemein. In Deutſchland kennt man ihn uͤberall. Er liebt vorzuͤglich die Seekuͤſten, auch die Gegenden bei großen Landſeen und großen Fluͤſſen. Auf feinen Wanderungen, welche er zur Winterszeit un⸗ ternimmt, beſucht er ſowol Ebenen als Gebirge, wenn fie nur Waldungen haben, in welchen er wenigſtens ruhig uͤbernachten kann; er weilt aber auch gern am Tage in ſelbigen. Vom Oktober bis im März iſt er in Deutſchland allenthalben einzeln anzu= treffen, vorzuͤglich im noͤrdlichen. Hier iſt er der gemeinſte unter den groͤßern Adlerarten; vorzuͤglich liebt er ſolche Gegenden in welchen es viel Haaſen giebt. Er iſt ein deutſcher Strichvogel der den ganzen Winter hindurch im Lande umherſtreift und ſich da, wo er die meiſte Nahrung findet, am laͤngſten aufhaͤlt. Bei gelinden Wintern zieht er ſich mehr an die Meereskuͤſten und an andere offene Gewaͤſſer, und iſt dann im Innern Deutſchlands ſeltner, als in kalten Wintern, weil er bei 1 Kälte und vielem 7 tiefer landeinwaͤrts geht. 5 Eigen ſchaf ten. Ob dem Seeadler gleich die Kuͤhnheit und Gewandheit des Koͤnigs⸗ und Steinadlers abgeht, und er gegen dieſe in allen ſei— nen Bewegungen weit traͤger, langſamer und ungeſchickter iſt, ſo iſt er doch immer noch ein gewaltiger Räuber, deſſen Staͤrke und Uebergewicht das arme kleinere Wild ſehr zu fuͤrchten hat. Sein J. Ordn. IV. Gatt. 3. See⸗Adler. 251 Blick iſt wild und grauſam, aber man vermißt darin das Maje⸗ ſtaͤtiſche, das awanglaſe Selbſtvertrauen eigener Kraft, das jene ſo ſehr charakteriſirt. In der Gefangenſchaft betraͤgt er ſich un⸗ baͤndig und ziemlich plump, ſitzt oft wie ein großer Klumpen da, auf Baumzweigen und Anhoͤhen ziemlich aufgerichtet, auf flachem Boden aber mehr in horizontaler Richtung des Koͤrpers und mit haͤngendem Schwanze. Er iſt auch geſellſchaftlicher als die andern Adler und man ſieht ihrer oft zwei, drei und mehrere beiſammen, die dann gemeinſchaftlich mit einander jagen, ſich aber auch oft um die gemachte Beute zanken und unter ſich das Recht des Staͤr⸗ kern geltend machen. Die juͤngern muͤſſen dann gewoͤhnlich den aͤltern weichen und ſich gefallen laſſen, daß dieſe ihren eben erhaſch⸗ ten Raub, wenn er nicht gar groß iſt, allein verzehren. — Er iſt zwar vorſichtig genug, jedoch nicht in dem Grade ſcheu, als der Steinadler; denn oft genug laͤßt er den Wanderer und Arbeits⸗ mann, ja ſelbſt zuweilen den Schuͤtzen ziemlich nahe an ſich kom⸗ men, beſonders wenn er ſich recht voll gefreſſen hat. Er hat einen ſchwerfaͤlligen Flug; langſam ſchwingt er die Fluͤgel auf und nie⸗ der, gleitet dann wohl wieder eine Strecke ohne Fluͤgelbewegung durch die Luft, und fliegt ſelten ſehr hoch. Wenn dies aber ge— ſchieht, ſo weiß er ſich, ſo gut wie andere großen Raubvogel, in Kreiſen, ohne ſichtbare Fluͤgelbewegung, zu einer unermeßlichen Hoͤhe hinauf zu ſchwingen. Man ſieht ihn ſo zuweilen ſich ſtun⸗ denlang in einem Kreiſe herumdrehen. Ueber dem Waſſer ſahe ich ihn manchmal in geringer Hoͤhe mit ausgeſpannten Fittigen und Schwanze unbeweglich an einer Stelle in der Luft, gleichſam wie angenagelt, ſtill ſtehen, und ſeine Aufmerkſamkeit auf eine gute Beute im Waſſer lenken. Er hat im niedern Fluge etwas Eige⸗ nes, was ihn in der Ferne vor allen kenntlich macht; er ſenkt naͤm⸗ lich den ſehr ausgeſtreckten Hals ſo wie den ausgebreiteten, kurzen, ſtumpfkeilfoͤrmigen Schwanz etwas unter die Horizontallinie, in welcher der Koͤrper durch die Luft geleitet, herab. Seine Stimme iſt ein rauhes tiefes Krauh, — krauh! was ſehr weit ertoͤnt und zum Schrecken des Wildes in den Waͤl⸗ dern fuͤrchterlich widerhallt. Auch ſoll er eine pfeifende oder ziſchende u ‚öfters hören laſſen. Nahrung. Dieſe ift nach der Jahreszeit und der Gegend in welcher er ſich aufhaͤlt, ſehr verſchieden. Im Sommer, wo er ſich mehrentheils 232 I. Ordn. IV. Gatt. 8. See⸗Adler. an den Meereskuͤſten und an andern großen Gewaͤſſern im Norden aufhaͤlt, beſteht ſie hauptſaͤchlich in großen Fiſchen. Er ſchwebt deshalb langſam uͤber dem Waſſer und ſtuͤrzt ſich, bei Erblickung eines zum Fange geſchickt ſtehenden Fiſches, mit angezognen Flüs geln aus der Luft herab in die Fluthen, Ind verfehlt ſelten ſeinen Raub, den er dann in den Klauen gewoͤhnlich auf eine benachbarte Anhöhe trägt und verzehrt. Zuweilen wagt er ſich aber auch an zu große Fiſche, die ihn mit ſich in den Abgrund ziehen, und ihn erſaͤufen. Ein glaubwuͤrdiger Mann erzaͤhlte mir, daß er einſt einen Seeadler ſich in den bekannten Eisleber Salzſee ſtuͤrzen und nicht wieder hervorkommen geſehen, dem wahrſcheinlich dies Schick— ſal zu Theil ward. Auch hat man mehrere Beiſpiele, daß ſehr große Fiſche gefangen wurden, die noch die Krallen dieſes Adlers in ihrem Koͤrper ſtecken hatten, woran auch noch mehrere oder wenigere Ueberbleibſel des Knochengeruͤſtes hiengen. — Man ſagt, daß er auch junge Robben fange, ja ſich ſogar manchmal an alte wagte. Daß er von der Natur zum Fiſchfange angewieſen iſt, beweiſen die ſehr rauhen und ſcharfen Warzen ſeiner Fußſohlen, die gewiß zum Feſthalten dieſer ſchluͤpfrigen Geſchoͤpfe die beſten Dienſte leiſten; daß fie ihn aber nicht, wie den Flußadler, ausſchließlich zum Fiſch⸗ raͤuber ſtempelte, ſieht man deutlich an der übrigen Geſtalt feiner Fuͤße. Auf dem Lande, beſonders im Winter, verfolgt er daher die kleinern unter den warmbluͤtigen Thieren, als Hirſch- und Rehkaͤlber, junge wilde Schweine (Friſchlinge), Haaſen, Kanin⸗ chen, und nur wenn er nichts anders haben kann, auch Hamſter, Ratten, Maulwuͤrfe und Maͤuſe. Auch junge Ziegen und Laͤmmer raubt er. Die groͤßern Thiere greift er oft in Geſellſchaft an, und ich weiß ein Beiſpiel, daß drei Seeadler ſich mit einem ſchon ziems lich großen Friſchling herumbalgten, wobei einer dieſer Adler ge: ſchoſſen wurde. Die Haaſen haben an ihm einen argen Feind, denn ſie ſcheinen, naͤchſt den Fiſchen, ſeine Lieblingsſpeiſe zu ſeyn. Er durchſtreift ihrentwegen, vorzuͤglich im Winter, die Felder, und fie fürchten ſich ſo vor ihm, daß fie, ſobald fie ihn von Weitem an: kommen ſehen, ungeſaͤumt die Flucht ergreifen, dem naͤchſten Ge⸗ buͤſch zueilen und ſich hier zu verbergen ſuchen. Unſre Anhaltiſchen Fluren, die fo viel von dieſem feinem Lieblings- Wildpret ernaͤh⸗ ren, werden daher zur Winterszeit haͤufig von dieſen Adlern heim— geſucht. — Alle groͤßern Voͤgel dienen ihm ebenfalls oft zur Beute und, ſo wie er die fluͤchtigen Thiere im Laufe erhaſcht, ſo faͤngt er jene im Fluge. Trappen und wilden Gaͤnſen ſetzt er heftig zu; J. Ordu. IV. Gatt. 8. See# Adler. 255 auch die zahmen Gaͤnſe ſind ſeinen Verfolgungen ſehr haͤufig aus⸗ geſetzt. In den Seeſtaͤdten holt er oft das Hausgefluͤgel vor den Thuͤren hinweg, wie man z. B. in Holland zur Winterszeit oft ſieht. Hier, fängt er auch häufig den Auſternfreſſer (Haematopus) und andre Strandvoͤgel. Ich habe ihn auch nach ſitzenden Rebhuͤhnern ſtoßen ſehen, die er aber, ſobald fie aufflogen, nicht weiter vers folgte. Enten und andere Waſſervoͤgel ſuchen ſich ebenfalls durch eine ſchnelle Flucht vor ſeinen Klauen zu ſichern, wol wiſſend, daß dies fuͤr ſie ein ſichereres Rettungsmittel als das Untertauchen ins Waſſer iſt. — An ihm bewährt ſich vorzüglich das uralte Sprich— wort: „Wo ein Aas iſt, da ſammlen ſich die Adler.“ Er ver⸗ ſchmaͤhet keins, und geht beſonders gern auf den Aufbruch (die Eingeweide) vom Wilde, den man gewoͤhnlich für die Fuͤchſe hinlegt. Fortpflanzung. Er niſtet oder horſtet, wie die Gelegenheit es darbietet, bald in Hoͤhlen oder auf freien Vorſpruͤngen unzugaͤnglicher Felſen, in der Naͤhe der Meereskuͤſten, oder im Gipfel der hoͤchſten aͤlteſten Baͤume, in großen einſamen Waldungen und waſſerreichen Gegen⸗ den noͤrdlicher Laͤnder. Im noͤrdlichen Deutſchland bruͤtet er zwar auch noch hin und wieder, z. B. im Meklenburgiſchen, auf Ruͤgen und in den Waͤldern oder felfigen Gegenden andrer nord⸗ oͤſtlichen Kuͤſtenlaͤnder; doch wird er immer ſeltner, jemehr die Cultur ſich ausbreitet und auch in die alten Waldungen dringt. Vor vielen Jahren horſteten in den Waͤldern um Deſſau noch Adler, worunter auch Seeadler waren, die alle Jahre ihren alten Horſt wieder aufſuchten und ausbeſſerten. Die alten tauſendjaͤh⸗ rigen Eichen worauf ſie niſteten, waren unter dem Namen: Adler⸗ eichen, bekannt; aber ſie wurden, wie andere ihres Gleichen, nach und nach gefaͤllt, und fo wie die alten hohen Baͤume immer feltner wurden, die Gegend wegen mehrerem Anbau immer lebhafter ward, ſo verſchwanden auch die Adler zur Brutzeit aus derſelben, horften aber wahrſcheinlich nicht weit von hier bis jetzt noch. — Der Horſt iſt von derſelben Bauart und aus eben den groben Materialien ge⸗ bauet, wie der des Steinadlers, die Eier aber groͤßer und mehren⸗ theils weniger gefleckt; ſie ſind abgerundet, weiß, meiſt ungefleckt, oͤfters doch aber auch mit braunroͤthlichen Flecken beſpritzt. Es liegen ihrer zwei, ſeltner drei, in einem Neſte, die aber nicht alle ausgebruͤtet werden, denn gewoͤhnlich findet man nur zwei, zuwei⸗ 254 IJ. Ordn. IV. Gatt. 8. See- Adler. len auch nur ein Junges im Neſte. Die Jungen find ſehr ge- fraͤßig, und da es den Alten, wegen ihrer Schwerfaͤlligkeit Muͤhe macht, ſie lange zu ernaͤhren, ſo ſollen ſie ſelbige bald aus dem Neſte treiben, und ſie noͤthigen, ſich ſelbſt Raub aufzuſuchen. Die Nachrichten vom Raube kleiner, zwei- bis vierjaͤhriger (1) Kinder, die ſie, dieſen zu Folge, den Jungen zugeſchleppt haben ſollen, klingen etwas maͤhrchenhaft; man muß an der Wahrheit derſelben zweifeln, wenn man weiß und ſelbſt geſehen hat, wie ſchwer es dem Seeadler wird einen Haaſen fortzuſchleppen, der doch um vieles leichter iſt als das ſchmächlichſte Kind von zwei Jahren. Feinde. Außer den allgemeinen Voͤgelfeinden, die auch in und auf ſei— nem Koͤrper wohnen, verfolgen ihn Raben und Kraͤhen mit vielem Geſchrei, und zanken ſich oft heftig bei den Aeſern mit ihm herum, doch ohne ihm ſchaden zu koͤnnen. Jagd. Dia er weniger ſcheu als der Steinadler iſt, fo iſt er auch leich- ter mit Schießgewehr zu erſchleichen, weil er aber ein zaͤhes Leben hat, ſo kann er auch einen tuͤchtigen Schuß vertragen, und man bedient ſich dazu mit groͤßerer Sicherheit der Kugelbuͤchſe. Beim Aaſe, beſonders auf den Fuchshuͤtten iſt er am leichteſten zu be— kommen. Wenn bei ſtrengen Wintern in den Thiergaͤrten Wild: pret draufgeht, ſo findet er ſich gewiß bald dabei ein. Bemerkt man dies, fo darf man ſich nur einen Schirm von Zweigen, ent— weder von Wintereichen oder Nadelholz, hinter welchen man ſich verbergen kann, dabei aufbauen, und er wird nicht lange auf ſich warten laſſen. In Fuchseiſen, worauf man ein Stuͤck Aas gelegt hat, faͤngt er ſich leicht. In den Raubvogelfang mit der Taube geht er ſehr ſelten. | Nutz en. Dieſer moͤchte nicht von Bedeutung ſeyn. Daß im Norden die Haut zu Kleidungsſtuͤcken verarbeitet und das Fleiſch, beſonders der Jungen, gegeſſen wird, und daß ſeine Spuhlen zum Schreiben zu gebrauchen ſind, iſt beinahe alles was man davon ſagen kann. Die Einwohner der Kuriliſchen und andrer Inſeln und Kuͤſten jener noͤrdlichen Meere ſchaͤtzen die Schwanzfedern ganz beſonders zum \ IJ. Ordn. IV. Gatt. 8. See: Aler. 255 Befiedern der Pfeile und treiben Handel damit nach Hk und ans dere ſudliche Kuͤſtenlaͤnder. Schaden. Wie nachtheilig er den Jagden und Fiſchereien iſt, ergiebt ſich aus ſeiner Nahrung. In Thiergaͤrten iſt er ein eben ſo ſchlimmer Gaſt als die beiden vorhergehenden, und das Wild verraͤth die An— weſenheit eines ſolchen durch ſein unregelmaͤßiges, aͤngſtliches Hin⸗ und Herrennen. Dem Jäger wird, für Erlegung eines ſo ſchaͤdli⸗ chen Vogels, in den meiſten kultivirten Laͤndern, ein Fa ce Schiesgeld ausgezahlt, ur ir Beobachtung. Man hat ſeit einiger Zeit von Neuem zu zweifeln ange⸗ fangen, daß der Falco ossifragus, F. albicilla und F. leucocephalus der deut⸗ ſchen Schriftſteller, zu einer Art gehoͤrten; allein nach meiner Ueberzeugung mit Unrecht. So wie ich ſie oben beſchrieben, habe ich alle Uebergaͤnge, friſch in den Haͤnden gehabt und mehr als zwanzig Stuͤck von allen Alters⸗ und Geſchlechtsver⸗ ſchiedenheiten genau unterſucht und unter einander verglichen, aber durchaus keinen Grund zu einer Trennung unter ihnen finden koͤnnen. Die ſchoͤnſte allmaͤhlige Stu⸗ fenfolge, vom Jungen zum Vogel im mittlern Alter, und ſo immer hoͤher hinauf, bis zu den in hoͤchſter Vollkommenheit, mit dem weißgrauen Kopfe, habe ich nicht allein todt vor mir gehabt, ſondern auch zur Gnuͤge im Freien lebend beobachtet und in ihrer Lebensart voͤllig uͤbereinſtimmend gefunden. Man ſieht ſie immer bei⸗ ſammen und kann ſie in der Ferne, wo man die Farbe nicht erkennen kann, nicht von einander unterſcheiden; Flug, Stimme, Nahrung, alles iſt bei dem einen, wie beim andern. Hierzu kommt noch, daß der junge Vogel weit haͤufiger iſt, als der ältere, und die Weißköpfe noch ſeltner, als die Weißſchwaͤnze. So erinnere ich mich unter obiger Anzahl nur fuͤnf bis ſechs der letzten und gar nur zwei der er⸗ ſtern; alſo waren mehr als ein Dutzend junge oder Uebergangsvoͤgel darunter. Mit alle dem ſtimmen auch die Beobachtungen meiner Freunde Temminck und Kuhl auf das Genaueſte uͤberein. 8 Anmerk. Ich habe zwar mehrere Seeadler in der Gefangenſchaft geſehen, aber keinen Jahrelang beobachten koͤnnen, was wegen der hier ſo langſamen Ver⸗ wandlung doch durchaus noͤthig wär, und an ſichern Nachrichten hierüber fehlt es zur Zeit leider noch. Nur Latham (a. a. O.) erwähnt ein hiehergehoͤriges Beiſpiel, wo an einem jungen aufgezogenen Adler dieſer Art, nach ſechs bis ſieben Jahren erſt, der Schwanz weiß wurde. — Hr. Becker (Teutſche Ornith. a. a. O.) er: waͤhnt zwar eines Seeadlers der 14 Jahr lang unterhalten wurde, ſich aber waͤh⸗ rend dieſer Zeit nicht veraͤndert haben ſoll; allein es ſcheint faſt, da er ſo leicht uͤber dieſe wichtige Sache hinſchluͤpft, als wenn er dieſen Vogel nicht ſelbſt beobachtet hätte. — Wer uͤbrigens weiß, wie unregelmäßig es häufig mit dem Farbenwechſel der Voͤgel in der Gefangenſchaft geht, dem wird ſich auch dieſer ungewoͤhn⸗ liche Fall erklaͤren. — Mich kann er in meiner Meinung wenigſtens nicht ſchwanken machen, und ich koͤnnte, wenn ichs nicht fuͤr unnuͤtz hielt, mich hier noch auf das Zeugniß andrer zu berufen, die Namen gar vieler wuͤrdigen Ornithologen anführen, die ebenfalls den Vogel zur Gnuͤge im Freien beobachteten, und mit mir fanden: daß der in Deutſchland zuweilen vorkommende weißkoͤpfige Adler, als alter voll⸗ kommener Vogel zum weißſchwaͤnzigen und Seeadler gehört. Ob aber der im nordweſtlichen Amerika fo häufig vorkommende weißköpfige Adler auch zu unſrer Art gehört? dies iſt eine andere Frage, die ich entſcheidend zu beantworten mich noch nicht getraue ). ) Nach vor Abdruck dieſer Bogen erhalte ich durch Herrn Temminck völlige 0 * 236 I. Ordn. IV. Gatt. 9. Nattern- Adler. Falco Glaucopis Gmel. Linn. I. p. 255. N. 42. kann, nach meinem Da⸗ fuͤrhalten, als Synonym nicht zum Seeadler gezogen werben, ob es gleich mehrere meiner Vorgaͤnger gethan haben, denn dagegen ſtreitet, nebſt mehreren, vornehm⸗ lich die Groͤße, welche nur der des Maͤuſebuſſards gleichkommt. { 9. Der Nattern⸗ Adler. 0 brachydactylus. Temm. Taf. 15. Maͤnnchen. Buffard= Adler, blaufüßiger Adler, Adler mit weißen Augen⸗ kreiſen, Lerchengeier, weißer Hanns (Jean le blanc). Falco gallicus. Gmel. Linn. syst. I. 295. n. 52. == Falco leucopsis. Behft. ornith. Taſchenb. S. 460. n. 3. — Deſſen Naturg. Deutſch. 2te Aufl, II. 572. n. 8. = Aquila leucamphomma. Borkhauſen, Becker ꝛc. teutſch. Or⸗ nith. Heft 9. = Aquila brachydactyla. Meyer und Wolf. Taſchenb. Deutſch. V. I. 21. — Le Jean le blanc. Buff. ois. I. 124. = Id. Pl. enlum. 413 = Edit. de Deux-Ponts I. 125. t. 4. = Aigle jean le blanc. Temm. Man. d’orn.p. 15. = Falco terzo d’aquila. Stor. degl. ucc. pl. 41, 42 et 43. Meyer u. Wolf Naturg. aller Voͤgel Deutſchl. Heft 24. — Meisner und Schin z B. d. Schweiz. S. 9. n. 7. - Koch baier. Zool. I. 114. n. 39. Naumann Naturg. d. V. alte Ausg. Nachtraͤge. S. 360. Taf. 5 1. Fig. 97. (C. Ges ner Thierb. v. d. V. S. 19. —) Kennzeichen der Art. Wachshaut und Fuͤße lichtblau, der Augenſtern gelb, die Fußwurzeln lang, die Zehen kurz; um das Auge ein weißwollichter Fleck; Oberleib braun; Unterleib weiß, mit lichtbraunen oder rofl: grauen Flecken, Schwanz mit drei dunklen Querbinden. Beſchrei bung. Dieſer Adler haͤlt in der Groͤße das Mittel zwiſchen dem Steinadler und dem Flußadler, doch iſt er noch etwas größer als Beſtaͤtigung dieſer meiner Meinung, daß naͤmlich der F. leucocephalus des Linné nur dem Norden von Amerika angehöre und eine von unſerem F. albicilla ganz verſchiedene Art ſey, der letztere zwar auch dort, aber nicht der erſtere in Europa, vielweniger in Deutſchland vorkomme. An dem wahren Falco leucocephalus, Linn. find nicht nur der Schwanz, ſondern auch die un⸗ tern Deckfedern und der After, ſo wie auch Kopf und Hals rein weiß, der Rumpf faſt einſarbig chokoladbraun, und die Groͤße etwas gerin⸗ ger als die unſeres Seeadlers. J. Ordn. IV. Gatt. Nattern= Adler. 257 der Schreiadler. Länge: 27 bis 28 Zoll; Breite: 67 bis 69 Zoll; der Schwanz 112 Zoll und die Fluͤgelſpitzen reichen ans Ende deſ— ſelben. Der Geſtalt nach ſteht er gerade zwiſchen Adler und Bufs ſard mitten inne. Der ziemlich große, ſchoͤn gekruͤmmte, Gbolten e ungezahnte, im Bogen oben faſt 23 Zoll lange Schnabel iſt blaͤulich, an der Spitze ſchwarz; der Rachen blaͤulich; die Wachs haut hellblau; das Naſenloch laͤnglich und die Iris ſchoͤn gelb. Die Beine find 13 Zoll unter dem ſogenannten Knie herab weiß befiedert; die grob ziegeldachfoͤrmig geſchuppten Fußwurzeln ſtark und hoch, die geſchuppten, nur nahe am Ende geſchilderten, Zehen kurz und ſchwaͤchlich; die Krallen klein, ſchwaͤchlich und we⸗ nig gekruͤmmt, die mittelſte mit einer kleinen Schneide auf der in⸗ nern Seite; kurz die ganzen Beine ſind denen des Maͤuſe-Buſſards gleich und ſtehen auch mit der Groͤße des Vogels in eben dem Ver⸗ haͤltniß wie bei jenem. Die Beine und Zehen ſind blaß hellblau, die Krallen ſchwarz, das Schienbein 42 Zoll, Mittelzeh und Kralle 3 Zoll und Hinterzeh und Kralle im Bogen 13 Zoll lang. N Ein Kreis ums Auge herum und die Zügel ſind mit einer ehe kurzen weißen Wolle oder Dunen beſetzt, unter denen an den Au⸗ genliedern, der Schnabelwurzel und dem Mundwinkel ſchwarze Borſthaare ſtehen, die am letztern am laͤngſten ſind. Stirn, Kehle und Wangen ſind weiß mit ſchmalen braunen Strichelchen; die ſtarren, ſehr ſpitzen Federn des Kopfes und Hinterhalſes mattbraun, heller geſaͤumt; Kropf und Oberbruſt lebhaft hellbraun mit ſchwar⸗ zen Federſchaͤften; Bruſt, Seiten, die langen Hoſen, After und untern Fluͤgeldeckfedern weiß mit einzeln hellbraunen Querflecken, die jedoch auf der Mitte der Bruſt und am Bauche am haͤufigſten ſtehen; Ruͤcken⸗, Schultern = und kleinen Fluͤgeldeckfedern tief braun mit hellern ins Weiße uͤbergehenden Federkanten und ſchwar— zen Schaͤften; (einige dieſer Federn ſind ſehr ſpitz). Der Steiß heller als der Rüden; die großen Fluͤgeldeckfedern dunkelbraun mit braͤunlichweißen Sb kantenz alle Schwingen, die Deckfedern der erſten Ordnung und die größten Schulterfedern ſchwarzbraun mit ſehr feinen hellbraunen Saͤumen und weißen Endkanten; alle Schaͤfte der Schwingen nach der Wurzel hin weiß, fo auch ein breis ter Saum an der innern Fahne derſelben und von der fünften an, bis in die der dritten Ordnung hinein, hat jede derſelben 3 bis 4 große ſchwarze Querbinden. Die zwölf dunkelbraunen Federn des geraden Schwanzes haben hellere Saͤumchen, eine breite weiße 258 IJ. Ordn. IV. Gatt. 9. Nattern= Adler. Endkante, weiße Schaͤfte, dergleichen Wurzeln (die aber von den obern Schwanzdeckfedern bedeckt werden) und alle haben drei ſchwarze Querbinden, wovon die nahe an der Spitze die groͤßte iſt; auch iſt die innere Fahne nach der Wurzel zu ganz, nach der Spitze hin aber nur zur Haͤlfte weiß. Unten ſind die großen Schwingen weiß mit ſchwarzgrauen Enden, die uͤbrigen Schwingen und der Schwanz weiß mit den graudurchſchimmernden Binden. Das Weibchen unterſcheidet ſich durch die anſehnlichere Groͤße und durch die groͤßern und haͤufigern Flecken am Unterleibe, die auch mehr eine rhomboidaliſche Form haben. Es iſt gewoͤhn— lich 2 Zoll ‚größer als das Männchen. 8 Die juͤngern Voͤgel ſehen bleicher aus als die aͤltern und die Flecken am Unterleibe ſind breit lanzettfoͤrmig. Die jungen, eben ausgewachſenen Voͤgel ſind von oben her dunkler, an allen untern Theilen aber wie mit blaſſem Roſtbraun uͤbergoſſen, durch welche ſich hie und da die weiße Grundfarbe nur in Flecken zeigt, doch find die kurzen Hoſenfedern deutlicher gebaͤn— dert; die dunklen Schwanzbinden wenig von den etwas lichtern Zwiſchenraͤumen unterſchieden; „ und Fuͤße blaͤulichweiß⸗ A die Iris blaßgelb. Aufenthalt. Wie weit wir. feit kurzem in den Naturwiſſenſchaften, desen ders der vaterlaͤndiſchen Ornithologie, vorgeruͤckt ſind und welche herrlichen Fortſchritte in dieſem ſchoͤnen Theile der Naturkunde, durch raſtloſen Eifer fo vieler würdigen Männer, gemacht worden find, beweift unter andern auch die Kenntniß dieſes Vogels. Vor nicht gar langen Jahren kannte man ihn bei den Schriftftel- lern, als deutſchen Vogel noch nicht, und vor wenigen Jahren zaͤhlte man ihn noch unter die groͤßten Seltenheiten. Ob er nun jetzt wol nicht unter die gemeinen Voͤgel zu zaͤhlen iſt, ſo hat man ihn doch allenthalben angetroffen und ſo gehoͤrt er nun gar nicht mehr unter die ſehr großen Seltenheiten. Am Rhein, in der Schweiz, Oeſterreich, Schleſien und vorzuͤglich in Fran— ken iſt er mehrmals geſchoſſen worden, ſo auch bei Leipzig und in hieſiger Gegend. Ich erhielt ihn ein paarmal aus benachbarten Waͤldern in den Sommermonaten; auch in Schleſien wurde er eini— gemal zur Erndtezeit geſchoſſen. Er ſcheint alſo ein Sommervogel zu ſeyn. Immer traf man ihn entweder an lichten Holzflecken, oder an ſumpfigen Orten in und an den Waͤldern an, wo er ſich I. Ordn. IV. Gatt. 9. Nattern⸗Adler. 259 haͤufig an der Erde aufhielt. Uebrigens ſoll er, nach dem Zeugniß glaubwuͤrdiger Maͤnner, in gebirgigten Waldungen des mittleren und ſuͤdlichen Deutſchlands oͤfterer angetroffen werden, ja ſogar in letzteren auch zuweilen bruͤten. Er vertauſcht wahrſcheinlich im Winter die kaͤlteren Gegenden Deutſchlands mit denen des waͤrme— ren Europa; denn, ſo viel ich weiß, hat man ihn im Winter noch nicht bemerkt. Wenn es, wie ich glaube, der Vogel iſt, den Buf⸗ fon unter dem Namen: Jean le blanc, beſchrieben und gebildet hat, ſo iſt er in Frankreich ziemlich bekannt. Ueberhaupt iſt das ſuͤdliche Europa, vielleicht auch das gemaͤßigtere Aſien und Afrika fein e Vaterland. Im Norden iſt er ganz unbekannt. e fc he Dieſer Vogel iſt in mancher Hinſicht eine werkvirdiget Erſchei⸗ nung. Er iſt dem aͤußern Anſehn nach, ein wahres Mittelding zwiſchen Adler und Buſſard, und man koͤnnte ihn eben ſo gut zu dieſem wie zu jenem zaͤhlen. Sieht man ihn lebendig, ſo gleicht ſeine Geſtalt von vorn betrachtet, der eines Adlers, betrachtet man ihn dagegen von der Seite, ſo glaubt man einen Buſſard vor Augen zu haben ). In feinem Betragen aͤhnelt er nicht den erſtern, ſon⸗ dern den Buſſarden, und iſt nach Jaͤgerbegriffen ein ſehr unedler Raͤuber, ja der unedelſte von allen deutſchen Adlern. Er iſt ein traͤger, gutmuͤthiger Vogel, ſein Blick verraͤth mehr Schuͤchternheit als wilde Grauſamkeit, und auch im Fluge gleicht er den Buſſar⸗ den. Hier erkennt man ihn in weiter Ferne ſchon an dem weißen Unterleibe, und ſeine Groͤße unterſcheidet ihn dann nur vom weiß⸗ baͤuchigen Maͤuſebuſſard. Eine Stimme habe ich nie von ihm ge: hoͤrt, wenigſtens gab der Vogel dieſer Art, der uͤber ein halbes Jahr in der Gefangenſchaft unterhalten wurde, und den ich zu beob⸗ achten Gelegenheit hatte, keinen Ton von ſich. Er betrug ſich ganz ruhig und fand ein ganz beſonderes Wohlbehagen daran, mit den Fuͤßen im Waſſer zu ſtehen. Setzte man ihm ein weites Gefaͤß mit Waſſer in ſeinen Kaͤficht, ſo ſtellte er ſich ſogleich mit den Fuͤ⸗ ßen in daſſelbe und ſtand fo ſtundenlang darinnen. Hierinnen ba= dete er ſich auch oͤfters, ſoff aber ſeltener davon. Er gewoͤhnte ſich ) Dieſe charakteriſtiſche Eigenheit geht ſelbſt nach dem Tode an gut Ausgeſtopf⸗ ten nicht ganz verlohren. Auch Buffon bemerkte ſie an ſeinem Vogel dieſer Art. a 240 I. Ordn. IV. Gatt. 9. NRattern= Adler. bald an die Menſchen und verrieth uͤberhaupt wenig Wildheit. Es ſcheint uͤbrigens ein weichlicher Vogel zu ſeyn, der den Mangel an Freiheit und an ſchicklichen Nahrungsmitteln nicht lange uͤberlebt. 5 Nahrung. Dieſe ſcheint ſich, im freien Zuſtande faſt einzig auf Amphi⸗ bien zu beſchraͤnken, ob es gleich wahrſcheinlich iſt, daß er auch Schnecken, Regenwuͤrmer und wol auch Inſekten freſſen mag. Seine Lieblingsſpeiſe ſcheinen Schlangen zu ſeyn, denn immer fand man bei der Oeffnung Schlangen von allen Arten, in ſeinem Ma— gen. Von den Amphibien ſpeiet er die Haͤute und Knochen im Ge— woͤlle aus. Niemals fand man aber Spuren eines zerfleiſchten Vogels bei ihm; es iſt daher auch nicht wahrſcheinlich, daß er in der Freiheit je dergleichen faͤngt DD. Der Gefangene, welchen ich beobachtete, fraß außerordentlich gern Froͤſche, die er zerfleiſchte und ſtuͤckweiſe verzehrte. Nur wenn er dieſe nicht bekam, fraß er auch Eingeweide von Gefluͤgel; aber nur im hoͤchſten Nothfall gieng er an Fleiſch von Voͤgeln oder groͤßern Saͤugthieren. Er hungerte lieber, und eine todte Ente lag lange in feinem Behälter, ehe er ſich an fie machte und fie verzehrte. Dieſe unnatuͤrlichen Nah- rungsmittel ſchienen ihm auch ſchlecht zu bekommen und er ſtarb bald beim Ueberfluſſe derſelben. Fiſche ruͤhrte er nicht an, welches man auch aus dem Bau ſeiner Faͤnge, die gar nicht zum igſang eingerichtet ſind, ſchon ſchließen kann. Fortpflanzung. In den Waͤldern des ſuͤdweſtlichen Deutſchlands ſoll er zuwei⸗ len bruͤten, ſeinen Horſt auf hohe Baͤume bauen und zwei bis drei weiße, roͤthlichgefleckte Eier legen. Die Jungen fuͤttert er mit Schlangen und andern Amphibien auf. ) Sonderbar, daß man dieſen Vogel fo oft mit leerem Magen geſchoſſen hat. Auch ein Exemplar, was ich erhielt, hatte nichts im Magen, es war krank, doch nicht abgezehrt, wurde ermattet, mit leichter Muͤhe erhaſcht, und gleich⸗ wol fand ich bei der ſorgfaͤltigſten Unterſuchung keine gewaltſame Urſache zur Krankheit. Blos vom Hunger konnte er auch nicht ermattet ſeyn, da bekannt⸗ lich die Raubvoͤgel alle ſehr lange faſten koͤnnen, uͤbrigens auch jene Gegend ihm Nahrungsmittel aller Art im Ueberfluß darbot. Auf aͤhnliche Weiſe ward ſpaͤterhin ſogar noch einer gefangen. J. Ordn. IV. Gatt. 9. Nattern= Wler, 241 Fein de ſind außer dem Menſchen und den gewoͤhnlichen im Gefieder und in den Eingeweiden keine bekannt. a g d. MR Um ihn zu ſchießen 45 er vorſichtig hinterſchlichen werden, denn er iſt ſo ſcheu, wie feine andern Gattungsverwandten. Sein f Nutz en und Schaden laͤßt ſich aus dem Obigen beurtheilen. Man ſieht daraus, daß er eher zu den nuͤtzlichen als ſchaͤdlichen Voͤgeln zu zaͤhlen ſey. i Anmerk. Es iſt wol keinem Zweifel unterworfen, daß jener von Buffon a. a. O. beſchriebener und abgebildeter Vogel unſer Natternabler ſey, obgleich jener Schriftſteller, der den Vogel jung hatte, ſagt: daß ſeine Anfangs lichtbraune Wachshaut und Fuͤße nach und nach gelb geworden waͤren. Dieſe Angabe ſcheint aber offenbar auf einem Irrthum zu beruhen, ſo wie auch dort ſeine Geſchichte wun⸗ derbar mit der der Kornweihe (Falco cyaneus) vermengt iſt. Faſt alles was in jenen Werken (außer den Beobachtungen die an einem, ein halbes Jahr lang le⸗ bendig unterhaltenen, Individuum gemacht wurden) von feiner Lebensart geſagt wird, gehört dieſem Vogel und nicht dem Natternadler oder Jean le blanc, wie ihn Buffon nennt, und man weiß jetzt, aus ſichern Quellen, daß er in Frankreich gar nicht haͤufig, vielleicht auch nicht haͤufiger als in Deutſchland vorkommt. 20, Der Fluß dien Falco Ahaliaetos. Taf. 16. Maͤnnchen. Der Fiſchaar, Balbuſſard, Rohr- Fiſch- und Meeradler, kleiner Meer- Fluß⸗ und Fiſchadler, Europaͤiſcher Meeradler, Ruſſiſcher, kleiner und fehatfiger Adler, Weißfuß- und Entenad⸗ ler, Adler mit weißem Scheitel, Seefalke mit Fiſcherhoſen, Rohr⸗ falke (Entenſtoͤßer), Moos- und Fiſchweihe, Fiſchgeier, Weiß⸗ kopf, weißkoͤpfiger Blaufuß, Blaufuß mit Fiſcherhoſen, Fiſchaͤhr, Fiſchrahl; hier zu Lande: Fiſchaar und Fiſchhabicht. 0 1 242 J. Or dn. IV. Gatt. 10. Fluß⸗ Adler. Falco hialiattos. Gm. Linn. syst. I. P. 263. n. 26. F. arundinaceus. Ibid. I. c. Var. . —= Aquila haliaötos. Meyer und Wolf Taſchenb. I. ©. 23. —Deſſen Vögel Deutſchl. Heft 235. — Le Balbuzard. Buff. Ois. I. P. 103. f. 2. — Id. Edit. de Deuxp. I. p. 103. t. 3. = Id. Pl. Eni. 1.16 = ‚Gerard. Tab. Elem. I. 23. ⸗Aigle balbuzard. Temminck Man. p. 16. — Osprey. Lath. Synops. I. I. P. 45. n. 26. Ueberſ. von Bechſt. I. 1. S. 41. = Penn. Brit. Zool. t. A. 1. p. 65. =! Aquila pescatrice. Stor. nee ec. T. pl. 40. Bechſteins Naturg. Deutſchl. zte Aufl. II. ©. 577. n. 9. Deſſen Taſchenb S. 12. U. 8. = Borkh. Beil. ꝛc. teutſche Ornith. Heft 9. M. u. W. — Meisner u. Schinz Vgl. d. Schw. S. 9. n. 8. == Kochs baier. Zoologie. I. S. 114. n. 40. == Naumanns Voͤgel, alte Ausg. IV. ©. 113. t. 12. 5 Ken dei chen der Art. Wachshaut und Fuͤße lichtblau, die Iris gelb; die Beine auf der Vorderſeite vom Ferſengelenk herab nur etwas befiedert, ohne ſogenannte Hoſen, rauh geſchuppt, nebſt den Zehen ſehr ſtark, die Sohlen ſcharfwarzig, die großen Krallen in einem Halbzirkel ge⸗ kruͤmmt; von den Augen bis zu den Fluͤgeln an beiden Seiten des Halſes herab ein breiter dunkelbrauner Streif; der Unterleib weiß, nur an der Bruſt mit einzeln braunen Pfeilflecken; der ce mit ſechs dunklen Querbinden. Bee ſch kei bereuen g. Der Flußadler zeichnet ſich vorzuͤglich durch den eigenen Bau feiner Füße fo vor den andern deutſchen Raubvoͤgeln aus, daß er nicht leicht mit irgend einem verwechſelt werden kann. Unter den Adlern iſt er einer der kleinſten. Da das Weibchen ſtets groͤßer als das Männchen iſt, fo ſteigt die Lange von 24 bis 272 Zoll, und die Breite der Flügel von 58 bis zu 72 Zoll. Die in Ruhe liegenden Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen an das Ende des Schwanzes, deſ— fen Federn ga bis 10 Zoll lang und von gleicher Länge find, fo daß der Schwanz wie gerade verſchnitten ausſieht. e 5 Der Schnabel iſt ſehr flach gezahnt, halbzirkelfoͤrmig gekruͤmmt, mit ſehr langen Haken, im Durchſchnitt 12 Zoll lang und an der Wurzel 1 Zoll dick, im Bogen aber 2 Zoll lang, blau, von der Mitte bis an die Spitze ſchwarzhornfarbig. Die Wachshaut iſt ſchmal und graublau; die Naſenloͤcher laͤnglich, ſchief; die Iris goldgelb, in der Jugend blaͤſſer. e Die Fuͤße ſind 2 Zoll lang, dick, auf der Vorderſeite 4 Zoll vom Ferſengelenk herab befiedert, das ſogenannte Knie hinten kahl; der Mittelfinger 2 Zoll, der hintere 1 Zoll, und die Kralle des Mittelfingers, im Bogen gemeſſen, 13 Zoll lang, die des hintern etwas laͤnger. Die Fuͤße ſind uͤberhaupt von denen anderer Raub⸗ I. Orbn. IV. Gatt, 10. Fluß Adler. 245 vögel ganz verſchieden gebildet. Sie ſehen bleich hellblau oder blei⸗ farbig aus, ſind ganz mit einer ſchuppigen rauhen Haut uͤberzogen, welche 1 85 fo ſcharf iſt als die Fiſchhaut, womit man Holz ras⸗ pelt, wozu ſie auch, wenn fie trocken iſt, fo gut als dieſe gebraucht werden kann. Am ſchaͤrfſten iſt ſie an den Fußſohlen. Alle Schup⸗ pen, außer den wenigen großen, die ſich auf der oberen Seite der Zehen befinden, ſtehen verkehrt, d. h. ſtatt daß ſie bei andern Raub⸗ voͤgeln ziegeldachfoͤrmig auf einander liegen, und alſo mit den blo⸗ ßen Enden frei und herunterwaͤrts ſtehen, iſt es in letzterer Hinſicht hier gerade umgekehrt. Die Finger ſind kurz, dick, und am aͤuße⸗ ren, welcher noch dazu eine Art von Wendezehe vorftellt, indem er ſich, wie bei den Eulen, faſt ganz zuruͤckſchlagen laͤßt, befindet ſich am vorderſten Ballen, auf der inwendigen Seite, ein kegelfoͤrmiger ſcharfer Dorn, welcher zum beſſern Feſthalten der Fiſche viel bei⸗ tragen mag; ſonderbar und auffallend iſt es aber, daß ſich zwiſchen den Zehen auch nicht eine Spur von einer Schwimm- oder Spann⸗ haut zeigt, da doch dieſer Vogel ſeine Nahrung einzig aus dem Waſſer holt. Die ſchwarzen Krallen find halbkreisfoͤrmig, unten rund und glatt, und nicht wie bei andern Raubvoͤgeln zweiſchnei— dig; nur die Kralle des Mittelfingers hat auf der Seite, wo dem gegenuͤber ſtehenden inwendigen Seitenſinger jener dase Dorn mangelt, eine ſcharfe Schneide. Am alten Maͤnnchen iſt der Scheitel weiß, „ gefleckt, um die Augen geht ein ſchmaler dunkelbrauner Ring, und dieſen begraͤnzt ein weißer. Die ſtruppigten, zugeſpitzten und emporſtehenden Nacken- und Oberhalsfedern find weiß mit gelbli— chen Spitzen und einzelnen braunſchwarzen Schaftſtrichen, von der Schnabelwurzel und den Schläfen bis auf den halben Hals, ziehet ſich auf den Seiten des letztern ein braunſchwarzer Streif herab, von wo an der halbe Oberhals und der Ruͤcken dunkelbraun iſt. Alle untern Theile ſind weiß, hin und wieder gelblich angeflogen, nur am Kropfe mit mehreren oder wenigern hellbraunen Lanzett⸗ flecken; auch an den untern Schwanzdeckfedern ſieht man zuweilen einige hellroſtbraune bleiche Flecken. Die Fluͤgelfedern ſind dunkel⸗ braun, etwas lichter, oft weißlich gekantet; die Schwingen auf der aͤußern Fahne ſchwaͤrzlich, auf der innern, beſonders auf dem nach der Seile zu weißem Grunde, mit fingersbreiten dunkelbrau⸗ nen Querflecken beſetzt. Der Schwanz iſt dunkelbraun mit ſechs ſchwarzbraunen Querbinden, und am Ende mit einem ſchmalen weißen Kaͤntchen; doch iſt der Grund der beiden Seitenfedern viel 244 I. Orbn. IV. Gatt. 10. Fluß ⸗ Adler. heller und auf den inneren Fahnen der uͤbrigen weiß, die Kiele der⸗ ſelben gelblichweiß; die Schenkelfedern kurz und weiß. Sie bil⸗ den keine ſogenannten Hoſen, ſondern liegen glatt an. Das Weibchen iſt jederzeit etwas groͤßer, und die weißen Nackenfedern gehen nicht ſo weit auf dem Hinterhalſe herunter als beim Maͤnnchen, auch iſt es am Kropfe ſtaͤrker gefleckt als dieſes, im uͤbrigen aber faſt nicht zu unterſcheiden. Die braunen Ruͤcken⸗ und Fluͤgeldeckfedern ſind am juͤngern Maͤnnchen klar weiß geſaͤumt, welches eine angenehme Miſchung hervorbringt. An den Weib- chen ſind dieſe Federraͤnder immer ſchmutziger und weniger auffal⸗ lend. An den noch neuen Federn find fie am deutlichſten, ver— ſchwinden aber gegen die Mauſer hin beinahe ganz, durch das Ab⸗ nutzen des Gefieders, was bei dieſem Vogel beſonders ſtark if. Daher die Verſchiedenheit in dem Herbſt- und Fruͤhlingskleide, und in den Beſchreibungen und Abbildungen dieſes Vogels. Er mauſert ſich in den Sommermonaten. Die Jungen vor der erſten Mauſer ſind unten ganz weiß, die maͤnnlichen von oben ſchwarzgrau, die weiblichen braungrau, Kopf und Hinterhals ſehr ſtark mit Weiß gefleckt. Aufenthalt. Der Flußadler iſt ein uͤber viele Theile der Erde verbreiteter Vogel und wird in allen noͤrdlichen Laͤndern der alten und neuen Welt angetroffen. Man findet ihn an großen fiſchreichen Gewaͤſ⸗ ſern im innern der Laͤnder, weniger an den Meereskuͤſten, und in Deutſchland uͤberall wo es in der Nähe von Landſeen, großen Teichen, und Fluͤſſen Waldungen giebt, am liebſten in gebirgichten Gegenden. Er iſt hier nicht ſelten und gehoͤrt fuͤr Deutſchland un⸗ ter die Zugvoͤgel. Sein Zug beginnt ſchon im Auguſt und Sep⸗ tember, doch halten ſich einzelne zuweilen bis in den November. Im Fruͤhjahr kehrt er zuruͤck ſobald die Gewaͤſſer voͤllig offen ſind, doch geſchieht in hieſiger Gegend der Hauptzug i im au und dau⸗ ert oͤfters bis zu Anfang Maies. Eigenſchaften. In der Gegend wo ein Paͤaͤrchen bruͤtet, hat es gewöhnlich mehrere Fiſchteiche, die oft 2 Stunden weit von einander entfernt liegen, welche es taͤglich regelmaͤßig zu beſuchen pflegt. Auch die Zugvoͤgel halten ſich öfters in einer ſolchen fiſchreichen Gegend wo— chenlang auf. Hier gehn ſie ihrer Nahrung, den Fiſchen haupt: J. Ordn. IV. Gatt. 10. Fluß: Adler.- 245 ſaͤchlich früh zwiſchen 8 und 9 und Mittags zwifchen 12 und 2 Uhr nach. In den Zwiſchenſtunden ſieht man fie ſeltner damit beſchaͤf— tigt, ſie ſitzen dann ruhig an einem ſichern Orte die Verdauung abwartend. Wenn der Flußadler einen kleinen Teich beſucht, ſo uͤberkreißt er denſelben, gewoͤhnlich in nicht ſehr hohem Fluge, einigemal, und fliegt, wenn er hier keinen Fiſch antrifft, alsbald zu einem andern, macht es hier auch ſo, bis er endlich ſeinen Zweck erreicht. Er hat ein außerordentlich ſcharfes Geſicht, iſt aber we- der ſo wild noch ſo grauſam als die andern großen Adler, obgleich ſein Anſehen von der Art iſt, daß man die Verwandtſchaft mit ihnen nicht verkennen kann. Er iſt ſehr ſcheu und vorſichtig, und trauet der Gegend, aus der auf ihn geſchoſſen wurde, ſobald nicht wieder. Sein Flug iſt gewoͤhnlich bedaͤchtig, mit langſamen Fluͤgelſchwin⸗ gungen und etwas geſenktem Hinterleibe, ſeltner in kurzen Pauſen ſchwimmend. Seine Ruheplaͤtze find mehrentheils Felſen, Berge, Hügel oder Steine in der Nähe der Gewaͤſſer, feltner Bäume. Er ſchreiet ſanft kai, kai — kai! und laͤßt im Schreck und in der Angſt ein Gegiekere, und auch zuweilen ein rauhes Krau! von ſich hoͤren. Nahrung. Dieſe beſteht einzig in Fiſchen, von 4 Pfund bis zu 2% Pfund Schwere. Die Waſſervoͤgel laſſen nicht die geringſte Furcht vor ihm blicken, denn ſie wiſſen wol daß er ihnen nichts zu Leide thut, Unter den Fiſchen ſind Karpfen und Forellen ſeine Lieblingsſpeiſe; außerdem holt er aber auch alle große Fiſche, die nahe an die Ober: flaͤche des Waſſers herauf kommen, als: Barſche, Weißfiſche, Barben, Doͤbelte u. d. gl. heraus. Man ſieht ihn deswegen uͤber große Teiche, Fluͤſſe und Landſeen zuweilen ſehr hoch, gewöhnlich. aber ziemlich niedrig, langſam durch die Luft gleiten, oͤfters im Fluge anhalten und ſich durch ſtetes Flattern auf einer Stelle er- halten, um einen zum Fange bequem ſtehenden Fiſch recht aufs Korn nehmen zu koͤnnen. Er ſtuͤrzt ſich dann mit angelegten Fluͤ⸗ geln und ausgeſtreckten Klauen ſenkrecht aus der Hoͤhe herab in die Fluthen, daß das Waſſer über ihn zuſammen ſchlaͤgt, und holt ſei— nen Fiſch heraus; er greift aber auch oft fehl. Wenn er mit ſeiner Beute aus dem Waſſer hervorkommt, und eine kleine Strecke ge: flogen iſt, ſo macht er eine ſonderbare zitternde Bewegung, wo— durch er die an ſeinen Federn hangen gebliebenen Waſſertropfen ab⸗ zuſchuͤtteln ſucht, hebt ſich nun allmaͤhlig in die Hoͤhe, ſchreiet wol 246 I. Ordn. IV. Gatt. 10. Fluß ⸗Adler. auch vor Freude uͤber ſeinen gluͤcklichen Fang, fliegt dann damit an einen ſichern Ort, auf einen nahen Berg, Stein oder ſonſtige Er— habenheit, ſeltner auf einen Baum, und verzehrt ihn daſelbſt. Wenn man ihn mit ſeiner Beute fliegen ſieht, bemerkt man jeder⸗ zeit, daß er den Fiſch im Waſſer ſo greift, daß derſelbe den Kopf vorwaͤrts kehrt. Große Fiſche verzehrt er immer nahe am Ufer, kleinere trägt er aber oft weit weg. Er ſchlaͤgt feine Krallen zu— weilen ſo tief in ſie, daß er ſie ſelbſt nicht eher losbekommt, bis er den Fiſch verzehrt. Er klaubt das Fleiſch ſorgfaͤltig aus den Graͤ— ten. Alte glaubwuͤrdige Fiſcher haben ihn zuweilen ins Waſſer flürzen, aber nicht wieder hervorkommen geſehen; er hatte alfo wahrſcheinlich ſeine Krallen in einen zu großen Fiſch geſchlagen, und wurde von dieſem in die Tiefe gezogen und erſaͤuft. Daß alte Karpfen gefangen wurden, welche noch die halbverweſeten Klauen in ihrem Ruͤcken ſtecken hatten, iſt eine bekannte Sache und gehoͤrt eben nicht unter die ſehr ſeltnen Faͤlle. Da der Fiſchaar nichts als Fiſche frißt, ſo faͤllt er natuͤrlich auch nie auf Aas. Daß er auch Schlangen freſſen ſoll, iſt nicht wahrſcheinlich; vielleicht iſt er hier mit dem Natternadler verwechſelt worden. — Ich fand wenigſtens nie etwas anderes, als Fiſche, in ſeinem Magen, und ſah ihn auch nie nach etwas andern ſtoßen. ö Fortpflanzung. Er horſtet in großen Waͤldern, die in der Naͤhe fichreicher Gewaͤſſer liegen, und bauet daſelbſt ſeinen Horſt auf ſehr alte hohe Baume. Er beſteht aus ſtarken Zweigen, Moos u. d. gl. und iſt flach. Hierin legt das Weibchen drei bis vier weiße, roſtbraun gefleckte Eier, und bebruͤtet ſie drei Wochen. In der Naͤhe ſeines Neſtes riecht es von den Ueberbleibſeln der Fiſche, die die Jungen oft uͤbrig laſſen, ſehr unangenehm; der ganze Vogel riecht uͤber— haupt ſtark nach Fiſchen. Waͤhrend das Weibchen bruͤtet, wird es vom Maͤnnchen mit Fiſchen verſorgt, den Jungen tragen aber beide das Futter zu, und ſie ſind in dieſer Zeit bei ihren Fiſchereien viel dreiſter als ſonſt. | Fein d e. | Sn feinem Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten; auch eine beſondere Art, ganz eigen geſtalteter Milben ſitzen zwiſchen den Bartſtrahlen der Schwungfedern. Er wird immer von andern Raubvoͤgeln, vorzuͤglich von der Rohrweihe, angefeindet und ver— 1 IV. Gatt. in Fluß⸗ Adler. 24% folgt, die 10 05 9 nicht ee ann und 1 es 1 lich nur um die Ueberbleibſel ſeiner Mahlzeit zu thun iſt. Auch die zudringlichen Kraͤhen thun dies bei ihm wie bei den mehreſten Raub⸗ vögeln. Im nördlichen Amerika verfolgt ihn der weißkoͤpfige Ad⸗ ler (F. leucocephalus, Linn.) um ihm feine Beute abzujagen, und hier muß er denn natürlich allemal den Kuͤrzern ziehen. Jag 95 Man kann ihn am beſten auf folgende Art fangen Man nimmt ein Fuchseiſen (Schwanenhals) oder Ottereiſen, welches man aber ziemlich feſtſtellen muß, damit es der lebendige Fiſch, der zum Koͤder daran gebunden wird, nicht loßſchnellt, welches man da, wo ſich der Fiſchaar oͤfters feheh laͤßt, ins flache Waſſer legt. Ein ſogenanntes Tellereiſen iſt hierzu auch dienlich. Da wo er oft herumfliegt, kann man ihn aus einem Hinterhalte leicht ſchießen; ohne dieſem haͤlt es aber ſehr ſchwer an ihn zu kommen. Wegen ſeines dichten Gefieders verlangt er einen guten Schuß, und dieſer verfehlt dennoch gar oft ſeine Wirkung, wenn man ihn nicht nahe genug anbringen kann. In manchen Gegenden faͤngt man ihn auch in einer eigenen Art Netzfalle, welche unter dem N Rebe, ; 0 einen lebenden Fiſch zum Koͤder hat. f We r f Nutzen. Man ſoll die Jungen zum Fiſchfang abrichten genden Mit der e Dan Haut ſeiner Füße kann man Holz I ER S ch a den Ay 115 Dieſer iſt, ſeiner Nahrung wegen ſehr betrachtlich. Da er den Fiſchereien fo ſehr nachtheilig iſt, fo ſtellt man ihm überall nach, und der Jaͤger bekommt die abgelieferten Faͤnge von ſeiner Obrigkeit theuer bezahlt. Wo er auf ſeinem Zuge gut beſetzte Karpfenteiche antrifft, verweilt er oft mehrere Tage, und wenn man ihn nicht. ſtoͤrt, wol Wochen, und wird dieſen dadurch ſehr gefaͤhrlich. Den ſogenannten zahmen Fiſchereien, in deren Nähe er bruͤtet, wird er noch ſchaͤdlicher. Beobachtung. Er ſoll bis 6 Pfund ſchwere Fiſche aus dem Waſſer heben und forttragen; dies mag aber auch das höchfte Maaß feiner Kräfte ſeyn. Folgen⸗ des berechtigt mich zu diefer Vermuthung: Es wurde nämlich, vor einigen Jahren, auch in hieſiger Gegend ein etwas uͤber 7 Pfund ſchwerer Karpfen gefangen, an welchem noch der größte Theil des Knochengeruͤſtes eines dieſer Vögel hing. Die Krallen waren in den Ruͤcken des Fiſches wie eingewurzelt, und dieſem ſahe man, trotz feiner Bürde, eben keine Noth an. — — — —— — — nn nn nn nn nn Zweite Familie. F e Schnabel: Stark, von der Wurzel an gekruͤmmt, der Oberkiefer mit einem großen, ſehr auffallenden Zahn. Naſenloͤcher: Faſt eifoͤrmig. Fluͤgel: Kurz, auf zwei Dritttheile der Schwanzlaͤnge ſich endigend; die iſte Schwinge ſehr viel kuͤrzer als die 2te, die Ste beinahe gleich mit der Aten, welches die laͤngſte iſt. Die Fe⸗ dern find eben nicht lang, glattanliegend und derb, die Kiele ziemlich ſtraff. ih Fuße: Mit langem Lauf und langen Zehen, (vorzüglich langer Mittelzehe) ſehr hohen warzenaͤhnlichen Ballen der Fußſoh⸗ len, und großen, ſehr gekruͤmmten und ſehr ſcharfen Krallen. Ihr Flug iſt ſchnell, ohne viele Fluͤgelbewegungen, meiſten⸗ theils gerade; nur bei ſchoͤnem heiteren Fruͤhlingswetter ſieht man ſie zuweilen Kreiſe beſchreiben und dazu den Schwanz ausbreiten, was ſie ſonſt nicht thun. Es ſind liſtige und kuͤhne Raͤuber, und ergreifen ihre Beute im Fluge und im Sitzen, wie es die Umſtaͤnde fuͤgen. Große Waͤlder, beſonders wenn dieſe Felſen in der Naͤhe haben, ſind ihre liebſten Aufenthaltsorte. In der Jugend haben die Europaͤiſchen Arten aus dieſer Fa— milie am Unterleibe herzfoͤrmige oder Laͤngsflecke, im Alter wellen- foͤrmige Querlinien. Zwei Arten. 14. Der Huͤhner-Habicht. Falco pa lumbarius. Linn Taf. 1). Altes Männden. Taf. 18. Junges Maͤnnchen. Der Habicht; — Hab' ich, Habig, Happich, Hapch, Hache; — großer, gemeiner Gaͤnſe- und Taubenhabicht, Tauben-, Huͤh⸗ ner=, Stern- und Stockfalke, Sperberfalke, Doppelſperber, gro= ßer graugeſperberter Falke, großer gefperberter oder gepfeilter Fal⸗ ke, Ahr, Stockahr, Taubengeier, brauner Taubengeier. — Der junge Vogel: Huͤhnerfalke, gefleckter Huͤhnerfalke, Huͤhner⸗ weihe, Huͤhnergeier, dunkler Huͤhnergeier, Stechvogel; hier zu Lande: Habicht und Eichvogel; der alte Vogel: Sperberfalk und Doppelſperber. Rebhuͤhnerſtoßer. — Falco palumbarius. Gmel. Linn. syst. I. T. p. 169. n. 30. == Lath. ind. orn. I. p. 29. n. 65. = Astur. Briss. orn. I. p. 314. = L’ Autour. Buff. ois. I. p. 230. == Id. Edit. de Deuxp. I. p. 237. f 11. = Id. Planch. enl. n. 418. = Temminck Man. d'orn. p. 29. = Goshawk. Lath. syn. I. p. 68. n. 39. = Ueberſ. v. Bechſtein I. 1. S. 33. n. 39. und Anhang. ©. 660. — Bewick britt. Birds. I. p. 23). = Sparviere da Colombi. Stor. deg. ucc. I. pl. 21 et 22. - Bechſtein gem. Naturg. Deutſchl. 2te Aufl. II. S. 711. n. 23. — Deſſen Taſchenb. S. 28. u. 23. — Teutſche Ornith. v. Becker u. a. Heft 6. - Wolf u. Meyer Vogel Deutſchl. Heft 3. — Deren Taſchenb. S. 49. - Meisner u. Shin; V. d. Schweiz. S. 19. n. 17. Koch Baier. Zool. I. S. 120. n. 47. = Friſch Vögel. Taf. 81. u. 82. Nau⸗ manns Voͤgel, alte Ausg. IV. S. 143. Taf. 26 u. 27. Junger Vogel: Falco gallinarius. Gmel. Linn. I. p. 266. n. 2 Falco gentilis. Ibid. p. 270. n. 30. — Falco marginatus. Lath. ind. orn. I. p. 26. n. 55. = Fal- 2 buteo, var. y. Ibid. p. 24. L' Autour sors. Buff. Pl. enl. 461. et 423. Greater Buzzard. Lath. syn. I. 1. p. 49. n. 29. = Ueberſ. v. B. I. 1. S. 45. n. 29. Anh. S. 29. = Gentil Falcon, Penn. britt. Zool. I. p. 181. n. 50. 1 21 U 22. — e terzuolo. Stor. deg. ucc. pl. 26. — Friſch Vö⸗ gel. Taf. 72. und 73. var. ) Ein neueres engliſches Originalwerk, in 2 Bänden, mit Abbildungen der meiſten darin beſchriebenen Voͤgel. Dieſe kleinen Bilder ſind wahre Meiſter⸗ ſtuͤcke in ihrer Art; die Zeichnungen originelle und treue Nachahmungen der Natur, der Stich oder Schnitt der Holztafeln ſauber und unüuͤbertrefflich ſchoͤn. Das Ganze gereicht dem Verfaſſer als praktiſchen Ornithologen und vollendeten Kuͤnſtler zur groͤßten Ehre und noͤthigt uns hohe Bewundrung für ihn ab. 250 I. Ordn. IV. Gatt. 13 Huͤhner-Habicht. e eee Nr Wachshaut, Augenſterne und die großen ſtarken Fuͤße gelb; uͤber den Augen ein weißer Streifen; Oberleib dunkelaſchgrau oder dunkelbraun, Unterleib weiß mit ſchwarzbraunen wollenfoͤrmigen Querlinien, bei jungen Voͤgeln roͤthlichweiß mit dunkelbrau⸗ nen Laͤngsflecken; Schwanz abgerundet mit fuͤnf e mit wier oder ſechs) dunklen Querbinden. Laͤnge: 2 Fuß. 196 K Be ſchre il hung. Der Körper ift ziemlich ſchlank: der Kopf eben nicht groß, der Scheitel flach, die Fluͤgel nach Verhaͤltniß kurz, und die Beine, Zehen und Klauen außerordentlich groß und ſtark. N hal ohngefaͤhr die Größe der Rabenkraͤhe, allein feine laͤn⸗ gern Federn, beſonders die der Fluͤgel und des Schwanzes machen, daß er viel größer fiheint. Er mißt in der Länge 21 Zoll, und in der Fluͤgelbreite 423 Zoll. Erſtere ſteigt bei alten Vögeln, befon= ders beim Weibchen bis zu 26 Zoll, doch findet man unter jungen Voͤgeln beiderlei Geſchlechts oft auch keinen Unterſchied in der Groͤße. Der zugerundete Schwanz iſt 8 bis 9 Zoll lang und die Fluͤgelſpitzen reichen bis auf die Mitte ſeiner Laͤnge. Der ſtark gekruͤmmte Schnabel mißt im Durchſchnitt der Länge nach 14 Zoll, im Bogen 12 Zoll, und iſt im Durchſchnitt an der Wurzel 10 Linien hoch, gezahnt, an der Spitze ſchwarz, an der Wurzel blauhornfarbig. Die Nafenlöcher find rundlich, groß, der Rachen blau, die Mundwinkel und Wachshaut gelb, die Iris gelb, bei jungen aan u bei ältern orange, beinahe feuer⸗ farben. Dieſer Raubvogel hat, 15 Verhaͤltniß ſeiner Groͤße, ſehr große und ſtarke Beine, mit langen Fußwurzeln und Zehen, welche mit ſehr langen, krummen und ſpitzen Krallen bewaffnet ſind. Der Lauf iſt nur dicht unter dem Ferſengelenk vorn mit einigen kurzen, roͤthlichweißen und ſchwarzbraun in die Quere gefleckten Federchen beſetzt, uͤbrigens kahl, geſchildert, 34 Zoll lang, der Mittelfinger 2 Zoll, deſſen Kralle im Durchſchnitt 3 Zoll, und die hintere im Bogen 13 Zoll lang. Die Farbe der Beine iſt hellgelb, bei juͤngern Voͤgeln ſehr bleich, an den eee zuweilen gruͤn⸗ lich uͤberlaufen; die Krallen ſchwarz. Die unveraͤnderlichen Farben des alten Maͤnnchens ſind folgende: Die Iris iſt hochgelb oder pomeranzenfarben; tiber das Auge geht ein weißer, dunkelbraun geſtrichelter Streif, welcher I. Ordn. IV. Gatt. 11. Huͤhner⸗ H abicht. 251 ſich im Nacken in einigen weißen Fleckchen endigt. Kopf, Hals, Ruͤcken, Fluͤgel und Schwanz ſind dunkelaſchblau, welches hin und wieder etwas braͤunlich uͤberlaufen und auf dem Scheitel dunkel⸗ grau geſtrichelt iſt. Die mittelſten Schwanzfedern haben 4, die folgenden 5 und die aͤußeren 6 braunſchwarze Querbinden, die ſich fanft in das Aſchblau vertuſchen, und ein ſchmales weißes End⸗ kaͤntchen; auch an der Wurzel unter den Deckfedern ſind ſie etwas weiß geſprenkelt. Die Kehle iſt weiß, ſchwarzbraͤunlich geſtrichelt; der Unterhals, die Bruſt, Schenkel und Deckfedern unter den Fluͤ⸗ geln find weiß mit ſchwarzen Schaͤften und ſchmalen braunſchwar— zen, Querſtreifen durchzogen. Dieſe Linien ſind ſchoͤn und regel⸗ mäßig, halb fo breit als der weiße Grund der Federn zwifchen ihnen, und jede Feder hat 5, 4 bis 5 ſolche Querlinien. Der After iſt ganz weiß. Die Schwingen ſind wie der Ruͤcken, an den Spitzen aber dunkelbraun, und oberhalb mit e Quer⸗ binden. Auf der Unterſeite ſind die Schwingen und Schwanzfedern glaͤnzend weißgrau, mit den durchſchimmernden ſchwaͤrzlichen Quer⸗ binden durchzogen. Die Beine ſind hochgelb, die Krallen glän⸗ zend ſchwarz. Das alte Weibchen iſt oben mehr braun als blau, das Weiße an den untern Theilen des Koͤrpers ſtark mit Roſtgelb uͤber⸗ flogen, und die braunſchwarzen Querlinien an denſelben breiter als am Maͤnnchen. So unterſcheiden ſich wenigſtens die Weibchen im mittleren Alter von den Männchen. Im hohen Alter findet das” gegen zwiſchen beiden kein Unterſchied ſtatt. Ich ſahe Weibchen die unten eben ſo fein geſperbert waren und eben ſo blau ausſahen, wie die Maͤnnchen, und die nur bei der Zergliederung an den 85 ſchlechtstheilen zu erkennen waren. Der alte Huͤhnerhabicht hat eine auffallende Aehnlichkeit, ſo⸗ wol in Ruͤckſicht ſeiner Figur als auch ſeiner Farben, mit dem alten Sperberweibchen; allein feine Größe unterſcheidet ihn hinlänglich von dieſem, auch iſt die aſchblaue Farbe von einer andern Beſchaf⸗ fenheit. Sie iſt naͤmlich nur wie ein Duft oder wie aufgehaucht und verſchwindet nach dem Tode des Vogel nach und nach, ſo beim ausgeſtopften, endlich ganz, und der Grund des Gefieders verwan— delt ſich in ein duͤſteres Graubraun. Je älter das ausgeſtopfte Exemplar wird, deſto unſcheinlicher und brauner wird dieſe Farbe und vom Blauen bleibt zuletzt auch keine Spur uͤbrig. Am alten Finkenhabicht ſehen wir ein aͤhnliches Aſchblau, es iſt aber weit beftändiger und von beſſerer Dauer. 252 I. Ordn. IV. Gatt. 11. Hühner: Habicht. Das junge Maͤnnchen hat bis nach der erſten Mauſer, alſo über ein Jahr lang, ein ganz von den alten Vögeln verſchiede— nes Farbenkleid. Die Scheitelfedern ſind dunkelbraun mit hellroſt— braunen Einfaſſungen; die Halsfedern zimmetbraun, in der Mitte mit einer ſchwarzbraunen eirund zugeſpitzten Streife. Die Ruͤcken⸗ federn ſind oben dunkelgraubraun, aber unten und in der Mitte weiß, an der Spitze zimmetbraun und weiß ſchmal gekantet; die Deckfedern des Schwanzes haben zimmetbraune Kanten und weiße Querſtreifen; der Schwanz 5 ſchwarzbraune und 5 (die aͤußerſte Feder 6) falbe oder braͤunlich aſchgraue Querbinden und am Ende weiße Spitzchen. Bei einigen haben die ſchwarzen Querbinden auf den mittelſten Schwanzfedern die Geſtalt eines Birnblattes, und bei andern ſind die falben Querbinden auf beiden Seiten an den ſchwarzbraunen mit einem hellern Grau geſaͤumt. Seltner fließen die hellern und dunkleren Querbinden in einander, und ſehr ſelten ſo, daß man fie kaum unterſcheiden kann. Die Schwingen ſind ſchwarzbraun und haben graubraune, nach der Wurzel zu weißliche Querbinden, die Deckfedern der Flügel dunkelgraubraun mit zim⸗ metfarbenen und weißen Spitzen. Zwiſchen dem Schnabel und den Augen ſtehen ſehr kurze graue Pflaumfedern mit ſchwarzen ge— kruͤmmten borſtigen Barthaaren ſparſam beſetzt; uͤber die Augen geht ein weißſchimmernder Streif bis in den Nacken wo er ſich auf dem Oberhalſe verliert. Die Kehle iſt weiß mit Braun geſtrichelt, Bruſt, Bauch, Schenkel und die Deckfedern unter dem Fluͤgel ſehr bleich zimmetbraun oder weiß, mit Roſtroͤthlich ſtark uͤberlaufen. Alle dieſe roͤthlichen Federn haben in der Mitte einen dunkelbraunen Streif, der an ſeiner Wurzel breiter als an der lanzetfoͤrmigen Spitze, und an den Schenkel- und Bauchfedern ſchmaͤler als an den Bruſtfedern iſt. { Das junge Weibchen iſt ſowol an der Bruſt als auf dem Ruͤcken viel blaͤſſer, und viel größer und ſtaͤrker als das Männchen, und die ſchwarzbraunen Laͤngeflecken der ſich mehr ins Roſtgelbe als ins Roſtrothe ziehenden, oft nur gelblichweißen Bruſt find grös ßer und breiter als beim Maͤnnchen. Die Mauſerzeit iſt der Juli und Auguſt, in welchen die nun etwas uͤber ein Jahr alten Voͤgel das eben beſchriebene Kleid mit einem ganz andern vertauſchen. Dies gleicht zwar im Ganzen dem zuerſt beſchriebenen der alten Voͤgel, doch iſt der Ruͤcken brauner, der Unterleib ſchmutziger gelblichweiß und die Querſtreifen breiter, und weniger haͤufig. Erſt nach mehreren Jahren wird der Ruͤcken I. Ordn. IV. Gatt. 11. Hühner⸗Habicht. 255 ſchoͤn aſchblau, der Unterleib blaͤulichweiß, mit vielen ſchmalen dunkelbraunen Wellenlinien. Eine merkwuͤrdige Varietaͤt, die aber gar nicht zu den Alters⸗ verſchiedenheiten gehoͤrt, muß ich hier noch anfuͤhren ). Sie hat zwar alle Farben des jungen Huͤhnerhabichts, allein ſie ſind blaß, wie verloſchen und alle weißen Zeichnungen groͤßer, ſo daß manche Voͤgel in der Ferne ganz weißſchimmelig zu ſeyn ſcheinen. An den obern Theilen ſind die roͤthlichweißen Flecke und Federraͤnder be⸗ ſonders auffallend groß, die untere Seite des Koͤrpers gelblichweiß, alle braunen Zeichnungen matter, kleiner und ſparſamer. Ob zwar alle Zeichnungen dem Huͤhnerhabicht unverkennbar angehoͤren, ſo hat dieſe Varietaͤt doch ein eigenes, auffallendes Anſehen. Man findet ſie aber nur unter jungen Voͤgeln und ſie iſt gar nicht ſelten, bald mehr, bald weniger licht gefaͤrbt. Ich fand darunter ſowol Maͤnnchen als Weibchen und man kann mit einiger Wahrſcheinlich⸗ keit vermuthen, daß es vielleicht hoch im Norden ausgebruͤtete Voͤgel ſind, die dieſes Kleid tragen. Dort ſoll man auch Alte fin⸗ den, welche faſt weiß und andere welche rein weiß ſind. Die letz⸗ tere Spielart (F. palumbarius albus.) iſt aber ſehr ſelten, beſon⸗ ders fuͤr Deutſchland. Obwol die meiſten Huͤhnerhabichte im Laufe des Sommers ihre Federn wechſeln, ſo giebt es doch auch Individuen, beſonders junge Voͤgel, bei welchen die Mauſer erſt ſpaͤt im Herbſt beginnt, und dann bis in's kuͤnftige Fruͤhjahr hinein dauert. Ich habe zu Anfang Dezembers ſolche Voͤgel geſchoſſen, die kaum den vierten Theil ihrer Federn gewechſelt hatten, die alſo ſchwerlich vor dem Maͤrz mit der Mauſer zu Ende gekommen wären, folglich ihr Su: gendkleid faſt 13 Jahr getragen hätten. Aufenthalt. Dieſer Raubvogel iſt in allen noͤrdlichen und gemaͤßigten Cli⸗ maten von Europa und Aſien zu Hauſe, und im noͤrdlichen Am erika wie im noͤrdlichen Afrika nirgends ſelten. Im mitt: leren Europa find nur wenige Siriche wo er nicht unter die ges meinen Voͤgel zu zaͤhlen waͤr. Er liebt die Ebnen wie die Berge, wenn ſie nur Waldungen haben, welche mit Wieſen und Feldern abwechſeln; denn er haͤlt ſich lieber in kleinen e in der Naͤhe ) Beim Emel⸗ Linn. I. 1. p. 266. Falco gallinarius nasvius Var. 6. zu Briss. ornith. p. 116. n.'28. A. 254 I. Ordn. IV. Gatt. 11. Hühner - Habihr. der Doͤrfer, die mit kleinen Feldern und freien Plaͤtzen abwechſeln, als in großen dichten Waldungen, und noch weniger in ſehr großen weitläufigen Feldern auf. Er iſt bei uns Zug-Strich- und Stand⸗ vogel; man ſieht ihn daher im Maͤrz und April, und im Herbſte, den September, Oktober und November hindurch, als ſeiner eigentlichen Zugzeit, am hänfigften. Im Winter ſieht man ihn nicht ſo haͤufig, und im Sommer noch ſparſamer. In Deutſch— land iſt er uͤberall bekannt genug, wenigſtens nirgends ſelten. Eigen ſchaften. Dieſer Raubvogel fliegt, feiner ziemlich kurzen Flügel unge⸗ achtet, ſehr ſchnell, meiſt niedrig, zieht dabei den Nacken nieder, und haͤlt den Schnabel etwas in die Hoͤhe. Der Schwanz laͤuft gewoͤhnlich im Fluge nach der Spitze ſchmaͤler zu, und nur bei hellem, ſtillen und warmen Wetter drehet er ſich oͤfters, vielleicht um ſich abzukuͤhlen, in beſtaͤndigen Kreiſen mit ausgebreitetem Schwanze ſehr hoch in der Luft. Er iſt ſcheu und vorſichtig, bei Verfolgung ſeines Raubes aber oft deſto dreiſter und ſein Betragen wild und ungeſtuͤm. Das Maͤnnchen, obgleich kleiner und ſchwaͤch— licher als das Weibchen, übertrifft dies an Kuͤhnheit, Muth und Schnelligkeit um vieles. Es wird daher fuͤr die Falknerie auch mehr geſchaͤtzt; denn der Huͤhnerhabicht war von jeher ein beliebter und beruͤhmter Baitzvogel, ob er gleich unbaͤndiger und trotziger, daher auch muͤhſamer abzurichten iſt, als andre Jagdfalken. Mordgier und Blutdurſt, verbunden mit Liſt und hohem Muth, da— zu Gewandheit und Kraft, blicken aus allen ſeinen Handlungen hervor. Seine Stimme iſt im Schreck und in der Angſt ein hohes Kirk, kirk, kirk! das mit dem Geſchirke des Sperbers die größte Aehnlichkeit hat. Außer dieſem hoͤrt man noch, jedoch ſeltner, ein ſtarktoͤnendes Gia, giak, giak! welches mit dem Geſchrei des Taubenfalken viel Aehnlichkeit hat und vorzuͤglich dann ausgerufen wird, wenn er mit einem andern Raubvogel anbindet. Wenn er ausruhen will, ſo geſchiehet dies immer in den mittleren Aeſten der Baͤume, nie im Gipfel derſelben und ſehr ſelten auf einem Steine oder überhaupt auf dem Freien. Er übernachtet gern in kleinen Feldhoͤlzern, aber nicht auf hohen ſtarken Baͤumen, ſondern immer auf ſolchen unter der mittleren Groͤße und vorzuͤglich gern im dichten Stangenholze, wo er gewoͤhnlich in einer Hoͤhe von 12 bis 20 Fuß feine Schlafſtelle waͤhlt. Ruhig ſitzend ſieht er dud, nackig und buckelig aus, denn er zieht den Nacken ſehr ein, kruͤmmt J. Ordn. IV. Gatt. 11. Huͤhner⸗ Habicht. 255 den Ruͤcken, laͤßt aber den zuſammengelegten, am Ende ſchmälern n nicht ſo haͤngen, wie manche anderen e 0 Nahrung. 5 BON Er if ein ſtarker, beherzter Vogel, doch edge edel, als die eigentlichen großen Edelfalken. Er faͤngt ohne Unterſchied die flie⸗ genden wie die ſitzenden Voͤgel, die großen wie die kleinen, bald den Zeiſig, bald die Kraͤhe. Dabei ſtoßt er nicht wie die Edelfalken aus der Höhe auf feinen Raub herab, -fondern greift den fliegenden Vogel von unten auf oder von der Seite. — Da er ſich ſo gern im oder nahe am Gebuͤſche aufhaͤlt, ſo traͤgt er auch die eben gefangene Beute gewoͤhnlich dahin auf einen alten Baumſtrunk, und verzehrt ſie hier in Ruhe. Keiner der ungebetenen Schmarotzer, die den Taubenfalken ſo oft um ſeine Mahlzeit bringen, wagt ſich hier an ihn. Um den Plackereien derſelben auszuweichen, ſchlaͤgt er auch feine Tafel ſelten im freien Felde auf; denn wenn das Gebuͤſche zu weit entfernt iſt, fo verlegt er fie wenigſtens hinter einem Feld⸗ ſtrauch. Er jagt mehrentheils Rebhuͤhner und Tauben, ſonſt aber auch noch Finken, Stieglitze, Zeiſige und alle dergleichen kleine Voͤgel; ferner: wilde Enten, Auer-Birk- und Haſelhuͤhner, Faſanen, Kraͤhen, Dohlen, Elſtern, Heher u. d. gl. Von den vierfuͤßigen Thieren faͤngt er junge Haſen, Hamſter und Maͤuſe, doch letztere nur, wenn er nichts anders auftreiben kann. Alle Voͤgel, welche einen niedrigen Flug haben, werden ihm am oͤfter⸗ ſten zur Beute, denn er raubt ungern in der Hoͤhe. Die wilden Tauben ſcheinen zu ſeinen Leckerbiſſen zu gehoͤren. Alle Voͤgel er⸗ greift bei ſeinem ploͤtzlichen Erſcheinen ein paniſches Schrecken, wel— ches ſich oft ihrer Sinne ſo bemeiſtert, daß ſie ſtarr ſitzen bleiben und ſchon unter ſeinen Klauen bluten, ehe ſie ſich noch entſchloſſen haben die Flucht zu ergreifen, oder ſich platt an die Erde niederzu⸗ druͤcken. Bei den Rebhuͤhnern iſt dies ſehr oft der Fall. Seine Raubbegierde iſt ſo groß, daß er die Tauben in den Bauerhoͤfen oft durch die Fenſterſcheiben jagt, und ſich erſt durch das Getoͤſe des zerſpringenden Glaſes von ſeinem Vorhaben abſchrecken laͤßt, und daß einmal einer, eine eben gefangene Dohle, welcher er bereits die Gurgel ausgeriſſen hatte, in den Klauen, bei Erblickung der Taube im Raubvogelfange, auch noch auf dieſe ſtieß, und ſo ſammt ſeiner erſten Beute gefangen wurde. Die Kraͤhen ſind ihm ſehr feind, verfolgen ihn beſtaͤndig mit großem Geſchrei und in Schaa⸗ ren, aber nicht ſelten muß dafuͤr einer dieſer Schreier mit dem Le⸗ 256 J. Ordn. IV. Gatt. 11. Hühner: Habidt. ben bezahlen. Aas beruͤhrt er auch beim ſtaͤrkſten Hunger nie; wenigſtens kann ich dies für unſere Gegenden, auf vieljaͤhrige eigene Beobachtungen geſtuͤtzt, behaupten. — Ehe er die gefangenen Bo: gel in verſchluckbare Stuͤcken zerreißt, rupft er ihnen erſt die Federn ziemlich rein aus; die kleinen Saͤugethiere verſchlingt er aber ganz. Fortpflanzung. Schon im März ſieht man an ſchoͤnen heiteren Tagen Maͤnn⸗ chen und Weibchen bei ihrem gewaͤhlten Brutorte ſchoͤne Kreiſe in der Luft beſchreiben, ſich zu einer unermeßlichen Hoͤhe hinaufdrehen N und miteinander ſpielen. Er horſtet in unſern Waͤldern auf den aͤlteſten und hoͤchſten Fichten, Eichen und andern alten Baͤumen. Sein Horſt beſteht aus duͤrren Reiſern, Mooſe u. d. gl., iſt ſehr groß und flach, und man findet darin gewöhnlich 5 bis 4, von Form etwas kurz ausſehende, gruͤnlichweiße, ſparſam gelbbraun gefleckte Eier, die aber auch oft ohne alle Flecke ſind. Sie ſind groͤßer als Huͤhnereier und haben eine ſtarke etwas rauhe Schale. Nach drei⸗ woͤchentlichem Bebruͤten, ſchluͤpfen die Jungen aus, welche anfaͤng⸗ lich mit weißen Dunen bekleidet ſind. Waͤhrend der Zeit der Fort⸗ pflanzung naͤhret er ſich, fein Weibchen und feine Jungen von allers lei alten und jungen Waldvoͤgeln, und kommt ſelten aufs Feld. Die alte Kraͤhe, die Ringel- oder die Turteltaube nimmt er oft vom Neſte hinweg, und zerſtoͤrt dadurch unzaͤhlige Bruten. Nach der Erndte geht er durch die Felder und kleinen Buͤſche feiner Nah— rung nach, und mit Ausgang Septembers faͤngt ſein Zug an. Feinde. Außer den gewoͤhnlichen Voͤgelfeinden im Gefieder und in den Eingeweiden, gehören die Kraͤhen zu feinen Todfeinden, fie find aber zu ohnmaͤchtig ihren bittern Haß durch etwas anderes als durch gewaltiges Schreien an den Tag zu legen und beim Verfolgen oft unvorſichtig genug, ſich zu nahe an ihn zu wagen um mit dem Leben buͤßen zu muͤſſen. Sie naͤhern ſich ihm auch nur geſellſchaftlich; die einzelne Kraͤhe ſchreit ein paarmal aͤngſtlich auf, ohne ihn zu verfolgen. 0 an Wenn er ſich recht ſatt gefreſſen hat, ſitzt er auf einem Baum⸗ zweige, wartet ruhig die Verdauung ab und laͤßt den Schuͤtzen I. Ordn. IV. Gatt. 11. Huͤhner⸗ Habicht 257 ziemlich nahe an ſich kommen. Ueberhaupt iſt er, ob er gleich ſehr ſcheu iſt, da er ſich faſt immer nahe an oder im Gebuͤſche aufhaͤlt, und weil man hier Hinterhalt genug hat, um unbemerkt an ihn zu kommen, leicht zu ſchießen. Weil er ſo ſehr raubgierig iſt, ſo faͤngt man ihn auch in allen Arten von Raubvogelfaͤngen leicht. Auch auf dem Vogelheerde, wo er nach den Lockvoͤgeln geht, wird er eben⸗ falls haͤufig gefangen. Auf den Uhu an der Kraͤhenhuͤtte geht er nicht ſo ſtark als andre Raubvoͤgel. Koͤmmt er ja einmal, ſo baͤumt er gleich auf, ſieht den Uhu eine Weile an und geht dann wieder ab. Den Kauz greift er ohne Umſtaͤnde an und frißt ihn auf. Nutz en. Da ihm die Kraͤhen ſo feind ſind und ihn uͤberall verfolgen, ſo kann man ſich auf der Kraͤhenhuͤtte in Ermangelung eines Uhu, um Kraͤhen zu ſchießen, eines lebendigen Huͤhner-Habichts mit dem beſten Erfolge bedienen. Vor Alters ſchon richtete man dieſen Vogel zur Jagd ab, und er gehoͤrt auch jetzt noch unter die vorzuͤg⸗ lichſten Voͤgel in der Falknerie. Er wird auf Haſen, Kaninchen, Kraniche, Tauben, Kraͤhen, Reiher, Rebhuͤhner, Faſanen u. d. gl. abgerichtet. Dem Jaͤger zahlt ſeine Obrigkeit an den meiſten Orten ein anſehnliches Schießgeld für dieſen Vogel, denn der Schaden, hen der Huͤhnerhabicht in den Jagden anrichtet, iſt ſehr betraͤchtlich und ſeine Einſchraͤnkung nothwendig. Unter den Reb⸗ huͤhnern, Tauben und anderm Geflügel richtet er, da keines, weder ſitzend noch fliegend, vor ihm ſicher iſt, ſchreckliche Niederlagen an. Er iſt daher den Jagden, und beſonders den Faſanerien eine wahre Geißel. Gut iſt es indes noch von ihm, daß er blos für ſich jagt, und nicht wie der Wanderfalke andre Faulenzer mit ernaͤhrt, die da⸗ durch vorzuͤglich der Tauben: und Rebhuͤhnerzucht ſehr nachtheilig werden. Jedoch entgeht dieſem wieder mancher Vogel durch Nieder⸗ druͤcken an die Erde, welches aber den Habicht nicht von ſeinem Vorhaben abbringt, weil er beim Fange ſeiner Beute nicht darnach fraͤgt, ob fie läuft, fliegt oder ſtill ſitzt. Er braucht zu feinem Unterhalte taͤglich entweder einen Faſan oder ein Rebhuhn, eine Taube, und wol noch einige kleine Voͤgel nebenbei. Auch eine Kraͤhe muß oft fuͤr einen Tag hinreichen; aber man ſieht hieraus, welch eine Menge Gefluͤgel wol ein einziges Paͤaͤrchen nebſt den Jungen waͤhrend der Bruͤtezeit abwuͤrgt. Wie viel kleine Voͤgel muß er haben, ehe die Maſſe an Fleiſch ſoviel beträgt als ein Faſan wiegt! — 17 a } Der Finken⸗ Habicht F dM Bee -*̊·ůs ii d Lm (1. altes Maͤnnchen. Taf. 19. a junges Männden. 5 altes Weibchen. daf. or? junges Weibchen. Der Sperber; Finkenſperber, großer Sperber, großer und ſtarker Weißſperber, Sperberfalk, Lerchen-, Finken⸗, Schwalben⸗, Voͤgel⸗, Berg⸗, Steinfalke, kleiner Stock- oder Stoßfalke, Lerchen⸗ und Sperlingsſtoͤßer, weißgeſperberter, Finken oder Wachtelhabicht; Schwimmer, Luftſchiffer, Goldfuß mit ſchwarzem Schnabel, Roͤthel⸗ und Schwalbengeier, Islaͤnder; auch Taubenfalke und Taubenſtoͤßer. Das Maͤnnchen: Kleiner Finkenhabicht, kleiner Sperber, Sprinz, Sprinzel, Sprenzchen, Schmierl, Blaubaͤckchen. Falco Nisus. Gmel. Linn. syst. I. 280. n. 31. EEpervier. Buff. Ois. I. 225. tab. 11. . Id. Planch. enlum. n. 4 12. 266. et 267. Edit, de Deuxp. I. 231. t. 10. = Temminck Man. d’Orn. p. 31. = Spar- row-Hawk, Lath. syn. I. I. p. 99. n.85. = Ueberſ. v. Bechſt. I. 1. ©. 89. n. 35. u. Anh. S. 673. — Sparviere di fringuelli. Stor. degl ucc. pl. 16 et 17. = Sepp; Nederl, Vog. v. 3. t. p. 227. -= Wolf u. Meyer Voͤgel Deutſchl. Heft 11. Maͤnnch. Weibch. junges M. — Deutſche Ornith. v. Becker, ꝛc. Hft. 20. Mehrere Junge u. Alte beiderlei Geſchl. — Bechſteins gem. Nat. Geſch. II. 726. u. 24. - Deſſen Taſchenb. 30. n. 23. - Wolf u. Meyer Taſchenb. I. S. 25. Kochs baier. Zool. I. 121. n. 48. = Friſch Vorſt. d. Voͤg. Taf. 90, 91 u. 92. Naumanns Vögel, alte Ausg. IV. 161. Taf. 18. Fig. 27. junges, 28. altes Maͤnnch. Taf. 19. Fig. 29. junges u. 30. altes Weibch. Kennzeichen der Art. Iris, Wachshaut und Fuͤße gelb, letztere mit langem duͤnnen Lauf und ſchlanker Mittelzeh, Schwanz mit geradem Ende und mit fuͤnf ſchwaͤrzlichen Querbinden. Laͤnge 13 bis 16 Zoll. Die alten Voͤgel: Oben blaugrau, unten weiß mit braunen oder roſtfarbenen Wellenlinien. Die jungen Voͤgel: Oben graubraun, unten weiß, an der Kehle und am Vorderhalſe braun in die Laͤnge, am Bauch und an den Schenkeln in die Quere gefleckt. Beſchreibung. An Geſtalt iſt dieſer Raubvogel der Huͤhnerhabicht im Kleinen, nur hat er, verhaͤltnismaͤßig, viel ſchlankere Fuͤße. Maͤnnchen und I. Ordn. IV. Gatt. 12. Finken⸗ Habicht. 259 Weibchen weichen nicht nur in den Farben der Kleidung, ſondern auch in der Groͤße und gewiſſermaßen auch in der Lebensart ſo merk⸗ lich von einander ab, wie es kaum bei einem andern deutſchen Vogel der Fall iſt, ſo daß es wirklich verzeihlich iſt, ſie fuͤr zwei von einander verſchiedene Arten zu halten, was ſie jedoch nicht ſind. Das Maͤnnchen mißt in der Laͤnge 15, in der Fluͤgelbreite 254 Zoll und iſt von ſo ſchwaͤchlichem Koͤrperbau, daß es oft 5 bis 63 Loth weniger wiegt als das Weibchen. Es iſt alſo um den vier: ten Theil kleiner als das letztere. Die gleichlangen Schwanzfedern meſſen 6 Zoll, ſelten iſt die aͤußerſte Seitenfeder etwas kuͤrzer als die andern; die Fluͤgelſpitzen reichen ſehr wenig uͤber die Mitte des Schwanzes hin. Der ſehr hakenfoͤrmig gekruͤmmte, kurze, blauhornfarbige, gezahnte Schnabel iſt im Durchſchnitt 3 Zoll und im Bogen von der Stirne bis zur Spitze 8 Linien lang; Der groſe abgerundete Zahn des Oberkiefers iſt faſt in der Mitte deſſelben, unter den laͤnglich⸗ runden Naſenloͤchern; die Wachshaut und das Augenliederraͤndchen gelb; die Iris lebhaft hoch- oder goldgelb. Die Fuͤße ſind gelb, die ſcharfen ſehr gekruͤmmten, ſpitzigen Krallen ſchwarz; Fußwurzel und Zehen lang, duͤnn, geſchmeidig und die Gelenke der aͤuſſeren und mittleren Zehen haben einige laͤngliche Ballen an den Fußſohlen. Der Lauf mißt 24, die Mittel⸗ zehe 14 und die hintere nebſt der Kralle 1 Zoll. Zwiſchen der auf- ſern und mittleren Zehe befindet ſich eine kurze Spannhaut. Das alte Maͤnnchen traͤgt folgende Farben: Zwiſchen der Schnabelwurzel und dem Auge ſtehen auf weißlichem Grunde ſchwarze Borſthaare. Die Farbe des ganzen Oberleibes und Schwan⸗ zes iſt ein ſanftes Aſchblau; die Oberhals- und Schulterfedern haben zwar rundliche weiße Fleckchen, welche aber nur dann ſichtbar werden, wenn ſich die Federn verſchoben und eine ungewoͤhnliche Lage angenommen haben. Die Kehle iſt weiß, braun geſtrichelt, ein ſchmaler Streif uͤber die Augen weiß und roſtfarben gemiſcht; die Wangen und Seiten des Halſes hellroſtroth, Bruſt, Bauch und Hoſen weiß, mit ſchoͤnen hellroſtrothen ſchmalen wellenfoͤrmigen Querſtreifen durchzogen. Die Ruderfedern find aſchblau mit 5 braͤunlich⸗ ſchwarzen Querbinden und weißlichen Endkaͤntchen; die Schwingen aſchgrau mit braͤunlich-ſchwarzen Querbinden, und weißen Wurzeln an den innern breiten Fahnen, die groͤßern mit braͤunlichſchwarzen Spitzen. Die untern Deckfedern der Fluͤgel ſind weiß mit dunkelbraunen Querſtreifen, und der Schwanz auf 260 J. Ordn. IV. Gatt. 12. Finken⸗Habicht. der untern Seite graulichweiß, mit ben durchſchimmernden Ing: lichen Binden. Jüngere Männchen ſind oben mehr aſchgrau als scho in nen aber flatt roſtroth, roͤthlichbraun in die Quere geſtreift. Ganz anders ſieht dagegen das Sperbermaͤnnchen in ſeinem dae eee aus, was es in der erſten Mauſer, alſo etwa nach 14 Jahre, ablegt und mit dem eben beſchriebenen vertauſcht. Folgende Beſchreibung iſt von einem Maͤnnchen in ſeinem 8 Le⸗ bensjahre: Schnabel, Augen und Fuͤße ſind wie am alten Maͤnnchen, nur iſt das Gelbe blaͤßer; der Scheitel hat dunkelbraune mit roſtroth gekantete Federn, der Nacken einige weiße Fleckchen, über die Augen laͤuft ein weißer, etwas braunſchwarz gefleckter Streif. Die Ober⸗ halsfedern ſind ſtark roſtfarben geſaͤumt und haben in der Mitte einen verdeckten weißen Querfleck, die Ruͤcken⸗ und Steißfedern dunkelaſchgraubraun, roſtfarben gekantet, doch find letztere heller als die erſtern; die Schulterfedern, die Schwingen dritter Ordnung und ihre Deckfedern wie der Ruͤcken, in der Mitte mit einem ver⸗ deckten breiten weißen Querfleck. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern find dunkelbraun, roſtroth gekantet; die Schwingen dunkelfahlbraun mit ſchwaͤrzlichen Querbinden, und an der breiten Fahne weiß, roſtroth angeflogen. Die untern Deckfedern der Fluͤgel ſind braͤunlichweiß mit ſchwaͤrzlichen Querfleckchen; die Ruderfedern fahlbraun mit roſtfarbenen Kanten, Schaͤften und 5 (in der aͤußerſten Feder 6), ſchwaͤrzlichen Querbinden, wovon die aͤußerſte am breiteſten iſt. Die Kehle iſt bis unter die Augen weiß, dunkelbraun geſtrichelt, die Backen dunkler, roſtroth uͤberlaufen; die Unterhalsfedern und vorzuͤglich die des Kropfes weiß, mit graubraunen Querſtreifen und an den Spitzen mit roſtfarbenen herzfoͤrmigen Flecken; Bruſt, Bauch und Schenkel weiß, mit graubraunen und roſtfarben gemiſchten abgebrochenen Querſtreifen; der After weiß mit einzelnen braunen Strichen und die Weichen roſtroͤthlich angeflogen. Die herzfoͤrmigen Flecken am Kropfe ſind beim Sperber ein Zeichen der Jugend; nicht immer verſchwinden ſie nach der erſten Mauſer gaͤnzlich, ſondern man ſieht beim zweijaͤhrigen Vogel in den Wellenlinien oft noch Spuren davon, welche aber nach der zweiten Mauſer nicht mehr bemerklich ſind. Das Sperberweibchen iſt nicht nur viel groͤßer, ſondern auch an Gliedmaßen ſtaͤrker und vollkommner, als fein Männchen, ja der Unterſchied iſt ſo auffallend, daß man auf den erſten Blick, I. Ordn. IV. Gatt. 12. Finfensdabigt. 251 wo man beide beiſammen ſieht, zweifeln moͤchte, daß ſie zuſammen gehoͤrten. Das Weibchen iſt 15 bis 16, ſelten 164 Zoll lang und 51 bis 323 Zoll breit. Die 8 Zoll langen Ruderfedern ſind bei den mehreſten gleich lang, bei einigen ie aber auch die außerſte Seiten- feder 2 bis 2 Zoll kuͤrzer. \ Der, Schnabel iſt viel ſtaͤrker als der des Maͤnnchen, im Durch⸗ ſchnitt 8 und im Bogen 10 Linien lang. Von Farbe iſt er, wie am Maͤnnchen, Wachshaut, Iris und Fuͤße ſind aber etwas heller. Der Lauf iſt, wie beim Maͤnnchen, unter der Fußbeuge nur ſehr wenig befiedert; er mißt aber 22 Zoll, der Mittelfinger und Kralle 2 Zoll, und die hintere Kralle im Bogen 10 Linien. Am recht alten Weibchen iſt die Iris goldgelb; im Nacken ſtehen einige vertuſchte weiße Fleckchen; uͤbrigens iſt es am Scheitel, dem Ruͤcken, an den Fluͤgeln und am Steiße aſchblau. Ueber die Augen geht ein weißer, grau geſtrichelter Streif, welcher an den weißen, mit ſchwarzen Haaren beſetzten Raum zwiſchen den Augen und der Schnabelwurzel entſpringt. Die Kehle iſt weiß, ſchwarzgrau geſtrichelt; der Unterhals, die Bruſt, der Bauch und die Schenkel ebenfalls weiß, mit ſchmalen ſchwarzgrauen, etwas roſtfarben angeflogenen, wellenfoͤrmigen Querſtreifen und ſchwarzen Federſchaͤften. Die weißen Afterfedern haben einzelne graue Quer⸗ ſtreifen; die braunen Wangen, die Seiten des Halſes, die Weichen, und die Schenkel am obern Gelenke ſind roſtfarben angeflogen; die Ruderfedern von der Farbe des Ruͤckens, mit fuͤnf ſchmalen, ſchwarzgrauen Querbinden und weißen Spitzchen. Die Schwingen ſind grau, auf der innern Fahne nach der Wurzel zu weiß, durch⸗ gehends mit ſchwaͤrzlichen Querbinden und dergleichen Spitzen; die drei letzten dritter Ordnung haben nebſt ihren naͤchſten Deckfedern inwendig große weiße Querflecke, die untern Deckfedern der Fluͤgel ſind weiß mit ſchwaͤrzlichen Querſtreifen durchzogen. Die Schwing⸗ und Schwanzfedern ſind auf der untern Seite grauweiß, mit fa durchſchimmernden ſchwarzen Querbinden. 5 An den juͤngern Weibchen ſind die obern Theile des Koͤrpers mehr braͤunlichgrau, die untern ſchmutziger und groͤber gebaͤndert. Dies Kleid tragen ſie nach der erſten Mauſer; nach der zweiten iſt der Vogel in ſeiner Vollkommenheit, wie oben beſchrieben. Das Gefieder des jungen Weibchens hat folgende Farben: Die Scheitelfedern ſind dunkelbraun mit roſtfarbenen Kanten. Ueber das Auge geht ein weißer Streif, und breitet ſich am Nacken in einige weiße Fleckchen aus, welche bis an die Seiten des Hal⸗ 52 J. Ordn. IV. Gatt. 12. Finten-Habidt.- ſes herab laufen. Die Wangen ſind dunkelbraun mit Roſtbraun uͤberlaufen; die Kehle weiß, dunkelbraun geſtrichelt; die Bruſt, der Bauch, die Hoſen und die untern Deckfedern der Fluͤgel weiß, mit ſchmalen wellenfoͤrmig braͤunlichſchwarzen und ſchwarzbraunen Querſtreifen durchzogen, welche am Kropfe ſtark ins Roſtbraune fallen, und an den Spitzen der Federn daſelbſt herzfoͤrmige Flecken bilden. Die Ruͤcken⸗ und Steißfedern, ſamt den Deckfedern der Fluͤgel ſind dunkelbraun, mit roſtfarbenen Kanten; die großen Schwingen dunkelfahlbraun, an der Kante der breiten Fahne weiß, roſtfarben angeflogen, und durchgehends mit ſchwaͤrzlichen Quer— binden durchzogen; die Schwingen dritter Ordnung ſind faſt ganz weiß, haben nur ſchmale ſchwaͤrzliche Querbinden und ſehr breite graue aͤußere Kanten. Die Afterfedern ſind weiß und die in Ruhe liegenden Fluͤgel bedecken den Schwanz etwas uͤber die Haͤlfte. Gegen die Mauſer hin, welche im Auguſt anfaͤngt und oft durch den Herbſt, bei manchen bis gegen das Fruͤhjahr dauert, ſind die Farben, an den obern Theilen befonders, ſehr abgebleicht; dahin⸗ gegen die dunkle Ruͤckenfarbe der Alten, gleich nach der Mauſer bis in's Fruͤhjahr hinein, wie mit einem blauen Duft uͤberflogen iſt, welcher an ausgeſtopften Exemplaren mit der Zeit groͤßtentheils ver⸗ ſchwindet. Wirkliche zufaͤllige Spielarten ſind ſelten; man kennt blos eine weißgefleckte (Falco Nisus maculatus, Gm. Linn.) und eine milchweiße (F. N. lacteus, Gm. Linn. I. c.) welche letztere noch ſeltner als die erſte vorkoͤmmt. Aufenthalt. Der Sperber iſt ein ſehr weit verbreiteter Vogel und gehoͤrt in hieſiger Gegend zu den ſehr gewoͤhnlichen Raubvoͤgeln; denn da, wo nicht zu große Waldungen mit kleinen Gebuͤſchen, Wieſen u. d. gl. abwechſeln, wird man in der Strichzeit auch Sperber an= treffen. Er iſt ein Stand» oder vielmehr ein Strichvogel. Seine Wanderzeit iſt vorzuͤglich der Monat September und im Fruͤhlinge der Maͤrz. Im Mai, Juni, Juli und Auguſt ſieht man ihn ſelten anders als in dem Bezirke, worin er ſein Neſt hat, gleich nach der Erndte faͤngt er aber an umher zu ſchwaͤrmen, die umliegenden Felder und Feldhoͤlzer zu durchſtreichen, und im September geht ſein ordentlicher Strich an, dauert den ganzen Winter hindurch, iſt aber im Herbſt und Fruͤhlinge am ſtaͤrkſten. Dann ſieht man ihn allenthalben in der Nähe der Doͤrfer die Gärten und Buͤſche durch— ſtreifen und er iſt als raſtloſer Verfolger der Sperlinge jederman J. Ordn. IV. Gatt. 12. Sinten-Habidt. 265 bekannt. Uebrigens findet er ſich nicht nur in ganz Europa, ſondern auch in den niken und gemaͤßigten Zonen von Aſien und Afrika, a hr I E . Es iſt ein kuͤhner, beherzter und aͤußerſt gewandter Vogel der bei aller ihm angebohrnen Scheue, doch leicht zu zaͤhmen und zur Voͤgeljagd abzurichten iſt. Sein Betragen iſt keck und liſtig, und fein Flug, ohnerachtet der kurzen Fluͤgel, ſehr ſchnell. Er weiß ſich ſehr geſchickt zu ſchwenken, durch kleine Oeffnungen pfeilſchnell hindurch zu fliegen und eine lange Strecke ohne Fluͤgel⸗ bewegung gleichſam durch die Luft zu ſchießen, ſich aber ſelten hoch in die Luft zu ſchwingen. Seine Stimme iſt in Gefahr ein Geſchirke, das beinahe wie die Sylben kirk, kirk, kirk, klingt; auch hoͤrt man zuweilen ein ſanftes gü, guͤ, guͤ! von ihm. Dies ſcheint fein Paarungsruf zu ſein, weil man es im Fruͤhlinge haͤufiger als zu andern Jahreszeiten hoͤrt. Im Fluge wie im Sitzen iſt er! der Huͤhnerhabicht im Kleinen, traͤgt aber den Schwanz etwas ausge⸗ breiteter. Er neckt ſich gern und off mit Kraͤhen und andern gro⸗ ßen Raubvoͤgeln herum. Das Maͤnnchen unterſcheidet ſich vom Weibchen ſehr merklich in der Lebensart. Es iſt viel zaͤrtlicher, man ſieht es ſelten im Winter, weil es ſich da tiefer in die Waͤlder zuruͤck zieht; auch iſt es ſcheuer und viel feiger als das Weibchen. Im September, Oktober, November, wie auch im Maͤrz und April ſieht man die Maͤnnchen am haͤufigſten, aber doch ſparſamer als die Weibchen; denn unter allen den Sperbern, die ich in meinem Leben gefangen oder geſchoſſen habe, war ohngefaͤhr der vierte ein Maͤnnchen ). — Aus dieſer Ungleichheit folgt ſehr natürlich, daß, da der Sperber wie jeder andre Raubvogel in Monogamie lebt, alſo jedes Maͤnnchen nur ein Weibchen braucht, viele der letztern ungepaart bleiben muͤſſen. Dieſe ſtreichen dann den ganzen Sommer uͤber umher und halten ſich da, wo ſie die meiſte Nahrung finden und am wenigſten geſtoͤrt werden, am laͤngſten auf. ) Diefer merkwürdige Umſtand gab vorzüglich Veranlaßung zwei verſchiedene Arten Sperber zu vermuthen, und führte auch mich ſo lange irre, bis ſich mir Gelegenheiten darboten, dieſe Voͤgel bei ihren Neſtern zu beobachten, die mich hinlaͤnglich uͤberzeugten, daß es bei uns nur Eine Art Sperber giebt, welche in der Größe wie in der Farbe fo varürt, wie eben angegeben iſt. 1 264 I. Ordn. IV. Gatt. 12. Finken⸗ Habicht. Seine Nachtruhe halt der Sperber gern in Feldhoͤlzern, in jungen Kieferanfaaten, die zu Stangenholz herangewachſen ſind, auch in großen Baumgarten; aber nie auf alten hohen Baͤumen, ſondern in den dichten Zweigen hohen Buſchwerks und Stangen⸗ holzes, eng über N Er begiebt ſich a ſpaͤt zur Ruhe. i Nahrung. Dieſe beſteht in allerlei kleinen Wald: und Singvoͤgeln, in Maͤuſen, und zuweilen auch zum Theil in Kaͤfern, Heuſchrecken u. d. gl., jedoch iſt dies letztere ſchon ziemlich ſelten. Er faͤngt nicht allein die ſitzenden, ſondern auch die fliegenden Voͤgel und greift dieſe im Fluge, wie der Huͤhner⸗Habicht, von unten auf oder von der Seite. Um den Zuſpruch ungebetener Gaͤſte zu vermeiden, verzehrt er ſeine Beute jedesmal hinter einem Stamme oder Strau⸗ che in Ruhe. Er jagt am meiſten in der Naͤhe der Gebuͤſche, Gaͤrten und Doͤrfer, und iſt der groͤßte Schrecken der Sperlinge und andrer kleinen Waldvogel, denen kein andrer Weg ſich zu retten offen fteht, alsvſo ſchnell als möglich die Flucht zu ergreifen und ſich im erſten beſten hohlen Baum, Strauch oder Gebuͤſch zu verſtecken. Sind ſie aber zu weit vom Gebuͤſch entfernt und er uͤberrumpelt ſie ploͤtzlich, ſo druͤcken ſie ſich, ſo lange er in der Naͤhe iſt, feſt und unbeweglich an die Erde hin; er uͤberſieht ſie dann gemeiniglich. An dem Orte, wo er einigemal Voͤgel angetroffen hat, wird man ihn oͤfter ſehen, und bemerken, mit welcher Liſt er dieſe kleinen Schlachtopfer faͤngt. Er fliegt pfeilſchnell, und damit er nicht zu fruͤh geſehen wird, dicht uͤber der Erde und hart an dem Geſtraͤuche, an Zaͤunen oder Waͤnden hin, bis an den Ort, wo er die Voͤgel vermuthet, ſchwingt ſich hier ploͤtzlich in die Höhe, ſtuͤrzt blitzſchnell unter die ſichere Heerde, nimmt einen hinweg und mit ſich fort, und Alles dieſes geht ſo ſchnell, als man ſichs kaum denken kann. Mit der größten Gewandheit ſieht man ihn ſich, im ſchnellſten Fluge, ohne einzuhalten, durch enge Schluchten ſchwingen, um Ecken, über. Gebuͤſche, Waͤnde u. d. gl. ſchwenken und ſeinen Raub verfolgen. Die Sperlinge weiß er, als den vorzuͤglichſten Gegenſtand ſeiner Verfolgungen, in den Höfen, auf die eben beſchriebene Art meifter- haft zu uͤberrumpeln. Er ſetzet ihnen im vollen Zuge, bis in die Gebaͤude, durch Thuͤren und Dachloͤcher nach, ſo daß er oft in ſeiner Raubgier ſeine eigene Sicherheit aufs Spiel ſetzt. So verfolgte einſtmals ein Sperber die Sperlinge auf meinem Hofe ſo ungeſtuͤm, daß er ſich,) da ſich die Sperlinge unter einen Schoppen hinter IJ. Ordn. IV. Gatt. 12. Finken⸗Habicht. 