vr 25 2 05 Re ua N a REN De a Hirt HER * 4 Waldkauz, alter Dogel. 5 Lebensbilder aus der Tierwelt Herausgegeben von ). Meerwarth und K. Soffel Fünfter Band Sweite Folge: Dögel II N R. Voigtländers Verlag in Leipzig Einbandzeichnung von Karl Soffel in München. Copyright 1910 by R. Voigtländers Verlag, Leipzig. Eon t used Druck von Fiſcher & Wittig in Leipzig. Seiner Höniglichen Hoheit dem Großherzog Wilhelm Ernſt von Sachſen dem weidgerechten Jäger und Naturfreunde in Ehrfurcht gewidmet Inhaltsverzeichnis. Inhaltsverzeichnis Der Waldkauz von hermann Sins. Die Sumpfohreule von Elje Soffel . Seeſchwalben von Otto Leege Die Raben- und die Nebelkrähe von 1 955 a Die Saatkrähe von A. Bütow Der Buchfink von Elje Soffel Der Kormoran von Hugo Otto. Das Rotkehlchen von Elſe Soffel Der Wendehals von Martin Braeß Der hühnerhabicht von hermann Löns Der Baumläufer von Hermann Löns . Das Hausrotſchwänzchen von Martin Braef . Der Eichelhäher von hermann Cöns Rauchſchwalbe und Hausſchwalbe von Martin Braeß 4 Die Swergrohrdommel von Julius R. Haarhaus Die Heidelerche von Elſe Soffel . Die Waſſerralle von hugo Otto. Die Waſſeramſel von Martin Braeß Weidenlaubſänger, Fitis und e von an 8 75 Die Kornweihe von hermann Löns Bea Der Graue Steinſchmätzer von Martin Braeß Der Sperber von hermann Cöns 8 Der Schwarze Storch von Martin Braef . Der Gimpel von Elſe Soffel . Der Mäuſebuſſard von Hermann Löns. Der Gänſe- und Kuttengeier von Martin Braeß Das Alpenſchneehuhn von Hans Sammereyer III Seite II—IV 13 1 1627 28 95 95 127 128 2 155— 166 167—-186 187—195 196 — 203 204—215 2.10 222 225 232 — 242 243 259 260 —267 268 —274 275 —280 2812837 288 298 299 304 305 — 313 314 —325 526 —335 556 —546 347 — 359 360 — 381 382 —397 Der Höckerſchwan von Martin Braef . Der Rotſchenkel von Dr. Ernſt Schäff . Die Elſter von Martin Braeß Der Baßtölpel von Alf Bachmann— einen. Der Schwarzkehlige Wieſenſchmätzer Säbelſchnäbler und Stelzenläufer von Dr. Ernſt Schäff Der Kampfhahn von Dr. Ernſt Schäff . Die Ringeltaube von Martin Braeß Der Flußregenpfeifer und ſeine Verwandten von b A er Der Trappe von Fritz Bley Der Goldammer von Elſe Soffel Die Märzente von Fritz Bley Der Kolkrabe von hermann Löns . Der Kuckuck von Elſe Soffel . Der Reiher von Fritz Bley Lummen und Alke von Alf 1 1 Die Uferſchnepfen von Dr. Ernſt Der Steinkauz von Elſe Soffel Verzeichnis und . der Bilder von dan Soffel Regiſter. Schäff — — 2 — Seite 398 —410 411—42] 422 — 454 459 —447 448 —45] 452 —462 463 —471 472480 481— 500 501—511 512-522 525—542 543—557 558— 571 572— 590 591-625 626 — 652 653 — 642 643 —658 659 — 661 Der Waldkauz. Don Hermann Cöns. Wer ſingt im Dorfe den Frühling ein? wer ruft die gute Seit heran? Nicht Amſel und Fink ſind es, und nicht Meiſe und Staar, und auch nicht Specht und Häher; ein anderer iſt es, der mit lautem Liede den Halel- buſch lehrt, ſich mit Gold und Kubinen zu ſchmüchken, iſt es, der die Erle rührt, daß alle ihre Sweige rote Troddeln ſchwenken, und der dem Schnee— glöckchen Mut macht, über den Buchsbaum zu ſehen. Ein Kauz iſt es, ein dicker, alter WaldRauz, der in der dicken, alten Linde wohnt, die mitten im Dorfe vor dem dicken, alten Kirchturme ſteht und ihre Alte über die graugrünen Grabſteine ſpreizt. Seit unvordenklichen Seiten hat ein Kauzpaar in der Kirchhofslinde gewohnt und iſt den Dorfleuten heilig geweſen. Aus uralten Tagen blieb ihnen eine dumpfe Erinnerung, daß die Eule einſt Friggas Lieblingsvogel war, ehe der neue Glaube über das Land kam und aus allem, was den alten Göttern lieb war, unholdes Getier und Greuel machte. Darum darf der Kauz im Dorfe ſchalten und walten, wie er will, und nicht nur deshalb, weil ein Stück Urglauben mit ihm verbunden iſt; jo manche Maus, jo manche Ratte, die den Schnäbeln und Griffen der jungen Käuze entglitt, fand der Bauer zwiſchen dem knorrigen Wurzelwerk der Linde und machte ſich ſeinen Ders darauf. Aber am liebſten iſt er ihnen, weil er den Frühling verkündet. Liegt auch der Schnee noch auf der Saat und ſtehen die Gräben noch in Eis, zieht der März in das Land, dann ſingt der Kauz den Frühling ein und das ganze Dorf freut ſich, daß die beſſere Seit herankommt. Eine eigene Art hat die Eule, den Frühling einzuſingen; wie mit einem ſchrillen Schreckensſchrei beginnt es, wendet ſich in ein Hohngelächter um, ſteigt zu einem wilden Jauchzen und ſinkt zu einem wehen Gewimmer herab. Stadtleute finden es teufliſch und hölliſch, die Leute im Dorfe aber lieben es, des Kauzes Frühlingslied, der Eule Liebesgejang. Geſtern war es hell und kalt. Der Wind pfiff von Morgen her, die Sterne waren alle verſammelt. Da gefiel es dem Kauze nicht. Stumm ſtrich er im tiefen Holze hin und her, ſchlug die Maus auf dem Wege und die Wühl— ratte im Graben und ſuchte, lange ehe ſich die Nacht vor dem Morgen verkroch, ſein Loch in der Linde auf. Vögel II. Copyright 1909, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 1 1 Heute aber paßt ihm das Wetter bejjer. Der Wind kommt von der Abendfeite, weich und warm iſt er, und die Luft iſt dick und dieſig. In den Wieſen braut der Fuchs und nur der Abendjtern iſt wach. Noch bewahrt der Himmel eine roſige Erinnerung an die Sonne, da erhebt der Kauz Stephainsky. Tillowitz, Funi 1908. Waldkauz. Eben ausgeflogener Jungvogel. ſein Gefieder und ſtreicht der Wieſe zu. Mit feſtem Griffe faßt er die Wühl— ratte; ihr Strampeln nützt ihr nichts; ein Biß in den Hinterkopf nimmt ihr das Leben und fie verſchwindet in dem weiten Rachen. Swei Mäuſe folgen ihr bald nach. Stephainsky. Tillowitz, Funi 1908. Waldkauz, alter Dogel. Hauptjagdwetter iſt heute; die Mäuſe laufen ganz anders, als geitern. Aber der Kauz hat heute keine rechte Freude an der Jagd. Was ihn lange nicht ankam, heute fällt es ihm ein, loszulachen und aufzujauchzen. „Huch!“ kreiſchen die Mägde in der Spinnſtube des einſamen Hofes, und dann lachen ſie luſtig; wenn der Kauz ruft, hört das Spinnen bald auf und die Arbeit in Garten und Feld beginnt. „Kiu-witt, kuwitt“, geht es draußen. Und dann kommt das Schönſte: „Huuu, huhuuu, huhuhuhuu“, und dann ein ſeltſames, langern Trillern, „Klurlurlurlu“, eine ganze Dierteljtunde lang, und dann ein heiſeres Bellen und ein Lachen hinterdrein, als wenn ſiebzig Teufel ſich über den Fall eines Gerechten freuen. Aber nichts Arges und Böſes denkt ſich der Kauz dabei, nur Liebes und Gutes. Er ſehnt ſich nach einem Herzen, das wie ſein Herz fühlt, nach einer großen, ſchönen Käuzin mit großen, ſchönen Augen. Nur des— wegen quietſcht und ſchreit und lacht und bellt und trillert und jauchzt er 1 * 3 heute jo ſehr. Überall bringt er Leben in den Abend; eben rief es im Walde, nun lacht es im Dorfe, und jetzt rollt ſein tiefes Lachen an der Wieſe entlang. Dort jagt ſchon ſeit einer Stunde eine dicke graue Käuzin. Ihr gehört die Wieſe und die Waldkante, jo denkt ſie. Sie iſt jo frech, daß ſie den Buſſard, der ſich in der großen Eiche bei der Ochſenhütte zum Schlafen ein— geſchwungen hatte, jählings mit ihrem dicken Kopfe in den Rücken ſtieß, daß er von ſeinem Aſte herabpolterte und entſetzt abſtob. Daß auf der beſten Stelle der Wieſe, wo die Mäuſe am meiſten laufen, die Rehe ſtehen, paßt ihr nicht, und ſie ſtößt ſolange nach ihnen, bis ſie ihr Platz machen. Auch die beiden Haſen, die da Hochzeit halten, jagt ſie in den Buſch hinein. Quer durch die Wieſe läuft ein heller Bach. Dort, wo das Stauwehr ihn einzwängt, ſteht eine halbpfündige Forelle, auf Beute lauernd, die ihr die Strömung zutragen ſoll. Über ihr rüttelt die Käuzin. Etwas Schwärz— liches kommt durch das Wehr getrieben; eine junge Maus iſt es, die die Müllerin totſchlug und in den Bach warf. Die Forelle geht nach der Maus auf, faßt ſie und will mit ihr unter den Waſſerwurzeln der Erle ver— ſchwinden, da fühlt ſie ſich geangelt und trotz ihres Schnellens und Schlagens emporgehoben. In der Eiche bei der Ochſenhütte hakt die Eule auf und kröpft ſich an dem Fiſche ſatt. Da ſchwebt ein Schatten heran und ſtößt fie von dem Alte. Er iſt kleiner und ſchwächer, der verliebte Kauz, um ein Drittel kleiner, als die Käuzin, aber er iſt ein Mann. So treibt er ſie fauchend und knappend, quietſchend und trillernd in das Holz hinein, treibt ſie eine Stunde hin und her, bis ſie ſich in einer Eiche einſchwingt und er ihr gegenüber aufhakt. Und da ſitzt er und pfeift und bellt und heult und lacht und trillert und gellt ſo wunderſchön, ſo lieblich, und ſo ergreifend, daß die dicke braune Käuzin gar nicht anders kann, als ſich dem hübſchen grauen Kauze zu ergeben und das Loch im Linden— baume mit ihm zu beziehen. Breit und geräumig iſt das Loch und ſo tief, daß kein Junge bis auf den Grund faſſen kann. Das wagt auch keiner, denn vor Jahren kletterte der Sohn des Paſtors in der Linde herauf, um ſich die Eier zu holen. Da fuhr ihm aber fauchend das Weibchen in das Geſicht und aus der Krone der Linde ſauſte der Kauz heraus und ſtieß den Jungen in das Genick, und der erſchrak ſich jo, daß er allen Halt verlor, aus dem Baume fiel, den Unterſchenkel brach und ſechs Wochen das Bett hüten mußte. Seit der Seit haben die Jungens eine heilige Scheu vor der Linde und auch die großen Leute gehen zu der Seit, wenn die Käuze Junge haben, im Bogen um den Eulenbaum herum, beſonders in der Dämmerung, denn wenn die Eulen gerade ſchlechter Laune ſind, ſtoßen ſie auf die Menſchen. So frech aber, wie in dieſem Jahre, waren ſie noch nie. Das hat der neue 4 'Pdoq ae 'Envygjom Lehrer, der erſt acht Tage im Dorfe iſt, erfahren. Dem gefiel es, an einem milden Aprilabend ſich auf die Knorren am Fuße der Linde zu ſetzen. Aber plötzlich ſtieß er einen Schreckensſchrei aus und rannte ſo wild davon, daß er den Paſtor, der über den Kirchhof ging, faſt umwarf. Ureidebleich war Bartels. Westpriesnitz, März gos. Waldkauz. er, als er dem Paſtor und der Paſtorin erzählte, wie es ihm gegangen war. Ganz jählings war etwas Schwarzes gegen ſeinen Kopf geflogen und Krallenfinger hatten ſeinen Nacken gepackt. Und als er den Kopf beugte, konnten der Paſtor und ſeine Frau drei lange blutige Riſſe ſehen. 6 2 3 8 . u BR & N. B. Lodge. Waldkauz am Eingang zu ſeiner Schlafhöhle. K. Hecht. Grellenberg. Junger Waldkauz, Dunenkleid mit herauswachſenden Schwung- und Steuerfedern. Als der Lehrer hörte, wer der Unhold war, lachte er, und von da ab ſetzte er ſich oft in die Laube vor dem Pfarrhauſe und ſah den Eulen zu, die ab und zu flogen. Wehe der Katze, die über den Kirchhof ſchlich; ehe ſie es ſich verſah, hatte ſie einen Stoß und ein paar Kiſſe abbekommen und fuhr mit Angſtgequake über die Mauer. Des Paſtors Hund traute ſich nicht um ſämt— liche Leberwurſthäute der Welt in der Dämmerung an der Linde vorbei. Denn als er einmal dort hinter den Wieſelchen herumſchnüffelte, hatte ihn das Eulenpaar überfallen und ihm ſo zugeſetzt, daß er für immer genug 8 R. Hecht. Grellenberg. Junger Waldkauz, Dunenkleid mit herauswachſenden Schwung- und Steuerfedern. davon hatte. Und es war kein kleiner Hund, ſondern ein großer Kerl von Bernhardiner. So ſtörte niemand die Käuze und fie fühlten ſich ganz als Herren der Linde und des alten Glockenturmes. Das ſah man daran, daß ſie am hellen Tage, beſonders an warmen Morgen, ganz vergnügt auf einem Aſte oder auf einem Balken des Turmes ſaßen, ſich von der Sonne beſcheinen ließen und ſich putzten und juckten. So vertraut waren ſie, daß es ihnen ganz gleich war, wenn eine Kohlmeije ſich über ſie ſetzte und ſie beſchimpfte, 9 Stephanescu. Audis, Ungarn. Alter Waldkauz, auf einem Dachſparren ſchlafend. und die Spatzen und Rotſchwänze hatten ſich ſchon an die Eulen gewöhnt und ließen ſie in Ruhe, zumal ihnen nicht zu trauen war, denn wenn die jungen Eulen zu laut nach Fraß piepten, flogen die Alten am hellen Tage auf Raub aus und griffen manchen Spatzen und auch wohl eine Amſel oder einen flüggen Staar. Den Leuten im Dorfe war das gleichgültig, denn Spatzen, Amſeln und Staare gab es im Dorfe genug. Aber es gab auch Ratten und die machten die Käuze mit der Seit dünne. Überall auf den höfen ſchwebten ſie in der 10 Stephanescu. Kudsir, Ungarn. Alter Waldkauz, auf einem Dachſparren ſchlafend. Dämmerung umher und wehe der Maus und der halbwüchſigen Ratte, die ihnen in den Wurf kam. Ehe ſie es ſich verſah, faßten ſie die nadelſcharfen Krallen, der Schnabel drückte ihnen das Hinterhaupt ein und fort ging es nach der Linde, wo vier dicke, graue, weißflockige Wollklumpen auf den Alter vor dem Niſtloche ſaßen und gierig den Eltern die Beute fortriſſen. Da niemand die Eulen ſtörte, wurden die Jungen bald ebenſo keck, wie die Alten. Am hellichten Tage kletterten ſie aus dem Loche heraus, erſtiegen einen Aſt, auf dem die Sonne lag, ließen ſich beſcheinen und ſahen mit halb— 11 "quauuol pıl ‘Envygjum 1941H eb? (ASPNM "NISSUDYZAS Stephainsky. Trllowitz, Waldkauz, eben ausgeflogener Jungvogel. Funı 1908 geichloffenen Augen auf das Leben und Treiben, das ſich auf der Straße jenfeits der Friedhofsmauer abſpielte. Wenn ein Menſch vorüberging, ein Wagen vorbeifuhr oder das Dieh dort hergetrieben wurde, rührten ſie ſich nicht. Sobald ſich aber ein Hund oder eine Kate ſehen ließ, richteten ſie ſich auf, wackelten mit den dicken Köpfen, riſſen die Glotzaugen auf, fauchten und knappten mit den Schnäbeln, und der Hund oder die Uatze warf einen ſcheuen Blick nach der Linde, ſenkte den Schwanz oder richtete ihn empor und beſchleunigte ſeine Schritte. Und wenn ſie hungerte, dann piepten ſie ſolange, bis es der Dater und die Mutter nicht mehr aushielten, ihre Schlafplätze im Lindenlaube oder in dem Glockenturmwinkel verließen und bei Tage dem Holze zuſtrichen, um mit einer Maus, einer Eidechſe, einem Froſche oder einem großen Käfer zurückkehrten. Darben brauchten die Jungen nicht; unglaubliche Mengen von Unzeug ſchleppten die Alten herbei. die Maus mochte noch ſo ſchnell und das Wieſel noch fo flink fein, viel ſchneller war der Kauz, viel flinker die Käuzin. Kein Flügelſchlag verriet ihr Kommen; lautlos ſchwebten ſie über das Feld, unhörbar rüttelten ſie über dem Raine, und niemals ſtießen ſie fehl. Dem hirſchkäfer halfen feine Sangen ebenſowenig, wie der Kreuzotter ihr Gift; wo die Krallen der Käuze hingriffen, da half kein Kneifen, nützte kein Beißen; verloren war alles, was ſie erfaßten. So mangelte es der Eulenbrut nie an Futter und ſie wuchs und ge— dieh, ſchob aus dem Dunenkleide Speile und Federn und aus den un— förmlichen Wollklumpen wurden langſam anſehnliche Käuze, die zwar immer noch hinter den Alten herbettelten, aber doch ſchon ab und zu den Derſuch machten, ſelber eine Maus zu fangen. Anfangs ſtellten ſie ſich noch dumm genug an und griffen ſogar dann noch vorbei, wenn der Kauz oder die Käuzin eine halbtote, zappelnde Maus vor ihnen fallen ließ. Aber heute lernte der eine, im rechten Augenblicke auf den Froſch zu ſtoßen, morgen glückte es einem anderen, den Maulwurf im taufeuchten Wege zu ſchlagen, und bald konnten ſich die viere ſelbſt ernähren und die Alten biſſen ſie von ſich fort. Damit zerriß auch das Band zwiſchen Kauz und Käuzin. Beide ſtrichen ziellos hin und her, den Mäufen nach, und wo es viele gab, dort blieben ſie, bis ſie und Wieſel, Hermelin, Turmfalke und Buſſard deren Reihen gelichtet hatten, und dann zogen ſie anderen Feldern zu. Als aber der Winter herankam, ſuchte der Kauz wieder das Dorf und ſein Coch im Linden— baum, von dem er abends abſtrich, um ſtill und heimlich auf Mäuſejagd zu fliegen. Gab es aber laue, nebelige Abende, dann übte er ſeine Stimme und quietſchte und heulte, aber lange nicht ſo laut und ſo voll und ſo an— haltend, wie er im Märzen ſchrie, als er den Frühling einſang. Die Sumpfohreule. Don Elje Soffel. Hoher Mittag im Moos. Wer jetzt den offenen Weg gehen wollte, der von der Birkenſtraße weg, an der Schwarzerle vorbei, ſeine ſchimmernden, endlich in eins ver— ſchwimmenden Linien zu den Mooshöfen hinterzieht, der würde ein zweites Mal kein Derlangen danach haben. Oder er hat ſich die halbe Stunde hingeſchleppt, ſtumm — bedrückt durch die Sonnengewalt, bis dort, wo links, hart am Weg, faſt in den Binſenwäldern und ihren gluckjenden, ſpiegelnden Waſſern ſtehend, eine Fichte und zwei Birken ſeltene Lebens— gemeinſchaft geſchloſſen haben und wartet, bis die Sonne, die Seit und Weg vergeſſen, ein wenig weiter gerückt iſt gegen den Horizont zu. Wie Schickſalsgenoſſen, ineinander hineingewachſen und unentbehrlich einer dem andern, ſehen die drei aus. Und jeder, der vorbeikommt und nicht vorübergeht, hält ſie für Gedenkbäume oder Wegweiſer. Wollt' man aber ihrem ſtummen Fingerzweig folgen, ſo käme man ins Moos, wo's noch tief genug zum Ertrinken iſt. Und es wär nicht einmal ein Wunder, wenn man dem nachginge. Denn der rechte Weg macht hier eine Wendung, an die man nicht denkt. Und von drüben leuchtet und lockt die Blütenpracht jo heiß und ſelten und ein Sonnentaumel von Injekten feiert wirbelnd Hoch— zeit um Hochzeit. Aber die weißgrüne Decke, die das Torfmoor bis hinüber zieht, trägt dich nicht und die Wieſe, die du zu ſehen meint, teilt ſich in die zahlloſen, gelb und grün beſchopften Häupter der Simſenpolſter auf braun— verfilzter Säule, zwiſchen denen in dunkeln Tümpeln der Sonnentau die weiße Blüte aus der Rojette tückiſch bewimperter Blättchen hebt, das Sett- kraut ſein hinterliſtiges Geſchäft treibt und nachts das Sumpflicht tanzt. Und die Pracht ſchimmernder Weidenröschen und gelber Nachtkerzen weicht zurück, die Fähnchen ſeidenflockiger Wollblumen da drüben flimmern im Sonnenglaſt, unerreichbar wie die glasflügeligen Libellen, die abwechſelnd auf dem braunen, geknickten Stengel raſten, der aus dem Waſſer ragt. Am Himmel aber, der weit und leuchtend zum Horizont ver— ſchwimmt, ſteht noch immer die Sonne ſtill, die Wolken laſten, kein Cüft— chen rührt ſich. Und faſt noch ſtiller wird es durch das heiße Summen der Inſekten, den Ruf des Kuckuck, der nah und wieder ferne tönt: Kuckuck, 16 kuckuckuck. Don drüben ſchimmert, in weich zitternder Luft ein kleines Haus, daneben der ſchief ragende Balken eines Siehbrunnens. Und Buſch— werk ſcheint es zu umgeben, dahinter in einiger Entfernung die phantaſtiſch bewegten, unruhig aufwärtsſtrebenden Linien zahlloſer weißer Birken— ſtämmchen am Horizont. Etwas zugänglicher iſt hier das Moos. Knappe, kurzraſige, heideartige Wieſe, im Frühjahr bunt mit fleiſch— farbiger Erika, wohlriechender Primel und kurzſtieligem, dunkelblauem En— zian beſtickt, wechſelt mit grünem Sumpf, wo fettes Knabenkraut ſteht, am Rand kleiner Waſſerläufe großblütiges Dergißmeinnicht. Ein einzelner Kiebitz watet im Grün, hin und wieder bleibt er ſtehen, ſein buntes Gefieder ſchillert, er ſtellt die Holle, um in die Stille ſein kiwit, kiwit zu Jagen, gleich einem. Selbſtgeſpräch. Die Mooskuh zieht klagend weite Kreiſe über dir und verrät noch nachträglich das Neſt, an dem du eben vorbeigegangen. In den Birken hat ſich ein Flug Hühner niedergelaſſen, zahlreich wie Krähen, lauter Leierſchwänze. Aber als du dich ſo weit angeſchlichen, um ſie zählen zu können, haben ſie ſchweren Flugs die Wipfel verlaſſen und nur die Alte ſchaukeln noch. Don dem Häuschen, das kleinfenſtrig und niedrig mit hängendem Stroh: dach, grün überſponnen im Mittagsglanz ſchläft, führt ein grüner Damm hinaus, zwiſchen tieferliegenden Wieſen. Ein lauſchiger, von Weiden und Erlengebüſch eingefaßter Weg, wo Gold— und Rohrammer hauſen und der Feldſperling zetert, auch einmal ein Laub— vogel ſingt. Weit hinaus führt der Weg, bis dort, wo über der von Oſten kommenden Straße unter Bäumen verſteckt ein zweiter Mooshof liegt. Dorüber an Lagern geſchichteten Torfs, der in der Sonne bäckt, an feucht— braunen, meterhohen, glattgeſtochenen Torfwänden vorbei, die zu ſchwer— mütigen, roſtgelben oder roſtbraunen, von ſchillernden Häutchen überzogenen Waſſern abfallen, in denen die leuchtend goldbraunen, wolkigen Haufen der Diatomeen und die ſchleimig grünen Fetzen der Fadenalgen ſchwimmen, — aus denen das durſtige Schaf ſich Krankheit und Tod trinkt. Dorbei an verſtreuten Torf- und Jägerhütten, an der krüppeligen Kiefer, die den Auf— baum trägt, den Einzelbirken, bis zum ſchilfdurchwachſenen, waſſerreichen Wäldchen, in dem die geſpaltenen Trümmer einiger Urwaldföhren trotzig das Ende erwarten, wo in der Juninacht beim Leuchtfeuer der Johannis— würmchen der Uhu bellt, die letzte Wildkatze ſchleicht. Dorthin kommt auch die Mooseule, ſobald die Dämmerung beginnt. Im ſchilfigen Grund, nicht weit von hier hat ſie fünf Junge liegen, die wollen gefüttert fein. Im Oſten kommt langſam der Mond herauf, der Weit ertrinkt in Fluten gelben Lichts. Über dem Fluß, der ſeine eiligen Waſſer zwiſchen flachen Ufern unter dem dämmerigen Himmel wälzt, lagern Myriaden 5) Vögel II. 2 17 von Eintagsfliegen als dunkle, zum Horizont ſich verlierende Wolke, die Riejenkuppen der Föhren im Weit ſtehen klar gezeichnet vor dem brennenden Himmel. Und zwiſchen hüben und drüben eine Welt unklar bewegter Formen. Endlich aber behält der blaſſe Schwärmer recht. Don Oſten her breitet er ſeine herrſchaft aus. Am Himmel ziehen leichte Schleier, die Moos— wieſen ſind ein ſilberglänzendes, wallendes Meer, die kleine Brücke ſchwebt zwiſchen himmel und Erde. Um den Fuß der Birken ſchlingt ſich ein lichtes Band, beſticht mit Glühwürmchen, die drin auftauchen und wieder verſchwinden. Die Bekajjine läuft mit niedergebeugtem Kopf in den blinkenden Waſſern zwiſchen dunkeln Sumpfpolſtern umher, die Fröſche quarren und meckern. — Die andern Jäger ſind ſchon unterwegs, da macht auch die Mooseule ſich auf. Als brauner Schatten ſteht ſie vor dem Neſt und äugt in die Dunkelheit. Ein Siegenmelker ſchwankt, ſchießt über ſie hin, im Wald entſteht ein Getöſe. Der Uhu hat eine Krähe geholt. — Mach einer Weile iſt alles ſtill. Die Eule wiegt den Leib und duckt den runden Kopf, wirft ihn vor und zurück, ſtellt die kurzen Federohren. Dann hebt ſie die Flügel und hüpft flatternd ein Stückchen. Im Schilf am Waldgrund rauſcht und kniſtert es leiſe. Ungeſchwächt fängt die weite Ohröffnung den Ton auf. Reglos ſteht ſie einen Augenblick mit niedergehaltenem Körper. Im nächſten ein quietſchender Laut. Der kleine Schatten, der ſich eben in die Mondhelle gewagt, iſt ſchon arretiert. Auf einem Fuß ſtehend, den andern, der die Beute hält, hochgehoben, ſteht ſie da. Aufrecht; mit ſcharfen, kurzen Bewegungen ſpäht der Kopf in jede Richtung nach dem Feind, der ihr die Beute ſtreitig machen könnte. Aber nichts rührt ſich. Der dicke Schwärmer, der über ſie hintaumelt, kommt diesmal davon. Langſam macht ſie ſich an die Arbeit. Die kleine Waldſpitzmaus hat längſt ausgezappelt. Die ſcharfen Krallen haben ſie durch und durch geſpießt. Erſt kommt der Kopf dran. Der Schnabel der Eule ſucht eine Weile knabbernd dran herum, ehe er ihn abreißt. Dann kracht es leiſe von ſplitternden Knochen. Mit geſchloſſenen Augen würgt ſie hinunter. Für einen Augenblick iſt Ruhe. Wie gebannt lauſcht der Kopf in eine Richtung, dann wendet ſie ſich wieder der Arbeit zu. Serrt und reißt, hoch und lang aufgerichtet, den Kopf weit zurück— gebogen. Den blutenden Strang, der ſich von der Kralle zum Schnabel zieht, verſchlingt die Nacht. Aus einiger Entfernung kommen jetzt ſchwache, klagende Laute. Sie löſen einander ab und ſcheinen immer neu vom Erdboden aufzuſteigen, ein— gehüllt in die feuchte, träge Luft: wau, au, au — die Alte antwortet: ein zärtliches käw, käw. Sie hat den ärgſten Hunger geſtillt, jetzt macht ſie Jagd für die Kleinen. Ein paarmal breitet ſie erſt die Flügel und flattert ein Stück über dem Boden hin, ehe ſie auffliegt. Dann geht es in weichem, 18 B. Lodge. R. Neſt mit Gelege. Sumpfohreule. »jnaayolduns lautloſem Flug dahin, in weiten Kreiſen, bald höher, bald tiefer. Kein Geräuſch verrät ſie, das ſcharfe Auge entdeckt die Waldmaus, die als Schatten über den Boden huſcht, die junge Waſſerſpitzmaus, die allzu ſorglos auf dem Sweig über dem Waſſer ſpielt. Senkrecht ſtürzt ſie abwärts, um ſie zu faſſen. Den ſurrenden Gold- oder Lederkäfer holt ſie im Flug, den ſchlafenden Kleinvogel trägt ſie zu Neſt, die fette Schermaus iſt willkommne Beute. Es iſt unglaublich, was fünf ſolcher Wollklümpchen vertragen können. Im Oſten wird es ſchon licht, der Morgenwind läuft über Schilf und Gras, da verſtummen erſt die hungrigen Stimmen. Die Alte ſtopft den Hinterleib einer halbverzehrten Ratte mit dem Schnabel in den ſchilfüberwachſenen Spalt am Fuß einer alten Moosbirke, wo ſie ihn abends wieder findet. Die langen Tage durchſchlafen die Jungen, von der Alten ſorglich ge— hudert. Das Neſt liegt außerhalb der Bäume im Schilf verborgen. Die Moos— eule gibt ſich nicht ſonderlich Mühe damit. Ein paar dürre Halme und Gräſer, welkes, vorjähriges Schilf, übereinandergelegt und mit dem Körper zur Mulde ausgerundet, die faſt kugeligen weißen Eier liegen direkt auf der Erde. Jetzt ſind die fünf wolligen Köpfchen ganz unter den das Neſt über— deckenden Flügeln der Alten verſteckt. Wie die Teufelchen im Kajten, die auf einmal herausfahren und den roten Rachen zeigen. Dann öffnet ſich fünffach der rote Schnappſack, die breiten, behaarten Augenlider ſchieben ſich über die gelben Augeniterne, mit ſchwermütig-ſchläfrigem Ausdruck auf und zu klappend, die bläuliche Nickhaut ſchimmert. Und das klagende, heiſere wau-au, die ſonderbaren Bewegungen erhöhen noch das ſeltſam Spuk- hafte der kleinen Geſchöpfe. Hur Seit aber iſt alles ſtill beim Neſt. Selbſt die Alte ſcheint zu ſchlafen. Wenigſtens hält ſie die Augen geſchloſſen und die kleinen Federohren ſind niedergelegt; deutlich zeichnet ſich der weiße Schleier hinter der dunkleren Umgebung der behaarten Augenlider ab, der ſcharf gekrümmte ſchwarze Schnabel ſchaut kaum aus der Fülle zerſchliſſener weißer Federchen, die ihn umſtehen. Das Federkleid, roſtgelb mit ſchwarzen Pfeilen und Strichen, dunkler und verwaſchener als beim Männchen, trägt die Alte locker und aufgebauſcht. Plötzlich macht ſie mit Kopf und Schnabel die ſonderbarſten Be— wegungen, als würge ſie an etwas. Sie legt den Kopf bald auf die eine, bald auf die andere Seite, ſchüttelt ihn, kneift die Augen klein zuſammen, knappt den Schnabel auf und wieder zu. Dann öffnet ſie ihn plötzlich weit, ſchließt die Augen völlig, legt den Kopf zurück, hält ihn endlich nach vorn über den Neſtrand und würgt einen dunkeln Knoten zutag, der aus Fell und Haaren beſteht und mit Federn und Knöchelchen durchſetzt iſt. Die un— bequemen Reite der Mahlzeit von geſtern abend. Einen Augenblick ſchaut ſie mißtrauiſch nach allen Seiten. Am blauen Himmel zieht nichts, was ſie 25 ängſten könnte. Die Luft ſteht jtill, das Moos ſchweigt. Nur weiter drüben, wo das Rohr dichter wird, pumpert die Rohrdommel noch einmal: uprumb, urprumb. Da dämmert auch Mutter Eule ein bischen ein. Die Augen hält ſie dabei halb geſchloſſen, zwiſchen den Lidern zieht ſich ein gelber Strich. Sie ſitzt und träumt und in ihren Traum ſpielen die langen Fühler einer großen Heuſchrecke, die an einem Shabioſenſtengel in die höhe geht. Aber das lockt ſie nicht aus ihrer Ruhe. Sie ſitzt und träumt und hält den geöffneten Schnabel der Sonne hin. Der heuſchreck hat unterdeſſen den lila Blütenkopf erſtiegen. Das eine der langen Sprungbeine iſt ſchon oben zwiſchen den kleinen Blüten eingebettet, das andere zieht er eben nach. Da nickt die Skabioje ein bischen. Und das iſt für Mutter Eule zu viel. Die Augen gehn jetzt auf. Aber zuſchnappen? Nein. Es intereſſiert ſie bloß. Sie rückt den Kopf wagrecht, erſt rechts, dann links. Und dann dreht ſie ihn, in Betrachtung verſunken, langſam, ganz langſam, bis er faſt nach unten ſteht. Wenn die Schnepfen anfangen zu ſtreichen und ſich langſam zum Suge ſammeln, kommt die Unruhe auch in die Sumpfeule. Man hann ſie dann, mit ihresgleichen zu kleinen Geſellſchaften vereint, um die Dämmerzeit Sümpfe, Wieſen und Felder abſtreifen ſehen, ſcheucht auch wohl einmal einige auf, die ſich im Halbdunkel zwiſchen die Ackerfurchen geduckt — nie aber ſieht man ſie im Wald oder Gebirge. Don Norden kommt Suzug, aus Holland und den Marſchländern, aus den maſuriſchen Ebenen und aus den Tundren Lapplands, wo ſie beim Schein der Mitternachtsſonne in hellen Polarnächten jagten. Wenige von ihnen nehmen ſogar den Kampf mit Kälte und Schnee auf ſich, die übrigen ziehen, eine Seitlang ſtreichend, immer mehr dem Süden zu, bis die aus dem Norden Europas in Italien, Spanien und Nordafrika, die aus Sibirien in Südaſien ihre Winterheimat gefunden haben, die Nordamerikaner in den ſüd— licheren Staaten. In keinem Weltteil iſt die Sumpfeule fremd. Mit dem März aber kehren ſie zurück in Steppe und Sumpf des Nordens, nach ſtillen, gedämpftfarbigen nordiſchen Ebenen, nach den Swergbirken und Heidelbeer- büſchen flechtenüberzogener Tundren, wo einen Sommer lang die Sonne nicht untergeht. Dann kehrt auch die Mooseule wieder und das Weibchen richtet das Neſt zurecht und ſchichtet ein paar dürre Halme. 24 IR B. Lodge. Sumpfohreule. Und außerhalb des Waldes, wo über dem glänzenden Blätterſchmuck ſchlanker weißer Birken ein wolkenloſer himmel über der einſamen Mooswieſe ruht, treibt das Männchen ſein Liebesjpiel. Wer Glück hat und den Platz kennt, kann es ſehen, wie es hoch über den Föhren mit ruhigen, ſtarken Flügelſchlägen ſich in der Luft feſtſtellt. Wie es mit einem ſcharfen wausau ſich plötzlich tiefer fallen läßt, wie es wieder ſteigt und im ÖGaukelflug ein Stückchen weiter eilt und vielemal das Spiel wiederholt, bis es ſich endlich ſenkrecht niederſtürzt, gerade dort, wo im feuchten Grund das Weibchen auf den Eiern ſitzt. — Für heuer aber it es Herbſt geworden. 27 Seeſchwalben. Von Otto Leege. Don den zahllojen gefiederten Bewohnern der Meereskülten ſind es vor allem die zierlichen Seeſchwalben, die immer und immer wieder unſere Be— wunderung erregen, an deren herrlichen Flugſpielen das Auge nie müde wird, ſich ſtets aufs neue zu ergötzen. Wohl richtet ſich der Blick voll Staunens auf die kraftvollen Geſtalten der Möwen, dieſe Bezwinger der Lüfte, die auch den ſchwerſten Stürmen ſpielend Trotz bieten, aber mehr noch wie ſie feſſeln uns die Seeſchwalben, die in der außerordentlichen Mannigfaltigkeit ihrer Flugbewegungen, in Anmut und Grazie ihresgleichen ſuchen. Trotz ihres ſcheinbar zarten Körpers, der ein verjüngtes Bild ihrer großen Ver— wandten darſtellt, ſind ſie die vollkommenſten Flieger. Wie die zierlichen Edelfalken ſich zu den plumpen Allesfreſſern ihrer Sippe verhalten, ſo die Seeſchwalben zu den Möwen. Letzteren iſt jede Nahrung recht; alles was das Meer auf den Strand wirft, ob lebend oder halb verweſt, wird gierig verſchlungen. Ganz anders die Seeſchwalben; nur erjagte, lebende Beute, die ſie ſtoßtauchend aus der Flut hervorholen, wird verzehrt; für Meeres— auswurf haben ſie nur Verachtung. Dazu macht ſie das wundervolle Ebenmaß der Glieder zu wahren Meiſterwerken der Natur. Seeſchwalben nennt man ſie, und fürwahr, der Name iſt nicht übel gewählt; denn die geſtreckte, zierliche Geſtalt, die gewandten Bewegungen ähneln nicht wenig den niedlichen Schwalben unſerer Städte und Dörfer, und die ungewöhnlich langen, ſchmalen und ſpitzigen Flügel, wie auch der tief gegabelte Schwanz erinnern uns lebhaft an die lieben, kleinen Frühlings— boten. An Größe freilich übertreffen ſie dieſe, und wenn auch die kleinſten unter ihnen nicht ſehr viel größer erſcheinen, jo kommen die kräftigſten den kleineren Möwenarten gleich. Nicht weniger als ſiebzig verſchiedene Seeſchwalbenarten verteilen ſich über den ganzen Erdball, von welchen die meiſten die Flachküſten der See oder die kieſigen und ſandigen, am liebſten vegetationsloſen Ufer und Bänke der Flüſſe und Binnenſeen bewohnen, und ihrer Umgebung entſprechend ein mehr weißes Habit angelegt haben, weswegen man ſie als weiße Seeſchwalben zu bezeichnen pflegt. Der ſprühende Giſcht der Brandung und der ſonn— beſchienene blendende Sand der Küſten ſpiegeln ſich als leuchtendes Weiß auf 28 der Unterjeite wider, und des Himmels lichtes Blau gibt der Gberſeite ihren zarten Schmelz. Andere Arten fühlen ſich weniger vom Meere angezogen; das ſturmbewegte brauſende Element ſchreckt ſie, und ſie zogen ſich zurück in die weltfernſten Sümpfe und Moräſte, wo ſie in tiefſter Abgeſchiedenheit ein ſtilles und zufriedenes Daſein führen. Darum auch ber grauſchwarze Grundton ihres Gefieders, das ſo ganz hineinpaßt in die düſtere Sumpf— landſchaft, daher auch eine gewiſſe Melancholie, die niemals jene ungebundene Heiterkeit aufkommen läßt, die uns bei den weißen Seeſchwalben ſo ſehr anmutet. Trauer- oder ſchwarze Seeſchwalben hat man ſie darum genannt. Noch andere Arten, es ſind tropiſche und ſubtropiſche, beſiedeln die Küſten— wälder und bauen, ganz entgegengeſetzt der Gewohnheit der übrigen Glieder der Familie, ihre Neſter auf Bäumen und Geſträuch. Don den Brutvögeln der Meeresküſten ſind die Seeſchwalben im Früh— jahr die letzten, die eintreffen; die Dorhut gewöhnlich Ende April, die Haupt- Nordamerika. Rußbraune Seeſchwalbe. maſſe wenige Tage ſpäter. Unter allen Seevögeln machen ſie ſich ſofort durch ihr eigenartiges Geſchrei, das mit keinem anderen verwechſelt werden kann, bemerkbar; denn die Stimme aller Arten klingt auffallend ähnlich; bei allen vernimmt man ein unangenehm kreiſchendes Kriäh, bald höher oder tiefer, bald lang gezogen oder kurz geſtoßen, bald ſehr hart und rauh oder weicher, und daran ſchließen ſich je nach der Stimmung noch andere Laute, die auch keinen Anſpruch auf Wohlklang machen können. Immerhin aber ſind ſie dem temperamentvollen Naturell dieſer Dögel angepaßt. So wenig angenehm das Ohr durch die unharmoniſchen Stimmlaute berührt wird, ebenſo ſchnell wird der häßliche Eindruck verwiſcht, wenn das Auge auf die zierlichen Geſtalten fällt, wie ſie in bewunderungswürdiger Eleganz eine nach der andern niedrig über dem Meere in ſanften Wellenlinien dahingleiten. Nichts von Mühe oder Anſtrengung; leicht und anmutig heben und ſenken ſich die langen Sicheln in rhythmiſchem Spiel, und nur, wenn 29 Gefahr droht, werden die weitausholenden Flügelſchläge ſchneller, und der mordgierige Wanderfalke und das noch gewandtere Baumfälkchen laſſen bald von der Derfolgung ab, wenn ſie ſehen, daß ihre Flughkünſte und ihre raſende Schnelligkeit noch von den lichten Seglern übertroffen werden. Iſt die Gefahr vorüber, ſo wird dies Tempo wieder verlangſamert, als wäre nichts geſchehen; der ſpitze Kopf mit dem leuchtenden verlängerten Schnabel neigt ſich wieder ſenkrecht dem Meere zu, und das flimmernde Auge durchſpäht die oberen Schichten des kriſtallenen Waſſers nach ſchwimmender Beute. Wie feſtgebannt haftet plötzlich der kleine Körper, einem rüttelnden Turmfalken gleich, in der Luft; ſchneller arbeiten die zitternden Flügel, Mord— luſt leuchtet aus den ſprühenden Augen, die Spieße ſpreizen ſich immer mehr, dann ein plötzlicher Ruck, und jäh ſchießt mit zuſammengelegten Schwingen der Leib in die glitzernde Flut auf die nichtsahnende Beute, daß das Waſſer hoch aufſpritzt. Nach Sekunden taucht er wieder auf, ſchüttelt die Waſſerperlen von ſich, erhebt ſich unwillig über den Fehlſtoß und das Suchen und Jagen beginnt von neuem, bis die Mühe nach manchem vergeblichen Derjuch belohnt wird. Am willkommenſten ſind ihnen kleine Fiſche, aber die ſumpf— bewohnenden Arten haſchen auch nach allen möglichen Land: und Waſſer— inſekten und ihren Larven, ſelbſt nach jungen Fröſchen und zappelnden Regen— würmern, und die größten ihres Geſchlechts bilden ſich nicht ſelten zu Buſch— kleppern aus, die auf Eier und junge Vögel Jagd machen. Wie ſehr auch der Flug unſere Bewunderung erregt, ſo wenig Eindruck machen ſie, wenn die faſt Nimmermüden ruhen. Mit eingezogenem Halſe ſitzen ſie, das Geſicht dem Winde zugekehrt, auf einer Sandbank, auf Steinen oder Pfählen ſteif da, ängſtlich beſorgt, daß ihnen kein plötzlicher Luftſtoß das glatte Federkleid zerzauſt. Die ſtark gekreuzten Schwingen und die langen Spieße richten ſich höher, damit ſie ja keinen Schaden leiden; die lächerlich zimperlichen Füßchen ſind leicht einwärts gerichtet, und der vorhin im Fluge ſo große Körper ſcheint ſich plötzlich zu verkleinern. Man ſieht es ſofort den zarten Rudern an, daß ſie für weiteres Gehen nicht geſchaffen ſind; ſie ſcheinen dem Körper nur lediglich als Stütze zu dienen; denn gewöhn— lich ſieht man ſie nur am Veſt ungeſchickt einhertappen. Die anfänglich noch flugunfähigen Jungen bewegen ſich an ihren Brutſtätten weit geſchickter als ihre Eltern und büßen erſt nach und nach, wenn die Flügel ſtärker geworden ſind, die Fähigkeit des gewandteren Gehens ein. Und doch muß man dieſe bald roten, bald ſchwarzen Füßchen mit ihren tief ausgeſchnittenen Schwimmhäuten niedlich finden; denn immer ſtehen ſie im Kontrajt zur Färbung des Leibes. — Selten machen ſie von ihrer Schwimmfähigkeit Gebrauch, und wenn ſie ſich einmal auf das Waſſer niederlaſſen, um zu ruhen, ſo ſind die Ruder meiſtens ohne Bewegung und der leichte Körper liegt einem Balle gleich auf dem Spiegel. 30 Seeſchwalbe. Unter den Dögeln der Meeresküſten ſammeln ſich die meilten während der Brutzeit in Gebieten, die ſie alljährlich wieder aufzuſuchen pflegen und bilden hier Brutkolonien von oft ſehr erheblicher Ausdehnung, die frei— lich neuerdings infolge fortwährender Beunruhigungen ſeitens der Menſchen an Bedeutung abnehmen. Neben den Möwen ſind es die Seeſchwalben, welche die engſten Verbände untereinander ſchließen. Keine von allen Arten liebt das Alleinſein; ſtets ſind fie zu Scharen vereinigt, die häufig nach Hunderten, an beſonders unzugänglichen Stellen ſogar nach Tauſenden zählen, am liebſten jede Art getrennt. Was iſt es, das ſie ſo zuſammenführt? Iſt es allein der Geſelligkeitstrieb? Sind es die gleichen Intereſſen? Oder handeln ſie nach dem Grundſatze: Einigkeit macht jtark ? Wehe dem Feinde, der es wagt, in die Kolonie einzudringen! Wehe dem behaarten Raubgejindel, das einen Einbruch in ihre Siedlungen verſucht! Wehe den Möwen, Falken, Weihen und Krähen, die ſich auf bequeme Weiſe an Eiern und Jungen gütlich tun möchten! In grenzenloſer Wut und mit wahrer Todesverachtung ſtürzen ſie ſich auf den frechen Eindringling, Hunderte umringen ihn mit wütendem Gekreiſch, und ſelbſt die ſtärkſten Raubmöwen können von Glück jagen, wenr fie der unbedachte Einfall nur eine Handvoll Federn koſtet. Gerupft und geſchunden eilen ſie davon und laſſen ſich die üblen Erfahrungen zur weiſen Lehre dienen. Selbſt dem ſchlimmſten Feinde, dem habgierigen Menſchen, der ihre Eier korbweiſe ſammelt, rücken ſie oft erfolgreich auf den Leib, und wenn ſie ihm auch durch Schnabelhiebe nichts anzuhaben vermögen, ſo verſuchen ſie doch, ihn durch energiſche Fittichſchläge zu ver— treiben, oder ſie wenden ein noch wirkſameres Mittel an, das durchweg von ſchnellſter Wirkung iſt: ſie ſchleudern ihren flüſſigen, ätzenden Kot auf ihn, daß er bald wie übertüncht ausſieht. Rührend iſt die Anhänglichkeit der Gatten an ihre Jungen, die ſie nament— lich jener elenden Sorte von Schützen gegenüber beweiſen, die es für keine Schmach halten, den hilfloſen Kindern in gewiſſenloſeſter Weiſe die Eltern zu nehmen. Wenn auch die vor Schmerz ſchreiende Mutter mit zer— ſchmetterten Gliedern auf die Erde taumelt und manche ihrem traurigen Geſchicke folgt, jo kommen doch immer mehr furchtlos heran, laſſen alle Dor- ſicht außer acht, flattern mit kläglichem Laut über den Unheilſtifter, und erſt, wenn viele mit ihren blutenden Leibern den Sand netzen, ſchwingen ſich die Überlebenden höher, wo fie die todbringenden Schrote nicht mehr er— reichen können. Herrliche Flugſpiele ſchaut das Auge an ſonnigen, windſtillen Tagen über der Kolonie. Luſtgefühl läßt fie in bedeutende höhen hinaufſteigen; gleich blendenden Kreuzen heben ſie ſich gegen das lichte Blau des Himmels ab, bald ſtille ſtehend, bald in elegantem Kreiſen und Gleiten, dann wieder in jähem Abſturz ſich völlig überſchlagend, dabei ohne Aufhören ſchreiend. vögel II. 3 33 Unterdeſſen ſitzt der brütende Ehegenoß, bald „er“, bald „ſie“, auf den bunt— ſchaligen Eiern und blinzelt aufwärts voll ſeliger Luſt, als ſuche er unter all den vielen da oben die Erkorene. Wenn aber der Sturm die Tiefen aufwühlt, und die trüben Fluten die Beute nicht mehr erkennen laſſen, dann heben ſchlimme Tage an und es bleibt keine Seit zu Liebesgetändel. Die wenigſten Seeſchwalben politern ihr Neſt aus mit Grashalmen oder Würzelchen, meiſtens genügt eine kaum merkliche Dertiefung im flüch— tigen Sande, auf trocknem Schlamme, oder auf kurzgraſigen Kaſen, die drei, zuweilen auch nur zwei Eier oder bei tropiſchen Arten oft nur ein Ei aufzunehmen. Letztere haben dabei oft die merkwürdige Gewohnheit, auf Bäumen und Sträuchern ihre Neſter anzulegen. Bei den kleineren Arten genügen zwei, bei den größeren drei Wochen, bis die reizenden Kleinen H. K. Job. Bird Key, Florida. Rußbraune Seejhwalbe. aus den Schalen hervorbrechen. Häufig iſt ein Junges ſchon völlig trocken im Neſt und ſchaut bereits fröhlich umher, als muſtere es die Umgebung, während das zweite die zu enggewordene Hülle durchbrochen hat und die feuchten Glieder reckt und ſtrecht, wogegen man das dritte in der Schale piepen hört, das noch vergeblich verſucht, mit dem kalkigen Hörnchen auf dem weichen Schnäbelchen die Decke zu ſprengen. Nachdem ſich auch das letzte Geſchwiſterchen befreit hat, beginnen ſie ſchon gleich, behende trippelnd ihren Geburtsfleck zu verlaſſen, bald hier, bald dort hinter einen Grasbüſchel oder Tanghäufchen zu hocken, und dann heben ſie ſich ſo wenig von der Umgebung ab, daß man ſie kaum erkennt. So halten es die Küſtenbewohner, wogegen die dunklen Arten bis zu ihrer Flugfähigkeit im Neſte bleiben; finden ſie doch auch meiſtens keine Gelegenheit, auf ihren oft winzigen Schlamminſelchen ihre Kräfte zu erproben und Wanderungen vorzunehmen. 34 Ygjuml$plaas aunvagäny "206 2 H "DP14077 Kay zig Sind die Jungen den Eiern entſchlüpft, jo beginnt für die Eltern eine arbeits- reiche Seit; denn die Heranwachſenden verfügen über einen nicht endenden Appetit. Dom frühen Morgen bis zur untergehenden Sonne iſt es ein fort— währendes hetzen und Jagen zwiſchen den oft fernliegenden Nahrungsquellen und der Holonie. Mit ſilberglänzenden Fiſchchen im Schnabel ſieht man ſie raſtlos vorüberſtreichen, und die vorgeweichte Nahrung wird den Jungen eingeſpieen. So geht es vierzehn Tage oder drei Wochen lang, dann heben die Kleinen zum erſten Male die noch ſchwachen Fittiche und verſuchen ſich über ihre Um— gebung zu erheben. Anfangs geht's noch ſchwer, die Kräfte waren über— ſchätzt, und hart ſchlägt der Körper auf den Sand. Aber auch hier macht die Übung bald den Meiſter, und Alte und Junge begeben ſich hinaus über die Gewäſſer, voran die Eltern, die Kleinen hintennach mit noch ſchwerfälligem Flug und heiſer ſchreiend. Noch ſind die Schwingen ſo gering geſtreckt, der Schwanz ſo wenig gegabelt, das Gefieder oben ſo grau, — es wird noch ge— raume Seit währen, bis ſie den Alten gleich ſind. Aber wenn ſie übers Jahr aus ihren Winterquartieren im Süden zurückkehren, wohin ſie in wenigen Wochen alle zuſammen, den Küſten und Strömen folgend, ſich auf— machen, dann unterſcheidet man ſie nicht mehr, und dann werden ſie an derſelben Stelle, wo ſie ihre ſorgloſen Kindheitstage verlebten, glückliche Familienbande ſchließen. Weiße Seeſchwalben. Wo jene ſchmale, lange, nordwärts gerichtete Landzunge die deutſchen Meere trennt, da liegt der Weſtküſte vorgelagert eine Reihe von größeren und kleineren Inſeln, gebildet durch die zerſtörende Wirkung des wilden Meeres, das hier, vielleicht ſchon vor Jahrtauſenden, den gewaltigen Dünenringwall einer ſchier endloſen, reichen Küſtenmarſch durchbrach, einem raſenden Kieſen gleich ungeſtüm vordringend, jedes Hindernis hinwegräumend, tief in die Lande eindrang und nur wenige Rejte entſchwundener Herrlichkeit zurückließ. Bis in die neueſte Seit hinein währt dieſer Titanenkampf, wird auch kein Ende nehmen, und es muß ſich entſcheiden, wer Sieger bleibt, die gewaltigen, raſtlos ringenden Naturkräfte oder der Menſchengeiſt, der jene Bollwerke ſchuf, welche dem „blanken Hans“ die Grenze ſetzen wollen: Bis hierher und nicht weiter! — die Deiche. So entitanden jene ſagenumwobenen Halligen, die in weltferner Einſam— keit als grüne Wieſenflecke ſchutzlos im grauen, weiten Wattenmeer daliegen, noch immer benagt von den gierigen Fluten, bis auch ſie vielleicht bald das Schickſal ihrer verſchwundenen Schweſtern ereilt. Kaum ein Dutzend zählt man noch an der Küſte, von welchen die äußerſten und kleinſten bereits ent— völkert ſind. Die Rejte aber jener zerſtörten Dünenmauer bilden weiter nordwärts die nordfrieſiſchen Inſeln, deren Schiffer- und Fiſcherdörfer ſich neuerdings in moderne Kurorte verwandeln und alljährlich Tauſende von Fremden anlocken, die leider dazu helfen, dem Inſelidyll den Allerweltscharakter aufzuprägen und ihm eine Kultur aufnötigen, die alles, was wahre Natur heißt, hinwegräumt. Und alle dieſe Eilande bildeten einſt Dogelparadieje, von welchen wir uns heute keine richtigen Dorjtellungen mehr machen können. Lieſt man die prächtigen Schilderungen Naumanns aus dem Jahre 1819, in welchen er uns ſeine Eindrücke über das Leben und Treiben der ungeheuren Dogelmengen dieſer Gebiete ausmalt, ſo kommen ſie uns geradezu märchenhaft vor und man möchte glauben, mindeſtens ein Jahrtauſend wäre nötig geweſen, dieſen Wechſel der Dinge herbeizuführen. Wenngleich die Inſeln noch heute zu den vogel— reichſten Teilen Deutſchlands zählen, ſo wird doch der aufmerkſame Beobachter eingeſtehen müſſen, daß jene herrlichen Seiten größten heimiſchen Dogelreich— 38 ob l BR dd do VgjvalplasldnıS So6r zung “puvgjoft gu ö t 2 Heatherley. Slußjeeihwalbe am Nejt. Ein Ei abnorm gezeichnet. tums unwiederbringlich vorüber find. Aber dieſer betrübenden Feſtſtellung gegenüber ſollte nunmehr auch jeder wahre Naturfreund alles daran ſetzen, ſoviel wie möglich die wenigen Keſte zu erhalten ſuchen. Don Huſum aus, jenem Städtchen hart an der Weitküjte, wo der beite Kenner der ſchleswigſchen Watten und Inſeln, der treffliche Dogelkenner Roh- weder, ein Menſchenalter hindurch wirkte, beſucht man am beſten die vor— gelagerten Halligen. In ſtundenlanger Fahrt eilt der kleine Segler bei leb— haftem Oft ſchnell dahin, und die helle Juniſonne übergießt die nur ſchwach gekräuſelten Wellen mit flüſſigem Silber. So geht's vorüber an den großen Marſcheninſeln Norditrand und Pellworm, über deren hohe Deiche hinweg zahl— reiche Siedlungen ragen, die uns ſchon vermuten laſſen, daß hier nicht auf allzuviel Dogelleben zu rechnen iſt. Noch winkt aus der Ferne die maleriſche Turmruine Pellworms, in der noch Turmfalken hauſen, und auf deren zer— bröckelten Spitze ſeit langen Jahren ein Storchenpaar alljährlich ſeine Jungen aufzieht, während zur Linken in ſchattenhaften Umriſſen die kleinen Halligen 41 Steenhutzen. Texel, Holland, Juni 1905. Brütende Slußjeejhwalbe. Südfall und Süderoog, die noch viele Strandvögel beherbergen, verſchwinden, aber keinen Dergleich mit dem unbewohnten, winzigen, am weiteſten nach Weiten vorgeſchobenen Norderoog aushalten, wohin wir jetzt unſern Kurs richten. Inzwiſchen hat die Ebbe eingeſetzt und lockt alle die leichtbeſchwingten Be— wohner der Inſeln hinaus aufs weite Watt, wo jetzt unter den ſchnellfüßigen Watern eine Jagd anhebt, als ginge es auf Leben und Tod. Und doch ſind dieſe Nahrungsgründe nach jedesmaligem Surücktreten der Flut jo unendlich reich an winzigen Lebeweſen, daß gewiß die tauſendfache Sahl von Dögeln in kurzer Seit geſättigt ſein würde. Über dem Waſſer aber ſchwingen Hunderte von Seeſchwalben ihre ſpitzen Schwingen und äugen gierig in die durchſichtige Strömung, bis ein unvorſichtiges Fiſchlein der Oberfläche zu nahe gekommen im Nu erhaſcht wird. Geſättigt eilen alle nach dem heimiſchen Strande zurück und pflegen der Derdauung, wenn nicht die brütenden Weibchen ihren Ge— 42 L. Heatherley. Brütende Flußſeeſchwalb e: bietern Deranlafjung geben, auch ein wenig für fie zu ſorgen und Nahrung herbeizutragen. Da liegt es vor uns, das durch Naumann ſo berühmt gewordene Norderoog, deſſen Name noch genannt werden wird, wenn die nagenden Fluten längſt die letzte Scholle weggeriſſen haben. Und dieſem Schickjal iſt es mit Sicherheit verfallen; nur fragt es ſich, wie lange es noch währen mag, bis das grimme Meer auch die letzten Reſte zertrümmert. Nur ganz wenig erhebt ſich die grüne Wieſe, die von Waſſerprielen durchfurcht iſt, über ſeinen Spiegel, und beſonders im Schutze höherer Dünengräſer der ſchwach an— gedeuteten Düne niſten zahlreiche Seevögel auf der noch keine 20 Hektar großen Hallig. Hier war es, wo vor 90 Jahren der große Meiſter Naumann Millionen von brütenden Kaſpiſchen Seeſchwalben ſah, und wenn wir heute ſeine be— geiſterten Schilderungen über ſeine damaligen Eindrücke leſen, und die jetzige kleine Schar von 600 Paaren damit vergleichen, die hier zugleich die letzte 43 Siedlung an der deutſchen Nordſee bilden, dann iſt das Herz tief bekümmert und unwillkürlich fragt es: Wann werden die letzten verſchwunden ſein? Sie, die vornehmſte, ſchönſte und kühnſte aller weißen Seeſchwalben hat ihr Heimat— recht verloren durch Habgier und Mordluſt gedankenloſer und wahnwitziger Menſchen. Möge dieſer ausſterbenden Art das nächſte Kapitel gewidmet ſein. Abjeits liegen die Brutgebiete der Küſtenſeeſchwalbe, welche der bekannteſten aller deutſchen Seeſchwalben, der Flußſeeſchwalbe, am ähnlichſten ſieht, jo daß der Inſulaner, der doch ſeine Dögel genau kennt, beide Arten nicht unterſcheidet. Ehemals war die Küjtenjeejchwalbe am Saume der deutſchen Meere wohl in gleicher Weiſe allgemein ver— breitet, bis in den ſechziger Jahren auf den oſtfrieſiſchen Inſeln die Fluß— ſeeſchwalbe ihre Schweſter faſt völlig verdrängte, wogegen ſie auf den nord— frieſiſchen Eilanden und am Gſtſeeſtrande noch heute unbeſtritten die Herrſchaft führt. Erſt in den letzten Jahren ſcheint ſie an Oſt- und Weſtfrieslands Ge— ſtaden ihre urſprünglichen Rechte wieder gewinnen zu wollen. Wie ſchon ihr Name jagt, iſt ſie echter Küſtenvogel, und von ſämtlichen Gattungsgenoſſen erjtreckt ſich ihr Brutgebiet am weiteſten polwärts. Nebeneinander geſtellt vermag ſie auch der Laie zu unterſcheiden. Die kaum merklich kleinere Hüſtenſeeſchwalbe trägt längere Spieße; Füße und Schnabel ſind völlig korallrot, bei der Flußſeeſchwalbe hingegen mennigrot, und die ſchlanke Schnabelſpitze zeichnet ſich ſchwärzlich. So wenig die körperlichen Unterſchiede beider hervortreten, jo wenig verſchieden iſt auch ihre Lebensweiſe, doch wird der aufmerkſame Beobachter nach einiger Übung ſie auch am Fluge, an der Stimme, ihrem Gebaren und an ihrer Vorliebe für gewiſſe Brutgebiete unterſcheiden lernen. Drüben, auf der kurzgraſigen Wieſe, wo die charakteriltilchen Salzgräſer unſerer Küſten, der kräftige Meerdreizack, der ſilbergraue Seewermut, die roſaleuchtende Grasnelke, der kriechende Erdbeerklee und die weißen Kreuze des Löffelkrauts einige Monate hindurch wetteifern, die ſonſt ſo troſtloſe Einöde bunt zu färben, da richtet auch unſere Hüſtenſeeſchwalbe am liebſten ihre Kinderſtube ein; nicht zwar in jenem Gedränge, wie es die Kentiſche liebt, immerhin aber doch jo nahe beiſammen, daß es einer gewiſſen Dorlicht bedarf, die Gelege nicht zu zertreten. Nicht abgeſchloſſen für ſich, wie jene, nein, gern duldet ſie, die harmloſe, Sanftmütige, andere Strandvögel unter ſich, und angenehm berührt ihre Friedfertigkeit im Gegenſatz zu ihren nächſten Stammes— genoſſen. Nickende Rotſchenkel, ſchnellfüßige Halsband= und Seeregenpfeifer, quiekende Auſternfiſcher und behäubte Mibitze bewegen ſich zwiſchen ihnen, als hätten ſie immer zueinander gehört, und wenn es auch ab und zu kleine Neckereien gibt, arten dieſe doch nie zu Raufereien aus. Immer fröhlich und guter Dinge verderben ſie weder ſich noch anderen die Stimmung. Die Anlage des Neſtes verſchafft ihnen keine Sorgen; ohne lange zu wählen drücken ſie 44 L. Heatherley. Brütende Slußjeejhwalbe. irgendwo das Gras nieder, meiſtens keine weitere Unterlage benutzend und legen ihre drei, auf den weſtlichen Inſeln in der Regel zwei Eier, darauf, aus denen nach fünfzehn Tagen die niedlichen Dunenjungen hervorſchlüpfen, die manchmal ſchon an ihrem Geburtstage die Neſtmulde verlaſſen, hinter Gras— büſcheln und Tanghäufchen kauernd ſich von den Eltern mit kleinen Heringen und anderen Fiſchchen päppeln laſſen, bis ſie nach weiteren vierzehn Tagen den Alten fliegend aufs Meer folgen können. Kuhelos ſtreifen ſie umher, bis Ende Augujt oder im Anfang des Semptember die große Wanderfahrt beginnt, die ſie weit abwärts nach Afrika und Südamerika führt. Die Flußſeeſchwalbe ſtellt ſich mit voriger in den letzten April— tagen an unſeren Meeresküſten ein und iſt noch mehr wie hier an allen ihr zuſagenden Grtlichkeiten im Binnenlande verbreitet; vor allem im Mündungsgebiet der Flüſſe, aber auch dieſe weit hinauf und beſonders an größeren Landſeen, ſofern es ihnen nicht an flachen, ſandigen oder kieſigen, ſeichten und nackten Ufern fehlt, wo ſie in völliger Abgeſchiedenheit ſorglos 45 den Sommer verleben können. Don den weißen Seeſchwalben iſt fie daher die bekannteſte, wie auch ſchon die zahlreichen Dolksnamen andeuten, und vom Polarkreis erſtreckt ſich ihr Brutgebiet durch ganz Europa, das gemäßigte RZ, 2 * {nt x PP pn n 3 N Steenhuizen. Texel, Holland, Juni 1905. Junge Flußſeeſchwalben. Alien und Nordamerika, während ſie die Winterquartiere mit der vorigen Art teilt. Auf den nordfrieſiſchen Inſeln kommt ſie nur vereinzelt, auf den oſt— und weſtfrieſiſchen Inſeln dagegen recht zahlreich vor, und hier iſt ſie von 46 L. Heatherley. Sütternde Flußſeeſchwalbe. ſämtlichen Arten die häufigſte, ebenſo iſt es an den inneren Buchten der ſchles— wig⸗holſteiniſchen Oſtküſte, wogegen der vorliegende äußerſte Küſtenſaum aus— ſchließlich von der Küſtenſeeſchwalbe bewohnt it. Auf dem Memmert, einer kleinen Nordſeeinſel zwiſchen Juiſt und Borkum, leben beide Arten einträcht— lich nebeneinander, doch findet man die Neſter der arktiſchen Art ſtets auf grünem Rajen, die der Flußſeeſchwalbe meiſtens auf flüchtigem Dünen— ſande und im Muſchelgeröll. Bald liegen die drei Eier, welche die Größe von Kräheneiern haben, auf purem Sande, bald iſt eine geringe oder auch dichtere Unterlage aus Muſcheln, dürrem Graſe, Würzelchen oder Meeres— auswurf geſchaffen. Die Eier beider Arten variieren in Form und Farbe außerordentlich und ſind nicht zu unterſcheiden. Auch in ihrem Gebaren am Neſte wie in ihrer ganzen Lebensweiſe iſt an ſolchen Plätzen, wo ſie gemeinſam hauſen, kaum ein Unterſchied zu ſpüren. Aber es fehlt ihr die Sanftmut und Verträglichkeit jener; ihr Temperament iſt aufbrauſend, zankſüchtig, und oft genug gibt es auch Händel, nicht nur mit den übrigen Dögeln, die mit ihr das Brutgebiet teilen, ſondern auch mit ihresgleichen. Nicht allein die raubluſtige Möwe, die ſich an ihren Eiern oder Jungen delektieren möchte, greift ſie mit 47 L. Heatherley. Fütternde Flußſeeſchwalbe. Erfolg tollkühn an, auch dem gut bewehrten, ewig ruheloſen kreiſchenden Auſternfiſcher macht fie zu ſchaffen, und wenn fie auf den harmlojen Rot— ſchenkel oder Kiebitz ſtößt, jo ſcheint es mehr übermütige Neckerei zu fein. Ihr Flug iſt wie bei allen Meerſchwalben elegant und abwechſlungsreich. Bald gleitet ſie unter langſamen Flügelſchlägen gleichmäßig dahin, bald fährt ſie aus größerer Höhe mit fabelhafter Schnelligkeit unter kühnen Schwankungen abwärts, und wenn ein Menſch in ihr Brutgebiet eindringt, ſammeln ſich bald Hunderte über ihm, rütteln lange auf einem Fleck oder ſtoßen erbittert auf ihn nieder und ſchreien wild durcheinander: Kipp, kipp, kipp, kier, kier, kriäh. Diel weicher und ſanfter klingt das mehr klagende Kier, krieh, krieh der Küſtenſeeſchwalbe, an deſſen Stelle in der Erregung allerdings häufig ein etwas kreiſchendes Räh tritt. Werden die Flußſeeſchwalben während der Brutzeit durch Eierräuber nicht beläſtigt, ſo ſind die letzten Eier gewöhnlich gegen Mitte Juli ausgebrütet, und gegen Ende des Monats liegen die Kolonien. verödet; denn Alte und Junge verſtreuen ſich nun über die endloſen Watten, 48 H. 2 Schoe var el Ins rutkolonie. B 5 — — Ss 8 — 0 0 — = o — ) Kü a 12 N 5 FB. 1 77 3 IL. Heatherley. Flußſeeſchwalbe, ihr Junges mit einem Sandaal fütternd. fiſchend und lärmend, bis der flacher werdende Sonnenbogen ſie im September zur Abreiſe mahnt. Täglich werden es weniger, und alle ſehen ſich bald wieder in jenen fernen Gebieten, wo auch die Küſtenſeeſchwalbe überwintert. Die Swergſeeſchwalbe fehlt keiner Nordſeeinſel, ſelbſt nicht den kleinen Halligen; an der Oſtſee iſt fie ſpärlich, bewohnt aber auch die Ufer von Flüſſen und Landſeen, wenn ſie ſandig oder kieſig ſind. Die Nordgrenze ihres Derbreitungsgebiets liegt in Jütland, die Südgrenze in Nord— afrika und in Aſien bis zum nördlichen Indien. Kolonien, die nach vielen Hunderten zählen, wie bei voriger, kennt man nicht an unſeren Külten, meiſtens ſind es Geſellſchaften von wenigen, ausnahmsweiſe ſolche bis zu fünfzig Paaren. Kleiner als alle übrigen Arten iſt ſie mit keiner zu ver— wechſeln, und wenngleich ſie die hauptmerkmale aller übrigen Meerſchwalben trägt, iſt ſie doch an der weißen Stirn, dem orangegelben Schnabel und den gleichgefärbten Füßen unverkennbar. Vögel II. Copyright 1909, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 4 49 Einjamkeit iſt ihr Bedürfnis, und ſie meidet mehr, als alle übrigen Strandvögel, die Geſellſchaft anderer Arten. Am eintönigen Dünenfuß, auf Sandbänken und Landzungen, die ſelten überflutet werden oder auf über— ſandeten Weiden, die mit Muſchelgeröll überzogen ſind, richtet ſie ſich ein und IM. Behr. Norderooße, 15. Juni 1907. Flugbild der Flußſeeſchwalbe. ſcharrt mit der Bruſt eine kleine Mulde, die ſie mit wenigen Muſchelbröckchen auszukleiden pflegt. Es hält ſehr ſchwer, die drei elſtereigroßen, glanzloſen Eier, die auf gelblichem oder weißlichem Grunde braune bis ſchwärzliche Flecke und Punkte tragen, zu finden, weil ſie ſich von der Umgebung kaum 50 wanys je Pdoq Bun! gun zu ip )ͤpñflees bus abheben. An den entfernteſten und einſamſten plätzen, wo Millionen ver- bleichte Muſchelſchalen den weißgelben Flugſand überſchütten, zierlich gerippte Herzmuſcheln, glatte radialgeſtreifte Strahlkörbe, krauſe Bohrmuſcheln, nied— liche Tellinen und handgroße, blendendweiße Klaffmuſcheln im bunteſten Durch— einander umherliegen, da befindet ſich auch ſicher eine kleine Niederlaſſung von Swergſeeſchwalben. Die Todesſtille, die ſonſt an ſolchen Stätten zu herrſchen pflegt, wird einige Monate hindurch unterbrochen durch das heitere Ciebes— leben dieſes ſtets munteren und beweglichen Dogels. Seigt ſich ein Wanderer an dieſen abgelegenen, ſelten beſuchten Feldern, dann ſind auch gewiß im Nu einige Dutzende von ihnen da, die ſich lärmend in der Luft über ihm balgen, ihr helles Witt, witt, kwitt, kwitt unaufhörlich ausſtoßen, dazwiſchen harte Krrrt⸗Caute hören laſſen, oder die verſchiedenen Rufe wechſelvoll aneinander reihen. Das Flugſpiel iſt dabei ſo anmutig und gewandt, daß es von keiner anderen Seeſchwalbe erreicht wird; nur die Kentiſche, deren verkleinertes Abbild fie iſt, tut es ihr etwa gleich. Rafcher als die anderen ſchlägt ſie die Schwingen im Fluge, und wenn fie in den Prielen der Watten der Fiſcherei obliegt, jo ſtößt fie mit ſolcher Wucht auf ihre Beute, daß ſelbſt Flügelſpitzen und Spieße völlig im Waſſer verſchwinden. Ihr Hang zur Einſamheit geht jo weit, daß ſie ſich von allen übrigen Strandvögeln in der Brutzeit abſondern, und wenn dieſe ſich in ihrer Nähe anzuſiedeln verſuchen, die kleinen Seeſchwalben das Feld räumen. Nur mit dem Seeregenpfeifer halten fie an den Meereshüſten gute Freundſchaft, auf den Sand- und Kiesbänken der Flüſſe mit dem Flußregenpfeifer. Gegen Mitte September ziehen auch die letzten fort in ihre Winterquartiere, die ſich bis nach den Sundainſeln hinaus erſtrecken. Als Naumann das berühmte Dogelländchen Norderoog verlaſſen hatte, wandte er ſich der nördlich gelegenen Inſel Amrum zu, deren Dogelleben keinen Vergleich mit dem der kleinen Hallig aushielt. Aber eine See— ſchwalbe traf er dort an, die auf keiner andern Nordſeeinſel wiedergefunden wurde, die Paradiesſeeſchwalbe. Wie ſchon der Name andeutet, dürfte ſie wohl für ſich das Recht in Anſpruch nehmen, als die ſchönſte aller Seeſchwalben bezeichnet zu werden. Kleiner als Fluß- und Rüſtenſee— ſchwalbe, aber größer als die Swergſeeſchwalbe erinnert ſie in der Färbung ihres ſchlanken Schnabels an die Kentiſche, wogegen die Füße gelbrot gezeichnet ſind und denen der übrigen vorhin genannten Arten ähneln. Die ſchmal— ſpitzigen Spieße find bei ihr relativ am längſten, und wenn auch das Federkleid mit den übrigen auffallende Ahnlichkeit zeigt, ſo unterſcheidet es ſich doch durch einen prächtig wirkenden roſafarbenen Hauch, der ſich über das Weiß der Unterſeite ausbreitet. „Die beiden von mir geſehenen Paare bewohnten eine dürre, ſandige, mit Heidekraut, Rauſchbeeren und halbdürrem Sandhafer ſtellenweiſe mehr oder weniger dicht beſetzte, etwas erhöhte Fläche gleich hinter 53 den hohen Dünen der Inſel. Ich fand nur das Neſt des einen Paares. Der halbverdorrte Sandhafer ſtand auf dem Platze etwas dichter, mit niedrigem Heidekraut und dergleichen vermiſcht, und einer jener Büſchel enthielt das Neſt mit zwei Eiern, die denen der Küſten- und Flußmeerſchwalben ſehr ähnlich ſahen.“ (Naumann.) Leverkühn, Rohweder und andere Dogelkenner trafen in den neunziger Jahren regelmäßig wieder zwei Brutpaare auf Amrum an, ebenfalls auf der Südſpitze von Sylt, und der letzte Bericht über das Dor— kommen dieſes intereſſanten Vogels ſtammt aus der Feder Rohweders aus 1904. Dielleicht hat ſich inzwiſchen die Prophezeiung Leverkühns erfüllt: „Auf den nordfrieſiſchen Inſeln ſind die Jahre der Dougallſchen Seeſchwalbe gezählt.“ Als ſeltener Gaſt wird ſie hin und wieder an der Ditjee und der niederländiſchen Küſte angetroffen, als Brutvogel aber lebt ſie an den Geſtaden des Atlantik und Mittelmeers, an den Külten Afrikas und Aliens bis hinab nach Auſtralien. Don Amrum ſegelte Naumann weiter nordwärts nach dem langgeſtreckten Sylt, das ſeit jener Zeit nicht nur von ſeinem landſchaftlichen poetiſchen Sauber viel eingebüßt, ſondern auch ſeinen Dogelreichtum größtenteils verloren hat. Hier ſchaute er zuerſt die Sturmmöwe und die Eidergans am Brutplatz, und ſeine Begeiſterung kannte keine Grenzen, als er auf der nördlichen Halbinſel, dem Ellenbogen, die Königin der Seeſchwalben, die Kaſpiſche oder Raubmeerſchwalbe in 200 — 500 Brutpaaren in unmittelbarer Nähe einer rieſigen Kolonie der Brandſeeſchwalbe bewundern durfte. Seinen erſten Eindruck ſchildert er folgendermaßen: „Dor uns hin dehnt ſich der Niſtplatz der großen Kaſpiſchen Meerſchwalben aus; wir ſehen dieſe könig— lichen Dögel in ihren ſchneeweißen, oben ſilbergrauen Gewändern, mit den ſamtſchwarzen Kopfplatten und ihren großen hellroten Schnäbeln vom Dorder— grunde bis weit hinaus, teils ſitzend und wie immer mit den Köpfen gegen das Waſſer gerichtet, bei und auf ihren, in kleinen Dertiefungen des Sandes liegenden Eiern, teils fliegend in verſchiedenen Bewegungen, auch wie ſie hier den großen Rachen weit aufſperren, mit aufgeblajener Kehle und vor— geitrecktem Halſe ihre krächzende, raben- oder reiherartige Stimme ausſtoßen; andere, wie ſie mit ſtillgehaltenen weit ausgebreiteten Flügeln ſanft dahin— ſchweben, wieder andere, wie ſie in möwenartigem Fluge mit langſamen Flügelſchlägen ſich aufſchwingen, ſich ſchwenken.