„ ne a gu A a nn a BE A BE ne aut Ze He S a ee en = - mn „ nee 3243 — m eee . a ht m — ee u re -. ne + © 3 HARVARD UNIVERSITY MEHR LIEBER SURDT MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY % WW A 0 Rt 0 e 7 IE, Naumann del — 8 CE Frosch wo. 7 ? 2» 4 ID... 2,287 . ,,,, , , f, ,, G 2 He eech, Seite 135 12. 136 Johann Andreas Naumann's, mehrerer gelehrten Geſellſchaften Mitgliede, Naturgeschichte der Vogel Deutſchlands, nach eigenen Erfahrungen entworfen. Durchaus umgearbeitet, ſyſtematiſch geordnet, ſehr vermehrt, vervollſtaͤndigt, und mit getreu nach der Natur eigenhaͤndig gezeichneten und geſto— chenen Abbildungen aller deutſchen Voͤgel, nebſt ihren Hauptver— ſchiedenheiten, aufs Neue herausgegeben von deſſen Sohne Johann Friedrich Naumann, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Halle; der Societät für Forſt⸗ und Jagbdkunde zu Dreyßigacker und Meiningen; der Wetteraueſchen Geſellſchaft fuͤr die geſammte Natur⸗ kunde zu Hanau; der Geſellſchaft fuͤr die geſammten Naturwiſſenſchaften zu Marburg; der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig; der allgemeinen Schweizeriſchen Geſellſchaft fuͤr bie geſammten Naturwiſſenſchaften, und der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin wirkliches correſpondirendes und Ehrenmitglied. Dritt e Sheil, Nweiten Bandes z weite Abtheilung. Mit 15 colorirten und 1 ſchwarzen Kupfer. Leipzig: Er neſt Fleiſcher. 18 2 3. 980 ue N 17 550 1 155 100 . 19 2 Bi % | 71 . 0 15 1 7 15 g i 9 9 90 8 4 1 , 5 45 u e Bu = 66 R Be * a e 4 75 = 10 nd, N e 5 ne Nc een a \ or „dug Wait 1 120 dans 125150 hi 10 N * | wü agent? U 1 6 e Vn 15 RIO ua N \ l * e . 4 DEN zu 105 a 1 1 ah od: 455 8 932 60 97 1 2 . 15 1 un EN ara, 1527500 e b h ne AH neh 575 w Starr N05 ai wid PET GER e a ala um rk OR TEE un ie Ana 50 | 10 1 nt die } 1 a 55 190 N 6106 175 10 5 7 N Ai: ö 60 IN 61706 1 \ m a bee ap! 1000 N n ge 15 1 0 1 . Re 185 eo N N 0 WÄR, 4 N 05 8 Vorwort. Man hat es mir von verſchiedenen Seiten her zum Vorwurf machen wollen, daß ich bei der ſyſtematiſchen Eintheilung mei- ner Voͤgel, im vorliegenden Werke, nicht den neuern Natur⸗ philoſophen gefolgt ſei. Allein ich kann verſichern, daß auch eben ſo viel Maͤnner, deren tiefeingreifende Kenntniſſe in den Natur⸗ wiſſenſchaften der Welt ruͤhmlichſt bekannt, und welche keines⸗ wegs Feinde von vernuͤnftigen Neuerungen ſind, gerade den Weg, welchen ich eingeſchlagen, fuͤr recht zweckmaͤßig hal⸗ ten. — Die Vervielfältigung der Gattungen, in den gar zu kuͤnſtlichen Syſtemen der erſteren, kann unmoͤglich das Stu- dium der Wiſſenſchaft erleichtern; ſie wird den Neuling viel⸗ mehr abſchrecken oder ihm die Sache verleiden. Man bauet und beſſert gar zu viel an dem kuͤnſtlichen Gebaͤude, und die an⸗ gebrachte Menge kleinlicher Verzierungen wird es bald unkennt⸗ lich machen; ein jeder verſucht ſich daran, und wer ein paar Hunderte ausgeſtopfter Voͤgel geſehen hat, will ſchon reformi⸗ ren und das Syſtem verbeſſern. — Man gehe hinaus in die freie Natur, man ſehe die Thiere in ihrem Leben und Wirken; wie ganz anders wird man dann urtheilen, wenn man ſo man⸗ ches anders als im Cabinete gefunden haben wird. — Es kann nicht ſchwer ſein, auf dem Studirzimmer Syſteme auszu⸗ arbeiten; ob ſie aber in der lebenden Natur wirklich begruͤn⸗ det ſind, das wird der praktiſche Forſcher bald finden. Ich habe das aber ſehr oft nicht gefunden, und mir hat es dann im⸗ mer geſchienen, als wenn ſich der tiefdenkende gelehrte Natur⸗ philoſoph mit dem Sohn der Natur, der ſchlicht und recht nur den Weg wandelt, den einzig die Natur ihm vorſchreibt, nicht vereinigen laſſe. — Wer es ſich jemals recht angelegen ſein ließ, nicht allein Vögel für Sammlungen ſelbſt zu jagen, ſon⸗ dern fie an ihren Wohnorten auch in allen Lebens verhaͤltniſſen zu beobachten, ihre Natur in der Natur zu ſtudiren, der wird hier ſo viel Genuß als Arbeit finden, und ihm wird wenig Zeit übrig bleiben, ſich mit den Kritteleien der Syſtemmacher befaſſen zu koͤnnen. Mich hat die allguͤtige Natur auf einen Standort angewie⸗ fen, wo mir die Gemeinſchaft mit der gelehrten Welt etwas er- ſchwert iſt, wofuͤr ich aber in deſto genauerm Umgange mit den befiederten Geſchoͤpfen unſers Vaterlandes leben kann und von Kindheit an gelebt habe; folglich konnte ich denn auch das Letz⸗ tere neben meinem eigentlichen Brodgeſchaͤft, der Landwirth⸗ ſchaft, leichter benutzen, als mich anhaltend in Bücher begra- ben. Wenn es mir in der That oft recht ſauer wurde, weil ich bei meinen Unternehmungen, Muͤhſeligkeiten und Beſchwerden aller Art nicht ſcheuete, ſelbſt Gefahren fuͤr Leben und Geſundheit, wenn ſie mit dem Erreichen eines lange erſehnten Zieles ſchein⸗ bar vereinigt waren, oftmals unbeachtet ließ, ſo freuet es mich jetzt um ſo mehr, daß ich durch meine Anſtrengungen nun in den Stand geſetzt bin, ſo Manches mittheilen zu koͤnnen, was bis⸗ her noch nicht bekannt war und die Naturgeſchichte verbollſtän⸗ digen hilft. Im ſchlichten, ungekuͤnſtelten Gewande bringe ich nun die Reſultate meiner Bemuͤhungen zur oͤffentlichen Kunde, mit dem Bemerken: daß es in dieſem Bande, wie im vorher⸗ gehenden, bei derſelben Einrichtung verbleibt. Ich werde naͤm⸗ lich im Beſchreiben, wie im Abbilden, ſtets die Natur treu zu copiren ſuchen, auch fremde Hülfe von guten Händen, da wo ich nicht mit eignen Augen beobachten konnte, nicht verſchmaͤ⸗ hen, doch dann meine Gewaͤhrsmaͤnner nennen, oder wo mir dies nicht noͤthig ſchien, durch ein: Es ſoll, man ſagt u. ſ. w. von meinen ſelbſtgemachten Beobachtungen zu unterſchei⸗ den ſuchen. Uebrigens werde ich hinſichtlich der Eintheilung und ſyſtematiſchen Reihefolge, wie im erſten Bande, bei der einfachen Ordnung, ſo wie ich ſie unbefangen und nach meinen Anſichten mit der Natur am vereinbarſten finde, verbleiben. Johann Friedrich Naumann. Dritte Familie. 25 75 » a ® 29 £ Rio t hlinge. Ru t i c i111 ae. Mit ziemlich hoher Tarſe der ſchlanken, ſchwaͤchlichen und ſchwarzen Fuͤße, pfriemenfoͤrmigem ſchwarzem Schnabel und mit hell fuchsrothen Schwanzfedern, mit Ausſchluß der beiden mittel⸗ ſten, welche braun ſind. Maͤnnchen und Weibchen ſind im Aeußer⸗ lichen ſehr verſchieden, auch das Herbſtkleid vom Fruͤhlingskleide, ob ſie gleich, wie die uͤbrigen Saͤnger, nur einmal mauſern. Sie tragen ſitzend die Bruſt erhaben, den Schwanz gerade oder etwas haͤngend, die Flügel über demſelben; wippen und ſchnel—⸗ len nicht mit dem Schwanze, ſondern ſchuͤtteln ihn von Zeit zu Zeit, auch ohne beſondere Veranlaſſung. — Sie ſitzen gern auf freien Aeſten und andern erhabenen Orten, huͤpfen wenig in den Zweigen, oͤfterer, aber nur in kurzen Zeitraͤumen, mit abwechſelnden Ruhepunkten, auf dem Erdboden, in leichten Spruͤngen, mit weit⸗ gebs em Ferſengelenk und erhabener Bruſt, keck einher. Sie halten ſich auf Baͤumen, Gebaͤuden und Felſen auf und kommen ſelten ins niedere Gebuͤſch. — Ihre Nahrung, die Inſek⸗ | ten, fuchen fie meiſtens, wie die Fliegenfaͤnger, im Fluge zu erhaſchen, nehmen aber auch kriechende Inſekten und Inſektenlar⸗ ven, auch kleine Regenwuͤrmer vom Boden auf, huͤpfen aber dar⸗ nach wenig, und nie unter dichtem Gebuͤſch herum. Sie aͤhneln hierin, wie in vielem andern, den W ieee Beeren freſſen ſie ſeltener. * Sie niſten faſt ſtets in Höhlen, meiſt hoch RR dem Boden, bauen warme Neſter und legen einfarbige, ungefleckte Eier. Das Neſtgefieder der Jungen weicht ſehr von dem der Alten ab; es iſt viel dunkler, das kleine Gefieder nicht allein mit lichten Schaftſlecken, ſondern auch mit dunklern und hellern Wellen geziert. In Deutſchland kennen wir nur zwei Arten 510 84. Der Garten-Röthling Sylvia phönicurus. Lath. Fig. 1. Männchen. . nn — 2. Weibchen. Roͤthling, (Hausröthling,) Roͤthlein, (Hausröͤthlein), Baum⸗ roͤthlein, Rothſchwanz, Rothſchwaͤnzchen, gemeines Rothſchwaͤnz⸗ chen, Gartenrothſchwaͤnzchen, Waldrothſchwaͤnzchen, (Hausroth⸗ ſchwaͤnzchen, Hausrothſchweifel), Waldrothſchweifel, Rothſtaͤrt, Rothſterz, Rothſterzchen, Rothzahl, Rothzagel, Rotzaͤgel; Roth⸗ kehlchen mit ſchwarzem Kinn, Rothbruͤſtlein, Rothbaͤuchlein; Som⸗ merroͤtele; Schwarzkehlchen, ſchwarzkehliger Saͤnger; ſchwarzkeh⸗ liger Steinſchmaͤtzer; — Bienenſchnappe; — Wuͤſtling, Wiſt⸗ ling, Huͤting, Saulocker, Fritzchen; in a Gegend: un Rothſchwanz. g Sylvia Phoenieurus. Lath. ind. II. p. 314. n. 15. — Nilsson orn. suec. I. p. 212. n. 101. — Motaeilla Phoenicurus. Gmel. re syst. I. 2. p. 987. n. 34. = Retz. faun. suec. p. 261. n. 245. — Le Rossignol de muraille. Buff. Ois. V. p. 170. t. 6. f. 2. — Edit. de Deuxp. IX. p. 195, f. 4. f. 2.2 Id. Planch. enlum. 351. fig. 1 et 2. = Gerard. Tab. elem. I. p. 282. — Bee - fin de Murailles. Temm. man. nouv edit. p. 220. = The Redstart. Lath. syn. II. 2. p. 421. n. 11. — Ueberſ. v. Bechſtein, IV. S. 421. n. 11. Beecafico volgaram. Stor. deg. ucc. IV. t. 397. f. 2. — Paepje. Sepp, Ne- derl. Vog. I. t. p. 83. = Gekraagde roodstaart. Ibid, IV. t. p. 361. — Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. ©. 607. — Dedſſen Taſchenb. I. S. 181. = Zeutfhe Ornithol. v. Becker u. a. Heft 14 — Wolf u. Meyer, Na⸗ turg. a. V. Deutſchl. Heft. 3. M. W. und Junges. — Deren Taſchenbuch, I. ©. 244. — Meisner und Schinz, Vögel der Schweitz. S. 117. u. 122. —= Meyer, V. Liv⸗ und Eſthlands. S. 120. —: Koch, Baier. Zool. I. S. 188. n. 109. (Saxicola Phoenicurus), Friſch, Voͤgel. Taf. 19. Fig. 1. links (altes M.) Taf. 20. Fig. 1 u. 2, links (W. erſterem fehlen die braunen mittleren Schwanzfedern) und Fig. 2. rechts (junges M. im Herbſt.) = Name Vogel, alte Ausg. I. ©. 177, Taf. a Fig. 80. M. u. 81 W. Kennzeichen der Art. Schwanz lebhaft roſtroth mit zwei dunkelbraunen Mittelfe⸗ dern; die dunkelbraunen Fluͤgelfedern mit hell gelblichbraunen Saͤu— un Ordn. XV. Gatt. 84. Garten-Röthling, 511 men. Die zweite Schwingfeder iſt T Zoll kuͤrzer als die dritte, und von ehe Länge mit der ſechſten. Maͤnnchen: Die Kehle ſchwarz; die Bruſt roſtroth. Weibchen: Die Kehle ſchmutzig weiß; die Bruſt in der Mitte weiß, an den Seiten und oberwaͤrts hell . eanun) ; alle obern Theile matt graubraun. b Er Beſchreibung. Dieſer bekannte Vogel iſt ſehr haͤufig mit dem Hausröth⸗ ling verwechſelt worden, beſonders traf dies die ſich ſehr aͤhnlich ſe— henden weiblichen und jungen Voͤgel beider Arten. Will man genau auf die hier angegebenen Artkennzeichen acht haben, ſo wird dieſer Fall nicht leicht eintreten koͤnnen, da doch beide Arten in der That eine groͤßere Verſchiedenheit zeigen, als ſie zwiſchen manchen an⸗ dern dieſer Gattung ſtatt findet. — Es iſt ein ſchlanker nett geſtal⸗ teter Vogel, merklich kleiner als das Rothkehlchen, auch noch ſchmaͤchtiger wie der Hau sroͤthling. x " Seine Lange beträgt gewoͤhnlich 57 Zoll, felten etwas mehr, die e Flügelbreite 95 bis 94 Zoll. Ein Vogel dieſer Art von 6 Zoll Laͤnge und 10 Zoll Breite kommt ſelten vor. Der am Ende faſt ge⸗ rade Schwanz iſt 25 Zoll lang, und die Fluͤgel reichen, in Ruhe liegend, mit ihren Spitzen bis uͤber die Haͤlfte deſſelben hinaus. Der pfriemenfoͤrmige, vorn rundliche, hinterwaͤrts breitere Schnabel iſt kürzer und runder als am Hausroͤthling, auch ſind ſpitzewaͤrts die Schneiden weniger eingezogen als an dieſem. Seine Länge iſt 43 Linien, die Breite an der Wurzel 2 Linien, die Hoͤhe aber merklich geringer. Er iſt hornſchwarz, nur beim Weib⸗ chen an den Schneiden und der Wurzel der Unterkinnlade licht⸗ braͤunlich; die Mundwinkel und der Rachen gelb. Das Naſenloch iſt klein, oval und, wie in dieſer Gattung gewoͤhnlich, von oben durch eine harte Haut halb bedeckt. Ueber den Mundwinkeln ſtehen feine ſchwarze Borſten, und die Iris iſt ſchwarzbraun. a Die Fuͤße ſind ſchlank, mittelmaͤßig hoch, die duͤnnen Zehen haben ſchwache, ſehr zuſammengedruͤckte, flach gebogene Naͤgel, welche ſpitz wie Nadeln ſind. Die Haut an den Fuͤßen iſt ziemlich den ganzen Lauf herab ohne Einſchnitt, die Zehen oben geſchildert, un⸗ ten feinwarzig. Fuͤße und Krallen ſind ſchwarz, mit durchſchim⸗ merndem roͤthlichem Braun, beſonders nach der Ferſe zu. Die Hoͤhe des Laufs betraͤgt ziemlich 1 Zoll; die Laͤnge der Mittelzeh mit der 512 Ul. Ordn. XV. Gott. 84. Garten⸗Röthling. Kralle etwas uͤber 8 Seen und die der Hinterzeh 6 Linien, Nang Kralle aber nur 35 Linien. Das alte Männchen in ſeinem Fruͤhlingskleide ge⸗ hoͤrt unter die ſchoͤn gezeichneten Voͤgel. An ihm ſind der Anfang der Stirn gleich uͤber dem Schnabel; Zuͤgel, Augen- und Ohrenge⸗ gend, Wangen, Kehle und Gurgel bis zur Kropfgegend tief ſchwarz; die Stirn gleich uͤber den ſchwarzen Halftern rein weiß, was bis auf die Mitte des Scheitels reicht und ſeitwaͤrts uͤber dem Schwar⸗ zen bis zu den Schlaͤfen ſich hinzieht; der Hintertheil des Oberkopfs, Genick, Hinterhals, Rüden, Schultern und die kleinen Fluͤgeldeck⸗ federn dunkel blaͤulichaſchgrau; die Oberbruſt ſchoͤn gelblich roſtroth, welche Farbe ſich an den Seiten der Bruſt bis zu den Schenkeln her⸗ abzieht, nur abwaͤrts etwas bleicher wird, in der weißen Mitte der Unterbruſt ſanft vertuſcht, oben aber vom Schwarzen ſcharf ab⸗ ſchneidet. Die Schenkelfedern ſind roſtroͤthlich und grau gefleckt, die After⸗ und untern Schwanzdeckfedern bleich roſtfarben, mit weiß⸗ lich roſtgelben Enden; der Buͤrzel, die obern Schwanzfedern und der ganze Schwanz, die beiden dunkelbraunen, roſtfarben geſaͤumten Mittelfedern ausgenommen, gelblich roſtroth oder dunkel fuchsroth. Alle groͤßern Fluͤgeldeckfedern, wie die Schwingen, ſind ſchwaͤrz⸗ lichbraun, erſtere mit braͤunlichgrauen Saͤumen und ſchmutzig gelb⸗ lichbraunen Spitzen, letztere mit gelbbraͤunlichen Saͤumen. Die untern Fluͤgeldeckfedern ſind ſchoͤn roſtroth; die Schwingen auf der untern Seite braungrau, mit einer weißroͤthlichen Kante auf der breiten Fahne; der Schwanz auf ſeiner untern Seite licht roſtroth. An juͤngern Maͤnnchen iſt das Weiße am Vorderkopfe von geringerer Breite, die ſchwarzen Federn an der Gurgel haben weißliche Spitzenraͤnder, die roſtrothe Farbe an der Oberbruſt und am Schwanz iſt blaͤſſer; das Weiße an der Unterbruſt ausgedehn⸗ ter; das Aſchgrau der obern Theile iſt mit gelblichem Braun uͤber⸗ laufen, und die Fluͤgelfedern haben breitere lichtbraune Raͤnder. Ganz anders ſehen dieſe Voͤgel in ihrem Herbſtkleide nach zuruͤckgelegter Mauſer aus, weil da die meiſten Federn anders ge⸗ faͤrbte Raͤnder haben, welche die Hauptfarbe verdecken; nur die durchſchimmernde ſchwarze Kehle und roſtrothe Bruſt unterſcheiden ſie dann von den Weibchen ihrer Art. — So hat das alte Maͤnn⸗ chen im September zwar alle oben beſchriebene Farben, allein die Federn an den obern Theilen haben braungraue, an den untern breite ſchmutzig weiße, an Stirn und Wangen aber lichtbraͤunliche Raͤnder, die jene ſchoͤnen Farben ſo weit verdecken, daß Oberkopf, III. Or dn. XV. Gatt. 84. Garten⸗Roͤthling. 518 Nacken, Schultern und Ruͤcken ſchmutzig braungrau, die Zuͤgel braͤunlichweiß und ſchwaͤrzlich gemiſcht, die Wangen, Kehle und Gurgel grauweiß und ſchwarz gewoͤlkt, die Oberbruſt und Seiten weiß und hellroſtroth gewoͤlkt erſcheinen; die Fluͤgelfedern haben dann noch ihre vollſtaͤndigen (viel breiteren) weißlichgelbbraunen Einfaſſungen, ſelbſt die roſtrothen Schwanzfedern noch lichtere Saͤumchen. — Alle dieſe anders gefaͤrbten Kanten reiben ſich nach und nach, ehe ſich der Vogel von neuem mauſert, an den großen Federn zum Theil, an dem kleinen Gefieder aber ganz ab, ſo daß der Vogel kurz vor der Mauſer ganz anders ausſieht als nach derſelben, und man kaum glauben ſollte, daß ohne eine zwiefache Mauſer (die doch hier nicht ſtatt findet) eine ſo maͤchtige Veraͤnderung vorgehen koͤnnte. Bei ihrer Ankunft in unſern Gegenden erſcheinen die Maͤnn⸗ chen, beſonders die juͤngern, gewoͤhnlich mit noch vorhandenen Ueberreſten des Herbſtkleides, und bei den letztern find jene mißfar⸗ bigen Federraͤnder ſo breit, daß ſie ſelbſt im Laufe des Sommers bis zur Mauſer ſich nicht ganz verlieren, was bei ganz alten immer geſchieht. In waͤrmern Ländern reibt ſich jedoch das Gefieder noch weit ſtaͤrker ab als bei uns, und ich habe in Italien geſchoſſene maͤnnliche Sommervoͤgel dieſer Art geſehen, an welchen dies ſo ſtark war, daß ſelbſt das Dunengefieder ſtellenweis zum Vorſchein kam, was an hier lebenden nie vorkommt Warum bei dieſem Vogel, wie auch beim Hausroͤthling, das Abreiben der Federraͤnder weit ſtaͤrker iſt, als bei vielen andern Sylvien, laͤßt ſich theils aus ihrer großen Unruhe, theils und vorzuͤglich aber aus der Natur ihres Aufenthalts erklaͤren; die rauhen und ſcharfen Kanten der Felſen, Steine und Baumhoͤhlen, mit denen fie fo haufig in Berührung kommen, ſelbſt vielleicht auch eine etwas verſchiedene Textur oder eine fprödere Maſſe des Gefieders tragen wahrſcheinlich hierzu das Meiſte bei. — Das Weibchen ſieht ganz anders aus- als der männliche Fruͤhlingsvogel; mit dem Maͤnnchen im Herbſtkleide hat es mehr Aehnlichkeit, und vom Weibchen des Hausroͤthlings unterſchei⸗ det es ſich durch ein weit lichteres, braͤunlicheres Colorit und durch das viele mit Roſtfarbe vermiſchte Weiß an den untern Theilen. — Die Zuͤgel ſind roſtgelblich, grau gemiſcht; Stirn, Scheitel, Wangen, Hinterhals, Ruͤcken, Schultern und die Heinen Fluͤgeldeckfedern roͤthlich braungrau oder matt graubraun; die Kehle und Gurgel ſchmutzig gelblichweiß, zur Seite graulich, was oft einen Schein wie ein herablaufender Streif bildet; die Kropfgegend und Seiten ater Theil. 33 I 514 III. Oron. XV. Gatt. 84. Garten: Röthling. der Oberbruſt roſtbraͤunlich und weiß gewoͤlkt, mit graulicher Mi⸗ ſchung; die Mitte der Bruſt weißlich, mit roſtgelber Miſchung, welche letztere an den grau gefleckten Unterſchenkeln und in den Weichen herrſchender wird; die untern Schwanzdeckfedern dunkel roſtgelb; der Steiß ( Bürzel), die obern Schwanzdeckfedern und der Schwanz wie am Maͤnnchen, nur ſchmutziger oder bleicher, auf der aͤußern Fahne der aͤußerſten rothen Schwanzfeder, nach dem Ende zu, aber noch mit einem dunkelbraunen Strich; zuweilen haben auch noch mehrere von den rothen Federn vor ihrem Ende eine dunkel⸗ braune Zeichnung. Alle großen Fluͤgelfedern ſind matt dunkelbraun, mit hellgelbbraunen oder ſchmutzig roſtgelben Kanten, und die gro⸗ ßen Deckfedern mit roſtroͤthlichen Spitzen; die untern Fluͤgeldeck⸗ federn ſind ſchmutzig roſtgelb „die Schwingen von unten hell braun⸗ grau, mit roͤthlichweißen Kanten an der breiten Fahne. Nur ſehr alte Weibchen bekommen eine ſchwarzgrau ge⸗ woͤlkte Kehle, und an der Bruſt mehr Roſtfarbe, ſo daß ſie dann dem jungen Maͤnnchen im erſten Herbſtkleide ſehr aͤhnlich ſehen. Das Herbſtkleid der Weibchen iſt von ihrem Fruͤhlingskleide nur wenig verſchieden, ja man kann annehmen, daß letzteres ſchlech⸗ ter ausſieht als erſteres, weil manche lebhaftere Farbenanfluͤge deſ⸗ ſelben ſich theils abgerieben haben, theils verbleicht ſind. N Die jungen Voͤgel in ihrem Neſtgefieder, alſo vor der erſten Mauſer, aͤhneln ihren Aeltern nur in Farbe und Zeichnung der Fluͤgel⸗ und Schwanzfedern, ſonſt ſehen fie ganz anders aus. Alle obern Theile ſind auf braungrauem, ins Olivenfarbige fallen⸗ dem Grunde ſchwaͤrzlich gewellt und ſchmutzig roſtgelb getuͤpfelt, denn die gruͤnlichbraungrauen Federn haben einen halbmondfoͤrmi⸗ gen ſchwarzen Fleck an der Spitze und einen ſchmutzigroſtgelben rundlichen Fleck in der Mitte auf dem Schafte; Kehle und Gurgel find ſchmutzig gelblichweiß, ſchwarzgrau punktirt und beſpritzt; an der dunkler roſtgelblichen Oberbruſt und in den Seiten werden dleſe dunklen Punkte, welche auf dem Rande jeder Feder ſtehen, bemerk⸗ licher und zuſammenhaͤngender, ſo daß ſie undeutliche Wellen bil⸗ den, auf der ſchmutzig weißen Unterbruſt verlieren fie ſich aber ganz; die After- und untern Schwanzdeckfedern find einfarbig dunkel roſtgelb, die hell roſtfarbigen Buͤrzelfedern aber ſchwaͤrzlich gewellt. Fluͤgel und Schwanz ſind dunkler als an den Alten, die Einfaſſun⸗ gen der Fluͤgelfedern beinahe licht roſtbraun, der dunkelbraune Streif auf der aͤußerſten rothen Schwanzfeder aber nicht immer ein Zeichen des weiblichen Geſchlechts, denn in dieſem Kleide ſind ur. ren Xv. Gatt. 84. Garten-Röthling 6135 Maͤnnchen und Weichen aͤußerlich nicht zu unterſcheiden. Ihr Augenſtern iſt graubraun; der Schnabel von unten fleiſchfarben, die Mundwinkel gelb; die Füße nach der Ferſe zu ſchmutzig fleiſchbraun, die Zehſohlen gelblich. — Sie aͤhneln den Jungen des Haus⸗ roͤthlings ſehr, find aber viel lichter, und ihre vorherrſchende Farbe fallt mehr ins Gelbe, bei jenen aber ins Aſchgraue. Dem jungen Rothkehlchen ſind ſie bis auf Fluͤgel und Schwanz ganz aͤhnlich, auch der jungen Nachtigall, die aber von oben mehr rothbraun ausſieht, auch anders gefaͤrbte Fluͤgel⸗ und Schwanzfedern und ſtets weißliche Fuͤße hat. i N Dies Kleid legen die Jungen früher Brut ſchon Ende Julius oder Anfang Auguſts ab, die von ſpaͤter Hecke aber erſt, wenn ſich die Alten mauſern, zu Ende Auguſts. , i Eigentliche Spielarten ſind mir unter dieſen Voͤgeln noch nicht vorgekommen, und die, welche man in naturgeſchichtlichen Werken hierher gerechnet hat, find Feine zufälligen Abaͤnderungen, ſondern gehoͤren bloß als Alters⸗, Geſchlechts⸗ und Jahreszeits⸗ verſchiedenheiten theils zu dieſer, theils zur folgenden Art, denn beide Roͤthlinge wurden nur zu oft mit einander verwechſelt und ihre Geſchichte unter einander gemengt. Aufenthalt. In ganz Europa wird dieſer Vogel angetroffen, im Norden ſogar bis zum arktiſchen Kreiſe hinauf, im Suͤden und Oſten uͤberall, auch im noͤrdlichen Aſien. Es iſt mir kein Theil des gemaͤßigten Europa bekannt, wo er ſich nicht faͤnde, ja er gehoͤrt in den meiſten Ländern unſres Erdtheils unter die gemeinen Voͤgel. So iſt er auch in Deutſchland allenthalben gemein; bloß ſolche Gegenden, die weder Baͤume noch Buſchwerk haben, im Ganzen alfo doch nur unbedeutende Strecken, vermiſſen ihhg ng. N Es iſt ein Zug vogel, als welcher er bloß in der waͤrmern Jahreszeit bei uns verweilt und den Winter uͤber in heißen Laͤn⸗ dern, vielleicht tief in Afrika, wohnt. Er zieht, wie andere Bi: gel dieſer Gattung, bloß des Nachts, im Fruͤhjahr einzeln, im Herbſt familienweis, und iſt einer von denjenigen Zugvoͤgeln, welche durch ihr Erſcheinen den Eintritt warmer Fruͤhlingswitterung bei uns verkuͤndigen. Man hört feine Stimme meiſtens ſchon in den letzten Tagen des Maͤrzes, doch geſchiehet der Hauptzug derjenigen, welche den Sommer über noͤrdlicher wohnen, erſt im April, und dauert bis etwa um die Mitte dieſes Monats. Im Herbſt beginnt 4 516 III. DOrdn. XV. Gatt. 84. Garten-Röthling. ihr Fortzug ſchon Mitte Auguſts, wo fie dann aber nicht fehr eilen und durch den ganzen September hindurch ziehen, ſo daß man ein⸗ zelne noch zu Ende dieſes Monats, oder gar noch zu Anfang Octo⸗ bers bei uns ſieht, was aber gewoͤhnlich junge Voͤgel ſind. Solche ſind dann meiſtens ſo fett, daß man 5 1 das Fett ver⸗ hindere fie die Reife zu machen.) Ob man gleich den Gartenröthling unter die Waldvogel (Be⸗ wohner des Waldes) zaͤhlen muß, ſo darf man dieſes doch nicht im ſtrengſten Sinne nehmen; denn ſein Lieblingsaufenthalt ſind Baͤume und Gebuͤſch in der Naͤhe menſchlicher Wohnorte, beſonders Baum⸗ gaͤrten. Dabei mag uͤbrigens die Gegend eben oder gebirgig ſein, wenn es nur nicht ganz an Baͤumen fehlt, ſo iſt er bei Doͤrfern und Staͤdten überall, ſelbſt in denſelben und nahe bei den Haͤuſern. Seine Lieblingsbaͤume ſind die Kopfweiden; er bewohnt daher die Anpflanzungen von dieſen Baͤumen ſehr gern, und in hieſiger Ge⸗ gend giebt es keine, welche im Sommer nicht von dieſen Voͤgeln beſucht wuͤrden. Nicht allein bei den Doͤrfern und Staͤdten, auf Aengern und Viehweiden, ſondern auch in einſamen Gegenden und tief im Walde, an den Flußufern u. ſ. w., ſucht er mit Kopfwei⸗ den bepflanzte Plaͤtze zu ſeinem Aufenthalt. Einzeln bewohnt er auch den nicht zu dichten Hochwald, aber nicht den von Nadelholz, es muͤßte denn vielleicht ein mit Laubholz beſetzter Bach durch den⸗ ſelben fließen und auch Kopfweiden hier ſtehen. Immer zieht er dieſe Baͤume allen andern vor. — Man ſieht ihn auch oft auf Haͤuſern und altem Gemaͤuer, welche an die Gärten und an Buſchwerk ſto⸗ ßen, doch bei weiten weniger als den Hausroͤthling, dagegen eben ſo gern wie dieſen in felſigen Gegenden, ſelbſt auf kahlen Ge⸗ birgen, und zuweilen in einer Hoͤhe, wo laͤngſt die Holzvegetation aufhoͤrt. Aber auch in Gebirgsgegenden, wohnt er gern in der Naͤhe menſchlicher Wohnorte, in mit Wald, Viehweiden und Doͤrfern ab⸗ wechſelnden Thaͤlern und hat es gern, wenn ſein Aufenthaltsort nicht gar zu waſſerarm iſt. Man trifft ihn daher auch in ebenen Gegenden gern bei Teichen, Fluͤſſen und Waſſergraͤben an. Bei ihrer Ankunft im Fruͤhlinge ſieht man dieſe Vögel mei⸗ ſtens nur auf Baͤumen und viel mehr an erhabenen Orten, als bei 9 Dieſe Bemerkung gilt A paupt von allen Arten kleiner Inſektenvoͤgel; alle⸗ mal find dieſe Nachzügler außerordentlich fett. Sie reiſen gemaͤchlich, halten ſich an ſolchen Orten, wo ſie viel Futter finden, laͤnger auf, und ihre zunehmende Wohlbeleibtheit macht ſie vielleicht nachher noch traͤger; ſo puͤ⸗ cken fie dann nur langſam ihrem Winteraufenthalte entgegen. U III. Ordn. XV. Gatt. 84. Garten⸗Röthling. 517 ihrem Wegzuge, wo ſie ſich auch im niedrigen Gebuͤſch zu verbergen wiſſen und ſich haͤufig darin aufhalten, ſelbſt die Beete mit hohen Pflanzen, Bohnen, Saamenrüben u. dergl., in der Nähe. von jenen beſuchen. Sie durchhuͤpfen es aber nicht ſo wie die Gras⸗ muͤcken, ſondern betragen ſich da mehr wie die Erdſaͤnger, durch— flattern das Gebuͤſch, gehen aber ſeltner auf den Boden unter dem⸗ ſelben. Außer der Zeit ihres Wegzuges, naͤmlich im Fruͤhling und Vorſommer, leben fie viel freier, am liebſten auf Baͤumen von mittler Hoͤhe (wie die Kopfweiden), doch ſieht man fie auch haufig auf hohen Baͤumen. Sie ſuchen ſich da wenig im Innern der Baum⸗ kronen zu verbergen, ſitzen vielmehr gern auf freien Aeſten, auf den untern duͤrren Zweigen der Baͤume, auch auf Felſenſpitzen und Ab⸗ ſaͤtzen an ſchroffen Felſenwaͤnden, auf alten Mauern und auf den Firſten der Daͤcher, ſelbſt auf dem Gipfel eines Baumes, fliegen von da auch haͤufig auf die Erde und wechſeln ſo oft ihren Platz, daß fie ſich dadurch bald bemerklich machen. — Sie übernachten in hohlen Baͤumen oder in Loͤchern der Mauern und Felſen. Eigen ſchaf te n. | ‚Unfer Gartenröthling oder, wie man gewoͤhnlich dieſen Vo⸗ gel nennt, das Rothſchwaͤnzchen, iſt ein ungemein lebhaftes, unruhiges nd fraͤhliches Voͤgelchen. Es iſt in ſteter Bewegung; im Huͤpfen und Fliegen gleich gewandt, hurtig und munter, neckt es ſich gern mit andern Voͤgeln, jagt und beißt ſich mit ſeines Glei⸗ chen und macht ſich immer etwas zu ſchaffen. Es iſt liſtig und ſcheu, nur die nahe Umgebung macht es zutraulicher gegen die Menſchen, was ſich aber verliert, ſobald es ſich verfolgt ſieht. Nur ſelten ſitzt es lange an einer Stelle, dann aber allemal mit hochge⸗ bogenen Ferſen und erhabener Bruſt, ſelbſt auf dem Erdboden, wo es in ſchnellen, großen Spruͤngen hinhuͤpft und hier, wie auf Zwei⸗ gen ſitzend, ſtets ein keckes Anſehen hat. In den Baumkronen huͤpft es nicht von Aſte zu Aſte, ſondern flattert mehr durch dieſelben hin und macht dabei alle Augenblicke Halt, doch auch nur auf ſehr kurze Zeit. Dies Betragen iſt von dem der Grasmuͤcken, wie der Erdſaͤnger, ſehr verſchieden. — Eine beſondere Eigenheit der Roͤth⸗ linge, die ſie vor allen aͤhnlichen Voͤgeln auszeichnet, iſt eine zit⸗ ternde oder ſchuͤttelnde Bewegung des Schwanzes, von oben nach unten, aber nicht ſeitwaͤrts. Unſer Gartenroͤthling ſitzt daher eigentlich niemals ganz ſtill; denn wenn er auch ganz ruhig ſcheint, oder einmal traurig ausſieht (was uͤbrigens ſelten der Fall iſt), ſo 518 III. Ordn. XV. Gatt. 84. Garten: Röthling. macht doch fein Schwanz von Zeit zu Zeit jene ſchuͤttelnde Bewe⸗ gung, die heftiger wird, wenn er etwas Auffallendes bemerkt, wozu er denn auch noch ſchnelle Verbeugungen mit dem Kopfe und der Bruſt macht. Bei jeder Pauſe im Fortſpringen durch die Zweige oder auf dem Erdboden ſchuͤttelt er den Schwanz, welcher daher auch faſt immer unter den Fluͤgeln getragen wird. Dieſe Gewohn⸗ heit, auch ohne beſondere Veranlaſſung, den Schwanz auf eine ſo eigene Art zu bewegen, macht die kecken Roͤthlinge ſchon von weiten kenntlich. — Sein Flug iſt ſehr ſchnell und leicht, in kurzen Bo⸗ gen, faſt huͤpfend. Im Wanderfluge werden dagegen die Bogen größer gemacht; aber weil fie überhaupt nicht gleich groß find, fo ſteht auch dieſer Flug etwas unregelmäßig aus. Er ähnelt dem des Rothkehlchens oder einiger Meiſen. Na Seine Lockſtimme iſt ein heller Pfiff, deſſen Ton aber doch fanft und angenehm klingt, wie fuͤid oder huͤid, dem meiſtens ein ſchmatzendes Tick tick angehängt wird. Iſt der Vogel ruhig, fo pfeift er bloß fuͤid; iſt er aber fröhlich oder droht ihm Gefahr, fo ruft er fuͤid tick tick; naͤhert ſich gar ein Feind, z. B. ſeinem Neſte, fo wird das Tick tick ſchnell und oft wiederholt, ehe ein- mal das pfeifende Huͤid ausgerufen wird. ) Das Pfeifen hat große Aehnlichkeit mit dem Lockton des Fitis- und Weiden⸗ laubvogels, klingt aber ſtets ſtaͤrker oder etwas ſchneidender; der Unterſchied iſt indeſſen fo ſubtil, daß er nur dem Kennerohr bes merklich wird. — In Noth und Angſt hoͤrt man einen kreiſchend quaͤkenden Ton, welchen auch die eben ausgeflogenen Jungen oͤfters ausſtoßen; ſonſt rufen dieſe wie die Alten, tick tick tick! Uebri⸗ gens laͤßt dieſer Vogel ſeine Stimme oft hoͤren, und das Maͤnnchen gehort auch unter die angenehmen Sänger des Waldes. Es ſingt außerordentlich fleißig, von da an, wo es uns dadurch im Fruͤhjahr feine Ankunft ankuͤndigt, bis kurz nach Johannis, anfänglich faſt den ganzen Tag, bis zur Abenddaͤmmerung, beſonders anhaltend und kraͤftig aber früh ſchon, wenn ſich im Oſten kaum erſt ein lichter Schein der anruͤckenden Morgendaͤmmerung zeigt, oder, wie man zu ſagen pflegt, wenn der Tag zu grauen anfaͤngt. Es ſitzt dabei meiſtens in den mittleren Zweigen eines nicht gar hohen Baumes, *) Weil dieſes Tick Aehnlichkeit mit dem Schnalzen hat, was man hervor⸗ bringt, wenn man die Zungenſpitze vorn an das Zähnfleiſch der obern Vor⸗ derzaͤhne fest und ſchnell abzieht, mit welchem Ton man die jungen Schweine 10 En pflegt, fo nennt man unfern Vogel in manchen Gegenden: Sau⸗ oder, 1 ’ — II. Ordn. XV. Gatt. 84 Garten-Röthling. 519 am Tage aber oft ziemlich frei, fogar zuweilen im Gipfel eines Bau⸗ mes, auf einem Dachfirſt und andern erhabenen Orten, oder in den untern trocknen Zweigen der Weidenbaͤume. Der Geſang er⸗ freuet vorzuͤglich, wenn man ihn im Fruͤhlinge zum erſtenmal hoͤrt, wo er noch nicht fo, als ſpaͤterhin, von beſſern Gefangen über: ſchrieen wird. Er beſteht hoͤchſtens aus drei Strophen, die in kur⸗ zen Intervallen auf einander folgen, und hat etwas Melancholi— ſches, weswegen die Melodie wie aus Moll klingt. Der Ton iſt ſehr angenehm, ſauft, dabei laut genug, faſt floͤtenartig, und die eine Strophe aͤhnelt einem hellen Wiehern. An ſchwuͤlen Tagen und bei bevorſtehendem Regenwetter hört man dieſe ſchwermuͤthige Melodie beſonders häufig und anhaltend. Im Ganzen hat fie einige Aehnlichkeit mit dem Geſange des Hausroͤthlings, aber der Ton iſt viel angenehmer und floͤtenartiger. Dieſer eigenthümliche Geſang wird indeſſen nicht ſelten noch mit kurzen Strophen aus an⸗ dern Vogelgeſaͤngen verwebt, und es giebt Maͤnnchen, welche eine nicht geringe Fertigkeit hierin zeigen; andere ſcheinen dagegen nicht auf die um ſie lebenden Voͤgel, in dieſer Hinſicht, zu achten. Be⸗ ſonders angenehm mag jenen der Finkenſchlag ſein, denn ſie ver— flechten ihn oͤfters mit ihrem eigenen Geſange, wobei dieſer jedoch wenig von ſeinem eigenthuͤmlichen Charakter verliert. Im gezaͤhmten Zuſtande zeigt ſich dieſer Vogel ſehr weichlich und haͤlt ſich bei der beſten Pflege kaum zwei Jahre lang. Man wartet ihn ohngefaͤhr wie die Nachtigall und ſteckt ihn auch in einen ſolchen Käfig, worin man dieſe zu halten pflegt. Die Bauern halten ihn haͤufig in ihren Wohnungen zum Fliegenfangen; aber er dauert hier auch nicht lange, hoͤchſtens und ſehr ſelten etwas über ein halbes Jahr. Nahrung. Fliegen, Muͤcken, kleine Schmetterlinge und allerlei kleine zwei⸗ und vierfluͤgelige Inſekten fangen ſie theils im Fluge, theils im Sitzen, ſeltner kleine Kaͤferchen. Sie ſind im Verfolgen der flie⸗ genden Inſekten fo gewandt wie die Fliegenfaͤnger und fliegen zu- weilen hoch nach ihnen in die Luft, leſen aber auch kleine Raͤupchen und andere Inſektenlarven und Puppen von den Blaͤttern und Zwei⸗ gen ab, oder gehen nach ihnen auf die Erde, wo ſie zuweilen, ziem⸗ lich lange darnach ſuchend, herumhuͤpfen. Häufig ſieht man fie aus der Höhe eines Baumes zur Erde herabfliegen, ein Wuͤrmchen auf: nehmen und damit wieder auf ihren Baum eilen, wobei man ihr 520 III. Or dn. XV. Gatt. 84. Garten: Röthling. ſcharfes Geſicht bewundern muß. Auf den Aengern, Viehtriften und auf friſchgegrabenen Gartenbeeten leſen ſie auch kleine Re⸗ genwuͤrmer auf. Bei naßkalter Witterung ſuchen ſie die in den Mauerritzen ſich verbergenden Fliegen an den Haͤuſern, welche an die Gaͤrten ſtoßen, hervor, ſind deshalb auch gern an Gartenmauern und Felſenwaͤnden, die gegen Mittag liegen. Beim Aufſuchen und Fangen ihrer Nahrungsmittel ſind ſie aͤußerſt behend und gewandt. Sie leben uͤbrigens mehr von vollkommenen und fliegenden Inſek⸗ ten, als von Inſektenlarven und kriechendem Gewuͤrm. N Gegen den Herbſt begeben ſie ſich mehr ins niedere Gebuͤſch, woſelbſt ſie Inſekten in Menge antreffen, freſſen dann aber auch Beeren, als: Johannisbeeren, rothe und ſchwarze Holunderbees ren, auch Faulbaumbeeren. Sie leben dann a und verborgner als im Fruͤhjahr und Vorſommer. | Im Käfig giebt man ihnen anfänglich Stiegen, Ameiſenpup⸗ pen, Mehlwuͤrmer, kleine Regenwuͤrmer, und im Herbſte Holunder⸗ beeren und gewoͤhnt ſie damit nach und nach an das Nachtigalln⸗ futter. Sie werden bald zahm, dauern aber nicht lange. Friſches Waſſer zum Trunk und Bade darf ihnen nicht fehlen, denn ſie ba⸗ den ſich auch in der Freiheit ungemein gern und oft. — Laͤßt man ſie frei in die Stube fliegen, ſo fangen ſie ſehr geſchickt Fliegen und halten ſich, beſonders wenn ſie mitunter Beeren bekommen, zuwei⸗ len recht gut und durch den ganzen Winter, haͤufig aber auch nicht; denn viele dieſer weichlichen Voͤgel ſtoßen ſich gleich anfaͤnglich an der weißen Decke und an den Fenſtern den Kopf wund und ſterben dann ſehr bald. Sie gehen nicht leicht an Brodkruͤmchen und andere Abfaͤlle von menſchlichen Nahrungsmitteln; deswegen ſind ſie aber auch ſehr geſchickt, die Stuben von den laͤſtigen Fliegen zu ſaͤu⸗ bern, und eignen ſich dazu befier, als die allbeliebten Rothkehl⸗ chen, denen das Fliegenfangen weit ſchwerer faͤllt, und die ſich des⸗ halb gar bald an andere Speiſen gewoͤhnen. N 0 Fortpflanzung. In Deutſchland niſten ſie allenthalben, in Gaͤrten, in An⸗ pflanzungen von Kopfweiden, in Laubholzwaͤldern und in felſigen Gegenden, wo ſich hohle Baͤume, Mauer- oder Felſenloͤcher befin⸗ den. In hieſiger Gegend niſten ſie bei allen Doͤrfern, wo es in den Gärten alte Birn- und Aepfelbaͤume, und in den Umgebungen Aenger mit alten Weidenbaͤumen giebt, mag auch ſonſt weit und breit kein eigentlicher Wald ſein. Nicht allein in allen großen An⸗ N u. Ordn. XV. Gatt. 84: Garten⸗Röthling. 321 lagen von alten Kopfweiden, ſondern haͤufig auch da, wo dieſe oft nur in einer Reihe, die Ufer eines, von einem Dorfe zum andern, oft uͤber freies Feld fuͤhrenden, Waſſergrabens, Fiſchteiches u. ſ. w. bekraͤnzen, in den Umgebungen der Staͤdte, ſelbſt in großen Baum⸗ gaͤrten mitten in Doͤrfern und kleinen Staͤdten, und an vielen an⸗ dern Orten, an Waldraͤndern und mitten im Walde, findet man zur Brutzeit auch dieſe Voͤgel, doch ſo, daß jedes Paͤaͤrchen ein kleines Revier inne hat und darin kein anderes ſeiner Art leidet. Sie ſind daher, bei aller Gemeinheit, doch nur einzeln uͤber eine Ge⸗ gend verbreitet. — Das Neſt ſteht ſtets in einer Höhle, die mei⸗ ſtens nur einen ganz engen Eingang hat, zuweilen tief unten, zu⸗ weilen auch fo flach, daß ſich einzelne Theile deſſelben in der Deff: nung, die zum Eingang dient, zeigen. Am alleroͤfterſten iſt es in hohlen Weidenbaͤumen, und zwar in ſolchen, wo das Loch zum Einkriechen ſeitwaͤrts iſt, gleichviel, ob dieſes weit oder enge, hoch oder niedrig vom Boden ſich befindet; doch habe ich es nie in ſol⸗ chen, die unter zwei Fuß Höhe waren, aber in hoͤhern Baͤumen auch nicht uͤber dreißig Fuß hoch gefunden; bloß in Felſenloͤchern ſteht es zuweilen etwas hoͤher. In hieſiger Gegend findet man es auch oͤfters in den Loͤchern und Ritzen der Gartenmauern und in den Waͤnden und Giebeln an die Gaͤrten ſtoßender Gebaͤude, in letztern z. B. in ausgefaulten Balkenkoͤpſen, doch weit ſeltner, als in hoh⸗ len Aepfel⸗ und Birnbaͤumen. Das Schluͤpfloch iſt zuweilen nicht weiter, als es noͤthig iſt, um den Vogel durchzulaſſen, ein andermal aber auch ſehr weit, wie z. B. in ſolchen hohlen Weiden, welche bloß oben offen find. Das Neſt iſt ein ziemlicher Klumpen ſchlecht ver: wobener, duͤrrer, feiner Wuͤrzelchen, trockner Haͤlmchen, mit Wolle, Haaren und Federn vermengt, hauptſaͤchlich beſteht das Innere größtentheils aus vielen Federn, wozu fie am liebſten Gaͤnſefedern nehmen, die ſie auf den Viehweiden aufleſen. Es ſcheint ihnen viel Vergnuͤgen zu machen, ſolche Federn, welche der Wind in die Luft führt, aufzufangen, ja fie zanken ſich um ſolche ſogar zuwei⸗ len mit den in ihrer Naͤhe wohnenden Feldſperlingen, welche eben ſo gern wie die Hausſperlinge und noch manche andere Voͤgel, die mit Federn bauen, ſolche fliegend auffangen. Sieht man daher im Fruͤhlinge, in der Nähe von Baͤumen und Gebuͤſch, ſich eine Feder in die Luft erheben, ſo wird man auch bald einen Vogel! herbeieilen und ſie auffangen ſehen. In dieſes weiche und warme Neſtchen legt das Weibchen, meh⸗ rentheils ſchon in der letzten Haͤlfte Aprils, fuͤnf bis ſieben Eier; 322 III. Ordn. XV. Gatt. 84. Garten-Röthling. doch findet man auch, aber ſehr ſelten, zuweilen einmal acht Stuͤck in einem Neſte. Sie find von einem lieblichen Anſehen, ſchoͤn eifoͤr⸗ mig, an einem Ende ziemlich ſpitz, von ungemein zarter, glatter, aber wenig glaͤnzender Schale, und ihre Farbe iſt ein ſchoͤnes lichtes Blaugruͤn oder helle Gruͤnſpanfarbe, ohne alle Flecke. So wie bei vielen andern Saͤngern, loͤſt auch hier das Maͤnnchen ſein Weibchen beim Bruten in den Mittagsſtunden ab, und nach drei⸗ zehn- bis vierzehntaͤgiger Brut ſchluͤpfen die Jungen aus den Eiern. Sie bruͤten ſo eifrig, daß ſie oͤfters nicht herausfliegen, wenn man mit einem Stocke an den Baum ſchlaͤgt, ja ſich zuweilen uͤber den Eiern oder den eben ausgeſchluͤpften Jungen ergreifen laſſen. Sie ſind uͤberhaupt ſehr um ihre Brut beſorgt und verrathen das Neſt, wenn man ſich dieſem naͤhert, durch aͤngſtliches Schreien, zumal wenn ſie Junge haben, wo ſie ihrem Stoͤhrenfried oͤfters ganz nahe um den Kopf herum fliegen. Viele leiden es, wenn man ihnen ein Ei nimmt oder die uͤbrigen betaſtet, andere laſſen aber hierauf auch zuweilen das Neſt liegen; am wenigſten eigenſinnig findet man in dieſem Falle diejenigen, welche in der Naͤhe menſchlicher Wohnun⸗ gen, an gangbaren Wegen u. ſ. w. niſten. Die Jungen ſind, ſo⸗ bald ſie ſich fuͤhlen lernen, ziemlich ſcheu und verlaſſen das Neſt, auch ohne beſondere Stoͤhreng, ſehr bald, figen dann auf einem hori⸗ zontalen Zweige alle nahe beiſammen und wedeln ſchon mit den Schwaͤnzen, wenn dieſe gleich kaum die Haͤlfte ihrer Laͤnge erreicht haben, und ſie eben erſt ausgeflogen ſind. Sie werden mit kleinem Gewürm, mit Fliegen und andern Inſekten aufgefuͤttert, und die Alten ſind ſo beſorgt um ſie, daß jene in den erſten Tagen nach dem Ausfliegen dieſer, faſt nicht ruhig werden, ihr Fuͤid tick tick tick, ticktickticktick, unter beſtaͤndigen Hin⸗ und Herfliegen, un⸗ ter zahlloſen Buͤcklingen und mit ſtetem Schuͤtteln des Schwanzes, wenn ſie ſich ſetzen, ausrufen und ſo, ohne ihren Willen, ne Feinde die Sungen verrathen. Sobald die letztern felbft Inſekten fangen lernen, machen die Alten zu einem zweiten Gehecke Anſtalt; doch niſten ſie niemals zwei⸗ mal in einem Jahr in dieſelbe Hoͤhle. Sie ſuchen allemal eine neue, meiſtens in der Naͤhe der erſtern dazu auf, aber im kommenden Jahr niſten ſie haͤufig wieder in eine von dieſen, ſo daß es Baum⸗ hoͤhlen giebt, in welchen fie, wenn dieſe nicht früher von andern Voͤgeln in Beſitz genommen wurden, alle Jahr bruͤten. Zwei Bru⸗ ten machen ſie alljaͤhrlich immer, und wurden ihnen vielleicht fruͤh genug bei der erſten die Eier geraubt, ſo bauen ſie wol drei Neſter, III. Ordn. XV. Gatt. 84. Garten: Röthling. 528 aber es wird dann ſelten aus der letzten Brut etwas, 1 es auch nur hoͤchſt ſelten vorkoͤmmt. Der Kuckuk legt zuweilen ſein Ei in das Neſt dieſer Voͤgel; biefer Fall muß aber ſelten ſein, weil er meinem Vater und mir noch nie vorgekommen iſt. Feinde. In dem Gefieder leben kleine Schmarotzerinſekten, 9 in den Eingeweiden ein Echinorhynchus n. sp. nebſt dem in mehreren 1 vorkommenden breitföpfigen Bandwurm. Die alten Vögel werden manchmal vom Sperber gefangen, ib ihre Brut iſt der Zerſtoͤhrung durch Katzen, Marder, Wie- ſeln, Ratten und Maͤuſe öfters ausgeſetzt. Weil fie in der Naͤhe menſchlicher Wohnorte ſo oft bruͤten, wird ihnen auch ihr Neſt haͤufig von loſen Buben zu Grunde gerichtet. Holzheher und Elſtern fangen die J Jungen „ehe fie 10 67 recht 1 wer⸗ den, oft webe 8 a g d. So lange ſie durch oͤftere Nachſtellungen nicht zu wild gemacht ſind, ſind ſie noch ziemlich leicht mit Schießgewehr zu erlegen; nicht ſo mit dem Blasrohr, weil ſie doch im Ganzen ſehr miß— trauiſch ſind; ſelbſt die ſchon etwas fluͤchtig gewordenen Jungen ſind mit dieſem nicht leicht zu erlegen. Im Fruͤhjahr kann man fie leicht in einer Netzfalle, die auf der Erde mit lebendigen Mehlwuͤrmern aufgeſtellt wird, be: ruͤcken, und im Herbſt fangen ſie ſich ſehr gern in Sprenkeln oder Dohnen mit vorgehaͤngten Johannis- oder Holunderbeeren; ſelbſt, doch aber mehr zufaͤllig, werden ſie auch in den mit Ebreſchbeeren behaͤngten Dohnen zuweilen gefangen. Auch auf den Traͤnkheerd gehen ſie oft. In den mit hohen Bohnen, Saamenruͤben u. dergl. beflanzten Beeten, in den Gaͤrten oder in der Naͤhe von Gebuͤſch, faͤngt man ſie auch einzeln in hingehaͤngten Sprenkeln. Nutzen. Ihr Fleiſch iſt eine angenehme und wohlſchmeckende Speiſe. Da fie im Herbſt meiſtentheils ſehr fett find, fo benutzt man die zufaͤllig gefangenen ſehr gern dazu, ob wol man ſie eigentlich des⸗ halb nicht faͤngt, oder ihnen deswegen, wenigſtens in den meiſten Gegenden Deutſchlands, nicht beſonders nachſtellt, was aber 524 III. Orb XV. Gatt. 84. Garten⸗Roͤthling. in Italien und 8 ſiüdlichen Ländern. aa dem Harbſtzuge mehr geſchehen ſoll. Sie nuͤtzen uͤbrigens durch Wegfangen vieler beſchwerlichen und ſchaͤdlichen Inſekten, weshalb ſie auch in den Wohnſtuben der Landleute zum Wegfangen der laͤſtigen Fliegen gern gehalten wer⸗ den. Das Männchen erfreuet uns durch feinen anmuthigen Ges ſang und hilft dadurch bie Reize des Frühlings erhöhen. Schaden. Sie thun 9 denn wenn man fie au des e beſchuldigt, ſo hat man gewiß Unrecht, indem man wahrſcheinlich Drohnen fuͤr Arbeitsbienen angeſehen hat, und ich es fuͤr un⸗ moͤglich halte, daß ein ſo kleiner Vogel eine ganze Biene mit dem Stachel verſchlucken kann, ohne ſich den empfindlichſten Schaden durch den Stich des herausgedruͤckten Stachels, welcher noch bei der todten Biene heftig verwundet, zuzufuͤgen, welches ſogar den Tod unausijeiblig zur a haben würde. 525 85. 6 De Haus- Nöth lin 170 1 tithys. Lath N Fig. 3. Maͤnnchen. > W Taf. 79. 10 — 4. Weibchen. N * „Hanstötele, Röthling, Stadtroͤthling „Stadt- oder Haus: ea Nachtrothſchwanz, Hausrothſchwaͤnzchen, Stadtroth⸗ ſchwaͤnzchen, Wald- und Steinrothſchwaͤnzchen, Waldrothſchweif, Rothſchwanz, blauer Rothſchwanz, ſchwarzer Rothſchwanz; Roth: ſchwaͤnzchen, Rothſterz, Rothſtiert, Rothzahl, Rothzagel, Rotz⸗ zagels Sommerrottele; (Schwarzkehlchen, Gartenſchwarzkehlchen), Schwarzbruͤſtchen, ſchwarzbaͤuchiger Saͤnger, ſchwarzbauchiger Steinſchmaͤtzer, — Wiſtling, Huͤting, Saulocker, (Saulecker), und in hieſiger Gegend: Schwarzer, Haus-, oder Pechrothſchwanz: Sylvia Tithys. Lath. ind. orn. II. p. 512. n. 16. == Scopoli ann. I. p. 157. n. 233. — Nilsson orn. suec. I. p. 215. n. 102. Sylvia gibral- tariensis et atrata. Lath. ind. I. c. p. 513. n. 17 et p. 514. n. 21. Motaeilla atrata et M. gibraltariensis. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 988. n. 162 et p. 987. n. 160. — (ielleicht gehoͤrt hieher auch Mot. phönicurus var. 8 Gmel. Linn. syst. I. c. p. 987. n. 34. — Eben ſo ſchwer läßt ſich beſtimmen, ob Mot. Tühys und M. Erithacus, in Retzii Faun. suec. p. 262. n. 246 u. 247. hierher oder zur vorhergehenden Art gehören.) — Le Rouge Queue. Buff. ‚Ois. V. p. 180. „Gerard. Tab. élem. I. p. 285 et 286. — Bee - fin rouge queue. Temm, man, nouv. edit. p. 218. — Grey Redstart and Black Redtail. Lath.syn.1I. 2. p. 423. n. 12. und p. 426. n. 16.— Ueberf. v. Bechſtein, IV. S. 424. n. 12. und S. 426. U. 16. — Bechſtein, Naturgeſch. Deutſchl. III. S. 597. — Deſſen orn. Taſchenb. I. ©. 179. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. I. S. 241. — Meisner und Schinz, V. d. Schweitz, S. 116. n. 121. — Meyer, Voͤg. Liv⸗ u. Eſthlands. S. 119. — Koch, Baier. Zool. I. S. 186. n. 108. (Saxicola Tithys ). Naumanns Voͤgel, alte Ausg. I. S. 179. Taf. 37. Fig. 82 u. 83. Kennzeichen der Art. | Schwanz gelblich roſtroth mit zwei dunkelbraunen Mittelfe⸗ dern; die dunkelbraunen Fluͤgelfedern mit aſchgrauen oder weißli⸗ chen Saͤumen. Die zweite Schwingfeder iſt 4 Zoll fürger als die dritte und von gleicher Laͤnge mit der fiebenten. 2 526 III. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus-Röthling. Maͤnnchen: Kehle und Bruſt ſchwarz. Weibchen: Schmutzig aſchgrau, an der Bruſt etwas lichter e Beſchrei bung. Man hat ſehr oft dieſen Vogel mit dem vorher beſchriebenen verwechſelt, zumal die Weibchen und Jungen, was auch nicht zu verwundern war, da es an Verwirrungen der Geſchichte beider Ar⸗ ten in naturhiſtoriſchen Werken nicht fehlte. Seit Bechſtein, iſt dies nun nicht mehr geſchehen, und ich hoffe durch genaue Beſchrei⸗ bungen, ſowol was ihre Sitten und Lebensart, als auch die Ver⸗ ſchiedenheit der Kleider nach Alter, Geſchlecht und Jahreszeit bei beiden Arten betrifft, dieſe ſo darzuſtellen, daß man ſie leicht ken⸗ nen und unterſcheiden lernen ſoll. Das Weibchen unſeres Vogels ſieht uͤbrigens ſtets viel dunkler aus, als das mehr ins micht fallende der vorherbeſchriebenen Art. ; Der Hausroͤthling iſt ein wenig größer als der Gart enroͤth⸗ ling, doch erreicht er die Groͤße des Rothkehlchens nicht. Er ift 6 bis 64 Zoll lang und 10 Zoll, auch wol 104 Zoll breit; der ziemlich gerade Schwanz mißt 25 Zoll, und die Fluͤgelſpitzen decken ihn bis auf 1 Zoll. Die erſte Schwingfeder iſt ſehr kurz und ſchmal; die zweite faſt 4 Zoll kuͤrzer als die dritte; dieſe 1 Linie kuͤr⸗ zer als die vierte, welche mit der fuͤnften von gleicher Laͤnge und zugleich die laͤngſte iſt; die zweite iſt demnach gleich lang mit der ſiebenten. An Geſtalt aͤhnelt er uͤbrigens dem Gartenroͤth⸗ ling ganz. Der duͤnne, pfriemenfoͤrmig ſpitze Schnabel iſt hinten etwas breit, nach vorn etwas zuſammengedruͤckt, oder vielmehr die Schnei⸗ den merklich eingezogen, vor der Spitze des Oberſchnabels, die ſich etwas abwaͤrts biegt, wenig oder nicht gekerbt, uͤber 5 Linien lang, an der Wurzel faſt 2 Linien breit, aber nur 15 Linie hoch. Von Farbe iſt er ſchwarz, die Mundwinkel, uͤber welchen ſich ſtarre Bor⸗ ſten befinden, nebſt dem Rachen gelb. Die Naſenoͤffnung iſt oval, wie gewoͤhnlich von oben halb bedeckt, auf welcher Decke hinterwaͤrts die Stirnfedern anfangen. Die Iris der ziemlich großen Augen iſt dunkelbraun. Die mittelmaͤßig hohen Fuͤße ſind ſchlank, die Zehen duͤnn, mit ſchwaͤchlichen, ſehr zuſammengedruͤckten, maͤßig gebogenen, na⸗ delſpitzigen Nägeln verſehen. Die Fußbedeckung iſt an den Laufen meiſt geſtiefelt, nur auf den Zehenruͤcken eingekerbt; die Farbe der Fuͤße und Krallen ſchwarz. Der Lauf iſt ziemlich 1 Zoll hoch, die III. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus⸗Roͤthling. 527 Mittelzeh mit dem Nagel 7 Linien lang, und die Hinterzeh mit der Kralle 5 Linien, ohne dieſe aber nur 3 Linien lang. Am alten Maͤnnchen ſind im Fruͤhlinge die Stirn, die Zügel, Wangen, Kehle, Halsſeiten, Gurgel und Kropfgegend bis auf die halbe Oberbruſt tief ſchwarz, nach der Unterbruſt zu mit aſchgrauen Federſaͤumchen; Unterbruſt und Bauch aſchgrau, in der Mitte weißgrau; Scheitel, Nacken, Schultern und Rüden tief blaͤulich aſchgrau, am Vordertheil des Oberkopfs, gleich hinter der ſchwarzen Stirn und am Unterruͤcken, am lichteſten, am Oberruͤcken und an den Schultern aber mit durchſchimmerndem Schwarz. Die Fluͤgeldeckfedern ſind ſchwarz, die kleinen mit aſchgrauen Saͤumen, ſeltner die großen; die zweite und dritte Ordnung Schwungfedern braunſchwarz mit weißen Kanten, welche beſonders an der Seite der aͤußern Fahne und nach der Wurzel zu ſehr breit ſind und auf dem zuſammengefalteten Fluͤgel ein weißes Feld bilden; die großen Schwingen ſchwarzbraun mit ſchmalen weißen Sunhen die ſich nach den lichtern Spitzen zu verlieren. Die untere Seite des Fluͤ⸗ gels hat weiße mit Aſchgrau gemiſchte Deckfedern, und die Schwin= gen ſind von unten glaͤnzend braungrau. Der ſogenannte Steiß oder Buͤrzel, die obern Schwanzdeckfedern und der Schwanz ſelbſt ſind lebhaft gelblich roſtroth, bis auf die zwei Mittelfedern, welche dunkelbraun ſind und nur roſtfarbige Saͤumchen haben. Zuweilen haben noch einige rothe Schwanzfedern an der Spitze nahe am Schafte einen dunkelbraunen Strich. Von der untern Seite iſt der Schwanz bleicher wie oben; die After- und untern Schwanzdeckfe⸗ dern ſind licht roſtroth mit roſtgelber Miſchung; die Schenken ſchwarz und grau geſchuppt. Wenn ein ſolches Maͤnnchen, wie das eben beſchriebene, bis in den Sommer geflogen hat, ſo wird es noch ſchwaͤrzer; dann ſind die aſchgrauen Federraͤnder abgeſtoßen und verſchwunden, das Schwarz an dem Obertheil der Schultern und am Oberruͤcken, was von den grauen Federraͤndern verdeckt war, koͤmmt zum Vorſchein; allein auf dem Vorderkopfe wird ein hellaſchgrauer Grund ſichtbar, und fo iſt es denn die Motacilla atrata der Autoren. Im ſuͤdlichen Europa ſind uͤberhaupt dieſe Voͤgel ſchwaͤrzer, weil ſich in warmen Ländern das Vogelgefieder weit mehr abreibt als in kalten. Ein im noͤrdlichen Deutſchland im Juli geſchoſſenes altes Maͤnnchen wird nie ein ſo abgeriebenes Kleid haben, als ein gleich altes in der⸗ ſelben Jahreszeit im ſuͤdlichen Italien erlegtes, ap 8 85 wird daher viel ſchwaͤrzer aus ſehen als jenes. : 528 III. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus⸗Röthling. Juͤngere Maͤnnchen ſind viel mehr aſchgrau, weil die ſchwarzen Theile viel breitere aſchgraue Federraͤnder haben, und das Schwarze auch nicht ſo dunkel iſt; die weißen Kanten auf den hin⸗ tern Schwingen ſind viel ſchmaͤler, und die roſtrothen Schwanzfe⸗ dern haben (von der mittelſten an bis zur dritten und vierten) mei⸗ ſtens ein dunkelbraunes Fleckchen an der Spitze; doch ſcheint dies keine beſtimmte Regel zu haben, da bald dieſes bald jenes Paar, ſelbſt die aͤußerſten nicht ausgenommen, ein ſolches Schmitzchen FR e hat. Im Herbſte nach der Mauſer ſieht das alte Maͤnnchen dem Weibchen ſehr aͤhnlich, weil die breiten aſchgrauen Federraͤnder faſt alles Schwarz verdecken; das Grau iſt indeſſen merklich dunkler und blaͤulicher, und das weiße Fluͤgelſchild ein beſtimmtes Kennzeichen fuͤr den alten maͤnnlichen Vogel; aber auch beim jungen Maͤnnchen iſt dieſe Stelle viel lichter als am Weibchen in dieſem Kleide. Das Weibchen hat ein ſehr einfoͤrmiges, duͤſteres Gewand, es ſieht in einiger Entfernung faſt ganz rauchfahl aus und iſt da⸗ her ſelbſt vom juͤngern Maͤnnchen im Herbſtkleide leicht zu unter⸗ ſcheiden. Ein duͤſteres, ſchmutziges Aſchgrau bekleidet die obern Theile, die untern ein etwas lichteres ins Roͤthliche fallendes Aſch⸗ grau, was auf den Wangen zuweilen braun uͤberlaufen iſt und nach dem Bauch zu in Weißgrau uͤbergeht, auch uͤbrigens der lichtern Federraͤnder wegen wie gewaͤſſert ausſieht; der After roͤthlich weiß, und die untern Schwanzdeckfedern ſehr bleich gelblich roſtfarben. Alle großen Fluͤgeldeckfedern ſind matt dunkelbraun mit braͤunlich⸗ weißgrauen oder lichtaſchgrauen Saͤumen; Steiß und Schwanz wie am Maͤnnchen, aber viel bleicher, und von den roſtfarbenen Schwanz⸗ federn haben mehrere vor ihrem Ende einen dunkelbraunen Laͤngs⸗ ſtrich; die Fuͤße fallen mehr ins Braune, und die Schnabelwurzel iſt auch etwas lichter. Im Herbſte iſt das ganze Geſieder etwas dunkler, und die Raͤnder der Federn an den obern Theilen, wie an den hintern Schwingfedern, fallen etwas ins Braͤunliche, doch lange nicht fo ſtark wie beim Weibchen des Gartenroͤthlings. Die Jungen im Neſtgefieder unterſcheiden ſich noch mehr von den Jungen des letztgenannten Vogels durch ihr duͤſteres ſchiefergraues oder dunkelaſchgraues Gewand, und durch die weniger auffallenden Schaftflecke. Sie ſind faſt ganz roͤthlich aſchgrau, oben ſehr dunkel, von unten viel heller, die lichter grauen Schaftflecke ſte⸗ chen wenig vom Grunde ab und geben dem Ganzen ein mehr gewoͤlk⸗ tes oder gewaͤſſertes, als geflecktes Anſehen, was in einiger Entfernung III. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus⸗Roͤthling. 529 kaum auffaͤllt; am ſcheckigſten iſt noch der Kopf und Vorderhals. Fluͤgel und Schwanz ſind wie am erſten Herbſtkleide, und die Maͤnnchen ſind aͤußerlich kaum von den Weibchen zu unterſchei⸗ den, wenn man beide gegeneinander haͤlt, wo dann letzteres etwas heller als erſteres ausſieht. Eigentliche Spielarten find mir nicht bekannt; denn Die- jenigen, welche man als ſolche beſchrieben findet, ſind bloße Alters⸗ oder Geſchlechtsverſchiedenheiten, die bald zu dieſer, bald zur vor⸗ hergehenden Art, bald gar zum Blaukehlchen gehoͤren. Dieſe Voͤgel mauſern Ende Auguſts und Anfang Septem⸗ bers. a | en Aufenthalt. Der Hausroͤthling iſt ziemlich eben fo weit verbreitet wie der Gartenroͤthling, doch ſcheint er nicht ganz fo hoch nach Nor⸗ den hinaufzugehen; denn man ſagt, daß er ſchon im mittleren Schweden eine Seltenheit ſein ſoll. Er bewohnt alſo mehr das mittlere und ſuͤdliche Europa und auch das noͤrdliche Aſien. Außer dem Norden giebt es uͤbrigens auch in Europa noch manches Land, in welchem er nur ſelten angetroffen wird, wie z. B. in Holland, andere, wo er wieder ſehr gemein iſt, wie in der Schweitz. In Deutſchland iſt er auch in manchen Gegenden felten, in andern gemein, in manchen wieder gar nicht, aber im Ganzen doch nicht ſelten zu nennen, weil er nur auf kleinen Stre⸗ cken gar nicht vorkoͤmmt. In allen unſern Gebirgsprovinzen und bergigen Gegenden iſt er gemein, weniger in ebenen, in ſumpfigen noch ſeltner und meiſtens nur auf dem Durchzuge. Selbſt in den Ebenen ſucht er ſich bloß die hoͤher liegenden Ortſchaften auf, iſt aber hier doch nie fo haufig als der Gartenroͤthling. Er iſt ebenfalls ein Zugvogel, welcher bei Nachtzeit ſeine Wanderungen, im Fruͤhjahr einzeln, im Herbſt familienweis macht, dabei ſchon fruͤh im Jahr erſcheint und uns auch ſpaͤt erſt wieder verlaͤßt, in einigen Gegenden ſogar einzeln uͤberwintert, beſonders da, wo im Gebirge auch im Winter offene Gewaͤſſer ſich befinden. Im ſuͤdlichen Deutſchland koͤmmt er meiſtens ſchon fruͤh im Maͤrz, hier im noͤrdlichen aber nicht leicht vor der Mitte dieſes Monats, öfters auch erſt in der zweiten Hälfte deſſelben an; fein Wegzug be ginnt ſchon im September, dauert durch den October, ſo daß die letzten bei guter Witterung ſelbſt bis Anfang Novembers ziehen, zter Theil. 34 530 III. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus ⸗Röͤthling. und einzelne wol gar noch um die Mitte dieſes Monats geſehen wer⸗ den. Schon im mittleren Deutſchland uͤberwintert hier und da einmal ein einzelner Vogel dieſer Art, und in der Schweitz wird dies eben nicht unter die großen Seltenheiten gezaͤhlt, vornehmlich in ſolchen tiefen Thaͤlern, worin es Baͤche, Graͤben u. dergl. giebt, die im Winter nicht zufrieren. Der Hausroͤthling iſt eigentlich kein Waldvogel, ſondern vielmehr ein Gebirgsvogel, denn in felſigen Gegenden trifft man ihn am haͤufigſten, ſowol in den Thaͤlern als auf hohen Bergen, auf den Alpen ſelbſt uͤber der Region des Holzwuchſes bis zur Grenze des ewigen Schnees. Hier bewohnt er die hohen Felſen und Klip⸗ pen, ſelbſt hohe Steinhaufen und Felſenbloͤcke; in bergigen Ge⸗ genden die kahlen, ſteinigen Berge, die Steinwaͤnde und rauhen Abhaͤnge, ſelbſt in waldigen Gegenden die ſchroffen Felſenwaͤnde und Klippen, da er doch ſonſt nie im Walde angetroffen wird, we⸗ nigſtens nicht in großen Waͤldern ebner Gegenden. Es iſt hier ſchon eine ſeltne Erſcheinung, dieſen Vogel einmal am Rande eines kleinen Feldholzes anzutreffen, vielweniger im Walde ſelbſt. In die Na⸗ delwaͤlder geht er niemals; allein nicht nur da, wo es gar keine Fel⸗ ſen und Gebirge giebt, wie in den meiſten Provinzen des noͤrdlichen Deutſchlands, ſondern ſelbſt im Gebirge, ſucht er zu ſeinem Auf⸗ halt Doͤrfer und Staͤdte auf. Er iſt uͤberall, wo Gebaͤude ſind, bis in die hoͤchſten Alpen hinauf gemein, in großen Ebenen aber nur in den Städten und in ſolchen Dörfern, welche an ſich eine etwas hoͤ⸗ here Lage oder wenigſtens hoͤhere Gebaͤude als andere haben. Hier bewohnt er allemal die Gebaͤude, Thuͤrme, Kirchen, Schloͤſſer und alte hohe Ruinen, ſo daß im mittleren Deutſchland man im Som⸗ mer ſelten durch ein Dorf koͤmmt, wo man nicht den Geſang des Maͤnnchens vom Kirchthurm oder dem Giebel eines hohen Gebaͤudes herab hoͤrte. Auch in ſolchen Doͤrfern, welche im ebenen Walde, ſelbſt im Nadelwalde, und ganz von dieſem umgeben liegen, ſieht und hoͤrt man ihn. Wenn es in tiefliegenden und ſumpfigen Orten keine hohen Gebaͤude giebt, iſt er nicht da; ſo wird er z. B. in den Marſchlaͤndern ſehr ſelten, und in den kahlen Kuͤſtenlaͤndern des noͤrdlichen Deutſchlands faſt nie angetroffen, wenigſtens außer der Zugzeit nicht. — In großen Doͤrfern wohnt er lieber als in kleinen, und in den groͤßten volkreichſten Staͤdten iſt er gemein. Man ſieht ihn im Fruͤhling und Sommer ſelten anderswo, als auf den Dächern der Gebaͤude, auf den Giebeln und Dachfir⸗ ſten, auf Schornſteinen, Windfahnen und Thurmſpitzen, im Ge⸗ III. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus⸗Roͤthling. 331 birge aber auf Felſenruͤcken und hohen Steinſpitzen, kurz, immer an erhabenen Orten; nur ſelten koͤmmt er dann in Gärten, Höfen u. |. w. auf die Erde herab und verweilt hier nie lange. Viel häufiger geſchieht dies im Herbſt, wo er die Holunderbuͤſche in den Gaͤrten und die friſchgegrabenen Beete oft beſucht, auch gern zwiſchen den Kuͤchengewaͤchſen daſelbſt verweilt, ſelbſt die Kohlaͤcker bei den Doͤr— fern aufſucht und anſcheinlich hier ſo gern iſt, daß man ihn oft ſo⸗ gar in ſolchen antrifft, die im freien Felde und zuweilen ziemlich weit von Staͤdten und Doͤrfern entfernt liegen. — Auf Baͤumen haͤlt er ſich in jeder Jahreszeit hoͤchſt ungern auf, man ſieht ihn da— her nur aͤußerſt ſelten auf ſolchen, die nahe an den Gebaͤuden ſtehen, und dann niemals in den dichten Zweigen, ſondern ſtets auf freien Aeſten, wo man ihn immer von weiten ſchon gewahr wird. Seine Nachtruhe haͤlt er nicht in Baumhoͤhlen, ſondern in Loͤchern und Ritzen von Felſen und Mauern, hinter den Dachſparren oder auf einem Balkenkopf unter der Dachtraufe und auf den Boͤden der en und andrer hohen Gebaͤude. 3 Eigenſchaften. Dies iſt ein hoͤchſt unruhiger, fluͤchtiger und ſcheuer Vogel, der, ſo nahe er auch um den Menſchen wohnt, doch ſo mißtrauiſch iſt, daß er ſchnell entflieht, wenn man ſich ihm naͤhert, zumal wenn er ſich einmal aus feinem hohen Aufenthalte dem Erdboden genaͤ⸗ hert hat; denn in der Hoͤhe glaubt er ſich ſichrer, und wenn er auf ſeiner Thurmfahne oder hohen Schornſteine ſitzt, ſo ſcheint er gar nicht auf das Treiben und Laͤrmen der Menſchen unter ſich zu achten. In allen ſeinen Bewegungen iſt er hurtig und gewandt, er huͤpft und fliegt mit Leichtigkeit und Schnelle, neckt und jagt ſich immer mit ſeines Gleichen, verfolgt andere ihm nahe kommende Voͤgel und ſucht ſie mit Beißen zu vertreiben. Selbſt mit ſeinen eignen Jungen und dieſe mit ihren Aeltern, ſieht man gegen den Herbſt auf den Daͤchern u. ſ. w. ſich herumjagen und necken, wo⸗ bei man ihre Gewandtheit im Fluge bewundern muß. Sigend oder ’ huͤpfend biegt er die Ferſengelenke nur wenig und trägt dazu die 1 Bruſt und den ganzen Vorderkoͤrper erhaben, ſchuͤttelt dabei in kur⸗ zen Zwiſchenraͤumen den Schwanz, und wenn er etwas Auffallen⸗ des erblickt, fo macht er dazu ſchnelle Buͤcklinge. Dies alles giebt ihm ein keckes Anſehen. Auf ebnem Boden huͤpft er in großen Spruͤngen ruckweis oder mit kurzen Unterbrechungen, bei welchen er dann jedesmal den Schwanz ſchuͤttelt. Dieſe ſchuͤttelnde oder 532 Ul. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus: Röthling. zitternde Bewegung des Schwanzes wird noch heftiger und die Buͤcklinge haͤufiger, wenn ſich ein Feind ihm naͤhert, wobei er auch ſeine Stimme ohne Unterlaß hoͤren laͤßt. Sein Flug iſt faſt huͤpfend oder ſchußweis ſchnurrend, auf weite Strecken aber eine ſehr unre⸗ gelmaͤßige, aus groͤßern und kleinern Boͤgen beſtehende Schlan⸗ genlinie. Er weiß ſich meiſterhaft zu uͤberpurzeln, zu ſchwenken, mit Schnelligkeit aus der Hoͤhe herab zu ſtuͤrzen und ſchnurrend wieder hinauf zu ſchwingen. f Sein Betragen iſt darin von dem des Gartenroͤthlings verſchieden, daß er ſich ſtets wilder, ſchneller, kraͤftiger und zaͤnki⸗ ſcher zeigt, und daß er den Aufenthalt auf Baͤumen oder im Gebuͤſch zu vermeiden ſucht; denn er ſetzt ſich nur ungern auf einen freien Zweig und ſucht ſich niemals im dichten Gebuͤſch zu verſtecken. Er geht in der Jahreszeit, wo jener das letztere aufſucht, lieber in die Kohlſtuͤcken und in Beete von aͤhnlichen Pflanzen; mitten im Walde ſieht man ihn gar nicht. Er weicht uͤberhaupt in ſeiner Lebensart merklich ab und aͤhnelt darin, noch mehr wie jener, den Ste in⸗ ſchmaͤtzern. — So ahnlich wieder Stimme und Geſang beider Roͤthlinge einander find, fo iſt doch ein ſtandhafter Unterſchied zwi⸗ ſchen beiden hoͤchſt auffallend; denn wenn der Gartenroͤthling fuid tick tick ruft, fo klingt die Lockſtimme des Hausroͤth— lings wie fid teck teck. Der Ton in der erſten Sylbe iſt auch viel hoͤher und ſchneidender. Das Fid klingt oft auch beinahe wie wiſt (daher vermuthlich der Nahme: Wiſtling), und wird zu⸗ weilen mehrmals ſchnell hintereinander ausgerufen, ehe das ſchnal⸗ zende Teck angehängt wird, wie fid, fid, fid, fid, teck teck; im Affect auch oͤfters das letztere ſchnell nach einander, ohne das pfeifende Fid, ja im Zorn wird die Sylbe teck fo ſchnell wieder: holt, daß daraus beinahe ein Schnarren entſteht, was faſt wie taͤdaͤdaͤdaͤdaͤdaͤ (ſehr ſchnell ausgeſprochen) klingt. Sie ſchreien überhaupt viel, zumal wenn fie Junge haben. — Auch der Ge: ſang hat Aehnlichkeit mit dem des Gartenroͤthlings, beſteht, wie dieſer, in zwei oder drei Strophen, die im aͤhnlichen Tempo vor⸗ getragen werden, ſelbſt die Melodie hat einige entfernte Aehnlich⸗ keit; allein die Toͤne ſind lange nicht ſo angenehm, gar nicht floͤten⸗ artig, vielmehr theils pfeifend oder ſchneidend, theils kreiſchend und kraͤchzend, und die mittlere Strophe hat ſo wunderbar gepreßte Toͤne, daß es klingt, als wolle der Vogel vomiren. Die Anfangs⸗ ſtrophe klingt wie Zia zißißißißiß und aͤhnelt dem Wiehern der vorhergehenden Art. — Das Maͤnnchen iſt einer unſerer fleißig⸗ III. Or dn. XV. Gatt. 85. Haus⸗Roͤthling. 333 ſten Saͤnger, indem es nicht allein zu ſingen anfaͤngt, ſobald es im Fruͤhjahr zu uns koͤmmt, und bis in den October damit fortfaͤhrt, was nur ſehr wenig Singvoͤgel thun, ſondern auch von fruͤh an bis in die Abenddaͤmmerung hinein ſo eifrig ſingt, daß man ſich wun⸗ dern muß, wo es ſo viel Zeit darauf verwenden kann, ohne Hun⸗ ger dabei zu leiden. Es faͤngt freilich oft waͤhrend des Singens Inſekten, doch koͤnnen dieſe allein zu feiner Erhaltung nicht hinrei⸗ chend ſein. So anhaltend ſingt es indeſſen nur anfaͤnglich; wenn es erſt bruͤten hilft, hoͤrt man es in den Mittagsſtunden nicht; es ſingt uͤberhaupt des Morgens und Abends am meiſten, zumal am fruͤhen Morgen; denn ehe ſich noch ein Strahl der Daͤmmerung am Horizonte zeigt, ſitzt es ſchon auf ſeinem Schornſtein, Dach— giebel, auf der Thurmſpitze oder ſeinem ſonſtigen Lieblingsplaͤtzchen, was ſtets eins der hoͤchſten in feinem Revier iſt, und ſingt ununter= brochen auf derſelben Stelle, bis der Tag voͤllig angebrochen iſt. Es hat ſeine Lieblingsplaͤtze, an welchen es immer ſitzt und ſingt, auf welchen es, wenn es ſich gleich einmal wegbegeben hat, doch bald wieder erſcheint. Dieſes ſind immer die hoͤchſten Punkte im Bezirk feines Aufenthalts, welcher nicht gar groß iſt, und ſehr fel- ten hoͤrt man es anderswo, als auf dieſen, z. B. unten auf einem Dache ſingen; denn wenn es ſeiner Nahrung wegen ſich einmal in den untern Regionen, auf niedrigen Daͤchern u. ſ. w. herumtreibt, und dies uͤberdruͤſſig iſt, oder hier geſtoͤhrt wird, fo fliegt es mehren⸗ theils gleich wieder auf ſeinen erhabenen Lieblingsplatz und faͤngt ſogleich an zu ſingen. Im Spaͤtſommer und Herbſt, beſonders in der Mauſerzeit, ſingt es aber bei weiten ſeltner und weniger an⸗ haltend. — Diejenigen, welche man im Herbſt oft ſo ſtuͤmperhaft ſingen hoͤrt, ſind immer junge Voͤgel vom erſten Gehecke, die jetzt noch in einiger Entfernung dem alten Weibchen ſehr aͤhnlich ſehen, daher von Unkundigen leicht für Weibchen gehalten werden koͤnnen; auch im kuͤnftigen Fruͤhling, wo ſie auch nicht ſo ſchwarz als die Alten ſind, koͤnnte eine Verwechslung noch ſtatt finden. Indeſſen wird denn doch verſichert, daß auch zuweilen die alten Weibchen etwas ſingen ſollen. — Uebrigens gehoͤrt der wunderbare Geſang dieſes fleißigen Saͤngers keineswegs unter die guten Vogelgeſaͤnge, obwol es in den Fruͤhlingsſtunden, wenn noch das übrige Geflügel in Dörfern und Staͤdten der naͤchtlichen Ruhe pflegt, recht ange⸗ nehm iſt, wenn das muntere Voͤgelchen ſchon ſein Liedchen von einer Dachfirſte, Windfahne, Kirchthurme u. ſ. w. herab girlt, gleichſam wie wenn es damit die muͤden Schlaͤfer wecken und ſie 534 UI. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus: Röthling. zum beginnenden Tagwerk ermuntern wollte. Der Landmann hört ihn deswegen ungemein gern. Die Zaͤhmung gelingt bei dieſem wilden und unſtaͤten Vogel, ſelbſt wenn man ihn jung aufzog, nur ſelten. Alt gefangene be⸗ ſchaͤdigen ſich bald durch ungeflümes Flattern, oder zerſtoßen ſich, im Kaͤfig, wie in der Stube, in kurzer Zeit den Kopf; und ſucht man ſie ja durch Binden der Fluͤgel und andere Mittel davon abzu⸗ halten, ſo werden ſie doch nie ganz zahm, dauern auch bei der ſorg⸗ ſamſten Pflege ſelten uͤber ein Jahr, und es moͤchte kaum die Muͤhe belohnen, wenn es unter vielen auch einmal mit einem einzelnen gelingen ſollte. i | Nahrung. Hierin weicht er wieder etwas vom Gartenroͤthling ab; denn er lebt, mehr noch als dieſer, von vollkommenen und fliegenden Inſekten, wie von kriechenden und Inſektenlarven, am wenigſten von ſolchen, welche ſich auf dem Erdboden aufhalten. — Nach ein paar warmen Fruͤhlingstagen im Maͤrz, wo er ſich bei uns einfindet, iſt darum ſchon ſeine Exiſtenz geſichert, weil dann an den Giebeln und Waͤnden hoher Gebaͤude, wo dieſe im Wiederſchein liegen, oder an gegen Mittag gelegenen, ſchroffen Felſenwaͤnden, nach einigen warmen Sonnenblicken, eine Menge Fliegen aus ihrem Winter⸗ ſchlafe erwachen und aus den Ritzen hervorkommen, die ihm zur Speiſe dienen. So wie in den Gebirgen nach und nach der Schnee ſchmilzt, ruͤcken dieſe Vögel aus den Thaͤlern, woſelbſt fie zuerſt ankamen oder einzeln gar uͤberwintert hatten, immer hoͤher hin⸗ auf, bis endlich in die hoͤchſten Regionen. Sie kommen aus die⸗ ſem Grunde in jene Hoͤhen viel ſpaͤter, zumal wenn, wie es nicht ſelten geſchieht, wieder ſchlechte Witterung eintritt, wenn fie be reits ein Stuͤck hinauf geruͤckt waren und ſie einſtweilen wieder in die Thaler zuruͤckkehren mußten. So richtet ſich ihre Ankunft nach dem Erſcheinen der Fliegen, von welchen mehrere Arten, die ſich beſonders an hohen Gebaͤuden und Klippen aufhalten, ihre Haupt⸗ nahrung den groͤßten Theil der Zeit, da ſie bei uns ſind, ausma⸗ chen. — Sonſt fangen fie dort auch Spinnen und andere Inſek⸗ ten, auch Inſektenlarven, die auf Böden und unter den Dächern le⸗ ben. Im Fliegenfangen ſind ſie ſo geſchickt wie ſelbſt die Fliegen⸗ faͤnger, und es gewährt eine angenehme Unterhaltung, dieſen ſchnel-⸗ len und muntern Voͤgeln dabei zuzuſehen. In der erſten Haͤlfte des Sommers kommen ſie ſelten darnach aus ihrer Hoͤhe zur Erde 1 III. Orb n. XV. Gatt.⸗86. Haus⸗Röthling. 335 herab, es muͤßte ſie denn gleich Anfangs ein Nachwinter ſo ihrer Nahrungsmittel berauben, daß ſie bei nicht zugefrornen Gewaͤſſern ihr Leben zu friſten ſuchen muͤßten, was auch zuweilen vorkoͤmmt; in⸗ deſſen ſuchen fie dann auch, wenigſtens in ebenen Gegenden, quf den Boͤden hoher Gebaͤude Schutz und Futter, ſo lange ſie noch dort verſteckte Fliegen, Spinnen u. dergl. finden koͤnnen — Wenn ſie Junge haben, ſieht man ſie oͤfterer in den Gaͤrten zwiſchen den Kuͤchengewaͤchſen und auf dem Erdboden nach Speiſe fuͤr dieſe ſu⸗ chen, und ſie fuͤhren ſie, wenn ſie eben ausgeflogen ſind, auch gern dahin, wo man denn meiſtens die ganze Familie beiſammen findet und allerlei kleine Kaͤferchen, Raͤupchen und andere Inſektenlarven, und kriechende Inſekten, z. B. auch Tauſendfuͤße (Julus terrestris), Kellerwuͤrmer u. a. m. nebſt Regenwuͤrmern aufleſen ſieht. Sie ſind im Spaͤtſommer, bis zu ihrer Abreiſe im Herbſt, viel in den Gaͤrten, fluͤchten ſich aber, bei drohender Gefahr, nicht wie andere verwandte Voͤgel, in die Gebuͤſche, ſondern gleich auf die Gartenmauern, Dächer und hohen Gebäude, in unbewohnten Ges birgsgegenden aber in die hohen Klippen. Sie freſſen auch viel Kohlraupen und andere im Kohl vorkommende Inſekten. Beeren achten ſie eben nicht ſehr, freſſen jedoch auch Johannisbeeren und am liebſten rothe und ſchwarze Holunderbeeren, wonach fie die ein— zeln und nahe an den Gebaͤuden ſtehenden Buͤſche derſelben noch am oͤfterſten, dieſe im dichten Gebuͤſch aber nie aufſuchen. Nur wenn Kaͤlte und Froſt die Inſekten verſcheuchen, freſſen ſie Beeren. Im Kaͤfig find ſie nur mit vieler Mühe zu erhalten; ſie laſſen ſich mit Fliegen, Mehlwuͤrmern und Ameiſenpuppen wol zuweilen an das Nachtigallenfutter gewoͤhnen, man muß es ihnen jedoch be⸗ ſtaͤndig auch noch mit jenen würzen, und fie werden demohngeachtet nicht lange dabei dauern. In der Stube frei herumflieg end, verhin⸗ dert ſie ihre Wildheit, irgend ein Nahrungsmittel anzunehmen; ſie ſtoßen ſich vielmehr gewoͤhnlich in den erſten Stunden den Kopf ein. Fortpflanzung. N Im Gebirge niſten dieſe Voͤgel in den hoͤchſten Klippen, in den Loͤchern und Ritzen ſchroffer Felſenwaͤnde, meiſtens in ſehr be⸗ deutender Hoͤhe; auf den hohen Alpen aber auch zuweilen in Stein⸗ haufen. — An bewohnten Orten findet man das Neſt auch mei⸗ ſtentheils fehr hoch von ebner Erde, in den Ruͤſtloͤchern an den Ges baͤuden, in Mauerſpalten und andern engen oder weiten Oeffnun⸗ 536 III. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus⸗Roͤthling. gen, ſehr ſelten aber in ſolchen, welche kaum mannshoch vom Bo⸗ den ſich in Mauern und Waͤnden befinden; doch niſtete auch einmal ein Paͤaͤrchen mehrmals in einem Ruͤſtloche, in der Mauer meiner Hofthuͤr, kaum etwas uͤber Mannshoͤhe, wo noch dazu taͤglich eine Menge Menſchen, faſt alle Bewohner des Doͤrfchens und meine eignen Leute verkehren, und wo es daher beſtaͤndig unruhig iſt, was ſehr mit der Scheue dieſer Voͤgel contraſtirt; ja nachdem das Neſt einigemal von loſen Buben zerflöührt worden war, bezogen dieſe Voͤgel doch im folgenden Jahr dieſelbe Hoͤhle wieder. Dies iſt aber freilich wol ein ſeltner Fall. — Eben ſo haͤufig, als in Loͤchern, findet man das Neſt auch auf Balkenkoͤpfen, oder auf dem Geſimſe unter der Dachtraufe hoher Gebaͤude, auch an hohen Giebeln auf ſolchen Hervorragungen, welche von oben vor dem Wetter etwas geſchuͤtzt find, und am haͤufigſten auf den Böden der Thuͤrme, Schloͤſſer, Kirchen und anderer hohen Gebaͤude, auf einem freien Balken. Man findet es auch wol einmal in der Höhle eines alten Birnbaums dicht an den Gebäuden, aber ſehr ſelten, und fonft niemals in hohlen Baͤumen, wol aber öfters auf den Böden hoher Gartenhaͤuſer. — Enge Hoͤhlen ſind meiſtens ganz mit den Neſt⸗ materialien ausgefuͤllt, aber die auf Balken, Balkenkoͤpfen hinter Dachſparren u. ſ. w. frei daſtehenden Neſter find viel netter gebauet, aus zarten Wuͤrzelchen, duͤrren Pflanzenſtengeln und Haͤlmchen dicht gewebt, dabei von außen ziemlich groß ausſehend, und die inwen⸗ dige napffoͤrmige Aushoͤhlung ſehr weich mit vielen Haaren ausge⸗ polſtert, worunter ſich auch in manchen Neſtern Federn befinden. Nach der Mitte des Aprils findet man meiſtens fuͤnf bis ſechs, felten ſieben, niedliche, zartſchalige, glänzende, hellweiße Eier in eis nem Neſte, von einer gefaͤlligen, an dem einen Ende etwas ſpitzigen Form, welche binnen dreizehn Tagen ausgebruͤtet werden, wobei das Weibchen vom Maͤnnchen um die Mittagszeit auf ein paar Stunden abgeloͤſt wird. Die Jungen füttern beide mit Inſekten und find fehr beſorgt um ſie, gebehrden ſich aͤngſtlich und ſchreien dazu ungemein viel, zumal wenn ſie eben ausgeflogen ſind, bei jeder anſcheinlichen Gefahr. Sucht man ein Junges, von welchen in jedem Gehecke eins mehrentheils viel kleiner als die andern iſt, zu erhaſchen, was oft leicht geht, wenn ſie von den Daͤchern herabpurzeln, denn ſie verlaſſen das Neſt, wenn ſie kaum fliegen koͤnnen, ſo fliegen einem die Alten, beſonders das Weibchen, beinahe an den Kopf. Letz⸗ teres ſitzt auch beim Bruͤten ſehr feſt uͤber den Eiern. — Sobald die Jungen zum Theil ſchon ſelbſt Fliegen fangen lernen, wird III. Ordn. XV. Gatt. 85. Haus-Röthling. 537 Anſtalt zur zweiten Brut gemacht, und noch vor der Mitte des Juni haben alte Voͤgel zum zweiten Male Eier, wovon dann ge⸗ gen Jacobitag die Jungen ſchon ausgeflogen ſind. Dann kommen ſie mit dieſen beſonders in die Gaͤrten, wo viel Grabeland und we— nig Bäume find. Sie ſuchen überhaupt das Futter für die Jungen haͤufig auf dem Erdboden. Wenn ihnen das erſte Neſt mit den „Eiern früh genug zerſtoͤhrt wurde, fo bauen fie wol noch zweimal, weswegen man denn manchmal im Auguſt noch eben ausgeflogene Junge ſieht. Man ſagt auch, daß der Kuckuk dieſen Voͤgeln zuweilen ſein Ei auszubruͤten gebe, was aber wol ſelten ſeyn mag, und in unſern Gegenden, wo ſie meiſtens in Gebaͤuden und an bewohnten Orten niſten, woſelbſt der Kuckuck nicht hinkoͤmmt, kann es wol noch weniger vorfallen. Mir iſt es wenigſtens niemals vorgekommen. Feinde. Die alten Voͤgel ſind viel zu fluͤchtig, als daß ſie ſich von einem Raubvogel erwiſchen ließen, zumal da ihnen, im Falle daß ſie einer verfolgte, an ihren Aufenthaltsorten immer Schlupfwinkel zum Entkommen genug offen ſtehen. Ihre Brut wird aber oͤfters von Eulen, noch mehr aber von Mardern und Katzen zer: ſtoͤhrt; letztere ſtellen beſonders gern den eben ausgeflogenen Jungen nach und fangen manches davon weg. Jagd. Wenn ſie hoch ſitzen, laſſen ſie ſich leicht mit der Flinte ankom⸗ men, weniger wenn ſie ſich gerade unten auf den Daͤchern, in den Gaͤrten oder in den Kohlſtuͤcken aufhalten. Mit dem Blasrohr koͤmmt man den Alten noch viel weniger an, den Jungen aber viel leichter. Im Fruͤhjahr ſind auch jene viel ſcheuer noch als im Herbſt. Fangen kann man ſie in einer Netzfalle mit lebendigen Mehl⸗ wuͤrmern, mit dieſen auch auf Leimruthen locken; aber hoͤchſt ſel⸗ ten nur faͤngt man einmal einen in einem Sprenkel bei vorgehaͤng⸗ ten Holunderbeeren, weil ſie Beeren nicht gern freſſen und ſie nur dann aufſuchen, wenn rauhes Herbſtwetter Inſekten und Wuͤrmer verſcheucht. Nutzen. Ihr Fleiſch iſt, wie das der meiſten kleinen Singvoͤgel, ſehr wohlſchmeckend; doch ſchießt und faͤngt man ſie zum Verſpeiſen 538 III. Ordn. XV. Gattung. nicht, was auch ſehr loͤblich iſt, indem fie eine Menge von belaͤſti⸗ genden und ſchaͤdlichen Inſekten wegfangen, beſonders auf den Ge⸗ traideboͤden dem weißen und ſchwarzen Kornwurme nachſtellen, vorzuͤglich den erſteren zur Speiſe ſehr lieben und durch Aufzehren dieſer verrufenen Geſchoͤpfe ſehr nuͤtzlich werden. — So ſchlecht ihr Geſang auch an ſich iſt, ſo ergoͤtzt er doch in den Fruͤhſtunden, wenn es noch halb und halb Nacht iſt, ungemein und it dem Landmann beſonders ſehr e S ch 9 90 8 e n. Dieſe Voͤgel nuͤtzen uns bloß, ſchaden aber auf keine Weiſe. 539 Bi et e Familie. Laubvögel. Phyllopseustae. Mit mittelmaͤßiger Tarſe der ſehr ſchwaͤchlichen kleinen Fuͤße; duͤnnem, pfriemenfoͤrmigem, lichtgefaͤrbtem Schnabel; geradem oder doch wenig ausgekerbtem Schwanz und gruͤnlicher Hauptfarbe. Ueber das Auge zieht ſich ein lichter Streif hin. Sie tragen ſitzend die Bruſt meiſt erhaben, die etwas langen Flügel über der Schwanzwurzel, huͤpfen flatternd durch die Zweige, an ebener Erde aber hoͤchſt unbehuͤflich, mit niedergebeugter Bruſt. Sie halten ſich ſowol in belaubten Baͤumen, wie im Gebuͤſch auf, leben hier verſteckter wie die Roͤthlinge, doch freier als die - Grasmüden und kommen hoͤchſt ſelten auf die Erde. Ihre Nahrung ſind kleine Blaͤtterinſekten und deren Larven, die ſie theils von den Blaͤttern ableſen, theils im Fluge fangen und darnach ſtets die belaubten Baͤume und Buͤſche durchflattern. Beeren freſſen ſie ſelten, Regenwuͤrmer gar nicht. Sie niſten im Gebuͤſch, meiſtens aber auf der Erde, bauen ſehr kuͤnſtliche oben uͤberwoͤlbte Neſter, mit einem engen Eingange zur Seite, und legen weiße, roͤthlich punktirte Eier; nur Eine Art bauet auf Buͤſche oder niedrige Baͤumchen ein tief napffoͤrmiges Neſt und legt roͤthliche, ſchwaͤrzlich punktirte Eier. Das Neſtgefieder der Jungen iſt ungefleckt und weicht, hinſicht⸗ lich der Farben, von dem der Alten gar nicht ab. In Faͤrbung des Gefieders haben die verſchiedenen Arten dieſer Familie große Aehnlichkeit unter einander. Vier Arten. 540 0 86. Der Garten ⸗Laubvogel. Sylvia hypolais. Lath. Taf. 80. Fig. 1. Maͤnnchen. 1 Großer Laubvogel, gelbbaͤuchiger Laubvogel, gelbbaͤuchiger Saͤnger, gelbbauchiger Rohrſaͤnger, Gelbbruſt, gelbe oder grün- gelbe Grasmuͤcke; Baſtardnachtigall; Saͤnger; großer Geſang⸗ zeiſig; Spötterling, großer Spoͤtterling, Spottvogel, gelber Spottvogel; Haagſpatz; hier zu Lande Tideritchen un Schack⸗ ruthchen. Sylvia Hippolais (Hypolais). Lath. Ind. orn. II. pag. 507. n. 4. — Nilsson Om: suec. I. p. 219. n. 105. = Motaeilla Hippolais. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 954. n.7. == Motacilla salicaria. Retzii Faun. suec. p. 255. 2.237. cum Descriptione Pennantii; Descr. Linnei ad M. salicariam Linn. i. e. ad. S. hortenserı meam pertinet. — Muscipeta Hyppolais. Koch, Bair. Zool. I. S. 170. n. 91. — La Fauvette de roseaux. Buff. Planch. enlum. 381. f. 2. (La Description de Buffon V. p. 142. appartient à la veritable S. arundinacea.) Petite Fauvette a poitrine Jaune. Sonn. Edit. de Buff. Ois. XV. p. 86. — Gérard. tab. elem. I. p. 305. — Le grand Pouillot. Cuvier, Reg. anim. I. p. 369. — Bee-fin a poitrine jaune. Temm. man. d’orn. nouv. Edit. I. p. 222. — The lesser Pettychaps. Lath. syn. II. 2. p. 413. n. 3. Ueberf. von Bechſtein IV. S. 413. n. 3. — Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. ©. 553. Deſſen Taſchenb. I. S. 173. — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 246. = e Shih V. d. Schweiß. S. 119. n. 124. Meyer, V. Liv⸗ und Eſthlands. S. 122. Naumanns Voͤgel, alte Ausg. I. S. 197. Taf. 41. Fig. 91. h 0 ö Kennzeichen der A r t. Von oben gruͤngrau, von unten blaß ſchwefelgelb; die hintern Schwungfedern mit weißgrauen Kanten; die Fuͤße lichtblau. Beſchreibung. Dies iſt der groͤßte unter den einheimiſchen Arten dieſer Fa⸗ milie; er weicht aber auch noch in mancher Hinſicht von den uͤbri igen Laubvögeln ab. Sein ee iſt naͤmlich nach Verhaͤltniß großer III. Ordn. Xv. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. 541 und an der Wurzel viel breiter, feine Füße find auch größer und ſtaͤrker. Dazu bauet er ſein Neſt auf eine ganz andere Weiſe, wes⸗ wegen er denn auch von einigen Schriftſtellern zu den Rohrſaͤn⸗ gern gezaͤhlt wurde; allein blos im Neſtbau und, auf eine entfern⸗ tere Weiſe, in der Geſtalt ähnelt er einigermaßen dieſen, aber in ſeiner Lebensart und ſelbſt nach der Farbe ſeines Gefieders iſt er ganz Laubvogel. Wer gewohnt iſt, die Naturgeſchichte in der Natur ſelbſt zu ſtudiren, der weiß gewiß auch, wie ſehr das Betragen der Rohrſaͤnger von dem der Laubvoͤgel abweicht. Wollte man daher unſern Vogel ſeine angemeſſene Stelle anweiſen, ſo muͤßte er eine eigene Familie bilden, die ihren richtigen Platz zwiſchen den bei: den ebengenannten Abtheilungen bekaͤme. — Von allen mir be⸗ kannten Rohrſaͤngern unterſcheidet er ſich leicht durch das etwas ausgekerbte oder gerade Schwanzende, was bei jenen immer keil⸗ foͤrmig abgerundet oder ſtumpf zugeſpitzt iſt; auch iſt der Schnabel an der Wurzel viel breiter als bei jenen. Bor den übrigen Laub⸗ voͤgeln zeichnet er ſich ſchon durch ſeine anſehnlichere Groͤße aus; ſonſt machen ihn aber auch noch die blauen Fuͤße und eine gleich⸗ foͤrmige Verbreitung der gelben Farbe an allen untern Theilen, ſo wie die weißlichen Kanten der hintern Schwingfedern kenntlich. An Groͤße gleicht er faſt dem Gartenroͤthling, ſein kuͤrze⸗ rer Schwanz und die niedrigern Tarſen machen ihn aber bedeutend kleiner. Er mißt in der Lange 55 Zoll, zuweilen gegen 53 Zoll; in der Breite gegen 95 Zoll; denn er hat lange Flügel, welche vom Bug bis zur Spitze 3 Zoll 4 Linien meſſen, und welche mit den Spitzen den 2 Zoll langen Schwanz bis auf J Zoll bedecken. Das Ende des letztern iſt beinahe gerade oder doch nur ſeicht ausge⸗ ſchnitten, und von den Schwingfedern iſt die erſte ſehr klein, kurz und ſchmal, die zweite beinahe ſo lang als die dritte (welches die laͤngſte iſt) und gleichlang mit der vierten. | Der Schnabel ift 6 Linien lang und an der Wurzel fo ſtark von oben und unten zufammengedruͤckt, daß er hier beinahe 2 Liz nien breit und nur 14 Linien hoch iſt. Dem Ruͤcken nach biegt er ſich oben blos gegen De Spitze hin etwas abwaͤrts, die Unterkinn⸗ lade iſt dagegen gerade, und an der Schneide des Oberkiefers iſt dicht vor der Spitze ein ſeichter Ausſchnitt. An den Schneiden und der Wurzelhaͤlfte der Unterkinnlade ſieht er roͤthlichgelb aus, uͤbri⸗ gens iſt er graubraun, auf dem Ruͤcken und ſpitzewaͤrts dunkler, der weite Rachen gelb, die Mundwinkel roͤthlichgelb; uͤber denſelben ſtehen ſchwarze Borſthaͤaͤrchen, von welchen drei durch ihre Größe 542 III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel⸗ und Laͤnge ſich auszeichnen. Das Naſenloch iſt ſehr weit, oval, vorn enger als hinten; die Iris der etwas großen Augen dunkelbraun. Die Fuͤße ſind weder auffallend ſtark, noch hoch, doch im Verhaͤltniß ſtaͤrker als bei den übrigen Laubvoͤgeln. Der Ueberzug der Laͤufe iſt in große Schildtafeln zerkerbt; die Naͤgel maͤßig ge⸗ kruͤmmt, ſehr zuſammengedruͤckt, unten zweiſchneidig, nadelſpitz, und eben nicht groß. Die Füße ähneln denen der Gras muͤcken und ſind von Farbe lichtblau oder hell bleifarben, die Sohlen meiſt gelblich, beſonders bei jungen Voͤgeln, die Naͤgel an den Spitzen dunkelbraun. Die Hoͤhe des Laufs betraͤgt 11 Linien, die Laͤnge der Mittelzeh mit der Kralle 8 Linien, die der Hinterzeh, eben ſo gemeſſen, uͤber 6 Linien, wovon faſt die Haͤlfte auf die Kralle koͤmmt. | Stirn, Scheitel, Genick, Nacken, Rüden, die kleinen Fluͤ⸗ geldeckfedern und die langen obern Schwanzdeckfedern ſind gruͤn⸗ grau oder bleich olivengruͤn, mit durchſchimmerndem hellen Grau; vom Naſenloch zieht ſich ein licht ſchwefelgelber Streif uͤber das Auge hin; die Zügel und die Ohrengegend find grau; Kehle, Vor— dertheil der Wangen, Gurgel, Bruſt, Bauch und die langen untern Schwanzdeckfedern ſind einfarbig, blaß ſchwefelgelb, blos erſtere und letztere etwas lichter als das Uebrige; die Schenkel gelb und grau gefleckt. Alle großen Fluͤgelfedern find matt ſchwarzbraun, die mittleren Deckfedern und die großen Schwingen (dieſe nur auf der Außenfahne) mit der Farbe des Ruͤckens geſaͤumt, welches zum Theil auch noch mit der großen Reihe Deckfedern der Fall iſt; hin⸗ terwaͤrts haben dieſe jedoch, nebſt der zweiten und dritten Ordnung der Schwungfedern, aus dem Braͤunlichen ins Grauweiße uͤberge⸗ hende Kanten, und die großen Schwingen braͤunlichweiße Spitzen⸗ ſaͤumchen. Die Schwanzfedern ſind, wie die großen Schwingen, nur die aͤußerſte viel lichter, mit einem ſchmutzigweißen Auſſenſaͤumchen. Von unten ſind Schwingen und Schwanzfedern lichtgrau, mit weiß⸗ lichen Saͤumen, die an der Innenfahne der erſtern breit ſind und in dem Grauen verlaufen; die untern Fluͤgeldeckfedern blaß ſchwe⸗ felgelb und weiß gemiſcht, am Fluͤgelrande blos von erſterer Farbe, mit braungrauen Flecken. g Maͤnnchen und Weibchen ſind im Aeußern faſt gar nicht verſchieden, erſteres iſt blos etwas gelber und hat mehrentheils deut⸗ lichere Augenſtreifen; doch ſieht man, um das Geſchlecht an dieſen geringen Abweichungen der Farbe des Gefieders mit Gewißheit be⸗ III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. 543 ſtimmen zu koͤnnen, ſich oft genöthigt, beide gegen einander zu halten. 12 Das erſte Kleid der Jungen ſieht eben ſo aus, wie das der Alten, nur an den obern Theilen iſt es etwas dunkler, an den untern weniger gelb, uͤberhaupt im Ganzen ſchmutziger; Rachen und Zunge ſind roth, und nur die dicken Mundwinkel rothgelb; die Augenſterne graubraun, und die hellblauen Fuͤße haben gelbe Sohlen. Weil dieſe Vögel in ihrer Abweſenheit, im Winter, ſich mau: ſern, ſo erſcheinen ſie bei uns im Fruͤhjahr in einem lebhafter gefaͤrbten, annoch friſchem Gewande, als gegen den Herbſt hin, wo fie uns in dem naͤmlichen, was aber nun abgetragen und ziems lich verbleicht iſt, verlaſſen. i Je alter fie werden, deſto mehr zeichnen ſich die Raͤnder an den hintern Schwungfedern und ihren Deckfedern durch eine groͤßere Breite und helleres Weißgrau aus, was beſonders an ſehr alten Maͤnnchen oft auffaͤllt. Hierher gehoͤrt denn auch eine Abwei⸗ chung mit weißem Fluͤgelfleck (Sylv. hyp. maculata.), an welcher naͤmlich jene Raͤnder ſo breit ſind, daß ſie auf dem Fluͤgel ein großes weißes Feld bilden. Dieſe kommt zuweilen vor, fonft kennt man aber weiter keine Varietaͤten. ü fen that. Der Eten enbvogel iſt in Europa, von dem ſuͤdlichſten Ende bis in das mittlere Schweden hinauf, in allen dazwiſchen liegenden Laͤndern, im Suͤden haͤufiger als nordwaͤrts, doch nir⸗ gends in zahlreicher Menge. Man trifft ihn deswegen in Eng: land, in Frankreich, der Schweitz, e und Deutſchland uͤberall, aber nur einzeln an. Im mittleren Schweden iſt er ſchon ſelten, allein im noͤrdlichen Deutſchland und in der hieſigen Gegend gemein. Als Zugvogel gehoͤrt er in Deutſchland und den noͤrdlicher gelegenen Laͤndern unter die aͤchten Sommervoͤgel, welche nur kurze Zeit bei uns verweilen, indem er in fruͤhzeitig warmen Fruͤhlingen gegen Ende Aprils, meiſtens aber erſt zu Anfang des Maies, wenn naͤmlich unſere Laubhoͤlzer ſich bereits mit jungem Gruͤn geſchmuͤckt und viele Baͤume ſich ſchon voͤllig belaubt haben, bei uns ankommt, mit Anfang Auguſts bis zu Ende dieſes Monats aber ſchon wieder wegzieht, ziemlich unbemerkt fortſchleicht und ſo aus unſern Gegenden verſchwindet. In Schweden koͤmmt er kaum 544 III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. vor der Mitte des Maies an und verläßt es mit Anfang Auguſts wieder. — Er macht, wie faſt alle kleinen Singvoͤgel, ſeine Rei⸗ fen des Nachts, im Fruͤhjahr einzeln und im Herbſt hochſtens familienweis. Er koͤmmt in ebenen und feuchten Gegenden wie im Gebirge vor, doch nicht auf dieſem ſelbſt, ſondern in den Thaͤlern und auf den waldigen Vorbergen. Wenn gleich Waldvogel, ſo liebt er doch nicht zu große Waldungen, wenigſtens trifft man ihn nicht tief in denſelben, noch weniger im alten Hochwalde an. Im Nadelwalde iſt er nicht, ſehr gern aber in denen, wo Nadelholz mit Laubholz vermiſcht iſt; hat er aber die Wahl, ſo zieht er doch den reinen Laubholzwald mit dichtem Unterholz allen andern vor und iſt in ſolchen beſonders da, wo es lichte Plaͤtze und nicht zu viel hohe Bäume giebt, an der Nähe der Raͤnder deſſelben und wo Waſſer befindlich iſt; denn dies letztere mag er gern haben. — Von allen Laubvoͤgeln iſt er am liebſten in Gaͤrten, die viel Baͤume und nie⸗ deres Gebuͤſch haben, daher vorzuͤglich gern in engliſchen Gaͤrten und Bosquets, auch in einzelnen und kleinen Feldhoͤlzern von Laub⸗ holz. Er wohnt überhaupt ſehr gern in der Nähe von menſchlichen Wohnungen und iſt in der hieſigen Gegend uͤberall bei den Doͤrfern, wenn dieſe nur einige buſchreiche Bauerngaͤrten haben, und zwiſchen den Obſtbaͤumen lebendige Hecken, Holunderbuͤſche, Hartriegel und anderes Buſchholz wachſen, gemein. Man wird ihn daher ſel⸗ ten in den Umgebungen eines Dorfes oder einer Stadt vermiſſen. — Auch in den Marſchlaͤndern bewohnt er das wenige Gebuͤſch bei den Haͤuſern; doch iſt er hier nicht ſo haͤufig, obwohl er immer feuchte Gegenden den zu trocknen vorzieht. Daher iſt er auch an den Ber⸗ gen meiſtens nur da, wo Baͤche herabfließen, die mit Buſchholz und Baͤumen bekraͤnzt find, am liebſten aber in den Thaͤlern ſelbſt, und auch hier vorzuͤglich in der Naͤhe menſchlicher Wohnorte. Die kuͤnſtlich beſchnittenen Hecken liebt er ſo wenig wie die todten Zaͤune, und in Dornen iſt er auch nicht. — Im Auguſt beſucht er auch die Beete mit hohen Pflanzen, als Saamenruͤben (Daucus carot- ta) u. a. m. wenn ſie nahe am Gebuͤſch ſind, ſehr gern. Er haͤlt ſich immer in den belaubten Kronen der Baͤume und im Gebuͤſch, mehr hoch als niedrig, in den Zweigen auf, und geht. nur ſelten und auf kurze Zeit auf den Erdboden herab, entfernt ſich aber nie vom Gebuͤſch. Ganz aufs Freie fliegt er am Tage nur von einem Buſche zum naͤchſten andern; wenn dieſe aber ein paar hundert Schritt von einander entfernt find, fo wagt er es nie. 5 III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. 545 er gleich faſt beſtaͤndig unter dem Schutze des gruͤnen Laubes lebt, ſo macht er ſich doch durch ſeine Unruhe bald bemerklich. — Uebri⸗ gens ſieht man auch dieſe Voͤgel in manchem Jahr viel haͤufiger als in einem der naͤchſtfolgenden, oder umgekehrt; eine Bemerkung, die man auch bei vielen andern kleinen Enten su he Ge⸗ legenheit hat. e e Es iſt ein aͤußerſt lebhafter, gewandter, liſtiger und ſcheuer Vogel, dabei außerordentlich zaͤrtlich und ſo weichlich wie faſt kein anderer. Er traͤgt, auf Zweigen ſitzend, ſtets die Bruſt er⸗ haben und ſtraͤubt bei beſondern Veranlaſſungen die Scheitelfedern zu einer Holle auf, was ihm ein ganz eignes Anſehen giebt, weil er dabei gemeiniglich auch den Hals ausdehnt. Er thut dies, wenn er etwas Unbekanntes gewahr wird, oder wenn ſich ein Nebenbuh⸗ ler zeigt; denn wo er einmal ſeinen Stand genommen, da darf kein anderer feiner Art fich blicken laſſen, wenn er nicht ſogleich mit grimmigen Biſſen verfolgt und ſofort wieder aus dieſem Revier ge⸗ jagt werden will. Dieſer widerſetzt ſich aber meiſtens, und dann giebt es heftige Schlaͤgereien, ſo daß man nicht ſelten ein paar ſol⸗ cher Zaͤnker, die ſich gepackt haben, im Streit zur Erde herabpur⸗ zeln, hieruͤber dann aber gewoͤhnlich erſchrecken, ploͤtzlich auseinan⸗ der und jeder ſeinem Standrevier zueilen ſieht. Wenn ſie aneinan⸗ der gerathen, ſo klappern ſie oft heftig mit den Schnaͤbeln. Auch andere Voͤgel, die um ſie wohnen, necken und jagen ſie gern. — Man ſieht dieſen Vogel faſt immer in Thaͤtigkeit, doch iſt dieſe von anderer Art als bei den Grasmuͤcken; mit großer Gewandtheit durchflattert er naͤmlich die Baumkronen und das hohe Buſchwerk, wenn es jene blos durchhuͤpfen und gleichſam durchkriechen; er macht auch waͤhrend dem viel oͤfterer Halt und ſitzt dann ſtets auf⸗ rechter und kecker, wenn jene in gebuͤckter Stellung ſich immerfort bewegen. Daher wird man ihn auch eher gewahr als jene. — Er fliegt ungemein behend und macht mit Leichtigkeit die ſchnellſten Wendungen im Gebuͤſch; ſein Flug uͤber kurze Räume iſt dagegen unregelmaͤßig, flatternd und fortſchießend, ſein Wanderflug, den man nur ſelten zu ſehen bekoͤmmt, dem anderer kleinen Saͤnger aͤhnlich, in auf⸗ und ab Bogen. Er hat demnach im Fluge wenig, was dieſen auszeichnet. — Auf dem Erdboden ſieht man ihn ſehr ſelten; er ſitzt da auch ziemlich aufrecht und huͤpft nur zuweilen ſchwerfaͤllig in einzeln großen Spruͤngen weiter. Er iſt ater Theil. 35 546 III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. immer froh und munter, blos bei naßkalter Witterung nicht, die ſeiner weichlichen Natur ſehr zuwider iſt, und er huͤpft dann unbe⸗ haglich und ſtill durch die Baumzweige. ö Seine Lockſtimme iſt zwar ſchnalzend, doch ſanfter als bei den Grasmuͤcken, und unterſcheidet ſich leicht von dieſen. Sie klingt daͤck, daͤck, Dad und daͤck daͤck daͤck deruͤhd, daͤcke⸗ ruͤhd oder daͤckderuͤid! *) Die letzten Sylben zeigen beſonderes Verlangen, auch Eiferſucht, Zorn und drohende Gefahren an und ſind dieſem Vogel allein eigen. Wenn ſich zwei mit einander beißen, ſo hoͤrt man, wie von vielen andern Voͤgeln, ein haſtiges Hedededet, dem, wenn jeder wieder an ſeinem Platze iſt, ein frohlockendes Deruͤid und Daͤckderuͤid folgt. Ihr Angſtge⸗ ſchrei iſt ein helles fortgeſetztes Gequaͤke. Die Jungen, wenn fie eben ausgeflogen ſind, ſchreien klaͤglich und gedehnt haͤd und haͤdaͤdaͤt, ſo lange, bis ſie ſich ſelbſt naͤhren koͤnnen. Sie ſchreien viel, und auch die Alten hoͤrt man oͤfterer als manche andere aͤhnliche Voͤgel. Das Maͤnnchen zeigt ſeine Anweſenheit beſonders bald durch ſeinen herrlichen Geſang an; denn es iſt nicht nur einer der beſten, ſondern auch ein ſehr fleißiger Saͤnger. Wenn eben die Morgendaͤmmerung begonnen, faͤngt es ſchon an zu ſingen und faͤhrt damit faſt den ganzen Vormittag fort, indem es nur kurze Pauſen macht, auch haͤufig beim Aufſuchen ſeiner Nahrungsmittel fortſingt. Ehe es ſeinem Weibchen bruͤten hilft, ſingt es auch den Nachmittag noch ziemlich anhaltend, bis zum Untergang der Sonne. Es ſingt dieſen Geſang gleich bei feiner Ankunft im Fruͤhlinge voll⸗ kommen, hoͤrt aber gegen Johannis allmaͤhlig gaͤnzlich zu ſingen auf, ſitzt dabei meiſtens hoch im Gebuͤſch oder auf niedrigen Baͤu⸗ men, bald in den dichten Zweigen, oft auch ziemlich frei auf einem Zweige ſtill, flattert aber auch eben ſo oft im waͤhrenden Singen weiter; es ſingt ſogar zuweilen im Fortfliegen von einem Baume zum andern, beſonders wenn es einen Nebenbuhler verfolgt. Wenn es ſingt, ſitzt es ſehr aufrecht, dehnt den Hals aus, blaͤſt die Kehle weit auf und erhebt dabei die Kopffedern zu einer Holle. In dieſer Hinſicht unterſcheidet es ſich ſehr von andern Laubvoͤgeln. — Der Geſang iſt ein ſchnell vorgetragenes Allegro (Allegro assal), worin die lieblichſten Strophen mehrmals wiederholt werden, ehe *) Hiervon die Provinzialnahmen: Tideritchen und Schackruthchen, wie vin feinem Geſange die Nahmen: Spottvogel, Spötterling und Baſtardnachtigall. III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. 547 es weiter fortgefuͤhrt wird, und voll der angenehmſten Abwechslun⸗ gen, doch in dieſer Hinſicht, wie in jeder andern, dem Nachtigall: ſchlage nicht zu vergleichen. Es herrſcht überhaupt ein ganz an⸗ derer Charakter in dieſem. Er wird, ohne Pauſen zwifchen den Strophen, ſchnell hergeleiert und die an ſich ſchon melodienreiche Muſik haͤufigſt mit fremden Toͤnen ausgeſchmuͤckt. So ahmt es einzelne Strophen aus den Geſaͤngen ihm nahe wohnender Vögel oft ſehr poſſirlich nach und verflicht ſie mit den eigenen, z. B. der Rauchſchwalbe, des -Staars und anderer, ſogar in waſſer— reichen Gegenden die Stimmen mancher Waſſer- und Sumpfoögel, z. B. der Sterna arctica (TemrÄ.) und Totanus calidris, wie auch Nilsson (a. a. O.) richtig bemerkte. Doch nur ſolche Toͤne iſt es faͤhig nachzuahmen, die Aehnlichkeit im Ton und Modulation mit feinen ihm eigenthuͤmlichen haben. — Eine ganz eigene Gewohn⸗ heit iſt die, daß es, wenn man, waͤhrend dem es ſingt, nach ihm ſchießt und fehlt, oder mit einem Steine nach ihm wirft und es nicht trifft, in einem fort- und noch ſtaͤrker ſingt, gleichſam wie wenn es dadurch den mißlungenen Anſchlag auf ſein Leben aller Welt verkuͤndigen, oder den ae chickten Schuͤtzen oder Werfer ver⸗ hoͤhnen wollte. Weil diefe Vögel fo angenehm und ſteißig ſingen, ſo gab es auch Liebhaber genug, welche die Muͤhe nicht ſcheueten, dieſe Weichlinge zu zaͤhmen und im Kaͤfig oder Zimmer zu unterhalten. Dies hat aber ſo viel Schwierigkeiten, daß dadurch und durch oͤfters mißlungene Verſuche auch mancher abgeſchreckt wurde, zumal da haͤu⸗ fig der gefangene Vogel ſchon in der Falle oder unter den Leimruthen, wenn man nicht gleich bei der Hand iſt und ihn mit größter Behut⸗ ſamkeit ausloͤſt, dahin ſtirbt. Hat man ihn endlich mit aller Muͤhe zum Futter und an ſein Gefaͤngniß gewoͤhnt, ſo iſt wieder der Winter im Zimmer fuͤr ihn gefaͤhrlich, beſonders weil er ſich dann mauſert, welches zu Ende Januars und im Februar, bald einige Wochen fruͤher bald ſpaͤter, geſchiehet, wo viele drauf gehen. Dazu muß das Zimmer immer warm ſein, aber es darf kein Rauch in ſelbiges kommen; dieſer iſt ihm ebenfalls toͤdtlich. So bringt man, ſelbſt bei der ſorgfaͤltigſten Pflege, nicht alle durch den Winter, und gluͤckt es ja mit einem, ſo dauert gu kaum zwei bis drei Fahr, ja dies iſt ſchon ein feltner Fall; und wenn man vollends von zehn Jahren ſpricht, ſo gehoͤrt dies ſehr wahr⸗ ſcheinlich unter die Uebertreibungen, die manchmal in aͤhnlichen Faͤllen einzelne Liebhaber fuͤr erlaubt halten. — Trotz aller dieſer 74 548 III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. Schwierigkeiten, giebt es doch in einigen ſolcher Gegenden, wo die Liebhaberei, Stuben vögel zu halten, gewoͤhnlich iſt, was in Deutſchland gluͤcklicherweiſe nur wenige ſind, Liebhaber genug, die ſich nicht ſchaͤmen, eine Menge dieſer lieblichen Voͤgelchen einer Luft zu opfern, die fo zeit= und koſtenſpielig als vorübergehend iſt. — Bei einem friſchgefangenen Vogel dieſer Art, dem man gleich die Fluͤgelſpitzen übereinander bindet und zur Vorſorge einige Ameiſen—⸗ eier behutſam einſtopft, ſieht man es gleich in den erſten Stunden, ob er von einer kraͤftigern Leibesconſtitution als viele ſeiner Bruͤder ſei, daher Hoffnung zur Ausdauer mache, an ſeinem muntern, kecken Betragen. Ohne ihm die Flügel gebunden zu haben, wuͤrde er ſich ſehr bald zu Tode flattern, und das Einſtopfen eines ihm unbekannten Futters iſt auch noͤthig. Um ihn zu gewoͤhnen, thut man ihn anfaͤnglich in einen ganz kleinen hoͤlzernen Kaͤfig, welchen man mit einem gruͤnen Tuche zuhaͤngt, und wenn er ſich hier ge⸗ woͤhnt hat, erſt in den fuͤr ihn beſtimmten groͤßern Kaͤfig, was ein Nachtigallenbauer ſein kann. Iſt man ſo gluͤcklich, ihn durch den Winter zu bringen und geſund zu erhalten, ſo faͤngt er, wenn er ein Maͤnnchen iſt, oͤfters ſchon zu Ende Februars, gleich nach be— endigter Mauſer, an zu ſingen und haͤlt damit bis nach Johannis⸗ tag an. Noch fleißiger und beſſer ſingen ſolche, welche man mehr als einen Winter erhalten kann, ja es giebt ſogar einzelne, die auch des Nachts ſingen, was man in der Freiheit nicht von ihnen hoͤrt. — Man kann auch die Jungen aus dem Neſte nehmen und fie auffuͤttern, was beſſer mit ſolchen gelinget, die noch nicht gar zu groß find, weil fie dann, wenn fie hungrig find, die Schnäbel noch von ſelbſt aufſperren; ja man hat auch Verſuche gemacht, fie von den Alten auffuͤttern zu laſſen, indem man dieſe uͤber dem Neſte fing und fie nebſt dieſen und den Jungen in Einen Kafig ſperrte, doch muß man auch dann den Alten die Fluͤgel binden; aber auch dies Verfahren koſtet vielen das Leben, weil ſich nur wenige dieſer zaͤrtlichen Voͤgel in ein ſo grauſames Schickſal finden. Ueberdem bleiben die jung Aufgezogenen, wenn ſie nicht einen Alten zum Lehrmeiſter haben, im Singen nur Stuͤmper, verflechten auch ſo viele, zum Theil unangenehme, fremde Toͤne, auch aus andern Vogelgeſaͤngen, welche ſie oft und in der Naͤhe hoͤren, in ihren eigenthuͤmlichen natürlichen Geſang mit ein, daß dieſer dadurch ganz unkenntlich wird. — Es wird auch verſichert, daß ſich dieſe Voͤgel im Zimmer, unter andern kleinen Voͤgeln frei herumfliegend, recht gut halten und hier mehrere Jahr aus dauern ſollen, doch * III. Or dn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. 549 muͤſſen fie nothwendig vorher ans Futter und an die Umgebungen gewoͤhnt ſein; denn bringt man einen friſchgefangenen in die Stu— be, ſo fliegt er gleich gegen die Decke oder das Fenſter und iſt mit wenigen Stoͤßen dahin. — Im Käfig gehalten, werden ſie, bei uͤbrigens richtiger Behandlung, meiſtens recht zahm, was man die⸗ fen in der Freiheit und im Anfange der Gefangenſchaft fo wilden Voͤgeln kaum zutrauen ſollte. — Aus allem hier uͤber die Zaͤhmung dieſes weichlichſten aller kleinen Singvoͤgel Geſagten wird erſichtlich, daß ein ſolcher, welcher, wie man zu ſagen pflegt, gut eintappt, fuͤr den Liebhaber hohen Werth haben muß. Na her un g. Allerlei kleine fliegende Inſekten, welche ſich in den belaubten Baͤumen zwiſchen den Zweigen und Blaͤttern aufhalten und dort herumſchwirren, machen ſeine Hauptnahrung aus. So faͤngt er Fliegen, Muͤcken, kleine Nachtfalter, Fruͤhlingsfliegen und mans cherlei andere Arten aus dieſen Claſſen, auch kleine Kaͤferchen und Spinnen. Von den Blaͤttern und Zweigen nimmt er ſie auch ſitzend hinweg, doch faͤngt er die meiſten im Fluge, flattert daher ohne Unterlaß in den niedrigen und mittleren Baumkronen und im hohen Buſchholze umher, geht darnach aber nicht ſo gern in das niedrige Geſtraͤuch, noch weniger auf die Erde. Außer den fliegen⸗ den Inſekten, ſucht er auch kleine glatte Raͤupchen und andere von den Blaͤttern und Bluͤthen der Baͤume ſich naͤhrende Inſektenlarven. Die fliegenden Inſekten verfolgt er oft auch außerhalb der Baum⸗ kronen, doch nie weit auf dem Freien. Er frißt auch manche Arten von Blattlaͤuſen und uͤberhaupt mancherlei ſehr kleine Geſchoͤpfchen, daher man ihn faſt immer mit dem Aufſuchen ſeiner Nahrungsmittel beſchaͤftigt ſieht, wozu ihn freilich auch ſeine immer rege Eßluſt zum Theil mit veranlaßt. Sobald es reife Kirſchen giebt, geht er nach dieſen, beſonders nach den frühen Sorten, von welchen er die mit weichem Fleiſch, zumal die ſuͤßen, ſehr gerne frißt, und daher ſolche Kirſchbaͤume ſehr fleißig beſucht. Außer den Johannisbeeren liebt er vor allen die rothen Beeren vom Traubenholunder, und auf ſeinem Wegzuge frißt er auch ſchwarze Ka und die Beeren vom Faulbaum. Wenn man einen dieſer Vögel in der Abſicht fegen hat, ihn am Leben und als Singvogel zu behalten, ſo iſt ſehr anzu⸗ tathen, daß man ihm anfaͤnglich Fliegen und Wee einſtopfe, 550 III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. und hiermit von Stunde zu Stunde ſo lange fortfahre, bis er ſelbſt an das vorgeſetzte Futter geht, was aus Ameiſeneiern beſteht, auf die man ihn aber durch untermengte Fliegen und lebendige Mehl— wuͤrmer aufmerkſam machen muß, weil er in der Freiheit jene nicht achtet und ſie daher in der Gefangenſchaft anfaͤnglich nicht zu kennen ſcheint. Nach einigen Monaten gewoͤhnt man ihn mit dieſen allmaͤhlig an das Nachtigallnfutter, was man ihm aber immer⸗ fort mit Ameiſeneiern wuͤrzen und daneben taͤglich zu verſchiedenen Zeiten einige lebende Mehlwuͤrmer, Spinnen oder Fliegen reichen muß. Als ein vorzuͤgliches Erhaltungsmittel ſeiner Geſundheit ruͤhmt man hartgeſottene, klar geriebene Huͤhnereier, die man ihm taͤglich auf ſein Futter ſtreuet, beſonders in der Mauſerzeit, ja einige Liebhaber behaupten ſogar, daß man ohne dieſe keinen ſolcher Voͤgel durch den Winter bringe. — Außer der puͤnktlichſten Ab⸗ wartung im Fuͤttern, ſowol nach Qualitaͤt und Quantitaͤt, wie der Zeit nach, weil dieſer Vogel, gleich andern zaͤrtlichen, blos von Inſekten lebenden kleinen Voͤgeln, Hunger und Durſt nur aͤußerſt kurze Zeit vertraͤgt, hat man auch beſonders fuͤr Reinlichkeit zu ſorgen, und der Sand auf dem Boden ſeines Kaͤfigs muß woͤchent⸗ lich mehrmals durch friſchen vertauſcht werden; ſo muß er auch taͤglich friſches Waſſer zum Trinken und Baden bekommen. Wenn es uͤberhaupt ſehr gut iſt, daß ein Liebhaber ſeine Stubenvoͤgel ſelbſt füttere und warte, fo wird dies bei unſerm Vogel unerlaͤßlich; wer daher nicht viel Zeit hierauf verwenden mag und kann, dem iſt in der That nicht anzurathen, ſich mit der Zaͤhmung dieſer Weich: linge zu befaſſen. — Man hat uͤbrigens Beiſpiele von einzelnen, die ſich frei im Zimmer, unter andern kleinen Voͤgeln herumfliegend, gut hielten, wo ſie dem Beſitzer nicht ſo viel Muͤhe machten, ſelbſt auf deſſen Tiſche von allen vorkommenden Speiſen naſchten und ſogar klein gehackte Kerne von Wallnuͤſſen ſehr gern fraßen. Fortpflanzung. Dieſe Vögel niſten in unſern Gärten, beſonders in verwil⸗ derten Bauerngaͤrten, in den Gebuͤſchen bei Doͤrfern und Staͤdten, in kleinen Feldhoͤlzern, in den Laubholzwaͤldern, worin viel Unter⸗ holz waͤchſt, aber nie in zu jungen Schlaͤgen, auch in ſolchen Na⸗ delwaͤldern, die mit Laubholz vermiſcht ſind. Haſeln, Hartriegel, Seilweiden, Spindelbaum, Schwelken, Faulbaum, Holunder und anderes Buſchholz von 8 bis 12 Fuß Hoͤhe, mit untermiſchten Baͤumchen und Baͤumen von Eichen, Buchen, Birken, Aspen, III. Ordn. XV.ıGatt. 86. Garten⸗Laubvogel. 551 Ulmen u. dergl., wenn fie nur nicht zu finſtere Dickichte bilden, find ihnen in den Waͤldern die angenehmſten; in den Baumgaͤrten muͤſſen fie dagegen oft mit wenigem Holunder=, Flieder⸗, Hartriegel= und anderem niedrigen Geſtraͤuch fuͤrlieb nehmen. In feuchten Gegen⸗ den ſind ſie lieber als in duͤrren, in den Auenwaͤldern an Fluͤſſen gemein, aber nicht in den großen Gehegen von Buſchweiden, es muͤßten denn auch Buͤſche und Baͤume von andern Holzarten hier unter den Weiden vorkommen. So verabſcheuen ſie auch alle Dornen ohne Ausnahme, und man findet das Neſt nie in Dornen— buͤſchen, wenn man nicht die gewoͤhnlichen Pflaumen- oder Zwetſchenbaͤume dazu zaͤhlen will, auch nie in todten Zaͤunen und hoͤchſt ſelten in einer lebendigen, unter dem Schnitt gehaltenen, hohen Hecke. Es ſteht vielmehr haͤufigſt auf einem ganze kleinen Hartriegelbaͤumchen oben in deſſen Gabelaͤſten, eben fo auf Hafel- buͤſchen, im Flieder- oder Holundergeſtraͤuch, auf einem oder einigen kleinen Zweigen dicht am Schafte einer armsdicken jungen Ruͤſter, Buche, Eiche, Birke u. dergl., in hohen Franzbaͤumen, im Gipfel eines jungen Pflaumen = oder Kirſchbaumes, in den Zweigen hoher Holunder- und Fliederbaͤume, auf niedrigen Obft: baͤumen, auf den untern Aeſten alter Kaſtanienbaͤume und Lombar⸗ diſcher Pappeln, auf Waldbaͤumen an aͤhnlichen Orten, ſo wie auch zuweilen auf einem herabhaͤngenden blaͤtterreichen Zacken einer Eiche u. dergl., und in den dichten Zweigen junger Nadelbaͤume. Ich habe es nie unter 8 Fuffoͤhe vom Boden gefunden, es ſteht vielmehr das meiſtemal 6 bis 8 Fuß hoch, ſo daß ein Mann mitt⸗ lerer Größe fo eben hineinſehen kann, zuweilen auch wol 10 und 12 Fuß, ſelten aber bis 15 Fuß hoch. Es ſtehet niemals ſehr verſteckt und wuͤrde noch leichter zu finden ſein, wenn es nicht auf den Gipfeln des hoͤhern Geſtraͤuchs oft von dem gruͤnen Laube oder vom Schafte des Baͤumchens, an welchem es ſtehet, haͤufig ver⸗ deckt wuͤrde. 4 Sie zeigen beim Neſtbau vielen Kunſttrieb, und es iſt eins der netteſten Vogelneſter, von einem dichten und dauerhaften Gewebe - und ſo an die Gabelzweige oder kleinen Aeſte des Baͤumchens oder Zackens, worauf es ſteht, befeſtigt, daß man es ohne bedeutende Beſchaͤdigung nicht losmachen kann, weil die Materialien ſehr ſorg⸗ faͤltig um die Zweige herum und mit den Waͤnden des Neſtes ver⸗ woben ſind. Die meiſten dieſer Neſter haben dabei ein glattes Aeußere und ſind ſo dicht in einander gefilzt und gleichſam geklei⸗ ſtert, daß ſie der Witterung lange Trotz bieten und viele ſich auf 552 II. Ordn. XV. Gatt. 86. Gten⸗Laub vogel. ihren Zweigen durch den ganzen Winter halten; doch giebt es auch ſchlechtere Baumeiſter, die das Gewebe nur locker anfertigen, wo es denn auch nie von ſo langer Dauer ſein kann. Es hat von außen faſt immer die Form einer Kugel, von welcher oben ein Drittheil oder Viertheil abgeſchnitten iſt, weil ſich der obere Rand ſtark einwaͤrts biegt, und die innere Aushoͤhlung iſt ſo tief, daß ſie von einer Kugel mehr als die Haͤlfte aufnimmt, ſo glatt und nett wie gedrechſelt, und bildet daher den niedlichſten Napf. Manche ſind von außen auch hoͤher als drei Viertheile einer Kugel und haben ſo faſt die Form eines Ovals, von welchem die eine Spitze oben abgeſchnitten iſt. Die napffoͤrmige Oeffnung iſt ſtets von oben offen, und ihr Rand horizontal abgeſchnitten. — Die Materialien ſind ſehr zarte, trockne Haͤlmchen und abgeſtorbene Grasblaͤtter, welche mit Baſtfaſern (zuweilen feinem Werge aͤhnlich) Puppen⸗ huͤlſen, Raupengeſpinſt und Spinnengewebe ſehr dicht und feſt durchfilzt ſind, wenigſtens am obern Rande, welcher noch dazu ſo glatt gearbeitet iſt, daß die Materialien wie zuſammengekleiſtert ausſehen. Grünes Moos findet man felten und dann nur in klei⸗ nen Theilen darunter, oͤfterer die Samenwolle von Weiden und Pappeln, und, wo fie es haben koͤnnen, auch Thierhaare und wirk⸗ liches Werg oder Faͤden von alten Zeugen. Haben ſie Birken in der Nahe, fo weben fie die aͤußerſte, zarte, weiße Schale derſel— ben mit ein, ja dies manchmal ſo haufig, daß das Neſt faſt ganz weiß, wie von Papierſchnitzeln verferggt, ausſieht. Eine weißliche Farbe hat es indeſſen auch ohne dies Material immer. — Das Inwendige des Neſtes iſt groͤßtentheils blos mit ſehr feinen Haͤlm⸗ chen und zarten Grasrispen ausgelegt, am Rande herum doch aber haͤufig mit Baumſamenwolle, auch wol mit Wolle und Haaren von Thieren verwoben, ſeltner mit einzeln weichen Federn i polſtert. Erſt zu Ende des Maies, oder mit Anfange des Junius darf man nach ihrem Neſte ſuchen, ja in manchen Jahren findet man kaum vor der Mitte des letztgenannten Monats die volle Zahl der Eier in dieſen Neſtern. Dieſe iſt gewoͤhnlich vier und fuͤnf, und die Geſtalt der zartſchaligen, wenig glaͤnzenden Eierchen meiſtens eine regelmaͤßig eifoͤrmige. Sie ſehen ſehr niedlich aus und ſind auf einem ſchwach roſenrothen Grunde mit feinern und groͤbern roͤthlichſchwarzen Punkten beſtreuet, wie wenn ſie die Fliegen beklext haͤtten. Fleiſchfarben wird die Grundfarbe nur, wenn fie ſtark bebruͤtet ſind, ſonſt iſt ſie immer eine angenehme Roſenfarbe, II. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubbogel. 553 wie die Blumenblätter der Hundsroſe; auch die Punkte find nie blutroth; weil ſie aber haͤufig einen roͤthlichen Rand haben, ſo ſehen ſie vielmehr aus wie gedoͤrrtes Blut. Feine Aederchen von letzterer Farbe finden ſich nur zuweilen und ſehr ſparſam; ſonſt variiren ſie nur wenig, z. B. in der blaͤſſern oder ſtaͤrkern Anlage der Grundfarbe und in der haͤufigern oder ſparſamern Anweſenheit der Punkte. — Die Eier werden dreizehn Tage lang vom Maͤnn⸗ chen und Weibchen wechſelsweiſe ausgebruͤtet, ſo daß das erſtere vom Mittage an bis faſt gegen Abend, das Weibchen aber die übrige Zeit über denſelben ſitzt, wie man dies von mehreren Syl⸗ vien, nahmentlich von den Moͤnchgrasmuͤcken und andern zu ſehen gewohnt iſt. Die Jungen werden mit allerlei kleinen Inſekten und Inſektenlarven aufgefuͤttert und ſitzen ſo lange im Neſte, bis ſie faſt ſo groß und ſo ſtark befiedert ſind wie die Alten. Sie laſſen den Neſtbau, wenn man ihn nicht ungeſchickt be= taſtet, nicht leicht liegen, leiden es auch, daß man ihnen eins der Eier wegnimmt, nur darf man nicht zu oft zu demſelben kommen, in welchem Falle ſie ſogar zuweilen die Jungen verlaſſen. Sie ſitzen ſehr feſt uͤber den Eiern und laſſen hier ganz nahe an ſich kommen. Gewöhnlich erheben fie, ſobald man ſich dem Neſte naͤ— hert, ein aͤngſtliches Geſchrei, und beide Alte fliegen, wenn ſie Junge haben, ganz nahe mit traurigen Gebehrden und verdoppel⸗ tem Geſchrei um ihren vermeintlichen Feind herum. — Sie bruͤten in der Regel niemals oͤfterer als einmal im Jahr; blos wenn ihnen das Neſt mit den Eiern verſtoͤhrt wurde, bauen ſie ein neues, haben fie aber ſchon Junge, wenn dies geſchiehet, fo brüten fie. nicht wieder und bleiben fuͤr dies Jahr ohne eee Sie vermehren ſich daher eben nicht ſtark. Sie ſollen zuweilen auch ein Kuckuksei ausbruͤten müſſen was aber ſelten ſein mag, indem ich es ſelbſt noch nicht geſehen, obgleich der Gartenlaubvogel bei meinem Wohnorte und in der Um gegend fo gemein iſt, daß ich alljährlich eine Menge von Neſtern dieſer Art zu ſehen Gelegenheit habe, und auch mein Vater nie ein ſolches Ei darin 5 ö Feinde. Die kleinern Raubvogel koͤnnen dieſen gewandten und unter dem Schutze gruͤner Blaͤtter lebenden Voͤgeln ſelten etwas anhaben; aber ihre Brut wird oft von Mard ern, Katzen und Wald⸗ maͤuſen, und noch häufiger von Elſtern und Hehern zer⸗ * 554 III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. ſtoͤhrt. Auch die Wuͤr ger holen bei Regenwetter oͤfters die Jun⸗ gen aus ihrem Neſte. | ** Jagd. Ob 1 gleich ſcheu und vorſichtig genug find, fo bieten fie dem fie beſchleichenden Schuͤtzen doch Gelegenheiten genug dar, ſie hinter dem Gebuͤſch mit der Flinte oder dem Blaſerohr ſchußmaͤ⸗ ßig anzukommen. Der Fang iſt muͤhſamer. Nicht leicht fangen ſie ſich in einer Netzfalle mit lebendigen Inſekten, oder auf Leimru⸗ then; ſelbſt uͤber dem Neſte weichen ſie dieſen oder hingehaͤngten Sprenkeln häufig aus und verlaſſen jenes zuweilen um ſolcher Vor: kehrungen willen lieber gar. Auf dem Traͤnkheerde werden ſie zuweilen gefangen, ſeltner in Sprenkeln mit vorgehaͤngten rothen oder ſchwarzen Holunder⸗ beeren. Auf den Kirſchbaͤumen kann man ſie, wenn ſie nach den reifen Fruͤchten kommen, wie andere kleine Kirſchendiebe, in Sprenkeln oder Schlingen fangen, ſo auch in den Saamenruͤben⸗ beeten, wo ſie gern ſind, wenn dieſe nahe beim Gebüſch liegen. Im Sprenkel gefangen, muͤſſen ſie, wenn ſie nicht bald ſterben ſol⸗ len, gleich ausgeloͤſt werden; auch iſt ihnen jede Beſchaͤdigung an den Beinen tödtlich. Die Liebhaber von Stubenvoͤgeln kaancher Gegenden haben eine eigene Methode ſie zu fangen und ſie ſollen damit ihren Zweck ſehr leicht erreichen. Es iſt aber dazu vor allen ein guter Lockvogel derſelben Art nothwendig; allein es ſollen nicht alle hierzu taugen. Ein ſolcher muß naͤmlich uͤberall ſingen, wo man ihn mit ſeinem Kaͤſig hinhaͤngt, was wenige thun, wenn fie nicht dazu gewöhnt werden. Dies wird aber dadurch erreicht, daß man ihn in der Stube nicht immer an demſelben Platze laͤßt und oͤfters ins Freie traͤgt und ſo beſtaͤndig mit dem Ort fuͤr ſeinen Kaͤfig wechſelt. Einen ſolchen ſteckt man einige Zeit vorher, ehe der Fang beginnen ſoll, was Anfangs Maies iſt, in einen kleinern Bauer; denn er muß ſich auch gewöhnen, in dieſem zu fingen, geht nachher mit die⸗ ſem dahin, wo ein Vogel dieſer Art im Gebuͤſch ſeinen Stand hat und ſingt, ſchleicht ſich behutſam ſo nahe wie moͤglich, haͤngt ſeinen Bauer mit dem Lockvogel an ein Baͤumchen oder an einen hingeſteck⸗ ten Stock, und ſtellt oben ein Paar Leimruthen darauf. Nachdem man ſich behutſam zuruͤckgezogen, wird der Vogel im Kaͤfig zu ſingen anfangen, der fremde wird es hoͤren, eiferſuͤchtig werden, ſich auf ſeinen vermeintlichen Nebenbuhler ſtuͤrzen wollen und an | N | III. Ordn. XV. Gatt. 86. Garten⸗Laubvogel. 555 den Leimruthen kleben bleiben. Mit einem ſolchen Lockvogel ſoll man viele ſeines Gleichen fangen koͤnnen. „%% Sie vertilgen viele uns plagende und ſonſt nachtheilige Inſekten, beſonders ſolche, welche die Bluͤthen und Knospen der Baͤume zer⸗ nagen, und find daher beſonders in den Gärten und für die Obſt— baͤume ſehr wohlthaͤtig. Mit ihrem anmuthigen Geſang erfreuen ſie den, der gewohnt iſt auf die Schoͤnheiten der Natur zu achten, auch 98 einzelnen Liebhaber, welcher ſich die Muͤhe nicht verdries ßen * ſie im Kaͤfig zu unterhalten. 0 Sl d Een fie nicht zuweilen Kirſchen, was jedoch nicht von Be— lang iſt, ſo wuͤrde man gar nichts e von ihnen ſagen in | ——— HD—e—ÿ | 87. Der Bald-Laubvogel, Sylvia sıbilatrix. Bechs t. Taf. 80. Fig. 2. Maͤnnchen. Der Kine Laubvogel, das Laubvoͤgelchen, der Laubſaͤnger, Saͤnger, Weidenzeiſig; Seidenvoͤgelchen; kleine Spoͤtterling; Spalliervoͤgelchen. 5 Sylvia sibilatrix, Bechſtein, Naturg. Deutſchl. zweite Aufl. III. S. 561. — Sylvia Sylvieola. Lath. Ind. orn. supp. II. p. 53. n. 1. — Montagu Transact. Lin. soc. IV. p. 35. — Ficedula sibilatrix. Koch, Baier. Zool. I. S.159. n. 81. = Bee-fin siffleur. Temminck Man. d’orn. nouv. Edit. I. p. 223. — The Wood - Wren, Lamb. Transact. of the Linn. society. II. p.” 245. = Lath. syn. supp. II. p. 237. = Bechſtein ornith. Taſchenb. I. S. 176. = Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 247. — Meisner und Schinz. V. d. Schweitz. S. 120. u. 125. - Meyer, V. Liv⸗ und Eſthlands. S. 123. = Naumanns Vögel, alte Ausg. Rachtr. S. 27. Taf 5. Fig. 12. Kennzeichen der Art. Oberleib gelblich graugruͤn, Vorderhals und Seiten der Ober⸗ bruſt lichtgelb, der uͤbrige Unterleib rein weiß; die Zuͤgel und ein Strich durch das Auge ſchwaͤrzlich; die untern Fluͤgeldeckfedern am Fluͤgelrande hellgelb, grau gefleckt; die Füße ſchmutzig roͤthlich gelb. Die erſte Schwungfeder iſt ſehr klein und kurz, die zweite von gleicher Laͤnge mit der vierten. Die ruhenden Fluͤgel decken den Schwanz bis auf einen halben Zoll. Beſchrei bung. Dieſes liebliche Voͤgelchen unterſcheidet ſich ſchon durch ſeine geringere Größe merklich genug von dem Gartenlaubvogel, weniger (im umgekehrten Verhaͤltniß) vom Fitis laub vogel, welchem es auch in der Farbe ſehr aͤhnlich iſt, vorzuͤglich dem Herbſt⸗ kleide des letztern. Uebrigens hat es laͤngere Fluͤgel und einen III. Ordn. XV. Gatt. 87. Wald⸗Laubvogel. - 557 tiefer ausgeſchnittenen Schwanz als die andern Voͤgel dieſer Fa⸗ milie, mit denen es in fruͤhern Zeiten immer verwechſelt wurde. Sonſt hat es ganz die Geſtalt, die laͤngern Fluͤgel, den breiteren Schnabel und andere Verhaͤltniſſe vom Gartenlaubvogel. Es iſt volle 5 Zoll lang und ziemlich 9 Zoll breit; die Länge des Flügels vom Bug bis zur Spitze iſt 31 Zoll, weswegen die ruhenden Fluͤgel zwei Drittheile von der Schwanzlänge, die 2 Zoll betraͤgt, bedecken, und das Ende des Schwanzes iſt etwas ausge⸗ kerbt, weil ſeine Federn von innen nach außen ſchief abgeſchnitten, daher kurz zugeſpitzt ſind. Der 43 Linien lange, gerade, am Kopfe etwas 7 oben in eine fanft abwärts gebogene, ſeicht gekerbte Spitze ſich endigende, unten pfriemenfoͤrmig ſpitze Schnabel iſt braͤunlich, an den Schneiden und an der Wurzel der Unterkinnlade gelblichfleiſchfarben; der Rachen lebhaft gelb. Die Naſenloͤcher ſind eirund, von oben halb mit einer Haut bedeckt, fo daß eine ovale oder vielmehr nierenfoͤr⸗ mige Oeffnung bleibt, die inwendig gelb ausſieht. Ueber den Mundwinkeln ſtehen ziemlich große ſchwarze Borſthaare, und die Iris iſt ſehr dunkel braun. Die duͤnnen oder ſchwaͤchlichen Fuͤße haben faſt geſtiefelte Laͤu⸗ fe und ziemlich große krumme Krallen, die unten zweiſchneidig ſind, wovon aber die eine Schneide mehr vorſteht als die andere. Der Lauf iſt 4 Zoll hoch, die Mittelzeh mit dem Nagel über 6 Li⸗ nien, und die hintere 5 Linien lang. Die Farbe der Fuͤße iſt roͤth⸗ lichgelb, an den Laͤufen und Zehen oft rothbraͤunlich uͤberlaufen, die Zehſohlen rein gelb, die Naͤgel an den Spitzen braun. Das Geſieder iſt ſeidenartig weich, ſehr fein, und die Schwanzdeckfedern, oben wie unten, find fo lang, daß fie zwei Drittheile von der Länge der Schwanzfedern bedecken. Der ganze Oberkopf, Hintertheil der Wangen, Genick, Na⸗ cken, Schultern und ganze übrige Oberleib find graulich gelbgruͤn, oder vielmehr grau, mit ſchoͤn gelbgruͤnen Federenden, durch welche Miſchung ein mattes Zeiſiggruͤn entſteht; der Unterruͤcken und Steiß ſind lichter als die uͤbrigen Theile, faſt gelblich zeiſiggruͤn. Ueber das Auge laͤuft ein ſchoͤn hellgelber Streif; die Zuͤgel ſind ſchwarz⸗ grau, und dieſe Farbe ſetzt ſich in einem Streifen durch die Augen und Schlaͤfe bis in die Ohrengegend fort; die Kehle iſt gelblichweiß; der Vordertheil der Wangen, der Vorderhals und die Seiten der Oberbruſt blaß ſchwefelgelb; das Uebrige der Bruſt, der Bauch und die untern Schwanzdeckfedern e und ſehr zart; die 558 II. Ord n. XV. Gatt. 87. Wald⸗Laubvogel. Kniefedern graulich, gelb geſaͤumt. Die kleinen Deckfedern der Fluͤgel ſind wie der Ruͤcken; die groͤßern und großen Fluͤgelfedern ſchwarzgrau, mit gelbgruͤnen Saͤumen, und die großen Schwingen mit weißen Endſaͤumchen; die Schwanzfedern ebenfalls ſchwarz⸗ grau, die aͤußerſte grauweiß, die uͤbrigen hell gelbgruͤn gekantet, und die Spitzen aller fein weißgrau geſaͤumt. Die untern Fluͤgel⸗ deckfedern ſind ſchoͤn gelb, weiß gemiſcht, am Fluͤgelrande grau gefleckt; die untere Seite der Schwing- und Schwanzfedern hell⸗ grau, mit weißer Kante der Innenfahne. Maͤnnchen und Weibchen ſehen einander im Aeußern außerordentlich aͤhnlich; haͤlt man ſie gegen einander, ſo zeigt ſich blos, daß letzteres etwas kleiner iſt, ſchwaͤcher ausgezeichnete Augen⸗ ſtreife hat, und daß es weniger ſchoͤn ausſieht, was man an der gruͤnen und gelben Farbe bemerkt, ſonſt aber nicht ſehr auffal⸗ lend iſt.⸗ | Die Jungen im Neſtgefieder tragen an dieſem ganz die Farben ihrer Aeltern; weil dies aber bei allen jungen Voͤgeln immer weniger dicht und vollkommen iſt, ſo ſehen auch die Farben deſſelben hier weniger ſchoͤn aus, als dies nachher der Fall iſt, wenn ſie ſich erſt vermauſert haben. | Aufent h at f. Dieſes Laubvoͤgelchen koͤmmt im mittleren Europa in mehreren Laͤndern vor, doch, wie es ſcheint, nirgends ſehr häufig. Im Norden findet man es noch im mittleren Schweden einzeln, aber nicht hoͤher hinauf. In Frankreich kennt man es in vielen Gegenden, auch in Holland und in der Schweiß, dagegen foll es in England ſelten ſein. In Livland iſt es, wie in den meiſten Gegenden Deutſchlands, gemein, oder wenigſtens in den Waͤldern allenthalben nicht ganz einzeln anzutreffen, ſo z. B. in der hieſigen Gegend, in Thuͤringen, Baiern und anderwaͤrts. Hier, in Anhalt, iſt es zwar lange nicht fo gemein wie der Fir tislaubvogel, jedoch viel häufiger als der Weidenlaubvo⸗ gel, was man im Fruͤhlinge, wo alle drei ſo aͤhnliche Arten ihre ſehr verſchiedenen Geſaͤnge hoͤren laſſen, am beſten beobachten kann; denn in einer andern Jahreszeit laſſen ſie ſich, wegen ihrer aͤhnli⸗ chen Farbe und Geſtalt, viel ſchwerer und nur in der Naͤhe unter⸗ ſcheiden. . Es iſt ein Zu gvogel, und zwar einer von denen, welche nur kurze Zeit bei uns verweilen, und welche man deswegen auch III. Ordn. XV. Gatt. 87. Wald⸗Laubvogel. 559 Sommervoͤgel nennt. In der letzten Haͤlfte des Aprils, je nach⸗ dem die Baͤume des Waldes fruͤher oder ſpaͤter zu gruͤnen anfangen, acht Tage fruͤher oder ſpaͤter, doch nicht leicht vor der Mitte jenes Monats, oͤfterer gar erſt zu Anfang des Maies, ſtellt es ſich bei uns ein, naͤmlich um die Zeit, wenn die Ebreſchbeerbaͤume, Weiden u. a. ſchon gruͤnes Laub haben, die meiſten uͤbrigen Waldbaͤume aber eben im Begriff ſtehen, ſich mit jungem Gruͤn zu ſchmuͤcken. Im Auguſt und zu Anfang Septembers verläßt es uns ſchon wies der und ſucht ſich fuͤr den Winteraufenthalt ein milderes Klima auf. Seine Reifen macht es des Nachts und einzeln. Im Fruͤh⸗ linge dauert die Zugzeit hoͤchſtens zwei Wochen, der Herbſtzug aber laͤnger, und ſie ſchleichen ſich dann ſo unbemerkt aus unſern Ge⸗ genden, daß man ſie nur wenig gewahr wird. Gegen die Mitte Septembers ſind alle laͤngſt ſchon weggezogen. Als aͤchter Waldvogel, koͤmmt es nur in der Zugzeit in ſolche Gaͤrten, worin es viel Baͤume und Buſchwerk findet, in die bufch: reichen kgebungen der Doͤrfer und Staͤdte und in kleinere Feld⸗ hoͤlzer. Sobald dieſe voruͤber iſt, zieht es ſich in die Waͤlder zu⸗ ruͤck und iſt dann in allen bergigen und ebenen großen Waldungen anzutreffen. Auch in Gebirgswaldungen zieht es ſich aus den Vor⸗ bergen nach dem einſamen, tiefer im Gebirge liegenden Walde zu⸗ ruͤck. — Es liebt die Nadelwaͤlder mehr als ein Vogel dieſer Fa⸗ milie und iſt viel haͤufiger hier als im Laubholzwalde, vorzuͤglich gern in ſolchen, wo beide Holzarten mit einander abwechſeln. Man trifft es daher in den Kiefernwaͤldern ſandiger Gegenden, die haͤufig mit Birken, Eichen und anderem Laubholz untermiſcht ſind, zumal wo dieſes hohes Stangenholz bildet, ſehr häufig an, ſelbſt im alten Hochwalde von jenen, wenn er nur nicht gar zu duͤſter iſt, auch in Fichten= und Tannenwaͤldern. Im reinen Laubholzwalde, mag er trocknen oder feuchten Boden haben, iſt es nur im hohen Stangenholz, und zwar am liebſten da, wo dieſes nur oben noch belaubt iſt und ſo viel Schatten macht, daß am Boden unter dem⸗ ſelben nur ſtellenweis noch Gras und andere Pflanzen wachſen, nicht aber auf jungen Schlaͤgen oder da, wo das Unterholz noch nicht hoch und alt genug iſt. Hohe Weiden liebt es nur in der Zugzeit, ſonſt findet man es daſelbſt nicht. In den ſchoͤnen Laubholzwal⸗ dungen der Auen norddeutſcher Fluͤſſe iſt es dann überall haͤufig, in der Brutzeit aber blos an den hoͤher gelegenen Stellen, in den großen Gehegen von Buſchweiden an den Flußufern aber ſelten und nur dann, wenn auch hohe Baͤume anderer Art ſich unter 560 III. Ordn. XV. Gatt. 87. Wald⸗Laubvogel. jenen befinden. Große, zuſammenhaͤngende Waldungen zieht es ſtets den kleinern vor, und in kleinen iſolirten Feldhoͤlzern findet man es blos in der Zugzeit. 5 Auf ſeinen Fruͤhlings wanderungen haͤlt es ſich beinahe immer in hohen Baumkronen, in den Gipfeln niederer Baͤume und hohem Buſchwerk auf und koͤmmt dann ſehr ſelten in das niedrige Ge⸗ buͤſch; beim Wegzuge, gegen den Herbſt hin, haͤlt es ſich dagegen gern und mehr in den letztern auf und beſucht auch, doch ſeltner als die andern folgenden Arten, die nahe beim Gebuͤſch liegenden Rohr teiche und die Gartenbeete, wo hohe Bohnen, Samenruͤben und andere hohe Pflanzen gebauet werden. In der Brutzeit treibt es ſich bald oben in den Baumzweigen, bald auf den duͤrren Aeſten an den ſonſt kahlen Schaͤften der Baͤume, oder ganz unten im alten Stangenholz und nahe an der Erde herum. Dann macht es ſich auch am bemerklichſten; im Herbſt lebt es dagegen ſo ſtill und im Gebuͤſch verborgen, daß es ſich dort unter andern kleinen Voͤgeln verliert und ſo allmaͤhlig aus unſern Gegenden verſchwindet. Es muß dann auch mehr dem Walde nachziehen, weil es in den Buͤſchen und Baumgarten bei Dörfern und Städten nur ſelten geſehen wird. „Eigenſchaften. Dies iſt ein munteres, lebhaftes Voͤgelchen, ſchnell und ges wandt in ſeinen Bewegungen, zaͤnkiſch gegen ſeines Gleichen, und neidiſch gegen andere ihm ſich naͤhernde Voͤgel. Es neckt und jagt ſich daher immer mit dieſen herum, iſt dabei ziemlich ſcheu und treibt ſich mehrentheils in den oberſten Zweigen hohen Buſchholzes und in den Baumkronen herum, flattert dabei unruhig von Zweige zu Zweige und ruhet auf dieſen nur auf Augenblicke. Beim Fort⸗ huͤpfen durch dieſe gebraucht es faſt immer auch ſeine Fluͤgel und traͤgt im Sitzen die Bruſt erhaben, koͤmmt aber hoͤchſt ſelten auf die Erde, wo es ſchwerfaͤllig huͤpft, nicht einmal oft ins niedere Geſtraͤuch, außer in der Brutzeit. Sein Gefieder traͤgt es meiſten⸗ theils knapp anliegend, hat daher faſt immer ein ſchlankes, gefaͤlli⸗ ges Anſehen, nur das ſingende Maͤnnchen blaͤhet ſich zuweilen, ſelbſt im Fluge, behaglich auf, laͤßt dabei die Fluͤgel etwas nachlaͤſ⸗ ſig haͤngen und ſchwirrt dazu ſein Liedchen mit einer Ruhe, daß es dem, welcher es ſonſt nicht beobachtet hat, ein traͤger Vogel ſcheinen möchte; dies iſt beſonders in der Gegend feines Neſtes der Fall, wo es auch gar nicht ſcheu iſt. Hier ſcheint auch ſein Flug ſchwer⸗ faͤllig, weil es ſich mit einer zitternden Bewegung immer nur uͤber 7 III. Ordn. XV. Gatt. 87. Wald⸗Laubvogel. 561 kurze Raͤume dahin ſchwingt, als werde ihm das Fliegen noch ſo ſauer; dies iſt aber bloß Verſtellung und Ueppigkeit, aber nicht eigentliche Angſt um ſein Neſt, wobei es ſich ganz anders benimmt, mit glattem Gefieder und mit Gewandtheit fliegt, und dabei aͤngſt⸗ lich ſchreiet. Wer gewohnt iſt, auf die Voͤgel im Freien zu achten, / wird hierbei an das Betragen der gelben Bachſtelze erinnert. — Seine großen Fluͤgel geſtatten ihm die mancherlei Abwechslungen und den ſchoͤnen Flug; ſo ſieht man ſelbſt das ſingende Maͤnnchen mit dem zitternden Flattern oft ein wirkliches Schweben verbinden, und in ſolchem ſich von einem hoͤhern Baume auf einen niedrigern ſanft herablaſſen. Außerdem fliegt es ſchnell, ſchußweis und flat⸗ ternd, auf großen Raͤumen aber in einer unregelmaͤßigen Schlan⸗ genlinie, oder in kuͤrzern oder laͤngern, faſt huͤpfenden Bogen. Seine Lockſtimme, die man aber ſelbſt in der Zugzeit nicht oft hört, iſt ein fanft pfeifendes Huͤid, und der des Fitislaubvo— gels ſo ſehr aͤhnlich, daß kaum ein Unterſchied zu bemerken iſt, welcher ſich auch nicht mit Worten verfinnlichen läßt. Im Fruͤh⸗ linge, beſonders da wo fie brüten, hört man dagegen einen nur ihnen eigenthuͤmlichen, floͤtenden Ton, mehr vom Maͤnnchen wie vom Weibchen, und dies ſanfte, aber doch weit genug vernehmbare, Djuͤ, oder Djuͤ dj djuͤ, nebſt dem ſonderbaren Geſange des Maͤnnchens, macht dieſe Voͤgel bald bemerklich. Beim Neſte hoͤrt man jenen melancholiſchen Ton auch vom Weibchen, doch nicht fo haufig, und dies pfeift dann auch manchmal fein Huͤid dazu. Dies letztere iſt alſo nicht allein Lockton, ſondern auch Angſtgeſchrei, und das floͤtende Djuͤ der Paarungsruf. — Der Geſang des Maͤnnchens klingt wunderbar, in einem hohen Tone pfeifend, ſchnurrend oder zwitſchernd, wie Ippſippſipp ſippſipp ſipp⸗ fipp ſirrrrr, dem häufig jenes dreimalige Djü angehängt wird. Es ſcheint ihm Anſtrengung zu koſten, dieſe harten Toͤne, die in der Naͤhe recht ſtark klingen, daher ziemlich weit gehoͤrt werden, aus der zarten Kehle hervorzupreſſen; es blaͤſt daher, wenn es ſitzend ſingt, die Kehlmuskeln auf, dehnt den Hals aus, erhebt die Scheitelfedern zu einer Holle, Laßt die Flügel nachlaͤſſig Hängen und richtet den wenig geoͤffneten Schnabel etwas aufwaͤrts, deſſen zitternde Bewegung mit den ſchnurrenden Toͤnen, die eben durch ihn in Freiheit geſetzt werden, harmonirt. Gewoͤhnlich huͤpft und flattert es waͤhrend des Singen von Zweige zu Zweige immer durch die Kronen der Baͤume fort, ſucht dabei ſeine Nahrung, oder ſieht ſich wenigſtens darnach um, ſitzt aber auch zuweilen, ſo lange es zter Theis. N 36 562 III. Dıdn. XV, Gatt. 87. Wald-Laubvogel. ſingt, ſtill. Eben fo oft ſieht man es im Singen ſich behaglich von einem Baume zum andern ſchwingen, oder ſich ſchwebend und zitternd auf einen niedrigern herablaſſen. In der Naͤhe ſeines Neſtes treibt es ſich in dem kleinen Bezirk, den es einmal eingenommen hat und ohne Noth nicht verlaͤßt, am haͤufigſten mehr unterhalb der Baͤume auf den einzeln, an den Baumſchaͤften hervorſtehenden, kleinen duͤrren Aeſtchen, herum und ſitzt dann auch oft auf einem ſolchen ſehr lange an Einer Stelle, wobei es fein Gefieder aufblaͤhet, die Fluͤgel etwas hängen läßt und häufig die Scheitelfedern wie eine Holle aufſtraͤubt. Es iſt auch ein ſehr fleißiger Sänger, ſenge ſchon vom fruͤheſten Morgen, bis ganz gegen Abend, in einem weg, nur wenn es erſt bruͤten hilft, Nachmittags weniger. Seine Ankunft im Fruͤhjahr zeigt es durch ſeinen Geſang an, es ſingt aber kaum bis gegen Johannistag. In der Gefangenſchaft gewoͤhnen ſich dieſe zarten Geſchoͤpfe viel leichter als der Gartenlaubvoge!l; allein es lohnt ihres Geſanges wegen die Muͤhe nicht, ſich mit ihrer Zaͤhmung abzuge⸗ ben. Frei im Wohnzimmer herumfliegend, gewoͤhnen ſich manche bald an die Menſchen und werden dann meiſtens ſehr zahm, dauern aber weder hier, noch im Käfig lange; andere ertragen den Verluſt der Freiheit keinen Tag lang und ſterben, ohne Nahrungsmittel an⸗ genommen zu haben. Nahrung. Fliegen, Muͤcken, Bremen, Bremſen, kleine Nachtſchmet⸗ terlinge und aͤhnliche kleine Inſekten, die in zahlloſer Menge die belaubten Zweige umſchwirren, fangen ſie meiſtens im Fluge, leſen ſie aber auch von den Blaͤttern und Bluͤthen der Baͤume ab und verſchmaͤhen hier auch die zarten Larven vieler ſich hier aufhaltenden Inſekten mancherlei Arten nicht; doch ſind fliegende und vollkom⸗ mene Inſekten aus den Claſſen der Zwei- und Vierfluͤgler ſtets ihre Hauptnahrung. Sie freſſen viel und ſind daher beſtaͤndig mit dem Aufſuchen und Fangen jener kleinen Geſchoͤpfe beſchaͤftigt. Im Fruͤhjahr ſuchen ſie ſelbige immer in der Hoͤhe des Gebuͤſches und in den Baumkronen auf, wobei man ſie eher hoͤrt, als zu ſehen bekoͤmmt, was ſpaͤterhin, wo ſie jene auch tiefer herab, zwiſchen dem Stangenholz und im Schatten nicht zu dicht ſtehender Nadel⸗ haͤume, oder im gemiſchten Holze mehr unterhalb, finden, eher der Fall iſt; allein im Herbſt gehen ſie in das dicht belaubte niedrige Geſtraͤuch, auch von Buſchweiden u. dergl, und durchflattern dies III. Ordn. XV. Gatt. 87, Wald⸗Laubvogel. 563 meiſtens ſtillſchweigend und immer mit dem Aufſuchen ihrer Nah⸗ rungsmittel beſchaͤftigt, und man bemerkt ſie dann weniger als jemals. Nur im Fruͤhjahr, wenn nach ihrer Ankunft bei uns noch rauhe Witterung eintritt, was ſelten vorkoͤmmt, ſieht man ſie nothgedrungen auch zuweilen unter dem Gebuͤſch am Boden im duͤrren Laube nach Inſekten ſuchen, wobei fie ſchwerfaͤllig und lang: ſam forthuͤpfen. Sonſt ſieht man fie, außer wenn fie Materialien zum Neſtbau ſuchen und überhaupt beim Neſte beſchaͤftigt find, nie auf dem Erdboden. Gegen den Herbſt, wenn ſchon rauhe Witterung eintritt, bei welcher ſich die Inſekten verſtecken, gehen ſie auch nach den Beeren und freſſen vorzuͤglich die rothen und ſchwarzen Holunderbeeren gern. Sie baden ſich gern und gehn deshalb oͤfters zum Waſſer. Laͤßt man einen eben gefangenen Vogel dieſer Art in die Stube fliegen, fo fängt er meiſtens bald Fliegen, und halt ſich, fo lange es von dieſen genug giebt, ziemlich gut. Doch nicht alle gewoͤhnen ſich an die Gefangenſchaft, und fie zeigen ſich ſtoͤrriger und weichlicher als der Fitislaubvogel. So iſt es auch, wenn man ſie in einen Vogelbauer ſperren und an das Maakganntutier gewoͤhnen will, was nur mit Muͤhe gelingt. N Fortpflanzung. Sie niſten niemals in Gaͤrten, wenigſtens nicht in ſolchen, die bei bewohnten Orten ſind, auch nicht im Gebuͤſch in der Naͤhe dieſer, eben ſo wenig in kleinen Feldhoͤlzern, am wenigſten auf ſumpfigem Boden; ſondern ſtets tief in groͤßern Waͤldern und mitten in den einſamſten, am liebſten und haͤufigſten in den Nadelwaͤldern, ſelbſt im alten Hochwalde, wo er nur nicht zu duͤſter iſt. Wir finden ſie daher im noͤrdlichen Deutſchland faſt in allen bedeutenden Kiefernwaldungen, zumal da, wo Nadelbaͤume und Laubholz von Birken, Aspen u. dergl. durcheinander wachſen, wo der Boden mit Gras und Moss bedeckt iſt, im ziemlicher Menge niſtend. Außer⸗ dem ſind ſie auch gern im Stangenholz, nicht allein von Kiefern, ſondern auch von Laubholz, wo dies nicht auf ſumpfigem Boden waͤchſt. Dieſen verabſcheuen ſie, und man findet ſie deswegen in der Brutzeit nie in den Weidengebuͤſchen, ſelbſt in den Auenwaͤldern nur an den hoͤher gelegenen Stellen, wo das Holz alt genug iſt und nicht zu dicht ſtehet. In jungen Laubholzſchlaͤgen, wenn ſie nicht wenigſtens an 25 Fuß Hoͤhe und druͤber erreicht haben, niſten fie gar nicht; auch nicht da, wo unter dem Holze viel uͤppiges Gras \ 564 III, Ordn. XV. Gatt. 87. Wald-Lanbvogel. und hohe Pflanzen wachſen, darf man ihr Neſt ſuchen wollen. Dagegen wird man es an ſolchen Orten, wo man das Maͤnnchen immer ſingen hoͤrt, was ſein Revier nicht uͤber ein paar hundert Schritte im Umkreiſe ausdehnt, wenn hier der Boden mit kurzem Gras, Moos, Heidekraut, Heidelbeeren u. dergl., obgleich nur kuͤmmerlich bedeckt iſt, ſelbſt zuweilen da, wo zwiſchen dem alten Laube nur wenig grüne Pflanzen hervorſproſſen, gewiß nicht vergeb⸗ lich ſuchen. Indeſſen iſt es dennoch aͤußerſt ſchwer aufzufinden, weil es ſtets auf dem Erdboden ſelbſt, oder zwiſchen alte Storzeln vormals abgehauener Baumſtaͤmme, zwiſchen Baumwurzeln, unter altes Gras u. dergl. gebauet iſt. Auch ſeine Bauart erſchwert das Auf⸗ finden, und es wuͤrde gar oft alles Suchen darnach fruchtlos bleiben, wenn es nicht der herausfliegende Vogel das meiſtemal verriethe. Selbſt wenn man es ſchon einmal gefunden, aber den Ort genau zu bezeichnen vergeſſen hatte, konnte man es, alles Suchens unge⸗ achtet, nicht wieder finden, wie mir ſelbſt begegnet iſt. Die aͤngſt⸗ lichen Gebehrden und das heftige Schreien der Alten führen den Suchenden gewoͤhnlich zur Stelle; allein nur zu oft wird er dennoch ſeinen Zweck nicht erreichen. Der Zufall, wenn im Vorbeigehen der Vogel herausflog, oder wenn ich die Alten, die Futter im Schna⸗ bel trugen, ſo lange beobachtete, bis ſie dieſes den Jungen zutru⸗ gen, hat mir es am oͤfterſten entdecken laſſen. Das Neſt ſtehet, wie geſagt, meiſtens unmittelbar auf dem Erdboden, zuweilen in einer kleinen Vertiefung, zuweilen auch auf ebener Erde, im alten Laube oder Graſe, u. ſ. w. Es iſt zwar niemals ſehr dicht gewebt, doch auch nicht ganz unkuͤnſtlich, ſtets von oben ſo weit uͤberbauet, daß der Eingang zur Seite angebracht, aber ſo weit iſt, daß man faſt immer die Eier, ohne ſich deshalb ſehr buͤcken zu muͤſſen, darin liegen ſehen kann. Zuweilen habe ich es jedoch auch ſo vollkommen backofenfoͤrmig gefunden, daß die Eier nur dann zu ſehen waren, wenn man ſich bis faſt zur Erde niederbuͤckte. Die innere Hoͤhle iſt ſehr nett gerundet, und der Napf ziemlich tief. Das Hauptmaterial dazu ſind duͤrre Grasblaͤtter und Halme, welche bald mehr bald weniger mit gruͤnem Erdmoos oder mit altem Laube vermengt ſind, und das Innere iſt bald mit zarten Rispen, bald mit Pferdehaaren, Wolle und Federn ausgepolſtert. Sehr merkwuͤrdig iſt dabei, daß die Voͤgel beim Bau auf die Um⸗ gebungen achten und darnach das Aeußere gelegentlich aufputzen, z. B. im Graſe bloß duͤrre Grasblaͤtter und Halme, im Moos viel von dieſem, im trocknen Laube aber bloß dies dazu verwenden, IM. Ordn. XV. Gatt. 87. Wald⸗Laubvogel. 565 waͤhrend dem Ganzen mehr nach innen, trockne Grasblaͤtter und Haͤlmchen die noͤthige Verbindung und Feſtigkeit geben. — Erſt zu Ausgang des Maies findet man in dieſem Neſte fuͤnf bis ſechs, ſehr ſelten auch ſieben Eier, von einer ungemein niedlichen Form und Farbe. Sie ſind in der Regel ſehr kurz oval, faſt rundlich, und man findet ſelten ein Neſt, wo ſie einmal der wirklichen Eiform ſich naͤhern; dann ſind ſie gewoͤhnlich alle ſo, weil ein Vogel kurze, der andere laͤngere legt. Sie haben eine ſehr zarte, glatte, aber nicht glaͤnzende Schale und ſind auf einem rein weißen Grunde mit Punkten und kleinen Fleckchen von einer ſchwaͤrzlichviolet⸗ ten Purpurfarbe e en welchen ſich oͤfters auch aſchgraue Punkte zeigen, die nicht ſelten am ſtumpfen Ende eine Art von Kranz bilden, aber im Ganzen wenig auffallen. Die Zeichnungen ſind weder ſehr dicht, noch ſehr ſparſam, meiſt uͤber die ganze Flaͤche vertheilt, oder nur am ſpitzen Ende ſparſamer als am entgegengeſetzten und nehmen ſich auf dem kreideweißen Grunde allerliebſt aus. Von denen der Fitis- und Weiden⸗ laubvoͤgel ſind ſie ſehr verſchieden, und wenn ſie auch an Farbe denen der letztern etwas aͤhneln, ſo zieht dieſe hier doch ſtets mehr ins Violette, bei den Eiern des Weidenlaubvogels aber ins Braune, und ſie ſind auch ſtets merklich groͤßer als dieſe. Ich habe ſie wenigſtens immer ſo gefunden, und wenn man die Farbe der Punkte ſchlecht weg rothbraun nennt, ſo iſt hier wahrſchein⸗ lich eine Verwechslung vorgefallen, was dem Ungeuͤbten, da alle drei Arten in der Structur der Neſter fo Biel Aehnliches haben, leicht begegnen kann. Hat man ſie nur erſt ein Mal von allen drei Voͤgeln ſelbſt aufgefunden, ſo wird man ſie nicht mehr verken⸗ nen; denn fie variiren in der Form und in der Menge oder Grüße der Punkte nur wenig, in der Farbe aber gar nicht. Sie bruͤten, wie andere kleine Voͤgel, dreizehn Tage lang, wobei das Maͤnnchen ſein Weibchen, gewoͤhnlich in den Mittags⸗ ſtunden, auf einige Zeit ablöſt, ſitzen ſehr feſt uͤber den Eiern und fliegen meiſtens erſt ab, wenn man ſchon ganz nahe iſt. Geſchieht dies, wenn ſie bereits kleine Jungen haben, ſo flattern ſie dicht uͤber der Erde hin, um dadurch die Aufmerkſamkeit vom Neſte ab⸗ zulenken, doch iſt dieſe Verſtellungskunſt anderer Art, als bei den Grasmuͤcken, denn ſie flattern nur in gerader Linie eine Strecke fort und erheben ſich bald, um ſich in den hoͤhern Baumzweigen zu verlieren. Wenn man das Neſt nur nicht zu ungeſchickt betaſtet, ſo verlaſſen fie es nicht leicht, ſelbſt nicht, wenn man ihnen eins oder N 566 III. Ordn. XV. Gatt. 87. Wald-Laubvogel. zwei Eier wegnimmt, wobei es doch, wegen der geringen Weite des Eingangs, nicht ohne alle Stoͤhrung abgehen kann. Die Jun⸗ gen werden mit allerlei kleinen Inſekten aufgefuͤttert und fliegen erſt aus, wenn fie völlig flͤgge find; werden fie aber beunruhigt, fo verlaffen fie das Neſt auch früher. Die Alten ſind aͤngſtlich um fie beſorgt und verrathen fie durch vieles Schreien, flattern auch wol ganz nahe herbei und zeigen dadurch dem Lauſcher die Stelle an, wo eins im Graſe ſitzt. Ihre Angſt vermindert ſich aber, ſobald ſich die Jungen in den belaubten Zweigen hoͤherer Baͤume befinden. — Sie bruͤten nur Ein Mal in einem Jahr, und weil ſie ſtets auf dem Erdboden niſten, ſo werden ihnen unzaͤhliche Neſter zerſtoͤhrt, die Jungen oft geraubt u. ſ. w.; Hinderniſſe, welche einer groͤßern Vermehrung ſehr im Wege ſtehen. | * Fein d e. Ihre Brut wird ſehr haͤufig von Fuͤchſen, Mardern, Wieſeln, Ratten, Maͤuſen, Igeln und andern kleinen raͤuberiſchen Thieren vernichtet, und die Alten zuweilen vom Sper⸗ ber gefangen. f Jagd. Zu ſchießen find fie, ob fie gleich etwas ſcheu find, ziemlich leicht. Beim Neſte koͤnnte man ſie auch mit dem Blaſerohr erlegen, was ſonſt nicht gut angeht, weil ſie ſehr hurtig ſind und ſich mei⸗ ſtens hoch in den belatlbten Zweigen aufhalten. Eine eigene Fangmethode fuͤr dieſe Voͤgel iſt mir nicht bekannt; man faͤngt ſie immer nur zufaͤllig in Netzen, Sprenkeln und auf Leimruthen, die für andere Voͤgel geſtellt wurden. Am ſicherſten wuͤrde man ſie fangen koͤnnen, wenn man an ihrem Standorte, wo ſie bruͤten wollen, einen Vogelbauer, worin irgend ein lebender kleiner Vogel befindlich, hinhaͤngte und dieſen mit Leimruthen bes legte; Neugierde und Eiferſucht werden ſie bald auf den Vogelbauer fliegen heißen und ſie fo gefangen werden. In den nahe beim Ge= buͤſch befindlichen Beeten von hohen Kuͤchengewaͤchſen, nahmentlich von Samen tragenden Mohrruͤben oder Carotten, halten ſie ſich im Spaͤtſommer gern auf, und dort faͤngt man ſie leicht in hinge⸗ haͤngten Sprenkeln. In hieſiger Gegend, wo viel von jenem Sa⸗ men erbauet wird, weshalb man denn auch bei jedem Dorfe viele und große Beete damit bepflanzt ſiehet, wimmelt es Ende Julius und im Auguſt von kleinen Inſektenvoͤgeln aller Arten, beſonders III. Ordn. XV. Gatt. 87. Wald⸗Laubvogel. 567 Laubvoͤgeln, in dieſen, einer unzähligen Menge zweiflügeliger In: ſekten zum Aufenthalt dienender Pflanzen, und giebt fuͤr den Lieb⸗ haber einen hoͤchſt intereſſanten Fang, wobei man nichts noͤthig hat, als Sprenkel, ohne alle Lockſpeiſe, in die Beete zwiſchen die hohen Pflanzen zu haͤngen. In Sprenkeln mit vorgehaͤngten Johannis⸗ oder Holunderbeeren faͤngt man ſie im Gebuͤſch auch zuweilen, aber nur ſelten. Nutzen. Im Haushalt der Natur nuͤtzen ſie durch Wegfangen einer verderblichen Inſektenmenge. Wenn im Fluͤhlinge ihr ſonderbarer Geſang ertoͤnt, iſt fortdauernd gute Witterung zu erwarten; auch iſt ihr Fleiſch wohlſchmeckend, obwol ihnen eigentlich dieſerhalb nich nachgeſtellt wird. 0 f Schaden. Dieſe lieblichen Voͤgelchen ſchaden uns auf keine Weiſe. 568 | a e e . Der Kitis-Laubvogel, Sylvia Zrochilus. Lath. Taf. 80. dig. 3. Maͤnnchen. Der Fitisſaͤnger, gemeiner oder gelber Fitis; Laubvoͤgelchen, gelbfuͤßiger Laubvogel; großer Weidenzeiſig, Weidenmuͤcke, Wei: denblatt, Weidenblaͤttchen; Aſilvogel; Sommerkoͤnig; Schmittl; Wisperlein; Backoͤfelchen; in hieſiger Gegend (nebſt der vorigen und folgenden Art) Fitis, Fiting oder Fitichen. / Sylvia Trochilus. Lath. ind. orn. II. p. 550. n. 155. — Nilsson Orn. suec. I. p. 228. n. 109. == Motacilla Trochilus. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 995. n. 49. = Retz. Faun. suec. p. 266. n. 232, — Motacilla Aeredula. Linn. Faun. suec. p. 96. n. 263. — Ficedula Fitis. Koch, Baier. Zool. I. S. 159. n. 82. = Asilus. Briss. Orn. III- p. 479. = 760 Filis. Bed: fein, Naturg. Deutſchl. III. S. 643. == Le Pouillot ou le Chantre. Buff. Ois. V. p. 344. — Id. Pl. enl. 651. Fig. 1. — Gerard. tabl. elem. I. p. 526. — Bee - fin pouillot. Temminck, Man‘ nouv, Ed. I. p. 224. — Yel- low-Wren. Lath. syn. II. 2. p. 412. n, 147, Ueberſ. v. Bechſtein, IV. S. 499. n. 147. u. Anmerk. S. 502. n. 2. = Bechſtein, ornith. Taſchenb. I. S. 187. n. 22. = Meyer u. Molf, Taſchenb. I. S. 248. - Meisner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 120. n. 126. — Meyer, V. Lio⸗ und Eſthlands. S. 124. = Naumanns Vögel, alte Ausg. I. S. 169. Taf. 35. Fig. 75. und Nachtr. Taf. 5. Fig. 10. Fenn zeichen rx Oben gruͤnlichgrau, unten gelblichweiß; die untern Fluͤgel⸗ deckfedern am Fluͤgelrande ſchoͤn ſchwefelgelb; die Wangen gelblich; die Fuͤße gelblichfleiſchfarben. Die erſte Schwingfeder iſt ſehr klein, kurz und ſchmal; die zweite nicht ganz ſo lang als die dritte und von gleicher Laͤnge mit der ſechſten. Die ruhenden Fluͤgel decken den Schwanz bis auf einen Zoll. Be ſſ cher e i bẽu n g. \ Dieſer kleine Vogel ift von einer zarten und angenehmen Bil: dung, dabei dem Weiden laubvogel fo ahnlich, daß Verwechs— d III. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. 569 lungen mit dieſen ſelbſt dem minder geuͤbten Kenner zu verzeihen ſind. Die angegebenen Artkennzeichen unterſcheiden zwar beide Arten ſehr beſtimmt von einander; allein der Unterſchied iſt doch ſo ſubtil, daß man die Voͤgel auch in ihrem Leben und Wirken vielmal muß beobachtet haben, um auch die todten Baͤlge ſogleich richtig anſprechen zu koͤnnen. Unſer Voͤgelchen iſt übrigens ſtets ein wenig größer, von Farbe etwas gelblicher, und die Füße find immer lich⸗ ter gefaͤrbt als beim Weidenlaubvogel; dagegen, mit dem ihm ebenfalls ſehr aͤhnlichen Waldlaubvogel verglichen, iſt es kleiner, grauer und weniger gelb als dieſer. Unter den deutſchen Voͤgeln gehoͤrt es zu den kleinſten. N Er iſt von zartem Körperbau, nur 42 Zoll, hoͤchſtens bis 45 Zoll lang, und 74 bis 8 Zoll breit; der Schwanz, welcher am Ende faſt gerade oder nur ſeicht ausgekerbt iſt, mißt 1 Zoll 10 Li⸗ nien, wovon die ruhenden Fluͤgel 1 Zoll . laſſen. Die dritte Schwingfeder iſt die laͤngſte. Der Schnabel iſt ſehr duͤnn, gerieten, vorn ſchmal, die Spitze des Oberkiefers nur wenig abwaͤrts gebogen und ſeicht eingekerbt; an den Schneiden und an der Wurzel, beſonders der Unterkinnlade, iſt er gelb, uͤbrigens ſchwaͤrzlichbraun, und der Rachen gelb; der ganze Schnabel von der Stirn bis zur Spitze 47 Linien lang. Das Naſenloch iſt laͤnglichoval, und die Augenſterne ſind dunkelbraun. Die ſchwaͤchlichen Fuͤße haben faſt geſtiefelte oder nur ſeicht eingekerbte Laͤufe, duͤnne Zehen, und die Krallen ſind weder groß, noch ſehr krumm, aber duͤnn und ſpitzig. Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſchmutziges Gelb, die Sohlen am lichteſten, die Laͤufe am dun⸗ kelſten, und dieſe meiſtens mit durchſchimmernder Fleiſchfarbe; die Krallen dunkelgelbgrau, oft mit braunen Spitzen. Die Hoͤhe des Laufs betraͤgt 9 bis 10 Linien, die We der Mittelzeh 62 Linien, die der Hinterzeh 5 Linien. | Das ſeidenweiche Gefieder trägt’ folgende Farben: Kopf, Nacken, der ganze Ruͤcken und die kleinen Fluͤgeldeckfedern find gelb⸗ gruͤnlichgrau oder truͤbe olivengruͤn; von der Naſengegend zieht ſich ein bleichgelber Streif uͤber das Auge hin; die Zuͤgel und ein fort⸗ geſetzter Strich durch und hinter das Auge dunkelgrau; die Wangen bleichgelb, hinterwaͤrts grau uͤberflogen, fo auch die Halsſeiten und Weichen; Kehle, Gurgel und Oberbruſt ſchoͤn bleichgelb; die Mitte der Unterbruſt und der Bauch weiß; die untern Schwanzbeckfedern ſehr blaßgelb. Die großen Fluͤgeldeckfedern find grau, olivengrün * 570 III. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. N akt: die Schwing- und Schwanzfedern ſchwarzgrau, auswärts mit gelblicholivenfarbenen Kanten, die Schwingen an den Spitzen und die aͤußerſte Schwanzfeder auf Ber Auͤßenkante mit einem weiß: lichen Saͤumchen. Auf der untern Seite find die Schwing- und Schwanzfedern grau, die untern Fluͤgeldeckfedern blaßgelb und grau gemiſcht, aber der Fluͤgelrand ſchoͤn ſchwefelgelb, ohne alle Flecke. — Das bleiche Schwefelgelb an den untern Theilen iſt, in der Naͤhe betrachtet, auf weißem Grunde bloß ſtreifenartig vertheilt, weil es nur an den Rändern der Federn, doch nicht an den Spitzen derſel⸗ ben, ſeinen Sitz hat; dies iſt zum Theil auch mit dem lichten Oli⸗ vengruͤn der obern Theile der Fall. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen iſt in der Farbe faſt kein Unterſchied, doch ſieht das letztere meiſtens an der Bruſt weißer oder weniger gelb aus. Im Herbſt, nach vollendeter Mauſer, ſehen dieſe Voͤgel viel ſchoͤner aus als im Fruͤhjahr, und dann aͤhneln ſie auch dem Waldlaubvogel mehr als dem Weidenlaub vogel, im Fruͤh⸗ jahr aber dieſem wieder mehr. Denn am friſchen Gefieder haben die grauen Ruͤckenfedern ſchoͤn olivengruͤne, die weißen Federn an den untern Theilen aber blaß ſchwefelgelbe Raͤnder, welche die Grundfarbe zum Theil verdecken, ſo daß es in einiger Entfernung ausſieht, als haͤtte das Gefieder ganz dieſe Farben. Nun verſtoßen ſich aber, waͤhrend ihrer Abweſenheit im Winter, jene ſchoͤner ge⸗ faͤrbten Raͤnder, und ſie werden beſonders an den Federſpitzen ſo abgerieben, daß nur an den Seiten der Federn Spuren davon blei⸗ ben, daher dieſer Vogel im Frühjahr in einem viel-grauern und weniger gelben Kleide zu uns koͤmmt, das in der Naͤhe betrachtet, jenes flreifige Anſehen dadurch bekoͤmmt, daß an den Seiten der Federn noch Ueberbleibſel jener ſchoͤn gefärbten Ränder ſtehen. Ge⸗ gen den Sommer hin werden ſie noch A auch durch das Ab⸗ bleichen werden die Farben matter. Die Jungen im Neſtgefieder ſehen den Alten ganz ahnlich, nur ſind die Farben ſchmutziger, am Schnabel und den Fuͤßen aber lichter oder mehr fleiſchfarben. Nach der erſten Mauſer, alſo im erſten Her bſt, ſehen fie aber viel gelber und ſchoͤner aus als ihre Aeltern und aͤhneln dann den jungen Waldlaubvoͤgeln gar ſehr. Von oben ſind ſie dann beinahe einfarbig ſchmutzig zeiſig⸗ gruͤn, von unten blaß ſchwefelgelb, mit weißem Bauche. Sie mauſern ſich zu Ausgang des Juli, die Jungen aber etwas ſpaͤter, im Auguſt. III. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. 571 AU fen t halt. Ju Europa bewohnt dieſer Vogel alle waͤrmern und gemaͤ⸗ ßigtern Theile haͤufig und geht auch in den noͤrdlichern ziemlich hoch hinauf. Er iſt in Schweden, Finnland, Rußland, in England, Spanien, Italien und anderwaͤrts gemein. Auch im noͤrdlichen Amerika findet man ihn. In Deutſchland iſt er allenthalben, fo wie in den angrenzenden Laͤndern, ein be⸗ kannter Vogel und unter ſeinen Familienverwandten der gemeinſte. Er zieht, wie die andern, einzeln und zur Nachtzeit; bloß im Spaͤtſommer ſieht man ihn zuweilen familienweis beifammen. Bei guter warmer Fruͤhlingswitterung ſtellt er ſich ſchon nach der Mitte oder gegen Ende des Maͤrzes bei uns ein, wo die Maͤnnchen dies durch ihren Geſang verkuͤndigen, der Zug dauert aber gewoͤhn⸗ lich bis in die Mitte des Aprils, und haͤufig hoͤrt man die erſten auch erſt zu Anfang dieſes Monats. — Im Auguſt fangen ſie ſchon wieder an allmaͤhlig fortzuziehen, im September iſt aber der Haupt⸗ zug, und mit Ende dieſes Monats verſchwinden ſie ſaͤmmtlich aus unſern Gegenden. Sehr ſelten ſieht man noch einen im Anfang des Oktobers. Es iſt ein aͤchter Waldvogel, als welcher er aber den Laub⸗ wald dem Nadelwalde ſtets vorzieht, in welchem man ihn daher ſehr ſelten findet; in dem von gemiſchten Holzarten, wo Laub⸗ und Nadelholz durcheinander wachſen, iſt er dagegen ſehr gern. Im alten Hochwalde iſt er nicht; immer muß er niedriges Gebuͤſch und dichtes Unterholz haben, mag der Boden bergig, eben oder ſelbſt ſumpfig fein, ja die Nähe des Waſſers iſt ihm beſonders ange⸗ nehm. In gebirgigen Gegenden bewohnt er am meiſten die waldi⸗ gen Vorberge, zumal wo Baͤche herab fließen, die von dichtem Walde bekraͤnzt ſind. Man findet ihn auch in verwilderten Baum⸗ gaͤrten, wo es lebendige Hecken und wildes Geſtraͤuch giebt, in Weidenpflanzungen, bei welchen das letztere nicht fehlt, und in den großen Buſchweidendickichten an den Flußufern. In den Laub⸗ waͤldern, wo das Unterholz nicht zu niedrig iſt und recht dicht ſte⸗ het, iſt er ſehr gemein; aber noch zu junge Schlaͤge ſucht er zu vermeiden und beſucht ſie nur durchſtreifend. Nicht allein in allen großen weitläufigen Waldungen, ſondern auch in kleinern Feldhoͤl— zern, und in den buſchreichen Umgebungen von Doͤrfern und Staͤdten, » überall ſieht und hört man dieſen Vogel. In hieſigen Gegenden 572 III. Or dn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. iſt daher kein Laubwald und kein Gebuͤſch von einiger Bedeutung, wo man ihn nicht antraͤfe, und das Fitis, wie er hier heißt, iſt jedem Knaben bekannt. Gebuͤſch von Weiden, Haſeln, Hartrie⸗ gel, auch Birken, Aspen u. dergl. iſt ihm das angenehmſte, zumal wo der Boden zwiſchen dieſen auch hohes Gras und andere Pflan- zen, wenigſtens ſtellenweis, hervorbringt. — Er liebt beſonders das Stangenholz und geht nur ſelten in die niedrigen Hecken, außer im Herbſt, wo er auch die weniger buſchreichen Umgebungen bewohnter Orte beſucht, ſelbſt zuweilen im hohen Kartoffelkraut, in Bohnenſtuͤcken (Vicia Faba, L.), in hohen Gartenbohnen u. dergl. angetroffen wird, dann aber noch ganz vorzuͤglich gern in den Bee⸗ ten von Samen tragenden Mohrruͤben ( Daucus Carotta, L.) ſelbſt wenn dieſe ſich weit vom Gebuͤſch befinden, ſich aufhaͤlt. — Gleich bei ſeiner Ankunft im Fruͤhjahr, ſo auch beim Wegzuge im September, iſt er auch ſehr gern in ſolchen Rohrteichen, die nicht weit vom Gebuͤſche liegen und an deren Ufern Buſchweiden wachſen, wo er, wie ein Rohrſaͤnger, das Rohr, Schilf und das mit die⸗ ſem 1 niedere Geſtraͤuch durchflattert. f Im Sommer ſieht man ihn faſt immer nur auf Bäumen und in den belaubten Zweigen hohen Strauchholzes, im erſten Fruͤhlinge und im Herbſt nur im niederen Gebuͤſch; ſehr ſelten aber auf der Erde. In den Zweigen der Kopfweiden haͤlt er ſich in jeder Jah⸗ reszeit ſehr gern auf; Dornen achtet er aber ſo wenig, wie einer ſeiner Familienverwandten, und beſucht fie nur im 19 wenn kein anderes Holz vorhanden iſt. Eigen scha fee n. Dies iſt ein ſehr munteres gewandtes Voͤgelchen. In ſteter un⸗ ruhe, ſchluͤpft es durch die Zweige, doch mehr flatternd als huͤpfend; ſeine Bewegungen und Handlungen verrathen immerwaͤhrenden Frohſinn, welcher haͤufig in Muthwillen ausartet, den es durch Ne⸗ cken und Beißen gegen ſeines Gleichen und auch gegen andere kleine Voͤgel oft zeigt, beſonders im Fruͤhlinge. Im Sitzen traͤgt es die Bruſt erhaben, aber im Forthuͤpfen beugt es ſie etwas tiefer herab, ſo auch auf dem Erdboden; doch ſieht man es hier nur ſelten und ſchwerfaͤllig in großen einzelnen Spruͤngen huͤpfen und dabei faſt nach jedem Sprunge den Kopf nach allerlei Richtungen be: wegen. Die Art, ſich durch die Zweige der Baͤume fortzubewegen, ihr Flattern 05 außerhalb derſelben und ihre Unruhe machen dieſe Voͤgel e als die Grasmuͤcken. Eine ganz eigene Bewe⸗ III. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. 573 gung des Schwanzes, ein Wippen oder Schlagen deſſelben nach unten oder abwärts, wie man es von den Tauben öfters ſteht, iſt beſonders bemerkenswerth; es wird nur dann von Zeit zu Zeit wiederholt, wenn der Vogel keine Gefahr ahnet oder ganz ruhig iſt; ſonſt ſieht man es nicht. — Scheu iſt dieſer Vogel gar nicht, man konnte ihn vielmehr zutraulich nennen; denn er treibt ſein Weſen vor den Augen des Beobachters meiſtens ohne alle Furcht, zumal bei naßkalter Witterung, wo er oft ſehr kirre iſt und ſich ganz in der Naͤhe beobachten laͤßt. So fliegt er auch ganz ungeſcheuet von einem Baume und Buſche zum andern, ſelbſt uͤber große freie Flaͤchen. Ueber kurze Räume ſchwingt er ſich flatternd und fort: ſchießend, allein im Wanderfluge beſchreibt er eine unregelmaͤßige, aus laͤngern und kuͤrzern oder ſehr kurzen Bogen zuſammengeſetzte Schlangenlinie, ſo daß man ihn faſt einen huͤpfenden Flug nennen koͤnnte und man glauben moͤchte, das Fliegen werde ihm ſauer. Seine Lockſtimme, welche er oft hoͤren laͤßt, iſt ein ſanftes Pfeifen und klingt wie huid oder huͤid, ganz wie die des Gar⸗ tenroͤthlings, nur in einem ſanftern oder weniger ſchneidenden Tone, ein Unterſchied, welcher aber ſo zart iſt, daß nur ein ſehr geuͤbter Kenner dieſe Stimmen wird unterſcheiden koͤnnen, wenn er ſie bloß hoͤren, die Voͤgel aber dabei nicht ſehen kann. Von der Lockſtimme des Waldlaubvogels iſt ſie faſt gar nicht, und von er des Weidenlaubvogels auch nur wenig verſchieden. — Im Fruͤhlinge hoͤrt man auch noch ein eignes feines Zirpen, wie wenn eine Maus zwitſcherte, beſonders von Maͤnnchen, und dieſes ſcheint ihr Paarungsruf zu ſein. Letzteres laͤßt dann auch ſeinen wenig abwechſelnden, aber doch nicht ganz unangenehmen, etwas ſchwermuͤthigen Geſang hoͤren, welcher aus einer Reihe ſanfter Toͤne beſtehet, die von der Hoͤhe zu einer Quinte durch die halben Toͤne allmaͤhlig herabfallen und etwa wie: Dididi die die düe due duͤe dea dea duͤe deida deida da klingen. Es blaͤſt dabei die Kehle weit auf, ſtraͤubt auch wol die Scheitelfedern und laͤßt die Fluͤgel etwas haͤngen, ſingt im Sitzen auf einem Zweige, oder im waͤhrenden Forthuͤpfen von einem zum andern, aber nie im Fluge. Seine Ankunft kuͤndigt es im Fruͤhlinge gleich mit dieſem Geſange an und ſingt ihn bis um Jakobi, zuweilen ſogar noch bis Anfang Auguſts. Es iſt dabei einer der aller fleißigſten Saͤnger, indem es am fruͤhen Morgen zu ſingen beginnt und damit bis gegen Abend fortfaͤhrt, dies beſonders aber in den Vormittagsſtunden am 6574 III. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. anhaltendſten treibt. Wenn kaum die Morgendaͤmmerung begonnen, bis zum voͤlligen Aufgang der Sonne, ſingt es am eifrigſten; dann bleibt es dabei auch lange an Einer Stelle; allein am Tage iſt es dabei in ſteter Bewegung und laͤßt ſich in ſeinem eben nicht kleinen Standrevier bald hier bald da, bald im Geſtraͤuch, bald in den hohen Baumkronen hoͤren. Im Zimmer wird dieſes ſanfte Voͤgelchen bald zahm und ſehr zutraulich, wenn man es naͤmlich frei in demſelben herumfliegen laͤßt und es Fliegen genug in ſelbigem giebt, die es behend faͤngt, wobei es ſich auch nachher an ein Stubenfutter gewoͤhnen laͤßt. Man hat Beifpiele, daß ſich einzelne ein paar Jahre hielten; viele gehen indeſſen auch in den erſten Tagen drauf. Sie halten ſich immer in der Höhe des Zimmers, nahe an der Decke auf und wäh: len hier die hoͤchſten Orte, Ecken von Schraͤnken, Schnuren, woran Vogelbauer aufgezogen werden und dieſe ſelbſt zu Ruhepunkten, deren ſie immer nur einige haben, von wo aus ſie die Weite des Zimmers durchfliegen, ſich Fliegen fangen und, nur wenn dieſe ſeltner werden, ſie auch in den Winkeln und an den Fenſtern auf⸗ ſuchen und verfolgen. So beſchmutzen ſie das Hausgeraͤth nur wenig, und der Landmann hieſiger Gegenden liebt ſie deswegen zum Wegfangen der Fliegen, als Stubenvoͤgel, mehr als manche andere Fliegenvoͤgel. Sie ſind auch dauerhafter als Roͤthlinge und viel andere, wenn ſie naͤmlich beim Fange nicht zu viel litten; denn einen Beinbruch überleben fie meiſtens nicht lange. Solchen ſchenkt man lieber gleich ihre Freiheit wieder, wo ſie ſich mehren⸗ theils wieder erholen. Denjenigen, welche nach den erſten Stunden des Verluſts ihrer Freiheit traurig werden, muß man dieſe auch z wieder ſchenken, wenn man fie nicht bald dahin ſterben ſehen will; ſo auch ſolchen, die eine Zeit lang in der Stube waren, nun aber alle Fliegen weggefangen haben und an kein anderes Futter gehen wollen; denn Hunger vertragen ſie nicht lange, und es ſcheint auch, als wenn ihnen das einfoͤrmige Nahrungsmittel, die Fliegen, in Menge genoſſen, zuletzt nicht wohl bekaͤm. In den Stuben gehen ſie weniger als andere Voͤgel an die Fenſter, ja wenn ſie ſich einmal an einen gewiſſen Flug und an eigene Ruheplaͤtze gewoͤhnt haben, fo fliegen fie nicht einmal weg, wenn auch ein Fenſter zufaͤllig offen ſteht. — In einem Vogelbauer ſollen ſie ſich bei guter Pflege auch ein paar Jahre halten und dann durch ihren Geſang erfreuen. b III. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. 575 Nahrung. Eine Menge Arten kleiner und ſehr kleiner Inſekten, aus den Claſſen der Zwei- und Vierfluͤgler, welche ſich am Laube und an den Knospen der Baͤume und des Geſtraͤuchs aufhalten, als: Fliegen, Schnaken, Muͤcken, Bremen, Hafte, Fruͤhlingsfliegen, Blattlaͤuſe, kleine Nachtfalter, auch ſehr kleine Kaͤferchen, kleine Spinnen und vielerlei andere Gattungen von ſolchen Inſekten, welche ſich in zahlloſer Menge in den belaubten Zweigen herumtrei⸗ ben, ſind ihre Hauptnahrung, mit deren Aufſuchen ſie ſich unauf⸗ hoͤrlich beſchaͤftigen, fie durch die Zweige flatternd verfolgen, fie auch häufig außerhalb der Zweige aus der Luft wegſchnappen, uͤberhaupt mehr den fliegenden als den ſitzenden nachſtellen, obwol ſie auch kleine Raͤupchen und Larven anderer Blattinſekten, ſelbſt die Eier und Puppen mancher Arten auch gern freſſen und gelegent⸗ lich mitnehmen. Bei naßkalter Witterung ſieht man ſie daher bald an den Knospen, Blaͤttern und duͤnnen Zweigen herum picken, bald die aufgeſcheuchten Inſekten fliegend verfolgen, bei warmem Wetter aber das Letztere mehr als das Erſtere. Gleich nach ihrer Ankunft im Fruͤhjahr giebt es oft noch Nachtfroͤſte, welche die Inſekten wie⸗ der verſcheuchen; dann ſehen ſie ſich nach dieſen auch auf der Erde unter dem Gebuͤſch und duͤrrem Laube um, ſtoͤhren daſelbſt Spinnen, kleine Kaͤferchen, Maden u. dergl. auf und huͤpfen darnach oft Stunden lang auf der Erde herum. — Wenn ſie ſich gleich von lauter kleinen Geſchoͤpfchen naͤhren, ſo fehlt es ihnen, waͤhrend ihres Hierſeins, doch nicht leicht an Futter; aber man muß auch ihren guten Appetit, mit welchem ſie an ihrer immer reichlich beſetzten Tafel ſchwelgen, bewundern; denn man ſieht ſie immer freſſen. Deswegen vertragen fie auch Hunger und Durſt nicht lange. — Gegen den Herbſt freſſen ſie auch manchmal Johannisbeeren oder rothe und ſchwarze Holunderbeeren, doch nur wenn rauhe Witte⸗ rung die kleinern Inſekten in ihre Schlupfwinkel verdraͤngt, und dieſe uͤberhaupt ſeltner werden. — Sie gehen oft zum Waſſer, trinken viel und baden ſich ſehr gern, wobei fie ſich ſo naß machen, ; daß fie öfters kaum fliegen koͤnnen. In den Stuben fangen fie die Fliegen mit großer Geſchicklich⸗ keit, wie die Fliegenfaͤnger, verzehren ſie aber, ſobald ſie eine ge⸗ fangen, meiſtens erſt im Sitzen auf einem ihrer Lieblingsruheplaͤtze. Anfaͤnglich treiben ſie ſich immer oberhalb, nahe an der Decke des Zimmers herum; wenn die Menge der Fliegen aber abnimmt, fü 576 III. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. gehen ſie nach dieſen auch tiefer herab, und dann iſt es Zeit, ihnen auch noch etwas anderes zur Nahrung anzubieten, wenn man ſie nicht bald ermatten und umkommen ſehen will. Friſche Holunder⸗ beeren und nebenbei Nachtigallenfutter, oder in Milch geweichte Semmel, worunter man Fliegen und viel Ameiſenpuppen mengt, werden ſie meiſtens bald koſten lernen und ſich ſo allmaͤhlig an eins der letztern gewöhnen laſſen. Sie halten fi) dann recht gut; allein in ſolchen Stuben, wo es Rauch oder Oehldampf giebt, dauern ſie doch ſelten durch den Winter, wie ich oft erfahren habe. Sie wer⸗ den ungemein zahm, und man hat hier die beſte Gelegenheit, ihre immer rege Eßluſt zu bewundern; ſie ſcheinen unerſaͤttlich, und der zu haͤufige Genuß der Stubenfliegen bringt ihnen ſogar oft den Tod, wahrſche inlich weil ſie im Freien zu ſehr an abwechſelndes Futter gewöhnt ſind. Taͤglich friſches Waſſer „zum Trunk und Bade, iſt zu ihrem Wohlbefinden hoͤchſt nothwendig; fie baden ſich 1 in der Stube lange nicht ſo oft wie die Rothkehlchen. )* Ueberall, wo es Baͤume und Buſchwerk von nicht zu unbe⸗ deutendem Umfange giebt, findet man in der Begattungszeit dieſe Voͤgel. Sie ſind daher in allen Deutſchen Laubwaͤldern, auch in ſolchen von gemiſchten Holzarten, in allen nicht zu unbedeutenden Feldhoͤlzern, in buſchreichen Baumgaͤrten, in engliſchen Gaͤrten, in den nicht zu baumarmen Umgebungen bewohnter Orte, im Weiden gebuͤſch der Flußufer und Bäche, in bergigen, ebenen und feuch⸗ ten Gegenden gemein. Die Auenwaͤlder an großen Stroͤmen, und uͤberhaupt ſolche, die auf fettem Boden viel dichtes Unterholz, als Weiden, Aspen, Ulmen, Birken, Haſeln, Hartriegel, Faul: baum, Liguſter und anderes Strauchholz, auch Erlen hervorbrin- gen, ſind voll von ihnen. Hier niſten ſie ſtets nahe uͤber oder auf dem Erdboden, meiſt im dichteſten Geſtruͤpp, unter langem Graſe, im Moos, unter Baumwurzeln oder an den Staͤmmen und unter ſtarken Zweigen halb darniederliegenden Buſchholzes, oder auch auf kleinen freien Plaͤtzen zwiſchen dem Geſtraͤuch oder am Rande einer Waldwieſe, und das Neſt iſt faſt immer ſo verſteckt, daß es ſich beinahe am allerſchwereſten unter allen Vogelneſtern auffinden laßt. Wartete der uͤber den Eiern ſitzende Vogel bei Annaherung eines Menſchen nicht zu lange, und floͤge er nicht ſo ſpaͤt, daß er faſt getreten wird, erſt heraus, ſo wuͤrde man es noch viel ſeltner entdecken. In meinem eignen Wäldchen niſten jahrlich eine Menge III. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. 577 dieſer Voͤgel, ich kenne ihre Lieblingsplaͤtze und die Reviere der ein⸗ zelnen Paͤaͤrchen, ſchleiche ihnen oft nach, und doch finde ich nur ſelten einmal eins, und dies dann faſt immer bloß durch das Heraus⸗ fliegen des alten Vogels. Es gehoͤrt dann ſelbſt noch ein ſehr ge— uͤbter Blick dazu, das Aeußete des Neſtes, die Haube von dem umgebenden alten Graſe, Laube, Mooſe u. dergl. zu unterſcheiden, um nicht darauf zu treten, oder es ſonſt zu zerſtoͤhren. Es ſtehet faſt immer unmittelbar auf der Erde *), ſogar öfters in kleinen Vertiefungen, z. B. in alten Fahrgeleiſen, oder Fußtritten des Viehes, unter einer begraſeten Erdſcholle, oder unter uͤberhaͤngenden kleinen Staͤmmen; am oͤfterſten jedoch in einem alten Grasbuͤſchel, wo die duͤrren Blaͤtter deſſelben und altes Laub oder Moos ſchon halb und halb die Decke bilden; denn es iſt oben uͤberwoͤlbt oder backofenfoͤrmig uͤberbauet, mit einem weiten Ein: gange auf einer Seite, doch ſo, daß man fich ſehr tief buͤcken muß, wenn man die Eierchen, die in einem tiefen Napfe liegen, ſehen will, was nicht einmal bei allen Neſtern gut angehen will. Es ſieht von außen haͤufig gerade ſo aus wie die uͤberwoͤlbten Gaͤnge, welche ſich Maͤuſe und Maulwuͤrfe im Mooſe und altem Graſe hier und da zu bilden pflegen, und dergleichen man in Waͤldern viele findet. — Es iſt ein ziemlich feſtes Gewebe von duͤrren Grasblaͤt⸗ tern und Halmen, von Moos und trockenen Blättern, mit Faden⸗ geſpinſt von Raupen und Spinnen durchwirkt, von außen rauh, an der innern Woͤlbung glatt, der Napf wie gedrechſelt und mit Pfer- dehaaren und Wolle, uͤberdem aber noch mit vielen zum Theil großen Federn niedlich ausgelegt. Es iſt ſehr merkwuͤrdig, daß man ſelten ein Neſt findet, in welchem nicht Rebhuͤhnerfedern hierzu verwendet waͤren. Huͤhnerfedern ſcheinen ſie uͤberhaupt gern dazu zu nehmen; ſo habe ich in der Naͤhe von menſchlichen Wohnungen Federn von Trut⸗ Haus- und Perlhuͤhnern, im Walde von Faſa⸗ nen und Birkhuͤhnern, beſonders ſolche vom Ruͤcken, oder von der Bruſt darin gefunden, am allermeiſten jedoch Rebhuͤhnerfe⸗ dern. Manche dieſer Neſter find nur loſe und meiſtens bloß von Grashalmen, Grasblaͤttern und Pferdehaaren gewebt und mit wenigen Federn ausgelegt, andere beſtehen aus einem großen Klum⸗ pen dicht verwebter Materialien und ſind mit vielen Federn ausge⸗ polſtert. ) Man ſagt auch: Zuweilen eine Spanne hoch über der Erde, im dichten Ge⸗ ſtraͤuch; ich habe indeſſen ein ſolches, von dieſem Vogel, nie geſehen. oter Theil. f ö 37 578 III. Or dn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. In dieſes weiche und warme Neſtchen legt das Weibchen in der letzten Haͤlfte des Aprils fuͤnf bis ſieben niedliche Eierchen, welche an dem einen Ende ſtark abgerundet, am entgegengeſetzten aber merklich ſpitz ſind und ſich ſchon durch dieſe Form auffallend von denen des Waldlaubvogels unterſcheiden. Sie haben eine un⸗ gemein zarte Schale, glaͤnzen etwas und ſind auf gelblichweißem Grunde mit heller Roſtfarbe beſpritzt und punktirt. Manchmal find. Punkte und Strichelchen gleichfoͤrmig über die ganze Flache verbreitet, oͤfterer ſtehen ſie jedoch am ſtumpfen Ende dichter als am andern, zuweilen, aber ſeltener, bilden ſie an jenem einen loſen Fleckenkranz. In der Form aͤhneln fie denen des Weidenlaub⸗ vogels, aber nicht in der Farbe, auch find fie etwas groͤßer; aber gegen die des Waldlaubvogels merklich kleiner, ganz anders geformt und viel heller (roͤther) gefleckt. Sehr bedeutend variiren dieſe niedlichen Eierchen nie, und fie aͤhneln im Ganzen denen des Zaunkoͤnigs und des gemeinen Baumlaͤufers. Violet punktirt, wie man wol vorgiebt, habe ich ſie nie gefunden; immer iſt die Farbe der Zeichnungen ein helles roſtiges Roth, wie die Farbe vom Eiſenroſt, was bei ſolchen, die ausgeblaſen lange in Eierſammlungen waren, bloß etwas bleicher wird, wo man es dann blaſſe Roſtfarbe nennen kann. Gewöhnlich loͤſt das Männchen fein Weibchen nach Mittag auf einige Stunden im Bruͤten ab, und ſo ſchluͤpfen nach dreizehn Tagen die zarten Jungen aus den Eiern, die mit allerlei Inſekten und kleinen gruͤnen Raͤupchen aufgefuͤttert werden und das Neſt ſobald verlaſſen, als ihnen ihre Flügel fo weit gewachſen find, daß fie das Flattern von Buſche zu Buſche nothduͤrftig erlauben, und die Schwanzfedern kaum die Haͤlfte ihrer Laͤnge erreicht haben. Gegen nicht gar zu ungeſchicktes Betaſten des Neſtes und der Eier ſind ſie eben nicht eigenſinnig. Es iſt ſchon erwaͤhnt, daß die Alten ſehr feſt über den Eiern ſitzen. Wenn ſie herausfliegen, fo fliegen fie, wenn ſie bloß Eier haben, ganz matt und niedrig, gerade fort; haben ſie aber ſchon Junge, ſo gebehrden ſie ſich viel aͤngſtlicher und flattern, ſich ganz lahm ſtellend, dicht uͤber der Erde hin. Beide Alten ſchreien aͤngſtlich und ſchnell wiederholend ihr Huͤid, wenn man ſich dem Neſte mit den Jungen naͤhert, noch aͤngſtlicher gebehr⸗ den ſie ſich aber, wenn die Jungen, eben ausgeflogen, im Gebuͤſch oder Graſe ſitzen, wo ſie ihren Feind dadurch zu taͤuſchen und zu ent⸗ fernen ſuchen, daß ſie ganz ermattet vor ihm herflattern und ihn ſo zum Verfolgen reitzen und vom Platze, wo die Jungen ſitzen, hin⸗ III. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. 579 weg zu bringen ſuchen. — Gewoͤhnlich findet man nach der Mitte des Maies ſchon fluͤgge Junge, in ſpaͤtern Jahren hoͤchſtens zu Anfang des Juni. Sie bruͤten in der Regel zweimal im Jahr; wird ihnen aber das erſte Neſt mit den Eiern zerſtoͤhrt, ſo bruͤten ſie nachher nur noch ein Mal. Da ſie das erſtemal gemeiniglich fuͤnf und ſechs Junge, und in der zweiten Hecke immer nur eins weniger haben, ſo muͤßten ſie noch viel häufiger fein, wenn ihre Brut nicht jo vielen Feinden ausgeſetzt wäre. Sie ſollen auch zuweilen einen jungen Kuckuk erziehen muͤſ⸗ ſen, was ich jedoch niemals ſelbſt geſehen habe. Wenn es wahr ift, fo koͤmmt es gewiß nur ſelten vor. 98 ; et 9 Im Gefieder wohnen kleine Schmarotzerinſekten, und in ihren Eingeweiden ein eigener Echinorhynchus. Ihre Brut hat gar viele Verderber. Dahin gehoͤren: Fuͤchſ 5 Katzen, Marder, Iltiſſe, Wieſeln, Igel, Ratten und Maͤuſez ferner: Raben, Elſtern, Heher und Wuͤrger, die bald die Eier oder Jungen aus dem Neſte holen, bald die eben ausgeflogenen J Jungen wegfangen. Auch Gewitterguͤſſe und Platz⸗ regen werden ihrer Brut oft verderblich. Die Alten laſſen ſich übrigens nur felten einmal von den kleinen Raubvoͤgeln erwiſchen. Jag d. Sie ſind gar nicht ſcheu, daher leicht, ſowol mit Schießge⸗ wehr, wie mit dem Blaſerohr, zu erlegen, nur ihre Unruhe erſchwert dies ſehr oft, beſonders die Jagd mit dem letztern. Im Fruͤhjahr kann man ſie leicht fangen, wenn man einen Vogelbauer, worin ſich irgend ein kleiner lebendiger Vogel be— findet, mit Leimruthen beſteckt und in der Gegend, wo man die Fitislaubvoͤgel immer ſahe und hörte, an einen Baum haͤngt; bald werden ſie kommen und, aus Neugier oder Eiferſucht, auf den Bauer fliegen und ſo ſich fangen laſſen. In den Heckenſoll man ſie dann auch leicht fangen, wenn man Leimruthen an einen Stecken befeſtigt und dieſen hinſteckt, als Lockſpeiſe aber kleine lebendige Mehlwuͤrmer anbringt. Mit dieſen bekoͤmmt man fie hier auch eben I leicht in Netzfallen, ſelbſt auf der Erde unter dem Gebuͤſch. — Im Herbſt fangen ſie ſich leicht in Sprenkeln, bei vorgehaͤngten Hohlunderbeeren, kommen dann auch auf die Vogelheerde, ohne daß man ſie haben will. So faͤngt man ſie zufaͤllig mit andern Voͤgeln 580, II. Ordn. XV. Gatt. 88. Fitis⸗Laubvogel. in mancherlei Netzen, Schlingen, Sprenkeln, Kloben und Leim⸗ ruthen, auch auf der Meifenhütte, mit dem Kaͤutzchen, auf dem Traͤnkheerde, in den für Rohrſaͤnger geſtellten Dohnen u. ſ. w. Am ſicherſten und ergiebigſten iſt, im Spaͤtſommer, der Fang in den Ackerſtuͤcken und Beeten, von Saamen tragenden gelben Ruͤben, Moͤhren oder Mohrruͤben, worin ſie ſich ungemein gern nufharten; weil es hier von kleinen fliegenden Inſekten aller Art wimmelt. Solche Beete, nahe beim Gebuͤſch oder an den Doͤr⸗ fern, ſind die beſuchteſten, und hier der Fang ſehr leicht, indem man nur Sprenkel, ohne alle Lockſpeiſe, zwiſchen die Pflanzen zu haͤn⸗ gen braucht, um vollauf auszulöfen zu haben. Nicht allein dieſe, ſondern auch andere Laubvoͤgel, Roͤthlinge, Grasmuͤcken, Rohr⸗ ſaͤnger, ſelbſt Steinſchmaͤtzer und Braunellen halten ſich ungemein gern in dieſen Pflanzenbeeten auf und gerathen mitunter in die Sprenkel, ſo daß der Fang hier um ſo intereſſanter wird. Ich habe | 70 dieſe Art 5 ſeltnen kleinen Vogel bekommen. Nutzen. Sie beitithen bei ihrem ſtarken Appetit eine reid Menge den Bluͤthen und Knospen der Baͤume ſchaͤdlicher Inſekten, ſowol im vollkommenen Zuſtande, wie an Puppen, Larven und Eiern. Der Obſtbaumzucht werden fie dadurch vorzuͤglich nuͤtzlich, daß fie viel kleine grüne Spanner- und Wicklerraͤupchen aus den Knospen und Blathen hervorholen, womit ſie beſonders ihre Jungen gern fuͤttern, auch ſchon die Eier, woraus jene entſtehen, herauspicken, u. ſ. w. Ihr Fleiſch iſt ſehr wohlſchmeckend, doch wird wol niemand ein fo liebes nuͤtzliches Voͤgelchen, was ohne Federn noch nicht zwei Quentchen wiegt, deswegen toͤdten wollen. — Ihr Geſang be⸗ lebt die Wälder, und Gebuͤſche und iſt um fo angenehmer, „ weil man an fo haufig und fo lange hört. Sıhad en. | Dies zarte Geſchoͤpf wird uns auf keine Weiſe nachtheltg. — u | 800 un | | Der W eiden⸗Laubvog el. 8 71 via „ 4 5 Lath. 15 80. Fig. 4. Maͤnnchen. — 1 Der Weidenſaͤnger, kleine oder, braune Weidenſaͤnger, Mei: denzeiſig, kleiner Weidenzeiſig, Weidenzeis lein, kleines Weiden⸗ blaͤttchen, Weidenmuͤcke; braunfuͤßiger Laubvogel, kleinſtes Laub⸗ voͤgelchen; kleine und kleinſte Grasmuͤcke, (eigentliche rothe und gelbrothe, kleine gelbrothe) Grasmuͤcke; brauner Fitis; gruͤner Koͤnig; Erdzeiſig; Laͤufer; Mitwaldlein; Tyrannchen; Schmittl. Sylvia rufe. Lath. ind. orn. II. p. 316. n. 27. —= Motacilla rufe. Gmel. Linn, I. 2. p. 955. n. 63. et Motacilla Trochilus, Var. d. ibid p. 996, — Ficedula rufa. Koch, Baier. Zool. I. S. 160. n. 83. — Curruca rufa. Briss, Ofn. III. p. 387. n. 8. == La petite Fauveiterousse. Buff. Ois. V. P. 146. Edit. de Deuxp. IX. P. 168. = Gerard. Tabl. elem, T. p. 309. — Bee - fin veloce. Temminck. Man. nouv. Edit. I. p. 225. Rufous Warbler. Lath. syn. II. 2. p. 431. n. 22. Ueberſ. v. . IV. S. 432. n. 22. — Bechſtein, Naturg. Deutſchl, III. S. 649. = Neffen Taſchenb. I. S. 188. n. 23. = Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 2 249. — Meisner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 121. m. 127. Meyer, V. Liv⸗ und Eſthlands. S. 124. — Friſch, Vögel. Taf. 24. Fig. 1.) = Naumanns Voͤgel, alte Ausg. I. S. 170. Taſ. 38. Fig. 76. und Nachtr. S. 27. Taf. 5. Fig. 11. b f f 5 Kennzeichen dex ur! Oben gruͤnlich braungrau, unten ſchmutzigweiß, in den Geis ten gelblich; die Wangen braͤunlich; der Fluͤgelrand blaßgelb; die Fuͤße braunſchwarz mit gelben Sohlen. Die erſte Schwingfeder iſt ſehr klein und ſchmal, die zweite merklich kuͤrzer als die dritte und von gleicher Laͤnge mit der ſiebenten. Die ruhenden Fluͤgel decken den Schwanz bis auf einen Zoll. 2 0) Diefe Figur gehört unverkennbar e aber nicht zu 8. krochilus, wie man une wol glaubte. . 1 5 U 582 III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. Bee ſ chere ibun g. Dies zarte Voͤgelchen unterſcheidet ſich nicht ſowol durch die angegebenen Artkennzeichen, weil dieſe nur auf ſubtilen Merkmalen beruhen, als vielmehr durch mancherlei Eigenthuͤmlichkeiten in fei= nem Betragen, in Stimme und Geſang. Es iſt oft mit dem vor⸗ herbeſchriebenen verwechſelt worden, aber ſtets etwas kleiner, ſeine Farbe meiſtens weniger gelb, vielmehr oftmals etwas ins Roͤthliche fallend, die Fuͤße dunkler, und der Schnabel duͤnner als beim Fitislaubvogel. Es iſt unter den Voͤgeln Deutſchlands einer der kleinſten und nicht viel größer als ein Goldhaͤhnchen. Sein zarter Koͤrper mißt von der Schnabelwurzel bis zur Schwanzſpitze nur 45, hoͤchſtens bis 42 Zoll; die Breite der Flügel betraͤgt 7 bis 8 Zoll; bit Laͤnge des 55 Ende etwas ausgekerbten Schwanzes 13 Zoll, und die ruhenden Flügel bedecken ihn bis auf 1 Zoll. Die dritte Schwungfeder iſt die laͤngſte. Der Schnabel iſt merklich kuͤrzer und ſchwaͤchlicher als der des Fitislaubvogels, ſonſt aber von ähnlicher Geſtalt, duͤnn, mit ſanft abwaͤrts gebogener, gekerbter Spitze des Oberkiefers, gerader Unterkinnlade, laͤnglich runden Naſenloͤchern, und über den Mund— winkeln mit ſchwarzen Borſthaͤaͤrchen beſetzt. Er iſt kaum etwas über 3 Linien lang, oben und vorn ſchwaͤrzlich, an -der Wurzel, beſonders unterwaͤrts, gelblich oder fleiſchfarben; der Rachen gelb; die Augenſterne dunkelbraun. Die Fuͤße haben duͤnne Laͤufe, ſchwoche Zehen und eben nicht große und ſtark gekruͤmmte, doch ſpitzige Naͤgel; die Bedeckung iſt an den Laͤufen nur unterwaͤrts ſeicht eingekerbt, daher faſt geſtiefelt, auf den Zehen geſchildert, an den Sohlen feinwarzig. Die Farbe der Füße iſt ein braͤunliches Schwarz, an den Zehenſohlen aber gelb; die Krallen braun, mit ſchwarzen Spitzen. Der Lauf iſt 8 Linien hoch, Mittelzeh und Kralle 6 Linien, und die 1 mit ihrer Kralle 5 Linien lang. Das Gefieder hat nicht ſo ſchoͤne, jedoch aͤhnliche Farben wie das der uͤbrigen Laubvoͤgel. Scheitel, Genick, Nacken, Ruͤcken, Steiß und die kleinen Fluͤgeldeckfedern find ſchmutzig olivengruͤn, oder braͤunlich gruͤngrau; am Steiße iſt dieſe Farbe am ſchoͤnſten; vom Naſenloch zieht fich ein heller, braͤunlich- oder ochergelber Streif über das Auge; die Zuͤgel ſind dunkelgrau; die Wangen lichtbraͤunlich; Kehle, Gurgel, Oberbruſt und die Weichen ſehr blaß braͤunlich⸗ III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden ⸗Lauboogel. 585 gelb; die Mitte der Bruſt und der Bauch ſchmutzigweiß. Betrach⸗ tet man aber den Vogel in der Naͤhe und recht genau, ſo ſind die Kehle und Bruſt weiß; die Halsſeiten, die Kropfgegend und die Weichen ſehr ſchwach braͤunlich angeflogen und uͤberall ſparſam mit ſchwachem Schwefelgelb geſtrichelt, welches, zuſammen genommen und in geringer Entfernung geſehen, ein ſchmutziges Gelblichweiß mit einem ſchwachen Schein von roͤthlicher Farbe darſtellt. So iſt es auch an den obern Theilen, woſelbſt die Federn braungrau ſind und ſchoͤn olivengruͤne Kanten oder Seitenſtreifen haben. — Die großen Fluͤgeldeckfedern, die Schwingen und die Schwanzfedern ſind ſchwarzgrau, mit olivengruͤnen Einfaſſungen; die zwei vorderſten Schwingen und aͤußern Schwanzfedern mit zarten weißlichen Raͤndchen; der Fluͤgelrand und die untern Fluͤgeldeckfedern blaßgelb. ö Maͤnnchen und W eibchen unterſcheiden ſich im Aeußern faſt gar nicht; nur mit Muͤhe wird man dann, wenn man beide ge⸗ gen einander haͤlt, finden, daß das letztere etwas kleiner iſt und weniger lebhafte Farben traͤgt als das erſtere. | Gleich nach der eh, im vollſtaͤndigen neuen i Gefieder, ſehen dieſe Voͤgel anders aus, als im Fruͤhling und Sommer in demſelben Gewande, was aber dann durch Reibungen und den Einfluß der Witterung merklich verloren hat. Das Herbſtkleid traͤgt daher viel friſchere Farben; die obern Theile des Vogels mit den vollkommenen gruͤnlichen Federkanten, die untern mit den blaß ſchwefelgelben Strichelchen machen den Vogel von oben gruͤner, von unten gelber und dem Fitislaubvogel (im Fruͤhlingskleide) um ſo aͤhnlicher. Viel weniger iſt dies der Fall in dem abgetrage⸗ nen Gewande, im Fruͤhlings- und Sommerkleide, wo beim Weidenlaubvogel faſt alles Gelb und Gruͤn gaͤnzlich verſchwindet. Dann ſind die obern Theile einfarbig braungrau oder maͤuſefahl, die untern ſchmutzigweiß, bloß an den Seiten des Halſes und der Ober⸗ bruſt mit ſehr ſchwachem gelbbraͤunlichem Anfluge; auch die gelbe Farbe der untern Fluͤgeldeckfedern und des Fluͤgelrandes iſt zu einem ſehr blaſſen Strohgelb abgebleicht. — Will man in den Farben der beiden ſich fo ſehr aͤhnlichen Voͤgel, des Fitis- und Weiden⸗ laubvogels, einen recht auffallenden Unterſchied finden, ſo muß man die eine Art in ihrem Herbſtkleide, die andere aber in ihrem Frühlingskleide nebeneinander ſtellen, dann find beide Arten außer⸗ ordentlich verſchieden. — In jeder Jahreszeit und in jedem Alter iſt die gelbe Farbe beim Fitislaubvogel ſtets ein reineres ſchwa⸗ 584 III. Ord n. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. ches Schwefelgelb, beim Weidenlaubvogel zieht ſie aber jederzeit etwas ins Braͤunliche oder Ochergelbe. Die Jungen im Neſtgefieder ſehen den Alten im Herbſtkleide, bis auf die unvollkommenere Structur des Gefieders, ganz aͤhnlich. Sie unterſcheiden ſich von den Jungen des Fitislaubvogels durch den eben bemerkten Unterſchied der gelben Farbe, ſehr deut— lich; auch ſind ſie von oben nicht wie jene ſchmutzig zeiſiggruͤn, ſon⸗ dern matt braungruͤn, und an den Wangen, wie an den Seiten des Halſes, wo jene blaß ſchwefelgelb find, iſt der lichtbraͤunliche An— ſtrich ſehr auffallend. Nach der erſten Mauſer aͤhneln ſie ihren Ael⸗ tern, ſind aber doch von oben gruͤner, von unten gelblicher, aber nicht fo, daß dieſer Unterſchied hier fo auffiel, als beim Fitis⸗ laubvogel. Die Mauſer beginnt bei dieſen Voͤgeln allem Anſchein nach ſpaͤter als beim Fitislaubvogel; es hat mir jedoch nicht gelin⸗ gen wollen, ihre Zeit genau auszumitteln. Ich habe zwar im October friſchvermauſerte Voͤgel, alte und junge, genug gefangen, die völlig damit fertig waren, und an welchen man deutlich ſah, daß fie ihr neues Gewand nicht viel über einen Monat trugen, bei wel⸗ chen alſo die Mauſer etwa im Auguſt ſtatt gehabt haben mochte; allein ich habe auch einigemal ſehr ſpaͤt im November noch alte Voͤ⸗ gel angetroffen und erlegt, die ſich noch nicht vermauſert hatten, was ihr ſehr abgeſchabtes und außerordentlich verbleichtes Gewand deutlich bewies. Solche haben auch ein ganz eignes Anſehen, weil an den obern Theilen jede Spur von Gruͤn, an den untern alles Gelb durchaus verſchwunden iſt, indem Luft, Sonne und Regen die Farben ausgeſogen und durch die Reibungen die beſſer gefaͤrbt geweſenen Kanten der Federn ſich außerordentlich abgenutzt haben. Nu fe nt h a Le Ob dieſer kleine Vogel ſo weit verbreitet ſei, als man an⸗ giebt, naͤmlich außer Europa auch uͤber den groͤßten Theil von Aſien und Nordamerika, laſſe ich dahin geſtellt ſein, weil man gar leicht auch andere ihm aͤhnliche Voͤgel mit ihm verwechſelt haben kann. In unſerm Erdtheil trifft man ihn in Frankreich, der Schweitz, Holland, Deutſchland, dem weſtlichen Rußland, Norwegen und bis über die Mitte von Schwe— den hinauf eben nicht ſelten an. In Deutſchland iſt er dies wenige ſtens nirgends, obwol auch lange nicht ſo gemein als ſein naher Verwandter, der Fitislaubvogel, ja in allen den Gegenden, en — x III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. 585 welche ich geſehen, ſo auch in der hieſigen, habe ich ihn ſtets ſogar viel weniger zahlreich als den Waldlaubvogel gefunden. Im Fruͤhlinge, wo ſaͤmmtliche Laubvoͤgel durch ihre verſchiedenar— tigen Geſaͤnge ſich fo ſehr und am leichteſten unterſcheiden, wird dies am merklichſten. In Thuͤringen koͤmmt er haͤufiger als in man⸗ chem andern Lande vor, und mir hat es immer geſchienen, wie wenn er in gebirgigen Gegenden lieber als in ebenen wohne. Auch in Oeſterreich ſoll er häufig fein. Er iſt ebenfalls ein Zugvogel, unternimmt feine Wander rungen einzeln, nur im Herbſt zuweilen familienweis, und jeder— zeit des Nachts. Unter ſeinen Familienverwandten ſtellt er ſich am fruͤheſten, gleich nach der Mitte des Maͤrzes, mit den Rothkehl⸗ chen bei uns ein, ſein Zug dauert dann aber doch meiſtens bis -gegen die Mitte des Aprils. Weil es bei ſeiner Ankunft noch kalte Naͤchte und haͤufig truͤbe, unangenehme Tage giebt, die ihm eben nicht zu behagen ſcheinen, ſo macht er ſich dann wenig be— merklich; bei warmen Sonnenblicken wird er aber gleich munter und laͤßt ſeine Stimme hoͤren, weswegen man ihn auch oͤfters dann erſt bemerkt. Im September faͤngt er an wegzuziehen, im Monat October iſt aber ſein Hauptzug. Es bleiben indeſſen viele bis in den November in unſern Gegenden, ja ſelbſt bis zu Ende dieſes Monats und bis in den December, wenn es bereits ſchneiet und friert. Einzelne verlaſſen uns in gelinden Wintern ſogar nicht; doch iſt dieſer Fall ſelten, und man darf ihn wol als Ausnahme von der Regel betrachten. Solche uͤberwintern dann gewoͤhnlich in der Raͤhe von Teichen und Waſſergraͤben und im ſumpfigen Seilweiden⸗ gebuͤſch gut beſtandener Laubholzwaͤlder, oft in der Naͤhe der Doͤr⸗ fer und Staͤdte. Der Winter iſt ihnen jedoch ſo wenig zutraͤglich, daß ſie endlich ſo matt werden, BR man fie mit 1 Stocke werfen kann. Dieſer kleine Saͤnger iſt ein Bewohner unſerer Waͤlder, ſo⸗ wol der von Laubholz, wie der Nadelwälder, vorzüglich aber der wo Laub = und Nadelholz mit einander abwechſeln. So iſt er ſehr haufig ein Nachbar des Waldlaubvogels, liebt auch in ebenen Wäldern die hoͤhern Stellen und iſt mehrentheils bloß in der Zug⸗ zeit auch in Waldungen, welche der Fitislaubvogel bewohnt. Wo dieſer daher im Sommer ſehr haͤufig iſt, findet man ihn nicht, oder doch nur ſehr ſelten. Die Waͤlder, welche er in der Begat⸗ tungszeit bewohnen fol, muͤſſen mit Glen dichten und altem Un⸗ terholz verſehen ſein oder, wenn es Nadelwald iſt, viel Anflug und 77 386 III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. und juͤngeres Stangenholz haben; denn den alten Hochwald bes wohnt er nicht. Im Fruͤhjahr und Herbſt, auf dem Zuge, beſucht er alles Gebuͤſch ohne Ausnahme, die verwilderten Baumgaͤrten, die buſchreichen Umgebungen der Doͤrfer und Staͤdte, die Kopf⸗ weidenpflanzungen, die Buſchweidengehege, alle kleinere Feld—⸗ hoͤlzer und ſumpfige Gebuͤſche wie die groͤßern Waͤlder von allerlei Beſchaffenheit. In der rauhen Jahreszeit iſt er gern bei Quellen und andern im Walde verſteckten Gewaͤſſern. Im Spaͤtherbſt habe ich ihn auch ſehr oft in den Diſtelbuͤſchen auf Aengern angetroffen, wo Kopfweiden in der Naͤhe ſtanden, aber niedriges Strauchholz fehlte. — In den Ackerſtuͤcken von hohen ſamentragenden Mohr: ruͤben und andern Pflanzen, worin die Fitislaub vogel fo ſehr gern find, findet: man ihn weniger, beſonders aber wol darum, weil im October, ſeiner Hauptzugzeit, dieſe meiſtens bereits abge⸗ erndtet find, oder weil nur die Blätter derſelben verdorrt und abge: fallen, die Samendolden eingeſammelt und bloß die duͤrren Sten⸗ gel, die nur noch wenigen Inſekten Aufenthalt goͤnnen, ſtehen ge⸗ blieben ſind. Im hohen Kartoffelkraut beim Gebuͤſch, auch im Geroͤhrig⸗ „trifft man ihn auch zuweilen an. Im Sommer ſieht man ihn meiſtens bloß in den Kronen der Baͤume und hoch im alten Stangenholz, im erſten Fruͤhlinge und Herbſte aber mehr im niedrigen Gebuͤſch, zum Theil nahe an der Erde oder ſelbſt auf dem Erdboden. Er iſt zwar gern in Weiden, ſowol in hohen, wie in den Kopf- und Buſchweiden, doch bemerkt man eben keine beſondere Vorliebe fuͤr dieſe Baumarten, und der Fitislaubvogel haͤlt ſich beinahe noch lieber in ſelbigen auf. Er liebt auch, wie dieſer, die Naͤhe des Waſſers, beſonders in der Zugzeit, und ſucht in der rauhen Jahreszeit die ſumpfigen Seilwei⸗ * den und Erlenbuͤſche, wo er haͤufig zwiſchen den alten Stämmen a und auf dem feuchten Boden herumhuͤpft. % Der Weidenlaubvogel iſt nach dem Gold hähnchen der Heinfte Europaͤiſche Vogel, dabei ein ungemein hurtiges, keckes und immer froͤhliches Geſchoͤpf. In allen ſeinen Bewegungen herrſcht eine große Lebhaftigkeit, und er übertrifft hierin ſelbſt den Fitis⸗ laubvogel noch. Mit großer Gewandtheit huͤpft er flatternd durch die Zweige hin, zeigt ſich auch haͤufig außerhalb der Baum⸗ kronen, doch dies immer nur auf Augenblicke, um ſogleich wieder in den dichten Zweigen dem verfolgenden Blicke des Bepbachters III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗ Sach eg el. 587 zu entſchluͤpfen. Durch ſeine Unruhe macht er ſich jedoch bald wie⸗ der bemerklich, und fo iſt er immer unſtaͤt und flüchtig, obgleich nicht ſcheu. Gegen ſeines Gleichen iſt er ſehr zankſuͤchtig, auch gegen andere ihm nahe wohnende Voͤgel, und er laͤßt ſeinen Muth⸗ willen haͤuſt g an ihnen aus, wenn ſie auch viel größer find als er. So ſieht man ihn öfters Meiſen, Finken, Droſſeln u. a. m., fogar. wilde Tauben neckend verfolgen. Es iſt aber ſpaßhaft mit anzuſ⸗ hen, wenn ſich einer derſelben dem kleinen Zaͤnker widerſetzt, wie dieſer denn ſchnell durch die dichten Zweige zu entſchluͤpfen ſucht, und wenn er ſich nun ſicher glaubt, feine Stimme frohlockend ertoͤ— nen laͤßt. — Zeigt ſich dagegen ſein Gegner furchtſam, ſo treibt er die Neckereien oft lange, fo wie er häufig auch die verfolgt, welche bloß bei ihm vorbei fliegen. Bei den Vogelheerden, auf dem Meiſenfange und überall, wo Lockvoͤgel in Kafigen ſtecken oder angefeſſelt ſind, von welcher Art ſie auch ſein moͤgen, iſt er gleich bei der Hand und ſucht mit ihnen anzubinden. — Auch er wippt, wenn er ganz ruhig durch das Gebuͤſch huͤpft, wie der Fitis lau b⸗ vogel, einzeln mit dem Schwanze abwaͤrts. — Auf dem Erdboden huͤpft er in einzeln großen Spruͤngen, doch etwas leich— ter einher. Im Fluge aͤhnelt er ihm ebenfalls, er fliegt aber bei: nahe noch ſchneller und geſchickter. Auf weitere Strecken iſt ſein Flug bogenfoͤrmig und huͤpfend, wobei er gewoͤhnlich ſehr eilt; doch ſcheint er dabei weniger aͤngſtlich als mancher andere Buſchkriecher aus der Saͤngergattungz denn er fliegt oft uͤbers Freie von einer Baumgruppe zu einer andern entfernteren, Me. 00%, 1 uͤber zu weite Naͤume am Tage nie. Seine Lockſtimme iſt ein pfeifender, hoher, gezogener Ton der Sylbe: Huid oder Hyid, wie bei andern verwandten Voͤ⸗ geln, von welchen ſich dieſe Stimme aber durch die Hoͤhe und eine gewiſſe Harte des Tones unterſcheidet. Wenn wir die des Fitis⸗ laubvogels durch die Buchſtaben Huͤid bezeichnen, fo wird die Stimme des Weidenlaubvogels am richtigſten durch die Sylbe Vyid verſinnlicht, und der Ton in letzterer iſt immer ſchneidender und um eine Secunde und Tertie höher, als in erſterer. Wer ge— wohnt iſt, genau auf die Stimmen der Voͤgel zu achten, wird ſich hier nie taͤuſchen; ſo auffallend iſt dieſer Unterſchied. — Das Maͤnnchen iſt ein ſehr fleißiger Saͤnger, ſein Geſang aber ſchlecht und einfoͤrmig, jedoch ſehr ausgezeichnet. Wenn man ihn bloß hoͤrt, ſo glaubt man der Vogel, welcher ihn hervorbringt, ſchnappe nach Luft und es werde ihm das Singen unendlich ſauer; was aber 588 III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. der Fall gar nicht zu ſein ſcheint, wenn man ihn, waͤhrend er ſingt, ganz gemaͤchlich in den Zweigen dahin huͤpfen und nebenbei ſich Nah⸗ rung ſuchen ſieht. Die abgebrochenen Sylben dieſes ſonderbaren Geſanges laſſen ſich folgendermaßen vernehmen: Dilm delm demm dilm delm demm doͤlm delm dilm delm demm doͤlm dilm demm demm, worauf gewoͤhnlich ein lei⸗ ſes heiſeres Hedededet folgt, das wohl auch von Zeit zu Zeit wiederholt wird, bis das poßirliche Dilm delm u. ſ. w. wieder anfängt. Das ganze Lied klingt faſt wie das Schimpfen der Sper⸗ linge, wenn ſich zwei zanken, aber der Ton iſt weniger hart und, wenn man will, angenehmer und ſanfter. Der wunderliche Saͤn— ger treibt ſich dabei immer in den hohen Baumkronen, im hoͤchſten Buſchholze und ganz oben im lichten Stangenholze herum, wo— durch fein Singen hoͤrbarer wird, als wenn er unten im Gebuͤſch ſaͤnge, wo ihn viel andere Voͤgel uͤberſchreien würden; denn die. Staͤrke der Stimme iſt nur dem kleinen Koͤrper angemeſſen. Er ſingt vom fruͤhen Morgen an bis gegen Abend, nur am Nachmit⸗ tag nicht ſo anhaltend, und laͤßt ſich im Fruͤhjahr gleich nach ſeiner Ankunft, wenn es warme Sonnenblicke giebt, fortwaͤhrend bis nach Johannis oder bis gegen Jakobi hoͤren. Sogar im Herbſt hoͤrt man dieſen Geſang noch, aber unvollkommener und nicht ſo anhal⸗ tend, auch ohne das erwaͤhnte heiſere Hedededet, was bloß Paa⸗ rungsruf iſt oder hoͤchſte Uippigkeit anzudeuten ſcheint. In der Stube haͤlt ſich dieſer Vogel nicht ſo gut wie der Fi⸗ tislaubvogelz er iſt wilder und dabei zaͤrtlicher, faͤngt zwar auch Fliegen und betraͤgt ſich dabei eben ſo wie dieſer, doch laͤßt er ſich noch weit ſchwerer an ein Stubenfutter gewoͤhnen. Er haͤlt ſich immer auf den hoͤchſten Stellen und oben an der Decke des Zim- mers, wo er ſeine Umfluͤge macht, ſelten in den Fenſtern auf und wird nicht leicht zahm. Im Käfige ſoll er ſich noch ſchwerer gewoͤh⸗ nen laſſen. | 5 Nahrung. Dieſe beſteht groͤßtentheils in ſolchen Inſekten, welche er flie⸗ gend fangen kann, z. B. Fliegen, Muͤcken, Bremen, Hafte, kleine Nachtfalter u. dergl., und welche in zahlloſer Menge die be— laubten Zweige der Baͤume und Buͤſche umſchwirren, die er aber auch von den Aeſten und Blättern ablieſt, wenn fie nicht bei ſei⸗ nem unruhigen Hin- und Herhüpfen und Umflattern derſelben die Flucht ergreifen und ſo gefangen werden. Beim Fange derſelben X III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. 589 zeigt er eine große Gewandtheit, aber auch eine bewundrungswuͤr⸗ dige Eßluſt; denn er iſt unaufhoͤrlich mit dem Aufſuchen ſeiner Nah⸗ rungsmittel beſchaͤftigt und ſcheint unerſaͤttlich. Freilich lebt er zum Theil auch von ſehr kleinen Geſchoͤpfen, als manchen Arten von Blattlaͤuſen (Aphis. L.) kleinen Spinnen, den winzig kleinen Stechfliegen und Muͤcken, mitunter auch von den Eiern kleiner Blü- then⸗ und Knospeninſekten, wovon gar viele zur voͤlligen Saͤttigung erforderlich werden. Aber er frißt auch nebenbei ſehr kleine Käfer: chen und vielerlei Raupen und Larven von Blaͤtterinſekten, auch kleine Inſektenpuppen und findet fo feine Tafel immer reichlich be— ſetzt. Im Sommer ſucht er ſich immer in den Baumkronen und im hohen Stangenholze oben in den belaubten Zweigen zu naͤhren und hat dann großen Ueberfluß an den abwechſelndſten Speiſen; weni- ger freilich, ehe die Bäume ſich belaubt, oder wenn fie den Blatter: ſchmuck ſchon wieder abgelegt haben, wo er an den Knospen herum— pickt, auch an den Staͤmmen im Mooſe oder unter dem Geſtraͤuch auf dem Boden im alten Laube darnach herumſucht und bei dem ſpaͤrlichern Futter auch nicht ſo luſtig iſt. Im Herbſt iſt er auch gern bei den Teichen, der Muͤcken wegen, und im niedrigen Gebuͤſch nahe an der Erde; ſpaͤterhin verachtet er ſogar Dorn- und Diſtel— büfche nicht, und diejenigen, welche in der rauhen Jahreszeit bei uns verweilen, durchſuchen die alten Staͤmme und Storzeln, die Schilf— und Grasbuͤſche und das modernde alte Laub an feuchten Orten, unter Seilweidengebuͤſch, in Erlenbruͤchen u. ſ. w., wo fie ihr Le⸗ ben kuͤmmerlich durchzubringen ſuchen. — Im Herbſt freſſen fe auch Johannis- und Hohlunderbeeren, aber eben nicht gern, oder bloß im Nothfall. ; Sie baden fich oft und machen ſich dabei ganz naß, beſonders \ in den Sommermonaten, und gehn öfters weit zur Traͤnke. Im Zimmer frei herumfliegend, fangen fie meiſtens bald Flie⸗ gen, gehen aber, wenn dieſe aufgezehrt ſind, nicht gern an andere Nahrungsmittel. Man muß ihnen, ſobald ſie traurig werden, ih— re Freiheit ſchenken; denn ſonſt dauert es gewoͤhnlich nicht lange mehr mit ihnen. Nur mit vieler Muͤhe laſſen ſich einzelne an das Nachtigallenfutter, oder an in Milch geweichte Semmel gewoͤhnen, dauern aber nie lange. VVV Sie niſten in unſern Waͤldern, doch mit Auswahl und nur in manchen Gegenden, in vielen andern dagegen nicht, oder nur hoͤchſt 0 590 III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. einzeln. Bergigen und hohen Boden bewohnen ſie weit haͤufiger als ebenen, am wenigſten den feuchten, und die einzelnen Paͤaͤrchen, welche in den ſchoͤnen Laubholzwaͤldern an den Ufern Norddeutſcher Fluſſe niſten, ſuchen auch hier zu ihrem Standrevier die am hoͤchſt gelegenen Stellen aus. In den Fichten und Kiefernwaͤldern ſind ſie ſehr gern da, wo es jungen, bereits zu Stangenholz erwach⸗ ſenen Anflug oder Anſaaten giebt, doch nicht, obwol mitten im Walde, in den undurchdringlichſten Dickichten, ſondern an den“ lichtern, mit graſichten Plaͤtzen abwechſelnden Stellen, ganz vor⸗ zuͤglich gern aber da, wo auch Birken, Aspen, Eichen und ande⸗ re Laubholzarten zwiſchen den Nadelbaͤumen dem Boden ent⸗ ſproſſen. An ſolchen Orten darf es aber auch an hohen alten Bau: men nicht ganz fehlen, wie ſie denn ſtets altes, wenn auch ſchon et⸗ was licht gewordenes Stangenholz dabei haben muͤſſen und die jungen Laubholzſchlaͤge nur durchſtreifend beſuchen. In kleinen Feldhoͤlzern ſah ich ſie zur Brutzeit nie, wenn ſie auch ſonſt alle ihnen angenehme Eigenſchaften hatten, ſondern immer im groͤßern und zuſammenhaͤngendern Walde. — Jedes Paͤaͤrchen hat ſein kleines Standrevier, von welchem es ſich nie weit entfernt, und in welchem ſich das ſingende Maͤnnchen unaufhoͤrlich herum treibt. Hier⸗ an lernt man bald den ganzen Umfang des Bezirks, in welchem man das Neſt zu ſuchen hat, kennen; allein es iſt, wenn es der eben herausfliegende Vogel nicht etwa verraͤth, ſo leicht nicht zu entdecken, weil es ſtets auf dem Erdboden oder zwiſchen alten Stor: zen und Wurzeln Na über demſelben, im alten Graſe, Laube und Mooſe verſteckt iſt. In dieſem Wuſte, der in vielen Gegenden des Waldes den Boden in dicken Lagen pelzartig bedeckt, iſt es öfters _ hinter einem kleinen Staͤmmchen, oder unter den halb darniederlie⸗ genden Zweigen von Strauchwerk, in einer geringen Vertiefung an einer ſchiefen Flaͤche oder Abdachung eines kleinen Huͤgels, in alten, zum Theil mit Gras uͤberwachſenen Fahrgeleiſen und an aͤhnlichen Orten. Im dichten Stangenholz, wo der Boden zu nackt iſt, ſucht man es vergeblich, immer iſt es auf den freiern Stellen, oder am Rande des Holzes, auf mit oben genannten Dingen bedecktem Bo— den zu ſuchen; aber wegen ſeiner Bauart und der Gewohnheit, die aͤußern Baumaterialien fo zu wählen, wie es die Umgebungen erhei— ſchen, naͤmlich im alten Laube viel von dieſem, im Graſe und Mooſe aber mehr hiervon mit dem Aeußern des Neſtes verweben, wird das Aufſinden deſſelben ungemein erſchwert. Das Neſt iſt backofenfoͤrmig, oder von oben uͤberwoͤlbt, ſo, or III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. 591 daß der Eingang ſtets auf der Seite, aber doch fo weit iſt, daß man ſich, um die Eier in ſelbigem liegen zu ſehen, nur wenig buͤcken darf. Es bildet von außen einen ziemlich großen, laͤnglichten Ball von lockerem Gewebe aus duͤrren Grasblaͤttern und Halmen mit eingeflochtenem Moos und trockem Laube, iſt im Innern ſchoͤn ge⸗ rundet, mit Pflanzenwolle, Haaren und Federn ausgebauet, be ſonders mit letztern meiſtens recht niedlich ausgepolſtert. Es aͤh⸗ nelt den Neſtern der Wald- und Fitislaubvoͤgel, unterſcheidet ſich jedoch mehrentheils durch die weitere, mehr nach oben gerichte— te Oeffnung, wodurch man in den Stand geſetzt wird, mit einiger Vorſicht, ohne es zu beſchaͤdigen, zu den Eiern zu gelangen, was bei jenen ſelten gut angeht. Die allerliebſten kleinen Eierchen, ge⸗ woͤhnlich in einem Neſte fuͤnf bis ſechs an der Zahl, ſind von einer etwas kurzen Geſtalt, aber an einem Ende merklich ſpitzer als am entgegengeſetzten, kurz abgeſtumpften; ſie haben eine ſehr zarte, doch wenig glaͤnzende Schale und auf einem hellweißen oder gelb: lichweißen Grunde ſehr kleine Fleckchen und Punkte von einer ſchwaͤrz⸗ lichrothbraunen oder purpurbraunen Farbe, welche am dicken Ende dichter ſtehen oder ſich zuweilen gar kranzartig haͤufen, ſonſt aber nur einzeln uͤber die Flaͤche verbreitet ſind. Sie variiren in Form und Farbe hoͤchſt unbedeutend; bloß eine haͤufigere oder ſparſamere Anweſenheit der Punkte macht zuweilen einigen Unterſchied, wenn man mehrere gegen einander halt. — Von den Eiern des Wal d⸗ laubvogels unterſcheiden ſie ſich durch eine ganz andere Form und weit geringere Groͤße. Obwol fie in der Farbe einander aͤh⸗ neln, ſo zieht hier die der Zeichnungen doch auch weit mehr ins Braune, dort aber ins Violette. Von den Eiern des Fitislaub⸗ vogels unterſcheiden ſie ſich ebenfals durch eine geringere Groͤße, doch nicht ſo auffallend wie von jenen durch eine kuͤrzere Form, vorzuͤglich aber durch die ganz verſchiedene, viel dunklere Farbe der Zeichnungen, die bei jenen ſich immer der Roſtfarbe, hier dem Dunkelbraunen naͤhert. Dieſe Unterſchiede find fo auffallend als ſtandhaft. | N e ka are Dieſe Eierchen werden dreizehn Tage lang bebrütet, wobei das Maͤnnchen ſein Weibchen in den Nachmittagsſtunden abzuloͤſen pflegt. Schon um die Mitte des Maies findet man Junge, die mit kleinen glatten Raͤupchen, Fliegen, Muͤcken und dergl. aufge⸗ fuͤttert werden und das Neſt ſobald verlaſſen, als ihnen die kleinen Flügel das Fortflattern von Buſche zu Buſche geſtatten. — Um das Neſt, ſo lange Eier in demſelben liegen, ſind die Alten eben nicht 592 III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. ſehr beſorgt, leiden auch das nicht zu ungeſchickte Betaſten deſſelben und der Eier, ohne ſie zu verlaſſen, und verrathen den Ort, wo es ſteht, dem Suchenden ſeltner durch ihr Schreien als dadurch, daß ſie meiſtens ſo lange uͤber den Eiern verweilen, bis ſie erſt die nahen Fußtritte deſſelben daraus verſcheuchen. Wenn ſie bald oder eben ausgebruͤtet haben, flattern ſie aͤngſtlich nahe an der Er— de fort, und wenn man ſich dem Neſte mit den Jungen oder den eben ausgeflogenen naͤhert, ſo kommen beide Alten mit aͤngſtlichen Gebehrden und klaͤglichem Geſchrei herbei, umflattern den vermeint⸗ lichen Feind und ſuchen ihn, ſich matt und lahm ſtellend, von dem Platze hinweg zu locken. Oft ſitzen die Jungen vereinzelt im Gra— ſe, wo ſie ſich gut zu verbergen wiſſen, oder nahe beiſammen in einem niedrigen Buſche. Jagt man ein Junges heraus, ſo fliegt gleich eins der Alten mit jaͤmmerlichem Geſchrei hinterdrein, flattert uͤber der Stelle, wo ſich jenes ins Gras ſetzte, und laͤßt ſich auch bei 4 ihm nieder; koͤmmt man dann herbei, um das erſtere zu ſuchen, fo flattert das Alte ſo matt und ungeſchickt, wie kaum das Junge thun wuͤrde, vor einem hin, ſucht ſo zum Verfolgen zu reitzen und, nach gelungener Liſt, ſogleich frohlockend zu entfliehen. So taͤuſchen ſie oft ſelbſt den Geuͤbteren. Sie begeben ſich aber nach und nach immer hoͤher ins Gebuͤſch und verlieren ſich endlich unter dem Schutze grüner Blätter in den hoͤhern Baumzweigen, worauf die Alten ein zweites Neſt bauen, dann aber ſelten mehr als vier und funf Eier legen. — Sie machen in jedem Jahr zwei Bruten und wuͤrden ſich demnach viel haͤufiger vermehren, wenn ihr Neſt nicht dem Zerſtoͤhren von vielen Feinden ausgeſetzt waͤre. Ob auch der Kuckuk ihnen zuweilen ein Ei auszubruͤten gebe, habe ich nicht mit Sicherheit erfahren koͤnnen. b ie 1 Manchmal erwiſcht der Sperber einen dieſer kleinen ges wandten Voͤgel, doch ſelten. Mehr Feinde hat ihre Brut; denn unzählige Male wird das Neſt mit den Eiern oder Jungen von Ka⸗ gen, Fuͤchſen, Mardern, Iltiſſen, Wieſeln, Igeln, Ratten, Maͤuſen, Spitzmaͤuſen, auch von Raben, El⸗ ſtern und Hehern verwuͤſtet, letztere und auch die Würger, dieſe beſonders bei regenichter Witterung, fangen eben ſo haͤufig die eben ausgeflogenen Jungen hinweg, und ſomit werden gar viel dieſer Voͤgel, ehe ſie noch ſo weit erwachſen ſind, ſich gegen die III. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden ⸗Laub vogel. 593 meiſten dieſer Feinde ſichern zu koͤnnen, aufgerieben und ihre Mat ßere Vermehrung dadurch gewaltig verhindert. ag d. Sie ſind, ob fie gleich gar nicht ſcheu find, wegen ihrer Un— ruhe ſchwer zu ſchießen; dann bekoͤmmt man auch meiſtens nur Maͤnnchen, die ſich durch ihren Geſang verrathen, da die Weibchen ſtill durch die Zweige ſchluͤpfen und flattern, oder doch ſelten bloß ihre Lockſtimme hoͤren laßen, folglich weniger bemerklich werden, ſich auch leichter aus den Augen ihres Verfolgers, zumal in den be— laubten Zweigen, wieder verlieren. — Mit dem Blaſerohr be— koͤmmt man fie deswegen auch nicht leicht, fo lange Laub auf den Baͤumen iſt, eher im Spaͤtherbſt oder im erſten Fruͤhlinge, und die, welche einzeln bei uns überwintern. Sie werden meiſtens zufaͤllig auf der Traͤnke, dem Vogel— heerde, dem Meiſentanz, beim Kaͤuzchen, in den Dohnen und Sprenkeln gefangen. Ihre Neugier und Zankſucht fuͤhrt ſie das meiſtemal in die ihrem Leben, ihrer Freiheit drohenden Gefahren. Auf dem Vogelheerde ſpringen fie auf den Kaͤfigen der Lockvogel herum und wollen dieſe daraus vertreiben, welche Gewohnheit die Liebhaber, die es auf ihre Freiheit abgeſehen haben, benutzen, ei— nen Vogelbauer mit irgend einem lebendigen Vogel dahin haͤngen, wo fie einen dleſer Voͤgel oͤfters ſahen, und den Bauer mit Leimru⸗ then belegen. Bald werden fie auf den Bauer fliegen und ſich fan⸗ gen. Hierzu iſt auch ein ſogenanntes Springhaͤuschen anwendbar. — Auf den Meiſentanz kommen fie aus eben der Abſicht, entweder um mit den angeſeſſellen Vögeln zu hadern, oder um fie neugierig zu be⸗ gucken, wobei ſie denn auf dem Kloben oder in den Sprenkeln oft⸗ mals gefangen werden, recht oft aber bloß in den Baͤuchen der Sprenkel hinhüsſen und ſo manchmal lange dabei bleiben, ohne ſich zu fangen. — In den Sprenkeln, wo Hohlunderbeeren als Lod- ſpeiſe angebracht find, fängt man fie mehr zufällig, weil fie Beeren ſehr wenig lieben. Sie im erſten Fruͤhlinge auf einem vom Mooſe und alten Laube entbloͤßten Plaͤtzchen mit Mehlwürmern in eine Netzfalle oder auf Leimruthen zu locken, 5 einen etwas unſi⸗ chern Fang. Nutzen. Dieſer ergiebt ſich aus ihrer Nahrung. Sie werden beſon⸗ ders im Fruͤhjahr durch Vertilgung vieler Eier und kleiner Larven ater Theil. 38 594 II. Ordn. XV. Gatt. 89. Weiden⸗Laubvogel. verſchiedener Blüthen: und Knospeninſekten, die fie aus den Knos⸗ pen der Baͤume herauspicken, namentlich den Obſtbaͤumen ſehr wohl⸗ thaͤtig. Ihr Fleiſch iſt, wie das andrer kleinen Saͤnger, ſehr wohlſchmeckend, aber ſammt den Eingeweiden nur ein Biſſen von kaum anderthalb Quentchen Schwere; es wird ſie alſo dieſerhalb gewiß niemand tödten wollen. | Schaden thun def lieblichen e an durchaus ga nicht. Anmerkung. Während dieſe Bogen gedruckt wurden, erhielt ich den Zwei⸗ ten Band von Brehm's Beiträgen ꝛc. noch zur rechten Zeit, um eine dort aufgeſtellte ſehr einſeitige Behauptung widerlegen zu koͤnnen. Herr Brehm tadelt S. 237, wie gewöhnlich etwas bitter, Bechſtein und Temminck, daß fie unſern Vogel (Sylvia rufa) „noch im Jahr 1820 auf der Erde nis ſten laſſen,“ weil er dieſe Neſter ſtets in niedrigen Fichtendickichten 1 bis 3 Fuß hoch vom Boden gefunden haben will. — Dagegen muß ich denn verſichern, daß auch noch 1822 viele dieſer Voͤgel auf dem Erdboden niſten werden, weil ich bisher wenigſtens eben ſo viel Neſter, als Herr Brehm uͤber der Erde, bloß auf der Erde, an oben beſchriebenen Orten, gefunden habe, und daß ich mich zu behaupten getraue, daß dieſe Voͤgel in unſern Laubwaͤldern faſt immer ſo bauen, wie ich es oben angegeben habe, weil es daſelbſt keine jungen Fichten und, gerade wo ich die Neſter fand, auch kein anderes ſo beſchaffenes Gebuͤſch giebt, das ein ſolches Neſt, wie er es ehe aufnehmen koͤnnte, daß dies nicht ſchon von weiten in die Augen fallen muͤßte. Ich kenne ſogar zwei verſchiedene Plaͤtz⸗ chen, beide 2 Meilen von hier, eins an der Elbe, das andere an der Mulde, und beide im reinen Laubholzwalde, wo an jedem ein Paͤaͤrchen nun ſchon ſeit einigen Jahren niſtet, von denen die Neſter ſtets auf der Erde ſtanden, und hoffe ſie auch in dieſem Jahr (1822) wieder daſelbſt zu finden. Hieraus ergiebt ſich denn, daß S. rufa bald auf die Erde, bald dicht über dieſelbe bauet, ſo wie ſich ihm die Gele⸗ genheit gerade darbietet. Herrn Brehm's Beobachtungen und Angaben wer⸗ den daher im vorliegenden Falle fo wenig die meinigen, wie dieſe die ſeinigen um⸗ ſtoßen koͤnnen, da einer dem andern wol zutrauen darf, daß er ſeinen Vogel kennt. Beiläufig bemerke ich noch, daß H. B. ſehr in Irrthum iſt, wenn er ©. 344 die Eier der Mönchsgras muͤcke vom Weibchen allein ausbrüten laßt. Hier huͤlft das Männchen gerade mehr und länger bruͤten, als dies die der meiſten übrigen Grasmücken thun, wovon man ſich in meiner Gegend zur Brutzeit taͤglich überzeugen kann. Ich habe ſogar einmal ein Maͤnnchen von früh 9 bis Nachmit⸗ tags 3 Uhr auf dem Neſte ſitzen geſehen, was zu beobachten gar nicht ſchwer Hält, weil man ganz nahe hin gehen kann. e e e ee Rohrſaͤnge r. Calamodytae. Mit ſehr flacher, ſchmaler und geſtreckter Stirn, daher der Kopf gegen den Schnabel zu von allen Seiten ſpitz zulaͤuft; mittel- maͤßiger Tarſe der etwas ſtarken Fuͤße; großen, ſchlanken Naͤgeln; ſehr aufwaͤrts gebogenen Schwingfedern der kurzen Fluͤgel, und abgerundetem, faſt keilfoͤrmigem Schwanze. Ueber das Auge zieht ſich ein lichter Streif hin. — Die Haut an den Mundwinkeln iſt etwas aufgeſchwollen und meiſtens hellfarbig. Sie tragen ſitzend die Bruſt meiſt tief (die ſingenden Maͤnn⸗ chen ausgenommen), die Fluͤgel der Schwanzwurzel gleich, ſchnellen den ausgebreiteten Schwanz nur ſelten und bei beſondern Veran: laſſungen aufwaͤrts, breiten ihn aber beim Wegfliegen ſtets auffal⸗ lend aus, fliegen ſelten weit, klettern mit großer Gewandtheit an ſenkrechten Pflanzenſtengeln auf und ab, huͤpfen und kriechen ſchnell und geſchickt durch das Rohr und dichte Gebuͤſch, laufen aber am Boden unter dieſen mehrentheils ſchrittweiſe, wie die Pieper. Der Geſang der Maͤnnchen hat etwas ganz Eigenes, was ihn vor allen kenntlich Bar Sie halten ſich meiſtens uͤber dem Waſſer, oder doch nahe bei demſelben, im Rohre, Schilfe und dichtem niedrigem Gebuͤſche auf, gehen faſt nie auf hohe Baͤume und ſuchen ſich immer im Ge⸗ ſtruͤpp zu verbergen. Sie naͤhren ſich von kleinen Inſekten, wel⸗ che ſich uber dem Waſſer, oder an feuchten Orten und im niedern Gebuͤſch von Laubholz aufhalten, und die ſie meiſtens von den Blättern, auch auf ſumpfigem Boden, ab- und aufleſen, feltner im Fluge fangen. Beeren freſſen fie nur im Nothfall, Regen⸗ wärmer gar nicht. a Sie niſten in waſſerreichen oder feuchten Gegenden, meiſtens über dem Waſſer, an demſelben oder doch in der Naͤhe deſſelben, 596 III. Ordn. XV. Gatt. 90. Rohrſaͤnger. bauen kuͤnſtliche Neſter, von einer tief napffoͤrmigen Geſtalt, mit eingebogenem Oberrande, welche ſie alle auf eine eigene Art zwi⸗ ſchen Rohrſtengel, ſtarke Grashalme oder duͤnne Zweige befeſtigen. Sie legen bunt (meiſt olivenfarbig) gefleckte Eier, und das Neft- gefieder der Jungen iſt von dem 1 der Alten nur unbe⸗ bedeutend verſchieden. Acht Arten. 597 90. Der Droffel- Rohrfänger. Sylvia Zurdoıdes. Mey. 5 5 Taf. 81. Fig. 1. Männchen. Großer Rohrſaͤnger, großer Rohrſchirf, Rohrſchliefer, Rohr— vogel; Sumpfnacht'gall, Waſſernachtigall, Flußnacht'gall, Waſ— ſerweißkehle, Waſſerdorureich, (großer Rohrſperling, groote Ruhr— ſparling) droſſelart ger Saͤnger; die Rohrdroſſel, Bruch- oder Schelfdroſſel, Weidendroſſel; großer Spitzkopf; in hieſiger Gegend hin und wieder: Rohrſperting. Turdus arundinaceus. Gmel. Linn, syst. I. 2. p. 834. n. 25. — Lath. Ind. orn. I. p. 334. n, 28. — Sylvia Zurdoides. Meyer Vög. Liv- und Esth- lands, p. 116. = Temminck, Man. nouv. Edit. I. p. 181, — Aecrocepha- dus lacusiris. Naumanns Bögel, alte Ausg. Nachtr. S. 201. = Muscipeta lacustris. Koch, Baier. Zool. I. S. 166, u. 89. — La Rousserolle. Buff. Ois. III. p. 293. t. 18. — Edit. de Deuxp. V. p. 327. t. 7. fig. 2. = Id. Pl. enl, 513. = Gerard. tab. &lem. I. p. 111. — Bec-fin rousserolle. Temm. man. nouv. Edit. p. 181. = Reed=Thrush. Lath. Syn. III: p. 32. n. 28. — Uebri. von Bechſtein III. ©. 28. n. 25, = Groote Karakiet. Sepp. Nederl. Vog. II. t. p. 93. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III, S. 402. = Deffen Taſchenb. I. S. 152. — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 202. - Meisner u. Schinz, V. d. Schweitz. S. 95. n, 101. Naumanns Bög. alte Ausg. I. S. 224. Taf. 46. Fig. 103. Maͤnnchen. 6 Kennzeichen ben Art. Oberleib gelblich roſtgrau, ein deutlicher gelblichweißer Strich über dem Auge; Unterleib roſigelolichweiß; Mundwinkel orange: roth; 8 Zoll lang. Maͤnnchen: an der Gurgel aſchgrau uͤberlaufen. Beſchreibung. Dieſer anſehnliche und in vieler Hinſicht merkwuͤrdige Vogel wurde früher von den aͤltern Syſtematlkern zur Droſſelgattung ges rechnet, was ſeine Groͤße und das dadurch entſtehende droſſelarti⸗ 2 598 III. Ordn. XV. Gatt. 90. Droſſel-Rohrſaͤnger. ge Anſehen wohl entſchuldigen kann, zumal wenn man ihn nicht neben andern Rohrſaͤngern beobachten konnte, wo ſich das Abwei— chende von der Droſſelngtur und die vollkommenſte Uebereinſtim⸗ mung mit dieſer Saͤngerfamilie, an deren Spitze er den erſten Platz behauptet, auffallend genug gezeiget haben wuͤrde. Uebrigens iſt es bekannt, wie gering der Unterſchied zwiſchen den Gattungen Tur- dus und Sylvia ift, daß beide fo in einander verſchmelzen, daß man bei manchen Arten (beſonders auslaͤndiſchen) zweifelhaft bleibt, zu welcher von beiden man ſie zählen ſoll; ſelbſt die Beobachtung der Sitten und Lebensart ſolcher Vögel würde vielleicht oft nicht gehoͤ⸗ rige Auskunft geben koͤnnen, um die Gattung bei ihnen feſt beſtim⸗ men zu koͤnnen: — Unſer Vogel, welcher unbezweifelt in die Fa⸗ milie der Rohrſaͤnger gehoͤrt, iſt unter allen bis jetzt als hier einhei⸗ miſch bekannten Arten die groͤßeſte, ſelbſt die groͤßeſte in der gan⸗ zen Gattung Sylvia; denn er naͤhert ſich hierin der Rothdro 0 0205 ob er gleich noch viel ſchlanker von Rumpf iſt und, die laͤngern Extremitaͤten abgerechnet, hierin etwa dem Kirſchkernbeißer 5 gleichkoͤmmt. Es iſt ein angenehm gebildeter, ſchlanker Vogel. Die Laͤnge betraͤgt 8 Zoll, ſelten etwas druͤber; die Breite 114 bis 123 Zoll; die Länge des Flügels vom Bug bis 1 Spitze 45 Zoll; die Länge des ſehr abgerundeten Schwanzes 3 Zoll, deſ⸗ 121 Federn ſeitwaͤrts an Laͤnge abnehmen, ſo daß die auzerſte nur 2 Zoll 11 Linien mißt, nach den Enden zu ſchmaͤler werden und ein abgerundetes Ende haben. Die ruhenden Fluͤgel, an welchen die erſte Schwingfeder außerordentlich ſchmal und ſehr klein iſt, die zweite und dritte aber von gleicher Laͤnge und die laͤngſten ſind, decken den Schwanz bis auf 2 Zoll. Der Schnabel iſt voͤllig droſſelartig, groß, ſtark, wenig zuſammengedruͤckt, vielmehr rundlich, mit etwas erhabnem Ruͤcken, ſeichtem Ausſchnitt vor der Spitze, der obere dem Ruͤcken nach ſanft abwaͤrts gebogen, der untere gerade; er aͤhnelt in jedem Be— tracht dem der Singdroſſel. Er iſt 9 Linien lang, an der Wur⸗ zel faſt 3 Linien hoch und etwas breiter als hoch, von oben und an der Spitze braunſchwaͤrzlich, an den Kinnladenkanten und der Wur⸗ zelhaͤlfte des untern ſchmutzig fleiſchfarben, die etwas aufgeſchwol— lenen Mundwinkelkanten, wie der Rachen und die Zunge, ſchoͤn po— meranzenfarben. Das Naſenloch iſt weit, oval, der obere Deckel nicht ausgezeichnet, aber das muſchelfoͤrmige Zaͤpfchen im Innern ſehr bemerklich. Die Schnurrborſten uͤber den Mundwinkeln ſind ’ III. Drdn. XV. Gatt. 90. Droſſel⸗Rohrſaͤnger. 599 anſehnlich groß und ſchwarz; die Iris braun, an der Pupille viel lichter als nach außen, naͤmlich hell gelblichbraun. Die ſtarken Fuͤße ſind an den Laͤufen, der Bedeckung nach, nur undeutlich in große Schildtafeln getheilt, auf der hintern Seite ganz geſtiefelt, auf den Zehenruͤcken grob geſchildert, an den mit etwas breiten Ballen verſehenen Zehſohlen feinwarzig. Die Naͤ— gel ſind anſehnlich groß, bilden aber nur einen flachen Bogen und ſind dabei ſchmal gedruͤckt. Die Farbe der Fuͤße iſt eine ſchmutzige Fleiſchfarbe, die auf den Zehenruͤcken zuweilen mit Bleifarbe ange⸗ laufen iſt; die Zehſohlen ſind gelb; die Krallen graubraun, unten lichter als auf den Bogen. Die Höhe der Fußwurzel beträgt 14 Zoll; die Laͤnge der Mittelzeh, mit dem uͤber 8 Linien langen Na⸗ gel, 1 Zoll; die der Hinterzeh 10 Linien, wovon die Haͤlfte auf den großen Nagel koͤmmt. f b Die Farben und ihre Vertheilung find am Gefieder dieſes Vo⸗ gels ſehr einfach. Die Zuͤgel ſind dunkelbraun, ein Strich vom Naſenloch bis über das Auge hin truͤbe gelblichweiß; alle obern Theile von der Stirn bis zum Schwanz gelblich roſtgrau, der lich— ten Olivenfarbe ſich naͤhernd, am Scheitel am dunkelſten, an dem Buͤr⸗ zel am lichteſten und am meiſten gelb, im Nacken grau uͤberlaufen; die Ohrengegend iſt etwas dunkler, ſonſt verliert ſich die Farbe der obern Theile an den Halsſeiten allmaͤhlich in ein ſchmutziges, un⸗ deutlich lichtgrau beſchmitztes Weiß, bis auf die Gurgel; die Kehle iſt truͤbweiß; die Kropfgegend graulichweiß; der ganze uͤbrige Un⸗ terkoͤrper roſtgelblichweiß, in den Seiten, an den Schenkeln und am After ſtark mit Roſtgelb uͤberlaufen. Alle großen Fluͤgelfedern, nebſt den Schwanzfedern, ſind matt dunkelbraun, an den Kanten in die Farbe des Ruͤckens uͤbergehend und an den Enden weißlich ge⸗ ſaͤumt; die aͤußerſte Schwanzfeder bloß etwas lichter als die andern. Von der untern Seite iſt der Schwanz blaß gelblich braungrau, die Schwingen hellgrau, die untern Fluͤgeldeckfedern hellroſtgelb, welche Farbe ſich auf der Kante der Innenfahne an den Schwingfe⸗ dern etwas herab zieht. Maͤnnchen und Weibchen ſind hinſichtlich der Färbung des Gefieders, nur wenig verſchieden, wenigſtens ſind die Unter⸗ ſchiede nicht auffallend genug, um allein nach dem aͤußern Anſehen mit Sicherheit das Geſchlecht einzelner Voͤgel angeben zu koͤnnen, wenn man hierin nicht etwa durch haͤufige Uebung Fertigkeit er⸗ langt hat; denn am Weibchen iſt ſtets die Farbe der obern Theile gelblicher, beſonders an der Stirn und am Buͤrzel, der aſchgraue = 600 III. Ordn. XV. Gatt. 90. Droſſel-Rohrſaͤnger. Anflug im Nacken fehlt faſt ganz, von dieſer Farbe zeigt ſich auch an der Gurgel keine Spur, uͤberhaupt ſind alle untern Theile lichter oder nicht ſo ſtark mit Roſtgelb uͤberlaufen; kurz, das ganze Farben⸗ gemiſch iſt immer beim Weibchen heller und gelblicher als beim Maͤnnchen, doch wird man in den meiſten Faͤllen nur dann die⸗ ſen Unterſchied auffallend finden, wenn man beide gegeneinander halten kann. Je jünger dieſe Voͤgel, deſto gelber iſt ihr Gefieder, und das Graue am Nacken und Vorderhalſe wird nur erſt an zwei- und drei— jaͤhrigen Männchen bemerklicher, ja es giebt ſehr alte Männ- chen, bei denen es faſt fleckenartig erſcheint, indem es auf den Federn an der Gurgel und an den Seiten dieſer, an den grauen Federſchaͤſten ſpitzewaͤrts ſeinen Sitz hat, doch weil es ſehr licht iſt nur in der Naͤhe bemerklich wird. Im Herbft find alle Farben dunkler, friſcher und an den obern Theilen brauner, mit ſtarkem olivengelbem Ueberfluge, daher faſt ſchmutzig olivenfarbig zu nennen; und an den untern Theilen iſt das Roſtgelb ſo ſtark aufgetragen, daß es das lichte Grau an dem Vorderhalſe des Maͤnnchens faſt ganz verſteckt. Daher ſind dann auch beide Geſchlechter noch ſchwerer zu unterſcheiden, als im Frͤhjahr, wo die Farben theils abgebleicht find, theils die En— den und Raͤnder der Federn ſich abgenutzt haben, wodurch die Far— be im Grunde der Federn mehr ſichtbar wird. Im Ganzen ſind jedoch die Reibungen des Gefieders bei dieſen Voͤgeln nicht ſo ſtark, als man dies, ihres Aufenthaltes wegen, vermuthen ſollte; nur erſt gegen die Mauſer, welche im Juli und zu Anfang Auguſts ſtatt hat, wird das Abnutzen der Federn bemerklicher. Das frifche Gefieder erſcheint zuweilen bei einzeln Indiv! duen, aus verſchiedenem Lichte betrachtet, wie mit einer dunkleren Farbe gewaͤſſert, am öfterften und deutlichſten die mittleren Schwanzfe⸗ dern, wo die dunkleren Schatten manchmal wie wellenfoͤrmige Quer⸗ ſtriche ausſehen. Am abgetragenen Kleide verſchwindet dieſe ſchein— bare Zeichnung meiſtens ganz. Die Jungen im Neſtgefie der find eben nicht auffallend von den alten Voͤgeln im Herbſtkleide verſchieden, doch fallt die Farbe der obern Theile mehr ins Roſtbraune, fo daß fie viel dunk— ler und roͤther erſcheint; die der untern Theile iſt auch brauner, weil das dunkele Roßgelb ſehr ſtark aufgetragen iſt. An dem Vor⸗ derhalſe bemerkt man manchmal einzelne obſolete graue Fleckchen, von welchem aber noch oͤfterer keine Spur vorhanden iſt. Die Iris III. Ordn. XV. Gatt. 90. Droſſel⸗Rohrſaͤnger. 601 der Jungen iſt hell braungrau, ihr Schnabel lichter, die dicken Mundwinkel hellgelb, ſo auch die Zehenſohlen der licht fleiſchfarbe⸗ nen Fuͤße. Zwiſchen beiden Geſchlechtern habe ich aͤußerlich keinen Unterſchied finden koͤnnen. — Haben ſie ſich erſt gemauſert, alſo im erſten Herbſte ihres Lebens, ſo unterſcheiden ſie ſich kaum noch durch eine mehr ins Lohgelbe oder Roſtbraune ziehende Farbe, und durch ihr jugendliches Anſehen von den Alten, und es gehoͤrt da⸗ zu ein geuͤbter Blick des Beſchauers. Eigentliche Spielarten ſind mir nicht vorgekommen, und die, welche Bechſtein a. a. O. hieher gezaͤhlt hat, iſt eine ſehr beſtimmt verſchiedene, dem Suͤden von Europa angehoͤrende Art, deren naͤhere Kenntniß wir dem unermuͤdlichen Forſchen eines Joh. Natterer verdanken, welcher ſie bei Algeſiras, im ſuͤdlichſten Theil der Pyrenaͤiſchen Halb'nſel, entdeckte, und welche uns Herr Temminck in der neuen Ausgabe ſeines Handbuchs I. S. 182. unter dem Nahmen: Sylvia galactotes beſchrieben hat. Win fee ha k. Dieſer Vogel ſcheint bloß die gemaͤßigten und waͤrmern Erd⸗ ſtriche zu bewohnen und nicht hoch nach Norden hinauf zu gehen. So findet man ihn in den Daͤniſchen Herzogthuͤmern nur noch einzeln, daſſelbe wird auch von Liv- und Eſthland bemerkt; im ſuͤdlichen Poh len ſoll er dagegen, wie im ſuͤdlichen Rußland, haͤufiger vorkommen. Gemein iſt er in vielen Gegenden Ungarns, in Oberitalien, in manchen Provinzen Frankreichs und in Holland. In der Schweitz findet man ihn weniger als in vielen Gegenden Deutſchlands, ob man ihn gleich hier auch nicht unter die ſehr gemeinen Voͤgel zaͤhlen darf, weil es Striche giebt, die ihn gar nicht aufzuweiſen haben, und wieder andere, wo er haufig vorkoͤmmt. So verabſcheuet er z. B. die Gebirgslaͤnder, wo dieſe nicht ſumpfige Thaͤler und mit vielem Rohr bewachſene Gewaͤſſer einſchließen, und alle hoͤher gelegenen Laͤnderſtrecken; da⸗ gegen beſucht er die Ebenen und alle tiefliegende oder ſumpfige Ge⸗ genden der ſuͤdlichen und weſtlichen Theile unſeres Vaterlands in nicht geringer Anzahl. In Anhalt, wie in dem angrenzenden Sachſen und Brandenburg, koͤmmt er hier und da ziemlich haͤufig vor. 8 Er iſt ein Zug vogel und unternimmt feine nächtlichen Wanderungen einzeln, zieht aber niemals am Tage oder in Geſell⸗ 602 III. Ordn. XV. Gatt. 90. Droſſel⸗Rohrſaͤnger. ſchaft; nur im Herbſt ſchleichen ſie ſich familienweis aus unſern Gegenden weg, zerſtreuen ſich aber doch auf der Reiſe wieder, wie man an den hier durchziehenden, die aus noͤrdlicher gelegenen Laͤn⸗ dern kommen, wahrnehmen kann. Erſt zu Ende des Aprils, oder in den erſten Tagen des Maimonats laſſen ſie ſich bei uns ſehen, und die Männchen verkuͤndigen dies durch einzelne Strophen ihres lau⸗ ten Geſanges, den ſie aber erſt an ihren Brutoͤrtern im Zuſammen⸗ hange und vollſtaͤndig hoͤren laſſen. Im Auguſt verlieren ſie ſich ſchon wieder aus unſeren Gegenden, um fie mit einem waͤrmern Kli⸗ ma zu vertauſchen und dort zu uͤberwintern; nur einzelne ziehen noch in der erſten Haͤlfte des Septembers bei uns durch. Spaͤter habe ich niemals einen dieſer Voͤgel bei uns geſehen. Ihren Aufenthalt ſuchen ſie ſtets am Waſſer. Allein nicht je⸗ de waſſerreiche Gegend iſt ihnen angenehm, obwohl ſie auf ihren Reiſen mit allen ſolchen fuͤrlieb nehmen muͤſſen, deren Gewaͤſſer mit allerlei niedrigem Gebuͤſch bekraͤnzt ſind, wenn es auch nur Graͤben und Baͤche waͤren. Man findet ſie dann einzeln wohl auch in den großen Buſchweidengehegen der Flußufer, bei Teichen und Seen, wo Weiden wachſen, ſelbſt bei Doͤrfern und Staͤdten auf den Kopfwei⸗ den und in verwilderten Obſtgaͤrten, wo ſie wenig Waſſer finden; allein ihre Schuͤchternheit und Unruhe zeigt deutlich, wie wenig es ihnen hier behagt. Ihre eigentliche Wohnung ſchlagen ſie jederzeit auf Teichen, Landſeen, großen tiefen Waſſergraͤben und an ſolchen Gewaͤſſern auf, in welchen das gemeine Rohr (Arundo Phragmi- tis) recht hoch und uͤppig waͤchſt, am liebſten wo dies recht große Strecken uͤberzieht und einen dichten Wald bildet. Dabei muͤſſen dann die Ufer nicht zu kahl fein, viel Weidengebuͤſch daſelbſt wach⸗ ſen und mit dem Rohr vermiſcht ſein; ſelbſt wenn ſolche Teiche dicht neben oder gar mitten in bewohnten Orten ſich befaͤnden, ſo ſind ſie ihnen doch ein erwuͤnſchter Aufenthalt. Solche Gewaͤſſer, wo andere Schilfarten aus den Gattungen Typha, Sparganium, Iris, Carex und ſonſtige hohe Waſſerpflanzen häufiger als Rohr wach: ſen, ſind ihnen zuwider; man findet ſie daher auch nicht in den Bruͤchern, wenn nicht wirkliche Rohrteiche oder große tiefe mit Rohr bewachſene Stellen in ſolchen vorkommen; dann aber auch allemal nur hier. — In der hieſigen Gegend ſind ſie in den Som⸗ mermonaten auf rohrreichen Landſeen, verwilderten großen Fifch- teichen und wo ſonſt viel Rohr waͤchſt, ſehr haͤufig, ſelbſt auf klei⸗ neren Rohrteichen in oder dicht bei den Doͤrfern und Staͤdten hin und wieder nicht einzeln. — Ueberall, wo ich ſie beobachten konnte, III. Ordan. XV. Gatt. 90. Droffel-Rohrfänger. 603 zeigte ſich ihre große Vorliebe für das Rohr (Arundo Phragmitis) und ihr Widerwille gegen andere Waſſerpflanzen, ſo, daß ich ſie kaum einmal durch das nachbarliche hohe Kolbenſchilf (Typha) huͤp⸗ fen, in andern niedrigern Schilfarten aber niemals ſahe. In den Marſchlaͤndern der Daͤniſchen Herzogthuͤmer fand ich fie bloß in eis nem Rohrteiche in Suͤderdittmarſchen, ſie ſollen jedoch dort hin und wieder einzeln, aber auch ſtets nur im Rohr vorkommen. Auf hohen Baͤumen wird man dieſe Voͤgel nie antreffen, ja ſie begeben ſich ſelbſt in niedrige Baumkronen nur ſelten und im Nothfall; auch ſind ſie im Weidengebuͤſche nie hoch zu ſuchen, ſon— dern immer nahe uͤber dem Erdboden, oder uͤber dem Waſſer kaum einige Fuß hoch. Sehr ſelten ſieht man ſie auf dem Freien, noch ſeltner auf dem Erdboden, und wenn ſie nicht ihre Stimme und der Geſang des Maͤnnchens meiſtens verrieth, denn dies iſt in der Begattungszeit ſehr unruhig und zeigt ſich auch oͤfterer ober— halb oder an den Seiten ſeines zum Wohnſitz Ae Rohrwal— des, ſo wuͤrden ſie gar oft unbemerkt bleiben. f Im Walde findet man dieſen Vogel niemals, am wenigſten in ſolchen, worin es keine Gewaͤſſer giebt; denn in dieſen koͤnnte er wohl einmal gezwungen werden, auf dem Zuge einzuſprechen, und im Fruͤhlinge, wo das junge Schilf und Rohr noch nicht ſo hoch iſt, daß er ſich darin verbergen und naͤhren koͤnnte, muß er denn auch wohl einmal einen Tag lang im Gebuͤſch verweilen. Dies ſind indeſſen ſeltne Faͤlle, und man wird ihn daher weder im alten Hochwalde, noch im Nadelwalde, am wenigſten in Gebirgswal— dungen antreffen und tief im Walde zu jeder Zeit vergeblich 3 ihm ſuchen. Eigen ſſch af ien Mit andern Rohrſaͤngern verglichen, ſcheint dieſer Vogel etwas plump und ſchwerfaͤllig, ob er gleich ſonſt viel andere Voͤgel an Ge— wandtheit uͤbertrifft; denn er huͤpft und kriecht ſchnell und geſchickt durch die belaubten Zweige oder durch das dichte Rohr, und man bemerkt oft nur an dem Wanken der einzeln Rohrſtengel, die er durch die Schwere ſeines Koͤrpers im Auf und Abſpringen ſtark bewegt, in welcher Richtung und wie ſchnell er ſich im dichten Rohr zu verlieren ſucht, denn außerhalb demſelben und auf den Spitzen der Rohrſtengel laͤßt er ſich nur ſelten ſehen. Er klettert beſonders geſchickt an ſenkrechten Zweigen und Pflanzenſtengeln auf und ab, 604 III. Drom XV. Gatt. 90. Droſſel⸗Rohrſanger. aber nicht etwa gerade auſwaͤrts wie ein Specht, ſondern ſchief, mit beiden Füßen den Stengel oder das Reis umklammernd, wos bei er einen Fuß nach dem andern fortſetzt. Dabei iſt er furchtſam und ſcheu, zumal wenn er ſich verfolgt glaubt oder überhaupt an ſolchen Orten, wo er nicht bruͤtet, weswegen er denn auch nur ſel— ten weit und niemals hoch fliegt. Im Herausfliegen laͤßt er den faͤcherfoͤrmig ausgebreiteten Schwanz etwas haͤngen, feine kurzen Fluͤgel machen dabe! eine ſchnurrende Bewegung, und ſo ſchießt der Vogel ruckweis oder huͤpfend fort. Geht der Flug weiter, ſo bil— det er kleinere und größere unregelmaͤßige Bogen. Ganz anders fliegen indeſſen die Maͤnnchen im Anfange der Begattungszeit, bes ſonders wenn ſie einander jagen, necken und eins das andere von einem nahen Rohrbuſch zun andern verfolgt, wo der Flug niedrig über dem Waſſerſpiegel hin, in gerader Linie fortſchnurrend, faſt zitternd iſt und fo ausfieht, als wenn ihnen das Fliegen ſauer wuͤrde. Ihre Unruhe und Zankſucht treibt fie bald hier, bald da— hin, und wo mehrere Paͤaͤrchen nahe beiſammen niſten, nimmt der Hader kein Ende, weshalb ſie ſich dann auch oͤfter zeigen als in der Sugzeit, wo fie die Rohrdickichte ohne Noth nicht verlaſſen, oder hoͤchſtens einmal an einem Rohrſtengel hinauſklettern, ſich einen Augenblick umſehen und dann ſogleich wieder im Dickicht verbergen. Ihre Zankſycht iſt indeſſen meiſtens nur gegen ihres Gleichen gerich— tet; mit andern befiederten Bewohnern des Rohres leben ſie haͤufig in friedlicher Naͤhe beiſammen. — So wie dieſer Vogel an Farbe und Geſtalt dem Teͤchrohrfaͤnger aͤhnelt, fo find auch Sitten und Lebensart dieſelben, ſelbſt Stimme und Geſang, hier nur alles nach einem groͤßern Maaßſtabe, und von den Droſſeln hat er nichts, als eine entfernte Aehnlichkeit in der Geſtalt, wozu ſeine Groͤße viel beitraͤgt. — Auf dem Erdboden ſieht man ihn nur aͤußerſt ſelten, und er geht daſelbſt mehr ſchrittweis als huͤpfend; auf kurzem Graſe huͤpft er bloß. Seine Lockſtimme iſt ein ſchnalzendes tiefes Tack oder Zatſch und ein Tnarreuder Ton, dumpfer und groͤber als das Knarren der Nachtigall. Dies tiefe ſchnarchende Karr oder Scharr hoͤrt man beſonders, wenn er etwas Auffallendes in feiner Naͤhe bemerkt. In der Angſt ſtoͤßt er harte ſchaͤckernde Töne aus, die der Stimme ei⸗ nes Wuͤrgers aͤhneln, und die Jungen haben, ſo lange ſie der älterlichen Pflege beduͤrfen, eine quafende Stimme, die dem Lockton des Bergfinken gleicht. — Das Maͤnnchen laͤßt ſeinen ſehr lauten und nicht unangenehmen Geſang hoͤren, ſobald es im III. Ordn. XV. Gatt. 90. Droſſel⸗Rohrſaͤnger. 605 Fruͤhjahr bei uns ankoͤmmt, doch an ſolchen Orten, wo es nicht ni⸗ ſtet, auch nicht vollſtandig. Deſto fleißiger ſingt es aber hier, vom Anfang des Maies bis gegen die Mette des Juli, und zwar vom Morgen bis am Abend, am meiſten jedoch früh, wenn kaum ein ſchwacher Schimmer der Morgendaͤmmerung am fernen Hori— zonte ſich zeigt, zuweilen auch noch ſruͤher, bis zum Aufgang der Sonne. Im Anfange feines Hierſeins ſingt es auch haufig die gen: zen Naͤchte hindurch. — Der Ton in dieſem Geſange iſt voll und ſtark, die Strophen mannichfaltig abwechſelnd, und das ganze Lied hat ſo viel Eigen thb mliches, daß es eigentlich mit keinem andern verglichen werden kann, obwohl es in mancher Hin.cht die Norm oder das Thema für die Geſaͤnge der melſten unſrer Rohrſaͤnger ab— gegeben zu haben ſcheint. — An ſanft flͤtenden Toͤnen fehlt es die⸗ ſem Geſange ganz, und er wir...e daruc bei weiten nicht fo ange⸗ nehm fein, wenn man ihn nicht an Orten hoͤrte, wo es an ſchoͤner ſingenden Voͤgeln ganz ſehlt, wo man nur die rauhen Stimmen der Waſſervoͤgel zu hören gewohnt iſt, und wo es überhaupt nicht behagt, oſt und lange daſelbſt zu verweilen. Es giebt Liebhaber, die ihn ſchoͤn faden und ſehr gern hoͤren, er klingt auch, beſonders des Nachts oder in der Daͤmmerung, hoͤchſt angenehm, zumal weil er auf dem Waſſer jo widerhallt, und der Ton dadurch verſtaͤrkt wird; allein es gebt auch viel Menſchen, welche ihn ſchlecht finden und die Töne met dem Qualen der Laubfroͤſche vergleichen. Ganz unrecht haben denn nun dieſe auch nicht; denn das Kaͤrr kaͤrr kaͤrr, — Dore dore dore, — Karre karre karre, — Kai kei kei ki, — karra karrakied, und andere aͤhnliche Strophen haben wirklich viel Aehnlichkeit mit Froſchmuſck, mit dem Geſange einer Droſſel aber gar keine. ) Eben fo wen’g kann ich eine Aehnlichkeit zwiſchen dem Geſange des Gartenlaubvogels und dem unſeres Droſſelrohrſaͤngers finden. — Das Männchen ſitzt, wenn es jingt, am Tage ſehr ſelten lange an einer Stelle, ſucht aber gern einen hohen Sitz nahe an der Spitze eines Rohrſten⸗ gels oder im Weidengefirauch, aber nicht auf Baͤumen. Sehr haͤu⸗ fig koͤmmt es aus dem Innern feines Dickichts heraus und wiegt ſich ſingend auf einem an der Seite deſſelben ſtehenden Rohrſtengel, geht aber eben ſobald wieder ins Rohr zuruͤck oder flattert ſingend, nahe uͤber dem Waſſer hin, einem andern nahen Rohrbuſche zu. ) In Holland heißt der Vogel von feinem Geſange ſehr paſſend: Karra- kiet, ya 606 II. Drdn XV. Gatt. 90. Droffel:Rohrfänger. Beim Singen ſitzt es immer ſehr aufrecht, mit behaglich haͤngenden Fluͤgeln und Schwanze, den letzten etwas ausgebreitet, blaͤſt dabei die Kehle weit auf, richtet den etwas aufgeſperrten und ſtarkbeweg⸗ ten Schnabel ſtark aufwaͤrts und ſtraͤubt dazu haͤufig oder abwech⸗ ſelnd die Scheitelfedern wie eine Holle in die Hoͤhe. Weil es mei⸗ ſtens auch das uͤbrige Gefieder dabei aufblaͤhet, ſo ſieht es in die⸗ fer Stellung größer aus als gewöhnlich, zumal wenn es ſich be haglich von einem Rohrſtengel zum andern ſchwingt und ſich auf dieſen wankenden Sitzen ſchaukelt. Des Nachts veraͤndert es beim Singen ſeinen Sitz nicht, und da hoͤrt man es entweder tief im Rohre oder auf einem meiſtens uͤber das Waſſer haͤngenden Zweige eines Weiden-, Holunder- oder andern Gebuͤſches, wie ſich dieſes haͤuſig an den „ oder auf kleinen Inſeln in denſelben 5 det. Nur mit Mühe laſſen ſich dieſe Vögel zaͤhmen, und es zeigt ſich da bald, daß fie von weichlicher Natur find und eine ſorgfaͤlti⸗ ge Pflege verlangen. Anfaͤnglich ſind ſie wild und ungeſtuͤm, ge⸗ woͤhnen ſich aber doch bald genug, wenn man ſte anders richtig zu behandeln verſteht, ſind aber zaͤrtlicher als die Nachtigall und dauern auch bei der beſten Wartung nie fo lange als dieſe. Man muß ihnen einen großen Käfig geben, ſonſt verderben fie ſich ihr Ge⸗ ‚ fieder zu ſehr, wodurch ihre Geſundheit leidet. Im Anfange ih⸗ rer Gefangenſchaft ala ihnen Die Fluͤgelſpitzen zuſammen * den e e Dieſe beſteht in ſolchen Inſekten, welche ſich über dem m Waſſ er im Rohr und Weidengebuͤſch aufhalten, und welche ſie meiſtens im Sitzen oder darnach ſpringend, aber ſelten im Fluge fangen. Hier⸗ her gehoͤren Libellen, Hafte, Fruͤhlingsfliegen, Schnaken, Muͤ⸗ cken, Fliegen, Blattlaͤuſe, Spinnen, auch kleine Kaͤfer, z. B. Donacien und Blattkaͤfer, auch die Larven aller dieſer, wenn ſie ſelbige über dem Waſſer antreffen, ſelbſt kleine Waſſerinſekten, ſo⸗ bald dieſe ihr Element verlaſſen. Sitzt ein Inſekt an einem Rohr⸗ ſtengel oder an einem Blatte über ihnen, fo laufen fie ſchnell den Stengel hinan, wobei ſie die Fuͤße wechſelsweiſe fortſetzen; ſo klet⸗ tern ſie auch abwaͤrts. Wuͤrden ſie an den Stengeln in mehreren Spruͤngen aufſteigen, ſo wuͤrden ſie durch die Erſchuͤtterung, die das Huͤpfen hervorbringen wuͤrde, die Inſekten vor der Zeit ver— ſcheuchen. Sie ſind, weil ſie meiſtens von ſehr kleinen Inſekten III. Or dn. XV. Gatt. 90. Droſſel-Rohrſaͤnger. 607 leben und eine rege Verdauung, daher immer guten Appetit haben, unaufhoͤrlich mit dem Aufſuchen ihrer Nahrungsmittel beſchaͤftigt, und durchkriechen deshalb das dichte Rohr und niedere Gebuͤſch an den Gewaͤſſern ohne Unterlaß, meiſtens in geringer Hoͤhe uͤber dem Waſſerſtande. Im Fruͤhlinge, wenn ſie eben zu uns gekommen ſind, iſt gewoͤhnlich das alte Rohr von Blaͤttern zu entbloͤßt, und viele Stengel eingebrochen, oder es iſt uͤber Winter gar abgemaͤhet und als Brennmaterial benutzt worden, das junge Rohr aber noch nicht ſo hoch, daß ſie ſich darin gut verbergen koͤnnten; dann muͤſſen ſie das nahe Gebuͤſch durchſuchen und abwechſelnd ſich in dieſem herum: treiben, wo ſie auch kleine Raͤupchen, allerlei kleine Kaͤfer, Fliegen od. dergl. zur Speiſe nicht verſchmaͤhen. Dies iſt die Zeit, wo man fie oͤfters auch auf niedrigen Baͤumen, z. B. den Kopfweiden, Pflaumbaͤumen u. dergl. und in Baumgaͤrten, die nicht weit vom Waſſer liegen, in lebendigen Hecken und ſonſtigem Buſchwerk, ſelbſt an Waldraͤndern, bei Waſſergraͤben u. ſ. w. antrifft und zwiſchen dem jungen Laube der Zweige nach Inſekten ſuchen ſieht. Dann ſuchen ſie auch zuweilen auf dem ſchlammigen Boden, unter den Waſſerpflanzen nach Inſekten und Inſektenlarven. Im Herbſt freſſen ſie auch ſchwarze Hohlunderbeeren und 19 ben ſich nach dieſen gern auf die Buͤſche, welche nahe am Waſſer ſtehen. Waͤchſt hier auch Faulbaum (Rhamnus frangula), fo: ſpei⸗ ſen ſie auch von dieſen Beeren zuweilen; die Begierde nach dieſem Futter, oder nach Beeren uͤberhaupt, ſcheint indeſſen nicht ſo ſtark, daß ſie ſich darum weit vom Waſſer entfernen oder die Beerenbuͤſche gar im Walde aufſuchen ſollten; dies iſt nie der Fall. — Sie ba⸗ den ſich ſehr gern und durchnaͤſſen ſich dabei ihr Gefieder faſt ganz. Im Kaͤfige muß man ihnen anfaͤnglich Ameiſenpuppen, Flie⸗ gen, Mehlwuͤrmer und andere Inſekten in Menge vorlegen und mit dieſen nach und nach an das Nachtigallnfutter ſie zu gewoͤhnen ſuchen, endlich auch dieſes nachher oͤfters noch, beſonders in der Mauſerzeit, mit jenen und mit hartgekochten, auf einem Reibeiſen klar geriebenen Huͤhnereiern wuͤrzen; demohngeachtet wird man ſie bei aller angewandten Sorgfalt doch nicht uͤber zwei bis drei Jahr am Leben erhalten. Von den Droſſeln unterſcheiden ſie ſich hierin gar ſehr. F ort pf lan zun g. Sie niſten in Deutſchland, wie in andern Laͤndern, ſtets nur am Waſſer, oder vielmehr uͤber demſelben. — Die Landſeen, 608 III. Ordn. XV. Gatt. 90. Droffel-Rohrfänger. großen Teiche, in ebnen Gegenden auch kleinere Teiche, breite und lange Waſſergraͤben, z. B. die Schloß und Stadtgraͤben, in wel⸗ chen viel hohes Rohr (Arundo) recht uͤppig waͤchſt und große Dickich⸗ te bildet, befaͤnden ſie ſich, gleich den letzteren, auch mitten in den Doͤrfern oder ſonſt nahe bei menſchlichen Wohnorten, ſelbſt dicht an frequenten Straßen, fo ſieht man fie doch in vielen Gegenden haͤufig von ihnen bewohnt. Sind recht große Teiche nicht allein mit Weiden und anderem Gebuͤſch umgeben, ſondern auch mit Waͤl⸗ len durchſchnitten und mit kleinen Inſeln verſehen, auf welchen zwi⸗ ſchen Weiden, Hohlunder und anderem Geſtraͤuch hohe Neſſeln, Waſſerbraunwurz, Weiderich, Schierling, Waſſerhanf und ande— re hohe Pflanzen wachſen, find ſolche Pertieen dazu mit hohem Rohr umgeben, ſo bewohnen ſie dieſe ungemein haͤufig und niſten hier vorzuͤglich gern, wie z. B. auf einem großen Teiche bei Ba⸗ detz im Anhaltifchen, jenſeits der Elbe, etwa 35 Meile von mei⸗ nem Wohnorte, wo ſie in zahlloſer Menge bruͤten.“) Aber auch näher, in kleinen Rohrteichen mitten in Dörfern und nahe dabei, haben wir ſie hier; ja ſelbſt in meinem eigenen Beſitzthum niſtete öfters ein Paͤaͤrchen in einem kleinen Rohrteiche. — Es ſcheint je⸗ doch, daß fie nicht gern iſolirt wohnen, ſondern lieber mehrere Paͤaͤr— chen auf einem Teiche nebeneinander, damit ſie immer etwas zu zanken haben, ſich necken und jagen können, wenn eins dem an⸗ dern in fein Revier koͤmmt; denn jedes Paͤaͤrchen hat fein Plaͤtzchen und ſeinen kleinen Bezirk, worin es kein anderes leidet, daher ſie ſich durch ein unaufhoͤrliches Hadern nur deſto bemerklicher machen, 8 bei ihrer verſteckten Lebensart ſonſt nicht der Fall fein würde. — Rohr muß immer in Menge da ſein, wo ſie niſten ſollen, Das Neft gehört, beſonders in Hinſicht der Art, wie es befe— ſtigt iſt, zu den kuͤnſtlichen Vogelneſtern. Es ſchwebt gewiſſerma⸗ ßen über dem Waſſer an vier, fünf bis ſechs ſtarken und nahe bei⸗ ſammen ſtehenden, ſenkrechten Rohrſtengeln, die es an feinen Waͤn⸗ den durchbohren, und an welchen es mit den Materialien feſtgewickelt 1 1 „) Dieſer Teich, von einer Stunde im Umfange, giebt, außer den vielen Rohrweihen und einigen Kornweih en, einer großen Menge von wilden Gaͤnſen, ſehr vielen und verſchiedenen Arten von wilden En⸗ ten, Steiß fuͤßen, Rohrhuͤhnern, Rohrdommeln, gemeinen Meven und vielen andern Sumpf⸗ und Waſſervoͤgeln, auch Rohrſaͤn⸗ gern von allen Arten, beſonders unzähligen Droſſelrohrſaͤngern, die bequemſten Bruͤteplätze „ und ich habe dort gar viele ſchaͤtzbare Beobach⸗ tungen gemacht und jene Vögel in allen Sfmmatianen zu belauſchen ge⸗ ſucht. III. Ordn. XV. Gatt. 90. Droſſel⸗Rohrſaͤnger. 609 iſt. So haͤngt es zwiſchen eben ſo vielen ſchwankenden Saͤulen, an welchen es aber doch fo befeſtigt iſt, daß es nie herabgleitet, et— wa drei Fuß uͤber dem Waſſerſpiegel, auch wol etwas hoͤher, aber ſelten tiefer, wenn nicht waͤhrend des Bruͤtens das Waſſer merklich anſchwellt, was bei heftigen Regenguͤſſen in Teichen nicht ſelten der Fall iſt, worauf auch die Voͤgel bei Anlage der Neſter zu rechnen ſcheinen. Es ſteht dabei nie auf den aͤußerſten Stengeln eines Robr- buſches, ſondern mehrentheils tief in demſelben, ſo, daß man es von außen nicht ſehen kann. Dieſe Vorſicht beobachten ſie da, wo die Umgebungen zu lebhaft ſind, faſt immer; in kleinen Rohrteichen ſteht es daher immer beinahe in der Mitte. Wenn die Rohrſtengel nicht nahe genug beiſammen ſtehen, ſo ziehen ſie ſelbi— ge wol mit Gewalt ſo weit zuſammen, als erforderlich iſt; allein dies geſchieht doch nicht oft; auch bauen ſie nur hoͤchſt ſelten da ihr Neſt hin, wo ſich einige Rohrſtengel durchkreuzen, ob dies gleich eine viel feſtere Grundlage geben wuͤrde. Man ſagt auch, daß ſie es an den Ufern auf den ſich durchkreuzenden Zweigen der Weiden und Erlen bauen ſollen, was ich aber nie ſelbſt geſehen habe; viel— mehr waren alle Neſter, deren ich eine große Menge ſah, von der oben beſchriebenen Bauart, zwiſchen Rohrſtengel befeſtigt, und dieſe Methode iſt auch allen uͤbrigen Arten der ſo ausgezeichneten Familie der Rohrſaͤnger mehr oder weniger eigen, ſo daß man nur auf die Befeſtigung derſelben, waͤr es auch im Gebuͤſch und an Zweigen genau achten darf, um ſie ſogleich von den Neſtern der Grasmuͤcken und andrer Voͤgel zu unterſcheiden. — Ich kann daher auch nicht glauben, daß unſer Vogel jemals auf Mooshuͤgel (alſo auf die Er— de) bauen ſollte, wie man wol vorgegeben hat. Weiß ich mich doch ſelbſt nie zu erinnern, je ein Neſt nur über dem Erdboden ge- funden zu haben; immer ſtanden fie über dem Waſſer, nie ne- ben demſelben, ja haͤufig uͤber recht tiefem Waſſer. 5 Das Neſt ſelbſt iſt ziemlich groß, viel höher als breit, wie ein tiefer Korb, mit einer ſehr tiefen, ſchoͤn gerundeten Aushoͤh⸗ lung, und dieſe mit ſehr einwaͤrts gebogenem Oberrande, ſo, daß bei Windftößen, welche die ſchwankenden Träger deſſelben zuweilen mächtig biegen und erſchuͤttern, weder Eier, noch Junge in Gefahr kommen heraus zu ſtuͤrzen. Dieſe anſehnliche Tiefe ift allen Rohr: ſaͤngerneſtern eigen und wird in dem Verhaͤltniß bei keinem andern Vogelneſte fo angetroffen. Wie weiſe ſorgte dadurch hier die gütige Mutter Natur fuͤr die Erhaltung ihrer Weſen! Aber welch einen unbequemen Sitz mag auch das Weibchen in einem ſo tiefen Neſte zter Theil. N 39 610 III. Or dn. XV. Gatt. 90. Droſſel⸗Rohrſaͤnger. haben! — Das Gewebe des Neſtes iſt übrigens ziemlich dick und derb geflochten, beſonders gut iſt der Boden deſſelben verwahrt, ſo daß auch in dieſer Hinſicht für Sicherheit und Erwärmung der Jun⸗ gen geſorgt iſt. Die Materialien find groͤßtentheils dürre Gras⸗ blaͤtter und Halme, mit untermiſchten Baſtfaſern von Neſſeln, Weiderich und andern am Waſſer wachſenden Pflanzen. Dieſem iſt nun manchmal noch Samenvolle von Weiden, Rohr, Weiderich (Epilolobium) und wol auch Inſektengeſpinſt, bald etwas gruͤnes Moss beigemiſcht, bald ſieht man nichts hiervon, aber ein anders mal wol auch einzelne Woll- und Hanffaͤden, die ihnen der Wind zutreibt, oder die ſie am Ufer aufleſen. Das Innere iſt meiſtens bloß mit feinern Haͤlmchen, trocknen Grasrispen und Rohrſamen⸗ kronen, dem feltner einzelne Pferdehaare und Pflanzenwolle beige: miſcht ſind, ausgefuͤttert. Nur dann erſt, wenn das junge Rohr zu einer bedeutenden Hoͤhe aufgewachſen, alſo nicht vor Ende des Maies und meiſtens noch ſpaͤter, fangen ſie den Bau des Neſtes an, der in einigen Tagen beendigt iſt, und man findet nur erſt um die Mitte des Juni Eier in demſelben. Sie ſind demnach ſchon lange hier, haben laͤngſt ſchon ſehr fleißig geſungen und ſich mit ih⸗ res Gleichen um die Bruͤteplaͤtze geſtritten, ehe ſie wirklich zum Fortpflanzungsgeſchaͤft ſchreiten koͤnnen, weil das junge Rohr im⸗ mer erſt eine Höhe von 4 bis 6 Fuß ee muß, ehe ſie es zum Neſtbau benutzen koͤnnen. Die Eier, wovon man in einem Neſte vier bis fünf ſin⸗ det, haben ungefaͤhr die Groͤße der des rothkoͤpfig en W ers oder des Hausſperlings, und eine ſchoͤn ovale oder eine regelmäßig eifoͤrmige Geſtalt und eine glat⸗ te, aber nicht glaͤnzende Schale. Sie ſind auf einem blaugruͤn⸗ lichweißen oder ſehr bleich gruͤnſpanfarbigen Grunde mit ſehr dun⸗ kel⸗ oder ſchwaͤrzlicholivenbraunen und dunkel aſchgrauen Flecken und Punkten uͤberſaͤet, die bei manchen Eiern am ſtumpfen Ende haͤufiger als am entgegengeſetzten, doch meiſtens uͤber die ganze Flaͤ⸗ che verbreitet find. Sie variiren bloß in der Größe und Anzahl der Flecke, und die Grundfarbe verwandelt ſich bei ausgeblaſenen, in den Sammlungen, bald in blaͤuliches Weiß. — Sie werden vier: zehn bis funfzehn Tage bebruͤtet, wobei das Maͤnnchen ſein Weibchen am Tage mehrmals abloͤſt, und die Jungen werden mit kleinen Sn: ſekten gefuͤttert. Die alten Voͤgel ſitzen ziemlich feſt uͤber den Eiern, leiden es aber nicht gern, wenn man ſt und Eier betaſtet, weil bei einem ſolchen Vorhaben es ſelten zu vermeiden iſt, viel des um⸗ III. Dron. XV. Gatt. 90. Droſſel-Rohrſaͤnger. 611 ſtehenden Rohres zu zerknicken, wodurch ſie haͤufig veranlaßt wer⸗ den, das Neſt zu verlaſſen. Die Jungen laſſen ſie indeſſen nicht leicht liegen, aber dieſe begeben ſich dann früher aus dem Neſte; ihre außerordentliche Geſchicklichkeit im Anklammern und Klettern ſchuͤtzt ſie jedoch vor dem Ertrinken, wenn ihre kurzen Fluͤgel auch kaum das Fortflattern von einem Rohrſtengel zum andern geſtatten, und die Schwanzfedern kaum ein Drittheil ihrer Laͤnge erreicht ha- ben. Sie folgen, wenn ſie ſich unbeobachtet glauben, den Alten immer im Rohre entlang und fordern das Futter von dieſen unter einem oft wiederholten Jaͤk, was ſich verliert, ſobald ſie ſich ſelbſt ernahren koͤnnen. Die Alten find ſehr beſorgt um fie, ſtraͤuben bei drohender Gefahr ihre Scheitelfedern und kRarren dazu; naͤ—⸗ hert ſich aber der Feind noch mehr, ſo laſſen ſie ihr Wuͤrger- oder Sperlingsartiges Schaͤckern hoͤren und gebehrden ſich aͤngſtlich, beſonders das Weibchen. — Sie machen alljaͤhrlich nur Eine Brut, nicht einmal dann immer eine zweite, wenn das erſte Neſt mit den Eiern verſtoͤhrt wurde. Geht alles gluͤcklich, ſo koͤnnen die Jun⸗ gen doch kaum vor der Mitte des Juli ausfliegen. — Wird da, wo fie eben niſten, das gruͤne Rohr abgeſchnitten und ihre Brut ver- ſtoͤhrt, ſo gehen ſie weg, kommen aber im folgenden Jahr wieder; koͤmmt es dann aber eben ſo wie im vorigen Jahr, ſo verlaſſen ſie einen ſolchen Teich gaͤnzlich, und es gehoͤren mehrere ruhige Jahre dazu, ehe ſich wieder welche daſelbſt 1 9 8 Feinde. Sie leiden von Schmarotzerinſekten im Gefieder und von eini⸗ gen Eingeweidewuͤrmern im Innern, z. B. von der Ascaris ensi- caudata und einer noch unbeſtimmten oder neuen Art aus der Gat⸗ tung Distomum. — Falken und Habichte fangen zuweilen, doch ſelten „einen alten Vogel, weil ſie ſich vor dieſen Feinden ſehr gut zu verbergen wiſſen und ſelten aufs Freie kommen; von den eben ausgeflogenen Jungen erwiſchen aber die Ro hrw 1 65 n man⸗ chen. Uebrigens haͤlt die Bauart des Neſtes dieſe und andere Fein⸗ de meiſtens davon ab; wenigſtens habe ich nicht bemerkt, daß ih— nen die Rohrweihen die Eier geraubt haͤtten, ob ſie lech nahe bei dieſen, den Eiern und Jungen der Waſſervoͤgel ſo fuͤrchterlichen Feinden, ihre Neſter hatten. ER EN Sie find nicht leicht zu ſchießen, ſowol ihrer Scheu und 612 III. Ordn. XV. Gatt. 90. Droſſel⸗Rohrſaͤnger. Vorſicht, als der Gewohnheit wegen, ſich immer im Rohr oder dichten Gebüfch zu verbergen; am beſten geht es, wenn man fie aus einem Rohrbuſch aufſcheuchen und im Fluge erlegen kann, wo— zu, weil ſie doch ihrer Groͤße wegen ziemlich in die Augen fallen, eben kein ſehr geuͤbter Schuͤtze gehört, zumal da fie ohne Schwen⸗ kungen fliegen. Die ſingenden Männchen find, da fie öfters frei fi- sen, leichter zu ſchießen. Fehlt man ein ſolches, fo ſingt es meh⸗ rentheils noch viel ſtaͤrker als zuvor. Kann man ſich unbemerkt an ſie ſchleichen, ſo laſſen ſie ſich auch im Gebuͤſch leichter ſchießen, als die kleinern Arten dieſer Familie, weil fie im ſchnellen Durchſchluͤp⸗ fen der Zweige di ie en bei weiten nicht gleich kommen. In groͤ⸗ ßern Rohrbuͤſchen zlehen fie ſich, ſobald fie merken, daß es auf fie abgeſehen iſt, bald in die Tiefe derſelben zuruͤck, klettern aber von Zeit zu Zeit an einem Rohrſtengel in die Hoͤhe, um den Verfolger zu beobachten, der ſie meiſtens nicht ſo ſchnell erblickt, als ſie an dem Rohrſtengel ſchon wieder hinabgleiten und ſich im dichten Rohr vers lieren. Sie ſind die ſcheueſten unter den Rohrſaͤngern. Fangen kann man ſie ſehr leicht, wenn man drei bis vier Fuß lange Stoͤcke nimmt, in dieſe kleine Reischen mit Schlingen ſteckt, fo, daß ein ſolcher Stock eine ganze Reihe Dohnen bildet. Sol⸗ cher Stoͤcke nimmt man mehrere und ſtellt ſie horizontal auf ein paar Pfaͤhlchen ins Rohr, ſo daß ſie etwa zwei bis drei Fuß uͤber dem Waſſerſpiegel oder an den Ufern uͤber dem ſumpfigen Boden ſtehen. Sie benutzen im Durchſchluͤpfen des Geſtruͤpps gern dieſe Stoͤcke zu bequemen Sitzen und fangen ſich ſo leicht in den Schlingen. — Der Fang mit Vogelleim laßt ſich wegen der Nähe des Waſſers nicht gut anwenden, und in eine Netzfalle, worin man lebende Mehlwuͤrmer oder Inſekten als Lockſpeiſe anbringt, gehen ſie nur ſehr ſelten; eben ſo auch in Sprenkel mit vorgehaͤngten Hohlunderbeeren. N Ihr Fleiſch iſt eine angenehme Speiſe, doch ſchießt oder faͤngt man ſie, ſo viel mir bekannt, nirgends deshalb. Sie nuͤtzen auch durch Verminderung einer laͤſtigen Inſektenmenge. Ihr Geſang belebt diejenigen Gegenden, die ſonſt nur wenig Reitze haben; es iſt das beſte, was man in der Art dort hoͤrt, und ſo wird man denn, da der Vogel beſonders fo häufig des Nachts ſingt, den 1 Waſſernachtigall nicht unpaſſend finden. III. Ordn. XV. Gatt. 90. Droffel⸗Rohrſänger. 613 Schaden. Wie viel andere aͤhnliche Voͤgel, gehoͤrt auch dieſer zu den voͤllig unſchaͤdlichen. Anmerkung. Daß man dieſen Vogel fruͤherhin zu der Droſſelgattung (Turdus) zählte und ihn T. arundinaceus genannt hatte, iſt bekannt, und hier⸗ zu mochte wol ſeine Groͤße, und ſein ſtarker Schnabel, daher etwas Droſſelartiges im äußern Anſehen, verleitet haben. Allein, hätte man ihn mit dem Teich⸗ zohrfänger genauer verglichen, fo würde man, die Größe abgerechnet, noch weit mehr Aehnlichkeit mit dieſem gefunden haben, und hätte man vollends die große Uebereinſtimmung faſt in Allem, was Sitten und Lebensweiſe betrifft, bei beiden beobachtet gehabt, ſo wuͤrde jener Mißgriff gewiß nie ſtatt gefunden ha⸗ ben. Er iſt ein wahrer Rohr ſcͤnger und in dieſer Familie ungefähr das, was der Kolkrabe in der Rabenfamilie iſt. 614 MU . 91. Der Teich Rohrfän gef Sylvia arundınacea. Lath. Taf. 81. Fig. 2. Männchen. Teichſaͤnger, Teichlaubvogel, Rohrſaͤnger, Rohrſchmaͤtzer, Rohrgrasmuͤcke, Rohrſchliefer, brauner (olivenbrauner?) Rohr- ſchirf, Schilfſchmaͤtzer, Schilfdornreich, Waſſerdornreich, Waſſer— weißkehle, Weidenmuͤcke, Weidenguker, Wyderle, kleine braun— gelbe Grasmuͤcke; Spitzkopf, roſtgrauer Spitzkopf, (Spitzkopf mit der Schwanzbinde), Zepſte; Waſſer- oder Rohrzeiſig; hier zu Lande: (kleiner) Rohrſperling. Syluia arundinacea.. Lath. ind. orn. II. p. 510. n. 12. — Nilsson Orn.suec. I. p. 221. n. 106. tab. G. Motacilla arundinacea. Gmel. Linn. I. 2. p. 992. n. 167. = Curruca arundinacea. Briss. Orn. III. p. 378. n. 5. — Aerocephalus arundinaceus, Naumanns Vögel, alte Ausg. Nachtr. ©. 201. == Museipeta arundinacea. Koch, Baier. Zool. I. S. 165. n. 87. — La Fauvette de roseaux. Buff. Ois. V. p. 142. mais point 1’ oiseau figure par erreur sous ce nom, dans les Pl. enl. 581. De 2. qui represente Sylvia hypolais. = Gerard, 2b elem. I. p. 307. = Bee- fin des roseaux ou Efarvatte. Temminck, Man. nouv. Ed. I. p. 191. Reed Mreen. Lath. syn. II. 2. p. 615. n. 131.— Ueberſ. v. Bechſtein, IV. S. 506. n. 151. (Hier durchaus mit S. palustris vermengt) = Hel Karrakietje. Sepp. Nederl. Vog. II. t. p. 101. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 566. — Deſſen Tas ſchenb. I. S. 174. Molf u. Meyer, Naturg. a. V. Deutſchl. Heft. 23. — De: ren Taſchenb. I. S. 235. —: Meisner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 114. n. 118. — Naumanns Voͤg. alte Ausg. I. S. 225. Taf. 46 Fig. 104. Männchen. Kennzeichen der Ar t. Oberleib gelblich roſtgrau; ein deutlicher heller Strich uͤber dem Auge, und der Unterleib roſtgelblichweiß; Mundwinkel oran⸗ geroth. Länge zwiſchen 5 und 6 Zoll. 2 Be ſſ chere i b u n 9. Der Teichrohrſaͤnger iſt ſowol an Geſtalt, Farbe u. ſ. w. wie in der Lebensart, Betragen, Stimme, Art zu niſten und in allem III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſäͤnger. 615 Uebrigen dem Droſſelrohrſaͤnger fo aͤhnlich, daß nur die weit geringere Groͤße, denn er iſt um ein Drittheil kleiner als die⸗ ſer, einen auffallenden Unterſchied bildet, der groß genug iſt, als daß es je moͤglich waͤre, beide mit einander zu verwechſeln. Der Teichrohrſaͤnger iſt in Allem der Droſſelrohrſaͤnger im vers juüngten Maaßſtabe, wie es der Finkenhabicht zum Huͤhnerhabicht iſt, und wie wir weiterhin unter den Gattun⸗ gen der Waſſervoͤgel noch mehrere Arten finden werden, die ſich auf gleiche Weiſe aͤhneln. Die ſo ſehr abweichende Groͤße dieſes und des vorherbeſchriebenen Vogels macht den Unterſchied zwiſchen bei⸗ den hoͤchſt auffallend, nicht ſo leicht iſt er zwiſchen dieſer und der folgenden Art, dem Sumpfrohrſaͤnger, aufzufinden; bei glei⸗ cher Groͤße, Form aller Theile und großer Aehnlichkeit in der Far⸗ be, iſt es zuweilen kaum möglich, wenn man nicht beide gegen ein ander halten kann, ſie beſtimmt anſprechen zu koͤnnen; auch dann noch erfordert es ein geuͤbtes Auge. Allein, wer im Freien beide Arten beobachten kann, wird fie dagegen auch nie miteinander vers wechſeln, weil beide in Lebensart, Sitten, Art zu niſten, im Neſt⸗ bau u. ſ. w. wieder ganz außerordentlich abweichen. — Im Ver⸗ gleich mit andern Voͤgeln koͤmmt der Teichrohrſaͤnger in der Größe dem Garten laubvogel gleich, doch iſt er noch ein wenig groͤ— ßer als der Schilfrohrſaͤnger und ein ſchlank gebauetes, zar⸗ tes Voͤgelchen. 5 Seine Länge beträgt 55 bis 5 Zoll, wovon faſt 27 Zoll auf den weichfederigen abgerundeten Schwanz abgehen, deſſen Fe⸗ dern alle am Ende rund zugeſpitzt ſind und ſeitwaͤrts ſo an Laͤnge allmaͤhlig abnehmen, daß die aͤußerſte Seitenfeder 4 Linien kuͤrzer als eine der mittelſten iſt. Die Fluͤgelbreite iſt 8 Zoll, die Laͤnge des Fluͤgels vom Bug bis zur Spitze 2 Zoll 7 bis 8 Linien, und wegen der wenig auffallenden Laͤnge decken die ruhenden Fluͤgel den Schwanz auch nur bis auf 14 Zoll. Der Schnabel iſt nach Verhaͤltniß ſchlanker und geſtreckter als beim Droſſelrohrſaͤnger, ja er übertrifft in dieſer Eigen⸗ ſchaft die faſt aller uͤbrigen Arten dieſer Familie; ſeinem erhabenen Ruͤcken nach biegt er ſich ein wenig ſanft abwaͤrts, beſonders an der ſeicht eingekerbten pfriemenfoͤrmigen Spitze, iſt ſonſt mehr breit als hoch, zumal an der Baſis, nach vorn rundlich. Seine Laͤnge betraͤgt volle 6 Linien, die Breite an der Baſis uͤber 2 Linien, die Höhe hier aber nur 15 Linien, und die Raͤnder des Oberkiefers ſtehen etwas uͤber die des untern hervor. Seine Farbe iſt von oben und 616 III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſaäͤnger. an der Spitze graulich braunſchwarz, die Schneiden und der groͤß⸗ te Theil der Unterkinnlade von der Wurzel aus gelblich fleifchfarben ; die aufgeſchwollenen Mundwinkel orangeroth, Zunge, Rachen und das Innere des Naſenlochs ſchoͤn orangegelb. Die Nafenlö- cher find groß, oval, wie gewöhnlich von oben durch eine weiche Haut halb bedeckt, und durch die weite Naſenoͤffnung ſieht man das von oben herabhaͤngende muſchelartige Zaͤpfchen, was das Durch- ſehen verhindert, von außen ſehr deutlich. Die Iris iſt hellbraun, bei den Jungen licht graubraun. Ueber den Mundwinkeln zeichnen ſich drei bis vier ſchwarze Borſten durch ihre Groͤße aus. Die Fuͤße ſind ſchwach, ihre Bedeckung nur auf der vordern Seite des Laufs ſeicht gekerbt, die Zehenruͤcken geſchildert, die Soh— len feinwarzig; die Krallen groß, duͤnn, nadelſpitz, aber flach ge— bogen, unten nicht ſehr ſcharfſchneidig. Die Farbe der Fuͤße iſt eine ſehr ins Gelbe ziehende Fleiſchfarbe, die Nägel ins Braune uͤberge— hend, die Sohlen mit ihren breiten Ballen ſehr lebhaft gelb. An jungern Individuen ſind die Laͤufe und Zehenruͤcken oft mit einer durchſchimmernden Bleifarbe verſehen, bei den Jungen ſind die ganzen Fuße, die gelben Sohlen ausgenommen, von einer ſchmu— tzigen Bleifarbe. Die Hoͤhe des Laufs betraͤgt 11 Linien bis 1 Zoll; die Länge der Mittelzeh, ohne den 3 Linien langen Nagel, 6 Li⸗ nien; die der Hinterzeh, ohne den 4 Linien langen Nagel, 4 Linien. Das ſeidenartig weiche Gefieder traͤgt ſehr einfache Farben. Am Maͤnnchen ſind alle obern Theile, auch Zuͤgel und Wangen, gelblich roſtgrau oder von einer braunlichgrauen, ſtark ins Roſtgelbe ziehenden Farbe, die am Scheitel am dunkelſten iſt, auf dem Buͤr⸗ zel aber ſtark ins Gelblichroftfarbene zieht und lichter iſt als am Ruͤ— cken. Alle Fluͤgel- und Schwanzfedern ſind ſchmutzig braun, mit Kanten von der Farbe des Ruͤckens, die großen Schwingen und die aͤußerſte Schwanzfeder mit etwas lichtern Saͤumchen. Vom Na⸗ ſenloch bis uͤber das Auge hin zieht ſich ein weißlichroſtgelber Streif, welcher ſich gleich hinter dem Auge verliert; die Kehle iſt weiß, die ganze Unterſeite des Vogels roſtgelblichweiß, an den Halsſeiten gelbbraͤunlich und mit der Ruͤckenfarbe verſchmelzend; die Weichen und Schenkel mit ſtarkem roſtgelbem Anſtrich, am dunkelſten (faſt braun) an der Hinterſeite der Schenkel; die untern Fluͤgeldeckfe⸗ dern roſtgelb und ſchmutzigweiß gemiſcht; die untere Seite der Schwing- und Schwanzfedern licht braungrau, erſtere mit roͤthlich⸗ weißem Saum an den Innenfahnen. 1 \ II. Hrn. XV. Gatt. 91. Teich-Rohrſaͤnger. 617 Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen iſt aͤußerlich faſt kein Unterſchied, bald iſt das eine gelber oder brauner, bald dunkler oder heller, fo daß ſich eigentlich kein ſtandhafter Unterſchied in der Far— be auffinden laͤßt; immer iſt letzteres jedoch ein wenig kleiner, und die Mundwinkel weder ſo ſtark angeſchwollen, noch ſo ſehr ins Orangerothe ziehend, als beim Maͤnnchen. Im Herbſt ſind alle Farben dunkler und friſcher als im Fruͤhjahr, und fie bleichen gegen den Sommer hin noch mehr ab; allein auch juͤngere Voͤgel ſind ſtets dunkler als alte, und man kennt erftere noch beſonders an den mit bleigrauer Farbe uͤberlaufenen Fuͤßen. So werden dieſe im Tode auch bei den Alten. Die Jungen ſind im Neſtgefieder den Alten, bis auf die dunklere Farbe, ganz aͤhnlich, haben aber bleigraue Fuͤße mit gelben Sohlen und braungraue Augenſterne. Die Ruͤckenfarbe faͤllt bei ih⸗ nen ſo ſtark in gelbliche Roſtfarbe, und die untere Seite des Vogels, beſonders die Weichen, find fo ſtark roſtgelb, daß fie im Ganzen ſchoͤner ausſehen als die Alten. Bechſtein beſchreibt eine merkwuͤrdige Spielart; fie hat, bei übrigens ganz gewöhnlich gefaͤrbtem Gefieder, eine ſchmale gelb⸗ liche Querbinde durch den Schwanz. Sonſt ſind keine Abweichun— gen, die nicht Bezug auf Alter und Geſchlecht haͤtten, weiter bekannt. Aufenthalt. Dieſer Vogel koͤmmt im mittleren Europa uͤberall vor, ſoll aber im ſuͤdlichen und oͤſtlichen ſelten ſein, und im Norden auch nur bis ins ſuͤdliche Schweden hinauf gehen. In Frankreich und in England findet man ihn in verſchiedenen Gegenden haͤufig; er iſt auch in der Schweitz und in allen Provinzen Deutſchlands, am haͤufigſten in den Marſchlaͤndern, daher in Holland in großer Menge. In den Dittmarſchen ſahe ich ihn ungemein zahlreich, weiter hinauf ſchon ſparſamer und auf den Inſeln an der Weſtkuͤſte Juͤtlands nur noch ſehr einzeln, bloß wo Marſchland war. — In der hieſigen Gegend gehoͤrt er unter die ſehr bekannten Voͤgel; wenigſtens iſt er hier einer der haͤufigſten unter den Rohr— ſaͤngern Er iſt ebenfals ein Zugvogel, welcher, gleich den uͤbrigen Arten dieſer Familie, ſeine Wanderungen des Nachts und einzeln unternimmt, bloß im Herbſte zuweilen familienweis wandert und dann auch eben ſo langſam zieht als im Fruͤhjahr, wo er manch⸗ 618 III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſaͤnger. mal zwei, drei, bis acht Tage an einem ſolchen Orte verweilt, wo es ihm gefaͤllt. — Im April koͤmmt er, doch nicht vor der Mitte deſſelben, bei uns an, und der Zug dauert bis in den Mai, ja man⸗ che ziehn ſelbſt noch zu Ende dieſes Monats hier durch, und ſogar im Juni habe ich noch einzelne auf dem Zuge bemerkt. Mitte Au⸗ guſts beginnt ihr Fortzug ſchon wieder und dauert durch den ganzen September hindurch, bei guter, warmer Herbſtwitterung ſelbſt bis zu Anfang des Octobers. g Er wohnt ſtets am Waſſer, und man kann ihn eben fo wes nig, wie den Droſſelrohrſaͤnger, einen Waldvogel nennen, weil er dieſen, und bloß den buſchichten, feuchten Laubholzwald nur im Nothfall auf ſeinen Reiſen beſucht. Kann es nur irgend ſein, ſo iſt er auch dann nur am Waſſer. An mit vielem Gebuͤſch bewachfimen Waſſergraͤben, in den großen Buſchweidengehegen an den Ufern der Fluͤſſe, in dem Seilweidengebuͤſch an Teichen und in Bruͤchen, ſelbſt in verwilderten Baumgaͤrten und im Gebuͤſch bei Doͤrfern und Staͤdten, wenn es nur nicht ganz an Sumpf, Waſ⸗ ſergraͤben und Baͤchen daſelbſt fehlt, bemerkt man in der Zugzeit hin und wieder dieſen Vogel; dagegen ſieht man ihn niemals tief im hochliegenden Walde, am wenigſten auf Gebirgen oder in den Nadelwaͤldern; auch in großen Bruͤchen iſt er niemals an ſolchen Orten, wo nur niedrige Schilfarten und Gras wachſen. Er ver— langt durchaus höheres Geſtraͤuch, Seilweiden und Rohr, und feis nen Sommeraufenthalt nimmt es bloß da, wo viel hohes Rohr (A- rundo Phragmitis) waͤchſt, am liebſten wo dies recht dicht ſtehet und große Flaͤchen bedeckt. In ſolchen Rohrwaͤldern, wie man ſie auf vielen unſrer Landſeen, auf verwilderten Fiſchteichen, in den Winkeln langſam fließender Waſſer, in großen und langen Waſſer⸗ graͤben, ſelbſt in Teichen von geringerm Umfange ſiehet, wohnen dieſe Voͤgel am liebſten und zur Zeit der Fortpflanzung ausſchließ⸗ lich. In hieſiger Gegend giebt es viele ſolcher Gewaͤſſer, wo es im Sommer von ihnen wimmelt, wenn ſie ſich auch nahe bei menſchli⸗ chen Wohnungen und dicht an den gangbarſten Straßen befaͤnden. So ſieht man fie auf den mit Rohr bewachſenen Stadt- und Schloß⸗ graͤben, oft dicht an den Gebaͤuden, an Bruͤcken und Fußſtegen eben ſo haͤufig, als auf ſolchen Gewaͤſſern, welche in einſamen, von menſchlichen Wohnorten ganz entfernten Gegenden ſich befin⸗ den. In den Marſchlaͤndern ſind ſie auf allen, das bebauete Land in jeder Richtung durchſchneidenden und ſich vielfaͤltig durchkreuzen⸗ den Waſſergraͤben, wenn ſie nur recht dicht mit Rohr bewachſen ſind, III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſänger. 619 in zahlloſer Menge anzutreffen, und aus der Tiefe der Graͤben er⸗ toͤnt dort allenthalben der ſonderbare Geſang dieſer Voͤgel. Sie bewohnen haͤufig dieſelben Orte, wo auch der Droſſel— rohrſaͤnger feinen Wohnſitz aufſchlaͤgt, aber auch noch viel mehr ſolche, die denen ganz aͤhnlich, nur fuͤr jenen zu klein ſind, wie es denn überhaupt auch ſcheint, daß jener nirgends fo häufig wie unſer Vogel vorkoͤmmt. Wohnt auch der Sumpfrohrſaͤnger in ſeiner Naͤhe, ſo findet man dieſen allemal naͤher am Ufer, und wo Weidengebuͤſch waͤchſt, was dieſer durchaus haben muß, dagegen unſer Vogel das reine Rohr allem vorzieht. Noch ſeltner koͤmmt er mit dem Schilfrohrfſaͤnger in eine nachbarliche Nähe, weil dieſer wieder viel freiere Gegenden, mit niedrigern Waſſerpflanzen, bewohnt, eben ſo wenig mit dem Binſen- und dem Seggen: rohrfaͤnger, am wenigſten mit den übrigen Arten dieſer Fami- lie. Dies iſt das Reſultat vieljaͤhriger Beobachtungen, aber bloß vom Sommeraufenthalte zu verſtehen; denn in der Zugzeit ſieht man oft alle Arten an einerlei Orten, naͤmlich an ſolchen, wo Rohr waͤchſt. — Auf hohen Baͤumen darf man den Teichrohrſaͤnger ſo wenig wie einen aus dieſer Familie ſuchen; er verſteigt ſich ſogar nur ſelten in die Kronen der Baͤume unter der mittleren Hoͤhe, wie z. B. der Pflaumen = oder Zwetſchenbaͤume, der Kopfweiden u. dergl. Er nähert ſich aber auch wieder dem Erdboden weniger als die folgen— den Arten, und man ſieht ihn nur ſelten das niedrige Schilf durch⸗ kriechen, was dieſem vor ſo vielen andern Voͤgeln eigen iſt. So wird man ihn denn im Gebuͤſch nur ſelten uͤber die doppelte Mannshoͤhe, und im Gegentheil im Geſtruͤpp von Waſſerpflanzen allemal mehr in den hoͤhern, im Rohr (Arundo) oder Kolbenſchilfe (Typha), als in den von niedrigen Schilfarten antreffen. Auf den Erdboden geht er aͤußerſt ſelten; auch das Freie ſucht er ſtets zu vermeiden. — Daß wir ihn uͤbrigens, ſowol auf dem Zuge, als niſtend, in man⸗ chem Jahr weniger zahlreich als in einem vorhergehenden oder nach— folgenden hier ſehen, iſt eine bei vielen Voͤgeln (nahmentlich aus der Saͤngergattung) vorkommende Erſcheinung, die man ſich nicht ganz befriedigend erklaͤren kann. * Eigenſchaften. Der Teichrohrſaͤnger iſt ein ſehr munterer, unruhiger Vogel, dabei aͤußerſt gewandt und geſchickt im Forthuͤpfen, wie im Auf⸗ und Abſteigen an den ſenkrechten Stengeln des Rohres; er gebraucht 620 III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſaͤnger. aber dabei mehr feine Flugwerkzeuge als andere Arten dieſer Fa— milie und macht ſich deswegen bemerklicher als manche derſelben. — — Wenn er ſich unbemerkt glaubt, huͤpft er mit ſehr eingezogenem Halſe und aufgelockertem Gefieder, ſo daß der ſpitzige Kopf mit dem langen Schnabel auf dem Rumpfe faſt aufzuſitzen ſcheint. Be: merkt er aber etwas Auffallendes, ſo zeigt er ſich in ſeiner ange— nehmen ſchlanken Geſtalt, oͤffnet und ſchließt den Schwanz ruckweis wie einen Faͤcher und wippt ihn dazu wol auch ein wenig auf— waͤrts. Bald verſchwindet er aber hierauf im dichteſten Geſtruͤpp oder im Rohr; man ſieht nun bloß an dem Zucken einzelner Rohrſten⸗ gel, wenn er von einem zum andern fortſpringt, was meiſtens nur einen bis zwei Fuß uͤber dem Waſſerſpiegel oder dem Erdboden ge— ſchiehet, in welcher Richtung er ſich entfernt, und wie er, wenn er glaubt ſich weit genug entfernt zu haben, neugierig an einem Rohr⸗ ſtengel in die Höhe ſteigt und ſich auf einen Augenblick nach der Ge⸗ fahr umſieht, aber ſogleich wieder hinabgleitet und ſich nun ſobald nicht wieder blicken laͤßt. Wo er aber nicht ausweichen kann, und auch an feinen Bruͤteplaͤtzen, iſt er indeſſen eben nicht ſcheu, wenig⸗ ſtens in einem viel geringern Grade als die meiſten uͤbrigen Rohrſaͤn⸗ ger. Sonſt koͤmmt er eben fo felten wie der Droſſelrohrfaͤn⸗ ger aufs Freie, nicht einmal oft an die Raͤnder der Rohrbuͤſche, und geſchieht es, ſo iſt es entweder bloß das ſingende oder ſich mit einem andern herumjagende Maͤnnchen; denn gegen ihres Gleichen ſind ſie außerordentlich zaͤnkiſch, und das Jagen und Necken hat, zumal in der Begattungszeit, unter ihnen kein Ende. Wenn ſie ſich aus einem Rohrbuſch in den andern, der aber nicht weit vom erſtern entfernt ſein darf, jagen und verfolgen, ſo fliegen ſie flat⸗ ternd nahe uͤber der Waſſerflaͤche hin, aber niemals hoch, und laſ⸗ ſen im Fortfliegen den ausgebreiteten Schwanz etwas haͤngen, wor⸗ an ſich uͤberhaupt alle Rohrſaͤnger vor andern aͤhnlichen kleinen Voͤ⸗ geln dem Beobachter ſogleich kenntlich machen. — Sonſt iſt ihr Flug immer nur niedrig, in unregelmaͤßigen Bogen, faſt huͤpfend, dabei aber ziemlich ſchnell und ſehr gewandt. In der Brutzeit ſind ſie nur ſelten aus einem etwas großen Rohrbuſch zum Fortfliegen zu bewegen; immer ſchluͤpfen ſie wieder zuruͤck ins dichteſte Rohr. Sie laſſen ſich auch in einem dicht mit Rohr verwachſenen Graben oft eine ganze Strecke treiben, ohne daß man ſie zu ſehen bekoͤmmt, bis ſie endlich zu weit von ihrem Standorte kommen, wo ſie dann plotzlich heraus, dicht an der Erde in einem kleinen Bogen herum fliegen und ſich ruͤckwaͤrts wieder in dem Rohr III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſaͤnger. 621 deſſelben Grabens verſtecken. Nun bekoͤmmt man aber einen fo ge⸗ aͤngſtigten Teichrohrſaͤnger nicht leicht wieder zu Geſicht. Die Lockſtimme dieſes Vogels ähnelt der der übrigen Rohrſaͤn— ger vielmehr als der der Grasmuͤckenarten, obwol es ebenfals ein ſchnalzender oder ſchmatzender Ton iſt, der wie tſchaͤtſch klingt. Ein gedaͤmpftes ſchnarchendes Scharr zeigt Unwillen oder Beſorg— niß an, allein man hoͤrt ſie, außer beim Neſte, nur ſelten ſchreien. Deſtomehr machen ſich aber die Maͤnnchen durch ihren Geſang be— merklich, den ſie, ſobald ſie im Fruͤhjahr zu uns kommen, doch anfaͤnglich nur ſtuͤmperhaft, dann aber bald beſſer und vollſtaͤndi— ger, bis faſt gegen Jacobi hoͤren laſſen. Im Juni oder in dem Zeitraume, von wo fie einen ⸗Neſtplatz gewählt, bis dahin, wo das Weibchen ſeine Anzahl Eier gelegt hat, ſingen ſie am beſten und am meiſten. Es find ungemein fleißige Saͤnger, die mit anbre— chender Morgendaͤmmerung zu ſingen anfangen und den ganzen Tag bis ſpaͤt am Abend faſt ununterbrochen damit fortfahren, ſo daß man fragen möchte, wie es möglich ware, daß fie bei dem anhal- tenden Singen Zeit genug hätten, um auch ihre übrigen Bedürfniffe befriedigen zu koͤnnen. Man bemerkt aber auch, daß fie während des Singens Nahrung aufſuchen und zu ſich nehmen, daß ſie waͤh— rend deſſelben ſich mit ihres Gleichen herumhadern, auch daß fie, wenn fie dieſe von einem Rohrbuſche zum andern fliegend verfolgen, immer fortſingen, und daß ſie in der Wuth ſogar mit verſtaͤrkter Stimme ſingen. So fruͤh am Morgen und ſo ſpaͤt am Abend man auch ihre Lieder hoͤrt, ſo iſt dies doch mitten in der Nacht nur ſelten der Fall, und ſie unterſcheiden ſich hierin merklich vom Sumpfrohrſaͤnger. — Oft wiegt ſich das ſingende Männ- chen auf einem am Rande eines Rohrbuſches einzeln ſtehenden Rohr: ſtengel eine Zeit lang auf dem Freien, und hier ſieht man, mit welcher Anſtrengung es die Toͤne hervorpreßt, wie es mit erhabner Bruſt, nachlaͤſſig haͤngenden Flügeln und Schwanz und empor ges richtetem Kopfe daſitzt, die Kehle weit aufblaͤſt und den Schnabel heftig bewegt. Deſſenungeachtet bringt es weder ſehr laute, noch ſehr angenehme Töne hervor; denn der Geſang gehört keineswegs un— ter die vortrefflichen, ob er gleich fuͤr die Gegend, aus welcher er gewoͤhnlich ertoͤnt, noch gut genug iſt, weil beſſere Saͤnger dort gewoͤhnlich fehlen. Er hat in der ganzen Melodie ſehr große Aehn⸗ lichkeit mit dem des Droſſelrohrſaͤngers, klingt aber ungleich ſchwaͤcher und iſt dabei länger oder zufammenhängender. Die Toͤ⸗ ne Tiri tiri tiri, tier tier tier, zaͤck zaͤck zaͤck zaͤck, 622 III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſaͤnger. zerr zerr zerr, tiri tiri ſcherk ſcherk ſcherk, heid heid hied, tret tret tret, und aͤhnliche wechſeln immer⸗ waͤhrend ohne große Veraͤnderung, und nur wenige Strophen haben einfach pfeifende, die meiſten vielmehr ſolche Toͤne, daß das ganze Lied eher ein Geſchwaͤtz, als ein Geſang zu nennen iſt. Hoͤrt man mehrere Männchen zugleich fingen, was oft der Fall iſt, wo meh— rere beiſammen wohnen, ſo giebt dies eine ſonderbare Muſik. Ue⸗ brigens hat dieſer Geſang ganz und gar keine Aehnlichkeit mit dem des Sumpfrohrſaͤngers, er iſt bei weitem ſchlechter, auch dem des Schilfrohrſaͤngers in dieſer Hinſicht lange nicht zu ver: gleichen. \ Es iſt ein weichlicher Vogel, daher gelingt es nicht mit allen, fie an die Gefangenſchaft, ſei es in der Stube frei herum: fliegend oder in den Käfig geſteckt, zu gewöhnen. Sie wollen beina⸗ he mit derſelben Sorgfalt wie der Gartenlaubvogel behan⸗ delt ſein, wenn ſie laͤnger als ein Jahr ausdauern ſollen. Ihr Geſang belohnt auch dieſe Muͤhe kaum, und ihre angeborne Unruhe und Wildheit, die groͤßten Hinderniſſe bei ihrer Zaͤhmung, koͤnnen ſogar laͤſtig werden. Nahrung. Allerlei Waſſerinſekten oder ſolche, die ſich in der Naͤhe des Waſſers aufhalten, dienen ihm zur Nahrung, und er iſt, bei be— beftändig reger Eßluſt, unaufhoͤrlich beſchaͤftigt, fie theils im nie⸗ drigen Gebuͤſch uͤber feuchtem Boden, theils im Rohr und uͤber dem Waſſer aufzuſuchen. So faͤngt er ſich kleine Libellen, Hafte, Fruͤhlingsfliegen, Schnaken, Muͤcken, Fliegen, Blattlaͤuſe, ganz kleine Blattkaͤfer, Donacien, Spinnen und vielerlei andere Inſek⸗ ten, auch kleine Raͤupchen und andere Inſektenlarven. Die mei⸗ ſte Zeit ſeiner Anweſenheit bei uns naͤhrt er ſich im Rohr und im Weidengeſtraͤuch, beſonders wo dies mit Rohr vermiſcht waͤchſt, und faͤngt hier die Inſekten, waͤhrend er unaufhoͤrlich nach ihnen die Dickichte durchhuͤpft und durchklettert, oder an den Rohrſten⸗ geln auf- und ablaͤuft (nicht huͤpft), indem er ſich ſchief anhaͤngt und den Stengel mit den Zehen beider Fuße umklammert, mehren⸗ theils im Sitzen oder nach ihnen hin ſpringend, doch auch oft im Fluge wie ein Laubvogel. An den Rohr- und Schilfblaͤttern ſieht man ihn oft lange an einer Stelle ganz kleine Geſchoͤpfchen, wozu die Blattlaͤuſe gehoͤren, abpicken; vielleicht ſind dies auch oft bloß Eier verſchiedener Inſekten, die er hier ablieſt. Solcher III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſaͤnger. 623 kleiner Weſen bedarf er freilich zur Befriedigung feines Magens ei: ne große Menge; und weil gerade hierin feine Hauptnahrung bes ſteht, ſo erklaͤrt ſich auch daraus, zumal wenn man weiß, wie ſchnell er verdauet, ſein immerwaͤhrendes Freſſen. — Gegen den Herbſt geht er auch nach Johannisbeeren, Hohlunderbeeren und nach den Beeren vom Faulbaum; doch frißt er ſie nur ungern und bloß dann, wenn ſich ſolche Beerenbuͤſche in der Naͤhe des Waſſers befinden. Mein Vater ſah ihn auch einmal die Beeren vom Hartriegel (Cor- nus sanguinea) mit Appetit verzehren. In der Gefangenſchaft giebt man ihm anfaͤnglich Ameiſenpup⸗ pen mit untermiſchten Fliegen und einzelnen Mehlwuͤrmern und ge— woͤhnt ihn damit nach und nach an das bei der Nachtigall beſchrie— bene Futter; doch iſt hierbei Geduld von Noͤthen, und wenn man ihn anders behandeln wollte, wie den Gartenlaubvogel, ſo moͤch— te es nicht leicht ein erfreuliches Reſultat geben. Er iſt indeſſen doch nicht ganz ſo zaͤrtlich als dieſer. Zum Wegfangen der Fliegen in den Wohnſtuben taugt er nicht, weil er ſich, vermoͤge feiner Wild— heit, gar bald zu Schanden flattert, oder den Kopf an der Decke und an den Fenſtern einſtoͤßt. Fortpflanzung. In Deutſchland niſten dieſe Voͤgel in gar vielen ſolcher Gegenden, wie ſie oben beim Aufenthalt bezeichnet wurden, und auch in der hieſigen hin und wieder, zum Theil in großer Menge; doch ſieht man ſie im Ganzen wol nirgends haͤufiger als in den Marſchlaͤndern, wo ſie uͤber ganze Striche verbreitet und alle mit Rohr bewachſene Gräben voll von ihnen find, obgleich auch auf den rohrreichen Landſeen und Teichen im Innern Deutſchlands un⸗ gemein viele nahe beiſammen wohnen und niſten. In der Naͤhe meines Wohnorts giebt es gar viel ſolcher Orte, z. B. der ſalzige und ſuͤße See im Mannsfeldiſchen, mit den vielen zum Theil gro⸗ ßen Rohrteichen in ſeiner Naͤhe, wie die bei Langenbogen, Koͤlme u. ſ. w. Die großen Teiche im Anhalt-Zerbſtiſchen, die Seen, Teiche und Gräben in den Bruͤchen bei Roſenburg und ſonſt noch viele groͤßere und kleinere Rohrteiche nahe bei und ſelbſt in den Doͤrfern, die mit Rohr bewachſenen Schloß- und Stadt⸗ graͤben, wo ſie oft dicht bei den Haͤuſern und an den gangbarſten Straßen in Menge wohnen, ſelbſt in meinem eignen kleinen Beſitz⸗ thum, wo ſich ſeit mehreren Jahren ein paar kleine Rohrteiche bil⸗ deten, worin nun einige Paͤaͤrchen bruͤten, was fruͤherhin, da 624 III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich-Rohrſaͤnger. noch kein Rohr, ſondern bloß Schilf in dieſen Teichen wuchs, niemals der Fall war.“) Es iſt für fie unumgaͤnglich nothwendig, daß da, wo fie brüten follen, das gemeine Rohr (Arundo Phrag- mitis) wachſe und wo möglich recht haufig ſei; denn wo-diefe Pflanze fehlt, da niſtet nie ein Teichrohrſaͤnger. Ich habe ſie im hohen Kolbenſchilf (Typha angustifolia) bis gegen Ende des Juni verweilen ſehen, ſie waren bei vier Wochen die ungeſtoͤhrten Be— wohner deſſelben, und die Maͤnnchen ſangen darin, wie wenn ſie bereits Neſter u. ſ. w. haͤtten, und doch war dies nie der Fall; ſie verſchwanden, als ich am wenigſten daran dachte. Ich glaube uͤber— haupt bemerkt zu haben, daß jaͤhrlich viel dieſer Voͤgel ungepaart bleiben; was aber Urſache hiervon ſei, habe ich nicht ergruͤnden koͤnnen. Es wimmelt oft in einem kleinen Rohrteiche, vom Juni bis gegen den Auguſt, von ihnen, und doch findet man meiſtens ei— ne gegen die Anzahl der Voͤgel in keinem Verhaͤltniß ſtehende, viel zu geringe Menge von Neſtern. — Sie niſten ſehr gern in Geſell— ſchaft, doch hat jedes Paͤaͤrchen ſein kleines Revier, in welchem es kein anderes leidet, daher ein beſtaͤndiger Hader unter dieſen leb— haften Voͤgeln ſtatt findet, welcher nur nach der Brutzeit erſt etwas nachlaͤßt, wodurch ſie ſich, wie durch ihr unaufhoͤrliches Singen und Schnoͤrkeln, ſehr bemerklich machen. Dabei zeigen ſie haͤufigſt ſo wenig Furcht, daß ſie ſelbſt da niſten, wo ganz nahe und taͤglich Menſchen handiren. Das Neſt wiſſen ſie indeſſen doch meiſtens ſo zu ſtellen, daß es nicht leicht in die Augen faͤllt; es ſtehet daher nur ſelten nahe am Rande der Rohrbuͤſche und allemal uͤber dem Waſſer, wenigſtens habe ich nie eins geſehen, was neben dem⸗ ſelben oder uͤber dem trocknen Erdboden geſtanden haͤtte; immer war Waſſer unter demſelben. So habe ich es auch niemals im Gebuͤſch, ſondern einzig und allein im Rohre gefunden. Es gehoͤrt zu den kuͤnſtlichen Vogelneſtern und ſtehet zwiſchen „) Mein Vater pflanzte das Rohr mit allem Fleiß an, um Nohrſaͤnger herbei zu locken, weil er ſie recht in der Naͤhe zu beobachten wuͤnſchte. Es gelang ihm eben nicht leicht, die ſehr unbedeutenden Fiſchteiche, aus Liebe zur Ornithologie, in foͤrmliche Rohrteiche umzuſchaffen. Sonſt hat man gewoͤhn⸗ lich Noth, aus Rohrteichen Fiſchteiche zu machen; hier war es gerade ums gekehrt. Dieſe Idee hatte indeſſen in ihrer Ausfuͤhrung die beſten Folgen, Rohrſaͤnger aller Arten fanden ſich auf unſern Teichen ein, ſobald das Rohr fie immer mehr und mehr uͤberzog, und bald niſteten feldji mehrere darin. Hier wurden nun die herrlichſten Beobachtungen fo recht mit Muße ge⸗ macht, wozu mein Vater ſelbſt mehrere Stege, auf welchen man mitten durch und in das Rohr kommen konnte, angelegt hatte. III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teih:Rohrfanger 625 ein und drei Fuß hoch uͤber dem Waſſerſpiegel, zwiſchen vier bis ſechs Rohrſtengeln, die es am Rande durchbohren, wie auf eben ſo vielen ſchwankenden Saͤulen, ſo, daß der Boden meiſtens, wenn ſich nicht etwa ein Stengel ſchief gebogen oder ein paar derſelben durchkreuzen, ganz frei iſt. Stehen die Stengel nicht nahe genug beiſammen, ſo wiſſen ſie die Voͤgel zuweilen etwas zuſammen zu ziehen und fuͤr die Anlage des Neſtes geſchickter zu machen; doch iſt dies gewoͤhnlich nicht noͤthig, weil es faſt immer im dichteſten Rohrwalde, wo Stengel an Stengel ſtehet, angelegt wird. Die wankenden Traͤger dieſes Neſtes ſind mit den Materialien ſo feſt umwunden, daß es niemals an ſelbigen herabgleitet. Es hat von außen eine ſehr hohe Form, weil der Boden ſehr dick iſt; ſo gleicht es zuweilen faſt der eines umgekehrten Zuckerhutes. Obgleich nicht alle Paͤaͤrchen ausſchließlich nach dieſer Form bauen, ſo iſt es doch jederzeit viel höher und unten ſpitzer als das des Sumpfrohr— ſaͤn gers, und daher auf den erſten Blick von dieſem zu unter— ſcheiden. — Die Materialien dazu ſind duͤrre Grasblaͤtter und Haͤlmchen, Baſtfaſern verſchiedener Pflanzen, mit Samenwolle von Rohr und Kolbenſchilf, auch wol mit etwas gruͤnem Moos, Weidenwolle und Inſektengeſpinſt vermiſcht und ſo gewebt, daß es einem lockern Filze aͤhnlich wird. Das Innere iſt meiſtens bloß mit feinen Grasrispen ſehr nett ausgelegt und bildet einen unge: mein tiefen Napf, deſſen beſonders glatt gearbeitete obere Raͤnder ſtark einwaͤrts gebogen ſind und ſo bei Windſtoͤßen, trotz der ſchwan⸗ kenden Traͤger, zwiſchen welchen das Neſt gleichſam nur angehaͤngt iſt, das Herausfallen der Eier oder zarten Jungen verhindern. Die Eier naͤhern ſich mehr einer rundlichen als laͤnglichten Eiform und ſind dabei meiſtens in der Mitte am dickſten. Dieſe Form iſt ſehr ausgezeichnet, und man findet fie bei der Mehrzahl dies ſer Eier; allein man ſieht auch zuweilen einmal ein Neſt, in welchem lauter laͤnglichte liegen, wovon einige ſogar der Walzenform ent⸗ fernt aͤhneln, inſofern man dies von einem Eie ſagen kann. Dies ſe ſind aber ſehr ſelten und ſehen auch ganz anders aus, ſo, daß ſie einer, wer nicht praktiſcher Vogelkenner iſt und die Vögel beim Neſte felbft belauſchte, leicht für Eier eines ganz verſchiedenen Vo⸗ gels halten koͤnnte. Die meiſten, naͤmlich alle von der rundlichen Form, aͤhneln denen der Dorngras muͤcke, mehr aber noch de— nen des Buſchrohrſaͤngers an Form wie in der Farbe und ſehen in der Regel ſo aus: Auf einem ſehr blaß blaulichgruͤnem oder gruͤnlichweißem Grunde ſtehen ſehr viele Punkte und Flecke von ater Theil. a 40 626 III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſaͤnger. aſchgrauer und gruͤnlichbrauner (faſt olivengruͤner) Farbe, bald haͤu⸗ fig und marmorartig, bald auch einzelner und meiſtens am ſpitzigen Ende ſparſamer als am entgegengeſetzten, wo ſie nur ſelten in einen Fleckenkranz zuſammenfließen. In der Anzahl und Größe der Fle= cke herrſcht eine ziemliche Verſchiedenheit. Die erwaͤhnte laͤnglichte Abart ſieht dagegen ganz anders und ſo aus: Der Grund iſt ſchmu— tzig weiß, eher ins Braͤunliche als ins Gruͤnliche ziehend, aſchgraue Punkte darauf nur ſelten, deſto mehr aber von einem ſchmutzigen Braun, das, beſonders am ſtumpfen Ende, ſich in großen Flecken zeigt, auch häufig einen ſehr dunkeln Fleckenkranz daſelbſt bildet, welcher oft ſo breit iſt, daß er an der Abſtumpfung kaum den Grund in ſehr obſoleten Flecken durchſchimmern laͤßt. — Hat man beide Hauptverſchiedenheiten ſo eben aus dem Neſte genommen, ſo ſehen fie einander außerordentlich unaͤhnlich; denn die erſtern (die gewoͤhn⸗ lichſten) fallen ſehr ſtark ins Grüne, ſowol der Grund wie die Zeich⸗ nungen, und die letztern haben faſt gar keine Spur von dieſer Far⸗ be; allein im Cabinet verbleicht das Gruͤn der erſtern merklich, und dann werden fie den letztern etwas ähnlicher. — Sehr merkwürdig iſt es noch, daß Uebergaͤnge zwiſchen beiden Hauptverſchiedenheiten ſo ſelten ſind, daß ich unter einer unzaͤhligen Menge von dieſen Eiern nur einige wenige gefunden habe, die man, ſtrenge genom⸗ men, ſo nennen konnte. — In der Groͤße gleichen dieſe Eier denen des Gartenlaubvogelsz fie find aber ſtets kleiner als die des Sumpfrohrſaͤngers, auch noch ein wenig kleiner wie die des Buſchrohrfaͤngers, welchen fie aber im Ganzen außerordent⸗ lich aͤhneln. Die laͤnglichte Abart ſieht aber weniger denen des letztgenannten als des Sumpfrohrſaͤngers aͤhnlich, die ge geringere Groͤße und eine viel duͤſterere Farbe laſſen ſie jedoch noch leicht genug unterſcheiden. Gemeiniglich findet man fuͤnf, oft auch ſechs, manchmal wol auch nur vier Eier in einem Neſte, die abwechſelnd von Maͤnnchen und Weibchen bebruͤtet werden, ſo daß erſteres mehrere Stunden am Tage, letzteres die uͤbrige Zeit und die Naͤchte hindurch uͤber ſelbigen ſitzt. Nach dreizehn bis vierzehn Tagen ſchluͤpfen die Sun- gen aus den Eiern; ſie ſind anfaͤnglich ganz nackt, und die Haut ſieht ſchwaͤrzlich aus. Zu ihrer Ernaͤhrung tragen ihnen die Alten ſehr fleißig kleine Inſekten zu, und ſie wachſen ungemein ſchnell heran. Erſt wenn ſie voͤllig befiedert und Fluͤgel⸗ und Schwanzfe⸗ dern faſt ausgewachſen find, verlaſſen fie, wenn 5 nicht Stoͤhrung veranlaßte ſich fruͤher fortzumachen, das Neſt. Im Klettern und III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrſaͤnger. 627 Anklammern an den Rohrſtengeln ſind fie, auch wenn fie halbfluͤg⸗ ge das Neſt verlaſſen, ſo geſchickt, daß faſt nie einer ins Waſſer fallt. — Wenn man beim Auffuchen des Neſtes nicht zu viel Stoͤh— rung im Rohre macht, ſo leiden es die Alten, wenn man ihnen auch behutſam ein, auch wol zwei Eier ausnimmt und das Uebrige nur nicht zu ſehr in Unordnung bringt. Sie bruͤten auch ſehr eifrig, und ich machte erſt vor einem Jahr daruber folgende Erfahrung: In meinem Garten niſteten im Rohre des Teiches, den ich gerade aus⸗ füllen laſſen wollte, zwei Paͤaͤrchen, von welchen das eine ſein Neſt ſeitwaͤrts des Rohrbuſches hatte, an welchen das Ausßfuͤllen zuerſt kam. Als damit bis auf einen Schritt vom Neſte vorgeruͤckt war, und der Vogel, ob er gleich, ſo oft ihm einer der Arbeits leute zu nahe kam, wie dies nach wenigen Minuten immer wieder geſchah, faſt allemal vom Neſte weg ins Rohr ſchluͤpfte, aber ſich auch ſogleich wieder drauf ſetzte, alſo das Neſt nicht verlaſſen wollte, ließ ich, aus Mitleid mit demſelben, an einem andern Ende arbeiten, und er litte es nun, daß die Leute mit den Karren zwei Schritt vor ihm vorbei fuhren, ohne abzugehen und brachte nach zwei Tagen gluͤck— lich aus. Nun ſchnitt ich die Rohrſtengel, welche das Neſt trugen, ganz unten ab und band ſie an einen Pfahl, fo, daß das Neſt vollkommen in Ordnung blieb; dann wurde das Ganze tiefer in den Rohrbuſch, wo vor der Hand noch nicht ausgefuͤllt werden ſollte, ge tragen, der Pfahl hingeſteckt, und ſo ſtand das Neſt nun auf einmal an einem ganz andern Orte, wol ſechs Schritte vom erſtern, was die Voͤgel aber nicht hinderte, vor unſern Augen ihre Jungen groß zu fuͤttern. — In abgelegnern Gegenden, wo ii ſeltner Wenk ſchen ſehen, ſind ſie indeſſen auch ſcheuer. ig Ju Ah Sie brüten nur Einmal in einem Jahr eich a mit: Eu Neſtbau kaum vor dem Juni anfangen, weil ſie erſt warten muͤſſen, bis das junge Rohr eine Hoͤhe von wenigſtens 4 Fuß uͤber dem Waſſer erreichet; denn in's alte vorjaͤhrige Rohr, haͤtte es ſich über Winter auch noch ſo gut erhalten, bauen fie niemals. So ſfin⸗ det man denn auch nur in fruͤhzeitig warmen Fruͤhlingen, kaum vor der Mitte des Juni, Eier in ihren Neſtern. Wird ihnen das Neſt zerſtoͤhrt, ſo bauen ſie in dieſem Jahr ſelten wieder. Wird das Rohr um dieſe Zeit abgeſchnitten, ſo find fuͤr dies Fruͤhjahr alle Bruten verlohren, die Alten kommen zwar im folgenden wieder, gewöhnen ſich aber, wenn dieſe Stöhrung oͤfters vorfaͤllt, nach und nach weg; doch laſſen fie ſich viel mehr gefallen als die Droſſel⸗ rohrſaͤnger. — Der Kuckuk giebt ihnen öfters ein Ei auszu⸗ 628 III. Ordn. XV. Gatt. 91. Teich-Rohrfaͤnger. brüten, und es iſt dabei zu bewundern, wie dieſer große Vogel das 5 Neſt nicht durch ſeine Sen binabbridt, was ach aber uw len müßt ſoll. 200 . Sehr ſelten erwiſcht ein Raubvogel einmal einen dieſer, die meiſte Zeit im Dickicht des Rohres und im dichteſten Geſtruͤpp ver⸗ borgen lebenden Voͤgel. Nur die Rohrweihen verſchlingen manchmal ihre Brut; ſonſt kann nicht leicht ein anderer Feind zu ihrem Nefte gelangen. — Der Kuckuk wird ihnen dadurch nach⸗ theilig, daß er ihnen oft fein Ei ausbruͤten und ein Junges erzie⸗ hen laͤßt, wodurch ihre eigene Brut vernichtet wird. Nach Bechſtein ſoll auch ein Run dwurm rien in ihrer .. 1 werden. data MR Sag». Nicht ihrer che 1 ihrer Unruhe wegen, ſind dieſe kleinen Voͤgel nicht leicht zu ſchießen, zumal mit dem Blaſerohr, wo man ihren Bewegungen in den Oickichten vollends gar nicht fol⸗ gen kann; doch gelingt es hier den Geuͤbten noch eher, als bei den folgenden Arten. Hat man ſie am rechten Orte, z. B. in einem ſchmalen Rohrgraben oder in kleinem Seilweidengebuͤſch, wo auf N jeder Seite ein Schüße gehen kann, fo laſſen fie ſich zuweilen her= ausjagen und dann mit feiner Vogeldunſt leicht im Fluge herabſchie⸗ ßen. Die ſingenden Maͤnnchen ſind leicht im Sitzen zu ſchießen, beſonders wenn ſie in den Zweigen der Buſchweiden herumhuͤpfen, oder ſich auf einzelnen Rohrſtengeln wiegen. Schießt man da fehl, ſo ſingen ſie noch viel heftiger als vorher. N Fangen kann man ſie auf eben die Art wie Oroffebrohr⸗ ſaͤng er, beſonders ſehr leicht in den oben beſchriebenen Schlingen auf S oͤcken u. ſ. w. Sie gehen auch leichter in die Sprenkel als jene. Man ſagt auch, daß fie, wie die Laubvoͤgel und andere Saͤn— ger, auf die Lock von ihres Gleichen gingen und ſich fo fangen lies ßen. Mein Vater fing fie auch auf dem Vogelheerde dicht an ei⸗ nem Teiche, ſie ſchluͤpften ihm jedoch meiſtens durch die Maſchen des Netzes, in welchem er ſonſt viel kleinere Vögel, z. B. Fitis⸗ und e besgel, ſelbſt Go ldhaͤhnchen fing. N N u t z een. Sie helfen eine fuͤr andere Geſchoͤpfe ſo laͤſtige Inſektenmenge PER Ordn. XV. Gatt. 91. Teich⸗Rohrfaͤnger. 629 vermindern und werden durch das Aufzehren einer ungeheuern Men⸗ ge von Muͤcken beſonders wohlthaͤtig. Ihr Fleiſch iſt eine wohl— ſchmeckende Speiſe, aber man tödtet fie deshalb, wie billig, nicht abſichtlich. Durch ihren Geſang erfreuen fie uns und beleben die Gegenden, die ſonſt für die meiſten Menſchen nur wenig Reitze ha: ben, zumal da ſie ſo oft nahe bei den Haͤuſern wohnen. 4 Such aden. Es iſt nicht bekannt, wi fie uns auf irgend eine Weiſe nach⸗ theilig würden. Anmerkung. Dieſer Rohrſaͤnger hat, wie der vorherbeſchriebene und der folgende, vieles, was Lebensart und Betragen betrifft, mit den Laubvoͤgeln, vorzuͤglich mit dem Gartenlaubvogel gemein, doch hat dieſer im Klettern an ſenkrechten Stocken und Pflanzenſtengeln und im Durchſchluͤpfen des Geſtruͤpps bei weitem nicht die Gewandtheit der Rohrſaͤnger und lebt auch nicht fo verſteckt, als ſie. In dieſer Hinſicht ſtimmt aber der Teichrohrſaͤnger fo vollkommen mit dem Droffelrohrfänger überein, daß beide nur die verſchiedene Größe unterſcheidet. Sehr aͤhnlich iſt ihnen hierin auch der Sumpfrohrſänger, doch aber in manchen Stuͤcken auch wieder nicht. Die Voͤgel dieſer Familie ge⸗ hoͤrten ſeit lange unter meine Lieblinge, ich ſpuͤrte ihnen daher nach, wo ich nur wußte und konnte, und bin deshalb nun im Stande, hier manches zu liefern, was bis jetzt noch nicht bekannt war. 630 92. Der Sumpf- Rohr fänger. Sylvia palustris. Bechst. Taf. 81. Fig. 3. Maͤnnchen. Sumpfſaͤnger, Sumpfſchilfſaͤnger, Rohrſaͤnger, Rohr: ſchmaͤtzer, Rohrgrasmuͤcke, olivengrauer Rohrſchirf, olivengrauer Spitkopf, Dabei und Weidenzeiſig. Sylvia palustris. Vechſtein, Naturgeſch. Deutſchl. III. S. 639. Taf. 26. — Deſſen Taſchenb. I. S. 186. n. 21. - Wolf und Meyer orn. Taſchenb. I. S. 237. = Schinz, Abbild. d. Neſter und Eier, Heft I. M. W. Neſt u. Eier, doch mit einer falſchen Unterſchrift, ſtatt Bec-fin Yerderolle ſteht naͤmlich Bec- fin riverain. Die von andern Schriftſtellern hierher gezogene Abbildung und Beſchreibung aus Naumanns Voͤgel, alte Ausg. I. S. 227. Taf. 46. Fig. 105. gehört hoͤchſt wahrſcheinlich nicht zu der Bechſteinſchen und hier beſchriebenen S. palustris. — In Lath. Syn. Ueberſ. v. Bechſtein, IV. S. 507. findet ſich die Beſchrei⸗ bung unſeres Vogels mit der des Teichrohrſaͤn gers vermengt. Kennzeichen der Art. Oberlelb gruͤnlich roſtgrau, oder matt olivengrau; ein Strich über dem Auge und der Unterleib weiß, mit ochergelbem Anfluge; Mundwinkel orangegelb. Länge faſt 6 Zoll. Beſchrei bung. Dieſer Rohrſaͤnger mag wol ſehr häufig mit der vorhergehen— den Art verwechſelt werden, welches Schickſal er fruͤher immer gehabt hatte, bis Bechſtein ihn zuerſt als eigene Art beſchrieb. Es haͤlt auch in der That ungemein ſchwer, beide Arten, den Sumpfrohr— ſaͤnger vom Teichrohrſaͤnger zu unterſcheiden, zumal wenn III. Ordn. XV. Gatt. 92. Sumpf=:Robrfanger 631 beide eine Zeit lang ausgeſtopft geſtanden haben, und die Farben et⸗ was verbleicht find; denn bei erſteren geht der grüne Anflug und beim letztern der roſtgelbe am Oberleibe nach und nach zum Theil verloren, und die bleibende Grundfarbe iſt nur wenig verſchieden. Der Unterſchied im Schnabel- und Fluͤgelbau iſt zwar ſtandhafter, aber doch zu ſubtil, um ſehr in die Augen zu fallen. In der Groͤ⸗ ße find fie einander ebenfalls gleich; doch hat der Sumpfrohr— fänger eine etwas ſtaͤrkere Bruſt, und ſieht daher größer und nicht fo überaus ſchlank aus als der Teichrohrſaͤnger, obgleich die Laͤngenmaaße beider uͤbereinſtimmen. — Ganz anders iſt es da— gegen, wenn man beide Arten in ihrem ganz verſchiedenen Leben und Wirken beobachtet; da zeigt ſich ein hoͤchſt auffallender Unterſchied, viel größer als der zwiſchen Sylvia trochylus und S8. rufa, und wer ihre Wohnorte, ihren Neſtbau und den ſo ſehr verſchiedenen Geſang der Maͤnnchen beider Arten zu beobachten Gelegenheit hat— te, wird gewiß nie mehr an der Identitaͤt dieſer an Geſtalt und Far⸗ be ſich fo ſehr aͤhnelnden Arten zweifeln. Sehr verſchieden in der Farbe find die Jungen beider; denn bei denen des Teichrohrſaͤn⸗ gers iſt an den obern Theilen ein ſattes Roſtgelb, bei denen des Sumpfrohrſaͤngers ein ziemlich dunkles Olivengruͤn vorherr— ſchend. — Um dem Anfaͤnger die Sache zu erleichtern, will ich hier noch die weſentlichen Unterſchiede, wie man ſie auch am todten Vo⸗ gel noch ſieht, nebeneinander ſtellen. ' Sylvia arundinaeea, | Sylvia palustris. Schnabel: ſchlank, ſehr breit⸗ Schnabel: ſtark, nach vorn et⸗ gedruckt (depressum) volle) was zuſammengedruͤckt (Com- 6 Linien lang pressum) nie uͤber 53 Lin. lang an der Baſis 2 — breit an der Baſis 2 — breit — — „ — — volle 2 — hoch Fluͤgel: 2307 — lang Fluͤgelt: 2 Zoll 11 — lang Oberkoͤrper: Mit dunkelroſt⸗ Oberkoͤrper: Mit olivengruͤ⸗ gelbem Anfluge. nem Anfluge. ii Unterkörper: Mit ſtarkem Unterkoͤrper: Mit Fichten Roſtgelb angeflogen. Ochergelb angeflogen. Wegen des ſtaͤrkern Rumpfes nähert ſich der Vogel in der Grö⸗ ße der Dorngras muͤcke, allein er erreicht die Maaße derſelben nicht. Seine Länge beträgt 5 bis 54 Zoll, wovon 2 Zoll S bis 4 Linien auf | 632 III. Orden. XV. Gatt. 92. . Suthp fed he gel den weichfedrigen, abgerundeten Schwanz abgehen, deſſen Federn am Ende alle rund zugeſpitzt find und ſeitwaͤrts fo an Lange ab⸗ nehmen, daß die aͤußerſte Seitenfeder kaum 4 Linien kuͤrzer als ei: ne der mittelſten if. Die Fluͤgelbreite iſt 8 bis 84 Zoll, die Lanz ge des Fluͤgels vom Bug bis zur Spitze 2 Zoll 10 bis 11 Linien (daher ein laͤngerer Fluͤgel als beim vorhergehenden Rohrſaͤnger), und die ruhenden Flügel he vom Schwanze nicht ganz 14 Zoll bedeckt. Der Schnabel iſt nicht ſo gestreckt und ſchlank als beim Teichrohrſaͤnger, ſondern etwas kuͤrzer, dicker, runder, an der Wurzel weniger breitgedruͤckt, nach vorn mehr zuſammenge⸗ druͤckt, daher auch die Schneiden des Oberkiefers nicht ſo ſtark uͤber⸗ ſtehen, das ovale Naſenloch kleiner, und der halbe Hautdeckel über der Oeffnung deſſelben weniger aufgeblaſen; alles zwar merkliche und ſtandhafte Unterſchiede, aber nur dann etwas auffallend, wenn man die Schnaͤbel beider Voͤgel gegen einander halten kann. Im Uebrigen hat er dieſelbe Geſtalt und Farbe; denn oben und an der Spitze iſt er graulichſchwarzbraun, an den Schneiden und beinahe an der ganzen Unterkinnlade gelblichfleiſchfarben, die aufgeſchwol⸗ lenen Mundwinkel roͤthlichgelb; Zunge und Rachen orangegelb, blaͤſſer als am Teichrohrſaͤnger. Seine Länge beträgt nur 53 Linien (bei Jungen nur 5 Linien), die Höhe an der Wurzel 2 Linien, und die Breite dafelbſt eben ſo viel. Ueber den Mundwinkeln ſte⸗ hen drei bis vier anſehnliche ſchwarze Schnurrborſten Die ſchlanken Fuße haben faſt geſtiefelte Laufe, geſchilderte Zehenruͤcken, feinwarzige Sohlen und ſtarke, etwas breit gedruͤck— te, wenig gekruͤmmte ſpitzige Naͤgel, welche immer etwas kuͤrzer und ſtaͤrker ausſehen, als bei der vorigen Art. Ihre Farbe iſt gelb- lichfleiſchfarben, die der Naͤgel etwas dunkler, die Zehſohlen gelb. Bei juͤngern iſt die Fleiſchfarbe ſchmutziger; aber ſchwarzbraune Fuͤ⸗ ße ) habe ich weder bei einem Lebenden, noch ausgeſtopften Vo⸗ gel dieſer Art, uͤberhaupt bei keinem inlaͤndiſchen Rohrſaͤnger, jemals geſehen. — Die Hoͤhe des Laufs betraͤgt 1 Zoll, die Laͤnge der Mittelzeh, ohne die faſt 8 Linien lange Kralle, 6 Li⸗ nien, die der Hinterzeh, ohne den 3 Linien Hagen Nagel, 4 Li⸗ nien. Das Kleid dieſes ſanft befiederten Vogels iſt ſehr einfach und *) Dr. Schinz Neſter und Eier d. V. Ites Heft. III. Ordn. XV. Gatt. 92. Sumpf⸗Rohrfſaͤnger. 633 unanſehnlich gefaͤrbt. Die Zuͤgel, den Hintertheil der Wangen und von der Stirn an alle obern Theile des Vogels deckt ein mattes gruͤn— liches Braungrau, faſt wie das der Gartengrasmuͤcke, was am Bürzel etwas lichter ausfaͤllt; die dunkel graubraunen Fluͤgel- und Schwanzfedern ſind mit der Ruͤckenfarbe gekantet, doch ſo, daß an den großen Schwingen, zumal an den Enden dieſer, die Kaͤntchen ſchmaͤler und lichter werden, und die vordere Schwinge (eigentlich die zweite, denn die erſte iſt ſehr klein, kurz und ſchmal) nebſt der aͤu— ßerſten Schwanzfeder ein weißgraues Außenſaͤumchen hat. Vom Naſenloch uͤber das Auge zieht ſich ein verloſchener gelblichweißer Streif, welcher wenig bemerkbar iſt und hinter dem Auge aufhoͤrt; Kinn und Kehle ſind weiß, alle uͤbrigen Theile des Unterkoͤrpers truͤbweiß, mit ochergelbem Anfluge, welcher an den Halsſeiten und in den Weichen ziemlich ſtark wird, unter den Fluͤgeln und an der hintern Seite der Schenkel aber in die Ruͤckenfarbe übergeht. Die un⸗ tere Seite der Schwing- und Schwanzfedern iſt von einem ſehr lichten glaͤnzenden Braungrau; die untern Fluͤgeldeckfedern find gelblichweiß. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen iſt in der Farbe kein ſtandhafter Unterſchied zu finden, es giebt blaͤſſere und dunklere Exemplare von beiden Geſchlechtern; aber das Weibchen iſt meiſtens etwas kleiner als das Maͤnnchen. Juͤngere Voͤgel ſind ge— woͤhnlich dunkler und gruͤner als die aͤltern, was auch von dem noch friſchen Gefieder im Herbſte gilt, denn der gruͤnliche und gelbe Anflug verbleicht im Fruͤhjahr und Sommer ſehr. Solche abgebleich⸗ te Exemplare ſind dann ſehr ſchwer von dem Tei 00 hrfaͤnger zu unterfi cheiden. Die Jungen vor der erſten Mauſer ſehen ihren Aeltern vollkommen aͤhnlich, nur von oben gruͤner und von unten gelber. Die Ruͤckenfarbe naͤhert ſich dem Olivengruͤnen, und dies unterſchei⸗ det fie auffallend von den jungen Teichrohrſaͤngern, die an den obern Theilen ein gelbliches Roſtbraun tragen und an den un⸗ tern Theilen mit einem roͤthlichen Roſtgelb ſehr ſtark angeflogen ſind, ſo daß ſie im Ganzen roͤther, jene aber gruͤner ausſehen, als ihre Aeltern. Von Flecken an der Kehle und fonft wo iſt bei bei- den niemals eine Spur vorhanden. Die alten Voͤgel mauſern Anfang Auguſts, die Jungen eini⸗ ge Wochen ſpaͤter. A wiendh ee k. Dieſer Vogel iſt zu lange verkannt und mit andern bemahfeh = * \ 634 III. Ordn. XV. Gatt. 92. Sumpf Rohrfänger. worden, als daß ſich uͤber ſeine Verbreitung viel ſagen lies. Nur erſt neuerdings hat man in Erfahrung gebracht, daß er vornehmlich das mittaͤgliche Europa bewohnt, im mittleren weniger haͤufig iſt, und im nördlichen wahrſcheinlich nicht viel höher als bis Daͤn e⸗ mark hinaufgehet. Nach Temminck ſoll er in Italien am Po und an den Ufern der Donau, von Oeſterreich abwaͤrts, ge— mein ſein; nach Schinz, in der Schweitz hin und wieder vorkom— men; nach Bechſtein, in Thuͤringen und Franken ſich ſelten zeigen; ſo ſoll er auch bei Goͤttingen vorkommen. — Ich ſelbſt habe dieſen Vogel, ſo lange ich ihn genau kennen gelernt, hier im Anhaltiſchen und dem angrenzenden Sachſen und Branden⸗ burg alle Jahr eben nicht ſehr ſparſam bemerkt, im Herzogthum Holſtein, beſonders in Suͤderdittmarſchen, aber ſehr haͤu⸗ fig geſehen und zur Gnüge beobachtet. Er iſt, gleich den übrigen Rohrſaͤngern, ein Zug vogel, koͤmmt, als ſolcher, erſt ſpaͤt im Fruͤhlinge zu uns und verweilt auch nicht länger als etwa vier Monate im Sommer hier, worauf er ſich wegbegiebt und ſeine Winterwohnung unter einem mildern Himmel aufſchlaͤgt. Er koͤmmt ſelten vor dem Mai hier an, viel⸗ mehr ſind die erſten Wochen dieſes Monats ſeine eigentliche Zugzeit; allein auch noch zu Ende deſſelben, bis gegen die Mitte des Juni, habe ich ihn hier, noch auf dem Zuge begriffen, angetroffen. Nur in guten, warmen Fruͤhjahren hoͤrt man ihn zuweilen ſchon in der letzten Woche des Aprils. Auf ſeinen Herbſtreiſen ziehet er eben ſo langſam, naͤmlich vom Ende des Auguſts an, den ganzen Septem⸗ ber hindurch, wo er ſich mit Ende deſſelben oder Anfang Oktobers endlich verliert. Seine Reiſen macht er einzeln und bloß des Nachts. Im Herbſt ſtreichen ſie familienweis weg, ſie muͤſſen ſich aber auf der Reiſe bald zerſtreuen; denn diejenigen, welche hier aus⸗ gebruͤtet wurden, verſchwinden oft mit ihren Aeltern in Einer Nacht, und doch kommen die, welche noͤrdlicher gewohnt hatten, nur ein⸗ zeln hier durch. 5 In den großen Rohrwaͤldern, wo man die beiden vorherbe⸗ f ſchriebenen Arten faſt ausſchließlich antrifft, darf man den Sumpf⸗ rohrſaͤnger nicht ſuchen, und er weicht hierin ſehr merklich von dem Teichrohrſänger ab. Er iſt mehr Waldvogel; doch liebt er auch nur niedriges, ſumpfiges Gebuͤſch und das, was ſich an den Ufern der Fluͤſſe, Baͤche und Waſſergraͤben, an Seen und Teichen befindet, und in großen ebenen Wäldern ſucht man ihn eben ſo vergeblich wie in Gebirgswaldungen. Dagegen iſt er II. Orbn. XV. Gatt. 92. Sumpf⸗Rohrſänger. 635 ſehr gern in ſolchen Gaͤrten, durch welche ein Bach fließt, oder die an einem Fluſſe, Teiche und ſonſt am Waſſer liegen, oder wenig⸗ ſtens von Waſſergraͤben durchſchnitten werden. Er verlangt aber, daß in dem Waſſer oder an deſſen Ufern auch Rohr, Schilf und andere hohe Waſſerpflanzen wachſen, ob er gleich nur ſelten ſich in ſolche begiebt, und wenn er es haben kann, lieber im niedri— gen dichten Buſchholze herumkriecht, in den Gärten die Bohnen⸗ Erbſen⸗ und Saamenruͤbenbeete, die Hanfaͤcker und in den Mar⸗ ſchen die Aecker mit hohem Getraide, Pferdebohnen und beſonders die Rapsſtuͤcken aufſucht. Weidengebuͤſch ſcheint ihm indeſſen fo nothwendig, wie dem Teichrohrſaͤnger das Rohr. In den Marſchlaͤndern traf ich ihn nur da an, wo bei den Gehoͤften, außer Obſtbaͤumen und anderem Gebuͤſch, auch Buſchweiden ſtanden; in den, wie bekannt, mit ſich durchkreuzenden Waſſergraͤben im Ue⸗ bermaaß verſehenen Feldern der Marſchen auch immer nur da, wo Weidengebuͤſch wuchs und einige Baͤume ſtanden. War nicht weit von einer Weidenpartie ein Stuͤck Feld mit Raps bebaut, ſo durfte man daſelbſt gewiß nicht vergeblich nach ihm ſuchen. Im Kirch⸗ ſpiel Bruns buͤttel im Suͤderdittmarſchen iſt dieſer Vogel ſehr gemein, auch um Meldorf und anderwaͤrts in den Holſteinſchen Marſchen. ) In der Schweitz traf ihn Dr. Schinz in einer ebnen, mit Baͤchen durchſchnittenen Gegend am Vierwaldſtaͤdter See in Hanf- und Getraideſtuͤcken auch haͤufig an. In der hieſi⸗ gen Gegend ſah ich ihn auch mehrmals mitten im hohen Getraide, wo ein Waſſergraben hindurch lief, oder ein Teich nicht zu weit ent⸗ fernt war, am oͤfterſten aber in den Buſchweidengehegen ımfrer Fluͤſſe, Saale, Mulde und Elbe, wo er auch niſtet; in der Zug— zeit aber oftmals nahe bei Dörfern und Städten auf den Kopfwei⸗ den, in Pflaumen = und Kirſchanpflanzungen und ſonſt auf Baͤu⸗ men und im Gebuͤſch, ſelbſt zuweilen weit vom Waſſer. Hinſichtlich ſeines Aufenthalts und ſeines Betragens, aͤhnelt er faſt eben fo ſehr den Laubvoͤgeln wie den Rohrſaͤngern und ſteht fo recht eigentlich, ſelbſt der Farbe nach, zwiſchen beiden Fa⸗ milien als Bindeglied da, nahmentlich zwiſchen dem Garten- laubvogel und dem Teichrohrſaͤnger. — Daß man ihn ) Sch hatte bei meinem Aufenthalte daſetbſt Gelegenheit, ſo viel ich wollte zu ſchießen, zu fangen und ihre 0 7 aufzuſuchen, was 95 auch nach Moͤg⸗ lichkeit that und nutzte. 636 III. Or dn. XV. Gatt. 92. Sumpf-Rohrfanger. ſelten im Rohre und Schilfe ſieht, iſt ſchon erwaͤhnt worden; wenn dies aber geſchieht, ſo iſt es gewiß nie mitten in den großen Waͤl⸗ dern, die das Rohr und Kolbenſchilf auf manchen Teichen und Seen bildet, ſondern blos nahe am Ufer und da, wo dieſes auch mit Ges buͤſch von Weiden und dergl. bewachſen iſt. Man ſieht ihn nicht allein viel oͤfterer als die andern Arten in dem hoͤhern Buſchwerk, ſondern häufig ſelbſt in den Zweigen höherer Baͤume, in einer Hoͤ⸗ he, zu welcher ſich faſt nie ein anderer Rohrſaͤnger verſteigt; auch iſt er beinahe mehr und daher wahrſcheinlich lieber in den Baumkro⸗ nen von ſolcher Höhe, wie z. B. die Pflaumen oder Zwetfchen: baͤume, als in dem niedrigen Geſtruͤpp, und er beſucht die einzelnen Weiden oder andere Bäume, in deren Nähe er vielleicht im Getraide, Raps u. dergl. wohnt, den Tag uͤber ungemein oft, laͤßt ſich auf freien Aeſten oder Spitzen der Zweige, auf hingeſteckten, uͤber das Getraide emporragenden Stoͤcken, auf Pfaͤhlen, auf den Stoͤcken, die man Bohnen, Erbſen und andern Gemüfepflanzen zu geben pflegt, ſehr oft ſehen und ähnelt hierin einigermaßen dem Sch ilf— rohrſaͤnger, welcher jedoch niemals fo hoch auf die Baͤume geht. — Es iſt beſonders noch zu bemerken, daß unſer Vogel, ob er gleich die Naͤhe des Waſſers liebt, doch nicht gern uͤber demſelben verweilt, ſondern die meiſte Zeit, zwar gern neben dem Waſſer, doch uͤber dem Erdboden und ſelbſt uͤber trocknem Boden ſich aufhaͤlt. Trifft man ihn ja einmal im Rohr uͤber dem Waſſer, ſo flieht er, wenn man ihn verfolgt, dem Ufer und dem Gebuͤſch zu, ganz ent⸗ gegengeſetzt von faſt allen übrigen Arten dieſer Familie, die gewoͤhn⸗ lich nach der Waſſerſeite zu entfliehen und ſich je weiter deſto lieber vom Ufer zu entfernen und im Schilf und Rohr zu verſtecken ſuchen. — Ihrer unruhigen aber freiern Lebensart wegen werden fie über- all bemerklicher als andere Rohrſaͤnger, doch im Herbſt und uͤber⸗ haupt auf ihrem Zuge ebenfalls auch weniger als im Frühjahr. Sie verlieren ſich im Herbſt auch leichter unter den verſchiedenen Laubvoͤ⸗ geln und andern ähnlichen kleinen beſiederten Bewohnern der Ges buͤſche. In wirklichen Bruͤchen und Moraͤſten habe ich ihn niemals angetroffen. 8 | Eier een. Der Sumpfrohrſaͤnger iſt ein fehr netter, luſtiger, unftäter Vogel, hurtig in allen feinen Bewegungen, im Huͤpfen und Durchſchluͤpfen der Gebuͤſche und des dichteſten Geſtruͤpps wie im Fluge gleich gewandt, kuͤhn und unternehmend im Streit mit III. Or dn. XV. Gatt. 92. Sumpf-Rohrſaͤnger. 6357 feines Gleichen, was er auch öfters anderen ihm nahe wohnenden kleinen Voͤgeln fuͤhlen laͤßt, daher es in der That eine Luſt iſt, ſei⸗ nem Treiben und Wirken zuzuſehen. Nirgends hat er lange Ruhe; bald hoͤrt man ihn ſo eben hier, und in wenigen Augenblicken viel⸗ leicht ſchon hundert Schritt weiter, wobei er aber nicht etwa, wie die andern Rohrſaͤnger, bloß im Gebuͤſch forthuͤpft, ſondern viel⸗ mehr flattert und fliegt, ja ungezwungen ganze Strecken uͤber das Freie hinſtreift. Er hat deshalb auch auf Baͤumen und im Gebuͤſch in feinem Benehmen eine große Aehnlichkeit mit dem Garten⸗ laubvogel, doch huͤpft er mehr in geduckter Stellung, woran wieder der Rohrſaͤnger nicht zu verkennen iſt. Seine Sitten ſind überhaupt durchgaͤngig eine Miſchung, aus denen der Laubvoͤgel und Rohrſaͤnger. ) Im Klettern und Anklammern iſt er eben fo geſchickt, wie die letztern, im Fluge aber noch gewandter. Oft ſtuͤrzt er ſich, durch die Luft fortſchießend, aus den Zweigen eines ziemlich hohen Baumes ſchief herab ins niedere Geſtraͤuch, ein an⸗ dermal ſchwingt er ſich eben ſo aus der Tiefe zur Hoͤhe auf, oder er fliegt gerade fort und ungezwungen eine gute Strecke uͤber das Freie, von Baume zu Baume, oder von einem Buſch zum andern, und nicht etwa aͤngſtlich am Boden hin, ſondern meiſt keck in ange⸗ meßner Höhe durch die Luft, was man alles von den übrigen klei⸗ nen Rohrſaͤngern faſt niemals ſiehet. — Nimmt man an einem Rohrgraben zwei entgegengeſetzte Punkte an, wo an jedem etwa ein Baum oder ein Weidenſtrauch ſtehet, fo laßt ſich ein Teich⸗ rohrſaͤnger im Rohr des Grabens von einem Ende zum andern treiben, ohne daß man ihn zu ſehen bekoͤmmt; nicht alſo der Sumpfrohrſaͤnger. Ueberraſchte man ihn ja einmal im Roh⸗ re eines ſolchen Grabens, ſo wuͤrde er, ſobald man ihn vor ſich hin zu treiben verſuchen wollte, ſogleich ſeitwaͤrts heraus und ſchnell dem Gebuͤſch zueilen, und ſcheuchte man ihn aus dieſem, fo würde er nicht im nahen Rohr, fondern lieber im entfernteren Ge⸗ buͤſch Schutz ſuchen und, um ſchnell dahin zu kommen, eher einige f hundert Schritte uͤber das Freie fliegen, als im Rohre des Grabens forthuͤpfen. — Sein Flug iſt auch ſchneller, nicht ſo huͤpfend, ſon⸗ dern in mehr geregelten und groͤßern Bogen, auf kurzen Strecken ) Bechſtein hatte vor der Herausgabe der zweiten Auflage feiner Naturg. Deutſchl. gewiß keine Gelegenheit, unſern Vogel genauer zu beobachten, ſonſt a würde er ihn ſicher unter feinen Laubvoͤgeln aufgeſtellt haben, bei wel⸗ gen er beſſer ſtaͤnde, als der von ihm dazu gezahlte Teichrohrſaͤnger. 638 III. Drdn. XV. Gatt. 92. Sumpf⸗Rohrſän ger. flatternd und fortſchießend und von einem nahen Buſch zum an⸗ dern, beſonders in der Brutzeit, oft verſtellt zitternd, wobei der etwas ausgebreitete Schwanz ein wenig herabhaͤngt, was im Fort⸗ fliegen faſt allemal, doch weniger auffallend, den Rohrſaͤnger in ihm charakteriſirt. Nur bei beſondern Veranlaſſungen zuckt er et⸗ was mit den Fluͤgeln und dem ein wenig ausgebreiteten Schwanze; ſonſt traͤgt er den letztern im ruhigen Forthuͤpfen, wie die andern Arten, etwas haͤngend und den Hals eingezogen. Seine Lockſtimme hoͤrt man nur ſelten; es iſt ein ſchmat amen oder ſchnalzender Ton und klingt wie die faſt aller uͤbrigen Rohr⸗ ſaͤnger, tſchaͤtſch, im Unwillen oder bei Beſorgniß wird auch eben fo ein ſchnarchendes Rr ausgeſtoßen; allein der Geſang des Maͤnn⸗ chens uͤbertrifft vorzugsweiſe nicht allein die Geſaͤnge ſaͤmmtlicher Rohrſaͤngerarten, ſondern auch viele der uͤbrigen Singvoͤgel. Er ſteht weit über dem des Gartenlaubvogels (S. hypolais) er⸗ haben, dem er zwar etwas ähnelt, dabei aber vielmehr flötende und fanftere Töne, eine größere Abwechslung und außerordentliche Manz nichfaltigkelt hat, und der letztern wegen ſelbſt die Geſaͤnge der Garten- und Moͤnchgrasmuͤcke uͤbertrifft. Man darf ihn freilich nicht nach dem beurtheilen, wie man ihn im Fruͤhjahr von Voͤgeln, die noch auf der Reiſe begriffen ſind, oͤfters hoͤrt; denn dieſe ſingen noch nicht laut, ſie koͤnnen die Melodie noch nicht voll⸗ ſtaͤndig, und dieſes Stuͤmpern hat ſowol Aehnlichkeit mit dem Ge⸗ fange des Gartenlaubvogels, wie des Teichrohrſaͤngers, daher man ihn leicht uͤberhoͤren kann, wie ſelbſt manchem Vogel⸗ kenner, der dieſen herrlichen Saͤnger noch nicht an ſeinem Brutorte hoͤrte, begegnet ſein mag. Ganz anders iſt es, wenn man dieſen dort in ſeiner Vollſtaͤndigkeit aus voller Kehle hat ſingen hoͤren und das Thema dieſes lieblichen Geſanges hat auffaſſen koͤnnen; dann wird man den Saͤnger auch an jenem Geſtuͤmper wieder er⸗ kennen. — Der vollſtaͤndige Geſang aͤhnelt zwar auf eine ent⸗ fernte Weiſe dem des Gartenlaubvogels, keineswegs aber dem des Teichrohrſaͤngers; doch liegt etwas in den Toͤnen mancher Strophen, was den Rohrſaͤnger in dem ſingenden Vogel nicht verkennen laͤßt. Er beſteht aus einer Menge hoͤchſt abwech⸗ ſelnder Strophen, wovon viele ſanftpfeifend und wirklich floͤtend find, manche auch wieder eine taͤuſchende Nachahmung anderer Voͤ⸗ gelſtimmen zu ſein ſcheinen. Bald floͤtet die eine Strophe, als wenn ſie aus dem Geſange einer Droſſel entlehnt waͤr; bald ſind es zwitſchernde und ſchirkende Toͤne, die guf einmal in hellpfeifende III. Ordn. XV. Gatt. 92. Sumpf⸗Rohrſaͤnger. 639 oder ſanft lullende, in auf- und abſteigende, in kurz abgebrochene oder in geſchleifte übergehen; bald folgen Toͤne, wie aus einem der Gefänge der Garten- oder Moͤnchgrasmuͤcke erborgt, dann wieder die wiederholt nachgeahmten Lockſtimmen der Rauch- schwalbe, der Kohlmeiſe, ſelbſt ſperlingsartige Stim⸗ men in dem bunteſten Gemiſch durcheinander, daß man nicht ſatt wird, ihm zuzuhoͤren. Dabei liegt ſo viel Kraft in ſeinen Stimm⸗ organen, daß man dieſen außerordentlich anmuthigen Geſang, zu: mal bei der Nacht, ziemlich weit vernimmt; denn er ſingt, von Ende Aprils oder Anfang Maies bis in den Juli hinein, nicht al⸗ lein vom fruͤhen Morgen bis an den Abend, meiſt den ganzen Tag uͤber, ungemein fleißig, ſondern auch die ganze Nacht hindurch. — Er erſetzt daher den Marſchgegenden einigermaßen die Nachtigall; und obgleich ſein Geſang dem dieſer Koͤnigin der Saͤnger nicht gleich koͤmmt, ſo klingt er doch in der Stille der Nacht ſo lieblich und ſo bezaubernd angenehm, daß man jene einſtweilen daruͤber vergeſſen kann. Weil dann der herrliche Saͤnger weniger als am Tage geſtoͤhrt wird, den entzüdten Zuhörer aber keine anderen Singvoͤgel mit ihren verſchiedenartigen Stimmen in ſeinen Betrach— tungen unterbrechen, ſo iſt der Genuß, ihn in einer warmen Nacht des Brachmonats zuzuhoͤren, für den Naturfreund unver- gleichlich zu nennen. — Er ſitzt bei Tage waͤhrend des Singens nur ſelten ſtill, geht dabei vielmehr häufig feinen Nahrungsgefchäf- ten nach, oder neckt und jagt ſich ſingend mit ſeinen Kameraden oder wol auch einmal mit einem andern kleinen Vogel herum. Nur fruͤh Morgens ſahe ich ihn oft frei auf einem Pfahle, einer Bruͤckenlehne, einem freien Aſte, auf der Spitze eines Steckens oder eines entblaͤt⸗ terten Zweiges, die uͤber dichtem Gebuͤſch hervorragten, ſitzen und ununterbrochen fein liebliches Lied fingen. Er laͤßt dabei die Fluͤ⸗ gel behaglich hängen, blaͤſt die Kehle auf und richtet den Kopf und den ſtark bewegten Schnabel etwas aufwaͤrts. Man kann dabei ganz nahe kommen und ihn lange betrachten, ehe er von ſeinem er⸗ habenen Sitze herabſpringt und mit zitternder Fluͤgelbewegung dem Gebuͤſche, dem Geroͤhricht oder den hohen Feldfruͤchten zuflattert, aber dann hier meiſtens noch fortſingt. Sind ſeine Lieblingsſitze nahe an Wegen, wie dies in den Marſchen haufig die Säulen ſind, an welchen daran befeſtigtes Gitterwerk oder Breter zur Ver⸗ ſperrung der Bruͤcken an den einzeln Ackerſtuͤcken dienen, ſo gewoͤhnt er ſich ſo an die vorbeipaſſirenden Menſchen, daß er faſt alle Furcht vergißt, und ich bin oft kaum ein paar Schritt an ihm vorbeigefah⸗ 640 III. Ordn. XV. Gatt. 92. Sumpf⸗Rohrſaͤnger. ren. Im Getraide wiegt ſich das ſingende Männchen oft auf hohen ſtarken Getraidehalmen und auf ſolchen Pflanzen, die etwas höher als die übrigen find, auf hohen Rapsſtauden, Pferdebohnen, Hanf⸗ ſtengeln und dergl. Geht man da auf daſſelbe zu, fo entſchluͤpft es in dem uͤbrigen, beunruhigt man es auch hier, fo fliegt es mei⸗ ſtens heraus und ein ganzes Stuͤck weg. Dien Liebhabern, welche gern ſingende Stubenvoͤgel halten, wuͤrde dieſer Vogel gewiß viel Freude machen, wenn ſie ſich die Muͤhe geben wollten, ihn zu zaͤhmen und an ein Stubenfutter zu gewoͤhnen. Dies kann auch fuͤr manche, beſonders fuͤr diejenigen ſo ſehr ſchwer nicht fein, die den viel weichlichern Gartenlaub— vogel zu zaͤhmen und zu erhalten wiſſen, daß er ſelbſt mehrere Jahr im Kaͤfig ausdauert. Mir find freilich nur mißlungene Ver: ſuche der Art von unſerm Vogel bekannt; dies beweiſt aber noch die Unmoͤglichkeit nicht; vielmehr iſt es mir hoͤchſt wahrſcheinlich, daß er ſich viel leichter als der erwaͤhnte Vogel an ein gewiſſes Fut⸗ ter gewoͤhnen, bei der Wartung, die beim Gartenlaubvogel angegeben wurde, ſelbſt länger als dieſer halten muͤſſe, weil er lange nicht ſo zaͤrtlich, vielmehr ſeiner Groͤße nach ein viel derberer Vogel iſt. Und hätte es auch hier wirklich eben fo viel Schwierig— keiten wie dort, ſo wuͤrde der herrliche Geſang dieſes Vogels die angewandte Muͤhe doch reichlich vergelten. 110 Naß Vielerlei Inſekten, als: Muͤcken, Fliegen, Schnaken, Hafte, kleine Libellen, Phryganeen, Motten und kleine Schmet⸗ terlinge, nebſt den Raͤupchen derſelben, Spinnen und mancherlei Inſekteneier, kleine Ruͤſſelkaͤferchen, Blatt- und Sonnenkaͤferchen, Donacien, verſchiedene Arten Blattlaͤuſe und mehrerlei andere kleine zwei- und vierfluͤgelige Inſekten ſuchen fie im dichten Ge⸗ buͤſch, in den belaubten Baͤumen, im Weidengeſtraͤuch und im Ge⸗ roͤhricht an den Ufern der Gewaͤſſer, oder in Gärten und auf waf= ferreichen Feldern auf und fangen fie theils im Forthuͤpfen und ſi⸗ tzend, theils auch nach ihnen ſpringend oder ſie im kurzen Fluge verfolgend. Oft ſieht man ſie lange an einem Blatte picken und davon die kleinſten jener Geſchoͤpfchen ableſen, daher fie auch die Blaͤtter ſorgfaͤltig von allen Seiten beſehen und ſich hier beinahe ganz wie die Laubvoͤgel betragen. Aus den Getraideſtuͤcken fliegen fie öfters einige Fuß hoch nach vorbeifliegenden Inſekten, ſtuͤrzen fi aber damit ſogleich wieder zuruͤck, um ſich in den hohen Feld— III. Drdn. XV. Gatt. 92. Sumpf:Rohrfänger 641 fruͤchten zu verbergen. In den Hanfſtuͤcken finden ſie eine unſaͤg⸗ liche Menge kleiner Fliegen, in den Rapsaͤckern, außer dieſen, ungemein viel kleine Kaͤferchen, z. B. aus der Gattung Haltica und a. m. welche ihnen den Aufenthalt daſelbſt angenehm machen, weil ſie ſich ſelbiger zur Speiſe bedienen. — Sie freſſen zuweilen auch Johannisbeeren und im Herbſt gern Hohlunderbeeren, wenigſtens dieſe weit lieber oder oͤfterer, als man es von andern Rohrſaͤngern ſieht. Gewiß freſſen ſie auch die Beeren von Faulbaum und Hart— riegel. Im Käfige würde man ihn eben fo füttern und pflegen müf: ſen, wie den Gartenlaubvogel, auf deſſen Beſchreibung ich deshalb verweiſe. Fortpflanzung. 1 Dieſe Voͤgel niſten hin und wieder in Deutſchland, in der Schweitz und anderwaͤrts; auch in der hieſigen Gegend hier und da, im niedrigen Gebuͤſch unſrer Flußufer, vorzuͤglich haͤufig aber in den Marſchen des Herzogthums Holſtein. Sie ſuchen ſich ſolche Orte, wo an den Ufern der Gewaͤſſer, außer Schilf und Rohr, viel niedriges Gebuͤſch, beſonders von Weiden, wo moͤglich mit Rohr vermiſcht, waͤchſt; wo rohrreiche Graͤben oder auch bloße Baͤche ſich zwiſchen Aeckern durchziehen, auf welchen hohe Feldfruͤch- te, als Raps, Pferde- oder Saubohnen, Hanf, auch wol Wai— tzen gebauet werden, und wo es auch Weiden giebt; die Gaͤr— ten, in welchen es nicht an niedrigem Buſchwerk und an Waſſergraͤ⸗ ben fehlt; die Ufer großer, mit Buſchweiden umgebener Teiche und ähnliche Orte; aber niemals weder die eigentlichen Rohrwaͤlder gro= ßer Teiche und Landſeen, noch die Bruͤcher und Moraͤſte. Das Neſt ſtehet niemals uͤber dem Waſſer, nicht einmal uͤber moraſtigem Boden. Immer ſtehet es an ſolchen Stellen, wo unten feſter, wenn gleich nicht immer ganz trockner Boden iſt, wie dies an den Ufern, wo man es oft nahe beim Waſſer findet, nicht an— ders ſein kann. Man kann wenigſtens jederzeit trocknen Fußes zu ſelbigem gelangen. — In den Marſchlaͤndern fand ich es allemal in der Naͤhe der Gehoͤfte, beſonders in den Gaͤrten, an den bald mit hohem Rohr angefuͤllten, bald wenig verwachſenen Graͤben, allemal am Ufer derſelben, bald dicht am Waſſer, bald mehrere Schritt davon abwärts, in niedrigem, mit Rohr vermiſchtem Ge: buͤſch, in einem Neſſelbuſche, in einem Buͤſchel Waſſerampfer und Rohr, auf einem ganz kleinen, mit Rohr, Neſſeln, Weiderich, ster Theil. 41 N 642 III. Ordn. XV. Gatt. 92. Sumpf⸗Rohrſaͤnger⸗ oder auch bloß mit etwas Rohr und hohem Gras umgebenen, nie⸗ drigen Baͤumchen. In den Rapsſtuͤcken fol es an den fie durd= ſchneidenden Graͤben an aͤhnlichen Orten, ſeltner aber tief im Raps ſelbſt gefunden werden. Der Teich rohrſaͤnger niſtet oft ganz in der Nahe des Sumpfrohrſaͤngers, zuweilen auf demſelben Graben, dieſer dann jedoch ſtets am Ufer neben dem Waſſer, je⸗ ner aber allemal im Graben uͤber dem Waſſer; umgekehrt faͤllt es nie vor. — Das Neſt ſteht meiſtens zwifchen ein bis drei Fuß hoch vom Boden, ſelten der Erde naher und, fo viel ich von glaubwuͤr— digen Perſonen erfahren konnte, niemals unmittelbar auf dem Erd— boden felbft. *) Die Bauart iſt denen andrer Rohrſaͤnger aͤhnlich; am Boden naͤmlich groͤßtentheils frei, ohne Unterſtuͤtzung, iſt es ſo zwiſchen Rohr- und andere Pflanzenſtengel, ſtarke Grashalme und duͤnne, aufrechtſtehende Baumzweige befeſtigt, daß dieſe das gleich— ſam ſchwebende Neſt nur an ſeinen Seitenwaͤnden durchbohren, wo die Materialien deſſelben ſo feſt um dieſe gewickelt und wieder mit den Waͤnden verwebt ſind, daß es nicht hinabgleiten kann. An den rauhen und beblaͤtterten Stengeln der Neſſeln (Urtica divica) hält es beſonders ſehr feſt. Einmal fand ich es auch auf einem 3 Fuß hohen Eſchenbaͤumchen, oben im Gipfel, faſt ganz frei. Weil hier das darum ſtehende Gras und die einzelnen Rohrſtengel nicht hin— aufreichten, ſo konnte auch keiner mit dem Neſte verwebt werden, und ſo hing es ſehr kuͤhn an einer Seite des oben in drei zarte Gabelzweige getheilten Gipfels, an welche es, ob gleich zwei Drite theile ſeines Umfangs und der ganze Boden ohne alle Unter— ſtuͤtzung waren, wie ein Korb angehängt und gut befeſtigt war. — Alle Neſter dieſer Voͤgel, welche ich theils ſelbſt aufſuchte, theils in den Sammlungen meiner Freunde ſahe, waren von derſelben Bauart wie faſt alle Rohrſaͤngerneſter, als ſolche fogleich zu erken⸗ nen und von andern aͤhnlichen, z. B. Grasmuͤckenneſtern, auf den erſten Blick zu unterſcheiden. Uebrigens darf man fie nie tief in groͤ⸗ ßern Dickichten, ſondern naͤher dem Rande derſelben, hauptſaͤchlich ) Es wäre dies auch ganz gegen bie Art und Weiſe ſaͤmmtlicher Nohrſänger, die alle etwas Charakteriſtiſches im Neſtbau, naͤmlich in der Befeſtigung des Neſtes an ſenkrechten Pflanzenſtengeln und Zweigen haben, die dann nutzlos waͤre. — Wenn daher auch das von Schinz im I. Heft feiner Neſter und Eier der Voͤgel Deutſchl. abgebildete Neſt mit den Eiern aͤcht it, fo iſt es gewiß nicht feine Stellung les ſtebt auf dem Erdboden), oder man müßte es in dieſer Hinſicht zu den ſeltnen Ausnahmen von der Regel zäh⸗ Jen. III. Ordn. XV. Gatt. 92. Sumpf⸗Rohrſaͤnger. 643 in einzelnen kleineren Buͤſchchen, dicht am Rande der Graͤben und dergl. ſuchen. Weiß man dies erſt, ſo finden ſie ſich leicht auf, ob ſie gleich im Uebrigen nichts weniger als frei ſtehen. Die mei— ſte Schwierigkeit beim Aufſuchen iſt die große Unruhe dieſer Voͤgel; denn bald ſingt das Maͤnnchen hier, bald einige hundert Schritt abwaͤrts, und ſo treibt es ſich den Tag uͤber in einem viel groͤßern Kreiſe herum als andere aͤhnliche Arten. Merkt man ſich aber die Stelle, wo es des Nachts oder am fruͤhen Morgen ſang, dann findet man auch bald das Neil. Das Neſt iſt von kuͤnſtlicher Bauart, mehr aber wegen ſeiner Befeſtigung an den Traͤgern, als des Gewebes wegen, was eben nicht ſehr dicht iſt. Es iſt aͤußerlich von einer etwas hohen Form, weil es einen ſehr dicken Boden hat, gleicht aber in dieſer Hinſicht lange noch nicht dem niedrigſten des Teichrohrſaͤngers, uͤber— trifft darin aber wieder jedes Grasmuͤckenneſt bei weitem. Es aͤh— nelt vollkommen dem Neſte des Buſchrohrſaͤng ers, iſt aber dichter gebauet und ſeine Farbe dunkler oder grauer, auch iſt es glatter von außen. Die Aushoͤhlung iſt fo tief wie bei jedem an— dern Rohrſaͤngerneſte, niedlich gerundet, und der obere Rand ein— waͤrts gebogen. — Die Materialien find meiſtens trockne Blaͤt— ter und Halme von feinen Graͤſern, zum Theil mit den Rispen, mit untermiſchten Baſtfaſern von Neſſeln und andern Pflanzen, auch manchmal mit Inſektengeſpinſt vermengt, und alles iſt ziem—⸗ lich gut durcheinander geflochten und zum Theil wie zuſammen ge— kleiſtert. Inwendig iſt es mit ſehr feinen Haͤlmchen und einer ziemlichen Menge Pferdehaaren ausgelegt. Die Eier, deren man meiſtens vier und fuͤnf, ſeltner ſechs in einem Neſte findet, ſind ſtets etwas größer als die des Teichrohrſaͤngers und meiſtens von einer mehr laͤnglichten, ſehr niedlichen Eiform. Kuͤrzer gez formte, daher denen des letztgenannten Vogels aͤhnlichere gehoͤren hier eben ſo zu den Ausnahmen, wie bei jenem die laͤnglichten. Sie haben eine zarte Schale, welche glatt aber nicht glaͤnzend iſt, und ſind auch hinſichtlich der Farbe und Zeichnungen von den Eiern deſſelben leicht zu unterſcheiden, indem ſie ſtets heller oder weißer ausſehen. Der Grund iſt ſchoͤn blaͤulichweiß und ſpielt nur bei den dichter gefleckten ein wenig ins Grünliche, wird aber durch unges mein feine graue Puͤnktchen etwas getruͤbt; außer dieſen gibt es nun auf denſelben noch groͤßere Punkte und zum Theil große Flecke von einem ſchoͤnen Aſchgrau, andere von oliven- oder umbrabrau⸗ ner Farbe, und endlich noch in dieſen hin und wieder braunſchwarze 644 III. Ordn. XV. Gatt. 92. Sumpf: Roprfänger. Punkte oder Strichelchen. Manche haben nur ſehr wenig vom Braun, und die großen aſchgrauen Flecke ſind dann zuweilen, Augen aͤhnlich, in der Mitte mit einem ſchwaͤrzlichbraunen Tuͤpfel vertieft; andere haben bloß am ſtumpfen Ende olivenbraune und ſchwaͤrzliche Punkte; uͤbrigens einzelne große graue Flecke; wieder andere ſind, außer den aſchgrauen Flecken, mit einer unſaͤglichen Menge braus ner Pünktchen uͤberſaͤet und bloß am dicken Ende mit großen brau- nen, in der Mitte viel dunkleren Flecken bezeichnet; noch andere find über und über mit aſchgrauen und olivenbraunen Flecken be— zeichnet, aber die meiſten der letztern haben in ihrer Mitte einen dunkleren Punkt; endlich giebt es welche, wo die Flecke von beiden Farben ſo groß und haͤufig ſind, daß ſie am ſtumpfen Ende eine marmorartige Zeichnung bilden; dies ſind die dunkelſten, die zu— erſt beſchriebenen die hellſten, alle Verſchiedenheiten aber ſtets von denen des Teichrohrſaͤngers durch einen viel hellern, weißern Grund, durch die hellaſchgrauen Flecke und die oft Augen aͤhnliche Zeichnung derſelben ſehr leicht zu unterſcheiden. Ueberhaupt iſt es etwas Charakteriſtiſches, was dieſe Eier von allen aͤhnlichen ſehr auszeichnet, was ſowol in der Form, wie in der Farbe u. ſ. w. liegt, was ſich aber ohne zu große Weitlaͤufigkeit nicht beſchreiben laͤßt. — Eine kranzaͤhnliche Anhaͤufung der Flecke am ſtumpfen Ende findet man bei dieſen Eiern nicht, wol aber ſind hier die Fle— cke bei den meiſten haͤufiger, als am entgegen geſetzten ſpitzen Ende. Die Mehrzahl hat ſtets nur wenige, aber dann deſto groͤßere Flecke. u Beide Gatten brüten abwechſelnd, doch fist das Männchen nur einige Stunden am Tage, das Weibchen aber die uͤbrige Zeit über den Eiern, und nach dreizehn Tagen ſchluͤpfen die Jungen aus. Sie ſind beim Bau des Neſtes faſt ſo ſcheu wie die Grasmuͤcken und laſſen ihn, wenn ſie einen Menſchen in der Naͤhe deſſelben her— umſchleichen ſahen, fogleich liegen, ſelbſt wenn er ſchon ganz vol: lendet waͤre. Die Eier verlaſſen ſie auch leicht, wenn man ſich nur irgend unbehutſam dabei benommen hat, weniger die Jungen, die aber dann, ſobald fie nur maͤßig mit Federn bedeckt find, ſich fort⸗ machen. Wenn dieſe auch nur erſt nothduͤrftig ihre kleinen Flug⸗ werkzeuge gebrauchen koͤnnen, ſo entſchluͤpfen ſie doch ihren Fein⸗ den leicht im Gebuͤſch durch Behendigkeit im Kriechen und An— klammern, worin fie geborne Meifter find. Sie haben eine quaͤ⸗ kende Stimme, welche man von ihnen hört, ſobald fie das Neſt ver: laſſen haben, bis fie ſich ſelbſt naͤhren koͤnnen; fie ſchreien aber nur III. Ordn. XV. Gatt. 92. Sumpf⸗Rohrſaͤnger. 645 wenn ſie ſich ſicher glauben. Vor der Mitte des Juli giebt es nie fluͤgge Junge; denn dieſe Voͤgel niſten, wie alle uͤbrigen Rohrſaͤn⸗ ger, ſehr ſpaͤt, daher auch nur Einmal im Jahr. Im Jahr 1819 fand ich erſt in der letzten Woche des Juni Eier, und ein Paͤaͤrchen, dem das erſte Neſt, doch ehe Eier darin lagen, zerſtoͤhrt worden war, hatte den letzten dieſes Monats wieder ein fertiges Neſt, aber noch kein Ei. Wird ihnen das Neſt mit den Eiern zerſtoͤhrt, ſo bauen ſie in e Jahr keins wieder. Feinde. Weil ſich dieſe Vögel öfter als andere von ihren Familien⸗ verwandten auf dem Freien zeigen, ſo wird nicht ſelten einer die Beute des Sperbers. Sonſt hat ihre Brut noch arge Feinde an den kleinern Raubthieren, an Iltiſſen und Wieſeln, die an den Ufern der Graben und Gewaͤſſer fo gern ihren Raͤubereien nach gehen; auch zerſtoͤhren in den Gaͤrten und bei den Gehoͤften die Katzen viel Neſter und fangen die eben ausgeflogenen Jungen, ſelbſt zuweilen einen Alten von dem Neſte weg. Die Elſtern zerſtoͤhren auch manches Neſt; ſelbſt die Würger fangen bei Re⸗ genwetter manmal ein ermattetes Junges, oder ſchleppen ſie aus dem Neſte. Wahrſcheinlich bedient ſich auch der Kuckuk ihrer als Pflegeaͤltern für fein Junges, worüber ich jedoch nichts mit Ges wißheit erfahren konnte. In den Marſchen zertritt auch das weis dende Vieh manches Neſt, andere werden beim Heumachen oder beim Abbringen des Rapſes von den Leuten, wenn auch nicht gerade abſichtlich, zerſtoͤhrt, und ſo ſtehet ihrer groͤßern Vermehrung manches im Wege, was bei den Voͤgeln, die uͤber dem Waſſer oder im Sumpfe niſten, wegfaͤllt; ihnen drohet manche Gefahr, die ſelbſt andere kleine Saͤnger, 1 im dichten a Kg richt kennen. Jagd. 5 Es ſind liſtige Voͤgel, die nur da, wo ſie ſich keinen Verfol⸗ gungen ausgeſetzt ſehen und an ihren Brutoͤrtern zutraulicher gegen die Menſchen werden; denn auf ihren Wanderungen habe ich ſie, beſonders wenn ſie merken, daß es auf ſie abgeſehen iſt, oftmals ſcheu gefunden, zumal wenn man ſchon einmal nach ihnen ſchoß und fehlte. Sie verbergen ſich dann fo lange wie möglich in einer dich— ten Baumkrone, bis ſie die Gelegenheit wahrnehmen, auf der ent⸗ gegengeſetzten Seite unbemerkt ſich fortzumachen, wo ſie oft weit 646 III. Or dn. XV. Gatt. 92. Sumpf⸗Rohrſaͤnger. wegfliegen. Sie find daher hier nicht leicht zu ſchießen; eher je⸗ doch mit der Flinte als mit dem Blaſerohr. Sie ſind jederzeit wo nicht unruhiger, doch weit e als die Teichrohrſaͤn⸗ ger und auch ſcheuer als dieſe. Zu fangen ſind ſie auf eben dieſe Art wie die Teſchre hug ne ger. Mit den bei dieſen angefuͤhrten, mit Schlingen verſehenen, horizontal hingeſtellten Stöden wollte es mir jedoch nur im Ge⸗ buͤſche, nicht aber uͤber dem Waſſer gelingen. Als ich die Buͤſche, auf deren obern Spitzen fie oͤfters ſaßen, mir gemerkt hatte, brach—⸗ te ich jene Dohnen dorthin und fing fie ſehr bald darin. — Auf ſolchen Stoͤcken, Stauden, Pfaͤhlen und dergl., wo man das ſin— gende ‚Männchen, oft ſitzen ſieht, kann man es in Schlingen oder mit Leimruthen ſehr leicht fangen. Sie gehen auch in Netzfallen nach lebenden Inſekten oder Mehlwuͤrmern, beſonders bei kuͤhler regnichter Witterung, und im Herbſt zuweilen in die Sprenkel nach Hohlunderbeeren, beſonders wenn man ſie nahe an das Ufer geſtellt hatte. Hat man nahe am Waſſer einen e ed ſo faͤngt man 15 da auch manchmal zufällig. 1 R Sen ene Nutzen. Ä Durch Bertilgung einer unzähligen Menge, fuͤr Menſchen und Vieh laͤſtiger und ſie plagender Inſekten nuͤtzen ſie gar ſehr; auch iſt ihr Fleiſch fo wohlſchmeckend wie das andrer kleinen In⸗ ſektenvoͤgel, es koͤmmt aber, wie billig, bloß zufällig und ſehr fel- ten enmal in die Kuͤche. Ihr vortrefflicher Geſang macht ſie fuͤr die Bewohner waſſerreicher Gegenden ſehr ſchaͤtzbar, indem ſie da⸗ mit das wenige Buſchwerk daſelbſt beleben und Manchen auch in der ſtillen Nacht damit erfreuen. Auch dem Liebhaber, welcher ſich die Muͤhe geben und ein fingendes Männchen im Kaͤfig unterhalten wollte, muͤßte diefer Geſang einen hohen Genuß gewähren. Schaden. 7 Voͤgel nuͤtzen bloß, ſchaden uns aber auf keinerlei wee. 900 B A 15 be eN ng. Im Anfange dieſer Beſchreibung wurde erwähnt, daß ich den von meinem Vater in der erſten Ausgabe dieſes Werks 1. S. 227 beſchriebenen und Taf. 46. Fig. 105 abgebildeten Vogel für nicht hierher gehörig, d. h. für keine Syl- via palustris hielt. Was mich zu dieſer Meinung berechtigt, iſt folgendes: 1) war jener Vogel viel kleiner als alle jungen Derbitvögel von der wahren S. pa- lustris, welche ich ſeitdem in den Haͤnden hatte; 2) fein Schnabel um vieles kürzer und ſchwächer; 3) die Farbe an den obern Theilen viel dunkler und gruͤ⸗ III. Ordn. XV. Gatt. 647 ner, als fie jemals bei den jungen Sumpfrohrſaͤngern angetroffen wird, dabei zog fie ſich an der Halswurzel fo weit vorwärts nach dem Kropfe zu, wie nie bei die⸗ ſen; 4) war der Augenſtreif viel laͤnger (er reichte bis ans Genick), hinterwaͤrts viel breiter, daher ungleich auffallender. — Mein Vater fing dieſen kleinen nied⸗ lichen Vogel vor vielen Jahren einmal zu Anfang des Octobers auf dem Vogels heerde, ſetzte ihn in einen Vogelbauer und ließ ihn von mir nach dem Leben ma⸗ len, worauf er ihn, nachdem er auch die Maaße und jene kurze Beſchreibung ents nommen, die Freiheit wiederſchenkte. Die Abbildung, welche ich im Original noch zegt beſitze, war für meine damalige Fertigkeit in der Kunſt ganz vorzüglich gelun- gen und aͤußerſt naturgetreu, auch iſt mir das vor mir im Bauer herumſpringende Voͤgelchen noch in fo lebhafter Erinnerung, daß ich, fo oft ich nach der Zeit eine wirkliche 8. palustris erhielt, meine Zweifel nicht bergen konnte, ja jetzt, da ich dieſe in jedem Alter kenne, ſogar feſt behaupten kann, daß jenes Voͤgelchen keine S. palustris war. — Allem Anſehen nach gehört es zu einer andern Art, und, wie ich vermuthe, als junger Vogel zur Bechſteinſchen Sylvia nigrifrons, eine fuͤr Deutſchland ſo ſeltne Rohrſaͤngerart, die ich mir, aller angewandten Muͤhe ungeachtet, noch nicht habe verſchaffen koͤnnen. Die Zeit wird auch hieruͤber end⸗ lich Lufſchluß geben. 648 | 98. Der Schilf⸗Rohrſänger. Sylvia phragmitis. Bechst. Taf. 82. Fig. 1. Männchen. ! Schilfſaͤnger, Uferſchilfſaͤnger, Rohrſaͤnger, gefleckter Rohr⸗ ſaͤnger, Rohrſchmaͤtzer, kleinſter Rohrſchirf, Rohrſperling, Waf: ſer- oder Bruchweißkehlchen, Weiderich, bunter oder gefleckter Weiderich, olivenbrauner Spitzkopf. Sylvia phragmitis. Bechſtei n. Gem. Naturg. Deutſchl. Tte Aufl. III. S. 633, — Deffen orn. Daſchenb. I. S. 186. n. 20.= Sylvia schonobaenus. Nilsson Orn, suec. I. p. 223. n. 107. = Motaeilla schönobaenus. Linn. faun. Suec. p. 89. n. 246. — Retzii faun. Suec. p. 253, n. 234. = Acrocephalus phragmitis. Naumanns Bögel, alte Ausg. Nachtr. S. 202. == Muscipe- ia phragmitis. Koch. Baier. Zool. I. 8. 163. n. 85. = Bec- fin phrag- znite. Temminck, Man. d’orn, nouv. Ed. p. 189. — Sedge Warbler. Lath. syn. IV. p. 430. n. 21. = Id. Suppl. p. 180. — Ueberſ. v. Bechſtein, IV. S. 431. u. 21. = Bogrush Warbler. Penn, arct. Zool. II. p. 419. = Id. Britt. Zool. I. p. 381. n. 155. — Enkele Karrakiet. ‚Sepp. Nederl. Vog. II. b. 53. p. 98. (Bloß die obere Figur, die welche links ſteht, ſcheint zu S. cariceti zu gehören.) — Meyer u. Wolf Taſchenb. I. S. 234. - Meisner und Schinz, V. d. Schweiß. S. 113. n. 117. — Meyer Voͤgel Liv⸗ und Eſth⸗ lands. S. 117. - Naumanns Vögel. alte Ausg. I. S. 231. Taf. 47. Fig. 107. > Kennzeichen werten Der Scheitel hell olivenbraun mit ſchwarzbraunen Flecken, der Oberleib matt olivenbraun, am Oberruͤcken dunkelbraun ges fleckt; der Buͤrzel mit Roſtfarbe uͤberlaufen und ungefleckt; die hintern Schwungfedern lichter geſaͤumt als die uͤbrigen; ein Streif uͤber dem Auge und die ganze untere Seite des Vogels roſtgelblichweiß, ohne Flecke. Junger Vogel: Am Kropfe mit einigen obſoleten dun⸗ keln Flecken. \ III. Ordn. XV. Gatt. 93. Schilf-Rohrfänger. 649 Beifſchrei bun g. Dieſer Rohrſaͤnger unterſcheidet ſich vom Teich- und Sumpfrohrſaͤnger durch feine geringere Größe und den dun— kelgefleckten Oberkoͤrper von den beiden zunaͤchſtfolgenden, dem Seggen- und Binſenrohrſaͤnger, faſt im umgekehrten Verhaͤltniß; denn er iſt groͤßer als ſie, die dunkeln Flecke auf dem Oberruͤcken ſind niemals ſo dunkel und von der Grundfarbe ſo ab— ſtechend, der lichte Streif uͤber die Mitte des Scheitels, der Laͤnge nach, fehlt ihm, der Schwanz iſt viel runder und nicht ſo ſpitz, der Schnabel laͤnger, geſtreckter und groͤßer, auch die Fuͤße ſind ſtaͤrker. Sieht man ihn neben den andern, fo fallen alle dieſe Un⸗ terſchiede deutlich in die Augen; hat man ihn aber einzeln, ſo wird es dem Ungeuͤbten nicht ſo leicht. Ich hoffe indeſſen, daß die hier aufgeſtellten Artkennzeichen, wie die treu nach der lebendigen Na— tur entworfenen Beſchreibungen und Abbildungen, die Arten dieſer kritiſchen Familie der Saͤngergattung hinlaͤnglich charakteriſiren wer⸗ den. In der Größe aͤhnelt er fo ziemlich der Sylvia Hypolais, auch an Geſtalt und Schnabelform, nicht aber in Hinſicht der Form der Schwung und Schwanzfedern, noch weniger in der Farbe. Er iſt 55 Zoll lang, 87 Zoll breit, und die Länge des Fluͤgels, vom Bug bis zur beträgt 2 Zoll 10 Linien. Der ſtark abge: rundete Schwanz iſt 25 Zoll lang, feine Federn nehmen aber nach außen an Laͤnge ab, 5 die aͤußerſte iſt 35 Linien kuͤrzer als eine der mittelſten; ſeine Federn ſind weich, gleieh breit und am En⸗ de ſtark zugerundet. Die ruhenden Fluͤgel decken die Haͤlfte des Schwanzes. | Der dünne geſtreckte Schnabel iſt, im Vergleich mit ähnlichen Arten, etwas groß, über 9% Linien lang, an der Wurzel 25 Li⸗ nien breit, aber nur 2 Linien hoch. Der Oberkiefer hat vor der Stirn eine merkliche Ruͤckenkante und dicht vor der ein wenig ab⸗ waͤrts gebogenen Spitze einen ſehr ſeichten kleinen Ausſchnitt; uͤbri⸗ gens iſt er im Ganzen pfriemenfoͤrmig ſpitz und nach vorn von bei⸗ den Seiten ein wenig zuſammengedruͤckt. Von Farbe iſt er oben und an der Spitze braunſchwarz, an den Schneiden und an der Wur⸗ zelhaͤlfte der Unterkinnlade licht rothgelblich, die Mundwinkel etwas aufgeſchwollen, orangefarben, und der Rachen nebſt der Zunge hell rothgelb. Das ovale Naſenloch liegt in einer großen haͤuti— gen Vertiefung und hat von oben einen etwas vorſtehenden haͤuti⸗ 650 III. Ordn. XV. Gatt. 93. Shilf-Rohrfänger. gen Rand. Die Barthaare Bon den Mundwinkeln find ſehr fein; die Iris hellbraun. Die Fuͤße ſind etwas turk, die Nun groß, duͤnn, nadel— ſpitz und in einen flachen Bogen gekruͤmmt, die Bedeckung des Laufs nur vorn ſeicht eingeſchnitten und in große Tafeln getheilt, die Zehen oben geſchildert, unten feinwarzig; die Hoͤhe des Laufs 10 Linien; die Laͤnge der Mittelzeh, ohne Nagel, 6 Linien, und dieſer 8 Linien; die der Hinterzeh, ohne den über 35 Linien langen Nagel, 4 Linien. Die Farbe der Füße iſt, im Leben, eine ſchmu⸗ tzige, gelbliche Fleiſchfarbe, die an den Zehen dunkler iſt als oben, die Sohlen gelb, die Nagel dunkel roͤthlichgrau mit braunen Spi— en. Im Tode, beſonders am ausgeſtopften Vogel, wird die Far: be der Fuͤße ſchmutziger, dunkler und naͤhert ſich oft dem Bleigrauen, von welcher Farbe man aber am lebenden Vogel keine Spur ſiehet. Vom Schnabel ziehet ſich uͤber jedes Auge bis ans Genick ein heller gelblichweißer Streif; Zuͤgel und Wangen ſind braun, letztere gelblich und weißlich gemiſcht, beſonders unterwaͤrts; die Kehle weiß, an den Seiten roſtgelblich uͤberflogen; Bruſt und Bauch truͤbweiß, an der Oberbruſt mit roſtgelbem Anfluge, welcher in den Weichen ſehr ſtark wird; die Schenkel blaß roſtgelb; die lan— gen untern Schwanzdeckfedern blaß gelbbraͤunlich, mit ſehr großen gelblichweißen Enden. Der Scheitel, Nacken, Hinterhals, Schul— tern und Oberrüden find braͤunlich olivenfarben oder matt oliven⸗ braun, mit dunkelbraunen Flecken, welche auf der Mitte je— der Feder ſtehen, am Scheitel ſehr dunkel oder ſchwarz— braun und uͤber der weißen Augenſtreife ſo gehaͤuft ſind, daß ſie dieſe in Geſtalt eines ſchwarzbraunen Streifens begrenzen, am Nacken aber ſehr blaß und klein, am Oberruͤcken dagegen wieder dunkler und viel groͤßer werden, doch aber an ihren Raͤndern mit der Grundfarbe verſchmelzen und daher nicht ſehr in die Augen fallen, beſonders weil fie auch viel bläffer als die auf dem Scheitel ſind. Unterruͤcken und Steiß ſind ſtark mit gelblicher Roſtfarbe uͤberlaufen, fo, daß dieſe die Olivenfarbe faſt verdraͤngt, aber oh⸗ ne Flecke. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind braun, mit lichtern Kanten, alle groͤßern nebſt den Schwungfedern dritter Ordnung ſchwarzbraun, mit hellolivenbraunen Kanten, welche in braͤunlich— weiße Raͤndchen übergehen; die großen Schwingen, nebſt ihren Deckfedern, matt dunkelbraun, mit feinen lichtbraͤunlichen Saͤum⸗ chen, die vorderſte Schwinge mit einem braͤunlichweißen Außenran⸗ \ III. Ordn. XV. Gatt. 93. Shilf:Robrfänger. 651 rande; die Schwanzfedern, wie die Schwingen, matt dunkelbraun, mit lichtolivenbraunen Einfaſſungen, die der aͤußerſten merklich hel⸗ ler oder weißbraͤunlich. An der Unterſeite ſind Schwanz und Fluͤgel braungrau, die untern Deckfedern der letztern trüb roſtgelb⸗ lichweiß, grau gemiſcht oder undeutlich gefleckt. Die Saͤume der hintern Schwungfedern ſind immer lichter als andere Federſaͤume an den obern Theilen. — Bei ſehr al⸗ ten Voͤgeln ſind ſie pſenders ſehr deutlich und fallen ſchon von weiten auf. Maͤnnchen und W gihchen ſind einander ſo aͤhnlich, Ha fie ſich ihrem Aeußern nach nicht gut unterſcheiden laſſen; das letz⸗ tere iſt bloß ein wenig kleiner und von Farbe blaͤſſer als das er⸗ ſtere. Zwiſchen dem Fruͤhlings- und Herbſtkleide iſt auch nur ein geringer Unterſchied; wegen der Friſche des Gefieders ſind naͤmlich an dieſen die Farben bloß etwas lebhafter oder vielmehr dunkler, die Federraͤnder noch nicht abgerieben, daher breiter, wes— wegen man von den Ruͤckenflecken nur wenig ſiehet, erhängt die obern Theile gruͤnlicher, die untern gelber als im Fruͤhlinge, wenn ſich das Gefieder abgenutzt hat, und die Farben bleicher geworden ſind. Beide Geſchlechter ſind im Herbſte eben 0 ſchwer zu Auer ſcheiden. Die Jungen im Neſtgefteder haben faſt ganz dieſelbe Far⸗ be und Zeichnung, weichen aber doch etwas ab; der Dberruden iſt naͤmlich viel dunkler gefleckt als der ihrer tene dieſe Flecke ſind kleiner, von der Grundfarbe ſchaͤrfer abgeſondert und laͤng⸗ lichoval, faſt wie die am Rüden des Buſchrohrſaͤngers; die roſtgelbe Farbe an den Augenſtreifen, den Seiten der Kehle, des Halſes, der Bruſt und am Kropfe iſt viel ſtaͤrker aufgetragen, und an der Gurgel in der Kropfgegend ſtehen kleine, muſchelartige oder dreieckige, bleichgraue Fleckchen, welche aber nur an manchen Exem⸗ plaren deutlich in die Augen fallen. Sie haben dazu rothe Mund— winkel, hellgraubraune Augenſterne, bleich fleiſchfarbige Füße mit ſchwefelgelben Sohlen. Einen ſtandhaften Unterſchied zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen habe ich nicht finden koͤnnen. Die alten Voͤgel mauſern im Auguſt, die jungen ſpaͤter, und man findet ſogar einzelne, die im Anfange des Octobers ſich noch nicht ganz gemauſert haben. Es ſind dies meiſtens junge Voͤgel aus einer ſpaͤten Hecke; ihre auffallend geringere Groͤße, die ſich auch an dem viel kleinern und kuͤrzern Schnabel zeigt, giebt ihnen 652 I, Ordn. XV. Gatt. 98. Schilf⸗Rohrſanger. ein eigenes Anſehen, wodurch ein Unkundiger ſich wol verleiten laſ⸗ ſen koͤnnte, ſie fuͤr eine beſondere Art zu halten. Aufenthalt. Der Schilfſaͤnger iſt über ganz Eu ropa verbreitet, nur nicht uͤber den hohen Norden; er geht aber hoͤher hinauf als irgend ein anderer bekannter Rohrſaͤnger, von welchen wol nicht leicht ei— ner, wie dieſer, noch über den 63. Grad N. B. einzeln geſehen wird.) Im mittleren Schweden hat man ihn auch bemerkt; in Liv⸗ und Eſthland iſt er gemein, fo auch in England und in manchen Gegenden Frankreichs. In der Schweitz ſoll er ſelten ſein; allein in Holland trifft man ihn ungemein haͤufig, fo wie in den Marſchlaͤndern und in allen fumpfigen Gegenden Deutſchlands. Nur in den gebirgigen Strichen unſeres Va— terlands iſt er ſelten, ſonſt trifft man ihn, wenigſtens auf ſeinen periodiſchen Wanderungen, uͤberall an, und hier in Anhalt und den angrenzenden Laͤndern iſt er beinahe fo gemein wie der Teich⸗ rohrſaͤnger. In den holſteinſchen Marſchen iſt er ſehr haͤufig. N Er iſt ebenfals ein Zugvogel, welcher einzeln und des Nachts zieht, bloß im Sommer bei uns bleibt und gegen den Herbſt familienweis wegwandert, doch auf der Reiſe ſich bald wie- der vereinzelt. Im Fruͤhjahr bemerkt man manchmal eines Tags eine Menge dieſer Voͤgel in demſelben Bruche, in welchem man am vorigen Tage kaum einen einzelnen geſehen hatte; aber alle ſind über eine große Fläche zerſtreuet, fo daß man daraus abnehmen kann, daß zwar viele in einer Nacht denſelben Strich wandern, ſich jedoch auf der Reiſe nicht in engere Geſellſchaften, wie viel andere am Tage ziehende Voͤgel, vereinigen und zuſammenhalten moͤgen, wie man daſſelbe auch von den Rothkehlchen oͤfters bemerkt hat. Unter ſeinen Familienverwandten verweilt er am laͤngſten unter un⸗ ſerem Himmelsſtriche; er koͤmmt naͤmlich gegen das Ende des Aprils bei uns an, doch dauert der Durchzug einzelner bis nach der Mitte des Maies, und verlaͤßt uns im September und October ) Mein Freund Boie fand ihn auf feiner Reiſe in Norwegen ſogar noch unter dem 68. Grad N. B. in den wild romantiſchen Umgebungen des Ho⸗ ſes Reine, wo der felfige Boden kein Kraut hervorbrachte, unter Tauſenden von Stockfiſchen, die hier zum Trocknen über dem nackten Geſtein aufgehaͤngt waren. a l III. Ordn. XV. Gatt. 98. Schilf⸗Rohrfaͤnger. 653 wieder, ſo daß man ſelbſt zuweilen Anfang Novembers noch ein⸗ zelne ſieht; demnach gehet alſo der Durchzug im Fruͤhlinge in kuͤr— zerer Zeit voruͤber als im Herbſt. Sobald ſich Nachtfroͤſte einſtel⸗ len, wandern fie alle weg, und keiner bleibt im Winter, wenn die ſer auch noch ſo gelinde waͤr, bei uns. Nicht die Waͤlder, ſondern die Ufer der Gewaͤſſer und die Suͤmpfe bewohnt dieſer Vogel. Waſſer oder wenigſtens naſſer Bo⸗ den duͤrfen an ſeinem Aufenthaltsorte nicht fehlen, ſelbſt wenn er ſich auch bloß auf dem Zuge befaͤnde. Im trocknen Gebuͤſch ſieht man ihn nie, daher iſt er auch in Gebirgslaͤndern ſo ſelten; auch wird man ihn niemals tief im Walde antreffen. Die Nadelwaͤlder beſucht er ſo wenig wie irgend ein anderer Rohrſaͤnger. Soll er laͤnger im Gebuͤſch verweilen, was ſelbſt in der Zugzeit einige Tage ſein kann, ſo muß dies am Waſſer ſtehen oder unten ſumpfigen Boden haben. Er beſucht das höhere Gebuͤſch aber bloß auf ſei⸗ nen Wanderungen, die uͤbrige Zeit lebt er in den Suͤmpfen, wo nur wenig niedriges Seilweidengebuͤſch waͤchſt. Bei den Rohrteichen, an Landſeen und Fluͤſſen ſieht man ihn auch bloß in der Zugzeit, wo er auch die kleinſten nicht verſchmaͤhet, ſelbſt die mit Waſſer⸗ graͤben umgebenen Baumgaͤrten beſucht und da bald im Geſtruͤpp oder in dichten Hecken, bald an den todten Zaͤunen, doch wo moͤg— lich immer am Waſſer entlang, ſich herum treibt. Da wo das ei: gentliche Rohr (Arundo Phragmitis) haufig waͤchſt und dichte Waͤl⸗ der bildet, ſieht man ihn ebenfalls bloß in der Zugzeit; denn dieſe Pflanze iſt ihm zuwider, und er iſt, wenn es irgend ſein kann, lie— ber im Schilfe, beſonders in den niedrigern Arten. Trifft man ihn daher im Fruͤhjahr auf großen Rohrteichen an, ſo iſt es immer mehr am Rande und an den Seiten, wo dieſe wachſen und zum Theil mit Weidengeſtraͤuch vermiſcht ſind, beſonders wo unter dieſen alte Rohrſtorzen, Schilf und Binſen vom vorigen Jahr mit den jungen Schoͤßlingen dieſer Pflanzen ein wildes Gewirre, einem Verhau aͤhnlich, bilden. Buͤſche, welche die hohen Seggearten als: Carex riparia, C. paludosa, C. acuta, C. ampullacea u. a. Scirpus maritimus, die großen Teichbinſen (Scirpus lacustris)), die Blumenbinſen (Butomus umbellatus) und andere ähnliche ſchmal⸗ blätterige Sumpfpflanzen bilden, find feine Lieblingsplaͤtze. Wo daher in großen Suͤmpfen und Moraͤſten dieſe Pflanzen große Flaͤ⸗ chen überziehen, aus dieſen aber hin und wieder niedrige Seilwei⸗ denbuͤſche und Stauden der hohen Wolfsmilch (Euphorbia palus- tris) hervorragen, da iſt auch dieſer Vogel im Sommer gewiß an⸗ 1 654 III. Ordn. XV. Gatt. 93. Schilf⸗Rohrſaͤnger. zutreffen. Nicht weit von meinem Wohnorte entlegene fo be⸗ ſchaffene Bruͤcher bewohnt er alljaͤhrlich in großer Menge, beſonders wird man ihn da an den hin und wieder mit niedrigem Weidenge— ſtraͤuch bewachſenen tiefen Graben, die jene Suͤmpfe vielfach durch⸗ ſchneiden, im Sommer niemals vergeblich ſuchen. Er iſt um dieſe Jahreszeit aber nie an ſolchen Orten, welche dann der Teich- rohrfänger bewohnt; eben fo iſt es auch umgekehrt mit dieſem. In den Marſchlaͤndern wohnt er auf den Feldern, wo die Waſſergraͤben kein hohes dichtes Rohr haben, was jenem einen Aufenthalt gewaͤhren koͤnnte, ſondern wo bloß niedrige Schilfarten, Binſen und dergl. wachſen, und wo die Graͤben wirklichen Sumpf und ſchilfige Stellen oder wirkliche Wieſen durchſchneiden. — In ſolchen Bruͤchern, wie die in meiner Naͤhe ſind, wo gegen Ende des Sommers oder im Herbſt die hohen Riedgraͤſer und Seggen— ſchilfarten abgemaͤhet und zum Futter oder zur Streu fuͤr das Vieh benutzt werden, findet er feine Lieblingsorte, dieſe großen mora= ſtigen Seggengefilde, im Fruͤhjahr bei ſeiner Ankunft noch ziemlich kahl; er ſucht ſich daher in den alten Stoppeln und den dazwiſchen aufkeimenden noch kurzen, jungen Riedgraͤſern, die im Moraſte meiſtentheils einzelne abgeſonderte Buͤſchel oder kleine Inſelchen, die ſogenannten Kufen (Kupen, Kaupen oder Pulten) bilden, zu verbergen, wo man ihn aber erſt beim Herausfliegen gewahr wird. Sind ſolche Gegenden aber gar noch unter Waſſer, ſo muß man ihn an den Raͤndern der Waͤlle und Daͤmme im Weidengeſtraͤuch oder auf den Kopfweiden in der Nähe jener aufſuchen, wo einzelne, mit altem Rohr und Schilf vermiſchte Seilweidenbuͤſche oft ihrer viel, zuweilen fuͤr laͤngere Zeit beherbergen muͤſſen. Noch mehre⸗ re und auch andere Arten dieſer Familie findet man da beiſam⸗ men, wo man mitten in einem ſolchen kahl geſchornen Bruche ei- ne einzelne Seggenwieſe im Herbſt nicht gemaͤhet hatte, wo alſo im Fruͤhjahr das alte Seggenſchilf noch ſtehet, was ſich nun nieder: gebogen hat, worin alſo dieſe Voͤgel den gewuͤnſchten Schutz fin⸗ den. Auch im Herbſt wimmelt es an ſolchen Platzen nicht allein von unzaͤhligen Rohrſaͤngern, ſondern auch von kleinen Rohrhuͤh— nern und andern Sumpf- oder Waſſervoͤgeln; fie find daher fur den jagenden Naturforſcher von hoͤchſter Wichtigkeit. 15 Auf hohen Baͤumen ſieht man den Schilfſaͤnger nie, Kopf⸗ weiden ſind die hoͤchſten, welche er beſteigt, ſelbſt im Weidengeſtraͤuch und im Rohr muß man ihn immer unterhalb ſuchen. Je naͤher er dem ſumpfigen Boden fein kann, deſto lieber iſt es ihm; daher iſt III. Ordn. XV. Gatt. 95. Schilf-Rohrſaͤnger. 655 er viel lieber in den niedrigſten Schilfarten als ſonſt wo, und auch da immer nahe am Boden, ſogar ſehr häufig auf dieſem felbft. Er laͤuft ungemein gern auf dem Schlamme unter dem Geſtruͤpp der Sumpfpflanzen herum, oder klettert ganz nahe am Boden durch die— fe hin. In tiefliegenden Gegenden iſt er auch zuweilen im Getrai⸗ de, nahmentlich im Raps und Waitzen, wenn naͤmlich Waſſer dabei iſt und die Ackerſtuͤcken von Graͤben durchſchnitten ſind, in welchen es aber weder an Waſſer, noch an Schilf oder Binſen fehlen darf. Auch dieſen Vogel ſieht man in manchem Jahre weit haͤu⸗ ſiger als in einem andern. Ban e Dies iſt ein aͤußerſt behender, muntrer und froͤhlicher Vogel. Im Betragen hat er mehr Aehnlichkeit mit den folgenden, wie mit den vorherbeſchriebenen Arten dieſer Familie. Er iſt Meiſter im Durch⸗ kriechen und Durchſchluͤpfen des dichteſten Geſtruͤpps, laͤuft an Bin⸗ ſenhalmen oder Rohrſtengeln ſchnell auf und ab und auf der Er: de durch das dichteſte Pflanzengewirr mit großer Gewandtheit hin. Er hat nicht die überaus ſchlanke Geſtalt des Teichrohrſaͤngers, iſt aber deshalb doch ein angenehm gebildetes Voͤgelchen. Wenn er ſich unbemerkt glaubt, huͤpft er ganz geduckt, zieht den Hals tief zwiſchen die Schultern ein und tragt den Schwanz etwas haͤn— gend; ſtoͤßt er aber auf etwas Unerwartetes, ſo zuckt er mit dieſem ein wenig aufwärts und macht ſich dann gleich ſchlanker. ) Er ſucht ſich immer in den ſchilfigen Sumpfpflanzen oder im Gebuͤſch zu verbergen und koͤmmt ſelten aufs Freie, doch macht hiervon das Maͤnnchen während der Begattungszeit eine Ausnahme; dies zeigt ſich vielmehr oft auf freien Zweigen, auf den Spitzen hoher Pflan⸗ zen und treibt ſich unruhig in ſeinem Standrevier herum, wozu ihn meiſtens bloß Eiferſucht oder Neckereien mit ſeines Gleichen, auch wol mit andern ihm nahe wohnenden kleinen Voͤgeln, zu veranlaf- ſen ſcheinen. Auch die Neugier veranlaßt ihn haͤufig, ſich auf den — ) An meinen Garten ſtößt ein Teich, und beide trennt ein geflochtener todter Zaun mit einzelnem Geſtrauch, Schilf und etwas Rohr durchwachſen. Hinter — dieſem Zaune fand ich oft Gelegenheit, dem Leben und Weben der Rohrſaͤn⸗ ger auf ber entgegengeſetzten Seite am Waſſer unbemerkt und wenige Fuß vor meinen Augen ſtundenlang zuzuſehen, was mir manche angenehme Un⸗ terhaltung gewährte, = 656 III. Or dn. XV. Gatt. 93. Schilf-Rohrſaͤnger. Spitzen der Sumpfpflanzen oder des kleinen Seilweidengeſtraͤuchs auf einige Augenblicke umzuſehen, z. B. wenn man den Hühner- hund das Geſtruͤpp durchſuchen laͤßt, und das Geraͤuſch, was dies verurſacht, ſich ihm naͤhert; da ſieht man ihn oft an einem Binſen⸗ oder Rohrhalme und dergl. in die Hoͤhe kommen, ſich umſehen, an demſelben aber bald wieder hinabgleiten, um ſich nun unten durch das dichte Geſtruͤpp weiter zu begeben und ungeſehen in ſelbigem ſich zu verlieren. Koͤmmt man ihm ploͤtzlich ganz nahe, ſo fliegt er wol heraus, aber nie weit weg und allemal ganz niedrig, wobei er den Schwanz ſehr ausbreitet und etwas haͤngen laͤßt, im ſchnurrenden Fluge dicht über der Erde oder dem Waſſer hinſtreicht und den roſt—⸗ roͤthlichen Unterruͤcken zeigt, fo daß man ihn daran ſehr bald er= kennt. Sieht er ſich anhaltend verfolgt, ſo fliegt er noch ſeltner heraus, und wenn es geſchieht, im raſcheren, mehr huͤpfenden Flu— ge. Trifft man ihn in den Zweigen einer Reihe Kopfweiden, ſo laͤßt er ſich von einer zur andern bis auf die letzte treiben, immer in den dichten Zweigen ſich verbergend; muß er dann endlich uͤber das Freie fliegen, fo iſt fein Flug aͤußerſt unregelmäßig, bald ſchlan⸗ genfoͤrmig huͤpfend, bald ſchnurrend oder flatternd, bald aufſteigend, bald herabſchießend, wobei er ſich nicht ſelten auf dieſe oder jene Seite wirft. Kaum hat ein andrer Rohrſaͤnger einen unregelmaͤ—⸗ ßigern Flug, obgleich alle hierin Aehnlichkeit mit einander haben. — Nahet man ſich ganz ſtill einem ſumpfigen, mit kleinen Weidenbuͤ⸗ ſchen hin und wieder beſetzten Binſen- und Seggengefilde, was dieſe Voͤgel oft in Menge bewohnen, ſo hoͤrt man darin ihr Zwitſchern, ohne einen einzigen zu ſehen; verhaͤlt man ſich aber fortwaͤhrend ganz ruhig, und giebt man ganz genau Acht, ſo koͤmmt von Zeit zu Zeit einer an einem Halme heraufgeſtiegen, ſchauet einmal ins Freie und gleitet eben ſo bald an demſelben Halme wieder hinab, doch ſteigt er niemals hoͤher als gerade noͤthig iſt, das Gefilde zum Theil uͤberſehen zu koͤnnen. Aus dieſem Betra⸗ gen ergiebt ſich ihre Vorſicht und eine Art Aengſtlichkeit, die ſie je⸗ derzeit befaͤllt, wenn fie gezwungen find, ihre Dickichte zu verlaſ— fen. So koͤnnte man fie eigentlich wol ſcheu nennen, wenn ſich dem Belauſcher nicht an ihren Aufenthaltsorten Gelegenheiten, ſie zu beſchleichen oder zu uͤberraſchen, genug darboͤten. Eine andere Stimme, als einen ſchnalzenden Ton, aͤhn⸗ lich dem Lockton der Grasmuͤcken oder des Teich- und Sum pf⸗ rohrſaͤngers, und im Unwillen ein ſchnarchendes Schar, ha⸗ III. Ordn. XV. Gatt. 93. Schilf⸗Rohrſaͤnger. 657 be ich (den Geſang der Maͤnnchen und ein kreiſchendes Quaͤken in Todesnoth ausgenommen) von dieſen Voͤgeln nie gehoͤrt, ob ich ſie gleich alle Jahr in Menge beobachtet habe, weil ich ſolche Orte, wo ſie in großer Anzahl wohnen, nicht allein ihretwegen, ſon— dern um vieler anderer Voͤgel willen, alljährlich öfter beſuche. — Der Geſang des Männchen gehört unter die angenehmen Vogelge— ſaͤnge; er iſt einer der beſten unter den Voͤgeln dieſer Familie, doch ſteht er immer noch weit hinter dem des Sumpfrohrfaͤn— gers. Im ganzen Liede iſt indeſſen eine gewiſſe Aehnlichkeit mit denen andrer Rohrſaͤnger charakteriſtiſch; man hört ihn und erräth ſogleich, daß ein Rohrſaͤnger ſingt, an dem Vortrage, wie an den ſchnoͤrkelnden und ſchnarrenden Grundtoͤnen deſſelben. Er wird im ſchnellen Tempo hergeleiert, die eben erwaͤhnten Toͤne, welche dem Geſange des Teichrohrſaͤngers ſehr ähneln, werden mit ei— nem wiederholten hellen, ſtarken Pfeifen, mit einem lauten Errrrrrr und andern nicht gut zu beſchreibenden Strophen ab— gewechſelt; ganz beſonders ausgezeichnet iſt aber darin ein oͤfters wiederholter, aus der Hoͤhe um eine Tertie allmaͤhlig herabſteigender, langer, floͤtenartiger Triller, welcher laut genug iſt, um weit gehoͤrt zu werden, und ſehr angenehm klingt. In einigen Strophen bemerkt man auch eine entfernte Aehnlichkeit mit den Stimmen und Geſaͤngen der gelben Bachſtelze und der Rauch— ſchwalbe. Die Abwechſelungen find daher nicht allein viel mans nichfaltiger und durch die oft vorkommenden, floͤtenden und ſanft pfeifenden Toͤne bei weitem angenehmer, ſondern auch die Stimme viel ſtaͤrker und runder als im Geſange des Teichrohrſaͤngers, uͤber welchen er daher auch weit erhaben und manchem Grasmuͤcken⸗ geſange an die Seite zu ſtellen iſt. — Das Maͤnnchen iſt ein ſehr fleißiger Saͤnger. Es ſingt wenn es bei uns ankoͤmmt, ſelbſt ſchon auf dem Zuge, doch weniger laut und vollkommen, als nach— her am Brüteplage und gegen die Begattungszeit, alfo etwa von der Mitte des Maies an bis um Jacobi oder gegen Anfang Au⸗ guſts, wo es allmaͤhlig verſtummt. Es ſingt zu allen Tagszeiten, beſonders, wenn das Weibchen erſt ein Neſt hat oder bruͤtet, ſehr eifrig, am meiſten jedoch in der Morgendaͤmmerung oder beim Auf⸗ gang der Sonne. Auch in hellen Naͤchten hoͤrt man es oft ſehr ſchoͤn und anhaltend ſingen; zumal im Anfange der Be— gattungszeit. — Es iſt dabei nicht ſo unruhig wie der Teichrohrſaͤnger, beſonders am Brüteplage, wo es ſelbſt oft ſein ganzes Lied, was doch aus mehreren und ziemlich lan⸗ ater Theil. a 42 658 UI. Ordn. XV. Gatt. 98. Schilf⸗Rohrſäͤnger. gen Strophen beſtehet, an Einer Stelle ausſingt, ja wol noch oͤf⸗ ter wiederholt, ehe es einmal wegfliegt oder zwiſchen den Sumpf⸗ pflanzen weiter fortkriecht. Es hat da feine Lieblingsplaͤtzchen, z. B. einen Pfahl, einen niedrigen alten Baumſtrunk, die Spitze ei⸗ nes blaͤtterloſen Seilweidenzweiges, einen alten Sumpfeuphorbien⸗ ſtengel, Binſenhalm und dergl., die aber nicht hoch über andere Sumpfpflanzen hervorragen dürfen. Hier ſieht man es ſich aufblaͤ⸗ hen, mit geoͤffnetem, ſehr bewegtem Schnabel, aufgeblafener Keh— le, aufgeſtraͤubten Scheitelfedern, und mit etwas herabhaͤngendem Schwanze ſitzen und die Toͤne, wie es ſcheint, mit vieler Anſtren⸗ gung hervorbringen, nach geendetem Gefange, oder auch noch wäh rend deſſelben, bald an dem Stengel herabſteigen, bald auch im ſchwirrenden behaglichen Fluge, immer ſingend, in das nachbar— liche Dickicht der Sumpfpflanzen flattern, um ſich bald wieder auf einem aͤhnlichen freien Plaͤtzchen ſehen zu laſſen. Hier iſt das Maͤnnchen gar nicht der kriechende, verſteckt lebende Vogel, als welchen man es in der Zugzeit auf ſeinen Wanderungen hatte ken⸗ nen lernen; allein, ſobald es ſich verfolgt ſieht, zeigt es ſich auch wieder als ſolcher. Mit andern ihm zunaͤchſt wohnenden Maͤnnchen liegt es immer im Streit, ſobald eins dem andern in ſein Revier koͤmmt; auch ſeine erwaͤhnten Lieblingsſitze ſind es meiſtens auch fuͤr andere hier wohnende Voͤgel, als: gelbe Bachſtelzen, Wieſenpieper und Rohrammern, weswegen es denn auch um jene mit dieſen nicht an Hader fehlt und nicht ſelten zu Thaͤtlich⸗ keiten koͤmmt, wobei es meiſtens den Platz behauptet. In der Gefangenſchaft zeigt ſich dieſer Vogel zuweilen ziemlich wild; man muß ihm daher, ehe man ihn in einen Kaͤfig thut, die Fluͤ⸗ gel binden, und ihn ſo lange gebunden laſſen, bis er ſich an die Um⸗ gebungen gewoͤhnt hat; zuweilen gewoͤhnt er ſich auch ſehr bald. Laͤßt man ihn in die Stube fliegen, ſo iſt es meiſtens um ihn geſchehen; denn er ſtoͤßt ſich an den Fenſtern oder an der weißen Decke ſehr bald den Kopf ein. Er iſt uͤbrigens nicht ſo ſehr weichlich, daß es nicht moͤglich waͤr, ihn einige Jahr am Le⸗ ben erhalten zu koͤnnen, wenn man Muͤhe und Sorgfalt ſich nicht verdrießen laͤßt; die Hauptſchwierigkeit liegt wol in ſeinem Habhaftwerden. Gewiß wuͤrde ſich mancher Liebhaber von gezaͤhm⸗ ten Singvoͤgeln an dieſem netten Vogel und ſeinem anmuthigen Geſange erfreuen, wenn er ihn nur zu bekommen wuͤßte, was frei⸗ lich in manchen Gegenden, welche er ſelbſt auf dem Zuge nur ſelten berührt, etwas ſchwer Ba III. DOrdn. XV. Gatt. 98. Schilf⸗-Rohrſaͤnger. 659 Nahrung. Allerlei kleine Inſekten, die ſich im Schilf, Rohr und ſumpfi⸗ gem Gebuͤſch aufhalten, als: Muͤcken, Schnaken, Hafte, Phryga⸗ neen, kleine Libellen, kleine Blattkaͤfer und Donaceen, Spinnen, Fliegen, Bremen, mehrere Arten Blattlaͤuſe und ähnliche Inſek— ten dienen dieſen Voͤgeln zur Speiſe. Sie erhaſchen ſie theils im Fluge, oder im Springen darnach ſchnappend, theils im Sitzen, doch leſen fie die meiſten von den Stengeln und Blättern der Sumpf⸗ pflanzen oder auf naſſem Boden unter dieſen auf, und man ſieht ſie die meiſte Zeit damit beſchaͤftigt, das Geſtruͤpp zu durchkriechen, an den Pflanzenſtengeln auf und ab zu ſteigen, ſelten aber einmal ein Inſekt aufs Freie verfolgen. Sie ſcheinen immer Appetit zu haben, und man ſieht ſie nur ſelten, und faſt bloß wenn ſie beim Neſte beſchaͤftigt find, oder wenn das Männchen fingt, etwas anderes thun, als Nahrung zu ſich nehmen. Außer den vollkommenen In⸗ ſekten freſſen ſie auch die Larven derſelben und finden daher, in der Jahreszeit wo ſie bei uns ſind, uͤber dem Waſſer dieſe wie jene in uͤberfluͤſſiger Menge; ſie ſind deswegen auch immer luſtig, wenn nicht etwa ein ſpaͤter harter Nachtfroſt nach ihrer Ankunft im Fruͤh— jahr ihnen auf kurze Zeit die Nahrung verkuͤmmert, wo man ſie dann traurig und mit ſtruppigem Gefieder unter dem dichteſten Pflan⸗ zengeſtruͤpp ſo lange herumkriechen ſieht, bis warme Sonnenblicke die Inſekten wieder hervorlocken. — Wenn im Herbſt die Inſek⸗ ten zu mangeln anfangen, gehen fie auch nach Hohlunderbeeren und- beſuchen deshalb die Hohlunderbuͤſche an den Ufern der Teiche und Gewaͤſſer eben nicht ſelten. f Wie einige Verſuche beweiſen, ſo haͤlt ſich dieſer Vogel bei dem Futter und der Wartung, die beim Gartenlaubvogel an⸗ gegeben wurde, recht gut, und er zeigt ſich da lange nicht von einer ſo weichlichen Natur wie dieſer. Mehrerer vorzuͤglichen Eigen⸗ ſchaften wegen iſt er in der That den Liebhabern als Stubenvogel zu empfehlen. Er badet ſich gern und oft. | F bert p f bien z n g. In der Begattungszeit verſchwinden dieſe Vögel aus manchen Gegenden „wo ſie auf ihren Wanderungen gern einſprachen und oft mehrere Tage verweilten. Sie begeben ſich nun lediglich in die Suͤmpfe und verlaſſen demnach ſelbſt die ſchilfreichen Ufer der Land: ſeen, Teiche und Fluͤſſe. Man findet ſie dann bloß in den Bruͤ⸗ 660 UI. Or on. XV. Gatt. 98. Schilf⸗Rohrſänger. chern, in welchen viel Seggenſchilf (Carex), große Binſen (Scir- pus lacustris), die große Wolfsmilch (Euphorbia palustris) und an⸗ dere hohe Sumpfpflanzen wachſen und große Gefilde bilden, zumal an ſolchen Stellen, wo Waſſergraͤben den Moraſt durchſchneiden, an deren Ufern niedriges Seilweidengebuͤſch oder auch einzelnes Er— lengeſtraͤuch waͤchſt; doch niemals in den duͤſtern Erlenbruͤchern. In den Marſchlaͤndern bewohnen ſie ebenfals bloß ſolche Graͤben, in welchen gar kein oder nur wenig Rohr (Arundo) waͤchſt, wo aber die obengenannten Pflanzen haͤufig ſind, was meiſtens an ſolchen Stellen iſt, wo die Gräben wirklichen Sumpf oder ſumpfige Wies ſen durchſchneiden. — Wo es in den flachen Laͤnderſtrecken des mittleren und noͤrdlichen Deutſchlands ſo beſchaffene Suͤmpfe und Moraͤſte giebt, und dieſe nicht von zu unbedeutendem Umfange ſind, da niſten auch dieſe Vögel, und ich kenne gar viele, wo fie außer⸗ ordentlich häufig find, und wo ich ihre Neſter zu Dutzenden gefun⸗ den habe. Allein auf wirklichen Rohrteichen und mit dem ei⸗ gentlichen Rohr (Arundo phragmitis) bewachſenen Stellen der Landſeen und anderer Gewaͤſſer habe ich niemals ein niſtendes Paͤaͤr⸗ chen angetroffen; ſie ſind ihnen gaͤnzlich zuwider. — Nur ſolche, deren Ufer ſo flach auslaufen, daß ſie einen mehrere hundert Schritt brei— ten und weit ausgedehnten, mit Binſen, Seggenſchilf und dergl. bedeckten, und mit Weiden- oder Erlengeſtraͤuch vermiſchten Sumpf bilden, bewohnen hier und da einzelne Paͤaͤrchen. Sonſt habe ich ſie in der Begattungszeit niemals anderswo, als in Bruͤchern und Moraͤſten angetroffen. In hieſiger Gegend niſten ſie z. B. in den Bruͤchern, die i in dem Winkel liegen, welchen die Vereini⸗ gung der Saale mit der Elbe bildet, nahmentlich in den Bruͤchern bei Diebzig, Wulfen, Micheln, auch bei der Colonie Su⸗ ſigke, in Menge. Das Neſt ſteht ſtets im Sumpf und haͤufig an ſolchen Orten, wo nicht leicht ein Menſch hinkoͤmmt, wenn es nicht in der Abſicht geſchieht, es aufzuſuchen, was oft mit vieler Beſchwerde ver— knuͤpft iſt. Trocknen Fußes iſt nur zuweilen auf den etwas uͤber den Sumpf erhabenen Waͤllen an den Ufern der die Brücher durch— kreuzenden Waſſergraͤben zu ſelbigem zu gelangen; das meiſtemal muß man barfuß gehen, oder mit guten Waſſerſtiefeln verſehen ſeyn, und oft bis uͤber die Knie im Schlamme und Moraſte darnach waden, ja dies oft ſo weit, daß ein nicht geringer Aufwand von Kraft dazu erforderlich wird, alle Hinderniſſe zu beſeitigen; denn es ſtehet ſel⸗ ten am Rande, ſondern meiſt in der Mitte der Suͤmpfe und an den III. Ornd. XV. Gatt. 93. Schilf⸗Rohrſaͤnger. 661 einſamſten Stellen derſelben, je weiter vom trocknen Lande, deſto lieber. — An den die Moraͤſte durchkreuzenden tiefen Waſſergraͤben ſtehet es meiſtens da, wo einzelne, kuͤmmerlich gewachſene Seilwei— denſtraͤuche mit vermiſchtem Schilf und Binſen, auch einzelnen Rohrſtengeln ſtehen, und zwar faſt allemal an der Waſſerſeite des kleinen Dammes, der ſich gewoͤhnlich an ſolchen Graͤben findet, und ſo nahe wie moͤglich am Waſſer. Oft iſt es aber auch mitten in einem Pfuhle an die Seite eines ganz vom Waſſer umgebenen Erlen- oder Weidenbuſches gebauet, beſonders wenn dieſer mit Sumpfwolfsmilch, rohraͤhnlichem Gras und Seggenſchilf durchwach— fen iſt. Einzelne Buͤſche von dieſen und ‚ähnlichen hohen Sumpf⸗ pflanzen, worin kein Holz waͤchſt, enthalten es nur dann, wenn ſich in der Nahe Weidengebuͤſch findet; dies ſcheint ihnen am Nifts platze durchaus nothwendig zu ſein. g Hoͤrt man zu Anfang des Juni ein Maͤnnchen öfters an Einer Stelle recht anhaltend ſingen, ſo darf man da nur ſuchen, und man wird das Neſt daſelbſt in einem Umkreiſe von hundert Schritten gewiß finden; denn jedes Paͤaͤrchen haͤlt ſich immer innerhalb eines kleinen Bezirks auf, in welchem es kein anderes leidet, weswegen es unter den Maͤnn⸗ chen, weil oft mehrere Paͤaͤrchen nahe bei einander wohnen, nicht an Zaͤnkereien fehlt. Nicht weit vom Neſte (hoͤchſtens auf 30 bis 40 Schritt) hat das Männchen feine Lieblingsplaͤtze auf den erhaben— ſten Zweigen des Gebuͤſches, wo es — zumal fo lange das Weib— chen bruͤtet — faſt ununterbrochen ſingt, ſingend die Plaͤtze wech⸗ ſelt, und nicht allein in gerader Linie von einem zum andern flat⸗ tert, ſondern auch oft ſingend in ſchiefer Richtung in die Luft ſteigt und ſo auf den naͤchſten Lieblingsſitz ſich wieder herablaͤßt, zuweilen auch faſt ſenkrecht herabſtuͤrzt. Hier wuͤrde es der Ungeuͤbte fuͤr keinen Rohrſaͤnger halten; denn es fliegt dabei ganz ſonderbar — mit ſehr langſamen Fluͤgelſchlaͤgen, wobei es die Fluͤgel in ſo großen Bogen ſchwingt und ſo hoch haͤlt, daß ihre Spitzen oben oft zuſammen klappen, und mit ſo hoch gehaltenen Fluͤgeln laͤßt es ſich dann bald ſanft nieder, bald ſtuͤrzt es ſich ſchnell aus der Luft in ſeinen Buſch herab, immer dabei aus voller Kehle ſingend und ſich ſo aufblaͤhend, daß es dadurch ein ganz eigenes, großes, fremdar⸗ tiges Anſehen bekoͤmmt und einem ſingenden Baumpieper ſehr aͤhnlich wird.“) Wenn es von einem feiner 5 bis 6 Fuß hohen ) Abermals ein Zeichen naher Verwandtſchaft der Rohrſoͤnger mit der Pieper gattung. 43 8 662 III. Ordn. XV. Gatt. 98. Schilf-Rohrfänger. Lieblingsſitze zum andern in gerader Linie einen Raum von etwa 40 Schritten zu durchfliegen hat, ſo iſt es auf der Mitte dieſes Weges, weil es ſchief aufwaͤrts fliegt, oft zu 30 bis 40 Fuß Hoͤ⸗ he aufgeſtiegen, worauf es ſich eben ſo wieder herab ſenkt, und ſo in der Luft einen ſtumpfen Winkel beſchreibt. Es wiederholt hei ſchoͤnem Wetter dieſen hoͤchſt ſonderbaren Flug ſehr oft in einer Stunde, zumal um die Mittagszeit, und laͤßt ſich dabei ohne Scheu ganz in der Naͤhe beobachten. Hier verweilt alſo dieſer ſcheue und ſonſt ſo ſehr verſteckt lebende Vogel auf eine hoͤchſt merk⸗ würdige Weiſe kuͤhn und vorſetzlich recht lange in freier Luft; er ſcheint wirklich waͤhrend dieſer Zeit alle Furcht abgelegt zu haben. — Dies ſo ganz eigene Benehmen unſeres Vogels ſcheint mir ein Analogon vom Balzen der Waldhuͤhner zu ſein, wohin man auch das Wuchteln der Kiebitze, das Meckern der Bekaſſinen und den beſonderen, mit ganz eigenen Bewegungen verbundenen Paa⸗ rungsruf mancher andern Voͤgel zaͤhlen muß. Das Neſt habe ich niemals uͤber dem Waſſer gefunden; es fand immer über ſumpfigem Boden oder Moraſt, hoͤchſtens 17 Fuß hoch, das meiſtemal aber noch tiefer, etwa eine Querhand hoch, zuweilen aber auch ſo tief, daß es auf dem Boden locker aufzuſitzen ſchien. Mit dem der gelben Bachſtelze haben die fo tief ſte⸗ henden Neſter, bis auf dieſen Umſtand, viel Aehnlichkeit; allein ein ſolches ſitzt nie feſt auf dem Boden auf, noch viel weniger in einer kleinen Aushoͤhlung deſſelben, was beim Neſte der gelben Bachſtelze immer der Fall iſt. Wer hierauf nicht achtet, kann es, bei einer beſondern Aehnlichkeit der Eier beider Voͤgel, leicht mit dem Neſte dieſer verwechſeln. Es hat das untruͤgliche Kennzeichen, daß es auf Ahnliche Art wie andere Rohrſaͤngerneſter, an die es umgebenden Pflanzenſtengel, Halme und Zweige ſeitwaͤrts, doch ziemlich locker befeſtigt iſt. Man kann es jedoch nicht leicht und ohne es ſehr zu beſchaͤdigen, von dieſen losmachen. Dabei iſt der Boden des Neſtes unten immer frei, wenigſtens ſtehet er niemals auf einem unterſtuͤtzenden Zweige; es ſchwebt alſo gewiſſermaßen korbförmig zwiſchen den Pflanzenſtengeln, was beſonders bei den höher ſtehenden ſogleich auffällt. Seine Form iſt immer hochaus⸗ ſehend, mit ſpitzrundem Boden, ohngefaͤhr wie das Neſt des Sumpfrohrſaͤngers. — Es iſt immer ungemein gut verſteckt, daher ſehr ſchwer aufzufinden. Oft bauen ſie es ſehr niedlich ganz unten in einen, zwiſchen dem Geſtraͤuch ſtehenden Buͤſchel ſtarken fetten Graſes, einer Carex - Art, oder auch von Aira aquatica, * III. Ordn. XV. Gatt. 98. Schilf⸗Rohrfaͤnger. 663 Phalaris arundinacea L. u. a., öfters auch in die alten Storzeln der Sumpfpflanzen, zwiſchen welchen wieder friſche empor ſchießen und einzelne Weidenruthen lan aber niemals in bloßes Wei⸗ dengebuͤſch. Die Materialien, woraus das Neſt verfertigt iſt, ſind von außen großentheils trockne und mitunter ziemlich grobe Grasſtop⸗ peln (meiſtens von einer weißlichen Farbe) mit untermengten trock⸗ nen Haͤlmchen, feinen Wuͤrzelchen und in der mittleren Lage et— was gruͤnem Laubmoos, wie ſie es auf feuchtem Boden finden; dies letztere fehlt jedoch auch in vielen Neſtern gaͤnzlich. Alle dieſe Dinge ſind eben nicht ſonderlich mit einander verwoben, das Ganze hat daher eben kein kuͤnſtlich ausſehendes Aeußere, ja es iſt unter den mir bekannten Rohrſaͤngerneſtern eins der lockerſten und unan⸗ ſehnlichſten. Das Innere iſt viel beſſer und groͤßtentheils aus ſehr zarten Haͤlmchen geflochten, uͤberdieß aber noch mit vielen Pferde: haaren und Federn von wilden Enten, Kiebitzen, Streit- ſchnepfen und andern Waſſer-oder Sumpfvoͤgeln ausgelegt und ziemlich gut gepolſtert. Manchmal ſind auch nur wenig Federn vorhanden, ob ſie gleich, wie die Pferdehaare, nie ganz fehlen; auch Wolle von Thieren und Pflanzen fehlt ſelten darin, ja fie iſt oft ſo haͤufig, z. B. Schafwolle, daß ſie mit den Federn ein ſehr weiches Polſter bildet. — Seiner äußeren Form iſt ſchon oben gedacht; die innere iſt ſehr tief napffoͤrmig, tiefer als bei ir⸗ gend einem Grasmuͤckenneſte, eng, drehrund am Boden; doch iſt es nicht ganz fo tief wie das Neſt des Teichrohrſaͤngers, der obere Rand auch nicht fo ſtark eingebogen. — Beide Gatten bauen es in ein paar Tagen fertig, laſſen aber den Bau gleich liegen, wenn fie dabei geſtoͤhrt werden; fie verlaſſen es ſogar öfters noch, wenn ſie ſchon einige Eier hinein gelegt haben, und wenn man dieſe und das Neſt etwas unſanft betaſtet hatte. Gewoͤhnlich findet man nur vier, zuweilen wol fünf ; aber felten ſechs Eier in Einem Neſte, die meiſtentheils vom Weibchen allein binnen dreizehn Tagen ausgebrütet werden, indem dies vom Männchen bloß des Nachmittags auf ein paar Stunden abge- loͤſt wird, waͤhrenddem es ſich erholt und Nahrung zu ſich nimmt. Es ſitzt ziemlich feſt über den Eiern, entſchluͤpft aber bei Annäherung einer Gefahr wie eine Maus vom Neſte und verliert ſich im dichten Geſtrupp, doch ohne ſich weit davon zu entfernen; man muß un⸗ gemein behutſam ſchleichen, wenn man es auf dem Neſte ſitzen ſe⸗ hen will, woran auch meiſtens die dichten Umgebungen hindern, 664 III. Ordn. XV. Gatt. 93. Schilf⸗Rohrſänger. Das Maͤnnchen zeigt ſich dabei wol mehr auf dem Freien; allein es ſcheint ſich um das Neſt mit den Eiern wenig zu bekuͤmmern; es ſingt ſein Lied und treibt ſeine Gaukeleien im Fluge ununterbrochen fort, wenn auch dem Neſte Gefahr drohet, oder dieſes gar ſammt dem Weibchen vor feinen Augen zu Grunde gehet.*) — Ganz anders gebehrdet es ſich, wenn ſie ſchon Junge haben; es fliegt dann von einem Zweige oder Pflanzenſtengel zum andern in einem kleinen Umkreiſe um das Neſt herum, ſtimmt aͤngſtlich abgebrochene Stros phen feines Geſanges an und laßt fein lautes Errrrr dann hören. Auch das Weibchen, was man früher gar nicht beim Neſte bemerf- te, außer wenn man ſich ſo anzuſchleichen wußte, daß man es auf demſelben ſitzen ſehen konnte, was ſehr ſelten gelingt, zeigt ſich dann ganz in der Naͤhe auf freien Zweigen und Pflanzenſtengeln. Die Eier ſind ſtets etwas kurz geformt, an dem einen Ende meiſtens ſtark abgerundet, am entgegengeſetzten aber auffallend ſpitz; allein manchmal iſt dies auch runder, und fie variiren in der Form oft merklich; doch habe ich ſie nie ſo geſehen, daß man ſie laͤnglich nennen koͤnnte. In der Mitte ſind ſie immer ſehr bauchig und im Verhaͤltniß zur Größe des Vogels ſehr klein, jedoch ſtets et⸗ was größer als die des Seggenrohrſaͤngers. Sie haben eis ne zarte, glatte, wenig glaͤnzende Schale und ſind auf ſchmutzig⸗ weißem, kaum etwas ins Gruͤnliche ziehenden Grunde mehr oder weniger ganz bleich oder dunkler, mit mattem, graulichem Braun und Grau beſpritzt und bekritzelt. Die kleinen Punkte und Spritz⸗ fleckchen vertuſchen ſich an ihren Raͤndern jederzeit mit dem Grunde, ſo daß ſie oft mit dieſem ſo verfließen, daß ſie uͤber und uͤber blaß braungrau marmorirt ausſehen. Gewoͤhnlich ſind ſie ganz gleich⸗ foͤrmig gezeichnet, oft auch fo bleich, daß man die Zeichnungen vom Grunde kaum unterſcheiden kann. Die Zeichnungsfarbe iſt faſt im⸗ mer ein bleiches Maͤuſegrau, doch auch zuweilen ein roͤthliches Braungrau, wobei der Grund dann etwas ins Gelbroͤthliche zieht, wodurch, in der Ferne geſehen, dieſe Spielart ins Iſabellfarbige *) Erſt kuͤrzlich ſah ich mich gezwungen, ein brütendes Weibchen, was ich auf dem Neſte der vielen Seggenhalme wegen, die es umgaben, nicht gut er⸗ kennen konnte, zu ſchießen; dies geſchah etwa 20 Schritt vom Neſte, und nun nahm ich auch dies mit den Eiern weg. Dieſer Scandal war indeſſen, ob er gleich vor den Augen des Maͤnnchens vorging, nicht im Stande, dies im geringſten im luſtigen Singen und poſſirlichen Hin- und Herfliegen zu ſtöhren. Es ſchien es gar nicht zu beachten, und ich hörte feinen Geſang noch, als ich ſchon ein ganzes Stuͤck von dem Platze weg war, ſo gut wie N — Dies beweiſt eine gewiſſe Gleichguͤltigkeit gegen das Brutge⸗ chaͤft. I. Ordn. XV. Gatt. 93. Schilf⸗Rohrſaͤnger. 665 fallt; manchmal iſt dies alles auch fo ſehr bleich, daß fie im Gans zen nur wie beſchmutzt erſcheinen. Charakteriſtiſch find aber an al⸗ len einzelne Punkte und feine Haarzuͤge von ſchwarzer Farbe, die meiſtens am ſtumpfen Ende ſtehen und keinem dieſer Eier fehlen. Sie variiren nach Größe, Form und Farbe übrigens eben nicht ſehr bedeutend und haben mit den Eiern anderer Rohrſaͤnger, denen des Seggenrohrſaͤngers ausgenommen, faſt keine Aehnlichkeit, aber eine ſehr auffallende mit den Eiern der gel= ben Bachſtelze, an Form, Farbe und Groͤße, ſo daß es Spiel— arten von beiden giebt, die kaum zu unterſcheiden ſind; doch ſind die der letztern meiſtens etwas groͤßer. Die Jungen werden von beiden Aeltern mit Inſekten gefuͤt— tert und gedeihen ſehr bald, verlaſſen aber das Neſt, wenn ſie nicht geſtoͤhrt werden, nicht eher, bis ſie flugbar find. Sie kriechen durch die dichten Waſſerpflanzen fo ſchnell wie Maͤuſe und entgehen da= durch ihren Verfolgern faſt immer, wenn ſie auch noch nicht recht fliegen koͤnnen. — Dieſe Voͤgel bruͤten uͤbrigens nur Ein Mal im Jahr; bloß wenn ihnen das erſte Mal die Eier genommen wurden, machen ſie ein neues Neſt und legen noch einmal Eier. Deswegen fangen ſie auch ſo ſpaͤt im Jahr erſt zu niſten an. Vor Ablauf der erſten Haͤlfte des Juni wird man ſelten Neſter mit Eiern finden, in den meiſten Jahren vielmehr kaum vor Johannistag, und ausge— flogene Junge giebt es erſt im Juli. Nur fruͤhzeitig warme Fruͤh⸗ linge und dann alte Paͤaͤrchen machen Ausnahmen; fo fand ich am 31. Mai (1822.) das Neſt eines Paͤaͤrchens, was ich an derſelben Stelle ſchon einige Jahre nacheinander angetroffen hatte, ſchon mit ſtark bebrüteten Eiern, während viele noch keine Neſter hatten. — Die kaum flugbaren Jungen, welche man noch in der Mitte oder bis zu Ende Auguſts antrifft, find von ſolchen Voͤgeln, die zwei⸗ mal Eier zu legen gezwungen wurden, weil ſie ſolche das erſte Mal eingebuͤßt hatten. — Wer nicht wußte, daß dieſe Voͤgel erſt fo- ſpaͤt im Jahr zu niſten anfangen, wird gewiß manchmal vergeblich nach ihren Neſtern geſucht und uͤber dem muͤhſamen Suchen oft die Geduld verloren haben; denn es iſt allerdings auffallend, wenn man, wie gegen die Mitte des Juni gewoͤhnlich iſt, ſchon ſo peel ausgeflo⸗ gene Junge von kleinen Singvoͤgeln geſehen hat und weiß, daß viele von dieſen ſchon zum zweiten Mal brüten, aber die Schilffan> ger immer noch keine Anſtalt zum Niſten machen fieht. *) *) Ich gebe hier die Fortpflanzungsgeſchichte des Schilffängers fo voll = 666 III. Dron. XV. Gatt. 93. Schilf-Rohrſänger. Feinde. Einige Schmarotzerinſekten und Eingeweidewuͤrmer, die an⸗ ſcheinlich auch bei andern aͤhnlichen Voͤgeln vorkommen, trifft man zuweilen auch bei ihnen an. Erſt vor kurzem wurde in meiner Ges genwart ein ſolcher Vogel geſchoſſen, welchem eine große Zecke oder ſogenanter Holzbock (Ricinus) in dem linken Ohre ſaß, wo er ſich feſt⸗ und ſo dickgeſogen hatte, daß der Hinterleib einer mittelmaͤßi⸗ gen Erbſe glich. — Da ſie ſich ſelten auf dem Freien blicken laſſen, oder wenigſtens nur hoͤchſt ſelten am Tage uͤber Flaͤchen von unbe⸗ deutender Weite fliegen, fo erwiſcht faſt nie einer der kleinern Raub⸗ voͤgel eins dieſer gewandten und vorſichtigen Geſchoͤpfe. Im Schil⸗ fe lauert ihnen aber der Fuchs auf, und ihre Brut wird gar oft von Wander- oder Waſſerratten und von Waſſerſpitz⸗ maͤuſen zerſtoͤhrt, welche ihnen Eier und Junge verzehren; auch vernichten häufig ploͤtzliches Anſchwellen des Waſſers und Ueber⸗ ſchü gen in den Bruͤchern, mit Einem Schlage, alle Bruten, und nur die Jungen, welche ſchon ausgeflogen ſind, entgehen die⸗ ſem allgemeinen Unglüd. Jag d. Wegen ihrer ſteten Unruhe und Vorſicht ſind ſie eben nicht leicht zu ſchießen, was noch am beſten geht, wenn man ſie in den Kufen von noch nicht zu hohem Seggenſchilf aufſucht oder den Huͤhnerhund aufſtoͤbern laͤßt und im Herausfliegen herabſchießt. Die ſingenden Maͤnnchen ſind, weil ſie ſich oft auf freien Zweigen und dergl. ſehen laſſen und dabei öfters minutenlang ſtill ſitzen, am leichteſten zu erlegen, wobei man nur 1 Gewandtheit in dieſer Art von Jagd erlangt haben muß. Im Herbſt bekoͤmmt man ſie ſtändig und genau, als es meine eigenen, an den Vrutörtern ſelbſt ange⸗ ſtellten Beobachtungen und muͤhſam geſammelten Erfahrungen zulaſſen. Das Gemaͤlde derſelben iſt treu nach der Natur entworfen. — Dadurch wird ſich denn von ſelbſt ergeben, daß meine Vorgänger theils hoͤchſt unvollkommen unterrichtete theils falſch berichtet waren. So beſchreibt z. B. Bechſtein Naturg. Deutſchl. III. S. 638.) unter dieſer Rubrik wahrſcheinlich nichts, als Neſt und Eier des Rohrammers, und dies wurde auf Treue und Glauben von Andern nachgeſchrieben und weiter verbreitet. Bloß Herr Dr. Schinz hat das von mir erhaltene aͤchte Neſt und Ei des Schilfſängers (im 1. Heft feiner Eier und Neſter der Voͤg.) abgebildet; in der Be⸗ ſchreibung muß aber das Wort „Rohrteiche,“ weil es falſche Begriffe giebt, geſtrichen werden; fo müßte es daſelbſt auch ſtatt: „an der Erde,“ nahe an der Erde — heißen. Die Form des Neſtes iſt auch viel zu niedrig. / III. Ordn. XV. Gatt. 93. Schilf⸗-Rohrſaͤnger. 667 kaum anderswo als in den Bruͤchern und an Teichufern; denn im Gebuͤſch, wo ſie auf ihrer Reiſe einzuſprechen pflegen, entziehen ſie ſich den Augen des Schuͤtzen alle Augenblicke hinter dem gruͤnen Laube der Zweige. So findet ſich auch nur ſelten eine Gelegenheit, dieſen unruhigen, ſcheuen Voͤgeln mit dem Blaſerohr beizukom⸗ men. Fangen laſſen ſie ſich leicht in den mehrerwaͤhnten, mit Schlin⸗ gen beſtellten, Stocken; dieſe dürfen nur nicht zu hoch geſtellt wer⸗ den; von einem bis hoͤchſtens zu zwei Fuß über dem feuchten Boden oder Moraſte iſt am beſten. Nach lebendigem Fraß in Fallen, Sprenkeln oder auf Leimruthen gehen ſie ſehr ſelten. Am erſten ge— lingt noch, wenn man ein ſingendes Maͤnnchen fangen will, wie mir verſichert wurde, die Methode, welche beim Gartenlaub— vogel beſchrieben ward, mit einem Lockvogel, ſei er von welcher Art er wolle; denn als zaͤnkiſche und eiferſuͤchtige Voͤgel wollen ſie den Fremdling wegbeißen und gehen ſo in die Falle. Der Kaͤfig oder Fallbauer, worin die Lock ſteckt, darf aber nicht vo SB wer⸗ 5 den; er kann eher auf der Erde ſtehen. Nutzen. Im großen Haushalt der Natur werden dieſe Vögel burt Verminderung einr laͤſtigen Inſektenmenge nuͤtzlich, und ſie fangen in den Bruͤchern, wo Vieh weidet, eine große Menge Bremen, Stechfliegen, Muͤcken und Fliegen weg, wodurch ſie beſonders die⸗ ſen Thieren, mithin auch uns, wohlthaͤtig werden. — Ihr Fleiſch iſt ſehr wohlſchmeckend und im Herbſt ziemlich fett. Der Geſang belebt die unangenehmſten aller Gegenden, die Suͤmpfe und Moraͤ⸗ ſte, und iſt beſonders des Nachts hoͤchſt angenehm; denn ehe ſie brüten, fingt das Männchen häufig und ſehr ſtark des Nachts. Schaden. Von allem, was in dieſe Rubrik gehoͤren moͤchte, iſt nichts, was man ihnen Schuld geben koͤnnte; ſie ſind fuͤr uns wol nuͤtzlich, aber nicht ſchaͤdlich. „ 668 94. Der Seggen⸗Rohrſänger. i Sylvia cariceti. N. N Fig. 2. Männchen. ne 3. Weibchen. Mit Beſtimmtheit laſſen ſich hier keine Synonymen anfuͤhren, weil dieſe Art immer mit S. aquatica verwechſelt wurde, und man unter dieſem Nahmen bald dieſen, bald die 8. cariceti, aber nicht fo, wie ich beide Arten hier getrennt ha⸗ be, beſchrieben findet. Eine Abbildung iſt mir gar nicht bekannt. — Koch in ſeiner Baierſchen Zoologie I. S. 164. n. 86. beſchreibt unter dem Nah⸗ men: Verwandter Rohrſaͤnger, Museipeta salicaria, unſere S. carice- ti am ſicherſten. — In vielen Werken ſteht fie als Weibchen oder als Varietaͤt unter den Veſchreibungen des Binfenrohrfängers. — Eine vorläufige Anz zeige von meiner Entdeckung gab ich in der Isis, Jahrg. 1821. Heft VIII.) Kennzeichen der Art. Oberleib hell gelblichgrau, ſchwarz gefleckt, der Buͤrzel mit Roſtfarbe uͤberlaufen; über jedem Auge ein gelblichweißer Streif; der Scheitel ſchwarz, uͤber die Mitte deſſelben der Laͤnge nach ein heller graugelblicher Streif; die Fluͤgelfedern hellgrau geraͤndert; Unterleib gelblich weiß, an der Oberbruſt und in den Seiten mit vielen feinen ſchwaͤrzlichen Strichelchen. Beſchreibung. Dies ſeltne Voͤgelchen wurde bisher immer mit andern Arten „) Kurz vor Abbruck dieſer Bogen erhielt ich den 2ten Bd. von Brehm 's Beiträgen, worin dieſer Vogel S. 286 u. ſ. w. unter dem Nahmen: der geſtreifte Schilfſänger, Sylvia striata, beſchrieben und von S. aqua- tica als Art getrennt iſt. Weil aber jener Nahme ſchon laͤngſt an einen auslaͤndiſchen Vogel vergeben iſt, fo muß er wegfallen, und ich halte mich für berechtigt, den beizubehalten, unter welchem ich ihn ſchon vor einem Jahr in jener Zeitſchrift bekannt machte. III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen-Rohrſängei— 669 dieſer Familie verwechſelt. Aufmerkſame Sammler wußten nicht, wo fie ihn hinſtellen ſollten, fo ſahe ich ihn in mehreren Samm⸗ lungen bald zu S. aquatica, bald zu 8. phragmitis gezaͤhlt, und er hat in der That von der einen wie von der andern Art eine ſo große Aehnlichkeit, daß er genau in der Mitte zwiſchen beiden ſteht und den ſchoͤnſten Uebergang bildet. Vom Schilfrohrfaͤnger unterſcheidet er ſich durch ſeine geringere Groͤße, welche am Schna— bel, den Fuͤßen und allen uͤbrigen Theilen ſehr merklich in die Augen faͤlt; vom Binſenrohrſaͤnger durch den laͤngern, geſtreck— tern Schnabel, die etwas niedrigere Tarſe, den kuͤrzeren Fluͤgel, welcher viel laͤngere hintere Schwingfedern hat, an den kuͤrzern Bartborſten, an der ganz verſchiedenen Ruͤckenfarbe und durch die ſcharfbegrenzten ſchwaͤrzlichen Strichelchen an der Bruſt und in den Seiten. Zur bequemern Ueberſicht will ich die Unterſchiede dieſer drei ſo nahe verwandten Arten tabellariſch neben einander ſtellen. Sie find von alten Männchen genommen. Sylvia phragmilis. S. cariceti. S. aquatica. Schnabellaͤnge: 53 Lin. — — 5 Linien. — — 4 Linien. Slügellänge: 2 Zoll — 22 Zoll. — — 24 Zoll. 10 Linien. Oberkopf: oliven braun, — — ſchwarzbraun, — — ſchwarzbraun, ſtark dunkelbraun gefleckt] über der Mitte des Schei-] mit gelbbraunen Feder⸗ uͤber jedem Auge ein gelb⸗ lichweißer Streif. Oberleib: olivenbraun, | — mit obſoleten dunklern Flecken, am Buͤrzel mit Roſtfarbe uͤberlaufen und ungefleckt. Die Fluͤgelfe⸗ dern matt olivenbraun geraͤndert. Unterkörper: tigweiß, an der Bruſt und in den Seiten ſchmu⸗ sig roſtgelb angeflogen; ſtets ungefleckt. ſchmu⸗— — tels durch eine helle graugelblichweiße Laͤngs⸗ ſtreife wie in zwei Haͤlf⸗ ten getheilt; uͤber jedem Auge ein heller gelblich⸗ weißer Streif. ö — grau, mit braͤun⸗ licher großen ſchwarzbraunen Laͤngsflecken; am Buͤrzel mit Roſtfarbe überlau: fen und mit einzelnen dun⸗ kelbraunen Schaftſtrichen; die Fluͤgelfedern grau ge⸗ rändert. gelblichweiß, in den Seiten etwas ocher⸗ gelb uͤberlaufen und hier, wie an der Gurgel, auch wol an der Ober: bruſt, mit ſehr vielen, ſcharfbegrenzten, ſchwarz⸗ braunen Strichelchen, wel: che am Schafte jeder Fe⸗ der ſtehen, bezeichnet. Miſchung und fäumen; ſowol über die Mitte des ganzen Schei⸗ tels der Laͤnge nach, wie über jedem Auge eis ne ſehr helle weißlich⸗ gelbe Streiſe. — — dunkelroſtgelb oder lebhaft braun⸗ gelb, mit ſtreifenartigen ſchwarzbraunen Laͤngs⸗ flecken; der Buͤrzel roͤth⸗ lichroſtgelb, dunkler als der Ruͤcken, mit ſchwarz⸗ braunen Schaftſtrichen. Die Fluͤgelfedern dunkel⸗ roſtgelb geraͤndert. gelblichweiß, mit ſchoͤn roſtgelbem An⸗ fluge, welcher beſonders ſtark in den Seiten iſt, wo ſich zuweilen ei⸗ nige obſolete braune Schaftſtriche zeigen, ſonſt durchaus fleckenlos, \ 670 III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſaͤnger. Er iſt einer der kleinſten unter den Rohrſaͤngern, 5 bis 54, ſelten bis 5 Zoll lang, 74 Zoll und drüber breit; die Lange des Fluͤgels, vom Bug bis zur Spitze, 2 Zoll, weswegen ſeine Fluͤ⸗ gel ſehr kurz ausſehen, wozu auch die bedeutende Laͤnge der Schwungfedern zweiter Ordnung beitraͤgt, indem die laͤngſten der großen Schwingfedern nur 8 Linien laͤnger als dieſe ſind; — die Laͤnge des Schwanzes 1 Zoll 11 Linien bis 2 Zoll, dieſer aber ſo ſtark abgerundet, daß die aͤußerſte Feder faſt 5 Linien kuͤrzer als ei⸗ ne der Mittelfedern iſt. Alle Schwanzfedern ſind weich, nur die mittelſten am Ende lanzettfoͤrmig ſpitz, die übrigen, beſonders die aͤußerſten, nur zugerundet, alle breiter als beim Binſen⸗ rohrſaͤnger, der Schwanz im Ganzen aber viel ſpitzer als beim Schilfrohrſaͤnger. Die an den Leib angeſchmiegten Fluͤgel reis chen mit ihren Spitzen bis etwas uͤber 14 Zoll vor das Schwanzende. Der duͤnne, merklich zuſammengedruͤckte, pfriemenfoͤrmige Schnabel hat oben nahe an der Spitze einen ſehr ſeichten kleinen Ausſchnitt, iſt volle 5 Linien lang, an der Wurzel über 1 Linien hoch und eben ſo breit. Er iſt ſchwarzbraun, an den Mundkanten und an der Wurzel der Unterkinnlade ſchmutzig gelblichfleiſchfarben, die Mundwinkel etwas aufgetrieben und ſchwefelgelb; uͤber denſel— ben ſtehen drei bis vier ſchwarze Borſthaare, und an den Zuͤgeln der— gleichen „aber viel feinere Haͤaͤrchen; Rachen und Zunge ſind ſchoͤn ſchwefelgelb. In der Naſengegend iſt der Schnabel auf beiden Sei⸗ ten ſtark eingedruͤckt; die Nafenlöcher oval, mit einem haͤutigen Rande oberwaͤrts. Die Iris iſt hellbraun. Die Füße find ſchwaͤchlicher als beim Binſenrohr⸗ ſaͤn ger, gelblichfleiſchfarben, die Zehen etwas dunkler, die Soh⸗ len ſchoͤn gelb; die Naͤgel wie die obere Seite der Zehen, aber dunkler und mit braunen Spitzen. Die letztern ſind duͤnn, flach gebogen (die Kralle der Hinterzeh in dem Viertheil eines Zirkels), alle ſo ſpitz wie eine Nadel; der Ueberzug der Fuͤße an den Laͤufen faft geſtiefelt, ſonſt wie gewöhnlich bei andern ähnlichen Vögeln. Der Lauf iſt nur 10 Linien Hoch ); die äußere Zeh, ohne den 2 Linien langen Nagel, 45 Linien lang; die Mittelzeh, ohne den faſt 3 Linien langen Nagel, 65 Linien, und die Hinterzeh mit der Kralle 7 Linien lang, wovon auf letztere allein etwas mehr als die Haͤlfte koͤmmt. \ 4) Ich habe fie, was hoͤchſt merkwuͤrdig iſt, oft nur von 9 Linien, eben fo oft aber auch von 11 Linien Hohe gehabt. — III. Ordn. XV, Gatt. 94. Seggen-Rohrfänger 671 Die Zügel find graulich; Kehle und Gurgel weiß; die Wan⸗ gen auf ſchmutziggelblichem Grunde braun gefleckt, die Halsſeiten gelblichweiß mit braunen Fleckchen; die Bruſt weiß, ſehr ſchwach ocher gelb angeflogen, oberwaͤrts und an den Seiten mit vielen ſcharfbegrenzten, ſchwarzbraunen und ſehr ſchmalen Schaftſtrichen oder Schmitzchen, die an den mit Roſtgelb uͤberlaufenen Federn in den Weichen größer find als auf der Mitte der Oberbruſt; der Af— ter und die untern Schwanzdeckfedern gelblichweiß und ungefleckt. Vom Schnabel zieht ſich ein heller gelblichweißer Streif uͤber jedes Auge hin, welche beide den braunſchwarzen Scheitel zur Seite bes grenzen, welcher wieder oben, von der braunen Stirn bis zum Ge— nick, durch einen gelblichgrauweißen Laͤngsſtreif in zwei Haͤlften ge⸗ theilt wird; der Oberkopf hat alſo fuͤnf Streifen der Laͤnge nach, die ſehr deutlich in die Augen fallen. Der Nacken iſt ſchmutzig⸗ lichtgrau, mit kleinen dunkelbraunen Flecken: Oberruͤcken und Schul⸗ tern lichtgrau, mit gelbbraͤunlicher Miſchung und großen, ſtreifar— tigen, ſchwarzbraunen Laͤngsflecken, denn die Federn ſind hier in der Mitte ſchwarzbraun und haben auf beiden Seiten nur ſchmale lichtgraue Kanten, die von der dunkeln Mitte hin und wieder durch einen gelblichbraunen Anſtrich getrennt werden; Unterrücken und Steiß hellgrau, mit einem gelblichroſtfarbenen, ſehr bemerkbaren Anflug und mit dunkelbraunen Schaftſtrichen, die auf den obern Schwanzdeckfedern ziemlich groß werden. Die kleinen Flügelded- federn ſind graubraun, hellgrau geſaͤumt; alle uͤbrigen, nebſt den Schwingen dritter Ordnung, ſchwarzbraun, mit breiten braͤunlichen, in Lichtgrau uͤbergehenden Seitenkanten; die großen Schwingen dunkelgraubraun, mit lichtern Saͤumchen, und die vorderſte mit ei⸗ nem truͤbweißen Außenſaͤumchen. Die Schwanzfedern find dunkel⸗ braun, nach außen, ſowol im einzelnen als am ganzen Schwanze, lichter, mit braͤunlichweißgrauen Saͤumchen, die aͤußerſte faſt auf der ganzen Außenfahne braͤunlich grauweiß. — Von unten ſind Fluͤgel und Schwanz licht braͤunlichgrau, die untern Fluͤgeldeckfedern gelblichweiß, mit obſoleten grauen Schaftſtrichen. Das Gefieder war ſehr abgerieben, aber der Schwanz nicht verſtoßen; an den Kopfſtreifen waren einige neue Federn, deren Raͤnder mehr ins Hellbraune fielen und breiter waren als an den uͤbrigen alten. Dieſes Exemplar bekam ich aus dem Berliner Mu⸗ ſeum, wohin es aus der ſuͤdlichen Schweitz gekommen war. Nach⸗ her bekam ich dieſen Vogel ſelbſt friſch in Menge, und, hiernach zu urtheilen, iſt das beſchriebene kein ganz altes Maͤn nchen. 672 III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſänger. Das ſehr alte Maͤnnchen iſt ein lieblich gezeichneter Vo⸗ gel und unterſcheidet ſich im Folgenden weſentlich von dem vorherbe— ſchriebenen. Der große helle Streif uͤber dem Auge, die Wangen, Halsſeiten und Kehle, aber nur bis auf die Kropfgegend, ſind mit einem ungemein ſchoͤnen Gelb uͤberlaufen, ein Ochergelb, was ſich ſowol dem Oliven- wie dem Schwefelgelb nähert und beſonders den lebenden Vogel herrlich ſchmuͤckt; der gelbe Augenſtreif iſt nicht allein von oben, ſondern auch unterhalb, doch nur hinter dem Au— ge, fo weit er reicht, tief ſchwarz begrenzt; die tief ſchwarzen Kopf: ſtreifen haben kaum merkliche braune Federſaͤumchen, und der lichte Laͤngsſtreif auf der Mitte des Scheitels iſt an der Stirn gelbbraun, uͤbrigens nur ſchmutzig oder truͤbe ochergelb und lange nicht ſo hell— leuchtend wie beim männlichen Binſenrohrſaͤnger. — Der Nacken iſt ſehr licht aſchgrau, mit ganz kleinen braunen Fleckchen, der Ruͤcken beſonders ſehr hell aſchgrau, mit ſehr großen ſchwarzen, gelbbraun fein begrenzten Laͤngsflecken, welche regelmaͤßig auf der Mitte des Ruͤckens drei dicht neben einander liegende, und uͤber je— der Schulter eine von jenen entfernte und iſolirte, große, braunſchwar— ze Laͤngsſtreife bilden, fo daß den hellgrauen Oberruͤcken fünf große braunſchwarze Streifen zieren, von welchen die drei mittelſten ſehr nahe beiſammen ſtehen und faſt zuſammen fließen. Eine eigene ſchoͤne Zeich⸗ nung! — Die hinterſten Schwingen und die große Reihe Fluͤgeldeck⸗ federn find in der Mitte tief braunſchwarz, ihre Ränder nach aus ßen ſehr hell grau, faſt weißgrau, und die Spitzen der letztern loh— gelb; die zweite Reihe oder die mittleren Deckfedern faſt ſammt⸗ ſchwarz, mit feinen braunen Saͤumchen. — Der Bürzel iſt ſchoͤn lohgelb oder roͤthlich braungelb, viel lebhafter als an jenem. — Die ſchwarzen Schaftſtriche auf der Oberbruſt ſind bald haͤufiger, bald einzelner bei Voͤgeln von demſelben Alter; aber in den Seiten feh— len ſie nie, und ſie ſind hier allemal ſehr dunkel und ſcharf vom Grunde abſtechend. — — Unter zehn an Einem Tage geſchoſ⸗ ſenen Exemplaren hatte ich nur drei ſo ſchoͤn gezeichnete; zwei jüngere ſtimmten mit dem aus dem Berliner Muſeum voͤllig uͤber⸗ ein; zwei noch juͤngere waren hoͤchſtzuverlaͤſſig nur Ein Jahr alt, und drei Weibchen. Dem jungen Maͤnnchen, im zweiten Fruͤhlinge ſeines Lebens, fehlt der ſchoͤne Anflug der ſo eigenthuͤmlichen gelben Far— be, welche das Geſicht und die Gurgel des alten Maͤnnchens zieren; ſie ſind bloß gelblichweiß; die dunkeln Kopfſtreifen ſind matter, der III. Ord n. XV. Gatt. 94. Seggen-Rohrſaͤnger. 673 lichte in der Mitte des Scheitels zwar deutlich genug, doch mehr weißgrau als gelb; der hellgraue Rücken an den Seiten der ſchwar⸗ zen Laͤngsflecke mit lohgelbem Anfluge, die Flecke kleiner und nicht ſo deutlich in fuͤnf Streifen vertheilt. Der Unterleib iſt nur am Kropfe, an den Seiten der Bruſt und in den Weichen ſehr ſchwach roſtgelb angeflogen, in der Mitte weiß; allein ſoweit der roſtgelbe Anflug reicht (ausgenommen die einfarbig blaßroſtgelben untern Schwanzdeckfedern und der eigentliche Bauch), finden ſich an allen Federn ſchwaͤrzliche Schaftſtriche, die nach der Mitte der Bruſt ſehr fein, uͤbrigens aber am Kropfe und beſonders in den Sei— ten anſehnlich groß und von einer dunkeln, ſchwarzbraunen Farbe ſind, ſich ſcharf vom Grunde abſchneiden und den genannten Theilen ein hoͤchſt auffallend ſchwarzgeſtricheltes Anſehen geben. — Die viel haͤufigere Anweſenheit dieſer Striche unterſcheiden das junge Maͤnn⸗ chen vom Weibchen im gleichen Alter, und vom ganz alten Maͤnnchen; auch ſieht es, gegen dieſes gehalten, von oben mehr gelb—⸗ grau aus, und die Flecke ſind kleiner von Umfange und matter von Farbe, auch iſt die Theilung derſelben in fuͤnf große Laͤngsſtreife noch nicht fo bemerklich. — — Daß dies junge, einjaͤhrige Maͤnn⸗ chen waren?), bewies 1) ihr etwas kuͤrzerer oder weniger ausgebil⸗ deter Schnabel, 2) ihre ebenfalls etwas kuͤrzeren Naͤgel, 3) ihre ſchwaͤchlichere Geſtalt und (wenn ich ſo ſagen darf) ihr jugendlicheres Anſehen, und endlich J) ihre mehr verſtoßenen und abgeriebenen Fluͤ⸗ gel- und Schwanzfedern; denn daß dieſe bei einem jungen Vogel ſtaͤrker als bei einem zwei- und mehrjaͤhrigen ſich abnutzen muͤſſen, iſt ſehr natuͤrlich, weil ſie der junge Vogel ſchon im Neſte erhaͤlt und nachher, wenn er das erſte Jugendkleid vermauſert, die Flüs gel⸗ und Schwanzfedern nicht wechſelt, indem dieſe, wie bei allen jungen Sylvien, auch dem kommenden Kleide verbleiben. Der junge Vogel, der vielleicht Anfangs Juli ſchon fluͤgge iſt, behält feine Schwing⸗ und Schwanzfedern bis in den Auguſt des folgenden Jah- res, alſo wol über dreizehn Monate;, der alte verliert fie aber erſt Ende Auguſts, alſo mehr als anderthalb Monat ſpaͤter, und traͤgt die neuen nur ein volles Jahr; dazu koͤmmt noch, daß die Federn eines jungen Vogels noch nicht von ſo dauerhafter Beſchaffenheit ſind, als die der aͤltern; folglich muͤſſen jene großen Federn im Mai bei vorjaͤhrigen jungen Voͤgeln weit abgenutzter erſcheinen, als bei ), Das Geſchlecht zeigte die Section; n ic i f ater Theil. | 43 674 III. Or dn. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſaͤnger. alten, wenn uͤberhaupt die Art durch Lebensweiſe u. ſ. w. dazu geeig⸗ net iſt, ihr Gefieder zu verſtoßen und mei Dies iſt eine all⸗ gemeine Regel. N Das Weibchen unterſcheidet ſich allemal durch weniger Be⸗ ſtimmtheit in den Zeichnungen von dem gleichalten, und durch die wenigern dunkeln Schaftſtriche der untern Seite uͤberhaupt vom Maͤnnchen. Die Kehle iſt niemals ſo ſchoͤn gelb, die Wangen ſtark mit Gelbbraun vermiſcht; die ſchwarzen Kopfſtreifen haben breitere braune Federkanten; auch zieht ſich ein gelbroͤthliches Braun von der Stirn ein gutes Theil über adie duͤſter graugelbe Mittelſtreife des Scheitels hin und macht ſie viel undeutlicher; an den obern Theilen iſt mehr Gelbbraun eingemiſcht, und das lichte Grau nur am Na⸗ cken rein; der Buͤrzel weniger lohgelb; die Seiten des Unterlei⸗ bes mehr roſtgelb, aber weniger ſchwarz geſtreift; ſonſt ſieht das alte Weibchen dem Maͤnnchen im mittleren Alter faſt ganz gleich. — Das junge Weibchen hat noch weniger Schaftſtriche am Unterleibe, viel undeutlichere Kopfſtreifen, braunere Wangen, an den obern Theilen kleinere ſchwarzbraune Flecke, aber viel mehr von dem lohgelben Anfluge an den Federraͤndern, ſo daß es im Gan⸗ zen dem jungen Weibchen des Binſenrohrfaͤngers ſehr aͤhn⸗ lich ſieht, doch von dieſem, außer den angegebenen Artkennzeichen, vorzuͤglich an dem durch das gelbliche Braun ſtets hervorſtechenden Hellgrau, beſonders an den Kanten der hintern Schwingfedern, und durch die dunklere Farbe der Schwanzfedern ſich unterſcheidet. Das Herbſtkleid iſt viel gelber, weil alle grauen Federn der obern Theile an den Raͤndern einen mehr oder weniger ſchwa⸗ chen Anſtrich von lohgelber Farbe haben, durch die das helle Grau doch ſtets etwas vorſchimmert; auch der Unterleib und die Kopfſtrei⸗ fen ſind gelber, die ſchwarzen Kopfſtreifen aber brauner, weil ſie lebhaft braune Kanten haben, dergleichen ſich auch an den Spitzen der in der Mitte mit einem großen ſchwarzen Laͤngsfleck verſehenen Ruͤckenfedern zeigen, wodurch dieſe Streifen undeutlicher oder braus ner erſcheinen. So aͤhnlich uͤbrigens unſer Vogel in dieſem Kleide auch dem jungen und weiblichen Binſenrohrſaͤnger im Früh: lingskleide wird, fo ſehr unterſcheiden fie ſich beiderſeits in ih⸗ ren Herbſtkleidern, weil das des genannten Vogels noch viel gelber als ſein Fruͤhlingskleid iſt. Hinſichtlich der ſchwarzbraunen Zeichnungen habe ich unter dieſen Voͤgeln manche Abänderung gefunden, beſonders find die an den untern Theilen bei manchen Exemplaren bleicher, kleiner, ein: III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſaͤnger. 675 zelner, bei andern ſehr haufig, groß und von beinahe kohlſchwarzer Farbe. Ich beſitze ein einjaͤhriges Maͤnnchen, an welchem alle Federn an der Seite des Kropfs und der Bruſt faſt kohlſchwarze Schaftſtriche haben, die in den Weichen fo groß find, daß fie an vie⸗ len Federn die Breite eines Zwoͤlftelzolles haben; dabei hat es eben⸗ falls ſehr breite und dunkelſchwarze Kopf⸗ und Ruͤckenſtreifen, fo daß die drei mittelſten auf dem Oberruͤcken faſt in Einen großen ſchwar⸗ zen Fleck zuſammenfließen. Es ſieht ſehr ſchoͤn aus. i Einen jungen Vogel dieſer Art, ehe er ſich zum erſten Mal vermauſert hat, habe ich leider noch nicht bekommen koͤnnen; wahr: ſcheinlich ſieht er noch viel bunter aus, als die ein Mal vermau⸗ 0 8 Aufenthalt. Mit voͤlliger Gewißheit kann man hieruͤber wenig oder nichts aus naturhiſtoriſchen Werken anfuͤhren, weil faſt alle Autoren un⸗ fern Vogel nicht vom Binſenrohrſaͤnger zu unterſcheiden wuß⸗ ten, und in ihren Beſchreibungen meiſtens beide Arten als Eine auf— führten. Nach den neueſten Berichten ſoll er in Italien häufig ſein, im ſuͤdlichen Frankreich auch oͤfter vorkommen, und ich habe Exemplare geſehen, die in der ſuͤdlichen Schweitz geſchoſſen waren. Wahrſcheinlich iſt er auch in Holland, weil er andere Marſchlaͤnder gern bewohnt. In Deutſchland gehoͤrt er unter die ſeltnen Voͤgel, obwol ihn manche Gegenden haͤufiger haben, als man bisher geglaubt hatte. So ſoll er am Bodenſee, in manchen Gegenden von Franken und Sachſen vorkommen, und ich habe mehrere in den Haͤnden gehabt, die in der Gegend von Göttingen (nahmentlich am Seeburger See und in den dortigen Bruͤchern), und im Hollſteinſchen geſchoſſen waren. So mag er noch unbekannt in mancher Gegend Deutſchlands hauſen, was bei der verſteckten Lebensart dieſer Voͤgel eben nicht zu bewundern iſt, da er mir ſelbſt lange unbekannt blieb. Obwol ich fein Da⸗ ſein, als beſondere Art, laͤngſt geahnt hatte, ſo war ich doch erſt ſeit wenigen Jahren fo glücklich, ihn auch hier zu entdecken und zu beobachten, indem er in geringer Entfernung von meinem Wohn⸗ orte, in manchem Jahr ſogar in Menge, vorkoͤmmt.“) *) Am 24ten April des Jahres 1821. begab ich mich, in Geſellſchaft meiner bei: den Bruͤder, in die Brüder bei Wulfen und Diebzig auf eine Excurſion wie wir fie alljaͤhrlich mehrmals zu verſchiebenen Zeiten, ber Zugvögel, wie der ' 676 III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſaͤnger. Er iſt, gleich den andern dieſer Familie, ein Zugvogel, welcher bloß des Nachts und einzeln zieht. Wenn gleich oft viele in einer Nacht ankommen, ſo verbreiten ſie ſich doch viel zu ſehr uͤber eine große Fläche, als daß man annehmen koͤnnte, fie reiſeten trupp⸗ weis; denn alle Voͤgel, die dies thun, vereinzeln ſich auch am Tage nicht, oder halten doch vielmehr zuſammen als dieſe. — Er koͤmmt um die Mitte des Aprils zu uns und iſt bis zu Anfang des Maies auf dem Durchzuge begriffen. Im Auguſt und September verlaͤßt er uns wieder und dann ſieht man ihn zuweilen familienweis bei⸗ ſammen. Unter den Rohrſaͤngern koͤmmt er am fruͤheſten, wenig⸗ ſtens acht Tage, auch oft zwei Wochen fruͤher als 8. phragmitis bei uns an. Auf dem Zuge findet man ihn an 992 mit Rohr, Schilf, Binſen und Weidengeſtraͤuch bewachſenen Ufern der Teiche, Fluͤſſe und anderer Ge⸗ waͤſſer, an Graͤben, die durch Wieſen laufen und wenig bewachſene Ufer haben, vorzuͤglich aber in den großen Suͤmpfen und Moraͤſten, in welchen nur wenig Rohr, aber viel Seggenſchilf (Carex) wacht und große, mit Waſſergraͤben durchkreuzte Gefilde bildet. Hier, wo die hohen Riedgraͤſer (Carex paludosa, C. ampullacea, C. acuta u. a.) abgeſonderte, mit Waſſer und Moraſt umgebene Raſen (die ſoge— genannten Kufen oder Pulten) bilden, mit großen Buͤſchen von Scirpus lacustris, hohen Stauden der Euphorbia palustris und kleinen verkruͤppelten Seilweidengeſtraͤuchen abwechſeln, die auch der Schilfrohrfaͤnger am liebſten bewohnt, muß man auch dieſen Vogel ſuchen; ja er halt ſich noch lieber als dieſer zwiſchen dieſen Pflanzen auf dem ſchlammigen Boden auf und geht noch ſelt⸗ ner im hoͤhern Weidengeſtraͤuch aufwaͤrts in die Zweige. Wenn dieſer in den Bruͤchern ſchon mehr die kleinen Seilweidenbuͤſche an den Graͤben aufſucht, ſo findet man dagegen den Seggenrohrſaͤnger meiſtens mitten auf den moraſtigen Seggenwieſen, wenn auch im Fruͤhjahr das im Herbſte abgemaͤhete oder abgeweidete Seggenſchilf kaum erſt eine Querhand oder Spanne hoch wieder aufgeſchoſſen iſt. daſelbſt in Menge bruͤtenden Sumpf- und Waſſervoͤgel wegen, zu machen pfle⸗ gen, und erlegten an bieſem Tage zehn Stuͤck dieſer niedlichen Voͤgel. Es mochte gerade Nachts vorher ein ſtarker Zug angekommen ſein. Zwei und vier Wochen ſpaͤter war kein einziger dort zu finden. = Am 19ten April d. J. (1822) ſchoſſen wir ebendaſelbſt funfzehn Stuͤck von dieſen Voͤgeln, worun⸗ ter nur ein einziges Weibchen; ſechs Wochen ſpaͤter fanden wir daſelbſt auch mehrere Neſter derſelben, was ſchon vor mehreren Jahren einmal der Fall ge⸗ weſen war, wo wir damals aber Neſter und Eier für die des Schilfrohr⸗ fängers gehalten und fie mit dieſen verwechſelt hatten. III. Ord n. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſaͤnger. 677 In dieſen jungen Schilfgraͤſern weiß er ſich ſehr gut zu verbergen, indem er am Boden wie eine Maus fortlaͤuft und, wenn er ſich weiter begeben will, ganz niedrig von einer Kufe zur andern fliegt. Im hohen Geſtraͤuch habe ich ihn ſo wenig wie auf Baͤumen ange⸗ troffen, in den Marſchlaͤndern aber an aͤhnlichen Orten, wo der Schilfrohrſaͤnger hauſet, namlich nicht im Rohr (Arundo), ſondern in ſchilfreichen Waſſergraͤben, in welchen Riedgraͤſer oder Seggenſchilf, Binſen und andere hohe Pflanzen wuchſen, und wel— che ſumpfige Stellen oder Wieſen durchſchnitten. — Iſt das Frühe jahr ſo waſſerarm, daß ſeine Lieblingsgefilde in den Bruͤchern zum Theil trocken liegen, ſo wird man ihn ſtets nur an ſolchen Stel: len finden, wo noch das meiſte Waſſer und wo dies zwiſchen den Kufen wenigſtens einen Fuß tief iſt. Er hält ſich da in den Riedgraͤ⸗ ſern verborgen, wenn dieſe auch noch ſo niedrig ſind. Spaͤterhin, wenn auch dort das Waſſer zu mangeln anfängt, findet man ihn nur an den Waſſergraͤben, die jene feuchten Gefilde durchſchneiden. Auch dieſen Vogel bemerkt man an den ihm zuſagenden Orten in manchen Jahren ziemlich haͤufig, und dann iſt er einmal wieder ebendaſelbſt in mehreren auf einander folgenden felten. Gig ein ech aft e n. 3 Dies iſt ebenfalls ein ſehr unruhiger, lebhafter und dabei aus ßerſt liſtiger Vogel. Mit großer Behendigkeit huͤpft er in gebüdter Stellung durch die Zweige und Stengel dicht ſtehender Sumpf— pflanzen, zeigt ſich aber in ſeiner niedlich ſchlanken Geſtalt, ſobald ihm etwas Verdaͤchtiges auffaͤllt; denn es iſt ein ſehr ſcheuer und vorſichtiger Vogel. Das alte Maͤnnchen in ſeinem Fruͤhlingskleide, mit dem hellgrauen, ſchwarzgeſtreiften Ruͤcken, dem ſchoͤn gezeichne⸗ ten Kopf, dem angenehmen Gelb am Unterkoͤrper, worauf die ſchwar⸗ zen Schmitzchen gar lieblich abſtechen, gehoͤrt in der That unter die ſehr angenehm gezeichneten Voͤgel, zumal wenn man es lebend ganz nahe betrachten kann oder lebendig in den Haͤnden hat. — Seine Liſt und Wildheit zeigt ſich beſonders, wenn er ſich vers folgt ſieht, und kaum bemerkt man ihn dann anders, als im Fort⸗ fliegen, was anfänglich nur von Kufe zu Kufe und fo niedrig über dem Waſſer hin geſchiehet, daß man ihn haͤufig gar nicht wegfliegen ſieht. Hat man ihn erſt eine Zeitlang verfolgt, ſo fliegt er mit un⸗ verkennbarer Angſt zwar weiter, doch nicht uͤber große Raͤume und immer auch nur niedrig. Er breitet im Fortfliegen den haͤngenden Schwanz aus und ſchnurrt ſo von einem Schilfbuͤſchel zum andern, t 678 III. Orb n. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſaͤnger. auf weiteren Strecken zeigt er aber einen unregelmaͤßigen, aus groͤ⸗ ßern und kleinern Bogen beſtehenden, faſt huͤpfenden und etwas ſchwankenden, aber ſchnellen Flug, welcher dem des Schilfrohr⸗— ſaͤn gers ähnelt, überhaupt aber vor vielen Arten aus der Rohrſaͤn⸗ gerfamilie wenig Auszeichnendes hat. Vom letztern unterſcheidet er ſich fliegend, wenn man ihn nahe hat, noch etwas durch eine andere Farbe, die im Ganzen lichter in die Augen faͤllt. — Im Durchkrie⸗ chen des dichteſten Geſtruͤpps der Sumpfpflanzen uͤbertrifft ihn kaum ein anderer mir bekannter Rohrſaͤnger; er ſchluͤpft durch daſſelbe wie eine Maus nahe am Boden, oder auf dieſem dahin, und wenn nicht freies Waſſer dies unterbricht, wo er zu fliegen gezwungen wird, ſo bekoͤmmt man ihn gar nicht zu ſehen, und er fliegt oft an einer ganz andern entfernten Stelle, als die iſt, wo er ſich niederließ, heraus. Ungezwungen ſieht man ſelten einen auf dem Freien, und die Weibchen uͤbertreffen hierin noch die Maͤnnchen. Nur wenn ſie Junge haben, werden ſie kuͤhner, naͤhern ſich dem Beobachter und zeigen ſich dabei auf freien Zweigen, Pflanzenſtengeln und Bin⸗ ſenhalmen. — Er huͤpft am Boden niemals; er geht vielmehr ſchrittweis und laͤuft ſo ſchnell wie ein Pieper. Ich ſah einen ſich in einen kleinen mit Schilf vermiſchten Seilweidenſtrauch an der Seite eines Waſſergrabens fluͤchten, lief ſchnell hin, und der erſchrockene Vogel flog uͤber den Graben, wo er auf dem trocknen Raſen ſchnell hin lief und eine wackelnde Bewegung (von unten nach oben) mit dem Hinterleibe machte, gerade wie man beides vom Wieſenpieper oft ſieht. — Auch an Pflanzenſtengeln und ſenk⸗ rechten Zweigen ſteigt er laufend (nicht huͤpfend) auf und ab und zwar mit ſolcher Behendigkeit, daß es ausſieht, als gleite er, ohne die Fuͤße fortzuſetzen, an ihnen entlang. Seine Stimme iſt ein ſchnalzender oder ſchmatzender Ton, wie man ihn von andern Rohrſaͤngern zu hoͤren gewohnt iſt, und hat daher nichts Ausgezeichnetes; eben ſo in Furcht oder Angſt ein kurzes Schnarchen, und in Todesnoth ein klaͤgliches Quaͤken. Das Männchen hat einen recht angenehmen Geſang, welcher dem des Schilfrohrſaͤngers ſehr ähnelt, aber weni— ger anmuthige Töne, überhaupt viel kuͤrzere, dabei aber ſehr ab wechſelnde Strophen hat; es fehlt ihm der Triller und andere floͤ— tende Strophen, die jenen ſo auszeichnen, und er wird in einem noch viel ſchnellern Tempo vorgetragen. Gewoͤhnlich faͤngt er mit ei⸗ nem hellen Pfeifen an, dann folgt: Terrrr taͤttaͤttaͤttaͤt, zerrrr tuͤttuͤttuͤttuͤt, errrr jüpjüpiupjäp, und fo find f III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſaͤnger. 679 beinahe in allen Strophen die ſchnaͤrrenden Toͤne verherrſchend, werden aber auch mit unter von einigen ſanftpfeifenden recht anges nehm gehoben, ſo daß das ganze Lied ſich gar nicht ſchlecht ausnimmt und unſern Saͤnger unter ſeinen Familienverwandten in dieſer Hin⸗ ſicht eine der erſten Stellen einzunehmem berechtigt. Daß ein Rohr⸗ ſaͤnger ſingt, hört man ſogleich; denn wenn man andere dieſer aus- gezeichneten Familie hat ſingen hoͤren, ſo kennt man das Thema ſchon; aber von dem des Schilffaͤngers iſt er nicht leicht zu unterſcheiden, und dies war eben die Urſache, warum ich ihn lange als eigene Art uͤberſehen hatte. — Das ſingende Maͤnnchen ver— birgt ſich faſt immer im dichten Seggenſchilf, fleigt jedoch auch zu= weilen an einem Binſenhalm in die Hoͤhe, oder ſingt auf einem et— was freien Seilweidenzweige; doch verweilt es niemals lange an Ei: ner Stelle. Es ſingt mit Anſtrengung, zumal in den Morgenſtun— den und gegen Abend, vom Ende Aprils bis in den Juli, ſtraͤubt da⸗ bei die Kopf- und Kehlfedern, laßt den Schwanz behaglich hängen und bewegt dazu den aufwärts gerichteten, etwas geöffneten Schna⸗ bel ſtark. Nahrung. Muͤcken, Schnaken, Hafte, Phryganeen, kleine Libellen, kleine Kaͤferchen, Fliegen, Blattlaͤuſe und andere zwiſchen den Sumpfpflan⸗ zen ſich theils immer aufhaltende, theils dahin verirrende kleine In- ſekten und ſolche Inſektenlarven, welche an den Wurzeln der Sumpf⸗ pflanzen, im Schlamme, unter modernden Vegetabilien und im mo— raſtigen Waſſer leben, dienen ihnen zur Speiſe. Sie ſuchen daher im Fruͤhjahr meiſtens unten an den Staͤmmen und Wurzeln der Pflanzen, auf dem naſſen Schlamme, unter uͤberhaͤngendem Raſen und am Boden hinter den Ufern, dicht am Waſſer, nach dieſen, weil dann die Schilfarten noch niedrig ſind, und es auch noch nicht ſo viel vollkommene Inſekten giebt, als ſie zu ihrer Erhaltung be⸗ duͤrfen; denn fie verlangen ſehr viel und find immer mit dem Auf⸗ ſuchen der Nahrungsmittel beſchaͤftigt. Im kaum handhohen Graſe laufen ſie deshalb am Boden entlang, immer darnach ſuchend und alle Augenblicke etwas aufpickend, ſo daß man ſie ſelten eher bemerkt, bis ſie einem vor den Fuͤßen heraus fliegen. So ſuchen ſie ihre Nah⸗ rung tiefer als irgend eine der vorherbefchriebenen: Arten. — Das Maͤnnchen wird dabei haͤufiger laut und ſingt, immer forthuͤpfend und ſich nach Speiſe umſehend, beſonders anfaͤnglich, wenn die In⸗ ſekten noch nicht ſehr haͤufig ſind; ſpaͤterhin, und wenn es erſt ein 680 III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen-Rohrfänger. Neſt hat, nimmt es ſich mehr Zeit zum Singen, weil es wegen der nun vorhandenen großen Menge von Inſekten ſich ſpielend ſaͤttigen kann. Das Weibchen ſucht dagegen feine Nahrung ganz im Stil- len und durchkriecht das Geſtruͤpp wie eine Maus. 5 i Ob dieſe Voͤgel auch Beeren, nahmentlich Hohlunderbeeren, freſ— fen, weiß ich nicht, es iſt mir aber nicht unwahrſcheinlich. Im Kaͤ⸗ fig, bei gleicher Behandlung und Fütterung, wie ich fie beim Gar— tenlaubvogel angegeben habe, würden fie ſich gewiß auch ei— nige Zeit beim Leben erhalten laſſen und dem Beſitzer Freude machen; mir iſt aber kein Verſuch dieſer Art bekannt. In der Stube frei herumfliegend dauert er nicht lange. Fortpflanzung. An den oben angefuͤhrten Lieblingsaufenthaltsorten in unſern Suͤmpfen niſtet auch dieſe Art. Ich fand ſie in den Bruͤchern bei Wulfen und Dieb zig ſeit ein paar Jahren nicht einzeln und, ſo viel ich mich erinnere, auch ſeit laͤngerer Zeit, alle Jahr niſtend, hielt fie aber früher mit S. phragmitis für einerlei, ob ich gleich die Verſchiedenheit im Geſange und auch in den Neſtern und Eiern nicht recht begreifen konnte. Ich ſchoß wol einigemal einen mir beſonders auffallenden Saͤnger unter den dort niſtenden Rohrſaͤngern; aber das waren immer Schilfrohrſaͤnger, weil gerade der Geſang dieſer, ſeiner angenehmern Toͤne wegen, mir am meiſten auffiel; die fingenden Seggenrohrſaͤnger hielt ich für ſolche Schilfrohrſaͤn— ger, welche ihr Lied noch ſtuͤmperhaft ſaͤngen, und ließ fie deshalb in Frieden. Waͤre ich, wie leider mancher Jagdliebhaber nicht iſt, kein ſo abgeſagter Feind von zweckloſen Morden, ſo muͤßte mir vor gar langer Zeit ſchon ein ſolcher Vogel in die Haͤnde gefallen ſein, da ich jene Bruͤcher ſeit laͤnger als 20 Jahren faſt alljaͤhrlich und zu verſchiedenen Jahreszeiten beſucht habe. Erſt in den vorletztern Jah— ren, wo ich die genaueſte Nachforſchung der Sitten und Lebensart der kleinern, ſich ſogern den Augen des Liebhabers entziehenden Voͤ⸗ gel eifriger als je zu betreiben anfing, war ich ſo gluͤcklich, auch die Naturgeſchichte unſeres Vogels im Buche der Natur ſtudiren zu koͤn⸗ nen, weil ich ihn nun von ſeinen Familienverwandten hatte unter⸗ ſcheiden lernen. Sie niſten zwar in der Nachbarſchaft der Schilfrohrſaͤn— ger, doch ſtets an viel freiern Orten, wo nur ſehr wenig verkruͤp— peltes Seilweidengebuͤſch waͤchſt, wo zwiſchen den im uͤppigſten Wuchſe aufgeſchoſſenen Seggenarten und den von ſelbigen gebildeten III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen-Rohrfänger 681 Kufen Waſſer ſich beſindet, beſonders an den Ufern der jene Bruͤcher und Suͤmpfe durchſchneidenden Waſſergraͤben. Beide Rohrſaͤnger— arten leben daher in der Fortpflanzungszeit dort ziemlich abgeſondert, wenigſtens unſere 8. cariceti nie in fo hohem und haufig beiſammen wachſendem Seilweidengebuͤſch wie jene. So ſind denn auch in je— nen Bruͤchern nur einige Stellen, wo fie gewöhnlich zu niſten pfle— gen. — Das Neſt ſteht mehrentheils in einem hohen Buͤſchel einer großen, ſchmalblaͤtterigen Seggenart, welche am Rande eines Gra— bens dicht neben oder zwiſchen verkruͤppeltem Seilweidengeſtraͤuch und hart am Waſſer emporgeſchoſſen iſt; ſeltner mitten in einem ſolchen Seilweidenbuͤſchel, deſſen Zweige ſchon zu hoch aufgeſchoſſen ſind, und hier dann nicht eigentlich zwiſchen dieſen, ſondern immer zwiſchen Rohr- und andern groben Pflanzenſtengeln und langem Graſe. Wo viel Rohr (Arundo phragmitis) beiſammen waͤchſt, findet man es jedoch nie. Es ſteht dabei hoͤchſtens 17 Fuß hoch vom Boden, oͤfter aber viel niedriger und zuweilen ſo nahe an der Erde, daß man kaum zwiſchen dieſer und dem Boden des Ne— ſtes mit der Hand durchgreifen kann; allein niemals ſteht es feſt auf dem Erdboden auf. Es wird von den umgebenden e Uhr und Halmen an den Seiten getragen, indem die Materialien um dieſe gewickelt ſind, jene alſo die Seitenwaͤnde durchbohren, wodurch es gleichſam in der Schwebe gehalten wird und ſich ſogleich als das Neſt eines Rohrſaͤngers charakteriſirt. In dieſer Hinſicht und auch in der Form hat es große Aehnlichkeit mit dem Neſte des Schilf— rohrſaͤngers, aber es iſt jederzeit eee kleiner und wird da⸗ durch ſehr kenntlich. — Die Form iſt ebenfalls bedeutend hoch, am Boden zugerundet, zuweilen auch etwas ſpitzrund; das Innere bildet einen niedlichen, kleinen, aber ſehr tiefen Napf und iſt ungemein glatt, wie gedrech— ſelt, das Aeußere aber rauh, wegen der zum Theil groben Mate- rialien unanſehnlich, und der obere Rand iſt nur wenig einwaͤrts gebogen. — So wie der Standort des Neſtes ſehr verſchieden iſt, ſo findet man dies auch in der Bauart; ich habe Neſter geſehen, die denen des Buſchrohrſaͤngers taͤuſchend ähnlich waren, andere, die denen des Schilfrohrſaͤngers aͤhnelten, und wieder andere, die von beiden ſehr abwichen. Ihre unbedeutendere Groͤße unter⸗ ſcheidet ſie immer ſogleich. Gewoͤhnlich beſteht die erſte Lage aus groben Grasſtoppeln, zum Theil mit den Wurzeln, dann aus feineren trocknen Grashalmen und feinen Quecken, mit untermiſchten duͤrren Ranken von Galium uliginosum, welches alles durch ſpaͤrlich ein⸗ 682 III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſanger. gemiſchte weiße Flocken von Puppenhuͤlſen und Inſectengeſpinſt mehr Verbindung erhaͤlt, auch wol mit einzelnen Kluͤmpchen Sa⸗ nenwolle von Weiden oder einzelnen Federn vermiſcht iſt; das In: nere iſt dann mit Pferdehaaren ſehr nett ausgelegt. Das Gewebe iſt übrigens loſe, und der ganze Bau etwas leicht. Seltner findet man es mit einer ſolchen Menge von Weidenwolle vermiſcht gebauet und mit ſolcher ſo dick ausgepolſtert, daß es nach innen ganz weiß ausfieht. Nicht fo ſelten find ſolche, deren äußere Lage grobe Sa— chen, als: kleine Stuͤckchen Binſenhalme, ſchmale Seggengrasblaͤt⸗ ter und andere trockene Stengel ſind, die dann aber in der zweiten Lage mit ganzen Kluͤmpchen feiner Wurzeln (manche ſogar mit an⸗ haͤngendem Schlamm) und mit vielem grünen Erdmoos verwebt find, denen man auch Buͤſchel von Thierhaaren und einzelne Federn bei— geſellt findet, woran dann endlich die dritte Lage aus feinen Gras⸗ haͤlmchen beſteht, und das Innere mit Pferdehaaren ausgelegt iſt. Die niedlichen Eier ſind bedeutend klein und noch kleiner als die des Schilfrohrſaͤngers, mit welchem fie ſonſt Aehnlich⸗ keit haben; aber ihre Grundfarbe iſt lichter und zieht ſich mehr ins Gelbliche, die Zeichnungsfarbe mehr ins Olivenfarbene, dazu haben die meiſten einen dunkeln Kranz, welcher jenen fehlt, und dabei eine glatte, aber faſt gar nicht glaͤnzende Oberflaͤche. Sie ſind ſehr zart und zerbrechlich, von einer kurzovalen Form, oͤfters auch an einem Ende bedeutend zugeſpitzt, am andern ziemlich ſtumpf. Die Grund⸗ farbe iſt ein gruͤngelbliches Weiß, was durch eine Menge von Punk⸗ ten, Strichen und kleinem Gekritzel von einem blaſſen, gelblichen Olivenbraun ganz truͤbe wird, und dieſe fließen etwas uͤber der Mitte gegen das ſtumpfe Ende hin in einen ſehr deutlichen Fleckenkranz zuſammen, welcher in ſeiner Mitte am dunkelſten iſt. Alle Zeichnun⸗ gen ſind matt und vom Grunde wenig abſtechend, bei manchen Ei— ern ſogar ſo fein und bleich, daß dieſe dadurch ſehr hell erſcheinen, zumal da ſolchen häufig auch der Fleckenkranz fehlt. So variiren ſie ſehr; ich beſitze ſogar eins, an welchem der dunkle Kranz, ſtatt des ſtumpfen, das entgegengeſetzte ſpitze Ende umgiebt. Einzelne ſehr feine ſchwarze Puͤnktchen und kurze Haarzuͤge fehlen dieſen Eiern, in allen Abweichungen, nie ganz; fie finden ſich beſonders am ſtum⸗ pfen Ende. Sie ſind uͤbrigens im Ganzen leicht von andern aͤhnlichen kleinen Voͤgeleiern zu unterſcheiden, ähneln denen des Schilfrohr⸗ ſaͤng ers nur wenig, noch entfernter denen der Dorngrasmuͤcke, weil ſie um vieles kleiner find, eine lichtere Grundfarbe, weniger deut—⸗ liche Zeichnungen und keine aſchgraue Flecke haben; die ſchwarzen III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſaͤnger. 683 Haarzuͤge und Punkte haben ſie aber mit denen des Schilfrohr— ſaͤngers gemein. — Ich habe meiſtens nur vier Stück, ſelten fuͤnf in einem Neſte gefunden. — Sie werden in dreizehn Tagen ausgebruͤtet, wobei das Maͤnnchen aber nur wenig hilft, ſondern dem Weibchen, in der Naͤhe des Neſtes, durch anhaltendes Singen die Zeit zu verkuͤrzen ſucht. Die nackten Jungen ſehen ſchwaͤrzlich aus, haben dicke gelbe Mund— winkel und ſind anfaͤnglich mit ſchwarzgrauen Dunen ſpaͤrlich bes deckt. Sie werden von beiden Alten mit kleinen Inſekten anfgefuͤt— tert und fliegen, wenn ſie nicht geſtoͤhrt werden, nicht eher aus, bis ſie nothduͤrftig von Buſche zu Buſche flattern koͤnnen, verkriechen ſich aber viel lieber im dichten Geſtruͤpp der Sumpfpflanzen und ſind deshalb ſchwer zu bekommen. Weil dieſe Vögel ſich im Fruͤhjahre zeitiger als andere Rohr⸗ ſaͤnger einſtellen, ſo niſten ſie auch fruͤher, und man kann immer annehmen, daß man ihre Eier um eine bis zwei Wochen fruͤher als die des Schilfrohrſaͤngers findet. Alte Paͤaͤrchen haben immer in der zweiten Haͤlfte des Maies ſchon Eier, in warmen Fruͤhjahren wol noch eine Woche fruͤher. Wenn ich ihre Neſter und Eier fand, hatten die Schilfrohrſaͤnger noch gar keine Anſtalt zum Ni⸗ ſten gemacht; wenn ſie bereits Junge hatten, fand ich noch nicht gar viel Neſter des erwaͤhnten Vogels mit Eiern. Am 31ten Mai (1822.) fand ich ſchon ein Neſt mit nackten Jungen und nur erſt eins von S. phragmitis mit etwas bebruͤteten Eiern. — Sie ſchluͤp⸗ fen bei Annaͤherung eines Menſchen unbemerkt von dem Neſte und laſſen ſich, wenn ſie bloß Eier haben, kaum einmal ſehen. Um die Jungen find fie beſorgter; beide Gatten naͤhern ſich unter aͤngſtli⸗ chem Schnalzen dem, der die Jungen beſieht, auf geringe Weite und ſetzen ſich dabei oft auf freie Zweige, oder haͤngen ſich ſeitwaͤrts, doch immer nahe am Boden, an Schilfſtengel und Binſenhalme. Das Weibchen fliegt auch wol vom Neſte abwaͤrts, ſich ganz matt ſtellend, uͤbers Freie, um zum Verfolgen zu reitzen und die Gefahr von den Jungen abzulenken; doch macht ſie auch die Angſt und Sorge um ihre Brut nicht unvorſichtig. 0 Feinde. Dieſe hat er mit dem Schilfrohrſaͤn ger gemein. Noch ſeltner erwiſcht ein Raubvogel dieſen verſteckt lebenden Vogel; eher noch der Fuchs; aber feine Brut wird haufig von Wander- rgtzen, Waſſerſpitzmaͤuſen oder andern kleinen raͤuberiſchen Thieren, die ſich auch in den Bruͤchern herumtreiben, vernichtet. — | F 684 III. Ordn. XV. Gatt. ee n Eben fo zerſtoͤhren auch ploͤtzliches Anſchwellen des Waſſers und Ue⸗ berſchwemmungen haufig ihre Brut. Die gelben Bachſtelzen ſcheinen ihnen ſehr abhold zu ſein; ich habe oft geſehen, wie ſie von dieſen heftig verfolgt und von einer Kufe zur andern gejagt wurden. Jagd. Dies iſt eine der ſchwierigſten Voͤgeljagden, wenn man nicht etwa zufaͤllig und in der Zugzeit einmal einen dieſer Voͤgel an einem Graben, welcher durch trockne Wieſen geht, antrifft. Sonſt muß man ſie gewoͤhnlich in den Bruͤchern an ſolchen Stellen aufſuchen, wo tiefes Waſſer und Moraſt zwiſchen den Seggenſchilfkufen ſich befindet. Hier wadet man bis ans Knie im Waſſer und Schlamme, treibt ſie aus den Kufen und ſchießt ſie mit feinem Vogeldunſt im Fluge herab. — Dazu gehoͤrt denn freilich ein ſehr geuͤbter Schuͤtze, und Bekaſſinenjagd iſt gegen dieſe ein Kinderſpiel; denn dieſe Voͤ⸗ gelchen ſind ganz erſtaunend ſchnell und geben fliegend, zumal wenn der Wind ſtark wehet, und ſie dieſem entgegen fliegen, ein hoͤchſt un⸗ ſicheres Ziel; dazu fliegen ſie auch immer ſo niedrig, daß nur ein gutes Auge fie auf dem Korne behalten kann, wegen der vielen Ge= genſtaͤnde, die ſich dieſem beim Zielen darbieten. Ihre Scheuheit er— ſchwert dieſe Jagd auch; denn wenn man einen ſolchen Vogel ſchon mehrmals aufgeſtoͤbert oder wol gar nach ihm fehlgeſchoſſen hat, ſo haͤlt er kaum noch ſchußmaͤßig aus. Ein andermal wird man wieder überrafcht, wenn einem ein fo ſchnelles Voͤgelchen dicht vor den Füßen herausfliegt. Ein guter Hund iſt hierbei nicht uͤber⸗ fluͤſſig. Im Sitzen koͤmmt man meiſtens nur dann auf ſie zum Schuß, wenn man ſie in ein Seilweidengeſtraͤuch treiben kann; aber auch hier muß man behutſam ſchleichen und dann, wenn man ſie einmal erblickt, aͤußerſt raſch ſein; in den Kufen bekoͤmmt man ſie aber faſt nie anders, als beim Herausfliegen, zu ſehen. Das Nefultat ſolcher Jagden, welche ich in Geſellſchaft meiner Bruͤder auf dieſe und aͤhnliche Voͤgel machte, fiel ſtets dahin aus, daß im Durchſchnitt von zehn erlegten Stuͤcken kaum zwei im Sitzen, gewiß aber acht Stuͤck im Fluge von uns erlegt waren; ſo ſelten bekoͤmmt man ſie im Sigen zum Schuß. — Weit leichter iſt die Jagd an ihren Brutoͤrtern, wo ſich die Maͤnnchen durch ihr Singen verrathen, auch öf- ters auf freien Spitzen der Seilweidenzweige „Binſenhalme, auf einem alten Stocke oder niedrigen Pfahle ſehen laſſen; die Weib- chen halten ſich dagegen zu jeder Zeit verſteckter und ſind daher un— gleich ſchwerer zu bekommen. III. Ordn. XV. Gatt. 94. Seggen⸗Rohrſaͤnger. 685 Fangen kann man ſie auf eben die Art, wie beim Schilf— rohrſaͤnger angegeben wurde. Eine Art von Fang verdient N jedoch hier noch beſonderer Erwaͤhnung, weil er auch auf andere Rohrſaͤnger anwendbar iſt. Weiß man naͤmlich einen dieſer Voͤgel, oder auch den Schilf-Binſen⸗- oder Buſchrohrſaͤnger, in dem Geſtraͤuche und Schilfe eines einzelnen Waſſergrabens, ſo nimmt man ein ſogenanntes Klebegarn (am beſten von gruͤner Sei— de geſtrickt) und ſtellt es da, wo das Geſtruͤpp gerade recht dick iſt, doch ohne dieſes auffallend zu zerſtoͤhren, quer uͤber den Graben, daß es ſenkrecht, wie eine Wand, oben uͤber das Schilf, unten aber bis aufs Waſſer reicht. Iſt dies geſchehen, ſo treiben zwei Perſo— nen, jede auf einem Ufer gehend, von einem Ende des Gra— bens langſam nach dem Netze zu, indem fie dann und wann mit eis nem Stocke ſanft auf das Schilf oder Geſtraͤuch ſchlagen, die Schlaͤ— ge aber verdoppeln, wenn ſie ſich dem Netze naͤhern. Vom andern Ende des Grabens her macht man es eben ſo. So laſſen ſich meh— rere Arten ſolcher verſteckt lebenden Voͤgel in das Netz treiben. Ge— lingt es einmal nicht, ſo wiederholt man den Verſuch; nur ſei man nicht zu hitzig, ſonſt moͤchte er ganz mislingen. — Auch auf die mehrerwaͤhnten, mit Schlingen verſehenen Stöde laſſen fie ſich in einem ſolchen Graben leicht treiben, und, wenn man will, koͤnnen auch Leimruthen die Stelle der Schlingen vertreten. — Sie krie⸗ chen auch oͤfters in die Fiſchreuſen, welche die Fiſcher zum Trocknen im Rohre aufhaͤngen, wo ich ein Beiſpiel weiß, daß einmal 8 Stuͤck Rohrſaͤnger, meiſtens von dieſer Art, binnen einigen Tagen auf dies ſe We gefangen wurden. a Nutzen. Durch Verminderung vieler beſchwerlichen Inſekten werden ſie nuͤtzlich, deswegen vorzuͤglich dem in den Bruͤchern weidenden Viehe wohlthaͤtig, weil fie viel Stechfliegen, Bremen und derglei⸗ chen wegfangen, und durch ihren Geſang beleben ſie jene unwirth⸗ lichen Gegenden. Ihr Fleiſch ſchmeckt angenehm und iſt oft recht fett, aber doch ein zu kleiner Biſſen, als daß deshalb jemanden darnach geluͤſten ſollte, zumal da ſie ſo ſelten und ſchwer zu erhal⸗ ten ſind. . Schaden. So viel mir bewußt, werden ſie uns auf keine Weiſe ſchaͤdlich. 686 | | 95. | er Bine Ihren iR Sylvia aquatıca Lath. Fig. 4. Männchen. e | — 5. junges Weibchen. Der Rohrſaͤnger, Rohrvogel, Rohrſperling, Rohrgraſemüͤcke, Rohrſchliefer, Rohrſchirf, geſtreifter Rohrſchirf, Weiderich, Weiden⸗ zeiſig, ſeltner Weidenzeiſig, gelber Schwirl, geſtreifter Spitzkopf. Sylvia aquatiea. Lath. ind. orn. II. p. 510. n, 11. —= Motaeilla aqua- zuca Gmel. Linn. syst. I. p. 953. n. 58. = SyWwia Schönobaenus Scopoli Ann. I. n. 235.— Sylvia saliearia. Bechſteins gem. Naturg. Deutſchl. III, ©. 625. Aerocephalus salicarius Naumanns Vögel, alte Ausg. Nachtr. S. 203. — Fauwveile aqualigue Sonn. nouv. Fäit. d. Buff. Ois. XV. p. 13222 Bec Jin aquatique. Temmink Man. d’orn. nouv. Edit. p. 188. (Die Beſchrei⸗ bung paßt indeſſen, wie es mir ſcheint, bloß auf meine S. cariceti.) = Aqua- tie Warbler. Lath. Syn. IV. p. 419. n. 8. — Ueberſ. von Bechſtein IV. S. 419. n. 8. — Bechſtein's orn. Taſchenb. S. 185. n. 19. — Wolf und Meyer, Taſchenb. S. 232. —= Meisner u. Schinz, V. d. Schweitz. S. 112. n. 116. Naumanns Bög. alte Ausg. I. S. 229. Taf. 47. Fig. 106. Mfinchen. N * Ken nz dich en der rt Hauptfarbe roſtgelb, oder braungelb, ſchwarz geſtreift; die untern Theile licht oder weißlich ochergelb, ohne Flecke; uͤber jedem Auge, desgleichen in der Mitte des Scheitels, ein gelblichweißer Streif, welche durch zwei breite ſchwarze Streifen von einander getrennt werden; die Fluͤgelfedern mit dunkelroſtgelben Raͤndern. Beef ch e e i h n . Dies ſchoͤne Voͤgelchen zeichnet ſich beſonders durch die uͤber fein ganzes Gefieder verbreitete helle, braungelbe, oder roſtgelbe Far: be in betraͤchtlicher Entfernung vor allen dieſer Familie aus, und die Vertheilung der gelben, ſchwarzen und weißen Farbe auf dem | III. Ordn. XV. Gatt. 95. Binſen-Rohrſaͤnger. 687 ſeidenartigen weichen und ſanften Gefieder fällt, beſonders bei alten Voͤgeln, ſehr angenehm in die Augen. Vom Schilfrohrſaͤn— ger unterſcheidet ſich dieſe Art ſo auffallend, daß es kaum noͤthig ift, auf die ganz andere Hauptfarbe des Gefteders und die ſtets ſehr deutlichen fünf Kopfſtreifen, die jenem in allen Altersverſchiedenhei⸗ ten fehlen, aufmerkſam zu machen; auch iſt unſer Vogel etwas klei— ner. Viel mehr Aehnlichkeit hat er mit dem gleich großen oder kaum etwas groͤßern, und bisher immer mit ihm verwechſelt geweſenen Seggenrohrſaͤnger; allein fein kuͤrzerer Schnabel, die etwas hoͤhern Laͤufe, die laͤngern Fluͤgel mit ihren viel kuͤrzern hin⸗ tern Schwingfedern, und abermals die ganz andere Hauptfarbe an den obern Theilen, ganz vorzuͤglich aber die mehrentheils ganz ungefleckte Bruſt, an welcher ſich nur in den Seiten bei juͤngern Voͤgeln zuweilen einige verwiſchte Schaftſtriche zeigen, ſich aber niemals jene ſcharfbegrenzten braunſchwarzen Strichelchen in ſo an⸗ ſehnlicher Anzahl finden, unterſcheiden ihn ſtandhaft von jenem. Er iſt einer der kleinſten unter den Saͤngern dieſer Familie und hat unter allen den kuͤrzeſten Schnabel. Er mißt in der Laͤnge ſelten drei bis vier Linien über 5 Zoll, meiſtens fehlen daran noch einige Linien; in der Breite 74 bis 8 Zoll, und die Länge des Flügels vom Bug bis zur Spitze iſt 27 Zoll. Der keilfoͤrmig zugerundete Schwanz hat ſtumpf⸗- lanzettfoͤrmig zugeſpitzte Federn, wovon die mittelſten 1 Zoll 10 Linien bis 2 Zoll meſſen, da ſie aber ſeitwaͤrts nach und nach an Laͤnge abnehmen, ſo erſcheint die aͤußerſte 5 Linien kuͤrzer als eine der Mittelfedern. An den letztern bildet ſich die Lanzettform ſchon von der Mitte an, bei den uͤbrigen aber erſt gegen das Ende hin. Sie ſind alle weder ſehr hart, noch ſteif, ja bei vollem Gefieder eher weich zu nennen; nur wenn ſich der Rand der Baͤrte, wie gewoͤhnlich gegen eine neue Mauſer hin, vorzüglich ſpitzewaͤrts, ſehr abgenutzt hat, fühlen fie fich etwas barſch an. Mit den Schwanzfedern des Baumlaͤufers koͤnnen ſie aber noch lange nicht verglichen werden. — Die ruhenden Fluͤgel laſſen vom Schwanze etwa 2 Linien über 1 Zoll unbedeckt; die Fluͤ⸗ gel ſehen laͤnger aus als beim Seggenrohrfänger, weil die zweite Ordnung der Schwingfedern bedeutend kuͤrzer iſt; denn von den Enden dieſer bis an die der laͤngſten großen e een iſt uͤber 10 Linien, daher die Flügelſpitze hier ziemlich 4 Zoll laͤnger 19 5 als bei jenem. Der kleine, kurze, daher etwas ſtark ausſehende Schnabel iſt rundlich, oder weniger zuſammengedruͤckt, als bei andern verwandten 688 III. Ordn. XV. Gatt. 95. Binſen⸗Rohrſaͤnger. Arten, pfriemenfoͤrmig von unten und oben, doch etwas kolbig zuge⸗ ſpitzt, am Ende des Oberkiefers mit einem kleinen, ſehr ſeichten Ausſchnitt; an der Schneide des obern blaß roͤthlichgelb oder gelb⸗ lich fleiſchfarben, ubrigens dunkelbraun, die Unterkinnlade faſt ganz ſo, wie der Rand der letztern, nur nach der Spitze zu an den untern Schnabelraͤndern braun; die Mundwinkel roͤthlichgelb und kaum merf- lich aufgetrieben; Rachen und Zunge rothgelb. Der Schnabel iſt kaum etwas über 4 Linien lang, an der Wurzel 15 Linien hoch und eben fo breit. Das kurzovale Naſenloch iſt ziemlich groß, von oben mit haͤutigem Rande; uͤber den Mundwinkeln ſtehen auf jeder Seite drei bis vier ſehr große ſtarre ſchwarze Borſthaare, und an den Zuͤgeln viel ſehr feine ſchwarze Haͤaͤrchen. Die Bartborſten haben eine auffallende Groͤße, denn die laͤngſte, welche zu hinterſt ſteht, iſt and Linien lang. Sie ſind viel groͤßer als bei 8. cariceti. — Die Iris iſt hellnußbraun. Die ſchmutzig hellgelben, auf dem Spann fleiſchfarbenen Fuͤße haben eben fo gefaͤrbte, kanm etwas dunklere Nägel, welche lang, duͤnn, nadelſpitz, aber nur flach gebogen ſind; der Ueberzug der Fuͤße iſt, wie bei andern aͤhnlichen Arten, am Lauf hinten geſtie⸗ felt, vorn durch ſehr ſeichte Einſchnitte in wenige große Tafeln ge= theilt, auf den Zehen geſchildert, die Sohlen ſehr feinwarzig. Die Hoͤhe der Fußwurzel iſt 9 bis 10 Linien; die Laͤnge der aͤußern Zeh, ohne den 2 Linien langen Nagel, 43 Linien; die der Mittelzeh, ohne den 3 Linien langen Nagel, 63 Linien; die der Hinterzeh, ohne Kralle, 34 Linien, und dieſe von gleicher Länge mit der Zeh. Das alte Maͤnnchen im friſchen Gefieder zeichnet ſich⸗ vom gleichalten Weibchen beſonders durch einen ſtarken Anſtrich von ſchoͤnem Ochergelb aus; doch wir wollen es naͤher beſchreiben. Die Zuͤgel ſind graulich; die Kehle und Mitte der Bruſt gelblichweiß, alle uͤbrigen untern Theile des Vogels weiß, mit hell ochergelbem Anfluge, welcher in den Seiten und an den Schenkelfedern ſehr ſtark aufgetragen iſt, oder in Roſtgelb uͤbergeht; die Wangen licht ocher⸗ gelb, roſtgelb und braͤunlich gemiſcht. Ueber jedes Auge hin zieht ſich vom Schnabel bis zum Genick ein hell in die Augen leuchtender, blaß ochergelber Streif, ein ähnlicher von der Wurzel des Ober- ſchnabels uͤber die Mitte des Scheites bis ins Genick, welcher an der Stirn dunkel roſtgelb uͤberlaufen iſt; zwiſchen dieſen drei hellen Streifen bilden die ſchwarzen, fein roſtgelb geſaͤumten Federn zwei breite, braunſchwarze, ſehr abſtechende Laͤngsſtreifen; dieſe fuͤnf Kopfſtreifen gereichen dem Voͤgelchen ſehr zur Zierde. — Der Na⸗ cken iſt braͤunlichgelb, undeutlich dunkelbraun gefleckt; Oberruͤcken III. Ordn. XV. Gatt. 95. Binſen⸗Rohrſaͤnger. 689 und Schultern dunkelroſtgelb, ochergelb gemiſcht, mit großen brei⸗ ten braunſchwarzen Laͤngsſtreifen; denn die Federn ſind hier in der Mitte braunſchwarz, mit braungelben Seiten, welche in Ochergelb übergehen ;; Unterruͤcken und Steiß braͤunlich roſtgelb (lohgelb), dunk⸗ ler als der Oberruͤcken, aber nur mit ſchmalen ſchwarzbraunen Schaft⸗ ſtrichen. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind braungrau, ſchmutzig roſtgelb geſaͤumt; alle übrigen Fluͤgeldeckfedern und die dritte Ord⸗ nung Schwungfedern in der Mitte braunſchwarz, mit breiten dun⸗ kelroſtgelben Seitenkanten und Spitzen; die großen Schwingen matt dunkelbraun, mit feinen hell gelbbraunen oder dunkel braͤunlichroſt⸗ gelben Seitenkaͤntchen. Die Schwanzfedern ſind braun, am Schafte entlang am dunkelſten, an den Seiten in braͤunlich roſtgelbe Kan ten uͤbergehend, und die aͤußerſte Schwanzfeder hat ein truͤbe gelb lichweißes Außenſaͤumchen. Von der untern Seite find Schwanz« und Schwungfedern licht braungrau, die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, ochergelb uͤberflogen, oft graulich gemiſcht. Zuweilen, doch ſelten, zeigen ſich an den Seiten des Unterkoͤrpers einige ſehr obfo= lete dunkle Schaftſtriche. 0 Das alte Weibchen iſt im Aeußern ſchwer vom Maͤnn⸗ chen zu unterſcheiden; haͤlt man aber beide gegen einander, ſo findet es ſich, daß die roſtgelbe Hauptfarbe mehr ins Braͤunliche fallt, wes— wegen die ſchwarzen Flecken auch nicht ſo leuchtend davon abſtechen, und haͤuſig zeigen ſich auch in den Weichen einzelne Schaftſtriche von einem matten Braun. *) f Im erſten Jahr ſind beid'e Geſchlechter mehr graugelb, oder die Grundfarbe der obern Theile iſt ein in Gelbgrau uͤber⸗ gehendes bleiches Roſtgelb, die braunſchwarzen Flecke ſind kleiner und ſchneiden ſich nicht ſo ſcharf von der Grundfarbe ab; am Kropfe und an den Seiten der Bruſt ſieht man einzelne dunkele Schaftſtri⸗ chelchen, welche jedoch nie, weder ſo dunkel und von der Grundfarbe abſtechend, noch jemals fo häufig als bei S. cariceti ſtehen, ſehr oft auch gaͤnzlich fehlen; die Federn der ſchwarzen Kopfſtreifen ſind an den Enden roſtgelblich geſaͤumt, weswegen dieſe Streifen nicht ſo ſtark in die Augen fallen; vor allen iſt an ihnen aber der weißgelbe Laͤngsſtreif über die Mitte des Scheitels viel ſchmaͤler und gar nicht ſo ſehr in die Augen fallend, als bei den Alten. Solche Voͤgel aͤh⸗ neln den Alten von S. phragmitis ſehr, doch unterſcheidet ſie die viel ) In den Werken meiner Vorgänger findet man meiſtens die S. cariceti mihi, als Weibchen ber 8. e befchrieben. ⁊ter Theil. | 444 690 IL. Ordn. XV. Gatt. 95. Binſen⸗Rohrſänger. blaͤſſere und gelbere Grundfarbe, die dunkleren, ſchaͤrfer begrenzten Flecke des Oberruͤckens, und die deutliche Anlage der gelben Kopf⸗ ſtreife auf den erſten Blick. Die zweijaͤhrigen Voͤgel ſind ſchon viel gelber, nur an den kleinen Fluͤgeldeckfedern und an den Schultern ſchimmert noch etwas Grau hervor, und die Unterſeite zeigt mehrentheils nicht die geringſte Spur von einem dunkeln Schaftſtriche. Ich beſitze ein ſolches Maͤnnchen und konnte es im friſchen Zuſtande mit mehreren der vorigen Art vergleichen, wo die Unterſchiede noch weit deutlicher als bei Ausgeſtopften in die Augen fallen. a Im Fruͤhlinge erſcheint das Gefieder ſehr verbleicht und abgenutzt, die dunkeln Flecke an den obern Theilen daher groͤßer, die Schwanzfedern oft ſehr verſtoßen, wodurch fie denen der Bau m⸗ läufer etwas ähnlich werden, jedoch bei weitem minder hart und elaſtiſch ſind und in dieſer Hinſicht nicht mit dieſen verglichen wer⸗ den koͤnnen. Die Kopfſtreife iſt im Fruͤhjahr faſt ganz weiß, be⸗ ſonders bei recht alten Voͤgeln. — Das ſchoͤne Roſt- und Ocher⸗ gelb zeigt ſich nur am eben vermauſerten Herbſtvogel in feiner vorzuͤglichen Friſche. Einen jungen, noch nicht zum erſten Mal vermauſerten Vogel habe ich leider noch nicht habhaft werden koͤnnen und erinnere mich auch nicht, die Beſchreibung eines ſolchen irgendwo gefunden zu haben. Aufenthalt. Wegen den Verwechſelungen mit der vorherbeſchriebenen Art, laͤßt ſich aus den fruͤhern Angaben der Schriftſteller uͤber den Aufent⸗ halt dieſes Vogels wenig Zuverlaͤſſiges angeben. Er ſoll in Italien häufig fein; aber auch S. cariceti iſt es dort, und wahr: ſcheinlich mehr noch als dieſe. Eben ſo iſt es auch mit den Nach⸗ richten, die wir aus der Schweitz haben. Er iſt allerdings dort, und haͤufiger als in Deutſchland, wie mehrere von daher er⸗ haltene Exemplare beweiſen, und man darf wol mit Gewißheit an⸗ nehmen, daß es ein ſuͤdlicher Vogel iſt, welcher nie ſo weit 5 geht, als der ihm fo aͤhnliche Seggenrohrſaͤnger. Im mitt⸗ leren und noͤrdlichen Deu tſchland koͤmmt er nur als ſehr ſeltner Vogel vor. Man erhielt ihn z. B. in Franken, Sachſen und in der hieſigen Gegend; wie ſelten er aber hier ſein muß, erhellt daraus, daß mein Vater ihn, alles Nachſuchens ungeachtet, in einem Zeitraume von mehr als 20 Jahren nur zweimal erlegte, und daß III. Ordn. XV. Gatt. 95. Binfen-Rohrfänger. 