265 die Balken fluͤchteten, ſo mit dem Kopfe an einen Balken ſtieß, daß er augenblicklich ohnmaͤchtig herabfiel, und von meinen Leuten, welche eben zugegen waren, gefangen wurde. Die Sperlinge fuͤrch⸗ ten ſich wirklich ſo ſchrecklich vor ihm, daß ſie die Angſt in die Maͤuſeloͤcher treibt. Krammetsvoͤgel, Lerchen, Brachvoͤgel und junge Rebhuͤhner verfolgt er ſehr, und ich habe ihm ſogar (wiewol in meinem Leben nur ein paarmal) ein altes Rebhuhn abgejagt. Den großen Voͤgeln rupft er ſehr reinlich die meiſten Federn aus, ehe er ſie frißt. Auf zahme Tauben ſtoͤßt er nur dann, wenn unter einem Schwarme eine junge oder kranke iſt, die noch nicht recht fluͤchtig iſt; doch auch hiervon ſahe ich nur wenige Beiſpiele und man nennt ihn mit Unrecht den Taubenſtoßer. Eine gefangene Taube aber ſieht er nicht lange zappeln, ſondern greift ſie an, und in Waͤldern macht er, weil er uͤberhaupt lieber im Walde als auf dem Freien jagt, haͤufig auf die jungen wilden Tauben Jagd. Es fehlt ihm auch nicht ſowol an Muth, als an Stärke größere Thiere anzufallen. So habe ich ſchon zugeſehen, daß ein Sperber ver⸗ ſchiedene Mal nach einem Haushahn ſtieß. Ein andrer verfolgte ei nen faſt ausgewachſenen jungen Haſen eine ganze Strecke und ſtieß verſchiedene Mal nach ihm; doch ſchien ſich der Sperber bei beiden mehr den Spaß machen zu wollen, dieſe furchtſamen Thiere recht zu aͤngſtigen, als ſie wirklich zu toͤdten, wozu er auch zu ſchwach iſt. Ich gieng einſt in meinem Buſche umher und ſahe einem Reiher nach, der ruhig und dicht uͤber den Baͤumen hin, uͤber den Buſch fliegen wollte. Als er ziemlich darüber hin war und nur noch einige hohe Baͤume paſſiren mußte, ſtuͤrzte auf einmal aus den dichten Zweigen eines der letztern ein Sperber hervor, packte den erſchrocke⸗ nen Reiher augenblicklich beim Halſe, und beide kamen nun mit graͤßlichem Geſchrei aus der Hoͤhe herab. Ich lief ſogleich hinzu, ward aber zu früh vom Sperber bemerkt, worüber er erſchrak und den Reiher losließ, worauf denn jeder ruhig ſeine Straße zog. Ich moͤchte wol wiſſen, wenn ich beide nicht geſtoͤrt haͤtte, was aus dieſem ungleichen Kampfe geworden waͤre, und ob der kleine tollkuͤhne Sperber den Reiher uͤberwaͤltigt und wirklich getoͤdtet haͤtte; denn vor und nach dieſem Vorfalle iſt mir nie wieder ſo etwas aͤhnliches zu Geſicht gekommen. Alles was hier von der Nahrung und vom Fange ſeines Rau⸗ bes geſagt iſt, gilt meiſtentheils vom Sperberweibchen. Das Sperbermaͤnnchen iſt viel feiger, menſchenſcheuer und daher behut⸗ ſamer, als das Weibchen. Ich habe erſteres nie Sperlinge in den 266 J. Ordn. IV. Gatt. 12. Finken⸗Habicht. Bauerhoͤfen greifen oder nur bis in die Doͤrfer verfolgen ſehen. Es liebt vielmehr die Einſamkeit, haͤlt ſich ſtets im Walde auf und jagt dort Finken, Meiſen, Zeiſige, Goldammern, auch Spechte und alle Arten Krammetsvoͤgel, welche aber auch ſeine groͤßte Beute ſind. ‚Fortpflanzung Im April begiebt ſich das Sperbermaͤnnchen mit feinem Weib⸗ chen in größere Waldungen, beſonders liebt es die Kiefern-, Fichten⸗ und Tannenwaͤlder. Hier findet man das Neſt gewoͤhnlich da, wo die Baͤume von mittlerer Groͤße ſind und am dickſten ſtehen in einem Gipfel. Es beſteht aus duͤrren Reiſern inwendig mit Moos und Thierhaaren ausgelegt und iſt flach, wie jedes andere Kaub- vogelneſt. Oft dient ihm ein altes Kraͤhenneſt zur Unterlage. Die gruͤnlich⸗ weißen leberbraun und roſtfarben beſpritzten oder ge⸗ fleckten Eier, 5 bis 4 an der Zahl, werden 3 Wochen lang vom Weibchen bebruͤtet, unterdeſſen dies vom Männchen mit Nahrung verſorgt wird. Die Zahl der Eier fleigt bei alten Vögeln oft auf 7. Ich habe auch ſchon 6 und 7 junge Sperber in einem Neſte gefunden, und man kann dann die Maͤnnchen an ihrer weit geringeren Groͤße ſchon von den Weibchen unterſcheiden, ehe ſie noch Federn bekommen. Da das alte Sperber-Maͤnnchen feiger und menſchenſcheuer als das beherzte Weibchen iſt, ſo haͤlt es ſich, wenn man ſich dem Neſte nähert, auch immer in einiger Entfernung davon, während das beforgtere Weibchen mit aͤngſtlichem Geſchrei herum fliegt und oft ſo nahe koͤmmt, daß es nur wenige Fuß vom Kopfe desjenigen, der ihm ſeine Jungen rauben will, entfernt iſt. Es ſetzt ſich ſo, von Liebe zu ſeinen Kindern durchdrungen, der groͤßten Gefahr aus, wird auch mehrentheils ein Opfer derſelben und ſeiner Unvorſichtig⸗ keit, und beim Neſte erſchoſſen, waͤhrend das feige Maͤnnchen dem Trauerſpiele von Ferne zuſieht und dadurch ſein Leben rettet. Die Jungen, welche, wie andre Raubvoͤgel, anfaͤnglich mit dichten weißen Flaumfedern bedeckt ſind, werden mit allerlei kleinen Wald⸗ voͤgeln, Maͤuſen, auch Inſekten groß gefuͤttert. Feinde. Er wird von Raben und Kraͤhen verfolgt; auch die weißen Bachſtelzen und Rauchſchwalben ſind kuͤhn genug dies zu wagen und ihn mit großem Geſchrei nachzufliegen. Wenn ſie ihn gleich nichts anhaben können, fo ſieht man doch oft, daß ſie ihm dadurch ſtoͤhren I. Ordn. IV. Gatt. 12. Finken⸗ Habicht. 267 und manche Jagd vereiteln. Sonſt find die ‘gewöhnlichen Voͤgel⸗ feinde in und auf ſeinem Koͤrper auch ſeine Plage. Jagd. Oer Sperber iſt in ile Arten von Raubvogelfallen ſehr leicht zu fangen, wenn man nehmlich Sperlinge oder andre kleine Voͤgel hinein ſetzt; denn nach der Taube, die man gewoͤhnlich zum Koͤder in den Raubvogelfallen gebraucht, geht blos das Weibchen. Dem Vogelſteller macht er viel zu ſchaffen, indem er öfters die Lockvogel mit der groͤßten Geſchwindigkeit vom Heerde hinweg nimmt, aber dabei auch oft gefangen wird. Da er gewoͤhnlich im niedern dichten Holze Nachtruhe haͤlt, ſo iſt er dort, wie auch uͤberhaupt, weil man ihn faſt immer im Gebüfch antrifft, ſehr leicht mit der Flinte anzu⸗ ſchleichen. Auf der Kraͤhenhuͤtte verhaͤlt er ſich, wie in wielen andern Fed, wie der Huͤhnerhabicht. Nutz en. Man richtet das Weibchen zur Jagd ab und faͤngt Rebhuͤhner, Wachteln, Lerchen, Sperlinge u. d. gl. mit ihm. Auch fieng ich oͤfters Sperlinge auf folgende Art: Ich nahm einen lebendigen Sperber, band ihm einen langen Bindfaden an die Fuͤße, hielt ihn verborgen, und gieng auf einen Hof, wo viel Sperlinge ohne Furcht ſaßen und ſich Futter ſuchten. Hier ließ ich ploͤtzlich den Sperber fliegen, hielt ihn aber ſo am Faden, daß er nicht entwiſchen konnte. Die Sperlinge erſchraken uͤber die ploͤtzliche Erſcheinung ihres Todfeindes ſo gewaltig, daß ſie in aller Eil in die naͤchſten Loͤcher und Schlupfwinkel flohen, da, ſo lange ſie den Sperber flattern ſahen, ſtill ſaßen und von andern Feinden, nämlich von meinen Begleitern, hervorgezogen wurden. Die Faͤnge (Fuͤße) werden dem Jaͤger wie andere Raubvoͤgelfaͤnge gewühntich von ſei⸗ ner Obrigkeit ausgeloͤßt. Schaden. Hierüber laͤßt ſich leicht urtheilen, wenn man die Rubrik: Nahrung, durchgeht. Wollen wir nicht zu viel Selbſtſucht verrathen, ſo koͤnnen wir ihm den Schaden, den er uns zufuͤgt, nicht ſehr hoch anrechnen, beſonders da er auch die allzugroße Vermehrung der laͤſtigen Sperlinge einſchraͤnken hilft. — Dritte Familie. Edelfalken, Falcones nobiles, Schnabel: Stark, ſehr kurz; Oberkiefer mit einem großen ſcharfeckig ausgeſchnittenen Zahn und einem aͤhnlichen Ausſchnitt in der Unterkinnlade, in welchen jener paßt. Naſenlöcher rund, mit einem emporſtehenden Huͤgelchen in der Mitte. Fuͤße: Kurz, ſtark, mit ſehr langen Zehen verſehen, bie Des an den Sohlen hohe warzenaͤhnliche Ballen haben, welche an den Gelenken ſtehen und ſo vertheilt ſind, daß die Mittelzeh zwei, die äußere und die innere aber nur einen, die hintere aber gar keinen hat. Die Krallen ſind ſehr ſtark, krumm, ſcharfſchneidig und ſehr ſpitz. N. 5 ; Flügel: Lang und ſchmal, die erſte Schwinge von gleicher Länge mit der dritten, die zweite iſt die laͤngſte. Das Gefieder iſt dicht und derb, die Kiele ſtark und ſtraff. Die Umgebung des Auges iſt unbefiedert, die nackte Stelle von gleicher Farbe mit der Wachshaut; die Iris dunkel⸗ braun. Vom Mundwinkel und dem Auge laͤuft ein dunkel gezeich⸗ neter Streif zwiſchen Wangen und Kehle herab. Sie naͤhren ſich blos vom lebendigen Raube, ohne jemals aufs Aas zu fallen; fangen meiſt alle Voͤgel im Fluge, und laßen die ſitzen⸗ den unangetaſtet. Sie zeigen auſſerordentlich viel Gewandtheit beim Angriff und Erhaſchen ihrer Beute, jagen den Voͤgeln im Fluge nach und ſtoßen von oben herab auf fie. Sie lieben das freie Feld, und halten ſich nur zur Gee be in felſigen und waldigen Gegenden auf. Da einige in ihrer Lebensart ſehr, in Geſtaltung ihrer Koͤrper⸗ theile aber weniger abweichen, ſo muͤßen ſie eine eigene Unterabthei⸗ lung bilden; demnach theilen ſich die Edelfalken in zwei Linien, als: a) Wahre Edelfalken, mit ſehr langen Zehen, und hohen Sohlenballen. Ihr Raub beſteht faſt einzig in Voͤgeln, welche ſie nur im Fluge erhaſchen, ſitzend aber nicht fangen. I. Orbn. IV. Gatt. Edelfalten. 269 Da ſie geſchickt und gelehrig ſind, ſo laßen ſie ſich zur Jagd andrer Geſchoͤpfe abrichten, und find die vorzuͤglichſten Baitzvoͤgel der Falknerien. - Fünf Arten. b.) Rothfalken, mit kürzeren Zehen, dicken Sohlen, aber weniger deutlichen Ballen. Sie naͤhren ſich von Maͤuſen, Inſekten und Voͤgeln, koͤnnen letztere jedoch nicht im Fluge fangen. Wenn ſie gleich in ihrer Geſtalt den wahren Edelfalken aͤhneln, ſo gleichen ſie dagegen in ihrer Lebensart mehr den Weihen und Buſſarden, Drei Arten. a) Wahre Edel falken. 5 Ba . Der Jagd Falke Falco can dic ans. Linn. Fig. 1. Sehr altes Maͤnnchen. Taf. 21. Fig. 2. Altes Weibchen. Fig. 1. juͤngeres Weibchen. Taf. 22. Fig. 2. ganz junges Maͤnnchen. Der Islaͤndiſche, gemeine, edle, weiße Falke, Islaͤnder, Baitzfalke, Beitzvogel, Edelfalke, Geierfalke, Islaͤndiſcher Geier⸗ falke. — Juͤngere Vogel: Geier⸗, Gier⸗, Ger⸗, Geerfalke, Halsband⸗, Mittel⸗, Wuͤrger⸗, Stephan⸗, Steppen⸗, Wachtel⸗, Schwimmer⸗, Reger⸗, Raubfalke, wolliger, großer, blaufuͤßiger Falke, Blaufuß, Schwimmer, Schwinner, Schweimer, großer Schlachter, Neuntoͤdter, Wuͤrger, (franzoͤſiſcher Wuͤrger ?) Lanette, braune Lanette. Falco islandus. Gm. Linn. I. p. 271. n. 87, var. 8. F. i. albus et Var. Ye F. i. maculatus ZZ Falco candicans, Ibid. p. 275. n. 101, var, 5. F. e, islandicus. == Falco rusticolus, Linn, Faun. Suec p. 19. n. 56. — Gm. Linn. syst. I. p. 268. n. 7, =: Falco Gyrfaleo. Linn. F. s. p. 22. n. 64. — Gm. Linn. T. p. 275. n. 27. — Retz. F. s. p. 73. n. 20. — Nilsson ornith. suec. I. p. 38. n. 18. Falco fuscus, Fabric. Faun. groenl. p. 56. Falco islandicus. Lath. ind. orn. I. p. 32. n. 69. — Le Gerfaut. Buff. Ois. Edit, d. Deuxp. I. p. 247. t. 12. — Id. Pl. enl. 210. 446 et 462. . Faucon genfaut. Temm. Man. p. 33. Mhite Jer falcon. Lath, syn. I. 1. p. 83. n 69. Ueberſ. v. Bechſt. 1 . 7 J. n. 68. == Iceland Falcon. Ibid. p. 70. n. 50. Ueberſ. ©. 63. n. 50. — Pennant arct, zool. II. p. 216, —= Gyrfalcon, Ibid, britt, Zool. I. 177. 19. == Spervidre bianco di moscovia. Stor, degl. 270 I. Ordn. IV. Gatt. 15. Jagd⸗Falke. uce. t. 30. Bechſtein Naturg. Deutſchl. zte Aufl. II. ©. 816 u. 824. n. 33, u. 34. = Den ornith. Taſchenb. S. 40. 43 u. 45. n. 32. 33 u. 36. — Meyer u. Wolf Taſchenb. I. S. 65. n, I5. = Deren Vögel Deutſchl. Heft 24. — Meyer Vgl. Eſt⸗ u. Bun S. 19. n. 8 Meisner u. Schinz. Vgl. d. Schweitz, S. 28. n. 25. Naumanns Voͤgel, alte Ausg. Nachtr. 8. S. 409 425. t. 57 u. 58. e e be e der Art. Wachshaut, Augenkreiſe und die großen Fuͤße blau, dann gruͤnlich, im hohen Alter blaßgelb; der Backenſtreif undeutlich; Schwanz g bis 10 Zoll lang, länger als die in Ruhe liegenden Flügel, mit ſchwarzen Schaͤften und zwoͤlf bis vierzehn dunkeln Querbaͤndern auf lichtem Grunde; am jungen Vogel mit eben ſo viel lichten Querſtreifen auf dunklem Grunde. Laͤnge des Vogels 24 bis 28 Zoll. Alter Vogel: Weiß, oben braun gefleckt. Vogel im mitt lern Alter: Oben graubraun, weiß geflecktz unten gelblichweiß, mit braunen herz- oder lanzettfoͤrmigen Flecken. Junger Vogel: Oben braun; unten weißgelblich, mit braunen Laͤngsflecken. Beſchreibung. Dieſer ſchoͤne Falke ift größer als irgend eine einheimiſche Art, aus der Familie der wahren oder edlen Falken. Er hat das edelſte Anſehen unter ihnen; die Bruſt iſt ſtark und rund, die Schul⸗ tern find breit, die Flügel lang und ſpitzig, der Schwanz ſchmal, der Schnabel kurz, dick, ſcharf und doppelt gezahnt, die Fuͤße ſtark, die Laͤufe kurz und ſtaͤmmig, die Zehen außerordentlich lang mit hohen Ballen der Fußſohlen, und ſtarken ſcharfſpitzigen Krallen. Auch ſein derbes, aus dicht deckenden und glatt anliegenden Federn beſtehendes Gewand, traͤgt ſehr zur Verſchoͤnerung dieſes kraͤftig gebildeten Koͤrpers bei. Seine Laͤnge beträgt 25 bis 27 Zoll, die Breite 54 bis 58 Zoll; der etwas keilfoͤrmig gerundete Schwanz iſt 9 bis 10 Zoll lang, und die Fluͤgelſpitzen bedecken ihn bis auf 13 bis 2 Zoll. d Der Schnabel iſt dick, faſt rund, mit ſchoͤn gekruͤmmtem haken⸗ foͤrmigem Oberkiefer, welcher nahe an der Spitze einen großen ſcharfen Zahn hat, der in einen paſſenden Einſchnitt in den Unter⸗ kiefer ſchlaͤgt; hinter dieſem erſten ſcharfeckigen Einſchnitt bildet die obere Kinnladenſchneide noch einen abgerundeten Zahn, faſt noch auffallender als am Schnabel des Wanderfalken. Der Schnabel iſt oben, im Bogen, 13 Zoll lang und an der Wurzel, im Durchſchnitt 2 Zoll hoch; hellblaͤulich, an der Spitze ſchwarz und an der Wurzel I. Ordn. IV. Gatt. 13. Jagd-Falte 271 und vorzuͤglich am Unterkiefer gelblich; Wachshaut und die kahlen Augenkreiſe im hohen Alter ſchmutzig hellgelb, im Mittelalter gruͤn⸗ lichgelb, und in der Jugend blaßblau. Das Naſenloch iſt wie am Wanderfalken gebildet, die Iris dunkelbraun *), und zwiſchen dem Auge und Schnabel ſtehen weiße und ſchwarze Borſthaare. Die ſehr ſtarken, langzehigen Füße find ſchmutzig⸗ oder grün- lichhellgelb, bei jungen Vögeln blaßblau; die ſehr großen, ſchoͤn gekruͤmmten, ſpitzigen Krallen dunkelbraun, an den Spitzen ſchwarz. Der Lauf iſt 24 Zoll lang und vom Ferſengelenk zur Hälfte herab beſiedert; die Mittelzeh nebſt der, im Bogen gemeſſenen, Kralle faſt 4 Zoll; die Hinterzeh, ohne Kralle, 1 Zoll und ihre große Kralle, im Bogen, 2 Zoll lang. ö Die Grundfarbe am Gefieder des ſehr alten Vogels iſt durchgehends weiß. Den ſchwarzen Streif, der zwiſchen Kehle und Wange bei dieſer Falkenfamilie herabgeht, bemerkt man an alten Voͤgeln dieſer Art kaum, denn er beſteht nur aus einzelnen ſchwar⸗ zen Strichelchen. Der Kopf iſt weiß, Scheitel und Ohrengegend fein ſchwarz beſtrichelt; alle untern Theile, vom Kinn bis, zum After, nebſt den untern Fluͤgeldeckfedern, ſind weiß, nur an den Hoſen bemerkt man einige ſchwarzbraune Federſchaͤfte und einzelne ſehr kleine Lanzettflecken, von gleicher Farbe. Die Ruͤcken⸗,Steiß⸗, Schulter⸗ und Fluͤgeldeckfedern ſind weiß mit einem halbmondfoͤr⸗ migen ſchwarzbraunen Fleck nahe am Ende und die groͤßern, außer dieſem, noch mit einer oder mehreren dergleichen ſchmalen Quer⸗ ſtreifen und einzeln ſchwarzen Schaͤften; die großen Schwingen weiß, mit ſchwarzbraunen Enden, vielen dergleichen Duerbinden, die aber nicht bis an die Kante der innern Fahne reichen, gelblich⸗ weißen, feinen Saͤumen und Endkanten, mit braunbeſpritztem Rande und dunkelbraunen Schaͤften. Die weißen Schwanzfedern haben dunkelbraune Schaͤfte, und zwoͤlf ſchmale ſchwarzbraune Querbinden, die aber an den Seitenfedern blaͤßer werden und nicht bis an die Kanten reichen, die an allen, am ſchwaͤchſten an den mittlern Schwanzfedern, dunkelbraun beſitt find. ») Die Iris im Auge iſt in manchen Werken gelb angegeben, was fle aber in der Natur nie iſt. Ich habe ſie bei allen Voͤgeln dieſer Art ſtets braun, bald dunkler, bald heller, gefunden, aber nie etwas Gelbes daran bemerkt. Die Wachs haut, die Augenlieder und kahlen Augenkreiſe ſind im Leben bei jun⸗ gen Vögeln ſtets hellbleifarben oder blaßblau, werden im Mittelalter gruͤnlich⸗ gelb und im hohen Alter hellgelb und eben fo verhält es ſich nn mit der Farbe der Süße, die aber immer etwas lebhafter erſcheint. 7 272 1. Ordn. IV. Gatt. 15. Jagd⸗Falke. Das ſehr alte Weibchen iſt dem Maͤnnchen bis auf die betraͤchtlichere Groͤße, (es iſt oft 5 bis 4 Zoll laͤnger) ganz aͤhnlich und in der Farbe faſt nicht zu unterſcheiden. Dieſer Falke mag ein hohes Alter erreichen, ehe er die beſchrie⸗ benen Farben erhaͤlt, was auch das ſo ſeltne Vorkommen in dieſem Kleide wahrſcheinlich macht. Man ſpricht auch von ganz weißen, durchaus ungefleckten Islaͤndiſchen Falken, als von einer außeror⸗ dentlichen Seltenheit; ich habe aber einen ſolchen nie geſehen, kann auch nicht beſtimmen, ob es vor Alter weiß gewordene Individuen oder ob ſie blos Spielart, ſogenannte Kackerlacken waren. — Hinſichtlich der mehr oder minder haͤufigen Anlage von Weiß und Braun, und der Vertheilung dieſer Farben untereinander, giebt es bei dieſen Falken ſehr viel Verſchiedenheiten. Alte und junge Voͤgel weichen, wie wir ſogleich ſehen werden, auſſerordent⸗ lich von einander ab. Oefterer als die beſchriebenen weißen kommen die Voͤgel vor, welche folgende Zeichnungen haben, obwol man annehmen darf, daß ſie dieſe Kleidung auch erſt nach vier bis fuͤnf vorhergegangenen Federwechſeln erhalten. Am Maͤnnchen im Mittelalter iſt der Schnabel dunkler, als bei dem ſehr alten; Wachshaut, Augenkreiſe und Fuͤße ſchmutzig gruͤnlichgelb, die Iris dunkelbraun und der Bartſtreifen ſichtbarer; der Scheitel gelblichweiß, mit ſchwarzbraunen Schmitzen; die Wangen ſchmutzig gelblichweiß, ſchwaͤrzlich geſtrichelt; die Kehle, fo wie alle untern Theile, gelblichweiß, der Kropf mit ſchwarzbrau⸗ nen Schmitzen und einzelnen dergleichen halbverloſchnen und ab: gebrochnen Federkanten; der uͤbrige Unterleib und die untern Fluͤgeldeckfedern mit Schmitzen, kleinen lanzett⸗, herz- und rauten⸗ foͤrmigen Flecken von ſchwaͤrzlichbrauner Farbe, die an den obern Theilen der Schenkel am groͤßeſten ſind. Der Hinterhals wie der Kopf, nur heller, Ruͤcken und Schultern, Fluͤgeldeckfedern und hintern Schwingen dunkelgraubraun, am Steiße ins Aſchgraue uͤbergehend, alle Federn mit gelblichweißen Raͤndern und die kleinern auf jeder Seite mit einem, die groͤßern aber mit mehreren gelb- lichweißen Querflecken an den Raͤndern; die großen Schwingen ſehr dunkel braungrau mit braͤunlichweißen feinen Kanten und breitern weißen Endſpitzen, die vorderſte mit hell roſtgelben Flecken, und mehrere der darauf folgenden mit gelblichweißen Sprenkeln, auf der aͤußern Fahne nach der Wurzel zuz uͤbrigens haben noch alle auf der Kante der innern Fahne große gelblichweiße, ſchwaͤrz⸗ lich geſprenkelte Querflecken. I. Ordn. IV. Gatt. 13. Jagd⸗Falke. 273 Die gelblichweißen Schwanzfedern haben ſchwarzbraune Schaͤfte und zwoͤlf dunkelbraungraue Querbinden, und die zwei mittelſten ſind bis zur gelblichweißen Spitze noch aſchgrau uͤberpu⸗ dert. Die Fuͤße ſind grünlichgelb, die Fußſohlen ſchmutziggelb, die Krallen ſchwarz. Das Weibchen von dieſem Alter iſt im Ganzen genommen etwas dunkler, denn Kopf, Hals und alle untern Theile haben mehrere und groͤßere ſchwarzbraune Striche und Flecken, und an den Federn der obern Theile ſind die gelblichweißen Einfaſſungen deutlicher und ſchmaͤler und die Randflecken viel kleiner und ſparſamer, uͤbrigens wie am Maͤnnchen; auch gleicht es dieſem in Schnabel und Fuͤßen. An juͤngern Voͤgeln beiderlei Geſchlechts, nur mit dem kleinen Unterſchiede, daß das Weibchen ſtets etwas dunkler gefaͤrbt erſcheint, ſind Wachshaut, Augenkreiſe und Füße ſchmußig lichtblau mit durchſchimmerndem Gelb, oder blaß gruͤnlichblau; Kopf, Hals und alle untern Theile gelblichweiß mit dunkelbraunen Schaftſtrichen Can den erſteren und am After) und dergleichen birnfoͤrmigen und laͤnglichten Flecken. Die Federn am ganzen Ruͤcken, dem Steiße, den Schultern und die Fluͤgeldeckfedern ſind auf braunem Grunde roſtgelb und gelblichweiß gekantet und an den Saͤumen mit derglei⸗ chen kurzen Querflecken beſetzt; alle Schwungfedern braun, die großen am dunkelſten, braͤunlichweiß gekantet und auf beiden Fah⸗ nen, nach außen zu, mit roſtgelblichen Querflecken beſetzt, die zum Theil braun beſpritzt ſind; die untere Seite der Fluͤgel gelbichweiß mit braunen Querflecken; der Schwanz gelblichweiß mit zwoͤlf bis vierzehn ſchmalen braunen Querbaͤndern. Der junge Vogel, in ſeinem erſten Lebensjahre, weicht ſo ſehr von dem Alten ab, daß er haͤufig fuͤr eine beſondere Art, ſelbſt von Falkonierern, die doch den Farbenwechſel am beſten haͤtten beobachten koͤnnen, gehalten wurde. Er hat bei einem fluͤchtigen Ueberblick, faſt alle Farben und Zeichnungen des jungen Wander— falken, beſonders des weiblichen, doch giebt es, bei genauerer Anſicht, Unterſcheidungszeichen genug zwiſchen ihm uud dem letztern, wenn man auch den auffallenden Unterſchied in der Größe nicht beobachten wollte. Der Schnabel iſt ſchwarz, nach der Wurzel zu blaͤulich, Wachshaut, Augenkreiſe und Fuͤße ſchmutzig hellblau; die Augen⸗ ſterne dunkelgraubraun. Der dunkle Streif vom Schnabelwinkel, zwiſchen Kehle und Wange herab, das charakteriſtiſche Zeichen der Edelfalken, iſt hier auffallender als am alten Vogel; er iſt aus e ſchwarzbraunen Strichen zuſammengeſetzt. Die 18 274 I. Ordn. IV. Gatt. 13. Jagd⸗Falke. Wangen ſind graubraun, ſchwarz geſtrichelt; Scheitel und Hinter⸗ hals braun mit ſchwarzen Strichen, letzterer, nebſt einem Streif über oder vielmehr hinter dem Auge, weiß gemiſcht; die Kehle und Stirne ſchmutzigweiß; der ganze Unterleib gelblichweiß, jede Feder mit einem unregelmaͤßigen braunen lanzettfoͤrmigen Flecken. Dieſe Lanzettflecke find am Vorderhalſe ſehr ſchmal, am Kropfe und an der Oberbruſt aber groß, breit und ineinander fließend, am After bilden ſie dagegen nur ſchmale Schmitze. Der ganze Oberleib iſt tief graubraun, mit hellern Federkanten, und an den Steißfedern und groͤßten Fluͤgeldeckfedern zeigen ſich einige wenige, kleine, gelblichweiße Flecke; die Schwingen ſind ſehr dunkel braun, mit braͤunlichweißen Kanten und vielen hellroſtgelben Querflecken auf der innern Fahne; die Schwanzfedern graubraun, mit hellern Kanten und zwoͤlf gelblichweißen, ſchmalen Querſtreifen, die aber weder zum Schaft jeder Feder, noch bis an die Kante reichen, alſo eigentlich nur ſchmale Querflecke zu nennen ſind. Auf den beiden Mittelfedern des Schwanzes find dieſe Querflecke am Elein: ſten und undeutlichſten. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich nur in der Größe, indem letzteres erſteres oft um einige Zoll uͤbertriſt; auch iſt es an den untern Theilen mehr und groͤber braun gefleckt. Beide ſind, gegen alte Voͤgel gehalten, gewoͤhnlich etwas kleiner, und ihre Zehen im friſchen Zuſtande etwas dicker, daher dieſe kuͤrzer zu ſein ſcheinen. Im Tode, beſonders an den ausgeſtopften, werden Wachshaut, Augenkreiſe und Fuͤße aſchblau, bei jungen Voͤgeln ſehr dunkel; ſelbſt bei ſehr alten wird die gelbliche Farbe dieſer Theile in die blaͤuliche oder ſchmutzig gruͤne verwandelt. — Dieſer Umſtand darf bei Unterſuchung getrockneter Baͤlge nicht unbeachtet bleiben, und es iſt gewiß, daß er zu den Verwirrungen, die in der e unſres Vogels herrſchen, ſehr viel beigetragen hat. Weil es zur Zeit noch zu ſehr an im Freien angeſtellten Beob— achtungen uͤber die Naturgeſchichte dieſer Voͤgel fehlt, ſo muͤſſen wir auch noch uͤber ſo Manches in Ungewißheit bleiben; denn in der Gefangenſchaft iſt bekanntlich oft Vieles ganz anders als bei den im freien Zuſtande lebenden. Dies bemerken wir oͤfters an Voͤgeln, welche den Verluſt der Freiheit weit weniger zu fühlen ſcheinen, als die Falken, welche noch dazu bei uns ein anderes, ihnen gewiß nicht angenehmes Clima finden. Dieſe große Veraͤnderung muß nothwendig auch ſehr ſtark auf ihren Organismus wirken. J. Ordn. IV. Gatt. 15. Jagd⸗Falke. 275 Wenn man z. B. ſagt: Die Mauſer der gezaͤhmten Jagdfalken traͤte Ende Maͤrzes ein, ſo iſt dies durchaus nicht als Regel anzu⸗ nehmen; denn manche Individuen mauſern früher, ſpaͤter, langſa⸗ ſamer oder ſchneller, andere wieder ſehr unregelmaͤßig. Eben ſo geht es denn auch mit dem Farbenwechſel. — Kann man nicht viele dieſer Voͤgel Jahrelang beobachten, ſo moͤchte man ſchwerlich zu einer richtigen Anſicht hieruͤber gelangen. Dies konnte nur ein Natterer, dem ich denn auch die beſten und wichtigſten Auf⸗ ſchluͤſſe uͤber dieſe und die folgende Falkenart verdanke. Aufenthalt. Die Heimath des Jagd- Falken iſt der hohe Norden von Eu: ropa, z. B. Island, Norwegen und Lappland, auch das noͤrdliche Amerika, Groͤnland und andere Kuͤſtenlaͤnder des noͤrdlichen Eismeeres, wo er in der Nachbarſchaft deſſelben die Gebirge bewohnt und von da aus, nach dem Geflügel, an den Küften umher ſtreicht. Nur ſelten verlaͤßt er jenes, ſein rauhes Vater⸗ land, ſtreicht, beſonders im Spaͤtherbſt, ins ſuͤdliche Schweden herab, und kommt dann auch zuweilen ins nördliche Deut ſſch— land, noch ſeltner aber bis zu uns. Ob es gleich nicht unwahr⸗ ſcheinlich iſt, daß er manchmal unſte Gegenden auf feinen Streifzuͤgen berühren mag, fo bin ich ſelbſt doch noch nicht fo glüd- lich geweſen, einen im Freien anzutreffen. Ich habe zwar oft Falken geſehen, die durch ihre Größe auſſerordentlich auffielen, allein nur ſelten kommt man den Falken, die zu dieſer Familie gehoͤren, ihrer Scheuheit wegen, ſo nahe als noͤthig iſt die Farben genau zu erkennen, um mit Gewißheit beſtimmen zu koͤnnen, zu welcher Art ſie gehoͤren; denn in Geſtalt, Flug und Betragen aͤhneln ſich die groͤßern Arten ſo auſſerordentlich, daß man ſie oft nicht eher beſtimmt erkennt, bis man ſie in den Haͤnden hat. Nur im Winter beſucht er Deutſchland zuweilen, und man hat ihn dann beſonders in den Gebirgsgegenden deſſelben bemerkt und auch hin und wieder geſchoſſen. Auch in feinem Vaterlande lebt er in den Gebirgen, und durchſtreift die Ebenen und Kuͤſten nur wenn es ihm dort an Nahrung fehlt. Wie es ſcheint, ſo bewohnt er im Sommer alle Laͤnder, welche unter oder nahe am arktiſchen Kreiſe liegen, rings um den Nordpol herum, und geht im Winter nicht gern unter den boten Grad n. Br. herab. 256 I. Ordn. IV. Gatt. 15. Jagd⸗Falke. Eigenſchaften. Es iſt ein ſchoͤner Vogel, deſſen Blick und Anſehen Muth und Kraft, mit Schnelligkeit verbunden, ſogleich errathen laͤßt. Als der groͤßte aller bekannten deutſchen Edelfalken beſitzt er auch alle vorzuͤglichen Eigenſchaften, die jene ſo ſehr vor allen andern Raub— voͤgeln auszeichnen, in einem ſolchen Grade, daß man ihm unbedingt die erſte Stelle unter ihnen anweiſen kann. Was der Koͤnigsadler in der Familie der Adler iſt, das iſt der herrliche Jagdfalke unter den Edelfalken. Ob gleich groͤßer und ſtaͤrker, ſo iſt er doch eben ſo ſchnell und gewandt als der Wanderfalke. Mit reiſſender Schnelle ſtreicht er im niedrigen Fluge uͤber die Erde hin, ohne ſich hoch in die Luͤfte zu ſchwingen, wenigſtens ſieht man das letztere nicht oft von ihm. Trotz ſeiner Wildheit und ſeines ungeſtuͤmen Betragens, welche aus allen feinen Handlungen hervorleuchten, läßt er ſich doch ziem⸗ lich leicht zaͤhmen und zur Jagd auf allerlei Voͤgel und Haaſen abrichten. Er iſt ſehr gelehrig und folgſam, ſtark, verwegen, ge— wandt und dauerhaft, alles Eigenſchaften, die ihm unter den Baitz⸗ voͤgeln die erſte Stelle einräumen. Man ſchaͤtzt vorzüglich diejeni⸗ gen und ruͤhmt ſie als die gelehrigſten, welche man einfaͤngt, ehe fie ein Jahr alt find, weniger die alt eingefangenen und am aller: wenigſten diejenigen, welche man aus dem Neſte nimmt und groß fuͤttert. Nahrung. Als ein fo edler Vogel lebt er auch blos von lebendig gefange⸗ nen warmbluͤtigen Thieren, vorzuͤglich von Gefluͤgel und faͤllt nie aufs Aas. Alle Hühner: und Taubenarten find eigentlich feine Leckerbiſſen und die Schneehuͤhner haben an ihm einen unverſoͤhn⸗ lichen Feind. Er fol auch Haaſen fangen. — In der Art feinen Raub zu fangen und überhaupt ſich zu naͤhren, koͤmmt er ganz mit unſern Taubenfalken uͤberein. Er ſtoͤßt wie dieſer pfeilſchnell aus der Hoͤhe auf ſeine Beute; ſtoͤßt er fehl, ſo ſchwingt er ſich abermals in die Luft, verſucht einen neuen kraͤftigen Stoß, und wiederholt dies ſo oft, bis er ſeinen Zweck erreicht oder nach mehre— ren Fehlſtoͤßen ermuͤdet abziehen muß. Aber nicht ſenkrecht, wie man gewoͤhnlich vorgiebt, ſondern in etwas ſchiefer Richtung ſtoßen die Edelfalken nach ihrer Beute. In der Gefangenſchaft muß er, ob er gleich der dauerhafteſte unter ſeinen Verwandten iſt, mit Sorgfalt gepflegt werden. J. Ordn. IV. Gatt. 13. Jagd⸗ Falke. 277 Damit er immer bei Kräften bleibe und lange aushalte, fuͤttert man ihn ſtets mit friſchem Fleiſche, beſonders mit Gefluͤgel. f Fortpflanzung. 5 Er fol in hohen Felskluͤften niſten, woher feine Jungen oft mit groͤßter Lebensgefahr gehohlt und zu Baitzvoͤgeln aufgezogen werden. Vom Bau ſeines Neſtes, von der Farbe und Anzahl Ne Eier u. d. gl. iſt nichts Zuverlaͤßiges bekannt. f Feinde. Es find keine bekannt. In der Gefangenſchaft iſt er mancher⸗ lei Krankheiten unterworfen, die von den Falkonieren kunſtmaͤßig behandelt und oft curirt werden. Sag d Man faͤngt ihn in mancherlei Raubvoͤgelfallen, doch muß in dieſen die lebendige Taube, die zum Koͤder dient, frei flattern koͤnnen. Auf Island faͤngt man ihn in einer Art Schlagnetz, mit einer Taube, die man an einer Schnur nach Gefallen flattern laͤßt; der Falken⸗ faͤnger verbirgt ſich dabei in einer Huͤtte. Nutz en. Da er unter allen Voͤgeln, die man zur Baitze abrichtet, der geſchaͤtzteſte und koſtbarſte iſt, indem er alle vorzuͤgliche Eigenſchaf⸗ ten derſelben in einem ſo hohen Grade beſitzt, ſo wird man ſelten eine Falknerie ſehen, worin nicht einer oder einige islaͤndiſche Falken angetroffen wuͤrden. Die jung aufgezognen ſchaͤtzt man weit weniger als die ſogenannten Wildfaͤnge, d. h. ſolche die alt einge⸗ bangen werden, unter dieſen aber die einjaͤhrigen Voͤgel am hoͤchſten. In Island und Norwegen wurden ſonſt jaͤhrlich viele gefangen und in das uͤbrige Europa verkauft. Sie ſtehen in hohen Preiſen, beſonders werden die aͤltern weißer gefaͤrbten, und am meiſten die ganz weißen, geſucht und außerordentlich theuer bezahlt. Da aber in jetzigen Zeiten die Falknerien vieler großen Herrn theils ſehr in Verfall gekommen, theils ganz eingegangen ſind, auch die Kriege in Europa, namentlich der Wechſel der Landesherrſchaften jener Laͤnder, in dieſen Handel ein Stocken gebracht haben, ſo werden auch unter den hier beſchriebenen edeln Falkenarten, der Jagd⸗ und Wuͤrgfalke, immer ſeltner und bald wird ſich nicht leicht ein deutſcher Ornithologe mehr ruͤhmen koͤnnen, einen dieſer ſchoͤnen 278 1. Ordn. IV. Gatt. 15. Jagd⸗Falke. Rauber lebendig geſehen zu haben. Ein abgerichteter, gut gepfleg⸗ ter Falke lebt in der Gefangenſchaft zehn bis zwoͤlf Jahr. Je aͤlter er wird, deſto blaͤſſer werden alle Farben an ihm. Gegenwaͤrtig ſchickt, ſo viel ich weiß, Daͤnemark jaͤhrlich nur noch ein Schiff nach Island um Falken von dort zu holen, die man den Fuͤrſten der Barbaresken ſchickt, weil unter den jaͤhrlichen Ge— ſchenken, die man dieſen macht, auch lebendige Falken ſeyn muͤſſen. Sie find noch große Liebhaber der Falkenhaitze. Uebrigens iſt auch ſelbſt in Koppenhagen der daſige ſogenannte Falkenhof, wo man ſonſt ſo viel lebendige Falken unterhielt, jetzt oͤde und ausgeſtorben. Die koſtbaren Dunen, welche im Handel unter dem Namen: Falkenfedern, bekannt waren, kamen groͤßtentheils von dieſem Vogel. Schaden. Durch ſeine Nahrung wird er ein ſehr ſchaͤdlicher Vogel. Nicht leicht laͤßt er ein Schlachtopfer entkommen, und das in feinem Vaterlande um ihn wohnende Federwildpret hat an ihm einen argen Nachbar. Wuͤßten ſich die huͤhnerartigen Voͤgel nicht oft durch ſtilles Niederducken an die Erde, die Schwimmvoͤgel aber durch ſchnelles Untertauchen ins Waſſer vor ſeinen Klauen zu ſichern, ſo waͤren ſie allemal ohne Rettung verlohren. Da er als ein ſo großer Vogel viel bedarf und immer nur friſches Fleiſch ſelbſt— gefangener Voͤgel genießt, ſo laͤßt ſich leicht berechnen, wie viel er deren wol taͤglich abwuͤrgen mag. Anmerk. In der erſten Auflage dieſes Werkes, a. a. O. hatte mein Vater und ich den jungen Jagdfalken noch als eine eigene Art unter dem Namen: Geier⸗ falke, beſchrieben, zu welchem Irrthum wir durch falſche Falkoniernachrichten ver⸗ leitet worden waren. Ich ſahe einen ſolchen Lieblingsvogel der Falkoniere, an welchem ber Zahn im Schnabel einfach, ſehr ſtumpf und abgerundet war, was ich denn fuͤr ein ſehr gutes Unterſcheidungsmerkmal fuͤr meinen Geierfalken vom Islaͤndi⸗ ſchen Falken hielt; erfuhr jedoch ſpaͤterhin, daß die Falkoniere den beißigen Voͤgeln haͤufig die ſcharfen Ecken des Zabhns abſtumpfen, damit fie nicht fo leicht mit ſelbigen verletzen koͤnnen. Der Zufall wollte es damals, daß ich gerade ein ſo verſchimpftes Exemplar zum Abbilden erhielt. Ich verfiel dadurch in den Wahn, daß dieſer Vogel vom Islaͤndiſchen ſpeciſiſch verſchieden ſei; ein Irrthum, der um ſo verzeihlicher war, da in naturhiſtoriſchen Werken die Synonymik wie die Beſchreibungen von unſerm Vogel fo verwirrt find, daß es gewiß nicht leicht iſt, ſich darinnen zurecht zu finden. Um nicht mißverſtanden zu werden, waͤhle ich daher nun zum deutſchen Hauptnamen einen zwar weniger uͤblichen, aber, wie ich glaube, ſehr ausgezeichneten, zum lateiniſch⸗ſyſtematiſchen hingegen denjenigen von den Linneiſchen, unter welchen der große Archiater unſern Vogel, nach meinem en am ſicherſten bezeichnete. (& 14. Der Würg Falke. Pal ee Danarius. Linn. Fig. 1. alt es Weibchen. Fig. 2. junges Maͤnnchen. Schlachtfalke; Sternfalke, Stoß⸗, Stocker, Soker⸗, Safer: falke, Großfalke, brittiſcher und heiliger Falke, beittger Sakerfalke, heiliger Geierfalke, Sacker, Sackeradler, Bergfalke, blaufuͤßiger Falke, Blaufuß, Würger (Franzoͤſiſcher Wuͤrger, nn Schlachter, Neuntoͤdter, die Lanette. Falco lanarius, Linn, Faun. Suec. 5 22. n. 62. Gmel. Linn. T. 5 276. Taf. 23. n. 24, — Lath. ind. orn. I. p. 38. n. 92. = Falco siellaris. Gm. Linn. J. Pp. 274. n. 95, ==: Falco sacer. Gm. Linn. I, p. 273. n. 93. Le Lanier. Buff. Ois. edit. d. Deuxp. I. p. 251. — Le Sacre. Id. p. 254. Brown . Lanner. Lath. syn. I. p. 86. n. 72. Ueberſ. v. Bechſt. T. S. 77. n. 72. Sacre and American Sacre. Ibid. Ueberſ. S. 69. u. 70, n. 59. A. Starry Falcon. bid. Ueberſ. S. 70. n. 61. . Sparvière sacro moro. Storia degli uccelli. pl. 28. — Bechſtein Naturg. Deutſchl. 2te Aufl. II. S. 830. c. Ebend. ©. 835. n. 38. u. S. 838. n. 36. —ı Deſſen Ornith. Taſchenb. S. 44. n. 34, = Naumanns Vogel, alie Ausg. Nachtr 8. S. 425. t. 59. . Kennzeichen der Art. Wachshaut, Augenkreiſe und Füße lichtblau, im Alter 1 ein deutlicher Backenſtreif; im Genick ein dunkler Fleck; die Eck⸗ ſchwinge mit einem ſchmutzig weißen Saͤumchen; der Unterleib gelblich oder weiß, mit runden oder laͤnglichen braunen Flecken; der Schwanz laͤnger als die in Ruhe liegenden Fluͤgel, braun mit weißer Spitze, und bei den Alten mit vielen rundlichen oder bohnen⸗ foͤrmigen Querflecken. Länge des Vogels 22 bis 23 Zoll. Beſchreibung. Der Wuͤrgfalke ſieht dem Taubenfalken im jugendlichen Kleide auſſerordentlich aͤhnlich. Es iſt mehrentheils von derſelben Groͤße, manchmal auch groͤßer, und wenn er gleich zuweilen ſchmaͤchtiger oder ſchlanker ausſieht, ſo ſind mir doch nie Exemplare vorgekommen, welche durch ihre Kleinheit ſo ſehr von der gewoͤhnlichen Groͤße abgewichen wären, wie man es bei dem Taubenfalken fo oft findet. 280 1. Ordn. IV. Gatt. 14. Würg⸗Falke. Uebrigens hat er einen weit ſchwaͤchern, laͤnglichern und klei— nern Schnabel, der auch weniger gekrümmt iſt; ſchwaͤchere Fuͤße, mit auffallend kuͤrzern Zehen, weniger gebogenen Krallen, und einen laͤngern Schwanz als dieſer. Laͤnge des Maͤnnchens: 21 Zoll, Breite: 46 Zoll; Schwanz⸗ laͤnge 73 Zoll, welchen die Fluͤgel mit ihren Spitzen bis auf 14 Zoll bedecken; Laͤnge des Weibchens: 223 Zoll, Breite: 50 Zoll; Fluͤgel⸗ länge vom Handgelenk bis zur Spitze 17 Zoll; Schwanzlänge: 63 3. Der ſtarke, im Bogen 13 Zoll lange Schnabel iſt blaͤulich, vorn ſchwarzbraun; der Oberkiefer mit einem ſcharfeckigen Zahn, nahe an der hakigen Spitze, der in einen dergleichen Einſchnitt der untern Kinnlade paßt. Wachshaut und Mundwinkel, nebſt einem kahlen Kreis um das Auge find ſchmutzig weißblaͤulich; das Naſen⸗ loch laͤnglichrund, und der kleine Huͤgel in denſelben weniger bemerkbar, als am Taubenfalken. Die Iris iſt dunkelbraun. Die Fuͤße ſind ſtark, mit langen geballten Zehen, welche aber weit kuͤrzer als die des Taubenfalken ſind; auch die hornſchwarzen, ſchoͤn gekruͤmmten Krallen ſind ſchwaͤcher und weniger gekruͤmmt als an dieſem; die Fußwurzel 23 Zoll lang, aber vom Ferſengelenk herab uͤber 1 Zoll mit kurzen roſtgelblichweißen Federn beſetzt, übrigens geſchuppt; die Zehen eben fo und nur an ihrer obern Seite geſchildert, ſammt dem kahlen Theil des Laufs oder der Fuß— wurzel blaßblau, bei alten Voͤgeln gelb. Die Mittelzeh mißt ohne die Kralle 25 Zoll, die Sie deſſelben im Durchſchnitt, 4 Zoll; die Hinterzeh ohne Kralle à Zoll; dieſe im Durchſchnitt eben fo viel, im Bogen aber 13 Boll, Das junge Mee en im erſten Jahre, ſieht folgender⸗ geſtalt aus: An den Zuͤgeln ſtehen, auf gelblichweißem Grunde, viele ſchwarzbraune Bartborſten; die Kehle iſt gelblichweiß; Stirn, Wangen und ein Streif uͤber dem Auge roſtgelblich, ſchwarz be— ſtrichelt; ein ſchmaler Streif vom Mundwinkel neben der Kehle herab braunſchwarz; der Scheitel roſtroͤthlich, braunſchwarz der Laͤnge nach gefleckt, im Genick ein braunſchwarzer Fleck; der uͤbrige Hinterhals roſtgelblich, braunſchwarz gefleckt; der Ruͤcken, Steiß und die Fluͤgeldeckfedern ſchwarzbraun, mit ſchmalen dunkelroſtfarbnen Kanten; die großen Schwingen braunſchwarz, mit ſchmutzig gelblich- weißen Kaͤntchen und auf der innern Fahne mit roſtroͤthlich weißen Querflecken, die nach der Wurzel zu bis auf die Kante reichen. Die Fe⸗ dern des, am Ende ſchmal und ſtumpfſpitzig auslaufenden Schwanzes ſind ſchwarzbraun, mit breiten roſtgelben Spitzen, und an der Kante I. Ordn. IV. Gatt. 14. Würg⸗ Falke. 281 der innern Fahne, nach der Wurzel zu, mit verloſchnen roſtgelben Quer⸗ flecken. Rüden und Schwanz ſind graulich bepudert; der Fluͤgelrand roſtgelblich, dunkelbraun gefleckt und die untern Fluͤgeldeckfedern dunkelbraungrau mit weißen Randflecken; Bruſt, Seiten, Bauch und die langen Hoſenfedern blaß roſtgelb, ins Roſtroͤthliche uͤber⸗ gehend, mit dichten, großen, laͤnglichrunden und lanzettfoͤrmigen ſchwarzbraunen Flecken; die untern Schwanzdeckfedern blaßroſtgelb mit feinen ſchwarzbraunen Schmitzen oder Schaftſtrichen. Obwol das jung e Weibchen, hinſichtlich der Hauptfarben und ihrer Vertheilung, dem jungen Maͤnnchen ſebr aͤhnlich ſieht, ſo iſt es doch im Ganzen auffallend lichter gefaͤrbt. Gegen die erſte Mauſer hin, wo die Farben noch dazu abgebleicht ſind, hat es folgende Zeichnungen: Die Kehle iſt rein weiß; der Vorderhals eben ſo, mit feinen braunen Schmitzchen; der Kropf und die Bruſt, auf der Mitte hinab, weiß mit kurzovalen, faſt runden, dunkelbrau⸗ nen Flecken am Ende jeder Feder. In den Seiten ſind dieſe Flecke weit groͤßer und ziehen ſich, nach den Schenkeln hin, in die Laͤnge, ja ſie werden hier ſo groß, daß man eigentlich ſagen kann: die Federn find hier dunkelbraun, mit roſtbraunen, ſchnell in Roſt⸗ gelblichweiß uͤbergehenden Einfaſſungen; ſo ſind auch die Hoſen⸗ federn, doch nach vorne zu hat hier wieder die gelblichweiße Farbe die Oberhand. Der Bauch iſt roſtgelblichweiß, mit braunen ovalen Flecken; die After⸗ und die unteren Schwanzdeckfedern ſchmutzig weiß. Der ſchwarze Backenſtreif iſt ſchmal, aber ſehr deutlich gezeichnet; Stirn und Wangen weiß, mit ſchwarzen Federſchaͤften; der Schei⸗ tel auf weißen, roſtfarben gemiſchten Grunde mit ſchwarzbraunen zugeſpitzten Schaftflecken; die Halsſeiten und das Genick weiß, dunkelbraun gefleckt; am letztern zeichnet ſich eine ſchwarzbraune Stelle, in Form eines großen Flecks, beſonders aus; die Ohrgegend iſt auch dunkler als die Wangen; im Uebrigen iſt aber die Zeich⸗ nung der obern Theile des Rumpfes und der Flügel wie die des Maͤnnchens, aber bleicher, faſt graubraun, mit weißlich roſtbraunen Federſaͤumen, mit groͤßern gelblichweißen Querflecken auf der innern Fahne der Schwingen, und die vorderſte mit einem ſchmalen hell⸗ weißen Saͤumchen auf der aͤußern Kante. Die Schwanzfedern ſind graubraun und haben, außer den breiten gelblichweißen Spitzen, auf den aͤußern Fahnen mehrere (in den aͤußern Federn bis acht) runde erbſengroße, gelblichweiße Flecken, welche recht auf der Mitte der Fahne ſtehen, und gleichweite Zwiſchenraͤume laſſen. Auf den innern Fahnen, die der beiden Mittelfedern ausgenommen, ſtehen, — 282 I. Ordn. IV. Gatt. 14. Wuͤrg⸗Falke. den erſtern gegen uͤber, zwar aͤhnliche Flecke, doch find fie größer, gelber und haben eine bohnenfoͤrmige Geſtalt, laufen auch, gegen die Wurzel hin, in die Kante dieſer Fahne aus, ſo daß man ſie hier Querflecke nennen koͤnnte. Von unten ſchimmern die Zeichnungen der obern Seite an den Schwing- und Schwanzfedern durch; der Fluͤgelrand iſt weiß, auch die untern Fluͤgeldeckfedern viel weißer und weniger gefleckt als am Maͤnnchen. Im Alter hat dieſer Falke eine gelbe Wachshaut, Schnabel— wurzel, Augenkreiſe und ſchmutzig gelbe Füße, und das ganze Ge— fieder wird weit heller. Hier iſt die Beſchreibung eines alten Weibchens: Kopf und Hinterhals haben, auf ſchoͤn roſtgelbem Grunde, braune Flecken; der Backenſtreif beſteht nur aus einzelnen Strichen; die Kehle und der ganze Unterleib ſchoͤn roſtgelb; Bruſt, Seiten und Hoſen mit braunen lanzett- oder birnfoͤrmigen Flecken, welche an der Oberbruſt am kleinſten ſind und einzelner ſtehen. Der ganze Oberleib iſt dunkelbraun, alle Federn dunkelroſtgelb gekantet, und die groͤßern Fluͤgeldeckfedern, nebſt den Schulterfedern, mit unre⸗ gelmaͤßigen dunkelroſtgelben Quer- und Randflecken; die Schwingen wie am jungen Vogel, nur blaͤßer; die Schwanzfedern matt dun= kelbraun, mit großen roſtgelblichweißen Spitzen und vielen hellroſt— gelben Querflecken, die aber nicht an den Schaft reichen und welche an den beiden Mittelfedern, und den aͤußern Fahnen der uͤbrigen eine faſt bohnenfoͤrmige Geſtalt annehmen. Schwanz⸗ und Steißfedern find an dieſem Vogel jeder⸗ zeit von einer etwas hellern Grundfarbe als der übrige Ober⸗ leib. f N Man ſieht hieraus wie ſehr ſich der alte Vogel, in feinem voll: kommenſten Zuſtande, von dem zuerſt beſchriebenen jungen unter— ſcheidet. Man wuͤrde glauben, zwei von einander verſchiedene Arten vor ſich zu haben, wenn man blos auf die Farben des Ge⸗ fieders ſehen wollte und die großen Umwandelungen bei den Falken dieſer Familie nicht ſchon gewohnt wäre, Nicht nur ein vergleichen— der Blick auf die untruͤglichern, hier voͤllig uͤbereinſtimmenden Formen des Schnabels, der Füße u. d. gl. ſondern auch die an ges zaͤhmten Falken dieſer Art gemachten Beobachtungen, wie die in der Mauſer und im Uebergange begriffenen Exemplare, wovon ſelbſt meine eigene Sammlung eins aufzuweiſen hat, beftätigen es 10 Gnuͤge, daß beide zu einer Art gehören. Das alte Maͤnnchen unterſcheidet ſich nicht nur durch feine I. Ordn. IV. Gatt. 14 Würg⸗Falke. 285 geringere Größe, ſondern auch durch die dunklere Zeichnung, auf aͤhnliche Art wie die jungen Voͤgel, vom Weibchen. Was von der Mauſer des Jagdfalken geſagt wurde, gilt auch hier, nur iſt zu bemerken, daß im freien Zuſtande die Umwand⸗ lung vom jugendlichen zum vollkommenen Kleide gleich bei der erſten Mauſer erfolgt, und daß ſich dann das letztere nur in dem Grade. noch vervollkommt, als wie etwa beim Taubenfalken; nicht aber wie beim Jagdfalken, deſſen Gewand erſt nach und nach, h viele Federwechſel ſeine Vollkommenheit erreicht. Aufenthalt. Dieſer Falke iſt gleichfalls ein Vogel, welcher nur einem kalten Clima angehört. Er bewohnt im Sommer die nördlichen Polar- länder, doch wie es ſcheint, nicht fo hoch hinauf als der Jagdfalke; er geht auch im Winter weiter nach Süden herab. In Schott land, Schweden und Norwegen koͤmmt er nur einzeln vor, haͤufiger in Siberien bis in die Tartarei herab. Wahr⸗ ſcheinlich iſt er auch in Nord amerika. Wenn dieſer Falke nicht von Unkundigen ſo oft fuͤr den Wanderfalken angeſehen wuͤrde, ſo waͤr er gewiß auch in Deutſchland bekannter; denn im Ganzen aͤh— nelt er den jungen Vögeln deſſelben, auf einen flüchtigen Blick, auſſerordentlich. Freilich unterſcheiden ihn jene oben angegebene Kennzeichen in den Augen des Kenners zur Gnuͤge von jenem; allein den Augen eines gewoͤhnlichen Jaͤgers ſind ſie doch immer noch zu fein. Unter die ſehr ſeltnen Voͤgel mag er zwar fuͤr Deutſchland immer gehören, doch iſt er gewiß hie und da oͤfterer, als man ge⸗ woͤhnlich glaubt, aber unerkannt angetroffen worden. Sein eigent⸗ liches Vaterland ſcheint nicht ſowol der hohe Norden, als vielmehr der Oſten von Europa und das noͤrdliche Aſien zu ſein, von wo aus er auf feinen Zügen öfter nach Pohken und Ungarn kommt und dann auch das angrenzende Deutſchland beſucht. Er iſt demnach als deutſcher Vogel lange nicht ſo ſelten als der Jagd⸗ falke, ob er gleich wol nicht haͤufig vorkoͤmmt. Nach den, freilich ſehr mangelhaften, Nachrichten der Reiſenden liebt er nicht fo die Kuͤſten, wie jener, fondern mehr das Innere der Länder einer etwas ge: maͤßigtern Zone. Analogiſch zu folgern, mag er wol eben ſolche Gegenden bewohnen, in welchen ſich der e aufzuhalten pflegt. 284 I. Drdn. IV. Gatt. 14. Wuͤrg⸗Falke. Eigenſchaften. Von ſeiner Lebensart ließe ſich ebenfalls vermuthen, daß ſie, der Analogie nach, mit der des Wanderfalken, ziemlich uͤberein— ſtimmen muͤſſe; allein es fehlen uns daruͤber ganz ſichere Nachrichten und ich kann aus Erfahrung eben ſo wenig ſagen, weil ich den Vogel im Freien nie ſelbſt beobachten konnte. Man kann mit Gewißheit blos dies behaupten, daß er alle vorzuͤglichen Eigenſchaften eines guten Baitzvogels, Gelehrigkeit, Folgſamkeit, Gewandtheit und Muth, im hohen Grade beſitzt und daher von den Falkonieren auſ— ſerordentlich geſchaͤtzt wird. Die Kalmuͤcken, Tartaren und andre Mongoliſche Voͤlker ſollen ihn ſehr haͤufig zur Jagd abrichten. Nahrung. Allerlei lebendiges Gefluͤgel faͤngt er ſich auf eben die Art wie der Taubenfalke. Aas beruͤhrt er nie. Als abgerichteter Baitzvo— gel faͤngt man mit ihm Tauben, Rebhuͤhner, Reiher, Kraniche und andere große Voͤgel, und fuͤttert ihn in der Gefangenſchaft mit friſchem Fleiſche, hauptſaͤchlich mit groͤßern Voͤgeln, Tauben, Kraͤ—⸗ hen, Dohlen u. d. gl. Fortpflanzung. Etwas Zuverlaͤßiges iſt hievon nicht bekannt, weil der Vogel ſo haͤufig mit andern, ihm aͤhnlichen Arten, verwechſelt wird. In Deutſchland bruͤtet er nicht. 1 Feinde. Man kennt keine. In der Gefangenſchaft iſt er, wie andere Voͤgel der Falknerie, mancherlei Krankheiten unterworfen. Jagd. Er iſt ein ſcheuer Vogel, dem ſchwer mit Schießgewehr beizu— kommen iſt. Nur in ſolchen Raubvoͤgelfallen, in welchen die zur Lockſpeiſe dienende Taube frei herne faͤngt man ihn zuwei⸗ len. Nutz e n. Dieſer beſteht vorzuͤglich darin, daß er ſich zur ſogenannten Baitze abrichten laͤßt. Dem Range nach folgt er in der Falknerie dem Jagdfalken. I. Ordn. IV. Gatt. 15. Tauben: Falfe, 283 Schaden. | Weil er vorzuͤglich dem größern jagdbaren Federwildpret nachſtellt, fo wird er dieſem ſehr gefährlih, zumal in ſolchen Wee welche er gr Fortpflanzungszeit bewohnt. 0 15. Der Tauben ⸗ Falke. e peregrinus. Linn. Fig. 1. altes 5 Taf. 24. Fig. 2. junges Maͤnnchen. Fig. 1. altes Fr Sal 25, Fig. 2. junges Weibchen. Wanderfalke, Fremdlings⸗ und Pilgrims⸗ Falke, Berg⸗, Wald⸗, Stein⸗, Baitz⸗, Huͤhner⸗, Edel-, Kohl: und Blaufalke, Tannenfalke, großer Baum⸗Falke, Taubenſtoßer, Schwarzbacken; edler, auslaͤndiſcher, ſchwarzer, ſchwarzbrauner, ſchwarzblauer und gefleckter Falke; ſchwarzbrauner und gefleckter Habicht; in hieſiger Gegend: (ſehr uneigentlich) Blaufuß. — Falco peregrinus. Gmel. Linn. syst. I. p. 272. n. 88. = Falco barbarus. Ibid. p. 272. n. 8. == Falco communis. Abi P. 270. n. 86. Var. C. F. c. hornotinus. = Ibid. Var. 7. F. c. gibbosus. = Ibid. Var. C. F. c. ater. Ibid. Var. ½. F. c. naevius. Falco abietinus. Bechſtein Naturg. Deutſchl. ate Aufl. II. S. 759. n. 26. Faucon pelerin. Buff. pl. enl. 421. et 430. Edit. d. Deuxp. II. p. 17. Faucon noir paſsager. Id. pl. enl. 469. Faucon sors. Id, pl. enl. 470. Faucon commun. Gerard. Tab. Elem. I. p. 50 — Faucon pelerin, Temm. man, p. 34. == CommonFalcon and Peregrine Fal- con. Lath. syn. I, I. p. 65. n. 49. Var. F. Yearling F. Var. y. Haggard F. Var, S. Black F. and Var. ine Spotted- winged F. Ueberſ. v. B. I. r. S. 59. n. 49. u. S. 65. n. 51. u. 52. Sparviere pellegrino. Stor, degl. ucc. I. pl. 23, 24. et 25. Bechſtein Natgeg⸗ Deutſch. II. S. 742. n. 25 u. S. 759. n. 26. — Deſſen Taſchenb. S. 33. n. 26. u. S. 35. n. 37. = Meyer u. Wolf. Taſchenb. I. S. 55. n. 10. = Borkh. Becker ꝛc. Teutſche Ornith. Heft 1°, u. H. 18. t. 1 — 4. — Meisner u. Schinz V. d. Schweitz. S. 23. n. 20. Koch baier. Zool. I, ©. 123. n. 49. —= Friſch Vorſt. d. V. Taf. 83. = Naumanns Vgl. Alte Ausg. IV. S. 119. t. 12. und S. 125. t. 13. u. 14. | Kennzeichen der Art. Wachshaut, Augenkreiſe und Fuͤße gelb, in der Jugend gruͤn⸗ lich; die Zehen ſehr lang; die Fluͤgel lang, mit dem Schwanze von — * 286 I. Ordn. IV. Gatt. 15. Tauben⸗Falke. gleicher Laͤnge; der Backenſtreif ſehr breit und, wie der obere Theil der Wangen, ſchwarz; das Genick weiß gefleckt. Laͤnge 16 bis 21 Zoll. Alter Vogel: Oben aſchblau mit ſchwarzen Querflecken, unten roͤthlich- oder blaͤulichweiß, mit ſchwarzen Wellenlinien; Schwanz mit neun bis zwoͤlf ſchwarzen Querbinden. Junger Vogel: Oben dunkelbraun mit hellen Federſaͤumen, unten gelblich- oder braͤunlichweiß mit braunen Laͤngsflecken; Schwanz mit ſieben bis neun hellen Querflecken. Be ſ che bung. Die Groͤße dieſes Vogels iſt ganz auſſerordentlich verſchieden; man findet naͤmlich ſo kleine maͤnnliche Exemplare, die noch nicht die Groͤße der Nebelkraͤhe haben, dagegen aber wieder Weibchen, faſt von der Größe des Kolkraben, fo daß dieſe oft um ein Viertheil größer als jene find. Die Männchen meßen in der Länge von 162 bis 183 Zoll, in der Breite von 56 bis zu 43 Zoll; die Weibchen findet man von 18 bis 21 Zoll Laͤnge und von 42 bis 48 Zoll Breite. Die Laͤnge des etwas abgerundeten ſchmalen Schwanzes ſteigt von 62 bis zu 72 Zoll und die in Ruhe liegenden Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen bis an ſein Ende oder doch nahe an daſſelbe. Die Laͤnge des Fluͤgels vom Handgelenk bis zur Spitze betraͤgt 14 bis 152 Zoll. Der Schnabel iſt kurz, dick, ſehr gekruͤmmt, mit einem ſcharfen Zahn verſehen, welcher in einen eben ſo ſcharfen Einſchnitt des Unterkiefers paßt; im Durchſchnitt 13 Zoll, im Bogen 12 Zoll lang, und im Durchſchnitt, an der Wurzel, beinahe 1 Zoll hoch; das Naſenloch rund, in der Mitte mit einem kleinen Hoͤcker. Bei alten Voͤgeln ſind Wachshaut, Mundwinkel, die Wurzel des Unterkiefers und die Augenlieder, nebſt einem kahlen Flecke vor und um denſel— ben ſchoͤn gelb, der Schnabel uͤbrigens hellblau mit ſchwarzer Spitze, die Iris nußbraun oder auch dunkelbraun. Die Fuͤße ſind ſchoͤn gelb; die Laͤufe oder Fußwurzeln kurz, ſtark und geſchuppt; die Zehen ſehr lang und geſchmeidig, oben geſchildert, unter den beiden Gelenken der Mittelzeh und dem einen der aͤußeren und innern Zehe mit Ballen, in Geſtalt laͤnglicher loſer Warzen beſetzt, und zwiſchen der aͤußern und mittleren befin⸗ det ſich eine kleine Spannhaut. Die Krallen find krumm, ſehr ſcharf, und ſchwarzhornfarbig; der Lauf 23 Zoll, die Mittelzehe 23 Zoll, die Hinterzeh 13 Zoll, und die Hinterkralle, im Bogen, 13 Zoll lang. I. Ordn. IV. Gatt. 15. Tauben⸗Falke. 287 g Das zwei Jahr alte Maͤnnchen hat folgende Farben: Die Stirne iſt weiſſlich, mit ſchwarzen borſtigen Haaren durchmiſcht, Scheitel und Nacken blauſchwarz, im Genick etwas weiß gefleckt; der ganze Ruͤcken, Oberhals und die Deckfedern der Flügel blaͤulich— aſchgrau mit ſchwarzblauen Querſtreifen durchzogen, welche eben ſo breit als ihre hellen Zwiſchenraͤume ſind. Die Kehle, der untere Theil der Wangen und der Kropf find weiß; von der Schnabel- wurzel und dem Auge geht ein ſchwarzer Streif bis auf den halben Hals herab; die Bruſt iſt weiß, oben roͤthlich uͤberlaufen, und nebſt den Hoſen mit ſchmalen ſchwaͤrzlichen Querſtreifen bezeichnet, welche gebrochenen oder geketteten Querlinien aͤhnlich ſehen; auf dem Kropfe ſtehen einzelne runde ſchwaͤrzliche Flecken; der After iſt gelb: lichweiß, mit ſchwaͤrzlichen Querlinien einzeln durchzogen. Die Schwingen ſind ſchwaͤrzlich, mit roſtroͤthlichweißen Querflecken auf der innern breiten Fahne. Der Schwanz iſt etwas zugerundet, von Farbe wie der Ruͤcken, mit neun blaͤulichaſchgrauen und eben ſo vielen blauſchwarzen breiten Querbaͤndern wechſelsweiſe durch— zogen, am Ende mit weißen Spitzen. Die untern Fluͤgeldeckfedern find weiß mit ſchwaͤrzlichen Wellenlinien, Schwing- und Schwanz⸗ federn von unten grau und ſchmutzigweiß gebaͤndert. f So ſieht das Maͤnnchen aus, wenn es etwa 12 Jahr alt iſt oder ſich zum erſtenmal vermauſert hat. Auch das Weibchen traͤgt ein ähnlich gefaͤrbtes Kleid. Je aͤlter dieſer Vogel wird, deſto lichter wird er an den untern Theilen feines Körpers, die dichten Querſtreifen der Bruſt und Hoſen werden ſchmaͤler, der gelbliche oder roͤthliche Anflug verliehrt ſich, die weiße Grundfarbe wird reiner, zuletzt aber hellaſchblau uͤberlaufen, vorzuͤglich in den Seiten und an den Schenkeln; der Muͤcken wird hingegen mit zunehmendem Alter dunkler. Maͤnnchen und Weibchen ſind ſich in der Farbe jederzeit ſehr aͤhnlich, letzteres iſt aber immer groͤßer als das Maͤnnchen, die Bruſt iſt in der Jugend weniger roſtgelb, und im Alter weniger blau uͤberlaufen, auch der Ruͤcken und die obern Theile uͤberhaupt nicht ſo dunkel und weniger ſchoͤn gezeichnet als am letztern. In der Größe iſt der Sale oft auſſerordentlich. Die jungen Voͤgel ſind ganz anders gefaͤrbt als die Alten. Vor dem erſten Federwechſel hat das junge Maͤnnchen folgende Farben: Der Schnabel iſt hellblaͤulich, die Wachs haut, der Mund⸗ winkel und der kahle Ring um die Augen blaugruͤnlich, die Iris dunkelbraun. Stirne und Kehle ſind weiß, die Backen weiß, etwas 288 I. Ordn. IV. Gatt. 15. Tauben⸗Falke. roſtgelb uͤberlaufen; der Scheitel grauweiß, roſtroͤthlich gemiſcht und ſchwarzbraun gefleckt, welche Flecken auf dem Hinterhalſe groͤßer werden und vom Auge und dem Mundwinkel am Halſe herab einen ſchwarzbraunen Streif bilden. Die Ruͤckenfedern und die Deckfedern der Fluͤgel ſind ſchwarzblaugrau, hell roſtbraun gekantet; die Deckfedern des Schwanzes heller, und mit breiteren, an den Spitzen weißlichen Kanten; die Ruderfedern etwas heller als der Ruͤcken, mit licht roſtrothen gebrochenen Querſtreifen und roͤthlichweißen Spitzen; die Schwingen dunkler mit eben dieſen Querſtreifen und Spitzen; Unterhals, Bruſt und Hoſen weiß, roſtbraͤunlich uͤberlaufen und jede Feder in der Mitte mit einem breiten dunkelbraunen Laͤngsfleck, welche Flecke haͤufig lanzett⸗ foͤrmig zugeſpitzt und auf den Hoſen ganz ſchmal ſind, am Bauche und After ſich aber ganz verlieren. Die untern Deckfedern der Fluͤgel haben weiße und draune gleichbreite Querſtreifen. Die Fuͤße ſind gruͤnlichgelb. Am jungen Weibchen ſind Wachshaut, Fuͤße und der kahle Fleck vor dem Auge gruͤngelb, der Stern im Auge graubraun; die Stirne gelblichweiß, der Scheitel, der obere Theil der Wangen und ein Streif vom Mundwinkel bis zur Haͤlfte des Halſes herab, braunſchwarz, roſtroͤthlich gefleckt; das Genick gelblichweiß, ſchwarz⸗ braun gefleckt; die Kehle rein weiß; der Ruͤcken und die Fluͤgeldeck⸗ federn dunkelbraun, hell roſtgelblich geſaͤumt, die größeren, außer den Saͤumen, noch mit dergleichen Flecken bezeichnet; die Schwin⸗ gen ſchwaͤrzlich mit weißen Endkaͤntchen, die Deckfedern des Schwan⸗ zes heller als der Ruͤcken; die Schwanzfedern braͤunlichgrau, mit gelblichweißen Spitzen und acht bis neun roſtfarbenen Querflecken. Kropf, Bruſt und Hoſen ſind gelbbraͤunlich weiß, auf der Mitte jeder Feder mit einem braunen Laͤngsfleck, die Schenkel inwendig gelblichweiß, desgleichen auch die Bauch- und Afterfedern, letztere mit ſchwarzen Federſchaͤften und 1 5 herz⸗ foͤrmigen Flecken und Strichen. Uebrigens findet in der Grundfarbe wie in den Zeichnungen unter den jungen Wanderfalken mancher Unterſchied ſtatt; ſie ſind, ehe die Farben von der Witterung abgebleicht werden, ſehr dunkel, ſo daß ſie, wenn ſie erſt das Neſt verlaſſen haben, mehrentheils von oben her ganz ſchwarzbraun ausſehen. Sind ſie von ſpaͤt gefalle⸗ ner Brut, ſo haͤlt ſich die dunkle Farbe zuweilen den Herbſt und Winter hindurch, bis gegen das Fruͤhjahr. Doch giebt es auch noch andere Abweichungen, von welchen uns die Urſachen zur Zeit noch J. Ordn. IV. Gatt. 15. Tauben: Falke. 289 unbekannt find; denn manche Individuen find unten mehr, manche weniger, andre dunkler, wieder andere heller gefleckt, bald ſind die obern Theile roͤthlich⸗, bald blaͤulichgrau uͤberlaufen, bald find fie ganz dunkelbraun, mit breiten oder ſchmalen, roſtfarbenen oder braͤun⸗ lichweißen Federraͤndern, u. ſ. w. Beſonders dunkel ſehen die meiſten jungen Weibchen aus, auch fehlen dieſen an den obern Thei- len, außer den lichten Federſaͤumen, oft alle hellern Flecke. Sie ſind am Kopfe, dem Hinterhalſe und an dem obern Theile der Wangen braunſchwarz, die Federn am erſteren lichter geſaͤumt, der Nacken und die Halsſeiten weiß gefleckt, der Backenſtreif aber ſehr breit und einfarbig dunkel braunſchwarz. Der ganze Mantel iſt ſchwarzbraun, mit lichtbraunen, ins Weißliche uͤbergehenden ſehr ſchmalen Federſaͤumen; Unterruͤcken, Buͤrzel und Schwanz etwas lichter als der Mantel und die ſieben bis neun lichtroſtbraͤunlichen Querbinden des letztern ſehr ſchmal, auf der aͤuſſern Fahne nicht ſichtbar und auf den Mittelfedern nur als kleine nierenfoͤrmige Flecke bemerkbar. Auch auf den in Ruhe liegenden Flügeln bemerkt man auſ⸗ ſer den Spitzenraͤndern der Federn keinen lichten Fleck. Die Kehle iſt rein gelblichweiß, alle untern Theile roſtbraͤunlichweiß, mit großen ſchwarzbraunen Laͤngsflecken auf der Mitte der Federn, die an den Schenkeln mitunter in Querſtreife uͤbergehen und an den Afterfedern eine herzfoͤrmige Geſtalt haben. Am dunkelſten iſt die Unterbruſt und die Seiten. Die untern Fluͤgeldeckfedern ſind ſchwarzbraun und weiß gefleckt mit roſtgelber und roſtbraͤunlicher Miſchung. Der Zahn im Schnabel iſt bei ganz jungen Voͤgeln oft auch noch nicht ſo ausgebildet, ſo groß und ſcharfeckig wie bei den Alten. — Es ſoll auch eine ganz weiße Spielart (Falco peregrinus . we) geben, welche aber gewiß aͤußerſt ſelten iſt. g „ Man findet den Taubenfalken durch ganz Europa, und auch in den noͤrdlichen Theilen von Aſien, Afrika und Amerika. In Deutſchland iſt er nirgends ſelten, am wenigſten im noͤrd⸗ lichen, und er gehoͤrt bei uns (im Anhaltiſchen) zwar nicht zu den ſehr gemeinen, doch auch keineswegs zu den ſeltnern Voͤgeln. Er iſt hier ganz einheimiſch; denn obgleich die meiſten im Herbſte fort⸗ ziehen, ſo kommen doch immer wieder andre, welche den Sommer uͤber, wahrſcheinlich, noͤrdlicher wohnten, die das Revier eine Zeit⸗ lang beſtreichen und dann wieder weiter ziehen, an die Stelle der erſteren. Dieſes Fortziehen und Ankommen waͤhret den ganzen 19 290 I. Ordn. IV. Gatt. 15. Tauben⸗Falke. Winter hindurch, doch ſieht man im Winter weniger als im Herbſte und Fruͤhlinge zur eigentlichen Zugzeit. Im Sommer beſucht er das Feld wenig, im Herbſt, Winter und Fruͤhlinge iſt er aber beſtaͤndig auf dem Felde, und man ſieht ihn dann auf Steinen, kleinen Huͤgeln und Erdſchollen ſitzen und ſich nach Beute umſehen. In der Fortpflanzungszeit bewohnt er Wälder und felſige Gegen: den, und liebt dann vorzüglich die waldigen Mittelgebirge. In ebenen Gegenden zieht er die Nadelwaldungen den Laubholzwaͤldern vor. Er iſt zu dieſer Zeit mehr Waldvogel, ob er gleich auch die angrenzenden Felder und n. a t ne wegen, A beſucht. b E igenſchaften. Der Taubenfalke iſt ein muthiger, ſtarker und aͤußerſt gewandter Vogel; ſein kraͤftiger Koͤrperbau und ſein blitzendes Auge beurkun⸗ den dies auf dem erſten Anblick. Die Erfahrung lehrt uns, daß er nicht vergeblich von der Natur mit ſo furchtbaren Waffen aus⸗ geruͤſtet ward, und daß er im Gebrauch derſelben ſeinen nahen Verwandten, dem Jagd- und Wuͤrgfalken ruͤhmlichſt an die Seite zu ſetzen ſei. Im gezaͤhmten Zuſtande iſt er aber auch gelehrig und folgſam, wie fie, daher nach dieſen der geſchaͤtzteſte Baitzvogel der Falknerie. Sein Flug iſt aͤußerſt ſchnell, mit haſtigen Fluͤgelſchlaͤ⸗ gen, ſehr ſelten ſchwimmend, meiſt niedrig uͤber die Erde hinſtreichend. Wenn er ſich vom Boden aufſchwingt, breitet er den Schwanz aus, und fliegt, ehe er ſich in die Hoͤhe hebt, erſt eine kleine Strecke dicht über der Erde hin. Nur im Frühjahr ſchwingt er ſich zuwei⸗ len zu einer unermeßlichen Hoͤhe in die Luft. Er iſt ſehr ſcheu und fo vorſichtig, daß er zur naͤchtlichen Ruhe meiſt nur die Nadelholz waͤlder aufſucht. Hat er dieſe nicht in der Naͤhe, ſo bleibt er oͤfters lieber im freien Felde, auf einem Steine ſitzen, und es gehoͤrt unter die ſeltnen Fälle, wenn er einmal in einem kleinen Laubholze über: nachtet. Aus Vorſicht geht er auch in letztere des Abends erſt ſehr ſpaͤt zur Ruhe, und waͤhlt dazu die dichten Aeſte hoher alter Baͤume. In etwas groͤßern uͤbernachtet er gern auf, in jungen Schlaͤgen einzeln ſtehen gebliebenen alten Baͤumen, und hier koͤmmt er auch ſchon mit Untergang der Sonne, meiſt mit dick angefuͤlltem Kropfe an. Am Tage ſetzt er ſich ungern auf Baͤume. Sitzend zieht er den Hals ſehr ein, ſo daß der runde Kopf auf den Schultern zu ſtehen ſcheint, und die weiße Kehle, mit den abſtechenden ſchwarzen Backen, machen ihn von weitem kenntlich. Im Fluge zeichnet er I. Ordn. IV. Gatt. 15. Tauben⸗Falke. 291 ſich durch den ſchlanken Gliederbau, den ſchmalen Schwanz und durch ſeine langen, ſchmalen und ſpitzen Fluͤgel vor andern aus. Er faͤngt ſchon im Auguſt an, ſeine Federn zu wechſeln, Water aber ſehr langſam, oft bis ins Fruͤhjahr hinein. Seine Stimme iſt ſtark und volltoͤnend, wie die Sylben: Kgiak, kgiak! oder Kajak, kajak! Man hört fie aber, auf; ſer der Begattungszeit, eben nicht oft. ee Nahrung. Y | Sein Raub befteht bloß in fliegenden etz den ſitzenden kann er nichts anhaben »). Er raubt fie von der Größe der Lerche, bis zu der der wilden Gans, ohne Unterſchied, und richtet beſonders unter den Rebhuͤhnern und Tauben die groͤßten Verwuͤſtungen an. Die wilden Tauben zieht er den zahmen vor, und da, wo man ihn im Felde auf der Erde ſitzen ſieht, liegt gewoͤhnlich eine Kette oder ein Volk (Geſellſchaft) Rebhuͤhner in der Naͤhe, von denen er, ſobald ſie auffliegen, eins hinwegnimmt, denen er aber, ſo lange ſie ſtill liegen bleiben, keinen Schaden zufuͤgen kann. Er lauert jedoch gewoͤhnlich ſo lange, bis die Rebhuͤhner glauben, er ſei lange fort; ſie fliegen dann auf, und er erreicht ſeinen Zweck. Da wo er keine Rebhuͤhner findet, muͤſſen die Tauben herhalten. Dieſe wiſ⸗ ſen kein anderes Rettungsmittel, als in moͤglichſter Schnelle und ſo dicht aneinander als moͤglich, die Flucht zu ergreifen. Auf diejenige, die ſich etwas vom Schwarme abſondert, ſchießt er pfeilſchnell von oben nieder; ſtoͤßt er das Erſtemal fehl, ſo ſucht ihn die Taube zu uͤberſteigen, und gluͤckt ihr dieſes nur einigemal, ſo wird der Falke muͤde und ziehet ab. In der groͤßten Noth rettet ſich die Taube zuweilen in ein Gebuͤſch, in den Zweigen der Baͤume, ja was noch mehr iſt, ich habe eine Taube ſich in ein Waſſer ſtuͤrzen und durch Untertauchen gluͤcklich retten ſehen. Man ſieht hieraus wozu die Noth ein ſo geaͤngſtigſtes Thier zwingen kann; es ſucht in einem Elemente Rettung, für welches es gar nicht geſchaffen iſt. — Hat dieſer Falke keine Rebhuͤhner und Tauben, ſo muͤſſen die Saatkraͤhen, Dohlen und auch wol Holzheher ſeinen Hunger ſtillen. Er Wube auch Brach voͤgel, Schnepfen, wilde Enten und wilde 9 Dieſe Thatſache beruht auf den ſicherſten Ser ſcheint aber durch⸗ aus nicht in Mangel an Aufmerkſamkeit oder eines guten Geſichts ihren Grund zu haben, ſondern darinn, daß er, wie alle Edelfalken, mit einem ungeheuren Kraftauftoande, in ſchiefer Richtung von oben herab, nach feiner Beute ſtoͤßt. Er würde ſich ſelbſt Schaden zufügen, wenn er mit ſolcher Gewalt 1 einem am Boden ſitzenden Vogel ſtoßen wollte. 292 J. Ordn. IV. Gatt. 13. Tauben⸗Falke. Gaͤnſe und überhaupt alle dergleichen Vögel, die er im Freien fliegend antrifft. Alle Waſſervoͤgel ſuchen ſich durch untertauchen im naͤchſten Waſſer vor ſeinen Stoͤßen zu ſichern, die Waldvoͤgel und andre im Gebuͤſche. Er verfolgt die Tauben bis nahe an die Doͤrfer, und ſeine Kuͤhnheit geht oft ſo weit, daß er den Trappen angreift, doch kann er ihm nichts anhaben. 5 | Er ſetzt ſich mit feiner gefangenen Beute niemals ins Gebuͤſch, ſondern verzehret ſie auf freiem Felde. Große Voͤgel frißt er auf der Stelle wo er ſie gefangen hat; kleinere traͤgt er aber in den Klauen an eine freiere bequemere Stelle. Er fliegt ſchnell und niedrig an der Erde hin, um ſo die uͤberraſchten Voͤgel, die mehren- theils vor Schrecken das Stillſitzen vergeſſen und auffliegen, zu überrumpeln. Er ſtoͤßt allemal auf feine Beute aus der Höhe ſchief herab. 05 “ RR In großen oder gebirgigen Waldungen, wo er ſich im Sommer aufhält, jagt er Auer⸗Birk⸗ und Haſelhuͤhner. Vierfuͤßige Thiere faͤngt er in der Freiheit nie, faͤllt auch nie aufs Aas, ja er iſt ſo ekel, daß er den Raub, den er auf einmal nicht ganz verzehren kann, auch nie wieder anruͤhrt. In der Gefangenſchaft aber zwingt ihn der Hunger Nahrungsmittel zu ſich zu nehmen, die er ſonſt nie anruͤhrt, z. B. Maͤuſe. Er hat immer einen ſehr geſunden Appetit. Ich hatte einmal einen ſolchen Falken uͤber ein Jahr lang in einem großen Käfige, und dieſer fraß in zwei Tagen einen ganzen Fuchs auf, desgleichen drei Kraͤhen in einem Tage; er konnte aber auch uͤber eine Woche lang hungern. Er packte oft ſechs lebendige Sperlinge, in jede Klaue drei, wobei er auf den Ferſen ſaß, dann einen nach dem andern den Kopf einkneipte und bei Seite legte. Eine lebende alte Kraͤhe machte ihm in ſeinem engen Gefaͤngniſſe viel zu ſchaffen, desgleichen auch eine Eule. Wenn er mich mit einer lebenden Eule kommen ſahe, machte er ſich ſtraupicht und ſetzte ſich ſchlagfertig auf den oberſten Sitz ſeines Behaͤlters; die Eule legte ſich, ſobald fie in den Käfig kam, auf den Rüden, ſtellte ihm ihre offnen Klauen entgegen und ziſchte fuͤrchterlich; der Falke kehrte ſich aber hieran nicht, ſondern ſtieß ſo lange von oben herab, bis es ihm gluͤckte fie beim Halſe zu packen und ihr die Gurgel zus zuhalten; auf ſeiner Beute ſitzend, breitete er jetzt freudig ſeine Flügel aus, rief aus vollem Halfe fein Kgia, kgia, kgia! und riß ihr mit dem Schnabel die Gurgel heraus. Maͤuſe fraß er auch, aber bei Hamſtern und Maulwuͤrfen verhungerte er. J. Ordn. IV. Gott, 15. Tauben⸗ Falke. 293 Er entbloͤßt feinen Raub von den meiſten Federn und verſchlingt ihn dann ſtuͤckweiſe. Die kleinen Vögel verſchluckt er ſammt den Eingeweiden, bei groͤßern läßt er aber dieſe liegen. Faules und ſtinkendes Fleiſch ruͤhrt er auch in der Sefangeaiat bei dem. größten Hunger nicht an. Dieſer Falke wuͤrde bei weitem den. Schaden ee dem Gefluͤgel anrichten, wenn er nicht für fo viele Faullenzer arbeiten und ſie ernaͤhren muͤßte. Da ſitzen die traͤgen und ungeſchickten Buſſarde auf den Graͤnzſteinen oder Feldhuͤgeln, geben genau auf den Falken Acht, und ſobald ſie ſehen, daß er etwas gefangen hat, fliegen ſie eiligſt herbei und nehmen ihm ohne Umſtaͤnde ſeine Beute weg; der ſonſt ſo muthige, kühne Falke laͤßt, ſobald er den unge⸗ betenen Gaſt ankommen ſieht, ſeine Beute liegen, ſchwingt ſich mit einem etlichemal ausrufenden Kgia, kgiak! in die Höhe und da⸗ von. Ja ſogar der feigen Gabelweihe, die eine beherzte Gluckhenne von ihren Kuͤchlein abzuhalten im Stande iſt, uͤberlaͤßt er ſeine Beute. Er ſetzt ſich auch, wenn er gleich noch ſo hungrig waͤre, denſelbigen nie zur Wehre, und zankt ſich gleichwol beſtaͤndig mit. ſeines Gleichen herum. Auch der rauchfuͤßige ll nimmt ihm oft Bi Beute ab. 5 f | i Fortpflanzung. Der Taubenfalke horſtet in Deutſchland in großen Nadelholz⸗ waͤldern der bergigen und ebenen Gegenden, auf den hoͤchſten Na⸗ delbaͤumen, in Gebirgswaldungen aber auch ſehr haͤufig in den Kluͤften hoher unerſteiglicher Felſenwaͤnde, oft in ſolchen, wo unten gangbare Straßen vorbei fuͤhren, und in ſeiner Hoͤhe ſcheint ihn das Treiben der Menſchen tief unter ihm, gar nicht zu ſtoͤhren. Beide Gatten ſieht man da, wo ſie ihr Neſt anlegen wollen, bei ſchoͤnem Wetter oft im Maͤrz ſchon, in einer auſſerordentlichen Hoͤhe, gemeinſchaftlich, ſchoͤne Schwenkungen machen, und hoͤrt ſie dabei ihr Kgiak! ſehr oft wiederholen. Sein flaches Neſt (Horſt) beſteht aus kleinen und großen trocknen Reiſern, worin das Weibchen ſeine drei, hoͤchſtens vier rundlichen, gelbroͤthlichen, braun gefleckten Eier legt, die es binnen drei Wochen ausbruͤtet. Waͤhrend der Brutzeit ver⸗ gnuͤgt ſich das Maͤnnchen entweder uͤber dem Neſte mit einem hohen ſchoͤnen Flug und wiederholtem Geſchrei, oder es ſtreichet fuͤr ſich oder ſein bruͤtendes Weibchen auf Beute aus, laͤßt ſich aber außer dem Walde wenig ſehen. Er raubt dann allerlei größere Wald⸗ vogel, auch wilde Tauben, Droſſeln, Spechte, vorzuͤglich junge * 294 l. Ordn. IV. Gatt. 15. Tauben⸗Falke. Krähen, und iſt den Auer-Virk- und Haſelhuͤhnern und Faſanen, ſo wenig dieſe auch außer der Brutzeit von ihm verfolgt werden, ſehr gefaͤhrlich. Er iſt dann ein wahrer Waldvogel. Außer dieſer Zeit haͤlt er ſich nur des Nachts im Walde auf und ſucht ſeine Nah⸗ rung auf dem freien Felde. Wenn das Feld abgeerndet iſt, vers laſſen Alte und Junge den Wald, begeben ſich auf die Felder, und gehen nach Sonnenuntergang in die Waͤlder zur Nachtruhe. Die Jungen verlaſſen oft das Neſt ſchon, ehe ſie noch Kraͤfte genug haben, den Alten zu folgen, und ſitzen dann zerſtreuet auf den Baͤu⸗ men, ohnfern des Neſtes, umher. Nicht ſelten werden ſie hier von Sturmwinden herabgeworfen und koͤnnen dann leicht erhaſcht wer- den. Auf dieſe Art habe ich mehrmals Junge bekommen. Feinde. In dem Geſieder wohnen verſchiedenartige Schmarozerinſekten, und in ſeinem Innern Wuͤrmer, beſonders eine Art Fadenwuͤrmer, (Filaria tendo. Nitzsch). die das Fett und die Haͤute, welche die Gedaͤrme, das Herz, die Lunge u. d. gl. umgeben, oft in ſo großer Menge bewohnen, daß fie das ganze Cavum thoracis et abdominis ausfüllen. Ich fand fie einſt bei einem Exemplar in unglaublicher An⸗ zahl, bei vielen wieder keine Spur davon. Es ſcheint aber, als wenn ihnen dieſe Wuͤrmer nicht viel ſchadeten; denn man ſahe ſo vollgepfropften Exemplaren eben keine Noth an, ſie waren faſt eben ſo fett wie die andern. Nag d Es iſt ein ſchlauer vorſichtiger Vogel. Sehr ſelten und nur dann, wenn er ſich recht ſatt gefreſſen hat, und der Jaͤger zu Pferde iſt, laͤßt er ſich ſchußmaͤßig ankommen. In den Raubvoͤgelfaͤngen und Fallen wird er nur aͤußerſt ſelten einmal gefangen, welches daher kommt, weil die Taube oder ein andrer Vogel, der hier zum Koͤder dient, im Fange ſitzt, und dieſer Falke ſeinen Raub bloß im Fluge zu fangen gewohnt iſt. Ich fing ihn doch zuweilen in einem eigenen, ſehr einfachen, von meinem Vater erfundenen Fange, in welchem aber die Taube flattern konnte. Auf aͤhnliche Weiſe wird er auch in eignen Schlaggarnen gefangen. Auch habe ich ihn auf Steinen im Felde mit Schleifen beruͤcket; es iſt dies aber eine lang— weilige Methode. Auf der Kraͤhenhuͤtte wird er am leichteſten ge⸗ ſchoſſen. Er ſetzet hier dem Uhu heftig und mit ſtarkem Geſchrei zu, und baͤumet dann bald auf. Wo man in den Waͤldern den J. Ordn. IV. Gatt. 15. Tauben⸗Falke. 295 Ort, wo er Nachtruhe zu halten pflegt, ausfpimt, kann man ihn leicht des Wende auf Ne Anſtande ſchießen. Nu 6 e n. | Dieser beſteht hauptſaͤchlich darinn, daß er fi ich zum Fange andrer Voͤgel, zur ſogenannten Baitze, abrichten laͤßt. Er war von jeher einer der geſchaͤtzteſten Baitzboͤgel und unter dem Nahmen: Edelfalke, bekannt, ob man gleich auch manchmal den Huͤh⸗ nerhabicht mit dieſem Nahmen belegte. Sonſt, als die Falknerie noch im Anſehen ſtand, wurde viel Sorgfalt und große Koſten auf die Erziehung oder den Fang dieſer Voͤgel, (man ſchaͤtzte die Wildfaͤnge hoͤher als die aus dem Neſte genommenen) ſo wie auch auf ihre Abrichtung, Pflege und Erhaltung verwendet. Die Einwohner eines Dorfes, Falkens werth bei Herzogenbuſch, im ehemaligen Flandern, beſchaͤftigten ſi ſich ſogar zunftmaͤßig damit, und hielten ihre Kunſtgriffe geheim. Gegen den Herbſt reiſſten viele in andere Laͤnder, um Falken zu fangen, welche ſie nachher abrichteten und in die Falknerien von faſt ganz Europa verkauften. Ein gut abge⸗ richteter Falke wurde nicht ſelten mit 800 holl. Gulden bezahlt. Ein ſolcher Falkenfaͤnger kam jaͤhrlich im Herbſt ins Herzogthum Bremen und fing hier, von Bartholomaͤi bis Martini und Weih⸗ nachten, Falken; hatte er ſechs bis acht Stuck, fo hielt er feine Muͤhe fuͤr reichlich belohnt. Er fing aber oft noch mehr, worunter ſich auch manchmal Jagdfalken befanden. Die Falkenswerther gingen auch, als Falkonierer, in fremde Dienſte. Aber die Zeit hat alles dies gar ſehr veraͤndert, und ſo ſind denn i in Deutſchland jetzt faſt alle Falknerien cee Schaden. 3 Da er blos von Gefluͤgel lebt, beſonders den waltbgten Zauber und Huͤhnerarten ſo nachſtellt, dieſe immer friſch haben muß, auch man⸗ ches erbeutete Stuͤck, bevor er damit ſeinen Appetit ſtillen konnte, den Buſſarden und Milanen zu überlaßen gezwungen wird, und ſich nun ein anderes zu fangen ſich genoͤthigt ſieht, ſo iſt der Schaden, den er den Jagden wie den Fluͤgen zahmer Tauben zufuͤgt, ſehr bedeutend. Die Gegend, in welcher ſich eine Geſellſchaft Rebhuͤh⸗ ner oder ein Schwarm Tauben aufzuhalten pflegen, von welchen er ſchon eins oder das andere weggekapert hat, ſucht er ſehr oft heim, und wird hier dem armen Geflügel eine wahre Geiſel. Die Jagd⸗ herrſchaften bezahlen daher dem Jaͤger ein gutes Schießgeld (hier 8 bis 16 Groſchen) für die abgelieferten Faͤnge eines dieſer Falken. 296 J. Ordn. IV. Gatt. 16. Lerchen⸗Falke. Unmert, Daß der von Vechſtein zuerſt als eigne Art beſchriebene Tan⸗ nenfalke (Falco abietinus) nicht vom Wanderfalken (F. peregrinus Linn.) verſchie⸗ den ſei, bin ich feſt überzeugt. Der Wanderfalke varıirt auſferordentlich in der Große, nicht allein nach beiden Geſchlechtern, ſondern auch noch nach andern unbe⸗ kannten Urſachen, fo daß man oft fo kleine Weibchen findet, daß fie die Maͤnnchen gewöhnlicher Groͤße nur wenig oder gar nicht, andere, welche fie um ein Viertheil übertreffen, und wieder Maͤnnchen welche ganz auſſerordentlich klein find. Ich nahm einſt ein paar junge Wanderfalken aus dem Neſte, es war Maͤnnchen und Weibchen, und letzteres um vieles groͤßer, als erſteres, was beſonders auffallend klein war, unterhielt fie, um ihren Farbenwechſel zu beobachten, über zwei Jahr in einem ge⸗ raͤumigen Behalter im Freien, wo ſie ſich vortrefflich hielten und regelmaͤßig mauſer⸗ ten. Nach 14 Jahren verwechſelten ſie das braune Jugendkleid mit dem blauen, was fie nun behielten, und was nachher blos ſchoͤner und lebhafter wurde. Das ſehr kleine Männchen war nun ganz fo, als wenn die ſchoͤne Abbildung des ſogenann⸗ ten Tannenfalken im ıgten Heft der Teutſchen Ornithologie von Borkhau⸗ ſen, Becker, und andern, von ihm genommen waͤre, und die Bechſteiniſchen Beſchrei⸗ bungen paßten auf daſſelbe Wort für Wort. — Es find alſo gewiß immer nur kleine, ſchwaͤchliche Wanderfalken, welche man für Tannenfalken ausgiebt, und der in den Unhalteſchen Kieferwaldungen bruͤtende Wanderfalke iſt beſtimmt von der naͤmlichen Art, wie der, welcher auch auf den Thüringiſchen Felſen und Tannen horſtet. — Or. Schneegaß trat nicht allein der Bechſteinſchen Meinung vom Tannenfalken bei, ſondern verfocht auch bieſelbe, (ſ. Bechſteins gem. Naturg. zte Aufl. II. S. 763. bis 773. die Note) allein was er mir, auf meine Bitte, als Tannenfalken ſchickte, waren reine Wanderſalken kleinerer Statur. Dennoch wurde mein Vater und ich durch ſeine Behauptungen lange irre geführt, (f. die erſte Aufl. dieſes Werks a. a. O.) und erſt ſpaͤtere, bis jetzt fortgeſetzte Beobachtungen konnten uns auf die Wahrheit der Sache fuͤhren. Der Tannenfalke muß alſo, nach meiner jetzigen Ueberzeugung, aus der Liſte der Arten geſtrichen und wieder mit dem Wanderfalken vereinigt werden. Um aber auch in der deutſchen Nomenklatur zu keinen Irrungen Veranlaßung zu geben, ſchien es mir zweckmäßig, den wenig bedeutenden Nahmen: Wanderfalke, in den unſerm Vogel weit angemeffnern: Taubenfalke, umzuaͤndern, oder dieſen jenem vorzutiehen und als DRUIDEN Artnahmen oben anzuſtellen. 16. Der Lerchen Falke. Falco subbuteo. Linn. % ig Ates Männchen. | . Taf. 26, Fig. 2. Junger Vogel. Baumfalke, eigentlicher, kleiner, gemeiner Baumfalke, Stein⸗ und Stoßfalke, kleiner Buſſard und kleiner Wanderfalke, kleiner Weißbacken, Weißbaͤckchen, Schwarzbaͤckchen, Habicht, Hacht, Lerchenhacht, Stößer, Schmerl; in hieſiger Gegend: Lerchenſtößer. Falco subbuteo. Gm. Linn. I. ı. p. 283. n. 14. = Dendrofalco. Briss. Orn. I. p. 375. —: Le Hobereau. Buff. Ois. I. p. 277. Edit. d. Deuxp. II. P. 36, t. 2, Pl., enlum. 452. ==. Gerard. Tab. elem. I. p 54, Faucon hoberau. J. Ordn. IV. Gatt. 16. Lerchen⸗Falke, 297 Temminck Man. p. 37. Hobby Falcon. Lath. syn. I. 1. p. 103. n. 90. Ueberſ. v. Bechſtein I. S. 93. n. 90. Anhang S. 674. Bar letta. Storia degl. use. Pl. 45, . Naturg. Deutſchl. II. S. 764. n. 27. Deſſen Taſchenb. S. 36. n. 28. Meyer u. Wolf Taſchenb. I. S. 39. n. 11. = Borkh. B. ꝛc. Teutſche Ornith. t 15. = Meisner u. Schinz V. d. Schw. S. 24. n. 21. —: Koch Baier. Zool. I. S. 124. n. 50. Friſch Vögel. Taf. 80. Naumanns Voͤgel, alte Ausg. IV. S. 133. t. 18. f. 23, Wenn Kennzeichen. der et Wachshaut, Augenkreiſe und Füße gelb; die Zehen fehr I 900 duͤnn; die Flügel länger als der Schwanz; der Backenſtreif dreit und von den weißen Wangen ſehr abſtechend; das Genick weiß gefleckt; die obern Theile des Koͤrpers nebſt der obern Seite des Schwanzes ungefleckt; die untere Seite des letztern ſchmal ge⸗ raͤndert; Bruſt und Bauch mit dunkeln Laͤngsflecken; Hoſen und After licht roſtroth. Länge 12 bis 155 Zoll. Alter Vogel: Oben einförmig braunſchwarz, aſchblau ‚übers pudert; unten weiß mit ſchwaͤrzlichen Laͤngsflecken. Junger Vogel: Oben ſchwarzbraun mit gelbbraunen 9 ſaͤumen; unten blaß roſtgelb, dunkelbraun geſtreift; ee und ae eie weißlich⸗ oder blaͤulichgelb. N Beſchreibung. Dieſer Falke, der zu den edelſten gehoͤrt, hat mit Bee Tauben⸗ falken an Koͤrperbau und Lebensart die groͤßte Aehnlichkeit; er iſt aber viel kleiner, denn die Laͤnge des Maͤnnchens betraͤgt nur 12 Zoll, und die Breite 51 Zoll. Das Weibchen iſt gewöhnlich 12 Zoll laͤnger und 2 Zoll breiter als erſteres. Der Schwanz iſt 6 Zoll lang, ſeine Federn gleich lang, und die Spitzen der zuſammengelegten Fluͤgel reichen noch etwas uͤber das Ende deſſelben hinaus. Der hellblaue, an der Spitze ſchwarze, an der Wurzel aber gelbe Schnabel iſt kurz, ſehr gekruͤmmt, ſcharfeckig gezahnt, im Durchſchnitt 7 Linien, im Bogen 9 Linien lang, und an der Wur⸗ zel im Durchſchnitt 5 Linien hoch. Die Wachshaut iſt gelb, die Naſenloͤcher rund, und wie beim vorigen mit einem kleinen hervor— ragenden Hoͤcker in der Mitte; 1 ackten Augenkreiſe und Nager lieder gelb und die Augenſterne nußbraun. Die Beine ſind kurz, ſtark und die Zehen ſehr lang, mit el ſolchen Ballen als beim vorigen verfehen ; die Fußwurzel etwas unter dem Knie befiedert, 12 Zoll lang, die Mittelzeh nebſt der 15 00 13 Zoll, die Hinterzehe 2 Zoll und ihre Kralle, im Bogen, Linien lang. Die Füße find gelb, und die Krallen ſchwarz. \ Am alten Maͤnnchen find Kehle und Augenbraunen weiß; der Scheitel, Nacken und ein Streif vom Mundwinkel neben der Kehle herab blaͤulich grauſchwarz; die Bruſtfedern gelblichweiß, in ihrer Mitte mit einem laͤnglichen dunkelbraunen Fleck; der Bauch, After und Hoſen licht roſtroth, letztere oberwaͤrts mit laͤnglichen dunkelbraunen Flecken. Auf dem Oberhalſe nahe am Genick befinden ſich zwei weiße Flecken; uͤbrigens iſt der ganze Obertheil des Koͤrpers, bis zu den Steißfedern, aſchblauſchwarz, und alle Federn haben ſchwarze Schaͤfte. Die Schwingen und die Schwanzfedern ſind ſchwarz⸗ braun, aſchblaͤulich uͤberlaufen und auf der innern Fahne mit laͤng⸗ lichrunden hellroſtfarbenen Querflecken. Auf der untern Seite ſind die Schwing: und Schwanzfedern roͤthlichweiß und dunkelgrau ge= baͤndert, die untern Deckfedern der Fluͤgel mit weißen, aſchgrauen und hellbraun vermiſchten Querſtreifen durchzogen. Am recht ſehr alten Maͤnnchen iſt die Bruſt hell weiß, mit ſchwarzbraunen Laͤngsflecken; die Schenkel⸗, After: und untern Schwanzdeckfedern einfarbig ſchoͤn roſtfarben, ohne alle Flecken, und das Gefieder der obern Theile wie mit einem aſchblauen Duft uͤberpudert. Das alte Weibchen iſt, außer der beträchtlichern Größe, an der Bruſt viel gröber und dichter gefleckt und von obenher mehr ſchwarzbraun, als ſchwarzblau; ſonſt iſt es in Allen dem alten Männchen ſehr aͤhnlich. ö Der junge Vogel hat bleicher gelbe Füße, und die Wachs⸗ haut nebſt den Augenkreiſen fallen ins Weißliche oder die gelbe Farbe iſt ſchwach blaͤulich uͤberlaufen. Scheitel, Nacken und alle obern Theile des Koͤrpers ſind dunkelſchwarzbraun mit ſchmalen licht gelbbraunen oder ſchmutzig roſtgelben Einfaßungen der Federn; die von auſſen faſt ſchwarzen Schwingen, haben weiße Endkaͤntchen und der von oben ſchwarzbraune Schwanz einen roſtgelben Spitzen⸗ ſaum. Der Backenſtreif iſt breit und braunſchwarz; Wangen und Kehle gelblichweiß; das Genick gelblichweiß gefleckt; Bruſt und Seiten blaß roftgelb mit ſchwarzbraunen Laͤngs- und Lanzettflecken; Bauch, Hoſen und untere Schwanzdeckfedern roͤthlich roſtgelb oder blaß gelblichroſtroth, erſtere mit ſchwarzbraunen Schaftſtrichen; der Schwanz von unten ſchmutzig oder grauroͤthlich weiß mit vielen ſchmalen dunkelbraunen Querbändern; Rlles Uebrige wie am Riten Vogel. Dieſer Vogel Mauſekt ſich in den rein ber durch bas Abnutzen der Federn verſchwindet gegen die Mauſer hin der 298 I. Ordn. IV. Gatt. 16. Lerchen⸗Falke. I. Ordn. IV. Gatt. 16. Lerchen⸗Falke. 299 aſchblaue Anflug faſt ganz und er ſieht dann von oben ſchwarzbraun aus; beim jungen reiben ſich dagegen die lichten Federraͤnder ſehr ab ans werden daher viel ſchmaler. Aufenthalt. In Europa bewohnt der Lerchenfalke nur die waͤrmern und gemaͤßigten Theile, und geht nicht hoͤher nach Norden als bis ins ſuͤdliche Schweden, wo er ſchon ſelten iſt. In Liefland, wie überhaupt im oͤſtlichen Europa iſt er dagegen nicht ſelten. Häufig ſoll er im ſuͤdlichen Siberien vorkommen. In Deutſchland iſt er uͤberall bekannt, doch nirgends ſehr haͤufig, in Ebenen wie in den Gebirgen, und gehört hier unter die Zug- und Sommervoͤgel. Im April kommt er bei uns an, bleibt den Sommer uͤber hier und ziehet mit der Lerche im September und Oktober wieder fort. Man ſieht ihn faſt immer auf dem freien Felde. Blos des Abends bes giebt er ſich in den Wald, um auf einem Baume zu uͤbernach⸗ ten. In der Begattungszeit iſt er dagegen mehr Waldvogel, zieht aber dennoch die kleinen Feldhoͤlzer und lichten Wälder den tie: fen Waldungen vor. Immer muß ihm das Feld nahe ſein. Eigenſchafte n. Er iſt, der Geſtalt und Farbe nach, der Taubenfalke im 1 Klei⸗ nen, und aͤhnelt dieſem eben ſo auch in ſeinem Betragen. Eine bewundrungs würdige Gewandheit und Schnelle, Kuͤhnheit und Entſchloſſenheit zeigen ſich in allen ſeinen Handlungen. Man ſieht ihn gewoͤhnlich auf einer Erdſcholle, einem Steine oder Huͤgel im Felde, ſeltner auf den duͤrren Spitzen einzeln ſtehender Baͤume ſitzen und ſich ausruhen, und dies vorzuͤglich gleich nach Sonnen⸗ aufgang. Im Fluge erkennt man ihn in großer Entfernung ſchon an feinen langen, ſchmalen, ſpitzigen und etwas gekruͤmmten Flügeln und ſeiner ſchlanken Geſtalt, wodurch er fich ſowol von dem kuͤrzern, gedrungneren Merlin, wie von dem kurzfluͤgelich langſchwaͤnzigen Thurmfalken, in der Ferne ſchon, unterſcheiden laͤßt. Sitzend leuchten in ziemlicher Entfernung die weiße Kehle und Wangen mit dem ſchwarzen Scheitel und breiten Backenſtreif ſo in die Augen, daß man ihn daran ſchon von jenen gut unterſcheiden kann. Er fliegt außerordentlich leicht, pfeilſchnell und geſchickt, und ſchreiet hoch, angenehm und hell gaͤth, gaͤth, gaͤth! Es hat dieſe Stimme einige Aehnlichkeit mit dem Geſange des Wendehalſes, und wird ſehr oft und ſchnell wiederholt. Am Tage hoͤrt man ihn 500 I. Ordn. IV. Gatt. 16. Lerchen⸗Falke. außer der Brutzeit ſelten ſchreien, in dieſer Zeit aber deſto haͤufiger ſein Gaͤth, gaͤth! im Fluge und ſitzend ein helles Kick, — kick! ausrufen. Er ſchreiet dann auch nur, wenn er keine Gefahr be— fuͤrchtet; denn er iſt ſehr ſcheu und ſo vorſichtig, daß er die Gegend des Waldes, wo er übernachten will, oder dieſen wenn er klein iſt, ſeinem ganzen Umfange nach, Verſchte benen mit einem beſtaͤndi⸗ gen Geſchrei durchfliegt, und ſich nicht eher zur Ruhe ſetzt, bis es ganz finſter iſt, und er ſich voͤllig ſicher glaubt. Des Morgens ſchlaͤft er aber auch laͤnger als viele andere Waldvoͤgel, und lange haben manche ſchon ihr Morgenlied geſungen, ehe er ſich von ſeinem Nachtſitze erhebt. Er ſchwaͤrmt dann mehrentheils erſt einigemal über dem Walde herum, ſchreiet auch wol dazu und erwartet die aufgehende Sonne auf dem duͤrren Gipfel eines hohen Baumes, um ſich hier erſt eine Zeitlang ſonnen zu koͤnnen. Die kleinen Waldbewohner ſtoͤhrt Übrigens feine Gegenwart wenig oder gar. nicht, deſtomehr aber, wenn er nun, ausgeruhet, gegen die Lerchen und andere in Freiem wohnende Vögel (im eigentlichen Sinne) zu Felde zieht. Er laͤßt ſich auch zum Fangen dieſer abrichten und iſt eben ſo gelehrig und folgſam als der Taubenfalke. Er wird ſehr zahm, muß aber, da er gegen die Kaͤlte ſehr empfindlich iſt, im Winter an einem Orte gehalten . wo er gegen ſtarke Froͤſte gefhügt iſt. N Nahrung. Er iſt das Schrecken der Feldlerchen. Dieſe vor allen andern, ſo wie auch Schwalben und andere kleinen Voͤgel, welche ſich auf dem Felde aufhalten, ſcheinen ihm ausſchließlich von der Natur zur Nahrung angewieſen zu ſein. Wachteln, junge Rebhuͤhner, kleine Brachvoͤgel, Strandlaͤufer u. d. gl. werden ihm auch oft zur Beute. Im Gebuͤſche raubt er nicht; — auch denen, die ſich im Freien auf die Erde niederdruͤcken, thut er nichts, ſondern blos die Fliegen— den, von welchen ihm keiner zu ſchnell iſt, faͤngt er mit der groͤßten Geſchicklichkeit, ſo daß ihm auch die ſo ſchnell fliegende Stachel— ſchwalbe im Freien nie entgeht. Maͤnnchen und Weibchen jagen oͤfters gemeinſchaftlich, koͤnnen ſich aber, wenn ſie etwas gefangen haben, ſelten um die Beute vertragen. Sie fangen ſich gewoͤhnlich daruͤber an zu zanken, und nicht ſelten entwiſcht ihnen der Gefangene bei dieſer Gelegenheit wieder. Dies intereſſante Schauſpiel gewaͤhrte mir oft das in meinem Waͤldchen horſtende Paͤaͤrchen, mit den Schwalben, auf dem Freien, hart am Gebuͤſch. Die ſonſt ſo kecken IJ. Ordn. IV. Gatt. 16. Lerchen⸗Falke. 