“ Und das Schickjal dieſer einſt jo impoſanten Brutgeſellſchaft, „der einzigen Kolonie in den Küſtenländern Weſteuropas?“ Unvernunft und Habgier, vor allem aber jene Sorte von Sammlern, die nicht eher befriedigt iſt, bis auch das letzte Ei von den „Letzten ihres Stammes“ ihren Schubläden eingereiht iſt; ſie haben den Untergang verſchuldet. Dergeblich verſuchten die Derfolgten in der näheren Umgebung neue Niederlaſſungen zu gründen, bis die Behörden ſich der Heimatloſen an— nahmen, und unter ihrem Schutze brüten jetzt an alter Stätte alljährlich gegen 54 M. Behr. Sylt, 30. funi 1907. Raubjeejhwalbe. Dunenjunge. zwölf Paare, deren Gelege oft genug vom Flugſande überſchüttet werden. An den deutſchen Külten der Oſtſee iſt ſie längſt ausgerottet, auch an den däniſchen, ſchwediſchen und ruſſiſchen Küſten dürfte ſie verſchwunden ſein, aber am AT, Behr. Sylt, 30. Funi 1907. Raubſeeſchwalbe. Slugbild. Saume des Mittelmeers, in Afrika, im mittleren und ſüdlichen Alten, in Auſtra— lien und Nordamerika iſt ſie noch zahlreich. Um den 20. April kommen ſie plötzlich an ihren Sylter Brutſtätten an, und die wenigen Paare verleihen dem jetzt ſo verödeten Ellenbogen ein eigen— artiges Gepräge. Die zahlloſen Brandſeeſchwalben, die einſt ihre Nachbarn 57 Steenhuizen. Texel, Holland, Juni 1905. Swergjeejhwalbe am Leit. waren, find völlig verſchwunden, und nur noch Müſtenſeeſchwalben und wenige Swergjeejchwalben teilen mit ihr das Gebiet. Schon von weitem tönt uns ihr kreiſchendes Kräik, kräik entgegen, und wer ſie zum erſten Male ſieht, ſollte dieſe krähengroßen Vögel eher für Möwen als für Seeſchwalben anſprechen, beſonders dann, wenn ſie ſchwebend wie dieſe vorübergleiten oder langſamen, ſchwerfälligen Fluges dahin ziehen. Die vielbewunderte Eleganz der See— ſchwalben iſt ihnen verloren gegangen, und wenn ſie der Fiſcherei obliegen, verſchwindet beim Stoße der Körper nicht völlig, ſondern nur der rote Krähen— ſchnabel furcht das Waſſer. Ihrer Räubereien wegen iſt ſie bei ihren Nach— barn gefürchtet und gehaßt, und Eier- und Jungenraub ſind bei ihr an der Tagesordnung. Der Schwanz, verhältnismäßig viel kürzer als bei den übrigen Arten und auch weniger tief gegabelt, fällt im Fluge ſofort auf, und in der Nähe geſehen ſtechen die ſchwarzen Füße ſtark gegen die Unterſeite ab, doch zeigt ſie im übrigen, im Bau und in der Färbung ganz die Merkmale der anderen Seeſchwalben, nicht aber in ihrem Temperament, das zu einer ge— 58 Steenhuizen. Texel, Holland, Juni 1905. Brütende Swergjeejhwalbe. willen Melancholie zu neigen ſcheint. Der leichte, fröhliche, neckiſche Sinn jener fehlt ihr völlig. Dicht am Meeresſtrande im lockeren Sande liegen die Neſtmulden nahe beiſammen, und die zwei, ſelten drei hühnereigroßen Eier, die denen der Aujternfilcher in der Farbe nahe ſtehen, ſind ohne Unterlage auf den kahlen Sand gebettet und in knapp drei Wochen ausgebrütet. Schon Ende Auguit oder in den erſten Septembertagen nehmen ſie Abſchied. Die letzte Art von weißen Seeſchwalben, welche an unſerem Müſtengebiet brütet, iſt die Cachſeeſchwalbe. Swar iſt ſie nie auf einer Nordſeeinſel brütend vorgekommen, wohl aber in Schleswig-Holſtein und an den Geſtaden der Gſtſee, und wer von den nordfrieſiſchen Inſeln aus auch noch dieſe ſiebente europäiſche Art an ihren Brutſtätten kennen lernen will, der hat es nicht allzu weit bis an den Ringkjöbingfjord an der Weſtküſte Jütlands, wo die däniſche Regierung den Vögeln eine großartige Freiſtätte gewährte, die von keinem Unberufenen be— treten werden darf. Hier niſten friedlich nebeneinander verſchiedene Arten, deren Tage bei uns bald gezählt ſein dürften, ſo neben der Lachſeeſchwalbe vor 59 allen Dingen die Swergmöwe und die Avoſette. Don Jütland abwärts bis zum Mittelmeere, in Mittel- und Südaſien, Nordauſtralien und dem öſtlichen Nordamerika ſind Kolonien von ihr gefunden, die zwar nie jo dicht bewohnt zu ſein ſcheinen, wie die der meiſten anderen Arten. Sie iſt kein echter Küſten— vogel, ſondern fühlt ſich ebenſo heimiſch an größeren Landſeen, Sümpfen und Lagunen, wo ſie mit Dorliebe auf kurzem Kaſen ihre Neſtmulde ſcharrt, mit Würzelchen und trocknem Graſe polſtert und darauf ihre zwei bis drei Eier legt, die etwas kleiner als die der Brandmeerſchwalben ſind, dieſen aber ſonſt in der Zeichnung ſehr ähnlich ſehen, ſich aber durch den mehr grünlichen Grundton unterſcheiden. In der Größe kommt die Lachſeeſchwalbe ihr am nächſten, doch iſt der Schnabel kürzer und völlig ſchwarz wie die Füße, auch iſt der Schwanz weniger tief gegabelt. Wie jene liebt ſie die Geſellſchaft anderer Arten, iſt aber geſellig gegen ihresgleichen und erinnert in ihrem Be— tragen mehr an die Kaubſeeſchwalbe. Ihr ſchneller Flug iſt leicht und gewandt, und ihre gellende Stimme klingt wie ein höhniſches Lachen: hä hä hä. Neben Fiſchen frißt ſie Waſſerinſekten und ihre Larven, erhaſcht im Fluge alle mög— lichen Kerbtiere, folgt aber auch dem Pfluge des Landmanns und plündert nicht ſelten die Neſter anderer Vogelarten. Aber auch ſie hat ihre Feinde, und Möwen, Raben und größere Falken ſchonen weder ſie, noch ihre Kinder und Eier. Sehr nahe ſteht dieſen weißen Arten der deutſchen Meere die Ruß— braune Seeſchwalbe, welche die tropiſchen und ſubtropiſchen Geſtade des Atlantiſchen, Großen und Indiſchen Ozeans bewohnt, aber auch wiederholt an den europäiſchen Küſten geſehen und erbeutet wurde. Don der Größe unſerer Brandſeeſchwalbe unterſcheidet ſie ſich von ihr durch die rußfarbene Oberſeite. Auf den einſamen Inſeln und an den un— wirtlichen Küſten jener Weltmeere brüten ſie bald auf nackten Felſen, bald unter Gebüſch und legen an manchen Orten drei Eier, an anderen nur ein einziges. Mit Fregattvögeln, „den Adlern der See“ und Tropikvögeln, den „Söhnen der Sonne“ teilen ſie dieſelben Brutgebiete. Sobald die Brut heran— gewachſen iſt, verlaſſen alle die Stätten kurzen Familienglücks, ruhelos auf dem Meere umherſchweifend, und wenn ſie reißenden Fluges des Seefahrers Wege kreuzen, dann weiß er, daß die Külte nicht mehr allzu fern iſt. 60 Die Brandſeeſchwalbe. Don der Mole aus ſchweift der Blick hinüber über das weite, ſonn— beleuchtete Watt zu den frieſiſchen Inſeln, deren Umriſſe ſich ſcharf gegen den Horizont abzeichnen. Noch vor wenigen Stunden ſah man dort, wo jetzt die Sonnenſtrahlen mit den plätſchernden Wellen ſpielen, endloſe grauſchwarze Schlammfelder, ſcheinbar völlig leblos. Aber nur ſcheinbar; denn zahlloſe Schwimmer und Water trippelten und jagten an den Rinnen und Lachen, in denen Krebstierchen, Würmer und anderes Seegetier einander hetzten und mordeten, um dann den geflügelten Wattbewohnern zur Beute zu fallen, die nach reicher Mahlzeit in behaglicher Ruhe der Verdauung pflegten. Aber jetzt bei ſteigender Flut kommt Leben in die Geſellſchaft. Durch die See— gatten, Balgen und Prielen drängt mit Ungeſtüm die ſchäumende See und verwandelt in kurzer Seit die rinnendurchfurchte Niederung in eine weite, ſanft wogende Waſſerwüſte. Langſam aber ſtetig ſteigt das feuchte Element; höher und höher gleitet es über die letzten Sandbänke hinweg, auf denen der Fuß keinen Halt mehr findet, und ein Trupp nach dem andern erhebt ſich in die Lüfte, um in herrlichen Flugſpielen ſich die Seit zu vertreiben, bis die Flut ſich wieder verlaufen hat. Der April neigt ſich ſeinem Ende zu; ſchlimme Sturm- und Kegenzeiten wechſelten mit wenigen ſonnigen Frühlingstagen, aber jetzt kommt er, der langerjehnte Lenz; zwar nicht in Blumenflor und Blütenduft, nicht mit Finkenſchlag und Nachtigallenrauſch, — die Külten der Nordſee verleugnen niemals ihren ernſten, melancholiſchen Grundton. Die Blüten des beginnenden Frühlings ſind unſcheinbar und duftlos, kaum jemand achtet ihrer; die un— zählbaren vorübereilenden Wandervögel laſſen ſich keine Seit zum fröhlichen Liede, ſchweigend richten ſie ihren Kurs oſtwärts, und die, welche die gütige Natur an den einſamen Geſtaden zum Bleiben zurückließ, ſind tonlos. Ihre wenigen Laute ſind abgeſtimmt auf Sturmgebraus und Meeresrauſchen. Das ſchneeige Segel des flinken Kutters bläht ſich in der friſchen Morgen— briſe, und mit Blitzesſchnelle durchfurcht der Kiel die entgegenſtehende Flut, vorbei an roten und ſchwarzen Seetonnen, die im tiefen Waſſer an ſchwerer Kette gefeſſelt, vom Seegang in gleichmäßigem Tempo auf- und nieder— 61 ringend, den Schiffen im Labyrinth der Watten den Weg weiſen ſollen. Doch was wiegt ſich drüben auf der ſchwarzen Plattform der wirbelnden Tonne? Scharf heben ſich die Umriſſe leuchtend weißer Dögel ab. Es ſcheinen kleine Möwen zu ſein. Doch dafür iſt der Körper zu klein, die Füße zu niedrig, Leib und Haltung zu ſehr geſtreckt. Näher gleitet das flüchtige Fahrzeug vorüber, deutlich erkennt man die kurzen dunkeln Füße, den kräftigen, ſchwarzen Schnabel mit gelblicher Spitze, das matte Blau des Mantels, das ſo wunderbar zu der übrigen blendenden Keinheit des Gefieders harmoniert, die ſamtſchwarze Kappe, deren geſträubtes ſpitzes Nackengefieder den Kopf größer erſcheinen läßt, als er iſt. Plötzlich ſtrecken ſich die ſehr langen, ſchmalen Fittiche, und mit haſtigem Ruck erheben ſich die ſchlanken Leiber gegen den blendenden äther; die Spieße des Schwanzes gabeln ſich, und man vernimmt ein widerwärtig krächzendes „kierrriet“, jo laut und ſchrill, daß man ſchier darüber erſchrickt. Mit eiligen, tiefen Flügelſchlägen eilen ſie dahin und ſind bald den Blicken entſchwunden, aber noch hallt aus der Ferne ihr herber, wilder Ruf über die weite Waſſerwüſte. Unverkennbar iſt dieſe Art, die kentiſche oder Brandmeerſchwalbe, und wer ſie einmal in ihrem Elemente ſah und hörte, dem werden ſich die Ein— drücke unvergeßlich einprägen, und für alle Seit wird er ſie von allen ihren vielen Artgenoſſen, deren Unterſcheidung keineswegs ſo einfach iſt, zu trennen wiſſen. Die Brandmeerſchwalbe iſt die erſte ihrer Sippe, die an den Külten der Nordſee eintrifft, und wie der Binnenländer die Ankunft des Storches als frohe Frühlingsbotſchaft aufnimmt, ſo weiß der Bewohner der Inſelgeſtade erſt beim Kommen der Seeſchwalben, daß nun wirklich der Lenz begonnen hat. Fluß-, Küſten- und Swergſeeſchwalbe laſſen jetzt auch nur noch wenige Tage auf ſich warten; und die ödeſten, weltfernſten Gebiete beherbergen in wenigen Wochen Tauſende von ihnen, die ein fröhliches, wenn auch nur wenige Monate währendes Eheglück genießen wollen. Aber nicht gleich halten ſie Umſchau nach ihren vorjährigen Heimſtätten; zunächſt vagabundieren ſie noch etliche Wochen umher, bis ſie an die Gründung ihres Haushaltes denken. Da, wo nach Oſten hin auf den langgeſtreckten Eilanden die furchtbaren Winterſtürme die flüchtigen Sandmaſſen zu wilden, grotesken Dünen auf— häuften, wo die Fluten ungeheure Mengen buntfarbener Muſchelſchalen im wüſten Durcheinander über weite Sandfelder ausſchütteten, wo im fein— körnigen, völlig ſterilen weißen Sande ſpärliche Dünengräſer ihre ſtarren Halme aufwärts richten, da beſonders hat man ihre Niſtſtätten zu ſuchen. Nirgends kommt den lebenden Weſen die Dergänglichkeit alles Irdiſchen mehr zum Bewußtſein, als gerade an dieſen Stätten, und was heute das Meer aufbaut, das reißt es morgen nieder. Dergeblich ſucht die Schwalbe 62 usage u uojoymag wolumung vgjvamlplaalgquvıq 7061 ı ge, “uanınoyas t, öh, nach ihren alten Niſtplätzen; alles iſt anders geworden, und ſie muß ſich bequemen, weiter an der Düne, oft in der Kandzone der höchſten Winter— fluten, wo dieſe den Auswurf des Meeres aufhäuften, oder gar ſelbſt im niedrigen Kaſen der ſalzigen Außenweide ihr Neſt zu bauen. Aber als echtes Kind des Meeres meidet ſie den geſchützten Talkeſſel; ſie fordert den Blick auf das weite, ungeſtüme Meer, dem ſie ihre Beute abtrotzt, mag es wollen oder nicht. Glühend heiß brennt die Sonne in den letzten Maitagen auf die weißen Dünen hernieder. Hein Lüftchen regt ſich; ſteif und ſtarr rechen die grauen Halme ihre Ahren aufwärts. Keuchend ſchleppt ſich der Wanderer durch den glühend heißen, feinen Sand, tief einſinkend, aber jede Fährte iſt ſofort verwiſcht, denn die nachrieſelnden Hörnchen glätten alle Unebenheiten. Nirgends Leben; nur an den goldigen Blüten des Hornklees wiegen ſich honigſchlürfende Bienen, an den Sandlehnen ſaugen gelbbrüſtige Schlupf— weſpen die prallen Strahlen der Nachmittagsſonne ein, und ein unſanft aus behaglicher Ruhe aufgeſchrecktes Kaninchen eilt unter poſſierlichen Kreuz— und Guerſprüngen einer der vielen Röhren zu, die es mit einer prächtigen Brandgans teilt. Mühſam iſt der letzte Dünenhang erklommen, und der Blick gleitet über das weite, hohe Muſchelfeld, das ſich endlich in die bleierne See verliert. Da, wo beide ineinander übergehen, begegnet das Auge phan— tajtiihen Formen. Sind's gigantiſche Menſchen- oder Tierkörper, find es die Segel eines ankernden Fahrzeuges? Nichts von alledem; die Sonnen— glut verwandelt die Waſſerflut in feinſte Dünſte, die zitternd aufſteigend dem Strandgut bizarre Formen verleihen und ihm Leben einzuhauchen ſcheinen. Wie auf dem weißen Sande die zahlloſen, auf dem Meeresgrunde buntfarbigen, jetzt von der Sonne gleichmäßig gebleichten vielgeſtaltigen Muſchelſchalen glitzern und gleißen! Aber noch blendender wirken jene leuchtend weißen Punkte inmitten dieſes Muſchelchaos. Was mag es ſein? Behutſam und mit geſpannter Aufmerkjamkeit geht es weiter. Noch dreißig, vierzig Schritte, da nehmen jene Flecke Leben an; ſpitze, weiße Schwingen ſtrecken ſich aufwärts, und „kirrhiet, kirrhiet“ ertönt es ſcharf und durch— dringend. „Kirrhiet“ antwortet es von der See herüber, und mit wuchtigen Flügelſchlägen ſtrömen ſie von allen Seiten eilend herbei, die herrlichen ken— tiſchen Seeſchwalben, angelockt durch den Warnungsruf der wenigen zurück- gebliebenen brütenden Weibchen, die der Häuslichkeit Sicherheit zu wahren haben. Der eben noch, wenn auch wegen der erſchlaffenden hitze nicht mit ſonderlichem Eifer betriebene Fiſchfang wird unterbrochen, gilt es doch, die Heimſtätten gegen freche Eindringlinge zu ſchirmen. Ohrbetäubend, ſinn— verwirrend wogt und wirbelt, flattert und flimmert, ſchwirrt und ſchwebt, kreiſcht und knirſcht es über den Brutſtätten, Tauſende von ſichelförmigen Fittichen kreuzen ſich und klatſchen zuſammen, und wie die Flocken eines Vögel II. 5 65 dichten Schneegeſtöbers halten die erregten Dögel über- und durcheinander. Immer mehr ſenken ſich die Maſſen, immer dreiſter umgleiten ſie den Stören— fried, bis ihre Flügelſpitzen ſein Antlitz berühren, und er erſchrocken die An— greifer abwehrt. „Klatſch, klatſch“ kommt es von oben hernieder, und nur zu deutlich zeichnen ſich die breiig kalkigen Geſchoſſe auf hut und Rock. Der Neugierige hat Grund genug, den Blick abwärts zu richten, denn ſchon die dicht zuſammenſtehenden Neſter mahnen zur Dorjicht, will man nicht den Inhalt zertreten. Doch Neſter? Nein, kaum ſich abhebende flache Mulden ſind's, nackt oder mit wenigen Schalen belegt und darin drei prächtige buntfarbige birnförmige Eier, kleiner als ein Hühnerei, die Spitzen zuſammen— gekehrt. Mulde reiht ſich an Mulde, nebeneinander, hintereinander, oft kaum mehr als ſpannenweit voneinander entfernt. Keine andere Dogelart zeigt in Färbung und Seichnung der Eier ähnliche Mannigfaltigkeit wie dieſe Seeſchwalbe. Die Grundfarbe wechſelt von weiß bis rotgelb, die Schalenflecke ſind bald groß und breit, bald fein und zierlich in allen Abſtufungen bis zum tiefen Schokoladenbraun, oft auch fehlen ſie ganz. Es iſt nicht möglich, aus all den vielen Eiern auch nur zwei völlig gleichfarbige herauszuſuchen. Doch dort in jenem Neſt liegen vier, drüben ſogar fünf Eier. Das vom Fiſchfange zurückgekehrte Weibchen erreichte nur mit Mühe die Niederlaſſung, fand aber keine Seit mehr, ſein Neſt herauszuſuchen, und in ſeiner Not vertraute es einem fremden Neſt ſein Ei an. Eiligen Fluges ſtreicht über das Watt vom Feſtlande her eine Krähe, der Schrecken der Kleinvögel, um auch aus den Brutgebieten der Inſeln ihren Tribut zu fordern. Dielleicht iſt es ihr gelegentlich einmal gelungen, in unbewachten Augenblicken Eier unſerer Seeſchwalbe zu rauben oder gar ein Junges. Aber diesmal mißglückt der Derſuch, und die kampfesfrohen Eltern attackieren den frechen Buſchräuber in ſo energiſcher Weiſe, daß er froh ſein kann, noch mit halb zerſchundenem Leibe davon zu kommen. Aud) unter den großen Möwen gibt es einzelne, die immer wieder Raubzüge in ihren Bezirk unternehmen, aber in derſelben tatkräftigen Weiſe von den kleinen Helden vertrieben werden. „Kirrhiet, kirrhiet“ tönt es immer wieder von oben hernieder: Hinaus aus unſerm Bereich, ſtör' uns den Frieden nicht länger! Der Fuß wendet ſich zum Gehen, und mählich kehrt die Ruhe wieder. Einzelne noch geben dem Fremdling das Geleit bis über die Grenze hinaus, das Gewimmel in den Cüften ſenkt ſich hernieder, die Männchen wenden ſich der See zu, um ihre unterbrochene Beſchäftigung wieder aufzunehmen, während alle Weibchen ſich in der Sorge um ihre Nachkommenſchaft wieder über ihre Eier ausbreiten. War ſchon vorhin der Blick über das buntſcheckige Eierfeld von entzückender Schönheit, wieviel mehr jetzt, wo die Dögel in ihrer blendenden Reinheit gleich einem Schneetuche über der Einöde lagern. 66 Kaum ein anderer Dogel hält mehr auf Sulammengehörigkeit der Art, keine fremden Arten werden zwiſchen ihnen geduldet. Nur drüben, wo eine kleinere Gruppe auf ſalziger Außenweide ſich ihre Niſtſtätte erkoren, haben an der Grenze auch Silber- und Lachmöwen, Aulternfilcher, Fluß- und Küſtenſchwalben ihre Quartiere aufgeſchlagen. Die tiefe Ebbe hat auch die äußerſten Sandbänke bloßgelegt, und in den trennenden Rinnen jagen durchſichtige Garneelen, ſilbergrün glänzende Sandaale und Legionen ſchillernder Heringsfiſchchen in der kriſtallenen Flut ſcherzend und ſpielend dahin. Über ihnen aber lauert der Feind. Langſamen Fluges ſtreichen die Seeſchwalben, aufmerkſam ſpähend, vorüber, den Schnabel ſenkrecht abwärts gerichtet, um plötzlich innezuhalten. Einen kurzen Augen- blick rüttelnd verweilt der graziöje Leib auf einem Fleck in der Luft, zitternd heben und ſenken ſich die ſchmalen Sicheln, ſpreizen ſich die feinen Spieße, der gierige Blick bohrt ſich in die Flut, und mit Gedankenſchnelle ſauſt der Körper, einem Stein gleich, ins Waſſer, das hoch aufſpritzt. Nur noch Schwanz- und Flügelſpitzen ragen eben hervor, da taucht auch ſchon wieder der Leib auf, ſchüttelt die Tropfen ab und erhebt ſich mit triumphierendem Siegeslaut, ein fingerlanges glitzerndes Fiſchchen im Schnabel. Ein kräftiger Schnabeldruck tötet es; ein Ruck, und es verſchwindet in der Kehle, der nimmerſatten. Aufs neue beginnt das Treiben, aber nicht jeder Stoß gelingt. Ein ununterbrochenes hin- und Bereilen vom Meer zu der Brutſtätte; jeder Gatte trägt ſeinem brütenden Ehegenoß ein Fiſchchen nach dem andern zu. Sandſpierlinge, junge Heringe, Anſchovis, Sardellen und Stinte. Allmählich erlahmt ihr Eifer; die Luft wird drückender, Meer und Horizont verſchwimmen ineinander, kleine Wölkchen quellen auf, wachſen und ſchwellen, ſteigen höher und höher. Wie wilde Ungeheuer würgen, wogen und winden ſich ſtahlblaue, gelbgraue, blauſchwarze, lichtumrandete Wolkenberge in den Lüften, dunkle Wolkenſchatten huſchen über die noch ſpiegelglatte See, aber weit draußen am Kiff beginnt es zu toben, zu brauſen und zu brüllen, und der entfernte Donner der Lüfte paart ſich mit dem Donner der Brandung. Mit furchtbarem Gepolter überſtürzen ſich die Wogenberge am gefährlichen Riff, hochaufſchäumend ſpritzt die ſalzige Flut wie ein Sprühregen empor, und die erſten Windſtöße fahren über die noch ruhige Waſſerbahn am Strande vorüber. Da fallen die erſten ſchweren Tropfen. Wie flüſſiges Blei klatſchen ſie aufſpritzend aufs Waſſer. Es beginnt zu kräuſeln, zu ſchäumen, Welle auf Welle drängt von der See gegen den Dünenwall. Weitab, parallel dem Strande bildet ſich der erſte Brandungsſaum, ein zweiter und dritter. Im Dorgefühl des kommenden Unwetters hat alles, was fliegt, die ſchützenden Dünenbuchten oder das ſtille Watt aufgeſucht; nur die kentijchen Seeſchwalben behaupten ihr Feld. Hei, wie ſie mit bewundernswerter Leichtig— 67 keit in wilder, unbändiger Kraft über die Brandungsgürtel dahinjagen, wie ihre ſchneeigen Leiber ſich gegen die ſchwarze Gewitterwand abheben! Noch greller, noch herber wie ſonſt klingt ihr wilder Ruf. Das iſt ihnen das rechte Wetter. In unheimlicher Lebhaftigkeit folgt eine der andern, und köpflings ſtürzen ſie hinter der Brandung in die ſchäumende See; Beute um Beute iſt ihnen gewiß. Schneller folgt Böe auf Böe, Blitz auf Blitz; ſchreckerregend hallt der Donner über die endloſe kochende Waſſerweite, und der Sturm trifft mit voller Wucht die grauen Dünen, die gleich rauchenden Hügeln von wirbelndem Flugſande eingehüllt ſind. Da verlaſſen auch die Brandmeerſchwalben als die letzten das Meer, um am Fuße der Dünen das Ende des Unwetters abzuwarten. Der Donner verhallt, die Wolken verteilen ſich, die untergehende Sonne ſinkt wie ein glühender Feuerball ins Meer, und es beginnt ſich zu glätten, als wäre nichts geſchehen. Fiſchend flattern wieder die Seeſchwalben über der Brandung, und erſt lange nach Sonnenuntergang eilen ſie ihren Heim— ſtätten zu, wo jede einzelne mit lebhaftem Geſchrei empfangen wird. Die kurze Nacht breitet ihre Schleier über die einſame Landſchaft, und im Sternengefunkel recken die grauen Dünen geſpenſtiſch ihre wildgezackten Häupter empor. Todesſtille rundum; nur aus den fernen Anſiedlungen tönt das klagende „Hiau“ der Silbermöwe, das flötende „Liew, Ciew“ eines ſchlaftrunkenen aufgeſcheuchten Auſternfiſchers herüber, aber an den Brut- plätzen der kentiſchen Seeſchwalben vernimmt man ein unaufhörliches Ge— ſchwätz, als bedürften ſie überhaupt des Schlafes nicht. Was mögen ſie einander erzählen? Ließ ihnen der Tag keine Seit zu vertraulichem Ge— plauder ? Reden ſie von Elternglück? Oder werden ſchon die Pläne ent— worfen für die baldige Rückreije ? Schon vor Morgengrauen beginnen ſie mit der Toilette, ſchütteln das taubedeckte Gefieder, neſteln an Bruſt und Rücken, glätten Schwingen und Spieße, und kaum ſendet die aufgehende Sonne ihre erſten Strahlen über das Meer, da iſt es vorbei mit der Ruhe und die weiten Streifzüge beginnen aufs neue. Drei Wochen ſind vergangen, und kaum noch verlaſſen die Weibchen die Neſter. Da vernimmt man in der Schale ein verhaltenes Piepen, die Decke beginnt ſich zu heben, das weiße Korn eines weichen gelbſchwärzlichen Schnäbelchens durchbricht die hindernde Wandung, die Schale berſtet vollends, und die junge Schwalbe reckt und ſtreckt die feuchten Glieder, bis die Sonne ſie nach einigen Stunden getrocknet hat. Eine nach der andern kommt in ihrem weißlichen, gelbgrauen, bräunlich gefleckten Dunenkleide aus der Hülle hervor, und das Halten und Jagen der Alten nach Nahrung währt den ganzen Tag über. Kaum zeigt ſich eine von ihnen mit einem Fiſchchen im 68 9gjvalbplaalguvıg ad angöns "9061 Y nν⁰ n 280043PAONT 197 Il. 5 | Schnabel, jo ſperren alle die hungrigen Schnäbel auf und erheben ein kläg— liches Geſchrei. Ob jede Mutter ihr Kind wohl wieder erkennt? Moch einige Tage, und die Kleinen verlaſſen das Neſt, wandern in Scharen umher und verſtecken ſich, ſobald Gefahr droht, hinter den Büſcheln der Dünengräſer, hinter Tang, Seegras und ſonſtigem Auftrieb des Meeres, deren Färbung jo ſehr mit ihrem Dunenkleide übereinſtimmt, daß nur das kundige Auge ſie entdeckt. Abermals gehen Wochen ins Land, bis die Jungen ſich mit den Alten in die Lüfte erheben können. Mit großer Liebe werden fie von den Eltern gepflegt, bis ſie ſo weit in die Kunſt des Fiſchens eingeführt ſind, ſich ſelbſt zu ernähren. Aber bis ſie es den Alten gleich tun, darüber vergehen noch manche Tage; denn es fehlt ihnen die Eleganz, die Sicherheit, und alle Stoßverſuche mißglücken anfangs. Der Leib erſcheint noch ſo plump, weil die Spieße zu kurz geraten ſind, der Rücken ſo dunkel wegen der großen ſchwärzlichen Tropfenflecke, die Stimme, ein unangenehmes unaufhörliches „Sriii“, Jo unfertig, jo charakterlos, jo grundverſchieden vom energiſchen Kampfruf der Alten, die mit rührendem Opfermut ihr täppiſches, neu— gieriges Kind von dem gefühlloſen Schießer fortzulocken ſuchen und oft genug ihre Liebe mit dem Leben büßen müſſen. Im Augult treiben ſich die Alten mit den Jungen auf den Watten umher, und wo der Fiſchfang beſonders lohnend und der Abend fie überraſcht, da nächtigen ſie, um in der Frühe auf neue Entdeckungsfahrten auszuziehen. Bis Mitte September hat das Gros die Küſten der Nordſee — die Oſtſee liebt ſie nicht — verlaſſen, aber in ſtürmiſchen Ohtobernächten ſchallt das kraftvolle „Kirrhiet“ der letzten Spätlinge hin und wieder noch über die weiten Watten, und die verhallenden Schreie gemahnen an das Kommen rauher Herbſttage mit heulenden Stürmen, klatſchendem Regen und melan— choliſchen Nebeln. Die Küſten des Atlantiſchen Ozeans von den Orkneys abwärts bis hinab zum Mittelmeer, ja ſelbſt noch am Schwarzen und Kaſpiſchen Meer, wo ſie das Glück und die Freude des Sommers durchhoſteten, ſind jetzt von ihnen entvölkert, und an den Geſtaden Afrikas, den ſüdlichen Säumen Aſiens und den Meeresufern Amerikas bis nach der Mitte des Erdteils ver— bringen ſie den Winter, um im Frühling wieder ihre Wanderung nach den nordiſchen Heimſtätten anzutreten. Als Altmeiſter Naumann vor neunzig Jahren die frieſiſchen Inſeln beſuchte, da ſchrieb er voll Entzücken ſeine Eindrücke nieder, und voll Begeiſterung lieſt man von der fabelhaften Menge kentiſcher Seeſchwalben, von ihrem Leben und Treiben, bejonders in der Kolonie auf der Hallig Norderoog. Wer ſich den Genuß dieſer Lektüre verſchaffen will, der leſe im Anhange zu ſeinem großen Werke: Dom Haushalte der nordiſchen Vögel. zei Tiefe Wehmut beſchleicht den Leſer, wenn er die heutigen Sujtände mit denen jener entſchwundenen, nie wiederkehrenden Seit vergleicht, als noch alle Augen der Nordſee von Tauſenden, ja Hunderttauſenden bevölkert waren. Nur auf wenigen Inſeln und öden Sandbänken, wohin der Menſch nicht kommt, ſind noch jetzt kleinere Kolonien vorhanden, und auch dieſe gehören bald, vielleicht ſchon nach einem Jahrzehnt, der Dergangenheit an. Menſch— liche habgier und wilde Mordluſt ſind die Urſachen ihres Unterganges, und wenn die letzten ihres Stammes vertrieben ſind, dann werden kommenden Geſchlechtern die Schilderungen der Vorfahren wie Märchen anmuten: Es war einmal... —] 1 Shwarze Seejhwalben. Als ſich die norddeutſche Tiefebene zu heben begann, und dem Meere jeine jetzigen Grenzen geſetzt wurden, deſſen Spuren uns namentlich in den erratiſchen Gebilden entgegentreten, die einſt das Drifteis hierherführte, bildeten ſich zahl— loſe Candſeen, die man im Nordweſten, wenn ſie auch kaum einen Teich an Größe übertreffen, mit dem ſtolzen Namen „Meer“ bezeichnet. Don größeren menſchlichen Anſiedlungen meiſtens weit entfernt, hat ſich hier eine eigenartige Sauna und Flora gebildet und erhalten, ſofern nicht dieſe Gebiete den modernen Kulturbeſtrebungen zum Opfer gefallen ſind. Das weite Wieſengelände, durch die Blüten der Dotterblume und des Schaumkrauts in flutendes Gold oder in weiches Lila getaucht, verliert ſich allmählich in eine Sumpfdecke, die unter unſeren vorſichtigen Schritten ringsum erzittert. höhere ſtarre Gräſer und Seggen, Binſen und Schachtel— halme verdecken den trügeriſchen Untergrund, und weiterhin beginnt der hohe Schilfrohrwald, oder Dickichte von Rohr- und Igelkolben umrahmen den See. Wo das Waſſer noch nicht zu tief aber recht ſumpfig iſt, da ragen die armleuchterartigen Riſpen des Froſchlöffels, die roſenroten Dolden der ſchönen Waſſerviole, die zart gefranſten Blüten des Bitterklees, die dreiblütigen Quirle des Pfeilkrauts daraus hervor, und Dickichte der aloeblättrigen Krebs— ſchere verſuchen ſich über den Spiegel zu erheben. Flutende Laichkräuter und Tauſendblätter umklammern mit zahlloſen Armen unſer Boot und ſuchen ihm den Eingang in das ſtille Reich tiefſter Abgeſchloſſenheit zu wehren. Und zwiſchen all den vielgeſtaltigen Formen breiten die lieblichen Rymphäen ihre großen, herzförmigen Blätter aus, als wollten fie den Lichtitrahlen keinen Durchlaß gewähren. Die vielblättrigen Blumenkronen der weißen Seeroſe, wie aus ſchneeweißem Wachs gebildet, die ſich erſt öffnen, wenn die Sonne im Mittag ſteht, um ſich mit dem Untergange des Tagesgeitirnes wieder zuſammenzufalten, und die fünfblättrigen Sterne der gelben Ceichroſe ſind die herrlichſten Gebilde über der weiten, ſchwarzen Flut. vielgeſtaltig wie das pflanzliche iſt auch das tieriſche Leben der Land- ſeen. Sahlloje Fiſche tummeln ſich in den dunklen Fluten, und in dem un— durchdringlichem Pflanzengewirr finden die kleinſten Lebeweſen hinreichenden Schutz. Daher auch überall das reiche Dogelleben; denn hier findet die ge— 75 fiederte Welt alles, was den Lebensgenuß erhöht: Nahrung in Hülle und Fülle und eine ſichere Sufluchtsſtätte. Helles Jubeln und Jauchzen paßt nicht hinein in dieſe Welteinſamheit, und alle Laute, die das Ohr erlauſcht, ſind monoton, krächzend oder dumpf und jtümperhaft. Überall quarrt und quäkt, kreiſcht und klagt es aus dem Riet, aber darüber kaum ein fliegendes Weſen. Ein paar lichte Fluß— ſeeſchwalben ſtreichen eiligen Fluges über den Rohrwald. hier finden ſie keine bleibende Stätte, denn ſie fordern einen unbegrenzten Blick, weite, klare, rauſchende Flut, glitzernden Kies und blendenden Sand. Hier und dort gleiten über dem dunklen Spiegel, den das Röhricht frei— ließ, ſchlankgeformte, düſtere Flieger, deren Bau und Bewegungen ſofort verraten, daß ſie dem zierlichen Geſchlechte der Seeſchwalben angehören. Kleiner und ſchwächer wie jene, tragen ſie Trauergewand. Schwarz bis ſchiefer— grau, wie der düſtere Moraſt, der ihr Bild zurückwirft, iſt ihr Kleid, ſchwarz der Schnabel, und daher nennt ſie auch das Volk Trauerſeeſchwalben. Kaum zeichnen ſich die dunkelroten Füßchen im Fluge ab, und das weißliche Gefieder an der Unterſeite nahe dem Schwanze zeigt uns den einzigen Lichtton an dem ſchwarzen Hörperchen. Diel weniger als ihre weißen Vettern laſſen ſie ihre Stimme, ein weicheres krr, krrai oder Rrräik, vernehmen. Alle ihre Bewegungen verraten weniger Energie, und die Melancholie ihrer Umgebung hat ihre Schatten auf ihr ganzes Daſein ge— ſenkt. Je unzugänglicher das Gebiet für Menſchen und Dieh, je unergründ- licher das Unland, um ſo wohler fühlten ſie ſich, und je ausgedehnter die Moräſte und Sümpfe, um ſo größer ihre Anſiedlungen. Gleichgültig fliegt die Trauerſeeſchwalbe über das dichte Wirrwarr von Binſen und Rietgräfern hinweg, wo Sumpfhühnchen und Kalle ihr verſtecktes Liebesleben führen, in deſſen ſtilles Glück hineinzuſchauen nur wenigen Der- trauten vergönnt iſt, — weiß ſie doch, daß hier nichts für ſie zu erbeuten iſt. Auch dem dichten Röhricht, in dem es lebhafter zugeht, und wo der allezeit geſchäftige Droſſelrohrſänger ſpringend und kletternd von Stengel zu Stengel eilt und mit ſeinem knarrenden Karrekiet alle übrigen Rohrſänger weit über— ſtimmt, oder wo der ſchwarzköpfige Kohrammer ſeine anſpruchsloſe Strophe in endloſen Wiederholungen ſtammelt, ſchenkt ſie keine Beachtung. Wohl eräugt ſie drüben im dichteſten Rohrwald den großen Miſanthropen unter den Sümpflern, den Rohrdommel in ſeinem hell- und dunkelitreifigen Eulen— gefieder, das dem vergilbten Schilf ſo ähnlich ſieht, wie er ſteif wie ein Stock daſteht oder einem verwitterten Pfahle gleicht, aber was kümmert ſie der? Selbſt ſein dumpfer, unheimlich tönender Paarungsruf, das weithindröhnende „J pump“, das bald, wenn die letzten Sonnenſtrahlen erloſchen ſind, die Ein— ſamkeit erfüllt, erſchrickt ſie nicht. Auch der kleinere Vetter, der häufigere 74 nee uaguswuunalpl usayı no Pboamımg Hgjpaml$laas »tavaps Dune, sst PADDAT 2 Neſt mit Gelege. ch walbe. eſ © o * — — — Be} — Weiß 2 — = — — — — — — ke) — S — — N © Q — — . — — — — en — © = Swergrohrdommel, nicht weniger in Deriteck- und Deritellungsküniten er- fahren, macht keinen Eindruck auf ſie. plötzlich hält ſie inne im Fluge, und heftige Erregung durchzuckt den ſchlanken Leib. Unverwandt ſchaut ſie unter zitternden Fittichſchlägen unter ſich auf die weite Waſſerbahn hinter dem Röhricht. Was hat ihre Aufmerk- ſamkeit erregt? Sind's die winzigen Fiſchchen, die in neckiſchem Spiel ein— ander jagen, oder die ſchwarzen Taumelkäfer mit dem Silbertröpfchen, die in raſender Halt wie wild durcheinander fahren. Gewiß haben ſie ihre Seindin über ſich rechtzeitig erkannt und ſind blitzſchnell im dichten Blätterwuſt oder im trüben Schlamm verſchwunden; denn die Fliegerin zieht mit gleichmäßigen Flügelſchlägen weiter ihre Bahn. Ein Teichhuhnpärchen ſtrebt nickend jener kleinen Schilfinſel zu, wo der Rohrkolben bald ſeine braunſchwarze ſamtne Keule ſchwingt. Schwärme ſchwarzer Bläßhühner mit weißem Stirnſchild verfolgen einander mit bald höherem, bald tieferem lauten Ga grö, und nach der Mitte des Sees hin halten Haubentaucher in phantaſtiſchem Kopfpuß vorſichtig Umſchau, ob Gefahr für ſie vorhanden iſt, und nicht weit von ihnen treiben größere und kleinere Enten allerlei Kurzweil und wetteifern in Schwimm- und Tauchhünſten. Wieder hemmt die Fluggewandte ihre Eile. Die Carve eines Gelbrands hat eben auf dem Schlammgrunde ihre mächtigen Kiefer in den weichen Bauch eines jungen Stichlings gebohrt und ſich geſättigt. Cangſam ſteigt ſie, den ſpitzen Hinterleib voran, in die höhe, um Luft zu ſchöpfen. Da hat ſie aber ſchon die Schwarze erſpäht: ein kurzes Rütteln, Hinabfahren, und die Mordgierige zappelt im Schnabel der Stärkeren. Dort, in jener pflanzen— gründigen Bucht, wo das Waſſer beſonders ſeicht und ſtark erwärmt iſt, führt das Kleingetier der ſüßen Gewäſſer untereinander einen erbitterten Kampf ums Daſein, und immer dahin kehren die Seeſchwalben zurück, ihren Tribut zu fordern. Fegt aber der Sturm über den See und läßt das bewimpelte Rohr mit feinen ſilberbraunen Rijpen auf und nieder wogen, dann wühlt er den ſchlammigen Grund der Gewäſſer auf und verwandelt ſie in eine brodelnde, undurchſichtige Maſſe. Umſonſt it alles Spähen nach Beute, und die hungrigen Seeſchwalben fliegen hinaus auf die grüne Wieſe, die ſich an den See lehnt oder auf den braunen Acker daneben, wo der Regen die Würmer an die Oberfläche lockt oder Inſekten hinter den Blättern Schutz ſuchen. Not leiden ſie auch jetzt noch, und die Lebensfreude kehrt erſt zurück, wenn die hellen Sonnenſtrahlen wieder ihren Leib durchwärmen. Harter als die weiße Meeresſchwalbe trifft ſie auch ſpäter an den Brut— gebieten ein. Abſeits, wo der ſchwarze Schlamm ſich dem Waſſerſpiegel am meiſten nähert, wuchert dicht nebeneinander Stamm an Stamm die Waſſerſchere und duldet keine andere Pflanze neben ſich. Beginnt in den warmen Frühlingstagen das Waſſer zu fallen, dann ragen die ſchwertförmigen, Vögel II. Copyright 1909, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 6 81 ſtachlichgeſägten Blätter ihrer Rojetten daraus hervor, und auf dieje Unter: lage trägt fie trockne Rohritengel, Gras und Würzelchen, und bald reiht ſich Neſt an Neſt, und in jedem liegen drei Eier, ähnlich denen der übrigen Arten. Aber auch jene ſchwimmenden Inſeln, welche der Wind aus zuſammengefegten trocknem Röhricht und losgeriſſenen anderen Pflanzen gebildet hat, werden gern von ihnen beſiedelt, ebenſo wie die kleinen Schlamminſeln, die oft nur eine Bandbreite über den Spiegel hervorſchauen. Kommen aber andauernde Regenfälle, dann werden nicht ſelten die Brutſtätten überflutet, und vorbei iſt's mit dem Elternglück. Dielleicht ſind jene Neſter im dichten Rohrwald, die nicht ſelten meterhoch den Spiegel überragen, von beſonders erfahrenen H. KN. Job. Bird Key, Florida. Noddi am Neſt. Seeſchwalben angelegt; findet man doch auch in den endloſen Sümpfen Un— garns, deren Waſſerſtand oft plötzlich ſteigt, nicht ſelten die Neſter auf dichtem Weidengebüſch und anderen Sträuchern. Jede Nachbarſchaft anderer Dogel— arten iſt ihr unangenehm, beſonders auch die der ohne Ende lärmenden Lach— möwe, welche gleiche Grtlichkeiten bevorzugt. Am Tage laſſen ſich die raſtloſen Trauerſeeſchwalben ſelten Seit zum Brüten, und wenn nach vierzehn weiteren Tagen die grauflaumigen, dunkel getupften Jungen aus den Schalen hervorbrechen, dann verlaſſen ſie nicht wie andere Arten die Niſtſtätte, heimatlos umherirrend, ſondern ſie warten im ſicheren Neſte ihre völlige Flugfähigkeit ab und laſſen ſich dann von den Alten in alle Künite ihres Gewerbes einführen. Bald lernen ſie die ungeſchickte Kaul— 82 quappe am Teichrande aufnehmen, das Fröſchchen, das jeine erſten Sprung— verſuche macht, greifen, und erſt, wenn durch längere Übung die Geſchicklich— keit zugenommen hat, die flüchtigen Inſekten haſchen. Aber nicht alle, die dem Ei entſchlüpften, werden im Augujt mit den Alten die Reiſe nach den afrikaniſchen Sümpfen antreten, manch eine wird vorher verenden in den Fängen der mörderiſchen Rohrweihe, dieſer Geißel der Sumpflandſchaft. Die Weißflügelige Seeſchwalbe iſt in Deutſchland ein ſeltener Gaſt, hat aber wiederholt mit voriger in Bayern gebrütet. Etwas kleiner wie jene iſt ſie ihr doch ſehr ähnlich, doch iſt die Oberſeite, abgeſehen von den lichtgrauen Flügeln, tief ſchwarz, ebenſo wie die unteren Flügeldecken. In Südeuropa, namentlich in den unzugänglichen Sümpfen Ungarns, leben ſie in Gemeinſchaft mit jener zuſammen und führen auch dieſelbe Lebensweiſe. H. N. Job. Bird Key, Florida. Slugbild des Noddi. Beide kommen und gehen gleichzeitig, doch verbringen dieſe den Winter noch weiter ſüdwärts bis nach Neuſeeland hinab. Die Weißbärtige Seeſchwalbe zählt ebenfalls zu den ſeltenen Gäſten Deutſchlands, wenngleich ſie im Südoſten Europas, beſonders im Dorado der Sumpfvögel, in Ungarn, mit den beiden vorigen, recht häufig iſt. Mit der letzteren bewohnt ſie auch das wärmere Alien bis nach China. Etwas kleiner als unſere Flußſeeſchwalbe iſt ſie doch die kräftigſte aller grauen Seeſchwalben. Den weißen Bartitreifen, nach dem ſie benannt it, haben nur alte Dögel im Sommerkleide; der kräftige Schnabel iſt blutrot, die Füße zinnoberrot, und der hellgraue Schwanz hat weiße Kanten. An unſere ſchwarzen Seeſchwalben reiht ſich noch der Noddi, ein Bewohner der tropiſchen und ſubtropiſchen Küſten, der wiederholt an den europäiſchen Weſtgeſtaden erlegt iſt. Jedem Seemann, der einmal dort 85 83 drüben war, ilt er bekannt, und jeder weiß Beiſpiele von den Tölpeleien der „dummen Seeſchwalbe“ zu erzählen. Größer als unſere Brandſeeſchwalbe, hat der Noddi bis auf den grauweißen Oberkopf ein nußbraunes bis ſchwarz— braunes Kleid. In großen Schwärmen fiſchen ſie unter fortwährendem Schreien, und ihre trägen Bewegungen haben nichts mit denen der übrigen Seeſchwalben gemein. Suweilen niſtet dieſe Art auf dem Erdboden, gewöhnlich aber auf Büſchen und niedrigen Bäumen in dichten Geſellſchaften. Sie tragen Reiſig für den Neſtbau zuſammen und brüten in der flachen Mulde ihr rötlich— gelbes, mit vielen grauen, braunen und roten Punkten und Flecken bedecktes Ei aus, ohne ſich um die Menſchen, die ihnen oft ganz nachſtellen, zu kümmern. 84 Scherenſchnäbel. Da, wo der Atlantik ſeine ſchäumenden Fluten gegen die Küſten der Der- einigten Staaten wälzt, zeigt die Candſchaft mancherlei Übereinſtimmungen mit den Düneneilanden unſerer Nordſee, und der endloſe Sandſaum, dem un— geheure Mengen bleichender Muſchelſchalen und Geröll aufgelagert ſind, aus denen vereinzelt Büſche ſtarrer graugrüner Sandgräſer oder vollſaftige Fettpflanzen hervorſprießen, wie ſie den ſandigen Flachküſten eigentümlich ſind, fordert zu einem Vergleich heraus, nicht weniger aber auch die Sauna dieſes Gebietes, die mit jener mancherlei Berührungspunkte zeigt. Die ſtets zu neckiſchem Spiel aufgelegten graziöſen Seeſchwalben, ohne die man ſich keine ſommerliche Nordſeelandſchaft denken kann, fehlen auch hier nicht, wenngleich auch hier wie dort ihre Sahl erjchreckend abnimmt, weil alljährlich Hehntauſende der allmächtigen Göttin Mode zum Opfer fallen. Aber eine unter ihnen, die extremſte aller Seeſchwalben, hatte bislang wegen der abſonderlichen Form ihres Schnabels das Glück, nicht als Schmuck ge— eignet anerkannt zu werden, und dieſem Umſtande iſt es zu danken, daß längs der Atlantiſchen Küſte von Maryland abwärts bis nach der Mitte Süd— amerikas noch recht anſehnliche Kolonien der Scherenſchnäbel vorhanden ſind. Wer zur Nachtzeit, wenn faſt alle Tierlaute verſtummt ſind, das einſame Küſtengelände durchſtreift, dem tönt vom Waſſer oft ein eigenartiges „Jap jap“ entgegen, das bald näher kommend, vielſtimmig zunehmend an das Gekläff einer vorüberraſenden Hundemeute erinnert, das allmählich in der Dunkelheit verhallt. Die Scherenſchnäbel, die während des Tages meiſt laut— los auf dem flimmernden Sande ruhten, treten gleich den Eulen, ſobald das letzte Abendrot verblichen iſt, ihre Herrſchaft an und ſtellen erſt ihre Tätig- keit ein, wenn über dem Meere der Morgen beginnt zu dämmern. Iſt aber die Seit herangerückt, wo die Sorge um die Nachkommenſchaft ihr ganzes Tun und Sinnen in Anſpruch nimmt, dann ſieht man ſie nicht ſelten auch während des Tages ihrer Beſchäftigung nachgehen und findet alsdann Ge— legenheit, ihre Anmut zu bewundern, die keineswegs hinter jener ihrer Der- wandten zurückiteht. Nahe dem Uferſaume folgt niedrig einer dem andern in langſamem, ge— räuſchloſem Fluge, und Form und Bewegung kennzeichnen ſie als See— 85 F. M. Chapman. Küste von Texas, Juli 1902. Amerikaniſcher Scherenſchnabel, brütend. Ein friſch aus dem Ei geſchlüpftes Junge birgt ſich im Schatten der Strand— pflanze (links). F. M. Chapman. Küste von Texas, Juli 1902. Gelege des amerikaniſchen Scherenſchnabels. F. M. Chapman. Küste von Texas, Juli 1902. Amerikaniſcher Scherenſchnabel. Zwei Eier und ein eben ausgeſchlüpftes Junges. F. MV. Chapman. Küste von Texas, Juli 1902. Amerikaniſcher Scherenſchnabel. Zwei friſch ausgeſchlüpfte Junge und zwei Eier. ſchwalben. In der Größe unſerer bekannten Lachmöwe etwa gleich, hat er mit den kleineren Seeſchwalben den geſtreckten zierlichen Körper, die ſpitzen, ſehr langen Schwingen, den gegabelten Schwanz, die ſchwachen Füße und die tief ausgeſchnittenen Schwimmhäute gemein. Nicht ſtoßtauchend wie jene ſucht er ſeine Beute zu haſchen, ſondern im Fluge ſchöpfend nimmt er ſie von der Waſſerfläche auf, und daher ſchwingt er auch ſeine Fittiche ſo hoch empor, damit ſie nicht das Waſſer berühren. In gleichmäßigem Fluge gleitet er nur wenige Sentimeter über dem Waſſerſpiegel dahin, den Hals geſtreckt, den gleich— ſtarken Kopf tief geſenkt, den eigenartig geformten, plumpen Schnabel weit F. M. Chapman. Küste von Texas, Juli 1902. Amerikaniſcher Scherenſchnabel. Drei Jungvögel „ſich drücend". geöffnet, deſſen Unterkiefer, der um ein Diertel den Oberkiefer überragt, minutenlang einem Pfluge gleich das Waſſer furcht, um alles tieriſche Leben, vor allem kleine Fiſche und Krebſe, von der Oberfläche abzuſchöpfen. Wer den Scherenſchnabel nur aus Sammlungen kennt, wird dem großen Forſcher Buffon beipflichten, der dieſen einzigartigen, anſcheinend mißgeſtalteten Schnabel als ein „häßliches und unvollkommenes Inſtrument“ bezeichnet, wer jedoch Gelegenheit fand, ihm bei der Ausübung ſeines Gewerbes zu beobachten, der muß bekennen, daß nur ſolche abnorme Kiefer, die dünn und biegſam wie Meſſerklingen find, ihren Sweck erfüllen können. Wegen der abſonder— lichen Schnabelform, die nicht wenig an die Schneiden einer Schere erinnert, hat man dem Dogel ſeinen Namen beigelegt. 89 Obwohl der Scherenſchnabel an ſeinen Lieblingspläßen enge Derbände bildet, ſind wir über feine Entwicklungsgeſchichte noch in vielen Punkten im unklaren. An den vorhin geſchilderten Örtlihkeiten niſten gewöhnlich Hun— derte, ja Tauſende nahe beiſammen. Ohne Deckung, ein bis zwei Meter von— einander entfernt, reiht ſich Neſtmulde an Mulde, und auch die Scheren— ſchnäbel ſtellen dieſe wie die andern Seeſchwalben in der Weiſe her, daß ſie ſich auf den loſen Sand legen und durch Hin- und Herbewegen des Körpers eine ſeichte Dertiefung bilden, die aber nicht ausgefüttert wird, weil der F. . Chapman. Küste von Texas, uli 1902. Flugbild des amerikaniſchen Scherenſchnabels. Schnabel wegen ſeiner merkwürdigen Bauart nicht imſtande iſt, Niſtmaterial herbeizuſchaffen. Nähert man ſich am Tage den Brutſtätten, jo erhebt ſich die Dogelſchar, die den Eindringling längſt eräugt hat, in die Lüfte und ſtürmt ihm unter heftigem Geſchrei in gerader Richtung entgegen, und bei jedem ausgeſtoßenen Laut öffnen ſich die roten und ſchwarzen Kiefer weit. Erregung und Aufruhr vergrößern ſich mit der Fahl der durch das Gekreiſch aufgejchreckten und nun von allen Seiten herbeieilenden Vögel, und die Kühnheit jener, deren Niſtſtätten man am nächſten iſt, ſteigert ſich bis zur Derwegenheit, jo daß man unwill— kürlich ihren Angriffen auszuweichen ſucht. Vorhin in der Ruhe erſchienen ſie uns ſo plump, ja häßlich, und dieſer Eindruck wurde noch durch den fremd— 90 sypgvußpluaaaps uaplıupyıaawv see ongönjs 2 2507 e I "2061 un svra] | | F. M. Chapman. Küste von Texas, Juli 1902. Flugbilder des amerikaniſchen Scherenſchnabels. artigen Schnabel an dem halsdünnen Kopfe geſteigert, aber jetzt in ihren reißenden Flugſpielen oder noch mehr im verwegenen Dahinjagen begeiſtern ſie uns durch Farben- und Formenſchönheit wie auch durch die Eleganz ihrer Bewegungen. Herrlich wirken das ſchneeige Weiß der Unterſeite und das blendende Stirnband gegen den blauen äther, und das Braunſchwarz der Oberſeite hebt ſich bei den auffallend hochgeitreckten Schwingen beſonders ſcharf ab. Ein Unkundiger überſieht leicht die vier rahmweißen Eier mit den dunklen Flecken und Punkten in der Neſtmulde, die, wie es ſcheint, allein vom Weibchen ausgebrütet werden, während das größere Männchen ſeinem Ehegeſpons öfters neben dem Heim Geſellſchaft leiſtet. Frügher war man der Meinung, daß die Scherenſchnäbel nur während der Nacht brüteten, dagegen während des Tages den ſengenden Sonnenſtrahlen das Durchwärmen der Eier überließen, aber neuere Forſchungen haben bewieſen, daß das Brüten auch am Tage fortgeſetzt wird. Kurz nachdem der Neſtling die Schale durchbrochen hat, pflegt er ſeine Mulde zu verlaſſen und ſucht ſich, wenn Sandgrasbüſchel oder ſonſtige Ge— wächſe in der Nähe ſind, im Schatten vor den prallen Sonnenſtrahlen zu ſchützen. Noch ſieht man ihm keinerlei ähnlichkeit mit ſeinen Erzeugern an; denn noch haben beide Kiefer die gleiche Länge, und erſt mit Sunahme der Flug— fähigkeit beginnt ſich der Unterkiefer zu recken und zu dehnen, bis der Vogel imſtande iſt, allein ſeiner Nahrung nachzugehen. Solange die Eltern ihre Kleinen noch füttern, würde die Nahrungsaufnahme den hungrigen Gäſten durch einen ausgebildeten Schnabel außerordentlich erſchwert. So ſchwerfällig ſich die Alten auf dem Sande bewegen, ſo ſchnellfüßig iſt die hellflaumige Nachkommenſchaft, die entweder, wenn ſie Gefahr wittert, eiligſt davonrennt oder ſich inſtinktiv mit halbgeſchloſſenen Augen und ausgeſtrecktem Halſe platt auf den Boden drückt, und ſich ſo gewiſſermaßen in der gleichfarbigen Um— gebung „aufzulöſen“ ſcheint. Aber nicht nur die Neue Welt beherbergt Scherenſchnäbel, ſondern eine Art it auch in Mittelafrika, wo ſie beſonders zahlreich auf den Sandbänken des oberen Nils vorkommt, heimiſch, und beſteht deren Nahrung vorzugs— weile aus Schwimmkäfern, die ſie von den Waſſerſpiegel abſchöpft. Noch eine andere Art lebt in Südaſien, doch ſtehen alle einander ſowohl im Ausjehen wie auch in der Lebensweiſe ſehr nahe. 95 Die Raben- und die Nebelkrähe. Don Hermann Cöns. Einen ganzen Tag und eine volle Nacht hat es gejchneit. Einen Fuß hoch liegt der Schnee auf dem Lande. Die Seit der ſchweren Not brach herein für viele Tiere. Für alle, die am Boden ihre Nahrung ſuchen, iſt hans Magerkohl Küchenmeiſter geworden. Feldmaus und Wühlratte haben zu leben; die eine führt zwiſchen Schnee und Land ihre Gänge über die Raine und Kleeſtücke und nährt ſich mehr ſchlecht, als recht von Wurzeln, Sämereien und Gewürm, und der anderen iſt der Schnee nicht unlieb, denn er ſchützt die Erde vor dem Hartfroſt und geſtattet ihr ein bequemes Wühlen. Auch Spitzmaus und Maulwurf leiden nicht unter dem Schnee; im faulen Waldlaube findet die eine, tief in der Erde, wohin der Froſt nicht langt, der andere Fraß genug. Schlimmer geht es ſchon dem Haſen; wo der Wind den Schnee abtrieb, kann der Haſe an die Saat gelangen; wo der Schnee aber hoch liegt, da muß der Hhaſe ſich mit der Rinde der Bäume und Sträucher behelfen und auch das Kaninchen muß ſich auf dieſe Art durchhelfen und ähnlich das Reh, das ſich an Sweigſpitzen ält. Für die Finken, Ammern und haubenlerchen ſieht es böſe aus; hier und da ragt dürres Kraut über den Schnee hinaus und ſchüttet ſeinen Samen auf die Schneedecke, aber das iſt eine magere Kojt und wenn auf den Landſtraßen die Pferde nicht für Futter ſorgten und bei dem Dreſchen nicht allerlei abfiele, jo ginge es Buchfink, Hänfling, Bergfink und Grün— ling, Goldammer und Haubenlerhe faſt jo ſchlecht, wie den nordiſchen Ringeltauben, die weiter nichts zu freſſen haben, als Futterkohl heute und Futterkohl morgen und übermorgen noch einmal Futterkohl, der ihnen auf die Dauer ebenſo ſchlecht bekommt, wie dem BHajen. Würde der Menſch nicht ein Einſehen haben, jo mancher Dogel erläge dem Hunger. Aber überall in den Gärten und vor den Fenſtern haben gutherzige Leute Futterplätze errichtet, und in allen Anlagen ſtehen Futter— häuschen, wo ſich die hungrigen Schnäbel atzen können. Da kommen ſie alle zuſammen, ſowohl die, die bittere Not leiden, und auch die, denen es noch ganz gut geht, wie die Meiſen, Baumläufer und Spechte, deren Tiſch 96 pnpIgggpm un Jpdoq zeßung Syvayuagoy immer gedeckt ilt, mit Ausnahme der Tage, an denen Rauhfroit Baum und Buſch in jtarre Kruſten hüllt. Alle finden ſie unter den bedeckten Sutter- häuschen Nahrung, Fink und Spatz und Meiſe, Häher und Amſel, Kern- beißer und Goldammer, und mit ihnen Waldmaus und Swergmaus. Noch in anderer Weiſe ſorgt der Menſch für die darbenden Dögel. An der Kante der Stadt liegen gewaltige Schuttplätze, auf denen Reihen grauer Wagen den hauskehricht ausſchütten. Ganze Berge von Aſche und Schlacken häufen ſich dort jeden Tag auf, und zwiſchen dem Müll, den Scherben, dem zerbrochenen Geſchirr, den Emailletöpfen und Konſervendoſen, Lumpen, Schirmgerüſten, hüten und Papierfetzen liegen Knochen, Fiſchreſte, Ein— geweide, Hühnerköpfe, Brotrinden, Obſtkröpfe, Gemüſeſtücke, Hanfkörner, Wurſtpellen, Margarinebröckchen, Kuchenkrümel und noch hunderterlei Dinge, die der Menſch nicht achtet und in den Abfallkaſten wirft, die aber Tauſenden von Dögeln in der bitteren Seit das Leben friſten. Vor allem ſind es die Krähen, die ſich hier zuſammenfinden. Sobald es hell wird, verlaſſen ſie ihre Schlafplätze in den Wäldern; in gewaltigen, bald geſchloſſenen, bald aufgelockerten Flügen, Hunderte oder Tauſende von Stücken umfaſſend, kommen ſie herangeſtrichen, die Wintermorgenſtille mit ihrem Gequarre und Gekrächze belebend und die graue Zuft mit einem Wirbel ſchwarzer Flecke erfüllend. Das wogt auf und ab, flutet hin und her, ballt ſich zuſammen, reißt auseinander, fällt herunter, flattert empor, bis ſchließlich der ganze weite Schuttplatz von den ſchwarzen und grauen Vögeln überſät iſt. Wagengeknarre und Peitſchengeknall klingt heran, laute Stimmen kommen näher. Alle Krähen machen lange hälſe, einige flattern empor, aber bald ſenken ſie ſich wieder herab, denn die meiſten von ihnen kennen die Müllwagen und warten der guten Dinge, die ſie bringen. Wagen auf Wagen wird ausgeſtürzt, und ſobald einer ſeinen Inhalt entleert hat, flattert das Krähenvolk heran und ſucht nach Beute. Hunderte von ſchwarzen Schnäbeln ſtochern und hacken und zerren in dem Müll umher, Hunderte von Schwingen ſind in Bewegung, denn iſt auch Nahrung für alle da, keine Krähe gönnt der anderen einen Biſſen. Sobald eine eine Wurſthaut oder einen Knochen erwiſcht hat, ſpreizt ſie ſchon die Flügel über ihrem Funde und ſucht ſich damit abzuſtehlen, aber vier, fünf, ſechs ihrer Genoſſinnen ſetzen ihr nach und ſtechen heiſer krächzend nach ihr, bis ſie zur Erde taumelt, den Raub in die Krallen nimmt und ſolange mit dem ſcharfen Schnabel ver— teidigt, bis die neidiſche Geſellſchaft abſtreicht. Diererlei Arten von Krähenvögeln ſind es, die ſich hier auf dem großen Kummerplaße vor der Stadt zuſammengefunden haben. Die kleiniten, aber frechſten und gewandteſten ſind die Dohlen, deren helle Augen liſtig umher— ſpähen und ſo wie ſich ein guter Brocken zeigt, ſchlüpft die Dohle herbei, Vögel II. 7 97 faßt ihn und ehe ſich die Krähen beſonnen haben, it der Spitzbube fort und läßt von ferne ſein gellendes Hohnlachen ertönen. Am unbeholfenſten ſtellen ſich die blanken Saatkrähen an. Obgleich ihre Schnäbel ſpitzer und länger ſind, als die der anderen Krähen, jo ſind die Saatkrähen längſt nicht jo frech, wie die Kaben- und Nebelkrähen und müſſen ſich mit den kleinen Abfällen begnügen, denn jeden guten Biſſen jagen ihnen die anderen Krähen ab, vor allem die Nebelkrähen, die frechſten von allen, deren Unverſchämtheit alle Grenzen überſchreitet. Der Winter trieb ſie aus den Wäldern Kußlands und den Steppen Sibiriens weſtwärts. Su Hunderttaujenden kamen fie angerückt, über— ſchwemmten Preußen, Pommern, Mecklenburg, Poſen und die Mark, drängten immer weiter nach dem Weſten, überflogen die Elbe und fielen hungrig in das Brutgebiet der Rabenkrähe ein. Iſt es Frechheit, oder iſt es Dumm— heit, daß ſie jo unverſchämt ſind? Die Rabenkrähe, den Menſchen und ſeine Tücke kennend, flieht die geſchloſſene Ortſchaft und kommt nur bis an ihre Ränder; die Nebelkrähe aber ſpaziert in den Höfen der Dörfer umher und läßt ſich auf den Dächern der Großſtadt nieder, und erſpäht ſie tief unter ſich etwas Gutes, dann ſchwebt ſie herab und holt ſich von der Straße den Happen. Sobald die Pauſe vorüber iſt, läßt ſie ſich im Schulhofe nieder und ſucht nach Brotrinden; ſie lauert auf den Mauern des Schlachthofes, bis die Gehilfen den Rücken drehen, und dann ſtößt ſie nieder und fliegt mit einem Fleiſchfetzen von dannen. Bevor das Leitungsnetz über den Städten entſtand, übernachtete ſie ſogar zu Hunderten auf den Dächern, aber ſeitdem zieht ſie den Wald vor. Sonſt aber benehmen ſie, die Vögel des einſamen Bruch— waldes und der menſchenarmen Steppe, ſich ſo, als wären ſie, wie der Spatz, neben dem Menſchen aufgewachſen, und nur die von ihnen, die im oſtelbiſchen Deutſchland und im europäiſchen Rußland brüten, ſind weniger vertraut und verhalten ſich jo, wie die Rabenkrähen. Denn fie ſind nicht weniger ſchlau, als die Rabenkrähe. Sie wiſſen ganz genau, daß in der Stadt kein Gewehr losgeht, ſie können den harm— loſen Spaziergänger gut von dem Manne mit dem Gewehre unterſcheiden. Bis auf zehn Schritte laſſen ſie in den Anlagen den Menſchen herankommen und die Hunde halten ſie offenſichtlich zum Narren. Bis auf zwei, drei Fuß halten ſie den Hund aus und erſt dann fliegen ſie auf, um ſich bald wieder hinzuſetzen und das Spiel ſolange zu treiben, bis der Hund ärgerlich fortläuft. Das tut die Rabenkrähe niemals; ſie iſt viel übelnehmeriſcher und mißtrauiſcher und liebt es gar nicht, rückt ihr der Menſch nahe. Sonſt aber gleicht ſie ihr bis auf die graue Färbung von Rumpf und Oberhals völlig. Die Maße der einen ſind genau ſo wie die der anderen, ihre Lebensweiſe iſt völlig die gleiche, die Eier haben dieſelbe Farbe, der Neſtbau unterſcheidet ſich in Nichts voneinander, und die einzigen Unter— 98 Rathenow, Januar 1908. Hilbert. IS Flugbild. Nebelkrähen. ſchiede ſind eine geringe Dergröberung der Stimme bei der Nebelhrähe und eine geringe Derjchiedenheit in dem Aufbau der Eiſchale. Aber ein Unterſchied zwiſchen beiden iſt da, der ganz gewaltig in die Augen ſpringt, ein Unterſchied ganz eigener Art, darin beſtehend, daß die Elbe in Deutſch— land die Grenze zwiſchen den beiden Färbungsformen bildet; weſtlich der Elbe herrſcht allein die ſchwarze, im Oſten die graue Abart vor. Dieſe Tat- ſache ſteht einzig da in der Tierwelt Deutſchlands. Wohl hat der Diten eine ganze Menge von Pflanzen und Tieren, die dem Weſten fehlen, und das Umgekehrte iſt auch wieder der Fall; daß aber eine Tierart durch einen Fluß in zwei völlig getrennte Unterarten geteilt wird, die ſich bis auf die Färbung in Nichts unterſcheiden, das iſt eine Tatſache, der man als Gegenſtück höchſtens die Verbreitung des ſchwarzen Rehes beigejellen kann, das im Gegenſatz zu der roten Stammform ein ausgeſprochenes Tier der Ebene iſt und das hügel- und Bergland meidet. Im deutſchen Daterlande leben viele eigenartige Dögel, ausgezeichnet durch Farbe, Geſtalt, Neſtbau und Lebensweiſe; der intereſſanteſte von allen aber iſt die Krähe. Wohl iſt der Dompfaff des Oſtens viel größer als der des Weſtens, der öſtliche Kaubwürger beſitzt im Gegenſatze zu der weſtlichen Form einen kleineren Flügelſpiegel und behält einen Keſt der Jugendzeichnung auf der Bruſt, das Moorrebhuhn iſt kleiner und düſterer, als das der Getreideſteppe, Garten- und Weidenmeiſe, ſo ähnlich ſie auf den erſten Blick erſcheinen, ſind nach Stimme, Maßen, Gefiederbeſchaffen— heit und Niſtweiſe völlig verſchiedene Vögel, aber hier handelt es ſich um Fälle, die erklärbar ſind, für die wir Gegenſtücke genug haben, während für den Grund der örtlichen Benennung der beiden Formen der echten Krähe jede Erklärung fehlt. Und ſo nennt der eine Forſcher jede eine Art, der andere verbindet ſie zu einer Art, der dritte nennt die Nebelkrähe, der vierte die Kabenkrähe als Stammform, und ſchließlich iſt das ganze Er— gebnis das, daß jeder ebenſoviel Recht, wie der andere oder ebenſowenig hat, und daß die Natur einmal wieder beweiſt, daß der Artbegriff ein Not— behelf, Syſtematik eine Ejelsbrüce iſt. Lebte öſtlich der Elbe und in ganz Alien nur die graue Krähenform, ſo wäre ein Schluß einfach. Die freilebende Dachratte von Südeuropa, Dorderaſien und Südafrika iſt bräunlich und weißbäuchig, die ihr ana— tomiſch und morphologiſch faſt gleiche Hausratte, ein Gebäudetier, it ein— farbig ſchieferſchwarz. Die Haubenmeiſe von Nordoſtdeutſchland iſt heller als die weſtliche Form. Liegt es nicht nahe, danach anzunehmen, daß der Weiten als ſolcher die dunkeln Formen begünſtige, entweder wegen ſeines mehr inſularen Klimas oder wegen irgendwelcher ſchwer feſtſtellbarer Kultureinflüſſe? Aber da kommt die Soogeographie mit der unbequemen Tatſache, daß wohl die Graukrähe über Oſtelbien, Schottland, Skandinavien, 101 Rußland und Sibirien faſt unumſchränkt herrſcht, daß lie aber weiter öſtlich, hinter Tomsk, ihre Herrſchaft mit der Rabenkrähe teilen und am Jeniſſei ganz an ſie abtreten muß, ſo daß in der Mongolei und in China und Japan wieder Schwarz allein herrſcht. Mit der Theorie von dem Einfluſſe des weſtlichen Klimas iſt es alſo nichts; und da das Unerklärliche das Intereſſante im zoologiſchen Sinne iſt, jo darf man dreiſt behaupten: unſere Krähe, nämlich die Rabenkrähe, Corvus corone L. und die Nebelkrähe, C. cornix L., oder die Raben- und Nebelkrähe, C. corone — cornix, oder ſchlechthin, die echte Krähe, iſt der intereſſanteſte deutſche Dogel, vom morphologiſchen und zoogeographiſchen Standpunkte aus vielleicht überhaupt der intereſſanteſte der bekannten Dögel. Mögen auch dort, wo die Grenzen beider Formen zuſammenſtoßen, an der hannöverſch-märkiſchen Grenze oder an andern Stellen des Clbgebietes oder ſonſtwo in Europa und Aſien, Miſchehen und Übergänge vorkommen, ſo daß man bei vielen Muſeumsſtücken nicht jagen kann, ob man eine Kaben— oder eine Nebelkrähe vor ſich habe, das ändert die Sache nicht, denn im großen und ganzen heißt es überall: hüben Schwarz, drüben Grau, und die unerklärliche Tatſache, daß es von einer Tierart zwei Formen gibt, die auf verſchiedene, im Grunde dieſelben Lebensbedingungen gewährenden Gebiete beſchränkt ſind, bleibt beſtehen. Hus der Abneigung, die die Graukrähe gegen das Gebirge zeigt, ſo daß ſie als Wintergaſt bei uns ſo gut wie ganz dem Berglande fernbleibt, und höchſtens durch Schneeſtürme dorthin verſchlagen wird, kann man auch nur auf ſie ſelber den Schluß ziehen, daß ſie aller Wahrſcheinlichkeit nach urſprünglich ein reines Steppentier iſt, aber das wäre ein zu waghalſiger Gedankenſprung, ſchlöſſe man daraus, daß die Rabenkrähe eine umgewan— delte hügel- und Berglandsform der Graukrähe ſei. Nur das eine ſteht feſt: der Cinnäusſche Artbegriff verſagt hier ebenſoſehr, wie die von dem alten Brehm ſchon begründete, heute aber erſt planmäßig vorwärtsſchreitende Subtilformenforſchung. Ob grau, ob ſchwarz, es iſt derſelbe Dogel. Unter den Hunderten von Stücken, die auf dem großen Schuttplatze umherſpazieren, ſind einzelne Übergänge zu finden, aber nicht zwei Stücke, die in den Maßen oder in den anatomiſchen Derhältniſſen jo voneinander abweichen, daß man Artunter— ſchiede darauf begründen könnte. In der Stimme, in den Bewegungen, im Flugbilde, in der geſamten Lebensweiſe iſt nicht der geringſte Unterſchied zu finden. Ob die Krähe im Emslande oder am Ob, in den finniſchen Schären oder in den Ulippenwäldern Dalmatiens horſtet, ob fie hoch auf Bäumen im deutſchen Walde, auf niederem Gebüſch in der Tundra baut oder gar in der baumloſen Steppe zum Erdbrüter wird, ob ſchwarz oder grau, die eine lebt und benimmt ſich wie die andere, die eine wie die andere iſt 102 Fr 0 5 # N ! 2 8 ee N “To a es gi N 7 rn ME 11 1 . 4 r z De — 1 © R. Hilbert. Rathenow, Januar 1908. Nebelkrähe. Slugbild. eben: die Krähe. Wer die Krähe Weſtfalens kennt, der kennt auch die von Oſtpreußen, und wer die ruſſiſche Krähe beobachtete, wird die der Alpen nicht anders finden. * * * Der März geht zu Ende, das Land ilt längſt ſchneefrei; Fink und Ammer, Amſel und haubenlerche leiden keine Not mehr. Die Sonne hat jchon Macht bekommen und lockt allerlei Gewürm aus Fallaub und Stammritze. Der große Schuttplatz vor der Stadt hat aber immer noch ſeine Gäſte. Dünner ſind die Flüge der Krähen geworden; die Rückwanderung der Graukrähen hat ſchon begonnen und auch von den Rabenkrähen fand ſich manche zu ihrem Brutgebiete zurück. Ein Teil aber blieb dem Schuttplatze noch treu. Jeden Morgen ſtellen ſich die Flüge ein, jeden Abend ſtreichen ſie nach ihrem Schlafwalde zurück, den roſenroten Himmel mit ſchwarzen Flecken bedeckend und mit heiſerem Gekrächze die Lieder der Singdroſſeln unter ſich in den Wäldern überſchreiend. 