691 nachher beinahe ein gleicher Zeitraum verfloß, ehe es mir mit Huͤlfe meiner Bruͤder gelingen wollte, dieſen ſeltnen Vogel wieder einmal zu ſchießen, ob wir gleich in dem letztverfloſſenen Decennium, in welchem wir die Jagd nach keinen Voͤgeln, beſonders nach den Rohrſaͤngerarten, auf das eifrigſte betrieben, nichts unterließen, was zur Kenntniß des einen oder des andern fuͤhren konnte. Erſt vor einem Jahre ſchoſſen wir ein nicht ganz altes Maͤnnchen. Die ſchoͤnſten Exemplare, welche ich ſahe, beſitzt das Berliner Muſeum, welches ſie aus dem ſuͤdlichen Europa erhielt. Er erſcheint bei uns ebenfalls nur als Zugvogel und macht, als dieſer, ſeine Reiſen einzeln und des Nachts. Er koͤmmt ohngefaͤhr mit dem Seggenrohrſaͤn ger bei uns an, zieht aber ſpaͤter weg; man findet ihn naͤmlich gegen Ende des Aprils und im Mai auf dem Zuge, und Ende Auguſts und noch den ganzen September hindurch auf der Wegreiſe, ſo ſpaͤt, wie man nie einen von jener Art noch ſiehet. Wir ſchoſſen am 11ten September in einem Bruche 5 Stuͤck von Sylv. locustella, 1 von S. aquatica, 1 von S. phragmitis (äunger Vogel); ſahen aber kein einziges von 8. cariceti mehr, ob wir dieſe gleich im Fruͤhjahre und Sommer dort beobachtet hatten; auch waren damals die Schilfrohrſaͤn⸗ ger bis auf das erwaͤhnte junge Exemplar bereits alle ſchon ver⸗ ſchwunden. Im Walde findet man ihn nicht, wenn nicht bedeutende Stre⸗ cken Sumpf und mit hohen Sumpfpflanzen bedecktes Waſſer von ſelbigen begrenzt oder von ihm umſchloſſen iſt, wo er ſich wol auch einmal ins niedrige Geſtraͤuch deſſelben verirrt. Sonſt iſt er immer nur da zu ſuchen, wo es keine hohen Baͤume, ſondern nur niedriges Gebuͤſch giebt, was auf moraſtigem Boden waͤchſt, an den mit Rohr, Schilf und hohem Gras bewachſenen Ufern der Landſeen, Teiche, Graͤben und anderer Gewaͤſſer, in dem einzelnen Geſtraͤuch und in ſchilfreichen Graͤben feuchter Wieſen, auch im langen Graſe derſel⸗ ben, vornehmlich aber in großen Bruͤchern und Moraͤſten, wo viel Seggenſchilf, Binſen, einzelnes niedriges Seilweidengeſtraͤuch oder andere hohe Sumpfpflanzen große Dickichte bilden. Nur hohes Rohr (Arundo) und Kolbenſchilf (Thypha) liebt er nicht, und die eigent⸗ lichen Rohrwaͤlder beſucht er nur im aͤußerſten Nothfall, wenn er ſich nicht anders zu verbergen weiß; ſonſt haͤlt er bei ſolchen ſich im⸗ mer in der Naͤhe des Ufers in den niedrigern Pflanzen auf. Er; liebt dieſelben Gegenden, die der Schilf- und Seggenrohr⸗ ſaͤnger bewohnen, ja man trifft ihn zuweilen noch auf weniger 692 IM. Drdn. XV. Gatt. 96. Binfen-Rohrfänger. naſſen Stellen, zumal auf feinem Herbſtzuge, wo wir ihn einigemal auf der Huͤhnerjagd, zu Anfang Septembers, im langen Graſe der Grummetwieſen und in kleinen Seilweidenbuͤſchen auf ſelbigen an⸗ trafen, woſelbſt auch einer geſchoſſen wurde. Auch in den nicht zu weit vom Waſſer und Gebuͤſch entlegenen Kohl: und Kartoffelſtuͤcken ſieht man ihn auf ſeinem Herbſtzuge zuweilen. Auf Baumzweige, bis zu der Höhe der Kopfweiden, verſteigt er ſich ſelten, nicht einmal gern ins hoͤhere Weidengeſtraͤuch; er treibt ſich vielmehr im niedrigſten Geſtraͤuch, im dichten Pflanzenge⸗ wirr nahe am Boden und ſelbſt auf dieſem unter dem Geſtraͤuch, an den dicht bewachſenen Ufern, unter langem Graſe und an aͤhnlichen verborgenen Orten herum, wo man ihn nur ſelten eher zu ſehen be⸗ koͤmmt, als bis er herausfliegt, was auch der Fall da iſt, wo er auf den Kohle oder Kartoffelaͤckern angetroffen wird, woſelbſt er ſich am Boden unter dem Kraute dieſer Pflanzen ſehr gut zu vers ſtecken weiß und ſchnell auf der Erde fortläͤuft. Eigen ſchaften. f Der Binſenrohrſaͤnger iſt ein eben ſo unruhiger, behender, li⸗ ſtiger und ſcheuer Vogel, wie die meiſten feiner Familien verwandten. Mit ungemeiner Gewandtheit ſchluͤpft er durch das dichteſte Geſtruͤpp verworrener Zweige und zerknickter oder ſich durchkreuzender Stengel und Halme der Sumpfpflanzen, nimmt babei eine ſehr geduckte Stel⸗ lung, mit krummgebogenen Ferſen, eingezogenem Halſe und tief ge⸗ ſenkter Bruſt, an, macht ſich aber aͤußerſt ſchlank, ſobald er Gefahr ahndet, und iſt dann auch ſeines lebhaftgefaͤrbten, ſchmucken Ge⸗ fieders wegen ein gar niedliches Geſchoͤpf, und unter den Rohrſaͤn⸗ gern einer der ſchoͤnſten. Sowol im ſchnellen Fortſpringen auf den Zweigen des Geſtruͤpps, als noch vielmehr auf dem ſchlammi⸗ gen Boden unter dieſem, wo er ſchrittweis, wie ein Pieper, dahin lauft, aͤhneln feine ſchnellen Bewegungen vollkommen den Bewegungen einer Maus. Mein Vater beobachtete einen, ohne daß ihn der Vo⸗ gel bemerkte; dieſer lief ſehr behende am Ufer eines Grabens unter uͤberhaͤngenden Wurzeln und Uferpflanzen ſchrittweis und bewegte oͤfters den Schwanz und Hinterleib, gerade wie ein Wieſenpie⸗ per — Im Fortfliegen breitet er den etwas geſenkten Schwanz aus, flattert dicht uͤber der Erde oder dem Waſſer hin, um ſich bal⸗ digſt wieder in dem Pflanzengewirr zu verkriechen, und aͤhnelt in dieſem, wie im weitern, unregelmaͤßige Bogen bildenden Fluge ganz dem vorherbeſchriebenen Vogel; allein feine gelbe Grund: und Haupt⸗ III. Ordn. XV. Gatt. 95. Binſen ⸗Rohrſaͤnger. 698 farbe macht ihn augenblicklich kenntlich, ſo daß man ſich kaum irren kann, wenn man ihn nahe genug herausfliegen ſieht. Seine Stimme iſt ein aͤhnliches Schnalzen, wie es die mei⸗ ſten Rohrſaͤnger bei beſondern Veranlaſſungen, oder als Lockton, je⸗ doch nicht oft, hoͤren laſſen; allein den Geſang des Maͤnnchens habe ich leider noch nicht ſelbſt gehoͤrt. Herr P. Wolf, welcher ein ſingendes Maͤnnchen im Käfig hatte, ſagt (a. a. O.) von ihm: „Der Geſang dieſes Vogels iſt lange nicht ſo hell, laut und ſo ein⸗ foͤrmig, als der der S. locustella, ganz eigen, etwas ſchwirrend, aber dem Schwirren der gruͤnen Heuſchrecke doch nicht ang. u 1 Na her u en 8 Allerlei kleine Inſekten, welche ſich im Schilfe und an feuch⸗ ten Orten aufhalten oder dahin verirren, dienen auch ihm zur Speiſe. Er ſucht auch die Larven vieler unter modernden Vegetabilien und a zwiſchen den entbloͤßten Wurzeln der Gewaͤchſe hervor, oder lieſt ſolche vom Schlamme und feuchten Boden auf, weswegen er eben fo oft, emſig darnach ſuchend, auf dieſem herum lauft, als er die dichten Zweige und Pflanzenſtengel kaum einen Fuß hoch vom Bo: den durchhuͤpft und durchkriecht. Die vollkommenen Inſekten faͤngt er meiſtens ſitzend, doch entgehen ihm auch die fliegenden ſelten. Er frißt auch kleine Raͤupchen, vielerlei kleine Kaͤferchen und kleine Nachtfalter. — Wahrſcheinlich genießt er im Herbſt, wenn die Inſekten bei eintretender rauhen Witterung ſeltner werden, auch Hohlunderbeeren. 5 Fortpflanzung. Hiervon weiß man bis jetzt gar nichts Zuverlaͤſſiges. Daß wol hin und wieder in Deutſchland ein Plaͤtzchen ſein mag, das von einem niſtenden Paͤaͤrchen bewohnt wird, iſt keinem Zweifel unters . worfen, aber niemand hat bis jetzt, ſo viel mir bekannt iſt, das Neſt unſers Vogels beſchrieben. Vermuthlich niſtet er auf eben die Art wie S. phragmitis und S. cariceti, und analogiſch zu folgern, moͤch⸗ ten vielleicht auch die Eier mit den Eiern dieſer die meiſte Aehnlichkeit haben. Wenigſtens kann ich ein Neſt mit 4 oder 5 Eiern, was ein Bekannter von mir am Ufer der Saale ohnweit Halle fand, nicht dafür erkennen. Die kleinern Rohrſaͤnger beim Neſte zu belauſchen, haͤlt ungemein ſchwer, weil man ſelten im Stande iſt, ſich ohne Ge⸗ raͤuſch denſelben zu naͤhern, und weil ſie bei Annaͤherung einer Ge⸗ fahr das Neſt ſo unbemerkt verlaſſen und ſich im Geſtruͤpp verlieren, daß man Selten einen alten Vogel dabei zu ſehen bekommt. 694 III. Ordu. XV. Gatt. 96. Binſen⸗Rohrſänger. Feinde. Ch \ Dieſe ſcheinen ſie mit andern verwandten Voͤgeln gemein zu haben. ö Jagd. Es bedarf keiner Wiederholung deſſen, was bereits ih Seg⸗ gentohrfänger unter dieſer Rubrik angegeben wurde, da alles vollkommen auch auf unſern Vogel paßt. Auch ihn bekoͤmmt man ſelten anders als im Herausfliegen aus dem langen Graſe, den Seggenſchilf⸗ und Binſenkufen oder niederem Geſtraͤuch u. d. gl. zu ſehen, und man muß ihn daher im Fluge ſchießen. — Bei fortgeſetztem Verfolgen wird er ebenfalls ziemlich ſcheu. Nutz e n. Sie werden uns auf gleiche Weiſe, wie die andern Arten die⸗ fer Familie, nuͤtzlich. Sich a ven thun ſie, ſo viel mir bewußt, uns ſelbſtſüchtigen Herrn der Schoͤp⸗ ſung gar nicht. g 5 96. Der Fluß ⸗Rohrſäng er. Sylvia fluviatilis. Wolf. Taf. 83. Fig. 1. Maͤnnchen im Fruͤhlinge. Flußſaͤnger, Flußrohrſaͤnger, Rohrſaͤnger und Rohrſchirf mit gefleckter Kehle, Spitzkopf mit gefleckter Kehle, gruͤnlichgrauer Spitz⸗ kopf, großer Schwirl. ee e ee Wolf und Meyer Taſchenb. I. S. 229. = Bechſtein, orn. Taſchenb. III. S. 562. — Acrocephalus stangnatilis. Naumann's Voͤg. alte Ausg. Nachtr. S. 202. Taf. 26. Fig. 53. — Bee fin riverarin. Tem- minck Man. nouv. Edit. I. p. 183. = Cuvier reg. anim. überf. v. Schinz, III. Ordn. xv. Gatt. 96. Fluß⸗Rohrſänger. 695 Kennzeichen der Art. Der ganze Vogel von oben einfarbig gruͤnlichbraun; die Kehle weiß, ſehr blaß grau gefleckt; die Gurgel und Kropfgegend in der Mitte gelblichweiß und an den Seiten matt gruͤnlichgrau, mit etwas dunklern Laͤngsflecken; die ſehr langen untern Schwanzdeckfedern hellroſtgrau, mit großen weißen Enden. Beſchrei bung. Dieſer Vogel, welcher ſeiner Geſtalt und Lebensart nach ein achter Rohrſaͤnger iſt, koͤmmt in der Größe, wie in der Faͤrbung feines Gefieders, der Gartengrasmuͤcke ſehr nahe, unterſchei⸗ det ſich jedoch bald und leicht durch den duͤnnern und längern Schnas bel, den kleinern, ſpitzigern Kopf, den viel ſtaͤrker zugerundeten Schwanz, die hoͤhern Tarſen und durch die gefleckte Gurgel von dieſer. — Seine viel dunklere Farbe des Oberleibes, und ebenfalls die gefleckte Gurgel, auch die anſehnlichere Groͤße unterſcheiden ihn faſt eben ſo leicht vom Sumpfrohrſaͤnger, welcher noch die meiſte Aehnlichkeit mit ihm hat. Mit dem Buſchrohrſaͤnger möchte er ſchwerlich verwechſelt werden koͤnnen, da dieſer ſtets merk⸗ lich kleiner iſt und, bei aller Aehnlichkeit in den Hauptfarben, doch ſtets einen ſehr deutlich ſchwarzgefleckten Oberleib hat, welcher im Gegentheil bei unſerm Vogel jederzeit ganz einfarbig iſt. Nur we⸗ gen Sitten und Lebensart ſteht er dieſem naͤher als jenem, weshalb ich in der Reihefolge der Arten dieſer merkwürdigen Saͤngerfamilie ihm feinen Platz hier neben dem Buf chrohrſaͤ Fuge anzupe⸗ ſen, 15 am paſſendſten hielt. In der Größe uͤbertrifft er — den Droſſelrohrſaͤnger ausgenommen — alle übrigen dieſer Familie; denn er mißt 54 bis 6 Zoll in der Länge, und 9 bis 94 Zoll in der Breite. Der ſehr abgerundete Schwanz iſt 25 Zoll lang und wird von den Enden der in Ruhe liegenden Flügel bis auf 14 Zoll bedeckt; ſeine Federn ſind etwas breit, ſehr ſtark zugerundet, je zwei mittelſten die laͤng⸗ ſten, die Seitenfedern abnehmend kuͤrzer, und die aͤußerſte beinahe I Zoll kurzer als eine von den zwei mittelſten. Der Schwanz bat auffallend lange Deckfedern, und die unterſten ſind ſo lang, daß ſie bis ans Ende der aͤußerſten (kuͤrzeſten) Schwanzfedern reichen. Der Schnabel iſt 6 Linien lang, etwas ſtark, ſonſt dem des Schilfrohrſaͤngers gleich geſtaltet, der obere dem Ruͤcken nach, ſpitzewaͤrts, ein wenig abwaͤrts gebogen, ſo daß die Spitze, welche ſeitwaͤrts einen merklichen Einſchnitt hat, etwas uͤber dem untern 696 III. Ordn. XV. Gatt. 96. Fluß⸗Rohrſänger. vorſteht; der untere gerade und pfriemenfoͤrmig ſpitz. Von oben und an der Spitze iſt er ſchwarzbraun, an den Schneiden und an der Wurzelhaͤlfte der Unterkinnlade ſchmutzig gelblich, oder gelblichfleiſch⸗ farben, die Mundwinkel gelb. Das Naſenloch iſt oval, von oben, wie gewoͤhnlich, mit einer randigen Hautſchwiele und nahe am Schna⸗ belgrunde; uͤber den Mundwinkeln ſtehen feine, ſchwarze Borſthaare, und noch feinere Haͤaͤrchen ſind unter die Zuͤgelfedern gemiſcht; die Iris iſt lebhaft dunkelbraun. Die Fuͤße ſind weder auffallend ſtark, noch hoch; die Bedeckung an den Laͤufen nur einzeln und ganz ſeicht eingekerbt, die Zehen oben geſchildert, unten feinwarzig; die Naͤgel etwas groß, nicht ſehr ſtark gebogen, ſchmal gedruͤckt, duͤnnſpitzig, unten zweiſchneidig. Die Farbe der Fuͤße iſt eine ſchmutzige, nach dem Tode ſehr ins Gelbe fallende Fleiſchfarbe; die der Naͤgel eine etwas dunklere, die an den Spitzen in Braun uͤbergeht; die Zehſohlen gelblich. Die Hoͤhe der Fußwurzel iſt 11 Linien bis faſt 1 Zoll, die Laͤnge der Mittelzeh mit dem Nagel Z Zoll, die der Hinterzeh, eben fo gemeſ⸗ fen, 3 Zoll, wovon der große Nagel faſt die Hälfte wegnimmt. 5 Der Scheitel, Hinterhals und ganze Ruͤcken ſind von Einer Farbe, welche man bald gruͤnlich braungrau, oder matt olivenbraun, bald olivengrau nennen moͤchte, ſtets dunkler als die Ruͤckenfarbe des Sumpfrohrſaͤngers; die langen obern Schwanzdeckfe— dern eben ſo, nur etwas mit Roſtfarbe uͤberlaufen. Vom Schna⸗ bel zieht ſich ein ſchmaler, ſchmutzigweißer, verloſchener Strich uͤber das Auge hin, welcher im Leben wenig bemerklich, am ausgeſtopf— ten Vogel aber meiſtens ganz unkenntlich wird; Zuͤgelfedern und Augenliedraͤndchen ſchmutzig weiß; die Wangen graubraͤunlich; die Kehle weiß, mit faſt verloſchenen braungrauen Fleckchen; die Mitte der Gurgel eben ſo, mit groͤßern laͤnglichen Flecken, die auf der Mitte der Kropfgegend noch groͤßer werden und hier auf roſtgelb⸗ lichweißem Grunde ſtehen; die Seiten des Kropfes noch gelblicher und allmaͤhlig in Gruͤnlichgrau uͤbergehend, mit noch groͤßern ver⸗ waſchenen, braͤunlichgrauen Laͤngsflecken. Saͤmmtliche Flecke ſind von bedeutender Groͤße, ſitzen ſpitzewaͤrts in der Mitte der Federn und verlaufen an ihren Rändern meiſt ſanft mit der lichtern Grund⸗ farbe. Die Zeichnung dieſer Theile, vom Kinn bis zur Oberbruſt, iſt von ſo eigener Art, daß ſie unter den einheimiſchen kleinen Voͤ⸗ geln nirgends ſo angetroffen wird; allein ſie iſt nur auffallend, wenn man ſie genauer betrachtet, und mit aͤhnlichen Zeichnungen andrer Voͤgel vergleicht. — Die Mitte der Bruſt iſt hell weiß, nach den * III. Ordn. XV. Gatt. 96. Fluß⸗Rohrſänger. 697 Seiten zu aus einem ſchmutzigen Roſtgelb ſchnell in Roſtgrau und aus dieſem ſehr bald in die Ruͤckenfarbe uͤbergehend, welche die Re— gion der Weichen einnimmt; der Bauch weiß; die ſehr langen un: tern Schwanzdeckfedern hell roſtgrau mit großen weißen Enden. — Die Fluͤgelfedern ſind duͤſter braun, mit verwachſenen Kanten von der Farbe des Ruͤckens, welche noch mit ſehr ſchwacher Roſtfarbe uͤberlaufen ſind; die großen Schwingen und ihre Deckfedern matt dunkelbraun, roſtbraun geſaͤumt, die vorderſte mit hellerem Saume als die uͤbrigen; die Schwanzfedern erdbraun, mit roſtgrauen Kanten, die an den mittelſten am breiteſten, an der aͤußerſten aber heller als an allen übrigen find. Alle Schwung: und Schwanzfe⸗ dern find auf der untern Seite braungrau, die untern Fluͤgeldeckfe⸗ dern truͤbe gelblichweiß mit graulicher Miſchung, der Fluͤgelrand ſchmutzig gelblichweiß. Ich habe zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen im Aeu⸗ ßern keinen beſtimmten Unterſchied, als den einer geringen Abwei⸗ chung in der Groͤße, finden koͤnnen; denn letzteres iſt etwas klei⸗ ner als erſteres. In der Farbe giebt es zwar Abweichungen; denn bald iſt die Ruͤckenfarbe dunkler, bald heller, bald gruͤnlicher, bald brauner, zuweilen find die Flecke am Vorderhalſe bleicher, ein ander— mal viel dunkler; dies ſcheinen aber alles mehr Alters- als Geſchlechts⸗ verſchiedenheiten zu fein. Das friſche Gefieder im Her bſt hat auch friſchere und dunklere Farben als das Fruͤhlingskleid. Noch habe ich bemerkt daß nach dem Tode, beſonders laͤngere Zeit nach dem Ausſtopfen, der gruͤne Schein an den obern Theilen dieſes Vogels groͤßtentheils verloren geht, und daß dieſe Farbe brauner und dunkler wird. — Auch beim Buſchrohrſaͤnger be merkte ich etwas Aehnliches, ſelbſt beim Schilfrohrſaͤnger, doch hier in einem weit geringeren Grade. Es mag dieſer Umſtand viel⸗ leicht zu den verſchiedenen Benennungen, die man jenen Farben beigelegt findet, Veranlaſſung gegeben haben. Den jungen, noch nicht Ein Dial vermauſerten Vogel dieſer Art kennt man noch nicht. Ne Der Flußrohrſaͤnger ſcheint ein ſuͤdlicher Vogel zu ſein; denn man fand ihn bisher nicht im noͤrdlichen Europa, nicht einmal an den noͤrdlichen Grenzen Deutſchlands, und er iſt ſchon im mittleren eine große Seltenheit. In Oeſterreich und Ungarn if er an den Ufern der Donau mehrmals geſchoſſen worden; das 698 III. Ordn. XV. Gatt. 96. Fluß⸗Rohrſaͤnger. iſt aber auch alles, was mir bis jetzt von ſeinem Vorkommen bekannt wurde. — Schon im Jahre 1805 lernte ich ihn zu Grunwitz in Schleſien kennen, wo mein verſtorbener Srrund von Minck⸗ witz ein Paͤaͤrchen beſaß, was er von H. J. Natterer aus Wien erhalten hatte, welcher an den buſchreichen, ſchilfigen Ufern der Donau nach und nach mehrere geſchoſſen und noch einige Exem⸗ plare ins mitlere Deutſchland geſchickt hat. Aber auch dort iſt er keineswegs gemein. Ich ſelbſt habe ihn hier in meinem eigenen Waͤldchen nur ein einziges Mal geſchoſſen; es war am 20ten Mai 1811. Er zieht einzeln und des Nachts, koͤmmt zuweilen im Mai, und zum zweiten Male im Auguſt oder Anfang Septembers, durch das mittlere Deutſchland, wo er die ſumpfigen Gebuͤſche, die mit Weiden, Schilf und Rohr beſetzten Ufer der Fluͤſſe, Graͤben, Teiche und anderer Gewaͤſſer beſucht. In den eigentlichen reinen Rohr⸗ waͤldern findet man ihn nicht, ſondern nur da, wo Weidengebuͤſch und anderes Holz, mit Rohr, Schilf und hohem Graſe vermiſcht, waͤchſt, und zwar weniger uͤber dem Waſſer, als neben demſelben, und uͤber ſchlammigem oder naſſem Boden. Er durchkriecht daſelbſt das niedere Geſtraͤuch und Pflanzengeſtruͤpp und ſteigt ſelten uͤber Mannshoͤhe im Gebuͤſch aufwaͤrts; auf hohen Baͤumen ſieht man ihn ſo wenig, wie einen der naͤchſtverwandten Voͤgel. Ich fand ihn indeſſen unten im hoͤhern Seilweiden- und Erlengebuͤſch, an einem Orte, wo ich noch keinen Buſchrohrſaͤnger angetroffen hatte. Eigenſchaften. Auch dies iſt ein lebhafter, unruhiger Vogel, welcher im Durch⸗ ſchluͤpfen der Dickichte große Gewandtheit beſitzt, dabei mit nieder⸗ gebeugter Bruſt und ſehr gebogenen Ferſengelenken durch die Zweige huͤpft und in allen uͤbrigen Eigenſchaften eine ſehr nahe Verwandt⸗ ſchaft mit dem Buſchrohrſaͤnger verraͤth. Ich habe ihn eben nicht ſehr ſcheu gefunden. Seine Lockſtimme habe ich nicht gehoͤrt, aber ſein Geſang verrieth mir einſt die Anweſenheit dieſes ſeltnen Vogels in meinem eignen Waͤldchen. Ob er gleich dem des Buſchrohrſaͤngers außerordentlich aͤhnlich iſt und von dem Schwirren der Maulwurfs⸗ grille (Acheta Gryllotalpa), oder der großen grünen Heuſchrecke (Gryllus viridissimus) ſich nur wenig unterſcheidet, ſo liegt doch ſo viel Unterſcheidendes darin, daß dieſes dem Kennerohr alsbald auffaͤllt. Mit dem Schwirren des Buſchrohrſaͤngers ſehr wohl bekannt, III. Ordn. XV. Gatt. 96. Fluß⸗Rohrſaͤnger. 699 fiel mir gleich, als ich unſern Vogel zum erſtenmal fingen hörte, der ſtaͤrkere, etwas tiefere Ton, das langſamere Tempo und eine gewiſſe Haͤrte im Ausdruck ſeines einfoͤrmigen Trillers auf, und meine Flinte brachte mich durch einen wohlangebrachten Schuß bald zur Gewiß⸗ heit deffen, was mein an Voͤgelſtimmen von Jugend auf geuͤbtes Ohr mich vermuthen ließ. Wenn man im Geſange der S. locustella das J als Grundton hoͤrt, ſo klingt dieſer hier mehr wie E, wodurch eine gewiſſe Aehnlichkeit mit den Toͤnen entſtehet, welche zwei ſich mit einander herumbeißende Stieglitze ausſtoßen. Auch habe ich eine beſondere Aehnlichkeit mit dieſem Geſange und den Toͤnen gefunden, die man hervorbringt, wenn man ein laͤngliches Stuͤck⸗ chen Eiſen an einem Ende loſe zwiſchen zwei Fingern haͤlt und das andere Ende des Eiſens auf einem ſchnell umgedreheten Schleifſtein locker aufliegen laͤßt; hierdurch bringt man ein einfoͤrmiges Geklim⸗ per hervor, was, wenn das Eiſen gerade den Ton hat, jenem Ges ſange recht aͤhnlich iſt. — Der wunderbare Saͤnger ſchwirrt oft eine halbe Minute in Einem weg, ohne abzuſetzen, pauſirt auch nicht lange, blaͤßt beim Singen die Kehle auf und bewegt dazu den etwas geoͤffneten Schnabel heftig, huͤpft aber dabei immer gemaͤch⸗ lich, oft auch ſchneller, durch das Gebuͤſch fort und ſucht das Freie ſorgfaͤltig zu vermeiden. Nahrung. | Ich fand in ſeinem Magen Ueberbleibſel von verſchiedenen klei⸗ nen zwei⸗ und vierfluͤgelig en Inſekten und Reſte von kleinen Kaͤ⸗ fern; auch hierin koͤmmt er alſo den uͤbrigen Rohrſaͤngern gleich. N Fortpflanzung. Es iſt gar nicht unwahrſcheinlich, daß alljährlich auch in ODeutſch⸗ land einzelne Paͤaͤrchen niſten, doch hat noch Niemand Neſt und Eier dieſes Rohrſaͤngers beſchrieben, und auch ich war noch nicht ſo gluͤck⸗ lich es aufzufinden, ob ich gleich, ſo lange ich den Vogel genauer kenne, alſo wenigſtens ſeit elf Jahren, alle Fruͤhjahre viele ſolcher Gegenden, wo er wahrſcheinlich niſten koͤnnte, darnach durchſucht habe. Ich gebe jedoch noch nicht alle Hoffnung auf und ſtelle des⸗ halb auch mein Suchen noch nicht ein. — Vielleicht gehoͤrt ein Neſt, was man am Ufer eines Fluſſes, im mit Rohr vermiſchten Weidengeſtraͤuch fand und mir zeigte, was unverkennbar ein Rohr⸗ fängerneft, mir aber, nebſt den 5 darin liegenden Eiern, gänzlich uns bekannt war, unſerm Vogel; allein da ich die alten Voͤgel nicht da⸗ 700 III. Ordn. XV. Gatt. 96. Sluß-Rohrfänger. bei habe beobachten koͤnnen, fo bleibt die Sache zweifelhaft. Das Neſt glich dem der S. palustris, die Eier in der Farbe denen der 8. locustella, fie waren aber bedeutend größer, als ich dieſe jemals ge⸗ ſehen, und von einer ganz andern, viel laͤngern Geſtalt. Sie fa: hen mir ſo ganz fremd und beſonders aus, daß ich nicht wußte, wofuͤr ich fie halten ſollte, weil fie keiner der mir bekannten Spielarten, we⸗ der von S. arundinacea, oder S. palustris, noch einer andern Art, aͤhnlich genug waren, um ſie einer von dieſen zuzaͤhlen zu koͤnnen. Feinde. Die Wiener Naturforſcher fanden in ſeinen Eingeweiden einen in mehreren Sylvien vorkommenden Wurm, Distomum macrosto- mum. Im Gefieder wohnen auch Schmarotzer. Jag d. Das Schießen dieſes Vogels hat eben die Schwierigkeiten, wie das der aͤhnlichen Arten, ob er gleich nicht ſehr ſcheu iſt; denn das dichte Buſchholz und Geroͤhricht, außer welchem er ſich ungezwun⸗ gen faſt nie zeigt, verbirgt oder entzieht alle Augenblicke dem ver⸗ folgenden Auge des Schuͤtzen den behend durch daſſelbe e fenden Vogel. Nutzen. Durch ſeine Nahrung wird er nuͤtzlich, auch iſt ſein Fleiſch, wie das der meiſten kleinen, Inſekten freſſenden Vögel, wohl⸗ ſchmeckend. Schaden thut er, ſo viel ich weiß, gar nicht. 701 nn —————— — N 97. Der Buſch⸗ Ro hrſänger. Sylvia Zocustella Lath. Taf. 83. Fig. 2. Juͤngeres Männchen] . A — — — 3. Aelteres Männchen an Gruhinnge, Heuſchreckenrohrſaͤnger, Heuſchreckenſchilfſaͤnger, Heuſchre— ckenſaͤnger, Heuſchreckenlerche, (Pieplerche) Grashuͤpfer, olivengruͤn⸗ licher Rohrſaͤnger, pieperfarbiger Rohrſaͤnger, lerchenfarbiger Spitz⸗ kopf, Schwirl. Sylvia Loeustella. Lath. ind. II. p. 515. n. 25. = Wolf u. Meyer, Taſchenb. I. S. 230. — Meisner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 111. n. 115. — Bechſtein orn. Taſchenb. III. S. 552. n. 23. — Acrocephalus Nuuialilis. Naumanns Vögel, alte Ausg. Nachtr. S. 192, S. 202, u. S. 342. Taf. 26. Fig. 54. — Mus cipeta Locustella, und M. olivacea. Koch baier. Zool. I. S. 166. u. 167. n. 88. und u. 90. — L’AloustteLoeustelle. Buff. dis. V. p. 42. — Edit. de Deuxp. IX. p. 51. — Id. Pl. enl. 581. f. 2. (Mit der Unterſchrift: Fauvelte tachetee , unter welchem Nahmen aber, Buff. eis. V. p. 149. u. Edit. de Deuxp. IX. p. 171. ein ganz anderer Vogel, vielleicht eine junge Motacilla Hava, beſchrieben wird.) = Briss. Orn. suppl. pl. V. f. 2. Been locustelle. Temmink Man. nouv. Edit. I, p. 184. = Grashopper Warbler Penn. arct. Zool. II. p. 419. — Ueberſ. v. Zimmermann, II. S. 392. L. - Lath. syn. II. 2. p. 429. n. 20. — Ueberſ. v. Bechſtein, II. 2. S. 430. n. 20. (Hier durch die Anmerkungen des Ueberſetzers, welcher den Vogel gar nicht kannte, ganz entſtellt.) —= Cuvier regn. anim., überf, v. Schinz, I. S. 151. Kennzeichen der Art. ' Der Oberkopf und der ganze Rüden olivengrau oder gruͤnlich⸗ braungrau, mit deutlichen ovalen, braunſchwarzen Flecken; die un⸗ tern Deckfedern des Schwanzes, die ſo lang ſind, daß ſie noch weit uͤber das Ende der aͤußerſten Schwanzfeder hinaus reichen, grau⸗ gelblichweiß, nach der Mitte zu dunkler, mit einem braunſchwaͤrzlichen Striche laͤngs dem Schafte jeder Feder. Beſchrei bung. Dieſer nett gebildete, aber mit keiner ſchoͤnen Farbe gezierte Vogel kann, wenn man auf die eben angegebenen Artkennzeichen 702 III. Ordn. XV. Gatt. 96. Fluß⸗Rohrſaͤnger. achtet, nicht leicht mit einem andern verwechſelt werden. Das ein⸗ foͤrmige lichte, oder dunkle, gruͤnliche Olivengrau der obern Theile, mit ſeinen laͤnglichten oder eifoͤrmigen, braunſchwarzen Fleckchen, ift ganz eine andere Farbe und Zeichnung, wie die des Schilfrohr— ſaͤn gers, die Flecke find dunkler und ſtets ſchaͤrfer von der Grund⸗ farbe begrenzt. Wuͤrden dieſe Flecke nicht ſein, ſo wuͤrde der Ruͤ⸗ cken die Farbe des Fluß rohrſaͤn gers haben. — Im Gan⸗ zen hat fein Gewand einige Aehnlichkeit mit denen des Wiefen: und Baumpiepers, und durch ſeine Lebensart ſcheint er ſelbſt ein Bindeglied zwiſchen dieſen und der Saͤngergattung zu bilden. — Es iſt ein ſchlankes Geſchoͤpf, hat aber unter allen Rohrſaͤngern den breiteſten Schwanz und die laͤngſten Schwanzdeckfedern. In der Größe gleicht er dem Schilfrohrfänger oder faſt dem Teich⸗ rohrſaͤnger. 1 Seine Länge iſt 54 bis 58, ſelten 55 Zoll; die Fluͤgelbreite habe ich immer zwiſchen 74 bis 84 Zoll gefunden; die Lange des Fluͤgels, vom Bug bis zur Spitze, zwiſchen 23 bis 24 Zoll; die Schwanzlaͤnge von 2 bis zu 27 Zoll. Die kurzen Fluͤgel bede⸗ cken hoͤchſtens ein Drittheil der Schwanzlaͤnge; die obern Schwanz⸗ deckfedern ſind ſo lang, daß ſie zwei Drittheile des Schwanzes be⸗ decken, die untern aber noch länger, fo daß fie noch weit uͤber die aͤußerſte Schwanzfeder, welche 6 bis 75 Linien kuͤrzer als eine der Mittelfedern iſt, hinausreichen. Die Schwanzfedern ſind weich, ſehr breit, vom letzten Viertheil ihrer Laͤnge an Breite abnehmend und etwas ſpitz zugerundet, und da ſie von der Mitte an allmaͤhlig an Laͤnge abnehmen, ſo erſcheint der breite Schwanz ſtark abge⸗ rundet. Die erſte Schwingfeder iſt ſehr klein und ſchmal, die zweite aber faſt von gleicher Länge mit der dritten, welche am laͤngſten iſt. Der Schnabel iſt klein und ſchwaͤchlich, an der Wurzel eben nicht breit, von der Mitte an nach vorne zu ſehr zuſammengedruͤckt, die Schneiden etwas eingezogen, und die des Oberſchnabels an der Spitze mit einem ſehr ſeichten, oft kaum bemerkbaren Ausſchnitt verfehen; der Rüden etwas kantig, gerade, nur ſpitzewaͤrts ein wenig abwaͤrts gebogen, die Unterkinnlade ganz gerade und pfrie⸗ menfoͤrmig ſpitz. Er iſt gegen 5 Linien lang und gleicht im Ganzen dem der 8. cariceti; auch die Form des Naſenlochs iſt dieſelbe, die Oeffnung bloß etwas weiter, auch iſt der Rachen tiefer geſpalten. — Die Farbe iſt nach Alter und Jahreszeit ſehr verſchieden. Gewoͤhn⸗ lich ſieht er fleiſchfarben aus, am Ruͤcken des obern und gegen die Spitze des untern in braune Hornfarbe, und ganz an der Spitze in III. Or dn. XV. Gatt. 97. Bufh:Rohrfänger. 703 Braunſchwarz uͤbergehend; dabei hat er dann bei juͤngern jederzeit mehr von der erſtern, bei aͤltern Voͤgeln mehr von der letztern Farbe; ſo ſind denn auch bei dieſen Rachen, Zunge und Mundwinkel roͤth⸗ lichgelb, (im Herbſte ſind ſie dies immer) bei jenen die erſtern fleiſch⸗ farben, und die letztern blaßgelb. In der Begattungszeit wird in⸗ deſſen der Schnabel viel dunkler, ſchwaͤrzer, ja ich habe dann alte Männchen geſchoſſen, welche einen durchaus matt ſchwarzen Schnabel hatten; dieſe Farbe ſahe gerade aus wie ſchwarz ange— laufenes Blei und erſtreckte ſich nicht allein uͤber den ganzen Schna⸗ bel von außen, ſondern auch von innen uͤber die Zunge, den gan⸗ zen Rachen, bis in den Schlund hinein und über die etwas ange⸗ ſchwollenen Mundwinkelraͤnder; alles war bleiſchwarz und gab dem Vogel ein eignes Anſehen. Dabei war das Augenliedraͤndchen kahl und ſchmutziggelb. Ich habe jedoch nur wenige mit ſo gefaͤrbtem Schnabel u. ſ. w. gefunden, weswegen ich vermuthe, daß dieſe Theile bloß bei ſehr alten Maͤnnchen und bei dieſen auch nur zur Zeit der Fortpflanzung ſich ſo veraͤndern, denn im Herbſt fand ich ſie niemals ſo. — Ueber den Mundwinkeln ſtehen nur wenige und aͤußerſt feine Borſthaͤaͤrchen, welche man kaum bemerkt; die Iris iſt lebhaft braun, weder hell noch dunkel. Die Fuͤße ſind, hinſichtlich ihrer Hoͤhe und Staͤrke, nur mittel⸗ maͤßig, der Ueberzug am Vordertheil der Laͤufe nur ganz ſeicht in große Tafeln zerkerbt, die Zehenruͤcken geſchildert, die Haut an den Fuͤßen uͤberhaupt ſehr zart; die Naͤgel duͤnn, ſchlank, ſehr zuſam⸗ mengedruͤckt, nur maͤßig gebogen, nicht ſehr lang, und nadelſpitz. Die Farbe der Fuͤße iſt am lebenden oder friſchen Vogel im Fruͤhjahr eine reine, im Herbſt eine gelbliche Fleiſchfarbe, wo dann auch die Zehſohlen noch ſtaͤrker ins Gelbliche fallen; die Naͤgel ſind, wie die Fuͤße, nur an den Spitzen grau oder braͤunlich. Am todten und ausgeſtopften Vogel werden die Fuͤße horngelblich und mißfarbig. Die Hoͤhe der Fußwurzel iſt 10 bis 11 Linien; die Laͤnge der Mit⸗ telzeh, mit dem Nagel, 8 bis 9 Linien; die der Hinterzeh uͤber 6 Linien, ohne Nagel nur 4 Linien. Das Gefieder dieſes Vogels iſt ſehr Der feidenarfig und ziemlich weitſtrahlig. So wie man in der Größe eine 1 Verſchiedenheit un⸗ ter dieſen Voͤgeln findet, ſo weichen ſie auch in der Farbe ziemlich von einander ab, ohne daß es moͤglich iſt, hiervon einen Grund mit voͤlliger Gewißheit angeben zu koͤnnen. Ich will zuerſt ein Maͤnnchen im Fruͤhlingskleide, wie man es gewöhnlich 704 III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſanger. fieht, beſchreiben. — Von der flachen Stirn an find alle obern Theile des Vogels, bis an den Schwanz, gruͤnlich braungrau, oder olivengrau, der Scheitel mit kleinen, ſehr deutlichen, der Hinterhals mit noch klei- nern, weniger deutlichen, und der Ruͤcken, Buͤrzel, die Schultern und Fluͤgeldeckfedern mit großen, laͤnglichteifoͤrmigen, braunſchwar⸗ zen Flecken, welche dadurch entſtehen, weil alle Federn jener Theile eigentlich braunſchwarz ſind, nur ſehr breite, olivengraue, von der erſtern Farbe ziemlich ſcharf getrennte Kanten haben. Die großen obern Deckfedern des Schwanzes ſind gewoͤhnlich dunkel gruͤnlich⸗ braungrau, mit lichtern Kanten, ohne dunkle Schaftſtriche; oft ha- ben fie aber dieſe, zuweilen ſogar ſchmale ſchwarzbraune Schaft: flecke. — Die Zuͤgel ſind lichtgrau; ein undeutlicher, verloſchner, weißlicher Strich zieht ſich vom Naſenloch über das Auge und ver⸗ liert ſich am Genick; der aͤußere Augenliedrand iſt weißlich befiedert; die Wangen ſind hinterwaͤrts olivengrau, nach vorn gelblichweiß ge⸗ miſcht und zuweilen verloſchen grau gefleckt; Kehle und Gurgel weiß, an den Seiten des Halſes und in der Kropfgegend ſchwach lohgelb oder ochergelb uͤberlaufen; Bruſt und Bauch weiß, meiſt ſchwach roſtgelb angeflogen, was ſeitwaͤcts ſtaͤrker wird und ſanft in ein gelbliches Olivengrau uͤbergeht, was die Seiten der Oberbruſt und die Gegend der Weichen einnimmt, woſelbſt ſich nicht ſelten einige dunklere Schaftſtriche zeigen; die Schenfelfedern roſtgelblichweiß, auf dem Hintertheil der Schenkel in Olivengrau uͤbergehend; die Af⸗ terfedern und die fehr langen untern Schwänzdeckfedern gelblichgrau⸗ weiß, nach innen zu dunkler, und jede mit einem matt braun⸗ ſchwaͤrzlichen Schaftſtriche, welche bei einem Vogel breiter, beim an⸗ dern ſchmaͤler, bei dieſem dunkler, bei jenem lichter ſind, aber nie fehlen. — Die Schwingen ſind ſchwaͤrzlichbraun, oder matt braun⸗ ſchwarz, die hinterſten am dunkelſten und mit breiten, die vordern aber mit ſchmalen olivengrauen Seitenkanten, welche nach der Wur⸗ zel zu manchmal einen roſtfarbigen Ueberflug haben, nach vorn zu aber jederzeit allmaͤhlig lichter werden, ſo daß die vorderſte oder erſte Schwungfeder ein weißgraues Kaͤntchen hat; die Deckfedern der großen Schwingen wie dieſe, meiſtens aber noch mit bemerklicherm Anflug von einem ſchmutzigen Roſtgelb, welches ſich oft auch den Kanten der vor⸗ derſten großen Fluͤgeldeckfedern mittheilt. Die Schaͤfte aller Schwing: federn find von oben braun, meiſtens ſehr hell, oft ſogar weißlich- braun, auf der untern Seite aber ganz weiß und glaͤnzend; die Schwingen unten hellgrau, mit weißlicher Kante der Innenfahne; die untern Fluͤgeldeckfedern ſchmutzigweiß, gelblich und grau ges III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſaͤnger. 705 miſcht, am Fluͤgelrande blaß gelblichweiß. Die Schwanzfedern ſind etwas dunkler als ihre obern Deckfedern, dunkel gruͤnlichbraun⸗ grau oder matt dunkelbraun, mit olivengrauen oder etwas lichter gruͤn⸗ lichbraunen, mit der Grundfarbe verwaſchenen Kaͤntchen, auf der untern Seite hellgrau, die Schaͤfte hier ebenfalls weiß, oben aber braun. Nur ganz alte Voͤgel haben im Herbſt, wie im Früh— jahr, eine ungefleckte Gurgel, während die jungern an dieſem Theil, zunaͤchſt dem Kropfe, mit einer Partie ſehr kleiner dunkelbrauner, oder auch nur graubrauner Fleckchen geziert ſind, welche die Geſtalt ei⸗ nes Hirſekorns haben, aber nur halb ſo groß ſind, und bei richtiger Lage des Gefieders in kurze unterbrochene Laͤngereihen ſich ordnen laſſen. — Sonſt ſehen alle aͤltere Voͤgel beiderlei Geſchlechts im Herbſte von oben viel dunkler aus, obgleich die ſchwarzen Flecke auf der Mitte der Federn, von den noch vollſtaͤndigen Feder⸗ kanten mehr verdeckt werden, in der That auch nicht ſo groß ſind wie bei denen von einem mittlern Alter, und die ganze Unterſeite iſt viel ſtaͤrker mit einem friſchen Gelb uͤberlaufen, was aus dem Ocher⸗ g ins Olivengelbe ſpielt und angenehm in die Augen faͤllt. Je aͤlter der Vogel, deſto dunkler erſcheint dieſes Kleid, fo daß die Hauptfarbe in einiger Entfernung dunkel olivenbraun zu ſein ſcheint. Sie wird nach dem Tode und am ausgeſtopften Vogel noch dunkler und brauner, weil ſich der gruͤnliche Schein zum Theil verliert. Im Fruͤhjahr und Sommer ſind die ſchwarzen Flecke der obern Theile viel auffallender, weil nicht allein die Hauptfarbe in ein mattes Olivengrau abgebleicht iſt, ſondern die Federraͤnder ſich auch ſo ſtark abgerieben haben, daß ſie weniger von jenen eg das Gelbe der untern Seite iſt auch viel lichter geworden. In der Hoͤhe und Tiefe der Hauptfarbe, in der Beimiſchung von mehrerem oder minderem Olivengruͤn, in der haͤufigern und beſtimmteren oder undeutlichern Anweſenheit der dunklen Flecke giebt es indeſſen ſo viel Verſchiedenheiten, wie in der Zeichnung der Unterſeite, der deutlich, oder nur verloſchen, oder gar nicht gefleckten Gurgel, u. ſ. w., ſo daß es, weil beide Geſchlechter faſt ganz gleich gefaͤrbt find, ſchwer wird, einen hinreichenden Grund für jene Verſchieden⸗ heiten zu finden. Ich darf dies wol behaupten, weil ich eine be⸗ traͤchtliche Menge dieſer Voͤgel in den Haͤnden hatte, wovon ich die meiſten ſelbſt ſchoß und friſch mit einander vergleichen konnte.“) ) Sm Herbſt 1821 erlegte ich mit meinen Brüdern allein 8 Stuͤck in zwei Tagen, und im Fruͤhjahr habe ich, außer vielen einzeln, mehrmals 3 und 4 Stuͤck an Einem Tage geſchoſſen und haͤtte an ihren Brutoͤrten, die ich alle ater Tbeil. 45 706 III. Drdn. XV. Gatt. 97. Bufh-Nohrfanger. Das Weibchen ſieht, wie ſchon berührt wurde, dem Männs chen ſo aͤhnlich, daß es ſich, dem aͤußern Anſehen nach, nur ſehr wenig von ſelbigem unterſcheidet. Alle Farben, auch die der Flecke, ſind bloß etwas matter oder blaͤſſer, und ſeine Groͤße etwas geringer, auch ſieht der Schnabel ſtets viel lichter aus. ö * Der junge Vogel im erſten Herbſte feines Lebens, naͤm⸗ lich gleich nach der erſten Mauſer, unterſcheidet ſich auffal- lend vom alten Vogel in ſeinem Herbſtkleide, weniger aber von deſſen Fruͤhlingskleide. Er ſieht viel blaͤſſer aus. Ich habe zwei Männchen und ein Weibchen von dieſem Alter vor mir. Erſtere ſind an den obern Theilen ſehr matt olivengrau, wegen der ſehr be— ſtimmten Umriſſe der braunſchwarzen Flecke, welche ſich auch bis auf die obern Schwanzdeckfedern erſtrecken, von oben ſehr bunt; an der untern Seite iſt kaum an den Hals- und Bruſtſeiten eine ges ringe Spur von ſchmutzigem Gelb zu finden, was eher Braͤunlich⸗ weiß genannt werden koͤnnte; die weiße Kehle hat feine, graue Fe⸗ derſpitzchen; an der Gurgel ſtehen aber dunkelbraungraue hirſekorn⸗ aͤhnliche Fleckchen, die größer find als bei ältern Vögeln; die Sei— ten der Oberbruſt und die Weichen gehen in lichtes Braungrau über, und an letztern ſieht man feine, und auch mehrere anfehnlich breite, dunkele Schaftſtriche oder Laͤngsflecke; die After- und untern Schwanzdeckfedern ſind in ihrer Mitte viel dunkler grau und ha— ben auch groͤßere und breitere Schaftſtriche als die der alten Voͤgel. Ein ſolcher Vogel ſieht ganz eigen aus, beſonders wenn man ihn gegen einen recht alten Herbſtvogel hält. — Das Weibchen von dieſem Alter iſt ſo ſehr verſchieden von alten Voͤgeln, daß man es fuͤr eine beſondere Art halten koͤnnte; es iſt noch viel bleicher als das eben beſchriebene Maͤnnchen. Die Farbe an den obern Theilen iſt ein ſehr bleiches, gelbliches, oder weißliches Olivengrau, das an den Kanten der vorderſten Schwingfedern allmaͤhlig in braͤunliches Weiß uͤbergeht; die matt braunſchwarzen Flecke auf ſelbigem ſind klein und an ihren Raͤndern mehr mit der olivengrauen Farbe ver: ſchmolzen, auch nur am Scheitel, Hinterhalfe und Oberruͤcken deut⸗ lich, an den Schultern und dem Unterruͤcken aber ganz blaß. An den untern Theilen iſt es ungemein blaß, und die weiße Farbe hier die herrſchende; an der Kehle haben die Federn ſehr feine graue Spitzchen, die Gurgel in der Mitte dunkele, braungraue, hirſekorn⸗ Jahre beſuche, noch viel mehr tödten koͤnnen. Ich habe jetzt 6 ausgeſtopfte Exemplare vor mir, die alle ſehr von einander abweichen. II. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſaͤnger. 707 foͤrmige Fleckchen; der Kropf an den Seiten einen gelblichgrauen An⸗ flug; die ganz weiße Bruſt nur an den Seiten einen gelbbraͤunlich⸗ grauen Anflug, und die untern Schwanzdeckfedern ſind braͤunlich⸗ weißgrau, mit weißen Enden und ſchmalen, dunkelbraunen Schaft⸗ ftrichen. — Schnabel, Fuͤße und Augenſterne ſind bei ſolchen j jungen Voͤgeln allemal bleicher gefaͤrbt. Einen jungen Vogel vor der erſten Mauſer habe ich leider noch nicht habhaft werden koͤnnen. Er iſt wahrſcheinlich an Kehle und Gurgel noch viel mehr gefleckt, uͤberhaupt bunter als die nn benen. Man findet bei dieſen Voͤgeln oͤfters viel gelbes Fett, was im Fruͤhjahr ſchoͤn orangegelb ausſieht. Das Fell iſt außerordentlich duͤnn und leicht zerreißbar, daher es das Ausſtopfen ſehr erſchwert. Die Sehnen der Unterſchenkel ſind gegen die Ferſe hin ſtark ver⸗ knoͤchert, auf aͤhnliche Weiſe wie bei huͤhnerartigen Voͤgeln. Au fen t han t. Dies Voͤgelchen war ſchon den aͤltern Orn ithologen bekannt, waͤhrend die neuern an ſeiner Exiſtens, als eigene Art, zweifelten, und erſt in den neueſten Zeiten wurde es bekannter. Im Jahr 1808 lernte ich es zuerſt kennen, machte dies aber erſt 1811 bekannt, waͤhrend P. Wolf (a. a. O.) dies im Jahr 1810 gethan hatte. Seit jener Zeit habe ich es, weil ich nun ſeinen Aufenthalt und ſei⸗ nen ſonderbaren Geſang hatte beſſer kennen lernen, faſt alle Jahre beobachtet, und in den letzten Jahren ſo vielfaͤltig an ſeinen Brutoͤr⸗ tern belauſcht, und ihrer ſo viele geſchoſſen, daß ich nun im Stande bin, ſeine Naturgeſchichte ziemlich vollſtaͤndig zu geben. Unſer Vogel ſcheint ziemlich weit verbreitet; man will ihn in Schweden, im ſuͤdlichen Rußland, auch in Sibirien ange- troffen haben, desgleichen in England, Daͤnemark, in meh⸗ reren Gegenden Frankreichs und Italien, und wahrſchein⸗ lich koͤmmt er auch in noch mehreren Laͤndern Europa's vor. Einzeln zeigt er ſich ferner in Holſtein, Holland, in der Schweitz und in vielen Gegenden Deutſchlands. In der Nähe meines Wohnorts giebt es Striche, wo er alle Jahre vorkoͤmmt und gar nicht felten iſt. Auch bei Lüneburg und in einigen Ge⸗ genden der Mark hörte ich feinen Geſang. — Er liebt die Ebenen und iſt in gebirgigen Diſtricten hoͤchſt felten, tief im Gebirge gar nicht. Er iſt ein Zugvogel, macht ſeine Reiſen bei Nachtzeit und ein⸗ zeln, im Herbſte aber auch haͤufig familienweis; doch weiß ich auch 708 III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch-Rohrſaͤnger. im Fruͤhjahr mehr als Einmal, daß ſich in den Umgebungen meines Wohnorts, an Einem Maimorgen, zwei bis drei hoͤren ließen, wo ich Tags vorher keinen bemerkt hatte, die alſo in Einer Nacht ange⸗ kommen waren und ſo auch in der folgenden wieder zuſammen verſchwanden. Sie ſind aber nie nahe beiſammen, auch im Herbſt nicht, wo man oͤfters eine ganze Familie im langen Graſe der Wie⸗ fen, aber auf einer großen Strecke zerſtreuet, antrifft, wo Tags vor= her und nachher nicht einer wieder geſehen wurde. — Im Frühjahr koͤmmt er bei fruͤhzeitig warmer Witterung ſchon gegen Ende Aprils, gewoͤhnlich aber erſt im Mai, wenn naͤmlich die Weiden und die meiſten andern Baͤume ſchon gruͤnes Laub haben, bei uns an, und der Durchzug iſt mit Ende des Maimonats beendigt. Die zuletzt ankommenden ſcheinen immer am wenigſten zu eilen. Wenn man um dieſe Zeit, oder gar noch Anfangs Juni ein Maͤnnchen mehrere Tage nach einander an einem Orte ſingen hoͤrt, wo man in den vo⸗ rigen Jahren kein niſtendes Paͤaͤrchen angetroffen hatte, ſo darf man noch nicht darauf rechnen, daß es dableiben wird, um hier zu niſten; es zieht vielleicht doch noch weiter. — Im Herbſt iſt der Sep⸗ tember, doch mehr die erſte als letzte Haͤlfte, ſeine rechte Zugzeit; von den Brutoͤrtern entfernt er ſich aber meiſtens ſchon im Auguſt. In der Zugzeit trifft man dieſe Voͤgel an den mit Rohr, Schilf, Binſen und andern hohen Sumpfpflanzen mit Gebuͤſch von Weiden, Erlen und anderm niedrigen Strauchholz vermiſcht beſetzten Ufern der Landſeen, Teiche, Graͤben, Fluͤſſe und Suͤmpfe an. Jeder kleine, mit Seilweidengebuͤſch beſetzte, Wieſen oder tiefliegende Ge⸗ traidefelder durchſchneidende Graben, mit oder ohne Waſſer, ſelbſt jede einzelne mit anderm Buſchwerk wenig zuſammhaͤngende Feld⸗ hecke, zumal wenn daſelbſt zwiſchen Dornen und anderem Geſtraͤuch auch langes Gras, Neſſeln und Geroͤhricht waͤchſt, giebt ihnen da einen Aufenthalt, wenn es daſelbſt auch ganz an groͤßern Waſſerflaͤchen fehlt, ja jene ſcheinen ihnen vielmehr zu behagen als dieſe, wenn die Ufer der letztern auch ſonſt nach ihrem Geſchmack wären. Mitten im Rohrdi⸗ ckicht ſah ich ſie nie, auch nur hoͤchſt ſelten uͤber dem Waſſer, ſondern meiſtens nur an den Ufern uͤber feuchtem Boden, auch wol weit vom Waſſer entfernt und auf ganz trocknem Boden, ſelbſt im hohen Win⸗ tergetraide. Dann find fie auch in den Buſchweidengehegen der Fluß⸗ ufer, aber weniger; auch in Bruͤchern, doch hier nur an den Raͤndern derſelben, wo wenig Waſſer iſt, wo aber Seilweidengeſtraͤuch waͤchſt. Auch die Gaͤrten der Landleute, wenn es viel wildes Ge⸗ ſtraͤuch, Zaͤune und Hecken in ſelbigen giebt, und fie durch halbver⸗ III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſaͤnger. 709 wachſene Waſſergraͤben von Feld oder Wieſen getrennt werden, be= ſuchen ſie beſonders im Fruͤhjahr. So ſang auch einmal einer in einem großen Reisholzhaufen, zehn Schritt von dem mit einem von wenigen Neſſeln und Rohr umkraͤnzten Graben umgebenen Wohn⸗ hauſe auf einem Oekonomiegute in hieſiger Gegend, wo er ſich auch des Nachts hoͤren lies; doch hatte er ſich nachher wegbegeben, ob es gleich ſchon in den letzten Tagen des Maies war. — Im Herbſte findet man ſie mehr auf feuchten Wieſen, im langen Graſe und im zwiſchen demſelben wachſenden niederen Seilweidengeſtraͤuch, auch in den Seggenwieſen der Bruͤcher, doch mehrentheils nur a wo Gebuͤſch in der Naͤhe ift. In der Fortpflanzungszeit bewohnen ſie aber größtentheils weit trocknere Gegenden, oft in großer Entfernung von einem be: deutenden Gewaͤſſer, doch aber meiſtens in der Naͤhe ſumpfiger oder wenigſtens feuchter Stellen, mitten in den Laubholzwaͤldern, beſon⸗ ders wo junge Schlaͤge ſind, auf denen recht uͤppiges Gras zwiſchen dem Holze waͤchſt. Sie leben dann nicht in fo von Bäumen ent⸗ bloͤßten Gegenden, wo man ſie wol auf dem Zuge ſah, ſon— dern im wirklichen Walde, oft tief darin, wo niedriges, dichtes Buſchholz und Dornenbuͤſche haͤufig beiſammen wachſen und mit freien, grasreichen Plaͤtzen, Wieſen und ſchilfigen Stellen abwech⸗ ſeln, wo es auch hohe und alte Baͤume giebt; doch im eigentlichen finftern Hochwalde nie. Sie verlangen immer weitlaͤufige Dickichte von Strauchholz und Dornen, und wo es dieſe giebt, ſind niemals ſehr viel hohe Baͤume. — Wenn das Buſchholz zu alt und zu hoch wird, begeben ſie ſich an die Raͤnder ſolcher Schlaͤge und dahin, wo es freie, mit wenigem Gebuͤſch beſetzte Plaͤtze in denſelben giebt, oder auch wol ganz weg und dahin, wo die Schlaͤge noch nicht ſo alt ſind. So trifft man fie wol drei und mehrere Jahr hintereinander im Som⸗ mer an denſelben Orten an, bis ſie die erwaͤhnte Urſache noͤthigt, ei⸗ nen andern Wohnplatz aufzuſuchen. In unſern ſchoͤnen Auen dern an der Elbe kenne ich vieler ſolcher Plaͤtze. Es iſt eine Seltenheit, unſern Vogel einmal auf den niedrigsten Aeſten und Zweigen eines Baumes zu ſehen; auf hohe koͤmmt er gar nicht. Er kriecht vielmehr ſtets nahe am Boden, wenige Fuß uͤber demſelben, oder auf dieſem ſelbſt, im dichteſten Geſtruͤpp her⸗ um und laͤßt ſich ſehr ſelten auf dem Freien ſehen. Hierin uͤbertref⸗ fen die Weibchen die Maͤnnchen noch, wie man dies uͤberhaupt von allen Rohrſaͤngern ſagen kann; es iſt daher aͤußerſt ſchwer, ein Weib ⸗ chen zu bekommen. — Muß er einmal uͤber das Freie, ſo eilt er ſehr 710 UI. Or dn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſaͤnger. und in der Verlegenheit habe ich ihn wol auch in den Zweigen einer Kopfweide ſich verbergen ſehen, was er aber nur dann thut, wenn daſelbſt niedriges Geſtraͤuch ganz mangelt. Kein anderer Rohrſaͤn⸗ ger haͤlt ſich ſo haͤufig auf dem Erdboden auf, als dieſer, kein an⸗ derer entfernt ſich fo weit und oft vom Waſſer, wie er, und er unter: ſcheidet 15 40 Bü N von ſeinen uͤbrigen Familienver⸗ % In 1 Johr iſt e el an eben bezeichneten Orten in 1 Ebenen Anhalts gar keine Seltenheit, in einem andern ſieht man nur wenige; ſo iſt es auch an ſolchen Orten, wo er bloß durchzieht. Ich habe auch bemerkt, daß ein an ſolchen Vögeln rei= ches Jahr auf eins von entgegengeſetzter Beſchaffenheit, oder um— gekehrt dies auf jenes folgte; oft waren auch mehrere hinter ein⸗ ander reich oder arm an ihnen, ohne daß man eine Urſache hiervon anzugeben vermag. Man beobachtet dies uͤbrigens bei mehreren von Inſecten lebenden Voͤgeln. So waren z. B. die ſchwarzgrauen Fliegenfaͤnger im Jahr 1821 in einem hieſigen Walde ſehr felten, in welchem fie 2 Jahr fruͤher in großer Menge niſteten und auf allen hohen Baͤumen herumflatterten; auch in andern benach— barten Waͤldern ſah man viel wenigere als ſonſt, und dieſer Man⸗ gel zeigte ſich auch in den Umgebungen meines Wohnorts, wo ſie fonft auf dem Zuge fleißig einzuſprechen pflegen. In dieſem Jahr, 1822, iſt es dagegen ganz anders; allenthalben ſehe ich ſie in Menge. Eben fo iſt es in manchen Jahren mit den Garten- und Sper⸗ bergrasmüden, mit den Sumpf⸗ und Seggenrohr⸗ ſaͤ 1 und vielen andern, ſo a) mit unſerm Buſchrohrſaͤnger. Ei den Es mag nicht leicht einen unruhigern und dabei verſteckter lebenden Vogel geben, als dieſen. Ueberhaupt bemerkt man in ſeinem Betragen ſehr viel Eigenthuͤmliches, das wieder mit dem anderer Rohrſaͤnger, Schluͤpfer und Pieper gemiſcht iſt, daß es faſt zu weit fuͤhren wuͤrde, dies alles ganz genau zu beſchreiben. Unablaͤſſig kriecht er im dichteſten Geſtruͤpp von Buſchholz und von Sumpf⸗ pflanzen dicht uͤber dem Boden oder auf dieſem herum und treibt hier fein Weſen faſt ganz im Verborgenen. Nur ein ploͤtzlicher Ue— berfall kann ihn einmal aus ſeinem Dunkel hervorſcheuchen; aber er fliegt dann auch gewiß nie weit uͤber das Freie, und bloß niedrig und dicht uͤber den Boden hin. Es iſt ein ungemein hurtiger, leb⸗ hafter Vogel, und er ſchluͤpft, zumal wenn er Gefahr ahndet, denn III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſaͤnger. 711 er iſt ſehr ſcheu und liſtig, ſo ſchnell durch die dichten Zweige, daß man ihn augenblicklich aus den Augen verliert. Auf dem Erdboden läuft er ſchrittweis, mit einer Leichtigkeit und Grazie, wie ein Pieper, und wo er ſich verfolgt glaubt, mit einer ſolchen Schnellig⸗ keit, wie man eine Maus laufen zu ſehen gewohnt iſt. Kann man ſeinem Treiben in der Naͤhe und ganz unbemerkt zuſehen, wie mir dies einigemal gegluͤckt iſt, ſo glaubt man, wenn er am Boden um: herlaͤuft, keinen Saͤnger, ſondern einen Pieper zu ſehen, ſo ſehr ähnelt er in feiner Stellung, wie in feinen Bewegungen, dieſem, bes fonders dem Wiefenpieper. Gerade wie dieſer, ſtreckt er den Hals dabei etwas vor, traͤgt den Koͤrper voͤllig waagerecht, laͤuft ruckweis und bewegt dazu den Schwanz und ganzen Hinterleib mehrmals nach einander auf und nieder. So ſah ich ihn auch auf horizontalen ſtarken Wurzeln und Weidenaͤſten der Laͤnge nach hin⸗ laufen, und ein Weibchen, was ich vom Neſte ſcheuchte, flog auf einen langen, ſtarken, horizontalen, niedrigen Zacken einer alten Eiche, auf welchem es in ſeiner ganzen Laͤnge hinlief. In dieſer Situation iſt es ein wunderliebliches, ſchlankes Geſchoͤpf. — Im Fort⸗ huͤpfen quer uͤber die Zweige, was mit tief gebeugter Bruſt und ſtark gebogenen Ferſen geſchieht, zuckt er, wenn er etwas Verdaͤchti⸗ ges bemerkt, ſehr wenig und ſelten mit den Fluͤgeln und dem Schwanze, und nur in der hoͤchſten Noth und Angſt ſchnellt er dies fen etwas ausgebreitet hoch aufwärts und bewegt dabei die haͤngen⸗ den Fluͤgel vielfach. Dieſe Stellung, die ihm ganz ſonderbar ſteht, ſahe Wolf (S. deſſen Taſchenb. S. 231) ihn im Kaͤfig machen; aber im Freien ſieht man ſie ſehr ſelten, und deswegen kann man ſie durchaus nicht charakteriſtiſch nennen. Im ruhigen Forthuͤpfen durch die Zweige nimmt er ganz die Stellung an, wie die naͤchſt ver⸗ wandten Voͤgel, und da iſt er wieder ganz Rohrſaͤnger, auch wenn er an ſenkrechten Zweigen oder Pflanzenſtengeln auf- und abſteigt. So iſt auch ſein Flug dem anderer Rohrſaͤnger ganz aͤhnlich; er breitet, wie ſie, im Fortfliegen den etwas haͤngenden Schwanz ſtark aus, flattert niedrig aber ſchnell in gerader Linie fort, wenn er nicht weit will, und ſchluͤpft ſogleich wieder in den Dickicht der Pflanzen und des Gebuͤſches. Geht der Flug uͤber groͤßere Raͤume, wozu ſich der Vogel ſelten entſchließt, ſo iſt er aus groͤßern und kleinern Bo⸗ gen zuſammengeſetzt, leicht, ſchnell, aber ſehr unſicher oder unregel⸗ mäßig, zumal bei etwas ſtarkem Winde. Beim Niederſetzen ſcheint er ſich gleichſam in die Buͤſche zu werfen, und er iſt ſchon, wenn man ihm auch ſchnell folgt, ehe man hinkoͤmmt, weit von dem erſten 712 II. Ord n. Xv. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſaͤnger. Platze weg, im Gebuͤſche fortgeſchluͤpft. Stillſitzen iſt ſeine Sache nicht; ich habe es von ihm nie geſehen, außer vom ſingenden Maͤnn⸗ chen und auf dem Neſt. Seine Lockſtimme iſt ein ſchmatzend er oder ſchnalzen⸗ der Ton, ganz wie, bei andern Rohrſaͤngern; der Geſang des Männchens iſt indeſſen ſo ganz eigen und ſonderbar, daß er mit keinem andern bekannten Vogelgeſange, außer mit dem des Flußrohrſaͤn⸗ gers, verglichen werden kann. Er beſteht aus einem einzigen ein⸗ foͤrmigen, ſehr langen, ziſchenden Triller, oder iſt vielmehr ein Schwirren, ganz dem aͤhnlich, wie es die große gruͤne Heuſchrecke (Gryllus viridissimus) mit ihren Fluͤgeln hervorbringt, oder wie man es von der Maulwurfsgrylle (Acheta Gryllotalpa) hört, was jedoch bei dieſer tiefer und ſtaͤrker im Ton iſt. Mit dem der erſten hat es aber eine ſo große Aehnlichkeit, daß nur das Kennerohr ei⸗ nen ſehr geringen Unterſchied bemerkt, der Ungeuͤbte ſich aber un⸗ gemein leicht taͤuſchen kann. Wer es erſt mehrmals gehört hat, wirdi im: mer finden, daß der Ton reiner, weniger ziſchend und, wenn man ſo ſagen kann, pfeifender iſt. — Dieſes monotone Sirrrrrrrrrr iſt dem Schwirren des Flußrohrſaͤng ers ähnlich, aber der Ton iſt fei⸗ ner, höher, und klingt mehr wie J, bei jenem aber wie E; auch iſt der Triller weniger hart, aber auch nicht ſo laut. Es iſt mir uͤber⸗ haupt immer ganz ſonderbar vorgekommen, daß man dies feine Ge⸗ ſchwirr, was in der Naͤhe gar nicht ſtark klingt und darin das Schwirren der großen grünen Heuſchrecke kaum übertrifft, fo weit hoͤren kann. Ein gutes Ohr vernimmt es an ſtillen Abenden 1000 Schritte und weiter noch ganz vernehmlich. — Gewoͤhn⸗ lich ſchwirrt der ſonderbare Saͤnger ſeinen Triller gegen eine Minute lang in Einem Athem weg, ohne Einmal abzuſetzen; wenn er aber recht eifrig ſingt, fo dauert er, ohne Unterbrechung, oft 25 Minuten lang in Einem fort, was ich oͤfters mit der Uhr in der Hand beobach- tet habe; nach einer Pauſe von wenigen Secunden faͤngt er wieder an zu ſchwirren, und ſo hoͤrt man ihn ſeine einfoͤrmige Muſik nicht ſelten ſtundenlang fortſetzen. An den Orten, wo er auf ſeinem Frühlingszuge vorkoͤmmt, ſingt er zwar fleißig, beſonders Vormit⸗ tags und gegen Abend, aber mit groͤßern Intervallen, und dehnt ſein Lied auch niemals ſo lang. Da wo er brüten will, iſt er viel fleißi-⸗ ger; allein wenn er erſt einen Neſtplatz gewaͤhlt hat, hört man ihn ſel⸗ tener am Tage, oder dann doch nicht mehr anhaltend ſchwirren; ei— ner oder der andere ſtimmt wol ſein Liedchen an, aber ohne es lange fortzuſetzen, und dies iſt etwa fruͤh um 8, Mittags gegen 12 und III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch-Rohrſaͤnger. 715 Abends um 7 Uhr. Er faͤngt jetzt erſt nach Sonnenuntergang or⸗ dentlich damit an, ſingt immer eifriger, je mehr Mitternacht heran⸗ naht, bis nach 12 Uhr, pauſirt nun eine gute Stunde, faͤngt wie⸗ der an zu ſchwirren und treibt es jetzt eben ſo eifrig, als vor Mit⸗ ternacht, bis zum Aufgang der Sonne. Hat das Weibchen erſt Neſt und Eier, ſo ſingt das Maͤnnchen am Tage gar nicht mehr, ſondern bloß bei mitternaͤchtlicher Stille, oder fruͤh wenn der Mor⸗ gen kaum zu grauen anfängt.*). — Wo dieſe Voͤgel keinen feſten Wohnplatz fuͤr den Sommer aufgeſchlagen haben, ſingt das Maͤnn⸗ chen faſt immer nur waͤhrend es durch die Zweige fortſchluͤpft, ſo, daß es ſich am Finale ſeines monotonen Trillers, oft 50 Schritte von dem Orte, wo es ihn anfing, entfernt hat, ohne ihn nur Ein⸗ mal mit einer kleinen Pauſe unterbrochen zu haben. Am Bruͤte⸗ platze ſitzt es dagegen haͤufig Stunden lang an Einer Stelle und ſchwirrt daſelbſt ſein Liedchen mit wenigen Unterbrechungen. Ich ſahe es dabei auch oft aus einem Dornbuſche an einem duͤrren Zweige ſeit⸗ waͤrts, auch oben uͤber dem Geſtraͤuch, ſchwirrend heraufſteigen und fo, ganz frei ſitzend, lange fortſchwirren, und nachher meiſtens an dem⸗ ſelben Zweige wieder ins Dunkel hinabſteigen. Hier ſahe ich, wie es, bei ſehr aufrechter Stellung des Koͤrpers, den Kopf etwas in die Hoͤhe hielt, die Kehle aufblies und den etwas geoͤffneten Schnabel ſtark bewegte, dabei aber nicht unterlies, alles was um ihn her vor⸗ ging, zu bemerken, wozu es den Kopf bald auf dieſe, bald auf jene Seite drehete. Dies iſt auch beinahe der einzige Zeitpunkt, wo man dieſen ſtets im Verborgenen lebenden Vogel auf dem Freien ſtill ſitzen ſieht. Das Weibchen zeigt ſich dagegen faſt nie anders, als etwa im Herausfliegen. — Schon bei ihrer Ankunft im Fruͤh⸗ ) Sch habe dieſe Vögel zu allen Stunden des Tags und der Nacht zu belauſchen N geſucht und deswegen ganze Naͤchte im Walde zugebracht und kann verſichern, daß dieſer merkwürdige Geſang in der Nacht, zumal wenn ich mehrere, deren Standorte nicht weit von einander entfernt waren, zu gleicher Zeit ſchwirren hörte, und dann am Morgen dieſe intereſſanten Gegenden verlies, ſtets einen hoͤchſt ſonderbaren Eindruck auf mein Gemuͤth machte, fo daß ich Stunden lang nachher, den Wald laͤngſt im Ruͤcken, immer noch dieſes Schwirren zu hören glaubte, das mir aus jedem rauſchenden Zweige, an dem ich voruͤber ging, aus jedem fäufelnden Luͤftchen entgegen zu kommen ſchien. Oefters ging ich an Buͤſchen voruͤber, worin ich nie einen dieſer Voͤgel gehoͤrt hatte, und doch ſchien mir ihr Schwirren daraus entgegen zu ſchallen; ich mußte ſtehen bleiben, um mich feſt zu uͤberzeugen, daß mich diesmal mein Gehoͤr und meine Einbildungs⸗ kraft getaͤuſcht hatte. Vieles mag freilich hierbei auf Rechnung einer durch Entbehren des Schlafs u. ſ. w. herbeigefuͤhrten Abſpannung kommen, doch machen fonft in der Regel nur laͤrmendes Getöfe, aber nicht fo feine Töne, wie dies Schwirren, ſolche Eindruͤcke. 714 UI. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſänger. jahr ſingen die Maͤnnchen und machen uns dieſe damit bemerklich, dann an ihren Brutoͤrtern, und hier zwar bis FR in den Sommer hinein. *) Sm Käfige ſoll er ſich anfaͤnglich wild e a, bei gehb⸗ riger Sorgfalt und richtiger Behandlung, doch bald gewöhnen laſ— ſen. Selbſt gemachte Erfahrungen in dieſem Punkte fehlen mir. „ Na h un g: Eine Menge Arten kleiner, im Schilf, auf ſumpfigen Orten, im Graſe und im Geſtraͤuch, nahe an und auf dem Boden ſich auf— haltender Inſecten ſuchen dieſe Voͤgel zur Speiſe auf; ſo freſſen ſie Muͤcken, Schnaken, Hafte, Fruͤhlingsfliegen, kleine Libellen, Fliegen, kleine Blatt: Sonnen- Ruͤſſelkaͤferchen und vielerlei andere Arten, nebſt den Larven und Puppen derſelben, uͤberhaupt allerlei kleine Maden, die ſich auf dem Schlamme, unter modernden Vege— tabilien und ſonſt an den Wurzeln und Staͤmmen der Gewaͤchſe und unter dieſen am Boden aufhalten. Sie ſind beſtaͤndig mit dem Auf⸗ ſuchen dieſer kleinen Weſen beſchaͤftigt und finden ſie theils unter raſtloſem Forthuͤpfen durch das niedrige Geſtraͤuch und Pflanzenge- wirr, theils auf dem Erdboden unter dieſen, an den Ufern der Graͤ— ben und anderer Gewaͤſſer, unter ausgewaſchenen Wurzeln und uͤber⸗ haͤngendem Raſen. Ich war einigemal ſo gluͤcklich, dieſen Voͤgeln am Teiche in meinen Garten ganz unbemerkt Stunden lang zuſehen zu koͤnnen, wie ſie, einem Pieper aͤhnlich, auf der Erde hinliefen, unter wildem Geſtruͤpp von Weiden, Schilf, Rohr, Neſſeln u. dergl. auf naſſem Boden nach kleinem Gewuͤrm emſig ſuchten, alle Augen⸗ blicke etwas auflaſen, oder zwifchen den durchs Waſſer von Erde ent—⸗ bloͤßten Wurzeln der Sumpfpflanzen und des Geſtraͤuchs hervorzogen, oder von den Pflanzenſtengeln abpickten. Fliegende Inſecten ſchei⸗ nen fie wenig zu achten; ich habe fie nie darnach haſchen ſehen, wes nigſtens verfolgen ſie dieſelben niemals aufs Freie. — Wahrſchein⸗ lich alle fie auch Hohlunderbeeren. Im Käfig ſollen fie ſich eben nicht ſchwer mit Mehlwuͤrmern, Ameiſenpuppen und Fliegen an Nachtigallenfutter gewoͤhnen laſſen und laͤngere Zeit dabei ausdauern. *) Ein Jaͤger wollte verſichern, ihn noch im September gehoͤrt zu haben; weil ich es aber nicht ſelbſt gehört habe, und eine Verwechſelung mit dem Schwirren der großen gruͤnen Heuſchrecke, die nach abgeerndteten Feldfruͤchten ihre Zu⸗ flucht haͤufig zum naͤchſten Walde nehmen, vorgefallen fein koͤnnte, fo darf man ſolchen Nachrichten nicht unbedingt trauen. II. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſäͤnger. 715 MFS rp fllan zun g. In Deutſchlands Ebenen finden ſich dieſe Voͤgel zur Se tungszeit in den tiefer liegenden Gegenden, befonders in den Auen, welche unſere Fluͤſſe durchſtroͤmen, und in feuchten Wieſengruͤnden ein, um hier das Geſchaͤft der Fortpflanzung zu treiben. Man ſieht ſie dann nicht mehr am Waſſer oder über demſelben und nicht mehr in den Bruͤchern, auch nicht mehr auf freien, nur mit wenigem Gebuͤſch beſetzten Wieſen; fie verlangen dann Wald mit vielem nied⸗ rigem und dichtem Unterholz. Nur da, wo die Maͤnnchen in der zweiten Haͤlfte des Juni noch ihr Schwirren hoͤren laſſen, darf man erwarten daß ſie daſelbſt ihre Neſter haben; fruͤher haben juͤngere Voͤgel noch keinen feſten Standort; nur die alten finden ſich auf ſel⸗ bigem meiſtens ſchon um die Mitte des Maies ein. Die ſchoͤnen Laubholzwaͤlder in den Auen an unſeren Fluͤſſe, in welchen ſich kleine Wieſenplaͤtze und feuchte Stellen zwiſchen den jungen zwei- bis vier⸗ jaͤhrigen Schlaͤgen befinden, in welchen das junge Buſchholz erſt zu 2 bis 6 Fuß Hoͤhe aufgeſchoſſen iſt, wo dann zwiſchen demſelben viel hohes Gras, nahmentlich die rohraͤhnlichen Arten, als: Phalaris arundinacea, L. Arundo calamagrostis, Agrostis arundinacea u. a. m., auch gemeines Rohr (Arundo phragmitis) aufgeſchoſſen iſt und recht dichtes Geſtruͤpp bildet, zumal wo zwiſchen dieſen recht viel Schwarz- und Weißdornbuͤſche wachſen; ſolche junge Schläge, auf welchen gewoͤhnlich nicht viel hohe, alte Baͤume ſtehen, ſind ihre Lieblingsplaͤtze. Werden dieſe Schläge endlich zu alt, das Buſchholz zu hoch, ſo ziehen ſie ſich an die Raͤnder oder nach den freien grasreichen Plaͤtzen mitten an denſelben, oder begeben ſich ganz weg auf einen nachbarlichen Schlag von obiger Beſchaffenheit. Feuchten Boden findet man immer an ſolchen Orten, oder doch in deren Naͤhe ſolche Stellen; allein vom Waſſer ſelbſt wohnen ſie oft ziemlich entfernt. Man ſieht, daß ſie es in dieſer Zeit ganz entbeh⸗ ren koͤnnen, oder vielmehr gar nicht ſuchen. Dagegen duͤrfen ihnen Dornbuͤſche nicht fehlen, und ſie ſind ihnen um ſo lieber, wenn ſie mit oben genannten und andern Grasarten, auch mit Brombeer- und Hopfenranken, Neſſeln u. dergl. ein faſt undurchdringliches Geſtruͤpp bilden. Ich habe zwar ihren Geſang auch hin und wieder in den Buſchweidengehegen hart am Ufer der Elbe, auch in dem Seilwei— dengebuͤſch auf ſchilfreichen Wieſenplaͤtzen der Auenwaͤlder gehoͤrt, wo es dichtes, niedriges, mit Rohrgras, Schilf und Rohr vermiſch— tes Weidengebuͤſch genug gab, was ihnen eine Neſtſtelle nach ihrem Geſchmack haͤtte darbieten koͤnnen; aber ich habe demohngeachtet 716 III. Drdn. XV. Gatt. 97. Buſch-Rohrſaͤnger dort nie ein Neſt gefunden, will es jedoch deshalb nicht leugnen, daß es dort geweſen ſein kann; denn es iſt beim ſorgfaͤltigſten Su⸗ chen oft bloßer Zufall, ein ſolches Neſt, in ſolchem Wuſte verſteckt, zu finden. ni Man trifft fie niſtend, in einer Entfernung von wenigen Stuns den von meinem Wohnorte, alle Jahre und ziemlich haufig in den Forſten bei Diebzig, Loͤdderitz und Aken an; auch niſteten vor einigen Jahren einmal mehrere Paͤaͤrchen im Forſte bei Klein⸗ Zerbſt, von wo ſie ſich aber, weil diejenigen Schlaͤge, welche ihnen nur zuſagen konnten, zu alt wurden, weggezogen haben. In den erſtgenannten Waͤldern traf ich ſie aber, mit weniger Abwechſelung, drei und vier Jahre, alle Sommer an denſelben Stellen oder ganz in der Nähe derſelben. Schon ſeit laͤngerer Zeit beſuche ich alljaͤhr— lich jene anmuthigen, von Singvoͤgeln aller Art wimmelnden Waͤl⸗ der und habe daſelbſt nicht allein manchen Tag, ſondern ſelbſt manche Nacht zugebracht, um dieſe intereſſanten Voͤgel zu beobachten und ihre Neſter aufzufinden. Um hierin gluͤcklich zu ſein, iſt faſt durchaus nothwendig, das Maͤnnchen am ſpaͤten Abend oder in der Nacht fingen zu hören, weil es dann dabei an Einer Stelle bleibt, die man ſich genau merkt, und die immer in der Naͤhe des Neſtes iſt, wodurch das Auffinden deſſelben Tags darauf ſehr erleichtert wird. Man er⸗ langt dadurch den großen Vortheil, daß man das boͤſe Dornge⸗ ſtruͤpp nur in einem kleinen Umkreiſe zu durchſuchen braucht; denn am Tage ſingt das Maͤnnchen, wenn ſein Weibchen erſt ein Neſt und Eier hat, nicht nur ſelten noch, ſondern es treibt ſich dabei auch in einem groͤßern Bezirk umher, weshalb das Aufſuchen des Neſtes, ohne jene Vorkehrungen, weit mehr Zeit koſten, mit viel groͤßern Schwierigkeiten verknuͤpft ſein, ja nur ſelten gelingen wuͤrde. Das Neſt ſteht ungemein verſteckt und iſt ſchon deshalb, noch mehr aber wegen der ſtachligen Umgebungen ſehr ſchwer zu finden. Daher habe ich, ehe ich die Lieblingsideen dieſes Vogels bei der Anlage ſeines Neſtes kennen lernte, es oft, auf den Knieen in den Dornen herumkriechend, aufgeſucht. — Sehr haͤufig ſteht es mitten in einem kleinern „ niedrigen, mit Rohrgras durchwachſe— nen Dornbuſch; da wo die Dornen aber ſchon gegen 4 Fuß Hoͤhe haben, und der Buſch von groͤßerem Umfange iſt, allemal mehr an der Seite deſſelben, woſelbſt jene gewoͤhnlich niedriger und mehr mit Gras durchwachſen ſind. Iſt das Buſchholz ſchon zu hoch und deshalb lichter geworden, weil Gras und dergleichen nun nicht mehr ſo uͤppig hier wachſen, ſo findet man es auf den freiern Stellen, wo III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch-Rohrſänger 717 niedrige, kleine Weiß- oder Schwarzdornbuͤſche aus dem hohen Graſe hervorragen. Solche einzelne Dornbuͤſchchen ſcheinen ihnen dazu am meiſten zu behagen. So fand ich es beſonders oft in Weißdorn⸗ buͤſchchen von 2 Fuß Hoͤhe. Einmal fand ich es, nachdem ich be= reits daran verzweifelte, weil es ein ganz dazu geeignetes Geſtruͤpp von niedrigem Strauchholz, Dornen, Brombeer- und Hopfenran: ken, worin ich Abends zuvor den Vogel ununterbrochen hatte ſingen hoͤren, nicht enthielt, einige Schritte von dieſem, in einem der ein: zelnen kleinen, zum Theil im langen Graſe verſteckten Schwarz— dornbuͤſche. Mehreremal ſtand es auch bloß in einem großen Gras: buͤſchel, zwar im Dickicht, doch mehr unter hohen Bäumen, wo dieſer immer lichter iſt. Da, wo die Dornen ſchon ſo alt ſind, daß der Boden kein hohes Gras mehr hervorbringt und unter ihnen kahl oder bemooſt iſt, darf man es nicht ſuchen; hatte man in einem ſolchen Buſche den Vogel ſchwirren hoͤren, ſo ſteht das Neſt ſicher am Rande, wo die niedrigen Dornen mit Gras durchwachſen ſind, aber nie tief im Dickicht deſſelben. Ein gewoͤhnlicher Geſellſchafter am Bruͤteplatze iſt die Dorngrasmuͤcke; fie niſtet an ähnlichen Orten und auf aͤhnliche Art, doch auch wieder an manchen andern haͤufig, wo unſer Buſchrohrſaͤnger nicht hinkoͤmmt. Bei einer gro⸗ ßen Aehnlichkeit mit dem Neſte jener, die den Unkundigen leicht irre fuͤh- ren kann, hat das Neſt des letztern doch etwas Eigenthuͤmliches, was es ſogleich als das Neſt eines Rohrſaͤngers charakteriſirt, naͤmlich in der Stellung und zum Theil auch in der Form. 5 i Das Neſt iſt immer ſo geſtellt, daß es gewiſſermaßen zwi⸗ ſchen den Zweigen oder Grashalmen ſchwebt, indem es nur mit den Seitenwaͤnden an dieſen befeſtigt, fein Boden aber frei, ohne Un: terſtuͤtzung iſt. Selbſt ganz tief ſtehende Neſter berühren den Erd⸗ boden kaum, oder immer nur ſo, daß man, ohne das Neſt zu beſchaͤ— digen, unter feinem Boden durchgreifen kann. Es ſteht auch hau: fig gegen einen Fuß hoch von der Erde; aber über 2 Fuß hoch habe ich es nie gefunden. — In ſeiner Form iſt es von außen ſehr hoch, nach dem Boden mehr zu- als abgerundet, von innen ungemein tief, ſein oberer Rand wenig einwaͤrts gebogen, aber die Aushoͤh⸗ lung tiefer als jedes Grasmuͤckenneſt. Bei 27 Zoll Weite, hat es oͤfters 24 Zoll Tiefe, die Neſter der Dorngras muͤcke aber bei aͤhnlicher oder anſehnlicherer Weite ſelten bis 2 Zoll Tiefe. Mit dem Neſte dieſer hat es im uͤbrigen gar viel Aehnlichkeit; es iſt auf aͤhn⸗ liche Art gewebt und aus demſelben Material gebauet. Dies ſind meiſtentheils trockne Blaͤtter und Halme der feinern Grasarten, 718 III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſaͤnger. welche, jederzeit mit einzeln weißen Flocken, aus Kluͤmpchen von In⸗ ſectengeſpinſt beſtehend, vermiſcht ſind, nach innen feiner werden, wo ſie endlich, als innere Ausfuͤtterung, in die feinſten trocknen Grasrispen uͤbergehen. Unter den weißen und gelblichen Flocken, welche dem lockern Baue wol mehr Halt geben ſollen, bemerkte ich, außer den Cocons von Inſecten und den gelblichen Wollenkluͤmpchen, worin man fruͤher die Eier oder Jungen mancher Spinnen fand, auch einzelne Flocken Samenwolle von Weiden oder Pappeln, gerade wie man es auch am Neſte der Dorngrasmuͤcke oft ſiehet; eben fo iſt auch das Gewebe nicht dichter, ja haufig eher noch lockerer und durchſichtiger. 5 Die Eier, deren man fuͤnf bis ſechs, ſeltner nur vier Stuͤck in einem Neſte findet, find von eben der Größe wie die der Dorn= gras muͤcke, ja zuweilen ſcheinen einzelne ſogar noch etwas größer zu ſein, woran aber ihre meiſt kuͤrzere, rundere Form Schuld iſt. Sie ſind auch bedeutend groͤßer als die des Schilfrohrſaͤngers und von gleicher Groͤße, doch dicker als die des Teichrohr⸗ ſaͤn gers; unſer Vogel legt alſo, im Betracht feiner Größe, ziemlich große Eier. — Sie ſind ſehr kurz- oval, manche an einem Ende wenig mehr als am andern zugerundet, manche in der Mitte ſehr bauchig, uͤbrigens ſehr duͤnnſchalig, ohne merklichen Glanz. Auf einem blaugruͤnlichweißem Grunde ſind ſie mit gelblichem Olivenbraun uͤberall beſpritzt und bekritzelt, welche Farbe dann ſtellenweis in marmorartige Flecke zuſammen fließt, was beſonders gegen das ſtumpfe Ende hin haͤufig der Fall iſt; uͤberdem ſind ſie noch mit Punkten und Flecken von einer dunkeln Schieferfarbe mehr oder we⸗ niger ſo uͤberſtreuet, daß dieſe vor dem ſtumpfen Ende einen unor⸗ dentlichen Fleckenkranz bilden, der aber nur bei wenigen Stuͤcken auffällt, weil er meiſtens nicht ums ganze Ei reicht. Sie variiren in Hinſicht der ſparſamern, haͤufigern oder ausgedehntern oliven braunen Zeichnung ſehr, auch die ſchieferfarbenen Flecke ſind bald anſehnlich groß, bald nur Punkte, bald einzelner, bald haͤufiger an⸗ zutreffen, und das giebt im Ganzen merkliche Abweichungen; ſo ſind auch manche unter der ſchon beſchriebenen Zeichnung mit einem blei= chen Olivenbraun gewoͤlkt, und der Grund dadurch truͤbe gemacht. So ſehen manche denen des Teichrohrſaͤngers nicht ganz un⸗ ähnlich, wahrend andere mit denen der Dorngrasmuͤcke leicht verwechſelt werden koͤnnten, wenn ſie nicht ſtets viel dunkler, vom Grunde abſtechender und groͤber gezeichnet waͤren, und ihre Zeichnung daher ſtets mehr marmorartig ausfiele. — Dieſe UI. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſanger. 719 Eier werden wechſelsweiſe von Maͤnnchen und Weibchen dreizehn bis vierzehn Tage lang bebruͤtet, ſo, daß das erſtere mehrere Stun⸗ den am Vormittag und eben ſo am Nachmittag, letzteres die uͤbrige Zeit über denſelben ſitzt. Die Jungen, welche mit kleinen Inſecten und deren Larven aufgefuͤttert werden, entſchluͤpfen, wenn man ſich dem Neſte naͤhert, ſehr bald aus dieſem ins Dickicht, wenn ſie nur einigermaßen flattern koͤnnen, und verſchwinden darin wie Mauſe. Di.ieſe Voͤgel niſten erſt ſpaͤt im Fruͤhjahr, und man darf nicht vor der Mitte des Juni nach ihren Neſtern ſuchen; nur in fruͤher warmen Fruͤhlingen allenfalls eine Woche eher. Mehrere Wochen lang hatten ſie bereits ihren Standort gewaͤhlt, die Maͤnnchen ihr einfoͤrmiges Liedchen bei Tag und bei Nacht geſchwirrlt, und doch fand ich gegen Ende des Maies noch nie ein Neſt an ſolchen Stellen, obgleich andere Vögel daſelbſt nicht allein Eier, z. B. die -Sper- bergrasmuͤcken, ſondern manche, wie die Dorngrasmuͤcken, ſogar ſchon Junge hatten. Ehe ich dies wußte, habe ich manche Stunde vergeblich geſucht und mir unnoͤthig Geſicht und Haͤnde in den Dornen zerritzt, die Kleider zerriſſen u. |. w. Einmal wußte ich in einem Walde von vielen Standorten, woſelbſt ſeit zwei Wochen die Maͤnnchen geſchwirrlt hatten, ſieben ganz genau; ich kam mit meinen Bruͤdern, wir hoͤrten ſie am Abend und des Nachts wieder daſelbſt, denn wir uͤbernachteten im Walde, und fingen mit Son⸗ nenaufgang an nach ihren Neſtern zu ſuchen, trieben dies bis Mittags 12 Uhr, waren erſchoͤpft und hatten — nicht Ein Neſt unſers Vo⸗ gels gefunden. Nachher, als ich die Urſache dieſes Mißgeſchicks, was mir einigemal widerfuhr, kennen lernte, ging ich nicht eher nach ihren Bruͤteplaͤtzen, als bis die in meinem Garten und Waͤldchen wohnenden Gartenlaubvögel Neſter mit Eiern hatten, alſo gegen die Mitte des Juni, und kam dann immer zur rechten Zeit. Alte Paͤaͤrchen mögen aber doch auch etwas früher brüten als junge, was mir folgendes glaublich macht. Ich fand naͤmlich eines Tags ein Paͤaͤrchen ſchwarzkehliger Wieſenſchmaͤtzer (Saxico- la rubicols), was bereits halbwuͤchſige Junge hatte, Tags darauf ein Neſt unſers Buſchrohrſaͤngers mit ſehr ſtark bebruͤteten Eiern, mehrere von andern Paͤaͤrchen aber theils noch leer, theils noch nicht einmal fertig gebauet. Es kann daher nicht befremden, wenn man noch An⸗ fangs Juli Neſter mit Eiern findet, und dies darf nicht etwa Veran⸗ laſſung geben zu glauben, als bruͤteten dieſe Voͤgel zwei Mal in Ei⸗ nem Sommer; dieſer Fall kann nur dann eintreten, wenn das erſte 720 III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſaͤnger. Neſt mit den Eiern auf irgend eine Art noch zeitig genug zu Grunde ging. In der Regel bruͤten ſie nur Ein Mal in Einem Sommer. Auch am Bruͤteplatze zeigt ſich unſer Vogel ſcheu und vorſich⸗ tig; man bekoͤmmt ihn ſelten zu ſehen, das Weibchen faſt gar nicht, das ſingende Männchen nur zuweilen, wenn es einmal an einem duͤr⸗ ren Reischen aus ſeinem Dunkel hervorſteigt und waͤhrend des Singens das Koͤpfchen liſtig nach allen Seiten dreht, wo es, ſobald es Gefahr ahndet, aber auch ſogleich wieder im Geſtruͤpp verſchwin⸗ det und öfters dann eine Zeit lang nicht wieder ſchwirrlt. — Beim Neſtbau find fie ſcheuer als irgend eine Grasmuͤcke, und fie laſſen ihn ſicher allemal liegen, wenn nicht etwa ſchon mehrere Eier im Neſte lagen; ſobald ein Menſch dabei geweſen iſt, macht ſie auch die geringſte Stoͤhrung im Graſe und an den Zweigen mißtrauiſch, ja ich weiß ſogar Faͤlle, daß das Paͤaͤrchen, deſſen ganz fertiges Neſt ich gefunden, ob ich gleich ſehr behutſam meine Spuren unbemerklich zu machen geſucht hatte, nicht allein das Neſt verlies, ſondern ſelbſt vom Orte ſich ſo weit weg begab, daß ich ſeinen nachherigen Bruͤ⸗ teplatz gar nicht wiederfand. So findet man denn auch oͤfters vie- le von einem Paͤaͤrchen angefangene Neſter, ehe man an das koͤmmt, worin die Eier liegen. Nach einem angefangenen oder auch vol⸗ lendeten Neſte ohne Eier braucht man nicht wieder zu ſehen; ſie werden es nie fertig bauen und Eier hinein legen. Auch die Neſter mit unbebruͤteten Eiern verlaſſen fie haufig. Freilich kann es beim Aufſuchen derſelben nicht ganz ohne Stoͤhrung in den Umgebungen abgehen, weil ſie zu verſteckt ſtehen; aber auch wenn dieſe ganz un⸗ bedeutend iſt, verlaſſen ſie das Neſt doch. — Das Auffinden der Neſter erſchwert auch noch der Umſtand, daß der bruͤtende Vogel meiſtens beim geringſten Geraͤuſch nicht von Neſte fliegt oder flattert, ſondern, indem er es verlaͤßt, geraͤuſchlos im Dickicht entſchluͤpft, ſo daß man ihn ſelten weder ſieht, noch hoͤrt. Nur Einmal ſchlug ein neben mir gehender Freund mit dem Stocke ſo hart auf einen Dornſtrauch, daß das in demſelben uͤber den Eiern bruͤtende Weibchen, deſſen Neſt ich vorher nicht wußte, darüber fo erſchrak, daß es heraus⸗ flog und auf einem niedrigen, ſtarken, horizontalen Zacken einer nahe ſtehenden Eiche der Laͤnge nach hinlief, alsdann erſt ins Geſtruͤpp herabflog und unſern Augen entſchwand. — Wenn die Jungen erſt das Neſt verlaſſen haben, dann iſt ihnen beinahe auf keine Weiſe mehr beizukommen; mit unglaublicher Gewandtheit ſchluͤpfen ſie durchs Ge⸗ buͤſch nahe über oder auf dem Erdboden hin, fo daß man Mäufe lau⸗ fen zu ſehen glaubt und ſie augenblicklich aus den Augen verliert. III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch-Rohrſaͤnger. 721 Auch dieſe Voͤgel werden zuweilen die Pflegeaͤltern eines jun⸗ gen Kuckuks. Feinde. Schwerlich moͤchte es wol jemals einem 1 90 1 einen dieſer verſtecktlebenden und furchtſamen Voͤgel zu erwiſchen; allein ihre Brut hat mehr Verfolger an den kleinern vierfuͤßigen Raubthier en des Waldes, die manches Neſt zerſtoͤhren und man- chen noch nicht ganz flugbaren Jungen wegfangen. Auch der Kuckuk gehoͤrt unter die Feinde dieſer Voͤgel, in⸗ dem er zuweilen ſein Ei in ihr Neſt legt, wodurch ihre Brut zu Grunde gerichtet wird. ). F asg d⸗ Zu ſchießen ſind dieſe hoͤchſt unruhigen Voͤgel ſchon deshalb ſchwer, weil ſie ihr Weſen ſtets ſo ſehr im Verborgenen treiben, daß man ſie ſelten und dann auch meiſtens nur auf Augenblicke zu ſehen bekoͤmmt. Man iſt, ſobald ein ſolcher Vogel Verfolgung ahndet, kaum im Stande, ihm im Dickicht mit den Augen, geſchweige mit dem 1 zielenden Rohre, zu folgen. Kann man ſich ihm umbemerkt naͤ⸗ bern, fo gelingt es eher; hat man ihn aber einmal ſcheu gemacht, ſo muß man ihn im Fluge ſchießen, wenn er ſich von einem niedrigen Gebuͤſch zum andern fluͤchtet, was zwei Schuͤtzen eher als einem ge— lingt, indem ſie das Gebuͤſch von zwei Seiten beſetzt halten koͤnnen. In den kleinen Seilweidenſtraͤuchern und im langen Graſe der Wie— ſen bleibt faſt nichts anderes uͤbrig; ſo auch in den Seggenkufen, was beides aber bloß im Herbſte vorfaͤllt. Im Frühjahr, bei ſei⸗ ner Ankunft, iſt gewoͤhnlich das Geſtraͤuch noch nicht ſo ſtark belaubt, *) Ich kann nicht unterlaſſen, einen merkwürdigen Fall dieſer Art hier mit anzu⸗ fuͤhren: In Geſellſchaft meines Bruders fand ich einſt ein ganz fertiges Neſt unſers Vogels in dem Walde, uͤber welchen jener als Forſtbedienter angeſtellt iſt. Wir ſuchten das Gras und andere Umgebungen des Neſtes wieder in Ord⸗ nung zu bringen, entfernten uns, und bei meiner Abreiſe bat ich meinen Bruder, nicht vor dem dritten Tage wieder an den Ort zu gehen, dann aber das Neſt, hoffentlich mit den Eiern, auszunehmen. Mein Bruder gab aber noch einen oder zwei Tage zu, ging hin und fand in jenem Neſte ein — Kuckuksei, dabei aber nicht die geringſte Spur einer Schale oder ſonſtigen Ueberbleibſels eines Ei⸗ es vom Buſchrohrſaͤnger; ich kam ſelbſt und fand ebenfalls nach dem genauſten Nachſuchen nicht das mindeſte. Unſer Vogel hatte alſo hoͤchſtwahrſcheinlich das Neſt verlaſſen und gar kein Ei hinein gelegt, der Kuckuk aber das friſche neue Neſt gefunden und ſein Ei, was er vielleicht nicht langer aufhalten konnte, au gut Gluͤck hineingelegt. Mir iſt ein N Fall nie vorgekommen. ater Theil. 46 722 III. Ordn. XV. Gatt. 97. Buſch⸗Rohrſaͤnger. die Graͤßer ſind noch nicht ſo hoch aufgeſchoſſen, ſo daß er dann noch am erſten erlegt werden kann. Beim Brutorte, wo ſich das ſingende Maͤnnchen oͤfter zeigt, iſt dies jedoch am allerleichteſten zu bekommen. Am ſchwerſten haͤlt es immer, ein Weibchen zu ſchießen, denn dieſe bekoͤmmt man ſelbſt beim Neſte ſelten zu ſehen. Fangen kann man ſie auf die mehrerwaͤhnte Art, in Schlingen auf Stoͤcke befeſtigt, die man einen Fuß hoch über dem feuchten Bo— den der Ufer, nahe am Waſſer, ins Geſtruͤpp ſtellt. Auch fangen ſie ſich leichter als andere Rohrſaͤnger in Nachtigallfallen, welche man auf dem feuchten Boden, den man etwas aufkratzt, unter das Geſtraͤuch an ſolchen Orten aufſtellt, wo man ſie oͤfters bemerkte, und in welchen Mehlwuͤrmer zur Lockſpeiſe dienen. Nut z en. Sie verzehren eine Menge uns, theils mittelbar, theils unmit⸗ telbar plagender Inſecten und tragen dadurch zum Erhalten eines gewiſſen Gleichgewichts im großen Haushalt der Natur bei. — Ihr Fleiſch iſt beſonders wohlſchmeckend, zumal im Herbſt, wo ſie meiſtens ſehr u ſind. Schaden. So gut wie irgend ein „ Rohrſaͤnger iſt auch dieſer voͤl⸗ lig unſchaͤdlich. Anmerkung. Ich habe zum deutſchen Hauptnahmen nicht den haͤufig gebrauch⸗ ten: Heuſchreckenrohrſäͤänger, gewählt, weil der Flußrohrſaͤn ger einen eben fo ſchwirrenden Heuſchreckengeſang hat, und nahm deshalb lieber den Nahmen: Buſchrohr fänger, weil unſer Vogel mehr als alle andre Arten dieſer Familie das Geh üſch liebt und ſich in der Begattungszeit fo weit vom Waſſer entfernt und fo tief im Walde aufhält, als keiner derſelben, zumal da die meiſten Trivialnah⸗ men der vorherbeſchriebenen Rohrfaͤnger ebenfalls ihren Aufenthalt bezeichnen und uͤbrigens auch gut gewaͤhlt ſind. — — Noch verdient erwaͤhnt zu werden, daß mein Vaterin der erſten Ausgabe dieſes Werks, I. S. 230. den ſchwirrenden Geſang unſers Vogels dem Binſenrohrſaͤn ger zuſchrieb, zu welchem Irrthum er durch die Aehnlichkeit im Betragen beider Arten verleitet worden war, weil er ſie immer bloß in der Ferne beobachtet und nur die letzgenannte ein paar Mal in den Haͤnden gehabt hatte. Wurde er damals nur Ein Mal ein ſingendes Maͤnnchen geſchoſ⸗ ſen haben, ſo wuͤrde dieſe Verwechſelung nicht vorgefallen ſein. f Sech zehnte Gattung. Schlüpfer, Troglodytes. Koch. Sch nabel: Laͤnglich, doch kuͤrzer als der Kopf, etwas gebo⸗ gen, duͤnn, vfriemenförmig, an den Seiten ſtark RENT der Rüden kantig. Naſenloͤcher: Dicht am Schnabelgrunde, klein, frei, durch⸗ ſichtig, ſehr ſchmal, faſt ritzenfoͤrmig, hinterwaͤrts etwas erweitert, uͤber denſelben eine ſchwach gewoͤlbte Haut. Die Zunge iſt lang, ſchmal, faſt pfeilfoͤrmig, in der Mitte der abgeſtutzten Spitze mit einem laͤngern, borſtig zerriſſenen Fortſatz, hinten ſcharf gezaͤhnt, mit ſtarkem Eckzahn. Fuͤße: Mittelmaͤßig, eher ſchwach als ſtark, vierzehig, drei Zehen vorwaͤrts, eine ruͤckwaͤrts gerichtet; die Mittelzch etwas kuͤrzer als der Lauf; die Bedeckung der Fußwurzel auf dem Spann in 4 große Schilder getheilt; die Krallen etwas groß, ſehr zuſam⸗ men gedruͤckt. Fluͤgel: Kurz, abgerundet, ſehr gewoͤlbt, mit ſaͤbelfoͤrmig gebogenen vordern Schwungfedern. Die erſte Schwungfeder iſt halb ſo lang als die vierte und fuͤnfte, welches die laͤngſten ſind. Schwanz: Keilfoͤrmig oder ſehr zugerundet und kurz. Der Kopf erſcheint, der ſehr flachen Stirn wegen, ziemlich ſpitz; der Koͤrper iſt kurz, rundlich, mit weichen, langen, etwas, lockern oder weitſtrahlichten Federn bekleidet. Es ſind ſaͤmmtlich kleine oder ſehr kleine Voͤgel, welche an Geſtalt und Farbe ſich ungemein aͤhnlich ſehen. Bei allen iſt ein roͤthliches oder roſtiges Braun die Hauptfarbe; alle haben einen roͤhlichbraunen, dunkelgewaͤſſerten Ruͤcken; alle einen zugerundeten, 724 III. Ordn. XVI. Gatt. Schlüpfer. roͤthlich roſtbraunen, mit ſchwaͤrzlichen Wellenlinien durchzoge⸗ nen Schwanz, alle ganz gleich gezeichnete Schwungfedern. Straͤubt man die Federn von der Schwanzwurzel bis zum Ruͤcken aufwaͤrts, ſo ſieht man bei allen bis jetzt bekannten Arten, daß die Schaͤfte der Mittelruͤckenfedern an ihrer erften Hälfte weiß find, und die Bür⸗ zelfedern in der Mitte ihrer Laͤnge einen weißen Schaftfleck haben; beides kommt aber bei völlig geordnetem Gefieder nicht zum Vor—⸗ ſchein. — Auch Schnabel und Fuͤße haben gleiche Farben, denn letz— rere ſind bei allen Arten ſchmutzig gelblichweiß, im Leben fleiſchfar⸗ ben, der Oberkiefer bei allen braun, der untere, mit Ausnahme des letzten Drittheils, weißlich oder fleiſchfarben. — So herrſcht un⸗ ter den Arten dieſer ausgezeichneten Gattung eine ſo große Ueberein⸗ ſtimmung im Habitu, wie man fie kaum bei irgend einer andern Voͤ⸗ gelgattung findet. Zur leichtern Ueberſicht mag hier eine tabellariſch zuſammengeſtellte kurze Beſchreibung ſaͤmmtlicher bis jetzt bekannter Arten ſtehen, welche zugleich dazu dienen kann, die Aufſtellung der⸗ ſelben, als beſondere Gattung, zu rechtfertigen. ) „Die Schluͤpfer haben (nach H. P. Nitzſch) den Singmus⸗ kelapparat am untern Kehlkopfe und alle mit dieſer Einrichtung weſentlich verbundenen Verhaͤltniſſe des Skelets, der Luftcellen, der Leber, Milz, der Blinddaͤrme, Nieren, Hoden, u. ſ. w. Die Ober: armknochen find, wie alle Knochen des Rumpfs und der Wirbelfäule, . markig, nicht luftfuͤhrend; der Magen ſchwach muskulös; uͤber⸗ haupt gleicht die innere Bildung der der Sylvien; wenigſtens iſt bis ietzt kein erheblicher anatomiſcher Unterſchied zwiſchen j jenen und unſerm Zaunſchluͤpfer von mir bemerkt worden.“ * * 5 8 Die Voͤgel dieſer Gattung tragen den zugerundeten Schwanz faſt immer aufrecht, oder beinahe ſenkrecht in die Hoͤhe geſtellt, ſind aͤußerſt muntere und gewandte Geſchoͤpfe, welche im huͤpfenden Gange alle Schlupfwinkel, das dichteſte Geſtruͤpp, Hecken und Zaͤu⸗ „) Auf meine Bitte erhielt ich fie, weil ich, als eben der Druck dieſer Bogen be⸗ ginnen ſollte, nicht ſelbſt im Berliner Muſeum nachſehen konnte, von meinem hochgeſchatzten Freunde, Herrn Profeſſor Lichtenſtein. Der Leſer hat fie aalſo dem Fleitze dieſes geuͤbten und ſcharfſichtigen Forſchers zu verdanken. Durch ſeine Guͤte hoffe ich bei mehreren Gattungen ſolche Ueberſichten geben zu koͤn⸗ nen, ſo wie ich ihm ſchon manche hoͤchſt wichtige Mittheilung verdanke, was ich hier öffentlich zu ruͤhmen und meinen verbindlichſten Dank dafür darzubringen, mich fuͤr verpflichtet halte. Neo: h m e n. 1. T. parvulus. Koch. Europa. — parv. var. amer. Nord-Amerika. 2. T. furvus. Lichtst. S. furva. Lath. Mot, domestica. Wils. Surinam, Carolina, Neuyork. 3. T. musculus. L. Batacaraguay. Azara n. 150. Braſilien (Bahia). 4. T. ludovieranus. L. (mas,) Certhia carolin. Wils. (fem.) Mot. Troglod. Var. y. Gm. Lin. Sylv. ludoviciana. Lath. Carolina, Georgia, Louſiana. B D atellomer I, Carolina. 6. T. palustris. L. Certhia palustris. Wils. Georgia und andere ſuͤd— liche Gegenden der ver— einigten Staaten. 7. T. platensis. L. Sylv. platensis Lath. Mot. Troglod. var. f. Lath. Suͤd⸗ Georgia und Amerika. 8. T. omnisonus. L. Le Tout-voix. Azara No, 131. Para gu ay Ganze Laͤnge. 4 77 3 / zu gu 6 gu zu 44 au aım 4 0/0 zu Schena⸗⸗ bellänge. sin 44 7 70 zu — — X 111 42 Euer fit ber Letln Flügel: Schwanz⸗ Schna⸗ Scheitel. Nacken u) pedfe- käͤnge. |belform. Ruͤcken. ted 13 * fait gerade.] braun, nach hinten im- an den Spi⸗ mer roͤthlicher, mit ſtzen weiß ge— deutlichern Querbind- tuͤpfelt. chen. 10 gm — alles etwas lebhafter. — 2% faſt gerade,] wie bei Nr. 1. nur um wie bei Nr. doch weniger] ein Geringes dunkler. |1., aber die ſpitzig, als größern viel bei Nr. 1. laͤnger und ohne weiße Spitzen. 13“ deutlich ge-] vollkommen wie bei (lang, breit, bogen wie] Nr. 1. ſchmal ges bei Nr. 4. baͤndert, (Untere Fluͤgeldeck -ohne Spur federn einfach hell roſt- | von Weiß. farbig.) ou all 4 7 1 ee deutlich ge-] dunkel- kaſtanien⸗ wie der = bogen, faſt braun. braun, nach Nüden. wie bei Cer- hinten leb⸗ thia, aber hafter. robuſter. 2 ſchwarz, mit weißen 10/8 %/ wenig gebo— Schaftſtrichen. 2 0 um. federn braͤunlich, mit wei: en ßen Stricheln. Obere Schwanzdeckfedern ſchwarz, braun und weiß gebaͤndert. 2 00 ziemlich ge- ſchwarz, Nacken wie] vor den bogen und weiß geſtri- der Scheitel, Spitzen mit ſpitz. chelt. Ruͤcken einer braun. ſchwarzen Binde. 1 1 . — ſchwarz, Nacken wie — weiß geſtri- der Schei⸗ chelt. tel. — — — —u¼ — 34 12“ — — ſchwarz, braun, weiß geſtri⸗ſchwarz ge⸗ chelt. baͤndert. Augen⸗ ſtreif. grauweiß. undeutlich. ſchwach. vor den Au- matt gen breit, weiß, hinter denſelben gelblich, kurz. —— — —— —— v2’ — — L—àv— —— —äö— n — weiß, breit, lang, abſte⸗ chend. wenig auf⸗ fallend. weiß, breit. fehlt. — — deutlich, weiß, dann ein brauner, dann wieder weiß. (Zu Seite 724.) Untere Le. = Schwanz Keh Bruſt Bauch. 1 % dern. weißgrau.] roſtfarben ede an den Spi⸗ y : angeflogen, ie e e sen weiß. zen und wei⸗ ßen Quer- — u binden. weiß grau.] ſchmutzig und Weichen] zugeſpitzt, graubraun. ſchwach ge- ſchmal, leb⸗ baͤndert. haft gebaͤn⸗ dert. roſt⸗ lebhaft roſt⸗ lebhaft roſt⸗ kaſtanien⸗ gelb. farbig. roth. braun, ohne * alle Spur von Binden. weiß. auf weißem] roſtgelb, f roſtgelb, mit Grunde [beim Maͤnn-⸗ ſcharfen roſtgelb an- chen mit un=:| ſchwarzen geflogen. deutlichen Binden. Binden. weiß. ſchwach roft: in der Mitte |rofigelb, mit farben. weiß, uͤbri⸗ weißer Enb: f ı gens roſtfar⸗ binde. big matt ge⸗ baͤndert. rein weiß. | rein weiß |roftgelb an-] rein weiß. geflogen. ganze Unterſeite weiß, mit roſtgelben Weichen. ... ̃ͤ .... ... weiß. weiß. roſtfarbig. weiß. —̃ —ñüi— — — . — — III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. 725 ne durchkriechen, ſich immer nahe an der Erde aufhalten, oder doch felten auf hohe Bäume kommen, ſich auch weniger auf dem Freien ſehen laſſen, weil ſie, ihrer kurzen abgerundeten Fluͤgel wegen, ei⸗ nen ſchwerfaͤlligen Flug haben. Sie leben von Inſecten, aͤhneln in ihrer Lebensart den Rohrſaͤngern ſehr und ſtehen in mehr als einer Hinſicht auch den Baumlaͤufern, Mauerkletten und Baumhackern (Dendrocalaptes) nahe, fo, daß fie zwiſchen dieſen und der Gattung Sylvia einen ſtufenweiſen Uebergang bil- den. — Die Maͤnnchen ſingen ſehr ſchoͤn, und der Lockton der ver⸗ ſchiedenen Arten hat ſehr viel Uebereinſtimmendes. Sie bauen ihre nen Neſter meiſtentheils in Höhlen und . In Deutſchland haben wir nur 4 Eine Art. 98. ser aun ShlhpTen Troglodytes parvulus. Koch. Taf. 83. Fig. 4. Maͤnnchen Zaunſchluͤpflein, Zaunſchliefer, Zaunſchnerz, Zaunkoͤnig, Zaunſaͤnger, Thomas im Zaune, Winterzaunkoͤnig, Winterkoͤnig, Schneekoͤnig, Dorn- und Neſſelkoͤnig, (Meiſenkoͤnig) Schlupfkoͤ⸗ nig, Schupkoͤnig, Koͤniglein, Konikerl, Troglodyt, Nettelkoͤnning, Tannkoͤnning, und (ſpottweis) e Jochen; hier zu Lande: Zaunſchnurz. Troglodytes parvulus. Koch baier. Zool. I. S. 161. n. 84. — Motaecilla Troglodytes. Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 993. n. 46. = Retz. faun. suec,p. 264. n. 250. Sylvia Troglodytes Lath. ind. IT. p. 547. n. 148. — Nilsson orn. smecat. pr 231..n. 411.1 Troglodyte. Buff. Ois. V. p. 352. 2 1.16, f. 1. — Edit, de Deuxp. X. p. 40. b. 1. f. 3. == Id. Pl. enlum. 651. f. 2. . Tro glodyte ordinaire. Temm. Man. nouv. Edit. I. p. 233, — Gerard. Ar elem- I. P. 321. = The ren. Lath. syn. IV. p. 506. n. 143. — Ueberſ. von Bech.⸗ fein IV. S. 493. n. 143. — Bewick britt. Birds I. p. 276. — Serieci lo — 726 III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer Stor. deg, ucc. IV. p. 389, f. 2. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 666. — Deſſen orn. Taſchenb. I. S. 190 — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 251. a. Meisner u. Schinz, V. d. Schweitz. S. 122, n. 129. 7 er, V. Liv: u. Eſthlands, ©. 126. n. 19. — Friſch Voög. Taf. 24. F. 3. Naumanns Voͤg, alte Ausg. I. S. 232. Taf. 47. Fig. 108. Maͤnnchen. Kennzeichen der Art. \ Die mittlern Fluͤgeldeckfedern haben an den Spitzen einen gro⸗ ßen weißen Punkt; eben ſo die untern Schwanzdeckfedern, oder doch weiße Spitzen. Beſchreibung. Dies kleine, kecke Voͤgelchen iſt in unſerm Vaterlande zu bekannt, auch vor allen andern kleinen einheimiſchen Singvoͤgeln fo ausgezeich- net, daß eine Verwechſelung mit irgend einem andern nicht denk⸗ bar iſt. Von den allermeiſten ſeiner auslaͤndiſchen Gattungsver⸗ wandten, die wir aus Amerika erhalten, iſt er ſchwer zu unterfchei- den, indem unter den Arten dieſer Gattung eine große Uebereinſtim⸗ mung ſtatt findet. Die unten beigefuͤgte tabellariſche Ueberſicht wird hieruͤber Auskunft geben. Die Lange unſers Zaunſchluͤpfers iſt 34 bis faſt 4 Zoll, die Fluͤgelbreite 6 bis 64 Zoll; er iſt alfo einer unſerer kleinſten Vögel. Die ruhenden Flügel decken den weichfederigen, ſehr zugerundeten, 14 bis 14 Zoll langen Schwanz, deſſen Federn ſeitwaͤrts um ein Merk liches ul find, zur Halfte. Die Flügel find ſehr abgerundet, gewoͤlbt, die Schwungfedern ſaͤbelfoͤrmig gebogen, die erſte viel kuͤr⸗ zer als die zweite und kaum halb ſo lang als die vierte und fuͤnfte, welche ziemlich von gleicher Lange und die laͤngſten find. Der 5 Linien lange Schnabel iſt laͤnglich, ſchwach, aber hart, etwas gebogen, von den Seiten merklich zuſammengedruͤckt, vorn pfriemenfoͤrmig ſpitz, oben und an der Spitze braunſchwaͤrzlich, un⸗ ten und an den Schneiden blaß fleiſchfarben, zuweilen ins Gelbliche ziehend, der Rachen fleiſchfarben. Das Naſenloch iſt ſehr ſchmal, faſt ritzenfoͤrmig, doch nach hinten etwas mehr erweitert, an der obern Hälfte mit einer wenig gewoͤlbten Haut; am Mundwinkel 170 feine Borſthaͤaͤrchen; die Iris iſt dunkel nußbraun. Die ſchwaͤchlichen Fuͤße ſind an den Laͤufen in 4 große Schild⸗ tafeln zerkerbt, die Einſchnitte aber ſchwach, die Zehenruͤcken ges ſchildert, die Krallen ziemlich groß, ſtark gebogen, zuſammengedruͤckt und fehr ſpitzig. Die Farbe ver Füße iſt eine braͤunliche Fleiſchfarbe, die der Krallen geht aus dieſer in Braun uͤber; bei den Jungen ſind III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. 727 beide lichter, hell fleiſchfarbig. Der Lauf iſt 8 Linien hoch; die Mittelzeh mit der Kralle 7 Linien, und die etwas ſtaͤrkere Hinterzeh 6 Linien lang. Das Gefieder an den obern Theilen des Vogels iſt im Ganz zen roſtbraun, mit etwas dunkleren Querſtreifchen gewaͤſſert, ſo, daß der Oberkopf am dunkelſten iſt, die uͤbrigen Theile nach dem Schwanze zu ſich aber mehr ins Roͤthliche ziehen, wo dann auch die dunkeln Querbaͤndchen etwas deutlicher werden; die Schwanzfedern find noch etwas roͤthlicher, an den Seiten lichter, alle mit ſehr deut⸗ lichen, wellenfoͤrmigen, dunkelbraunen Querſtreifchen durchzogen. Ein brauner Strich zieht ſich durch das Auge, bis zur roſtbraunen Ohrengegend; die Wangen ſind auf ſchwach roſtbraͤunlichem Grunde verloſchen roſtbraͤunlichweiß gefleckt; die Kehle, ein Streif, von der Na— ſengegend uͤber das Auge bis zum Genick ſich hinziehend, und die Oberbruſt roſtbraͤunlichweiß; die Unterbruſt, Seiten und Bauch blaß roſtbraun, mit dunkelbraunen Wellen durchzogen, zu denen ſich noch weißliche Spitzenſaͤumchen, und an den Enden der groͤßern un— tern Schwanzdeckfedern große laͤnglichrunde, ſchneeweiße, hinter— waͤrts ſchwarz begrenzte Punkte geſellen. Die Schwingen ſind, bis auf die drei letzten, auf der innern Fahne dunkel braungrau; auf der aͤußern Fahne die großen abwechſelnd licht roſtgelblich oder roſtbraͤunlich und ſchwarzgefleckt, die uͤbrigen, wie alle Deckfedern, roſtbraun, mit ſchwaͤrzlichen Baͤndern gewaͤſſert, die mittlere Reihe Deckfedern aber an der Spitze mit einem laͤnglichrunden, weißen, hin⸗ terwaͤrts ſchwarz begrenzten Punkt. Auf der untern Seite ſind die Schwingen braungrau, die untern Fluͤgeldeckfedern abwechſelnd mit ſchmutzigweißen und ſchwaͤrzlichen Querbinden durchzogen. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen iſt ein nur wenig auffallender Unterſchied in der Größe (letzteres iſt immer etwas klei⸗ ner) bemerkbar, eben ſo in der Farbe; denn dieſes ſieht bloß etwas lichter aus, weil die dunkleren Ouerſtreifen weniger deutlich find, da— her es im Ganzen mehr ins Roͤthliche faͤllt, und die weißen Punkte auf den mittlern Fluͤgel- und den untern Schwanzdeckfedern find kleiner und ſchmaͤler ſchwarz eingefaßt; auch die Farbe der Füße iſt bleicher und gelblicher. f Zwiſchen dem Herbſt- und Fruͤhlingskleide iſt auch nur ein geringer Unterſchied; letzteres hat bloß etwas friſchere, das Sommerkleid aber abgebleichtere Farben. Im Juli und Au— guſt mauſern ſie ſich, daher ſehen denn dieſe Voͤgel im September und October am ſchoͤnſten aus. a | * 1} 728 III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. Die Jungen vor der erſten Mauſer ſehen ſehr bunt aus; auf dem gewoͤhnlich gefaͤrbtem Grunde ſind, außer ſehr deutlichen ſchwaͤrzlichen Mondfleckchen oder abgebrochnen Wellen, die Federn des kleinen Gefieders der obern Theile, noch mit ſchmutzig gelblich⸗ weißen, verwaſchenen Schaftflecken geziert. Sie haben dunkel graubraune Augenſterne, der Schnabel iſt bloß am Ruͤcken und an der Spitze ſchwaͤrzlich, ſonſt, wie die Fuͤße, licht fleiſchfarben oder roͤthlichweiß. Diejenigen Voͤgel, welche man fruͤher als Spielarten zu dem unſrigen zaͤhlte, ſind eben ſo viel ſelbſtſtaͤndige Arten, die, ſo viel be⸗ kannt, alle der neuen Welt angehoͤren. Auch die unten in der Ue⸗ berſicht der Arten dieſer Gattung von Hrn. Pr. Lichtenſtein hie⸗ her gezaͤhlte Amerikaniſche iſt, nach meinem Dafuͤrhalten, vielleicht auch keine bloße Spielart, ſondern ſpecifiſch verſchieden. ,, al Dies Voͤgelchen iſt über ganz Euro pa verbreitet, aber im Norden haͤufiger als im Suͤden; Es geht bis zum arktiſchen Kreiſe hinauf, iſt in Schweden und in Rußland, in England, Schottland, ſelbſt auf den Faͤrder Inſeln, fo wie im mitt⸗ leren Europa in den meiſten Gegenden gemein. In Deutſch⸗ land iſt es allgemein bekannt, doch kann man bei alle dem nicht ſa⸗ gen, es ſei ein häufiger Vogel, weil man ihn nie ſchaarenweis bei⸗ ſammen ſieht, obgleich einzeln in allen Winkeln antrifft. Es moͤch⸗ te ſich wol ſchwerlich eine Gegend in Deutſchland finden, in wel- cher er ſich nicht wenigſtens zu gewiſſen Zeiten einmal ſehen ließe. — Seine Verbreitung ſoll ſich auch über das noͤrdliche Aſien und im Suͤden bis gegen Aleppo erſtrecken; was man aber daruͤber vom noͤrdlichen Amerika angezeigt findet, iſt noch viel unſiche⸗ rer, weil dies wahrſcheinlich auf andere Arten, die man fruͤher von der unſrigen nicht geſondert hatte und zum 1 0 auch jetzt noch we⸗ nig kennt, Bezug hat. In Deutſchland iſt er Stand- und Strichvogelz nur fuͤr wenige Gegenden mag er Zugvogel ſein, weil er daſelbſt auf ſeinen periodiſchen Wanderungen bloß durchſtreifend angetroffen wird. Die meiſten Gegenden bewohnt er indeſſen Jahr aus Jahr ein. Er iſt gegen die Winterkaͤlte ganz gleichguͤltig, ja feine gute Laune verlaͤßt ihn ſelbſt bei ſtrenger Kaͤlte nicht, wenn auch andere Voͤgel durch ihr ſtruppiges Anſehen ihr Mißbehagen daruͤber bezei⸗ gen. Seine Strichzeit iſt im Herbſt der October, im Fruͤhjahr der III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. 729 Maͤrz; dann ſieht man ihn an ſolchen Orten, wo er im Sommer nicht angetroffen wird. Manche Gegenden beſucht er beſonders im Herbſt ſehr haͤufig, und man bemerkt dann auch, daß er familienweis wandert, was im Fruͤhjahr nicht ſo iſt, wo er immer nur einzeln oder paarweis erſcheint. Seine Reiſen verrichtet er bloß des Nachts, und man hoͤrt oͤfters in den Waͤldern, wie einer den andern durch froͤhlichen Zuruf zur Abreiſe mahnt, um dieſelbe Zeit in der Abend— daͤmmerung, wenn die Droſſeln und Rothkehlchen aus dem— ſelben Grunde ihre Stimmen hoͤren laſſen. Sehr weite Reiſen kann er indeſſen nicht machen, und er mag ſich wahrſcheinlich auch nie ſehr weit von ſeinem Geburtsort entfernen. Alte Paͤaͤrchen bleiben ſogar das ganze Jahr an demſelben, oder entfernen ſich doch keine halbe Stunde weit von ihrem Brutorte, oft mehrere Jahr hinter— einander nicht, waͤhrend ihre Nachkommenſchaft in der Strichzeit aus der Gegend verſchwindet. Er bewohnt die ſchattigen Waͤlder, in gebirgigen, wie in ebe⸗ nen Gegenden, doch lieber die von Laubholz oder von gemiſchten Holzarten, als die reinen Nadelwaͤlder, in welchen er übrigens auch gar nicht ſelten vorkoͤmmt, beſonders wo es Baͤche, Quellen und anderes Gewaͤſſer mit dichtem Geſtraͤuch beſetzt darin giebt. Ue⸗ berhaupt muß ſein Aufenthaltsort viel Dickichte und dichtes Geſtruͤpp von Strauchholz, Dornen, mit untermiſchtem Schilf, Rohr, Gras, Neſſeln, Brombeeren, Hopfen u. d. gl. enthalten, und wo moͤglich Waſſer in der Naͤhe ſein; oder das Unterholz muß mit alten Baum⸗ ſtruͤnken, ausgefaulten Stoͤcken und modernden Stämmen untermengt ſein. Selbſt an Rohrteichen, in den großen Buſchweidengehegen an den Flußufern, kurz uͤberall, wo dichtes Buſchwerk waͤchſt, ſieht man ihn, und er iſt beſonders gern nahe bei Doͤrfern und Staͤdten, ſelbſt in dieſen, wenn Gaͤrten mit wildem Buſchwerck nicht fehlen, auch in engliſchen Gaͤrten, und beſonders in ſolchen, wo es Hecken und Zaͤune giebt. Todte Zaͤune ſind ihm vor allem Geſtruͤpp das liebſte, und daher kommen auch die meiſten feiner deutſchen Tri⸗ vialnahmen; daher iſt er auch in bewohnten Gegenden ſo gern, und in der Strichzeit, oder auch im Winter, in der hieſigen Gegend bei jedem Dorfe, in den Umgebungen jeder Stadt anzutreffen — Auf ſeinen naͤchtlichen Wanderungen mag er zuweilen durch Erſchoͤpfung ſeiner Kraͤfte gezwungen werden, wider Willen an Orten einzuſpre⸗ chen, die ihm wenig zuſagen, z. B. auf freiem Felde, wo er dann, aus Mangel an andern Schlupfwinkeln, ſich nicht ſelten in die Maͤu⸗ 730 III. Dron. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤp fer. ſeloͤcher flüchtet. Auch im Schilf und Geroͤhricht der ganz baum—⸗ leeren Suͤmpfe bemerkt man ihn zuweilen dann. Auf hohen Baͤumen ſieht man dieſen Vogel nur ſelten; er hält ſich vielmehr immer nahe an der Erde im niedrigen Geftrüpp auf, durchkriecht dies mit großer Gewandtheit, doch ſelten ſo ſehr im Verborgenen, wie manche Rohrfänger,. fo, daß man ihn viel leichter bemerkt, auch ſcheuet er ſich gar nicht, uͤber kurze Raͤume von Buſch zu Buſche zu fliegen; allein groͤßere Strecken uͤber das Freie durchfliegt er am Tage ohne dringende Noth nicht leicht. Die tod— ten Zaͤune, Reisholzhaufen, Holzſtoͤße, die Boͤden niedriger, an die Gaͤrten ſtoßender Gebaͤude, beſonders der alten verfallenen und ſolcher mit Strohdaͤchern, die Hütten in den Wäldern, die Koͤh— lerhuͤtten und andere durchkriecht dieſer Vogel unablaͤſſig, außer dem dichten Strauchholz auch die alten Stoͤcke und hohlen Staͤmme der Erlen, Ulmen u. dergl. Er iſt deshalb ſehr gern in den Erlenbruͤ⸗ chen und an andern dunkeln, ſchattenreichen Orten. A Auch der Zaunſchluͤpfer gehört unter diejenigen Vögel, wel⸗ che wir in manchen Jahren haͤufig, in andern dagegen viel ſeltner ſehen. Im Sommer 1820 niſteten 3 Paͤaͤrchen in meinem Garten und Waͤldchen, welche ſaͤmmtlich jedes ſechs und mehr Junge auf— brachten; allein im darauf folgenden Herbſte verſchwanden Alte und Junge mit den Durchziehenden. Nicht allein den kommenden Win⸗ ter ſahe man in den Umgebungen meines Wohnorts keinen einzigen, ſondern ſelbſt im Fruͤhjahre 1821 und den ganzen darauf folgen⸗ Sommer hörte und ſahe man hier keinen dieſer Voͤgel; erſt im Des tober dieſes Jahres ließen ſich mehrere, auf dem Durchzuge begriffene ſehen, von welchen aber nur Ein Paͤaͤrchen dablieb und im Fruͤh— jahre 1822 in meinem Waͤldchen bruͤtete. Unter die im Jahre 1820 weggebliebenen gehoͤrte auch ein Paͤaͤrchen, was ſchon ſeit mehreren Jahren in meinem Garten brütete (wo ich fein Neſt immer wußte), und was Sommer und Winter nicht aus der Gegend wich. Unſere Gegend, in welcher ſie ſonſt ſo gern verweilen, war alſo ein Jahr und druͤber voͤllig von dieſen Voͤgeln verlaſſen. Eigenſchaften. An Munterkeit und froher Laune, an Geſchicklichkeit und Schnelle im Durchſchluͤpfen des Geſtruͤpps, und an einer gewiſſen Keckheit im ganzen Benehmen übertrifft der kleine poſſirliche Zaun— ſchluͤpfer die meiſten deutſchen Voͤgel. Dieſe Keckheit iſt indeſſen von ganz eigener Art; ſie verſchwindet beim geringſten Anſchein III. Or dn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. 731 von Gefahr und verwandelt ſich ploͤtzlich in grenzenloſe Furcht, kehrt aber auch bald wieder, ſo daß man annehmen kann, Furchtſamkeit ſey ein Hauptzug in ſeinem Charakter. Seine froͤhliche Stimmung verläßt ihn ſelten; immer huͤpft dieſer unruhige Vogel mit aufge: hobenem, faſt ſenkrecht geſtellten Schwanze ſo keck einher, als wenn er an allem Ueberfluß haͤtte, ſelbſt mitten im ſtrengſten Winter, wenn es nur nicht zu ſehr ſtuͤrmt, oder die Sonne nur dann und wann durch die Wolken bricht. Wenn ſelbſt die treueſten aller Standvoͤgel, unſere Sperlinge, unzufrieden mit zu ſtrenger Kaͤlte, ihr Gefieder ſtraͤuben, und ihr trauriges Ausſehen Mißmuth und großes Unbehagen verraͤth, ſo iſt der Zaunſchluͤpfer doch noch munter und pfeift ſogar im Widerſchein der Sonne, die Zaͤune und Holzſtoͤße behaglich durchkriechend, ſein Liedchen, als ob es bereits Fruͤhling waͤre. — Sein Gang iſt immer huͤpfend, auch auf dem Erdboden. Er huͤpft ſo ſchnell, daß man eine Maus laufen zu ſehen waͤhnt, welche Taͤuſchung durch die geduckte Stellung, in welcher es haͤufig verrichtet wird, und durch die Fertigkeit, unge— mein hurtig durch enge Ritzen und Löcher, oder unter faſt darnieder— liegenden Zweigen und altem Wuſte hinweg zu ſchluͤpfen, gemei⸗ niglich vermehrt wird. Er traͤgt uͤberhaupt die Bruſt immer tief gebeugt und würde, wenn er den Schwanz nicht groͤßtentheils auf: recht truͤge, den Rumpf faſt horizontal halten; dies ſieht man beſon— ders, wenn er zu niedrige Kluͤfte durchſchluͤpft, wie z. B. in ges flochtenen Zaͤunen, und wenn er ſich ganz unbemerkt glaubt. Stoͤßt ihn aber etwas Merkwuͤrdiges auf, ſo macht er ſchnelle Buͤcklinge und wirft dazu den Schwanz noch hoͤher als gewoͤhnlich; dann hat er ein ſehr munteres, keckes Anſehen, ob er gleich den Hals immer ſehr eingezogen traͤgt, und ſein Rumpf eine kugelfoͤrmige Geſtalt dazu annimmt. Da ſeiner Aufmerkſamkeit nicht leicht etwas, was um ihn her vorgeht, entgeht, ſo ſieht man ihn auch meiſtens in dieſer Stellung; aber die Buͤcklinge werden noch tiefer gemacht, noch ſchneller wiederholt, wenn er ein Raubthier oder ſonſt etwas Ver— daͤchtiges bemerkt. Nicht allein die Furcht, ſondern auch ein ge⸗ wiſſer Grad von Neugier heißt ihn alles begucken und in der Naͤhe unterſuchen, was den Beobachter am Vogelheerde und Meiſen⸗ tanze oft ſehr angenehm unterhält, aber auch dem Vogel oft lebens— gefaͤhrlich wird. Scheu iſt er uͤbrigens gar nicht, ſondern vielmehr kirre und zutraulich; er laͤßt ſich ganz in der Naͤhe beobachten und ſucht ſich nur dann mehr zu verbergen, wenn er ſich anhaltend vers folgt ſieht. — Ein Zeichen ſeines Uebelbefindens iſt es, wenn die ) * 732 III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schlupfer⸗ Fluͤgel unter die Schwanzwurzel herabhaͤngen; wird aber gar der Schwanz fortwaͤhrend horizontal getragen und etwas ausgebreitet, ſo iſt jenes noch groͤßer, und der Vogel ſicher krank. So gewandt und hurtig er im Huͤpfen und ſonſt in allen Be⸗ wegungen iſt, ſo ſchwerfaͤllig iſt ſein Flug; man ſieht, daß ihm das Fliegen ſauer wird. Gewoͤhnlich ſchnurrt er uͤber kurze Raͤume ganz niedrig in gerader Linie fort und breitet dabei den abgerundeten Schwanz etwas aus, wie ein Rohrſaͤnger. Dieſer Flug foͤrdert wenig; etwas ſchneller iſt aber der Wanderflug, in welchem er eine aus flachen kurzen Bogen beſtehende Schlangenlinie beſchreibt. Auf ſeinen naͤchtlichen Reifen mag er ſich wol höher in die Luͤfte er— heben und ſich dadurch das Fliegen erleichtern; ſonſt waͤre es kaum denkbar, wie er noch ſolche Reifen zu machen im Stande r ere, da ein ſchnelllaufender Menſch einen aufs freie Feld ſich verirrten Zaun⸗ ſchluͤpfer ſo muͤde machen kann, daß er ihn, wenn ſich dieſer nicht etwa in ein Maͤuſeloch verkriecht, wodurch er ſich gewoͤhnlich zu ret— ten ſucht, mit den Haͤnden fangen kann. — Weil er ſich ſo wenig auf ſeine Flugwerkzeuge verlaſſen kann, ſo iſt es auch allemal bei ploͤtzlicher Erſcheinung einer Gefahr, z. B. eines Raubvogels, ſein augenblickliches Rettungsmittel, in das naͤchſte beſte Loch zu ent⸗ ſchluͤpfen, dies mag nun eine Baum- oder Erdhoͤhle, ein hohler Stamm, ein Mauerloch oder ſonſt eine Kluft ſein, wie ſie ſich gerade darbietet. N 5 Seine Stimme, die er oft hoͤren laͤßt, iſt ein verſchieden mo⸗ dulirtes Zerz zerz, was auch wol, wenn es oft wiederholt wird, z. B. bei Erblickung eines Raubthieres, wie (ſehr ſchnell ausge⸗ ſprochen) Zeckzeckzeckzeckzeckzeck u. ſ. w. klingt. Das ein⸗ zelne Zerz zerz iſt wenig bedeutend, aber der eigentliche Lockton klingt: Zerrrrrrrrr; man hoͤrt ihn beſonders in der Strichzeit des Abends, wenn eine naͤchtliche Wanderung angetreten werden ſoll, aber auch wenn ſie Junge haben, und ein Menſch ſich in ihrer Nahe zeigt, wo er die Stelle des Angſtgeſchreies vertritt und oͤfters bei beiden Gatten im Tone verſchieden iſt. Sonſt iſt der Ton in den verſchiedenen Stimmen verhaͤltnißmaͤßig ſtark und nicht unange⸗ nehm; doch hat dagegen das Maͤnnchen auch noch einen lautpfeifen⸗ den, ganz vortrefflichen, hoͤchſt angenehmen Geſang, welcher der Staͤrke des Tons wegen in Erſtaunen ſetzt. Er beſteht aus vielen, anmuthig abwechſelnden, hellpfeifenden Toͤnen, die ſich in der Mitte der eben nicht kurzen Melodie zu einem vortrefflichen, gegen das Ende im Tone ſinkenden Triller geſtalten. Er hat Aehnlichkeit III. Orbn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. 733 mit dem Geſange des Baumpiepers, noch mehr aber mit dem der Canarien vogel, und das Voͤgelchen iſt ein fo fleißiger Sans ger, daß es nicht allein im Frühjahr und Sommer, ſondern auch im Winter bei freundlichen Sonnenblicken, wenn gleich noch ſo ho— her Schnee liegt, und die ſtrengſte Kaͤlte herrſcht, ſein liebliches Liedchen trillert. Nur vom Ae bis zum November laͤßt ſich ſehr ſelten einmal eins hoͤren; im Januar und Februar ſingt es da- gegen ſchon ſehr fleißig, am meiſten aber vom Ende des Maͤrzes bis zu Anfang Maies, und dann auch am lauteſten. Es ſingt vor: zuͤglich ſchoͤn in den Morgenſtunden, bis gegen Mittag, ſteigt dabei gewoͤhnlich auf ein freies Reischen aus ſeinem Zaune herauf, oder ſchwingt ſich gar auf einen unbelaubten Zweig eines Baumes, ſelbſt zuweilen eines einzeln ſtehenden, von mehr als mittler Hoͤhe, und bewirkt dadurch, daß dieſer ſtarke Geſang noch weiter erſchallt. Bei dem leiſeren Singen im Winter veraͤndert es ſeine Gebehrden mei⸗ ſtens nur wenig und huͤpft dabei immer fort; aber in der Begat— tungszeit wiederholt es ſein Liedchen nicht allein haͤufig mehrmals von derſelben Stelle herab, ſondern man ſieht auch, wie viel Kraft es dazu gebraucht, um aus voller Kehle zu ſingen, denn es blaͤht ſich dabei maͤchtig auf, beſonders die Kehlfedern, laͤßt Fluͤgel und Schwanz nachlaͤſſig, letztern etwas ausgebreitet, herabhaͤngen und zittert damit, wie mit dem aufgeſperrten, etwas in die Hoͤhe gerichteten Schnabel in gleichfoͤrmig mit dem Abſtoßen der Toͤne harmonirenden Zuckungen, ſo, daß dabei faſt der ganze Koͤrper zu arbeiten ſcheint. Nach dem Singen an einer hohen freien Stelle ſtuͤrzt es ſich gewöhnlich ſogleich wieder herab in feinen Zaun, Hecke oder zwiſchen die alten Stamme und Stöde des hoͤhern Gebuͤſches u. ſ. w. Es ſingt bald hier bald da, hat aber auch haͤufig einen Lieblingsbaum und iſt vorzüglich in der Begattungszeit hoͤchſt un— ſtaͤt; denn es treibt ſich ſelbſt in einem groͤßern Umkreiſe um ſein Neſt herum als mancher andere kleine Saͤnger. Unſer Zaunſchluͤpfer iſt übrigens in gewiſſer Hinſicht ein weich⸗ licher Vogel, denn er vertraͤgt den Verluſt der Freiheit nicht gut, und es koſtet Muͤhe, ihn auf laͤngere Zeit in der Gefangenſchaft zu erhalten. Laͤßt man einen friſch gefangenen alten Vogel in die Stube fliegen, ſo faͤngt er, nach kurzen ohnmaͤchtigen Verſuchen, durch die Fenſter zu entfliehen, gleich an, alle Winkel zu durchkrie⸗ chen, wobei er nicht ſelten zwiſchen Schraͤnke und dergl., wo dieſe⸗ nicht dicht genug an der Wand ſtehen, geraͤth, ſtecken bleibt, und, wenn man es nicht gewahr wird und ihm zu Hülfe koͤmmt bald 734 III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schlüpfer⸗ dahin iſt. Dies iſt das gewoͤhnliche Schickſal der meiſten auf dieſe Art eingeſperrten. Nun koͤmmt noch dazu, daß nicht alle Fliegen fangen oder uͤberhaupt Nahrung annehmen wollen; ſolche laſſen dann bald die Flügel und nachher auch den Schwanz haͤn⸗ gen und ſterben in kurzer Zeit; man thut daher beſſer, ihnen, ſobald ſie ſich ſo zeigen, die Freiheit zu ſchenken. Nur wenige fangen gleich Fliegen, ſuchen ſich Spinnen, nehmen auch wol Hohlunder— beeren an und halten ſich dabei laͤngere Zeit, haben aber meiſtens auch das Schickſal, über lang oder kurz zwiſchen Thuͤren, Hausge⸗ raͤth oder unter den Fuͤßen erdruͤckt zu werden. Denen, welche beim Fange im Sprenkel die Fuͤße beſchaͤdigt ſind, muß man gleich die Freiheit wieder ſchenken, denn in der Gefangenſchaft dauern ſolche vollends nicht lange. — In einem enggegitterten Vogel⸗ bauer laſſen ſie ſich auch nur mit Muͤhe unterhalten; doch iſt es noch das Beſte, was man mit ihnen machen kann; allein im Vogelbauer ſelbſt muß noch ein beſonderes, von Pappe oder dünnen Bretchen verfertigtes Haͤuschen mit zwei kleinen Oeffnungen angebracht ſein, damit der Zaunſchluͤpfer ſich bei jeder drohenden Gefahr hineinfluͤch⸗ ten kann; ohne dieſe Vorſicht gehen die meiſten bald zu Grunde, oder dauern doch kein Jahr. Jung aufgezogene ſollen ſich am be⸗ ſten halten und ſehr zahm werden; aber auch fuͤr ſie iſt das erwaͤhnte Haͤuschen nothwendig, weil ſie ſich beim Eintritt eines Fremden oder ſonſt unbekannten Geſchoͤpfs in das Zimmer zu bald mit Flat⸗ tern beſchaͤdigen, was nicht ihrer Wildheit, ſondern einer ange⸗ bornen außerordentlichen Furchtſamkeit zugeſchrieben werden muß. Beim geringſten Anſchein einer Gefahr ſchluͤpfen fie ins Haͤuschen und warten darin ruhig ab, bis alles voruͤber iſt. Nin h e n. Unter vielerlei kleinen Inſecten, welche ihm zur Nahrung die⸗ | nen, ſcheint er von der Natur vorzüglich auf Spinnen, kleine In⸗ ſectenlarven, Puppen und Inſecteneier angewieſen. Im Verfol⸗ gen fliegender Inſecten hat er wenig Fertigkeit, und ſie entgehen ihm, wenn er ſie nicht auf ein paar Spruͤnge erwiſcht, meiſtentheils. Er ſucht die ſitzenden und kriechenden und holt fie aus ihren Schlupf⸗ winkeln hervor. Im Sommer findet er in den Hecken und im niedrigen Gebuͤſch ſeine Tafel uͤberall zum Ueberfluß beſetzt, im Herbſte fucht er feine Nahrungsmittel etwas mühfamer in den todten Zaͤunen, in Reisholzhaufen, Holzſtoͤßen, in alten morſchen Weis denbaͤumen und auf den Koͤpfen derſelben, in hohlen Staͤmmen, ii III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schlüͤpfer. 735 zum Theil auch am Boden im duͤrren Laube und trocknen Geniſte. Er naͤhert ſich gegen den Winter allmaͤhlig den bewohnten Orten mehr, iſt dann in den Zaͤunen und Hecken nahe bei den Haͤuſern, durchſucht die Boͤden der Gartenhaͤuſer, die Strohdaͤcher, welche an Gaͤrten ſtoßen, und geht dann im Winter in die Gehoͤfte, beſon⸗ ders der Doͤrfer, wo er an den im Widerſchein der Sonne liegen— den Giebeln niedriger Gebaude, an den Mauern, unter den Daͤ chern, in den Holzſchuppen und Holzhaufen, ſelbſt in Scheunen und Staͤllen, Kellern und ſonſtigen Schluchten die im Winter⸗ ſchlaf begriffenen Fliegen, Spinnen und andere Inſecten auf⸗ ſucht und deshalb alle Ritzen und Loͤcher durchkriecht, gegen das Frühjahr ſich aber wieder mehr nach dem Gebuͤſche zieht und hier in hohlen Staͤmmen, an und zwiſchen denſelben, zwiſchen hohlen Wurzeln, im duͤrren Laube an und in den Zaͤunen u. ſ. w. alle Schlupfwinkel durchſpaͤhet und uͤberall Nahrung findet, ſo daß er faſt nie, auch bei der rauheſten Witterung nicht, deshalb in Verle— genheit zu fein ſcheint. Kein Vogel koͤmmt ihm aber auch im Durch- ſuchen der verborgenſten Winkel, Loͤcher und Ritzen gleich; wie eine Maus durchkriecht er die engſten Spalten, bald hoͤher, bald niedriger, bald gar am Erdboden, und iſt dabei immer froher Laune. Weil er ſich im Winter mehr den menſchlichen Wohnungen naͤhert, ſo iſt er in abgelegenen Waͤldern dann ſeltner; im Sommer iſt es umgekehrt. — Beim Aufſuchen der Spinnen und dergl. in dem alten Wuſte, im Schilfe, in Holzhaufen, Reiſig, in den Dorn— buͤndeln auf geflochtenen Zaͤunen u. ſ. w. kann man oft ganz nahe zuſehen, wie er emſig alles beguckt und mit einer eigenen Ge⸗ ſchicklichkeit durch enge Spalten ſchluͤpft, um zu dem verſteckten Fraße zu gelangen. Man vermißt ihn auch nicht leicht in irgend einem großen Haufen von Reisholz oder Dornen, beſonders in waldigen, waſſerreichen Gegenden; er lebt daher auch ſehr gern an den waldigen Ufern unſerer Stroͤme und Fluͤſſe, wo man kuͤnſtlich von Reiſig und Dornen erbaute Daͤmme und Uferwehre der Gewalt des Waſſers entgegen geſtellt hat, welche er unablaͤſſig nach Nah⸗ rung durchkriecht. Zuweilen haͤngt er ſich auch uͤber zwerg ſeitwaͤrts an die Baumſtaͤmme und durchſucht die alte Borke und das Moos derſelben nach Inſectenbrut; allein das Forthuͤpfen an ſenkrechten Flaͤchen, zumal aufwaͤrts, geht ihm ſchlecht von ſtatten, und er ver⸗ ſucht es auch nur ſelten. ö Gegen den Herbſt frißt er auch rothe und ſchwarze Hohlun⸗ derbeeren. A 736 III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. In den Stuben faͤngt er Fliegen, aber eben nicht mit beſon⸗ derer Gewandtheit; er ſucht ſie meiſtens im Sitzen oder an den Fen⸗ ſtern zu erwiſchen. Viel lieber durchkriecht er die Winkel, geht in die offnen Schraͤnke und uͤberall hin, wo Loͤcher und Ritzen ſind, der Spinnen wegen, die er viel mehr liebt als jene, weshalb ihn die Landleute gern in ihren Stuben haben, wo er aber immer bald ver: ungluͤckt. Will man ihn im Kaͤſig an ein Stubenfutter gewoͤhnen, ſo iſt das beim Garten laubvogel angegebene das beſte, aber es erfordert Muͤhe und Geduld und 11840 dieſe nicht immer 3 Wunſch. 7 e An den oben beſchriebenen Aufenthaltsorten niſten dieſe Voͤgel allenthalben in Deutſchland und den angrenzenden Laͤndern bis Schweden hinauf. In ſolchen Gegenden, wo Doͤrfer mit viel dunkelm Buſchwerk umgeben ſind, oder gar im Walde liegen, ſind ſie zur Begattungszeit gern in der Naͤhe der Wohnungen, ſonſt auch mitten im einſamen Walde, auch in den kalten Gebirgswaͤldern, beſonders überall da, wo Waſſer in der Nähe iſt, wenigſtens ſelten an ganz trocknen Orten. — Hier findet man denn das Neſt bald hoch, bald tief, bald ganz auf dem Erdboden, z. B. in Stroh: daͤchern, unter Dachſparren und Dachtraufen, oder in Mauerfpal- ten alternder Gebaͤude, welche an Gaͤrten und Gebuͤſche ſtoßen, zuweilen wol 10 bis 20 Fuß hoch, ſonſt aber gewöhnlich viel nie- driger. Man findet es in den Reiſighaufen und Holzſtoͤßen, in den Dornen auf den todten Zaͤunen, zwiſchen dem Flechtwerk die⸗ ſer, zwiſchen den Storzen alter Staͤmme, in weiten ausgefaulten Hoͤhlen der Baͤume und alten Stoͤcke, zwiſchen den Wurzeln um⸗ geſtuͤrzter Baͤume, zwiſchen ausgewaſchenen Wurzeln hoher, ſchattiger Ufer, im dichten verwirrten Geſtruͤpp von Dornen, Hopfenranken und anderem Wuſte, in alten Bergwerksſtollen, ſelbſt in Erdkluͤften und in allerlei Schlupfwinkeln. Ganz vorzuͤglich lieben ſie die Hütten in den Waͤldern, entweder von Raſen, wie fie ſich die Koͤh— ler bauen, oder von Rohr, von mit duͤrrem Laube verſehenen Zwei⸗ gen und großen Pflanzenſtengeln erbauet, welche man als Schieß⸗ huͤtten oder zum Vogelfange benutzt, und bauen ihr Neſt bald in das Dach derſelben, bald in eine Seitenwand. In meinem Waͤld⸗ chen habe ich immer einige ſolcher Huͤtten, zum Anſtand nach Raub⸗ voͤgeln beſtimmt, von Waſſerdoſten (Eupatorium cannabinum) und Rohr erbauet, die ſie ſo lieben, daß ſie faſt alle Jahr darin niſten, In. Ordn, XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schlüpfer. 797 beſonders wenn ſie uͤber ein Jahr geſtanden haben und etwas ver⸗ fallen ausſehen. — Im halb ausgefaulten Schafte einer alten Weide, die ganz dicht an einem geflochtenen todten Zaune ſtand, habe ich es auch oͤfter gefunden, auch einmal in einer ſolchen, wo es beinahe ganz vom morſchen Holze derſelben umſchloſſen war. Es ſteht ſtets an einem duͤſtern Orte, und es wuͤrde zu weit fuͤhren, die dunkeln Winkel, wo man es ſchon gefunden, alle zu beſchreiben. Einſtmals niſtete ein Paͤaͤrchen einige Jahre nach einander in meinem Gehoͤfte, in dem Strohdache eines alten Schuppens, weichen neben einem großen Haufen Reisholz ſtand. Das Neſt dieſes kleinen Vogels gehört unter » Einfffichften und iſt von einer fo großen Menge Materialien erbaut, daß die Voͤgel bei nicht ganz guͤnſtiger Witterung uͤber zwei Wochen ‚lang mit dem Bau deſſelben beſchaͤftigt find, zumal da fie oͤfters manche dazu erforderlichen Dinge aus einem weiten Umkreiſe muͤhſam zuſam⸗ mentragen muͤſſen. Gruͤnes Moos enthalten Alle, bald in groͤßter Menge, bald weniger haufig; fonft find die Materialien dazu unge⸗ mein verſchieden. Gewoͤhnlich beſteht die aͤußere Lage aus duͤrrem Laube aus den naͤchſten Umgebungen, mit untermengten groben, trocknen Pflanzenſtengeln und feinern Halmen; dann folgt eine ſehr dicht gefilzte Lage von gruͤnem Moos, wie es unten an den Baum⸗ ſtammen waͤchſt; dann, als innere Ausfütterung, eine Menge meiſt großer Federn von Gaͤnſen, Huͤhnern, Tauben und andern Voͤ⸗ geln (doch keine Schwung⸗ und Schwanzfedern), welche alle ſo gelegt ſind, daß ſie in der Aushoͤhlung allerſeits glatt anliegen. Manch⸗ mal iſt auch ungemein viel grobes Zeug von trocknen Reischen, Stengeln, Wurzeln und Blaͤttern verbraucht, ehe die gruͤne Mooslage anfaͤngt, ein ander Mal iſt ſogar nichts von jenen zu ſehen. Dies iſt beſonders bei ſolchen der Fall, die in keiner Hoͤhle ſtehen, wo ſie 80 zuweilen einzig und allein aus gruͤnem Moos gebaut find. ch beſitze ein ſolches, welches ein paar Fuß hoch in einem großen Dormbufhe fand, in welchem dichte Hopfenranken und andere Pflan⸗ zenſtengel mit den Dornen ein dichtes Geſtruͤpp bildeten, was faſt undurchdringlich zu nennen war. Dieſer vortreffliche Bau beſteht durchaus aus nichts anderem als gruͤnem Moos von den Staͤmmen alter Baͤume, was fo dicht gefilzt iſt, daß es zuſammen geleimt zu ſeyn ſcheint und ſelbſt von außen ganz glatt ausſieht, da ſonſt die oben beſchriebenen eine ſehr rauhe, ſchlechtausſehende, einem halb: vermoderten alten Laubklumpen nicht unahnliche Außenſeite haben. ater Theil. 47 738 III. Orbn XVI. Gatt. 98. Zaun-Shlüpfen, In dieſem merkwuͤrdigen Neſte iſt keine einzige Feder; demohnge⸗ achtet ſcheint es ganz fertig gebaut zu ſein, weil das Moos an den Waͤnden feiner innern, ſchoͤn gewoͤlbten Aushoͤhlung fo verbiſſen iſt, daß es ausſieht, als waͤre es mit dem ſchaͤrfſten Inſtrument ge⸗ ebnet und jedes hervorſtehende Moosſpitzchen abgeſtutzt. Keine menſchliche Kunſt vermag ein aͤhnliches Gebilde mit ſo einfachen Werk⸗ zeugen und aus ſo einfachem Material hervorzubringen; und hier iſt der kunſtreiche Baumeiſter nur ein winziges Voͤgelchen! — Haͤufig find aber auch aͤhnlich gebauete Neſter mit Federn und Haaren ausgepolſtert. Im Verhaͤltniß zur Groͤße des Vogels iſt dies Neſt eins der groͤßeſten, was es giebt; denn es iſt, den lockeren, daſſelbe von außen umgebenden Wuſt abgerechnet, alſo ſo weit es von einem feſten Bau iſt, im Durchſchnitt über 7 Zoll hoch und 55 Zoll breit. Hinſichtlich ſeiner Form iſt es aber vielleicht noch merkwuͤrdiger. Es ift völlig eifoͤrmig **), gerundet, nur an der Seite, wo ſich das Ein⸗ gangsloch befindet, etwas platt, unten ſchmal zugerundet, oben abgeplattet und merklich breiter, der ziemlich weite, runde Eingang an einer Seite, aber ganz oben, die Dachung oder das Gewoͤlbe uͤber demſelben beſonders dicht und ſchoͤn gefilzt, die Aushoͤhlung im Innern anſehnlich weit, niedlich gerundet und ſo tief, daß man, ohne Schaden anzurichten, gerade mit dem Zeigefinger auf den Grund reicht; das Neſt hat daher einen ſehr dicken Boden. — Noch iſt wohl zu merken, daß ſich der kleine kunſtreiche Baumeiſter mit dem Material immer nach den Umgebungen richtet und die erſte Anlage des Baues ganz aus der Naͤhe nimmt, ſo daß das Neſt da⸗ durch noch mehr verſteckt wird, als dies ſchon der Ort, wo es ftehet, mit ſich bringt; in alten Zaͤunen, Huͤtten, Staͤmmen und an aͤhn⸗ lichen Stellen iſt es immer mit einer Menge von altem Laube und Geniſte umgeben, und nur das runde, nette Eingangsloch kann den Voruͤbergehenden reizen, beſſer nachzuſehen, weil er ſonſt den Klumpen fuͤr kein Vogelneſt halten wuͤrde; die bloß von Moos ge— baueten findet man dagegen immer nur im grünen Geſtruͤpp, wes⸗ wegen ſie ebenfalls nicht leicht in die Augen fallen. Die große Ver⸗ ſchiedenheit der Schlupfwinkel, die der Vogel dazu zu waͤhlen pflegt, erſchwert das Auffinden deſſelben auch ſchon außerordentlich. — — Gewoͤhnlich fangen alte Paͤaͤrchen ſchon Ausgang Maͤrzes mit dem „) Dr. Schinz hat ein dieſem ganz ähnliches Neſt im 3ten Hefte feiner Nefter und Eier ꝛc. (liegend) abgebildet; allein dieſe Abbildung iſt ſehr verkleinert 7) Wie ein auf die Spitze geſtelltes Ei. 8 III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. 739 Neſtbau an, doch findet man ſelten fruͤher, als in der zweiten Hälfte des Aprils, Eier, nach der Mitte des Maies aber fluͤgge Junge. Die Eier, von denen ſechs bis acht Stuͤck in einem Neſt liegen, ſind fuͤr den kleinen Vogel von bedeutender Groͤße, faſt groͤßer oder doch dicker als die des Fitislaubvogels, kurz⸗ oval, in der Mitte ſehr bauchig und meiſtens an einem Ende merklich abgeſtumpft, am andern etwas ſpitz, die Schale nur wenig glaͤnzend und ſehr zart, ſo daß der Dotter etwas durchſcheint. Sie ſind gewoͤhnlich rein weiß, ſeltner gelblichweiß und haben mehrentheils nur gegen das ſtumpfe Ende feine Puͤnktchen von rothbrauner oder blutrother Farbe, die öfters eine Art von loſem Kranz bilden, zuweilen aber auch ganz und gar fehlen; ſehr haͤufig ſind ſie nie, und dabei auch ſo fein, daß man ſelten einmal einen von der Groͤße eines Fliegen⸗ klexes bemerkt. Sie haben einige Aehnlichkeit mit den Eiern der Meiſen und Baumlaͤufer und variiren in der Größe, Form und in der Größe und Menge oder gaͤnzlichen Abweſenheit der Punkte ziemlich bedeutend. — In dreizehn Tagen werden dieſe Eier ab⸗ wechſelnd von Maͤnnchen und Weibchen, doch mehr vom letztern, ausgebruͤtet, und die Jungen von beiden Aeltern mit kleinen In⸗ ſecten und Inſectenlarven aufgefuͤttert. Sie halten das Neſt un⸗ gemein reinlich; ſobald nur ein Junges den Hintertheil nach dem Eingangsloche dreht, iſt ſogleich eins der Alten da, um den Unrath, deſſen ſich erſteres entledigt, aufzufangen und wegzutragen. Ueber⸗ haupt beſchaͤftigt ſie die Erhaltung und Ernaͤhrung der Jungen in dieſer Zeit ſo angelegentlich, daß man die raſtloſe Thaͤtigkeit und ſorgſame Geſchaͤftigkeit dieſer kleinen Vögel nicht genug bewundern kann. Die Jungen ſitzen lange im Neſte, halten ſich, wenn ſie 0 eben ausgeflogen ſind, gern zuſammen und ſitzen oft auf einem duͤrren Reischen alle neben einander. Stoͤhrt man fie, fo verkrie⸗ chen ſie ſich ſchnell in dem Zaune, Dornbuſche, im alten Wuſte zwi⸗ ſchen den Stämmen u. ſ. w. wie Maͤuſe, wohl wiſſend, daß ſie ſich auf ihre Flugwerkzeuge wenig verlaſſen koͤnnen; denn es 8 lange, ehe ſie ſo fliegen lernen, wie ihre Aeltern. Gewiß nicht alle Paͤaͤrchen brüten, wie Bech ſtein fat, zwek Mal im Jahr; vielleicht weil der Neſtbau ihnen ſehr viel Zeitauf⸗ wand macht, und ſie lange bei den Jungen bleiben muͤſſen, ehe ſie dieſe fich ſelbſt uͤberlaſſen koͤnnen, und aus andern Urſachen; die meiſten machen, wie ich gewiß weiß und vielmals beobachtet habe, nur Eine Brut. Sie muͤßten ſonſt auch viel haͤufiger ſeyn, da ſie 740 III. Drbn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. doch oft 6 bis 8 Junge aus Einer ee aufbringen. — Wenn ihnen das erſte Neſt zerſtoͤhrt wurde, fo bauen fie ſich wol ein zwei⸗ tes und legen noch einmal Eier; doch dieſe Ausnahme findet auch bloß dann ſtatt, wenn die Jahreszeit noch nicht zu weit vorgeruͤckt iſt. Ende Juli habe ich niemals ganz junge Zaunſchluͤpfer mehr ge: ſehen. — — Sie ſitzen beim Bruͤten ziemlich feſt uͤber den Eiern und verrathen das Neſt ſelten durch aͤngſtliches Schreien, ausge⸗ nommen wenn ſie bereits Junge haben; noch aͤngſtlicher gebehrden ſie ſich, wenn dieſe erſt ausgeflogen ſind, und dann wird jeder ver⸗ meintliche Feind mit einem anhaltenden Zerrzerr oder Zerrrrrrr empfangen und im Abgehen ein Stuͤck begleitet. Die Stimme der Jungen weicht wenig ab. — Der Kuckuk giebt ihnen zuweilen ein Ei auszubruͤten. S e i n d e. Sie ernaͤhren einige wenige Schmarotzerinſecten 10 in den Eingeweiden einen noch unbenahmten Wurm aus der Gattung Echi- norhinchos. — Von den Raubvögeln erwifcht ſelten einer einen Zaunſchluͤpfer, deſto oͤfter aber Katzen, Marder und Wieſeln. Ihrer Brut werden dieſe auch ſehr nachtheilig, ſelbſt Ratten und Maͤuſe; eben fo erwiſchen Kraͤhen, Elſtern und Heher nicht ſelten ein eben ausgeflogenes Junges; wenn dieſe aber erſt aͤlter und kluͤger werden, ſo entgehen ſie jenen leichter als den Raubthie⸗ ren, durch ihre Geſchicklichkeit im ſchnellen Verkriechen. — Sie verrathen die Anweſenheit eines beflügelten oder vierfuͤßigen Raͤu⸗ bers bald durch ihr anhaltendes Schreien und ſind beſonders den Eulen ſehr abhold. Der Kuckuk gehoͤrt auch unter die Feinde dieſer Voͤgel, weil er ihnen manchmal ſein Ei ins Neſt legt, wo⸗ durch ihre gene Brut verderbt wird. Jag d. Mit der Flinte ſind ſie, da ſie gar nicht ſcheu ſind, beſonders im Fluge, leicht zu ſchießen, nur macht ihr unruhiges Weſen und die Umgebungen an ihren gewoͤhnlichen Aufenthaltsorten die Sache ſchwieriger, doch bei weiten nicht ſo, wie bei den meiſten Rohr⸗ ſaͤngerarten. Auch mit dem Blaſerohr kann man ſie erlegen. — Zu fangen find fie ebenfalls leicht, und oftmals treibt fie eine Art von Neugier oder ein gewiſſer Grad von Geſelligkeit in das Netz, wie man am Vogelheerde oft beobachten kann. Ich fing ſie hier, III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. 741 wenn fich einer nahe bei der Hütte zeigte, auf die Ruͤckleine ſetzte und mich am Guckloche gewahr wurde, ſehr bald, indem ich bloß einen Meiſenkloben ſachte hinausſchob und darauf den Braͤm einer Pelzmuͤtze oder ſonſt etwas Rauches oder Abentheuerliches ein we— nig ſehen ließ, welches ſie alsbald in der Naͤhe zu betrachten ſtreb⸗ ten, vielleicht fuͤr ein Raubthier hielten, ſich auf den Kloben ſetzten und ſo gefangen wurden. — Unter den gewoͤhnlichen Finkenne⸗ tzen erhaͤlt man keinen; ſie laufen, ſobald ſie das zugeſchlagene Netz am Erdboden uͤberdeckt, wie eine Maus unter dem Netze weg. Sie huͤpfen immer um die Lockvoͤgel herum, begucken alles und kriechen wol gar manchmal durch ihre Kaͤfige. Beim Meiſentanze benehmen ſie ſich auf aͤhnliche Weiſe und werden hier eben ſo oft in Sprenkeln oder Kloben gefangen. In Sprenkeln mit vorgehaͤng⸗ ten Hohlunderbeeren fangen ſie ſich oͤfters; zufaͤllig auch in fuͤr andere Voͤgel geſtellten Schlingen und Dohnen, ſelbſt in zum Trocknen aufgehaͤngten Garnſaͤcken und Fiſchnetzen, wo dieſe beſonders laͤn⸗ gere Zeit unter einem Schuppen oder andern Obdach aufgehaͤngt waren, und ſich Spinnen darin angeſiedelt hatten. So krie⸗ chen ſie auch manchmal in die Gartenhaͤuſer, oder auf die Boͤden, und vergeſſen, wo ſie hineingekommen waren, wenn man ſie bald uͤberraſcht. Im Winter fangen ſie ſich leicht in mit Mehlwuͤrmern aufgeſtellten Meiſenkaſten, gehen auch wol zuweilen ohne dieſen Koͤder hinein. — Einen aufs freie Feld verirrten kann man bald muͤde machen und mit den Haͤnden fangen. Mein Vater ſahe ein⸗ mal zu, wie mehrere Knaben einen Zaunſchluͤpfer aus einem Reis⸗ holzhaufen, der auf freiem Felde ſtand, trieben und verfolgten, welcher auf 100 Schritt Weite ſchon matt wurde, in ein Maͤuſeloch fluͤchtete und ſo von einem Knaben herausgeholt wurde. — Auch j in lichten Erlenbruͤchern zwiſchen den Stammen, im Winter, wo ihn kein gruͤnes Laub den Augen der Verfolger entzieht, habe ich ihn muͤde machen und mit den Haͤnden fangen oder mit einem Stocke erſchlagen ſehen. i Nutzen. Sie vertilgen eine Menge beſchwerlicher Inſecten, zumal auf den Böden (wenn fie dahin gelangen koͤnnen) die ſchaͤdlichen Korn: würmer und haͤßlichen Spinnen. Der letztern, fo wie der Honig: und Wachsmotten und ihrer Larven wegen, die fie in den Bienenhaͤuſern aufſuchen, werden ſie auch hier ſehr nuͤtzlich 742 III. Ordn. XVI. Gatt. 98. Zaun⸗Schluͤpfer. und wohlthaͤtig. — Weil der ganze Vogel nur drei Drachmen wiegt, ſo wird ihn niemand ſeines wohlſchmeckenden Fleiſches halber toͤdten wollen. — Sein herrlicher Geſang erfreuet den Menſchen, und der Landmann haͤlt viel auf dieſes Voͤgelchen, weil es in ſeiner Naͤhe wohnt, auch im Winter ſingt, und weil er, wenn dieſes dann. haͤufig und recht laut geſchiehet, es fuͤr eine Vorbedeutung von einer W des Wetters haͤlt. Schaden. Man beſchuldigt ihn des Bienenraubes, aber wie ich 0 5 wol mit Unrecht; daß er Motten und Spinnen von den Bienenſtoͤ⸗ cken und im Bienenhauſe aufſuchte, habe ich geſehen, aber nicht daß er eine Biene gefreſſen haͤtte. x Siebzehnte Gattung. Pieper. An thus. Bechst, Schnabel: Geſtreckt, gerade, pfriemenfoͤrmig, an den Seiten kaum eingedruͤckt, uͤber den Naſenloͤchern etwas aufgetrieben; der Ruͤcken rund; die Spitze des Oberkiefers ſehr wenig abwaͤrts ge⸗ ſenkt, mit ſeichtem Einſchnitt auf der Schneide, die Spitze des untern ganz gerade; die Mundkanten etwas eingezogen. Naſenloͤcher: Nicht ganz am Schnabelgrunde, nicht klein, frei, durchſichtig, oval, mit haͤutigem Rande, über denſelben eine ſtarke, weichhaͤutige Schwiele. Zunge: Lang, ſchmal, mit getheil⸗ ter, borſtig zerriſſener Spitze und ſtark ausgeſchnittenem, kammar⸗ tig gezaͤhneltem Hinterrande. Fuͤße: Schlank; drei Zehen vor⸗ und eine ruͤckwaͤrts gerich⸗ tet, die aͤußere mit der mittelſten bis faſt zum erſten Gelenk zuſam⸗ men gewachſen; die Bedeckung der Fußwurzel durch ſeichte Einſchnit⸗ te in wenige große Schildtafeln getheilt; die Krallen ſchwach und wenig krumm; die Hinterzeh mit einem langen, mehr oder weniger bogenfoͤrmigen, duͤnnſpitzigen Sporn. Fluͤgel: Mittelmaͤßig, wegen der ſehr langen hintern Schwing⸗ federn mit zwei Spitzen. Die erſte Schwinge ſcheint gaͤnzlich zu fehlen; demnach iſt die te kaum etwas kuͤrzer als die Zte, welches die laͤng⸗ ſte, und von gleicher Laͤnge mit der Aten; die mittleren kurz, von den hintern aber die vorletzte ni ſo lang ale die längſte der großen Schwingen. 744 III. Ordn. XVII. Gatt. Pieper, Der Kopf iſt ſehr flachſtirnig, ſpitz und lang; der Hals duͤnn; der Rumpf ſchlank; der Schwanz etwas lang und breit; der Habitus bachſtelzen- und lerchenartig, die Farben des Gefieders meiſt von letztern; uͤber die Fluͤgel gehen zwei lichte Querſtreifen, und uͤber das Auge ein lichter Strich. Maͤnnchen und Weibchen ſind in der Farbe wenig verſchieden. So wie dieſe Voͤgel dem bloßen Anſehen nach ein Bindeglied oder einen Uebergang von den Bachſtelzen zu den Lerchen bilden, fo bethätigen fie dies auch durch ihre Sitten und Lebensart. — Man zaͤhlte ſie ſonſt zu den Lerchen, aber mit Unrecht, weil . fie keine Saͤmereien freſſen; doch kann man fie eben fo wenig der Bachſtelzengattung, der ſie hinſichtlich ihrer Nahrung glei⸗ chen, beigeſellen, weil ihr Betragen von dem dieſer wieder zu ſehr abweicht. Es ſind muntere, ſchnelllaufende Voͤgel, welche immer ſchritt— weis gehen, den Schwanz und Hinterleib haͤufig auf- und abwaͤrts bewegen, ſich mehrentheils gern am Waſſer aufhalten, ſich haͤufig guch auf Zweige und Baͤume ſetzen, bloß von Inſecten leben, mei⸗ ſtens einer doppelten Mauſer im Jahr unterworfen ſind und einen einfoͤrmigen, piependen Lockton haben, woher die Benennung: Pie— per genommen iſt. Dies alles macht ſie den Bachſtelzen aͤhn⸗ lich. Daß fie aber meiſtens ſehr angenehm und im Fliegen und Flattern ſingen, auch gern auf den Feldern ſich aufhalten, ſehr viel, ſchnell und in Abfaͤtzen auf dem Erdboden hinlaufen, alle auf der Erde niſten, daß die Jungen das Neſt verlaſſen, ehe ſie noch recht fliegen koͤnnen, und ſich im Graſe u. d. gl. zu verbergen ſuchen, bringt ſie wieder den Lerchen nahe. — Die Bauart der Neſter aͤh⸗ nelt theils dieſen, theils jenen, fo auch Form und Farbe der Eier. Das erſte Jugendkleid iſt etwas bunter als das der Alten, doch nicht ſo ſcheckig als bei manchen andern Inſectenvoͤgeln; der Au⸗ genſtern iſt immer dunkler als bei alten Voͤgeln. * a * „Die Pieper beſitzen (nach Hrn Nitzſch) den Singmuskel⸗ apparat am untern Kehlkopfe und ſtimmen in den uͤbrigen anato⸗ miſchen Verhaͤltniſſen mit den Süilegee und beſonders mit den Bachſtelzen uͤberein.“ Dieſe Gattung if über alle Zonen verbreitet, aber nicht fehr zahlreich an Arten. Wir kennen jest, als e bloß fuͤnf, in Deutſchland aber nur Vier 27770 745 99. rr ach ieh e . Anthus campestris. Bechst. Taf. 84. Fig. 1. Maͤnnchen. Brachlerche, Gereuthlerche, Feld⸗ Heide- Koth⸗Spieß⸗ und Krautlerche, weißbaͤuchige, graue oder braunfalbe Lerche; — Brach—⸗ bachſtelze, Feldbachſtelze, graue Bachſtelze; Stoppelvogel, Stoͤp⸗ ling. — Huͤſter, Guckerlein, Gickerlein, Greinerlein, Grienvoͤgelein. Anthus campestris. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III, S. 722. = Wo l f und Meyer, Taſchenb. I. S. 257. = Nilsson orn. suec. I. p. 248. n. 116. Alauda campestris. Bechſtein, orn. Taſchenb. I. S. 200. La Rousseline. Buff. pl. enl. 661. Fig. 1. Pipit rousseline. (Anthusrufescens) Temmink Man. nouv. Edit. I. p. 267. Meadow-Lark.(?)Lath.syn. II. 2. p. 378. Ueberſ. v. Bechſtein. II. 2. p. 379. n. 10. Meisner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 129. n. 1353. Meyer, V. Liv⸗ und Eſthlands. S. 130. — Koch, Baier. Zool. I S. 180, n. 103. — Friſch, Vögel. Taf. 15. unten, rechts. Naumanns Vögel, alte Ausg. II. S. 48. Taf. 8. Fig. 10. Alle uͤbrigen Synonymen anderer Schriftſteller ſind zu unſicher; denn die Pieper⸗ arten ſind in den meiſten aͤltern Werken ſo mit einander verwechſelt, daß ſich dieſe Verwirrung nicht loͤſen läßt. Hierher gehört z. B. auch der Vogel, welchen Buffon: La Spipolette nennt, man ſehe: Ois V. p. 43. und Edit. de Deuxp. IX. p. 52. t. 2. f. 2. Auch Brisson’s Alauda campestris. S. d. Orn. III. p. 349. 5. vielleicht. TER Kennzeichen der Art. Die obern Theile licht gelblichgrau, mit wenigen undeutlichen, dunkeln Flecken; die untern Theile truͤbe gelbweiß, an den Seiten der Oberbruſt nur mit einzelnen dunkelgrauen Fleckchen. Die aͤu⸗ ßerſte Schwanzfeder hat einen weißen Schaft und Außenfahne, des⸗ gleichen von der Spitze herauf einen ſehr großen gelbweißen Keil⸗ fleck; die zweite einen aͤhnlichen, aber viel kleinern und einen dun⸗ kelbraunen Schaft. Der Nagel der Hinterzeh groß und nur flach gebogen. \ 746 III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brach-Pieper Beſchreibung. Oer Brachpieper ift ſchon feiner lichten Farbe wegen nicht leicht mit einem andern einheimiſchen Pieper zu verwechſeln; er hat auch den groͤßten und ſtaͤrkſten Schnabel, die ſtaͤrkſten Fuͤße, dabei eine anſehnliche Koͤrpergroͤße, worin ihm nur der Waſſerpieper aͤh⸗ nelt, und die ohngefaͤhr der des Buchfinken gleichkommt. Es iſt ein ſchlank gebaueter, netter Vogel, von einem mehr bachſtelzen— als lerchenartigen Ausſehen, aber mit ſchlechten Farben geziert, die dem duͤrren Erdboden und den Lehmkloͤſen gleichen, die ihm zum Aus fenthalt angewieſen ſind. R Er iſt 64 bis 74 Zoll lang und 11 bis 12 Zoll breit; der et⸗ was ausgeſchnittene Schwanz ziemlich 3 Zoll lang, wovon die rus henden Fluͤgel den dritten Theil oder zwei Fuͤnftel bedecken. Die Structur des Fluͤgels, und das Verhaͤltniß der Laͤnge zur Breite u. ſ. w. der Schwing- und Schwanzfedern iſt dem des Baumpiepers und der andern Arten völlig gleich. Der Schnabel iſt groß und ſtark, geſtreckter 3 vorn mehr zu⸗ ſammengedruͤckt, als beim Baumpieper und andern, die Schneis den ſtaͤrker eingezogen; ſonſt in der Form einem Bachſtelzenſchnabel, ſeiner Groͤße wegen aber faſt einem Lerchenſchnabel aͤhnlich, volle 7 Linien lang, an der Wurzel etwas über 2 Linien hoch, und 27 Linien breit, meiſtentheils hornbraun, am Rüden und an der Spige dunkler, an der Wurzelhälfte der Unterkinnlade aber gelblichfleiſch⸗ farben, oder ſchmutzig gelb, der Rachen, die Mundwinkel und die Zunge gelb. Das Naſenloch hat eine mehr runde als ovale Form, mit etwas aufgeworfnem Rande, und iſt eben nicht klein; um die Schna⸗ belwurzel ſtehen viele feine, ſchwarze Haͤaͤrchen, von welchen ſich eini⸗ ge uͤber den Mundwinkeln durch ihre Groͤße vor den andern etwas auszeichnen. Die Iris der ziemlich großen Augen iſt dunkel nuß⸗ braun. N Die Füße find ziemlich ſtark und groß, die Fußwurzeln durch ſeichte Einſchnitte vorn in mehrere große Schildtafeln zerkerbt und ſehr ſchmal gedruͤckt, daher die hintere dem Spann entgegengeſetzte Seite ſehr ſcharfkantig; die Naͤgel ſind nur flach gebogen, unten zweiſchneidig, der hintere aber anſehnlich groß, ſehr duͤnnſpitzig, doch auch nur wenig gekruͤmmt. Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſchmutziges, lichtes Gelb, was zuweilen, beſonders bei jungen Voͤgeln, etwas fleiſchfarbig durchſchimmert, an den Zehen aber viel ſchmutziger und braͤunlicher erſcheint, welche Farbe auch die Naͤgel haben. Die III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brach⸗Pieper. 747 kurzen Federn Ber Unterſchenkel bedecken das Gelenk der Ferſe nur halb, Der Lauf iſt volle 13 Linien hoch, die Mittelzeh mit dem Nagel ziemlich 10 Linien, die Hinterzeh ohne Nagel 4 bis 5 Li- nien lang, und a mit ihr von gleicher Länge. Wenn letzterer bei jungen Voͤgeln oft nur etwas uͤber 3 Linien mißt, ſo haben ihn recht alte gemeiniglich von mehr als 5 ae Laͤnge, und er iſt bei dieſen auch immer gerader. N Das Gefieder, Flügel: und Schwanzfedern ausgenommen, iſt nicht groß, aber weich und weitſtrahlig. Die Fluͤgelfedern ſind von bedeutender Breite. Die laͤngſten obern Schwanzdeckfedern findet man haͤufig gegen das Ende hin ſo ſtark abgerieben, daß ſie ſpießfoͤrmig in eine lange, ſehr duͤnne Spitze auslaufen, wozu ver⸗ muthlich die haͤufige Bewegung des Schwanzes beitraͤgt. Von der Stirn bis an den Schwanz ſind alle obern Theile licht gelbgrau, mit undeutlichen, dunkler grauen, in Braungrau uͤbergehenden Schaftflecken, die am Scheitel und Oberruͤcken noch am meiſten bemerklich werden, am Nacken und auf dem Buͤrzel aber beinahe ganz fehlen. Die obern Theile erhalten dadurch ein faſt einfoͤrmiges, oder doch nur wenig geflecktes, erdgraues Anſehen, was in verſchiedenen Individuen und Jahreszeiten bald gelblicher, bald weißgrauer iſt, am friſchen Gefieder im Herbſt zuweilen auch wol einen geringen Schein von Olivengelb traͤgt. Vom Naſenloch zieht ſich ein großer, weißlichroſtgelber Streif uͤber das Auge bis zum Genick. Die Wangen ſind grau und gelb ge— miſcht; Zuͤgel und Ohrengegend dunkelgrau, auch die Wangen vorn herab fo gefleckt; Kehle, Gurgel und alle untern Theile trübe gelblichweiß, an den Seiten des Halſes und der Bruſt, beſonders der Kropfgegend, mit einem angenehmen Roſtgelb ſtark angeflogen, was bei manchen Individuen ſich mehr zum Roͤthlichen, bei andern mehr zum Schwefelgelben neigt; dazu laufen vom untern Schnabel⸗ winkel eine ſehr obſolete Reihe kleiner dunkler Striche herab, und die Kropfſeiten haben etwas groͤßere, dunkelgraue Fleckchen, die im⸗ mer nur ſehr einzeln ſtehen, oft auch beinahe ganz fehlen; zuweilen zeigen ſich auch an den Seiten der Bruſt weiter abwaͤrts einzelne, dunkelgraue Schaftſtrichelchen, ein ander Mal iſt alles ungefleckt, und nur in den in Gelbgrau uͤbergehenden Weichen zeigen ſich meiſtens dunklere Schaftſtriche. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind wie der Ruͤcken, alle uͤbrigen Fluͤgelfedern matt dunkelbraun, mit graulich roſtgelben Kanten, die an den Enden der mittleren und großen Deckfedern ſehr breit ſind und hier in roſtgelbliches Weiß uͤbergehen (weswegen zwei weiße Querſtreife den Fluͤgel zieren), an den gro⸗ \ 748 III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brach⸗Pieper. ßen Schwingen aber ſich in ſchmale Saͤumchen verwandeln und ge⸗ gen ihre Spitze hin ganz verlieren. Von unten ſind die Schwingen glaͤnzend hellgrau, die Deckfedern roſtgelb und weiß, am Rande des Fluͤgels etwas grau gefleckt. Die Schwanzfedern ſind dunkelbraun, die beiden mittelſten mit der Farbe des Ruͤckens gekantet, die folgen⸗ den eben ſo, aber nur ſchmal geſaͤumt; die dritte von außen mit einem gelblichweißen Saͤumchen; die zweite mit ganz gelblichweißer Außenfahne, dergleichen großem Keilfleck, von dem Ende bis uͤber die Mitte heraufreichend, und dunkelbraunem Schaft; die aͤußerſte eben ſo, aber mit noch mehr und reinerem Weiß und weißem Schaft. Von unten ſind die Schwanzfedern ſchwarzgrau, mit der weißen Zeichnung der obern Seite. Zuweilen findet ſich auch dicht am weißen Schafte der aͤußern Schwanzfeder noch ein feiner dunkelbrauner Strich, der auch auf der untern Seite ſichtbar wird. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen waltet nach Farbe und Groͤße nur ein ſehr geringer Unterſchied ob; denn letzteres iſt gewoͤhnlich etwas kleiner und bleicher gefaͤrbt. Sonſt findet man, wie ſchon bemerkt, mancherlei Abweichungen in der Grundfarbe, wie in der An- oder Abweſenheit der Flecke an den untern Theilen, die jedoch nicht weſentlich zu ſein ſcheinen. Das friſche Gefieder im Herbſt iſt immer etwas dunkler, von unten gelber, und oben nicht ſelten mit einem ſchwachen olivengruͤnlichen Schein, die Einfaſſungen der Fluͤgelfedern immer viel dunkler roſt⸗ gelb und ſehr breit, weil ſich die Federraͤnder noch nicht abgenutzt ha⸗ ben, die aͤußern Schwanzfedern mehr blaß roſtgelb als weiß. Das Fruͤhlingskleid iſt in der Regel viel blaͤſſer; doch auch hier giebt es merkliche Abweichungen, und ich habe fo eben zwei (am 14ten April d. J. in Einer Stunde und an Einem Orte ſelbſt geſchoſſene) Maͤnnchen vor mir, die gar ſehr verſchieden ſind, wovon das eine viel dunkler und gelber ausſieht, bei dem die gelbe Farbe der untern Theile ſehr ins Roͤthliche faͤllt und ſich ſehr ſchoͤn ausnimmt; der an⸗ ſehnlichern Groͤße und des ungeheuern Sporns wegen, halte ich dies fuͤr ſehr alt, das andere aber fuͤr juͤnger, doch uͤber ein Jahr alt; dies iſt viel bläffer, grauer, oben ſogar an den Federkanten ins Weißgraue ziehend, die gelbe Farbe der Unterſeite ins Schwefelgelbe uͤbergehend, die Kanten an den Fluͤgelfedern vielmehr weiß als gelb. Bei genauerer Unterſuchung findet ſich aber beim erſteren das ganze - Gefieder im völlig gleichen Zuſtande und, Flügels und Schwanz- federn ausgenommen, alles neu, beim andern aber am Ruͤcken, am III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brach-Pieper. 749 Kropfe und an der Bruſt unter den alten eine große Menge neuer Federn, die ſich durch eine etwas andere Farbe auszeichnen, indem die an den obern Theilen an den Raͤndern dunkler und gelblicher, die an den untern aber viel mehr roͤthlichgelb ſind. — Mir beweiſt dies zur Genuͤge, daß auch dieſer Pieper einer doppelten Mauſer theil⸗ weis unterworfen if. — — Im Sommer findet man die Far: ben ſehr abgebleicht, und ein ſolcher Vogel ſieht dann in einiger Ent⸗ fernung ſehr hell lehmgrau aus, wie der lehmige oder ſandige Erd⸗ boden, auf welchem er wandelt; aber durch das Abnutzen der Federn find die dunklen Flecke am Scheitel und Oberruͤcken deutlicher hervor— getreten, die an der Bruſt haben ſich dagegen, weil ſie meiſt an den Federenden ſaßen, faſt verlohren, die Kanten der Fluͤgelfedern ſind ſehr ſchmal geworden, und die Grundfarbe dieſer Federn zu einem erdartigen Braun abgeſchoſſen. Die juͤngern Voͤgel zeichnen ſich vor den aͤltern durch nichts Beſonderes aus; man erkennt ſie allenfalls an der geringern Groͤße, die an dem Schnabel und an den Fuͤßen, beſonders aber am Sporn der Hinterzeh merklich wird. Die Jungen vor der erſten Mauſer unterſcheiden ſich mehr; Schnabel und Füße find lichter, der Augenſtern dunkler, der Nagel der Hinterzeh viel kuͤrzer und kruͤmmer als an den Alten. Der Oberkopf iſt ſchwaͤrzlichbraun, mit breiten gelbgrauen Federraͤndern und ſehr feinen weißen Spitzenſaͤumchen; der Hinterhals etwas lich⸗ ter; Ruͤcken⸗ und Schulterfedern dunkelbraun, mit hellgelbgrauen Endkanten, daher dieſe Theile ein ſchuppichtes Anſehen erhalten; der Buͤrzel eben ſo, aber mit viel breitern Seitenkanten, deswegen un⸗ gleich lichter; die Zuͤgel dunkelgrau; ein großer Streif uͤber dem Au⸗ ge gelbroͤthlichweiß; die Wangen braun und gelblich gemiſcht; Kehle und alle untern Theile roſtgelblichweiß, viel lichter als an den Alten, aber am Kropfe, an den Seiten des Halſes und der Bruſt mit viel mehreren, faſt dreieckigen, dunkel braungrauen Fleckchen; Flügel und Schwanz wie bei den friſch vermauſerten Alten. — In die⸗ ſem Kleide ſind Maͤnnchen und Weibchen noch 0 zu un⸗ terſcheiden als nachher. Nach der erſten Mauſer aͤhneln ſie den Alten, haben aber ka Flecke an den untern Theilen, und auch oͤſters an den obern einen ſchwachen olivengruͤnen Anflug, welcher den alten Vögeln fehlt. Unter den Spielarten fuͤhrt man bloß eine weißge⸗ 750 III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brach⸗Pieper. fleckte, mit weißen dlügeln und ſo weiter (A. e va- zius) an. Die Hauptmauſer dieset Voͤgel iſt ver Auguſt, und ſie ſind noch im voller Mauſer oft ſchon auf dem Zuge begriffen. Wenn ſie, wie ich gewiß glaube, zweimal im Jahr mauſern, ſo muß die zweite Mauſer, die ſich aber nicht auf die Fluͤgel⸗ und Schwanzfedern er⸗ ſtreckt, in den Monaten Februar und Maͤrz, in ihrer Abweſenheit, ſtatt haben, doch auch bei einigen erſt im Anfange der Begattungszeit vollendet werden. R b Aufenthalt. Man findet dieſen Vogel in verſchiedenen Laͤndern unſers Erb⸗ theils, doch mehr in den ſuͤdlichern, und im Norden nur bis ins mit⸗ lere Schweden hinauf; auch in Livland. Sonſt iſt er in ver: ſchiedenen Gegenden Frankreichs gemein, einzeln in Holland, auch in der Schweitz; in Deutſchland nicht allenthalben, doch in ſehr vielen Gegenden, obwol nirgends ſehr haͤufig. In der Nähe meines Wohnorts, im Anhalt⸗Zerbſtiſchen und im Brandenburgiſchen, iſt er ziemlich gemein. Weder hohe Gebirge, noch dichte Waͤlder und Suͤmpfe, ſondern huͤgelige, oder ebene, freie, trockne und unfruchtbare an Kö wählt er zu ſei⸗ nem Aufenthalt. Er iſt ein Zug vogel und zwar einer von benen; welche nich lange unter unſerm Himmelsſtriche verweilen; denn er koͤmmt um die Mitte des Aprils bei uns an, zieht bis in den Mai und ver⸗ laͤßt uns im September ſchon wieder. Ende Auguſts beginnt ſchon fein Wegzug, und einen Monat ſpaͤter find alle verſchwunden. Er zieht theils am Tage, theils des Nachts, meiſtens in kleinen Geſellſchaften, auch einzeln, oft aber auch in ziemlichen Herden. Nicht ſelten ſieht man im September, bei ſchoͤnem Wetter, ganze Geſellſchaften hoch in der Luft von Morgen gegen Abend ſtreichen, wo ſie den Bach⸗ ſtelzen aͤhneln, ſich aber durch 5 eigenthämlichen, Geſchrei gleich kenntlich machen. In der Zugzeit trifft man ihn auf trocknen Feldern, an Wald⸗ raͤndern, auf unfruchtbaren Sandſteppen und mit Heidekraut bes wachſenen Huͤgeln; im Herbſt aber auf den Brachfeldern, bei den Kohlaͤckern, auf Graſeplaͤtzen an den Wegen, auf duͤrren Viehwei— den und an ſteinigen Anhoͤhen an. Zu ſeinem Sommeraufenthalt ſucht er ſich eben ſolche Gegenden, vorzuͤglich in bergigen Gegen— den die kieſigen Abhaͤnge, zumal an der Mittagsſeite ſchlecht beſtan⸗ III. Or dn. XVII. Gatt. 99. Brad Pieper. 