301 Schwalben, die ſo gern andere Raubvoͤgel mit neckendem Geſchrei verfolgen, fuͤrchten ſich auch ſo ſehr vor ihm, daß ſie bei ſeinem Erſcheinen eiligſt die Flucht ergreifen. Ich ſahe ihn zuweilen unter einen Schwarm Mehlſchwalben fahren, die ſo daruͤber erſchraken, daß einige derſelben fo vom Schreck betaͤubt wurden, daß fie wie todt zur Erde herabſtuͤrzten und ſich von mir aufnehmen ließen. Lange hielt ich ſie in der offnen Hand, ehe ſie es wagten wieder fortzufliegen. Auch die Lerchen fürchten ſich fo vor ihrem Erbfeinde, daß ſie, wenn er ſie verfolgt, ihre Zuflucht oft zu den Menſchen nehmen, den Ackerleuten und den Pferden zwiſchen die Füße fallen, und von Furcht und Schrecken ſo betaͤubt ſind, daß man ſie nicht ſelten mit den Haͤnden fangen kann. Er fliegt gewoͤhnlich niedrig und ſchnell Über der Erde hin. Wenn ihn im Fruͤhlinge die Lerchen von weitem erblicken, ſo ſchwingen ſie ſich ſchnell in die Luft zu einer Hoͤhe hinauf, daß ſie das menſchliche Auge kaum erreichen kann und trillern eifrig ihr Liedchen, wohlbewußt, daß er ihnen in der Hoͤhe nicht ſchaden kann, weil er, wie der Vorhergehende, allemal von oben herab auf ſeinen Raub ſtoͤßt, und ſie daher, wenn ſie einmal in einer ſo betraͤchtlichen Hoͤhe ſind, niemals angreift. Es wuͤrde ihn, wenn er ſie dann uͤberſteigen wollte, zu viel Muͤhe und Anſtrengung koſten. Die Schwalben machen bei ſeiner Ankunft einen großen Laͤrm, ſammlen ſich in einen Schwarm, und ſchwingen fi) girlend in die Höhe, Auf die einzelnen niedrig fliegenden macht er Jagd und faͤngt ſie, auf dem Freien, auf vier bis zehn Stoͤße; ſtoͤßt er aber oͤfterer fehl, ſo wird er muͤde und zieht ab. Wenn man auf der Jagd iſt, wo man mit dem Huͤhnerhunde das „Feld abfucht, verfolgt er dieſen beſtaͤndig, ſchwebt oft ohne die geringſte Bewegung der Flügel auf einer Stelle über ihn, und ſchießt dann pfeilſchnell auf die Lerchen oder andern kleinen Voͤgel, die der Hühnerhund aufftöbert, herab. Er fängt auch Heuſchrecken, Maikaͤfer und andere große Inſekten im Fluge, und jagt darnach oft bis ſpaͤt in die Abenddaͤmmerung. In der Nähe des Waldes, wo: rinnen er bruͤtet, uͤber Wieſen, Fluͤſſen und Teichen ſieht man ihn dieſe Inſektenjagden bei heitern Fruͤhlingsabenden oft betreiben. Aas beruͤhrt er auch beim groͤßten Hunger nie. Fortpflanzung. Er niſtet (horſtet) i in unſern Waͤldern, ſowol in großen als auch in kleinern Feldhoͤlzern, wenn ſie nur alte hohe Baͤume haben. Sein Neſt (Horſt) ſahe ich immer auf den Zweigen hoher Baͤume 302 I. Ordn. IV. Gatt. 16. Lerchen⸗Falke. nahe am Gipfel, und es beſteht aus duͤrren Reiſern und inwendig aus Borſten, Haaren, Moos u. d. gl. Er ſoll aber auch nicht nur in Felſenſpalten der Gebirgswaͤlder, ſondern auch ſogar manchmal in großen, weitgeoͤffneten Baumhoͤhlen ſeinen Horſt anlegen. Sehr oft iſt indes in hieſigen Gegenden die erſte Grundlage ein altes Kraͤhenneſt, das er ſich nach feinem Geſchmack ausbauet und erwei⸗ tert. Da wo er ungeſtoͤrt geblieben iſt, ſucht er es das folgende Jahr wieder auf und beſſert es blos aus. Das Weibchen legt drei bis vier ſchmutzigweiße, rothbraͤunlich ſtark beſpritzte und verwaſchen gefleckte Eier und bebruͤtet ſie drei Wochen lang. Die Begattung geſchieht gewoͤhnlich auf dem Rande des Neſtes, oder doch in der Naͤhe deſſelben, wobei beide Gatten ein ſanftes, ſehr oft wieder: holtes Gaͤeth, gaͤth! ausrufen. Die Jungen werden mehren⸗ theils mit Voͤgeln, die ſich nahe an den Waͤldern aufhalten, auch mit Maikaͤfern, Miſtkaͤfern, Heuſchrecken u. d. gl. ernaͤhrt, ziehen aber, ſobald ſie fluͤchtig genug ſind, mit den Alten aufs Feld. Die ſchwaͤchlichen Jungen ſitzen oft auf den hoͤchſten Spitzen der Baͤume, die an Wieſen ſtoßen, und fangen hier die Heuſchrecken, die ſich auf die Spitzen der Grashalme ſetzen, hinweg, werden aber von den Alten bald zum Voͤgelfange angewieſen. Feinde. Auch er wird von den gewoͤhnlichen Voͤgelfeinden, aͤußerlich und innerlich, heimgeſucht, beſonders beherbergen die Jungen manchmal eine dh tale Menge ſogenannter Voͤgellaͤuſe in ihrem Gefieder. Jagd. Er iſt ſcheu und vorſichtig, und wird ſelten anders als auf der Kraͤhenhuͤtte, wo er ſich wie der Vorhergehende betraͤgt, geſchoſſen; auch kann man ihn in der Brutzeit in den Wäldern manchmal be: ſchleichen. Auf dem Lerchenheerde wird er ſehr leicht mit der Ruhr lerche gefangen, der Vogelfaͤnger muß aber dabei aͤußerſt raſch zu Werke gehen. In anderen Arten von Raubvoͤgelfallen faͤngt man ihn, da er nicht auf die ſitzenden Voͤgel ſtoͤßt, niemals. Manchmal trägt es ſich wol zu, daß er, bei heftiger Verfolgung eines Vogels, dem Jaͤger nahe genug koͤmmt, um erſchoſſen werden zu koͤnnen; auch wird dies da zuweilen gluͤcklich ausgeführt, wo er den revies renden Huͤhnerhund, aufzuſtoͤbernder Vögel wegen, zu eifrig bez gleitet; beides faͤllt indeſſen nicht oft vor und die, welche auf die letztere Art geſchoſſen werden, ſind mehrentheils nur junge Voͤgel. I. Ordn. IV. Gatt. 16. Lerchen⸗Falke. 303 Nutz en. Dieſer beſteht hauptſaͤchlich darinn, daß er zur Baitze auf Wachteln, Lerchen und andere kleinen Vögel abgerichtet werden kann. Uebrigens faͤngt man auch Lerchen mit einem nicht abgerichteten Lerchenfalken auf folgende Art: Man laͤßt, ſobald eine Lerche auf⸗ ſteigt, den durch eine lange Schnur feſtgehaltenen Lerchenfalken fliegen, die Lerche wird ſich, beim Erblicken ihres Todfeindes, ſo⸗ gleich zur Erde ſtuͤrzen und aͤngſtlich niederdruͤcken, wo man ſie mit einem, an einem langen Stocke befeſtigten Netze, von der Geſtalt eines kleinen Fiſchhamens, leicht bedecken und ſo fangen kann. Daß dieſer kleine Raubvogel nebenbei auch Maikaͤfer und 1 15 Inſekten faͤngt, kann man ihm nicht hoch „ S ch a d en. 1 Da er ſich vorzuͤglich von kleinen Voͤgeln naͤhrt, und unter dieſen die uns ebenfalls ſehr wohlſchmeckenden Lerchen allen andern vorzieht, ſo muͤſſen wir ihn allerdings unter die mehr ſchaͤdlichem als nuͤtzlichen Voͤgel zaͤhlen. Den Lerchenfaͤngern verjagt er viel⸗ mals die Lerchen, reißt auch nicht ſelten die Ruhrlerche mit ſich fort, ehe noch die Netze uͤber ihn zugezogen werden koͤnnen. 17. er Merlin ⸗Falk e. Falco aesalon. Linn. Fig. X. altes Most. Taf. 27. Fig. 2. altes Weibchen. Fig. 3. junges Maͤnnchen. Steinfalke, Steinhabicht, Blaufalke. — Zwergfalke, Zwerg⸗ habicht und kleiner Sperber; Merlin, Myrle, Schmerl, Schmier⸗ lein, Europaͤiſcher Schmerl, Sprenzchen, Sprinz, Sperber mit weißem Nackenring, kleiner Rothfalke, Merlinadler; hier zu Lande: kleiner Lerchenſtoͤßer. Altes Maͤnnch en: Falco lithofalco. Gm. Linn. I. 1. p. 278, n. 105. = Lithofalco. Briss. Orn. E 2. 349. == Le Rochier. Buff. Ois. I. 386. Ed. d. Deuxp. II. p. 48. 304 1. Ordn. IV. Gatt. 17. Merlin⸗ Falke. t. 4. f. 1. Pl. enl. 447. = Stone Falcon. Lath. syn. I. 1. p. 93. n. 77. Ueberf. v. B. S. 84. n. 2 5 Bechſtein Naturg. Deutſchl. zte Aufl. II. S. 796. u. 29. Wafer Taſchenb. S. 32. n. 25. Altes Weibchen und junger Vogel: Falco aesalon. Gm. Linn. I. 1. p. 284. n. 118. —ı L’Emerillon. Buff. Pl. enl. 468. Ois. ed. d. Deuxp. II. p. 47. pl. 4. f. 2. (2 = Merlin. Lath. syn. I. I. p. 106. n. 93. Ueberſ. S. 96. u. Anh. S. 674. = Sparvigre smeriglio. Stor. degl. ucc. pl. 18 et 19 — Bechſtein Naturg. Deutſchl. ate Aufl. II. S. 787. n. 28. = Deſſen Taſchenb. S. 31. n. 24. = Friſch Vögel. t. 87. Falco caesius. Meyer u. Wolf Taſchenb. S. 60. n. 12. — Meisner u. Schinz V. d. Schw. S. 25. n. 22. - Wolf und Meyer Vgl. Deutſchl. Heft 16. — Borkhauſen ꝛc. Teutſche Orn. Heft 18. = Falco Lithafalco. Nilsson orn Suec. I. P. 48. n. 19. — Koch Baier. Zool. I. S. 125. n. 51. == Faucon emerillon. Temm. man. p. 38. = Bechſtein in der Diana. IV. S. 9. n. 2. Naamanns Vögel, alte Ausg. IV. S. 139. t. 15. f. 24. u. Nachtr. III. S. 112. t. 17. f. 32. Kenn zeichen der Ar t. Der Schwanz gebaͤndert, etwas länger als die zufeießenge⸗ legten Fluͤgel; Wachshaut und Fuͤße gelb. Männchen: Von oben aſchblau mit ſchwarzen Schaftſtrichen und einer ſchwarzen Binde am Ende des Schwanzes; unten roſt— gelb mit braunen Lanzettflecken. Weibchen und junger Vogel: Von oben graubraun, mit roſtfarbenen Flecken und Federkanten; von unten gelblichweiß mit braunen Laͤngsflecken; Schwanz graubraun mit fuͤnf bis ſechs gelblichweißen Querbinden. Beſchreibung. Dieſer kleine Edelfalke wird noch haͤufig von Unkundigen ver⸗ kannt und mit andern ihm ähnlichen. Vögeln verwechſelt. Vom Lerchenfalken unterſcheiden ihn vorzuͤglich feine kuͤrzern Flügel, helleren Farben und der etwas laͤngere Schwanz, der aber doch noch weit kuͤrzer als der des Thurmfalken iſt; vom jungen Rothfußfal⸗ ken die kuͤrzern Fluͤgel im Verhaͤltniß zur Laͤnge des Schwanzes, und die wenigern Schwanzbinden. Seine Lange betraͤgt 122 bis 184 Zoll, und die Breite 26 bis 27 Zoll; das Maͤnnchen iſt naͤmlich immer 1 Zoll kleiner als das Weibchen. Der Schwanz reicht über 1 Zoll unter die Spitzen der zuſammengelegten Fluͤgel hinaus; er iſt 5 Zoll lang, und ſcheint etwas abgerundet, weil die aͤußerſte Feder etwas kuͤrzer als die uͤbrigen iſt. Der Schnabel iſt fanfter gebogen, daher etwas geſtreckter als der des Lerchenfalken, im Durchſchnitt 7 Linien, im Bogen 8 Linien J. Ordn. IV. Gatt. 17. Merlin⸗Falke. 505 lang, und an der Wurzel im Durchſchnitt 2 Zoll dick, ſcharfeckig gezahnt und hellblau. Die kahlen Augenlieder und die Wachshaut ſind gelb, hoͤher im Alter, blaͤßer und ins gruͤnliche und Mn fallend in der Jugend; die Iris dunkelbraun. Die Fuͤße ſind gelb und haben die Geſtalt wie am e den; die Krallen ſchwarz. Der Lauf iſt dicht unter dem ſogenannten Knie ein wenig befiedert, 12 Zoll lang, die Mittelzehe 12 Zoll, und ihre Kralle & Zoll, die Hinterzeh ohne Kralle 2 Zoll, Niesel im Bogen auch k Zoll lang. Die Zehen haben lange Ballen, und die außere und mittlere ein kurzes Spannhaͤutchen. Am alten Maͤnnchen iſt der Schnabel Hellblau unit ſchwar⸗ zer Spitze und gelber Wurzel, Wachshaut, Augenkreiſe und Fuͤße ſchoͤn gelb, die Iris dunkelbraun. Stirn, Wangen und Augen: gegend ſind gelblichweiß, an den Ohren roſtgelb mit ſchwarzen Strichelchen, die vom vordern Augenwinkel an abwaͤrts den Bart⸗ ſtreifen bilden, den alle ächten Falken haben; Kehle und Gurgel reinweiß, nur letztere mit einzelnen dunkelbraunen Strichen; Bruſt, Seiten und Schenkel ſchoͤn roſtgelblichweiß mit roſtfarbenem Ueberflug, der Kropf mit groben dunkelbraunen Strichen und das Uebrige mit ſchoͤnen braunen lanzettfoͤrmigen Flecken und ſchwarzen Federſchaͤften; der After roſtgelblichweiß mit ſchwarzbraunen Schmitzen. Genick und Halsſeiten ſind ſchoͤn roſtfarben, weiß ge⸗ miſcht mit einzelnen kleinen ſchwarzbraunen Laͤngsflecken; der Schei⸗ tel und der ganze Mantel, nebſt den Fluͤgeldeckfedern, ſchoͤn dunkel⸗ blaͤulichaſchgrau mit einem feinen ſchwarzen Schmitz laͤngs dem Schafte jeder Feder; Steiß- und Schwanzfedern aſchblau, heller als der Ruͤcken, mit ſchwarzen Schaͤften, und letzterer mit einer breiten ſchwarzen Querbinde am Ende und mit weißen Spitzen, auch iſt die innere Fahne dieſer Federn mattſchwarz beſpritzt. Die Schwingen ſind braunſchwarz, mit ſchmutzigweißen Endſaͤumen und auf der innern Fahne mit weißen, nach der Wurzel immer größer werdenden, bis an den Schaft reichenden Querflecken; die untern Fluͤgeldeckfedern weißgelblich, mit vielen dunkelbraunen Querflecken und Schmißen. In der 17 0 und Tiefe der enen und Ne Farbe giebt es mancherlei Verſchiedenheiten; die braunen Lanzettflecke am Unterleibe ſind bei aͤltern viel kleiner und ſparſamer als bei juͤngern Maͤnnchen, und bei letztern iſt die ganze untere Seite viel ſtaͤrker mit Roſtfarbe uͤberlaufen, auch zeigen ſich auf der Auſſenfahne der Schwanzfedern noch einige ſchwarze Flecke und auf der Innenfahne 20 3065, I. Ordn. IV. Gatt. 1. Merlin⸗Falke. fünf bis ſechs halbe Querbänder, die breite Endbinde nicht mit gezaͤhlt. Das alte Weibchen iſt nicht allein etwas groͤßer, ſondern auch in Faͤrbung des Gefieders auſſerordentlich vom Maͤnnchen verſchieden; es flieht dem jungen Vogel aͤhnlich, iſt jedoch an der Bruſt weit ſtaͤrker gefleckt als dieſer. Wachshaut und Augenkreiſe ſind gruͤnlichgelb, der Schnabel hellblau mit ſchwarzer Spitze; die Iris dunkelbraun, die Fuͤße hellgelb. Die Kehle iſt weiß, Stirn, ein Streif uͤber dem Auge, Wangen und Gurgel weiß, dunkelbraun geſtrichelt, der Backenſtreif nicht ſehr auffallend; die Ohrgegend und der Scheitel roͤthlich braungrau, ſchwarz geſtrichelt; der Nacken graubraun und roͤthlichweiß gefleckt; die Federn an allen obern Theilen dunkel braungrau, mit ſchwarzem Schaftſtrich, lichtem, ins Roſtfarbene fallenden Saum und dergleichen Flecken, welche ſich nur hin und wieder zeigen; der Steiß lichter als der Rüden und ſtark mit aſchgrau uͤberlaufen. Die Federn an der Bruſt, und in den Seiten ſind roſtbraun, mit ſchwarzen Schaftſtrichen und großen runden und halbrunden weißen Randflecken, ſo daß dieſe Theile weiß und roſtbraun gefleckt und ſchwarz geſtrichelt erſcheinen; Hoſen und After roſtgelblichweiß, mit roſtbraunen Lanzettflecken; die Schwingen dunkelbraun, auf der Innenfahne mit roſtfarbenen ins weiße ausgehenden Querflecken; der Schwanz dunkelbraun, grau uͤberlaufen, mit weißem Endſaum und ſechs roſtbraͤunlichweißen ſchmalen Querbinden. Auf der untern Seite ſind Fluͤgel und Schwanz roͤthlich- oder ſchmutzig weiß und dunkelgrau gebaͤndert; die kleinen untern Fluͤgeldeckfedern ſchoͤn roſtfarbig und weiß gefleckt; der Fluͤgelrand gelblichweiß, mit dunkelbraunen Flecken. Das Gefieder iſt an den obern Theilen oft wie mit aſchblauer Farbe uͤberpudert, beſonders im Herbſte, wo überhaupt alle Farben viel friſcher ausſehen. So giebt ſes Weibchen, welche oben eine dunkle Schieferfarbe mit braunen Federkanten, eine ſehr ſtark roſt⸗ farbig uͤberlaufene Bruſt, einfarbig roſtrothe untere Fluͤgeldeckfedern und dunkel roſtgelbe Schwanzbinden haben. Sie naͤhern ſich in dieſem Kleide einigermaßen dem des alten Maͤnnchens, und ich halte ſie fuͤr älter als das beſchriebene Alte Weibchen. Der junge maͤnnliche Vogel hat folgende Zeichnungen: Die Stirn iſt weiß, ſchwarz und braun geſtrichelt; der Oberkopf braun mit Schwarz geſtrichelt, der Oberhals weiß, roſt⸗ und dun⸗ kelbraun gefleckt; die Kehle weiß. Von dem Schnabelwinkel geht ein dunkelbraun gefleckter Streif herab, und uͤber die Augen hin ein J. Ordn. IV. Gatt. ı7. Merlin⸗Falke. Sur weißer, braun geſtrichelter; der Vorderhals iſt weiß, zu beiden Seiten braungefleckt; die Kropf, Bruſt⸗, und Seitenfedern gelblichweiß, in der Mitte mit einem braunen lanzettfoͤrmigen Fleck, welcher vorzüglich an der Oberbruſt ſtark ins roſtroͤthliche fallt; der After weiß, roſtgelb überlaufen, desgleichen auch die Hoſen, doch haben dieſe Federn auf dem Schafte einen braunen lanzettfoͤrmigen Schmitz. Die Rüden: und Fluͤgeldeck⸗ federn ſind graubraun, roſtfarben in die Quere gefleckt und gekantet; die untern Deckfedern der Fluͤgel roſtbraun mit runden weißen Flecken, die Schwingen tief graubraun, mit ſchmalen, weißen, roſt⸗ roth gemiſchten Querflecken und dergleichen Endſpitzen; der Schwanz graubraun mit fuͤnf ſchmalen, gelblichweißen Querbinden und dergleichen Spitzchen. Der Schwanz iſt etwas zugerundet, und die obern Theile des Vogels, als Ruͤcken, Oberhals, Flügel. u. ſ. w. find mit aſchgrau ſehr fein uͤberpudert. Die Wachshaut und kahlen Augenkreiſe ſind gelbgruͤnlich, die Fuͤße ſchwefelgelb. Die jungen Weibchen haben im Ganzen dieſelben Farben, nur find fie an der Bruſt und am Bauche haͤuſiger und größer ge- fleckt, von oben her brauner, und unterſcheiden ſich fo, ihre an- ſehnlichere Groͤße dazu genommen, ziemlich leicht von den jungen Maͤnnchen. i Die Mauſerzeit faͤllt im Auguſt, geht aber ſo langſam von f ſtatten, daß man noch im Frühjahr Vögel in voller Mauſer erhält. Aufenthalt. Der Merlin wird in ganz Europa bis Schweden hinauf angetroffen. In Deutſchland koͤmmt er allenthalben, wiewol nirgends ſehr haͤufig vor. Es ſcheint nicht daß er ſich lieber im Ge⸗ birge als in den Ebenen aufhalte, nur freies Feld muß immer in der Naͤhe ſeines Wohnorts ſein. Im noͤrdlichen Deutſchland iſt er ein Strich- und Zugvogel, der bei uns im September, Oktober und November am haͤufigſten geſehen wird, einzeln auch wol den ganzen Winter hindurch hier bleibt, und im Maͤrz und April wieder durch unſere Gegenden zieht. Man ſieht ihn aber nur in gelinden Wintern, und im Sommer ſehr ſelten hier; er gehoͤrt uͤberhaupt nicht unter die haͤufig vorkommen⸗ den Voͤgel. Bei einzeln im freien Felde liegenden Holzungen, be⸗ ſonders bei jungen Kiefer- und Tannenanſaaten, wenn dieſe zu Stangenholz herangewachſen find, findet er ſich in der Zugzeit haͤu— fig ein, um darinnen Nachtruhe zu halten. Er iſt ein Feldvogel, 50% I. Ordn. IV. Gatt. a7. MerlinsSalfe, welchen man in tiefen Waldungen vergeblich ſucht; ſelbſt zur Brutzeit hält er ſich mehr nach den Rändern der Wälder oer in eldhoͤlzern au e ii Cigenfhaften. Dieſer kleine Falke hat mit dem Lerchenfalken fowol an Geſalt, als auch im Betragen die groͤßte Aehnlichkeit, ſo daß ihn die Jaͤger immer mit jenem verwechſeln und beide fuͤr eine Art halten. Ver— gleicht man jedoch feine Geſtalt im Fluge mit dieſem, fo unterſchei⸗ det ihn ſein weniger ſchlanker Bau, der durch den etwas laͤngern Schwanz und die kuͤrzern, ſchmaͤlern, etwas ſichelfoͤrmig gebogenen Flügel auffallt. Dadurch unterſcheidet er ſich aber wieder im ums gekehrten Verhaͤltniß, von dem laͤngergeſchwaͤnzten, langſamern Thurmfalken. Er iſt beherzt, edel und wild, fliegt auſſerordentlich ſchnell und haͤlt ſich gern in der Naͤhe der Gebuͤſche auf dem Felde auf. Im ſpaͤten Herbſte und Winter ſieht man ihn, ſeiner Nahrung wegen, nahe um den Dörfern die kleinern Voͤgel verfolgen. Er kommt aber nie auf die Hoͤfe, und wenn man dies geſehen haben will, ſo iſt es wol immer nur der tollkuͤhne Sperber geweſen, mit dem er fliegend einige Aehnlichkeit hat. Seine Fluͤgel ſind aber viel laͤnger, ſchmaͤler und ſpitziger, als die des Sperbers. Er iſt ſehr ſcheu, bei Verfolgung ſeines Raubes aber auch oft ſehr unvorſichtig. Man ſieht ihn ſelten ſehr hoch fliegen, ſondern meiſtens mit Pfeilſchnelle nahe uͤber der Erde hinſtreichen. Nur auf ſeinem Zuge oder wenn er nach ſeiner Schlafſtelle eilt, die zuweilen ein weit von ſeinem Jagdrevier entlegenes Kiefernwaͤldchen iſt, fliegt er ſehr hoch und ſtuͤrzt ſich an dem erwaͤhlten Platze mit angezogenen Fluͤgeln wie ein Stein aus der Luft herab. Er begiebt ſich gleich nach Sonnenuntergang zur Nachtruhe, umkreiſet dabei oft vorſichtig erſt ſein Nachtquartier, neckt und jagt ſich mit ſeines Gleichen herum, und laͤßt dabei, aber ſelten, ſeine helle Stimme hoͤren. Er uͤbernachtet noch lieber in Kieferanſaaten, wo die Baͤumchen erſt Mannshoͤhe erreicht haben, als in ſolchen, welche ſchon zu zwoͤlf bis funfzehn Ellen hohen Stan— genholze herangewachſen find. Seine Stimme hört man ſelten; fie aͤhnelt der des Lerchen— falken, iſt jedoch hoͤher und heller. Sie klingt wie ki, ki, ki, ki, und wird im Schreck oder in der Angſt ſehr ſchnell hintereinander ausgerufen, ſo daß ſie dann den Toͤnen des Sperbers aͤhnelt. In der Brutzeit laͤßt er aber noch eine andere, angenehme, wie Kei haͤ! klingende Stimme oͤfterer hoͤren, beſonders wenn ie und Weibchen gemeinſchaftlich jagen. \ I. Ordn. IV. Gatt. 1). Merlin⸗Falke. 309 Nahrung. Er raubt wie der Lerchenfalke alle fliegende 1 und laͤßt die ſtillſitzenden, wenn fie ſich nur gut niederdruͤcken koͤnnen, in Frieden. Im Frühlinge, Sommer und Herbſt jagt er, auf dem freien Felde, Lerchen, Schwalben und andre kleine Voͤgel, die ſich dort ſehen laſſen. Wenn dieſe fortziehen, begiebt er ſich in die Naͤhe der Ge⸗ buͤſche und faͤngt Zeiſige, Finken, Stieglitze, und im Winter Sper⸗ linge, Goldammern, Schneeammern u. d. gl. Beſaͤße dieſer kleine Raubvogel fo viel Saͤrke als er Muth hat, er würde den Jagden ſehr gefährlich fein. Er fällt nicht felten große Vögel an, muß aber, da er fie nicht bezwingen kann, bald davon abziehen. Als ich einſt⸗ mals, um wilde Gaͤnſe zu ſchießen, auf dem Felde, in der Naͤhe meines Hinterhalts, eine gezaͤhmte wilde Gans, zum Anlocken der herum ſtreifenden wilden Gaͤnſe, angefeſſelt hatte, kam ein Merlin und ſtieß zweimal nach meiner Lockgans, unterſtand ſich jedoch nicht ihr weiter zuzuſetzen und zog ab. Die Gans war ſo von Angſt und Schrecken betaͤubt, daß fie ſich, wenn er Ernſt gebraucht haͤtte, gewiß nicht zur Wehre geſtellt haben würde. Größere Vögel als Droſſeln und Brachvoͤgel (Charadrius auratus et morinellus) habe ich ihn nie fangen ſehen. Auch Wachteln und junge Reb⸗ huͤhner ſoll er fangen. Auf dem Freien entgeht ihm hoͤchſt ſelten ein Vogel, denn er ſtoͤßt außerordentlich geſchickt und pfeilſchnell, im ſtrengſten Sinne des Worts. Er ſtoͤßt aus der Höhe in ſchiefer, Richtung auf feinen Raub herab, fliegt immer niedrig über den Boden hin, um die ſitzenden Vögel zu erſchrecken und aufzujagen. Wuͤrde er hoͤher fliegen, ſo wuͤrden ihn ſeine Schlachtopfer von Wei⸗ tem ſehen, ſich ſtill an die Erde kauern und ſo von ihm uͤberſehen werden. Er frißt auch Maikaͤfer und Heuſchrecken, welche er im, Fluge oder von der Spitze eines Grashalmes hinweg haſcht, und fängt auch Maͤuſe; beſonders thun dies letztere die jungen Voͤgel im Herbſte haͤuſig. In dieſer Hinſicht naͤhert er ſich alſo dem Thurmfalken. — h Fortpflanzung. Sie niſten hin und wieder auch in Deutſchland, aber nicht ſehr tief in den Wäldern, weil fie immer in der Nähe der Felder fein muͤſſen. Deswegen lieben ſie vorzuͤglich ſolche, welche nicht von zu groſſem Umfange ſind. Das Neſt hat entweder zur Unterlage ein altes Kraͤhenneſt oder es ſteht auf den obern Zweigen eines hohen Baumes, und iſt auf dieſelbe Art gebauet, wie die Horſte andrer 310 J. Ordn. IV. Gatt. 17. Merlin: Falke. kleinen Raubvoͤgel. Man will es auch in ſtarken hohlen Aeſten, in Felſenſpalten und in Mauerloͤchern alter Ruinen in Gebirgswaͤldern gefunden haben, wenn man ihn hier nicht mit dem Thurmfalken verwechſelt. — Nach Bechſtein liegen 5 bis 6, weißliche, kaſtanien⸗ 110 marmorirte Eier in einem Neſte, welche binnen ſechzehn Tagen ausgebrütet werden. Nach eben dieſem Schriftſteller ſollen die Jun— gen lange im Neſte bleiben, und wenn ſie ausgeflogen ſind, ſich noch acht Tage lang in der Gegend aufhalten und von den Alten im Fangen kleiner Voͤgel unterrichtet werden. ö Feinde. Auſſer denen im Gefieder und in den Eingeweiden kennt man keine; jedoch necken ihn die Kraͤhen manchmal und ſtoͤren ihn da= durch zuweilen bei ſeiner Jagd. 5 Jagd. In kleinen Feldhoͤlzern, welche aus jungem Nadelholz beſtehen, kann man ihn Abends auf dem Anſtande, wenn er ſich zur Ruhe begiebt, leicht ſchießen. Auf dem Freien iſt er außerordentlich ſcheu, nimmt ſich daher gar ſehr in Acht den Jaͤger ſchußmaͤßig an ſich kommen zu laſſen, und iſt auch ſeines reiſſend ſchnellen Fluges wegen, nicht gar leicht im Fliegen zu ſchießen. Die alten Voͤgel ſind beſonders ſehr vorſichtig. Auf den Kraͤhenhuͤtten bekoͤmmt man ihn leichter, weil er ſich da ohne Umſtaͤnde auf die Baͤume (Haken) ſetzt, oder aufbaͤumt, wo er leicht herabgeſchoſſen werden kann. Auf dem Lerchenheerde faͤngt man ihn mit der Ruhrlerche ſehr oft, ſehr ſelten aber in allen andern Arten von Raubvogelfaͤngen. Die Urſache hievon liegt in feiner Art zu rauben. Würde man den Fang ſo einrichten, daß der zum Koͤder dienende lebendige Vogel frei flattern koͤnnte, wie dort die Ruhrlerche, ſo wuͤrde man ihn leicht fangen; wie 4 die, auf dieſe Art eingerichteten Falkenheerde beweiſen. Nutz en. Da er ſo gelehrig als gewandt iſt, ſo laͤßt er ſich Rich zur Baitze abrichten und zum Fange der Lerchen, Ammern u. d. gl. gebrauchen. Schaden. Dieſer iſt, da er nur kleine Vögel fängt, eben nicht ſſehr erheblich, ob man ihn gleich nicht unter die Unſchaͤdlichen rechnen darf. Aus dieſem Grunde bekoͤmmt der Jaͤger auch Schießgeld fuͤr das Abliefern feiner Faͤnge. IJ. Ordn. IV. Gatt. 18. Rothfuß⸗Jalke. 3171 Anmerk. Daß der maͤnnliche Merlin gleich nach der eren Mauſer das vol: kommene blaue Kleid bekomme, ſcheint deswegen nicht wahrſcheinlich, weil man ihn in dieſem Kleide fo unverhaͤltnismäßig felten zu ſehen bekeömmt. Unter zwoͤlf Voͤgeln dieſer Art, alle in einem Kieferwaͤldchen auf dem Anſtande geſchoſſen, habe ich nur einen einzigen im aſchblauen Kleine gefunden, was zu der Vermuthung, daß er dies Kleid erſt nach einigen Jatzren erhält, berechtigen möchte. Wolf und Meyer, in ihrer Naturg. d. Vögel Deutſchl. o. a. O., die den Vogel lebendig hatten und die Verwandlung beobachteten, ſprechen etwas anheſtimne darüber, wie oft er ſich mauſerte, ehe er das blaue Gewand anzog. — Ich, meines Tyeils, habe jedoch im Winter offenbar junge Vögel vom vorigen Frühjahr geſchoſſen, welche in der Mauſer ſtanden und an welchen ſtellenweis die ſchoͤn aſchblauen Federn zwiſchen den braunen hervorkeimten. Daß aber der blaue Merlin ſo ſelten vorkommt, mag viel⸗ leicht daran liegen, weil nur das Maͤnnchen blau wird und weil die alten Vogel fo Eußerſt vorſichtig find, daß fie nur ſelten dem Jaͤger in die Hände fallen. Es iſt indeſſen auch noch nicht voͤllig erwieſen, ob nicht die Weibchen, erſt nach mehreren Sahren vielleicht, im Gefieder dem Männchen ähnlich und blau gefaͤrbt werden. b) Rothfarken. 18. Der Rothfuß Falke 0 rufipes. Bes ec he. . Fig. 1. Maͤnnchen. Taf. 28. Fig. 2. Weibchen. Fig. 5. junges Nenn Rothfuͤßiger Falke, Abendfalke, Ingrienſiſcher Falke. Falco rufipes, Besecke Vögel Kurlands S. 13. Taf. 3 u. 4. M. u. W. — Falco vespertinus. Gm. Linn. syst, I. 1. p. 282. n. 23. —= Der Kop ez. Smelins Reife. I. S. 67. Taf. 55 == TVoariete singuliere du hobereau. Buff. Ois. Ed. d. Deuxp, II. ©. 38. pl. 3. f. 1. Pl. enlum. 431. Faucon à pieds zouges. Temminck Man. p. 41. = Ingriaen Falcon. Lath. syn. I. p. 102. n. 88. Ueberſ. S. 92. n. 88. = Falco barletta piombina, Stor. deg. uecc. pl. 46 47 et 48. M. W. u. J. — Bechſtein ornith. Taſchenb. S. 39. n. 31 — Deſſen Naturg. Deutſchl. 2te Aufl. II. S. 812. n. 32. = Meyer u. Wolf Taſchenb. S. 64. n. 14. = Deren Voͤgel Deutſchl. Heft 18. Annalen d. wett. Gefell. J. 1. S. 47. = Meisner u. Schinz V. d. Schw. S. 27. u. 24. Koch Baier. Zool. I. S. 126. n. 53. — Naumanns Vögel, alte Ausg. Nachtr. III. S. 114. T. 17. Fig. 33, und T. 18. Fig. 34. 35. Kenan ee i hen den; it. Augenlieder, Wachshaut und Fuͤße mennigroth, beim jungen roͤthlichgelb; die Krallen gelbweiß, nur an den Spitzen ee farbig; Flügel und Schwanz gleich aug 312 I. Ordn. IV. Gatt. 18. Rothfuß⸗Falke. Maͤnnchen: Schieferblau; Hoſen- und Afterfedern dunkel roſtroth; Schwanz ſchwaͤrzlich. f Weibchen: Unten hell roſtfarben, mit weißer Kehle und After; Ruͤcken und Flügel dunkelaſchgrau mit ſchwarzen Querflecken; Schwanz aſchblau, ſchmal ſchwarz gebaͤndert. Junger Vogel: Unten gelblichweiß mit braunen Laͤngs⸗ flecken; von oben tiefbraun, mit roſtfarbenen Federkanten; der Schwanz weißlich roſtbraun, ſchwarzbraun gebaͤndert. eit . Di.ieſer kleine Raubvogel, der unſtreitig zu den ſchoͤnſten dieſer Ordnung gehoͤrt, iſt von ſehr ſchlanker Geſtalt und aͤhnelt hierin dem Thurmfalken, wie dem Lerchenfalken, iſt aber weit kleiner als dieſe, folglich einer der kleinſten unter den deutſchen Falken. Das Weibchen iſt 113 bis 152 Zoll lang und 30 Zoll breit, das Maͤnnchen immer etwas kleiner, 11 bis 124 Zoll lang und 24 bis 28 Zoll breit. Der ſehr zugerundete Schwanz mißt 54 Zoll und die in Ruhe liegenden Fluͤgel ſind mit ihm von gleicher Laͤnge. Der etwas dicke Schnabel iſt von der Stirn bis zur Spitze im Bogen 10 Linien lang, von der Wurzel an herabgebogen, der Haken ſcharfſpitzig; gleich neben dieſem befindet ſich ein großer ſcharfeckiger Zahn, der in einen Einſchnitt des Unterkiefers paßt, wie am Lerchenfalken. Auch das Naſenloch iſt, wie bei dieſem, rund mit einem runden hervorſtehenden Huͤgelchen innen in der Mitte. Die Farbe des Schnabels iſt hellblau, mit ſchwaͤrzlicher Spitze und goldgelber Wurzel; Wachshaut, Mundwinkel und die kahlen Augenkreiſe hoch mennig- oder orangeroth (eine ausnehmend ſchoͤne und brennende Farbe) bei den Jungen rothgelb; die Iris dunkelbraun. Die Beine find brennend mennigs oder orangeroth, in der Jugend rothgelb, ſtaͤmmig und nicht langzehig, ganz wie am Thurmfalken; die Krallen nicht lang, ſtark, unten ſchneidig und ſehr ſpitzig, hell—⸗ gelb mit braunen Spitzen. Der Lauf mißt 1 Zoll, wovon faſt die Hälfte vom Ferſengelenk herab befiedert iſt; Mittelzeh und Kralle faſt 12 Zoll; Hinterzeh ohne Kralle 2 Zoll, die Kralle deſſelben 4 und im Bogen 3 Zoll. Die Läufe; find vorn eckig getaͤfelt, dieſe Tafeln werden herunterwarts größer und auf den Zehenruͤcken zu großen Schildern; die Zehenſohlen rauhwarzig. Das ſehr alte Maͤnnchen hat folgende Farben: Der Kopf, ganze Oberleib, Flügel, Bruſt, Bauch und Seiten find hell- I. Ordn. V. Gatt. 18. Rothfuß⸗Falke. 315 aſchblau; die aͤußere Seite der Schwingen, die großen Fluͤgel⸗ deckfedern, die Bruſt und Seiten am hellſten; Kopf, Steiß und die untern Fluͤgeldeckfedern aber am dunkelſten; der Schwanz ſehr dunkelaſchgrau, faſt ſchwarz, mit fein vertuſchten hellern Ends ſaͤumen; die Kiele der Bruſt⸗Schwung- und Schwanzfedern ſchwarz und dieſe Federn auf der untern Seite ſchwaͤrzlichgrau. Hoſen, After und die untern Deckfedern des Schwanzes find ſchoͤn dunkel⸗ roſtroth oder lebhaft braunroth; Wachshaut, Mundwinkel, Augen⸗ kreiſe und Füße brennend mennigroth. Der dunkle Backenſtreif zeigt ſich als ein ſchwacher Schatten. Das jüngere Maͤnnchen, fo wie es nach der erſten Mau⸗ ſer wird, hat ein ſehr dunkles Gefieder; das Aſchgrau am Kopfe und allen obern Theilen iſt fo dunkel, daß es ins Schwaͤrzliche uͤber— geht, eine wahre Schieferfarbe, und die Bruſt hat feine ſchwarz— braune Strichelchen; die Schwingen ſind ſchwarzbraun mit feinen braͤunlichweißen Endkaͤnntchen, aſchgrau überpuderter aͤußerer Fahne und mit vielen laͤnglichrunden weißen Querflecken auf der innern. Hierdurch und durch die ſchwarzbraunen, weiß in die Quere geſtreif— ten untern Deckfedern der Fluͤgel, erhalten letztere unten ein ſchwarz— braun und weißgebaͤndertes Anſehen; alles uͤbrige wie oben beſchrie— Ren! Nicht immer iſt die dunkle Schieferfar be ein Zeichen der Jugend, wohl aber ſind es die Flecken an den innern Fahnen der großen Schwingen und an den untern Fluͤgeldeckfedern; denn gleich nach der Mauſer, die im Auguſt faͤllt, iſt auch das neue Gefieder der Alten faſt eben ſo dunkel, als das des eben beſchriebenen juͤngern Maͤnnchens. Es giebt ſehr alte Maͤnnchen, welche von oben her faſt ſchieferſchwarz ausſehen und deren Schwanz und Steiß ganz ſchwarz ſind. Das junge Maͤnnchen im erſten bers hre, iſt ſowol dem jungen Merlin, wie dem jungen Lerchenfalken taͤuſchend aͤhnlich, wenn nicht die langen Flügel noch mehr aber die weißen Krallen es dem Beobachter kenntlich machten. Die Schnabelſpitze iſt ſchwaͤrz⸗ lich, die Wurzel hellgelb; die Iris dunkelbraun; Augenkreiſe, Wachshaut und Fuͤße roͤthlichgelb, die Krallen weißgelb mit grauen Spitzen. Die Stirn iſt weiß, nebſt den Zuͤgeln mit ſchwarzbraunen Bartborſten einzeln beſetzt; ein unregelmaͤßiger Strich uͤber und hinter dem Auge, ein Fleck unter demſelben, in den gewoͤhnlichen Backenſtreifen der edlen Falken auslaufend, ſind braunſchwarz; Wangen und Kehle reinweiß; der hellbraune Scheitel ſchwarzbraun 54 Il. Ordn. IV. Gatt. 18. Rothfuß⸗Falke. geſtrichelt und der weiße Nacken und das Genick ſchwarzbraun gefleckt; alle untern Theile gelblichweiß, die Bruſt mit großen hellbraunen Laͤngsflecken, die an den Hoſen eine rautenfoͤrmige Geſtalt annehmen; der After ungefleckt gelblichweiß. Der ganze Oberleib iſt ſehr tief braun, mit hellroſtbraunen Federkanten und hin und wieder mit Aſchgrau uͤberpudert, welches auf den groͤßten Deckfedern der Fluͤgel und den eben ſo gefaͤrbten hintern Schwingen verloſchene Querſtreifen bildet. Die Schwanzfedern ſind weißlich roſtfarben mit ſchmutzig weißen Spitzen und verwaſchenen Seitenkanten, des— gleichen mit zehn bis zwoͤlf ſchwaͤrzlichbraunen Querbinden, wovon die an der weißen Spitze die breiteſte iſt; alle Federn ſind noch uͤberdies aſchgrau uͤberpudert; die Schwingen ſchwarzbraun mit gelblichweißen Kaͤntchen und vielen ovalen, nach der Wurzel zu groͤſ⸗ ſer werdenden, weißen Querflecken auf der innern Fahne; die untern Fluͤgeldeckfedern gelblichweiß, mit einzeln braunen Querflecken und dergleichen Schmitzen. 5 Am alten Weibchen ſind Schnabel, Fuͤße und andre nackten Theile brennend orangeroth, faſt eben ſo ſchoͤn als am alten Männchen, nur die Krallen find etwas ſchmutziger, naͤmlich braͤun⸗ lichweiß mit ſchwarzbraunen Spitzen. Die Zuͤgel ſind mit duͤnnen weißgelblichen Federchen, die ſich an den Enden in ſchwarze Bart— borſten verwandeln, beſetzt, welche uͤber und unter dem Auge ſo dicht ſtehen, daß dieſe Stellen ſchwaͤrzlich erſcheinen; der obere Theil der Wangen und der, dieſer Falkenfamilie eigene, Backenſtreif roſtbraͤunlich, ſchwarz geſtrichelt; Kehle und unterer Theil der Wangen gelblichweiß; Scheitel, Nacken und oberer Hinterhals blaß— roſtfarben, erſterer am blaͤßeſten, mit ſchwarzen Federſchaͤften; der untere Hinterhals roſtfarben mit breiten dunkelbraunen Querſtrei— fen; Schulter- Rüden: Steiß: und Fluͤgeldeckfedern dunkelaſchgrau, mit ſchwarzbraͤunlichen oder ſchwarzen Querflecken und braun uͤber⸗ flogenen Kanten, der Steiß am hellſten; die Schwingen dunkelaſch— grau, an den Enden und auf der innern Fahne ſchwaͤrzlichbraun, letztere mit ovalen, nach der Federwurzel zu groͤßer werdenden, weißen Querflecken bezeichnet und die hinterſten ſchwarz, mit weiß⸗ lichen Endkaͤntchen; die zugerundeten Federn des ſchmal liegenden Schwanzes aſchgrau, blaͤulich uͤberlaufen, mit ſieben bis acht ſchma— len und am Ende einer breiten braunſchwarzen Querbinde und weißgrauen Endkaͤntchen. Die Kiele der Schwing- und Schwanz⸗ federn find ſchwarz; die untern kleinern Fluͤgeldeckfedern blaßroſt— farben mit einzeln kleinen lanzettfoͤrmigen dunkelbraunen Flecken; \ J. Ordn. IV. Gatt. 18. Rothfuß⸗ Falke. 315 die groͤßten und die Schwingen auf der untern Seite uͤber die Haͤlfte ſchoͤn weiß und ſchwarzbraun in die Quere geſtreift; der Kropf matt roſtfarben mit dunkelbraunen Federſchaͤften; Bruſt und Seiten etwas dunkler mit ſchwarzbraunen Federſchaͤften und dergleichen einzelnen kleinen Lanzettflecken; die Schenkel, deren Beſiederung ſich (wie am Maͤnnchen) etwas auf der Vorderſeite des Laufs herab— zieht, und die Hoſen blaßroſtfarben; After und untere Schwanz⸗ deckfedern weiß, roſtfarben uͤberlaufen; der Schwanz unten grau— weiß mit dunkeln Querbinden. Je aͤlter das Weibchen wird, deſto reiner und lichter erſcheint die Roſtfarbe am Unterleibe, die obern Theile werden heller und blaͤulicher, und die ſchwarzen Querflecke ſchmaͤler. Flecke ſind dann an den untern Theilen nicht mehr vorhanden, nur an den Seiten der Bruſt bemerkt man noch einzelne ſchwarze Federſchaͤfte, und der Backenſtreif iſt bis auf einen ſchwachen Schein verſchwunden. Braͤunliche Federkanten ſieht man oben nur nach dem Federwechſel, im Fruͤhjahr ſind ſie abgerieben und unbemerkbar geworden. Die juͤngern Weibchen, im zweiten Jahr, ſehen an den obern Theilen viel dunkler und ſchmutziger aus, im Nacken gehen die dunkelbraunen Querflecke bis ans Genick herauf, der Backenſtreif iſt deutlicher und alle untern Theile ſchmutziger und nicht ſo roth; denn Kropf, Bruſt und Seiten ſind ſchmutzig dunkelroſtgelb, mit dunkelbraunen Laͤngsflecken; die Hoſen ebenſo, doch ohne Flecken; After und untere Schwanzdeckfedern einfarbig weißlich roſtgelb; Wachshaut, Augenkreiſe und Füße ſchoͤn orangegelb. Das junge Weibchen, im erſten Jahre, gleicht ganz dem abgebildeten jungen einjaͤhrigen Maͤnnchen, ausgenommen daß es, wenn beide gegenuͤber gehalten werden, von etwas groͤßerm oder ſtaͤrkerm Koͤrperbaue, auch unten mehr und dunkler gefleckt iſt, als dieſes. Au fen th an. Dieſer Falke iſt im oͤſtlichen Europa zu Hauſe und ſoll in Sibirien haͤufig ſein. In Rußland iſt er ziemlich gemein, auch nicht ſelten in Pohlen und Ungarn, von wo aus er Schleſien und Oeſtereich oͤfterer beſucht. In der Schweiz koͤmmt er ebenfalls vor, und einzeln dann auch im Weſten und Nor— den von Deutſchland; im letztern jedoch nur als eine Seltenheit. In hieſigen Gegenden habe ich ihn mehrmals geſehen, und beob— achtet, daß er nicht die großen dichten Wälder liebt, ſondern Feld⸗ 316 J. Ordn. IV. Gatt. 18. Rothfuß⸗Falke. hoͤlzer mit daranſtoßenden Ebnen, mit einzelnem Gebuͤſch bewachſene Wieſen und dergleichen freie Gegenden, jenen vorzieht und ſich hier am liebſten aufhaͤlt. Am Tage haͤlt er ſich mehrentheils auf dem Felde und auf Aeckern auf. Als Zugvogel kommt er zu Ende Aprils und Anfangs Mai's zu uns, geht nach ſeinen, wahrſcheinlich weiter noͤrdlich liegenden Brutoͤrtern und kommt auf dem Ruͤckzuge nach waͤrmeren Gegenden, worinnen er uͤberwintert; im Auguſt und September wieder bei uns durch. f Eigenſchaften. Der Geſtalt nach, im Vergleich mit den ihm aͤhnlichen kleinen Falkenarten, glaube ich ihm hier die rechte Stelle angewieſen zu haben; in der Lebensart weicht er indes ſehr von jenen ab. Er iſt eben nicht ſehr ſcheu und liebt die Ruhe mehr als einer der erwaͤhn⸗ ten; auch iſt er geſelliger als ſie, denn man ſieht nicht ſelten eine ganze Familie auf dem Zuge beiſammen, und einzelne ſuchen ſehr oft die Geſellſchaft des Thurmfalken. Sein Flug iſt leicht, oft in kurzen Pauſen ſchwimmend und ſchoͤn, doch ſcheint ihm die Pfeil- ſchnelle des Merlin oder Lerchenfalken zu fehlen. Er aͤhnelt hierin mehr dem Thurmfalken, doch iſt der Unterſchied fo fein und nur dem Kenner bemerklich, ſo daß man es mit Worten nicht gut deutlich machen kann. So iſt es auch mit der Stimme. Dieſe iſt zwar der⸗ jenigen der drei eben genannten Gattungsverwandten außerordentlich ahnlich, aber dennoch ſehr verſchieden. Ein hellgellendes Ki, hoͤher und anmuthiger noch als das Kli des Thurmfalken, wird ſehr oft hintereinander und haͤufig von ihm ausgeſtoßen und faͤllt dem Kenner mehr noch auf als ſein Flug. Dieſe Toͤne haben eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Geſchrei des kleinen Buntſpechtes, aber ſie klingen reiner und weit ſtaͤrker. Er laͤßt ſie beſonders ge⸗ gen Abend oft hoͤren. Baͤume, die duͤrre Wipfel haben, waͤhlt er gern zu Ruheplaͤtzen und man ſieht ihn ſehr oft, aber nur kurze Zeit ausruhen. Auf dem Felde ſieht man ihn am Tage von einem Steine oder Huͤgel zum andern fliegen, um ſich nach Beute umſehen zu koͤnnen, aber nicht ſo lange oder anhaltend herum fliegen, wie man es von ſeinen naͤchſten Gattungsverwandten gewohnt iſt; deſto anhaltender iſt dagegen ſein Flug nach Untergang der Sonne, wo er den nun herumſchwaͤrmenden Kaͤfern nachfliegt. Nahrun g. 5 Dieſe ſcheint blos in Inſekten, beſonders den groͤßern Kaͤfer— arten, Heuſchrecken, Feldheimchen u. d. gl., zu beſtehen; denn bei 1. Ordn. IV. Gatt. 18. Rothfuß⸗Falke- 317 allen welche man. öffnete war der Magen mit Ueberbleibſeln von dieſen gefüllt. Ich glaube daß er da, wo er bruͤtet, auch Junge aus den Neſtern kleiner Voͤgel holt; auch iſt ſehr wahrſcheinlich daß er ſich zuweilen auch ein Maͤuschen faͤngt. Doch dies ſind nur Ver⸗ muthungen ). Der verſtorbene von Minckwitz ſahe ihn auf gepfluͤgten Aeckern mit Kaͤferfangen beſchaͤftigt; ich ſchoß ihn wie er ſich Heuſchrecken auf einer Wieſe fing, die er von den Spitzen der Grashalme wegnahm; auch ſahe ich ihn mehrmals, wie er noch in der Abenddaͤmmerung uͤber ſumpfigen Wieſen und Gebuͤſch fliegende Kaͤfer fing. Er faͤngt noch Inſekten in der Luft, wenn es Abends ſchon dunkel zu werden begint *), ſchwebt dabei in ziemlicher Hoͤhe und laͤßt dazu oͤfters ſeine Stimme hoͤren. Er gleicht alſo in Hinſicht ſeiner Nahrungsmittel mehr den Wuͤrgern als den Falken. d F or t p fl an z un g. Es iſt nicht bekannt, wenigſtens nicht mit Gewißheit, wo und auf was Art ſein Neſt u. d. gl. angelegt iſt. Daß er nicht ferne von uns bruͤten muͤße, beweißt ſein ſpaͤter Durchzug im Fruͤhlinge und fein zeitiger Ruͤckzug im Herbſte. Vielleicht niſtet wol gar zuwei⸗ len auch ein Paͤaͤrchen in unſern Gegenden. Wie ſelten kommen dergleichen Dinge einem Kenner zu Geſichte! In Lief und Eſtland ſoll er zwar niſten, aber man hat, ſoviel ich weiß, das Neſt ſelbſt nicht gefunden, wenigſtens noch nicht beſchrieben. Wahrſchein— lich befindet es ſich auf Bäumen, in Baumhoͤhlen oder Felſenſpalten. In der Schweiz bruͤtet er auch. Feinde. Er wird von Schmarotzerinſekten geplagt. Raben und Kraͤhen necken und e ihn. a g d. Weil er eben nicht 195 ben iſt, ſo kann man ihn leicht mit Schießgewehr erſchleichen. Wo es ihrer mehrere giebt, ließe ſich vielleicht eine eee naͤmlich ein kleines Tellereiſen *) Dem Paſtor Stoll zu Guͤrgensburg in en wurde einer uͤberbracht, welcher geſchoſſen wurde, als er eben einen jungen Gruͤnſpecht an einem Baume fing. Siehe Meyer und Wolf Voͤgel Deutſchl. Heft 18. Meisner und Schinz fanden auch eine kleine Eidechſe einſt in deen. 390 Dies mag wol Veranloſſung gegeben haben, ihm den ee Abendfalke beizulegen. 318 I. Ordn. IV. Gatt. 16. Rothfuß⸗Falke. mit großen lebendigen Kaͤfern, Heuſchrecken oder Libellen bekoͤdert, mit Vortheil zum Fange deſſelben anwenden. Nutz en. Dieſer ſchoͤne Raubvogel, ohnſtreitig der ſchoͤnſte von allen einheimiſchen, wegen ſeines niedlichen ſchlanken Wuchſes und ſeiner ſo angenehm gefaͤrbten Bekleidung, nuͤtzt durch ſeine Nahrung ungemein, indem er taͤglich eine große Menge ſchaͤdlicher Inſekten, die er zu ſeiner Erhaltung bedarf, vertilgt. Daß er wol ſchon manchmal, um ſich ſeine Faͤnge, gleich denen anderer ſchaͤdlichen Raubvoͤgel, ausloͤſen zu laſſen, von kenntnißloſen deutſchen Jaͤgern geſchoſſen wurde, iſt leider nicht zu bezweifeln. Schaden. Wenn es wirklich erwieſen iſt, daß er auch Voͤgel faͤngt, ſo geſchieht es doch gewiß nicht oft, und der Schade, den er dadurch ſtiftete, waͤre von ſo geringer Weheitkunt daß er nicht erwaͤhnt zu werden verdiente. Anmerk. Was Wolf und Meyer in ihrer Naturg. der deutſch. Vögel a. a. O. über die ungleiche Staͤrke der Füße zwiſchen beiden Geſchlechtern beobachtet zu haben glauben, iſt in der Regel nie ſo. Es war wol bloßer Zufall, daß ſie zwei weibliche Vögel fanden, deren Fuͤße ſtaͤrker und deren Zehen dicker und plumper als die ihrer Maͤnnchen waren. Ich habe ſehr viel maͤnnliche, weibliche und junge Rothfußfalken unterſucht und untereinander verglichen, habe aber jenen Unterſchied in der Staͤrke der Füße nicht gefunden. * 5 19. Der A de hel Falke. rateo ken ch ris. Frisch. Ba Fig. 1. Maͤnnchen. h Fig. 2. Weibchen. Sicilianiſcher oder W Thurmfalke, gelbklauiger Falke, kleinſter Rothfalke. Cenchris. Emerillon raux. Der kleinſte rothe Falke. Friſch Voͤgel. t. 89. Sylvan, v. Laurop und Fiſcher, Jahrg. 1818. S. unter dem Nahmen Falco Nau- manni v. E. Fleiſcher. — I. Ordn. IV. Gatt. 19. Röthel: Falke. 319 Kienn zeichen der Art. Der Schnabel mit einem ſehr ſpitzwinklichen Zahn, die kurzen Zehen mit dicken, wenig gekrümmten, gelblichweißen Krallen. Maͤnnchen: Ruͤcken ziegelroth, ungefleckt; der Kopf, die großen Fluͤgeldeckfedern, die hintern Schwingen und der Schwanz aſchgrau, letzterer mit ſchwarzer Endbinde; die Bruſt gelbroͤthlich mit einzelnen hirſenkornfoͤrmigen dunkelbraunen Flecken. Weibchen: Oben roſtfarben mit dunkelbraunen Querflecken; unten roſtgelblich, an der Bruſt mit braunen lanzettfoͤrmigen, an den Schenkeln mit einzeln hirſekornfoͤrmigen Flecken; der Schwanz roͤthlichgrau, mit ſechs bis neun ſchmalen braunen Baͤndern und einer breiten braunen Endbinde. Beſchreibung. Dieſer kleine Raubvogel haͤlt in der Groͤße das Mittel zwiſchen dem Thurmfalken und dem rothfuͤßigen Falken; ja man findet von dieſem oft Stuͤcke, welche ihn an Groͤße noch uͤbertreffen. Dem letztern aͤhnelt er in Hinſicht der Form ſeiner Fuͤße und beſonders in der Farbe und Geftalt der Krallen. Dies unterſcheidet ihn ſchon hinlaͤnglich vom erſtern, wenn ihn auch nicht ſeine geringere Groͤße, das verſchiedene Verhaͤltnis mehrerer Theile ſeines Koͤrpers zu einander, und der in einem weit ſpitzigern Winkel ausgeſchnittene große Zahn des Schnabels *) kenntlich genug machten, fo daß, wenn man die ganz verſchiedene Zeichnung der alten Maͤnnchen beider Arten mit einander vergleicht, und dazu nimmt, wol ſchwer⸗ lich Jemand den Unterſchied zwiſchen beiden verkennen moͤchte. Er iſt nicht allein weit kleiner, ſondern auch ſchlanker gebauet als der Thurmfalke; das Maͤnnchen 12 und das Weibchen 124 Zoll lang. Die Laͤnge des Fluͤgels von der Handwurzel bis zur Spitze beträgt 10 Zoll, die ganze Fluͤgelbreite 26 bis 28 Zoll. Der Schwanz iſt bis 6 Zoll lang, am Ende abgerundet, und die in Ruhe liegenden Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen bis an die e Endbinde, oder auch bis an das Ende des Schwanzes. Der Schnabel, welcher im Bogen 8 Linien lang und an der Wurzel im Durchſchnitt 5 Linien hoch iſt, hat eine kurze und dicke Form, eine ſcharfe Hakenſpitze, und hinter ihr einen tief und ſpitz⸗ » Schon Friſch bemerkte in feiner Darſtellung des weiblichen Vogels dieſe merkwuͤrdige Form des Zahns im Schnabel, ob er gleich in der Illumination die Farbe der Krallen verfehlte. 4 530 J. Ordn. IV. Gatt. 19. Roͤthel⸗Falke. winklich ausgeſchnittenen Zahn, der im Unterkiefer in einen aͤhnli— chen Ausſchnitt paßt. Hinter dem Zahne iſt die Schneide des Oberkiefers noch etwas ausgeſchweift, das Naſenloch von der dieſer Falkenfamilie eigenen Form, rund mit einem Zaͤpfchen in der Mitte. Die Iris dunkelbraun, eine Stelle um das Auge unbefiedert, und wie die Wachshaut, Mundwinkel und Wurzel des Schnabels ſchoͤn gelb; uͤbrigens iſt der Schnabel hellblau, mit ſchwarzer Spitze. Die Form der Fuͤße iſt kurz und ſtaͤmmig wie beym Rothfuß— falken, die Zehen kurz, und die Ballen an den Sohlen derſelben nicht auffallend hoch, Lauf- und Zehenruͤcken geſchildert, erſterer aber nur unterwaͤrts, nach oben und hinten aber getaͤfelt. Die Krallen ſind kurz, ziemlich dick, wenig gekruͤmmt und unten ſchneidig. Die Laͤnge des Laufs betraͤgt 1 Zoll 4 bis 5 Linien, die der aͤußeren Zehe 8 Linien, der mittleren 11, der innern 7, und die der Hinterzehe alle ohne Krallen gemeſſen, etwas uͤber 4 Linien. Die Farbe der Fuͤße und Zehen iſt ein ſchoͤnes Gelb, was etwas ins Roͤthliche ſpielt, die der Krallen gelblichweiß, oder die Krallen ſind 1 weiß mit gelben Spitzen. Das Kleid des alten Maͤnnchens hat folgende Farben: Halfter und Kehle find weißlich roſtgelb, an den Zuͤgeln ſtehen ſchwaͤrz⸗ liche Borſten, und dieſe Farbe zieht ſich auch etwas uͤber das Auge und auch abwaͤrts neben der Kehle herab, wo ſie den gewoͤhnlichen Backenſtreif, aber hoͤchſt undeutlich bildet. Der ganze Unterleib iſt dunkelroſtgelb, Kropf und Oberbruſt blaßroth uͤberlaufen, Bruſt und Seiten mit einzelnen runden und ovalen kleinen ſchwarzbraunen Flecken beſtreuet, die wie ein Hirſekorn geſtaltet, und auch meiſt nur von dieſer Groͤße ſind. Kopf, Wangen und Hinterhals ſind hell— aſchgrau, welches verlohren nach dem Kropfe hin laͤuft; Ober— ruͤcken, Schultern und die kleinen Fluͤgeldeckfedern hellroſtroth oder ziegelfarben, die großen Deckfedern und hintern Schwingen aſchgrau, erſtere mit weißlichen, und letztere mit hellroſtfarbenen ſchmalen Kanten; die großen Schwingen ſchwarzbraun, heller geſaͤumt, und die Kanten der innern Fahnen nach der Wurzel zu breit weiß; an welche Farbe die ſchwarzbraune nicht in gerader, ſondern in tief ausgezackter Linie graͤnzt. Unterruͤcken-, Steiß- und Schwanzfedern hellaſchgrau, die Seitenfedern des letztern heller als die uͤbrigen, alle mit ſchwarzen Schäften, und einer ſchwarzen 1 bis 14 Zoll brei— ten Querbinde nahe am Ende, und weißem Endſaume. Fluͤgel und Schwanz find auf der untern Seite grauweiß, erſtere mit dun— 1. Or du. IV. Gatt. 19. Röthel⸗Falke. 521 kelbraunen Spitzen und letztere mit einer ſchwätztichen Olerbinde nahe am Ende. ' Bei recht alten Maͤnnchen iſt das Ziegelroth bes Oberrückens und der kleinen Fluͤgeldeckfedern dunkler, und die hirſekornfoͤrmigen Flecken an der Bruſt kleiner und ſparſamer als bei den juͤngern. Die alten Weibchen und die jungen Voͤgel beiderlei Ge⸗ ſchlechts ſehen einander ſehr aͤhnlich, letztere ſind blos etwas dunkler, beide aber vom alten Maͤnnchen ſehr verſchieden. Vom Weibchen des Thurmfalken, dem ſie ſehr aͤhneln, ſind ſie durch die dunklere Ruͤckenfarbe, durch die ſchmaͤlern und blaͤßern Flecke des Mantels, durch ihre geringe Größe, die Form ihrer Füße und durch die Farbe f ihrer Krallen unterſchieden. Hier die Beſchreibung eines alten Weibchens: Die Farbe der Iris, des Schnabels, der Augenlieder Wachshaut, Fuͤße und Zehen wie am alten Maͤnnchen; die Kehle gelblichweiß; Bruſt, Seiten und Schenkel blaß roſtgelb, erſtere mit dunkelbraunen Lanzettflecken, letztere mit einzelnen hirſekorn⸗ foͤrmigen; die After⸗ und untern Schwanzdeckfedern gelblichweiß, mit einzeln braunen Schaftſtrichen. Von den Zuͤgeln zieht ſich ein braungrau gefleckter Streif herab, auch die Wangen ſind blaͤulich⸗ grau geſtreift, Scheitel und Hinterhals roſtfarben mit dunkelbraunen Schaftflecken und durchſchimmernden aſchgrauen Federwurzeln. Vom Hinterhalſe zieht ſich die roſtroͤthliche Farbe nach der Bruſt Heng, und dieſe Stelle hat braune Querfleden; Ruͤcken⸗ e geraden abgeſetzten Querstreifen; ſo ſind 158 die hintersten Schwungfedern gezeichnet, die zweite Ordnung derſelben aber dun⸗ kelbraun mit lichtern Saͤumen und abgeſetzten ſchoͤn roſtfarbenen Querbinden; die Schwingen erſter Ordnung mit ihren Deckfedern und dem Afterfluͤgel von außen ſchwaͤrzlichbraun mit lichtern Saͤumen, auf der innern Fahne, nach der Wurzel zu, mit vielen licht roſtfarbenen Querflecken, welche auf der einen Seite den Schaft nicht erreichen, auf der entgegengeſetzten aber in die weiße Kante verlaufen. Die Oeckfedern unter dem Flügel find gelblichweiß mit dunkelbraunen Lanzettflecken, die Schwingen unten ſchmutzig weiß mit durchſchimmernder Zeichnung der obern Seite. Die letzten obern Schwanzdeckfedern ſind hellgrau mit dunklen Querſtreifen; die Schwanzfedern blaß roſtroͤthlich, auf der aͤußern Fahne aſchgrau uͤberlaufen, die aͤußerſte mit roͤthlichweißer Kante, alle mit weißem Spitzenſaume, einer breiten ſchwarzbraunen Endbinde, und ſechs bis neun ſchmalen, am ſchwarzen Schafte abgeſetzten Quer⸗ 21 322 J. Ordn. IV. Gatt. 19. Röthel⸗Falke. baͤndern von ſchwarzbrauner Farbe. Auf der untern Seite iſt der Schwanz weiß, die ſchmalen Baͤnder ſchimmern nur matt durch, aber die ſchwarzbraune Endbinde iſt hier fo deutlich, wie auf der obern Seite. f ’ Aufenthalt. Bis Jeb if von dem Vaterlande dieſes ſeltenen ſuͤdlichen Vogels nichts weiter bekannt, als daß er im ſuͤdlichen Italien noch am öfterften vorkoͤmmt. In Deutſchland gehoͤrt er zu den größten Seltenheiten, beſonders i im noͤrdlichen. Mir ſind nur zwei Beiſpiele von feinem Vorkommen in hieſiger Gegend bekannt. Im ſuͤdlichen, nahmentlich in Oeſterreich und Tyrol iſt er nicht ſo ſelten; auch in der Schweiz), Savoyen und Piemont koͤmmt er vor; wahyſcheinlich iſt er im ſuͤdlichen Frankreich und in Spanien ebenfalls anzutreffen. Er liebt die Gebirgsgegenden, beſonders wenn fie, hohe ſchroffe Felſen haben; in die Ebenen kommt er noch viel ſeltner, und nur wenn er nicht anders kann, z. B. auf ſeinem Zuge; denn er iſt ein wahrer Sommervogel. Als Deutſcher Zug⸗ vogel kommt er erſt im May an, und verlaͤßt uns im Auguſt und September ſchon wieder. Im Uebrigen mag er eben die Gegenden lieben, in welchen ſich der Thurmfalke gern aufzuhalten pflegt. 5 f Eigenſchaften. Er iſt ein ziemlich ſcheuer, leichtfliegender und gewandter Vogel, der in Lebensart und Betragen dem Thurmfalken gar ſehr ähnelt, Mit dieſem iſt er auch lange ee worden. Nahrung. Diefe beſteht meiſtens in Kaͤfern, und andern großen Infekten. in Maͤuſen und kleinen Voͤgeln, welche ale er nur im Sitzen fangen kann. | 5 Fortpflanzung. Daß er auch in Deutſchland, zumal im ſuͤdlichen, zuweilen bruͤte, iſt nicht unwahrſcheinlich, daß er es aber in Italien und auch in der ſuͤdlichen Schweiz thue, gewiß. Dort bruͤtet er in gebirgigen Gegenden in Felſenritzen und Mauerloͤchern alter hoher Ruinen, auf eben die Art wie der Thurmfalke. Weiter iſt dee zur Zeit nichts bete \ \ ) In den weſtlichen Theilen der Schweiz fol er gar nicht felten ſein 0 I. Ordn. IV. Gatt. 19. Röthel⸗Falke. 525 Feinde. Dies ſind die 1 der andern kleinen Falkenarten. Da er nicht ſo ſehreſchen iſt, wie die meiſten der inlaͤndiſchen Falken, ſo iſt er auch leichter mit Schießgewehr zu erſchleichen, als . von ane, Nu tz e n. Durch Vertilgung vieler e Inſekten 9 Feldmaͤuſe wird er nuͤtzlich. 5 S $ a den. Kann wol, da er gewiß ſehr unbedeutend iſt, nicht in Betrach⸗ tung kommen. Anmerk. Schon Friſch hatte eine dunkle Ahndung von der Exiſtenz dieſer Art, wie aus der Abbildung des weiblichen oder jungen Vogels und aus der kurzen Beſchreibung ſich vermuthen läßt, und Herr Johann Natterer in Wien war derjenige, welcher ihn neuerdings entdeckte, und am erſten vom gemeinen Thurmfalken als Art unterſchied. Als er nur erſt das Maͤnnchen kannte, hielt er ihn bloß fuͤr ‘eine Spielart vom F. tinnunculus, da er ihn aber in Oeſtereich, und nachher auch in Stalien mehrmahls, und in beiden Geſchlechtern bekam, fand er die ſtandhafteſten Unterſchiede, ſo wie ich ſie nachher ebenfalls gefunden, und oben angegeben habe. Durch Hr. Natterer lernte ich ihn 1805 bei Herrn von Minkwitz zuerſt kennen, ſahe ihn ſeit der Zeit mehrmals; auch Herr Dr. Schinz entdeckte ihn in der Schweiz; und Herr Temminck fand ihn eben nicht ſelten in Italien. Natte⸗ rer nannte ihn erſt von feinen gelben Krallen: F. Xanthonyx, Dr. Schinz mehrere Jahre nach ihm, von ſeiner e se dem Thurmfalken, F. tinnun- suloides. ag 20, Der Thurm Falke. Falco. rennen 5. Linn. Fig. 1. Maͤnnchen. Fig. 2. Weibchen. Thurm⸗, Mauer⸗, Kirch⸗ und Maͤuſefalke. Rothfalke, rother und braunrother Falke, rother Sperber, Lerchenſperber, Lerchen⸗ hacht, Lerchen⸗ und Sperlingshabicht, Roͤthel- oder Ruͤttelfalke, Rotel⸗, Roͤthel⸗ und Ruͤttelweihe, Roͤthel⸗ oder Ruͤttelgeier, Taf. 30. 324 I. Orbn. IV. Gatt. 20. Thurm⸗Falke. Rittelweiher, Roͤthelgeierlein, Roͤthelhuhn, Roͤthelweib, Roͤthel— weibchen, Graukopf, Steinſchmack, Steinſchmatz, Steinſchmaͤtzer, Sterengall, Wannen: und Wandweher, Wieg⸗ und Windwehe, Windwehl, Windwahl, 4 Riymer; in biefigen aud Müden ai ®) 1 5 Falco tinnunculus. 18 Linn. I. 1. p. BER n. 16 = F. tinn. e Ibid. p. 279. Var. ). = Faloo brunneus. Bechſtein. in d. Ueberf. von Lath. syn. I. 1. Anh. S. 679. n. 127 — Defjen Taſchenb. S. 38. n. 30, u. Naturg. Deutſchl. 2te Aufl. II. S. 807. 31. — Falco fasciatus, Retz. faun. Suec. P. 70. n. 17. La Gresserelle. Be Ois. Ed. d. Deuxp. II. p. 39. t. 3. Pl. Enlum. 401 et 471. =: LD’Epervier des alousttes. Brils. Orn. I. 379. — Faucon Cresserelle. Temminck man. p. 39. = Kestril Falcon, Laith. syn, I. 1. p. 94. n. 79, Ueberſ. v. B. S. 85. n. 79. Anh. S. 672. = Falco acertello. Stor. degl. uccelli. pl. 49. 51. = Bechſtein Nat. Deutſchl. ate Aufl. II. S. 798. n. 30. = Deſſen Taſchenb. S. 37. n. 29. = Wolf u. Meyer Voͤgel Deutſchl. Heft 2. — Deren Taſchenb. S. 62. n. 13. — Borkhauſen, ꝛc Teutſche Orn. Heft 4. Meisner u. Schinz. V. d. Schw. S. 26. n. & Koch Baier. Zool. I. ©. 125. n. 52. = Friſch Vögel, Taf. 84. 85. 88. Naumanns Vögel, alte Ausg. IV.“ S. 174 t. 20. f. 31, 32. e der Art. Mit gelber Wachshaut und Fuͤßen, welche mit ſchwarzen Krallen bewaffnet find; mit zugerundetem Schwanze; roſtfarbenem, ſchwarz⸗ geflecktem Oberleibe; gelblichweißem, mit braunen Lanzettflecken be⸗ zeichnetem Unterleibe. Maͤnnchen: Kopf und Schwanz aſchgrau, dieser mit einer ſchwarzen Binde vor der weißen Spitze. | Weibchen und junger Vogel: Mit roſtroͤthlichem, ſchwarzbraun geflecktem Kopfe, roſtfarbenem, ſchwarzgebaͤndertem Schwanze. Beſchreibung. „ Der Thurmfalke iſt ein gemeiner, aber angenehm geſtalteter und ſchoͤn gefaͤrbter Vogel. Er gehört unter die kleinern Falken, denn feine Größe überfleigt nicht die des Holzhehers oder einer Turteltaube. Es herrſcht in der Groͤße, nochmehr aber in der Faͤrbung des Gefieders zwiſchen beiden Geſchlechtern eine große Verſchiedenheit. Verwechſeln kann man ihn nicht leicht mit einer andern Art, als mit dem ihm in der That fehr aͤhnlichen Roͤthel— fa lken, von welchem er fich, außer der anſehnlichern Größe, ſchon durch ſeine ſtets ſchwarzen Krallen, die bei jenem immer weiß ſind, hinlaͤnglich unterſcheidet. Das Maͤnnchen iſt 132 Zoll lang und 29 Zoll breit, die zu⸗ ſammengelegten Fluͤgel reichen bis an das Ende des Schwanzes, 7 1. Ordn. IV. Gatt. 20. Thurm⸗Falke. 525 welcher 6 Zoll lang iſt; das Weibchen iſt dagegen 142 Zoll lang und 512 Zoll breit. Bei juͤngern Vögeln find die Flügel immer etwas kuͤrzer, und reichen nicht bis an das Schwanzende. Die mittleren Schwanzfedern ſind ſtets laͤnger als die ſich ſtufenweis verkuͤrzenden . äußern, daher der Schwanz abgerundet iſt. Er Der Schnabel ift im Durchſchnitt 8 Linien, im Bogen 10 Linien lang und an der Wurzel im Durchſchnitt 3 Zoll hoch. Er iſt vorn ſcharfeckig gezahnt, ſehr krumm, an der ſcharfen Spitze ſchwarz, in der Mitte hellblau und an der Wurzel gelb; Wachshaut, Mundwinkel und die kahlen Augenkreiſe gelb, die Iris dunkelbraun. Das Naſen⸗ loch iſt rund und hat in ſeiner Mitte eine kleine runde Erhabenheit, der Unterkiefer da, wo der ſcharfe Zahn des obern hinpaßt, inf, gleichfoͤrmigen Ausſchnitt. Die Fuͤße ſind gelb, und die nicht gar großen, nicht ſehr fart gekruͤmmten Krallen ſchwarz. Die dicht unter dem ſogenannten Knie etwas befiederten Läufe find kurz und ſtark, desgleichen auch die Zehen, und der Unterſchied zwiſchen dieſen und den Fuͤßen des Lerchenfalken, wenn man beide zuſammen haͤlt, fuͤhrt ſogleich auf den Gedanken, daß der Thurmfalke ſich entweder andrer Nah⸗ rungsmittel bedienen, oder auf eine andre Art rauben muͤße. Der Lauf mißt 2, die Mittelzehe mit ihrer Kralle 13 Zoll, und die Hinz terzeh nebſt der Kralle 1 Zoll. Am alten Maͤnnchen ſind Kopf und Hinterhals hellaſch⸗ grau, mit feinen ſchwarzen Federſchaͤften, ein kurzer Streif vom Mundwinkel herab ſchwarz geſtrichelt, Ruͤcken und Fluͤgel ſchoͤn zimmtfarben oder blaßroſtroth, mit einzelnen lanzettfoͤrmigen ſchwarzen Flecken. Die Schwingen find braunſchwarz, und haben an den innern Fahnen weiße, mit etwas Braun vermiſchte Quer- flecken; die Steiß⸗ und Ruderfedern hellaſchgrau, die letzteren am Ende mit einer 14 Zoll breiten ſchwarzen Querbinde, und weißen Spitzchen. Die Kehle iſt ganz weiß, die Bruſt gelbroͤthlichweiß mit kleinen laͤnglichten und lanzettfoͤrmigen braunſchwarzen Flecken; Hoſen und After gelbroͤthlichweiß und ungefleckt. Fluͤgel und Schwanz ſind von unten weißlich, mit durchſchimmernder Zeichnung der obern Seite. Recht ſehr alte maͤnnliche Individuen haben an den hell ziegel⸗ rothen Ruͤcken⸗ und Schulterfedern, nur noch einzelne kleine, faſt eifoͤrmige, braunſchwarze Flecke, auch am Unterleibe ſind dieſe klei⸗ ner und runder, nur noch in den Seiten und an der Unterbruſt vor⸗ handen; der Kopf iſt ſchoͤn aſchblau, der Unterruͤcken und Schwanz 326 I. Ordn. IV. Gatt. 20. Thurm⸗Falke. eben ſo, doch heller als der Ae, und alle Farben ſind ausgezeich⸗ net lebhaft. Das Weibchen iſt größer und ſtaͤrker als das Maͤnnchen; Schnabel, Wachshaut, Augen und Fuͤße ſind wie an dieſem; Scheitel und Genick ſind hellroſtfarben, mit braunſchwarzen Laͤngs⸗ flecken in der Mitte der Federn; die Schulter- und Ruͤckenfedern hell roſtfarben, mit hellern Kanten und braunſchwarzen, zum Theil halbmondfoͤrmigen Querflecken; die Steißfedern roͤthlich aſchgrau mit ſchwarzbraunen Querflecken. Der zugerundete Schwanz iſt roſtfarben, mit vielen ſchmalen, am Ende mit einer breiten braunſchwarzen Quer: binde und roͤthlichweißen Spitzen. Die ſchwarzbraunen Schwingen ha- ben an der innern oder breiten Fahne breite, gezackte, gelblichweiße, nach den Spitzen zu roſtroͤthliche Kanten; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, ſchwarzbraun gefleckt, Schwing- und Schwanzfedern auf der untern Seite grauweiß. Kehle, Wangen und Stirn ſind weiß; vom Auge oder Mundwinkel geht ein ſchwarzbrauner Bartſtreif herab; Unterhals und Bruſt find gelbroͤthlichweiß, mit dreieckigen und lan zettfoͤrmigen ſchwarzbraunen Flecken bezeichnet, welche auf den Hoſen klein und einzeln werden und ſich am After gaͤnzlich verlieren. Das junge Maͤnnchen hat, im erſten Jahre, eben die Farben des alten Weibchens, nur ſind alle ſchwarzen Flecke des Mantels kleiner, die Schultern und der Oberruͤcken noch heller roſt⸗ roth, und am Kopfe, Steiße und dem Schwanze ſchimmert ein lichtes Aſchgrau durch das Roſtrothe. Im zweiten Jahre oder nach der erſten Mauſer hat es ſchon die oben beſchriebenen ſchoͤnen Farben, iſt aber uͤberall noch ſtaͤrker braunſchwarz gefleckt als jenes, was ſich wenigſtens zwei- bis dreimal vermauſert hat, ehe es in jener Voll⸗ kommenheit erſcheint. Die jungen Weibchen ſind ebenfalls viel dunkler gefaͤrbt als die Alten, der roſtfarbige Rüden hat auffallend lichtere Feder— ſaͤume und größere braunſchwarze Querflecke; am Steiße bemerkt man kaum etwas aſchgraues, und die untern Theile Kb gelber, mit größern dunkelbraunen Laͤngsflecken. Die Mauſer dieſes Vogels fällt eigentlich zu Ende des Auguſts und im September. Sie geht aber ſehr langſam von ſtatten, bei manchen, beſonders bei jungen Voͤgeln, fo allmaͤhlig, daß ich zu— weilen im April noch junge Maͤnnchen bekam, die noch zur Hälfte das Jugendkleid trugen, und ſich noch in voller Mauſer befanden oder kaum zur Haͤlfte vermauſert hatten. Daraus geht denn her= vor daß ſolche Voͤgel, welche ich für Junge ſpaͤterer Brut halte, J. Ordn. IV. Gatt. 20. Thurm⸗Falke. 327 volle zwei Jahr alt werden müßen, ehe fie ihr Jugendkleid völlig ablegen oder ſich zum erſtenmal gemauſert haben. — Solche in der Mauſer begriffene Voͤgel, an welchen die Federn zweier Kleider untermengt ſind, haben ein ganz eigenes Anſehen. Friſch hat auf feiner 85ſten Tafel eine en von einem ſolchen Maͤnnchen gegeben. ö Wirkliche Spielarten ſind bei dieſem Raubvogel ſelten, am ſeltenſten wol die ganz weiße (F. tinnunculus albus) welche Bech⸗ ſtein beſchreibt. Auch eine graue Varietaͤt wird von Gmelin beſchrieben (F. tinn. griseus, Gmel. Linn. I. 1. p. 279. n. 16. var. 8. und Gmelins Reifen. S. 49. T. 10.) welche ein grauliches Gefieder mit ſchwarzen Federſchaͤften haben fol. Ich habe aber weder die eine noch die andere geſehen, bin auch ſehr geneigt zu glauben, daß die letztere nicht zum Thurmfalken, ſondern zu einer andern Art gehöre. — Was man ſonſt noch unter die Varietaͤten dieſer Falkenzaͤhlt, find bloße Alters⸗ oder Geſchlechtsverſchiedenheiten. i Aufenthalt. Der Thurmfalke iſt in ganz Europa ein bekannter Raub⸗ vogel; auch im noͤrdlichen Amerika ſoll er, wie im mittleren und nördlichen Afien, überall vorkommen. In gebirgigten Ländern iſt er ſehr gemein, und in Deutſchland giebt es wol keine Gegend, wo er nicht, wenigſtens auf dem Durchzuge, angetroffen wuͤrde. Im ſuͤdlichen gebirgigten Deutſchland iſt er haͤufiger noch als im noͤrdlichen. Ueberall liebt er vorzugsweiſe hohe Gegenden, die mit Felſen und hohen ſteilen Bergen abwechfeln. Auf unferer Ebene iſt er daher zwar nicht ſelten, jedoch wird man ihn in den angraͤnzenden hoͤhern Gegenden, als z. B. im Saalkreiſe, im Mannsfeldiſchen u. ſ. f. weit haͤuſiger antreffen. Dieſe Bemerkung habe ich nicht allein in der Brutzeit, ſondern auch ſelbſt in der Zug⸗ zeit gemacht; waͤhrend ich ihn hier nur einzeln ſahe, traf ich ihn dort oft außerordentlich haͤufig. Bei uns iſt er ein Sommervogel; denn er ziehet im September von uns, und kommt im Maͤrz wieder zu⸗ ruck. Sehr ſelten ſieht man einen in gelinden Wintern. Im ſuͤd⸗ lichen Deutſchland uͤberwintern dagegen ſchon mehrere und in der Schweiz ſoll er faſt gar nicht wegziehen (2). Er liebt das Freie, ſtreift immer auf den Feldern umher und verabſcheuet die tiefen Waldungen. So wenig er am Tage in den Wäldern geſehen wird, ſo gern haͤlt er in denſelben Nachtruhe; hat er ſie aber nicht in der Naͤhe, ſo dienen ihm Felſenkluͤfte, Ritzen und Loͤcher alter 528 I. Ordn. IV. Gatt. 20. Thurm⸗Falke. hoher Ruinen zu dieſem Behufe. Von den letztern, beſonders wenn ſie recht hoch ſind und im Felde liegen, ſcheint er uͤberhaupt ein außerordentlicher Freund zu fein; denn in der Gegend, wo es der⸗ f gleichen giebt, wird man auch allemal Thurmfalken antreffen. Selbſt in vielen großen volkreichen Staͤdten bewohnt er im Sommer die hohen Thuͤrme und Schloͤßer, wo er aber dies alles nicht haben kann, die kleinen Feldhoͤlzer und Raͤnder oder großen lichten Plaͤtze ge Waͤlder, doch immer in der Nähe des Feldes. Eigenſchaf ten. In Hinſicht ſeiner Sitten bildet er einen natuͤrlichen Ueber⸗ gang von den Edelfalken zu den Weihen. Er iſt zwar ſchnel⸗ ler und gewandter als dieſe, allein bei weitem nicht ſo muthig, ſo reiſſend ſchnell in ſeinen Bewegungen als jene, obgleich er uͤbrigens ein unruhiger, lebhafter Vogel iſt. Der ihm oft zugeſchriebene Muth iſt, genau erwogen, mehr Tollkuͤhnheit oder vielmehr Dumm⸗ dreuſtigkeit, zu welcher Bemerkung genaue Beobachtungen die ent⸗ ſprechenſten Belege geben. — In der Ferne unterſcheidet er ſich von ähnlichen kleinen Raubvoͤgeln “), nahmentlich vom Sperber, durch ſeine laͤngern und ſpitzigern Fluͤgel, vom Merlin- und Ler⸗ chenfalken aber durch feinen laͤngern Schwanz und langſamern Flug.“ Er iſt auch weniger edel als ſie, und aͤhnelt in ſeiner Lebensart vollkommen den Weihen. Er fliegt uͤbrigens leicht, ſchnell und mit ge⸗ ſchwinder Fluͤgelbewegung, und neckt ſich oͤfters mit andern Naubs voͤgeln und den Kraͤhen herum. Seine Stimme klingt hell und angenehm, klih, kli, kli! Ein ſanftes Kiddrik, kiddrik! und ein heiſeres Ki, ki! hört man auch oft von ihm, doch iſt das Kli, kli oder Bli, bli, bli, die gewoͤhnliche, welche er ſehr oft ertoͤnen läßt, zumal im Fruͤhlinge in der Nähe feines Neſtes. Hier ſchwingt er ſich auch zuweilen zu einer ziemlichen Hoͤhe hinauf; auf ſeinen Jagdſtreifereien fliegt er aber mehr niedrig als hoch, wobei er das Eigene hat, daß er im Fliegen oͤfters Halt macht, mit den Fittigen ſchnell auf⸗ und abſchlaͤgt und ſo eine Zeitlang an einer Stelle bleibt. Dies Hangen und Flattern auf einem Flecke in der Luft nennt man ruͤtteln oder riddeln, und dies hat dem Vogel zu den meiſten 1 verholfen. Er fliegt faſt beſtaͤndig und man ſieht ihn ſelten | 0 Auch mit dem Kuckuk, beſonders dem rothbraunen, hat er, in der Ferne ſlie⸗ gend, viel Aehnlichkeit, aber dieſer macht ſich durch ſeinen geradern Flug, ſeinen ſpitzen Kopf und ſtets ſchmaͤler liegenden Schwanz kenntlich. Die Aehnlichkeit. beider im Fluge hat vielleicht mit Veranlaßung zu dem Maͤhrchen gegeben, daß der 0 ein Raubvogel werde. f I. Ordn. IV. Gatt. 20. 2 hurm⸗Falke. 329 ſich niederſetzen um auszuruhen. Ob er gleich ſcheu und vorſichtig iſt, ſo wird er doch leicht zahm, beſonders die Jungen, welche man aus dem Neſte gehohlt und aufgefuͤttert hat; dieſe werden ihrem Waͤrter außerordentlich zugethan und ſollen ſich ſogar zum Aus⸗ und Einfliegen gewoͤhnen laßen. Man 5 ihn 85 zur ande auf Lerchen u. d. gl. abrichten koͤnnen. e Dieſe beſteht in Mäufen, kleinen oder j jungen Voͤgeln, Angel eiern, Heuſchrecken, Kaͤfern und andern Inſekten, auch kleinen Froͤſchen und Eidechſen, welches alles er faſt immer auf freiem Felde aufſucht. Da er nur im Sitzen raubt, ſo jagt er die kleinern Voͤgel, als: Sperlinge, Lerchen, Goldammern u. a. m. oft ſo lange umher, bis ſie ſich ſetzen, um ſie nun erſt ergreifen zu koͤnnen. So jagt er oft die Sperlinge in die Zaͤune, und an Orten wo er bruͤtet und viel dreiſter iſt, bis unter die Daͤcher, und zieht ſie da nicht ſelten aus ihren Schlupfwinkeln hervor. Die Felder durchſpaͤhet er im be⸗ daͤchtigen Fluge, macht oft und da Halt, wo er ein taugliches Nah⸗ rungsmittel vermuthet, indem er ſich flatternd ſo lange an derſelben Stelle in der Luft erhaͤlt, bis er ſeine Beute recht aufs Korn genom⸗ men hat, um nun ſchnell und ſicher auf ſie herabſtoßen zu koͤnnen. Er ſchießt aber dennoch oft fehl, weil entweder die zu fangende Maus, eben da er zuftößt, in ihr Loch ſchluͤpfte, oder die, die an⸗ kommende Gefahr ſehende Lerche ihn unter den Klauen weg entflog. Daß er auch ſo oft und lange vergeblich zielt, mag daher kommen, daß die Feldmaͤuſe, ſeine vorzüglichſte Nahrung, ſich ſpielend oft eben ſo ſchnell vor ihren Loͤchern zeigen, als ſie wieder hineinſchlüp⸗ fen. Iſt er des Herumfliegens muͤde, ſo ſetzt er ſich auf einen Kloß, Erdſcholle, Stein oder Huͤgel, ſiehet ſich allenthalben um, und ſo bald ſich eine Lerche in ſeiner Naͤhe niederlaͤßt, fliegt er hin und macht Jagd auf ſie, oder ihre Jungen. In dieſer Abſicht ſetzt er fi) auch gern auf die einzelnen Feldbaͤume, und zwar auf die hoͤch⸗ ſten Spitzen derſelben. Man ſagt auch von ihm, daß er die Tauben oft angreife; allein, ich kann verſichern nie geſehen zu haben, daß ein Thurmfalke die Tauben nur verfolgt, vielweniger eine gefangen haͤtte. Er iſt auch viel zu ungeſchickt eine Taube oder andere ſchnell⸗ fliegende Vögel im Fluge zu greifen. Unter den Vögeln, die ihm zur Nahrung dienen, iſt die Wachtel, welche er nicht ſelten erwiſcht, der größte. Junge Rebhuͤhner von der Größe der Wachteln wer- 350 J. Ordn. IV. Gatt. 20. Thurm⸗Falke. den ihm, da fie die wachſame Mutter mit eigner Lebensgefahr ver⸗ theidigt, nur ſelten zu Beute. Fortpflanzung. 5 Sein Neſt findet man in Felſenkluͤften, in den Loͤchern hoher ſteiler Ufer, in den Kirchthuͤrmen mancher Dörfer, ſelbſt in den Löchern ſehr hoher Schloͤſſer und Thuͤrme großer volkreicher Städte, in den hohen Ruinen alter verfallener Burgen und Wartthuͤrme, und wo ſie dieſes alles nicht haben koͤnnen, wie z. B. in unfrer Gegend, in hohlen Baͤumen, oder gar in den obern Aeſten eines hohen Baumes, woſelbſt aber faſt immer ein altes Kraͤhenneſt die erſte Grundlage dazu bildet. In den Waͤnden tiefer Abgruͤnde und Schluchten niſtet er ſehr gern, lieber jedoch noch in den Ruinen alter Berafchlöffer, beſonders wenn fie am Felde liegen; wo er die⸗ fe vorfindet, wird er fie zur Anlage ſeines Neſtes gewiß allen andern Gelegenheiten vorziehen. Er begiebt ſich in der Brutzeit uͤberhaupt nie ohne Noth in den Wald, daher er da, wo er einen Platz zum bruͤten im Freien auffinden kann, jederzeit diejenigen, die ſich ihm im Walde darbieten, verachtet. So findet man oft ſein Neſt lieber in einem einzelnen hohlen Feldbaume, als im Walde ſelbſt, wenn dieſer auch nicht weit davon entfernt waͤre. Die Eier liegen oft ohne alle Unterlage da, manchmal beſteht dieſe aber auch aus einigen wenigen Strohalmen, Federn und Thierhaaren. Die freiſtehenden Neſter ſind aͤußerlich von trocknen Zweigen, inwendig von kleinen Wurzeln, Stoppeln, Stroh, Moos und Thierhaaren gebauet; die alten Kraͤhenneſter werden dagegen blos inwendig mit wenigen friſchen Materialien belegt. Das Weibchen legt gewoͤhnlich vier, ſeltner fuͤnf bis ſechs rundliche, weiße oder roſtgelbliche, braunroth gefleckte und uͤberall beſpritzte Eier und bebruͤtet ſie drei Wochen lang. Die Alten ernaͤhren ihre Jungen faſt mit nichts als Maͤuſen und jungen Voͤgeln, und es waͤhret lange, ehe ſie im Stande ſind, ſich dieſe Nahrungsmittel ſelbſt aufzuſuchen. Ihre erſte Jagd iſt dann gewoͤhnlich die Inſektenjagd. a Feinde. Schmarotzer in ſeinem Gefieder wie in ſeinen Eingeweiden, und zwar von beiden mehrere Arten, plagen ihn. Auch ſieht man Kraͤhen und größere Raubvoͤgel ſich öfters mit ihm herumzanken. In den Wäldern, wo er in hohlen Baͤumen niſtet, zerſtoͤhrt der Baummarder zuweilen ſeine Brut. N I. Ordn. IV. Gatt. 20. Thurm⸗ Falke. 351. 8 a N en N Er iſt ſcheu und vorſichtig, daher ſchwer zu ſchießen, ausge⸗ nommen auf der Kraͤhenhuͤtte. Hier ſticht er mehrmals herzhaft nach dem Uhu, ſchreit dazu kli, kli, kli! und ſetzt ſich dann auf einen Baum, von welchem man ihn gemaͤchlich herabſchießen kann. In die Raubvögelfallen, wenn fie auf dem Felde mit lebendigen Sperlingen aufgeſtellt ſind, geht er nicht oft; häufiger wird er da⸗ gegen auf dem Lerchenheerde mit der 1 eh. leiten Der Alen zerſtöhrt zwar viele Bruten der kleinern Vögel vorzuͤglich der Lerchen, allein er verzehrt auch eine noch weit groͤßere Anzahl Feldmaͤuſe, und wird dadurch ſehr nuͤtzlich. Auch ſpeißt er ſo manches ſchaͤdliche Infekt, z. B. Heuschrecken, Feldheimchen u. dergl. Man kann ihn auch zum Lerchenfang abrichten; ſeiner Ungeſchick⸗ e wegen, iſt jedoch dieſe Muͤhe nicht fehr belohnend. S aden. Er frißt Lehen ihre Eier und Jungen, verdirbt dem Lerchen⸗ faͤnger ſehr oft einen gluͤcklichen Fang, indem er die Lerchen ſchuͤch⸗ tern macht oder fortjagt, und ſoll in den Staͤdten, zur Bruͤtezeit, oft ſo dreuſt ſein, daß er auf die vor den Fenſtern haͤngenden Vogel⸗ bauer ſtoͤßt und die darinnen befindlichen Voͤgel erwuͤrgt. Ein ſelt⸗ ner und merkwuͤrdiger Fall iſt wol der, wo einmal einer durch ein Fenſter flog, um den Kanarienvogel, welcher in einem, in der Stube nicht weit vom Fenſter haͤngenden Kaͤfig ſich befand, zu erwuͤrgen, ohne daß er ſi ich durch das Klirren der zerbrochnen Glasſcheibe hatte ſchrecken laßen, Anmert, Daß Bechſteins Falco brunneus, welchen er a. a. O. als eine eigene, von F. tinnunculus verſchiedene Art beſchreibt, wol nicht als ſolche zu be⸗ trachten ſei, hat man ſchon vielfältig geäußert. Ich trete ebenfalls dieſer Meinung bei und halte ihn fuͤr einen jungen, noch unvermauſerten Vogel. Die meiſten, wo nicht alle deutſchen Raubvogel, tragen das Jugendkleid in der Regel ein volles Jahr und druͤber, ehe ſie es ganz ablegen, ja manche Individuen, vielleicht ſpaͤt ausge⸗ bruͤtete, ſchwaͤchliche oder anfaͤnglich durch Krankheit am Mauſern verhinderte, werden, wie ich oben erwaͤhnte, volle zwei Jahre alt, ehe ſie es voͤllig abgelegt haben. Es pflanzen ſich aber viele von ihnen noch in dem erſten Lebensjahre fort, wo ſie alſo bei der erſten Brut, die ſie machen, ſich noch im Jugendkleide befinden; doch fangen fie gewoͤhnlich einen Monat fpäter als die alten Vögel, zu niſten an. Der Falco brunneus Bechst. mag demnach nun wol ſicher nicht als eine beſondere Species, ſondern als jugendlicher Vogel vom F. tinnunculus, L. zu betrachten fein, € — Vierte Familie. Mila ne n, Mai. Schnabel: Schwach und nach Proportion des Vogels klein, an ſeiner Baſis nur wenig gekruͤmmt, Kopffedern verlaͤngert, in eine Spitze auslaufend; Mund bis unter die Augen geſpalten. Naſenloͤcher: Schief, ihr aͤußerer Rand mit einer Falte bezeichnet. Süßer Mit kurzem nur etwas unter dem fogenannten Knie beſiederten Lauf, und kurzen mit ae de, nicht 1 Krallen bewaffneten Zehen. Schwanz: Mehr oder weniger gabelfoͤrmig. Flügel: Groß und lang, die erſte Schwinge viel kürzer als die ſechſte, die zweite auch kuͤrzer als die fuͤnfte, die dritte beinahe von gleicher Laͤnge mit der vierten, welches die laͤngſte von allen iſt. Das Gefieder iſt groß, ziemlich locker und abſtehend; die Federn haben nicht allein am Kopfe und Halſe, ſondern auch noch die Bruſt herab, eine ſchmale, zugeſpitzte Form. Si.ie gleichen in ihrem Betragen den Geiern, haben ſitzend ein ungeſchicktes und trauriges Anſehen, aber ihr Flug iſt zierlich; ſie gleiten ohne Fluͤgelbewegung ſanft durch die Luft, ſchwimmen gleich- ſam in derſelben und beſchreiben oft ſchoͤne Kreiſe. Sie ergreifen ihren Raub nicht fliegend, ſondern uͤberfallen denſelben an der Erde, aus einer geringen Hoͤhe herab. Sie fallen gern aufs Aas. Zwei Arten. i . 21. Der rothe Mi la n. Falco milou s. Linn. Taf. 51. Fig. 3. altes Maͤnnchen. Milan, Milane, Maͤlane, gemeine Milane, Weichmilane, Weihe, gemeine, bunte, roſtige und roͤthliche Weihe, Gabelweihe, Roͤthel⸗, Ruͤttel⸗, Kuͤr⸗ und Koͤnigsweihe, Weihe mit gablichem Schwanz und Fiſcherhoſen, koͤniglicher Geier, Stein⸗, Stoß⸗, Huͤhner⸗ und Gabelgeier, Gabler, Gabelſchwanz, Scheerſchwagzel, Hau⸗ und Huͤhnerahr, Waſſer⸗ und Weichfalke, Stoͤßer, Stoßvogel, Schwim⸗ mer, Grimmer, Huͤhnerdieb, Kikendieb, Kuͤkewieh, Wy, Wuͤw, Steert, Tyrerl; in Beer Landen: ee, Kur und Sülemh. Falco 7 Gmel. Linn. 175 I. 26 e e royal. Buff. Ois. I. 197. = Id. Pl. enl. 422, => Id. Edit, de Deuxp. I. 202. t. B. —. Temminck Man, d’orn. p. 12. = Kite, Lath. syn. I. 61. n. 43. Ueberſ. v. Bechſt. I. 56. n. 43. Anhang S. 662. Falco con la code biforcata, Storia degl. ucc. pl. 39. —= Bechſtein gem. Naturg. Deutſchl. II. 591. n. 10. Deſſen orn. Taſchenb. S. 33. n. 9. — Teutſche Orn. v. Borkh. ꝛc. Heft 8. — Meyer und Wolf Vögel Deutſchl. Heft 21. — Deren Taſchenb. S. 25. — Meisner und Schinz V. d. Schweiz, S. 11. n. 9. = Kochs baier. Zool. I. 1217. n. 42. — Naumanns Voͤgel, alte Ausg. IV. 200. t. 23. f. 18. Junger Vogel: 1 Falco ia Gmel. Linn, TI. 262 n. 63 Austrian Kite, Lath. syn. I. 62. n. 45. Lath. ind. orn. I. 21. Annal. d. Wetterau. I. 144. 1 gem. N II. 619. m 12. = Deſſen ori. Taſchenb. ©. 14. N. 1 I. N ; 1 Kennzeichen der Art. ' Hauptfarbe roſtfarben; der große, ſtark gabelfoͤrmige Schwanz unvollkommen gebaͤndert, die aͤußeren Federn deſſelben uͤber 22 Zoll länger als die A bie Fußwurzeln halbbeſiedert und gelb. eee f Dieſer bekannte Raubvogel, den ſein gabelfoͤrmiger Schwanz vor allen andern auszeichnet, iſt 25 Zoll lang und 5 Fuß oder 60 Zoll breit; er gehoͤrt alſo zu den groͤßern Raubvoͤgeln. Das Weibchen 54 I. Ord u. IV. Gatt. 21. Rother Milan, iſt noch groͤßer; es mißt in der Laͤnge 28 und in der Fluͤgelbreite 66 Zoll. Der Schwanz iſt groß, am Ende tief gabelfoͤrmig ausge⸗ ſchnitten, ſo daß die Mittelfedern deſſelben nur 12 bis 15 Zoll, die aͤußerſten dagegen 142 bis 15 Zoll lang find. Die großen Flügel reichen mit ihren Spitzen beinahe bis an das Ende des Schwanzes. Der etwas in die Laͤnge gezogene Schnabel iſt ſehr ſtumpf ge⸗ zahnt, die herabgebogene Spitze ziemlich kurz und ſtumpf; an dieſer iſt er ſchwarz, nach der Wurzel zu blaulich, bei recht alten Voͤgeln gelb, Wachshaut und Mundwinkel gelb, die Iris filberfarben, im hohen Alter blaßgelb; der Augenliederrand gelb. Die Länge des Ohne bels, im Bogen gemeſſen, beträgt über 18 Zoll, im Durchſchnitt 15, und die Staͤrke deſſelben nahe an der Wurzel i im Durchſchnitt 3301. Die Fuͤße find im Verhältnis zur Größe des Vogels klein, gelb, der Lauf faſt 1 Zoll unter dem Ferſengelenk befiedert, 25 Zoll lang, der Mittelfinger mit der Kralle 24 Zoll. Die Krallen find nicht groß, wenig gekruͤmmt, ſchwarz und zwiſchen dem aͤußern und Mittelfin⸗ ger befindet ſich eine bis zum erſten Gelenk reichende Spannhaut. Das alte Maͤnnchen hat folgende Zeichnungen: Die Fer dern an der Kehle ſind weiß und haben laͤnſt dem Schafte einen ſchwarzbraunen Schmitz; die ſpießfoͤrmigen Kopffedern weiß, hell⸗ roſtfarben gemiſcht, in der Mitte mit einem ſchwarzbraunen Schaft: ſtrich, die Halsfedern mehr roſtroth, die Ruͤcken⸗ und Schulterfedern in der Mitte braunſchwarz, breit mit Roſtroth eingefaßt und weiß⸗ lich gekantet. Die großen Schwingen ſind ſchwarz, und an der Wurzel der. breiten Fahne weiß; die mittlern ſchwarz, mit etwas Roſtbraun uͤberlaufen und, wie die großen, an der untern Seite weiß, mit dunkeln ſchmalen Querbinden, welche man ebenfalls in den braͤunlichſchwarzen Schwingen dritter Ordnung bemerkt. Die großen Fluͤgeldeckfedern ſehen den Schwingen gleich; die mittleren ſind ſchwarzbraun, mit Roſtroth und Weiß gekantet; die kleinen roſtroth, gelblichweiß geſaͤumt. Die kleinen Deckfedern unter dem Fluͤgel ſind roſtroth mit ſchwarzen Flecken und Schmitzen, die großen ſchwarz, mit Roſtroth geſaͤumt. — Der Schwanz iſt ſammt dem Steißfedern roſtroth mit ſchwarzen Federſchaͤften, die aͤußern Federn ſchwaͤrzlich überlaufen, mit einigen undeutlichen ſchwaͤrzlichen Quer: ſtrichen und viele mit hellern Spitzen, welche gewöhnlich etwas ver- ſtoßen ſind. Auf der untern Seite des Schwanzes geht das Roſtrothe ins Falbe über. — Bruſt, Bauch und Hoſen ſind roſtroth mit ſchwarzbraunen Schaftſtrichen. | x I. Ordn. IV. Gatt. 21. Rother Milan. 355 Das alte Weibchen iſt etwas (hoͤchſtens 3 Zoll) größer, hat eben die Farben, nur einen etwas bleichern Schwanz, eine mehr mit Weiß durchmiſchte Bruſt, einen einfarbigen braunen Ruͤcken und mehr mit Roſtfarbe uͤberlaufenen Kopf. Ueberhaupt iſt an ihm im Ganzen die Roſtfarbe viel lichter, die ſchwarzen Flecke auf der Mitte der Federn kleiner und die weißen Federſaͤume ſchmaͤler und ſchmutziger. Gegen das Maͤnnchen gehalten laͤßt es ſich noch ziem⸗ lich leicht erkennen, nicht ſo wenn man es einzeln ſieht. unter den jungen Vögeln, vor dem erſten Federwechſel, ſind die Maͤnnchen faſt noch ſchwerer von den Weibchen zu unter⸗ ſcheiden. Sie weichen indes von den Alten merklich ab. Der Schnabel iſt ſchwarz, Wachshaut, Mundwinkel und Fuͤße blaßgelb, die Augenſterne braungrau; Kehle und Wangen weiß, in der Gegend der Ohren braun geſtrichelt; der Scheitel und Hinterhals gelblich⸗ weiß, roſtroth gefleckt; Ruͤcken und Schulterfedern braun, mit gelblichen Kanten; der Steiß roſtroth. Die Bruſt iſt ebenfalls roſt⸗ roth, mit gelblichen Flecken; die Hoſenfedern heller als die Bruſt; die Afterfedern gelblichweiß; der Schwanz von oben roſtroth, etwas braun gefleckt, von unten weißlich, mit einzeln dunkeln Querflecken; das Uebrige wie an den Alten. Auſſer den kleinen Abweichungen, welche entweder durch Alter oder Geſchlecht hervorgebracht werden, giebt es nur wenige Varie⸗ taͤten. Sehr ſelten kommen unter ihnen Spielarten vor, wie z. B. ein rother Milan mit kaſtanienfarbigem Kopf und eine weiße Varie⸗ tät (Falco milvus albus), an welcher die dunkeln Zeichnungen nur ſchwach durch das Weiße hervorſchimmern. Uebrigens zeigt ſich auch an den Farben des Gefieders dieſes Vogels der vernichtende Einfluß der Witterung und des Sonnenlichts; das friſche Roſt⸗ roth des jungen Gefieders erſcheint am abgetragenen Kleide verbleicht, in eine blaße gelbliche Roſtfarbe, und ſo im Verhaͤltniße alle uͤbri⸗ gen Farben, fo daß weiß und roſtgelb die andern zuf verdrängen ſchei⸗ nen. Ganz anders ſieht derſelbe rothe Milan gleich nach der Mauſer aus (die in der Regel ſchon Anfangs Auguſts vollendet iſt) und ganz anders in dem naͤmlichen, nun; aber abgeſchoſſenen Kleide im Mai * e Jahres oder kurz vor einer neuen Mauſer. — 5 Auf ent hal. Der rothe Milan iſt ein über ganz Europa, bis Norwegen hinauf, verbreiteter Vogel, auch in Aſien und dem noͤrdlichen Afrika bekannt. Da er gegen die Kaͤlte empfindlich iſt, ſo bewohnt 556 I Ordn. IV. Gatt. 21. Rother Milan, er die ſuͤdlichern Theile unſers Welttheils häufiger als die nördlichen, und iſt daher in dieſen ein Zugvogel. In Holland iſt er ſelten; in Frankreich haufig, und in Deutſchland überall bekannt. In hieſiger Gegend iſt er ein ſo gemeiner Raubvogel, daß ihn jedermann unter dem Namen Hulewih kennt, welches Wort vermuthlich: Hole Weihe (eine Weihe ſo etwas wegholt) heißen ſoll. Er ziehet im September und in den erſten Tagen des Oktober von uns, kommt einzeln ſchon im Februar, im Maͤrz und April aber voͤllig wieder zurück. Nur in gelinden Wintern bleiben einzelne bei uns. Er ziehet ſelten einzeln, mehrentheils in kleinen, oft aber auch in großen Geſellſchaften zu funfzig bis hundert Stuͤcken. Auf dieſen Zuͤgen, welche im Herbſt gerade von Oſten nach Weſten gerichtet find, flies gen ſie auf der freien Ebene niedrig und ruͤcken nur langſam vor⸗ waͤrts, indem ſich einzelne abwechſelnd niederlaßen und ausruhen. In der Brutzeit ſucht er die Waͤlder auf, welche mit Feld uud Wie⸗ ſen abwechſeln, ſowol in ebenen wie in gebirgigten Gegenden. Sonſt iſt er ein Feldvogel und koͤmmt nur des 1 wenn er ſich zur in a in ip Wald. eech ker Der ie, Milan iſt ein träger, ſchwerfaͤlliger Vogel. Man ſieht ihn auf dem Freien langſam hin und her ſchweben, ſich dann und wann auf einen Stein oder auf eine Erdſcholle niederlaßen, aber ſelten auf einen Baum ſetzen. Sein Flug iſtslangſam, ſanft, ſchoͤn und ſchwimmend, ſo daß er oft große Strecken hingleitet, ja ſich ſtundenlang in der Luft herum drehet, ohne eine einzige Bewe— gung mit den Fluͤgeln zu machen. Sein großer Schwanz bewegt oder wendet ſich aber hiebei beſtaͤndig, wie das Steuerruder eines Schiffes, bald auf dieſe, bald auf jene Seite. Bei ſtillem hellen Wetter drehet er ſich oft, ohne die geringſte Fluͤgelbewegung, in beftändigen Kreiſen, fo hoch in die Luft, daß ihn das menſchliche Auge kaum noch erreichen kann, und man i oft nur noch als einen kleinen Punkt gewahr wird. 5 Uebrigens iſt der rothe Milan ein mirdles, feiges Geſchoͤpf, das aber doch Klugheit genug beſitzt, den Jaͤger vom Bauersmann zu unterſcheiden, ob er gleich lange nicht zu den ſcheueſten Raubvoͤgeln gehört. Wenn er ſich ſetzt, hat er, wie alle großflügligte Vögel, erſt Muͤhe die Fluͤgel ordentlich zuſammen zu legen. Er geht ſelten und ſchwerfaͤllig; aber ſein Geruch iſt ſo ſcharf wie ſein Geſicht. I. Ordn. IV. Gatt. 21. Rother Milan. 