105 über Mittag aber, wenn die Sonne am wärmſten iſt, kommen ſie auf zärtliche Gedanken. Auf einem alten Blecheimer ſitzt eine Nebelkrähe, ſtreckt den Hals lang nach vorne, ſträubt die Kehlfedern, reißt den Schnabel auf und ruft gurgelnd: „Gulak, Gulak, Gulak!“ Swei Rabenkrähen taumeln wie betrunken in der Luft umher, rufen „Kru“ und „Kru“ und ſtechen ſich, als wenn es um einen beſonders fleiſch— reichen Knochen ginge, aber es iſt nicht Futterneid, ſondern Särtlichkeit, das ſie dazu bringt, ſich ſo unklug zu benehmen. Überall klingt es: „Terr, Err, Kerr“, und dann wieder „Art, Marr, Harr“, und hinterher: „Rra, Krah, Harrah“, und hier und da und dort wirbelt ein Paar in der Luft umher, ſteigt, fällt, ſchießt dahin, ſchwebt im Minnefluge. Im freien Felde liegt ein Teich und um ihn erheben ſich ſechs hohe Schwarzpappeln. In jeder von ihnen ſitzen Krähen. Eine Rabenkrähe balzt: „Gulk, gulk, gulk“. Eine Nebelkrähe fällt mit tiefem „Gulak, Gulak“ ein. Eine andere Rabenkrähe ſteckt bald den Schnabel in die Luft, bald nach der Erde hin, legt den Kopf jetzt auf den Rücken, nun auf die Seite, ihn bald öffnend, bald ſchließend. Sie ſingt. Ihr Geſang iſt nicht jo ſchön, wie der der Graudroſſel, der vom Walde herüberſchallt, nicht ſo gut, wie der der Amſel dort in dem Baumgarten, ja noch lange nicht ſo gut, wie der des Finken, der unter ihr in der Pappel aus Leibeskräften ſeine Strophe ſchmettert, aber für eine Krähe iſt es eine ganz gute Leiſtung. Wenn nicht allzu viele Schnarr- und Schluchzlaute darin wären und etwas mehr Kunſtpauſen, als gerade nötig ſind, und wenn nicht einige Töne darunter wären, von denen man nicht weiß, ob ſie mehr an einen Bauchredner oder an einem Menſchen, dem äußerſt ſchlecht geworden iſt, erinnern, jo könnte man es wirklich beinahe einen Geſang nennen. So aber iſt es doch wohl mehr ein Schnalzen in der Art, wie es häher und Pfingſtvogel und die Würger lieben, ein formloſes Gemiſch quirlender, ſchnalzender, krähender, raſſelnder Laute, ſo leiſe, ſo beſcheiden, daß der, der es noch nie hörte, nicht auf den Gedanken kommt, daß eine Krähe der Sänger ſei. Aber ſchon ſchließt die Sängerin mit einem lauten Krächzrufe und ſtreicht ab, ihr Weibchen mit ſich nehmend. Die große Geſellſchaft paßt ihnen nicht mehr; ſie haben das Bedürfnis, allein zu ſein. Drei Meilen von der Stadt entfernt liegt ein gewaltiger Wald, von einem breiten Bache durchfloſſen, an der einen Seite von Ackerland, an der anderen von Wieſen, Weiden und Moor begrenzt, reich an Blößen und Kulturen, von mächtigen Schneiſen zerſchnitten, alte und junge, Laub- und Nadelbeſtände aufweiſend, zum Teil flach, zum Teil hügelig, von tiefen 104 R. Hilbert. Rathenow, Januar 1908. Nebelkrähe, abſtreichend. und flachen Gräben durchſetzt, ſandige höhen und bruchige Senkungen bergend, bunt an Pflanzen- und Tierleben. Auf den Wieſen tummeln ſich Kiebitz und Bekaſſine, an den quelligen Stellen wurmt die Schnepfe. Das Gelächter des Schwarzſpechtes und das Gekicher des Turmfalken übertönt das Knurren des Taubers und das viel— ſtimmige Konzert unterſchiedlicher Singvögel, in der Dickung ſtehen die Rehe, an Hafen mangelt es nicht und Kaninchen ſind auch da, und an Fröſchen und Käfern iſt Überfluß. Da kann ein Krähenpaar es ſchon aushalten, und auch mehrere. 105 Gerade auf den Wald jtreicht das Krähenpaar zu, aber hundert Schritte davor biegt die eine ab, ſtößt einen Warnruf aus und jteigt empor und die andere macht ihr das alles nach. Höher, immer höher ſteigt das Paar, ſchwebt über den Wald hin und äugt unter ſich. Und dann ſtoßen beide gellende Warnelaute aus und rudern haſtig weiter, denn an der Waldkante entlang geht der Hegemeiſter mit ſeinem Schweißhunde. Bei einem großen Windbruche baumen die Krähen auf. Sie weiß es beſtimmt, das Weibchen, daß hier etwas nicht in Ordnung iſt. Denn die alte Samenfichte, in dem ſie drei Jahre hintereinander gehorſtet hat, ſteht wohl noch da, aber ringsumher iſt es kahl geworden. Einige Wurfböden liegen noch umher und allerlei Aſtholz, aber der Beſtand ſelbſt iſt bis auf einige Überhälter verſchwunden. Alſo wird man einen neuen Horiibaum ſuchen müſſen, denn mitten auf der blanken Blöße zu brüten, das iſt doch zu gefährlich. Vorläufig eilt das aber noch nicht. Deshalb erſt einmal nach dem Bache hin, wo es allerlei gute Dinge gibt. Sieh da, ſieh da, auch heute iſt da etwas. Ein dreipfündiger Hecht iſt mit dem Hochwaſſer in den Graben geſchwommen und zappelt nun hinter dem Derhau, das angeſchwemmtes Aſtwerk und Geniſt bildet, elend umher. Rechts und links von dem Graben fußen die Krähen auf den Sweigen und äugen mit langen hälſen hinunter. platſch! Der Hecht macht einen Satz, daß der Schlamm laut quatſcht. Die Krähen flattern entſetzt fort, denn ſie erſchraken zu ſehr. Aber ſchon ſind ſie wieder da. Eine fliegt an den Grabenbord. Hops, macht der Hecht einen Sprung in die Höhe und die Krähe einen zur Seite. Jetzt kommt auch die andere. Mit viel Kopfverrenkungen und Hals: verdrehungen gehen ſie bis dicht an das ſchlammige Waſſer. Der Hecht liegt wie tot da, ab und zu nach Luft ſchnappend. Ob ich es wage? denkt die eine Krähe und ſchreitet in das Waſſer hinein. Einen fürchterlichen Hieb läßt ſie auf das Genick des Fiſches herniederſauſen und fährt ſofort zurück, aber doch nicht ſo weit, daß ſie nicht ein gutes Teil von der roſtbraunen Brühe abbekäme, die der Schwanz des Fiſches umherſtreut. Aber jetzt liegt er ſtill. Die andere Krähe wackelt heran. Das ſaß! Mitten in das eine Auge fuhr ihr Schnabel. Hoch wirft ſich der unglückliche Fiſch empor, und die Krähen weichen zurück, aber ſobald er wieder liegt, trifft ein Schnabelhieb ſein linkes Auge, daß er geblendet iſt. Er ſchießt nach rechts, er fährt nach links, und jedesmal, wenn er an das Ufer kommt, trifft ihn ein ſicherer Hieb. Jetzt bleibt er auf der Seite liegen und öffnet verendend den Rachen. Es regnet Schnabelhiebe. Noch ein Sprung, ein wildes Plätſchern, und dann dreht er den weißen Bauch nach oben. So, das wäre gemacht! Aber bei der ſchweren Arbeit hat man ganz vergeſſen, aufzupaſſen, ob die Luft rein it. Das Krähenmännchen ſchwingt 106 ſich in die Eiche und ſpäht umher, fliegt dann auf die Spitze der Sichte gegen— über, äugt rechts und links den Bach hinauf und hinab, ſteigt empor und über— ſieht die Geſtelle und taucht wieder in das Aſtgewirr hinab. Da unten iſt das Weibchen ſchon mitten in der Arbeit. Es hat ſolange unter der Kiemen— ſpalte herumgehackt und -gezerrt, bis die Haut zerriß. Leber iſt das Seinite, was es auf der Welt gibt, aber das Allerfeinſte iſt doch Hechtleber, voraus— geſetzt, daß es keine Quappenleber gibt, denn das iſt die Höhe der Gefühle. H. Schumann. Bismark i. Altın., Oktober 1005. Nebelkrähe. Slugbild. „Cherr,“ jagt das Männchen leiſe, und das heißt: „Laß mir auch etwas übrig!“ Das Weibchen hat dazu keine Luſt und beſieht für ſeine Happigkeit einen Schnabelhieb. Nun langt das Männchen in die Bruſtöffnung und zerrt die Leber hervor, und das Weibchen reißt das Herz heraus, verſchlingt es, flattert empor, um nachzuſehen, ob nicht unterdeſſen der Hegemeiſter mit ſeinem Schießgewehre näher gekommen iſt. Aber weit und breit iſt nichts zu ſehen, als der alte Bock, der ſein Baſtgehörn ſpazieren führt, und auf dem Ende der Schneiſe der Haſe, der da junges Gras mümmelt. Und wenn 107 auf dem einen Ende des Geſtelles ein Reh und auf dem anderen ein Haſe ſich vertraut äſen, dann iſt dazwiſchen alles in Ordnung. Man kann alſo getroſt weiter veſpern. Hecht iſt ganz entſchieden beſſer, als ein alter Knochen mit wenig daran und viel Aſche darum und Dutzenden von neidiſchen Schnäbeln in der Nähe, ganz entſchieden iſt er beſſer. Es iſt nur ſchade, daß er bloß eine Leber und ein Herz hat. Aber das Kückenfleiſch iſt auch nicht zu verachten, obgleich das Bauchfleiſch noch zarter iſt. Ganz vorzüglich aber iſt das Gehirn; viel gibt es davon nicht, aber der Geſchmack it faſt jo gut, als der von halbbebrüteten Kiebitzeiern oder nackten Jungmäuſen. Aber was war das da eben? Das klang ja beinahe, als wenn der häher warnte. Tatſächlich, es iſt der häher; er warnt gefährlich. Darum von der Erde weg auf einen ſicheren Aſt. Hier iſt irgend etwas nicht in Ordnung. Der Bock hat mit dem Aſen aufgehört und tritt in den Beſtand, der Haſe macht einen Kegel und jetzt ſetzt er über den Graben. Aber der Förſter iſt nirgendswo zu ſehen. Was mag nur los ſein, daß der häher ſo fürchterlich ſchimpft? Ach jo, Reineke Rotvoß, der Schleicher iſt es? Da taucht er auf der Brücke auf und prüft den Wind, und jetzt ſchnürt er unter dem Winde gerade auf den hecht los. Das geht nicht, geht auf keinen Fall! Das wäre ja noch ſchöner. Erſt quält man ſich eine volle Stunde mit dem Fiſche ab und nun ſoll man ihn loswerden? „Narr“ und „Kerr“ erſchallt es über dem Fuchſe. Oerdutzt bleibt er ſtehen und äugt falſch nach oben. Dann ſchnürt er weiter. Und wieder krächzt es und ehe er es ſich verſieht, hat er einen Stich weg und jetzt wieder einen und während er wild nach links ſchnappt, hat er rechts noch einen Schmiß fort und das Gekrächze wird immer ſchlimmer, denn nun ſind es ſchon vier Krähen und wer weiß, ob nicht bald ſechs oder acht da ſind. Mit einer mächtigen Flucht taucht der Fuchs in der Dickung unter. Die vier Krähen ſitzen rechts und links von der Schneiſe auf den Alten und verpuſten ſich. Dann ſtiebt das eine Paar ab und das andere kehrt zu dem Hecht zurück. Im Holze fällt ein Schuß und wütendes Krähengeſchrei folgt darauf. Das Krähenpaar ſteigt über den Wald und kreiſt. Da unten im Bruche kreiſt ein Krähenmännchen und kreiſcht jämmerlich, und durch das Bruch geht der grüne Mann mit ſeinem roten Hunde und an ſeinem Ruck— jacke baumelt etwas Blankes, Schwarzes hin und her. Hoch über ihm kreiſt ſchrecklich Krächzend das Männchen. Langſam rudernd folgt das Krähenpaar bis an die Waldkante nach und baumt dort auf. Der Mann und der Hund verſchwinden in der großen Wieſe, hinter der das Dorf liegt. Da fliegt das Paar zurück. Das verwitwete Männchen geſellt ſich zu ihm. Es tut anfangs ſo, als läge ihm nur an der Geſellſchaft etwas, aber das andere Männchen weiß, mit welchen Plänen es 108 K. Spengler. Rothehütte, Mai 1908. Junge im Neſt. umgeht und ſobald es nahe kommt, ſticht es nach ihm. Das Gequarre iſt bald hier, bald da im Walde, bald über den Kronen, bald im Geäſte, jetzt auf der Wieſe und nun im Bruce. Schon hat der Kauz gerufen, die Graudroſſel ſtellte ihr Singen ein, kein Rotkehlchen tickt mehr im Unterholze, die himmels— ziegen meckern ſchon über der Wieſe, der Mond ſteht auf dem Walde, und immer noch geben die Krähen keine Ruhe. Das rechtmäßige Männchen jagt ſein Weibchen vor ſich her und in den dickſten Fichtenbeſtand hinein, aber er wird den Nebenbuhler nicht los und jo müde es auch iſt, es muß ihn immer abwehren. Erſt als Wolken ſich über den Mond ſteigen, hört der Cärm auf. Ein grauer Morgen kommt herauf; die Luft iſt weich und warm. Morkend und pfuitzend ſtreicht eine Schnepfe über die Blöße. Langſam ziehen die Rehe das Geſtell entlang. Laut heult der Kauz. Irgendwo in den hohen Föhren ſchläft das Krähenpaar, aber der Krähenwitwer iſt ſchon wach. Er ſitzt auf dem Wipfel der Eiche und hält Umſchau nach dem Paare, denn er denkt den Kampf um das Weibchen fortzuſetzen. Es wird 109 F, Heatherley. Schottland, Mai 1900. Nebelkrähe, die Jungen fütternd. heller und heller. Die Rotkehlchen ticken überall, die erſte Droſſel pfeift, die himmelsziegen hören mit ihrem Gemecker auf. Dem Krähenwitwer wird das Warten zu langweilig. Er ſtreckt den Kopf vor, bläſt die Kehle auf und wirft ſeinen hohlen Balzruf in die Stille. Ein ſanftes „Arr“ und ein wütendes „Err“ antwortet ihm aus den hohen Föhren. Er wirft ſich von ſeinem Aſte und ſchwebt über die Lichtung. Noch iſt er nicht in der Mitte, da löſt ſich ein brauner Wiſch aus der Eiche und flattert hinter ihm her. Ein jämmerliches Ungſtgeplärre ſtößt er aus, denn er fühlt die acht Krallen des Habichtes in ſeinen Weichen. Sein Angſtruf findet doppelten Widerhall. 110 RR Le, Heatherley. Schottland, Mai 1900. Junge, nahezu flügge Nebelkrähen im Neſt. Sort iſt alle Eiferfucht, aller haß bei dem Krähenmännchen, ſauſenden Fluges, laut um hilfe ſchreiend, ſtreicht es heran und hinter ihm her folgt das Weibchen. Mit todhaßwütendem Quarren haſſen beide auf den Habicht und hetzen ihn durch den Wald. Don der Wieſe, von dem Moore, von den weiden kommt Zuzug; alle die Krähen, die in dem Walde ſchliefen und auf der Fahrt nach dem großen Schuttplatze vor der Stadt waren, wenden um und eilen herbei. Aus hundert ſchwarzen Schnäbeln klingt das haß— erfüllte Arr, Err und Orr und laut tönt das Saufen und Brauſen der vielen Schwingen über dem Forſte. 111 Dem Habicht wird ſchwül. Er flattert niedrig über den Boden im Alt: holze hin und ſucht ein Deriteck. Wo die vier jungen Fichten ſich eng anein— ander drängen, fällt er ein und ſchlüpft unter, die tote Krähe feſt im Griffe haltend. Aber den Krähen entgeht er nicht. Err, klingt es hier, Arr, tönt es da, und rund um den Buſch krächzt und quarrt und ſauſt es hundertfach. Eine kleine Weile hält er den Lärm aus, dann aber fällt er ihm auf die Nerven und plötzlich bricht er hervor und ſtiebt der Kieferndickung zu. Aber ein Dutzend Krähen verlegen ihm den Weg und zwingen ihn, umzukehren, und dort iſt wieder ein Dutzend und dort noch eins. Am Fuße der alten Eiche flattert er nieder, immer noch die Krähe im Fange haltend. Sein krummer Schnabel iſt weit offen, ſeine bunte Bruſt geht auf und ab, ſeine Flügel ſind geſpreizt, ſein Stoß weit gefächert. Err, da haſt du eins! Arr, und noch eins! Grr, und das von mir! Kerr, und eins von mir dazu! Dicht über ſeinen Kopf hin ſauſt es unaufhörlich, und ſeine gelben Augen gewahren nichts, als ein betäubendes Geflatter von ſchwarzen, ge— ſpreizten Schwingen und einen Wirbel blanker Leiber. Überall Krähen, in der Luft, am Boden, auf den Bäumen, und in jedem Augenblicke werden es mehr. Er ſieht es ein, hier hilft ihm nur die Flucht. Mit jähem Rucke ſchwingt er ſich auf und ſtreicht erſt niedrig über den Boden hin, ſteigt dann und ſucht die dichte Fichte zu gewinnen. Aber vier Krähen kommen ihm ent— gegen und er macht einen Bogen nach der Föhrendickung. Aber auch dort geht es ihm nicht beſſer und wieder muß er herunter und an dem Stamme der Fichte Rückendeckung nehmen. drei, vier, fünf, ein ganzes Dutzend der ſchwarzen Kächer ſitzen um ihn herum auf dem Boden und in den Sweigen und ſchreien ihn mit heiſeren Stimmen an, und über ihm ſchreit und ſauſt und hinter ihm kreiſcht und brauſt es. Da läßt er ſeine Beute fahren, ſchwankt im Sickzack um die Stämme und ſtürzt ſich in das krauſe Aſtwerk einer Föhre, um in demſelben Augenblicke im Donner des Schuſſes herabzuſtürzen. Er war dem hegemeiſter gerade vor das Rohr gekommen. Der hörte die wilde Jagd herankommen und drückte ſich hinter einen Stamm. Mit Entſetzensgeſchrei ſtiebt das Krähenvolk auseinander, kreiſt lärmend noch einige Seit über dem Forſte und verteilt ſich. Das eine Paar aber ſtrebt dem Bache zu, um den Reit des Hechtes zu verzehren. Aber es iſt nichts mehr zu finden; über Nacht war der Iltis da und hat blanken Tiſch gemacht. So geht es denn nach den Wieſen. Da gibt es Mäuſe und Maul— würfe und wenn die nicht zu finden ſind, Fröſche. Die Tümpel ſind voll von laichenden Taufröſchen. Ruhig und bejonnen ſpazieren die beiden Schwarzröcke in der Wieſe umher. Da iſt eine Raupe und hier ein Käfer und dort ein Wurm und da wieder einer, und da hüpft ein junges Moor— froſchmännchen, den Kopf voll von Liebesgedanken; ſie alle ſterben einen 112 Rüdiger. Reichenbach, ro. Marz 1908. Nebelkrähe auf Ajt. ſchnellen Tod. Aber was iſt das da? Bewegte ſich dort nicht die Erde? Ganz vorſichtig und doch ſchnell geht die Krähe näher, bis ſie dicht an dem Maulwurfshaufen iſt. Mit ſchrägem Kopfe ſteht ſie da und lauert. Jetzt bewegt ſich die Erde wieder, der Haufen vergrößert ſich und mitten darin taucht ein roſenrotes Schnäuzchen auf. Gerade als es verſchwinden will, hackt der ſpitze Schnabel zu und reißt den Maulwurf heraus. heftig ſtrampelt er, aber es hilft ihm nichts. Die Klauen der Krähe greifen ihn und drei ſichere hiebe mit dem Schnabel machen ihm den Garaus. Auf dem Aſte der breitkronigen Eiche wird er verſpeiſt. vögel II. 8 113 Die andere Krähe wackelt an dem Waldgraben entlang. Ein halb: wüchſiges Waldmäuschen hat ſchon daran glauben müſſen und nach ihm eine junge Waldeidechſe, die heute zum erſten Male nach langem Winterſchlafe die Sonne ſah. Aber was iſt das da in dem welken Laube unter dem Weiß— dornbuſche? Ein graubraunes Wollklümpchen, ſogar zwei! Hick had, hick hack, iſt die Krähe beim böſen Werke. Ein jämmerliches Guietſchen EWR ge — * . Steckel. Ostpreussen, 9. November 1908. Nebelkrähe auf Treibeis Futter juchend. ertönt und ſofort it die zweite Krähe auch da. Hick hack, hick hack. Aus iſt es mit den beiden friſchgeſetzten Junghäschen. Geſtern Fiſch, heute Haſen— braten. Ach ja, es läßt ſich hier ſchon ganz gut leben. Noch acht Tage, dann legen die Kiebitze. Sie machen freilich einen jchrecklichen Lärm, nimmt man ihnen die Eier fort, aber das wird man allmählich gewöhnt. Und was noch ſonſt alles im Walde brütet! Da iſt die Singdroſſel und die Amſel und der Fink und die Ammer, und im Moore ſind Pieper und Bekaſſine und, nicht zu vergeſſen, das Birkhuhn und die Krickente. Und im Walde 114 gibt es Blindſchleichen, Glattnattern und Kreuzottern, die alle ganz gut ſchmecken, und wenn im Bache die dummen Neunaugen laichen, iſt es ein Hauptſpaß, ſie ſamt dem Steinchen, an dem ſie feſtſitzen, an das Ufer zu zerren. Auch Schmetterlinge gibt es mit Leibern, jo dick, wie eine junge Maus, und Käfer, fett wie Schnecken, und unterſchiedliche Arten von Mäuſen. Ja, es iſt ein vorzüglicher Wald, dieſer Wald hier, ein wahrer Prachtwald. M. Steckel. Ostpreussen, November 1908. Nebelkrähe auf Treibeis. Nur vor dem Sörſter muß man ſich zu wahren wiſſen, denn der iſt noch ge— fährlicher, als Fuchs und Habicht. Aber dafür iſt er auch meiſt ſo unvernünftig grünſpangrün angezogen, daß eine halbwegs geweckte Krähe ihn ſchon von weitem äugt. Und auch dann, wenn er Walduniform anhat, kennt man ihn leicht, denn ſein Geſicht leuchtet weithin im Walde und ſeine Flinte blitzt noch weiter in der Sonne. Das aber, was da ankommt, das iſt einer von den Menſchen, die keiner Krähe etwas tun, denn er geht ſchnell und flötet dabei. Und gr 115 der große Raubvogel, der dort angeſegelt kommt, iſt ein ganz ungefährlicher Buſſard. Aber deswegen kann man ihn doch fortjagen. Laut quarrend haſſen die Krähen auf den Mäuſejäger, treiben ihn über die Wieſe und kehren dann zurück. Es war nur einer von den Späßen, die ſie ſich gern erlauben. Auch der Hund, der da herumbummelt, hat dort nichts zu ſuchen. Alſo: auf ihn! Schon macht er, daß er nach dem Dorfe kommt. Sieh, ſieh, alſo darum ſchnüffelte Spitz dort umher! Er hat ein Jung— häschen gewittert. Nun, das können Krähen noch beſſer gebrauchen, als ein Hund. Aber es kann ſchon hübſch laufen und drückt ſich in das Eichengeſtrüpp. Hick, hack! Es geht ja ſchwer, die Schnäbel durch das Gezweig zu bringen, aber Ausdauer führt zum Siele. So, der Hieb ſaß! Jämmerlich klagt der Kleine. Aber was iſt das da, was da angeſtoben kommt? Wahrhaftig, die Alte! Nun wird der Fall verwickelt, denn jo eine Haſenmutter verſteht niederträchtig zu trommeln. Da fliegen ſchon eine Feder, und da noch eine. Tatſächlich, es iſt keine Möglichkeit, an den Junghaſen heranzukommen, einmal der Sweige wegen, und dann, weil die Alte ihn deckt. Aber horch, klagt drüben an dem Teiche nicht noch ein Junghaſe? Es iſt ſo. Alſo dahin! Halt, halt, zurück, es it der Grünrock! Aber da donnert der Schuß ſchon, wie ein ſchwarzer Lappen fällt das Krähenmännchen auf die Wieſe und das Weibchen fuchtelt mit Angſtgetöſe von dannen. „Gelichter!“ brummt der Sörjter, hängt die Krähe in den hühner— galgen und geht heim. Abends iſt er wieder draußen mit ſeinen Söhnen und baut ſich aus Fichtenzweigen einen dichten Schirm um vier Pfähle, und am Morgen ſitzt er darin und davor auf der Juhle, mit den bernſtein— gelben Glotzaugen um ſich ſpähend, Hans, der Uhu. Ein Häher flattert über die Wieſe, äugt die Eule, baumt in der Eiche auf und ſchimpft mörderiſch. Endlich ſtreicht er ab. Ein Brachvogelpaar kommt flötend angeſchwebt, haßt auf den Uhu und zieht weiter. Ein Krähenpaar rudert in hoher Luft dahin, wendet, kreiſt, krächzt Mord und Brand, ſtößt auf den Uhu und baumt auf. Ein Doppelſchuß erdröhnt und beide ſtürzen in die Wieſe. Eine einzelne Krähe ſtreicht vorüber, äugt den Uhu, ſtößt ein Angſtgekreiſche aus und macht, daß ſie fortkommt. Der Förſter lacht in ſeinen Bart hinein; er weiß, daß es eine alte Standkrähe iſt, die ganz genau Beſcheid weiß, daß der Uhu ſchießen kann. Aber jetzt kommt ein Krähenpaar angeſtrichen und ſtößt auf den Uhu. Die eine fällt im Feuer, die andere verliert zwei Schwanzfedern und rettet ſich mit Angſtgekrächze in den Wald. Es iſt das Weibchen, das vorgeſtern den Hecht und geſtern die Jung— haſen entdeckte. Swei Tage bleibt es ledig, am dritten hat es ein Männchen. Es iſt keine Rabenkrähe, dafür hat es am Rumpfe zu viel Grau, und es iſt auch keine Nebelkrähe, denn das Grau iſt zu trübe. Es iſt ein Baſtard. Seine Mutter war eine Rabenkrähe, ſein Dater eine Nebelkrähe, die aus 116 irgendeinem Grunde diesjeits der Elbe blieb und ſich eine ſchwarze Ge— fährtin ſuchte. Das Baſtardmännchen it ein Oberſchlauberger. Seine Frechheit iſt geradeſo groß, wie ſeine Dorlicht. Es ſtiehlt dem Oberholzhauer ſein Butter— brot und geht ſchon auf tauſend Schritte ab, wenn der grüne Rock des Förſters auftaucht, aber es geht zwei Fuß hinter dem pflügenden Knechte her und lieſt die Engerlinge, Drahtwürmer und die Eulenpuppen auf, die die Pflug— ſchar zutage bringt. Es beläſtigt den Habicht ſolange, bis der es vorzieht, nicht mehr in dieſer Ecke zu jagen, und es paßt ſcharf auf die Kiebitze auf, und ehe ſie es ſich verſehen, hat er das Gelege gefunden und frißt die Eier aus. Selbſt beim ſcheußlichſten Regenwetter und beim eiſigen Oſtwinde weiß es Nahrung zu finden. So paßt es gut zu dem ſchwarzen Weibchen, das ſehr klug veranlagt, aber ein Jahr jünger und darum unerfahrener iſt, und wenn auch zwei Rabenkrähenmänndyen es ihm eine ganze Woche lang ſtreitig machen, ſeine Unverſchämtheit treibt ſie ſchließlich in die Flucht. Nun gibt es gegen Mittag ein ſeltſames Leben in dem ſumpfigen Erlenbeſtande bei dem Bache. Quarrend und ſchnalzend treibt die graue Krähe die ſchwarze, bis ſie ſich gibt, und dann gaukelt das Männchen um ſie herum, ſchnalzt ihr ſeinen ſonderbaren Singſang vor und macht ſich mit Schnabelklappen und Schwingen— geſchwirre ſo niedlich, wie es nur kann. Der alte Bock, der hier ſeinen Stand hat, äugte erſt ganz verdutzt, als das Geflügel und Geflatter über ihm losging, aber er gewöhnte ſich ſchnell daran. Etwas unheimlicher aber wird es ihm, als es einige Tage darauf immer knick, knick geht, gerade als wenn ein Menſchenfuß beim leiſen Pürſchen ab und zu einen dürren Stengel abträte. Das ſind die beiden Krähen, die von Baum zu Baum fliegen und bald hier, bald da einen Sweig abbrechen. Das machen ſie ſo heimlich und geräuſchlos, als handele es ſich um ein ſchweres Verbrechen, und es ſind doch nur wertloſe Erlen- und Birkenreiſer, und keine Tragreiſer von Edelobſt, wie ſie die Krähe, wo ſie ſie haben kann, mit Vorliebe zum Unterbau für ihren Horſt nimmt. Aber auch an das leiſe Abknicken gewöhnte ſich der Bock ſehr bald und in wenigen Tagen fand er heraus, daß die neue Nachbarſchaft für ihn von Mutzen ſei. Es iſt ja der Saunkönig da, das Rotkehlchen, der Laubvogel, die Weiden— meiſe, die Singdroſſel, die Amſel und der häher, die ihm alle jeden Menſchen anzeigen, aber auf keinen von ihnen iſt ſoviel Derlaf, wie auf die Krähen. Da iſt nichts auf eine Diertelmeile im Umkreiſe, das ihnen entgeht und das ſie nicht vermelden. Jeden Menſchen, der ſich blicken läßt, verkündigen ſie, aber auf unterſchiedliche Art. Die Waldarbeiter und die Kinder, die Dürrhoß leſen, werden anders angeſagt, als der Käferſammler, denn er iſt den Krähen fremd, und anders iſt der Ruf, der den Gendarm offen— 1 R. Hilbert. Rathenow, Februar 1909. Nebelkrähe. bart, der ab und zu durch den Wald geritten kommt. In dem Krr oder Krah, mit dem dieſe Leute gemeldet werden, liegt weiter nichts, als die Feſtſtellung einer mehr oder minder bemerkenswerten Tatjache; läßt ſich dagegen der Forſtläufer blicken oder der Hegemeiſter oder gar der Forſt— meiſter, der ſchon ſeit drei Jahren den alten Bock waidwerkt, dann klingt der Warnruf ſo gellend, daß der Bock ſofort Beſcheid weiß. Aber die Krähen haben auch wieder von dem Bocke Nutzen, denn er hat einen Sinn mehr als ſie, die Naſe, und wenn der hegemeiſter ſich auch noch jo vorſichtig unter dem dichten Gezweige der Fichten heranpürſcht, um zu ſehen, ob er nicht die Krähen beſchleichen kann, die ihm das Faſanengelege plünderten, des Bockes dröhnender Baß verrät ihn. Außerdem ſind noch die hellſich— tigen Tauben da, die mit klatſchendem Flügelſchlage abreiten, naht ſich irgend etwas Derdächtiges dem Bruche. So können die Krähen in Muße in der hochſchäftigen, dichtkronigen Kiefer, die ſich zwiſchen den Erlen und Birken erhebt, ihren Horſt bauen und ungeſtört ihre Eier ausbrüten und in Frieden ihre Jungen groß: 118 R. Hilbert. Rathenow, Februar 1909. Nebelkrähe. ziehen, zumal es an Futter nicht gebricht. In dem Bruche ſelbſt und an den Rändern der Gräben wimmelt es von grünen und braunen Fröſchen, da ſchlüpfen mehrere Arten Mäuſe, auf den Geſtellen ſind vielerlei Heu— ſchreckhen und Käfer und das Unterholz birgt eine Menge von Nejtern mit leckeren Eiern und fetten Jungvögelchen. Die Felder, Wieſen und Weiden vor der Forſt wimmeln von allerhand Getier und in den Brüchen und Mooren iſt noch mehr davon zu finden. Das Krähenpaar hat es leicht, ſeine Jungen ſatt zu bekommen, und fortwährend fliegen die Alten auf und ab und ſchleppen Atzung heran, den Miſtkäfer wie die Maus, die Eidechſe und die Kreuzotter, den jungen Kiebitz und die eben ausgeſchlüpfte Mrick— ente, und die Jungen wachſen und gedeihen und ſind in wenigen Wochen ſo groß, daß fie den Neſtrand ganz platt getreten haben. Moch einige Wochen ſpäter ſitzen fie ſchon in den Sweigen der Kiefer und flattern bald den Alten etwas entgegen, bis der Tag kommt, daß ſie den Horſt verlaſſen und mit unſicheren Flügelſchlägen in ſchrägem Fluge über das Bruch hin— flattern. Für zwei von ihnen iſt der erſte Flug der letzte; das eine ſchlägt 119 der Habicht, das andere reißt der Fuchs. Die drei anderen aber, eine ſchwarzgraue, wie der Vater, und zwei kohleſchwarze, wie die Mutter, kommen glücklich davon. Nun hebt ein herrliches Leben an. Den Morgen und den Dormittag lernen die Jungen unter Führung der Eltern auf den Wegen und Wieſen ſich ihre Nahrung ſuchen. Anfangs iſt das recht ſchwer, denn der Heuhüpfer kann mächtig ſpringen, die Fröſche ſind ſcheußlich flink und die Maus iſt immer r R. Hilbert. Rathenow, Februar 1909. Nebelkrähe im Schnee laufend. gerade da geweſen, wo der Schnabel eben hinhackt, die Blindſchleiche hält ſich im Graſe ſchrecklich feſt und die Eidechle iſt ſchon längſt verſchwunden, ehe man ſie recht gewahrt hat. Manche Dinge ſieht man überhaupt nicht. Da liegen in einem runden Coche im Graſe fünf kleine runde buntgeſprenkelte Steine. Steine ſchmecken nicht, alſo läßt man ſie liegen. Aber die Mutter holt einen hervor, beißt ihn durch und ſiehe da, es iſt etwas Weiches darin, das ganz ausgezeichnet ſchmeckt. Dann liegt da auf dem Sandwege ein hartes, rundes, ſchwarzes Ding, das ſich gar nicht bewegt. Wer kann 120 -qualpnl ang siagıap nv "uayvayjagaey FOOT “agıuanoy ve a 4 N es willen, daß es ein Pillenkäfer iſt? Der Dater, und nun wiſſen es die Jungen auch. Und Eidechſen fangen, das iſt gar nicht jo ſchwer. Man wartet, bis ſie in ihr Sandloch geſchlüpft iſt, und dann ſtellt man ſich ſo, daß man ſeinen eigenen Schatten hinter ſich hat, und rückt und rühret ſich nicht, und wenn es eine Viertelſtunde dauert. Sobald ſie aber herauskommt, wupps, zugehackt, und man hat ſie. Ebenſo iſt es mit der Maus und mit dem Maulwurf iſt es ähnlich, nur daß man bei dieſem darauf achten muß, wo M. Behr. Cohen, Februar 1909. Nebelkrähe. Spur im Schnee. jih das Sallaub oder die Erde bewegt. Anders iſt es wieder mit den jungen Lerchen, Piepern, Bekaſſinen und Kiebißen. Die ſind auf einmal ver— ſchwunden, als wären ſie in die Erde gekrochen. Aber wenn man genau zuſieht, dann liegt hier ein Ding, das ſieht wie ein verſchimmeltes Stück Schafdung aus, und faßt man zu, dann hat man einen Jungvogel. Noch vielerlei gibt es, was die Jungen lernen müſſen. Die großen Tiere, die auf zwei Beinen gehen, ſind ſehr gefährlich, denn das ſind Menſchen. Manche ſind harmlos, aber ſo genau kann man das nie wiſſen. 121 Wenn fie beim Gehen Lärm machen oder auf Wagen ſitzen, ſind ſie meilt unſchädlich, und auch alle die, die unten breiter als oben ſind, und von deren Beinen man nur kleine Stücke ſieht, haben nichts zu bedeuten. Man tut aber immer gut, ſie nicht auf mehr, als auf hundert Flügelſchläge herankommen zu laſſen. Die einzigen Menſchen, denen man trauen kann, das ſind die, die hinter zwei Pferden das Feld auf und ab gehen und den Boden wund machen, jo daß allerlei Getier zum Dorjcheine kommt, und auch die, die im Walde graben oder Bäume umhacken, ſind im allgemeinen nicht zu fürchten. Aber die, die grün ausſehen und auf der linken Schulter etwas Blankes und hinter ſich meiſt einen Hund haben, das ſind die aller— ſchlimmſten und jede anſtändige Krähe hat die Pflicht, es weit und breit an— zuſagen, wenn ein grünröckiger Menſch in Sicht kommt. Man iſt nie vor ihnen ſicher und wo irgendein Buſch oder ein Strauch oder ein Graben iſt, da muß man, wenn man beim Mauſen oder Neſterſuchen iſt oder ſonſt etwas vorhat, ab und zu in die Höhe fliegen und ſpähen, ob nicht in dem Graben oder hinter dem Buſche ein ſolcher Menſch ankommt. Außerdem hat man ſorgfältig auf das Benehmen aller klugen Tiere acht zu geben. Solange der Bock ſich äſt und der Haſe rund iſt, iſt die Luft rein; wenn aber der Bock aufwirft und der Haſe lang wird, iſt irgend etwas nicht in Ordnung. Da, wo die Grille zirpt oder der Froſch quarrt, iſt keine Gefahr; wenn aber die Tauben ſehr laut abſtreichen, wenn ein Vogel warnt oder der Häher oder der Specht oder der Kiebitz Lärm ſchlägt, dann iſt irgend elwas in Unordnung, und wenn der haſe oder der Bock plötzlich wegläuft oder der Bock laut ſchimpft, dann iſt die Sache ſehr bedenklich. Es iſt unglaublich viel, was eine junge Krähe alles lernen muß, ehe ſie ohne die Eltern in der Welt fertig werden kann. Es iſt zum Beijpiel ganz ungefährlich, um die Seit, wenn die Bauern alle auf der Wieſe beim Heuen ſind, zwiſchen ihnen herumzugehen und nach Jungmäuſen und Käfern zu ſuchen. Dagegen muß man, wenn man ſich im Dorfe Kirſchen holen will, ſehr dabei vorſehen. Manchmal ſteht ein Menſch auf dem Selde und rührt ſich nicht; dann iſt es gar kein Menſch, ſondern eine Dogelſcheuche, aber man tut doch gut, alles, was ungefähr wie ein Menſch ausſieht, erſt lange Seit zu beobachten. Wenn ein Menſch ſich auf dem Felde zu ſchaffen macht und geht fort und man findet dort nachher ein Stück Fleiſch, das iſt immer hochverdächtig. Findet man im Walde eine Eule, ſo darf man ſie ſoviel plagen, wie man will; ſitzt aber auf freiem Felde die große Eule auf einem Pfahle, ſo iſt die Sache faul, denn dieſe Eule kann ſchießen. Wenn man zu mehreren iſt, muß man den Habicht fortjagen; iſt man allein, ſo tut man gut, ſich zu verſtecken. Das alles und noch viel mehr lernten die jungen Krähen den Sommer über unter Führung der Alten. Sie lehrten fie, im Bogenfluge am Rande 122 des Roggenfeldes entlang zu fliegen, eine ähre zu haſchen und abzureißen und ſie, wenn ein bis zwei der milchigen Körner herausgepickt waren, fortzuwerfen und ſich eine neue zu holen. Sie lehrten ſie die Stellen unter JM: Behr. Cothen, Marz 1909. NRebelkrähe, Futter ſuchend. den Brücken zu finden, wo ſelbſt um die mittagszeit das Waſſer kühl iſt, und zeigten ihnen die Buchten im Fluſſe, wo die abgeſtandenen Fiſche und die ertränkten jungen hunde und Katzen antreiben. Sie wieſen ihnen die blauen Fliegen und rot und ſchwarz geſtreiften Käfer, die unfehlbar anzeigen, 125 R. Zimmermann. Rochlitz, Mai 1909. Junge Rabenkrähe. wo ein totes Tier oder ein Wildgeſcheide liegt, und machten es ihnen klar, wie man aus dem Benehmen eines Hajen oder eines Dogels erkennt, wo er ſeine Jungen oder ſeine Eier hat, und wie man es macht, dorthin, wo ein Schuß fällt, vorſichtig heranzuſtreichen und aufzupaſſen, ob man nicht ein Stück Wild findet, das dem Jäger entgangen iſt. Wenn der Wind kalt von Oſten kommt, iſt auf dem Moore wenig zu finden, um jo mehr aber, iſt die Luft ſtill und ſcheint die Sonne ſehr warm. Wenn ein haſe klagt, kann man nie wiſſen, ob es ein Haſe oder ein Menſch iſt, der Krähen ſchießen will; deshalb muß man vorſichtig von hinten und in guter Deckung heran— ſtreichen. Findet man ein größeres Tier, das krank iſt, ſo hackt man ihm zuerſt die Augen aus, damit es nicht fortlaufen kann. Der ſchlimmſte Fehler für die Krähe iſt die Einſeitigkeit. Iſt in Wald und Moor auch noch ſo viel Futter, ſo muß man doch ab und zu zu Felde fliegen oder bei dem Dorfe herumſtöbern, damit man ſich in der kargen Seit dort zurecht findet. Wenn es irgend geht, ſoll ſich die Krähe Geſellſchaft ſuchen; vier Augen ſehen doppelt ſoviel, als zwei und je mehr da ſind, um ſo beſſer iſt es. 124 R. Zimmermann. Rochlitz, Mai 1909. Junge Rabenkrähe. Der Sommer geht hin, der Herbit zieht in das Land; die einzelnen Krähenfamilien ſchlagen ſich zu Flügen zuſammen und treiben ſich, bald ſich für ſich haltend, bald mit Dohlen und Saatkrähen gemiſcht, im Lande umher, heute in den Marſchen, morgen auf den Stoppeln der Geeſt, über— morgen auf den Rübenfeldern des Lehmlandes, ungeheure Mengen von Draht— würmern, Engerlingen und Mäuſen vertilgend und Maſſen verweſender Stoffe forträumend, auch manches angeſchoſſene Kebhuhn, manchen kümmernden Hafen überfallend und tötend. Sinkt der Abend über das Gefilde, färbt ſich der himmel roſig, dann ziehen ſie, geführt von den ortskundigen Stücken, krächzend und quarrend nach einem fernen Walde, ihn noch eine Stunde lang mit dem Getöſe ihrer rauhen Stimmen und dem Kauſchen ihrer harter Schwingen erfüllend, bis der letzte Koſenſchein am Himmelsrande erliſcht und die Nacht hereinbricht. Jeder Morgen bringt dem Fluge neuen Zuzug; und um das dreifache nimmt er zu, als Oſtelbien, Skandinavien, Rußland und Nordaſien die zahlloſen Mengen von Nebelkrähen in das Land der Rabenkrähen ſchickt. Da wird allmählich das Futter ſpärlich in Seld 125 und Wieſe, Moor und Heide, und immer mehr drängen die Scharen nach den Siedlungen der Menſchen, erſt nach den Dörfern, dann nach den Candſtädten, und zuletzt zu den Großſtädten, wo die Riejelfelder und Schuttplätze liegen, die allwinterlich die Tauſende und Abertaujende und Aberabertaujende von Krähen ernähren müſſen. * * * Es iſt viel über den Nutzen und Schaden der Krähen geſtritten worden. In der Jagopreſſe, die ſich bis vor kurzem noch auf einem ganz einjeitigen Standpunkte befand, wird die Raben- und Nebelkrähe als ein Dogel hin— geſtellt, die jagdlih nur Schaden ſtiftet. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß ein jo ſtarker und kluger Dogel allerlei Schaden in jagdlicher Hinſicht an— richtet. Auf weiter, buſchloſer Strecke iſt ein Nebelkrähenpaar imſtande, einen kümmernden Halen zu Tode zu hetzen, auch wird es einem Krähenpaare nicht allzu ſchwer fallen, ein friſchgeſetztes Rehkit zu meucheln. Der eben geſetzte Junghaſe, das Feldhuhn-, Faſanen-, Wachtel- und Entengelege, das die ſcharfen Augen der Urähen erſpähen, iſt verloren, und jo manches Junghuhn, ſo manches Faſanenkücken, ſo manche Jungente findet den Tod durch ihre Schnäbel. Das iſt die eine Seite der Sache. Bedenkt man aber, daß der Krähe in erſter Reihe kümmerndes, angeſchoſſenes und krankes Wild zum Opfer fällt, jo kann man von einem Nutzen ſprechen, beſeitigt ſie ſolche ſowieſo verlorenen Stücke, die zum Teil als Seuchenverſchlepper dem Jagdinhaber ſchweren Schaden ſtiften. Wenn ferner ein Feldhuhn, eine Faſanenhenne, eine Wildente ſo dumm baut, daß das Gelege von den Urähen erſpäht wird, ſo iſt es vielleicht auch gut, daß die Krähe dafür ſorgt, daß ſich die Ddumm— heit der Mutter nicht vererbe. Im allgemeinen bieten die Satz- und Hegezeit der Krähe ſoviel Kleingetier als Futter, daß ſie nur verhältnismäßig ſelten nach Wild ſuchen wird, und ſie wird in der Hauptſache von ſolcher Beute leben, die ihr, wie Inſekten, Mäuſe uſw. am bequemſten zugänglich iſt. So wird dort, wo die Krähen nicht gerade in zu großer Anzahl auftreten, was bei der Raben- und Nebelkrähe kaum irgendwo der Fall iſt, ihr jagd— licher Schaden durchſchnittlich geringer ſein, als man annimmt. Nachweislich ſtiftet ſie aber auch in anderer Hinſicht Unheil. Sie bricht zum Bau ihres lejtes mit Vorliebe die brüchigen Tragreiſer von OGbſt— bäumen ab, tritt außerdem, bejonders an Landſtraßen, an Obſtbäumen ſehr viel die Pfropfreiſer ab, plündert auch vielfach in ziemlich erheblicher Weiſe die Obſtbäume, beſonders die Kirſchen, reißt bei der Würmerſuche die Saat— büſchel heraus und pflückt milchige Getreideähren in ſolchen Mengen ab, daß ſie dadurch ganz erheblichen Schaden ſtiftet, plündert auch die Erbſen- und 126 Bohnenfelder. Dagegen jteht aber der ſehr große Nutzen, den ſie in landwirt— ſchafllicher Beziehung durch die Dertilgung von Engerlingen, Drahtwürmern, Maikäfern, Brachkäfern und Mäuſen, jtiftet. Somit dürfte Regierungsrat Prof. Dr G. Rörig von der Derjuchsanitalt für Land- und Forſtwirtſchaft zu Dahlem, der Tauſende von Krähen auf ihren Mageninhalt unterſuchte und die Ergebniſſe veröffentlichte, recht haben, wenn er behauptet, daß, von Sonderfälle und Sonderverhältniſſen, wie ſie für Faſanerien in Frage kommen, abgeſehen, die Raben- und Nebelkrähen in der Hauptſache mehr Nutzen, als Schaden anrichten. Bei der Bewertung der Krähe darf aber nicht allein ihr unmittelbarer Nutzen in Frage kommen. Es iſt auch zu bedenken, wie ſchwer die Krähen dem Fuchs, dem Marder und dem habichte ihr Handwerk machen. Außer: dem, und das iſt auch ein wichtiger Punkt, iſt der äſthetiſche Wert der Krähen von großer Bedeutung. Ein blankes Krähenpaar auf der grünen Aprilſaat, der gelben Augujtitoppel oder dem weißen Schneefelde, ein Krähenflug, der unter dem graublau und rojenrot getönten Abendhimmel dahinzieht, der zärtliche Balzruf der Krähe im kahlen Dorfrühlingswalde, ihr Krächzen im ſturmzerzauſten Herbſtwalde, das alles gehört zu der deutſchen Landſchaft. Darum: ſchadet ſie auch hier und da, ſo ſoll der Jäger oder der Landwirt ſich ihrer erwehren, wie er kann; aber behalten wollen wir ſie in der Landſchaft, die blanke, kluge Krähe, Deutſchlands intereſſanteſten Großvogel. | Die Saatkrähe. | Don A. Bütow. Es war in den eriten Tagen des März, da ein heftiger Südweſtſturm ſich anjchickte, den Winter endgültig auszukehren. Dor feinem wuchtigen Anprall konnten ſich auch die wenigen Nachmittagsſpaziergänger kaum im Gleichgewicht halten. Einen dunkeln Dogelſchwarm trieb er blitzſchnell vor ſich her, denn kaum bemerkt, war er auch ſchon da; es waren in Dergeſell— ſchaft reiſende Saatkrähen und Dohlen. Aber nicht weiter ſchienen ſie ge— willt zu ſein, ſich von ihm treiben zu laſſen. Unter einem ohrengellenden Geſchwätz der deutlich unterſchiedlichen Stimmen — Kraa, kraa — Jäck, jäck, daah — hoben ſich die Dögel merklich höher zu einer dichten Maſſe — dem Winde entgegen. Doch was wollte dieſes Auflehnen bedeuten gegen eine trutzige Naturgewalt! Im Nu waren fie weit auseinander gewirbelt; jeder einzelne Dogel galt als Spielball des Windes; Flügel und „Steuer“ verſagten und die Federn waren durcheinander gewirrt! Nur wenn ſie dem Sturm für Augenblicke entgegenſahen, konnten ſie ihr Gefieder einigermaßen in ſittſamer Ordnung halten. Aber neue Windſtöße verſetzten fie immer wieder in die Kreiſelbewegung, hoben ſie höher und drängten ſie wider Willen vor— wärts und — „Dorwärts!“ ſo gellte auch der letzte Schrei einer Krähe aus, die am höchſten geſtiegen war und die Kommandogewalt zu verkörpern ſchien. In weniger als Sekundendauer waren die „Schwarzen“ und „Grauen“ aus dem Geſichtskreiſe wie weggeblaſen. — Diel iſt ſchon geſchrieben und mehr noch „verſchrieben“ worden über die Orientierung der Wandervögel, und dennoch iſt die Sache, weil natürlich, die denkbar einfachſte, die auch in dem Verhalten des Menſchen ihre Deutung findet. In der ODergeſellſchaftung, in der die Vögel reiſen — oft iſt es die augenſcheinlich „bunteſte“ —, bewährt ſich nicht allein die Führerſchaft der „Alten“ für die „Jungen“, ſondern erſtere laſſen ſich auch zum ſicheren Ziel leiten durch Auge und Gedächtnis. Sudem iſt das Luftmeer, namentlich zur „Reiſezeit“, zu vergleichen dem Ozean; ebenfalls belebt von „Seglern“, die ſich durch Signale über das „Woher“ und „Wohin“ verſtändigen. Erheb— lich verſpätete Schwalbenbruten, wie ſie uns auch Ende Oktober und Anfang November 1905 und 1907 vorkamen — die Sommer fielen ungemein kalt und naß aus — gingen in Norddeutſchland ſamt und ſonders ein, weil ſie 128 den „leitenden“ Anſchluß verfehlt hatten. Auch ſonſt iſt die Angelegenheit nach Eigenbefunden tatſächlich geklärt, daß in Fällen, wo die Führerſchaft verſagt oder die Keiſegelegenheit verpaßt tt, die Dögel in des Wortes eigeniter Bedeutung umherirren, welchen Standpunkt auch praltiſche Forſcher, u. a. auch die Gebrüder Adolf und Karl Müller, vertreten, die im Jahre 1905 ein nach dieſer Beziehung überzeugendes Beweismaterial in der „Ornitholo— giſchen Monatsſchrift“ feſtgelegt haben. — Wenn ſich ferner die Wiſſenſchaft neuerdings zu der Annahme bekennt, daß der Dogelzug nicht in den Höhen vor ſich geht, wie ſie Gätke ermittelt haben will, ſo ſind doch auch die fak— tiſch feſtgeſtellten Flughöhen geeignet, den ſcharfgeſichtigen Dögeln unverrück- bare Merkpunkte — Gebirge, Steilküſten, Flußläufe, Wälder, Städte uſw. — gewiſſermaßen als Wegweiſer — ſelbſt in großen Entfernungen — deut— lich werden zu laſſen, die auch in ihrem Kursbuch — Gedächtnis — verzeichnet ſtehen. Unverkennbar war auch die Stadt, die der gemiſchte Saatkrähen— und Dohlenzug paſſierte, eine Station zur Orientierung, wie es ebenfalls von anderen Vögeln — auch Störchen — beobachtet iſt, daß ſie ſich an be— merkenswerten Grtlichkeiten zurechtzufinden ſuchen, um dann mit ſeltener Sicherheit und wieder aufgenommener Gejchwindigkeit die Retjeroute weiter zu verfolgen. — Die Sugvögel ziehen mit dem Winde! Wohl ſind die beſchwingten Wanderer gezwungen, auch gegen den Wind „fechten“ zu müſſen, aber im großen und ganzen laſſen ſie ſich von den Frühjahrs- und herbſtpaſſaten treiben und — auch wohl leiten! Es ſind nur nichtige Gründe, die das Gegen-den-Wind-ziehen zur Regel erheben wollen! Natürlich ſteht der Dogel gegen den Wind auf, um ſich zunächſt von den Luftwellen desſelben mit heben zu laſſen; iſt er aber erſt zu einer gewiſſen höhe gelangt, dann über— läßt er ſich am liebſten der Luftſtrömung. Auch „pluſtert“ ihm der Nach— wind die Federn nicht auf, weil er ſich in einer Luftmaſſe bewegt, deren einzelne Teile zueinander immer in derſelben Lage bleiben und insgeſamt fortgeſchoben werden. Welche Dergeudung an Seit und Kraft würde ſtatt— haben, wenn es anders wäre! Nur wenn der Dogel ſtillehält, iſt er genötigt, ſich dem Winde entgegenzukehren, um das Gleichgewicht und die geordnete Toilette zu behalten, wie auch die auf Dächern und Telegraphendrähten ſitzenden Dögel dieſer Sweckmäßigkeit entſprechen. Übrigens ſind die Saatkrähen keine ausgeprägten Sugvögel. Ihr eigentliches Derbreitungsgebiet umfaßt jo ziemlich ein nach Oſten hin offenes Dreieck, das in England ſeine Spitze hat, während die Schenkel — auch an die Winkelform kann man ſich erinnern — in Rußland auf dem 64° n. Br. und in der Türkei auf der Halbinjel Gallipoli weiter verlaufen; denn auch in den Kaukaſusländern, Transkaſpien und in der Bucharei finden ſie ſich nach Dr. Floericke in den kultivierten Gegenden vor. Ihre Winterwande— Vögel II. Copyright 1909, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 9 129 rung erſtreckt ſich höchſtens über das Mittelmeergebiet. In Deutſchland ſelber ſind ſie zahlreich im Norden und mehr noch im Oſten vorhanden. Unbedingt gehören ſie zu den Freunden der Kultur, ſoweit ſie ſelbſt in Betracht kommen; denn von einem Gegenſeitigkeitsverhältniſſe will der Bauer, trotz— dem ſie von der älteren naturwiſſenſchaftlichen Literatur als überwiegend nützlich beleumundet ſind, nichts wiſſen. Angenehm ſind ihnen in den Kultur— diſtrikten auch die Feldgehölze als Sammel- und Ausgangspunkte ihrer Tätigkeit und zwecks Vermehrung der Art; ja, es iſt wohl nicht zuviel behauptet, daß ihre Exiſtenz weſentlich durch dieſelben bedingt iſt. Unver— kennbar beſiedeln ſie ſolche Bezirke, die aus der Wald- derart in die Acker— kultur übergeführt werden, daß inſelartige Reſte der erſteren beſtehen bleiben. Hier in dieſen „Reſtwäldchen“ beſetzen ſie die Kronen buchſtäblich von oben bis unten mit Horſten und „verkalken“ durch ihren Unrat, den lie über den Neſtrand ſpritzen, den Boden dergeſtalt, daß der Pflanzenwuchs hier verſagt und anderen Tieren der Aufenthalt verleidet wird. Hier ſind ſie ſich auch allein genug: ihr lärmendes Weſen, das ſich gewöhnlich zum ſinnbetörenden Gekrächze auswächſt, verleidet nicht allein anderen Vögeln den Ort, ſondern auch dem Wilde überhaupt, das durch dieſe Cärmmacher ji wohl in ſeinem „Vernehmen“ erheblich beeinträchtiegt fühlt. Tatſache iſt es, daß ſie das Wäldchen beherrſchen. Wo ſie abgeſchoſſen und überhaupt verſtört wurden, fanden ſich auch wieder Hajen und Rehe ein und Ringel- tauben beſetzten die verlaſſenen Horſte. Auch der Jäger ſteht ihnen deshalb und auch beſonderer Schandtaten wegen, die ſie in der Niederjagd verüben, nicht günſtig gegenüber; er zählt lie eben zu dem „Rabengelichter“, mit dem ihn eine unauslöſchliche Feind— ſchaft häufig zuſammenführt. Die Saatkrähe ſelbſt, die noch verſchiedene „landläufige“ Bezeichnungen trägt, wie „Feld- und Ackerkrähe, Häherkrähe, Saatrabe, Nacktſchnabel und Grindſchnabel“ meidet ihre nächſten Derwandten, die Kaben- und Nebelkrähe, tunlichſt, vereint ſich aber im dominierenden Derhältnilje mit Dohlen und Staren. — Es muß auffällig erſcheinen, daß die Saatkrähen im Gegenſeitigkeitsverhältniſſe zur Natur und Kultur in einer geteilten Auffallung ſtehen: Brehm, Gloger u. a. zählen unbedingt zu ihren Lobrednern, während einige neuere Dertreter der Naturwiſſenſchaft ihren obwiegenden Nutzen nicht anerkennen oder ihn mindeſtens als zweifel— haft hinſtellen. Wie erklären ſich dieſe Widerſprüche? Unbedingt machte lich ſpäter in der Beurteilung der Saatkrähe ein Moment geltend, das nicht zu ihren Gunſten ſprach: es wurde gefunden in der übergroßen Anhäufung der Dögel auf beſondere Bezirke und namentlich in Kulturditrikten und der hier zutage tretenden Schädlichkeit derſelben. Das Überwiegen einer Tierart, bedingt durch Dermehrung und lokale Anhäufungen, läßt dieſelben immer ſchädlich werden: jo bekundet es das Naturgeſetz! In dieſer Auf: 150 faſſung beſtärkt uns auch der „Fraßzettel“ der „Schwarzen“. Don Haus aus eingewöhnt auf Regenwürmer, Engerlinge, Nacktſchnecken, Maikäfer, Juniuskäfer, Erdraupen, Drahtwürmer, Brachkäfer, Koſenkäfer, Maulwurfs— grillen und — Mäuſe als Spezialität, ſtehen ſie gelegentlich und zeitweiſe auch der Pflanzennahrung gegenüber nicht gleichgültig da: Kirſchen und Früchte anderer Art, Getreidekörner, Hanf, keimende Erbſen, Lupinen uſw. dienen als Sukoſt. Wo ſie in den großen Maſſen vorkommen — zu vielen Tauſenden konnte man oft ihre Sahl in derſelben Gegend einſchätzen, ſo daß die Rörigſche Annahme auf 400000 Saatkrähenneiter für Deutſchland weit hinter der Wirklichkeit zurückbleibt — verwüſten ſie tatſächlich große, Hun- Nordamerikaniſche Krähe. Nejt mit Gelege. derte von Morgen umfaſſende Ackerflächen, die mit Erbſen, Wicken, Rüben uſw. beſtellt ſind. Bei letzteren ziehen ſie die Pflänzchen aus und nagen die Spitzen ab. Wenn ſie auch neben den Feldern Wieſen und Sumpfgegenden fleißig beſuchen und die Bäume in Gärten und Alleen abſuchen, alſo ſowohl auf als über der Erde ihre Nahrung finden und überdies auch weitere Ajungsgebiete durch den regelmäßigen Verkehr dahin mit Beſchlag belegen, ſo kann doch die Magenfrage zeitweilig zu einer brennenden werden, ſo daß die ſchädlichen Übergriffe nicht ausbleiben. Daß ſie dann auch den Rebhühnergelegen und Junghaſen beſonders gefährlich werden und über— haupt in der Raubvogelart ſich gefallen, weiſen zahlreiche Beiſpiele nach, wie auch Bodinus beobachtet hat, daß ſie den noch nicht flügge gewordenen Starenjungen, die verlangend nach Futter ihre Köpfe aus den Starenkäſten 55 131 ſtreckten, dieſe abriſſen, um ſie dann als nicht genügende Biſſen fallen zu laſſen. — Wie fie aber in einer überwiegenden Anzahl und bejonders für die Gegend ſchädlich werden können, jo würde ihr Sehler andrerjeits wieder ; = I O. Pfaff. Connewitz, Februar 1909. Nebelkrähen und Saatkrähen als Wintergäſte in den Stadtanlagen. dazu führen, ſie herbeizuwünſchen, um jo mehr, als die noch für die genannten Acker- und Baumſchädlinge anderweitig in Betracht kommenden „polizei— tiere“ und namentlich die Dögel ebenfalls zum Teil ſelten ſind. Das hat man auch zur Genüge in Schottland und England erfahren. — 152 Da die Saatkrähe das Derbreitungsgebiet im allgemeinen mit den Nebel- und Rabenkrähen teilt — am verbreitetiten weiſen ſich die „Grauen“ aus —, jo iſt es nicht ausgeſchloſſen, daß ſie mit ihren ſchwarzen Verwandten könnten verwechſelt werden. Und dennoch ſind, abgeſehen von der Farbe, in die ſich beide Dögel übereinſtimmend kleiden, doch bemerkenswerte Unter— ſchiede vorhanden. Während die Raben- und Nebelkrähen auch in großen O. Pfaff. Connewitz, Februar 1909. Nebelkrähen und Saatkrähen als Wintergäſte in den Stadtanlagen. Wäldern niſten und ſich, wie auch die Saatkrähen, auf Anlagen, Alleen und ſelbſt Obſtgärten beſchränken reſp. beſchränken müſſen, halten ſich letztere vorwiegend in Feldgehölzen und Waldecken auf und meiden alſo das große Waldinnere. Nuch bevorzugen ſie zur Anſiedelung hauptſächlich die Ebenen und beſonders die Nähe großer Seen, Flüſſe und Sümpfe; den gebirgigen Gegenden ſind ſie zumeiſt Fremde. — Aber auch in der Farbe weiſen die Saatkrähen einen prächtigen ſtahlblauen Metallſchimmer auf, der der mehr ſtumpfen Färbung der Rabenkrähe abgeht. Ferner bringt 153 das Bohren nach Injekten bei den eriteren jenes Abſtoßen der Schnabel— deckfedern zuwege, wodurch die überjährigen Dögel ein jo merkwürdiges Ausjehen erhalten! Unbedingt aber wird der Saatrabe ſchon in der Ent— fernung von einem etwaigen „Doppelgänger“ durch die weißliche, nackte, ſchrundige und ſchilfrige haut an der Schnabelwurzel unterſchieden, die gewiſſermaßen einen weißen Naſenring markiert. Weniger unterſchiedlich ſind die einjährigen Dögel der beiden Formen; doch iſt der Schnabel bei den jungen Saatkrähen, wie überhaupt auch ſpäter bei den alten, länger, O. Pfaff. Connewitz, Februar 1909. Nebelkrähen und Saatkrähen als Wintergäſte in den Stadtanlagen. ſpitzer und gerader als der an der Spitze gekrümmte der Rabenkrähe. Sehr bemerkenswerte Unterſcheidungsmerkmale gibt Prof. Dr. Guſt. Jäger in folgenden bekannt: „Der Schwanz der Saathrähe iſt ſtark gerundet, der der Rabenkrähe gerade abgeſchnitten; weiter ſpreizt die erſtere im Fluge ihre äußerſten Schwungfedern ſelten ſo, daß man tief zwiſchen durchſehen kann, während ſie bei der letzteren ſich wie die geſpreizten Finger einer hand ausnehmen; auf der Erde, wo beide Arten wankend gehen, erkennt man ſie ſicher daran, daß die Saatkrähe ihre Bauchfedern ſo nach vorn aufſträubt, daß es ausſieht, als hätte ſie eine Krinoline an, bei der Kabenhrähe ſitzt 154 das Gefieder knapp. Die Stimmen ſind auch verſchieden; die der Saatkrähe iſt viel tiefer, runder und angenehmer, krah oder Rroah. Wenn ſie ſcharen— weile im Winde hoch in den Lüften ſich ſpielend drehen und werfen, hört man öfters ein hohes Kirr-kurr-krün-kroia.“ Der März neigte ſeinem Ende zu. Tag um Tag war die Witterung ſchön; es ſchien, als wollte der Monat ſeine Kauheit vergeſſen machen, O. Pfaff. Connewitz, Dezember 1908. Nebelkrähen und Saatkrähen, abjtreichend. mit der er ſich eingeführt hatte. Das Feld belebte ſich wieder mit ſchaffen— den Menſchen, denn es war Saatzeit. Furche um Furche legten die Pflüge um. Ein friſcher Erdgeruch ſtieg auf, untermiſcht mit dem Dunggeruch, der ſich von anderen Äckern, wo die Wagen zu und ab fuhren, ebenfalls dem Geruchsorgan bemerkbar machte, aber durchaus nicht unangenehm. — Auf- fällig wurden auch die ſchwarzen Dögel, die hinter dem pflügenden Knecht den gelockerten Boden nach Gewürm durchſtachen. Sie fielen namentlich in den Maſſen auf. Aber warum ſtreichen ſie plötzlich mit jo entſetzlichem 155 Lärm über das Feld, warum gefallen ſie jich in dieſen Schwenkungen und — nun kommen ſie gar wieder im Bogen zurück, um die innegehabte Stelle von neuem zu beſetzen! Was bedeutet das? Halt, der Spitz iſt es, der ſie in dieſe Aufregung gebracht hat und ihnen die Bodenſtändigkeit mißgönnt. Funächſt folgte er dem UAnechte hinter dem Pfluge, reihauf, reihab, aber das wurde ihm wohl zu langweilig und darum attackiert er jetzt die Krähen. Nach Hundeart verſuchte er es vorläufig mit einer „ſtillen“ Überrumpelung, als er ſich aber jo genasführt jah: erſt in die Ferne gelockt und nun wieder zur Umkehr gezwungen; obendrein hatte er noch den Angriff der Krähen auszuhalten gehabt, die drohend oder neckend — der Hundeverſtand unter— ſcheidet darin nicht ſo genau — ihn verſchiedene Male im Fluge faſt ſtreiften und dadurch ſogar in Derwirrung ſetzten, da änderte er ſeine bisherige Taktik und verfolgte die Frechen mit wütendem Gebell. Sur Ruhe kamen ſie nicht mehr. Sie ſchienen denn auch bald die Geſchichte ſattzuhaben und ſtrichen mit lautem Gekrächze dem nahen Feldgehölz zu, über welches ſie noch lange wiegend und wirbelnd mit Kraa, kraa, klirr, klirr kraa auf den Spitz ſchimpften. Juſt in dem Augenblick, als der Krähenſchwarm ſich auf die Kiefern verteilt hatte, noch immer rumorend, paſſierte ein Wanderer das Gehölz und verſetzte die Anſiedlung in eine neue Aufregung. Aber nur für Augen: blicke; die ſcharfſichtigen Dögel hatten es bald weg, daß der Fremdling harmloſer Natur war. Swar dauerte das Gezeter in den Alten fort, wie es überhaupt nur in der Dunkelheit aufhört, aber es handelte ſich offenbar um das Mein und Dein, um Platz und Niſtmaterial, wie es in kommuniſtiſchen Bezirken auch anderswo zutage tritt. Denn Spitzbuben ſind es alle, die hier niſten! Die vielen Anſiedler überhaupt und das enge Gehölz bedingen es, daß die Kronen der Bäume vielfach von oben bis unten mit Neſtern beſetzt ſind, darunter fertige, halbfertige und ſogar ſolche in den erſten Anfängen. Salt durchweg fehlt dieſen Neſtern — Horſte genannt — das Hefällige, ſicher aber das Hünſtleriſche, das jo oft vielfach beim Baugeſchäft der Dögel zutrage tritt. Als Niſtmaterialien kommen zur Verwendung: Keiſer, Wurzeln, Strohhalme, Stoppeln, dürres Gras, Haare, Federn uſw. Aber offenbar ſind die Bauſtoffe jetzt im Frühjahr ebenſo knapp als der Raum auf einem ausgeſuchten Baum manchmal beengt it, und der engen Nachbarſchaft einer— ſeits und der Gelegenheit, die Diebe macht, anderſeits, iſt es wohl zuzu— ſchreiben, daß in einer ſolchen Anſiedlung der Streit nie aufhört; denn auch die Saatkrähen ſtehlen, wie die — Raben und betrügen ſich gegenſeitig um das Niſtmaterial. Während der eine der „Gatten“ die Bauſtoffe zu— trägt, muß der andere Wache halten, damit aus der Nachbarſchaft niemand zu weit greife. 136 M. Behr. Saatkrähenkolonie. Einige Wochen weiter! Die Saatkrähen brüten; der Lärm, der ſonſt das Gehölz erfüllte, hat ſich mehr und mehr gelegt. Don Seit zu Seit fliegen Krähen ab und zu, um dem erheblich eingeſchränkten Nahrungsbedürfniſſe in etwas zu entſprechen. Wie beim Baugeſchäft in die Arbeit und Bewachung, ſo teilen ſich auch jetzt die Gatten in die drei Wochen lange Bebrütung oder Behütung des Geleges, das drei bis fünf blaßgrüne, grau und braun ge— fleckte oder gepunktete Eier enthält. Dann, im Mai ſcheint auch in dem Feldgehölz das ſinnverwirrende Geplärr wieder an der Tagesordnung zu ſein; niemals, ſelbſt während der Bautätigkeit, wurde hier jo eifrig gearbeitet als jetzt, wenn die Geſchäftigkeit an und für ſich als der ſichtbare Ausdruck für die Arbeit gelten kann. Aus den Eiern find inzwiſchen nackte und blinde Junge gefallen; andere Neſter bergen auch ſchon entwickeltere, die mit einem dunkelblauen Flaum oder gar ſchon mit Federanſätzen bedeckt ſind. Sie alle aber kennzeichnet die den Rabenvögeln nachgeſagte, ſprichwörtliche Gefräßigkeit, welche die „Alten“ in fortwährender Tätigkeit hält und ſie ſogar zu Handlungen verleitet, die das Konto ihrer Schädlichkeit erheblich belaſten. Im übrigen aber be— tätigen ſie jetzt den großen Nutzen, der ihnen in der geteilten Auffallung, in der ſie ſtehen, unbedingt verbucht werden muß. Mit dem Pflanzenwuchs auf Feldern und Wieſen ſind auch die Schädlinge der Gewächſe hochgekommen und an ihrer Ausrottung bewährt ſich jetzt die Arbeit der Krähen mehr als ſonſt, auch wenn es nicht ganz zutreffen ſollte, daß die Saatkrähen „brut“ auf den Kopf viermal mehr an Aſung verbraucht, als der alte Dogel zu feiner normalen Sättigung bedarf. In der Tat herricht jetzt nicht allein rege „Nachfrage“ nach Schnecken, Heuſchrechen, Käfern — auch beſonders Maikäfern —, Raupen, Würmern uſw., ſondern um den Bedarf zu be— friedigen, wird im Genoſſenſchaftsweſen ſogar gründliche Arbeit gemacht. Und nicht allein nur auf der Erde! den ſcharfblickenden Vögeln entgeht es nicht, daß die Bäume zur Maikäferzeit ganz ſeltſame Früchtchen tragen. „Wie auf Derabredung teilen ſie ſich in zwei Haufen; der eine lieſt auf dem Baume ab und ſchüttelt durch oftmaliges ſtarkes Hüpfen die Käfer ab, der andere ſammelt die herabgefallenden ein. Sehn bis fünfzehn Stück bilden für jeden Sammler eine Ladung. Sie wird in der dehnbaren Speile- röhre aufbewahrt, ſchleunigſt zu Neſte gebracht, verfüttert und — nach kaum zehn Minuten iſt der Arbeiter wieder an Ort und Stelle, um von neuem ſein nützliches Werk zu beginnen.“ (Brehm.) Wieder war einmal ein ſo arbeitsreicher Tag zu Ende; die letzten „feldernden“ Krähen ſtreichen dem Gehölz zu, wo ſich die intime Geſchäftig— keit mit den obligaten Geplauder und Gutenachtſagen geltend machte, die das Subettgehen ſo häufig einleitet und begleitet. Aber — hatten die letzten Ankömmlinge eine Gefahr angezeigt? Ertönten nicht überall Warnungs— 159 —— wa — — * 2 , R. B. Lodge. Middlessex, Mai 1890. Saatkrähen beim Neſt. ſchreie? Die Dögel hockten zum Teil auf den Sweigen, zum Teil reckten ſie die Hälle aus den Neſtern und einige ſtiegen gar über das „Wipfelmeer“, um Ausguck zu halten! — Aus der Richtung vom Dorfe her bewegte ſich ein Sug von großen und kleinen Menſchen, von welchen einige Gewehre trugen,während der „Schwarm“ als ſolcher wohl dem Trauerjpiel beizu— wohnen gedachte. Was ſich nun hier in der Kürze der Abendjchummerung abſpielte, läßt ſich nur mit Schaudern erleben, aber nicht der Wirklichkeit entſprechend beſchreiben. Die totſpeienden Feuerrohre richteten ſich nicht allein auf die über den Wipfeln kreiſchenden Krähenmaſſen, aus denen Dutzende 140 J. Atkinson. Headingley 1909. Brütende Saatkrähe. tot und halbtot direkt auf den Boden fielen oder zuvor hart von Alt zu Alt aufſchlagend dieſen erreichten, ſondern auch auf die Neſter, um das hier bisher behütete und werdende Leben auszulöſchen. In das Jammergeſchrei der Überfallenen miſchten ſich die Jubelrufe der Gaffer über den Erfolg der Schützen. Und dennoch wichen die Krähen nicht. Sicher wären ſie alle ihrer Elternliebe zum Opfer gefallen, hätten nicht die dunkeln Abendſchatten, die ſich ſchließlich trauernd über das „Schlachtfeld“ ausbreiteten, dieſem Gemetzel ein Ende gemacht. Das „Krähenſchießen“ ergab ohne die in den Horiten liegenden toten Jungen und die noch im Sweiggewirr und den 141 Altgabeln hängenden alten Krähenleichen eine „Strecke“ von rund 200 Stück, die diesmal nicht, wie es ſonſt wohl auch geſchah, zur Derluderung liegen blieben, ſondern den Rejtaurants in der Großſtadt als „Saatvögel“ zugehen ſollten. Morgen beabſichtigte man noch eine Nachleſe zu halten, um aus den noch vorgefundenen toten Krähen Scheuchen für die Über— lebenden herzuſtellen, die ſich erfahrungsgemäß von dem Ackerſtück fern— halten, wo erſtere ihresgleichen am Galgen baumeln. Dafür aber erfreuen ſich die eigentlichen Ackerſchädlinge einer beneidenswerten Sicherheit. Jetzt kann es ſich ausweiſen, bei wem das größere Übel iſt? — Aber die Saatkrähen haben noch anderweitige Feinde! Nicht ſelten wird neben den alten Dögeln auch ihr Neſtinhalt eine Beute der beſchwingten Räuber, unter denen Raben, Uhus, Wanderfalken und Habichte in erſter Linie zu nennen ſind. Am wütendſten verfolgen ſie die Eulen, und nach dem Aufruhr zu urteilen, der zur Nachtzeit in einer Krähenanſiedlung hörbar wird, holen ſich dieſe wohl häufig zur Schlafenszeit den Tribut aus dem Krähenhorſte. Oder liegt die Sachlage jo, daß unſere harmloſeren Eulen- arten das zu decken haben, was der Uhu einſtmals verſchuldet hat oder noch verſchuldet, wo er vorhanden iſt? Liegt hier eine vererbte Seindfchaft vor? Nach den Beobachtungen, die Buffon gemacht hat, verlegten die Saat— krähen ihre Kolonie, wenn Raben und Uhus in der engen Benachbarung ſich anſiedelten. „Hunde, die viel bellen, beißen nicht!