751 dener Waldungen, die huͤgeligen, mit einzelnen Nadelholzbuͤſchen beſetz⸗ ten duͤrren Sandſteppen, welche zwiſchen Wald und ſandigen Aeckern lie⸗ gen, die ſandigen Gegenden an den Flußufern, die huͤgeligen, mit Heide⸗ kraut bewachſenen, lichten Stellen in den Waͤldern und die großen freien Schlaͤge in den Kieferwaldungen, wo zwar einzelne hohe Baͤume noch ſtehen koͤnnen, aber nicht viel langes Gras wachſen darf; vor⸗ zuͤglich gern aber, wenn man daſelbſt ſchon die alten Staͤmme ge⸗ rodet und ſomit ſolche Plaͤtze noch freier gemacht hat. — Dieſe Voͤgel lieben uͤberhaupt einen ſchlechten, unfruchkbaren, zum Ge⸗ traidebau untauglichen Boden und haſſen dagegen alles fruchtbare Land, ſo daß ſie ſelbſt auf ihren Reiſen, wo ſie gezwungen ſind, auch in fruchtbaren Feldern ſich niederzulaſſen, allemal hier die duͤrre⸗ ſten Stellen dazu ausſuchen. — Auf feuchten Wieſen ſieht man ſie faſt nie, ſo auch nicht in den oft fruchtbaren Thaͤlern zwiſchen duͤrren Sandbergen, eher noch an den kieſigen Betten der Flußufer, doch nur da, wo ſie von trocknen Wieſen und duͤrren Viehweiden bes grenzt werden. Ans Waſſer gehen ſie nur, um zu trinken oder ſich einmal zu baden, und in den Bruͤchern findet man ſie ſo wenig, wie im gutbeſtandenen Walde. Gewöhnlich halten ſich dieſe Pieper bloß auf trocknem Boden und auf dem Freien auf, wo ſie beſtaͤndig, wie die Lerchen, hin⸗ und herlaufen, ſich nicht zu verbergen, ſondern ihren Feinden durch ſchnelles Laufen oder durch ihren leichten und weiten Flug auszuwei— chen ſuchen, ſich daſelbſt oft auf erhabene Orte ſetzen und ſich umſe⸗ hen. Deshalb und um auszuruhen, ſetzen ſie ſich auch auf Baͤume, aber nicht oft, am ſeltenſten auf hohe, deſto oͤfter aber auf die Spitzen niedriger Buͤſche; doch mehr in der Begattungszeit als auf dem Herbſtzuge, wo ſie den waldigen Gegenden noch mehr aus⸗ weichen als ſonſt. Wo ſie gezwungen ſind, Getraidefelder zu be— ſuchen, halten ſie ſich immer auf den Wegen und Rainen zwiſchen dieſen, aber nie im langen Getraide ſelbſt auf; nur in den Kohl⸗ ſtuͤcken und in andern niedrigen Feldfruͤchten verweilen ſie manchmal etwas, doch nicht lange. Ihre Nachtruhe halten ſie auf der Erde, hinter einer Erdſcholle, einem Grasbuͤſchel, in einer alten Fahr: geleiſe, im Heidekraut, im Herbſt in einer Ackerfurche, unter einer Kohlſtaude oder zwiſchen dem Kraute der Ruͤben und dergl. Eigen ſchafte n. f Dies iſt ein unruhiger, ſcheuer und fluͤchtiger Vogel. Er laͤuft mit großer Gewandtheit und Schnelligkeit am Boden entlang 752 III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brad: Pieper; und meiſtentheils eine lange Strecke in einem fort, ſteht dann einige Augenblicke ſtill, ehe er wieder einen Strich fortlaͤuft, und aͤhnelt hierin viel mehr einer Lerche, als einer Bachſtelze, laͤuft aber noch ſchneller als jene. Zu den kleinen Ruhepunkten im Laufen waͤhlt er gern etwas erhabene Stellen, einen Erdklos, ein kleines Huͤgelchen, den Ruͤcken einer Furche u. dergl. In den Furchen laͤuft er oft mit großer Schnelle der Laͤnge nach hin und traͤgt im Laufen ſeinen ſchlanken Koͤrper wagerecht, bewegt auch, waͤhrend er einmal mit Laufen inne haͤlt, den Schwanz und Hintertheil des Leibes auf und ab, nach Art der Bachſtelzen, aber langſamer. Wenn er auf einer erhabenen Stelle, z. B. auf einem Stein, Erd⸗ ſcholle und dergl. ſitzt, wo er mit dem Vorderleibe aufrechter ſteht und den Schwanz etwas haͤngt, hat er mit jenen Voͤgeln faſt noch mehr Aehnlichkeit. Er fit ſehr gern erhaben, doch mehr die Maͤnn⸗ chen in der Brutzeit; viel ſeltner ſieht man es auf dem Zuge und von jungen Vögeln. In der Gegend, wo fie brüten, haben ſie ihre Lieb⸗ lingsſitze auf einem niedrigen Buſche, einem Steine, Pfahle, hin⸗ geworfenen Zweige, hingeſteckten Stocke oder Wiſche, einer domi⸗ nirenden Erdſcholle und dergl., woſelbſt man zu jeder Stunde des Tags das Maͤnnchen, ſeltner das Weibchen, antreffen kann, ob ſie gleich nie lange an Einer Stelle verweilen. Ihre Unruhe treibt ſie vom fruͤhen Morgen bis ſpaͤt gegen Abend immer in ihrem Revier umher, und dies hat einen ſehr bedeutenden Umfang. Sie machen ſich deswegen auch ſehr bemerklich, laufen und fliegen hin und her, oft auf große Raͤume und weit weg, ſteigen in die Luft und laſſen ihre Stimme erſchallen. — Ihr Wanderflug iſt ſchnell und leicht, in großen auf- und abſteigenden Bogen, und, wenn ſie ſich ſetzen wollen, in ſchiefer Richtung herabſchießend, wobei ſie denn gemeiniglich auch noch eine Strecke auf der Erde hinlaufen, ehe ſie beim Ruhepunkt den Hinterleib und Schwanz auf- und abbewegen; nicht ſo wie die Bachſtelzen, welche, nachdem ſie aus der Luft her⸗ abgeſchoſſen ſind und die Erde kaum mit den Fuͤßen beruͤhren, ſchon den Schwanz auf- und abſchnellen und dann erſt auf dem Boden fortlaufen. — Ihr Flug iſt ſo ſchnell, daß ſie lange, große Strecken in kurzer Zeit zuruͤcklegen; auf ganz kurzen Raͤumen iſt er faſt huͤp⸗ fend oder fortſchnellend, wie der Bachſtelzenflug. Das Maͤnnchen macht uͤbrigens an dem Brutorte im Fluge allerlei Abwechſelungen, flattert und ſchwebt auch wol oben ganz hoch in der Luft und ſtuͤrzt fi) bald mit angelegten Fluͤgeln wie ein Stein herab, bald ſchwebt es ſanft hernieder. — Nur vor Raubvoͤgeln verſtecken ſich dieſe III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brach- Pieper. 753 lebhaften hurtigen Voͤgel manchmal im Graſe, Heidekraute u. dergl., ſonſt leben fie immer auf dem Freien, viel mehr als alle Lerchenarten. Ihre Stimme iſt verſchieden, wenigſtens ſchreien fie im Herbſt anders als im Fruͤhjahr. Wenn man im Auguſt und September auf den Brachaͤckern Junge und Alte beiſammen antrifft, ſo haben alle einen ſperlingsartigen Ruf, der bald wie dillem oder dlem, bald wie dljem klingt, ſich jedoch mit Buchſtaben kaum ‚vers ſinnlichen laͤßt, welcher aber ihre eigentliche Lockſtimme zu ſein ſcheint. Im Fruͤhjahr hoͤrt man ihn ſelten, und das Maͤnnchen hat dann eine eigene Stimme, die man wol den Paarungsruf nen⸗ nen kann, die meiſtentheils bloß fliegend ausgeſtoßen wird und hell wie didlihn oder gridlihn klingt. Oft ſchwingt es ſich, ſo ſchreiend, in einem großen Bogen hoch in die Luft, einem weit ent⸗ fernten Lieblingsplatze zu. In der Gegend, wo ſich das Neſt befin⸗ det, laͤßt es aber auch noch andere Toͤne dane die die Stelle des Geſanges vertreten ſollen, aber eben ſo einfoͤrmig wie jener Ruf ſind, den man auch haͤufig fuͤr den Geſang gehalten hat. Sie klingen Ziürrrr und werden in ziemlichen Intervallen lange Zeit ohne Abwechslung wiederholt. Es ſchwebt und flattert dabei faſt wie eine Feldlerche, doch lange nicht fo anhaltend, und laßt ſich nachher bald eben ſo herab, bald ſtuͤrzt es mit angezogenen Fluͤgeln faſt ſenkrecht auf ſeinen Lieblingsort, ſitzt hier aber nur kurze Zeit ſtill, ruft fein Gridlihn und fliegt einem andern ent⸗ fernten zu, ſchwingt ſich dort auch wol noch einmal hoͤher auf und laͤßt fein Ziürrer auch daſelbſt Hören. Dieſen hoͤchſt einfoͤrmigen Geſang hört man übrigens nur in der Nähe des Neſtes und nicht lange, naͤmlich nur etwa von der Zeit an, als das Weibchen be⸗ treten wird, und bis es ausaebrütet hat, oder die Jungen das Neſt verlaſſen haben, ohngefaͤhr vom Mai bis Ende Juni; aber es ſingt dann faſt den ganzen Tag, und oft ſogar auch des Nachts. Man kann dieſe Pieper bald zaͤhmen und an ein Univerſal⸗ futter gewoͤhnen, wo ſie ſich im Zimmer frei herumlaufend, oder im Kaͤfig einige Zeit recht gut halten; allein da ſie nicht ſingen und ſich auch durch keine ſchoͤnen Farben auszeichnen, ſo haͤlt man es der Muͤhe nicht werth, ſie bloß ihrer angenehmen Geſtalt und ihrer netten eus wegen in Gefangenſchaft su et N a hr nd ö Dieſe beſteht vorzuͤglich in kleinen Kaͤferarten und kleinen Heu⸗ ſchrecken, nebſt deren Larven; a freſſen ſie kleine Motten, Fliegen 2ter Theil. 5 48 754 III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brach-Pieper. und andere aͤhnliche Inſecten, die ſie auf den duͤrren Sandlehden, zwiſchen kuͤmmerlichem Graſe und Heidekraute und auf den Brach⸗ aͤckern finden. Auch ganz kleine Schneckenhaͤuschen findet man manchmal in ihrem Magen. Sie erhaſchen die Inſecten faſt immer laufend, und man ſieht ſie ſelten einen Luftſprung darnach machen. Wahrſcheinlich verſchmaͤhen ſie auch kleine Kohlraupen nicht, weil fie ſich fo gern bei den Kohlſtuͤcken aufhalten und oft in den Furchen e hinlaufen. Geſaͤme freſſen fie im Freien niemals. Im Zimmer muß man ſie an ein Stubenfutter gewoͤhnen, wie man es oben ſchon bei den Grasmuͤcken und anderen Inſecten freſſen⸗ den Voͤgeln angegeben findet. Sie lieben es, wenn man das Futter mit gequetſchtem Mohn vermengt und oͤfters mit Ameiſeneiern wuͤrzt. — Sie baden ſich nicht wie die Lerchen im Staube, ſondern im Waſ—⸗ ſer, machen ſich dabei aber nicht ſehr naß; daher darf ihnen auch in der Gefangenſchaft friſches Waſſer nicht fehlen. Fortpflanzung. Sie niſten in Deutſchland uͤberall in duͤrren, unfruchtbaren Gegenden, in der Naͤhe der Waͤlder, beſonders der Kiefernwaldungen, ſehr gern beſonders auf großen Schlaͤgen in dieſen, oder da wo große Anſaaten von dieſem Nadelholz gemacht und dieſe noch jung ſind. Von ſolchen ziehen ſie ſich aber weg, wenn die jungen Kiefern hoͤher werden, es müßte denn daſelbſt Bloͤßen genug und viel ſolcher Stel⸗ len geben, wo die Baͤumchen nur ganz einzeln ſtehen. Finden ſich ſan⸗ dige und kieſige Hügel mit einzelnen verkruͤppelten Nadelbaͤumchen, duͤrrem Gras und kuͤmmerlichem Heidenkraut ſparſam beſetzt, zwi⸗ ſchen Nadelwald und ſandigen Aeckern, ſo ſind ſie auch hier ſehr gern; auch auf duͤrren, ſandigen, wenig bewachſenen freien Flaͤchen an den Flußufern und auf huͤgeligen Sandfeldern. In fruchtbaren Fels dern, wo uͤberall gutes Getraide gebaut wird, ſind ſie in der Brutzeit nicht; ſie niſten hier wenigſtens nicht. Daher ſehen wir ſie auch in den Umgebungen meines Wohnorts bloß in der Zugzeit, oder ſonſt nur ſolche, die in dieſem Jahr nicht niſten, (denn es giebt auch un⸗ ter dieſen Voͤgeln ſolche Herumſchwaͤrmer); ob ſie gleich nicht weit von hier, wo der Boden hin und wieder dem Getraidebau unguͤnſti⸗ ger iſt, alle Jahr niſten und ſchon in der Entfernung von einer Meile an ſolchen Orten, wie eben beſchrieben wurden, viel niſtende Paͤaͤr⸗ chen anzutreffen find. Indeſſen hat doch jedes ein bedeutend großes Revier, und ſehr nahe findet man nie mehrere Paͤaͤrchen bei einander. — Nur da, wo man das Maͤnnchen oft auf einem hingeworfenen Zacken, III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brach⸗ Pieper. 755 einem hingeſteckten Reiſe, Wiſche, Pfahle, einem kleinen Buſche, auf einem Steine oder einer Erdſcholle ſitzen und es ſich von hieraus aufſchwingen und wieder niederlaſſen ſieht, dazu anhaltend ſingen hoͤrt, darf man mit einiger Wahrſcheinlichkeit des Gelingens nach dem Neſte ſuchen. Doch iſt das Auffinden deſſelben eben keine leichte Sache; denn das Maͤnnchen hat immer mehrere ſolcher Plaͤtze, und dieſe oft in einer anſehnlichen Entfernung von einander, und das Weibchen bekoͤmmt man auch nur ſelten in der Naͤhe des Neſtes zu ſehen. Oft iſt das Neſt mehrere Hundert Schritte von ſolch einem Platze entfernt, und man muß es haͤufig dem Zufall aka daß man es findet. Wie alle auf der Erde ſtehenden Nefter kleiner Vogel, iſt auch dieſes ſchwer aufzufinden. Es ſteht meiſtens in einer kleinen Vertie⸗ fung des Bodens, in der Fußtapfe eines Viehes, in einer alten Fahr⸗ geleiſe, hinter einer Erdſcholle oder einem Grasbuͤſchel, im Heide⸗ kraut, feltner im langen Graſe am Rande einer Wiefe, und unter einer ganz jungen Kiefer. Es iſt ein ziemlicher Klumpen trockner Quecken und Graswurzeln mit etwas gruͤnem Erdmoos, manchmal auch mit duͤrrem Laub vermiſcht, dann aus etwas zartern Halmen, und inwendig aus feinen Wuͤrzelchen und Haͤlmchen. Einige Pfer⸗ dehaare machen oft die innerſte Lage aus, fehlen aber auch in man⸗ chen Neſtern; noch feltner find auch Haare von andern Thieren vor= handen. Es iſt kein dichtes Gewebe und aͤhnelt uͤberhaupt einem Lerchenneſte eben ſo, wie dem der gelben Bachſtelze, hat aber einen viel weiteren Napf als dieſes. — Es enthaͤlt gewöhnlich fünf Eier, jedoch oft auch nur vier, am ſeltenſten ſechs Stuͤck. Dieſe Eier ſind immer von einer kurzovalen Form (wenigſtens ſind etwas laͤnglichte ſehr ſelten), in der Mitte meiſt ziemlich bauchig, an dem einen Ende mehr oder weniger ſpitz zugerundet, zartſchalig und glatt, aber wenig glänzend. Sie gleichen in der Form denen des Baum⸗ und Waſſerpiepers und aͤhneln in dieſer und der Art der Zeich- nung (doch nicht in der Farbe dieſer) den Eiern der weißen Bach— ſtelze, find aber oft etwas größer. Ihre Grundfarbe ift ein truͤ— bes Weiß, was über und über, aber nie ſehr dicht, mit mattroͤthlich— braunen Punkten, Strichelchen und kleinen Fleckchen beſtreut iſt, zwiſchen welchen ſich haͤufig auch noch dergleichen von einem blaſſen Aſchgrau zeigen, die nicht ſelten, mit den roͤthlichbraunen, gegen das ſtumpfe Ende hin etwas haͤufiger ſtehen oder groͤßer ſind, doch nie einen ordentlichen Fleckenkranz bilden; am ſpitzen Ende find je: doch die Zeichnungen immer ſparſamer als am entgegengeſetzten 756 III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brach⸗Pieper. Gewoͤhnlich ſind an denen mit haͤufigerer Zeichnung die Punkte und Spritzfleckchen viel kleiner, als bei denen wo die Zeichnungsfarbe mehr Grund durchblicken laͤßt. Sie variiren uͤbrigens bedeutend in der Größe, fonft aber bloß in dem mehreren oder wenigern Vor- handenſein der Punkte u. ſ. w., bleiben aber immer ſehr kenntlich. Dieſe Eier werden, wie bei andern kleinen Voͤgeln, in dreizehn bis vierzehn Tagen ausgebruͤtet, aber nur allein vom Weibchen; das Maͤnnchen ſcheint ihm unterdeſſen mit feinem Hinz und Herfliegen, wie mit ſeinem Gridlihn und Ziuͤrrrr, die Zeit verkürzen zu zu wollen. Nahet man langſam dem Neſte, fo läuft das bruͤtende Weibchen ein weit Stuͤck weg, ehe es fortfliegt, und dies erſchwert das Aufſuchen des Neſtes gar ſehr; oͤfters laͤßt es ſich jedoch auch uͤberraſchen und fliegt erſt vom Neſte, wenn man faſt mit den Füßen daran ſtoͤßt, zumal wenn es erſt längere Zeit gebruͤtet hat. Um ſeine Eier ſcheint es nicht ſehr beſorgt; hat es aber ſchon Junge, ſo kann es doch gegen den, welcher dieſen nahet, ſeine Angſt nicht bergen. Es ruft dabei ſehr traurig Zir rp! faſt wie der Baum⸗ pieper, und läuft‘ ganz nahe auf der Erde hin, oder ſetzt ſich in ges ringer Entfernung auf einen erhoͤheten Gegenſtand. Die Jungen, welche von beiden Alten mit allerlei kleinen Inſecten, auch Raͤupchen, aufgefuͤttert werden, bleiben, wenn ſie nicht beunruhigt wurden, ſo lange im Neſte, bis ſie . ganz fluͤgge ſind. Die Brachpieper niſten nur Ein Mal im Jahr, und bloß dann noch Ein Mal, wenn ſie beim erſten Male die Eier verloren. Gewoͤhn⸗ lich findet man erſt zu Ende Maies, oͤfters wol gar erſt im Juni Eier in den Neſtern; die welche man aber noch im Juli findet, ſind von ſolchen Voͤgeln, denen das erſte Neſt zerſtoͤhrt worden war. Die Jungen halten ſich lange zu den Alten und ziehen auch mehrens theils mit ihnen weg. Im Auguſt und September trifft man ſehr haͤufig ganze Familien, auf dem Zuge begriffen, auf den Brachfeldern bei den Kohlaͤckern an. 1 Auch dieſe Voͤgel muͤſſen zuweilen die Pflegeaͤltern eines juns gen Kuckuks werden. Ich fand einmal ein Neſt in Heidekraut un⸗ ter ſehr einzeln ſtehenden kruͤppelichten Eichen, in einer huͤgeligen duͤrren Gegend, was mir das vor meinen Fuͤßen herausfliegende Weibchen verrieth, mit zwei eigenen und einem Kuckuksei, welche alle ſehr ſtark bebrütet waren. Feind e. Sie werden von mancherlei Raubvoͤgeln, unter welchen die Lerchen- und Merlinfalken, nebſt den Sperbern, die aͤrg⸗ III. Ordn. XVII. Gatt. 99. Brad Pieper. 757 ſten find, hart verfolgt, ihre Brut aber öfter von Thurmfal⸗ ken, Weihen und Raben, als von Raubthieren zerſtoͤhrt. Auch die großen Wuͤrger rauben ihnen die Jungen, und dadurch daß der Kuckuk ihnen fein Ei zuweilen einſchiebt, wird auch mans che Brut verdorben. So haben ſie eine Menge Feinde, welche nebſt dem Umſtande, daß ſie alljaͤhrlich nur Eine Brut machen, ihrer grö- ßern Vermehrung gar ſehr im Wege ſtehen. Jagd. Sie ſind ziemlich ſcheu, weniger jedoch an dem Brutorte; man muß ſich immer mit Vorſicht naͤhern, wenn man ſie ſchußrecht bekom⸗ men will. Bei den Kohlſtuͤcken laſſen fie fich oft, wenn man dieſe nach Haſen und Rebhuͤhnern abſucht, lange vorwaͤrts treiben, und zwar mehr laufend als fliegend, aber doch nur ſelten ganz nahe an⸗ kommen; auf 40 Schritt ergreifen ſie meiſtens ſchon die Flucht, wenn man gerade auf ſie zugeht, man muß ſich daher ſeitwaͤrts au 1 naͤhern ſuchen. Auf ihren Lieblingsſitzen an den Brutoͤrtern, die man bald an den häufig darneben liegenden Exkrementen erkennt, find fie ſehr leicht mit Schlingen oder Leimruthen zu fangen; auch kann man eigends dazu eingerichtete Stoͤcke mit Schlingen oder Leimruthen dort hinſtellen. Sonſt ſind ſie eben nicht leicht zu fangen, z. B. mit dem Lerchen nachtgarn, weil fie immer da Nachtruhe hal⸗ ten, wo dies nicht wohl anwendbar iſt. Auf dem Heidelerchenheerde und auf Leimſpindeln, welche man an den Waldraͤndern nach andern Voͤgeln Ae fangen fie ſich zuweilen bloß zufällig, N Nutzen. Sie haben ein ſehr wohlſchmeckendes Fleiſch, iche man⸗ cherlei Inſecten und tragen dazu bei, manche oͤde Gegend etwas beleben zu helfen. In Italien ſoll man fie haufig zum Verſpei⸗ fegen, 5 m i Schaden. So viel mir bewußt, thun ſie keinen. 758 100, Der Bau m Pieper. e arboreus: Bechst, Taf. 84. Fig. 2. Wannen; im Frühling. Pieplerche, e Spizlechg Gartenlerche, Baum⸗ Holz⸗, Weiden⸗, Buſch⸗, Waldlerche, Gereuthlerche, Grillenz, Heide-, Wieſen- oder Krautlerche; Waldbachſtelze; Leim oder Lehm⸗ vogel, Brein- Kreut⸗ oder Krautvogel, Stoppel- oder Schmalvo⸗ gel, Stoͤppling, Greinerlein, Grienvoͤgelchen; hier zu Lande: Hhſſterche f Ant haus . Bechſtein. Naturg. Deutſchl. III. S. 706, = Nils- son Orn, suec. 15 P. 251. n. 117. = Alauda trivialis. Gmel. Linn. YS. I. 2. p. 796. n. 5. = Lath. ind. II. P. 493. n. 6. Bechſtein, orn. Taſchenb. 1. S. 203. n. 8. — Buff. pl. enl. 660. f. 1. (Unter falſchen Namen) — Pipit de bouissons. Temminck Man. nouv. Edit. I. p. 271. — L' Alouette pipi. Ge- rard Tabl. éléem. I. p. 264. — Field-Lark. Lath. syn. IV. p. 375. n. 6. — Ueberf, v. e IV. S. 377. n. 6. = Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 254. h. = Meisner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 128. u. 134. Koch, Be Zool. I. S. 177. n. 99. = Friſch, Bog. Taf. 16. Fig. oben rechts Naumanns Voͤg. alte Ausg. II. S. 54. Taf. 8. Fig. 12. Auch bei dieſem Vogel ſind die Synonymen ſo verwirrt, daß ſich mit Sicherheit keine mehr anführen laſſen. Er wurde in ältern Werken faſt immer mit A. pra- Tensis verwechſelt. 7 a 12 | Kennzeichen der Art. | Oben gruͤnlichbraungrau, dunkelbraun gefleckt; an der Bruſt licht ochergelb, mit ſchwarzbraunen Flecken. Der Nagel der Hinter⸗ zeh kuͤrzer als dieſe, halbmondfoͤrmig oder in den vierten Theil eines Zirkels gebogen. Beſchrei bung. Dies iſt ein ſchlanker, angenehm gebildeter Vogel, welcher gar große Aehnlichkeit mit dem Wieſenpieper hat und deswegen 7 III. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum⸗Pie per. 759 häufig mit ihm iſt verwechſelt worden. Im Allgemeinen betrachtet, iſt er in allen Theilen ſtets etwas größer, alſo auch mit verhaͤltniß⸗ mäßig ſtaͤrkerem Schnabel und Füßen, und der Nagel der Hinterzeh iſt jederzeit kuͤrzer, gekruͤmmter und, beſonders bei jüngern Vögeln, dem Nagel einer Grasmuͤcke aͤhnlicher, als dem einer Lerche, obwol die Kruͤmmung ſaͤmmtlicher Nägel nicht fo ſtark iſt als bei er⸗ ſtern Voͤgeln. — Er iſt bedeutend kleiner als der Brach- und Waſſerpieper und hat in der Anlage und Vertheilung der Far— ben ſeines Gefieders mehr Aehnlichkeit mit den Lerchen, als dieſe, welche ſich hierin mehr den Bachſtelzen naͤhern. Seine Laͤnge betraͤgt 63 bis 64 Zoll; die Breite 11 bis 114 Zoll; die Laͤnge des am Ende ausgeſchnittenen, aus lanzettfoͤrmig ſchief zugeſpitzten Federn beſtehenden Schwanzes 22 Zoll, und die ruhenden Fluͤgel bedecken ihn noch nicht zur Hälfte oder bis auf 1 Zoll. Die erſte Schwingfeder ſcheint gaͤnzlich zu fehlen; die zwei⸗ te, welche hier die erſte vorſtellt, iſt ziemlich ſo lang wie die dritte (welches die laͤngſte) und von gleicher Laͤnge mit der vierten; die fuͤnfte iſt auch nur wenig kuͤrzer als dieſe; alsdann nehmen ſie aber ſtufenfoͤrmig ſchneller an Laͤnge ab, bis zur zehnten, die mit der elften gleiche Laͤnge hat, nun aber wieder ſo an Laͤnge zu, daß die ſiebzehnte, welche eine Lanzettform hat, wieder ſo lang wird, daß ſie mit der dritten Eine Laͤnge bekoͤmmt, worauf die letzten, ebenfalls lanzettfoͤrmigen, den Flügel vollends ausbilden. Dieſe letztern, alſo die dritte Ordnung, bilden daher hinten am Fluͤgel, vom Schulterge⸗ lenk an, eine lange Spitze, welche von der Laͤnge der großen Schwin⸗ gen erſter Ordnung iſt; eine Bildung, die man bei allen Piepern findet, und wodurch ſie den Bachſtelzen, wie den Lerchen, aͤhn⸗ lich werden. a Der pfriemenfoͤrmige Schnabel iſt faſt 55 Linien lang, etwas ſtark und lerchenartig, hinten eben nicht breit, nach vorn rundlich, mit kaum bemerkbar eingezogenen Kanten, von allen Seiten zuge⸗ ſpitzt, doch an der Spitze des Oberſchnabels ein wenig abwärts ges bogen, und dicht vor derſelben mit einer ſeichten Kerbe. Von Far⸗ be iſt er oben und an der Spitze braunſchwaͤrzlich, uͤbrigens fleiſch⸗ farbig, beſonders an der Wurzel der Unterkinnlade. Die Naſenhoͤh⸗ le iſt oval, und die ſie uͤberſpannende Haut laͤßt nach unten eine laͤnglichrunde Oeffnung, mit aufgetriebenem Rande; uͤber den Mund⸗ winkeln ſtehen ſehr feine, ſchwarze Barthaare; die Iris iſt lebhaft dunkelbraun. | Die Füße haben am Vordertheil der Laufe nur wenige feichte 760 III. Oton. XVII. Gatt. 100. Baum Pieper. Einſchnitte, die Zehenruͤcken find aber deutlicher in Schilder getheilt; Die Federn der Unterſchenkel ſo kurz, daß ſie das kahle Ferſengelenk nur wenig bedecken. Die Naͤgel ſind nur klein zu nennen, bloß der der Hinterzeh iſt von anſehnlicher Groͤße, alle aber, bis auf dieſen, bilden nur einen flachen Bogen, haben unten zwei Schneiden und aͤhneln den Naͤgeln der Lerchenfuͤße. Der Nagel der Hinterzeh iſt bei weitem der groͤßte und hat auch die ſtaͤrkſte Kruͤmmung; er bil⸗ det naͤmlich bei juͤngern Voͤgeln einen Bogen vom vierten Theil eines Zirkels, bei ſehr alten, wo er auch viel laͤnger wird, aber den fuͤnften Theil. Er iſt nicht allein kruͤmmer, ſondern auch kurzer als beim Wieſen pie per. Die Farbe der Füße und Naͤgel iſt Fleiſchfarbe, dieſe an den Gelenken der erſteren ſchmutzig, die letztern an den Spitzen braun. Die Höhe des Laufs mißt 10. Linien; die Mittelzeh mit dem Nagel kaum 95 Linien; die Hinter⸗ zeh, ohne Nagel, 5 Linien, dieſer bei alten Vögeln 4 Linien, bei jungen aber kaum 3 Linien. Im Fruͤhlinge hat das Maͤnnchen folgende Farben: Der ganze Oberkopf, der Ruͤcken und die Schultern haben auf gruͤn⸗ lich braungrauem oder ſchmutzig olivengruͤnem Grunde, ſchwaͤrzliche, ſtreifenartige Flecke, weil jede Feder in der Mitte der Laͤnge nach matt braunſchwarz iſt, und dieſe Farbe an den Seiten jeder Feder ſanft mit der erſtgenannten Grundfarbe, welche einen breiten Saum bildet, verſchmelzt, ſo daß die Flecken nicht ſcharf begrenzt ſind. Der Nacken iſt etwas lichter und undeutlicher gefleckt; der Unter: ruͤcken und Buͤrzel ebenfalls faſt einfarbig; die laͤngſten der obern Schwanzdeckfedern wieder in der Mitte dunkler, oder mit ſchwaͤrzlich⸗ braunem Schaftſtrich und olivengruͤnlichen Raͤndern. Die Wangen ſind gruͤnlichbraungrau, mit Gelb gemiſcht; die Zuͤgel ſchwaͤrzlich; die Kehle gelblichweiß; ein Streif vom Naſenloch uͤber das Auge hin, bis zum Genick, hell oder bleich roſtgelb; eben fo die Gurgel, Hals⸗ ſeiten, die Kropfgegend, Seiten der Bruſt, Schenkel und untern Schwanzdeckfedern, welche Farbe am Kropfe am dunkelſten und ſchoͤnſten iſt und deshalb auch ein etwas dunkles oder ſattes Ocher— gelb genannt werden kann, in den Weichen aber mit einem Anſtrich von der Ruͤckenfarbe verlaͤuft. Auf dieſem bleichgelben Grunde fin- det ſich nun ein zuſammenhaͤngender Fleckenſtreif von ſchwarzbrauner Farbe, welcher an der untern Ecke der Unterkinnlade anfaͤngt und an den Seiten des Halſes ſich mit einem aus ſolchen Flecken zuſammen geſetzten, faſt dreieckigen Felde vereinigt; am Kropfe ſtehen wieder etwas groͤßere, braunſchwarze Flecke, von ovaler oder dreieckiger Ge⸗ III. Ordan. XVII. Gatt. 100. Baum⸗Pieper 761 ſtalt, die ſich in unordentliche Laͤngsſtreifen reihen; die Seiten der Bruſt haben aber nur dunkelbraune ſehr ſchmale Schaftſtriche; die Mitte der Unterbruſt und der Bauch ſind weiß und ungefleckt. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern find wie der Rüden, die mittleren braun⸗ ſchwarz, mit ſcharfbegrenzten gelblichweißen Kanten, die an den Spi⸗ ‚ben am breiteften find; die großen Fluͤgeldeckfedern braunſchwarz, mit ſchmutzigem Olivengruͤn, was fi) ſehr zum Ochergelb neigt, ges ſaͤumt und mit weißen Spitzchen, daher durch dieſe, wie durch die der mittleren Deckfedern, ein weißer Querſtreif gebidet wird, ſo daß alſo auf dem Fluͤgel zwei helle Querſtriche entſtehen; die dritte Ordnung Schwungfedern iſt wie die großen Deckfedern, doch ohne weiße Spitzen, alle uͤbrigen Schwingen dunkelbraun, nach innen und ſpitzewaͤrts ſchwarzbraun, mit ſehr feinen olivengruͤnen Saͤumchen, die aͤußerſte Schwinge mit einem weißlichen Kaͤntchen. So wie die großen Schwingen, ſind auch die Schwanzfedern, die aͤußerſte hat aber einen ſehr großen weißen Keilfleck am Ende, welcher, außer ei— nem guten Drittheil der Innenfahne, auch den groͤßten Theil der Au— ßenfahne ganz einnimmt und, als feiner Saum, uͤbrigens bis an die Wurzel heraufgeht; die zweite Feder hat aber nur einen ganz kleinen — weißen Keilfleck an der Spitze, welcher aber bloß auf der breiten Fahne dicht am Schafte ſeinen Sitz hat. — Von unten iſt der Schwanz ſchwarzgrau, mit den weißen Keilflecken der obern Seite; die Schwingen unten hellgrau, mit dunkleren Spitzen; die untern Fluͤ⸗ geldeckfedern weißgrau, mit gelblicher Miſchung, die am Flügelsaude deutlicher erſcheint. Das Weibchen unterſcheidet ſich wenig; es iſt etwas kleiner, im Ganzen bleicher, oben weniger gruͤn, unten weniger gelb, die Flecke an den oberen Theilen bleicher und mehr mit der Wmf en die der untern Seite kleiner. Im Sommer bleicht das Gefieder ſehr ab, und er find beide Geſchlechter von oben ſehr blaß grüngrau , Junkelbral ge⸗ fleckt, und die ochergelbe Farbe des Unterkoͤrpers hat fich in Gelblich⸗ weiß verwandelt. Das Herbſtkleid, das ſie im Auguſt anlegen, iſt viel dunk⸗ ler als das Fruͤhlingskleid. Auf einem ziemlich dunkeln olivengruͤ⸗ nen Grunde iſt der Vogel von oben ſehr dunkel oder braunſchwarz gefleckt, an der untern Seite, beſonders an der Gurgel und in der Kropfgegend, ſehr ſchoͤn roſtgelb, mit ſchwarzen Flecken, nur die Mitte der Unterbruſt und der Bauch weißlich und ungefleckt; Fluͤgel⸗ und Schwanzfedern mit ſehr breiten, lebhaft gefaͤrbten, aus dem hellen 762 III. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum⸗Pieper Olivengruͤn in Gelb uͤbergehenden Kanten. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen iſt ein aͤhnlicher Unterſchied wie im Fruͤhlingskleide, aber nur bemerkbar, wenn man beide gegen einander halten kann. Die jungen einmal vermauſerten Voͤgel, beiderlei Geſchlechts, ig: den alten Weibchen, und der Unterfchied zwiſchen Alt und Jung iſt uͤberhaupt gar nicht auffallend. Die Jungen vor der erſten Mauſer ſind von den Alten ſehr verſchieden und ſehen in einiger Entfernung ſehr dunkel aus. Die Federn der oberen Theile ſind in ihrer Mitte ſchwarz, mit brei⸗ ten Seitenkanten und ſchmalen Endſaͤumchen von einem ſtark ins Roſtgelbe fallenden hellen Olivenbraun, daher erſcheinen ſie hell gelblicholivenbraun, mit ſchmalen ſchwarzen, am Ende abgerunde⸗ ten Flecken, welche auf dem Scheitel und Ruͤcken grell in die Augen fallen, am Nacken aber kleiner und bleicher ſind. Die Fluͤgelfedern haben breite gruͤnlichroſtgelbe Kanten, die mittlern und großen Deckfedern licht roſtgelbe Spitzenkanten, die großen Schwingfe⸗ dern und die Schwanzfedern nur hell gruͤngelbe Saͤumchen. Die untere Seite weicht weniger ab; Kehle, Gurgel und Kropfgegend ſind ſtaͤrker mit dunklerem Roſtgelb uͤberflogen; die ſchwarzen Flecke dunkler und groͤßer; der ſchwarze Streif, welcher vom untern Schna⸗ beleck zu beiden Seiten der Kehle herablaͤuft, viel ſtaͤrker, breiter und ſehr in die Augen leuchtend. Der Schnabel iſt oben und an der Spitze horngrau, uͤbrigens fleiſchfarben, mit hellgelben Mund⸗ winkeln; die Iris ſchwarzbraun; die Fuͤße und Naͤgel rein fleiſch⸗ farben, nur letztere an den Spitzen grau. — Der Nagel der Hin⸗ terzeh iſt kaum 3 Linien lang und ſo gebogen, daß er den vierten Theil eines Zirkels beſchreibt. Vom jungen unvermauſerten Wie⸗ ſenpieper unterſcheidet ſich dieſer durch die lichtere Unterſeite, den ſtaͤrkern Schnabel und Fuͤße, uͤberhaupt durch die anſehnlichere Groͤße und durch die erwaͤhnte Beſchaffenheit des Nagels der Hin⸗ terzeh. Sie ſind in der That einander ſo aͤhnlich, daß ſie nur der Geuͤbte ſogleich richtig zu unterſcheiden vermag. Zufaͤllige Spielarten haben ſich unter dieſen Voͤgeln hin und wieder gefunden. So kennt man z. B. eine ganz weiße (A. arboreus candidus), doch ſelten rein weiß, und eine bunte oder weißgefleckte (A. arbor. varius), die bei gewoͤhnlicher Haupt⸗ farbe auf verſchiedenen Theilen des Koͤrpers weiße Flecke hat; allein die übrigen Voͤgel, welche man ſonſt auch wol hierher zählte, find großentheils fpecififch verſchieden und haben nur die Naturges ſchichte unſers Vogels verwirren helfen. Einen großen Antheil an ai Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum⸗Pieper. 768 dieſem Wirrwarr hatten Buͤffon und Bechſtein. In ſeinen altern Werken, nahmentlich in der Ueberſetzung der Lathamſchen Werke und in der erſten Ausgabe ſeiner Naturgeſchichte Deutſch⸗ lands, warf der letztere den Baum⸗ und Waſſerpieper zuſam⸗ men, und zaͤhlte dazu die Sylvia locustella, die Alauda salicetorum Penn. und mehrere andere. Die Hauptmauſer dieſer Voͤgel faͤllt zu Ende des Juli und im Auguſt, bei den Jungen etwas ſpaͤter als bei den Alten; die Früh: lingsmauſer aber in die Zeit, da fie abweſend ſinde Sie kommen im Fruͤhjahr nur ſelten noch nicht fertig vermauſert zuruͤck, muͤſſen daher ſchon im Februar und Maͤrz ſich vermauſert haben, dagegen die, welche man in Gefangenſchaft haͤlt, einen Monat ſpaͤter dieſen zweiten Federwechſel beginnen, der ſich jedoch nicht uͤber die Aae er und Schwanzfedern erſtreckt. Aufenthalt. Dieſer Pieper wird in ganz Europa, den hohen Norden ausgenommen, angetroffen, doch geht er ziemlich hoch nach Schwe—⸗ den hinauf. Im gemaͤßigten Europa iſt er nirgends ſelten, ſo auch in Deutſchland, hier ſogar in manchen Gegenden gemein, z. B. in der hieſigen, am Harz, auf dem Thuͤringerwalde und anderwaͤrts, wo es waldige und bergige Gegenden giebt. In tiefliegenden oder baumarmen Länderfireden iſt er dagegen felten, fo in den Marſchlaͤndern, auch in Holland; in der Schweitz und andern Gebirgslaͤndern aber ſehr haͤufig, wo er die Wanteigen Berge bis zur Region des ewigen Schnees bewohnt. Als Zug vogel iſt er nur in den waͤrmern Jahreszeiten bei ö uns, wo er ſich ſelten vor Ende des Maͤrzes oder Anfang Aprils einfindet und im Auguſt und September wieder wegzieht, einzeln aber bis Anfang Octobers hier verweilt, aber nie ſpaͤter und nie⸗ mals im Winter da bleibt. Er zieht des Nachts, im Fruͤhjahr ein⸗ zeln, im Herbſt aber meiſt familienweis, doch nie in großen Geſellſchaften, ob man gleich zuweilen wol zehn und zwoͤlf Stuͤck beiſammen findet. Sie halten ſich auch dann wenig zuſammen, lie⸗ gen zerſtreut umher und fliegen, wenn ſie aufgejagt werden, ſelten alle zugleich fort. Hierin unterſcheidet er ſich ſehr vom Wieſenpieper. Er iſt ein wahrer Waldvogel und liebt vorzuͤglich ſolche Waͤlder, die nicht zu gut beſtanden ſind, oder die, welche viel Unterholz und mitunter Bloͤßen haben; nicht die einfoͤrmigen eigentlichen Hoch⸗ waldungen. Sonſt mag der Wald aus Laub⸗ oder Nadelholz be⸗ 764 III. Ord n. XVII. Gatt. 100. Baums Pieper. ſtehen, auf hohen Bergen oder in flachen Ebenen wachſen, wenn er nur nicht zu finſter iſt und zu kahlen, bemoosten Boden hat. Auf den Bergen ſteigt er bis dahin, wo der Holzwuchs aufhört, abwech— ſelnd bis zur Region des ewigen Schnees, iſt aber doch eigentlich in den waldreichen, mit Wieſen abwechſelnden, oder an Gaͤrten und bebautes Feld ſtoßenden Vorbergen lieber, als tief im Gebirge. In den Ebenen ſucht er ſich gern ſolche Wälder, wo einzelne Eichen, Bir— ken und dergl., auch Unterholz von verſchiedenen Laubholzarten zu wachſen geſtatten, wo dieſes nicht fo dicht ſtehet, daß zwiſchen ſelbi— gem noch viel Gras und andere Pflanzen gedeihen koͤnnen, daher beſonders die jungen Schläge ſolcher Waͤlder; oder in den Kiefern waldungen die großen Bloͤßen, jungen Anſaaten und ſolche ſchlecht mit Holz beſtandene Strecken, wo viel Heidekraut (Erica), Ginſter (Spartium) und Geniſt (Genista) waͤchſt, wo Heidel- und Preußel⸗ beeren und andere niedrige Pflanzen unter den Baͤumen und zwi⸗ ſchen dem Geſtraͤuch wachſen. In ſolchen Waͤldern iſt er im noͤrd⸗ lichen Deutſchland uͤberall haͤufig. Haben die Waͤlder aber etwas feuchten Boden, fo findet man ihn da ſchon einzelner, obgleich, we⸗ nigſtens in den mir bekannten Gegenden Deutſchlands, nicht leicht ein Waͤldchen von einiger Bedeutung ſein moͤchte, wo ſich nicht wenig⸗ ſtens einzelne dieſer Voͤgel im Sommer fehen ließen. Auch in gro= ßen Baumgaͤrten, welche mit etwas wildem Holze umſchloſſen find und von Wieſen begrenzt werden, auch auf dieſen, wenn einzelne Baumgruppen nicht fehlen, und in der Zugzeit auch auf den Fel⸗ dern in der Naͤhe der Gebuͤſche und auf Wieſen, trifft man den Baum⸗ pieper an. Mit dem Brachpieper wohnt er oͤfters in nachbarli⸗ cher Naͤhe, mit dem Wieſenpieper aber ſehr ſelten; eher noch mit dem Waſſerpieper zuweilen. Keiner von dieſen liebt den Wald ſo wie unſer n indem er ihn in keiner 1 ganz verlaͤßt. So findet man ihn, wo nicht immer im Walde, doch in der Naͤhe deſſelben; und wenn er auf dem Freien aufgejagt wird, ſo fluͤchtet er ſich jederzeit dahin oder auf Baͤume. Ob er gleich oft ſeiner Nahrung wegen weit vom Gebuͤſche aufs Feld gehet, ſo laͤßt er ſich doch nie da nieder, wo es zu kahl iſt, ſondern allemal in den Kohlſtuͤcken, Ruͤben⸗ und Kartoffelädern und mit andern grünen Gewaͤchſen bebaueten Ackerſtuͤcken, um vor feinen Feinden ſich beſ⸗ fer verbergen zu koͤnnen, und weicht hierin ſehr vom Brachpie— per ab. Stoppelfelder beſucht er nie anders, als ganz nahe am Gebuͤſch; aber überaus gern hält er ſich im langen Graſe der Wie⸗ III. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum⸗Pieper. 765 fen, auch wol auf lang begraften Wegen zwiſchen Getraide in der Nähe des Waldes auf. — Er ſitzt ungemein gern auf Baͤumen, auch auf den hoͤchſten, haͤlt ſich aber doch mehr am Boden im Graſe und dergl. auf, weil er hier die meiſte Nahrung findet, wird aber dennoch viel mehr, länger und öfter auf Bäumen angetroffen, als jez de andere Art dieſer Gattung, ſelbſt mitten in den Baumkronen, und nimmt bei jeder Gefahr faſt immer ſeine Zuflucht zu dieſen. — Seine Nachtruhe hält er auf der Erde, im langen Graſe und Heide- kraute, oder in einer kleinen Vertiefung auf begraßem de auf den Bloͤßen in den Waͤldern und auf Wiefen. Eigenſchaften. Dieſer Vogel iſt bei weitem weniger unruhig, lange nicht ſo hurtig im Laufe und Fluge, ja man moͤchte ſagen, traͤger oder ge— laſſener, als feine Gattungsverwandten; er ſticht daher hierin ge— waltig von dem Brachpieper ab. Er geht ſchrittweis, aber nicht ſo ſchnell als jene, traͤgt dabei die Bruſt erhabener, wippt zwar auch und eben ſo langſam mit dem Schwanze und Hinterleibe, aber ſtets mehr abwärts und felten fo ſtark. Sein Gang ſieht bedaͤchti⸗ ger aus; aber er kann auch ziemlich ſchnell laufen, wenn er einer Gefahr ausweichen will, z. B. in einer Ackerfurche entlang, wo er auch beim Anhalten immer mit dem Hinterleibe wippt; er kriecht viel lieber zwiſchen dem langen Graſe und andern Pflanzen herum, treibt hier ſein Weſen im Verborgenen und laͤßt ſich dabei nicht ſel⸗ ten ſo uͤberraſchen, daß er dem Menſchen vor den Fuͤßen heraus⸗ fliegt, worauf er dann immer, wenn es irgend ſein kann, den Baͤu⸗ men zueilt, ſelbſt wenn dieſe auch ziemlich entfernt waͤren. Nur auf dem Herbſtzuge iſt er etwas gleichguͤltiger gegen die Baͤume, verſchmaͤhet ſie aber, wenn er es gerade haben kann, keineswegs als Zufluchtsort. Er verdient daher mehr als ein Vogel dieſer Gattung den Nahmen: Baumpieper. — Nicht allein auf dem Erd⸗ boden, ſondern auch auf ſtarken Aeſten oder dicht belaubten Zweigen laͤuft er gern ſchrittweis der Laͤnge nach hin, ſpringt aber nicht quer auf den Zweigen herum, ſondern flattert dann, wenn dies geſchehen ſoll, von einem auf den andern; doch ſieht man dies ſelten. Baum⸗ zweige dienen ihm uͤberhaupt tmeiftencheils bloß zum Ausruhen, oder um einer Gefahr auszuweichen und ſich im Gruͤn der Zweige den Augen ſeiner Verfolger zu entziehen, was da, wo er keine Baͤume hat, im Graſe und dergleichen geſchiehet; in niedriges Geſtraͤuch flüchtet er ſich ſelten. — Er hat viel Eigenthuͤmliches in feinem Bes 766 II. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum: Pieper. tragen, wodurch er den Bachſtelzen unaͤhnlicher wird, als irgend ein anderer Pieper. — Sein gewoͤhnlicher Flug iſt von dem des Brachpiepers ſehr verſchieden, ähnelt aber dem des Wie ſen— piepers; iſt zwar ſchnell genug, ſieht aber aus, als wenn ihm das Fliegen viel Anſtrengung koſtete, denn er iſt zuckend, umficher, wie wenn der Vogel in großen ſchnellen Spruͤngen durch die Luft huͤpfen 27 55 faſt wie bei den Ammern. Jagt man ihn von der Erde auf, ſo fliegt er ſchnell in ſchiefer Richtung aufwaͤrts, nie gerade und niedrig uͤber die Erde hin, wozu er faſt immer ſeine Simme einigemal hoͤren laͤßt und dem Walde oder einem Baume zueilt. Der Wanderflug iſt jedoch ganz anders, in einer großen Schlangenlinie beſtehend, doch etwas wankend und unſicher, aber hoch, faſt wie beim Brachpieper. Seine Lockſtimme iſt ein hoher, heller, etwas unreiner oder ſchnarrender Ton und klingt wie Pſihb oder Srihb, faſt ganz wie der gezogene Lockton des Kirſchkernbeißers. Man hoͤrt ihn, wie man vorgegeben hat, nicht allein im Herbſte, ſondern auch im Fruͤhjahre ſehr häufig, nur in der Brutzeit ſelten. Sie locken einander damit, und der aufgeſcheuchte Vogel laͤßt ihn mehrentheils einigemal hintereinander hören. Von dem Lockton des Wieſen⸗ piepers iſt er ſehr verſchieden, tiefer, rauher, ſtaͤrker und viel langer gedehnt. — Im Fruͤhjahr hoͤrt man indeſſen, in der Brutzeit, noch eine andere Stimme, welche jener ziemlich unaͤhnlich, zaͤrtlicher und angemehmer iſt und kurz wie: Sib — ſib — ſib klingt. Man hoͤrt ſie in der Begattungszeit, beim Neſte, und wenn ſie Jun⸗ ge haben; auch dieſe haben einen ganz aͤhnlichen Ruf, aber das Sib wird fparfamer ausgerufen und iſt weniger laut und ange⸗ nehm. — Das Männchen gehört unter die angenehmſten Sänger des Waldes; ſein vortrefflicher Geſang uͤbertrifft alle Geſaͤnge der uͤbrigen Pieper, an Fuͤlle und Klarheit des Tons, wie an Abwechs⸗ lung und Mannichfaltigkeit in der eben nicht kurzen Melodie. Er beſteht aus vielen, ſchoͤnen, trillerartigen, laut pfeifenden, ſehr ver⸗ ſchiedenen, ſchnell auf einander folgenden Strophen, die ſich zu ei⸗ nem lieblichen Ganzen geſtalten und gewoͤhnlich mit einem ſanft er⸗ ſterbenden Zia zia zia ſchließen. Er ähnelt dem Schlage eines Canarienvogels außerordentlich, weniger dem des Zaun— ſchluͤpfers und iſt weit vernehmbar. Sobald ſie im Fruͤhjahr bei uns ankommen, laͤßt ihn auch bei ſchoͤnem Wetter das Maͤnnchen ſchon hoͤren, ſingt ihn aber am ſchoͤnſten und vollſtaͤndigſten, wenn das Weibchen Eier legt, und ſo lange es bruͤtet, wird nun aber nach III. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum⸗Pieper. 767 und nach traͤger und hoͤrt endlich, nachdem die Jungen ausgeflogen, ganz auf zu ſingen, welches ohngefaͤhr gegen die Mitte Juni iſt. Die, welche ſpaͤter noch ſingen, ſind mit ſolchen Weibchen gepaart, denen das erſte Neſt verſtoͤhrt wurde, die alſo ein zweites gebauet und noch einmal Eier gelegt haben. Sonſt ſingt es gegen Aufgang der Sonne ſchon und faſt den ganzen Tag über, bis gegen die Abend daͤmmerung ſehr fleißig. Dabei ſitzt es nie auf der Erde, ſondern allemal auf einem etwas ſtarken Baumzweige, ja mehrentheils auf dem Gipfel eines mittelmaͤßigen oder hohen Baumes, beſonders ho— her Birken, wo es ihn an derſelben Stelle oft wiederholt, dann einmal nach einem andern hinflattert und ihn da wieder vielmals wiederholt. So hat es eben kein großes Revier, in welchem es mit den Plaͤtzen wechſelt; aber es ſingt nicht allein ſitzend, ſondern auch im Fortfliegen, oder es ſteigt ſingend, vom Gipfel in ſchiefer Richtung flatternd, in die Luft und laͤßt ſich bald nachher, immer ſingend, in einem ſanften Fluge oder ſchwebend wieder auf dieſelbe Stelle herab oder auf den naͤchſten Baumgipfel nieder, woſelbſt es den Geſang meiſtens erſt endet. — Der im Fliegen ſingende Vo⸗ gel ähnelt einigermaßen einer Lerche, wenigſtens iſt er dieſen Bd: geln hierin aͤhnlicher als manchen Grasmuͤcken, die auch fliegend ſingen, aber niemals in einem ſo ſchwebenden Fluge, bei welchem . und Schwanz ſich ſehr ausbreiten. Er laͤßt ſich zaͤhmen und mehrere Jahre am Leben erhalten, wenn man ihn wie andere zaͤrtliche kleine Voͤgel behandelt und pflegt. Er wird dann oft ſehr zutraulich, vergnuͤgt durch ſein an⸗ genehmes Betragen, wie mit ſeinem ſchoͤnen Geſange, und lohnt dem Beſitzer ſeine Muͤhe, die er auf die Zaͤhmung und den Unter⸗ halt deſſelben verwendete, ſehr reichlich. In einem geraͤumigen Bauer, unten mit breternem Boden (der immer mit friſchem Sande beſtreuet ſein muß) und auch mit Sprunghoͤlzern verſehen, haͤlt er ſich ſehr gut; ſelbſt in Wohnſtuben, worin nicht zuviel Verkehr iſt, haͤlt er ſich ganz leidlich an zwei Jahr, hat aber hier immer viel mit Haaren und andern Unreinigkeiten, die ſich an ſeine zarten Fuͤße haͤngen, hier auf die Lange einſchneiden und bösartige Geſchwüre hervorbringen, viel zu ſchaffen und zupft deshalb immer an ihnen herum. Fuͤr Reinlichkeit des Bodens 1 ne muß man daher immer ſorgen. Nahrung. | Diefe beſteht bloß in Inſecten; im Freien freffen fie fo wenig wie andere Pieper jemals Saͤmereien. Sie ſuchen ſich im Graſe 768 III. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baumes Pieper und unter niedrigen Pflanzen an der Erde kleine Heuſchrecken und allerlei Kaͤferchen, kleine Raͤupchen und Inſectenpuppen, Spinnen, Fliegen, Muͤcken, Schnaken, und aͤhnliche kleine Geſchoͤpfe zur Speiſe auf, ſpringen auch zuweilen nach einem Inſect, was ihnen entfliehen will, verfolgen es aber nie fliegend; ſie ſuchen ſie vielmehr, wie die Bachſtelzen, zu beſchleichen, und ſpringen dann raſch zu. Auf kahlem Boden ſieht man ſie ſehr ſelten darnach herum laufen; ſie ſuchen ſie viel lieber im Verborgenen, unter dem Schutze gruͤner Gewachſe, im langen Graſe der Wieſen, in den Kohlſtuͤcken, unter Ruͤben, Kartoffeln, Klee und unter Gemuͤſepflanzen auf den Gar⸗ tenbeeten und ſolchen Aeckern, die nahe am Gebuͤſch liegen. Ins lange Getraide gehen ſie aber deshalb nie; ſie moͤgen daſelbſt nichts finden, was ſie dazu veranlaßte. Auch unter duͤſterem Geſtraͤuch ſieht man ſie nicht nach Nahrung ſuchen, wol aber auf dem mit Hei— dekraut, Heidelbeeren, Genift, Ginſter und Gras bewachſenen Bloͤ— ßen in den Waͤldern und zwiſchen einzelnem Gebuͤſch, auf Waldwie⸗ ſen und auf begraſten Wegen, auch auf breiten Graſerainen zwi⸗ ſchen nahen Ackerſtuͤcken. Sie ſind deshalb viel haͤufiger auf der Erde als auf Baͤumen und ſuchen ihre Nahrung dort; doch habe ich auch einigemal geſehen, wie fie auf ſehr blätterreichen horizon⸗ talen Zweigen hoher Baͤume hinliefen und ſich mit Inſectenfangen beſchaͤftigten; es geſchieht aber ſelten. — Wenn ſie nach Nahrung ſuchen, find fie immer allein und einzeln; auch die kleinen Geſell⸗ ſchaften, die man im Herbſt oft beiſammen ſieht, liegen doch immer zerſtreut umher und kein Vogel nahe bei dem andern, fliegen auch, wenn ſie verſtoͤhrt werden, einzeln, und nur ſelten mehrere zugleich, fort; bloß gegen Abend halten ſie, wenn ſie bald abreiſen wollen, ſich naͤher zuſammen und an einander. ö In der Gefangenſchaft gewoͤhnt man ſie mit Fliegen, Mehl⸗ wuͤrmern und Ameiſenpuppen an das Stubenfutter, was ſchon fruͤ— her bei den Sängern angegeben wurde, auch an Semmel oder Ger- ſtenſchrot, in Milch geweicht; doch iſt ihnen jenes zutraͤglicher als Dies ſes. Man miſcht auch unter das Gerſtenſchrot ungeſalznen fri⸗ ſchen Quark, zerquetſchten Hanf und Mohn; es giebt ſogar Voͤ⸗ gel, die nach und nach Mohn allein freſſen lernen und ſich lange Zeit wohl dabei befinden. Beim Grasmuͤckenfutter und einer ſonſt richtigen Behandlung dauern einzelne wol ſechs Jahr. Die Fuͤtterung iſt ganz wie beim Gartenlaubvogel, doch ſind ſie weniger zärtlich und bedürfen, wenn fie ſich erſt ganz an das ſoge⸗ III. Ordn. XVII. Gatt. 100.1Baum:Pieper. 769 nannte Univerſalſuͤtter gewoͤhnt haben, auch weniger Ameiſeneier. Zum Bade und Trunke wollen ſie immer friſches Waſſer; denn fie baden ſich im Waſſer, doch nur fo, daß fie nicht fehr naß wer= den, weil ſie den Schnabel nur eintauchen und das Waſſer über ſich wegſpritzen. — Man kann ſie auch jung aus dem Neſte nehmen und auffuͤttern, wo fie, wenn man fie bei Canarienvoͤgel hängt, den Geſang dieſer nachahmen, wodurch nachher har ihrige dem ae noch aͤhnlicher werden ſoll. ae tn fla mung, 5 Sie pflanzen fi) in unſern Laub- und Nadelwaͤldern, in ge birgigen, wie in ebenen Gegenden, uͤberall fort, wo der Boden nur nicht zu ſumpfig iſt, und find in der Fortpflanzungszeit in vielen Deutſchen Waldungen ſehr gemein. Dies ſind beſonders ſolche, die etwas duͤrren, huͤgeligen Boden haben und aus Kiefern, mit un— termiſchten Birken, auch einzelnen Eichen beſtehen, wo die Baͤume einzeln ſtehen, oder Unterholz nur in einzelnen Buͤſchen unter jenen waͤchſt; wo aber der Boden mit Gras, Heidekraut, Ginſter, Geniſt, und dergl. bedeckt iſt, zumal die Bloͤßen in den Waͤldern, die aus— gerodeten Plaͤtze und jungen Anſaaten, die Waldraͤnder, wo Wie— ſen an ihnen hinlaufen, kurz alle lichteren Stellen in und an den Waldungen und in waldigen Gebirgen, in dieſen ſogar ſo hoch hin— auf, bis der Holzwuchs aufhört. In feuchten Waͤldern ebner Ges genden ſind ſie, wenn ſie nicht Wieſenplaͤtze und junge Schlaͤge darin finden, nicht ſo haͤufig als in den trockneren, ſchlechter mit Holz be⸗ ſtandenen. Jedes Paͤaͤrchen hat da fein eignes kleines Revier, wos rin es kein anderes leidet, weswegen es zu Anfange der Begattungs- zeit heftige Kaͤmpfe unter den Maͤnnchen giebt, wobei ſie ſich nicht ſelten einige Augenblicke auf der Erde herumtummeln, ehe das eine weicht; denn es ſind zaͤnkiſche Voͤgel. Das Neſt ſteht meiſtens auf gleicher Erde, zuweilen aber auch in einer kleinen Vertiefung, hinter einem Buͤſchchen, einem Erdklos und in einem alten Fahrgeleiſe, auf freien Wieſenplaͤtzen und lichten Stellen in oder am Walde. Das Maͤnnchen zeigt die Gegend, wo man es zu ſuchen hat, durch ſeinen Geſang an und treibt ſich in ei⸗ nem viel kleinern Umkreis um daſſelbe herum, als der Brachpie⸗ per, die Paͤaͤrchen wohnen aber auch viel naͤher beiſammen; und un⸗ fer Vogel iſt überhaupt auch ungleich haͤufiger als dieſer. — Dem: ohngeachtet iſt das Neſt doch ungemein ſchwer zu finden; es ſtehet immer tief im Graſe oder im Heidekraut, Geniſt und dergl. verſteckt, ster Theil. 49 770 III. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum⸗ Pieper. daß man zuweilen eher darauf tritt, als es ſiehet, und nie nahe bei großen Baͤumen, ſondern immer auf von oben freien Plaͤtzen, im Graſe der Wieſen, oft weit von Baͤumen. Es iſt, wie alle Pie⸗ perneſter, kein ſehr kuͤnſtlicher Bau; duͤrre Grashalme und Gras: wurzeln, mit grünem Erdmoos haufig oder ſpaͤrlich vermengt, oft auch bloß die erſteren, ſind nur locker mit einander verflochten, und das Innere, einen nicht ſehr tiefen Napf bildend, iſt mit Wolle, Reh⸗ und andern Thierhaaren ausgelegt, worunter aber Pferdehaa⸗ re faſt nie fehlen. Es iſt dem Neſte der gelben Bachſtelze ſehr aͤhnlich und enthaͤlt gewoͤhnlich vier bis fuͤnf Eier, welche das Weibchen in dreizehn Tagen allein ausbruͤtet und dabei ſo feſt ſitzt, daß es dem Suchenden oft unter den Fuͤßen herausfliegt, wodurch es daſſelbe das meiſtemal verrät). Die Eier ſind der Form nach ziemlich alle kurz oval; laͤnglich⸗ te ſind ſelten, und ſchon die von einer regelmaͤßigen Eiform nicht haͤufig. Darin gleichen ſie den Eiern der Bachſtelzen und der an- dern Pieper, des Wieſenpiepers ausgenommen. Sie haben eine zarte, glatte, wenig glaͤnzende Schale. Ob ſie gleich in der Form merklich variiren, fo iſt die kurzovale doch ſtets die herrſchende; von der Farbe kann man aber dies nicht ſagen. Sie iſt ſo verſchieden, daß man unter den kleinen Voͤgeln kaum einen hat, bei dem dieſe Abwechſelungen in dem Grade vorfielen. Nicht einmal die Art der Zeichnung iſt ſich immer ganz gleich. Man kann ſie in zwei Abthei⸗ lungen bringen, in die mit weißlichem und in die mit roͤthlichem Grunde. Bei erſteren nun iſt derſelbe bald duͤſter grauweiß, bald ſchmutzigweiß, bald blaͤulichweiß; dann iſt er mit einem duͤſtern Braungrau ſo fein punktirt und bekritzelt, wozu auch oͤfters kleine Flecke und Punkte von aſchgrauer Farbe kommen, daß bei manchen Eiern die eigentliche Grundfarbe vor der Menge der Zeichnungen kaum zu erkennen iſt, waͤhrend ſie bei andern ſehr hervorleuchtet. Sehr ſelten find indeſſen ſolche, wo ſo viel vom Grunde zu ſehen iſt, daß fie nicht mehr Zeichnung haben, als die Mehrzahl von des nen der weißen Bachſtelzez; ſolche ähneln dann faſt denen der grauen Bachſtelze, ſind aber viel weißer noch. — So wie nun die Grundfarbe allmaͤhlig aus dem Blaͤulichweißen ins Roͤthlich⸗ weiße übergeht, fo verwandelt ſich die Zeichenfarbe auch vom roͤth⸗ lichen Braungrau bis zum blaſſen Rothbraun, und ſie ſind oft mit dieſer ſo bepunktet, beſtrichelt und bekritzelt, daß ſie im Ganzen die Farbe mancher roͤthlichen Kieſelſteine haben, und von den erſtern, beſonders ſolchen, wo der Grund nur von wenigen Zeichnungen ver⸗ III. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum-Pienern 771 dunkelt wird, ſo ſehr verſchieden, daß ſie derjenige, wer es nicht genau wüßte, gewiß nicht beide für Eier Einer Vogelart halten würde. — Sie gehen endlich aus der blaß rothbraun punktirten Zeichnung in eine groͤbere uͤber, die wolkicht zuſammenfließt und den Grund noch mehr verdunkelt, worauf ſich dann wieder kleine Flecke, kurze Aederchen und Punkte von einem ganz dunkeln Rothbraun bis zum Schwarz⸗ braun auszeichnen, deren ganze Zeichnung dann. völlig marmor— artig wird, und die dann den Eiern der Heidelerche ſo ahnlich ſehenz daß ſie kaum zu unterſcheiden ſind. Ich fand ſelbſt ein Neſt mit fo rothbraun marmorirten Eiern, wie ich fie kaum jemals geſe⸗ hen hatte, auf einer meiner Wieſen, in einer Gegend, wo nie eine Heidelerche niſtet, was mich aber doch ſtutzig machte, bis ſich die alten Baumpieper dabei zeigten, die ich dann weiter beobachtete, ſo daß ich nun meiner Sache gewiß wurde. Ein andermal ging es mir mit einem ſo, was ganz weißliche, wenig bezeichnete Eier ent— hielt. — Selten weichen indes die Eier von einem Vogel in einem Neſte ſo ſehr auffallend ab, ſo, daß man vielmehr in einem grau⸗ liche, in dem andern roͤthliche u. ſ. w. findet; aber das muß gerade den, welcher nicht ganz Vogelkenner iſt, am mehreſten irre fuͤhren. Die allermeiſten Eierſammlungen beweiſen dies. — Noch iſt zu bemerken, daß die auf grauweißem Grunde fein braungrau beſpren⸗ kelten, und die auf roͤthlichweißem Grunde blaß rothbraun bepunkte⸗ ten und bekritzelten die gemeinſten, die rothbraun marmorirten ſelt⸗ ner, und die weißlichen die ſeltenſten ſind. Die erſteren ſehen denen des Waſſerpiepers ſehr aͤhnlich, ſind aber viel kleiner. Sie füttern die Jungen mit kleinen Inſecten, Raͤupchen, klei⸗ nen Heuſchreckenlarven und andern weichen Inſecten, und ſind ſehr beſorgt um fie. Sobald man ſich dem Neſte nähert, laſſen beide Alte ihr Sib — ſib hoͤren und ſitzen dabei auf den naͤchſten Baͤumen, meiſtens mit Futter fuͤr ihre Jungen im Schnabel, und verdoppeln ihr aͤngſtliches S ib, je näher man den Jungen koͤmmt. Haben ſie bloß Eier, ſo thun ſie weniger aͤngſtlich, ja oft genug laſſen ſie ſich nicht einmal beim Neſte hoͤren, wenn man es gleich vor ihren Augen auffindet. Die Jungen verlaſſen das Neſt, ſobald ihre Flugwerkzeuge ihnen nur geſtatten im Graſe hin zu flattern und ſich auf niedres Geſtraͤuch oder kleine Baͤume zu erheben, und wenn ſie noch ganz kurze Schwanzfedern haben. Dann hoͤrt man das aͤngſtliche Sib der Alten bei jeder oft nur ſcheinbaren Gefahr, welche ſich den Jungen naͤhert, uͤberall in den Waͤldern, wo viel die⸗ fer Vögel ſich fortpflanzen, und dies iſt gewöhnlich im Anfang des 772 III. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum -Pieper. Juni. In der erſten Haͤlfte des Maies findet man gewoͤhnlich Eier, gegen Ende dieſes Monats Junge in den Neſtern, und, in fruͤh⸗ zeitig warmen Fruͤhlingen, in den letzten Tagen des Maies wol ein⸗ zelne Neſter ſchon ausgeflogen. Sie niſten, wenn ſie nicht verſtoͤhrt wurden, nur Ein Mal im Jahr; wenn ſie aber um das erſte Neſt mit den Eiern kamen, wol noch ein Mal, wo man dann die Eier zu⸗ weilen noch im Juni, und gegen Anfang des Juli die eben ausge⸗ geflogenen Jungen findet. Dies iſt aber ſelten und beweiſt, daß ſie in der Regel nur Eine Brut alljaͤhrlich machen, was auch Dr die Männchen dadurch verrathen, daß nur felten eins bis gegen Jo⸗ hannis noch ſingt. — Dem Kuckuk dienen ſie e als Pfle⸗ geaͤltern für m > Flein de. Sie werden vom Sperber und Lerchenfalken oft ge fangen, ſo auch die Jungen von Raben, Elſtern Hehern und Wuͤrgern; von Raubthieren find ihnen beſonders für ihre Brut ſehr nachtheilig: Fuͤchſe, Marder, Wieſel, Iltiſſe, Katzen, Igel und Spitzmaͤuſe, auch Schlangen. Alle dieſe ſtehen ihrer groͤßern Vermehrung ſehr im Wege, denn fie ver= wuͤſten unzaͤhlige Bruten, wozu auch der Kuckuk beitraͤgt, indem er durch das Einſchieben ſeines Eies manches Gehecke verdirbt. — In ihren Eingeweiden hauſet ein Bandwurm, Taenia platycepha- la und eine Ascaris nov. spec. Jagd. Da ſie nicht ſcheu ſind, ſo ſind ſie auch leicht zu ſchießen, be⸗ ſonders im Walde, wo man ſich uͤberall leicht anſchleichen kann; für den Blaſerohrſchuͤtzen find fie jedoch zu ſcheu. — Zum Fange benutzt man die Eifer: und Zankſucht der Männchen auf folgende Art: Man nimmt einen zahmen, maͤnnlichen Baumpieper, bindet ihm die Fluͤgel, und uͤber den Schwanz eine kleine Spule von einer Gänfes oder Huͤhnerfeder; hier hinein ſteckt man nun ein wie eine Gabel geſtaltetes, mit Vogelleim beſtrichenes Ruͤthchen und laͤßt im Anfange der Begattungszeit einen ſo bekleideten Vogel unter den Baum hinlaufen, auf welchem eben ein Maͤnnchen ſingt; dies wird nun beim Erblicken des vermeinten Nebenbuhlers ſogleich auf ihn herabfahren, aber an den Leimgaͤbelchen kleben bleiben und ſo ſeine Freiheit verlieren. Das Leimruͤthchen zieht ſich, ſobald es an klebt, aus der Spule, wie aus einer Scheide, und dadurch verhin— III. Ordn. XVII. Gatt. 100. Baum⸗Pieper. 773 dert man, daß nicht beide Voͤgel, der Lockvogel und der fremde, zu⸗ ſammen kleben und auch der erſtere mit Leim beſchmiert wird; es iſt daher viel zweckmaͤßiger, als wenn man, wie gewöhnlich, das Leim— ruͤthchen auf den Lockvogel feſt bindet. — Im Herbſt fangen ſie ſich leicht in ſeidenen Stecknetzen, die man in den Kohlgaͤrten zwis ſchen die Furchen und das Gemuͤſe, wo man fie öfters ſahe, aufſtellt, worin man beilaͤufig auch manchen andern hier ſich aufhaltenden Vo⸗ gel fängt. — Auf den Vogelheerd kommen fie nur zufällig. e e n te 3 2 Sie e viel ſchaͤdliche Waldinſ ecten und Si gegen den Herbſt auch kleine Kohlraupen. Ihr Fleiſch iſt ſehr wohlſchmeckend. Der herrliche Geſang dieſer Voͤgel belebt die Waͤlder, auch die ſonſt wenig angenehmen, zum Theil auch die ſtillen Gebirge, und erfreut den, der ſie im Zimmer unterhaͤlt. Sſch a den. ee Sterben iſt nichts bekannt. Anmerkung. Vielleicht iſt es dem Liebhaber des Vogelfanges angenehm, eis ne nähere Beſchreibung der oben erwähnten ſeidenen Stecknetze (Steckgarne, Steckleitern) hier zu finden, da fie zum Fange vielerlei kleiner Vogel, welche auf der Erde herumlaufen, und beſonders ſolcher, die gewohnt ſind, im Graſe, Getraide und in dichten Hecken herumzukriechen, ſehr vorzügliche Dienſte leiſten. Ein ſolches Netz, was aufgeſtellt eine kleine ſenkrechte Wand von beliebiger Lange bildet, welche durch in gleicher Entfernung von einander angebrachte Staͤbchen aufrecht gehalten wird, hat zwei Haupttheile, den Spiegel und den Buſen. Der Spiegel iſt von gruͤn ge⸗ faͤrbtem Haſenzwirn, die Maſchen ſo weit, das eine Wachtel ohne Zwang hindurch kann, und ſechs Maſchen hoch, was nachher, wenn er doppelt genommen wird, nur drei Maſchen hoch beträgt. Der Bufen iſt von gewöhnlicher, gezwirnter, grüner Naͤhſeide, mit fo engen Maſchen, daß ein kleiner Vogel bloß mit dem Kopfe hindurch kriechen kann. Der Spiegel wird nun doppelt an verſchiedene, unten ſpitz geſchnit⸗ tene, gleichweit (etwa 3 bis 4 Fuß) entfernte Staͤbe feſt angebunden; der Buſen koͤmmt zwiſchen dieſe doppelten Leitern, wird aber lange nicht fo ſtark angezogen wie der Spiegel. Der Vogel, welcher ſich fangen ſoll, geht nun ohne Anſtoß durch eine Ma che des erſten Spiegels, kommt an den Bufen, nimmt dieſen mit ſich durch eine Maſche des andern Spiegels und ‚wet fo wie in einem Beutel, verwirrt 1 im Netze und 4 gefangen. * 774 ee e, e . W een ve Ankhus pratensis. 12 75 en Taf. 84. Fig. 3. Männchen ie i — 95. Fig. 1. Sehr altes e im Früpfngstt Wieſenlerche, Pieplerche, Sumpf: oder Waſſerlerche, Stein-, Schaf- und Krautlerche, (Gartenlerche), Grillen, Zwitſch⸗, und Ziplerche, kleine Spitz- oder Spießlerche, kleine und kleinſte Lerche; Pieper, Huͤſter, Hiſter, Iſſerling, Isperle, Isperling, Pisperling, Wisperle; Gixer, Guckerlein, Greinerlein, Greinvoͤgelchen, Kraut⸗ voͤgelchen; in biefiger Gegend: Dieſter oder Hieſter. Antlıys praiensts. Behitein, Naturg. Deutſchl. III. S. 732. Nilsson orn. suec. I. p. 241. n. 114, = Alauda pratensis. Linn. Faun. suec. P. 76. u. 210. — Gmel. Linn, syst. I. 2. p. 792. n. 2. == Lath. ind. II. p. 493. n. 5. — Buff. pl. enl. 660. f. 2. (unter dem Nahmen: le Cujelier) La Farlouse ou Alouette des pres. Gerard. Tab. &l&m, I. p. 262. == Pipit farlouse, Temmink. Man. nouv. Edit, Mi p. 269. Tü-Lark, Lath. syn. IV. p. 372. Ueberſ. v. Bech⸗ fein, IV. S. 375. n. 5. (mit der Abbild. v. A. arboreus ; auch mit Verwechslung der Sitten beſſelhen . Bewick, britt. Birds. I. p. 231. — De Tiet-euwerik. Sepp. Nederl. Vog. III. t. p. 209. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. I. S. 255. — Meisner und Shinz, V. d. Schweitz. ©. 130. n. 136. — Meyer, V. Liv⸗ und Eſthlands S. 130. = Koch Wafer; Zool. I. S. 178. u. 100. = Friſch, Vogel. Taf. 16. Fig. unten links. — Naumanns Vogel, alte Ausg. II. S. 51. Taf. 8. Fig. 11. und Nachtr. S. 4 45. Taf. S. Fig. 16. Die Verwechslung zwiſchen dieſem und dem A. arboreus iſt fo greß, daß aus der Vörwirrung kaum herauszukommen iſt, am meiſten in den Werken Buffon's, wo die Nahmen: Alouette pipit, A. HFarlouse ou des pres, und Le Cujelier, bald dieſem, bald jenem Vogel beigelegt find, und die Naturgeſchichte derſelben bunt unter einander gemiſcht iſt. Kennzeichen der Art. Oben gruͤnlicholivenbraun, braunſchwarz gefleckt; an der Bruſt licht roſtgelb, mit braunſchwarzen Flecken. Der Nagel der Hinterzeh laͤnger als dieſe, nur ſehr wenig gebogen. III. Or dn. XVII. Gatt. 101. Wiefen- Pieper. 775 Be ſ cher ei bung. Dieſer ſchlanke Vogel iſt ſtets etwas kleiner als der Baum⸗ pie per, dem er ſonſt ganz außerordentlich ahnlich ſieht, daher er auch oft mit ihm verwechſelt worden iſt. Er hat faſt noch ein ſchlankeres Anſehen und, außer dem viel laͤngern, duͤnnern und geradern Nagel der Hinterzeh, ſtets eine dunklere, mehr mit Gruͤn uͤberlaufene Far⸗ be, und am Ober- und Unterkoͤrper ſtets groͤßere und meiſtens dunk⸗ lere Flecke; dies macht ihn, in einiger Entfernung geſehen, zumal im Fruͤhjahr, viel dunkler. Der Schnabel iſt jederzeit ſchwaͤcher und ſieht daher geſtreckter aus, und die Lebensart iſt von der des Baumpiepers ganz verſchieden. Seine Lange beträgt 53 bis 63 Zoll, wovon ziemlich 2 Zoll auf den Schwanz kommen; nr Skünelbreite 103 bis 104 Zoll, und die ruhenden Fluͤgel decken den am Ende etwas ausgeschnittenen Schwanz bis auf 15 Zoll oder auch wol nur bis auf 14 Zoll. Die Fluͤgelfedern haben En Ganzen diefelbe Bildung wie 1 Baum⸗ pieper; denn die erſte Schwinge fehlt, die vier folgenden ſind entweder gleich lang und die laͤngſten, oder die zweite und vierte ſind nur unbedeutend kuͤrzer als die beiden zwiſchen ihnen liegenden. Der Hinterfluͤgel hat eine eben ſo lange Spitze und ganz die Geſtalt wie bei dem genannten Vogel. Der pfriemenfoͤrmige, einem Sänger: oder Bachſtelzenſchna⸗ bel ähnliche Schnabel iſt an der Wurzel wenig breit, über den Na⸗ ſenloͤchern etwas erhaben, ſonſt rundlich, mit eingezogenen Schnei⸗ den, beſonders nach vorn merklich zuſammen gedruͤckt, der Oberkie⸗ fer an der duͤnnen Spitze ein wenig abwaͤrts geſenkt und faſt un⸗ merklich eingekerbt, die Unterkinnlade gerade oder unmerklich auf⸗ waͤrts gezogen und ſehr ſpitz. Seine Lange iſt 5% Linien, feine Höhe aber faſt um eine halbe Linie geringer als der des Baumpie⸗ pers. Von Farbe iſt er von Oben und an der Spitze braunſchwarz, an der Wurzelhaͤlfte der Unterkinnlade, und zum Theil an den Schnei⸗ den des Oberkiefers, ſchmutzig gelblichfleiſchfarben, bei juͤngern Voͤ⸗ geln mehr von dieſer, bei den aͤltern von jener Farbe, ſo, daß ganz alte, zumal im Fruͤhjahr, faſt einen ganz braunſchwarzen Schnabel haben. Das Naſenloch iſt oval, mit haͤutigem Rande, und ſehr feine ſchwarze Borſthaͤaͤrchen ſtehen über den Mundwinkeln. Die Augen⸗ ſterne ſind lebhaft dunkelbraun. Die duͤnnen, ſchwaͤchlichen Fuͤße haben ſchlanke Laͤufe, deren Ueberzug kaum merklich eingekerbt iſt, und kahle Ferſengelenke, wels — 776 III. Ordn. XVII. Gate. 101. Wieſen⸗Pieper che die kurzen Federchen des Unterſchenkels zur Halfte ſehen laſſen. Die Höhe der Fußwurzel iſt 11 Linien, alſo anſehnlicher als beim Baumpieper, obgleich an Umfang ſchwaͤcher; die Laͤnge der Mit⸗ telzeh mit dem Nagel 85 Linien; die der Hinterzeh, ohne den Nagel, 5 Linien, und dieſer allein bei alten Voͤgeln nicht unter 6 Linien, wol aber öfters darüber. Die Nägel find dünn, unten zweiſchneidig, welches aber, weil fie ſehr zuſammengedruͤckt find, bei dem der Hinterzeh kaum bemerkbar iſt, nadelſpitz und flach gebogen; unge⸗ mein duͤnn der der Hinterzeh und bei weitem weniger gebogen als der des Baumpiepers, obgleich lange noch kein Lerchenſporn. Die— ſer viel laͤngere, duͤnnere, weniger gebogene Nagel unterſcheidet un— ſern Vogel in jedem Alter von dem eben genannten. Die Farbe der Füße iſt ſtets etwas dunkler als bei dieſem, ſchmutzig gelbroͤthlich, oder braͤunlich fleiſchfarben, an den Zehen dunkler, faſt blaß roͤth⸗ lichbraun, ſo auch an den Naͤgeln, welche an den Spitzen allmaͤhlig in Schwarzbraun uͤbergehen. Gewoͤhnlich haben die Maͤnnchen an ihrem Fruͤhlings⸗ kleide folgende Farben: Alle obern Theile, Scheitel, Genick, Na⸗ cken, Ruͤcken, Schultern, Buͤrzel und obern Deckfedern ſind ſchmu⸗ Big olivengruͤn, oder olivenbraun mit gruͤnlichem Anflug, einer ſchwachen weißlicholivengelben Miſchung am Nacken und Oberrüden, mit ſchwarzbraunen Schaftflecken, die am Scheitel groß, auf dem Nacken klein und undeutlich, auf dem Oberruͤcken aber ſehr groß und breit find, je näher dem Schwanze zu allmaͤhlig an Breite abneh⸗ men, an ihren Seiten ſich vertuſchen und endlich in ſehr matte Schaftſtriche ubergehen; Schultern und Buͤrzel haben das meiſte Gruͤn, der Oberruͤcken das meiſte Schwarzbraun, indem an bie ſem nur die Seiten der Federn olivengruͤne, in ſchmutziges, weißliches Dlivengelb uͤbergehende Seiten haben. Der Ruͤcken iſt ſtets dunk⸗ ler und größer gefleckt als beim Ba umpieper. — Ueber das Auge zieht ſich ein gelblichweißer, ſtaͤrker oder ſchwaͤcher mit Ocher— gelb angeflogener Strich; die Zuͤgel find grau; die Wangen weiß— gelb, grau und gruͤnlich gemiſcht; der ganze Unterleib, vom Kinn bis zu den untern Schwanzdeckfedern, gelblichweiß, an der Gurgel, an den Halsſeiten und in der Kropfgegend ſtark mit Ochergelb über: flogen, in den Weichen aber mit Olivenbraun uͤberlaufen; von der untern Schnabelecke laͤuft ein Streif braunſchwarzer Flecke neben der Fehle herab, an den Halsſeiten mit einem Klumpen ſolcher Fle⸗ cke ſich einigend; die Kropfgegend hat ebenfalls ſolche Flecke, wel- che aber weit groͤßer und laͤnglich dreieckig ſind, aber an den Seiten III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wieſen⸗Pieper 777 der Bruſt nach und nach in ſchmale Schaftſtriche übergehen; das Kinn, die Mitte der Kehle und ganze Bruſt, nebſt dem Bauch und den untern Schwanzdeckfedern, find ungefleckt; die Schenkelfedern weißlichgelb, hinten olivenbraun. — Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind matt braunſchwarz, mit ſchmutzig olivengruͤnen Saͤumchen, die aber an den hintern Schwingen in ſchmutzig gelbweißliche Kanten und an den Enden der großen und mittleren Dedfedern in breite ſchmu⸗ tzig gelbweißliche Spitzkanten uͤbergehen, ſo, daß ſich dadurch uͤber dem Fluͤgel zwei weißliche Querſtreifen bilden. — Die beiden mit⸗ telſten Schwanzfedern ſind nur matt, die uͤbrigen dunkel braunſchwarz, alle mit olivengruͤnlichen Saͤumchen, welche an den erſtern am lich⸗ teſten ſind; die aͤußerſte Seitenfeder hat am Ende einen ſehr großen weißen Keilfleck, welcher auf der ſchmalen Fahne über zwei Drit- theile nach der Wurzel heraufreicht, die zweite Sehe aber nur einen kleinen weißen Keilfleck, welcher bald 3, bald nur & Zoll von der Spi- tze heraufreicht, oft auch bloß ſo 50 angedeutet iſt, daß er gar zu fehlen ſcheint. — Von unten ſind die Schwanzfedern mattſchwarz, mit den weißen Keilflecken, die Schwingen ſchwarzgrau; die untern Fluͤgeldeckfedern ſchmutzigweiß, gruͤnlichgelb uͤberlaufen und grau gemiſcht, am Fluͤgelrande dunkelgrau en Alles iſt dunkler als am eee Sehr alte Männchen haben im Fruͤhjahr an den Augen⸗ ſtreifen und an der Kehle einen roſenroͤthlichen Anflug, noch ſeltner aber ſind die, welche hier bleich roſt farben ausſehen. Solche alte Maͤnnchen haben dann an den obern Theilen faſt keine Spur von Grün, alles iſt olivenbraun, an den Seiten der Federn in olivengelbe Raͤnder uͤbergehend, mit ſehr großen, braunſchwarzen Flecken; die untere Seite, wie ſchon beſchrieben; der breite Augen⸗ ſtreif vorn roſtgelb, über dem Auge bis ans Genick bleich roſtfarben; das Kinn weißgelb, die Kehle bis auf die Gurgel herab und bis auf die Wangen bleichroſtfarben, eine Farbe, die aus Roſtfarbe und Roſenfarbe zuſammengeſetzt ſcheint. — Am Kropfe verliert fie ſich gänzlich; auch verdeckt fie den gewöhnlichen, vom untern Schnabelwinkel neben der Kehle herablaufenden Fleckenſtreif, ſo, daß dieſer nur mit etwas dunklerer Roſtfarbe angedeutet iſt. Solche rothkehlige Wieſenpieper find ungemein ſelten, die rothe Kehle iſt ihr hoͤchſter Hochzeitſchmuck, und ich habe vor vielen Jahren nur einmal einen hier bekommen, Temminck aber, 778 H. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wiefen= Pieper. (ſ. deſſ. Man. I. p. 270.) 3 ſogefaͤrbte aus Lothringen und einen aus Aegypten erhalten. ) Das Weibchen iſt ein wenig kleiner, von oben weniger dunkel, von unten weniger gelb, an der Oberbruſt auch mit klei— neren Flecken geziert; etwas Rothes bemerkt man nie an der Kehle, ſie iſt vielmehr ſtets weißer als am Maͤnnchen. g Im Herbſt ſehen auch dieſe Voͤgel viel dunkler aus als im Fruͤhjahr; ihr Scheitel und Ruͤcken iſt viel gruͤner, die Flecke dunk⸗ ler; die untere Seite gelber, mehr roſtgelb; die Fluͤgelfedern, nebſt den Schwanzfedern, haben breitere, olivengrüne, in Gelb uͤbergehen— de Kanten, und die weißen Spitzen an den breiten Endkanten der mittleren und großen Fluͤgeldeckfedern bilden zwei ſehr deutliche Querſtriche auf dem Flügel; auch die Grundfarbe der Flügel = und Schwanzfedern iſt dunkler, faſt ſchwarz. Juͤng ere Voͤgel uns terſcheiden ſich wenig von den aͤltern, eben ſo wenig auch beide Geſchlechter, in dieſem Kleide; doch iſt das Weibchen, gegen das gleichalte Maͤnnchen gehalten, immer etwas bleicher gefaͤrbt und weniger gefleckt. g Der junge Vogel, vor der erſten Mauſer, ſieht ungleich 8 dunkler aus als feine Aeltern. Er iſt von oben olivenbraun, mit dunkelolivengelber Miſchung an den Seiten der Federn, und ſtark ſchwarz geſtreift, weil die Federn in der Mitte bis zum ſchmalen Spitzenſaͤumchen ſchwarz find; Kehle, Gurgel und Bruſt ſind ſchoͤn dunkel roͤthlichroſtgelb, ſtark ſchwarz geſtreift, beſonders am ) Dies macht faſt glauben, die rothe Kehle gehöre einem fübliher wohnenden g Vogel an. Ich habe, wie geſagt, nur Ein aͤcht rothkehliges Exemplar ge⸗ habt, was einer meiner Brüder zufällig, im Singen und mit einem vorbeiflie⸗ genden Rothſchenkel (T. Calidris) zugleich, aus der Luft herahſchoß, ſeitdem aber ungemein viele dieſer Voͤgel im Fruͤhjahr an ihren Bruͤteorten geſchoſſen, aber nie mehr einen ſolchen, und nur einige wenige mit roſenroͤthlich angeflogener Kehle. — Wenn aber Herr P. Brehm in ſeinen Beiträgen, I. S. 869. ſagt: Daß, gegen Naumanns (meines Vaters) Behauptung, die maͤnnlichen Wieſenpieper nicht nur im Fruͤhjahr, ſondern immer im Herbſt, eine roſtgelbe Kehle haͤtten, ſo hat er etwas fluͤchtig geleſen und abge⸗ urtheilt; denn in den Nachtraͤgen (der erſten Ausgabe dieſes Werks) S. 45. iſt wol von einer ſchoͤn roſtfarbenen Kehle und Augenſtreife, aber von keiner roſtgelben die Rede. Die beigefuͤgte, in der Folio ⸗, wie in der Octavausgabe, ſehr richtig illuminirte Abbildung mußte auch den Ausdruck: „Thon roſt farben“ beſtaͤtigen. Eine roſtgelbe Kehle haben freilich auch die Herbſtvoͤgel, aber nie eine roſenroͤthliche oder ſchoͤn roſtfar⸗ bene, und es geht daraus hervor, daß Hr. Brehm einen alten maͤnnlichen Fruͤhlingsvogel, wie ihn ſchon mein Vater und Temminck a. a. O. beſchrieb, mit ſchoͤn roſtfarbener Kehle, niemals geſehen hat. Er wuͤrde demnach beſſer gethan haben, die Sache mit Stillſchweigen zu uͤbergehen. III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wieſen⸗ Pieper. 779 Kropfe; der Schnabel oben roͤthlichgrau, an den Mundwinkeln gelb, die Fuͤße fleiſchfarben; die Augenſterne ſchwarzbraun. — Dieſe jungen Voͤgel ſind viel dunkler und unten gelber als die un⸗ vermauſerten jungen Baumpieper. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen bemerkt man aͤußerlich keinen Unterſchied. Nach uͤberſtandener erſter Mauſer unterſcheidet ſie nur der kleinere und lichter gefaͤrbte Schnabel, die helleren Fuͤße, und ihre Ihe Geſtalt von den alten Herbſtvoͤgeln. 6 Man findet auch eine Spielart erwähnt, die faſt durch⸗ gaͤngig weiß war (A. pratensis candida.) und ve den Fluͤgeln bloß ins Gelbliche fiel. Die Hauptmauſer iſt der Monat Auguſt, wo auch die Fluͤ⸗ gel⸗ und Schwanzfedern mit neuen verwechſelt werden. Eine zwei⸗ te Mauſer, wo ſich nur das kleine Gefieder erneuet, faͤllt in die Zeit, wo fie nicht bei uns find; doch findet man manche noch bei ihrer Ankunft im Maͤrz und April in der Mauſer begriffen. Sie ſcheint bei verſchiedenen Individuen zu verſchiedener Zeit vorzuge— hen, denn ich habe eben zwei Maͤnnchen, welche ich beide am 19ten April ſchoß, vor mir, wovon das eine noch ein ganz abge— tragenes Gefieder, ohne eine einzige neue Feder hat, während ſich im Gegentheil beim andern in dem ganz erneuerten Gefieder keine einzige alte Sam Feder mehr zeigt. Dabei ſcheint mir, feiner laͤngern Spornen wegen, das erſtere aͤlter als das letztere zu ſein. — Viele mauſern noch in der Begattungszeit. a Aufenthalt. f Der Wieſenpieper bewohnt im Sommer das ganze mittlere Europa, bis Schweden hinauf, Daͤnemark, England, Frankreich, Holland, die Schweitz und ganz Deutſch⸗ land, und geht im Winter zum Theil ins noͤrdliche Afrika hins über. Die gebirgigen Landſtriche ſucht er zu vermeiden und be⸗ rührt fie bloß auf feinen periodiſchen Wanderungen; denn er bes‘ wohnt am liebſten die Ebenen und hier die am tiefſten liegenden Striche. In den Marſchlaͤndern iſt er daher ſehr gemein. Er iſt ein Zugvogel, aber keiner von denen, die unſere Winterkaͤlte unausſtehlich finden; denn er zieht ſpaͤt weg, koͤmmt fruͤh im Jahr wieder und uͤberwintert in gelinden Wintern ſogar einzeln im mittleren Deutſchland. Sobald im Fruͤhjahr der Schnee ſchmilzt, im Maͤrz, fruͤher oder ſpaͤter, erſcheint er ſchon hier, und fpätefiens bis Mitte Aprils iſt dieſer Zug vorüber; fein Wegzug 780 II. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wieſen⸗Pieper im Herbſt beginnt mit der Mitte Septembers, iſt am ſtaͤrkſten ge⸗ gen Ende des Octobers und dauert häufig bis in den December hin⸗ ein. Hinſichtlich ihres Zuges haben dieſe Voͤgel viel Uebereinſtim⸗ mendes mit den Feldlerchenz fie ziehen mit ihnen faſt zugleicher Zeit weg und kommen ſo auch wieder, wandern, wie ſie, in großen Schaaren und kleinen Geſellſchaften, mehr am Tage als des Nachts, halten ſich dann (wenigſtens im Herbſte) an ziemlich gleichen Orten auf und theilen fo auch mit ihnen die Gefahren, denen jene wohl- ſchmeckenden Voͤgel auf ihren Reiſen ausgeſetzt ſind; ja ſie miſchen ſich ſogar haͤufig unter ſie und reiſen mit ihnen geſellſchaftlich. | Ihr Aufenthalt erſtreckt ſich über Wieſen, Suͤmpfe und Mo⸗ raͤſte, über tiefliegende Gegenden an Fluͤſſen, Seen und andern Ge⸗ waͤſſern; aber weder uͤber Wälder, noch Gebirge; und über frucht⸗ bare Felder auch nur auf dem Zuge. So ſieht man ſie im Fruͤhjahr anfaͤnglich einzeln, nachher aber in groͤßern Geſellſchaften auf feuch⸗ ten Angern, an Teichen und Graͤben, auch auf tiefliegenden Saatfeldern. Faͤllt dann noch ein Nachwinter mit Schnee und Froſt ein, ſo ſchlagen ſie ſich wieder in Schaaren zuſammen und ſuchen da, wo Miſt auf Aeckern und Wieſen ausgebreitet iſt, und an offenen Gewaͤſſern ihren Unterhalt. Spaͤterhin vereinzeln ſie ſich aber, und dann findet man ſie, ſo wie den ganzen Sommer hindurch, in großen Bruͤchern und Mooren zerſtreuet, woſelbſt ſie ſich fortpflan⸗ zen und bis in den Herbſt aufhalten. Jetzt ſind ſie halbe Sumpf⸗ voͤgel und immer in der Naͤhe des Waſſers. Solche große Bruͤcher, die mit Graͤben durchſchnitten ſind, und wo die Seggengrasarten große ſumpfige Gefilde bedecken und zum Theil Kufen bilden, wo die hohe Sumpfeuphorbie haͤufig waͤchſt, wo wirkliche Wieſen mit Viehweiden abwechſeln, und nur hin und wieder einzelne Kopfwei⸗ den und verkruͤppeltes Seilweidengebuͤſch waͤchſt, find ihnen die liebſten. Immer wohnen fie dann auf moraſtigem oder torfigem Boden oder auf wahrem Moorboden. — So wie der Zug beginnt, begeben ſie ſich aus den Suͤmpfen heerdenweis auf die abgeerndte⸗ ten Grummetwieſen, laufen wol gar zwifchen den Schaf = und Rindviehheerden herum und ſcheinen dieſe zu ſuchen, gehen nun auch auf die an die Wieſen grenzenden Stoppelfelder, vorzuͤglich aber in die Kohl- und Ruͤbenaͤcker; endlich werden fie ganz Feldvoͤ⸗ gel, geſellen ſich zu den Feld lerchen, doch meiſtens in Geſell⸗ ſchaften von ihres Gleichen, und halten ſich dann, außer der jungen Roggen⸗ und Waitzenſaat, beſonders gern in den jungen Ruͤbſaat⸗ und Rapsſtuͤcken auf. Zuletzt ſchlagen fie ſich in große Schagren III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wiefen-Pieper. 781 zuſammen und verlaſſen heerdenweis unſer Land; nur die zuletzt Wegziehenden ſind immer nur kleine Familien. Die einzelnen, welche in gelinden Wintern hier bleiben, ziehen ſich nach quelligen Stellen auf feuchten Wieſen, an Teiche und Baͤche, die nicht zufrieren und ſonſt an offne, ſeichte Waſſer, bis ſie zu ſtrenge Kaͤlte und zu vieler Schnee auch nach ſuͤdlichen Gegenden treibt; doch draͤngt ſie ein kurzer Stoß von Kaͤlte, wenn ſie auch ſehr heftig waͤr, noch nicht aus ihrem einmal bei uns gewaͤhlten Winteraufenthaltsorte, und ihr friſches Ausſehen beweiſt, daß die Kaͤlte eben nicht nachtheilig auf ſie wirkt, und daß ſie auch Nahrungsmangel nicht druͤckt. Die Waͤlder verabſcheuen dieſe Voͤgel, und man trifft ſie nicht einmal oft auf ſolchen Wieſen, welche mit vielem Buſchwerk und ho— hen Baumgruppen beſetzt ſind. Nur im Winter ſuchen die einzeln Hiergebliebenen zuweilen auch ſolche Quellwaſſer auf, die ſich auf gro— ßen, mit Wald umſchloſſenen Wieſenplanen befinden. So trifft man ſie auch nie im hohen Gebirge, auch nicht auf duͤrren, huͤgeli— gen Sandfeldern an. Durch alles dieſes unterſcheiden ſie ſich ſehr von den andern Pieperarten. — Auf Baumzweige ſetzen ſie ſich ſelten, am meiſten noch, doch nicht ausſchließlich, im Fruͤhjahr; allein ſie ſitzen immer auf den Gipfeln und Seitenzweigen, oder auf ziemlich freien Aeſten, nie in den dichten Baumkronen, aber ſehr gern auf den Spitzen niedriger Seilweidenbuͤſche und auf den Stau— den der großen Sumpfeuphorbie. Auf dem Erdboden ſuchen ſie ſich viel weniger unter langem Graſe und dichten Pflanzen zu verbergen, und leben viel freier als die Baumpie per. — Ihre Nachtruhe halten fie ſtets auf der Erde im langen Graſe, auf den Seggenku— fen, unter den Blaͤttern der Pflanzen, in kleinen Vertiefungen und hinter Erdkloͤßen. e Eigenſchaften. So aͤhnlich unſer Vogel dem Baumpieper in der Farbe iſt, fo verſchieden iſt fein Betragen. Er iſt viel hurtiger, unruhi⸗ ger, geſelliger, und wie ſehr verſchieden ſein Aufenthalt iſt, wird ein kleiner Vergleich der Beſchreibungen deſſelben bald zeigen. Wenn er aber dennoch in früheren Schriften häufig mit jenem vers wechſelt wurde, oder wenn man beide gar nur fuͤr Eine Art hielt, ſo beweiſt dies zur Genuͤge, daß man beide Voͤgel nicht im Freien beobachtet hatte. — Der Wieſenpieper iſt ein ſehr lebhafter Vo⸗ gel, der gern ſich mit andern neben ihm wohnenden Voͤgeln, z. B. gelben Bachſtelzen, Rohram mern, Schilf- und * 782 III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wiefen= Pieper. Seggenrohrfängern, neckt und mit feines Gleichen herum⸗ hadert, zumal im Anfange der Begattungszeit. Er laͤuft unge⸗ mein ſchnell, auf glattem Boden abſatzweiſe, ſonſt haͤufig mit etwas eingezogenem Halſe und ſtets mit wagerecht getragenem Koͤrper, wo er beim Stillſtehen dann den Schwanz und Hinterleib auf und ab bewegt, dabei auch lieber auf kurzem Raſen, auf ſchlammichtem freierm Boden, uͤberhaupt weniger verſteckt ſein Weſen treibt, und dadurch ſich ſehr vom Baumpieper unterſcheidet. Ueberraſcht man ihn dabei, ſo fliegt er meiſtens, ſeinen Lockton einige Mal ausſtoßend, gerade fort und ſelten auf einen Baum, was jedoch im Fruͤhjahr oͤfterer vorkommt. Aber er ſitzt auf Baumzweigen ſehr unſicher und wankt dabei hin und her, haͤlt ſich auch nie lange da auf. Am oͤfterſten ſieht man ihn ſich noch auf die Spitzen der Kopfweidenzweige, der niedrigen Seilweidenbuͤſche und auf hohe Wolfsmilchſtauden ſetzen; am Brutorte hat er da fogar feine Lieb- lingsplaͤtzchen, die ihn oft andere Voͤgel, die oben genannt wurden, beſonders die gelben Bachſtelzen, ſtreitig machen; dies ſind uͤberhaupt dort immer ſeine naͤchſten Nachbarn, und er aͤhnelt ihnen im Betragen, wie in der Lebensart, mehr als irgend einem andern Vogel. — Seine Anhaͤnglichkeit an feines Gleichen zeigt ſich Bes ſonders in der Zugzeit, wo ſich oft Heerden von mehreren Tau- ſenden verſammeln und ſo aneinander halten, daß ſie, wenn ſie aufgeſcheucht werden, alle zugleich entfliehen, und die einzeln Zuruͤckgebliebenen oder ſich Verſpaͤteten der Schaar aͤngſtlich nacheilen und ſich wieder mit ihr zu vereinigen ſuchen. Wenn man ſie in der Zugzeit aufjagt, fo ſteigen fie allemal ſchief aufwärts zu einer ge⸗ wiſſen Hoͤhe, ehe ſie weiter fortfliegen; die einzeln Aufgeſcheuchten an den Brutoͤrtern fliegen aber niedrig hin und gar nicht weit weg, ganz anders wie die Ba umpieper. — Sein Flug iſt zuckend oder huͤpfend und ſehr unſicher, bald mit Seitenwendungen, bald auf⸗ oder abſteigend; er aͤhnelt dem Fluge des Roh rammers, beſonders in erſterer Eigenſchaft, doch iſt der Wanderflug etwas raſcher, obwol nicht ſehr verſchieden. Er fliegt leicht und ſchnell; allein die kurzen Abſaͤtze geben dem Fluge das Anſehn, als wenn er dem Vogel viel Anſtrengung koſtete. Seine Stimme iſt von der des Baumpiepers ſehr vers ſchieden. Es iſt ein heiſeres, feines Hiſt oder If, was haufig mehrmals und oft ſehr ſchnell nacheinander mit weit geoͤffnetem Schnabel ausgerufen wird, wie Sftiftiftiftiftiftift. Es iſt fo: wol Lockton, als um verſchiedene Leidenſchaften auszudrucken. Die III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wie ſen⸗Pieper. 783 Jungen rufen anfaͤnglich ihr Iſt ganz heiſer, ſpaͤterhin, und auf dem Herbſtzuge uͤberhaupt, klingt es aber reiner und heller, wie ein Gloͤckchen, und faſt wie Jickjickjickjickjick, einzeln aber immer wie Iſt. Sie ſchreien fehr haufig, und von großen Schaaren klingen die Toͤne durcheinander ganz eigen, indem der eine ſein Iſt reiner, der andere heiſerer, der eine ein wenig tiefer als der andere, her: vorbringt, und dies ein ſonderbares Gemiſch giebt. Wenn ſie eben eine Reiſe antreten wollen, ſchreien ſie, beſonders beim Aufſchwin⸗ gen in die Luft, ſehr viel; der einzeln herausfliegende Vogel meh⸗ rentheils aber fein Iſt nur einigemal ſchnell nacheinander. — An den Bruͤteplaͤtzen hoͤrt man auch noch eine ganz andere Stimme, ih⸗ ren Paarungsruf, den ſie auch hoͤren laſſen, wenn man ſich den Jungen oder dem Neſte naͤhert; ſie klingt ſanft twitt oder zritt, wird aber nie ſehr oft und nicht ſchnell nacheinander ausgerufen. — Der Geſang des Maͤnnchens ſteht dem des Baumpiepers bei weitem nach, iſt lange nicht ſo melodiſch, der Ton viel weniger laut, feiner und ziſchender, weniger abwechſelnd, wenn gleich eine entfernte Aehnlichkeit mit demſelben nicht zu verkennen iſt. Er be⸗ ſteht aus verſchiedenen zuſammenhaͤngenden Strophen, deren Toͤne ſehr oft wiederholt werden, und bildet ein eben nicht ſehr langes Lied. Gewoͤhnlich find dies die Hauptſtrop;gen: Witge witge witge witge witgewitgewitgewitgewitge zidzid- zickzickzickzickzick juͤckjuͤckjückjuͤckjückjuͤckjuͤck tirrrrrr⸗ rer, die bald länger gedehnt, bald etwas anders modulirt werden, doch dies wenig anſprechende Lied im Ganzen dadurch nicht ſehr veraͤndern. Das Maͤnnchen ſingt beinahe immer bloß im Fluge, indem es ſich von der Erde oder der Spitze eines niedrigen Geſtraͤu⸗ ches mit ſeinem Witge witge u. ſ. w. im ſchiefer Richtung flatternd aufſchwingt, hoch in die Luft ſteigt, da einige Augenblicke ſchwebend oder ſchnell flatternd verweilt, und nun in ſchiefer Rich⸗ tung, oͤfters mit ein wenig hoch gehaltenen Fluͤgeln, ſingend herab ſchwebt, oder auch wol mit angezogenen Fluͤgeln ſchnell herab⸗ ſchießt und den Geſang im Aufſetzen auf einen erhabnen Gegenſtand oder auch nur auf eine Binſen- oder Seggenkufe endet. Hier aͤhnelt es dem Baumpieperz allein es ſteigt ſtets viel Höher in die Luft, nie von ſo hohen Baͤumen auf, und ſingt noch viel ſeltner bloß im Sitzen. Der ſanfte Charakter in dieſem Aufſchwingen, wie in dies ſem Geſange, macht zwiſchen dem wilden Geſchrei der Kiebitze, Roth: ſchenkel, Enten und anderer Sumpf⸗ und Waſſervoͤgel, mit denen dieſe Vögel in nachbarlicher Nahe wohnen „eine ſehr angenehme 784 III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wieſen⸗Pieper. Abwechslung, wenn man ſonſt auch dieſen Geſang nicht beſonders ſchoͤn finden moͤchte. — Es iſt uͤbrigens ein ſehr fleißiger Saͤnger; es ſingt vom Morgen bis gegen Abend, von der Mitte Aprils bis gegen den Juli, doch nur an ſeinem Briltuite, Es iſt ein angenehmer Stubenvogel, doch zeigt er es hier zaͤrtlicher als der Baumpieper. Bei ſorgfaͤltiger Pflege halt er ſich jedoch in einem geraͤumigen Lerchenkaͤfig, der mit Sprunghoͤlzern verſehen ſein muß, mehrere Jahre lang ſehr gut, wird ſehr zahm und ſingt fleißig. Hier, wo man feinen Geſang ganz in der Nahe hört, iſt dieſer recht angenehm. In den Wohnſtuben, frei herum— laufend, iſt er zu vielen Gefahren ausgeſetzt, als daß er da ſich lange halten ſollte; Haare und anderer Schmutz haͤngt ſich an ſeine Fuͤße, verdirbt dieſe, u. ſ. w. Ich habe dieſe Voͤgel oͤfters in den Stuben der Lerchenfaͤnger herumlaufen ſehen; aber nur wenige gewoͤhnen ſich hieran und dauern auch ſelten durch den Winter. La eee eee Dieſe beſteht in kleinen Heuſchrecken, beſonders deren Larven, in Muͤcken, Schnaken und andern aͤhnlichen, an feuchten Orten ſich aufhaltenden kleinen Inſecten und ihren Larven, in kleinen Kaͤfer⸗ chen und mancherlei andern kleinen, am Boden und zwiſchen den Graͤſern ſich aufhaltenden Geſchoͤpfen dieſer Claſſe, auch in Fliegen. Sie mögen ſehr viel Nahrung bedürfen, weil man fie immer dar— nach ſuchen ſieht, kriechen deshalb unter den Pflanzen auf dem Bo— den, im Graſe und in den jungen Feldfruͤchten, zwiſchen den Kohl—⸗ ſtauden und dergl. herum, ſuchen ſie auf dem Schlamme und im ſeichten Waſſer, wie die Bachſtelzen, auf, fangen fie bei den Vieh— heerden und auf Stoppelaͤckern, freſſen aber im Freien nie Geſaͤme. Sie fangen gern Fliegen und ſuchen dieſe meiſtens im Sitzen zu er— wiſchen, oder thun hoͤchſtens einige Spruͤnge nach den fliegenden. So fangen ſie bei den Schafen viel Stechfliegen und auch Bremen weg. Aus dem Waſſer und Moraſt holen ſie viel Inſectenlarven und auch ganz kleine Schneckchen. Sie baden ſich gern und oft im Waſſer und machen fich da⸗ bei ziemlich naß. In der Gefangenſchaft müffen fie anfaͤnglich ſogenannte Ameiſeneier, Fliegen, Mehlwuͤrmer oder andere Infecten bekom⸗ men, die dann unter ein beliebiges, fuͤr Inſectenfreſſer paſſendes Stubenfutter in Menge gemiſcht werden, damit ſie auch dieſes ge— legentlich koſten lernen, bis man ihnen jene nach und nach abbrechen III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wieſen⸗Pieper. 785 und dieſes unvermiſcht geben kann; doch wollen ſie ganz ohne Amei⸗ ſeneier nicht wohl aushalten. Das beſte Futter iſt das beim Gar⸗ tenlaubvogel angegebene, und fie verlangen, als zaͤrtliche Voͤ⸗ gel, auch eine aͤhnliche Wartung. Die, welche ich zuweilen in den Stuben der Lerchenfaͤnger ſah, fingen anfaͤnglich Fliegen, die ſie theils zu beſchleichen ſuchten, theils an den Fenſtern erhaſchten, und lernten nachher ohne Mühe Brodkrumen und andere Abfälle des Tiſches freſſen, wie die Rothkehlchen; aber überall hörte ich die Klage, daß nur wenige ſich dazu gewohnten und am Leben blieben. nn Ueberall in ſumpfigen Gegenden des noͤrdlichen Deutſchlands niſten dieſe Pieper in Menge, auch in ſuͤdlicher gelegenen Laͤndern. In der hieſigen Gegend wohnen ſie in den Bruͤchern ohnweit der Saale und Elbe in großer Anzahl. Ich habe ſie auch uͤberall in den Holſteinſchen und Hannoͤveriſchen Marſchen niſtend angetroffen, auch auf den Inſeln der Nordſee, wo es Sumpf und Moor gab; fo waren z. B. auf der duͤrren Inſel Amrom hinter den Dünen: nur einige moorige Stellen, welche dennoch von einzelnen Paͤaͤrchen bewohnt waren. Man findet uͤberhaupt, von Holſtein an bis zum 68 Grad n. B., im Sommer nicht leicht ein Moorfleckchen, was nicht wenigſtens ein Paͤaͤrchen inne haͤtte. — Da, wo Geeſt⸗ und Marſchland ſich trennen, giebt es gewoͤhnlich einen Strich Torfboden und Moor, woſelbſt ſie ſich ungemein gern aufhalten. Am liebſten find ihnen ſolche feuchte Wieſen und Bruͤcher, in wel⸗ chen keine Baͤume, oder doch nur einzelne Weiden und verkruͤppelte Seilweidenſtraͤuche wachſen. Moraſt und Waſſer muß immer da ſein, wo ſie niſten ſollen. In unſern Bruͤchern ſtehet das Neſt auf einer Siggenſchilf kufe, in einem niedrigen Binſenhorſte, in Grasbuͤſcheln nahe an den Graͤben, oder mitten in den Seggenwieſen, am meiſten in dem kuͤrzern Graſe der an den Sumpf ſtoßenden Heuwieſen, allemal auf der Erde, und oftmals in einer kleinen Vertiefung derſelben. In den Moorgegenden, wo viel Heidekraut, Sumpfheidelbeeren und Moosbeeren (Vaccinium uliginosum et V. Oxicoccus) Wollgras (Eryophorum) und dergl. wachſen, ſteht es meiſtens im Graſe und Heidekraut, und faſt noch verſteckter als dort, ob— wol es überall ſchwer zu finden iſt. Will man das einmal aufge⸗ fundene oͤfter ſehen, ſo darf man nicht vergeſſen, die Stelle ſich 2ter Theil. 50 786 III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wieſen⸗Pieper. genau zu zeichnen; ſonſt findet man es, weil es meiſtens auf großen Flaͤchen von gleichfoͤrmiger Beſchaffenheit ſtehet, nur ſelten wieder. Es aͤhnelt einem Lerchenneſte oder dem der gelben Bachſtelze. Eine Menge duͤrrer Stengel, Wuͤrzelchen und Halme bilden ein loſes Geflecht, was nach innen niedlich gerundet und mit feinern Haͤlm⸗ chen und Pferdehaaren ausgelegt iſt. Zuweilen iſt etwas gruͤnes Erdmoos und im Innern auch Wolle von Thieren und Pflanzen eingewebt, das Ganze uͤbrigens nicht kuͤnſtlich und wenig beſſer als ein Lerchenneſt. In dieſem Neſte findet man gewöhnlich fünf, zu: weilen auch ſechs Eier, die ihrer Geſtalt und Farbe nach Lerchen—⸗ eiern aͤhneln, welche vom Weibchen binnen dreizehn Tagen allein ausgebruͤtet werden; wenigſtens hat es mir immer ſo geſchienen, weil ich das Maͤnnchen zu allen Tagszeiten in der Gegend des Neſtes ſingen hoͤrte. Die Eier unterſcheiden ſich darin von andern Piepereiern, daß fie ſtets eine viel laͤngere Geſtalt haben und hierin mehr den Lerchen⸗ eiern gleichen. Sie ſind bedeutend kleiner als die vom Baum⸗ pieper, viel laͤnger, langoval und wenig bauchig, von einer zar⸗ ten, nicht glaͤnzenden Schale. Ihre Grundfarbe iſt immer ein grauliches Weiß, bald etwas ins Schmutzigroͤthliche, bald ins Gelb⸗ liche ziehend, welches überall dicht mit graubraunen oder gelblich- braungrauen Punkten, Schmitzen und Gekritzel bedeckt iſt, unter welchen ſich auch am ſtumpfen Ende oͤfters noch aſchgraue Punkte zei⸗ gen. Wenn gleich die ganze Flaͤche dieſer Eier mit der Zeichenfar⸗ be ſo uͤberdeckt iſt, daß der Grund nur wenig durchſchimmert, ſo iſt es doch faſt immer das ſtumpfe Ende noch mehr als das entge⸗ gengeſetzte, und nicht felten fließen die Punkte u. ſ. w. dort fo' zuſammen, daß fie einen ſchattenaͤhnlichen Fleckenkranz bilden. Sonſt variiren ſie nur in ſo weit, daß ſie bald heller, bald dunkler ſind, bald mehr ins Roͤthliche oder ins Gelbliche ziehen, bald meh⸗ rere oder wenigere Punkte haben, was aber alles keine ſehr großen Verſchiedenheiten hervorbringt. Farbe und Zeichnung iſt vollkom⸗ men wie bei vielen Eiern der Feldlerchenz; allein fie find um vieles kleiner. Von den Eiern der gelben Bachſtelze unter⸗ ſcheiden fie ſich durch ihre viel längere Form ſehr leicht. Sie ähneln aber in dieſer Hinſicht, wie in der Farbe u. ſ. w., manchen Eiern des Feldſperlings ſehr. Jedes Paͤaͤrchen dieſer Voͤgel bewohnt gewoͤhnlich ein kleines Revi 7 ſo daß oft mehrere auf einer nicht gar großen Flaͤche niſten. Obgleich die Maͤnnchen hier oft mit einander zanken, ſo ſcheinen III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Wieſen⸗Pieper. 787 ſie doch auch nicht gern allein zu wohnen, weil man ſeltner ein ein⸗ zelnes Paͤaͤrchen antrifft. Sie niſten bei uns lieber an ſolchen Orten, wo Raum für mehrere iſt, und find daher auf manchen Plaͤ— tzen haͤufig, auf andern kleinern, von ſonſt aͤhnlicher Beſchaffen⸗ heit, gar nicht. Alſo auch in der Brutzeit verlaͤßt ſie der Hang zur Geſelligkeit nicht. — Sie bruͤten zwei Mal im Jahr und ha⸗ ben meiſtens um die Mitte des Aprils ſchon ihre volle Zahl Eier im erſten Neſte, aus welchem es dann in der zweiten Halfte des Maies ſchon ausgeflogene Junge giebt. Ende Juni oder Anfangs Juli find, wenn alles glücklich geht, die der zweiten Hecke ausgeflogen; weil ihre Brut aber ſehr viel Feinde hat, und die Eier oft verloren gehen, ſo findet man auch faſt von der Mitte des Maies an bis in den Auguſt hinein eben ausgeflogene Junge. Dieſe verlaſſen das Neſt ſchon, wenn ſie noch nicht ordentlich fliegen koͤnnen, und man faͤngt ſie dann zwiſchen den Kufen oft mit den Haͤnden, wo ſie ſich aber, ſobald man ihnen nahe koͤmmt, im Graſe und an den Kufen verſtecken und ganz ſtill ſitzen, wodurch fie ſich häufig retten. Die Alten flattern dabei nahe um ihren Feind und ſchreien aͤngſtlich zritt, zritt, ſetzen ſich dazu auch wol auf die nahen Buͤſche und Pflanzenſtengel; beim Neſte machen ſie es eben ſo, 9 viel weni⸗ ger, wenn ſie nur erſt Eier haben. Man ſagt auch, daß ſie zuweilen einen jungen Kuckuk aus⸗ ann befümen. SET D.E Sie haben, gleich den Lerchen, viel Verfolger, worunter der Lerchenfalke und Sperber die aͤrgſten find; auch Thurm⸗ falken und Weihen erwiſchen ſie manchmal und zerſtoͤhren un— gemein haͤufig ihre Brut, was auch Raben und Wuͤrger thun. Unter den vierfuͤßigen Raubthieren ſind der Fuchs, Iltis, die Wieſeln, Waſſerratten und Waſſerſpitzmaͤuſe ihnen, beſonders den Eiern und Jungen, ſehr nachtheilig. Das. in den Bruͤchern weidende Vieh zertritt auch manches Neſt, und ploͤtzliche Ueberſchwemmungen richten, oft wie mit Einem Schlage, alle Bruten zu Grunde. Demohngeachtet vermehren ſich dieſe Voͤ—⸗ gel, weil fie alljährlich zwei Mal brüten und ihre Neſter gut zu verſtecken wiſſen, doch ungemein ſtark. J a g d. Da ſie eben nicht ſcheu ſind, ſo ſind ſie leicht mit der Flinte zu ſchießen, zumal an den Brutoͤrtern; doch werden einzelne, bei 788 III. Ordn. XVII. Gatt. 101. Viejen-Pieper. fortgeſetzter Verfolgung, manchmal auch ſehr ſcheu, beſonders ſol— che, die zuweilen im Winter hier bleiben. Im Herbſt kann man oft viele auf Einen Schuß erlegen. — Fangen kann man ſie, wenn im Fruͤhjahr ein Nachwinter mit Schnee koͤmmt, auf den von letz⸗ term entbloͤßten Stellen der Wieſen, wo man ſie immer herumlau⸗ fen ſieht, wenn man daſelbſt Fußſchlingen legt oder Leimruͤthchen, woran man lebendige Mehlwuͤrmer gebunden, hinſteckt. Selbſt in Netzfallen gehen ſie dann. In den Bruͤchern kann man ſie auf ihren Lieblingsſitzen, den Spitzen niedriger Seilweidenbuͤſche, den alten Storzeln vormals umgehauener Baͤume und auf hingeſtreckten Stoͤcken leicht mit Schlingen oder Leimruthen fangen. Im Herbſt überzieht man fie auf den Feldern in großer Menge mit dem Lerchennachtgarn, ihres kleinen Koͤrpers wegen entſchluͤpfen aber ſehr viele durch die fuͤr ſie zu weiten Maſchen des Netzes und laſſen dann, ſobald ſie frei ſind, zum Verdruß der Lerchenfaͤnger, ihr frohlockendes H iſt hiſt hören. ne e n. Im Herbſt giebt ihr dick mit Fett uͤberzogener Koͤrper ein ſehr delicates Gericht, und man wuͤrde ſie eben ſo gern, vielleicht lieber noch, als die Feldlerchen verſpeiſen, wenn ſie nicht ſo klein waͤren. Man verkauft ſie deshalb auch immer billiger. — Sie vertilgen viel laͤſtige und beſonders dem Vieh beſchwerliche In⸗ ſecten und erfreuen uns mit ihrem Geſange. Dem Vieh werden ſie durch Wegfangen vieler Stechfliegen, Muͤcken und anderer vom Schweiß und Blut jener lebenden Inſecten ungemein nuͤtzlich Sĩſch a d e n khun ſie uns gar nicht. 789 102. ae e vi =D 1.e.n.eir, Anthus aguaticus. Bechst. Fig. 2. Maͤnnchen im Fruͤhling. Taf. 88. — 3. — im Herbſt. — 4. Junger Vogel. 8 ergpieper, Waſſerlerche, Sumpflerche, Moorlerche, Mohr⸗, Dreck⸗ und ne „ Slorentinifche Lerche, braunfalbe Lerche. Anthus aquaticus. Bechſteins Naturg. Deutſchl. 2te Aufl. III. S. 745. Anthus rupesiris. Nilsson Orn. suec. I. p. 245.n. 115. = Alauda campe- Sts syinoleita. Gmel. Linn. Syst. T. p. 794. n. 4. Var. B. — Lath. Ind. orn. II. p. 495. n. 12. Var. B. = Buffon pl. enl. 661. fig. 2. eine gute Abbildung unter dem falſchen Nahmen Alouette pipi. — Pipit Spröngelle Temmink. Man. d Orn. nouy. Ed. p. 205. Meadow Lark. Lath. syn. IV. p. 378. n. 10. Var. A. — Ueberſ. v. Bechſtein. IV. S 379. n. 10. Var. A. = Pispolada Spion cella. Stor, deg.ucc. IV. t. 388. fig. 2. - Bechſteins orn. Taſchenb. S. 564. — Wolſs und Meyers Beigenb, S. 258. = (Meisner und Shine V. d. Schweitz. S. 131. n. 137. = Koch Bayer. Zool. I. S. 178. n. 101. Junger Vogel: Alauda obscura. Gmel. Linn. I. p. 801. n. 33. —i Lath. Ind. orn. II. p. 494. n. 7. == Alauda petrosa, (Rock-lark) Montagu Transact of de Linn. Societ. IV. p. RN == Dusky Lark. Lewin britt. Birds. III. pl. 94. = Alauda pratensis Variet. Penn. britt, Zool. fol. pl. P. I. Alter Vogel im Hochzeitskleide: Anihus montanıs. 5 PER Zool. I. S. 179. n. 102. : af Kennzeichen der Art. Be Oben tief olivengrau oder braungrau, mit wenig bemerkbaren ſchwarzgrauen Flecken; die großen Fuͤße dunkel kaſtanienbraun oder ſchwarz. Der Nagel der Hinterzeh viel laͤnger als dieſe und ziem⸗ lich ſtark gebogen. 790 III. Ordn. XVII. Gatt. 102. Waſſerpieper. ee wervünD,. Dieſer Vogel hat in ſeinem hochzeitlichen Kleide auf den erſten Blick einige Aehnlichkeit mit der gelben Bachſtelze (M. flava) im Winterkleidez er iſt aber merklich größer, in allen Theilen von ſtaͤrkerem Bau, von oben nicht gruͤnlich, und an den untern Theilen roͤthlicher. Hat man beide beiſammen, ſo fallen alle dieſe Unterſchiede ſehr in die Augen. — Unſer Vogel aͤhnelt auch darin den Bachſtelzen, daß er einer doppelten Mauſer unter⸗ worfen iſt; denn am Kopfe, Vorderhalſe und der Bruſt bis zum Bauche erneuert ſich waͤhrend des Winters das Gefieder, und ſo entſtehet ein vom Herbſtkleide verſchiedenes Fruͤhlings- oder Hochzeitskleid. — Su der Größe, aber nicht in der Farbe, aͤhnelt er dem Brach⸗ piepe r. 5 Seine Länge beträgt 65 bis 7 Zoll, die Fluͤgelbreite 114 bis 12 Zoll; die Laͤnge des am Ende faſt geraden, oder doch nur ſehr wenig ausgeſchnittenen Schwanzes 28 Zoll, und die Spitzen der in Ruhe liegenden Fluͤgel reichen etwas uͤber die Haͤlfte deſſelben hin. Es iſt ein ziemlich ſchlanker Vogel, doch nicht ſo u wie die Bachſtelzen. Der Schnabel hat die Gestalt von dem des en pers und iſt viel ſchwaͤcher als der des Brachpiepers, ſehr geſtreckt, an der Wurzel ſtark und etwas breit, der Oberkiefer ſehr wenig gebogen, vor der Spitze ſeicht ausgekerbt, die Unterkinnlade gerade, mit pfriemenfoͤrmiger Spitze; nach der Stirn zu iſt er ſcharf⸗ kantig, übrigens 67 Linien lang, braunſchwarz, an den Schneiden und an der Wurzel der Unterkinnlade ins ſchmutzig Gelbroͤthliche übergehend, im Fruͤhlinge ganz ſchwarz. Das bohnenfoͤrmige Na⸗ ſenloch hat einen etwas vorſtehenden Rand, beſonders an der obern Seite. An den Zügeln ſtehen kurze ſch ate Haͤaͤrchen. der Aus genſtern iſt dunkelbraun. Die Fuͤße ſind etwas 1 ſchwarz, mit durchſchimmerndem Rothbraun, im Leben dunkel kaſtanienbraun; ihre Bedeckung auf dem Spann nur ſeicht eingekerbt; die Naͤgel, bis auf den der Hinterzeh, klein und ſpitzig, diefer aber anſehnlich groß, duͤnn und in einen Bo— gen gekruͤmmt, welcher den vierten Theil eines Zirkels beſchreibt. Der Lauf iſt etwas über 1 Zoll hoch; die aͤußere Zeh 4 Zoll, und die Mittelzeh 3 Zoll lang, wovon die Naͤgel etwa 2 Linien wegnehmen; die III. Ordn. XVII. Gatt. 102. Wafferpiever. 791 Hinterzeh ohne Nagel 3 Linien, und die Kralle, uͤber dem Bogen gemeſſen, uͤber 6 Linien lang. Bei juͤngern Voͤgeln iſt dieſer große Nagel immer kuͤrzer. Das Fruͤhlingskleid des maͤnnlichen Vogels hat folgende Farben: Zuͤgel und Wangen find grau; das Augen- liedraͤndchen weiß; ein weißer, gelbroͤthlich uͤberflogener Streif faͤngt hinter dem Naſenloch an, zieht uͤber das Auge weg bis an das Genick; Stirn, Scheitel, und Hinterkopf braͤunlichaſchgrau, etwas dunkler gefleckt, der Nacken lichter oder mit Aſchgrau uͤberlau⸗ fen; Ruͤcken, Schultern und Steiß graubraun, an erſteren beiden mit obſoleten dunklern Flecken, die ihren Sitz am Schafte und tief an der Wurzel haben, daher wenig ſichtbar werden. Die Kehle, der Bauch und After ſind weiß, der Vorderhals und die ganze Bruſt bleich roſtroͤthlich, oder faſt ſchmutzig fleiſchfarben, in den Seiten f grau uͤberflogen, alles ungefleckt, nur in den Weichen mit graubrau⸗ nen verwiſchten Laͤngsflecken. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind wie der Rüden; die mittlere Reihe dunkelbraun, mit braͤunlich- oder roͤthlichweißen großen Spitzenkanten; die großen Deckfedern eben⸗ falls dunkelbraun, mit licht gelblichbraunen Kanten und weißen Spitzen; durch dieſe, mit den vorhergehenden, entſtehen zwei weiß⸗ liche Querſtriche über dem Fluͤgel. — Die Schwungfedern find alle dunkelbraun, die vordern mit ſehr feinen, ſchmutzig weißgelbli⸗ chen Saͤumchen, die der dritten Ordnung aber mit licht graubrau⸗ nen Außenfahnen, die in ſchmutzig braͤunlichweißliche Saͤume uͤber⸗ gehen, die beſonders am Ende am bemerkbarſten find; die Schwanz⸗ federn dunkelbraun, an den mittelſten mit breiten, an den uͤbrigen mit ſehr ſchmalen lichtgraubraunen Saͤumen, die an den vorletzten in reines Weiß uͤbergehen, an den aͤußerſten die ganze aͤußere Fahne einnehmen und hier mit einem großen weißen Keilfleck, welcher von der Mitte bis zur Spitze geht, vereinigen; auch die zweite von au⸗ ßen hat noch einen kleinen, 3 Zoll langen, weißen, keilfoͤrmigen Fleck. — Von unten iſt der Schwanz ſchwaͤrzlichbraungrau, mit der obern weißen, keilfoͤrmigen Zeichnung der aͤußerſten Federn; die Schwingen unten braungrau; die untern Fluͤgeldeckfedern ſchmu⸗ tzig gelblichweiß, mit grauen a bie kleinen grau gefleckt. Das Weibchen in dieſem Kleide ſieht dem Männchen, bis auf die blaͤſſere Unterſeite und eine etwas geringere Groͤße, voͤllig gleich. 8 ö 792 III. Drdn. XVII. Gatt. 102. Waſſer⸗Pieper Ganz anders iſt dagegen das Herbſtgewand dieſer Voͤgel. Der Schnabel iſt lichter, unterwaͤrts ſchmutzig fleiſchfarben oder roͤthlichgelb, die Farbe der Füße auch lichter kaſtanienbraun; über das Auge zieht ſich ein trübe gelblichweißer Streif; Scheitel, Ge: nick, Hinterhals, Ruͤcken und Schultern ſind dunkel olivenbraun⸗ grau, doch kaum ins Gruͤnliche ſpielend, mit ſehr verdeckten ſchwarz⸗ grauen Flecken, die auf der Mitte der Federn ſitzen, daher wenig. geſehen werden; der Buͤrzel etwas lichter, ohne Flecke, die obern Schwanzdeckfedern in der Mitte dunkler. Die Zuͤgel ſind dunkel⸗ grau, und dies ſetzt ſich auch noch etwas an den Schlaͤfen in einem Striche fort; die Wangen braungrau, in der Mitte weißgelblich gemiſcht, unter dem Auge weißlich; unter den Wangen ein ſchmu⸗ tzigweißer Streif; Kehle und Gurgel weiß; alle uͤbrigen Theile des Unterkoͤrpers ſchmutzigweiß, nach den Seiten zu ein wenig gelblich, und in den Weichen graulich angeflogen, an den Seiten der Gurgel, am Kropfe, an den Seiten der Bruſt und in den Weichen mit dunkelbraungrauen Flecken, die am Kropfe am dunkelſten, an den Seiten der Bruſt aber am groͤßten ſind, unterwaͤrts in ſchmale Schaftſtriche ausarten, ſonſt aber an ihren Raͤndern vom Grunde nicht ſcharf begrenzt werden. Unter der Gurgel ſind ſie ſo dunkel und ſtehen da ſo dicht, daß ſie eine ſehr dunkelgefleckte Stelle, faſt wie ein Hufeiſen geſtaltet, bilden. Die Flügel und Schwanzfedern ſind wie ſie oben beſchrieben wurden, aber mit viel breiteren Kan⸗ ten, daher auch groͤßern weißen Endſaͤumen, und folglich auch deutlichern Querſtrichen. — Zwiſchen Maͤnnchen und Weibs chen iſt ebenfalls in dieſem Herbſt⸗ oder Winterkleide in der Far- be wenig Unterſchied, bloß an der untern Seite iſt letzteres ſchmu⸗ tziger weiß und etwas mehr gefleckt. — Die juͤn gern Maͤnn⸗ chen find, gegen die alten gehalten, von oben nicht ſo duͤ— ſter und mehr ins Olivengruͤnliche ſpielend, an den untern Theilen mehr ſchmutzig gelblichweiß und lichter gefleckt, weil die Raͤnder der Flecke ſanft in die Grundfarbe verlaufen, und beide Geſchlechter unterſcheiden ſich auf ähnliche Weiſe wie bei aͤltern Voͤ⸗ geln. — Die Hauptfarben an dieſem Kleide find demnach, oberflaͤch⸗ lich betrachtet, ein duͤſteres Maͤuſegrau und truͤbes Weiß, und er- ſteres ſieht in einiger Entfernung ziemlich dunkel, faſt ſchwarzgrau aus, ſo daß der fliegende Vogel ſich dadurch ſogleich von andern Pieperarten unterſcheidet. Ganz verſchieden von dieſem, und dem des Wieſen- und III. Or dn. XVII. Gatt. 102. Waſſer⸗Pieper. 793 Baumpiepers viel aͤhnlicher, iſt das erſte Jugendkleid. Der Schnabel iſt nur oben und an der Spitze ſchwaͤrzlich, ſonſt ſchmutzig gelblichfleiſchfarben, an den Mundwinkeln gelb; die Füße braun, mit gelblichen Sohlen; die Iris ſchwarzbraun. Von oben iſt die Farbe ein ſehr dunkles Olivenbraungrau, gruͤner und viel dunkler als an den Alten, mit obſoleten ſchwaͤrzlichen Flecken; ein gelblichweißer, aber nicht ſehr großer Streif laͤuft uͤber das Auge; die Zuͤgel ſind ſchwarzgrau; die Wangen olivengrau, braun und lichtgelb gemiſcht; die Kehle bis an die Gurgel truͤbe oder gelblich— weiß, groͤßtentheils ungefleckt, an den Seiten aber mit einem unor— dentlichen graubraunen Fleckenſtreif begrenzt; die Seiten des Halſes, die Kropfgegend, Oberbruſt und Seiten des Unterleibes roſtgelblich— weiß, am Kropfe am meiſten roſtgelb, und hier auch dichter als an- derwaͤrts, mit matt dunkelbraunen, laͤnglichen Flecken beſetzt, die in den gruͤnlichgrau uͤberflogenen Weichen ſtrichartig werden, uͤbrigens dem Unterleibe eine aͤhnliche Farbe und Zeichnung geben, wie ſie die jungen Voͤgel des Baumpiepers haben. Die Fluͤgel- und Schwanzfedern ſind wie an den Alten, die breiten Kanten fallen aber mehr ins Gruͤnlichgraue, und an den Spitzen der Federn ins Gelblich⸗ weiße. Der Schnabel iſt immer noch weniger ausgebildet, daher kuͤrzer, und der Nagel der Hinterzeh auch noch viel kuͤrzer und kruͤmmer als bei alten Voͤgeln. Maͤnnchen und Weibchen ſind in dieſem Gewande aͤußerlich kaum zu unterſcheiden; erſteres iſt an der Bruſt bloß etwas gelber, und an den Seiten des Kropfs ane ſchoͤn roſtgelb. a Im Spaͤtſommer maufern dieſe Voͤgel ihr ganzes Gefieder, und im Fruͤhjahr, bei einer zweiten Mauſer, bloß das kleine, dies viel— leicht nicht einmal ganz; ich habe wenigſtens einige geſehen, wo der ganze Ruͤcken noch die Federn vom Herbſtkleide hatte, und erinnere mich nur eines einzigen, wo auch 10055 Theile friſch vermauſert waren. A uf een th et., f Dieſer Pieper wurde in Europa hin und wieder, und auch in Nordamerika angetroffen. Man hat ihn in Italien, Frankreich, England, Schweden und Rußland. be merkt, einzeln auch in Holland und Daͤnemark, haͤufiger aber in der Schweitz beobachtet. In Deutſchland gehoͤrt er in vielen Gegenden unter die groͤßten Seltenheiten, in einigen iſt er es aber 794 III. Ordn. XVII. Gatt. 102. Waſſer⸗Pieper. weniger, dies z. B. im Gebirge, jenes in den Ebenen; denn er iſt ei⸗ gentlich ein Gebirgsvogel. So hat man ihn in den Schleſiſchen Gebirgen, in Boͤhmen, Oeſterreich, bis nach Tyrol hin, im Baierſchen und Salzburgſchen, in Franken, Thuͤrin⸗ gen und im Voigtlande, hin und wieder nicht gar einzeln, an⸗ getroffen, haͤufiger noch auf den Gebirgen der Schweiß; allein in den Ebenen Norddeutſchlands iſter ſehr ſelten, auch an den Hollaͤndi⸗ ſchen und Norddeutſchen Kuͤſten. An der Suͤdweſtkuͤſte Schwedens ſoll er ziemlich haͤufig ſein. Wahrſcheinlich iſt er in noch mehreren Europaͤiſchen Ländern; es hat dort vielleicht nur an Beobachtern ge⸗ fehlt. In unſern Ebenen gehoͤrt er zu den ſeltenſten Erſcheinungen. Auch er muß unter die Zug voͤgel gezaͤhlt werden; weil er aber ſo gleichguͤltig gegen unſere Winterkaͤlte iſt, ſo uͤberwintert er zum Theil in Deutſchland und muß im Sommer hoch oben im Norden wohnen. Aus Schweden zieht er im Herbſt weg und koͤmmt im Fruͤhjahr dahin zuruͤck. Bei uns, im mittleren Deutſch⸗ land, erſcheint er, als Zugvogel, fruͤheſtens zu Anfang Novembers, über: wintert hier und geht ſpaͤteſtens gegen Anfang des Maͤrzes in die noͤrdlichern Länder zuruck. Die, welche im Sommer auf den Ges birgen Deutſchlands wohnen, ziehen ſich bei herannahendem Winter in die Thaͤler herab, bleiben Theils im Lande, theils verlaſſen ſie es auf kurze Zeit, fo daß man fie unter die Strich voͤgel zählen darf. a Der Waſſerpieper liebt die Gebirge ſo ſehr, daß man ihn im ſuͤdlichen Europa einen wahren Alpenvogel nennen kann, indem er ſelbſt noch auf den hoͤchſten Alpen wohnt und im Sommer die hohen Gebirge gar nicht verlaͤßt; ſo iſt er z. B. in der Naͤhe der Schnee⸗ koppe, der hoͤchſten Spitze des Rieſengebirges, vielleicht auch noch auf mehreren hohen Punkten der Gebirge Deutſchlands, in; einer Hoͤhe, wo der Holzwuchs aufhoͤrt, und die Krummholzkiefer nur noch kuͤmmerlich gedeihet. Auf den Alpen der Schweitz wohnt er im Sommer ebenfalls in einer Region, welche der des ewigen Schnees zunaͤchſt liegt; in Schweden und Großbrittannien aber an den fel⸗ ſigen Kuͤſten und auf aus dem Meere hervorragenden Felſenpartien, in der Naͤhe jener. — Waſſer, nacktes Geſtein und Felſen muͤſſen nahe vereint ſein, wo er ſich im Sommer aufhalten ſoll, und er koͤnnte eben fo gut Berg- Stein- oder Felſenpieper, als Waſ⸗ ſerpieper heißen, ja noch fuͤglicher, da er nicht an jedem Gewaͤſſer angetroffen wird, und der Wieſenpieper auch gern am Waſſer III. Orden. XVII. Gatt. 102. Waſſer⸗Pieper. 795 ſich aufhaͤlt. — Er liebt das Meerwaſſer und im Gebirge die kal⸗ ten Quellwaſſer und uͤber Felſen oder Kiesgrund hinrieſelnde Baͤche, vorzuͤglich aber die moraſtigen Quellen der hoͤchſten Berge. Aus allem ſcheint hervorzugehn, daß er fuͤr einen kaͤlteren Himmelsſtrich geſchaffen iſt, weil er ſich in ſuͤdlichern Gegenden auf den hohen Ge⸗ birgen eine Temperatur ſucht, die derjenigen gleicht, in welcher er in den genannten noͤrdlichen Laͤndern am Geſtade des Meeres lebt. Auch auf ſeinen periodiſchen Wanderungen folgt er noch dem Lauf der Gebirge und hohen Kuͤſten, und iſt er einmal gezwungen, eine Gegend zu durchreiſen, wo es an jenen mangelt, ſo weiß er doch ſolche Stellen herauszufinden, die ihnen, wenn auch nur ent⸗ fernt, ähneln. So ſieht man ihn z. B. auch da an den Kuͤſten, wo man die Deiche unten am Waſſer mit einer Menge großer Steine oder Feldwacken, zum Schutz gegen den heftigen Anprall der Meeres⸗ wogen, belegt hat, wie dies häufig in Holland und an den Deutfchen, Kuͤſten der Nordſee vorkoͤmmt, wo viel Tauſende ſolcher Steinmaf- fen, dicht neben einander liegend, oft mehrere Meilen weit unun⸗ terbrochen, den Saum des Meeres bilden, zwiſchen welchen bei ru— higer See die Wellen ihr Spiel treiben, die aber von hoher See überflutet werden. — Muß er über eine Ebene, fo weiß er ſchon ein kaltes Quellwaſſer oder einen Bach u. dergl. aufzufinden, die ihm allenfalls einen kurzen Aufenthalt goͤnnen. Sonſt trifft man ihn den Winter hindurch nur in gebirgigen Gegenden, wo es Gewaͤſſer giebt, welche gar nicht oder doch nicht ganz zufrieren. Wird die Kaͤlte ſo heftig, daß auch dieſe zum Theil mit Eiſe belegt werden, ſo zieht er ſich ſuͤdlicher; ſonſt iſt er faſt jeden Monat im Winter, auch bei ſtren⸗ ger Kaͤlte, an ſolchen Gewaͤſſern, wo man auch den Waſſer⸗ ſchwaͤtzer antrifft. — Man ſieht ihn dann an Baͤchen, kleinen Fluͤſſen und Teichen, ſie moͤgen kieſige oder ſchlammige Betten ha— ben; hat er aber in einer zum Winteraufenthalt gewaͤhlten Gegend zwiſchen dieſen die Wahl, ſo zieht er ſolche Teiche und Quellwaſſer, die ſchwarzen, ſchlammigen Boden und ſeichtes Waſſer haben, de- nen mit kieſigem Grunde vor; vom Eiſe muͤſſen die einen, wie die an⸗ dern, natuͤrlich frei bleiben. Man findet ihn aber gewoͤhnlich nur einzeln, hoͤchſtens paarweiſe, und es giebt in Deutſchland wenig⸗ ſtens nicht viel Gegenden, wo man ihn jeden Winter antrifft. — In den Laͤndern, wo er voͤllig einheimiſch iſt, wie z. B. in der Schweiß, begiebt er ſich, ſobald es auf dem Bergen zu ſehr ſtuͤrmt, im Herbſt 796 III. Dron. XVII. Gatt. 102. Waſſer⸗Pieper. tiefer herab und koͤmmt dann im Winter an die Seen und andere Gewaͤſſer, die nicht zufrieren, und in die tiefern Thaͤler; dann ſieht man ihn nahmentlich am Bodenſee eben nicht ſelten. Im Frühjahr ruͤckt er allmaͤhlig wieder in die hoͤhern Alpen hinauf, doch muß er, wenn es, wie oft geſchieht, oben ſehr ſtuͤrmt und nochmals viel Schnee giebt, oͤfters auf einige Zeit wieder herab, welches Schickſal er mit vielen andern Voͤgeln, welche die hohen Berge bewoh— nen, theilt. Man ſieht ihn gewoͤhnlich bloß am Waſſer, wo er am Ufer und auf dem vorragenden Geſtein herumlaͤuft, auch im ſeichten Waſſer herumwadet, ſich zuweilen auf hoͤhere Steine, Pfaͤhle und auch auf Baͤume ſetzt, doch auf letztern nie lange verweilt; aber niemals im eigentlichen Walde, und eben ſo wenig jemals auf trocknen Feldern. Dadurch unterſcheidet er ſich ſehr vom Brach- und Baum pie per, aber weniger vom Wieſenpieper, welcher ſogar oͤfters an aͤhnlichen Orten uͤberwintert. 5 Eigen ſ cha ft e u. Dieſer lebhafte Vogel hat in feinem Betragen viel Aehnlich— keit mit dem Wieſenpieper und iſt deshalb in der Ferne vielleicht oft mit ihm verwechſelt worden. Er zeichnet ſich dem Kenner zwar durch ſeine anſehnlichere Groͤße, dunklere, von den weißen Zeichnun⸗ gen viel mehr abſtechende Farbe und etwas ſchlankere Geſtalt ſchon von weiten aus, doch kann ein ungeuͤbtes Auge ſich auch leicht taͤu⸗ ſchen. Er iſt hurtig, gewandt, liſtig, und da wo er ſich nicht ſi⸗ cher weiß, oder ſich verfolgt ſieht, ſcheu und wild, wo er aber Ruhe hat und am Bruͤteplatze viel zutraulicher, doch immer auf feiner Hut. Er laͤuft ſchoͤn und ſchnell, wie eine Bachſtelze, an den Ufern entlang, und wadet ins ſeichte Waſſer ſo tief, als es ihm die Hoͤhe ſeiner Fußwurzeln erlaubt, traͤgt dabei den Koͤrper ganz wa⸗ gerecht, den Schwanz zuweilen gar noch etwas hoͤher, und bewegt dieſen mit dem Hinterleibe haufig auf und nieder. Beim Auffliegen läßt er gewöhnlich feine Stimme hören und ſetzt ſich dann mehren⸗ theils bald auf einen erhabenen Stein oder Baumzweig; da wo er aber nur als Gaſt auf kurze Zeit ſich aufhaͤlt, fliegt er meiſtens weit weg und koͤmmt oft erſt in geraumer Zeit an den erſten Platz zu⸗ ruͤck. Sein ſchneller, gewandter Flug hat einige Aehnlichkeit mit dem des Brachpiepers, mehr aber noch mit dem des Wie ſen- piepers; ergeht auf kurzen Strecken niedrig, auf weitern aber hoch III. Ordn. XVII. Gatt. 102. Waſſer⸗Pieper. 797 durch die Luft, bildet hier eine Schlangenlinie, dort aber kleinere Abſaͤtze; doch kann man ihn eigentlich hier nicht huͤpfend nennen, we⸗ nigſtens nicht in dem Maaße, wie den des letztgenannten Vogels. Am Brutorte aͤhnelt er dieſem in ſeinem Betragen am meiſten. Seine Stimme gleicht auch der des Wieſenpiepers, ſie klingt aber groͤber oder tiefer und heiſerer, wie Huͤſch huͤſch! Beim Auffliegen ſtoͤßt der Vogel dieſes Huͤſch gewöhnlich zwei Mal, ſelten oͤfterer, nach einander aus; fonft hört man es nur ein: zeln. — Der Geſang des Maͤnnchens wird von Bechſtejn mit dem Schwalben= und Zeiſiggeſange verglichen, ziſchend, wetzend heiſer und nicht laut genannt, wobei es den Lockton hoͤher und tie— fer haͤufig einmiſchen und dabei herumlaufen ſoll; am Bruͤteplatze ſingt es aber lauter, und Nilsson nennt den Geſang dem des Wieſenpiepers aͤhnlich und ſagt, daß das Männchen ſingend in die Luft fliege und, ohne Fluͤgelbewegung, ſchwebend und fanft ſich, waͤhrend des Singens, wieder auf die Felſen herabließe. Ich ſelbſt habe es noch nicht ſingen hoͤren. Nach Bechſtein, ſoll er ſich leicht an die Gefangenſchaft ge⸗ woͤhnen und, in der Stube frei herumlaufend, wie in einem mit Sprung⸗ hoͤlzern verſehenen, geraͤumigen Lerchenkaͤfig, ſich recht gut und viele Jahre lang halten. Er ſagt von ihm, daß er die Reinlichkeit liebe, beſonders immer an ſeinen Fuͤßen herumputze und nicht leide, daß ſich Faͤdchen oder Faſern u. dergl. daran hingen. Naher un g Hafte, Fruͤhlingsfliegen, Muͤcken, Schnaken und andere am Waſſer ſich aufhaltende Inſecten und deren Larven fangen ſie an den Ufern und im ſeichten Waſſer. Sie leſen ferner allerlei kleine Kaͤfer und Wuͤrmchen auf und freſſen beſonders ganz kleine Schne⸗ cken ſammt den Gehaͤuſen ſehr gern, ja dieſe ſcheinen faſt, wo es ſein kann, ihre Hauptnahrung auszumachen. Bei uns finden ſie, beſon⸗ ders in ſchlammigen Waſſern, die kleine Waſſerſchnecke (Helix auri- cularia) und fuchen deshalb diejenigen, worin dieſe Thierchen ſehr haͤufig leben, hauptſaͤchlich im Winter gern auf. Am Meeresſtran⸗ de finden ſie einige kleine Arten von Conchylien, von der Groͤße eines Stecknadelknopfes, in unſaͤglicher Menge, daher ſind ſie auch dort fo gern. Der Genuß dieſer Schalthiere theilt ihren Eingewei— den einen thranartigen Fiſchgeruch mit, wie man ihn bei vielen Waſ⸗ ſervoͤgeln findet, welcher auch manchmal aͤußerlich am Vogel 798 III. Ordn. XVII. Gatt. 102. Waſſer⸗Pieper bemerkbar wird. — Wenn ſie nach Nahrung ſuchen, betragen ſie ſich faſt wie die Bachſtelzen, ſpringen oft nach den entfliehenden In⸗ ſecten oder ſuchen fie zu beſchleichen, durchſtoͤhren den weichen Bo: den nach Würmern oder waden ihnen bis ans ſogenannte Knie im Waſ⸗ ſer nach. Wo ſie ſich mit lauter Inſecten und deren Larven oder weichem Gewuͤrm behelfen muͤſſen, verſchlucken ſie zur Befoͤrderung der Verdauung auch grobe Sandkoͤrner; wo ſie aber die kleinen Schalthierchen finden, ſcheint dies nicht noͤthig, weil die mit ver ſchluckten Gehaͤuſe derſelben hier dieſen Dienſt verrichten. — Durch ihre Nahrung naͤhern ſich dieſe Voͤgel den eh und Waſſer⸗ voͤgeln. In der Stube ſollen fie ſich leichter als irgend ein anderer Vo⸗ gel dieſer Gattung an jedes für Inſecten- freſſende Voͤgel paſſendes Univerſalfutter gewoͤhnen, wenn man ihnen Anfangs Mehlwuͤrmer und Ameiſeneier unter daſſelbe mengt. Bei der Mauſer wollen ſie jedoch eine ſorgfaͤltigere Pflege und mehr von den letztern, weil ſie ſonſt oft, waͤhrend jener, an der Auszehrung ſterben ſollen. Sonſt lernen ſie auch gequetſchten Mohn und Hanfſamen, unter das gewöhnliche Futer gemengt, freſſen und werden fo zahm, daß fie ihrem Waͤrter die Leckerbiſſen aus der Hand nehmen. Friſches Waf- ſer zum Bade iſt ihnen auch nothwendig; doch ſollen ſie ſich nicht iv gern und oft baden, als die Wieſenpieper. anz een Sie niſten in Deutſchland nur ſehr einzeln auf den hoͤchſten Gebirgen, an moraſtigen Quellen derjenigen Region, wo der Holz⸗ wuchs eben aufhoͤrt, z. B. auf der Schneekoppe des Rieſengebirgs und auf mehreren hohen Punkten der Suͤddeutſchen Alpen. In der Schweitz iſt dies nichts Seltnes. — Im ſuͤdweſtlichen Schweden und andern nördlichen Laͤndern niſten fie aber an ganz andern Or⸗ ten, naͤmlich am felſigen hohen Geſtade des Meeres, zwiſchen dem Klippen und auf ſolchen Felſenmaſſen, die in der Naͤhe jener ſich aus dem Meere erheben. An manchen Stellen der Kuͤſte der Provinzen Halland und Schonen ſollen ſie ſich haͤufig fortpflanzen. — Das Neſt ſteht immer zwiſchen Steinen im Graſe verſteckt, iſt von duͤr⸗ ren Grashalmen und andern zarten Pflanzenſtengeln kunſtlos ge⸗ webt und haͤufig auch mit Thierhaaren ausgelegt. Es enthaͤlt vier III. Ordn. XVII. Gatt. 102. Waſſer⸗Pieper. 799 bis fünf Eier). Diejenigen, welche ich aus verſchiedenen Ländern erhielt, und die gewiß aͤcht ſind, haben die kurzovale Form der Eier des Baumpiepers, ſind aber bedeutend groͤßer, und eben ſo groß wie die des Brachpiepers, alſo groͤßer als die der wei⸗ ßen Bachſtelze. In der Farbe aͤhneln ſie den grauen Spielar⸗ ten (den gewoͤhnlichſten) unter denen des Baumpiepers ſehr; man ſieht es gleich, daß es Piepereier ſind und wuͤrde ſie fuͤr die des letztgenannten halten, wenn ſie dieſe in der Groͤße nicht um vieles uͤbertraͤfen. Sie find auf einem blaͤulich grauweißen Grunde über und uͤber mit braungrauen oder graubraunen Punkten, Strichelchen und Fleckchen, die haufig an einander hängen, überfäet, doch mehr noch am ſtumpfen Ende als am entgegengeſetzten; dieſe ſind zuweilen auch hier noch mit aſchgrauen Punkten und kleinen Fleckchen ver: mengt, ſo daß ein ſchwacher Schein von einem Fleckenkranz entſteht, oder es fließen hier die Zeichnungen doch ſo zuſammen, daß wenig vom Grunde durchſchimmert, was am andern Ende nie ſo der Fall iſt. Manche laſſen, wegen der geringern Anzahl von Flecken, viel vom Grund ſehen und ſind daher ſehr hell, bei andern iſt es umgekehrt; bei noch andern (aber ſelten) faͤllt alles ein wenig ins Roͤthliche, weil die Zeichnungen roͤthlichgraubraun ſind. Noch iſt zu bemerken, daß die Zeichnungen an allen Eiern, die ich ſahe, groͤber waren, als die an den meiſten Eiern des Baumpiepers. Feinde. Man fand ein großes Schmarotzerinſect in feinem Gefieder, und in ſeinen Eingeweiden einen in mehreren aͤhnlichen Voͤgeln vor⸗ kommenden Bandwurm, Taenia platycephala. — Der Sper⸗ ber verfolgt und faͤngt ihn zuweilen. Sa, g Manchmal zeigt er ſich gar nicht ſcheu und iſt daher leicht zu ſchie⸗ ßen; ein andermal iſt er es in einem ſo hohen Grade, daß er ungeſehen hinterſchlichen werden muß; beſonders macht ihn eine fortgeſetzte Ver⸗ folgung ſehr mißtrauiſch und fluͤchtig. Jagt man ihn dann auf, ſo fliegt er meiſtens weit weg und kehrt erſt ſpaͤt wieder an den erſten Ort zuruͤck. *) Dieſe Nachrichten, wie viele zur Berichtigung der Raturgeſchichte biefes Vo⸗ gels, verdanke ich der Guͤte meiner Freunde aus ſehr verſchiedenen Gegenden. Ich ſelbſt ſahe den Waſſerpieper noch nicht am Bruͤteorte. 800 III. Ordn. XVII. Gott. 102. Waſſer⸗Pieper. Kann man ſich dann in einem Hinterhalt nach ihm anſtellen, ſo gelingt es am beſten. — Fangen kann man ihn auf vom Schnee entbloͤßten Stellen dicht am Waſſer, mit Leimruthen, woran man lebende Mehlwuͤrmer befeſtigt, oder in einem Schlaggaͤrnchen mit eben diefer. Lockſpeiſe, an ſolchen Orten, wo man ihn im Winter oͤfters herum⸗ laufen ſah. a N ah du Das Fleiſch dieſer Voͤgel iſt 915 ee man ſoll ſie deshalb in Italien haͤufiger fangen und, nahmentlich in Venedig, zu Markte bringen. Dadurch, daß fie viele beſchwerliche Inſecten aufzehren und durch ihre Gegenwart manchen ſonſt ſtillen Ort be leben, werden fie ebenfalls nuͤtzlich und angenehm. n Sie werden uns, ſo viel man weiß, nicht ſchaͤdlich. 801 Achtzehnte Gattung. Bachſtelze. Motacilla, Zar. Schnabel: Geſtreckt, gerade, duͤnn, faſt walzenfoͤrmig, doch nach vorn bedeutend ſchmaͤler, auf den Raͤndern nur ſehr wenig eingebogen; der Ruͤcken faſt kantig; die Spitze pfriemenfoͤrmig, vor derſelben am Oberſchnabel nur ein ſehr ſeichter Ausſchnitt. Naſenloͤcher: Dicht am Schnabelgrunde, klein, frei, durch— ſichtig, rundlich oder oval; über denſelben eine ſchwache weichhaͤu— tige Schwiele. Zunge: lanzettfoͤrmig, ſchmal, mit borſtig zerriſ⸗ ſener Spitze und ſeicht ausgeſchnittenem, kammartig gezaͤhneltem Hinterrande. Füße: Schlank und dünn; von den vier Zehen find die mitt⸗ lere und die aͤußere der drei vordern von der Wurzel bis faſt zum erſten Gelenk verwachſen. Die Fußwurzeln ſind ſehr zuſammenge⸗ druͤckt; die Zehen und Naͤgel ſchwach „letztere nur flach gebogen; der Nagel der Hinterzeh groß, lang, duͤnn und ſchmal. Der Ue⸗ berzug an den Fußwurzeln iſt faſt geſtiefelt, oder hat nur wenige, ſehr ſeichte Einſchnitte; die Zehenruͤcken find geſchildert. Fluͤgel: Mittelmaͤßig; wegen der ſehr langen hintern Schwungfedern mit zwei Spitzen. Die erſte Schwinge ſcheint gaͤnz⸗ lich zu fehlen; demnach iſt die 2te nur wenig kuͤrzer als die Ste, welches die laͤngſte; von den hinterſten Schwingen iſt die vorletzte Ste faſt fo lang als eine der laͤngſten von den großen Schwingen. 2ter Theil. 51 802 III. Ordn. XVIII. Gatt. Bachſtelze. 5 Schwanz: Sehr lang und ſchmalfederig, am Ende nicht ausgeſchnitten, weil ſeine faſt gleichlangen Federn ziemlich von der Mitte an immer ſchmaͤler werden und an der Spitze ſich gleichfoͤr— mig zurunden. Seine mittleren Federn ſind immer ſchwarz, die aͤußerſten weiß. 8 63 Der Kopf iſt ſehr flachſtirnig, ſpitz und lang, der Hals duͤnn und etwas lang, der Rumpf ſehr ſchlank, und dies alles in einem hoͤhern Grade als bei den Piepern, denen fie im Uebri⸗ gen ſehr aͤhneln; auch die Fuͤße ſind laͤnger und duͤnner, und die Laͤn⸗ ge des Schwanzes ſtets weit betraͤchtlicher, weil dieſe oft die Haͤlfte der Laͤnge des ganzen Vogels einnimmt. — Maͤnnchen und Weibchen ſind in der Farbe wenig verſchieden, deſto mehr weicht das Fruͤhlingskleid vom Herbſtkleide ab; denn fie mau⸗ ſern alljaͤhrlich zwei Mal. In ihrem Betragen und ihrer Lebensart aͤhneln dieſe Voͤgel den Piepern ſo ſehr, wie in ihrer Geſtalt. Beide Gattungen find ſehr nahe verwandt, aber doch für den Kenner leicht zu unter: ſcheiden. Jene naͤhern ſich in mehr als Einer Hinſicht den Ler⸗ chen; die Bachſtelzen nicht. Die meiſten halten ſich gern an Baͤchen auf und waden im ſeichten Waſſer herum, daher ihr deutſcher Nah⸗ me; der lateiniſche bezeichnet dagegen ihre Gewohnheit, den Schwanz haͤufig zu bewegen. Es ſind ſaͤmmtlich kleine, ſehr muntere, gewandte Voͤgel. Sie fliegen geſchickt und ſchnell, laufen ſehr behend und ſtets bloß ſchrittweis, halten ſich meiſtens am Waſſer, auch auf freiem Felde aber nicht eigentlich im Walde auf, ob ſie ſich gleich auch auf Baͤume ſetzen, auf welchen fie jedoch nicht gern verweilen, weil fie ihre Nah⸗ rung auf dem Erdboden und an den Gewaͤſſern finden. Viele woh⸗ nen gern nahe bei menſchlichen Wohnungen und werden ſehr zutrau— lich gegen Menſchen, welche ihnen nichts zu leide thun. Es ſind Zugvoͤgel; wenn gleich einige wenige auch bei uns uͤberwintern, ſo verlaͤßt doch die Mehrzahl in der rauhen Jahreszeit unſer Land. Sie naͤhren ſich bloß von Inſecten, welche ſie laufend, ſeltner im Fluge, zu erhaſchen ſuchen, niſten in allerlei Hoͤhlungen, hoch oder niedrig, oder auf der Erde. Sie legen feingefleckte Eier, die de: nen der Pieper aͤhneln, und das Neſtgefieder der Jungen der meiſten Arten iſt ganz anders gefaͤrbt, als das der Alten, aͤhnelt je⸗ doch dem Herbſtkleide dieſer mehr. „Auch bei den Bachſtelzen hat (nach Hrn. Nitzſch) der untere Kehlkopf den Singmuskelapparat. Der Oberarm: UI. Ordn. XVII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. 803 knochen, wie das ganze Skelet, (außer dem Schaͤdel und einigen pneumatiſchen Raͤumen i im Bruſtbeine) iſt markig, nicht Luft aufneh⸗ mend; überhaupt alles wie bei der Gattung Sylvia; nur iſt der Schaͤdel kleiner, das Bruſtbein merklich groͤßer, beſonders laͤnger, und die Naſendruͤſe etwas entwickelter, weil die Bachſtelzen ſich dem Waſſer mehr naͤhern und in gewiſſer Hinſicht halbe KAandaöget ſind.“ „Es iſt auch hier die Scheidewand der Naſenloͤcher durchbrochen, ſo daß man bequem hindurch ſehen kann.“ Alle aͤchten Bachſtelzen leben in der alten Welt; doch ift dieſe Gattung, ſo viel jetzt bekannt, nicht ſehr zahlreich an Arten. In Europa haben wir deren fünf, wovon zwei noch nicht in Deutſch⸗ land geſehen wurden, doch iſt es von der einen (Motacilla lugubris) nicht unwahrſcheinlich, daß fie auch zuweilen deutſchen Boden bes tritt. Bevor wir indeſſen dies nicht gewiß wiſſen, koͤnnen wir hier nur die als einheimiſch betrachten, welche dafuͤr ſchon laͤngſt bekannt waren, naͤmlich: i b Drei Arten. 108 dan F4beg 7% weiße Ba ch ſte lz e Motacilla alba. Lian. Fig. 1. Maͤnnchen im Semmerkleibe Taf. 88. — 2. — — im Winterkleide. — 3. junger Vogel. Weißbunte — blaͤuliche — blaue — graue — oder gemeine Bachſtelze, Haus- oder Steinbachſtelze; die Bachſtel⸗ ze, Waſſerſtelze, weiße oder graue Waſſerſtelze, Queckſtelze; der Waſſerſterz, Wegeſterz, Queckſterz, Queckſtaart, Wippſterz, Wippſtaͤrt, Wippſtaart, Wipsſteert, witte Weepſtirten, Wackel⸗ 804 Ul. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. ſtaͤrt, Bebeſchwanz, Wedelſchwanz, Wippſchwanz; — Stifts⸗ fraͤulein, Kloſterfraͤulein, Kloſternonne; — Schwienhierd, Acker⸗ mann, graues Schwarzkehlein; im hieſigen Lande: Ackermaͤnnchen und blauer Ackermann. ki Motacilla alba. Linn. syst. nat. I. p. 331. n. 11, — Gmel. Linn. I. 2. p. 960. n. 11. = Retz. faun. suec. p. 256. n. 239. — Nilsson orn. sued. I. p. 234. n. 112. — Lath. ind. orn. II. p. 50. n. 1. La Lavandiere. Buff. Ois. V. p. 251. t. 14. f. 1. — Edit. de Deuxp. IX. p. 284, t. 5. f. 4. Id. pl. enl. 652. f. 1. et 2. — Gérard. tab. élém. I. p. 328. Bergeroneite grise. Tem minck man, 2me Edit. I. p. 253. White Wagtail Lath. syn. IV. p. 395. n. 1. — Ueberſ. v. Bechſtein. IV. S. 396. n. 1. u. Nachtrag S. 178. Bewick Dritt. Birds, I. p. 234. Cuirettola einerea, Stor. deg. ucc. IV. t. 384. f. 2. . Kwiksiaart. Sepp. nederl. Vog. II. t. 119. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 446. — Deſſen Taſchenb. I. S. 161 — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 216. — Deren Vogel Deutſchl. Heft 3. — Teutſche Orn. v. Borkhau⸗ fen u. a. Heft 4 — Meisner u. Schinz, V. d. Schweitz. S. 103. n. 106. Koch, Baier. Zool. I. S. 183. n. 106. - Meyer, V. Liv⸗ u. Eſthlands, S. 410. = Brehm, Beitraͤge. I. S. 911. = Friſch Voͤg. Taf. 23 F. 2. rechts. Naumanns Voͤg. alte Ausg. I. S. 188. Taf. 39. Fig. 86. altes Maͤnnchen im Sommerkleide, und Fig. 87. junges Weibchen im Winterkleide. Junger Vogel. Motacilla einerea. Gmel. Linn. syst, I. 2. p. 961. n. 79. — Lath. ind. orn. II. p. 502. n. 3. La Bergeronnetie grise. Buff. Ois. IV. p. 216. — Edit. d. Deuxp. IX. p. 295. pl. VI. f. 1. = Id. pl. enl, 674. f. 1. — Gerard tab. Ele m. I. p. 332. - Kennzeichen der Art. Die zwei aͤußerſten Schwanzfedern find groͤßtentheils weiß; die untern Schwanzdeckfedern und der Bauch weiß; der Ruͤcken aſchgrau, und der Buͤrzel ſchwarzgrau. Beſchrei bung. | 0 Dieſer angenehm gebildete Vogel unterſcheidet ſich ſchon von weiten durch das viele und reine Weiß, Aſchgrau und Schwarz von den andern beiden Arten dieſer Gattung; dazu iſt er auch von Körper der groͤßte unter ihnen, obgleich die graue Bachſtelze, wegen ihres viel laͤngern Schwanzes und ſchlankern Leibes, faſt glei⸗ che Laͤnge hat. Er kann daher in keinem Alter leicht mit den bei⸗ den andern verwechſelt werden, eher mit der im ſuͤdlichen Europa vorkommenden Mot. lugubris, die jedoch uͤberall, wo M. alba aſch⸗ grau ausſieht, tief ſchwarz iſt. Die Jungen dieſer beiden letztge⸗ nannten ſehen ſich noch viel aͤhnlicher. — Die weiße Bachſtelze iſt zwar ein ſchlanker Vogel, doch nicht in dem Grade, wie die graue und gelbez ſie hat von allen den br Fee und ihr Rumpf die Größe vom Buch nfiken. * III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Weiße Bachſtelz e. 805 Ihre Lange beträgt 7 bis 74 Zoll, wovon der am Ende ge⸗ rade Schwanz 35 Zoll, auch wol einige Linien mehr, wegnimmt, und welcher von den ruhenden Fluͤgeln bis faſt auf zwei Drittheile feiner Laͤnge bedeckt wird; ihre Fluͤgelbreite 114 bis 121 Zoll. Der Schwanz hat weiche, ziemlich breite Federn, die am letzten Drittheile ihrer Laͤnge allmaͤhlig ſchmaͤler werden und am Ende zugerun⸗ det ſind. Der Schnabel ift 8 0 geſtreckt, groͤßer und breiter als bei den beiden andern Arten, 2 Zoll lang, an der Wurzel über 25 Liz nien breit und kaum 2 Linien hoch, aus- und inwendig ſchwarz, nur bei ganz jungen Voͤgeln braͤunlich grauſchwarz oder nur an der Wurzel der Unterkinnlade roͤthlichgrau. Das Naſenloch iſt laͤnglich⸗ rund, die Augenſterne ſehr dunkelbraun, bei den Jungen dunkel 9 Die Füße find ſtaͤrker oder niedriger als bei den beiden ans dern Arten, die zuſammen gedruͤckten Fußwurzeln auch deutlicher ges taͤfelt; die Naͤgel nicht groß, flach gebogen, ſehr zuſammengedruͤckt, und nur der der Hinterzeh duͤnnſpitziger als die der uͤbrigen. Fuͤße und Naͤgel ſind ſchwarz, bei den Jungen lichter, bei den Alten sa ſchwarz. Die Fußwurzel iſt 1 Zoll hoch, Mittelzeh und Kralle £ Zoll, und die Hinterzeh, mit der nicht gar großen 35 Linien Be Kralle, 7 Linien lang. Am alten Maͤnnchen, in feinem Hodzeits: oder Sommerkleide, ſieht man nur drei Hauptfarben, Weiß, Aſch⸗ grau und Schwarz, folgendermaßen vertheilt: Stirn, Vorderkopf, die Gegend um die Augen und Ohren, Schlaͤfe, Wangen und Sei⸗ ten des Halſes ſind rein weiß; Hinterkopf, Genick und Nacken tief ſchwarz; Ruͤcken, Schultern und die kleinen Fluͤgeldeckfedern rein aſchgrau, am Unterruͤcken dunkler, auf dem Buͤrzel in Schwarzgrau und an den obern Schwanzdeckfedern in Schwarz uͤbergehend, von welchen die an den Seiten auswaͤrts breite weiße Seitenkanten haben. Kehle, Gurgel und Kropfgegend bis an die Oberbruſt ſind ſammetſchwarz, der ganze Unterleib, nebſt den untern Schwanzdeck⸗ federn, rein weiß, bloß an den Seiten und in den Weichen ſanft in Aſchgrau uͤbergehend. Die mittleren Fluͤgeldeckfedern ſind ſchwarz, mit ſehr großen weißen Spitzen; die großen ebenfalls ſchwarz, mit breiten weißen, von der Grundfarbe durch etwas Braungrau getrenn⸗ ten Kanten und großen weißen Endkanten; die drei hinterſten Schwungfedern eben ſo, doch ohne weißen Spitzenfleck; die folgen⸗ den fahlſchwarz, mit ſchmaͤlern Kanten, und die großen Schwingen, 806 III. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. nebſt ihren Deckfedern, matt braunſchwarz, mit feinen braͤunlich⸗ weißen Außen- und Spitzenſaͤumchen; alle Schwungfedern, von der zweiten an, haben auf der innern Fahne an der Wurzelhaͤlfte einen breiten weißen Rand. Die Enden der Deckfedern bilden zwei wei⸗ ße Ouerbinden uͤber dem Fluͤgel. Die acht mittelſten Schwanzfe⸗ dern ſind ſchwarz, ſehr fein, faſt unmerklich weiß geſaͤumt, nur die beiden Mittelfedern an der Außenſeite mit breiterem weißem Saum; die beiden aͤußerſten auf jeder Seite des Schwanzes rein weiß, nur an der Kante der innern Fahne von der Wurzel herab mit einem ſchief auslaufenden ſchwarzen Streif, auch hat die zweite auf der Au— ßenfahne, zunaͤchſt der Wurzel, noch etwas Schwarz. Von der un⸗ tern Seite iſt der Schwanz wie oben, das Schwarz nur matter; die Schwingen ſind unten an den Enden ſchwarzgrau, ſonſt glaͤnzend grau, an den Kanten der Innenfahne in Weiß uͤbergehend; die un⸗ tern Fluͤgeldeckfedern weiß, mit durchſchimmerndem Grau, was am Fluͤgelrande in kleinen Flecken hervorblickt. So wie dieſe ſind auch die Federn am Unterſchenkel. 0 Sehr alte Weibchen ſehen, bis auf die etwas geringere Lebhaftigkeit der Farben, dem Männchen faſt ganz gleich; gewoͤhn⸗ lich geht jedoch das Schwarz nicht ſo weit auf dem Hinterhalſe herab und hat auch am Kropfe eine geringere Ausdehnung. Sie ſind ſtets etwas kleiner als die Maͤnnchen. Juͤngere Maͤnnchen ſehen den alten Weibchen ähnlich; aber unter den juͤngern Weibchen findet man oft welche, bei denen der Hinterkopf nur wenig Schwarz hat, und wo das Alchgrau des Nackens ſehr hoch herauf geht, ſelbſt ſolche, wo jenes zuweilen faft ganz fehlt; das Weiße am Kopfe iſt nie fo ſchoͤn reinweiß; die Seiten des Unterleibes ſind mehr mit Grau uͤberlaufen, ja in den Wei⸗ chen zeigen ſich ſelbſt zuweilen einzelne dunklere Schaftſtriche. Ziemlich verſchieden vom Sommerkleide iſt das Herbſt- oder Winterkleid dieſes netten Vogels. — Am ſehr alten Maͤnn⸗ chen ſind dann Stirn, Vorderkopf, die Augen- und Ohrengegend, Wangen, Halsſeiten, Kehle und Gurgel ſchneeweiß, am Kropfe mit einem ſchoͤnen, hufeiſenfoͤrmigen, ſammetſchwarzen Fleck wie mit einem Ringkragen geziert. Alle uͤbrigen Farben und Zeichnun⸗ gen ſind wie am Hochzeitskleide, aber etwas dunkler oder friſcher; die aſchgrauen Ruͤckenfedern haben an den Spitzen einen ſehr ſchwa⸗ chen Anflug von Olivenfarbe; der Buͤrzel iſt beinahe ſchieferſchwarz; die Fluͤgelfedern haben viel breitere weiße Kanten, und die weißen Saͤumchen an den Schwanzfedern ſind deutlicher als im Fruͤhjahr; III. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. 807 denn Fluͤgel⸗ und Schwanzfedern mauſern dieſe Voͤgel jährlich nur Einmal, im Herbſte, die Ränder reiben ſich mit der Zeit ab und er: ſcheinen daher im Fruͤhjahr viel ſchmaͤler, noch ſchmaͤler aber im Sommer, und dies iſt ſehr auffallend, wenn man einen ſolchen Vo— gel gegen einen friſch vermauſerten Herbſtvogel haͤlt. Bloß das kleine Geſieder iſt einer doppelten Mauſer im Jahr unterworfen. — Am Weibchen von gleichem Alter ſind die Federraͤnder am Nacken und Hinterkopfe oft grau angeflogen, der ſchwarze Ringkragen nicht fo groß, und der Ruͤcken ſchmutziger aſchgrau; doch findet man daſ— ſelbe auch bei juͤngern Maͤnnchen. Nicht ſelten ſind die En— den der weißen Federn am Kopfe, gleich nach der Mauſer, gelb an— geflogen, was ſich aber ſehr bald verliert. \ Die jungen Voͤgel in ihrem erſten Herbſt- oder Winterkleide ſind den aͤltern aͤhnlich, allein am Kopfe ganz anders gezeichnet; Stirn und ein Streif uͤber dem Auge ſchmutzig gelblichweiß; der ganze Oberkopf gelblich aſchgrau; die Zuͤgel weiß— lich gelbgrau; die Wangen vorn ſchmutzig gelblich, nach den Ohren zu grau; die Halsſeiten und die Oberbruſt weiß, roſtgelb angeflogen; der ſchwarze Ringkragen ſchmaͤler, aber mit ſeinen Hoͤrnern bis an die Wangen heraufreichend, und oberwaͤrts ſeine Federn mit fei— nen weißen Saͤumchen, die ſich jedoch bald abreiben und, wie der gelbe Anflug, nach und nach zum Theil verlieren; der uͤbrige Unterkoͤrper hat in den Seiten mehr Grau. Auf dem Hinterkopfe iſt nur das Maͤnnchen etwas dunkler grau, das Weibchen hier oder von der Stirn an, uͤbrigens wie jenes, am ganzen Oberkoͤrper ſchmutzig aſchgrau, weil die Federenden etwas ins Gruͤnlichgraue fallen; der Buͤrzel ſehr dunkel, zunaͤchſt dem Schwanze ſchwaͤrzlich; dieſer, wie die Fluͤgelfedern, denen der alten Voͤgel gleich; Bauch, After und untern Schwanzdeckfedern rein weiß. Sie haben anfaͤnglich noch roͤthlichſchwarzgraue, nur oberwaͤrts ſchwarze Schnaͤbel, und ſchmutzig braune, an den Zehen dunklere Fuͤße, an welchen ſpaͤterhin die ſchwarze Farbe ſich immer mehr durchdraͤngt; auch ihre Augenſterne find noch nicht ſo dunkel wie bei den Alten. Ganz verſchieden vom Kleide der Alten, beſonders vom Früh⸗ lingskleide, iſt das erſte Jugendkleid der Jungen, ehe ſie ſich zum erſten Male gemauſert haben. Der Schnabel iſt roͤthlichgrau, vorn ſchwaͤrzlich, die Augenſterne dunkelgraubraun, oder graugelb⸗ lich. Die Stirn, der Oberkopf und ganze Oberkörper find ſchmu⸗ tzig aſchgrau, ein wenig mit Olivenfarbe uͤberflogen, der Bürzel viel dunkler als das Uebrige; uͤber das Auge zieht ſich ein ſchmaler grau⸗ 808 III. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtel ze. lichweißer Strich; die Zuͤgel ſind dunkel grau, die Wangen ſchmu⸗ tzig grau, graulichweiß eingefaßt; Kehle und Gurgel ebenfalls ſchmutzig graulichweiß, am Kropfe mit einem hufeiſenfoͤrmigen ſchwarz⸗ grauen Fleck, deſſen beide Hörner ſehr hoch heraufſteigen und in un⸗ deutlichen Fleckchen die Kehle ſeitwaͤrts begrenzen; die ganze Bruſt ſchmutzigweiß, an den Seiten und in den Weichen in die graue Far⸗ be des Ruͤckens uͤbergehend; Bauch, After und die untern Schwanz⸗ deckfedern rein weiß; die Einfaſſungen der Fluͤgelfedern mehr gelb⸗ lichgrau und an den Enden nicht ſo ſchoͤn weiß als bei den Alten. — Maͤnnchen und Weibchen ſind in dieſem Kleide nicht zu un⸗ terſcheiden. Im Auguſt und September geht die Hauptmauſer, bei wel⸗ cher auch die Schwung- und Schwanzfedern durch neue erſetzt wer⸗ den, vor ſich, und die Voͤgel befinden ſich haͤufig ſchon, waͤhrend ſie noch mauſern, auf dem Zuge; allein wenn ſie im Fruͤhjahr zu uns zu⸗ ruͤckkehren, ſind ſie faſt immer ſchon mit der zweiten Mauſer, die ſich nicht über die Flügel: und Schwanzfedern erſtreckt, vollkommen fertig, fo daß es eine Seltenheit iſt, bei einem zuerſt angekommenen noch Spuren vom Winterkleide oder wenigſtens einzelne weiße Federchen zwi⸗ ſchen den ſchwarzen der Kehle zu finden; dieſe letztern haben aber anfaͤnglich bei vielen noch feine weiße Saͤumchen, die ſich jedoch ſehr bald abreiben und gaͤnzlich verſchwinden. — Die Jungen vom erſten Gehecke mauſern ſchon im Juli, die der zweiten Ende Auguſts und im September; ſie ziehen dann ihr erſtes Herbſtkleid an und er⸗ ſcheinen im Fruͤhjahr mit den Alten in einem von dem dieſer wenig verſchiedenen, dem Hochzeits- oder Sommerkleide. Dieſe hier beſchriebenen Veraͤnderungen im Gefieder finden in der Regel immer ſo Statt, und es ergiebt ſich daraus die Verſchieden⸗ heit in den Beſchreibungen bei manchen Schriftſtellern, und daß die Motacilla cinerea dieſer keine eigne Art, ſondern ein Junges der weißen Bachſtelze ſei. — Es bleibt nun noch zu erwähnen übrig, daß es (nach meinem Dafuͤrhalten, ſehr alte) Maͤnnchen giebt, bei denen die ſchwarze Farbe des Nackens bis auf den Ruͤcken herabreicht, an welchen dann die aſchgraue Ruͤckenfarbe ſehr dunkel iſt, oft ſchwaͤrz⸗ lich gewafert erſcheint, ja an manchen ſelbſt viele dieſer Federn ſchwarze Spitzen haben. Solche Voͤgel, welche in der Ferne von oben ſehr dunkel ausſehen, ſonſt ſich aber von den gewoͤhnlichen nicht unterſcheiden, will man fuͤr Baſtarde halten, welche aus einer Verpaarung der Mot. alba mit der Mot. lugubris entſtanden fein. ſollen; denn dieſe ſollen ſich, wie die Raben- und Nebel: ö IT. Ordn. XVIII. Gatt. 108. Weiße Bachſtelze. 809 kraͤhen, mit einander begatten und fruchtbare Baſtarde erzeugen. — Was jedoch hiervon zu halten ſei, daruͤber mag und kann ich jetzt nicht abſprechen, zweifle aber keineswegs, daß dieſer ungewoͤhn⸗ lichen Erſcheinung eine aͤhnliche Urſache zu Grunde liegen kann, als bei jenen Rabenarten, worüber ich meine Meinung in der An⸗ merkung S. 64. d. Bds. bereits ausgeſprochen habe, und was ich deshalb, weil es vielleicht auch auf dieſe beiden Bachſtelzenarten anwendbar iſt, nicht zu wiederholen brauche. Uebrigens giebt es unter den weißen Bachſtelzen mancherlei Ausartungen oder Varietaͤten, z. B. eine ganz weiße, mit roͤthlichem Schnabel, Fuͤßen und Augenſternen (M. alba candida) ein wahrer Kackerlack; ich ſah ſie ſelbſt einmal unter einer kleinen Heerde gewöhnlich gefaͤrbter, und ſie ſcheint eben nicht ſehr ſelten zu ſein. Ferner hat man eine blaſſe Spielart, die man auch als eigene Art beſchrieben findet, (Mot. albida. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 961. n. 77. und Jacquin Breitr. S. 23. t. 8.) hierher zu zählen; dann eine bunte (M. alba varia.), mit weißen Flecken an den ſonſt grauen oder ſchwarzen Theilen, ferner eine weißkoͤp⸗ fige (M. alba leucocephala), und eine weißfluͤgelige (M. alba leucoptera) wo nur dieſe Theile, bei übrigens gewöhnlich ges faͤrbtem Gefieder, weiß find. Hierher find auch diejenigen Exem⸗ plare zu zählen, welche an den obern Theilen weiße Federkan⸗ ten haben, welche man aber auch nur ſelten ſieht. Au f enn d hb, Bis zum arktiſchen Kreiſe hinauf iſt dieſe Bachſtelze in allen Laͤndern unſers Erdtheils; man fand fie auf Island,“) im hoͤhern Schweden und Norwegen, und ſonſt in allen ſuͤdlicher gelegenen Theilen von Europa. Sie ſoll auch im gan⸗ zen noͤrdlichen Aſien vorkommen und von uns aus zum Theil in Afrika uͤberwintern, wo man ſie in Aegypten und andern noͤrdlichen Theilen jenes großen Continents angetroffen hat. Im mittleren Europa iſt ſie uͤberall gemein, und in Deutſchland allenthalben ſehr bekannt und in Menge, die Gegenden moͤgen eben oder gebirgig ſein. Einzeln ſah ich ſie auch auf den groͤßern In⸗ ſeln der Daͤniſchen Weſtſee; in den Marſchlaͤndern aber haͤufiger. In der hieſigen Gegend iſt ſie ſehr gemein. — Sie ſcheint jedoch nirgends ſo zahlreich an Individuen zu ſein, wie die gelbe Bach⸗ *) Schon zu Ende des Maͤrzes wurde fie in Island geſehen, und is im ganzen Norden haͤufig. 810 UI. Orbn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. ſtelze, dagegen aber überall in größerer Anzahl vorzukommen als die graue. Als Zug vog el gehoͤrt ſie zu denen, welche nur wenige Monate abweſend ſind und ſelbſt zuweilen einzeln bei uns uͤberwintern. Sie koͤmmt gewoͤhnlich zu Anfang des Maͤrzes, ſeltner ſchon in den letz⸗ ten Tagen des Februars, wenn es nur erſt mehrere Tage hinter ein= ander anhaltend gelindes Fruͤhlingswetter gegeben, bei uns an, und verlaͤßt uns im October, ſobald ſich ſtrenge Nachtfroͤſte einſtellen; manchmal geſchieht dies im Anfange, oft auch erſt in der letzten Haͤlfte dieſes Monats; doch iſt im September der Hauptzug. Sie verſammeln ſich im Herbſt in kleine Geſellſchaften, oft auch in ziemli⸗ che Heerden, und ſcheinen am Tage fortzuziehen; allein dieſer Zug geht gewoͤhnlich nur von einer Viehtrifft, einem Waſſer u. ſ. w. zum naͤchſten andern, und die eigentliche Reife beginnt erſt mit einbrechen⸗ der Nacht. Im Fruͤhjahr kommen ſie ebenfalls des Nachts und die erſten immer einzeln an; allein ich habe auch ſpaͤter im Fruͤhjahr und am Tage Heerden von 40 bis 50 Stuͤcken durchziehen ſehen, die wahrſcheinlich noch eine weite Reiſe nach Norden zu machen hatten. — Die zuerſt bei uns angekommenen muͤſſen dann bei ſpaͤterem ſtar⸗ kem Froſt und Schnee oͤfters Noth leiden, weil ein ſolcher Nachwin⸗ ter ihnen, wo es nicht warme Quellen und fließendes offnes Waſſer giebt, alle Nahrung entzieht. Dies iſt es auch, was die einzelnen, welche, wiewohl ſelten, hier und da an offnen Gewaͤſſern in Deutſch⸗ land uͤberwintern, mehr druͤckt als die Kaͤlte; denn wenn es ihnen nur nicht an Nahrung fehlt, ſo ſind ſie noch bei ziemlich ſtarker Kaͤlte munter und wohlgemuth. Die weiße Bachſtelze iſt kein eigentlicher Waldbewohner, ſon⸗ dern halb Feld- halb Strandvogel; man trifft fie jedoch unter ge⸗ wiſſen Bedingungen auch im Walde an, wenigſtens oͤfter als die an⸗ dern beiden Arten. Wenn fie nämlich hier ihren Wohnplatz auf: ſchlaͤgt, ſo ſucht ſie die lichten Stellen oder Raͤnder an den Straßen, bei Baͤchen und anderem Gewaͤſſer, die großen Plaͤtze, wo man eben das Holz gefaͤllt hat, oder ſolche Gegenden, wo der Grasboden unter den einzelnen alten Baͤumen als Viehweide genuͤtzt wird; nicht den dichten, gut beſtandenen Wald. Sie iſt aber viel lieber in bewohnten Gegenden in der Naͤhe der Menſchen, daher faſt bei und in allen Doͤrfern, in den Umgebungen der Staͤdte, und verweilt gern auf den Daͤchern hoher und niedriger Gebaͤude. Man ſieht ſie hier auf den Straßen, Bruͤcken, Wegen, auf Angern und Viehweiden, bei Baͤchen, Fluͤſſen, Teichen, Graͤben und Quellen, II. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. 811 haͤufigſt am Waſſer; zuweilen, doch felten, bewohnt fie aber auch Ges genden, wo weit und breit kein Waſſer iſt, z. B. große Steinbruͤche mitten auf freiem Felde. Sie iſt auch ſehr gern auf ſolchen Plaͤtzen, wo Niederlagen von Bau- und Brennmaterialien, beſonders hohe Holzſtoͤße aufgeſchichtet ſind. In die Bruͤcher und Suͤmpfe koͤmmt ſie nicht, oder hoͤchſtens nur zufaͤllig, und an ſolche Stellen, wo ſie ganz klares Waſſer und Weidenbaͤume findet. Die letztern liebt ſie uͤberhaupt ſehr, und nicht leicht vermißt man ſie in einer großen Pflanzung von Kopfweiden, ſie moͤgen nahe oder fern vom Waſſer ſtehen. Bei Bruͤcken, Waſſermuͤhlen und Muͤhlwehren fehlt ſie faſt nie, wenn dieſe auch mitten in den Doͤrfern find. Man trifft fie aͤuch auf hohen Gebirgen an Baͤchen und Quellen, bei Steinhaufen und Felſen an, doch zieht ſie die bewohnten Thaͤler den oͤden Bergen vor. In den Ebenen findet man ſie am meiſten an den Ufern der Gewaͤſſer, aber nie auf Wieſen, wo langes Gras waͤchſt. — Dies alles ſind ihre Standorte im Sommer, von wo aus ſie Stunden weit abſchweift, ihrer Nahrung wegen weite Strecken durchfliegt, die friſch gepfluͤgten Aecker, die Schafheerden und den Pferch auf dem freien Felde und die Viehtriften allenthalben beſucht. So folgt ſie bald dem Pfluͤger auf dem Fuße, bald leiſtet ſie dem Schaͤfer, bald dem Hirten Geſellſchaft, weit vom Standorte, und ehe man ſichs ver— ſieht, laͤuft ſie ſchon wieder hier, auf einem Dache, am Ufer eines Teiches u. ſ. w. herum. Wenn ſie im Frühjahr ankoͤmmt, findet man fie meiſtens am Waſſer oder doch nahe bei demſelben, in den Doͤrfern, ſelbſt auf den Bauernhoͤfen, aber ſelten auf dem freien Felde; im Spaͤtſom⸗ mer und Herbſt aber vielmehr hier. In den Schafhorden oder Pferchen iſt ſie dann faſt zu jeder Stunde des Tages anzutreffen; ſie folgt aber auch den Rindviehheerden, den Schweinen und anderem Vieh, und läuft auf den Wegen und Triften, wo man dieſes hin⸗ trieb, entlang. Sie iſt gewoͤhnt, ihr Weſen immer auf dem Freien zu treiben, und ſucht ſich ſelbſt des Nachts nur wenig zu verbergen. Man ſieht ſie immer auf der Erde oder auf Daͤchern und Bruͤcken, an den Ufern oder auf dem Trocknen herumlaufen, auch im ſeichten Waſſer herumwaden, zuweilen aber auch auf erhoͤhten Gegenſtaͤnden und auf Baͤumen, doch nicht, gern auf zu hohen, ſitzen, aber hier nie lange verweilen, außer wenn ſie ſich ſoͤnnt, wenn das Maͤnnchen ſingt, oder wenn ſie ſchlaͤft. Sie haͤlt naͤmlich ihre Nachtruhe im Sommer auf einem Baumzweige, und zwar am liebſten auf den Kopfweiden, oder auch in den dichtbelaubten Erlenzweigen kleiner 812 III. Ord n. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtel ze. Buͤſche auf Angern und bei den Doͤrfern, im Fruͤhjahr und Herbſt aber in den Rohrteichen auf einem Rohrſtengel. Sie fliegen des- halb weit nach dieſen und verſammeln ſich des Abends unter vielem Laͤrm im Rohre deſſelben, wo ſie, wie beim Viehe, die gemeinen Staaren haͤufig zu Geſellſchaftern haben. — Zu meinem Eigen⸗ thum gehoͤrt auch ein ſolcher Teich, aus welchem ich, zum Schutz fuͤr allerlei Voͤgel, im Winter das Rohr nicht ſchneiden laſſe, wo ſie ſich dann im Fruͤhjahr ins alte Rohr ſetzen koͤnnen, was ihnen ſehr zu behagen ſcheint. Hier verſammeln ſich im Maͤrz und April, wenn der Zug auch ſchon vorbei iſt, und manches Paͤaͤrchen ſchon ein Neſt hat, alle weißen Bachſtelzen der ganzen Umgegend alle Abende, gleich nach Sonnenuntergang, übernachten hier und zerſtreuen ſich mit Tagesanbruch wieder. Dies treiben ſie ſo lange, bis die Wei⸗ den ſich voͤllig belaubt haben, wo dann jedes Paͤaͤrchen in der Naͤhe ſeines Neſtes in den Zweigen einer Kopfweide oder ſonſt auf einem uͤber das Waſſer haͤngenden belaubten Zweige zu uͤbernachten pflegt, bis nach der Brutzeit, wo fie den Teich abermals beſuchen. — Wo ſie kein Rohr haben, ſitzen ſie zeitig im Fruͤhjahr, auch zuweilen in todten Zaͤunen, die dicht am Waſſer ſtehen, wo ſie einigen Schutz ge⸗ gen die rauhe Witterung finden, und halten hier Nachtruhe. Die jungen Voͤgel ſchlagen ſich ſchon im Sommer in kleine Geſellſchaften zuſammen und ziehen dann mit den alten im Herbſt geſellſchaftlich weg, wo ſich oft ziemliche Heerden bilden. Nicht ſelten ſieht man ſie dann an den Landſtraßen ſich untereinander necken und jagen, auch andere kleine Voͤgel verfolgen, und man muß hierbei die ausnehmende Gewandtheit und Schnelle ihres Fluges bewundern. Auch auf den Daͤchern einzelner Gebaͤude, oder in Doͤrfern und Städten auf Kirchen, Schloͤſſern und hohen Haͤuſern verſammeln fie ſich im Hͤrbſte zum Wegzuge, wie die Schwalben, und laſſen bei ihren Spielen und Neckereien hier ihren Muthwillen oft an kleinen Voͤgeln, die gerade voruͤberfliegen, aus. Nach der Menge zu urs theilen, in welcher man ſie um dieſe Zeit ſieht, muͤßten ſie im Fruͤh⸗ jahr viel zahlreicher zuruͤckkehren und noch weit gemeiner ſein, was doch nicht der Fall iſt; ſie muͤſſen alſo waͤhrend des Winters vielen Verfolgungen ausgeſetzt ſein. Zudem habe ich auch bemerkt, daß ſie in manchem Jahr lange nicht ſo haͤufig, als in einem andern ſind, ſo daß ein gewiſſer Diſtrict, wo gewoͤhnlich drei bis vier Paͤaͤrchen den Sommer uͤber wohnten, die ihn im Herbſt mit ihrer zahlreichen Nachkommenſchaft verließen, im folgenden Jahr nur von Einem Paͤaͤrchen bewohnt wurde. In den Umgebungen meines Geburts⸗ II. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. 813 und Wohnorts ſind ſeit mehreren Jahren nur einzelne, wo vor funfzehn bis zwanzig Jahren viele Paͤaͤrchen wohnten, obgleich die Gegend durch Anpflanzungen u. dergl. keine bedeutende Veraͤnderungen erlitten hat. Das Einzige, was ihnen die angenehmen Umgebungen unſeres Doͤrfchens verleidet haben koͤnnte, iſt vielleicht die Umwandlung der groͤßten Theile unſerer mit Fiſchteichen und Waſſergraͤben verſehenen Anger in Heu- und Grummetwieſen, und die jährliche Verſchlechte— rung und Abnahme der Kopfweidenpflanzungen; denn wo ſonſt von Pfingſten an faſt den ganzen Sommer uͤber eine Heerde Rindvieh weidete, find jetzt die uͤppigſten Wieſen, welche nur noch im Spaͤtherbſt behuͤtet werden, und welche dieſen Voͤgeln uͤberall zuwider ſind. Eigenſchaften. Ein ſehr unruhiger, munterer und ſchneller Vogel, dabei aber zutraulich gegen die Menſchen und überall ihre Nähe ſuchend, da— her uͤberall bekannt, beliebt und zum Theil beſchuͤtzt von dieſen, iſt unſere weiße Bachſtelze mit dem Grauen des Morgens bis tief in die Abenddaͤmmerung hinein den ganzen Tag in ſtaͤter Bewegung. Hat fie nicht Beſchaͤftigung genug am Aufſuchen ihrer Nahrungs- mittel, ob ſie ihre Lieblingsſpeiſen gleich weit zuſammenholt, ſo neckt ſie andere Voͤgel, jagt ſich mit ihres Gleichen, verfolgt vor— überfliegende größere und auch Raubvoͤgel, badet ſich, kurz, fie ſitzt nur ſelten ſtill. Geſchieht dies einmal auf einem Zweige, Pfahle, Bruͤckengelaͤnder oder ſonſt auf einem erhabenen Orte, ſo iſt der Vorderkoͤrper ſehr aufgerichtet, und der lange Schwanz haͤngt ſchief herab; auf der Erde traͤgt ſie dagegen den Leib mit dem Schwanze ganz wagerecht und wackelt im Laufen beſtaͤndig mit demſelben auf und nieder; wenn ſie ſich aber eben niederſetzt, fo breitet ſie ihn dazu auch aus und bewegtihn, ſammt dem Hinterleibe noch weit heftiger, ohne daß die Fluͤgel unter ihn zu liegen kommen. Sie laͤuft immer ſchrittweis und ungemein ſchnell an den Ufern, auf Bruͤcken, Wegen, Daͤchern u. ſ. w., wadet auch in ſeichtem Waſſer herum und hat dabei ſtets ein. munteres Anſehen, ob ſie gleich den Hals ziemlich eingezogen traͤgt. Da, wo ſie nahe um die Menſchen wohnt, wird ſie ſo zutraulich und kirre, daß ſie ihr Weſen vor den Augen derſelben ganz ohne Scheu treibt und ſich in der Naͤhe beobachten laͤßt; aber auch da, wo ſie einſam wohnt, iſt ſie nicht ſcheu. — Im Laufen macht ſie bei jedem Schritte eine nickende Bewegung mit dem Kopfe, was ſich ganz ſonderbar ausnimmt und nur im ſchnellen Lauf weniger be: merklich wird. f 814 III. Or dn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. Sie fliegt außerordentlich leicht und ſchnell, in ſehr langen ſteigenden und ſinkenden Bogen, oder in einer großen Schlangen⸗ linie, meiſtens in mittlerer Hoͤhe, auf kuͤrzern Raͤumen auch nur niedrig, und ſchießt ſo i in langen Abſaͤtzen gleichſam durch die Luft. Ueber große Waſſ erflaͤchen fliegt ſie immer ſehr niedrig, und der Schwanz iſt in dieſem Fluge niemals ansgebreitet; er erſcheint dann ganz ſchmal, wird aber breit und abwaͤrts haͤngend, wenn ſie in einem kurzen Fluge, wenige Schritte weit, gleichſam durch die Luft huͤpft. Sie hat ihren raſchen Flug außerordentlich in ihrer Gewalt, ſchwenkt ſich mit Leichtigkeit und durchfliegt gern weite Strecken. Ihre Gewandtheit im Fluge muß man oft bewundern, wenn im Herbſt kleine Heerden auf den Straßen, Daͤchern und da, wo ſie ſich Abends ins Rohr ſetzen wollen, beiſammen ſind, wenn dieſe einan⸗ der necken, jagen und ſich herumbeißen, wie eine den Stoͤßen der andern auszuweichen weiß und wieder eine dritte zu verfolgen an⸗ fängt ; wie oft zwei mit einander heftig zankende, die Schnaͤbel gegen einander gerichtet, Hinterleib und Schwanz faſt gerade herabhaͤngend, flatternd in einer ſenkrechten Linie aufſteigen, bis die eine weicht und die Flucht ergreift u. ſ. w. Im ſenkrecht aufflatterndem Fluge ſieht man auch oft im Frühjahr zwei Maͤnnchen, die vorher in dro⸗ hender Stellung, wie zwei kaͤmpfende Haushaͤhne, gegen einander über ſtanden, wahrſcheinlich um den Beſitz eines Weibchens, ſich ha⸗ dern, wobei fie mit Heftigkeit ihre Locktoͤne, mit Strophen ihres Geſanges vermengt, haſtig hinter einander ausſtoßen. Das erwähnte Necken und Herumjagen ſieht man im Spaͤtſommer meiftens von jungen Voͤgeln. Aber auch andere Voͤgel, welche zufaͤllig unter dieſe muthwilligen Geſchoͤpfe gerathen, ſetzen ſich ihren Neckereien aus, und Sperlinge, Finken oder andere ahnliche werden meiſtentheils fo lange verfolgt, bis fie ihr Heil in der Flucht ſuchen; ſelbſt viel groͤßere, beſonders den Kuckuck und alle Raubvo⸗ gel, gegen welche ſie einen großen Haß hegen, verfolgen ſie mit heftigem Geſchrei und kehren, wenn ſie glauben ihn in die Flucht geſchlagen zu haben, wie im Triumpf zuruͤck und zerſtreuen ſich nun unter lautem Freudengeſchrei wieder in der Gegend. Kein Raubvogel darf ſich daſelbſt, ohne gleich von ihnen bemerkt zu werden, ſehen laſſen; aus allen Richtungen ſtroͤmen die Bachſtelzen herbei, und er iſt in wenig Augenblicken ſogleich mit allen denen, die in ei- nem kleinen Umkreiſe niſten, umgeben, welche ihn ſchreiend bis auf ihre Grenze verfolgen, ohne daß es dieſen einfaͤllt, fuͤr dieſe Schmach ſich an einem dieſer Vögel zu rächen. Man kann daraus, 3 III. Ordn. XVIII. Gatt. 108. Weiße Bachſtelze. 815 zumal im Fruͤhjahr, ſogleich erſehen, wie viel ihrer in einer Gegend wohnen, und daß fie durch dieſe Kuͤhnheit auch andern Vögeln nuͤtz⸗ lich werden, indem ſie dieſen theils fruͤhzeitig genug die Anweſenheit eines Feindes verrathen und ſie warnen, 1505 dem Raͤuber ſelbſt man⸗ che Jagd vereiteln. Auf die Kraͤhenhuͤtten kommen ſie auch nach dem Uhu, entfernen ſich aber gewoͤhnlich bald wieder. Ihre Stimme iſt ziemlich verſchieden; der Lockton ein gezoge⸗ nes helles Ziuit, — Züjit, — Biuiß, — oder Ziuwiß, und ein ebenfals gezogenes Ziſſiſſiß, ziſſiß. Dieſe Toͤne find ſtaͤrker, voller, tiefer und gezogener als die Locktoͤne der grau⸗ en Bachſtelze; ob fie gleich viel Aehnlichkeit mit dieſen haben, ſo ſind ſie doch fuͤr den Geuͤbten ſehr kenntlich. Dann hoͤrt man auch noch, wenn ſie auf den Daͤchern oder am Waſſer u. ſ. w. hin⸗ laufen, ein leiſeres Qui, quiriri, quiri von ihnen. — Das Maͤnnchen ſingt auch ſehr fleißig, aber ſein Geſang beſteht zum Theil aus der verſchieden modulirten Lockſtimme und aus vielen an— dern eben nicht angenehmen Toͤnen, die in mehreren Strophen ſehr geſchwind auf einander folgen. Es ſingt ſitzend, laufend und flie— gend, bald auf einem Dache, bei heitern Fruͤhlingstagen beſonders auf ſolchen, die im Widerſchein der Sonne liegen, bald auf einem Baumzweige oder ſonſt auf einem erhabenen Plaͤtzchen, bald im Fort⸗ fliegen; auch die Toͤne, welche ſie bei ihren Zaͤnkereien und beim Verfolgen eines Raubvogels ausſtoßen, ſind groͤßtentheils ihr Ge⸗ ſang. Man hoͤrt ihn faſt den ganzen Sommer, doch am meiſten in den Fruͤhlingsmonaten, und auch das Weibchen ſingt zuweilen einzelne Strophen deſſelben, aber viel leiſer. — So viel dieſe Voͤ⸗ gel beim Nachſetzen der Raubvogel auch ſchreien und fingen, fo wird dies doch noch bei weitem durch den Laͤrm uͤbertroffen, den ſie beim Schlafengehen an den gemeinſchaftlichen Ruheplaͤtzen, naͤmlich in den Rohrteichen, machen, wo fie gleich nach Sonnenuntergang an⸗ kommen, ſich ohne Unterlaß necken, beißen, jagen, auch mit den daſelbſt in eben der Abſicht ankommenden Staaren und gelben Bachſtelzen herumhadern und dazu aus vollem Halſe fingen und ſchreien, bis voͤllige Nacht eingetreten iſt. Dieſe Bachſtelze iſt ziemlich leicht zu zaͤhmen und zeigt ſich hier als harter Vogel, gewoͤhnt ſich aber noch leichter, in der Stube frei herumfliegend, als im Kaͤfige. Sie fliegt, wenn man ſie ins Zimmer bringt, weniger an die Fenſter, als an die weiße Decke, was ſie aber auch bald unterlaͤßt, und was ihr hoͤchſtens die Federn des Vorderſcheitels koſtet. Nachher geht ſie bald an einen hingeſtellten 816 III. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. Napf mit Waſſer und nimmt das hingelegte Futter an. Bei einem harten Nachwinter, wo viel kleine Zugvoͤgel umkamen, fing ich ein⸗ mal an einem nicht voͤllig zugefrornen Graben mehrere weiße Bach— ſtelzen, brachte ſie ohne Umſtaͤnde in die Stube, und in wenigen Stunden fuͤgten ſie ſich ſchon in ihr Schickſal, fraßen und waren munter. Nach etwa zwei Wochen, wo ſie ſchon recht zahm waren, ſchenkte ich ihnen ihre Freiheit wieder; denn ſie ſind wegen ihres haufigen duͤnnfluͤſſigen Unraths nicht wohl zu leiden, ob ſie gleich ſonſt wegen ihrer ſchlanken Geſtalt, ihres Betragens u. ſ. w. ange— nehme Voͤgel ſind und nebenbei die Stuben von Fliegen reinigen. In den Vogelbauer paſſen ſie nicht gut, weil fie da den Schwanz ver: ſtoßen und ſonſt unanſehnlich werden. — Mit dem Baumpie⸗ per ſollen fie ſich in der Stube nicht nur ſehr gut vertragen, ſon— dern ſogar begatten. — Nahrung. Dieſe beſtehet in ſehr verſchiedenartigen Inſecten, Inſectenlar⸗ ven und Puppen, die ſie bald auf dem Schlamme, Kieſe und zwi⸗ ſchen den Steinen am Waſſer der Teiche, Graͤben, Baͤche, Fluͤſſe u. ſ. w., bald auf den Miſtſtaͤtten und Daͤchern, oder bei den Vieh⸗ heerden und auf den Triften, bald auf friſchgepfluͤgten Aeckern auf⸗ ſucht. So findet man Hafte, Phryganeen, Florfliegen und andere dieſer Claſſe, ferner: Schnaken, Muͤcken, Fliegen, kleine Motten, Kaͤferchen, Stechfliegen und Bremen, nebſt den Larven und Pup⸗ pen aller dieſer und noch vieler anderer, in ihrem Magen. Bald ſieht man ſie an den Ufern emſig darnach ſuchen, auch durchs ſeichte Waſſer deshalb waden, bald ein vorbeifliegendes Inſect im Fluge oder Sprunge erhaſchen oder ein ſitzendes langſam beſchleichen und dann mit einem ſchnellen Satze fangen. Dies letztere ſieht man haͤufig auf den Daͤchern und beim Vieh mit Fliegen und Stech⸗ fliegen thun; oft flattert ſie auch einem fliehenden Inſect hoch in die Luft nach. Sie ſitzt ſehr gern auf aus dem Waſſer ragenden Steinen, auf Bruͤcken und Wehren, weil es da immer vorbeifliegende Waſſerinſecten giebt, und ſucht ihre Nahrung uͤberhaupt gern und oͤfter am Waſſer, als anderswo; allein fie beſtreicht deshalb täglich einen großen Bezirk und iſt auch ſehr haufig auf freiem Felde, und im Herbſte mehr bei den Viehheerden als am Waſſer. Von ihrem Wohnorte geht ſie oft halbe Stunden weit auf die Felder, wo ſo g eben geackert wird, und folgt dem Ackermann in der friſchgepfluͤg⸗ ten Furche, um die hervorgewuͤhlten kleinen Inſectenlarven aufzu: III. Ordn. XVIII. Gatt. 103: Weiße Bachſtelze. 817 leſen. Dann geht ſi ie zu dem Pferch oder in dle Schafhorden, wo ſie vorzuͤglich die kleinen Käfer und andere Inſecten fängt, die der Schafduͤnger herbeilockt, und bleibt deshalb lieber hier, als daß ſie den Heerden folgt; doch thut ſie auch dies zuweilen, vorzuͤglich folgt ſie gern dem Rindvieh. Aber auch bei den Schweine- und Gaͤnſe⸗ heerden fehlt fie ſelten. Im Fruͤhjahr iſt fie dagegen meiſtens am Waſſer, oder in Doͤrfern und Staͤdten, auf den Daͤchern und bei den Waſſermuͤhlen, woſelbſt fie, wenn es nur nicht an anhaltend: ſchnei⸗ et und frieret, Futter in Menge findet. Im Zimmer gewoͤhnen ſie ſich bald mit Mehlwürmern; Flie⸗ gen und Ameiſenpuppen an jedes Stubenfutter. Ich habe ſie bei Semmel und Milch lange erhalten, doch iſt das Grasmüͤckenfutter auch für fie das beſte. Sie fängt ſich gern Stubenfliegen, welche fie fehr artig zu beſchleichen weiß und dann mit Einem Sprunge er⸗ haſcht, und thut daher, in den Stuben frei eee ec Dienſte wie die Fliegenfaͤnger. ö W. liebt ein e Waſſerbad ſehr und durchnaßt 1000 ihr Gefieder ziemlich ſtark. Im Freien habe ich ſie meiſtens um die Mittagszeit baden ſehen. BERN nog TOR Fortpflanzung. Sie niſten uͤberall in Deutſchland an den ſchon oben angege— benen Aufenthaltsorten, beſonders in der Naͤhe vom Waſſer. Sie bauen ihr Neſt aber, ſo wie es die Gelegenheit will, an gar ſehr verſchiedene Orte, und es wuͤrde faſt zu weil fuͤhren alle zu nennen, wo es ſchon gefunden wurde. Es ſteht indeſſen faſt immer in einer Hoͤhle, die aber ſelten ſehr enge iſt oder das Neſt ganz verbirgt; denn meiſtens ſieht man die Materialien am Eingange der Hoͤhle ſchon. So findet man es in hohlen Eichen, bald hoch, bald nied⸗ rig, ſelbſt in hohlen Wurzeln; zwiſchen ausgewaſchenen Wurzeln, unter uͤberhaͤngendem Raſen und in andern flachen Uferhoͤhlen; zwiſchen dem Pfahlwerk und hinter den Bretern an den Uferbauen und bei den Waſſermuͤhlen; in den Hohlwegen und vom Waſſer ge⸗ riſſenen Schluchten in einer Erdhoͤhle; in den Steinbruͤchen und Felſenwaͤnden in einer Ritze und zwiſchen Steinen; auch in großen Steinhaufen; auf großen Schlaͤgen in den Waͤldern in einem Holz⸗ ſtoße oder in einem alten umgeſtuͤrzten Stamme; in großen Holz⸗ ſtoͤßen bei den Haͤuſern; unter Haufen von Bauholz und Bretern; auf einem Balken oder Sparren unter den Daͤchern und an den Giebeln; in Strohdaͤchern; in Mauerhoͤhlen; ſelbſt in den Bauern⸗ ater Theil | 52 \ 818 III. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. höfen und ſehr gern an den Muͤhlgebaͤuden; auch in alten Erlenſtaͤm⸗ men und an vielerlei andern Orten. Wo ſie indeſſen Weidenbaͤume haben, bauen ſie es meiſtens entweder auf den Lauf zwiſchen die al⸗ ten Storzen oder in eine Höhle, derſelben. In den Häfen. findet man es auch nicht ſelten in alten Schiffen, die feſtliegen; ja im Ha⸗ fen von Kiel fand man einmal eins in einem Schiffe, was an ei⸗ nen andern, uͤber 100 Schritt weit entfernten Platz gebracht, aber demohngeachtet das Neſt nicht von den Voͤgeln verlaſſen wurde. — Sie bauen es auch ſehr gern auf einen Balken unter die Bruͤcken, in die uͤberbauten Bruͤcken, in die Eisbrecher und in die Wang lichte ſteinerner Bruͤcken und ausgemauerter Ufer. 1 5 Nicht lange nach ihrer Ankunft im Fruͤhjahr fieht man oft zwi⸗ ſchen den Männchen hartnaͤckige Kaͤmpfe um den Beſitz der Weibchen, wobei ſie ſich tuͤchtig raufen, mit Wuth einander verfolgen und vie⸗ len Lärm dazu machen. Haben ſie ſich erſt verpaart, ſo ſieht man, ſo lange das Weibchen noch nicht bruͤtet, beide immer mit einander herumlaufen und ſehr treu zuſammenhalten, auch thun ſie bei der Begattung ſehr zärtlich, und das Maͤnnchen tritt das Weibchen, wie der Hausſperling, oft viele Mal, wol zwoͤlf Mal und noch oͤf⸗ ter hintereinander. Das Neſt wird von beiden Gatten gebauet, doch iſt das Weib⸗ chen dabei thaͤtiger; es beſteht oft aus einem ziemlich großen Klum⸗ pen ſchlecht verflochtener Materialien, oͤfters auch aus einer gerin⸗ gern Menge, wie es die Hoͤhle, worin es ſteht, gerade erfordert. Im erſten Falle beſteht die erſte Grundlage oft aus kleinen duͤrren Reischen, groben Quecken, Grasſtoͤckchen und Strohhalmen, mit duͤrren Blättern, Grashalmen und grünem Moos vermiſcht, die zweite Lage aus feineren Wuͤrzelchen und trocknen Grashaͤlmchen, und das Innere aus Wolle, Kuhhaaren, Schweineborſten, wolle⸗ nen und leinenen Faͤden, denen Pferdehaare gewoͤhnlich zuletzt folgen und die Aushoͤhlung glatt und eben machen, fo daß dieſe einen net⸗ ten runden Napf, von der Tiefe einer halben Kugel bildet. So ver- ſchieden die Standorte dieſer Neſter ſind, ſo ſind es dieſe auch in der Bauart; Federn findet man jedoch nur ſelten und einzeln darin, im Walde aber zuweilen viel Baumflechten und Haare von Wildpret. In ſeiner Bauart das auffallendſte und abweichendſte fand ich einmal auf einer jungen ſchlanken Kopfweide, welche oben eine Krone von Zacken und etwa einen Fuß tiefer, unter jener, noch einen großen Buͤndel Aeſte ausgetrieben hatte; auf dieſem ſtand das Neſt, wel— ches zuerſt eine querhandhohe Unterlage von trocknen Weidenreiſern . — III. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. 819 und duͤrrem Weidenlaube hatte, und oben in dieſem großen Klumpen dann wie gewoͤhnlich aus duͤrren Wuͤrzelchen, Haͤlmchen u. ſ. w. gebauet war; das Merkwuͤrdigſte dabei war aber eine Art von Wet- terdach, was uͤber dem Neſte auf den uͤberhaͤngenden Zacken der obern Krone des Baumes angebracht war und aus einem dicken Klumpen trockner Weidenreiſer und alter Weidenblaͤtter, wie die erſte Grund— lage des Neſtes, beſtand. Dieſer colaſſale Bau hatte eine ſehr ſonderbare, ganz fremdartige Geſtalt. Wer vermag zu ergruͤnden, warum die Baumeiſter deſſelben hier ſo hoͤchſt merkwuͤrdig von der Regel abwichen, da ſie doch in der kleinſten Entfernung alte Weidenkoͤpfe und hohle Weiden, um es auf gewoͤhnliche Weiſe bauen zu koͤnnen, in Menge hatten? Welche Abſichten verbanden ſie wol dabei? Die Eier find die größten unter den inlaͤndiſchen Bachſtelzen⸗ eiern, ſtets mehr rundlich als laͤnglich, daher kurzoval zu nennen, weil ſie ſelten aͤcht eifoͤrmig oder langoval vorkommen. Sie ſind an einem Ende bedeutend ſpitz, am andern bald ſchnell, bald allmaͤh⸗ lig abgerundet, gegen die Mitte meiſtens ſehr bauchig und haben eine zarte, glatte Schale ohne Glanz. Der Grund iſt ein blaͤuli— liches Weiß, bald rein, bald ſchmutzig, bisweilen auch ein etwas ins Gruͤnliche ziehendes oder ein grauliches Weiß; letzteres entſteht mehrentheils durch eine große Menge feiner lichtgrauer Punkte, die, obwol in viel geringerer Anzahl, keinem dieſer Eier ganz fehlen und bei den weißeſten ſich wenigſtens am ſtumpfen Ende finden. Ueberdem ſind nun noch kleine Fleckchen, kleine und ſehr feine Punkte und Strichelchen von einem roͤthlichen Graubraun oder einem blaf- ſen Chocoladbraun in geringerer oder groͤßerer Anzahl uͤber die ganze Flaͤche verbreitet, die jedoch bei den meiſten am ſtumpfen Ende haͤu⸗ figer ſtehen, größer find und mit den aſchgrauen Punkten hier zus weilen, doch ſelten, einen Fleckenkranz bilden. Manchmal haben ſie außer dieſen nur wenig Zeichnung und feine dunkle Puͤnktchen, ein ander Mal ſind ſie uͤber und uͤber bepunktet; doch bleiben ſie im Ganzen immer ſehr hell und weißlich, wie manche Eier des Haus- ſperlings, und find daher leicht zu kennen. So varüren fie wol in Form und Farbe, doch nicht ſo bedeutend, daß es nicht jederzeit gleich zu erkennen waͤr, welchem Vogel ſie angehoͤrten. — Man findet gewöhnlich ſechs Stuͤck, doch auch oft ſieben, aber fel- ten acht Stuͤck in einem Neſte, bei der zweiten Brut aber auch wol nur vier oder fünf Stuck. Manchmal find fie in Einem Neſte an Groͤße, Form und Farbe verſchieden, gewoͤhnlich aber einander 820 III. Ordnm. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. ziemlich gleich. Das Weibchen bebrütet fie, fo viel ich es habe be= obachten koͤnnen, allein, und binnen zwei Wochen ſchluͤpfen die Jun⸗ gen aus, welche anfaͤnglich mit ſchwarzen Dunen ſparſam bekleidet ſind, dabei roͤthlichweiße Fuͤße und Schnaͤbel mit weißgelben Mund⸗ winkeln haben. Sie werden von beiden Aeltern mit allerlei In⸗ ſecten und Larven gefuͤttert und verlaſſen das Neſt nicht eher, als bis ſie ordentlich fliegen koͤnnen, obgleich die Schwanzfedern noch lange nicht die gehoͤrige Laͤnge haben. Sie folgen nun den Alten uͤberall und empfangen das dargereichte Futter unter einem ſtaͤrkern Gezwitſcher als im Neſte, was bald dem Ziſſiß, ziſſiſſiß, der Alten aͤhnlich wird. Schon fruͤhzeitig im Jahr füngel dieſe Bachſtelzen an, ihr Neſt zu bauen und waͤhlen dazu gern die Orte und Gegenden, wo ſie es vor einem Jahr hatten, doch ſelten die alte Hoͤhle wieder. In fruͤhzeitig warmen Fruͤhlingen haben ſie ſchon in der erſten Haͤlfte des Aprils Eier, und nicht ſelten ſieht man dann im Anfang des Maies oder doch in der Mitte deſſelben, ſchon ausgeflogene Junge. Sobald ſich dieſe allein ihr Futter ſuchen koͤnnen, ſchreiten die Al⸗ ten zu einem zweiten Gehecke; denn ſie bruͤten in der Regel alljaͤhr⸗ lich zwei Mal. Im Juni haben ſie dann wieder Eier und im Juli Junge; wenn man aber ſpaͤt im Auguſt oder Anfangs September noch eben ausgeflogene Junge von den Alten fuͤttern ſieht, ſo ſind dieſe letzteren ſolche, welche die erſte Hecke nicht aufbrachten, wo ih⸗ nen die Eier oder Jungen geraubt wurden, oder es ging ein Fruͤh⸗ ling vorher, in welchem dieſe Voͤgel aus unbekannten Urſachen ſpaͤ⸗ ter zu niſten anfingen, wie man auch wol manchmal bemerkt, ſo daß die erſte Brut erſt im Juni fluͤgge iſt. — Die Jungen begeben ſich, ſobald fie der aͤlterlichen Zucht entwachſen, auf die Viehtriften und Viehweiden, wo man fie im Spaͤtſommer in Menge beiſam— men und mit den gelben Bachſtelzen und Staaren in Ge⸗ ſellſchaft antrifft. Weil dieſe Voͤgel ſo nahe um die Menſchen wohne 15 kennt ſie in Deutſchland jedermann; als halbe Hausthiere fuͤgt man ihnen vorſetzlich kein Leid zu, vorzuͤglich liebt ſie, als nuͤtzliche Geſchoͤpfe, der Landmann und beſchuͤtzt ſie wie die Sch w albenz daher kom⸗ men jaͤhrlich eine große Menge aus. Demohngeachtet kehren im Fruͤhjahr nur eine unverhaͤltnißmaͤßig geringe Menge zuruͤck; es muß ihnen daher auf ihren Reiſen und an dem Orte ihres Winteraufent⸗ halts nicht ſo wohl gehen als bei uns. Bei ihren Reiſen uͤber III. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Badflelze. 821 das Meer ſah man ſie ſich öfters ermattet auf die Schiffe ſetzen und ne eine Zeit lang da aufhalten. ). Sie muͤſſen ſehr haufig. die Pflegeaͤltern eines jungen Ku⸗ ckuks werden. In der hieſigen Gegend ſind ſie, nebſt den Gar— ten= und Zaungrasmuͤcken, dieſem Schickſal vor allen am meiſten ausgeſetzt. Sie haͤngen mit vieler Liebe an ihrem großen Stiefkinde. Vor mehreren Jahren las man in einem oͤffentlichen Blatte (ich weiß nicht mehr in welchem) folgende hierher gehörende Geſchichte: „Ein Jaͤger traf ganz ſpaͤt im November, bei Froſt und rauher Witterung, eine einſame Bachſtelze am Ufer eines Waſſers emſig nach Futter ſuchend an; das Ungewoͤhnliche der Erſcheinung um dieſe Jahreszeit machte ihn aufmerkſam, er beobachtete ſie und ſah, daß ſie, ſobald ſie etwas fand, einer nahen Eiche zuflog und bald wieder ans Waſſer zuruͤckkehrte. Er ſah darauf dort nach und hoͤrte bald die Stimme eines jungen Kuckuks, welcher aus einer Oeffnung im Schafte der Eiche herausſah, welche aber zu enge war, als daß fie feinem großen Körper verſtattet hätte, das Neſt zu verlaf: fen und durch die Oeffnung herauszukriechen.“ Das arme Bachſtel— zenweibchen (vom Maͤnnchen war nichts erwaͤhnt) zog alſo nicht mit ſeinen Bruͤdern weg und ſetzte ſich, aus Liebe zu ſeinem Stief⸗ kinde, der Gefahr aus, in der rauhen Jahreszeit durch Hunger und Kaͤlte umzukommen. Welche Laſt hatte es getragen, einen ſo gro⸗ ßen Freſſer gegen vier Monate lang mit Futter zu verſorgen, wenn auch das Maͤnnchen wol bis zum Wegzuge die Sorge mit ihm getheilt haben mochte! — Eben ſo iſt es auch ſehr angenehm, ihr zaͤrtliches Betragen gegen die eigenen Jungen zu beobachten: ſie warnen ſie bei jeder Gelegenheit vor Gefahren, beſchuͤtzen ſie wo moͤglich und laſſen ſie nicht aus den Augen, bis ſie voͤllig erwachſen ſind; dadurch werden dann dieſe auch ſo vorſichtig gemacht, daß ſie nachher ſcheuer ſind als ihre Aeltern. — Sie haͤngen auch mit vieler Liebe an den Eiern, nehmen es nicht uͤbel, wenn man oͤfters zum Neſte koͤmmt, die Eier betaftet oder welche davon wegnimmt; ja ich weiß Faͤlle, daß man das bruͤtende Weibchen uͤber den Eiern ergriff, es aber nachher wieder in Freiheit ſetzte, wo es ſeine Eier dennoch ausbruͤtete. \ *) Zwiſchen Curhaven und Edinburg auf der hohen See beobachtete ei⸗ ner meiner Bekannten eine weiße Bachſtelze einen ganzen Tag lang auf dem Verdeck u. ſ. w. des Schiffes, die ſehr munter war und den aufgeſtellten Fallen eines Matroſen vorſichtig auszuweichen wüßte. * 822 III. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. Feinde. Sie ſind zu gewandt im Fluge, als daß ſie ſich oft von ei⸗ nem Raubvogel erwiſchen ließen; dies gelingt hoͤchſtens einmal ei⸗ nem Lerchen- oder Merlinfalken. Deſtomehr Feinde hat ihre Brut an Katzen, Mardern, Iltiſſen, Wieſeln und Ratten, auch ergreifen die erſtern nicht ſelten das brütende Weib- chen uͤber den Eiern; ſelbſt alte Voͤgel habe ich von Katzen auffreſſen ſehen, die fie vermuthlich in einem geflochtenen Zaune dicht am Waſ—⸗ ſer gefangen haben mochten. — Im Gefieder wohnen Schmarotzer, und in den Eingeweiden zuweilen ein Wurm aus der Gattung: Distoma. Durch das Einſchieben ſeines Eies richtet auch der Kuckuk manche Brut zu Grunde. Viele werden auch unvorſetzlich durch Menſchen zerſtoͤhrt, wo die Neſter in Holzſtoͤßen und an aͤhnlichen Orten ſtanden, wenn dieſe weggebracht werden. Jagd. Im Fruͤhjahr und Sommer ſind ſie leicht zu ſchießen, und am Brut⸗ orteiſt ihnen ſogar mit dem Blaſerohr anzukommen; aber im Herbſte ſind ſie ſcheuer und fluͤchtiger. Bei den Haͤuſern werden ſie oft ſehr zahm und zutraulich, nur anhaltende Verfolgung kann ſie vorſich⸗ tiger machen; die in einſamen Gegenden wohnen, ſind dies mehr, doch kann man ſie gerade nicht ſcheu nennen. Am ſcheueſten ſind noch die jungen Voͤgel im Spaͤtſommer. Man faͤngt ſie in einigen Gegenden auf einem eigends fuͤr ſie eingerichteten Vogelheerde am Waſſer in ziemlicher Menge. — Sonſt kann man fie, wenn im März noch Schnee fällt, auf einem entbloͤßten Platze am Waſſer oder auch auf den Miſtſtaͤtten in den Bauernhoͤfen mit Leimruthen oder in einer kleinen Netzfalle, wo man lebende Mehlwuͤrmer als Lockſpeiſe gebraucht, leicht fan- gen. Hat man beides nicht zur Hand, ſo fangen ſie ſich auch in hingelegten Laufſchlingen. Dieſen Fang kann man auch im Som- mer da anwenden, wo man ſie oͤfters herumlaufen ſieht; weil ſie dann aber Ueberfluß an Nahrung haben, fo gehen fie nicht gern an die Mehlwuͤrmer (auch in keine hochſtehende Netzfallen) und man muß das Gelingen mehr dem Zufall uͤberlaſſen. N un ß en Sie ſind dem Landmann die erſten Verkuͤndiger des Fruͤhlings und ihm durch das Wegfangen einer dem Viehe ſo laͤſtigen In⸗ I. Ordn. XVIII. Gatt. 103. Weiße Bachſtelze. 823 ſectenmenge, und durch ihr zutrauliches Weſen ſehr liebe Voͤgel, die er allenthalben gern hegt und in Schutz nimmt. Unter ſehr vieler⸗ lei ſchaͤdlichen Inſecten ſollen ſie vorzuͤglich bei den Haͤuſern und auf den Daͤchern die Kornmotte, den ſogenannten weißen Kornwurm, wegfangen. Auf den Aeckern hinter dem Pflu⸗ ge leſen ſie viele den Feldfruͤchten nachtheilige Inſectenlarven auf. Ihr Fleiſch iſt, beſonders im Herbſt, eine ſehr angenehme Speiſe. Sie find auch für andere um fie wohnende ſchwache Vögel ſehr wohlthaͤtig, indem ſie die Waͤchter machen und durch ihr heftiges Geſchrei, womit ſie jeden ſich blicken laſſenden Raubvogel verfolgen, jene warnen, auf ihrer Hut zu fein. Nicht allein die kleinen Voͤgel, ſon⸗ dern auch Tauben und Haushuͤhner verſtehen ihren Wars nungsruf. Indem alle Bachſtelzen aus einer Gegend ſogleich her⸗ beiſtroͤmen und den Räuber ſchreiend verfolgen, ſtoͤhren fie diefen nicht wenig und vereiteln dadurch manchem Sperber eine beabſich— tigte Jagd. Sie verfolgen außer den Raubvoͤgeln aber auch an— dere in der Gegend nicht gewoͤhnliche große Voͤgel, z. B. Stoͤrche und Reiher, wenn ſie ſich einmal daſelbſt ſehen laſſen. Dem aufmerkſamen Jaͤger werden ſie dadurch oft nuͤtzlich. . Schaden. Sie werden uns auf keine Weiſe ſchaͤdlich. 824 ö ET 104. ie er a ue ach 1 a BE Motacilla sulphurea. Bechst. - Fig. 1. Männchen im Sommerkleide. Taf. 87. — 2. Weibchen — — — 3. Junger Vogel im Winterkleide. Schwefelgelbe — gelbe — gelbbruͤſtige Bachſtelze, gelbe Bach⸗ ſtelze mit ſchwarzer Kehle; Winterbachſtelze; Fruͤhlingsbachſtelze; gelbe Waſſerſtelze, gelber Sticherling, Fruͤhlingsſticherling, gelbes Ackermaͤnnchen, Irlin. Motaeilla sulphurea. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 489. = Mo- zacilla boarula. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 997. n. 51. = Motaeilla melanope (?, Ibid, p. 997. n. 174. — Lath. ind. II. p. 503. n. 4. et 35. La Berge- ronnette jaune. Buff. Ois. V. p. 268, — Edit d' Deuxp. IX. p. 303. pl. 6. f. 3. Id. pl. enl. 28. f. 1. — Temminck. Man. 2me Edit. I. p. 257. — Gerard. Tab. elem. I. p. 335. = Grey Wagtail. Lath. syn. IV. p. 398. 4.— Ueberſ. v. Bechſtein, IV. S. 400. n. 4. = Bewick. britt. Birds. I. p.236. — Cuiretiola da codizinzola Stor. deg. ucc. IV. t. 386. f. 1. et 2. Wolf u. Mey er, Ta⸗ ſchenb. I. S. 217. Bechſtein, orn. Taſchenb. I. S. 162. Meisner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 105. n. 107. —= Koch, Baier. Zool. I. S. 183. n. 105. — Brehm, Beiträge I, S. 893. — Naumanns Vogel, alte Ausg. Nachtr. S. 32. Taf. 6. Fig. 13. Maͤnnchen im Sommerkl. 14. Weibchen im Win⸗ terkleide. f b Anmerk. Linnee's M. Boarula (v. Mant. plant. alt. p. 527.) iſt ein jun⸗ ger Hlerbſtvogel von der Motacilla flava; dies veranlaßte Bechſtein, unſerm Vogel den oben an ſtehenden Nahmen beizulegen. Kennzeichen der Art. Die drei aͤußerſten Schwanzfedern ſind groͤßtentheils weiß; die Schwungfedern zweiter Ordnung an der Wurzel auf beiden Fahnen weiß; der Rüden aſchgrau, und der Buͤrzel gelbgruͤn. PA III. Ordn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. 825 Beſchrei bung. Dieſer ſchoͤne, ſchlank und angenehm gebildete Vogel iſt be⸗ deutend kleiner als die weiße Bachſtelze, aber wenig groͤßer als die gelbe, wozu beſonders die ſchlankere Geſtalt und der viel laͤn⸗ gere ſchmaͤlere Schwanz beitraͤgt, welcher ihr ein faſt gleiches Laͤn⸗ genmaaß mit der erſteren verſchafft. Mit dieſer kann fie wol nicht verwechſelt werden, aber mit der gelben iſt dies oft genug ges ſchehen; wenn man indeſſen, außer den angegebenen Artkennzeichen noch auf die geringere Hoͤhe und lichtere Farbe der Fußwurzeln, auf den viel kuͤrzern und kruͤmmern Nagel der Hinterzeh und auf den viel laͤngern Schwanz achtet, ſo ſcheint es unmoͤglich, beide gelbe Bachſtelzen mit einander zu verwechſeln. Die Länge beträgt 74 bis SL Zoll, wovon 44 Zoll auf den Schwanz kommen, welcher hr ſchmale, weiche, 1 gleich⸗ lange Federn hat und von den ruhenden Flügeln nicht ganz zur Haͤlfte oder um zwei Fuͤnftheile bedeckt wird; die Fluͤgel klaftern, ausgebreitet, 11 bis 11 Zoll. Der geſtreckte Schnabel iſt 2 Zoll lang, ziemlich rund und ſpitz; an der Wurzel nicht viel höher als in der Mitte, dort aber merklich breiter als hoch; durchaus ſchwarz, nur bei juͤngern Voͤ⸗ geln hinterwaͤrts lichter, beſonders an der Unterkinnlade. Das Na⸗ ſenloch iſt rundlich; die Schnabelwurzel mit wenigen und feinen ſchwarzen Borſten beſetzt; die Augenſterne dunkelbraun, bei juͤn⸗ gern Voͤgel etwas lichter. Die ſchlanken Fuͤße haben nur 10 bis 11Linien hohe Fußwur⸗ zeln, welche ſehr zuſammengedruͤckt ſind und einzelne, ſehr flache, kaum bemerkliche Einſchnitte haben; dagegen ſind die Zehenruͤcken deutlicher geſchildert, die Naͤgel klein, eben nicht flach gebogen und ſehr zuſammengedruͤckt, der an der Hinterzeh bedeutend groͤßer als die uͤbrigen, doch nicht auffallend groß und eben ſo ſtark gebogen, aber duͤnner zugeſpitzt. Die Mittelzeh iſt mit dem Nagel 8 bis 9 Linien lang, die Hinterzeh, mit dem 53 Linien langen Nagel, 6 Linien. Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſchmutziges bleiches Roͤthlich⸗ gelb oder eine ins Braͤunlichgelbe uͤbergehende ſchmutzige Fleiſchfarbe, die an denen der jungen Voͤgel ſich der letztern noch mehr naͤhert, wobei die Sohlen ins Gelbliche fallen; die Agen ſind etwas dunk⸗ ler als die Fußwurzeln. Das alte Maͤnnchen in ſeinem Hochzeitskleide iſt ein praͤchtiger Vogel. An ihm ſind die Zuͤgel ſchwarzgrau; ein + 826 IH. Ordn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. ſchmaler weißer Streif zieht ſich vom Naſenloch uͤber das Auge bis an das Genick; Stirn, Oberkopf, Nacken, Hinterhals, die Schul- tern und der ganze Ruͤcken ſind aſchgrau, an den letztern kaum merk⸗ lich mit etwas Olivenfarbe uͤberflogen; der Buͤrzel und die obern Schwanzdeckfedern gelbgruͤn, an den Seiten in reines Blumengelb uͤbergehend. Kehle, Gurgel und Kropf ſind tief ſchwarz; die aſch— grauen Wangen und die ſchwarze Kehle trennt jederſeits ein breiter weißer Laͤngsſtreif; alle uͤbrigen Theile des Unterkoͤrpers ſind ſchoͤn ranunkelgelb, am ſchoͤnſten an der Oberbruſt gleich unter dem Schwarz zen und an den langen untern Schwanzdeckfedern, an den Seiten der Bruſt aber mit etwas Aſchgrau uͤberlaufen. — Alle Fluͤgeldeck⸗ federn find matt ſchwarzbraun oder fahlſchwarz; die kleinen Deck— federn mit breiten aſchgrauen Kanten; die groͤßern mit licht braun⸗ grauen Endkanten; die großen mit eben ſolchen, ins Gelbliche fal= lenden Einfaſſungen, die an den Enden am breiteſten ſind; die drei letzten Schwingen, welche ſchmal lanzettfoͤrmig geſtaltet ſind, haben die dunkelſte oder eine faſt braunſchwarze Grundfarbe, und auf der äußern Fahne beſonders breite, truͤbeweiße, ins Gelbe fallen- de Kanten, die nach der Spitze hin ſchmal auslaufen; die uͤbri⸗ gen Schwingen und die Deckfedern der großen haben nur ſehr feine licht braungraue Saͤumchen. Auf den zuſammengelegten Fluͤgeln zei⸗ gen ſich, durch die lichten Enden der mittleren und großen Deckfe— dern gebildet, zwei eben nicht ſehr auffallende Querlinien, und auf dem Hinterfluͤgel, durch die Seitenkanten der drei letzten Schwin⸗ gen gebildet, drei gelblichweiße Laͤngsſtreifen; ſobald ſich aber der Flügel auseinander faltet, erſcheint an der Wurzel der Schwungfe— dern, von der vierten an, noch eine weiße Zeichnung, die anfaͤng⸗ lich nur auf der innern Fahne ſteht, hinterwaͤrts ſich aber langer, breiter und uͤber beide Fahnen ausdehnt und ſehr charakteriſtiſch iſt. — Die ſechs mittelſten Schwanzfedern ſind braunſchwarz, mit feinen gruͤngelben Saͤumen, die nach der Wurzel zu viel breiter ſind und an den beiden mittelſten Federn noch breiter mit dem Grunde ver- laufen; die aͤußerſte Feder auf jeder Seite des Schwanzes iſt durch⸗ aus ganz weiß; die zweite weiß, mit halb ſchwarzem Schaft und mit uͤber die Haͤlfte der Laͤnge, von der Wurzel aus, ſchwarzer Au— ßenfahne, die an der Baſis noch weißgelb geſaͤumt iſt; die dritte Fe⸗ der eben ſo, aber mit mehrerem und faſt bis zur Spitze reichendem Schwarz; zuweilen, aber ſelten, hat auch die vierte etwas Weiß. Von unten iſt der Schwanz ſchwarz und weiß; die Schwingen auf der Unterfeite ſchwarzgrau, nach innen weißlich, an der Wurzel weiß; III. Orb n. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. 827 die großen hace weiß, die kleinen grau, mit weißen Enden und Kanten. Im Frühjahr haben die ſchwarzen Kehlfedern meſfkehs noch weiße Saͤumchen, die ſich nach und nach bei aͤltern (weil ſie hier viel ſchmaͤler find) mehr, bei juͤngern weniger, abſtoßen und im Sommer bei erſtern ſich ganz verlieren; dann verſchwindet auch der olivengruͤnliche Anflug am Oberruͤcken, un die lichten Kan⸗ ten an den Fluͤgelfedern werden ſo abgerieben, daß es nur noch ſchmale Saͤumchen bleiben. Sehr alte Weibchen haben ebenfalls eine ſchwarze Kehle, doch von etwas geringerem Umfang und mit breitern grauweißen Federraͤndern; allein ſolche ſind eine Seltenheit. Gewoͤhnlich hat bei ihnen die Kehle und Gurgel weiße Federn, unter welchen mehr oder weniger ſchwarze gemiſcht ſtehen, wodurch dieſe Theile weiß und ſchwarz gefleckt erſcheinen. Dann iſt ferner beim Weib— chen die aſchgraue Farbe der obern Theile weniger rein, faſt braͤun— lichaſchgrau; die gelbe Farbe der untern Theile, die untern Schwanz⸗ deckfedern kaum ausgenommen, viel bleicher gelb, ein wahres Schwe— felgelb, und es iſt auch ſtets etwas kleiner oder ſchmaͤchtiger als das Maͤnnchen. Juͤngere Maͤnnchen haben an den ſchwarzen Federn der Kehle und Gurgel immer breitere grauweiße Kaͤntchen, die auch im Sommer oft nicht ganz verſchwinden, und der Unterkoͤrper iſt nicht fo hochgelb, meiſt nur ſchwefelgelb, an der Bruſt oft ſehr licht oder weißlich ſchwefelgelb, bloß der After, die untern Schwanz= deckfedern und zum Theil die Oberbruſt, wo ſie an die ſchwarze Gurgel grenzt, von einem hoͤhern Blumengelb. Der weiße Strich uͤber dem Auge faͤllt meiſtens ins Roͤthlichgelbe, und der aſchgraue Ruͤcken iſt etwas mehr olivengruͤnlich uͤberlaufen. — Die Weib⸗ chen von dieſem Alter ſind mehrentheils an der Kehle gelblichweiß, mit Schwarzgrau nur ſparſam gefleckt, jedoch ſehr ſelten hier ganz ohne Flecke; der Augenſtreif roͤthlich- oder gelblichweiß; der Ruͤcken von einem ſchmutzigern Aſchgrau; der Unterkoͤrper von einem blaͤßern Gelb, was an der Oberbruſt ins Roͤthliche zieht, oder ſich einer blaſſen Ocherfarbe naͤhert; auch die Farbe der Fuͤße und des Schnabels iſt immer etwas lichter als am Maͤnnchen. Dies ſind naͤmlich alles Fruͤhlings- oder Sommer— kleider, die ſie gegen den Herbſt ablegen und Ben neuen vertau⸗ ſchen, welche etwas anders ausſehen. 828 III. Ordn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. Im Herbſt⸗ oder Winterkleide hat das alte Maͤnn⸗ chen eine gelblichweiße, gaͤnzlich ungefleckte Kehle und Gurgel, die ſeitwaͤrts und am Kropfe in blaſſes Ochergelb oder Roſtgelb uͤbergeht, was ſich auch uͤber die Oberbruſt verbreitet und mit dem blaſſen Schwefelgelb des Unterleibes verſchmilzt; nur der Bauch und die Un⸗ terſchwanzdeckfedern ſind ſchoͤn hochgelb. Der Strich uͤber dem Auge iſt roͤthlich- oder roſtgelblichweiß; die Zügel ſchwarzgrau; Stirn, Oberkopf, Wangen, Hinterhals, Schultern und Oberruͤcken aſch— grau, mit einem olivenbraͤunlichen oder olivengruͤnlichen ſchwa— chen Ueberfluge; der Unterruͤcken reiner aſchgrau; der Bürzel ſehr ſchoͤn gelbgruͤn oder zeiſiggruͤn, an den Seiten hochgelb; die Fluͤgelfedern ſehr dunkel ſchwarzbraun oder braunſchwarz, die Kanten an den Deckfedern breit und am Rande gelblich, die breiten Kanten der drei letzten Schwingen, beſonders am Rande, in mattes oder ſehr bleiches Schwefelgelb uͤbergehend; die ſchwarzen Schwanz— federn nach der Wurzel zu breit mit lichtem Gruͤnlichgelb geſaͤumt, was ſpitzewaͤrts in ein ſehr feines Saͤumchen auslaͤuft. Schnabel und Fuͤße ſind lichter als im Fruͤhjahr, erſterer an der Unterkinnlade roͤthlichgrau. Das angenehme roͤthliche Gelb am Kropfe und der Oberbruſt iſt immer ſehr rein, und die hochgelbe Farbe der Unter: ſchwanzdeckfedern ſo ſchoͤn wie am Fruͤhlingskleide. Die Weibchen im Herbſtkleide ſind ihren Maͤnnchen ſehr aͤhnlich, nur blaͤſſer gelb am Unterkoͤrper, auf der Mitte der Bruſt noch weißer, die roſtgelbe Farbe am Vorderhalſe ſchmutziger, und der Rüden duͤſterer aſchghrau. Vom jungen Maͤnnchen in feinem erſten Herbſtkleide find fie aͤußerlich nicht wohl zu unter⸗ ſcheiden, und die jungen Weibchen von dieſem Alter haben überall etwas mattere Farben als die gleichalten Männchen. Die Jungen im Neſtgefieder oder vor der erſten Maus ſer ſind, von der Stirn bis zum Buͤrzel, an allen obern Theilen duͤſter aſchgrau, mit gelbbraͤunlichem Ueberfluge; der Buͤrzel und die obern Schwanzdeckfedern gelbgruͤnlichgrau oder graulich oliven⸗ gelb; der lichte Streif uͤber dem Auge iſt truͤbe gelblichweiß; Wan⸗ gen und Halsſeiten grau; die Kehle ſchmutzig gelblichweiß, an den Seiten und unten mit kleinen dunkelgrauen Flecken eingefaßt, die aber ſelten ſehr auffallen und öfters beinahe zu fehlen ſcheinen; zwi⸗ ſchen ihnen und den grauen Halsſeiten iſt noch ein gelblichweißer Raum; die Bruſt blaß und ſchmutzig ſtrohgelb, nach dem Bauche zu allmaͤhlig in bleiches Schwefelgelb uͤbergehend; die Unterſchwanz— deckfedern ſchwefelgelb. Der Unterſchied zwiſchen Maͤnnchen 0 III. Ordn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. 829 und Weibchen iſt ſehr gering und wie beim erſten Herbſtkleide. — Dieſe jungen Bachſtelzen ähneln ihren Aeltern mehr als die Sun: gen der andern Arten den ihrigen und ſind von denen der gelben Bachſtelze außerordentlich verſchieden, weniger aber von den a Herbſtvoͤgeln dieſer. Im Auguſt iſt die Hauptmauſer, wo ſich bei alten Voͤgeln auch Flügel: und Schwanzfedern erneuen; die Jungen erſter Brut maus ſern aber ſchon im Juli, die der andern im Auguſt und Septem— ber. Man kann ſich dann bei erſteren bald uͤberzeugen, daß die ſchwarze Kehle verſchwindet und, ſtatt der ſchwarzen, weiße Federn jene Theile bekleiden, die dann dem Winterkleide verbleiben, ſo daß in dieſem keiner dieſer Voͤgel mit einer ſchwarzen Kehle angetroffen wird. — Die zweite Mauſer, die ſich nur uͤber das kleine Gefieder, aber nicht uͤber die Schwing- und Schwanzfedern erſtreckt, erfolgt im Februar und Maͤrz; ſie erſcheinen dann, meiſtens fertig vermau⸗ ſert, in ihrem Fruͤhlingskleide, mit ſchwarzer oder ſchwarzgefleckter Kehle, doch manche auch noch in voller Mauſer begriffen, in unſe— rem Lande. Man will bemerckt haben, daß beſonders die, welche bei uns uͤberwintern, nicht allein ſpaͤter damit beginnen, ſondern auch laͤnger damit zubringen und die Mauſer oft dann erſt vollen⸗ den, wenn ſie bereits bruͤten. Daß man mitten im April noch in voller Mauſer ſtehende Voͤgel dieſer Art bekoͤmmt, iſt eben fo etwas Seltnes nicht; dies find aber immer junge Voͤgel vom vo⸗ rigen Jahr, vielleicht Spaͤtlinge der letzten Hecke. Ziemlich bemerklich iſt noch eine Veraͤnderung einiger Farben des Gefieders am ausgeſtopften Vogel: das ſchoͤne Gelbgruͤn des Buͤrzels wird naͤmlich nach dem Tode des Vogels ſichtlich ſchlechter, und am ausgeſtopften faſt ſchmutzig olivengelb, das Aſchgrau des Ruͤckens braͤunlicher und duͤſterer, das ſchoͤne Gelb des Unterkoͤrpers viel matter, beſonders das roͤthliche Gelb am Kropfe alter Herbſtvoͤ— gel. Sehr auffallend iſt dies alles, wenn man einen lebenden oder friſch getoͤdteten Vogel gegen vor laͤngerer Zeit ausgeſtopfte haͤlt und damit vergleicht. — Gleich nach vollendeter Herbſtmauſer, wo das ganze Gefieder voͤllig erneuert und noch nicht abgenutzt iſt, wo die Farben deſſelben noch in jugendlicher Friſche leuchten, iſt dieſe Bach⸗ ſtelze am ſchoͤnſten; die ſanften, ſchoͤnen Farben, und ihre angenehme ſchlanke Geſtalt machen ſie zu einem lieblichen, ſchönen Vogel. A unf eee e ee Außer Europa bewohnt dieſe Bachſtelze auch die gemaͤßig⸗ ten Theile von Aſien und das noͤrdliche Afrika. In unſerm 830 III. Ordn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. Erdtheile geht ſie lange nicht ſo hoch nach Norden hinauf, als die bei⸗ den andern Arten, und beſucht, nach den neueſten Beobachtungen, nicht einmal das ſuͤdlichſte Norwegen und Schwedenz ſelbſt im noͤrdlichen Deutſchland iſt ſie ſchon eine große Seltenheit, in gewiſſen Diſtricten des mittleren und ſuͤdlichen aber ziemlich bekannt, ſo auch in der Schweitz, in Frankreich und in einigen Thei⸗ len von England. Sie liebt die Gebirgsgegenden und iſt da= her auf dem Harz, im Mannsfeldiſchen, in Thuͤringen, im Voigtlande und in mehreren Gegenden Sachſens, in Franken und in allen übrigen gebirgigen Theilen des ſuͤdweſtli⸗ chen und ſuͤdlichen Deutſchlands, wie in der Schweitz, hin und wieder ziemlich gemein, dagegen in allen ebenen Laͤnderſtrecken ſel⸗ ten und nur auf ihren periodiſchen Wanderungen zu finden. Hierher ge⸗ hoͤrt auch unſer ebenes Anhalt und die Ebenen Sachſens bis in die Gegend von Leipzig, wo ſie oberhalb dieſer Stadt an der Pleiße und Elſter ſchon oͤfterer vorkoͤmmt und weiterhin auch den ganzen Sommer hindurch verbleibt. In den Umgebungen mei- nes Wohnorts ſahe ich ſie bloß auf dem Zuge einzeln, und nicht alle Jahr, und in den Ebenen jenſeits der Elbe iſt ſie noch viel ſeltner. — Sie iſt uͤberhaupt unter unſern Bachſtelzen die ſeltenſte, und ſelbſt an ſolchen Orten, wo man von ihr ſagen koͤnnte, ſie ſei gemein, wird dieſe Art doch bei weiten weniger zahlreich an Individuen als die weiße Bachſtelze angetroffen. Als Zug vogel koͤmmt fie Anfangs März, ſeltner im 2 ſchon, aber meiſtens einige Tage vor der weißen Bachſtelze, einzeln bei uns an, und verlaͤßt uns eben ſo, oder hoͤchſtens zu zwei und vier beiſammen, im September und October wieder. Im Fruͤhjahr trifft man auch, wiewol ſelten, ein Paͤaͤrchen zuſam⸗ men auf der Reiſe, und ſie fliegen dann gerade gegen Oſten, im Herbſt gegen Weſten, was ich, weil ſie nicht allein des Nachts, ſondern auch am Tage ziehen, mehrmals beobachtet habe; wenig— ſtens legen ſie am Tage weit groͤßere Strecken in beſtimmterer Rich⸗ tung zuruͤck als die weißen Bachſtelzen, und thun dies mei⸗ ſtens in den Vormittagsſtunden. Diejenigen, welche man am Nach⸗ mittag an ſolchen Orten, wo fie nur auf dem Zuge einſprechen, ans trifft, bleiben dagegen bis am Abend.“) — Allein nicht alle grauen — — 5 *) Wenn ich z. B. an den Gewaͤſſern um meinen Wohnort gleich am fruͤhen Mor⸗ gen einen ſolchen Vogel, welcher Nachts zuvor angekommen ſein mußte, weil III. Ordn. XVIII. Gatt 104. Graue Bachſtelze. 831 Bachſtelzen ziehen weg; es bleiben auch viele im Lande an Bächen, Teichen und ſolchen Gewaͤſſern, die im Winter nicht zufrieren, der⸗ gleichen es in gebirgigen Gegenden hin und wieder giebt, und ſie ſcheinen gegen die Kaͤlte unſerer Winter ziemlich gleichguͤltig, wenn es ihnen nur nicht an Futter gebricht. Bei zu ſtrengen Wintern muß freilich auch manche, die nicht dem Mangel und der Kaͤlte da⸗ durch auszuweichen wußte, daß ſie nach und nach in gelindere Brei— ten fortruͤckte, den Hungerstod ſterben, weil dann, wenigſtens im mittlern Deutſchland, die meiſten Gewaͤſſer mit Eis belegt werden. In ſolchen Wintern, wo dies, wie haufig, der Fall nicht iſt, habe ich fie fo munter und fluͤchtig gefunden, wie im Sommer. So traf ich ein Paͤaͤrchen gleich nach Neujahr an einem, durch eine kleine Bergſtadt im Mannsfeldiſchen fließenden, offnen Bache mitten in der Stadt an, was ſogar ſehr ſcheu war, ob es gleichwol daſſelbe fein, mochte, was im Sommer dort gewohnt hatte. In ſo gelinden Wintern, wie der vorige (1324), überwintern ſogar einzelne an der Pleiße. Merkwuͤrdig iſt es, daß die Hierbleibenden meiſtens alte Voͤgel ſind. Die Jungen begeben ſich auch im Herbſt früher, auf die Reiſe als die Alten und find gefelligerz denn wenn man einmal mehr als zwei beiſammen ſieht, fo find es gewiß meiſtens junge Vögel. Die Alten find fo ungeſellig, daß im Fruͤhjahr nie zwei Paͤaͤrchen nahe bei einander wohnen. g Sie haͤlt ſich ſtets am Waſſer, aber allezeit lieber an fließen⸗ den als ſtehenden Gewaͤſſern auf und verdient den Namen Bach— ſtelze mehr als jede andere Art dieſer Gattung; denn Baͤche und Quellwaſſer liebt ſie mehr als andere, und ſie entfernt ſich auch nie weit von dieſen, geht aͤußerſt ſelten aufs Feld und dann nie weit vom Waſſer, nie auf trockne oder langbegraste Wieſen, nie bei die entferntern Viehheerden, auch niemals in die Bruͤcher. — Ihren Sommeraufenthalt nimmt fie ſtets in gebirgigen oder we—⸗ nigſtens huͤgeligen Gegenden, in den Chaͤlern, durch welche ein klei⸗ ner Fluß oder Bach dahinrauſcht, deſſen Ufer mit Gebuͤſch und hohen Baͤumen beſetzt ſind. Sie liebt vorzuͤglich ſolche, die flache und ſtei⸗ ich ihn Abends vorher nicht bemerkt hatte, herum laufen ſah, ſo war er doch in wenigen Stunden nicht mehr hier. Andere ſah ich am Tage eben ankom⸗ men, ſich auf kurze Zeit am Waſſer aufhalten, dann meiſtens auf die naͤchſten Daͤcher fliegen, ſich von hier aus in die Luft ſchwingen und in gerader Richtung fortziehen. Ich bin ihnen auch an die Gewaͤſſer der naͤchſten Doͤrfer, die ſie, der Richtung ihres Flugs nach, beruͤhren müßen, nachgegangen, fand fie. aber auch da ſchon nicht RE: 832 III. Ordn. XVII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. nige Betten haben, und hält ſich am liebſten in der Nähe der Men- ſchen, beſonders bei Muͤhlen, Muͤhlwehren, Hammer- und an⸗ dern Werken, die vom Waſſer getrieben werden, und an ſol— chen Stellen auf, wo hohe Erlen und andere Baͤume die Ufer beſchatten, wo Felſen, Mauern oder Holzbauten dem Waſſer Schranken ſetzen, bei Schleußen und kleinen Waſſerfaͤllen, oder wo quellige Stellen in der Naͤhe ſind, ſelbſt oft mitten in den Doͤrfern und bewohnten Orten. Im Mannsfeldiſchen findet man fie an ſolchen ſchon hin und wieder, aber auf dem Harz und in Thuͤ⸗ ringen fehlt fie nicht leicht bei einem Mühl: und Hammerwerk. Von hier aus beſucht ſie auch die naͤchſten Quellen und Teiche und liebt beſonders ſolche Gewaͤſſer, die ſeicht und kuͤhl ſind, aber im Win⸗ ter nicht zufrieren. — In der Zugzeit beſucht ſie, wo es keine Bäche giebt, auch die ſtehenden Graͤben und Teiche, an dieſen aber beſon— ders die ſeichten Stellen, wo der Boden ſandig oder ſteinig, wo alſo auch gewoͤhnlich das Waſſer am klarſten iſt. Sie ſucht daſelbſt auch gern die ſchattigen Ufer. Bei meinem Wohnorte, wo fie, auch auf dem Zuge, nur ſelten vorkoͤmmt, weiß fie an den Teichen und Graͤben immer ſolche Stellen aufzufinden; jedoch das Plaͤtzchen, an welchem ich ſie immer noch am oͤfterſten antraf, iſt eine unbedeutende Pfuͤtze in einem nicht ganz ſchmalen, von hohen Erlen und Pappeln befchatteten, ſelten benutzten Fahrwege, in welcher das Waſſer ſeicht iſt und, was hier ſonſt nicht vorkoͤmmt, grobſandigen oder kieſigen Boden hat. — An ganz freiliegenden Teichen, wenn ſie auch ſeichte Ufer haben, verweilt ſie nie lange; auch habe ich ſie an großen Fluͤſſen und Strömen nicht geſehen, mehrmals aber am Salzſee im Mannsfeldiſchen, wo die Ufer flach, ſandig und ſteinig was ren, und Weidenanpflanzungen bis dicht an das Waſſer gingen. Auf unſern Wieſen und in den Bruͤchern, wo die gelbe Bachſtelze ſo ſehr haͤufig iſt, die weiße aber hoͤchſt ſelten hinkoͤmmt, habe ich die graue Bachſtelze niemals angetroffen; auch nie bei den Viehheer⸗ den, weder auf dem Felde, noch auf den Triften und Hutungen.“) Sie iſt beinahe ganz Strandvogel und faſt immer am Waſſer. Hier läuft fie am Rande hin, oder wadet durchs ſeichte Waſſer, fest ſich *) Weil die gelbe Bachſtelze ganz andere Aufenthaltsorte hat, fo trifft man ſie auch ſelten mit der grauen in Geſellſchaft an. Merkwuͤrdig bleibt mir in⸗ deſſen eine Muͤhle in Sachſen, bei welcher weiße und graue, und auf den ausgedehnten anſtoßenden Wieſen auch gelbe Bachſtelzen niſten, ſo daß ich mit großem Vergnuͤgen öfters alle drei Arten zu gleicher Zeit am Ufer des en herumlaufen ſah, was gewiß ſelten vorkoͤmmt. III. Ordn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze 833 auf vorragende Steine, auf Pfaͤhle und andere Erhabenheiten, ſeltner auf Baumzweige, wenigſtens nicht oft auf hohe Baͤume, wol aber gern auf Brüdengeländer, auf die Balken und Säulen der Uferbaue bei Muͤhlen und Wehren, laͤuft auf dieſen und auf den Daͤchern der dem Waſſer zunaͤchſt ſtehenden Gebaͤude herum und lebt ſo immer auf dem Freien, ob ſie gleich die ſchattigen Ufer den ganz kahlen ſtets vorzieht. Als Bewohner von bergigen und waldigen Gegen: den, verfliegt fie fi) doch nie tief in den eigentlichen Wald und ift. daher weit weniger Waldvogel, als die weiße Bachſtelze. Man ſieht ſie auch auf den gewaͤſſerten Wieſen, an ſtehengebliebenen Pfuͤtzen und Lachen, und im Winter ſogar auf den Miſtſtaͤtten in den Muͤhl⸗ und Bauerhoͤfen herumlaufen. Auf Strohdaͤchern iſt ſie nicht ſo gern wie auf denen von Ziegeln oder Holz, auch geht ſie ſelten auf ſehr hohe. » Ihre Nachtruhe zu halten, geht ſie nicht, wie die andern Arten, ins Rohr, ſondern ſucht ſich dazu einen ſchlanken, uͤber das Waſſer haͤngenden Baumzweig aus, oder ſetzt ſich im Winter in einen ge⸗ flochtenen, dicht am Waſſer ſtehenden Zaun. Eigenſchaf te n. Unſere graue Bachſtelze iſt ein gar liebliches, ſchlankes, mun⸗ teres, gewandtes und zutrauliches Geſchoͤpf. Sogern ſie den Men⸗ ſchen nahe wohnt, ſo macht ſie dieſe Naͤhe, bei einem gewiſſen Grad von Vertrauen, doch nicht unvorſichtig; furchtlos laͤßt fie den, der ſich nicht um ſie bekuͤmmert, ganz nahe kommen, aber ſie merkt es bald, wenn fie beobachtet oder gar verfolgt wird, und übertrifft hier⸗ in die weiße bei weiten. Sie iſt behend im Laufen, wie im Fluge, geht immer ſchrittweis, bei jedem Tritte mit dem Kopfe nickend, laͤuft mit großer Gewandtheit ſchnell am Waſſer entlang, wobei ſie den Koͤrper ganz wagerecht und haͤufig, wo es naß iſt, oder wenn ſie gar durchs Waſſer wadet, den Schwanz etwas aufwaͤrts traͤgt, um ihn vor Naͤſſe zu bewahren. Starker Wind macht ihr deshalb oft viel zu ſchaffen. Ins ſeichte Waſſer geht ſie haͤufig und bis an die Ferſen. Wenn ſie auf einem erhoͤheten Gegenſtande, einem Steine Pfahle, Baumzweige u. dergl. ſitzt, iſt ihr Koͤrper ſehr aufgerichtet, und der lange, ſchmale Schwanz haͤngt ſchief herab. Sie hat ihre Lieb⸗ lingsſitze, was oft einzelne Zweige niedriger, duͤrrer Baͤume, Bruͤcken⸗ gelaͤnder, Säulen bei Wehren und Muͤhlbetten, oder eine Dachfirfte u. ſ. w. ſind, auf welchen ſie zuweilen ausruhet; ſonſt ſieht man fie immer in raſtloſer Thaͤtigkeit, bald hier, bald dort. Gegen ib- ater Theil. f 53 834 III. Ordn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. res Gleichen iſt fie unvertraͤglich, und ein Paͤaͤrchen darf dem andern nicht zu nahe wohnen, ſonſt giebt es beim Zuſammentreffen oͤfters heftige Zaͤnkereien, dagegen leidet ſie die weiße Bachſtelze oft ganz in ihrer Naͤhe. — Mit dem Fluge dieſer hat auch ihr Flug große Aehn⸗ lichkeit; der Wanderflug bildet eben ſo in großen Bogen eine wogen⸗ oder ſchlangenfoͤrmige Linie, iſt aber faſt noch leichter und ſchneller. Den Schwanz macht ſie im Fliegen ebenfalls ganz ſchmal, breitet ihn aber, indem ſie ſich auf die Erde oder ſonſt auf eine breite Flaͤche niederlaͤßt, faͤcherfoͤrmig aus und bewegt ihn heftig auf und nieder; im Laufe bewegt ſie ihn ſammt dem Hinterleib wol oft, aber nie ſo ſtark als beim Niederſetzen. Auf ihren Wanderungen fliegt ſie ſehr hoch, ſonſt gewoͤhnlich nicht; aber ſie fliegt auch weite 5 in Ei: nem Zuge weg. Ihre Lockſtimme iſt der der w eißen, wie 9 g er en Bad: ſtelze ahnlich, man möchte ſagen: fie ſtehe zwiſchen beiden mitten inne. Der Ton iſt feiner, hoͤher und viel weniger gezogen als bei der erſtern und klingt ſcharf und kurz, Zizi, zi, ziß, ziſſiß, oder ſtip, ſtipſtip, fo daß ihn ein geuͤbtes Ohr augenblicklich unterſcheidet. Er wird meiſtens nur im Fluge ausgeſtoßen. Einen andern Ton hoͤrt man auch noch im Fruͤhlinge vom Maͤnnchen von ſeinen Lieb⸗ lingsſitzen herab, welcher trillernd und zaͤrtlich wie Zürli oder zuͤßri klingt und Paarungsruf zu fein ſcheint, am oͤfterſten fruͤh mor⸗ gens, wobei es nachher auf eine eigene Art von ſeinem duͤrren Zweige, Wehre oder Dachfirſte herabflattert, dabei die Flügel zitternd be⸗ wegt, den Schwanz ausbreitet und ſein Gefieder aufblaͤhet, gerade wie es die Maͤnnchen der gelben Bachſtelze haͤufig auch zu machen pflegen. Zuweilen ſieht und hoͤrt man dies Anfangs Herbſtes auch von den Jungen, und im Spaͤtherbſt auch manchmal von alten Maͤnnchen. Sonſt hat dieſes auch noch einen ganz artigen, nicht un⸗ angenehmen Geſang, welcher beſſer als der der weißen Bad: ſtel ze iſt; aber es ſingt ſeltner. Ihr Warnungsruf klingt wie zieh, und man hört ihn beſonders von den Alten, wenn den eben ausge: Augen Jungen eine Gefahr drohet. f Im Zimmer ſind dieſe Voͤgel zaͤrtlicher als die w eiß en Bachſtelzen und halten ſich, auch frei herumfliegend, nicht ſo lange wie dieſe. Nahrung. Sie ſucht ihre Nahrung faſt einzig am Waſſer, beſonders an ſchattigen Kieſelbaͤchen und Quellen, an Teichen und Lachen, wo III. Drbn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. 835 ſie deshalb am Ufer auf dem Sande, Schlamme oder auf den Stei⸗ nen herum laͤuft, bald bis ans ſogenannte Knie darnach im Waſſer herumwadet und daſelbſt allerlei im Waſſer und Schlamme leben⸗ de Inſectenlarven auflieſt und auffiſcht, theils die wirklichen Inſec⸗ ten bald im Sitzen, bald im Sprunge oder kurzen Fluge erhaſcht und auch die vorbeifliegenden zu erwiſchen ſucht. So findet man Hafte, kleine Libellen, Fruͤhlingsfliegen und Waſſermotten, Schna⸗ ken, Muͤcken, Fliegen, und die Larven aller dieſer und noch man⸗ cher andern in ihrem Magen. Auch auf den Daͤchern jagt ſie manch⸗ mal den Fliegen und andern Inſecten nach, und auf den Miſtſtaͤtten findet ſie beſonders die Larven und Puppen mancher Fliegenarten. Sie iſt ſehr emſig an ſolchen Stellen, wo man eben das Waſſer ab⸗ gelaſſen hat, und findet da auf dem Schlamme und Sande, zwiſchen den Steinen und Waſſerpflanzen ſehr viel Inſectenbrut. Gewiß wohnt ſie auch deshalb ſo gern bei ſolchen Muͤhlen, wo das Waſſer von Zeit zu Zeit aufgehalten und erſt in Teichen geſammelt wird, wo es daher bald im Muͤhlgraben, bald in den Teichen abgelaſſene Stellen giebt. — Sie lebt meiſtens von weichen Inſecten und de⸗ ren Larven und frißt ſeltner kleine Kaͤferchen; deswegen beſucht ſie auch die Viehtriften nicht, wo die weiße Bachſtelze der letz⸗ tern wegen ſo gern verweilt. Sie ſucht auch eben ſo wenig wie dieſe, im langen Graſe der Wieſen ihre Nahrung, koͤmmt des halb aber auch nicht auf trockne Wieſen. Hierdurch unterſcheidet ſie ſich gar ſehr von der gelben Bachſtelze. — Im Winter muß ſie ihre Nahrung auf einem groͤßern Raum zuſammenſuchen, oft weit darnach fliegen, und eine einzelne hat dann viele vom Eiſe entbloͤßte Stellen an den Gewaͤſſern und vom Schnee nicht bedeckte Miſtſtaͤtten, die ſie abwechſelnd und taͤglich mehrmals beſucht. Man ſieht ſie dann halbe und ganze Stunden weit nach ſolchen fliegen. Im Zimmer muß man ſie mit untermengten Inſecten an das Nachtigallenfutter gewöhnen und ihr gute Pflege angedeihen laſſen, wenn man ſie uͤber ein Jahr lang beim Leben erhalten will. Es ſind indeſſen auch nur wenige Verſuche der Art bekannt, und ich ſelbſt habe noch keine anſtellen koͤnnen. Fortpflanzung. In völlig ebenen Gegenden niſten dieſe Vögel nicht, und man trifft dann in ſolchen, wie der groͤßte Theil von Anhalt und ein an dieſen grenzender betraͤchtlicher Theil von Sachſen iſt, in der Fort⸗ pflanzungszeit keine an; aber ſchon wenige Stunden von Leipzig 836 III. Ordn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. an den Ufern der Elſter und Pleiße fand ich einzelne bruͤtende Paͤaͤr⸗ chen, fo auch im Mannsfeldiſchen und in dem an den Harz grenzenden Theil von Anhalt; auf dem Harze und in Thuͤ⸗ ringen aber fehr viele. Dort wird man bei jedem Hammer: und Huͤttenwerk, bei jeder Mahl- und Saͤgemuͤhle im Sommer gewiß ein Paͤaͤrchen, was daſelbſt niſtet, antreffen; uͤberhaupt halten ſie ſich dann ſtets nur an fließendem Waſſer auf. Das Neſt iſt meiſtens nahe am Waſſer, haͤufig im Ufer ſelbſt angebracht; nur ſelten findet man es in einer kleinen Entfernung von dieſem. Es ſteht ſtets in einer Hoͤhle, die jedoch mehrentheils nicht ſo tief iſt, als daß man nicht die Materialien deſſelben ſchon am Eingange bemerken koͤnnte, oft ragt ſogar die Haͤlfte des Neſtes ſchon daraus hervor. Man findet es in den Loͤchern der Mauern an Muͤhlen und dergleichen Gebaͤuden, meiſtens neben den Waſſer⸗ betten, in den Uferbauen, hinter einem Balken oder ausgefaulten Pfahle an Wehren und Muͤhlbetten, in den Löchern der Erd- und Felſenwaͤnde, in Hohlwegen und Steinbruͤchen, oder in Uferhoͤhlen, un⸗ ter uͤberhaͤngenden Ufern, auch in großen Steinhaufen, unter Bruͤ⸗ cken u. ſ. w. Je nachdem die Höhle, welche es aufnimmt, weit oder enge iſt, bauen ſie es groͤßer oder kleiner, aus mehreren oder wenigern Materialien, die bald dichter, bald lockerer in einander geflochten find und eben kein kuͤnſtlicher Bau genannt werden koͤn— nen. Die erſte Grundlage ſind kleine Reischen und Wuͤrzelchen, mit grünem Erdmoos vermiſcht, unter welchen ſich oͤfters noch duͤrres Laub und Grasſtoͤckchen mit den Wurzeln und anhaͤngender Erde befinden; nach innen werden alle dieſe Dinge feiner, und das Innere iſt mit Haaren und Borſten, Wolle und Pferdehaaren ausgelegt und bildet einen halbkugelfoͤrmigen Napf. Die Eier, wovon man gewoͤhnlich fuͤnf bis ſechs, ſeltner nur vier Stuͤck in einem Neſte findet, ſind ſehr duͤnn- und glattſchalig, ohne merklichen Glanz, meiſtens kurzoval, oft an einem Ende ziemlich ſpitz, an dem andern ſtark abgerundet, ſeltner etwas lang- licht. Sie gleichen in der Form denen der weißen Bachſtelze ſo ziemlich, ſind aber jederzeit merklich kleiner und von einer ganz andern Farbe, naͤmlich auf einem ſchmutzig gelblichweißen oder graugelblichweißen Grunde, überall mit gelbgrauer Farbe und mit ei- nem bleichen Gelbbraun beſpritzt und bepunktet, zuweilen auch mit dieſen Farben einzelner und groͤber gefleckt. Manchmal verfließen die Zeichnungen mit der Grundfarbe ſehr, bei andern blickt dieſe wieder reiner zwiſchen jenen durch, noch andere ſcheinen nur blaß III. Ordn. XVIII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. 837 gelbbraun gewoͤlkt, bei noch andern iſt auf dies noch ein dunkleres Gelbgrau geſpritzt, und bei einigen werden auch dunkelgraue Fleck⸗ chen ſichtbar. Zuweilen fließen die gelbbraunen Zeichnungen am ſtumpfen Ende faſt zuſammen, und das entgegengeſetzte iſt lichter, bei den meiſten ſind ſie aber ziemlich gleichfoͤrmig auf der ganzen Fläche verbreitet. So variiren fie ziemlich bedeutend. Sie aͤhneln, hinſichtlich ihrer Farbe, denen der gelben Bachſtelze ſehr, ſind aber doch im Ganzen ſtets viel lichter und gelblicher und dabei alle— zeit um vieles groͤßer. Sie halten in der Groͤße zwiſchen den ſtets ſehr kleinen Eiern dieſer und denen der weißen Bachſtelze das Mittel und ſind ziemlich leicht zu erkennen. Das Weibchen bruͤtet ſie gewoͤhnlich allein aus, doch hat man auch ſchon das Maͤnnchen uͤber denſelben bruͤtend gefunden. — Sie lieben die Eier ſo, daß man das bruͤtende Weibchen leicht auf dem Neſte greifen kann; noch mehr lieben ſie aber nachher die Jungen, die das Neſt ſchon verlaſſen, wenn ihre Schwanzfedern kaum etwas uͤber die Haͤlfte ihrer nachherigen Laͤnge haben, verſorgen ſie auch dann noch fleißig mit Futter und machen ſie auf drohende Gefahren aufmerkſam, bis dieſe ſich ſelbſt naͤhren koͤnnen, worauf ſie zur zweiten Hecke ſchreiten; denn ſie machen alle Jahr zwei Bruten. — In guten Fruͤhjahren und von alten Paͤaͤrchen findet man oft ſchon zu Anfang des Aprils das Neſt mit den Eiern, wo dann die Jun⸗ gen ſchon zu Anfang des Maies fluͤgge ſind, worauf die Alten Anfangs Juni ſchon ein neues Neſt mit Eiern haben, dann aber ſel⸗ ten mehr als vier Stuͤck legen. Juͤngere Paͤaͤrchen fangen immer ſpaͤter an, und ein ſchlechtes Fruͤhjahr verſchiebt die Geſchaͤfte der Fortpflanzung auch oft um einige Wochen, ſo daß man manchmal die Eier der erſten Hecke erſt zu Ende Aprils oder Anfangs Maies, die der zweiten aber wol gar erſt im Anfange des Juli findet. — Sie beziehen im kuͤnftigen Jahr die alte Hoͤhle, in welcher ſie un⸗ geſtoͤhrt ausbruͤteten, gern wieder und bauen das neue Neſt dann oft auf die noch uͤbriggebliebenen Reſte des alten; aber nie bauen ſie das zweite Neſt von demſelben Jahr in die Hoͤhle, worin das erſte ſtand.“) — An den Brutoͤrtern find dieſe Vögel ſehr kirre, und *) Bei einem meiner Verwandten war eine ſolche Höhle in er Pfahlwerk bei einer Waffermühle, in welcher ein Päärchen viele Jahre nach einander feine erſte Brut alljaͤhrlich machte, was ich ſelbſt oft beobachtete. Als ich es nach⸗ her todtſchoß, kam im folgenden Jahr zwar ein anderes Paͤaͤrchen an die Muͤhle, es bauete aber ſein Neſt nicht in dieſe Höhle, welche jeboch nicht unbe: nutzt blieb, indem eine weiße Bachſtelze ihr Neſt hinein bauete. 3838 UI. Ordn. XVII. Gatt. 104. Graue Bachſtelze. ihr zutrauliches Weſen macht ſie bei Jedermann beliebt, ſo daß man ihnen und ihrer Brut vorſetzlich kein Leid zufuͤgt, ja ſie als ange⸗ nehme und unſchaͤdliche Geſchoͤpfe uͤberall in Schutz nimmt; demohn⸗ geachtet iſt ihre Vermehrung, bei einer zweimaligen jaͤhrlichen Brut, lange nicht ſo ſtark, als man vermuthen moͤchte. Die letzere hat freilich gar viele Verderber, deren Zahl der Kuckuk vermehren hilft, indem er ſein Ei ſehr gern in das Neſt dieſer Bachſtelze einſchiebt. Feinde. Die alten Voͤgel erwiſcht nicht leicht ein Raubvogel; deſto mehr Zerflöhrer findet dagegen ihre Brut; denn Katzen, Mar⸗ der, Iltiſſe, Wieſeln und Ratten rauben ihnen nicht allein Junge und Eier, ſondern erſtere fangen gar haufig auch den bruͤ. tenden Vogel vom Neſte und zerſtoͤhren ſo ſehr viele Bruten. Auch die Kraͤhen und Elſtern fangen die eben ausgeflogenen Jungen noch weg, beſonders bei Regenwetter. Dazu vernichtet das ploͤtz⸗ liche Anſchwellen der Baͤche, wie es in gebirgigen Gegenden nach ſtarken Regenguͤſſen gar nichts Seltnes iſt, auch haͤufig ihre Brut, und auch der Kuckuk ſteht ihrer groͤßern Vermehrung im Wege, in⸗ dem er ihnen oft ſein Ei auszubruͤten giebt und dadurch die ihrigen verdirbt. Im Winter moͤgen auch viel zuruͤckgebliebene alte Voͤgel umkommen. Der Urſachen ihrer Verminderung moͤgen uͤberhaupt viele ſein, weil ſie ſich ſonſt viel ſtaͤrker vermehren muͤßten. Jagd. An ihren Brutoͤrtern kann man ſie leicht ſchießen, doch darf man ſie nicht lange herumjagen, wo ſie bald ſehr ſcheu werden. An den Orten, wo ſie bloß auf der Reiſe einzuſprechen pflegen, ſind ſie dies immer, und man kann ſich da ohne Hinterhalt ihnen nicht leicht ſchußmaͤßig naͤhern, zumal wenn man gar einen Fehlſchuß nach ihnen that, worauf ſie mehrentheils ſogar die Gegend gleich verlaſſen, oder doch ſo weit wegfliegen, daß man ſie nur mit Muͤhe wieder findet. So iſt ſie unter den Bachſtelzen die ſcheueſte. Fangen kann man fie im Winter mit Leimruthen, oder in ei= nem Schlaggaͤrnchen am Waſſer, oder auf den Miſtſtaͤtten mit leben⸗ den Mehlwuͤrmern, im Sommer aber nur zufällig an ſolchen Or⸗ ten, wo man ſie haͤufig herum laufen ſieht, auch in Fußſchlingen. Nutz en. Durch Verminderung einer fuͤr Menſchen und Vieh laͤſtigen Inſectenmenge werden ſie ſehr nuͤtzlich. Sie erfreuen durch ihr III. Orb n. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 839 munteres, zutrauliches Weſen und ſind den Menſchen angenehme Geſellſchafter. Ihr Fleiſch ſchmeckt ſehr gut und ſoll geſund ſein. Schaden thun ſie, ſo viel man weiß, gar nicht. 105. Die gelbe Bachſte lz e. Motacilla flava. Linn. Fig. 1. Maͤnnchen im Sommerkleide. — 2. Weibchen — — Taf. 88. — 3. Maͤnnchen im Winterkleide. — 4. Junger Vogel. Goldgelbe — goldbaͤuchige — gelbbruͤſtige Bachſtelze, kleine oder kurzſchwaͤnzige Bachſtelze, gelbe Viehbachſtelze, Kuhbachſtelze, Fruͤhlingsbachſtelze; Kuh⸗— Rinder⸗— Vieh⸗— Wieſen⸗ oder Triftſtelze; gelber Wippſterz, geeler Wippſtaͤrt; gelber Sticherling, Fruͤhlingsſticherling; gelber Ackermann; Grasmuͤcke, gelbe Gras⸗ muͤcke; Kuhſcheiße; in der hieſigen Gegend: bangen und geeler (gelber) Ackermann. Motaeilla flava. Gmel, Linn. syst. I. 2. p. 963. n. 12. = Lath. ind. II. p. 504. n. 8. Retz. faun, suec. p. 257. n. 240. = Nilsson orn. suec, I. p. 237. n. 113. = Motacilla Boarula, Linn. Mant. plant. alt. p. 527. (Av. jun. antumn.) — Motaeilla chrysogasira. Bechſtein, Naturg. Deut ſchl. 2te Ausg. III. S. 446. = Bergeronnetie de printemps. Buff. Ois. V. p. 268. t. 14. f. 1. — Edit. de Deuxp. IX. P. 300. k. 6. Ff. 2. = Id. pl. enl. 674. f. 2. = Gérard. Tab. lem. I. p. 334. — Bergeronneite Printaniere. Temm. Man, : nouv. Edit. p. 260. = Yellow Wagtail. Lath. syn. IV. p. 400 n.6. — Ueberſ. v. Bechſtein, II. 2. S. 402. n. 6, = Bewick britt. Birds. I. p. 238. —= Cutreitola di primavera. Stor, deg. uce. IV. t. 88. f. 2. Geele Kwickstaart. Sepp. Nederl. Vog. II. t. p. 103. = Wolf und Meyer, Voͤg. Deutſchl. Heft. 10. — Deren Taſchenb. I. S. 218. — Bechſtein, orn. Taſchenb. 1. S. 163. = Meisner und Schinz. V. b. Schweitz. S. 105. u. 108. = Meyer, Vog. Liv: und Eſthlands, S. 111. — Koch, Baier. Zool. I. ©. 840 II. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 182. n. 104. = Brehm, Beiträge. I. S. 927. = Friſch, Vög. Taf. 25. F. 2. links. = Naumann's Voͤg. alte Ausg. I. S. 190. Taf. 39. Fig. 88. Maͤnnchen. Kennzeichen der Art. Die z wei aͤußerſten Schwanzfedern find groͤßtentheils weiß; der ganze Ruͤcken olivengruͤn; der Oberkopf grau. Junger Vogel: Von oben dunkel erdgrau, von unten blaß lehmgelb, En der Gurgel ſchwarz gefleckt. Beſ char ei bung. Die gelbe Bachſtelze iſt zwar weniger ſchlank als die graue, doch aber immer noch ein ſehr nett gebildeter Vogel, ſchlanker und langſchwaͤnziger als mancher kleine Singvogel. Sie gleicht hierin einem Pieper und bildet, hinſichtlich ihrer Geſtalt und Lebensart, ein wahres Bindeglied zwiſchen dieſer und der Bachſtelzengat— tung. — Sie iſt die kleinſte von den einheimiſchen Arten und hat verhaͤltnißmaͤßig den kuͤrzeſten Schwanz. Außer den angegebenen Artkennzeichen unterſcheidet ſie ſich ſchon durch ihre kuͤrzere und klei⸗ nere Figur, den kuͤrzern, breitern Schwanz, durch die hoͤhern, im⸗ mer dunkler gefärbten Fußwurzeln, durch den langen, wenig ges kruͤmmten Nagel der Hinterzeh, welcher wie bei einem Pieper ge- ſtaltet iſt, durch die lichter gefaͤrbten, mit viel breitern hellern Fe⸗ derraͤndern verſehenen Fluͤgel, und durch eine ganz andere Ruͤcken⸗ farbe gar ſehr von dergrauen Bachſtelze; auch hat das Maͤnn⸗ chen niemals eine ſchwarze Kehle. — Von der im oͤſtlichen Europa vorkommenden Motacilla citreola unterſcheidet fie ſich durch ihre ge⸗ ringere Groͤße, den kleinern Schnabel, und durch die dunkle Farbe des Oberkopfs; denn Stirn, Vorderkopf und Wangen ſind bei die⸗ ſer auch gelb. Sie iſt 63 bis hoͤchſtens 7 Zoll lang und 10% bis 11 Zoll breit. Der nicht ſehr lange Schwanz hat etwas breite Federn, von ziemlich gleicher Laͤnge, die mittelſten auch oft ein wenig laͤnger; er mißt 3 Zoll und wird von den ruhenden Fluͤgeln bis auf zwei Drittheile ſeiner Laͤnge bedeckt. 0 Der Schnabel iſt kuͤrzer und nach vorn zuſammengedruͤckter, als der der grauen Bachſtelze, 55 Linien lang, an der Wur⸗ zel etwas breit, vorn ſehr zuſammengedruͤckt, mit eingezogenen Schneiden, im Ganzen aber doch rundlicht, ſchoͤn geſpitzt, die obere Spitze nur wenig gebogen, ſonſt alles gerade. Von Farbe iſt er ſchwarz, an der Wurzel der Unterkinnlade oft lichter oder blei⸗ / III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 841 ſchwarz; bei jüngern Voͤgeln hier roͤthlichgrau oder ſchmutzig fleiſch⸗ farben, was ſich an den Jungen noch weiter verbreitet; der Ra⸗ chen fleiſchfarbig. Das Naſenloch iſt oval, etwas laͤnglicher als bei der grauen Bachſtelzez ſehr feine Haͤaͤrchen umgeben die Schnabelwurzel; die Iris iſt dunkelbraun. Die Fuͤße ſind hoͤher und ſchlanker als bei den andern Arten; die Fußwurzeln und Zehen duͤnn, erſtere ſehr zuſammengedruͤckt und hinten ſchneidig, faſt geſtiefelt, nur die Zehenruͤcken deutlicher geſchil— dert; die Naͤgel ſehr flach gebogen, duͤnn und nadelſpitz; der der Hin⸗ terzeh eben ſo, aber ſehr groß und lang, wie bei manchen Piepern. Fuͤße und Krallen ſind im Fruͤhjahr bei den Alten ſchwarz, im Herbſte lichter; bei den Jungen ſchmutzig bleifarben, mit gelblichen Soh— len. Die Hoͤhe der Fußwurzel iſt 1 Zoll; die Laͤnge der Mittelzeh mit der Kralle 10Z Linienz die der Hinterzeh uͤber 9 Linien, wo⸗ von etwas mehr als die Haͤlfte auf die große Kralle koͤmmt. Das alte Maͤnnchen in feinem Fruͤhlings- oder Hoch- zeitskleide iſt ein gar ſchoͤnes Voͤgelchen. An ihm ſind die Stirn, der Scheitel und das Hinterhaupt bis an den Nacken ſchoͤn blaͤu— lichaſchgrau; ein weißer Streif faͤngt hinter dem Naſenloch an und zieht ſich uͤber das Auge weg; die Zuͤgel ſind grauſchwarz; das Augenliedraͤndchen groͤßtentheils weiß, ſo auch ein Fleckchen unter dem Auge und ein Strich vom untern Schnabelwinkel bis unter die Mitte der blaͤulichaſchgrauen, weißlich geſtrichelten Wangen, und das Kinn rein weiß; Hinterhals, Schultern und der Ruͤcken bis an den Schwanz olivengruͤn, an den Seiten des Halſes und am Buͤr⸗ zel lichter und mehr mit Gelb uͤberlaufen, daher faſt zeiſiggruͤn; die zu beiden Seiten liegenden Oberſchwanzdeckfedern in der Mitte grau⸗ braun, an der Außenſeite mit einer breiten, weißgelben Einfaſſung. Von der Kehle an bis an den Schwanz ſind alle untern Theile prächtig hochgelb, was, gegen das ſchoͤne Gelb der grauen Bach- ſtelze gehalten, ein wenig ins Gruͤnliche zieht, wie in manchen Blumen; eine ungemein ſchoͤne Farbe. An den untern Schwanz⸗ deckfedern wird dieſe Prachtfarbe ſtets etwas blaͤſſer (beim eben ge⸗ nannten Vogel iſt es umgekehrt), und in den Weichen iſt ſie oliven⸗ grün überſlogen. Nicht ſelten findet man auch in der Kropfgegend einzelne gruͤnlich-oder braungraue Fleckchen, ſelbſt bei ſolchen Indi⸗ viduen, die ſich ſonſt durch die Pracht ihrer Farben als ſehr alte Voͤgel auszeichnen. — Alle Fluͤgelfedern ſind matt braunſchwarz, die kleinen Deckfedern gruͤnlichgrau eingefaßt, die mittleren mit ſehr breiten, hell braungrauen, in ſchmutziges Gruͤngelblichweiß uͤber⸗ 8 7 N | 842 III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. gehenden Endkanten, mit welcher Farbe auch die großen Deckfe⸗ dern eingefaßt ſind, und deren große ſchmutzig gruͤngelblichweiße En⸗ den, mit denen der mittleren, zwei lichte und ſehr deutliche Querbinden über den Fluͤgel bilden; die großen Kanten der hintern Schwingen gehen aus der Grundfarbe durch Braungrau in truͤbes gruͤngelbliches Weiß uͤber; die mittleren haben licht gruͤngelbliche Saͤumchen, die an den vorderen faſt verſchwinden, und die vorderſte hat ein feines, faſt ganz weißes Saͤumchen. — Die acht mittleren Schwanzfedern ſind tief braunſchwarz, mit feinen ſchmutzig grüngelblichweißen Saͤumchen, die nur an den beiden mittelſten etwas breiter ſind und ſich i in Braungrau mit der Grundfarbe vereinigen. Die beiden aͤu⸗ ßern Federn auf jeder Seite des Schwanzes ſind weiß, beide mit einem mattſchwarzen, ſchmalen, ſchief und ſpitz auslaufenden Streif auf der Kante der Innenfahne, welcher aber nicht bis zur Spitze reicht, doch an der zweiten laͤnger herabgeht, welche auch auf der aͤußern Fahne am ſchwarzen Schaft entlang, von der Wurzel bis auf die Mitte, einen ſchmalen, ſchwarzgrauen Strich hat; nur ſelten hat auch die dritte Feder an der Spitze noch etwas Weiß, oͤfterer ein feines weißes Saͤumchen. Von unten iſt der Schwanz matt ſchwarz und weiß; die Schwingen glaͤnzend braungrau, oberwaͤrts lichter und an der Kante der Innenfahne, nahe an der Wurzel, weiß- lich, was aber nicht bis an den Schaft reicht; die untern Fluͤgeldeck⸗ federn weiß oder lichtgrau, mit großen ſchoͤngelben Enden; die klei⸗ nen am Fluͤgelrande braungrau, mit hellgelben Endkanten. So wie dieſe, ſind auch die Federn am Unterſchenkel. Am juͤngern Maͤnnchen in dieſem Gewande iſt das ſchoͤne Gelb der untern Theile viel bleicher; kleine graue Fleckchen in der Kropfgegend fehlen ſeltner; der Kopf iſt nicht ſo ſchoͤn aſch⸗ blau, bloß aſchgrau; der Oberkoͤrper nicht ſo ſchoͤn gruͤn, und die Wurzel des Unterſchnabels immer lichter als die Spitze. Das ſehr alte Weibchen ſieht in ſeinem Fruͤhlingskleide dieſen juͤngeren Maͤnnchen faſt aͤhnlich, aber man findet es ſelten ſo. — Gewoͤhnlich iſt es am Oberkopfe, im Genick und an den Wangen braͤunlichaſchgrau, der weiße Augenſtreif iſt zunaͤchſt dem Schnabel und auch hinterwaͤrts, roſtgelb uͤberlaufen, uͤberhaupt ſchmutziger, der Rüden ſehr ſchmutzig olivengruͤn oder olivengruͤn⸗ grau; die Kehle weiß, die Gurgel ochergelblichweiß; am Kropfe ſte⸗ hen mehrere graue Fleckchen; der ganze Unterleib iſt ſehr bleichgelb; die untern Schwanzdeckfedern find weißgelb; die Einfaſſungen an den Fluͤgelfedern viel grauer; der Schnabel bleicher, hinten, ſo wie II Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 843 auch die Füße, mit durchſchimmerndem roͤthlichem Grau. Es unterſcheidet ſich ſchon von weiten ſehr vom alten Maͤnnchen. — Bei noch juͤngern Weibchen faͤllt die weißlichgelbe Oberbruſt faſt ins Strohgelbe, der Oberkopf iſt licht braungrau, und der Ruͤcken gruͤnlichgrau oder braungrau, mit einem ſehr ſchwachen gruͤnlichen Anfluge, der nur am Buͤrzel bemerklicher wird; die Einfaſſungen der Fluͤgelfedern fallen auch mehr ins Weißliche als ins Gelbliche, und an den weißen Schwanzfedern breitet ſich das Schwarze der innern Fahne mehr aus als bei aͤltern Voͤgeln. Im Sommer reiben fi) die Raͤnder der Fluͤgelfedern ſehr ab und werden dann viel ſchmaͤler; die Farben des ganzen Gefieders ver— bleichen ziemlich und verlieren wenigſtens ſehr merklich an Friſche. Das Herbſt⸗ oder Winterkleid iſt ſehr vom Hochzeits⸗ oder Sommerkleide verſchieden, aber mit weniger praͤchtigen Farben geziert. Die alten Maͤnnchen haben dann gewoͤhnlich folgende Farben: Der Schnabel iſt an der Wurzel fleiſchfarbig, in der Mitte braun, an der Spitze ſchwarz; die Fuͤße ſchwarzgrau, mit braͤun⸗ lichgelben Zehſohlen; der Oberkopf, Hinterhals und der ganze Ruͤ⸗ cken matt olivenbraun, am Nacken mit vorſchimmerndem Aſchgrau, am Ruͤcken und an den kleinen Fluͤgeldeckfedern, beſonders aber am Bürzel, zeiſiggruͤn uͤberlaufen; die letzten Oberſchwanzdeckfedern ſchwaͤrzlich, mit zeiſiggruͤnen und weißgelben Einfaſſungen. Ein Streif vom Naſenloch an uͤber das Auge weg iſt roſtgelblichweiß; die Kehle weiß, roſtgelblich uͤberflogen, überhaupt der ganze Unter⸗ leib weiß, in den Seiten roſtgelblich und an der Gurgel beſonders mit einem roͤthlichen Roſtgelb überlaufen, nach unten zu und an den untern Schwanzdeckfedern ſehr blaß ſtrohgelb. An den Hals: ſeiten zeigen ſich meiſtens einige ſchmutzige Fleckchen in einem un⸗ deutlichen herabſteigenden Streif, und mitten vor dem Kropfe ein paar braͤunlichgraue Fleckchen. Von dem ſchoͤnen Blumengelb des Fruͤhlingskleides iſt beim fertig vermauſerten Vogel keine Spur vor⸗ handen. Fluͤgel⸗ und Schwanzfedern haben viel breitere Einfaſſun⸗ gen, weil fie noch neu find, und die Ränder ſich noch nicht abgeſto⸗ ßen haben, beſonders die erſtern, und ihre Farbe iſt ein viel ſchoͤne— res lichtes oder weißliches Gruͤngelb, die Uebergangsfarbe zum braunſchwarzen Grunde ein angenehmeres Braun. — Die Maͤnn⸗ chen in dieſem Kleide ſehen denen der grauen Bachſtelze nicht unaͤhnlich, der Rüden iſt aber allezeit grüner, die Einfaſſungen der Fluͤgelfedern ſind breiter und von einer andern Farbe, die untern Schwanzdeckfedern ſind nie ſo ſchoͤn gelb, die Fußwurzeln immer 844 III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. dunkler und machen, wenn man auch die oben angegebenen Ver⸗ ſchiedenheiten in der Groͤße, Geſtalt u. ſ. w. nicht beruͤckſichtigen wollte, den Unterſchied ſehr auffallend. — Nur ſehr alte Maͤnn⸗ chen haben an den untern Theilen einen Anſtrich von Schwefelgelb. Die Weibchen im Herbſtkleide haben am Unterkoͤrper noch weniger Gelb; fie find daſelbſt nur gelblichweiß, an der Ober⸗ bruſt und an der Gurgel ochergelb uͤberflogen, hier aber meiſtens mit mehrern kleinen grauen Fleckchen; an den obern Theilen aber noch weniger Gruͤn und aͤhneln den juͤngern Maͤnnchen. — Die jungen Voͤgel nach zuruͤckgelegter erſter Mauſer, alſo im erſten Herbſtkleide, find am ganzen Oberkörper olivenbraun⸗ grau, am Ruͤcken und Buͤrzel nur wenig mit Gruͤn uͤberlaufen; der Augenſtrich iſt roͤthlich⸗oder gelbroͤthlichweiß; die Wangen braungrau; die Kehle und Gurgel gelblich weiß, mit kleinen grauen Fleckchen eingefaßt, die meiſtens ſehr einzeln ſtehen, oft auch gaͤnz⸗ lich fehlen; die uͤbrigen Theile des Unterkoͤrpers ſchmutzig weiß, an der Oberbruſt ochergelb, in den Seiten grau uͤberflogen; die Kan⸗ ten der Fluͤgelfedern lichtgelbgrau und ſchmutzig gelblichweiß. Die untere Schnabelwurzel iſt bei ihnen ſchmutzigfleiſchfarben, der uͤbri⸗ ge Schnabel grau, mit ſchwarzbrauner Spitze, die Fuͤße blau⸗ ſchwarz, an den Zehſohlen roͤthlichgelb durchſchimmernd. Das Weibchen von dieſem Alter iſt allezeit von unten weißer, von oben grauer, oft ohne eine Spur von einem gruͤnlichen Anfluge, auch ſind Schnabel und Fuͤße etwas lichter als am Maͤnnchen. - Sehr verfhieden von allen dieſen, vorzuͤglich aber vom Fruͤh⸗ lingskleide der alten Maͤnnchen, iſt das erſte Jugendkleid vor der erſten Herbſtmauſer. An ihm iſt von dem ſchoͤnen Gelb und Olivengruͤn keine Spur zu finden, und dieſe jungen Voͤgel ſind ih⸗ ren Aeltern faſt gar nicht aͤhnlich; ſie ſehen vielmehr aus wie die jungen Brachpieper und bekommen uͤberhaupt dadurch im Gan⸗ zen ein den Piepern ſehr aͤhnliches Ausſehen. Stirn, Oberkopf, Hinterhals, und der ganze Ruͤcken bis an den Schwanz ſind duͤſter braungrau und licht gelbgrau gemiſcht oder gewoͤlkt, weil die dun⸗ kel erdgrauen Federn licht gelbgraue Kanten haben, die meiſtens un⸗ deutlich ſind, zuweilen aber doch auch an manchen Individuen je⸗ nen Theilen ein dunkel- und hellerdgrau geſchupptes Ausſehen ver⸗ ſchaffen; die letzten Oberſchwanzfedern ſchwaͤrzlichbraun, mit licht gelbgrauen Einfaſſungen. Der ſchmutzig gelblichweiße Augenſtreif wird oben von einem matt ſchwarzen begrenzt; die Zuͤgel ſind dun⸗ kelgrau; die Ohrgegend braungrau; die Wangen grau, gelblich III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 845 und weiß gemiſcht; Kehle und ganzer Vorderhals ſchmutzig gelblich— weiß, abwaͤrts ſtaͤrker mit Roſtgelb uͤberlaufen, beſonders in der Kropfgegend, woſelbſt ein Haufen rundlicher braunſchwarzer Fle⸗ cken ſtehet, welcher ſich mit ſeinen beiden Fluͤgeln an die Seiten des Halſes zieht und hier mit einem braunſchwarzen Streif vereinigt, welcher vom untern Schnabelwinkel ſchmal anfaͤngt, die Kehle ſeit⸗ waͤrts herablaͤuft und, ehe er ſich mit den Flecken der Halsſeite ver⸗ einigt, viel breiter wird. Alle uͤbrigen Theile der Unterſeite des Vogels find ſchmutzig roſtgelblichweiß, oder blaß lehmgelb; die Schenkel grau gefleckt; die Weichen lehmgrau; die untern Fluͤgel⸗ deckfedern weiß; die Kanten an den Fluͤgelfedern hell gelbgrau, an den Enden der beiden großen Reihen Deckfedern truͤbe roſtgelblich— weiß. — Sie variiren fehr, ohne daß das verſchiedene Geſchlecht darauf Bezug haͤtte, beſonders in der geringern oder anſehnlichern Groͤße und Menge braunſchwarzer Flecke an der Gurgel. So findet man dieſe bei manchen Exemplaren fo groß und häufig, daß fie am f Kropfe in einen großen hufeiſenaͤhnlichen Fleck zuſammen fließen, bei andern, oft von Einem Gehecke, ſind ſie dagegen nur halb ſo groß und ſtehen ſehr einzeln. Manchmal haben die untern Theile einen ſehr ſtarken Anſtrich von Roſtgelb, ein ander Mal find fie nur roft- gelblichweiß; aber auch dies giebt keinen Unterſchied fuͤr das verſchie⸗ dene Geſchlecht. — Der Schnabel an dieſen jungen Voͤgeln iſt braungrau, an der Wurzel der Unterkinnlade fleiſchfarben; die Au— genſterne ſind tief braun; die Fuͤße ſchmutzig bleifarben, mit gelben Sohlen. Nach und nach werden die Fußwurzeln ſchwaͤrzlich und dann das Gefieder bleicher und grauer; in dieſer Hinſicht iſt der Un⸗ terſchied zwiſchen dem eben fluͤggen Vogel und dem vor einem Monat ausgeflogenen, wenn man beide gegen einander hält, ziemlich auf- fallend. g a 5 So wie hier die verſchiedenenen Kleider dieſer Voͤgel nach den verſchiedenen Jahreszeiten beſchrieben ſind, habe ich ſie in der Regel immer gefunden.“) Die Jungen mauſern ſich im Juli, Auguſt und auch noch im September, je nachdem fie von einer fruͤ⸗ hern oder ſpaͤtern Brut waren; die Alten aber im September und ) Ich finde darum es noͤthig, dies beſonders zu erwähnen, weil meine Beſchrei⸗ bungen von denen in Brehms Beitraͤgen a. a. O. etwas abweichen. — Da die gelbe Bachſtelze in hieſiger Gegend ein ſehr gemeiner Vogel iſt und in unglaublicher Menge hier niſtet, ſo wurde es mir nicht ſchwer, ſie in allen Si⸗ tuationen zu beobachten und zuverlaͤſſige Beſchreibungen davon zu entwerfen. 846 III. Orbn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. October, wenn ſie bereits auf dem Zuge ſind. Ich habe mehrmals im Amfange des Octobers alte Maͤnnchen geſchoſſen, die noch in voller Mauſer ſtanden, unter andern am (ten October v. J. eins, was an der Bruſt und am Bauch noch die Federn vom Fruͤhlings⸗ kleide ziemlich vollſtaͤndig trug, die uͤbrigen aber faſt alle gewechſelt hatte. Daß die neuen Federn der untern Theile am ſpaͤteſten her: vorbrechen, habe ich an vielen Exemplaren gefunden; ſie hatten von oben das Herbſtkleid ſchon ziemlich vollſtaͤndig, waͤhrend es ſich unten nur erſt durch einzelne neue andersgefaͤrbte Federn ankuͤn⸗ digte. Man bekoͤmmt daher auch nur ſelten einen rein vermauſer⸗ ten alten Herbſtvogel, wenn man nicht in guten, warmen Herbſten das Ende der Zugzeit abwartet. — Bei dieſer Mauſer bekommen die Alten, außer dem kleinen Gefieder, auch neue Flügel- und Schwanzfedern; es iſt die Hauptmauſer; die zweite, wo ſie bloß das kleine Gefteder mit neuem vertauſchen, erfolgt in ihrer Abwe— ſenheit, in den Monaten Januar und Februar, und ſie kommen im Fruͤhjahr völlig fertig vermauſert zu uns zuruck. Außer den regelmaͤßigen Alters⸗, Geſchlechts- und Jahreszeits⸗ verſchiedenheiten, giebt es auch noch einige zufaͤllige, ſogenannte Spiel⸗ arten oder Varietaͤten, z. B. eine weiße (Mot. flava candida), mit rein weißem Gefieder, roͤthlichen Augen, Schnabel und Fuͤßen, oder hin und wieder mit durchſchimmerndem Gelb im Gefieder; fer⸗ ner bunte oder weißgefleckte (Mot. flava varia), mit weißen Fleckchen und Federpartien an mehreren Koͤrpertheilen; auch mit weißem Unterleibe (Mot. flava. leucogaster), bei uͤbrigens ge⸗ woͤhnlich gefaͤrbtem Gefieder. Aufenthalt. Dieſe Bachſtelze iſt eben ſo weit, vielleicht noch weiter ver⸗ breitet wie die weiße, aber auch noch viel zahlreicher an Indivi⸗ duen und die haͤufigſte von allen. — Sie bewohnt ganz Europa, einzeln auch noch den Norden bis faſt zum arktiſchen Kreiſe hinauf, mehrere Theile von Aſien und Afrika, und beſonders das mitt⸗ lere Europa in zahlloſer Menge. In Deutſchland gehoͤrt ſie unter die gemeinen Voͤgel und bewohnt es allenthalben, nur nicht die Gebirge. Sonſt trifft man fie hier in allen ebenen Gegen⸗ den, beſonders in ſumpfigen, daher in den Marſchlaͤndern un⸗ gemein haͤufig. Auf den Inſeln der Daͤniſchen Weſtſee ſah ich ſie ebenfalls uͤberall, und ſo geht ſie bis hoch in Norwegen hinauf. Auch in Schweden iſt ſie gemein, und in Großbrittannien, III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 847 in Frankreich, Holland und ſonſt in andern Laͤndern unſeres Erdtheils uͤberall bekannt. — In der hieſigen Gegend iſt fie einer der gemeinſten Voͤgel. Sie gehört unter die zaͤrtlichern Zugvoͤgel, und es uͤberwin⸗ tert in Deutſchland keine dieſer Bachſtelzen. — Sie koͤmmt Anfangs April, ſelten ſchon in den letztern Tagen des Maͤrzes, bei uns an und verlaͤßt uns Anfangs Octobers gaͤnzlich, doch iſt der Hauptzug im Fruͤhjahr die zweite Haͤlfte des Aprils und dauert bis in den Mai, im Herbſt die letzte Haͤlfte des Auguſts und der ganze September. Sie koͤmmt alſo unter den andern Bachſtelzen am ſpaͤ⸗ teſten zu uns, und der große Haufe verlaͤßt uns auch wieder am fruͤheſten, ob ſich gleich einzelne manchmal bis in den October ver⸗ ſpaͤtigen. Nur Ein Mal erinnere ich mich einer Jungen von ſpaͤter Hecke, welche ich noch am Ende des letzten Monats, wo es bereits ziemlich kalt war, und ſich nur noch ſelten eine weiße Bachſtelze ſehen ließ, zwiſchen hohen Diſtelbuͤſchen auf dem hieſigen Anger an⸗ traf; ich habe uͤberhaupt bemerkt, daß die Nachzuͤgler immer junge Voͤgel waren, und daß nach der Mitte des Septembers ſich nur ſel⸗ ten noch ein alter Vogel ſehen laͤßt. — Sie ziehen des Nachts und auch am Tage, dies letztere vorzuͤglich im Herbſt, und fliegen dabei ſehr hoch; doch darf man ihr Umherſtreifen von einer Vieheerde, einem Stoppelfelde und Rohrteiche zum andern mit dem wirklichen Fortziehen nicht verwechſeln; denn ſie treiben ſich oft im Auguſt und Anfange des Septembers mehrere Tage lang heerdenweis in einer Gegend herum, ehe ſie die eigentliche Reiſe fortſetzen. Im Fruͤh⸗ jahr kommen ſie anfaͤnglich einzeln und paarweis, nachher aber in ziemlichen Geſellſchaften bei uns an, doch ſieht man dann nie ſo große Schaaren wie im Herbſt, die ſich in dieſer Jahreszeit, waͤh⸗ rend des Zuges, aus mehreren kleinen, ſich dazu ſchlagenden Geſell⸗ ſchaften bilden und immer vergroͤßern, auch wieder einmal trennen und wieder vereinigen. Wenn ſie wirklich ziehen, ſo begeben ſie ſich früh, noch ehe der Morgen grauet, hoch in die Luft, in ſuͤdweſtli⸗ cher Richtung fort. Solche Züge ſieht man dann nach Sonnen⸗ aufgange bei den Schafheerden und auf den Aeckern ankommen, hoͤrt ſie aber gewoͤhnlich eher, als man ſie ſieht, weil ſie ſehr hoch fliegen und ihre Stimmen fleißig hoͤren laſſen. Nach kurzem Au⸗ fenthalt ſetzen ſie dann die Reiſe bis Nachmittag fort, worauf ſie bis gegen Abend ihrer Nahrung nachgehen und nun ein Ruheplaͤtz⸗ chen fuͤr die Nacht aufſuchen. Dies theilen ſie gewoͤhnlich mit den gemeinen Stahren, Stachelſchwalben und mit den 848 III. DOrdn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze weißen Bachſtelzen im Rohr (Arundo) der Teiche, Landſeen und langſam fließenden Gewaͤſſer, wo fie auf den Rohrſtengeln ſchaa— renweiß, doch nicht nahe aneinander gedraͤngt, mitten unter jenen uͤbernachten, und, ehe es hierzu koͤmmt, viel Laͤrm machen. Weil fie bei ſchlechtem Wetter nicht weiter ziehen und im Anfange der Zug- heit uͤberhaupt nicht eilen, ſo verſammeln ſich auf ſolchen Teichen, die ſie zu Schlafſtellen erwaͤhlen, aus einem Umkreiſe von mehreren Stunden, oft eine ungeheuere Menge von dieſen und jenen Voͤgeln, zumal wo weit und breit nur Ein ſolcher Teich vorhanden iſt. Tau⸗ ſende ſtroͤmen gleich nach Sonnenuntergang in Schaaren aus allen Richtungen herbei, und der Laͤrm, das Hadern, Schreien, Hin- und Herflattern iſt unbeſchreiblich und dauert über eine halbe Stunde oder ſo lange, bis jeder einzelne Vogel ſein feſtes Ruheplaͤtzchen be⸗ hauptet hat. — Bei ſtuͤrmiſcher, uͤbler Witterung bleiben fie oft mehrere Tage in Einer Gegend; koͤmmt dann wieder einmal ein gu⸗ ter Tag, ſo ſind ſie oft mit Einem Male alle daraus verſchwunden. Die gelbe Bachſtelze iſt ganz Feld- und Sumpfvogel; fie koͤmmt niemals in den Wald, ob fie gleich die Gegenden mit einzel- nen Baͤumen gern bewohnt. — Sie ſcheuet die Naͤhe des Menſchen und ſchlaͤgt ihren Wohnſitz nie nahe bei den Haͤuſern auf. — Ihre liebſten Aufenthaltsorte ſind fette, feuchte und ſumpfige Wieſen, mit einzelnem, niedrigem Seilweidengebuͤſch, auch einzelnen Bäumen und Waſſergraͤben, die großen freien Wieſen an den Ufern der Fluͤſſe, und die großen Bruͤcher, worin viel hohes Gras waͤchſt und theilweis Vieh weidet. Die Naͤhe des Waſſers liebt ſie zwar, doch ſcheint fie ihr nicht abſolut nothwendig, denn viele gelbe Bachſtel⸗ zen wohnen auch weit vom Waſſer, mitten in Getraidefeldern, doch auch hier mehr in den tiefliegenden, feuchten und fetten, nicht in großen Roggen: und Haferfeldern, ſondern in den uͤppigen Waitzen⸗ und Gerſtenfluren, beſonders gern in den mit Oehl- und Huͤlſen⸗ fruͤchten oder Futterkraͤutern bebaueten. In der hieſigen Gegend findet man daher im Sommer keinen Raps⸗ und Ruͤbſaatacker, kein Erbſen⸗, Bohnenz, oder Wickenſtuͤck von einiger Bedeutung, kein Klee⸗ feld, keine freigelegene fette Wieſe und keine baumleere grasreiche Sumpfſtrocke, wo nicht wenigſtens einige dieſer Vögel hauſeten, und in unglaublicher Menge bewohnen fie die oft erwähnten Bruͤ⸗ cher ohnfern der Saale und Elbe. — In den Marſchlaͤndern, wo ſie, außer dem uͤppigſten Getraide und den fetteſten Feldfruͤchten, auch Waſſer, Sumpf, Rohr und Wieſen beiſammen finden, wo dazwiſchen auch Vieh weidet, haben ſie alles, was ſie wuͤnſchen III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 849 mögen und find daher dort aͤußerſt gemein. — Fließendes Waſ⸗ fer ſcheinen fie gar nicht zu lieben; nur in der Zugheit habe ich fie oͤfter an ſolchen angetroffen; allein ſie ſind lieber beim Vieh, als die andern Arten, und folgen den Heerden auf die Felder und in den Pferch. Wenn fie im Fruͤhjahr ankommen, zeigen fie ſich gemei⸗ niglich zuerſt an Teichen, Graͤben, Fluͤſſen und Suͤmpfen oder auf friſchgepfluͤgten Aeckern; dann gehen ſie an ihre Brutoͤrter in die Wieſen, Bruͤcher und Getraidefelder und beſuchen von hier aus abwechſelnd die Schaf- und Rindviehheerden, die fie auch, wenn es gegen die Erndte geht, etwa vom Ende des Juli an bis in den Herbſt, nicht mehr verlaſſen. Junge und alte bilden dann verei— nigt ganze Schaaren, begleiten die Heerden, oder treiben ſich ab— wechſelnd auf den abgemaͤheten Getraidefeldern, auf den Brachaͤ— ckern, bei und in Kohl-, Ruͤben- und Kartoffelſtuͤcken, auf abgemaͤ⸗ heten Wieſen, auch an den flachen Ufern der Gewaͤſſer herum und fliegen des Abends nach den Rohrteichen, um hier zu übernachten. Sie folgen in dieſer Jahreszeit den Viehheerden nicht allein auf die trockenſten Felder, ſondern lagern ſich auch gern dort auf die Brach— und Stoppelaͤcker, beſonders auf Triften, und wo kurz vorher Schafe weideten. ö 8 Die gelben Bachſtelzen wohnen gern in den Gegenden, welche die Wieſenpieper ſich zum Sommeraufenthalt waͤhlen, und ſind ihre gewoͤhnlichen Geſellſchafter in den Bruͤchern; nicht ſo ſpaͤterhin auf den Feldern, wo ſie haͤufiger mit dem Brachpieper zuſam⸗ mentreffen. Dort wohnen ſie auch neben Rohrammern, man⸗ chen Rohrſaͤngerarten und vielen Sumpfvoͤgeln. Bei den Viehheerden und Abends im Rohr machen ſie mit Staaren, weißen Bachſtelzen und Schwalben, beſonders Stachel⸗ ſchwalben, gemeinſchaftliche Sache; auf Wieſen und Aeckern ſind die Feldlerchen, und oft auch Grauammern, ihre Nachbarn; allein ſo geſellig ſie auch unter ſich und mit ihres Gleichen leben, ſo wenig Freundſchaft halten ſie mit jenen Voͤgeln; ihre Heerden und kleinen Geſellſchaften halten ſich immer fuͤr ſich allein, und nur einzelne Voͤgel miſchen ſich manchmal auch unter die Schaaren jener; viel oͤfter ſieht man, auch in der Zugzeit, einzelne gelbe Bach— ſtelzen einſam am Waſſer herumlaufen, als unter Schaaren ande= rer Voͤgel gemiſcht. Im Herbſt findet man ſie am Tage faſt nur bei den Schafheerden oder auf Aeckern, dagegen am Waſſer nur ſelten einmal eine einzelne. Sie laufen an den Ufern der Gewaͤſſer, auf den Aeckern und 2ter Theil. 54 850 III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. zwiſchen dem Vieh, auf abgemaͤheten Wieſen, oͤfters auch zwiſchen hoͤherem Graſe und niedrigen, nicht zu dichten Feldfruͤchten herum, ſetzen ſich aber ſehr gern auf die erhabnern Erdſchollen, Steine, auf Stengel und Blaͤtter groͤßerer Pflanzen, auf die Spitzen des Geſtraͤuchs und der Kopfweidenzweige, um ſich umſehen zu koͤnnen, aber nie in die dicht belaubten Zweige großer Baͤume. Nur in der Zugzeit und im Spaͤtſommer ſuchen ſie das Rohr zum Nachtlager; in der Fortpflanzungszeit entfernen ſie ſich aber deshalb nicht weit vom Neſte, ſondern ſchlafen auf dem Erdboden hinter langem Gras, hinter einer Erdſcholle und zwiſchen den Feldfruͤchten, wie die Lerchen. ö Aus dem ſehr verſchiedenen Aufenthalt folgt auch eine verſchie— dene Lebensart; dies iſt es auch, wodurch ſich unſere gelbe Bach— ſtelze gar ſehr von der weißen und noch mehr von der grauen unterſcheidet. Sie trifft zwar mit der erſteren oft zuſammen, haͤlt aber wenig Gemeinſchaft mit ihr und muß ſich oͤfters gefallen laſſen, dieſer, als der ſtaͤrkern, zu weichen; allein nur ſelten ſieht man ſie einmal in der Nähe der letztern. In Geftalt, Aufenthalt, Betragen und Lebensart weicht ſie merklich von der letztern ab und ſie verbin— det hierdurch die Bachſtelzengattung mit den Piepern, ) gehört aber doch viel mehr der erſteren an. 5 Eigenſchaften. Die ſchlanke Geſtalt, und die angenehmen Farben machen dieſe Bachſtelze zu einem netten Vogel, ja das alte Maͤnnchen uͤbertrifft an Schoͤnheit gar viel andere kleine Voͤgel. Ein unruhiges, mun— teres, fluͤchtiges, ſcheues Weſen iſt ihr eigen, ſobald man ſie nicht am Bruͤteplatze ſteht; denn hier erſcheint ſie in ganz andern Eigen= ſchaften, zwar munter und ziemlich unruhig, aber gar nicht ſcheu, ſondern ſo zutraulich und kirre, daß man ſich ihr auf ganz geringe Weite naͤhern und ſie beobachten kann, wie man will. So laufen dieſe lieblichen Geſchoͤpfe ganz nahe vor dem Behutſamgehenden mit Leichtigkeit und nettem Anſtande auf dem Erdboden entlang, oder Maͤnnchen und Weibchen ſitzen in geringer Entfernung von einander auf den Stengeln hoher Pflanzen oder auf Erdkloͤßen und affen ſich ganz nahe und ruhig beſchauen, ſelbſt wenn fie auch ) Dies veranlaßte wol H. Cuvier, für fie eine eigene Gattung zu bilden, die er Budites nannte, wozu aber unſere M. sulphurea durchaus nicht mit gezählt werden darf, wenn man fie auch für M. favs gelten laſſen wollte. III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 851 noch kein Neſt daſelbſt haben, oder wenn ihre Jungen ſchon laͤngſt erwachſen ſind. Dagegen kann ſich in der Zugzeit, oder uͤber— haupt nicht am Bruͤteplatze, kaum der unbefangene Landmann oder Hirte ruͤhmen, ihnen jemals ſo nahe gekommen zu ſein, und der, welchem ſie nicht trauen, kann ſich ihnen oͤfters kaum auf Schuß— weite naͤhern. Am ſcheueſten ſind ſie im Herbſt. — Sie laufen ſtets ſchrittweis und oft ſehr ſchnell, nicken bei jedem Schritte mit dem Koͤpfchen und machen mitunter eine ſanfte Bewegung mit dem Schwanze und Hinterleibe auf- und abwaͤrts, ſchlagen ihn aber ausgebreitet und wiederholt heftig aufwaͤrts, wenn ſie ſich eben niederſetzen. Ins Waſſer waden fie ſelten, machen aber im ſchnel⸗ lern Lauf oft auf kleinen Erhöhungen Halt, zumal wenn fie ent- fliehen wollen, worin fie den Piepern aͤhnneln. — Im Laufen tra⸗ gen ſie den Rumpf mit dem Schwanze horizontal, den letztern zu— weilen ſogar etwas erhabener, beſonders im Graſe, und wo es naß iſt. Sie ſetzen ſich, um ſich umſehen zu koͤnnen, ſehr gern auf hoͤ— here Erdſchollen, Steine, Pfaͤhle, hingeſteckte Wiſche, hingewor— fene Zacken, alte Baumſtumpfen, auf die hoͤhern Pflanzenſtengel, auf die Spitzen niedriger Buͤſche oder Weidenzweige, wo fie oft ei- nen unſichern, wankenden Sitz zu haben ſcheinen. Vielleicht hin⸗ dert ſie der lange Nagel der Hinterzeh am Feſtſitzen auf zu duͤn⸗ nen Zweigen. Sie ſitzen hier uͤberdem auch mit weniger gebogenen Ferſen, uͤberhaupt den Koͤrper ſo tragend, daß er ſich mehr dem Horizontalen als Verticalen naͤhert, alſo weniger aufgerichtet als andere Voͤgel, wenigſtens viel ſeltner ſo. Man ſieht daraus, daß fie mehr der Erde als den Bäumen angehören. — Wenn im Fruͤh—⸗ linge einer dieſer Voͤgel, beſonders das Maͤnnchen, auf einem bluͤhenden Rapsſtengel oder Sumpfeuphorbienbuſche ſitzt, ſo hat die dem Beſchauer entgegen gekehrte praͤchtig gelbe Bruſt oft eine ſchoͤnere Farbe als die Blumen jener Pflanzen und nimmt ſich, zu⸗ mal im Sonnenſchein, vortrefflich aus. Ihr Flug iſt faſt leichter und ſchneller als der der andern Bachſtelzen; er bildet zwar auch eine wogenartige oder Schlangen— linie, die aber bei weitem aus kleinern und flachern Bogen zuſam⸗ men geſetzt iſt, und darin gleicht er mehr dem Fluge der Pieper. — Auf ihren Streifzuͤgen fliegen ſie hoch, auf dem wirklichen Zuge ſehr hoch, ſonſt nur niedrig. Sie ſtuͤrzen ſich mit angezogenen Fluͤgeln aus der größten Höhe pfeilſchnell herab, wobei fie wenig Schwenz kungen machen. Sie find ungemein gewandt im Fluge, welches man bei den haͤufigen Neckereien, die fie unter ſich haben, oft be⸗ 852 UI. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bach ſtel ze. wundern muß. Hierin aͤhneln ſie ganz den weißen Bachſtel⸗ zen, fo daß ſelbſt dergleichen zwiſchen Aeltern und Kindern vorfal- len und nicht ſelten zu ernſtlichen Zaͤnkereien werden. Mit andern Voͤgeln haben ſie auch immer zu hadern, ſelbſt mit den weißen Bachſtelzen, wo ſie aber immer den Kuͤrzern ziehen. Auf kur⸗ zen Raͤumen haben ſie einen faſt huͤpfenden Flug, wozu ſie den Schwanz ausbreiten, z. B. wenn man fie in der Gegend des Ne— ſtes aus dem langen Graſe aufſtoͤbert, wo ſie ſich immer ſehr bald auf eine hohe Pflanze ſetzen, und wenn ſie ſich hier nicht mehr ſicher glauben, fortflattern und gar nicht weit davon wieder auf eine andere ſetzen. Laͤßt man den Huͤhnerhund da ſuchen, ſo kann man dies beſonders ſehen, indem ſie dieſen noch weniger fuͤrchten, oder wegen Auffinden ihres Neſtes mehr von ihm beſorgen als von einem Menſchen. Oft flattern ſie auch wenige Fuß hoch uͤber je— nem, den ausgebreiteten Schwanz mit dem Hinterleibe herabhaͤn— gend, eine Zeit lang an Einer Stelle. Sie thun dies auch, wenn ein Nebenbuhler oder ſonſt ein Feind im Graſe ſitzt und nicht wei⸗ chen will; fliegt er dann fort, ſo wird er heftig mit Beiſſen verfolgt und vertrieben. g Ihre Stimme hat zwar einige Aehnlichkeit mit der der andern Bachſtelzen, iſt aber doch ſo verſchieden, daß man den Unterſchied augenblicklich bemerkt. Sie ſchreien ſehr viel, rufen einander, als geſellige Voͤgel, beſtaͤndig zu, und die Lockſtimme iſt ein angeneh- mer, pfeifender, gezogner Ton, welcher bald wie pfuͤip, pfuͤjip, bu jip und bilip, auch blie klingt, ſich aber mit Buchſtaben nicht genuͤgend verſinnlichen laͤßt. In der Ferne hoͤrt man nur im⸗ mer die letzte Sylbe von den zuerſt angegebenen, was der Haupt- lockton iſt, und dann hat Bechſtein Recht, wenn er ſagt: Sie lo⸗ cken ſip, ſip. Zuweilen rufen fie auch ßrie, ßrie. Im Fruͤh⸗ jahr hoͤrt man auch noch einen eigenen Paarungsruf, beſonders vom Männchen, fliegend oder auf einem erhabenen Plaͤtzchen ſitzend, welcher wie zier zier klingt, wobei es ſich meiſtens ſehr aufblaͤhet und mit einem ganz eigenen ſonderbaren Fluge auf eine andere Stelle oder an die Erde herabflattert. Es ſtraͤubt dabei das Gefieder des Rumpfes, daß es ganz dick wird, zieht den Nacken ein, daß der Schnabel ſich etwas aufwaͤrts richtet, laͤßt den ſehr ausgebreiteten Schwanz haͤngen und bewegt im Fortflattern die Fluͤgel zitternd oder ſchwirrend. Auch wenn es ſingt und ſein Weibchen betreten will, beträgt es ſich auf aͤhnliche Weiſe und lauft auch wol, fo auf- geblähet und die Flügel zitternd bewegend, erſt um daſſelbe herum II. Orb n. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 8585 oder ihm ein Stuͤck nach. Es hat dabei meiſtens ein Lieblings⸗ plaͤtzchen, wo man es immer ſitzen ſieht, einen Pfahl, eine hohe Staude, die Spitze eines Seilweidenzweiges und dergl., und einige ſolcher in ſeinem kleinen Bezirk, um deren Beſitz es oft mit andern Voͤgeln in Streit geraͤth. — Der Geſang iſt ſchlecht, wenig ab— wechſelnd und hat viel Aehnlichkeit mit dem der weißen Bach⸗ ſtelze; auch ſingt das Maͤnnchen bald ſitzend, bald im ſchwirrenden Fluge, aber nicht viel laͤnger, als die eigentliche Begattungszeit dau⸗ ert. — Außerdem laſſen beide Gatten auch, indem ſie im Graſe hinlaufen, oder überhaupt in der Nähe des Neſtes, einige zaͤrtliche Toͤne hoͤren, die bald wie pilb, bald wie blie klingen und noch verſchiedentlich modulirt werden. Die Zankſucht dieſer Bachſtelzen gegen andere ihr nahe woh— nende Voͤgel ſcheint die Gewohnheit und oft auch wol die Wider: ſetzlichkeit dieſer zu mildern, ſie bricht aber los, ſobald ſich ein Fremdling ihrem Bezirk naͤhert. In den Bruͤchern machte mich dies Betragen oft auf die ſeltnern kleinen Voͤgel aufmerkſam; ſo ver⸗ folgten ſie oft Rohrſaͤnger, am meiſten aber den Seggenrohrſaͤn— ger, und zwar ſo heftig, daß ſie mir mehrmals die Jagd nach ihm vereitelten. Sobald ein ſolcher Vogel aus den Seggenkufen her— aus flog, verfolgten ihn gleich mehrere gelbe Bachſtelzen wie wuͤ⸗ thend, ſtachen nach ihm und ließen nicht zu, daß er ſich in der Naͤhe ſetzen durfte. Spaͤter waren ſie einander gewohnt und niſteten in friedlicher Naͤhe; doch konnten ſich nun auch jene in dem höher auf⸗ geſchoſſenen Graſe, Seggenſchilfe und in den Binſen beſſer verſte⸗ cken und den Anfaͤllen der Bachſtelzen ausweichen. Die gelbe Bachſtelze iſt ein ſehr niedlicher Stubenvogel und gewoͤhnt ſich ziemlich leicht an die Gefangenſchaft. In der Stube herumlaufend wird ſie bald ſo zahm, daß ſie das Futter ihrem Waͤr⸗ ter aus der Hand nimmt. Frei herumfliegend haͤlt ſie ſich noch beſſer und laͤnger. Will man ſie in einen Vogelbauer ſperren, ſo muß dieſer weit genug ſein und Sprunghoͤlzer haben. Reinlichkeit lieben dieſe Thierchen ſehr, und ſie iſt ihnen zum laͤngern Wohlbefin⸗ den durchaus nothwendig. Nahrung. * Dieſe beſteht in allerlei kleinen Inſecten und ihren Larven. So ſuchen ſie auf den Wieſen kleine Heuſchrecken, Heuſchreckenlar— ven, Cicaden, kleine Nachtfalter, Raͤupchen, Fliegen und vieler: lei andere, beſonders fliegende Inſecten; kriechende, z. B. Spin- 854 III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. nen, freſſen fie nicht gern. Bei den Viehheerden und auf den Trif⸗ ten fangen ſie Bremen, Bremſen, Stechfliegen, Muͤcken, Fliegen und allerlei kleine Kaͤferchen. Dieſe letztern und mancherlei andere, nebſt den Larven derſelben, finden ſie in den Stoppeln, auf der Brache und auf friſchgepfluͤgten Aeckern. In den Schoten⸗, Wicken⸗ und Bohnenſtuͤcken ſuchen ſie die dort haͤufigen Larven der Son⸗ nenkaͤfer (Coccinella), auch die Blattlaͤuſe; in Raps und Ruͤb⸗ ſaat die verſchiedenen Arten der Springkaͤfer (Haltica) und andere; im Kohl kleine Raͤupchen und dergl. Auch am Waſſer fangen fie allerlei kleine Inſecten und fiſchen die Larven vieler am Ufer auf; allein fie find deshalb nicht fo gern am Waſſer als die beiden an— dern Arten. f Es ſieht ſehr niedlich aus, wenn fie im langen Graſe der Wie- ſen herumſteigen, oder zwiſchen demſelben herumlaufen, bald ein ſitzendes Inſect mit vorgeſtrecktem Kopfe beſchleichen und dann mit Einem Satze zu erhaſchen ſuchen, bald ein anderes wie im Vor— beigehen wegnehmen, bald ein voruͤberfliegendes im raſchen Sprun⸗ ge oder kurzen Auffluge mit großer Gewandtheit wegfangen; alles lebt und regt ſich an ihnen, und man kann da den Zuſchauer oft ganz in der Nahe machen. — Gleich nach ihrer Ankunft im Fruͤh⸗ jahr ſuchen ſie ihre Nahrung am Waſſer und auf friſchgepfluͤgten Ae⸗ ckern; nachher begeben ſie ſich in die Wieſen, Bruͤcher, und in die aufwachſenden Schoten, Wicken, Feldbohnen, in Raps, Klee und dergl. auf die Felder. Hier naͤhren ſie ſich, auf den Aeckern herum⸗ ſchweifend, und beſuchen nur die naͤchſten Triften und Viehweiden, ſeltner die nahen Ufer der Gewaͤſſer. Nach der Bruͤtzeit ſchweifen ſie mit den Jungen ſchon weiter ab, und Anfangs Juli ſieht man fie ſchon ſeltner am Brutorte; fie ſuchen dann die entfernte— ren Viehheerden zu gewiſſen Stunden des Tages, beſonders fruͤh, wenn im Graſe und in den Feldfruͤchten noch alles vom Thaue naß iſt, und die Inſecten ſich verſteckt halten, kehren aber meiſtens noch um Mittag dorthin zuruͤck, bis ſie ſpaͤterhin gaͤnzlich beim Vieh bleiben und des Nachts im Rohre ſchlafen. Sie laufen neben und zwiſchen den Schafen und Kuͤhen herum und ſind ungemein hurtig im Wegfangen der Stechfliegen und anderer Inſecten, ſetzen ſich aber den Schafen ſehr ſelten auf den Ruͤcken. Man trifft ſie dann bis zum gaͤnzlichen Wegzuge in Schaaren beiſammen, und es iſt ſehr interreſſant, bei einer Heerde Schafe dem Treiben dieſer flinken Voͤgel, in Geſellſchaft der Staaren, Schwalben und weißen IM. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 855 Bachſtelzen, zuzuſehen, wie alle bemuͤht ſind, die armen Wolltraͤger ihrer Peiniger zu entledigen, oder dieſe wenigſtens zu vermindern. Nach meinen vielfaͤltig angeſtellten Beobachtungen 9 die gelbe Bachſtelze nie einen Regenwurm an. In der Stube gewoͤhnt man ſie mit untermengten Fliegen, Mehlwuͤrmern und andern Inſecten bald an ein ſogenanntes Uni: verſalfutter, von welchem auch hier das bei den Grasmuͤcken ange- gebene das paſſendſte iſt. In der Stube frei herumfliegend faͤngt ſie ſehr fleißig Fliegen und kann dabei allmaͤhlig und ohne viele Muͤhe an ein kuͤnſtliches Futter gewoͤhnt werden. Mein Vater be⸗ ſaß einmal eine, welche, ob ſie gleich in den Fluͤgel geſchoſſen war und nicht fliegen konnte, keine Fliege in unſerer Wohnſtube aufkommen ließ. Sie wußte dieſe laͤſtigen Inſecten ſehr artig zu beſchleichen, vorzuͤglich wenn ſie an ihren Freßnapf kamen, hielt ſich bei in Milch eingequellter Semmel ſehr gut und fraß beſonders gern geſchaͤlten Hanf⸗ ſamen. — Sie nehmen gern ein friſches Waſſerbad; die Gelegen⸗ heit hierzu darf ihnen deshalb nicht fehlen, weil es ihr längeres Wohlbefinden ſehr befoͤrdert. Fortpflanzung. In Deutſchland niſten dieſe Voͤgel in vielen Gegenden in gro⸗ ßer Menge, in andern gar nicht; dies ſind die gebirgigen und die Wälder, jenes ebene, tiefliegende und ſumpfige Laͤnderſtre⸗ cken, wie fie ſchon oben beim Sommeraufenthalt naher bezeichnet wurden. In der hieſigen Gegend niſten ſie in Menge auf allen fetten oder feuchten Wieſen und Getraidefeldern, noch haͤufiger aber in den bedeutenden, ſeit einigen Jahrzehenden hin und wieder in Wieſen verwandelten Bruͤchern, welche ohnfern der Vereinigung der Saale und Elbe liegen und außer dem noch mit vielen ſolchen Feldern umgeben ſind, die ſie vorzuͤglich lieben. Dort ſind ſie ſo gemein, wie in den Marſchen des noͤrdlichen Deutſchlands. Das Neſt ſteht, nicht ſowol abſichtlich als vielmehr zufällig, ſehr verſteckt, an Stellen, die ſich von den Umgebungen mehren⸗ theils gar nicht auszeichnen, und iſt deshalb ungemein ſchwer zu finden. Im Graſe der Wieſen und Wieſenraͤnder und auf den Seg⸗ genkufen in den Bruͤchern findet man es am oͤfterſten, beſonders an den Ufern und Kanten verfallener Graͤben; hier ſteht es auch im Felde oft, wo es Graͤben, wenn auch ohne Waſſer, grasreiche Ufer und recht breite Feldraine zwiſchen den Ackerſtuͤcken giebt; ſonſt aber auch unter den Feldfruͤchten, nahmentlich unter Schoten und Wi⸗ 856 III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. cken, im Klee und Raps. Es ſteht allemal auf dem Erdboden und meiſtens in einer Vertiefung deſſelben; dieſe iſt jedoch, ſelbſt an den ſteilern ufern, nie ſo tief, daß man ſie ein Loch nennen koͤnnte, oder daß ſie nicht den obern Rand des Neſtes ganz frei laſſen ſollte. Zuweilen habe ich es auch ganz unten zwiſchen den alten Storzeln kleiner verkruͤppelter Seilweidenbuͤſchchen, an den Ufern trockner Graͤ⸗ ben und an den Abhaͤngen der Daͤmme und Waͤlle gefunden, wo es aber auch immer mit dem Boden feſt aufſaß; auch in den Buͤſchchen der Zwergweide (Salix incubacea oder S. repens). Sehr gern ni- ſten fie übrigens auch an ſolchen Stellen in unſern Bruͤchern, wo die Stauden der Sumpfwolfsmilch (Euphorbia palustris) ganze Flaͤ⸗ chen bedecken und, in der Bluͤthe ſtehend, einen herrlichen Anblick ge⸗ waͤhren, wo ſie die Neſter ebenfals auf dem Erdboden zwiſchen den alten Storzen dieſer Pflanzen haben. Durch Aehnlichkeit der Materialien, wie ihrer kunſtloſen Ver- webung, gleicht das Neſt bald einem Lerchen- oder Pieperneſte, bald dem der Wieſenſchmaͤtzer. Feine Wuͤrzelchen, Halme und Blätter von trocknem Graſe bilden bald mit mehrerem, bald ſparſamer ein⸗ gemiſchten, grünem Erdmoos, ein lockeres, kunſtloſes Gewebe, was nach innen mit feinern Haͤlmchen, mit Diſtelflocken, Wolle und einzelnen Pferdehaaren ausgebauet iſt. Zuweilen fehlt das Moos, bei einem andern iſt es in Menge verbraucht und bildet die aͤußere Grundlage faſt allein; in einigen Neſtern findet man auch einzelne Federn, beſonders Flaumfedern von Enten und Gaͤnſen, in andern ſehr viel Schafwolle, in manchen wieder wenig Wolle und mehr Haare, ſelbſt Menſchenhaare, auch Zeugfaͤden und Laͤppchen von baumwollenem und linnenem Zeuge. Pferdehaare vermißt man in keinem; ſie machen die letzte Lage im Innern des halbkugeltiefen Napfes. Es enthaͤlt vier, fuͤnf bis ſechs Eier, welche das Weiß chen binnen dreizehn Tagen allein ausbruͤtet. Dieſe Eier ſind im Verhaͤltniß zur Groͤße des Vogels 5 oft ſehr klein zu nennen, und die kleinſten unter den Eiern der ein⸗ heimiſchen Bachſtelzenarten. Sie ſind haͤufig von ſehr kurzer, rund⸗ licher Geſtalt, ſelten recht eifoͤrmig und aͤußerſt ſelten (nur als Aus⸗ nahme) laͤnglich; dagegen findet man öfter Neſter, die fo rund- liche Eier enthalten, daß ſie ſich der Kugelform ſehr naͤhern. Ich habe ſie in einem Neſte faſt immer von einerlei Geſtalt und auch ziemlich von einerlei Farbe gefunden; haͤufig ſind ſie an einem Ende ziemlich ſpitz zugerundet und in der Mitte ſtark bauchig. Sie haben eine ungemein zarte Schale, ſind glatt, aber faſt ohne Glanz. III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 857 Ihre Grundfarbe iſt gewoͤhnlich ſchwer zu erkennen, weil ſie haͤufig von den Zeichnungen verdunkelt oder truͤbe gemacht wird; ſie iſt ein ſchmutziges Weiß, was bei Eiern aus verſchiedenen Neſtern bald ins Gelbliche, Roͤthliche, Grauliche, bald ins Blaͤuliche ſpielt; die Zei⸗ henfarbe aber iſt faſt an jedem Ei zweierlei, was man aber nur dann bemerkt, wenn man genau darauf ſieht. Sie iſt entweder ein gelbli⸗ ches Graubraun und Braungrau, oder ein roͤthliches Graubraun und Braungrau, oder ein grauliches und helles Gelbbraun, oder eine ſehr bleiche Roſtfarbe, mit untermiſchtem blaſſem Violetgrau, und in Punkten, Strichelchen und wolkichten Zeichnungen uͤber die ganze Flaͤche verbreitet. Die Zeichnungen ſind ſtets von matter Farbe, ſtehen wenig vom Grunde ab und verfließen meiſtens mit demſelben, ſo daß bei manchen Eiern der Grund nicht zu erkennen iſt. In ei⸗ niger Entfernung geſehen, iſt dies immer der Fall, und da ſehen dann manche matt graubraun, andere gelblichgrau, und noch andere fleifchfarbig gewoͤlkt aus. Selten find die Zeichnungen am ſtum⸗ pfen Ende häufiger oder am entgegengeſetzten lichter. “) So vas riiren ſie in der That bedeutend und faſt auf aͤhnliche Art, wie die Eier des Baumpiepers, aus dem Graulichen durch Gelbbraun ins Roͤthliche; allein ſie ſind wegen ihrer viel geringern Groͤße und der ſtets viel bleichern Farben nicht mit dieſen, dagegen aber manche, hinſichtlich der Größe, wie der Farbe, mit denen des Schilfrohr— ſaͤngers leicht zu verwechſeln. | Die gelben Bachſtelzen niften, nach meinen Beobachtungen, nur Ein Mal im Jahr und zwar ziemlich ſpaͤt. Alte Paͤaͤrchen haben oft kaum um die Mitte des Maies ihre volle Zahl Eier, juͤn⸗ gere oft erſt zu Anfang des Juni. So findet man beim Heuma⸗ chen um Johannis ausgeflogene oder noch zim Neſte ſitzende Junge, und Neſter mit bebruͤteten Eiern, auch wol einzelne, deren Beſitzer ihre gehörige Zahl noch nicht einmal gelegt haben; dieſe mögen je⸗ doch wahrſcheinlich ſolchen Voͤgeln angehoͤren, denen das erſte Neſt mit den Eiern zerſtoͤhrt wurde. Wenn ich in den Bruͤchern bereits die Eier der Rohrſaͤngerarten fand, hatten die gelben Bachſtelzen noch nicht in allen Neſtern die volle Zahl, waͤhrend in einigen ſchon ſtark bebruͤtete lagen. — Es mag jedoch auch einzelne Faͤlle geben, nach welchen ſie zwei Bruten in Einem Sommer machen. Noch *) Blutbraune Striche und dunkelblutrothe Flecke, wie Bechſtein und Brehm angegeben, habe ich an dieſen Eiern nie gefunden, ob ich gleich eine große Menge ſelbſt aufgeſucht und unterſucht habe. 858 III. Or dn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. ſehe ich heute, den Zten Auguſt, ein Paͤaͤrchen auf unſern Wieſen (die andern, welche da niſteten, ſind alle bereits ſeit einigen Wochen nicht mehr hier, ſondern bei den Schafen), was ſich ſehr aͤngſtlich gebehr— det und zuverlaͤſſig noch ein Neſt mit Jungen im Graſe hat, waͤh—⸗ rend fuͤnf Stuͤck voͤllig erwachſene, ſehr fluͤchtige Junge, welche, auf den Ruf dieſer Alten immer herbei kommen und ſich bei ihnen aufhalten, gewiß auch dieſem Paͤaͤrchen angehören und vielleicht ſchon ſeit 6 Wochen geflogen haben mögen. — — Sie thun ſehr aͤngſtlich, wenn man ſich der Stelle, wo das Neſt ſtehet, naͤhert, und verrathen es durch ihr Geſchrei und ihre Furchtloſigkeit, indem ſie den Suchenden auf wenige Schritte nahe kommen laſſen und ihr Gefieder dabei dick aufſtraͤuben, zumal wenn ſie ſchon Junge und dann, wenn dieſe bereits das Neſt verlaſſen haben und im Graſe ſich zu verbergen ſuchen, weil fie, ehe noch Schwung- und Schwanz . federn gehoͤrig ausgewachſen ſind, ſchon ausfliegen. Sie begleiten ſie nachher auch zu den Schafheerden und zuruͤck auf die Wieſen und an die gemeinſchaftlichen Schlafſtellen, von welchen ſie ſich aber ſchon vom Anfang des Juli an allmaͤhlig weggewoͤhnen. Sie ſind ſchon voͤllig erwachſen und ſo fluͤchtig wie die Alten, und daher nur in der Naͤhe von dieſen zu unterſcheiden, wenn ſie gleichwol noch von ihnen gefuͤhrt werden, und beſonders die Mutter noch aͤngſtlich fuͤr ſie ſorgt, ihnen die nahen Gefahren anzeigt, ſie zur Vorſicht mahnt, oder zum Entfliehen ermuntert. Es geht hier wie bei den weißen Bachſtelzen (doch ſind dieſe, beſonders die von erſter Hecke, ſich immer fruͤher ſelbſt uͤberlaſſen) und bewirkt, daß die jungen gel⸗ ben Bachſtelzen im Herbſt immer ſcheuer als ihre Aeltern ſind. Die Fortpflanzungsgeſchichte dieſer Bachſtelze wird uͤbrigens bei einem kleinen Vergleich bald zeigen, wie ſehr ſie hierin von der weißen und grauen Bachſtelze abweicht und ſich dadurch den Piepern noch mehr naͤhert als durch ihr uͤbriges Betragen. Feinde. Auch dem ſchnellſten Raubvogel entgeht dieſe Bachſtelze meiſtens durch ihre große Gewandtheit, Aufmerkſamkeit und Liſt. Naͤhert ſich ein Lerchenfalk einer Schafheerde, um auf einen der dort ſich aufhaltenden Voͤgel Jagd zu machen, ſo ſind ſie wie der Blitz verſchwunden, und jener muß, wenn er nicht leer abziehen will, war⸗ ten, bis ihn die weidenden Schafe eine Lerche aufſtoͤbern. Die I. Ordn. XVII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. 859 gelben Bachſtelzen flogen ſchon immer in größter Eil davon und weit weg, ehe ich den Raubvogel ſelbſt von ferne bemerkt hatte, oder ſie fluͤchteten ſich in nahes Geſtraͤuch, hinter Feldraine u. ſ. w. und kamen lange nachher erſt wieder bei der Heerde an. So fangen denn Lerchen- und Merlinfalken nur ſelten eine. — Ihre Brut hat mehr Feinde, doch auch weniger als die der Lerchen und anderer Bachſtelzen, weil es in den Suͤmpfen weniger Raubthiere giebt. Auf Feldern und Wieſen zerſtoͤhren fie Fuͤchſe, Marder, Wieſeln, Ratten, die Raben und Elſtern, und oͤfters die Rohr-, Korn- und Wieſenweihen. Auch der Kuckuk ver⸗ dirbt, indem er ihnen ſein Junges zu erziehen giebt, manche Brut; ſelbſt ploͤtzliche Ueberſchwemmungen richten in den Bruͤchern und Auenwieſen viel zu Grunde, und beim Abmaͤhen des Heues und der Futterkraͤuter werden auch viele Neſter unvorſetzlich zerſtoͤhrt. Demohngeachtet ſcheinen ſie doch weit weniger Schaden von ihren Feinden zu erleiden als die andern Bachſtelzenarten, ſonſt wuͤrden ſie ſich nicht ſo ſtark vermehren; denn jene niſten alljaͤhrlich immer zwei Mal und ſind doch ungleich weniger zahlreich. In ihren Eingeweiden fand man Wuͤrmer, Distomum ma- crostomum und Taenia e und im Geſieder kleine Schmarotzer. aeg d. Dieſe Bachſtelzen find zu manchen Zeiten ſcheuer und fluͤchti⸗ ger als die beiden andern Arten; im Fruͤhjahr und Vorſommer an ihren Bruͤteplaͤtzen aber auch eben ſo zutraulich, ſo daß ſie dann der Geuͤbte ſelbſt mit dem Blaſerohr leicht erlegen kann, waͤhrend ſie auf ihren Herbſtwanderungen oft ſo ſcheu ſind, daß man kaum mit der Flinte ſich ihnen ſchußmaͤßig naͤhern darf, zumal wenn man ſchon einigemal auf eine Schaar geſchoſſen hat. Bei den Schaf— und Rindviehheerden bekoͤmmt man ſie in dieſer Zeit noch am leich— teſten. Die einzelnen Voͤgel ſind nicht ſo ſcheu, und ich habe im Herbſt oft einzelne der grauen Bachſtelze viel ſcheuer gefunden als die gelben. Sie ſind eben nicht leicht zu fangen. Am Waſſer, an ſolchen Stellen, wo man ſie oͤfters ſieht, in Laufſchlingen, iſt ſchon deshalb unſicher, weil ſie ſeltner ans Waſſer kommen; eher gelingt es noch, wenn man ihre Lieblingsſitze mit Fußſchlingen oder Leimruthen be⸗ legt. Allein in manchen Gegenden, z. B. bei Halle, faͤngt man 860 III. Ordn. XVIII. Gatt. 105. Gelbe Bachſtelze. fie in Menge in der Nähe der Rohrteiche und Gewaͤſſer, auf ei- gends für fie eingerichteten Vogelheerden, die auf die Art wie Ler— chenheerde geſtellt werden, wobei man ſich ausgeſtopfter Baͤlge und lebendiger Laͤufer bedient, oder auf den Staarenheerben, u. ſ. w. Nutz e n. Dem Landmann ſind dieſe Voͤgel angenehme Verkuͤndiger des Frühlings, weil er nach ihrem erſten Erſcheinen im Frühjahr nicht leicht mehr ſchaͤdliche Froͤſte fuͤr ſeine ausgeſtreueten Saaten zu fuͤrch⸗ ten hat. Er liebt ſie, weil ſie ihn bei ſeinen Feldarbeiten vertrau— lich begleiten und eine Menge ſchaͤdlicher Inſectenlarven aufleſen, wie der Schaͤfer, welcher taͤglich Augenzeuge iſt und ſieht, wie begierig ſie die ſeinem Vieh hoͤchſt beſchwerlichen Blutſauger und andere da vorkommende Inſecten verfolgen und in großer Menge wegfangen. Sie werden dadurch ungemein nuͤtzlich. — Zudem giebt auch ihr wohlſchmeckendes Fleiſch ein vortreffliches Gericht. Sı a Den. Es iſt nichts bekannt, wodurch fie uns ſchaͤdlich würden. 861 Neunzehnte Gattung. Steinſchmaͤtzer. Saxicola. Bechet. Schnabel: Gerade, ſchwach, an der Wurzel breiter als hoch, vorn ein wenig zuſammengedruͤckt und pfriemenfoͤrmig; der Oberkiefer an der Spitze etwas abwaͤrts gebogen, mit kaum merkli— chem Einſchnitt auf der Schneide, der Ruͤcken etwas kantig, ge— gen die Stirn unmerklich aufſteigend; die Unterkinnlade gerade. Ueber den Mundwinkeln ſtarke Schnurrborſten. Naſenloͤcher: Nahe an der Schnabelwurzel, ſeitlich, frei, oval, mit etwas vorſtehendem Rande, und uͤber denſelben mit einer weichhaͤutigen Schwiele. 0 Fuͤße: Mit ſehr hoher duͤnner Tarſe; eine Zehe nach hinten, drei vorwärts gerichtet, von welchen die aͤußere mit der mittelſten an der Wurzel etwas verwachſen iſt; bogenfoͤrmig gekruͤmmten Naͤgeln, von welchen der der Hinterzehe kuͤrzer als dieſe iſt. Fluͤgel: Mittelmaͤßig; die erſte Schwinge klein, ſchmal und kurz; die zweite viel laͤnger, doch etwas kuͤrzer als die dritte, welche nebſt der vierten die laͤngſten ſind. Die hinterſten Schwing— federn ſind viel kuͤrzer als die großen Schwingen. Schwanz: Kurz, breitfederig, mit faſt geradem Ende. Dieſe Voͤgel haben einige Aehnlichkeit mit den Roͤthlin— gen aus der Saͤngergattung, und mit den Bachſtelz en, zeich⸗ nen ſich aber in ihrem Habitu, in ihrer ganzen Haltung, Lebens— art und Betragen ſo vor ihnen aus, daß ſie ſich nicht wohl jenen anreihen laſſen. Auch mit den Steindroſſeln (Merlen), ſo 1 862 III. Ordn. XIX. Gatt. 105. Steinſchmaͤtzer wie mit einigen Fliegenfaͤngern, haben ſie in vielen Stuͤcken große Aehnlichkeit. — — Sie leben theils an trocknen, ſteini⸗ gen und erhabenen Orten, auf trocknen Heiden und Felſen, theils auf Wieſen und an Waldraͤndern, wo nur einzelnes und niedriges Gebuͤſch waͤchſt; niemals in den Wäldern. Es find Zugvoͤgel, welche das noͤrdliche Europa in der kalten Jahreszeit verlaſſen und in einem waͤrmern Clima überwintern. Sämtliche (auch auslaͤn— diſche) Arten ſcheinen bloß in der alten Welt zu Hauſe zu ſein. Die meiſten ſind kleine Voͤgel, nur einige, wovon aber keine in Deutſchland vorkommen, erreichen kaum die Groͤße einer Droſſel. Sie ſind alle ſehr lebhaft, ſchnell, ungeſellig, furchtſam und ſcheu, wippen haͤufig mit dem etwas ausgebreiteten Schwanz unterwaͤrts und naͤhren ſich von kleinen Kaͤfern, Fliegen und andern Inſecten. Sie huͤpfen ungemein ſchnell, gehen aber nie ſchrittweis. — Ihr Neſt bauen ſie theils in Felſenloͤcher und Erdhoͤhlen, theils auf platten Erdboden zwiſchen Gras und andere Pflanzen, legen faſt alle blaugruͤnliche, mehrentheils fleckenloſe Eier, und die Jungen ſehen in ihrem erſten Kleide viel bunter aus, oder ſind mit mehreren Flecken uͤberſtreuet als die Alten. — Manche mauſern zweimal, viele nur Ein Mal im Jahre. * 1 * „Die Steinſchmaͤtzer haben (nach Hr. P. Nitzſch) den Singmuskelapparat am untern Kehlkopfe und ſcheinen ſich von den Sängern nur etwa durch ein etwas längeres Bruſtbein zu unters ſcheiden.“ Nach ihrer Lebensart, zum Theil auch nach Geſtalt und Farbe, theilen ſie ſich in zwei unterſchiedene Familien. 863 | Er ſte Familie. Achte Steinſchmaͤtzer. Rupicolae. (Vitiflorae, Brissonti.) Mit längerem Schnabel und breitfederigem, weißem Schwanz, welcher bloß eine breite ſchwarze Endbinde und faſt ganz ſchwarze Mittelfedern hat. Sie ſind mit ſehr abſtechenden Farben, welche ſich uͤber große Partieen verbreiten, geziert; Weiß und Schwarz iſt darunter beſonders vorherrſchend. Sie leben in hohen, trocknen und ſteinigen Gegenden oder auf Felſen, ſetzen ſich ſelten auf Baͤume und niſten in Hoͤhlen und Loͤchern in der Erde oder zwiſchen Felſen, in altem Gemaͤuer oder unter Steinhaufen. Zwei Arten. 106. Der graue Steinſchmaͤtz er. Sa xicola oenant.he. Bechist. 80 89 8 1. Altes Männchen im Frühlingskleide. h — 2. Juͤngeres Männchen im Herbſtkleide. Grauruͤckiger, weißſchwaͤnziger, großer oder größerer Stein⸗ ſchmaͤtzer, Steinſchmatzer, Steinquaͤker, weißſchwaͤnziger Stein⸗ ſaͤnger, Steinſchwacker, Steinpatſche, Steinklitſch, Steinkletſche, 864 III. Ordn. XIX. Gatt. 106. Grauer Steinſchmaͤtzer. Steinklatſche, großer Steinfletſchker, Steinpicker, Steinbeißer; . * 2 2 . „ Weißſchwanz, Weiß buͤrzel, Weißkehlchen, Weißkehlchen mit ſchwar⸗ zen Backen; weißgeſchwaͤnzte Bachſtelze, gelbbruͤſtiger Fliegen⸗ ſchnaͤpper, gelbbruͤſtiger Fliegenvogel mit oberhalb weißem Schwan⸗ ze; in hieſiger Gegend: Steinpicker und Steinfletſchker. Sai cola Oenanthe Bechst. orn. Taschenb. I. S. 217. — Wolf u. Meyer Taschenb. I. S. 251. = Meyer, V. Liv- u. Esthlands. S. 127. — Meisner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 123. n. 130. — Nilsson ornith. suec. I. p. 197. n. 93. = Temminck Man. nouv. Edit. I. p. 237. = Motacilla Oenan- the. Gmel. Lin. syst. I. 2. p. 966. n. 15. — Retz. faun. suec. p. 259. n. 242. — Sylvia Oenanthe. Lath. ind. orn. II. p. 529. n. 79. — Bechſtein, gem. Naturg. Deutſchl. III. S. 675. — Le Motteux ou Fitree. Buff. Ois. V. p. 237. — Edit. d. Deuxp. IX. p. 268. t. 5. f. 1. = Id. Pl. enl. 554, f. 1. et 2. . Traquet moteux. Temminck Man, nouv. edit. I. p. 237. — Wheate-ear. Lath. syn. IV. p. 465. n. 75. — Ueberſ. v. Bechſtein. IV. S. 460. n. 75. — The White-rump. Bewick britt. Birds. I. p. 278. — Culbian co. Stor. deg. ucc. IV. t. 383. — De Tapuit. Sepp. nederl. Vog. II. p. t. 163. junge Voͤg. Koch, Baier. Zool. I S. 190. n. 111. —= Friſch, Voͤg. I. Taf. 27. Fig. 1, a. Naumanns Voͤg. alte Ausg. I. S. 236. Taf. 48. Fig. 111 und 112. Kennzeichen; el Der Ruͤcken, Nacken und Oberkopf hell aſchgrau; beim Weibchen roͤthlich aſchgrau; im Herbſt und bei den Jungen roͤthlich braun⸗ grau. Die Kehle weißlich; die Gurgel im Frühjahr bleich, im Herbſte dunkel roͤthlichroſtgelb; die untern Fluͤgeldeckfedern ſchwarz und weiß geſchuppt. %%%%%»;ũð i Dieſer angenehme Vogel hat viel Aehnlichkeit mit ſeinen naͤchſten Gattungsverwandten, der Saxicola aurita, S. Stapazina und 8. leucomela, Temm. ſowol in der Groͤße, wie in der Geſtalt, und zum Theil in Vertheilung der Farben; Schwanz⸗- und Flügelzeich- nung ſind bei allen vier Arten faſt ganz dieſelben, nur hat bei 8. Stapazina die äußere Schwanzfeder mehr Schwarz, und bei S. aurita der ganze Schwanz mehr Weiß.“) Bei allen iſt das Herbſtkleid ſehr vom Fruͤhlingskleide verſchieden. Der weiße Buͤrzel zeichnet dieſe Voͤgel auch im Fluge und von weiten ſchon vor vielen andern aus. Die Länge unſeres grauen Steinſchmaͤtzers beträgt 6 bis 61 Zoll, die Fluͤgelbreite 12 bis 127 Zoll; er hat alſo im Ganzen *) Die Zeichnung oder Farbe der Schwanzfedern kann alfo, fo wenig wie der weiße Buͤrzel, den auch jene haben, als Artkennzeichen bei irgend einer von dieſen Arten aufgenommen werden; ja noch eine fuͤnfte Europaͤiſche Art, 8, cachinnans, Temm. (Turdus Jeucurus. Gmel.) hat fie genau eben ſo. III. Drbn, XIX. Gatt. 106. Grauer Steinfd matz er, 865 noch nicht die Größe des Hausſperlings. Der 24 Zoll lange Schwanz hat ſehr breite, am Ende beinahe ganz gerade, wie ver⸗ ſchnittene Federn, wovon die aͤußerſte und eine der mittelſten kaum etwas kuͤrzer als die uͤbrigen ſind. Die Fluͤgel ſind ziemlich groß, die vorderſten Schwingfedern ſchmal, die nach der Mitte zu breiter, die hinterſten anſehnlich breit, aber um ein Drittheil kurzer als die großen Schwingen. Die erſte Schwinge iſt ſehr klein, ſchmal und kurz, die zweite viel laͤnger und nur etwas kuͤrzer als die dritte, welches die laͤngſte iſt. Der Flügel vom Bug bis zur Spitze iſt 4 Zoll lang und deckt, in Ruhe liegend, den Schwanz bis auf 4 Zoll. Der Schnabel iſt 7 Linien lang, an der Wurzel 3 Linien breit und nur etwas uͤber 2 Linien hoch, von Farbe, nebſt Rachen und Mundwinkeln, ſchwarz. Der Rüden deſſelben iſt etwas kantig und gegen die Stirn aufſteigend, der Schnabel im Ganzen nach vorn pfriemenfoͤrmig, wenig zuſammengedruͤckt, die obere Spitze etwas abwaͤrts gebogen und an der Schneide ſo ſeicht gekerbt, daß es kaum bemerklich wird. Die Naſenhoͤhle iſt oval, mit einer ſchwie⸗ ligen Haut ſo verſchloßen, daß ſich das ovale, eben nicht kleine Naſenloch unterwaͤrts oͤffnet, und der obere Rand deſſelben mehr hervortritt als der untere. Ueber den Mundwinkeln ſtehen an⸗ ſehnliche ſchwarze Borſthaare, uͤberhaupt an den Zuͤgeln viel feine ſchwarze Haͤaͤrchen. Das große Auge hat eine dunkelbraune Iris. Die Fuͤße find ſehr ſchlank, haben duͤnne und hohe Laufe, aber ſtarke Zehen, die nach dem Tode ſehr einſchrumpfen und dann auch ſchlank erſcheinen. Das Gelenk der Fußbeuge oder Ferſe iſt faſt ganz kahl; der Ueberzug der Laͤufe meiſt ohne alle Ein⸗ ſchnittte, d. i. geſtiefelt; Die Zehen oben geſchildert, unten fehr feinwarzig, mit dicken Ballen; die Naͤgel maͤßig gekruͤmmt, ſehr zu⸗ ſammengedruͤckt, unten zweiſchneidig und ſehr duͤnn zugeſpitzt, der der Hinterzeh am ſtaͤrkſten gebogen und ziemlich groß. Füße und Naͤgel find ſchwarz; die Fußwurzel zwiſchen 13 und 14 Linien hoch; die Mittelzeh, mit der faſt 3 Linien langen Kralle ziemlich 10 Li⸗ nien, die Hinterzeh mit der 4 Linien langen Kralle, faſt 7 Linien lang. Die Füße ſehen denen der Roͤthlinge aͤhnlich, haben aber weiter entbloͤßte Ferſengelenke und ſtaͤrkere Zehen oder vielmehr dickere Sohlenballen. Das alte Maͤnnchen in ſeinem Fruͤhlingskleide hat ſehr angenehme Farben, und dieſe find, obgleich einfach, doch ſchoͤn vertheilt. Die Stirn und ein Streif uͤber das Auge hin und bis | 53 866 III. Or dn. XIX. Gatt. 106. Grauer Steinfhmäßer, hinter daſſelbe, ſind hell weiß, unten ſcharf von Schwarz begrenzt, oben in ein ſanftes helles Aſchgrau uͤbergehend, welche Farbe den Oberkopf, das Genick, Nacken, Hinterhals, Schultern und den ganzen Ruͤcken gleichfoͤrmig einnimmt; der Buͤrzel und die obern Schwanzdeckfedern ſchneeweiß. Die Zuͤgel ſind ſammetſchwarz, und dieſe Farbe zieht ſich durch und unter dem Auge hin und nimmt, wiewol etwas matter werdend, die Ohrengegend und den hintern Theil der Wangen ein; der vordere Theil derſelben und das Kinn ſind weiß; die ganze untere Seite des Vogels roſtgelblichweiß, an der Kehle, noch mehr aber auf der Gurgel bis an den Kropf, mit einem ſchoͤnen roͤthlichen Roſtgelb uͤberlaufen; eine angenehme ſanfte Farbe. Die Unterſchenkel ſind gelblichweiß und ſchwarz geſchuppt. Alle Fluͤgelfedern ſind tief ſchwarz, die kleinen Deckfedern mit roͤth⸗ lich grauen, die groͤßern und die hinterſten Schwingfedern an ih⸗ ren Enden mit braͤunlichweißen undeutlichen Kaͤntchen, als Ueber⸗ bleibſel vormaliger breiterer, nun aber abgeriebener heller Federraͤn⸗ der. Die Schwanzfedern ſind ſchneeweiß (auch ihre Schaͤfte bis über zwei Drittheile ihrer Länge), am Ende etwa J Zoll lang ſchwarz, welches ſich vom Weißen ſcharf abſchneidet und an der aͤußerſten Fe⸗ der ein wenig weiter herauf geht; die beiden mittelſten Schwanz⸗ federn, bis auf ihre weißen Wurzeln, ganz ſchwarz; zuweilen ha⸗ ben die ſchwarzen Enden ein weißes Endkaͤntchen, was auch eben ſo oft fehlt, oder ſich bereits abgerieben hat. Von unten iſt der Schwanz eben ſo, das Schwarze bloß etwas blaͤſſer; die Schwin⸗ gen auf der untern Seite ſchwarzgrau, mit weißlichen Saͤumchen; die untern Fluͤgeldeckfedern ſind mattſchwarz, mit großen truͤbe wei⸗ ßen Enden, die kleinern ſchwarz, mit weißen Kanten, wodurch der Fluͤgelrand unten ſehr angenehm ſchwarz und weiß geſchuppt erſcheint. So gefärbt, ſindet man die recht alten Maͤnnchen etwa im Mo⸗ nat April. Bei juͤngern finden ſich um dieſe Zeit an den aſch⸗ grauen Ruͤckenfedern noch roͤthlichgraue Spitzen, und an den Fluͤ⸗ gelfedern noch ſtarke Spuren von den ehemals vorhandenen dunkel⸗ roſtgelben Federkanten. — Im Sommer verſchwindet die gelbe Farbe am Unterleibe faſt ganz, das Aſchgrau wird unanſehnlicher, und das Gefieder reibt ſich ſo ab, daß alle anders gefaͤrbte Kanten vollends verſchwinden, aber das ſchoͤne Schwarz verſchießt auch ſo ſtark, beſonders an den Fluͤgelfedern, daß es im Monat Juli nur noch ein bloßes Schwarzbraun oder mattes Braunſchwarz iſt. Das alte Weibchen ſieht im Ganzen dem Maͤnnchen zwar / > III. Orbn. XIX. Gatt. 106. Grauer Steinfhmäser. 867 nicht ſehr unaͤhnlich; allein da alle Farben unreiner find und nicht ſo ſcharf von einander abſtechen, ſo fallen die Zeichnungen auch min⸗ der angenehm in die Augen. Das ſchoͤne Aſchgrau iſt fo ſtark roͤth⸗ lich uͤberlaufen, daß man es faſt Roͤthlichaſchgrau nennen kann; die Stirn iſt nur ſchmutzig weiß, und der Strich über dem Auge we. nig vorſtechend, die Zuͤgel mattſchwarz, und die Wangen und Ohren gegend rauchſchwarz, oder gar nur fahlbraun, wenigſtens nach vorn zu; Die Fluͤgelfedern ſind, ſtatt ſchwarz, rauchſchwarz, an den Kan⸗ ten fahl, mit Ueberbleibſeln lichter Federſaͤume. Auch die untere Seite des Vogels iſt ſchmutziger, weil der roſtgelbe Anflug ins Braͤunliche faͤllt, aber doch bleicher iſt als am Maͤnnchen; der Schwanz hat indeſſen dieſelben Zeichnungen. Juͤngere Weib⸗ chen ſind von oben noch mehr roͤthlichgrau, und der Wangenfleck oft nur braungrau. Dies find ebenfals Fruͤhlingskleider. Ganz anders ſehen dieſe Voͤgel gleich nach der Hauptmauſer, welche im Auguſt ſtatt hat, folglich in ihrem 9 erbſtkleide, das nun lauter neue, mit friſchen Farben gezierte Federn hat, aus. Das alte Männchen in ſeinem Herbſtkleide iſt ein gar praͤchtiger Vogel, faſt ſchoͤner noch als im Fruͤhlingskleide. — Die Stirn und ein breiter Streif uͤber dem Auge, bis ziemlich ans Ge⸗ nick reichend, iſt weiß, ſtark roͤthlichgelb uͤberlaufen; Scheitel, Genick Hinterhals, Schultern und der ganze Ruͤcken ſehr angenehm wein⸗ roͤthlichgrau; Buͤrzel und obere Schwanzdeckfedern ſchneeweiß; die Zuͤgel und Ohrengegend dunkelbraun, auf den Wangen etwas lich⸗ ter; Das Kinn gelblichweiß; Kehle, Gurgel, Kropfgegend, bis auf die Bruſt herab, ſehr ſchoͤn und lebhaft roͤthlichroſtgelb (eine Farbe, die wie ſchwach aufgetragenes Rauſchgelb ausſieht), mit et⸗ was lichtern Federkanten; die uͤbrigen Theile des Unterleibes eben ſo, aber viel blaͤſſer. Alle Fluͤgelfedern ſind tief ſchwarz, die klei⸗ nen Deckfedern mit der Ruͤckenfarbe gekantet; allein die mittleren und groͤßern, nebſt den Schwingen zweiter und dritter Ordnung, haben breite Einfaſſungen von einem gar ſchoͤnen roͤthlichen, an den Saͤumen in Weiß uͤbergehenden Roſtgelb, die großen Schwingen aber bloß feine Saͤumchen von dieſer Farbe, die an den Enden der Federn in braͤunliches Weiß ſich verwandeln. Auch die ſchwarz ge⸗ faͤrbten Theile der ſchneeweißen Schwanzfedern haben lichtbraͤunliche, in Weiß uͤbergehende Saͤumchen, die an den Enden der Federn an⸗ ſehnlich breit ſind und einen weißlichen Endſaum am Schwanze bilden. — Am Weibchen in dieſem Kleide ſind ſtets die Farben ſchmutziger, unreiner, weniger lebhaft, der gelblichweiße Augen⸗ 868 III. Drdn. XIX. Gatt. 106, Grauer Steinſchmaͤtzer. ſtreif ſchmaͤler, oder, wie uch der dunkle Backenſtreif, undeutlicher; hierdurch unterſcheidet es ſich etwas, doch wenig auffallend, vom Maͤnnchen. Das erſte Jugendkleid iſt ſehr vom Herbſtkleide der Al⸗ ten und noch mehr vom Fruͤhlingskleide verſchieden. Schnabel, Fuͤße und Augenſterne ſind lichter als bei dieſen, der Rachen und ein Theil der Wurzel der Unterkinnlade ſchmutzig gelblich, auch die Zehenſohlen etwas; alle obern Theile, die weißen, mit grauen Spitzchen verſehenen Bürzel= und obern Schwanzdeckfedern ausge⸗ nommen, gelblich⸗ oder matt roſtgrau, mit ſchmutzig gelblichweißen, aber wenig abſtechenden, Schaftflecken und graubraunen Endkanten der Federn. Die ganze Unterfeite des Vogels iſt auf ſchmutzig roſt⸗ gelblichweißem Grunde, beſonders an der Oberbruſt, dunkelbraun⸗ grau gefleckt, oder vielmehr fein, aber unordentlich geſchuppt, weil letztere Farbe bloß an den Spitzenkanten der Federn ſitzt; Gurgel und Oberbruſt faͤllt am meiſten ins Roſtgelbe, Kinn und untere Schwanzdeckfedern ins Weiße; die Zügel find dunkelbraun, die Ohrengegend braungrau; der Streif uͤber dem Auge wenig lichter als der Scheitel; Fluͤgel und Schwanz wie an dem beſchriebenen weiblichen Herbſtvogel, die roſtgelben Kanten an den Federn der erſtern beſonders ſehr breit. — Im September haben ſie ſich ſchon zum erſten Mal vermauſert, wobei ſich aber die Schwing⸗ und Schwanzfedern des Jugendkleides nicht erneuert haben, wes⸗ halb man die Raͤnder derſelben ſchon merklich abgerieben findet; ſonſt ſehen die Jungen beiderlei Geſchlechts in dieſem erſten Herbſtkleide faſt ganz wie die alten weiblichen Herbſtvögel aus. Die Mauſerzeit iſt der Auguſt, bei manchen fruͤher, bei an⸗ dern etwas ſpaͤter, ſo daß man noch mitten im September einzelne findet, die fie noch nicht ganz uͤberſtanden haben. Hoͤchſt wahr: ſcheinlich mauſern ſie aber zwei Mal im Jahr, die zweite Mau⸗ ſer, wo ſich bloß das kleine Gefieder erneuert, die ſich aber nicht über die großen Federn der Fluͤgel und des Schwaͤnzes erſtreckt, fin⸗ det in den Wintermonaten, wo fie nicht bei uns find, ſtatt. Die Spielarten, welche man gewoͤhnlich von dieſem Vogel beſchrieben findet, find theils bloße Alters-, Jahreszeits⸗, oder Ge⸗ ſchlechtsverſchiedenheiten, theils eigne Arten, wie die Sax. stapa- zina (Vitiflora rufa, Briss.) und die S. aurita, Temm. CViti- Nord rufescens, Briss. orn. IIIL- p. 437. t. 25. f. 40 in den ver⸗ ſchiedenen Kleidern, in welchen ſie vorkommen, ſonſt auch zu un⸗ ſerm grauen Steinſchmaͤtzer gezogen wurden. — Der ſoge⸗ III. Srdn. XIX. Gatt. 106, Grauer Steinſchmätzer. 