357 Er ſchreiet ſelten; ſeine gewoͤhnliche Stimme klingt hoch hiaͤh! hi — hi — hiaͤh! Auch läßt er zuweilen eine helle angenehme Stimme hoͤren, die einem Triller oder dem Pfeifen gleicht, womit der Jaͤger den Huͤhnerhund zum Aufſuchen des Wildprets zu ers muntern pflegt. Wenn meine gezaͤhmten Milanen die ihrem Behaͤlter nahe kommenden jungen Gaͤnschen oder Kuͤchelchen erblickten, ließen ſie immer dies Freudengeſchrei hoͤren. Aus dieſem Triller und mehreren andern wunderbaren Tönen, iſt eine Art von Geſang zu: ſammen geſetzt, welchen man zuweilen zur Begattungszeit von ihm hoͤrt, und welcher wol das hoͤchſte Wohlbehagen verkuͤndigt. Nahrung. | | . Als ein traͤger, langſamer Vogel, faͤngt er bloß ſitzende und kriechende Geſchoͤpfe, als: junge Haſen, Maulwuͤrfe, Maͤuſe, Schlangen, Eidexen, Froͤſche, Heuſchrecken, Käfer und Regenwuͤrmer. Junge Voͤgel, beſonders junge Gaͤnſe, Enten und Huͤhner gehoͤren zu ſeinen Leckerbiſſen. Er wagt ſich dieſerwegen ſehr nahe an die Dörfer und Vorwerke (Meierhoͤfe), ja bis nahe an die Haͤuſer, und macht den Gaͤnſehirten oft viel Sorge; denn wo er einmal eine junge Gans weggeſchleppt hat, da kommt er alle Tage zu einer be⸗ ſtimmten Stunde wieder. Er iſt aber ein ſo feiger, elender Raͤuber, daß eine beherzte Gluckhenne im Stande ſein ſoll, ihn von ihren Kuͤchlein abzuhalten; doch bin ich von dem letzteren ſelbſt nie Augenzeuge geweſen. Im Fruͤhlinge fliegt er ſicher vor keinem Dorfe vorbei, ohne nicht erſt langſam um und uͤber daſſelbe herum zu ſchwe⸗ ben und genau nachzuſehen, ob er nicht etwa ein junges Huͤhnchen, Gaͤnschen und dergl. wegſtehlen koͤnne. Jung und Alt kennt ihn auch allenthalben als einen berüchtigten Hühner und Gaͤnſedieb, und jedermann bemuͤht ſich, ihn durch Lerm und Geſchrei von dem jungen Federviehe abzuhalten. Die alten Voͤgel, beſonders die Enten, machen bei ſeiner Ankunft einen maͤchtigen Lerm, geben dadurch gleichſam ein Signal, daß alles auf ſeiner Hut ſein moͤge, und alle jungen Waſſervoͤgel fluͤchten ſich dann aufs Waſſer. Er ſchwebt gewoͤhnlich in geringer Hoͤhe uͤber ſeinem Raube und laͤßt ſich, beim Fange deſſelben, zwar mit Leichtigkeit, aber eben nicht ſchnell auf ihn herab, wodurch er nicht ſelten ſein Ziel verfehlt. Er nimmt auch todte oder kranke Fiſche, die auf der Oberflaͤche des Waſſers ſchwimmen, hinweg und verzehrt ſie. Als ein großer Freund vom Aaſe, iſt er auf den Schindaͤngern und in den Luder⸗ 22 358 1. Ordn. IV. Gatt. 21. Rother Milan. kuͤten oft zahlreich anzutreffen. Ob er gleich fo feig als unbehuͤlflich iſt, ſo hat er doch oft Muth genug, den ſchnellen und beherzten Tauben⸗ falken, den er gerade etwas fangen ſieht, anzugreifen um ihm ſeine Beute abzunehmen, und dieſer iſt auch ſo gutwillig ſie dem See rotzer ohne Umſtaͤnde zu uͤberlaßen. ie n, Sobald ſie im Fruͤhlinge bei uns ankommen, ſieht man beide Gatten über dem erwählten Brutorte in großer Höhe durch ſchoͤne Schwenkungen ſich beluſtigen, und hoͤrt dabei haͤufig ihre helltoͤ⸗ nende Stimme. Ihren Wohnſitz ſchlagen fie gern in großen Feld⸗ hölzern, übrigens aber auch in größern Waldungen auf, dieſe moͤgen ſich nun auf Gebirgen oder in der Ebene befinden. Den Horſt findet man auf alten hohen Eichen, Buchen, und auf den hoͤchſten Fichten und Tannen. Er iſt groß, aus trocknen Reiſern flach gebauet und mit Halmen, Moos und Wolle ausgelegt. Hierein legt das Weib⸗ chen ſeine drei weißlichen, mit roͤthlichen Flecken beſtreuete Eier, und bruͤtet ſie binnen drei Wochen aus. Das Maͤnnchen ſorgt, ſo lange fein Weibchen brütet, für Nahrungsmittel, und holt dieſelben ſtunden⸗ und meilenweit auf dem Felde und an den Dörfern zuſam— men. Die Jungen verrathen ſich oft durch ihr Geſchrei, was ſie erheben, ſobald ſich eines der Alten blicken laͤßt. Der breite Rand des Neſtes dient ihnen zur Speiſetafel, und verbreitet, von den faulenden Ueberbleibſeln ihrer Mahlzeiten, einen ekelhaften Geſtank. Feinde. Innerlich und aͤußerlich von Schmarotzerthieren geplagt, iſt er noch den Neckereien der kleinern Raubvoͤgel und der Kraͤhen aus— geſetzt, welche letztere ſich haufig bei ihm zu Gaſte bitten. Vor den Verfolgungen derſelben ſucht er ſich dadurch zu retten, daß er ſich zu einer Hoͤhe hinauf ſchwingt, wohin ihm jene nicht folgen koͤnnen. N ag . Der rothe Milan iſt ſcheu und immer ſo auf ſeiner Hut, daß man, um ſchußmaͤßig an ihn zu kommen, ſich verborgen ans I. Ordn. IV. Gatt. 21. Rother Milan. 359 ſchleichen muß. Nach dem Uhu geht er ſtark, in der Zugzeit oft heerdenweiß, und baͤumet mehrentheils gern auf, folglich moͤchte die Kraͤhenhuͤtte die ergiebigſte Jagd auf ihn verſchaffen. In einer von mir erfundenen Raubvoͤgelfalle habe ich ihn, wenn ich dieſe auf das Feld ſtellte, ſehr leicht und haͤufig gefangen. Bei einem Aaſe iſt er, wenn man ſich dabei vor Tagesanbruch in einem Hinterhalt verbirgt, ebenfalls leicht zu ſchießen; auch kann man ihn in einem ſogenannten Tellereiſen, worauf man einen todten Vogel, Maul⸗ wurf u. d. gl. oder ein Stuͤck Fleiſch bindet, mit leichter Mühe fangen. N Zu der Zeit, als noch die Falknerien im Flor waren, fieng man ihn auch mit abgerichteten Falken und ſogar mit dem Sperber. Dieſer Fang gewaͤhrte ein koͤnigliches Schauſpiel und man nennt ihn deswegen auch noch in Frankreich le Milan royal, den koͤniglichen Milan oder die Koͤnigsweihe. 5 Nutzen. Auſſer dem, daß fie viele, die Luft verpeſtende, Aeſer verzehren, vertilgen die Milanen eine große Menge Maͤuſe, Maulwuͤrfe und andere ſchaͤdliche Thiere oder ſogenanntes Ungeziefer. Schaden. Durch ihre Raͤubereien an dem jungen Hausgefluͤgel, ſo wie durch das Aufſuchen der Eier und Jungen der an der Erde niſtenden Voͤgel, und durch das Wegfangen junger Haſen werden ſie uns nachtheilig. | I — — — DV— 22. Der ſchwarzbraune Milan. Falco a ker. Linn. Taf. 31. Fig. 2. altes Weibchen. Kleiner, brauner und ſchwarzer Milan oder Gabelweihe, ſchwarze Huͤhnerweihe, ſchwarzer und Aetoliſcher Huͤhnergeier, ſchwarzer Falke oder Huͤhnerdieb, braune und ſchwarze Weihe, kleiner und brauner Waldgeier, Maͤuſeaar, Maͤuſeadler, kleiner Schwalbenſchwanz oder Gabelgeier. Falco ater. Gmel. Linn, syst. I. 262. n. 62. = Falco Fase ater. Meyer u. Wolf. Taſchenb. S. 27. == Falco parasiticus. Lath. ind. orn. supp. II. p. 5. == Le milan noir. Buff, eis. I. 205. = Id. Pl. enl. 472. — Id. Edit. d. Deuxp. I. 208. - Temminck Man. d’orn. p. 19. Le milan parasite. Le Vaillant Ois. d’Afr. I. 22. — Ueberſ. v. Bechſt. I. S. 104. t. 22 . Black kite. Laith. syn. I. 62. Ueberſ. v. Bechſt. I. 57. n. 44. == Parasite falcon. Ibid. Syn. Suppl. II. 30. Ueberſ. Anhang. S. 663. - Bechſtein Naturg. Deutſchl. II. 605. n. 11 — ODeſſen Taſchenb. S. 14. n. 10. = Leisler Nachtr. z. Bechſt. I. 90. Meyer u. Wolf Vogel Deutſchl. Heft. 21. = Meisner u. Schinz V. d. Schweitz. S. 12. n. 10. = Koch baier. Zool. I. 112. n. 43. Naumanns Vögel, alte Ausg. IV. 202. t. 24. kig. 39. und Nachtr. S. 399. Junger Vogel. 8 Falco aegyptius. Gmel. Linn. syst. I. 261. n. 61. — Falco Forskahlii, Ibid. 263. n. 121. = Arabien Kite. 2 syn. SUpp. p. 34. ht „Kennzeichen der Art. f Der Oberleib ſchwarzbraun; der Schwanz mit vielen ſchmalen ſchwarzen Querbaͤndern bezeichnet, nur etwas gabelfoͤrmig, die aͤuſ⸗ fern Schwanzfedern nicht über 1 Zoll länger als die mittelften. Beſchrei bung. Er iſt ſtandhaft kleiner und ſchmaͤchtiger als der rothe Milan. Laͤnge: 20 bis 25 Zoll, Breite: 48 bis 50 Zoll. Laͤnge der aͤußer⸗ ſten Seitenfedern des nur wenig und ſtumpf gegabelten Schwanzes 10 bis 114 Zoll, die Mittelfedern kaum 1 Zoll kuͤrzer. Die Fluͤgel⸗ ſpitzen erreichen in Ruhe liegend das Schwanzende. Der Schnabel mißt im Bogen 1 Zoll 5 bis 7 Linien, im Durchſchnitt, von der Stirn bis zur Spitze, 1 Zoll 3 bis 4 Linien. Er erſcheint ſehr geſtreckt mit langem Haken und kruͤmmt ſich in einen I. Ordn. IV. Gatt. 22. Schwarzbrauner Milan. 341 ſanften Bogen faſt von der Wurzel aus. Er iſt ſchwarz, an der Wurzel des Unterkiefers ins Blaͤuliche und ruͤckwaͤrts ins Gelbe uͤbergehend, Wachshaut und Mundwinkel orangegelb. Das Naſen⸗ loch iſt laͤnglichrund und ſchief; der Regenbogen im etwas kleinen Auge in der Jugend dunkelbraun, ſpaͤterhin he und im Atter gelblichgrau, faſt wie in den Katzenaugen. Die Fuͤße ſind nach Verhaͤltniß der Groͤße des Vogels, klein und ſchwaͤchlich. Die Fußwurzel 24 Zoll hoch, wovon vorn faſt 1 Zoll von der Fußbeuge herab, i iſt; Mittelzeh 1 Zoll 10 Linien, 99 5 Kralle gemeſſen, dieſe im Bogen uͤber 10 Linien; die Hinterzeh 4 Zoll, ihre Kralle im Bogen aber über 1 Zoll lang. Die Farbe der oben geſchilderten Laͤufe und Zehen iſt ſchoͤn oran⸗ gegelb, die der Krallen ſchwarz. Zwiſchen dem Schnabel und Auge ſtehen ſchwarze Borſten unter grauweißlichen kurzen Dunen. Am Maͤnnchen ſind Kopf, Kehle und Hals ſchmutzigweiß, mit dunkelbraungrauen Schaftſtrichen; die Bruſt roͤthlichbraun, mit ſchmalen dunkelbraunen, lichter be⸗ graͤnzten Schaftflecken; Hoſen, Bauch und die Afterfedern heller als die Bruſt oder roſtbraun, mit ſchwarzen Schaftſtrichen; Ruͤcken, Schultern, Steiß und die Fluͤgeldeckfedern dunkelbraun, mit ſehr ſchmalen lichtern Saͤumen; die kleinen Fluͤgeldeckfedern an den Seiten roſtfarbig mit braͤunlichweißen Endſaͤumen und ſchwarzen Schaftflecken;z die Schwingen an den Spitzen braunſchwarz, roͤth⸗ lich glaͤnzend, auf der innern Fahne nach der Wurzel zu weißlich, mit einigen Spuren dunkler Querbinden. Der Schwanz iſt braun, mit neun bis zwoͤlf ſchmalen ſchwarzbraunens Querbinden, doch ſind dieſe an den aͤußern Fahnen der Seitenfedern ſo undeutlich, daß die Federn hier faſt ganz dunkelbraun erſcheinen. Die untern kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind wie die Bruſt; die Schwingen, von unten, an der Spitze roͤthlichſchwaͤrzlich, dann grau und nach der Wurzel zu ſchmutzigweiß, mit unvollkommenen dunklen Querbinden; der Schwanz von der untern Seite hellbraͤunlichgrau, nach der Wurzel zu an der innern Fahne weißlich mit ſchwaͤrzlichen Querbinden. Das alte Weibchen iſt nicht nur größer (oft 3 Zoll und druͤber laͤnger) als das Maͤnnchen, es iſt auch, im Ganzen genom⸗ men, dunkler und an den lichtern Stellen mehr mit roſtbrauner Farbe übergoffen, die an den langen Hoſenfedern und an den kleinen Fluͤgeldeckfedern beſonders hervorſticht, und ſich an letztern in wahre Roſtfarbe verwandelt; die Schultern, der Ruͤcken und die großen Fluͤgeldeckfedern ſind ſehr dunkel, faſt braunſchwarz, der Schwanz 343 I. Ordn. IV. Gatt. 22. Schwarzbrauner Milan. hat dunkelbraunroͤthlichgraue und grauſchwarze Baͤnder, und roſt⸗ graue Spitzen. Die jungen Voͤgel vor 1 bei erſten Federwechſel bekleidet, im Ganzen genommen, ein einfoͤrmigeres Braun, Wachshaut und Fuͤße ſind heller gelb, als bei den Alten, der Schnabel ſchwarz, die Iris dunkelbraun. Genauer beſehen hat das Gefieder folgende Far⸗ ben: Wangen und Kehle ſind roſtgelb, mit braunen Federſchaͤften, die Ohrgegend dunkelbraun; die ſchmalen Federn am Scheitel und Nacken dunkelroſtgelb, mit dunkelbraunen Schaftſtrichen; die Schul⸗ ter, Ruͤcken⸗ und Steißfedern ſchwarzbraun, mit dunkelroſtgelben Spitzen. Vorderhals und Bruſt braun, die Mitte der Federn roſt⸗ gelblich, mit ſchwaͤrzlichen Schaftſtrichen; die Hoſen auf eben dieſe Art gezeichnet nur mehr ins Roſtfarbene fallend; die Afterfedern roſtbraun; die Schwanzbinden ſehr undeutlich, und die aͤußerſte Schwanzfeder nur 3 Zoll kuͤrzer als die mittelſten. Die Weibchen ſehen ſtets 1 aus und ſind auch etwas 1 als die Maͤnnchen. Aufenthalt. Der ſchwarzbraune Milan iſt ein Bewohner der waͤrmern Him⸗ melſtriche der alten Welt. In den noͤrdlichen Theilen derſelben iſt er nur im Sommer und zieht im Winter nach dem Suͤden, geht aber nicht hoch nach dem Norden hinauf und iſt ſchon in Preuß en und Daͤnemark ſelten. In ganz Afrika iſt er ſehr gemein, haͤufig im mittaͤglichen Europa; aber im noͤrdlichen Deutſchland ſchon nicht ſo bekannt als im ſuͤdlichen. Obwohl er in hieſiger Ge⸗ gend keineswegs zu den ſeltnen Voͤgeln gehoͤrt, ſo iſt er doch bei weitem nicht ſo gemein als der rothe. Wenn dieſer oft in großen Heerden zieht, ſo ſieht man dagegen den braunen nur einzeln, ſelten zu drei bis vier Stuͤcken beiſammen. Er zieht uͤbrigens, wie der rothe, im Winter weg, wird aber auch, doch weit ſeltner als dieſer, einzeln in dieſer Jahreszeit bemerkt. Der Maͤrz und der Oktober ſind die Monate, wo man ihn hier ankommen und wegzie⸗ hen ſieht. Er liebt beſonders ſolche Wälder, welche Fluͤſſe und ſte— hende Gewaͤſſer in der Naͤhe haben; haͤlt ſich aber am Tage faſt immer im Freien auf. Nur zur Brutzeit und des . geht er in den Wald. Eigenſchaften. Sein Betragen und ſeine Lebensart ſind ſehr von der des rothen Milan verſchieden. In ſeinen Bewegungen bemerkt man weniger J. Drdn. IV. Gatt. 22. Schwarzbrauner Milan. 545 Schwerfaͤlligkeit, fein Flug iſt leichter, und kuͤhn erhebt er ſich im Schneckenkreiſe, ohne Fluͤgelſchwung, zu einer unermeſſlichen Hoͤhe, wo ihn das ſcharfe Auge des Beobachters kaum noch als einen Punkt gewahren kann. Dies thut das Maͤnnchen oft uͤber dem im Neſte ſitzenden Weibchen, wo man auch zuweilen ſeine Stimme hoͤrt, die der des rothen Milans aͤhnlich iſt. Eine eigene pfeifende Stimme, welche man im Frühjahr öfters von ihm hört, die ſich aber mit Wor⸗ ten nicht deutlich machen laͤßt, iſt dagegen ſehr von der des erwaͤhn⸗ ten Vogels verſchieden. Er iſt zwar ſcheu, doch oft dreiſter als die⸗ fer und bei feinen Raͤubereien bemerkt man mehr Gewandheit, Vor⸗ ſicht und Kuͤhnheit, als der dummdreiſte rothe Milan auf ſeinen Streifereien verräth. Gezaͤhmt iſt er ein ruhiger Vogel, welcher in einem Behaͤlter im Freien die Winterkaͤlte gut vertraͤgt. Von einem Paͤaͤrchen, was ich jung aufgezogen mehrere Jahre hatte, ſtarb das Männchen plotzlich; nun machte ſich das Weibchen darüber her, und verzehrte es, ob ſie gleich im Leben ſich ſehr gut vertragen hatten. — ü i : Nahrung Ob er gleich alle kleinen vierfuͤßigen Thiere, junge Hafen, Hamſter, Maulwuͤrfe, Maͤuſe u. d. gl. gern ſpeiſt, ſo ſcheinen ihm doch Fiſche und Froͤſche weit beſſer zu behagen, als die warmbluͤti⸗ gen Thiere. Die Fiſche faͤngt er beſonders zur Laichzeit im flachen Waſſer, denn er kann ſie nur dann erhaſchen, wenn fie nahe an der Oberflache des Waſſers find, weil er nach ihnen nie mit dem ganzen Leibe untertaucht, wie man vom Fiſchaar immer ſieht. Schon an den nicht ſo ſehr rauhwarzigen Zehſohlen ſieht man, daß ihn die Natur nicht ausſchließlich zum Fiſchraͤuber ſtempelte. Junge Voͤgel aller Arten, beſonders der Feld⸗ und Waſſervoͤgel, find im Vorſommer, nebſt Fiſchen und Froͤſchen, ſeine gewoͤhnliche und liebſte Speiſe. Er durchſtreift deswegen in geringer Höhe ſanft hingleitend oder in der Luft gleichſam ſchwimmend die Fluren und großen Suͤmpfe, die Gewaͤſſer und Fiſchteiche bis an die Dörfer. Hier zeigt er ſich aber ſtets vorſichtiger als der rothe Milan, ob er gleich auch, wie dieſer, die Heerden junger zahmer Gaͤnſe und Enten oft genug heimſucht. Auf die Fiſche iſt er fo erpicht, daß ich ihn einſt, bei einer Fiſcherei, ſich auf eine Leine ſetzen ſahe, etwa drei⸗ ßig bis vierzig Klafter von einem Trupp laͤrmender Menſchen, welche an derſelben Leine ein großes Fiſchnetz aus dem Waſſer zogen. Auch todte Fiſche verſchmaͤhet er nicht, und fol auch aufs Aas gehen. 544 J. Ordn. IV. Gatt. 18. Schwarzbrauner Milan. Fortpflanzung. f Er niſtet in unſern Waldungen eben da, wo man auch den rothen Milan niſtend antrifft. Das große Neſt (in der Jaͤgerſprache: Horſt) ſteht auf hohen Eichen und iſt, auf Art andrer großer Raub⸗ voͤgel, von duͤrren Zweigen aͤußerlich, inwendig aber von weichern Materialien, als: Stroh, zartern duͤrren Pflanzen, Moos u. d. gl. gebauet. Man findet in demſelben gewöhnlich 4 gelbliche, braun⸗ marmorirte oder dichtgefleckte Eier. So beſchreibt man ſie gewoͤhn⸗ lich; doch habe ich ſie auch eben ſo licht, jedoch ſtets kleiner als die vom rothen Milan gefunden. Der Grund iſt auch nicht immer gelblich, ſondern graͤulichweiß, uͤberhaupt wenig dunkler, als die weißen, nur ſparſam gelblichbraun gefleckten und beſpritzten Eier des rothen Milans. Die Jungen ſitzen lange im Neſte und werden mit Fiſchen, Froͤſchen und jungen Voͤgeln erzogen. Sie haben eine aͤhnliche pfeifende Stimme wie die jungen rothen Milanen. Die Alten holen das Futter fuͤr ſie in einem großen Umkreiſe zuſam⸗ men und machen regelmäßig alle Tage einigemal zu beſtimmten Stunden dieſelbe Tour, beſonders verfehlen ſie ſolche Orte nicht, wo ſie einmal etwas erwiſchten. Feinde. Außer eigenen Schmarotzerinſekten und Eingeweidewuͤrmern, ſind es die naͤmlichen des rothen Milans. Kiebitze, Meerſchwalben und Meven verfolgen ihn mit grimmigen Biſſen und aͤngſtlichem Geſchrei, wenn er ſich ihren Neſtern nahet, und er muß mehrentheils der Uebermacht weichen und Ir Heil in der Flucht ſuchen. Jagd. Er iſt noch ſcheuer, daher 605 ſchwerer zu ſchießen, als der rothe Milan, ob man gleich alle bei jenen angefuͤhrte Jagd- und Fang⸗ methoden auch auf ihn anwenden kann. Er geht aber nicht gern auf die Taube in den Raubvogelfang. Wenn man einen Fiſch auf ein Tellereiſen bindet, und dies aufgeſtellt ſo ins flache Waſſer legt, daß der Fiſch nicht ganz ins Waſſer getaucht iſt, ſo wird man ihn ſehr leicht fangen. 6 Nutz en. Dadurch, daß er Maͤuſe und andere ſchaͤdliche Thiere wegfängt, wird er nuͤtzlich. Schaden. Er verwuͤſtet viele Bruten der Feld- und Sumpfosgel, raubt junge Haſen, ſtiehlt die Jungen der zahmen Enten, Gaͤnſe und I. Ordn. IV. Gatt. 25. Maͤuſe⸗Buſſard. 345 Huͤhner weg, und thut an den Fiſchereien zur Laichzeit, ob er gleich keine ſehr großen Fiſche fangen kann, dennoch nicht geringen Schaden. Anmerk. Wegen der Aehnlichkeit in Geſtalt und Betragen beider Milanen, des rothen und ſchwarzbraunen, glaubten ſonſt manche Naturforſcher, daß der letztere keine eigene Art, ſondern vielmehr der jugendliche Vogel vom erſteren ſei. Auch ich bezweifelte lange die Selbſtſtaͤndigkeit der braunen Art, bis ſich mir endlich, nach vielen Bemuͤhungen, die fruͤhern Angaben eines Meyer, Wolf und Leisler vollkom⸗ men beſtaͤtigten. Ich bin nun vollig uͤberzeugt, daß der roſtrothe Milan eine von dem ſchwarzbraunen ganz verſchiedene Art ſey, daß dieſes kein junger Vogel von jenem, auch ſonſt auf keine Weiſe mit ihm als eine Art zuſammenzuſtellen ſey. Ich fand in einem nachbarlichen Walde die Neſter beider Arten, ſahe die alten Voͤgel beider, bei und auf dem Neſte und erhielt auch bie Jungen beider aus denſelben. Die Jungen des braunen Milans ſahen ihren Eltern ſo aͤhnlich, wie die Jungen des rothen den ihrigen. Es blieb mir kein Zweifel in der Sache, und beweißt nur zu deutlich, daß alles Forſchen zu keinen feſten Reſultaten bringt, wenn man nicht die Vögel bei ihren Neſtern beobachten kann. Nur hier laͤßt ſich mit Sicherheit beſtimmen, was zu einer und derſelben oder zu einer andern Art gehört; hier uͤberſteht man auf einem Blick, wovon man oft durch Tage langes Beſchauen und „ todter a dich nicht überzeugen konnte. — F uͤn fte Familie. Buſſar de, Bute ones. Schnabel: Schwach, mit einem abgerundeten, oft unmerk⸗ lichen Zahn; der Kopf dick; der Koͤrper ſtark und plump. Fauͤße: Mit mittelmaͤßig ſtarkem und kurzem Lauf, kurzen plum⸗ pen Zehen, und nicht ſehr großen, weniger gekruͤmmten Krallen. Fluͤgel: Von mittler Laͤnge und mehr breit; die 4 erſten Schwingen ausgeſchweift, die ıte ſehr kurz, die 2te länger, die 5te noch länger, und die Ate am laͤngſten. Das Geſieder iſt groß, weich und locker, die Kiele ſchwach und ziemlich ſchlaff. N Sie haben einen traͤgen Flug, ſind muthlos und ungeſchickt, leben von allerlei kleinen kriechenden Geſchoͤpfen, und ob ſie gleich geſchickter als die Milanen ſind, ſo koͤnnen ſie doch nichts im Fluge fangen; ſie erlauren ihren Raub vielmehr auf einem Huͤgel, Stein oder Baume ſitzend, oder nahe uͤber der Erde hinfliegend. Sie fallen auch aufs Aas und trinken in der Gefangenſchaft Waſſer. 23. Der Maͤuſe⸗Buſſard. Falco Bbuteo. Linn. Taf. 52. Fig. 1. ah en. 8 “u 5 2. R V Darietät a, Taf. 35. Fig. 1. e Varietaͤt b. — — — 2. Maͤnnchen. Varietaͤt c. Buſſard, Buſſard mit Fiſcherhoſen, gemeiner und glattbeiniger Buſſard, Bushard, Bushartfalke, Buzaard, Bußaar, Maͤuſeaar, Maͤuſehabicht, Maͤuſefalk, gemeiner und glattbeinger Maͤuſefalk, Maͤu⸗ ſevogel, Maͤuſegeier, Maͤuſeweihe, Weihe, gemeine Weihe, Sumpfs weihe, Ruͤttelweihe, Huͤhnerhabicht, Steinadler, Waldgeier, Waſ— ſervogel, Schlangen- und Unkenfreſſer; ſchwarzer, brauner, bunter und weißer Maͤuſeaar; in hieſiger Gegend: Mauſer. Falco buteo. el EI. syst, I. P. 265. n. 15. t Falco communis. Ibid. p. 270. n. 86. = Falco variegatus. Ibid. P. 267. n. 78. Falco versicolor, Ibid. P. 272. n. 89. == Falco albidus. Ibid. p. 267. n. 79. — La Buse. Buff, ois, I. p. 206. = Ib, Pl. enl, 419, == Id. Ed. d. Deuxp. T. P. 212. t. 8. == Gerard, Tah. Elem. I. p. 54. — La Buse. Temminck Man. d’Orn, p. 20. Common Buzard. Latham syn. I. p. 48. n. 28. —ı Ueberſ. v. Bechſt. I. 1. S. 44. n. 28. Anhang. S. 689. - (Bechſteins Naturg. Deutſchl. ate Aufl. II. S. 623 u. S. 639. t. 10 u. 22. — Oeſſen Taſchenbuch. S. 15 u. 16. n, 12 u. 13. = Ebend. S. 27. n. 21. (Falco fuscus). Teut⸗ ſche Ornith. v. Borkh. ꝛc. Hft. 11. M. u. W. der weißlichen Varietaͤt. Meyer u. Wolf Voͤgel Deutſchl, Heft 14. M. W. Junges (letztere beiden von der braunen Var.) und a Varietaͤt. — Deren Taſchenb. I. S. 34. n. 3. = Meisner u. Schinz V. d. Schweitz. S. 13. m. 11 u. 12. Kochs baier. Zoologie. I. S. 118. n. 44. = Friſch Voͤgel. r. 24 unb 76. = Naumanns Vgl. alte Ausg. IV. S. 206. T. 24. f. 40. T. 25. f. 41 u 42. T. 26. f. 43. Bemerkung. Hieher gehoͤrt hoͤchſtwahrſcheinlich auch Falco Glaucopis, Gmel. Linn. I. p. 235. n. 42, Merrem Beiträge ꝛc. II. S. 25. t. 7. Bechſteins Naturg. Deutſchl. gate Aufl. II. S. 567. n. 7. Obgleich die Angabe der wenigen Schwanzbinden in der Beſchreibung dieſes Vogels, der nur ein einziges Mal bei Gottingen aus dem Neſte genommen worden iſt, gegen dieſe Vermuthung zu ſtreiten ſcheint, fo ſtimmt dagegen das Laͤngen⸗- und Breitenmaaß, und die Verhaͤltniſſe der übrigen Theile vollkommen mit denen des weißlichen Mäufebuffards überein. Kennzeichen der Art. Wachshaut etwas aufgetrieben, nebſt den nackten Fuͤßen gelb; Augenſterne braun oder grau; die Schaͤfte der Schwung: und Schwanzfedern weiß; Fluͤgelſpitzen nahe an das Schwanzende \ * I. Ordn. IV. Gatt. 25. Mäufe-Buffard. 347 reichend; Schwanz wenig abgerundet, faſt gerade, mit amd dun⸗ klen Querbinden. Beſchreibung. Die Laͤnge beträgt 22 bis 25 Zoll und die Breite 50 bis 58 30ll. Die Spitzen der in Ruhe liegenden Fluͤgel erreichen beinahe das Ende des 9 Zoll langen, geraden oder doch nur wenig abgerundeten Schwanzes. Der Schnabel iſt kurz gekruͤmmt, ſtumpf gezahnt, ſchwarz⸗ geber, unten und an der Wurzel grau⸗ oder blauhornfarbig. Die Lange des Schnabels im Durchſchnitt beträgt ı, im Bogen 1, und die Staͤrke nahe an der Wurzel, im Durchschnitt 3 4 Zoll. Das Naſenloch iſt laͤnglichrund und ſchief; Wachshaut, Mundwinkel und Beine bei den Dunkelfarbigen faſt orangegelb und bei den Hellfar⸗ bigen Zitronengelb. Die Iris iſt in der Jugend graubraun, im Mittelalter ſehr lebhaft roͤthlichbraun, und im hohen Alter ſilbergrau. Bei den Dunkelfarbigen iſt fie mehrentheils braun, mehr oder weni- ger zum Rothbraunen oder Grauen ſich neigend; bei den Hellfarbi⸗ gen ſtets ſilbergrau, bald heller, bald dunkler. Gelb iſt ſie nie. Die Fußwurzeln ſind nach Verhaͤltniß des Koͤrpers nur mittel⸗ maͤßig, oben unter der Fußbeuge herab etwas befiedert, uͤbrigens geſchildert und geſchuppt; die Zehen kurz, mittelmaͤßig dick und die aͤußere durch eine kleine Spannhaut bis zum erſten Gelenk mit der mittleren verbunden; die ſchwarzen Krallen ziemlich groß, ſcharf, aber nicht ſehr ſtark gekruͤmmt. Der Lauf au 3, die Mittelzehe 13, und ihre Kralle 4 Zoll, die hintere Zehe 3 * und ihre Kralle uͤber dem en gemeſſen beinahe 14 Zoll. Ign den Farben des Gefieders herrſcht bei dieſem Vogel eine fo außerordentliche Verſchiedenheit, daß wir ſie in dem Maaße bei keinem andern innlaͤndiſchen Raubvogel ſo antreffen. Vom dunkelſten einfarbigen Schwarzbraun bis zum reinſten Weiß, findet man nicht nur alle Abſtufungen jener Farbe zu dieſer, ſondern auch beide auf eine fo mannichfaltige Weiſe vermiſcht und durcheinander gefleckt, daß die zahlloſen Uebergaͤnge ſich nicht beſchreiben laßen. Die Urſache die⸗ ſer großen Mannichfaltigkeit liegt aber weder im Alter, noch im Ge⸗ ſchlecht; denn letzterm fehlen faſt immer alle aͤußern Unterſcheidungs⸗ merkmale, und erſteres macht ſich nur zuweilen durch die veraͤnderte Farbe der Augenſterne und bei der Zergliederung durch die Haͤrte der Knochen und Feſtigkeit der Ligamente kenntlich. Die Jungen find auch immer etwas kleiner als die alten Voͤgel. In Hinſicht des fo verſchieden gefaͤrbten Gefieders laͤßt ſich im Allgemeinen kaum 346 I. Ordn. IV. Gatt. 23. Maͤuſe⸗Buſſard. etwas mehr angeben als was die Artkennzeichen ſchon beſagen. Wir muͤſſen daher alle Maͤuſebuſſarde nach der Hauptfarbe in drei Varietaͤten theilen, um Ordnung in die Beſchreibungen zu brin— gen. Nicht allein dieſe drei Hauptverſchiedenheiten, nehmlich eine, wo die ſchwarzbraune, eine andere wo die erdfarbige, und die dritte wo die weiße Farbe die vorherrſchende iſt, find in der Natur vor- handen; ſondern auch noch eine Menge von Uebergaͤngen, die zwiſchen der erſten undinzweiten, und zwiſchen dieſer und der dritten liegen. Ich, will verſuchen ob es möglich ift, von jeder beſtimmte Kennzeichen, ſo wie ſie die Natur ſelbſt gebeut, angeben zu koͤnnen. So wenig aber dieſe drei Varietaͤten Alters- oder Ge⸗ ſchlechtsverſchiedenheiten von einander ſind, ſo wenig duͤrfen wir ſie als von einander verſchiedene Arten betrachten. Bis auf die Farben in Allem einander gleich, und bei voͤllig gleichen Eigenſchaften u. ſ. w. verpaaren ſich dieſe Spielarten untereinander, und die Jungen aus ſolchen Ehen aͤhneln zum Theil dem Vater, zum Theil der Mutter in der Farbe. Gewoͤhnlich halten ſich jedoch die Varietaͤten von einander abgeſondert. Sie ſind folgende: a.) Der ſchwarze Maͤuſebuſſard. In der Ferne unterſcheidet er ſich vor andern durch die dunklere Farbe, und durch die auf der Bruſt befindlichen, gebrochenen wel- lenfoͤrmigen, Querſtreifen aus. Der Scheitel, Hals, Ruͤcken, Steiß und die Flügeldeckfedern ſind dunkelgraubraun oder auch dunkel chokeladbraun, mit ſehr ſchwachen, hin und wieder grau angeflogenen, roſtfarbenen Kanten. Die gleichlangen abgerundeten Ruderfedern ſind auf graubraunem Grunde mit ſchmalen, 4 Zoll breiten, dunkelbraunen Querſtreifen, wovon die breiteſte am Ende faſt 1 Zoll breit iſt, durchzogen; die Spitzen alle roſtfarben⸗weiß und die verdeckte breite Fahne weiß, mit Grau durchmaſert. Die Kehle iſt weiß, dunkelbrann geſtrichelt; der Unterhals dunkelbraun, mit roſtfarbigen Fleckchen an den Kan⸗ ten; Bruſt und Bauch weiß, mit wellenfoͤrmigen 4 Zoll breiten, dunkelbraunen Querſtreifen durchzogen, doch ſo, daß dieſe etwas ſchmaͤler, als die weißen Zwiſchenraͤume, und uͤbrigens dieſe noch mit Roſtgelb uͤberlaufen ſind. Die Schenkelfedern ſind ſchwarzbraun mit roſtroͤthlichen verloſchenen Querflecken; Fuͤße, Wachshaut und Augenlieder orangegelb. Die Schwingen find an der Spitze braun ſchwarz, oben fahlbraun mit dunkelbraunen Querbinden, beſonders an der breiten Fahne, wo dieſe weiß iſt. Die Deckfedern unter dem Fluͤgel haben weiße und dunkelbraune, mit Roſtfarben uͤberlaufene I. Ordn. I. Gatt. 25. Mäufe-Buffard. 349 Querſtreifen; die Seiten große dunkelbraune Federn, welche auch bei einigen mit weißen Querſtreifen durchzogen ſind. Der After iſt weiß, mit ſchmalen dunkelbraunen Querſtreifen. Das Weibchen iſt in Anſehung der Farben wenig vom Maͤnnchen verſchieden, und in der Größe findet auch nur bei recht alten ein kaum merklicher Unterſchied ſtatt. Letztere ſind ſtets matter in der Hauptfarbe, als die Jungen und die friſch Vermauſerten. Dieſe Varietaͤt iſt die gemeinſte, denn in der Zugzeit ſieht man zuweilen Geſellſchaften von hundert Stuͤcken, unter welchen oft nicht zwanzig Stuͤck von den andern Varietaͤten zu ſehen ſind. Zu dieſer Varietaͤt muß auch der ganz ſchwarze Mäufes buſſard, der vielleicht bei den Schriftſtellern zuweilen als Falco ater beſchrieben fein mag, gezählt werden. Er iſt über und über roͤthlich⸗ ſchwarzbraun oder chokoladbraun, die Spitzen der Schwingen ſchwarz, der Schwanz von oben ſehr ſchmal, dunkelaſchgrau gebaͤn⸗ dert. An den obern Theilen ſchimmert dieſe dunkle Bekleidung ſtark kupferroͤthlich. Am ganzen Vogel iſt übrigens kein einziger weißer Fleck, als die untere Seite der ſchmutzigweißen dunkel gebaͤn⸗ derten, innern Fahnen der Schwanz- und großen Schwingfedern nach ihren Wurzeln zu. Wachshaut, Augenlieder und ‚Süße find dunkelorangegelb, die Augenſterne dunkelrothbraun. In einiger Entfernung ſcheint der Vogel e Varietaͤt ganz ſchwarz auszu⸗ ſehen. Sie iſt ſehr ſelten. Die roͤthlichſchwarzbraune Farbe, ſowohl an der gefleckten als an der einfarbigen Varietät, iſt dem Verbleichen ſehr ausgeſetzt. Sie ſchießt in dunkles Gauß kan ab, wobei dann die Federraͤnder noch lichter werden. Da nun der Maͤuſebuſſard, wie viele andere Raubvogel, ſehr langſam mauſert, fo trifft man ihn oft noch mitten im Winter mit vielen untermiſchten alten Federn unter den neuen = n denn dies Gewand oͤfters ziemlich bunt erſcheint. b.) Der braune Maͤuſebuſſard. In der Ferne erkennt man dieſe Varietaͤt an den braunern Ruͤcken und Fluͤgeln und an der gelblichweißen, mit braunen Strei⸗ fen und Laͤngsflecken bezeichneten Bruſt. Die Scheitelfedern ſind dunkelbraun mit ſchwarzgrauen Kanten; uͤber die Augen geht ein breiter, weißgeſtrichelter und roſtfarben überlaufener Streif; Baden: und Halsfedern find dunkler als der Scheitel, roſtbraun gekantet; Ruͤcken⸗ und Steißfedern dunkelbraun, erſtere vorzuͤglich mit grauweißen, braͤunlichgemiſchten Raͤndern. Die Ruderfedern haben zwölf dunkelbraune, 4 Zoll breite und eben 330 J. Ordn. IV. Gatt. 23. Mauſe⸗Buſſard. fo. viel hellere oder graubraune, mit Roſtbraun gemiſchte, gleich— breite Querſtreifen, doch iſt die innere Haͤlfte der inwendigen Fahne weiß. Die Schwingen ſind an den Spitzen ſchwarzbraun, oben heller mit dunkleren Querſtreifen, welche ſich in der halbweißen brei⸗ ten oder innern Fahne verlieren. Die dunkelbraunen Deckfedern der Fluͤgel haben roſtbraune und weißlich gezackte Kanten; die Schulterfedern ſind braun, die Kehle weiß, dunkelbraun geſtri— chelt und etwas roſtgelb angeflogen; die Unterhals- und Bruſtfedern an den Wurzeln und Kanten weiß, in der Mitte, nach der Spitze zu, mit einem laͤnglichten dunkelbraunen Fleck. Sie geben der Bruſt ein weißes, mit braunen Laͤngsflecken beſetztes Anſehen. Der After iſt ſtark roſtfarben überlaufen, und hat kleine und runde braune Flecken; die Hoſenfedern ſind dunkelbraun mit roſtrothen Kanten; die Schwingen unten weißſchimmlicht, die untern Fluͤgeldeckfedern braun, mit weißen, roſtfarbig uͤberlaufenen, zackigen Kanten. An manchen Individuen haben zuweilen die braunen Laͤngs⸗ flecken an den untern Theilen groͤßtentheils eine herzfoͤrmige Geſtalt. Unter Maͤnnchen und Weibchen findet kein merklicher Unter⸗ ſchied ſtatt. Die Jungen ſind von obenher grau uͤberpudert, die recht Alten roſtroͤthlichbrauner; auch haben die erſtern an der Bruſt und an den Schenkeln mehr Weiß, die braunen Laͤngsflecken der Bruſt ſte— hen einzelner und ſind bei beiden kleiner, als bei denen eines mitt⸗ leren Alters. Eine merkwuͤrdige Verſchiedenheit von den gewöhnlichen Far⸗ ben dieſer Varietaͤt, die wahrſcheinlich aus einer Vermiſchung der erſten und dieſer Varietaͤt eutſtehet, habe ich einigemal in Haͤnden gehabt: der ganze Untertheil des Koͤrpers war gelblichweiß, ſchoͤn regelmaͤßig braun in die Quere geſtreift, wie am Sperber, das Uebrige wie am gewoͤhnlichen braunen Maͤuſebuſſard. Es giebt auch Individuen, an welchen die Hoſenfedern auf hellroſtfarbenem Grunde roſtbraune Querflecken haben, und an dieſen iſt dann der S ſchoͤn roſtfarben und dunkelbraun gebaͤndert. Das Abſchießen der braunen Farbe, was bei der Varietaͤt a. erwaͤhnt wurde, findet auch bei dieſer ſtatt. Die roſtgelbe Farbe, welche gewoͤhnlich der weißen beigemiſcht iſt, verſchwindet gegen die neue Mauſer hin mehrentheils gaͤnzlich, und die braune Haupt⸗ farbe ſchießt in ein ſtaubfarbiges Maͤuſefahl ab. Im Fruͤhlinge findet man daher ſchon viele dieſer Varietaͤt ſo abgebleicht, noch mehr aber gegen den Sommer hin. I. Ordn. IV. Gatt. 25. Mäuſe⸗Buſſard. 351 Man giebt dieſe braune Varietaͤt des Maͤuſebuſſards gewoͤhnlich fuͤr junge Voͤgel aus, allein, da dieſer Vogel in unfrer Gegend der ge⸗ meinſte Raubvogel iſt und ungemein haͤufig geſchoſſen und gefangen wird, ſo fehlte es mir keinesweges an Gelegenheit dies zu unterſuchen. Dem geuͤbteren Voͤgelkenner machen ſich junge Voͤgel ſchon durch ein jugendliches Aeußere, wie auch durch die Weiche der Knochen und Ligamente kenntlich; doch nicht allein dieſe Merkmale ließen mich junge und alte Voͤgel unter allen Spielarten des Maͤuſebuſſards auffinden; ſondern ich hatte auch Junge von allen Varietaͤten in Menge in den Haͤnden, die eben aus dem Neſte genommen waren und welche ſich nur durch die bei jeder Spielart angegebenen Merk⸗ male von den Alten unterſcheiden ließen. 4 c.) Der weißliche Maͤuſebuſſard“). f Die Hauptunterſcheidungszeichen dieſer Varietaͤt von den Vorigen iſt die Grundfarbe ihres Gefieders, ein ſehr hervorſtechendes Weiß; denn ihr ganzer Koͤrper ſcheint in einiger Entfernung weiß, und iſt mit groͤßeren oder kleineren braunen Flecken, bald ganz einzeln, bald haͤufiger beſetzt. Bei manchen hieher gehoͤrigen Abweichungen iſt auch nur an den untern Theilen und im Schwanze die weiße Farbe die herrſchende. ! Ein Männchen dieſer weißlichen Spielart hatte folgende Farben: Die Augenlieder waren gelblich, der Augenſtern hellgrau oder perl⸗ farben, aber nie ſahe ich ihn gelb“); Kehle und Backen weiß, desglei⸗ chen auch der ganze Kopf, doch iſt die Stirn und Mitte des Scheitels oft mit braunen Schmitzchen beſtreuet; die Bruſt weiß mit einzelnen braunen Flecken; der Hinterhals etwas mehr gefleckt; Bauch, After und Hoſen weiß, letztere etwas gelblich angeflogen. Die Federn &) Man iſt hin und wieder bemüht geweſen dieſe Spielart zu einer eignen, vom Maͤuſebuſſard verſchiedenen Art zu erheben; allein die Kennzeichen, welche man für fie aufzuſuchen ſich Mühe gab, find fo relatibo und ſchwankend, der Abwei⸗ chungen find davon fo viele, daß es, um dies einzuſehen, nur aufmerkſame Ver⸗ gleichungen vieler Individuen dieſer mit der vorigen Varietoͤt bedarf, um die Sache aus dem Geſichtspunkte zu betrachten, wie fie! die Natur uns darſtellt. Falco albidus, F. variegatus und auch wol F. versicolor der Schriftſteller, find demnach keine für ſich beſtehende Arten, ſondern gehoͤren als Spielarten zu unſerm Maͤuſebuſſard. — %) In dem großen Darmſtaͤdtiſchen Prachtwerke: Teutſche Ornithologie c. im ııten Hefte, fo wie auch in Bechſteins Naturgeſch. Deutſchl. a. a. O. find die Augenſterne aus Gott weiß welch einem Irrthume, gelb angegeben; allein ich kann verſichern daß ich auſſerordentlich viel weißliche Buſſarde friſch in den Haͤnden gehabt, aber nicht einen einzigen darunter gefunden habe, welcher andere als graue (hellere oder dunklere) Augenſterne gehabt Hätte, — 352 I. Ordn. IV. Gatt. 23. Maͤuſe⸗Buſſard. des Oberhalſes ſind an der Wurzel weiß, an der Spitze dunkelbraun; die Federn des Oberruͤckens, ſamt den großen Deckfedern der Fluͤgel braun mit breiten weißen Kanten; die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind weiß mit ſehr ſchmalen, kleinen, braunen Flecken; die Schwingen dunkelfahlbraun, alle auf der breiten Fahne weiß, mit verlofchenen - dunkelbraunen Querbinden, und die erſten haben braͤunlichſchwarze Spitzen. Der ganze Unterruͤcken weiß, etwas roſtgelb angeflogen, den Steiß decken einige braune, ſtark weiß gekanntete Federn. Die Ru⸗ derfedern ſind auf der ſchmalen oder aͤußern Fahne dunkel roſtigbraun mit der gewoͤhnlichen Zahl verloſchener dunkelbrauner Querbinden, auf der breiten Fahne aber weiß, roſtroͤthlich angeflogen, mit ſchwachen und zwar nur an der Endhaͤlfte befindlichen dunkeln Querbinden. Der Schnabel iſt hornblau mit ſchwarzer Spitze, Wachshaut und Fuͤße ſchwefelgelb. Ein altes Weibchen war an der Kehle, der Bruſt, dem Bauche und in den Seiten weiß, am Unterhalſe ſtark dunkelroſtbraun gefleckt, oder die weißen Federn deſſelben hatten vielmehr dunkelroſtbraune Spitzen, zuweilen auch in der Mitte einen dergleichen Querfleck. Auf der Bruſt ſtanden einzelne kleine braune Flecken, in den Seiten groͤßere, und verſchiedene der Schenkelfedern hatten weiße und braune gleichbreite abgebrochene Querſtreifen, die oft nur durch einzelne Fleckchen angedeutet ſind, der After rein weiß; die Scheitelfedern braun mit weißen Kanten; die Federn am Oberhalſe und Ruͤcken braun mit weißen Einfaſſungen und Seitenflecken, welche ſich auf den Schulterfedern vergroͤßern und auf dem Steiße in roſtfarbene verwandeln; die Dedfedern der Fluͤgel wie die Ruͤckenfedern, nur auf den Kanten mehr roſtfarben uͤberlaufen. Die Schwanzfedern ſind auf der ſchmalen Fahne nach der Spitze zu roſtbraun, an der Wurzel und breiten Fahne weiß, und durgehends mit ſchwarzbrau⸗ nen, 3 Zoll breiten, Querſtreifen durchzogen, die etwas ſchmaͤler als die hellen Zwiſchenraͤume ſind; die Schwingen und uͤbrigen Theile wie am Maͤnnchen. Von der Zeichnung dieſes eben beſchriebenen Paͤaͤrchens hatte ich zwar mehrere, an welchen die Zergliederung das Geſchlecht deutlich zu erkennen gab, und ich glaubte anfaͤnglich Maͤnnchen und Weib⸗ chen unterſchieden ſich im Aeußeren immer ſo; allein bald zeigte es ſich anders. Ich fand Weibchen die eben ſo, ja ſchoͤner noch als das beſchriebene Maͤnnchen, aber auch Maͤnnchen, welche wie das be— ſchriebene Weibchen gefaͤrbt waren. Manchmal iſt der ganze Unter— leib, bis auf einige Flecke am Kropfe, rein weiß, manchmal hat er — 1. Ordn. IV. Gatt. 23. Maͤuſe⸗Buſſard. 555 viel braune Lanzettflecke. Auch ſahe ich einen uͤberall ſchneeweißen Vogel dieſer Art, der perlfarbene Augenſterne und bleichgelbe Fuͤße hatte. Die Schwanzbinden ſind an manchen Individuen an den Schaͤften der Federn abgeſetzt, bei andern laufen fie gerade durch. — Je älter dieſe Abart wird, deſto weißer wird ihr Gefieder, die braunen Flecken werden immer kleiner und ſparſamer und der Augen⸗ ſtern ſilberweiß. Gleich nach der Mauſer ſind gewohnlich die Hoſen⸗ und After⸗ federn, auch wol die Kropfgegend ſchoͤn roͤthlich gelb angeflogen und die braunen Flecke ſind von einer friſchen Farbe; dieſe verbleichen aber ſehr und jenes verſchwindet vollends ganz im Fruͤhjahr, der Vogel auch dieſer Varietaͤt ſieht daher dann am hellſten aus. Uebri⸗ gens verdient noch bemerkt zu werden, daß der Koͤrperbau von dem der dunkel gefaͤrbten Abarten in ſofern abweicht, daß diejenigen welche das meiſte Weiß haben auch viel ſchmaͤchtiger als die ſind, welche weniger Weiß und mehr Braun haben und alſo der Varietaͤt f b aͤhneln. Beide Spielarten verſchmelzen alſo, ſowohl nach der Farbenvertheilung als in Hinſicht der Staͤrke des Koͤrperbaues mit einander, ſo daß ich mehrere ſahe, von welchen ich nicht recht wußte, zu welcher ich ſie zaͤhlen ſollte; ſo wie dies in erſterer Hinſicht zwi⸗ ſchen den Varietaͤten a und b eben der Fall iſt. Aber zwiſchen a und » findet man keine Uebergaͤnge, wenigſtens ſahe ich noch keinen. — Die Spielart ce iſt fe bei weitem nicht 05 haufig als a und b. In der Zugzeit ſieht man wol manchmal eine ganze Familie von derſelben beiſammen, wo ich nicht ſelten von einer ſolchen, da fie, beſonders bei ſtuͤrmiſcher Witterung ſehr langſam ziehen, einige Stuͤcke, Junge und Alte, bei ihrem Durchzuge durch mein Jagd⸗ revier ſchoß oder fing; allein auch unter die andern Varietäten ge⸗ miſcht zeigen ſie ſich uns auf ihren Wanderungen eben ſo oft. Einſt drehete ſich bei ſchoͤnem heiterm Herbſtwetter eine auf dem Zuge be— griffene Heerde Maͤuſebuſſarde von ohngefaͤhr zweihundert Stüden über meinem Kopfe hin; ich muſterte fie alle durch, fand aber nicht mehr als drei weiße darunter. — In einem benachbarten Walde ſahe ich einen Horſt des Maͤuſebuſſards, wobei ich beide Gatten oft beobachtete und von welchen einer zur Var. a, der andere zu c ges hoͤrte, und letzterer das Männchen zu fein ſchien. Die Jungen das von entgingen mir. Ein andermal war ich gluͤcklicher. Ich fand in einem laͤngſt beobachteten Horſte zwar die Jungen bis auf einen bereits gusgeflogen, erhielt aber doch dieſen, der zur Var. a gehoͤrte. — 354 J. Ordn. IV. Gatt. 25. Müufe-Bufjard. Als ich ihn herabſchoß (er ſaß ſchon neben dem Neſte) ſchwebten beide Alten, unter klaͤglichem Geſchrei, in der Hoͤhe uͤber mir, und ich konnte, da es ſtilles ſchoͤnes Wetter und die Athmosphaͤre heiter und rein war, ſehr deutlich unterſcheiden, daß der eine zur Var. a, und der andere zu c. gehoͤrte. Auch hier ſchien der Weiße das Maͤnnchen zu ſein, was ich daraus ſchließen konnte, daß er ſich in groͤßerer Hoͤhe hielt, und auch nicht ſo aͤngſtlich gebehrdete als der Schwarze. — Eine lange Reihe vieljaͤhriger Beobachtungen beſtaͤtigten mir alſo, Y) daß der ſogenannte weißliche Buſſard, Falco albidus, keine eigene Art, ſondern nur als Varietaͤt von F. buteo zu betrachten ſei, 2) daß die braunen Mäufebuffarde mit den lanzett- oder herzfoͤrmigen Flecken an der Bruſt nicht blos junge Voͤgel ſind und 5) daß auch die mit den Querſtreifen an den untern Theilen nicht immer als ſolche angeſehen werden duͤrfen. Ein voͤlliges Ebenmaaß aller weſentlichen Theile, die Farben nicht dazu gerechnet, eine durchaus gleiche Uebereinſtimmung ihrer Art zu leben, ſich fortzupflanzen ꝛc. ſetzen es auſſer allen Zweifel, daß alle drei hier beſchriebene Hauptſpielarten, nebſt allen ihren zahlreichen Uebergaͤngen von einer zur andern, nur zu einer einzigen Art gehoͤren. Aufenthalt. Der Maͤuſebuſſard iſt ein uͤber viele Theile der noͤrdlichen Erde verbreiteter Raubvogel. Er wird ſowohl in Nordamerika, wieim noͤrdlichen Aſien und Euro pa angetroffen und iſt in der gemaͤßig⸗ ten Zone ein uͤberall bekannter Vogel. In allen Laͤndern von Europa, vorzuͤglich aber in den noͤrdlichen, iſt er gemein, und in Deutſchland einer der gewoͤhnlichſten Raubvoͤgel. Ob gleich ein harter Vogel, ſo vertauſcht er doch im Winter die kaͤltern Gegenden mit waͤrmern, und iſt daher bei uns ein Zug- Striche und Standvogel. Seine eigentliche Zugzeit iſt der September und Oktober, wo man ihn in Geſellſchaften von funfzig, achtzig, hundert und mehreren Stuͤcken meiſtens gerade gegen den Niedergang der Sonne ziehen ſieht. Ein ſolcher Zug geht ohne Ordnung, langſam, weitlaͤufig und zerſtreuet hintereinander her, ſo daß oft die erſten des Zugs von den letzteren eine halbe Stunde weit entfernt ſind. Sie fliegen dann gewoͤhnlich hoch, drehen ſich bei ſchoͤnem Wetter in einem großen Kreiſe herum und ruͤcken ſo ganz langſam weiter vorwaͤrts. Eben ſo kommen ſie auch im Maͤrz und April wieder, und fliegen dann gerade gegen Aufgang der Sonne. Diejenigen welche einzeln ankommen machen I. Ordn. IV. Gatt. 23. Maͤuſe⸗Buf ard. 355 oft da, wo ſie Gebuͤſch und Nahrung finden, auf einige Tage, auch wol Wochen, Halt, ziehen dann weiter, und ihre Stelle wird wieder von andern beſetzt. Dieſer Wechſel dauert den ganzen Winter hin⸗ durch bis im April, wo ſie ſich dann an ihre Brutoͤrter begeben. Er iſt daher hier im noͤrdlichen Deutſchland im Winter der gemeinſte Raubvogel. Zu feinem Aufenthalte wählt er vorzüglich ſolche Ge⸗ genden, die Getraide-Felder und Waldungen in der Nähe haben. Im Fruͤhlinge ſucht er mehr die großen Waͤlder auf, dagegen ſcheint er aber im Herbſte und Winter die Raͤnder groͤßerer Waldungen und die Feldhoͤlzer, welche an bebauete Felder ſtoßen, jenen vorzu— ziehen. Er liebt die Ebnen wie die Berge, und iſt auch gern in ſolchen Wäldern, welche mit Gewaͤſſern abwechſeln. Eigenſchaften. Schon von Weitem erkennt man dieſen traͤgen Vogel an ſeinem kurzen plumpen Koͤrper, den großen, ziemlich breiten Fluͤgeln, und an ſeinem meiſt niedern, bald ſanft hingleitenden, bald mit ſanften und langſamen Fluͤgelſchwingungen abwechſelnden Fluge. Nur bei ſchoͤnem heitern Himmel zur Paarungszeit oder auf ſeinem Zuge fliegt er auch ſehr hoch, und beſchreibt dann, ohne ſichtbare Bewe— gung der Fluͤgel, ſchoͤne Kreiſe in der Luft. Er ſitzt gern lange an einer Stelle, auf einem Steine, Erdhuͤgel oder ſonſtigen Erhaben— heit auf freiem Felde oder auf dem ſtarken Aſte eines Baumes, und hat im Sitzen ein trauriges Anſehen. In ſeinem Charakter liegt mehr dummer Trotz und Starrſinn, als Bosheit. Er iſt furchtſam, in allen ſeinen Bewegungen toͤlpiſch, dabei ruhig und friedliebend gegen feines Gleichen. Er uͤbernachtet gern in Feldhoͤlzern und zu ſeiner Schlafſtelle waͤhlt er am liebſten einen ſtarken Aſt in der Mitte eines großen Baumes. Am Tage ſitzt er auch gern auf dem ober⸗ ſten duͤnnen Gipfel der Erlen, Weiden und andrer niedrigen Baͤume an Wieſen und Feldern. Seine Stimme aͤhnelt in der Ferne dem Mauen einer Katze, und klingt hoch: hiaͤh! — In der Brutzeit laͤßt er ſich oͤfters hoͤren, ſonſt aber ſelten und beſonders nur dann, wenn ihn ſehr hungert. Bei ſeiner Traͤgheit iſt er ſehr gefraͤßig, daher immer wohlbeleibt. Wenn es wenig Nahrungsmittel fuͤr ihn giebt, wird er oft ziemlich dummdreiſt, ſonſt iſt er aber ſcheu und vorſichtig. Ob er gleich, als nordiſcher Vogel, gegen die ſtrenge Winterkaͤlte abgehaͤrtet ift, fo habe ich doch auch einmal, im Winter 1800, einen gefangen, welcher beide Beine erfroren hatte. 356 J. Ordn. IV. Gatt. 23. Mäuſe⸗Buſſard. 797 Nahrung. Seine vorzuͤglichſten Nahrungsmittel ſind Maͤuſe, Maulwuͤrfe, Hamſter, Ratten, Froͤſche, Eidechſen, Schlangen, Regenwuͤrmer und Inſekten, auch ſpeißt er zuweilen einen jungen Hafen. Man ſieht ihn, ſobald das Feld abgeerndtet iſt, beſonders in kleinen Feld— hoͤlzern, meiſt am Rande derſelben, auf einem Baume, im Felde auf einem Graͤnzſteine oder einer andern Erhabenheit ſitzen, und auf Beute lauern. Er iſt in dieſer Zeit einer der nuͤtzlichſten Voͤgel. Er fliegt uͤberhaupt wenig nach ſeiner Nahrung umher, ſitzt immer ſtill auf ſeinem Baume, Steine oder Huͤgel, ſpaͤhet umher, und fliegt, ſobald er feinen Raub bemerkt, ſchnell hin, ergreift und ver—⸗ zehrt ihn meiſtens auf der Stelle. Im Herbſte naͤhret er ſich meiſt von Maulwuͤrfen und Maͤuſen. Er ſitzt dann haͤufig auf der Erde neben den Maulwurfsrinnen und lauert ob etwa der Bewohner derſelben die Erde von neuem aufwuͤhle. Geſchiehet dieſes, ſo greift er ſchnell mit beiden Beinen durch die lockere Erde und zieht den Maulwurf hervor; weswegen auch in dieſer Jahreszeit, be— ſonders bei naſſer Witterung, ſeine Fuͤße beſtaͤndig mit Koth be— ſchmiert ſind. Er iſt auch um dieſe Zeit außerordentlich fett. Wenn es im Winter ſtark friert und ſchneiet, muß er oft Noth leiden. Er ſitzt dann traurig auf den Baͤumen und ſchreiet vor Hunger. Haͤlt ſich aber ein Taubenfalk in ſeinem Bezirke auf, ſo leidet er keine Noth; denn ſobald dieſer eine Taube oder ein Rebhuhn faͤngt, ſo eilt der Maͤuſebuſſard ſo ſchnell als moͤglich her— bei und nimmt ihm ſeine ſo eben gemachte Beute ohne Umſtaͤnde ab, und der arme Taubenfalk muß ſich dann, um nicht ſelbſt Hunger zu leiden, wieder etwas Friſches fangen. Hieraus mag wol bei ſehr vielen die Meinung entſtanden fein, daß der Maͤuſebuſſard Tauben und Rebhuͤhner fange, weil ihn vielleicht mancher dergleichen ver— zehren ſahe, ohne bemerkt zu haben auf welche Art er zu einer ſolchen Mahlzeit gelangte. Er iſt in der That viel zu ungeſchickt ein geſun— des Rebhuhn oder eine Taube zu fangen; nur die angeſchoſſenen, ge— fangenen, oder ſonſt auf eine Art abgematteten und kranken Rebhuͤhner werden ihm zuweilen zum Theil. Wenn Rebhuͤhner in der ſoge— nannten Schneehaube ſtecken, kriecht der arme Tropf oͤfters hinein, frißt ſich ſatt, kann aber dann freilich nicht wieder heraus und muß die Mahlzeit mit dem Leben oder wenigſtens mit der Freiheit bezah— len. Auch die gefangenen Krammetsvoͤgel loͤßt er gern aus den Dohnen oder Schlingen. Er hat uͤberhaupt ſtets einen ſehr guten Appetit. erh er ſich in dem ſogenannten Stoßnetze gefangen und J. Strom. IV. Gatt. 23. Maͤuſe⸗Buſſard. 357 ſo feſt in demſelben verwickelt hat, daß er ſich kaum mit Muͤhe be— wegen, vielweniger fortfliegen kann, ſo frißt er doch erſt die ange— feſſelte Taube auf, ehe er ans Fortfliegen gedenkt. Kann er im Winter nichts anders haben, fo fällt er aufs Aas, oder beſucht die an die Dörfer ſtoßenden Gärten, woſelbſt er manches in denſelben herumſpatzierende Haushuhn wegkapert. Sobald ihn daher dieſe von Weitem erblicken, ſo laufen ſie mit großem Geſchrei den Zaͤunen und Hecken zu, um ſich darinnen zu verſtecken. In der Brutzeit iſt er fuͤr das junge Federwildpret ein ſehr gefaͤhrlicher Raubvogel und thut dann an den jungen Waldvoͤgeln und den Eiern derſelben eben den Schaden, den die Rohrweihe an den Bruten der Waſſer—⸗ und Feldvoͤgel thut. Er iſt zwar ſehr gefraͤßig, denn ich habe oͤfters in dem Kropfe eines einzigen ſieben bis acht noch unverdauete Feld— maͤuſe gefunden; allein er iſt auch im Stande im Fall der Noth vier⸗ zehn Tage lang zu hungern. Fortpflanzung. 0 Schon fruͤh im Maͤrz paart ſich dieſer Vogel und man ſieht dann Maͤnnchen und Weibchen, in der Gegend wo ſie ihren Horſt anlegen wollen, ſich ſtundenlang in Kreiſen zu einer großen Hoͤhe aufſchwingen, und miteinander ſpielen. Das Neſt (den Horſt) bauen ſie in unſern Waͤldern, auf die hoͤchſten Fichten, Eichen und andere hohen ſtarken Baͤume, aber nicht immer in den Gipfel derſelben. Es iſt flach und beſtehet auswendig aus ſtarken trocknen Reiſern und inwendig aus Moos, Thierhaaren und andern weichen Materia- lien. Sehr ſelten bauet dieſer traͤge Vogel ein neues Neſt von Grund aus; es iſt entweder ein vorjaͤhriges was er blos ausbeſſert, oder die Grundlage wird von einem alten Kraͤhen- oder Rabenneſte gebildet. Auch bezieht er das alte Neſt oft wieder, wenn ihm auch im vorigen Jahr die Jungen daraus geraubt worden waren. Die drei bis vier gruͤnlichweißen hellbraun gefleckten Eier werden 3 Wochen lang vom Weibchen bebruͤtet und die Jungen mit Inſek⸗ ten, Maͤuſen, Amphibien, jungen Voͤgeln u. d. gl. groß gefüttert. Sie find, wie andre junge Raubvoͤgel, anfänglich mit weißem Flaum bedeckt, ſitzen aber lange im Neſte, und laßen ſich, auch wenn ſie ſchon ausgeflogen find, noch eine Zeit lang von den Alten füttern, Feinde. Er wird von mehrerlei Arten ſogenannter Vogellaͤuſe geplagt, und in ihm wohnen verſchiedenartige Eingeweidewuͤrmer. — 338 J Ordns IV. Gatt. 23. Maͤuſe⸗Buſſard. Uebrigens koͤnnen ihn die Kraͤhen nicht leiden; ſie verfolgen ihn bei jeder Gelegenheit, doch nicht fo heftig wie den Wespenbuſſard. 0,90, Er laßt ſich auf dem Freien nicht ſchußmaͤßig mit der Flinte ankommen, ſo ſcheu iſt er. Mit Sonnenuntergang begiebt er ſich aber in den Wald zur Nachtruhe, wo man ſich nach ihm anſtellen oder ihm bei Mondenſcheine, wo er ganz ſtill auf ſeinem Zweige. ſitzen bleibt, bequem anſchleichen kann. In allen Raubvoͤgelfaͤngen wird er unter allen Raubvoͤgeln am leichteſten gefangen, frißt aber. die angefeßelte Taube, wenn dieſe nicht in einem enggeſtrickten Drathkaͤſig ſitzt, faſt jedesmal auf. Er geht den Uhu auf der Kräs henhuͤtte ſehr gut an, baͤumt gleich auf, und laͤßt dabei feine Stimme einigemal hoͤren. 5 4 0 und Schaden. Man kann dieſen Raubvogel zwar nicht zu den ganz unſchaͤd⸗ lichen Voͤgeln zaͤhlen, daß aber der große Nutzen, den er durch Ver⸗ tilgung fo vieler ſchaͤdlichen Thiere und Inſekten ſtiftet, den Schaden, den er hie und da anrichtet weit überwiege, liegt, duͤnkt mich, genug⸗ ſam am Tage. Im Herbſte 1801 wimmelten z. B. unſre Fluren von Feldmaͤuſen, fo daß man zur kuͤnftigen Erndte traurige Aus- ſichten hatte. Es fanden ſich aber dieſen Herbſt bis zum folgenden Fruͤhjahr eine große Menge Maͤuſeagare und Kraͤhen ein, die mit nichts als Maͤuſefangen beſchaͤftigt waren, deren Kroͤpfe beſtaͤndig mit Feld⸗ maͤuſen angefuͤllt und deren Leiber von dieſer haͤufigen Nahrung mit Fett dick uͤberzogen waren. Sie tilgten ſie auch mit Huͤlfe eines fuͤr die Maͤuſe unguͤnſtigen Winters faſt gaͤnzlich. Ich ſammelte in jenem Herbſte eine große Menge Fett von den geſchoſſenen Mäufeaaren, das eine außerordentlich ſchoͤne Lederſchmiere giebt, und allem Fette zu dieſem Behufe vorzuziehen iſt. Zwar bekoͤmmt der Jaͤger auch die ein- gelieferten Faͤnge der Maͤuſebuſſarde von ſeiner Obrigkeit bezahlt, allein man wuͤrde kluͤger handeln, wenn man ſtatt der Trappen und anderer der Landwirthſchaft nachtheiligen Voͤgel, die Maͤuſebuſſarde, ſo wie die zwei nachfolgenden Voͤgel und die Eulenarten hegte und in Schutz naͤhme. | Beobachtung. Wie ſehr ſtrenge Kaͤlte und Hunger zuweilen auf dieſen Vogel wirken, mag folgende Geſchichte beweiſen: Im Winter 1799 fing ich einen braunen Maͤuſebuſſard, gab ihm an den einen Fuß ein Zeichen und ſchenkte ihm ſeine Freiheit. Da es Abend und bereits finſter war, warf ich ihn, der Kuͤrze wegen, auf eine in meinem Hofe ſtehende Linde; allein ich fand ihn am andern Morgen erſtarret unter * — J. Or dn. IV. Gatt. 25. Maͤuſe⸗Buſſard. 359 dem Baume im Schnee liegen. Er ſchien todt zu ſein; ich trug ihn daher unter einen Schoppen auf ein Strohlager, wo er ſich nach und nach erholte und in einigen Stunden wieder völlig lebendig war. Da mich das Schickſal dieſes Vogels zu intrefs ſiren anfing, ſetzte ich ihn in eine Kammer und warf ihm todte Voͤgel vor; er wollte aber ſchlechterdings nichts freſſen. Als er nun hier eilf Tage hintereinander gehun⸗ gert hatte, ließ ich dieſen Trotzkopf fliegen. Vier Tage darauf ging einer meiner Bruͤder in mein Waͤldchen, traf daſelbſt Wachholderdroſſeln an, auf die er ſich ſchuß⸗ fertig machte, und zu dem Ende einen ſeiner Fuchsklauen-Handſchuh fallen lies. Dies ſieht der halbverhungerte Maͤuſebuſſard, ſtuͤrzt ſich, aus einem niedern Gebuͤſch kommend, augenblicklich auf den Handſchuh und fliegt mit ihm davon. Da der recht⸗ mäßige Eigenthuͤmer dieſen jedoch nicht einbuͤßen will, fo verfolgt er den Dieb, und dieſer laßt ſich geduldig bei feiner magern Beute ergreifen Er kam jetzt wieder in feine Kammer und fraß ohne weiter zu trotzen, da er nun bereits funfzehn Tage lang gehungert hatte. — An merk. Zu den mancherlei Verſuchen, die ich anſtellte, um hinter die Wahr⸗ heit in der Geſchichte unſres Vogels zu kommen, beſonders um in Hinſicht der ſo auffallenden Verſchiedenheiten in den Farben und Zeichnungen ſeines Gefieders zu einer richtigen Anſicht zu gelangen, gehoͤrt auch folgendes: Ich bemuͤhete mich mehrere Jahre hintereinander ſo viel dieſer Voͤgel lebendig zu fangen als ich nur bekommen konnte. Jedem derſelben legte ich einen kupfernen Ring um den einen Fuß, auf welchem mein Nahme, Wohnort, der Tag und das Jahr des Fangs, und ein Zeichen eingegraben war, das die Varietaͤt bezeichnete, zu welcher der Vogel gehoͤrte, als ich ihn fing. So bezeichnet ſchenkte ich einer Menge Maͤuſebuſſarde ihre Freiheit, in der Abſicht, fie vielleicht einmal nach Jahren wieder zu bekommen und um mich nun überzeugen zu koͤnnen ob und wie ſich ihr Gewand verändert habe. Allein ich ſelbſt war nicht ſo gluͤcklich, und ob ich gleich ſeit jener Zeit eine ſehr große Menge von dieſen Raubvoͤgeln fing und ſchoß, fo war doch kein bezeichneter dabei. Einige von dieſen bekam ich aus der Naͤhe wieder zugeſchickt, wenige Tage nach ihrer Bezeich⸗ nung; von einem laß ich in einem oͤffentlichen Blatte, daß er in Schleſien geſchoſſen ſei; und von einem andern erhielt ich leider nichts, als den Fuß mit dem Ringe, aus Kraftshagen bei Königsberg in Preußen. Er war daſelbſt mehrere Jahr nachher als ich ihn bezeichnet hatte, geſchoſſen worden. — Noch moͤgen viel meiner, von mir mit Ringen verſehener Maͤuſebuſſarde die Wälder und Fluren durch⸗ ſtreifen, und derjenige, welcher einen ſolchen erhielt, wuͤrde mir und der Wiſſenſchaft einen weſentlichen Dienſt erweiſen, wenn er mir den ganzen Vogel oder wenigſtens den Balg, verſteht ſich mit dem Ringe, zuſenden wollte. — 5 — 24. Der Rauhfuß⸗Bufſard. CC Lian Fig. 1. altes Maͤnnchen. Taf. 54. Fig. 2. junges Weibchen. Rauhbeiniger Buſſard, rauhbeinige Weihe, raubbeiniger oder rauchfuͤßiger Falke, rauhbeiniger Maͤuſefalke, rauhfuͤßiger oder 360 N Oro. IV. Gatt. 24. Rauhfuß⸗Buſſard. Islaͤndiſcher Mauſer, Europaͤiſcher Rauhfußfalke, Rauchſuß, Maͤuſe⸗, Grau-, und Revierfalke, Norwegiſcher und Oeſtereichiſcher Falke, Maͤuſehabicht, Weihe, große braune Weihe, kleiner und Stein-Adler, Maͤuſe⸗ Moos- Schnee- und Scheerengeier; in hie— ſiger Gegend: Schneegar. Falco lagopus. Gmel. Linn. syst. I. 260. n. 58. = Falco communis.leuco- cephalus. Ibid. 270. n. 86. 0. = Falco sclavonicus. Lath. index ornith. I. 26. n. 54. == Le Faucon pattu, Briss. Ornith. VI. app. 22, 1.1. —ı Buse pattue. Temminck Man. d’orn. p. 22. Buse gantee. Vail. ois. d’Afr. I. pl. 18. Ueberſ. v. Bechſt. I. S. 96. Taf. 18. = Rougli legged Falcon. Lath. syn. I. 75. n. 54. Ueberſ. v. Bechſt. I. 64. n. 54. - Teutſche Ornith. von Borkhauſen, Becker ꝛc. Heft 2 u. H. 13.) — Bechſtein Naturg. Deutſchl. II. 647. n. 15. — Deffen Taſchenb. S. 17. n. 14. — Meyer und Wolf Taſchenb. S. 37. — Meisner u. Schinz Vögel d Schweitz. ©. 14. n. 13. Koch baier. Zool. I. S. 119. n. 45. — Friſch Voͤgel Taf. 75. Naumann, Natürg. d. . Alte Ausg. IV. S. 223. Taf. 25. F. 44. 5 Kie nnz e i chen der Art. Die Fußwurzeln ſind bis auf die Zehen herab befiedert; 111 nebſt der Wachshaut gelb, der Rumpf auf weißem Grunde raungefleckt, an der Unterbruſt ein großes dunkles Schild; der en weiß, gegen das Ende hin mit einer dunkeln Binde, bei altern Voͤgeln mit mehreren ſolchen Binden; unter dem Fluͤgel vorn am ee ein großer dunkelbrauner Fleck. Beſchrei bun g. Er iſt 213 bis 25 Zoll lang und 56 bis 62 Zoll breit. Die in Ruhe liegenden Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen gerade bis an das etwas abgerundete Ende des Schwanzes, welcher 8 bis 83 Zoll lange Federn hat. Das Gewicht betraͤgt gewoͤhnlich 5 bis 4 Pfund und nicht ſelten wiegt das Maͤnnchen ein Pfund weniger als das Weibchen, was immer ſtaͤrker und groͤßer iſt. Der ſchwarze, an der Wurzel blauhornfarbige Schnabel iſt klein, ſehr gekruͤmmt, ungezahnt, der Rachen weit; das Naſenloch laͤnglichrund und ſchief; Wachshaut und Mundwinkel ſchoͤn gelb, der Augenſtern lebhaft nußbraun, im Alter graubraun. Der Schnabel iſt, im Bogen ge— meſſen, nur 13 Zoll lang. * In dieſem Werke ſind die Augenſterne an den uͤbrigens vortrefflichen Abbildun⸗ gen ſchoͤn gelb gemahlt. Ich kann indes verſichern, daß ich eine ſehr große Menge dieſer hier gemeinen Voͤgel geſchoſſen, gefangen und daher friſch unter- ſucht, aber auch nicht einen einzigen gefunden habe, welcher fo gefärbte Augen⸗ ſterne gehabt haͤtte. — I. Ordn. IV. Gatt. 24. Rauhfuß⸗Buſſard. 361 Die befiederte Fußwurzel iſt 5 bis 54 Zoll hoch. Die Finger ſind kurz, hochgelb, die ſcharfen Krallen ſchwarz, und zwiſchen der aͤußern und Mittelzehe befindet ſich eine kurze Spannhaut. Man koͤnnte die Zehen und Krallen, nach Verhaͤltniß der Groͤße des Vo⸗ gels, beinahe klein nennen, denn die Mittelzehe mißt nebſt ihrer Kralle nur 22 Zoll, und die hintere mit der Kralle im 1 kaum 24 Zoll. Dieſer bekannte Raubvogel ſcheint in der Ferne etwas groͤßer zu ſein, als der Maͤuſebuſſard, iſt es aber eigentlich nicht; denn ſein dichteres und längeres Gefieder verurſacht blos dieſen Wahn. Man erkennt und unterſcheidet ihn in der Ferne ſchon von dieſem, an feiner faſt weißen Oberbruſt oder Kropf, dem großen braunſchwar— zen Schilde, das bei juͤngern Voͤgeln faſt die ganze Unterbruſt ein⸗ nimmt, und an dem weißen, mehrentheils nur nahe am Ende mit einer dunklen Binde bezeichneten Schwanze. Die jungen Voͤgel haben gewoͤhnlich folgende Farben: Kopf und Hals find weiß, braun geſtrichelt, die Ruͤcken- und Fluͤ⸗ geldeckfedern dunkelbraun mit theils weißen, theils zimmetbraunen Seitenkanten, der Unterruͤcken einfarbig dunkelbraun, die Deckfedern des Schwanzes weiß, am Ende mit ſchwarzen Querflecken. Die Ruderfedern find 2 ihrer Länge von der Wurzel an weiß, der uͤbrige Theil graulich der auch roſtroͤthlichweiß, zuweilen noch mit einigen ſchwarzbraunen Fleckenbinden durchzogen, dann folgt eine breite ſchwarzbraune Querbinde, und am Ende ein ſchmaler ſchmutzig⸗ weißer Saum. Die Schwingen ſind ſchwarzbraun mit grauen Querflecken, an der Wurzel auf der breiten Fahne weiß, die auf- ſerſten an den Spitzen ſchwarz; die untern Deckfedern der Fluͤgel gelblich weiß mit roſtbraͤunlichen Flecken und vorn am Daumen, unter dem Fluͤgel ſteht ein großer ſchwarzbrauner Fleck. Kehle und Vorderhals ſind gelbbraͤunlichweiß mit großen und kleinen dunkelbraunen Flecken beſaͤet, die Oberbruſt weiß, ſehr ſparſam dunkelbraun gefleckt, die Unterbruſt aber faſt ganz dunkelbraun, welches ſich zu Anfang und Ende derſelben in Geſtalt einzelner klei⸗ ner Flecken in dem weißen Grunde verlieret, und welches ein aufs fallendes dunkelbraunes Schild bildet. Die langen Schenkelfedern oder Hoſen ſind gelblichweiß, mit einzeln lanzettfoͤrmigen oder auch eirunden ſchwarzbraunen Flecken; der Lauf oder die Fußwurzel iſt bis auf die Finger mit kurzen Federn dicht bekleidet, welche wie die an den Unterſchenkeln gelblichweiß ſind, und hell- oder dunkelbraune 105 362 I. Ordn. IV. Gatt. 24. Rauhfuß⸗Buſſard. kleine Querflecken haben; der Bauch und! die langen Afterfedern f nd wei f 8 Weibchen ſind gewoͤhnlich ein paar Zoll groͤßer als die Maͤnnchen, (24 bis 25 Zoll lang und 61 Zoll breit) auf dem Kopfe und am Halſe mehr dunkelbraun gefleckt; auch iſt der weiße Grund mehr braͤunlich uͤberlaufen, der ganze Mantel dunkler, denn nur wenige Federn haben roſtgelbe Seitenkaͤntchen; die weißen Schwanz— deckfedern ſtaͤrker ſchwarzbraun gefleckt, desgleichen auch der Schwanz. Die untern Fluͤgeldeckfedern ſind roſtgelb, ſehr ſtark braun gefleckt; der Grund des ganzen Unterleibes mehr roſtgelb, dunkler und ſtaͤrker gefleckt, beſonders die Hoſen. Ich habe aber auch alte Weibchen gefunden, die dem Maͤnnchen in allem, ſelbſt der Groͤße, gleich waren. An den altern Voͤgeln iſt der oe Grund des Gefieders ſchmutziger oder weniger hervorſtechend, die braunen Zeichnungen zahlreicher, oben matter, unten aber ſchwaͤrzer; der Schwanz hat oft drei deutliche ſchwarzbraune Querbaͤnder, auch wol noch eine vierte undeutliche Fleckenbinde, doch iſt die letzte Binde nahe am Schwanzende immer die breiteſte. Die Hoſen find gewoͤhnlich mit braunen Querflecken dicht beſetzt, auch hat bei recht alten der ganze Unterleib, die Gurgel abgerechnet, ſolche Flecke, ſo daß das dunkle Bruſtſchild haͤufig nur aus ſolchen, jedoch dunklern Querflecken, auf graulichem Grunde, zuſammen geſetzt iſt. Bei ſehr alten Voͤgeln iſt auch der Schwanz auf hellweißem Grunde ſehr deutlich ſchwarz gebaͤndert, und nicht ſelten zahlt man fünf bis fechs ſchoͤne Binden, von welchen die letzte immer die breiteſte, und die erſte ſchmal und und undeutlich iſt. Auf der untern Seite des Schwanzes ſind dieſe Binden eben ſo, nur etwas bleicher als oben gezeichnet. Sie ziehen ſich haͤufig im Zickzack quer durch den Schwanz. Selten findet man auch ſogar den Anfang einer fiebenten Querbinde. Kehle, Gurgel und Seiten des Kropfes ſind bei recht alten Voͤgeln oft ganz ſchwarz, nur ſparſam gelblichweiß geſtreift, der Nacken ſehr ſchoͤn roſtgelb angeflogen, und auf dem Mantel zeigen ſich hin und wieder kleine roſtfarbige Flecke. Im Gan⸗ zen ſtechen alſo hier die hellen Farben nicht ſo grell hervor, als bei den jungen Voͤgeln. Es herrſcht jedoch in der Far: bung des Gefieders dieſes Vogels eine große Verſchiedenheit, die nicht immer im Alter oder Geſchlecht ihren Grund zu haben ſcheint. Im Herbſte ſehen alle dunkler aus, als im Fruͤhjahr. Auch ganz blaſſe Voͤgel, deren Gefieder Luft und Sonne ſo ausgebleicht zu I. Ordn. IV. Gatt. 24. Rauhfuß⸗Buſſard. 363 haben ſcheinen, daß ſie in der Ferne faſt nur ſchmutzig weiß aus⸗ ſehen, findet man zuweilen. 2 Die Zeichnungen des Schwanzes ſind bei dieſen Vögeln ſo ver⸗ ſchieden, daß man ſelten zwei Individuen antrifft, die ſich darinnen vollkommen gleichen. Faſt immer iſt jedoch an dieſem Theil die weiße Wurzelhaͤlfte und die dunkle Endbinde ſehr hervorſtechend. — Nuf enthalt. Der rauhfuͤßige Buſſard bewohnt im Sommer den Norden der alten und neuen Welt und koͤmmt von dort aus, von der Winter— kaͤlte vertrieben, in gelindere Climaten, uͤberwintert im mittlern und einzeln auch im ſuͤdlichen Europa, und iſt in Deutſchland, beſonders im November und im Maͤrz, ſeiner eigentlichen Zugzeit, ein ſehr gemeiner Raubvogel. Auch im noͤrdlichen Deutſchland iſt er ein bekannter Zugvogel, der ſich im September bei uns einſtellet, hier uͤberwintert, und im April uns wieder verlaͤßt. Er ſtreichet bei ſeinem Hierſein umher, und haͤlt ſich da, wo er die meiſte Nahrung findet, am laͤngſten auf. Er iſt ein harter Vogel, den wol nur zu ſtrenge Kaͤlte aus ſeinem Vaterlande vertreibt; denn man ſieht ihn in harten Wintern weit haͤufiger bei uns als in gelinden. Zu ſei⸗ nem Anfenthalte wählt er vorzüglich ebene Felder, die mit kleinen Gehoͤlzen abwechſeln, und hier ſieht man ihn im Herbſte oder im Winter auch allenthalben auf den Graͤnzſteinen, Feldhuͤgeln und einzeln ſtehenden Baͤumen. Merkwuͤrdig iſt von dieſem noͤrdlichen Vogel, daß er auch in Afrika vorkoͤmmt, ja ſelbſt bis zum Cap der guten Hoffnung hinab geht. — Man ſieht ihn auf dem Zuge nur einzeln oder hoͤchſtens zu drei bis ſechs . aber nie in ſolchen Heerden, wie den neuen; e e Er iſt ein traͤger, ſchwerfaͤlliger Vogel. Sein Flug iſt langſam, ſanft und anſcheinlich mit wenig Anſtrengung verbunden; er kann ſich ohne Fluͤgelbewegung, in einem Schneckenkreiſe, bis über die Wolken erheben und ſich ſo unſern Augen oft ganz entziehen. Er iſt ſcheu und vorſichtig, aber muthiger und verwegner, aber auch ungeſelliger als der Maͤuſebuſſard, dem er ſonſt in ſeinem Betragen ganz aͤhnlich iſt. Auch ſeine Stimme gleicht der des Maͤuſebuſſards, und klingt hoch und hell huͤih! — oder hiaͤh! — in einem etwas hoͤhern Tone, als die des genannten Vogels. Er laͤßt dieſe T Toͤne ziemlich oft, doch meiſtens im Fluge hoͤren; ſitzt gewöhnlich mit 364 I. Ordn. IV. Gatt. 24. Rauhfuß⸗Buſfard. aufgeſtraͤubtem Gefieder, ſo daß er erſtaunend groß zu ſein ſcheint, und faſt immer auf der hoͤchſten Spitze eines Baumes, beſonders auf ſolchen, welche ſehr ſchlanke Gipfel haben, z. B. auf Weiden und Pappeln. Da er auf dünnen Zweigen ſehr ſchwankend und unficher ſitzt, ſo ſchlaͤgt er, um das Gleichgewicht beßer zu behalten, die äußere Zehe zuruͤck zu der hinterſten, daß alſo das Spannhaͤutchen auf den Zweig zu liegen koͤmmt. Es thun dieß mehrere Raubvoͤgel. Um mich verſtaͤndlicher zu machen, verweiſe ich auf die in ſolcher Stellung gezeichnete Abbildung des weißlichen Maͤuſebuſſards, in dieſem Bande. Nach Sonnenuntergang fliegt er nach den Waͤldern und Feldhoͤlzern, woſelbſt er auf einem ſtarken Aſte eines großen Baumes Nachtruhe haͤlt, und einen ſolchen, wenn er nicht geſtoͤhrt wird, oft ſo lange dazu benutzt, als er ſich in der Gegend aufhaͤlt. 5 Nahrung. Dieſe beſteht mehrentheils in kleinen Thieren, als: Maͤuſen, Maulwuͤrfen, Hamſtern, Feldratzen, Froͤſchen, Eidechſen, Inſek— ten u. d. gl. Er faͤngt auch zuweilen einen jungen Haſen und einen kranken oder gefangenen Vogel. Die angeſchoſſenen (aber nicht die geſunden) Rebhuͤhner weiß er gut zu fangen; auch die, welche Hun⸗ ger und Kaͤlte zu ſehr abgemattet haben, erwiſcht er manchmal. Er iſt, wie der Vorhergehende, ein gewoͤhnlicher Gaſt des Tauben— falken, welchem er ohne Umſtaͤnde ſeine Beute wegnimmt. Am Tage, wo er ſich gewoͤhnlich auf dem Felde aufhaͤlt, ſieht man ihn oft in mittlerer Hoͤhe ſanft durch die Luft hinſchwimmen, ſobald er etwas, 3. B. eine Maus, gewahr wird, uͤber derſelben in der Luft Halt machen und ſich, ſo lange er eines gewiſſen Fanges nicht verſichert zu ſein glaubt, unter beſtaͤndigem Flattern oder Ruͤtteln auf einer Stelle bleiben, und dann auf ſeine Beute, die er nun recht aufs Korn genommen, herabſtuͤrzen. Er ſitzt aber auch auf Anhoͤhen, Steinen und Feldbaͤumen und lauert auf Beute, wie der Maͤuſe— buſſard, welcher auch zuweilen, wie er, erſt uͤber ſeiner Beute eine Zeitlang flattert, ehe er auf ſie herabſtoͤßt. Er faͤllt auch, wenn ihn im Winter der Hunger zu ſehr angreift, aufs Aas. Fortpflanzung. Er bruͤtet im hohen Norden, im mittlern Deutſchland aber wol ſchwerlich; wenigſtens habe ich, alles Nachforſchens ungeachtet, nichts davon entdecken koͤnnen. Ich habe in der Fort— pflanzungszeit nie einen dieſer Voͤgel bei uns bemerkt, ob ſie gleich I. Ordn. IV. Gatt. 24 Rauhfuß⸗Buſſard. 565 bis in den April hier bleiben und im September ſich auch ſchon wieder ſehen laßen. Daſſelbe ſehen wir indeſſen auch von den Saatgaͤnſen, die doch, um zu bruͤten, ſo hoch nach dem Norden hinauf gehen; wir duͤrfen daher kaum vermuthen, daß er in der Naͤhe der deutſchen Graͤnzen bruͤte. Daß er in der Art zu niſten mit dem Maͤuſebuſſard viel Uebereinſtimmendes haben möge, laßt ſich denken; was indes Bechſtein (in feiner Naturg. Deutſchl. 2te Aufl. II, S. 654.) davon anführt, ſcheint auf unſichern Jaͤgernachrichten zu beruhen, und nicht unſerm Vogel, ſondern dem Maͤuſebuſſard anzugehoͤren; denn die gewoͤhnlichen Jaͤger verwechſeln beide Arten nur gar zu oft miteinander. Jener verehrte Schriftſteller hat ſchwerlich das Neſt, die Eier u. d. gl. ſelbſt gefunden, und die alten Voͤgel dabei beobachtet; es iſt wenigſtens gar nicht wahrſcheinlich, daß er nur allein in Thuͤringen bruͤten ſollte, da er in hieſigen Ge⸗ genden im Herbſt und Winter vielleicht noch viel zahlreicher anges troffen wird, als dort und irgendwo, weil er ſich allezeit lieber in den Ebnen als in den Bergen aufhält *). Feinde. Mehrere Arten ſogenannter Vogellaͤuſe und Eingeweidewuͤrmer haben ihren Wohnſitz auf und in ihm aufgeſchlagen. Mit den Kraͤ⸗ hen lebt er auch im beſtaͤndigen Streite. J ag d. Da er ſcheu iſt, fo laßt er ſich auch nur ſelten zum Schuß ans kommen. Am beſten kann man ihn an dem Baume, worauf er Nachtruhe zu halten pflegt, auf dem Anſtande belauern oder ihn bei Mondenſchein von demſelben herabſchießen. Einen ſolchen Baum, auf welchem ein Raubvogel Nachtruhe zu halten pflegt, kann man übrigens ſehr bald auffinden, denn der Boden unter demſelben iſt gewoͤhnlich mit den weißen, kalkartigen Exkrementen ringsumher beſpritzt. Auf den Kraͤhenhuͤtten wird dieſer Buſſard am leichteſten geſchoſſen, da er dem Uhu unter allen Raubvoͤgeln am haͤrteſten zuſetzt. Er ftößt mit beſtaͤndigem Geſchrei zu wiederholtenmalen nach ihm, ſetzt ſich dann auf einen Baum, ruht etwas aus, und verſucht nun ) So ben erhalte ich ſichere Nachrichten daß er haͤufig in Norwegen nnd ein⸗ zeln auch ſchon auf Ruͤgen bruͤtet. Ein ſicherer Beobachter fand auf letzterer Inſel das Neſt auf einer hohen Eiche; es war eben fo wie das des Mäufebuf- ſards gebauet und die 3 darinnen liegenden Eier ſahen denen dieſes Vogels ebenfalls ganz aͤhnlich; ſie waren auf gruͤnlichweißem Grunde hellbraun gefleckt, doch ein wenig größer als dieſe. Mein Freund Boie aus Kiel fand auf ſeiner Reiſe in Norwegen Neſt und Eier dieſes Raubvogels mehrmals. & 366 I. Ordn. IV. Gatt. 24. Rauhfuß⸗Buſſard. einen neuen Angriff, wobei er dennoch nie Muth genug hat, den Uhu wirklich zu greifen. Kleinere Eulen aber, z. B. die Waldeule, die Schleiereule, greift er an und toͤdtet fie, Vielleicht fügen in ſeinem Vaterlande die Eulenarten, da er ihnen ſo todtfeind iſt, ſeiner Brut großen Schaden zu. — In allen Raubvoͤgelfallen, worin eine Taube zur Lockſpeiſe dient, faͤngt er ſich leicht und haͤufig. An ſeinen gewoͤhnlichen Ruheplaͤtzen auf dem Felde kann man ihn auch in Schleifen fangen, worin er mit den Fuͤßen hangen bleibt. Der Fang im Tellereiſen mit einem aufgebundenen Maulwurf, einer Maus, u. d. gl. iſt der allerunſicherſte, ſobald dieſe Thiere nicht lebendig ſind und ſich regen koͤnnen. ö . Nutz en. Er nuͤtzt durch Vertilgung unzaͤhlicher Feldmaͤuſe ungemein, und man wird im Spaͤtherbſte, auf dem Abendanſtande, ſelten einen ſchießen, welcher nicht wenigſtens einige, oft aber vier bis ſechs Maͤuſe im Kropfe hätte, Er iſt dann gewöhnlich ſehr fett, und die ſes Fett giebt eine vortreffliche Lederſchmiere; doch waͤre es beſſer man ſchoͤſſe ihn, des Maͤuſefangens wegen, lieber nicht, und es iſt unrecht daß dem Jaͤger die Faͤnge (Fuͤße) von der Obrigkeit fuͤr Geld ausgeloͤßt werden. Er ſoll ſich auch zur Baitze, auf Haſen abrichten laßen. i Schaden. Dadurch, daß er, im Fruͤhjahr, manchmal einen jungen Haſen faͤngt, daß er dem Taubenfalken ſeine eben gemachte Beute abnimmt, wodurch dieſer genoͤthigt wird, für ſich wieder eine friſche zu fangen, und dadurch, daß er dem Vogelfaͤnger gar oft die gefangenen Reb⸗ huͤhner und Droſſeln aus den Schlingen und Netzen nimmt und zur Stelle verzehrt, wird er zwar ſchaͤdlich; weil aber feine Haupt: nahrung in Feldmaͤuſen, Hamſtern und Maulwuͤrfen beſteht, ſo wuͤrde man ihn mit Recht eher zu den nuͤtzlichen als chölider Voͤgeln zaͤhlen koͤnnen. Anmerk. Sehr merkwürdig iſt noch von dieſem Vogel, der doch in den noͤrdlichen Erbſtrichen zu Hauſe gehoͤrt und ſo haͤufig im noͤrdlichen Deutſchland uͤberwintert, daß er in dieſer Zeit auch in Afrika, ſelbſt am Vorgebuͤrge der guten Hoffnung vor⸗ koͤmmt. Le Vaillant hat uns, in ſeiner afrikaniſchen Ornithologie, eine ſehr ſchoͤne Abbildung von einem Vogel dieſer Art, den er in den Colonien am Cap ſchoß, ge⸗ liefert, deſſen Gefieder alle Zeichnungen des unſrigen, nur bleichere Farben hat. Er will ihn zwar zu einer eigenen, von der europäifchen verſchiedenen Art machen, allein mit Unrecht. Ich habe im Fruͤhlinge mehrmals rauhfuͤßige Buſſarde geſchoſ— ſen, die gerade jene Farben hatten, und welche den Winter in einem mildern Clima, J. Ordn. IV. Gatt. 25. Wespen⸗Buſſard. 367 vielleicht auch in Afrika, zugebracht haben mochten, auf deren Farben aber Luft und Sonnenhitze einen ſo merkwuͤrdigen Einfluß gehabt hatten. Es iſt bekannt, daß unter einem waͤrmern Himmelsſtriche nicht allein die Farben viel mehr abbleicher, ſondern auch der Umfang der Federn an Maſſe, durch Abreiben, verringert wird. Um ſich von der Wahrheit dieſer Bemerkung zu überzeugen, darf man ſich nur irgend einen gemeinen Vogel aus Italien (der bis in den Sommer hinein dort lehte) zu ver⸗ ſchaffen ſuchen, und ihn mit einem Exemplar von derſelben Art, in derſelben Jahres- zeit, aber bei uns geſchoſſen, vergleichen. Demnach iſt es ein wahres Wunder, daß ich ſchon am Ende Januars ein 5 ſehr abgebleichtes weibliches Exemplar dieſes Buf- ſards erhielt. 0 029. Der Weſpen Buſſar d. Falco apivorus. Linn. Fig. 1. altes Maͤnnchen. Fig. 2. altes Weibchen. Fig. 1. junges Maͤnnchen. Fig. 2. junges Weibchen. Taf. 35. Taf. 36. Wespen⸗ und Bienenfalke, Wespen- und Bienenfreſſer, Bie⸗ nen= und Inſektengeier, Honigbuſſard, Honigfalke, Maͤuſehabicht, Maͤuſefalke, Maͤuſewaͤchter, Kraͤhen-, Froſch- und Vogelgeier, Vogelgeierle, Laͤuferfalke, grauſchnaͤbliger Buſſard, veraͤnderlicher Adler; in hieſigem Lande: Sommermauſer. \ { Falco apivorus. Gmel. Linn, I. 1. p. 267. n. 28. Bechſteins Naturg. Deutſchl. zte Aufl. II. ©. 656. n. 16. — Deſſen Taſchenb. S. 18. n. 15. ilsson ornith. suec I. p. 31. n. 12. Falco poliorhynchos. Bechſteins Taſchenb. ©. 19. n. 16. Deffen Naturg. Deutſchl. 2te. Aufl. II. S. 664. n. 17. . Aquila variabilis. Koch Baier. Zool. I. S. 115. n. 41. = La Bondree, Buff. ois. I. P. 208. — Id. Pl, enl. 420. = Gerard tab. elem. I. p. 42. —= Buse bondree. Temminck Man. d’orn. p. 25. == Honey-Buzgard. Lath. Syn. I. 1 = n. 33; = Ueberſ v. Bechſt. I. 1. ©. 47. n. 33. ae britt. Birds. 17% Teutſche Ornith. v. Becker u. a. Heft 4a. — Wolf u. Meyer She I. L S. 39. - Deren Voͤgel Deutſchl. Heft 24. - Meisner und Schinz V. d. Schweiz. S. 15. n. 14. Naumanns Voͤgel, alte Ausg. IV. S. 228. Taf. 27. Fig. 45 u. 46. Kennzeichen d er A re t. An den Zuͤgeln, ſtatt der Bartborſten, mit dichtſtehenden, der⸗ ben, eifoͤrmig zugeſpitzten Federchen; mit geſtreckterem, flaͤcher 368 I. Ordn. IV. Gatt. 25. Wespen⸗-Buſſard. gebogenem Schnabel, in welchem am Gaumen ein kleiner Hoͤcker befindlich; langen, ſchmalen, ſchiefſtehenden Naſenlöchern; unebener, ſchwaͤrzlicher, gelbgemiſchter (bei den Jungen gelber) Wachshaut; gel⸗ ben Mundwinkeln und Augenſternen (letztere bei den Jungen graulich)z vorn herab halbbefiederten Fußwurzeln; kurzen, ſtarken, rauhge— ſchuppten Fuͤßen, die nur an den flachgebogenen Naͤgeln einige große Schilder haben, und mit abgerundetem, unregelmaͤßig gebaͤndertem Schwanze. Alle kleinern Federn ſind an der Wurzelhaͤlfte weiß, und alle Federn am Unterleibe haben dunkele Schaͤftez der Schwanz drei ſichtbare breite Querbinden. Beſchrei bung In der Groͤße gleicht dieſer Vogel dem Mänfebufferd, iſ aber weit ſchlanker und geſtreckter, da der Rumpf zwar kleiner, Fluͤgel und Schwanz verhaͤltnißmaͤßig aber viel laͤnger ſind; wodurch er ſich in der Ferne ſchon leicht von dieſem unterſcheiden laͤßt. Die Länge des Maͤnnchens beträgt 253 und die Breite 522 Zoll; die Länge des abgerundeten Schwanzes 11 Zoll, wovon die Spitzen der in Ruhe liegenden Flügel nur etwa 1 Zoll lang unbedeckt laßen. Der etwas geſtreckte, ſehr zuſammengedruͤckte Schnabel be— ſchreibt nur einen ſehr flachen Bogen und iſt voͤllig ungezahnt, ſchwarz; das Naſenloch groß, ſchiefſtehend, laͤnglich und ſchmal; die Wachshaut uneben, ſchwarz, nur am Rande oder am Naſenloche gelb, welche gelbe Farbe ſich haͤufig, ſobald der Vogel todt iſt, in ſchwarz verwandelt; die Mundwinkel gelb. Die Iris iſt lebhaft gelb, bei ſehr alten Voͤgeln ins Orange uͤbergehend, bei ganz jungen Voͤgeln gelblich- oder braͤunlichgrau. Um den Schnabel herum befinden ſich nicht, wie bei andern Raubvoͤgeln, borſtenartige Haare, ſondern es iſt alles mit kleinen eirundzugeſpitzten derben Federn, wie mit Schuppen, dicht beſetzt, welche ſich nach dem Genick zu mehr zu⸗ ſpitzen und hier aufgeſtraͤubt e im Leben haͤufig geſchieht) eine Art von Kamm bilden. Die Fuͤße ſind kurz, f und mit rauhen Schuppen be⸗ deckt, nur nach den Krallen hin haben die Zehen vier bis fuͤnf große Schilder. Die Fußwurzel iſt 22 Zoll lang, ſcheint aber, da fie auf der vorderen Seite, von oben herab beinahe bis zur Haͤlfte befiedert iſt, ſehr kurz zu ſein. Die Zehen ſind laͤnger, als am Maͤuſebuſſard, die mittlere 1% und die hintere 1 Zoll lang. Die Krallen find zwar lang, aber ſo wenig gekruͤmmt und von ſo ſchlechtem Anſehen, daß ſich ſogleich von dieſen auf die ſchlechte Lebensart des Vogels ſchließen laͤßt. N. N N I. Ordn. IV. Gatt. 25. Weſpen⸗Buſſard. 369 Die Kralle an der Mittelzehe mißt im Durchſchnitt 1 und im Bogen 14 Zoll und die an der hinteren im Durchſchnitt etwas über 2 Zoll. Die Beine ſind gelb, mehr oder weniger ins Hochgelbe oder in Oker— farbe uͤbergehend; die Krallen ſchwaͤrzlich rothgrau und zwiſchen der aͤußeren und Mittelzehe befindet ſich eine kurze Spannhaut. Der Wespenbuſſard variirt in den Farben feines Gefteders ganz außerordentlich, ſo daß es, faſt wie beim Maͤuſebuſſard, beinahe unmoͤglich oder doch zu weitlaͤuftig ſein moͤchte alle kleinen Abweichungen zu beſchreiben. Ich werde mich daher nur auf die wichtigſten beſchraͤnken, da hier beſonders die Verſchiedenheiten mehr durch Alter und Geſchlecht beſtimmt werden, als bei jenem Vogel. Ziemlich allgemein iſt immer die Stellung der breiten dunkeln Quer- binden an den Fluͤgel⸗ und Schwanzfedern, denn die erſte von der dunkeln Endbinde an, ſteht immer ſo weit von dieſer entfernt, daß es ſcheint als fehle dazwiſchen eine; auch iſt das Weibchen am Kopfe ſtets weniger grau (zuweilen fehlt alle Spur davon), und die untere Seite des Vogels iſt allemal dunkler als beim Maͤnnchen. Am recht alten Maͤnnchen iſt der ganze Oberkopf, als Stirn, Zuͤgel, Backen und Scheitel ſchoͤn aſchfarben, welches ſich an den Backen, dem Genick und Hinterhalſe ins Bräunliche verliert. Die Kehle iſt gelblichweiß mit wenigen ſchwarzen Federſchaͤften; der Kropf weiß, an den Seiten lebhaft braun gefleckt und mit ſchwar—⸗ zen Federſchaͤften; die Bruſt und die Seiten weiß, gelblich überlaufen, erſtere mit ſparſamern und kleinern, letztere mit groͤßern braunen Querflecken und ſchwarzen Federſchaͤften. Die Schenkelfedern, welche beinahe bis auf die Haͤlfte des Laufs herab gehen, ſind, ſammt den Hoſen, gelblichweiß, letztere mit wenigen braunen Quer; flecken und ſchwarzen Federſchaͤften; der Bauch weiß, desgleichen die langen Afterfedern, welche noch uͤberdem einige braune Quer: flecke haben. Der Hinterhals und die langen Schulterfedern ſind tiefbraun, aſchgrau uͤberflogen und mit weißen Endkaͤntchen; die Deckfedern der Fluͤgel ebenfalls tiefbraun mit weißen Endkaͤntchen, aber nur am Fluͤgelbuge aſchgrau angeflogen. Der Grund der Afterfluͤgelfedern ift fahlbraun mit weißem Spitzenſaume, an dies ſem aber breit ſchwarzbraun, dann verwaſchen, ſchmal und ſehr oft dunkelbraun in die Quere geſtreift, dann folgen noch einige breitere ſchwarzbraune Querflecke, welche auf der inneren Fahne je naher nach der Wurzel zu, deſto mehr weiß eingefaßt ſind. Nach dieſem Mu⸗ ſter ſind alle Schwung- und Schwanzfedern gezeichnet, welches ihn von allen vorher beſchriebenen Raubvoͤgeln merklich unterſcheidet. Die 24 4 370 J. Ordn. IV. Gatt. 25. Wes pen⸗Bu ſſard. Schwungfedern der erſtern und zweiten Ordnung ſind im Grunde tiefbraun, auf der äußern Fahne ſtark aſchgrau überlaufen, auf der inneren Fahne aber, beſonders nach der Wurzel zu, weiß, die uͤbrige Zeichnung mit den dunkeln Binden iſt gerade die des Afterfluͤgels, nur ſieht man an den vorderſten großen Schwingen die kleinern blaßen Querlinien, welche ſich zwiſchen den dunkeln Enden und den drei großen dunkeln Querbinden befinden, auf der aͤußern Fahne nicht fo ſtark, als auf der innern; die Spitzenraͤnder aller find weiß, am auf⸗ fallendſten die der zweiten Ordnung. Der Unterfluͤgel iſt gelblich⸗ weiß und graulichweiß, braun und ſchwarzgrau gefleckt; der Ruͤcken und Steiß tiefbraun, doch letzterer etwas heller als erſterer, und alle Federn mit weißen Endſaͤumen. Der abgerundete Schwanz beſteht aus nach dem Ende zu ſchmaͤler werdenden Federn, welche an der Wurzel weiß, uͤbrigens aber im Grunde weißlichbraun ſind und ſich auf den innern Fahnen ins Weißliche verlieren. Die aͤußer⸗ fie Spitze aller dieſer Federn iſt weiß, dann folgt eine 12 Zoll breite ſchwarzbraune Querbinde, dann ſechs ſchmale, unregelmaͤßige, blaͤßere Querſtreifen, ein ſchwarzbrauner 2 Zoll breiter Querſtreif, drei ſchmale blaßbraune, nun ein 3 Zoll breiter dunkler, dann ein kleiner, unregelmaͤßiger, blaßbrauner, und endlich zwei 3 Zoll breite dunkelbraune Querſtreifen, wovon ſich der letzte in der weißen Wurzel verliert. Von der untern Seite erſcheint der Grund der Schwanz⸗ federn weißgrau, die kleinen blaßen Querlinien aſchgrau und die groͤßern Querbinden dunkel braungrau. Weil die Seitenfedern des Schwanzes kuͤrzer als die mittleren und uͤberhaupt alle Federn am Ende ſchmaͤler als an ihrer Wurzel ſind, ſo erſcheint der Sachen ſehr zugerundet. Die etwas juͤn gern Maͤnnchen haben an den untern Theilen viel größere und haͤuſigere braune Querflecke, der Kropf iſt fo ſtark gefleckt, daß er faſt einfarbig braun erſcheint, die Federn der obern Theile haben nur etwas lichtere verwaſchene Kanten; der Kopf iſt nur aſchgrau überlaufen, blos um die Augen iſt dieſe Farbe die herrs ſchende; das Uebrige wie am alten Maͤnnchen. Die erſte Kleidung des jungen Maͤnnchens iſt davon aber ſehr verſchieden. Hier ſind Kopf und Hals gelblichweiß, Nacken, Wangen und Augengegend etwas braungefleckt, alle untern Theile weiß mit lichtbraunen Schaft⸗ ſtrichen, und am Kropfe braun angeflogen; der Hinterhals an der Wurzel weiß und braun gefleckt; alle obern Theile dunkelbraun mit weißen Federſaͤumen; Fluͤgel und Schwanz dunkler als an den Alten; die Wachshaut okergelb, die Augenſterne graubraun. I. Ordn. IV. Gatt. 25. Wespen-Buffard; 571 Die Weibchen find kaum etwas größer,- als die Maͤnnchen, 24 Zoll lang, und 533 Zoll breit, in den Farben aber oft ſehr von ihnen verſchieden. Schnabel, Wachshaut und Augen ſind wie am Maͤnnchen, nur blaͤßer. Ein Weibchen im erſten Jahre ſahe folgender Geſtalt aus: die Wachshaut war gelb, Stirn, Wangen und Kehle braͤunlichweiß, der ganze Unterleib blaß roſtbraun, der Oberleib dunkelbraun, die breitern dunklen Schwanzbinden wenig ausgezeichnet, ſo auch die an den Flügelfedern; die Iris braungrau. In dem folgenden Jahre iſt die Iris gelb, die Wachshaut ſchwarz; die zugeſpitzten Scheitel und Nackenfedern ſind dunkel⸗ braun, am Ende hellroſtbraun gekantet; das Auge umgiebt ein Kreis von aſchgrauen dichten Federn, welche auch die ganzen Zügel bedecken. Die Hinterhals⸗ Ruͤcken⸗Schulter⸗ und Achſelfedern ſind dunkelbraun und roſtgrau ſchwach gekantet; Unterruͤcken und Steiß beller, ins Roſtroͤthliche fallend; die Schwanzfedern im Grunde grau, mit grauweißen Endkaͤntchen, vier bis fünf breiten dunkel⸗ braunen Querbinden, wovon aber zwei von den Deckfedern bedeckt werden, und zwiſchen jenen mit dergleichen ſchmalen halbverloſche⸗ nen Querſtreifen; ſie ſind auf der breiten Fahne nach der Wurzel zu weiß. Die großen Schwingen haben eben die Farbe und Zeichnung der Schwanzfedern, ſchwarze Spitzen und braune Schaͤfte; die kuͤr⸗ zeren ſind dunkler, haben graue Spitzen und ſchmale faſt ganz ver⸗ loſchene dunkle Querſtreifen; die großen Fluͤgeldeckfedern graubraun, die ſchmale Fahne dunkler und die folgenden auf der breiten Fahne weißgrau. Kehle und Backen ſind weißlich, dunkelbraun geſtrichelt und hellroſtbraun uͤberlaufen; der Vorderhals, die Seiten, Schenkel und der After, desgleichen die untern Fluͤgeldeckſedern roſtbraun und alle Federn haben laͤngs dem Schafte einen dunkelbraunen Strich und weiße Wurzeln, welche letztere nur bei verſchobenen Federpar⸗ tien zum Vorſchein kommen. In dieſer duͤſtern Kleidung ſieht man die mehreſten Weibchen, ſie veraͤndern ſich aber mit zunehmendem Alter, und im hohen Alter gleichen ſie den juͤngern Maͤnnchen. Am ſehr alten Weibchen ſind Schnabel und Wachshaut ſchwarz, die Iris gelb; Stirn, Wangen und Kehle braͤunlichweiß, letztere braun beſchmitzt; die Zuͤgel und die Augengegend braͤunlich⸗ aſchgrau; die Scheitel⸗ und Nackenfedern dunkelbraun, braͤunlich⸗ weiß gekantet; die Ruͤcken⸗ Schulter: und die Fluͤgeldeckfedern dunkelbraun, ſehr hellbraun verwaſchen gekantet; Schwing⸗ und Schwanzfedern wie gewoͤhnlich. Der ganze Obertheil eines ſolchen Vogels hat in einiger Entfernung ein duͤſtres braunes Anſehen. 