“ ſo ſcheint es mit dem Mut bei den Saatraben nicht weit her zu ſein; denn als einmal eine Elſter in ihrer NMachbarſchaft wohnte, war es ihnen nicht möglich, dieſe zum Abziehen zu bewegen. Sie behauptete ſich einfach dadurch in ihrem Beſitztum, daß ſie die nächſte Krähe aus dem Schwarm mutig angriff, ſo daß ſich dieſe noch glücklich ſchätzen konnte, mit dem Derluſt etlicher Federn davongekommen zu ſein. Als die Elſter erlegt wurde, trugen die Saatkrähen das Neſt ab. Den ſchleichenden Fuchs, der wohl gelegentlich eine Krähe erwiſcht, mar— kieren ſie ebenfalls durch ein wütendes Geſchrei. Einer ihrer größten Feinde aber iſt der Baummarder, und auf ihn find auch wohl die meiſten der nächt— lichen Überfälle zurückzuführen, die in der Krähenanfiedlung die ungewöhn— liche Aufruhrbewegung verurſachen. Der Marder wird ſelbſt den Reihern und größeren Raubvögeln auf ihren Schlafbäumen gefährlich, weil ſich dieſe in der Dunkelheit äußerſt ſcheu und unbeholfen anſtellen. Mit allen „Rabenvögeln“ it auch den Saatkrähen die aufopferungs— fähigſte Elternliebe eigen. Wie ſich beide Gatten beim Baugeſchäft teilen und im Brutgeſchäft ablöſen, jo fällt ihnen auch gemeinſam die Derjorgung der Jungen zu, die auch ſpäter von ihnen ausgeführt werden. Ihre Anhäng— lichkeit an die „Scholle“ wird bedingt durch ihre Elternliebe. Dieſe dient auch ſchließlich als Mittel zum Sweck, die Krähen zu vertreiben. 142 Neſt mit Gelege. Saatkrähe. Man ſetzt die Schießerei an den Horiten drei Tage lang fait ununter- brochen fort, jo daß die bebrüteten Eier erkalten und die jchon aus— gekommenen Jungen der fehlenden Wärme und Atzung wegen eingehen. Rührend iſt es mit anzuſehen — andere beurteilen es als Eigenſinn und 2 . ; 3 er rt ” # 5 5 Br Rs 8 * 2 N u J. Atkinson. Headingley, Juni 1909. Saatkrähe. Sähigkeit —, wenn die Krähen während der Belagerung immer wieder über den Wipfeln erſcheinen, wobei viele noch ihr Leben verlieren, um ihren Jungen Ausdauer und Mut zu empfehlen, denn ſicher reagieren die ſchon mehr entwickelten Jungen auf den Ton der Alten. Erſt wenn die Eier vögel II. 10 145 ihre Lebensfähigkeit eingebüßt haben und die Jungen in den Horſten bleichen, verlegen die Krähen ihren Wohnplatz und ſchreiten zur Nachbrut. Im Sommer, wenn das Korn höher gekommen iſt und der Senje ent: gegenreift, vereinzeln ſich die Saatkrähen mehr auf weniger bebauten Feldern und vagabundieren in Gegenden, die ihnen die Bodenſtändigkeit gewähren: auf Brachen, Hütungen, in Wieſen und Sumpfgegenden, wo ſie ſich auch mit Staren und anderen Krähen begegnen. In Bruchwäldern und Sümpfen, an See- und Flußufern und häufig auch am Meeresſtrande, zanken ſie ſich um tote, ausgeſpülte Fiſche, verzehren Fröſche uſw., während ſie auf den Brachen den Brachkäfern und Mäuſen nachſtellen und auch gelegentlich in der Benachbarung — auf bebauten Feldern oder an Feldrainen — verſpätete Rebhühnergelege plündern. Mit der diebiſchen Neigung und Geſchicklichkeit, die ihnen eigen ſind, leeren ſie auch die Neſter der Taucher, Enten und Faſanen, jo daß man unwillkürlich auf den Gedanken kommt: ihre Vorliebe für die Bruchwälder, Sümpfe und überhaupt Waſſergegenden, in deren Nähe ſie, wenn die ſonſtigen Bedingungen entſprechend günſtige ſind, auch gern niſten, iſt wohl mit dem Umſtande zuzuſchreiben, daß ſie hier ihren Sättigungsbedürf— niſſen in umfaſſender Weiſe entſprechen können. Auch iſt es ſehr wahrſchein— lich, daß ſie, wie die ſchnepfenartigen Dögel, mit welchen ſie die bohrende Tätigkeit gemein haben, häufig das Bedürfnis fühlen, ihren Schnabel in Waſſer zu reinigen. Sicher iſt es bei dieſen feſtgeſtellt, und auch bei den Saatkrähen beobachtet, daß ſie häufig ans Waſſer gehen. — Als eine Eigen— tümlichkeit dieſer Dögel muß es ferner auffallen, daß ſie die Feldgehölze meiden, die einen dichten Unterwuchs haben, und auch, wie die Gattungs— verwandten, ſich da ſeltener zeigen, wo ebenfalls die Felder dicht beſtanden ſind. In den Feldgehölzen ſind ihnen die Niſtbäume die liebſten, die glatte und hohe Stämme haben. Sicherlich entſprechen ſie in allen dieſen Eigen— tümlichkeiten der großen Dorſicht, welche überhaupt ihr Leben begleitet. Sie fürchten wohl den verſteckten Feind im dichten Unterholz und auch im hohen Kornfelde! In großen Maſſen treten ſie abermals vom Auguſt und September an auf. Wie im Frühjahr betätigen ſie ſich auch im Herbſt wieder bei der Feld— beſtellung und ſicherlich ſind ſie mit die letzten beim „Scheiden und Meiden“, das nur über die kälteſten Monate andauert. Sie zeigen ſich dann auch in Gegenden, wo ſie als Brutvögel gar nicht oder nur ſelten vorkommen, wie 3. B. in Mähren als Wintergäſte. Als ſolche treten ſie vom Spätherbſt an auch in Süddeutſchland auf. — Aber wie verſchieden iſt der Vogel jetzt in ſeinem Sichgeben! Die Geſchwätzigkeit des Frühjahrs ſcheint ihm ganz abhanden gekommen zu ſein. Nur am Schlafplatze finden ſie die „Sprache“ wieder. 146 Und ſchließlich nun die weite Reiſe! Iſt die Dergejellihaftung der Saat— krähen, an dem auch die Dohlen wieder teilnehmen, ſchon in ihren nörd— lichſten Derbreitungsgebieten eine erſtaunliche, jo wachſen die Vögel geradezu zu Heeren an, je ſüdlicher ſie kommen. Schon Buffon ſah im Oktober 1779 an der Donau zwiſchen Wien und Ofen Anſammlungen, an welche die großen Scharen von Gänſen, Enten und Kiebitzen nicht heranreichten. Brehm er— wähnt einen „Schwarm“, „der im Umhreiſe mehrerer Geviertkilometer alle Heatherley. Norfolk. Saatkrähe. Bäume und einen großen Teil der Felder und Wieſen bedeckte“. — Im Süden Europas aber bis nach Nordafrika löſen ſich die Maſſen für den Winter— aufenthalt wieder auf, um die verſchiedenen äſungsörter beſtmöglichſt aus— zubeuten, denn hier iſt ſehr häufig „Schmalhans“ ihr Küchenmeiſter. „Das fruchtbare Niltal ſcheint für alle eingewanderten Saatkrähen nicht Kaum und Nahrung genug zu haben. Sie fliegen dann in die umliegenden Wüſten nach Futter aus, finden es nicht und erliegen zu Hunderten dem Mangel. Die Moſesquellen in der Nähe von Sues werden von Palmen umgeben und 10 * 147 letztere von den ſchwarzen Wintergäſten zum Schlafplatze gewählt. Bier fand ich einmal den Boden bedeckt von toten Saatkrähen, buchſtäblich Hunderte von Leichen nebeneinander. Sie alle waren verhungert.“ (Brehm). * * * Das Lebensbild der Saatkrähe wird ſchließlich in der Geſamtauffaſſung zum Charahkterbilde. In ihrem ganzen Daſeinszweck verkörpern ſie den Egoismus. In der hauptſache kennen ſie bei ihrer ſelbſtiſchen Deranlagung nur zwei Angelpunkte ihres Lebens: die Befriedigung der eigenen Gefräßig— keit und die anderweitige Erhaltung und Sicherheit für ſich und die Nach— kommenſchaft. Weder dauernd ſeßhaft, noch in letzter Linie reiſeluſtig ver— anlagt, entſprechen ſie doch nach Derhältniſſen und Umſtänden auch der Notwendigkeit in der Lebenshaltung unter dem Wahlſpruch: Ubi bene, ibi patria! Weniger im offenen Kampf — er tritt bei ihnen nur gegen die ſchwächeren Geſchöpfe zutage — als in der Beharrlichkeit auf beſtimmte Siele hin, ſuchen ſie ihre Swecke zu fördern, wobei ſie durch Klugheit und diebiſche Deranlagung ſich in beſonderem Maße als befähigt ausweiſen. Unter der Maske der Harmloſigkeit ſind manche Schandtaten auf ihr Konto zu verbuchen. Selten hat es ein Dogel jo verſtanden wie die Saatkrähe, die Menſchen über ihren Wert oder Unwert im ungewiſſen zu belaſſen; von ihr gilt auch in einer bezüglichen Abänderung das Dichterwort: „Don der Parteien haß und Gunſt verwirrt, ſchwankt ihr Charakterbild in der — Naturgeſchichte“. Selbſt die Magenunterſuchungen ſprechen vorwiegend zu ihren Gunſten. Das iſt auch ſchließlich ihres Lebens Weſen: über das wirk— liche Sein webt ſich ein Schein, der uns über ihre eigene Charakterveran- lagung hinwegtäuſcht. Damit aber kommen wir zurück auf den Anfang unſerer Charahkteriſtik: als Hungerkünitler ſind die „Schwarzen“ durchaus nicht veranlagt; ſie mußten deshalb ihren Speiſezettel — auch ſchon in Anbetracht der eigenen großen Sahl und der anderen krähenartigen Vögel, die als ihre Mitbewerber in der Lebensverſorgung auftreten — ſo umfangreich als möglich geſtalten. Mit dieſen und namentlich mit den bedeutend ſtärker hingeſtellten Gewalthabern der Lüfte, den eigent— lichen Raubvögeln, konnten und durften ſie nicht offen in dem Wett— bewerb um die Wirbeltiere auftreten: ſie waren alſo genötigt, das Haupt— feld ihrer Tätigkeit in und auf dem Boden zu ſuchen, um ſo — durch die gegebenen Derhältniſſe — in beſtimmten Seiten nützlich zu werden. Aber ſelbſt in ſolchen Perioden geraten ſie in den Swieſpalt der Meinungen! Während der Jäger im Anfange des Frühjahrs und zur Spätherbſtzeit ihre Schädlichkeit weniger hoch veranſchlagt, ſchätzt der Landmann die Vögel zur Frühjahrszeit am ſchädlichſten ein. Wie ſollen ſie's aber machen? Sie ſind im Frühjahr mit die früheſten und im Herbit die ſpäteſten, die ſich 148 -quaayn/isnv dunyuaalps guss "uagpayyvos HS un? ABLE AM — u. > N = * 8 er nützlich betätigen; ſie können doch in der Swilchenzeit nicht vom Erdboden verſchwinden, ſondern müſſen auch — leben! Ihre Schädlichkeit iſt ſomit ſicher durch die Maſſen bedingt —! Unleugbar werden ſie bei allen Handlungen in erſter Linie durch das ſcharfe Geſicht beeinflußt und in zweiter erſt durch das Gehör. Daß ſie ſich bei ihrer Erdarbeit durch den Geruch leiten laſſen, wie auch behauptet wird, it nicht zutreffend: auch hier tritt das ſcharfe Auge in Tätigkeit, das W, Köhler. 5 5 Tegel, August 1908. Ein Flug Saatkrähen. die unmerklichſten Bodenerhebungen, die zerbröckelten Erdklümpchen und die dem ungeübten Auge kaum ſichtbaren Bohrlöcher der Käfer, Käferlarven und Würmer erkennt. — Ihre „geiſtige“ Veranlagung iſt, wie bei allen Rabenvögeln, nicht gering anzuſchlagen. Für ihr gutes Gedächtnis führt Wilſon an, daß ein Amerikaner aus Delaware eine Saatkrähe im Haule auf— gezogen und dann verloren hatte. Als nach elf Monaten ein Krähenſchwarm über ihn hinwegzog, ließ ſich plötzlich eine aus dem Haufen auf ſeine Schulter nieder, die er als die vermißte erkannte. Sie bezeigte ihre Wiederſehens— freude dadurch, daß ſie mit großer Sungenfertigkeit krächzte. Als er aber 151 die Hand nach ihr ausitreckte, ſtieg ſie wieder auf, um die inzwiſchen weiter geeilten Genoſſen wieder einzuholen. — Volkstum, Sage und Wettervorherſage willen von dem Saatraben als ſolchem nicht viel zu berichten: er geht nach dieſer Beziehung auf in den Doritellungen, die der Rabe gezeitigt hat, oder er wird als „Krähe“ in die allgemeine Bedeutung dieſer Dögel eingeſtellt. Als Wettervögel ſind ſie ſicherlich bewährt. Wenn ſie in außergewöhnlicher Weile ſchreien und in gedrängten großen Scharen von den Feldern heimſtreichen, ſo rechnet man auf Regen. Moch zuverläſſiger ſchließt man auf Unwetter, wenn ſie äußerſt nervös auf ihren Aſungsplätzen ſind und die geringſte Annäherung vermerken; das gegenteilige Benehmen läßt auf gutes Wetter ſchließen. Wenn die Saatkrähen im Dezember in Scharen ſüdwärts ziehen, ſoll in kurzer Zeit Schnee mit ſtrenger Kälte folgen, und wenn ſie in größeren Schwärmen und unter kühnen Schwenkungen die Luft durchſauſen, zeigen ſie den Wind an. Es iſt durchaus kein beneidenswertes Daſein, das ſie im Winter führen, wo ſie dann auch in Gegenden häufig erſcheinen, die während des Sommers auf viele Meilen in der Runde keine Saatkrähen beherbergen. Faſt traurig kommen ſie uns auch im Schnee vor in der ſaloppen Haltung mit dem auf— gepluſterten Gefieder, das ſie auffallend von den Rabenkrähen unterſcheidet, die ſich nach dieſer Beziehung „knapper“ tragen und zuverſichtlicher auf— treten. Erſt wenn der Tauſturm einſetzt und unter ſeiner Gewalt die Bäume ächzen und ſtöhnen, wenn das Eis berſtet und kracht und die Wäſſerlein ge— ſchäftig in allen Rinnen murmeln, dann gewinnen ſie ihr Weſen wieder. „Sie wiegen ſich dann im brauſenden Sturm, ſie heben, ſtürzen und über— ſchlagen ſich: immer von neuem ſchmettern ſie ihr jauchzendes ‚Gejäh' in die entfeſſelte Sturmesgewalt; es iſt, als hätte der Hauch des Südwindes ſie trunken gemacht — weg iſt alle Melancholie.“ (G. Jäger.) Trotz allem Swieſpalt im Leben und Weſen dieſer Dögel ſind ſie als Charaktervögel unſerer „Kulturſteppen“ mit unſeren Gewöhnungen und Dor— ſtellungen aus ſolchen Gegenden eng verwachſen; ſie würden uns fehlen, hätten wir ſie nicht mehr. — Auch das Anathema, das man über ſie ver— hängt, rechtfertigt ſich ſicher nicht in dem Ruf nach — Ausrottung. Es ſind Sahlen von großem Inhalt, welche die „Krähenſchießen“ liefern, wenn 1907 bei Gerdauen in Oſtpreußen zwei Herren an zwei Tagen 1272 Krähen abſchoſſen und in Weſtpreußen einmal 2000 Krähen durch das Blei fielen und zugleich 4900 Junge mittels Steigeiſen aus den Neſtern geholt wurden. Alljährlich, immer von neuem, wird der „Kreuzzug“ gegen dieſe „Übeltäter“ gepredigt, und ſicherlich iſt ihre Derminderung in beſonderen Gegenden berech— tigt, ob aber ihr gänzliches Derjchwinden aus anderen, das wäre doch noch ſehr zu bedenken —! 152 Der Buchfink. Don Elſe Soffel. Es iſt heute vor etwa ſechzig Jahren. Die Eiſenbahn umzieht noch nicht alle großen und kleinen Orte mit ihrem engen Netz. Die Menſchen ſitzen noch nicht ganz ſo dicht aufeinander. Man kann ſich immer noch ein Stückchen allein fühlen draußen, wenn man es gerade nötig hat. Und fühlt man ſich ſo recht allein, zwiſchen Berg und Tal, den Weg entlang, von der bunten Wieſe zum Wald hinauf, ſo getrauen ſich ſogar die alten Berggeiſter- und geiſtlein noch einmal zu erſcheinen, umgaukelt vom bunten Traum der Waldblöße und ein Wort zu reden aus ihrer Derjchollen- heit heraus. Und ſind's nicht gerade ſie, ſo iſt's doch ſicher irgendein ſonderbares Menſchenkind, was dir begegnet, verwittert und geſchrumpft, daß du's kaum vom Strunk wegkennit, auf dem es eben die ſchwere Laſt ein wenig abgeſetzt. Und angezogen von dem Waldduft, der ſolchem Weſen anhängt, biſt du ihm vielleicht in die dürftige, kleine Stube gefolgt und haſt dir die Welt einmal im Rahmen der kleinen Fenſter eines thüringer Waldbauernhauſes angeſehen. Groß und ſchön iſt die Welt aber überall, wenn auch der Rahmen, durch den ſie geſehen wird, einmal weiter und dann wieder enger iſt; die Wieſen ſenken ſich hier ſo ſchön gebreitet den hang herunter zum Tal, durch das der kleine Bach ſein Waſſer führt, den Bergrücken hinauf iſt manche Schlucht verborgen, manche Lichtung birgt eigenartiges Tier- und Pflanzenleben. Und den ganzen Tag klingt der helle Ruf des Finken vom nächſten Baum ins Zimmer hinein. Aber nicht nur hinein, ſondern auch hinaus. Denn iſt's auch das ärm— liche Stübchen der alten Beerenlies, in das du gerade eingekehrt, der Holzbauer mit dem Finken fehlt nicht, und der ſchmettert hell ſein Lied, und der andere von draußen antwortet ihm, vielleicht auch noch ein dritter, ſo daß die Alte auf dieſe Weiſe zu einem Gratiskonzert kommt. Und wo du auch ſonſt im Wald anklopfen magſt, überall iſt der Finke, und der buckelige Schneider auf ſeinem Antritt am Fenſter freut ſich ebenſo daran, wie der Pfarrer, der Wirt oder die Beerenlies und zieht ſeinen Swirn flinker durchs Tuch beim Geſang ſeines Lieblings. Und alle zuſammen reden ſie vom Bier- und Weinſchlag, Würz- und Schwarzgebühr, vom Reitherzu und 153 Tollen Gutjahr, und der Herr Pfarrer hat ſich gar jo jechs, ſieben Bauer nebeneinander geſtellt, damit die Freude, d. h. das Schlagen kein Ende nimmt. Wenn du aber an einem Samstag zum Markt ins kleine Städtchen hinunter— gehſt, ſo ſteht zwiſchen den Eier- und Beerenkörbchen, den Ständen der M. Steckel. Königshütte, 25. April 1909. Buchfink. Männchen, ſingend. Obſtverkäufer und den Spielbuden auch wieder das Holzbauer mit dem Finken und von allen Seiten ruft's und ſchmettert's „Fritz, willſt ein Bierrr?“ „SZi—zizizizizi - zizigall“. Das alte Bäuerlein im langen blauen Tuchrock und Schnallenſchuhen ſchmunzelt: Ein guter Sänger, der gar etwas Neues 154 pee nude yurlpna ‘25p077 C N bringt und die Jungen zu der neuen Weil’ erzieht, it hoch im Preis und der Markt iſt heute flott in Dögeln. Die Seiten ändern ſich und der Buchfink iſt nicht mehr in Mode. Nur in Weſtfalen behauptet er noch einen Teil ſeines alten Ruhms. Im all— gemeinen wird er nicht mehr gezüchtet. Er ſingt wieder, wie ihm der Schnabel gewachſen iſt und hat ſeine frühere Stellung vergeſſen. Ein Gutes hat ihm die Abnahme der Liebhaberei gebracht: er wird nicht mehr gedämpft, d. h. in den finſtern Kaſten gebracht und geblendet, wie man es ehedem häufig tat, um ihn zu eifrigem Singen zu reizen. Nur in Belgien exiſtiert die rohe Sitte noch immer, im Land der hahnenkämpfe und anderer Tierquälereien. Der Buchfink ſingt überall. Don der blühenden Weißdornhecke her— unter, von der Buche am Waldrand, im Tannenforſt und im Apfelgarten, aus dem Buſchwerk am Bach und im Laubgehölz. Ihm iſt überall wohl, wo ſich ein Baum findet. Und das Neſt will er ſchon jo verkleiden, daß ihm's nicht jeder gleich anſieht, was es iſt. In Italien iſt ihm dazu der Glbaum recht, die Kork— eiche in der Sierra Nevada und in Sibirien die Sirbelkiefer. Der Tentilhaao, der Buchfink auf Madeira, zieht Laubwälder und Gärten mit Eiche und Lorbeer vor und meidet die dunkleren Fichtenbeſtände. Ein wahres Kunjtwerk iſt das Neſt des Buchfinken, es macht's ihm jo raſch keiner nach. hier eine Flechte vom Bart einer Fichte, dort ein Stückchen vom dicken Polſter der alten Linde, dann ſolches vom Waldboden, mitſamt den welken Hälmchen, die darin hängen geblieben, ſorglich alles verbunden mit angefeuchteten Spinnfäden und Inſektengeſpinſt. Feine Würzel— chen durchgeflochten geben noch mehr Halt. Aber die Arbeit iſt noch nicht beendet. Nach innen braucht's noch mehr Weichheit, mehr Schutz nach außen. Der Cöwenzahn ſtreut ſchon da und dort ein Flöckchen, der Buchfink haſcht es und trägt's zu Neſt. In der Bodenkammer hat die Hausfrau Betten umge— füllt. Ein paar Fläumchen wollte der Frühlingswind haben, um ſie im Blauen ſegeln zu laſſen. Da hat der Buchfink ſie ihm abgenommen. Swei Tage ſpäter iſt das Neſt fertig, innen weich gepolſtert, außen ganz mit Flechten überklebt. Die blütenſchweren Sweige des Niſtbaums hängen über die blendende Gartenmauer hinab, der tiefblaue Himmel ſchaut ſtückweiſe zwiſchen dem Grünen durch. Dort geht in nettem, trippelndem Gang köpfchenrückend der Buchfink entlang und die Pracht ſeines Kleides ſchimmert: aſchgrau das Köpfchen, weinrot die Weite, weißgebändert die Flügel, bronzegrün der Burzel. Auf einmal iſt ein eigenes Feuer in ihm. Er ſtellt das Häubchen und ſieht zur Gartenmauer hinab, wo das unſcheinbare, graue Weibchen die glitzernden Sandkörnchen pickt. Er wendet ſich hin und wendet ſich her, verdreht die Augen und zuckt mit dem Schwänzchen. — 157 Es iſt Frühling, Hochzeit im Jahr. Die Luft iſt voll Dogeljang, das Laub dunkelt, Düfte ſchwirren. Und der Schlag des Buchfinken tönt in den allgemeinen Jubel. Einmal, noch einmal und wieder. Unaufhörlich. Dresden, 25. Mai 1909. Buchfink. Weibchen, die Jungen wärmend. Aber mit dem Glück ſind auch die Neider da. Ein zweites Männchen in der nächſten Umgebung iſt bis heute unbeweibt geblieben und kann die Freuden der beiden nicht ruhigen Bluts mit anſehen. Täglich treibt es ſich in der Nähe des Neſts herum und reizt dadurch die Eiferſucht des Gatten, der ihn natürlich in ſeinem Bereich nicht duldet. Sobald ſie ſich erblicken, 158 R. Paul. Buchfink. Männchen am Neſt mit Jungen. geht die Balgerei los. Mit herausforderndem „Fink, fink“ ſtürzt ſich der Beſitzer auf den Eindringling. Als wirbelnder Federknäuel tanzen ſie in der Luft, die Federchen ſtieben, die Flügel beſchreiben einen zitternden, hellen Kreis, ruckweiſe fahren die Schnäbel aufeinander los, immer aufs neue. Buchfink. Männchen am Neſt mit Jungen. Endlich kommen ſie kämpfend zur Erde, kämpfen dort weiter, wutverbiſſen, daß die Sandkörnchen fliegen. Keiner läßt los, alle Dorjicht, alles Miß— trauen iſt vergeſſen. Dem Weibchen iſt der Sieg des Gatten wohl gewiß? Jeden— falls kümmert es ſich nicht groß um die Kämpfenden und verrät keinerlei Vögel II. 11 161 R. Pand, Glogau, 20. Mai 1908. Buchfink. Weibchen am Neſt mit Jungen. Aufregung. Es boſtelt und zupft mit dem Schnabel noch ein wenig am Neſt herum, drückt ihn gegen ein widerſpenſtiges Hälmchen und ſtreicht es glatt und probiert mit dem kleinen Körper die Neſthöhlung aus, indem es ſich bald von der, bald von der andern Seite hineinſetzt. Schließlich kommt auch der Gatte wieder. Der andere hat doch endlich das Weite geſucht. Was Kecht iſt, muß Recht bleiben. Die zwei können nun ruhig die kommende Brut erwarten. Es wird bald ſo weit ſein, das Weibchen iſt ein wenig träge. Das Singen und haſchen und mit leiſem Liebeslocken „Sirr, zirr“ im Blattwerk Herumſpielen hat aufgehört. Dom 162 Kearton. England. Buchfink. Männchen, den Jungen Futter bringend. Männchen mit allerlei Kleingetier, Käupchen und Schmetterlingen, Mücken, Spinnen geatzt, unterhalten und angeſungen, ſitzt es meiſt ruhig im Neſt und zupft nur mit dem Schnäbelchen an den weichen, grünen Blättchen über ſich. In den nächſten Tagen legte es je ein Ei, bis es ſechs an der Sahl waren. Sie waren nicht alle gleich, die einen blau-grau, die andern rötlich oder blaßgrünlich am Grund, aber alle mit feinen dunkeln Fügen und Flecken. Don den ſechs Jungen, die es geben ſollte, ſind jedoch nur vier aus— geſchlüpft. Es kam eine böſe Seit, eigentlich für beide Teile. Für die Jungen, 11* 165 weil ſie nie genug kriegen konnten, für die Eltern, weil ſie alles beſchaffen mußten. sum Singen und kleinen Paradeſpaziergängen auf der Garten— mauer kam das Männchen gar nicht mehr. Endlich hatten ſich aber die Kleinen doch groß geſchrien und eines Tags da ſitzen ſie alle vier weit außen auf dem Neſtrand, drücken und ſtoßen einander und ſchauen jo recht gelbſchnäbelig frech in den Sonnenſchein. Morgen werden ſie wohl ausfliegen. Mit Genehmigung der Int. Pub. Co-, London Junge Buchfinken, vor kurzem ausgeflogen, bei der Fütterung. Es iſt hochſommer geworden. Nochmals ſind drei Junge in dem Neſt groß geworden und ausgeflogen. Den muntern Schlag des Buchfinken hört man auch jetzt ſelten. Mit leiſem „Jüp, jüp“ treibt er ſich ungeſehen in der Nähe des Neſts umher. Man hört das leiſe Locken manchmal gar nicht, jo ſehr paßt der Ton in die Hochſommerſtille. Oder es glaubt wohl einer an eine boldammer, wenn an Regentagen ein ſanftes, trübes „Trief“ in der Nähe des Ueſts ertönt. Der Buchfink und ſein Weibchen halten noch treu zuſammen; ſie ſuchen allerlei Sämereien im Garten und auf dem Feld, Unkraut und 164 Getreideſamen, Hanfneſſel, Kohl-, Dijtel- und Klettenjamen, auch Kiefern-, Fichten⸗ und Tannenſamen, den ſie im Wald vom Boden aufleſen. Das kleine, graue Weibchen, noch ſtiller und beſcheidener als ſonſt, zeigt ſich ſchier bloß im Derjchwinden. Leipzig, 6. Fuli 1909. Junger Buchfink, vor kurzem ausgeflogen. O. Pfaff. Mit dem BHerbit kommen dann Buchenkerne und Dogelbeeren. Und ſchließlich die Sugzeit. In kleineren und größeren Geſellſchaften ſtreifen ſie dann, die ſonſt ungeſellige, zänkiſche Dögel ſind, in der Gegend umher, bis der eigentliche Wanderzug ſie weiterführt, bis nach Afrika. 165 Diele aber, beſonders Männchen in den ſüdlichen und ſüdweſtlichen Teilen der Heimat, halten durch und nehmen unſern böſen Winter auf ſich. Da ſieht man dann den Buchfink die ſtillgewordenen Plätze aufſuchen, wo ihm im Sommer wohl geweſen war: winterlich öde Wirtsgärten, wo er ſtill und emſig unter den Tiſchen nach den Krumen ſchaut, die ſonſt für ihn fielen. An ſonnigen Maitagen ſchallte dort ſein unermüdlicher Geſang von den jungen, blühenden Kaſtanien. Oder er treibt ſich in den Anlagen umher, wo ihn ſonſt täppiſche, kleine Kinderhand gefüttert und jpekuliert auf die Gutherzigkeit der wenigen, einſamen Spaziergänger, die etwas für ihre hungrigen Lieblinge in der Taſche haben und Buch- und Bergfinken, Meiſen und Ammern die ganze hungrige Wintergeſellſchaft um ſich ſammeln. Wird's aber zu ſchlimm mit Schnee und Kälte, liegen die Parks verödet und ver— ſchneit, ſo kommt er zu den Futterplätzen und auf die großen Straßen, wo er den Wagen und Schlitten nach die dampfenden Pferdeſpuren aufſucht. Kaum aber ſind im Februar die erſten, unbeſtändigen Sonnentage da, und die Ausreißer wiedergekehrt — voran die Männchen — ſo fängt er ſchon an, der Buchfink „Sizi, zizizi —“ weiter kommt er noch nicht. Die Sonne iſt ja auch noch nicht weiter. Sie „dichten“ alle beide. 166 | Der Kormoran. | Don Hugo Otto. über einem felfigen, menſchenleeren Eilande im Norden dämmert der Morgen. Die Stille der abſchiednehmenden Nacht wird bald von dem Stimmen— gewirr vieler tauſend Dögel abgelöſt. Alles erwacht nach dem ſtärkenden Schlummer zu neuer Lebensbetätigung. Der Hunger mahnt zur Arbeit. Auch die Kormorane, die auf den Klippen und Felsvorſprüngen in langen Reihen ihre Nachtruhe gehalten haben, ſind bereits munter. Plötzlich ſtürzt ſich ein Dogel wie ein Stein ins Waſſer und taucht unter, und gleichzeitig folgen ihm ſämtliche Kormorane ins naſſe Element. Möwen, Seeſchwalben und nordiſche Enten erheben ſich in die Luft. Die Unruhe der Dögel läßt auf etwas Außergewöhnliches ſchließen. Da wird auch ſchon die Urſache dieſer Aufregung in der Dogelwelt ſichtbar. Ein Seeadler ſtreicht in bedächtigem Fluge heran. Impoſant iſt ſeine gewaltige Erſcheinung in dieſer Umgebung von Waſſer und Felſen. Wie ein Tyrann verbreitet er ringsum Schrecken in ſeinem Reiche. Bald verliert ſich ſein ſtolzes Flugbild wieder in der Ferne. Kurze Seit nach dem Untertauchen wurde ein Kormorankopf nach dem anderen an der Waſſeroberfläche ſichtbar, und jetzt ſchwimmt die ganze Ge— ſellſchaft — etwa fünfzig an der Hahl — ruhig in der ſtillen Meeresbucht umher. Bald taucht hier, bald dort ein Kormoran unter und ſpäht unten in der Tiefe eifrig nach Fiſchbeute umher. Pfeilgeſchwind ſchießen ſie hinter den flinken Bewohnern des Waſſers her, fangen ſie im Schwimmen oder holen ſie vom Meeresboden, oft aus recht beträchtlicher Tiefe, herauf. Da taucht gerade ein Kormoran hoch! Er hält einen zappelnden Sich quer im Schnabel. Jetzt wendet er die Beute geſchickt ſo, daß der Fiſchkopf in der Schnabelöffnung ſteckt. Ein kräftiger Druck, ein ſchneller Schluck — und der glatte Fiſch rutſcht in den großen Kehlſack. Don neuem taucht der Vogel unter und kommt höchſt ſelten ohne einen Fiſch nach oben. So arbeitet er faſt unausgeſetzt, um den kaum zu bezwingenden Hunger zu ſtillen. Der Nimmerſatt raſtet eigentlich nur dann, wenn er ſich völlig voll gefreſſen hat, manchmal ſo voll, daß noch ein Fiſchſchwanz zum Schnabel heraushängt. Nach mehrſtündiger Fiſchjagd ſind die Kormorane unten in der Bucht ermüdet. Einige ſteigen auf die unterſten Klippen, andere aber benutzen die 167 Flügel und ſchwingen ſich auf die Plätze, die ihnen auch zur Nachtruhe ge— dient haben und die gar leicht an der großen Menge weißen Unrates kennt— lich ſind. Es iſt um die Mittagszeit. Der Sonnenjchein wirkt auf die naſſen Kor- morane recht wohltuend. Diertelſtundenlang ſtrecken ſie den gebogenen, langen Hals vorwärts und wieder zurück und lüften dabei in fächelnder Bewegung R. B. Lodge. Farne Island, Full 1895. Brütende Kormorane. fortgeſetzt die Flügel, um das — für einen ſo ausgeſprochenen Waſſervogel höchſt auffälligerweiſe — ſehr ſtark ſchnell durchnäßte Gefieder zu trocknen. Selten ſitzt einer der Dögel ruhig da. Irgendein Körperteil iſt immer in Bewegung. Iſt das Gefieder von Sonne und Wind getrocknet, dann beginnt das Putzgeſchäft, indem die Kormorane ähnlich wie die Enten mit der Flüſſig— keit der Bürzeldrüſe die einzelnen Federn einfetten. Dabei ſind die Tiere in jedem Augenblick wachſam. Nichts entgeht ihnen. 168 ujelug-ajnos uag inv HuvVaowaoN 200 due bf ed 10 2 3 NEN 1 *. e g ER Eu u SER u . 4 v. Fan. Charakterijtijche Stellungen. Kormoran. Nach kürzerer oder längerer Seit ſtürzen ſie ſich wieder ins Waller, und in unerſättlicher Gier ſchlingen ſie Fiſche, — nichts als Fiſche in ihren Kehlſack und Magen hinab. Kleinere Fiſche werden ganz verſchluckt, größere aber im Waſſer zerſtückt, die Brocken aufgefreſſen und dann ſchnell nach dem ſinkenden RKeſte getaucht, bis auch dieſer ganz verzehrt iſt. * * v. Fan Scilly- Inseln, August 1907. Junge Kormorane im Neſt. Die Scharben, zu welcher Gattung der Kormoran gehört, bewohnen mit einigen dreißig Arten faſt alle Meeresgegenden der Erde. Wenn ſie auch in den kälteren Küſtenſtrichen noch zahlreich vorkommen, jo gehen ſie doch nicht hoch gegen die Pole hinauf. Ihrem ganzen Weſen nach ſind ſie echte Meeres— vögel. Nur wenige Arten beſuchen zur Seit der Fortpflanzung auch das Binnen— land, um dort in der Nähe fiſchreicher Süßgewäſſer ihre Horſte anzulegen. Stets tritt auch in ſolchen Fällen ihr Geſelligkeitstrieb in die Erſcheinung, der ſie antreibt, unter ſich und mit anderen Vögeln Dereine zu bilden. 172 -Gojdylog waagı Inv auvaowıaoy 4067 hu ft i 7 'R px) Für Deutſchland kommen nur drei Scharbenarten in Betracht: der Kor- moran, die Krähenſcharbe und die Swergſcharbe. Die erſtere Art iſt die größte und als Brutvogel weithin bekannt. Als ſolchen trifft man den Kormoran überall an den Küſten Weſteuropas, den engliſchen Küſten und den Geſtaden Grönlands, Islands und der Faröer. Ferner findet man ſeine Horſte an der nördlichen Küſte des Mittelmeeres und in Algier, am Schwarzen und Kaſpiſchen v. Jan. Scilly- Inseln, August 1907. Junge Kormorane im Neſt. Meere, in Südſibirien, im nördlichen Indien und bei Aujtralien. Auch die Oſt— küſte Nordamerikas weiſt ihn als Brutvogel auf. In ſüdlicheren Gegenden ſind die Kormorane teils Stand-, teils Strich— vögel, im Norden ſind fie meiſtens Sugvögel, die in Europa die Külten Spaniens, das Mittelmeer und Afrika bis zur Kapholonie aufſuchen, in Aſien bis Südindien gehen und in Nordamerika bis zur Delaware-Bai wandern. Intereſſant iſt die Geſchichte der Ausbreitung des Kormorans im Gebiete der Oſtſee und im norddeutſchen Binnenlande. Sie zeigt lo recht die Hart: näckigkeit in der Behauptung einmal bezogener Brutgebiete. 174 ‚quaäind Ipıl "uvaowaoN Früher war der Kormoran in ganz Norddeutſchland ein jeltener Dogel. Um das Jahr 1810 hat er zunächſt eine Kolonie auf der Inſel Fünen angelegt. Don dort iſt er aber vertrieben worden, weil er ſich rieſig vermehrte und die Fiſcherei enorm ſchädigte. Wahrſcheinlich war es ein Teil dieſer Kormorane, der ſich dann auf Rügen häuslich niederließ, bis den Dögeln auch hier mit pulver und Blei auf den Leib gerückt wurde. Jetzt wanderten ſie wieder weiter ſüdwärts und nahmen Beſitz von einem Gebietsteile der Odermündung. Die fiſchreichen Altwaſſer und großen Seen ſowie die hochwaldungen waren für ſie recht paſſend. Als dann aber bald das Klagelied der Sijcher über dieſe Schädlinge anhub, erlagen ungezählte Kormorane der Schußwaffe. Was war der Erfolg? Die Vögel zogen die Oder hinauf und kamen bis in die Spreegegend. Bald waren verſchiedene größere und kleinere Kolonien im Odergebiete anzutreffen. Seit etwa vierzig Jahren haben ſie die verſchie— denſten Brutplätze inne, die ſie nur örtlich je nach dem Stande der hochwaldung verlegen und trotz heftigſter Derfolgung immer wieder bejiedeln. * * * Noch ſteht der hundertjährige Eichenwald blattlos da; aber unten blühen ſchon Buſchwindröschen, Weidenkätzchen ſchaukeln ſich an ſchwankenden Sweigen, und das Geißblatt zeigt friſches Grün. Seit etwa drei Wochen, Ende März, ſind die Kormorane im prächtigſten Hochzeitskleide — mit weißer Kehle, Wange und Hoſe — wieder aus dem Süden angelangt. Fortgeſetzt fliegen ſie ab und zu. Auch Reiher und Krähen ſieht man zwiſchen ihnen. Das Gekreiſche der Vögel war ſchon aus weiter Ferne hörbar geweſen. Immer unangenehmer wurde es, je näher man dem Brutplatze kam. In un— mittelbarer Nähe der Horſtſtelle ſchwoll das Stimmengewirre zu einem ohren— betäubenden CLärme an. In das rauhe „Krah, krah“ der Krähen tönte das laut gellende „Chraik, chraik“ der Reiher, und dazwiſchen krächzten in harten, ſcharfen Kufen die Kormorane. An dem ganzen Gebaren der Dögel erkannte das Auge des Kundigen ſofort, daß fie fleißig Horſtſtoffe zutrugen, die Krähen mäßig ſtarkes Keiſig für die Unterlage und den Neſtrand, die Reiher ziemlich ſtarkes Sezweige und Rohritengel und die Kormorane ganz feſtes Geniſt, das ſie ſich aus den nahen Brüchen und Sümpfen holten. Manche Kormorane hatten von einem Keiher— horite Beſitz genommen und den rechtmäßigen Eigentümer abgebiſſen und ver— drängt. Sie benutzten ihn als Unterlage für das eigene Neſt und trugen nur Binſen und Schilf ein. Auf einigen Bäumen ſtanden nur einzelne Kormoran— horite, viele beſaßen deren aber mehrere. Im ganzen mochte die Kolonie gegen zweihundert Horſte aufzuweiſen haben. 176 . — — — — — — = = — — — S = D — = = — © — A — = — = Dögel II. Copyright 1910, R. Doigtländers Derlag in Leipzig. Auch als Schlafitätten wurden die Horſtbäume benutzt; denn jchon jetzt, nachdem die Dögel erſt wenige Wochen wieder da waren, ſah man überall das Geſpritze des weißen, ſcharfen Geſchmeißes auf den Sweigen und Aſten und an den Stämmen, die ſtellenweiſe wie übertüncht ausſahen. Außerſt ſcheu ſind die Kormorane. Beim Nahen von Menſchen ſteigen ſie ſtets hoch in die Luft hinauf, ordnen ſich, wenn die Störung nicht ſofort ver— ſchwindet, in ſchräger Front und ſtreichen ähnlich wie Stockenten weit ab, um ſich auf einem fernen Altwaſſer niederzulaſſen. Erſt nach geraumer Seit wagen ſie ſich wieder unter Beobachtung größter Dorjicht in die Nähe des Horſtplatzes und ſchwingen ſich erſt dann in die Horſtbäume ein, wenn ſie alles für ganz ſicher halten. Sehn Wochen ſpäter zeigt die Kormorankolonie ein anderes Bild. Recht lebhaft geht es in ihr zu. Diele Horſte ſind mit zwei oder drei Jungvögeln beſetzt, die um dieſe Seit flügge ſind und meiſtens ſchon auf den Aſten der Bäume und dem Rande der Horſte hocken. Jetzt ſieht der Wald aus, als ob er von groben Schneeflocken überſät wäre. Der ätzende Kot beeinträchtigt den Pflanzenwuchs und verunziert in hohem Maße das Unterholz des Hoch— waldes. Ein häßlicher Dunſt nach faulenden Fiſchen macht ſich unter den Horſt— bäumen breit. Er rührt von den am Boden liegenden Reiten der Nahrung her, teils großen Fiſchen, die den Alten beim Serjtückeln für die Brut entglitten ſind, teils auch Fiſchreſten. Ein Glück it es, daß hin und wieder ein friſcher Luftzug die ſtinkenden Gaſe wegführt. Der Kormoran liebt ſeine Jungen ſehr. Droht aber Gefahr, dann ſchwingen ſich die Alten unerreichbar für Schrotſchüſſe hoch in die Luft hinauf und ſchweben dann in größter Angſt und Sorge um ihre Brut über der Waldung. Beſchießen Jäger die Horſte, dann bemächtigt ſich der Dögel eine furcht— bare Unruhe und Aufregung. Nicht ſelten geraten ſie bei ſolchen Gelegenheiten in den Konflikt zwiſchen Selbſterhaltung und Elternliebe, und hin und wieder, jedoch nicht häufig, ſiegt letztere; dann iſt manchmal das tödliche Blei der ſchnöde Lohn der Tugend, das den Lebensfaden unverhofft abſchneidet. Sieh, wie das alte Kormoranmännchen dort angeſchoſſen durch die Gipfel niederfällt! Es iſt geflügelt und verſucht ſich oben im Gezweige zu halten. Aber es glückt ihm nicht. Schwer ſchlägt es auf dem Boden auf. Ein Mann naht, um es zu töten. Der Dogel ſetzt ſich zur Wehr. Unheimlich tüchkiſch iſt der Blick ſeines dunkelgrünen Auges. Mit ſeinem langen, an der Spibe hakig gebogenen Schnabel ſtößt er nach Geſicht und Händen des Derfolgers, ſtreckt den hals vor und läuft dann unbeholfen watſchelnd auf den Ruder: 178 Fan. Junge Kormorane im Neſt. füßen fort. Da trifft ihn ein Stockſchlag, und verendet bricht der prächtig gefiederte Dogel zuſammen. Ein unangehmer, biſamartiger Geruch entſtrömt dem getöteten Tiere, der es ſelbſt der anſpruchsloſeſten Sunge ungenießbar macht. Nur der nagende Hunger kann derartige Biſſen über die Lippen eines Menſchen bringen. Merkwürdig verſchieden ſind die Größenverhältniſſe, die man nicht ſelten v. Jan. Scilly - Inseln, August 1907. Kormoran am Rajtplat. unter den Kormoranen einer größeren Kolonie und unter den Artgenojjen aus verſchiedenen Gegenden feſtſtellen kann. Die ſtärkeren Dögel unter ihnen ſind faſt durchweg Männchen. Im Horſte ſind ſie ſtets an der Größe kennt— lich. Wenn aber auch unter einem Paare immer das Männchen größer als das Weibchen iſt, ſo gibt es doch auch Männchen, die kleiner als das Weibchen eines anderen Paares ſind. ähnliche Unregelmäßigkeiten finden ſich auch in der Schnabellänge und der Anzahl der Schwanzfedern. Sie ſind es geweſen, 180 -Dungpylogyng "uvaowaoN -quaygalums geile sug "uvaowaıoy 1 — m z 4 12 * * 1 * [4 REF: Kalk g f und sr FR e 42 — f 58 die manche Forſcher veranlaßt haben, beſondere Arten unter den Kormoranen anzunehmen, wo es ſich doch nur um ein zufälliges Spiel der Natur bei einer einzigen Art handelte. Die Forſchung hat längſt ſolche Irrtümer beſeitigt. * * * Nahe bei der Kormorankolonie liegt ein Binnenlandſee in der Gegend des Oderbruches, an ſeinen Ufern mit Rohr und Binſen eingerahmt, zwiſchen denen weißer Waſſerhahnenfuß und gelbe Teichroſen blühen. Der größere Teil des Sees iſt pflanzenleer und infolgedeſſen ſpiegelblank. C. J. King. Scilly- Inseln, unt 1907. Kormorane. Die Sommerjonnwendgeit it ſeit kurzem vorüber. Die jungen Kormorane ſind bereits flügge. Kaum haben ſich in der Frühe des Morgens die Hebel: ſchwaden gelichtet, da ſind ſie mit den Alten auch ſchon auf dem See anzu— treffen. Während der Nacht haben fie drüben in der Hochwaldung geſchlafen. Siemlich ſorglos können die Dögel ſein; denn abgeſehen von den Menſchen brauchen ſie ſich nur noch vor den allergrößten Raubvögeln zu hüten, und auch ihnen gegenüber iſt eine Verteidigung nicht ſelten von Erfolg begleitet. Jetzt in der frühen Morgenſtunde tauchen ſie fortgeſetzt. Das an Karpfen reiche Gewäſſer liefert ihnen mühelos dieſe trägen Fiſche. Jeder Kormoran vertilgt täglich gegen vier Pfund Fiſchfleiſch, ſo daß ſchon eine ganz kleine Kolonie viele Sentner von Fiſchen verbraucht. Bei einer derartigen Inan— ſpruchnahme der wertvollen Fiſchbeſtände iſt es allerdings kein Wunder, daß 182 uaaoyız gun (ugeilen usa 199) B3uUVaowıaoyN die Teichbeſitzer die Kormorane haſſen. Unter ſolchen Umſtänden it der manch— mal fürchterliche Dernichtungskrieg gegen ſie wohl verſtändlich; denn wenn wir Menſchen auch gern den Dögeln als unſeren Mitgeſchöpfen etwas von dem Lohne unſeres Fleißes opfern wollen, ſo können wir ihnen doch nie und nimmer die volle Ernte menſchlicher Mühe zuſprechen. Sieh, da ſteigt wieder ein Komoran aus der Tiefe des Teiches empor! Unten hat er den Grund durchſucht, um vielleicht ſeine Lieblingsnahrung zu finden. Richtig, er erſcheint jetzt mit einem großen Kale im Schnabel. Der Fiſch krümmt und ſchlängelt ſich und legt ſich wie eine Krauſe um den Hals des Vogels. Aber all ſein Sappeln iſt vergeblich. Der Kormoran hält feſt und drückt ihm die ſcharfen Schnabelränder wie Schneiden in den Leib, nimmt jetzt den Aalkopf in die Schlundöffnung, und bald gleitet der Fiſch ruckweiſe in den Kehlſack. Es iſt eine merkwürdige Erſcheinung bei den Kormoranen, daß ſie be— ſonders die Grundfiſche als Nahrung ſchätzen. Dabei iſt es ihnen völlig gleich— gültig, ob dieſe als Schollen der Tiefe der Salzjee entſtammen oder als Karpfen und Aal ſich im Süßwaſſer aufgehalten haben. Alltäglich fiſchen fo die jungen Kormorane in den fiſchreichen Gewäſſern. Eines Tages aber erwacht der Drang zum Meere in ihnen, und dann wandern ſie mit den Alten hinaus in die unbekannte, fremde Gegend, wo ſie bis zum Spätherbſt fiſchen. Schließlich bemächtigt ſich auch des größten Teiles der Kormorane vor Wintersanfang der allgewaltige Wandertrieb, der ſie in die Geſtade des Mittelmeeres führt, wo ſie ſich zu Tauſenden und Abertauſenden ihr Futter ſuchen. Nur wenige Kormorane bleiben auch in der kalten Jahres— zeit in der nordiſchen Heimat, wo ſie ſich oft unter großen Entbehrungen ſchlicht und recht durchzuſchlagen verſuchen. * * Wie ſo ganz anders als im kultivierten Binnenlande benimmt ſich der Kormoran auf dem Meere und in ſeiner Nähe auf den Klippen und Felſen menſchenleerer Küſtengeſtade des hohen Nordens und wie anders auch in den weiten unbevölkerten Sumpflandſchaften Ungarns und der Donaumündung! In den Kulturländern ſcheut er den gar kein Vertrauen erweckenden Menſchen. Hier iſt er eigentlich immer nur Gaſt zur Seit der Fortpflanzung. Er kommt, wenn ihn Ende März der Paarungstrieb an den Horſt mahnt; er verſchwindet wieder, wenn ſeine Brut ſo flugfähig iſt, daß ſie die See zu erreichen vermag. Nach dieſer Seit liegt die Kormorankolonie verlaſſen da. Nur ausnahmsweiſe beſucht dann noch einmal einer dieſer Vögel die Horitbäume. 184 C. FJ. King. Serlly- Inseln, Funi 1907. Kormorane. Merkwürdig iſt es, daß der Kormoran in den Kulturländern die höchſten Bäume als Niſtſtätte bezieht, in ſeiner heimat am Meere aber auf das harte Geſtein niſtet. In ſteppenartigen Sumpflandſchaften bewohnt er ſogar Kopf- weiden. Hier ſowohl wie auch auf Binſen- und Schilfbüſcheln legt er mitten im Gewäſſer ſeine Horſte an. hinſichtlich der Wahl der Niſtörtlichkeit iſt er alſo ein Univerſalanpaſſungskünſtler, wie man ſolche in der Vogelwelt nur ganz wenige antrifft. Selbſt den nordiſchen Dölkern, die durchaus nicht zu den Koſtverächtern zählen, ſind das Fleiſch des Kormorans ſowohl wie auch die Eier mit dem blaß grünlichgelben Dotter widerlich. Höchſtens werden die Jungen, die nicht jo fett und tranig wie viele andere Seevögel find, im Notfalle verzehrt. Dem Eskimo dient auch wohl die gegerbte Haut des Vogels als Kleidungsitück. Der Scharfſinn des Menſchen aber hat es vermocht, daß ihm der Kormoran auf andere Weiſe nützlich wird, indem er ſeine vorzügliche Tauch— fähigkeit und ſein geſchicktes schwimmen unter Waſſer für ſich zum Fiſchfange auszunutzen verſtand. Junge Kormorane werden ſehr zahm, folgen dem Rufe ihres Herrn und laſſen ſich leicht als Beizvogel zum Fiſchen abrichten. In Europa it eine Sähmung des Kormorans für ſolche Swecke mehr ſportlicher Natur, die erſt ſeit dem 17. Jahrhundert bekannt iſt. Ein beſonderer Nutzen erwächſt dem Be— ſitzer des Tieres aus deſſen Tätigkeit nicht. Anders iſt dies bei den Chineſen und Japanern, die ſeit undenklichen Seiten in einer unſerm Kormoran verwandten Scharbenart treue Gehilfen beim Fiſchfange erblicken. Mit einem Kormoran, nicht ſelten auch mit mehreren Vögeln dieſer Art, begibt ſich der Fiſcher auf einem Bambusfloß in eine ſtille Meeresbucht oder auf einen Fluß. Die Kormorane, die ihm beim Fiſchen be— 185 SE C. FJ. King. Scilly- Inseln, Nuit 1907. Junge Kormorane im Neſt. hilflich Sein ſollen, haben einen King aus Metall oder Leder um den Hals, um das Überſchlucken der Beute zu verhindern. Bei allen Kormoranen iſt dies jedoch nicht notwendig, da viele derartig dreſſiert ſind, daß ſie ihrem Herrn auf den Ruf hin folgen. Um die Vögel jedoch auf alle Fälle in der Hand zu behalten, ſind ſie an einer leichten Schnur befeſtigt. Auf Befehl ſtoßen ſie hinab in die Flut. Sögern ſie, jo ſtößt der Mann ſie mit dem Ruder von ihrem Ruheſitze. Sie tauchen tief ein und holen ſelbſt aus Meerestiefen von über 25 Meter Grundfiſche. Auch vermögen ſie gegen dreißig und mehr Meter weit unter Waſſer zu ſchwimmen. Mit dem Fiſche im Schnabel kommen ſie an das Floß heran. Der Fiſcher nimmt ihnen die Beute ab, die er in ein Gefäß wirft, und der Dogel geht wiederum in die Tiefe. Iſt der Herr mit Fiſchen reichlich verſehen, dann entfernt er das Halsband von den Kormo— ranen, und nun fiſchen ſie, um den eigenen Hunger zu ſtillen. 186 Das Rotkehlchen. Von Elſe Soffel. Hin und wieder macht es Spaß, Tiercharaktere in menſchliche umzudeuten. Sie rücken uns dadurch noch ein Stück näher. Die Tierfabeln ſind nicht umſonſt entſtanden: die Natur wirft den ungeheuern Reichtum ihrer Ideen ins Leben, die Notwendigkeit des Bodens, der Umgebung, des Kugenblicks formt dieſe Ideen. Die natürlichen Bedingungen draußen kehren verhüllt und übertragen im Menſchenleben wieder, unter ähnlichen Derhältniſſen entſtehen ähnliche Charaktere. Selbſt zwiſchen Pflanzenwelt und Menſchen ließen ſich ſolche Analogien aufdecken, doch dazu gehört mehr Blick, ein ungleich feineres Naturgefühl. Unter den Singvögeln könnte einem das Dölkchen der Seiſige als der Typus des harmloſen, natürlichen Durchſchnittsmenſchen erſcheinen, mit kleinen Intereſſen, kleinen Freuden und Leiden, ungefährlich und gutmütig und voll gedankenloſer Heiterkeit, — der Star als ein pfiffiger Bauer, der Dompfaff als wohlhabender Bürger, behäbig und materiell. Die Bachſtelze iſt ein biſſel ſehr Dame, nicht allzu begabt, dafür aber aufs Äußere bedacht, „penible“ in der Toilette und exkluſiv. Und das Rotkehlchen iſt auch eine „Sie“. Und zwar eine von den reizvollſten. Kokett, voll allerliebſter natürlicher Schelmerei und einer inſtinktiven Klugheit, die Situation auszunützen. Als wüßt' es der kleine Tropf, daß ihm niemand zu widerſtehn vermag, wenn er mit funkelnden, dunkeln Augen und ungeduldig wippendem Schwanz erwartungsvoll auf dem Rand des ver— botenen Mehlwurmtopfes ſitzt und ſchließlich mit einem letzten Seitenblick auf das Gegenüber hinein hüpft! Nein, man kann ihm wirklich nicht böſe ſein! Man kann einfach nicht. Denn das Kerlchen hat zu allem übrigen noch Seele, wirklich Seele! Wenn es bei herannahender Dämmerung auf ſeiner Fichte ſitzt — es hat ſich den höchſten Sweig herausgeſucht und ſitzt allein mit hängenden Flügeln und halbgeſchloſſenen Augen, aus denen aller blitzende Übermut fort, ſelbſt ganz Abend und Schöpfungsſtille — wenn es dann ſein zart jubelndes, fragendes Lied über dich ausſchüttet, wie eine plötzliche Fülle glänzend-reiner Licht— perlen — da ſteht man ſtill vor ſolcher Kinderandacht. Oder in der Gefangenſchaft, wenn es, trüb in ſeinem Bauer ſitzend, rührend ſchüchtern und ſehnend zum erſtenmal den Mut faßt — vielleicht beim Geratter der Nähmaſchine — ſeine oft abgebrochenen Tönchen zu proben! 187 we IN 12 N FG \ e 2 n x Mit Genehmigung der Intern. Publ. Co., London. Neſt und Gelege des Rotkehlchens. Nun glaubſt du, du haſt es, kennſt es ganz! Aber nein! Es ſtehen noch allerhand Überraſchungen bevor und Bös und Gut hat es in einem Sack. In dem nechkiſchen kleinen Körper wohnt eine ganz erſtaunliche Leiden— ſchaft, Eiferſucht und Kampfluſt. Weh' dem Nebenbuhler, der ihm ins Gehege kommt! Die hohen, zarten Stelzen weit auseinandergerückt, ſteht das Rotkehlchen unter dem Baume, auf dem der Gehaßte ſitzt. An den Bauchſeiten ſieht der leichte weiße Federflaum über die angelegten Flügel hinaus, die Bruſt ſcheint tiefer zu leuchten als ſonſt, die Augen, groß und dunkel ſehen erregt in die höhe. Und nun beginnt es einen Schlachtgeſang, der ihm faſt die kleine Bruſt zerſprengt, kurz und heftig. Bricht plötzlich ab und erſcheint wie auf ein gegebenes Seichen oben im Baum, um auf den Gegner loszufahren. Der Kampf iſt erboſt und andauernd und weh' dem Kecken, der es wagen ſollte, gar noch die Futtermöglichkeiten mit dem Herrſcher im Gebiet zu teilen. Er wird unerbittlich verfolgt und ſo lange bedroht, bis er blaß gefärbt, verſchüchtert und halb verhungert den Platz für immer räumt. 188 J. Atkinson. Yorkshire 1909 Rotkehlchen. Kein zweiter in der Nähe! Haß dem eigenen Geſchlecht! Und dasjelbe Tierchen iſt ganz uneigennützige Nächſtenliebe, Mütterlich— keit und Geſchäftigkeit, wenn es etwa auf ſeiner Nahrungsſuche die verlaſſene Brut irgendeines Vogels auffindet, ſollte auch die Größe der Neſtlinge ſeine Leiſtungsfähigkeit überſteigen. Es intereſſiert ſich, ſchleppt ſich ab für die Fremdlinge, und räumt — ſchuldbewußt und verſchämt — erſt dann das Feld, wenn etwa die rechtmäßige Mutter wiederkehrt und erſtaunt und empört nach dem Eindringling ſieht. Ja, recht weiblichen Charakters iſt das Rotkehlchen! Neckiſch und liebenswürdig, klug und warmherzig und dazu eine ſeelenvolle kleine Künſt— lerin, aber gern die Erſte — eiferſüchtig, neidiſch und heftig, ſobald es ſeine Höniginrechte geſchmälert oder gar bedroht ſieht. Und dann wieder andächtig wie ein Kind. Oder auch launiſch wie ein ſolches. Cebhaft und trüb, ungeduldig und gedankenvoll, ſchelmiſch und ſtill, alles in raſcher Folge aufeinander. Manchmal beinahe ein biſſel hniteriih. Man weiß wenigſtens nicht, wie man es anders nennen ſoll. In dieſem Augenblick hängt es halb tot an einem äſtchen, liegt gar auf dem Boden, als ob es Krämpfe bekommen ſollte, — es hat einen kleinen Schreck gehabt. Da — im nächſten hüpft es und Rokettiert am Futternapf. Das iſt doch arg! Und neugierig iſt es! In Gefangenſchaft kann es paſſieren, daß es, hochbeinig geſtellt und das weiße Bäuchl dicht an das Gitter gepreßt, daß die Federchen herausſehen, dich minutenlang bei deiner Arbeit beobachtet. Halt du's endlich bemerkt, ſo iſt es freilich längſt auf dem Stengelchen oben, als wäre nichts 189 F. Atkinson. Vorkshire 1909. Rotkehlchen, junge Dögel, und erwachſener Dogel. geſchehen. Fliegt es einmal aus, jo jteht es ebenſo minutenlang am Seniter, langgejtreckt und ſchaut hinaus. Heimgehen aber, das merk dir, tut's, wenn es will, und nicht, wenn du's willſt. Es merkt jeden deiner Tricks und umgeht ſie. Es muß — wie ein echtes Weib — ſeinen Willen haben. Das Rotkehlchen iſt der armen Leute Nachtigall, war es wenigſtens bis heute. Der einfache handwerkersmann hat ſich zu allen Seiten im Früh— jahr mit dem Schlagnetz einen Wildfang geholt. Er gab ſich gar nicht groß Mühe, ſich zu verſtecken, lockerte die Erde vor einem großen Buſch am Rand einer wilddurchwucherten Sandmulde, ſteckte einen fetten Mehlwurm auf und ging dann ein wenig beiſeite. Das Kehlchen hatte ihm aus einem zweiten Buſch ſchon neugierig zugeſehen und erwartungsvoll das Sappeln des Wurms bemerkt. Einen Augenblick ſpäter zappelt es ſelber im Netz. Nachdem es erſt getan, als wollt' es ſterben, ergab es ſich bald in ſein Schickſal. Einige Wochen ſpäter hat ſich's an die neuen Derhältniſſe gewöhnt, und noch über eine Seit iſt es gut Freund mit dem Pfleger, wird wieder dreiſt und neugierig, fängt die Fliegen im Simmer und „beaufſichtigt“ den Meiſter bei der Arbeit, ſingt, vor ihm auf dem Tiſch ſitzend, zu ſeinem Gehämmer und Geklopfe, frißt mit Hund und Katze aus einer Schüſſel und holt ſich den Mehlwurm aus der Hand. Es ſind noch mehr Leute im Städtchen, die ein Rotbrüjtl haben. Die blaſſe, ſtille Näherin und der Poſtbote, die Botenfrau, die, alt geworden, 190 Stephainsky. aud Tillowitz, Ober-Schl., August 1909. 2 Jets 8 Junges Rotkehlchen. die Kinder ihrer Tochter aufzieht — kurz lauter Leute, die eine kleine Freude brauchen, weil ſie die große nicht kennen gelernt haben. Sogar bis ins Armenhaus vor dem Tore hat ſich eines verirrt. Das hilft der alten häuslerin waſchen, das heißt es ſitzt auf dem Rand des großen Subers und ſieht in den wallenden Dampf. Das hätt' aber die Alte nicht zulaſſen ſollen oder ſie hätt' nicht hinausgehn dürfen. Denn als ſie wieder in die Stube kam, da war der Vogel vom Rand in den Suber gehüpft, um zu ſehen, was das wär'. Sie hat's nimmer aufhalten können, das Malheur. „Freilich, wer hätt's wiſſen können — es hat ſchon oft da oben g’jellen, wenn fie g'waſchen hat. Die Häuslerin hat's ein paar Wochen net verwunden, das liebe Tierl, denn ſie hat's ſelber auf'zog'n von klein auf mit gelber Rüb'n und Milchbrot und dazu jeden Tag a paar Mehlwürm', die hat ſie ſelber ang'ſetzt.“ — So ein Allerweltsliebling iſt das Rotkehlchen geweſen zu einer Seit, wo man ſeine Dögel nicht bloß draußen, ſondern auch drinnen hat pflegen dürfen. Wenn man das Städtchen hinter ſich hat, ſamt ſeinen alten Toren und breiten buckligen Häufern, jo ſieht man hinter Wieſen und Feldern den Wald. Es iſt hoher Miſchwald, dicht gewachſen, mit kleinen Bächen, die ihn durch— ziehen, und hohem, ſchwellendem Moospolſter. Er zieht über welliges Land, ſteigt in kleine Täler und geht an den Hügeln in die Höhe. Er hat weite ſtille Wieſen, die von dicht bekleideten jungen Fichten umſtanden ſind, über die abends der Mond langſamer geht, über denen die Sterne beſonders gern 191 er Ar Li. 0 7. IT 1 h 503 III 2 u Graf Münster. Moritzburg, Februar IQIO. Singendes Rotkehlden. ſtehen. So rechte Sommerabendwaldwieſen. Dann wieder Erlengebüſch und Weiden, die kleine Waſſer abwärts begleiten, wo man im Frühling hingehn muß, wenn die braunen Knojpen und die gelben Kätzchen heraußen ſind. Waldſpitzen, die hinaus bis zu den braunen Äckern reichen, den Hügel hinauf, in die ſich an allen Abenden die Sonne verfängt, Dickichte von Dorngeſtrüpp und totem Holz, durch die kaum ein flüchtendes Reh zu brechen vermag; prachtvolle Einzelbäume, groß und ſtark, die vor dem Wald ſtehen und ins Land ſehen. Klar und kräftig iſt dort die Luft, friſch und rein das Waſſer. Das iſt Rotkehlchens Heimat. Des Abends ſingt es draußen, wo die Waldſpitze ins Land ſchaut, der Sonne zu, auf einer von den Fichten, die vor der goldenen Wand im Weſten ſtehen. Morgens erwacht es im engen Waldtal, von dem ſich eben die Sterne getrennt haben, wenn die blaugraue Dämmerung noch den Tag verſchleiert, die Wieſe ſchwer vom Tau iſt. Sein Neſt hat es im hohen Wald, wo er dunkel und ſchweigſam iſt und nur der Morgen und Abend in den Sweigen ſprechen. Wo es der Sing— droſſel gerade einſam genug, die Schwarzamſel und das Schwarzblattl verſteckt 192 F. Atkinson. Vorkshire 1909. R. B. Lodge, London, April 1900. 27 8 am Neit. Rotkehlchen auf Pfahl. ſingen. Es gibt bemooſte Stämme da, die beinahe dem Waldboden gleich ſind und Strünke, die im Dunkel leuchten. Unter ſolch einem hat das Rot- brüſtl ſein Neſt, von drei Seiten gedeckt, den Eingang weiß es allein. Will man's belauſchen, ſo muß man dorthin gehen. Es ſenkt ſich hier der Wald ein wenig und öffnet ſich zu einem ganz ſchmalen, langen, mooſig-feuchten Tal, in das ein ebenſo ſchmaler, langer Streif vom blauen Himmel ſieht. Dort auf dem Strunk ſitzt das Hehlchen oft lange, wippt mit leiſem „ſih“ und ſchaut ſich um — und iſt dann plötzlich wie im Erdboden verſchwunden. Schon eine Brut hat's dort aufgezogen, ſieben Mann hoch, und noch mal hat's vier gelbliche, roſtfarben beſpritzte Eier aufs Erdmoos gelegt. Fuchs und Marder haben nicht zugekonnt, es war ihnen der Eingang zu eng. So hat's die Kinder, die denen der Nachtigall ähnlich ſahen, braungelb mit ſchwärzlichen Wellen, gut aufgebracht. Freilich über manche angitvolle Minute, die er geſehen, über manch ängſtlich warnendes „tſchrietſch“, manch erſchreckt-empörtes „ſchnickerikik“, das er gehört, ſchweigt der einſame Wald— winkel. War doch der Falke juſt da einmal herabgeſtoßen, wo er vorher die futterbringende Mutter eräugte, und der Habicht hatte oft lang über den Fichtenwipfeln im Blau gekreiſt. Vögel II. 15 195 K. Soffel. Bozen, Sommer IQIO. Rotkehlchen, Bücklinge machend. War er fort, jo ſchimpfte das Rotbrüjtl noch lang aus Unterholz und Gebüſch „ſchnickerikik, ſchnickerikik“ und ſchlug ärgerlich den Schwanz auf und nieder, bis Amſel oder Singdroſſel mit lautem tak-tak-tak-tak⸗tak⸗tak aus ihrem Oerſteck aufflogen und der Wald aufwachte. Sutter bot der Wald gerade genug. In der Moosdecke hing allerlei und an den Baumſtämmen kribbelte es, zwiſchen der Rinde ſaßen Larven oder an ihr hingen ſchlafende Uachtſchmetterlinge und kleine Motten, die Splitter von manchem faulen Stückchen Holz wurden unterſucht und Eier, Puppen oder Käfer drin gefunden. Wo der Waldboden nackt war, dort wo Laubbäume ſtanden, mußte man das welke Laub umwenden, da ſaß und lief allerhand dazwiſchen, Spinnen, kleine Raupen und Gewürm, — wo im Hochwald die dürren Nadeln lagen, gab es kleine und große Ameijen die Fülle. Solang die zweite Brut noch im Neſt lag, ging das Weibchen nicht allzuweit fort und das Männchen half ihm treulich füttern, wenn es auch an ſchwülen Tagen lieber ſaß und ſang. Als aber der Auguſt herum war, wurden im Nadelwald die roten Heidelbeeren reif und draußen vor dem Wald das Rotkehlchenbrot; ſeit dem ſchwarzen Hollunder hatte es ſolche Sukojt nicht mehr gegeben und das Rotbrüjtl war tüchtig hinterher. Es ſpürte auch ſchon die Sugzeit kommen und trieb ſich gern herum von Gebüſch zu Gebüſch, ſchnurrte hinüber bis zur Straße und ſah ſich dort die Ebereſchen an. Die mußten den herbſt noch vorhalten. Als aber der mit immer blauem Himmel kam und einer Menge roter Dogelbeeren, da hielt ſich das Rotbrüjtl zurück. Es ſtreifte nur in der 194 . Atkinson. Yorkshire 1009. Rotkehlchen im Schnee. Nähe und hatte es noch lange gut. Überall fand es was und die Sonne war golden jeden Tag. Bis ſie eines ſtillen Tags doch hinter den Wolken blieb und der Abend rauh und voll Nebel war. Da fing die Not an. Denn der Sturm war nachts im Wald geweſen und den andern Morgen war die Welt weiß. Das wär' noch nicht das ſchlimmſte. Aber noch über zwei Mächte da knarrte der Schnee, des Abends ſtand der Wald ſtill, ohne einen Hauch, er konnte ſich nicht rühren, und Sterne blitzten oben am Himmel und unten am Boden. Die Meiſenglöckchen bimmelten durch den Wald und die Krähen zogen. Das Rotbrüjtl fand noch ein paar Wacholderbeeren, und wenn es fleißig war, eine Larve zwiſchen den Rinden der Bäume. Mittags flog es zur Straße hinüber und holte die letzten paar Ebereſchenbeeren, die in der Sonne weich geworden. Als aber ein Tag war wie der andere und jede Nacht der Schnee noch feſter fror, da wurde es matt. Seine Federchen ſträubten ſich, die Augen ſahen trüb und klein. Es flog und hüpfte, ſtruppig und kugelig bis zur Straße hinüber und auf ihr weiter und ſuchte, wo doch nichts zu ſuchen war. Da, als es in die Nähe eines Haujes kam, fand es um das Haus den Boden frei und vor dem Küchenfenſter ein paar Krumen. Don da an hielt ſich's in der Nähe und kam jeden Tag. So iſt es durch den Winter gekommen. Schweſtern und Brüder hatten es unterdes freilich leichter gehabt. Die hatten nach der langen, nächtlichen Reiſe ein ſonniges Land gefunden und Nahrung die Fülle. Sie zogen zu ihren Brüdern nach Nordafrika, die aus Deutſchland und dem ganzen Norden und die dunkler gefärbten aus England mit ihnen. Die aus Perſien und die prächtig gefärbten der Kanariſchen Inſeln hatten's nicht nötig, dem Frühling nachzuziehen, der war ſelbſt im Land geblieben. 195 Der Wendehals. Don Martin Braeß. „Hörſt', Marie, wie's Regenvögele ruft,“ jagt die Bäuerin, „noch hinte wird's wettern!“ Und ſie richtet ſich auf, wiſcht mit dem Handrücken über die Stirn und ſchaut, das Leinentüchlein, das ihr in den Nacken geglitten, von neuem über den Kopf knüpfend, nach dem tiefblauen Himmel. „Noch kein Wölkchen, aber ſchwül iſ', und der Specht ruft ſchon lange ſein Weib, da kommt Regen. Das Dögerl hat noch keinen betrogen, ein Wetterprophet trotz dem Laubfroſch im Glas!“ Und die rüſtige Frau bückt jid) wieder über die Arbeit, mit der Magd die jungen Salatpflänzchen ins Beet ſetzend. „Gäthgäthgäth . . .“, ſo ruft es in gleichmäßig langſamem Tempo, weich, faſt ſchmachtend aus dem Obſtgarten neben dem Hauſe, „gäthgäthgäth . . .“ und dazwiſchen ein paarmal durchdringend ſcharf ein lachendes „gihgihgih— gih . . .“, ähnlich dem Rufe des Aleinſpechts. „hörſt', er ſchreit noch immer; das erſpart uns, die Pflänzchen zu gießen.“ Und recht haben ſie beide, die Bäuerin und der prophetiſche Dogel. Wolken ziehen herauf, von Ferne vernimmt man den grollenden Donner; ſchwere Tropfen — noch läßt ſich das „Regenvögele“ im Kufen nicht ſtören. Jetzt ein zuckender Blitz, ein krachender Schlag, in Strömen ſtürzt der Regen hernieder — da ſchweigt jedes Geſchöpf vor der Stimme des Himmels. Das Wetter zieht weiter; finſter ſteht's über dem Wald, aber im Weſten bricht die untergehende Sonne durchs zarte Gewölk und vergoldet die glitzernden Tropfen. Hoch ſpannt ſich der bunte Bogen über das Himmelsgewölbe. Die dürſtende Flur trinkt gierig das Naß. Die Schwälbchen verlaſſen das ſchützende Dach, das Hausrotſchwänzchen ſingt am Schornſtein ſeine klirrende Strophe, und „'s Regenvögele“, horch! es ruft wieder wie vorhin, aber noch lauter und mit wachſender Kraft: „Gäthgäthgäth“ und dann lachend vor Freude und Luſt: „Gihgihgihgih . . .