869 nannte große Weißſchwanz (Mot. Oenanthe major), welcher faſt von der Groͤße der Rothdroſſel ſein, ſich aber ſonſt von den gewoͤhnlichen nicht unterſcheiden ſoll, mag eine Abweichung ſein, welche vielleicht Folge eines guͤnſtigen Climas und uͤberfluͤſſiger Nahrung iſt. 5 Aufenthalt. Dieſer Vogel iſt ſehr weit verbreitet. Er bewohnt nicht allein das ganze Eur opa bis über den arktiſchen Kreis hinauf und findet ſich noch im hohen Norwegen, auf Island und in Groͤnland, ſondern ſoll auch im noͤrdlichen und mittlern Aſien, bis Perſien und Bengalen herab, vorkommen. Im mittleren Europa iſt er in allen Laͤndern bekannt, in Deutſchland in vielen Gegenden gemein und in keiner ſelten; denn ob er gleich die Gebirge vorzugs⸗ weiſe aufſucht, ſo trifft man ihn doch auch, wenigſtens auf ſeinen periodiſchen Wanderungen, in den Ebenen, fogar in ſumpfigen Gegenden, am Waſſer, ſelbſt am Geſtade des Meeres an. Auch in unſerm An halt iſt er gemein, obgleich nicht allgemein gekannt, weil er unter die Zahl der Voͤgel gehoͤrt, die man nicht beachtet, weil ſie den Menſchen nicht nahe wohnen und auch ſonſt keine aus⸗ gezeichnete oder beſonders auffallende Eigenſchaften haben. In Deutſchland und allen noͤrdlicher gelegenen Laͤndern iſt er Zugvogel und koͤmmt, als ſolcher, mit Ende des Maͤrzes und in der erſten Hälfte des Aprils zu uns, fängt im Auguſt ſchn wieder an wegzuziehen und verlaͤßt uns im September gaͤnzlich; nur einzeln und ſelten ſieht man zu Anfang Octobers noch einen. Er zieht des Nachts, im Srühlinge paarweis und einzeln, ſeltner in ganz kleinen Geſellſchaften, im Herbſte familienweis, auch einzeln. Seinen Sommeraufenthalt waͤhlt er gewoͤhnlich wieder in derſelben Gegend wo er ihn vor einem Jahre hatte. \ Er liebt die gebirgigen und huͤgeligen Gegenden und be⸗ wohnt die Gebirge bis zu einer Höhe, wo der Holzwuchs auf⸗ hoͤrt. Aber er iſt auch in ebenen Gegenden, ſelbſt in ſumpfigen, wo dieſe ihm nur erhabnere Stellen, Daͤmme und hohe Ufer dar⸗ bieten, an den Ufern der Fluͤſſe und an den Kuͤſten des Meeres, aber uberall nur da, wo es Anhoͤhen, Deiche, Dünen oder Felſen und Steine giebt; denn letztere ſucht er allenthalben auf, nicht allein in den ganz flachen oder gar tiefliegenden Gegenden die Steinhaufen, ſondern ſelbſt alle einzelne große Steine, welche auf Feldern, Wieſen u. ſ. w. zerſtreut umherliegen. Felſen ſind 870 III. Ordn. XIX. Gatt. 106. Grau er Steinſchmaͤtzer. ihm vor allen ſeine liebſten Aufenthaltsorte, beſonders ſchroffe, ge⸗ gen Mittag liegende Felſenwaͤnde, Schluchten und Hohlwege, gro— ße Steinmaſſen und Felſenklumpen an und auf den Bergen, auch alte Ruinen und die Steinbruͤche. Auch die Weinberge und die freien, mit Raſen bedeckten Huͤgel, zumal wenn ſie von Schluchten und Hohlwegen durchſchnitten ſind, bewohnt er ſehr gern. — In den dichten, duͤſtern Wald koͤmmt er nicht; aber er beſucht auch die großen, lichten, huͤgeligen Plaͤtze mitten in Laub = und Nadel⸗ waͤldern, auch die daſelbſt gemachten großen Holzſchlaͤge oder ſolche, wo man große Strecken Nadelholz abtrieb und den Boden anfing zu neuen Anſaaten zu cultiviren, auch die Plaͤtze an großen Fluͤſſen, wo man große Vorraͤthe von Bau- und, Brennmaterialien aufgeſchichtet hat, hier ſogar nicht ſelten in der Naͤhe menſchlicher Wohnungen, auch die Waͤlle und Ringmauern der Staͤdte nach außen zu, oder an weniger lebhaften Stellen. An ſeinen Wohn⸗ orten trifft er, jedoch die Naͤhe der Menſchen viel mehr fliehend, oft mit der weißen Bachſtelze zuſammen, im Gebirge mit den Röthlingenz aber er lebt auch auf freiem, ebenem Felde, wo er ſich die duͤrreſten Stellen ausſucht und es gern hat, wenn daſelbſt Triften und Aenger ſind, worauf hin und wieder große Steine oder Steinhaufen liegen; denn dieſe ſind immer, beſonders in Gefahren, ſeine liebſten Zufluchtsorte. — Nur ganz einfoͤr⸗ mige Getraidefelder beſucht er ſelten, im Herbſte aber die Brach⸗ aͤcker und daſelbſt vorkommende Kraut- Ruͤben⸗ und Kartoffel: ſtuͤcke faſt uͤberall und verweilt dann oft in ſolchen, welche ihm behagen, mehrere Tage. Man ſieht ihn dann oft da, wo auch gelbe Bachſtelzen ſind. — So findet man ihn, die gutbeſtan⸗ denen, dichten Waldungen und fruchtbaren, baumreichen Gegenden abgerechnet, faſt allenthalben, wenn auch nicht in der Bruͤtezeit, doch auf ſeinen Wanderungen, wenigſtens einzeln. Wo es nur irgend ſein kann, haͤlt er ſich auf Steinen auf. — Sonſt ſieht man ihn auf dem Erdboden, und von dieſem auf Erd⸗ ſchollen und andere Erhabenheiten, auf Pfaͤhle, Stoͤcke, Wiſche oder auf kleine Vorſpruͤnge an den Ufern ſich ſetzen, um ſich recht umſehen zu koͤnnen. Ungern benutzt er hierzu die Spitzen nied⸗ riger Baͤume und Straͤucher, aber noch ſeltner die Wipfel hoher Baͤume oder ihre untern Aeſte, wenn nicht letztere ſehr ſtark, ganz entblaͤttert und ohne Zweige ſind, wie ſie ſich wol an einzeln ſtehenden, alten, verſtuͤmmelten Eichen auf Triften und an Waldraͤn⸗ dern zuweilen finden; unter gewiſſen Umſtaͤnden muͤſſen dieſe ihm HI. Orbn. XIX. Gatt. 104. Grauer Stege 871 ſogar ſehr oft zum Sitze dienen, und fo wie er an fleinigen Orten gewiſſe Steine und Felſenvorſpruͤnge zu Lieblingsſitzen hat, fo muͤſſen es jene zuweilen in ſteinarmen Gegenden ſein. Auch auf Holzſtoͤßen ſieht man ihn, auf alten Lehmwaͤnden und verfallenem Gemaͤuer, aber niemals mitten in der Krone eines belaubten Baumes. — Im Herbſt ſitzt er gern auf den Kohlſtauden und ſonſtigen hohen Pflanzenſtengeln, zwiſchen dieſen, den Ruͤben und andern Feldfruͤchten, überhaupt immer an freien Orten, wo er ſich nach allen Seiten umſehen kann. — Vor ſeinen Feinden ver⸗ birgt er ſich nie im Gebuͤſch und in den belaubten Zweigen, ſondern unter Steinen, Erdſchollen, in tiefen Fahrgeleiſen, in Erdloͤchern, Felſenſpalten und andern Schlupfwinkeln, in welchen er auch des Nachts zu ſchlafen pflegt. Dies thut er auf Kartoffel-Kohl- und Ruͤbenaͤckern hinter einer großen Staude am Boden, oder hinter einem Feldraine, in der Naͤhe des Waldes auch unter einem freilie⸗ genden Stamme oder in einer Höhle deſſelben. Hinſichtlich des Aufenthalts und zum Theil der Lebensart aͤhnelt unſer grauer Steinſchmaͤtzer einigermaßen der weißen Bach⸗ ſtelze, wie dem Hausroͤthling, und ſteht ſo gewiſſermaßen als Bindeglied zwiſchen den Bachſtelzen und Roͤthlingen. Eigenſchaften. Es iſt ein munterer, ſehr unruhiger und gewandter Vogel, dabei wild und ungeſtuͤm, aber auch ſehr furchtſam, und alles dies in einem hoͤhern Grade, als einer ſeiner einheimiſchen Gattungs⸗ verwandten. Er fliehet den Menſchen von ferne ſchon, und ſelbſt die, welche an ſolchen Orten niſten, wo oͤfters Menſchen verkehren, werden nicht zutraulich, und ein gewiſſer Grad von Scheu verlaͤßt ſie nie. Er iſt dabei ein ungemein fluͤchtiger Vogel, deſſen abſte⸗ chende Farben ſich in der Ferne recht angenehm ausnehmen, und er durchſtreift in kurzer Zeit, jedoch mit vielen Unterbrechungen, gro= ße Flächen. Gegen andere Vögel iſt er zaͤnkiſch und hadert immer mit ihnen; ſo leidet er auch am Brutorte ſeines Gleichen nicht in der Naͤhe, und dem Jagen und Necken dieſer hurtigen und kraͤfti⸗ gen Voͤgel zuzuſehen, gewaͤhrt viel Vergnuͤgen. Demohngeachtet niſten doch öfters zwei Paͤaͤrchen in nicht gar großer Entfernung von einander, weshalb es denn auch nicht an Zaͤnkereien zwiſchen denſelben fehlt. Selbſt auf ihren geſellſchaftlichen Wanderungen necken und jagen ſie einander viel und vertragen ſich nie, wenn ſie ganz nahe beiſammen ſind. — Er ſitzt immer mit etwas erhabe⸗ 872 II. Ordn. XIX. Gatt 106. Grauer Steinfämäger. ner Bruſt und wenig gebogenen Ferſen, oft ſehr aufgerichtet, macht, wenn er etwas Auffallendes bemerkt, ſchnelle Buͤcklinge vorwaͤrts und ſchlaͤgt den ausgebreiteten Schwanz auf- und ab⸗ waͤrts, doch mehr und tief nach unten, und mehrmals langſam nach einander. Auf dem Boden geht er nie ſchrittweis, ſondern huͤpft und macht ſo ſchnelle und kurze Spruͤnge, daß er zu laufen oder nur hinzurollen ſcheint. Dies ſchnelle Forthuͤpfen, was man haͤufig, aber mit Unrecht, Laufen genannt hat, geſchieht in laͤngern oder kuͤrzern Intervallen, wobei er immer auf einer kleinen Erhoͤhung des Bodens, auf einem Steine und dergl. Halt macht, den Schwanz unterwaͤrts bewegt, häufig auch erſt einen Buͤckling macht und nun weiter huͤpft oder fort ſchnurrt. Deutlicher ſieht man die einzelnen Spruͤnge, wenn er langfamer forthuͤpft. — In allen Bewegungen iſt er hurtig, und ſeine Unruhe laͤßt ihm nir⸗ gends lange Ruhe; vom fruͤhen Morgen bis zum ſpaͤten Abend iſt er in ſtaͤter Bewegung, ſelbſt des Nachts hoͤrt man ihn oͤfters. Sein Flug iſt ſehr ausgezeichnet, ſchnell, mit geſchwinder Fluͤgelbewegung, in einer faſt geraden, wenig wogenfoͤrmigen Linie, deren flache Bogen auch ſehr kurz gemacht werden, oder ſchnell auf⸗ einander folgen, und er fliegt meiſtens ganz niedrig. Wenn er von einer Anhoͤhe wegfliegt, ſo ſenkt er ſich allemal herab, fliegt dicht uͤber der Erde hin und ſteigt dann erſt wieder zu der erhabenen Stelle auf, wo er ſich eben niederlaſſen will. Ueberraſcht man ihn auf einem hohen Ufer, ſo fliegt er nicht oberwaͤrts fort, ſondern ſtuͤrzt ſich gleichfalls dicht an demſelben fliegend herab und erhebt ſich eben ſo im Bogen aufwaͤrts zu der Stelle, wo er wieder auf⸗ fußt. Dieſe Art des niedrigen Fliegens ſcheint Aengſtlichkeit zu verrathen; er glaubt ſo weniger bemerkt zu werden, was bei Raubvoͤgeln wohl ſein kann; er fluͤchtet ſich dann, wenn es nur irgend angeht, unter den erſten beſten Stein oder in das naͤchſte Maͤuſeloch. Jeder kleine Raubvogel ſetzt ihn auch, ſobald er ihn von ferne ankommen ſieht, in Furcht und Schrecken; er flieht mit ſichtbarer Angſt und verſteckt ſich im naͤchſten Schlupfwinkel. Wenn er ſo dicht uͤber den Erdboden hinſtreicht, faͤllt vom ganzen Vogel oft kaum etwas mehr als der weiße Fleck auf dem Buͤrzel auf, zu⸗ mal wo man hoͤher ſteht und ihn gegen den dunkeln Boden ſieht, ſo daß es ausſieht, als werde eine weiße Gaͤnſefeder vom Winde fortgejagt. Dieſe optiſche Taͤuſchung wird bei truͤbem Wetter und fuͤr den Kurzſichtigen noch dadurch vermehrt, daß der Vogel ſelten gerade, ſondern haͤufig in einem Bogen ſeitwaͤrts fortfliegt. — III. Ordn. XIX. Gatt. 106. Grauer Steinſchmäͤtzer. 673 Verfolgt man ihn, ſo fliegt er in dieſem niedrigen Fluge immer groͤßere Strecken fort, immer einmal auf einer Erdſcholle, einem Steine oder ſonſtigen Erhoͤhung ausruhend, bis er endlich ſo weite Strecken in Einem Zuge zuruͤck legt, daß man ihm zuletzt nicht mehr folgen kann. — Obgleich ſein Flug nicht ſehr zu foͤrdern ſcheint, fo iſt er doch ſchnell und gewandt genug und ſetzt bei feinen häufigen Zaͤnkereien mit feines Gleichen, den Bachſtelzen und an⸗ dern Voͤgeln, nicht ſelten in Erſtaunen. Seine Stimme hoͤrt man außer der Begattungszeit nur ſelten. Der Lockton iſt ein angenehmes kurzes Giw oder Giuv, was in der Ferne wie ein kurzer, gerader, ſanfter oder dumpfer Pfiff klingt, und dem, als Zeichen aͤngſtlicher Beſorgniß, z. B. beim Neſte, ein ſchnalzendes Tack oder Toͤck angehaͤngt wird, ſo daß es dann wie Giwtoͤcktoͤcktoͤck, giw, giw, giwtoͤcktoͤck und ſ. w. klingt. Im Affect hört man häufig bloß den ſchnalzenden Ton, und die Jungen ſcheinen anfaͤnglich gar keinen andern hervor⸗ bringen zu konnen. Das Männchen läßt gleich nach feiner Ankunft am Niſtplatze ſeinen ſonderbaren, nicht beſonders angenehmen Ge⸗ ſang hoͤren, welcher aus ein paar kurzen Strophen beſteht, in welchen der Lockton giw häufig gehoͤrt wird, und von welchen die eine durch unangenehme kraͤchzende Toͤne ſich auszeichnet. Er aͤhnelt den Gefangen der Bachſtelzen und mancher Schwalben. Es ſingt ihn nicht allein auf einem Steine oder einer ſonſtigen Anhoͤhe, de⸗ ren es in der Gegend immer einige zu Lieblingsplaͤtzen waͤhlt, im Si⸗ tzen, ſondern auch im Fluge, und zwar auf eine ſo ſonderbare Art fliegend, daß es dem Vogel ein ganz fremdartiges Ausſehen giebt. Es ſteigt nämlich ſingend in ſchiefer Richtung wol 10 bis 20 Fuß hoch und ſtuͤrzt ſich eben ſo in ſchiefer Richtung ſchnell auf einen andern oder den naͤmlichen Sitz herab, wo es im letztern Falle eine eigene Schwenkung macht und ſich dabei oͤfters mehrmals uͤber⸗ purzelt. Die Fluͤgel bewegt es in dieſem Fluge hoͤchſt ſonderbar, langſam, in großen Bogen und hochaufwaͤrts, gerade wie es manchmal die männlichen Haustauben machen, wenn fie ihrem Weibchen nachjagen, oder ſich eben mit ihm begattet haben oder eben fo, wie ſich auch das Maͤnnchen des Schilfrohrſaͤngers (ſiehe S. 661. d. Bds.) im Singen häufig gebehrdet. — Das Maͤnnchen unſers grauen Steinſchmaͤtzers ſingt nicht allein bis ſpaͤt am Abend und mit grauendem Morgen ſchon, ſondern auch ſehr haͤufſig zu allen Stunden in der Nacht, und dies macht dieſen Geſang einigermaßen angenehm, zumal wo es, wie haͤufig, an 874 III. Orb n. XIX. Gatt. 106. Grauer Steinſchmaͤtzer. oͤden Orten wohnt und da in der Nacht von keinem fremden Ge⸗ toͤſe unterbrochen wird. Es ſingt ſo lange das Weibchen bruͤtet, immer noch ſo eifrig als im Anfange der Begattungszeit, nachher ſeltner und hoͤrt erſt, wenn die Jungen eine Zeit lang ausgeflo⸗ gen, nach und nach gaͤnzlich auf. An die Gefangenſchaft laͤßt ſich dieſer Vogel nur mit vieler Muͤhe gewoͤhnen und dauert demohngeachtet nicht lange, man mag ihn in einen Nachtigallenkaͤfig ſperren oder in der Stube herum laufen laſſen. Wenn man einen friſchgefangenen in die Stube fliegen laͤßt, ſo zeigt er ſich ſo wild, daß er ſich in kurzer Zeit den Kopf an der Decke oder an den Fenſtern einſtoͤßt. Nahrung. Er naͤhrt ſich vorzuͤglich von kleinen Kaͤfern, wie man ſie haufig auf dem Felde und unter Steinen antrifft, und die man ſonſt alle zur Gattung der Laufkaͤfer (Carabus, Linn.) zählte, jetzt aber unter mehrere verſchiedene Gattungen geſtellt hat, bis zur Groͤße des Harpalus ruficornis, oder hoͤchſtens bis zu der des bekannten Roſen⸗ kaͤfers (Melolontha horticula), und bis zu der eines Flohkaͤfers (Haltica) herab. So findet man oft dergleichen aus vielerlei Gat⸗ tungen in ſeinem Magen. Er frißt ferner auch die Larven derſelben und anderer Inſecten; auch Raupen, Mehlwuͤrmer, Fliegen, Muͤ⸗ cken und andere kleine Inſecten. Von ſeinen erhabenen Sitzen herab ſieht man ihn ſich allenthalben darnach umſehen, und wenn er eins auf der Erde laufen ſieht, ſchnell hinfliegen, es aufnehmen, oft auch noch in raſchen Spruͤngen verfolgen. Die vorbei fliegen⸗ den faͤngt er, wie ein Fliegenfaͤnger oder Roͤthling, oft mit den gewandteſten Schwenkungen, im Fluge weg und ſteigt nach ihnen von ſeinem Sitze nicht ſelten mehrere Fuß hoch gerade aufwaͤrts in die Luft. Auf kahlen ebenen Flaͤchen, z. B. Brachaͤckern, Triften und auf glatten Raſen, ſieht man dieſe Voͤgel oft, wie ſie mit großer Schnelle in langen Abſaͤtzen und in ſo ſchnellen Spruͤngen herum huͤpfen, daß ſie zu laufen ſcheinen, alle Augenblicke ſich buͤcken, etwas aufnehmen, oder den fliegenden Inſecten bald zu Fuß, bald in kurzem Fluge nachſetzen und dabei ſich hin und her jagen und necken. In Kohlſtuͤcken ſitzen ſie immer auf den hoͤchſten Stauden, fliegen von da auf die Erde nach kleinen Kaͤfern und dergl., oder auf die Kohlſtauden, um Raupen wegzunehmen, und ſetzen ſich dann gleich wieder auf eine hohe Staude. Man ſieht ſie da immer in Thaͤtigkeit, und ſie freſſen um dieſe Zeit, naͤmlich im Herbſt, groͤß⸗ 3 IH. Or dn. XIX. Gatt. 106. Grauer Steinſchmaͤtzer. 875 tentheils Raupen der verſchiedenen Weißlingarten, welche ſich vom Kohl naͤhren. — Regenwuͤrmer freſſen ſie nie. Wenn man einen grauen Steinſchmaͤtzer in der Stube fliegen laͤßt, fo beträgt er ſich gewöhnlich fo ungeſtuͤm, daß er ſich bald Schaden thut und drauf geht, und es iſt ein ſeltner Fall, daß ein⸗ mal ein junger Vogel ſich zum Fliegenfangen bequemt, wobei er es doch auch kaum einige Tage treibt. Im Kaͤfige kann man ihn auch nur mit Muͤhe erhalten; man muß ihn mit Vorſicht behan⸗ deln und an Nachtigallenfutter gewöhnen, wenn er einige Zeit aus⸗ dauern ſoll. — Einem gefangenen legte ich, außer Fliegen, vie⸗ lerlei andere Inſecten vor, die er alle begierig erzehrte; aber Re⸗ genwuͤrmer waren ihm ſo zuwider, daß er keinen anruͤhrte. n e f een, AG In kahlen Gebirgen und in huͤgeligen, freien Gegenden Deutſchlands niften dieſe Voͤgel allenthalben; nicht ſelten aber auch in Ebenen, auf großen freien Plaͤtzen in und an den Waͤldern, an hohen Flußufern, und hin und wieder auch auf flachem Felde. In den Bergen ſuchen ſie kahle Felſen und Steinbloͤcke, ſchroffe Fel⸗ ſenwaͤnde und Schluchten; in huͤgeligen Gegenden ebenfals aͤhnli⸗ che Stellen, hohe Ufer, Hohlwege, Weinberge, Steinbruͤche, freiliegende Steinhuͤgel u. ſ. w.; in Ebenen die hoͤchſten, trocken⸗ ſten Stellen, große Holzſchlaͤge in den ſchlechtbeſtandenen Waͤldern, oder ſolche huͤgelige duͤrre Plaͤtze, wo nur verſtuͤmmelte alte Eichen ganz einzeln ſtehen, und wo Feld angrenzt, die hohen Flußufer, die hin und wieder an dieſen vorkommen, die großen Niederlagen von Bau⸗ und Brennmaterialien, die alten freiliegenden Ruinen und einſamen Gegenden an Stadtmauern, und ſelbſt auf ganz ebenen Feldern und duͤrren Triften die einzelnen Steinhaufen, die gro⸗ ßen, tiefen Sand» und Lehmgruben und ähnliche Plaͤtze, wo es Hoͤhlen, Loͤcher und Schlupfwinkel giebt. Das Neſt ſteht ſtets in einer Hoͤhlung, bald in einer weiten, bald in einer engen, aber faſt immer in einer horizontalen, zuweilen ganz vorn, zuweilen auch mehrere Fuß tief. So findet man es in Felſenſpalten, zwiſchen Steinen, in Mauerloͤchern, in allerlei Ufer⸗ loͤchern, unter Steinhaufen, in Holzſtoͤßen, unter alten Staͤm⸗ men, in Erdhoͤhlen und allerlei Kluͤften, unter uͤberhaͤngenden hohen Rainen, unter Erdſchollen, ſelbſt in alten Fahrgeleiſen, und in niedrigen, horizontalen, hohlen Zacken alter kruͤppelichter und einzeln ſtehender Eichen. Die Gegend, wo es ſtehet, ver: 876 III. Orb n. XIX. Gatt. 106. Grauer Steinſchmätzer. raͤth das aͤngſtliche Benehmen der Vögel; allein es iſt demohngeach⸗ tet nicht leicht zu finden und oft ſchwer zu ſelbigem zu gelangen, ob es gleich faſt immer nicht hoch, haͤufig ſogar auf dem Erdboden, aber oft deſto tiefer in einer Kluft oder engen Hoͤhle ſtehet. Auch die, welche noch am freieſten ſtehen, z. B. unter Steinen, in Holz⸗ ſtoͤßen, in tiefen alten Fahrgeleiſen u. ſ. w. find immer von oben wenigſtens durch eine Art von Obdach, welches die Umgebung bil⸗ det, geſchuͤtzt, wodurch ſie ſich immer von vielen andern in der Naͤhe vorkommenden Vogelneſtern unterſcheiden. — Jedes Paͤaͤr⸗ chen ſucht die im vorigen Jahr bewohnte Gegend wieder, und ſo be⸗ merkt man es viele Jahr nacheinander immer wieder daſelbſt, aber ſelten bauet es das Neſt wieder in dieſelbe Hoͤhle, wo es daſſelbe vor einem Jahre hatte, was aber vielleicht oͤfter der Fall ſein koͤnnte, wenn nicht jene Hoͤhlen, Loͤcher u. ſ. w. in der Zwiſchenzeit meiſtens ſehr vielen Veraͤnderungen unterworfen waͤren. Das Neſt iſt ein dickes, loſes Geflecht aus Quecken, feinen Wuͤrzelchen, duͤrren Grasblaͤttern und Halmen, im Innern mit Wolle und Haaren von zahmen und wilden Thieren, mit Pflanzen⸗ wolle, Diſtelflocken, und oͤfters noch uͤberdem mit Federn von Tau⸗ ben, Gaͤnſen und andern groͤßern Voͤgeln ausgefuͤttert. Es bildet einen eben nicht tiefen Napf und iſt weich und warm gepolſtert; doch findet man auch, wiewol ſelten, von den letztgenannten Dingen nichts darin, und das Innere enthaͤlt bloß ganz zarte Haͤlmchen und Wuͤrzelchen. — In dieſem Neſte liegen gewoͤhnlich fuͤnf bis ſechs, zuweilen auch ſieben Eier, welche etwas kurz geformt und in der Mitte ziemlich bauchicht ſind. Ihre anſehnliche Groͤße und dicke Form macht ſie ſehr kenntlich. Die zarte Schale hat wenig Glanz, und ihre Farbe iſt ein ſanftes blaͤuliches Gruͤnlichweiß, oder eine ſehr bleich und blaß aufgetragene Grünfpanfarbe, die an aus⸗ geblaſenen Eiern noch viel bleicher wird, und endlich, wenn ſie dem Lichte ausgeſetzt ſind, faſt gaͤnzlich verſchwindet und ſich in ein truͤbes Weiß verwandelt. An bebruͤteten ſteht dieſe zarte Farbe et⸗ was ſchmutziger aus. Sie ſind faſt immer ganz einfarbig und fle⸗ ckenlos; doch giebt es auch welche, die mit einzelnen oder doch nicht dichtſtehenden, bleichen, gelbrothen Punkten beſtreuet ſind. Die blaſſen Puͤnktchen ſtehen meiſtens am ſtumpfen Ende. Solche punk⸗ tirte Eier ſind aber ſo ſelten, daß ich ſelbſt nur ein einziges Mal ein Neſt mit dergleichen gefunden habe. — — Sie werden binnen vierzehn Tagen vom Weibchen meiſtens allein ausgebruͤtet, die Jun⸗ gen aber von beiden Gatten mit kleinen Inſecten, Raͤupchen und IL, Drdn. XIX, Gatt. 106. Grauer Steinſchmaͤter 877 dergl. aufgefuͤttert. Meiſtentheils bleiben alle Glieder einer Fami⸗ lie bis zum Wegzuge beiſammen. Sie haͤngen mit vieler Liebe an ihrem Neſte mit den Eiern, und waͤhrend das Weibchen auf dem Neſte ſitzt, haͤlt das Maͤnn⸗ chen in geringer Entfernung davon auf einem erhabenen Plaͤtzchen, deren es mehrere in der Gegend zu Lieblingsſitzen gemacht hat, ge⸗ wiſſermaßen Wache, indem es jeden herannahenden Feind mit aͤngſt⸗ lichem Geſchrei wunkreiſt und beim öftern Niederſetzen auf die hoͤhern Umgebungen aͤngſtliche Buͤcklinge macht und den ausgebreiteten Schwanz auf und nieder bewegt. Noch aͤngſtlicher gebehrden ſich beide Aeltern, wenn ſie ſchon Junge haben, und verrathen dieſe durch ihr klaͤgliches Giwtoͤcktoͤcktoͤck u. ſ. w. ſehr bald. — Sie niſten in der Regel des Jahres nur Ein Mal, und man findet im Mai ihre Eier und nicht vor der Mitte Juni fluͤgge Junge. Wenn man dergleichen ſpaͤter, vielleicht noch um die Mitte des Auguſts, ſieht, oder Anfangs Juli noch Eier findet, ſo ſind dieſe von ſolchen, denen das erſte Neſt zerſtoͤrt worden war. Das zweite Mal legen ſie dann nicht mehr als vier Were fünf Eier. Feinde. Nicht ſowol ihr gewandter Flug, als vielmehr ihre Liſt und Vorſicht, rettet ſie das meiſtemal aus den Klauen der Raubvoͤgelz denn wenn ſie nur einen von Ferne erblicken, was ihnen von ihren erhabenen freien Sitzen und bei ihrem guten Geſicht nicht ſchwer fallt, fo ergreifen fie eiligſt die Flucht, fliegen fo nahe, wie moͤglich, uͤber der Erde hin und verkriechen ſich in der naͤchſten beſten Kluft, unter Steine, unter uͤberhaͤngende Raſen, ſelbſt in Maͤuſe⸗ oder Maulwurfsloͤcher, und retten ſich dadurch faſt immer. — Ihre Brut hat dagegen an Iltiſſen, Wieſeln, Ratten und Maͤu⸗ ſen gar arge Feinde und wird oft die Beute dieſer; auch die noch unerfahrnen Jungen werden oͤſters von kleinen Edelfalken weg⸗ eee In ihren Eingeweiden wohnen Würmer, die Taenia plati- cephala, und eine neue Species von Echinorrhynchos, in der Bruſt⸗ hoͤhle eine ebenfals noch unbeſtimmte Filaria, und im Geſieder kleine Schmarotzerinſecten. J ara. Dieſe Voͤgel ſind ſcheu und deshalb nicht leicht zu ſchießen, wenigſtens die alten Vögel und ſolche, die noch kein Neſt haben, \ 878 III. Orb n. XIX. Gatt. 106. Grauer Steinſchmaͤtzer. Man muß gleich ſchießen, wenn man ſich zum erſten Mal genaͤhert hat; denn nachher werden ſie immer ſcheuer, und man koͤmmt ohne Hinterhalt nicht mehr ſchußmaͤßig an. Sie fliegen dann von jedem Ruhepunkte an immer weiter weg, und man kann ſie ſo, ohne zum Ziel zu gelangen, Stunden weit forttreiben. Fangen kann man ſie leicht, wenn man ihre Lieblingsſitze mit Fußſchlingen oder Leimruthen belegt, oder unter den Steinhaufen und andern Schlupfwinkeln, wo man ſie oͤfters ſich hinfluͤchten oder auch ihrer Nahrung nachgehen ſieht, ebenfals in Schlingen. Auf letztere Art ſoll man ſie in einigen Provinzen Englands zu Tauſenden fangen. — In hieſigen Gegenden bekoͤmmt man ſie im HKerbſt leicht und häufig in den Kohlſtuͤcken, wenn man hin und wieder 2 bis 3 Fuß hohe Stoͤcke hinſteckt und auf jeden oben einen Sprenkel haͤngt; ſie wollen ſich, um umherſchauen zu koͤnnen, auf die Stoͤcke ſetzen, die nur etwas uͤber die Kohlſtauden empor zu ra⸗ gen brauchen, und fangen ſich ſo ſehr leicht. Geht man behutſam zu Werke, ſo laſſen ſie ſich auf ſolche ſogar hintreiben. Nutz en. Ihr ſehr wohlſchmeckendes Fleiſch iſt im Herbſte beſonders fett und von jungen Voͤgeln delicat. Man ſoll ſie in England des⸗ halb ſogar in Faͤßchen einmachen und verſenden. — Durch das Aufzehren mancher ſchaͤdlicher Inſecten und Raupen werden ſie eben⸗ falls nuͤtzlich; auch erfreuen fie durch ihr munteres Weſen und ih⸗ ren Geſang, indem ſie dadurch manche ſonſt ſtille und einſame Ge⸗ gend beleben. Schaden. Sie ſind uns auf keine Weiſe nachtheilig. 879 107. Der weißliche Steinſchmaͤtzer. Sa xico la. s£zapazina. Temm. 8 Fig. 1. Maͤnnchen im Fruͤhlingskleide . 6 2. Maͤnnchen im Herbſtkleide Roſtgelber oder roͤthlicher Steinſchmaͤtzer; ſchwarzkehliger gel⸗ ber Steinſchmaͤtzer, roͤthlicher und weißruͤckiger Weiſtſchratz. Motacilla stapazina. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 966. n. 14. — Sylvia stapazina, Lath. ind. orn. II. p.530. n. 80. == Vitiflora rufa, Briss. Orn. III. p. 459. n. 37. — Le Cul-blane roux. Buff. Ois. V. p. 246. — Edit. de Deuxp. IX. p. 278..— Bee- in montagnard. Temm. Man. Ire Edit. p. 137. — Traquet stapazin. Id. ILne. Fi I. p. 239. = Housset Wheati-Ear. Lath. syn. IV. p. 468. Ueberſ. v. Bechſtein II. 2. S. 463. n. 76. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 679. u. 680. n. 5, und n. 7. als Va⸗ rietaͤt v. S. Oenanthe; fo auch im Orn. Taſchenb. v. Wolf u. f I. S. 252. a. Var. a. u. c. 5 N i Zuͤgel, Augenkreiſe, Wangen und Kehle ſchwarz; Oberkopf und Oberruͤcken bleich roſtfarbig, mit durchſchimmerndem Weiß, im Sommer mit der ganzen Unterſeite weiß; die untern Fluͤgeldeckfe⸗ dern ſchwarz. Weibchen: Zuͤgel, Augenkreiſe, Wangen und Kehle a lich, braun und roͤthlichgrau gemiſcht. e e e Dieſer Steinſchmaͤtzer wurde ſonſt als Spielart zum vorher beſchriebenen gezaͤhlt; allein ſchon die ganz andere Kopfzeichnung charakteriſirt ihn als eigene, von dem grauen Steinſchmaͤtzer verſchiedene Art. So wurde er auch mit dem ſchwarzoͤhrigen (Saxicola aurita, Temm.) verwechſelt, oder dieſer für das Weib⸗ chen gehalten; allein auch von dieſem unterſcheidet ihn ſtets die ſchwarze oder ſchwaͤrzliche Kehle, und etwas mehr Schwarz an den aͤußerſten Schwanzfedern; im uͤbrigen traͤgt er aber dieſelben Farben. 880 III. Orb, KIX. Gatt. 107. Weißlicher Steinfhmäßer. Err hat faſt dieſelbe Größe und Geſtalt wie der graue Stein: ſchmaͤtzer, ſcheint jedoch einen etwas laͤngern Schwanz zu haben. Er mißt in der Länge faſt 6 Zoll, und feine Fluͤgelbreite iſt 11 Zoll. er Schwanz iſt am Ende faſt gerade oder kaum etwas ausgeſchnit⸗ ten, 23 Zoll lang, und die Fluͤgel laſſen, in Ruhe liegend, etwas über 2 Zoll davon unbedeckt. Der Schnabel iſt 7 Linien lang, eben ſo geſtaltet wie bei 8. Oenanthe, mit etwas verlaͤngerter herabgebogener Spitze des Oberkiefers, und hornſchwarz; Zunge und Rachen ſchwarz; das Naſenloch eirund; die Iris dunkelbraun; feine ſchwarzen Borſthaͤaͤr⸗ chen umgeben die Schnabelwurzel, wovon einige über den Mund⸗ winkeln etwas größer als die übrigen find. Die Fuͤße find ſchlank, an den dünnen, ſehr zuſammenge⸗ druͤckten Laͤufen nur ſeicht in einige große Schildtafeln zerkerbt, die Zehenruͤcken geſchildert, die Naͤgel mittelmaͤßig, nicht ſehr ſtark ge⸗ bogen und ſehr ſpitz. Fuͤße und Krallen ſind ſchwarz; der Lauf 1 Zoll 1 Linie hoch, Mittelzeh und Kralle 8 Linien, und die Hin⸗ terzeh mit dem Nagel 55 Linien lang; der letztere iſt eben nicht ausgezeichnet groß. In ſeinem Fruͤhlingskleide iſt dieſer Vogel ſehr einfach gezeichnet und traͤgt nur zwei Hauptfarben. Das Maͤnnchen darf man dann wol unter die einfach ſchoͤnen Voͤgel zaͤhlen. An ihm ſind die Zuͤgel, die Umgebung der Augen und Ohren, Wan⸗ gen und Kehle, bis faſt auf die Mitte der Gurgel herab, ſammet⸗ ſchwarz; die Schultern und die ganzen Fluͤgel, auch die untern Deckfedern tief ſchwarz, nur an den Enden der großen Schwin⸗ gen in Schwarzbraun uͤbergehend, und die untere Seite der Schwin⸗ gen dunkelgrau; der Schwanz, bis auf die beiden Mittelfedern, welche ebenfals ſchwarz ſind, rein weiß, an den Enden ſchwarz, welches nach außen am Umfang zunimmt und auf der aͤußerſten Kante der Seitenfeder ſich uͤber 1 Zoll nach der Wurzel herauf aus⸗ dehnt. Alles Uebrige, Scheitel, Nacken, Ruͤcken, Bruſt, Bauch u. ſ. w. iſt weiß, auf dem Hinterhalſe, Oberruͤcken und an der Ober⸗ bruſt mehr oder weniger roſtgelb angeflogen. Der Buͤrzel iſt im⸗ mer ſchneeweiß; die Schenkelfedern ſind ſchwaͤrzlich geſchuppt. Gegen den Sommer nutzen ſich die Federraͤnder ſtark ab, und aller gelbe Anflug auf den weißen Federn verſchwindet; allein noch ſpaͤter hin wird das Gefieder ſo abgetragen daß das ſchoͤne, ziemlich reine Weiß nun wieder truͤber wird, weil nun ſogar das graue Dunengefieder nicht mehr ganz von dem viel kleiner gewordnen III. Or dn. XIX. Gatt. 107. Weißlicher Stein ſchmaͤtze r. 881 Conturgefieder verdeckt wird, und ein ſchmutziges, lichtes Grau allent⸗ halben durchſcheint. Ich habe ein ſolches Exemplar geſehen, was dadurch gar ſehr an Schönheit verloren hatte, und mußte die Be: merkung machen, daß unter unſerm Himmelsſtriche kein Vogel ſein Gefieder in dem Grade abnutzt. Er war mitten im Sommer im dlichen Italien geſchoſſen; vom Saxicola aurita ſah ich eben⸗ fals ein ſo abgeriebenes. Die Federenden ſahen aus, als wenn ſie verbiſſen oder abgenagt waͤren. Das Weibchen iſt niemals ſo weiß als das Maͤnnchen. An ſeinem Fruͤhlingskleide ſind die Theile, welche beim Maͤnnchen ſammetſchwarz ſind, matt braunſchwarz, die uͤbrigen ſchwaͤrzlich⸗ braun; von der Stirn uͤber das Auge bis ans Genick und hinter die Ohren geht ein gelblichweißer Streif; der Oberkopf und Na⸗ cken ſind matt und ſchmutzig gelbroͤthlich; der Oberruͤcken eben ſo und noch etwas duͤſterer; die Oberbruſt gelbroͤthlichweiß, der uͤbrige Unterleib gelblichweiß; der Buͤrzel reinweiß; die Schulterfedern mit ſchmutzig roſtroͤthlichen Enden, und die Fluͤgelfedern, beſonders die großen Deckfedern und hintern Schwingen, mit ſchmalen Ueber⸗ bleibſeln von lichtbraunen Saͤumen. Die Schwanzfedern ſind wie beim Maͤnnchen, aber das Schwarz iſt ausgedehnter. Es iſt auch gewoͤhnlich etwas kleiner als das Maͤnnchen. — Juͤngere Weib⸗ chen ſind noch duͤſterer gefaͤrbt, und die braunſchwarzen Kehlfedern haben roͤthlichweißgraue Kanten; auch die Wangen zeigen DR Farbe in Flecken unter dem Schwarzbraunen. Im Sommer werden auch die Weibchen viel lichter, die Einfaſſungen der Fluͤgelfedern verſchwinden vollends, aber die Grundfarbe derſelben wird auch fahler; allein ſie werden an den übrigen Theilen, wo das Männchen weiß wird, niemals fo, ob⸗ gleich um vieles bleicher, als ſie im Fruͤhjahr waren. Auch im Herbſtkleide, gleich nach zuruͤckgelegter Mauſer, traͤgt unſer Vogel ſehr angenehme Farben, die ſehr bedeutend von denen des Fruͤhlings- und Sommergewandes abweichen. Das Männchen iſt dann an der Schnabelwurzel, an den Zuͤgeln, der Au⸗ gen- und Ohrengegend, den Wangen und der Kehle, bis auf den halben Vorderhals herab, ſammetſchwarz; von der Stirn zieht ſich ein weißlichroſtgelber Streif über das Auge bis hinter die Ohrenge— gend, ſo daß er das Schwarze oberhalb ganz einfaßt; Oberkopf und Nacken ſind roͤthlichroſtgelb, mit grauen Federſpitzchen; der Oberruͤcken dunkel roͤthlichroſtgelb, an den Enden der Federn braun⸗ grau uͤberlaufen; der Unterruͤcken und Buͤrzel ſchneeweiß; die ater Theil, 66 882.111. Orbn. XIX. Gatt. 107. Weiß licher Stein ſchmaͤtzer. Kropfgegend, Halsſeiten und Oberbruſt ſehr ſchoͤn roͤthlichroſtgelb, die Seiten der Unterbruſt bleicher, und ihre Mitte noch blaſſer, Bauch und After gelblichweiß; die Federn der Unterſchenkel ſchwaͤrz⸗ lich, mit breiten gelblichweißen Kanten. Die Schulterfedern ſind ſchwarz, mit licht roſtbraunen verwaſchenen Endkanten; die Fluͤ⸗ geldeckfedern mit den hintern Schwingen tief ſchwarz, mit weiß⸗ lichroſtbraunen Kanten, die an den letztern nur von der Spitze bis etwa in die Mitte der Federn reichen; die großen Schwingen und ihre Deckfedern ſchwarz, nur an den Spitzen braͤunlichweiß ge— ſaͤumt. Der Schwanz iſt wie oben beſchrieben, allein die ſchwar— zen Enden haben noch feine weiße Saͤumchen, die an den Spitzen breiter ſind und ziemlich ſtark in die Augen fallen. — Von vorn geſehen, hat dieſer Vogel auf den erſten Blick, der ſchwarzen Kehle, weißlichen Stirn und roͤthlichen Bruſt wegen, eine entfernte Aehn⸗ lichkeit mit dem maͤnnlichen Gartenroͤthling. — Das Weib⸗ chen iſt in dieſer Jahreszeit duͤſterer und grauer gefaͤrbt, ſieht aber dennoch jederzeit viel bleicher und in einiger Entfernung weißlicher aus als das bleichſte Exemplar von Sax. Oenanthe. Die Saͤume und Kanten an den Fluͤgel- und Schwanzfedern gehen den Winter uͤber durch Reibungen verloren, oder die Voͤgel bringen im Fruͤhjahr nur noch ſchwache Spuren davon zuruͤck; allein das kleine Gefieder ſieht dann fo neu aus, daß man wol unbedingt fuͤr dieſes eine zwiefache Mauſer annehmen darf. Den jungen Vogel vor der erſten Mauſer habe ich mir noch nicht verſchaffen koͤnnen. Aufenthalt. Dies iſt ein ſuͤdlicher Vogel, welcher, wie feine naͤchſten Ber: wandten, gebirgige Gegenden, beſonders die kahlen Mittelge— birge liebt. Man findet ihn bloß im ſuͤdlichen Euro pa, in Grie—⸗ chenland, auf den Inſeln des Archipel, im ſuͤdlichen Ita— lien, uͤberhaupt auf den Inſeln und an den Kuͤſten des mittellaͤn⸗ diſchen Meeres bis zu den Pyrenaͤen hin, und auf Gibraltar. Im noͤrdlichen Italien iſt er ſchon ſelten, auch in Dalmatien, und von hier aus verſtreicht er ſich, wiewol ſehr ſelten, auch auf Deutſchen Boden.“) Vielleicht wird er aber in Zukunft dort noch öfter bemerkt werden, fo wie es ebenfals nicht unwahrſchein⸗ ) Schon Scopoli (. deſſen Ann., überf. v. Günther, S. 191.) fand ihn bei Tybein im Herzogthum Krain, ohnweit Trieſt. | III. Drdn. XIX. Gatt.107.BeißliherSteinfhmäger:88B lich iſt, daß auch fein naher Verwandter, der ſchwarzoͤhrige Steinſchmaͤtzer, dort einzeln vorkommen mag. Er iſt auch dort in jenem milden Clima ein Zugvogel, koͤmmt daſelbſt im Fruͤhling an und verlaͤßt im Herbſt das Land wieder, um wahrſcheinlich in Afrika den Winter zu verleben. Man ſieht ihn dort vorzuͤglich an ſchroffen Felſenwaͤnden und an den felſigen Meereskuͤſten Eigenſchaften. Es ſoll ein wilder, ſcheuer, unruhiger und fluͤchtiger Vogel ſein. Weiter habe ich leider hieruͤber nichts erfahren koͤnnen. Nahrung. Auch hieruͤber iſt mir nichts ſpetiell bekannt geworden. Er mag ſich wahrſcheinlich eben ſo und von aͤhnlichen Geſchoͤpfen naͤh⸗ ren wie unſer grauer Steinſchmaͤtzer. Fortpflanzung. Auch uͤber ſeine Art zu niſten u. ſ. w. fehlen bis jetzt Beob⸗ achtungen. Man ſagt, wie man auch vermuthen kann, er niſte in Felſenſpalten; das iſt aber auch alles, was ich habe erfahren koͤnnen, und mir war es leider nicht vergoͤnnt, Unterſuchungen an Ort und Stelle anftellen zu Eönnen.*) Feind e und Jagd ſind wahrſcheinlich wie bei unſerm Steinſchmaͤtzer; ſo auch Nutz en und Schaden. Die Italiener fangen und verſpeiſen ihn, und man findet ihn zu dieſem Behuf auf den Maͤrkten von Neapel und andern Staͤdten. „) H. Dr. Schinz theilte mir kuͤrzlich noch Folgendes mit: Die Eier der Sa- xicela stapazina und Sax. auritafind ganz wie die ber Saxicola rubicola, grün, mit einzelnen roſtrothen Puͤnktchen beſtreuet, nur bedeutend größer. Das von S. aurita iſt kleiner, runder, feiner punktirt als das der S. stapazina. Zahl der Eier und Neſtbau kennt H. S. nicht, indem er die Eier aus Ftalien geſandt bekam. 884 Zweite Familie. Wieſenſchmaͤtzer. Pratincolae. ‚(Rubetrae, Brissonii.) Mit kuͤrzerem, ſtaͤrkerem und runderem Schnabel, ſchmalfe⸗ derigem, groͤßtentheils dunkelgefaͤrbtem Schwanz, an welchem wenigſtens Weiß und Schwarz viel weniger ſcharf begrenzt ſind. Ihr Gefieder hat weniger abſtechende und gemiſchtere, duͤſterere Farben; das der Jungen iſt beſonders ſtark gefleckt, und die hellen Schaftflecke ſind vom dunkeln Grunde grell abſtechend. Sie leben in Thaͤlern, auf Wieſen, in fruchtbaren, zum Theil feuchten Gegenden, wenigſtens in ſolchen, wo Gras und niedriges Geſtraͤuch waͤchſt; denn ſie lieben beſonders das einzelne niedrige Gebuͤſch, einzelne Baͤume und Baumgruppen, wo ſolche auf Wieſen, an Bergen und in Thaͤlern vorkommen, und ſetzen ſich gern auf die Spitzen der Buͤſche und der niedrigen, ſelbſt der hohen Baͤume. Sie niſten auf dem Erdboden im langen Graſe und unter dem Ge⸗ buͤſche, felten hinter Steinen, und nie in Löchern, Zwei Arten. | | 108. | Der ſchwarzkehlige WViefenfhmäser. Saxicola rubzcola. Bechst. . Fig. 3. Altes Maͤnnchen im Fruͤhlingskleide. Taf. 90. — 4. Altes Weibchen — — — 5. Junger Vogel. Steinſchmaͤtzer, Steinpicker, kleine Steinklatſche, Schollen⸗ huͤpfer; ſchwarzkehliger Steinſchmaͤtzer, ſchwarzkehliger Steinſaͤn⸗ ger, ſchwarzkehlige Grasmuͤcke, Schwarzkehlchen; (Braunkehlchen, III. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzet. 885 Weißkehlchen, ſchwarz⸗ und weißer Fliegenſchnaͤpper,) ſchwarzer Fliegenſtecher mit weißem Halsring; Chriſtoͤffl. Saxicola rubicola. Bechstein, orn. Taschenb. I. S. 220. = Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 253. a. — Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweitz. S. 126. n. 132. — Meyer, V. Liv⸗ und Eſthlands. S. 128. — Temm. Man. nouv. Edit. I. p. 246. — Pratincola rubicola. Koch, baier. Zool. I. S. 192. n. 113. = Motacilla rubicola. Gmel, Linn. syst. T. 2. P. 969. u. 17. = Motacilla tschecantschia. Ibid. p. 997. n. 175. — Sylvia rubicola,. Lath. ind. II. p. 523. n. 49. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 694. = Le Tra- guet. Buff. Ois. V. p. 215. f. 13. — Edit. d. Deuxp. IX. p. 248. t. 5. f. 3. Id. Pl. enl. 678. f. 1. — Gérard. Tab. élem. I. p. 286. — Traquet pätre. Le Vaillant Ois. d'Afrig. IV. pl. 180. fig. 1. et. 2. = Temm. Man, nouv. Edit. I. p. 246. — The Stone-chat. Lath. Syn. IV. p. 448. — Ueberf. von Bechſtein. II. S. 447. n. 46. — Bewick britt. Birds. I. p. 282. — Saltin. selce moro. Stor. deg. ucc. IV. tab. 382. f. 1. = Brehm, Beitr. II. S. 321. = Naumanns Voͤg. alte Ausg. Nachtr. S. 298. Taf. 43. Fig. 88. Maͤnnchen. F. 86. Weibchen. Kennzeichen der Ar t. Alle Schwanzfedern find ſchwaͤrzlich und braun; hinten auf. dem Fluͤgel ſteht ein mehr oder weniger ſichtbarer weißer Fleck. Be che buen g Dieſer angenehme Vogel hat ſehr große Aehnlichkeit mit dem braunkehligen Wieſenſchmaͤtzer, und die Jungen beider Ar⸗ ten ſind außerordentlich ſchwer von einander zu unterſcheiden; am meiſten unaͤhnlich ſehen ſich die alten maͤnnlichen Voͤgel, obgleich das der andern Art auch einen weißen Fluͤgelfleck hat. Der gaͤnzli⸗ che Mangel alles Weißen an den Schwanzfedern unterſcheidet un⸗ ſern Vogel von allen bekannten europaͤiſchen Arten dieſer Gattung. Von Geſtalt iſt er etwas gedrungen, mit dickem Kopf, ziemlich kurzem Schwanz und ſchwachen Fuͤßen, und in der Groͤße ſtehet er dem braunkehligen nur etwas nach. Die Maaße find folgende: Länge gegen 5 Zoll bis 57 Zoll; Fluͤgelbreite 84 bis 83 Zoll; Fluͤgellaͤnge, vom Bug bis zur Spitze, 24 Zoll; Schwanzlaͤnge 17 Zoll, und die ruhenden Fluͤ⸗ gel reichen mit ihren Spitzen auf die Mitte deſſelben. Die Schwanzfedern ſind nicht breit, ſehr weich, mit duͤnnen Schaͤften, ſchief abgerundet, oder im friſchen Zuſtande faſt ſtumpf zugeſpitzt, die mittelſten und aͤußerſten nur etwas kuͤrzer als die uͤbrigen, da⸗ her das Schwanzende ziemlich gerade. Von den Schwingen iſt die erſte ſehr ſchmal, klein, kaum halb ſo lang als die zweite, welche auch noch viel kurzer als die dritte iſt, die aber ziemlich gleiche Laͤnge mit der vierten hat, welches die e ißt 886 III. O. XIX.G. 108. Schwarzkehl. Wiefenfhmäker. Der Schnabel ift 5 bis 5 Linien lang, an der Wurzel 2 Li⸗ nien hoch, und 25 Linie breit, der Oberkiefer dicht vor der etwas uͤbergekruͤmmten Spitze mit einem kleinen Ausſchnitt, uͤbrigens eben ſo geſtaltet wie der des braunkehligen Wieſenſchmaͤtzers, aber geſtreckter, duͤnner und noch walzenfoͤrmiger oder runder. Er iſt glaͤnzend ſchwarz, inwendig lichter, bei jungen Voͤgeln an der Unterkinnlade gelblich- oder roͤthlichgrau, und der Rachen roͤthlich— gelb. Das Naſenloch, dicht vor den Stirnfedern, iſt oval, klein und hat oben eine Hautſchwiele; die Schnabelwurzel umgeben viele feine Haͤaͤrchen, und über den Mundwinkeln ſtehen einige groͤ⸗ ßere ſchwarze Schnurrborſten; die. Iris der etwas großen Augen iſt dunkelbraun, bei den Jungen etwas lichter. Die Fuͤße ſind duͤnn, ſchwaͤrzlich, die Zehen ſchlank; die Läufe ſehr zuſammengedruͤckt, ihre Bedeckung mit wenigen undeut⸗ lichen Einſchnitten oder auch ganz ohne ſolche; die Zehenruͤcken ges ſchildert, die Naͤgel ſchlank, ſchmal gedruͤckt, nicht ſehr ſtark gebo⸗ gen, nadelſpitz, der hinterſte ziemlich groß. Von Farbe ſind Fuͤße und Nägel ſchwarz, bei jüngern die Sohlen etwas lichter, was bei ganz jungen Voͤgeln noch ausgebreiteter iſt. Die Hoͤhe des Laufs betraͤgt zwiſchen 11 und 12 Linien, die Laͤnge der Mittelzeh mit der Kralle zwiſchen 9 und 10 Linien, die der Hinterzeh 7 Linien, ohne Kralle aber nur 4 Linien. Die Farben des Gefieders ſind bei beiden Geſchlechtern ſehr verſchieden, ſo auch zwiſchen jungen und alten Voͤgeln, und bei dieſen wieder nach den Jahreszeiten. 8 In ſeinem Fruͤhlingskleide hat das alte Maͤnnchen fol⸗ gende Farben: Kopf, Kehle, bis auf die halbe Gurgel herab, Wangen, Hinterhals, Ruͤcken⸗ und Schulterfedern find ſchwarz, am tiefſten an den erſtern Theilen, am Kopfe und Halſe mit ſehr feinen, kaum merklichen, weißbraͤunlichen Federſaͤumchen, die aber nach dem Unterruͤcken zu breiter werden und licht gelbbraun ausſe⸗ hen; die Raͤnder aller dieſer Federn haben wenig Zuſammenhang, ſehen wie benagt aus und haben durch das Abreiben eine ſpitzige Form bekommen. Der Buͤrzel, und die obern Schwanzdeckfedern ſind weiß, mit einem ſchwarzen Laͤngsfleck an den Spitzen; die weißen Halsſeiten bilden unter den ſchwarzen Wangen jederſeits einen großen weißen Fleck; der untere Theil der Gurgel, und die Kropfgegend ſind ſehr ſchoͤn roſtroth (fuchsroth), nach der Bruſt herab lichter, und an den Seiten derſelben noch bleicher; die Mitte der Unterbruſt und der Bauch weiß, mit Roſtfarbe uͤberlaufen; — III. O. XIX. G. 108. Schwarz keh l. Wieſenſchmaͤtz er. 887 die untern Schwanzdeckfedern ebenfals weiß und an den Enden roſt⸗ gelblich, mit einem ſchwaͤrzlichen Strichelchen am Schafte vor der Spitze. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern und die vordere Haͤlfte der mittleren und großen ſind ſchwarz, mit Ueberbleibſeln von braͤunlich weißen Saͤumchen, beſonders an den Spitzen; die hintere Hälfte der mittleren großen, zunaͤchſt dem Ruͤcken, nebſt der Wurzelhaͤlfte der drei hinterſten Schwingen, weiß; fie bilden auf dem Hinterfluͤ⸗ gel einen großen ſchneeweißen Fleck; alle uͤbrigen Fluͤgel- und Schwanzfedern find dunkel- oder ſchwaͤrzlichbraun, die hinterſten Schwingen, und die mittelſten Schwanzfedern am dunkelſten, alle mit weißbraͤunlichen Saͤumchen, die aͤußerſte Schwanzfeder am lich⸗ teſten, mit faſt ſchmutzigweißen Saͤumchen. Auf der untern Seite find Fluͤgel- und Schwanzfedern dunkel braungrau; die untern Fluͤgeldeckfedern ſchwarz, mit weißlichen Spitzen und Endkaͤntchen. Sieht man das alte Maͤnnchen im Sommer, ſo haben ſich die Federraͤnder noch mehr abgerieben, der Kopf iſt dann rein ſchwarz, nur auf dem Unterruͤcken finden ſich noch lichtbraune ſchmale Federſaͤume; der weiße Halsfleck und der Fleck auf dem Fluͤgel find ſchneeweiß, aber das Roſtroth der untern Theile merklich blei= cher geworden; an den großen Fluͤgelfedern ſind die lichten Saͤume faſt ganz verſchwunden, und auf dem Buͤrzel iſt das Weiße mehr hervorgetreten. Das Herbſtkleid eines ſolchen alten Maͤnnchens iſt, gegen dieſes gehalten, ſehr verſchieden; denn gleich nach der Mau⸗ ſer, wo alle Federn neu und vollſtaͤndig ſind, wo die andersgefaͤrb⸗ ten Raͤnder ſich noch nicht abgerieben haben, und die Witterung ihren verderblichen Einfluß auf die Farben noch nicht gezeigt hat, ſieht es folgender Geſtalt aus: Die ſchwarzen Federn des Kopfs und der Kehle haben licht- oder gelblichbraune Raͤnder, welche be⸗ ſonders am Kinn ſo breit ſind, daß die Grundfarbe nur wenig durchſchimmert; die Federn des weißen Halsfleckes haben roſtgelb⸗ liche Spitzen, die ſchwarzen Ruͤcken-und Schulterfedern aber fo breite hellbraune Kanten, daß hinterwaͤrts der Grund ſich nur in ſchwarzen langovalen Schaftflecken zeigt; die im Grunde ſchneewei⸗ ßen Buͤrzel⸗ und Oberſchwanzdeckfedern find an ihren Enden ſchoͤn roſtfarben, mit einem lanzettfoͤrmigen ſchwarzen Schaftfleck; die ſchwarzen Fluͤgeldeckfedern haben hell gelbbraune Saͤumchen; die drei letzten, an ihrer Wurzel weißen, uͤbrigens ſchwarzen Schwin⸗ gen noch viel breitere, ſehr lichte, weißlichroſtbraune Saͤume; der weiße Fluͤgelfleck ſteht ſehr klar und rein da; die uͤbrigen Fluͤgel⸗ — 888 III. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzer. federn find braunſchwarz, mit hellbraunen, an den Spitzen weißli⸗ chen Saͤumen; die Schwanzfedern eben ſo, die beiden mittelſten ſehr dunkel, die aͤußerſte aber viel lichter und mit ziemlich breitem, ſchmutzig roͤthlichweißem Saum. Auch die untere Seite des Vo⸗ gels iſt viel dunkler, roͤther, zumal am Kropfe und an der Ober— bruſt. — Ein Zuſammenſtellen eines alten maͤnnlichen Herbſt⸗ vo gels mit einem dergleichen im Sommer- oder auch nur im Fruͤh⸗ jahrskleide wird zeigen, daß keine Farbe ſo ſehr abgeſchoſſen iſt, als eben dies Roſtroth; es iſt aber dadurch ſchoͤner geworden und neigt ſich bei manchen Individuen zur Drangenfarbe. Dann ſieht man auch, daß manche Federn ganz erſtaunend an Umfang verloren haben, was beſonders an den obern Schwanzdeckfedern am auffallendſten iſt und ziemlich ein Fuͤnftheil ihrer Laͤnge betraͤgt, wahrſcheinlich weil hier auch die haͤufigen Bewegungen des Schwan⸗ zes die Reibungen vermehren helfen. Beim jüngeren Männchen find die anders gefaͤrbten Saͤume noch breiter, und die Grundfarben matter; es erhaͤlt zwar im zweiten Fruͤhling feines Lebens auch ſchon ein dem alten ähnliches Gewand und unterſcheidet ſich dadurch gar ſehr vom al- ten Weibchen; allein es behält auch bis in den Sommer hinein immer auch da noch Spuren anders gefaͤrbter Federraͤnder, wo dieſe am alten Maͤnnchen ganz verſchwunden ſind. Die Farben, wie die Entſtehung des Fruͤhlingskleides aus dem Herbſtkleide, und noch andere Dinge, geben dem Männchen eine entfernte Aehnlichkeit mit dem alten männlichen Gar⸗ tenroͤthling. — So entſtehen bei unſerm Vogel die ziemlich verſchiedenen Kleider eines Individuums nicht durch eine doppelte jaͤhrliche Mauſer, ſondern auf die obenerwaͤhnte Art, durch Abnu⸗ tzen der anders gefaͤrbten Federraͤnder ihres weichen Gefieders und durch den Einfluß von Luft, Sonne und dergl. auf die Farben deſ— ſelben, indem ſich ihre ganze Bekleidung jaͤhrlich nur Ein Mal erneuert. Die Weibchen ſind gewoͤhnlich kaum etwas kleiner als die Maͤnnchen, hinſichtlich ihrer Farbe und Zeichnung aber ſehr von ih⸗ nen verſchieden. — Das Weibchen hat im zweiten Fruͤhling ſeines Lebens einen grauſchwarzen, an der Wurzelhaͤlfte der Unter⸗ kinnlade roͤthlich⸗ oder gelblichgrauen Schnabel, mit ſchwarzer Spi⸗ tze; Scheitel, Hinterhals, Ruͤcken, Buͤrzel und Schwanz ſind dunkelbraun, mit lichtgelbbraunen Federkanten, die auf dem Buͤrzel etwas ins Roſtfarbene fallen und hier die dunkle Grundfarbe faſt II. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzer. 889 verdecken; Wangen und Halsſeiten hellbraͤunlich, dunkler gemiſcht; ein Streif uͤber dem Auge, und das Kinn ſchmutzig weiß; die Kehle braͤunlichweiß, verwaſchen braun gefleckt, nur an der Gurgel, zu⸗ naͤchſt dieſer, ſteht ein faſt dreieckiger dunklerer Fleck ſchwaͤrzlich⸗ brauner, weißlich gekanteter Federn, und ein kleiner undeutlicher Fleck an der Seite des Halſes unter der Wange iſt ſchmutzig weiß. — Die Oberbruſt iſt ſehr blaß roſtfarben, weiter hinab und in den Seiten noch blaͤſſer, und hier mit braunen Schaftſtrichen; die Mitte der Bruſt, Bauch und After ſchmutzig roſtgelblichweiß. Alle Fluͤ⸗ gelfedern ſind dunkelbraun, lichtgelbbraun geſaͤumt, nur einige der großen Dedfedern über den hinterſten Schwingen weiß, wodurch ſich hinten auf dem Fluͤgel nur ein ganz kleiner weißer Fleck bildet. — Im erſten Herbſt ſieht das Weibchen faſt eben ſo aus, allein es hat dann noch viel breitere Federraͤnder, ſo daß die lichte Farbe derſelben den dunkelbraunen Grund in viel kleineren Flecken durchſcheinen laͤßt; an der Kehle verdecken die braͤunlichweißen Kan⸗ ten die dunkle Grundfarbe ganz, und auf dem Buͤrzel iſt die roͤth⸗ lichbraune Farbe der breiten Federkanten die herrſchende. Durch Reibungen und Verbleichen entſteht dann, waͤhrend des Winters, jenes Fruͤhlingskleid, was dann im Sommer noch dunkler wird, weil ſich nun die lichten Federkanten noch mehr abgerieben haben, wodurch der dunkle Grund freier und ſichtbarer geworden ift. Je älter das Weibchen wird, deſto dunkler wird fein Gefie— der, deſto mehr tritt der weiße Halsfleck hervor, und deſto groͤßer wird der weiße Fluͤgelfleck; allein ſo abſtechende Farben, wie das Maͤnnchen, ein ſo dunkles reines Schwarz, eine ſo ſchoͤne Roſtfarbe, und ein ſo reines Weiß, in ſo großen Partien, bekoͤmmt es, meines Wiſſens, nie. Zu mehrerer Vollſtaͤndigkeit ſtehe hier noch die Be— ſchreibung eines gewiß ſehr alten Weibchens im Sommer- kleide ). Der ſchwarze Schnabel iſt an der Wurzel der Unter— kinnlade nur etwas lichter, die Fuͤße dunkelſchwarz, die Iris ſehr dunkelbraun; ein braͤunlichweißer Streif über dem Auge nur ſchmal und undeutlich; Scheitel, Hinterhals, Ruͤcken und Schultern ſchwarzbraun, mit lichtbraunen, ſehr abgeriebenen Federkanten, daher ſehr dunkel, der Buͤrzel aber viel lichter, mit Roſtfarbe uͤber— laufen; die Wangen ſchwarzbraun, lichtbraͤunlich gefleckt; das Kinn ſehr ſchmal braͤunlichweiß; die Kehle bis auf die Mitte der * N * J ich ſchoß es mit feinem Männchen bel den Jungen den 2ten Juni 1820. 890 III. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchm ätzer. Gurgel herab braunſchwarz, braͤunlichweiß geſchuppt; an der Seite des Halſes unter der Wange ſteht ein hellweißer, nur hinterwaͤrts braun getuͤpfelter Fleck; die Kropfgegend gelblichroſtfarben; die Bruſt oben und in den Seiten eben ſo, aber blaͤſſer, und hier bloß mit dunkelbraunen Schaͤften; die Mitte der Bruſt und der Bauch von eben der Farbe, aber noch viel bleicher; die untern Schwanz⸗ deckfedern ſchmutzig gelblichweiß, die laͤngſten vor der Spitze mit ei⸗ nem kleinen dunkelbraunen Schaftſtrich; Fluͤgel- und Schwanzfe⸗ dern ſchwarzbraun, mit lichtbraunen Saͤumen; die hinterſten der mittleren und großen Fluͤgeldeckfedern weiß, einen ziemlich gro- ßen weißen Fluͤgelfleck bildend. Auf der untern Seite ſind Schwanz⸗ und Fluͤgelfedern ſehr dunkel braungrau, letztere mit weißgrauem Saum auf der Innenfahne; die untern Fluͤgeldeckfedern dunkelgrau, die großen mit weißen Enden, die kleinen mit roſtgelblichweißen Kanten. Das Neſtkleid der Jungen, alfo vor der erſten Mau⸗ fer, weicht nicht allein ſehr von den beſchriebenen Kleidern ab, ſon⸗ dern aͤhnelt auch dem der Jungen des braunkehligen Wie— ſenſchmaͤtzers ſo ſehr, daß dieſe ungemein leicht mit ihnen verwech⸗ ſelt werden koͤnnen. Wenn ſie noch nicht voͤllig erwachſen ſind, d. h., wenn die Schwanzfedern noch nicht ihre gehoͤrige Laͤnge er— reicht haben, ſehen ſie dieſen ſo aͤhnlich, daß ſie ſelbſt der geuͤbte Kenner auf den erſten Blick nicht ſogleich mit Sicherheit zu erkennen vermag; hebt man aber die untern Schwanzdeckfedern auf, fo zeigt ſich bei dem jungen braunkehligen Wieſenſchmaͤtzer das Weiß der Schwanzwurzel, was dem ſchwarzkehligen immer fehlt; dagegen aber findet ſich bei dieſem, ſobald man die groͤßten Schul⸗ terfedern etwas zuruͤckſchiebt, ſchon ein weißer Fleck hinten auf dem Fluͤgel, welchen die Jungen des braunkehligen nie haben. Daß ſich an den Oberruͤckenfedern bei den letztern etwas mehr Roſt⸗ farbe zeigt, wird nur auffallend, wenn man mehrere Junge bei- der Arten zuſammen vergleichen kann. — Ganz jung haben die ſchwarzkehligen Wieſenſchmaͤtzer einen gelbroͤthlichgrauen, nach un⸗ ten und der Wurzel zu ſchmutzig fleiſchfarbenen Schnabel, gelbe Mundwinkel und Rachen, einen braunen Augenſtern, ſchmutzig bleigraue Fuͤße, mit gelblichen Sohlen. Dieſe Theile werden indeß, wenn die Voͤgel einige Zeit geflogen haben, dunkler, der Schnabel mattſchwarz, an der Wurzel der Unterkinnlade und den Rändern der obern licht roͤthlichgelbgrau, die gelben Mundwinkel verlieren ſich, der Rachen wird wachsgelb, die Augenſterne dunkelbraun, die III. O. XIX. G. 108. Sch warzkehl. Wieſenſchmätzer. 891 Fuͤße bleiſchwarz. — Der ganze Oberkopf iſt dunkel ſchwarzbraun, nur an der Stirn etwas lichter, uͤbrigens alle Federn mit ſehr ſchma⸗ len graugelblichweißen Schaftſtrichen; der Hinterhals und die hin— tere Hälfte der Wangen von eben den Farben, aber mit viel brei—⸗ tern und nicht ſo ſcharfbegrenzten Schaftflecken; der Oberruͤcken und die Schultern ſind ſchwarzbraun, mit roͤthlichgelbbrauner Miſchung, und jede Feder mit einem zugeſpitzten ſchmutzig gelblichweißen Schaft⸗ fleck, welcher jedesmal an der Spitze am lichteſten iſt; Buͤrzel und Oberſchwanzdeckfedern ſchmutzig gelblichroſtfarben, bloß nach dem Ruͤcken zu etwas dunkel gefleckt, ſonſt einfarbig. Ueber das Auge zieht ſich ein großer graugelblichweißer Streif; das Augenliedraͤnd—⸗ chen hat eben dieſe Farbe, fo auch Kehle, Gurgel und die Halsſei— ten dicht unter den Wangen, wo ſich aber hin und wieder dunkel- braune feine Federſpitzchen zeigen, die jene Theile unreiner machen, welche ſich jedoch bald abſtoßen; der vordere Theil der Wangen dun⸗ kelbraun, gelblichweißgrau gefleckt; die Kropfgegend und Oberbruſt ſchmutzig roͤthlichroſtgelb, unordentlich dunkelbraun gefleckt, weil die Federn, außer den ſo gefaͤrbten feinen Spitzchen, noch dergleichen Seitenkanten haben, wodurch ſogar undeutliche Laͤngsflecke entſte— hen; die Unterbruſt etwas bleicher roͤthlich roſtgelb, ohne Flecke; Bauch und Unterſchwanzdeckfedern ſchmutzig roſtgelblichweiß; die Schenkel roͤthlichroſtgelb, braungrau geſchuppt. Die Fluͤgel⸗ und Schwanzfedern ſind ſchwarzbraun; die Deckfedern der Fluͤgel und die hinterſten Schwingen ſchwarz; die großen Schwingen, ihre Deckfedern und die Schwanzfedern mit ſchmalen hellgelbbraunen Saͤumen, die hinterſten Schwingen mit viel breitern gelblichroftfar= benen Kanten; die großen und mittlern Fluͤgeldeckfedern, ohne die dieſen aͤhnlichgefaͤrbten aber ſchmaͤlern Kanten, mit weißlichroſt— gelben breiten Spitzen, wodurch ſich über dem Flügel zwei lichte Querſtreifen bilden; einige der hinterſten großen Deckfedern haben einen breiten weißen Schaftſtreif, welcher nach und nach die ganze Fe: der einnimmt, ſo daß meiſtens die letzte ganz weiß iſt, und hierdurch wird zwar ein weißer Fluͤgelfleck gebildet, welcher aber, wegen ſei⸗ nes geringen Umfangs, in ruhiger Lage des Fluͤgels meiſtens von den Schulterfedern verdeckt wird, und welchen ich auch ſtets beim Weibchen kleiner als beim Männchen gefunden habe. Dies iſt denn auch beinahe das Einzige, wodurch ſich im Jugendkleide beide Geſchlechter aͤußerlich unterſcheiden. Spielarten ſind von dieſem Vogel nicht bekannt. Dieje⸗ nigen, welche in einem waͤrmern oder heißen Clima wohnen, welche 892 UI. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzer. man aber nicht hierher zaͤhlen darf, ſind ſchoͤner an Farben, aber zu Zeiten ſchlechter von Gefieder, weil ſich dies in heißen Laͤndern mehr abreibt. Ich habe welche in den Haͤnden gehabt, die auf der ſuͤdlichſten Spitze von Afrika erlegt worden waren, bei welchen das Schwarz der Maͤnnchen viel dunkler, ſogar glaͤnzend und ganz rein, ohne Spur einer lichten Federkante war; die roſtfarbige Bruſt fiel mehr ins dunkele Orangenroth, das Weiße war blendend weiß, allein alles Uebrige vollkommen fo wie bei den im mittlern Deutſch⸗ land geſchoſſenen. Ein ſolches von dorther kommendes Maͤnnchen iſt in der That ein ſehr ſchoͤnes Voͤgelchen. Die Weibchen, welche man aus jenem heißen Lande brachte, waren ebenfalls dunkler als die bei uns geſchoſſenen, und die lichten Raͤnder der Federn waren ſchmaͤler, ſie ſahen daher auch ſchoͤner aus, unterſchieden ſich aber ſonſt nicht von den unſrigen. Dieſe Voͤgel mauſern, wie bereits erwaͤhnt wurde, alljaͤhr⸗ lich nur Ein Mal, und zwar in den Sommermonaten, die alten viel früher als die jungen. Am 2lten Juli ſchoſſen wir ein altes Männchen, nebſt einem ſchon völlig flugbaren Jungen von Einer Fami⸗ lie, wo das erſtere ſchon uͤber die Haͤlfte vermauſert war, indem die Ruͤcken⸗„Schulter⸗ und Oberſchwanzdeckfedern, die Federn an der Bruſt und dem Bauche, viele Flügel- und Schwanzfedern, und auch manche am Kopfe und an der Kehle ſchon durch neue erſetzt waren. In 8 Tagen wuͤrde es die Mauſer vollends uͤberſtanden haben. — Ein junges Maͤnnchen, was ich am 11ten Auguſt hier fing, trug dagegen ſein Jugendkleid noch ſo vollſtaͤndig, daß man noch keine Feder davon vermißte. e r Unſer ſchwarzkehliger Wieſenſchmaͤtzer hat eine ſehr weite Ver⸗ breitung; man findet ihn naͤmlich in drei Theilen der alten Welt, in Europa, Aſien und Afrika. In dem erſteren geht er ein⸗ zeln bis über die nördlichen Grenzen Deutſchlands hinaus, man ſagt ſogar bis Norwegen, und im Süden bis zu den Grenzen der beiden andern Erdtheile hinab. In England iſter nicht ſel⸗ ten, in Deutſchland hin und wieder, aber nicht allenthalben, auch in der Schweitz, in Frankreich, Italien, Griechen— land und andern ſuͤdlichen und weſtlichen Theilen Europa's, auch im gemaͤßigten Rußland, von wo er ſich, und von Sibirien aus, wieder uͤber viele Theile des waͤrmern Aſiens verbreitet. So bewohnt er auch Afrika, von ſeinen noͤrdlichſten Kuͤſtenlaͤndern bis UI. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wie ſenſchmätzet. 898 ans Vorgebirge der guten Hoffnung hinab. — In un⸗ ſerm Vaterlande koͤmmt er mehr in den mittleren und ſuͤdlichen als den noͤrdlichen Theilen vor, und zwar oͤfterer in gebirgigen Stri⸗ chen als in ebenen, doch nicht im hohen Gebirge ſelbſt. So fin- det man ihn z. B. in Thuͤringen, Franken, dem Voigt⸗ lande, in den Rhein- und Maingegenden, an der Donau und anderwaͤrts in manchen Diſtricten gar nicht ſelten. Einzeln ſah ich ihn im Mannsfeldiſchenz aber noch ſeltner koͤmmt er in den ebenen Strecken Anhalts vor. Obwol ich ihn hier nicht allein auf dem Zuge, ſondern einigemal auch niſtend angetroffen habe, ſo bleibt er doch immer fuͤr die hieſige Gegend ein etwas ſeltner Vogel. Sehr zahlreich an Individuen ſcheint dieſe Art überhaupt, in Deutſch⸗ land wenigſtens, nirgends zu ſein. Es iſt ein Zug vogel, welcher feine Wanderungen des Nachts unternimmt, im Fruͤhjahr viel früher als fein naher Ver: wandter, der braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer, bei uns ans koͤmmt und im Herbſt auch etwas laͤnger hier verweilt. Seine ei— gentliche Zugzeit im Fruͤhlinge iſt das Ende des Maͤrzes und der Anz fang des Aprils; allein bei guͤnſtiger Fruͤhlingswitterung erſcheint er zuweilen wol ſchon im Februar, gleich nach der weißen Bach— ſtelze. Schon im Auguſt faͤngt er an zu ſtreichen; Alte und Jun⸗ ge verlaſſen dann die Brut- und Geburtsorte und begeben ſich einzeln weg, ſo daß man ſie dann zerſtreuet ſchon auf der Reiſe trifft, wobei ſie aber wenig zu eilen ſcheinen und da, wo es ihnen behagt, mehrere Tage bleiben. Im September ift der eigentliche Zug, und mit dem Ende deſſelben verſchwinden die meiſten aus un⸗ ſern Gegenden; nur einzelne ſieht man noch im folgenden Monate. — Weil dieſe Voͤgel ſo fruͤh ſchon zu uns kommen, muͤſſen ſie bei ſpaͤten Froͤſten und Schnee oft viel leiden und ihrer Nahrung we⸗ gen, gleich andern Inſectenvoͤgeln, ſich an die offnen Gewaͤſſer be⸗ geben. Es iſt auch ſehr wahrſcheinlich, daß fie im ſuͤdlichen Eu⸗ ropa uͤberwintern, wenigſtens zum Theil, und die in Afrika wohnenden ſind, wie man gewiß weiß, Standvoͤgel, welche das ganze Jahr an denſelben Orten verbleiben. — Man will auch behaupten, daß ſelbſt in England viele in feuchten Gegenden uͤber⸗ wintern ſollen. — Es iſt ein fo ungeſelliger Vogel, wie keiner ſei⸗ ner Gattungsverwandten; er zieht daher ſtets einzeln, wobei die Maͤnnchen i im Fruͤhjahr immer mehrere Tage fruͤher als die Weib⸗ chen bei uns ankommen. Bloß im Herbſt habe ich ihrer zwei und drei zuweilen beiſammen geſehen. 894 UI. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wie ſen ſchmätzer. Wenn gleich unſer Vogel die Gebirgsgegenden vorzuͤglich liebt, ſo haͤlt er ſich doch nicht auf den hohen Bergen ſelbſt auf, ſondern ſucht dort die ſanften, nicht ganz kahlen Abhaͤnge, wo auf abwechſelnd ſteinigem Boden auch Gras und einzelnes niedriges Strauchholz waͤchſt, vorzuͤglich aber die Bergwieſen und fruchtbaren Thaͤler. Auch in huͤgeligen Gegenden ſucht er nicht die ganz kahlen Abhaͤnge; niedriges Gebuͤſch und Gras muß immer da wachſen, wo er ſich laͤn— ger aufhalten ſoll, und Steine ſind ihm dabei ganz uͤberfluͤſſig. Ich habe ihn an Orten angetroffen, wo weit und breit keine Steine was ren, und wo nicht weit davon ebenfalls auch braunkehlige Wie— ſenſchmaͤtzer wohnten. Dies war eine eben nicht große Kiefern: anſaat, wo die Baͤumchen etwa erſt 2 bis 4 Fuß Hoͤhe hatten und nicht ſehr gedraͤngt ſtanden, auf einer lichten, mit einzelnen oder dichtern jungen Birken beſetzten, ſandigen Flaͤche, die von drei Sei⸗ ten mit hohem Laubholzwald, und an der vierten von Anger, Dorf und Feld umgeben war. Eine andere war eine ſehr große Flaͤche von Kiefernanſaaten, von zwei- vier- und ſechsjaͤhrigem Wuchſe, mitten in einem hohen Kiefernwalde von ſehr bedeutendem Umfang. Beide Orte find nur wenige Stunden von meinem Wohnorte ent⸗ fernt, und ich fand die Voͤgel mehrmals an aͤhnlichen Stellen, am liebſten aber immer in ſolchen jungen Kiefern, die erſt von der oben bemerkten Hoͤhe waren, und die nicht zu dicht ſtanden, ſo daß am Boden zwiſchen ihnen noch viel und zum Theil langes Gras wuchs; dann waren auch ſolche Plaͤtze immer, wenigſtens zum Theil, von hohem Walde begrenzt, übrigens ganz eben oder auch huͤgelig. ) Waſſer iſt von ſolchen Plaͤtzen, wo er im Sommer wohnt, oft weit entferat: In der Zugzeit ſieht man ihn weniger dort als anderswo, und er iſt dann oft an denſelben Orten, wo man den braunkeh⸗ ligen Wieſenſchmaͤtzer auch antrifft. Im Fruͤhjahr ſieht man ihn gar oft am Waſſer, an Teich- und Flußufern, wenn dieſe be⸗ ſonders etwas hoch, aber abſchuͤſſig und mit gruͤnem Raſen bedeckt ſind, einzelnes Gebuͤſch, Weidenbaͤume und dergl. ſie einfaſſen, oder an Baͤchen und Graͤben, welche Wieſen durchſchneiden und mit Kopfweiden beſetzt ſind, auch auf fetten und feuchten Wieſen, die an Sumpf oder größere Waſſerflaͤchen grenzen — Beim Weg- „) Ehe ich wußte, wo ich biefen Vogel zu ſuchen hatte, iert ich ihn fuͤr viel ſelt⸗ ner noch und lies mir Exemplare von anderwaͤrts ſenden, was ich nun 1 mehr noͤthig hatte. II. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzer. 895 zuge im Auguſt und September ſieht man ihn, eben wie den braunkehligen Wieſenſchmaͤtzer, nur zuweilen auf Wieſen, meiſtens aber auf den Feldern, und zwar hier beſonders in den ein— zelnen Feldhecken und Heckenrainen, auch in den Ruͤben-⸗, Kohl: und Kartoffelſtuͤcken, manchmal ſogar nahe bei den Doͤrfern, auf den mit allerlei Gartengewaͤchſen bebaueten Aeckern, beſonders in den in großen Beeten zum Samentragen gepflanzten gelben Ruͤben oder Carotten, welche bekanntlich von vielen Inſectenvoͤgeln ſehr gern beſucht werden. — In Weinbergen verweilt er auch gern, und dieſe ſind dann, nebſt den Kohl- und Kartoffelſtuͤcken, auch diejenigen Orte, wo er mit dem grauen Steinſchmaͤtzer zu⸗ ſammen trifft, wo ſich aber auch der braunkehlige Wieſen— ſch maͤtzer häufig aufhält. Man ſieht ihn meiſtens nahe an der Erde oder auf derſelben, wenigſtens nicht oft auf hohen Baͤumen, und, wenn er ſich hierzu ge— zwungen ſieht, immer auf dem Gipfel derſelben; aber oͤfter auf nie— drigen, freien Baumzweigen, und am oͤfterſten auf den Spitzen des niedrigen Strauchholzes, der hoͤheren Pflanzenſtengel, auf Baum— und Weinbergspfaͤhlen, auf hingeſtellten Wiſchen und Stoͤcken, auf den Wipfeln junger Nadelbaͤumchen und auf Erdſchollen; viel felt- ner auf Steinen. — Auch ſeine Nachtruhe haͤlt er nahe an oder auf dem Erdboden, hinter Gras- oder Holzbuͤſchen, zwiſchen dem Kraute der Kartoffeln und anderer Pflanzen; aber nie in den Zwei— gen hoher Baͤume. — Er haͤlt ſich am Tage immer auf dem Freien auf, und wenn er ſich gleich oͤfters verbergen zu wollen ſcheint, ſo iſt er doch immer gleich wieder da, um ſich von einem erhabenen Plaͤtzchen umſehen zu koͤnnen. So habe ich ihn zuweilen in langen Buſchrainen mehrere Tauſend Schritte lang immer vor mir hinge— trieben, und erſt wenn wir am ar eines ſolchen waren, wagte er es 5 Alles dieſes zuſammen genommen, ſo wie ſein Betragen im Uebrigen, bringt unſern Vogel dem braunkehligen Wieſen— ſchmaͤtzer viel naͤher als den Steinſchmaͤtzern, und vieles iſt ſogar faſt ganz wie bei jenem, ob er gleich auch manches Eigenthuͤm⸗ liche hat. Er waͤhlt haͤufig hoͤhere und trocknere Gegenden als jener zum Aufenthalt; allein ſo kahle, ſteinige Anhoͤhen, Ufer, Hohlwege, Felſen und ganz freie Felder, wie ſie der graue Steinſchmaͤtzer ſo gern bewohnt, ſucht er, nach meinen Erfah⸗ rungen, nie zum Aufenthalt. — — Nach einigen Beobachtern ſoll er in den Gebirgen nicht einmal ſo hoch hinauf vorkommen, 896 III. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzer. als man oft genug den braunkehligen Wieſenſchmaͤtzer noch antrifft. — Bemerkenswerth iſt wol auch, daß man dieſen Vogel, wie manchen andern, in einem Jahr oͤfter ſiehet, und daß dann wol wieder mehrere Jahre vergehen, wo ſich gar keiner in der Ge⸗ gend blicken läßt. Man würde ihn indeſſen doch gewiß öfter be⸗ merken, wenn ihn der Unkundige nicht fo leicht mit dem braun⸗ kehligen verwechſeln koͤnnte, beſonders wo die Jungen ſich einzeln unter jenen im Kohl aufhalten und dieſem nicht allein im Betragen u. ſ. w., ſondern ſelbſt in der Farbe aͤhneln. Ei gen ſ cha fete en. Ein hoͤchſt unruhiges, fluͤchtiges und wildes Weſen zeichnet dieſen einſamen Vogel vor vielen andern aus; vom daͤmmern— den Morgen bis zum ſinkenden Abend ſieht man ihn in ſtaͤ— ter Bewegung, ja in der Begattungszeit hat er, wenigſtens das Maͤnnchen, ſelbſt des Nachts keine Ruhe und laͤßt da haͤufig ſich hoͤren. Alle ſeine Bewegungen geſchehen mit einer beſondern Leichtigkeit und Gewandtheit. Auf erhabenen Gegenſtaͤnden ſitzend, traͤgt er die Bruſt ziemlich aufgerichtet; ſelbſt auf platter Erde, wo er in ſchnell aufeinander folgenden Spruͤngen ſo hurtig hinhuͤpft, daß er zu laufen ſcheint, traͤgt er ſich aufrechter als mancher an- dere kleine vogel. Im raſchen Forthuͤpfen halt er gern auf einem erhabenen Gegenſtande einen Augenblick inne, ehe er weiter huͤpft, oder er fliegt bald wieder auf eine höhere freie Stelle, um ſich als lenthalben umſehen zu koͤnnen. Er iſt ſehr vorſichtig und wird, ſobald er ſich beobachtet glaubt, bald mißtrauiſch und ſcheu. Des⸗ wegen ſetzt er ſich auch nur ſelten auf die Zweige in der Mitte ei⸗ ner nicht zu dichten Baumkrone, ſondern immer auf die auswaͤrti⸗ gen und freieſten, am liebſten auf die Spitzen der Buͤſche und klei⸗ nen Baͤumchen, auf Pfaͤhle, Stangen, hohe Pflanzenſtengel und dergl. Wo er in einer Kiefernanſaat feinen Wohnſitz aufgeſchla⸗ gen hat, wird man ihn bald gewahr; denn nicht lange verweilt er auf dem Boden, oder zwiſchen den Buͤſchen, ſondern fliegt bald hier-, bald dahin, von einem Gipfel der hoͤchſten unter den kleinen Kiefern zum andern, und treibt ſich ſo den ganzen Tag in einem Umkreiſe von wenigen hundert Schritten herum. Das im Juni und Juli ausſchwitzende Harz der jungen Schoͤßlinge dieſer Baͤum⸗ chen hängt ſich daher häufig an feine Zehen, und ich habe dies ein mal bei einem ſolchen Vogel ſo arg gefunden, daß er nur noch mit Muͤhe einen feſten Sitz zu faſſen vermochte, indem an den einzeln III. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzer. 897 Zehen mehr als erbſengroße Klumpen dieſes Harzes, was ziemlich trocken und hart geworden war, ſich feſtangeklebt hatten.“) — Mit dem Schwanze wippt er nur bei beſondern Veranlaſſungen, auf die Art wie der brannkehlige Wieſenſchmaͤtzer; eine eigene Bewegung macht er aber noch damit, wenn er in Angſt und Noth iſt, oder das Maͤnnchen oͤfters, waͤhrend es ſingt; es breitet ihn naͤmlich ſchnell aus und ſchließt ihn eben ſo ſchnell wieder. Sein Flug iſt ſehr hurtig, faſt huͤpfend oder zappelnd, wenn er eine kurze Strecke durchfliegt; auch nur niedrig, beim Abfliegen herabſenkend und kurz vor dem Auffußen wieder aufſteigend. Im laͤngern und weiteren Fluge beſchreibt er kurze flache Bogen, und dieſer foͤrdert ſehr; allein er fliegt ſelten weit. Im Fluge, wie im Sitzen, uͤberhaupt in ſeinem ganzen Betragen, aͤhnelt er ſeinen hier naͤchſtfolgenden Familienverwandten gar ſehr, aber im Fort— fliegen macht ihn der Mangel alles Weißen im Schwanze bald kenntlich. g Seine gewoͤhnliche Stimme iſt der des erwaͤhnten Vogels ebenfals ſehr aͤhnlich, ein ſchnalzendes oder ſchmatzendes Tza; al— lein die eigentliche Lockſtimme weicht ſehr ab und iſt dagegen der des Hausroͤthlings ſo ſehr aͤhnlich, daß kaum das geübte Ohr einen kleinen Unterſchied fuͤhlt. Wenn ſich der Vogel nicht an ganz andern Orten aufhielte, als jener, ſo wuͤrde man oft die kleine Verſchiedenheit im Ton gar nicht beachten. Sie beſteht aus zwei Toͤnen, ein em ziſchenden oder fein pfeifenden, und einem ſchnal— zenden, welcher faſt ſo klingt, wie wenn man zwei kleine Steine an⸗ einander ſchlaͤgt; der letztere iſt dabei lauttoͤnender, ſo daß man ihn in einiger Entfernung nur allein hoͤrt. In der Naͤhe klingt die Lockſtimme demnach wie St-tuͤck oder Wid — teck, und Wid, wid, wid, teckteckteck oder Wiſtteck, wiſtteckteck. Man hoͤrt ihn indeſſen meiſtens bloß in der Naͤhe des Neſtes, wo dieſe Voͤgel ſehr viel ſchreien, wo auch das Weibchen zuweilen (wenn ſie Junge haben) noch einen andern aͤngſtlichen Ton ausſtoͤßt, welcher faſt wie der Ruf der Stachelſchwalbe klingt. Sonſt hoͤrt man ſie viel ſeltner ſchreien, und von jungen Voͤgeln hoͤrte ich nur das ſchnalzende Tza. — Das Männchen ſingt nicht unangenehm und ) Wie der Vogel nachher, wenn er die Kiefernhuͤſche verlaͤßt, dieſe Harzkluͤmp⸗ chen wieder los wird, iſt mir ein Raͤthſel. Ich habe fie fo verhärtet gefunden, daß ich ſie nicht ohne Muͤhe zermalmen konnte, was ſich kaum ohne Beſchaͤdi⸗ gung der Zehen und Nägel bewerkſtelligen ließ. 2ter Theil. 57 898 III. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzer. laͤßt ſeinen Geſang nur am Brutorte, aber da auch deſto fleißiger, faſt den ganzen Tag bis ſpaͤt am Abend, ſogar oͤfters des Nachts hoͤren, ſingt aber ſeltner wenn die Jungen heranwachſen, und hoͤrt, nachdem ſie ausgeflogen ſind, bald ganz auf. Dieſer Geſang klingt et⸗ was ſchwermuͤthig und hat mehrere ſchnarchende Toͤne in den kurzen Strophen, dabei aber eine entfernte Aehnlichkeit mit den Geſaͤngen der Roͤthlinge, oder mehr noch mit dem der andern Gattungs⸗ verwandten, nahmentlich mit dem des braunkehligen Wie— ſenſchmaͤtzers, ſteht dieſem aber in mancher Hinſicht weit nach. Eben wie dieſer, hat er auch einige Aehnlichkeit mit der lauten Stro⸗ phe im Geſange der Dorngrasmuͤcke. Das ſingende Männ- chen ſitzt dabei meiſtens auf den Spitzen des Geſtraͤuchs und kleiner Baͤumchen, oder an andern freien erhabenen Plaͤtzchen. Um dieſen Vogel an die Gefangenſchaft zu gewöhnen, iſt noͤ⸗ thig, ihm im Anfange die Fluͤgelſpitzen zu binden, ſonſt beſchaͤdigt er ſich bald durch ſtuͤrmiſches Flattern und geht dann, da er von einem weichlichen Naturell iſt, bald drauf. Im Kaͤfige haͤlt er ſich beſſer als frei im Zimmer herumfliegend. Einen jungen Herbſt⸗ vogel ließ ich in meine Wohnſtube fliegen, um zu verſuchen, ob er ſich gewoͤhnen wuͤrde; allein er ſtieß ſich ſo ungeſtuͤm gegen Decke und Fenſter, daß ich den Wunſch, ihn laͤnger lebend zu behalten, bald aufgeben mußte. N a h ru n 5. " Er frißt allerlei kleine Kaͤferchen, die ſich an der Erde aufhal⸗ ten, oder in der Luft herumſchwirren, aus verſchiedenen Gattungen; auch Fliegen, Bremen, Bremſen und dergl., doch dieſe ſeltner. Mancherlei Inſectenlarven und Raupen, unter andern Kohlraupen, frißt er ebenfals ſehr gern. Die Kaͤferchen faͤngt er theils fliegend, theils im Laufen, wozu er, um eins zu erſpaͤhen, ſo gern erhaben und frei ſitzt und dann zu einem auf der Erde laufenden hinfliegt, es ſchnell aufnimmt, oder es noch in hurtigen Saͤtzen verfolgt und erhaſcht, dem uͤberwegfliegenden aber im gewandten Fluge nacheilt und es geſchickt faͤngt. Man ſieht ihn oft nach ſolchen ſenkrecht von ſeinem Sitze, manchmal 10 bis 12 Fuß hoch, in die Luft ſtei⸗ gen und nach aͤußerſt geſchicktem Fange mit einer kleinen Schwen⸗ kung auf daſſelbe Plaͤtzchen zuruͤck kehren. Ueber dem langen Graſe der Wieſen flattert er oft ganz niedrig an Einer Stelle, um eine Beute zu erſpaͤhen, und auf kurzen Raſen ſucht er fie zuwei- len herumhuͤpfend auf. Im Kohl und auf den Gemuͤſebeeten ſitzt III. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wie ſenſchmaͤtzer. 899 er auf hohen Pflanzenſtengeln, den hoͤchſten Kohlſtauden und ſonſt immer an den erhabenſten Stellen und fliegt von hieraus bald auf die Erde, bald an die Stauden, bald in die Luft nach ſeinem Fraße. Alles geſchieht mit einer großen Leichtigkeit und Gewandt⸗ heit, wobei man ihn auch nie lange an Einer Stelle verweilen ſieht. Bei einem Ueberfluß von Nahrung ſcheint er auch beſtaͤndig guten Appetit zu haben, und deswegen findet man ihn auch faſt immer ſehr wohlbeleibt. — Sowol in der Art der Nahrungsmittel, wie in der Weiſe, fich derfelben zu bemaͤchtigen, gleicht er dem braun⸗ kehligen Wieſenſchmaͤtzer faſt vollkommen; ſo erinnert auch das Betragen beider Arten an die Roͤthlinge, Fliegenfän- ger und Wuͤrger. ' Im Käfige geht er nicht leicht ans Futter, man muß es ihm daher anfänglich behutſam einſtopfen, wozu man ſogenannte Amei⸗ ſeneier waͤhlt; dann mengt man unter Nachtigallenfutter, außer dieſen, noch kleine Kaͤfer, Fliegen und Mehlwuͤrmer, bis er nach und nach mit dieſen jenes koſten lernt und ſich endlich daran ge= woͤhnt. Es erfordert indeſſen ſehr viel Muͤhe und Geduld und lohnt dieſe nicht allemal. „ An den oben genannten Sommeraufenthaltsorten niſten dieſe Voͤgel hin und wieder in Deutſchland. Ich traf ſie auch in hieſiger Gegend, in den ſchon erwaͤhnten Kiefernanſaaten niſtend. Beim Dorfe Diebzig war z. B. eine ſolche, im Sommer 1820, von zwei Paͤaͤrchen bewohnt; ſie iſt aber, ohngeachtet ihres gerin⸗ gen Umfangs, durch einen mit jungen Sauerkirſchbaͤumen beſetzten Weg und einen neben dieſem hinlaufenden ſchmalen Streif junger Birken in zwei Haͤlften getheilt, ſo daß jedes Paͤaͤrchen die eine be⸗ wohnen konnte, ohne von dem andern oft geſehen zu werden; ſonſt wuͤrden ſich ſo nahe zwei Paͤaͤrchen nicht gelitten haben, in⸗ dem ſie kaum 200 Schritt von einander wohnten. Auch an der zweiten Kiefernanſaat fuͤhrt eine lebhafte, mit Pappeln bepflanzte Straße entlang; und da auch ein drittes Paͤaͤrchen auf einer gro⸗ ßen gerodeten und mit jungen Anſaaten verſehenen Flaͤche in einem großen Kiefernwalde bei Deſfau, nahe an der durchfuͤhrenden Straße wohnte, ſo ſcheint es faſt, als wenn ſie ſich gern an ſolchen Plaͤtzen aufhielten, wo Wege und Straßen vorbei führen, viel— leicht aus dem Grunde, weil ihnen hier das vorbeipaſſirende Vieh Inſecten zufuͤhrt, und nach dem verlornen Miſte deſſelben ſich viel 900 III. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzer. kleine Kaͤfer herbei ziehen. — In gut beſtandenen Kieferſaaten wohnen ſie nicht; auch kehren ſie nicht wieder in ſolche, wo di jungen Kiefern ſchon uͤber Z und 4 Fuß Hoͤhe erreicht haben. — In huͤgeligen und gebirgigen Gegenden niſten ſie in den Thaͤlern oder an Abhaͤngen, wo Gras und niedriges Geſtraͤuch waͤchſt, und auf Bergwieſen, wo aber auch das letztere nicht fehlen darf, uͤber— haupt, hier wie dort, oͤfters da, wo auch braunkehlige Wie- ſenſch maͤtzer niſten. Steine und Steinhaufen find dieſen, wie jenen, dort immer ganz gleichgültige Nebendinge, aber kahle, felfige Gegenden bewohnen ſie gar nicht. Das Neſt iſt ungemein ſchwer zu finden. Es ſteht ſtets an einem Plaͤtzchen, was ſich von den Umgebungen wenig auszeichnet, immer auf dem Erdboden, an dem mit Gras umgebenen kleinen Ge— ſtraͤuch ganz unten, und dicht an den Staͤmmen ganz kleiner Baͤum⸗ chen, oder bloß im Graſe, in einer kleinen Vertiefung des Bodens, auch zwiſchen Raſenſtuͤcken, und ſonſt an aͤhnlichen . wo man das Neſt des braunkehligen Wieſenſchmaͤtzers findet. Man ſagt auch, es ſtehe unter Steinen und in Felſenritzen, was ich aber aus eigner Erfahrung weder beſtaͤtigen noch wiederlegen kann. — In ſeiner Bauart gleicht es vollkommen dem des eben genannten nahverwandten Vogels. Es iſt ein lockeres Gewebe von Quecken, duͤrren Grashalmen und feinen trodnen Pflanzenſtengeln, mit untermiſchtem gruͤnen Erdmoos, wovon zuweilen auch nur we— nig verbraucht iſt; dabei beſteht die innere Lage aus Wolle, Haa⸗ ren, beſonders auch aus einzelnen Pferdehaaren, und die innere Aushoͤhlung iſt eben nicht tief. Meiſtens ſchon im Anfang des Maies findet man darin vier bis fuͤnf, ſelten ſechs Eier, die denen der folgenden Art ebenfals ſehr aͤhnlich ſehen, gewoͤhnlich aber eine ſchmutzigere Farbe und öfters eine mehr laͤnglichte Geſtalt haben. Sie ſind auf blaßem, blaͤulichgruͤnem Grunde mit einem ſehr bleichen roͤthlichen Gelbbraun beſpritzt und punktirt, was oft mit dem Grunde ſo verſchmilzt, daß man genau zuſehen muß, wenn man nicht das Ganze fuͤr Eine Farbe halten will, ſo daß ſolche Eier in einiger Entfernung gleichfoͤrmig ſchmutzig blaßgruͤn gefaͤrbt zu ſein ſcheinen; ein andermal ſind die Punkte ſparſamer, aber deutlicher vom Grunde abgeſondert und finden ſich mehr am ſtumpfen Ende. Sie brüten nur Ein Mal im Jahr, bald früher, bald ſpaͤter im Mai, und haben dann oft ſchon Anfangs Juni oder auch erſt um die Mitte Juli fluͤgge Junge, welche ſie außerordentlich lieben und durch ihre aͤngſtlichen Gebehrden und ihr . Geſchrei, UI. O. XIX. G. 108. Schwarzkehl. Wieſen ſchmaͤter. 901 wenn man ſich dem Orte naͤhert, wo ſie im Graſe ſitzen, bald verrathen. Dieſe wiſſen ſich jedoch, bevor ſie ſich noch auf ihre Flugwerkzeuge recht verlaffen koͤnnen, ſehr gut zu verſtecken, und man findet ſie dann nicht ſo leicht, als nachher, wenn ſie ſich ſchon auf die Spitzen der Buͤſche zu ſetzen wagen. Sie werden reichlich mit allerlei Raupen, kleinen Kaͤfern, Bremen, Bremſen und an— dern Inſecten gefuͤttert, und man ſieht die Alten in dem Bezirk, wo ſich die Jungen verſteckt halten, oder im Neſte ſitzen, oft mit ei⸗ nem Schnabel voll Futter aͤngſtlich von dem Gipfel eines kleinen Baͤumchens zu einem andern, auf Baumpfaͤhlen u. ſ. w. unter aͤngſtlichem Schreien ſich herumtreiben, aber ſo lange ſie ſich beobach— tet glauben, den Jungen das für fie beſtimmte Futter, um fie ih— rem vermeintlichen Feinde nicht zu verrathen, gewiß nicht dars reichen. Selbſt ihre eigene Sicherheit ſetzen ſie hier, wie ſonſt ſo viel andere Voͤgel, nicht aufs Spiel; immer ſind ſie dabei auf ih— rer Hut und fliegen ſogar, um ihren Verfolger von dem Platze wegzulocken, oft eine weite Strecke fort. l Feinde. Vom Sperber laͤßt ſich nur ſelten eimal einer r dieſer litigen f und gewandten Voͤgel erwiſchen; aber die kleinern Raubthiere des Waldes zerſtoͤhren ihre Brut ſehr oft. In ihren Eingeweiden hauſt ein Wurm von einer noch unbenahmten Art aus der ccc ung Echinorhynchos. Jagd. Es ſind mißtrauiſche Voͤgel und deshalb nicht leicht zum Schuß zu bringen, zumal wenn ſie ſich verfolgt ſehen, wo ſie im⸗ mer ſchon auf 40, 50 Schritt die Flucht ergreifen, ſich zwar bald wieder ſetzen, aber eben ſo bald wieder eine Strecke weiter fliegen, ſo daß ſie endlich ſo ſcheu werden, daß ſie immer in noch weiterer Entfernung fortfliegen. Man muß ſie deshalb ungeſehen zu hinterſchleichen ſuchen, und dazu fehlt es an ihren gewoͤhnlichen Aufenthaltsorten nicht leicht an Gelegenheit. Selbſt in der Naͤhe des Neſtes und der J Jungen ſind ſie vorſichtiger und ſcheuer als viel andere Voͤgel. Fangen kann man ſie auf den Gipfeln der Baͤumchen und auf den Pfaͤhlen, Stoͤcken und dergl., wo man ſie oͤfters ſitzen ſieht, in Sprenkeln, Schlingen oder mit Leimruthen. In den Kohl- und Kartoffelſtuͤcken fängt man fie wie die braunkehligen Wieſen⸗ 902 NI. O. XIX. G 108. Schwarzkehl. Wieſenſchmaͤtzer. ſchmaͤtzer in auf Stoͤcke gehaͤngten Sprenkeln. Mit dieſen werden ſie auch einzeln in den mit Bohnen, Salat und anderm Gemuͤſe bepflanzten Beeten nahe bei den Dörfern zuweilen gefangen, be= ſonders in den Samen tragenden gelben Ruͤben- oder Carotten⸗ ſtauden, wo es große Beete von dieſen giebt, die im Auguſt und Anfang Septembers von kleinen Inſectenvoͤgeln gewoͤhnlich wimmeln, weil ſich zwiſchen dieſen Pflanzen unzaͤhlige Arten von Inſecten in großer Menge aufhalten. Wenn man in ſolchen Bee⸗ ten die Stauden hier und da mit Sprenkeln behaͤngt, oder ſolche Stoͤcke mit Schlingen, wie fie oben bei den Rohrſaͤngern (Seite 612.) beſchrieben wurden, zwiſchen die Pflanzen aufſtellt, faͤngt man fie daſelbſt, wie viel andere Vögel, ohne daß eine Lockſpeiſe noͤthig iſt. Dies giebt in jener Zeit, beſonders für den Sammler, einen hoͤchſt interreſſanten Fang, indem zwiſchen jenen Pflan⸗ zen faſt alle Grasmuͤckenarten, Roͤthlinge, Laubvoͤgel (dieſe beſonders), Rohrſaͤnger, Stein- und Wieſenſchmaͤtzer, Blaukehl⸗ chen, Braunellen, Fliegenfaͤnger und noch mancherlei andere Voͤ⸗ gel vorkommen. So fing ich denn 1 hier den ſchwarzkehligen Wie enſchmätzer einigemal. Nutz en. Allenthalben wird er durch ſeine Nahrung nuͤtzlich, zumal in den Kiefernanſaaten, wo er unzählige dieſen nachtheilige Inſec⸗ ten wegfaͤngt, in den Kohlſtuͤcken, wo er viel Kohlraupen verzehrt, und an vielen andern Orten. Sein Fleiſch iſt ſehr wohlſchmeckend. Auch hilft dieſer Vogel manche Gegend beleben und erfreuet durch ſeinen Geſanz und durch ſein munteres Weſen. Schaden. Wie alle ſeine Gattungsverwandten, iſt auch dieſer Bin uns bloß nuͤtzlich und voͤllig unſchaͤdlich. 905 109. Der braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. Saxicola ru betra. Bechst. Fig. 3. Maͤnnchen im Fruͤhlingskleide. n. hr 4. Weibchen — — — Braunkehliger Steinſchmaͤtzer, braunkehliger Steinſaͤnger, kleiner Steinſchmaͤtzer, kleiner Steinpicker, (Steenpicker) Stein⸗ fletſche, Steinpatſche, Geſtattenſchlager; Roͤthling, Braunellert, Braunkehlchen, ſchwarzbraunes Braunkehlchen, braunkehlige Gras⸗ muͤcke, brauner oder braͤunlicher Fliegenvogel, Fliegenſchnaͤpper, Fliegenſtecher, Fliegenſtreckerlein; Neſſelfink, Noͤſſelfinke; Pfaͤff⸗ chen, Todtenvogel; en, Krautlerche, und in der hieſigen Gegend: Krautvogel oder Krautvögelchen. Sai cola a Bechstein, orn. Taschenb. I. S. 218. = Wolf und Meyer Taſchenb. I. S. 252. b. — Meisner und Schinz, S. 125. n. 131 = Meyer, V. Liv-und Eſthlands. S. 128. — Nilsson Orn. suec. I. p. 194. n. 92. = Temm. Man. nouv. Edit. I. p. 244, = Pratin cola rubetra. Koch, baier Zool. I S. 191. n. 112. — Motacılla rubetra., Gmel. Linn. syst. I, 2. p. 967. n. 16. = Sylvia rubetra. Lath. ind. E. p. 325. n. 58. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 684. Grand Traquet ou Tarier. Buff. Ois. V. p. 224. — Edit. d. Deuxp. IX. p. 255. — Id. Pl. enl. 678. f. 2. — Gerard. Tabl. el&m. II. p. 288. = Traquet Tarier. Temm. Man. nouv. Edit. T. p. 244. = Min- chat. Lath syn. IV. p. 454. — Ueberſ. v, Bechſtein, II. 2. ©. 451, n. 54. = Bewick britt, Birds. I. p. 280. = Brehm, Beiträge. II. S. 309. — Friſch Voͤg. Taf. 22. oben die Fig. rechts. : Naum anns Voͤgel, alte Ausg. I. S. 238. Taf. 48. Fig. 113. e F. 114. e N Kennzeichen Ne er. Alle Schwanzfedern, die beiden mittelſten ausgenommen, an der Wurzel rein weiß oder gelblichweiß, mit braunen oder ſchwar⸗ zen Schaͤften; die ſechſte, ſiebente, achte und neunte Schwingfeder auf der aͤußern Fahne dicht an der | weiß oder gelb⸗ roͤthlich. 110 Beſchreibung. ei Diefer Vogel iſt bedeutend kleiner als der graue un. der 904 III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. weißliche Steinſchmaͤtzer, aber noch etwas groͤßer als der ſchwarzkehlige Wieſenſchmaͤtzer, dem er in der Geſtalt am meiſten ER In der Farbe find nur die Alten dieſer beiden nahver⸗ wandten Arten ſehr auffallend verſchieden, allein die Jugendkleider bei— der ſich wieder ſo ganz außerordentlich aͤhnlich, daß man dann vorzuͤg⸗ lich die weiße Schwanzwurzel, welche jenem immer fehlt, als das untruͤglichſte Kennzeichen zu beachten hat. Es iſt ein etwas kurz⸗ ſchwaͤnziger Vogel, von einem gedrungenen Koͤrperbau, auch eben fo dickköpfig wie der ſchwarzkehlige Wieſenſchmaͤtzer, von welchem er noch darin beſonders abweicht, daß er einer doppelten Mauſer im Jahr unterworfen iſt, waͤhrend jener ſich nur Ein Mal mauſert. Seine Länge beträgt 9 bis 54 Zoll; die Fluͤgelbreite 104 bis 101 Zoll; die Fluͤgellaͤnge, en Bug bis zur Spitze, faſt 35 Zoll; he ruhenden Flügel decken den etwas über 2 Zoll 5 Schwanz zur Haͤlfte, und dieſer iſt am Ende faſt gerade oder nur ſehr wenig ausgeſchnitten, weil ſeine eben nicht breiten Federn am Ende, nach außen, ſchief abgeſtutzt, daher etwas ſtumpfſpitzig ſind. Von den Schwingen iſt die erſte ſehr klein, ſchmal und um mehr als zwei Drittheile kuͤrzer als die zweite, welche nur wenig kuͤrzer als die dritte iſt, und dieſe iſt die laͤngſte, oder hat doch gleiche Laͤn⸗ ge mit der vierten. Der Schnabel iſt ſtaͤrker, kuͤrzer, dicker und runder als am ſchwarzkehligen Wieſenſchmaͤtzer und fuͤr einen Inſecten⸗ vogel ziemlich ſtark. Am Ruͤcken iſt er faſt rund, an der Wurzel ſehr breit, daher der Rachen weit, die Spitze des obern ſehr wenig uͤbergebogen, mit ſehr kleiner ſeichter Kerbe. Er iſt 5 Linien lang, an der Wurzel 2 Linien hoch, aber über drei 5 Linien breit; von Farbe ſchwarz, inwendig ſchwarzgrau, im Herbſte Rachen und Zunge graulich fleiſchfarben; das Naſenloch iſt oval, mit wenig vorſtehendem Rande und oben mit einer weichen Hautſchwiele; dicht hinter demſelben fangen ſchon die kleinen aufrechtſtehenden Stirnfe— derchen an; die Schnabelwurzel iſt mit einzelnen ſchwarzen Borſthaͤaͤr⸗ chen umgeben, wovon ſich uͤber dem Mundwinkel vier durch ihre "Größe ſehr auszeichnen. Die Iris iſt ſehr tief braun oder roͤthlich⸗ ſchwarzbraun. Fuͤße und Zehen ſind im friſchen Zuſtande ſchlank, aber lange nicht in dem Grade, in welchem fie am getrockneten Vogel erſchei⸗ nen; der Ueberzug der Laͤufe meiſt ohne Einſchnitte, die Zehen oben ſtark geſchildert; die Naͤgel mittelmäßig lang, dünn, flach Ul. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmätzer. 905 gebogen und nadelſpitz. Die Hoͤhe der Fußwurzel mißt 11 bis 12 Linien; die Mittelzeh mit der Kralle iſt 10 Linien, und die Hinterzeh mit der etwas uͤber 3 Linien langen Kralle 7 Linien lang. Fuͤße und Krallen ſind ſchwarz. a Das alte Maͤnnchen in ſeinem Fruͤhlingskleide iſt ein ſehr angenehm gezeichnetes Voͤgelchen. Der ganze Oberkopf bis an den Nacken hat ſchwarze Federn, mit ſehr licht roſtbraunen Seitenkanten, wodurch dieſer Theil ein licht roſtbraunes, mit ſchwar⸗ zen Laͤngsflecken geziertes Anſehen erhaͤlt; die naͤmlichen Farben und Zeichnungen haben der Ruͤcken und die Schultern, weniger und bleicher gefleckt iſt dagegen aber der ganze Hinterhals; der Buͤrzel und die obern Schwanzdeckfedern haben auch viel breitere Kanten und nur einen ſchmalen ſchwarzen Schaftfleck. Vom Naſenloch zieht ſich uͤber das Auge bis ans Genick ein breiter hellweißer Streif; die Zuͤgel ſind ſchwarz; Wangen und Ohrengegend ſchwarz, nuß— braun gefleckt oder gemiſcht; die Halsſeiten weißlich und etwas dun— kelbraun gefleckt; ein hellweißer Streif faͤngt an der untern Schna⸗ belwurzel an und trennt die dunkeln Wangen von der ſchoͤn roſt⸗ farbigen Kehle und Gurgel; die Roſtfarbe nimmt auch noch die ganze Oberbruſt ein und verliert ſich ſanft in den Seiten; die Mitte der Unterbruſt, der Bauch und die untern Schwanzdeckfedern ſind weiß, mit ſchwachem roſtgelbem Anfluge; die Schenkelfedern roͤthlich— weiß, hinterwaͤrts ſchwarzbraun geſchuppt. — Alle Fluͤgeldeckfe⸗ dern ſind ſchwarz, die kleinen mit weißlichbraunen Kanten, die mittleren und großen bloß mit weißen Endkanten, dabei aber alle zunaͤchſt am Ellenbogengelenk ſtehenden rein weiß, bloß die vorderſten in dieſem großen weißen Felde in der Mitte der Spitzenhaͤlfte ſchwarz, aber auch noch die drei hinterſten Schwingen mit weißer Wurzel. — Die hinterſten Schwingen ſind uͤbrigens braunſchwarz, mit etwas breiten lichtroſtbraunen Saͤumen, die uͤbrigen Schwingen matt ſchwarzbraun, faſt rauchfahl, mit viel feinern Saͤumchen, die ſechſte bis zur neunten, alſo vier Stuͤck, mit weißer Wurzel, was nicht ganz von den Schwungdeckfedern *) verdeckt wird; dieſe weiß, mit braun= ſchwarzen Enden, die hinterſten jedoch nur laͤngs dem Schafte 9. Schwun gdeckfedern werde ich in Zukunft der Kuͤrze halber immer die⸗ jenige abgeſonderte Partie der Fluͤgeldeckfedern nennen, welche die erſte Ord⸗ nung der Schwungfedern oder die vorderſten neun bis zehn Schwingen an den Wurzeln bedecken und oberwaͤrts von den Daumenfedern (Eckfluͤgel, Alula s. Ala spuria: IIligeri v. Prodrom. p. 170.) gedeckt werden, die dann mit die⸗ fen und jenen zuſammen genommen den eigentlichen Fittig (Flederwiſch) bilden. x 906 III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. weiß; die Daumenfedern ſchwarz, mit lichtbraunen Saͤumchen; das Fluͤgelraͤndchen weiß. Dieſe Fluͤgelzeichnung nimmt ſich ſehr ſchoͤn aus und iſt ganz verſchieden von der des alten männlichen ſchwarz⸗ kehligen Wieſenſchmaͤtzers. — Die Schwanzfedern ſind braunſchwarz, mit lichtern Saͤumchen, alle aber, außer den beiden mittelſten, an der Wurzel hellweiß, ſo daß ſich dies vom Schwar⸗ zen ſchief abſchneidet und nach der Außenſeite des Schwanzes nach und nach ſo zunimmt, daß es an der aͤußerſten Feder drei Fuͤnftheile der ganzen Laͤnge der Feder einnimmt und noch uͤberdies an der Kante der Außenfahne dieſer, in einem immer ſchmaͤler werdenden Saͤumchen bis zur Spitze hinlaͤuft. — An der untern Seite des Schwanzes iſt das Schwarze matter, aber das Weiße auffallender, weil es auf der innern Fahne der Federn ſtets weiter herab reicht als auf der aͤußern; die untere Seite der Schwingen glaͤnzend dun⸗ kelgrau, mit matt weißen Kanten auf der breiten Fahne, zumal nach der Wurzel zu; die untern Fluͤgeldeckfedern ſchwaͤrzlichgrau, mit truͤben roſtgelblichweißen Enden und Kanten. a Bei etwas juͤngern Maͤnnchen in dieſem Gewande ha⸗ ben die Wangen weniger Schwarz und mehr lichteres Braun, die braunſchwarzen Flecke an den obern Theilen ſind ſchmaͤler, Kehle und Bruſt bleicher roſtfarben; der Fluͤgel hat viel weniger Weiß, daher ein viel kleineres weißes Feld; die weißen Wurzeln von der ſechſten bis zur neunten Schwungfeder ſind weniger auffallend, weil ſie, beſonders abwaͤrts, ſtark roſtgelb angeflogen ſind, und auch die Schwungfedern haben weniger Weiß; die vorderſten großen Deckfedern ſind dagegen nicht ſo ſchwarz; die Schwingen haben breitere lichtbraune Saͤume; das Weiße der Schwanzwurzel iſt ge⸗ ringer vom Umfang, und die Schaͤfte in ſelbigem ſind nach dem Schwarzen zu braun oder ſchwarz. So ſieht es, das wenigere Weiß abgerechnet, im Ganzen lichter aus, Das alte Weibchen in feinem Fruͤhlingskleide iſt ſehr vom alten Maͤnnchen verſchieden, obwol es im Ganzen dieſel⸗ ben Zeichnungen traͤgt. An allen obern Theilen ſind die lichten Federraͤnder breiter und heller gefaͤrbt, eher von einem ſehr lichten Gelbbraun, ohne merklichen Anſtrich von Roſtfarbe, alſo nicht ſo roͤthlich, auch viel lichter; der Augenſtreif gelblichweiß; die Wangen lichtbraͤunlich, nur wenig mit Dunkelbraun gemiſcht und gefleckt; das Kinn und der Streif zwiſchen den Wangen und der Kehle gelblichweiß; die Kehle bis zur Oberbruſt viel bleicher, bloß dunkel roſtroͤthlichgelb; die matt dunkelbraunen Fluͤgelfedern mit II. O. XIX. 6.109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. 907 viel breitern lichtbraunen Saͤumen; der weiße Fluͤgelfleck am Ellenbo⸗ gengelenk kaum halb ſo groß, und an den Wurzeln der mittleren Schwingen, wie an den Schwungdeckfedern, viel weniger und nur ein gelbliches Weiß; das Weiß an der Schwanzwurzel nimmt ei⸗ nen viel kleinern Raum ein, iſt nach unten gelblich und unrein, die Schaͤfte in ſelbigem braun; Schnabel und Fuͤße find auch nicht fo dunkelſchwarz. Jauͤngere Weibchen find noch unanſehnlicher in dieſem Gewande, die bleich roſtroͤthlichgelbe Bruſt hat öfters in der Kropf⸗ gegend undeutliche braune Schaftflecke, der weiße Fluͤgelfleck iſt ſehr klein und wird nur von den weißen Spitzenkanten der Fluͤgeldeckfe⸗ dern am Ellenbogengelenk gebildet, ja bei manchen Individuen iſt er, bei nicht verſchobenem Gefieder, kaum bemerklich; das Weiße am Schwanze iſt ſpitzewaͤrts braͤunlichgelb uͤberlaufen und weniger ſcharf vom Dunkelbraun der Endhaͤlfte des Schwanzes begrenzt, die Schaͤfte hier braun; die Fuͤße braͤunlichſchwarz. Die Weibchen ſind immer etwas, oft bedeutend, kleiner als die Maͤnnchen. Im Sommer wird das Gewand dieſer Voͤgel, im Ganzen genommen, bei beiden Geſchlechtern etwas veraͤndert, indem ſich die lichten Kanten des Gefieders merklich abſtoßen, ſo daß auf den obern Koͤrpertheilen die ſchwarzen Flecke mehr hervortreten, an den Fluͤgel- und Schwanzfedern aber die lichten Saͤumchen ganz verſchwinden, wobei auch die Grundfarbe dieſer Federn viel fahler wird, und alle hellern Farben uͤberhaupt merklich abbleichen. Im Herbſtkleide, wenn fie ſich eben gemauſert haben, ſehen dieſe Voͤgel ganz anders aus als im Fruͤhlingskleide. Dann iſt das alte Maͤnnchen mit folgenden Farben geziert. Die Fes dern am Oberkopfe find dunkel braunſchwarz, mit breiten lichtroft- braunen Seitenkanten und ſchmalen lichtern Endkaͤntchen; der Hin: terhals und die Halsſeiten noch lichter roſtbraun, undeutlich braun und ſchwaͤrzlich gefleckt; Ruͤcken und Schultern von einem angeneh⸗ men, ſehr lichten, gelblichen Roſtbraun, mit großen, ovalen braun⸗ ſchwarzen Schaftflecken und ſchmalen weißlichen Spitzenſaͤumchen, welche ſich fehr ſchoͤn ausnehmen; der Buͤrzel und die Oberſchwanz⸗ deckfedern eben ſo, doch mehr mit Roſtfarbe uͤberzogen und nur mit ganz ſchmalen ſchwarzen Schaftſtrichen, aber breitern gelblich⸗ weißen Spitzenſaͤumen. Der große breite Streif uͤber dem Auge iſt roſtgelblichweiß; Zuͤgel braͤunlich; Ohrengegend braun; die 908 III. O. XIX. G. 109. Braun Eehlige Wieſenſchmaͤtzer. Wangen lichter, mit ſattem Roſtgelb uͤberzogen; Kinn und Kehle roſtgelblichweiß, erſtere am lichteſten; Gurgel und Kropfgegend matt roſtfarbig, mit verlornen, roſtgelblichweißen Federkanten; die Oberbruſt und Seiten etwas lichter; das Uebrige des Unterlei- bes roſtgelblichweiß. Die Fluͤgelfedern ſind ſchwarz, nur die großen Schwingen mit ihren Deckfedern braunſchwarz, dieſe mit der oben beſchriebenen weißen Zeichnung und mit feinen, nur an den Spitzen breitern, gelbbraͤunlichweißen Saͤumen, die hintern (ſchwarzen) Schwingen mit breiten, aus dem Roſtfarbenen in ſchmu⸗ tziges lichtes Roſtgelb auslaufenden Kanten; eben ſo gefaͤrbte breite Endkanten haben die kohlſchwarzen, großen und mittleren Deckfe— dern; die kleinen ſind dagegen weißlich braungrau gekantet. Um das Ellenbogengelenk ſind die Federn bloß etwas lichter gekantet, die drei bis vier letzten der großen Deckfedern und die drei hinterſten Schwingen haben aber die weiße Zeichnung, die oben beſchrieben wurde; dadurch entſteht zwar ein weißes Feld in jener Gegend des Fluͤgels, aber von weit geringerem Umfange; denn bei der zweiten Mauſer in den Wintermonaten werden auch die kleinen Fluͤgel⸗ deckfedern gewechſelt, und dann kommen dort auch weiße zum Vor⸗ ſchein, die das große weiße Feld auf dem Fluͤgel des maͤnnlichen Fruͤhlingsvogels vollenden helfen. — Die Schwanzfedern ſind wie am Fruͤhlingsvogel, haben aber ſehr deutliche lichtbraune Saͤume und braͤunlichweiße Endkanten. Schnabel und Füße find ſchwarz. An juͤngern Maͤnnchen im Herbſtkleide haben die Federn der Kropfgegend kleine braune Schaftflecke, die bald mehr oder weni⸗ ger auffallen, bald nur kleine laͤnglichte Punkte ſind; die Roſtfarbe an ihnen iſt bleicher; das Schwarzbraun bloß Dunkelbraun; die Fluͤgelfedern, ſtatt ſchwarz, nur ſchwarzbraun, und der weiße Fluͤ— gelfleck noch viel kleiner, und am Fittig iſt nur ſehr wenig Weiß vor⸗ handen. Im erſten Herbſtkleide fehlt dies letztere faſt ganz, und der Fluͤgelfleck am Ellenbogengelenk wird nur von weiß gekanteten Federn gebildet und iſt ſehr undeutlich. Die Weibchen im Herbſtkleide unterſcheiden ſich von dem der juͤngern Maͤnnchen nur durch etwas mattere Farben und durch noch weniger Weiß am Fluͤgel. Oft iſt die Kropfgegend deutlich braun gefleckt, das Weiße der Schwanzwurzel roͤthlichgelb uͤberlau⸗ fen, mit ſchwarzbraunen Schaͤften, uͤberhaupt von geringerem Umfange, und hinten auf dem Fluͤgel fehlt alles Weiß gaͤnzlich. Die jungen Weibchen in ihrem erſten Herbſtkleide ſind von oben noch bleicher und grauer, die Einfaſſungen der Fluͤgelfe⸗ III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. 909 dern breiter, an den Raͤndern in Braͤunlichweiß uͤbergehend; das weiße Feld iſt bloß durch einige weißgraue Endkanten der Federn ver: loren angedeutet; von den Schwungdeckfedern ſind nur einige der vorderſten an der Wurzel oder am Schafte roͤthlichweiß; ſo faͤllt der weißliche Fleck auf der aͤußern Fahne an den Wurzeln der ſechs— ten bis neunten Schwingfeder auch ſehr ins Rothgelbe. Der Schwanz hat zwar dieſelbe Zeichnung, allein das Weiße iſt in der Mitte der Federn roͤthlichgelb uͤberlaufen, und das Schwarze laͤuft in einer ſchmalen Linie am ſchwarzbraunen Schafte bis zur Wurzel, und an den innern Federn, auch auf der Außenkante, ſehr hoch hinauf. Von oben ſieht das Voͤgelchen gerade fo aus wie eine noch unver= mauſerte junge Feldlerche, und die Aehnlichkeit wird beſonders durch die hellweißen Endkaͤntchen der Ruͤckenfedern ſehr vermehrt. Die bleich roſtfarbige Oberbruſt hat roͤthlichweiße Federkanten und kurze dunkelbraune Schaftſtriche oder laͤnglichte Punkte. Der junge Vogel vor der erſten Mauſer weicht mit ſeinem Gefieder fo ſehr von den eben beſchriebenen Herbſt- und Fuͤhlingsklei⸗ dern ab, daß er eine genaue Beſchreibung verdient. Er ſieht, bis auf die weiße Schwanzwurzel und den gaͤnzlichen Mangel eines weißen Flecks hinten auf dem Fluͤgel, dem jungen ſchwarzkehli— gen Wieſenſchmaͤtzer in ſeinem Neſtgefieder bis zum Taͤu— ſchen aͤhnlich. — An den eben ausgeflogenen Jungen iſt der Schna= bel weißlich, oben und an der Spitze ſchwaͤrzlichgrau, die Mund— winkel bleichgelb; die Iris ſchwarzbraun; die Fuͤße bleifarben, mit gelben Sohlen. Weil dann die Schwanzfedern noch nicht ihre gehörige Laͤnge erreicht haben, fo ſieht man die weiße Schwanz» wurzel nur dann, wenn man die untern Schwanzdeckfedern aufhebt, welcher Umſtand leicht zu einer Verwechſelung mit den eben genann- ten Voͤgeln verleiten kann. — Bald faͤrben ſich indes Schnabel und Fuͤße dunkler, nur der innere Schnabel, Rachen und Zunge bleiben gelblich, und am ausgewachſenen Schwanz zeigt ſich die weiße Wurzel deutlich. Der ganze Oberkopf iſt ſchwarzbraun, mit ſehr ſchmalen weißlichroſtgelben Schaftſtrichen; der Nacken iſt groͤ⸗ ber gefleckt und bleicher; Oberruͤcken und Schultern hell roſtbraun, braunſchwarz gefleckt, und auf dieſen mit roſtgelblichweißen ſchma⸗ len Laͤngsflecken, die zum Theil laͤngs dem ganzen Schafte, zum Theil auch nur an den Spitzen der Federn flehen;*) der Unterruͤ⸗ ) Das zwiſchen den ſchwarzen und gelblichweißen Flecken uͤberall durchblickende, leb⸗ hafte Roſtbraun bringt eine angenehme Miſchung hervor, welche ſich beim jun ⸗ gen ſchwarzkehligen Wieſenſchmätzer an dieſen Theilen nie fo findet. 910 III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. cken matter gefleckt und grauer; Buͤrzel und Oberſchwanzdeckfedern ſchmutzig roſtfarben, mit gelblichweißem Ende, und vor demſelben mit einem matt ſchwarzbraunen Fleck auf jeder Feder. Ein großer ſchmutzig gelblichweißer Streif zieht ſich vom Schnabel uͤber das Auge bis ins Genick; Zuͤgel und Wangen find dunkelbraun, dun⸗ kelroſtgelb gefleckt und geſtrichelt; die ganze untere Seite des Vogels iſt ſchmutzig roſtgelblichweiß, am reinſten noch am Bauch, in den Seiten aber ſtaͤrker roſtgelb uͤberlaufen, in der Kropfgegend dun⸗ kel roſtgelb gemiſcht; dabei haben die Federn der Kehle ganz feine und zerriſſene, dunkele Spitzenſaͤumchen, die in der Kropfge— gend deutlicher werden und dieſem Theil unordentliche und undeut⸗ liche dunkelbraune Flecke geben. Alle Fluͤgelfedern ſind ſchwarz— braun oder braunſchwarz, mit hell gelblichroſtbraunen Saͤumen, die an den hintern Schwingen und an den großen Deckfedern an— ſehnlich breit find; die letztern und die mittleren Deckfedern haben auch noch roſtgelblichweiße Spitzenkanten; auf dem Hintertheil des Fluͤgels iſt keine Spur eines weißen Feldes; allein die ſechſte bis neunte der großen Schwingen find an der Wurzel weiß, mit roͤthli— chem Roſtgelb uͤberlaufen, dies weißliche Fleckchen iſt aber ſo klein, daß es die Schwungdeckfedern ziemlich verdecken. — Die Schwanz⸗ federn find braunſchwarz, mit roͤthlichweißen Saͤumen und derglei— chen breitern Spitzen, alle aber, bis auf die beiden mittelſten, an der Wurzelhaͤlfte weiß, roͤthlichgelb uͤberlaufen, mit ſchwarzbrau— nen Schaͤften, wie im erſten Herbſtkleide. Die große Verſchiedenheit in dem Fruͤhlings- und Herbſtge⸗ wande wird bei dieſen Voͤgeln durch eine zwiefache Mauſer be⸗ wirkt. Die Hauptmauſer, bei welcher alle Federn durch neue er= ſetzt werden, tritt bei alten Voͤgeln im Juli ein und iſt noch vor der Mitte Auguſts beendet, junge Voͤgel mauſern dagegen einen vollen halben Monat ſpaͤter. Im Winter, waͤhrend ihrer Abwe— ſenheit, mauſern ſie ſaͤmmtlich noch Ein Mal, aber dann die gro— ßen Fluͤgelfedern und die des Schwanzes nicht mit. Bei ihrer Ankunft im Fruͤhjahr haben ſie dann ihr ſchoͤnes Fruͤhlingskleid ſchon völlig angelegt, weshalb man wol vermuthen darf, daß dies fer zweite Federwechſel ſchon im Januar und Februar Statt gefun⸗ den haben muß. Spielarten ſind mir unter dieſen Voͤgeln nicht vorgekom⸗ men, und ich finde auch nirgends welcher gedacht.“) pr MINEN | ) Hr. Brehm ſagt: (Beiträge, II. S. 316.) „ das mit ſchwarzem Oberkoͤr⸗ III. O. XIX. G. 109. Sraunfehlige Biefenfihmäger. 911 wie nthatt Dieſe Art ſcheint nicht fo weit verbreitet als die vorherge⸗ hende, ob fie gleich in mehrern Theilen von Europa viel häufiger vorkoͤmmt. Auch in Deutſchland iſt ſie viel bekannter und in manchen Gegenden ſelbſt ziemlich gemein. Sonſt findet man ſie bis in die Mitte von Schweden, in vielen Theilen Rußlands, in England und von hier aus ſuͤdlich in allen andern Laͤndern unſeres Erdtheils, im Suͤden uͤberhaupt viel haͤufiger als nach Norden zu. Sie ſoll auch in Aſien vorkommen. — In der Schweitz iſt ſie gemein, wie in vielen Gegenden Deutſchlands, und allenthalben ſcheint ſie, ob ſie gleichwol uͤberall, ſo auch in ganz ebenen Laͤnderſtrecken, vorkoͤmmt, doch die gebirgigen lieber zu bewohnen, ob ſie gleich hier die duͤrren, rauhen, ſteinigen und felſigen vermeidet und allemal nur die fruchtbaren Berge und Thaͤler bewohnt. So nimmt ſie ihren Aufenthalt gern in den Voralpen, ſelbſt bis zu der Hoͤhe hinauf, wo Obſtbaͤume nicht mehr fortkommen, aber immer in ſolchen Gegenden, wo uͤppiges Gras, niedriges Gebuͤſch und einzelne Baͤume ſtehen. In der hieſigen Gegend iſt ſie ziemlich haͤufig auf Wieſen und Feldern. Sie iſt an Individuen, wenigſtens in Europa, viel zahlreicher als die vorhergehende, doch, wie es ſcheint, nirgends in ſolcher Menge vorhanden, als der graue Steinſchmaͤtzer. Als Zugvogel gehoͤrt dieſe Art unter die örtlichen , welche ſpaͤt zu uns kommen und fruͤh wieder wegwandern. Im Fruͤhjahr ſieht man die erſten dieſer Vögel gewoͤhnlich nicht vor dem 20ten April, oft auch erſt in den letzten Tagen dieſes Monats, und im Anfang des Maies iſt der Hauptzug. Schon im Auguſt, und zwar gleich Anfangs, verlaſſen ſie ihre Brutoͤrter, und in der zwei⸗ ten Hälfte deſſelben find fie ſchon foͤrmlich auf der Wanderung, die bis um die Mitte Septembers dauert, nach welcher man nur ſelten noch einen einzeln ſieht. Anfaͤnglich eilen ſie nicht, ja man ſieht ſie, wo es ihnen behagt, oft mehrere Tage an denſelben Orten, z. B. auf einem Kohl⸗ oder Kartoffelader. — Ihre Reiſen machen fie des Nachts, im Fruͤhjahr gewoͤhnlich einzeln, ſeltner in kleinen Geſell⸗ 9 9 per, welches Naumann geſehen zu haben verſichert, war wol eine Ausartung u. ſ. w. Aber weder mein Vater, noch ich erinnern uns eines fo gezeichneten, und ich moͤchte wol fragen, wo von uns ein ſolches beſchrieben worden ſei? Ich begreife nicht, wo Hr. B. dieſe Unwahrheit hergenommen haben mag! Hier muß eine Verwechſelung des Vogels oder des Autors vorgefallen fein. — 912 III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. ſchaften, im Herbſt dagegen mehrentheils paar- und familienweis. Die Maͤnnchen kommen immer mehrere Tage fruͤher zu uns zuruͤck als die Weibchen, wie man das bei vielen kleinen Voͤgeln bemerkt; im Herbſte verlaſſen ſie uns aber im Kreiſe ihrer Nachkommenſchaft, wenn ſie welche haben, ſonſt paarweis. Wieſen ſind ſtets der Lieblingsaufenthalt dieſer Voͤgel, ſie moͤgen nun zwiſchen und an den Bergen oder in Ebenen liegen; allein nur fruchtbare, feuchte Wieſen, welche mit Waſſergraͤben oder Baͤchen durchſchnitten, deren Ufer mit niedrigem Geſtraͤuch oder Weidenbaͤumen bekraͤnzt, oder die ſonſt von dieſen und jenem, auch wol hoͤhern Baͤumen, Erlen und dergl. einzeln oder in kleinen Gruppen beſetzt ſind, die an freies Feld oder an Wald grenzen; nur nicht ſolche, die ganz von Hochwald umſchloſſen ſind, ſie muͤßten denn eine ſehr bedeutende Ausdehnung haben. So ſind ſie auch gern auf den Wieſen an den Ufern der Fluͤſſe und in den Bruͤchern, doch immer nur an ſolchen Stellen, wo niedriges Buſchwerk und einzelne Baͤume ſtehen, und niemals im Sumpfe. Man findet fie daher in der hiefigen Gegend nicht in den Bruͤchern ſelbſt, ſondern an den Raͤndern derſelben, an den Daͤmmen und auf den fetten Wieſen haͤufig; auch fehlen ſie hier, außer dieſen, auf nur ige ehen nicht zu unbedeutenden Wieſenſtrecken nirgends. — Im Gebirge bewohnen ſie nie ſolche duͤrre und rauhe Gegenden, welche die grauen Steinſchmaͤtzer lieben, ſondern die frucht⸗ baren Thaler und Abhaͤnge, beſonders die Bergwieſen und ſolche Strecken, wo der Boden mit fettem Graſe und Kraͤutern bedeckt iſt, wo es hin und wieder Buͤſche und einzelne Baͤume, Gaͤrten und bebauetes Land giebt. In waldigen Gegenden ſieht man ſie öfters an den Waldraͤndern und auf den daſelbſt gemachten Anſaa— ten, ſelbſt von Nadelholz, wenn nur dieſes nicht zu dicht ſtehet, und der Boden noch recht viel hohes Gras hervorbringt, aber nie— mals tief im Walde, am wenigſten im Hochwalde. — An allen dieſen Orten ſind ſie im Sommer anzutreffen, und ſie theilen ſolche dann oft mit ihrem Familienverwandten, dem ſchwarzkehligen Wi eſenſchmaͤtzer. Sie verlaſſen aber die Wieſen nach der Bruͤtezeit und begeben ſich paar- und familienweis, oder in kleinen Geſellſchaften, aufs freie Feld, wo ſie ſich zwiſchen Kohl, Kartoffeln und Ruͤben oder in den Gemuͤſegaͤrten bei den Doͤrfern aufhalten. Sie ſuchen da beſonders die Beete auf, worauf man Möhren: oder Carottenſa— men bauet, indem ſie ſich ungemein gern zwiſchen den hohen dicht⸗ III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. 918 ſtehenden Stengeln dieſer Pflanzen, wegen der vielen darin vors kommenden Inſecten, aufhalten. Am haͤufigſten findet man ſie jedoch dann in den tiefer liegenden Kohlfeldern, wo ſolche an feuchte Wieſengruͤnde ſtoßen, zumal wenn hier und da ein niedriger Geil: weiden⸗, Dorn- oder Brommbeerbuſch oder einzelne Kopfweiden ſtehen. Auf ſolchen Feldern ſieht man ſie auch zuweilen in den mit Huͤlſenfruͤchten beſaͤeten Stuͤcken, doch am meiſten im Kohl oder Kraut, weswegen ſie auch in vielen Gegenden Kraut- oder Kohlvoͤgelchen genennt werden. Ihren Aufenthalt verrathen ſie ſehr bald, indem ſie ſich im⸗ mer auf die erhabenen Gegenſtaͤnde ſetzen und von hier aus nach den einzeln Inſecten fliegen. So ſieht man ſie auf den Stengeln der Doldengewaͤchſe, der Diſteln und anderer hohen Pflanzen, auf hohen Kartoffel- und Kohlſtauden, auf den Spitzen des niedrigen Strauchholzes, der Kopfweidenzweige, ſelbſt zuweilen der Erlen und anderer hohen Baͤume, aber ſelten auf Erdſchollen, und noch viel ſeltner auf Steinen ſitzen, ſich allenthalben umſehen, bald hier⸗, bald dahin fliegen und auf den erſten Platz zuruͤckkehren oder einen ähnlichen in Beſitz nehmen. Hierin aͤhneln fie den Wuͤr⸗ gern; aber ihre geringe Größe, die kurze Geſtalt und die braune Hauptfarbe unterſcheiden ſie bald von dieſen. — Auf der platten Erde ſieht man ſie nie ſehr lange verweilen, außer im Fruͤhjahr, wo fie auf den noch kahlen Wieſen und Triften oft ziemlich lange herz umhuͤpfen. — Ihre Nachtruhe halten ſie im langen Graſe, zwi⸗ ſchen den Kohl- und Kartoffelſtauden oder in niedrigen Buͤſchen, nahe an der Erde, und begeben ſich gleich nach Sonnenuntergang ſchon zur Ruhe. Sie halten ſich demnach an ganz andern Orten, als der graue Steinſchmaͤtzer, auf und treffen nur im Herbſt in den Kohlſtuͤcken u. ſ. w., aber im Fruͤhjahr bloß zuweilen auf Wieſen mit dieſem zuſammen; allein mit dem ſchwarzkehligen Wie⸗ ſenſchmaͤtzer bewohnen ſie oft und zu jeder Jahreszeit dieſelben Gegenden. Kit eat Eigenfhaften. er Es iſt ebenfalls ein munterer, unruhiger und hurtiger Vogel, in ſeinen Bewegungen doch aber etwas gemaͤßigter oder weniger ungeſtuͤm als der graue Steinſchmaͤtzer. Seine Lebhaftig⸗ keit und Gewandtheit iſt von einer angenehmern Art, und er iſt da⸗ bei auch weniger zaͤnkiſch oder vertraͤglicher gegen ſeines Gleichen ter Theil, 58 914 III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. und andere Voͤgel. Ob ſich gleich am Brutorte zwei Paͤaͤrchen nicht nahe beiſammen leiden, ſo ſieht man doch nicht ſo vielen Zank und Hader wie bei jenen Voͤgeln; auch mit dem ſchwarzkehligen Wieſenſchmaͤtzer lebt er nicht ſo unvertraͤglich, daß ſie einan⸗ der nicht in der Naͤhe leiden ſollten, und ich habe ſelbſt niſtende Paͤaͤrchen von beiden Arten nahe beiſammen wohnen ſehen. — Auf der Erde huͤpft er, in ziemlich aufrechter Stellung, in ſehr ſchnel⸗ len Spruͤngen, ſo daß er zu laufen ſcheint, macht an einem erhabe⸗ nen Plaͤtzchen gern Halt, beugt ſich ſchnell vorwaͤrts und ſchlaͤgt dazu den ausgebreiteten Schwanz fo auf und nieder, daß dieſer je— derzeit die ſtaͤrkſte Beugung unterwaͤrts macht. Aber gewoͤhnlich ſetzt er ſich, wenn man ihn einmal auf dem Erdboden, oder im Graſe, unter den Kohlſtauden und dergl. antraf, nach dem Auffliegen gleich auf eine hohe Staude oder die Spitze eines Buſches, wo er faſt immer eine ſehr aufrechte Stellung annimmt, aber auf den duͤnnen Zweigen und Stengeln oft nur mit Muͤhe feſten Fuß faſſen kann, dabei auch immer ſo, daß er dem Ankommenden die Bruſt entgegen kehrt. Er iſt eben nicht ſcheu, wird es aber, wenn er ſich verfolgt ſieht, und ſeine Vorſicht raͤth ihm immer frei zu ſitzen, um die Gefahr ſchon von fern ins Auge faſſen und bei Zeiten die Flucht ergreifen zu koͤnnen; nur allein vor den Raubvoͤgeln, wohl wiſſend, daß ihm ſein ſchneller Flug nicht vor den Klauen mancher ſichern wuͤrde, verkriecht er ſich unter dem langen Graſe und zwiſchen ho— hen Pflanzen, auch wol unter Erdſchollen und dergl. Wenn man ihn im Graſe der Wieſen uͤberraſcht, fliegt er nicht ſelten auf die Spitze eines hohen Baumes; aber in den Kronen der Baͤume und in den dichten Zweigen des Geſtraͤuchs ſucht er ſich nie zu ver⸗ bergen. Er hat einen ſchnellen, gewandten Flug, worin er ganz kurze flache Bogen beſchreibt, ſo daß dieſer faſt zuckend genannt werden koͤnnte, ſtreicht dabei gewoͤhnlich niedrig und gerade fort und ſchwingt ſich erſt aufwaͤrts, wenn er an das erwaͤhlte hoͤhere Ruhe⸗ plaͤtzchen koͤmmt. Beim Abfliegen von einem ſolchen ſenkt er ſich ebenfals faſt immer erſt, um nun niedrig über der Erde fortzuflies gen. Von hohen Baumgipfeln ſchießt er mit großer Schnelle herab, aber noch mehr muß man ſeine Gewandtheit im Fluge beim Inſec⸗ tenfangen bewundern. Er ähnelt im Fliegen dem ſchwarzkehli⸗ gen Wieſenſchmaͤtzer mehr als den andern Arten dieſer Gattung; überhaupt iſt auch das übrige Betragen jenem ähnlicher als dieſen. Seine gewoͤhnliche Stimme iſt ſchnalzend, wie Tza, aber III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wiefenfntäger. 915 die eigentliche Lockſtimme doppeltoͤnig, naͤmlich ein dumpfer, ſanf⸗ ter, angenehmer Pfiff, mit einem daran gehaͤngten Schnalzen oder Schmatzen. In der Nähe klingt dieſe Stimme dann wie tjau— deck, tjau — tjau — tjaudeck, tjaudeckdeckdeck. Sie iſt Angſtgeſchrei, wenn die ſchnalzende Sylbe oft und haſtig ohne die erſte wiederholt wird, und dann hört man fie beſonders haͤufig beim Neſte. Sonſt ſchreien dieſe Voͤgel nicht viel. Dieſe Stimme hat übrigens viel weniger Aehnlichkeit mit der des ſchwarzkehli— gen Wieſenſchmaͤtzers, als vielmehr mit der des grauen Steinſchmaͤtzers. Der Geſang des Maͤnnchens hat ebenfals viel Aehnlichkeit mit den Geſaͤngen beider Voͤgel, iſt aber ſchoͤner, abwechſelnder und floͤtender, obgleich auch die Locktoͤne oft mit ein⸗ gemiſcht werden, die ſehr dazu geeignet ſind, ihn zu verſchlechtern. Er beſteht aus mehreren verſchiedenen kurzen Strophen, die mei— ſtens in ziemlichen Zwiſchenraͤumen oder doch nicht ſehr ſchnell auf: einander folgen. Die eigenthuͤmliche Melodie wird aber noch gar ſonderbar verſchoͤnert und abwechſelnder gemacht, indem der anges nehme Saͤnger die Lockſtimmen und theilweis auch die Geſaͤnge an⸗ derer ihm nahe wohnender Voͤgel mit einflicht und bis zum Taͤuſchen nachzuahmen verſteht. So hoͤrt man oft Theile aus den Geſaͤngen des Stieglitzes, Haͤnflings, Gruͤnfinken, der Dorn— gras muͤcke und anderer, nebſt ihren Lockſtimmen in feinem Ge⸗ ſange, ſehr haͤufig aber, und, wie es ſcheint, mit beſonderem Wohlbehagen, ihn den Finkenſchlag oft ganz, manchmal aber auch ohne den Schlußaccord, ſehr taͤuſchend, aber immer in einem ſehr ſchnellen Tempo vortragen. Dieſer und der Stieglitzgeſang ſcheinen ihm des Nachahmens am meiſten werth; man hoͤrt ſie we⸗ nigſtens am oͤfterſten, und ſelten tragt ein Vogel feinen eigenthuͤm⸗ lichen Geſang ganz unvermiſcht vor. Dieſe Eigenheit erinnert wieder an die Wuͤrger. — Es iſt ein ſehr fleißiger Saͤnger, faͤngt meiſtens ſchon eine Stunde vor Tage an, ſingt faſt den ganzen Tag und bis in die Nacht hinein, zuweilen auch mitten in der Nacht. Bei naͤchtlicher Stille klingt dieſer Geſang beſonders ſehr anmuthig. — Es ſingt aber nur am Brutorte und faͤngt bald nach ſeiner Ankunft, zuweilen auch erſt gegen die Mitte Maies, damit an; nach Johannis hoͤrt man aber nur ſelten noch eins ſingen. Es ſitzt dabei immer erhaben, auf den Spitzen der Doldenpflanzen, Diſteln, Kratzbeer⸗, Dorn- oder Seilweidenbuͤſchchen, oder auch auf der oberſten Spitze einer Kopfweide, ja zuweilen wol auf der eines noch viel höhern Baumes. Auf den Wieſen bei meinem 916 III. O. XIX.6109. Braunkehlige Wieſen ſchmaͤtzer. Wohnorte hatte einmal eins die hoͤchſte Spitze einer ſehr hohen Erle zum Lieblingsſitze erwaͤhlt und ſang ſelten anderswo als auf dieſer hohen Stelle; ein anderes, nicht weit von dieſem wohnendes Maͤnnchen begnuͤgte ſich dagegen immer mit den Spitzen eines we⸗ nige Fuß hohen Seilweidenſtrauchs. Nicht ſo gern ſetzen ſie ſich dabei auf hingeſteckte Stoͤcke, Stangen, Wiſche und dergl. Sie ſind auch hier vorſichtig und ſcheu, dies wenigſtens in einem viel hoͤhern Grade als manche andere kleine Voͤgel am Brutorte Nicht ohne viele Muͤhe iſt auch dieſer weichliche Vogel zu zaͤh⸗ men; allein im Zimmer zeigt er ſich ganz anders als im Freien; hier iſt er nicht der unruhige, lebhafte Vogel, deſſen immer rege Thaͤtigkeit man dort auf den freundlichen Wieſen und in den uͤppi⸗ gen Kohlfeldern oft bewundert hatte; nach einigen ungeſtuͤmen Verſuchen, ſich die Freiheit wieder zu verſchaffen, ſitzt er ſtill, wiederholt dieſe nur von Zeit zu Zeit und lehnt dabei gewoͤhnlich alle angebotenen Nahrungsmittel mit ſtoͤrrigem Trotz ab. So dau⸗ ert es meiſtens, wenn man ihm dieſe nicht einzuſtopfen ſucht, nicht lange, und er iſt dahin. Nur wenige nehmen Inſecten und dergl. freiwillig an, und ſo iſt es auch mit ſolchen, die man in die Wohn⸗ ſtuben ſetzt, wo nur ſelten einmal einer Fliegen faͤngt. Solche habe ich dann aber auch nicht laͤnger, als hoͤchſtens eine Woche lang, erhalten koͤnnen, wo ich ihnen, wenn ſie traurig wurden, immer gleich die Freiheit wiedergab, weil ich durch Erfahrung belehrt war, daß es ſo mit ſolchen nie mehr lange dauerte. — Im Kaͤfig mag er ſich indeſſen beſſer halten, und man hat Beiſpiele, daß ſich ein⸗ zelne mehrere Jahr lang wohl befanden, aber nur ſelten einmal ei⸗ ner ordentlich ſingen wollte. Einige Liebhaber brachten es auch da⸗ hin, manche ſo zahm zu machen, daß ſie ihnen nachflogen, ſich auf den Kopf ſetzten, ſich angreifen ließen, u. ſ. w. So viele Schwierig— keiten uͤbrigens der Zaͤhmung dieſes Vogels im Wege ſtehen, ſo find fie doch hier leichter zu befiegen als bei den viel wildern, un⸗ geſtuͤmern grauen Steinſchmaͤtzern. N aher u n . Dieſe beſteht vorzuͤglich in kleinen Kaͤfern aus allerlei Gat⸗ tungen, von der Groͤße des Harpalus ruficornis bis zu der einer Haltica nemorum und noch kleinerer herab, vorzuͤglich aus kleinen Erdkaͤfern und ſolchen, welche auf niedrigen Pflanzen leben; auch einzelne Zangenkaͤfer (Forficula) und viele Ameiſen habe ich manch⸗ mal im Magen gefunden. Sie freſſen auch kleine Heuſchrecken III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wiſenſchmaͤtzer. 917 und deren Larven. Gegen den Herbſt machen Raupen, beſonders die im Kohl lebenden der Weißlingarten (Pap. brassicae, rapae und napi), die Hauptnahrung dieſer Voͤgel aus, obgleich ſie dane⸗ ben die ſchon ſeltner werdenden Kaͤferchen nicht verſchmaͤhen, und auch, wie mir die Oeffnung des Magens oft gezeigt, Ameiſen, Fliegen, Bremen und dergl. nebenbei haͤufig verzehren. — Von ihren erhabenen Sitzen herab koͤnnen fie einen groͤßern Umkreis uͤber⸗ ſchauen, und fo ſieht man fie von dieſen bald hier-, bald dorthin fliegen, ein Inſect von der Erde aufnehmen, einem anderen hier in einigen Sprüngen nachſetzen u. ſ. w. und ſich dann wieder auf die erſte oder eine ähnliche Stelle ſetzen, um von neuem aufzupaſſen. Aber nicht allein auf die kriechenden, ſondern auch auf die fliegen⸗ den Inſecten erſtreckt ſich ihre Jagd, und fie fangen die vorbei— oder uͤberwegfliegenden mit ungemeiner Gewandtheit im Fluge, ſo daß ſie oft von ihrem Sitze ſenkrecht in die Hoͤhe fliegen, da nicht ſelten 10 bis 12 Fuß hoch in der Luft eins fangen und mit einer eigenen Schwenkung auf ihren Sitz ſich wieder herabſtuͤrzen, oder auf einer andern nahen Erhabenheit niederlaſſen. Dies ſieht man an heitern Nachmittagen, beſonders kurz vor Sonnenuntergang, wo die kleinen Kaͤfer anfangen herumzuſchwaͤrmen, am haͤufigſten in den Kartoffelfeldern; nicht fo in den Kohlſtuͤcken, wo fie meiſtens von Raupen leben. N Im Zimmer geht ſelten einer freiwillig an vorgelegte lebende oder halbtodte Inſecten; man muß ſie ihm einſtopfen und ſo nach und nach an ein fuͤr einen ſo zaͤrtlichen Vogel paſſendes Stuben⸗ futter zu gewoͤhnen ſuchen, was freilich muͤhſam und dazu ſelten belohnend iſt. Indeſſen gluͤckte es doch mit einzelnen, und Bech⸗ ſtein erwaͤhnt eines ſolchen, welcher ſogar nichts als Hanfſamen (vermuthlich geſchaͤlten oder gequetſchten) fraß und dabei zwei Jahr hindurch erhalten wurde. — Frei in der Wohnſtube herum⸗ fliegend gewoͤhnen ſie ſich, weil ſie lange nicht ſo wild ſind, zwar leichter als die grauen Steinſchmaͤtzer, doch wollen ſich auch viele nicht mit Fliegenfangen abgeben, und von drei und vier Stuͤ⸗ cken bequemt ſich kaum eins dazu. Sie zeigen hier auch nicht die Gewandtheit wie im Freien, fangen die Fliegen faſt einzig an den Fenſtern, wo ſie ſolche ſtillſitzend erlauern und dann in Spruͤngen zu erhaſchen ſuchen. Fortpflanzung. x Ueberall, wo Wieſen von nicht zu geringem Umfange und von oben beſchriebener Beſchaffenheit ſind, niſten dieſe Voͤgel in 918 II. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. Deutſchlands Ebenen und Gebirgsgegenden und ſind im Som⸗ mer in den meiſten keine Seltenheit. Ihr Neſt findet man faſt nie anders als im Graſe der Wieſen oder an grasreichen Stellen unter einem kleinen Geſtraͤuche, Ge— genden, die nicht geeignet find, das Auffinden deſſelben leicht zu machen. Das meiſtemal wird es durch Zufall, z. B. beim Abbrin⸗ gen des Graſes, entdeckt; ſonſt iſt das Aufſuchen deſſelben ge— woͤhnlich ſo muͤhſam als fruchtlos. Die Stelle, auf welcher es ſteht, bildet zwiſchen dem Graſe meiſtens eine kleine Vertiefung, ſo daß der Rand des Neſtes mit dem flachen Boden waagerecht ſteht und beim Abmaͤhen des Graſes die Senſe es nicht immer zerſtoͤhrt. So findet man es am allerhaͤufigſten mitten auf einer Wieſenplaͤne, an einem Plaͤtzchen, das ſich von den Umgebungen gar nicht aus⸗ zeichnet, wodurch es, ſelbſt wenn das Gras abgebracht iſt, nur mit Muͤhe wiedergefunden wird. Sogar die Leute, welche das Gras abmaͤhen, finden es ſeltner als die, welche dies nachher mit Har⸗ ken oder Rechen zuſammen bringen; ja ich weiß ſogar Faͤlle, daß es bei alledem von keinem gefunden ward, und die Voͤgel, trotz der vorgegangenen großen Veraͤnderung, ihre Brut gluͤcklich aufbrach⸗ ten. — Es beſteht aus einem lockeren Geflecht von trocknen Wuͤr⸗ zelchen, duͤrren Stengeln, Grashalmen und Grasblaͤttern, mit mehrerem oder wenigerem gruͤnen Erdmoos vermiſcht, im Innern aus denſelben, aber feineren Stoffen, dem zuletzt, einzelne Pferdehaare die Vollendung geben. Oft findet man aber auch Haare von andern Thieren und Wollenkluͤmpchen darin, und ſo iſt es im Ganzen dem der gelben Bachſtelze ſehr aͤhnlich. Ich habe auch Neſter gefunden, deren Hauptbeſtandtheil bloß gruͤnes Erdmoos war. Gewoͤhnlich findet man in einem Neſte fuͤnf bis ſechs Eier, ſeltner ſieben, die in der Form denen des grauen Steinſchmaͤtzers ganz ahnlich, jedoch von einer viel ſchoͤnern, ſatteren Farbe und von einer viel geringern Groͤße ſind. Sie haben ſtets eine kurz ovale Geſtalt, ſind oft in der Mitte ſehr bauchig, oft auch nicht, an einem Ende ſehr abgerundet, an dem andern Ende ſpitz zugerundet, und haben eine glatte Schale mit merklichem Glanz. Ihre Farbe iſt (friſch) ein gar ſchoͤnes helles Blaugruͤn oder eine Gruͤnſpanfarbe, oft ſchoͤner als bei den Eiern des Gartenroͤthlings, von welchen ſie ſich durch ihre kuͤrzere, di— ckere Geſtalt unterſcheiden. Mit denen der Heckenbraunelle haben fie ebenfals große Aehnlichkeit; dieſe find aber meiſtens groͤ⸗ III. O. XIX. 6.109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. 919 ßer, weniger bauchig und oft laͤnglichter. Sehr haufig wird jedoch der Unterſchied zwiſchen den Eiern dieſer drei Arten ſelbſt dem Ken⸗ ner ſchwer. — In der ſtaͤrkern oder blaſſern Anlage der blaugruͤ— nen Farbe finden ſich nur unbedeutende Abweichungen, mehr noch in Form und Größe; allein nicht alle find völlig einfarbig. Man findet naͤmlich, wie beim grauen Steinſchmaͤtzer, in manchem Neſte Eier, die am ſtumpfen Ende feine Punkte von einem bleichen ſchmutzigen Gelbroth oder von einer ſehr matten Roſtfarbe haben, die ſich nicht ſelten zu einem lichten Kranze von Punkten vereinigen; dieſe ſind zwar ſelten, aber jene mit einzelnen Punkten eben nicht. Auf dieſe Weiſe aͤhneln die Eier unſeres Vogels auch denen des ſchwarzkehligen Wieſenſchmaͤtzers etwas, doch iſt die Grundfarbe beim braunkehligen immer ein reineres und weit ſchoͤne⸗ res Blaugruͤn. — Binnen dreizehn bis vierzehn Tagen werden ſie vom Weibchen allein ausgebruͤtet, und die Jungen nachher von beiden Aeltern mit Inſecten und Inſectenlarven aufgefuͤttert, ſehr geliebt und nach dem Ausfliegen noch eine Zeit an „zuweilen bis zur Wegreiſe, gefuͤhrt. Sie machen alljaͤhrlich nur Eine Brut, wenn ihnen nicht etwa noch fruͤh genug Neſt und Eier geraubt wurden, wo ſie dann wol noch ein Neſt bauen, aber nur vier bis fuͤnf Eier legen. Sie ſind ſo liſtig, daß ſie, ſolange ein ſie beobachtender Menſch in der Naͤhe iſt, nicht zum Neſte gehen, und ſolange ſie bloß Eier haben, auch dieſe nicht durch aͤngſtliche Gebehrden und vieles Schreien ver⸗ rathen. Bei den Jungen iſt dies aber ſehr der Fall; doch ſetzen ſie dabei die eigene Sicherheit nicht leicht aufs Spiel. — Nicht oft vor Ende des Maies, ſondern meiſtens erſt im Anfang des Juni findet man ihre Neſter mit der vollen Zahl von Eiern; zuweilen haben ſie ſogar um Johannis noch keine Junge, was man beim Heumachen nicht ſelten findet. Einen ſonderbaren Fall kann ich hier nicht unberuͤhrt laſſen- Ein Neſt, welches beim Abbringen des Graſes auf einer meiner Wieſen die Senſe verſchont hatte, enthielt ſieben Eier von ziemlich verſchiedener Groͤße und Geſtalt. Das Weibchen bruͤtete gluͤcklich fort, wenn es gleich durch das Heuma⸗ chen ſehr oft geſtoͤrt wurde, ja ſelbſt einmal einer der Arbeiter mit der Harke (Rechen) die Eier zum Theil herausgeſcharrt und das Neſt merklich beſchaͤdigt, darauf jedoch dies Verſehen durch Ordnen des Ganzen wieder gut zu machen geſucht hatte. Nach einigen Tagen waren zwei Junge ausgeſchluͤpft; allein vergeblich erwartete ich dies von mehreren Eiern. Nach fieben Tagen, als die beiden 920 III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. Jungen ſchon Stoppeln bekamen, nahm ich die übrigen fünf Eier weg, um ſie fuͤr Sammler auszublaſen und aufzuheben; da fand ich denn aber zu meinem Erſtaunen noch in dreien lebende junge Voͤgel, die aber noch ſo klein waren, daß ſie bis zum Ausſchluͤp⸗ fen wol noch fuͤnf bis ſechs Tage haͤtten haben muͤſſen. Zwei Eier waren klar und unbefruchtet. Dies Weibchen mochte alſo, nach— dem es die zwei erſten Eier gelegt, uͤber eine Woche mit Legen inne gehalten, dabei aber ſchon gebruͤtet und nun erſt die uͤbrigen dazu gelegt haben; doch wuͤrde, wenn ich das haͤtte ahnen koͤnnen und ſaͤmmtliche Eier im Neſte gelaſſen haͤtte, die Beobachtung der jungen Voͤgel, von ſo ſehr ungleichem Alter in Einem Neſte, hoͤchſt interreſſant geworden ſein, da die beiden erſten faſt fluͤgge ſein muß⸗ ten, wenn die andern erſt den Eiern entſchluͤpften. — — Die Jungen verlaſſen das Neſt, ſobald ſie nur etwas flattern koͤnnen, und wenn die Schwanzfedern noch ganz kurz ſind; ſie wiſſen ſich bei Gefahren ſehr ſchnell zu verkriechen und im Graſe oder Gebuͤſche zu verbergen, wobei die Alten ſich nie weit entfernen und a um fie beforgt ins ? Feinde. Von den Raubvoͤgeln iſt ſelten einer ſo gluͤcklich, einen dieſer vorſichtigen und fluͤchtigen Voͤgel zu erwiſchen, weil ſie ſich bei Erblickung eines ſolchen ſogleich im Graſe, zwiſchen Kohl- und Kartoffelſtauden, u. ſ. w. verkriechen; deſto oͤfter verwuͤſten die kleinern Raubthiere, auch Ratten, Maͤuſe, Igel und Spitzmaͤuſe, ihre Brut, welche auch beim Heumachen und Ab⸗ bringen des Graſes, vorſetzlich oder wider Willen, unzaͤhlig oft zu Grunde gerichtet wird. 5.090 Als liſtige und vorſichtige Voͤgel, merken fie es bald, wenn man ſie verfolgt, und halten dann nicht gut mehr ſchußmaͤßig aus; doch ſind ſie lange nicht ſo ſcheu wie die grauen Steinſch maͤ⸗ tzer und fliegen auch nie ſo weit weg. Im Herbſt kann man ſie leicht und, wenn man es darauf an⸗ legt, in Menge fangen, wenn man auf den Kohl=, Kartoffel- und Ruͤbenaͤckern folgendermaßen verfaͤhrt: Man nimmt naͤmlich etwa 2 Fuß hohe Stoͤcke, die man zwiſchen jene Pflanzen hier und da in den Erdboden ſteckt und auf jeden einen Sprenkel haͤngt; ſie wollen ſich auf den Stocken umſehen und werden gefangen. Die Stoͤcke III. O. XIX. G. 109. Braunkehlige Wieſenſchmaͤtzer. 921 muͤſſen nur etwas hoͤher als jene Pflanzen, aber ja nicht zu hoch ſein. Statt der Sprenkel kann man auch Leimruthen oder Schlin- gen nehmen, am beſten wenn man an der Spitze des Stockes ein paar Fußſchlingen anbringt; denn wenn man etwas tiefer ein Quer- holz macht und oben an den Stab die Schleifen ſo befeſtigt, daß der Vogel ſich mit dem Kopfe fangen ſoll, wenn er ſich aufs Ouer— holz ſetzt, ſo iſt es unſicherer, weil er immer lieber auf der hoͤchſten Spitze des Stockes ſitzt. — Will man nun dieſe Voͤgel, auch Steinſchmaͤtzer, dort in Menge fangen, ſo nimmt man viel ſolche Stoͤcke, nebſt Sprenkeln, Schlingen oder Leimruthen, ſtellt ſie in einer Reihe, einige Schritte aus einander, quer durch ein Kohl:, Ruͤben⸗ oder Kartoffelſtuͤck, treibt nun die Voͤgel gemaͤchlich von ei⸗ nem Ende des Ackers darauf zu, loͤſt die gefangenen aus, umgeht das Stuͤck und treibt ſie vom andern Ende eben ſo darauf. So verfaͤhrt man mit mehreren Ackerſtuͤcken, und dieſer Fang giebt oft reiche Ausbeute. Man kann die Staͤbe mit den Sprenkeln oder Schlingen auch einzeln im Kohl und dergl. umherſtellen und taͤg— lich einigemal darnach ſehen. — In den großen, mit Gartenboh— nen, Salat und dergl., beſonders mit Samen tragenden Mohrruͤ— ben oder Carotten bepflanzten Beeten faͤngt man ſie ebenfals ſehr leicht in hingehaͤngten Sprenkeln. Nutz en. Durch ihre Nahrung werden ſie außerordentlich nuͤtzlich, bes ſonders im Kohl, der Raupen wegen. — Sie ſind im Herbſt meiſtens ſehr fett, und ihr Fleiſch giebt dann ein vortreffliches, wohl—⸗ ſchmeckendes Gericht. — Ihr angenehmer Geſang erfreut beſon⸗ ders bei naͤchtlicher Stille, oder wenn eben der junge Tag durch ei⸗ nen lichten Streif im Oſten ſich ankuͤndigt, naͤmlich ehe jener noch von dem Girlen der Feld lerchen uͤberſchrien wird. Schaden. Man beſchuldigt ſie des Bienenraubes; ob mit Recht oder Un⸗ recht, kann ich nicht beſtimmen. Ich habe nie eine Honigbiene in dem Magen eines dieſer Voͤgel gefunden. B 922 3Zwanzigſte Gattung. Schwaͤtzer. Cınclus. Bechst. Schnabel: Faſt gerade, nur wenig aufwärts gebogen; die Spitze des Oberſchnabels kaum etwas laͤnger als die untere, merklich abwaͤrts gebogen, mit einem ſeichten Ausſchnitt auf der Schneide; der kantige Ruͤcken des Oberkiefers vor den Naſenloͤchern etwas eingedruͤckt; der ganze Schnabel ſchmal, beſonders nach vorn zu ſehr zufammengedruͤckt, und hier die Schneiden merklich eingezogen. Zunge: Lanzettfoͤrmig, ſchmal, mit hornartiger, getheilter, ſeitwaͤrts borſtig zerriſſener Spitze. Naſenloͤcher: Seitlich, am Schnabelgrunde, ritzenfoͤrmig, hinten etwas weiter als vorn, und hier ein wenig aufwaͤrts gezogen; über denſelben befindet ſich eine flache weiche Haut, welche hinter⸗ waͤrts mit kurzen Federchen bedeckt iſt, die ſich mit den e vereinigen. Sie ſind verſchließbar. Fuͤße: Stark, eben nicht kurz; das Ferſengelenk faſt kahl; der Lauf etwas langer als die Mittelzeh, geſtiefelt; von den drei vordern Zehen die aͤußere und mittelſte im Grunde ein wenig ver— wachſen; alle mit ſtarken, ſehr krummen, ſchmalen, unten zweis ſchneidigen Naͤgeln bewaffnet, von welchen der der Hinterzeh der ſtaͤrkſte, und der der vordern Mittelzeh, nach innen zu, mit einem aufgeworfenen Rande verſehen iſt. Fluͤgel: Klein, kurz, etwas gewoͤlbt; die vordern Schwin⸗ gen ein wenig ſaͤbelfoͤrmig gebogen, ſchmal; die erſte ſehr klein, ſchmal und kurz, die zweite ziemlich ſo lang als die dritte, dieſe III. Ordn. XX. Gatt. 110. Schwaͤtzer. 923 und die vierte gleich lang und die laͤngſten; alle vordern Schwin⸗ gen ſchmal, die mittleren und hintern aber anſehnlich breit. Schwanz: Sehr kurz, mit ſehr breiten, weichen Federn und geradem Ende. Der Koͤrper iſt dick, rund, dicht und Kung befiedert; der Kopf flachſtirnig, ſchmal und ſpitz. Dieſe Voͤgel haben einige entfernte Aehnlichkeit mit den Droſ—⸗ ſeln, mehr noch mit den Staaren, ſo daß man ſie fruͤher bald dieſen, bald jenen zugeſellte; ſie haben indeſſen ſo viel Eigenthuͤmli⸗ ches in ihrer Lebensart, was ſich auch ſchon in der Geſtaltung ihres Koͤrpers und einzelner Theile deſſelben deutlich ausſpricht, daß ſie verdienen in einer eigenen Gattung aufgeſtellt zu werden. Ihr dicker und dichter Federpelz charakteriſirt ſie ſogleich als Waſſervoͤgel, ſelbſt der Schnabel hat etwas Taucherartiges; aber die Fuͤße ſind ganz wie bei einem Singvogel. Ob nun gleich die ganze Sipp⸗ ſchaft, fo weit man fie bis jetzt kennt, und die nicht zahlreich an Ar— ten iſt, ſtets am Waſſer lebt und ſich hier von Inſecten und Wuͤr— mern naͤhrt, ſo darf man ſie doch nicht zu den eigentlichen Waſſervoͤgeln zaͤhlen. Sie laufen nicht allein am Waſſer und waden durch daſſelbe, ſondern ſchwimmen und tauchen ſelbſt meiſterhaft und ſtuͤrzen ſich in die brauſenden Strudel, um ihren Fraß vom Boden heraufzuholen. Sie niſten in Höhlen an den Ufern, immer ganz in der Naͤhe des Waſſers, und bauen ziemlich kuͤnſtliche Neſter. Das Neſtgefieder der Jungen iſt bedeutend verſchieden von dem der Alten. Sie mauſern nur Ein Mal im Jahr. * x * Ueber den innern Bau bemerkt H. Nitzſch Folgendes: „Die Gattung Cinclus befist (nach Unterſuchung der einhei— miſchen Art) den vollkommenen Singmuskelapparat am untern Kehlkopfe und ſonach auch alle übrige mit jener Anord⸗ nung immer vergeſellſchaftete Formverhaͤltniſſe. Man findet auch hier das Siphonium und die Nebenſchulterblaͤtter; nur einen hin= tern Fortſatz des Bruſtbeins jederſeits; keine vordere Gaumenleiſte; eine linienfoͤrmige Parotis (D unter dem Jochbogen und längs des⸗ (Y So nenne ich die bei vielen Vögeln von mir wahrgenommene conglomerirte Druͤſe, welche unter den Augen oder am Jochbogen liegt, und deren Ausfuͤh⸗ rungsgang ſich dicht beim Mundwinkel in die Mundhöhle öffnet. Nitzſch. \ 924 III. Ordn. XX. Gatt. 110. Schwaͤtzer. ſelben; paarige knoͤcherne Zungenkernſtuͤcke, einen unbeweglichen Stiel des Zungenbeinkoͤrpers; nur eine paarige Seitenluftzelle in der Bruſt (indem die vordere mit der der andern Seite zur unpaa⸗ rigen Bruſtbeinzelle zuſammentritt); ſehr kurze Blinddaͤrme; von der Schenkelvene durchbohrte Nieren, u. ſ. w.“ Der Oberarmknochen, fo wie alle übrigen Knochen (ei⸗ nige Theile des Kopfgeruͤſtes ausgenommen), ſind durchaus markig, ohne die mindeſte Spur von Pneumaticitaͤt, was dieſen Voͤgeln beim Untertauchen zu Statten kommen muß. „Die Zunge iſt ſchmal, wie gewoͤhnlich bei duͤnnſchnaͤbeli⸗ gen Singvoͤgeln groͤßtentheils hornig, am Seitenrande ſcharf, meiſt ſchwaͤrzlich, nur hinten weißlich, an der Spitze ausgeſchnitten und ſehr kurz gezaſert; im vordern Theile des Seitenrandes ſehr fein gezaͤhnelt; hinten, wie gewoͤhnlich, mit zwei ſpitzen Seitenecken und feinen Zaͤhnen am hintern Rande zwiſchen jenen Ecken.“ „Die Naſendruüſe („), welche bei allen übrigen Singvoͤ⸗ geln ſehr klein und oͤfters kaum wahrzunehmen iſt, iſt hier, wie auch die Bürzeldrüfe, in merkwuͤrdiger Uebereinſtimmung mit der Lebensart, verhaͤltnißmaͤßig ſehr entwickelt, indem ſie nicht nur den ganzen Orbitalrand des Stirnbeins vollſtaͤndig in ſichel- oder bogen⸗ foͤrmiger Geſtalt einnimmt, ſondern zugleich viel breiter und ſtaͤrker iſt als bei allen uͤbrigen Gattungen dieſer Ordnung.“ „Der Magen iſt ziemlich muskuloͤs.“ „Das Fell ungemein derb, gar nicht durchſcheinend und überall mit feinem kurzem Flaum, auch zwiſchen den Con-⸗ turfedern, beſetzt; eine Anordnung, die bei den aͤchten Singvo⸗ geln nicht weiter vorzukommen ſcheint.“ Eine Art. ( Man vergl. meine Abhandlung über die Nafendrüfe der Vögel in Meckels Archiv fuͤr die Phyſiologie, Band 6. S. 234. — Hier habe ich zugleich die erſte Andeutung meines Syſtems der V. gegeben. Nitz ch. 925 110. Der Waſſer⸗Schwaͤtz er. Cin clus aguaticus. Bechst. Fig. 1. Maͤnnchen. Taf. 91.] — 2. Weibchen. — 3. Junger Vogel. \ Gemeiner Waſſerſchwaͤtzer, braunbaͤuchiger Waſſerſchwaͤtzer, Waſſerſtaar, Waſſerdroſſel, Waſſeramſel, Waſſermerle, Waſſer⸗ ſaͤnger, Bachamſel, Bachſprehe, Stromamſel und Seeamfel. - Cinclus aquaticus. Bechſtein, ornith. Taſchenb. I. S. 206. Deſſen Naturg. Deutſchl. III. S. 808. — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 207. — Nilsson orn. suec. I. p. 261. n. 120. = Sturnus Cinelus. Linn. faun. suec. p. 78. n. 214. = Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 803. n. 5. = Retz. faun. suec. p. 228. n. 20. Turdus Cinelus. Lath. ind. orn. I. p. 343. n. 57. = Le Merle eau. Buff. Ois. VIII. p. 134. t. 11. — Edit. de Deuxp XV. p. 167. t. 2. f. 4. — Id. pl. enl. 940 = Gerard. tab. Elm. II. p. 260. Cinele plongeur. Temm. Man, nouv. Edit p. 177. = Mater Ouzel. Lath. syn. II. 1. p. 48. n. 50. — Ueberſ. v. Bechſtein, III. S. 45. n. 50 = Bewick britt. Birds. II. p. 16. — Waterspreeuw. Sepp. Nederl. Vog. I. t. p. 25. = Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweiß. S. 98. n. 103. — Mey 5 Voͤg. Liv⸗ und Eſthlands. S. 106. = Koch, Baier. Zool. I. S. 194. n. 114. — Naumanns Vog. alte Ausg. III. S. 471. Tab. 72. Fig. 114. und Nachtr. ist ©. 71. , et Mit weißer Kehle, Gurgel und Oberbruſt, dunkel fchiefer: grauem Unterleibe, welcher an der Bruſt in Roſtbraun uͤbergeht, bei den Jungen hier aber weiß und ſchwaͤrzlich beſpritzt iſt. Be ſ chere i b u n Nur von Unkundigen konnte dieſer Vogel mit der Ring droſ— ſel verwechſelt werden, wie die vermengte Geſchichte beider in ei⸗ nigen aͤltern Werken beweiſt. Sonſt hat er in Geſtalt und Größe eher Aehnlichkeit mit dem gemeinen Staar; aber fein Gefieder iſt ganz anders gefaͤrbt und ſo dicht und pelzartig wie bei einem Waſſervogel. 926. III. Ordn. XX. Gatt. 110. Waffer: Sch waͤtzer. Sein von Federn entbloͤßter Koͤrper hat kaum die Groͤße des Europaͤiſchen Seiden ſchwanzes, fein großes Gefieder macht ihn aber dicker und größer. Er mißt in der Lange 7% bis faſt 8 Zoll, in der Breite 12 bis 13 Zoll. Der Schwanz iſt nur 2 Zoll lang; ſeine 12 breiten weichen Federn ſind am Ende kurz abgerun⸗ det, oft ſo abgenutzt, daß ſie wie gerade verſchnitten ausſehen, die aͤußerſte nur wenig kuͤrzer als die andern, weswegen das Schwanz⸗ ende gerade erſcheint. Die Flügel find klein, kurz, etwas ge- wölbt, und die großen Schwungfedern ein wenig ſaͤbelfoͤrmig gebo⸗ gen, von dem Verhaͤltniß der Länge zu einander, wie oben ange⸗ geben. Die Flügel reichen mit den Spitzen kaum etwas über die Schwanzwurzel; die obern und untern Schwanzdeckfedern ſind lang und dicht. Der Schnabel iſt 8 Linien lang, verhaͤltnißmaͤßig nicht groß, an der Wurzel 3 Linien hoch und faſt eben ſo breit, ſchmutzig braunſchwarz, mit faſt ſchwarzer Spitze, inwendig horngrau, Zunge und Rachen hinterwaͤrts ſchmutzig fleiſchfarben; bei den Jungen iſt alles lichter. Die Zuͤgel, Halfter und der obere Theil der Na— ſendecke ſind mit kurzen derben Federchen bedeckt, unter welchen keine Spur von Borſten oder Haͤaͤrchen; die Augenſterne ſind lebhaft hellbraun, bei den Jungen ebenfals lichter als bei den Al⸗ ten;”) das Augenliedraͤndchen iſt weißlich befiedert. Die Füße find mittelmäßig, ziemlich ſtark, die Laufe geſtie⸗ felt, die Zehenruͤcken grob geſchildert; die ſtarken Naͤgel ſind ziem⸗ lich ſtark gekruͤmmt, hochruͤckig, ſchmal, unten zweiſchneidig; die kurzen Federn des Unterſchenkels laſſen das kahle Ferſengelenk un- bedeckt. Eine ſchmutzige, gelbbraͤunliche Hornfarbe, die vorn auf den Laͤufen am lichteſten, an den Zehen aber viel dunkler iſt und an den Sohlen ins Dunkelgraue zieht, iſt die Farbe der Fuͤße und Nägel, wobei dieſe letztern auf dem Ruͤcken am dunkelſten find. Die Höhe des Laufs beträgt etwas über 14 Zoll; die Lange der Mittelzeb, mit dem Nagel, 1 Zoll 1 Linie; die der Hinterzeh mit dem 5 Linien langen Nagel 10 Linien. Die Fuͤße ſehen im Ganzen Staarenfuͤßen aͤhnlich, Der ganze Oberkopf, Zügel und Wangen, Genick, Hinter und Seitenhals find umbrabraun, nach dem Rüden herab dunkler oder ſchwaͤrzlich überflogen ; alle übrigen obern Theile ſchieferfarben, *) Gris de perle, wie Temminck ſagt, ſah ich fie nie. III. DOrdn. XX. Gatt. 110. Waſſer⸗Schwaͤtzer. 927 braunſchwarz geſchuppt, weil die Federn auf dem ganzen Ruͤcken bis an den Schwanz, an den Schultern und auch die kleinen Fluͤ⸗ geldeckfedern eigentlich dunkelaſchgrau oder ſchieferfarben, an den ſchwarzbraunen Schaͤften aber dunkler ausſehen und am Ende ei⸗ nen ziemlich abſtechenden braunſchwarzen Rand haben. Die Kehle, der ganze Vorderhals und Kropf, bis auf die Oberbruſt herab, ſind rein weiß, was ſcharf von den dunkeln Farben der uͤbrigen Theile begrenzt wird; der zunaͤchſt an das Weiße grenzende Theil der Oberbruſt iſt roſtbraun (beinahe kaſtanienbraun), abwaͤrts dunkler und nach dem Bauche in Schwarzbraun uͤbergehend; die Weichen und Seiten der Unterbruſt dunkel ſchiefergrau, an den Schaͤften ſchwaͤrzlich; die untern Schwanzdeckfedern eben ſo, aber mit hell roſtbraunen Endkanten. Die groͤßern Fluͤgeldeckfedern, nebſt den Schwingen, find fahlſchwarz, mit dunkelaſchgrauen oder ſchieferfar— benen Kanten, welche ſich zum Theil bis uͤber die halbe Außenfahne ausdehnen; aber die großen Schwingen haben an den Enden nichts hiervon, ſondern an den Raͤndern bloß ein lichteres Fahlbraun; uͤbrigens haben die großen Deckfedern und faſt alle Schwingen feine hellweiße Spitzenſaͤumchen, die ſich jedoch bald abſtoßen. Die Schwanzfedern ſind fahlſchwarz, mit glaͤnzend ſchwarzen Schaͤften und ſchieferfarbenem Ueberflug auf den Außenfahnen. Von unten find fie einfarbig fahlſchwarz; die Schwingen unten glänzend dun= kelgrau, mit lichten Kanten; die untern Fluͤgeldeckfedern ſehr dun⸗ kel ſchieferfarben, mit grauweißen Endſaͤumchen, oder auch ohne dieſe. Die Schenkelfedern, nach der Fußbeuge zu, ſind rauchfahl. Dies iſt das Gewand des alten Maͤnnchens im Herbſte oder Winter. Im Fruͤhjahr wird es etwas lichter, die wei: ßen Saͤumchen an den Enden der Fluͤgelfedern verſchwinden, die ſchwarzbraunen am Ruͤcken werden ſchmaͤler, und das Aſchgrau tritt dann mehr hervor; aber noch auffallender wird dies im Sommer, wo dann alle Federn an den Raͤndern wie benagt ausſehen, was beſonders an den Buͤrzel- und Schwanzfedern ſehr bemerklich wird, wo dann auch die Umbrafarbe des Kopfes viel fahler geworden und abgebleicht iſt. | Das alte Weibchen iſt wenig verſchieden. Es iſt etwas kleiner, der Oberkopf fahler oder grauer, der Rüden unordentli⸗ cher geſchuppt, weil die ſchwarzbraunen Federraͤnder nicht ſo dun⸗ kel find und vom ſchiefergrauen Grunde ſich nicht fo ſcharf abſchnei⸗ den; am Unterleibe iſt es lichter, obgleich weniger roſtbraun, weil alle Federn lichtere Spitzen haben, und die untern Schwanzdeckfe⸗ ” 928 III. Or dn. XX. Gatt. 110. Waſſer⸗Schwaͤtzer. dern haben nur braͤunlichweiße Endkaͤntchen. Die lichten Feder⸗ ſaͤume reiben ſich zwar nach und nach ch ab, aber es ſieht dann im Ganzen doch immer viel lichter und a aus, als das Maͤnnchen ſelbſt im Sommerkleide. Die juͤngern Maͤnnchen gleichen im Aeußern dem alten Weibchen, und die jungen Weibchen ſind bloß etwas lichter, beſonders am Unterleibe lichter rothbraun und mit breitern roͤthlich⸗ grauweißen Endkanten der Federn verſehen als die gleichalten Maͤnnchen. Sehr auffallend groß iſt der Unterſchied zwiſchen Alt und Jung und zwiſchen beiden Geſchlechtern überhaupt nicht. Sehr verſchieden von allen dieſen iſt dagegen das erſte Fe— derkleid der Jungen. Gleich anfaͤnglich ſind dieſe mit lan⸗ gen, ſehr dichtſtehenden ſchieferfarbenen Dunen bekleidet, wenn ſie aber Federn bekommen haben, ſehen ſie ſo aus: Der Oberkopf, Nacken und alle obern Theile ſind ſchiefergrau, etwas ſchmutzig, mit ziemlich breiten, braunſchwarzen Spitzenraͤndern; die Kehle, Gurgel und Bruſt, bis auf den eigentlichen Bauch herab, weiß, gelblich uͤberlaufen, mit zerſchliſſenen ſchwarzbraunen Endſaͤumen der Federn, welche am Kropfe und der Bruſt am breiteſten und auffal⸗ lendſten ſind; die Seiten der Bruſt ſchmutzig dunkelſchiefergrau, die untern Schwanzdeckfedern am Ende eben ſo, im Grunde aber ſchmutzig roſtgelblich; die mattſchwarzgrauen Schwanzfedern haben truͤbe weiße Endſaͤume, die groͤßern Fluͤgeldeckfedern, auch die Schwingen, beſonders hinten auf dem Fluͤgel, hellweiße Spi⸗ tzenſaͤumchen, wodurch ſich einige weiße uerlinien bilden. Schna⸗ bel und Fuͤße ſind viel lichter als bei den Alten, die Augenſterne graubraun; die Fußſohlen ſchmutzig gelb. Wenn ſie einige Zeit geflogen haben, wird der Unterleib weißer, die ſchwaͤrzlichbraunen Federſaͤume ſtoßen ſich ab, und von oben werden die Farben auch grauer; dann verlieren ſich die weißlichen Mundwinkel und gelb—⸗ lichen Zehſohlen, und bald fangen ſie nachher an ſich zum erſtenmale zu mauſern, bekommen aber dann das beſchriebene Kleid der juͤn⸗ gern Voͤgel. Im Neſtkleide ſind Maͤnnchen und Weibchen . nicht zu unterſcheiden. Manchem dieſer Voͤgel ſcheint der durch die zarten Endſaͤume der großen Fluͤgeldeckfedern gebildete weißliche Querſtrich auf dem Fluͤgel zu fehlen, bei andern bemerkt man am Unterleibe ſchwaͤrzliche Federſpitzen, und bei noch andern ſcheidet ſich an den Federn des Oberkoͤrpers ein lichtes Schiefergrau deutlich vom dunkleren Grunde, Ul. Ordn. XX. Gatt. 110, Waffer-Shwäßer. 929 und grenzt in halbmondfoͤrmiger Geſtalt an den PR ER ee Federſaum, welches ein ſchoͤne Miſchung giebt. Spielarten ſind, außer einer weißgefleckten, dies 5 kannt. Ey uf en e Unſer Waſſerſchwaͤtzer bewohnt die kaͤltere und gemaͤßigte Zone, ja, er ſcheint noch mehr der erſteren anzugehoͤren. Man ſahe ihn bis Finnmark hinauf und auf den Faͤroͤer Inſelnz auch in Kamtſchatka ſoll er vorkommen. So iſt er im noͤrdlichen Aſien, wie im noͤrdlichen Europa, in vielen Laͤndern angetroffen worden. In Norwegen iſt er beſonders gemein. Er iſt ferner in Schweden, England, Frankreich, Italien, in der Schweitz und in Deutſchland nicht ſelten, in gewiſſen Diſtric— ten ſogar gemein, dies aber uͤberall nicht wo Gebirge fehlen. Ganz ebene Gegenden verſchmaͤhet er und läßt ſich daſelbſt bloß zus faͤllig und ſehr ſelten einmal ſehen. So iſt er in Holland ſo ſelten, wie in den Ebenen des noͤrdlichen Deutſchlands, dage— gen am Harz, in Thuͤringen, dem gebirgigen Theil von Sachſen, in Franken und anderwaͤrts, wo es Berge mit raus ſchenden Baͤchen und andern klaren, zur Winterszeit offnen Ges waͤſſern giebt, wie in der Schweitz und in den Vogeſen, hier und da ziemlich gemein. In der hieſigen Gegend, welche durch— aus eben iſt, fand ich ihn daher binnen vielen Jahren nur einige— mal an dem Fluͤßchen Nuthe, ohnweit Zerbſt, da wo ſich dieſe aus mehreren kleinen klaren Baͤchen bildet, welche ſich durch wal— dige, etwas unebene Gegenden ſchlaͤngeln. — Sehr zahlreich an Individuen iſt indeſſen dieſe Art nirgends. Er iſt ein Stand vogel, wenigſtens für Deutſchland, und alte Voͤgel verlaſſen nur eim Nothfall das einmal gewählte Revier; junge moͤgen aber doch auch manchmal weit wegſtreichen. Dieſe Strichzeit iſt im Herbſt der October und November, im Fruͤhling der Maͤrz. Muͤſſen ſie da durch ebene Gegenden, ſo verweilen ſie nie lange daſelbſt, wiſſen aber hier immer das wenige klare, fließende Waſſer aufzuſuchen. Wahrſcheinlich machen ſie dieſe Heinen Reiſen des Nachts. Sie uͤberwintern an den offnen Stellen der Gewaͤſſer, beſonders an reißenden Bergſtroͤmen und rauſchenden Baͤchen, wo das Waſſer vom Eiſe frei bleibt; aber es ſind einſiedleriſche Voͤgel, deren felten zwei, die Begattungszeit ausgenommen, bs ds men wohnen. 2ter Theil. 59. 930 III. Ordn. XX. Gatt. 110. Waſſer⸗Schwaätzer. So ſehr ſein Ausſehen auch den Singvogel verraͤth, ſo aͤhnlich iſt er in Lebensart und Aufenthalt den Waſſervoͤgeln, und er iſt deshalb ein wahrer Strandvogel. Man trifft ihn nie anders als am Waſſer an. Er liebt aber vorzuͤglich das klare Waſſer, wie es ſich in Baͤchen und kleinen Fluͤſſen bergiger Gegenden fin— det, zumal ſolcher, die ſchnell fließen, ſteinigen Boden und fel— ſige Ufer haben, welche mit Buſchwerk und Baͤumen beſetzt ſind und hin und wieder Waſſerfaͤlle bilden. Im gebirgigen Norwe— gen, wo dieſe in Baͤchen und Strömen fo haufig find, iſt er da— her ſehr gemein und fehlt ſelten an einem dieſer wildromantiſchen Katarrakten. So ſucht er in den bewohnteren Gegenden, wo ihm die natuͤrlichen fehlen, die kuͤnſtlichen Waſſerfaͤlle bei Muͤhlen und Wehren, felbft in der Nahe der Dörfer auf. In ſolchen Gegen— den, wo es viele kleine Waſſermuͤhlen, Hammer-, Schleif- und Huͤttenwerke giebt, welche vom Waſſer getrieben werden, iſt er in manchen Gegenden, wie z. B. in Thüringen und anderwaͤrts, gar keine Seltenheit, dagegen aber nicht, oder doch ſehr ſelten, an langſam und uͤber lehmigen oder ſchlammigen Boden fließenden Baͤchen und Graben. Sehr gewöhnlich halt er ſich an ſolchen Ge— waͤſſern auf, die von Forellen bewohnt werden, und dieſer Um⸗ ſtand hatte fruͤherhin wol Veranlaſſung zu der Vermuthung gege— ben, daß er Forellenbrut freſſe. Er wohnt oft ſehr hoch im Ge— birge. ö Ob er gleich oͤfters ſolche Gegenden bewohnt, die viel Wald haben, ſo ſieht man ihn doch nie auf Baͤumen, ſelbſt aͤußerſt ſelten auf Zweigen, die dicht uͤber das Waſſer haͤngen oder auf demſelben ſchwimmen. Dies geſchieht nur im aͤußerſten Nothfall und da, wo er keine Pfaͤhle, vorragende Ufer und Steine zu Sitzen findet. Immer lebt er dem Waſſer ſo nahe wie moͤglich, wadet nicht allein da, wo dies ſeicht iſt, durch daſſelbe, ſondern geht haͤufig bis an den Hals hinein, oder taucht ſelbſt in die brauſenden Strudel der Waſſerfaͤlle und Wehre bis auf den Grund unter, laͤuft und ſchwimmt in ſelbigen ganze Strecken unter der Oberflaͤche des Waſ⸗ ſers und auf dem Boden deſſelben fort und koͤmmt oft weit von der Stelle, wo er untertauchte, erſt wieder zum Vorſchein. Er ent⸗ fernt fi auch nie weit vom Waſſer, und ſelbſt fein Flug geht im⸗ mer dicht uͤber ſelbigem und in der Richtung deſſelben hin. So iſt das Revier, was ein einzelner Vogel bewohnt, der Lauf eines einzi⸗ gen Baches, oft uͤber eine halbe Stunde lang, ohne ſich in der Breite uͤber andere Baͤche weiter auszudehnen, wenn dieſe nicht mit III. Ordn. XX. Gatt. 110. Waſſer⸗Schwaͤtzer. 931 dem erſten in Verbindung ſtehen. — Seine Nachtruhe haͤlt er un⸗ ter uͤberhaͤngenden Ufern und in Uferhoͤhlen, dicht am Waſſer; und wenn er daraus ploͤtzlich aufgeſcheucht wird, ſtuͤrzt er ſich nicht ſel— ten, den Waſſerratten aͤhnlich, in das Waſſer, gehet eine Strecke unter ſelbigem es und fliegt dann erſt fort. 5 Eigen ſch hf ten. In ſeinem Betragen hat der Waſſerſchwaͤtzer eine große Aehn⸗ lichkeit mit dem gemeinen Eis vogel. Es iſt ein muntrer, hurtiger und immer froͤhlicher Vogel, den ſelbſt bei der ſtrengſten Kaͤlte ſeine gute Laune nicht verlaͤßt, weil ihn ſein dicker Federpelz, welcher durch den fettigen Anſtrich vor dem Naßwerden völlig geſchuͤtzt iſt, eine erwaͤrmende Bedeckung giebt. Er laͤuft ſehr behend und mit haͤufiger Bewegung des Hin— terleibes und des Schwanzes, ſitzt aber auch, wenn er nicht gerade Nahrung aufſucht, oft lange an einem wenig erhabenen Orte uͤber und an dem Waſſer, auf Steinen, Pfaͤhlen, vorſpringenden Ufern, Wehrbalken und alten Staͤmmen ſtill, wobei er in einiger Entfer⸗ nung nicht leicht bemerkt wird, weil die weiße Kehle dem Schaume des Waſſers, das Uebrige aber den Umgebungen ahnlich ſieht. Er flieht dabei die Annaͤherung des Menſchen und laͤßt ſich ſo ſtunden⸗ weit auf einem Bache forttreiben, dieſem nach allen feinen Kruͤm⸗ mungen folgend, welche er ſehr ſelten, eine kleine Strecke uͤber Land fliegend, verlaͤßt; doch ſind die Jungen im Herbſt oft auch nicht ſehr ſcheu, oder dies doch nur in einem viel geringern Grade als die Alten. Es iſt ein ungeſelliger, einſamer Vogel, fo daß eine Ge— gend ſelten von mehr als Einem Paͤaͤrchen bewohnt wird; auch die Jungen entweichen, ſobald ſie der aͤlterlichen Pflege entwachſen ſind, aus dieſer, und außer der Begattungszeit iſt es ſogar eine Seltenheit, zwei ſolcher Voͤgel nahe beiſammen zu ſehen. — In ſeinen Bewegungen iſt er hurtig und geſchickt, auf dem Lande wie im Waſſer. Er wadet dem Strom entgegen, nicht allein ſo weit es die Hoͤhe der Fuͤße erlaubt, ſondern auch mit dem halben Leibe, ja ſogar bis an den Kopf ins Waſſer, ſchwimmt auch kleine Stre⸗ cken und taucht ſo geſchickt wie ein Waſſervogel. Bald ſpringt er von ſeinem Steine oder einer ſonſtigen Erhabenheit ins Waſſer, bald ſtuͤrzt er ſich im Ueberfliegen in die Strudel, verſchwindet ſo von der Oberflaͤche und koͤmmt nach einiger Zeit oft an einer ganz andern Stelle, ſtromaufwaͤrts, zum Vorſchein. Man ſahe im klaren e wie er beim N die Fluͤgel als Ruder gebrauchte, -982 III. Dron. XX. Gatt. 110. Waffer-Schwäßer. wie dies die meiſten Waſſervoͤgel thun, und wie er auf dem Boden des Waſſers hinlief, als waͤr er auf dem Freien außer dem Waſſer. Seine Geſchicklichkeit im Tauchen iſt in der That bewundrungswuͤr⸗ dig, und oft iſt es unbegreiflich, wie ihn die reißenden Strudel nicht mit ſich fortwaͤlzen.“) Er wetteifert hierin mit jedem Schwimm⸗ vogel. * 5 Sein Flug aͤhnelt ganz dem des gemeinen Eisvogels. Er iſt reißend ſchnell und geht in einer geraden Linie fort. Die Fluͤgel werden dabei ungemein ſchnell bewegt, ſo daß man es ein Schnurren nennen kann; aber er dauert eben nicht lange, weil er, wahrſcheinlich wegen der kurzen Flügel, viel Kraftaufwand erfor= dert, und geht immer ganz niedrig uͤber dem Waſſerſpiegel hin. Eben wie beim Eis v ogel, kann nur ein ihm furchtbarer, im Waf- ſer ſtehender Gegenſtand die Richtung deſſelben ſeitwaͤrts ſo weit veraͤndern, daß da eine kleine Ausbiegung uͤber Land gemacht wird. Sieht ſich der Vogel gezwungen, weit zu fliegen, ſo ſteigt er wol auch einmal ſchief in die Hoͤhe, ſtuͤrzt ſich aber dann da, wo er ſich ſetzen will, faſt ſenkrecht herab. Auch im ſchnellſten Fluge, dicht uͤber dem Waſſer hinſtreichend, ſtuͤrzt er ſich oft ploͤtzlich in daſſelbe und koͤmmt mehrere Schritt weiter erſt wieder daraus hervor. Seine Stimme, die man meiſtens im Fluge oder vielmehr beim Auffliegen hoͤrt, und die eher Angſtgeſchrei als Lockſtimme ſein mag, klingt wie Zerb, zerb, in einem hohen, hellen Tone. Das Maͤnnchen hat einen lauten und ſo abwechſelnden Geſang, daß er ein Geſchwaͤtz genannt werden koͤnnte, indem zwiſchen vielen leiſe ſchnarrenden und zwitſchernden Toͤnen auch laute Strophen und hellpfeifende Toͤne vorkommen, die ihn recht angenehm machen, beſonders weil man ihn nicht ausſchließend im Fruͤhjahr, ſondern auch in andern Jahreszeiten, ſelbſt mitten im Winter und auf dem Eiſe, nicht ſelten hoͤrt. Es ſitzt dann immer dicht am Waſſer auf einem Steine, auf einem Wehrbalken u. ſ. w. und blaͤſt dabei die Kehlfedern ſtark auf. In der Begattungszeit ſingt es am fleißig ſten, im Winter aber bloß bei ſtillem Wetter und Sonnenſchein; dann klingt dieſer Geſang aber auch am angenehmſten. *) Dr. Shiny ſchrieb mir: Ich ſah ihn oftmals in die ſtaͤrkſten Strudel im reißendſten Strom unſerer immer ganz klaren Limmat fih, einſtuͤrzen, wo man glauben follte, er muͤſſe umkommen, und doch ram er Pen ‚Sogar ober⸗ halb des Einſturzes, wieder zum Vorſchein e III. Ordn. XX. Gatt. 110. Waſſer⸗Schwätzer. 983 Man ſoll ihn auch in der Stube erhalten konnen; allein mir ſelbſt iſt kein Beiſpiel hiervon vorgekommen. Nahrung. Di.eſe beſteht in allerlei Inſecten, Inſectenlarven und Pup⸗ pen, die im Waſſer oder in der Naͤhe deſſelben leben, als: Phryga— neen, Haften, Muͤcken, Schnaken, kleinen Kaͤferchen und allerlei Wuͤrmchen. Wie bei den Strandvoͤgeln, findet man auch hier im Magen immer etwas groben Sand oder kleine Kieskoͤrnchen. Daß er auch Fiſchbrut, nahmentlich von Forellen, freſſen ſolle, wird neu⸗ erdings gelaͤugnet, und bei allen, welche ich zu unterſuchen Gele⸗ genheit hatte, fand ich ebenfalls hiervon nicht die geringſte Spur. — Die Inſecten erhaſcht er nicht allein am Ufer, auf Steinen und ſonſt am Waſſer, laufend oder darnach ſpringend, ſondern auch theils im Waſſer wadend, theils ſchwimmend, wo er die auffiſcht, welche ihm die Stroͤmung zufuͤhrt, oder nach andern bis auf den Grund des Waſſers untertaucht, hier auf dem Boden herum laͤuft und ſie ſo hervorholt. Oft ſpringt er nach ihnen von ſeinem Sitze wie ein Froſch ins Waſſer, ein andermal ſtuͤrzt er ſich im Ueberfliegen in daſſelbe, bleibt zur Verwunderung lange unſicht— bar und koͤmmt manchmal an einer ganz andern, ſechs und mehr Schritte entfernten Stelle wieder zum Vorſchein. So ſtuͤrzt er ſich oft mitten in die brauſenden Strudel der Waſſerfaͤlle, oder in die rauſchenden Wehre der Muͤhlen, und kommt nicht ſelten erſt oberhalb des fuͤrchterlichen Sturzes aus dem Waſſer hervor. — Vom Bo⸗ den des Waſſers und aus dieſem holt er beſonders die Larven und Puppen verſchiedener Inſecten und allerlei kleines Gewuͤrm herauf; die vollkommenen Inſecten fiſcht er aber haͤufig von der Oberflaͤche auf und iſt vielleicht deshalb gern an ſolchen Baͤchen, welche mit Bäumen beſetzt find, weil von dieſen viel Inſecten ins Waſſer fals len. Im Winter ſieht man ihn an offnen Stellen und warmen Quellen der Gewaͤſſer, oder an den fuͤr die Fiſche ins Eis gehauenen Loͤchern auf dem Eiſe ſitzen; er bedarf dann, um ſich immer ſaͤtti⸗ gen zu koͤnnen, einen groͤßern Bezirk, welchen er taͤglich durchſtreift. Er badet ſich gern, ſelbſt im Winter bei der ſtrengſten Kaͤlte, und man ſieht ihn auch in diefer Jahreszeit, wenn er nur offnes Waſſ er genug hat, immer lebhaft und fröhlich. er Man hat auch verfucht, ihn mit Fliegen, Yneifengiern und Mehlwürmern an ein RUE zu gewöhnen, und er ſoll bei 934 III. Ordn. XX. Gatt. 110. Waſſer⸗Schwaͤtzer. dem der Nachtigall ziemlich gut ausdauern; aber es koſtet viel Muͤhe, ihn daran zu gewoͤhnen. Fortpflanzung. 