572 I. Orbn. IV. Gatt. 25 Wespen⸗Buſſard. Der Kropf iſt weiß, ſtark dunkelbraun gefleckt; Bruſt⸗Bauch⸗Sei⸗ ten= Hofen= und Afterfedern weiß mit braunen Querflecken beſetzt, die oft eine halbmondfoͤrmige und dreieckige Geſtalt haben, und am Bauche und After einzelner ſtehen und heller ſind; alles ‚übrige 5 die gewöhnlichen Farben. Die alten Weibchen unterſcheiden ſich daher faſt gar nicht von den Maͤnnchen im mittleren Alter. Auch findet man Individuen unter beiden in dieſem Alter, welche an den Seiten der Gurgel einen dunkeln ſtreifartigen Fleck haben, der durch Federn gebildet wird, welche an ihren Enden ſchwarzbraun ausſehen. Auch giebt es Weibchen, an welchen die kleinen ſchuppenartigen Federn des Geſichts kaum eine Spur von Aſchgrau zeigen, ſie ſind vielmehr hellbraun mit ſchwarzen Schaͤften und weißlichen Raͤndern. Die aſchgraue Farbe iſt uͤberhaupt bei dieſem Vogel, wie bei vielen andern, von wenig Dauer, indem ſie, beſonders am ausgeſtopften Vogel, matter wird oder mehr einen braͤunlichen Grund durchblicken laͤßt. Dies I auch am lebenden Vogel gegen die Mauſer hin der Fall. Alle Federn ſind an der Wurzel weiß, beſonders die kleinern, ſo find es z. B. die Ruͤcken- und Schulterfedern zur Halfte, die Hals- und Bruſtfedern uͤber zwei Drittheile ihrer Laͤnge von der Wurzel an. Sobald ſich demnach einige Federn aus ihrer gewoͤhn— lichen Lage verſchieben, ſo blickt der weiße Grund in Flecken hervor. Die braunen Enden, welche man an den obern Theilen nur ſieht, ſind oft am Schafte ſehr dunkel, I arg au haben einen ſchwa⸗ chen Kupferglanz. 5 Nach der Mauſer, welche im July anfaͤngt und durch den Auguſt dauert, iſt das ganze Gefieder viel dunkler und ſchoͤner, die lichten Federkanten deutlicher und auffallender, dagegen dieſe gegen die Mauſer hin, durch das Abreiben, faft ganz verſchwinden, und braun und aſchgrau vom Einfluß der Witterung ſo abſchießt, daß der Vogel dann viel einfarbiger und lichter erſcheint. Sonderbar, daß die dunkelgefaͤrbten Stellen der Federn nicht allein dem Einfluß der Luft, ſondern ſelbſt Reibungen mehr Widerſtand leiſten als die lichtern. Ich ſahe nicht ſelten, z. B. die Schwanzfedern ſo abge— rieben, daß der Federbart an den lichten Stellen allen Zuſammen— hang verlohren hatte und man uͤberall, wie durch ein Gitter durch— ſehen konnte, waͤhrend die dunklen Binden unverſehrt daſtanden, gleichſam wie wenn hier der Federbart aus einer feſtern Maſſe bez ſtaͤnde, als an den lichtgefaͤrbten Theilen. Eine ſo abgeriebene Feder ſieht ſehr ſonderbar aus. — I. Ordn. IV. Ball . Wespen⸗ buſſard. 373 ee 5 Der Weſpenbuſſard iſt in ganz Europa, den hohen Norden etwa ausgenommen, ein bekannter Raubvogel. Er foll auch im noͤrdlichen Aſien, und zwar haͤufiger als im mittlern Europa, vor⸗ kommen. In Deu tſchlan d iſt er allenthalben, doch nirgends ſehr gemein. Es ſcheint, daß er in den Gebirgen ſeltner vorkoͤmmt, als in ebenen Gegenden, zumal wenn hier Wald, Wieſen und Gewaͤſſer miteinander abwechſeln; ſolche ſcheinen ihm ganz beſonders zu beha— gen. Er iſt vorzuͤglich gern in Waldungen von gemiſchten Holz— arten, in welchen die Baͤume nicht zu enge ſtehen, auch mehr nach dem Rande zu, als in der Mitte derſelben. Im noͤrdlichen Deutfch- land iſt er eben nicht ſelten, doch auch bei weitem nicht ſo gemein als der Maͤuſebuſſard, und ſchon etwas ſelten trifft man in unſern Anhaltiſchen Waͤldern ein niſtendes Paͤaͤrchen. Er iſt ein Sommer⸗ vogel, der uns vom Auguſt an bis zur Mitte des Oktober verlaͤßt, und ſich im April erſt wieder einſtellt. Beim Fortzuge ſieht man gewoͤhnlich nur eine, ſeltner einige Familien beiſammen. Sie flie⸗ gen hoch, drehen ſich oͤfters ohne Bewegung der Fluͤgel in einem Kreiſe herum und ihr Zug geht langſam gerade nach der Sonne n zu. Eigenſchaften. Der Wespenbuſſard iſt ein ſehr unedler, feiger Vogel, und uͤbertrifft in dieſer Hinſicht alle andere einheimiſche Raubvoͤgel. Gutmuͤthigkeit und Furchtſamkeit, auch dummer Trotz ſind Grund⸗ zuͤge feines Charakters. Er iſt ſcheu, und fliegt laugſam und ſchwerfaͤllig, auch mehrentheils nur niedrig. i Im Fluge iſt er leicht vom Maͤuſeaar zu unterſcheiden; denn er iſt ſchlanker, hat einen laͤngern Schwanz, und traͤgt dabei den Schnabel hoch, den Nacken hingegen niedergezogen. Wenn er ſich, wie zuweilen geſchieht, bei hellem Wetter, in betraͤchtlicher Hoͤhe, mit ausgebreitetem Schwanze, in beſtaͤndigen Kreiſen herum dreht, kann man die Alten an den auf der Bruſt befindlichen ſchma⸗ len, weißen und braunen Querbinden, und die jungen Weib— chen an der dunkeln Bruſtfarbe ſogleich erkennen. In ſeinem Be⸗ tragen verraͤth er die größte Traͤgheit, denn man ſieht ihn Stunden— lang auf einem Flecke ſitzen, und auf feinen Raub lauren. In bes haglicher Ruhe ſitzt er mehrentheils auf Graͤnzſteinen, einzelnen Feld⸗ baͤumen oder ſolchen, die am Rande eines Waldes oder an einer lichten Stelle im Walde ſtehen. Er geht auch, gegen die Gewohn⸗ 374 IJ. Ordn. IV. Ga tt. 24. Wespen⸗Buſſard. heit der andern Raubvoͤgel, ziemlich gut und geſchwind, und verfolgt ſehr oft die Inſekten zu Fuße. Da er die Nackenfedern immer ſehr aufſtraͤubt und auch die uͤbrigen Federn ſeines Koͤrpers ſelten glatt anliegen, ſo giebt ihm dies, wenn er in der Ferne auf einem Baume ſitzt, ein ganz eignes großes Anſehen. Das Maͤnnchen laͤßt in der Brutzeit ein haſtiges und oft wieder⸗ holtes Kick, kick, kick! hoͤren, welches oft uͤber einige Minuten in einem Athem, ohne daß es einmal abſetzt, fortdauert. Auch wenn ihn die Kraͤhen zu hart verfolgen, hört man dieſe Töne zu— weilen, doch nicht ſo oft hintereinander, von ihm; ſonſt habe ich keine Stine weiter von ihm gehoͤrt. 5 In ſeiner Lebensart weicht er, wie man aus dem enden erſehen wird, auf eine merkwuͤrdige Weiſe von den uͤbrigen Falken⸗ arten ab. Nahrung. Er naͤhrt ſich von Kaͤfern, Raupen, Libellen, Brehmen und andern Inſekten; Regenwuͤrmern, Froͤſchen, Schlangen, Eidechſen, Maͤuſen, Maulwuͤrfen, Ratten, Hamſtern u. d. gl., welches alles er nur dann faͤngt, wenn er es ſtillſitzend uͤberraſchen kann. Ganz vorzuͤglich gern ſucht er die Neſter der Hummeln und Wespen auf und laͤßt ſich die junge Brut derſelben wohl ſchmecken. Wuͤßte er andrer Vögel Neſter nicht fo meiſterhaft zu pluͤndern und verzehrte er nicht auch zuweilen einen jungen Haſen, ſo koͤnnte man ihn ohne Umſtaͤnde nicht allein zu den unſchaͤdlichen, ſondern ſelbſt zu den nuͤtzlichſten Voͤgeln zählen. Laͤßt er ſich in der Brutzeit im Walde wo ſehen, ſo kann man, aus dem unaufhoͤrlichen Geſchrei der Voͤgel, ſogleich ſchließen, in welchem Verhaͤltniſſe er mit ihnen ſteht. Alles iſt dann fuͤr ſeine Brut bange und ſucht den Raͤuber theils durch aͤngſtliche Gebehrden und Bitten, theils mit Gewalt von felbi- ger zu entfernen. Beſonders hart und mit heftigem Geſchrei ver— folgen ihn die Kraͤhen und verrathen dadurch dem aufmerkſamen Jaͤger ihren Todfeind. Alte Voͤgel kann er nur dann erwiſchen, wenn ſie krank ſind und nicht fliegen koͤnnen. Beim Habicht bittet er ſich zuweilen zu Gaſte, iſt aber viel zu feig ihm ſeine Beute mit Gewalt abzunehmen, ſondern wartet fo lange, bis ſich jener ſattge— freſſen hat; dann nimmt er auch mit dem vorlieb, was der edle Huͤhnerhabicht nicht mochte. Auf dem Aaſe habe ich ihn jedoch nie angetroffen. — Er hat uͤbrigens einen ſehr kleinen Magen, wel— chen man zu Anfang des Juni haͤufig mit Bluͤthenkaͤtzchen der Birke, l. Ordu. IV. Gatt. 25. Wespen⸗Buſſard. 575 den Nadelhoͤlzern u. d. gl. angefuͤllt findet. Oft habe ich auch nichts als gruͤne Raupen, blos mit einzelnen gruͤnen Knospen verſchiedener Pflanzen untermiſcht, darinnen gefunden. Man ſagt auch von ihm daß er Heidel- Preußel⸗ und andre Waldbeeren gern fraͤße; allein ich habe bei der Oeffnung nie etwas davon in ſeinem Mögen gefun⸗ den, wol aber unter anderm Gruͤnen auch Heidelbeerblaͤtter. — Froͤſche frißt er fehr gern, am liebſten von allen jedoch die Larven und Puppen aus den Hummel: und Wespenneſtern, welche er unter dem Gebuͤſch und im langen Graſe meiſterhaft aufzufinden weiß. In den Wieſen ſpazieret er oft herum, und lieſt hier die an den Blumen und Blaͤttern ſitzenden Inſekten emſig ab; denn dieſe im Fluge zu fangen iſt er viel zu ſchwerfaͤllig und ungeſchickt. Fortpflanzung. Da dieſer Raubvogel ſo ſpaͤt erſt zu uns BERNER fo ſieht man ihn auch erſt im Mai, einer Zeit wo die Maͤuſe⸗ buſſarde und Habichte ſchon laͤngſt Junge haben, ſein Neſt oder ſeinen Horſt zu bauen anfangen. Er bauet in unſern Waͤldern auf die hoͤchſten Kiefern oder auf Laubholzbaͤume, das flache Neſt aͤußerlich theils aus gruͤnen Zweigen, theils aus troknen Reiſern, und inwendig aus Moos, Haaren, Federn u. d. gl. In dieſem Neſte findet man gewöhnlich drei, auf roſt— gelbem Grunde ſehr ſtark rothbraun gefleckte und mit dieſer Farbe beſpritzte Eier, welche nach Verhaͤltniß ziemlich klein und laͤnglichter als andere Raubvoͤgeleier ſind. Oft findet man in einem Horſte nur ein, ſehr ſelten drei, gewöhnlich aber zwei Junge, die ans faͤnglich mit weißen Dunen bekleidet ſind. So lange ſie noch klein ſind, werden ſie mit Raupen, Fliegen und andern Inſekten, welche die Alten im Schlunde ſammeln und ihnen vorſpeien, ernaͤhrt; auch werden ihnen ganze, mit Brut angefuͤllte Scheiben aus den Wes⸗ penneſtern fleißig aufgetiſcht. Nachher, wenn ſie groͤßer werden, bekommen ſie Froͤſche, junge Voͤgel u. d. gl. Sie ſitzen lange im Neſte ehe ſie ausfliegen und laſſen ſich dann noch lange von den Alten fuͤttern. Waͤhrend der Brutzeit ſtreicht das Maͤnnchen in einem weiten Umkreiſe nach Nahrung fuͤr ſich und ſeine Familie umher, und durchſucht die umliegenden Felder und Feldhoͤlzer nach Voͤgel- und Hummelneſtern. Die letztern mag ihm wohl der Geruch anzeigen; ſonſt waͤre es wirklich unbegreiflich, durch welches Mittel er zu einer ſolchen Menge gelangen koͤnnte, da ſie ſo oft unter Graſe und Mooſe ſorgfaͤltig verſteckt ſind. 576 I. Ordn. IV. Gatt. 25. Wespen⸗Buſſard. Fein dee. Dies ſind ſolche, welche die meiſten Voͤgel belaͤſtigen, naͤmlich Schmarotzer im Gefieder und in den Eingeweiden. Sonſt ſind ihm, als einem heimtuͤckiſchen Neſtviſitator, alle kleinern Vogel von Herzen gram. Sie erheben bei feinem Erſcheinen einen aͤngſtlichen Laͤrmen, unter allen jedoch die Kraͤhen den heftigſten. Dieſe verfolgen ihn, be= ſonders im Fruͤhjahr, wo ſie ihn nur wittern und vereiteln dadurch haͤufig feine böfen Abſichten auf ihre Neſter. Jagd. Er ift ziemlich ſcheu und laͤßt ſich, wenn man ihn nicht hinter dem Gebuͤſche anſchleichen kann, ſchwer ſchußmaͤßig ankommen. Noch ſchwerer iſt er zu fangen; denn ich habe geſehen, wie er ſich Stundenlang nahe bei meinen Raubvogelfallen aufhielt, ohne daß er je Luſt bezeigt haͤtte, nach der angefeſſelten Taube zu ſtoßen. Mit einem lebenden Froſche, den man auf ein kleines Tellereiſen binden koͤnnte, moͤchte er am leichteſten zu fangen ſein, wenn man es naͤmlich da aufſtellen wollte, wo man ihn oͤfters auf einem Baume oder Steine ſitzen ſahe. Nutz en. Durch feine Nahrung wird der Wespenbuſſard ſehr nuͤtz⸗ lich; denn er verzehrt taͤglich eine Menge dem Oekonomen und Forſtmanne ſchaͤdlicher Geſchoͤpfe oder ſogenanntes Ungeziefer. Die den Anſaaten und Fruͤchten im Felde und Walde ſo nachtheiligen Maͤuſearten, die in waldigen Gegenden ganze Obſterndten verder— benden Wespen und unzaͤhlige andere, Menſchen und Vieh plagen— den, oder die Kultur verhindernden Inſekten, auch andere minder ſchaͤdliche Geſchoͤpfe, vertilgt er in großer Menge. Es iſt daher ſehr unrecht, daß er von den Jaͤgern mit andern Raubvoͤgeln immer noch in eine Kategorie geworfen wird, und jenen die eingelieferten Faͤnge ſo gut wie von dieſen ausgelößt werden. Schaden. Wuͤrde er nicht die Vogelneſter ſo gern pluͤndern, an regnichten Tagen manchen jungen, eben ausgeflogenen Vogel und dann und wann auch einen jungen Haſen erwiſchen, oder manchmal in den Faſanengehegen einen kleinen Faſanen wegkapern, ſo wuͤrde man ihm nichts Boͤſes nachſagen koͤnnen. J. Ordn. IV. Gatt. 25. Wespen⸗Buſſard. 577 Anmerk. Bechſteins grauſchnäbliger Buſſard, Falco poliorhyn- chos, (ſ. deſſen Naturg. u. Taſchenb. a. a. O.) iſt nach meinem Dafuͤrhalten, von deſſen Wespenbuſſard, F. apivorus, nicht als Art verſchieden. Beide Bechſteinſche Arten gehoͤren zum wahren Falco apivorus, Linn. Was er als Weibchen ſeines grauſchnaͤbligen Buſſards beſchreibt iſt ein junges, noch unvermauſertes Weibchen unſers Weſpenbuſſards; das angebliche Maͤnnchen ſcheint mir aber ein zum erſten⸗ oder zweitenmale vermauſertes Weibchen von dieſem zu ſein; ich habe wenig⸗ ſtens nie ein ſo gezeichnetes Maͤnnchen geſehen. Vieln icht hatte Hr. B. das Ge⸗ ſchlecht nicht ſelbſt oder durch die Section unterſucht, oder die Stelle, an welcher die Teſtikeln oder der Eierſtock liegen, war vielleicht durch den Schuß oder eine andere Urſache ſo verletzt, daß weder eins noch das andere deutlich zu erkennen war. — Was von der verſchiedenen Farbe der Wachshaut beider, des grauſchnaͤbligen und des Wespenbuſſards, geſagt wird, moͤchte auch nicht immer, wenigſtens nicht oft und nicht genau ſo zutreffen, weil dieſer Theil darinn gar ſehr variirt; indem er bei jungen Vögeln, wo er noch weich und ſchwammicht iſt, durchaus hellgelb ausſteht, bei den Alten aber gewohnlich ſchwarz oder ſchwarzgrau vorkommt, ſehr felten aber dann unter den Naſenlöchern ohne gelben Rand iſt, welcher jedoch im Tode öfters und am ausgeſtopften immer ganz verſchwindet. — Es ſoll auch alte Wespenfalken mit ganz gelber Wachshaut geben (ſ. Wolf u. Meyer Voͤgel Deutſchl. a. a. O .) und dies find vielleicht ſolche, welche ſich eben gemauſert haben, an welchen ſich eben auch die Epidermis der Wachshaut erneuert hat, und jene alſo jetzt noch weicher und durchſichtiger it. Daß hier die Wachshaut anders ausſehen koͤnnte als ſpaͤterhin, wo das Dberhäutchen derſelben härter wird und ſich anders färben koͤnnte, find indes nur Vermuthungen; denn mir iſt nie ein alter Vogel mit rein gelber Wachshaut . — ö i * Sechſte Familie. i hen, Circi Schnabel: Klein, etwas zuſammen gedruͤckt; der Oberkiefer von der Wurzel aus gekruͤmmt, vorn mit einem ſtumpfen wenig be— merkbaren Zahn; an der Wurzel mit in die Hoͤhe gebogenen Bart⸗ borſten beſetzt, welche einen Theil der Wachshaut bedecken. Naſenloͤcher: Eifoͤrmig. ‚Füße: Mit langem dünnen Lauf, nicht gar langen Zehen, weniger gekruͤmmten ſpitzigen Krallen. b Körperbau: ſchlank, mit ziemlich langem abgerundeten oder geraden Schwanze. Fluüge!: lang; die ıte Schwungfeder ſehr kurz und wenig länger oder kaum ſo lang als die Ste, die 2te etwas kuͤrzer als die Ate, die zte die laͤngſte. Ein Schleier, mehr oder weniger auffallend, aus eigen ge⸗ bildeten Federn beſtehend, umgiebt den untern Theil des Geſichts. 358 I. Ordn. IV Gate 26. Rohr⸗Weihe. Das Übrige Gefieder iſt weich, am Halſe etwas locker, übrigens glatt anliegend, mit ziemlich ſchlaffen Federſchaͤften. Sie haben einen ungewiſſen, ſchwankenden Flug, doch ſind ſie ſchneller und geſchickter als die Milanen und Buſſarde, aber weniger geſchickt als die Habichte und Edelfalken. Ihren Rallb ergreiffen ſie an der Erde oder auf dem Waſſer; fliegenden Voͤgeln koͤnnen ſie nichts anhaben. Sie jagen bis ſpaͤt in die Abenddaͤmmerung und aͤhneln hierin, wie in der Geſtalt ihres Kopfes, einigermaßen den Eulen. f Man findet ſie am gewoͤhnlichſten in ebnen Feldern, bei Seen und Moraͤſten, allwo ſie auch bruͤten, ihr Neſt nie auf Baͤume bauen und faſt einfarbige weiße Eier legen. Drei Arten. 26. Die Rohr⸗Weihe. Falco: rm 105. ‚Link. „ Fig. 1. altes Maͤnnchen. „ Taf. 57. Fig. 2. juͤngeres Weibchen. h im Frühlinge. Taf. 58. Fig. 1. junges Maͤnnchen. im Herbſte. Schilf-Moos- Sumpf: Waſſer- Brand- und Roſtweihe, roſtige Weihe, rothe Weihe, Huͤhnerweihe; Buſſard, Sumpfbuſſard; Rohr- Waſſer-Baſtard- und Brandfalke, roſtiger Falke, buntroftis ger Falke; Rohr- Brand- Enten- und Huͤhnergeier, brauner und grauer Geier, Fiſchgeier, brauner und roͤthlicher Fiſchgeier; Rohr: vogel, brauner Rohrvogel, Weißkopf, Grauſchwanz, Fiſchahr. In hieſiger Gegend: Rohrweihe oder eine Art Mauſer. Falco rufus. Gmel. Linn. syst. I. 1. p. 266. n. 77. == Lath. ind. I. p. 25. n. 51. & Falco aeruginosus. Nils, orn., suec. I. 19. n: 8. Circus rufus. Briss. Orn. p. 115. n. 30. = La Harpaye, Buff. ois. I. p. 217. Ed. de Deuxp. I. p. 223. = Id. Pl. enl. 460. — Busard harpaye ou des marais. Temm, man. p. 24. == Harpy. Lath. syn. I. 1. p. 51. n. 32, Ueberſ. v. Bechſt. I. I. S. ak. n. 32. u. III. ©. 366. == Falco albanella con il collare. Storia deg. ucc. I. t. 37. Bechſtein Naturg. Deutſchl. zte Aufl. II. S. 685. n. 20. Deſſen orn. Taſchenb. S. 24. n. 19. Friſch Vögel, t. 78. — Falco aeruginosus. Gm. Linn, I. 1. p. 267. n. 29. = Circus palustris. Briss. orn. p. 115. 4. 29. = Le Bussard. Buff. ois, I. 218. Ed. d. Deuxp, I. 221. 1. Ordn. IV. Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. 579 t. 10. — Id. Pl. enl. 424. = Grenouillard. le Vaill, ois. d'Afr. pl. 23. Ueberſ. v. Bechſt. S. 112. Taf. 23. Moor Buzzard. Lath. syn. I. p. 53. Supl. p. 15. Ueberſ. v. Bechſt. I. 1. S. 48. n. 34. = Bewick. britt. Birds, I. p. 19. Falco castagnolo. Stor. degl. ucc. I. t. 32, 33 u. 34. — Sem. nederl. Vog. I. t. p. 13. = Bechſtein Naturg. Deutſchl. 2te. Aufl. II. S. 671. N. 18. = ebend. (F. arundinaceus) S. 681. n. 19. und ebend. (F. Krameri, Kram, Elench. p. 328, n- 7.) S. 678. — Deffen orn. Taſchenb. S. 22. n. 17 u. S. 23. n. 18. = Meyer u. Wolf Taſchenb. I. S. 43. n. u u. ©. 46. Var. G. 2 Meisner u. Shin; V. d. Schweitz. ©. 17. n. 15. Koch Baier, Zool. I. S. 119. n. 46. Ebend. S. 130. Var. f. — Friſch Vögel. N Naumann Voͤgel, alte Ausg. IV. S. 190. Taf. 22. Fig. 35, 6 u. 37. „ der Ar t, Wachshaut und Fuͤße blaßgelb; der Kopf weißlich; Schwung: und Schwanzfedern einfarbig, letztere ſehr ſelten dunkler gewaͤſſert. Alter Vogel. Iris gelb; Kopf weiß, ſchwarzbraun geſtrichelt; Schleier deutlich, weiß und ſchwarz gefleckt; Hoſen roſtfarben; die zweite Ordnung der Schwingen aſchgrau; der Schwanz weißgrau. Junger Vogel. Iris nußbraun; Hauptfarbe roſtbraun oder dunkelchokolade⸗ braun; Scheitel und Kehle gelblichweiß oder roſtgelb; Schleier dunkel und undeutlich. Vb Hin und wieder verwechſeln dieſen Raubvogel noch manche Jaͤger, die ihn nicht an ſeinen Brutorten ſahen, mit dem Maͤuſebuſ⸗ ſard, allein er unterſcheidet ſich ſchon in der Ferne von dieſem durch ſeinen ſchlankern Koͤrper, den laͤngern Schwanz, und die laͤn⸗ gern, ſchmaͤlern Fluͤgel deutlich. \ Das alte Weibchen mißt in der Länge 22 bis 254 und in der Breite 55 Zoll, das Maͤnnchen, welches viel ſchwaͤcher und ſchmaͤch⸗ tiger iſt, 21, hoͤchſtens 22 Zoll in der Laͤnge, und 49 bis 52 Zoll in der Breite. Der Schwanz iſt 10 Zoll lang, am Ende gerade, bei recht alten Voͤgeln ſcheint er ſogar etwas ausgeſchnitten; die Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen bis nahe an ſein Ende. Der Schnabel iſt flach gezahnt, blaͤulich, an der Spitze ſchwarz, im Durchſchnitt von der Wurzel bis an die hakenfoͤrmige Spitze 12 Zoll, auf dem Bogen gemeſſen aber beinahe 1 Zoll lang, und en der Wurzel im Durchſchnitt 4 Zoll dick. Die Wachshaut ift gruͤnlichgelb, bei recht Alten rein gelb, der Augenſtern i in der Jugend dunkelbraun, im Alter ſchoͤn gelb. 580 l. Ordn. IV. Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. Die Füße find bei recht alten Vögeln gelb, bei den jüngern gruͤnlich- oder blaßgelb; die Krallen ſchwarz, lang und ſpitzig, aber wenig gebogen, und die Laͤufe, im Verhaͤltniß gegen die Zehen, ſehr lang. Der Lauf mißt 53, die Mittelzehe mit ihrer Kralle 25, und die hintere mit der Kralle 14 Zoll. Zwiſchen der aͤußern und Mit⸗ telzehe beſindet ſich eine kleine Spannhaut. Wer keine Gelegenheit hatte, dieſen Vogel haͤufig und beſonders beim Niſten zu beobachten, dem wird es ſchwer fallen, ſich die Urſachen der verſchieden gefaͤrbten Gewaͤnder, worin er vorkoͤmmt, zu erklaͤren, oder er wird auf den Gedanken gerathen, wenigſtens die Hauptverſchiedenheiten fuͤr eben ſoviel beſondere Arten zu halten, da nicht allein die Jungen anders als die aͤltern, dieſe wieder an- ders als die ganz alten, ſondern auch die Fruͤhlingsvoͤgel anders als die Herbſtvoͤgel ausſehen, ob ſie ſich gleich nur einmal im Jahre mauſern. Dies gab denn auch bei mehreren Schriftſtellern Veran⸗ laſſung zur Trennung dieſer Art in mehrere, was ſie aber nicht find, wie ich, auf vieljaͤhrige Beobachtungen geſtuͤtzt, ſicher be— haupten kann. Ich habe dieſe Voͤgel alljaͤhrlich, zu jeder Jahreszeit und in Menge im Freien beobachtet, und nach Alter, Geſchlecht und Jahreszeit folgende Verſchiedenheiten unter ihnen gefunden: Das alte Maͤnnchen in ſeinem Fruͤhlingsſchmuck gehoͤrt unter die ſehr ſchoͤn gezeichneten Raubvogel. An ihm iſt die Kehle weiß; die Wangen braun, mit Weiß durchmiſcht; der Oberkopf weiß, dunkelbraun geſtrichelt, oder die ſchmalen, ſehr zugeſpitzten Federn ſind weiß und haben dunkelbraune Schaͤfte und Schaftſtriche. Ein aͤhnlicher Federring oder Schleier, wie der der Eulen, welcher aus ſchmalen, am Ende runden, weißen, mit kleinen dunkelbraunen Fleckchen beſprengten Federn beſtehet, umgiebt die untere Haͤlfte des Geſichts, oder zieht ſich unter der Kehle durch, von einem Ohr zum andern. Der Hinterhals, Ruͤcken und die Schultern ſind dunkel— braun, erſterer etwas grauweiß geſaͤumt. Die Farbe des Schwan— zes beſteht aus einer zuſammengefloßenen Miſchung von Weiß, Aſchgrau und Gelblichbraun, welches zuſammen in der Ferne weiß— grau oder fahlweiß erſcheinet. Ein großer weißer Fleck an den Achſeln iſt mit dunkel- und roſtbraunen ſpitzen Flecken beſtreuet; die übrigen kurzen Deckfedern find dunkelbraun; die laͤngern, ſamt den Schwingen zweiter und dritter Ordnung, ſind aſchgrau, nach der Wurzel zu auf der breiten Fahne weiß, und bilden im Fluge auf dem ausgebreiteten Fluͤgel ein großes hellaſchgraues Feld. Die großen Schwingen erſter Droͤnung find ſchwarzbraun, an der I. Ordn. IV. Gatt. 26. Rohr Weihe. 381 Wurzel weiß; die Deckfedern unter dem Flügel weiß, die kleinen mit einem braunen Striche in ihrer Mitte; uͤbrigens ſind Fluͤgel und Schwanz auf der untern Seite weiß. Die Federn des Border: halſes und der Bruſt ſind weiß, roſtgelb angeflogen und haben in der Mitte einen braunen lanzettfoͤrmigen Streif; der Bauch, After und Hoſen ſehen ſchön roſtbraun oder roſtfarben aus. Der Vogel von dieſer Zeichnung ſcheint im Fliegen noch mehr Weiß zu haben. Dieſe, wie die uͤbrigen hellen Farben, leuchten ſo in die Augen, daß er in der Ferne ſehr bunt ausfieht. Ich habe aber Rohrweihen fliegen gesehen, die faſt ſo weiß, wie das alte N Maͤnnchen der Kornweihe ausſahen, und die gewiß noch viel älter als das befchriebene waren; Fonnte aber, weil die alten Männchen viel vorſichtiger find, als die Weibchen, kein ſolches habhaft werden. KR | Alle diefe Farben und Zeichnungen bekoͤmmt auch das Weibchen im hohen Alterz es unterſcheidet ſich blos durch die anſehnlichere Groͤße und durch mindere Lebhaftigkeit der Far⸗ ben, befonders iſt an feinem Gefieder das Weiße nicht ſo leuchtend, als beim Maͤnnchen vom gleichen Alter. Wenn uͤbrigens das letz⸗ tere jenes ſchoͤn gefaͤrbte Gewand nicht vor der zweiten oder dritten Mauſer bekoͤmmt, ſo erſcheint es beim Weibchen gewiß nicht vor der dritten und vierten in dieſer Vollkommenheit. — Gleich nach der Mauſer, die im Auguſt und September faͤllt, alſo im Herbſt, ſehen die Voͤgel von dieſem Alter ganz anders aus, ſelbſt die ſchoͤn zitronengelben Augenſterne ſind braͤunlich mar⸗ morirt. Ihr Gefieder traͤgt folgende Farben: Die untere Seite des Vogels hat dunkelbraune Federn, welche ſehr breite hellfarbige, am Vorderhalſe dunkelroſtgelbe und an der Bruſt roſtfarbene Kanten haben; die Hoſen ſind faſt einfarbig roſtbraun; die Afterfedern weiß, mit großen dunkelbraunen Enden, die wieder roſtfarbene Saͤume haben; am Kopfe und Hinterhalſe ſind die Federn an der Wurzelhaͤlfte weiß, an der Endhaͤlfte in der Mitte dunkelbraun, an den Seiten und Spitzen dunkelroſtgelb, indem die letztere Farbe fehr breite Saͤume um die braune bildet; der ganze Mantel choco= ladebraun, einzeln mit ſchmalen dunkelroſtgelben Endſaͤumen oder kleinen Endflecken, auf dem Fluͤgelbuge aber mit ſehr breiten roſt— gelben Federkanten; die letzten obern Schwanzdeckfedern weiß, grau und roſtgelb gemiſcht, nahe am Ende mit einem dunkelbraunen Querfleck; der Schwanz, die großen Fluͤgeldeckfedern, der After: fluͤgel und die Schwingen, die fuͤnf oder ſechs vordern ausgenom— 332 I. Ordn. IV. Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. men, dunkelaſchgrau, zum Theil an den Enden ſchwaͤrzlich gewaͤſ⸗ ſert oder mit einem undeutlichen dunkeln Fleck; die vordern Schwin⸗ gen ſchwarz, an der Wurzel weiß; der Fluͤgelrand und. die ganze untere Seite der Fluͤgel weiß; die kleinen untern Deckfedern mit einem roſtfarbenen Laͤngsſtriche. Der Kopf iſt zuweilen ganz braun. Das Herbſtkleid iſt alſo bei weitem duͤſtrer gefaͤrbt als das Fruͤhlingskleid, und die juͤngern Voͤgel unterſcheiden ſich von den ganz jungen nur durch eine weitere Verbreitung der roſtgelben Farbe am Hinterhalſe und an den Achſeln, und durch die lichtern mehr ins Graue fallenden Schwanzfedern. Die Federn des Herbft: kleides haben allemal abgerundete Enden, die des Fruͤhlingskleides ſpießfoͤrmige Spitzen. — Ganz anders ſehen die jungen Voͤgel aus. Das junge Maͤnnchen hat im erſten Sommer fol⸗ gende Farben: Wachshaut und Beine find bleichgelb, ins Gruͤn⸗ liche fallend; der Schnabel ſchwaͤrzlich, die Augenſterne dunkel⸗ braun. Der Scheitel und halbe Hinterhals iſt roſtgelb; die Kehle roſtgelb mit Weiß untermiſcht; uͤbrigens der ganze Vogel, auch der noch undeutliche Schleier, roͤthlichſchwarzbraun (chocoladebraun), auf dem Ruͤcken violet glaͤnzend, und die kurzen Schwingen mit ihren Deckfedern, desgleichen die Ruderfedern haben halbmond= foͤrmige dunkelroſtgelbe Endſaͤume. Auf der untern Seite ſind die Flügel: und Schwanzfedern glänzend dunkelgrau. — So ſehen die meiſten jungen Voͤgel aus; doch leiden die einfachen Farben dieſes Kleides, beſonders in Hinſicht ihrer Vertheilung, mancherlei Abaͤnderungen, die aber blos zufaͤllig zu ſein ſcheinen. Bei man⸗ chen ſind z. B. Kopf und Kehle ſehr dunkel braungelb und auf der Mitte des Scheitels ſtehen einige oder auch nur ein einziger großer dunkelbrauner Fleck; bei andern zieht ſich die roſtgelbe Farbe des Oberkopfs auf dem Hinterhalſe hinab und verliert ſich auf dem Ruͤcken erſt in großen Flecken; bei noch andern iſt auch die Ober⸗ bruſt einzeln roſtgelb gefleckt. Wenn ſie eben ausgeflogen ſind, ſehen ſie am dunkelſten aus; haben ſie aber erſt ein paar Monate geflogen, ſo ſind die Farben ſchon merklich bleicher geworden, was beſonders an dem Roſtgelben am meiſten auffaͤllt. Dieſe jungen Voͤgel ſind in vielen ornithologiſchen Werken als eigene Art, unter dem Nahmen: Falco aeruginosus, aufgeführt. — 5 Das Gefieder iſt dem Abreiben und die Farben dem Abbleichen ſehr ausgeſetzt; die jungen Voͤgel erſcheinen daher im naͤchſten Fruͤhlinge in einem viel hellern Kleide, das Roſtgelb des Kopfes faͤllt ſehr ſtark ins Weiße und das Chocoladebraun des uͤbrigen I. Orden. IV. Gatt, 26. Rohr⸗Weihe. 385 Koͤrpers iſt ein dunkles Roſtbraun geworden; auch zeigen ſich an der Achſel zuweilen einige gelblichweiße Flecken, und der Schwanz iſt heller als der Ruͤcken, manchmal mit heller und dunkler Farbe ge⸗ waͤſſert. In dieſem Kleide iſt es der Falco Aue Bechſt. a. a. O. — ü Nach der erſten Mauſer, alſo im zweiten Sommer ihres Le⸗ bens, iſt die Grundfarbe ihres Geſieders ein roͤthliches Dunkelbraun, an den Hoſen und auf dem Buͤrzel in Roſtbraun uͤbergehend; der Schwanz viel lichter als der Rüden, auf feiner Unterſeite matt: braun; Scheitel und Kehle roſtgelb, auch lichter als im erſten Sommer; an den Achſeln, am Schleier und am Vorderhalſe zeigen ſich gelblichweiße Flecke, und auf den Schwingen der zweiten, wie an den Wurzeln der erſten Ordnung zeigt ſich ein 7 von Aſchgrau. Durch das Abreiben und Verbleichen dieſes Kleides asche nun im dritten Fruͤhlinge ihres Lebens alle Farben heller, am Kopf und der Kehle weiß, an den Schenkeln roſtfarben, der uͤbrige Un⸗ terleib roſtbraun, der Oberleib dunkler, die Achſeln gelblichweiß, der Schwanz blaßbraͤunlich, und auf den Schwingen zweiter und dritter Ordnung zeigt ſich ſchon ein aſchfarbener Anſtrich. Die Augen ſind braungelb, und der Schleier erſcheint ganz deutlich. — Im vierten Fruͤhlinge werden alle hellen Farben noch hervorſte⸗ chender, und im fuͤnften, alſo im vierten Lebensjahre, hat es die ſchon beſchriebenen Farben des alten Maͤnnchens. Nun verändert es ſich nicht mehr fo auffallend, obgleich nach und nach, jedoch ſehr langſam, das Weiße noch zunimmt, ſo daß in hoͤchſter Vollkom⸗ menheit, die weiße, hellaſchgraue und roſtrothe Farbe ſehr ſchoͤn und noch mehr hervorſtechen. Das Weibchen hat im erſten Jahre ſo viel Aehnlichkeit mit dem jungen Maͤnnchen, daß es aͤußerlich, wenn man es nicht gegen das etwas kleinere Maͤnnchen halten kann, nicht zu unterſcheiden iſt. Die nachherige Entwickelung des vollkommenen Kleides geht wie beim Maͤnnchen, aber bei weitem langſamer. Etwa in ſeinem zweiten Lebensjahre ſind Oberkopf, Nacken und Kehle gelblichweiß, ein Fleck an den Achſeln roſtgelb, beides fein braun beſchmitzt, ubrigens der ganze Körper dunkelbraun, unten heller und an den Hoſen roſtbraun. Vor der Bruſt zeigen ſich einige gelblichweiße Flecken, und an den Fluͤgel⸗ und Ruͤckenfedern einige helle Kanten. Der Schwanz iſt auf der untern Seite hellbraun. — Wenn es älter wird, hat es folgende Farben: Wachshaut und Fuͤße find 384 I. Ordn. IV. Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. bleichgelb, der Augenſtern braun; der obere Theil des Kopfes und der Nacken weiß, einzeln braun geſtrichelt, der Hals und Ruͤcken braun, mit einzelnen weißen Fleckchen, der Steiß roſtbraun. Die Ruderfedern ſind braun, ins Roſtrothe fallend, auf der untern Seite bleich roſtbraͤunlich; an der Achſel und durch den Fluͤgel geht ein großer dreieckiger Fleck, deßen Federn weiß ausſehen und etwas gelblich angeflogen find ); die Fluͤgeldeckfedern find braun mit fahl⸗ braunen Spitzen; die Schwingen ſchwarzbraun, nach der Wurzel zu heller. Die Kehle iſt weiß, der Hals, die Bruſt, Schenkel und After roſtbraun, vor der Bruſt befinden ſich einige weiße Fleckchen. In den beiden hier beſchriebenen Kleidern ſieht man die meiſten Weibchen, dagegen ſind die in dem ſchon beſchriebenen bunten Kleide des alten Maͤnnchens, oder in einem ſich dieſem naͤhernden, ſo unverhaͤltnißmaͤßig ſelten, daß es mehr als wahrſcheinlich iſt, daß ſie es erſt in einem ſehr hohen Alter anlegen. Ich ſahe ein ſolches Weibchen, was ich fuͤr ein recht ſchoͤnes, wenigſtens viele Jahre altes Maͤnnchen gehalten haben wuͤrde, wenn mir nicht der Schuͤtze auch das Ei, was ihm der ſterbende Vogel noch legte, vor: gezeigt und verſichert haͤtte, bei der Section noch mehrere zum Legen faſt reife Eier am Eierſtocke gefunden zu haben. — Das Herbſt⸗ kleid der Weibchen traͤgt ebenfalls friſchere und dunklere Farben, als das Fruͤhlingskleid, in eben dem Verhaͤltniß, wie bei * Mann⸗ 2 8 angegeben wurde. 5 Es gibt wol wenig Voͤgel, deren Gefieder durch Reibungen und den Einfluß der Luft und Witterung ſo ſehr angegriffen wuͤrde, als das der Rohrweihe. Es wird in der That dadurch ſo ſehr ver- unſtaltet, daß man es kaum wiedererkennt. Wenn man naͤmlich denſelben Vogel gleich nach der Mauſer im friſchen Gefieder geſehen hat und ihn in demſelben, aber nun ausgebleichten und abgeſchabten Gewande, 11 Monateſpaͤter betrachtet, ſo muß man erſtaunen uͤber die große Veraͤnderung, welche hier vorging. Das dunkle Choko⸗ ladebraun verliert nicht nur ſeinen ſchoͤnen Kupferglanz, ſondern verwandelt ſich auch in ein mattes Roſtbraun oder in ein ſchmutziges Erdbraun, das ſchoͤne dunkle Roſtgelb in Weiß, Roſtbraun in helle Roſtfarbe u. ſ. w. Auch ſind die lichten Federkanten verſchwunden. Durch das Abreiben werden alle urſpruͤnglich abgerundete Federn ſcharf zugeſpitzt, weil der a den 1 wehr Widerſtand = Dies weiße Feld ſcheint, weil es ſo ſelten vorkommt, blos zufaͤllige Abaͤn⸗ derung. Ordn. IV. Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. 385 leiſtet, als der Bart, ſo daß er an den Enden der Federn zuletzt nur allein noch uͤbrig bleibt, und dieſe dadurch eine borſtenartige Spitze bekommen. Dadurch gehen nun nicht allein die Raͤnder der Federn, 4 auch noch fo viel von ihrem ganzen Umfange verlohren, daß, vorzuͤglich am Kopfe, die Wurzeln derſelben mit den Dunen zum Vorſchein kommen, die dann uͤberall durch die ſtachlichten Fe⸗ dern hervorblicken. Solche alten Vögel, wie man ſie im Juni und Juli erhaͤlt, haben dann ein rupfiges, widriges Anſehen, die alten Muͤtter ein noch ſchlechteres als die Maͤnnchen. Sie fliegen um dieſe Zeit auch ſchwerfaͤlliger; denn auch der Bart der Schwanzfe⸗ dern iſt ſo beſchaͤdigt, daß er faſt allen Zuſammenhang verlohren hat. Sieht man nun mitten im Federwechſel begriffene Rohr⸗ weihen, beſonders juͤngere Voͤgel, welche ſchon ganze Partien neuer Federn bekommen haben, ſo erſcheinen ſolche in einiger Entfernung oft ganz ſchwarzbunt. Ich ſahe einſt einen ſolchen Vogel, welcher, bei uͤbrigens lichtem Gefieder, von Se eine ganz ſchwarze Bruſt zu haben ſchien. — Die Urſache des hier fo dülffallenden Verſtoßens und Abſchlei⸗ fens des Gefieders dieſes Vogels iſt theils in der Lebensart, theils und vornehmlich im Aufenthalte deſſelben zu ſuchen. Das haͤufige Stoßen und Reiben an den harſchen Blaͤttern und den ſchneidend ſcharfen Blattraͤndern des Rohres (Arundo. L.), der Lieblingspflanze dieſer Weihe, hat wol den größten Antheil daran. Vielleicht ha- ben auch die ſchwefelichten Aus duͤnſtungen, die aus den Moraͤſten aufſteigen „und welchen ſich der Vogel die ganze Nacht hindurch, ſo wie den groͤßten Theil des Tages, immerwaͤhrend ausſetzt, nach⸗ theiligen Einfluß auf die Farben feines Gefieders. — Zu bemerken iſt noch, daß die Mauſer bei dieſem Vogel ſehr raſch von Statten geht, daher man nicht ſelten Exemplare ſieht, die mehrere Schwung = und Schwanzfedern zugleich verlohren haben. Sie halten ſich dann gern im Rohre verſteckt, mauſern ſich hier auf eignen Plaͤtzen, die ſie immer wieder aufstehen. und fliegen i in Res ſer eit wenig umher. Aufenthalt. Die Rohrweihe ſcheint ein uͤber viele Theile der Erde verbrei⸗ teter Vogel. In Europa iſt er uͤberall wo es ebene, ſumpfige Gegenden giebt, nicht ſelten; auch ſoll er im nördlichen Aſien und Amerika, wie in Afrika vorkommen. In gebirgigen Gegen⸗ ol 25 586 J. Ordn. IV. Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. den iſt er nicht, oder doch nur aͤußerſt ſelten; dagegen in niedrigen, mit vielen Suͤmpfen durchſchnittenen Laͤnderſtrecken, wie z. B. in Holland, und im noͤrdlichen D eutſchland in den hieſigen, den Branden burgiſchen und andern platten und waſſerreichen Ge⸗ genden gemein. — Er iſt ein Zugvogel, und ſtellt ſich im März bei uns ein. Man ſieht ihn dann bedaͤchtig uͤber Felder, Wieſen, Suͤmpfe und Teiche ſchweben, oder dicht uͤber der Erde ſanft hin⸗ gleiten. Er ſcheint die Kaͤlte nicht vertragen zu koͤnnen, und iſt ein Sommervogel, der ſchon im Auguſt zu ziehen anfaͤngt, den September hindurch ziehet und ſich bis gegen die letzte Haͤlfte des Oktobers gaͤnzlich verlieret. Im Winter, ſelbſt in den gelindeſten, habe ich, einen einzigen Fall ausgenommen, ſonſt aber nie einen ge⸗ ſehen. — Er haͤlt ſich blos in Bruͤchen, Rohrteichen, Seeen und in den daran ſtoßenden Feldern auf, und wird faſt gar nicht im Walde geſehen. In waldige Gebirge kommt er vollends gar nicht; muß er fie paſſiren, fo überfliegt er fie in großer Hoͤhe. i de e Vom Maͤuſebuſſard, mit welchem ihn noch viele Jaͤger ver⸗ wechſeln, unterſcheidet er ſich, auſſer einem viel ſchlankern Kör: perbau, durch ein weit kuͤhneres und nicht fo ſchwerfaͤlliges Betra— tragen, ob er gleichwol den Habichten darinn noch ſehr nachſteht. Er iſt ein gieriger, nicht ganz ungeſchickter und liſtiger Raͤuber. Selten ſieht man ihn lange an einer Stelle ſitzen und ſich ausruhen; er ſchwankt und ſchwebt vielmehr immer umher und ſucht Etwas zu freſſen auf. Im Fluge und Betragen hat er viel Aehnlichkeit mit der Kornweihe. Sein Flug iſt unſicher und ſchwankend, ſanft, langſam und ſchwimmend, auch mehrentheils niedrig. Wie ſchon geſagt, findet man ihn nicht im Walde, und er haͤlt auch nicht ein⸗ mal Nachtruhe in demſelben, ſondern ſucht hierzu das dichte Schilf, Rohr und Weidengeſtraͤuch der Gewaͤſſer auf, auch geht er Abends erſt ſpaͤt zur Ruhe. Am Tage ſind ſeine gewoͤhnlichen Ruheplaͤtze Pfaͤhle, Steine, Huͤgel, oder auch die platte Erde, und er ſitzt ſo ungern auf Baͤumen, daß man ihn nur ſelten auf einem am Waſſer ſtehenden oder auf einem einzelnen Feldbaume ſitzen ſieht. Auf dem Zuge fliegen dieſe Voͤgel manchmal in einer unermeßlichen Höhe, doch nicht geſellſchaftlich, hoͤchſtens zu zweien; man erkennt ſie dann leicht an ihrem ſchlaffen Fluge, und an den ſchmalen, faſt gleichbreiten, am Ende abgeſtumpften Fluͤgeln. Das Weibchen ſchreiet hoch und hell pitz, — pitz! und piep, — piep! wel⸗ J. Ordn. IV. Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. 387 ches letztere es oft ſehr lang ziehet; das Maͤnnchen laͤßt hingegen {befonders in der Brutzeit) verſchiedene angenehme Toͤne hoͤren, wovon einige dem Mauen des Holzhehers aͤhneln, ſich jedoch nicht gut durch Worte deutlich machen laſſen. An ſchoͤnen Fruͤhlingstagen hört man den Hauptton, der in der Ferne wie: Keu, oder keih — klingt, oft ohne zu wiſſen woher er koͤmmt, weil der ihn hervor⸗ bringende Vogel ſich in der Luft in einer fo großen Höhe herum: ſchaukelt, daß ihn nur ein ſcharfes und geuͤbtes Auge als einen be⸗ weglichen Punkt gewahrt. Nur im Fruͤhlinge hoͤrt man jene Stim⸗ men; beide Gatten ſcheinen in andern Jahreszeiten ſtumm zu ſein, doch preſſen Schreck und Todesangſt, z. B. wenn einer vom Schuß ereilt noch lebend zur Erde ſtuͤrzt, einige Rag ſchitkende, denen der ante ER, Töne aus. Nahrung. Die Rohrweihe nährt ſich meiſtens von Waſſer⸗ und Sumpf⸗ voͤgeln und, wenn dieſe fehlen, von Amphibien, Inſekten und ganz kleinen Säugthieren. Sie raubt blos ſitzende und kriechende Ge⸗ ſchoͤpfe; die fliegenden Vögel find vor ihren Klauen ſicher. Ihre Jagden treibt ſie bis ſpaͤt in die Abenddaͤmmerung hinein. Sie ſchaukelt ſich niedrig, langſam und ſchwimmend über Feld und Waſ⸗ ſer, faͤllt, ſobald ſie etwas Taugliches fuͤr ihren immer hungrigen Magen ſiehet, ploͤtzlich drauf und verzehrt es auf der Stelle. Wenn fie ſich ins Rohr oder lange Getraide ſtuͤrzt und fehl ſtoͤßt, ſo koͤmmt fie gleich wieder zum Vorſchein und fliegt weiter; hat fie aber etwas erwiſcht, ſo dauert es laͤnger, je nachdem die Beute groͤßer oder kleiner war. Auf dem Felde ſpaͤhet fie Lerchen- und andre Vogel⸗ neſter in dem langen Getraide aus, und die Eier ſind ihr ſo lieb, als die jungen Voͤgel. Sie weiß die groͤßern Eier ſehr geſchickt aus⸗ zuſaufen, die kleinern verſchluckt ſie aber mit der Schale, und thut daher, ſowol auf dem Felde an den Neſtern der Feldvoͤgel, als in den Bruͤchen und Rohrteichen an den Neſtern der wilden Gaͤnſe und Enten, ſchrecklichen Schaden; denn ſo lange die Brutzeit waͤhret, naͤhrt ſie ſich blos aus den Neſtern der Voͤgel. Daß ſie ein ſo ge⸗ ſchickter als boshafter Neſtviſitator iſt, wiſſen auch die alten Voͤgel ſehr wohl; fie ſuchen fie daher auf alle Art von den Neſtern zu entfernen, und verfolgen fie (beſonders Kiebitze und gemeine Me⸗ ven) mit klaͤglichem Geſchrei und grimmigen Biſſen. Die wilden Gaͤnſe, Enten und andere Schwimmvoͤgel, bedecken, wenn ſie von ſelbſt von ihren Eiern gehen, dieſe mit den Neſtmaterialien, und [4 588 I. Ordu. IV. Gatt. 26. Rohr⸗ Weihe. ſuchen ſie ſo vor den Augen der Rohrweihe ſorgfaͤltig zu verbergen; allein um die Eier desjenigen, der durch Zufall vom Neſte geſcheucht wird und nicht Zeit hatte ſie gehoͤrig verdecken zu koͤnnen, iſt es au⸗ genblicklich geſchehen; denn die erſte Rohrweihe, welche die Eier liegen ſieht, ſaͤuft ſie ohne Umſtaͤnde aus. Die harten Schalen der Schwanen ⸗Eier ſcheinen ihr zu feſt zu fein; ich habe fie eine lange Weile an denſelben herum picken und unverrichteter Sache wieder abziehen ſehen. Die kleinern Schwimmvoͤgel, welche ſelbſt nicht vor ihren Klauen ſicher ſind, jagt ſie, um die Eier zu erlan⸗ gen, ſelbſt vom Neſte. — Nach der Brutzeit verfolgt ſie die jungen wilden Gaͤnſe, Enten, Waſſerhuͤhner, Strandlaͤufer, Kiebitze und dergl. Der vorzuͤglichſte Gegenſtand ihres Raubes, von dieſer Zeit an bis in den Herbſt, find die Hurbeln (Fulicae), welche, wenn fie auf dem Waſſer zerſtreuet umher ſchwimmen und ihren Feind ans kommen ſehen, ſich durch ein haſtiges Geſchrei ſchnell zuſammen ru⸗ fen und dem naͤchſten Schilfe zueilen. Verfolgt ſie der Raubvogel auch hier, ſo fluͤchten ſie wieder nach dem blanken Waſſer und ſuchen ſich durch Untertauchen zu retten; denn im Rohre macht er ſie oft muͤde, indem er von einem Rohrſtengel zum andern ſo lange hinter ſie her ſpringt, bis er eine ertappt. Den alten Enten thut die Rohrweihe nichts zu Leide, und wenn das alte Weibchen zugegen iſt, darf ſie ſich auch nicht an die Jungen wagen; denn die Mutter ſpringt, ſobald der Raͤuber Miene macht auf ihre Kinder zu ſtoßen, ihm entgegen, oft hoͤher als das Schilf, und ſchnappt nach ihm, unterdeß ſich die Kleinen auf ein Kluͤmpchen dicht an einander draͤn⸗ gen und aͤngſtlich an die Mutter halten. So lange die jungen wil⸗ den Gaͤnſe beide Aeltern haben, kann ihnen keine Rohrweihe ſcha— den, denn beide, beſonders der Ganſert, ſind beſtaͤndig wach fuͤr ſie. N Sie raubt auch Fiſche, beſonders wenn ſich dieſe zur Laichzeit im ſeichten Waſſer, im ſogenannten Schlabergraſe (Festuca Aui- tans) herum waͤlzen, und Froͤſche. Verſchiedene groͤßere Inſekten (Hydrophilus, Dityscus, Libellula, Aeschna, Acheta, Gryllus etc.) dienen ihr haufig zur Nahrung. Auf dem Felde jagt fie auch außer den jungen Voͤgeln, ſitzende alte Lerchen, Wachteln und Rebhuͤh— ner; desgleichen auch Maͤuſe, Maulwuͤrfe, Hamſter, und junge Haſen. Ein ſo großer Liebhaber ſie auch von jungen Voͤgeln iſt, ſo iſt mir doch kein Beiſpiel bekannt, daß ſie ſich jemals in die Naͤhe menſchlicher Wohnungen, einzelne Fiſcherhaͤuſer etwa ausgenom⸗ men, an das junge Hausgefluͤgel gewagt hatte. Bei letztern ſtoͤhrt 1 Ordn. IV. Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. 389 ſie auch die zahmen Tauben und faͤngt zuweilen eine junge weg; die alten ſind ihr aber zu fluͤchtig, und ſie zu langſam und unge⸗ ſcict. Aufs Aas faͤllt ſie nie. — Fortpflanzung. Erſt wenn zu Anfang des Maies das Rohr in den Teichen zu wachſen aufängk; ſchickt ſich die Rohrweihe zum Aufſuchen eines Horſtplatzes an. Dieſen findet ſie auf großen Rohrteichen, Seeen und Suͤmpfen im Rohre (Arundo) oder Kolbenſchilfe (Typha) oder in einem ins Waſſer haͤngenden Weidengebuͤſch. Das Neſt ruht gewoͤhnlich auf den alten Schilfſtorzen, ſo daß es gewiſſermaßen ſchwimmt. Seltner findet man es im wilden Geſtruͤppe einer klei⸗ nen Inſel, auf einer einzelnen Schilfkufe im Sumpfe, im langen Seggenſchilfe (Carex), und, wie man ſagt, zuweilen auch im lan⸗ gen Getraide, in der Naͤhe des Waſſers, wo es denn auf feſtem Boden ſteht. Am liebſten bauet ſie jedoch ins hohe Rohr, zumal wo dieſes recht dichte Buͤſche oder große undurchdringliche Waͤlder bildet. Das Weibchen traͤgt dazu eine große Menge trockner Rohr⸗ ſtengel, Schilfblaͤtter, Binſen und einzelne trockene Reiſer mit den Beinen zuſammen, und bauet hiervon ein großes, unkuͤnſtliches, hohes, oben flaches Neſt. Auf kleinen mit Waſſer umgebenen Seggenkufen fand ich es jedoch von ſo wenigen Binſen und duͤrren Stengeln zuſammengeſetzt, daß man es, wenn die Eier nicht drin⸗ nen gelegen haͤtten und das Weibchen 1 eben Adee waͤre, ſchwerlich fuͤr ein Neſt wuͤrde angeſehen haben. — In dieſes Neſt legt es gewoͤhnlich vier, ſeltner fuͤnf, doch auch manchmal bis ſechs, den Huͤhnereiern aͤhnliche, nur rundere und etwas kleinere, grün- lichweiße Eier, und bruͤtet ſie binnen drei Wochen allein aus. Waͤhrend dieſer Zeit ſucht das Maͤnnchen dem Weibchen, wenn das Wetter ſchoͤn iſt, durch allerlei Gaukeleien die Langeweile zu vertreiben; es ſchwingt ſich zu dem Ende oft zu einer außerordent⸗ lichen Hoͤhe in die Luft, laͤßt allerlei traurigangenehme Toͤne hoͤ— ren, ſtuͤrzt ſich ploͤtzlich mit beſtaͤndigen Schwenkungen aus der Höhe herab, ſchwingt ſich wieder hinauf, und wiederholt dies oft ſtun⸗ denlang. Es giebt ein ſchoͤnes Schauſpiel, wenn mehrere ſich zu⸗ gleich auf dieſe Art beluſtigen, fich ſenkrecht aus der Höhe, unter be⸗ ſtaͤndigem Hin⸗ und Herwenden des Koͤrpers, herab ſtuͤrzen, dazu ihre Stimmen hoͤren laſſen, wieder aufſteigen, um von neuem her⸗ abzupurzeln u. ſ. w. Die Jungen werden von beiden Alten mit jungen Voͤgeln, Froͤſchen und Inſekten ernaͤhrt, und ein Paͤaͤrchen, 390 I. Or dn. IV. Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. welches Junge hat, holt taͤglich im Umfange von einigen Meilen fuͤr ſelbige Futter zuſammen. Die Jungen ſitzen ſehr Inge im Neſte ehe fie auffliegen. Da wo die große Graugans 1 findet man auch die Rohr⸗ weihen haͤufig; ſo iſt z. B. der große Badetzer Teich im ehemaligen Zerbſtiſchen ſo reichlich damit verſehen, daß man uͤber die Menge erſtaunen und ſich wundern muß, wie es noch moͤglich iſt, daß ein einziger junger Vogel vor dieſem Raubgeſindel aufkoͤmmt. — In andern ſehr großen Rohrteichen, wo wenig Enten und gar keine wilden Gaͤnſe bruͤten, traf ich gewoͤhnlich nur einzelne Paͤaͤrchen niſtend an. x 6 Feinde. Mit dem Fiſchaar lebt dieſer Raubvogel immer im Streite; fo ſo ſind ihm auch alle Waſſer- und Sumpfvoͤgel aus natuͤrlichen Urſachen von Herzen feind. Die Kraͤhen necken und verfolgen ihn ebenfalls, beſonders wenn ſie Junge haben. Auf ſeinem Gefieder wohnen mehrere Arten von Schmarotzerinſekten, beſonders ein ſehr großes, Liotheum giganteum, (Nitzsch), was ihm jedoch nicht ausſchließlich eigen iſt, ſondern auch auf einigen andern Falken vor⸗ koͤmmt. In ſeinen Eingeweiden hauſen verſchiedenartige Wuͤrmer. Jagd. Die Rohrweihe iſt ſcheu und liſtig, daher ſchwer zu ſchießen, ausgenommen dann, wenn man ſie ins Rohr oder lange Getraide fallen ſieht, ſchnell hin lauft und fie plößlich uͤberraſcht, wo man ſie im Herausfliegen leicht herunter ſchießen kann. Auf der Kraͤ⸗ henhuͤtte kann man fie, wenn man recht aufmerkſam iſt, auch fchie= ßen; ſie baͤumt aber nicht auf, e fliegt ein paarmal um den Uhu herum und dann wieder fort. In den Raubvoͤgelfaͤngen, mit der Taube, bekoͤmmt man ſie nie; man muß, um ſie zu fangen, eine gute Falle nahe an oder in das Waſſer ſtellen, und ſtatt der Taube ein junges lebendiges Waſſerhuhn oder einen andern Sumpf⸗ oder Waſſervogel zum Koͤder anfeſſeln. In einem gut verdeckten Tellereiſen, auf welches man einen kleinen lebendigen Vogel bin— det, faͤngt man ihn noch am erften, nur aber nicht mit einem tod— ten Vogel oder Maulwurf. — Auf ihren Mauſerplaͤtzen, im Rohr, wuͤrde ſie vielleicht mit Schleifen zu beruͤcken ſein. — J. Ordn. MN, Gatt. 26. Rohr⸗Weihe. 391 Nutz en. 0 fie Mäuse, Maulwuͤrfe und mehrerlei ſchaͤdliche Insekten faͤngt, macht ſie uns einigermaßen nuͤtzlich; dies iſt jedoch ſehr un⸗ bedeutend im gie) mit dem Shah an, den f ie durch Zerſtoͤhrung fo unſaͤglich vieler Bruten anrichtet. Ihre große Gefraͤßigkeit vermehrt ihre Schaͤdlichkeit. Es iſt un⸗ glaublich, welch eine Menge Vogelneſter taͤglich von einem Paͤaͤr⸗ chen, zumal wenn es Junge hat, verwuͤſtet werden. Die Ein⸗ ſchraͤnkung einer allzugroßen Vermehrung derſelben wird daher nothwendig und der Jaͤger wird dazu, durch ein Loͤſegeld fuͤr die ab⸗ gelieferten Faͤnge derſelben von ſeiner Obrigkeit mit Recht aufge⸗ muntert; denn die Rohrweihe iſt ven Sagden ein außerordentlich nachtheiliger Vogel. An merk. Alles was im Sborfiergeirnben über ben Farbenwechſel dieſes Raub⸗ vogels geſagt wurde, iſt das Reſultat meiner eigenen, im Freien angeſtellten, viel⸗ jährigen und ſorgfaͤltig geprüften Beobachtungen. Da dieſer Vogel in meiner Nähe gemein iſt und häufig hier niſtet, fo hatte ich Gelegenheit genug, ihn zu allen Jahres⸗ zeiten, in allen Situationen ſeines Lebens, und ſo oft ich nur wollte zu beobachten, kann alſo mit Gewißheit verſichern, daß ſowol der Vechſteinſche Falco arundinaceus und F. Krameri, wie der Linnsiſche F. aeruginosus keine beſondern Arten find, ſondern beſtimmt alle zu unfrer Rohrweihe (F. rufus, Linn.) gehören. Vielleicht koͤnnen auch noch einige andere Synonymen des Syſtems hieher gezogen werden. — Man wird im Fruͤhjahr, bevor die Jungen noch ausgeflogen, nie einen F. aerugi- nosus Linn. im Freien antreffen, eben ſo wenig im Herbſt einen reinen wahren F. rufus Linn, und einen F. arundinaceus, Bechst. Der Kopf erſcheint immer nur erſt im Fruͤhlinge, gegen die neue Mauſer hin weiß, oft rein weiß, weil man von den bis auf die Dunen abgeriebenen Federn, die allein uͤbrig gebliebenen ſchwarzen Federſchaͤfte, wie ſchwarze Haarſtriche, in einiger Entfernung nicht bemerkt. Dieſe ſo verſtuͤmmelte Kopfbedeckung hat dann wuͤrklich einige Aehnlichkeit mit den Woll Köpfen mancher Geier. 0 27. i oeerhe Falco pygargus. Linn. Taf. 58. Fig. 2. junges Maͤnnchen. Fig. 1. altes Maͤnnchen. Aft a Fig. 2. altes Weibchen. Das Maͤnnchen: Blaue oder weiße Weihe, blauer Habicht, weißer Sperber, weißer und blauer Falke, Blau⸗Blei⸗ und Weiß⸗ r. 39% ( Ordn. IV. Gatt. 27. Korn⸗Weihe. falke, aſchfarbener Falke mit weißem ſchwarzgewuͤrfelten Schwanze, grauweißer Geier, blaues Geierchen, Blauvogel, Mehlvogel, Schwarzfluͤgel, Schwarzſchwinger, St. Martin, kleine Getraide⸗ weihe, kleine Halbweihe, kleiner Maͤuſe- und Huͤhnerhabicht, klei⸗ ner Spitzgeier, Kornvogel, Hühnerdieb. — Das Weibchen: Ringelfalke, Ringelgeier, Ringelſchwanz, Falke mit einem Ring um den Schwanz, Weißfleck, weißſchwaͤnziger Falke, Halbweihe, kleine Weihe, e Milane, kleiner Rohrgeier, Lerchen⸗ und Steingeier. In hieſiger Gegend: Kornvogel; das kennen Mehlvogel und blauer oder weißer Kornvogel. Meaͤnnchen. Falco cyaneus. Gmel. Linn. I. 1. p. 276. n. 10. = Falco bohemicus. Ibid. p. 279. n. 107. ==’ Falco montanus. Ibid. 278. n. 106. var. B. Lioisea st. Martin. Buff. ois. I. p. 212. Edit. de Deuxp. I. P. 217. t. 9. f. 1. = Id. Pl. enl: 459. Hen harrier. Lath. syn. I. 1. p. 88. n. 74. et supp. 22. Ueberſ. v. Bechſt. I. 1. S. 78. n. 74. — Falco albanella. Stor. deg. ucc. II. t. 35. De Swemmer. Sepp, nederl, Vog. IV. t. p. 391. —= Friſch Vogel. Taf. 79 und go. — Weibchen und junge Vögel: Falco pygargus. Gm. Linn. I. 1. p. 227. n. 11. — La Soubuse. Buff. ois. I. p. 215. t. 9. Ed. d. Deuxp. I. P 20 — Id. Pl. enl. 443. Ringtail. Lath. syn. I. I. p. 89. n. 75. Ueberſ. v. Bechſt. I. 1. S. 79. n. 75. Falco con il collare. Stor. deg. ucc. I. t. 31. — Falco macrourus? Gm. Linn, I. 1. p. 259; n..86., == Fin syn. I. 7. P. 59. n.41. Ueberf, v. Bechſt. S. 54. n. 41. ©. G. Gmelin Reiſe, I. S. 48. Falco cyaneus. Bechſtein ornith. Taſchenb. S. 25. n. 20. — Deſſen Naturg. Deutſchl. zte Aufl. II. S. 687. u. 21. - Meyer u. Wolf Taſchenb. S. 45. — Beckers ꝛc. Teutſche Ornith. Heft 8. — Meisner u. Schinz V. d. Schw. S. 17. n. 16. = Busard St. Martin. Temminck Man. d’orn. p. 26. —= Py- gargus dispar,. Koch Baier. Zool. I. S. 128. n. 54.=— Falco strigiceps. Nilsson orn. suec. I. p. 21.n 9. = Naumann Vögel, alte Ausg. IV. S. 180. Taf. 21. F. 34. (altes Weibchen). — Kennzeichen der Ar t. Ein deutlicher Schleier umgiebt den untern Theil des Geſichts, die Fluͤgel erreichen mit ihren Spitzen das Schwanzende nie; die erſte Schwinge iſt ſehr kurz, noch nicht ſo lang als die ſechſte; der Schwanz iſt gebaͤndert; die Iris gelb. Altes Maͤnnchen: Oben licht aſchblau, unten weiß, das Genick braun und weiß geſtreift; die erſte Schwinge ſchwarzgrau, die fünf folgenden ſchwarz, nach der Wurzel zu grau oder weiß, die uͤbrigen aſchgrau; der Schwanz ſchmal gebaͤndert; Iris hell⸗ gelb. Weibchen: Oben dunkelbraun, roͤthlichweiß gefleckt; un: ten weiß oder gelblichweiß, mit dunkelbraunen oder hell roſtbraunen 1. Ordn. IV. Gatt. 27. Korn Weihe 395 Lanzettflecken oder Laͤngsſtreifen; die Schwingen auf der untern Seite gebaͤndert; der Schwanz mit vier bis fuͤnf breiten dunklen Binden; Iris gelb. Junge Voͤgel: Oben dunkelbraun, roſtfarbig gefleckt; un⸗ ten gelbroͤthlich, mit braunen Laͤngsflecken, Schwingen und u wie am Weibchen; Iris braun. Beſchrei bung. Dieſer Vogel iſt kleiner und ſchlanker als die Rohrweihe. Er unterſcheidet ſich nach allen Verſchiedenheiten, die nur Alter, Ges ſchlecht und Jahreszeiten hervorbringen, ſtets durch den weißen Buͤrzel und den deutlich gebaͤnderten Schwanz von jener. Ob gleich, der großen Fluͤgel und des langen Schwanzes wegen, die | Laͤngenmaße von beiden faſt gleich ſind, ſo iſt die Kornweihe doch bei weitem ſchmaͤchtiger und das Volumen ihres Korpers viel ge⸗ ringer. Die alten Weibchen ſind A 21 bis 213 Zoll lang und 46 Zoll breit, der Schwanz 93 Zoll lang; die Maͤnnchen dagegen viel kleiner, ſelten über 184 Zoll lang, 44 Zoll breit, und der Schwanz mißt nur 83 Zoll. Dieſer iſt am Ende faſt gerade und die in Ruhe liegenden Fluͤgel erreichen mit ihren Spitzen dies nie ganz, ſondern laſſen oft noch 14 Zoll, bei jungen a noch mehr, uͤber 2 Zoll, davon unbedeckt. Der Oberſchnabel mißt im Bogen 1s bis 14 Zoll, wovon die Wachshaut allein 2 Zoll wegnimmt; die Höhe des ganzen Schna⸗ bels an der Wurzel betraͤgt im Durchſchnitt 8 Linien. Er kruͤmmt ſich gleich von der Wurzel aus, nehwͤlich der obere, hat auf der Schneide nahe am Hacken eine ſanfte, nicht immer auffallende, Ausſchweifung oder ſeichten Zahn, und endigt in eine ſcharfe Ha— ckenſpitze. Der ganze Schnabel iſt etwas zuſammengedruͤckt, ſchwarz, nur bei manchen nach hinten blaͤulich; die Wachshaut und das Raͤndchen des Augenliedes gruͤnlichgelb, bei den Alten hellgelb; die Iris bei dieſen praͤchtig gelb, bei den Jungen braun oder gelb mit Braun marmorirt; nie dunkelbraun. — Das große Nas ſenloch iſt laͤnglichrund; es iſt, wie die Wachshaut, mit aufwaͤrts ge⸗ kruͤmmten, uͤber dem Schnabel emporreichenden Borſten, welche auch die ganze Schnabelwurzel umgeben und beſonders an den Sir geln fehr dicht ſtehen, faſt ganz verdeckt. Wenn man die ſchlanken Fuͤße im Ganzen betrachtet, ſo haben die Laͤufe Aehnlichkeit mit denen des Sperbers, die Zehen aber mit 394 I. Ordn. IV. Gatt. 27. Korn⸗Weihe. denen der Buſſarde, und dieſer Vergleich bringt uns ſogleich auf eine richtige Idee von der Lebensart dieſes Vogels. Die langen duͤn⸗ nen Laͤufe find 3 bis 34 Zoll hoch, wovon von oben herab, unter der Fußbeuge, 13 Zoll lang befiedert, das übrige aber unten und oben grob getaͤfelt iſt. Von den kurzen duͤnnen Zehen mißt die mittelſte, welche mit der aͤußerſten an der Baſis durch ein Spannhaͤutchen verbunden iſt, ſammt der Kralle 23 Zoll; die Hinterzeh mit der Kralle 13 Zoll. Die Krallen ſind mittelmaͤßig, nicht ſehr ſtark ge⸗ bogen, duͤnn und ſehr ſpitz, Kamenz von Farbe, die Füße ſchoͤn hellgelb. Der alte maͤnnliche Vogel, im vollkommenen Zuſtande, trägt ein einfach ſchoͤn gefaͤrbtes Gewand. An ihm find Kopf, Schleier, der ganze Hals bis zur Oberbruſt herab, die mittelſten Schwanz⸗ federn und alle obern Theile, die ſchneeweißen obern Schwanzdeck⸗ federn ausgenommen, hell blaͤulichaſchgrau, am Kopfe, Hinter⸗ halſe, dem Rüden und an den Schultern am dunkelſten. Im Ge⸗ nick iſt eine dunkelbraun und weiß geſtreifte Stelle. Alle untern Theile, auch die untern Fluͤgeldeckfedern und die Wurzeln der Schwungfedern ſind ſchneeweiß, die vorderſten ſechs großen Schwin⸗ gen ſchwarz, die vorderſte mit grauem Saum, die hinterſten mit grauer Spitze und mit auf der innern Fahne herabziehenden wei⸗ ßen, ins Graue uͤbergehenden, Wurzeln; die uͤbrigen Schwungfe⸗ dern aſchgrau, nur auf der Innenfahne gegen das Ende hin ſchwaͤrz— lich. Die Schwanzfedern, vier bis ſechs der mittelſten ausgenom⸗ men, find weiß mit lichtgrauer Auſſenfahne und mehreren verloſche— nen, ſchwaͤrzlichen, abgekuͤrzten Querſtreifen. Von unten iſt der Schwanz ganz weiß. Fuͤße und Wachshaut ſind ſchoͤn hellgelb, der Augenſtern praͤchtig hochgelb. Das juͤngere Maͤnnchen, wie es nach der erſten Mau⸗ ſer, wenn es das braune Jugendkleid abgelegt hat, erſcheint, ſieht im Ganzen lichter aus: Der ganze Obertheil des Koͤrpers iſt ſehr ſchwach blaͤulichaſchgrau, mit faſt weißen Federraͤndern und einer braun und weißgefleckten Stelle im Genick; das Geſicht weiß, aſch⸗ blaͤulich gefleckt; der Ring oder die kleine Krauſe, welche das Ge— ſicht umgiebt, ſchneeweiß und ſehr hervorſtechend; der ganze uͤbrige Untertheil des Vogels, fo wie auch die Deckfedern unter den Flü- geln rein weiß. Die großen Schwingen ſind aſchgrau und bis zur fünften an der Endhaͤlfte braunſchwarz, mit gelblichweißen End: kaͤntchen. Unten iſt die Wurzelhaͤlfte der Schwingen, fo 'wie der Fluͤgelbug und Steiß ſchneeweiß, letzterer aber noch mit verſchiede⸗ J. Ordn. IV. Gatt. 27. Korn⸗Weihe. 395 nen herzfoͤrmigen aſchbraͤunlichen Flecken beſtreuet. Die Mittelfe⸗ dern des Schwanzes ſind wie der Ruͤcken, die uͤbrigen gelblich weiß, mit ſieben bis acht, nach auſſen blaͤſſer, braͤunlicher und ſchmaͤler werdenden, braungrauen Querbinden; welche auch auf der untern Seite durchſchimmern; die Kanten aller weiß; Augenſterne, Wachs⸗ haut und Füße lebhaft hellgelb; die Schnabelſpitze und die Krallen ſchwarz. Die ſchoͤne ſchlanke Geſtalt des maͤnnlichen Vogels, die fanften Farben feines Gefieders, welche fo ſchoͤn in einander überge: hen und aus welchen die ſchoͤnen lebhaften Augen und gelben Fuͤße fo lieblich hervorſtechen, machen ihn unſtreitig zu einem der ſchoͤn⸗ ſten unter den einheimiſchen Voͤgeln. Die weiße Bruſt hat oft feine graue Sgichelchen die durch die Federſchaͤfte entſtehen; aber nie habe ich an einem dieſer Vögel an dieſen Theilen Querſtreifen bemerkt. — Nicht allein die juͤngern Voͤgel find ſtets lichter als die alten, ſondern auch das junge Geſie⸗ der im Herbſt iſt viel dunkler als das Fruͤhlingskleid, wo es zwar noch daſſelbe Gefieder geblieben, aber merklich bleicher und lichter geworden iſt. Die Mauſer, welche bei alten Voͤgeln im Juli und Auguſt, bei juͤngern aber viel ſpaͤter faͤllt, geht, vorzuͤglich bei den erſteren, ſehr ſchnell von ſtatten, und man ſieht in dieſer Zeit ſehr oft Exemplare, welche ſehr rupfig und ganz bunt ausſehen. Sehr alte Maͤnnchen ſehen gleich nach der Mauſer von obenher oft ſo dun⸗ kel aus, daß man dieſe Farbe mit der des Schiefers a kann. — Das alte Weibchen ift fo auffallend vom alten Männchen verſchieden, daß es lange fuͤr eine ganz verſchiedene Art gehalten wurde. Hier die Beſchreibung eines alten weiblichen Vogels: Der Scheitel iſt ſchwarzbraun und roſtroth geſtreift; die braun⸗ gelben Augen und gelben Augenlieder umgiebt ein weißer Kreis, wel⸗ cher zur Seite der Schnabelwurzel mit langen ſchwarzen Borſthaͤr⸗ chen durchmiſcht iſt; von der Unterkinnlade zieht ſich ein roſtroͤth— lich und braungeſtreiftes Feld uͤber die Wangen bis zum Ohre hin; alsdann folgt ein von kurzen, dicht in einanderſtehenden, ſchmalen und abgerundeten Federn beſtehender Ring, welcher die Kehle und Wangen einſchließt und ſich nahe am Genick endigt. Die Federn dieſer kleinen Krauſe ſind weiß, hie und da roſtfarben angeflogen und jede hat in ihrer Mitte einen dunkelbraunen Streif. Die Hals⸗ federn ſind in der Mitte dunkelbraun und haben breite weiße, mit Roſtfarbe gemiſchte Kanten; uͤbrigens ſind die Federn auf dem gan⸗ zen Unterleibe weiß, und jede hat in ihrer Mitte einen braunen Laͤn⸗ 0 596 J. Ordn. IV. Gatt. 27. Korn⸗Weihe. geſtreif, welcher am Bauche und an den Schenkeln viel ſchmaͤler, roſtroͤthlicher, und auf den Seitenfedern größer iſt, als an den Bruſtfedern. Die Schwingen ſind graubraun mit breiten dunkel⸗ braunen Querbinden durchzogen, die großen auf der Auſſenfahne zwiſchen den Querſtreifen aſchgrau uͤberpudert; die mittleren Deck⸗ federn der Fluͤgel dunkelbraun, ſtark mit Weiß, auch hie und da mit bleicher Roſtfarbe gekantet; die kleinen Deckfedern und Ruͤcken⸗ federn dunkelbraun, mit blaſſen, licht roſtfarbnen Seitenflecken und weißlichen Saͤumen; die langen obern Deckfedern des Schwanzes ſchneeweiß. Die mittleren Schwanzfedern haben fuͤnf dunkelbraune und fuͤnf aſchgraue Querbinden, doch zeigt ſich meiſt noch eine, welche aber von den Buͤrzelfedern gaͤnzlich verdeckt wird; die an⸗ dern ſind an der Wurzel und in der Mitte weiß, an den Kanten roſtroͤthlich, die aͤußerſten Federn am lichteſten, und alle haben vier dunkelbraune Querbinden, welche an den Seitenfedern mehr ins Roſtbraune und an den Wurzeln derſelben ins Roͤthliche uͤberge⸗ hen; auch haben alle Ruderfedern roſtbraͤunlich weiße Spitzenſaͤu⸗ me. Im uͤbrigen ſind die Zwiſchenraͤume der Querbinden unter den Fluͤgeln und unter dem Schwanze weiß, und die untern Fluͤ⸗ geldeckfedern ſehen den Schenkelfedern gleich. Wachshaut und Beine ſind lebhaft gelb und der Schnabel blaͤulich mit ſchwarzer Spitze. Dem eben beſchriebenen alten Weibchen ſehen nun im Ganzen auch die jungen Voͤgel beiderlei Geſchlechts aͤhnlich. Sie wei⸗ chen nur etwa im Folgenden ab: Der Vorderhals, die Bruſt, überhaupt die untern Theile des Vogels find ſehr ſtark mit dunf- lem Roſtgelb uͤberflogen, die Laͤngsflecke ſtaͤrker ausgedruckt und mehr in Roſtbraun oder in Roſtfarbe uͤbergehend; dem Hinter— halſe iſt ebenfalls mehr Roſtfarbe eingemiſcht und die Randflecke und Spitzenſaͤume auf den kleinen Fluͤgeldeckfedern find hell roſtfar⸗ ben. Es iſt alſo uͤber dem ganzen Vogel mehr Roſtfarbe verbreitet, die denn das junge Maͤnnchen noch auffallender als das junge Weibchen aufzuweiſen hat, und wodurch ſich, die anſehnlichere Groͤße des letztern abgerechnet, beide ſtandhaft unterſcheiden. Das Gefieder der jungen Voͤgel iſt weich und ſeidenartig, und zeigt friſch an den obern Theilen einen ſchwachen Kupferglanz. Auch die Farben des weiblichen und Jugendkleides ſind dem Verbleichen und Verwittern ausgeſetzt, beſonders auffallend iſt dies an dem erſten Jugendkleide der Maͤnnchen, welches gegen die Mau⸗ ſer hin oft ganz lehmfahl wird. Solche Exemplare in der Mauſer I. Ordn. IV. Gatt. 27, Korn⸗Weihe. 397 begriffen, wo dann ſchon viele hellblaugraue Federn ſich zeigen, haben ein ganz eigenes Anſehen; denn der maͤnnliche Vogel dieſer Art wandelt ſein braunes Jugendgewand bei der erſten Mauſer gleich lin das blaugraue, wodurch ſich dieſe Art ſehr merkwürdig von der folgenden unterſcheidet. Von Reibungen leidet das Gefieder der Kornweihe bei weitem weniger als das der Rohrweihe, man ſieht es nie ſo abgetragen als bei dieſer, wovon die Urſache nicht ſchwer zu finden iſt, und offenbar in dem etwas verſchiedenen Aufenthalte beider liegt. Eigentliche Spielarten, die blos dem Zufall ihr Daſein ver⸗ danken, ſind mir bei dieſer Art nicht vorgekommen. Bechſtein erwaͤhnt eines Maͤnnchens, welches am Ende des Schwanzes eine ſehr breite dunkle Binde hatte, und eines mit ganz weißem Schwanze; dieſe moͤchten allenfalls hieher gehoͤren. Alle uͤbrigen Verſchieden⸗ heiten, wie ich ſie bereits beſchrieben, ſind Folgen des Alters, der ahreszeit oder des Geſchlechts, und ſo werden ſich alle vorkom⸗ enden nach obigen Angaben leicht beſtimmen laſſen. nee. Die Kornweihe findet ſich im waͤrmeren und gemaͤßigten Eu⸗ ropa, ſcheint aber im noͤrdlichen nicht hoch nach Norden hinauf zu gehen. In Afrika und im mittleren A ſien iſt fie auch, des⸗ gleichen im noͤrdlichen Amerika. In Deutſchland iſt ſie uͤber⸗ all, im Gebirge ſelten, deſto bekannter aber in den Ebenen, wenn dieſe beſonders mit Suͤmpfen und großen Getraidefeldern abwech⸗ ſeln. So iſt fie in Holland ſehr gemein, in der Schweiz da- gegen ſelten. Nie findet man dieſen Raubvogel in großen und fin⸗ ſtern Waͤldern, ſondern immer im Freien, auf Wieſen, bei Mo⸗ raͤſten, oder im Felde; und beſucht er ja den Wald, ſo ſind es ſtets nur ſolche Stellen in demſelben, wo ganz niedriges Gebuͤſch waͤchſt und wo nur einzelne Baͤume ſtehen, oder in jungen Schlaͤ⸗ gen, in der Naͤhe des Feldes oder bei Gewaͤſſern. Waſſer muß er immer in der Naͤhe haben; ſolche großen duͤrren Felder, wo dies fehlt, ſehen ihn ſeltner als andere. Im noͤrdlichen Deutſchland iſt er ein Zugvogelz er ziehet vom Ende des Auguſts bis im Okto⸗ ber von uns und ſtellt ſich im Maͤrz oder April, manchmal auch fruͤher, wieder bei uns ein. Nur in ſehr gelinden Wintern bleibt zuweilen einer hier. 398 I. Ordn. IV. Gatt. 27. Korn⸗Weihe. 5 Eigenſchaften. Die ſchlanke Geſtalt dieſes Vogels läßt auf eine ziemliche Ge⸗ wandheit in ſeinen Bewegungen ſchließen; aber ſie iſt ganz andrer Art als die kraͤftige Schnelle der Habichte und Edelfalken, eine Leichtigkeit ohne großen Kraftaufwand, vielmehr mit einer guten Portion Pflegma gepaart. Er iſt uͤberaus leicht gebauet, ſein Flug daher ſanft, aber ſchwankend und unſicher, ſchwimmend und mit matten Fluͤgelſchlaͤgen abwechſelnd, ausgezeichnet durch die ſchmalen vorn abgeſtutzten Flügel. Sehr ſelten ſchwingt er ſich zu einer be⸗ traͤchtlichen Hoͤhe auf, ſondern ſchaukelt und wiegt ſich immer nie⸗ drig uͤber Felder und Wieſen dahin, langſam, doch mit einer eige⸗ nen Leichtigkeit und Ausdauer. Der Flug aͤhnelt ganz dem der Eulen, beſonders der Wieſeneule. Man ſieht ihn den groͤßten Theil des Tags umherfliegen, und wenn er, um auszuruhen, ſich ſetzt, ſo waͤhlt er dazu einen Stein, kleinen Huͤgel oder eine freie ebene Stelle. Er verabſcheuet die Baͤume, uͤbernachtet auch nur im hoͤch⸗ ſten Nothfall auf der hoͤchſten Spitze eines ſolchen der einzeln oder am Ende eines Waldes ſtehet. Fuͤr gewoͤhnlich haͤlt er in einer Feldhecke an der Erde, oder im langen Graſe, Schilfe oder Ge— traide ſeine Nachtruhe, zu welcher er ſich erſt dann begiebt, wenn eben voͤllige Nacht eintreten will. Seine Stimme hört man ſelten, nur wenn er den Schuhu ſahe, oder des Abends paarweiſe uͤber dem Korne herum flog, hoͤrte ich ein ſanftes Gaͤgergaͤg gaͤg! von ihm. In der Angſt ſchi⸗ ckert er wie ein Sperber, und beim Neſte hoͤrt man oͤfters ein durchdringendes Piepen. In der Mauſerzeit, wo der Vogel un⸗ gern fliegt, weil der Federwechſel ziemlich ſchnell von ſtatten geht, wählt er ſich gewöhnlich im langen Graſe großer Wieſen ein einſa⸗ mes Plaͤtzchen, wo er mehrere Stunden des Tags, beſonders um die Mittagszeit, zubringt, um ſein Gefieder in Ordnung zu brin⸗ gen. Solche Stellen erkennt man am niedergetretenen Graſe und an der Menge damit beſtreueter alter Federn und Federhuͤlſen. Auf dem Boden laͤuft und ſpringt dieſe Weihe ziemlich ſchnell und geſchickt. Daß fie nicht unter die ganz feigen Raͤuber gezahlt wer⸗ den darf, beweißt folgende Thatſache: Einſt ſchoß ich auf einen Wanderfalken, welcher ſtark verwundet fort flog; ſogleich ſetzten ihn einige herbeieilenden Kraͤhen nach, mit welchen eine ebenfalls herbeikommende Kornweihe gemeinſchaftliche Sache machte, den Geaͤngſteten unablaͤſſig verfolgen half und ſo weit nachſetzte, bis endlich dieſe Hetze mir aus dem Geſichtskreiſe verſchwand. * t 1 * I. Or bn. IV. Gatt. 27. Korn: „ 399 e e N a her len ges | Froͤſche und Maͤuſe ſind die gest t Speiſe dieſes Raub⸗ vogels, er naͤhrt ſich jedoch nebenbei noch von mancherlei andern Geſchoͤpfen. Sein Kunſtgriff, beim Fange ſeines Raubes, beſte⸗ het darinn, die auf der Erde ſitzenden Thiere, Voͤgel und Inſekten unverſehens zu uͤberfallen. Er ſchwimmt daher langſam und nie⸗ drig uͤber der Erde hin, ſiehet dabei beſtaͤndig unter ſich und fall, ſobald er etwas gewahr wird, ploͤtzlich darauf. Dieſes treibt er, gegen die Gewohnheit andrer Raubvoͤgel, beſonders des Abends gleich nach Sonnenuntergang ſehr ſtark, und faͤngt Maͤuſe, Ham⸗ ſter u. dergl. die dann, um ſich Nahrung einzutragen ‚aus ihren Höhlen hervor gehen. Er raubt auch junge Haſen, junge und alte an der Erde ſitzende Vögel, Eidechſen und Inſekten. Die Rebhuͤh⸗ ner aͤngſtiget er gar ſehr, kann ihnen aber im Fluge nichts anha⸗ ben, weswegen ſie auch jedesmal, ſobald ſie ihn kommen ſehen, die Flucht ergreifen und ſich im langen Getraide, Kohl oder Ge⸗ ſtraͤuche ſo ſchnell als moͤglich zu verbergen ſuchen. Dieſen Ort bemerkt und durchſucht er nun genau, flattert immer uͤber denſelben herum, fällt oftmals nieder als wenn er wonach griffe, fliegt wie⸗ der auf, und treibt dies Weſen oft ſo lange, bis es eins verſieht und ſich von ihm ertappen laͤßt. Vom Weibchen ſieht man dies noch öfterer als von dem zaghaftern Männchen. Sonſt fangen fie auf dieſe Art auch andere kleinere Voͤgel, die kleinern Rohrhuͤhner, Bekaſſinen und andere Sumpfoögel. Die Eier und Jungen dieſer, wie vieler Waſſervoͤgel, haben an dieſem Raubvogel einen argen Feind, da er in der Brutzeit groͤßtentheils von jungen Voͤgeln und Vogeleiern lebt. Im Fluge faͤngt er nichts, ſondern treibt und aͤngſtiget die Voͤgel ſo lange herum, bis ſie halb entkraͤftet ſich von ihm ergreifen laſſen. Die Lerchen uͤberraſcht er ſehr oft im Sitzen, und zerſtoͤrt, da er ihnen Eier und Junge raubt, eine unzaͤhlige Menge Bruten derſelben. Unter den Inſekten ſind die Heuſchrecken ſeine Lieblingsſpeiſe. Aas beruͤhrt er nie. Seinen Raub verzehrt er meiſtens an der Stelle wo er ihn fing, ſelten traͤgt er ihn eine kurze Strecke auf einen EN Stein oder ſonſtige Erhoͤ⸗ hung. e Da die Kornweihe nie auf Bäumen niſtet, fo kann fie auch nicht fruͤhzeitig dazu Anſtalt machen; ſie muß warten bis das Win⸗ tergetraide, das Schilf oder Grgs ſchon etwas lang geworden iſt, 400 I. Or dn. IV. Gatt. 27: Korn⸗Weihe. woruͤber nicht ſelten die erſte Haͤlfte des Maimonats vergeht. Sie horſtet in unſern Gegenden allemal an der Erde, entweder in einem Strauch auf jungen Holzſchlaͤgen oder in ſumpfigen Weidengebuͤ⸗ ſchen, oder in großen weitlaͤufigen Feldern im langen Korn (Ro⸗ cken), in großen Raps⸗- oder Ruͤbſaatſtuͤcken, oder auch in großen Bruͤchen im Rohr oder auf einer Kufe, in einem Strauch auf einer großen Wieſe, und wie man ſagt, zuweilen gar in alten Steinbruͤ⸗ chen. Das Neſt oder der Horſt iſt ein großer Klumpen trockner Reiſer, Gras, Rohrhalmen, Miſt, Kartoffelſtengel, u. dergl. in⸗ wendig mit Thierhaaren, Federn, Moos und andern weichen Ma⸗ terialien ausgelegt. So iſt es gewoͤhnlich; allein oft werden auch dieſe Umſtaͤnde nicht gemacht; wenige duͤrre, in die Runde, auf ein eingedruͤcktes Schilfhuͤgelchen, gelegte Rohr⸗ und Strohhalme bilden oft das ganze Neſt. Da ſie oft mehrere Neſter bauen, ehe ſie in eins legen, ſo moͤgen die vordraͤngenden Eier ſie manchmal zwin⸗ gen in eins zu legen, welches auszubauen nun zu ſpaͤt war. Das Weibchen legt vier bis ſechs gruͤnlichweiße ungefleckte Eier, welche aber oft auch Zuͤge und Flecke von einer ſchmutzigen gelblichbraunen Farbe haben, bebruͤtet fie drei Wochen, und erzieht die Jungen meh⸗ rentheils mit jungen Voͤgeln, Inſekten, Maͤuſen und Froͤ⸗ ſchen. Die Jungen machen, wie die jungen Rohrweihen, ein pie— pendes Geſchrei, auf die Art wie die jungen Hühner aber ſtaͤrker. In dieſer Zeit ſind die Alten ſehr raubgierig und holen das Futter fuͤr jene in einem weiten Revier, was ſie taͤglich date zuſammen. V Mit den Kraͤhen leben ſie im ſteten Streite, auch werden ſie von den Schwalben, beſonders aber von den weißen Bachſtelzen mit aͤngſtlichem Geſchrei heftig verfolgt. Die Kiebitze ſuchen ſie mit klaͤglicher Stimme und heftigen Biſſen von ihren Brutplaͤtzen zu vertreiben. Sonſt wohnen noch Eingeweidewuͤrmer in und Schmarotzerinſekten auf ihrem Koͤrper. Jagd. Wenn man ihn fangen will, muß man auf dem Felde oder auf Wieſen, und zwar an der Erde nach ihm aufſtellen. Die Lock⸗ ſpeiſe 0 lebende Maͤuſe oder Sperlinge ſein; man wird ihn aber dennoch nicht oft beruͤcken. Eher bekoͤmmt man ihn auf dem Lerchenheerde. Im Walde faͤngt man ihn ſelten oder gar nicht. IJ. Ordn. IV. Gatt. 27. Korn: Weihe, 401 Auf den Kraͤhenhuͤtten baͤumet er auch nur ſelten auf, fliegt immer um den Uhu herum, und muß im Fluge gefchoffen werden, wobei man, weil er bald wieder fort fliegt, eben nicht lange zaudern darf. Uebrigens iſt er ſcheu und man kann ihm ſchwer ſchußmaͤßig ankom⸗ men. Beim Neſte iſt er leichter zu ſchießen; auch wenn man ihn ins lange Getraide niederfallen ſieht und ſchnell hinzu laufen kann, ſo wird es bisweilen moͤglich, ihn durch den Schuß zu ereilen. Nutz en. Er wird durch Vertilgung der Feldmaͤuſe, Henftechen und vieler anderer ſchaͤdlicher Inſekten einigermaßen nuͤtzlich. Auch ſol⸗ len Verſuche, ihn zur Baitze A Rebhuͤhner abzurichten, nicht miß⸗ lungen ſein. Schaden. Er thut großen Schaden an den Bruten der Voͤgel, die im Felde oder ſonſt im Freien an der Erde niſten, denn er beſitzt eine außerordentliche Fertigkeit im Aufſuchen der Neſter, und zerſtoͤrt taͤglich eine große Menge derſelben. Ich habe einſt geſehen, wie eine Kornweihe, im langen Rocken, nach einem jungen Hafen ſtieß; aber die alte Haͤſin vertheidigte ihr Kind herzhaft, ſprang hoch uͤber das Getraide in die Hoͤhe und biß nach dem Raͤuber, ſo daß fdiefer unverrichteter [Sache abziehen mußte. Den Rebhuͤh— nern thut dieſe Weihe ebenfalls vielen Abbruch; hat ſie einmal ein Volk feſtgemacht, ſo geht ſie nicht leicht, ohne eins Beute gemacht zu haben, ab. Den Tauben fuͤgt ſie kein Leid zu, auch raubt ſie bei uns nicht in der Nähe der Gehoͤfte, wie man von ihr im ſuͤdli⸗ chen Frankreich ſagt, daß ſie dort an dem jungen Federviehe viel Schaden thue. Im noͤrdlichen Deutſchland ſcheuet je die Pen lichen Wohnungen ſehr. f Anmerk. Was im Obigen von dem Farbenwechſel dieſes Vogels geſagt wurde, begruͤndet ſich lediglich auf zahlreiche ſelbſt angeſtellte Beobachtungen; daher die mancherlei Abweichungen von den Angaben meiner Vorgaͤnger. Die Verwirrung, die ſonſt wol über dieſe Art in den Schriften der Naturforſcher herrſchte, und welche hauptſaͤchlich durch die Vermengung dieſer und der folgenden Art entſtand, des alten, nun laͤngſt verſchwundenen Glaubens, eine braune und eine grauweiße Art Kornwei⸗ hen anzunehmen, nicht zu gedenken, hoffe ich, durch ſorgfaͤltige Beſchreibungen und genaue Abbildungen der alten und jungen Vögel, dleſer und der hier folgenden Art, nun gehoben zu haben. Ich that alles, was in meinen Kraͤften ſtand, dieſe verwickelte * Sache aufzuhellen. Ob und wie weit es mir damit gelungen iſt, wird ſich dem For⸗ ſcher bald darthun, wenn er ſich die Muͤhe geben will, die Geſchichte unſrer beiden intereſſanten Voͤgel in der Natur zu ſtudiren und mit meinen Ungaben zu vergleichen. 26 — — — —ä4 28. Die Wieſen⸗ Weihe. Falco czneraceus. Montagu. Fig. 1. altes Maͤnnchen. Taf. 40. Fig. 2. junges Maͤnnchen. Fig. J. junges Weibchen. Kleine Weihe, kleiner eee Bandweihe, blaurothe Weihe. ö . Falco cineraceus. Montagu Ornithological Dictionary. == Falco griseus? Gmel. Linn, I. 275. n. 100. Nilsson ornith. Suec. I. p. 24. (Falco stzigiceps) Var. C, (altes M.) Var. E. (junges M.) Var. F. (altes W.) = Junge Bögen. Falco 1 Gmel. Linn, I. 277. n. 19. — Falco ee Ibid, n. 103. Le Busard rouz. Vieill. Ois, d' Am. Sept, I. 36. pl. 9. Hudsons-Bay ‚Ringtail and Cayene Ringtail. Lath. syn. I. 1. 91. n. 76. Ueberſ. v. Vechſt. 1. 1. S. 83. n. 76. — Meyerw Wolf Taſchenb. I. S. 46 u. 47. (Falco cyaneus) Var. H. und Var. K. = Teutſche Ornith. v. Becker ꝛc. Heft 8. als junges M. v. F. cyaneus beſcht. Naumanns Bügel. IV. S. 18% Taf. 21. Fig. 33. junges W. l Kennzeichen der Art. Der Schleier undeutlich; die Fluͤgel ſehr lang, mit den Spitzen bis gegen und uͤber das Schwanzende e Schwanz mit vier bis fuͤnf dunkeln Binden. Altes Maͤnnchen: aſchblau; Bauch und Schenkel weiß mit roſtrothen Schaftſtrichen; Schwingen erſter Ordnung ganz ſchwarz, die der zweiten lichtaſchblau mit einem ſchwarzen Quer bande durch die Mitte; Iris hochgelb. 5 Altes Weibchen und jüngere Maͤnnchen: braungrau; Scheitel roſtroth und ſchwarz geſtreift; Unterleib weiß, mit kleinen undeutlichen roſtfarbenen Flecken; Iris blaßgelb. Junge Voͤgel: Von unten durchaus roſtfarben, ohne Fle⸗ cke, von oben dunkelbraun mit roſtfarbenen Spitzenſaͤumen der \ Federn; unter dem Auge ein weißer Fleck und unter dieſem, auf den Wangen, ein großer dunkelbrauner; der Buͤrzel weiß; Schwung⸗ und e, mit dunkeln Querflecken; Iris dunkelbraun. 1. Ordn. IV. Gatt. 28. Wiefen- Weihe, 405 9 fichte i b un g Dieſer Vogel unterſcheidet ſich, auſſer den eben angefuͤhrten d e von der K ornweihe noch durch einen weit ſchwaͤch⸗ den Füßen kn dert wird, wache letztere auch verhalten kuͤrzere Zehen haben; durch die laͤngern Fluͤgel; den weniger auf⸗ fallenden Schleier; durch die helle und dunkle Zeichnung der Wan⸗ gen, welche auch durch das lichte Aſchblau des Maͤnnchens hervor⸗ ſticht, und durch den weniger auffallenden weißen Buͤrzelfleck. Der Rumpf des maͤnnlichen Vogels dieſer Art hat kaum die Groͤße des beim alten Sperberweibchens; allein die groͤßern Glied— maaßen, beſonders die langen Schwung- und Schwanzfedern ge— ben ihm ein weit groͤßeres Anſehen. Die Laͤnge betraͤgt 17 bis 18 Zoll, und die Fluͤgelbreite 463 Zoll; die Länge des Flügels von der Handwurzel bis zur Spitze 15% Zoll, und die des etwas abge⸗ rundeten Schwanzes 83 bis 9 Zoll. In Ruhe liegend reichen die Fluͤgel mit ihren Spitzen bei jungen Voͤgeln beinahe bis ans Ende des Schwanzes, bei aͤltern gehen ſie aber oft noch etwas uͤber daſ— ſelbe hinaus. Die Weibchen 1 die Maͤnnchen gewoͤhnlich in der Laͤnge um 1 Zoll. Der ſchwarze Schnabel iſt ſchwaͤchlich, ſchmal, in einem flachen Bogen gekruͤmmt, die Schneiden gerade, meiſtentheils ohne eine Spur von Ausſchweifung. Er mißt im Bogen 1 Zoll, wovon 4 Linien auf die Wachshaut abgehen, und iſt an der Wurzel im Durchſchnitt durch beide Kiefern 2 Zoll hoch. Wachshaut, Mund- winkel und Augenlieder ſind gelb; das Naſenloch laͤnglichrund; die Iris bei jungen Voͤgeln braun, dann braungelb und im Alter ſchoͤn zitronengelb. 5 Die ſchlanken Fuͤße haben duͤnne Fußwurzeln und ziemlich kurze, ſchwaͤchliche Zehen, beide von einer ſchoͤnen gelben Farbe, die in der Jugend blaͤſſer ift, als bei alten Voͤgeln; die dünnen, ſehr ſpitzigen, aber flach gekruͤmmten Krallen ſind ſchwarz. Die Fuß⸗ wurzel iſt am obern Gelenk nur wenig befiedert, vorn geſchildert, 23 Zoll lang; die äußere Zeh iſt 10 Linien, die mittlere 14 Zoll, die innere 7 Linien und die hintere 5 Zoll lang, alle ohne Krallen gemeſſen; die Kralle der Hinterzeh aber im Bogen 7 Linien lang. In den Farben des Gefieders herrſcht zwiſchen beiden Geſchlech— tern eine eben ſo große Verſchiedenheit, wie bei der Kornweihe, ja hier giebt es ſogar noch eine dritte Hauptverſchiedenheit, das Kleid der alten Weibchen und zweijaͤhrigen Maͤnnchen. Es iſt durchaus 404 I. Stdn. IV. Gatt. 28. Wieſen⸗Weihe. verſchieden von dem des ganz alten Maͤnnchens und auch von dem der jungen Voͤgel. Am alten Maͤnnchen ſind Wachshaut, Iris ai Füße ſchoͤn gelb; die Zügel haben auf graulichem Grunde ſchwarze ge= kruͤmmte Borſthaare, welche am Schnabel herum ziemlich lang und zahlreich ſind; das Auge umgiebt eine ſchwaͤrzliche Stelle und unter demſelben ſieht man ein weißliches Fleckchen, auch das Kinn iſt weißlich; das Uebrige des Kopfes, die Kehle, der Hals von oben und unten, die Bruſt, der Ruͤcken, die Fluͤgel, bis auf die großen Schwungfedern, ſind hell aſchblau, am Scheitel, am Ruͤcken und an den Fluͤgeldeckfedern am dunkelſten, faſt ſchieferblau, beſonders an den Enden der Federn, wodurch die Flügel bei manchen Exem⸗ plaren ordentlich gefleckt erſcheinen. Im Genick iſt eine Stelle, wo die großen weißen Wurzeln der Federn in Flecken hervorſchimmern; faſt eben ſo iſt es auch am Steiß, doch ſind hier eigentlich die letzte Reihe der obern Schwanzdeckfedern weiß mit grauen Querbaͤndern und dergleichen Spitzen; die Wangen ſind dunkler als ihre Umge⸗ bungen und der Schleier wenig bemerkbar, weil er von eben der Farbe iſt, wie der Hals. Ein Theil der Unterbruſt, der Bauch, die Schenkel, Weichen und die untern Schwanzdeckfedern ſind weiß, hin und wieder aſchblau gemiſcht, mit ſchoͤn roſtrothen Schaftſtrichen und Lanzettflecken. Von den Schwingen erſter Ordnung ſind die erſten ſechs durchaus bis an die Wurzel ſchwarz, die ſiebente hat eine grauliche Spitze, welche Farbe ſich an den noch uͤbrigen dreien mehr und mehr ausbreitet; die eite Sebring ift licht aſchblau und quer durch ihre Mitte läuft ein 2 bis 2 Zoll breites ſchwarzes Band; — nahe an der Wurzel befindet ſich zwar noch ein aͤhnliches . doch wird es von den großen Dedfedern gänzlich ver: ſteckt. Das ſichtbare ſchwarze Querband verlaͤuft zackicht in die dritte Ordnung der Schwungfedern. Von unten her hat der Fluͤgel folgende Farben: die großen Schwingen ſind durchaus ſchwarz, ihre Deckfedern weiß mit breiten ſchwarzen Binden, die übrigen Schwin- gen weiß, mit grauen Enden und durchſchimmernder Mittelbinde, ihre Deckfedern und alle uͤbrigen großen Federn unter dem Fluͤgel und unter der Schulter weiß, mit breiten ſchoͤn roſtrothen Querbin⸗ den, die untern kleinen Deckfedern und der Fluͤgelrand weiß. Die beiden Mittelfedern des Schwanzes ſind einfarbig aſchgrau, blau uͤberlaufen; die folgenden tragen dieſe Farbe nur auf der aͤuſſern Fahne, ſie wird aber nach und nach lichter und geht an der aͤußer— ſten ins roͤthliche Weiß uͤber; die innern Fahnen aller ſind weiß, ” / I. Ordn. IV. Gatt. 28. Wieſen⸗Weihe. 