“ „'s Regenvögele“, jo reden die Leute im Dorf; ſeine Stimme kennen die meiſten; aber wie's ausſchaut, das weiß kaum einer zu ſagen. Im Obſtgarten wohnt's, auch draußen im Wäldchen zwiſchen den Wieſen und Äckern, und am Talhang, wo der Kuckuck ruft und der Pfingſtvogel flötet, da kann man's hören, das ganze Frühjahr hindurch und auch noch im Sommer. Ein Specht iſt's, jo wiſſen's die Klügſten. Nur des Pfarrers Bub, der kennt das Döglein genau; der ruhte nicht, bis er's geſehen hatte — ach, jo ein 196 K. Sofel. Zara, Mai 1909. Junge Wendehälje. Junge vom Lande kennt manches, aber niemand fragt ihn danach. Er weiß ſogar den richtigen Namen des Dogels — im Brehm, den er vom Lehrer geliehen, hat er Bild und Beſchreibung gefunden. Die rindengraue Farbe, der Feldlerche ähnlich, die auch an Größe dem Döglein gleicht, der breite Schwanz mit den braunſchwarzen Binden, beſonders aber die Füße, zwei Sehen nach vorn und zwei nach hinten, wie bei den Spechten — wenn der Dogel auf einem niedrigen Pfahl ſaß, Jah man's ganz deutlich — hatten den kleinen Forſcher richtig geleitet, und auch die Lebensbeſchreibung ſtimmte genau: der Wendehals iſt's, auch „Nattervogel“ und „Otterwindel“ nennt man ihn wohl — alles ſeltſame Namen; der Knabe ſollte es bald er— fahren, warum das Döglein jo heißt. Gegen Ende April war's wiedergekommen, bald nach dem Kuckuck, als das Laub an den Bäumen die Knoſpen durchbrach und auf der grünen Wieſe die erſten Blumen ſich zeigten, der goldgelbe Löwenzahn und Gänſe— blümchens weiße und roſige Sterne. Ein jedes Pärchen reſpektierte des andern Gebiet; nur einmal, gleich nach der Ankunft, war ein fremdes Männchen nach dem Pfarrgarten geflogen, hatte ſich auf denſelben Baum niedergelaſſen, wo das andre Männchen ſchon ſaß. In geduckter Haltung, den Körper ganz an den Aſt geſchmiegt, die Flügel hängend, den ausgebreiteten Schwanz etwas erhoben, den hals lang geſtreckt, die Scheitelfedern geſträubt, ſo hatten ſie boshaft geziſcht und wütend ſich angeſehen, zwei grimmige Gegner, auf Leben und Tod! Aber es war bei der herausfordernden Gebärde ge— blieben; denn als die beiden Kämpen ſich dann durchs Geäſt jagten, ſchien 197 K. Soffel, Zara, Mai 1909. Junge Wendehälſe in der Nähe ihrer Höhle. es mehr ein anmutig Spiel, als Verfolgung und Flucht. Ein friedliches Ehepaar iſt's, der Gemahl ſo harmlos wie die faſt genau ſo gekleidete Gattin — ſtört unſre Ruhe, unſer Leben nur nicht, wir tun ja keinem ein Leid! Nach ein paar Tagen war eine Wohnung gefunden. Sie hatten die Wahl; denn jedes Loch der alternden Bäume ſchien ihnen recht. Ob weiter, ob enger, ob in luftiger höhe oder nur mannshoch über dem Boden, war ihnen gleich. Der neue Apfelbaum, den das Pärchen ſich wählte, ſtand zwar recht nahe am Weg, auch nicht weit von dem Wirtſchaftsgebäude, wo häufig Menſchen verkehrten; aber die Dögel vertrauten dem Pfarrherrn, unter deſſen Schutz ihre Brut im vorigen Jahre ſo prächtig gediehen war, ſie ver— trauten auch ihrem rindenfarbenen Kleide, das ſie leicht jedem Auge verbirgt, wenn ſie ſich nach ihrer Gewohnheit an einem Stamm oder ſchief auf— ſteigenden Aſte mit den Aletterfüßen anklammern. Auch am Boden, wo ſie recht häufig verweilen, ſchützt ſie ihr unauffälliges Kleid ganz aus— gezeichnet, und ſo ſah ſie niemand von den Bewohnern des Pfarrhofs, bis auf den Knaben, der mit jedem Winkel im Garten vertraut war und jedes Neſt wußte. Er hatte es bald bemerkt, wie einer der beiden die Höhle beſuchte, hatte dann mit dem Fuß ein paarmal gegen den Stamm geſchlagen, um den Dogel näher zu ſehen, wenn er herausfliegen würde, war ſchließlich, da ſich dieſer in feinem Gewahrſam nicht ſtören ließ, auf die untern Alte des Baumes geklettert und ſchaute nun zu der offnen Türe der Wohnung neu— gierig hinein. Im erſten Moment fuhr er zurück vor dem giftigen Siſchen; 198 R. Paul. Glogau, Full 1909. de Wolf. Wageningen, Fuli 1909. Wendehals am Neſteingang, mit Futter im Schnabel. dann aber dachte er, du ſchauſt ihn dir näher an, den kleinen Dogel, der ſich hier ſo wütend gebart, und ſo ſaßen die beiden ungleichen Geſchöpfe wohl fünf Minuten einander gegenüber: in der Höhle, mit dem Kopf und Hals aus der Öffnung herausſchauend, der graubraune Dogel und auf den blühen— den Alten der wiſſensdurſtige Knabe. Eine boshafte Schlange ſcheint der unſchuldige Dogel genau zu kopieren; den Schnabel reißt er weit auf, daß ſich im Rachen die Sunge zeigt, lang und ſpitzig, als wolle ſie ſtechen, wie's die Menſchen von der Schlangenzunge wohl meinen. Der Hopf mit den aufgerichteten Federn am Scheitel und der geblähten Kehle bewegt ſich auf dem windenden Hals hin und her; dieſer iſt faſt unnatürlich in die Länge gezogen, und unheimliches Siſchen dringt fortgeſetzt aus Rachen und Hals. Kein Wunder, wenn der Unerfahrene erſchrecht ſeine Hand zurückzieht aus Furcht vor dem Biß einer giftigen Schlange, die hier im Baumloch hauſt und jeden bedroht, der ſie ſtört. Selbſt ſtarke Räuber, wie Sperber, Häher oder Katzen, Marder und Wieſel, ſchrecht der Wendehals durch ſolch ſchlaues Manöver, daß lie Reißaus nehmen. Und wenn ein Eichhörnchen naht, um Dogelneiter zu plündern — denn auf eine Eierſpeiſe iſt der niedliche Nager gar lüſtern — da ſchießt der beſorgte Dogel aus ſeiner Höhle heraus, ſtreckt ſich und dehnt ſich, ſoweit er's vermag, breitet den weichen Schwanzfächer aus, zittert mit den hängenden Flügeln, hebt und ſenkt abwechſelnd die Federn des Scheitels und ſchneidet die aller— ſeltſamſten Grimaſſen. Eine Schlange iſt's oder ſonſt ein giftiges Reptil, 199 jo ſcheint das Eichhörnchen zu denken, ſolch' Weſen verſteht keinen Spaß, und in langen Sätzen flieht es den unheimlichen Geſellen. Die Deritellung iſt glänzend gelungen. Furcht vor der Schlange zeigen nicht nur die Menſchen, ſondern die meiſten höheren Tiere; ſie ſtutzen alle beim Anblick des ſeltſamen Weſens, das ſich in Windungen unhörbar auf dem Boden fortbewegt, ſie weichen zurück vor dem wütenden Siſchen. Hat der Wendehals ſeine Defenſive der Schlange wohl abgeguckt und ahmt ſeine kleine Perſon dieſe Bewegungen des gefürch— teten Tieres nun abſichtlich nach? O nein, von der Schlange am Boden weiß unſer Wendehals nichts; die Schreckſtellung, die ihn ſchützt, hat er auch nicht von Dater und Mutter gelernt, ein Manöver iſt's, das ihm im Blut liegt; denn auch Wendehälſe, die man dem Neſte entnimmt und aufpäppelt, üben, ſobald ſie erwachſen ſind, bei jedem Schreck das drohende Spiel, dem man dann gar beluſtigt zuſchaut. Die Menſchen nur erkennen in dem Gebaren des Vogels eine Ähnlichkeit mit dem Derhalten der Schlange, wie die Cokalnamen beweiſen: Natterhals, Natterzange, Ottern- oder Nattern— wendel. Andern Geſchöpfen aber hat die Derteidigungsitellung des Vogels etwas Schreckhaftes, Furchteinflößendes; an eine Schlange denkt wohl kein einziges dabei. Die Einrichtung der Wohnung macht den Wendehälſen, wie den meiſten Höhlenbrütern, nicht viel Sorge und Arbeit. Schnell iſt das Loch von den gröberen Holzbrocken gereinigt; die feineren Teile, den Holzmull, läßt man ruhig darin. Ein paar hälmchen, Haare und etwas Moos wird beſorgt, aber nur wenn man's gerade zur Hand hat; ſonſt genügt die dünne Schicht Baumerde, die fait jede Höhle aufweiſt, vollkommen. Die Eierchen ſind rein weiß, wie es ſich für einen höhlenbewohner paßt — in dem ſichern Gewahr— ſam bedürfen ſie ja keines Schutzes — und ſo dünn ſind die Schalen, daß der Dotter rötlich hindurchſchimmert. Sieben bis zehn Stück zählt das volle Gelege. All die Schreihälſe zu ſättigen, macht den Eltern viel Mühe; Ameiſen— puppen werden den Kleinen zuerſt gereicht, eine leicht verdauliche Speiſe. Aber die weißen Tönnchen ſättigen nur auf ganz kurze Seit, und ſie ſind nicht immer ſo leicht zu haben. Da müſſen die Alten oftmals weitere Flüge unter— nehmen, wogenförmig durch die Luft, was ſie im allgemeinen recht wenig lieben. Wie fie laufen und rennen, die gelben oder ſchwarzbraunen Ameijen, wenn der Wendehals mit dem Schnabel in dem Haufen herumſtochert. An ſeiner wurmförmigen, klebrigen Sunge bleiben die geängſtigten Tiere hängen, wie an der Leimrute das Döglein. Er zieht die Sunge in ſeinen Rachen zurück und verſchluckt die Gefangenen befriedigt, vielleicht ein ganzes Dutzend auf einmal. Nun aber ſchnell, die zarteſten Biſſen, die Ameiſenpuppen, für die Kleinen daheim! Er weiß ſie zu finden trotz aller Liſt der Inſekten; mit der Zunge ſpießt er ſie auf und bringt ſie den Kindern. Dann fliegt er wieder 200 ", Farren. HM ch. eſtlo — l S un — E Key — an = © 8 K. Soffel. Zara, Mai 1909. Halbflügge Wendehälſe. hierher; den ganzen Tag iſt er von früh bis abends beſchäftigt, und zum gemütlichen Ausruhn, zum Rufen und fröhlichen Lachen bleibt ihm kaum mittags ein Stündchen. Auch in und unter dem Kaſen ſucht der Wendehals häufig nach ſeinen Lieblingsinſekten; er hackt in die Erde, und dann leiſtet ihm ſeine Sunge die wichtigſte Hilfe, weil er ſie tief in alle Löcher und Kitzen zu ſtecken vermag. Was ihre Spitze berührt, das wird geſpießt, und was ihre klebrige Haut betaſtet, das iſt gefangen. Nach ein paar Tagen piepen und wimmern die Kleinen lauter und lauter, wenn eins der Eltern herbeifliegt; der Hunger läßt ji unmöglich bloß mit Ameijenpuppen ſtillen. Da muß kräftigere Koſt herbei, und namentlich größere Biſſen müſſen der hungrigen Schar nun gereicht werden. Harte Räupchen ſind beſonders willkommen, aber auch andre Inſektenlarven, wie ſie zwiſchen den Rindenriſſen an Stämmen ſich bergen; die lange, be— wegliche Sunge der Alten weiß alles zu finden. Dazu haben ſie ſtets ein wachſames Auge, und zeigt ſich nur in der Ferne eine ſchleichende Katze, eine Elſter, ein Eichelhäher, gleich umflattern die Eltern mit ſcheltendem „Scheck, ſchech“ den Feind und ruhen nicht eher, als bis dieſer aus ihrem Geſichtskreis gewichen iſt. Aber noch ängſtlicher iſt ihr Gebaren, wenn die Kleinen den ſichern Winkel verlaſſen haben und nun mit ſchwirrendem Schreien auf einem der unteren älte des alten Apfelbaums ſitzen; das iſt die gefährlichſte Seit für die kleine Geſellſchaft, die es noch nicht verſteht, rechtzeitig zu fliehen und ſich vor den zahlreichen Feinden zu bergen. Erſt wenn die Jungen ziemlich 202 erwachſen ſind, werden ſie ſelbſtändig, dann drehen ſie auch bei jeder Ge— legenheit ihre hälſe und ſchneiden Grimaſſen, ganz wie die Eltern. So vergeht Woche um Woche. Um die Mitte des Wonnemonds begann das Weibchen mit dem Legen der Eier; in der erſten Hälfte des Juni piepten die Jungen in der dunkeln Höhle; gegen Ende des Monats flogen fie aus, und nun wandelt die Sonne ſchon wieder etwas kürzere Bahnen am Himmels— gewölbe, da betteln noch immer die Kinder bisweilen um einen Biſſen. Unter ſolchen Umſtänden müſſen die Wendehälſe darauf verzichten, noch einer Brut das Leben zu ſchenken, zumal ſie ja recht zeitig die Heimat verlaſſen. Im Juli leben die Familien meiſt ziemlich verſteckt auf Bäumen und im dichten Gebüſch, im Augult finden ſie reichliche Tafel auf den Gemüſebeeten im Garten, auf Kohlfeldern und Krautäckern. Hier treffen ſie ſich mit andern Familien ihres Geſchlechts, beſprechen die Reiſe, die ſie nun bald nach wärmerer Gegend entführt, und in kleinen Trupps ziehen ſie ab, um erſt nach etwa acht Monaten wiederzukehren, wenn Buſch und Hain ſich von neuem belaubt haben. Trotz dieſes kurzen Aufenthalts in Mitteleuropa dringt der ſeltſame Vogel doch weit nach Norden vor. Faſt bis zum arktiſchen Kreis dehnt er ſein Brutgebiet aus; noch im nördlichen Finnland und in Mittelſibirien ertönt im Frühling und Sommer ſein monotones „Gäthgäthgäth“; dagegen iſt er in Südeuropa ein ziemlich ſeltener Gaſt, ja in Griechenland hat man ihn nur im Winter geſehen. Duncan. New Forest. Wendehals. Der hühnerhabicht. Von Hermann Cöns. Der letzte Hof im Dorfe, der hart an der Candſtraße liegt, gehört dem Anbauer Jürn Brinkmann. Es iſt nur ein kleiner Hof, aber er nährt ſeinen Mann. Und er nährt auch die Frau, die zu einem richtigen Manne gehört. Jürn Brinkmann ſteht bei ſeiner jungen Frau auf der Diele und ſieht zu, wie ſie Kartoffelpuffer backt. Er iſt rechtſchaffen hungrig, denn er hat ſchon drei Meilen hinter ſich. Er iſt nebenbei noch Jagdaufſeher über die große Gemeindejagd und hat vor Tau und Tag das Bett verlaſſen und abgeſpürt, ob er nicht endlich für den Pächter den braven hirſch beſtätigen kann, der im Bruchwalde ſteht. Schmunzelnd ſteht er neben ſeiner glatten Frau und ſieht zu, wie ſie die Puffer wendet. Die herbſtſonne fällt auf die Diele und die Hühner gehen an den Wänden entlang und picken die letzten Fliegen fort. Da ſchreit eine alte Henne plötzlich ſchrill auf, alle anderen hühner tun dasſelbe und rennen unter die alte Haferkiſte, verſtecken ſich hinter Körben und Mollen, und mitten auf der Diele flattert ſchreiend der hahn umher und ſchlägt mit vier Flügeln. Ja, mit vier Flügeln. Frau Brinkmann iſt ſo entſetzt, daß ſie den Puffer aus der Pfanne in das Herdfeuer fallen läßt, und ihr Mann macht vor Verwunderung den Mund auf, daß die ſchöne neue Pfeife hinfällt und in Scherben geht. Und dann ſpringt er zu und greift einen Beſen und ſchlägt damit nach dem ſeltſamen, glühäugigen, bunten Dogel, der auf dem Hahn reitet, und er trifft nur zu gut, denn da liegt der hahn und zuckt nur noch einmal mit den Beinen und daneben liegt, mit der Pfanne in der Hand, die junge Frau, denn der Habicht, der dem Schlag auswid, flog ihr unter die Röcke und dann Brinkmann an der Naſe vorbei zur Dielentür hinaus. Am folgenden Tage iſt Sonntag und da geht Brinkmann nachmittags in den Krug und erzählt die Geſchichte von den Kartoffelpuffern und dem Hahn und dem habicht. Das gibt ein herzhaftes Gelächter in der Runde und man beglückwünſcht ihn zu dem Hühnerbraten. Und dann erzählt der Doriteher auch eine Habichtsgeſchichte. „Ja,“ ſagt er, „das iſt nun meiſt vierzig Jahre her, aber ich weiß das heute noch ſo genau, als wenn es geſtern war. Damals waren die Habichte noch häufiger und brüteten in den Dorhölzern und nicht da hinten in der Wildnis. Das war an einem ſchönen Maimorgen, da hütete ich 204 Brambach, Juni 1908. Habichthorſt mit flüggen Jungen. mit meiner Schweſter, die jetzt in Neumühlen verheiratet iſt, die Gänſe auf dem Anger beim Dorfe. Mit eins ſchreien die Gänſe los und rennen wie unklug hin und her und da hat ein Habicht ein Göſſel und will damit fort. Meine Schweſter ſchreit und ich haue mit der Peitſche hin und meine Schweſter ſchreit, denn ich hatte ſie getroffen, und der Habicht läßt das Göſſel los und fliegt weg. Na, wir nehmen das Göſſel auf, das am Tot— gehen war, und wie wir da ſo ſtehen und es in der Hand haben, da ſchreien die Gänſe wieder und da iſt das Lork von Habicht wieder da und geht mit einem andern Göſſel ab. Ja, es ſind freche Cörke, die Habichte.“ Nun iſt die Uhr aufgezogen und jeder weiß eine Habichtsgeſchichte. Der Müller erzählt, wie früher, als er noch ſeine eigene Jagd bejagte, ihm der Habicht ein Feldhuhn, das er gerade geſchoſſen hatte, dicht vor dem Hunde fortnahm. Kordes gibt die Geſchichte zum beſten, die ſich vor— letzten Sommer auf ſeinem Hofe begeben hat. Da kam ein habicht an, jagte die Tauben in den Schlag, kroch hinterher und kam mit einer Taube wieder heraus. „Kinder,“ ſagte Kordes, „das ging jo ſchnell, daß ich gar nicht dazu kam, den Schlag zuzumachen.“ „Ja,“ ſpricht der Halbmeier Meyer, „fix ſind die Bieſter man einmal, und ganz barbariſch frech ſind ſie auch. Das mögen ſo an fünf Jahre her ſein, da treffe ich meine Ente mit ihren Jungen auf dem Bache und jage ſie nach hauſe. Na, ich warf und ſchrie und trampelte am Ufer 205 Zl. Röhrig. Würzburg, uni 1909. Junge hHabichte im Horſt. entlang, und da fliegt etwas über meinem Kopf hin, mitten zwiſchen die Enten, nimmt eine junge Ente vom Waſſer auf und fliegt damit nach dem Bruche.“ Der Schuhmacher Mertens, der die Fiſcherei in dem Bache ge— pachtet hat, meint: „Das iſt noch gar nichts. Ich habe einmal ein Stück mit einem Habicht erlebt, das geht über den grünen Klee. Wir ſitzen am Sonntag alle vor der Türe und ſehen den Kindern zu, die mit den jungen Katzen ſpielen. Unſere Berta wirft einen Ball hin und die kleinen Katzen laufen hinterher. Da kommt wie ein Ungewitter der Habicht über den Saun, nimmt die ſchönſte Katze, eine dreifarbige, auf und ehe wir noch recht wußten, was los war, war er heidi.“ Endlich nimmt auch der alte Schäfer, der wegen ſeines Gliederreißens nicht mehr hütet, das Wort. „Manchmal kommt aber auch ſolch Habicht eklig zupaſſe. Das habe ich vor zehn Jahren zu Pfingſten erlebt. Da ſtand ich auf der heide bei meinen Schnucken und ſah, wie ein mächtig großer Habicht einen alten Haſen fing. Er konnte ihn aber nicht gleich tot kriegen und der Haſe ging mit ihm in einen Wachholderbuſch. Und dann kam der Haſe auf der anderen Seite wieder zum Dorſchein und machte, daß er fortkam. Don dem habichte ſah ich nichts. Das wunderte mich und da ging ich nach dem Buſche und was meint ihr wohl, was ich da fand? Da lag der Habicht dreiviertel tot und das Eingeweide hing heraus, weil ihm 206 H. Röhrig. Würzburg, Juni 1909 Habichthorſt mit erwachſenen Jungen. Rejte eines Raubs (Eichhorn) auf dem BHorit. 5 habichthorſt mit erwachſenen Jungen. VW ein Bein aus dem Leibe geriſſen war, und das abgeriſſene hing noch feſt an einem Sweige von dem Strauche. Der Habicht hatte ſich feſtgehalten und der Haje war jo im Schuß, daß er ihm das Bein aus dem Leibe riß.“ Gerade will der Tiſchler mit einer Habichtsgejchichte aufwarten, da kommt die Wirtin hereingeſtürzt und meldet, daß ſoeben der Habicht vor ihren Augen ein Huhn gegriffen und nach dem Bufche geſchleppt habe. Alles, was friſch auf den Beinen iſt, ſpringt auf und läuft nach dem Buſche. Aber man hat es falſch angefangen, denn als man bei dem Buſche iſt, ſtreicht der Habicht mit dem Huhne über die Wieſen ab. Ganz tief fliegt er, denn das Huhn iſt ſchwer, aber er bringt es doch über den Bach bis in die Kiefern- beſamung und dort fällt er mit ihm ein und kröpft weiter. Swei Tage ſpäter findet der Jagdaufſeher die Federn. Die Knochen hat ſich der Fuchs geholt. Mitten im großen Bruche liegt ein Stück Wald, das iſt von ſelbſt an— geflogen. Kiefern, Fichten, Birken und Erlen wachſen da wild durch— einander, und darunter ſind Weiden und Faulbaum, Porſt und Brombeeren dicht durcheinander gefilzt. Dort hat das alte Habichtsweibchen ſeine Schlaf— ſtatt. In einer dichtkronigen Fichte dicht an den Stamm gedrückt, hockt es 208 Habichthorſt mit Jungen. Würzburg, Juni 1909. mit krummem Kücken da und verbringt die Nacht. Wenn das Rotwild unter ihm her zieht oder die Rehe an dem Graben entlang ziehen, der Fuchs über den Altweg ſchleicht und der Haſe dahinhoppelt, das vernimmt es alles, ohne daß es ſich dadurch ſtören läßt. Die Nacht geht aus dem Walde, der Nebel fällt in das Gras, die Sonne beſtrahlt den Wipfel der Fichten. Da ordnet der Habicht ſein Gefieder, ſchüttelt ſich und ſtreicht aus ſeinem Deritecke. Er fliegt den Altweg entlang, ſchwenkt dicht über dem Boden her an der Kante des Beſtandes hin, zieht das Hauptgeſtell entlang, und biegt in ein Quergeſtell ein. Wo er ſich blicken läßt, warnt der Häher, erſchallt das Angſtgeſchrille der Droſſeln, melden Rotkehlchen und Meiſen. Das Rotwild macht lange hälſe, die Rehe verhoffen und der Haſe macht einen Kegel und fährt in den dichten Buſch. Am Rande des großen Holzſchlages ſteht eine Eiche, breitäſtig und kraus. Dort ſchwingt ſich der Habicht ein. Die gewaltigen gelben Griffe mit den nadelſcharfen, ſtahlfarbigen Krallen umklammern den Alt dicht am Stamme. Hochaufgerichtet, ganz ſteil, ſitzt er da; ab und zu geht der Kopf hin und her und überallhin blicken die gelben Mörderaugen. An den Brombeeren pflücken die Rehe; die kümmern ihn nicht. Aber das rote Ding, das da in langen, ängſtlichen Sprüngen über die Blöße kommt, das iſt etwas für ihn. Er läßt ſich vom Aſte bis dicht auf den Boden fallen, flattert haſtig, ſchwenkt gewandt um die Birken, ſteigt über das hohe Brombeer— geſtrüpp, daß der Sprung Rehe entjeßt nach allen Seiten auseinanderpreſcht, und ſtößt blitzſchnell nach dem Eichkätzchen. Das macht einen Satz und birgt ſich in den Dornen. Aber der Habicht gibt die Jagd nicht auf. Er macht Vögel II. 14 209 eine Schwenkung um den Buſch, fußt vor ihm und im Sitzen fährt fein rechter Griff in den Buſch, faßt das Eichkätzchen bei der Keule und reißt es heraus. Der zweite Griff faßt es in den Nacken und ſchlaff und leblos hängt es in ſeinen Krallen, während er damit in den Beſtand ſtreicht. Dort kröpft er es auf dem Wurfboden einer Fichte in aller Muße, ſtreicht den Wieſen zu und nimmt Unterſchlupf in einer krauſen Kiefer, von der er weiten Aus— lug hat. Wandernde häher flattern ängſtlich von dem Forſte her; ein ganzes Dutzend iſt es. Der vorderſte will ſich gerade nach der Fahrt über das freie Wieſenland in das Kandgebüſch ſtürzen, da bricht der Habicht aus dem Buſche. Einen gellenden Angſtſchrei ſtößt der Häher aus, alle ſeine Brüder fallen mit ein, aber ehe er den Buſch hat, wirft der Habicht ſich nach unten, legt ſich in der Luft halb auf den Rücken, ſchlägt mit dem linken Fange den Häher von unten, wendet und jtiebt mit ſeiner Beute in das Unterholz. Hinter ihm her kreiſchen die anderen häher. Nachmittags greift er vor dem Dorfe noch eine Elſter und ein Hermelin. Der nächſte Tag iſt grau; die Luft iſt dick. Das iſt das beſte Jagd— wetter für den Habicht. An ſolchen Tagen lauert er nicht, da übt er die Parforcejagd aus. Niedrig über dem Boden ſtreichend jagt er die Feld— mark ab, aber ſie iſt leer. Eine einzige Lerche erwiſcht er. Auch auf den Wieſen iſt nichts zu finden, und in der Heide iſt es ebenſo. Da ſtreift er das Bruch ab, erbeutet aber nur eine Amſel. Endlich macht er in einer krauſen Fichte im Moore Ralt. Irgendwo in der Ferne trompeten Kraniche ; das iſt nichts für ihn. Der Kolkrabe ruft über ihm in der Luft; das it auch nichts. Kehe ziehen dahin; das iſt erſt recht nichts. Aber jetzt reckt er den Hals lang und ſpäht nach Süden, wo es einige Male weiß auf— blitzte, und im nächſten Augenblick iſt er unterwegs. Erſt geht es eine Weile dicht über dem braunen Heidkraute und dem gelben Pfeifengraſe her geraden Fluges, höchſtens wird um die Birken und Krüppelkiefern ein kleiner Bogen gemacht. Dann geht es nach rechts hinter die Kieferndickung, um fie herum, und dann mit haſtigen Schlägen dem alten Torfabſtich zu. Einen blitz— ſchnellen Bogen beſchreibt er dicht über dem Boden, ſo ſchnell, daß die drei Birkhähne, die dort Moosbeeren pflücken, erſt zur Beſinnung kommen, als der eine von ihnen ſchon die Krallen des Habichtes in den Weichen hat. Sautpolternd reiten zwei ab, mit dem dritten balgt ſich der Habicht noch ein Weilchen im Torfmooſe umher, bis er ihm den Garaus gemacht hat. Den nächſten Tag jagt er nicht; der Birkhahn hält vor. Am dritten Tage aber treibt ihn der Magen wieder aus ſeiner Fichte heraus. Den Vormittag hat er Unglück. Eben hat er ein Feldhuhn geſchlagen und ſchleppt es in ein Dorhoß, da äugt ihn eine Krähe und fünf Minuten ſpäter hat er zwanzig auf dem Halſe. Er macht, daß er weiter kommt, läßt das Huhn aber nicht los. Auf blanker Wieſe muß er aber Halt machen. Mit 210 Stephainsky. Fägerhaus Tillowitz, Ober-Schl., Mai 1909. Habichtweibchen, nach kreiſendem Buſſard äugend. mörderiſchem Gekreiſche haßen die Krähen auf ihn; noch einmal ſtrich er weiter und nimmt das Huhn mit, aber ehe er den Wald erreicht, hat er ſo viele Püffe abbekommen, daß er es fallen laſſen muß. Bis tief in den Wald hinein verfolgt ihn die ſchwarze Geſellſchaft und er muß lange in der dichten Krone einer Fichte warten, ehe er die Lärmmacher los wird. Und wie er dann auf Umwegen dahin ſtreicht, wo er das Huhn fallen ließ, iſt nichts mehr davon übrig; die Krähen haben es ſich gut ſchmecken laſſen. So muß er neue Beute ſuchen und da ihm das blanke Feld mit dem Krähen— geſindel verleidet iſt, treibt er ſich bei den Dorhölzern umher, wo er ſchließ— lich eine Ringeltaube aus dem Fluge herausſtößt und ſchlägt. In den nächſten Tagen nimmt er an den Krähen blutige Rache. Eine Nebelkrähe ſitzt auf einer Kandeiche des Forſtes und krächzt und quarrt und quinkelt, als wäre es April und nicht Ende Oktober. Don hinten kommt der Habicht durch den Wald herangeihwenkt und ſchlägt ihr die Krallen in den Kücken. Sie ſchreit entſetzlich und verſucht nach ihm zu hacken, aber ſchnell faßt er ſie in das Genick und nimmt ihr das Leben. Kaum hat er ſie abſeits geſchleppt und begonnen, ſie zu rupfen, da hört er es rauſchen und brechen, es kracht und raſſelt. Er läßt die Krähe fahren und ſtreicht ab. Wütend ſchießt der Jagdaufſeher, der eben einen Haſen 14 * 211 geſchoſſen hatte, hinter ihm her; aber der Habicht it flinker. Derärgert ſtreicht er nach der anderen Seite des Waldes, holt eine vorüberſtreichende Krähe aus der Luft und ſtürzt ſich mit ihr in den Buſch. Gerade, wie er ſich darüber her macht, knickt und knackt es vor ihm. Er macht einen langen Hals und äugt hin. Da ſchreitet, in der Herbitionne funkelnd und gleißend, ein junger Faſanenhahn hin. Jetzt ſcharrt er in einem Ameiſen— haufen. Und jetzt ſtößt er einen Entſetzensſchrei aus, denn der Habicht hat ihn beim Wickel. Aber er griff zu viel Federn, der Hahn reißt ſich los und rennt in die enge Fichtendichung. Bis zum Abend hockt er dort, den Kopf vornüber gebeugt, und dann greift ihn der Fuchs. Seitdem taucht der Habicht alle paar Tage in der Faſanenecke der Jagd auf und die mit viel Mühe und Kolten herangezüchteten Faſanen verſchwinden einer nach dem andern. Selbſt der alte Hahn muß ſchließlich daran glauben. Es iſt ein geriebener Burſche, der immer in Deckung bleibt. Aber als eines Morgens die Sonne ſo ſchön warm auf den Grenz— graben ſcheint, da ſpaziert er gemächlich darin umher und ſcharrt nach Käfern und Raupen. In der hohen Pappel aber ſitzt der Habicht und als er es unter den Eſpenbüſchen am Grabenborde ſchimmern ſieht, da beſinnt er ſich nicht lange und kriegt ihn beim Wickel. Heftig wehrt ſich der Hahn, aber der Habicht zwingt ihn und hröpft ſich bis zum Platzen voll. „Nun aber iſt Schluß,“ ſagt Brinkmann, wie er die Faſanenfedern findet, und ſtellt alles, was er an Tellereiſen finden kann, auf Pfähle und Erdhügel. Binnen zwei Wochen fängt er: ſechs Waldkäuze, acht Sumpf— ohreulen, drei Waldohreulen, vier Steinkäuze, eine Elſter, neun Buſſarde, drei Krähen, einen Swergfalken, elf Turmfalken, eine Bekajline, einen Faſan und einen Haſen. Wütend holt er die Fallen wieder fort und ſetzt ſich mit dem Uhu an. Alles Mögliche haßt auf den Dickkopf, auch ein Habicht, aber ein Männchen. Das ſtarke Weibchen iſt nicht mehr in der Gegend; es jagt in der Donauebene und in Ungarn und wenn es ihm dort nicht mehr paßt, in Nordafrika. Im April aber iſt es wieder im Bruche und bei ihm iſt ein hübſches Männchen. In der dichten Ecke des Waldes, wo nur ſelten ein Menſch hinkommt, ſteht eine hochſchäftige Kiefer, umgeben von hohen Fichten. In dieſer Kiefer hat ein Schwarzſtorchpaar begonnen, ſich einen Horſt zu bauen. Das paßt den Habichten. Sie beläſtigen die Langhälſe ſolange, bis dieſe ſich einen anderen Horſtbaum ſuchen. Und nun treiben die Habichte hoch über dem Walde ihre Balzſpiele. Sie, die ſich ſonſt ungern zeigen, ſchweben und kreiſen und rufen, aber hier ſieht und hört ſie niemand, und Brinkmann, der ſie von weitem ſieht, denkt, es ſind Buſſarde. Aber auch die Habichte müſſen ihren geraubten Horſt verteidigen. Ein Schreiadlerpaar will ihn ihnen ſtreitig machen, doch die Habichte ſind frecher und die Schreiadler ziehen ab. Als 212 2. 2 N. B. Lodge. Norfolk, August 1894. Alter Habicht auf geſchlagenem Kaninchen. das Weibchen ſchon auf den Eiern ſitzt, jpähen die Hütejungens den Horſt aus, und eines Sonntags beſchließen ſie, ihn auszunehmen. Der eine Junge iſt ſchon auf der Mitte des Stammes, da fährt ihm das Männchen gegen den Kopf, daß er laut aufſchreit und jo ſchnell, wie er kann, herunterklettert. Drei Düffe bekommt er aber noch mit auf den Weg. Nun haben die Habichte Ruhe. Die tut ihnen aber auch Not. Dier Junge find zu ernähren, zwei Monate lang im Horſte und noch einen, wenn ſie beflogen ſind. Ein alter Habicht hat immer Hunger, wenn er ſich nicht gerade vollgekröpft hat, ein junger aber auch dann noch. Unaufhörlich gieren ſie und den ganzen Tag über fliegen die Alten auf Raub. Die Amjei iſt ebenſowenig vor ihnen ſicher, wie der Junghaſe; ſie holen die halbwüchſige Taube aus dem Neſte und fangen den fütternden Schwarzſpecht vor ſeiner Bruthöhle. Der Kiebitz auf der Wieſe, die Birkhenne im Moore, das Huhn im Felde und die Taube auf dem Hofe fällt ihnen zur Beute, und glückt es ihm in der Nähe nicht, dann ſtreicht das Weibchen über den Fluß, fällt in der Reiherſiedlung ein und ſchleppt einen Jungreiher fort. Brinkmann, der Jagdaufſeher, iſt in heller Aufregung. Überall findet er die Reſte von halbwüchſigen Haſen und Federhaufen von Ente und Seld- huhn, Waldſchnepfe und Birkhahn, Faſan und Taube. Er klopft alle Horite 215 ie habichthorſt mit Jungen. , 90) in den Dorhölzern ab, wo früher die Habichte brüteten, aber immer ſind es nur Krähen und Buſſarde, die dort brüten. Er weiß es eben nicht, daß der Habicht, ſeitdem die Hinterlader aufkamen, ein heimlicher Dogel geworden iſt, der nur noch im dichteſten Walde horitet, und der beim Horſte ſich nicht mehr vertraut und laut benimmt, wie ehemals, ſondern ſtill und vorſichtig. Der Förſter im Königlichen weiß wohl, wo das Habichtspaar ſeinen Horit hat, verrät ihn aber nicht. Er hat nur hochwild und Rehe zu hüten, und die Habichte ſind ihm gefällig und halten ihm die Eichkatzen und Häher kurz, die ihm ſeine Eichenjaaten vernichten. Daß ſie aus der Keiher- ſiedlung ab und zu ein Dunenjunges fortſchleppen, iſt nicht ſchlimm, denn bei ſechzig Paaren Reiher ſind ſchon einige Junge übrig, und Kingel- und Turtel- tauben ſind ſo häufig, daß es darauf auch nicht ankommt. Da der Habicht auch der Vermehrung der Krähen entgegenarbeitet, jo ſchont ihn der Förſter. Jürn Brinkmann aber, der vor allem die niedere Jagd hochbringen ſoll, kommt aus dem ärger nicht heraus. Dor ſeinen leibhaftigen Augen, nur zu weit für den Schrotſchuß, kommt das Habichtsweibchen über das Moor geſtrichen, einen jämmerlich klagenden Brachvogel in den Fängen. Ein anderes Mal ſitzt der Jagdaufſeher in dem Hochſitz und beobachtet einen Bock, deſſen Wechſel er ausmachen ſoll. In der Wieſe hoppelt ein Junghaſe hinter einem Weidenbuſche her und verſchwindet im langen Graſe. Da ſauſt etwas Braunes hinter den Weidenbüſchen her, das Häschen klagt und ehe der Aufſeher ſchußfertig iſt, geht der Habicht mit ſeinem Raube ab. 214 Da ſtellt er den Habichtskorb mit einer hellen Taube fängiſch. Drei Tage iſt nichts darin, am vierten hat ſich das Habichtsmännchen gefangen, hat aber die Taube trotzdem gekröpft. Brinkmann wirft es lebend dem Uhu in den Käfig, aber wie raſend fährt der Habicht auf die Eule los, daß die in ihrer Angſt hinter dem Aufjeher Deckung ſucht. Mit Not und Mühe fängt Brinkmann den Habicht ein und ſchenkt ihn dem Schullehrer, der ihm einen Käfig baut. Da ſitzt er ſtill in der Ecke, blickt wild umher und flattert wie verrückt gegen das Gitter, wenn ein Menſch kommt. swei Tage ſpäter bekommt er Geſellſchaft. Das Weibchen hat ſich in dem Habichtskorbe gefangen und natürlich die Locktaube auch gekröpft. Spät abends kommt Brinkmann damit bei dem Lehrer an und der ſteckt es zu dem Männchen in den Derſchlag. Als er am anderen Morgen hin— kommt, ſitzt das Weibchen glühäugig in der Ecke und von dem Männchen liegen nur noch die Knochen und die Federn da. Das geht dem Lehrer denn doch gegen ſein gutes Herz und er ruft Brinkmann, der den Habicht töten ſoll. Der nimmt einen Sack und kriecht in den Derſchlag. Aber in ſeiner Angſt krallt ſich ihm der Habicht jo feſt in das Knie, daß der Aufſeher Hals über Kopf aus dem Derjchlage ſtürzt und dabei die Tür aus den Lederangeln reißt. „Da geht er hin!“ ſagt der Lehrer und Brinkmann macht kein kluges Geſicht, wie er den Habicht über dem Dache verſchwinden ſieht. Swei Wochen lang ſtand der Habichtskorb fängiſch, aber kein Habicht fing ſich darin. Er war noch ſchlauer, noch heimlicher geworden; aber überall in Moor und Bruch und Feld und Wieſe zeigten die Reſte von Haje und huhn, Ente und Faſan, Kiebitz und Taube, daß er nach wie vor ſein blutiges Handwerk trieb. Pr „ je 5 * 1 * 75 . 8 U ? £ * . Baby- Lug, April 29170. Stephainsky. Revier Schiedlow, Bab Stoßender Habicht. 215 | Der Baumläufer. | Don Hermann Löns. | Tot ſchwimmen auf den Gräben die grauen Froſtmotten; ihre Seit iſt vorbei. Schlaff hängen am haſelbuſche die graugelben Troddeln; ihre Tage ſind vorüber. Der Bergfink erhebt ſein Gefieder und wandert nord— wärts; ſeine Seit iſt um. Noch iſt im Felde des Huflattichs goldener Stern die einzige Blüte, nur hier und da im Walde reckt ſich aus dem Fallaube eine roſige oder blaue Blume, aber kräftig treibt die Traubenkirjche ſchon, der Weißdorn zeigt grüne Augen und die Simſe ſpreizt ihre bräunlichen Kiſpen. Da klingt im Walde ein Lied. Dünn iſt ſein Klang und hurz ſeine Strophe, aber ſilberhell und glockenrein und voller Luſt und Fröhlichkeit. Dom frühen Morgen an klingt es ſchon, klingt bald hier, bald da, und je mehr die Sonne an Kraft gewinnt, um jo öfter, um ſo heller erſchallt die kleine, fröhliche Stimme. Späterhin, wenn der Waldboden wie Schnee ſchimmert, wenn die Buchen ſich in lichtgrüne Seide gekleidet haben, iſt das ſilberne Stimmchen auch noch da, aber es geht unter in dem Geſchmetter der Finken, im Pfeifen der Staare, im Flöten der Droſſeln, im Schwirren der Laubvögel, um bald ganz zu verſtummen in dem lauten, vielſtimmigen Waldkonzerte. Auch der, der es ſingt, das luſtige Liedchen, iſt dann verſchwunden. Kein Menſch achtet dann mehr auf das winzige Dögelchen, das behende, wie eine Maus, an dem Stamme emporſchlüpft, und das ſich beſcheiden an der Kück— ſeite des Baumes verbirgt und heimlich abſtiehlt, tritt der Menſch näher. Es birgt ſich nach kurzem Fluge an einem anderen Stamme und rutſcht ſtumm und nur ſelten leiſe zirpend an ihm in die Höhe. Jetzt aber, wo der Wald noch kahl iſt, hat der Baumläufer Bedeutung für ihn. Lange nicht ſo ſchön wäre dieſer Märzmorgen, erklänge nicht das vergnügte Lied, das ſo fröhlich aufſteigt und mit einem heiteren Triller endet. Und ſo klein der Dogel iſt, und ſo unſcheinbar er gefärbt iſt, er fällt dennoch in die Augen im Dorfrühlingswalde, denn anders, als die anderen Vögel, gebärdet er ſich. Hier, die alte Eiche, deren Rinde rauh und riſſig iſt, zieht ihn an. Wie ein Schatten fällt er an ihre Wurzel und bleibt dort kleben. Das ſpitze, gekrümmte Schnäbelchen ſtochert in den grauen Flechten umher, erwiſcht 216 rnend. entf © — . — — . — — — m) — — 2 un = = Ss — A — — = — — — > U = = 8 — — = = = 3 S a MIR M. Behr. Cöthen, April 1908. In die Nijthöhle ſchlüpfend. Baumläufer. am Stamm hoch kletternd. ein Froſtſpannerweibchen, das gerade ſeine Eier ablegen will, und ſchluckt es hinab. Dann ſchnellen das lange, ſteife Schwänzchen und die leichtgelüfteten Flügelchen den winzigen Körper empor, die ſcharfbewehrten Füßchen greifen nach oben, und ruckweiſe, bald nach links, bald nach rechts ſich ſchiebend, rutſcht der Baumläufer an der rauhen Borke empor. Allerlei winziges Krabbelvolk hat die Märzſonne zum Leben erweckt. Hier rennt ein Spinnchen, aber es kommt nicht weit, denn das ſpitze Schnäbel— chen faßt es; dort reckt ein Käferchen die blanken Schwingen, aber aus dem erſten Fluge wird nichts, denn ſchon iſt es im Magen des Vogels an— gelangt; das Käupchen, das ſich aus dem Slechtendickicht ſchiebt, die Blumen— wanze, die die Rindenritze verläßt, der Borkenkäfer, der aus ſeinem Schlupf— loche ſchaut, die Mücke, die ſich die Fühler putzt, die Milbe, die an einer Stammknoſpe ſaugt, die Schildlausbrut, die aus dem toten Muttertiere ſchlüpft, keins entgeht dem ſpitzen Schnabel, und mag das Injektenei noch jo winzig fein und noch jo verborgen, die ſpitze Sunge ſpießt es an und befördert es in den Schlund. 217 Dr. Bethge. Poritz, Fuli 1909. Baumläufer am Niſtloch. Mitten im Suchen aber lockt das Dögelchen, denn die Märzſonne bringt es auf wunderliche Gedanken. Und fo fein und dünn der Lockton auch iſt, einer iſt da, der vernimmt ihn doch. Freudiger ertönt ſein Jubelliedchen, näher, immer näher erklingt es, und jetzt ſchwebt das hähnchen heran und klebt dicht bei dem Weibchen an der Borke. Aufgeregt ſpreizt das Männchen die buntgefleckten Schwingen und fächert den Schwanz, bläſt die ſeidenweiße Kehle auf und rutſcht, ſein Lied einmal nach dem anderen hervortrillernd, dem Weibchen nach. Bis hoch in die Krone der Eiche geht die luſtige Jagd, in Schraubenlinien um den Stamm herum, und dann ſtiebt das Weibchen in einen anderen Baum und hinterher fährt ſein liebestoller Genoſſe. Aber ſchon naht ein zweites Hähnchen und doppelt luſtig wird die Jagd, lauter der Wettbewerb der Silberſtimmen; ab und zu hackt ein Hahn nach dem anderen und verſucht ihn beiſeite zu ſchieben. Aber bei aller Eiferſucht achten ſie darauf, wo das Weibchen hinfliegt, und bald in der Eiche, bald in der Erle, jetzt am Stamme und nun unterhalb eines dicken Aſtes rutſchen die drei winzigen Vögel dahin, bis ſich endlich das ältere Männchen wütend 218 Ppgvups un ang "quagiaay ualaar ul Holtjog wow u "aalnpjunvg Graf zu Münster. Gutenborn, Revier Ruhland, Funi 1909. Alter Dogel mit Sutter 8 Junge im Meit. zum Neſt Rletternd. Baumläu j 5 zirpend auf das jüngere ſtürzt, es mit den mächtigen Klauen packt und vom Aſte ſtößt, daß es ängſtlich piepend davonfliegt und dem alten Hahne nicht wieder in die Quere kommt. Die dicke Eiche an der Sichtendickung iſt dem Baumläuferpärchen be— ſonders lieb. Nicht nur deshalb, weil ihre Rinde ſo rauh und flechten— bewachſen iſt und allerlei winzigen Tieren Unterkunft bietet, zumal ſie die erſte Morgenſonne bekommt, jo daß ſchon in aller Früh das Kleingetier aus ihren Kindenſpalten hervorſchlüpft, ſondern hauptſächlich deswegen, weil ſie hoch oben am Stamme einen Rindenjpalt hat, wie geſchaffen für die Abſichten des Baumläuferpärchens. Rundumher iſt Rein Aſt und kein Sweig, und der Spalt iſt jo enge, daß weder Marder noch Eichkatze mit den Köpfen hineinkönnen, und erſt nach einem langen, gewinkelten Gange erweitert er ſich zu einer kleinen Höhle. Die Höhle iſt nur eng und ſchmal, aber den Baumläufern genügt ſie. Allerlei weiche, warme Dinge ſchleppen ſie herbei und tragen ſie in den Spalt, Birkenrindenfetzchen, Eſpenſamenwolle, Spinneweben, Würzelchen und Federn. Große Künſtler ſind es nicht, die beiden Dögelchen, aber es hat ja auch wenig Sinn, in dem engen Spalt ein kunſtvolles Neſt zu bauen. Die Hauptſache iſt, daß eine Unterlage für die ſchneeweißen, rotgetüpfelten Eierchen geſchaffen, ſo feſt in den Spalt gepfropft wird, daß ſie nicht nach unten herausrutſchen kann und daß ſie den Gegenzug abhält. So ganz ohne Störung geht der Neſtbau nicht vor ſich. Erſt kam eine freche Blaumeiſe und verſuchte, den Spalt für ſich zu erobern, wurde aber ſo giftig angezirpt, daß ſie ſich bald verzog. Dann erſchien eines Morgens in der Dämmerung eine kleine Fledermaus und wollte ſich dort gemütlich 220 — — ö EEE TREE N Köhler. Saatwinkel, Mai 1909. Eben flügger Baumläufer. machen, mußte aber vor dem Wutgezirpe der beiden rechtmäßigen Bejiter das Weite ſuchen. Ein anderes Mal kroch ein Horniljenweibchen mit lautem Gebrumme in den Spalt, machte ſich aber ſchleunigſt dünne, als das hähnchen ihm tapfer eines auf den dichen Kopf gab. Das Allerſchlimmſte begab ſich aber am Tage darauf, denn da flog der Schwarzſpecht die Eiche an und meißelte halbfußlange Rindenſtücke herunter. Schon war er dicht bei dem Rindenſpalt, da fuhren die beiden winzigen Dögelchen ihm aber mit ſolchem Lärm entgegen, daß er ganz verdutzt abſtrich. Bislang hat das Männchen immer noch fleißig geſungen, wenn auch ſein beſcheidenes Liedchen kaum mehr zu hören war in dem großen, vielſtimmigen Waldorcheſter. Nun aber, da der Wald grün ward, ſingt es nur ſelten noch, denn es hat dem Weibchen zu helfen, die Brut aufzubringen. Den ganzen Tag über flattert bald das eine, bald das andere zu der Rindenriße, ſieht ſich noch einmal um und ſchlüpft in den Spalt hinein, und jedesmal ertönt daraus vielſtimmiges, feines Gezirpe. Eines Tages erſcheint ein Köpfchen mit halb ausgewachſenem, ſpitzem Schnäbelchen in dem Spalt, und neben ihm noch eins. Und am anderen Tage ſind es drei und tags darauf vier und nach drei weiteren Tagen warten ſieben kurze Schnäbelchen auf Futter und ſieben orangegelbe, rote Rachen öffnen ſich, wenn der Lockton der Alten erſchallt. Noch eine Woche weiter, und eins der Jungen wagt ſich aus der Ritze heraus und ſind auch ſeine Schwingen noch kurz, iſt auch das Schwänzchen kaum halb ſo lang, wie das der Alten, der junge Baumläufer krabbelt doch ganz ſicher mit ſeinen gewaltigen Füßen an der rauhen Borke umher und 221 einige Tage hinterher wagt er ſich ſchon rund um den Stamm herum. Noch eine Woche ſpäter iſt die Kindenritze tagsüber verlaſſen und neun Baumläufer zirpen und piepſen in der Nachbarſchaft umher; das iſt ein ſeltſames, ſonder— bares huſchen und Rutſchen an den rauhen Rinden von Eiche und Buche, ein wunderliches, eigenartiges Geflatter und Geflügel von Stamm zu Stamm, faſt geſpenſtig dem Menſchen dünkend, der dieſe Vögel nicht kennt, und deren Bewegungen und Stimmen ihn mehr an Mäuſe, denn an Dögel erinnern. Der Sommer ging hin, der herbſt iſt da. Die Baumläuferfamilie hat ſich geteilt. Nicht mehr kümmern ſich die Alten um ihre Brut, nicht mehr das Hähnchen um das Weibchen; jeder ſtreicht für ſich umher, heute im tiefen Walde, morgen im Dorholze, übermorgen im Gutsparke und in den Baum— gärten, heute allein und morgen in Geſellſchaft. Und in einer ſeltſamen Reiſegeſellſchaft. Unternehmer iſt der große Buntſpecht. Mit hellem, herriſchem Rufe weiſt er der Keiſegeſellſchaft den Weg von Wald zu Wald. Wo er hinſtreicht, flattern alle ihm nach, die frechen Kohlmeiſen, die bunten Blaumeiſen, die luſtigen Sumpfmeiſen, die niedlichen Schwanzmeischen, die winzigen Goldhähnchen, die ſtattlichen Kleiber, und dazwiſchen huſchen auch, mit dem bunten, lauten, luſtigen Volke reiſend, aber ſich doch immer für ſich alleine haltend, einige Baumläufer, und wenn das Meiſenvolk zwitſchert und kichert und zetert und zankt und wie toll lärmt, die Baumläufer bleiben ſtill oder piepſen ab und zu ganz leiſe vor ſich hin. Kommt der Abend heran, dann ſchlüpfen ſie zu mehreren in irgendein enges Baumloch oder in eine tiefe Stammritze, oder ſuchen Unterkunft unter dem Strohdache eines Bauernhauſes, bis die Sonne ſie wieder ermuntert und ſie an Scheunen, Schuppen und Ställen, an den Stämmen der Bäume in Garten und Wald dem Froſtſpanner nachſtellen und allem, was ſich vor dem Winter hinter Kindenſchuppen und im Mooſe und Flechtengeſpinnſte der Bäume ver— barg; heute treiben ſie ſich im Laubwalde umher, morgen im Nadelholze, ſuchen die eine Woche die Bergwälder ab und die andere die Forſten vor dem Moore und auf der Geeſt, bald allein, bald zu mehreren, bald wieder in bunter Meiſengeſellſchaft unter Führung eines ſchwarzweißroten Spechtes, immer ſtill vor ſich hinſuchend und einſilbig bleibend Tag für Tag. Sobald aber im Februar die Sonne mehr Gewalt bekommt, überkommt ſie die Cuſt, zu ſingen, und ehe noch der Haſelbuſch ſeine Goldtroddeln ſchwenkt, klingt im kahlen Dorfrühlingswalde des Baumläufers luſtiges Silberlied. DD 1 1 Das Hausrotſchwänzchen. Von Martin Braeß. Ein ſchmucker Burſche! Ganz oben ſitzt er auf der Wetterfahne am Dachgiebel und ſchmettert luſtig ſein keckes Liedchen hinaus in die Welt, ein freundlicher Gruß an alle, die unten auf der Straße vorübergehen — nur wenige vernehmen's, und ſelten ſchaut ſich mal einer um, bis er den kleinen Sänger entdeckt, deſſen Figürchen ſich ſo deutlich von der blauen Himmelsglocke abhebt! Swei Strophen, die immer wiederkehren, das iſt alles, was das Hausrotſchwänzchen gelernt hat; aber ihm genügt es voll— kommen. Selbſtgefällig wendet's ſein Köpfchen bald nach links und bald nach rechts, macht eine zierliche Verbeugung dazu und ſchüttelt erregt mit dem roſtroten Schwänzchen. Erſt ſchlägt es vier- oder fünfmal ein und denſelben Ton an, haſtig, ſtakkato, ſcharf und beſtimmt, dann eine Diertel- taktpauſe, und nun ſetzt die zweite Strophe ein, aus ganz eigentümlichen Lauten beſtehend, gepreßt und ziſchend, klirrend und knirſchend, und zum Schluß noch zwei oder drei Schläge, die den Tönen der erſten Strophe gleichen. Manchmal unterbricht der kleine Sänger ſein Lied. Ein Inſekt hat er bemerkt, das ſich am Dachgiebel niederließ; hurtig iſt er zur Stelle und verſpeiſt es befriedigt; dann flattert er wieder auf ſein erhabenes plätzchen und ſingt nach Herzensluſt weiter, ſo gut er's eben verſteht. Solcher Lieblingsplätzchen hat er einige am gaſtfreien haus des Menſchen und in der nächſten Umgebung; immer ſind es die höchſten Punkte ſeines kleinen Reviers, aus dem er ſich nur ſelten entfernt: außer der Wetterfahne die Spitze des Blitzableiters, der rußige Rand des Schorniteins, der Dachfirſt, der hohe Fahnenmaſt vor dem Hauſe. Und wie eifrig er ſingt, wirklich einer der fleißigſten Sänger unſerer Heimat! Er iſt der Frühauf unter all den gefiederten Frühaufſtehern. Die Straßen der Stadt träumen noch öd und verlaſſen in nächtlicher Finſternis, trüb leuchten die Laternen durch den weißlichen Nebel, da ſitzt der kecke Burſche ſchon droben auf ſeinem Plätzchen und ſchmettert ſein klirrendes Liedchen ſeelenvergnügt über all die Giebel hinweg. Und auch draußen am Land, wo das Leben am Morgen viel früher beginnt, als in der Stadt, das Hausrotſchwänzchen iſt doch immer der erſte unter allen Bewohnern des Hofs. Das Döglein begrüßt den Bauer, der im Juni ſchon vor drei Uhr mit der Senſe über der Schulter aus der Türe tritt, das taufeuchte Gras auf der Wieſe zu ſchneiden, mit ſeiner ſeltſamen Strophe: „Seht, ich bin doch früher munter, als ihr!“ Die blühende Erde ruht noch im Schleier der kurzen Nacht, und nur am nördlichen Himmel 225 H. Röhrig. Brütender Hausrötel. zeigt ſich ein lichtſchwacher Schein, da trillert und ſchnurrt es jchon jo luſtig vom Schornitein herab: „Wacht auf nun, ihr Schwalben unter dem Dach, ihr verſchlafenen Spatzen, ihr hühner und Gänſe im Hof!“ Und dann antwortet wohl der Hahn mit hellem Krähen, eine Amſel flattert mit gellendem Schrei aus dem Garten über die Straße, und nun ſchaut auch ſchon ein Schwälbchen aus dem Kugelnejtchen hervor, ſchwingt ſich aufs Dach, putzt ſein Gefieder und leiert dann auch gemütlich ſein Plauderliedchen herunter. Beſonders im Dorfrühling kann ſich unſer Hausrötel im fleißigen Singen kaum genug tun; zu allen Tageszeiten gibt es ſeine Strophen zum beſten, am eifrigſten freilich ſingt es in den dämmernden Morgenſtunden und gegen Abend, wenn der letzte Strahl der untergehenden Sonne ſeine hohen Lieb— lingsplätzchen vergoldet; aber auch zu Mittag gönnt ſich im Frühling der ſchmucke Haushobold nur ſelten eine längere Pauſe. Später, wenn die Kleinen im Neſt nach Futter verlangen, rufen freilich ernſtere Pflichten; aber noch immer weiß der Vater manch Diertelſtündchen ſeiner fröhlichen Kunſt zu widmen, und die erſte Morgen-, die letzte Abendſtunde läßt er ſich niemals ſchmälern. Selbſt in der Mauſerzeit verſtummt der Geſang nicht völlig, immer wieder wird das Stimmchen probiert, und ſpäter im Herbſt, wenn die Sonne jo warm auf das Dach ſcheint und das Laub des hohen Birn— baums daneben in der klaren, durchſichtigen Luft wie blinkendes Gold leuchtet, da hört man Hausrötels Lied wieder häufiger, als in den Hoch— Würzburg, Jin 1909. 224 H. Röhrig. h ausröte 10 mit Futter. Würzburg, Fuli 1909. ſommertagen. Die andern Dögel in Hof und Garten ſind alle verſtummt, die meiſten weilen ſchon fern von der Heimat, aber unſer niedlicher Haus— freund im rußfarbenen Frack mit den hübſchen weißen Abzeichen auf Stirn und auf Flügeln, ſitzt noch immer oben am Giebel und ſchnurrt keck ſein Liedchen in die klare Oktoberluft. Das Hausrotſchwänzchen iſt einer der letzten, die im Herbit unſre Heimat verlaſſen. Der Wendehals, der Komiker Gelbſpötter, der graue Fliegenfänger, die Mehl- und die Kauchſchwalben, mit denen der kleine Vogel den Sommer über gute Nachbarſchaft hielt, ſind ſchon längſt über alle Berge, wenn er Mitte oder Ende des Weinmonds die Reije antritt; ja manchmal ſäumt er bis Anfang November; er kann ſich ſo ſchwer von dem trauten Winkel trennen, wo er glückliche Tage verlebte. „Nun iſt's auch fort, das liebe Kotſchwänzel,“ hatten die Kinder des Hauſes ſchon ein paarmal geſagt, und immer hatten ſie ſich getäuſcht; denn am nächſten Morgen oder Mittag ſahen ſie's wieder, wie es ſeine zierlichen Bücklinge machte und dazu ſchnalzte: „huid tze, huid tze tze tze, da bin ich noch immer!“ Aber eines Abends erhob es ſich höher in die Luft als gewöhnlich; es hörte ein paar Genoſſen aus der Nachbarſchaft locken. Mit ihnen flog es davon in die Nacht. Erſt im ſüdlichen Europa erkennt der Vogel das Siel ſeiner Reiſe, ja mancher der Rotſchwänze, der im Sommer mit den flachshaarigen Kindern eines thü— ringer oder heſſiſchen Dörfchens Swieſprach gehalten, mag übers Mittelmeer Vögel II. Copyright 1910, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 15 225 Fagerhaus Tilloantz, August 1004. K. Spengler. Rothehütte, Juni 1908. Junge HBausrotijhwänzden. bis nach Agypten fliegen und den armen Bewohnern der Fellachendörfer in ihre elenden Cehmhütten ſchauen. Ende März kehrt der Dogel in die nördliche Heimat zurück, wo er ſich ſofort durch ſein ſchnurrendes Ciedchen bemerkbar macht. Der Tandmann begrüßt ihn mit Freuden; denn ähnlich wie die Schwalbe iſt ihm auch das Hausrotſchwänzchen ein heiliges Döglein, dem man kein Leid zufügen darf. Nur der Bienenzüchter iſt ſchlecht auf den Vogel zu ſprechen. Gewiß, es mag öfters vorkommen, daß er, gleich dem Fliegenſchnäpper oder der Kohlmeiſe, ein paar Bienen erwiſcht; aber groß kann der Schaden nicht ſein, zumal man beobachtet hat, daß er nur kranke, matt fliegende oder ruhig daſitzende Bienen wegſchnappt. Bald nach der Ankunft baut das Pärchen ſein Neſt. Jeder verſteckte Winkel iſt den zutraulichen Vögeln recht: ganz oben das Geſims eines mehr— ſtöckigen Haujes unter der Dachtraufe, oder kaum mannshoch ein Sparren an der Gartenlaube, hinter den Blättern von Jungfernrebe oder Jelänger— jelieber gut verborgen, ein altes Rüſtloch der hauswand oder eine Öffnung zwiſchen den Steinen der Gartenmauer, der Pfoſten über der Tür unter dem Schutzdach, wenn auch die Menſchen tagaus, tagein hier vorübergehen, oder ganz oben der Balkenkopf, der am Giebel ein wenig hervorſpringt. Gar nicht ſelten wählen ſich die Rotſchwänzchen die ſonderbarſten Plätze für die Wiege ihrer Jungen. Über dem Brunnenrohr, gleich neben dem quietſchenden Schwengel, auf dem Blechſchirm der Hängelampe im HGarten— ſalon, oder in einem Winkel des Ofenrohrs, auf dem Briefkaſten am Tor, oder im Schuppen zwiſchen dem Feldgerät — es gibt kein Deriteck, wo man Hausrötels Neſt nicht ſchon gefunden hätte. Beſondere Anziehungskraft 226 K. Sil. — u. Damian (Sudiirol), Juli 1909 Junger Hausrötel, erſchreckt. übt die Eiſenbahn auf unſern zutraulichen Hausfreund aus; ihre freiſtehenden Wirtſchafts⸗ und Stationsgebäude und die hohen Telegraphenſtangen ſind dem Dogel willkommen, denn ſie gewähren ihm einen freien Umblick nach allen Seiten. So kommt es, daß man kaum einen Bahnhof finden wird, wo ſich im Frühling und Sommer nicht Hausrotſchwänzchen aufhalten. Das Pfeifen und Fauchen der Lokomotiven, der lärmende Verkehr itört den ver— trauensſeligen Dogel nicht im geringſten, und was für Niſtplätze die Dögel ſich hier manchmal wählen, grenzt ans Unglaubliche. In der Holzbude, wo ſtündlich oder noch öfter die Hebel für Weichen und Signale geſtellt werden, zieht ein Pärchen ſeine Jungen auf einem Balken groß; in die Pufferröhre einer Cowry hat ein anderes Paar ein gar niedliches Neſtchen gebaut; aber das reizendſte Dogelidyll hat man Ende der ſechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auf der kurzen Strecke Greiz-Neumark beobachtet. Ein Hausrotſchwänzchenpaar hatte ſich in einem Perſonenwagen angeſiedelt, der längere Seit auf dem Greizer Bahnhof ungebraucht ſtand, und war bereits beſchäftigt, ſeine mehrere Tage alten Jungen zu füttern, als der Wagen in den Sug eingeſtellt werden mußte, der die Strecke täglich ſechsmal in jeder Richtung zurücklegte. Treu begleiteten die Alten das Neſt auf ſeinen Reiſen und fütterten fleißig während des Aufenthalts auf den Swiſchen— 15 * 227 BE N EM Stephainsky. Fägerhaus Tillowitz, Ober-Schl., Juli 1909. " Am Boden. Hausrötelweibchen. Im Spalier. ſtationen. Und richtig, die Dogeleltern und das Sugsperſonal hatten nach einigen Tagen die Freude, die Jungen wohlbehalten ausfliegen zu ſehen. Aber nicht alle hausrötel verdienen ihren Namen; denn viele ſiedeln ſich auch fern von den Ortſchaften in Löchern und Riten ſchroffer Felſen— wände, zwiſchen Klippen, in verlaſſenen Steinbrüchen, in Ruinen und alten Mauern, ſelbſt in Steinhaufen an, oder ſie leben zurückgezogen in einer einzeln ſtehenden hütte, einer zerfallenen Scheune uſw. Die felſigen Gegenden ſind dem Hhausrotſchwänzchen, ſoweit es nicht die gaſtlichen Wohnungen der Menſchen bevorzugt, die liebſten, und ſo findet man den niedlichen Dogel oft hoch oben im Gebirge, in den Alpen 3. B. noch über der Region des Holzwuchſes, gar nicht fern von Gletſchern und ewigem Schnee. Weniger ſagt ihm die Ebene zu, ja große, einförmige Waldungen meidet er völlig. In den Küſtenländern des nördlichen Deutſchlands ſieht man das Haus— rötel weniger oft, als in Mitteldeutſchland, ja in Großbritannien iſt es eine ſehr ſeltne Erſcheinung — erſt in der Neuzeit ſoll ſich der Vogel dieſe Gebiete erobert haben — im ſüdlichen Skandinavien hat man ihn gleichfalls nur ausnahms— weiſe gefunden, im fernen Island aber iſt bis jetzt nur ein einziges Exemplar beobachtet worden, das ſich auf dies nördliche Eiland verirrt haben mochte. Im Neſtbau iſt der Hausrotſchwanz nicht eben ein großer Künſtler; aber er verſteht es, ſich den örtlichen Derhältniſſen aufs beſte anzupaſſen. In einer engen höhlung bedarf die Kinderwiege keines beſonderen Haltes; weich und warm ſollen Eier und Junge liegen: das iſt alles, was man beanſprucht. Mehr Sorgfalt erfordert der Neſtbau auf einem freien Balkenkopf oder auch in einem Winkel, der nicht von allen Seiten geſchloſſen iſt. Aber das brüt— luſtige Pärchen verſteht ſich auch darauf; aus zarten Würzelchen, dürren 228 1 K. Soffel. ö Cosmos u. Damian (Südtirol), Fuli 1909. Bausrötel, auf einer Latte, von der aus er Injektenjagd betrieb. Pflanzenſtengeln, aus Grashalmen uſw. webt es ein napfförmiges, ziemlich dickwandiges Neſt, das es dann ſorgfältig mit recht viel Haaren, wohl auch mit einigen Federn auspolſtert. Am allerbequemſten aber machen ſich's die Vögel, wenn ſie einfach ein altes Schwalbenneſt unter dem Hausdach beziehen. Wenn hein Hindernis eintritt, iſt in der zweiten Hälfte des Oſtermonds das Gelege vollzählig: fünf oder ſechs rein-weiße, bisweilen bläulich ſchim— mernde Eier, glänzend und zartſchalig. Nach dreizehn Tagen eifrigen Brütens, an dem ſich auch der Dater, wenigſtens ſtundenweiſe, beteiligt, piepen die Jungen in ihrer engen Wiege und verlangen nach Speiſe. Keine Kleinigkeit iſt's für die Eltern, die hungrige Kinderſchar zu befriedigen; aber geſchickt ſind die Dögel im Fangen, und jeder Winkel ihres Reviers iſt ihnen bekannt. An den Mauern und Dächern der Gebäude, an Klippen und Felſen— wänden ſchwirren genug kleine Fliegen umher; allerlei Larven ſchlummern in den Riten von Holz und Stein, und Spinnen hauſen in jedem Deritec. Auch der flüchtige Schmetterling iſt vor dem geſchickten Jäger nicht ſicher; wie der Fliegenſchnäpper erwiſcht ihn das Hausrötel im Fluge, und wenn es auch manchmal nur den bunten Flügel gepackt hat, beim zweiten Derjuch entgeht der Falter doch nicht ſeinem Schickſal. Auch am Boden findet ſich Nahrung in reichlicher Menge, in den Gärten zwiſchen den Rüchengewächſen und auf den umgegrabenen Beeten: kleine Käfer und Käupchen, Keller— würmer, Tauſendfüße und dergleichen. Aber das Füttern der Brut iſt nur ein Teil der Pflichten, die den Eltern erwachſen. Die Sorge, daß kein feindliches Tier das Leit ausraube, erfüllt ihre Seele von Tag zu Tag immer mehr; denn die Jungen, deren Stimmchen ſchon kräftiger klingen, verraten leicht den Standort des Neſtes. Die Katze ſchleicht lüſtern umher und blinzelt hinauf, von wo die Pieptöne kommen, himmliſche Muſik für ihre Ohren. Die Alten kennen den Erzfeind; mit ſcharfem „huid tze“ warnen ſie die Kinder, die ſofort auf dies Kommando verſtummen. Dann fliegen ſie ſchreiend hinab ins Geſträuch, ganz in die Nähe des Feindes, knickſen erregt, ſträuben ihr lockres Gefieder, blähen die Kehle, ſpringen und flattern in ihrer Angſt hin und her; ja ſie fliegen dem Räuber wiederholt dicht am Kopfe vorüber, als wollten fie nach ihm ſtoßen. Mißvergnügt duckt ſich die Katze, doch macht ſie gleichmütige Miene zu dem Spektakel, als ginge ſie das tolle Gezeter nichts an. Jetzt ſind aber auch die Dögel der Nachbarſchaft auf die Gefahr aufmerkſam geworden; alle vermehren den Aufruhr, und nicht eher wird's ſtill, als bis ſich die Katze durch ein Loch ins Dunkel des Schuppens zurückzieht. Dann kehren die Hausröteleltern zu ihren Kindern zurück, ſchauen ins Neſt — es iſt alles in Ordnung; ſie gehen an ihre Arbeit zurück. Mit dem erſten Wurm, den ſie finden, iſt die Sorge vergeſſen, und das Männchen trillert an einem der Cieblingsplätzchen wieder ſeine fröhliche Strophe. 230 Die gefährlichſte Seit kommt aber noch. Wenn die Jungen ausfliegen, fällt jo manches einer Katze oder einem Raubvogel zum Opfer. Denn die unerfahrenen Kinder verlaſſen den ſicheren Winkel meiſt ſchon dann, wenn lie nur etwas flattern können; von wirklichem Fliegen iſt keine Rede. Die Eltern ſind froh, wenn die kleinen Gelbſchnäbelchen irgendein ſicheres Plätzchen erreichen, wo ſie ſich feſthalten können. Hier ſitzen ſie nun und betteln mit zitternden Flügeln unaufhörlich um Nahrung. Das iſt dann ein ewiges Hin und Her der Alten, ein ängſtliches Schreien, auch wenn irgendein Menſch ſich nähert, vor dem früher beim Brüten Vater und Mutter nicht die geringſte Scheu zeigten. Nach einigen Tagen ſind die Jungen ſo ziemlich ſelbſtändig; ſie lernen ſehr raſch hüpfen und fliegen, und was gut ſchmeckt, verſtehen ſie auch bald. Swar betteln ſie immer noch, wenn einer der Alten in ihre Nähe kommt, ſelbſt jeder andere Kleinvogel, der vorüberfliegt, wird mit zitternden Flügeln begrüßt, und ſie erhalten auch noch manches Inſekt aus dem Schnabel von Dater und Mutter, die mit ihnen gemeinſam in Hof und Garten herumſtreifen; aber den Eltern geht bereits der Gedanke an eine zweite Brut im Kopfe herum, und wenn die Mutter das erſte Ei wieder ins Neſtchen gelegt hat, dann ſind die innigen Beziehungen zwiſchen Eltern und Kindern vergeſſen. Um Jahobi iſt auch die zweite Generation flügge. Noch eine Woche lang werden die zirpenden Jungen geführt und treulich bewacht; dann endlich ſind die Eltern aller Sorgen ledig. Der Dater ſitzt wieder halbe Stunden lang am Dach und ſchnurrt ſein Liedchen; dann fliegt er hinab zur Mutter, die unterdeſſen von den roten und ſchwarzen Holunderbeeren probiert; ſie ſchmecken den Dögeln zur Abwechſlung ganz gut, aber Injekten ſind ihnen lieber. Bald tritt die Mauſer ein, und iſt auch ſie überſtanden, ſo geht's auf die Reiſe, gewöhnlich in kleiner Geſellſchaft. Fünf Monate dauert's, nicht länger, dann begrüßt das Pärchen ſeine Heimat wieder mit drolligem Bück— ling und freudigem Lockton. X. Siegle. Pforzheim. Neſt und Gelege des Hausrötels. 231 Der Eichelhäher. Don Hermann Cöns. Es ſitzt ein Dogel im Eichenbaum und gibt ein Potpourri zum beiten. Er ſchwatzt und plaudert, als wäre er ein Pirol oder Würger, und dann ſchnalzt er wie eine Eichkatze, miaut wie ein Buſſard, trompetet wie ein Kranich, ruft wie ein Buntſpecht, pfeift wie ein Star und quietſcht wie ein Wagenrad. Jetzt kreiſcht er laut und gellend auf und ſchwebt dahin wie ein rieſengroßer, bunter Schmetterling. Der Markwart iſt es, der Eichelhäher, der Schalksnarr und Irrwiſch, Hans Dampf in allen Ecken, Bruder Immerluſtig und Meiſter Wunderlich, der luſtige Schwätzer, der fröhliche Spötter, der Hüpfer und Schlüpfer, Schweber und Flatterer, der Prahlhans und der Angſtmeier, des Jägers Vergnügen, des Jägers Derdruß, Wildverkünder und Wildvergrämer, der Neſtzerſtörer und Eichenpflanzer, der alles kann, der alles ſieht, alles kennt, der heute pfiffig und morgen dummdreiſt, eben vorlaut und frech und jetzt wieder heimlich und zage iſt, der Vogel, deſſen Stimme, deſſen Benehmen ebenſo voller Gegenſätze iſt, wie ſein Gefieder. Wie fein, weich und zart iſt das rötliche Grau ſeines Rumpfes. Wie herrlich iſt der gelbliche, ſchwarz übertupfte Scheitel dazu geſtimmt und das warme Braunrot der Flügeldecken. Wie toll aber ſtechen dagegen die leuchtend himmelblauen, ſchwarz und weiß geſtriemten Achſelklappen ab, die ſchwarzweißen Schwingen, die weißen Schwanzdeckfedern und der ſchwarze Schwanz. Eigentlich müßten dieſe harten Farben zu dem weichen Grundton des Gefieders nicht paſſen, aber den Eichelhäher kleiden ſie, bei ihm ſind ſie ebenſo zuſammengeſtimmt, wie in ſeinem Geſange die feinen und die groben Laute, wie in ſeinem Charakter die freundlichen und die häßlichen Hüge. Auf der blumigen Waldwieſe ſitzt ein halbes Dutzend Häher. Das ſchwatzt, das klatſcht, hüpft und ſpringt, tanzt hin und her, ſpreizt die Hollen, nickkoppt und dienert, ſchaut ernſt drein, hopſt albern in die Höhe, ſchnappt den fliegenden Käfer, ſtreut die Erde des Maulwurfshaufens herum, ſtochert im Mooſe, ſcharrt im Graſe, hämmert an einem Baumſtumpfe, wetzt an einem Steine, quiekt, ſchnalzt, quarrt, ſchnarrt, ratſcht und tratſcht, miaut und flötet, daß der Jäger, der hinter der Eiche ſteht, vor Lachen kaum ruhig bleiben kann. Stephainsky. Brütender Eichelhäher. Bozen, Juli 1909. Junge Häher, nach Sutter jchreiend. Ein gellendes Kreiſchen, das ſich ſechsmal wiederholt, und dahin ſtiebt das bunte Gelichter, hier, da und dort aus dem Dickicht weiterkreiſchend. Erſtaunt ſieht ſich der Jäger um; er kann nichts erſpähen. Aber das Kreiſchen dauert fort, iſt bald hier, bald da in der Dickung, läßt nach, um betäubend wieder zu beginnen, hört auf und erneut ſich abermals, bis es als wildes Wutgekreiſche näherkommt. Und aus der Dichung ſchiebt ſich ein ſpitzes Geſicht mit ſchwarzen Gehören, eine weiße Bruſt leuchtet, ein roter Leib ſchimmert, eine buſchige Rute zuckt hin und her, und blank und breit ſteht auf der Wieſe Meiſter Reineke. Langſam hebt der Jäger die Waffe hoch, ein leiſes Knicken ertönt, daß der Fuchs jäh den Kopf hochnimmt, aber da knallt es bereits, der Fuchs ſchlägt um und wildes Angſtgekreiſche der Häher erfüllt den Wald. Am andern Tage pürſcht der Jäger einen raumen Stangenort ab. Vertraut ſchwebt ein häher vor ihm her, quiekt und ſchwatzt ungeſtört, ſtochert hier im Fallaube, ſtöbert dort im Graſe und taucht in der Dickung unter. Der Jäger bleibt in guter Deckung ſtehen, die Büchſe ſchußfertig unter dem Arme, denn vor ihm ſchiebt ſich ein roter Fleck durch das grüne Laub. Nicht weit vor dem Jäger ſchwebt ein Häher auf den Pürſchſteig herab, ſieht ſich ſcheu um, als täte er unrecht, hackt haſtig an dem Rande des Steiges die lehmige Erde los, reißt verrottete Würzelchen heraus, hackt wieder, ſich immer ängſtlich umſehend, zupft wieder Wurzeln, mit denen 234 -quolpnl zeuns ae gp o A3g1mazag uapsaıT ο ux da N. Soffel. Bozen, Juli 1909. Junge Häher, auf Futter wartend. er ſein Neſt auskleiden will, ſchiebt ſie ſorgfältig mit dem Schnabel zu— ſammen, daß es ein bequemes Bündel gibt und will gerade damit abſtreichen, als er den Jäger gewahrt. Die Wurzeln fallen laſſen, haſtig davonflattern und ein gellendes Warngekreiſche ausſtoßen, das iſt eins, und wütend ſieht ihm der Jäger nach, denn der rote Fleck da hinten im Laube verjchwindet mit jäher Bewegung und weiſt dabei das ſtarke Gehörn. Aber jo iſt der Häher; es iſt kein Derlaß auf ihn. Heute meldet er dem Jäger den Fuchs, morgen vergrämt er ihm den Bock. Und ſo iſt er in allem. Gewandt und ſicher ſchwenkt er im Schwebefluge durch das enge Stangenholz, und jammervoll unbehilflich flattert er von Feldbuſch zu Feldbuſch, immer in Todesangſt vor Habicht und Sperber. Er iſt ſo ſchlau, ſo überſchlau, aber wie der weltfremdeſte Seidenſchwanz ſteckt er ſeinen Dickkopf in die Pferdehaarſchlinge der Dohne und endet auf elende Art. In gemeiner Weiſe verhöhnt und pieſackt er den unglücklichen Wald— kauz und wehe dem Marder, den er bei Tage antrifft; nicht eher gibt er ſich zufrieden, als bis der Schleicher ji in einem Loche verkrochen hat, und die Füchſin, die am Tage auf Raub auszieht, muß ohne Beute wieder in die Dickung, denn unaufhörlich läſternd und kreiſchend begleiten die Schreihälſe ſie und warnen alles Getier vor ihr. In keiner Sache zeigt er feſten Sinn. Heute baut er ſein Hejt in vier— facher Manneshöhe im engen Beſtande, das nächſtemal ſcheint es ihm 256 we April 1909. Stephainsky. Eichelhäher. Fuli 1909. Bozen, Häher, Futter ſuchend. Sofel. 