4 Dieſe Voͤgel niſten in den oben genannten Gegenden und auch in vielen Theilen Deutſchlands, aber niemals in ganz ebenen Laͤndern. Sie lieben das Rauſchen des Waſſers und niſten daher am liebſten bei Waſſerfaͤllen, oder in der Naͤhe der Waſſermuͤhlen und Muͤhlwehre, allezeit ganz nahe am Waſſer. Die Befchaf- fenheit der Gegenden und Gewaͤſſer, wo fie niſten, iſt oben ange⸗ geben, wo von ihrem Lieblingsaufenthalt die Rede war. Das Neſt ſteht immer in einer Hoͤhle; und weil es ſtets ſehr nahe am Waſſer iſt, ſo kann man nicht immer gut zu ſelbigem ge⸗ langen, und dies erſchwert auch oft das Auffinden deſſelben. Es iſt haͤufig da, wo ein Fels im Bache oder Fluſſe einen ſchroffen Vor⸗ ſprung bildet, in einer Höhle, in einem hohlen, vom Waſſer be⸗ ſpuͤlten Baumſtamme, unter Bruͤcken und Waſſerbetten, auf der Waſſerſeite in den Mauern der Muͤhlgebaͤude und Uferbauten, und oͤfters ſogar in den Schaufeln alter unb auchbarer, oder lange Zeit ſtill geſtandener Muͤhlraͤder. Dieſe letztern ſcheinen ihnen dazu be= ſonders zu behagen; ich habe mehrere ſolche geſehen, und man weiß, g daß ſie mehrere Jahr nach einander in daſſelbe Rad baueten. Die Bauart der Neſter iſt ſo verſchieden, wie die Materialien es ſind. Eine Decke von oben muß es immer haben, und dieſe iſt in ſehr weiten Höhlen oft kuͤnſtlich; in engern, welche vom Neſtmate— rial ganz ausgefuͤllt werden, bildet oft ſchon die Hoͤhle ſelbſt die Decke; allein der Eingang iſt immer enge, nur der Größe des Bo- gels angemeſſen und ſeitwaͤrts, waͤhrend es inwendig einen halb— kugeltiefen Napf bildet. In den Schaufelkaͤſtchen der Muͤhlraͤder ſteht es immer in einem ſolchen, was ſich an der untern Haͤlfte des Rades befindet, ſo daß man glauben moͤchte, das Neſt muͤſſe heraus fallen. Bald bildet hier der obere Theil des Kaͤſtchens die Decke, bald iſt fie kuͤnſtlich aus dem Neſtmaterial verfertigt; aber hier wird nicht ſelten ſeine enorme Groͤße merkwuͤrdig, indem es oft beinahe das ganze Schaufelkaͤſtchen ausfuͤllt und nicht ſelten 2 Fuß lang, oder vielmehr breit iſt. Ich habe eins geſehen, was dieſerwegen Mancher fuͤr kein Vogelneſt wuͤrde angeſehen haben, und deſſen Ein⸗ gang in die Laͤnge gezogen oder etwas roͤhrenfoͤrmig war. Es be⸗ ſtand faſt einzig aus einer großen Menge von gruͤnem Erdmoos, mit wenigem Geniſt vermengt, und hatte auch im Innern nur etwas duͤr⸗ III. Orbn, XX. Gatt. 110. Waſſer⸗Schwatzer. 935 res Laub und wenig zarte Haͤlmchen. Es war ein dicker, ziemlich feſter, glatter Filz und aͤhnelte in mehr als Einer Hinſicht dem Neſte des Zaunſchluͤpfers. — Sonſt iſt es gewoͤhnlich nicht ſehr kuͤnſtlich und dicht gewebt, die Wände aber immer ſehr dick, aus trocknen Pflanzenſtengeln, Halmen, Wurzeln, duͤrrem Gras, Stroh und dergleichen, mit oder auch ohne eingewebtes Moos, inwendig mit duͤrrem Laube und Haͤlmchen ausgelegt. Manchmal bauen ſie es auch von Waſſermoos, wo es ganz feucht iſt und bloß inwendig eine Lage von duͤrren Grashalmen, Stroh und trocknem Laube hat. Die Form iſt, wie es die Hoͤhle, welche es birgt, mit ſich bringt, bald kugelfoͤrmig, bald backofenfoͤrmig, bald gar fo Ba gedrückt daß es zwei⸗ bis dreimal breiter als hoch iſt. Die Eier „an der Zahl vier bis ſechs, ſind bald etwas gu oval, bald auch laͤnglichter, zuweilen an dem einen Ende auffallend dick und ſtumpf, am entgegengeſetzten ziemlich ſpitz, zart⸗ und glattſchalig, aber mit ſehr bemerkbaren Poren, übrigens einfarbig weiß. Unausgeblaſen ſchimmert der Dotter etwas durch und macht ſie gelbroͤthlichweiß; auch glaͤnzen ſie friſch etwas, aber bei weitem nicht ſo ſtark als die Eier unſeres Eisvogels, denen ſie ſonſt, bis auf die etwas ſpitzere Form, ſehr ähneln. In den Sammlun⸗ gen verliert ſich der Glanz nach und nach ganz. — Nach vier⸗ zehn⸗ bis ſechzehntaͤgiger Bebruͤtung ſchluͤpfen die Jungen aus den Eiern; fie werden ſehr von den Aeltern geliebt und reichlich gefüt- tert, ſitzen aber lange im Neſte und haben oft ihr vollſtaͤndiges Ge⸗ fieder ſchon, wenn Schwing- und Schwanzfedern noch ganz kurz find, und ſie das Neſt immer noch nicht verlaſſen. Das Weibchen ſitzt ſo feſt uͤber den Eiern oder zarten Jungen, daß es ſich zuweilen mit der Hand ergreifen laͤßt. Manchmal ſtuͤrzt es ſich, wenn man es erſchreckt, auch gleich aus dem Neſte ins Waſſer und koͤmmt dann auf einer weiten Strecke erſt wieder zum Vorſchein. Dieſe Voͤgel bruͤten regelmaͤßig zweimal im Jahr und fangen ſehr zeitig, naͤmlich im Maͤrz ſchon, damit an. Gewoͤhnlich ge⸗ ſchieht es jedoch das erſte Mal nicht vor dem April, das andere Mal im Juni oder Juli. Man hat indeſſen auch Beiſpiele, daß ſie, wenn es nach einem gelinden Winter frühzeitig warm wurde, noch früher bruͤteten. So erzählen Meisner und S chinz von einem Jungen, welches 1807 am 2ten Februar bei Neubruͤck an der Aar erlegt u ſchon am Iten Januar b ängſrät Wage war. — > 936 III. Orden. XX. Gatt. 110. Waſſer⸗Schwaͤtzer. d Dem Sperber, welcher im Winter zuweilen af fie Sagd macht, ſuchen fie durch eingn verwirrenden, zickzackformigen, auf⸗ und abſteigenden, ſehr ſchnellen Flug zu entgehen. Aber viel mehr als die Alten muß ihre Brut leiden, indem ſie von Iltiſſen, Wieſeln und Waſſerratten aufgeſucht und vernichtet wird, und ploͤtzliches Anſchwellen des Waſſers in den Baͤchen und 9 5 e 6 L Neſt zu Grunde richtet. a Wegen 1 5 Sthel ſind ſie ſchwer zu ſchießen, läden fie nur ſelten ſchußmaͤßig aushalten. Man muß fie entweder ungeſehen zu hinterſchleichen ſuchen, oder man ſtellt ſich da, wo man ſie im⸗ mer ſitzen ſah, in einen Hinterhalt und laͤßt ſie ſich von einer andern Perſon zutreiben. Die jungen Herbſtvoͤgel find nicht fo ſcheu, da⸗ her leichter zu ſchießen. f Beim Fange zeigen ſie ſich ebenfalls ſcheu und mißträufe. Wenn man ihre Lieblingsſitze mit Leimruthen belegt, oder Fußſchlin⸗ gen dahin ſtellt, ſo fangen ſie ſich, wenn man ſie behutſam darauf hintreibt. Man kann an die Leimruͤthchen auch lebende Waſſerin⸗ ſecten kleben. Man erzaͤhlt auch von einzelnen, welche an Fiſch⸗ angeln unter dem Waſſer, von andern, welche, indem fie gerade unter= getaucht hatten, mit dem Fiſchhamen gefangen worden fein follen*). Nutz en. Ihr Fleiſch ſchmeckt recht angenehm, ihr Geſang und ihr mun⸗ teres Weſen erfreuen, und wahrſcheinlich freffen fie auch manches ſchaͤdliche. oder laͤſtige Inſect. Schaden. Wenn es wahr iſt, daß ſie keine Forellen⸗ un andere if brut verzehren, fo ſind ſie ganz unſchaͤdlich. . Nach A ee giebt es wahrſcheinlich in Europa noch eine * So Ehen und ganz zufällig erzählt mir ein Schwarzburger, ein ſehr achtbarer, glaubwürdiger Mann, daß zwei ſeiner Bekannten erſt vor kurzen ein Paar dieſer Voͤgel, etwa binnen 8 Tagen, in demſelben Forellenbache des Nachts im Fiſchhamen fingen und lebend mit nach Hauſe brachten. Eine Perſon ſtellt bei dieſer Art Fiſchfang nämlich den Hamen ins Waſſer, während die andere mit einer Stange die Forellen unter den Steinen hervor und in das Netz zu III. Ord n. XX. Gatt. 110. Waſſer-Schwaͤtzer. 937 Art dieſer Gattung, Cinclus Pallasii, welche der unſrigen an Größe und Geſtalt vollkommen gleicht, aber durchaus einfoͤrmig chocoladbraun ausſieht. Pallas bekam fie auf feiner Reiſe durch die Krim m. — — Außerdem hat ganz neuerlich H. Brehm im 2ten Bande feiner Beiträge u. ſ. w. ©. 111 bis 1418. einen an der Oſtſee geſchoſſenen Vogel beſchrieben, welcher zwar unferm Waſſer⸗ ſchwaͤtzer ſehr ahnlich fein, aber nur zehn Federn im Schwanze, nichts Roſtbrau⸗ nes an der ſchwarzen Unterbruſt, eine etwas dunklere Farbe und geringere Groͤße haben ſoll, und den H. B. als eine beſondere Art, unter dem Nahmen Schwarz⸗ bäuchiger W., Cinclus melanogaster, aufführt, indem er vermuthet, daß alle im hohen Norden von Europa wohnende Waſſerſchwaͤtzer nicht zu unſerer bekannten, ſondern zu dieſer ſeiner neuen Art gehören moͤchten. In wie weit er hierin Recht haben mag, wird die Zukunft entſcheiden; daß aber alle in Norwegen u. ſ. w. vorkommende Waſſerſchwaͤtzer allein zu ſeiner ſchwarzb aͤuchigen Art gehören ſollten, darf man wol nicht unbedingt annehmen, weil erſt neuerlich (1817) H. Ju⸗ ſtiziar Bote im hoͤhern Norwegen Waſſerſchwätzer in Menge beobachtete, aber nur Eine Art und dieſe von der unſrigen nicht verſchieden fand. Einem ſo großen Kenner und geuͤbten Ornithologen, wie meinem Freunde Boie, wuͤrde das wol nicht entgangen fein. Ich habe uͤbrigens Brehm's Vogel nicht geſehen und kann daher über die Identitat dieſer neuen Art nicht abſprechen. — — H. Brehm, welcher ſich fortwaͤhrend bemuͤht, uns mit neuen Arten bekannt zu machen, be⸗ ſchreibt im zten Bande jenes Werks, welchen ich ſo eben erhalte, ſogar noch eine dritte Europaͤiſche Art, die er Cinclus septentrianalis nennt, welche einen et⸗ was laͤngern Schnabel als die unſrige haben und ſich vorzugsweiſe nur im Norden 41 Di. ſcheuchen ſucht. Dabei waren auch die Vögel in ihrer Ruhe geſtoͤrt worden, hatten ſich, wie ſie dann immer thun, aus der Uferhoͤhle gleich ins Waſſer geſtuͤrzt und waren fo in den Hamen gerathen. Es war Maͤnnchen und Weibchen. ‚ H g ; 7 Ein und zwanzigſte Gattung. Braunelle. Accentor. — --— Schnabel: Ziemlich gerade oder ein wenig aufwaͤrts gebogen, etwas ſtark, hart, an der Wurzel, beſonders uͤber den Naſenloͤchern, ſehr dick, vor dieſen am Ruͤcken etwas eingedruͤckt, überall rund, aber ſeine ſcharfen Schneiden ſtark eingezogen, die Spitze pfrie⸗ menfoͤrmig und hart, mit einem ſeichten Einſchnitt im Oberkiefer, deſſen Ruͤcken uͤbrigens ganz flach iſt. | Naſenloͤcher: Dicht an der Schnabelwurzel, frei, un⸗ durchſichtig, laͤnglich, ritzenfoͤrmig, aber etwas gebogen, oben mit einer dicken fleiſchigen Schwiele. — Die Zunge hat eine getheilte Spitze, ſcharfe Seitenraͤnder und iſt am ausgeſchnittenen Hinter⸗ rande nur ſchwach gezaͤhnelt, mit ſtarkem zweitheiligem Eckzahn. Fuͤße: Mittelmaͤßig (weder ſchwach noch ſtark); von den drei vordern Zehen ſind die aͤußere und mittelſte am Grunde etwas verwachſen; die Hinterzeh hat einen etwas großen, ſtark gekruͤmm⸗ ten Nagel. Die Bedeckung der Laͤufe iſt in große Schildtafeln zerkerbt. | Ä Flügel: Mittelmaͤßig; die erſte Schwingſeder ſehr klein, ſchmal und ſpitz; die zweite nur etwas kuͤrzer als die dritte und vierte, welches die laͤngſten ſind. Die Voͤgel, welche dieſe Gattung bilden, unterſcheiden ſich ſehr auffallend von den Saͤngern (Sylvia) und Gras muͤcken, zu welchen man fie früher zählte, durch ihren viel haͤrtern, mit ſchaͤr— fern Schneiden verſehenen Schnabel, in welchem ſie auch viel mehr III. Ordn. XXI. Gatt. 110, Braunelle. 939 Gewalt haben, ſo daß ſie damit ſchon ziemlich hartſchalige Saͤme⸗ reien mit Leichtigkeit huͤlſen koͤnnen. Dieſer, wie ihr robuſterer Koͤrper, verraͤth auch dem Blick des Geuͤbten ſogleich eine andere Lebensart; denn ſie naͤhren ſich nicht allein von Inſecten, ſondern nebenbei auch von Saͤmereien, welche ſelbſt in der kalten Jah⸗ reszeit, da ſie groͤßtentheils in einer Temperatur, wie wir ſie im mittlern Europa haben, uͤberwintern, ihre einzige Nahrung aus⸗ machen. Dieſe und die folgende Gattung bilden daher den ſtufen⸗ weiſen Uebergang zur Ordnung der geſaͤmefreſſenden Voͤgel. — Sie lieben gebirgige Gegenden, und eine der bekannten Arten iſt ein wahrer Alpenvogel, halten ſich nahe an oder auf dem Erdboden auf, bauen auch hier ihre Neſter, zum Theil ins niedrige Geſtraͤuch, und leben meiſtens einſam. Sie mauſern jaͤhrlich nur Ein Mal, und das Neftgefieder der Jungen iſt ziemlich von dem Kleide der Alten verſchieden; aber zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen findet im Aeußern kein erheblicher Unterſchied Statt. Ein roſtiges Braun iſt meiſtens Hauptfarbe des Ruͤckens. | / * * * Anatomie (nach Nitzſch): „Auch hier (bei Acc. Modula- ris) der vollkommene Singmuskelapparat am untern Kehlkopf. Der Oberarmknochen, wie faſt alle Knochen, außer dem Schaͤdel, find nicht pneumatiſch; die Blinddaͤrme nur wie kleine Papillen. — Da dieſe Gattung aͤußerlich meiſtens nur durch die Art der Nah— rung von den Sylvien verſchieden iſt, ſo beſteht ihr anatomiſcher Unterſchied vorzuͤglich in der Beſchaffenheit des Magens, als welcher nämlich beim Accentor ſehr muskuloͤs (ohne Vergleich fleiſchi⸗ ger als bei den Saͤngern) und ein wahrer Muskelmagen iſt, welcher den koͤrnerfreſſenden Vogel verraͤth.“ „Die Zunge, die Koch nicht gang richtig dargeſtellt hat, iſt groͤßtentheils hornig, am Seitenrande ſcharf, vorn tief ausge— ſchnitten, an beiden Spitzen, ſo wie am vordern Theil des Seiten⸗ randes, zaſerig, am Hinterrande zwiſchen den Eckzaͤhnen ausges ſchweift und gezaͤhnt.“ Die vier bekannten Arten dieſer Gattung leben in der alten Welt, in Europa ö Drei Arten. 940 111. Die Al p en:-Br au nelle. ‚ui han A Cen T V „ Taf. 92. Fig. 1. Maͤnnchen. | er 1 Alpenflüevogel, Fluͤevogel, Fluͤe⸗ oder Fluͤhelerche, Wiel lerche, Alpengrasmuͤcke, Alpenſtaar, Halsbandſtaar oder Staar nit dem Halsbande, Bachſtelze der Alpen, Fluhſpatz, Bergſpatz, Bergtroſtel, Steinlerche, Gadenvogel, e e Blumtuͤteli, Blumtrittli, Bluͤttlig. Aecentor alpinus. Bechſtein, Stafurg. Deutfäl. 2te Aufl. III. ©. 700 — Motacilla alpina. Gmel. Linn. syst. J. 2. p. 957. n. 65. — Sturnus morita- nus (montanus 2) Ibid. P. 804. n. 7. — Lath. ind. orn. I. p. 325. h. 11. Sturnus eollaris. Gmel. Linn. p. I. 2. p. 805. n. 16. — Lath. ind. I. 323, n. 5. La Fawveite des Alpes. Buff. Ois. V. p. 156. t. 10. — Edit. de Deuxp. IX. p. 179. t. 4. f. 1. = Id. pl. enlum. 668. — Gerard. Tab. elem.I.p. 514. — Accenteur. pegot ou des Alpes. Temminck Man. nouv. Edit. I. p. 248. — Alpine Warbler and Collared Stare. Lath. syn. II. . P. 434. n. 25. und II. 1. N 8. n. 5. — Ueberſ. v. Bechſtein, IV. ©. 1578 n. 25. und III. S. 8. u. 3. = Wolf und Meyer, Voͤg. Deutſchl. Heft 9. = Deren Taſchenb. I. S. 253. m — Bedhftein, orn. Taſchenb. I. ©. 191. — Meisner und Schinz, V. d. Schweiß. S. 127. n. 133. = Koch, Baier. Zool. I. S. 195. n. 115. — Sch inz, Ueberſ. v. Cuvier. I. S. 559. Kennzeichen der Art 1 00 Alle Schwanzfedern haben an der Spitze einen weißen oder licht roſtgelben Fleck. Beim alten Vogel iſt die Kehle weiß, mit ee Muſchelflecken, beim jungen weißgrau und ungefleckt. e Dieſer merkwuͤrdige Vogel kann nicht leicht mit einem andern verwechſelt werden, weil er in Geſtalt und Farbe ſehr vieles Eigen⸗ thuͤmliche hat. Er ſieht etwas kurz und dick aus, wozu ſein etwas kurzer, breitfederiger Schwanz beiträgt; auch hat er ſtarke Glied⸗ maaßen, ziemlich große Fluͤgel und einen ſtarken Schnabel. In der Groͤße koͤmmt er unſerm Kirſchkernbeißer faſt gleich, oder III. DOrdn. XXI. Gatt. 111. Alpen⸗Braunelle. 941 man koͤnnte ihn auch in dieſer Hinſicht mit der Haubenlerche ver⸗ Reschen; ; er iſt alſo der größte Vogel in dieſer Gattung. In der Laͤnge mißt er 7 Zoll, auch wol einige Linien RER DN oder darunter, in der Breite 125 bis 13 Zoll. Der 28 bis 24 Zoll lange Schwanz hat breite 1 welche kurz vor dent Ende nach außen ſchief abgeſtutzt ſind, wovon fuͤr jede eine faſt dreieckige Spitze gebildet wird, weshalb denn, zumal da die mittelſten Federn etwas kuͤrzer ſind, das Schwanzende etwas tief ausgekerbt erſcheint. Die obern Schwanzdeckfedern find fo lang, daß fie} Zoll vor das Ende des Schwanzes reichen; die Fluͤgel uͤbrigens verhaͤltnißmaͤßig groͤßer als bei den andern Arten, ſonſt von gleicher Geſtalt. | Der Schnabel iſt anſehnlich ſtark, 7 Linien lang, auch wol eine Linie und daruͤber kuͤrzer, vorn, von oben und unten, etwas ge— kruͤmmt zugeſpitzt, die Schneiden ſehr einwaͤrts gezogen, der ganze Schnabel aber vorn ſchmal, an der Wurzel hoch, doch noch viel breiter als hoch. Von Farbe iſt er an der Wurzel unten ganz, am Oberkiefer nur an der Schneide ſchmutzig gelb, nach der Spitze dunkler, roͤthlicher und endlich in Dunkelbraun uͤbergehend, am Oberſchnabel aber. größten Theils, beſonders am Rüden und der Spitze, braunſchwarz; Zunge und Rachen gelb; uͤber dem Mund— winkel ſtehen ſchwarze Borſthaare. Die Naſenhoͤhle iſt weit, oval, dickhaͤutig, das Naſenloch unterhalb, breit ritzenfoͤrmig, der obere Rand ſchwielig und merklich abſtehend. Die Augenſterne find hell—⸗ braun oder gelbbraun, in der Jugend graubraun. Die Fuͤße ſind nicht ſehr hoch, aber ſtark und e die Naͤgel ziemlich groß, beſonders der der eine, ſtark gekruͤmmt, zuſammen gedruckt, unten zweiſchneidig und ſpitz. Die Bede⸗ ckung des Laufs iſt in große Schildtafeln getheilt, die Zehenruͤcken ſind geſchildert, die Sohlen warzig; die Farbe der Fuͤße ſchmutzig zöthlichgelb, an den Zehen und Gelenken mit Braun überlaufen, die Krallen noch dunkler, mit braunſchwarzen Spitzen. Die Jun⸗ gen haben gelblichfleiſchfarbene Füße, mit kaum dunklern Nägeln. Die Hoͤhe der Fußwurzel iſt 1 Zoll, die Laͤnge der Mitelzeh mit dem Nagel faſt 1 Zoll, und die der Hinterzeh J Zoll, wovon faſt die Haͤlfte auf den großen krummen Nagel ee: Das Gefieder dieſes Vogels ift ſehr dicht und weich. Das alte Maͤnnchen hat folgende Farben: Kopf, Genick, Nacken, Halsſeiten, nebſt Wangen und Stirn, ſind aſchgrau, letztere beide etwas gelbbraͤunlich uͤberlaufen; die aſchgraue Farbe an allen obern Theilen uͤberhaupt etwas ſchmutzig, aber licht; Ruͤcken⸗ 942 III. Ordn. XXI. Gatt. 111. Alpen: Braunelle. und Schulterfedern in der Mitte dunkelbraun, am Schaft am dun⸗ kelſten, oder ſchwarzbraun, mit breiten, aber nicht ſcharf begrenz⸗ ten, aſchgrauen Seitenkanten, die an den laͤngſten Schulterfedern auswaͤrts in eine ſchmutzige lichte Roſtfarbe uͤbergehen, daher dieſe Theile ein aſchgraues, roſtgelblich gemiſchtes und dunkelbraun geflecktes Ausſehen bekommen; zuweilen faͤllt die dunkelbraune Farbe an den Raͤndern der Flecke etwas ins Olivenbraune. Der Buͤrzel iſt roͤthlich aſchgrau, mit dunkeln Schaftſtrichen; die obern Schwanzdeckfedern eben ſo, aber mit deutlichern und groͤßern Schaft⸗ ſtrichen, die laͤngſten mit truͤbgelblichweißem Endſaum, welchen oft ein ſchwaͤrzlicher Streif von der Grundfarbe trennt; oͤfters ſchimmert auf dem Buͤrzel etwas Roſtfarbe hervor, ein ander Mal iſt alles grau. — Die Kehle und ein Theil der Gurgel haben eine niedliche Zeichnung, ſie ſind naͤmlich weiß, unten mit einem ſchwaͤrzlichen ſehr ſchmalen Baͤndchen begrenzt, uͤbrigens aber mit matt braunſchwaͤrzlichen, muſchelfoͤrmigen oder verkehrt nierenfoͤr— migen Fleckchen uͤberſaͤet; der uͤbrige Theil der Gurgel, der Kropf und die Mitte der Bruſt ſind ſanft roͤthlichgrau; die Bruſtſeiten und Weichen ſchoͤn roſtfarben, mit zerſchliſſenen gelblichweißen Fe: derkanten; Bauch und After ſchmutzigweiß, gelbbraͤunlich uͤberflogen, und verwaſchen dunkelbraun gefleckt; die Schenkelfedern braungrau; die untern Schwanzdeckfedern dunkelbraun, mit großen ſchmutzig⸗ weißen Endſpitzen. — Die kleinen Fluͤgeldeckfedern find gelblich— grau; die mittlere Reihe Deckfedern grau, an der Endhaͤlfte braun ſchwarz, mit hellweißem Fleck und Saum an der Spitze; die gro— ßen aber braunſchwarz, mit gelblichaſchgrauen Außenkanten und einem dreieckigen, hellweißen Fleck an der Spitze; durch dieſe und die der vorigen werden zwei weiße Fleckenbinden quer uͤber dem Flügel gebildet. Die hinterſten Schwingen find dunkel ſchwarz— braun, mit roſtbraͤunlichen, ins ſchmutzige Roſtgelb und an den En⸗ den der Federn ins Weißliche uͤbergehenden Kanten; weiter nach vorn wird die Grundfarbe matter, die Kanten werden grauer und ſchmaͤler, endlich ſind die großen Schwingen bloß dunkelbraun, fein roſtgelblich geſaͤumt, die Schwungdeckfedern eben ſo, aber noch auswaͤrts, nahe am Ende, mit einem weißen Laͤngsfleck. Die Schwanzfedern ſind dunkel ſchwarzbraun, an der Wurzel jedoch merklich lichter, alle hier breiter, als gegen das Ende hin, mit Gelb— lichgrau gekantet und mit einem roſtgelben oder gelblichweißen Fleck an der Spitze, ſo daß die Flecke an den aͤußerſten Federn die III. Srdn. XXI. Gatt. 111. Alpen-Braunelle. 943 größeften find. — Auf der untern Seite iſt der Schwanz dunkel⸗ grau, mit den großen weißlichen Spitzenflecken der obern Seite. Im Fruͤhlingskleide findet ſich Manches hiervon veraͤn— dert; die Flecke an der Schwanzſpitze find, ſtatt roſtgelb, weiß; die Federn an den Seiten des Unterkoͤrpers haben ihre weißen Kanten groͤßtentheils verloren und ſehen daher roͤther aus; die Muſchelfleck⸗ chen der Kehle ſind nicht mehr ſo ſchoͤn; die obern Theile ſind etwas reiner aſchgrau, weil die gelblich uͤberflogenen, lichten Saͤume ver⸗ ſchwunden ſind, aber die dunkeln Laͤngsflecke auf dem Oberruͤcken ſind deutlicher hervorgetreten; die weißen Binden auf dem Fluͤgel, a ſo wie ſaͤmmtliche Kanten der Fluͤgelfedern, ſind ſchmaͤler geworden, und manche faſt ganz verſchwunden. Alles dies iſt durch das Abe nutzen und Abbleichen des Gefieders entſtanden und wird gegen den Sommer hin noch auffallender. Das Weibchen iſt nur wenig vom Maͤnnchen Gerne, et⸗ was kleiner, überall bleicher, fahler, weniger roſtfarben, am Unter: leibe gefleckter, in den Weichen mit grauer Miſchung, die Flecke der Kehle bleicher und kleiner, der Unterſchnabel weniger und ſchlechter gelb. Gegen juͤng ere Maͤnnchen gehalten, unterſchei— det es ſich aber aͤußerlich faſt gar nicht. Ich habe viele dieſer Voͤ— gel von beiderlei Geſchlechtern in den Haͤnden gehabt, aber nie ſehr bedeutende und bemerkenswerthe Unterſchiede gefunden. Bei juͤn⸗ gern Voͤgeln iſt der Oberruͤcken öfters ziemlich ſtark hellbraun über: laufen, an den Federraͤndern in weißliches Grau uͤbergehend; auch Kopf und Hals iſt mehr greis als aſchgrau, und die Schnabelwur⸗ zel, nebſt den Schneiden, ſehr ſchmutzig gelb, das Uebrige des Schna⸗ bels hornbraun. Die weißen Kanten an den bleicher roſtfarbenen Federn der Bruſtſeiten ſind ſo breit, daß ſie ſehr viel von erſterer Farbe verdecken und ſich nie ganz abreiben; die Mitte der Unterbruſt aber ganz hellgrau, mit weißen Endkanten, welche ein mondfoͤrmi⸗ ger brauner Strich vom Grunde trennt. — Ich ſah auch weib— liche Individuen, wahrſcheinlich auch juͤngere Voͤgel, an welchen die dunkelbraunen Ruͤcken⸗ und Schulterfedern duͤſter roſtgelbe Raͤn⸗ der hatten, an welchen keine Spur von Aſchgrau ſich zeigte; die Scheitel⸗ und Nackenfedern hatten dann dunkelbraune Schaͤfte und naͤchſt dieſen verloſchene graubraune Schaftflede. Die jungen Voͤgel vor dererſten Mauſer ſehen ganz anders aus als ihre Aeltern, aber ich war nicht ſo gluͤcklich, einen zu erhalten, und muß daher eine ausfuͤhrliche Beſchreibung bis auf eine Zeit verſparen, wo mir das Gluͤck guͤnſtiger geweſen ſein 944 III. Ord n. XXL Gatt. 111. Alpen: Braunelke. wird. Aus der Schweitz erhielt ich bloß die Nachricht, ſie waͤren am ganzen Leibe (Fluͤgel und Schwanz nicht inbegriffen) ſchmutzig aſchfarben, mit dunkelbraunen Flecken, an der Kehle aber unge⸗ fleckt und grauweiß. Dieſe Art migen nur Ein Mal im Jahr in den Sommer⸗ monaten. Ueber den innern Bau hat Buffon (Edit de Deuxp. IX. p. 180.) einiges bekannt gemacht, woraus ſich ergiebt daß zwiſchen dem dieſes Vogels und der Heckenbraunelle eine ſehr große Aehnlichkeit Statt findet; demnach iſt die Speiſeroͤhre unterhalb eben— fals etwas erweitert und kropfartig, der Magen fo musculoͤs wie bei einem koͤrnerfreſſenden Vogel, der linke Lappen der Leber ſehr klein, u. ſ. w. Neu f ent e e Die Alpenbraunelle iſt eben kein weit verbreiteter Vogel. In Europa bewohnt ſie nur die mittleren und ſuͤdlichen Theile, vom ſuͤdlichen Deutſchland an bis zur Pyrenaͤiſchen Halbin- ſel und Gibralter. Auch im mittleren Aſien findet ſie ſich. Sie lebt nur in den hohen Gebirgen, vorzüglich in der Schweitz, in mehreren Gegenden Frankreichs, in Spanien, Italien, in Tyrol, Krain, Kaͤrnthen und einzeln auch in den Gebirgen Boͤhmensß; hier iſt fie ſchon ſehr ſelten und weiter nördlich kaum jemals angetroffen worden. Sie iſt ein wahrer Alpenvogel und verlaͤßt die Gebirge aͤußerſt ſelten, ja es wird gelaͤugnet, daß ſie ſich jemals in ganz ebene, von den hohen Gebirgen entferntere Gegen— den verfloͤge. ) In allen von ihr bewohnten Gebirgsketten ſcheint ſie kaum ) Als große Seltenheit oder Ausnahme von der Regel mag dies doch wol manch⸗ mal geſchehen, was Folgendes zu bemeifen ſcheint: Einmal, im Auguſtmonat, lauert mein Vater am Ufer des Salzſees im Mannsfeldiſchen, dicht am Waſſer auf dem Bauche liegend, auf Enten; da koͤmmt ein Trupp Voͤ⸗ gel, zehn bis zwoͤlf Stuͤck, am Ufer und dicht uͤber der Erde entlang auf ihn zugeflogen, welche er anfaͤnglich für Feldlerchen haͤlt, weil ihr Flug dem dieſer ganz aͤhnlich iſt, wobei ihm jedoch ihre kuͤrzeren Schwaͤnze ſchon von wei⸗ ten und auch der Umſtand auffallen, daß um jetzige Zeit die Lerchen noch nicht geſellſchaftlich ſtreichen. Als ſie naͤher kommen und endlich ganz dicht uͤber ihn wegfliegen, erkennt er ganz deutlich die roſtfarbenen Bruͤſte und Seiten, nebſt andern Theilen, und genau genug, um heute noch behaupten zu koͤnnen, er habe Alpenbraunellen geſehen. In ſeiner unbequemen Lage konnte er im Fluge nicht auf fie ſchießen, er ging ihnen aber, da es ſchien, als haͤt⸗ ten ſie ſich auf einer großen Raſenflaͤche 1 dahin nach; allein eu waren nicht mehr ba. — III. Ordn. XXI. Gatt. 111. Alpen⸗Braunelle. 945 mehr als Standvogel, hoͤchſtens Strichvogel zu ſein, in⸗ dem ſie ſich auch im Winter nie ſehr weit von ihrem eigentlichen Wohnorte entfernt. Man findet ſie z. B. in der Schweitz auf allen hohen Alpen, auf manchen ſogar in Menge, wie auf den St. Gotthard, in den Umgebungen des Hospitiums auf dem St. Bernhard, und auf andern aͤhnlichen Hoͤhen, im Sommer ge— woͤhnlich, doch nicht immer, uͤber der Region des Holzwuchſes, alſo oft über 6000 Fuß über der Meeresflaͤche, bis zur Grenze des ewigen Schnees, wo ſich dieſe Voͤgel am liebſten zwiſchen Stein— blöden und herab gerolltem Geſtein, ſeltner auf grasreichen Alpen, aufhalten. Im Herbſt ſteigen fie, ſobald es oben auf den Bergen friſchen Schnee giebt, tiefer, in die Thaͤler und Vorberge herab, und im Winter, wenn ihnen auch hier Schnee und Kaͤlte die Nah— rung entziehen, beſuchen fie ſogar die Bergdoͤrfer, ja zuweilen ſtei⸗ gen ſie ganz in die Thaͤler nieder, verfliegen ſich wol auch bis in die ebnern Gegenden, wie Glarus, Bern, u. a. m.; ſogar im Canton Zuͤrich hat man ſchon einzelne bemerkt. Sie gehen dann an die vom Eiſe freien Gewaͤſſer und Quellen, ſelbſt auf die Hoͤfe, vor die Scheuern und auf die Miſtſtaͤtten. N N Man ſieht dieſe Voͤgel ſelten anderswo als auf Steinen oder auf dem Erdboden und auf Felſen. Zuweilen ſetzen ſie ſich wol auch einmal auf die Sennhuͤtten, deren niedrige Daͤcher haufig mit Steinen belegt ſind, noch viel ſeltner aber auf die Zweige von niedrigem Geſtraͤuch, aber nie auf hohe Baͤume, deren es zwar an ihren gewoͤhnlichen Aufenthaltsorten keine giebt, die ſie aber doch da, wo ſie uͤberwintern, antreffen. In dieſer Hinſicht, wie in gar vielen andern Stuͤcken, aͤhneln ſie den He iet ch m aͤ⸗ eth Eigen ſchaften. Sie gehoͤrt unter die traͤgern oder nicht ſehr lebhaften Vögel und man ſieht ſie oft lange Zeit an Einer Stelle, auf einzelnen gro⸗ ßen Steinen und Felſenabſaͤtzen mit aufgeſtraͤubtem Gefieder ſitzen, was ihr ein großes Ausſehen giebt. Daß ſie ſich ſelten auf Baum⸗ zweige ſetzt, iſt oben erwaͤhnt worden. Sie iſt dabei eben nicht ungeſellig; denn außer der Begattungszeit ſieht man oͤfters vier, ſechs und acht Stuͤck oder die Glieder einer Familie beiſammen. Es iſt ein haͤrmloſes, wenig ſcheues Geſchoͤpf. Sie fliegt, wenn man ſich ihr naͤhert, meiſtens nur auf eine kurze Strecke fort, oder begnuͤgt ſich zuweilen wol nur, ſtatt fortzufliegen, zwiſchen eini- ater Theil. 60 946 III. Ordn. XXI. Gatt. 111. Alpen = Braunelle. gen niedrigen Steinen ſich zu verbergen, oder ſie laͤuft, wie die Steinſchmaͤtzer, mit welchen ſie uͤberhaupt in ihren Sitten nahe verwandt iſt, auf dem Boden ſchnell davon.“) Sitzend wippt und zittert ſie haͤufig mit dem Schwanze, bewegt dazu wol auch die Fluͤgel und macht ſchnelle Verbeugungen mit dem Kopfe und Vordertheil des Körpers dazu, wodurch fie den Roͤthling een, wie den Bachſtelzen, aͤhnlich wird. Erſteren wird ſie durch dieſes Zittern und durch ihren ganzen Anſtand, mit welchem man auch dieſe in den obern Regionen der Gebirge immer auf Steinbloͤcken und dergl. ſitzen ſieht, ſo aͤhnlich, daß man ſie in der Ferne mit ihnen verwechſeln kann. Ihr Flug iſt ſchnell, uͤber weitere Raͤume ee geht aber gewoͤhnlich nicht weit. Die Lockſtimme, die man weniger flie⸗ gend als ſitzend von ihr hört, aͤhnelt der des Schneefinken et— was und klingt Tri, tri, tri. Der Geſang des Mannchens iſt ſehr abwechſelnd und angenehm, aber etwas ſchwermuͤthig. Er hat eine große Aehnlichkeit mit den Geſaͤngen der Lerchen und Pie⸗ per, welche noch dadurch vermehrt wird, daß man den ſingenden Vogel nicht allein auf Steinen, Felſen und andern erhabenen Plä- tzen ſitzen, ſondern ſehr gewoͤhnlich auch von hier aus, waͤhrend des Singens, ſich in die Luft aufſchwingen und flatternd oder ſchwe— bend wieder herablaſſen ſieht. Daß er aber den Geſang der Feld— lerche uͤbertreffen ſoll, ſcheint uͤbertrieben, denn er hat eben ſo viel Aehnlichkeit mit dem des Wieſenpiepers, obwol auch etz was vom Geſange des Baumpiepers. In der Gefangenſchaft wird dieſer Vogel, zumal wenn er noch jung in ſelbige geraͤth, ſehr bald zahm, lernt ſeinen Herrn kennen und nimmt ihm das Futter aus der Hand. Er ſingt im Bo: gelbauer den ganzen Tag und faſt zu allen Jahreszeiten, doch ſelten ſo laut als im Freien. Einige ſagen, er ſei ein zaͤrtlicher Vogel, andere, welche ihn mehrere Jahr lang hatten, verſichern das Ge— gentheil. Nahrung. Dieſe beſteht in Inſecten und Saͤmereien, auch kleinen Schne⸗ cken mit den Gehaͤuſen, und Beeren, wobei man immer auch kleine Kieskoͤrner im Magen findet. Sie faͤngt ſie zwiſchen den Steinen ) Buffon fagt (a. a. O.): Sie laufen ſchrittweis (en filant) wie Wachteln und Rebhuͤhner, 92 ah huͤpfend (em sautillant) wie andere Grasmuͤcken. III. Ordn. XXI. Gatt. 111. Alpen- Braunelle. 947 oder lieſt fie von der Erde auf, beſonders allerlei kleine Erd- und Laufkaͤfer, Ohrwuͤrmer (Forficulae) Fliegen, Muͤcken, kleine Motten, Ameiſen und Ameiſenpuppen, frißt aber auch im Som: mer, neben dieſen, kleine Saͤmereien von Alpenpflanzen ſehr verſchie— dener Art. Sie ſucht ihre Nahrung haͤufig, auf dem Boden und zwiſchen den Pflanzen herumlaufend, wie eine Lerche. — Im Herbſt und Winter findet ſie von den erſtern nur wenig, ſie lieſt dann am Waffer allerlei Larven auch kleine Schneckchen auf, lebt in dieſer Zeit aber meiſtens bloß von Saͤmereien, beſonders von den Samen verſchiedener Grasarten oder von den ſogenannten Heublumen. Nur bei großem Mangel naͤhert ſie ſich den Haͤuſern. Inm Käfig oder im Zimmer haͤlt fie ſich ſehr gut bei Mohnſa⸗ men, Hirſe und Hanfſamen, wenn man ihr mitunter dieſes Fut— ter mit Ameiſenpuppen wuͤrzt und ihr einige Mehlwuͤrmer reicht. Am beſten thut man jedoch, wenn man ihr das oft erwähnte Gras— muͤckenfutter giebt und die Hälfte Mohn darunter mengt, bei wel⸗ cher Nahrung dieſe Voͤgel viele Jahr aushalten. rp Wan zun g. Sie niſten auf den Alpen in Steinritzen, zwiſchen Steinen oder unter niedrigem Geſtraͤuch von Alpenroſen (Rhododendron) und andern Pflanzen, immer nahe an oder auf dem Boden und fo, daß das Neſt von oben durch uͤberhaͤngende Steine oder dichtes Alpen- roſengeſtraͤuch und dergl. gegen Wind und Wetter beſchirmt iſt. In einigen ſehr hochliegenden Dörfern, wie z. B. auf dem Sp luͤ⸗ gen, ſollen ſie auch unter den Daͤchern der Haͤuſer niſten. | Sie bauen ein ſchoͤnes kuͤnſtliches Neſt aus Moos und duͤrren Grashalmen, was mit Wolle und Haaren ausgefuͤttert iſt und in⸗ wendig einen halbkugelfoͤrmigen Napf bildet. Die Eier, drei bis fuͤnf an der Zahl, ſind etwas laͤnglich und blaß blaugruͤn. Sie aͤhneln den Eiern des grauen Steinſchmaͤtzers, ſind aber bedeutend größer, meiſt länglicher und auch etwas grüner.*) Sie ſollen jaͤhrlich zwei Mal bruͤten, das eine Mal am Ende des Maies und das andere Mal in der Mitte des Juli. In der Fort⸗ pſlanzungsgeſchichte findet ſich, wie zum Theil in den he ») Ich erhielt einmal aus der Schweitz ſogar jene für die Eier bes Fluͤe⸗ vogels. 948 III. Ordn. XXI. Gatt. 111. Alpen: Braunelfe. über die Sitten und Lebensart dieſer Vögel, leider noch manche Luͤcke. 5 Feinde. Sperber, Thurmfalken und Rothfußfalken ſollen Alte und Junge verfolgen, und ihre Brut oft von kleinen Raub⸗ thieren zerſtoͤhrt werden. In ihrem Innern wohnen nicht ſelten Eingeweidewuͤrmer. Ban Ni Ja g d. Weil ſie eben nicht ſcheu iſt, ſo kann man ihr nahe genug kommen, um ſie mit der Flinte erlegen zu koͤnnen, auch wenn ſchon in der Gegend Schuͤſſe gefallen ſind, oder wenn man ſelbſt mehrmals auf denſelben Vogel fehlgeſchoſſen hatte. — Man fängt fie auch in Schlingen und im Winter in Meiſenkaſten, Schlagne⸗ tzen und andern Fallen. Nutz en. Ihr Fleiſch iſt eine ſehr wohlſchmeckende Speiſe, und im Herbſt ziemlich fett, weswegen man ſie auch an einigen Orten Dr: tolan nennt. In vielen Gegenden der Sch weitz ſtellt man ih—⸗ nen deshalb im Herbſt und Winter, wenn ſie in die Thaͤler herab kommen, ſehr nach und faͤngt ſie fuͤr die Küche. — Als Stuben⸗ voͤgel vergnügen fie durch ihr artiges Betragen und ihren angeneh— men Geſang, welcher im Freien die Stille der Alpen beleben hilft. Sie vertilgen auch viel laͤſtige Inſecten und zehren den Samen vie— ler Pflanzen auf, die man Unkraut nennt, und deren Vermeh⸗ rung man nicht wuͤnſcht. S 5 a deen. Sie ſcheinen nirgends den Menſchen nachtheilig zu ſein. Anmerkung. Weil ich leider bis jetzt darauf verzichten mußte, die Alpen⸗ braunelle am Wohnorte ſelbſt zu beobachten, ſo habe ich die Beſchreibung ih⸗ rer Sitten und Lebensart nur fo geben koͤnnen, wie ich fie von andern, nahment⸗ lich vom Hr. Dr. H. R. Schinz in Zürich handſchriftlich zugeſchickt bekam. Der Leſer hat fie alſo groͤßtentheils der Güte dieſes achtbaren Forſchers zu verdanken; ſollten aber, was indeſſen von der bekannten Gründlichkeit deſſelben nicht zu fuͤrchten ſein wird, ſpaͤtere Beobachtungen da und dort einen kleinen Irrthum auffinden laſſen, ſo bitte ich dieſen mir nicht zur Laſt zu legen. 949 112 Die Berg⸗Braunelle ergo. montanellus. Temm. Taf. 92. Fig. 2. Männchen. Der Siberiſche Steinfhmäer, Siberiſche Braunelle oder Si⸗ beriſche Fluͤevogel. Molacilla Montanella, Gmel, Linn. I. 2. p. 968. n. 99. = Lath. ind. orn II. p. 326. n. 60. Peer (al aus Temiinck, Man. nouv. Edit. p. 351. —= ‚Sibirian Marbler. Lath, syn. II. 2. p. 456. n. 56. = Ueberſ. v. Bechſt. II. 2. S. 453. N. 56. = Pallas, Trav. Vol. III. p. 695. n. 12. Kennzeichen dee d Auppte Mit ſchwarzbraunem Scheitel, Zuͤgeln und Wangen; einem breiten, vom Schnabel uͤber das Auge bis ins Genick hinziehenden, gelblichweißen Streifen, und ſchwaͤrzlich gefleckter ae Befhreibung. Dieſer Vogel hat die Größe und Geſtalt der Heckenbrau— nelle, kann aber, ſo aͤhnlich er ihr von obenher auch in der Faͤrbung des Gefieders ſieht, nicht leicht mit ihr verwechſelt werden, da beſon⸗ ders die Zeichnung des a und der on ganz und gar von je= nem abweicht. Seine Länge beträgt 64 Zoll, die Flügelbreite 95 Zoll; die in Ruhe liegenden Fluͤgel bedecken mit ihren Spitzen etws ein Drit⸗ theil des 2 Zoll langen Schwanzes, welcher am Ende faſt gerade iſt, indem nur die beiden Mittelfedern und die aͤußerſte etwas kuͤr⸗ zer als die andern ſind. Die Fluͤgelbildung iſt wie bei der Hecke n⸗ braunelle. f 950 III. Ordn. XXL Gatt. 112. Berg: Braunelle, Der AL Linien lange Schnabel iſt braun und hat im Ganzen dieſelbe Geſtaltung wie der der Hecken-Braunellez doch iſt er an der Wurzel dicker und dann nach vorn ſchneller zugeſpitzt, in der Mitte etwas in die Hoͤhe gezogen, nur der Oberkiefer an der Spitze ein wenig abwaͤrts gebogen. Naſenloͤcher, Augenſterne und Bau der Fuͤße ſind wie bei der genannten Art; der Lauf iſt 10 Linien hoch, die Mittelzeh, mit der Kralle, 9 Linien, die Hinterzeh mit dem Nagel 64 Linien lang; die Farbe der Füße hell gelbbraun, ins Fleiſchfarbene ziehend, die Fußſohlen und Krallen dunkler. Der ganze Oberkopf vom Schnabel bis ins Genick, die Zuͤgel, Wangen und die Ohrengegend ſind ſchwarzbraun, der Scheitel in der Mitte etwas lichter als an den Seiten; die Kehle, das untere Augenlied, und ein breiter Streif, der hinter den Naſenloͤchern an⸗ faͤngt, uͤber das Auge hin geht und im Genick beinahe zuſammen laͤuft, alſo eine breite Einfaſſung der ſchwarzbraunen Kopfplatte bildet, iſt gelblichweiß oder blaß ockergelb; hinter den Ohren ſte— hen noch einige gelbliche und ſchwarzbraune Flecken. Auf dem Hinterhalſe ſind die Federn an den Enden roſtbraun, in der Mitte allemal dunkler, mit vorſchimmernden aſchgrauen Wurzeln, was beſonders an den Seiten des Halſes ſehr bemerklich wird; Oberruͤ⸗ cken und Schultern roſtbraun, ſchwarzbraun gefleckt und gelblich- grau gemiſcht; Unterruͤcken, Steiß und die aͤußern Saͤume der dunkel graubraunen Schwanzfedern ſind fahl oder braungrau; faſt eben ſo wie die Schwanzfedern ſind auch die großen Schwingen, die Einfaſſungen nur etwas beſtimmter; die hintern Schwingen und die großen Deckfedern dunkelbraun, mit breiten roſtgrauen Seitenkanten und ſchmutzigweißen Spitzen; auch die mittleren Deck⸗ federn haben weiße Endſaͤumchen, die kleinen aber roſtgraue Ein= faſſungen. Die untern Theile, von der Kehle bis an den After, ſind weiß, der Kropf und die Oberbruſt ſtark roſtgelb angeflogen, mit hervorſchimmernden ſchwaͤrzlichen Mondflecken, die auf der Mitte der Bruſt am deutlichſten ſind. Dieſe Flecke entſtehen dadurch, daß die einzelnen Federn jener Theile in der Mitte ſchwaͤrzlich oder matt ſchwarzbraun, am Ende aber licht roſtgelb oder gelblichweiß ſind und dieſe hellen und dunkeln Farben in einem Halbkreiſe ſcharf aneinander grenzen. Die Seiten der Bruſt ſind roſtgelb und roſt— braun gemiſcht, und an den weißen untern Schwanzdeckfedern fi im⸗ mern einzelne braungraue Lanzettflecke hervor. Am Weibchen ſoll die Zeichnung des Kopfes matter und III. Ordn. XXI. Gatt. 113. Heden= Brannelle 951 een das Uebrige aber, bis auf eine geringere uber: von der Farben, eben fo wie am Männchen fein. Aufenthalt, 5 10 Vogel iſt noch nicht auf Deutſchem Boden 3 1 fen en Er bewohnt das ſuͤdoͤſtliche Europa und Aſien unter gleicher Breite. Man fand ihn in Siberien und in der Krimm, aber auch, wiewol nur einzeln, im ſuͤdlichen Ungarn, in Dalmatien und im Koͤnigreich Neapel Er lebt im Sommer auf den Gebirgen und koͤmmt im Winter in die Thaͤler und Ebenen herab. A Hierin fol er ganz der Heckenbraunelle aͤhneln; es iſt aber bis jetzt nichts Naͤheres daruͤber bekannt geworden. Nahrung. Auch dieſe, wie bei der bekannten und eben genannten Art, im Sommer Inſecten und kleine Saͤmereien, im Winter bloß die letztern. Ueber ſeine Fortpflanzung u. ſ. w. hat noch niemand Be⸗ obachtungen geſammelt und mitgetheilt. Wahrſcheinlich iſt er auch hierin der Heckenbraunelle aͤhnlich. 118. Die Hecken ⸗Braunelle. Accentor modularıs. Koch Fig. 3. altes Männchen. = 92. 4. junger Vogel. Braunelle, Braunellichen, Brunellchen, Braunelchen, Pru⸗ nelle, Prunellert, Prunell- oder Braunellgrasmuͤcke; Heckenfluͤe⸗ vogel; Strauch- oder Geſanggrasmuͤcke, graufahle Grasmuͤcke, Wintergrasmuͤcke; ſchieferbruͤſtiger Saͤnger; brauner Fliegenſtecher, braunroͤthlich bunter Fliegenvogel; ſchoͤn ſingende Bachſtelze; 8 952 III. Ordn. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle. Berg-, Baſtard⸗ und Winternachtigall; großer Zaunkoͤnig oder Zaunſchliefer; (Blaukehlchen) Grau- oder Bleikehlchen, Bleikehl⸗ chen mit gefleckten Augen; — Falkenſperling, Zaun- oder Hecken⸗ ſperling, wilder Sperling, Eiſenſperling, Eiſenvogel, Eiſenkraͤ⸗ mer; Krauthaͤnfling; — Tilling, Iſſerling, Zaͤrde, Zerte, Stroh: kratzer, Wollentramper, und bei den Vogelfaͤngern hieſiger e 8 a. und Speckſpanier. 5 e ee Koch, Baier. Zool. I. S. 196. n. 116 — Cuvier reg. an. überf. von Schinz. I. S. 560. = Motacilla modularis. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 952. n. 3. — Retz, faun, suec. P. 253. n. 233. — Sylvia modularis. Lath. ind. II. p. 511. n. 13. = Nilsson, Orn, suec. I. p. 217. n. 104. = Curruca sepiaria. Briss. Orn. III. p. 374. 12. — Le Mouchet, Traine- buis- son ou Fauvetie d’hiver. Buff. Ois. V. p. 151. — Edit. d. Da IX. p. 173. t. 3. f. 4. = Id. pl. enl. 615. f. 1. = Gérard. tab. élém, I. p. 310. Fauvelte de bois ou Rousselle. Buff. ar V. p. 139. — Edit de Deuxp. IX. P. 160. — Gerard. tab. elem. I. p. 303. Aecenteur mouchet. Temm. Man. 2me Edit. I. P. 249. = Hedge- Warbler. Lath. syn. IV. p. 419. n. 9. Ueberſ. v. Bechſtein, IV. S. 420. = "The Winter Fauveite, Bewick britt. Birds. I. p. 261. = De Winter Zanger. SB nederl, Vog, IV. t. p. 404, - Bed= fein, Naturg. Deutſchl. III ©. 617. — Deffen orn. Taſchenb. I. S. 1 183. Wolf und Meyer, Taſchenb. I. ©. 246. — Meisner und Schinz, Voͤg. d. 33 S. 118. n. 123. — Meyer, V. Liv⸗ und Eſthlands. S. 121. — Friſch, Vögel, Taf. 21. Fig. unten rechts. — Naumanns Vögel alte Ausg. I. S. 71. Taf. 13. Fig. 32. und Nachtr. S. 9. 10 Kennzeichen der Art. Der Vorderhals bis auf die Bruſt iſt dunkelblaͤulichaſchgrau; bei den Jungen dunkelroſtgelb, mit ſchwaͤrzlichen Laͤngsflecken; der Ruͤcken roſtbraun, ſchwarz gefleckt; der Schwanz faſt einfarbig graubraun. Beſchrei bun g. f Das Gefieder dieſes Vogels traͤgt viel duͤſtrere und dunklere Farben als das der Bergbraunelle, beſonders am Kopfe eine weniger vorſtechende Zeichnung, und dies unterſcheidet ihn in jedem Alter ſehr bald von ihm, ob gleich im Ganzen in der Zeichnung der uͤbrigen Theile, wie in Geſtalt und Groͤße, eine ziemliche Aehnlichkeit zwiſchen beiden Statt findet. Im Syſtem ſtand unſer Vogel ſeit langer Zeit nicht am rechten Platze, naͤmlich in der gro⸗ ßen Linneeſchen Gattung Motacilla, oder unter den Saͤngern (Sylvia) des Latham u. a., wo er aber, wie fein Verwandter, die Alpen- braunelle, in keine der gemachten Unterabtheilungen recht paſ⸗ fen wollte.“) Erſt neuerlich brachten ihn Koch und Cuvier +) Mein Vater, früherhin ganzlich unbekannt mit den damals vorhandenen III. Ordn. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle. 953 faſt zu gleicher Zeit an ſeine e Stelle, in die Gattung Accentor. Er hat etwa die Groͤße des Feldſperkingst Laͤnge 6 bis 67 Zoll; Breite 9 bis 94 Zoll. Die Flügel bedecken ein Drit⸗ theil des 21 bis 23 Zoll langen Schwanzes, deſſen Ende faſt ges rade oder nur wenig ausgeſchnitten iſt, weil ſeine mittelſten und aͤußerſten Federn nur etwas kuͤrzer als die uͤbrigen ſind. Die erſte Schwinge iſt ſehr klein, ſchmal, kurz und ſpitzig; die zweite nur etwas kuͤrzer als die dritte, welche gleichlang mit der vierten und die laͤngſte iſt. Der harte, etwas in die Höhe gezogene und ſpitzige Schna— bel iſt ziemlich 5 Linien lang, bei alten Voͤgeln ganz ſchwarz, bei jüngern braunſchwarz, an der Wurzel der Unterkinnlade gelbbraͤun⸗ lich, bei ganz jungen noch lichter; die Mundwinkel ſchmutziggelb; Rachen und Zunge gelb, bei juͤngern roͤthlichgelb; das Naſenloch wie bei den andern Arten; die Iris bei alten Vögeln lebhaft hell— braun, bei juͤngern roͤthlichbraun und bei ganz jungen graubraun. Die Fuͤße ſind weder ſtark noch hoch, die Bedeckung des Laufs in große Schildtafeln zerkerbt, die Zehenruͤcken geſchildert; die Naͤ⸗ gel anſehnlich groß, beſonders der der Hinterzeh, ſchmal, duͤnn, ſtark gekruͤmmt und nadelſpitz. Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſehr lichtes Gelbbraun, ins Fleiſchfarbene ziehend, Sohlen und Gelenke dunkler, die Krallen braun. Höhe der Fußwurzel beinahe 11 Li⸗ nien; Laͤnge der Mittelzeh, mit dem Nagel, uͤber 9 Linien, die der Hinterzeh 7 Linien, wovon die Haͤlfte auf die Kralle koͤmmt. Kopf, Hals und ein Theil der Oberbruſt ſind dunkel blaͤulich⸗ aſchgrau oder hell ſchieferfarbig, auf den Wangen braun uͤberlaufen und hier mit weißlichen Schaftſtrichen, am Scheitel und auf dem Hinterhalſe verwaſchen mit Braun gefleckt; die Oberruͤcken- und Schulterfedern in der Mitte dunkel ſchwarzbraun, mit breiten hell- roſtbraunen Seitenkanten, daher dieſe Theile roſtbraun und ſtreifenar— tig ſchwarz gefleckt erſcheinen; Unterruͤcken⸗ und Oberſchwanzdeckfedern gelblich graubraun. Die Kehle iſt immer lichter (weiß ſchimmelichter) als die Kropfgegend; Bruſt und Bauch in der Mitte truͤbe weiß, an den Seiten auf graugelblichem Grunde braun gefleckt, in den Weichen noch Syſtemen, reihete ihn, wegen ſeiner ihm wohlbekannten Lebensart, den kleinen, von Geſaͤme lebenden Waldvöͤgeln an und ſtellte ihn deshalb, als e zu denen von Inſecten lebenden, gleich hinter die Ammern. 954 III. Ordn. XXI. Gatt. 113. Hecken-Braunelle. uͤberdem ſtark mit Graubraun uͤberlaufen; die Schenkel graubraun; die untern Schwanzdeckfedern gelblichweiß, in der Mitte mit einem braungrauen Lanzettfleck. Die Fluͤgel haben dieſelben Farben wie der Ruͤcken, die Grundfarbe iſt aber nur ein mattes Dunkelbraun, alle Federn mit roſtbraunen Kanten, und die großen Schwingen ſind noch blaͤſſer, mit licht gelblichbraunen Saͤumen; die großen Deck— federn haben an den Spitzen hellweiße Fleckchen, wodurch eine Fle⸗ ckenbinde quer über den Fluͤgel entſteht, deren jüngere Vögel z wei haben, weil auch die mittleren Deckfedern weißliche Spitzenfleckchen haben. Die Schwanzfedern ſind dunkel graubraun, mit lichten oder gelblichbraungrauen Saͤumen, die an den Seitenfedern bloß etwas lichter als an den mittelſten ſind. Von unten ſind Schwin⸗ gen und Schwanzfedern braungrau, die untern Fluͤgeldeckfedern ſchiefergrau, mit weißer und braͤunlicher Miſchung. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen iſt der unterſchied in der Farbe ſehr gering; letzteres iſt zwar immer etwas kleiner, das Aſchgrau des Kopfs u. ſ. w. blaͤſſer, von oben mehr und dunkler mit Braun gefleckt, der Rücken lichter und dem Roſtgrauen ſich naͤ⸗ hernd, aber eben ſo gefleckt; allein es erfordert einen geuͤbten Blick, um es, ohne Huͤlfe der Zergliederung, ſogleich zu erkennen, zumal da das juͤngere Maͤnnchen faſt ganz dieſelben Farben traͤgt wie das alte Weibchen. a Im Herbſt ſind alle Farben friſcher, im Frühjahr dagegen matter; dann haben ſich die Raͤnder der Federn abgenutzt und ſind etwas, doch nicht ſehr auffallend, ſchmaͤler geworden, was ſich be— ſonders an den Fluͤgelfedern zeigt, und wodurch die braunen Flecke auf dem Scheitel und Nacken bei recht alten Voͤgeln faſt verſchwun— den ſind, wovon aber das Weibchen ſtets mehr als das Maͤnn⸗ ch en behaͤlt, weil ſie ſich immer am Schafte mehr hinaufziehen. Ganz anders ſehen aber die noch unvermauſerten Sun= gen aus. So eben dem Eie entſchluͤpft, ſind ſie unten ſpaͤrlich, oben aber etwas dichter mit langen, weichen, ſchwarzgrauen Dunen bekleidet, welche vorzuͤglich uͤber den Augen eine auffallende Laͤnge haben und ſich auch hier am laͤngſten halten; fluͤgge ſehen ſie aber ſo aus: Ueber dem Auge befindet ſich ein lichter graugelblicher, ober— waͤrts dunkel begrenzter Streif; die Mitte des Oberkopfs iſt dun— kel gelbgrau; der Hinterhals ſchmutzig braungelb und ſchwaͤrzlich gefleckt; der ganze Ruͤcken und die Schulterfedern gelblichroſtbraun oder roͤthlich braungelb, mit ſchwarzen Laͤngsflecken; der Buͤrzel gelbgrau. Die Kehle iſt graugelblichweiß; die Wangen ſchmutzig III. Ordn. XXL Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle. 955 roſtgelb und grau gemiſcht; Kropfgegend, Oberbruſt und Seiten des Unterkoͤrpers dunkel roſtgelb, mit ſchwaͤrzlichen Laͤngsflecken z die Mitte der Bruſt und der Bauch ſchmutzig weiß, jede Feder am Schafte graugelblich; die untern Schwanzdeckfedern roſtgelb, mit ſchwaͤrzlichen Schaftflecken; Fluͤgel und Schwanz wie an den Al: ten, erſtere aber, ſtatt der weißen Spitzenflecke an den großen Deck⸗ federn, mit licht roſtgelben, dergleichen ſich auch an den Enden der mittlern Reihe Deckfedern befinden, weshalb zwei roſtgelbe Fle⸗ ckenbinden quer uͤber den Fluͤgel gehen. Die Augenſterne ſind an⸗ faͤnglich graubraun, nachher roͤthlichbraun; der Schnabel oben braungrau, unten gelblich, Rachen und Zunge rothgelb, noch roͤ— ther die Mundwinkel; die Fuͤße ſehr bleich roͤthlich gelb, nachher dunkler; der Schnabel ſpaͤterhin auch dunkler, von innen aber hel⸗ ler. — Haben ſie eine Zeitlang geflogen, d. i. wenn ſie ſich der erſten Mauſer naͤhern, ſo ſehen ſie merklich bleicher aus, weil alle hellern Farben etwas lichter geworden ſind, die Ruͤckenfarbe hat ſich in ein ſchmutziges Roſtgelb, die roſtgelben Flecke auf den Spitzen der Fluͤgeldeckfedern in gelbliches Weiß verwandelt, das Weiße am Unterleibe iſt reiner geworden u. ſ. w. — Maͤnnchen und Weibchen ſind in dieſem Kleide aͤußerlich nicht zu unterſcheiden. Im Juli und Auguſt mauſern dieſe Voͤgel, und zwar ſtets nur Ein Mal im Jahr. A u fe n t ha ii Dieſer Vogel ift faft über ganz Europa verbreitet And geht im Sommer hoch in das noͤrdliche Schweden und Norwegen hinauf. In allen Laͤndern der gemaͤßigten Theile von Europa iſt er, wie in Deutſchland, überall bekannt und in vielen ge⸗ mein, ob man ihn gleich nirgends heerdenweis ſiehet. — In bergigen Gegenden iſt er haͤufiger als in ebenen. Fuͤr Deutſchland iſt er unbedingt Zugvogel, obgleich hin und wieder ein Einzelner dieſer Art, als Ausnahme von der Regel, auch bei uns uͤberwintert; im ſuͤdlichen Europa iſt er dies aber weniger, und dort ſcheinen die aus Norden kommenden zu uͤber⸗ wintern, wie z. B. im ſuͤdlichen Frankreich. Auch in England bleibt er groͤßtentheils Winter und Sommer einheimifh. — Er zieht des Nachts faſt immer nur einzeln, ſeltener paar⸗ oder famili⸗ enweis, oder zu drei und vier beifammen. Gewöhnlich hört mit Anbruch des Tages der Zug auf, waͤhrend noch in der Daͤmmerung ſeine Stimme vielfaͤltig in der Luft ertoͤnte; nur ſelten hoͤrt man 956 IN. Ordn. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle. auch einmal am Tage einen hoch durch die Luͤfte ſtreichen. Bei guͤnſtiger Witterung erſcheint er fruͤh im Maͤrz, ſonſt aber gewoͤhn⸗ lich erſt in der letzten Haͤlfte dieſes Monats, und ſein Zug dauert bis um die Mitte Aprils; im Herbſt faͤngt er in der zweiten Haͤlfte des Septembers an zu ſtreichen, haͤlt ſich dann oft mehrere Tage an ſolchen Orten auf, die ihm behagen, und verſchwindet mit Ablauf Octobers aus unſern Gegenden. Nur einzelne bleiben auch im Winter bei uns, wie in andern Gegenden Deutſchlands; dieſe hal- ten ſich dann meiſtens in Gaͤrten auf und naͤhern ſich bei vielem Schnee und heftiger Kaͤlte den menſchlichen Wohnungen, wo ſie bei mit Schnee bedeckter Erde, wie der Zaunſchluͤpfer, die todten Zaͤune, Reiſighaufen und Holzſtoͤße nach Nahrung durchkriechen, ſelbſt auf die Boͤden der an Gaͤrten und Gebuͤſch ſtoßenden Gebaͤude kommen und ſich beſonders da aufhalten, wo es im Widerſchein der Sonne an Zaͤunen und Hecken vom Schnee entbloͤßte Stellen giebt. Die Heckenbraunelle bewohnt, als wahrer Waldvogel, alle Waldungen, welche recht viel niedriges dichtes Unterholz und jungen Anflug haben, ſie moͤgen ſich auf Ebenen oder Bergen befin- den und aus Laub- oder Nadelholz beſtehen, jedoch die Gebirgs— waͤlder und die von Fichten und Tannen vorzugsweiſe. Den al ten Hochwald und die Kiefernwaͤlder beſucht ſie indeſſen faſt nie. In der hieſigen Gegend findet man ſie beſonders in den ſchoͤnen Waͤldern von gemiſchten Laubholzarten, wie ſie in den Auen unſrer Fluͤſſe vorkommen, wo nicht zu dicht ſtehende hohe Baͤume viel Unter⸗ holz zu wachſen geſtatten, wo es davon große Dickichte giebt, die wieder mit ganz freien Plaͤtzen abwechſeln. In aͤhnlichen iſt ſie auch auf dem ganzen Harz gemein, und ich hoͤrte ſie dort an allen mit Laubholz bewachfenen Bergen, bei weiten häufiger jedoch in den Schwarzwaͤldern, beſonders in Fichtendickichten des Oberhar⸗ zes und in Thuͤringen. — Dies alles iſt vom Sommeraufenthalt zu verſtehen; denn auf ihren periodiſchen Wanderungen ſpricht fie in jedem Walde und kleinerm Buſchwerk, in groͤßern Feld hecken und ſelbſt in tief liegenden Gehoͤlzen ein und iſt dann vorzuͤglich in allen Gaͤrten, die mit Gebuͤſch umgeben ſind, und in welchen es Hecken und todte Zaͤune giebt, gemein. Hier finden wir ſie dann bei allen Doͤrfern in den Bauerngaͤrten, unter Hecken, Geſtraͤuch und hohen Gemuͤſepflanzen, ſelbſt einzeln in den Kohl- und Kartoffelſtuͤcken, welche an Gebuͤſch und verwilderte Baumgaͤrten ſtoßen. — Die todten Zaͤune liebt fie, wie der Zaunſchluͤpfer und die Zaun⸗ III. Ordn. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle. 957 grasmüde, ganz vorzuͤglich und fucht fie ſelbſt mitten in den Waͤldern auf. Sie halt ſich immer nahe an der Erde oder auf dem Boden unter Hecken und Gebuͤſch, im Vorſommer aber faſt mehr noch in dieſem ſelbſt auf, laͤßt ſich ſelten einmal auf einem Baum von mitt⸗ lerer Hoͤhe und nie auf ſehr hohen alten Baͤumen ſehen. Im Herbſt und Fruͤhjahr ſieht man ſie faſt immer auf der Erde herumlaufen; allein ſie lebt ſehr verſteckt und zeigt ſich ſelten auf dem Freien, weswegen ſie denn auch, da ſie ſich nicht durch laͤrmende oder ſehr auffallende Eigenſchaften auszeichnet und ihr Weſen immer im Stillen treibt, wenig bemerklich macht, ſo daß man ſie in mancher Gegend fuͤr ſeltner haͤlt, als ſie es wirklich iſt. Eigen ſ ch afftee enn Es iſt ein harmloſer, ſtiller, ungeſelliger und die Einſamkeit liebender Vogel. Sein ſtilles aber immer thaͤtiges Leben, vereint mit den duͤſteren Farben ſeines Gefieders, macht ihn, wie geſagt, wenig bemerklich; nur das ſingende Maͤnnchen macht hiervon eine Ausnahme. Immer mit dem Aufſuchen feiner Nahrungsmittel be— ſchaͤftigt, läuft er entweder unter dichtem Gebuͤſch auf der Erde her— um, oder er durchkriecht die niedrigen Hecken und Zaͤune, in wel— cher Eigenſchaft er dem Zaunſchluͤpfer an Geſchicklichkeit wenig nachgiebt. Sonſt hat er in Betragen und Lebensart mit andern kleinen Inſectenvoͤgeln wenig Aehnlichkeit, oder wenigſtens ſehr vie- les Eigenthuͤmliche. Die Heckenbraunelle iſt ſo zutraulich, daß man ſich ihr oft auf wenige Schritte naͤhern kann. Sie ſucht ſich aber immer zu ver— bergen, ſitzt ſelten einmal auf einem freien Zweige ſtill, wohin ſie gewoͤhnlich, wenn man ſie von der Erde aufſcheucht, ihre Zuflucht nimmt; oͤfters ſetzt ſie ſich jedoch auch wieder auf den Erdboden, oder fluͤchtet ſich in eine nahe Hecke, erſcheint dann aber immer ſehr bald wieder auf dem erſten Platze auf der Erde. Hier hat ſie einen ganz eigenen Gang in kurzen Spruͤngen oder Schritten, mit ſehr gebogenen Ferſengelenken, ſo daß dieſer ein Gemiſch von Laufen und Huͤpfen iſt und manchmal ſehr ſchnell von Statten geht. Im langſamern Gange ſieht der Vogel, welcher dabei den Koͤrper und Schwanz ganz wagerecht, zuweilen den letztern auch ein wenig erha— ben traͤgt, beinahe etwas ſchwerfaͤllig aus. Gang und Stellung ſind hier gerade wie beim Buchfinken, was ſich am Vogelheerde ſehr ſchoͤn beobachten laͤßt. Auch die Hecken und Zäune durch- 968 III. Drdm. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle. ſchluͤpft ſie in geduckter Stellung, und nur auf freien Zweigen ſieht man ſie ziemlich aufrecht ſitzen. — Im kurzen Fluge hat ſie einige Aehnlichkeit mit den Geſaͤme- freſſenden Voͤgeln; er geſchieht mit einiger Anſtrengung und ſchneller Fluͤgelbewegung, ſchnurrend, eben nicht ſehr ſchnell, ziemlich gerade, beim Niederſetzen mit einer eige⸗ nen Schwenkung, iſt aber auf weitern Strecken leichter und ſchneller. Gewoͤhnlich geht er aber nicht weit und dabei ſehr niedrig, und es iſt eine Seltenheit, einen dieſer Voͤgel ſich einmal hoch aufſchwingen und ihn weit wegfliegen zu ſehen. N Ihre Lockſtimme laͤßt die unruhige Braunelle eben nicht oft, und gewoͤhnlich von der Spitze eines kleinen freien Zweiges, zuwei⸗ len auch im Fluge hoͤren; fie klingt nicht unangenehm, tönt ziem— lich weit, hoch, hell und dabei oft etwas ſchnarrend ti, tuͤi, tii, oder faſt ſri, ſrii, oder ſirri. Ein leiſeres Ti, ti, ſcheint beſonders Wohlbehagen anzudeuten, ſo wie dagegen ein helles Tituͤ, tituͤ nur in der Angſt ausgerufen wird. Im Fluge, befon= ders des Morgens, wenn ſie die naͤchtliche Wanderung beſchließen wollen, klingen die Toͤne hell wie bibbibbib, bibbib, ſo laut, daß man ſie ziemlich weit vernimmt. Der Geſang des Maͤnnchens gehoͤrt zwar nicht unter die ganz vorzuͤglichen, hat aber doch auch vieles Angenehme. Er ähnelt einigermaßen dem des Zaun⸗ ſchluͤpfers, hat aber weniger Abwechſelung und beſteht aus einer nicht ſehr langen Strophe, in welcher die Toͤne ſchnell aufeinander folgen. Das ganze Lied hat einen ſehr heitern Charakter. Nur ſelten ſingt das Maͤnnchen an ſolchen Orten, an welchen es ſich nur auf der Durchreiſe befindet, deſto fleißiger aber da, wo es bleiben und ſich fortpflanzen will, wie nachher wenn ſein Weibchen bereits ein Neſt hat. Man hoͤrt es dort ſchon zu Ende des Maͤrzes laut und ſchoͤn ſingen, wobei es bald unruhig durch die Zweige fortſchluͤpft, bald auf dem Wipfel eines niedrigen Baumes dabei ſtill ſitzt und ſich hier nach beendigtem Liede oft ſenkrecht ins Gebuͤſch herab ſtuͤrzt. Auch da, wo es nur durchziehend ſich aufhaͤlt, ſitzt es dabei immer frei auf einem aus oder über einer Hecke oder einem Zaune hervor- ragenden duͤrren Reischen. Es ſingt bis Ende Juni abwechſelnd, faſt zu allen Tagszeiten und ſehr fleißig. Kaum giebt es unter den kleinen Waldvoͤgeln einen, welcher ſich leichter an die Gefangenſchaft gewoͤhnte, als die Heckenbrau— nelle. Sie fügt ſich gleich in ihr Schickſal, geht ans Futter und wird bald ſehr zahm und zutraulich, man mag ſie in einen Kaͤfig ſtecken, oder in der Stube fliegen, oder mit beſchnittenen Fluͤgeln I, Ordn. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle. 959 herumlaufen laſſen. Im letztern Falle dauert ſie aber nicht lange, indem ſie uͤberhaupt in Wohnſtuben mit allerlei Krankheiten befallen wird, die faſt immer nur mit dem Tode enden. Am beſten befinden ſich dieſe Voͤgel in einem eigenen großen Behaͤlter, mit andern Voͤgeln zu⸗ ſammen, mit denen ſie ſehr vertraͤglich leben, und wo es ihnen we—⸗ der an freier Bewegung, noch friſcher Luft und Sonne fehlt; hier dauern ſie nicht allein viele Jahre, ſondern niſten auch in ſolchen; ja man hat Beiſpiele, daß fie ſich mit Rothkehlchen, ſogar mit Buchfinken verpaarten, Eier legten u. ſ. w., jedoch, meines Wiſ— ſens, niemals Junge aufbrachten. — Im Zimmer fingen fie fel- ten ſo laut als im en eher noch im Vogelbauer. Nahrung Dieſe beſteht aus mancherlei kleinen Inſecten und Saͤmereien, je nachdem die einen oder die andern ſich ihr gerade darbieten, im Sommer jedoch aber weniger von den letztern, und die Jungen werden bloß mit Inſecten aufgefüttert. Daß fie auch fliegende In— ſecten fing oder nur verfolgte, habe ich nie geſehen. So naͤhrt ſie ſich im Sommer meiſteuͤtheils von ganz kleinen Kaͤfern, Raͤupchen, mancherlei Inſectenlarven und Puppen, im Herbſt und Fruͤhjahr dagegen faſt bloß von vielerlei kleinem Geſaͤme, was ſie auf der Erde auflieſt, aber nie von den Baͤumen oder Pflanzen ſelbſt herab holt. Sie frißt vorzuͤglich gern oͤhlhaltende Samen, verſchluckt alle, ohne fie zu huͤlſen, ganz, obgleich ihr harter, ſcharfſchneidiger Schna— bel ſich einigermaßen dazu eignete, indem ich an gezaͤhmten oft geſehen habe, wie ſie ein Hirſekorn mit ſolcher Leichtigkeit durchbiſſen, als wenn es mit der Scheere durchſchnitten worden wär. — Zum Zerreiben dieſer harten Speiſen verſchluckt ſie immer kleine Kies⸗ koͤrnchen; ſelbſt auch dann, wenn der Magen faſt lauter Inſecten enthaͤlt, findet man ihn nicht ganz ohne jene. — Unter den Sa⸗ men von fo mancherlei Arten ſcheint ihr der Mohn (Papaver som niferum, P. Rhoeas, dubium u. a. m.) am beſten zu ſchmecken, deshalb iſt ſie auch ſo gern in den Gaͤrten, beſonders in Blumen⸗ gaͤrten, wo ſie noch andere dem Mohn aͤhnliche aufſucht, z. B. vom Tabak, Portulak, Huͤhnerdarm, Gauchheil, Silenen, Stellarien, Nachtſchatten (Solanum nigrum), Vogelknoͤterich ( Polygonum aviculare), auch von einigen kleinen Carex- und Grasarten. Dieſe, nebſt noch vielerlei andern, habe ich in ihrem Magen gefun= den, im Fruͤhjahr auch oft ſehr viel Erlenſamen. Am liebſten ſcheint ſie die kleinen runden Samen zu freſſen, doch mit Auswahl, 960 III. Ordn. XXI. Gatt. 113. Helden: Braunelle z. B. den mehligen der Amaranthusarten ſchon nicht gern, auch den Ruͤbſamen und alle Kohlarten nur im Nothfall, wo ſie dann frei= lich ſelbſt Hanfkoͤrner und Hirſe verſchluckt, wie man an Gefan— genen bemerkt. — Im Winter bleibt den einzelnen, welche zus weilen bei uns bleiben, keine ſo ſtrenge Wahl, ſie muͤſſen dann froh ſein, was ſie an vom Schnee entbloͤßten Stellen finden, und ſuchen dann in den Zaͤunen, Holzhaufen und in allerlei Schlupfwinkeln, wie der Zaunſchluͤpfer, auch nach Spinnen, allerlei Inſecten⸗ puppen und Inſecteneiern, durchſtoͤhren die Raupenneſter u. ſ. w., ſcheinen ſich aber dennoch recht gut durchzubringen und auch die Kaͤlte unſerer Winter nicht unertraͤglich zu finden. — Wenn man fie am Boden herum laufen ſieht, muß man über das unaufhoͤrli— che Picken und Aufleſen ihrer Nahrungsmittel erſtaunen; ſie ſcheint unerſaͤttlich, und kaum ſieht man ſie da auf Augenblicke muͤßig. Am Vogelheerde, wenn beſonders Mohn- und Erlenſamen aufgeſtreu— et iſt, iſt ſie ohne Unterlaß mit dem Aufleſen deſſelben beſchaͤftigt; auch zwiſchen den Gartenbeeten kann man dies oft in der Nahe be— obachten. Sie muß auf manchen Stellen außerordentlich viel fin- den, weil man ſie auf einem kleinen Platze oft den ganzen Tag et— was aufleſen, und wenn man ſie auch mehrmals wegjagt, immer wieder auf ſolchen zuruͤckkehren ſieht. Es giebt ſolche Plaͤtzchen, die die Zugzeit hindurch immer beſucht ſind, und die nach und nach mehreren Voͤgeln dieſer Art reichlichen Unterhalt gewaͤhren. Er— legt man da einen ſolchen thaͤtigen Vogel, ſo findet man Kropf und Magen ganz von kleinen Saͤmereien mit untermengten Kies⸗ koͤrnchen vollgeſtopft. Sie muß ungemein ſchnell verdauen. Man ſagt auch, daß fie Beeren, nahmentlic vom ſchwarzen Hohlunder, fraͤßen; allein ich habe dies weder im Freien noch bei gezaͤhmten geſehen. Letztere ruͤhrten auch keinen Regenwurm an, fraßen aber unter allen vorgeworfenen vollkommenen Inſecten am liebſten Fliegen. — Wenn ſie Hohlunderbeeren fraͤßen, wuͤrde man ſie auch in Sprenkeln fangen, wobei ſolche als Lockſpeiſe dienen; ich weiß mich aber nicht zu erinnern, daß dies in hieſiger Gegend geſchaͤhen waͤr, wo man doch ſo viele Rothkehlchen und andere Voͤgel auf jene Art faͤngt, und wo ſich neben dieſen doch ſtets auch Braunellen aufhalten. Mein Vater erlebte den Fall auch nur ein einziges Mal, wo, wahrſcheinlich ganz zufaͤllig, eine Hecken— braunelle in einem Rothkehlchenſprenkel dicht an einem Zaune ge— unge wurde. In. der Gefangenſchaft gehen fie ſehr bald ans Futter und III. Ordn. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle. 961 befinden ſich bei bloßem Mohnſaamen außerordentlich wohl. Auch hier zeigen fie immer guten Appetit. Im Nothfall verſchlu⸗ cken ſie hier auch Ruͤbſaat und Hanf; aber dieſe ſcheinen ihnen nicht gut zu bekommen. Sonſt freſſen fie auch noch, wie die Roth— kehlchen, alles was auf den Tiſch koͤmmt, Brod, Kuchen, Fleiſch und Gemuͤſe. Will man ſie recht lange haben, wo ſie ungemein kirre werden, ſo iſt das beſte Futter fuͤr ſie, wenn man das der Grasmuͤcken zur Haͤlfte mit Mohnſamen vermengt. — Man kann ſie auch mit Waitzenbrod oder Gerſtenſchrot, in Milch gequellt und mit Mohn vermiſcht, erhalten; es iſt aber kaum etwas anderes als trockner Mohnſamen noͤthig, wenigſtens hielten ſich die Hecken— braunellen meines Vaters dabei immer ganz vortrefflich und viele Jahre. 5 J oertpflan zung. Die Heckenbraunelle niſtet in den Waͤldern Deutſchlands, doch mehr in gebirgigen, als in ebenen, daher in hieſiger Gegend nur ſparſam, z. B. in denen an den Ufern der Elbe und Mulde; haͤufiger ſchon an den mit Laubholz bewachſenen Bergen des Vor— harzes; in den Nadelwaͤldern des Oberharzes aber ſehr haͤufig. Fichten⸗ und Tannenwald*), mit ſolchen Stellen, worauf junger Anflug große Dieichte bildet, und junge, bis etwas über Mannshoͤhe aufgefchoffene Fichten- und Tannenanſaaten lieben dieſe Vögel beſonders. In den Laubwaͤldern ſind ſie auch immer in den Di— ckichten und im Geſtruͤpp, wie man es in den zwei- bis vierjaͤhrigen Schlaͤgen deſſelben findet, und woſelbſt mehr Unterholz als hohe Baͤume ſtehen. Selbſt in den großen Buſchweidengehegen an den Flußufern habe ich niſtende Paͤaͤrchen angetroffen, und fie ſcheinen überhaupt gern in der Nähe von Waſſer zu wohnen; allein in ſumpfigen Waͤldern und kleinen, tiefliegenden Feldhoͤlzern niſten ſie nicht. ö 1 Das Neſt ſteht ſo verſteckt und an aͤhnlichen Orten, wie das mancher Grasmuͤcken, gewoͤhnlich nicht unter zwei und nicht uͤber vier Fuß hoch vom Boden, in einem dichten Fichtenbuͤſchel, oder auf einem Baͤumchen in den Dickichten von dieſer Holzart, in Laub⸗ waͤldern in einem Dornbuſch, oder einem mit Brombeerranken und *) Fichten und Tannen, Pinus abies und P. picea, Linn. nicht Kiefern, P. sylvestris. — Hier, wie überall in vorliegendem Werk, find dieſe Deutſchen Be⸗ nennungen nicht zu verwechſeln. 2er Theil. 61 8 962 III. Ordn. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle: anderem Wuſte durchflochtenem Geſtraͤuch, oder ſonſt in einer dich— ten Hecke. Es iſt außerordentlich ſchoͤn, inwendig tief napffoͤrmig, oft einzig und allein von gruͤnem Erdmoos gebauet. Mehrentheils iſt jedoch die erſte Grundlage aus duͤrren Reischen und Pflanzen⸗ ſtengeln gemacht, worauf erſt das Moos folgt, was haͤufig auch noch mit trocknen Haͤlmchen vermengt iſt, wo dann das Innere mit feinen duͤrren Grashalmen, mit Wolle, Haaren und einzelnen Federn ausgelegt iſt. Das Gewebe iſt dick und dichter gefilzt als jedes Grasmuͤckenneſt, auch kenne ich deren keins, was fo viel gruͤ— nes Moos enthielte, wodurch es ſich ſogleich kenntlich macht. Zu— weilen iſt das grüne Moos auch mit weißen Baumflechten ver- miſcht; allein die ſchoͤnſten von allen ſind die, welche einzig aus dem erſtern gebauet ſind, wo dann gemeiniglich das Innere mit den rothen Kolbentraͤgern des Mooſes ſehr nett ausgelegt iſt. Dieſe rothen Faͤden ſehen wie Eichhornhaare aus. ü Die Eier ſind bald etwas kurzoval, bald ſchoͤn eifoͤrmig, mehr oder weniger bauchig, zart- und glattſchalig, etwas glaͤnzend, von einer ſehr angenehmen blaugruͤnen oder Gruͤnſpanfarbe. Sie aͤh⸗ neln den Eiern des braunkehligen Wieſenſchmaͤtzers, noch mehr aber denen des Gartenroͤthlings; allein fie find ſtets etwas groͤßer und noch ſchoͤner von Farbe. In Sammlungen leiden ſie, wie dieſe, ſehr durch das Verbleichen. Man findet in einem Neſte meiſtens vier bis fünf, doch auch zuweilen ſechs Stuck, welche dreizehn bis vierzehn Tage lang, man ſagt von beiden Gatten, be— bruͤtet werden. Sie lieben ſie ſehr, der bruͤtende Vogel laͤßt ſich ganz nahe kommen und flattert dann mit aͤngſtlicher Gebehrde, wie viele Grasmuͤcken, im Graſe hin, um dadurch die Aufmerkſamkeit des vermeintlichen Feindes vom Neſte ab und auf ſich zu lenken. Die Jungen verlaſſen das Neſt, wenn die Witterung gunflig war, und fie nicht geftöhrt wurden, zehn bis zwoͤlf Tage nach dem Aus- ſchluͤpfen und werden von beiden Aeltern mit kleinen Raͤupchen und andern Inſecten fleißig gefuͤttert und nachher noch ſo lange ge— führt, bis fie ſich ſelbſt naͤhren koͤnnen. Wenn fie erſt Federn haben, ſchluͤpfen ſie bei der geringſten Stoͤhrung aus dem Neſt, verlaſſen es, auch ohne dieſe, ehe noch die Schwanzfedern zur Halfte ausge— wachſen find, und durchkriechen das dichte Geſtruͤpp mit ſolcher Ge— ſchwindigkeit wie Maͤuſe. Dies verlaſſen ſie nicht leicht eher, bis ſie der aͤlterlichen Zucht entwachſen und voͤllig flugbar ſind; man bekoͤmmt ſie daher ſelten zu ſehen und noch ſeltner zum Schuß. It. Or dn. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle. 963 Sie ſollen gewöhnlich zwei Mal i im Jahr brüten, auch zuwei len die Pflegeaͤltern eines jungen Kuckuks werden. ei e. Nur ſelten faͤngt einmal ein Raubvogel, nahmentlich der Sperber, einen dieſer groͤßtentheils immer verſteckt lebenden Voͤ⸗ gel; allein ihre Brut hat gar viele Feinde, welche auch ihrer grö- ßern Vermehrung ſehr im Wege ſtehen, z. B. Fuͤchſe, Marder, Iltiſſe, Wieſeln, ſeltner Katzen, zuweilen aber auch He— her, Elſtern und Wuͤrger. In ihrem Gefieder wohnen Schmarotzerinſecten. Sie ſollen auch im Freien mancherlei Krankheiten unterworfen ſein, unter andern die Pocken oder Blattern bekommen, und was derglei— chen mehr iſt. Im Zimmer leiden ſie oft an geſchwollenen oder kraͤtzigen Beinen und boͤſen Augen, oder ſterben in der Mauſer. Jag d. Dieſer harmloſe Vogel iſt nicht allein leicht zu ſchießen, ſelbſt mit dem Blaſerohr, ſondern auch zu fangen und geht faſt in jede ihm geſtellte Falle. Am leichteſten fängt man ihn in einem Schlag⸗ gaͤrnchen oder in einer Netzfalle, die man da hinſtellt, wo man ihn oft herumlaufen ſah, und wo man Mohnſamen zur Lockſpeiſe waͤhlt. Er geht aber auch nach lebenden Mehlwuͤrmern. ieht man ihn in einem Zaune, ſo darf man nur daſelbſt ein Plaͤtzchen am Boden vom alten Laube und dergl. reinigen, die Erde etwas aufkratzen und Mohn hinſtreuen, eine Falle, Leimruthen oder Schlingen hin- ſtellen und ihn gemaͤchlich hintreiben. Auch faͤngt man ihn zuwei— len an den Hecken, wie die Rothkehlchen, auf mit Leimruthen beſteckten Staͤben. Er kriecht auch in die Meiſenkaſten, zumal im Winter, und koͤmmt auf den Traͤnkheerd. Auf dem gewoͤhnlichen Vogelheerde, wo man Finken, Zeiſige und dergl. fängt, fehlt er ſelten, ob er gleich durch keinen Lockvogel herbei gerufen wird. In Laufſchlingen faͤngt er ſich auch gut. Nutzen. Sein Fleiſch iſt ſehr wohlſchmeckend und faſt immer fett, im Herbſte oft ſo fett wie bei den Lerchen; deswegen hieß er auch ſonſt bei den alten Vogelſtellern der hieſigen Gegend der Speck— ſpanier. Sein Geſang belebt die Waͤlder, und fein ruhiges, Fir: 964 III. Ordn. XXI. Gatt. 113. Hecken⸗Braunelle⸗ res Betragen erfreuet den, der ihn als Stubenvogel halt. Er mag auch manches ſchaͤdliche Raͤupchen verzehren. Schaden. Nur durch das Aufleſen einiger Saͤmereien koͤnnte er uns un⸗ bedeutend ſchaden, wenn nicht erwieſen waͤr, daß er meiſtens bloß von ſolchen lebte, die Pflanzen angehörten, welche wir Unkraut nen- nen, deren Vertilgung wir daher wuͤnſchen, und wodurch er folglich eher nützlich als ſchaͤdlich wird. 965 Shah Gerade, pfriemenfoͤrmig, ie 050 vorn an den Seiten etwas zuſammengedrüͤckt, mit kantigem Rücken. 12 Naf enloͤch er: Nicht groß, einfoͤrmig, vom Schnabel⸗ grunde etwas entfernt, mit einer roͤhrenaͤhnlichen, aufgeblaſenen Haut ruͤckwaͤrts umgeben; jedes mit einer einzigen, feſt aufliegen⸗ den, ſteifen Feder bedeckt. Zunge: hart, flach, duͤnn, ſaſt gleichbreit, mit abgeſtutzter, in kurze Borſten zerkerbter Spitze, hinten erweitert, mit ſtarkem, ſchwach gezaͤhneltem Eckzahn. Fuße: Duͤnn, ſchwaͤchlich, vierzehig, drei Zehen vor⸗ und eine ruͤckwaͤrts geſtellt; die Hinterzeh groß, mit anſehnlich größerm und ſtaͤrker gebogenem Nagel; die Bedeckung der Fußwurzel meiſt geftiefelt, die Sohlen an den Zehengelenken mit ſtarken, warzi⸗ gen Ballen. u 3 1 Fluͤgel: Mittelmaͤßig, weichfederig; die erſte Schwinge ſehr kurz, ſchmal und ſpitz; die zweite viel laͤnger und groͤßer als dieſe, aber bedeutend kurzer als die dritte und vierte, welches die laͤngſten ſind. „ Schwanz: Nicht lang, weichfederig, ſeine 12 Federn meiſtentheils an der Spitze ſtumpfwinkelig abgeſtutzt; daher und wegen der etwas kuͤrzeren Mittelfedern erſcheint er h bei allen mit ausgekerbtem Ende. Es ſind ſaͤmmtlich kleine oder ſehr kleine Voͤgel, deren Körper mit langen, ſehr weitſtrahligen, ſeidenartig weichen und lockern 966 III. Ordn. XXII. Gatt. Goldhaͤhnchen. Federn, faſt wie bei den Meiſen, bekleidet iſt. Die langen Scheitelfedern haben lange, wenig zuſammenhaͤngende Baͤrte und bilden aufgeſtraͤubt eine Art von Holle, welche in der Mitte praͤch— tig gelb oder roth gefärbt und meiſtens ſchwarz eingefaßt iſt. Die Zeichnung und Faͤrbung der Fluͤgel iſt bei allen nach Einem Muſter, und die Farbe an den obern Theilen des Körpers bei al⸗ len bekannten Arten gruͤn, olivengruͤn oder graugruͤn. — Die Weibchen haben ſtets eine weniger ſchoͤn gefaͤrbte Haube, und den jungen noch e eh en man ſie bei 9 Arten zu fehlen. So leicht ſich die chien Arten 19 e Habitu nach in dieſe Gattung zuſammenſtellen laſſen, ſo ſchwer wird es, wenn man ſich zu ſtreng an die Schnabelbildung halten wollte, weil einige auslaͤndiſche wahre Meiſenſchnaͤbel, andere Flie⸗ genfaͤnger ⸗ oder Pipraſchnaͤbel. haben. Die Bildung und Bede- ckung der Naſenlöcher bleibt durchgaͤngig dieſelbe. Der Schwanz iſt nur bei Einer Art abgerundet. Zur beſſern Vergleichung will ich eine kurze Ueberſicht aller 9 00 jest bekannten 8 in 1 riſcherr Form hier mittheilen W). % r een eee an Ueber die letzte Art (No. 7.) theilt nie Herr Prof. Lichtenſtein noch folgende Bemerkungen mit: „„Die Schnabelform iſt noch abweichender von der gewöhnlichen als die des R. elatus; wenn man ihn ſich anſehnlich vergroͤßert denkt, wuͤrde er zwiſchen der Schna⸗ belbildung von Lanius und Muscicapa das Mittel halten. Fuͤr Lanius iſt er zu breit, für Muscicapa zu hoch und zu gekruͤmmt gegen die Spitze; dicht vor dieſer iſt ein deutlicher Einſchnitt. Unfere Sammler beſtimmten ihn fuͤr eine Pipra. Die Form des Gefieders, die Farbenvertheilung und die Körperverhältniffe machen ihn nothwendig zu einem Regulus. Will man ihn nicht dafür gelten laſſen und zu Museicapa oder Pipra bringen, ſo muͤßte auch K. elatus wieder zu den Meiſen, was mir unnatuͤrlich ſcheint. Auf die Kuͤrze des Schwanzes bei unſerm Exemplar iſt nicht viel zu geben; fie ift nie ein taugliches Kennzeichen bei braſtliſchen Voͤgeln, unter welchen langſchwänzige und kurzſchwaͤnzige Exemplare von denſelben Arten gar nicht ſelten vorkommen. Ich halte unſer Efemplar für ein Männchen kurz vor Vollendung ſeines ſchoͤnſten Gefleders. Einige Wochen ſpaͤter wuͤrde der Schwanz einen halben Zoll laͤnger, die Bruſt rein gelb, die Haube vollkommen roth (ohne Grün), die Einfaſſung derſelben rein ſchwarz geworden fein. — Denkt man ſich den Vogel zwei- oder dreimal größer, fo iſt es, ein vollſtaͤndiger Tyrannus, nämlich eine der Muscicapa⸗ Arten mit gelbrother Haube: Mus. Dux, M. Inca, M. Legatus oder dergl. So unmerklich gehen alle Gattungen in ein⸗ ander uͤber. — Uebrigens iſt es eine anerkannte Thorheit, die Genera der Voͤgel nach den Schnaͤbeln ſondern zu wollen. Ich erinnere an die Dendrocalaptes⸗ Arten.“ „Die Federn des Hinterbauchs und een ſind an dieſer Art groß, „) Sch erhielt fie durch die Güte des Herrn Prof. Lichtenſtein und uͤber⸗ zeugte mich auch nachher ſelbſt von der Richtigkeit derſelben im Muſeum zu Berlin. Ich ſage meinem Freunde hiermit den waͤrmſten Dank 55 ſeine hohe Gefaͤlligkeit. ' N ahmen. 1 R. flauicapillus N. Motac. Regulus. Gm. Lin. Sylv. Regulus. auct. Regulus cristatus. Koch, Europa. 2. R. ignicapillus. Lichtst. Sylv, ignicapilla Temm. Europa. 3 3. Motac. Satrapa. IIlig. Nord-Amerika. +. Sylv. Calendula. Lath. fem. et Parus griseus? Lath. Georgia. A elatus. Lichtst. Sylv. elata. Lath. Lin. Cayenne. C6. R. Azarae, Lichtst. Le roi. Azara. No. 161. Paraguay. — 7. R. Tyrannulus. Neuw. Braſilien. Regul. pyrocephalus. Brehm. R. Satrapa. Lichtst. Sylv. Regulus. Wils. VIII. 2. R. Calendula. L. mas. Motac. regulus var, ß. Gm. Provinz San Paulo in eher t Der E =| Sarfen: | Farbe Bebies 1 Bauer ER 5 88 3 i der ckung der] Stirn. Länge. |bellänge.| Länge. länge. are e a4 zu 4 au zu 83“ “ lichtbraun. ohne Ein-und Augen: ſchnitte. kreis licht⸗ grau. 37 gm | zz 17 8770 800 braun. wie bei Nr. roſtig gelb⸗ 1. grau, hinter- waͤrts mit 1 ſchwarzen Bande be: grenzt. Zuͤ⸗ gel ſchwarz. 37 117% 37 17 107% | gu wie bei Nr. 2. wie bei Nr. = 4 6½¼ 41 170 9% gu wie bei Nr. 2. von der 44 a4 320 u zu 97 [Farbe des Ruͤckens. 44 kaum 3/4 | 1% 0%. 6% ſchwarz. deutlich ge- faſt ſchwarz, Meiſen⸗ ſchildert. mit immer ſchnabel. laͤngern ſchmalen Fe⸗ dern des Scheitels. 47 faſt 570 17% 5%“ 10% ſchwaͤrzlich. —— lebhaft gelb; Hinterkopf Ausnahme: Schwanz zugerundet, die erſte Feder und Seiten ganz weiß, die zweite halb, die dritte nur an dunkel blau. der Spitze weiß. 3˙ a2 14 70 ſchwaͤrzlich. deutlich ge- über den Schnabel⸗ ſchildert. Naſenloö⸗ form ſehr chern gelb, abweichend. dann gruͤn, dann ſchwarz; Seiten des Kopfs und Halſes gelb: gruͤn. — ., | mm nn Arten. rr ße /// -S / ee ee Haube. — — — —— mm gelbgrün ge⸗ in ber Mitte ſafrangelb, nach außen hellgelb; ſchwarz ein⸗ gefaßt. — Feuerfar— ben; roͤther in der Mitte, gelber nach außen; ſchwarz ein⸗ gefaßt. in der Mitte feuerfarben, nach vorn u. am Rande ſchwefelgelb. nur vom Scheitel bis zum Hinter⸗ kopfe ſchar— lachroth. Jonquillen⸗ gelb, von den Federn des Vorderkopfs faſt verdeckt. klein, ſehr ſchoͤn feuer: roth in der Mitte eines ſchwarzen Scheitels. ſchwarz, gruͤn und ſcharlachroth gemiſcht, roth am meiſten, gruͤn am wenig⸗ ſten. Die ſchwarzen F. bilden ge= ordnet 2 pa⸗ rallele Rei⸗ hen. | fung ber Flügel: und Schwanz federn. ‚grüngelb, an den En: den der er— ftern weiß. wie bei Nr. * wie bei Nr. 2 die 2 letzten remig. se- cund. mit breitem wei— ßem Rand an der aͤu⸗ ßern Fahne. rem. prim. ſchwarz ohne Rand; rem. secund. ſchmal grün, die letzten außen ſchmal weiß ge⸗ ſaͤumt. letzte Schwungfe⸗ dern faſt ganz weiß. gruͤn, die letzten rem. secund. mit feiner mei: ßer Spitze. großen wei⸗ (Zu Seite 966.) Flügel: | Nacken Unter: deckfe⸗ nd Kehle. ? dern Ruͤcken. IT graugrün,. | mweißgrau. lichtgrau. ſaͤumt, mit ßen Spitzen. wie bei Nr. ſehr lebhaft weiß mit licht braun Ir gelblich oliz) zofigelbem | lichgrau. vengruͤn. Anfluge. wie bei Nr. matt grau: wie bei Nr. 2. 2. gruͤn. wie Nr. 1.[dunkel oli⸗ gelblichweiß, nach dem vengruͤu, Schwanze hin blaß⸗ nach hinten gelb. heller. J ſchwarz, an] braungruͤn, grau. ſchwefelgelb, den Spitzen] Steiß oli— nach dem weiß. vengruͤn. Schwanze zu am leb hafteſten. ſchwarz und] dunkelgrün. und Brujt| feuerfarbig weiß. ſchoͤn gelb, letztere an jeder Seite mit einer ſchwarzen Binde. und Hals und die lan⸗ ſchwarz, mit lebhaft gelb- breiter wei- gruͤn. ſſchoͤn gelb, gen obern u. ßer Spitze. Bruſt grün] untern angeflogen, | Schwanz— deckfedern rein ranun⸗ kelgelb. III. Ordn. XXII. Gatt. Goldhaͤhnchen. 967 langfaſerig und nach der Wurzel hin mit wollig ſeidenartigen Faſern dicht beſetzt, wie das fo viele braſiliſche Arten von Lanius, Myothera und Pipra auch haben. Auf dem ganzen Leibe iſt das innere Gefieder ſchiefergrau; nur die Spitzen der Fe⸗ dern tragen die angegebenen Farben. — Artig iſts, wie in Amerika die Arten von Norden nach Suͤden immer ſchoͤner und in der Schnabelform von den unſrigen abweichender werden.“ Unter den Europaͤiſchen Vögeln find unſere Goldhaͤhnchen die kleinſten. Sie leben im Walde und meiſtens in Nadelwaͤldern, ſind Zug⸗ und Strichvoͤgel, lieben die Geſellſchaft der Meiſen, denen fie in Sitten und Lebensart mehr ähneln als den Laub voͤ— geln in der Saͤngergattung, welchen man ſie ſonſt zuzaͤhlte. Sie naͤhren ſich, wie die Meiſen, von Inſecten, deren Larven, Pup— pen und Eiern, mitunter auch von Saͤmereien, haben einen huͤp⸗ fenden Gang, ſind ſehr geſellig, bauen aber an die Enden der Aeſte ein kuͤnſtliches, ballfoͤrmiges, oben offnes, warmes Neſt, legen ſechs bis eilf Eier und bruͤten meiſtens zwei Mal im Jahr. Sie mauſern jaͤhrlich nur Ein Mal, und den Jungen vor der erſten Mauſer fehlt der gelbe und rothe Kopfputz. * * * Ueber den innern Bau dieſer Gattung bemerkt H. Nitzſch Folgendes: 5 1 „Bei Zergliederung des Regulus flavicapillus und R. igni- capillus fand ich den Singmuskelapparat und die ganze weſentliche Bildung meiner Paſſerinen. Der Magen ſchwachmuskuloͤs. Minimum der Knochenpneumacitaͤt. Eine beſtimmte anatomiſche Verſchiedenheit von den Sylvien habe ich noch nicht bemerkt.“ In Deutſchland haben wir nur: Zwei Arten. 5 1 968 114. 6 ! Das gelbkoͤpfige Goldhaͤhnchen. Regulus flavicapillus N. Fig. 1. altes Maͤnnchen. Taf. 93. — 2. Weibchen. — 3. Junger Vogel. Safrankoͤpfiges oder gemeines Goldhaͤhnchen. — Das Goldhaͤhn⸗ chen, Goldaͤmmerchen, Goldhammel, Goldhannel, Goldhendlein, Goldvoͤgelein; — gekroͤnter Saͤnger, Straͤußchen, Straͤußlein; — Koͤnig der Voͤgel, Koͤniglein, gekroͤntes Koͤnigchen, Haubenkoͤnig, Sommerkoͤnig, Zaunkoͤnig, gekroͤnter Zaunkoͤnig, Zaunſchluͤpflein, Haubenzaunkoͤnig, Sommerzaunkoͤnig; — Tannemaͤuslein; Weis denmeiſe; — Weidenzeislein, Waldzeislein; — Ochſenaͤuglein, Ziszelberte, Parra; hier zu Lande: Goldhaͤmmerchen oder Gold— R e 4 haͤmmelchen. Motoeilla Regulus. Gmel. Linn, syst. I. 2. p. 995. n. 48. Retz. faun. suec. p. 265. n. 251, — Sylvia Regulus. Lath. ind. II. p. 548. n. 152, — Nilsson orn. suec. I. p. 230. n. 110. = Le Roitelet. Gerard. Tabl, &l&m. I, P- 318. — Roitelet ordinaire. Temm. Man. nouv. Edit. I. p. 229 = Gold- erestet Wren. Lath. syn. II. 2. p. 508. n. 145. Ueberf. v. Bechſtein., IV. S. 496. n. 145. — Bewick brit. Birds. I. p. 273. — Regolo. stor. deg. ucc, IV. t. 390. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 655. — Deffen orn. Taſchenb. I. S. 189. — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 250. — Meis⸗ ner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 122. n. 128. — Meyer, Voͤg. Liv⸗ und Eſthlands. S. 125. = Koch, Baier. Zool. I. S 199. n. 117. — Brehm, Beitr. z. V. II. S. 120. — Friſch, Vögel. Taf. 24. Fig. unten links. — Naumanns Voͤg. alte Ausg. I. S. 234. Taf. 47. Fig. 110. Weibchen. „Fͥͤ der Wen Die Stelle um das Auge iſt gelblichgrauweiß. Beſchreibuug. Dies kleine Voͤgelchen wurde nur erſt vor kurzem als Art vom Folgenden getrennt, von welchem es ſich, außer den Artkenn⸗ III. O. XXII. G. 114. gelbköpfiges Goldhahnchen. 969 ’ U zeichen, noch durch die etwas anſehnlichere Groͤße ſeines Koͤrpers, den kleinern Schnabel und durch eine duͤſterere, grauere Ruͤckenfarbe ſogleich unterſcheidet. Da die Artkennzeichen auch auf die jungen, noch unvermauſerten Voͤgel paſſen, ſo ſind auch dieſe, bei aller Aehnlichkeit, nicht ſchwer zu unterſcheiden. — In aͤltern Werken waren beide Arten immer miteinander vermengt und fuͤr Varietaͤten Einer gehalten, bis auf Brehm, welcher ſie, der Natur gemäß, zuerſt trennte und richtig unterſchied. Es iſt weit kleiner als der Zaunſchluͤpfer und der Wei: denlaubvogelz; allein es herrſcht unter den Voͤgeln dieſer Art ein ſehr auffallender Unterſchied in der Groͤße und Staͤrke des gan⸗ zen Koͤrpers, ſo daß man Individuen von 3 Zoll 6 Linien bis zu 4 Zoll Länge und von 64 bis zu 63 Zoll Breite findet; dabei ſteigt die Laͤnge des Schwanzes von 1 Zoll 1 Linie bis zu 1 Zoll 7 Linien, wovon die ruhenden Flügel aber felten mehr als 8 Linien unbedeckt laſſen. Nicht immer ſind die kleinern Exemplare juͤngere Voͤgel und weiblichen Geſchlechts, aber die groͤßten ſind ſtets Maͤnn⸗ chen und dem Anſchein nach die aͤlteſten. — So iſt auch das Ge⸗ wicht aͤußerſt verſchieden, gewöhnlich 1 Quentchen, aber bald + daruͤber oder auch etwas darunter. — Das Schwanzende iſt etwas tief ausgeſchnitten; das Verhaͤltniß der Schwingfedern wie oben angegeben. Auch die Schnabellaͤnge iſt ſehr verſchieden; ich habe z. B. öfters mehr als Ein Mal vermauſerte, aber ſehr kleine Indivi⸗ duen gehabt, wo der Schnabel nur 8 und 35 Linien lang war, dagegen aber auch recht große, wo er volle 4 Linien maß. Er iſt duͤnn, an der Wurzel etwas breit, vorn ſchmal, pfriemenfoͤrmig ſpitz, der obere an der Spitze etwas abwaͤrts gebogen, mit einer ſeichten Kerbe, bei alten Voͤgeln ganz ſchwarz, bei jungen an der Wurzel unterhalb horngrau, bei ganz jungen noch lichter; Rachen und Zunge hellgelb; das Naſenloch iſt etwas groß, die kamm⸗ artigen Deckfedern ſchwarzbraun; uͤber den Mundwinkeln ſtehen ſchwarze Borſthaͤaͤrchen; die Iris der ziemlich großen Augen iſt ſehr dunkel braun. Die ſchlanken, ſchwaͤchlichen Fuͤße ſind lichtbraun, mit gelb⸗ lichen Zehenſohlen, gelben Ballen und dunkelbraunen Naͤgeln; die Bedeckung des Laufs geſtiefelt, die Zehenruͤcken grob geſchildert; die anſehnlich großen Ballen an den Gelenken der Zehenſohlen et— was platt gedruckt und ſehr grobwarzig, das Uebrige der Sohlen feinwarzig; die Nägel eben nicht groß, flach gebogen und nadel⸗ 970 III. O. XXII. G. 114. gelbkoͤpfiges Goldhaͤhnchen. ſpitzig. Die Fußwurzel mißt 8 bis 8 Linien, Mittelzeh und Kralle 6 bis 8 Linien, Hinterzeh mit der bald anſehnlich großen, bald ſehr mittelmaͤßigen Kralle 55 bis 6 Linien.“) Am alten Männchen iſt die Stirn weißlichgelbgrau, ein rundes Feld, in deſſen Mitte das große dunkle Auge ſteht, gelb— lich grauweiß. Die Mitte des Scheitels iſt mit langen, zerſchliſſe⸗ nen, beweglichen Federn geziert, welche die ſchoͤne Orangenfarbe der Ringelblume (Calendula ollicinalis) haben und an allen Sei⸗ ten mit ranunkelgelben Federn umgeben ſind, die, wenn dieſe Holle glatt niedergelegt wird, die erſte Farbe faſt ganz verdecken; zu beiden Seiten iſt das Gelb wieder von einem ſchwarzen Streif begrenzt, welcher unterwaͤrts in ſchmutziges Olivengruͤn verlaͤuft. Wangen und Halsſeiten ſind licht gelbbraͤunlichgrau, alle obern Theile ſchmutzig olivengruͤn oder gelblichgraugruͤn, auf dem Buͤrzel am ſchoͤnſten, im Nacken aber grauer. Die Kehle iſt ſchmutzig gelbbraͤunlichweiß, alle untern Theile eben ſo, aber noch weniger weiß, beſonders in der Kropfgegend und in den Sei— ten ziemlich ſtark mit ſchmutzigem Braungelb uͤberflogen. Die Fluͤgelfedern ſind braͤunlich grauſchwarz, die Deckfedern olivengruͤn gekantet, die mittlern und großen mit großen weißen Enden, wo⸗ durch ſich zwei weiße Querbinden über dem Flügel bilden; die gro= ßen Schwingen mit feinen, licht gruͤngelblichen, nach der Wurzel zu ins Weiße uͤbergehenden Saͤumchen, welche an denen der zweiten Ordnung breiter und gelbgruͤner ſind; dazu ſind dieſe letztern oben, nahe an den Dedfedern, an einer 3 Linien langen Stelle, aͤußerlich ganz ſammetſchwarz, wodurch auf dem zuſammengefalteten Fluͤgel ein viereckiger ſchwarzer Fleck entſteht; und endlich haben noch die drei bis vier letzten Schwingen einen weißen Spitzenfleck. Die 7 *) Dieſe fo ſehr verſchiedenen Maaße ſind alle an friſchen Voͤgeln von mir ſelbſt gefunden, indem ich dieſe Voͤgelchen in Menge unterſucht habe, und man könnte dabei faſt auf den Gedanken gerathen, daß hier noch eine beſondere Art dahinter ſtecken koͤnnte, woran ich iedoch durchaus zweifle. Es mag dies vielmehr beweiſen, wie wenig man eigentlich auf die Maaße bauen kann, und wie mißlich es iſt, darnach Arten beſtimmen zu wollen, wenn nicht auffallende Abweichungen in den Verhaͤltniſſen der verſchiedenen Koͤrpertheile gegen ein⸗ ander dazu kommen. Ich erinnere hierbei an das, was ich S. 670. dieſes Bandes bei der Länge der Fußwurzel des Seggenrohrſaͤngers be⸗ merkte. — Bei unſerm Goldhaͤhnchen ſteht auf der zweiten Ordnung Schwung⸗ federn, wenn der Fluͤgel zuſammengelegt iſt, gleich oben an den Deckfedern, ein ſchwarzer Fleck, welcher gewoͤhnlich, wie bei der folgenden Art, viereckig iſt; allein ich fand ihn bei manchen auch vollig zirkelrund, was ſehr auf⸗ fallend war. Es waren immer die kleinſten Voͤgel, welche ihn von runder Geſtalt hatten. III. O. XXII. G. 114. gelbkoͤpfiges Goldhaͤhnchen. 971 Schwanzfedern find ebenfalls braͤunlich grauſchwarz, mit gelblich- olivengruͤnen Außenſaͤumen. — Von unten find die Schwanz und Schwingfedern dunkelgrau, dieſe noch auf der Innenfahne wurzel— waͤrts mit weißlicher Kante; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, mit gelblichem Anfluge und hervorſchimmerndem Grau. 8 Das Weibchen, das meiſtens etwas kleiner iſt, hat alle jene Zeichnungen, die Farben aber minder lebhaft, von unten lichter, von oben grauer und ſchmutziger; dabei iſt die Mitte des Scheitels nur einfarbig blaßgelb, oder ein ſchoͤnes mattes Zitro— nengelb, der dies zur Seite begrenzende ſchwarze Streif matter, auch ſchmaͤler und unterwaͤrts verwiſchter. Juͤngere Maͤnn⸗ chen ſehen dieſem, bis auf etwas Safrangelb in der Mitte des Scheitels, ſehr aͤhnlich, aber die juͤn gern Weibchen haben einen ſehr ſchmalen blaßgelben Kopfſtreif, welcher an der Seite oft nur von einem ſchwarzgrauen Strich begrenzt wird. Es giebt auch junge Vogel, deren gelbe Kopfſtreife nicht nur ſehr mal ſondern auch noch gruͤngrau uͤberlaufen ift. Das Herbſtkleid iſt ſchoͤner als das Frühlingskleid, weil die Federn durch Reibungen ſehr verlieren, nur die ſchoͤne Orangenfarbe der Mitte des Scheitels tritt beim Maͤnnchen dann mehr hervor. Im Sommer wird das ganze Gefieder ſehr unan— ſehnlich, weil dann ſo viel von den Enden der Federn verloren geht, daß ſelbſt das dunkelgraue Dunengefieder zum Vorſchein koͤmmt. Die Jungen im Neſtgefieder ſehen ganz anders aus; denn ihnen mangelt vor der erſten Mauſer der ſchoͤne gelb und ſchwarze Kopfputz der Alten. Der Schnabel iſt gelblich horngrau, mit dunklerer Spitze; die Fuͤße ſchmutzig gelbbraͤunlichfleiſchfarben; die Augengegend graulichweiß; der Oberkopf gruͤnlichgrau, an den Seiten mit einem verloſchenen dunkelgrauen Streif, wodurch gleich— ſam jene Kopfzeichnung der Alten entfernt angedeutet wird; der Hinterhals ſehr blaß gruͤnlichgrau, aber dunkler oder gruͤner der Ruͤcken und die uͤbrigen Theile des Oberleibes; die Stirn, Kehle und alle untern Theile grauweiß, mit ſchwachem gruͤnlichbraͤun⸗ lichem Anfluge, welcher in den Weichen am bemerkbarſten wird; der Hintertheil der Wangen und die Halsſeiten etwas grauer als das Uebrige; Fluͤgel und Schwanz wie an den Alten, aber weniger gelbgrün und alles ſchmutziger, die weißen Flecke an den Enden der Fluͤgelfedern aber faſt größer als bei jenen. Zwiſchen beiden Ge⸗ ſchlechtern findet kein aͤußerer Unterſchied ſtatt. Zufaͤllige Abarten oder Varietaͤten ſind unter dieſen Voͤgel⸗ 972 UI. O. XXII. G. 114. gelbkoͤpfiges Goldhaͤhnchen. chen ſehr ſelten; man hat eine mit weiß lichem oder weißge⸗ flecktem Kopf beſchrieben; eine andere hat Bechſtein geſehen, welche 1803 im September bei Meiningen gefangen wurde und ſtatt der ſchwarzen und gelben Kopffarbe an dieſen Theilen ſchoͤn laſurblau, wie die Kehle des Blaukehlchens, war. — Was ſonſt noch unter dieſer Rubrik beſchrieben wurde, gehoͤrt ent= weder zur folgenden oder zu andern auslaͤndiſchen Arten 1 Gattung. Sie mauſern jahrlich nur Ein Mal, im Auguſt, die Jungen erſter Hecke ebenfalls in en Monate, die der zweiten im Sep⸗ tember. ö Auf e nt ha kit wi Das gemeine oder gelbkoͤpfige Goldhaͤhnchen ſcheint ziemlich weit verbreitet; doch herrſchen daruͤber noch manche Zweifel, weil es wol hier und da mit andern Arten mag verwechſelt worden ſein. In Europa iſt es allenthalben bis zum arktiſchen Kreis hin⸗ auf bekannt und in den meiſten Laͤndern angetroffen worden, ſelbſt auf den Orcaden und Shetlands-Inſeln. Wahrſcheinlich bewohnt es auch das noͤrdliche Aſien; ob aber auch noch andere Erdtheile, iſt ungewiß. Beſtimmt weiß man, daß es mehr die kalte und gemaͤßigte Zone bewohnt. — In Deutſchland und den angrenzenden Laͤndern iſt es ein allgemein gekannter, haͤufig vorkommender Vogel, und in ebenen wie in gebirgigen Gegenden, in Nadelwaͤldern wie in Laubholzwaldungen uͤberall gemein und in Menge. 0 Es iſt theils Zug vogel, theils Strich- und Stand vo⸗ gel; denn es iſt gewiß, daß große Heerden im Herbſt aus dem hohen Norden zu uns kommen, um theils hier, theils unter einem gelindern Himmelsſtriche zu uͤberwintern, alſo bei uns durchziehen; daß die in Deutſchland ausgebruͤteten umher und weit weg ſtreichen, und daß auch manche ihre Geburtsgegend Jahr aus Jahr ein nicht verlaſſen, oder ſich doch nie weit von ſolcher entfernen. Solche führen eine zigeunerartige, herumſchweifende Lebensart. Von der Mitte Septembers an, den October hindurch, bis in den November iſt ihre Zug- und Strichzeit, im Fruͤhjahr aber der Maͤrz und April; dann ſieht man ſie heerdenweis auch an ſehr vielen Orten, wo ſie nicht niſten und ſonſt nicht hinkommen. Die im Winter unſere Waͤlder und Gebüfche durchſtreichen, find verhältz nißmaͤßig nur die geringe Anzahl, 5 bemerkt man ſie auch dann III. O. XXII. G. 114. gelbkoͤpfiges Goldhaͤhnchen. 973 noch in ziemlichen Geſellſchaften. Ob ſie gleich ſtets geſellig wandern, fo ſieht man fie doch nicht in großen Schaaren beiſam—⸗ men; es ſind nur immer einzelne oder wenige Familien, welche einen Trupp bilden, worin ſie denn gern auch Meiſen, beſonders Tannen⸗ und Haubenmeiſen aufnehmen, ſo wie ſich einzelne wieder gern zu den Geſellſchaften dieſer ſchlagen. Einzelne wagen keine Reiſe zu unternehmen, ſie bleiben, wenn ſie von ihrer Ge— ſellſchaft abgekommen waren, lieber einige Tage in einem kleinen Bezirk, bis fie einmal Gelegenheit finden, ſich einem durchwan— dernden Truppe anzuſchließen. Sie reiſen am Tage. Mann ſieht es nur im Walde und an ſolchen Orten, wo Baͤu— me und Gebuͤſche find, in Baumgaͤrten und andern Baumanpflan= zungen; es zieht auch dieſen ſtets nach und fliegt ungern kurze Strecken uͤber das Freie, was man an dem Zaudern, mit welchem es ſich bei vorkommenden Faͤllen dazu entſchließt, und an der aͤngſt⸗ lichen Eile dabei deutlich wahrnehmen kann. — Am meiſten findet man es in den Nadelwaͤldern, moͤgen ſie aus Tannen, Fich— ten oder Kiefern beſtehn, und zwar ſo gut im alten Hochwalde, wie da, wo kaum zu Stangenholz aufgewachſene Baͤume ſind. Ue— berallzieht es dieſelben den Laubhoͤlzern vor und wohnt auch im Sommer lediglich nur in jenen. Die Zuneigung zu den Nadel— baͤumen iſt auffallend. Wenn man im Spaͤtherbſt und Winter eine Geſellſchaft in einem Garten ankommen ſieht, wo nur etwa eine einzelne Tanne, Fichte und dergl. ſteht, ſo beſuchen ſie dieſe gleich, treiben ſich auch in ſolchen Gaͤrten laͤnger als in andern und meiſtens bei jenen Baͤumen herum, ſo auch bei einzelnen Wachholderbuͤ— ſchen, Eibenbaumhecken und dergl., zumal in ſolchen Gegen— den, wo dieſe ſelten find. Allein fie durchſtreifen auf ihren Wande⸗ rungen auch alle reinen Laubholzwaldungen, in bergigen wie in ebenen und ſumpfigen Gegenden, auch die kleinen Feldhoͤlzer und groͤßern Feldhecken; die Obſtgaͤrten, beſonders ſolche, in welchen es viel lebendige Hecken und wildes Strauchholz giebt; die engli— ſchen Gaͤrten; die Obſtbaumanpflanzungen, welche mit Wald und Gebuͤſch zuſammenhaͤngen; die Weiden-und andern wilden Baum⸗ pflanzungen; fo daß man fie, zumal in der Zugzeit, allenthalben, wo Baͤume und Gebuͤſch wachſen, ſelbſt bei und in Doͤrfern und Staͤdten antrifft. In den Nadelwaldungen treiben ſich die einzelnen Heerden taͤglich ununterbrochen in einem gewiſſen nicht gar großen Bezirk herum und ſuchen im Winter beſonders die Sonnenſeite, wo ſie 974 III. O. XXII. G. 114. gelbkopfiges Goldhaͤhnchen. bei ſchoͤnem Wetter ſich in den hoͤchſteu Baumkronen, oder vielmehr an denſelben, aufhalten, bei ſtuͤrmiſcher Witterung, Regen oder Schnee und ſtrenger Kaͤlte aber das niedrige Gebuͤſch ſuchen und ſelbſt bis auf die Erde herabkommen. In kleinen Laubhoͤlzern ſind ſie in der rauhen Jahreszeit ſelten, und nur wenige treiben ſich dann hin und wieder auch bei nicht zu waldarmen Doͤrfern in Geſellſchaft der Meiſen, Baumlaͤufer, Kleiber und Buntſpechte herum. — Ihre Nachtruhe halten ſie in den dichten Zweigen der Nadelbaͤume, im Laubholze in dem hohen Geſtraͤuch nahe beiſammen, oft 1 rere auf Einem Zweige ſitzend. Eigen ſ ch a ßen. In Lebensart und Betragen ſtehen unſere beiden Arten Gold- haͤhnchen zwiſchen den Sängern und Meiſen in der Mitte, nd hern ſich aber noch mehr den letztern als den erſtern, und haben hierin beide viel Uebereinſtimmendes mit einander. Sie zeichnen ſich vor den meiſten Vögeln durch eine außerordentliche Unruhe und Bez hendigkeit aus, indem man fie nur felten ſtill ſitzen ſieht. Unaufhoͤr⸗ lich huͤpfen ſie flatternd von Zweige zu Zweige, halten damit nur dann auf Augenblicke inne, wenn fie etwas zu Freſſen finden, um⸗ flattern ſo beſonders die Enden der Zweige, haͤngen ſich aber, nur ſelten verkehrt, wie die Meiſen, an dieſe, und dies dann auch nur auf Augenblicke. Viel oͤfterer halten ſie ſich im ſchwirrenden Fluge an der Spitze eines Zweiges in der Luft, ſo lange, bis ſie daſelbſt etwas Genießbares entdeckt und verzehrt haben, wie man dies oͤf⸗ ters, aber ſchwerfaͤlliger, auch von den Laubvoͤgeln ſieht. Im Huͤpfen tragen ſie den Koͤper ziemlich wagerecht, Anit fehr gebogenen Ferſengelenken; nur wenn fie den Platz verlaſſen wollen, ſitzen fie, ſich hin und her wendend, etwas aufrecht, wobei ſie denn immer ihre lautere Lockſtimme hoͤren laſſen. Im Huͤpfen und Spruͤngen laͤngs und quer uͤber die Zweige rucken ſie alle Augenblicke mit den Fluͤgeln, oder machen eine kurze zitternde Bewegung damit. Auf der Erde, wo man ſie nur ſelten ſieht, huͤpfen ſie ſchwerfaͤllig und drehen dabei, faſt bei jedem Sprunge, das Koͤpfchen nach allen Seiten. — Ihr Flug iſt ſehr ſchnell und leicht, meiſt ſchnurrend, ohne Geraͤuſch, auf weitern Strecken zuckend und etwas wogenför= mig. Ihr leichter Koͤrper wird ſehr das Spiel des Windes, wes— wegen ſie auch bei einem Sturm ins niedere Gebuͤſch herabgehen und dann nur hoͤchſt ungern ganz kurze freie Raͤume durchfliegen. * Das gelbkoͤpfige Goldhaͤhnchen iſt ein ungemein kirres, harı.= 4 II. O. XXII. G. 114. gelbköpfiges Golbhahnchen. 975 loſes, zutrauliches Geſchoͤpfchen, deſſen Thun und Treiben man daher ganz in der Naͤhe beobachten kann. Wenn man nicht zu viel Getoͤſe macht, kann man ſich ihm ganz frei auf wenige Schritte nähern. Dies und fein Hang zur Geſellſchaft unterſcheiden es merklich von der folgenden Art. Letzterer iſt ſo ſtark, daß man, außer der Brutzeit, faſt nie ein Einzelnes bemerkt, und wenn dies einmal geſchieht, wenn vielleicht ſein Camerad umgekommen iſt, ſo ſieht man an ſeiner ungewoͤhnlichen aͤngſtlichen Unruhe und dem haͤufigen Locken, wie ſehr es ſich nach Geſellſchaft ſehnt. Vier bis ſechs Stuͤck trifft man faſt immer, ſehr oft aber noch viel mehrere beiſammen; meiſtens genuͤgt ihnen eine ſo kleine Geſellſchaft von ihres Gleichen nicht einmal, fie ſuchen fi an die Meiſen, Baum— laͤufer und dergl. anzuſchließen, beſonders lieben ſie die Geſellſchaft der Haubenmeiſen. Wo dieſe ſind, findet man im Herbſt und Winter ſtets auch Goldhaͤhnchen. Auch die der Tan nenmeiſen iſt ihnen ſehr angenehm, weniger aber die der Blau-Schwanz⸗ und Kohlmeiſen. Solche gemiſchte Geſellſchaften, wobei auch Baumlaͤufer und Kleiber, ſelbſt Buntſpechte ſelten feh⸗ len, durchziehen im Winter taͤglich ihr kleines Revier und theilen Freude und Leid miteinander. Vielleicht iſt dieſer Hang zur Ge— ſelligkeit zugleich eine Art von Sicherheitsmaaßregel, weil die Gold— haͤhnchen eine grenzenloſe Furcht vor Raubvoͤgeln hegen, und, wenn einmal einer unter fie fährt, fo jaͤmmerlich ſchreien und vom Schreck ergriffen werden, daß ſie nach einer ganz kurzen Flucht eine Zeit— lang faſt wie erſtarrt ſtill ſitzen, worauf ihre vorige Lebhaftigkeit erſt nach und nach wiederkehrt. — Sonſt ſind ſie immer froͤhlich und in ſteter Bewegung; ihre ungewoͤhnliche Unruhe hat aber mehrentheils bloß das Aufſuchen ihrer Nahrungsmittel zum Zweck; doch ſieht man ſie auch an ſchoͤnen Herbſttagen oͤfters ſich necken und einander herumjagen, wobei fie ſich ganz eigen gebehrden. — Ihr dunen— artiges, weiches Gefieder tragen ſie immer locker und wie aufgedunſen vom Koͤrper abſtehend, ſehr ſelten glatt angelegt. Die Stimme iſt der Groͤße ihres Koͤrpers nur angemeſſen und, ſchwach. Bei allem Thun und Treiben ſtoßen ſie, ſowol ſitzend, als fliegend, ein leiſes Zit, — zit, ſo haͤufig aus, daß man ſie oft eher hoͤrt als ſiehet, z. B. wenn ſie ſich hoch in den Wipfeln alter Nadelbaͤume aufhalten. In ſolcher Hoͤhe und von einer nicht zu kleinen Geſellſchaft Goldhaͤhnchen klingt es zwiſchen dem Saͤu⸗ ſeln der Luͤfte in den Kronen jener Baͤume wie ein leiſes Wispern, worunter dann auch immer ein Mal ein Einzelnes ſeine eigentliche 976 U. O. XXII. G. 114. gelbköpfiges Goldhaͤhnchen. Lockſtimme hoͤren laͤßt. Jener Ton hat viel Aehnlichkeit mit dem mancher Meiſen, der Baumlaͤufer und Kleiber, klingt aber viel zarter. Die Lockſtimme iſt etwas ſtaͤrker, ein ſchneidendes, etwas ſchnarrendes Si fi fi oder Sri ſri ſri, was fie bloß ſitzend aus⸗ rufen. Dem Geſange der Maͤnnchen muß man ziemlich nahe ſein, wenn man ihn ganz vollſtaͤndig hoͤren will, weil die meiſten Toͤne ſehr ſubtil ſind, wobei die zwar kurze Melodie nicht ohne Abwechs— lung, wenigſtens beſſer iſt als die der folgenden Art. Er faͤngt mit dem Si ſi ſi an, wird ſehr ſchnell vorgetragen, ſchließt zuletzt ganz artig und aͤhnelt dem des grauen Baumlaͤufers ſehr, iſt aber ſchwaͤcher und viel feiner im Ton, das ganze Lied auch laͤnger und abwechſelnder. Man hoͤrt ihn nicht bloß in der Fortpflanzungs⸗ zeit, ſondern den ganzen Sommer, auch im Herbſt, und bei ſchoͤ⸗ ner Witterung ſogar im Winter häufig. Alte und junge Mann chen ſingen im Herbſt und Winter; ſelbſt waͤhrend der Mauſer ſchweigen fie nicht ganz. Kurz vor der Begattung ſingt das Maͤnn⸗ chen beſonders laut und viel, es ſtraͤubt dann ſeine Haube, blaͤhet ſich auf und flattert zaͤrtlich dem Weibchen nach, bis ſich dies er— giebt. Trifft es dann mit einem andern Maͤnnchen zuſammen, ſo giebt es harte Kaͤmpfe. Da dieſes liebenswuͤrdige, angenehme Voͤgelchen in der Frei⸗ heit ſo wenig wild iſt, ſo hat auch ſeine Zaͤhmung keine andern Schwierigkeiten, als die, welche uns ſeine zaͤrtliche Leibesbeſchaffen⸗ heit und geringe Lebenskraft entgegen ſetzen. Man muß es beim Fange ſehr behutſam behandeln, wenn es einem nicht unter den Haͤnden ſterben ſoll. Beſchaͤdigungen an den Fuͤßen oder andern Theilen bringen ihm jederzeit einen baldigen Tod. Manche gewoͤh— nen ſich zwar, wenn man ſie frei in der Stube herumfliegen laͤßt, bald, viele ſtoßen aber auch den Kopf ſo gegen die Decke (weniger gegen die Fenſter), daß ſie bald dahin ſterben. Wird eins erſt traurig, ſo muß man ihm gleich die Freiheit ſchenken, ſonſt geht es immer und bald zu Grunde. — Im Käfige gewöhnen fie ſich leichter, aber es iſt dieſem geſelligen Thierchen lieber, wenn man ihrer mehrere zuſammen ſperrt; ſie leben nicht nur ſehr ver— traͤglich, ſondern ſchlafen auch auf Einer Sproſſe ſitzend und dicht aneinander geruͤckt. Einzelne bleiben viel ſeltner am Leben. Wenn fie ſich ſtoßen, oder von andern Vögeln gebiſſen werden, find fie gleich dahin. Haben ſie ſich aber einmal gewoͤhnt, ſo werden ſie bald ſo zahm, daß ſie ihrem Pfleger das Futter aus der Hand neh— men und dauern dann, bei ſorgfaͤltiger Behandlung wol einige III. O. XXII. G. 114. gelbköpfiges Goldhahnchen. 977 Jahr. — Auch jung aus dem Neſte genommen, laſſen ſie ſich leicht auffüttern, und ſolche werden dann ungemein firre. era Nahrung. Sie beſteht in Inſecten, beſonders in ganz kleinen Käfern, Fliegen, Muͤcken und allerlei kleinen zweifluͤgeligen Inſecten, vor— nehmlich ſolchen, welche ſich auf Nadelbaͤumen aufhalten, in Raͤup⸗ chen und andern kleinen Inſectenlarven, in Inſecteneiern und Puͤppchen, nebenbei auch in Saͤmereien, hauptſaͤchlich in Tannen⸗, Fichten⸗ und Kiefernſamen, von welchen man im Winter oft ein und zwei Koͤrner, doch ſelten mehr, im Magen eines Vogels findet. Sie verſchlucken aber die Saͤmereien ganz, ohne ſie zu ſchaͤlen. — Die Inſecten ſuchen ſie meiſtens an den Enden der Zweige, fangen fie hier häufig und ſehr geſchickt, im Fluge wie im Sitzen, durch- ſuchen deshalb auch die Knospen und picken daraus die Eier und Puppen verſchiedener Inſecten hervor. Die einzelnen Nadelbaͤume unterſuchen fie deshalb von unten bis zum Wipfel, im Winter beſonders an der Sonnenſeite, und finden alle Augenblicke etwas Genießbares; im Kiefern-Hochwalde ziehen ſie aber immer von einer Baumkrone zur andern, hoch oben in den alten Baͤumen fort, wo fie, unterhalb freilich weder Aeſte noch Zweige, ſondern nur kahle Baumz ſtaͤmme finden, und werden dort kaum anders als durch ihre Locktoͤne! bemerklich. Im jungen Anfluge und auf jungen Nadelbaumanſaaten durchſuchen fie dagegen die Zweige bis auf die Erde herab. Bei ſtuͤrmi⸗ ſcher Witterung und ſtrenger Kälte ſuchen ſie überhaupt ſolche Stellen auf, wo fie Schuß gegen dieſe finden, und laſſen ſich dann auch oͤfters unter den Baͤumen auf den Erdboden nieder, wo ſie das Moos, die alten Nadeln, oder das duͤrre Laub durchſuchen, aber doch hierbei ihre Rechnung nicht recht zu finden ſcheinen. In den Laubhoͤlzern durchſtreifen ſie lieber das hoͤhere Unterholz als die großen Baͤume und gehen auch hier zuweilen bis in, Gi de herab. Wenn man dies zaͤrtliche Geſchöpfchen auf laͤngere geit als Stubenvogel haben will, darf man es nicht mit einem Einzeln an⸗ fangen; die Erfahrung vieler Liebhaber hat immer gelehrt, daß mehrere, zu gleicher Zeit gefangen, ſich leichter gewohnten als die ein⸗ zelnen. Man giebt ihnen anfaͤnglich Ameiſenpuppen, mit untermeng⸗ ten halblebendigen Fliegen; wenn ſie an dies gehen, wird etwas vom Nachtigallnfutter (ſiehe S. 370 oder 550 d. B.) darunter gemiſcht und hiermit im wachſenden Verhaͤltniß fortgefahren, bis 2 ter Theil. 62 978 III. O. XXII. G. 114. gelbköpfiges Goldhaͤhnchen. ſie das Futter allein freſſen. Es muß ihnen jedoch immer mit jenen gewürzt, auch klein geſchnittene Mehlwuͤrmer anfänglich beige⸗ miſcht, überhaupt alles, was von der Wartung des Gartenlaub⸗ vogels (S. 550.) geſagt wurde, auch hier aufs ſorgfaͤltigſte beobachtet werden. Zerquetſchter Hanf- und Mohnſamen unter das Futter gemifcht bekoͤmmt ihnen ſehr wohl, nur nicht Ruͤbſa⸗ men und Leindotter, deſſen Genuß ihnen ſogar toͤdtlich ſein ſoll. — Von den Einzelnen, welche man in die Wohnſtube fliegen laßt, zer ſtoßen ſich, wie ſchon erwähnt, manche den Kopf an der weißen De cke und gehen bald drauf; doch halten ſich auch viele in ſolchen Stuben, wo ſie viel Fliegen finden, ſehr gut und fangen dieſe bald rein weg, worauf man ihnen die Freiheit ſchenken muß, wenn ſie nicht bald ſterben ſollen. Wenn ſich dieſe Thierchen uͤberhaupt erſt kugelfoͤrmig dick machen, d. h. das Gefieder ungemein aufſtraͤu⸗ ben, oder gar den Kopf unter den Federn verbergen, dann iſt es Zeit ſie fortzulaſſen. Im Freien erholen ſie ſich dann ſehr bald wieder. Sch habe fie fehr oft in der Stube der Landleute geſehen und ſelbſt in der meinigen gehabt, wo ich immer über ihren Appe— tit erſtaunen mußte; in wenigen Tagen hatten ſie alle Fliegen aufgezehrt, wenn ihrer auch noch ſo viele waren, und ich habe nie bemerkt, daß ihnen der zu haͤufige Genuß toͤdtlich geworden waͤr, was hin und wieder behauptet worden iſt. Sie fangen die Fliegen mit großer Geſchicklichkeit, meiſtens im Fluge, und ſchnap⸗ pen nur ſelten fehl. Ihr weiter Rachen geſtattet das Verſchlucken der Fliegen ziemlich gut, ſelbſt große Schmeißfliegen wuͤrgen ſie, wiewol mit Anſtrengung, hinunter. Sie ſind in der Stube eben ſo unruhig wie im Freien und halten ſich immer oberhalb an der Decke des Zimmers und auf den hoͤhern Moͤbeln auf. Stellt man einige Zweige dorthin, fo find fie immer auf dieſen und ſchlafen, wenn es mehrere find, alle auf Einem Aeſtchen dicht nebeneinan- der. — Sie nehmen gern ein friſches Waſſerbad und a ſich dabei ſo nag, daß ſie kaum noch fliegen koͤnnen. Fortpflanzung. Unſere gelbkoͤpfigen Goldhaͤhnchen niſten in Deutſchland allenthalben, wo es Nadelwaͤlder von einiger Bedeutung giebt, aber allemal nur hier und nie in Laubholzwaldungen., ſelbſt in; den von gemiſchten Holzarten nur da, wo große Gruppen Nadel- baͤume vorkommen. In den großen Schwarzwaldungen der nord⸗ III. O. XXII. G. 109. gelbköpfiges Goldhaͤhnchen. 979 lichen Laͤnder, z. B. in Schweden und Norwegen, * ſie ſich ungemein haͤufig fortpflanzen. Die Neſter ſind außerordentlich ſchwer zu finden, weil ſie immer an dem Ende langer horizontaler oder haͤngender Tannen, Fichten oder Kiefernaͤſte in den dichten gruͤnen Nadelzweigen derſelben verſteckt ſind, dazu von außen auch gruͤn ausſehen und oft ſehr hoch von dem Erdboden ſtehen. Immer iſt das letztere jedoch nicht der Fall; ich ſah ſelbſt eins kaum uͤber Mannshoͤhe von der Erde. Es iſt ſtets auf ſolche Baͤume gebauet, die nicht ſo ſehr im Gedraͤn— ge, oder die an den Raͤndern junger Schlaͤge und freier Plaͤtze ſtehen, auch von der Sonne beſchienen werden koͤnnen, und, wenn ſie zwi— ſchen Fichten und Kiefern die Wahl haben, faſt allemal auf den erſteren. In den Zweigen der Kiefern iſt es weniger kuͤnſtlich be— feſtigt, als in den herabhaͤngenden der Fichten und Tannen, wo es oͤfters zwiſchen dieſen gleichſam in der Schwebe haͤngt, indem die einzelnen Zweige die Waͤnde deſſelben von oben nach unten durch— bohren. Zuweilen iſt es auch in einer, von zwei duͤnnen Zweigen gebildeten Gabel, korbfoͤrmig, faſt wie das Neſt unſers Pirols, aufgehaͤngt, und am Boden ganz ohne unterſtuͤtzenden Zweig. Man hat beobachtet, daß das Maͤnnchen wol das Weibchen beim Zuſam— menholen der Materialien u. ſ. w. begleitet, aber ihm nicht bauen hilft; letzteres macht alſo den kuͤnſtlichen Bau allein und umwickelt zum Theil fliegend die Zweige mit allerlei Inſectengeſpinſt, Baumz flechten und Moos, auf welche Grundlage er dann weiter ausge— fuͤhrt wird. | Es gehört unter die kuͤnſtlichſten und niedlichſten Neſter, iſt faſt kugelrund oder ballfoͤrmig, weil die Raͤnder der Oeffnung, die ſtets nach oben gerichtet iſt, ſehr eingezogen ſind, ſo daß die Kugel— form dadurch nur einen kleinen Abſchnitt bekoͤmmt. Es iſt verhält: nißmaͤßig von außen groß, ziemli ch glatt, meiſtens aus gruͤnem Baum und Erdmoos, mit untermengten Flechten und Inſecten⸗ geſpinſt gebauet, ſehr dicht gewebt, mit dicken Waͤnden, indem es, bei einer Hoͤhe und Breite von faſt 4 Zoll, im Innern nur einen noch nicht 2 Zoll breiten, aber gegen 25 Zoll tiefen, nied— lichen Napf bildet, welcher mit etwas Pflanzenwolle und Inſecten— geſpinſt, und mit ſehr vielen Federn kleiner Vögel, bis zur Tau— bengroͤße, ausgepolſtert iſt, die faſt alle ſo gelegt ſind, daß die concave Seite ihrer Woͤlbung inwendig iſt, und wovon die groͤ— ßern oben am Rande uͤber dieſen etwas vorſtehen und ſo die Oeffnung anſcheinlich enger machen. Zuweilen, vielleicht zufaͤllig 980 III. O. XXII. G. 114. gelbköpfiges Goldhaͤhnchen. findet man zwiſchen dem Mooſe einzelne Haare von Wildpret, die aber nicht ſehr bemerklich werden und, wie die wenigen anders gefaͤrb— ten Dinge, das herrſchende Gruͤn der Außenſeite dieſer niedlichen Neſter nicht ſehr unterbrechen. Man findet in einem Neſte ſechs bis elf Eier, welche ſehr klein, kaum groͤßer als große Erbſen ſind, eine niedliche, etwas kurze Eiform haben, bald uͤber der Mitte ziemlich bauchig, bald an einem Ende ſehr ſtumpf, am entgegengeſetzten aber ziemlich ſpitz ſind und eine wenig glaͤnzende zarte Schale haben. Sie ſind auf einem ſchmutzig gelbroͤthlichweißen Grunde am ſtumpfen Ende roͤth⸗ lich- und gelblichgrau, ſchwaͤcher oder ſtaͤrker gewaͤſſert, oder die gelbgraue Farbe iſt in blaſſen Puͤnktchen vorhanden, die zuweilen faſt uͤber die ganze Flaͤche zerſtreut ſtehen. Manchmal fallen ſie mehr ins Fleiſchfarbene, ein andermal mehr ins Gelbliche, erſteres beſonders ehe fie ausgeblafen find, weil da der rothgelbe Dotter durchſcheint. Die Jungen, welche von beiden Aeltern mit kleinen Inſecten, Inſecteneiern und dergl. aufgefuͤttert werden, wiſſen ihre enge Wohnung, gleich den jungen Schwanzmeiſen, ſo zu erweitern, daß fie alle Raum im Neſte haben, wenn fie gleich nicht alle neben= einander, ſondern manche auch auf den andern ſitzen muͤſſen. Nach dem Ausfliegen, was erſt erfolgt, wenn fie völlig fliegen koͤnnen, begleiten ſie die Alten nicht lange, indem dieſe zur zweiten Brut ſchreiten, ein neues Neſtchen bauen u. ſ. w. In der Regel mas chen ſie alle Jahr zwei Bruten und haben bei der erſten zu Ende Aprils, bei der zweiten zu Ende des Juni Eier. Im erſten Neſte findet man deren gewoͤhnlich acht bis elf, im zweiten aber nur ſechs bis neun Stuͤck. Nachher ſtreichen die einzelnen Familien theils einzeln umher, oder ſie ſchlagen ſich zu andern und durchziehen die Gegenden in kleinen Heerden. Feinde. Sperber und andere kleine Raubvoͤgel fangen oͤfters ein Altes, ſelbſt Raubthieren gelingt dies zuweilen in Zaͤunen und He— cken. Ihre Brut leidet doch weniger von Raubthieren, weil dieſe ſchwer dazu gelangen koͤnnen, als von Kraͤhen, Elſtern, Hehern und Wuͤrgern. — In ihrem Gefieder wohnen auch Schmaro— tzerinſecten. * III. O. XXII. G. 114. gelbkoͤpfiges Goldhaͤhnchen. 981 3.0.8, Faſt auf jede Art ift dieſen harmloſen Voͤgelchen beizukommen. Fuͤr die Jagd mit einer mit dem feinſten Hagel (Vogeldunſt) geladenen Flinte treten nur dann Hinderniſſe ein, wenn ſie, wie gewoͤhnlich, zu nahe aushalten, wo ſie der Schuß zerſchmettert, oder wenn ſie zu hoch ſitzen, um von den feinen Hagelkoͤrnern erreicht werden zu koͤnnen. Man ſchießt ſie auch mit grobem Sande; aber er zer— ſtoͤhrt das Gefieder ſehr; ferner mit der Armbruſt, in welche man eine mit feinem Hagel angefuͤllte Hohlunderbuͤchſe ladet. Das beſte Schießen zu naturhiſtoriſchen Zwecken bleibt im Herbſt und Winter immer das Blaſerohr, weil ſie ſehr nahe aushalten, ſich nicht leicht durch oͤftere Fehlſchuͤſſe ſcheu machen laſſen und fo weichlich ſind, daß ſie die weiche Thonkugel nur zu ſtreifen braucht, um ſie in die Haͤnde des Schuͤtzen zu liefern. Man braucht gar kein vor— zuͤglicher Blaſerohrſchuͤtze zu ſein, um dieſe Jagd auf niedrigen Baͤumen, beſonders auf den einzelnen Nadelbaͤumen in den Gaͤr— ten, mit dem ergiebigſten Erfolg zu betreiben. Freilich ſchafft man damit auf den hohen Kiefern der alten Hochwaldungen nichts, und auf großen Nadelbaͤumen erſchwert auch uͤberhaupt ihre unendliche Unruhe das Schießen, ſelbſt mit der Flinte. Wer geſchickt im Werfen iſt, kann ſie auf niedrigen Baͤumen und in Hecken mit Steinen oder Stecken werfen, wie man dies oft von Knaben ſieht, und man braucht nur den Aſt, worauf ſie ſitzen, tuͤchtig mit dem Stock zu treffen, ſo betaͤubt der Schlag dieſe weichlichen Voͤgel dermaßen, daß ſie wie todt herabfallen. 5 Zufaͤllig werden ſie auf allen Arten von Vogelherden im Walde, am Meiſentanze in Kloben und Sprenkeln, auch in Roth— kehlchenſprenkeln, aber ſeltner in Dohnen gefangen, weil ſie da unter den Schleifen weghuͤpfen oder hindurch fliegen. Auf den Traͤnkherd gehen fie; haͤufig, wenn ſo eben die Sonne unterge— gangen iſt, wo ſie die erſten ſind und dadurch die Ankunft groͤßerer Voͤgel anmelden. Eine eigene Fangmethode iſt die: Man nimmt einen langen, dünnen, ganz ſchwach auslaufenden Stecken oder eine lange ſtarke Rus the, woran man oben ein Leimruͤthchen bindet, damit den Voͤgel— chen ſo lange nachſchleicht, bis man eins mit der Leimruthe anſtoßen kann, worauf es kleben bleibt. In Obſtgaͤrten haͤlt es, wenn man dabei nicht hitzig oder ungeduldig wird, eben nicht ſchwer, dieſe Art von Fang mit Gluͤck zu betreiben. Den Vogelleim ſucht 982 III. O. XXIII. G. 114. gelbköpfiges Goldhähnden. man mit Aſche aus den Federn zu bringen, und hat man erſt Ein lebend Goldhaͤhnchen, dann ſteckt man dies in einen Vogelbauer, belegt dieſen mit Leimruthen und haͤngt ihn an einen Baum; es lockt ſehr bald ſeine Cameraden herbei, die dann an den Leim— ruthen ſich fangen. Mit einem oder einigen Lockvoͤgeln in einem Vogelbauer, welcher mit Leimruthen belegt iſt, oder oben die Ein— richtung hat, daß er eine Falle bildet, kann man im October viele dieſer Voͤgel fangen. Noch eine befondere Art von Fang iſt die, wo man ein Leim- ruͤthchen nimmt, es an beiden Enden in naſſe Thonkugeln ſteckt und dies ſo aus dem Blaſerohr auf ſie abſchießt, wobei aber doch die Thonkugeln ſehr oft ſelbſt treffen und das Voͤgelchen toͤdten. Nutzen. Sie nuͤtzen vorzuͤglich dadurch ganz außerordentlich, daß ſie die Eier verſchiedener Inſecten, die im Larvenzuſtande den Knos⸗ pen der Baͤume großen Schaden zufuͤgen, aufſuchen und verzehren. Ihre Menge und ihre immer rege Eßluſt vermehren ihre Nuͤtzlichkeit, die fuͤr Garten- und Waldbaͤume ſehr bedeutend iſt. — Als Stu⸗ benvoͤgel vergnuͤgen ſie den einzelnen Liebhaber. Ihr Fleiſch mit dem rothgelben Fett, was aber nie ſehr haͤufig iſt, giebt einen wohlſchmeckenden Biſſen; allein es waͤr wol hol fie deshalb toͤdten zu wollen. Sch and e n. Dieſe Voͤgelchen nuͤtzen 95 und werden uns auf keine Weiſe nachtheilig. 983 115. Das feuerkoͤpfige Goldhaͤhnchen. Regulus. 4g n 10 4 P u s. N. Fig. 4. altes Maͤnnchen. Taf. 93. — 5. Weibchen. t— 6. Junger Vogel. Feuerkoͤpfiger Saͤnger; rubingekroͤnter Zaunkoͤnig. Sylvia ignicapilla. (Roitelet triple bandeau) Temm. Man, nouv. Edit. T. P. 231. = Schinz, Ueberf. v. Cuvier Reg. an. I. S. 557. — Regulus py-. rocephalus. Brehm, Beitr. II. S. 130. = Le Roitelei huppee. Buff. Ois. V. p. 363. t. 16. f. 2. — Edit de Deuxp. X, p. 58. (tab. 1. f. 4. gehört zur andern Art.) = Id. pl, enl. 651. Fig. 3. = Vieill. Ois. d' Am. sept. II. p. 50. t. 106. — Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 658. Var. 1. — Deſſen Ta⸗ ſchenb. I. S. 198. Var. b. — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 250. Var. b. Tſcheiner, Vogelfaͤnger und Vogelwaͤrter. S. 115. Taf. 5. F. 2. Naumanns Voͤg. alte Ausg I. S. 23 5. t. 47. F. 109. Maͤnnchen, als altes M. der gemeinen Art. e Ueber den Augen ein weißer, durch ſie ein ſchwarzer Streif. Bei ch e bung Dies niedliche Voͤgelchen, das kleinſte unter den Voͤgeln Deutſchlands, war fruͤherhin zwar gekannt, aber nicht als eigene Art aufgefuͤhrt. Die Entdeckung, daß es ſpecifiſch vom gelb— koͤpfigen Goldhaͤhnchen verſchieden fei, machte vor wenigen Jahren zuerſt Hr. Brehm, welcher ſie Temminck und andern mittheilte. Er giebt in feinen Beitraͤgen a. a. O. die Naturges ſchichte beider einheimiſchen Arten Goldhaͤhnchen ſo trefflich und wahr, daß ich mich verpflichtet fuͤhle, dies hier zu ſagen, indem ich alle ſeine Angaben, ſo weit ich ſie mit der Natur vergleichen konnte, faſt durchgaͤngig aufs vollkommenſte beſtaͤtigt gefunden habe. — Außer den gegebenen Artkennzeichen, unterſcheidet es ſich noch durch eine andere Farbe des Mittelſcheitels, durch die hellere, gruͤnere 984. III. D. XXII. G. 115. Feu erkoͤpfiges Goldhaͤhnchen. Ruͤckenfarbe, durch ſeinen kleinern, ſchlankern Koͤrper und durch den etwas groͤßern Schnabel. Dies winzige Voͤgelchen iſt nur 3 Zoll, oder hoͤchſtens 34 Zoll lang, dabei aber viel ſchlanker von Körper als das gelbkoͤp— fige Goldhaͤhnchen. Seine Fluͤgelbreite beträgt 6 bis 65 Zoll, felten einige Linien drüber; die Laͤnge des Schwanzes 14 Zoll, bis 1 Zoll 54 Linien, wovon die ruhenden Flügel etwas über die Haͤlfte bedecken. Die Geſtalt der Fluͤgel und des Schwanzes iſt vollkommen wie beim gelbkoͤpfigen, nur ſind die Schwingen etwas ſchmaͤler, und das Schwanzende tiefer ausgeſchnitten. Sein Gewicht betraͤgt felten über 14 Quentchen, öfter noch darunter. Der Schnabel iſt bei alten Vögeln etwas uͤber 33 Linien, bei jüngern nur 3 Linien lang, an der Wurzel breiter wie bei der vori— gen Art, nach vorn zwar ſehr ſchmal, aber doch an den Schneiden nicht ſo ſtark eingezogen, und im Ganzen groͤßer und geſtreckter, ſonſt ihm an Geſtalt ganz aͤhnlich. Er iſt bei den Alten ganz ſchwarz, nur bei den jüngern lichter und an der Wurzel des untern horngrau; Rachen und Zunge orangengelb. Das Naſenloch iſt klein, oval, die kammartige Feder, welche es bedeckt, gelblich oder roͤthlich hellbraun; die Mundwinkel ſind mit vielen ſchwarzen Haͤaͤrchen und einzelnen Borſten beſetzt, daß ſie dadurch einen ſchwaͤrzlichen Anſtrich erhalten. Die Augenſterne ſind dunkel nuß— braun. N Die Füße find dünn und ſchlank, die Bedeckung der Fuß: wurzeln ohne Einſchnitte (geftiefelt), nur die Zehenruͤcken und Ge: lenke geſchildert; die Zehenſohlen mit grobwarzigen Gelenkballen; die Naͤgel ziemlich groß, mittelmaͤßig krumm, ſehr zuſammengedruͤckt, mit ungemein feiner Spitze. Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſchmutziges Lichtbraun, was an den Zehen etwas lichter faͤllt, die Zehenſohlen ſchmutzig gelb, die Nägel braun. Der Lauf iſt 75 bis 9 Linien hoch,“) die Mittelzeh, mit dem Nagel, 6 Linien, die Hinterzeh, mit der 2L Linien langen Kralle, eben fo lang. Das alte Maͤnnchen iſt ein wunderſchoͤnes Voͤgelchen. Seine ſchoͤnſte Zierde, die langen, zu einer Art von Federbuſch ſich erhebenden Federn des Oberkopfs bilden einen brennend oran— gefarbenen, oder hoch feuergelben, faſt feuerrothen Streif, wel⸗ 4) Dieſer merkwürdige Unterſchted iſt allerdings in der Natur begründet. Ich bemerke nur beiläufig, daß ich die Länge des Laufs ſtets von der Mitte des Ferſengelenks, wo beide Knochen der des Unterſchenkels und der Fußwurzel, eingelenkt ſind, bis zur Einlenkung der vordern Zehen, hier wie immer, meſſe. III. O. XXII. G. 115. Feuerköͤpfiges Goldhaͤhnchen. 985 cher an beiden Seiten ſchmal hochgelb begrenzt iſt, dann aber von einem ſammetſchwarzen Streif, ſowol quer uͤber die Stirn, als zu beiden Seiten, hier nur viel breiter als dort, eingefaßt wird. Vor dieſem ſchoͤnen Hauptſchmuck iſt die Stirn ſehr bleich roͤthlich— gelbbraun, an welches ſich ein hell weißer Streif anſchließt, ſich uͤber das Auge zieht und bis nahe ans Genick reicht, hier aber in helles Grau uͤbergeht; die Zuͤgel und ein Strich durch das Auge ſind ſchwarz, auch noch ein Fleckchen hinter dem Ohr; ein Strich vom Mundwinkel abwaͤrts (eine Art Schnurrbart) ſchwaͤrzlich; die Stelle zwiſchen dieſem und dem ſchwarzen Augenſtrich grauweiß, unter dem Auge hellweiß; die Wangen aſchgrau; der ganze uͤbrige Oberkoͤrper ſchoͤn olivengruͤn oder ſchmutzig zeiſiggruͤn, an den Hals⸗ ſeiten, gleich uͤber den Schultern, mit einem ſehr ſtarken Anſtrich von Safrangelb. Alle untern Theile ſind gelbbraͤunlichweiß, auf der Mitte der Unterbruſt und am Bauch am blaͤſſeſten, in den Weichen aber am ſchmutzigſten. Die Fluͤgelfedern find ſaͤmmt⸗ lich braͤunlichſchwarzgrau; die kleinen Deckfedern mit der Rüden farbe breit gekantet, die groͤßern, nebſt den hintern Schwingen, nur mit dergleichen, aber mehr gelbgruͤnen, ſchmalen Saͤumen und truͤbe weißen Endflecken, wodurch von den Spitzen der mittlern und großen Deckfedern zwei weiße Querbinden auf dem Flügel ge— bildet werden; auf den mittleren Schwingen werden die Saͤumchen noch gelblicher und viel lichter, oberwaͤrts ſind ſie aber hier, etwa 3 Linien lang, ganz ſchwarz, wodurch ſich ein viereckiger ſchwarzer Fleck bildet, welcher an die weißen Enden der großen Deckfedern ſtoͤßt; die großen Schwingen haben feine, weißgelbe, oberwaͤrts weiße Saͤumchen, die Schwungdeckfedern aber nur unbedeutende von olivengruͤner Farbe. Die Schwanzfedern ſind ebenfalls braͤun⸗ lichſchwarzgrau oder matt braunſchwaͤrzlich, mit gelbgruͤnen Säus men. Von der untern Seite ſind Schwanz- und Schwingfedern braungrau, letztere an der Innenfahne weiß gekantet, die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, mit graulicher Miſchung. Am alten Weibchen iſt die Feuerfarbe des Scheitels um vieles matter, eigentlich bloß ein roͤthliches Hochgelb; die es be— grenzenden ſchwarzen Streifen ſind merklich ſchmaͤler und matter ſchwarz; die ganze uͤbrige Kopfzeichnung iſt ſchmutziger; die Wan⸗ gen ſind vorn nur gelblichgrau, das ſchwarze Fleckchen hinter dem Ohr fehlt faſt immer; am Unterleibe iſt es mehr graulich als gelb⸗ lich, am Oberkörper 6 gruͤn, und an den Halsſeiten weni⸗ ger gelb. 986 III. O. XXII. G. 115. Feuerkoͤpfiges Goldhaͤhnchen. Jauͤngere Maͤnnchen ſehen den alten Weibchen ſehr aͤhn⸗ lich, und Weibchen von gleichem Alter unterſcheiden ſich von ih⸗ nen bloß durch eine mattere Kopfſtreife und uͤberhaupt durch die mat⸗ teren Farben der ganzen Bekleidung. Die jungen Maͤnnchen nach zuruͤckgelegter er ſter Mauſer haben ſtatt des feuerfarbenen Kopfputzes einen minder praͤchtigen hochgelben Streif, deſſen Farbe in feiner Mitte nur ſchwach ins Roͤthliche faͤllt, ein ganz eigenes, truͤbes, mattes Goldgelb; die ſchwarzen Zeichnungen des Kopfes ſind matter, der Unterleib von der Bruſt an bleicher, in den Wei— chen viel grauer, auch die obere Koͤrperſeite weniger ſchoͤn, ob— gleich keine Farbe und Zeichnung ganz fehlt. Im gleichen Maaße, wie bei den aͤltern, unterſcheidet ſich auch hier das Weibchen vom Maͤnnchen durch geringere Lebhaftigkeit der Farben; allein wenn man nicht beide gegen einander halten kann, ſo iſt der Unterſchied nicht auffallend. Im Fruͤhlinge find alle Farben etwas matter als am fri- ſchen Herbſtkleide; bloß die Prachtfarbe des Scheitels tritt mehr hervor, weil die Federn die etwas lichtern gelben Spitzen verloren haben. Daß fie zum Theil außer der Herbſtmauſer noch einer zwei⸗ ten im Fruͤhlinge unterworfen waͤren, habe ich nicht bemerkt. Im Sommer findet man das Gefieder ſehr abgerieben, ſo daß ſelbſt, beſonders am Unterkoͤrper, das Dunengefieder nicht mehr ganz bedeckt wird. | Schon am Jugendkleide zeigen ſich die ſchwaͤrzlichen und weiß⸗ lichen Augenſtreifen, wodurch ſich dieſer junge Vogel, bei aller übrigen Aehnlichkeit, leicht von dem des gelbkoͤpfigen Gold— haͤhnchens unterſcheidet. — Die Stirn und ein breiter Streif von dieſer uͤber das Auge hin ſind ſchmutzig- oder braͤunlichweiß; ein deutlicher Strich durch das Auge bis ans Genick ſchwaͤrzlich oder ſchwarzgrau; die Wangen gelblichgrau, unter dem Auge weißlich; von der weißlichen Augenſtreife wird der ſonſt einfarbig ſchmutzig⸗ olivengruͤne Scheitel meiſt durch einen ſchwaͤrzlichen Strich getrennt, welcher aber oft auch ſehr undeutlich iſt; der Nacken iſt etwas lich ter als der Scheitel, ſonſt aber, wie der ganze Oberkoͤrper, gelblich olivengruͤn, ſchmutziger als bei den Alten, aber doch etwas lebhafs ter und gelblicher als bei den Jungen der vorherbeſchriebenen Art; der Unterkoͤrper ſchmutzig weiß, mit gelbbraͤunlichem, in den Wei⸗ chen graugruͤnlichem Anfluge, am weißeſten die Kehle und die Un— terſchwanzdeckfedern; Fluͤgel und Schwanz wie bei den Alten, nur ſchmutziger, der Schnabel lichter, beſonders an der Wurzel der * III. O. XXII. G. 115. Feuerköpfiges Goldhaͤhnchen. 987 Unterkinnlade mit durchſchimmernder gelbröthlichgrauer Farbe. Ex Beide Gefchlechter find in dieſem Kleide aͤußerlich nicht zu „ ö den; doch iſt das Weibchen meiſtens bedeutend kleiner. 0 b Im Monat Auguſt iſt die Hauptmauſer dieſer Voͤgel, uch mauſern die Jungen einer fpätern Brut auch wol erſt im Sep⸗ tember. Aufenthalt. Ob das feuerkoͤpfige Goldhaͤhnchen hoch im Norden von Euro- pa vorkomme, iſt noch nicht beobachtet; man fand es bisher nur einzeln in Deutſchland und in der Schweitz, zahlreicher aber in Belgien und in Frankreich. So mag es wahrſcheinlich in mehreren Laͤndern des ſuͤdlichen Europa haͤufiger als im noͤrdli— chen vorkommen, was ſchon daraus hervorzugehen ſcheint, daß es im Winter Deutſchland verlaͤßt und ſuͤdlicher von uns uͤberwin— tert. So weit es bis jetzt beobachtet iſt, koͤmmt es zwar uͤberall in allen Deutſchen Provinzen vor, aber nirgends haͤufig, und in vie— len gehört es ſogar unter die etwas ſeltnen Voͤgel. Im Herzog: thum Anhalt bemerkte ich es einzeln faſt alle Jahr; ſo fand man es im Voigt⸗ und Oſterlande, in Oeſterreich und anderwaͤrts. — Es ſoll auch in Nord-Amerika vorkommen. Bei uns iſt es Zug vogel, wenigſtens will es noch Niemand im Winter in Deutſchland bemerkt haben. Seine Zugzeit iſt im Herbſt der September und October, im Fruͤhjahr der Maͤrz und April. Nicht leicht bemerkt man es bei guter warmer Herbſtwit⸗ terung noch zu Ende Octobers, eben ſo im Fruͤhjahr nicht leicht vor der Mitte des Maͤrzes. Um die Zeit, da man nach Wald ſchnep⸗ fen ſucht, habe ich es mehrmals im Herbſt und Fruͤhjahr in un⸗ ſern Waͤldern angetroffen. Dabei ſieht man es ſelten anders als paarweis oder einzeln, nicht in Heerden wie das gelbkoͤpfige, aber oͤfters in Geſellſchaft deſſelben oder der Meiſen und Baumlaͤu⸗ fer. Ich habe es auch in der Zugzeit einige Mal ganz einſam an⸗ getroffen, und dieſe Ungeſelligkeit ſticht ſehr gegen den außerordent⸗ lichen Hang zum geſelligen Leben der gemeinen Art ab. — Sie wandern des Nachts und ſtreifen am Tage gewoͤhnlich in einem weit kleinern Umkreiſe umher als jene, ob ſie gleich eben ſo un— ftät find. Auf ihrem Zuge ſieht man fie nicht allein in roekrtellötiuken, ſondern auch in denen von gemiſchten Holzarten, in den Laubhoͤl⸗ zern, in Gaͤrten und Gebuͤſchen; allein in der Brutzeit trifft man — 988 III. D. XXII. G. 115. Feuerkoͤpfiges Goldhaͤhnchen. ſie bloß in jenen an. Sie beſuchen ſehr gern die engliſchen Gaͤrten und ſolche Baumgaͤrten, worin es viel wildes Geſtraͤuch und hohe lebendige Hecken giebt, durchflattern die Baumkronen, wie das niedrige Gebuͤſch, ohne Unterlaß, treiben ſich an Hecken und todten Zaͤunen entlang und gehen im Fruͤhjahr oͤfters ſelbſt bis auf die Erde herab. Sie halten ſich zwar gern langer in ſolchen Gaͤr— ten auf, worin ſie einzelne Tannen, Fichten, Wachholdern und dergl. finden, doch hat es mir immer geſchienen, als ob ſie dieſe we niger liebten als die gemeine Art. In den Sommermonaten ſieht man ſie, wie jene, mehr in den Kronen hoher Baͤume, und ſie ſteigen ſehr ſelten ins niedrige Gebuͤſch herab, wodurch ſie ſich dann den Augen des Beobachters viel mehr entziehen als auf ihren Wanderungen. ee Es giebt nicht leicht einen unruhigern, gewandteren und hur⸗ tigern Vogel, ja es übertrifft hierin ſelbſt das gelbkoͤpfige Gold— haͤhnch en noch, mit welchem es ſonſt in feinen Sitten große Aehn— lichkeit hat. Sein kleiner Koͤrper iſt in ſteter Bewegung; es huͤpft und flattert unablaͤſſig von Zweige zu Zweige, halt ſich flatz ternd an den Enden derſelben ſo lange in der Luft, bis es einen Fraß daſelbſt entdeckt und gefangen hat. Es huͤpft eben ſo, wie jenes, mit ziemlich wagerechtem Körper und bewegt dabei die Fluͤ⸗ gel beſtaͤndig. Seine ungemeine Behendigkeit in allen feinen Bes wegungen ſetzt wirklich in Erſtaunen; allein es iſt, wie ſchon er— waͤhnt, weit weniger geſellig, und man findet es nie in Heerden bei— ſammen, ſondern nur einzeln oder paarweis, aber die Paͤaͤrchen ſcheinen Jahr aus Jahr ein unzertrennlich, und wenn man eins von einem ſolchen weggeſchoſſen oder gefangen hat, ſo gebehrdet ſich das andere ſehr aͤngſtlich und ſucht lange Zeit unter heftigem Locken das Verlorne, ehe es fich entſchließt, die Gegend zu verlaſſen. — Es gehoͤrt zwar keineswegs unter die ſcheuen Voͤgel, allein es iſt doch jederzeit ſchuͤchterner als das gelbkoͤpfige Gold haͤhnchen und traͤgt ſich dabei immer ſchlanker, ſchmucker, und das Gefieder viel feltner fo locker vom Körper abſtehend; aber vor der Begattung und bei den dabei oͤfters vorfallenden Zaͤnkereien zweier Maͤnnchen macht es huͤpfend und flatternd eben ſo ſonderbare Stellungen, wobei es ſeine ſchoͤngefaͤrbte Federkrone ſehr aufſtraͤubt, dazu ſingend und zwitſchernd ſein Weibchen ſo lange verfolgt und neckt, bis es zum Zweck koͤmmt. Auch im gewoͤhnlichen Fluge fand ich nichts III. O. XXII. G. 115. Feuerkoͤpfiges Goldhaͤhnchen. 989 wodurch ſich dieſe winzigen Voͤgelchen von jenen ee en ließen. Seine Lockſtimme iſt ebenfalls ein feines, ſchnarrendes Si fi fi oder Sri ſri fri, doch liegt darin ein feiner, freilich nur dem geuͤbten Kenner auffallender Unterſchied in dem ſtaͤrkern und etwas veraͤnderten Ton deſſelben. Es lockt auch nur ſitzend, und im Forthuͤpfen laͤßt es außerdem gleichfals ein leiſeres feines Zit oder Sit beſtaͤndig hoͤren. Im Geſange des Maͤnnchens liegt mehr Unterſcheidendes als in den Locktoͤnen; er iſt lauter, aber viel ein— facher und kuͤrzer als der des gelbkoͤpfigen und beſteht groͤßten⸗ theils bloß aus dem oft wiederholten und im ſchnellen Tempo her— geleierten Sri fri fi fi fi, ohne ordentlichen Schluß; nur ſelten werden Toͤne eingewebt, die aus dem Gefange der Hauben m eiſe entlehnt ſcheinen. Auf dem Herbſtzuge hoͤrt man ſelten eins ſingen, deſto oͤfterer aber auf dem Fruͤhlingszuge und nachher beim Neſte noch viel haͤufiger, bis in den Sommer hinein. Waͤhrend es fingt, iſt es in fläter Bewung, ſtraͤubt dabei feine ſchoͤne Krone auf und huͤpft flatternd von Zweige zu Zweige. In der Gefangenſchaft betraͤgt ſich das feuerkoͤpfige Gold— haͤhnchen wie das gelbkoͤpfige und verlangt dieſelbe Wartung. Es 5 ein ungemein zaͤrtliches Geſchoͤpfchen. Nahrung. Ganz kleine Kaͤferchen, Fliegen, Muͤcken, Blattlaͤuſe und andere aͤhnliche kleine Inſecten, nebſt ihren Larven, dienen dieſem Voͤgelchen zur Speiſe. Es ſucht ſie meiſtens huͤpfend und flatternd von den Zweigen ab, flattert auch oft auf Einer Stelle an den Enden der Zweige ſo lange in der Luft, bis es eins von jenen entdeckt und gefangen hat, verfolgt und erhaſcht die fliehenden im behenden Fluge, ſo gut wie die ſitzenden, und iſt dabei ſtets in ſo lebhafter Bewegung, daß man nicht muͤde wird ihm zuzuſehen. Es ſucht ſeine Nahrung in den Zweigen der Baͤume, der Hecken und des niedrigen Geſtraͤuchs, aber ſehr ſelten unter demſelben auf dem Erdboden. — Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß es auch Inſec— teneier und kleine Saͤmereien verſchluckt. Ob man gleich in dem Magen derer, die auf dem Durchzuge begriffen waren, dergleichen nicht findet, fo mag es demohngeachtet an feinen Winteraufent- haltsorten, wenn es an Inſecten fehlt, der Fall fein, weil ges zaͤhmte, eben ſo gern wie die gelbkoͤpfigen, gequetſchten Mohn⸗ 990 III. O. XXII. G. 115. Feuerköͤpfiges Goldhähnden. zund Hanfſamen unter dem andern Futter verzehren und > g wohl dabei befinden. Im Zimmer werden ſie eben ſo behandelt und gefüttert wie die gemeine Art. Sie fangen auch Fliegen, wenn man ſie in der Wohnſtube frei herum fliegen laͤßt. „ ung Sie niſten hin und wieder in Deutſchland in Nadelwaͤldern, hauptſaͤchlich in ſolchen, die groͤßtentheils aus Tannen und Fich⸗ ten beſtehen; im reinen Kiefernwalde habe ich wenigſtens ein niſtend Paͤaͤrchen noch nie angetroffen. Auch in großen engliſchen Gaͤrten niſten einzelne, da wo große Partien Fichten oder Tannen ſtehen. Man hat die Neſter ebenfals, wie bei der vorigen Art, an der Seite groͤßerer Baumgruppen zu ſuchen, wo ſie immer ſehr hoch vom Boden an den Enden der hängenden Fichten- und Tannen— zweige angebracht find und von den Nadeln derſelben fo verborgen werden, daß ſie ſehr ſchwer zu finden find, zumal da fie von au= ßen auch faſt ganz gruͤn ausſehen. Das niedliche Neſtchen iſt ſehr kuͤnſtlich an die dichtſtehenden, duͤnnen, herabhaͤngenden Nadelzweige befeſtigt, ſo daß es beinahe in der Schwebe haͤngt, indem mehrere der haͤngenden Zweige in ſeinen Waͤnden mit dem Neſtmaterial ſehr feſt umwickelt ſind. Es iſt zwar ballfoͤrmig, doch ſtets laͤnglichter und am Boden ſpitziger als das des gelbkoͤpfigen, von außen meiſtens von gruͤnen Laubmooſen, mit einzelnen Baumflechten und trocknen Haͤlmchen un⸗ termengt, dazu mit Inſectengeſpinſt ſo verwebt, daß das Ganze ein recht haltbares Gewebe bildet. Die einzelnen Haare von Thies ren des Waldes, welche man meiſtens zwiſchen dem Mooſe findet, ſcheinen mehr zufaͤllig mit dieſem dazu gekommen zu ſein. Im Innern iſt es auch tiefer als das der gemeinen Art, dabei ſehr weich mit Haaren von Rehen, Haſen, Fuͤchſen und anderem Gewild, und mit Federn von Raben, Hehern, Droſſeln und anderem kleinen Geflügel ausgepolſtert, beſonders am obern Rande mit Fe dern ſo nett ausgelegt, daß dieſe ſich alle nach dem Mittelpunkte der Oeffnung, die ſtets oben iſt, neigen und dieſe dadurch ſehr ver— engern. Dieſen wahrhaft kuͤnſtlichen Bau fuͤhrt allein das Weib— chen auf, ohne daß das Maͤnnchen dabei weiter etwas thut, als daß es beim Zuſammenholen der Materialien, wie bei ihrer Verar- beitung, ſein unzertrennlicher Begleiter iſt und es mit ſeinem Geſang unterhaͤlt. Die Thaͤtigkeit der kleinen Baumeiſterin iſt une. XXII. G. 115. Feuerkoͤpfiges Goldhaͤhuchen. 991 Gebel bewunderungswuͤrdig, und das Umwinden der das Neſt tragen⸗ den Zweige mit den laͤngern Faͤden von Inſectengeſpinſt oder zar⸗ ten Haͤlmchen und Faſern, in Bi erſten HN „ merkwuͤrdig. Die Eierchen ſind noch ettbas kleiner als die der gemeinen Art und fallen etwas mehr ins Roͤthliche. Sie ſind von einer ſehr niedlichen, etwas ſpitzen Eiform, über der Mitte etwas bau: chig, bald laͤnglicher, bald kuͤrzer, doch nicht ſehr auffallend ver⸗ ſchieden, ungemein zartſchalig, daher ſehr zerbrechlich, glatt, aber wenig glaͤnzend. Ihre Grundfarbe iſt roͤthlichweiß, oder eine ſehr blaſſe Fleiſchfarbe, welche bei unbebruͤteten, des durchſcheinenden Dotters wegen, ins Nöthlichgelbe ſpielt. Auf dieſem Grunde ſind ſie nun meiſtens nur am ſtumpfen Ende mit einem matten Gelbgrau und Graugelb ſehr fein beſpritzt und bepunktet, ſeltner ſchwach gewoͤlkt, fo, daß die Zeichnungen zwar an manchen viel, deutlicher als an andern find, aber nie ſehr auffallend werden. Dies ſer niedlichen Eierchen findet man ſechs bis acht Stuͤck in Einem Neſte. Sie machen alljaͤhrlich gewoͤhnlich zwei Bruten und haben dann im Mai, und bei der zweiten wol noch Anfangs Juli, Eier; auch hat man noch um die Mitte Auguſts kuͤrzlich ausgeflogene Junge von den Alten fuͤttern ſehen. Dieſe lieben ſie ſehr, fuͤttern ſie mit kleinen Inſecten, wobei jene gewoͤhnlich eine Stimme hoͤren laſſen, die der Stimme der jungen Rothkehlchen aͤhnelt, aber viel ſchwaͤcher klingt. Die Familie bleibt lange beiſammen und treibt ſich am Geburtsorte den ganzen Tag, bald auf hohen, bald auf nie— drigen Baͤumen und Buͤſchen, in einem kleinen Bezirk umher, bis ſie ſich endlich trennt und vereinzelt auf die Wanderung begiebt. 5 ein De. Dieſe hat es mit dem gelbkoͤpfigen God h nchen | gemein. Es beherbergt im Gefieder auch Schmarotzerinſecten. Jagd. Weil dies winzige Voͤgelchen noch unruhiger und kleiner, da— bei auch ſcheuer iſt als das gelbkoͤpfige, ſo iſt es ſchwerer zu ſchießen, ob wol immer noch kirre genug, um es ſelbſt mit dem Bla— ſerohr erlegen zu koͤnnen. In den Hecken haͤlt dies gar nicht ſchwer, zumal im Fruͤhjahr, ehe die Bäume ſich belaubt haben; auf hohen Na- delbaͤumen macht dagegen ſeine ungemeine Unruhe den Schuß un⸗ j 992 III. O. XXII. G. 115. Feuerköͤpfiges Goldhaͤhnchen. ſicher. Man koͤmmt gewoͤhnlich nicht eher zum ſichern Ziel, als bis es ein Inſect von den Zweigen ablieſt. t Zufällig faͤngt man fie auf allen Arten von Vogelherden im Walde, auf den Traͤnkheerden, auf Meiſenhuͤtten in Kloben und Sprenkeln u. ſ. w. Der Fang mit einem an die Spitze einer langen ſtarken Gerte befeſtigten Leimruͤthchen iſt, ihrer Unruhe und Schuͤchternheit wegen, nicht gut anwendbar; deſto leichter gehen ſie auf die Lock, ſelbſt vom gemein Gold haͤhnch en. Nutz en. Sie vertilgen ſehr viel ſchaͤdliche Bluͤten- und Knospeninſec⸗ ten und werden dadurch den Wald- und Gartenbaͤumen ſehr wohl— thaͤtig. Auch erfreuen Sie durch ihr Betragen und ihren Geſang beſonders den, der ſie im Kaſig hält. Ihr Fleiſch iſt ſehr wohl- ſchmeckend. f Schaden. Man weiß ihnen nichts Nachtheiliges nachzuſagen. Ende des zweiten Theils. 993 Einige Verb eſſerungen und Zu ſaätze z um weiten Theil S. 8. 8. 3. ſtatt: Sprungfeder, lies: Schwungfeder. Zu S. 18. Der graue Wuͤrger iſt in manchen Jahren in der Gegend um meinen Wohnort ungemein haͤufig; dann wieder einmal in mehreren darauf folgenden Jahren ſelten. Dies letztere war hier 1821 und 1822 der Fall, wo in dem Umkreiſe, worin vor drei Jahren mehr als 10 Paͤaͤrchen bruͤteten, ſich nur zwei Paare zeigten. u Zu S. 35 3. 10. Erſt im vorigen Sommer hörte ich von einem recht alten Maͤnnchen des rothruͤckigen Wuͤrgers, was ich mehrere Som⸗ mer nacheinander in demſelben iſolirten Gebuͤſche bemerkt hatte, den Schlag der Nachtigall ſehr vollſtaͤndig; dann den des Buch⸗ finken, mit feinem Paarungsruf; den Geſang des Baumpie⸗ pers, des Gartenroͤthlings, Gruͤnlings, Goldam⸗ mers und Feldſperlings, alles hinter- und durcheinander, nur viel leiſer, aber hoͤchſt taͤuſchend, nachſingen. Es war eine Freude ihm zuzuhoͤren. i Zu S. 30 hinter 3. 25. N Es iſt in einer Gegend, wie die hiefige, wo es ſo wenige Kolkraben giebt, zu bewundern, wo ein Gatte, welcher in der Brutzeit um ſeine Gattin kam, ſogleich eine andere hernimmt. Mein Bruder ſchoß (1822) mit der Kugelbuͤchſe von dem einzigen in ſeinem Forſte wohnenden Paͤaͤrchen das bruͤtende Weibchen auf dem Neſte, und der Schuß hatte auch die Eier zerſtoͤhrt. Nach 3 Tagen hatte, zu ſeinem Erſtaunen, das verwitwete Maͤnnchen ſchon wieder ein Weibchen, mit dem es ns zu einem neuen Neſte in demſelben Walde machte. | S. 61. Zeile 23., — S. 74. 3.20. — S. 88. 3. 22. — S. 113. 3. 21. ſtatt: Amaria, lies: Acuaria, oder Spiroptera, Rudolphii. S. 74. 3. 20. — ©. 88. 3. 22. S. 113. 20, — ©. 12% 8. 38. ſtatt: Disioma, lies: Distomum, S. 74. Z. 20. ſtatt: Amphistoma, lies: Holostomum, Nitzschü, S. 130, 3, 17. und im Folgenden, wo dies Wort abrkbnbußg ſtatt Ste dactes, lies: Caryocatactes Zu S. 133 3. 13. Die jungen Tan nenheher in e Neſtkleide ſehen zwar im Ganzen ihren Aeltern ſehr aͤhnlich, ſind aber auf einem viel lichtern Grunde kleiner und ſparſamer gefleckt. Die Grund⸗ 63 \ 994 Verbeſſerungen und Zuſaͤtze. farbe des Gefieders, Fluͤgel und Schwanz ausgenommen, ift ein helles, röfhliches Braun oder ein ſchmutziges Roſtbraun. Sieht man Alt und Jung beiſammen, dann wird der Unterſchied ziemlich bedeutend. — Die weiter unten erwaͤhnte rothbraune Varietaͤt iſt vielleicht loß ein gewoͤhnlicher junger Vogel in ſeinem erſten Jugendkleide. Zu. S. 133 3. 1. Eigentlich kann man die Stimme des Tann ne ers, bie er auf feinen Herbſtwanderungen gewöhnlich hören läßt, und die zuverlaͤſſig ſein Lockton iſt, weder kreiſchend noch weittoͤnend nen⸗ nen; ſie iſt vielmehr ſchnarrend und heiſer, und klingt in einem ho⸗ hen Tone wie rhaͤ, rhaͤ, rhaͤ, oderſch ruͤ, ch ruͤ, chruͤ, chruͤ, wie es zuweilen ganz ahnlich von der Nebelkraͤhe gehört. wird. Wenn ihrer mehrere auf einer Eiche nach den Fruͤchten derſelben ſuchen, ſo ſtoßen ſie hin und wieder wol auch ein aa ne leiſes Hraͤ aus; einzelne Voͤgel ſind aber noch viel ſtiller. Im Herbſt 1821 gab es wol allenthalben im mittleren Deutſchland ungeheuer viel von dieſen Voͤgeln, ſo auch hier im Anhaltiſchen. Man ſahe ſie nicht allein einzeln und paarweis, ſondern haͤufig familienweis und ſelbſt in kleinen Heerden hier ankommen und ſuͤdlicher wandern, aber demohngeachtet im Fruͤhjahr keinen zuruͤckkehren. — Ich ſchoß ih⸗ rer viel, half manche Familie aufreiben, und fand die Alten faſt eben ſo wenig ſcheu wie die Jungen, welche ſich durch die weni⸗ ger glaͤnzenden Fluͤgel- und Schwanzfedern, durch ihre kuͤrzern, weniger aa Schnaͤbel u. ſ. w. leicht von jenen unter⸗ ſchieden. Im Magen mehrerer * ich auch e Hum⸗ meln (Apis terrestris). | Zu S. 204 hinter 3, 14. | | Man beſchuldigt die Staaren, daß fie die Podere von einer Schafheerde zur andern uͤbertruͤgen, vielleicht nicht mit Unrecht. — Nach reifen Weintrauben ſind ſie ſo begierig wie nach Kirſchen, und thun in Weinbergen und a gen oft ſehr empfindlichen Schaden.“ Seite 214. Zeile 2. ſtatt: INSECTIVORES lies: INSECTIVORAE. S. 234. 3. 7. ſtatt: Fluͤgel⸗, lies: Schwing =. - ’ Zu S. 306 hinter 3. 21. Im verwichnen Sommer (1822) war ein Paͤaͤrchen Wa ch⸗ holderdroſſeln in hieſiger Gegend, im Walde bei Klein- Zerbſt, zuruͤckgeblieben, ein Fall, welcher gewiß unter die größe ten Seltenheiten gezaͤhlt werden darf; ja es hatte, hoͤchſtwahrſchein⸗ lich dort ſogar gebruͤtet, ſchien iedoch ohne Nachkommen geblieben zu ſein. Mein Bruder, welcher es mehrere Wochen beobachtete, Verbeſſerungen und Zuſaͤtze. 995 erlegte es endlich auf meine Bitte, weil ſich keine Jungen zeigten und zu befuͤrchten war, daß es ſich aus der Gegend verlieren moͤchte. Der Paarungsruf war ganz anders als die bekannte Lockſtimme, in einem hoͤhern Tone und den Locktoͤnen der Ringdroſſel aͤhn⸗ lich; man koͤnnte es ein ſchnarrendes Schaͤckern nennen. — An⸗ fangs Juli, wo das Paͤaͤrchen erlegt wurde, war ſein Gefieder durch Abbleichen und Abreiben fo gewaltig entſtellt, daß dieſe Bo: gel ganz von den gewoͤhnlichen abwichen, ſo daß ihre Sommer—⸗ kleider, von welchen uͤberhaupt noch keine Beſchreibung bekannt iſt, wohl verdienen, daß ich fie hier in der Kürze beſchreibe: Die Federn ſind ſo ſtark abgerieben, daß ſie an den Enden ihre Baͤrte ſehr weit herauf verloren haben, und an vielen Theilen, vorzuͤg— lich am Ruͤcken und auf den obern Schwanzdecken, die vorn nackten Schaͤfte wie eine lange borſtenartige Spitze vorſtehen. Die Schaͤfte ſind faſt alle lichter, manche braͤunlichweiß geworden, welches auch an den Enden ſaͤmmtlicher Schwingen, deren Spitzen wie abgenagt ausſehen, der Fall iſt; am meiſten haben jedoch die Oberſchwanz— deckfedern an Länge und Umfang verloren, wozu vermuthlich das haͤufige Wippen und Schnellen mit dem Schwanze Veranlaſſung gegeben; die mittleren Schwanzfedern ſind an den Raͤndern ganz zerſchliſſen, und ihre Fahnen nachenfoͤrmig aufwaͤrts gebogen; die übrigen Schwanzfedern und die Federn des Unterleibes haben unter allen am wenigſten gelitten. — Am Maͤnnchen iſt der Oberkopf auf aſchgrauem Grunde ſo ſtark ſchwarz gefleckt, daß von jenem nur wenig uͤbrig bleibt; Nacken und Hinterhals hell aſchgrau; der Buͤrzel eben ſo, aber kichten: Oberruͤcken und Schultern dunkel Fass tanienbraun, mit ſchwarzbrauner Miſchung; Flügel und Schwanz viel bleicher als im Fruͤhjahr; Kehle und Gurgel gelblichweiß, die Seiten derſelben und der Kropf ſtark mit dunkelm Roſtgelb oder roͤthlichem Gelbbraun uͤberflogen, mit vielen braunſchwarzen großen Laͤngsflecken, die an den Seiten des Kropfs in ein großes braun⸗ ſchwarzes Feld zuſammenfließen und letztere Farbe nimmt faſt aus⸗ ſchließend die ganzen Seiten der Bruſt ein, nur daß ſie hier und an den Tragfedern noch durch ſehr ſchmale, hellbraune Federkanten, als Reſte jener breiten, lichten Einfaſſungen vom Herbſtkleide, un⸗ terbrochen wird; die Mitte der Bruſt, der Laͤnge nach, und der Bauch ſind 915 Die ſo ſehr dunkle Zeichnung des Kropfes und der Bruſtſeiten giebt dem Vogel ein ganz auffallendes Ausſehen. Der Schnabel iſt bis auf die braune Spitze des Dberkiefers ganz hochgelb; die Füße find ſehr licht, ſchmutzig roͤthlichbraun, die 996 Verbeſſerungen und Zu ſätze. Zehenſohlen aber hochgelb. — — Das Weibchen ſieht viel lich ter aus, was am Aſchgrau der obern Theile ſehr auffaͤllt; der Scheitel iſt bleicher und weniger ſchwarzgefleckt, der Ruͤcken ſchmu— tzig roſtbraun, mit weißlichgelben Federſchaͤften, Fluͤgel und Schwanz ſehr bleich, mit vorherrſchendem Grau; die Halsfeiten und die Kropf- gegend viel bleicher gelb als beim Maͤnnchen, aber deutlicher und klarer ſchwarz gefleckt; das ſchwarze Feld an den Kropfſeiten nur klein, die Seiten der Oberbruſt roſtbraun, ſchwarz gefleckt; die Seiten der Unterbruſt noch heller, faſt roſtfarbig, mit ſchwarz— braunen Mondfleckchen; die Mitte der Bruſt und der Bauch ſchmu— tzig⸗ oder gelblichweiß. Es unterſcheidet ſich alſo gar ſehr vom Maͤnnchen; auch hat der Schnabel von oben viel mehr Braun und eine braunfchwarze Spitze, die Füße find auch lichter, und die Fuß— ſohlen ſchoͤn hellgelb. — — Dieſe fo auffallend abweichende Sommertracht dieſer Voͤgel haͤtte wohl verdient, durch genaue Abbil— dungen verſinnlicht zu werden, was auch geſchehen ſein wuͤrde, wenn ich ſie fruͤher gehabt haͤtte. S. 385. Z. 2. ſtatt: horizontal, lies: lothrecht. S. 497. Z. 10, ſtatt: 977 lies: auch. Zu S. 502 hinter 3. 2. Außerordentlich gern auch die Beeren der Phytolacca decan- dra, welche, noch außer den Moͤnchgrasmuͤcken, auch die Roth⸗ kehlchen gern Beim. Zu S. 536 hinter 3. 25 Sehr oft beſteht die innere Ausfuͤtterung des Neſtes faſt einzig aus großen Klumpen Menſchenhaaren. — Der Hausröthling liebt feine Jungen fo ſehr, daß er fie auch groß fuͤttert, wenn man ſie in einen Kaͤfig ſteckt und dieſen ziemlich weit wegtraͤgt, ja durch die offnen Fenſter in die Zimmer fliegt, wo man dieſen hinſtellte. Das Weibchen iſt dabei aber ungleich dreuſter als das Maͤnnchen. Unter dem Dache eines hohen Hauſes, am Marktplatze einer ſehr lebhaften Stadt, ſah ich, weil Maurer da arbeiten ſollten, ein Neſt mit Jungen wegnehmen, in einen Vogelbauer ſtecken und dieſen in ein offnes Fenſter des Erdgeſchoſſes ſtellen, wo die Alten ihre Jungen, zur Beluſtigung der Leute, die beſtaͤndig vor dem Hauſe verkehrten, trotz des immerwaͤhrenden Laͤrmes, ohne Scheu groß fuͤtterten. Zu S. 573 hinter 3. 33. wobei es gewoͤhnlich den Koͤrper hin und her drehet, — S. 715, 3. 14. ſtatt: Fluͤſſe, lies: Fluͤſſen. Ebendaſelbſt, 3. 26. fl. an. I. in. S. ſtatt: 95, lies: 85. S. ſtatt: dlichen, lies; ſuͤdlichen. . 4 S. 897. 3. 4. ſtatt: brannkehlige, lies: braunkehlige. a S. 973. 3. 11, ftatt: Mann, lies: Man. S. 974. 3 29. ſtatt: Sprüngen, lies: Springen. \ 0 5 } f N * — 5 Pr * — u A . 5 . * N 1 ei 1 it 9 * ‘ 2 u . Ir 8 — = = 5 ’ 1 5 . 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