405 am Ende mit einer graulichen Binde, uͤbrigens aber noch mit drei bis vier roſtfarbenen Querbinden, die nach der aͤußerſten Feder zu deutlicher und ſchoͤner roſtroth werden, am Schafte abgeſetzt ſich aber auch etwas uͤber die aͤußere Fahne ausbreiten. Von der untern Seite iſt der Schwanz weiß mit vier roſtroͤthlichen Querbinden. In der Hoͤhe und Tiefe der blaugrauen Farbe findet man man⸗ che Abaͤnderungen; denn nach der Mauſer im Herbſt iſt ſie dunkler als im Sommer, kurz vor der Mauſer, weil ſie da Luft und Sonne abgebleicht haben; auch ſind die aͤltern Voͤgel dunkler gefaͤrbt als die juͤngern. 5 Dieſe Weihe unterſcheidet fich dadurch ſehr von der vorherge— henden, daß die jungen Maͤnnchen nicht bei der erſten Mauſer gleich das braune Jugendgewand mit dem blaugrauen des vollkommenen Vogels vertauſchen, ſondern im zweiten Jahr ein Kleid tragen, was von dem einen ſo wenig Aehnlichkeit, wie von dem andern, hat. — Ein zweijaͤhriges Maͤnnchen, was ſich eben zum zweiten⸗ male maufern wollte, indem am Hinterhalſe ſchon einzelne blau graue neue Federn zum Vorſchein kamen, wurde hier im vorigen Jahr am 26ſten Auguſt auf einem Vogelheerde gefangen. Es be— ſtaͤtigte mir alles das was ich vorläufig durch Mittheilung eines flei⸗ ßigen Beobachters ) uͤber den Farbenwechſel dieſer Weihenart er⸗ fahren hatte. Die Laͤnge dieſes Maͤnnchens betraͤgt 172 Zoll; Schnabel und Fuͤße ſind wie gewoͤhnlich, die Augenſterne blaßgelb. Stirn, Augenkreis und Kehle ſind weiß, der Schleier weiß und grau gefleckt; die Wangen nach vorn roſtroͤthlich, hinten graulich, braun geſtreift. Der ganze Unterleib iſt weiß, am Vorderhalſe und Kropfe mit etwas grauer und roſtgelblicher Miſchung, und ein⸗ zelnen braunen Schaftſtrichen, übrigens rein, nur an der Ober- bruſt, in den Seiten und am After mit kleinen, wie verwiſchten, dunkelroſtgelben Flecken an den Spitzen der Federn, welche braune Schaͤfte haben. Der Scheitel iſt in der Mitte roͤthlichgrau, an den Seiten aber hell roſtfarben, beides unordentlich dunkelbraun ge⸗ ſtreift; das Genick weiß und dunkelbraun geſtreift; Nacken, Ruͤcken, Steiß, Schultern und Fluͤgeldeckfedern braungrau, etwas ins Roͤthliche ſpielend (roͤthlich Maͤuſefahl), an den Schul⸗ tern und kleinen Fluͤgeldeckfedern mit etwas undeutlichen ſchmalen ) Herr Joh. Natterer aus Wien, welcher dieſe Art ſchon ſeit mehreren Jah⸗ ren kannte, und von der Kornweihe unterſchied, mir auch ſeine gemachten Be⸗ obachtungen von Zeit zu Zeit mitgetheilt hatte. 5 N 406 I. Ordn. IV. Gatt. 28. Wieſen⸗Weihe. Endſaͤumen von weißlicher Roſtfarbe, welche jedoch nur an den letz⸗ tern etwas auffallen. Nacken und Steiß ſind ſtark mit aſchgrau uͤberlaufen; die letzten obern Schwanzdeckfedern weiß, jede am Ende init einem dunkelgrauen Fleck. Die beiden Mittelfedern des Schwanzes ſind braͤunlichaſchgrau, mit ſieben undeutlichen Schat⸗ tenbinden; die folgenden beiden eben ſo, doch mit deutlichern Bin⸗ den; nun wird die Grundfarbe weißer, die Binden dunkler, ins Braune, endlich, auf voͤllig weißem Grunde, ins Roſtfarbene uͤbergehend, und die aͤußerſten haben an den Stellen der Binden, auf der Auſſenfahne, endlich nur noch kleine Roſtflecke, auf der in⸗ nern Fahne aber noch Punkte und Laͤngeſtriche von dunkelgrauer Farbe. Die Schwingen ſind grau, die großen mit ſchwaͤrzlichen Enden. | Das junge Männchen im erſten Jahr hat folgende Far: ben: der Schnabel iſt ſchwarz, Wachshaut und Fuͤße gelb, die Iris braun; an den Zuͤgeln ſtehen auf graulichem Grunde, viele lange, gekruͤmmte ſchwarze Borſten; ein Kreis ums Auge iſt ſchwarz, ein Fleck uͤber und unter demſelben weiß; Kinn und Stirn roͤthlichweiß; Scheitel, Nacken und die Halsſeiten roſtfarben, dun⸗ kelbraun ſchwach gefleckt; im Genick zeigen ſich einige weiße Fleck⸗ chen, die aber die Enden der Federn verdecken; die Wangen dunkel— braun; der Schleier wenig bemerkbar, hinten roſtfarben und braun gefleckt, vorn einfarbig hell roſtfarben, welche letztere Farbe einzig und allein uͤber alle untern Theile vom Kinn bis zum Schwanz, auch uͤber die untern Fluͤgeldeckfedern, verbreitet iſt. Die Ruͤcken⸗ die Schulter- und Fluͤgeldeckfedern ſind dunkelbraun mit hellroſtfar⸗ benen, halbmondfoͤrmigen Endſaͤumen, ſo auch die hintern Schwin⸗ gen; die zweite Ordnung derſelben aber ſchwarzbraun mit braͤun⸗ lichweißen Endkaͤntchen; die großen Schwingen am Ende ſchwarz, in der Mitte ſchwarzgrau mit verloſchenen ſchwarzen Querflecken, nach der Wurzel zu auf der innern Fahne weiß und grau marmo⸗ rirt, die vordern auf der aͤußern Fahne, zwiſchen den Querflecken aſchgrau uͤberpudert. Von der untern Seite ſind die großen Schwingen an der Endhaͤlfte ſchwarz, nach der Wurzel zu auf der breiten Fahne aber weiß mit ſchwarzen Querflecken und marmorar⸗ tigen Zeichnungen. Die letzte Reihe der obern Schwanzdeckfedern iſt weiß, roͤthlich gemiſcht, mit ſchwarzen Schaͤften; der Schwanz von oben her dunkelbraun, aſchgrau bepudert, mit vier ſchwarzen Querbinden und roſtroͤthlicher Endkante; die letztere Farbe verbrei⸗ tet ſich auf den innern Fahnen der Schwanzfedern nach und nach ſo, JI. Ordn. IV. Gott. 28 Wieſen⸗Weihe. 40 daß ſie an der aͤußerſten die Grundfarbe wird und ſich an ſelbiger auch uͤber die äußere Fahne verbreitet. Von unten iſt der Schwanz roͤthlichweiß mit durchſchimmernden dunkeln Binden. Das Gefie⸗ der hat an den obern Theilen einen ſeidenartigen Glanz. Manche junge Maͤnnchen ſind von unten her ſo dunkel, daß man dieſe Farbe kupferroth nennen koͤnnte. — Das Weibchen ſieht dem jungen Maͤnnchen ſehr ähnlich, iſt aber jederzeit größer, zuweilen nur einen, manchmal aber auch mehrere Zolle. Unter vielen, welche ich ſahe und unterſuchte, war das groͤßeſte 213 Zoll lang und 48 bis 49 Zoll breit, eine Ausmef: ſung welche auch bei der Kornweihe oft nicht groͤßer vorkoͤmmt; da⸗ gegen iſt aber dieſe weit ſtaͤrker von Koͤrperbau als unſre ſchlanke Wieſenweihe, bei welcher die Fluͤgel, welche von der Handwurzel bis zur Spitze 17 Zoll meſſen, den 10 Zoll langen Schwanz bis auf 14 Zoll bedecken. Die Laͤnge des Laufs bei einem fo gro⸗ ßen Exemplar beträgt gegen 54 Zoll, die der Mittelzehe ohne Kralle 1 Zoll 5 Linien, die Hinterzeh eben ſo gemeſſen kaum 4 Zoll, die Kralle derſelben im Bogen uͤber 1 Zoll. Der Schnabel ir im Bo: gen 1 Zoll 2 Linien lang. ö Gewoͤhnlich find die Weibch en nicht ſo dunkel an den un⸗ tern Theilen, als die jungen Maͤnnchen, und gegen die Mauſer hin bleicht dieſe Farbe bei beiden ſo ſehr ab, daß ſie dann von un⸗ ten, zumal die Weibchen, nur weißroͤthlich oder ganz ſchwach roſt— farben ausſehen. Auch an den obern Theilen verbleichen die Far⸗ ben auf eine auffallende Weiſe. Das eben beſchriebene, dem des jungen Männchen ähnliche, Kleid behalten indeß die Weibchen dieſer Art nicht fuͤr immer, ob es gleich ſcheint, daß ſie ein Alter von mehreren Jahren erreichen moͤ⸗ gen, ehe ſie es mit einem andern vertauſchen. Die ſehr alten Weibchen erhalten naͤmlich, nach mehrmaligen Mauſern, ein dem oben maͤuſefahlen, unten weißen Kleide der zweijaͤhrigen Maͤnnchen, ganz aͤhnliches Gewand. Dieſe roͤthlichgraue Maͤuſe⸗ farbe iſt, genau genommen, eine wirkliche Mitteltinte zwiſchen der braunen Jugendfarbe und der blauen Farbe der alten Maͤnnchen. Wuͤrde der Mahler die aſchblaue und roͤthlichdunkelbraune Farbe zuſammen miſchen, ſo wuͤrde jenes Falb entſtehen. — Ein Farben⸗ wechſel, nach dieſen Verhaͤltniſſen, ſcheint einzig nur bei dieſer Art vorzukommen. Bei der ihr ſo nahe verwandten Kornweihe iſt es ganz n wie oben in der Beſchreibung derſelben nachgeſehen werden kann. — 408 I. Ordn. IV. Gatt. 28. Wiefen- Weihe Aufenthalt. Die Wieſenweihe ſcheint über eben die Laͤnder verbreitet wie die Kornweihe; vielleicht geht ſie noch weiter ſuͤdlich. Sie iſt in Europa bis Rußland und Schweden, in England und andern Europaͤiſchen Laͤndern, im mittleren Aſien, in Afrika und in Amerika, von der Hudſonsbay bis Cayenne hins ab. In Deutſchland koͤmmt ſie zwar nicht ſo haͤufig, als die Kornweihe vor, doch iſt ſie in allen den Strichen, wo es dieſe giebt, eben nicht ſo ſehr ſelten, als man bisher geglaubt hat. Man darf ſie weder in Waͤldern noch in waldichten Gebirgen ſuchen; ſie liebt vielmehr das Freie, beſonders große Wieſen laͤngs Fluͤßen, Baͤ⸗ chen und Waſſergraͤben, weitläufige Moraͤſte, beſonders wenn fie von weiten Getraidefeldern umgeben ſind, und hin und wieder Buſchweiden und anderes Geſtraͤuch haben. Die einſamſten Ge— genden ſind ihr die liebſten und ſolche Felder, wo die Doͤrfer nahe aneinander liegen, ſieht man ſie ſelten durchſtreifen. Wieſen und Suͤmpfe ſcheint ſie den trocknen Feldern ſtets vorzuziehen. Sie iſt ein Zugvogel, der Anfangs März ankoͤmmt und im Oktober weg- zieht; ſehr ſelten ſieht man in gelinden Wintern einen bei uns. ' Eigenſchaften. Dieſe Weihe iſt noch ſchlanker und leichter gebauet als die vor⸗ hergehende. Auch in der Ferne im Fluge bemerkt man dieſen Un⸗ terſchied; die langen ſchmalen Fluͤgel ſind vorn weniger abgeſtumpft, ſpitziger und geſtreckter als bei jener; uͤbrigens hat ſie einen eben fo ſchwankenden, unſichern Flug. Sie hat hierin in der Ferne ei⸗ nige Aehnlichkeit mit einer fliegenden gemeinen Meve; ſetzt ſich eben ſo ſelten wie die Kornweihe, und wenn dies geſchieht, an aͤhnliche Orte, auch verabſcheuet ſie die Baͤume wie dieſe. Ihr Nachtlager ſchlaͤgt ſie im langen Getraide, im hohen Graſe oder in einem Seilweidengeſtraͤuch in den Wieſen, oder im Riedgraſe und Schilfe, allezeit an der Erde auf. Sie geht erſt ſpaͤt zur Ruhe und man findet in der Lebensart und in den Sitten zwiſchen ihr und der Kornweihe faſt keinen Unterſchied. Eine Stimme habe ich von ihr nicht gehört. Ob fie gleich ſcheu und vorſichtig iſt, fo er⸗ giebt ſie ſich doch, wenn ſie in Gefangenſchaft geraͤth, bald in ihr N wird zahm und zutraulich. Nahrung. f Froͤſche, Maͤuſe, Maulwuͤrfe, Hamſter, junge Haſen, junge I. Ordn. IV. Gatt. 28. Wieſen⸗Weihe. 40g Voͤgel, Vogeleier und Inſekten, auch allerlei kleine Voͤgel, welche ſie ſitzend zu uͤberfallen ſucht, bedient ſie ſich zu ihrer Nahrung. Sie ſchwebt und ſchwankt im niedrigen Fluge uͤber dem hohen Ge— traide und langen Graſe, ſtuͤrzt ſich, ſobald ſie etwas erſpaͤhet, ploͤtzlich druͤber her, und verzehrt es meiſtens auf derſelben Stelle. So uͤberraſcht und faͤngt ſie manchen Vogel, der vielleicht vor Schreck das Auffliegen vergaß, als: Rohrhuͤhner, Bekaſſinen und allerlei kleine Strand- und Schwimmvoͤgel, auch Lerchen, Wachs teln und andere ſich an der Erde aufhaltende Voͤgel. Die jungen Voͤgel, welche ihre Flugwerkzeuge noch nicht recht zu gebrauchen wiſſen, und alte ſich eben mauſernde, daher ſchwer fliegende Ler- chen ſucht ſie oft muͤde zu machen und dann zu fangen. In der Brutzeit naͤhrt ſie ſich meiſt von Pluͤnderung der Neſter der an der Erde niſtenden Voͤgel, und nebenbei von Froͤſchen und Inſekten. Die alten Rebhuͤhner ſcheinen ihr zu groß; ich habe wenigſtens nie geſehen, daß fie dieſelben fo heftig verfolgt hätte, wie es die Kornz weihe thut. Im Fluge vermag ſie keinen Vogel zu erhaſchen. Ihre Jagden und Streifereien treibt fie am eifrigſten nach Sonnen- untergang, ſo lange bis es eben dunkel werden will, doch dies nur in dem Bezirk ihres wirklichen Aufenthalts, da wo ſie niſtet und zu uͤbernachten pflegt; denn ſie haben meilenweite Jagdreviere, wel⸗ che ſie taͤglich durchſtreifen und mehrentheils alle Tage um dieſelbe Stunde eine beſtimmte Gegend paſſiren. Fortpflanzung. Auch dieſe Weihe niſtet bei uns, an eben ſolchen Orten, welche die Kornweihe dazu waͤhlt; auch hat das Neſt eine aͤhnliche Stru— ctur, beſteht aus gleichen Materialien und befindet ſich auch ſtets an der Erde. Da ſie indeß ungleich ſeltner, als jene gemeine Art iſt, fo wollte es mir noch nicht gelingen, die Eier ſelbſt aufzufin— den. Daß man ſich in einem ſolchen Falle, wie hier, wo der Bo. gel ſelbſt von Naturforſchern noch verkannt und verwechſelt wird, nicht auf gewoͤhnliche Sammler verlaſſen koͤnne, iſt leicht zu bes greifen. Bekanntlich fand man bald einfarbig weiße, bald gelb— braun gefleckte Eier in den Neſtern der vermeintlichen Kornweihe; vielleicht gehoͤrten aber die letztern meiner Wieſenweihe? Doch ſind dies nur Vermuthungen. — Vor wenigen Jahren fand man in hieſiger Gegend ein Neſt dieſer Weihe, mit ſechs Jungen, an welchen die wirklichen Federn bereits durch die weißwollichte Du— nenbekleidung hervorbrachen. Man brachte mir ein lebendes Paͤaͤr⸗ 410 J. Ordn. IV. Gatt. 28. Wieſen⸗Weihe. chen von dieſen Jungen, welche ich aber durch einen fatalen Zufall verlohr. Das Neſt war mitten in ein großes Ackerſtuͤck von Win⸗ terraps gebauet, wo man es beim Aberndten der reifen Frucht, etwa in der Mitte des Juli, entdeckte. e Feinde. Dies ſind die naͤmlichen der Kornweihe; auch Eingeweide⸗ wuͤrmer und Schmarotzerinſekten beherbergt fie. Die Kiebitze find ihr von Herzen feind, ſtoßen heftig nach ihr, und vertreiben ſie dadurch mehrentheils aus ihrem Bezirk; doch ſcheinen ſie ſich auch an ihren Anblick zu gewoͤhnen, wenn ſie nahe bei einander wohnen. Jagd. Sie iſt ſcheu, daher ſchwer zu ſchießen, wenn man dies nicht in der Gegend, wo ſie das Neſt hat, thun will; aber auch hier iſt ſie noch vorſichtig genug. Wenn man ſich die Gegend merkt, durch welche ſie taͤglich hinſtreicht, ſo kann man ſie manchmal aus einem Hinterhalte erlauren, was auch im langen Getraide oͤfters gelingt. In die Raubvögelfallen geht fie ſehr ungern, und wird nur dann, wiewol doch nur ſelten, gefangen, wenn der Koͤder in lebendigen Maͤuſen oder Sperlingen beſteht. Auf die Kraͤhenhuͤtte koͤmmt ſie auch nur ſelten, weil ſie den Uhu ſo wenig achtet wie die Rohr⸗ und Kornweihe. Nutzen. Sie faͤngt viel Maͤuſe, auch Heuſchrecken und Maulwurfs⸗ grillen. Schaden. Sie vernichtet eine zahlloſe Menge Bruten ſolcher Vögel, wel⸗ che auf dem Freien und an den Gewaͤſſern niſten, verſchlingt nicht allein Eier und Junge, ſondern erwiſcht oft genug auch die alten Muͤtter derſelben uͤber dieſen. Den Vogelſteller ſtoͤhrt ſie oft beim Fange der Feldlerchen und Strandvoͤgel, wo ſie aber auch zuwei⸗ len gefangen wird. \ Fünfte Gattung. Eule. Strix. S Be el: Von der Wurzel an ſtark abwärts gebogen, mit hakenförmiger Spitze und einer Wachs haut, aber ohne einen zahn⸗ foͤrmigen Ausſchnitt. Beide Kinnladen ſind ſehr beweglich; die Wurzel derſelben ſo wie beinahe die ganze Wachshaut wird von ſteifen borſtigen Federn verdeckt. 4 Naſenloͤcher: Rund, am vorderen Rande der Wachssaut, welche uͤber denſelben aufgetrieben iſt oder über jedem Naſenloche einen Wulſt bildet. Kopf: Groß, ſehr dicht befiedert. Augen: Sehr groß, in einem aus ſteifen Federn beſtehen⸗ den Kreiſe liegend, und meiſt vorwaͤrts gerichtet. Ohren: Sehr groß, mit ganz eigen gebildeten Federn ſchleierartig eingefaßt. e Füße: Dicht befiedert; die Zehen ziemlich kurz: die aͤußere Vorderzeh vor⸗ und ruͤckwaͤrts beweglich, eine ſogenannte Wen de⸗ zehez die Krallen nicht ſtark gekruͤmmt, duͤnn und ſehr ſpitz. Der Kopf ſieht einem Katzenkopf nicht unaͤhnlich; er iſt nach Verhaͤltniß ſehr groß und rund; das Geſicht platt, durch eigene, die ungeheuren Augen ſtrahlenfoͤrmig umgebende, borſtige Federn bedeckt, in welche ſich der Schnabel faſt ganz verſteckt. Ein Kranz oder Schleier aus dichten abgerundeten Federn beſtehend, ums ſchließt das Geſicht, iſt aber am deutlichſten an den Ohren, wo er die ſehr große Spalte des aͤußern Ohres beſonders einfaßt, welche ſich wie ein paar Augenlieder oͤffnen und verſchließen kann, und von einander gebogen eine gewaltig große Ohrmuſchel zeigt. An den großen, gegen das Sonnenlicht empfindlichen Augen, ſieht man ſehr deutlich das mit dem Athemholen und der Bewegung der Lungen harmonirende Erweitern und Verengern des Sehlochs im Stern, ſo daß die Pupille bald groß, bald klein erſcheint. Der ) 412 I. Ordn. V. Gatt. Eule. Kopf iſt ſehr beweglich; die Fuͤße zum Schutz gegen die Biſſe der kleinen Thiere, wovon ſie meiſt leben, mit Federn dicht bekleidet; die Flügel von betraͤchtlichem Umfang; die großen Schwingen ziem= lich breit, am Ende abgerundet, ihre Schaͤfte gebogen. Die vor— derſte Schwungfeder, auch wol die zweite und dritte noch, haben einen kammfoͤrmig gezaͤhnelten aͤußern Rand. Die erſte Schwinge iſt kurz, die zweite laͤnger, die dritte und vierte die laͤngſten. Die Schwanzfedern haben bei den meiſten Arten abwaͤrts gebogene Schaͤfte, ſo daß der Schwanz, bei der faſt ganz aufrechten Stel— lung, die ſie ſitzend immer annehmen, faſt lothrecht herabhaͤngt. Das Gefieder an den uͤbrigen Theilen des Koͤrpers iſt groß, weich und ſehr elaſtiſch, faſt immer locker vom Koͤrper abſtehend, und hat die Eigenſchaft, daß es bei etwas derbem Betaſten unter den Haͤnden knickert. Die Eulen ſind naͤchtliche Raubvoͤgel, die meiſt nur in der Abend- und Morgendaͤmmerung, oder bei mondhellen Naͤchten, auf Raub ausgehen. Nur wenige rauben auch am Tage, beſon⸗ ders bei truͤbem Wetter; aber keine bei ſtockfinſtrer Nacht. Ihre breiten Fluͤgel und ihr großes, lockeres Gefieder macht, daß ſie au⸗ ßerordentlich leiſe und ohne alles Geraͤuſch fliegen, und ſo ihre Schlachtopfer deſto beſſer uͤberraſchen koͤnnen. Ihr uͤberaus leiſes Gehoͤr und ihr ſcharfes Geſicht, was beſonders in der Daͤmmerung und bei hellen Naͤchten ſehr gut iſt, muß ihnen bei ihren Jagden vortreffliche Dienſte leiſten. Alle ihre Handlungen verrichten die meiſten nur des Nachts; am Tage ſchlafen ſie, mehrentheils ſehr leiſe, doch auch zuweilen ziemlich feſt. Sie ſcheinen oft zu ſchla⸗ fen, wenn dies der Fall wirklich nicht iſt; denn ſie koͤnnen in der That am Tage viel beſſer ſehen, als bei ſehr finſtern Nächten, ob— wol ſie vom hellen Sonnenlichte etwas geblendet werden. Mit mehr als halb geſchloſſenen Augen bemerken ſie am Tage alles, was um ihnen herum vorgeht, mit Aufmerkſamkeit, ſitzen ganz ſtill, das Gefieder ſo glatt angezogen, daß ſie nur halb ſo groß zu ſein ſchei— nen, als ſie wirklich ſind, lehnen ſich dabei ſeitwaͤrts an einen Baumſtamm, Stein oder Erdſcholle, und koͤnnen in dieſer Stellung von einem Ungeuͤbten leicht uͤberſehen werden. Sie ſitzen am Tage ſelten in den freien Aeſten der Baͤume, ſondern immer an einer fol= chen Stelle, wo ein Aſt eben aus dem Hauptſtamme des Baumes gewachſen iſt, damit fie ſich bei drohender Gefahr durch Anſchmie— gen an den Stamm den Augen ihrer Feinde entziehen koͤnnen. Sonſt lieben ſie faſt alle die einſamen, ſchauerlichen Orte, recht 1. Ordn. V. Gatt. Eule. 415 finſtere Wälder, alte hohle Bäume, Felſenkluͤfte und alte oder ver⸗ fallene Gebaͤude, Ruinen von Schloͤßern, Thuͤrmen u. dergl. Wenn ſie nicht verſcheucht werden, verlaßen ſie ihren Ruhplatz am Tage nie. Sie ſcheinen faſt alle nur Strichvoͤgel zu ſein, und A des Nachts einzeln, ſelten paarweiſe. Sie machen unter allen Voͤgeln die drolligſten Poſituren, wozu ihre eigene ſonderbare Geſtalt viel beiträgt. Wenn ſie ploͤtzlich etz was ihnen Unerwartetes gewahr werden, buͤcken ſie ſich ſchnell vor— waͤrts, nicken mit dem Kopf bald auf die, bald auf jene Seite, ſe— hen einen Gegenſtand oft minutenlang ſtarr an, und beluſtigen durch allerlei poſſirliche Stellungen. Weil ſie ſich meiſt an einſa⸗ men, unheimlichen Orten aufhalten, bei Nachtzeit ihr Weſen trei— ben und ihre abentheuerlichen Stimmen oft hoͤren laſſen, ſo waren ſie den Aberglaͤubigen von jeher furchtbare, verhaßte Voͤgel, ja Vorboten eines nahen Todesfalles oder ſonſtigen Ungluͤcks, wie die ſchauerlichen Namen: Todten- oder a engen, Fee e Wehklagen u. ſ. w. beweiſen. Sie rauben kriechende oder ſchlafende Geſchoͤpfe und önten keinen Vogel im Fluge erhaſchen. Nur die Tageulen rauben auch am Tage, doch meiſt nur bei truͤbem Wetter; die uͤbrigen in hellen Naͤchten bei Mondſchein oder in der Daͤmmerung Morgens und Abends. Wenn dieſe indeß im Winter Hunger leiden muͤſſen und ſich des Nachts nicht völlig ſaͤttigen koͤnnen, fo habe ich mehrmals geſehen, wie fie mir am hellen Tage die gefangenen Krammetsvoͤ⸗ gel aus den Schlingen nahmen und vor meinen Augen verzehrten. In bequemen Naͤchten jagen ſie dagegen deſto eifriger, und tragen dann ſo viel Beute, als ſie bekommen koͤnnen, in ihre Schlupfwinkel, um nachher, wenn ſchlimme Witterung eintritt oder die Naͤchte zu finſter ſind, von ſolchen Vorraͤthen zehren zu koͤnnen. Groͤßern Geſchoͤpfen reißen ſie meiſt erſt den Kopf ab und ſchaͤlen alsdann das Fleiſch aus der Haut. Iſt es ihnen unmoͤglich, dies auf einmal zu verzehren, ſo wickeln ſie das Fell wieder zuſammen und ſtopfen es in einen finſtern Winkel, um das uͤbriggelaſſene Fleiſch dann vol- lends zu verzehren, wenn ſie wieder hungrig geworden ſind. Hier— durch verwahren ſie es ſowol vor den Schmeißfliegen, wie vor dem Austrocknen der Luft. Kleinere Geſchoͤpfe zerknirſchen ſie mit dem Schnabel und ſchlingen ſie ganz hinunter. Im Nothfall gehen ſie auch Aas an. — Die mit dem Fleiſche verſchluckten Knochen, Haare oder Federn ſpeien fie nach Verdauung des erſtern in laͤnglichtrun— den Ballen wieder aus. Bei dieſer Handlung ſperren ſie den 414 I. Ordn. V. Ball. Eule Schnabel weit auf, neigen den Kopf tief herab, und ſchuͤtteln ſo mit vieler Anſtrengung dies ſogenannte Gewoͤlle zum Schnabel heraus. Ihren kalkartigen, weißen, fluͤſſigen Unrath ſpritzen 58 bei aufgehobenem Schwanze weit von ſich. Sie niſten meiſt in Hoͤhlen, entweder in Baͤumen oder in al⸗ ten Gebaͤuden, in Felſenſpalten u. dergl., ſeltner in alten Neſtern anderer Voͤgel oder an der Erde. Ihre Neſter ſind ſchlecht und un⸗ kuͤnſtlich, ihre weißen Eier beinahe kugelrund. Sie hegen große Liebe zu ihren Kindern, vertheidigen fie mit Muth und tragen ih⸗ nen, wenn man ſie ihnen weggenommen und eingeſperrt hat, noch lange Futter zu. — Die Tagraubvoͤgel und faſt alle andere Bögelarten leben mit ihnen in ewiger Feindſchaft, weil fie von ihnen oft im Schlafe uͤber⸗ fallen oder ihrer Jungen beraubt werden. Da nun jene wiſſen, daß ihnen dieſe Nachtraͤuber am Tage nicht ſchaden koͤnnen, fo fu- chen ſie ſich auf alle Weiſe an ihnen zu raͤchen und verfolgen ſie mit wuͤthendem Geſchrei; aber nur wenige haben Muth genug, ſie wirk⸗ lich anzugreifen. Sie ſind am Tage, auch in der Daͤmmerung oder bei Mond⸗ ſchein im Fluge, leicht zu ſchießen, und man kann ſie nahe herbei⸗ locken, wenn man das Pfeifen der Maͤuſe mit dem Munde gut nachzumachen verſteht. In den Raubvoͤgelfallen, in welche man ſtatt der Voͤgel lebende Maͤuſe zum Koͤder einſetzt, fangen ſie ſich ſehr leicht. * Man bedient ſich der Eulen um andete Voͤgel zu fangen oder dabei zu ſchießen. Da es uͤbrigens ſcheint, daß ihnen die Maͤuſe⸗ gattung von der Natur zur Hauptnahrung angewieſen iſt und ſie eine große Menge dieſer dem Menſchen ſo ſchaͤdlicher Thiere vertil⸗ gen, fo kann man ſie faſt durchgaͤngig unter die nuͤtzlichſten Vögel zaͤhlen, obgleich die großen Arten immer und die kleinern ſelbſt un⸗ ter gewiſſen Umſtaͤnden zuweilen eine Ausnahme hievon machen. „ . a 415 Die Eulen“) (zeichnen ſich ſpor den Falken und vielleicht vor allen Tagraubvoͤgeln durch mehrere anatomiſche Eigenheiten aus, auf welche ich zum Theil ſchon vor geraumer Zeit an einem andern Orte *) aufmerkſam gemacht habe. Die meiſten dieſer Eigenheiten betreffen das Knochengeruͤſte, zumal bieten das Thraͤnenbein, das Verbindungsbein oder Fluͤgelbein, das Bruſtbein und Gabelbein namhafte Unterſcheidungsmomente dar. — Das Thraͤnenbein hat eine ganz andere Geſtalt als bei den Tagraubvoͤgeln; es bildet keine vorſpringende Decken uͤber den Augen und es mangelt daher auch das Superziliarbein, welches bei den Tagraubvoͤgeln nur da iſt, um jenen Vorſprung noch zu verlaͤngern, gaͤnzlich. Zwar bemerkt man am obern Rande der Orbita einen Vorſprung, allein dieſer gehoͤrt den Stirnbeinen an. Ferner zeigen die Verbin⸗ dungsbeine (essa communicantia Wiedem.) außer den ge⸗ woͤhnlichen Gelenkungen an beiden Endpunkten, naͤmlich mit dem Artikular⸗ oder Quadratknochen und mit dem Gaumenbeine jeder⸗ ſeits, noch eine dritte an der innern Seite mit dem Keilbeine oder der Baſis des Schaͤdels, welche von der vordern voͤllig getrennt iſt, und an welcher allein ſchon ein Eulenſchaͤdel von jedem Falken⸗ ſchaͤdel leicht unterſchieden werden kann. Das Bruſtbein hat bei den meiſten Arten jederſeits zwei haͤutige bis zum Abdominalrand reichende Stellen (nicht eine bloße Inſel wie das bei Falken) wo⸗ durch jederſeits zwei Abdominalfortſaͤtze des Bruſtbeins gebildet werden; nur bei der Schleiereule finde ich die Abweichung, daß das Bruſtbein jederſeits da nur einmal leicht ausgeſchweift iſt. Die Furcula iſt viel weniger geſpreizt und bildet unten einen viel deut⸗ lichern Winkel und iſt zugleich bei weitem ſchwaͤcher und duͤnner als jemals bei Falken; ja beim rauhfuͤſſigen Kauz (Sirix dasypus Bechst.) habe ich ganz conſtant das merkwuͤrdige, bisher nur bei flugloſen Voͤgeln beobachtete Verhaͤltniß gefunden, daß naͤmlich die Furcula in ein ſeitliches Knochen paar zerfallen, oder unten im Vereinigungswinkel der beiden Aſte bloß haͤufig iſt. Der Halswirbel ſind gewoͤhnlich 11, der Ruͤcken⸗ wirbel 8, der Schwanzwirbel eben ſo viel. Die Ruͤckenwirbel fand „) Was hier über die Anatomie dieſer Vogel geſagt wird, iſt mir mitgetheilt durch Hrn. Prof. C. L. Nitzſch. ) Nitzſch Beiträge zur Naturbeſchreibung der Eulen, in Voigts Magazin für den neueſten Zuſtand der Naturkunde 12 B. 5 Stuck S. 397 u. folg. 416 1. Ordn. V. Gatt. Eule. ich nie verwachſen. — Vorn an der Handwurzel findet ſich ein ei: gener beweglicher zwar auch bei Falken vorhandener Kno— chen, der aber hier einen zuruͤckgehenden Haken bildet und der Sehne des Spanners der vordern großen Flughaut mit zur Anfuͤ⸗ gung dient. — Die Pneumaticitaͤt des Skelets iſt eingeſchraͤnkter als bei der Falkengattung; wenigſtens nimmt der Oberſchenkelkno⸗ chen der Eulen niemals Luft auf. Allein die Luftraͤume in der Di⸗ ploe der Hirnſchale ſind hier viel bedeutender wie dort, ſo daß die Diploe vermöge der pneumatiſchen Auftreibung und Auflockerung bei manchen Arten an gewiſſen Stellen wohl einige Linien dick wird und die Hirnſchale einen ſehr aufgelockerten nur mit einer ſehr duͤn- nen Knochenlamelle uͤberzogenen und leicht verletzbaren Knochen— ſchwamm darſtellt. Die Augen der Eulen ſind enorm groß und mehr nach vorn gerichtet, als die der Falken, daher die Eulen noch beſſer als jene die Gegenſtaͤnde mit beiden Augen zugleich ſehen. — Die Hornhaut iſt ungemein gewoͤlbt, gleicht einer Halbkugel und die Seiten der harten Augenhaut (Sclerotica) fo weit der Knochenring ſelbige einnimmt, ſind ſonderbar verlaͤngert, wodurch der Knochenring ſehr kelch- faſt roͤhrenfoͤrmig wird. In Folge dieſer ſonderbaren Erhoͤhung der Augen wird der Weg, den die Sehne der Nickhaut nehmen muß, ſteiler als bei irgend einem andern Vogel und be— durfte zur Stuͤtze eines eigenen ſonſt nirgends vorkommenden, an den Knochenring befeſtigten Knoͤchelchens, welches ich Ba beinchen (os tuberculare) genannt habe, *) In Hinſicht der Eingeweide des Rumpfs gleichen die Eulen den Falken. Der untere Kehlkopf hat wie bei den Falken nur ein ſchwaches Muskelpaar; der Magen iſt wie dort haͤutig und ſehr ausdehnbar, die Milz ziemlich rundlich, die Leber ſymmetriſch in zwei faſt ganz gleich große und gleich 1 8 Lappen getheilt. Die Nieren ſind ebenfalls wie dort geſtaltet, ſo daß die vorderſten Lappen die breiteſten und groͤßeſten ſind. Allein die Blinddaͤrme ſind lang und weit, was vielleicht bei keinem Raubvogel außer den Eulen der Fall iſt. 5 . *) Zuerſt beſchrieben in Nitzſch's Beitr. zur Naturg. d. Eulen, am angef. O., dann ausfuͤhrlicher nebſt Abbildung in Deſſelb. 5 ee en Beiträgen ze Naturg. d. V. S. 78. Taf. II. Fig. a u. 2 a I. Ordn. V. Gatt. Eule. 417 Die Gattung der Eulen bildet nach ihrer verſchiedenen Lebens⸗ art und andern Merkmalen unter ſich mehrere Gruppen. Wir bringen ſie daher in drei Familien, wovon die der erſten ſich den Tagraubvoͤgeln am meiſten nähern und namentlich an die Fa⸗ milie der Weihen (Circi) anſchließen. Er ſt e Familie. Tageulen. Striges diurni ). Kopf: Mittelmaͤßig; das Geſicht weniger platt, mit un⸗ deutlichem Schleier. Schwanz: Keilfoͤrmig, lang; viel laͤnger als die in Ruhe liegenden Fluͤgel, welche ſchmaͤlere und haͤrtere Schwingfedern haben. Sie rauben meiſt am Tage, bis in die Abenddaͤmmerung, ſchlafen des Nachts, und ſind fluͤchtiger als die Nachteulen. Vier Arten. 29. Die Shnee- Eule. S trix nyc te a. Linn. Taf. 41. Weibchen. Schneekautz, weiße Eule, große weiße Eule, große weiße nordiſche oder islaͤndiſche weiße Eule, weißbunte oder fleckige Eule, weißbunte ſchlichte Eule, große weiße und einzeln ſchwarz getuͤ⸗ pfelte Eule, fleckige Nachteule, Sperbereule, Tageule, weiße und canadiſche Tageule, große Tageule. Stix Nyctea. Gmel. Linn. syst. I. p. 291. n. 6. == Retz. Faun. Suec. P. 78. n. 28. — Fabric. Faun, Grönl. p. 60. n. 36. — Lath. ind. orn. I. p. 57. n. 20. = Nilsson Orn. Suec. I. p. 56. n. 23, — Le Harfang. Buff. Ois. I. p. 387. Edit. d. Deuxp, II. p. 180. (t. 10.) Planch. enlum, 458. Vieillot, Ois. d’Amer, sept, I, pl. 18, = Chouette Harfang. Temminck ) Surnia. Dumeril, 418 J. Ordn. V. Gatt. 29. Schnee⸗Eule. Man. d'orn, p. 48. = Chouette blanche. Le Vaillant Oils, d' Afr. I, pl. 18.2 Snowy Owl, Lath. syn. I. 1. p. 132, n. 17, Uiberf. von Vechſt. I. 1. ©. 124. n. 17. und Nachtr. S. 683. = Pennant arct, Zool. II. p. 233. = Alucco diurno. Stor. degg, ucc. t. 93. . Sneuw-Dil. Sepp. ee Vog. t. v. 4. p. 393. = Bechſteins Naturg. Deutſchl. ate Aufl. II. S. 925 u. 7. = Deffen ornith. Taſchenb. I. S. 50. n. 6. = Meyer und Wolf . I. S. 75. Meisner und Schinz Vgl. d. Schweitz. S. 34. n. 31. = Kochs Baier. Zool. I. S. 134. n. 59. - Naumanns Vgl. alte Ausg. Nachtr. S. 241. Taf. 33. Fig. 66. Nenne en der Att. Mit weißem Gefieder, ſchwarzem Schnabel, gelben Augen- ſternen und dickbefiederten Füßen. Die jungen Voͤgel 19 Nr oder weniger gefleckt, ſehr alte rein weiß. Beſchrei bung. Die Schnee-Eule hat unter allen deutſchen Eulen den kleinſten Kopf und das ſchmaͤlſte Geſicht. Sie iſt uͤberhaupt von ſchlankerer Geftalt, ohngefaͤhr wie ein Buſſard, auch iſt von der gewöhnlichen ſchleierartigen Einfaßung des Geſichts keine Spur vorhanden. Sie iſt eine der groͤßeſten und ſteht an Größe nur dem Uhu etwas nach. Länge: 27 bis 283 Zoll; Breite: 60 bis 63 Zoll; Fluͤgellaͤnge vom Bug bis zur Spitze 172 bis 183 Zoll. Der etwas abgeruns dete Schwanz mißt 10% Zoll und die Igel bedecken, in Ruhe lie⸗ gend faſt zwei Drittheile deſſelben. Der hornſchwarze Schnabel iſt ſtark, ſchoͤn halbzirkelig herab— gebogen, von der Stirn bis zur Spitze, im Bogen, 13 Zoll lang. Die großen runden Naſenloͤcher liegen in einer dünnen Wachshaut, die ſchwarz iſt, und die Iris der großen Augen iſt praͤchtig gelb. Die Fuͤße und Zehen ſind ſo dicht befiedert, daß ſie faſt wollig erſcheinen und die Zehen in dieſen Federn fo eingehuͤllt find, daß fie auch die unbefiederten, warzigen, gelbgrauen Zehſohlen bedecken, und die ſtumpfen Spitzen der großen, ſchwarzen, mittelmäßig ge⸗ kruͤmmten und ſtarken Krallen, wie Katzenkrallen, aus dieſem wol⸗ lichten weißen Haarklumpen hervorragen. Der Lauf mißt 23 Zoll, Mittelzeh und Kralle über 3 Zoll, und die Hinterzeh mit der Kralle im Bogen 2 Zoll. Die Kralle an der innern Vorderzeh iſt die größefte. — Von dem ſchwarzen Schnabel, der in der That ziemlich groß iſt, ſieht man nur die Spitze aus den großen langen und dichten Borſtfedern hervorragen; aͤhnliche Federn bedecken überhaupt das ganze Geſicht. Bei recht alten Voͤgeln iſt das ganze Gefie— der blendend weiß ohne alle Flecken, wie friſch gefallener Schnee. I. Ordn. V. Gatt. 29. Schnee-Eule „ 419 Ju un gere Vogel haben entweder nur an den vorderſten Schwin- gen noch einige graubraune Flecken, oder es befinden ſich mehrere dergleichen am Hinterkopfe, dem Oberruͤcken, den Schultern und an der Bruſt, welche an letzterer oft wie ſanfte Wellenlinien geftal- tet find. Noch jüngere Voͤgel, wie man ſie am haͤufigſten ſieht, haben auf ſchneeweißem Grunde folgende Zeichnungen: Geſicht, Kehle, Gurgel, die Mitte der Oberbruſt, Bauch, un und die wollichte „ der Süße find augefledb; am 15 ſi ch am Sberrücken . am Steig 1 ſehr einzeln 55 hen; die Schultern und Fluͤgeldeckfedern haben viele, zum Theil halbmondfoͤrmige, dunkelbraune Querflecken; die Federn der Bruſt und Seiten etwas hellere ſchmale Querbinden; die Schwingen nach außen große dunkelbraune Querflecken, und die Schwanzfedern, die ganz weiße Seitenfeder ausgenommen, nahe am Ende einen großen halbmondfoͤrmigen und nach der Wurzel herauf einige rund⸗ liche dunkelbraune Flecke. Die verſchiedene Groͤße, welche man unter ihnen bemerkt, die jedoch nicht ſehr auffallend iſt, bezieht ſich nur auf das verſchiedene Alter, nicht aber auf das Geſchlecht, denn beide Gatten ſind meiſt von gleicher Groͤße und auch von gleicher Zeichnung. Im hohen Alter werden beide ganz weiß und alle Flecken verſchwinden. Im Fruͤhjahr ſind die Flecken bleicher als im Herbſt, wo das Gefieder noch neu und dieſe nicht abgebleicht ſind. Das ganze Gefieder iſt haͤrter, zumal die Schwingen, welche auch nach vorn ſchmaͤler ſind und ſpitziger enden, als bei den Nacht⸗ eulen; auch iſt der gezaͤhnelte Rand der vorderſten Schwingen faſt gar nicht bemerkbar. N e eee Dieſe große ſchoͤne Eule iſt in der kalten Zone von Europa, Aſien und Amerika zu Hauſe, wo ſie bis zu den hohen Brei⸗ ten von Grönland, über die Hudſonsbay hinauf, bis zu dem Fluſſe der Kupferminen, und in Aſien bis ans Eismeer hin⸗ auf gehet. Ob ſie gleich die ſtrengſte Kaͤlte vertraͤgt, ſo geht ſie doch im Winter aus jener Eiszone etwas ſuͤdlicher, in Amerika z. B. bis nach Denn bannen und im aſiatiſchen Rußland bis Aſtrakan herab. In der Hudſonsbay, im noͤrdl. Sibirien und in Kamſchatka iſt fie ſehr gemein; im noͤrdlichen Rußland, in Lappland und dem noͤrdlichen Schweden uͤberall nicht 420 I. Ordn. V. Gatt. 29. Schnee— Eule. ſelten, nach den ſüdlichen Theilen des erſtern And letztern kömmk ſie dagegen meiſt nur im Winter, von wo aus ſie denn Preuß en, Pohlen, und auch unſer noͤrdliches Deutſchland zuweilen be⸗ ſucht. Ob ſie gleich hier zu den Seltenheiten gehoͤrt, ſo iſt ſie doch ſchon hin und wieder, z. B. im Brandenburgiſchen, Braun⸗ ſchweigiſchen, in Sachſen, Schleſien, und ſogar in Schwaben gefhoffen. Auch in der Schweiz iſt fie gefehen worden. In den noͤrdlichſten Laͤndern von Aſien und Amerika haͤlt fie ſich häufig in der Nähe menſchlicher Wohnungen auf, bei uns hingegen iſt dies umgekehrt, indem man ſie nie in oder an Gebaͤu⸗ den, vielmehr in einſamen waldigen Gegenden antrifft. Dabei ſcheint ſie gebirgichte Waldungen den ebnen vorzuziehen, weil man ſie dort oͤfterer als hier antrifft. In Nordamerika ſoll ſie ſich ſelbſt in den ſteilſten, von allem Holz entbloͤßten Gebirgsgegenden auf⸗ halten. „ Die Schnee ⸗Eule ift ein ſcheuer Vogel, doch aber nur dann, wenn ſie ſich einzeln bis zu uns verirrt; in ihrem eiſigen Vater⸗ lande iſt ſie vertrauter mit den Menſchen, und man ſagt ſogar von ihr, daß ſie den Jaͤger begleite, das geſchoſſene Wildpret vor ſeinen Augen wegnehme, ja ſogar auf den Schuß, anſtatt zu entfliehen, von weitem herbeieile und den Jaͤger oft einen ganzen Tag lang begleite. Ihre Stimme wird bald mit dem Grunzen der Schweine, bald mit den N eines ſich in Gefahr befinden⸗ den Menſchen verglichen. In ihren Handlungen iſt ſie ſo gewandt wie ein Tagraubvogel, und ſie aͤhnelt auch im Fluge mehr dieſen als den Eulen. Sie fliegt rauſchend und ſchnell, iſt den ganzen Tag munter und fliegt ſelbſt bei heißen Sommertagen nach Nahrung umher. Sie iſt gegen die ſtrengſte Kaͤlte unempfindlich, ertraͤgt aber auch eine ziemlich ſtarke Hitze. Den Verluſt ihrer Freiheit ſcheint ſie nicht lange zu uͤberleben, welches mehrere Beiſpiele von fluͤgellahm geſchoſſenen oder gefangenen beweiſen. Ein Exemplar, welches bei Pietſchen in Schleſien im Fruͤhjahr 1798 gefangen wurde, wollte durchaus nichts freſſen und ſtarb nach drei Tagen. Ein anderes Beiſpiel erzaͤhlt Bechſtein von einer fluͤgellahm ge— ſchoſſenen, im Anhange zu ſeiner Uiberſetzung der Lathamſchen Synopſis I. 1. S. 684. Doch erwähnt Klein, in feiner Hi⸗ ſtorie der Voͤgel, uͤberſ. von Reyger, S. 55., eines vom Ges gentheil; doch hatte er das Paͤaͤrchen nur 6 Monate, als das ns J. Ordu. V. Gatt. 29. Schnee⸗Eule. 421 Weibchen ebenfalls are, worauf er dem Dahn die Freiheit (enter, , . Na h rung. Sie ſchwebt und flattert am Tage, wie ein Buſſard, uͤber Felder, Wieſen und Gebuͤſch, und treibt ihre Jagden bis in die Daͤmmerung hinein. Auch bei hellem Mondſchein ſoll ſie zuwei⸗ len noch jagen. Haſen und Kaninchen und im Sommer die Jun⸗ gen derſelben, die Maͤuſearten, Maulwuͤrfe, und allerlei Geflügel, beſonders die Wald- und Feldhuͤhner, werden ihr zur Beute. Im Norden iſt fie den Schneehuͤhnerarten (Tetrao albus et T. Lago- pus) ein arger Feind, verſchmaͤhet indeſſen auch kleinere Voͤgel nicht, wenn ſie deren habhaft werden kann, ob ſie gleich keinen im Fluge zu fangen im Stande iſt. Sie ſucht ihre Schlachtopfer im niedern Fluge auszuſpaͤhen, die ſitzenden Vögel zu uͤberraſchen und ſich in ſchiefer Richtung ſchnell auf ſie zu ſtuͤrzen. Die kleinen Saͤugthiere erhaſcht ſie indeſſen auch im Laufen. Nicht immer ſchwaͤrmt ſie, Beute aufzuſuchen, umher, ſondern ſetzt ſich auch öfters, um ihren Raub zu entdecken oder um auszuruhen auf eine Felſenſpitze. Uibrigens iſt es ein gefraͤßiger Vogel, der auch Aas nicht verachtet, wenn er nichts Lebendiges auftreiben kann. Fortpflanzung. f Sie niſtet, wie uns die Reiſenden verſichern, in den noͤrdli⸗ chen Laͤndern auf Felſen oder auf der platten Erde. Schon in Liv⸗ land fol fie brüten, welches auch ſehr wahrſcheinlich iſt, da man ſie ſelbſt in Selen nicht allein im Winter, ſondern auch im Som⸗ mer bemerkt hat, ſogar einmal im ſchleſiſchen Rieſengebirge, in der Gegend der Schneekoppe, ein Neſt von ihr geſehen haben will, was leider verſtoͤhrt wurde. Auch dies Neſt hatte an der Erde oder in einem Gebuͤſch nahe an derſelben geſtanden, und war von Reiß⸗ holz und Heidekraut unkuͤnſtlich gebauet geweſen. Sie legt 3 bis 4 weiße un, Eier, foll aber felten mehr als zwei Junge aufbrins gen. In den een Gegenden koͤnnen ſie erſt ſpaͤt bruͤten und da ſollen die Jungen ſolcher Bruten seit im September flügge werden. Feinde. Der weiße Fuchs (Causs Fachs) ſoll ihr zuweilen Eier und Junge rauben. | 422 IJ. Ordn. V. Gatt. 30. Habichts⸗Eule. age. ene * Am Tage herum ſchwaͤrmend ift fie ſcheu, und in unfe Ge u ſchwer zu ſchießen; im Norden ſoll das der Fall nicht fein. In Canada, wo fie dem Jaͤger oft das eben geſchoſſene Wildpret, noch ehe er es ſelbſt aufnehmen kann, wegkapert, ſoll man ſie ſogar dadurch, daß man einen todten Vogel in die Luft wirft, herbeis locken koͤnnen. In jenen Gegenden moͤchte ſie gewiß auch leicht zu fangen ſein. f N | 15 ö Nutz en. Im Rated ißt man ihr weißes Fleiſch fehr gern, 1 gegen den Winter, wo es ſehr fett iſt. Durch Vertilgung vieler Maͤuſe, beſonders der im Norden ſo ſchaͤdlichen Lemmings wird ſie ebenfalls nuͤtzlich. 5 Schaden. An Haſen und Kaninchen, den Birk⸗ und Schneehuͤhnern und anderem nutzbaren Wildpret richtet ſie namhaften Schaden an. N b 30. — * Kar Die Habichts⸗Eule. Bor. ura lenszs. Pals Taf. 42. Fig. 1. Junges Weibchen. Große Habichtseule, große braune Tageule, langſchwaͤnzige Eule aus Sibirien, Uralſche Eule, Uralhabichtseule. Striæ uralensis. Pallas It, I. p. 485. n. 35. — Lepechin Tt. II. p. 187. t. 3. == Gmel. Linn. syst. I. 295. n. 35. Strir macroura, Natterer in Meyers und Wolfs Taſchenbuch. I. S. 84. — Bechſtein in der Uiberſ. von Lath. syn. IV. 1. 54. n. 49. mit einer Abb. — Deſſen ornith. Taſchenb. III. S. 557. n. 14. La Chouetta des monts urals. Sonnini nouv. Edit. d. Buff. IV. p. 132. (Bier aber auf pl. 30. f. 1. die Abbild. von der Sperbereule). — Daudin Orn. II. 184. — La Chowette de l’ourel. Temminck man. p. 56, = Ural Owl. Lath. Syn. I. T. p. 148. n. 37. — Uiberſ. v Vechſtein I. 1. S. 136. n. 37. Die Ural⸗Habichtseule. Bechſtein gem. Naturg. Deutſchl. II. ©. 988. Var. 2, —. Wetteraueſche Ann. II. p. 350. - Naumanns Vögel, alte Ausg. Nachtr. S. 245. t. 34. f. 66. Kennzeichen dye ur Schnabel gelb, Augenſterne dunkelbraun, der Unterleib gelb— lichweiß mit ſchmalen braunen Laͤngsflecken; der Schwanz ſehr lang, keilfoͤrmig, mit 7 bis 9 hellen Querbaͤndern. f I. Or dn. V. Gatt. 30. Habichts⸗Eule. 425 Be ſſch rei bu nge Dieſe Eule iſt eine der groͤßten, denn ſie folgt in der Groͤße auf die Schneeeule, oder ſteht in dieſer Hinſicht zwiſchen dem Uhu und dem Waldkautz mitten inne. An Geſtalt hat ſie mit dem letz⸗ tern einige Aehnlichkeit, doch ſieht ſie viel ſchlanker aus, weil der Rumpf vielmehr in die Laͤnge geſtreckt iſt. Dieſe gedehnte Form und der ſehr lange Schwanz geben ihr ein eignes auffallendes Anz ſehen. Das Geſteder iſt groß, 0 dick und weich, aber doch hie ber als bei den Nachteulen. Sie mißt in der Laͤnge bis 26 ag) in ber Breite 45 Zoll und druͤber, der keilfoͤrmige Schwanz 10 bis 11 Zoll und die in Ruhe liegenden Fluͤgel bedecken noch nicht die Haͤlfte ſeiner Laͤnge. Die Mittelfedern des Schwanzes find 2 Zoll länger als die Seitenfedern. Der Schnabel mißt im Bogen 14 Zoll. Er iſt groß, ſchoͤn halbzirkelig gekruͤmmt, blaßgelb, an den Jungen gelblichfleiſchfar⸗ ben, die Spitze weiß, die kahlen Augenliederraͤnder fleiſchfarben, die Iris ſehr dunkel braun, die Pupille blauſchwarz. g Die Fuͤße ſind groß, die Laͤufe, fo wie die obern Seiten 92 Zehen dick befiedert, die Seiten und Sohlen der Zehen aber unbe⸗ fiedert, gelb, bei jungen Voͤgeln gelbgrau; die auſſerordentlich großen, duͤnnen, mittelmaͤßig gekruͤmmten und nadelſpitzen Kral⸗ len gelblichfleiſchfarben oder gelbbraun, an den Spitzen dunkel braungrau oder ſchwaͤrzlich. Der Lauf mißt 23 Zoll, die Mittelzeh ohne Kralle 13 Zoll, die Kralle derſelben im Bogen * Zoll, Hin terzeh und Kralle uͤber 14 Zoll. Im Ganzen genommen hat dieſe Eule in der Farbe einige Aehnlichkeit mit der Sumpf⸗Ohreule, im Uibrigen weicht ſie in⸗ deſſen auffallend genug von ihr ab. Das Geſieder iſt dick und weich, doch derber als an den Nachteulen; das Geſicht dagegen groß und platt, die ſchleierartige Einfaſſung deutlicher und groͤßer, als an den uͤbrigen Tageulen. Ob gleich der Kopf nicht fo. auffal⸗ lend dick iſt, fo find die Stirn- und Scheitelfedern doch fo lang und ſo in die Hoͤhe getrieben, daß der Kopf ein hohes, Peruͤcken aͤhnliches, Anſehen dadurch bekoͤmmt. Die ate und öte Schwung⸗ feder ſind die laͤngſten, die drei erſten, am F Rande ſaͤgeartig, die vierte auch noch etwas gezaͤhnelt. Bei alten Voͤgeln dieſer Art iſt das Gesch weiß, mit fei⸗ nen ſchwarzen Federſchaͤften und an der Schnabelwurzel mit vielen ſchwarzen Borſthaaren untermengt; ein breiter dunkelbrauner 424 I. Ordn. V. Gatt. 30, Habichts⸗Eule. Streif zieht ſich von der Schnabelwurzel nach der Stirn hinauf, wo er ſich mit der, aus kleinen abgerundeten Federn beſtehenden ſchleier⸗ artigen Einfaſſung des Geſichts vereinigt. Dieſer Federkreis iſt be⸗ ſonders an den Ohren am deutlichſten, weiß, mit kleinen ſchwarz⸗ braunen Fleckchen und Punkten. Von oben her iſt das Gefieder im Ganzen gelblichgraubraun und weiß gefleckt, jede einzelne Fe— der naͤmlich in der Mitte gelblich graubraun und an jeder Seite mit einem großen, meiſt ovalen, doch unregelmaͤßigen, weißen Fleck; alle untern Theile weiß, hin und wieder roſtgelb angeflogen, mit langen ſchmalen dunkelbraunen Laͤngsſtreifen, welche am Bauche blaͤſſer und ſchmaͤler werden, und ſich nach dem After hin beinahe gaͤnzlich verlieren; die dichte Bekleidung der Fuͤße gelblichweiß, ohne Flecken; die Schwingen ſehr licht gelblichgrau oder weiß— grau, mit Querbinden von einem matten ſchmutzigen Braun; die Schwanzfedern gelblich graubraun mit ſchmutzigweißen Querbinden, wovon ſieben deutlich, an der Wurzel aber noch ein paar undeuts liche unter den Deckfedern verſteckt find. Die untern Fluͤgeldeck— federn ſind weiß mit braunen Schaftſtrichen, Schwung- und Schwanzfedern auf der untern Seite wie oben, nur viel blaͤſſer. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen will man weder in der Größe noch Farbe einen erheblichen ſtandhaften Unterſchied gefun— den haben; aber die jungen Voͤgel vom erſten Lebensjahr ſind viel dunkler, mehr braun und gelb, unregelmaͤßiger und dichter gefleckt, und unterſcheiden ſich daher ſehr merklich von den alten. Hier iſt die Beſchreibung von einem jungen Weibchen: i Das große rundliche Geficht ift braunlich gelb, hin und wie- der ſchwaͤrzlich geſtrichelt; der Kreis um daſſelbe deutlich, ſchwarz— braun, mit weißen und gelblichen Flecken. Die Schnabelwurzel umgeben ſchmutziggelbliche Borſtenfedern, welche mit langen ſchwarzen Bartborſten untermengt ſind. Alle untern Theile ſind ſchmutzig- oder braͤunlichroſtgelb mit ſchwarzbraunen, zum Theil undeutlich ausgeſchweiften und gezahnten Laͤngs flecken und Schmitzen, wovon die groͤßten an den Seiten noch mit runden oder laͤnglichen weißen Flecken begraͤnzt ſind; der Kopf, Oberhals und Ruͤcken ſind auf dunkelroſtgelbem Grunde mit großen und zahlreichen ſchwarz— braunen Flecken beſetzt, welche am Rande zu beiden Seiten mehr— mals ausgeſchweift ſind, welche Buchten die ovalrunden weißen Randflecke bilden, die nebſt den großen ſchwarzbraunen Flecken, beſonders am Kopfe und dem Oberhalſe, den roſtgelben Grund nur wenig vorblicken laſſen. Die Schulterfedern ſind eben ſo, roſt⸗ I. Ordn. V. Gatt. 50. Habichts-Eule. 425 gelb, in der Mitte ſchwarzbraun und an den Seiten mit großen | weißen Flecken; die Fluͤgeldeckfedern fehr dunkel braun mit hellern Kanten und unregelmaͤßigen Querflecken, und jede der großen nahe am Ende mit einem großen ovalen Seitenfleck, daher hier eine Reihe weißer Flecke; die Schwingen dunkelbraun mit hellern Quer— binden, welche an den Kanten ſchmutzig gelblichweiß erfcheinen; der Fluͤgelrand weiß; die untern Fluͤgeldeckfedern auf weißem Grunde ſchwarzbraun in die Länge gefleckt; Unterruͤcken und Steig dunkelbraun, roſtgelblich und ſchmutzig weiß gefleckt; der Schwanz dunkelbraun, mit 7 bis g hellern Querbinden, welche an der Kante der Federn braͤunlich weiß erſcheinen, und mit weißer Spitze. Die dichte Bekleidung der Fuͤße iſt ſchmutzig roſtgelb, mit 5 hell⸗ braunen Flecken überfäet. Aufenthalt. Dieſer große Vogel gehoͤrt, wie es ſcheint, mehr dem oͤſtlichen als noͤrdlichen Europa und dem noͤrdlichen Aſien an. In Ruß⸗ land iſt er ziemlich allenthalben, vorzüglich im Aſiatiſchen, beſon⸗ ders auf dem uralſchen Gebirge; auch koͤmmt er in den Waͤl⸗ dern von Liv⸗ und Eſthland, nach Meyer (a. a. O.), ziemlich haͤufig vor. Ob dieſe Eule auch in Schweden und Norwegen ſei, iſt zur Zeit noch unbekannt. Aus den erſtgenannten Laͤndern koͤmmt fie einzeln nach Pohlen, Ungarn und ſelbſt bis in die Defter: reichiſchen Gebirge, ja hier hat ſie ſogar einmal gebruͤtet. Auch in Schleſien und Boͤh men traf man ſie an; ſie wurde in der Lauſitz geſchoſſen, und auch in hieſiger Gegend fol dies ein⸗ mal der Fall geweſen ſein “). Sie gehoͤrt indes in Deutſchland unbedingt unter die ſeltenſten Voͤgel. Gebirgswaͤlder mag ſie den ebenen vorziehen, ift übrigens ganz Waldvogel, und nur in Ruß: land, wo es ihrer viele giebt, ſollen ſie ſich manchmal auch in der Naͤhe menſchlicher zaungen aufhalten, | Eigenſchafte n. Die Habichtseule ift ein kuͤhner Raubvogel; das lichtſcheue, furchtſame Benehmen, was die meiſten Nachteulen fo ſehr auszeich- net, darf man nicht von ihr erwarten. Sie iſt im Gegentheil in ) In der Mitte Septembers dieſes Jahres (1819) ſahe auch mein zweiter Bruder eine Habichtsenle. Ob er ſie gleich nicht mit der Flinte erreichen konnte, ſo war er doch, als praktiſcher Voͤgelkenner, nahe genug, um dieſen auffallend geſtalteten Vogel ſogleich zu erkennen. 426 l. Ordn. V. Gatt. 30. Habichts⸗Eule. ihren Sitten den Buſſarden aͤhnlich. Sie hat einen rauſchenden, ziemlich raſchen Flug, auch ſchwebt ſie mitunter wie ein Buſſard. In den Waͤldern treibt ſie den ganzen Tag ihr Weſen; nicht ſo haufig auf dem Freien, wo man fie mehr in der Daͤmmerung ums her ſchwaͤrmen ſieht. Ihre anſehnliche Groͤße, die dickkoͤpfige Eu⸗ lenfigur mit dem langen Schwanze geben ihr, im Fluge, ein ganz eignes Anſehen, ſo daß man ſie ſchon von weitem erkennen kann. Eine Stimme habe ich von ihr nicht gehoͤrt; auch finde ich bei den we: nigen Schriftſtellern, die dieſe Eule beſchreiben, nichts davon er⸗ wähnt. Es iſt überhaupt nur noch wenig von ihrer Lebensart be: kannt. Herr Joh. Natterer, k. k. Cabinetsaufſeher in Wien war der erſte, welcher ſie als deutſchen Vogel kennen lernte, und aus den Waͤldern der oͤſterreichiſchen Gebirge Alte und Junge, die dort ausgebruͤtet waren, bekam. Ihre Kuͤhnheit bewies diejenige, welche mein Bruder beob— achtete, auf eine auffallende Art. Sie verfolgte anfaͤnglich einen Maͤuſebuſſard, ſtieß unablaͤßig nach ihm, bis ſich beide im Walde verlohren. Bald darauf ſahe ſie mein Bruder, der ſich am Rande jenes Waldes befand, wieder aufs Feld ſtreichen, wo ſie auf einen Fiſchreiher ſtieß, den ſie ſogleich anfiel. Dieſer ſuchte, unter graͤßlichem Geſchrei, ſein Heil in der Flucht, parirte ihre heftigen, ſchnell wiederholten Stoͤße, bei zuruͤckgelegtem Halſe, mit dem Schna— bel, bis ſie endlich den Augen meines Bruders entſchwanden. Die Eule ſtieß ſtets aus einer Höhe von 10 bis 12 Fuß in ſchiefer Rich: tung nach dem Reiher, und ſo trieb ſie ihn, in mittler Hoͤhe, wol eine Viertelſtunde weit. Dies geſchahe in der Abenddaͤmmerung, als eben die Sonne untergegangen war. Sie benahm ſich hiebei gewandter als ein Buſſard, ließ aber keine Stimme von ſich hoͤren. Den Reiher hoͤrte mein Bruder lange noch kraͤchzen; dieſe haͤßlichen Töne verhallten nach und nach in weiter Ferne, als er die Strei— tenden laͤngſt nicht mehr mit den Augen verfolgen konnte. N Nahrung. Die verſchiedenen Maͤuſearten find auch für fie ein Hauptges genftand ihrer Jagden. Sonſt faͤngt fie auch junge Hafen, Ka: ninchen, Birk- und Schneehuͤhner, beſonders die Jungen derſel— ben, allerlei kleine Voͤgel, die ſie im Sitzen erwiſchen kann, und jagt darnach am Tage, wie in der Daͤmmerung. — I. Ordn. V. Gatt. 30. Habichts⸗ r 427 Fo ret p. fl an zaun g. 6 7 Sie ſoll in Felſenſpalten oder in großen welten n Boumböhlen niſten und 3 bis 4 weiße Eier legen. Daß ſie ſonſt irgendwo in Deutſchland bruͤte, wie einmal im Oeſterreichiſchen der Fall geweſen, wo, wie ſchon geſagt, Hrn. Natterer kaum flügge Jungen Überbracht wurden, iſt nicht bekannt. ien de Man kennt keins ieh laͤßt ſich von der 7 | e wenig wehr ſagen, als daß ſie als ein vorſichtiger Vogel mit Schießgewehr hinterſchlichen werden muß. Nutzen und Schaden ergiebt ſich aus ihrer Nahrung. Bemerk. Wer j je dieſe Eule ſahe, wird ſie ſchwerlich mit einer andern ver⸗ wechſeln konnen, am wenigſten mit der Sperbereule, da fie faſt noch einmal ſo groß iſt und ſich ſonſt noch in den Verhaͤltniſſen mancher Theile des Körpers, wie in der Farbe, auſſerordentlich auszeichnet. Herr Koch (Baier. Zool. I. S. 136. )* moͤchte alſo ſein Urtheil, ſie fuͤr eine junge Sperbereule zu halten, wol zu⸗ ruͤck nehmen muͤſſen. Ob ſie aber vielleicht mit Strix liturata (f. Nilsson örn; Suec. I. p. 59.) zu verbinden fei? Das iſt eine andere Frage, die ich jedoch nicht mit Beſtimmtheit zu beantworten vermag 1 weil ich dieſe 1 nicht ſahe. „ | | Die Spyerber- Eule 8 155 x n isori a. Wolf. Taf. 42. Fig. 2. Maͤnnchen. | . Habicht = Geyer- und Falkeneule, europaiſche Habichtseule, n Falkeneule, Eulenfalke (Leichen⸗ Stein- und Kircheule), Hudſonſche Eule, Trauereule. Strix funerea. Linn. syst. nat. I. p. 133. n. ir. = Gmel. Linn. Ed. 13. I. 294. n. II. — Retz. Faun. Sue. p. 83. n. 34. Strir Ulula. Linn. Faun. Suec. p. 26. n. 78. = Linn. syst, nat. I. p. 133. n. 10. — Nilsson Orn. Suec. I. p. 64. n. 28. = Striz canadensis et freti hudsonis. Briss orn. p. 151.n.6u.7. — Strizx hudsonia. Gmel. Linn. I. 1. 295. n. 34. == Striz nisoria. Meyer und Wolf Taſchenb. I. ©. 984. — Chouetie du Canada et Chouette eperviere, ou Caparacach. Buff. ois. I. p. 385 et 391. = Id. Edit. 428 I. Ordn. V. Gatt. 31. Sperber⸗Eule. de Deuxp. II. 147. t. 9. f. 3. . Chouette a longue queue de Siberie. Id. Planch. enl. 465. = Id. Edit. de Sonn. IV. pl. 30. f. 1. (unter dem falſchen Namen: Chouette des monts urals), = Chouette caparacoch. Temm. man, p- 57. — Hawk Owl. Edwards Birds t. 62. = Lath. syn. I. I. p. 143. n. 30. Uiberſ. v. Bechſt. I. 1. S. 133. n. 30. — Bechſt. Naturg. Deutſchl. II. S. 984. n. 15. Deſſen Taſchenb. S. 57. n. 18. - Meyer, Vögel Liv: u. Eſthlands. S. 31. Derſelbe in d. Wett. Annal. I. S. 268. — Meyer u. Wolf. Natura, der Vögel Deutſchl. Heft 25. = Koch Baier. Zool. I. S. 136. n. 62. - Naumanns Br gel, alte Ausg. Nachtr. S. 248. t. 34. f. 67. Kennzeichen der Ar t. Mit gelbem Schnabel und gelbem Augenſtern; braunem, weiß⸗ geflecktem Oberleibe, weißen, braungrau in die Quere geſtreiftem (geſperbertem) Unterleibe; der keilfoͤrmige Schwanz ſehr lang mit 9 ſchmalen weißen Querbaͤndern. Beſchrei bung. Dieſe Tageule iſt von der Groͤße der kurzoͤhrigen oder Sumpf⸗ ohreule; der Kopf aber kleiner, das Geſicht ſchmaͤler, die Fluͤgel kuͤrzer und ſpitzer, der Schwanz viel laͤnger, und der Schnabel mehr falkenartig, als bei dieſer. Hinſichtlich der Geſtalt aͤhnelt ſie, unter allen Eulen, den Weihen am meiſten. In der Groͤße findet man zuweilen Abweichungen, die jedoch weder auf das verſchiedene Geſchlecht, ns auf das Alter Bezug haben. Sn der Länge mißt ſie 16 bis 172 Zoll, in der Breite 312 bis 32 Zoll, und der keilfoͤrmige Schwan; iſt 72 Zoll lang, wovon die Fluͤgelſpitzen die Haͤlfte bedecken. Der Schwanz iſt ſo ſtark abgerundet oder keilfoͤrmig, daß die Mittelfedern gerade 2 Zoll laͤnger als die aͤußerſten Seitenfedern ſind. Der hellgelbe Schnabel iſt ſtark, ſchoͤn halbzirkelig gekruͤmmt, der Oberkiefer, im Bogen gemeſſen, 1 Zoll lang, der untere mit etwas eingezogenen Schneiden und einem kleinen Ausſchnitt, dicht vor der Spitze. Die Augen ſind nicht ſo auffallend groß, als bei andern Arten dieſer Gattung, und haben eine hellgelbe oder ſchoͤn ſchwefelgelbe Iris. Die Fuͤße ſind, nebſt der obern Seite der Zehen, dicht befie— dert, der Lauf 13 Zoll hoch, Mittelzeh und Kralle 14 Zoll, die Hinterzeh nebſt der Kralle eben ſo lang, doch iſt die Kralle groͤßer und fuͤr ſich allein, uͤber den Bogen gemeſſen, 10 Linien lang. Die Fußſohlen find ſchmutziggelb; die langen, ſchoͤn gekruͤmmten, duͤn⸗ nen und ſpitzen Krallen, von welchen die der Mittelzeh, auf der in— nern Seite, eine hervorſtehende ſcharfe Schneide hat, ſchwarzbraun. So ſehr ſich die Geſtalt dieſes Vogels der eines Tagraubvogels naͤ⸗ Ei Sren, . Shtk* J. Sperber⸗Eule. 429 b hert, ſo ſehr weicht die Form der Füße von dieſen ab; ſie ſind von der gewoͤhnlichen Form der Fuͤße der Nachteulen. Die einfachen Farben, braun und weiß, ſind bei dieſer Eule recht angenehm vertheilt und die Zeichnungen ſind nicht ſo ſehr ohne alle Regel, wie man ſie ſonſt an dem Gefieder der meiſten Eulen wol gewohnt iſt. Die Gegend um den Schnabel herum und das Geſicht ſind mit borſtigen gelblichweißen Federchen beſetzt und mit feinen ſchwarzen Barthaaren untermengt, welche beſonders an den Mundwinkeln und Zuͤgeln am dichteſten ſtehen; der Kragen oder Schleier, welcher bei andern Eulen das Geſicht umgiebt, fehlt hier, nur an den Ohren bemerkt man davon etwas, welches daſelbſt in Geſtalt eines ſchwarzen Halbmondes erſcheint; die Kehle iſt weiß; ein undeutliches, aus braunſchwarzen verwaſchenen Querflecken beſtehendes Band umgiebt den Hals, dieſem folgt ein undeutliches weißes; Bruſt, Seiten, Bauch und die untern Schwanzdeckfedern weiß, mit ſchmalen ſchwarzbraunen Querſtrichen, wie am Sperber oder am Huͤhnerhabicht. Der Unterſchenkel und die Fußwurzel find dicht und reich befiedert, gelblichweiß, mit verloſchenen braus nen Querfleckchen; die obere Seite der Zehen bis an die Nägel dicht gelblichweiß beſiedert. Der Scheitel iſt braunſchwarz, jede Feder mit einem runden weißen Flecken bezeichnet, doch ſo, daß die erſte Farbe die Oberhand hat, im Genick aber die weiße mehr her⸗ vorſticht; der Nacken und ein Fleck hinter den Ohren faſt ganz weiß, und ein andrer laͤnglichter Fleck zu beiden Seiten des Halſes braun⸗ ſchwarz; der Oberhals, Ruͤcken, Steiß und Schultern braun, weiß gefleckt, ſo daß eigentlich jede Feder weiß iſt, einen breiten braunen Saum am Ende und einen etwas ſchmaͤlern Querſtreif in der Mitte hat. Die Schulterfedern haben das wenigſte Braun und erſcheinen daher weiß mit wenigen kleinen braunen Flecken. Die Fluͤgeldeckfedern ſind braun und haben alle, die kleinſten aus⸗ genommen, einen runden weißen Fleck, auf den in Ruhe liegenden Fluͤgeln zeigen ſich dieſe Flecke indes nur ſparſam; alle Schwung⸗ federn dunkelbraun mit hellern Querbinden durchzogen, welche an den Kanten beider Fahnen in gelbliches Weiß uͤbergehen; uͤbrigens hat die erſte Schwungfeder einen etwas gezaͤhnelten Rand, alle uͤbrigen braͤunlichweiße Endſaͤume, und die hinterſten haben eine hellere Grundfarbe, als die andern. Die Schwanzfedern ſind ſtumpf zugeſpitzt, von Farbe braun mit hellern Kanten, 9 weißen Querſtreifen und dergleichen Spitzen. 450 I. Ordn. V. Gatt. 31. Sperber⸗Eule. Maͤnnchen und Weibchen ſind im Aeußern nur wenig von einander verſchieden, gewoͤhnlich iſt jedoch das erſtere etwas kleiner oder ſchmaͤchtiger, die braune Ruͤckenfarbe mehr mit einem gruͤnlichen Grau uͤberlaufen oder matt olivenbraun, die weißen Flecke groͤßer und der weiße Grund der untern Theile reiner. Beim Weibchen iſt dagegen der Ruͤcken brauner und das Weiße hin und wieder gelblich angeflogen. Noch brauner, ſchmutziger und mehr gelb angeflogen iſt das Gefieder an den jungen Voͤgeln, und die Alten haben im Herbſt ein friſcheres i als im Fruͤhjahr, wo die ak mehr abgebleicht find. A u fenthalt. Die Sperbereule iſt ebenfalls eine dem Norden angehoͤrende Art. Im noͤrdlichen Europa koͤmmt ſie in Schweden und Lappland vor, iſt aber, ſo viel ich habe erfahren koͤnnen, in Daͤnemark ſelten *). Biel häufiger iſt ſie dagegen in Ruf: land, zumal im Aſiatiſchen. In Nordamerika, beſonders in Canada, an der Hudſons bay und in aͤhnlichen Breiten, iſt fie ſehr gemein. In Livland, Preußen und Pohlen iſt ſie eben nicht ſelten, von woher ſie denn auch in das noͤrdliche Deutſchland koͤmmt und ſelbſt bis in das ſuͤdliche wandert. In den mittlern Theilen unſres Vaterlandes muß man fie indes ſchon zu den Seltenheiten zaͤhlen. Mit den Wanderungen dieſes Vogels mag es jedoch eine eigne Bewandniß haben ), denn es verſtreichen oft viel Jahre, wo man keine zu ſehen bekoͤmmt; dann ſieht man ſie wieder mehrere Jahre hinter einander einzeln, ja es koͤnnen Jahre eintreten wo fie fogar häufig in unſern Gegenden erſcheint, dergleichen mein Vater einmal erlebte **). Nachher vergingen mehr denn 20 Jahre, wo wir keine zu ſehen bekamen, geſchweige fuͤr unſre Sammlung haͤtten auftreiben koͤnnen, und nur erſt vor drei bis vier Jahren erhielten wir wieder die erſte, ſahen auch ſeit dieſer Zeit jedes Jahr einzelne, wovon wir auch einige erhielten. * In dortigen Sammlungen ſahe ich ſie nicht. *) Vielleicht wie mit dem Erſcheinen der Seidenſchwaͤnze, Schneeammern und andrer nordiſchen Vögel in unſern Gegenden. **) Er beſuchte damals einen ee der im Anhaltiſchen über der Saale wohnte, wo ſich in weiten Fluren ein kleines Eichenwaͤldchen, einzig in jener Gegend, befand, in welchem ſehr viel Raubvogel übernachteten. Hier ſchoß er auf dem Anſtande eines Abends mehrere Sperbereulen, die ebenfalls dort uͤbernachten wollten. — J. Ordn. V. Gatt. 31. Sperber⸗Eule. 431 Fuͤr unſre Gegenden ſcheint ſie lediglich Zugvogel zu ſein; denn man ſieht ſie hier nie anders als im Maͤrz oder zu Anfang des Aprils, wenn die Waldſchnepfen ziehen, und im September, Okto⸗ ber und November. Ob ſie bei uns uͤberwintere, iſt ſehr wahr⸗ ſcheinlich, wir ſahen indes im Winter noch keine hier. Sie iſt zwar Waldvogel, doch zieht ſie die kleineren Feldhoͤlzer und ſum⸗ pfigen Holzungen den eigentlichen großen Waldungen vor. Selbſt in ganz freien, mit Wieſen und Suͤmpfen abwechſelnden Bruch⸗ gegenden trafen wir ſie mehrmals an, und es ſcheint als liebe ſie ſolche, beſonders wenn Waͤlder nicht gar zu weit davon entfernt find, ganz vorzuͤglich ). In meinem eignen Waͤldchen, was ebenfalls ſumpfigen Boden hat, iſt ſie auch mehrmals geſehen wor⸗ den. Sie uͤbernachtet in den Waͤldern und wie es ſcheint auch in Bruͤchen, hier in einem Binſenbuſch oder niederm Geſtraͤuch, dort in den Aeſten eines Baumes. Eigenſchafte n. In ihrem Betragen aͤhnelt dieſe Eule den Tagraubvoͤgeln mehr als irgend eine andere Art. In ihren Bewegungen iſt ſie raſch und gewandt, faſt wie ein Habicht oder Falke. Nicht allein der Wellenlinien am Unterleibe wegen verdient ſie den Namen: Sper⸗ bereule, ſondern auch hinſichtlich ihres Betragens und ihrer Ge— ſtalt im Fluge. Sie fliegt abwechſelnd bald mit ſchnellen Fluͤgel⸗ ſchlaͤgen, bald in kurzen Pauſen ſchwimmend, ganz wie ein Sper⸗ ber oder Finkenhabicht, und man wuͤrde ſie, in der Ferne, ſehr leicht fuͤr dieſen oder den Thurmfalken anſehen koͤnnen, wenn ſie der dicke Kopf nicht kenntlich machte. Auf kurzen Strecken, von Baum zu Baum, ſchwingt ſie ſich oft in vielen großen Bogen, wie ein Specht oder wie der Steinkautz, ſchnell durch die Luft; dann iſt ſie dem Beobachter ſehr auffallend. — Langſamer oder bedaͤch⸗ tiger, ſchwankender und niedriger fliegt ſie, wenn ſie ihre Jagden übt, ſonſt aber auch oft ſehr hoch, und dies am hellen Tage bei Sonnenſchein. Sitzend triffteman fie bald in einem niedern Buſche, auf einem Stamme, bald in den hohen Zweigen, ſelbſt zuweilen * 9 Einer meiner Brüder ſchoß fie einmal, indem er nach Waldſchnepfen ſuchte, in einem Erlenſumpfe, wo fie aus einem Erlenbuſche aufflog und ſich in den Gipfel einer Eiche begab; ein anderes Mal in einem von allen Baͤumen ent⸗ bloͤßten Bruche, woſelbſt fi) mehrere dieſer Eulen, beim Untergange der Sonne, mit Mäufefangen beſchaͤftigten. Auch bei e ee wurde eine auf der Schnepfenjagd erlegt. S. Meyer a, a. O. f f 432 l. Ordn. v. Gatt. 31. Sperber⸗Eule. im Gipfel eines Baumes an. Sie fliegt zwar auch am hellen Tage ihren Geſchaͤften nach, doch betreibt ſie die meiſten des Morgens oder gegen Abend, und geht mit einbrechender Nacht, wie ein Tag⸗ raubvogel, im Walde in den Zweigen und Aeſten eines Baumes zur Ruhe. Hier ſchlaͤft ſie bis zu Tagesanbruch. Wie mir ver⸗ ſichert iſt, ſo haͤlt ſie auch in Suͤmpfen an der Erde zuweilen Nacht⸗ ruhe. Man ſieht hieraus, daß ſie in ihrer Lebensart beinahe ganz den Weihen gleicht. Sie iſt nicht ſcheu; in ihrer nordlichen Hei— mat ſoll ſie ſogar ſehr dummdreiſt ſein, zuweilen den Jaͤger in eini⸗ ger Entfernung begleiten und ihm die eben geſchoſſenen Vögel weg nehmen, noch ehe er dies verhindern kann. Sie ſoll den Verluſt ihrer Freiheit mit vieler Geduld ertragen, daher bald zahm werden und ein ſanftes Naturell verrathen. Ihre Stimme klingt ſanft und angenehm, faſt wie die Stim⸗ me des Thurmfalken, ki ki ki ki ki, Er Sylben oft hinter⸗ einander ausgerufen werden. Nahrung. Feld⸗ und Waldmaͤuſe, Ratten und Hamſter, uͤberhaupt alle Maͤuſearten, find ihre gewöhnlichen Nahrungsmittel. Ich habe immer nichts als Uiberbleibſel von Maͤuſen in ihrem Magen gefun⸗ den. Sie faͤngt aber auch kleine Voͤgel, die ſich ſitzend uͤberraſchen laſſen, loͤßt die gefangenen aus den Schlingen und ſoll ſich ſelbſt an Rebhuͤhner wagen, wenn dieſe bei ihrem Erſcheinen nicht ſchnell genug die Flucht ergreifen, beſonders wenn ſie noch jung ſind. Dies ſoll im Norden auch der Fall mit den Schneehuͤhnern ſein. Es iſt aber nicht wahrſcheinlich, daß ſie ſich an Voͤgel von dieſer Groͤße wagt, ſobald dieſe nicht etwa krank oder auf irgend eine Art des Vermoͤgens fortzufliegen beraubt ſind. Sonſt faͤngt ſie auch noch Heuſchrecken, große Kaͤfer und andere Inſekten. Sie fliegt den ganzen Tag, ſelbſt bei heißer Witterung und hellem Sonnen— ſchein, auf ihren Raub aus, durchſtreift Waͤlder, Fluren und Wie⸗ ſen in geringer Hoͤhe, flattert, wiegt und ſchwingt ſich auf und ab, und ſtuͤrzt, ſobald ſie etwas aufgefunden, ſchnell und ſenkrecht auf ihre Beute herab, welche ſie auf der Stelle verzehrt. Kurz vor dem Aufgange der Sonne, oder wenn dieſe ſo eben am weſtlichen Horizonte verſchwunden iſt, d. h. in der erſten Halfte der Abende und in der letzten der Morgendaͤmmerung, iſt ſie am thaͤtigſten. —1 ci J. Ordn. V. Gatt. 31. Sperber⸗Eule. 4 ret Malen Hiervon iſt zur Zeit nur noch wenig bekannt. Sie bruͤtet, fo viel man weiß, nicht in Deutſchland, ſondern in den Laͤndern des arktiſchen Kreiſes. Das Neſt ſoll ſie auf einen Baum bauen und zwei weiße Eier legen. Ns Feli ud . 8 In ihrem Gefieder wohnen eigne Arten Schmarotzerinſekten, ſo wie in ihrem Koͤrper, theils in den Eingeweiden, theils in der Bruſt⸗ oder Bauchhoͤhle eigene Arten von Eingeweidewuͤrmern. Sie wird am Tage von den kleinen Vögeln geneckt, doch nicht fo arg wie die Nachteulen, und man ſieht es jenen an, daß fie ihr nicht recht trauen; auch die Kraͤhen verfolgen fie eben nicht ſehr heftig. J 0 9 d. I En Sass Weil ſie eben nicht ſehr ſcheu iſt, fo kann man fie ziemlich leicht ſchußrecht ankommen. In ihrem Vaterlande mag dies noch leichter angehen. Auf dem Abendanſtande ſchießt man ſie, wie jeden an⸗ dern Tagraubvogel, indem man ſich unter den Baum ſtellt, in deſſen Aeſten fie zu übernachten pflegt. 5 Nutz en. Durch Vertilgung vieler, den Anſaaten des Feldes und Wal⸗ des ſo verderblicher, Maͤuſearten, wird ſie nuͤtzlich. e m S ch a den. | BURN 101. Darum, daß ſie im Norden Schneehuͤhner und bei uns zu⸗ weilen ein Rebhuhn faͤngt, auch manchen kleinen Vogel erwiſcht, zählt fie der ſich beeinträchtigt geglaubte Menſch unter die ſchaͤdli— chen Voͤgel; bedenkt man aber, daß ihre gewoͤhnliche und haͤufigſte Nahrung Maͤuſe ſind, ſo moͤchte der Nutzen, welchen ſie uns da⸗ durch ſtiften, den geringen Schaden wol uͤberwiegen. nt e eee e Anmerkung. Ich habe fuͤr dieſen Vogel den Namen: Sperbereule, Strix nisoria, welchen Meyer und Wolf ihm beilegten, als Hauptnamen beibe⸗ halten, weil er den Vogel, wie ſchon oben bemerkt, am beſten charakteriſirt; zu⸗ mal da er in naturhiſtoriſchen Werken unter ſo mancherlei Namen vorkoͤmmt, die auch andere Vogel bezeichnen, und der erſte Linnsiſche (St. Ulula) durch vielſeitige Deutung ſo unſicher geworden iſt, daß er ganz vergeſſen zu werden verdient. — k Ten EEE 28 32. Die Sperlings⸗Eule. e * G c d d 2 ca. Linn. Fig. 1. Maͤnnchen. 0 Taf. 335 Fig. 2. Weibchen. Ne EN u Der Zwergkautz, die attifge Eule, Tag⸗ Wald⸗ und Tan- nenkaͤutzchen. Ne) Siriz acadica. Gmel. Linn. syst. I. p. 295. n. 45. = Striæ accadiensis. Lath. ind. orn. I. p. 65. n. 44. = Striz passerina. Linn. faun. Suec, p. 26. n. 79. Kets. faun. Suec. p. 86. n. 36. = Nilsson orn. Suec. I. p. 69. n. 31. t. 3. Strir pygmaea. Bechſtein gem. Naturg. Deutſchl. II. S. 978. n. 13. 1 e Chouette chevechette, Temminck man. d’orn. p. 55. — Chevechette. Le Vaill. Ois. d’Afr. I. pl. 46. (?) == Acadian Owl. Lath. syn. >7, P. 149. n. 38. t. 5. f. 2. Uiberſ. v. Bechſtein. I. 1. S. 137. n, 38. t. 5. f. 2. Meyer und Wolf Taſchenb. I. S. 83. — Deren Naturg. d. V. Deutſchl. Heft 20. — Meyer Voͤgel Liv⸗ u. Eſthlauds. S. 38. — Bechſtein orn. Taſchenb. III. S. 557. 0. 13. — Naumanns Voͤgel, alte Ausg. Nachtr. S. 182. t. 25. f. 50 u. 51. Kennzeichen der Art. Der Kopf klein mit ſchmalem Geſicht und undeutlichem Schleier, die Fluͤgel kurz und die Zehen dicht beſiedert; Schnabel und Augenſterne gelb; Oberleib braun mit weißen Punkten; Un⸗ terleib weiß mit braunen Laͤngsſtrichen; Schwanz mit 4 bis 5 cake weißen Baͤndern. Laͤnge: 62 bis 72 Zoll. Beſchreibung. Der Kopf dieſer kleinen Tageule gleicht dem einer Weihe und der das Geſicht umgebende Schleier iſt eben ſo undeutlich wie der einer jungen Rohrweihe, ſo daß man ihn kaum bemerkt. Der Rumpf iſt etwas gerundet, die Fluͤgel kurz, ziemlich zugeſpitzt, der Schwanz gegen dieſe aber etwas lang, wenigſtens länger als an den Nachteulen, die Fuͤße klein. Die Federn des Geſichts ſind nicht ſo zerſchliſſen und borſtig wie bei andern Eulen, ſondern mehr glattanliegend, das Geſicht ſehr ſchmal, daher der Schnabel mehr hervorſtehend, das Gefieder des ganzen Koͤrpers dichter und der— ber als bei den Kaͤutzen, die vorderſten Schwingfedern nur ſehr J. Ordn. V. Gatt. 32. Sperlings⸗Eule. 435 ſchwach gezaͤhnelt. Nimmt man hierzu die geringe Groͤße, welche mit den Federn kaum die einer Rothdroſſel und, ohne dieſe, nicht die des gemeinen Kirſchkernbeiſſers uͤberſteigt, fo unterſcheidet ſich die Sperlingseule leicht und deutlich von dem ihr in der Farbe aͤh— nelnden Stein- und Tengmalmskautz. Die Natur hat ſich in Liber: einſtimmung der Faͤrbung und Zeichnung, beſonders des Oberleibes, hier mehrmals wiederholt; denn Strix passerina, Tengmalmi, acadıca, ſelbſt St. nisoria, fragen an den obern Theilen faſt einer. lei Zeichnung und Farbe. Es iſt hier wie unter den Arten der Droſſeln, Saͤnger u. a. m. Die Sperlingseule iſt eine der kleinſten dieſer Gattung; denn die Männchen find nur os bis 7 Zoll lang und 12 bis 123 Zoll breit, die Weibchen jedoch meiſt 1 Zoll groͤßer. Die Schwanzfedern ſind zwar abgerundet, doch faſt von gleicher Länge wenigſtens iſt es nur die aͤußerſte Seitenfeder, welche merklich kuͤrzer als die andere iſt, daher das Schwanzende nicht keilfoͤrmig, ſondern nur wenig abgerundet . Am Männchen beträgt die Länge des Schwan: zes meiſt 23 Zoll, und die Spitzen der in Ruhe liegenden Flügel, die noch 1 auslaufen als am Steinkautz, bedecken die Haͤlfte ſeiner Laͤnge. Der ziemlich ſtarke und dicke Schnabel kruͤmmt ſich oben in einem Halbzirkel abwärts, iſt hellgelb, oft auch beinahe orange— gelb, an der Wurzel und unter den runden Naſenloͤchern manchmal braun; der Oberkiefer, im en gemeſſen, £ Zoll lang. Die Augenliederraͤnder ſind gelb, die Iris der nicht gar großen Augen ſehr lebhaft hochgelb. Die 4 Zoll hohe Fußwurzel iſt dicht befiedert, dieſe Federn ſchmutzig oſtgelblich weiß, die Oberſeite der braͤunlichgelben Zehen mit einer ähnlichen dichten Bedeckung und ſchmutzig weiß. Die Krallen ſind groß, ziemlich ſtark, ſchoͤn gekruͤmmt und nadelſpitz, von Farbe ſchwarzbraun. Die Mittelzeh, mit der Kralle, mißt kaum 1 Zoll, die Kralle fuͤr ſich allein im Bogen z 2 Zoll; Hinterzeh und Kralle 7 Linien. f Das Maͤnnchen hat folgende Farben: Den Schnabel um geben dichte, weiße, mit langen ſchwarzen Barthaaren untermiſchte Federn. Das Geſicht iſt weiß, unter dem Auge gelblich mit dunkel— braunen Fleckchen; ein unregelmaͤßiger Federkreis oder Schleier, vom Ohre unter der Kehle weg, weiß mit braunen Flecken; alle untern Theile ſchoͤn weiß, jedoch eine Stelle in der Gegend der Achſeln roſtgelblich mit braunen Flecken, und die Seiten der Bruſt 436 I. Ordn. V. Gatt. 32. Sperlings⸗Eule. mit einzelnen dunkelbraunen Schmitzen. Die Stirn hat runde, roſtgelblichweiße, dunkelbraun eingefaßte Fleckchen; der Oberkopf und der ganze Ruͤcken ſind braun, was ſich dem Roſtbraun naͤhert, jede Feder in der Mitte nahe am Schafte mit zwei kleinen, runds lichen, hellroſtgelblichen Flecken, die nur hin und wieder hervor— ſchimmern, welche aber am Nacken und Hinterhalſe gelblichweiß, viel groͤßer und unordentlicher ſind und hier beinahe eine Art von Halsband bilden. Alle Fluͤgelfedern ſind lichter als der Ruͤcken, faſt hell roſtroͤthlichbraun, die großen Deckfedern nahe am Ende mit einem großen, ovalen, weißen Seitenfleck, wodurch ein un⸗ ordentliches Fleckenband quer uͤber dem Fluͤgel entſtehet; die Schwingen mit, in regelmäßiger Entfernung von einander ſtehen- den, weißen Randflecken, welche auf der dunkelbraunen innern Fahne hellen Querſtreifen aͤhnlich werden; der Fluͤgelrand weiß und die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, mit braunen Schmitzen; der Schwanz braun, roſtfarbig uͤberlaufen, mit ſchmalen weißen Spitzchen und vier bis fuͤnf ſchmalen weißen, an den Seiten roſt⸗ gelblich angeflogenen Querſtrichen. Die alten Weibchen ſind immer groͤßer als die Maͤnn⸗ chen, 72 bis 74 Zoll lang und gegen 14 Zoll breit, der Schwanz 23 Zoll lang; der Schnabel auch etwas, größer, die Fußwurzel 3 Zoll oder 10 3 Linien, Mittelzeh und Kralle 1 Zoll, und die Hin- terzeh mit ihrer Kralle 8 Linien lang. Die Iris iſt hellgelb; das Geſicht ſchmutzig weiß, hinter dem Auge mit einigen großen, doch undeutlichen, ſchwaͤrzlichen Halbkreiſen; Hals, Obertheil der Bruſt und Seiten ſchmutzig weiß, roſtgelb gemiſcht und braun unregels: mäßig gefleckt; der übrige Unterleib weiß, mit vielen ſchwarzbrau⸗ nen Laͤngsflecken, welche ſich an den untern Schwanzdeckfedern nur in blaſſer Anlage zeigen; die dichte Federbekleidung der Fuͤße ſchmutzig weiß, braͤunlich gefleckt; der Oberleib viel dunkler als am ae Bas ins Olivenfarbene uͤbergehend, mit allen den weißen Flecken, welche hier aber kleiner ſind und zum Theil nur als Punkte erſcheinen; auch Fluͤgel und Schwanz ſind dunkler, mit wenigern und kleinern weißen Flecken, und die Querbaͤnder ſtark mit Roſtfarbe uͤberlaufen. Das Weibchen ſieht alſo dunkler aus als das Maͤnn⸗ chen, und die braune Ruͤckenfarbe iſt olivenfarbig uͤberlaufen, beim Maͤnnchen dagegen faſt roſtbraun, ohne jene Miſchung. Bei manchen Individuen zeigen ſich in den Seiten auch unor— dentliche Querflecke, bei andern wieder nicht; auch giebt es Voͤgel, J. Ordn. at . Sperlings⸗Eule. 437 an welchen die runden weißen Flecke der obern l hin und wie⸗ der eine chi Einfaſſung haben. Aufenthalt. Auch dieſe Eule iſt ein der kalten Zone angehoͤrender Vogel, welcher ſich nur ſelten bis zu uns verſtreicht. In Pohlen, Ki: thauen und Schweden kennt man ſie hin und wieder; aber in Rußland iſt ſie noch haͤufiger, faſt gemein. Auch in Un⸗ garn wurde ſie geſchoſſen. In Deutſchland iſt ſie allenthalben hoͤchſt ſelten. Sie ſucht hier ſtets nur die Gebirgswaͤlder und vor: zuͤglich ſolche, die viel Unterholz und junge Schlaͤge haben. Man hat fie auf dem Harz und in dem Thuͤringerwalde, in den Schle⸗ ſiſchen, Boͤhmiſchen und Oeſterreichiſchen oder Steiermaͤrkiſchen Gebirgen angetroffen. In Schleſien traf man ſie auch in ebnen Waldungen an, z. B. in der Gegend von Pohlniſch Wartenberg und im Trachenbergſchen ). Da dies bald im Fruͤhlinge, wenn die Waldſchnepfen ſtreichen, bald im Herbſt, aber auch im Winter geſchahe, ſo darf man ſie wol nicht unter die Zugvoͤgel, ſondern unter die Strichvoͤgel zaͤhlen. Uibrigens ſcheint es, daß man ſie, bei genauerer Nachſuchung, in mehrern Gegenden Deutſchlands, als man bisher geglaubt hat, finden möchte, Da fie einſame wal— dichte und gebirgichte Gegenden liebt, und ſich gern im tiefſten Walde aufhaͤlt, ſo entzieht 5 ſich um ſo leichter den Augen Beobachters. Eigenſchaften. Es iſt ein gar niedliches, poſſirliches Geſchoͤpf, dem die wun⸗ derlichen Eulengebehrden, ſeiner Kleinheit wegen, einen ganz eignen Reitz geben. Das kleine Koͤpfchen gleicht, nicht wie bei andern Eulen oder Kaͤutzen, einem Katzenkopf, ſondern mehr einem Affengeſichtchen, mit ſchlauem gutmuͤthigen Blick, ſtatt daß in dem Blick der Nachteulen ein ſchwermuͤthiges, ſchlaͤfriges Weſen nicht zu verkennen iſt. Bei ihm ploͤtzlich in die Augen fallenden Gegen: ſtaͤnden oder wenn es zornig wird, ſtreckt es den Kopf vor und die Federn des Schleiers hinter den Augen heben ſich etwas, ſo daß man es, auf einem flüchtigen Blick, für eine Ohreule mit ſehr kur⸗ *) Hier wurde 1804 eine geſchoſſen, und WER bei Grunwitz eins, zur Herbſtzeit, in den Dohnen gefangen und dem verſtorbenen Hrn, v. Minckwitz ne uͤberbracht, dem es durch fein poſſirliches Betragen viel Freude machte, 156 I, Ordn. V. Gatt. 52. Sperlings-Eule. zen Ohrfedern halten koͤnnte. Der Tengmalmskautz macht oͤfters dieſelbe Stellung, hat aber eben ſo wenig wie unſer Sperlingseul⸗ chen wahre Ohrenfedern. — Sitzend macht es eine weit ſchlankere Figur, als die ihm verwandten Kaͤutze, es ähnelt darinn ganz den übrigen Tageulen; obgleich der Schwanz nicht fo lang iſt als an der Sperber- und Habichtseule, ſo iſt er doch laͤnger als an den Kaͤutzen und moͤchte ziemlich daſſelbe Verhaͤltniß geben, wie bei der Schneeeule. Man ſieht es dieſem allerliebſten Voͤgelchen ſogleich an, daß ſeine Lebensweiſe anders ſein muͤſſe, als die der uͤbrigen kleinen Nachteulen. Es hat einen raſchen, gewandten Flug, fliegt am Tage, ohne vom Sonnenlicht geblendet zu werden, feinen Geſchaͤf- ten nach, treibt dieſe jedoch gern in duͤſtern Waldungen im Schat— ten der Baͤume, auch in der Daͤmmerung Morgens und Abends. Es iſt ein ſchneller und ziemlich ſcheuer Vogel. Von mehreren, welche man eine Zeitlang lebendig unterhielt, hoͤrte man eine kreiſchende Stimme, die den Toͤnen: kirr! kirr! glich. Alle zeigten eine beſondere Lebhaftigkeit, aber keine eigent— liche Wildheit, kletterten gern und viel im Käfig herum und hingen ſich ſogar oͤfters an die Decke deſſelben. ö Nahrung. Dieſe beſteht vorzüglich in großen Inſekten, als: Nacht- ſchmetterlingen, Kaͤfern, Heuſchrecken, u. dergl., welche ſie meiſt in der Daͤmmerung faͤngt; aber auch in kleinen Vögeln und Maͤu⸗ ſen. Sie fliegt am Tage auf Ei aus, jagt aber eben fo häufig des Abends und Morgens im Zwielicht. Daß fie wirklich am Tage Voͤgel faͤngt, wird durch den Vorfall bewieſen, daß man einſt eine Sperlingseule mitten am Tage ſchoß, welche eine eben gefangene Blaumeiſe in den Klauen hatte. Ehe ſie einen Vogel verzehrt, rupft ſie ihn, nach Art der Falken, erſt ſorgfaͤltig die Federn aus. Die Maͤuſe zerreißt ſie in verſchlingbare Biſſen. Die in Gefan— genſchaft gehaltenen ſcheuen ſich anfaͤnglich bei Tage zu freſſen, lernen es aber bald; zuerſt thun ſie dies immer nur des Abends, doch nicht bei Lichte. Sie freſſen kleine Voͤgel ſehr gern, machen ſich ſogar ſehr bald uͤber lebende, welche man ihnen Preis giebt, her, toͤdten und verzehren ſie. Sprtp anz e Man ſagt, was auch ſehr wahrſcheinlich iſt, daß ſie in hohle Baͤume oder Felſenloͤcher niſte, und daß fie vier weiße Eier lege. 1. Ordn. V. Gatt. > Sen sBule 459 In Deutſchland niſtet fie wol ſchwerlich; wenigſtens iſt mir zur Zeit noch nichts davon bekannt geworden. | 5 Feinde. f Auſſer den allgemeinen Feinden der Voͤgel (wenn man Ein⸗ geweidewuͤrmer und Federinſekten ſo nennen kann,) ſind ihr alle kleinen Voͤgel, aus einleuchtenden Urſachen, von Herzen gram. Sie verfolgen ſie mit klagenden und neckenden Stimmen, huͤten ſich dabei doch ſehr ihr zu nahe zu kommen, wohl ee daß der kleine Raͤuber eben nicht mit ſich ſpaßen laͤßt. 1 4 9 Da ſie ſich im Walde aufhaͤlt, iſt ſie leicht mit der Flinte zu beſchleichen; ſie wird auch oͤfters im Zwielicht auf dem Anſtande, zumal auf dem Schnepfenanſtande, geſchoſſen. In den Dohnen und Schlingen faͤngt ſie ſich zuweilen zufaͤllig, indem ſie den gefan⸗ genen Voͤgeln nachgeht. Nutzen und Schaden. Sie nuͤtzt durch ihre Nahrungsmittel, und wuͤrde keinen Scha= den thun, wenn ſie nicht manchmal die Dohnenſtege und Schneu— ßen beſuchte, und die vorfindenden gefangenen Voͤgel für gute Beute erklaͤrte und auffraͤße; doch nimmt ſie faſt immer nur die kleinen Voͤgel. — . Anmerk. Dieſe Eule iſt die wirkliche Strix passerina des Linné, was uns H. Nilſſon g. a. O. klar vor Augen gelegt hat. Weil aber dieſer Name von Bechſtein einer andern Art beigelegt wurde und dieſe unter demſelben jetzt allgemein bekannt iſt, ſo waͤhlte ich fuͤr erſtere lieber einen andern Namen, un⸗ ter welchem Linns fie ebenfalls beſchrieben hat. — Den deutſchen Hauptnamen: Sperlings⸗ Eule, zog ich deswegen vor, weil der Name: Zwergkautz oder Zwergeule, mir nicht paſſend ſchien, da wir aus Braſilien eine neue Art bekommen haben, welche noch kleiner als die unſrige iſt. — Sperlingseule (Sparfuggla) heißt unſer Vogel auch in Schweden. — Zweite Familie. Ohreulen, Striges auriculatae ). Kopf: Groß, uͤber jedem Ohr ein Buͤſchel aufrecht ſtehender Federn, die Ohren oder Hoͤrnern aͤhnlich ſehen. Schwanz: Mittelmaͤßig oder kurz, am Ende faſt gerade. Das Gefieder. iſt ſehr weich und locker, wie aufgedunfen. NEN? betreiben ihre Gefchäfte in der Dämmerung und in hellen Nächten; am Tage ſchlafen fie, find alfo wahre Nachtvoͤgel. Vier Arten. 85. Die uhu Ohreule. Strix bubo. Linn. Taf. 44. Weibchen. Uhu, Buhu, Schuhu, Schubut, Schuffut, Huhui, Puhuy, Puhi, Bhu, Huo, Hub, Huͤru, Auf, Gauf, Berghu, Uhueule, große Ohreule, große Horneule, große gelbbraune Ohreule, Berg— und Steineule, Schubuteule, Adlereule, Großherzog. Strix bubo. Gmel. Linn. syst.I. 286. n. 1. Retz. Faun. Suec. p. 76. n. 24. Nilsson ornith. Suec, I. p. 52. n. 21. Duc ou grand Duc. Buff. Ois. I. P. 322. t. 22. — Id. Edit. d. Deuxp. II. p. 95. t. 7. Id. Pl. enl. 435. Gerard. Tab. elem. I. p. 64. == Hibou grand duc. Temminck man. p. 43. Eagle Owl, Pennant britt. Zool. I. P. 202. t. 29. = Great-eared Owl. Lath, In I, p. 176. n. 1. Uiberſ von Bechſtein. I. 1. S. 209. n. 1. —= Gufo reale. Stor. deg, uccelli, t. 81. = Bechſtein Naturg. Deutſchl. II. S. 882. u. 1. Deſſen orn. Taſchenb. S 47. u. 1. — Teutſche Orn. v. Vorkh. Beck. u. a. Heft 12. Meyer und Wolf Naturg. d. V. Deutſchl. Heft 1. — Deren ornith. Taſchenb. S. 70. == Meißner u. Schinz V. d. Schweitz. S. 29. n. 26. - Koch Baier. Zool. I. S. 132 n. 55. = Friſch Vgl. Taf. 93. = Naumanns Vögel, alte Ausg. IV. S. 244, Taf. 28. *) Asio, Dumeril. I. Ordn. V. Gatt. 55. Uhn⸗Ohreule. 441 2 Bemerk. Bubo atheniensis, Gmel. Linn, I. p. 286. u. ı. var. 6. gehört eben ſowol hieher wie Vaillants Vogel, ſ. le Vaillant Ois. d' Afrique, I. p. 100. pl. 40. — Kennzeichen e Die obern Theile dunkelroſtgelb und ſchwarz geflammt, die Kehle weißlich, die Federbuͤſche faſt ganz ah die Augenſterne pomeranzenfarben. ö Beſchreibung. Der Uhu iſt unter den Deutſchen Eulenarten die groͤßeſte. Sein großes Gefieder, was ſehr locker iſt und meiſt vom Koͤrper abſteht, giebt ihm eine ſcheinbare Groͤße, die der des Steinadlers oder einer Gans aͤhnlich wird, ob er gleich einen weit kleinern Rumpf als dieſe hat. Seine Laͤnge betraͤgt 24 bis 25 Zoll, die Fluͤgelbreite 68 bis 70 Zoll, doch giebt es auch Exemplare, welche dieſe Groͤße noch um mehr als einen Zoll uͤberſteigen. Der Schwanz iſt am Ende gerade, 10 bis 103 Zoll lang, und die zuſammengeleg⸗ ten Fluͤgel bedecken ihn bis auf ein Viertheil ſeiner Laͤnge. Der ſtarke, ungezahnte, in einem Halbzirkel herabgebogene Schnabel iſt von der Stirn bis zur Spitze, in gerader Linie, 2 Zoll, uͤber den Bogen aber 24 Zoll lang, und ſchwarz von Farbe. Das ſehr große feurichte Auge hat eine tiefſchwarze Pupille und eine brennend hochgelbe oder pomeranzenfarbige Iris, eine Farbe, welche ſich oft der Feuerfarbe naͤhert. An dieſen großen ſchoͤnen Augen bemerkt man ſehr deutlich die Verengerung und das Erwei⸗ tern des Sehlochs, wie dies mit dem Athenholen abwechſelt, wie die Pupille im Dunkeln ſehr groß iſt und bei ploͤtzlich einfallendem hellen Licht ſich ſchnell zuſammenzieht, u. ſ. f. Die runde Ohr⸗ oͤffnung iſt verhaͤltnißmaͤßig nicht fo groß, wie bei andern Eulen. Die Fußwurzeln und die obere Seite der Zehen find dicht bes fiedert, die Zehſohlen rauhwarzig, von Farbe braungrau. Im Ganzen ſind die Fuͤße mittelmaͤßig, die Krallen aber groß, ſchoͤn gekruͤmmt, ſtark und dunkelbraun. Der Lauf iſt 5 Zoll hoch; die Mittelzeh 23 Zoll lang, ihre Kralle, über den äußern Bogen ge— meſſen, 2 Zoll, im Durchſchnitt aber 12 Zoll; die Hinterzeh 1 Zoll und ihre Kralle 23 Zoll lang. Das Gefieder iſt mit einem ziemlich unordentlichen Gemiſch von gelbbraun oder dunkelroſtgelb, dunkelbraun und ſchwarz bes deckt, fo daß es faſt unmöglich oder doch unnuͤtz iſt, eine ganz ges naue Beſchreibung aller Flecken und Zeichnungen zu geben. 