1 P. Rosenius. Schonen (Schweden) 1906. Junge Häher im Neſt. richtiger zu fein, es fünf Fuß über dem Boden dicht am Fahrwege anzu— legen. Steht das Neſt heute in der Altgabel dicht am Stamme, ſo iſt es ein anderes Mal in das äußerſte Ende eines Sweiges gebaut. Das eine Mal iſt es liederlich aus dürrem Laub zuſammengeſtoppelt und oberflächlich mit Wurzeln ausgelegt, dann wieder iſt es ein Meiſterwerk aus feinen Sweigen und langen Moosranken und auf das Sauberſte mit den aller— weichſten Würzelchen ausgepolſtert, und während ein Neſt breit, ſparrig und flach iſt, iſt ein anderes mehr als halbkugelig, hübſch rund und mit einer tiefen Mulde verſehen. Einmal liegen vier Eier darin, ein anderes Mal neun, und wenn die einen denen einer Elſter ähneln, ſo gleichen die andern mehr denen von Swergwaſſerhühnern. Und nun erſt ſeine Nahrung. Der Maikäfer iſt ihm ebenjo lieb, wie die Haſelnuß ihm recht iſt. Jetzt ſucht er vorſichtig einen Sweig nach Schildläuſen ab, dann ſchlingt er ein Dutzend Eicheln herunter, als habe er acht Tage gehungert. Aber da ſieht er eine Blindſchleiche. Schwupp, hat er ſie beim Wickel, und da der dicke Kropf ihn hindert, ſo würgt er 238 K. Sofel. Bozen, Fr 2 7009. Junger Häher, eben angeflogen. Revier Ruhland, Nut 1909. häher bei jeinen Jungen, bei und nach dem Füttern. Graf Münster. die Eicheln heraus, quält die Schleiche zu Tode, friſt ein Stückchen davon und will gerade fortfliegen, denn es gelüſtet ihn nach Brombeeren, da fallen ihm wieder die Eicheln ein. Mitnehmen? nein, dazu hat er keine Luft. Liegen laſſen? erſt recht nicht. So buddelt er denn mit dem Schnabel ein Loch neben dem andern, ſteckt in jedes eine Eichel und drückt die Cöcher ſauber mit dem Schnabel zu. Mitten in der Arbeit wird ihm die Sache aber langweilig und er läßt die hälfte der Eicheln liegen. Acht Tage lang kann er ſich von Kerbtieren nähren, plötzlich muß er zu dem Luderplatze, wo der Jäger die Kerne der Füchſe und das Geſcheide des Wildes hinlegt, und muß von dem ſtinkenden Kaſe freſſen. Heute ſitzt er fromm und bieder zehn Schritte von dem Buchfinkenneſte, ohne ſich darum zu kümmern, morgen hachkt er die Eier entzwei, frißt etwas davon und reißt ſchließlich das Neſt auseinander, um einige Büſchel davon zum Bau des eigenen Neſtes zu verwenden. Einmal rührt ihn das Piepfen der nackten Neſtvögelchen gar nicht, obgleich es unmittelbar unter ihm ertönt, wogegen er ein anderes Mal ſolange durch das Geäſt ſchlüpft, bis 240 r u . = z . 1 = Ä A . \ F N a * 3 N 5 J 3 * N 2 FEN TEEN. \ \ N. | Dr. Bethge. Weißer Hirsch b. Dresden, Dezember 1905. Swei Eichelhäher, Geniſt durchſuchend. er ein Neſt findet. Dann ſetzt er ſich dabei, beſieht ſich die Jungen, holt eins heraus, dreht es mit den Klauen auf dem Aſte hin und her, hackt es tot, frißt es an, läßt es fallen, holt ſich ein zweites, macht es geradeſo damit, und dann auf einmal bekommt er Luſt auf Wichklerraupen, dreht Blatt für Blatt um und ſucht eine Stunde lang das winzige Gewürm, bis ihm auch das langweilig wird und er im Altlaube nach Käfern herum: kratzt, um einige Augenblicke ſpäter wieder einem Schmetterling nachzu— jagen. Er macht alles geradeſo, wie es ihm in den Kopf kommt. Er iſt Rein Sugvogel, aber wenn es ihm paßt, dann verſchwindet er auf Wochen aus ſeinem Walde. Er iſt kein Standvogel, aber er kann bis in den Spät— herbſt am Platze bleiben, um dann, obgleich es anderswo auch nicht mehr zu freſſen gibt, als hier, plötzlich die Reiſeſucht zu bekommen. Nadelwald und Laubwald, ihm iſt alles gleich. Am Rande des Moores gefällt es ihm ebenſogut, wie hoch oben im Gebirge, und ob er im Feldbuſch wohnt oder in dem geſchloſſenen Forſte, ob im jungen Holze oder im alten Beſtande, das macht ihm wenig aus. In der dürren Kiefernheide geht es ihm Vögel II. 16 241 ebenjogut, wie im üppigen Auwalde, denn er kann alles gebrauchen, Kerb- tiere wie Waldbeeren, Baumfrüchte und Schnecken, Obſt und Getreide, und findet er hier das eine nicht, ſo trifft er das andere an, und ſo kann er nie umkommen. Darum vermehrt er ſich auch überall, denn Habicht und Wanderfalke, ſeine ſchlimmſten Feinde, ſind ſparſam geworden und werden immer ſeltener, und Marder und Kauz erwiſchen nur ſelten einen alten Häher und die Jungen auch nicht allzu oft. Und ſo trifft man ihn überall an, den bunten Schalksnarren, wo es Wald und Bujd gibt, und freut ſich über ihn, denn wenn er es auch ab und zu arg macht mit dem Plündern von Neſtern und oft in den Saatkämpen der Förſter allerlei Unfug anrichtet und erheblichen Schaden ſtiftet, er pflanzt doch manche Buche, manche Eiche, er verbreitet haſelnuß, Ebereſche und Brombeere, er vertilgt allerlei Ungeziefer und erſchwert dem Fuchs das Kauben, und ſchließlich: er iſt jo ſchön und ſo drollig und bringt ſoviel Leben in den ſtillen Wald, daß wir ihn dort nicht miſſen möchten. Graf zu Münster. Revier Ruhland, Juli 1909. Häher, Unrat der Jungen entfernend. 242 Rauchſchwalbe und Hausſchwalbe. | Don Martin Braeß. | Ein Freundſchaftsbündnis haben die niedlichen Schwalben mit dem Menſchen geſchloſſen, jo eng und jo innig, wie kein anderer Dogel der deutſchen Heimat. Sie bewohnen die häuſer und Diehſtälle, die Wirtſchaftsgebäude und Scheunen in Dorf und Stadt, wohl auch einmal eine einſam liegende hütte, einen Schuppen, einen Brückenbogen, und nur in unkultivierter Gegend, wo alle Niederlaſſungen fehlen, meilenweit in der Runde kein Haus, da nehmen ſie mit Vorſprüngen an ſteiler Felſenwand vorlieb. Sobald aber in der entlegenen Wildnis das erſte Haus entſteht, gleich iſt die Schwalbe zur Stelle und ſchlägt ihr Heim bei dem gaſtfreien Menſchen auf! Kein Wunder, daß ſolche Anhänglichkeit an unſre Wohnung, ſolch Zutrauen der reizenden Tierchen innige Gegenliebe geweckt hat! Selbſt rohere Gemüter, die teilnahmlos und ohne Derjtändnis an den lieblichſten Er— ſcheinungen der Natur vorübergehen, gewähren doch den Schwalben gern gaſtliche Aufnahme. Mit Jubel wird im Lenz die erſte Schwalbe begrüßt, mit regem Intereſſe beobachtet groß und klein den Neſtbau und die Auf- zucht der Jungen, und mit Wehmut ſieht man im herbſt die lieben Haus— genoſſen wieder ſcheiden. vergnügt eilt die Jugend des Dorfs aus der Schule, doppelt vergnügt, denn die Ferien beginnen, und ſelbſt eine niedrige Oſterzenſur kann die Freude nicht trüben; der Schlingel ſchüttelt alles Ungemach ab, ſobald er die dumpfe Schulſtube verläßt: Lenzesſtimmung in Feld und Flur, Lenzesſtimmung im Herzen von groß und klein! Plötzlich ruft einer der Bengel: „Die Schwalben ſind wieder da!“ Hoch in die Luft wirft er vor Freude die Mütze, und nun ſtürmt die Schar hinab zu dem Dorfteich, die Boten des Frühlings willkommen zu heißen. Lehrer und Schule und Seugnis, wie ſchnell iſt alles vergeſſen; ein paar Dögelchen über dem Waſſer ſind jetzt wichtiger, als jede Ermahnung! Hurtig und gewandt ſchießen ſie über die glitzernde Fläche, bald ſchwimmend und ſchwebend, bald flatternd, jetzt hoch aufſteigend in ſchön geſchwungenem Bogen, dann wieder blitzſchnell ſich ſenkend, daß die Bruſt fait den Boden oder den Waſſerſpiegel berührt. wei nur ſind's, doch nein, ein drittes Schwälbchen beteiligt ſich auch an dem luſtigen Spiel, und im nächſten Augenblick zählen die Kinder ſchon vier. „Stallſchwalben ſind's,“ ſo ruft der Junge von vorhin, „die kamen auch voriges Jahr früher zurück 16 * 243 M. Steckel. Rossitten, September 1909. Nach dem Süden ziehende Rauchſchwalben, ausruhend. als die Mehlſchwalben. Gewiß ſind's die beiden Pärchen von uns; im Kuh— ſtall ſind noch die Brettchen, die der Vater für ſie angebracht hat, und auch die Neſter ſtehn noch darauf.“ „Nein, unſere Schwalben werden es ſein!“ jo ruft ein andrer dazwiſchen, „denn bei uns brüteten acht Pärchen im Kuh— ſtall, im Pferdeſtall auch eins, und in der Hausflur gleich unter dem Tor kleben jetzt noch zwei Neſter.“ „Das iſt noch gar nichts,“ ſchreit ein dritter, „an unſerm haus, vorn nach der Straße, ihr habt's ja geſehen, gleich unter dem Dach da brüteten dreißig Pärchen und mehr; übereinander ſtehen die Neſter, weil ſie nicht Platz haben.“ Jetzt lachten aber die andern: „Da ſieht man doch gleich, daß du gar nichts verſtehſt; das ſind ja die Mehlſchwalben, die Hausſchwalben, die außen unter dem Dach brüten, oben am Sims. Die haben wir auch jedes Jahr und vielleicht mehr noch, denn ihr. Aber die vier, die hier über dem Teich fliegen, die wohnen im Stall, RKauchſchwalben ſind's.“ Und nun belehrt einer den andern, woran man die beiden Schwalben— arten erkennt. Bei der Kauchſchwalbe iſt der Schwanz ja viel länger und fo tief ausgeſchnitten, daß er einer zweizinkigen Gabel gleicht; Kehle und Stirn leuchten ſchön rotbraun. Die Haus- oder Mehlſchwalbe aber hat breitere Federn am Schwanz, nicht ſolch lange Spieße wie jene, auch fehlt ihr das Rot; oben glänzendes Schwarz, unten und auf dem Bürzel ſchneeiges Weiß, das ſind ihre einzigen Farben. Und einer der größeren Knaben fügt ganz richtig hinzu: „Die Füßchen ſind auch anders bei beiden; die Mehlſchwalbe 244 1 2 4 + 7 * * | — — — * — 7 — — — A | * DR — + Ad * 4 — * * | * 0 — ö 0 “ * 1 * — * \ 1 x 2 „ . = . 8 . 5 - 4 X. Siegle. i Pforzheim, September 1909. Derjammlung der Rauhjhmwalben vor dem Wegzug. 2 4} 1 . 8 R. B. Lodge. Middlessex, unt 1899. E Neſt und Gelege der Rauchſchwalbe. hat ſie weiß befiedert bis vor an die Krallen, die Rauch- oder Stallſchwalbe aber iſt barfuß. Wenn ſie ſich anklammern am Reit, ſieht man's ganz deutlich.“ Ja ein geweckter Junge vom Lande weiß manches, was ein Stadt— kind nicht kennt; auch die hellen Flecken hat der Knabe bemerkt, die am ausgebreiteten Schwanze der Rauchſchwalbe gleich einer unterbrochenen Binde erſcheinen und die der kleineren Baſe vollſtändig fehlen. Nun aber nach haus, dem Dater, der Mutter, dem Unecht und den Mägden das frohe Ereignis zu melden. Und dann ſchnell das kleine obere Fenſter am Kuhſtall geöffnet, wo die Vögel jo geſchickt ein- und ausflogen, ohne mit den langen, ſichelförmigen Flügeln die Wand zu berühren. Wenn ſpäter tagsüber die Stalltüre offen, nehmen ſie ihren Weg meiſt durch dieſe, aber das Fenſterchen wird auch dann nicht geſchloſſen; denn zeitig am Morgen ſind die Schwalben ſchon munter. Doch gemach, ſo weit iſt's noch nicht, und ehe die Hausgenoſſen die alte Wohnſtätte aufſuchen, da vergehen noch Wochen! Meiſt kehrt ja als erſtes nur ein einzelnes Schwälbchen von der Keiſe zurück; unſtät fliegt es umher, denn die Nahrung iſt ſpärlich, die Ende März die Heimat ihm bietet. Kalt weht der Wind, Regen- und Schneeſchauer treibt er über die Felder; er erfaßt auch das Döglein und führt es von dannen — wohin? niemand weiß 246 R. Paul. Glogau, Juni 1908. Rauchſchwalbe, ihre Jungen fütternd. es, vielleicht ſieht's die Heimat nie wieder. Nach einigen Tagen kommt dann ein Pärchen oder auch zwei. Hoch aus den Lüften ſchießen fie nach dem Teich oder Fluß hernieder, tauchen die Bruſt in das Naß, ſchütteln die Tropfen ab, jagen nach fliegender Beute, bald hoch oben am Himmel, bald niedrig über dem Waſſer, flattern zwiſchen den häuſern oder an Mauern dahin und ſchnappen nach Spinnen, ſtreichen ganz dicht über die Saat und erwiſchen im Fluge manches Inſekt, folgen dem Pflug auf das Feld und umkreiſen die Ochſen, denn wo Dieh iſt, da gibt's auch immer einen Biſſen für den hungernden Magen. Auch ein paar hausſchwalben find angekommen; ſie teilen Freud und Leid mit ihren Verwandten, jagen gemeinſam mit ihnen über Diehtrift und Anger, über Felder und Teiche, ruhen gemeinſchaftlich am Dachfirſt aus oder am Saun und abends im Röhricht, aber ſonſt kümmern ſie ſich nicht viel um ihre Genoſſen. Jedes hat vollauf zu tun mit ſich ſelbſt und iſt froh, bei der Unbill des Wetters das eigne Leben zu retten. Endlich bricht die Sonne durchs trübe Gewölk, ihr Strahl lockt tauſend Lebeweſen aus den Deritecken hervor. Fliegen ſummen umher, Bremſen und Schnaken werden lebendig, Millionen von Mücken tanzen im goldigen Licht. Da hat alle Not gleich ein 247 Ende. Mit zartem Rot ſchmückt ſich der Pfirſich zum Seite, die Hnoſpen des Kirſchbaums ſchwellen, und als ob ſie's wüßten, jetzt iſt es gut in der Heimat, kommen ſie angeſegelt, Kauchſchwalben und Haus— ſchwalben in großer Geſellſchaft. Sie beleben das Dorf, den Anger, den Teich mit ihrem fröhlichen Flug durch die Lüfte, und gegen Abend ſitzen ſie gewöhnlich am Firſt des Daches, am Hausſims, auf den Telegraphen- drähten, in langer Reihe geordnet. Wie der Bauer am Feierabend mit den Nachbarn gern plaudert, die ſich auf langer Bank neben dem Torweg, müd von der Arbeit des Tags, niedergelaſſen, ſo pflegen auch droben am Dach die gefiederten hausgenoſſen freundſchaftlicher Swieſprach, Kauchſchwalben zumeiſt, doch ſitzen auch einige Hhausſchwalben dazwiſchen, an dem viel kürzeren Schwanz und dem weißleuchtenden Bürzel leicht zu erkennen. Drolliges Schwalbengezwitſcher, ein wirkliches Plaudern in längeren oder kürzeren Sätzen, faſt ohne Lücke aneinander gereiht, nur getrennt durch einen langgezogenen Schnurrlaut, jeder hört es jo gern; keine Kunit iſt dabei, keine Deritellung, alles natürlich und traut. Die Kinder im Dorf ahmen es nach, wenn ſie halbſingend ſprechen: „Ich wollte meinen Kittel flicken und hatte keinen Swerrrn, hatte nur ein kurzes Endchen, das mußte ich lang zerrrn.“ Freilich nur den Klang des Gezwitſchers ſoll das luſtige Derschen wieder— geben, nicht den wirklichen Inhalt des Geſprächs. Denn gerade jetzt im Frühjahr iſt das Kleid der heimgekehrten Schwälbchen ſchmuck und tadellos, friſch in den Farben und die Oberſeite von ſchönem, tiefblauem Metallglanz. Sie haben im warmen Winterquartier gemauſert und beehren uns nun bei ihrer Ankunft im nagelneuen Habitchen. Wer vogelſtimmenkundig iſt wie Salomo, der würde ganz anderes heraushören. Ob es wohl an der Seit ſei, die alte Niſtſtätte aufzuſuchen, beratſchlagen ſie, oder ob ſie den Platz wechſeln ſollen; was zu tun ſei, wenn nicht mehr alles in Ordnung, und ob es geraten, ſchon morgen früh dem bekannten Stall einen Beſuch abzu— ſtatten, in der Stille, wenn alles noch ſchläft, und nur der Frühauf des Hofs, das Hausrotſchwänzchen, ſeine klirrende Strophe vom Eſſenkopf hinaus in die Dämmerung ſchickt. Auch die jungen, noch nicht einjährigen Vögel, die friſch— backnen Eheleute — denn gepaart ſind ſchon alle — die noch nichts wiſſen von Neſtbau und Kindererziehung, ſprechen gar munter mit und ſchlagen zur Bekräftigung ihrer Worte die langen Flügel im Takte auf und nieder. Richtig, am nächſten Morgen iſt's ſchon lebendig im Auhſtall, lange ehe die Magd in der Türe erſcheint. Als ſie öffnet, da ſchießt ihr gleich über den Kopf ein Schwälbchen aus dem dunkeln Stall heraus in den ſonnigen Hof, zwei andere Rauchſchwalben umhkreiſen den Raum, leicht wie die Elfen dahingleitend, eine vierte ſitzt auf dem Sims und läßt ſich in ihrem Morgen— liedchen nicht ſtören. Ganz vertraut ſind die Vögel. Die weite Keiſe, nur 248 vaggvabpljysm >» RN. Spengler. Rothehütte, September 1909. Ruhende Rauchſchwalbe. ein kurzer „Ausflug“ war es für die leichtbeſchwingten Segler der Lüfte; der lange Aufenthalt in der ſüdlichen Sone — wer denkt noch daran! daheim ſind wir, wieder daheim! Das eine der beiden Pärchen findet ſein Neſt unver— ſehrt wieder, genau wie es den Platz im vorigen Sommer verlaſſen hat; nur eine Spinne hat es mit ihrem Netz überzogen, und die Federn im Innern, die Haare und hälmchen ſind verſchmutzt und verſtaubt. Da iſt bald Ordnung geſchaffen: hinaus mit dem Wuſt, und von neuem weiche Stoffe herbei! In ein paar Tagen iſt alles fertig — wenn du bereit biſt, Frau Schwalbe, das Eierlegen kann jetzt ſchon beginnen. Das andere pärchen iſt weniger glücklich daran; es ſucht immer von neuem das Brettchen, auf der zwei oder drei Jahre hindurch die Wiege der Jungen ſtand. Umſonſt, der Knecht ſtieß vor kurzem alles herunter, als er mit der Leiter hantierte, um oben das Fenſter zu öffnen. Ein paar Tage verſtreichen, dann entſchließt ſich das Pärchen und macht ſich flugs an die Arbeit. Auch ohne Brettchen wird es ſchon gehen, hier der Nagel im Balken gewährt genügenden halt. Um Material ſind die Schwälbchen ganz ohne Sorge; auf dem Dorfplatz, wo das Kinnſal dem Teiche zu ſickert, gibt es ſchlammige Erde genug. Klümpchenweiſe wird ſie nach dem erwählten Bau— platz getragen, noch ein Weilchen im breiten Schnabel geknetet, mit Speichel vermiſcht und dann an den Balken gedrückt; der Grundſtein der künftigen Wohnung iſt ſicher fundiert. Andere Klümpchen reihen ſich 249 — K. Soffel. Szebeneich- Bozen, Juni 1908. In einer Stube niſtende KRauchſchwalbe. in flachem Bogen daran; dank der rauhen Unterlage haften ſie gut, nur ſelten fällt eins zu Boden. Dann ruht die Arbeit, und mit Gezwitſcher, mit fröhlichem Flugſpiel, mit Jagd nach fliegender Beute vergehen die Stunden. Auf dem Balken unweit der Bauſtelle ſchlafen die Dögel während der Nacht, und am folgenden Morgen, wenn das Mauerwerk völlig getrocknet iſt, wird eine zweite Lage von Erdklümpchen jo darauf gefügt, daß ſie die erſte Schicht ein wenig überragt. Am dritten Morgen wird in gleicher Weiſe fort— gefahren. Schicht folgt auf Schicht, auch Stroh- und Grashälmchen, Kuh: und Pferdehaare, Schweinsboriten u. dergl. werden von Seit zu Seit mit verklebt, um die Haltbarkeit zu erhöhen, wie es der Maurer ja auch macht, der den Lehm mit Stroh oder mit Haaren und Borjten vermengt. Immer von neuem wird die Innenſeite geglättet; nach der äußeren Front aber fragen die Vögel nicht viel, da ſteht mancher Klumpen hervor, während ſein Nachbar zurücktritt. Nun noch die innere Ausitattung, Federn, Haare und Wolle, dann iſt alles vollendet, und befriedigt betrachten die zwitſchern— den Schwalben ihr Werk — ſechs Tage Arbeit, den ſiebenten können ſie feiern. Das Diertel einer Hohlkugel ſtellt das Neſt dar, oben offen, die Rück- wand bildet der Balken. Es ſcheint etwas vorn überzuhängen, da der obere Rand nach hinten ein wenig höher gebaut iſt, als in der Mitte; aber feſt haftet der Bau an dem Holzwerk, zumal die Wand dort, wo ſie auf— ſitzt, wohl doppelt ſo ſtark iſt, als in der Rundung. Wie die Kinder alles genau beobachten, was in und am Neſtchen ge— ſchieht! Jetzt ſitzt die Alte den größten Teil des Tages auf dem Gelege, nur das Köpfchen mit der roltroten Stirn ſchaut über den Rand ein klein wenig 250 K. Sofel. Szebeneich, Juli 1909. M. Steckel. Chelsnitz, Mai 1908. Vier Junge, auf Futter wartend. Switſchernd. Rauchſchwalben. hervor. Das Männchen kommt oft herbei und ſingt ſein ſchnurriges Liedchen, als wollt es der Gattin die Langeweile vertreiben, auch bringt es ihr ab und zu eine Fliege oder ſonſt etwas Gutes von draußen herein oder fängt eine Bremſe im Stall weg und reicht ſie dem Weibchen. Aber ſich auch am Brut— geſchäft ein wenig nur zu beteiligen, das fällt dem Männchen nicht ein; wenn die Gattin auf kurze Seit die Eier verläßt, um den Hunger zu ſtillen, flugs iſt es an ihrer Seite, und gemeinſam ſegeln ſie durch die Lüfte, unbekümmert um die Eier im Neſte. Nach zwei Wochen gewöhnlich — bald etwas früher, bald auch einige Tage ſpäter — durchbrechen die kleinen Schnäbel die Eier— ſchalen. Es richtet ſich ſehr nach dem Wetter; denn herrſcht Näſſe und Kälte, ſo wird das Brutgeſchäft öfters und auf längere Seit unterbrochen, da das Inſektenvolk ſich verkriecht und die Jagd nicht viel einbringt; bei warmer, ſonniger Witterung aber verkürzt ſich die Brütezeit bis auf zwölf Tage. Dann gibt es Arbeit genug für die Eltern, die fünf oder ſechs Breitſchnäbel zu be— friedigen, die ſich ihnen entgegenſtrecken, ſobald ſie mit einem Biſſen auf dem Neſtrand erſcheinen. Mit freudiger Teilnahme ſehen es die Kinder, welch ge— ſchäftiges Treiben, hin und her, durch die Tür, durchs Fenſter! Manchmal begegnen ſich Dater und Mutter gerade an der engſten Stelle, und doch, wie geſchickt, blitzartig ſchnell weicht eins dem andern aus, ein Suſammenſtoß iſt nicht zu befürchten. Immer unruhiger wird's in der Kinderſtube; ſie bietet kaum Platz noch für die täglich wachſenden Körperchen, und eins drängt das andere, jedes ſucht feinen Nachbar unterzukriechen, und jedes Köpfchen will das vorderſte ſein — es wird Seit, den engen Raum zu verlaſſen. Dierzehn Tage 251 K. Soffel. Fallingbostel, Mai 1907. Rauchſchwalbe, auf einem Pfahl ruhend. mögen die Schwälbchen zählen, da herrſcht große Aufregung bei den Eltern; zwei der Kleinen ſitzen ſchon neben dem Neſt, das dritte am Rand, und die andern ſtrecken die Glieder, ſie haben jetzt Kaum in der Wiege. Unabläſſig tragen die Alten Futter herbei und bringen's bald dieſem, bald jenem, flattern zwei-, dreimal rings im Stalle umher, ehe ſie zur Türe hinausfliegen, ſetzen ſich hier aufs Gebälk oder dort auf den Sims, auf die Kleeraufe, auf die Leiter, die an der Wand lehnt, immer lockend, im Flug wie im Sitzen: „Witt witt, widewitwitt“. Bald folgt das kühnſte der Jungen dem Rufe der Eltern; erſt rutſcht es auf dem Bauche ein Stückchen hin und gleich wieder zurück, dann lüftet's die Schwingen — ſie ſind geſchickter als die ſchwächlichen Füßchen — und jetzt flattert's über die Ecke zu dem andern Balken, wo es ſich krampfhaft anklammert und dann mit Mühe fein Körperchen auf den Sitzplatz hinaufſchiebt. Die Alten umfliegen den gelehrigen Schüler und ſtürzen dann ſchleunigſt hinaus, ihm eine Belohnung zu bringen. Swei andere folgen dem Beiſpiel des Bruders und ſetzen ſich neben ihn; dann werden ſie kühner und kühner, ja gegen Abend ſind ſie ſchon jo weit, den erſten Rund— flug zu unternehmen. Nur zwei haben ſich heute noch nicht entſchloſſen, das Neſt zu verlaſſen; ſie wagen es morgen, während die andern Geſchwiſter unter Führung der Eltern bereits aus dem Stall flüchten und ſich im Hof auf das Dach des Schuppens ſchwingen, wo ſie nun in Reihe und Glied die Ankunft der fütternden Eltern erwarten. Huch am Wohnhaus unter dem Dachſims herrſcht ſchon ſeit Wochen fröhliches Leben. Eng beieinander kleben hier wohl zwanzig oder 252 N. Soffel. Siebeneich- Bozen, unt 1908. Kaum flügge Rauhjhwalbe, auf einer Bettdecke ſitzend. noch mehr Neſter der Hausſchwalbe, nur ab und zu eine Lücke; ſelbſt unter dem Kajten, der zum Niſten der Tauben beſtimmt iſt, reiht ſich eins an das andere. Jetzt iſt das Brutgeſchäft bei den meiſten beendigt, nicht aber die Arbeit. Immer geht's hin und her, die hundert Jungen zu füttern; in jedem Neſt lagen ja vier bis ſechs ſchneeweiße Eier, und jetzt heben ſich ebenſoviele Köpfchen den Alten entgegen. Wie vor dem Bienen— haus, ein ununterbrochenes Kommen und Gehen! Schon im Mai, als ſie bauten, da war reger Verkehr hier. Unzählige Male flogen die Dögel nach den Plätzen, die ihnen ſchlammige Erde boten; mit erbſengroßen Paketchen kehrten ſie wieder zurück und preßten jeden Bauſtein an ſeine richtige Stelle. Auch die das alte Neſt von neuem benutzen wollten, hatten viel zu tun, es vom Unrat zu ſäubern und ſeine Wände auszuflicken; denn die Sperlinge hatten hier den Winter über arg gehauſt, hatten das Eingangsloch erweitert, eine Unmenge Halme und Federn hineingeſchleppt und alles verſchmutzt. Die frechen Spatzen bildeten überhaupt eine läſtige Plage, beſonders für die einzeln brütenden Schwalben; denn nicht alle gehörten zur Kolonie. Ein Neſt ſtand abſeits in einem Mauerloch, ein zweites klebte unter der Wölbung des Hoftors, ein drittes auf einem Balkenkopf uſw. In den meiſten von dieſen Wohnungen hauſten jetzt Spatzen; frech war das Männchen ins Neſt geſchlüpft, als die Eigentümer abweſend waren, und ſchaute nun ſchimpfend aus dem Loch heraus. Es wich nicht, ſo ſehr die Schwalben auch ſchrien und flatterten und nach dem Eindringling ſchnappten. Auch die Nach— barn zeterten heftig, ebenſo andere Spatzen: ein höllenſpektakel! Die 255 Dr. Bethge. Mehlſch w al b e am Neſt. Poritz, Fuli 7909. Menſchen im Hof, die dem Kampfe zuſahen, meinten wohl anfangs, es würde dem Eindringling übel ergehen; die Schwalben würden kommen und ihm das Loch vor dem Schnabel vermauern, daß er elenden Todes ſterbe. Doch das wagten die geängſteten Vögel nicht, ſie verſuchten's ja nicht 'mal, an der Neſt— wand ſich anzuklammern, und hätten ſie auch den klugen Gedanken gehabt, den Feind in dieſer Weile zu fangen, kein Hausipa& wäre jo dumm, ſich ſolches bieten zu laſſen. Doch was half's! nach ein paar Tagen mußten die Schwalben abziehen; ſie bauten ſich eine andere Wohnung und waren jetzt gewitzigt genug, das Eingangsloch ſo zu verengen, daß nur eben ein ſchlanker Schwalben— körper ſich durchzwängen konnte, nicht aber der Hausſpatz mit ſeinem Dickkopf. Viel Seit geht mit ſolchen Kämpfen verloren, und jo ſchnell wie die rot— kehlige Baſe im Stall it die hausſchwalbe gewöhnlich mit dem Bau ihrer Wohnung nicht fertig. Dieſe iſt größer und weiſt vielmehr Mauerwerk auf; denn eine Halbkugel bildet das Neſt, der ganze Kaum gar künſtlich umwölbt, wenn auch meiſt nicht ganz regelmäßig. Doch die Baumeiſter verſtehen es, ſich der Örtlichkeit in jedem einzelnen Fall anzubequemen. Oben, bald ganz 254 W. Farren. Mildenhall (Sufolk), Fuli 1904. Mehlſchwalben, eben ausgeflogen. an der Wand, die das Neſt trägt, bald ſeitwärts oder auch vorn in der Mitte führt die Türe ins Haus, kreisrund oder oval, wie's den Erbauern gerade gefällt. Drinnen bedecken ein paar Federn den Boden; dann vier bis ſechs Eier im Neſt, die brütende Mutter, nach zwölf oder dreizehn Tagen Junge, die Teile zirpend nach Nahrung verlangen, Keinlichkeitsſorgen, erſter Aus- flug der Kleinen, wenn ſie zwei Wochen alt ſind: alles wie bei den Kauch— ſchwalben — doch viel mehr Leben, mehr Streitigkeiten, mehr Unruhe; ſelbſt bis tief in die Nacht wird es nicht ſtill in den Neſtern. Das bringt die Menge mit ſich, die beieinander hauſt; bei den Menſchen iſt es nicht anders: friedliche Stille des Dorfs, unruhige Halt in den Städten. Beſonders an den langen, warmen Abenden Mitte oder Ende Juni herrſcht das regſte Leben in der Kolonie. Die Jungen der erſten Brut ſind bereits ziemlich ſelbſtändig geworden, doch erſcheinen ſie noch immer jeden Abend, wie ſie es vom erſten Tage an gewöhnt ſind, in der Nähe des Hejtes, ſitzen am Firſt des Haufes, am Giebel, auf der Dachrinne und plaudern und ſchwatzen ohne Unterlaß, bis die Sonne ſich rotgolden im Nordweſten zum Horizont 255 1 52 8 3 3 „„ . ER * 4 Er EUER ar 2 Sainsbury. Yorkshire 1909. jenkt. Dann Rriechen ſie mit den Alten ins Neſt hinein, wie auf Kommando, eins nach dem andern, denn der Eingang iſt eng. Das iſt ein Drängen und Stoßen in dem dunkeln Raum, ehe jedes ſein Plätzchen gefunden und ſich's ſoweit bequem gemacht hat, als es die beſchränkten Derhältnijje geſtatten. Selbſt wenn Mutter Schwalbe bereits wieder ein paar Eier gelegt und ſchon angefangen hat, von neuem zu brüten, wird doch noch immer das Neſt von der ganzen Familie zur nächtlichen Ruhe aufgeſucht. Sieben oder acht Stück Schwalben beherbergt es, dazu drei oder vier Eier. Ein Wunder iſt's, daß die zartſchaligen Dinger nicht zerbrechen, ein Wunder, daß das Mauerwerk durch die rumorende Geſellſchaft nicht auseinandergetrieben wird; denn zur Ruhe kommen die Schwalben nicht gleich. Der Nachtwächter hat ſchon längſt gemeldet, daß die Glocke zehn Uhr geſchlagen hat und daß es nun Schlafens— zeit ſei, aber die Schwalben kümmert das nicht, ſie ſchwatzen immer wieder von neuem, drängen und balgen ſich bis tief in die Nacht, und gewiß haben 256 R. Paul. Glogau, ut 1908. Fütternde Mehlſchwalbe. manche von ihnen kaum ein Auge zugetan, wenn das Hausrotſchwänzchen den dämmernden Morgen meldet. Noch ein Weilchen träumen ſie ſtill im Neſte, dann ſchlüpft der Vater zum Coch hinaus, ſetzt ſich auf den Sims und leiert ſein Liedchen. Dem Geſang der Kauchſchwalbe gleicht es, dasſelbe gemütliche plaudern, aber nicht ganz ſo kräftig iſt es, auch fehlen die charakteriſtiſchen Schnurrer. Nun kommen, eins nach dem andern, auch die Jungen zum Vor⸗ ſchein, machen Toilette und zwitſchern dazu, werfen ſich dann in die Luft und ſchießen hinab nach dem Teich, wo noch immer die Rohrjänger mit den Fröſchen um die Wette konzertieren, obgleich die Sonne ſchon ihren erſten Strahl über die glitzernde Fläche ſendet. Jetzt herrſcht Ruhe am Niſtplatz; ungeſtört brütet Frau Schwalbe, nur bisweilen erſcheint der Gemahl, ſchlüpft mit einem Biſſen ins Neſt und ſingt dann in der Nähe ſein Liedchen. In einigen Tagen erſt erwarten ſie den neuen Zuwachs ihrer Familie; dann hat das Nejt nicht mehr Platz, all die Kinder die Nacht zu beherbergen, und die Alten treiben die Jungen zurück, wenn ſie am Abend kommen und wie ſonſt Einlaß begehren. Ein paar⸗ mal übernachten fie wohl in der Nähe, unter der Dachrinne, auf einem Balkenkopf, in einem Mauerloch, finden bisweilen auch gaſtliche Aufnahme bei einem der Nachbarn, aber ohne Neſt iſt kein Leben für Hausſchwalben, vögel II. Copyright 1910, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 17 257 und an einem der nächſten Tage ſammeln fie ſich, um noch den Abend gemein- ſam der Heimat den Kücken zu wenden. Herbſt iſt es geworden. Das Brutgeſchäft haben nun alle glücklich beendet, die Kauchſchwalben drinnen im Stall wie die Mehlſchwalben oben am Sims unter dem Dach. Wie anders im vorigen Jahre! Da ſah es traurig aus um die Schwalben; ſo viele der zweiten Brut mußten ver— hungern, noch ehe ſie das Neſt verlaſſen hatten, beſonders in den Wohnungen der Hausſchwalbe gab es faſt überall Tote. Aber auch den Kauchſchwalben ging es ſchlimm; ſie fanden jo wenig Nahrung bei dem übeln, naßkalten Wetter, obgleich ſie das Vieh auf der Weide in Kreiſen umſchwärmten, dem Ackersmann folgten, ſelbſt den Wagen auf der Straße weite Strecken beglei— teten, um eine Fliege oder Bremſe zu fangen. Traurig ſaßen ſie ſtundenlang auf dem Staketzaun, ſchüttelten von Seit zu Seit das naſſe Gefieder, ver— ſuchten dann wieder, dicht über dem Gras fliegend, ein Inſekt von den Spitzen zu nehmen — aber zu wenig war's für den hungernden Magen, und manches Schwälbchen ging elend zugrunde. Heut iſt ein ſchöner, ſonniger Herbſttag, kein Wölkchen trübt das glänzende Blau des himmels. Unter den Hausſchwalben herrſcht reges Leben; große Mengen, nach Hunderten zählend, ſitzen auf den Dächern des Bauern— guts, oben am Firſt, auf jedem Sims, auf dem dürren Aſt des Birnbaums, und immer noch fliegen truppweiſe neue hinzu; ſie werden mit Gezwitſcher von ihren Schweſtern empfangen, ja einige eilen den Ankommenden ein Stückchen entgegen. Jetzt erhebt ſich wie auf ein gegebenes Seichen die ganze Geſellſchaft; in ſchön geſchwungenem Bogen ſchwebt ſie empor, umkreilt das Dorf und läßt ſich dann auf den Gebäuden des Nachbargehöfts nieder, ein Schwälbchen neben dem andern. der Firſt des Daches iſt kaum lang genug, die ganze Reihe aufzunehmen, und noch immer müſſen die einzelnen zurücken, um den Nachzüglern ein Plätzchen zu laſſen. Jetzt drei-, viermal um den Kirchturm herum, jetzt um die hohen Linden am Friedhof — tadellos gelingt jedes Manöver. Dann zerſtreut ſich die Schar; aber gegen Abend finden ſich alle nochmals zuſammen. Ein letzter Rundflug ums Dorf, und dann — die Strahlen der untergehenden Sonne glühen auf den Dächern und in den Fenſtern des Kirchleins — fort geht es dem wärmeren Süden entgegen. Die zwitſchernden Stimmen verhallen allmäh— lich. Am lichten himmel noch eine flache, dunkle Wolke; kleiner und kleiner wird ſie mit jeder Sekunde. Ins Unendliche wächſt die Entfernung, wie es dem Auge erſcheint; ein letzter Punkt noch, jetzt iſt auch dieſer verſchwunden — Glück auf zur Keiſe, ihr mutigen Segler der Lüfte! Auch die Rauchſchwalben ſammeln ſich jeden Abend, die Abreiſe zu be— ſprechen. Dicht gedrängt ſitzen ſie auf Dächern und Telegraphendrähten, auf Erdhaufen, ſelbſt auf Wegen, wo man ſie ſonſt ſelten bemerkte. Nur ungern 258 Dr. Bethge. mehlſchwalbe am neſt. 8 laſſen ſie ſich aufjagen, und bloß ein kurzes Stück fliegen ſie fort, um ſogleich wieder ihren alten Platz einzunehmen und die unterbrochene Swieſprache fort— zuſetzen. Abends tragen ihre leichten Schwingen fie nach einem nahen Teich oder Sumpf, wo fie ſich im hohen Schilf, auf den Rohritengeln und auf den überhängenden Sweigen des Erlengebüſchs niederlaſſen. Aber heute wollen ſie hier nicht übernachten, wie ſo häufig in den letzten Wochen; auch ihnen hat die Abſchiedsſtunde geſchlagen. Im Nu erhebt ſich die Schar, und fort geht's, der ſinkenden Sonne entgegen. Nur noch ein paar ſind im Dorf zurückgeblieben, vielleicht wegen verſpäteter Brut. Dereinſamt jagen ſie durch die Straßen, über den Dorfplatz, oder ſtürmen am Teich um die hohen Pappeln, deren Laub ſich bereits gelblich gefärbt hat. Bald aber ſind auch ſie, die letzten, verſchwunden. Dem greiſen Hofbeſitzer wird's ſchwer ums Herz — jeder Abſchied ſtimmt traurig. Nur die Buben und Mädchen tröſten ſich bald: die Schwalben kommen ja wieder; noch ehe der Kuckuck ſeinen Ruf erſchallen läßt, zwitſchern ſie von neuem am Dach und ſegeln in leichtem Flug über der glitzernden Fläche des Teichs. 12 | Die Swergrohröommel. | Don Julius R. Haarhaus. Kaum zweihundert Schritt vom letzten Gehöft des Dorfes entfernt liegt ein langgeſtreckter Teich. Er wird von Wieſen und Getreidefeldern ein— geſchloſſen und grenzt mit einer Schmalſeite an einen Baumgarten, deſſen knorrige Stämme ſich hie und da über den dunkeln Waſſerſpiegel neigen, als ob ſie ſich davon überzeugen wollten, daß der Frühling auch ihre lücken— haften Kronen noch einmal mit Blüten geſchmückt hat. Drüben, auf dem Damme, ſtehen einzelne bräutliche Birken, mit deren goldiggrünen Schleiern der Maiwind ſpielt, und dazwiſchen morſche Kopfweiden, die mit ihren Wurzeln über das ausgehöhlte Ufer hinab bis tief in den Schlamm des ſeichten Gewäſſers greifen. Man hat den Teich mit Karpfen beſetzt und deshalb ſchon im Spätherbſt von Rohr und Binſen geſäubert, aber hier, an der ſchwer zugänglichen Stelle des Ufers, hat man mit Küchkſicht auf die Märzente, die alljährlich auf dem Teiche ihr Gelege ausbringt, einen kleinen Schilfurwald ſtehen laſſen, und zwiſchen den gelben und braunen Stengeln und Schäften des Dorjahrs ſprießen die jungen Spitzen luſtig empor. Die Ente hat ihr Wochenbett ſchon verlaſſen und widmet ſich, während ihr herr Gemahl auf andern Gewäſſern geräuſchvollen Vergnügungen nach— geht, mit rührender Sorgfalt der Führung und Erziehung ihrer vielköpfigen Kinderſchar, im ſtillen vielleicht das zierliche Teichhühnchen, das ganz in der Nähe auf den Eiern ſitzt und von dem wachſamen Männchen bei jeder verdächtigen Erſcheinung gewarnt wird, um ſein eheliches Glück beneidend. Andere geflügelte Bewohner ſcheint das Schilfdickicht nicht zu haben, wenigſtens hat der Landwirt, dem der Weiher gehört, und der als Natur— freund ſein Augenmerk keineswegs nur auf die Karpfen richtet, noch nie einen andern Brutvogel hier bemerkt. In der Nacht freilich, wenn er einmal aufgeſtanden und in ſehnſüchtiger Erwartung des für das Gedeihen der Saat jo notwendigen Regens ans Fenſter getreten war, hatte er ſchon öfters ſelt— ſame Laute vernommen, die wie ein dumpfes Pumm-pumm! klangen, die er jedoch, da er keine andere Erklärung dafür wußte, einer mit ungewöhnlich ſtarker Stimme begabten Unke zuſchrieb. Und dennoch waren jene Laute der Ruf eines Dogels! Es iſt die Swergrohrdommel, die ſich das Rohrwäldchen zum Sommer— aufenthalt und zur Brutſtätte erkoren hat, ein ſonderbares, geheimnisvolles Geſchöpf, das in Geſtalt und Lebensweiſe die merkwürdigſten Gegenſätze 260 M. Behr. Trebbichau, Juli 1908. Swergrohrdommel€ am Neſt. vereinigt. In der Kunſt, ſich den Blicken des Menſchen zu entziehen, iſt dieſer Dogel Virtuoſe, und nur dadurch iſt es zu erklären, daß er, obgleich er durchaus nicht ſelten genannt werden kann, einem ſo ſorgfältigen Beobachter wie dem Jagdzoologen Dietrich aus dem Winkell nur ein einziges Mal zu Geſicht gekommen iſt. Ziemlich ſpät im Frühling, oft erſt im Mai, trifft die Swergrohrdommel aus ihrer afrikaniſchen Winterherberge wieder bei uns ein, alſo mindeſtens einen Monat ſpäter als ihre größere Derwandte, die große Rohrdommel. Als echtes Nachttier verhält fie ſich den Tag über ſchlafend oder doch ruhend, und es gehört ſchon ein ſehr geübtes Auge dazu, ſie in ihrem Deriteck aus— findig zu machen. Sie iſt keineswegs ſcheu, verläßt ſich vielmehr auf ihre ſcharfen Sinne und ſcheint ſich ihrer Schutzfärbung bewußt zu ſein. Und in der Tat iſt ſie, wenn ſie im dürren Rohre ſitzt, von ihrer Umgebung ſchwer zu unterſcheiden. Gelb und rojtbraun ſind — abgeſehen von der ſchwarzen, grün ſchillernden Scheitel- und Rückenfärbung der alten Männchen — die vorherrſchenden, je nach Alter und Geſchlecht verſchiedenen Farben ihres weichen, ſeidigen Gefieders, gelb iſt auch der Schnabel und das Auge, lichtgrün ſind die Füße, alles der Umgebung auf das glücklichſte angepaßt. Die Wirkung dieſer Schutzfärbung wird von der Rohrdommel durch eine zweckmäßige Körperſtellung noch weſentlich verjtärkt. Die Muskulatur ihres Leibes, der nicht größer als der einer Turteltaube iſt, aber wegen 261 R. B. Lodge. Montenegro, April 1900. Swergrohrdommel€ im Röhricht. des erſtaunlich lockern Gefieders viel ſtattlicher erſcheint, erlaubt ihr, ſich zu einem eiförmigen Klumpen zuſammen zu kauern und ſich bald darauf mit einer blitzſchnellen Bewegung in die Höhe zu recken, daß ſie weit eher an einen Pfahl als an einen Dogel erinnert. Dieſen Trick wendet ſie regel— mäßig an, wenn ſie ſich durch eine wirkliche oder eine vermeintliche Gefahr bedroht glaubt. Mit geſträubtem Halsgefieder, nach oben gerichtetem Schnabel und bei— nahe ſenkrecht abfallendem Rücken verharrt ſie dann minutenlang in jtock- ſteifer haltung; nur die liſtigen gelben Auglein verraten, daß fie den Stören— fried ſcharf beobachtet und jederzeit bereit iſt, aus ſeinen weiteren Maß— nahmen ihre Konjequenzen zu ziehen. Aber deſſen bedarf es ſelten genug, denn die Täuſchung iſt ſo vollkommen, wie ſie nur ſein kann, beſonders wenn die Schatten einzelner Schilf- oder Rohritengel ſenkrecht über dieſes Dogel— zerrbild fallen und ſich mit den dunkeln Cängsſtreifen des Halſes und der Dorderbrujt vereinen. Mag das Tier nun im Schilf oder, was im Frühjahr häufig der Fall iſt, auf einer Kopfweide oder gar in einem noch kaum belaubten Erlenbuſche ſitzen, es entgeht der Gefahr, geſehen zu werden, um ſo regelmäßiger, als es ſelbſt beim geringſten Geräuſch aus dem Schlafe erwacht und dann ſofort die beſchriebene Stellung einnimmt. 262 [4 — gen 1 — Ne — + TB R. B. Lodge. Montenegro, April 1900. Swergrohrdommel im Röhridt. Sieht ſich die Swergrohrdommel aber trotz der angewandten Liſt er- kannt, jo vermeidet ſie es nach Möglichkeit, von ihrem Flugvermögen Ge— brauch zu machen und ſich über den Bereich des ſchützenden Dickichts hinaus in die Luft zu erheben, obgleich ſie eine recht gewandte Fliegerin iſt. Sie zieht es vor, unauffällig und nahezu geräuſchlos durch das Gewirr der Stengel weiterzuſchlüpfen und eine Stelle im Dickicht aufzuſuchen, von der ſie ſich beſſern Schutz verſpricht. Dabei entpuppt ſich der ſonderbare Dogel als ein gejchickter Turner und Kletterer, dem es gar nicht darauf ankommt, ob er auf wagrechten oder ſenkrechten Stengeln Fuß faſſen muß. Das eine Bein dicht an den Leib gezogen, das andere weitausgeſtreckt und mit den langen, ſcharfkralligen Sehen zwei oder drei Halme zugleich umklammernd — ſo ſteigt der Flüchtling ſchnell und ſicher bis in die höchſten Wipfel des Rohrdickichts und beobachtet hier, unter nickenden Blättern und braunen Riſpen wohl verſteckt, in aller Gemütsruhe den Störenfried, der den Aus— reißer ganz wo anders vermutet. Bei dieſen Kletterkünſten kommt die Fähigkeit der Swergrohrdommel, ſich „dünn zu machen“, ſo recht zur Geltung, und eigentlich nur bei dieſer Gelegenheit erinnert der dann S-förmig gebogene Hals an die Zugehörigkeit des kleinen Vogels zum Keihergeſchlecht. Wird fie in ihrem Deriteck hart 265 M. Behr. Alter vogel ſeine Eier wendend. Setzt ſich eben auf die Eier. Treöbichau, Juli 1908. Swergrohrdommel. bedrängt und, etwa durch Steinwürfe, aufgeſcheucht, jo fliegt ſie auch wohl einmal empor. Ihr Flug iſt zunächſt ein ſchnelles Flattern, nimmt aber, wenn die Kichtung beibehalten wird, an Ruhe und Stetigkeit zu. Sie zieht den Hals dabei ein, ſo daß der Kopf im Nacken ruht, und ſtreckt die Ständer weit nach hinten. Meiſt jedoch beſchränkt ſie ſich darauf, ſich wenige Meter über das Schilf zu erheben, und fällt dann nach einigen überraſchenden Schwenkungen wieder ein. Gegen Abend, um die Seit der Dämmerung, verläßt ſie ihre Schlaf— ſtelle, um dem Nahrungserwerb nachzugehen. Dann watet ſie im ſeichten Waſſer umher und ſpäht aufmerkſam nach kleinen Fiſchen, Kaulquappen und Waſſerinſekten, die ſie mit einer blitzſchnellen Bewegung erhaſcht. Ihre Haltung und ihr Gang ſind dabei alles andere als gravitätiſch: mit horizontal ausgeſtrecktem Halſe und Schnabel ſchreitet ſie ruckweiſe vorwärts und wippt dabei nach Art der Teichhühner höchſt ſonderbar mit dem kurzen Schwanz. Stößt ſie bei ihrer Wanderung auf ein anderes größeres Lebeweſen, etwa einen Waſſervogel oder ein kleines Säugetier, jo bleibt ſie wie angewurzelt ſtehen, zieht den Kopf in das Bruſt- und Schultergefieder zurück und beobachtet jede Bewegung dieſer verdächtigen Erſcheinung, bereit, beim erſten Anzeichen feindſeliger Geſinnung ihren dolchartigen Schnabel dem Gegner entgegen— zuſchnellen. Aber dazu kommt es ſelten, denn die Swergrohrdommel wird von allen Mitbewohnern des Teiches reſpektiert und weiß ſich ſogar, un— geſellig wie ſie iſt, die eignen Artgenoſſen vom Halſe zu halten. Die ganze Nacht hindurch bleibt der Vogel in Tätigkeit, denn er hat einen geſegneten Appetit und bedarf zur Sättigung ſehr anſehnlicher Kationen. Als Feinſchmecker zieht er junge Schleien und Karauſchen allem andern vor, würgt jedoch im Notfalle auch einen Schlammpeitzger von Spannenlänge hinunter. Kommt gegen Ende des Mai die Seit der Liebe, jo iſt die kleine Rohr: dommel auch einen Teil des Tages über munter, und das verliebte Männchen läßt — wenigſtens wo es vor jeder Störung ſicher zu ſein glaubt — auch bei hellem Sonnenjchein ſeinen Unkenruf erſchallen. Der Platz für das Neſt wird mit Umſicht und Sorgfalt ausgewählt, und es wird dabei meiſt Rückſicht darauf genommen, daß er vom Ufer aus nicht leicht zu ſehen iſt. Die Hauptarbeit beim Neſtbau fällt wohl dem Weibchen zu, obgleich das Männchen ſich immer in der Nähe aufhält und das Werk ſehr gründlich inſpiziert. Als Unterlage dienen gewöhnlich alte Kohrſtoppeln und umgeknickte Stengel, die etwa einen Fuß hoch aus dem Waſſer ragen, durch Binſen, Schilfblätter und Rohrhalme miteinander verbunden und mit einem oft ſehr bedeutenden Klumpen desſelben Materials bedeckt werden. So Runitlos dieſer Bau auch erſcheint: das Weibchen kann ſich bei der Arbeit nie genug tun und bringt, auch wenn ſchon Eier in der ſchwach vertieften Mulde liegen, häufig noch am Neſte Oerbeſſerungen an. 265 IM, Behr. Trebbichau, Full 1908. Junge Swergrohrdommeln im Neſt. Su Anfang oder manchmal auch erſt gegen die Mitte des Juni iſt das Gelege vollſtändig. Es ſind drei bis vier, ſeltener fünf oder noch mehr bläulich— weiße Eier mit glanzloſer Schale, die in ſechzehn bis ſiebzehn Tagen aus— gebrütet werden. Dabei weckt die Mutterliebe in der Bruſt des Weibchens einen wahren Heldenmut: ohne an ſeine eigne Sicherung zu denken, klettert es bei der Annäherung eines Menſchen unter kläglichem Geſchrei an den das Neſt umgebenden Stengeln auf und nieder, während das Männchen, ebenfalls in der Nähe, aber im dichteſten Schilfe wohl verſteckt, die Störung beobachtet und mit einzelnen angſtvollen Rufen in das Lamento der Gattin einſtimmt. Iſt die Gefahr vorüber, ſo beruhigt ſich das Pärchen bald wieder; das Weibchen ſetzt ſich auf den Neſtrand und ſchaut die Eier jo nachdenklich an, als wollte es ſie zählen, und nicht lange darauf ſtellt ſich auch das Männchen ein, um ſich davon zu überzeugen, daß alles in beſter Ordnung iſt. Die von den Eltern zärtlich geliebten Jungen ſind mit ihren plumpen fleiſchfarbigen Füßen und Schnäbeln, dem ockergelben Dunenkleid und den ſchopfartig abſtehenden Flaumbüſcheln auf dem Scheitel drollige kleine Scheu— ſale, dazu große Freſſer und womöglich noch größere Faulenzer, die das ſchützende Neſt ungern verlaſſen und die Alten nötigen, auch bei Tage Nahrung 266 herbeizuſchaffen. Sie nehmen die ihnen von den Eltern in der jehr er— weiterungsfähigen Kehlhaut zugetragenen Fiſchchen, Kaulquappen und Waſſerſchnecken vom Neſtrande auf und verſchlingen ſie unter ſeltſamen Verrenkungen des Halſes. Werden ſie jedoch einmal beunruhigt, ſo ſteigen ſie aus dem Neſt und klettern recht geſchicht an den Rohrhalmen empor. Wenn die Jungen flügge geworden ſind, tun die Alten plötzlich, als hätten ſie mit ihnen nie etwas zu ſchaffen gehabt, und machen ſich bei den erſten Anzeichen des Herbites aus dem Staube. Dann treibt ſich die Nach— kommenſchaft noch ein paar Tage elternlos umher, bis auch ſie der Drang zum Wandern befällt. Don keinem andern Führer als der ererbten Sehn— ſucht nach dem ſchwarzen Erdteil geleitet, heben ſie ſich in einer kühlen Septembernacht mit ungeübten Schwingen in die Lüfte und ſtreben über Gebirge und Meere dem fernen, ihnen ſelbſt noch unbekannten Keiſeziele zu. Am Weiher hinter dem Dorfe trauert der Swergrohrdommel niemand nach, weil niemand von ihrem Daſein eine Ahnung hat. Denn ihr ver— borgenes Tun und Treiben ſchützt ſie vor dem nicht immer uneigennützigen Intereſſe der Menſchen, und in der Regel weiß nicht einmal der Fiſchzüchter, der ſonſt die Vogelwelt mit Mißtrauen betrachtet und den Reihern und Eisvögeln mit Eiſen und Donnerrohr nachſtellt, daß es die kleine Rohr— dommel iſt, die unter ſeiner Fiſchbrut in ſo auffallender Weiſe aufräumt. . Behr. Trebbichau, Juli 1908. Neſt und Gelege der Swerg— rohrdommel. | Die Heidelerche. | | Don Elje Soffel. | | Hinter der großen Stadt dehnt ſich der Wald nach allen Seiten, ſtunden— weit. Er iſt ſehr verſchieden, wie der Boden auf dem er ſteht, arm und reich, dunkel und licht, trocken im Unterholz oder mit hohem Moosteppich bedeckt. Oben auf der Ebene führen tiefgeleiſige Sandwege hindurch, dort iſt er kümmerlich und traurig. Elende, oft kranke Föhrenbäumchen mit roſt— braunen Nadeln und zwerghaften Stämmen ſtehen in Reih und (Glied, es iſt ſchier endloſe Traurigkeit hier durchzugehen. Den Boden bedecken krüppelige kleine Beerenſträucher und blaſſe Erika. So iſt der Wald in der Nähe der Stadt. Sonnenlicht kann ſeine Armut nicht vertragen. Wenn aber der Mond kommt in hellen Frühlingsnächten, ſo verwandelt er das mißhandelte Fleckchen Erde. Sieht Lichtfäden von Sweig zu Sweig, von Aſt zu Aſt und hüllt alles in einen milden, deckenden Schimmer. Don einer der niederen Föhrenkronen herab ſingt die Lullerche ihr Lied bis tief in die Nacht hinein, ſanft und ſchwermütig, weich und zärtlich. Sie flötet wie eine Amſel, ſchluchzt wie eine Nachtigall und trillert wie eine Lerche. Die Stunde zwiſchen geſtern und heute iſt ihr die liebſte; erſt wenn die Sterne anfangen blaſſer zu werden, hat ſie ausgeſungen und fliegt zurück. Noch ein Stück weiter iſt ſie zu Haufe, wo der Wald den Rauch und Dunſt der Stadt, die Sonntagsbeſuche der Städter und allen Lärm vergeſſen hat. Wo er nicht mehr geſchändet und gekränkt auf die Nacht und den Mond warten muß, um ſchön zu ſein. Heidewald freilich iſt es auch hier und ſo iſt es der heidelerche auch recht. Sie hat noch nie den Derſuch gemacht, hinüber zu ſtreifen in den Teil des Waldes, der zu beiden Seiten des Baches ſchattig-feucht den Abhang hinzieht. Sie liebt den trockenen Boden und lichte Rodungen, wo die hohen ſchlanken Samenbäume einzeln ſtehen und der Sand in der Sonne glüht. Kleines Geſträuch iſt ihr recht, Wacholder, Krüppelföhre und Birke, wie ſie mit kurzem, dickem Stamm, knorrig und zäh über den Grund Hinkriechen. Dort liegt ſie die Nachmittage, eingebettet in die tiefe, weiche Sandwelle, Flügel und Schwanz geſpreitet, daß die ſchwarz und weißen Abzeichen leuchten, 268 7 N $ ER RR 3 1 Is NE UN * N 7 l ee 1 W * Nr Be . ö 7527 — 7 vl 2 a 2 R. Tepe. Bloemendaal bei Haarlem. Junge Hheidelerchen im Neſt. und atmet die Sonne ein. Oder fie ſtößt den feinen Schnabel in den lockeren Boden, wühlt den Kopf hinein und wirft ihn zurück, daß der helle Sand ihr über Hals und Kücken rieſelt. Hilft mit den Flügeln nach, rutſcht und reibt ſich, pluddert die Federn auf, daß der Staub herausfliegt, zupft da und dort mit dem Schnabel ein Fläumchen aus, das träge in der Luft weiterſchwimmt und bald zu Boden ſinkt. Es ſtört ſie niemand hier. Sie bleibt ruhig liegen, auch als der Forſt— aufſeher wenig Schritte von ihr die Schonung beſichtigt, ja, als er dicht neben ihr über die Lichtung geht. Und er entdeckt auch ſie nicht, die dicht an den Boden gedrückt ſich von ihm kaum unterſcheidet. Als der Falke, der ſchon lange über dem Platz im Blauen geſtanden und gerüttelt, herunterfällt, fliegt ſie nicht auf und er ſtößt fehl, vorüber an dem ſandfarbenen Dogel und auf ein Stück alte Baumrinde los, das er für ſein Opfer hält. Enttäuſcht ſtreicht er einen Schuß weit über dem Boden hin, macht einen ſcharfen Bogen und ſteigt dann jäh mit heftigen Flügel— 269 W. Farren. Near Mildenhall (Sufolk), Fuli 1909. Heidelerche, ihre Jungen fütternd. ſchlägen. Nach einer Weile ſcheint er für Augenblicke oben zu ſchwimmen, ſo ruhig ſteht er in der Luft. Die Sandlerche blinzelt aus braunem Auge nach ihm, ſie iſt nicht ſicher, ob er nicht wiederkehrt. Erſt als er ſeine Kreiſe höher und immer ferner zieht und ſchließlich als blaſſer Punkt über den Föhren am Horizont verſchwindet, bewegt ſie ſich. Hebt das Köpfchen und zieht die Flügel ein. Rings iſt's noch immer Mittag, der Sand rauſcht und gleißt, ein müdes Windchen führt ſchweren Föhrenduft herüber, grüngoldene Funken ſtieben durch die Luft. Im Sandwege geht die weiße Spinne ſpazieren. Die Lerche nimmt ſie ſpielend mit ſpitzem Schnabel auf. Was ging ſie auch eben vorüber! Die Sonne brennt. Lullerche liegt im heißen Bett und ſchlummert. Struppig gebläht, mit offenem Schnabel trinkt ſie den Mittag. Near Mildenhall (Suffolk), April 1909. heidelerche, zum Nejt gehend. W. Farren. Später, als die Sonne weiter hinunter ilt, kommt ſie noch ein wenig auf. Läuft einen Schuß weit über den Boden in anmutiger Flucht, bleibt ſtehen und ſtellt die Kopffedern zur Holle, ſieht aus ſanft-braunem Aug' um ſich und ſchnellt wieder einen Abſatz weit, doch nicht haſtig, nicht ungeſtüm, das liegt ihr nicht. Lockt weich und ſchmeichelnd, nicht wie Fink oder Meiſe, die ſo recht in den Tag hineinſchmettern; ſie fragt es faſt, guidl? guidloi? zärtlich und heimlich, und tut es am liebſten, wenn das Tageslicht weich über allen Gegenſtänden liegt und die Nacht ſich ſchon auf ihr Kommen beſinnt. Da gleitet der kleine Schatten noch hin über den heideboden, zupft eine Federmotte, die noch nicht wach geworden, vom Wacholder und die rote Eule vom Erikaſtrauch, haſcht den Siebenpunkt der groß und dunkel mit weit⸗ geſpannten Segeln durch die blaue Dämmerung ankommt und ſchickt das ſchläfrige Heupferd nach, das zwiſchen vergoldeten Canzenſpitzen Ruhe ge— ſucht hatte. Auf der Heide wird es jetzt immer geſpenſtiſcher. Es iſt, als wäre alles, Strauch und Baum und Gras gewachſen, alles bedeutet mehr als am Tage. 271 Über das dunkelſamtne Grasband, das goldumzogen groß wie ein Balken am Himmel ſteht, ſteigt der müde Schreck wie ein Fabeltier in ſein Bett, aus dem dürftigen Wacholder ſchlagen Flammen. Allmählich legt ſich der Tumult der Farben. Das Goldbraun des heide— bodens, die dunkeln Samtwogen der Sträucher. Dom Diolett zum Grau, dann geklärt zum reinen Blau ſtrahlt der Nachthimmel, und der Abendſtern, vorhin fremd wie ein Gaſt, wird heimatlich und ſicher. Das iſt die Seit für der Lullerche heimlich Lied. Wenn ſtill der Mond ſeinen Weg geht und die Welt den Tag vergeſſen hat. Wenn der Stern groß auf dem heidhügel ſitzt, den ſeine Strahlen leiſe betaſten. Der dürre Alt der alten Kiefer ſieht drohend wie ein Weiſer in die Cuft — von dort herab ſingt ſie alle Nacht. Dli, dli, dli, beginnt ſie leiſe: Wie ſtill es iſt! Cüllüllülü — es ſchläft die Welt. Didl, didl, didl: Liebchen? Guidloi, guidloi! Kommit du? O komm! Und ſie trillert und ruft: Dadidl, dadidl, dadidl, lillilli, Lilli — lüllüllüllülly — Kommt die Ciebſte? Ja ſie kommt. Es iſt noch die alte Liebite. Die Märzliebe. Als die Heide ſilbergrau und nackt auf den Frühling wartete, den blaſſen, ſinnenden Himmel über ſich, hatten ſie ſich getraut. Damals war es ſtill im Heidwald. Nicht das Geſumme und Geſchwirr über blauen und gelben Blüten, kein haſten und Treiben im Kraut, Gaukeln und Geflüſter von jung— grünen Blättchen. Höchſtens lief ein blauglänzender Miſtkäfer ſchwerfällig in einer Sandfurche, der Saunſchlüpfer hatte es eilig durch Dorn und Dickicht und das Meiſengebimmel kam den Waldrand entlang, heller als im Winter. Bis draußen von dem Brachacker einmal die Feldlerche ſtieg. Da ſang die Lullerche auch zum erſtenmal. Mit „tüttüt“ flog ſie auf. Ließ die Flügel flattern, als ob's nicht Ernſt wär mit dem Fliegen. Nur probieren! Die Luft ſtrich ſo friſch und weich an den Kielen entlang. Nur probieren! Sie ſpielte, ließ ſich noch mal niederfallen, aber dann kam ſie wieder hoch und nun immer höher. Oben im Blau begann ſie ihr Lied. Sie fang der Derwandten nach. Nur weicher, zärtlicher, inniger. Suletzt legte ſie die Flügel an und ſchoß wie ein Stein herunter. 272 Stephainsky. Fägerhaus Tillowitz, Ober-Schl., April 1908. Heidelerche. Don nun an ſang ſie jeden Tag. Dom Baum und hoch in der Luft, des Morgens und Abends, und bald auch des Nachts. Als der Frühlingsmond durch die Kiefernwipfel zog, da galt es der Liebſten. Bald darauf hatten fie unter einem jungen Birkbuſch den richtigen Niſtplatz gefunden. Bärlapp wuchs dort und trockene Heide, vom toten Wacholder wand ji das Silbergebein am Boden. Und die weiß-flaumige Birke ließ ihre zarten Wimpel darüber flattern. Es war in der Mittagsſtunde, da begann das Weibchen die Neſtmulde zu ſcharren; heftig fegte ſie den Sand hinaus mit hilfe des langen Sporn, als glitzernder Sprühregen fiel er hinter ihr nieder. Sie zupfte ein paar dürre Halme mit dem Schnabel zu ſich herüber, bog ſie rund in die Vertiefung, trockenes Moos, dürres Gewurzel trug ſie nach und nach zu, zierlich ge— ſchäftig mit hübſch geſtellter holle durch Kraut und Sand trippelnd. Swei Wochen darauf ſchlüpften 4 Junge aus den ſpitzen, hellen Eiern. Die wagten ſich, kaum flügge, ſchon aus dem Neſt und folgten der Mutter, die ſie lehrte die Spinne finden, wo ſich die ſchimmernden Fäden im Geſträuch ſpannen, Vögel II. 18 27³ den Käfer und die Raupe von der Küchkſeite der Blättchen leſen und ihnen zeigte, wo die verſchlafenen Motten hängen. Aber auch die grünen Blättchen ſelbſt ſind gut und die junge Saat und im Berbit allerlei Samen und Korn vom Weizen und Hafer, Hirſe und Knöterih. Die Kleinen merken ſich das und auch wie man den Hafer und Weizen gegen den Stein ſchlägt, um zu dem guten Kern zu kommen; ſie puddeln auch ſchon tüchtig im Sand und verſchlucken hin und wieder ein Körnchen, das tut die Mutter auch. Und wenn oben im Blau ein Dogel kreiſt, immer auf derſelben Stelle, jo ducken ſie ſich, denn der hat nichts Gutes vor. So treiben ſie's bald wie die Alten, nur das Kleid iſt nicht ganz dasſelbe, ein wenig heller und braunſchwarz gefleckt und das Auge ſieht noch grau. Als im Juni nochmal vier kleine Lullerchen nachkommen, da ſind die erſten ſchon völlig klug geworden, ſie brauchen die Eltern nicht mehr. Aber ſie halten ſich noch zu ihnen und die jungen Männchen dichten leiſe nach, was der Dater ihnen vorgeſungen. Iſt aber der Nachwuchs auch groß geworden und die Felder leer, die Heide wieder ſtill, ſo machen ſie ſich miteinander auf und reiſen. Sie reiſen des Vormittags, oder bevor die Sonne untergeht, hoch in der Luft über weite Felder, raſten und reiſen, bis ſie dorthin kommen, wo über nackten Gebirgen und endloſen Ebenen die Sonne noch warm ſcheint und Nahrung iſt für ſie alle. —— 5 N — Stephainsky. Fagerhaus Tillowitz, Abril 1908. Heidelerche. 274 | Die Waſſerralle. | Don Hugo Otto. Am Bruch entlang zieht ſich eine große Wieſe mit ſauren Gräſern. Dom Sumpf aus reicht ein Entwäſſerungsgraben bis in die Nähe des Gutshofes. Er iſt mit Rohr, Schilf, Seggen, Erlen, Salweiden, Blutweiderich und Spier— ſtauden jo dicht umſäumt, daß der Waſſerſpiegel nirgends ſichtbar iſt. Auch das Bruch iſt ſehr ſtark verwachſen. Sein Ufer iſt von einem breiten Pflanzengürtel beſtanden, der den Durchblick auf die vielen plänken der weniger bewachſenen Mitte nur hie und da geſtattet. An vielen Stellen iſt die Pflanzenwelt ſo dicht vertreten, daß das Wurzelwerk eine filzige Decke über dem moraſtigen Waſſer geſchaffen hat, namentlich dort, wo große Seggen und dazwiſchen Torfmooſe in Menge wachſen. Hier kann man das Bruch betreten. Wer Erfahrung beſitzt, weiß, daß man ſchnell über die ſchwankende, wie Gummi dehnbare decke hinſchreiten kann; wer aber ſtill ſtehenbleibt, ſinkt langſam in den brodelnden Unterſumpf ein. Geheimnis— voll rauſcht der Uferſchilfwald, geheimnisvoll flüſtert das Röhricht, geheimnis— voll iſt die Stille im Binſen- und Seggenwuchs, geheimnisvoll liegt es in der drückend ſchwülen, atembeſchwerenden, ſommerlichen Sumpfgasluft dieſer Brüche, geheimnisvoll aber iſt namentlich auch das Leben in dieſem urwüch— ſigen Landſchaftsbilde. Im Sommer verſtummt eigentlich nie das Froſchgequak im Sumpfe. Entengeſchnatter und der Teichhühner Lockruf erſchallt auch häufig aus ihm; ebenſo das Chraik der Reiher, die dort ihrer Nahrung nachgehen. Aber noch andere merkwürdige Töne ſind manchmal vernehmbar. Wer ſie von ſich gibt, kann der Bauer nicht ſagen. Letzthin kam ſolch eine eigenartige Stimme allabendlich ſogar aus dem nahen Graben am Gutshöfe. Wuitt, Wuitt! pfiff es da ſcharf und anhaltend aus dem Ende der Sumpfpflanzenzunge. Wer mochte ſo rufen? Die furcht— ſame, dumme Magd glaubte beſtimmt an einen unheimlichen Spuk. Aber der Baas, der alte Bauer, hatte dergleichen Töne ſchon in früheren Jahren mehrfach gehört. Als in der Abenddämmerung wieder einmal der Ruf aus dem Grabenrande erſchallte, nahm er ſeine beiden Rattenfänger mit, führte ſie im Bogen an das Bruch und ließ ſie dann rechts und links die Grabenränder abſuchen. Faſt hatten ſie das ganze Pflanzengewirre durch— ſtöbert, da verſuchte der eine hund etwas zu erhaſchen. Es gab ein kurzes Hin⸗ und Herſpringen, hie und da ein haſtiges Zuſchnappen, und plötzlich 18 * 275 N, — — N W. Farren. Hickling-Broad (Norfolk), Juni 1909. Waſſerralle, im Begriff ſich auf ihre Eier zu ſetzen. flog niedrigen, ſchwerfälligen Fluges ein Dogel, kleiner als ein Feldhuhn, mit hohem, ſchneidendem, aber nicht unangenehm klingendem Uriek, Kriek hoch, ſtrebte der dunkeln Uferböſchung zu und tauchte dort im Pflanzen— grün unter. Ein Waſſerhuhn, meinte der Bauer. In Wirklichkeit aber war es eine Waſſerralle, eine charakteriltiiche Vertreterin der geheimnisvollen Sumpfvogelwelt, die wie kaum ein anderes Geſchöpf in dieſer Heimlichkeit ein verſtecktes, geheimnisvolles Daſein führt. * * * An manchen Stunden des Tages ſcheint die Waſſerralle zu ruhen, an anderen ſchleicht ſie einſam durch die Pflanzenwildnis des Bruches. Faſt nie kommt ſie, obwohl ſie ſchwimmen kann, aufs offene Waſſer ihres Wohn— gebietes. Dom bewachſenen Rande der kleinen, blanken Tümpel im Sumpf ſteckt ſie wohl einmal ihr niedliches Köpfchen aus einem Riedgrasbüjchel hervor, aber nur für einen Augenblick, und huſch! iſt ſie fortgelaufen. Man könnte glauben, eine Waſſerratte ſei durch Schilf und Waſſerlilien geſchlüpft, jo ſchnell verſchwindet der Vogel. Wie ein Schatten huſcht fie laufend vor— über. Ob die Pflanzenwelt auch ſcheinbar dicht geſchloſſen daſteht, ſo be— rührt ſie doch beim flüchtigen Laufe kaum einen Stengel, und kein Hälm— chen macht durch irgendeine Bewegung kenntlich, daß gerade in dieſem Augenblicke die Waſſerralle an ihm vorüber gerannt iſt. Mit ihrem ſchlanken, ſeitlich ſtark zuſammengedrückten Körper ſchlüpft ſie durch ſehr enge Gaſſen des Pflanzenhaos. Es iſt ihr möglich, mit den drei langen Vorderzehen und der kurzen Hinterzehe große Flächen als Stützpunkt des Körpers zu benutzen und ſelbſt da noch ſich ſchreitend fortzubewegen, wo nur wenige Waſſerpflanzen und eine dünne Schlammſchicht einen Halt gewähren. Schwin— den auch dieſe, dann werden die im Dunkel des Pflanzendickichts verborgenen Waſſerſtellen durchſchwommen. Wird aber die Pflanzenwildnis zu dicht oder deckt vorjähriges, durch Wind und Schnee zuſammengebrochenes Röhricht den Boden, dann ſchleicht die Kalle eilenden Fußes darüber hinweg, nie aber ohne Deckung zu benutzen. Bei ſolch' geheimnisvoller Lebensweiſe kann es nicht Wunder nehmen, wenn die allermeiſten Menſchen keine Ahnung davon haben, daß in ihrer Nachbarſchaft die Waſſerralle wohnt und brütet. * * * Dort, wo ji zur Moraſtmitte hin dicht Kaupe an Kaupe reiht, wo ſich Weidengebüſch und Erlen um den Standort jtreiten, in diejer Pflanzenwelt von hohen, ſcharfrandigen Halbgräſern, ſteht an einem trockenen Orte das Neit der Waſſerralle. Die Grundlage bilden zujammengeknickte Beſtand— teile dichter Grasbüſchel. Auf ihnen iſt aus vergilbten Seggenblättern und -itengeln das Neſt locker geflochten angelegt. In ſeiner Mulde birgt es 277 M. Farren. Hickling-Broad (Norfolk), Juni 1909. Waſſerralle beim Neſt. bis zu zehn, manchmal auch noch mehr Eier, die inſofern eine Schutzfarbe aufweiſen, als ſie ſich vom Geniſt nur unweſentlich abheben. Auf hellroſt— gelbem, manchmal grünlich ſchimmerndem Grunde zeigen ſie violette und aſchgraue Töne, die von ſparſam vorhandenen rötlichen oder zimmtbraunen Flecken überſprenkelt ſind. Beide Alten brüten abwechſelnd. Manchmal trifft man ſie auch zuſammen im Neſt an. Die ſchwarzwolligen Jungen ſind echte Mejtflüchter. Der Lockruf der Alten hält ſie anfangs zuſammen. Da die Eltern in günſtigen Jahren manchmal noch zu einer zweiten Brut ſchreiten, führen ſie die Jungen nur kurze Seit, die ſich dann recht bald ſelbſtändig betätigen. Sich ſelbſt überlaſſen, wachſen die kleinen Kallen in der Deckung des Bruches bei reichlicher Nahrung ſchnell heran. Schon nach kurzer Seit kommen ihre Federn hervor. Der Sumpf bietet ihnen und den Alten bei großer Ab— wechslung Unmengen an Futter. An den Waſſerpflanzen gibt es reichliche 278 W. Farren. Hickling-Broad (Norfolk), Juni 1909. Waſſerralle am Neſt. Mengen Schnecken, von denen die kleineren mit den Gehäuſen verzehrt werden. Überall zeigen ſich kleine und größere Waſſerkäfer, Larven ver— ſchiedener Mückenarten, und die entwickelten Tiere ſelbſt. Bietet ſich die Gelegenheit, jo plündert die Waſſerralle auch wohl einmal das Keſt eines Kleinvogels und frißt ſeine Eier und Jungen auf. Wenn an halten herbſt— tagen die Nahrung knapper wird, nimmt ſie auch fürlieb mit den Samen der Seggen, Riedgräſer und anderer Pflanzen ihres Aufenthaltsgebietes. Je— doch iſt dies ſtets nur ein Notbehelf. * Ein gut ausgemauſertes Männchen der Waſſerralle gehört zu den ſchön— ſten Sumpfvögeln Deutſchlands. Es iſt auf der Oberſeite olivenbraun mit ſchwarzen Flecken. Die größeren Schwingen und die Schwanzfedern ſind matt ſchwarz und breit braun gekantet. Die Unterſeite iſt namentlich am 279 Halſe und der Bruſt ſchieferfarbig. An der Unterbruſt und zwiſchen den Beinen haben die einzelnen Federn rötlichweiße Spitzen. Die Mitte des Bauches und der After ſind weißlich. Kinn und Kehle zeigen weißgraue Färbung; die Zügel find ſchwarz. Auf der blaugrauen Stirn finden ſich borſtige, gelbbraune Federchen von eigenartigem Glanze. Charakteriſtiſch ſind die ſchwarzen, weißgebänderten Weichen. Das feurige Auge weiſt ein lebhaftes Sinnoberrot auf. Auch der Schnabel hat zur Wurzel hin ähnliche Farbe. Während er bei ganz jungen Dögeln gerade iſt, zeigt er bei alten eine ſanfte Biegung. Er iſt ſtets länger als der Kopf, und durch dieſes Merkmal iſt unſere Waſſerralle leicht von allen ihren Derwandten zu unter— ſcheiden, die entweder kürzere oder mit dem Kopfe gleichlange Schnäbel auf- weiſen. Bei den Waſſerrallen ſind beide Geſchlechter gleich gefärbt. Die Weibchen ſind aber kleiner und etwas weniger lebhaft als die Männchen gezeichnet. Selten überwintert die Waſſerralle in den kälteren Strichen ihres aus— gedehnten Wohngebietes, das ſich über Europa und das nördliche Alien erſtrecht. In den Sommermonaten trifft man ſie im mittleren Deutſchland recht häufig an. Es iſt merkwürdig, daß ſie trotz ihrer kurzen, gewölbten Flügel weite Wanderungen zur Sugzeit macht; denn ſie iſt ein ſchlechter Flieger. war bleiben die meiſten Waſſerrallen im Winter in Südeuropa; aber einzelne gehen auch nach Agypten und Algier. Da ihre Flughöhe nur gering iſt, ſo verunglücken von ihnen im Herbſt und Frühling zahlreiche Vögel an den elektriſchen Ceitungsdrähten durch Anſtreichen. Die Waſſerralle zieht nur des Nachts, wie ja überhaupt ihre ganze Lebensbetätigung hauptſächlich auf die Dämmerung und die Dunkelheit zugeſchnitten erſcheint. Wer vogelſtimmenkundig iſt, vernimmt zur Sugzeit nicht ſelten nachts in der Luft ihr lautes „Kriek“. Dann verrät ſie auch durch ihre häufigen Rufe, daß der Zug ſchneller von ſtatten geht, als man nach dem Bau ihrer Flugwerk— zeuge ſchließen ſollte. Die Waſſeramſel. Von Martin Braeß. Mitten im Winter am Waldbach zarter Dogelgeſang, grasmückenartig, plaudernd, wie das Waſſer leiſe dahinrieſelnd. Ganz eigentümlich be— rührt die zaghafte Strophe mit dem tapferen Schluß, als wollte das Döglein klagen: Winterkälte hält das ſchlummernde Leben gefangen; klirrend ſchlagen die vereiſten Sweige der Bäume im Winde zuſammen, und tiefächzend ſplittert der Aſt unter der Schneelaſt! Aber dann ruft's frohlockend: uns beide kümmert es nicht, mich und das munter plätſchernde Bächlein; der Himmel iſt blau, in tauſend Kriſtallen, in tauſend Tropfen bricht ſich das Licht! Was kann ſchöner ſein, als mein Bächlein im eiſigen Froſt, das mich mein plauderndes Liedchen gelehrt hat! Da, eine Bewegung mitten im Strudel des Waldbachs; zierlich und ſchnell wie die Bachſtelze läuft der Sänger, ein Vogel in der Größe des Stars, über die flachen Steine im Bachbett dahin. „Waſſerſtar“ hat man den Dogel genannt, auch „Waſſerdroſſel“, am häufigſten aber wohl „Waſſeramſel“. In— deſſen die ähnlichkeit mit Star und Droſſel iſt doch nur gering, und ſchon die Geſtaltung des Körpers, noch mehr die eigentümliche Lebensart hat es erfordert, eine beſondere Gattung aufzuſtellen, deren einziger Vertreter in der Alten Welt die „weißkehlige Waſſeramſel“ iſt; mehrere Unterarten kennt man von ihr. Die ganze Gattung aber bezeichnet man nach dem Plauder— geſang mit dem Wort „Schwätzer“. Ein ſchmuckes Tierchen, von gedrungener Geſtalt, mit breiter Bruſt und kurzem Schwänzchen; die kleinen, etwas gewölbten Flügel liegen dicht dem aalglatten Körper an, der in wag— rechter Haltung auf kräftigen Läufen ruht. Jetzt hebt der Dogel den Kopf; gleichzeitig ſtelzt er keck ſein Miniaturſchwänzchen empor. Wie hübſch ihm die ſchneeige Kehle und Oberbruſt ſteht, ein Dorhemd von unver— gleichlicher Reinheit, das ſich effektvoll gegen die kaſtanienbraune Unterbruſt und die braunen Kopf- und Halsſeiten abhebt. Rücken, Flügel und Schwänz— chen ſind dunkelaſchgrau gefärbt, dazu das ganze Gefieder jo dicht und pelz— artig, wie es nur Dögel beſitzen, die Waſſerſport treiben. Aber das Schönſte an dem kühnen Bewohner des Waldbachs iſt doch das große lichtbraune Auge. So tief, jo innig der Ausdruck! Märchenhafte Waldpoeſie ſpricht aus dem ſanften, träumeriſchen Augenſtern, und nur das liebliche Rotkehlchen beſitzt einen ähnlichen treuherzigen Blick, wenn es ſeinen Pfleger begrüßt. Jetzt watet der Vogel in die eiskalte Flut; hurtig ſchreitet er dem Strom 281 Sainsbury. Yorkshire 1909. K. Spengler. Rothehütte, Mai 1909. Neſt und Gelege. w aſſer amſe L. Neſt mit Jungen. des Waſſers entgegen, das ihm bald bis zur Bruſt ſteigt, bis an die Augen, und jetzt — über dem ganzen Tierchen ſchlägt das Waſſer zuſammen. Mit Füßen und Flügeln arbeitet ſich der mutige Dogel am Grunde aufwärts gegen die Strömung; jetzt hat er den tollſten Wirbel erreicht, wo das Waſſer herab— ſtürzt — ein paar Sekunden, da taucht er aus dem Giſcht wieder auf, und tropfend fliegt er nach einem äſtchen, das niedrig über dem Waſſerſpiegel herabhängt. Aber nicht lange verweilt er in müßiger Ruhe. Die Tage ſind kurz, die Nahrung nur ſpärlich; da iſt keine Seit zu verſäumen, und aber— mals ſtürzt ſich der muntere Taucher in den reißenden Strudel, aus dem er, heftig mit den kurzen Flügeln ſchlagend, wohl acht Meter weiter aufwärts wieder zum Vorſchein kommt; einen winzigen Fiſch hält er im Schnabel, der mit kurzem Ruck im Schlunde verſchwindet. Kein Vogel des Waldbachs beherrſcht ſo wie er das feuchte Element, auch der prächtige Eisvogel nicht, und ſelbſt von den Schwimmvögeln macht ihm keiner den Rang ſtreitig. Wer an der Waſſerkante geboren ward, der bleibt zeitlebens dem Waſſer hold; nur die Landratte fürchtet die brandende Woge. Dort, wo der Felſen dicht neben dem Waſſerfall überhängt, in einer Felſenſpalte hat die feuchte Wiege der Waſſeramſel geſtanden; hier verträumte der Dogel die erſten Tage der Kindheit. Der rauſchende Bach ſang ihm ſein Lied; er bot ihm als Nah— rung Waſſerkäfer und ihre Larven, Waſſermotten und Mücken, Phryganeen, Schnaken, Flohkrebschen, allerlei kleine Würmer, eine winzige Muſchel, viel— leicht auch ein Fiſchlein. Die ſorgſamen Eltern brachten ihm und den vier Geſchwiſtern all die Leckerbiſſen an's Neſt; ſie brauchten bloß die Schnäbel 282 A. Taylor. Near Gisburne (Yorkshire), Funi 1908. Junge, eben flügge Waſſerſchmätzer. zu ſperren. Und als ſie dann die Kinderſtube verließen, war der erſte Flug hinab nach dem Ufer des Bachs. Sie flogen über dem Waſſer dahin, ſtunden— weit aufwärts und abwärts, und jedes Dögelchen ſuchte ſich bald ein eignes Revier; aber den Bach, den Freund ihrer Kindheit, verließ kein einziges wieder. Was Wunder, daß ſie alle mit dem feuchten Element ſo vertraut ſind! Wochen und Monde vergehen; im Tal ſchmilzt der Schnee, es tropft von den Bäumen, und überall rieſelt's von den hängen herab. Da hüpft das Bächlein gar toll über die Steine, immer lauter brauſt es vor Luſt; ſelbſt die großen Blöcke, die es ſonſt nur beſcheiden umſpielte, überſchüttet es mit kräftigem Guß. Den Tannen am Ufer benetzt es die Wurzeln, und weiter drunten ſpringt es keck und übermütig auf das knarrende Rad. Um dieſe Seit bekommt die Waſſeramſel Beſuch; ein Dögelchen von gleicher Geſtalt und Couleur wie ſie ſelbſt. Sie verſtehn ſich ſofort, denn ein Weibchen iſt's aus demſelben Geſchlecht; an dem hohen, hellen Lockton „zerb zerb“ erkennen die beiden einander. Sie wiſſen, daß ſie zuſammengehören, und die fette Carve, die das Männchen ſoeben verſchlucken wollte, reicht es galant der 285 A. Taylor. Nee e (LZancashire Waſſeramſel, aus dem Waſſer kommend. Genoſſin zum freundlichen Eingruß. Dann fiſchen die beiden ſtillvergnügt eins neben dem andern, hüpfen und ſchnurren flatternd von Stein zu Stein und jetzt hei! in raſendem Flug ganz niedrig über dem Waſſerſpiegel dahin, unter dem Brückchen hindurch, im Bogen über den Schützen, und nun Rait auf dem äſtchen des Erlengeſträuchs, das ſich vor dem Mühlrad über das Waſſer ſtreckt, ſo weit es vermag. Eng aneinandergeſchmiegt, mit eingezogenen Füßchen hocken ſie da; ſie ſchnäbeln ſich unter leiſem Geplauder, und dann ſitzen ſie ſtumm nebeneinander und ſchauen ihr Spiegelbild, wie es aus dem Waſſer zu ihnen heraufſchaut. Nach ein paar Tagen iſt das Pärchen mit dem Neſtbau beſchäftigt. Es hat ſich ein ſicheres Plätzchen zwiſchen den Pfoſten und Brettern, welche die Wand des Mühlgrabens bilden, nur wenig Meter unterhalb des knarrenden Rades, gewählt. Drunten reißendes Waſſer, ſo weit man talab blickt, und aufwärts der in Millionen Tropfen zerſtäubende Fall, unter dem ſich das Rad träge bewegt — kann es ein ſchöneres Fleckchen auf dem weiten Erden— rund für ein Waſſerſtarpärchen geben? Das Neſt iſt ein maſſiger Bau, es 284 Near Clitheroe (Lancashire), Juli 1908. Waſſeramſel, mitten im Bach. füllt den Raum zwiſchen den beiden vortretenden Pfoſten und den Brettern der Rückwand vollſtändig aus, als ſei es in die höhlung hineingepreßt worden. Ein ſeitlicher Eingang führt ins Innere des Neſtes; denn weil hier, ſobald vom Waſſerrad her der Wind weht, ein feiner Sprühregen alles durchnäßt, haben die Dögel auch von oben durch eine dichte Decke aus Moos die Kinder— wiege geſchützt; ein trocknes Plätzchen bedürfen die Kleinen, denn waſſerdicht iſt ihr Gefieder erſt nach der Mauſer. In dem dunkeln kugelförmigen Bau, der gar ſauber mit feinem Laub und zarten Hälmchen ausgelegt iſt, ſchlüpfen, nachdem das Weibchen zwei Wochen emſig gebrütet hat, fünf Junge aus den reinweißen Eiern. Sie ſehen ganz anders aus als die Eltern, auch wenn ſie die blaugrauen Dunen ſchon abgelegt und richtige Federn bekommen haben: ſchmutzig ſchiefergrau alle oberen Teile, Kehle und Bruſt aber weißlich, mit ſchwarzbraunen Quer- wellen ſanft überlaufen, auf den dunkeln Schwingen ein paar weiße Binden. So ſitzen die kleinen Gelbſchnäbel, wenn ſie ausgeflogen ſind, gern im Wurzelgeäſt am ausgewaſchenen Ufer oder auf dürren Sweigen, niedrig über 285 dem Waſſer. Sie laſſen ſich von den Eltern lange Seit füttern, denn das Fiſcherhandwerk iſt ſchwierig und erfordert viel Übung. Aber Scheu vor dem Waſſer kennen ſie nicht, und ſchon wenig Tage, nachdem ſie das Neſt ver— laſſen haben, folgen ſie dem lockenden „zert zet“ der Alten, laufen am kieſigen Boden umher und trippeln munter durch's ſeichte Waſſer. Sich zu verſtecken, verſtehen ſie ſehr gut; ein Warnungsruf von Dater oder Mutter, und ſofort ſchlüpfen ſie, eins hier, ein anderes dort, zwiſchen das Wurzel— geflecht und in die Erdhöhlungen, die der Bach in die Ufer geriſſen hat. Sweimal im Jahre ſchreiten die Waſſeramſeln zur Brut. Im Juni ſitzt die Mutter auf dem neuen Gelege, und der Dater ſingt ſeine Strophen, ohne ſich weiter um die Erſtgeborenen zu kümmern. Dieſe ſchlagen ſich nun allein durch die Welt; wenn ſie gemauſert haben, ſind ſie den Alten recht ähnlich geworden. Sobald im Juli die jüngeren Geſchwiſter erſcheinen, zerſtreuen ſich die älteren hierhin und dahin, beſuchen die kleinen Seitentäler des Bachs oder wandern auch mit dem Waſſer talwärts bis an den Fluß, in den es mündet, und von dort einen andern Waſſerlauf wieder empor bis hoch ins Gebirge. Gerade bergige Gegenden bevorzugt der weißkehlige Fiſcher. Dort iſt das Waſſer am klarſten, von den oft giftigen Abflüſſen der Fabriken, die jo viel Lebewejen vernichten, noch nicht getrübt; dort liegen die ſchönſten Steine im Bachbett, um von hier Ausſchau nach einer Beute zu halten; die Felſen links und rechts an den Ufern ſind reich an Spalten und Löchern, das Neſt aufzunehmen, und dann muß man als Standvogel doch auch des Winters gedenken: das ſchnell von Stein zu Stein hüpfende Bächlein friert dort oben nicht zu, oder es bleibt wenigſtens hie und da eine Stelle offen, wo man auch beim ſtrengſten Froſt ſein tägliches Brot findet. Aus dieſen Gründen iſt die Waſſeramſel in den deutſchen Mittelgebirgen häufiger, als in der norddeutſchen Ebene. Im höhern Norden, z. B. in Norwegen, aber auch ſchon an der deutſchen Oſtſeehüſte, namentlich in Pommern und Oſtpreußen, ferner in Rußland bis zum Ural, wird die in Mitteldeutſchland heimiſche Art von einer ganz nah Verwandten vertreten, die ſich lediglich durch ihren braunſchwarzen Bauch kennzeichnet, in ihrer Lebensweiſe aber nicht den geringſten Unterſchied aufweiſt. Eine dritte Abart, deren ganzes Gefieder dunkel kaffeebraun gefärbt iſt, bewohnt weite Gebiete Aliens, namentlich Oſtſibirien, eine vierte die Pyrenäen, eine fünfte Südeuropa, von der Schweiz an bis zur Balkanhalbinſel, und damit iſt die Sahl der Abarten noch keineswegs erſchöpft. Die Waſſeramſel hat wegen ihres Handwerks von jeher zu den geäch— teten Dögeln gehört, und nur erſt die neueſte Seit iſt in der Beurteilung dieſes „Fiſchers“ etwas gerechter geworden. An Forellenbächen, wo künſt— liche Fiſchzucht betrieben wird, namentlich an „Jährlingsteichen“, kann man den Dogel nicht brauchen; hier ſtiftet er durch das Wegfangen der ſtecknadel— langen Fiſchchen in der Tat einigen Schaden. Prämien auf ſeine Dertilgung 286 auszuſetzen, wie es wohl hier und da geſchehen, iſt aber unter allen Um: ſtänden zu verwerfen. Maſſenhaft tritt ja die Waſſeramſel nirgends auf, denn jedes Pärchen bedarf eines weiten Reviers, innerhalb deſſen es kein zweites duldet. Schon aus dieſem Grunde kann von einem ſehr empfind— lichen Schaden nirgends geſprochen werden, ſelbſt an Forellenbächen nicht, zumal der Dogel durch das Wegfangen vieler Injekten, die der Fiſchzucht ſchaden, auch Nutzen ſtiftet. Deshalb Schutz dem Waſſerſtar auch von Seite des Forellenzüchters, ſo weit er es nur irgend mit ſeinen Intereſſen vereinigen kann! An Bächen aber und Wildwäſſern des Gebirges, ſelbſt an forellen— reichen, die Waſſeramſel ausrotten zu wollen, iſt eine Derjündigung an der Natur. In Mitteldeutſchland gibt es ja ſo viele Gewäſſer, deren Fiſchreichtum infolge der modernen Kultur- und Induſtrieverhältniſſe auf einen kleinen Reit zuſammengeſchmolzen iſt. Würden die Dögel lediglich auf Fiſchnahrung angewieſen ſein, ſie würden verhungern; denn wie ſelten mag es ihnen an ſolch einem fiſcharmen Waſſer gelingen, einen kleinen Floſſenträger zu er— wiſchen; aber ſie harren aus, ſobald ſie Inſektenkoſt finden. Wer der Meinung iſt, daß man durch rückſichtsloſes Wegknallen der Waſſeramſel und des Eis— vogels die Gewäſſer Deutſchlands wieder in fiſchreiche Gründe verwandeln könne, die ſie ehemals waren, der irrt ſich gewaltig. Eines unvergleichlichen Reizes wird die Landſchaft durch ſolches Morden beraubt, um eine wahre, reine Freude wird das Herz des Naturfreundes ärmer! Das deutſche Dogelſchutzgeſetz ſtellt deshalb auch mit Recht den Waſſer— ſtar unter ſeinen Schutz, ja es iſt nicht einmal den Fiſchereiberechtigten erlaubt, den Dogel zu fangen und zu töten, während dies in manchem deutſchen Bundesitaat, 3. B. in Preußen, inbetreff des Eisvogels vom Fiſchereigeſetz geſtattet wird. A. Taylor. Near Clitheroe (Lancashire), Mai 1907. Junge Waſſeramſel. 287 | Weidenlaubjänger, Fitis und Berglaubvogel. | Don Martin Braeß. Ungleich verteilt ſind die Gaben Apolls unter den Mitgliedern der deut— ſchen Laubvögel. Am ſtiefmütterlichſten iſt der kleinſte dieſes Swergen— geſchlechts veranlagt, der Weidenlaubſänger. „Zilp-zalp, zilp-zalp . . .“, dreißig- bis vierzigmal hintereinander, das iſt alles, was er gelernt hat. Aber man kann dem Döglein nicht gram ſein; die armſeligen Laute ſind ja auch ein Loblied des Lenzes, ein Ausdruck von Freude und Liebe, welche die Bruſt des beſcheidenen Sängers ebenſo ſchwellen, wie die des gott— begnadeten Künſtlers. Ja, gerade der kleine „Silpzalp“ kann vor Liebes- ſehnſucht den Lenz kaum erwarten. Schon um die Mitte des Märzmonds kehrt er zurück, wenn noch ſo oft der rauhe Nordoſt bläſt und Schneeflocken vom bewölkten Himmel herabwirbeln. Das Vöglein durchſucht dann jedes Gebüſch nach kärglicher Nahrung. Aber die Not geht vorüber; ſobald der erſte Sonnenſtrahl durch's graue Gewölk bricht, leidet es den Kleinen nicht mehr im niedrigen Buſchwerk; er flattert in ſein Cieblingsbereich empor, in die Kronen der Bäume, die freilich noch der Blätter entbehren; vom höchſten Sweiglein herab ſingt er ſein zweiſilbig Ciedchen. Ein winziger Gnom, wie er ſo daſitzt, zierlich das ganze Figürchen, von dem dünnen Pfriemenſchnabel an bis zu den zarten Läufen und den ſchwächlichen Sehen. Aber queckſilbernes Leben pulſiert in dem kleinen Perſönchen; ruhig kann der zwerghafte Dogel nicht ſitzen. Ohne Unterlaß zucken die winzigen Flügel, und das gerad abgeſtutzte Steuer des Schwanzes wippt hin und her. Bald iſt's die ſchmutzigweiße Unterſeite, bald der bräun— lich graugrüne Rücken, den das Döglein dem Beſchauer zuwendet,; jetzt pickt es an einer Knoſpe, jetzt faßt es im Sprung eine Fliege, und jetzt ſtürzt der Kleine gar auf den Buchfink los, der mit ſchmetterndem Anſchlag ſeine Strophe begann — und wahrhaftig, der Große verſchluckt den Schluß ſeines mutigen Reiterlieds und nimmt Keißaus vor dem neckiſchen Kobold. „Huid, huid“ höhnt ihm dieſer nach; dann fliegt er auf den Boden hinab, hüpft in großen Sprüngen ein paarmal durchs welke Laub; aber gleich iſt er wieder in den ſchützenden Sweigen, jetzt hier und jetzt da. Ein kleines Revier iſt's, wo ſich der Weidenlaubſänger mit ſeiner Gattin umhertreibt. Ob Laub- oder Nadelwald, ob Park oder Kiefernheide, iſt den Vögeln ganz gleich; nur ſoll's kein undurchdringliches Walddickicht ſein, am liebſten ein ſanfter hang mit hohen Bäumen und recht viel Gebüſch. 288 Weidenlaubſänger, Männchen, ES 2 ER K. Soffel. Sauschloß bei Terlan (Südtirol), Mai 1908. Weidenlaubjänger, Männchen, in der Nähe jeines Neſtes. Das hübſche, kunſtvolle Neſtchen ſteht immer am Erdboden, zwiſchen Gras— büſcheln und Moos gut verſteckt, oder im Wurzelgeflecht einer Föhre, einer Buche, oder auch etwas höher in der morſchen Dertiefung eines Baumſtumpfs. Backofenförmig überwölbt iſt der zierliche Bau, an einer Seite der Eingang. Außen bilden Grasblätter und Halme, trocknes Laub, auch etwas Moos ein lockeres Gewebe, während das ſchön gerundete Innere mit Haaren und Federn, mit Pflanzenwolle und zarteſten Hälmchen ausgepolſtert iſt. Fünf oder ſechs Eier liegen darin, winzige Dinger, weiß mit feinen ſchwärzlichen und braunen Pünktchen bedeckt. Wenn die Jungen piepen, geht es den ganzen Tag geſchäftig hin und her, vom hohen Wipfel hinab in das Buſch— werk — es lauſcht doch kein Feind in der Nähe? nein, nichts Derdächtiges iſt im ganzen Umkreis zu merken — alſo hurtig in ſicherem Schwung durch die enge Pforte des Neſtchens geſchlüpft; ſchnell die Stechfliege, die Spinne, die Mücke oder den Käfer, die Puppe, die zappelnde Made in den Rachen der Hungrigſten, und dann von neuem hinauf in die Baumkrone; „huid huid“, da ſitz ich ſchon wieder im Grünen hoch über der Erde! Vögel II. 19 289 N. Soffel. Siebeneich- Bozen (Südtirol), Mai 1908. Weidenlaubſängerweibchen beim Neſt. . Atkinson. Walton Hall (Wakefield), Funi 1904. Weidenlaubjänger, brütend. zweimal im Jahre ſchreitet das pärchen zur Brut. Wenn die Sonne ihren höchſten Stand erreicht hat, liegen abermals vier Eier im Neſt; das weibchen brütet, und das Männchen leiert ſtundenlang ſein einförmig Lied- chen. Ende Juli hat dann, wenn alles glatt geht, die Kindererziehung für dies Jahr ein Ende. Jetzt iſt man nicht mehr jo eng an das Revier ge— bunden, wo das Neſt feinen platz hat; familienweiſe ſchlüpfen die Alten und Jungen in der ganzen Gegend durchs Aſtwerk der Bäume. Don Woche zu Woche zerſtreuen ſie ſich weiter, um dann Abſchied zu nehmen. Im September ziehen die erſten, zumeiſt ſind es Jungvögel; ſie ſind ungeduldige Kinder. Die Alten folgen ſpäter, erſt im Oktober; ja ſelbſt im November durchſtreift noch mancher die Heimat. weit nach Norden erſtreckt ſich das Brutgebiet des Weidenlaubvogels — man ſieht es dem zarten Figürchen nicht an — bis zur Mitte von Skandis navien und in Rußland bis 65° n. Br. Alle Länder ſüdlich davon, auch ganz Großbritannien hat der Kleine zur heimat. Ja fein Derwandter, der Fitis, dringt ſogar noch weiter nach Norden vor; er brütet in ganz Schweden und 19 * 201 M. Behr. Trebbichauer Busch, uni 1900. Neſt und Gelege des Weidenlaubvogels. Norwegen und erreicht in Rußland ungefähr den 70.“ n. Br. Südlich erſtreckt ſich ſein Brutgebiet bis nach Nordafrika, ganz Spanien und Italien ein— ſchließend, während er die Balkanhalbinſel und Südrußland nur auf dem Durchzug beſucht. Wie der Weidenlaubvogel, jo baut auch der Fitis fein kunſtvoll über— wölbtes Neſt auf den Erdboden, zwiſchen Grasbüſcheln, Wurzeln oder Moos ganz verjteckt, obwohl ſich das Leben auch dieſes Dögelchens hauptſächlich im Laubdach der Bäume abſpielt. Fünf, ſechs, bisweilen ſogar ſieben Eier zählt das volle Gelege, und wenn die Jungen, die Ende Mai oder Anfang Juni das Kugelnejtchen verlaſſen, noch ein paar Wochen von den beſorgten Eltern geführt worden ſind, ſchreiten dieſe zu einer zweiten Brut, die etwa Anfang Juli flügge wird; diesmal ſind es aber nur ſelten mehr als vier Junge. Auch ſie zerſtreuen ſich nach ein paar Wochen, und die Eltern bleiben allein, obgleich ſie zehn oder elf Kinder großgezogen haben — wer weiß, wo ſie ſind, wieviele noch leben? Aber das muntere, lebhafte Tem— perament verläßt den Fitis niemals, auch nicht in der ſchwülen hitze des 292 — — n © 2 — = S — ın —— — — 2 Atkinson. IM. Wilson. Skipton in Craven (Yorkshire) Juni 19006. Sitislaubvogel. Hochſommers; ſelbſt im Auguſt tönt fein Liedchen noch aus mancher Laub— krone des Waldes, aus manchem Fichtengebüſch. Der Fitis iſt entſchieden der beſte Sänger der kleinen Laubvogelgeſell— ſchaft. Süß, innig und ſehnſuchtsvoll flötet er ſein kleines Lied. Dem flotten Finkenſchlag iſt's zu vergleichen, jo ähnlich das Tonbild: erſt eine Reihe nur wenig ſich ſenkender Schläge und dann das typiſche „Würggebier“. Aber wieviel zarter und weicher, als der Recke Schlag des Finken! „Ddididi die die düe düe düe dea dea düe deida deida da“ — bald hier, bald dort klingt's aus der Fichtenſchonung der ſtillen Heide im ſonnigen Frühling. Es paßt ſo recht zu dem zarten Grün, mit dem ſich die Birken ſchmücken, ſo recht zu den zierlichen Kätzchen der Haſel, die leiſe bewegt gelben Pollen weithin übers Land ſtreuen — weiche wohlige Stimmung am lauwarmen Lenzabend. Den Einzug des Frühlings will der Fitis uns Menſchen verkünden. Drum kommt er ſo zeitig. Nur wenn die Witterung rauh iſt, verzieht er ein wenig und meldet erſt im April ſeine Ankunft. Anfangs, wenn die 294 R. B. Lodge. Middlessex, Mai 1898. %. Atkinson. Pool (Yorkshire), Juni 1907. Sitisjängers Neſt und Gelege. Fitisſänger, Junge fütternd. 2 ri RN. Soffel. Ber 9 laubvo ge J. Siebeneich- Bozen, Mai 1908. Bäume noch kahl ſind, ſchlüpft er gern, dem Saunkönige gleich, durch Dornen- und Keiſighaufen, durch junge Fichtenbeſtände; ſobald ſich aber der Laubwald geſchmückt hat, ſucht er droben im Wipfel der Bäume ſein eigentliches Wohnhaus auf, von dem ſich das gelbgrüne Kleidchen ſo wenig abhebt, daß der kleine Vogel vor ſeinen Feinden geborgen iſt, ein wirk— licher „Laubvogel“. Mancher Lenz, mancher Sommer würde kommen und gehen, ohne daß die Menſchen ſich des lieblichen Dögelchens erinnerten, wenn nicht ſein nimmermüder Geſang ſo lieblich aus dem Laubwerk des Waldes tönte. Innig wie Rotkehlchens Strophe und zart zugleich wie Goldhähnchens Stimme. Der dritte im Bunde iſt der Waldlaubvogel; er wird auch „Sommer— vögelchen“ genannt, weil er erſt ankommt, wenn die Ebereſchen und Weiden grünes Laub haben und der Kuckucksruf wohl ſchon acht Tage lang durch den Forſt ſchallt. Sein Geſang iſt wieder ganz anders, ſo charalteriſtiſch, daß jeder den „Waldſchwirrer“ erkennt. Mit ſechs oder ſieben hohen Staccato— tönen hebt er an: „Ipp ſipp ſipp ſipp-ſipp, ſippſipp“; dann folgt ein ſchwir— render Triller, um eine Terz fallend: „ſirrrrr . . .“ und nun vier- bis neun— mal „djü djü djü djü n . . .“, im weichſten Pianiſſimo allmählich verhallend. In ſeiner Lebensweiſe wie im Außeren gleicht das Döglein ſeinen Der— wandten. In mancher Gegend Süddeutſchlands, z. B. in den bayeriſchen und öſter— reichiſchen Kalkalpen, auch im ſchwäbiſchen Jura und Schwarzwald, lebt 296 S? N — O. Grabham. Yorkshire, $ 905. K. Soffel. Szebeneich, Mai 1908. Weidenlaubvogel. Berglaubvogel. N. B. Lodge. Enpield, Mai 1896. O. Grabham. Vorkshire, / Sitislaubvogel am Neſt. Waldlaubvogel. noch ein vierter Laubvogel; Berglaubjänger wird er genannt. Eine faſt reinweiße Unterſeite, an der er leicht kenntlich iſt, zeichnet ihn aus. Dielleicht iſt er der unruhigſte der ganzen temperamentvollen Sippe; unermüdlich hüpft er vom frühen Morgen bis ſpät abends in den Kronen der Tannen, Sichten und Buchen des Bergwaldes umher und weiß ſich den Augen des Beobachters geſchickt zu entziehen. Aber ſeine Stimme verrät ihn; denn ſchweigſam iſt das muntere Dögelhen nicht. Es „ſchwirrt“ wie der Waldlaubſänger, aber raſcher und kürzer, und auch feine Geſangsſtrophen haben Ahnlichkeit mit dem zarten Lied jenes Dögleins: bald enger, bald lockerer aneinandergereihte Töne, denen einzelne weiche Pfeiflaute eingefügt werden. Unſcheinbar iſt die ganze Geſellſchaft der Taubſänger; das Volk be— achtet ſie nicht, weiß nichts von ihnen, ja es kennt nicht mal ihre Namen. Aber der Geſang iſt jo charalkteriſtiſch, daß es keines geſchulten Ohres be— darf, um ohne weiteres die Art zu beſtimmen, und ſo fleißig üben ſie alle die Stimme, daß der Naturfreund keinen der drei oder vier Sänger ver— miſſen vermöchte. > 2 — 5 O. Grabham. Vorkshire, Funi 1902. Brütender Waldlaubvogel. 298 Die Kornweihe. Don Hermann Löns. Meilenlang zieht fih das Bruch unter der hohen Geeſt hin, auf der ein dunkler Wald bollwerkt. Einſt war es dort überall naß, ſo daß die Kuhhirten, die vom Frühling bis in den Herbſt mit ihrem Weidevieh dort blieben, ſich hohe Wurten auf— werfen mußten, damit ſie in ihren Hütten nicht naſſe Füße bekamen. Damals brütete die Dommel hier noch und der Uhu, der im wildeſten Porſtgeſtrüppe zwiſchen den Wurzelſchoſſen einer vom Wind geworfenen morſchen Erle feinen Horſt hatte und ſeinen Jungen alles zutrug, was es im Bruce gab: den Hafen und das friſchgeſetzte Kitz, die Eichkatze und das Wieſel, die Birkhenne und die Mutterente, den Brachvogel und die Krähe, die Kreuzotter und die Natter, den Hecht und den Aal. Acht Kranich— paare lebten hier und erfüllten morgens das Bruch mit Fanfarengeſchmetter, der Schreiadler jagte Maus und Froſch und der Wanderfalke ſchlug die Krähe und die Taube. Nach Hunderten zählten die Goldregenpfeifer des Bruches und nach Tauſenden die Bekaſſinen, und abends klang die ganze Luft vom Schwirren und Klingeln der Enten. Es iſt anders hier geworden. Die Eiſenbahn erſchloß das ſtille Heid- land. Der Kreis bewilligte den Kanal, der das Waſſer aus dem Bruche dem Fluſſe zuführte, und wenn die Bauern heute zur Kirche wollen, ſo brauchen ſie nicht mehr mit langen Stiefeln zu Pferde ſitzen, damit ihre Strümpfe trocken bleiben, denn quer durch das Bruch führt jetzt eine hohe Straße mit feſtem Damm aus $indlingen und nicht mehr ein Knüppel— damm, wie früher, der nur im trockenen Sommer nicht unter Waſſer ſtand. Rund um den Rand des Bruches verſchwand ein Stück Gdland nach dem anderen; die Bauern rodeten die Porſtbüſche, zäunten ein Stück Urland ein, ließen düngen und ihr Vieh dort weiden, halfen mit dem Spaten nach, wo ein Waſſerloch war, fuhren Kalk hinauf, legten Abzugsgräben, Stauwerke und Dämme an, und das Bruch entjäuerte ſich und ward zur Wieſe. Da wurde es dem Uhu unheimlich und er verſchwand. Ihm nach folgte der Schreiadler, und als die alten Kiefern fielen, kam der Wanderfalke nicht wieder und auch der Kolkrabe horſtet jetzt irgendwo anders, wo er Ruhe vor dem Menſchen hat. Don den acht Kranichpaaren iſt noch eins übrig— geblieben, der Schwarzſtorch läßt ſich nur noch ſelten blicken, die Rohrdommel nur zur Sugzeit, die Blauracken blieben aus, als die alten Eichen fielen, 299 N N 8 Steenhuizen. Naardermeer bei Amsterdam, Juni 1900. Kornweihen im Neſt. Eine Woche alt. der Wiedehopf nahm ab, von den vielen Goldregenpfeifern blieben zwei Paare übrig und die Bekaflinen ſchwärmen nun nicht mehr jo dicht, wie die Bienen. An buntem Leben mangelt es trotzdem nicht. Krähen ſind reichlich da, bei dem Anbauerhofe brüten Elſtern, der Storch kommt jeden Tag zu Beſuch, an Enten fehlt es nicht, in den moorigen Wäldern brüten Waldſchnepfen, auf den Wacholderbüſchen hält der Raubwürger Wacht, an den Gräben und Flüßchen fiſcht der Reiher, über die Wieſen ſchwebt die Mooreule, Stare kommen in Haufen, in dem Walddickicht locken die Dompfaffen, und zahllos iſt das Kleinvogelvolk, das die Büſche und Horſte und das Röhricht und die Wieſen belebt. Da ſind Bruchweißkehlchen und Schwirrſänger, Rohrammer und Pieper, Heidlerche und Goldammer, Meiſen von allerlei Arten, Gold— hähnchen, Saunkönig und Laubvogel, Fink und Hänfling, Singdroſſel und Amſel, Grasmücke und Kuhſtelze, Schwalben und Segler jagen hier, und im Mai läutet überall der Kuckuck. An Fröſchen und Mooreidechſen, Mäuſen und Kerbtieren allerart iſt Überfluß. 500 Steenhuizen. Naardermeer bei Amsterdam, Juni 1900. Kornweihen im Neſt. 14 Tage alt. Fuß eines Bläßhuhns auf dem Hejtrand. Sind auch die großen Räuber verſchwunden, der Räuber zweiter Stärke find genug da. Der Turmfalke ftreicht oft bis hierher, von Mäuſebuſſarden und Weſpenbuſſarden brüten mehrere Paare, ein Lerchenfalkenpaar hat ſich gehalten, der Sperber iſt nicht ſelten, ab und zu läßt ſich der Waldkauz hören, die Waldohreule iſt reichlich da, ebenſo die Mooreule, und die Rohrweihe einſt häufig hier, blieb in einem paare. Sie alle zuſammen aber geben dem Bruche nicht fo viel Reiz, wie die Kornweihen. Sie ſchweben über die grünen Wieſen, wehen vor den dunkeln Wäldern her, tauchen über dem fahlen Bruche auf und ſchwenken ſich über das braune Moor. Sie zerreißen den Chorgeſang der Kleinvögel mit gellendem Rufe und beleben die Luft mit dem Getaumel ihres Balzſpieles. Der Jagdpächter iſt ein verſtändiger Mann; er läßt fie gewähren. Er weiß, daß fie ihre Kröpfe mit den Eiern von Lerche und Pieper, Ammer und Rohrfänger füllen, daß ſie die Jungente ſchlagen und das Seldhuhn- geſperre vermindern, er lockt ſie, ſitzt er bei der Balzjagd im Schirm oder ſteht er auf dem Anſtand im dichten Wacholderbuſch, oft mit dem Mäuſe— 301 pfiff ſo nahe vor ſich, daß er die gelben Augen in dem Eulengeſicht erkennen kann, aber es fällt ihm nicht ein, den Drückefinger auf ſie krumm zu machen. Iſt er auch kein kunſtverſtändiger Mann, der klugrechnende Kaufmann hat ein herz im Leibe und Augen, die ſich an allem, was ſchön und edel iſt, erfreuen, und jo gönnt er dem letzten Habichtspaare den Faſan, dem Kolk- raben den Junghaſen und den Weihen das, was ſie brauchen, denn es iſt genug im Bruche für ſie, wie für ihn. Er möchte ihn nicht miſſen, den bläulichweißen Dogel, der jetzt im ſtetigen Fluge über die goldrot blühenden Porſtflächen zieht, nun über die Wieſen jchaukelt, ſich im Kreiſe dreht, bis auf den Boden ſchwebt, ſich wieder aufnimmt und umwendet, um mit langſamen Fittichſchlägen jetzt das Buſch— werk am Staugraben zu überſteigen und nun ohne Flügelſchlag über das grüne Wieſenland dahinzuſchweben und vom braunen Moore ſich abzuheben, wie eine lichte Erinnerung in einer dunkeln Stunde, und der jetzt verſchwindet, wie ein fallender Stern in der Nacht. Su viele ſchöne Erinnerungen an ein— ſame Weidmannsſtunden verknüpfen ſich dem Manne beim Anblicke des gefiederten Käubers, Stunden, in denen er vergaß, daß es ein Hauptbuch gibt und eine Konkurrenz, gegen die er ſich wehren muß Tag für Tag. Dicht vor ſeinem Derjteck her wiegt ſich ein bräunliches Weihenweibchen über den Boden hin, ſo nahe an ihm vorbeiwehend, daß er jeden lichten Federſaum der Schwingen, jede dunkle Federmitte des Bauches erkennen kann. Jetzt wendet es, beſchreibt einen Kreis, dreht ſich in einer Schraube bis auf das Torfmoospoliter, krallt einen Moorfroſch auf und ſinkt mit der Beute hinter die Porſtbüſche. Dann kommt von dort, wo es verſchwand, ein halblauter Katzenſchrei und findet Antwort in einem harten Gemecker aus hoher Luft. Da ſchwebt das lichte Männchen, zieht weite Kreiſe, anmutig die Schwingen haltend, wirft ſich ſteil empor und fällt in einer Sickzacklinie dahin, wo das Weibchen harrt, es mit ſich in die höhe nehmend. Dort ſchwimmen ſie beide ohne Flügelſchlag, ſilbern der eine im Frühſonnenſcheine, golden der andere, zwei Kreiſe beſchreibend, die ſich bald ſchneiden, bald ausſchließen, dann und wann meckernd, hell und hart das eine, dumpfer und weicher das andere, bis das Männchen ſich wieder in die Tiefe wirft und, in edlem Bogen auf— ſteigend, abermals hinabfällt, gellend dabei ſeine Stimme ertönen laſſend. Unbekümmert um das Spiel des Weihenpaares balzt unter ihm ein Birkhahn. Ohne auf ſie zu achten, fällt ein Erpel in dem Graben ein und ſchnattert zwiſchen dem Gekräut umher. Die Krähe, die ſonſt ſelbſt den Buſſard beläſtigt, tut ſo, als gingen ſie die beiden nichts an, und ruhig ſteht in der Wieſe der Kiebitz. Der Rohrammer bleibt auf dem Weidenbuſche ſitzen und ſingt weiter, auf dem grauen Gebälke des Wehres hüpft der Saunkönig umher, die Bachſtelze trippelt auf dem Damme herum und die Bekaſſine 302 79 Steenhnuizen Naardermeer bei Amsterdam, Juli Nahezu flügge Kornweihen im Neſt. lockt unverdroſſen weiter. Solange die Sonne hoch und die Luft klar iſt, braucht der die Weihe nicht zu fürchten, der helle Augen und flinke Flügel hat oder rechtzeitig ſein Schlupfloch im Damme oder des Porſtbuſches Gewirr zu erreichen weiß. Und jetzt, wo die Weihen beim wilden, lauten Liebes— ſpiele ſind, da weiß jeder Vogel im Bruche, daß fie dann Jo ungefährlich ſind, wie der Ammer auf dem Weidenbuſche und der Saunkönig auf dem Balken— werke. Wenn aber der Birkhahn fein Abendbalzlied anſtimmt, wenn die Moor— eule ihren Kaubflug beginnt, der Bock aus der Dickung tritt und der Fuchs den Damm entlang ſchleicht, wenn die Nebel die Porſtbüſche umquellen, dann wird aus dem lichten Gaukler der bleiche Mörder. Mit leiſem Eulen— fluge ſchwebt er dicht über den Boden und ſeine gelben Augen erſpähen das Mäuschen im Graſe, den Pieper im Mooſe, die Lerche im Heidkraut. Die langen, gelben Füße ſind blitzſchnell, die Sehen totſicher, die Krallen dolch— ſpitz, ſie greifen niemals vorbei und was ſie faſſen, das halten ſie feſt. Und alles iſt ihnen recht, was da lebt und webt, ganz gleich, ob es Federn oder Haar, Schuppe oder Schild, nackte Haut oder harten Panzer trägt. 905 Die Lerche auf dem Neſt muß ſterben und ihre Eier wandern heil und ganz hinein in den Schlund, zu dem Schwimmkäfer, der auf dem Seerojenblatte zum Fluge die Schwingen reckte, zu der Spitzmaus, die über den Fußſteig huſchte, zu der Blindſchleiche, die im Mooſe kroch, zu der Grille, die ihr Liedchen fiedelte. Es iſt eine böſe Seit, die Stunde nach dem Derjchwinden der Sonne, und erſt, wenn der Himmel dunkel und das Bruch hell vom Nebel wird, haben die kleinen Tiere vor der Weihe Frieden. ö Wenn aber die Sonne über die Geeſt ſteigt und dem dunkeln Walde Gold in die Locken ſtreut, für die Birkhähne die ſtille Stunde und für die Bekaſſinen die Schlafenszeit kommt, wenn die Krähe quarrend durch den Nebel rudert und der Schwarzſpecht ſein höllenlachen losläßt, die Kraniche ihr Trompetenduett beginnen und der Brachvogel dazu die Flöte ſpielt und die Mooreule zum letzten Male ſich meckernd aus der Höhe wirft, dann iſt der bleiche Mordvogel wieder da und langt die Lerche aus der taufeuchten heide und den Moorfroſch vom naſſen Moospolſter, knickt den Pieper und würgt die Wühlmaus, bis die Sonne den Nebel verjagte und das Moor mit Diamanten und die Birken mit Smaragden beſtreut und aus dem bleichen Mörder wieder den lichten Gaukler macht, der mit weichem Liebesfluge und hartem Schrei dem Bruche wunderbare Keize verleiht. Dann ſpielen hier über der Wieſe und dort an dem Bache und da über dem Porſte und drüben vor dem Walde die Paare in der Luft, ſilbern das Männchen, goldig das Weibchen, und der Menſch, der Augen hat zu ſehen, dem lacht das Herz im Leibe und er weiß, daß den Begriff vom nützlichen und ſchädlichen Dogel ein Mann erfunden hat, der ſtatt Blut Waſſer in den Adern hatte und ſtatt der Augen ein Paar Brillengläſer im Geſichte. Es iſt ja unglaublich viel an Kleingetier, das ein Weihenpaar umbringt, und hat es erſt für ſeine Brut zu ſorgen, ſo ſchleppt es Unmaſſen von Jung— vögeln nach dem ſtruppigen Horſte im Wirrwarr der Porſtbüſche und den gierhalſigen Jungen ſpeit es im Laufe des Dorſommers Hunderte von Dogel— eiern vor. Aber das Bruch wimmelt jahraus, jahrein von Vögeln, obzwar mehr als zwanzig Weihenpaare jeden Tag dort jagen, und die Feldhühner nehmen von Sommer zu Sommer zu. Die Welt iſt jo arm geworden an ſchönem und großem Raubgeflügel, aber immer noch gibt es Gemütskrüppel, denen die Welt noch viel zu bunt iſt, und damit ſie bald langweilig und öde werde, wie ſie ſelber, ſagen und ſchreiben ſie unentwegt von der Schädlichkeit der Weihe und finden immer noch Narren, die es ihnen glauben. Wer aber rotes Blut im Leibe und blanke Augen im Kopfe hat, der gönnt der Weihe die Lerche und den Ammer, das Feldhühnchen und den Junghaſen, denn davon gibt es mehr als genug. Der graue Steinſchmätzer. Von Martin Braeß. Die Ackerfurchen ſtrömen kräftigen Erdgeruch aus. Weit dehnt ſich die violettbraune Fläche; ſie ſteigt in der Ferne zur halben Höhe des Hügels empor, der von Buſchwerk und einigen Bäumen gekrönt wird. An der Seite des Hügels, rötlich ſchimmernd, ein Steinbruch; dürftige Birken ſchauen vom Rand in die Tiefe hinab. Das erſte Lenzgrün liegt nur wie ein ſanfter Hauch über ihrem zarten Geäſt; um ſo üppiger ſproßt die Winterſaat auf den Feldern, die links und rechts an den Sturzacker grenzen. Ein Vogel hat auf einem HGrenzſtein Poſto gefaßt; er knixt und bewegt wippend das Schwänzchen. Nun ſchaut er ſich um, in geitreckter, aufrechter haltung, den Schwanz nach unten geneigt, ganz anders als die Bachſtelze ſitzt, mit der fein Gefieder in den Farben einige Ähnlichkeit hat; denn es iſt auffallend hell. Oberkopf, Nacken, Schultern und der ganze Rücken gleichmäßig aſchgrau, die Unterſeite weißlich mit roſtgelbem Anflug, dunkle Schwingen und als beſonderer Schmuck jederſeits ein breiter ſamt— ſchwarzer Sügel, der ſich von der Schnabelwurzel übers Auge faſt bis an den Hinterkopf zieht. Das eigentümlichſte aber iſt doch das Schwänzchen: glänzendes Schwarz und ſchneeiges Weiß, ſo verteilt, daß das Weiß des Bürzels ſich noch auf zwei Drittel der Schwanzlänge erſtreckt, nur in der Mitte vor den ganz ſchwarzen Fächerfedern zurüchweichend. Steinſchmätzer hat man den Dogel genannt, weil er gern ausgedehnte Steinbruchs- oder Bergwerkshalden, Schluchten und Hohlwege mit Felſen— wänden, ſteinige Flußufer, Klippen am Meeresſtrand, mit Steinmauern be— feſtigte Weinbergsgehänge, Acker mit Feldſteinhaufen und ähnliche Orte zum Aufenthalt wählt. Jetzt iſt er eben von der Reije zurück; Ende März, Anfang April wählt er zum Ankunftstermin. Dielleicht iſt er zuſammen mit ſeinem Weibchen gereiſt, das ſich jetzt neben ihm zeigt; wie ein Fetzen weißen Papiers, das der Wind über den Erdboden treibt, wie eine Gänſe— feder kam es geflogen. Mit lebhaftem Lockton wird es empfangen, und nun ſchwatzen und tändeln die beiden, von Scholle zu Scholle flatternd, von Stein zu Stein einander verfolgend. Das Männchen beginnt ab und zu einen kurzen Geſang; an die weiße Bachſtelze erinnert's oder an Braunkehlchens Lied. Diel iſt nicht daran, und auch der kleine Sänger betrachtet ſeine Leiſtung nicht gerade als Kunſt, ſonſt würde er die Fliege unbeachtet laſſen, die dort herbeiſummt. Aber ſein Liedchen trällernd, Vögel II. Copyright 1910, R. Voigtländers Verlag in Leipzig. N 20 305 W. Farren. Near Mildenhall (Suffolk), Mai 1905. Steinſchmätzermännchen am Neſt. fliegt er ihr entgegen, ſchnappt ſie aus freier Luft weg und verſchlingt fie, ohne ſich im Geſang unterbrechen zu laſſen; ein wirklicher Künſtler ſingt und ißt nicht zugleich. Und doch in öder, einſamer Gegend findet auch Stein— ſchmätzers rauhe Strophe einen Widerhall in jedem empfänglichen Gemüt. Einen geeigneten Brutplatz ſuchen die Steinſchmätzer bald nach ihrer Rück— kehr auf; denn es ſcheint, ſie kommen bereits gepaart in der nördlichen Heimat an. Unſer Pärchen weiß, wo es ſeine Wohnung aufſchlagen will; ſchon im vorigen Jahr brütete es in dem verlaſſenen Granitbruch an der einen Seite des Hügels, der ſich aus den Feldern erhebt, und an der bewährten alten Wohnſtätte hält man gern feſt. Aber mit dem Neſtbau hat es noch gute Weile. Die Flitterwochen wollen die Dögel in Lujt und Frohſinn genießen. Flüchtig durchſtreifen ſie die nähere und weitere Umgebung ihrer künftigen Wohnſtätte, überall kurze Seit weilend, auf jedem auffälligen Stein, auf jedem Chauſſeehaufen Platz nehmend. Stets ein Bückling, ein ſchnalzender Ton, ein Wippen des Schwanzes beim Niederlaſſen ſowohl wie beim Abflug. Hurtig und geſchickt in jeder Bewegung. Auf dem Boden hüpfen die ſchlanken, hohen Cäufe ſo ſchnell, daß es wie ein eiliger Lauf ſcheint, den Bachſtelzen gleich; jedes Hindernis wird im Sturme genommen, und der flachbogige Flug geht pfeilſchnell dahin, faſt immer dicht über der Erde. 306 W. Farren. Near Mildenhall (Sufolk), Mai 1905. Steinjhmäßerweibdhen am Neſt. Nur wenn die Liebe erwacht iſt, vergeſſen die Dögel oft ſolche Doriicht. Singend ſteigt das Männchen von ſeinem Lieblingsplat einige Meter in ſchiefer Richtung empor, wie es der Baumpieper macht, und ſtürzt ſich dann ſchnell in eigentümlicher Schwenkung wieder nach dem Plätzchen oder einem andern Sitzpunkt herab. Es zeigt ſeine ganze Schönheit dabei, den geſpreizten ſchwarz-weißen Schwanzfächer und den ſchneeigen Bürzel; ja manchmal treibt es den Balzflug ſo toll, daß es ſich in der Luft überſchlägt. Dann gleicht es ganz einem Fetzen weißen Linnens, den ein Windſtoß gepackt hat. Don andern Kleinvögeln mögen die beiden nichts wiſſen; namentlich dulden ſie kein zweites Pärchen in ihrer Nähe. Auch mit andern Dögeln iſt Sank und Streit an der Tagesordnung; aber ſchließlich meint man's doch nicht ſo ernſt, und gönnt dem Bachſtelzenpärchen ein Plätzchen unfern des eigenen lleites. Der Mai iſt gekommen; da heißt es endlich: an's Werk! Über den Platz ſind die beiden längſt einig: eine Felſenſpalte im Steinbruch. Der Eingang it weiter, als man ihn braucht; aber die tiefe, ein wenig aufwärts führende Spalte verengt ſich nach innen. hier wird das Weibchen ruhig brüten, ungefährdet werden die Jungen aufwachſen; keiner ahnt, daß in dem ſtarren Granit ein Mutterherz ſchlägt und kleine Weſen fröhlichem Leben entgegenträumen. 20 * 307 O. Grabhann. Yorkshire, Juni 1906, Steinijhmäßerweibden mit Futter im Schnabel. Höhlenbrüter haben es immer leicht mit dem Neſtbau; ſie brauchen nicht ängſtlich abzuzirkeln, nicht künſtlich die Wandung der Kinderwiege zu flechten. Wenn auch hier ein paar Grasblätter oder Halme wirr herausragen, dort helle Federn von Tauben oder Gänſen ſich vordrängen, was ſchadet's in der dunkeln Höhle; das Neſt im Hintergrund des über Fuß langen Spaltes ſieht doch kein unberufener Blick. So iſt es nicht gerade ein Kunſtbau; aber die locker ineinander geſchobenen Würzelchen, die trocknen Stengel und Blätter füllen den Raum zwiſchen den Felswänden zweckmäßig aus, und die Pflanzenwolle, die Diſtelflocken, die Haſen-, Kälber-, Pferdehaare, Federn vom Rebhuhn, von Tauben und anderm Geflügel bilden inmitten des wirren Haufens ein warmes, weiches Polſter. In ſolch verborgenem Neſtchen liegen fünf oder ſechs Eier, ausnahms— weiſe auch einmal ſieben. Licht blaugrün ſehen ſie aus, ſanft grünſpanfarbig mit mattem Glanz, in den meiſten Fällen fleckenlos, nur ausnahmsweiſe mit winzigen roſtbraunen Pünktchen gezeichnet. Hier in der finſtern Höhle iſt dieſe ausgeſprochene Schutzfärbung der Eier allerdings ohne jede Bedeutung; da würde auch eine weiße Kalkſchale genügen. Aber es ſteht nicht jedes Steinſchmätzerneſt in einer jo völlig abgeſchloſſenen lichtloſen Höhle, wenn es auch wohl immer von oben her gut überdacht iſt, und dann, wer weiß, ob nicht vor Seiten auch der Steinſchmätzer wie ſein Verwandter, das Braunkehlchen, zwiſchen dem grünen Gras ſein Neſt baute; die Farbe ſeiner 308 Ver * Near Mildenhall (Sufolk), Mai 1905. Steinſchmätzermännchen am Neſt. — V. Haren. Eier würde ja ſo gut dazu paſſen. Gelegentlich findet ſich wohl auch ein Steinſchmätzerneſt in einem tiefen alten Fahrgleis oder unter einem Stamme, unter einem bemoſten hohlliegenden Stein — von der Seite ſind die Eier dann ganz gut zu ſehen; aber durch Schaden gewitzigt, ſuchen die meiſten, wenigſtens die älteren erfahrenen Pärchen, ein etwas ſichereres Aſyl auf, wenn nicht eine Spalte im anſtehenden Felſen, ſo doch ein Coch in der baufälligen Granitmauer des einſamen Friedhofs, einen Winkel in einem Holzſtoß, Der— tiefungen in den Wänden von Ton- oder Lehmgruben, oder ſie benutzen den Unterſchlupf, den ſich ehemals irgendein anderes Tier, Dogel oder Dierfüßler, gegraben hat, den Bergwerksſtollen der Uferſchwalbe, wenn er nicht gar zu eng iſt, den Kaninchenbau, ein Mauſeloch und dergl. Die Schutzfarbe der Eierjchalen iſt noch geblieben; die Einrichtungen des Körpers und ſeine phnlio- logiſchen Funktionen ändern ja nicht ſo ſchnell ab, wie die wechſelnden Ge— bräuche und Sitten. Das Weibchen brütet allein, 14 Tage lang, wie die meiſten Dögel von ähnlicher Größe. Oft ſitzt das Männchen auf irgendeinem hervorragenden plätzchen, faſt immer auf Steinen, und trällert ſein Liedchen. Dabei hält der wachſame Dogel ſtets Umſchau und meldet mit ſchnalzendem „tack tach“ und nervöſem Knickjfen jede Gefahr, denn Steinſchmätzer ſind von Natur ſehr ängſtliche Dögel. Auch dem Menſchen trauen ſie nicht, am wenigſten in der nähe des Neites. An der Candſtraße fliehen ſie mehr ſpielend vor ihm, wie 309 Stephainsky. Fägerhaus Tillowitz (Ober-Schl.), Juni 1909. Steinſchmätzerweibchen auf einem Holgzſtoß. Bachſtelzen oder Goldammern, immer von einem Steinhaufen zum andern; an der Brutſtätte aber fliegen ſie eiligſt von dem Sitzplatz herab, unten am Boden hin und ſchwingen ſich dann zu der Kluft empor, die das Neſt birgt, wo ſie im Dunkel verſchwinden. Iſt's aber ein ſchleichender Marder, eine Katze oder auch nur ein kleines Wieſel, ſo kennt ihre Angſt keine Grenze; lie umkreiſen den Räuber und ſtoßen ſcheinbar nach ihm, und manchmal mag's ſein, daß er ſich wieder zurückzieht, oft aber werden Eier oder Neſt— junge dieſen Hauptfeinden der Steinſchmätzer zur Beute. Die folgenden Wochen ſind den ausgeſchlüpften Jungen gewidmet. Swi— ſchen den Steinen der Halden, an den Blättern der jungen Kohlſtauden auf dem Acker, am graſigen Feldrain, überall gibt's Inſekten, Käfer und ihre Larven, Raupen vom Weißling, Fliegen, Kleinſchmetterlinge, außerdem Spin— nen der verſchiedenſten Art. Sobald man etwas erwiſcht hat, geht's hurtig hinein zu den Jungen; die ſind ſtets dankbare Abnehmer. Oft ſitzt das Männchen auf einem Steinblock, das mehr rötlichgrau, viel unreiner und weniger lebhaft gefärbte Weibchen nicht weit davon auf einem höheren Pfahl, beide voll Erwartung, ob ſich nicht etwas am Boden bewegt. Schnell fliegen ſie dann hin und nehmen es auf. Die Kunjt des Fliegenſchnäppers 510 W. Wilson. Skipton in Craven (Yorkshire), Juni 1906. Junge Steinſchmätzer. und Kotſchwänzchens veriteht der Steinſchmätzer gleichfalls; das vorüber- fliegende Inſekt fängt er von ſeinem Sitzplatz mit gewandter Schwenkung im Fluge. Auch wenn ſie Niederjagd treiben und gar eilig auf kahlen, ebenen Flächen oder auf kurzem Rajen ſcheinbar mehr rennen, als hüpfen, flattern ſie jeden Augenblick den fliegenden Inſekten in kurzem Flug nach. In der zweiten Hälfte des Juni ſind die Jungen flügge. In ihrem erſten Jugendhleidchen gleichen die Kinder den Eltern nur wenig. Alle oberen Teile ſind matt roſtgrau mit gelblichen Schaftſtrichen und graubraunen Endkanten der einzelnen Federn, die Unterſeite aber erſcheint auf gelblichweißem Grunde braungrau gefleckt oder geſchuppt. Der Schwanz trägt ſchon die charakteri— ſtiſche Farbenzuſammenſtellung, wenn auch noch nicht in voller Schönheit, und auch die dunkeln Sügel im Geſicht ſind bereits durch braune Federchen angedeutet. Im Augujt mauſern die Jungvögel, dann wird ihr Kleidchen dem der Mutter ſehr ähnlich. Auch die Alten bekommen um dieſe Seit ihr Herbſtgewand, deſſen friſche Farben den Vögeln ungemein gut ſtehen. Schon Ende Auguſt denken die Steinſchmätzer an die bevorſtehende Herbſtreiſe. Ihrer Unruhe merkt man es an; in der Nähe des Niſtplatzes weilen ſie nur noch ſelten, ſondern unternehmen immer weitere Ausflüge. 311 M. Behr. Amrum, Funi 1907. Vier junge Steinſchmätzer in einer — geöffneten — Karnicelröhre. Eines Morgens in den erſten Tagen des Herbſtmonds find fie verſchwunden. Familienweiſe ziehen ſie zu nächtlicher Stunde. Weit, weit geht die Keiſe; denn man trifft während des nördlichen Winters den grauen Steinſchmätzer ſelbſt in den Aquatorgegenden Afrikas an; die im nördlichen Alien heimiſchen ziehen nach Indien, und die Brutvögel des nordöſtlichen Amerikas und Grön— lands ſüdwärts bis nach den Bermuda-Inſeln. Der Dogel iſt zirkumpolar über faſt alle nördlicheren Gebiete der Erde verbreitet, und wenn er auch für Deutſchland zu den Arten gehört, die ſchon im Hochſommer der Heimat wieder Lebewohl ſagen, ſo ſcheint er ſich doch gerade in nördlicheren Cändern ganz beſonders wohl zu fühlen. Auf den frieſiſchen Inſeln iſt er ſehr häufig, beſonders auf Borkum, wo ihn jedes Kind kennt; denn er baut hier ſein Neſt gern unter die niedrigen Abdächer der kleinen Inſulanerhäuschen, zwiſchen das aufgeſtapelte Brennholz, oder benutzt in den einſamen Dünen Kaninchenhöhlen oder jedes andere Loch. Auch teilt er mit der Bachſtelze die Vorliebe für alte Konſervenbüchſen, die auf Schuttabladeſtellen in Maſſen umherliegen. Ebenſo häufig bewohnt der Steinſchmätzer die Küſten und Inſeln der Oſtſee. In den 512 Klippen auf Bornholm, an deren Fuß brandend das Meer kocht, hauſt er in großer Menge; auch belebt er in jtattlicher Anzahl die einſamen Landſchaften der ſkandinaviſchen Länder, die Sjords der Weſtküſte und die §jelde im Innern Norwegens bis zum höchſten Norden hinauf. In welcher Menge die Dögel dort hauſen, das beweiſt ihr Rückzug im Herbſt, wenn fie an den deutſchen Küſten oder den vorgelagerten Inſeln raſten. Gegen Mitte Auguſt bemerkt man die erſten Reijenden, ausſchließlich Jungvögel in braunem Kleide ; bald aber nimmt die Sahl der jungen und alten Steinſchmätzer jo zu, daß große Strecken, ja ganze Inſeln geradezu mit dieſen Vögeln überſät ſind. Auch auf Island gehört der Steinſchmätzer ſtellenweiſe zu den recht häufigen Brutvögeln, ſowohl in den Berglandſchaften mit den Steilfelſen und Geröllfeldern — ſelbſt dicht unter der Schneegrenze baut er am öden Gebirgsgipfel ſein Neſt — wie auch unmittelbar am Strand oder im frucht— baren Flachlande. Don hier ſcheinen die Vögel im Herbit über die Färöer und Shetlandinſeln, über Großbritannien, Frankreich und Spanien nach Weſtafrika zu ziehen. Am weiteſten polwärts dringen aber die grönländiſchen Steinſchmätzer vor; denn man hat ſie an der Weſtküſte der Inſel noch unter 75° brütend gefunden, ja an der Oſtküſte kommen ſie bis 75° jogar außer— ordentlich zahlreich vor. Sie gehören der amerikaniſchen Form an, die eine Spur größer iſt, als unſre mitteleuropäiſche. Und wie der Norden den Stein— ſchmätzer nicht ſchreckt, ſo ſiedelt er ſich auch in den höchſten Gebirgen mit Vorliebe an. In den Alpen, in den Karpaten baut er ſein Neſt zwiſchen dem Schuttgeröll, oft hoch über der Baumgrenze, und im Kaukaſus hat man ihn noch bei ungefähr 3000 Meter Meereshöhe gefunden. 1 — 01 Whalley (Lancaster), Juli 1908. Sperberpärchen am Horſt. Der Sperber. Don Hermann Löns. Auf der einen Seite der großen Stadt zieht ſich ein großer, ſchön gepflegter, nach der Stadt zu in bunte Anlagen umgewandelter Wald mit viel Unter— holz, buſchigen Blößen, Gräben, Teichen und künſtlichen Bachläufen hin. Auf der anderen Seite der Stadt liegt rechts und links neben dem Fluſſe ein ausgedehntes, teilweiſe parkartig behandeltes, mit alten hohen Pappeln und Weiden beſtandenes Wieſengelände, in dem zwiſchen künſtlichen, von buntem Alpengeblüme überwucherten Felſen künſtliche, buchtenreiche Teiche liegen. In dem Walde ſind eine Anzahl Kaffeewirtſchaften. In einer davon ſitzt ein Brautpaar, macht ſich verliebte Augen und freut ſich über ein Buch— finkenpaar, das vor ihnen zwiſchen den Taſſen herumhüpft und die Kuchen— krümchen aufpickt. Plötzlich ſchreit irgendwo eine Amſel auf, in demſelben Augenblicke ducken ſich die Buchfinken zum Abfliegen, aber da huſcht auch ſchon ein braunes Ding über den Tiſch, greift faſt gleichzeitig die beiden Finken und ehe Braut und Bräutigam den Dorgang recht begriffen haben, iſt das braune Ding mit den Dögelchen ſchon verſchwunden. Juſt zu derſelben Seit ſitzen zwei ältere Herren mit ihren Eheliebſten auf einer Bank in den Anlagen jenſeits der Stadt, freuen ſich über die bunt— blühenden Alpenpflanzen auf den von der Sonne beſtrahlten Kalkfelſen und ſehen einem Amſelhahne zu, der mit einem gewaltigen Aufwande von haſtigen Bewegungen am Rande des Teiches herumſtochert. Da kommt ein braunes Ding dicht vor den vier Ceutchen vorbeigefegt, ſauſt auf die Amſel zu, packt ſie und fliegt damit über den Teich. Sowohl der glückliche Bräutigam wie einer der beiden alten Herren ſind Mitglieder des Dogelſchutzvereins und ſchreiben eine Karte an die Seitung, in der ſie den Dorfall ſchildern und von dem Dogelichußverein verlangen, daß er die Ausrottung der Räuber veranlaſſe. Und wie es meiſt ſo iſt, regnet es derartige Einſendungen und der Redakteur weiß ſchließlich nicht, wo er mit den Nachrichten über die Untaten des Sperberpaares bleiben ſoll. Dorgeitern wurde ihm gemeldet, daß ein Sperber in der Mitte der Stadt aus dem Garten eines Cafés einen Spatzen gegriffen habe, geſtern kommt ein Brief, in dem ausführlich dargeſtellt wird, wie ein Sperber vor dem Fenſter einer Schule einen Kotſchwanz fortfing, heute liegen drei Karten mit ähnlichen Meldungen vor, nur daß die Opfer ein Grünfink, ein Buch— fink und eine Singdroſſel waren, die an belebten Plätzen vor den Füßen der 315 W. Wilson. Barden (Yorkshire), Mai 1900. Sperberhorſt mit Gelege. Spaziergänger geſchlagen wurden, und zuletzt erſcheint ein Mann und erzählt lang und breit, ein Raubvogel ſei durch das eine offene Fenſter in das simmer gekommen, habe ihm einen fingerzahmen Wellenſittich von der Schulter ge— nommen und ſei durch das andere Fenſter damit verſchwunden. Der Dogelſchutzverein ſetzt einen Preis auf die Köpfe der Sperber aus und die ſtädtiſchen Waldwärter geben ſich die größte Mühe, die Gaudiebe zu erwiſchen; es gelingt ihnen aber weder, ſie ſelbſt zu erwiſchen, noch den Horſt ausfindig zu machen. Es haben ſich nämlich ein Sperbermännchen und ein Weibchen zuſammengefunden, die mit dem Großſtadtleben ſo vertraut ſind, daß ſie ganz genau wiſſen, wie man ſich zu verhalten hat, daß man am ungeſtörteſten da raubt, wo es von Menſchen wimmelt, am ſicherſten da ſchläft, wo die Räder und Wagen und Automobile einherfligen und -raſſeln und donnern, und daß man ſeinen Horit dort am beiten baut, wo recht viele Derbotstafeln im Walde ſtehen. R. Kearton. Westmorland, Juni 1907. Alter Sperber am Horjt mit Jungen. So gut find die Sperber mit dem Großſtadtleben vertraut, daß ſie den milden Winter über im Lande blieben und gar nicht daran dachten, ſich den Gefahren einer Südlands- oder gar Afrikafahrt auszuſetzen. Spatzen gibt es in und bei der großen Stadt maſſenhaft, und Schwarzdroſſeln nicht wenig. Rund um die Stadt herum lebten Gold- und Grauammern, Grünlinge, Häuf— linge, Stieglitze, und im Walde und in den Gärten waren genug Buchfinken zurückgeblieben. Ab und zu kamen Flüge nordiſcher Droſſeln und Bergfinken durch, auch Kreuzſchnäbel und Hernbeißer, und an Meiſen, Kleibern, Baum— läufern und Goldhähnchen mangelte es nie. Sudem barg der Wald viele Häher und viele vom Norden zugereiſte Ringeltauben. Und was das Beite war, überall waren Futterplätze angelegt, und da hüpfte und ſchlüpfte und ſchwirrte es den ganzen Tag und auch Mäuſe fanden ſich ſtets ein. So konnten die Sperber recht bequem leben. Vor den Menſchen hatten ſie gar keine Angſt. Wenn auch eine ganze 317 Familie hinter dem Fenſter ſtand und ſich über all das bunte Dolk freute, das ſich auf dem Futterbrette vor dem Fenſter gütlich tat, das war den Sperbern gleich. Unverſchämt, wie ſie waren, ſtrichen ſie an den Hausfronten entlang, vermieden klug die elektriſchen Leitungsdrähte und holten ſich von dem Futterbrette den Spatzen oder die Meiſe oder was es ſonſt gerade gab. So klug waren ſie ſchon, daß ſie nicht Tag für Tag dieſelben Stellen beſuchten. Drei Tage lang hintereinander raubten ſie auf dieſem Platze oder in jenem Garten, und dann verlegten ſie ihre Raubzüge in eine andere Ecke. Da niemand nach ihnen ſchoß, denn in der Stadt ging das nicht und im Stadt— walde auch nicht, ſo wurden ſie täglich frecher. Ausgerechnet der Dorſitzende des Dogelſchutzvereins, deſſen vogelliebes Herz ſich auf alles erjtreckte, was ungefähr zu den Singvögeln gehörte, ſelbſt auf die Spatzen, mußte es ſein, der folgenden Streich mit anſah. Er ſtand mit der langen Pfeife in ſeinem Garten und ſah den Spatzen zu, die mit viel Eifer einen Pferdeapfel auf unverdaute Haferkörner unterſuchten. Plötzlich ſchreien die Spatzen und fliegen durch das eiſerne Gitter in ſeinen Garten. Dor dem Gitter flattert der Sperber hin und her, rutſcht an dem Gitter her— unter, greift hindurch und zieht in demſelben Augenblicke ab, wie der ent— rüſtete Dogelfreund nach ihm mit der Pfeife ſchlug, was dem Sperber gar nichts, Pfeifenkopf und Abguß aber ſehr viel Schaden brachte. Wutentbrannt berief er eine außerordentliche hauptverſammlung des Dereines, verbreitete ſich des langen über den Sperber oder Finkenhabicht, auch Stößer genannt, im allgemeinen und unter Dorleſung der Seitungs— ausſchnitte über das ſtädtiſche Sperberpaar im beſonderen, ſchilderte mit glühenden Farben und unter ſtarker Entrüſtung den Dorfall, der ſich vor ſeinen, des Vorſitzenden, Augen in der letzten Woche abſpielte, ſtichelte ziem— lich deutlich unter dem Beifalle der Derfammlung gegen die ſtädtiſchen Forſt— beamten, die dem Unweſen nicht zu ſteuern imſtande wären, und richtete an ſämtliche Dereinsmitglieder die dringliche Aufforderung, den Horſt des Sperber— paares ausfindig zu machen, damit man die Alten beim Horſt abſchießen oder auf ihm mit dem Neſtgarn fangen könne. Am unterſten Ende der langen Tafel ſaß ein langer, dürrer Mann mit verſchoſſenem Schnurrbart, blätterte in aufgelegten Seitſchriften und grinſte, als der Dorſitzende ſchloß, ziemlich ſchmutzig in ſein Bierglas hinein. Er wußte, wo die Sperber horſteten, wußte ſogar im Stadtwalde zwei Horite und weiterhin mehrere, machte aber keineswegs den Mund auf und teilte ſeine Wiſſenſchaft mit, ſondern rauchte langſam und bejonnen an feiner Zigarre und dachte dabei: „Das möchtet ihr wohl, meine Herrſchaften! Nicht genug, daß ihr Stare im Großbetriebe züchtet, jo daß alle andern Höhlenbrüter allmählich vor ihnen verſchwinden, und über die Amſeln, dieſe Salatzerreißer und Eierzerpicker, eure hände haltet, und euch entrüſtet, wenn ein Junge 318 Stephainsky. Fagerhaus T Sperber mit geſchlagenem Rotſchwanz. Sichernd und kröpfend. Stephainsky. Fagerhaus Tillowitz, Ober-Schl., Fuli 1908. — 8 Sperberweibchen auf Kiefer. einen Spatzen mit der Gummiſchleuder erlegt, und neulich ſogar eine Proteſt— rejolution gegen meinen Freund Waldkauz faßtet, weil bei ſeinem Brutbaume Amjelfedern gefunden waren, wollt ihr auch meinen Freunden, den Sperbern, zu Leibe, die brav dafür ſorgen, daß die Spatzen, Stare und Amſeln ſich nicht noch mehr vervielfältigen, als es ohnehin ſchon der Fall iſt. Und wenn ſie auch Buchfinken mögen und Lerchen und Goldammern, von denen iſt ja auch ein reichlicher Dorrat.