442 I. Ordn, V. Gatt. 33. uhu⸗Ohreule. Die dicken Borſtfedern des Geſichts ſind weißgrau, braun⸗ gelblich und an den Spitzen ſchwarz; die Einfaſſung des Geſichts, der Kragen oder Schleier, iſt ziemlich unordentlich, gelbbraun mit ſchwarz gefleckt und punktirt. Auf dem Vorderkopfe erhebt ſich uͤber jedem Auge ein Buͤſchel 3 Zoll langer, ſchwarzer, ſeitwaͤrts gelbbraun gefleckter und geſtrichelter Federn, welche aufrecht ſtehen, ſich jedoch etwas ruͤckwaͤrts krummen und Ohren oder Hoͤrnern aͤhn— lich ſehen. Die Federn auf dem Kopfe ſind ſchwarz und haben gelbbraun gefleckte und geſtrichelte Kanten; die Halsfedern roſtgelb— lichbraun mit unregelmaͤßigen breiten ſchwarzen Streifen in der Mitte; die Ruͤcken⸗ und Schulterfedern, ingleichen die Fluͤgeldeck— federn roſtgelblichbraun oder ſehr dunkel roſtgelb, unordentlich ſchwarz gefleckt, punktirt und gemiſcht, die kleinen Fluͤgeldeckfedern am dunkelſten, ſo daß die letztere Farbe beinahe die Oberhand hat. Die braunſchwarze Farbe bildet am Obertheile des Vogels uͤberhaupt auf dem dunkel roſtgelben Grunde bald große und kleine Flecke, bald Punkte, bald unordentliche Zickzacklinien; alles iſt regellos durch⸗ einander gemiſcht. Die Schwingen ſind am Ende abgerundet, der aͤußere Rand der drei vordern ſaͤgenartig gezaͤhnelt, alle mit braͤun⸗ lichſchwarzen und roſtgelben, dunkelbraun beſpritzten, gleichbreiten Querbinden durchzogen. Die Steißfedern und Schenkel ſind dun— kelroſtgelb, mit ſehr ſchmalen dunkelbraunen Wellenlinien durch— zogen; eben ſo, nur etwas heller, ſehen auch die dicht befiederten Laͤufe und Zehenruͤcken aus. Die Kehle iſt weiß, die Halsfedern bis an die Bruſt braunſchwarz mit ſehr breiten roſtgelben Einfaſ— ſungen; die dunkelroſtgelben Bruſtfedern haben laͤngſt den Schaft ten einen breiten braunſchwarzen Streif und find mit ſchmalen dunkelbraunen zickzackfoͤrmigen Querlinien durchzogen; die untern Schwanzdeckfedern ſchmutzig roſtgelb mit braͤunlichen Wellenlinien, blaſſer als die Bruſt; die mittleren Schwanzfedern ſchwarzbraun mit ſchmalen, durchbrochnen, gelbbraunen Querbaͤndern, die uͤbri— gen dunkel roſtgelb, braun beſpritzt, mit neun unregelmaͤßigen, gezackten, ſchwarzbraunen Binden. ! Kr Dies iſt die Beſchreibung eines alten Weibchens. Das Maͤnnchen iſt ſtets merklich kleiner, ſeine Geſtalt viel Be und der Kopf, im Verhaͤltniß zu den übrigen Koͤrpertheilen, dicker als am Weibchen. Auch ſind die Ohrenfedern viel laͤnger (gegen 4 Zoll lang), die Iris dunkler, die Grundfarbe des Gefieders we— niger roſtgelb, ſondern ſtark mit weiß gemiſcht, auch mehr und größer ſchwarz gefleckt. Beachtet man dieſe zwar nicht ſehr auf I. Ordn. V. Gatt. 35. Uhu⸗Ohreule. 443 fallenden, doch ſtandhaften Unterſcheidungsmerkmale, fo wird man es nicht mit dem Weibchen verwechſeln koͤnnen. An den jungen Voͤgeln ſind alle Farben dunkler und die Flecke häufiger als bei den Alten; Männchen und Weibchen unter: ſcheiden ſich aber ungeachtet auf diefelbe Art von einander, Die Höhe und Tiefe der Grundfarbe, die größere oder geringere Anzahl der Flecke und übrigen dunkeln Zeichnungen weichen zwar bei dieſem Vogel auf mancherlei Weiſe ab, doch giebt es keine ſo große Verſchiedenheiten, daß man ſagen koͤnnte: der Vogel variire auffallend. N 1 sag, Der Uhu iſt ein uͤber viele Theile der Erde verbreiteter Vogel. Man findet ihn in ganz Europa, im mittleren und noͤrdlichen Aſien, z. B. in Aſtrach an und in Kamtſchatka, in Afrika, ſelbſt auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung, in Suͤd— und Nordamerika, bis zur Hudſonsbay hinauf. In Deutſchland iſt er zwar nirgends ſehr zahlreich, doch auch kei— neswegs ſelten. Er liebt felſige und gebirgige Waldungen und koͤmmt nur ſelten in die ebnen. Je einſamer ein ſolcher Wald iſt, jemehr er mit ſchroffen Felſen und tiefen Bergſchluchten abwechſelt, deſto lieber iſt er ihm, zumal wenn ſich noch in ſelbigem Ruinen alter Burgen und ſehr hoher verfallener Gebaͤude befinden, welche er beſonders liebt. Im ſuͤdlichen Deutſchland, was mehr ſolcher Gegenden hat, iſt er daher auch haͤufiger als im noͤrdlichen, wo es meiſt nur ebne Waldungen giebt. Im Thuͤringer Walde und auf dem Harz iſt er uͤberall bekannt, in den ebnen Saͤchſiſchen und Brandenburgſchen Waldungen aber ſelten, und noch ſeltner verfliegt ſich einmal einer zu uns, in die kleinern Anhaltiſchen Waͤlder; doch ſind mir auch hievon mehrere Beiſpiele bekannt. Im Herbſt unternimmt er gewoͤhnlich ſolche Auswanderungen, die aber nicht in der Regel find; denn er iſt ein Standvogel und nur unter ges wiſſen Umſtaͤnden oder zufällig Strichvogel, ob er gleich ein ziem⸗ lich weitlaͤufiges Standrevier zu bewohnen e und in ſelbigem ö N ee Eigenſchaften. In ruhiger Stellung ſitzend, hat der Uhu ein abentheuerli⸗ ches Anſehen; aus dem großen, unfoͤrmlich aufgedunſenen Feder: klumpen ſieht man kaum die Spitzen der Extremitaͤten hervorragen, 444 I. Ordn. V. Gatt. 35, Uhn⸗Ohreule⸗ die halbgeſchloſſenen Glotzaugen laſſen ihr prachtvolles Feuer kaum ahnden; aber ploͤtzlich reißt er fie weit auf, wenn er etwas Unerwar⸗ tetes bemerkt, biegt den Kopf und Oberleib vor- und ſeitwaͤrts, hebt einen Fuß nach dem andern und tritt wieder mit auf, indem er die auswendige Zehe bald zur Hinterzehe, bald wieder vor ſchlaͤgt, faͤngt an zu zittern, winkt langſam mit den Augenliedern und knappt mit dem Schnabel zuſammen. Wird er boͤſe, ſo ſcheinen ſeine großen Augen zu funkeln, er biegt den Rumpf vorwaͤrts, haͤlt die Fluͤgel etwas haͤngend vom Rumpfe ab und ſtraͤubt das Gefie⸗ der ſo auf, daß er noch einmal ſo groß ausſieht, faucht und knappt mit dem Schnabel gar gewaltig und faͤhrt nun wuͤthend auf ſeinen Feind los. Es iſt uͤberhaupt ein kuͤhner und beherzter Vogel, der im Freien ſelbſt den Steinadler angreift, welcher ihm im Kampfe ſogar zuweilen unterliegen fol. — ). Sein Muth wird durch die Kraft ſeiner Glieder unterſtuͤtzt und er laͤßt, was er einmal gepackt hat, nicht leicht wieder los. Von andern Eulen un— terſcheidet er ſich vorzuͤglich darin, daß er am Tage viel muntrer iſt und dann, in der Gefangenſchaft, auch oft Nahrung zu ſich nimmt; da hingegen die andern jederzeit die Daͤmmerung abwarten und den Tag uͤber, mit verſchloſſenen Augen, an einer Stelle ruhig ſitzen. Er iſt daher auch ſehr auf ſeiner Hut, bemerkt alles was um ihn vorgeht und flieht ſchon, wenn die Gefahr nur von weitem drohet. Um ſich weniger bemerklich zu machen, legt er das Gefieder glatt an den Koͤrper, druͤckt ſich, wenn er auf einem Aſte ſitzt, an den Stamm des Baumes hart an, wird dann ſehr ſchlank und kann ſo leicht uͤberſehen werden. Er ſucht dazu die dichteſten Baͤume und auf dieſen die belaubteſten Stellen aus; verſteckt ſich aber weit lieber in Felſenkluͤften und in den Ruinen verfallener Gebaͤude, wenn ſich dieſe im Walde oder in der Naͤhe deſſelben befinden, auch wol in ſehr große weite Baumhoͤhlen, und bringt den Tag uͤber in ſelbigen zu. Ehedem, als noch der Gebrauch des Schießge— wehrs ſeine Vermehrung nicht ſo ſehr einſchraͤnkte, haußte er ſelbſt auf den abgelegenen Thuͤrmen bewohnter Burgen und Waldſchloͤſ— ſer. Alte hohe Ruinen, in welchen ſich die meiſten Eulenarten gern aufhalten, waren daher auch ſchon in alten Zeiten als Wohn⸗ „) Siehe Wagner in feiner Historia naturalis Helvetiae curiosa. p. 198. In wie weit biefe Geſchichte wahr, wage ich nicht zu entſcheiden. Der Kampf zwiſchen Adler und Übu wird indes von eee Schriftſtellern erzaͤhlt und für wahr gehalten, — I. Ordn. V. Gatt. 35. Uhu⸗Ohreule. 445 orte dieſer lichtſcheuen Nachtſchwaͤrmer bekannt, die der Aberglaube für Geſpenſter hielt. Unſer Uhu iſt es denn auch, der hierzu man⸗ cherlei Stoff gab und in den nächtlichen Augen des wilden . und wuͤthenden Heeres die Hauptrolle ſpielte. — Der Uhu lebt meiſt einſam, nur zur Begattungszeit mit 3 nem Weibchen und feiner Familie beiſammen; doch hat man, bes ſonders zu Anfang des Fruͤhlings, zuweilen auch mehrere beiſam⸗ men geſehen, welche bei naͤchtlicher Weile viel Laͤrm machten und ſich wahrſcheinlich um die Weibchen ſtritten. Er fliegt leicht, ohne a Geraͤuſch, langſam, ſchwankend und meiſt niedrig. Des Abends iſt ſein Flug nicht nur gewandter als am Tage, ſondern er ſchwingt ſich dann auch zuweilen ſehr hoch in die Luft. Daß ihn auch das: hellſte Sonnenlicht nicht blende, ſieht man an der Geſchicklichkeit, mit welcher er, ohne anzuſtoßen, am hellen Tage PAR die dichten Zweige hindurch fliegt. Sein gewoͤhnliches Geſchrei iſt ein hohles, ebm hes ber doch weit hoͤrbares Pu hu! und Puhue! Es klingt um ſo fuͤrch⸗ terlicher, wenn es von mehreren Uhus oft und ſchnell wiederholt, und bei naͤchtlicher Stille in einſamen Gebirgswaͤldern, oder in den Ruinen veroͤdeter Waldburgen, grauſend wiederhallt. Dieſe graͤßlichen Stimmen mit einem etwas hoͤhern Hu! untermiſcht, durch die verſchiedene Modulation dieſer und anderer, etwas ab weichender Toͤne, bald einem ſchallenden Hohngelaͤchter, bald dem Klaffen und Heulen von Hunden, dem Jauchzen von Jaͤgern, dem Wiehern von Roſſen u. dergl. aͤhnlich, dürfen wir uns nicht wun⸗ dern, wenn es ehedem Menſchen, welche ſich den grauſenden Lärm, an ſo unheimlichen Orten, nicht naturhiſtoriſch erklaͤren konnten, in Furcht und Schrecken ſetzte. Die Sage vom wilden Jaͤger und feinen Zügen, vom wuͤthenden Heer, feinen furchtbaren Vorbedeu- tungen, und was Aberglaube und Unwiſſenheit eines dunkeln Zeit⸗ alters Unſinniges und Schreckbares noch erſann, koͤmmt ohnfehlbar alles auf Rechnung des nächtlichen Umherſchwaͤrmens, der Spiele und Kriege des Uhus, die beſonders zur Begattungszeit am leb⸗ hafteſten betrieben werden. Das hohe Hu! aͤhnelt in der That dem ſtarken Jauchzen eines Menſchen und ſcheint, da man es oͤfterer im Fruͤhlinge als in einer andern Jahreszeit von ihm hoͤrt, ſein Paa— rungsruf zu ſein. Ein graͤßliches lauttoͤnendes Kreiſchen hoͤrte ich zu dieſer Zeit nur von dem Weibchen. Wenn er böfe iſt, ſchlaͤgt er den Schnabel ſo hart zuſammen, daß ein lautes Knappen da⸗ 446 J. Ordn. V. Gatt. 35. uhn⸗Ohreule. durch hervorgebracht wird, das im hoͤchſten Zorn noch von einem fauchenden Pu! begleitet wird. Jung aufgezogen, wird der Uhu ziemlich zahm, doch auch mit Unterſchied, indem es boͤs- und gutartige Geſinnungen unter ih⸗ nen zu geben ſcheint. Wenn auch nicht zu laͤugnen iſt, daß die Behandlung von Seiten feines Waͤrters viel Einfluß hier auf hat, ſo bin ich doch durch Erfahrung belehrt worden, 1 25 wirklich ſanfte, und im Gegentheil auch unbaͤndige und mor h= tige Uhus giebt. Mein Vater unterhielt ſonſt ſtets einen uhu für die Kraͤhenhuͤtte, und fo hatten wir in vielen aufeinander fol- genden Jahren, mehrere dieſer Voͤgel. Ihr Betragen war gar ſehr von einander verſchieden; denn waͤhrend mehr als einer, jede ihm vorgeworfene lebendige Kraͤhe, ſobald er ſich unbeobachtet glaubte, ohne Umſtaͤnde erwuͤrgte und auffraß, auch jedesmal, wenn ihm die Feſſeln fuͤr die Kraͤhenhuͤtte angelegt werden follien, ſich fuͤrchterlich zur Wehre ſtellte; ließ ein anderer geduldig mit ſich machen was man wollte, und lebendige Tauben oder Kraͤhen liefen Tage lang unangetaſtet in ſeinem Behaͤlter herum; ja er litt lieber den bitterſten Hunger, ehe er es gewagt haͤtte, ein ihm vorgeworfe⸗ nes lebendiges Geſchoͤpf zu toͤdten; ſogar von den andern, ihm bins gelegten, todten Thieren getraute er ſich, ſo lange eine lebende Taube, Kraͤhe, Holzheher u. dergl. in feinem Behalter war, nichts zu freſſen. — Die Beiſpiele von Sanftmuth und Feigheit ſind indes ſeltner, als die von Bosheit, Widerſetzlichkeit und Mordſucht. Nahrung. Dieſe große Eule naͤhrt ſich von allerlei kleinen Thieren, als: Hamſtern, Waſſer- und Wanderratten, Maulwuͤrfen, Wald- und Feldmaͤuſen, Schlangen, Eidechſen, Froͤſchen und allerlei großen Kaͤfern. Unter den groͤßern Thieren werden ihm aber auch Hirſch— und Rehkaͤlber, Haſen, Kaninchen, und unter den Voͤgeln Auer— Birk⸗ und Haſelhuͤhner, Faſanen und Rebhuͤhner, Kraͤhen, Heher u. dergl. oft zur Beute. Auch die kleinſten Voͤgel verachtet er nicht. Im Winter ſoll er ſich zuweilen den Waldſtaͤdten nähern, und da—⸗ ſelbſt die ſchlafenden Kraͤhen von den Daͤchern holen; “) denn Kra: „) Ich erinnere mich noch aus meinen fruͤhern Jugendjahren, daß einigemal des Nachts unter den in zahlloſer Menge auf dem Dache der Hauptſchule zu Deſ— ſau uͤbernachtenden Kraͤhen, ein „ Laͤrm entſtand; auch . lich aus einer ahnlichen Urſache. 5 I. Ordn. V. Gatt. 33. Uhu⸗Ohreule. 447 henfleiſch iſt ſeine bee Sp eiſe, Raubvoͤgel frißt er hingegen ſehr ungern. — Den kleinen Thieren und Voͤgeln zerknickt er mit dem Schnabel erſt den Kopf und die übrigen großen Knochen, und ver— ſchluckt fie dann ganz, mit Haut und Haar oder mit allen Federn; groͤßern Vögeln reißt er den Kopf ab, entblößt die Haut etwas von Federn, reißt nun das Fleiſch in ziemliche Stuͤcken und verſchlingt es. Die groͤßern und haͤrtern Knochenſtuͤcke werden im Magen meiſt in die mitverſchluckten Haare und Federn eingewickelt und alles in laͤnglichen Ballen, als ſogenanntes Gewoͤlle, durch den Nas chen wieder ausgeſpieen, waͤhrend nur ein Theil der Knochen mit dem Fleiſche zur wirklichen Verdauung uͤbergeht. Groͤßere Thiere frißt er nicht mit Haut und Haar, ſondern reißt ihnen die Haut am Bauche auf, frißt blos das Fleiſch heraus, legt, wenn er es auf einmal nicht aufzehren kann, das Fell recht artig wieder zu— ſammen und ſchiebt es in einen ſinſtern Winkel, aus welchem er es, ſobald er von neuem Appetit bekoͤmmt, wieder hervorholt. Im Win⸗ ter geht er auch auf das Aas. — Er fliegt des Abends ſehr zeitig, bei truͤbem Wetter oft noch vor der Abenddaͤmmerung, nach Raube aus, und geht auch des Morgens erſt ſpaͤt zur Ruhe. 5 Die in Gefangenſchaft gehaltenen Uhus werden mit allerlei Gefluͤgel, im Nothfall auch mit Fleiſch von krepirten Vieh, gefuͤt⸗ tert, und haben zu ihrem Wohlbefinden nichts noͤthig, als einen geraͤumigen, nicht zu hellen, Behaͤlter oder kleinen Stall, mit darin angebrachten Sitzſtangen und taͤglich etwa ſo viel Futter als ö eine Kraͤhe betraͤgt. Zuviel Nahrung iſt ihnen nicht gut und es ſcheint ihnen weit beſſer zu bekommen, wenn man fie mitunter eini= ge Tage hungern laͤßt. Sie koͤnnen viel auf einmal verzehren, aber auch 4 bis 5 Wochen ohne Nahrung hinbringen. Doch ſie zu lange hungern zu laſſen iſt nicht rathſam; auch muß der Behaͤlter oft von dem Abfall ihrer Küche gereinigt werden. Waſſer bedürfen fie nicht, weder zum Bade noch zum Trinken; denn beides thun ſie nie. Man ſagt auch, daß ſie Fiſche fraͤßen; diejenigen, welche ich hatte, wollten jedoch nicht daran. Ihr Behaͤlter muß ſich an einem abge— legenen Orte befinden, theils damit ſie nicht ſo oft geſtoͤhrt werden, theils des uͤbeln Geruchs wegen, den die Uiberbleibſel ihrer Mahl— zeiten verbreiten. Es iſt uͤberhaupt beſſer und ihrem Wohlbefinden angemeſſener, wenn man ihnen nicht mehr vorwirft als ſie auf einmal verzehren koͤnnen; das ſtinkende Fleiſch, beſonders wenn es von Maden durchwuͤhlt wird, iſt ihnen nicht zutraͤglich. * 448 1. Ordn. V. Gatt. 33. Uhu-Ohreule, Fortpflanzung. Schon in der zweiten Haͤlfte des Maͤrzes machen ſie Anſtalt zur Brut, machen aber dennoch nur eine im Jahr. Ihr ſehr gro— ßes Neſt, das auswendig aus vielen Stecken und duͤrren Reiſern und inwendig aus trocknem Laube und Geniſt unkuͤnſtlich gebaut iſt, legen fie mehrentheils in einer Kluft zwiſchen Felſen oder alten Rui⸗ nen, und nur da, wo fie dieſe nicht haben, auf einem alten. abge= ſtuzten Baum, am ſeltenſten aber auf einem hohen Baum an. Zu⸗ weilen bauen ſie in Steinhoͤhlen gar kein Neſt und die Eier liegen ohne alle Unterlage da. Das Weibchen legt? bis 5, aͤußerſt ſelten 4, faſt runde, weiße Eier, welche eine grobkoͤrnige Schale haben und etwas groͤßer wie Huͤhnereier ſind. Es bebruͤtet ſie drei Wochen lang, bringt jedoch ſelten mehr als zwei Junge aus. Dieſe ſehen anfaͤnglich einem Wollklumpen aͤhnlich, indem ſie mit ſehr zartem lockern Flaum bekleidet ſind, welcher auf ſchmutzig weißem und roͤthlichgrauem Grunde, Punkte und feine Wellenlinien von dunkel— brauner Farbe hat. Sie laſſen beſtaͤndig ein ſtarkes Ziſchen und zuweilen einige hellpfeifende Toͤne hören, bleiben fo lange im Nefte bis fie völlig fliegen koͤnnen, und werden von den Alten fo reichlich: mit Futter verſehen, daß man beſtaͤndig einen großen Vorrath da— von in ihrem Neſte findet. Erſt in der ſechſten Woche werden die Federohren bei den Jungen ſichtbar, und fie entdecken ſich ihren Fein— den durch das erwaͤhnte, weit hoͤrbare Ziſchen ſehr bald. Sehr weit entfernen ſich die alten Uhus ſelten von ihrer Brutſtatte; fie finden fi im Fruͤhjahr wieder in der Gegend ein und legen das neue Neſt meiſt an derſelben Stelle oder auf dem naͤmlichen Baum wieder an, oder beſſern blos das alte wieder etwas aus. So giebt es Felſenhoͤh— len, in welchen fie, ſeit langen Jahren, alljährlich ihre Brut machten, ob man ihnen gleich alle Jahr die Jungen wegnahm. — So ſelten der Uhu auch in hieſiger Gegend iſt, ſo ließ ſich doch vor einigen Jahren ein Pärchen einfallen in einem Anhaltiſchen Forſte, ohnweit der Stadt Deſſau, zu bruͤten. Die Gegend war ſehr lange von der ausgetretenen Elbe uͤberſchwemmt und es kam natuͤrlich in die— fer Zeit kein Menſch dorthin. Als die Elbe wieder in ihre Ufer zu ruͤcktrat, entdeckte man den Horſt, in welchem zwei Jungen ſaßen, die ausgenommen und aufgefuttert wurden. Das Neſt ſtand in dem ſehr großen, ausgehoͤhlten, mit vielen ſtarken Aeſten und dich— ten Zweigen umgebenen Kopfe einer nicht gar hohen, aber ſehr alten Hain- oder Weißbuche. Wahrſcheinlich daſſelbe Paͤrchen hat nachher wieder einmal in jenem Forſte gebruͤtet. I. Ordn. v. Gatt. 33. Uhu⸗Ohreule. 449 Feinde. 8 Alle Voͤgel haſſen den Uhu von ganzem Herzen, jedoch vor⸗ zugsweiſe die Waldvoͤgel; allein die Sumpf- und Waſſervoͤgel achten nur wenig, manche ſogar gar nicht auf ihn. Er iſt des⸗ wegen, ſobald er ſich am Tage ſehen laͤßt, den Verfolgungen und unaufhoͤrlichen Neckereien ſehr vieler Voͤgel ausgeſetzt, deren Hel⸗ denthaten aber nur in Schreien beſtehen und wovon nur wenige es wagen ihn wirklich zu zwicken. Unter den Tagraubvoͤgeln giebt es viele welche ihn ſehr heftig zuſetzen, doch ſind vor allen die Kraͤhen feine aͤrgſten und unverſoͤhnlichſten Feinde, welche ihn ſogar durch ihren feinen Geruch auswittern “). Sie verrathen durch ihr unauf⸗ hoͤrliches Schreien um und über ihm, oft dem Jaͤger fein Daſein, wenn ſie ſeinen Schlupfwinkel ausgewittert haben und uͤber demſel⸗ ben herum ſchwaͤrmen. | In feinem Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten und in fei- nem Innern Eingeweidewuͤrmer verſchiedener Art. Ein gezaͤhm⸗ ter Uhu ſtarb mir einſt an einer ſonderbaren Krankheit: Nachdem er ſchon mehrere Tage nichts gefreſſen hatte, kamen ihm lebendige Maden (große Larven von Schmeißfliegen, die zum Verpuppen reif waren) aus dem Schnabel, den Ohren und ſelbſt aus den Augen gekrochen, deren Menge bald fo wuchs, daß, als er ſtarb, der Ra: chen und der Schlund bis zum Magen hinab davon wie vollge⸗ pfropft war. — 5 Jagd. 5 Da der Uhu ein ſehr ſcheuer vorſichtiger Vogel iſt, ſo iſt ihm nicht leicht mit Schießgewehr beyzukommen und doch iſt dieß das einzige bekannte Mittel ſeiner habhaft zu werden. Wenn man ſei⸗ nen Schlupfwinkel, wo er den Tag uͤber zubringt, ausſpaͤhen kann, fo läßt er ſich, wenn dies eine Höhle iſt, hier noch am erſten be— ſchleichen. Morgens und Abends wuͤrde er gewiß auch leicht in die in der Note S. 155, beſchriebene Falle gehen; aus Mangel an Ge: „) Mein Vater pflegte ſonſt, wenn er in feine etwas entlegene Kraͤhenhuͤtte ge⸗ hen wollte, den Uhu, um ihn bequemer zu tragen, in einen ganz mit Lein⸗ wand uͤberzogenen Handkorb zu ſtecken; hier trug es ſich nun oft zu, daß Schwaͤrme von Kraͤhen, welche von ohngefaͤhr uͤber ihn weg fliegen wollten, plötzlich im Fluge anhielten und meinen Vater eine weite Strecke, zuweilen bis zur Hütte ſelbſt, verfolgten, ob ſie gleich nicht das Mindeſte vom Uhu ſehen konnten. — 450 I. Ordn. V. Gatt. 33. Uhu⸗Ohreule. legenheit habe ich es jedoch noch nicht verfuchen konnen. Die Sun: gen holt man oft mit Lebensgefahr aus den Spalten ſchroffer Fel⸗ ſen und alten Gemaͤuers. Nutz en. Durch Vertilgung zahlloſer Maͤuſe, Hamſter, Maulwuͤrfe u. dergl. wird er nuͤtzlich. Beſondern Nutzen gewährt er uns noch durch den Gebrauch für die Kraͤhenhuͤtte, indem wir durch dieſes Mittel die ſchaͤdliche Menge mancher Raubvoͤgel- und Kraͤhenar⸗ ten vermindern koͤnnen. Zur die Faſanerien iſt dies von befons derer Wichtigkeit. Die jungen Uhus ſtehen deshalb an vielen Orten in einem hohen Preiſe; ſo in meiner Gegend, wo das Stuͤck meiſt mit 10 Reichsthalern bezahlt wird. — N Schaden. Dieſer iſt fuͤr Jagdreviere von nicht geringer Bedeutung, da er ſich nicht allein an junge Rehe ſondern ſelbſt an Wildkaͤlber vergreifen ſoll. So viel iſt gewiß, daß ein Paͤaͤrchen, was Jun⸗ ge hat, eine unglaubliche Menge von Haſen, Rebhuͤhnern, und anderem nutzbaren Wildpret dieſen zuſchleppt. Er iſt alſo in die⸗ ſer Zeit ein beſonders ſchaͤdlicher Vogel, dem der Jaͤger mit Recht ſehr nachſtellt, wozu dieſer auch von der Obrigkeit billig durch ein gutes Loͤſegeld (in manchen Ländern 12 bis 16 Gr.) für ein Paar eingelieferte Faͤnge (Fuͤße) aufgefordert wird. Dies anſehn⸗ liche Schießgeld und der hohe Preiß, in welchem die Jungen ſtehen, ſind auch Urſache, daß die Anzahl der Uhus von Jahr zu Jahr vermindert wird, ſo daß wir ſie in Deutſchland bald un— ter die ſeltenen Voͤgel werden zaͤhlen muͤſſen. Anmerk. Eine kurze Beſchreibung der Kraͤhenhütte wird hier nicht am unrechten Orte ſtehen. Man bedient ſich hierzu eines Uhus, den man jung aus dem Neſte genommen und aufgefuͤttert hat, welcher weit zahmer wird, als ein alt eingefangener; denn biefe find ſehr wild und unbaͤndig, fie zu zaͤhmen koſtet daher unendliche Mühe und Gedult. Am wenigſten Mühe hat man mit dem Auffüttern, wenn man die Jungen, wenn ſie bald ausfliegen wollen, aus dem Neſte nimmt. Sobald ſie allein freſſen und nicht mehr trotzen, kann man fie an die Feſſeln gewoͤhnen und fie ihnen anlegen. Damit fie. aber, beim Einfangen und Anlegen der Feſſeln, nicht mit ihren ſcharfen Krallen verwun⸗ den, kann man ihnen, weil ſie ſich ihren Raub nicht ſelbſt zu fangen brauchen, die Spitzen der Krallen abſchneiden und ſtumpf raſpeln. Zu den Feſſeln nimmt man einen Riemen von ſaͤmiſchgahrem Leder, welcher an einem Ende in zwei Theile getheilt iſt; jeder dieſer beiden Theile wird wie eine Schleife oder Schlinge und ge⸗ gen 2 Zoll breit gemacht, und damit ſich der Uhu, ehe er das Sitzen gewohnt wird, die Beine nicht durchreibe, mit etwas Haſen⸗ oder Kaninchenfell gefüttert. . J. Ordn. V. Gatt. 34. Wald⸗Ohreule. 4531 Zum Ort fuͤr die Kraͤhenhuͤtte wählt man, wo möglich, eine kleine Anhöhe, über welche man Kraͤhen und Raubvogel oft fliegen ſahe. Die Huͤtte ſelbſt iſt Manns⸗ tief in der Erde, von Holz oder Steinen in beliebiger Große, mit einem Dache, was mit Erde uͤberſchuͤttet und mit Raſen uͤberdeckt wird, ſo daß es nur einen klei⸗ nen Erdhuͤgel über der Oberflache des Bodens bildet. Thuͤre und Schießſcharten duͤrfen nicht zu groß, und letztere von außen viel weiter als von innen fein. Ohngefähr 12 bis 15 Schritte von der Hütte wird ein 3 Fuß hoher kleiner Naſen⸗ huͤgel aufgebauet, in die Mitte deſſelben ein Pfahl, und in den Pfahl eine Kram⸗ me geſchlagen, durch welche letztere dann der Riemen, den der Uhu an den Beinen hat, gezogen und befeſtigt wird. Dieſer Huͤgel muß ſo ſtehen, daß man den Uhu aus der Hauptſchießſcharte beſtaͤndig vor Augen hat; denn an ſeinen Gebehrden und Poſituren kann man ſehen was für Arten von Naubvdgeln oder ob nur Kraͤhen im Anzuge find, Dies iſt durchaus nothwendig, weil ſich manche Raubboͤgelarten nicht lange aufhalten, einmal um den Uhu herum ſchwaͤrmen und dann wieder abziehen. Zu mehrerer Bequemlichkeit graͤbt man auch in einiger Entfernung um die Huͤtte einige trockne Baͤume (Hack⸗ oder Fallbaͤume, Haken) ein; iſt aber ein natuͤrlicher grüner Baum darneben, fo wird man bald bemerken, daß alle Vögel auf dieſen am liebſten aufbaͤumen, er darf nur nicht zu viel und zu dichte Zweige haben. 54. Die Wald ⸗ Ohreule. Betr ix otus. Linn. Taf. 45. Fig. ı. Maͤnnch en. Ohreule, mittlere, gemeine, kleine und rothgelbe Ohreule, kleine rothgelbe Ohreule, langoͤhrige Eule, kleine Horneule, Hoͤr— nereule, kleiner Uhu, gemeiner kleiner Schuhu, kleiner Schubut, Ohrkautz, gehoͤrntes Kaͤutzlein, Fuchs-Katzen-Kautz⸗ Knapp⸗ Ur⸗ und Ranzeule; hier zu Lande Horneule. 1 18 Rs Striæ otus. Gmel. Linn. syst. en P. 288. n. 4. = Retz. Faun. Suec. p. 77. n. 26. = Nilsson orn. Suec, I. p. 54. n. 22. Le moyen Duc ou Hibou, Buff. Ois, I. p. 342. = Edit. d. Deuxp. II. p. 104. t,7 Id. Pl. enlum. 29. = Gerard, Tabl. elem, I. p. 66. == Hibou moyen duc. Tem- minck man. p. 44. = Long-eared 'Owl Lat. Syn. p. I2In.5. = Uiberſ. v. Bechſtein I. S. 114. n. 6. Gufo minore. Stor. deg. uccelli. t. 82. Hoorn -uil. Sepp. Nederl, Vog. I. p. 303. — Bechſtein gem. Naturg. Deutſchl. II. S. 896. — Deſſen ornith. Taſchenb. S. 47. = Meyer und Wolf Naturg. d. V. Deutſchl. Hft. 12. == Deren Taſchenbuch d. Voͤgelk. I. S. 73. Meyer Vgl. Lio⸗ u. Eſthlands. S. 33. n. 5. — Teutſche Ornith. v. Becker u. a. Hft, 3. — Meisner und Schinz Vgl. d. Schweitz. S. 30. n. 27. Koch Baier. Zool. 1. S. 132. n. 56. = Friſch Vogel. Taf. 99. Nau- manns Vögel, alte Ausg. IV. S. 252. t. 29. f. 48. u. Nachkr. S. 339. 452 I. Ordn. V. Gatt. 34. Wald⸗Ohreule. Ken niz e ich en der Ar t. | An jedem Federbuſche zeichnen fich vorzüglich ſechs Federn durch ihre Größe aus. Der Schnabel iſt ſchwarz, die Iris hoch— gelb; der Koͤrper oben roſtgelb und weiß, mit grauen und ſchwarzbraunen Flecken und feinen Zeichnungen; die Bruſt hell⸗ roſtgelb, mit ſchwarzbraunen Laͤngsſtreifen und Pfleilflecken, wel: che ſich auf ihren beiden Seiten in Zickzacklinien verlaufen. Beſchrei bung. Das aͤußere Ohr iſt bei dieſer Eule von einer ſo ungeheu— ren Größe, wie bei keiner andern Art; denn die Klappen deſ— ſelben find beinahe fo lang als der ganze Kopf. — Die Jeder: ohren oder ſogenannten Hoͤrner ſind ſehr groß und koͤnnen nie ganz niedergelegt werden; ſie beſtehen zwar aus mehreren Fe— dern, doch zeichnen ſich ſechs derſelben durch ihre Laͤnge vor— zuͤglich aus; denn dieſe beträgt 12 bis faſt 2 Zoll. Von vorn nehmen dieſe Federn ſchnell an Länge zu, fo daß ſchon eine der vorderen die laͤngſte iſt, nach hinten aber langſamer ab, bis zur hinterſten, welche am kuͤrzeſten iſt. Die vorderſte Schwungfeder, auch wol noch die folgende, hat einen gezaͤhnelten Rand. Wegen des großen lockern Gefieders ſcheint ſie an Groͤße ei— ner Kraͤhe gleich, ob ſie gleich ohne Federn kaum ſo groß wie eine Taube iſt, wenn man ſich naͤmlich die groͤßern Schenkel und den dicken Kopf wegdenkt. Ihre Laͤnge betraͤgt 14 bis 15 Zoll, die Fluͤgelbreite 56 bis 38 Zoll, die Lange des geraden Schwan: zes 52 Zoll. Die ruhenden Flügel reichen mit den Spitzen noch uͤber das Schwanzende hinaus. Der Schnabel iſt ſehr gekruͤmmt, abwaͤrts haͤngend und un⸗ gezahnt, im Bogen 14 Zoll lang und ſchwarz von Farbe. So ſieht auch die Wachshaut und das Augenliederraͤndchen aus, die Iris hat dagegen eine ſehr lebhafte gelbe Farbe, vom Hochgel— ben bis zur brennendſten Pomeranzenfarbe, denn bei den Al— ten iſt ſie ſtets dunkler oder feurichter, als bei den Jungen. Die Fuͤße ſind durchaus, nur die Zehſohlen ausgenommen, mit einem kurzen flaumigen Gefieder dicht bedeckt, der kahle Theil der Zehen graugelb, die duͤnnen, nadelſpitzen, nicht ſehr ſtark gekruͤmmten Krallen braunſchwaͤrzlich. Die Fußwurzel iſt 13 bis 2 Zoll hoch, die Mittelzehe 1 und ihre Kralle im Durchſchnitt £ Zoll. Die Hinterzeh mißt 3 Zoll, ihre Kralle eben fo viel. J. Ordn. V. Gatt. 34. Wald: DOhreule 453 Die borſtigen Federn zunaͤchſt der Schnabelwurzel ſind weiß, zum Theil mit ſchwarzen Spitzen, die uͤbrigen Federn des Geſichts weiß, roſtgelblich und braͤunlich gemiſcht, die Umgebung des Aus ges, beſonders vorwaͤrts, dunkelbraun, doch nie ſo auffallend wie bei der folgenden Art, oft iſt dieſer dunkle Augenkreis ſogar kaum bemerkenswerth. Die ſchleierartige Einfaſſung giebt dem Geſicht eine runde Form, die blos uͤber und unter dem Schnabel einge— druckt iſt. Dieſer Federſchleier iſt weiß, roſtgelb gemiſcht, mit ſchwarzer und brauner Farbe gefleckt und punktirt. Die großen Ohrfedern ſind ſchwarz, auf der aͤußern Seite roſtgelb, auf der innnern weiß, doch fo daß dieſe Farben in Punkten oder Za⸗ cken in einander uͤbergehen. Die ganze untere Seite des Rumpfes iſt hell roſtgelb, weiß gemiſcht, unter dem Schwanz am lichteſten, uͤberall mit dunkelbraunen Schaftſtrichen, welche oft weiß begraͤnzt ſind, uͤbrigens aber auf beiden Seiten in Zacken oder kurzen Wellenlinien in dem lichten Grunde verlaufen, zuwei— len Kreutzen oder manchmal Pfeilflecken aͤhneln. An der Oberbruſt ſind dieſe zackichten Flecke am groͤßeſten, am Halſe werden ſie aber breiter und regelloſer, unter dem Schwanze aber klein und un— deutlich. Alle obern Theile, vom Kopf bis zum Schwanz, auch die Fluͤgeldeckfedern, haben zur Grundfarbe ein Gemiſch von Roft: gelb und lichtem Aſchgrau, mit dunkelbraunen Schaftflecken, Zidzad- linien, punktirten Wellenlinien und Punkten, durch welche an der Aus ßenſeite der Schultern und hie und da auf den Fluͤgeln weiße Flecken blicken. Die dunkelroſtgelbe und ſchwarzbraune Farbe ſind an den obern Theilen dieſes Vogels die herrſchenden und die feinen Linien und Punkte von letzterer charakteriſtiſch. — Die aſchgraue Far⸗ be befindet ſich meiſt an den Spitzen der Federn. Auf den hintern Schwingen bildet die braune Farbe Querbaͤnder; die großen Schwin⸗ gen ſind roſtroͤthlichgelb, mit aſchgrauen, K Enden und ſchwarzbraunen Querbaͤndern, welche ſich auf der Wurzelhaͤlfte der Auſſenfahne verlieren. Der Schwanz iſt dunkelroſtgelb, an den Spitzen braungrau beſpritzt und mit ſchwarzbraunen Querbinden durchzogen, die auf den grau überlaufenen und braunbeſpritzten Mittelfedern nicht ſo deutlich als an den andern ſind. Von unten iſt der Schwanz viel lichter, die dunklen Binden aber ſchmaͤler und reiner; die untere Seite der Fluͤgel roſtgelblichweiß, mit ein⸗ zeln braunen Flecken; der Fluͤgelrand weiß; die Federn an den Fuͤ⸗ ßen hell roſtgelb und ungefleckt. — 45% J. Or dn. V. Gatt. 54. Wald⸗Ohreule. Das Maͤnnchen if ſtets ſchlanker und etwas kleiner als das Weibchen. In Hinſicht der Farben iſt kein ſehr auffallen⸗ der Unterſchied zwiſchen beiden, doch iſt das letztere ſtets duͤſterer, mehr mit grau gemiſcht, und wenn man Eulen dieſer Art findet, an deren Gefieder der obern Theile, die aſchgraue Farbe die roſtgelbe Grundfarbe zu verdraͤngen ſcheint, ſo ſind dies immer junge Voͤ⸗ gel. An dieſen find dann meiſt auch die dunkelbraunen Zeichnungen feiner, dichter oder verworrener, auch Schwing- und Schwanjfes dern mehr grau als gelb, und haͤufiger geſprenkelt, die Augen⸗ gegend auch viel dunkler, als an den ſtets lichtern Alten. Das junge Gefieder der alten Voͤgel, nach der Mauſer, hat ein weit dunk⸗ leres Roſtgelb und friſcheres Anſehen, als das abgebleichte Kleid im Fruͤhlinge. Stellt man nun ſolche nach Alter und Jahreszeit ver— ſchiedene Vogel zuſammen, fo ſieht man wol einigen Unterſchied; doch iſt er zu unbedeutend, um dieſe Art mit einer andern verwech⸗ ſeln zu koͤnnen, und macht alle weitere Beſchreibungen unnuͤtz. Aufenthalt. Dieſe Ohreule iſt ein weit verbreiteter Vogel; denn in ganz Europa, Afrika, Aſien und im nördlichen Amerika koͤmmt fie vor. Man hat ſie in Aſtrachan, Egypten und am Cap ſogar angetroffen. Fuͤr Deutſchland iſt ſie ein gemeiner, uͤber— all bekannter Vogel. Waldungen, ſie moͤgen ſich auf Gebirgen oder in Ebenen befinden, wenn ſie nur nicht zu licht ſind, gewaͤh— ren ihr einen Aufenthalt. Ich habe ſie nie anderswo als im Wal⸗ de, beſonders wenn er recht dicht und finſter war und viel Unter⸗ holz hatte, oder in großen duͤſtern Baumgaͤrten angetroffen. Ob der Wald aus Laub- oder Nadelholz beſteht, iſt ihr gleich. Sie koͤmmt zwar, beſonders im Winter, auch in die Staͤdte und Doͤr⸗ fer, doch nie in die Gebaͤude, ſondern immer nur in die Gaͤrten und dichten Baumanlagen. In einem dichtbelaubten Baume und, zur Zeit wenn kein Laub auf den Baͤumen iſt, gern in einem Na⸗ delholzbaume, ſitzt ſie am Tage auf einem Aſte, wo dieſer aus dem Stamme hervorgeht, und ſchlaͤft. Sie fol ſich auch in Baumhoͤh⸗ len verſtecken, was ich aber bezweifle. Ich habe ſie wol auf den Koͤpfen alter Weiden, aber nie in einem hohlen Baume ſchlafen ſe— hen“). Eben ſo kann ich es auch nicht durch ſelbſtgemachte Beob— *) Am pten December dieſes Jahres (18 19.) traf ich 14 Stuͤck beiſammen, welche nahe bei einander, etwa auf 6 Weidenkoͤpfen ſaßen, in einer Gegend wo es J. Ordn. V. Gatt. 34. Wald⸗Ohreule. 455 achtungen beſtaͤtigen, daß fie Ruinen und einfame unbewohnte Gebaͤude in waldigen Gegenden bewohnen ſoll. Daß fie die Hoͤh⸗ len und Spalten mit Gebuͤſch bewachſener Felſen zu ae h nung aufſuche wird als gewiß behauptet. AUnſere Waldohreule wird von vielen für einen Standvogel ge⸗ halten; allein nach meinen Erfahrungen iſt fie, wenigſtens in mei⸗ ner Gegend, ein Strichvogel, ja in gewiſſem Betracht ſogar 3 Jug⸗ vogel. Im Sommer iſt ſie einzeln in den Waͤldern vertheilt, ſo ſieht man ſie mehrentheils auch im Winter; allein im Herbſt, vom September bis die Baͤume ſich gaͤnzlich entlaubt haben, und im Frühling, von der letzten Haͤlfte des Februar bis in den April hin⸗ ein, iſt ſie ungleich haͤufiger; man trifft ſie dann ſogar manchmal in Geſellſchaften von zehn bis ſechszehn und mehreren beiſammen. In dieſer Zeit habe ich auch ſogar einmal eine auf einem gepfluͤgten Acker im freien Felde angetroffen, wohin ſie ſich ſonſt nur ſelten wagt. In jungen Kieferanſaaten, wenn ſie bereits zu Stangen⸗ holz angewachſen und im freien Felde liegen, ſieht man ſie Wege len in Menge beiſammen. — 5 Sec el e Dieſe Ohreule verraͤth wenig Wildheit, iſt daher auch liche zu zaͤhmen und vergnuͤgt dann durch die poſſierlichſten Gebehrden und abwechſelnden ſonderbaren Poſituren mehr, als irgend eine an⸗ dere Eule. Schon ihre Figur, ſelbſt wenn ſie ganz ruhig ſitzt, hat etwas Sonderbares. Der katzenaͤhnliche Kopf mit den großen Fe⸗ derohren ſieht um ſo poſſirlicher aus, wenn die Augenlieder ſoweit geſchloſſen ſind, daß die großen Glokaithen nur durch einen ſchma⸗ len Ritz noch ſichtbar ſind, auf welche Weiſe ſie am Tage alles was um ſie vorgeht beobachtet. Neckt man ſie, beſonders mit einer vorgehaltnen Katze, fo wechſelt fie mit den laͤcherlichſten Stellungen auf die mannichfaltigſte Weiſe. — Sie ſchlaͤft den ganzen Tag und bleibt, wenn fie nicht geſtoͤhrt wird, auf ihrem Aſte ruhig ſitzen. Geht man behutſam, ſo laͤßt fie ſich hier ganz nahe ankommen, beobachtet die Gefahr mit mehr als halb geſchloſſenen Augenliedern, und ſchmiegt ſich dicht an den ur des Baumes, indem fie das ſehr große Weidenpflanzungen und auch viel hohle Weidenbaume 90 Haͤtten ſie ſich hier in Höhlen verbergen wollen, ſo wuͤrden ſie deren genug aufgefun⸗ den haben; allein fie ſaßen ſämmtlich, trotz des eben herrſchenden ſehr heftigen, ſchneidend kalten Oſtwindes, frei auf den Köpfen der Weidenbaͤume. — 436. . Ded. V. Gatt, 34 Wald Ohren. Gefieder ſo glatt an den Koͤrper anzieht, daß ſie dadurch ein ſehr kleines und ſchlankes Anſehen bekoͤmmt. Der Unkundige uͤberſieht fie fo leicht. Diejenige welche ich einſtmals im freien Felde antraf, legte ſich bei meiner Annaͤherung platt in eine Ackerfurche nieder. Koͤmmt die anſcheinliche Gefahr ihr nicht recht nahe, ſo fliegt ſie gar nicht weg. Daß ſie, beſonders in der Strichzeit, geſelliger als andre Eulen ift, habe ich ſchon oben erwähnt. Solche kleine Ge: ſellſchaften ſitzen am Tage in geringer Entfernung von einander, in den Aeſten der Bäume, ſelbſt auf einem einzigen Baum, und zu⸗ weilen ſogar mehrere auf einem Aſte neben einander. Sehr oft fin⸗ det man ein einzelnes Paͤaͤrchen auf den Aeſten eines Baumes nahe beiſammen ſitzend. Sie fliegen am Tage ſehr leiſe, geraͤuſchlos, ſchwankend und langſam, dabei nie ſehr hoch; blos in der Dim: merung, wo ſie ihren Geſchaͤften nachgehen, zeigen ſie etwas mehr Gewandheit im Fluge. | | Ihre Stimme läßt fie beſonders im Fruͤhlinge des Abends und die Naͤchte hindurch, wenn dieſe hell ſind, ſehr fleißig hoͤren. Es iſt ein nicht unangehm klingendes, hohes, gedehntes Huuk! wos. bei der Ton allemal gegen das Ende dieſer Sylben allmaͤlig um ei⸗ nen halben Ton in die Höhe gezogen wird. Man hört dieſe Stim⸗ me an ſchoͤnen Fruͤhlingsabenden, in kurzen Intervallen, oft bis tief in die Nacht hinein. Auch des Morgens, wenn laͤngſt ſchon die Sonne aufgegangen iſt, zuweilen noch. Weit ſeltner wie dieſes Huuk, laͤßt ſie zu dieſer Jahreszeit eine Stimme hoͤren, welche hiermit! gar keine Aehnlichkeit hat. Sie klingt hohl und dumpf: Wumb, — Wumbl! und hört ſich, in der Nähe gerade fo an, wie bei ſtillen Nächten der fuͤrchterliche Paarungsruf eines, eine halbe Stunde weit entfernten, großen Rohrdommels. Mein zweiter Bruder fand ſich einſt einige Abende nacheinander dadurch getaͤuſcht; er glaubte den Rohrdommel im nahen Bruche zu hoͤren, wunderte ſich wie der im Februar ſchon muſiciren koͤnnte, hoͤrte aber nachher daß die Stimme aus den Zweigen der Kiefern kam, unter welchen er ſtand, und feine Flinte verſchafte ihn bald den Brummer, eine maͤnn⸗ liche Waldohreule. — Sonſt laͤßt ſie im Zorn ein Blaſen oder Fauchen hoͤren, und knappt, wie andere Eulen, auch mit dem Schnabel. Nahrung. Dieſe beſteht in Wald⸗Feld⸗ und Waſſermaͤuſen, Spitzmaͤu⸗ ſen, Maulwuͤrfen und Thaufroͤſchen, in Kaͤfern und andern gro— I. Ordn. V. Gatt. 34. Wald⸗Ohreule. 457 ßen Inſekten, in jungen und alten Voͤgeln, welche letztere ſie im Schlafe zu uͤberraſchen ſucht. Sobald die Abenddaͤmmerung an: bricht, koͤmmt fie aus ihrem Schlupfwinkel hervor, um ſich nach Nah: rung umzuſehen, fliegt dann nicht allein auf die lichten Plaͤtze in den Waͤldern, in den Gaͤrten und bei den Doͤrfern herum, ſondern ſtreift auch auf die Felder; treibt dies Geſchaͤft, wenn es nicht zu finſter iſt, die ganze Nacht hindurch und begiebt ſich, ſobald die Morgen: daͤmmerung voͤllig voruͤber iſt, auf ihren Schlupfwinkel zur Ruhe. Ein einziges Mal ſahe mein Vater jedoch auch, an einem hellen Sommermorgen um 9 Uhr, eine dieſer Eulen auf einem Baume ſi⸗ tzen und einen Maulwurf verzehren. — Im Winter, bei tiefem Schnee, wo die Maͤuſe nicht aus ihren Löchern hervorkommen, fan: gen ſie auch groͤßere Voͤgel, z. B. Rebhuͤhner, wenn dieſe naͤmlich von Hunger und Kaͤlte ermattet ſind. So geſchahe es vor mehre— ren Jahren, daß tiefer Schnee im Januar, in hieſiger Gegend, die Erde bedeckte und noch dazu eine dicke Eisrinde bekam, welcher Um: ſtand unter den Rebhuͤhnern eine Hungersnoth herbeifuͤhrte, wel— che von Raubvoͤgeln aller Art zum Nachtheil der Rebhuͤhner bes nutzt wurde. Damals befand ſich mein zweiter Bruder eines Abends auf dem Anſtande nach Haſen, er ſahe eine Waldohreule voruͤber nach dem Felde fliegen, hörte bald daß fie ein Volk (Geſellſchaft) Rebhuͤhner aufſtoͤberte, von denen eins jaͤmmerlich ſchrie, was ſie wahrſcheinlich im Schlafe ergriffen haben mochte. Am folgenden Abend ging es eben ſo, ſie ſetzte ſich jedoch, mit einer Beute bela— den, in Schußweite vor ihm hin, und wurde mit einem friſch getoͤd— teten, noch warmen und blutenden, zum Theil aber ſchon zer⸗ fleiſchten Rebhuhn in den Klauen geſchoſſen. Daß fie es ſelbſt ge- fangen haben mußte, war nicht zu bezweifeln. — Daß dieſe Eule auch auf die Taubenſchlaͤge gehen ſollte, wie man ihr wol mitun⸗ ter Schuld giebt, habe ich nie geſehen. Fortpflanzung. Man ſagt, daß dieſe Eule auch in hohlen Bäumen und Felfen: ſpalten bruͤten ſoll, dies iſt jedoch in hieſiger Gegend nicht der Fall, ich habe wenigſtens ihr Neſt nie darinnen gefunden. Sie ſucht da: zu, in unſern Wäldern, immer ein altes Neſt auf, was früher ent⸗ weder einem Buſſard, Sperber, einer Kraͤhe, Ringeltaube und dergl. oder auch einem Eichhoͤrnchen gehoͤrte. Hat das Weibchen ein ſolches altes Neſt aufgefunden, ſo legt es, ohne weiter daran 458 I. Or dn. V. Gatt. 54. Wald⸗Ohreule. zu bauen, im Maͤrz, ſeine vier, faſt runden, weißen Eier hinein und bruͤtet ſie binnen drei Wochen allein aus, waͤhrend welcher Zeit es denn vom Maͤnnchen reichlich mit Speiſen verſorgt wird. Gleich zu Anfang ſehen die Jungen weißlich aus, fo wie das Flau⸗ mengefieder aber groͤßer wird, bekoͤmmt es eine, mit dunkelbraunen Wellenlinien durchzogene, braͤunlichgraue Farbe, das Geſicht wird ganz ſchwarzbraun und an der Stelle der Federohren, ſtehen zwei Buͤſchel braungeſtreifter Dunen. Sie haben ein abentheuerliches Anſehen; faſt ſcheint es, als hätten fie eine Peruͤcke auf dem Ko⸗ pfe, und laſſen ihre hoͤchſt unangenehme Stimme, ein kreiſchendes, viel höheres Kuuk, als das der Alten, ſehr fleißig hören. Sie ſind, ehe ſie wirkliche Federn bekommen und ausfliegen, in jedem Betracht, haͤßliche Geſchoͤpfe. Feinde. Alle Waldvögel, beſonders die kleinern, auch Spechte und He⸗ her, ſind ihnen von Herzen feind, verfolgen ſie mit heftigem Geſchrei und aͤngſtlichen Gebehrden, und zeigen ſie dadurch dem Jaͤger an. Sonſt wuͤhlen mehrerlei Arten von Eingeweide— wuͤrmern, und dieſe oft in bedeutender Menge, in ihrem Koͤrper. Im Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten. Jagd. Da ſie gar nicht ſcheu, vielmehr dumm iſt, ſo iſt ſie leicht zu ſchießen, nur muß man im Auffinden ihrer Lieblingsplaͤtze und Schlafſtellen geuͤbt ſein; ſonſt geht man oft unter ihrem Baume weg, ohne daß fie herausfliegt. Die ausgeflogenen Jungen ver: rathen ſich oft durch ihr Kreiſchen. Abends bei Mondenſchein laͤßt ſie ſich leicht ſchießen, wenn man ſie durch das mit dem Munde nachgemachte Maͤuſegeſchrei herbeilockt. In der oft erwaͤhnten Raubvoͤgelfalle meines Vaters habe ich fie in der Morgendaͤmme⸗ rung einigemal gefangen. ö 1 Nutzen. Man braucht ſie um Voͤgel anzulocken damit man dieſe fangen koͤnne. Durch Vertilgung unzaͤhliger Feld- und Waldmaͤuſe wird ſie ungemein nuͤtzlich, und ſollte deswegen uͤberall gehegt werden. Schaden. Daß fie zuweilen einen gefangenen Vogel aus den Dohnen ho— len und halbverhungerte Rebhuͤhner fangen, darf man ihnen ſo 1. Ordn. V. Gatt. 34. Wald⸗Ohreule. 459 hoch nicht anrechnen, da ſie meiſt nur Maͤuſe freſſen und folglich zu den nuͤtzlichſten Voͤgeln gerechnet werden muͤſſen. Leider bezahlt man aber auch noch für ihre Fänge dem Jaͤger ein Loͤſegeld. — 3 35. a Die Sumpf⸗Ohreule. Strix brachyotos. Lat h. u ii Taf. 45, Fig. 2 2. Maͤnnchen. \ Kurzoͤhrige Ohreule, kurzoͤhrige Eule, Eule mit kurzen Oh⸗ ren, gehoͤrnte Sumpfeule, Moor-, Rohr-, Bruch- und Wieſen⸗ eule, Schnepfeneule, dreifedriger Kautz, gelber Kautz (ohne Fe⸗ derohren), Steineule, gelbe und lohgelbe Eule, Brandeule; hier zu Lande: 1 Striz brachyotos. Lath. ind. orn. I. p. 55. n. 11. = Gmel. Linn. syst. I. p. 289. n. 17. =: Sri accipitrina. Gmel. Linn. syst, I. p. 296. n. 36. = Pallas It. 1. Pp. 455. n. 6, — Gmel. Tr. . p., 163. k., 9. == Szriz Uluwla. Gmel. Linn, syst. I. p. 294. n. 10. = Lath. ind. orn. I. p. 60, n. 27. = Retz. faun. Suec. p. 82. n. 33. Strix stridula, Nov. act. reg. accad, sc, Suec, 1783. p. 47. —= Striz aluco. Brünn, Ornith. boreal, p. 6.n. 17. = Striz flammea. Pontoppidan Alt. Dan. I. k. 23. fig. 5. = Striz arctica. Sparm, Mus, Carlson. fasc, III. tab. 51. — Siriz £Zripennis. V. P. Schrank. Faun. boic. p. 112. n. 64. = Strir palustris. Siemssen Handb., d. Meklenburg. Voegel. S. 33. Serin bra chu. Nilsson. Ornith. Suec. I. p. 62. n. 27. — — — Chouet- te ou grand Cheveche. Buff. Ois. I. 3572. Edit. d. Deuxp. II. p. 134. t. 9. fig. . =: Id. Pl. enlum. 438. = Gerard. Tab. elem. I. p. 78. = Ducacourtes-oreilles. Sonnini Edit. de Buff. IV. p. 7. = Hi 5 O bDrachiöte, Temmink. man, p. 46. = Short-eared Owl, brown and. caspian Owl. Lath. syn. I. P. 12 4. n. 9. — Pp. 140. n. 28. et p. 147. . 33 Uiberſetzung v. Bechſtein I. 1. S. 117. n. 9. — S. 835 n. 28. und ©. 136. n. 36. — Bechſtein gem. Naturg. Deutſchl. II. S. 906. n. 3. — S. g9og. n. 4. — S. 940. n. 92 und S. 957. m. 11. = Deſſen ornith. Taſchenb. S. 48. n. 3. — S. 49. n. 4. — S. 52. n. 8. und S. 55. n. 10. — Meyer u. Wolf Taſchenb, der Voͤgelk. S. 73. n. 3. = Teutſche Or⸗ nith. v. Borkhauſen, Becker u. a. Hft. 17. - Meisner und Schinz V. d. Schweitz S. 31. n. 28. —= Koch Baier. Zool. I. S. 133. n. 57. Friſch Vogel t. 98, = Naumanns Vögel, alte Ausg. IV. S. 256. Taf. 29. Fig. 49. und Nachtr. S. 340. Keunzſe ichen der Art, Der Kopf etwas klein, die Federohren nur aus zwei bis vier ſehr kurzen beweglichen Federn beſtehend; der Schnabel und die 1 460 I. Ordn. V. Gatt. 35. Sumpf⸗Ohreule. Augenkreiſe ſchwarz; die Iris hellgelb; der Oberleib roſtgelb und weißlich, mit dunkelbraunen Flecken und groben Zeichnungen; der Unterleib hellroſtgelb mit einfachen dunkelbraunen Laͤngs flecken und ſchmalen Schaftſtrichen; auf der Unterſeite der Fluͤgel zwei ſchwar⸗ ze Felder. Beſchreibung. Dieſe Eule hatte das Schickſal, ſehr oft mit andern verwech— ſelt zu werden, vorzuͤglich dem Umſtande zu verdanken, daß ihre kleinen Federohren ſo beweglich ſind; denn ſie ſpielt im Leben oͤfters damit, traͤgt ſie uͤberhaupt nicht oft aufrecht, ſondern legt ſie auf die Kopffedern glatt nieder, was auch im Tode jederzeit der Fall iſt. Da ſie ſich weder durch Groͤße noch Farbe von den ubrigen Kopffedern ſehr auszeichnen, ſo ahndet fie der Nichtken⸗ ner gar nicht. Ihre Zahl ſteigt von zwei bis zu vier und die laͤngſte mißt, von der Baſis bis zur Spitze, kaum 1 Zoll. Dieſe ſehr leicht zu uͤberſehenden kleinen runden Federohren ſtehen auch viel naͤher beiſammen als die der andern Ohreulen. Die Ohrmuſchel iſt faſt eben ſo groß wie bei der vorherbeſchriebenen. In der Geſtalt dieſer Eule liegt auch etwas, was ſie von andern Arten unterſcheidet, der Kopf iſt namlich verhaͤltnißmaͤßig viel kleiner und die Fluͤgel laͤnger. Sie hat die Größe der Vorhergehenden, der laͤngern Fluͤgel we— gen aber eine anfehnlichere Breite. Ihre Laͤnge betraͤgt 143 bis 152 Zoll, die Fluͤgelbreite 44 bis 46 Zoll; die Schwanzlaͤnge faſt 6 Zoll, und die Fluͤgelſpitzen reichen weit uͤber das Schwanzende hinaus. Der ſehr gekruͤmmte und ungezahnte Schnabel iſt (im Bogen) 14 Zoll lang, nebſt der Wachshaut ſchwarz; die Iris hellgelb, von der Farbe des Schwefels bis zu einem hohen Zitronengelb, das kahle Raͤndchen der Augenlieder ſchwarz. Die Fuͤße ſind bis an die Nägel mit dichten, kurzen Federn bedeckt, fo daß nur die Unterfei- te der Zehen frei davon iſt. Der Lauf mißt 2 Zoll, die Mittelzeh 7, und die Hinterzeh nur 2 Zoll. Die Zehſohlen find gelbgrau, die Krallen dunkelbraun und die größte derſelben 2 Zoll lang. Das Geſicht hat durch den ſehr deutlichen Schleier eine faſt runde Geſtalt, und dieſer Kreis nur vor der Stirn einen tiefen Ausſchnitt. Die zerſchliſſenen Federn um die Schnabelwurzel ſind weiß mit eingemiſchten ſchwarzen Borſtenſpitzen, die übrigen Theile des Geſichts ſchmutzig weiß, roſtgelb gemiſcht, mit vielen ſchwar— zen Borſtenſpitzen und undeutlichen kleinen Flecken; die Gegend zu— naͤchſt um das Auge tiefſchwarz, dieſe Umgebung des Auges aber I, Ordn. V. Gatt. 35. Sumpf⸗Ohreule. 462 nach hinten breiter als nach dem Schnabel zu. Der Schleier ſelbſt iſt weiß, die Spitzen der Federn ſchoͤn dunkelroſtgelb, (zuweilen faſt roſtfarbig) ſchwarz punktirt und fein gefleckt. An den untern Theilen des Vogels iſt ein ſchoͤnes Roſtgelb, in hellerem oder tie— ferem Ton, mit untermiſchtem Weiß, die Grundfarbe, welche be— ſonders nach dem Schwanze hin faſt ganz in Weiß uͤbergeht; am Vorderhalſe und an der Oberbruſt hat jede Feder in der Mitte ei— nen dunkelbraunen Laͤngsfleck, an der Unterbruſt aber nur einen ſchmalen Schaftſtrich von dieſer Farbe und an den untern Schwanz— deckfedern gewahrt man nur noch braune Federſchaͤfte; die Befie— derung der Fuͤße und Zehen iſt einfarbig blaß roſtgelb. Die Kehle iſt weiß; die Scheitelfedern, die kurzen abgerundeten Federohren mit inbegriffen, dunkelbraun mit unregelmaͤßigen Kanten von roſt— gelber Farbe, daher dieſe Theile auf roſtgelbem Grunde dunkel— braun gefleckt erſcheinen; ſo iſt auch der Hinterhals, doch groͤber, gezeichnet; der Oberruͤcken, die Schultern und die Fluͤgeldeckfedern eben fo, die dunkle Zeichnung aber noch groͤber, die roſtgelben Fe—⸗ derraͤnder zum Theil unordentlich gezackt, auch hin und wieder eins zelne grobe Zickzacks von dunkelbrauner Farbe, doch nur ſparſam, eingemiſcht; an der Auſſenkante der Schultern und an den Seiten und Enden der groͤßern Fluͤgeldeckfedern zeigen ſich auch noch unor= dentliche weiße Flecke. Das ganze Gemiſch dieſer Zeichnungen iſt zwar ein ziemlich unregelmaͤßiges Gemenge von jenen drei Farben, doch iſt es gegen den Wirwar der meiſten aͤhnlichen Eulenzeichnun— gen, bei weitem groͤber, auffallender, faſt möchte ich ſagen, regel⸗ maͤßiger, und alle dunklen Zeichnungen mehr in die Laͤnge gezogen. — Die zweite und dritte Ordnung der Schwingen ſind wie ihre Deckfedern, doch zeigt ſich die dunkelbraune Farbe hier in deutli— chen Querbaͤndern; die großen Schwingen roſtroͤthlichgelb, die Spitzen dunkel graubraun, im Ganzen mit ſchwarzbraunen Quer- binden durchzogen, die ſich jedoch auf der Auſſenfahne, von der Hälfte bis zur Wurzel hin, verlieren. Der Steiß iſt roͤthlich roſtgelb, verwaſchen braungrau gewellt; die Schwanzfedern ſchoͤn roſtgelb, mit fuͤnf dunkelbraunen Querbinden und weißen Spitzen, die aͤußere Fahne der aͤußerſten weiß. Von unten iſt der Schwanz gelblichweiß, mit fuͤnf ſchmalen ſchwaͤrzlichen Querſtreifen. Die untere Seite des Fluͤgels hat eine merkwuͤrdige Zeichnung: Sie iſt, wie der Fluͤgelrand, gelblichweiß, ungefleckt, nur durch zwei ſchwarze Felder, von welchen eins durch die Enden der gro⸗ 462 I. Ordn. V. Gatt. 35. Sumpf⸗Ohreule. ßen Schwingen, das andere durch die ihrer Deckfedern, gebildet wird, ausgezeichnet. f Das Weibchen unterſcheidet ſich vom Maͤnnchen bloß durch die anſehnlichere Größe und durch ein ſchmutzigeres, dunkle— res Kolorit feines Gefieders. Der Unterſchied fallt nur dann merk—⸗ lich in die Augen, wenn man beide neben einander ſieht. Auffallender unterſcheiden ſich die jungen Voͤgel, da ſich hier alle Farben mehr ins Braune ziehen. Das helle Roſtgelb iſt hier wie mit roſtroͤthlicher Farbe überlaufen, die braunen Flecke ſind groͤßer, grobe Zickzackſtreifen an den obern Theilen haͤufiger, ja ſelbſt die braunen Schaftſtriche am Unterleibe haben, zum Theil, zur Seite Anfaͤnge ſolcher Linien, zuweilen eine faſt pfeilfoͤrmige Geſtalt. Die Iris iſt ſtets ſchwefelgelb, das Augenliederraͤndchen dunkel roͤthlichgrau, und die Ohrenfedern kleiner und unbedeu— tender. Der Charakter in der Zeichnung des Gefieders bleibt je— doch immer derſelbe, und nur gegen die Alten gehalten, iſt der Un⸗ terſchied auffallend. — Man hat dieſe jungen Vögel zuweilen für recht alte gehalten, was aber gegen meine Erfahrung ſpricht; denn nur nach der Mauſer ſehen dieſe etwas dunkler aus, als im Fruͤh⸗ jahr, ſie ſind aber ſtets lichter gefaͤrbt als die Jungen, am lich⸗ teſten die ſehr alten in den Monaten Mai und Juni oder kurz vor der Mauſer, welche bei dieſen im Auguſt anfaͤngt. Aufenthalt. Dieſe Eule ſcheint beinahe eben ſo weit verbreitet, als die Waldohreule. In Europa iſt ſie uͤberall angetroffen worden, ſo auch im noͤrdlichen Amerika, ſelbſt auch im ſuͤdlichen; ferner, im mittleren und noͤrdlichen Aſien, und wahrſcheinlich auch in Afrika. Im Norden von Europa iſt ſie gemein, beſonders in ebenen Sumpfgegenden, die wenige oder gar keine Baͤume haben, daher in den Marſchlaͤndern des noͤrdlichen Deutſchlands und in Holland ein allgemein bekannter Vogel. Niedere, feuchte Felder, Wieſen und Suͤmpfe zieht fie hohen und trocknen Gegen den vor, und im Gebirge wird man ſie eben ſo wenig wie im tie— fen Walde antreffen. Auf den ebnen Fluren hieſiger Gegend findet man fie, wenigſtens im Herbſt, allenthalben, auch in unſern Wie— ſen und Suͤmpfen, doch iſt nicht ein Jahr wie das andere; denn in manchen iſt fie unſaͤglich haufig (fo war es z. B. 1815.) und in andern ſieht man wieder ſelten einmal eine. Sie ſitzt am Tage je⸗ I. Ordn. V. Gatt. 35. Sumpf⸗Ohreule. 465 derzeit an der Erde, zwiſchen kleinen Buͤſchen von Seilweiden, Diſteln, Neſſeln oder andern hohen Pflanzen, auch im Rohr, in Binſenbuͤſchen, im langen Graſe, hinter Kufen und Erdſchollen, in tiefen Fahrgeleiſen und in Ackerfurchen. Im Herbſt ſitzt fie vor: zuͤglich gern in den Kohl- und Kartoffelaͤckern, wo fie ſich hinter dieſen Pflanzen gut zu verbergen weiß. In Gebaͤuden trifft man ſie nie an und ſie geht auch wol nicht in Felſenhoͤhlen; es ſcheint mir wenigſtens nicht mit ihren uͤbrigen Sitten zu paſſen. Auf Baͤume ſetzt ſie ſich nur dann, wenn ſie vorher von der Erde auf— geſcheucht wurde, bleibt dann aber, wenn ſie nicht wieder geſtoͤhrt wird, auf einem Aſte bis zur Abenddaͤmmerung ſitzen. Dies kann jedoch nur in kleinen Feldhoͤlzern, am Rande eines Waldes oder auf jungen Schlaͤgen vorfallen; denn tief in den Wald verirrt ſie ſich nie. Sie unterſcheidet ſich alſo hinſichtlich ihres Aufenthaltes fehe merklich von der Waldohreule, ähnelt ihr aber darin, daß fie wie dieſe im Herbſt ſuͤdlicher wandert. Wenn man indes Beden⸗ ken traͤgt ſie fuͤr einen Zugvogel zu halten, weil ihrer viele im Win⸗ ter bei uns bleiben, ſo muß man ſie doch unbedingt unter die Strichvoͤgel zählen. Wir ſehen fie in hieſigen Landen im Septem- ber und October, und auf dem Ruͤckzuge im Maͤrz und April am haͤufigſten, in andern Jahreszeiten aber nur ſehr einzeln. In der Zugzeit ſieht man ſie ſogar zuweilen in kleinen Geſellſchaften von zehn bis ſechzehn und mehreren beiſammen. Die einzelnen, welche im Winter hier bleiben, wagen ſich, wenn ſie der Hunger recht angreift, zuweilen auch in die % doch bleibt am ehe nie eine in denſelben. Eigenſchaften. Die Sumpfohreule iſt kein fo traͤges und verſchlafenes Ge: ſchoͤpf wie die Waldohreule, ob fie gleich zuweilen auch ziem= lich feſt ſchlaͤft. Schon ihr kleinerer Kopf und die laͤngern Fluͤget laſſen, der Aehnlichkeit des erſtern mit denen der Tageulen wegen, auf eine veraͤnderte Lebensweiſe ſchließen. Sie wird auch leicht zahm, iſt aber nicht ſo poſſierlich wie jene, ſitzt immer am Boden ihres Gefaͤngniſſes, den Rumpf in horizontaler Lage, und die Ob: renfedern niedergelegt. Dieſe zeigen ſich nur wenn ſte gereizt wird oder wenn ihr ploͤtzlich etwas Unerwartetes aufſtoͤßt. In den Kohl: und Kartoffelaͤckern ſucht ſie ſich auf die gewoͤhnliche Weiſe andrer 464 I. Ordn. V. Satt 35. Sumpf⸗Ohreule. Eulen, durch Andruͤcken an eine Staude und Glattanlegen ihres Ge⸗ fieders, unbemerklich zu machen. So druͤckt fie ſich auch an den Feldrain, an eine Erdſcholle oder an eine Seite der Ackerfurche, in welcher ſie ſitzt. Iſt die letztere zu flach, ſo legt ſie ſich zuweilen ganz auf eine Seite nieder. Sie laͤßt hier nahe an ſich kommen, ehe ſie herausfliegt. Ihr Flug iſt am Tage ſanft, langſam, ſchwan⸗ kend und meiſt niedrig, doch ſchwingt ſie ſich auch zuweilen hoch in die Luft und fliegt dann ſehr weit weg, ja ſie drehet ſich ſogar manchmal, wie ein Buſſard, zu einer unermeßlichen Hoͤhe hinauf, ſo daß ſie zuweilen faſt dem bloßen Auge entſchwindet. Im hohen Fluge gleicht ſie einer Weihe ſehr auffallend, ſchiebt ſich, wie dieſe, oft eine Strecke mit hochgehaltenen Fluͤgeln fort, und macht auch manchmal im Herablaſſen ſolche Burzelbaͤume, wie die Rohrwei— hen. Mein Vater ſahe einſt an einem ſchoͤnen, heitern Herbſt— tage, einige Stunden vor Sonnenuntergang, eine Sumpfohreule, von einigen Kraͤhen geneckt, ſich in großen Kreiſen, wie ein Tag⸗ raubvogel, hoch in der Luft herumdrehen, wozu ſie ihre Stimme fleißig hoͤren ließ. Als ſie dies Spiel eine Weile getrieben hatte, ſtuͤrtzte ſie ſich ploͤtzlich faſt ſenkrecht aus ihrer Hoͤhe herab, und ließ ſich auf einen Baum nieder, von welchem fie mein Vater her: abſchoß. — Bei naͤchtlicher Weile fliegt dieſe Eule zwar leiſe und geraͤuſchlos, ſie iſt aber dann ſchneller und gewandter als ir- gend eine andere Art. Ihre Stimme hoͤrt man nicht oft; ſie klingt ſanft und ange⸗ nehm: kaͤw, — Eaw! Im Zorn ſchlaͤgt fie den Schnabel fo hart zuſammen, daß dadurch ein lautes Knapp en hervorge⸗ bracht wird. | Nahrung. Sie fliegt, kaum die Daͤmmerung abwartend, gleich nach Untergang der Sonne, und bei truͤbem Wetter früher als an hei: tern Abenden, nach Nahrung umher; ja man will dies bei ſchlech— ter Witterung ſogar bei Tage geſehen haben. — Sie beſchaͤftigt ſich vorzuͤglich mit Maͤuſefangen; denn alle Arten derſelben, welche fi) im Felde oder am Waſſer aufhalten, auch Maulwuͤrfe, Spis: maͤuſe, Hamſter, Froͤſche und allerlei große Inſekten, als: Libel⸗ len, Maulwurfsgrillen, Feldheimchen, Mai- und Brachkaͤfer, Miſt⸗- und Laufkaͤfer, nebſt kleinen Vögeln die an der Erde ſchla— fen, ſowol junge als alte, werden ihr zur Beute. Im Winter I. Ordn. v. Gatt. 35. Sumpf⸗Ohreule. 465 beſteht ihre Nahrung meiſtens in Maͤuſen, die ſie bei tiefem Schnee und ſtrenger Kaͤlte, welche ſie ohne ſichtliches Unbehagen recht gut vertraͤgt, ſelbſt nahe bei den Doͤrfern aufſucht. Sie treibt ſich dann in Suͤmpfen, uͤber Wieſen und We umher, jagt aber nie im Walde. Fortpflanzung. Sie niſtet in ebenen, ſumpfigen Gegenden im langen Graſe der Wieſen, auf einer Schilf- oder Binſenkufe, auch im kurzen Rohr oder Schilf in den Suͤmpfen, doch ſtets an einer trocknen Stelle, in ſumpfigen Torfmooren, auf feuchten Plaͤtzen im Hai⸗ dekraut, auch in den mit Waſſer und Sumpf abwechſelnden Ge— traidefeldern, ſelbſt auf den Viehweiden in einem Diſtel- oder Neſ— ſelbuſch, ſtets an der Erde. — Mehrentheils beſteht das Neſt nur aus einer Handvoll unordentlich hingelegten trocknen Miſtes, duͤr⸗ rer Stoppeln und dergl. oft fehlt den Eiern aber auch dieſe ſchlechte Unterlage. Die Eier, drei bis vier an der Zahl, ſind faſt rund und rein weiß. Sie werden in drei Wochen aus⸗ gebruͤtet, und die e ſind anfaͤnglich mit ſchmutzig weißen Dunen bekleidet. — In hieſigen Gegenden niſten ihrer nur weni⸗ ge, mehr aber in den Brandenburgiſchen und Meklenburgiſchen Suͤmpfen und ſehr viele in den Marſchlaͤndern, laͤngs den Kuͤſten | der Nordſee. In Holftein, beſonders im Dittmarſchen, brüten viele, vorzuͤglich auf ſolchen Aeckern, die zur Viehweide benutzt werden, in einem vom Vieh onen Kleebüfchel oder in ei⸗ nem Diſtel- oder Neſſelſtrauch, ſeltner im Getraide ſelbſt. Auf Baͤumen, in hohlen Baͤumen, in Felſenkluͤften oder gar in alten Gebaͤuden niſtet dieſe Eule nie. — Feinde. Dies ſind die gewoͤhnlichen der uͤbrigen Eulen. Die Voͤgel verfolgen ſie eben nicht heftig. Jag d. N Sm Herausfliegen aus den Kohl- und Kartoffelaͤckern oder aus dem langen Graſe iſt fie leicht zu ſchießen. Es find mir Jah⸗ re erinnerlich, wo man um Michaelis, wenn man den Huͤhnerhund revieren ließ, ſelten ein ſolches Ackerſtuͤck abſuchte, ohne eine oder einige dieſer Eulen daraus aufzuſtoͤbern. — Des Abends und be— ſonders in hellen Winternaͤchten laͤßt fie ſich leicht durch das nach⸗ gemachte Maͤuſegeſchrei anlocken und mit der Flinte erlegen. 30 466 1. Ordn. V. Gatt. 56. Zwerg⸗Ohreule Nutz en. Da ſie ſo viel Maͤuſe und andere ſchaͤdliche Thiere verzehrt, ſo muͤſſen wir ſie unter die allernuͤtzlichſten Voͤgel zaͤhlen. Schaden. Wenn ſie nicht manchmal auch einen Vogel erwiſchte, ſo wuͤrden wir ihr gar nichts Uibles nachſagen koͤnnen; wenigſtens iſt der Scha⸗ den ſo unbedeutend, daß er gar keiner Erwaͤhnung verdient. Leider werden auch von dieſem wohlthaͤtigen Vogel die Faͤnge dem Jaͤger noch ausgeloͤßt. — Anmerk. Wie ſchwer es iſt, die Synonymie dieſes Vogels zuſammenzutra⸗ gen, iſt unglaublich. Faſt jeder Schriftſteller, welcher ihn beſchrieb, erfand fuͤr ihn einen neuen Nahmen, und in manchen Werken iſt er dagegen wieder unter drei bis vier verſchiedenen Benennungen und als fo viel Arten beſchrieben. Häufig ward der Vogel ſelbſt richtig beſchrieben, ihm aber die Naturgeſchichte eines andern un⸗ tergeſchoben. So iſt die Brandeule (Strix stridula) mehrerer Autoren unfer Vogel, die Beſchreibung ſeiner Lebensart und dergl. gehoͤrt aber offenbar dem Waldkautz an. Der Steinkautz oder große Kautz (Str. Ulula) in Bech⸗ ſteins Naturgeſch. a. a. O. iſt ebenfalls unſer Vogel, die beigefuͤgte natuͤrliche Ge⸗ ſchichte aber die der Schleier eule u. a. — Friſchens Figur t. 98. wird bald bei der einen, bald bei der andern Art citirt, und doch iſt dieſe ſo wohl gerathen, daß ſie nicht zu verkennen iſt. Es wuͤrde jedoch zu weit fuͤhren, den Wirwar aus⸗ einander zu ſetzen. Man mag ſich davon nach Gefallen uͤberzeugen, wenn man alle oben citirte Werke nachſieht, und dieſe mit meiner hier gelieferten, getreu von der Natur copirten Beſchreibung vergleicht. — 36. Die Zwerg⸗Ohreule. n scops. ne Taf. 43. Fig. 3. Maͤnnchen. Die kleine Ohreule, kleinſte, Krainiſche Ohreule, Baum-, Wald⸗, Stock⸗, Stein= und Poſſeneule, kleine Baumeule, klei⸗ ne Waldeule, Krainiſche Eule, aſchfarbiges und gehoͤrntes ae Ba Kautz mit Ohren, Ohrenkautz, Waldaͤuffel. "Siriz Scops. Gmel, Linn. syst, I. p. 290. n. 5. Sfrir Zorca, Gmel, Liun, eyst, I. p. 289. n. 21, =t Seriz carniolica, Gmel, Linn. I. Ordn. V. Gatt. 36. Zwerg⸗Ohreule. 467 syst, I. p. 290. n. 22. . Strir Giu, Scopoli Ann, I. 19. n. 9. = Le Scops oupetit Duc. Buff, ois. I. p. 353, t. 24. = Id, Planch. enl. n. 436. — Id, Edit. d. Deuxp. II. p. 115. t. 7. fig. 3. = Duo ñEZ orca. Sonnini Edit. de Buff. IV. p. 80. = Hibou Scops. Temmink. Man, p. 45. = cops eared Owl. Lath. syn, I. p. 129. n. ı5. Uiberſ. v. Bechſtein. I. S. 120. n. 13 und 15. Asiolo, Stor, degli ucc. t. 85. — Bed fein gem. Naturg. Deutſchl. II. S. 916 und 921, = Deffen orn. Taſchenb. S. 30. n. 3 und S. 457. n. 2. = Wolf und Meyer Naturg. Deutſchl. Heft. 8. (jun⸗ ger V.) = Deren Taſchenb. S. 74. n. 4. — Meisner und Schinz Voͤgel b. 4 Somit S. 32, n. 29. —= Naumann's Vögel, alte Ausg. Nachtr. S. 177. Taf. 25. Fig. 49. | Kennzeichen der Art i Die Federohren, aus mehreren, ſehr kurzen Federn beſtehend, koͤnnen niedergelegt werden; die Laͤufe duͤnn, mit ſehr kurzen Federchen bekleidet, die Zehen gaͤnzlich unbefiedert; die Iris gelb; die Farbe des Geſieders ein Gemiſch von Grau, Weiß und Roſt⸗ gelb, mit ſehr feinen braunen und ſchwarzen Zeichnungen. Laͤnge 8 Zoll. a | | Beſchreibung. Dies iſt eine ſehr kleine Art, noch kleiner als der Ten g⸗ malmskautz, und entfedert kaum größer als eine Singdroſ— ſel. An Geſtalt gleicht fie, die verhaͤltnißmaͤßig viel kleinern, wei⸗ ter auseinander ſtehenden Federohren abgerechnet, der Waldohreu⸗ le, in der Zeichnung des Gefieders aͤhnelt fie aber mehr dem Wendehals oder dem Tagſchlaͤfer als einer andern Deut⸗ ſchen Eulenart. Die aͤußere Ohroͤffnung iſt bei dieſer Art kaum größer als bei andern Vögeln, wodurch fie ſich ſehr von den bei⸗ den Vorhergehenden unterſcheidet. - Ihre Laͤnge beträgt gegen 8 Zoll, bald 4 Zoll weniger, bald 4 Zoll mehr; die Breite 202 Zoll; die Lange des abgerundeten Schwanzes faſt 5 Zoll und die Fluͤgelſpitzen reichen etwas uͤber fein Ende hinaus. Die Größe der Weibchen uͤberſteigt dieſe Maaße etwas; denn ſie meſſen in der Laͤnge immer zwiſchen 8 und g Zoll, in der Breite aber oft 214 Zoll. Der ſtarke, ſehr krumme, etwas herabhaͤngende Schnabel iſt im Bogen 2 Zoll lang, dunkelbraun mit ſchwaͤrzlicher Spitze, ſo auch die Wachshaut über den runden Naſenloͤchern; die Iris ſchoͤn gelb, in der Jugend hell, im Alter dunkler oder feuerichter, dem Pomeranzengelb ſich nahernd. _ Die Fuͤße ſind, im Verhaͤltnis zu den uͤbrigen Theilen, klein und ſchwaͤchlich; die Laͤufe oder Fußwurzeln duͤnn, und etwas 468 I. Ordn. V. Gatt. 56. Zwerg⸗Ohreule. hoch, bis an die Zehwurzeln mit kurzen Federchen dicht bekleidet, dieſe aber nicht ſo wollig und abſtehend, wie bei vielen andern Voͤgeln dieſer Gattung; die Zehen ohne alle Bedeckung von Fe— dern oder Haaren, oben geſchildert, unten feinwarzig, von Far⸗ be gelblich- oder roͤthlichgrau; die kleinen, flach gekruͤmmten, aber ſehr ſpitzigen Krallen braͤunlichgrau mit ſchwarzbraunen Spitzen. Die Höhe der Fußwurzel iſt 1 Zoll 2 Linien, die Länge der Mittelzeh, mit ihrem Nagel, 1 Zoll 1 Linie, und die Hinterzeh, nebſt Kralle, 2 Zoll. N 6 In einiger Entfernung geſehen, hat das Geſieder dieſer nied— lichen Ohreule ein duͤſtres, graubraunes Anſehen; denn die dunk⸗ len Zeichnungen auf dem hellen Grunde ſind ſo fein und ſo dicht aneinander, daß ſie nur in der Naͤhe deutlich ins Auge fallen, in der Ferne aber mit den Grundfarben zu verſchmelzen ſcheinen. Die laͤngſte Feder in einem der Federohren, welche aus mehre— ren, ſehr beweglichen Federchen beſtehen, iſt gute 4 Zoll lang. Von den vorderſten Schwingfedern ſind einige, aber faſt unmerk⸗ lich, gezaͤhnelt. 5 | Ein recht ſchoͤnes altes Maͤnnchen hat folgende Farben: Das Geſicht iſt weißgrau, ſchwarzbraͤunlich geſchuppt, und unter dem Auge hellbraun uͤberlaufen; den Schnabel umgeben weiße, in ſchwarze Barthaare auslaufende Borſtenfedern, die den Schna— bel zum Theil verſtecken. Der Schleier oder der das Geſicht umgebende Federkreis ſticht nur, in der Ohrgegend und hin— ter den Schlaͤfen deutlich hervor, und beſteht hier aus ſchma⸗ len, weißen, an der Spitze roſtfarbenen Federchen, von welchen jedes an dieſer meiſt einen halbmondfoͤrmigen ſchwarzbrau— nen Fleck hat. Die Federn der kleinen Federohren haben auf hellbraunem Grunde weißliche Fleckchen, feine ſchwarzbraune Schmitze, Wellenlinien und unzaͤhlige Puͤnktchen; die Scheitelfe— dern ſind eben ſo, aber groͤber gezeichnet. Die Federn am Halſe haben auf grauweißem Grunde zahlloſe ſchwarzbraune Pünktchen und Wellenlinien, und hellbraun uͤberflogene Spitzen; die Federn der Bruſt, in den Seiten und am Bauche haben eben die Farbe, nur mit groͤberer Zeichnung, einem ſchwarzen Striche laͤngſt dem Schafte jeder Feder, deren dunkel roſtgelbe Wurzeln ſtark her— vorſtechen. Der ganze Unterleib hat demnach ein verworrenes Gemiſch von Grauweiß, Schwarzbraun, Roſtgelb und Braun. Die Schulter- und Ruͤckenfedern ſind graubraun uͤberlaufen, und jede derſelben iſt mit einem ſchwarzbraunen Schaftſtrich, vielen J. Ordn. V. Gatt. 36. Zwerg⸗Ohreule. 469 Puͤnktchen und unordentlichen Wellenlinien bezeichnet; an der vor: dern Seite der Schultern, über dem Flügel hin, ſteht eine Rei⸗ he großer, weißer, verwaſchen roſtgelb eingefaßter Flecke, von welchen ein jeder wieder nach dem Schafte und der Spitze jeder Feder mit einem pflugſchaarfoͤrmigen ſchwarzen Flecke bezeichnet iſt. Die Fluͤgeldeckfedern und hintern Schwingen ſind wie der Ruͤcken, nur ſtechen hie und da unordentliche, weiße, dunkelroſt⸗ gelb angeflogene Stellen hervor; die aͤußere Fahne der großen Schwingen und ihrer Deckfedern iſt ſchwarzbraun, hellbraun be— ſpritzt, mit großen weißen, dunkelroſtgelb angeflogenen Querbin= den, die man auf der dunkelbraungrauen innern Fahne wenig bemerkt, die Spitzen aller aber find ſchmutzig hellbraun, ſchwarz⸗ braun beſpritzt; die kleinern Schwingen und die Schwanzfedern hellgraubraun, ſchwarzbraun beſpritzt und fein punktirt, mit mehre⸗ ren (letztere mit fuͤnf) hell roſtgelblichen, nach oben ſchwarzbraun eingefaßten Querbinden. Die Fuͤße ſind nur bis an die Zehen mit kurzen dunkel roſtgelben, weiß gemiſchten und dunkelbraun gefleckten Federchen bekleidet. Die untern Schwanzdeckfedern ſind gelblichweiß, jede mit einer dunkel roſtgelben Querbinde und ei⸗ ner eben ſo gefaͤrbten, ſchwarzbraun beſpritzten Spitze und ſchwar⸗ zem Schafte. Die Deckfedern auf der untern Seite des Fluͤgels find weiß, dunkel roſtgelb und dunkelbraun melirt. Die Weibchen ſind immer etwas groͤßer und ſtaͤrker als die Maͤnnchen, manche faſt 9 Zoll lang. Sie unterſcheiden ſich, oberflaͤchlich betrachtet, wenig von den Maͤnnchen; haͤlt man ſie aber gegen einander, ſo wird der Unterſchied einleuchtender, we— nigſtens unter alten Vögeln. Ihr Gefieder hat weit hellere Far: ben, indem die ſchwarzbraunen Punkte und Wellenlinien nicht ſo dunkel, auch nicht ſo zahlreich ſind, groͤßere weiße Zwiſchen⸗ raͤume laſſen, und das Ganze ſo ſtark mit dunkelm Roſtgelb gemiſcht iſt, daß dies am Unterleibe faſt die Oberhand hat; auch fehlt ihm die ſchoͤne Reihe weißer und ſchwarzer Schulterflecken, und an dieſer Stelle bemerkt man nur einen dunkelroſtgelben, wenig ge⸗ fleckten Streif; auch der Fluͤgel iſt heller. Die jungen Voͤgel, vor der erſten Mauſer, ſehen viel ſchmutziger oder verbleichter aus, die dunkeln Zeichnungen ſind unordentlicher, ſparſamer, oder wie verloſchen, man bemerkt von dem braͤunlichen und roſtgelben Anfluge nur wenig, ſo daß das Ganze, nicht ganz nahe geſehen, ſich mehr einem ſchmutzigen Weiß⸗ grau naͤhert; auch ſind die Federohren kuͤrzer, als bei den Alten. 470 l. Ordn. V. Gatt. 36. Zwerg⸗Ohreule. In der Hoͤhe und Tiefe der Farben, in dem friſchern oder mattern Anſehen derſelben, ſo wie in der Klarheit der dunkeln Zeich⸗ nungen, giebt es zwar einige Verſchiedenheiten, doch ſind ſie nicht erheblich und nicht ſowol Urſache eines verſchiedenen Alters, als vielmehr der Jahreszeiten; denn die Herbſtvoͤgel ſehen immer fri⸗ ſcher aus, als die bleichen Fruͤhlingsvoͤgel, an welchen Luft und Sonne ihren zerſtoͤhrenden Einfluß auf die Farben zeigen. Auf⸗ fallend iſt dies beſonders an ſolchen Individuen, die aus Afrika zu uns gebracht werden. Aufenthalt. Die Zwergohreule findet ſich in ganz Europa, den hohen Norden jedoch ausgenommen, im noͤrdlichen Amerika, in Aſi⸗ en und Afrika. Es ſcheint, daß ſie ein gemaͤßigtes und warmes Clima ausſchluͤßlich bewohnt; denn ſchon in Deutſchland iſt ſie eine Seltenheit, zumal im noͤrdlichen. In Frankreich und Italien ſoll ſie eben nicht ſelten ſein, im erſtern ſich ſogar manch⸗ mal häufig ſehen laſſen. — Schon in der Schweitz iſt fie weni⸗ ger ſelten, als in den Deutſchen Laͤndern am Rhein und an der Donau. Man hat ſie in Schleſien, in Oeſterreich, in Thuͤ⸗ ringen und auch hier in Anhalt geſchoſſen, ſie iſt aber fuͤr hieſige Gegend eine der ſeltenſten Erſcheinungen. Einſt traf mein Vater, hier in meinem Waͤldchen, eine dieſer Eulen an. Es war im Monat September, wo ſie im Gebuͤſch auf einem alten Baumſtamme ſaß, durch ſein Voruͤbergehen aufgeſcheucht, in die Höhe flog und fi auf einen Baum ſetzte, wo fie von ihm herab⸗ geſchoſſen wurde. — Sie liebt vorzugsweiſe gebirgige Waldun⸗ gen, und ſoll ſich gern in Felſenſpalten verſtecken. Bei uns trifft man ſie am Tage in den Zweigen dicht belaubter Baͤume oder auch in Baumhoͤhlen an; denn ſie ſitzt, wenn ſie nicht geſtoͤhrt wird, den ganzen Tag an einer Stelle und ſchlaͤft bis zur Abenddaͤm⸗ merung. Hinſichtlich ihrer Wanderungen mag es ſich eben ſo verhalten, wie mit denen der Waldohreule, d. h. es moͤgen wol einzelne als Standvoͤgel zu betrachten ſein, weil ſie den Winter uͤber da bleiben, aber der große Haufe zieht weg und haͤlt regelmaͤßige Zugzeit, im Herbſt und Fruͤhjahr. In Frankreich ſoll es wenigſtens ſo ſein und Buffon (a. a. O.) ſpricht ſogar von großen Heerden und zahl— reichen Zuͤgen, die im Herbſt gleich nach den Schwalben wegzoͤgen und im Fruͤhjahr kurz vor ihnen wieder ankaͤmen. Dieſer Schrift⸗ J. Ordn. V. Gakt. 56. Zwerg⸗Ohreule. 4/1 ſteller glaubt ſogar, daß ſie uͤbers Meer nach Afrika zoͤgen. Sind ſie alſo in Frankreich Zugvoͤgel, um ſo eher muͤſſen ſie dies in dem noͤrdlichern Deutſchlande ſein. Diejenigen von den hier geſchoſſe⸗ nen Exemplaren, welche ich ſahe, waren wenigſtens alle, theils im 1 theils im Herbſt geſchoſſen. N Dieſe kleine, ſchoͤn gezeichnete Eule iſt ein ſehr niedliches Ge⸗ ſchoͤpf, das gezaͤhmt durch die trolligſten Poſituren ergoͤtzt. Sie legt im Leben die kurzen Federohren oft nieder, thut dies im To⸗ de allemal, und dieſe muͤſſen dann mit Muͤhe geſucht werden. Die⸗ ſer Umſtand macht daß man ſie leicht fuͤr ungeoͤhrt halten kann. Meinem Vater ging es einſt auch ſo, als er die erwaͤhnte ſchoß. Im Herausfliegen hatte er fie für den Tengmalms-Kautz ge halten; da er fie aber in die Hände bekam, ſahe er wol daß fie kleiner und ſchlanker, ſchmalkoͤpfiger und glattfuͤßiger ſei, auch ein ganz anders gefaͤrbtes Gefieder habe, u. ſ. w. — Sie fliegt leiſe und ſchwankend, doch ziemlich ſchnell. Eine Stimme kenne ich nicht von ihr. Man wuͤrde ſie vielleicht oͤfter ſchießen, wenn ſie nicht ſchlau genug waͤre ſich durch die Kunſtgriffe anderer Eulen den Augen ihrer Verfolger zu entziehen. Mit der Waldohreus le hat ſie gleiche Sitten und e wird aber noch leichter zahm als dieſe. ; Na hrung. 5 Sie faͤngt Maͤuſe, kleine Voͤgel, kleine Froͤſche, Heuſchrecken, Nachtſchmetterlinge, Mai- und Miſtkaͤfer. Mit Anbruch der Abenddaͤmmerung koͤmmt ſie aus ihrem Schlupfwinkel, und jagt bei hellen Naͤchten bis zu Ende der Morgendaͤmmerung, bei ſehr dunkeln Naͤchten aber nur im Zwielicht, Abends u. Morgens. Man ſagt auch von ihr, daß ſie an truͤben Tagen zuweilen nach Nahrung um⸗ herfliegen und den kleinen Voͤgeln beſonders ſehr nachſtellen fol. Die Maͤuſe muß ſie, um ſie zu verzehren, in Stuͤcke zerreißen, ſo auch die kleinen Voͤgel, welchen ſie zuvor die meiſten Federn abrupft. Fortpflanzung. Auch im ſuͤdlichen Deutſchland bruͤtet ſie zuweilen, z. B. in den gebirgigen Waldungen der Oeſterreichiſchen Lande. Vom noͤrd⸗ lichen Deutſchland kenne ich indes kein Beiſpiel dieſer Art. Ihre drei bis vier weißen, faſt runden Eier ſoll ſie in eine Baumhoͤhle, 472 I. Ordn. V. Gatt. 36. Zwerg⸗Ohreule. nach andern auch in Felſenloͤcher legen, und die Jungen, welche anfaͤnglich mit weißgrauen Dunen bekleidet ſind, meiſt mit Maikaͤ⸗ fern auffuͤttern. Die Jungen ſollen ſich durch ein lautes Ziſchen verrathen, bald zahm werden und ſogar mit gekochtem Fleiſch, Kaͤſe, Kartoffeln und dergl. fuͤttern laſſen. In der Schweitz ni⸗ ſten ſie, in mehreren Gegenden, alle Jahr. b Feinde. Sie iſt, wie andere ihrer Gattung, den kleinen Vögeln ſehr | verhaßt, die fie, wenn fie ſich am Tage fehen laßt, ſchreiend ver- folgen. Auch beherbergt fie ſogenannte Voͤgellaͤuſe. Jag d. Sie iſt nicht ſcheu, daher auch leicht zu ſchießen. Nutz en. Man nimmt ihr gern die Jungen aus dem Nefte, füttert fie auf und gebraucht ſie beim Fange kleiner Voͤgel, um dieſe damit in die Netze, auf die Leimruthen und Kloben zu locken. Durch Vertilgung vieler Maͤuſe wird ſie beſonders nuͤtzlich. Sch ad en. Darum daß ſie auch kleine Voͤgel faͤngt, wird ſie wol nie⸗ mand unter die ſchaͤdlichen Voͤgel zählen wollen. — Anmerk. Daß Strix carniolica mit Strix Scops nur eine Urt ausmache, leidet wol keinen Zweifel. Ich ſahe baffelbe Exemplar, nach welchem bie Beſchreibung in Bechſteins Naturg. II. S. 922, gemacht wurde, im Kabinette meines ver⸗ ſtorbenen Freundes v. Minckwitz, nebſt mehreren weiblichen und maͤnnlichen Exemplaren der Zwergohreule, und konnte keinen weſentlichen Unterſchied, um ſie als Arten von einander zu trennen, finden. Nachher hatte ich ebenfalls Gelegen⸗ heit viele Paͤaͤrchen, auch junge Voͤgel, die theils in Deutſchland geſchoſſen waren, meiſtens aber aus Frankreich kamen, zu unterſuchen; doch alle kleinen ee welche ich in den Händen hatte, gehörten nur zu einer Art. — Dritte Familie Kautz e. Uu a e. (Striges inauricula tae) Kopf: Groß, rund, ohne Federohren. Schwanz: Kurz, am Ende faſt gerade. Das ede 0 weich und locker. Es ſind wahre Nachtvoͤgel, die ſich am Tage nur nothge⸗ gedrungen zuweilen einmal ſehen laſſen. Vier Arten. 37. Der Wald ⸗ Kautz. Strix aluco. Linn. 5 Taf. 46. Maͤnnchen. | Taf. 47. Fig. 1. junges Weibchen. Waldeule, Nachteule, Buſch-, Stock-, Baum⸗, Weiden⸗, Maus: und Knappeule, Huheule, Punſch-, Grab-, Grav-⸗, Geier: und Schleiereule, Knarr-, Ziſch- und Kirreule, die Brand⸗ eule, gemeine oder große, graue, gelbliche, hellbraune, braune, braunſchwarze, rothe und heulende Eule, Fuchseule, große Baum- eule, graue Buſcheule, Uhu, Huhu, Nachtkautz, Brandkautz, Nachtrapp, Waldaͤuffel, Kieder, Melker, Milchſauger. In hie⸗ ſiger Gegend: Große Eule. — Striz Aluco. Linn. Faun. Suec. p. 25. n. 72. (mas) = Gmel. Linn, syst. I. p. 292. n. 7. = Retz. Faun. Suec. p. 80. u. 31, Nilsson. Orn, Suec. p. 60. n. 26. == Siriz stridule, Linn. Faun. Suec. p. 26. n. 77. (femina) =—— Gmel, Linn. syst. I. p. 294. n. 9. La Hulotte. Buff. ois. I. p. 358. = Id, Edit, d. Deuxp. II. Ip. 5 t. 8. fig. 1. - Id, Planch. enlum. n. 4 1. Gerard. Tab. elem, I. p. 70. = Le Chat- Ruant. Buff. ois. I.] p. 362. 474 I. Ordn. V. Gatt. 57. Wald⸗Kautz. t. 25. = Id. Edit. d. Deuxp. II. p. 124. t. 8. fig. 2. = Id. PI, enl. n. 437. = Gerard Tab. elem. I. p. 73. = Chouette hulotte. Temmink Man. p. 50. - Aluco Owl. Lath. syn. I. p. 135. n. 20. Ueberſ. v. Bech⸗ ſtein I. S. 126. n. 20. - Tawny Owl. Lath. syn. I. p. 138. n. 27. Uiberſ. v. Bechſtein I. p. 129. n. 27. - Strigge maggiore. Stor. deg. uce. t. 94. = Bechſtein Naturg. Deutſchl. II. S. gro. — Deſſen Taſchenb. ©. 51. n. 7. = Wolf u. Meyer Taſchenb. p. 76. n. 6. FTeut ſche Ornithol. v. Borkhauſen, Becker u. a. Heft. 7. Meyer Vögel Liv⸗ und Eſth⸗ lands S. 35. n. 7. Meisner und Schinz Vögel der Schweitz S. 33. n. 50. =. Ko ch. Baier. Zool. I. S. 134. n. 58. = Friſch Voͤgel Taf. 94. 95. 96. - Naumann's Voͤgel, alte Ausg. IV. S. 260. Taf. 30. Fig. 50. und Taf. 31. Fig. 5r. Wahrſcheinlich gehören auch noch hierher Strir soloniensis, Str. sylvestris, Str. rufa, Str. alba und wol auch Sir. noctua. Scop. Siehe Gmei. Liun. syst. I. p. 292. und 293. n. 29. 30. 31. 32 und 33. und Scopoli Ann. I, p. 21 und 22. 5 i Kennzeichen der Art. Der Kopf groß; der Schnabel blaßgelb; der Augenſtern dun⸗ kelbraun; an den Schulterfedern eine Reihe birnfoͤrmiger weißer Flecke; der Unterleib auf lichtem Grunde, mit braunen Schaftfle— cken, welche auf beiden Seiten in Zickzacklinien auslaufen; der Ober: leib mit vielen Punkten, abgebrochnen Wellenlinien und unordent⸗ lichen Flecken von dunkler Farbe. Beſchreibung. Der Waldkautz iſt ein ziemlich großer Vogel, mit einem gro⸗ ßen, lockern, aufgedunſenen Gefieder bekleidet, das ihn noch groͤ⸗ ßer macht, wenn er es aufſtraͤubt. Kopf und Hals ſind ſo dick, daß ſie faſt von gleicher Staͤrke mit dem Rumpfe zu ſein ſcheinen; das Geſicht groß und faſt rund; die Augen von ungewoͤhnlicher Groͤße; die aͤußere Ohroͤffnung nicht groß, oval, kaum halb ſo hoch als der Schädel. Die vorderen Schwingen haben einen ſaͤgeartig gezaͤh⸗ nelten Rand, und die vierte und fuͤnfte ſind die laͤngſten. — Die Lange des Vogels beträgt 16 bis ı7 Zoll, die Fluͤgelbrei⸗ te 39 bis 40 Zoll; die Länge des Schwanzes, welcher etwas ab⸗ gerundet iſt und deſſen Federſchaͤfte ſehr abwaͤrts gekruͤmmt ſind, 7 bis 8 Zoll, und die Fluͤgel legen ihre Spitzen nahe an ſeinem Ende zuſammen. Der ziemlich große Schnabel iſt ſtark, ſehr gekrümmt, im Bo⸗ gen 12 bis 1s Zoll lang, ohne Zahn, von Farbe blaß ſchwefelgelb, in der Mitte 0 1 gruͤnlich, auch an den Schneiden manchmal braͤunlich; die Wachshaut uͤber den rundlichen Nafenlöchern aufge: blaſen und gruͤnlich; der Augenſtern ſehr dunkelbraun, faſt ſchwarz⸗ 1. Ordn. V. Gatt. 37. Wald⸗Kautz. 475 braun, die Pupille blauſchwarz, und das kahle Augenliederraͤnd⸗ chen ſchmutzig blaßroth, bei jungen Voͤgeln roͤthlichgrau. Die Fuͤße find etwas kurz, beinahe“) bis an die Krallen mit dichten, wollichten Federn bekleidet, nur die Zehſohlen nackt und feinwarzig, ſchmutzig graugelb von Farbe; die Krallen ziemlich groß, ſpitz, aber nicht ſehr ſtark gekruͤmmt, an der Wurzel grau und an der Spitze ſchwarz. Die Hoͤhe der Fußwurzel betraͤgt 2 Zoll und daruͤber; die Laͤnge der Mittelzeh mit dem Nagel noch nicht völlig 2 Zoll, Hinterzeh und Kralle etwas über 1 Zoll. | Am alten Maͤnnchen find die borſtigen Federn des Ge⸗ ſichts grauweiß, am Schnabel herum mit ſchwarzen Borſten un: termengt, und hie und da etwas grau geſprenkelt, beſonders nach den Ohren hin; die Einfaſſung des Geſichts oder der ſogenannte Schleier beſteht aus ſchmalen, abgerundeten Federn, welche in der Mitte ſchwarz, an den Kanten weiß und roſtbraun gemiſcht, und mit dieſer Farbe punktirt, auch zuweilen in die Quere geſtreift ſind, doch ſo daß ſich im Schleier unter dem Schnabel und an den Ohren eine ganz braune Stelle befindet, und ſich uͤber den Augen ins Graue verliert. Stirn und Scheitel ſind dunkelbraun, roſtbraun uͤber⸗ laufen und zu beiden Seiten, uͤber dem Schleier, mit einem weißen Streif, der ſich im Genick verliert, begrenzet; die Hals- und Ruͤcken⸗ federn in der Mitte dunkelbraun, an den Seiten braͤunlichgrau, dunkel⸗ braun, beſpritzt, und an einigen Stellen roſtbraͤunlich uͤberlaufen. Die Deckfedern der Flügel find wie der Ruͤcken, und faſt mit noch zahlrei- chern Punkten bezeichnet, die zum Theil Wellen- oder Zickzacklinien bilden, die groͤßern noch mit einzeln eingeſtreueten weißen Flecken; die Schulterfedern grau, mit dunkelbrauner Farbe gefleckt, geſtri⸗ chelt, auch undeutlich und grob dazwiſchen punktirt, an der aͤu⸗ ßern Seite mit einer unregelmaͤßigen Reihe großer, weißer, meiſt birnfoͤrmiger, unten ſchwarz eingefaßter Flecke, die ſich bei etwas verſchobenem Gefieder in mehrere abgebrochene Reihen theilen. Die großen Schwingen haben auf einem ſchmutzig roſtgelblichen oder rothbraͤunlichweißen Grunde breite dunkelbraune Querbin⸗ den; die hintern Schwingen ſind auf aͤhnliche Art und mit den naͤmlichen Farben, aber enger oder verworrener bandirt; die Schwanzfedern lichtgrau, dunkelbraun beſpritzt und punktirt, mit weißen Spitzen, auch bildet die braune Farbe Querbinden, welche aber oft nur auf den innern Fahnen deutlich werden. Die untern Ich ſage: beinahe; denn vor der Kralle ſind hier, wie bei vielen Eulen, ein paar große Schilder ſichtbar, die nie von Federn bedeckt werden. 46 1. Drom. V. Gatt. 37. Wald⸗Kautz Oeckfedern der Flügel find weiß, mit abgebrochenen hellbraunen Querſtreifen, Schwing- und Schwanzfedern auf der untern Seite wie oben, nur blaͤſſer. Die Federn am Vorderhalſe und der Bruſt ſind ſchmutzig weiß, in der Mitte etwas roſtbraͤunlich, mit einem dunkelbraunen Schaftſtreif, welcher ſich auf beiden Seiten in zick⸗ zackfoͤrmigen oder punktirten Querſtreifen verlaͤuft. Auf der Un⸗ terbruſt bilden dieſe braunen Zeichnungen oft undeutliche Kreutze; der eigentliche Bauch und die untern Schwanzdeckfedern ſind weiß, mit braunen Schaftſtrichen; die Bekleidung der Füße gelblichweiß, oder weiß mit Roſtbraun ſchwach überlaufen und mit kleinen brau⸗ nen Querflecken beſtreuet. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich im er nicht fo ſehr im Alter, als vielmehr in juͤngern Jahren, von einan⸗ der. Dieſem zu Folge kann man die jungen Maͤnnchen leicht mit den alten Weibchen verwechſeln. Der Grund iſt beim Maͤnn⸗ chen jederzeit lichtgrau, nur in der Jugend mit Roſtbraun uͤber⸗ laufen, im Alter aber am hellſten, faft weißgrau. Beim Weib- chen iſt er aber, in der Jugend hell fuchsroth, mit zunehmen⸗ dem Alter ſchwaͤcher, und im hohen Alter jederzeit rothgrau und dann ſchwer vom jungen Maͤnnchen zu unterſcheiden. Das Weibchen iſt auch jederzeit etwas groͤßer und dicker als das Maͤnnchen. Alle Farbenverſchiedenheiten unter dleſen Eulen beziehen ſich faſt durchgaͤngig nur auf die Grundfarbe; denn die Flecken behal⸗ ten immer dieſelbe Form, ſie ſind auf gleiche Weiſe vertheilt, und wenn ſie auch an manchen Exemplaren verwiſchter, bei andern deutlicher, bei einem ſparſamer, beim andern haͤufiger ſind, ſo be— halten doch unter allen Umſtaͤnden die Zeichnungen den dieſer Art eignen Charakter. Man wird daher, wenn man dieſen richtig auf⸗ gefaßt hat, ſie ſchwerlich mit einer andern Eulenart verwechſeln koͤnnen. Die jungen weiblichen Voͤgel haben freilich in ihrem wie mit roſtrother Farbe uͤbergoſſenen Kleide ein eigenes An⸗ ſehen. An ihnen iſt das ganze Geſicht, bis auf die Gegend um den Schnabel herum, die weiß mit untermengten ſchwarzen Bor⸗ ſten iſt, mit Roſtfarbe wie uͤbergoſſen, zuweilen blaß, zuweilen ſehr dunkel oder fuchsroth. Dieſe Farbe verbreitet ſich auch uͤber alle obern Theile, die ſchwarzbraunen Zeichnungen im Rothen ſind friſcher, die Schulterflecke und die ganze Unterſeite des Vogels mit einem roͤthlich roſtgelben Anſtrich, auf welchem die dunklen Flecke ebenfals ein friſcheres Anſehen haben, doch von geringern 1. Ordn. V. Gatt. 57. Wald⸗Kautz. 477 Umfang find. An der Unterbruft find dieſe noch mehr vereinfacht, indem die Schaftſtriche nur hin und wieder in einzelne ſchwarzbrau— ne Adern zur Seite auslaufen oder Kreutze bilden. Am Schwanze ſind oft keine dunkeln Baͤnder zu unterſcheiden, auch die auf den Schwingen ſind ſchmaͤler als an den alten Voͤgeln. a Daß dieſe fuchsrothen Voͤgel junge Weibchen, die roche lichbraunen junge Maͤnnchen, die roͤthlichgrauen alte Weib- chen, und diejenigen, welche in einiger Entfernung mehr hellgrau ausſehen, alte Maͤnnchen find, hat ſich mir durch eine viel⸗ fache Section alter und junger Individuen beſtaͤtigt. Im Herbſt f ſehen übrigens alle Farben friſcher aus, als im Frühjahr, weswes gen man auch gegen Ende des Fruͤhlings hin keinen recht dunkel fuchsrothen Waldkautz mehr ſiehet, weil dieſe Farbe . ſehr ſtark abbleicht. ö Aufenthalt. Der Waldkaus iſt uͤber ganz Europa verbreitet; auch im noͤrdlichen Aſien und vielleicht auch in Nordamerika ein⸗ heimiſch. In Deutſchland iſt er überall wo es nur Baͤume und Waͤlder giebt, ein gemeiner Vogel. Nur in den Marſchlaͤndern iſt er ſelten, ſonſt aber allenthalben in bergigen und ebnen Gegenden, in großen und kleinen Wäldern, fie mögen aus Laub- oder Nabel: holz beſtehen, anzutreffen. Eichen- oder Buchenhochwaldungen, wenn ſie recht alt und gut beſtanden ſind, liebt er vorzuͤglich, um ſo mehr wenn es viel hohle Baͤume darinnen giebt. In den Sommermonaten wohnt er meiſt tief im Walde, vom Herbſt bis zum Frühjahr ſucht er aber auch kleinere Feldhoͤlzer und im Winter ſelbſt große Baumgaͤrten bei den Doͤrfern auf. So lange das Laub auf den Baͤumen iſt, ſitzt er am Tage am liebſten in den Aeſten eines dicht delaubten Baumes, feltner in einer Baumhoͤhle, an einer Stelle und ſchlaͤft. In den uͤbrigen Jahreszeiten ſucht er die hohlen Baͤume und Felſenhoͤhlen, verſteckt ſich auch wol in abge— legenen, alten, wuͤſten Thuͤrmen und Ruinen, zuweilen auch, doch ſelten, in Gebaͤuden, welche an Gaͤrten und Waͤldern liegen. In die Doͤrfer koͤmmt er am Tage nie; auch weiß ich mich nicht zu erinnern einen im Felde, außer des Nachts, angetroffen zu ha: ben.“) — „) Bechſtein a. a. O. verſichert, daß man fie im Herbſt in den Stoppelaͤckern, am Tage ſogar, zuweilen in kleinen Heerden antreffen ſoll; was mir jedoch nie vor⸗ gekommen iſt. Iſt dort vielleicht die Sumpfohreule gemeint? — 478 J. Ordn. V. Gatt. 37. Wald:Kaup. Es iſt ein deutſcher Stand- und Strichvogel. Wenn die rau⸗ he Herbſtwitterung die Laubholzwaͤlder ihres Schmuckes beraubt, und wenn im Fruͤhjahr die Knospen der Baͤume anſchwellen, iſt ihre Strichzeit. Man ſieht dann dieſen Kautz auch in ſolchen Ge⸗ genden, wo er nicht bruͤtet, aber immer El feltner ein Paͤäͤr⸗ chen beiſammen. Äh Eigenfhaften Daß man von jeher die Eule als ein Sinnbild des Nachben⸗ kens betrachtete, iſt ſehr ſonderbar. Sie ſieht freilich aus, als ob ſie immer meditirte; aber man taͤuſcht ſich. Es iſt Schlafſucht was man fuͤr tiefes Sinnen hielt und ſie wird von hundert andern Voͤ⸗ geln an Klugheit uͤbertroffen. War es unſer Waldkautz, den man zum Tiefdenker machte, ſo irrte man um ſo mehr; denn er iſt ein trotziges, ſchlafſuͤchtiges, truͤbſinniges und ziemlich einfaͤl⸗ tiges Geſchoͤpf. Seine Figur hat, wie ſein ganzes Weſen, viel Abentheuerliches; fein lockeres, ungemein weiches Gefieder ſteht faſt immer wie aufgedunſen vom Koͤrper ab, der dicke Katzenkopf ſcheint, weil der Hals ſehr kurz und gleich dick befiedert iſt, auf dem Rumpfe aufzuſitzen, er dreht fich bedaͤchtig nach allen Sei⸗ ten, oft ſo, daß der Schnabel im Genick zu ſtehen ſcheint, die großen Augenlieder winken langſam; jetzt erſchrickt der Vogel plotzlich, er kauert ſich nieder, ſtraͤubt ſich dick auf, u. ſ. w. Koͤmmt man ſeiner Schlafſtelle zu nahe, fo macht er ſich klein, ſchmiegt und druͤckt ſich hart an ſeinen Baumſtamm und entgeht ſo dem ungeuͤbten Auge nicht ſelten. Fliegt er weg, ſo zeigt er im Fluge ein langſames, ſchwerfaͤlliges Weſen, die großen, gekruͤmmten und abgerundeten Flügel ſchlagen langſam die Luft, und der un— geheuere Kopf macht den Vogel ſogleich kenntlich. Etwas raſcher geht uͤbrigens alles in der Daͤmmerung und in hellen Naͤchten mit ihm, doch zeigt er uͤberall viel natuͤrliches Phlegma. Er fliegt gern nach den naͤchtlichen Feuern; ſein Flug iſt uͤbrigens außerordent⸗ lich leiſe und geraͤuſchlos. In der Gefangenſchaft wird er bald zahm, beſonders wenn er jung aus dem Neſte genommen wurde. Seine gewöhnliche Stimme iſt ein haͤßliches, heiſeres Krei⸗ ſchen, wie: rraͤih! und ein beſſer klingendes: Kuͤ, Kuͤhitt, kuwkitt, was bald wie kaͤkit, bald wie giwitt lautet oder ausgelegt werden kann. Eine andere weit lautere, in den Waͤl⸗ dern fürchterlich wiederhallende Stimme ähnelt dem Jauchzen ei: nes betrunkenen Menſchen und klingt hoch: Huh — huh, — I. Ordn. V. Gatt. 37. Bald-Rauk 479 4 Huhuhuhuhuhuhu! was am Schluſſe auch einem heulenden Gelaͤchter nicht unaͤhnlich iſt. Dieſe letztere Stimme ſcheint nur das Maͤnnchen hervor zu bringen; ich hoͤrte in Waͤldern wenig⸗ ſtens nur immer eins ſo ſchreien, waͤhrend ein anderes die Toͤne Ku witt einzeln dazwiſchen ſchrie. Daſſelbe wurde auch an eis nem Paͤaͤrchen gezaͤhmter beobachtet. Auch ſcheint jene, dem Aber⸗ glaͤubigen ſo furchtbare, jauchzende Muſik der Paarungsruf zu ſein; ich habe ihn wenigſtens nie anders als im Fruͤhjahr gehoͤrt. Im Affekt laͤßt uͤbrigens der Waldkautz ein dumpfes Fauchen oder Blaſen hoͤren und knappt dazu 1 mit dem % % ie e . Dem Waldkautz ſind ſo gut wie ſeinen uͤbrigen Sat: tungsverwandten, die Maͤuſearten zur Hauptnahrung angewiefen. Er faͤngt auſſer dieſen aber auch Spitzmaͤuſe, Maulwuͤrfe, Froͤſche, Eidechſen, Kaͤfer und andere groͤßere Inſekten, zuweilen auch ganz junge Haſen und junge Kaninchen. Kleine Voͤgel, die er im Sitzen erwiſchen kann, verſchmaͤhet er auch nicht, er loͤßt beſonders gern die gefangenen aus den Dohnen und Schlingen. Alle dieſe Nahrungs: mittel ſucht er in der Morgen- und Abenddaͤmmerung und, wenn die Naͤchte hell ſind, die ganze Nacht hindurch auf; am Tage ſitzt er dagegen auf ſeinem Schlupfwinkel und ſchlaͤft. Greift ihn indes der Hunger zu hart an, welches im Winter bei tiefem Schnee und ſtrenger Kaͤlte zuweilen der Fall iſt, ſo fliegt er auch manchmal am Tage umher und ſucht ſich etwas zu fangen, wobei er oft ſehr dummdreiſt zu Werke geht. Mein Vater mußte einſt zuſehen, wie ihm, als er im Begriff war einen im Garten gefangenen Seidenſchwanz aus der Schlinge zu holen, ein Waldkautz ei⸗ nen andern gefangenen Seidenſchwanz, zehn Schritte vor ihm, aus der Dohne riß, ſich ſogar durch ſein erhobenes Geſchrei we⸗ der abſchrecken noch verhindern lies, den geraubten Vogel auf dem naͤchſten Baume zu verzehren, ob es gleich Mittags um 2 Uhr war. — Sie thun dies aber meiſtens nur bei truͤbem Wet⸗ ter und wenn fie der Hunger recht quält. Bei Mondenſchein ſchwaͤrmen ſie beſonders viel nach Feldmaͤuſen auf den Feldern umher. Sie kommen dann auch in die Doͤrfer, doch nur ſelten ſucht hier eine in einem abgelegenen alten Gebaͤude eine Schlafſtelle, um den Tag uͤber da zu bleiben; noch weniger habe ich jemals die Beſchuldigung, daß ſie die Taubenſchlaͤge beſuchen ſollen, be⸗ 480 J. Ordn. V. Gatt, 57. Wald⸗Kautz. ſtaͤtigt gefunden. Bei Mangel an Maͤuſen und andern Nahrungs⸗ mitteln geht dieſe Eule auch auf Aas. — % nd Um die Zeit, wenn im Fruͤhjahr die Waldſchnepfen ſtreichen, hoͤrt man ihr heulendes Hohngelaͤchter Abends in den Waͤldern häufig erſchallen; fie paaren ſich dann und machen noch im Maͤrz zur Brut Anſtalt. Ich erinnere mich auch einmal am hellen Tage um dieſe Jahreszeit einen Waldkauttz ſchreien gehört zu haben; dies iſt indes ein ſeltner Fall. Sie niſten in Hoͤhlen. In un⸗ fern Waldungen finden fie eine weite Baumhoͤhle dazu am ſchick— lichſten, in welche ſie manchmal etwas Moos, Geniſt und Federn eintragen, was aber nicht den Nahmen eines Neſtes verdient; doch oͤfterer noch die Eier auf die bloßen faulen Holzbrocken hin- legen. In Gebirgswaͤldern ſuchen ſie dazu auch Felſenhoͤhlen auf. Daß fie ſich eines verlaſſenen Krähen: oder Raubvogelneſtes zu= weilen dazu bedienen ſollen, wird ebenfalls geſagt; allein ich kann dies nicht beſtaͤtigen, weil ich das Neſt dieſer Eule ſtets nur in hohlen Bäumen fand. In der Teutſchen Ornithologie a. a. O. wird auch eines Neſtes erwaͤhnt was ſich in einem finſtern Winkel eines Taubenſchlags befand, doch befuͤrchte ich hier eine Verwechslung mit dem Schleierkautz. — Das Weibchen legt drei bis fuͤnf rundliche weiße Eier und bebrütet fie über drei Wo- chen lang. Die Jungen ſind mehrere Tage blind, ihre dicken rothen Augenliederraͤnder ſehen aus als wenn ſie entzuͤndete Augen haͤtten, und ihre Bekleidung ſind graulichweiße Dunen. Sie ſehen, beſonders wenn ſie groͤßer werden und die graulichen, ſchmutzig braun gewellten und punktirten Federn durch jene Dunen hervor⸗ a kommen, ſehr haͤßlich aus, und machen ein Geſchrei, das dem Zaͤhneknirſchen ähnelt, nur ſtaͤrker klingt. Sie wachſen ſehr lang⸗ ſam, ſitzen lange im Neſte und nachher, wenn fie ausgeflogen find, noch neben demſelben, wo fie fleißig von den Alten gefüttert wer: den. Von der Liebe dieſer zu den Jungen wird erzaͤhlt: daß ſie, wenn man ihnen einige aus dem Neſte genommen, die uͤbrigen in der naͤchſten Nacht wegſchaften, und daß ſie denjenigen, der ſich Abends dem Neſte naͤherte, anfielen und ihn mit Fluͤgelſchlaͤgen und mit ihren Krallen zu vertreiben ſuchten. — 1. Ordn. V. Gatt. 37. Wald⸗Kautz. 481 4 a Feind e. Von außen durch Federinſekten, von innen durch Eingeweide- wuͤrmer geplagt, wird dieſe Eule noch am Tage, wenn ſie ſich ſe— hen laͤßt, von neckenden Voͤgeln verfolgt. Eine gezaͤhmte verlor ich einſt durch einen ſonderbaren Zufall; die Fliegen hatten ihr naͤmlich Millionen Eierchen in den Rachen, in die Ohren und die Augenwinkel gelegt, ſo viel, daß der Rachen ſo vollgepfropft war, daß ſie den Schnabel nicht ehr zumachen konnte. Als die Eier⸗ chen endlich zu Maden wurden, mußte ſie ihren Geiſt aufgeben. — Eine Zweite war gleich, nachdem ſie ſich gefangen hatte, aufgebla— ſen, d. h. eine ungeheure Menge Luft zwiſchen dem Zellgewebe und der Epidermis ſpannte dieſe ſo an, daß der Vogel ungemein dick wurde; ich machte Einſchnitte, um die Luft heraus zu laſſen, die— ſe war aber bald wieder erſetzt und der Vogel mußte in kurzer Zeit ſterben. Ia g d. Wo man ſie Abends herumfliegen ſieht, kann man ſie durch das gut nachgeahmte Maͤuſegepfeife leicht anlocken und herabſchie— ßen; denn ſie fliegt nahe um einen herum oder ſetzt ſich auch wol auf den naͤchſten Baum. Wer ihren Paarungsruf auf der hohlen Hand nachzuahmen verſteht, kann ſie im Fruͤhjahr auch leicht da— durch herbei locken. In meines Vaters Raubvoͤgelfalle wurde auch einmal eine kurz vor Sonnenaufgang gefangen. Einſt ging mein Vater, im Winter, an einer hohlen Weide voruͤber, auf welcher ein Waldkautz ſaß, der ſich, als er ihn erblickte, ſchnell in die Hoͤh⸗ le des Baums zuruck zag. Mein Vater beſann ſich nicht lange, warf ſeine Muͤtze oben in das Loch, ging nach Haufe, holte ein Beil, hieb damit unten ein Loch in den Baum und zog durch daſ⸗ ; felbe die Eule hervor. — Nutz en. | / Dieſer wird durch ihre Nahrung für uns ſehr wichtig und man ſollte, anſtatt daß man den Jaͤgern die Faͤnge der Eulen bezahlt, und dieſe daher den Verfolgungen jener ausſetzt, dieſe wohlthaͤti⸗ gen Geſchoͤpfe vielmehr hegen und beſchuͤtzen. — Oft verſuchte ich auch den Waldkautz auf der Kraͤhenhuͤtte ſtatt des Uhu zu ges brauchen, allein mit ſchlechtem Erfolge; denn er kauert ſich, mit geſchloſſenen Augen beſtaͤndig nieder, macht nicht die geringſte Be⸗ wegung, oder macht ſich, wenn er einen Raubvogel von Ferne ſieht, ol — 482 J. Ordn. V. Gatt. 57. Wald⸗ Kautz. wol gar ſo klein wie moͤglich, druͤckt die Augen zu, und denkt nicht im mindeſten an Gegenwehr, ſo daß Kraͤhen und Raubvögel ſehr oft vorbeiſliegen, ohne ihn einmal gewahr zu werden. ; Schaden. Dieſer ift von geringer Bedeutung; denn daß er zuweilen ei⸗ nen jungen Haſen oder einen Vogel erwiſcht, gehoͤrt ſchon unter die ſeltnern Faͤlle, und daß er manchmal in den Dohnenſteg koͤmmt und die gefangenen Voͤgel ausnimmt, verdient nicht, daß man groß Aufhebens darum mache, wenn man bedenkt, welch eine unſaͤgliche Menge ſchaͤdlicher Feld- und Waldmaͤuſe durch ihn ihren Mee finden. Nur bei tiefem Schnee, in ſtrengen Wintern, wo die Maͤuſe in ihren Loͤchern bleiben, thun ſie einigen, nicht unbedeutenden Schaden; ſie leben dann, wie ich aus Erfahrung weiß, meiſtens von Rebhuͤhnern, die ſie im Schlafe uͤberfallen, und wo fie dies ſe nicht haben, von anderem Gefluͤgel. — Beobachtung. Die große Feindſchaft, welche die Tagraubvoͤgel gegen die Eulen hegen und welche unter dieſen der Rauchfußbuſſard am meiſten an den Tag legt, ſcheint ihren Grund darinn zu haben, daß die Eulen nicht allein die Bru⸗ ten derſelben bei Nachtzeit zerſtoͤhren mögen, ſondern ſelbſt die alten Vogel anfein⸗ den. Folgender Vorfall macht dies wahrſcheinlich: Einer meiner Bruͤder ſchlich in einer mondhellen, ſehr kalten Winternacht im Walde entlang, um Raubvogel zu ſchießen, und ſtand eben im Begriff einen Rauch fußbuſſard, welchen er auf dem Aſte einer Eiche gewahrte, anzuſchleichen. Der unter feinen Tritten knarren⸗ de Schnee erheiſchte Vorſicht und er naͤherte ſich eben langſam, als auf einmal ein Waldkautz geſtürzt kam und auf den Buſſard ſtieß, welcher, hiedurch aus dem Schlafe geweckt, in der Beſtuͤrzung gerade auf flog, ſein Heil in ſchneller Flucht ſuchte, aber immer noch von der nach ihm ſtoßenden Eule herzhaft verfolgt wurde. Was aus dieſem ſonderbaren Kampfe geworden, konnte er weiter nicht ſehen, weil die Streitenden zu ſchnell ſeinen Blicken entſchwanden; doch zeigte der Buſſard kei⸗ ne Gegenwehr. — Hatte nun hier die Eule wirklich ernſtliche Abſichten auf das Leben ihres Feindes, oder wollte ſie das Vergeltungsrecht nur ſo weit uͤben, die⸗ fen tuͤchtig zu aͤngſtigen? Dies laͤßt ſich nicht entſcheiden, da der Ausgang dieſes nächtlichen Ueberfalls nicht beobachtet werden Konnte. — An merk. Der im Meisner⸗ und Schinzeſch en Werk uͤber die Voͤgel der Schweitz, als eigene Art aufgeführte Vogel, welcher dort S. 34. n. 32. unter dem Nahmen: Großkoͤpfiger Kautz, Strir macrocrephala, Meisn. be= ſchrieben iſt, darf nicht zu den Synonymen des Waldkautzes gezogen werden. Ich kenne ihn zwar nur aus Beſchreibungen und aus der Abbildung, welche Prof. Meis⸗ ner im sten Heft des Muſeums d. Naturg. Helvetiens davon giebt, muß ihn jedoch auch hiernach für eine von Str aluco verſchiedene Art halten, ob⸗ gleich dies ſchon hin und wieder bezweifelt worden iſt — Wir find noch nicht ſo weit, und werden auch lange noch nicht dahin kommen, daß wir uns ruͤhmen koͤnn⸗ ten, daß alles, was ins Gebiet der Ornithologie unſeres Erdtheils gehort, uns bekannt fer Sind wir ja doch felbſt in Deutſchland noch lange nicht fertig, wo doch feit Jahren recht fleißig gearbeitet wurde. Warum ſollte es nicht moͤglich fein, daß es auch noch eine, uns bisher unbekannt gebliebene, vaterlaͤndiſche Eulen⸗ art gäbe? Die Geſchichte vieler Voͤgel, z. B. aus der Saͤngergattung, unter 4 # 1. Ordn. V. Gatt. 38. Schleier⸗Kautz. 485 den Meerſchwalben u. a. m. giebt uns Winke genug, vorſichtig zu fein. — Mein Freund Kapitain von Woͤldicke, ein geborner Däne und ſehr geuͤbter Voͤgel⸗ kenner, verſicherte, daß er auf Seeland haͤufig eine Eule auf Thürmen und Kirchboͤden angetroffen habe, die, fo viel er ſich noch erinnere, alle Farben des. Waldkautzes an ſich trage, aber merklich kleiner als dieſer ſei. — Ich bin zwar nicht leichtglaͤubig genug, hier gleich eine neue Art zu vermuthen, bevor ich nicht ſelbſt geſehen und gepruͤft habe; doch iſt mir der angebliche Auf enthalt ſehr aufgefallen. Mein Freund verſichert, daß er jene Eule nie anders als an erwaͤhnten Orten angetroffen habe; ſollte es nun keine andere als Str. aluco geweſen ſein, aus welchen Urſachen waͤr es herzuleiten, daß dieſer Vogel in Daͤ⸗ nemark lieber oder vielmehr ausſchluͤßlich Kirchen und Thuͤrme bewohne, da er bei uns doch nur ſelten außer dem Walde angetroffen wird? — Ich erwähne dieſe Sa⸗ che blos deswegen, um andere ee aufmerkſam zu machen, 358. Der Schleier ⸗Kautz. Sri V a m mea. Linn, Taf. 47. Fig. 2. Maͤnnchen. Die Schleiereule, rothe und gelbe Schleiereule, Perleule, Gold ⸗, Feuer ⸗, Flammen⸗ und Herzeule, Peruckeneule, Thurm⸗, Kirchen- und Nachteule, feurige Nachteule, Klag-, Ranz⸗, Kautz⸗, und Todteneule, Schlaͤfereule, (Buſch- oder Kohleule, Wald— kautz) weiße und geflammte Eule, ſchwarzbraune (?) Perleule, Schnarchkautz, Kautz, Kaͤutzlein, Schleierauffe, gemeine 8 beim gemeinen Mann! in hieſiger Gegend: die Eule. 5 Strir flammea. Gmel. Linn. syst. I. p. 293. n. 8. == Retz. Faun. Suec. I. p. 81. n. 52. L’ Effraie ou la Fresaie. Buff. Ois. I. p. 366. t. 26. —a Id. Pl. enl. n. 440. = 1d. Edit. d. Deuxp. II. p. 128. t. 8. fig. 3. == Gerard. Tab. elem. I. p. 24. = Chouette effraie, Temminck Man. p. 52. = White Owl. Lath, syn. I. p. 138. n. 26. — Uiberſ. v. Bechſtein I. S. 129. n. 26. Al- locco comune et bianco. Stor. degli ucc. t. 91. et 92. — De Kerkuil. Sepp. Nederl. Vog. III. t. p. 299. = Bechſtein Naturg. Deutſchl. II. S. 947. Deſſen orn. Taſchenb. S. 54. n. 9. — Wolf und Meyer Taſchenb. S. 79. n. 7. — Teutſche Ornith. v. Becker u. a. m. Heft 21. Meisneru. Schinz Voͤgel d. Schweitz. S. 35. n. 33. — Koch Baier. Zool. 1. 18. 135. n. 60. — Friſch Voͤgel r. 97. = Naumann's Vögel, alteuusg. IV. S. 365. Taf. 31 nig. 52. f Kennzeichen der Art. Mit weißlichem Schnabel; ſehr dunkel braunem Augenſtern; weißem, um das Auge herum roͤthlichem Geſicht; roſtgelbem Unter⸗ 484 I. Ordn. V. Gatt. 38. Schleier⸗Kautz. leibe; aſchgrau gewaͤſſertem, mit ſchwarzen und weißen Tropfen oder perlaͤhnlichen Flecken geziertem Oberleibe; ſehr wenig beſie—⸗ derten Zehen, und einer am innern ange gezaͤhnelten Kralle der Mittelzeh. Beſchreibung. Dieſer Kautz unterſcheidet ſich in mehr als einer Hinſicht ſehr leicht und deutlich von allen uͤbrigen einheimiſchen Arten, unter welchen er der ſchoͤnſte iſt. Sein Geſicht, das durch einen 1 Federkranz ſcharf begraͤnzt wird, hat im Leben vollkommen die Form eines Herzens, dieſer auffallende Umriß geht indes verloh— ren und verwandelt ſich in einen faſt zirkelrunden Kreis, ſobald der Vogel todt iſt. Sein ungemein weiches und zartes Gefieder iſt regelmäßiger und ſchoͤner gezeichnet als bei irgend einer andern inn laͤndiſchen Art, beſonders angenehm ſehen die tropfen- oder perlarti— gen, weißen, ſchwarzbegraͤnzten Fleckchen aus, welche am Oberleibe, an dem Ende jeder Feder einzeln oder zu zwei bis drei uͤbereinan⸗ der ihren Sitz haben. Die Füge und Zehen find auf eine ganz ei= gene Art bekleidet, die Fluͤgel lang und der Schwanz kurz; die vorderſte Schwingfeder mit einen kammartig gezaͤhneltem Rande; die dritte und vierte Schwinge die laͤngſten. Das aͤußere Ohr iſt auſſerordentlich groß, und die vordere Haͤlfte der Ohrmuſchel bil— det einen beweglichen Deckel oder Klappe. — Die Laͤnge des Vogels iſt 142 bis 15 Zoll, die Breite 5 39 Zoll, die Länge des faſt geraden Schwanzes 5 Zoll und die zufammenge: legten Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen über 12 Zoll über das En⸗ de deſſelben hinaus. Der Schnabel iſt etwas geſtreckt, anfaͤnglich gerade, nach der Spitze zu ſchoͤn hakenfoͤrmig gekruͤmmt und ſtark abwärts haͤngend, 15 Zoll lang, weiß von Farbe, welches zuweilen ins Roͤthliche ſchimmert oder auch manchmal einen gelblichen Anſtrich hat; die Wachshaut wie der Schnabel; die Nafenlöcher laͤnglichrund. Die Augen liegen tiefer und ſind auch nicht von einer ſo ungeheuren Groͤße, wie bei vielen andern Eulen; ihr Stern iſt ſtets ſehr dun⸗ kelbraun ), die Pupille blsuſchwarz. — *) Ich habe fie wenigſtens nie anders gefärbt geſehen, und begreife nicht, wie man fie bald himmelblau, bald ſchoͤn gelb beſchreiben konnte, was fie doch, ſo viel ich weiß, nie ſind. Ich habe dieſe Eule unſaͤglich oft lebend und todt beobachtet, aber bei keinem einzigen Exemplar einen anders gefaͤrb⸗ J. Ordn. V. Gatt. 38. Schleier⸗Kautz. 485 Die Füße find etwas duͤnn; bis unter die Fußbeuge dicht be: fiedert, werden dann aber am Lauf herab allmählich kahler, fo daß endlich die Zehen nur noch mit einzelnen Borſthaaren beſetzt ſind, die den roͤthlichgrauen, feinſchuppichten Grund durchſchimmern lafz ſen. Dieſe Zehen haben eben kein huͤbſches Anſehen, und erinnern, ihrer Bekleidung wegen, an den Schwanz einer Ratte. — Die braunſchwarzen Krallen ſind duͤnn, flach gebogen und nadelſpitz, die der Mittelzeh auf der innern Seite mit einem kammfoͤrmig ge— zaͤhnelten Rand verfehen, ein Zuſatz, welchen wir in der Klaff: der Raubvoͤgel nicht zu ſehen gewohnt find. — Der Lauf mißt 22 Zoll, die mittlere Zeh mit der Kralle, in gerader Linie, 14 Zoll, die hin⸗ tere eben ſo 1 Zoll. Das ganze Gefieder des Vogels hat eigentlich einen dunkel⸗ roſtgelben Grund, ſo wie das ganze Dunengefieder dieſe Farbe ausſchluͤßlich trägt. Das kleinere Conturgefieder hat die übrigen Far⸗ ben und Zeichnungen nur an den Enden der Federn, weswegen denn auch allenthalben die Grundfarbe mehr oder weniger hervorſchimmert. Die fein zerſchliſſenen, in haaraͤhnliche Spitzen auslaufenden Federn des Geſichts find weiß, um das Auge herum ſchmutzig roͤth⸗ lich oder fleiſchfarben, welches nach dem vordern Augenwinkel zu dunkler wird und hier in ein dunkelbraunes Fleckchen verlaͤuft. Der aus dem Weißen in Zimmtbraun uͤbergehende und dunkelbraun ge- fleckte und beſpritzte Rand oder Federkreis, welcher das Geſicht um—⸗ giebt, giebt dieſem eine voͤllig herzfoͤrmige Figur; doch weiß der Vogel dieſe Form ſehr zu verändern, und fie wird, wie ſchon ge⸗ ſagt, im Tode allemal ganz rund. — Der Vorderhals, die Bruſt, Seiten, Schenkel und Bauch ſind ſchoͤn roſtgelb, der Hals einzeln, die Bruſt aber dichter mit kleinen dunkelbraunen Perlflecken, an welche oft weiße graͤnzen, beſtreuet. Dieſe Flecke oder Punkte ha⸗ ben etwa die Groͤße eines Hirſekorns und ſitzen am Ende des Schaf⸗ tes jeder Feder. Oberkopf, Hinterhals, Schultern und der ganze Ruͤcken find hell aſchgrau, mit fehr feinen, unordentlichen, ſchwaͤrz— lichen Querlinien und Punkten dicht bezeichnet, und mit graulich— weißen, jedesmal nach oben ſchwarzbegraͤnzten, Perlen oder Elei- nen Tropfen ähnlichen Flecken beſtreuet, die oft, mehrere an ein⸗ ander, kurze Schnüre oder abgebrochene Reihen bilden, weil mans che Feder mehrere dergleichen hat und alle am Schafte ſitzen, wo⸗ ten Augenſtern aa immer war er von einem ſehr kebhaften dunkeln Braun. — 486 IJ. Ordn. V. Gatt. 38. Schleier-Kautz. von die letzte am Ende der Feder immer die groͤßeſte iſt. Dieſe Perlenſchnuͤre ſind eine große Zierde des Vogels. Durch die eben beſchriebenen Zeichnungen ſchimmert dans allenthalben der roſtgelbe Grund in Flecken, wie Flammen, mehr oder weniger hervor. Der Fluͤgelrand iſt roſtgelb mit kleinen braunen Perlflecken; die Fluͤ⸗ geldeckfedern wie der Ruͤcken, aber mit noch mehr hervorleuchtendem Roſtgelbz die großen Schwingen auf der aͤußern Fahne dunkelroſt⸗ gelb, auf der innern heller und in breite weiße Kanten ſich verlie⸗ rend, alle mit viel ſchmalen ſchwaͤrzlichen, weiß beſpritzten Quer— flecken, mit ſchwarzbraun beſpritztem aͤußern Rande und mit Hell- aſchgrauen, ſchwaͤrzlich marmorirten und punktirten Enden, auf welchen ſich, auf der Spitze des Schaftes jeder Feder, eine große weiße, ſchwarz eingefaßte Perl befindet. Der Schwanz iſt roſt⸗ gelb mit weißlicher, fein ſchwarz punktirter Spitze und vier ſchma⸗ len ſchwaͤrzlichen Querſtreifen, die ſich alle nach der Wurzel zu in unordentlichen Punkten auf graulichem Grunde, in dem Roſtgel⸗ ben verlieren; die innere bedeckte Fahne dieſer Federn faͤllt ſehr ins Weiße und die aͤußere Kante der aͤußerſten Seitenfeder iſt ganz weiß. Das weichwollichte Gefieder an den Fuͤßen iſt roſtgelb, die Haare auf den Zehen gelblichweiß; die untern Fluͤgeldeckfedern hell roſtgelb, dunkelbraun beperlt; die Schwingen auf der untern Sei⸗ te gelblichweiß, mit, nur an den Enden ſchwach durchſchimmern⸗ den, dunkeln Querflecken der obern Seite. Maͤnnchen und Weibchen ſehen im Aeußern einander fehr. aͤhnlich, doch iſt letzteres etwas groͤßer und plumper, auch dunkler von Farbe. Das Maͤnnchen hat uͤbrigens die weißen Perlen an den untern Theilen ſo ſchoͤn wie das Weibchen, nur juͤngern Voͤgeln fehlen ſie. Sie geben, nach meinen Beobachtungen, kein unterſcheidendes Merkmal fuͤr das Geſchlecht ab. An den jungen Voͤgeln ſind alle Farben viel blaͤßer, ſie fallen, beſonders am Unterleibe, ſehr ſtark ins Weiße, die brau⸗ nen Punkte an der Bruſt ſind kleiner und hier fehlen die weißen ganz. Weil dieſe Eule ein allgemein gekannter Vogel iſt, ſo kennt man auch mehrere Varietaͤten; z. B. eine, an welcher der Unter⸗ leib rein weiß ohne alle Punkte, eine andere wo auſſer dieſem, der ganze Oberleib blaßgelb iſt, aber doch weiße und ſchwarze Punk— te hat, und eine weißgefleckte. Die ſchoͤnſte von allen welche ich ſahe, war eine ſchneeweiße Spielart; kaum waren auf dem blendend weißen Grunde, an den obern Theilen nur die wahren I. Ordn. V. Gatt. 38. Schleier⸗Kautz. 487 Zeichnungen in matten Zuͤgen hie und da leiſe angedeutet, doch mußte man nahe ſein, um dies zu bemerken. — Eine ſehr ſtark weißgefleckte Varietaͤt, an welcher nur wenige einzelne Fe⸗ derpartien ihre wahre Farbe hatten, alles uͤbrige aber weiß war, hielt ſich einen ganzen Winter uͤber in einer abgelegenen alten Scheune auf, wo ich ſie, als Kind, ſehr oft auf einem Balken ſitzen ſahe. N Der Schleierkautz iſt ein uͤber viele Laͤnder der Erde ver⸗ breiteter Vogel, doch iſt er nicht in kalten Climaten. In Euro⸗ pa geht er kaum bis ins ſuͤdliche Schweden, wo er ſchon ſehr felten iſt. Er iſt im gemaͤßigten und auch im ſuͤdlichen Aſien, in Afrika und in Amerika bekannt, in der Tatar ei beſon⸗ ders häufig. Im ſuͤdlichen und mittleren Europa iſt er überall und in Deutſchland ein gemeiner Vogel. Da er immer in der Näs he der Menſchen wohnt, ſo kennt man ihn wol in allen Gegenden unſres Vaterlandes; doch in den Wäldern und in Gebirgen ſucht man ihn vergebens. Man trifft ihn nicht allein in den Doͤrfern und kleinen Staͤdten, ſondern ſelbſt mitten in den groͤßeſten, volk⸗ reichſten Staͤdten an. Er bewohnt am liebſten Thuͤrme und Kirch⸗ boͤden, Loͤcher und Riſſe in hohen alten Mauern, alte abgelegene Gebaͤude, Scheunen und Taubenhaͤuſer. Alte verfallene Gebaͤu⸗ de, Ruinen alter Schloͤſſer und dergl. liebt er am meiſten, und bringt den Tag uͤber, hinter einem Dachſparren, auf einem Bal⸗ ken oder ſonſt an einem duͤſtern Orte, ſchlafend hin. Sehr ſelten verkriecht er ſich auch in der Hoͤhle eines nahe bei den Gebaͤuden ſtehenden Baumes, oder ſetzt ſich in die dichten Zweige eines Na⸗ delholzbaumes in den Gaͤrten; dies letztere ſcheint jedoch nur aus Noth zu geſchehen, wenn man ihn naͤmlich von ſeiner gewoͤhnlichen Schlafſtelle verſcheucht hatte. Nur des Nachts ſchwaͤrmt er auch aufs Feld, in die Gaͤrten und auf den Wieſen umher. f Er iſt ein deutſcher Standvogel und wechſelt als ſolcher feinen Wohnort nicht. Diejenigen, welche im Spaͤtherbſt oder im erſten Fruͤhlinge ſich auch an ſolchen Orten ſehen laſſen, wo fie nicht zu bruͤten pflegen, ſind meiſt junge Voͤgel, welche, wie es ſcheint, mehr herum ſchwaͤrmen als die alten. Man trifft ihrer auch oͤfters, beſonders bei ſtrenger Kaͤlte im Winter, mehrere beiſammen, welche in einen engen Winkel zuſammen kriechen, und daraus, wenn ſie geſtoͤhrt werden, einzeln hervorkommen. Sonſt iſt der 488 J. Ordn. V. Gatt. 3%. Schleier⸗Kautz. Schleierkautz ein einſamet Vogel, oder man ſieht doch nur Maͤnn⸗ chen und Weibchen beiſammen, und es ſcheint, daß ſich die Paar: chen das ganze Jahr nicht trennen. Eigenſchaften. Unter allen Eulen giebt die beſondere Form des Geſichts, das, von einem ſehr abſtechenden Federkranz eingefaßt, die Form eines Herzens bekoͤmmt, dem Schleierkautz das poſſirlichſte Anſehen. Man vergleicht dies Geſicht beſſer und richtiger mit einem Affenge— ſicht, als mit einem Katzenkopf. Schlafend zieht es ſich in die Laͤnge und beſonders eng zuſammen, der dunkle Streif vom Auge nach dem Schnabel hin wird dadurch um deſto auffallender, und traͤgt dazu bei, das Laͤcherliche dieſer Fratze zu vermehren. Die Augen öffnen fi) bei Tage nur in Form eines kleinen Ritzes; immer ſcheint das Thier zu ſchlafen; nur des Nachts oder in der Daͤmme— rung ſperrt es die Augen weit auf, und dann hat auch das Geſicht eine breitere, mehr rundliche Einfaſſung, die im Tode voͤllig rund wird. In ſeinem Betragen in der Gefangenſchaft zeigt ſich mehr Einfalt und dummer Trotz, als boͤſer Sinn und er wird bald zahm, beſonders wenn man ihn jung aufzieht. Da er in der Naͤhe der Menſchen wohnt, ſo iſt er auch nicht ſcheu, ja er kann ſich ſo an das Treiben derſelben in ſeiner Naͤhe gewoͤhnen, daß man Beiſpiele kennt, wo ſich der auf dem Glockenſtuhl ſitzende Schleierkautz ſelbſt durch das Lauten der Glocken nicht verſcheuchen ließ. — Dieſe Zu— traulichkeit bemerkt man oft des Abends, wo ſie den Voruͤberge— henden nicht ſelten nahe beim Kopfe vorbei fliegen und wie ein Schat— ten umſchweben; denn ihr Flug iſt ſanft und ohne alles Geraͤuſch, ſchwankend und langſam, auch faſt immer ſehr niedrig. Sie ſchla⸗ fen am Tage oft ziemlich feſt, ſo daß ſie ſich ſogar zuweilen mit den Haͤnden fangen laſſen, ſitzen dabei faſt aufrecht, und ſollen zuwei— len wie ein ſchlafender Menſch fchnardhen*. Durch ihr Betragen und da ſie ſo in der Naͤhe der Menſchen an fuͤr viele ſo unheimli— chen Orten wohnen, und dann bei ihrem naͤchtlichen Treiben ihre widerliche Stimme oft hoͤren laſſen, ſo waren ſie von jeher dem Aberglaͤubigen und Furchtſamen ein Greuel; oder wol gar Tod und Verderben prophezeihende Nachtgeſpenſter. — Ihre Stimme iſt ein hoͤchſt ſonderbarer widerlicher, hei⸗ ) Dies iſt vielleicht verwechſelt mit den ſonderbaren ſchnarchenden Toͤnen, die ſie wachend von ſich geben; ich habe ſie beim Schlaf wenigſtens noch nie— mals ſchnarchen hoͤren. I. Ordn. V. Gatt. 38. Schleier-Kautz. 489 ſer, kreiſchender und ſchnarchender Ton, der ohngefaͤhr den Sylben: chrruͤuͤh, aͤhnelt, doch eigentlich ſich nicht mit Wor⸗ ten genau beſchreiben laͤßt. Dieſer Ruf iſt in der That ſo haͤßlich, daß ich faſt behaupten möchte, es gäbe in der einheimiſchen Voͤgel⸗ welt keine widerlichere Stimme. Im Fruͤhjahr hoͤrt man dieſe un: angenehmen Töne viel häufiger als in andern Jahreszeiten und fie ſcheinen ihr Haarungsruf zu fein. Wenn fie Abends ihre naͤcht— lichen a anfangen, ſchreien fie am meiſten, auf ihren Jagden find fie dagegen ſtill. Auſſer dieſen geben fie noch aͤhnli— che Toͤne von ſich, die etwas ſchwaͤcher klingen und dem Schnau— ben eines mit offnen Munde ſchlafenden Menſchen gleichen. Was dieſe Taͤuſchung noch vermehrt, macht, daß ſie jene abentheuer— lichen Toͤne gerade in ſolchen Pauſen, wie ein geſunder Menſch athmet, und dabei oft Stunden lang hintereinander in demſelben Tempo, hoͤren laſſen. Wer dies Schnieben oder Schnarchen zum erſtenmal hoͤrt, glaubt durchaus keinen Vogel, ſondern das Schnieben eines ſchlafenden Menſchen zu hoͤren und wird dieſen ganz in der Naͤhe ſuchen, waͤhrend jene ſonderba— ren Toͤne vom nahen Thurm herab ſchallen, und es iſt gar kein Wunder wenn ſie das befangene Gemuͤth mit Furcht und Grauen erfüllen. — Im Affeckt knappt übrigens der Schlei— erkautz eben ſo mit dem Schnabel, wie die andern Eulen. Nia hung. Sobald die Daͤmmerung anbricht, fliegt er nach Nahrung aus und treibt dies Geſchaͤft, bei Mondſchein, die ganze Nacht hindurch, bis in die Morgendaͤmmerung. Man ſieht ihn dann nicht allein in den Staͤdten und Doͤrfern, ſondern auch in den Gaͤrten, auf den nahgelegenen Wieſen und Feldern umher ſchwaͤrmen, und Maͤuſe, Ratten, Spitzmaͤuſe, Maulwuͤrfe, Kaͤfer und auch wol kleine Voͤgel fangen. Er fliegt auch ſehr gern in die Tau— benſchlaͤge; aber man thut ihm Unrecht, wenn man ihn des Tau⸗ benmordes beſchuldigt. Ich habe ihn ſehr oft unter meinen Tau— ben aus- und einfliegen ſehen; die Tauben, welche dieſen Gaſt bald gewohnt wurden und ſich um ihn nicht kuͤmmerten, blieben ſtets im ungeſtoͤhrten Beſitz ihrer Eier und Jungen, noch viel we— niger fand ich je eine Spur von einem Angriff auf eine alte Taube. Oefters ſahe man im Fruͤhlinge ein Paͤaͤrchen viele Abende hinter einander in meinem Gehoͤfte, es ſchien auf dem Taubenſchlage brüten zu wollen und flog, ſobald es gegen Abend 490 I. Ordn. V. Gatt. 38. Schleier-Kautz. zu daͤmmern anfing, ſpielend aus und ein, lies, bald im Schla> ge ſelbſt, bald dicht vor demſelben, ſeine fatale Nachtmuſik, faſt ununterbrochen, erſchallen, und — keine Taube ruͤhrte ſich. Stieg man am Tage leiſe auf den Schlag, fo ſahe man die Eulen rus hig auf einer Stange oder in einem Winkel, vertraulich mitten unter den Tauben, ſitzen und ſchlafen, und nicht ſelten neben ſich einen Haufen Maͤuſe (meiſt die Waſſerſpitzmaus) liegen; denn ſie tragen ſich, wenn ſie eine gluͤckliche Jagd machen und vielleicht auch eine Vorempſindung von uͤbler Witterung fuͤhlen, ſolche Vorraͤthe zuſammen, damit ſie bei zu finſtern und ſtuͤrmiſchen Naͤchten, wo ſie nicht jagen koͤnnen, nicht Hunger leiden duͤrfen. Mein Vater fing ſogar einmal eine dieſer Eulen, welche in ſo tiefen Schlaf verſunken war, daß ſie durch das Gepraſſel der fliehenden Tauben nicht geweckt wurde, mit den Haͤnden. — Daß ſie Eier freſſen ſollen, iſt mir eben ſo unwahrſcheinlich, ob es gleich von manchem behauptet wird, und mir ſogar einmal jemand erzaͤhlte, daß eine Schleiereule mit einem Huͤhnerei in den Klauen im Fluge herab geſchoſſen worden ſei. Das Vorurtheil ſpricht nur gar zu oft gegen die unſchuldigen Eulen, und fo darf man nicht alles glauben, was ih- nen oft nur der Haß nachredet. — Wie oben erwaͤhnt, ſahe ich nicht allein auf meinem Taubenſchlage nie etwas Uibles von ih: nen, ſondern ich fuͤhrte auch meine gezaͤhmten Schleiereulen mit ganzen und angeknickten Huͤhner- und andern Voͤgeleiern oft in Verſuchung; allein fie ließen fie ſtets unberuͤhrt. — Kleine Voͤ⸗ gel greifen ſie indes im Schlafe an; denn in den Staͤdten wuͤrgen ſie nicht ſelten die in Vogelbauern vor den Fenſtern haͤngenden Lerchen, Nachtigallen, Finken, Droſſeln und dergl.; auch die ge— fangenen Vögel holen fie zuweilen aus den Dohnen und Schlin⸗ gen der nahen Dohnenſtege. — Manche Individuen ſind ſehr fanft, andere wieder raubgierig. Einer meiner Bekannten er: hielt einmal einen Schleierkautz, welcher ohngefaͤhr ſeit acht Ta⸗ gen in der Gefangenſchaft war, ſetzte ihn in ſeine ſtockfinſtere Stube und eilte ſchnell ein Licht zu holen. Hieruͤber verfloß kaum eine Minute, und doch ſahe er, zu feinem Xerger, als er mit dem Licht in die Stube trat, daß die Eule bereits ſeinen Liebling, eine Moͤnchgraſemuͤcke, hinter dem Ofen von ihrem Sitze geholt, getoͤdtet und bereits halb aufgefreſſen hatte. Dieſe Eule fraß oͤf— ters funfzehn Feldmaͤuſe in einer Nacht. Auch Aas verſchmaͤhet, in den Zeiten der Noth, der Schleierkautz nicht. — I. Ordn. V. Gatt. 38. Schleier-Kautz. 491 Fortpflanzung. Sie kuͤndigen die Zeit der Begattung durch ihr haͤufigeres Schreien zu Ende Maͤrzes an und man wird nicht leicht den Abend in einer Stadt verweilen, wo man nicht um dieſe Zeit ihre haͤßli⸗ chen Stimmen hoͤrte. Sie ſcheinen dann faſt lieber die Staͤdte als die Doͤrfer zu bewohnen und jagen hier Abends einander ſpielend von Thurm zu Thurm. Sie bauen kein eigentliches Neſt; denn das Weibchen legt ſeine drei bis fuͤnf weißen Eier, welche laͤnglicher als die anderer Eulen find, ohne alle Unterlage, meiſt in eine un- bedeutende Vertiefung, auf den Schutt oder zwiſchen Stein- und Kalchbrocken. Glockenthuͤrme, Dachboͤden der Kirchen, Schlöffer und andrer hohen Gebaͤude, altes Gemaͤuer, verlaſſene Tauben⸗ hoͤhlen, uͤberhaupt ſolche Gebaͤude, wo ſie ſelten von Menſchen geſtoͤhrt werden, und hier noch die einſamſten Winkel, waͤhlen ſie am liebſten zur Brutſtaͤtte. Sie bruͤten etwa drei Wochen lang, und die Jungen, welche anfaͤnglich mit weißen Dunen bekleidet ſind, ſehen, zumal in ihrer fruͤheſten Jugend, ihrer unfoͤrmlich dicken Koͤpfe und wunderlichen Geſichter wegen, gar haͤßlich aus. Will man dieſe aufziehen, fo find die Alten dazu ſehr behuͤlflich, wenn man ſie nur nicht gar zu weit wegtraͤgt. Einer meiner Be⸗ kannten nahm einſt ein Neſt voll aus, ſetzte ſie in eine Kammer, die nicht weit von der Scheune entfernt war, in welcher fie ausge: gebruͤtet waren. An jedem Morgen fand er einige Haufen todter Maͤuſe außen im Fenſter liegen, welche die Alten im Verlauf der Nacht dahin getragen hatten, und womit er die Jungen vollkom⸗ men ſatt fuͤttern konnte. Dies thaten ſie einige Wochen lang, und als er endlich das Fenſter aufmachte, kamen ſie ſogar in die Kam⸗ mer hinein, wo er Gelegenheit hatte, beide Alten zu fangen, de⸗ nen er jedoch am Ende, ſammt den Jungen, die e ſchenkte. Feinde. Dies ſind die gewoͤhnlichen andrer Eulen. Die kleinen Voͤ⸗ gel verfolgen ſie, ſobald ſie ſich am Tage ſehen laͤßt, und die größern Raubvogel würden fie ohnfehlbar erwuͤrgen und auffreſ⸗ ſen, wenn ſie ſich einmal am Tage aufs Freie wagen wuͤrde. ss 8.002 In der Abenddaͤmmerung kann man fie, auf die Weiſe, wie bei den andern Arten bemerkt iſt, leicht ſchießen. Will man fie 492 I. Ordn. V. Gatt. 38. Schleier⸗Kautz. fangen, ſo darf man nur Acht haben, durch welche Oeffnung des Gebaͤudes, in welchem ſie am Tage ſitzt, ſie gewoͤhnlich fliegt, wenn ſie aufgeſcheucht wird. Vor dies Loch haͤngt man nun von außen ganz leiſe und loſe ein ſehr feines Netz, ein ſogenanntes Klebegarn, begiebt ſich in das Gebaͤude, ſcheucht die Eule auf, die, indem fie durch die Oeffnung fliegen will, im Netze verwickelt herab ſtuͤr⸗ zen wird. Nutz en. Durch Vertilgung einer zahlloſen Menge Maͤuſe in und an den Gebaͤuden wird dieſe Eule ganz auſſerordentlich nuͤtzlich. Wenn man annimmt, daß eine einzige, neben andern Nahrungsmitteln, etwa ſechs Stuck Maͤuſe täglich bedarf (fie kann wol 12 bis 15 Stuͤck verzehren), fo giebt die einfache Berechnung, daß fie im ganz zen Jahr die Summe von 2190 Stuͤck vertilgt. — Dies iſt ge⸗ wiß nicht zu viel geſagt, wenn man weiß, daß ſie, auch wenn fie ſatt find, Maͤuſe zum Vergnügen toͤdten und fie liegen laſſen. — Da ſie ſich, beſonders jung aufgezogen, ſehr leicht zaͤhmen laſſen, ſo wuͤrden ſie im Nothfall, ſtatt eines Uhu, auf der Kraͤhenhuͤtte dienen koͤnnen, wenn nur ihre zarten Fuͤße nicht ſo leicht vom Reiben der Feſſeln litten. Man muß ſie hier aber auch ſehr vor den groͤßern Raubvoͤgeln, beſonders vor dem Rauch fußbuſ— ſard, in Acht nehmen, denn dieſer a ſogleich uͤber ſie her und erwuͤrgt ſie ohne Umſtaͤnde. — f Sch aden. Dieſer iſt hoͤchſt unbedeutend. Daß ſie in den Staͤdten zu⸗ weilen einen Vogel im Kaͤfig vor dem Fenſter erwuͤrgt, oder ei— nen gefangenen Vogel aus den Dohnen holt, iſt alles, was man. Uibels von ihr weiß. Sie erwiſcht zwar manchen ſchlafenden Sperling, doch die zaͤhlen wir ia auch unter die ſchaͤdlichen Ge⸗ ſchoͤpfe. — 39. er Ste i n a u g. ri R n o u Retz Taf. 48. Fig. 1. Männchen Der kleine Kautz, kleines Käuschen oder Kaͤutzlein, Sperlings⸗ kautz, Lerchenkaͤutzchen, gemeine Kautzeule, kleine Haus-, Scheun-, Wald ⸗, Stock⸗, Stein-, Zwerg-, Sperlings- und Spatzeneule, Leichen⸗ und Todteneule, Todtenvogel, Leichenvogel, Leichen— huͤhnchen, (Wehklage, Klagemutter) hier zu Lande: Steinkaͤutz⸗ chen oder das Kaͤutzchen. 1 0 Strix noctua. Retz. Faun. Suec. (p. 84. n. 35.) Descriptio Retzii p. 85. = Striæ nudipes. Nilsson Orn. Suec. I. p. 68. n. 30. t. 2. . La Che- veche ou petite Chouette. Buff. Ois. I. p. 377. t. 28. = Id. Planch. enlum, 439. Id. Edit d. Deuxp. II. p 139. t. 9. fig. 2. Gerard. Tab. elem. I. p. 78. Chouette Cheveche. Temmink. Man. p. 53. Little Owl. Lath. syn. I. p. 130. n. 40. == Uiberſ. v. Bechſtein. I. S. 138. n. 40. = Civetta gialla. Stor. deg. ucc. t. 87. Var. 89 == Sirix passerina. Bechſtein Naturgeſch. Deutſchl. II S. 963. = Deſſen orn. Taſchenb. S. 15. n. 11. = Wolf u. Meier Taſchenb. p. 80. — Teutſche Ornith. v. Becker u. a. Heft. 19. — Meyer Vogel Liv und Eſthlands S. 36. n. 8. — Meisner und Schinz Vogel d. Schweiß. S. 36. n. 34. : Koch Baier. Zool I. S. 136. n. 63. Friſch Vogel. Taf. 100. — Naumann's Vögel, alte Ausg. IV. S. 271. Taf. 32. Fig. 55. Kennzeichen der Art. Schnabel und Augenſtern gelb; der das Geſicht umgebende Federkranz ſehr undeutlich; Fluͤgel und Schwanz kurz; die Zehen faſt nackt, nur auf ihrem Ruͤcken mit duͤnnſtehenden haaraͤhnli⸗ chen Federchen; die erſte Schwungfeder kurz, die vier folgenden faſt von gleicher Laͤnge, viel laͤnger als die erſte. — Oberleib graubraun, mit tropfenartigen weißen Flecken, die Schwingen mit fünf bis ſechs Reihen weißer Querflede; Unterleib weiß, mit uns ordentlichen dunkelbraunen Laͤngsflecken. 494 I. Ordn. V. Gatt. 39. Stein⸗Kautz. Beſchrei bun g Da Fluͤgel und Schwanz an dieſem Vogel ſehr kurz ſind, ſo hat er ein plumpes, ja, wenn er das Gefieder aufſtraͤubt, ein faft kugelartiges Anſehen, ganz verſchieden von dem des Teng⸗ malms-Kautzes, von welchem ihn auch die faſt nackten Zehen ſogleich unterſcheiden, ob er ihm gleich im Ganzen nicht wenig aͤh⸗ nelt. Vergleicht man beide genau mit einander, ſo findet man bei der Aehnlichkeit beider in den Dimenſionen, daß das Volumen des Körpers beim Steinkautz anſehnlicher iſt, daß der Geſichts—⸗ ſchleier einen weit geringern Umfang hat, nicht ſo ſcharf begraͤnzt, ja von einem einfaſſenden Federkranze kaum eine Spur zu finden iſt, ſo daß es dem Geſicht des Uhus aͤhnlich ſieht. Die Stirn iſt auch nicht ſo erhaben, wie bei andern Eulen; die vorderſte Schwingfeder ſchwach ſaͤgeartig gezaͤhnelt; alle Schwingen übri= gens am Ende ziemlich ſchmal und nicht ſo ſtumpf abgerundet, wie bei andern Arten. Das aͤußere Ohr iſt nicht auffallend groß. — Der Steinkautz iſt ein kurzer, dicker Vogel, g2 bis 105 Zoll lang, und 21 bis 222 Zoll breit; der kaum 5 bis 34 Zoll lange Schwanz iſt am Ende gerade, und die Fluͤgel endigen ſich, in Ruhe liegend, noch 4 Zoll vor der eee Der Ungezuhnte ‚Karte, im Bogen 4 Zoll lange und fehr ſtark herab gekruͤmmte Schnabel, iſt blaßgelb; die Wachs haut ſchmutzig gelb, zuweilen gruͤnlich, uͤber den runden Naſenloͤchern roͤhrenfoͤrmig aufgeſchwollen; der Augenjtern ſchoͤn ſchwefel- oder faſt zitronengelb. Die Fuͤße haben ein ſchwaͤchliches Anſehen; die Läufe find mit kurzen, weichen Federn dicht bekleidet, die Zehen aber nur auß der obern Seite mit weißlichen Federchen, die kurzen, ſteifen Haa⸗ ren vollig aͤhnlich ſehen, fo dünn beſetzt, daß der graugelbe Grund durchſchimmert, ja, in einiger Entfernung geſehen, die Zehen ganz nackt zu ſein ſcheinen. Die Zehſohlen ſind mit runden ſchmu⸗ tzig gelben Waͤrzchen beſetzt. Die Hoͤhe des Laufs beträgt 14 bis 12 Zoll; die Länge der Mittelzeh, ohne Kralle, 3 Zoll, die letz⸗ tere im Bogen 3 Zoll; die Hinterzeh mit der Kralle 3 Zoll. Die zerſchliſſenen Federn des Geſichts ſind an der Kehle, über und unter den Augen weiß, gelblich gemiſcht, an den Schlafen dunkelbraun und braͤunlichweiß gemiſcht, und um den Schnabel herum mit ſchwarzen Borſthaaren untermengt. Der undeutliche Kragen oder Federring, welcher das Geſicht auch nur bis an die Ohren umgiebt, iſt weiß und unordentlich dunkelbraun gefleckt; IJ. Ordn. V. Gatt. 39. Stein⸗-Kautz. 495 Scheitel und Hinterhals graubraun, mit kleinen laͤnglichrunden Fle⸗ cken, die etwas mit ſchwacher Roſtfarbe uͤberlaufen und im Nacken größer als am Scheitel find, Die Federn des Ruͤckens, der Schul⸗ tern, des Steißes und der Fluͤgeldecke ſind graubraun, in der Mit⸗ te ihrer Laͤnge mit einem faſt runden, weißen Fleck, welcher ſich durch den ſchwarzbraunen Schaft jeder Feder jedesmal in zwei Theile theilt. Weil dieſe Flecken nicht an den Enden der Federn ſtehen, ſo ſind ſie immer nur theilweiſe ſichtbar; ſie kommen aber bei etwas verſchobenem Gefieder ſtellenweis mehr zum Vorſchein. Die Schwanzfedern find wie der Rüden, doch oft mehr zum Braunen als Grauen ſich neigend, mit weißlichen Spitzen, und fünf bis ſechs roſtroͤthlichweißen Querflecken an den Kanten, wel⸗ che auf den Mittelfedern Binden vorſtellen; die Schwingen dun: kelgraubraun, brauner und auch dunkler als der Ruͤcken, mit eben ſolchen Querflecken wie die Schwanzfedern, welche aber auf der Kante der innern Fahne ins Weiße fallen. Bruſt und Bauch find weiß, ſchwach roſtgelb überlaufen und unregelmäßig braun in die Länge gefleckt, welche Flecken an der Oberbruſt am groͤßeſten find, daher auch dichter ſtehen als nach dem Bauche zu; der After gelblich weiß, ohne Flecke; eben ſo die Schenkel und befiederten Laͤufe, dieſe jedoch mehr mit einem Schein von ſchwacher Roſtfarbe uͤberlaufen. Die De ck⸗ federn unter dem Fluͤgel ſind weiß, mit einzeln braunen Flecken, die untere Seite der Schwing- und Schwanzfedern mit matt durchſchim⸗ mernder Zeichnung der obern Seite. Das Weibchen iſt etwas groͤßer als das Maͤnnchen; das iſt aber auch beinahe der einzige, ziemlich ſtandhafte, dus ßere Unterſchied zwiſchen beiden; denn daß es von oben blaͤßer und mehr weißgefleckt, die untere Seite dichter und verworrener ges fleckt ſein, und der roſtgelbe Anflug an den weißen Zeichnungen der Fluͤgel⸗ und Schwanzfedern fehlen fol, find Kennzeichen, wels che nicht immer Stich halten, und mehr auf Rechnung des Alters und der Jahreszeiten, als des verſchiedenen Geſchlechts kommen. Nach der Mauſer im Herbſt ſehen die Farben viel friſcher aus, die Flecken der Fluͤgel- und Schwanzfedern find mehr mit Roſt— farbe uͤberlaufen, und die Flecken der Ruͤcken- und Schulterfedern haben oft roſtgelbe Einfaſſungen. Im Fruͤhjahr verbleichen dieſe roſtgelben Anfluͤge und das ganze Colorit wird blaͤßer. Die jungen Voͤgel ſehen den alten Herbſtvoͤgeln ſehr ähn⸗ lich, doch ſind an ihnen die weißen Flecke der obern e groͤßer nud die Schwanzbinden auffallender. 496 I Ordn. V. Gatt. 39. Stein⸗Kautz. Aufenthalt. Das Steinkaͤutzchen koͤmmt in ganz Europa, den ho— hen Norden etwa ausgenommen, nicht ſelten vor; auch ſoll es im noͤrdlichen Amerika von Neupork bis zur Hudſonsbai angetrof— fen werden. In Schweden iſt es ſchon in den ſuͤdlichſten Pro— vinzen eine Seltenheit, ſo auch in Livland; hoͤher nach Nor— den hinauf ſoll es nicht vorkommen. Das gemäßigte und ſuͤdli⸗ che Europa ſcheint ſein wahres Vaterland zu ſein; es iſt in Hol⸗ land gemein, in der Schweiß nicht ſelten, und in Deutſch⸗ land faſt überall bekannt genug. Es lebt gern in der Nähe der Menſchen, aber an einſamen Orten, oft mitten in den Staͤdten auf Thuͤrmen und Dachboͤden der Kirchen, in Gewoͤlben, Be— graͤbniſſen, in den Ritzen und Loͤchern der Stadtmauern, in Scheu: nen, auf den Böden der Gartenhaͤuſer und in den Ruͤſtloͤchern al⸗ ter Gebaͤude und Mauern. Aber nicht allein in Staͤdten und Doͤr— fern, ſondern auch in den Waͤldern haͤlt es ſich auf, doch mehr in kleinern, lichtern Holzungen, in der Nähe der Felder, als in tie— fen Waldungen. Es liebt beſonders etwas bergige Gegenden, ſitzt am Tage gern in Steinbruͤchen, in Felſenſpalten, in Hoͤhlen hoher Ufer und tiefer Schluchten, oder verbirgt ſich in einem hohlen Baum. Es liebt ſolche Gegenden beſonders, in welchen ſich viel Pflanzungen von Weidenbaͤumen befinden, wo es ſich in eine hohle Weide verſteckt, doch oͤfterer noch auf einem breiten Weidenkopfe hinter den Aeſten und Stumpfen verbirgt, zumal auf ſolchen, die mit jungen Zweigen recht dicht bewachſen ſind; alles Orte wo ihn kein Sonnenſtrahl beſcheinen kann, und nicht ſo leicht ein Menſch hinkoͤmmt. Es bewohnt mit dem Schleierkautz die Ruinen alter Gebaͤude am liebſten, und iſt im noͤrdlichen Deutſchland ein Strich- und ee denn im Herbſt und Fruͤhjahr ſieht man es am haͤufigſten. Im Sommer lebt es entfernter von den Men— ſchen. Man trifft es immer nur einzeln, oder hoͤchſtens ein Naar: chen beifammen an. Eigenſchaften. Der Steinkautz iſt ein kleiner, unruhiger und ziemlich un— baͤndiger Vogel, daher, alt eingefangen, nicht leicht zahm zu mas chen. Er ſitzt am Tage, ruhig ſchlafend, in ſeinem Schlupfwinkel, ſchlaͤft jedoch leiſe und fliegt, ſobald er geſtoͤhrt wird, ſogleich weg. 1. Ordn. V. Gatt. 39. Stein⸗Kautz. 497 Wer ihn da zum erſtenmale ſieht, wird ihn nicht fuͤr eine Eule halten, ſo ſehr weicht ſein Flug, wegen der kurzen Fluͤgel, von dem der andern Arten ab. Er fliegt naͤmlich nicht ſo ſanft und leiſe, ſondern ruckweiſe in fallenden und ſteigenden Boͤgen, wie ein Specht oder Wiedehopf. Ganz anders und viel gewand⸗ ter fliegt er dagegen des Nachts, wo er auch noch ftärfer: als die andern Eulen nach dem Lichte fliegt, feine Stimme fleißig hören laͤßt und dadurch die Furchtſamen ſchreckt. Man weiß von ihm, daß er, aus einem eigenen Naturtriebe, vielleicht durch den Ge: ruch geleitet, gern an die Fenſter der Krankenſtuben fliegt, durch ſein Laͤrmen die Leute in Furcht ſetzt, und beſonders durch die Ausduͤnſtungen boͤsartiger Frieſel, Faulſieber u. dergl. angelockt werden ſoll. Ob aber Uibertreibungen dieſe merkwuͤrdige Sage nicht verunſtaltet haben, laſſe ich dahin geſtellt ſein; ſo viel iſt gewiß, daß es der wahrhaften Beiſpiele dieſer Art unzaͤhlige giebt, und daß ſie unſern Vogel bei den Aberglaͤubigen in ein gehaͤßi⸗ ges Licht geſtellt haben, aus welchem betrachtet, er ihnen oft ein Vorbote eines nahen Todesfalles war; was auch die ominoͤſen Nah⸗ men: Todtenvogel, Leichenhuhn u. ſ. w bezeichnen ſol⸗ len. Dieſer Aberglaube iſt uͤbrigens ziemlich allgemein verbreitet. Auch in meiner Gegend giebt es noch Schwachkoͤpfe genug, die dem armen Kaͤutzchen eben nicht viel Gutes zutrauen, und mit Zittern davon ſprechen, wenn es in der Naͤhe einer Wohnung fein Nacht⸗ muſik hoͤren ließ. — Sein lichtſcheues Weſen macht ihn am Tage zu einem traͤgen oder ungeſchickten Vogel, der, wenn man ihn aus ſeinem Schlaf⸗ winkel verſcheucht, aͤngſtlich flatternd dem naͤchſten Schlupfwinkel zueilt und ſich wieder zu verſtecken ſucht. Allein am Abend ſcheint er nicht mehr derſelbe zu ſein; im raſchen Fluge ſchwingt er ſich geraͤuſchlos durch die Luft, feine ſtete Unruhe treibt ihn bald da= bald dorthin, und frohen Muthes laͤßt er dabei ſeine nicht unan⸗ genehme, abwechſelnde Stimme erſchallen. Bald ſchreit er, flie⸗ gend oder ſitzend, fauchend und mit gedaͤmpfter Stimme: pu⸗ pu, — pupu! bald laut und helltoͤnend quew, — que w! oder quiw! bald angenehm: quiutt, oder: kuwitt, — kuitt! Auch hoͤrt man, im Fruͤhlinge beſonders, ein gedehntes: Kuuͤk, aͤhnlich dem der Waldohreule oder des Teng⸗ malms⸗Kautzes, von ihm. Obige Toͤne werden oft durch die Luft oder auch durch feine Stimmorgane verſchiedentlich mo⸗ dulirt und, eben nicht, ganz unaͤhnlich, waͤhnt der aberglaͤubige 32 498 I. Orbn. V. Gatt. 39. Stein: Kautz. Poͤbel hieſigen Landes, darinnen die Worte: Komm mit, — komm mit, — auf den Kirchhof, — hof, — hof! zu vernehmen, und in ihm einen Todespropheten zu hoͤren. — Daß durch eine jener Stimmen, wie man angab, die Worte: Aeme, Heme oder Esme deutlich ausgeſprochen würden, habe ich ebenr ſo wenig finden koͤnnen, wie eine Aehnlichkeit eine ſeiner Stimmen a dem Gackern der Hühner. — Na her u ug. Mit anbrechender Abenddaͤmmerung faͤngt er ſeine Sagen an, betreibt fie, wenn die Nächte hell find, bis zur Morgendammes rung, und geht mit dem Morgenroth wieder zur Ruhe. Nur heftiger Hunger kann ihn bewegen, einige Stunden vor Eintritt der Abenddaͤmmerung aus ſeinem Schlafwinkel hervorzukommen; dies geſchieht indes nur aͤußerſt ſelten. Er lebt von Maͤuſen, Kaͤfern, und kleinen Voͤgeln, die er ſich, wie die andern Eulen, bei be⸗ vorſtehender uͤbler Witterung, haufenweis auf ſeine Schlupfwin⸗ kel traͤgt, und ſie dann, wenn er nicht nach Nahrung ausfliegen kann, verzehrt. Er ſoll auch Fledermaͤuſe fangen. Die kleinen Voͤgel uͤberraſcht er haͤufig im Schlafe; ſo habe ich z. B. Sper⸗ linge und alte Lerchen haͤufig in ſeinem Neſte gefunden. — Er kann fuͤnf bis ſechs Feldmaͤuſe auf eine Mahlzeit verzehren. Auf den Taubenſchlaͤgen richtet er weiter keinen Schaden an, als daß er, durch ſein naͤchtliches Aus- und Einfliegen, die furchtſamen Bewohner derſelben anfaͤnglich, ehe ſie ji gewohnt werden, in Furcht und Schrecken ſetzt. ö Fortpflanzung In der Begattungszeit find dieſe Vögel beſonders unrubil, ſchreien und laͤrmen viel, und laſſen ihre Stimme ſogar am Tage zuweilen hoͤren. Sie niſten bei uns in Staͤdten und Doͤrfern in verfallenen Gebaͤuden, in Steinbruͤchen, in lichten Waͤldern, in einzelnen Feldbaͤumen und in großen Weidenpflanzungen. Sie bauen kein eigentliches Neſt; denn die Eier liegen faſt immer in ei⸗ ner kleinen Vertiefung ohne alle Unterlage, in einer Felſenhoͤhle, hinter einem Dachſparren, auf altem Mauerwerk und Schutt in den Thuͤrmen, (die aber nicht zu hoch fein dürfen), auf Kirchboͤ⸗ den, in einer Mauerſpalte, in den Ruͤſtloͤchern niedrigen Mauer: werks, oder in einer Baumhoͤhle. Gewoͤhnlich legt das Weibchen vier bis fünf weiße, faſt runde Eier, doch habe ich auch ſieben 1 I. Ordn. V. Gatt. 39. Stein⸗Kautz. 499 N in einem Neſte gefunden. Es bruͤtet vierzehn bis ſechszehn Tage daruͤber. Einſt ſaß eins in einer hohlen Weide uͤber ſeinen ſie⸗ ben Eiern und brütete fo emſig, daß ich es ſtreicheln und ſogar ein Ei unter ihm hervor holen konnte, ohne daß es aufflog oder das i Neſt verlies. — Er ſucht gern die höhe oder die Stelle, wo er im vorigen Jahr bruͤtete, wieder auf. — Seine Jungen, die anfaͤnglich in weiße und braungefleckte Wolle gehüllt zu fein ſchei— nen, fuͤttert er mit Maͤuſen, jungen und alten kleinen Voͤgeln und Inſekten. Feinde. Der Huͤhnerhabicht iſt ſein aͤrgſter Feind; denn er faͤngt und frißt ihn. Die Wieſeln gehen nach ſeinen Eiern. Uibrigens verfolgen ihn Kraͤhen, Elſtern, Heher und alle kleine Voͤgel voll Ingrimm und mit heftigem Geſchrei, wenn er ſich am Tage aus ſeinem Schlupfwinkel hervor wagt. Eingeweidewuͤrmer und Fe⸗ derinſekten beherbergt er gleich den meiſten andern Voͤgeln. J a gd. N Sie ſind am Tage, weil ſie nicht ſcheu ſind, ſo wie des Abends leicht zu ſchießen, auch auf eben die Art wie die Schleiereu⸗ len zu fangen. In den Dohnen und Schlingen, die man fuͤr an⸗ dere Voͤgel aufſtellt, fangen ſie ſich zuweilen t wenn uf Ge: fangene 1 0 wollen. 5 Nutz e n. Durch das Wegfangen der Maͤuſe werden fie: febe nützlich. — Die Jungen laſſen ſich leicht zaͤhmen, und vergnuͤgen durch ihre poſſirlichen Gebehrden und Stellungen. Sie ſind vorzuͤglich zu einer Art von Vogelfang, wo die Voͤgel, durch ba angelockt, mit Leimruthen gefangen werden, zu gebrauchen. Zwar nimmt man hierzu auch alteingefangene; allein 5 werden nie ſo zahm wie iene. Schaden. Dieſer iſt ſehr unbedeutend; daß er kleine Vögel faͤngt, ges fangene Vögel aus den en holt, und zuweilen früh in der Morgendaͤmmerung bei den Vogelheerden Stoͤhrung verurfacht, iſt alles, was man ihm, freilich wol nicht ſehr hoch, Aaken kann. 500 I Or dn. V. Gatt. 40. Tengmalms⸗Kautz. Anmerk. Diefer Vogel war dem Linné ganzlich unbekannt. Meine deut: - ſchen Vorgänger bezeichneten ihn jedoch mit einem Nahmen (Strix passerina) welchen jener große Gelehrte einer ganz andern Art beigelegt hatte, weswegen ich ih⸗ nen nicht folgen durfte. Ich wählte daher den Nahmen, den Retzius a. a. O. dieſer Art beilegte, als den aͤlteſten; denn dieſer Schriftſteller N un ter Sen noctua ganz ſicher unſern Vogel. — i 40. ö Der Tengmalms⸗ Kautz. S trix Tengmalmi. Gmel. Linn. 5 „Fig. 2. altes Maͤnnch en. e 3. junges Maͤnnchen. Der rauchfuͤßige Kautz, kleine rauchfuͤßige Kautz, kleiner Waldkautz, langſchwaͤnziges Kaͤutzchen. Ftriæ Tengmalmi. Gmel. Linn. syst. I. p. 291. n. 44. = Lath. index orn. I p. 64. n. 42. - Tengmalm act. Stockh. ann. 2783. trim. 1. und in Retz. Faun. Suec. I. p. 86. von Zeile 7 bis 20, —= Striz funerea. Linn. Faun. Suec. p. 25. n. 74. 75. = Nilsson. orn. Suec. I. p. 66. n. 29. = Strir noctua, Tengmalm. Wet. Acad. H. 1793. P. 289. — The little Owl, Pennant Britt. Zool. 1. p. 211. n. 70, fol. t. B. 6. Chouette Tengmalm. Temminck man. p. 54. = Strix dasypus. Bechſtein Naturg. Deutſchl. II. S. 972. u. 13. = Deſſen ornith. Taſchenb. S. 57. n. 12. = Wolf und Meyer Ta: ſchenbuch S. 82. = Deren Naturg. d. V. Deutſchl. Hft. 6. = Meyer Voͤgel. Liv⸗ u, Eſthlands. S. 37. n. 9. Meisner und Schinz Vögel d. Schweitz. S. 37. n. 35. — Koch Baier. Zool. I. S. 133. n. 61. Naumann’ 1 alte Ausg. IV. S. 275. Taf. 32. Fig. 34. u. Ross, S. 341. Kennzeichen der Art. Mit gelbem Schnabel und Augenſtern, deutlichem, das ar fiht umgebenden Federkranz, langern Fluͤgeln und Schwanz, und mit dicht befiederten Fuͤßen und Zehenruͤcken; die dritte Schwung⸗ feder die laͤngſte. Alter Vogel: Geſicht weiß, vor dem Auge eine ſchwarze Stelle; der Federkranz weiß, braungefleckt; der Oberleib braun, mit weißen tropfenartigen Flecken; Unterleib weiß, hellbraungefleckt. I. Ordn. V. Gatt. 40. Tengmalms⸗Kautz. 501 Jung er Vogel: Faſt einfarbig kaffebraun, nur 0 und Schwanzfedern mit weißen en Beſchreibung. Der alte Vogel dieſer Art iſt ſehr Häufig. mit dem Stein kautz verwechſelt worden; denn in der Groͤße, wie in den Far⸗ ben und deren Vertheilung, findet eine große Aehnlichkeit zwiſchen beiden Arten ſtatt. Hat man aber beide neben einander, ſo faͤllt der ſchlankere Koͤrperbau, die laͤngern Fluͤgel und Schwanz, und die wolligtern Fuͤße des Tengmalms-Kautzes, als etwas fehr Abweichendes, ſogleich in die Augen. Der ahnſehnlichern Laͤnge der Fluͤgel und des Schwanzes wegen, ſind auch die Ausmeſſungen deſſelben etwas betraͤchtlicher, obwol der Vogel in der That kleiner als der Steinkauttz if. Seine Länge beträgt 10 bis 104 Zoll und die Breite 23 Zoll; der wenig abgerundete Schwanz iſt 4 Zoll lang und die in Ruhe liegenden Fluͤgel bedecken ihn bis auf einen Zoll ſeiner Laͤnge. Die Schwungfedern find breiter und weicher als beim Steinkautz, die dritte die laͤngſte, und die zwei vorderſten am aͤußern Rande ſaͤgeartig gezaͤhnelt. Das aͤußere Ohr iſt ſo außerordentlich groß, daß man, wenn man es von einander klappt, den Augapfel in ſeiner Hoͤhle zur Haͤlfte ſehen kann. — Der ſtark gekruͤmmte, ungezahnte, hellgelbe Schnabel iſt, über dem Bogen gemeſſen, beinahe r Zoll lang; die gelbe Wachs- haut uͤber den runden Naſenloͤchern aufgetrieben, zuweilen hier, wie auch die Seiten des Schnabels, etwas ſchwaͤrzlich; der Aus genſtern ſchoͤn ſchwefel- oder zitronengelb. N Die Fuͤße und Zehen ſind dicht mit langen dunenartigen Federn bekleidet, ſo daß man nur die ſehr langen, nadelſpitzigen, ſchwarzen Krallen aus denſelben hervorragen ſieht und die kahlen gelblichen Fußſohlen kaum bemerkt; wenn man indeſſen die Fe⸗ dern etwas auseinander biegt, ſo iſt auch noch ein großes Schild über jeder Kralle ohne Federn, etwa wie bei dem Waldkautz, doch ſind die Federn hier verhaͤltnißmaͤßig etwas laͤnger, als bei dieſem. Der Lauf mißt 18 bis 12 Zoll; die Mittelzeh hat mit ihrer großen Kralle dieſelbe Länge, die Kralle fir ſich allein, über den en faſt 7 9 die Hinterzeh nebſt der Kralle iſt etwas uͤber 4 Zoll lang. Die serfchliffenen, haaraͤhnlichen Federn des Geſichts find weiß, an den Wangen und uͤber den Augen ſchwarzbraun geſtri⸗ 502. J. Ordn. V. Gatt. 40. Tengmalms⸗Kautz. chelt, zwiſchen dem Schnabel und Auge ſehr lang, dicht vor letz⸗ terem eine ſchwarze Stelle; die Federn des Ringes, welcher das Geſicht ſchleierartig einfaßt, weiß, mit braunen Spitzen und in dieſen mit weißen Flecken. Der ganze Obertheil des Vo⸗ gels iſt fahlbraun, der Scheitel mit kleinen, laͤnglichrunden, weißen Flecken ziemlich dicht beſtreuet; Hinterhals, Rüden und Schultern mit groͤßern, theils runden, theils ſtumpfeckigen weis ßen Flecken beſetzt, welche, an Stirn und Scheitel ausgenom⸗ men, nicht an den Enden der Federn ſtehen, daher meiſt ver— deckt werden, an den Schultern aber am groͤßeſten ſind, daher hier mehr vorſtechen. Die Deckfedern der Fluͤgel ſind fahlbraun, die kleinern ungefleckt, die groͤßern auf der Kante der aͤußern Fahne einzeln mit runden weißen Flecken beſetzt; die Schwingen auch fahl; braun, auf beiden Fahnen mit gegenuͤberſtehenden, runden, wei⸗ ßen Randflecken, die auf den Schwingen zweiter Ordnung ein⸗ zelner, als an denen der erſten, an denen dritter Ordnung aber wieder haͤufiger ſtehen und hier eine beinahe dreieckige Geſtalt annehmen. Die Deckfedern unter dem Fluͤgel ſind weiß, ſpar⸗ ſam braungefleckt. Die Federn des Schwanzes find fahlbraun, auf beiden Kanten mit vier bis fuͤnf rundlichen, gegeneinander über ſtehenden, weißen Querflecken; Bruſt und Bauch weiß, hellbraun gefleckt, ſo, daß das Braun an der Oberbruſt beinahe undeutliche Querflecken, weiter gegen den Bauch hinab aber mehr Laͤngsſtreifen bildet. An der ganzen Unterſeite hat das Weiße die Oberhand, denn ſaͤmmtliche Federn ſind hier weiß, und nur an den Spitzen braun; die Fußbekleidung und die langen Afterfe⸗ dern ſind weiß und ungefleckt, erſtere zuweilen etwas gelblich uͤberlaufen. Das Weibchen iſt aͤußerlich ſehr ſchwer vom Mennchen zu unterſcheiden. Haͤlt man beide gegen einander, ſo hat das Weibchen folgende Abzeichen: Das Weiße im Geſicht iſt ſchmu— tziger; der ſchwarze Fleck vor dem Auge kleiner und bleicher; der Unterleib mehr und ſtaͤrker braun gefleckt; dies Braun etwas dunkler, auch die Grundfarbe an den obern Theilen brauner, als beim Maͤnnchen. So unterſchieden ſich wenigſtens zwei Paͤaͤrchen, die hier geſchoſſen wurden und zuſammen verpaart fein mochten, weil fie dicht neben einander ſaßen. Auch die, wel⸗ che ich einzeln erhielt, unterſchieden ſich ſo. Ein Maͤnnchen, was ſich, Nach en er und Wolf, durch den ungefleckten Scheitel und Ruͤcken vom Weibchen unterſcheiden ſoll, iſt mir noch nicht I. Ordn. V. Gatt. 40. Tengmalms⸗Kautz. 505 vorgekommen. Uiberhaupt ſehen ſich die alten Voͤgel, deren ich viele in den Haͤnden hatte, faſt alle gleich, und der Unterſchied zwi⸗ ſchen beiden Geſchlechtern iſt ganz und gar nicht auffallend. — Dagegen ſehen die jungen Voͤgel im erſten Jahr, d. i. ehe ſie ſich zum erſtenmal gemauſert haben, ganz anders aus, als die alten. Man könnte fie leicht für eine eigene, ganz verſchie⸗ dene Spezies halten, wenn man nicht genau wuͤßte, daß es wirk⸗ lich die Jungen vom Tengmalms-Kautz wären. Sie find in allen Theilen etwas kleiner als die Alten, meiſt nur 9 Zoll lang, die Fuͤße ſind weniger wollicht befiedert, weil das Gefieder an den Fußwurzeln nur kurz, auf den Zehruͤcken aber noch kuͤrzer iſt, etwa in dem Verhaͤltniß wie beim Uhu. — Der Schnabel iſt gelbgrau, die Iris gelb; die haar- und borſtenartigen Federn des Geſichts ſchwarz und ſchwarzbraun mit weißen Wurzeln, die nur wenig hervorſchimmern; die ſchleierartige Einfaſſung noch ſehr undeutlich, kaffebraun, uͤber den Augen etwas weiß gefleckt; der ganze Vogel uͤbrigens durchaus dunkel kaffebraun, unten nur etwas heller als oben, der Bauch und die Fuͤße weiß⸗ lich, braun gemiſcht und die ſchmutzig weißen Afterfedern nur an den Spitzen braͤunlich. Nur an den Fluͤgeln und am Schwan⸗ ze ſtehen einzelne, kleine, runde oder dreieckige, weiße Flecke, welche auf den zuſammen gelegten großen Schwing- und Schwanz⸗ federn vier Querreihen bilden. Die vordere Schwingfeder iſt ſaͤge⸗ artig gezaͤhnelt, die Fußſohlen graugelblich. — So ſahen zwei junge Voͤgel aus, welche ich zu ſehen Gelegenheit hatte; fie was ren, angeblich, beide Maͤnnchen. Ob nun auch die jungen Weibchen eben ſo ausſehen oder ſich merklich unterſcheiden, kann ich nicht mit Gewißheit angeben, weil ich ſelbſt noch keins ſahe. ö Das Gefieder iſt beim Tengmalms⸗ Kautz außerordentlich fein, weich und locker; das des Steinkautzes dagegen kuͤr⸗ zer und viel derber. In gewiſſen Situationen des Lebens blaͤßt unſer Vogel ſeinen Geſichtsſchleier ſehr auf, beſonders zieht ſich dieſer ſo aufwaͤrts, daß er wie ein Wulſt uͤber jedem Auge erſcheint und ſo dem Vogel ein Anſehen giebt, als waͤr er eine Ohreule; al⸗ lein wirkliche Federohren fehlen ihm ganz. — Aufenthalt.“ Waͤre dieſer Vogel nicht fo häufig mit dem Steinkautz ver wechſelt worden, fo würde man hinſichtlich feines Aufenthalts mehr e 504 I. Or dn. V. Gatt. 10. Tengmalms⸗ Kautz. mit Zuverſicht ſagen koͤnnen, ſo iſt es z. B. hoͤchſt wahrſcheinlic, daß er auch in Nord⸗ Amerika hauſe; allein wir haben keine f beſtimmten Nachrichten daruͤber. Auch in Aſien mag er vorkom⸗ men. — Nur ſo viel wiſſen wir, daß er im mittleren Eu⸗ ropa hin und wieder, doch nirgends haͤufig, vorkoͤmmt; auch im Norden von Europa iſt er; fo hat man ihn einzeln in Schwe—⸗ den und Rußland, auch in Pohlen bemerkt; auch in der Schweitz und dem daran grenzenden Frankreich, nahment⸗ lich in den Vogeſen und dem Juragebirge, aber uͤberall nur ein⸗ zeln. In Deutſchland, ob er gleich oͤfterer hier angetroffen wurde, bleibt er dennoch immer ein etwas ſeltner Vogel. Er iſt zwar nicht ſo ſelten, daß er in einem Kabinette von einiger Bedeutung fehlte; allein jeder Sammler hatte Muͤhe ihn zu be⸗ kommen. Ich habe, außer mehreren ausgeſtopften, etwa ſechs bis acht Exemplare friſch in den Haͤnden gehabt. Vom Steinkautz unterſcheidet er ſich vorzuͤglich darin, daß er nie in die Gebaͤude koͤmmt, ſondern nur im Walde ſich aufhält, wo er entweder im dichten Stangenholz, im duͤſtern Ge buͤſch nahe am Boden, auf einem alten Stamme oder in einem hohlen Baume am Tage ſich verſteckt haͤlt. Auch in großen Baum⸗ gaͤrten und in hohlen Weidenbaͤumen oder auf den dicht mit Zwei⸗ gen bewachſenen Koͤpfen derſelben, habe ich ihn zuweilen ange⸗ troffen. In meinem Obſtgarten ſtehen einige Wachholdern, zu Baͤumen gezogen, in welchen ſich Eulen aller Arten gern ver⸗ bergen und von welchen ich unter vielen auch den Tengmalms⸗ Kautz einigemal herabgeſchoſſen habe. Einmal hielt ſich ein Paͤaͤr⸗ chen recht lange hier auf, es ſchien ſogar in den Umgebungen meines Dörfchens brüten zu wollen, wenn nicht das Weibchen aus Verſehen erſchoſſen worden waͤre. — Unſer Vogel ſoll uͤbri⸗ gens die Gebirgswaͤlder vorzuͤglich lieben, und ſich ſtets lieber in Nadelholzwaldungen, als in denen von Laubholz aufhalten. Im Herbſt und Fruͤhjahr ſtreicht er; dann trifft man ihn oͤfterer als in andern Jahreszeiten; er uͤberwintert aber auch bei uns, iſt alſo ein Deutſcher Stand- und Strichvogel. Man trifft ihn im⸗ mer einzeln, ſelten ein Paͤaͤrchen beiſammen. Eigenſchaften. Dieſer Kautz hat ein fanftes Naturell, und iſt weniger wild und ungeſtuͤm als der ihm fo aͤhnliche Steinkautz. Er ſitzt am Tage ſtill an den Stamm des Baumes angeſchmiegt auf ſei⸗ I. Ordn. V. Gatt. 40, Tengmalms⸗Kautz. 505 nem Zweige oder in einer Baumhoͤhle, ſchlaͤft, und wird nicht leicht durch einen vorübergehenden Menſchen, ob er ihn gleich mit halbgeoͤffneten Augen beobachtet, aufgeſcheucht. Er iſt ein geduldiger Vogel, der leicht und bald zahm wird und ſich alles gefallen läßt, auch wenn er alt eingefangen wurde. Unter den verſchiedenen wunderlichen Eulenpoſituren, wodurch er den Beſitzer vergnuͤgt, iſt die beſonders merkwuͤrdig, wo er den Ge: ſichtsſchleier ſo ausdehnt, daß uͤber den Augen, auf jeder Seite, ein erhabner Wulſt gebildet wird, was ihm faſt das Anſehen giebt, als ſei er mit abgeſtumpften Federohren verſehen; was auch wirklich einige fluͤchtige Beobachter haben verſichern wol⸗ len. Allein dies iſt blos Taͤuſchung und es ſind keine beſon⸗ dern fuͤr Ohrenbuͤſchel gebildete Federn an ſeinem Kopfe aufzu⸗ finden. Jene Poſitur nimmt er beſonders im Affekte an. — Sein Flug iſt, der breitern und laͤngern Schwungfedern wegen, leichter und ſanfter als der des Steinkautzes, vielmehr dem der Waldohreule aͤhnlich; doch folgen die Fluͤgelſchlaͤge raſcher auf einander als bei dieſer. Man kann ihn im Herausfliegen, zumal in duͤſtern Dickichten, leicht mit der Zwergohreule ver⸗ wechſeln, weil ſich beide ſowol an Groͤße, als an der Art zu fliegen auf gleiche Weiſe ähneln... Seine Stimme aͤhnelt einigermaßen der des Steinkau⸗ tzes; denn er ruft, wie dieſer, einigemal: Kéuw, — kéuw! Dieſem folgt ein drei- bis viermaliges, fanfteres langes Kuuk! Es ähnelt der Stimme der Waldohreule ſehr, doch iſt der Ton hoͤher; aber er iſt ſchwer von dem Fruͤhlingsrufe dieſer zu unterſcheiden. Auſſer dieſen giebt er, beſonders zur Begattungs- zeit, noch ſanft floͤtende Toͤne von ſich, die wie kuk, kuk, kuk, klingen, und oft Minuten lang ununterbrochen hinter einander ausgerufen werden. [Nahrung. Wie bei allen Eulen, fo beſteht auch hier die Hauptnahrung in Maͤuſen. Nicht allein Feld⸗ und Waldmaͤuſe, ſondern auch Spitzmaͤuſe und Fledermaͤuſe, dazu kleine Vögel und alle groͤ⸗ ßere Inſekten, faͤngt er ſich zur Speiſe. Es iſt erwieſen, daß die Eulen Fledermaͤuſe fangen, aber wie? berichtet keiner mei⸗ ner Vorgaͤnger, und ich ſelbſt habe ſie auch noch keine fangen ſe⸗ hen. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß ſie dieſe behenden Thier⸗ chen im Fluge zu erhaſchen im Stande ſind; ſie moͤgen ſie wol 506 I. Ordn. V. Gatt. 40. Tengmalms⸗Kautz. zur Winterszeit aus ihren Schlupfwinkeln hervorziehen. — Der Tengmalms-Kautz iſt übrigens ein wahrer Nachtvogel, der mit einbrechender Daͤmmerung feine. Sagden anfängt, fie bei hellen Nächten dieſe hindurch fortſetzt, und den dann die aufge⸗ hende Morgenſonne bereits wieder an ſeiner Schlafſtelle findet. An gezaͤhmten Voͤgeln dieſer Art hat man bemerkt, daß ſie we⸗ nig auf einmal freſſen, den vorgeworfenen kleinen Voͤgeln, vor dem Zerſtuͤckeln, erſt die meiſten Federn ausrupfen, auch Maͤuſe nur ſtuͤckweis verzehren. Lebende kleine Voͤgel, welche man in ihrem Behaͤlter ihnen beigeſellt, fangen ſie bald, erwuͤrgen und verzehren ſie. Fortpflanzung. Man ſagt, daß er in hohlen Tannenbaͤumen der großen Na: delholzwaldungen bruͤte und vier, faſt runde, weiße Eier lege. Doch nicht allein hier, ſondern auch in Laubholzwaͤldern mag er in hohlen Baͤumen bruͤten, weil man ihn im Fruͤhjahr ebenfalls in ſolchen antrifft, wo er dies durch ſeinen Paarungsruf verkuͤndet. Es mag vielleicht fo manches Paͤaͤrchen die Begattungszeit in un⸗ ſern groͤßern, weniger beſuchten, Deutſchen Waldungen ruhig und unerkannt verleben; denn der gewoͤhnliche Jaͤger weiß dieſen Vogel nicht vom Steinkautz zu unterſcheiden, und ſeine Groͤße oder Kleidung hat fuͤr den Nichtkenner auch zu wenig Auffal⸗ lendes. Feinde. Außer eigenen Schmarotzerinſekten und Eingeweidewuͤrmern, hat er die naͤmlichen Feinde, wie der Vorhergehende. Auch ihn verfolgen die kleinen Voͤgel heftig, ſobald ſie ihn am Tage ge⸗ wahr werden. 506%. Er iſt gar nicht ſcheu und am Tage im Herausfliegen, ſei⸗ nes geradern Fluges wegen, leicht zu ſchießen; ſo auch auf dem Schnepfenanſtande, wo er, nach Art der andern Eulen, zuweilen vor dem lauernden Schuͤtzen wie ein Schatten vorbei ſchwankt. Im Thuͤringer Walde ſoll man ihn in einem ſogenannten Auf⸗ ſchlage, den man da hinſtellt, wo er einen gefangenen Vogel aus den Schlingen geholt, leicht fangen. I. Ordn. V. Gatt. 40. Tengmalms⸗Kautz. 507 70 Nutz e n. f Dieſer beſteht im Wegfangen der den Fruͤchten des Feldes und Waldes nachtheiligen Maͤuſearten. Man bedient ſich auch dieſes Kautzes, um andere Voͤgel durch ihn herbei zu locken und dieſe zu fangen. Der Fang mittelſt Leimruthen, zum Theil auch mit ſogenannten Kloben, und einer lebendigen Eule iſt in manchen Gegenden, be— ſonders im ſuͤdlichen Deutſchland, in der Schweitz und Italien, ſehr bekannt und beliebt. Man faͤngt damit allerlei kleine Wald⸗ voͤgel, Droſſeln, Spechte und Heher. Um eine lebende Eule zu bekommen, nimmt man zuerſt eine ausgeſtopfte und ſucht den Eulenruf auf einer eigenen Eulenpfeife oder Vichtel her⸗ vorzubringen, im Zwielicht die Eulen damit anzulocken und an den aufgeſtellten Leimruthen zu fangen. Da indeſſen dieſer Fang in hieſigen Gegenden gaͤnzlich unbekannt iſt, da im noͤrdli— chen Deutſchland uͤberhaupt, die Dohnenſtege ausgenommen, wenig aus dem Vogelheerde und noch weniger aus dem Fang mit Vogelleim gemacht wird, fo kann ich auch dieſe Fangmetho⸗ de mit der Eule nicht aus Erfahrung beſchreiben. Wer fich da- von unterrichten will, findet fie in mehreren Jagdbuͤchern be— ſchrieben; auch in Bechſtein's Naturgeſchichte Deutſchl. II. S. 1252. Vorzuͤglich aber in einem kuͤrzlich in Noͤrdlin⸗ gen bei Beck erſchienenen praktiſchen Buͤchelchen: Der Vo— gelheerd ue. von J. K. Goͤtz. S. 71. — ee, Er holt die gefangenen Droſſeln und andere kleine Voͤgel gern aus den Dohnen und Schlingen, und das iſt fuͤr die Jaͤ— ger und Vogelfaͤnger eine aͤrgerliche Sache, ob es uns gleich nicht berechtigt, ihm dieſes, wie das Wegfangen manches kleinen Vo⸗ gels, ſo hoch anzurechnen, als es mitunter bei andern kleinern Eulen wol auch zu geſchehen pflegte. Leider bezahlen auch noch hie und da die Obrigkeiten dem Jaͤger die eingelieferten Faͤnge dieſes und des vorherbeſchriebenen kleinen nuͤtzlichen Vogels. Der erſte Kautz dieſer Art, den ich in meiner Jugend zum erfien- male ſahe, war mit . Faͤngen an ein Thor gena⸗ gelt, dieſe hatte aber der Jaͤger bereits an ſeine Oberbehoͤrde ab⸗ geliefert und mit 2 ggr. bezahlt erhalten. — 508 An i , ß g 3 f Ich habe im Vorhergehenden die Gattung der Eulen, Strix, Linnéi, nach der gewohnten Weiſe, in drei Fami⸗ lien getheilt und bin darin den meiſten meiner Vorgaͤnger ge⸗ folgt. So oberflaͤchlich mir auch dieſe Unterabtheilungen fchie⸗ nen, weil die Unterſchiede bei Weiten nicht ſo in die Augen fal⸗ len, wie z. B. bei den Familien in der Falken- Gattung; fo konnte ich mich doch auch nicht entſchließen eine der neuern Fran⸗ zoͤſiſchen Ornithologen anzunehmen, welche dieſe Gattung nicht ſowol in Familien“) als vielmehr in mehrere Gattungen zerfaͤl⸗ len, wodurch eine Menge Gattungsnahmen nothwendig werden, durch welche aber, nach meinem Dafuͤrhalten, die Sache eben nicht verbeſſert wird. Demohngeachtet iſt ihr Werth unverkennbar; ich wuͤrde ſie angenommen haben, wenn ich ſie fruͤher gehabt haͤtte und mich durch eigene Unterſuchungen ganz und ſicher von ihrer Richtigkeit, die ich jedoch keineswegs bezweifeln will, hätte überzeugen koͤnnen; denn die Form der Ohrmuſchel, wor: auf ſich jene Eintheilungen vorzuͤglich ſtuͤtzen, laͤßt ſich nur an friſchen Exemplaren richtig beurtheilen. — Zur beliebigen Pruͤ⸗ fung will ich dem Leſer hier zwei dieſer Eintheilungen, die des Savigny und die des Cuvier mittheilen. Die erſtere findet man in Savigny Systeme des Oiseaux de P’Egypte et de la Syrie, oder in: Description de l’Egypte, Tome premier, à Paris. 1809. fol. Hier find die Eulen, welche die Familie der Nachtraubvoͤgel (Ululae) ausmachen, in folgende Gattun⸗ gen getheilt: 1. Noctua. 3. B. Noctua glaux, S. (Strix passerina. Lim.) 2. Scope. 3. B. Scops ephialtes. S. (Strix scops. Linn.) ) In der Bedeutung, in welcher ich dies Wort nehme. J. Ordn. V. Gatt. Anmerkung. 509 3. Bubo. 3. B. Bubo otus, S. (Strix otus Linn.) — Bubo ascalaphus. S. N 4. Syrnium. 3. B. Syrnium ululans. S. (Strix aluco. Linn.) 12,7 ANe 5. Strix. 3. B. Strix flammea. Me * 5 Cuvier in feinem: Régne animal. Tom. I. folgt der Sa⸗ vignyſchen Eintheilung nicht völlig, und beſtimmt eigene Abthei⸗ lungen, alle als Untergattungen von Strix; naͤmlich: 1. Otus. Cuv. ö 23 wdei bewegliche Federbuͤſche an der Stirn. Die Ohrmuſchel erſtreckt ſich, in einem Halbzirkel, vom Schnabel bis auf den Obertheil des Kopfes, und hat vorn einen haͤutigen Deckel. 3. B. Strix otus. Linn. EE brachyotos. Lath. e Bubo magellanicus. Gmel. 2. Ulula. Cuv. Wie Vorige, aber ohne Federbüſche. 3. B. Strix liturata. Retz. — nebulosa. Gmel. *) 35. Strixg Savigny. Ohne Federbuͤſchel; die Ohrmuſchel u wie bei 9 Ohrdeckel noch vollkommener, und der Schnabel nicht, wie bei Vorigen, gleich von der Wurzel an, ſondern erſt an der Spitze gebogen; 3% B. Strix flammea. Linn. 4. Syrni um. Savigny. Ohne Federbuͤſchel; die Ohrmuſchel reducirt ſich auf eine ovale Höhle, welche nur die Hälfte der Höhe des Schaͤdels einnimmt. 3. B. Strix aluco. Linn. ) In dieſe Abtheilung gehört wahrſcheinlich auch Strix Tengmalmi, 510 I. Ordn. V. Gatt. Anmerkung. 5. Bubo. Cuv. AN: In Hinſicht der Ohrmuſchel u. ſ. w. wie en aber mit Federbuͤſcheln. 3. B. ö — Strix bubo. Linn. m 6. Noctua. Savigny. * Ohne Federbuͤſchel; die a kaum größer als bei andern Voͤgeln. 5 Einige ſind langſchwaͤnzig. 38 Strix uralensis. Gmel. — nisoria. Wolf et Meyer. Andere kurzſchwaͤnzig. 3. B. Strix nyetes. Linn. — passerina. Linn. (St. pygmea. Bechst.) — noctua. Retz. (St. 5 Bechst.) 7. Scops. Savigny. Mit Ohrenbuͤſchel; die 17 faſt wie bei 1 v Bögen; die 1 nackt. 3. B. Strix Scops. Linn. Dieſe letztere Eintheilung iſt im Ganzen vortrefflich und ver— dient allen Beifall. Da die Form des Schaͤdels, beſonders die Bildung des aͤußern Ohres oder der ſogenannten Ohrmuſchel, bei einzeln Arten dieſer Gattung ſo verſchieden iſt, fo läßt ſich hier⸗ auf eine Eintheilung begruͤnden, die weit ſichrer iſt, als wenn wir ſie wie bisher, nur oberflaͤchlich, in: Eulen mit — und oh⸗ ne Federohren, und die letztern Wieder in: e und Nacht⸗ eulen eintheilen. Ende des erſten Theils. Einige Zuſaͤtze und e ingetigene Druck⸗ fehler. Seite 86 Zeile 13 hinter Niue a Unter die vielen Räthſel beim Zuge der be e auch noch En gendes: Wir fehen häufig noch große Heerden Zugvoͤgel, in geſchloſſenen Geſellſchaften, an Orten und zu einer Zeit, wenn und woſelbſt andere von der naͤmlichen Art laͤngſt ſchon Eier haben und bruͤten. Sie ſcheinen gar nicht zu eilen oder vielmehr nicht fort zu wollen, ob man wol glauben ſollte, daß der Trieb zur Fortpflanzung, wegen der vorgeruͤckten Jahres: zeit, auch fie an ihre Brutörter treiben müßte. Im Jahr 181g ſahe ich an den Holſteinſchen Kuͤſten noch am 21ten Juni Heerden von unge- paarten Avoſetten und Auſternfiſchern zu Hunderten beiſammen, Schwaͤrme von ſchwarzbaͤuchigen Kibitzen und Alpenſtrand⸗ laͤufern zu Tauſenden, auch große Meven (Larus argentatus) und ſogar Brandenten in Fluͤgen, wie es ſchien, alle noch auf dem Zuge begriffen. Die einzelnen Paͤrchen, welche dort niſteteten, hatten ſeit Wochen ſchon Eier. Wie weit und wohin wollten nun jene Heerden, um zu niſten, noch ziehen? Man ſahe ihnen eben keine Eile an, obgleich die Witterung im Norden bereits vortrefflich war; daß ſie lange ſchon hier, oder wenigſtens nicht eilig hieher gezogen waren, bewies ihre außerordent⸗ liche Wohlbeleibtheit, daß ſie keine Schwaͤchlinge und Untuͤchtige waren, ihr ſchoͤnes Anſehen, ihr volkommenes Hochzeitskleid u. mw, Es ſchien vielmehr, als wollten dieſe Zauderer in dieſem Jahr gar nicht brüten. — Dies iſt mir wenigſtens das Wahrſcheinlichſte. Sie ſchwaͤrmen vielleicht von Ort zu Ort und bleiben, wo es ihnen gefällt, bis der Sommer ver- gangen iſt und ſie den Herbſtzug wieder beginnen. Aber welche Urſachen mögen fie zu dieſer Lebensart beſtimmen? Was mag fie abhalten, fich in dieſem Jahr nicht fortzupflanzen? — Am ıoten Juni ſahe ich auf den Inſeln der Dänifchen Weſtſee noch ungeheure Schaaren von Limosa rufa und Tringa islandica, dem Anſchein nach, noch auf dem n Zuge, und doch ſchießen wir im Auguſt ſchon Junge dieſer Voͤgel im Innern Deutſchlands. Unmoͤglich koͤnnen aber dieſe von jenen Herumſchwaͤrmern fein, ihre Aeltern mußten laͤngſt im Innern Juͤtlands oder wol gar tief in Schweden niſten, als jene noch umher ſchwaͤrmten. Sonach muͤſten ſich aber jaͤhrlich Tauſende dieſer Voͤgel nicht fortpflanzen. — Einzelne dieſer Schwaͤrmer mögen ſich auch wol manchmal verirren, von der Ger ſellſchaft abkommen, und ſolche ſind gewiß die alten Voͤgel, welche man im Juni und Juli zuweilen im mittlern Deutſchland antrifft. Kurz, viel Umſtaͤnde bei den Wanderungen der Voͤgel werden uns lang ge noch uner⸗ klaͤrbar bleiben, und bei manchen werden wir uns einſtweilen mit Muth⸗ maßungen behelfen müffen. 512 . Seite 92 Zeile 2 ſtatt: frisches Waſſer, lies: friſches Waſſer, auch Seewaſſer — 95 — 30 — nur, l. nun — 112 — 28 — im Juni, l. im Mai und Juni — 220 — 12 — von der erſten, l. vor der erſtenn — 220 — 36 — verwachſenen, l. verwaſchenen e. — 222 — 10 hinter erhalten hat: Im Walde hoͤrt man oft eine gellende Stimme, ſehr aͤhnlich dem Blaͤffen eines jagenden Spitzhundes, von ihm. Seite 225 gehoͤrt die Ate Zeile: Ein 2 bis 3 Jahr ıc. noch in die ; . Ste Zeile 960,0 31 ſtatt: ſpitzſige, l. fpiffige — 241 — 25 — haliaetos, I. haliatos, Linn, — 242 — 10 — Beil, I. Beck. — 248 — 9 — Federn ſind, l. Federn des übrigen Gefieders ſind. — 258 — 2 — Nisus, l. nisus — 262 — 5 — wellenfoͤrmig, l. wellenfoͤrmigen — 279 — 8 — L'anete, l. L’anette — 279 — 11 — siellaris, l. stellaris — 297 — 15 — geraͤndert, l. gebaͤndert. — 299 — 31 — kurzfluͤglich, l. kurzfluͤglichtern — 387 — 10 hinter: gewahrt. So oft das Männchen fein Kei oder Quei ausgerufen, uͤber⸗ ſchlaͤgt es ſich jedesmal ruͤcklings; durch dies Manoͤver hat es ſich et⸗ was herabgeſtuͤrzt, ſteigt aber gleich wieder zu voriger Hoͤhe auf, ſchreiet und überfchlägt fich abermals, und treibt fo dies fonderbare Spiel oft eine Viertelſtunde lang ununterbrochen. — 402 — 9 hinter: Falco cineraceus: Montagu Trans: act, ofthe Linn. Society, V. 9. P. 188. — The ashcoloured Falcon. — 403 — 11 hinter: (altes W.) — Die langfluͤgelige Weihe: Meyer und Wolf Voͤgel Deutſchl. Heft 27. S. 156. M. und junges W. S. 417. 8. 8. ſtatt diurni l, diurnae, Inhalts⸗ 232 AN 513 Inhalts-Anzeige des erſten Theile, ,,, SR My Einleitung. „ . 0 | 2 25 | | I. Von der eigenthuͤmlichen Organiſation der Vögel. Vom Hirn, Ruͤckenmark und den Nerven. 8 N — 26 Sinnenwerkzeuge, — das „ die augen. 2 — 27 Das Ohr; die Fe 9 8 1 — 29 Die Haut. | m, 2 Ä 4 — 30 Die Federn. e, 4 3 — 32 Terminologie der Vögel. ie 5 — 35 Bewegungswerkzeuge der Vögel. . 8 8 1 5 — 37 Das Knochengeruͤſt; Kopf. - & . — 37 Die Wirbelſaͤule. 6 — 40 Die Rippen, das Beuftbein, die Schulterknochen. ei — 41 Die Vorderglieder. a — 42 Die Hüft: und Backenknochen; die Hinterglieder. 4 N — 43 Die Muskeln. e A . — 45 Die Athmungsorgane 4 * 5 — 47 Die Gefäße. Abſondrungsorgane. . ‘ 1 N 5 — 50 Die Geſchlechtstheile. „„ y — 51 II. Vom aͤußern Leben der 1 i — 53 ? Der Gang. a N 5 2 8 5 — 54 Der Flug. 4 . N & e — 55 Das ee RR - 5 — 61 Die Sinne. 8 An 5 x Ä > — 65 Seelenkraͤfte. 5 5 8 x 0 8 P — 66 a Phantaſie. 5 N A 8 1 5 AR NN — 67 Die Stimme. : i EEE x > 1 ! — 68 Die Lockſtimme. — 69 Der Geſang. — 70 Aufenthalt. ; ; 50 — 73 Stand⸗ Strich⸗ und Bugosge . . 8 — 74 Zugzeiten. „„ a EZ Der Ruͤckzug. N NE 6 LER — 85 514 Nahrung. 2 N 5 x 5 5 n - S. 88 Fortpflanzung. „in! N Sn ER NA — 95 Das Ne e b Pe — 96 Die , 2 g 2 5 } 4 — 99 Das Brüten. BUN: ; A Ä 5 — 102 Die Jungen. . 5 A e - — 105 Die Maufer. , an — 109 Zwiefache Mauſer. a A 0 2 2 — 112 Das hochzeitliche Kleid. 1 1 s 5 1 — 116 Die Farben des Gefieders. 5 9 5 3 2 — 118 Kakerlaken. 5 9 5 N — 121 Krankheit und Alter. — 124 Feinde. N 5 2 9 5 — 127 Waffen dagegen. 1 5 5 4 5 — 130 Ja JVC — 131 Das Schießen. . . . . 4 = 2 — 131 Die Faͤhrten. . . ‘ 5 2 2 a — 132 Das Segen 55 . 85 . : : 2 — 135 Nutzen a 5 5 8 N e AR be — 138 Schaden. 8 2 . R e . — 142 Vogel im gefangenen Buflande. BR LE 2 — 143 Vom Aufbewahren. . ee NEE — 146 Claſſification. . 3 „ A 4 — 146 Erſte Ordnung. Raubvoͤgel. RAPTATOREsõ. i 2 S. 151 I. Gattung. Geier. Vultur. S. 153 1. Grauer Geier. V. cinereus „% ᷑ - . EUR T= 2. Weißköpfiger Geier. V. fulvus. 2 1 8 S. 162. Taf. 2. II. Gattung. Aasvogel. Cathartes. A ©. 169 5. Schmutziger Aasvogel. C. percnopterus. . . S. 170. Taf. 3. III. Gattung. Geieradler. Gypastus. S. 179 4. Baͤrtiger Geieradler. G. barbatus. St. 180. Taf. 4, 5. IV. Gattung. Falke. Fal coo. S. 198. 1. Fam. Adler. Aquilae. 3 5 5 S. 200 a) mit ganz befiederten Sußrourzeln. g. Koͤnigsadler F. imperialis. . ©. 201. Taf. 6, 7. 6. Steinadler. F. fulvus. 2 8 1 - S. 208. Taf. 8, 9. 7. Schreiadler. F. naevius. 5 S. 217. Taf. 10, 11. p) mit halbbefieder ten Füßen. g 8. Seeadler. F. albicilla. 5 5 4 2% Taf. 12, 13, 14. 9. Natternadler. E. brachydactylus EN S. 256. Taf. 15. 10. Flußadler. F. haliaetos. . 0 5 4 ©. 241. a 16. 2. Fam. Habichte. Astures. R 3 ©. 248. 11. Huͤhnerhabicht F. palumbarius x : S. 249. Taf. 17, 18. 12. Finkenhabicht. F. nisus. 2 > R ©. 257. Taf. 19, 20. 3. Fam. Edelfalken. Falcones nobiles. . 8 S. 268 a) wahre Edelfalken. 13. Jagdfalke. E. candicans, S. 269. Taf. 21, 22. 24. Würgfalke. F. Ianarfſunins. 8. 9. Taf. 25 15. Taubenfalke. F. peregrinus. n . S. 285. Taf. 24, 25. 315 18. Lerchenfalke. F. subbuteo. S. 296. Taf. 26. 17. Merlinfalke. F. aesalon. 5 S. 303. Taf. 27. b) Rothfalken | 18. Rothfußfalke. F. rufipes. ER NE { S. 311. Taf. 28. 19. Roͤthelfalke. F. cenchris. 5 5 . S. 318. Taf., 29. 20. Thurmfalke. F. tinnunculus. . 5 en Ta . 4. Fam. Milanen. Milvi. W - Ä S. 332. 21. Rother Milan. F. milvus . ! : 5 0 S Bar. Z1° 22. Schwarzbrauner Milan. F. ater. 5 . S. 340. Taf. 31. 5 5. Fam. Buſſarde. Buteones. 5 ©. 345. 23. Maͤuſebuſſard. F. buteo. ; 8 S. 548 Caf. 32, 35, 24. Rauchfußbuſſard. F. lagopus. . - 0 . S. 359. Taf. 34. 25. Weſpenbuſſard. P. apivorus. a s Soc 850 367. Taf. 35, 56° 6. Fam. Weihen. Circi. 5 3 x S. 377° 26. Rohrweihe. E. rufus. = S 5 8 m 376 8. Taf. 37, 38 27. Kornweihe. F. pygarguans. S'. 391. Taf. 38, 39' 28. Wieſenweihe. F. eineraceus. 5 1 8 S. 401. Taf. 40° V. Gattung. Eule. Strix. e e enn 1. Fam. Tageulen. St. diur naa. S. 412 29. Schneeeule, St. nyetea. 0 © B 8 0 S. 417. Taf. 41. 30. Habichteule, St. uralensis. . - . S. 422. Taf. 42. 51. Sperbereule. St. nisoria. N 8 \ .S. 427. Taf. 42. 32. Sperlingseule. St. acadica. LEN 454. Taf. 43. 2. Fam. Ohreulen. St. ien A ©. 440. 33. Uhuohreule. St. bubo. h : - . 8 S. 440. Taf. 44 34. Waldohreule. St. otus. - x & 4 \ 451. Taf. 45. 35. Sumpfohreule. St. brachyotos. n „ Si. 459 Taf. 45. 36. Zwergohreule. St. scops. 2 S. 466. Taf. 43. 3. Fam. Kaͤutze. Ululae St. inauriculatae. 5 S. 473. 37. Waldkeug⸗ uss? Re 8 S. 475. Taf. 46 und 47. 38. Schleierkautz. St. flammea. 5 > 8 . S. 483. Taf. 47. 59° Steinkautz. St. noctua. 4 115 l S. 493. Taf. 48. 40. Dengmalms⸗Kautz. St. Tengmalini. \ > S. 500. Taf. 48. In allen Buchhandlungen iſt zu haben: Chriſtian Schkuhr s botaniſches Hand buch der mehreſten, theils in Deutſchland wild wachſenden, theils aus⸗ laͤndiſchen, in Deutſchland unter freiem Himmel ausdauernden Ge w a p e. Zweite mit dem Nachtrage der Riebgräfer | vermehrte Auflage. 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