“ Aus dieſen Erwägungen heraus beſchloß er, ſeine Kenntnis für ſich zu behalten. Am anderen Tage, es war ein Sonntag, ſaß er in aller Frühe dort, wo ringsum im Stadtwalde die Derbotstafeln ſtehen, gut gedeckt in der Krone einer Eiche und rauchte ſeine Sigarre. Dreißig Schritte vor ihm erhoben ſich, von dichtbelaubten Eichen verſteckt, zwei Fichten, eng beieinanderſtehend. Swilchen ihnen ſaß ein unordentlich ausſehender Horſt. Daraus kamen ab und zu zwei, drei, auch vier wollige Köpfchen, die leiſe gierten. Dann und wann ſchwebte ein brauner Schatten heran, lockte mit leiſem „Hi-ki-ki“, fußte auf dem Horſtrande und ließ etwas fallen, und dann ging im horſte 320 Stephainsky. Fägerhaus Tillowitz, Ober-Schl., unt 1908. Brütendes Sperberweibchen. Bei großer Hitze den Schnabel öffnend. ein eifriges Zerren los. Mit ſeinem Glaſe konnte der Mann genau erkennen, was die alten Sperber ihrer Brut zutrugen. Su allermeiſt waren es Spatzen; dann kamen Buchfinken, ab und zu auch Amjeln, hin und wieder eine Meiſe oder ein anderer Kleinvogel, und mitunter auch eine Maus. Sehr vorſichtig und heimlich waren die Alten, und auch die Jungen gierten nur ganz leiſe. Im Frühling hatte der Mann das Sperberpaar bei ſeinem Minneſpiele oft beobachtet. So frech es ſonſt war, jetzt benahm es ſich ſehr ſcheu. Nur dort, wo höchſtens einmal die Forſtwärter hinkamen, trieben ſie ſich, und dort riefen ſie ſich, aber viel leiſer, als in den Heidwäldern und Berg— hölzern, klang ihr weiches, verliebtes „J-üh“, und niemals fiel es ihnen ein, wie in den ſtillen heiden, über dem Beſtande zu kreiſen. Es waren eben ganz andere Dögel geworden, dieſe Großſtadtsſperber, das ſah man ihnen ſchon am Federkleide an. Da war kein jchieferblauer Rücken, Reine roſtrote Weiche, keine weiße, gebänderte Bruſt zu ſehen; das Schlafen auf den ver— rußten, angeräucherten Bäumen hatte ihr Gefieder tiefgraubraun gefärbt, ganz ſo wie das ihrer Hauptbeute, der Spatzen. Vögel II. 21 321 Am Nachmittage radelte der Mann weit vor die Stadt hinaus, bis in eine hohe Heide, die an eine üppige Bachmarſch ſtieß. Er ſchob ſein Rad in einen Buſch und trat vorſichtig in einen dürren Kiefernſtangenort, bis er in deſſen Mitte war. Dort duckte er ſich in einen alten, breiten Wacholder— buſch, ſteckte ſich ſeine Sigarre an, legte ſein Glas zurecht und ſah den Hauben- meiſen zu, die vor ihm im Geäſte herumſchlüpften, und richtete ab und zu ſein Glas in die Krone einer ſchlanken jungen Kiefer, in der ein alter Krähen— horſt ſtand, aus der ab und zu ein lautes Gieren erklang. Ein helles, weit— ſchallendes „Kikikiki“ meldete ihm die Ankunft eines alten Sperbers. Lauter wurde das Gieren in dem Krähenhorſte. Da fußte auch ſchon das Sperber— weibchen auf einem Aſte, eine Maus in dem einen Griffe haltend. Schön blaugrau war das Weibchen, und der roſtrote Anflug an den Weichen bewies, daß es ein altes Stück war. Einen Augenblick ſpähte es umher, dann ſchwang es ſich auf den Horſt, verweilte einen Augenblick und ſtrich wieder ab. Salt in demſelben Augenblicke klang das „Kikiki“ wieder, nur dünner, und das Männchen, ein ſchmuckes Ding mit hellfuchsroter Unterſeite und ſchön blauem Obergefieder, hakte auf einem Aſte auf, äugte umher und warf ſeiner Brut den Grünling hin, den es in den Klauen hielt. Noch manches Mal ſaß der Mann in der Krone der Eiche im Stadtwalde und in dem Wacholderbuſche in dem Kiefernitangenorte und beobachtete die beiden Sperberfamilien, die mißfarbigen, ſchwarzen, beim Horſte heimlichen Großſtadtſperber, und ihre Gegenſtücke, die ſchmucken, bunten, am Horſte ſich ganz anders gebärdenden heidſperber. Als die Brut im Stadtwalde be— flogen war, da merkte kein Förſter, kein Spaziergänger etwas davon, daß hier fünf Jungſperber Unterricht im Kauben bekamen; im fernen Heidwalde dagegen ging es laut genug her, und das „Gäggäggäg“ und „Kikikiki” wollte den ganzen Tag über kein Ende nehmen. Als aber der Spätherbſt herankam, verſchwanden die Sperber aus der Heide, und auch die Jungſperber im Stadtwalde verließen ihre Heimat und zogen dem Süden zu. Der alte rußige Sperberhahn und ſein noch rußigeres Weibchen aber blieben ihrem Walde getreu, brachten nach wie vor Entſetzen über die Spatzen und Amſeln der Stadt. War es ſchlechtes Wetter, dann hockte das eine hier an einer Brandmauer und wartete, bis ein Spatz in die Nähe kam, und das andere lauerte irgendwo anders auf einem verſteckten Balkonſimſe oder hinter einem Schorniteine, und als der Frühling kam, ſahen beide eher wie Dohlen, denn wie Finken— habichte aus. Auch die Mauſer brachte ihnen kein bunteres Kleid; Ruß und Rauch färbten die neuen Federn bald ebenſo ſchwarzgrau, wie die alten. An einem abſcheulichen Tage, wo es vom Himmel ſchneite, was da nur herunterwollte, ſo daß ſelbſt die Spatzen ſchon am Nachmittage in ihre Cöcher krochen, ſaß das Männchen hungrig mit eingezogenem Kopfe auf dem Dache 922 , Farren. Cambridge, uli 1904. Sperber. Dunenjunge im Neſt. des Dogelhaufes im Soologiſchen Garten und machte lange Augen nach den Finken, Droſſeln und Amſeln, die unter ihm um den Futternapf herumhüpften. Da entdeckte es, daß an einer Stelle das Drahtgitter ein ſchmales Loch hatte. Es trippelte näher, zwängte erſt den Kopf, dann den Leib durch die Ritze, und während die Vögel entſetzlich ſchrien, ſchlüpfte es in den Käfig und hub ein großes Schlachten an. Dann, als es nichts mehr zu morden gab, ſchwang es ſich auf den Mauervorſprung in der dunkelſten Ecke unter dem Dache und ſchlief mit ſchlechtem, aber ruhigem Gewiſſen ein. Als es hell wurde, langte es ſich einige Dögel und kröpfte ſie in ſeinem Dachverſteche. Der Wärter machte ganz runde Augen, als er die Beſcherung ſah, und er bat den Direktor herbei. Man ſah das Loch in der Decke und ſchloß auf einen Marder. Die große Türe wurde aufgeſchloſſen, der Wärter öffnete ſie und wollte gerade in den Käfig treten, da flog der Sperber, nicht ohne den Kernbeiher, mit dem er beſchäftigt war, mitzunehmen, an ihm vorbei und vier erſtaunte Menſchenaugen ſahen ihm nach. Dem Weibchen, das viel ſtärker als das Männchen war, wurden mit der Seit die Spatzen langweilig und es ſah ſich nach lohnenderer Beute um. So hielt es ſich in der Nähe der Taubenſchläge auf einem Schorniteine ver— ſtecht und wartete, bis die Tauben ſich irgendwo niederließen. Und dann fing es eine, ſchleppte ſie hinter einen Schornſtein und rupfte ſie in Muße. 324 Gelang ihm der Fang nicht, retteten ſich die Tauben in den Schlag, jo war es frech genug, auf dem Trittbrett aufzublocken und ſich zu Fuß in den Schlag zu begeben und alle Tauben, bis auf eine, die es griff, hinaus— zutreiben. In anderthalb Dutzend Taubenſchläge wagten ſich nach ſolchen böſen Erfahrungen die Tauben nicht mehr hinein und in den Taubenſport— vereinen gab es lange Auseinanderſetzungen über das Thema: „Die Schlag— furcht der Brieftauben.“ Schließlich rannte das Männchen, als es in feiner Raubluſt einen Kana— rienvogel, der hinter einer Fenſterſcheibe umherhüpfte, kapern wollte, jo ſtark gegen das Glas, daß es betäubt auf die Straße fiel und von einem Jungen ge— griffen wurde, der es nach dem Soologiſchen Garten verkaufte, wo es aber trotz reichlicher Fütterung mit Spatzen und Mäuſen ſchon nach drei Tagen ein— ging. Das Weibchen nahm ein noch ſchrecklicheres Ende. Es griff auf einem belebten Platze eine Taube, konnte dieſe aber nicht ſchnell genug fortſchleppen und wurde, ehe es die Krallen aus ihr löſen konnte, von einem Automobil platt gewalzt. Beide Sperber, die zu jo vielen Lokalnotizen Deranlaſſung gegeben hatten, brachten es in der Seitung nun auch zu Nachrufen, wenn auch nicht gerade ſolchen ehrenvoller Art, und im Dogelſchutzvereine war große Freude. Nur ein Mitglied des Vereins nahm an dem allgemeinen Jubel nicht teil und beklagte, daß zwei ſo intereſſante Käuber, die ihm ſo manche genuß— reiche Beobachtung gebracht hatten, aus dem Stadtwalde verſchwunden waren. Als aber der April in das Land kam, trieb in aller Frühe dort, wo die vielen Derbotstafeln ſtehen, wieder ein mißfarbiges, rußiges Sperberpaar ſeine Minneſpiele, und es war ebenſo heimlich und vorſichtig, wie das frühere, ſowohl in ſeinen Liebesäußerungen als ſpäter beim Horſte. M. Steckel. Rossitten, Oktober 1909. Flugbild des Sperbers. 325 | Der ſchwarze Storch. | Don Martin Braeß. „Alſo auch bei den Störchen gibt's ſchwarze und weiße,“ jo meinte der ſechsjährige Bube, „genau wie bei uns und den Schafen, und die ſchwarzen bringen den Negermüttern die Kinder, aber die weißen bringen uns der Mama.“ Im Naturgeſchichtsbuch hatte der Kleine das Konterfei des Schwarzſtorchs geſehen und ihn an der ganzen Figur, an dem roten Langbein und Schnabel jofort als „Adebars“ Detter erkannt. Ob er wohl je in ſeinem Leben einen wirklichen Schwarzſtorch am Horſte erblicken, ob er den einſamen Fiſcher einmal im Waldtal belauſchen wird, wie er ſeine Beute beſchleicht, ob er je ſich freuen ſoll an dem ſchwebenden Flug, an dem majeſtätiſchen Kreiſen des ſtolzen Vogels, höher und höher bis zu den Wolken empor, ein winziger Punkt noch, der dem Auge im blauen äther entſchwindet! Ach, der ſeltſame, ſcheue Einſiedler des Waldes gehört für die meiſten Gegenden Mitteleuropas bereits der Vergangenheit an, und die wenigen Paare, die in Deutſchland noch horiten, ſind dem Ausiterben nahe. Auf die Proſkriptionsliſte hat man den ſchwarzen Fiſcher geſetzt — hüte dich, weißer Kollege, ſonſt geht es dir ähnlich! — Fiſche zu fangen, das iſt nicht erlaubt, weder dem bepelzten Getier, noch dem Vogel; das iſt aus— ſchließliches Vorrecht des Menſchen. Und einen Junghaſen aufſpießen, ein Küchlein vom Rebhuhn oder Faſan verſchlingen, unverzeihlicher Jagdfrevel iſt's; der Schütze lauert dem ſcheuen Wilderer auf, wenn er bei Sonnen— untergang einen der kahlen, ſtarken Aſte aufſucht, um hier die Nacht zu verbringen. hundertfach lohnt ſich der Schuß; denn die Geldprämie winkt. In der Tat, auf dem Ausiterbeetat ſteht der ſchwarze Geſelle innerhalb der reichsdeutſchen Grenze. Die weiten Wälder Oſtpreußens beherbergen noch etwa 55—60 Horſte; im Kreiſe Neuruppin befinden ſich drei, bei Celle in hannover noch vier — es ſteht alſo viel ſchlimmer um den Schwarz— ſtorch, als um den Kranich oder den Reiher; denn wenn man bereits die einzelnen Tiere und ihre Wohnſtätten zu zählen beginnt, iſt das Ende meiltens nicht weit. Ob es gelingt, den ſeltenen Dogel als Naturdenkmal auf deutſchem Boden zu erhalten — wer kann es wiſſen? Den Forſtſchutz— beamten und den Pächtern der Jagd in den preußiſchen Staatsforſten hat die Regierung ſeit ein paar Jahren die Pflicht auferlegt, den ſchwarzen Storch unbedingt zu ſchonen; aber natürlich in den Privatwaldungen iſt jeder ſein eigner herr, und wenn ſich der Fiſchräuber hier an den Teichen 326 und Seen zeigt, wird er verfolgt, mag ſein Horit auch im Staatswald unter ſicherem Schutz ſtehen. Weite Ausflüge unternehmen ja täglich die Dögel, denn ihr Niſtrevier iſt oft mehrere Kilometer vom Waſſer entfernt; ja manche mögen ſtundenweit fliegen, wenn ſich ihnen der Fiſchfang in der Nähe nicht mehr recht lohnt. Auch auf dem Sug fallen jo manche als „Seltenheit“ ſchießwütigen Schützen zum Opfer, und gerade durch derartige Derfolgung im Frühling mag es oft vereitelt werden, daß ſich hier und da ein Pärchen wiederum anſiedelt. Gelegenheit dazu wäre faſt in jedem deutſchen Gau reichlich vorhanden, und ganz vereinzelte Horſte finden ſich ja auch noch in allen preußiſchen Provinzen der norddeutſchen Ebene, ſowie in Mecklen— burg und Oldenburg, während das mittlere und ſüdliche Deutſchland den ſchwarzen Storch allerdings kaum kennt. In Jütland iſt er ſparſam ver— treten, auf den däniſchen Inſeln trifft man ihn nur ganz vereinzelt, in Schweden bewohnt er Schonen, Smäland und Gſtergötland (bis 58°) in wenigen Paaren; dagegen fehlt er Norwegen völlig. An der Ditjee geht er über Kurland und Livland nicht hinaus, während die weiten waſſer- und waldreichen Ebenen Mittel- und Südrußlands, ganz bejonders aber die einſamen Au- und Sumpfwälder an der Donau und ihren Nebenflüſſen in der ungariſchen Tiefebene noch zahlreiche Horſte beherbergen. In Alten reicht das Derbreitungsgebiet des Schwarzſtorchs durch Sibirien bis an den Großen Ozean; beſonders die Quellgebiete der fiſchreichen ſibiriſchen Flüſſe und die bewaldeten Hänge der Gebirgstäler in Turkeſtan ſind bevorzugte Wohnplätze dieſer Störche. Als Winterquartier ſuchen ſie Vorder- und hinter— indien und die benachbarten Inſeln auf, während die europäiſchen Schwarz— ſtörche ihren Winteraufenthalt zugleich mit dem weißen Detter namentlich in Nordoſtafrika nehmen. Bis zum Quellgebiet des Nils hinauf ziehen die ſchwarzen und weißen Wanderer, ja mancher mag auch erſt in Südafrika das Siel ſeiner Reije erkennen. An dem Brutgebiet weilt der Schwarzſtorch nur wenige Monate. Er kommt im April, und ſchon im Augult, ja ſchon Ende Juli, ſchicht er ſich wieder zum Wegzuge an. Hoch in den Lüften und ſtets nur am Tage zieht die kleine Geſellſchaft. Die einzelnen Pärchen erkennen die Heimat ſofort, zu der ſie alljährlich zurückkehren; in weiter Spirale trägt ſie ihr Fittich herab zu dem Horſtbaum. Wie herrlich das ſchwarze, purpurfarben und metalliſch grün übergoſſene Gefieder bei jeder Wendung des Körpers im Strahle der Sonne erglänzt! Jetzt ſtehen die beiden auf dem Rande des alten Neſtes. Die höchſte Eiche am Saum des Waldes trägt das jtattliche Haus, in dem jchon viele Geſchlechter das Licht dieſer Erde erblickten. Weit ſchaut er über die Wieſen und das ſumpfige Röhricht mit feinen Erlen und Eichen, wo eine ganze Geſellſchaft Fiſchreiher horſten, über den glitzern— den See in der Ferne bis zu den blauſchwarzen Höhen am Horizont; nach 327 der andern Seite aber nichts als mächtiger Wald, unüberjehbar. Daheim, wieder daheim! Die Wanderer ſtrecken und recken noch einmal die ſchwarzen, nur wenig ſchillernden Schwingen, ſchlagen ſie dann zuſammen, daß ihre äußerſten Spitzen den kurzen Schwanz überragen, und nun neſteln ſie mit dem lackroten Schnabel an Bruſt und Bauch. Dieſe Teile leuchten in reinem Weiß, wie die Unterſchwanzdecken und die Federn am Anfang der Schenkel — die Storchenfarbe, das Weiß, will der Neger nicht ganz verleugnen, zumal umgekehrt auch der Hausſtorch ſchwarze Abzeichen trägt. Dann werden die braunſchwarzen, aber ſtark glänzenden Rückenfedern in Ordnung gebracht, indem ſich Kopf und Langhals auf ihnen reiben. Hei! wie das gleißt und funkelt wie flüſſiges Erz, goldbraune Bronze und blauer Stahl, Kupferfarbe, Purpurrot, metalliſches Grün, und die lockeren, buſchigen, verbreiterten Kopffedern, die bei dieſer Haltung des Haljes deutlich hervortreten, wett— eifern mit jenem Grüngold- und Purpurgefunkel und heben ſich prächtig von dem weißen Unterleib ab. Solchen Metallglanz zeigt kein anderer europäiſcher Dogel, auch nicht die Elſter, nicht der Kiebitz, und ſelbſt der dunkelfarbige Sichler erreicht den Schwarzſtorch hierin nicht ganz. Dazu gibt auch das Weibchen ſeinem Gatten hierin kaum etwas nach; die beiden ſind gleich gefärbt, kein äußeres Kennzeichen verrät das Geſchlecht. Su Hauſe ſind ſie, in der Heimat, die ihnen vertraut iſt; man merkt’s an der Sicherheit all ihrer Handlungen. Sie kennen den Sumpf und den See, wo ihnen der Tiſch ſtets reichlich gedeckt war; ihnen gilt der erſte Beſuch. Auf dem Aſt einer Erle am Waſſer wird nochmals Poſto gefaßt und Umſchau gehalten, ob auch kein Menſch in der Nähe. Alles iſt ſicher; alſo hinab in das Schilf, deſſen junge, ſproſſende Spitzen dem Stelzenvogel kaum bis zum Ferſengelenk reichen. Bläßhühner und Enten fahren er— ſchrecht auseinander. Der erſte Froſch iſt gepackt und im Schlunde ver— ſchwunden; hier ein Blutegel, ein Wurm, eine Inſektenlarve, ein Waſſerkäfer, Kaulquappen eine ganze Portion — nach der weiten Keiſe iſt alles will— kommen. Aber nach Fiſchen gelüſtet's die beiden; vorſichtig ſchreiten ſie vorwärts, die langen Stelzen hoch hebend und nach jedem Schritt ſichernd. Jetzt ſtehen ſie draußen am Rande des Waſſers; nun jenkt ſich der Bajonette— ſchnabel, das blitzende Auge ſpäht unverwandt in die Tiefe — ein plötz— licher Ruck, ein kleiner Fiſch zappelt im hochroten Schnabel; er wird in die Höhe geworfen, und befriedigt ſchluckt der Fiſcher ſeine Beute hin— unter. Dann betreibt er weiter das lautloſe Handwerk, im ſeichten Waſſer ab und zu einen Schritt vorgehend, wobei er die Stelzen und Füße ſo vor— ſichtig hebt, daß der Waſſerſpiegel kaum erzittert und der ſchlammige Grund das Waſſer nicht trübt. Selten nur verfehlt der in die Tiefe ſtoßende Schnabel die Beute; ja faſt noch geſchickter als der weiße Storch iſt der ſchwarze Vetter bei ſeinem Geſchäft. Kleine Gräben und Tümpel, die er 328 F. Z. Stoll. Schleck-Stenden (Kurland), Sommer 1909. Junge Schwarzſtörche im Horſt. 25 Tage alt. täglich beſucht, fiſcht er vollkommen aus, und ſelbſt im klaren, jchnell fließenden Waſſer des Waldbachs weiß er die flinke Forelle zu packen. Jeder Floſſenträger bis zur Größe von Spannenlänge iſt dem Fiſcher will— kommen; nach Gattung und Art fragt er nicht. Schlammpeitzger, Rotaugen, Barſche, Stichlinge, Karauſchen, Schleien, junge Hechte und Kale, kleine Karpfen, alles wandert in den ſchier unerſättlichen Orkus, und wenn er 329 H. Z. Stoll. Schleck - Stenden (Kurland), Sommer 1909. 30 Tage alte Schwarzſtörche im Horſt. Der Horſt jteht auf einer trocknen Eſpe in ca. 60 Fuß Höhe. bisweilen auch eine Maus fängt und manches Inſekt von den Gräſern oder dem Boden ablieſt, Heujchrecken, Grillen und Käfer, auch ſehr geſchickt die flatternde Libelle erfaßt, jo will das nichts jagen gegenüber dem Schaden, den er dem Fiſchpächter durch ſeine Käubereien zufügt. An der gegenüberliegenden Bucht betreiben aſchblaue Reiher in ähn— licher Stellung das gleiche Geſchäft, und auch ein weißes Storchenpaar ſtolziert gravitätiſch in einiger Entfernung durch den Moraſt. Aber die ſchwarzen Fiſcher ſchenken den Verwandten keine Beachtung; fie ſind ihnen weder freundlich, noch feindlich geſinnt. Wie ſie ſich auf der Reije ihnen nicht anſchloſſen, ſo ſuchen ſie auch ihre Nahrung nicht unmittelbar in der Geſell— ſchaft der Vettern, und ihre Schlafplätze haben ſie gleichfalls geſondert von jenen. Jetzt iſt der erſte hunger geſtillt. Langſam ſchreiten die Schwarz— ſtörche zurück nach dem Erlengebüſch, wo ſie in vollſtändiger Ruhe der Verdauung obliegen. Der ſchlanke Rumpf ſteht auf den roten Stelzen fait 330 F. Z. Stoll. Schleck- Stenden (Kurland), Sommer 1909. 50 Tage alte Schwarzſtörche im Horſt. ſenkrecht; niedergedrückt liegt der untere Teil des Halles auf dem glänzenden Rücken, daß die buſchigen Kropffedern wie ein Dach die weiße Oberbruſt beſchatten; der Kopf iſt abwärts gerichtet, und der blutrote Langſchnabel, der der Gurgel faſt anliegt, hat ſich nach dem Boden geſenkt. In ſolch reiherartiger Stellung verharrt das Paar eine halbe Stunde lang oder noch länger; dann fliegt es zum Horſt empor. Klug beſchauen ſich die Vögel von allen Seiten die Wohnſtätte, als wollten ſie nachdenken, was der Reparatur am meiſten bedürfe. Aber noch ehe ſie ans Werk gehen, ſchwingen ſich beide nach ein paar ſchwerfälligen Sprüngen voll froher Lebensluſt in die höhe, weite Kreiſe über dem Horſtbaum und Seiner Umgebung beſchreibend, der eine rechts, der andre links, bei jeder Kreuzung der Bahnen mit den geſpreizten Schwingen ſich beinahe berührend, ein Hochzeitsreigen, wie ihn die Verwandten und alle ſtattlichen Segler der Lüfte gern üben. Immer höher ſchraubt ſich das Paar in den glutroten Abendhimmel, jetzt gleitet es ohne Flügelſchlag ſtill durch den äther, nun ſenkt ſich's in ſtolzer Spirale wieder herab und fällt auf einem der wage— 331 e I, SEHR, Schleck- Stenden (Kurland), Sommer 1909. Ein Monat alte Schwarzſtörche im Horit. rechten Alte in der Nähe des Horſtes ein, noch ein paarmal mit den Fittichen ſchlagend, bis es ſicher Poſto gefaßt hat. Dann rückt jeder Vogel die langen Schwingen, die ſich dem Körper eng anſchmiegen, mit zuckender Bewegung zurecht; Nachtruhe wollen ſie halten. Noch mehrmals werden Platz und Stellung verändert; dann jenkt jich die ſtille Nacht über den ſchweigenden Wald; nur vom Moraſt und Röhricht her ertönt der Fröſche vielſtimmiges Quaken. Die nächſten Tage werden der Reparatur des Horſtes gewidmet, der auf zwei ſtarken, wagrechten Äjten dicht unter dem abgeſtorbenen Wipfel erbaut iſt. Den Grund der Hochburg hatte vorzeiten ein Fiſchadlerpaar gelegt; als aber den einen der edeln Recken das Blei des Schützen erreicht, der andre im Eiſen ein ſchmähliches Ende gefunden hatte, zogen nach ein paar Jahren die Schwarzſtörche ein. Wetter und Sturm hatten den ſtolzen Bau 332 Blankenburg. Theerkeute bei Wronke (Posen), Juli 1908. Schwarzſtorch, in einem mit Entengrütze bedeckten Waſſer fiſchend. in eine Ruine verwandelt; aber ein paar ſtärkere Stäbe und ſchwächeres Reisholz gaben ihm bald die alte Feſtigkeit wieder, und feuchte Erd— Klumpen verdichteten den durchlöcherten Boden. Dürre Reijer, Wurzelwerk, etwas Schilf und Rohr, dürres Gras, Moos und andre feine Stoffe bildeten dann die Auskleidung des ſtattlichen Kohbaus. Jetzt haben die Störche nur ſehr wenig Mühe, ihr altes Haus ſich von neuem wohnlich zu machen. Auf den feuchten Wieſen ſuchen ſie Grasbüſchel mit der daran haftenden Erde; Haare vom hochwild und Borſten vom Wildſchwein kleben hier und da an den Stämmen und am ſumpfigen Boden; Federn ſind gleichfalls will— kommen, Moos, Baſt, ſelbſt alte Lappen, wie ſie der Sufall in die Wildnis getragen hat. Nach ein paar Tagen ijt die Einrichtung fertig, und noch ehe der Oſtermond ſcheidet, kann die Störchin mit dem Eierlegen beginnen. Meiſt bilden vier Stück das volle Gelege, bisweilen nur drei, alſo ganz wie beim Hausſtorch. Die Eier gleichen auch denen des weißen Vetters in Geſtalt, Farbe und Korn faſt völlig, nur ſind ſie merklich kleiner, der zierlicheren Figur ſeiner Erzeuger entſprechend. Weiß mit einem Stich ins Bläuliche iſt ihre Farbe; durch zerbrochene Eiſchalen aber, wie ſie nach dem Ausſchlüpfen umherliegen, ſcheint das Licht lebhaft grün hindurch, viel intenſiver als durch die feſte Eihülle des weißen Kollegen. Die Storchenfrau brütet allein. Der Gatte, jo weiß der Förſter zu berichten, der das pärchen täglich beobachtet, löſt ſie nicht ab, bringt ihr aber bisweilen ein Fiſchchen oder ſonſt einen leckeren Biſſen. Es geht alles ſtill zu, beim Geſchäft ſowohl, wie zu Haufe, ruhige Leute, die in Surück- gezogenheit leben. Das gemütliche Klappern, das ja der rotbeinige Haus— freund bei jeder Gelegenheit hören läßt, üben ſie nicht, wie der Forſtmann behauptet, wenigſtens nicht in auffälliger Weiſe; er will es niemals bei dem „Wildſtorch“ beobachtet haben. Die einzige Cautäußerung iſt ein feind— ſeliges Sifchen, wenn irgendein größerer Raubvogel über dem Horſt kreiſt oder andre Störche und Reiher nahe vorbeiziehn. Dier Wochen ſitzt die Gattin unverdroſſen auf dem Gelege; dann melden ſich die Jungen eins nach dem andern. Echte Storchenkinder, in wollige, graulichweiße Dunen ge— kleidet, das noch kurze Schnäbelchen von bleigrauer Farbe, die kurzen plumpen Füße mit den unförmlichen Ferſengelenken, auf denen ſie hocken, ſobald ſie etwas älter geworden ſind, gleichfalls mißfarbig grau mit grün— lichem Anflug. Aber ſchon nach kurzer Seit brechen die ſchwarzen Federn an Flügeln und Schultern, ſpäter auch am Rücken und an den Kopfjeiten, noch ſpäter am Hals durch den weißlichen Flaum — buntſcheckige Vogel— jungen, wie die Adlerskinder im Horſt oder die heranwachſende Jugend der Eulen. Pflege und Erziehung, Elternfreude und Elternſorge, die Unter— richtsmethode, die Fortſchritte der kleinen Geſellſchaft — alles ſpielt ſich genau ſo oder ganz ähnlich ab, wie bei den Hausſtörchen, nur daß bei dieſen die 334 ganze Gemeinde, groß und klein im Dorf, an all den Ereigniſſen Anteil nimmt, während hier in der Wildnis nur ſelten ein Auge das Familienleben des Schwarzſtorchs belauſcht. Sobald ein Menſch in der Umgebung des Horſtbaums auftaucht, ſtreichen die Alten lautlos ab, und die Jungen ducken ſich nieder, daß ſie platt auf dem flachen Neſt liegen. Sind ihnen die Federn jo weit gewachſen, daß ſie den erſten Ausflug unternehmen können, fo werden ſie von den Alten nach dem Sumpf und der Wieſe geführt; ſie erhalten praktiſchen Unterricht in dem Handwerk, das die Natur für ſie beſtimmt hat. Keiner ſchlägt aus der Art; dem Fiſchfang iſt ihr ganzes Leben gewidmet — ach, wie vielen gereicht dies Gewerbe zum vorzeitigen Tod! „Diebe und Räuber ſind's,“ jagt der Fiſchpächter, „hinweg mit ihnen! mein Recht laß ich mir von den ſchwarzen Geſellen nicht ſchmälern.“ Bald ſchlägt die Stunde der Trennung; die Alten ziehen ſich von den Kindern zurück. Kein langer Abſchied; unvermerkt ſind fie eines Tages ver— ſchwunden, und die elternloſe Schar ſchlägt ſich nun allein durchs Leben. Bis zum frühen Wegzug bleiben die Geſchwiſter beiſammen. Wenn ſie im nächſten Frühjahr zurückkehren, tragen ſie noch immer ihr ſchwarzbraunes Jugendgefieder mit wenig Metallglanz, und an der Olivenfarbe von Schnabel und Füßen hat ſich auch nur wenig geändert. Was ſie nach der Heimat zurückzieht? Sie wiſſen es ſelbſt nicht; eine unbeſtimmte Sehnſucht liegt ihnen im Blut. Denn einen eignen herd ſich zu gründen, kommt ihnen dieſes zweite Jahr ihres Lebens noch nicht in den Sinn. Aber im dritten Lenz wird Hochzeit gefeiert; da prangt das Kleid im feſtlichen Schmuck; es glänzt und gleißt im Lichte der Sonne, und der hochrote Langſchnabel, die hochroten Stelzen verleihen der ganzen Erſcheinung erſt ihre eigenartige Schönheit, ihren beſonderen Keiz. e Schleck- Stenden, Sommer 1909. Junge Schwarzſtörche im Borit. 355 | Der Gimpel. | Don Elje Soffel. Wo der Laubwald janft zum Tal herabiteigt, ſitzt ein Dogel und pfeift. Er ſitzt hoch oben in der Buchenkrone, man hat nicht lange nach ihm zu ſuchen, denn das Rot der Bruſt leuchtet wie eine Flagge, dazu glänzt die ſtahlſchwarze Kappe, und wenn er mit den Flügeln zuckt und den Schwanz auf und nieder ſchlägt, blitzt es weiß auf. Er ſelbſt hat auch nicht groß acht, ſich zu verbergen, ruft nur immer „diü, diü,“ wobei er ſanft und nach— drücklich auf dem zweiten Ton verweilt. Die Bäume und die Wieſe darunter ſind ſtill wie des Morgens immer, kaum daß ein Wind hin und wieder dem Roten die weichen Federn aufpluſtert. Der ſetzt jetzt ſeinem erſten Pfeifen noch was zu, das lautet wie „büt, büt“ und klingt beinahe noch zärtlicher, faſt wie eine Frage. Als aber auch das nicht hilft, fällt er vom Aſt, öffnet weit die Flügel, legt ſich hinein und läßt ſich hinübertragen, bis zu der kleinen Wolke, die noch immer unbewegt am Himmel ſteht ſeit heute morgen. Die Baumkronen wiegen ſich leiſe, das kleine Waller unten in der ſchmalen Rinne murmelt verſchlafen: ſie wird ſchon kommen, ſie wird ſchon kommen. Und plötzlich iſt ſie auch wirklich da, und man merkt's, daß es zwei ſind, denn das „diü-büt, büt“ iſt nun bald oben, bald unten, der Wald fängt an aufzuhorchen, ſo leiſe es iſt. Aber das Weibchen trägt ſich wohl dunkler als das Männchen? man entdeckt es gar nicht. Und doch hat's ſchon eine Weile vor einem geſeſſen und heruntergeäugt aus braunem, zutunlichem Auge unter der ſchwarzen Kappe, es iſt auch nicht weiter ſcheu. Und vornehm — einfach trägt es ſich —, was bei dem Gemahl rot, wird bei ihr ein ſanftes Kötlichgrau, bräunlich der Kücken und die Schultern, doch ſchwarz der Kopfpuß, Flügel und Schwanz, wie bei ihm, durch ſpar— ſames Weiß gehoben. Die beiden ſieht man immer zuſammen, lang hält's das eine ohne das andere nicht aus, und gar jetzt im Frühling. Es iſt noch nicht lange, daß ſie da ſind. Der Winter war kalt und hatte ſie ſüdwärts getrieben, eine gute Seit hatte die Sonne gebraucht, bis ſie den Schnee im Wald weggeräumt hatte und den Boden frei gemacht. Seitdem zogen ſie langſam wieder nach Norden. In den frühen Morgen— ſtunden flogen ſie, jeder hielt ſich zu ſeinem Geſchlecht, in kleineren Scharen 336 N. Atkinson. Arthington (Yorkshire), Fuli 1903. Neſt und Gelege des Dompfaff. die Männchen, in größeren die Weibchen, manchmal flog auch ein Roter oder mehrere in den Reihen der Grauen mit oder umgekehrt. Don einem Wald zogen ſie zum andern; wo es ihnen gefiel, da blieben ſie auch einen Tag. Galt es ein Siel zu erreichen, ſo flogen ſie hoch in großen Bogen über freies Feld, — verweilten ſie, ſo trieben ſie ſich von einem Baum zum andern am Rand der Gehölze, ſaßen hoch in den Spitzen der Buchen, riefen und lockten einander, beſuchten die Birken an der Landſtraße drüben und die Erlen am Bach, und übernachteten in den Hecken am Wegrande. Seitdem aber die Sonne höher gekommen war und kräftiger ſchien, trat eine neue Ordnung in ihr Recht. Die Paare taten ſich zuſammen, jo wie ſie ſich gefielen, immer ein Rotes und ein Graues, und ſonderten ſich von den andern ab. Was nicht heißen ſoll, daß die Graue dem Roten immer gleich zu Willen war. Oft genug lockte ſie ihn vergeblich und ließ ihn im Stich, im Augenblick, wo er ſich am Siele glaubte. Heute aber hatte der Wald, der verſchwiegene, morgenſtille, eine Der- vögel II. Copyright 1910, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 22 337 A. Cerny. Winterberg (Böhmer Wald), August 1908. Junge im Neft. Dompfaffen. Flügge Junge. lobung mit angeſehn. Und hatte auch nichts dagegen geſprochen, obwohl ſeine Bäume genug von Nahrungsſorgen und Plackerei, Kindergezeter und dergleichen wußten. Man muß den Dingen ihren Lauf laſſen. So ſaß denn da oben das pärchen und ſonnte ſich in der Frühlings— wärme und in ſeinem Glück. Denn die Sonne war unterdeſſen hoch geſtiegen und die kleine Wolke, die den ganzen Morgen am Himmel geſtanden, war ſtill zerfloſſen. Der Wald glühte und die braune Erde leuchtete, beide wie in Gold getaucht. Das Männchen hoch oben auf den letzten Sweigen der Buche wußte, was ſich ſchickt. Alle Kräfte wandte er auf, um ſich der Liebſten angenehm zu zeigen. Bald ja er wagrecht, nach vorn geduckt, und faltete den glänzenden Schwanz auseinander, wobei er den Kopf, glatt wie Seide und ſchwarz wie Kohle, hin und her wiegte und aus ganzer Seele ſang. Dann zuckte er einmal um das andere mit den Flügeln und drehte den Hinterleib bald nach der, bald nach jener Seite, dazwiſchen flog er ab, um ſich auf einen andern Sweig zu ſetzen, dann machte er ſich ſchlank und ſaß aufrecht, um doch bald wieder in ſeine Liebesprahlerei zu verfallen und in einer Kette von leijen, flötenden und knarrenden Tönen unter Sucken des ganzen kleinen Körpers ſeinem ungeſtümen Drängen Ausdruck zu verleihen. So ging es zwiſchen ihnen hin und her den ganzen Morgen, denn auch das Weibchen war nicht ſtill, und des Flatterns, Lockens und Kojens, der immer neuen Derlobungen war kein Ende. Bis die zwei endlich Hunger 338 Brütendes Gimpelweibchen. bekamen und mit Rufen und Kirren durch die Alte flatterten, bis an den Waldrand und hinunter zu den Erlen, die Futter boten. Dort hingen ſie ſich an die Sweige und pickten den Samen aus den dunkeln Säpfchen. Später flogen ſie noch weiter, bis an den Obſtgarten, hinter der Hecke, ſaßen auf den Birnbäumen und zermahlten langſam die jungen Hüllblättchen der Knoſpen und die weißen Knojpen ſelbſt. Ein Stückchen von einem grünen Blatt, von einer Blüte immer vor dem ſchwarzen Schnabel, das ſie in lang— ſamer Arbeit hin und her ſchoben, ſaßen ſie da ſtundenlang zufrieden und zärtlich, ſtießen ihr leiſes „büt, büt“ noch während des Freſſens aus und 339 IWW. Farren. Norfolk (England), Mai 1909. Gimpelpärchen am Neſt. ließen das braune Auge ruhig umhergehen, ohne Furcht und ohne Neugier, bis der Hunger wieder der Ciebe wich. So verging ihnen eine Reihe von Tagen. Die Obſtblüte ging ſchon zu Ende, an den Säunen der Käufer und Gärten fing der erſte Flieder an zu blauen und zu duften, am Waldrande ſchob die Eiche ihre rötlich-braunen Blätter heraus. Da wurde es auch den beiden ernſt mit dem Neſtbau. Es führte ein alter Fahrweg im Wald, der endete dort, wo die hohen Buchen um die kleine Wieſe ſtanden. Dort würde das Neſt geſchützt im Dunkel des Waldes ſtehen, wo kein Sperber und kein Habicht nieder— ſtieß; auch war's nicht weit von hier zu den lichten Baumſpitzen, in denen das Pärchen gern ſaß und hinüber von da zu den Äckern und freien Wieſen, zu Hecken und Gärten ſtreifte. Es war ein liebes Plätzchen hier, voll von heimlichem Waldduft. Der alte, braune, tiefgefurchte Fahrweg fing leiſe an zu überwachſen, er verlor ſich weit hinten im ſtillen Grün, wo die Wipfel der Bäume einander unter dem blauen Himmel berührten. Er wußte um hundert alte Geſchichten, er und der dunkle Waldboden, auf dem die Blätter jo vieler Jahre moderten, Blätter, die auch einſt jung und luſtig-grün aus dem Boden bis hinauf an die lichten Sweigenden geſtiegen 340 W. Farren. Norfolk (England), Mai 1909. Gimpelpärchen am Neſt, fütternd. waren, um doch ſchließlich ſtill und golden wieder zu Boden zu ſinken, wenn ihre Seit gekommen war. Don all dem war jo ein ſchweigſames Reden im Wald und an dem plätzchen am alten Fahrweg. Das machte die jungen Buchen ſo heiter-ernſt, die kleinen Birken ſo ſcheu wie furchtſame Mädchen, die ſich dicht aneinander drängen. Und darum hielten ſich die Föhren ſo einſam unter den andern. Hier, auf einer von den jungen Föhren, baute der Gimpel ſein Neſt, dicht an den Stamm, in eine Aſtgabel. Er brachte erſt Leben und Hoffnung herein; wie Sonne auf dunkeln Fichtenzweigen liegt, jo tönte ſein zärtlich-fröhliches „büt⸗büt“ über der Stille des Waldes. „Diü, diü, büt-büt“: komm, komm, das Leben iſt doch ſchön! War das ein Gefliege und Geflatter, zärtliche Sorge und Geſchäftig— keit! Erſt kleine dürre Reijer, einzeln im Schnabel hergetragen, dann Hhälmchen von welkem Gras, eine Flechte vom Baum geholt, jtarke Würzelchen, zähe zuſammengewirkt und verbunden — bis es nur ſtimmte, bis es ſaß. Denn die beiden waren langſame Baumeiſter und vieles Hin— und Hergeplauder mußte bei der wichtigen Sache ſein, auch ging's nicht ohne ein zärtliches Schwätzchen dazwiſchen, mit Stilleſitzen, Küſſen und Koſen. 341 Und dann und wann ein Liebeslied von der Baumſpitze und — der Hunger war auch noch da und die Ausflüge in die Umgegend. So vergingen noch mal ein paar Tage. Schließlich aber lagen doch fünf kleine, glänzende, blaßgrünliche Eier, mit violett-braunen Punkten und Flecken überſät, in dem runden Napf, der mit Pferdehaaren ausgepolſtert und mit weichem Wildpelz ausgelegt war. Davon gab es ja genug im Walde, denn die Rehe wechſelten über den alten Fahrweg zur Aſung und die haſen verloren ihn überall im Frühjahr. Das Weibchen ſaß allein auf den Eiern und brütete, der Gatte hielt es für genug getan, wenn er in der Nähe ſaß und dem Weibchen vor— ſang oder ihm Futter zutrug. Als aber die ſchwarzgrau gekleideten Jungen ausgekrochen waren, gab's auch für ihn zu tun. Nahrung war zu ſuchen für die kleinen Schreihälſe, wo es eben welche gab, im Wald, an Feldrändern, in den Gärten, Samen von allerlei Kraut, Löwenzahn und Wegerich, Lein— blatt und anderen, wie ſie nacheinander reif wurden. Die waren, erſt ſorgfältig im eigenen Kropf aufgeweicht, den Jungen zu reichen. Die erſte Brut brachten ſie denn auch glücklich hoch. Die Jungen, noch gelb geſchnäbelt, mit weißbräunlichem Kopf und rötlich-gelber Bruſt, ſaßen eines Tages auf dem Neſtrand, ſchrien mörderlich und wollten ausfliegen. Als aber die zweite Brut nahezu ebenſo weit war, da langte eines Tages in Abweſenheit der Eltern eine Hand in das Neſt und holte ſie ſich heraus. Denn: „Was Hänschen nicht lernt, lernt hans nimmermehr“, ſagte ſich der brave Harzer und nahm ſie mit. Als die Eltern von der Nahrungsſuche zurückkehrten, fanden ſie das Reit leer. Sie ſuchten noch eine Weile unter Rufen und Locken die Um— gegend ab, dann, als ſie nichts fanden, gaben ſie Neſt und Brüten für dies Jahr auf. So wurde es wieder ſtill am alten Fahrweg, ſo ſtill wie es vorher geweſen war, und die Gegenwart des luſtigen, zärtlichen Pärchens, ſeiner Spiele und Lieder war Dergangenheit und gehörte zu den vielen Geſchichten, von denen der alte Fahrweg wußte. Weit waren ſie übrigens nicht weggezogen, die beiden. Nicht weiter als bis zum nächſten Wald, der dort anfing, wo die Straße, die jenſeits lief, einen Bogen machte und ſachte anzuſteigen begann. Dort gab es laubige Buchenkronen, wie hier, in denen abends die Sonne hing und morgens erwachte, Waldwieſen und Blößen, auf denen in der Wärme die trockenen Samenkapjeln ſprangen und ihre Körner ins lichte Gras ſäten, Dickungen, die Schutz und Nachtquartier boten, auch Waſſer. Dort ſah man die beiden in ſchiefem Gang auf der Erde hüpfen, wo es etwas zu picken gab oder man ſah ein verräteriſches Rot von einer der Stauden herüberleuchten, auf der die beiden in träger Freßluſt ſeit Stunden verweilt. 342 "danaylodusuunp un "uapuupujadurg GO wnuvg “uaypunpy 229 Sor AaNDY3DT 7% y A. Cerny. Winterberg (Böhmer Wald), August 1908. Dompfaffenweibchen beim Füttern der Jungen. Die Jungen wachſen unterdeſſen im dunkeln kleinen handwerkerzimmer auf bei hanf und Kübſamen und hörten täglich „Ach wie iſt's möglich dann“ vor ihrem Glockenbauer pfeifen, des Morgens, Mittags und Abends. So daß ſie ſchließlich ſelber daran glaubten und nachpfiffen: „Ach wie iſt's möglich dann“. Was anderes war ihnen ja nicht zu Gehör gekommen. Es war übrigens einer unter ihnen, der, ſeinen Brüdern unähnlich und gänzlich aus der Art geſchlagen, ein völlig ſchwarzes Kleid trug, das nur an den Flügeln und dem Schwanz mit Weiß untermiſcht war. Er war ſchon ſo aus dem Neſt gehoben und ſein Beſitzer hielt große Stücke auf ihn. Denn er hatte ſchon manchen jungen Gimpel erzogen, Rotgimpel und weiße, auch ſolche, bei denen das urſprüngliche Federgewand durch das fremde weiße Überkleid ſchien, ein ſchwarzer aber war noch nicht durch feine hand gegangen. Der Schwarzgimpel war darum zuerſt in aller Nachbarn Munde, dann, als man angefangen hatte, ſich an ihn zu gewöhnen, gab ihn ſein Pfleger ab, daß er nicht im Preiſe ſinke. Und zog aus der Abnormität feinen Nutzen. 344 55 IK; Ms K. Soffel. Dachauer Moos be München, Januar 1909. Gimpelmännchen im Tannengejtrüpp. Es iſt ein herber, ungewiſſer Herbſtmorgen. Beim Heraustreten aus dem Haufe ſteigt es einem kalt und beizend in die Naſe, die Luft iſt voll von ſchwerem Erd- und Nebelruch. Man weiß noch gar nicht recht, was heute aus Welt und Wetter wird, es iſt noch unſicher zwiſchen himmel und Erde, unſicher und dunkel. Da kommen ſie ſchon. Derjchleiert und ſpärlich dringt es durch die graue Wand um dich, ſo ein paar aufgeleſene Tönchen, die man erſt gar nicht hört: „diü, diü“ — wie das die Stille nur noch ſtiller macht! — Nun aber geht die Sonne ans Werk. Aus dem dunkeln Schleier wird ein heller, grau in Gold gewirkt. Wo er an einer Stelle dünn iſt zum Serreißen, wächſt ungewiß eine Baumgeſtalt auf, langen äſte, Sweige in die Luft. In einiger Entfernung noch eine, dann wieder: ſtumme Baum— weſen, die Straße entlang ſtehen ſie, wie trübe Wanderer am Wege. Don dort her kommen die Laute; ſchon ſcheinen die kleinen Dogelbälle, winterlich dick aufgepluſtert durch das feine Nebeltuch. „Diü-büt, büt“ klingt es lauter. 345 Am Ebereſchenbaum hingen die Beeren tauig-kalt, mit feinen Silber— perlchen beſetzt. Aber nur ran — es ſind die letzten! Hagebutte, Hartriegel, Weißdorn — ſie ſind längſt dahin. Bleibt nur noch der Wacholder. Da ſind die Dogelbeeren doch weit beſſer. Eine halbe Stunde ſpäter iſt die Sonne durch, der Tag iſt auf. Als dicke weiße Bänke liegen die Nebel um den Fuß der Hügel gelagert. Klar und rein, voll Duft und Schimmer iſt die Welt. Herbſtduft, ohne Dunſt, goldne Fäden über die offene Scholle geſpannt, Nachklang vom Frühling — doch voller und reiner als er. Nun ſind auch die kleinen Geſellen an der Straße zu ſehn, denn ſie haben ihren Baum noch nicht verlaſſen. Sie werden auch wohl nicht weggehn, ehe er leer iſt. Su zehn ſitzen ſie droben, lauter Rotgimpel, der Boden unter ihnen verrät ihre Arbeit. Sie faſſen Futter für die Winterreiſe. Don woher mögen ſie kommen? Denn weit gereiſt ſind ſie, aus der Gegend ſind ſie nicht. Es ſind ſolche aus dem Norden, wo ſie größer gedeihen als bei uns. Vielleicht aus Norwegen, Schweden. Sie ziehen jetzt alle ſüd— wärts, auch die aus Schottland, Sibirien und Kamtſchatka. Nur die Algerier, und die ſonſt um die blaue Adria wohnen, haben es nicht nötig. Bei uns verſucht es hin und wieder einer und hält durch, trotz Kälte und Hunger. Treibt ſich piepſig und dick in Parks umher, ſitzt auf ver— ſchneiten Hecken. Und iſt dankbar für ein Almoſen am Fenſter. Wollen wir ihm nicht durch den Winter helfen? A. Cerny. Winterberg (Böhmer Wald), August 1908. pärchen beim Füttern der Jungen. Gimpel. Am neſt. 346 | Der Mäuſebuſſard. | Don Hermann Löns. Südweſtwind geigt in der breiten Krone der knorrigen Feldeiche, die unterhalb des Waldes auf dem Anberge ſteht. Eine mächtige Cößſchicht bedeckt dort den ſtrengen Kalkboden; Heid- kraut überzieht die Blößen, Sandrohr bildet dichte Horite vor der dicken Hecke aus Schlehen, Weißdorn und Koſen, die ſich an dem Bache entlang zieht, und über den das Schlingwerk der Waldrebe tief hinabhängt. Auf dem unterſten Aſte der Eiche ſitzt der Buſſard. Es iſt einer ſeiner Hauptanſtandsplätze, dieſer Aſt. Der Löß iſt warm und trocken, in der Feldmark iſt es kalt und naß; darum find hier am Dorberge immer mehr Mäuſe, als im Felde, zumal es am Futter dort nie mangelt. Eicheln und Buchnüſſe liegen dort im Heidkraut und die Samen des Sandrohres, auch Schlehen, Mehlfäßchen und Hagebutten, und die Heidnarbe fängt den Sichten- ſamen auf, den der Wind von der Waldhante hierher jagt. An dem vermooſten Erlenſtocke raſchelt das fuchsrote Winterlaub des Farnbuſches. Eine rötlichgraue, ſchwarzgeſtriemte Brandmaus huſcht hervor, fährt wieder zurück und ſpringt mit langen Sätzen in das Heidkraut. Dort huſcht ſie hin und her und jetzt macht ſie Halt; ſie hat eine Eichel gefunden. RKitzeratz, raſpeln die Nagezähne ein Loch in die Schale. Aber weiter kommt das Mäuschen bei dem Mahle nicht. Cautlos läßt ſich der Buſſard von dem Aſte fallen, bis er dicht über der Maus iſt, und dann lüftet er die Schwingen, wirft die Griffe nach vorne und faßt die bunte Maus. Ein feiner Pfiff ertönt, aber kein zweiter. Der Buſſard langt ſie mit dem Schnabel auf, ſchlingt ſie hinab, ſchüttelt ſich und nimmt wieder ſeinen Lauerplatz ein. Es dauert nicht lange, da kommt von dem Stechpalmenbuſche unter der dicken Buche eine Waldmaus angehopſt. Sie will nach dem Bachufer; ſie kommt aber nicht jo weit. Wieder läßt ſich der Buſſard hinabfallen und das Mäuschen verſchwindet in ſeinem Rachen. Das geht noch mehrere Male ſo, und zwei Feldmäuſe, eine Rötelmaus und eine Swergmaus finden in den Krallen des Räubers ihren Tod. Dann aber erhebt er ſein Gefieder und ſtreicht zu Felde, um auf einem Grenzſtein aufzublocken. Dort treibt er es ebenſo, wie am Dorberge, und noch manche von den wenigen Mäuſen, die den naſſen Herbit und den ſchlimmen Winter überdauerten, vertilgt er. 347 K. Spengler. Buſſardhorſt. Rothehütte (Harz), uni 1907. R. Regel. Gadheim, Mai 1909. Buſſard, Dunenjunges im Neſt. Es kommen wieder härtere Tage. Nordoſtwind pfeift, die Mäuſe bleiben zu Hauſe. Da iſt Schmalhans Tafeldecker. Hungrig ſtreicht der Buſſard im Felde umher. Am Wege findet er eine Wurſthaut; die ſtillt ſeinen ärgſten hunger. Sonſt it aber nichts zu finden. Traurig blockt er, den Kopf in die Rückenfedern gezogen, auf dem Stumpfe der vom Blitze zer— ſchellten Pappel an der Bachbrücke. Ein Flug Wildtauben kreiſt über dem Felde und fällt auf der Brache ein. Plötzlich flattern ſie empor und ſtieben fort. Sie verſuchen, ſich zu einer geſchloſſenen Schar zuſammen— zuballen, aber der Wanderfalke, der irgendwo dort oben am Walde gelauert hat, iſt ſchneller, als ſie. Laut kommt er angebrauſt, ſchlägt eine Taube und, da er ſehr hungrig iſt, verſucht er ſie zu kröpfen. Eben iſt er dabei, ſie zu rupfen, da geht es über ihm: „Hiäh, hiäh,“ und er bekommt einen Puff, daß er die Taube fahren läßt und entſetzt zur Seite ſtiebt. Sofort iſt der Buſſard bei der Beute. Wütend ſchlägt er mit den breiten Schwingen und ſchreit dem Edelfalken ſeinen Matzenſchrei entgegen. Swei⸗, dreimal verſucht der, ihn fortzutreiben, aber er iſt es 349 K. Spengler. Rothehütte (Harz), Juni 1907. Mäujebujjarde im Neſt, drei Wochen alt. nicht gewohnt, zu Fuße zu fechten, und ärgerlich ſauſt er davon. Der Buſſard aber kröpft und kröpft, bis von der Taube nicht mehr viel übrig iſt, und dann ſtreicht er mit ſchwerem Kropfe träge rudernd dem Walde zu. So lebt der Buſſard heute wie morgen. Den einen Tag gibt es viel, den andern wenig, den dritten gar nichts. Dann kommt ein Morgen, an dem er von ſeinem Cauerpoſten auf dem Grenzſteine einen alten Haſen erſpäht, der mühſam den Graben entlang hoppelte. Wäre es ein geſunder Haſe, ſo würde der Buſſard ſich nicht um ihn kümmern. Aber dieſer hier iſt Krank. So mancher fiel über Winter und half dem Buſſard über die mageren Tage hinweg. Sehn Schritte von dem Grenzſteine bricht der Haſe zuſammen, reißt ſich aber noch einmal empor und hoppelt bis an den Graben. Er rückt nach rechts, er rückt nach links, dann gibt er ſich einen Ruck, um den Graben zu nehmen, denn er will im Walde ſterben, aber das bißchen Kraft langt nicht mehr dazu, und er kollert in den Graben hinein. Am Rande des Grabens ſitzt der Buſſard und wartet. Der Haje zappelt noch immer. Endlich hört das Sucken auf; der Raubvogel äugt 350 -guvaylaog ud oheaoS du N obo cz eu un agaplingelnpom umher und flattert in den Graben hinein. Es iſt zwar nicht leicht, den Balg des Toten aufzureißen, aber es gelingt ſchließlich, und gierig zieht der Buſſard Wildpretfetzen heraus. Da geht es über ihm: „Arr, Err, Orr“, er bekommt einen Puff, flattert aus dem Graben, bekommt noch einen Puff, und noch einen, es gibt immer mehr Gekrächze, es werden immer mehr Krähen, und da hilft ihm nicht Schnabel noch Kralle, er macht, daß er in den Wald kommt und bekommt noch manchen Schmiß mit auf den Weg. Dieſes Abenteuer hat für heute ihm alle Luſt genommen, im Felde zu bleiben. Er lauert im Walde, bis er eine Maus erwiſcht, macht einen vergeblichen Derjudy, eine Eichkatze zu haſchen, und duckt ſich wieder auf einen tiefen Aſt, um weiter auf Mäuſe zu warten. Da knallt es nach dem Berge zu. Es iſt nicht das erſtemal, daß der Buſſard es knallen hört, und er weiß, daß oft für ihn dabei etwas abfällt. Dorjichtig, immer in Deckung bleibend, ſtreicht er bergauf und hakt am Kande des Altholzes auf. Unauf— hörlich geht ſein Kopf hin und her. Da oben am Hange taucht der Jäger auf; er geht dem Grunde zu. Sobald er dort unten iſt, ſtreicht der Buſſard dem Kammwege zu. Don Baum zu Baum flatternd, kommt er bis zu der Blöße unter dem alten Buchenüberhälter. Unter der Buche liegt etwas Schwarzes, Blankes. Der Buſſard reckt den Hals und ſpäht hinab. Endlich, nach einer Diertelſtunde, ſchwingt er ſich hinab und faßt bei der Krähe Fuß, die der Jäger aus der Buche herunterholte. Sie iſt mager und trocken, aber immer beſſer, als nichts, und ſo bleibt von ihr nicht viel übrig. Allmählich gibt es beſſere Tage. Über Mittag kriecht allerlei Gewürm, Schnecken und Raupen im Graſe, der Mäuſe werden immer mehr. Da treibt es den Buſſard, über dem Wald Kreiſe zu ziehen und ſeinen Ruf in das Tal hineinzuſchichen. Und als ihm hier keine Antwort wird, ſteigt er höher und hoch über dem Ramme, hoch über dem Lugaus der Wander: falken auf den grauen, zerborſtenen Klippen, gellt ſein ſchneidender Schrei. Don der Talflanke kommt ihm ein Widerhall; ein Buſſardweibchen kreiſt dort. Bald ſteigen und fallen die beiden Buſſarde über den rotbraunen Buchenkronen und über den dunkelgrünen Wipfeln der Fichten, über den roten Buchenjugenden und den grauen Klippen, und ihr Doppelſchrei übertönt den Schlag des Finken und das Lied der Märzdroſſel. In dem Fichtenaltholze ſteht eine ſchlanke, hochſchäftige Fichte. In ihrer äußerſten Spitze droht ein dunkeler Klumpen. Ein Krähenpaar baute vor Jahren dort ſein Neſt. Im nächſten Jahre brütete der Habicht dort. Den ſchoß der Jäger ab und ſeitdem horiten die Buſſarde dort. Don Jahr zu Jahr ward der Horit breiter und tiefer, denn jeden April kam eine neue Schicht feiner Sweige dazu. Jetzt it er jo dicht, daß kein Schrot, keine Kugel ihn mehr durchbohren kann, und ſo tief iſt die Neſtmulde, daß die Eier und die Jungen ſicher darin ſind, und wenn der Sturm den Wipfel der Fichte 352 K. Spengler. Rothehütte (Harz), uni 1907. Vier Wochen alte Mäujebujjarde. Keſt eines Eichhörnchens im Horit. auch noch ſo ſehr ſchüttelt. Pfeift der Wind auch noch ſo arg, es ſtört das Buſſardweibchen nicht. Feſt ſitzt ſie auf den drei großen Eiern, von denen keins dem anderen gleicht; ſchwarzbraun iſt das eine gefleckt, heller das andere gemuſtert und das dritte, viel kleinere, hat faſt gar keine Flecken. Nur zwei Junge entſchlüpfen den Eiern. Das eine iſt taub und die Alte wirft es über den Neſtbord. Sie kann froh fein, daß ſie nur zwei Gier— hälſe zu füttern hat. hilft ihr auch das Männchen und verſteht ſie ſich auf den Mauſeanſtand, den Maulwurfsfang und die Eidechſenjagd, es iſt ein hartes Stück Arbeit, zwei hungrige Mägen zu füllen und dabei ſelbſt bei Kräften zu bleiben. Don früh bis ſpät ſind die beiden Alten unterwegs und ſchleppen alles, was ſie erbeuten können, heran, Mäuſe, Maulwürfe, wieſel, halbwüchſige Eichkatzen, ab und zu auch einen Junghaſen oder ein Faſanenkücken, und auch Fröſche, Eidechſen, Blindſchleichen, Heuſchrecken, Maikäfer und Miſtkäfer, und ſogar eine junge Katze, die ſich dummerweiſe in das Feld wagte, büßt ihren Dorwitz mit dem Tode. In der Hauptſache aber müſſen die Mäuſe daran glauben, vor allem Vögel II. 23 353 N * . 7 M. Steckel. Jagerhaus Tillowitz, Juni 1907. Junge Mäujebujjarde im Horjt. die Feldmäuſe. Es gibt nicht viele in dieſem Jahre, aber es iſt unglaublich, was das Buſſardpaar davon zu Holze trägt und ſelber kröpft. Sehn bis fünfzehn braucht jedes Junge, um halbwegs ſatt zu werden, und die Alten kommen mit weniger auch nicht aus. Nebenbei wird auch einmal im Walde eine Maus erbeutet oder im dämmerigen Stangenorte ein Siebenſchläfer erwiſcht, und ſo mancher Hamſter, der allzu verwegen die Deckung verließ, fällt den Buſſarden zum Opfer, und wenn er auch noch fo ſtrampelt. An der anderen Seite des Tales hat früher einmal ein leichtſinniger Jagdpächter, den Bauern zum ODerdruß, Kaninchen ausgeſetzt. Der hohe Cößboden iſt ſo recht geeignet dazu, Baue darin zu ſcharren. Allerlei Felder liegen dort, das Gebüſch iſt dicht, und trotzdem vermehren ſich die Kaninchen dort nicht ſo, wie an anderen Orten. Den alten Kaninchen können die Buſſarde zwar nicht viel anhaben, aber manches Junge, das ſich zu weit vom Bau fortwagte, verfällt ihren ſcharfen Griffen. Diertelſtundenlang rüttelt der Buſſard über der Kaninchenſiedlung und ſobald ein Jungkaninchen in der Cuzerne ſitzt, ſauſt der Käuber herab und ſchlägt es. J. Steckel. Fägerhaus Tillowitz, Funı 1907. Junge Mäuſebuſſarde im Horſt. Zwei jtreiten ſich um einen Brocken. Aber auch die niedere Jagd iſt ihm nicht zu gering. Gern ſpaziert er an dem Raine entlang und füllt den Kropf mit Heuhüpfern, Graseulenraupen, Käfern und Schnecken. Geduldig lauert er auf dem Hrenzſteine, bis die Eidechſe ihr Loch verläßt. Stößt irgendwo ein Maulwurf, jo harrt er jolange, bis der ſchwarze Kerl dicht unter der Oberfläche iſt, und greift ihn durch die Schwarze Erde hindurch. Auch auf dem Waldboden macht er ſich zu ſchaffen, ſpäht das Neſt der Waldwühlmaus aus und verſchlingt die Jungen, ſammelt Käfer, ſucht Raupen, lieſt Nachtſchmetterlinge von der Rinde ab, und wenn ihm dabei eine tolpatſchige Jungamſel oder ein aus dem Neſt geſtürzter junger häher in den Wurf kommt, ihm iſt es recht, er kann alles gebrauchen, was da kreucht und fleucht. So keck er bei ſeinen Raubzügen jetzt auch iſt, unvorſichtig it er nie. Der Jagdpächter dieſes Reviers ſchont ihn ja, ſtellt auch keine Pfahleiſen, weil er ein Weidmann und kein Schinder iſt, aber trotzdem weicht ihm der Buſſard aus. Knallt es aber, jo ſtreicht er vorſichtig heran und jo manches Mal lohnt ſich die Mühe, denn es gibt dann eine Krähe und mitunter auch 355 Dr. Rosenius. Schonen (Schweden), September 1907. Mäujebujjard, künſtlichen Uhu anfliegend. das Geſcheide von einem Bocke, und daran ſitzt immer noch genug, mit dem ein Buſſard zufrieden iſt, und wäre es weiter nichts, als der geronnene Schweiß oder die Milz. Kommt dann nachts dem Fuchs die friſche Wund— witterung in die Naſe, ſo findet er nichts als die Därme. Bietet der Wald nicht genug, ſo iſt das Feld da und das Wieſenland hüben und drüben des Baches. Da huſchen Mäuſe und Spitzmäuſe, da hüpfen grüne und braune Fröſche, da kriecht die Ringelnatter und wirft ſich die Forelle über die Schotterbank. Ehe ſie das Tief gewinnt, hat ſie ſich der Buſſard gelangt, und ſie ſchmeckt ihm ebenſo gut, wie die Ringelnatter, die ſich verzweifelt ſträubte und noch, als ſie ſchon im Kropfe verſchwunden war, ſich wand und drehte. Aber am liebſten jagt der Buſſard im Felde. Die Maus iſt ſein Hauptwild, alles andere nimmt er ſo nebenher; die Maus aber jagt er planmäßig, und auf hundert Mäuſe, die er greift, kommt eine Eidechſe oder ein Jungvogel, der im Graſe herumflatterte und dem Sperber oder dem Wieſel verfallen wäre, hätte ihn nicht zufällig der Buſſard gewahrt. 356 Aber ſehr geſchickt iſt er in ſolcher Jagd nicht und nur zufällig fällt ihm ein Dögelchen zur Beute. Der Sommer kommt heran, die Bujjardbrut iſt beflogen. Noch lange wird ſie von den Alten geführt, vorerſt im Walde, wo ſie ſich bergen und hüten kann. Ein luſtiges Treiben herrſcht dort vormittags. Die alten Vögel fliegen vorauf und hinterdrein flattern, noch etwas ungeſchickt, die Jungen. Greift eins beim Aufhaken vorbei und poltert zu Boden, jo ſind jofort die Alten dabei und ermuntern es, daß es einen zweiten Derſuch macht und mit der Seit lernen die Jungen, ebenſo geſchickt zwiſchen den Stämmen hindurch zu ſtreichen, wie ihre Eltern, und ſich ſtill abzuſtehlen, naht ſich ein Menſch. Damit iſt auch die Seit gekommen, daß die Alten die Brut zu Felde führen und ihr die Jagd beibringen. Auf der Brache, wo es die meiſten Mäuſe gibt, und auf der gemähten Luzerne wird der Anfang gemacht. Stumm und ſteif ſitzt hier ein Altes mit einem Jungen vor einem Mauſeloche. Das Junge weiß nicht, worauf es ankommt, aber als in den Laufröhren etwas Graues dahinhuſcht und der Alte es mit ſchnellem Griffe erwiſcht, dämmert ihm ein Oerſtändnis und haſtig faßt es zu, als auch bei ihm eine tapprige Jungmaus auftaucht. Es glückte, und froh ob des erſten Beuteſtückes Rröpft der junge Buſſard die Maus hinab. Swei Wochen dauert es noch, da weiß er auch den Maulwurf zu haſchen und den Froſch zu faſſen, und nach weiteren zwei Wochen gelingt es ihm ſogar, aus dem Fluge heraus die Blindſchleiche zu packen. Damit lockert ſich das Band zwiſchen den Alten und den Jungen und auch zwiſchen den Alten ſelber, und jedes geht ſeine eigenen Wege. Nicht ſehr weit kommt das eine Junge. Jenſeits des Berges in der Ebene ſteht eine Krähenhütte. Jeden freien Nachmittag im Frühherbſte ſitzt darin der Jagdpächter und donnert alles herunter, was auf den Uhu haßt, den reizenden Turmfalken wie den herrlichen Gabelweih, und auch jeden Buſſard. Er hat nie ein wiſſenſchaftliches Werk geleſen, er weiß nichts von den umfang— reichen Magenunterſuchungen, die auf der Aaiſerlichen Anſtalt für Land— und Forſtwirtſchaft zu Dahlem angeſtellt wurden, und aus denen ſich ergab, daß der Buſſard ſich größtenteils von Mäuſen nährt; er donnert alles her— unter, was einen krummen Schnabel und ſcharfe Griffe hat. An einem hellen Septembermorgen ſitzt der Maſſenmörder und Natur— verhunzer wieder in ſeiner Erdhütte. Dor ihm auf der Juhle blockt der Uhu. Don ferne krächzen Krähen. Sie kommen nicht heran, denn ſie wiſſen Beſcheid. Ein Turmfalke, der auf der Stoppel Mäuſe gejagt hat, gewahrt die Großeule. Mit hellem „Kikikiki“ ſtreicht er heran und nect den Dickkopf. Es kracht und das allerliebite Käuberchen, das geſetzlich geſchützt iſt, liegt blutend und zuckend im Graſe. Eine Diertelſtunde vergeht, da deutet der Uhu wieder an, daß Beſuch kommt. Es iſt einer der Jung— 357 buſſarde aus dem Forſt. Solch Ungetüm, wie den Uhu da, hat er noch nie geſehen. Mit höhniſchem „Hiäh“ haßt er auf ihn. Der Schuß kracht und mit zerſchmettertem Flügel ſtürzt er auf den Anger. Frohlockend kriecht K. Rege Gadheim, uni 1909. Junger Mäuſebuſſard im Horjt, kurz vor dem Ausfliegen. der Schiefer aus ſeinem Coche, ergreift den verwundeten Buſſard und ſchmettert deſſen Kopf gegen einen Stein. O, es iſt ein eifriger Heger, dieſer Mann. An vielen Stellen im Felde hat er Pfähle aufgeſtellt und darauf Eiſen gebunden. Wenn er gerade Seit hat, ſieht er ſie nach, und freut ſich über alles, was er verendet oder noch 358 ID — 235353 ire. 2. —— 9 Der Gänſe- und Uuttengeier. | Don Martin Braeß. | Wo die Karpathen die Grenze zwiſchen Siebenbürgen und Rumänien bilden, iſt das Reich der Gewaltigen unter den Säugetieren wie unter den Dögeln Mitteleuropas. Der Bär, aus jo vielen Ländern bereits ver— trieben, hat hier ſein ſicheres Aſyl; faſt jedes Tal beherbergt dieſes mächtige Raubtier. Don den Beutezügen des „ursulu“ willen beſonders die walachiſchen Hirten im Gebirg viel zu erzählen, und auch drunten im „Bärenland“ kurliert manch abenteuerliche Geſchichte von dem braunen Geſellen. Droben aber auf ſchroffer Felſenwand, zur Seite des Hochtals, das wildſchäumend die Flut des Gießbachs durchſtrömt, hat der König der Dögel, der Steinadler, ſeinen Horſt errichtet, und noch höher, zwiſchen dem Steintrümmermeer, das ſich zu dem goldenen Rand des tiefblauen Sees herabſenkt, und dem Felſen— zinken, der in die Luft ſtarrt, thronen die Größten der Großen, die Geier, die unumſchränkten Herrn des Gebirges. Herrlich iſt der Flug dieſer mächtigen Dögel! Kuhig ſchwebend ſchraubt ſich der Adler in Spiralen zum Himmel empor, oder er ſchwimmt, langſam rudernd, über den grünen Tälern, über dem ſtarren, kahlen Geſtein. Maje— ſtätiſcher noch iſt der ſchwebende Geier. Er ruht in der Luft; ausgeſpannt hält er die Arme mit den ſtählernen, elaſtiſchen Schwingen, ſo ſchmal und jo lang; kaum merklich hebt und ſenkt er die gewaltigen Flügel. Eingezogen hält er den Hals, daß nur der Kopf aus den Schultern hervorſieht. Jetzt ſchwimmt er nicht mehr über der Felſenzinne, über der er in Schrauben emporſtieg, jetzt ſinkt ſein Schatten hinab auf die ſteinige Halde, jetzt huſcht er über das Meerauge, jetzt gleitet er ſtill über die graſige Matte, daß die blökenden Schafe erſchreckt aufſpringen, und jetzt vereinigt er ſich mit dem Schatten der rieſigen Tannen, die drunten den Grashang begrenzen. Alle Einzelheiten erkennt ſein ſcharfes Geſicht, jede Bergſpitze, die aus den gewaltigen Geſteinstrümmern ſchroff emporragt, die SGrate und Kämme, die tiefen Täler und Schluchten dazwiſchen, die Felſenzirken, die ſteinernen Arms kleine Gebirgsſeen umgürten. Der ſtolze Segler ſieht in die Ferne bis zur walachiſchen Ebene hinab; er ſchaut gen Norden das wellige Land Siebenbürgens mit all den freundlichen Dorfſchaften zwiſchen Feldern, Wieſen und Gbſtgärten, mit den glitzernden Waſſeradern und den unzähligen Hügeln, von Wald oder Reben bedeckt. Hoch oben am Grat erkennt er die kletternde Gemſe, auf grüner Matte im Schutze gewaltiger Felsblöcke die Stina, wo 360 go dj ted og "Wwavgpyagqaald waug uv 1919 90 \ u N 8 K 25 > 2 — — a ge. Transsylvanische Alpen, September 1908. Gänſegeier an einem Pferdekadaver. der walachiſche Hirt die Schafmilch in Käſe verwandelt, in der Nähe die Herde, von weißzottigen Wolfshunden ſicher behütet, und drunten am Rande des Waldes den Bär, der im Dornengeſtrüpp nach Beeren ſucht; in der Dämmerung am Abend wird er gewiß eins von den Schafen erbeuten. Und dort in der Schlucht — langſam klimmen auf dem ſteinigen Saum— pfad, zwei, drei kleine Gebirgspferde empor, mit Mantelſäcken und Kiſten, mit wollenen Koßen, mit Seltleinwand und Stangen beladen. Ein Mann im Touriſtenanzug geht voraus; ein walachiſcher Führer, in weißem Bein— kleid und Hemd, den ſchwarzen Filz auf dem Kopfe, an den Füßen die Leder-OGpintſchen, geleitet die Pferde, und ein Burſche, einen Torniſter am Rücken, beſchließt den Sug, der jetzt zwiſchen den letzten Fichtenkrüppeln hinaus auf die ſonnige Alm tritt. Nicht Jagdluſt iſt's, die den Fremden ins unwegſame Gebirge führt, auch kein tollkühner Bergſport; ihn treibt ein ernſterer Wunſch. Wohl gilt ſein Beſuch den Herrſchern der Felſenwildnis, den Kutten- und Gänſe— geiern, den Adlern, den Raben; aber ſeinen Hut will er diesmal nicht mit 362 4 gs 3 * R. B. Lodge. Transsylvanische Alpen, September 1908. Gänſegeier an einem Pferdekadaver. ſtolzer Jagdtrophäe ſchmücken; drin im Torniſter trägt der Burſche das kunſtvolle Werkzeug, das ihm helfen ſoll, ſeinen Plan zu erreichen. Den Menſchen drunten im Tiefland will er von dem Leben hier oben erzählen, fern von jeder Kultur; die Bilder, welche die Kamera aufnimmt, ſollen von den ſtolzen Gebietern berichten, die hier dem Himmel ſo nahe herrſchen. In der Nähe der Stina wird raſch von den beiden Walachen das Felt aufgeſchlagen und im Innern aus Tannenälten voll ſchwellender Nadeln das Lager bereitet. Doch noch fern iſt die Raſt; es gilt, droben, nahe dem Grat, im Steintrümmermeer einen Platz auszuwählen, von wo man die Adler und Geier, wenn fie zum Fraß kommen, aus einem Derſteck beobachten und dann die Linſe der Kamera auf die nichtsahnenden Räuber mit ſicherer hand richten kann. Sum Opfer aber iſt eins der Pferde erkoren, das, oltersſchwach, kaum noch den ſteilen Hang zu erklimmen vermag. Bald ſind auch die letzten Reſte der hochgebirgsvegetation verſchwunden; kein Alpenſtrauch mehr, kein Krummholz zwiſchen den Steinen. Rieſige Felſenkeſſel, kilometerbreit, angefüllt mit den Geſteinstrümmern ihrer Wände, 363 gähnen zu beiden Seiten des Pfades; in vollſtändiger Ruflöſung ſcheint das Gebirge begriffen. Ein großartiges Bild der Vergänglichkeit, des Unbeſtandes deſſen, was als das Mächtigſte und Feſteſte auf dieſer Erde gilt! Endlich wird haltgemacht, dicht unter dem Grat. Bald iſt eine Felſen— ſpalte gefunden, die mit geringer Mühe zu einem paſſenden Schlupfwinkel eingerichtet werden kann, und nun dröhnt von den Bergwänden laut wider— hallend der Schuß, der den abgetriebenen Gaul leblos zu Boden ſtreckt; nur zehn Meter von dem künftigen Derjteck entfernt liegt der Kadaver. Das Selt drunten am Grashang beherbergt jeden Abend den Sorſcher; aber ſchon am dämmernden Morgen, noch ehe der Sonnenball die ſchroffen Felſenzinken mit rotgoldenem Lichte beſtrahlt, kauert der Fremdling in feiner dunkeln, eiſigen Felſenſpalte, die er ſelbſt jedesmal mit Steinblöcken zumauert. Nur das Objektiv des Apparates ſchaut durch eine Lücke nach dem Leichnam des Pferdes, der die großen Dögel zum Mahle einladen ſoll. Der erſte Tag vergeht ſchweigend; träg rinnen die Stunden, unendlich lang dem Beobachter, der, zwiſchen Felſen und Steinen lebendig begraben, nichts anderes ſieht als den Kadaver des Pferdes. Aber am zweiten Tage ein metalliſch klingendes Sauſen von Flügeln, ein tiefes Krächzen, bald ſtärker, bald ſchwächer, abgebrochen und dann wieder runder und voller. Die Raben eröffnen das Feſtmahl. Oorſichtig umkreiſen ſie in weitem Bogen die Gegend, ehe der erſte es wagt, an der Tafel ſich niederzulaſſen. Er ſetzt ſich auf den Kopf des erſchoſſenen Pferdes; bald folgt ein zweiter, ein dritter, und ſchließlich hat ſich eine ganze Schar um die Beute verſammelt. Aber die Haut iſt zu zäh; ſie widerſteht dem Schnabel der Raben, jo daß ihr Appetit wohl immer von neuem gereizt, nicht aber befriedigt wird. Mur die Augen hacken die ſchwarzen Geſellen aus; ſie müſſen auf Mächtigere warten, die ihnen das Mahl erſt mundgerecht machen. Am dritten Tage ſtreichen die Geier in der Nähe des Raſes herum, doch wagt keiner von ihnen, das dargebotene Mahl zu berühren. Ganz zeitig am Morgen ſind ſie gekommen; Dunkel deckt noch die Berge. Das ſauſende Flügelſchlagen erfüllt die Luft, und heiſere Töne erſchallen bald hier und bald da. Jetzt wird es ruhig; auf dem Grat jenſeits der Felſenklauſe haben ſich die mächtigen Vögel niedergelaſſen und betrachten gierigen Blicks die willkommene Beute zu ihren Füßen. Immer deutlicher heben ſich ihre dunkeln Silhouetten von der heller werdenden Morgenluft ab; rieſengroße Geitalten auf dem Grunde des bleigrauen Himmels. Gänſegeier ſind es, ſechs Stück, meiſt junge Tiere, doch auch zwei alte ſind mit dabei. Aus dem weißen, wulſtartigen Nackenkragen hebt ſich bei dieſen der dünne Hals empor, der mit kurzen, gelblichen Härchen bedeckt iſt; ſehr licht braungrau iſt die Oberjeite gefärbt, aſchgrau überpudert, die Unterſeite hell roſtbraun. Bei den jüngeren Dögeln dagegen erſcheinen Hals und Kopf 364 N, R. B. Lodge. Transsylvanische Alpen, September 1908. Gänſegeier und Raben an einem Pferdekadaver. ſtärker, da wollartige weiße Dunen dieſe Teile bedecken, und der Hals— kragen beſteht bei ihnen aus düſter graubraunen verlängerten Federn, die in der friſchen Morgenluft flattern; das ganze Gefieder iſt dunkler, faſt einfarbig erdbraun. Unberührt liegt noch das Pferd; nur die Augen fehlen, und am Nacken klafft eine Wunde, die geſtern nach langem Bemühen die Raben mit gemein— ſamer Kraft geſchlagen haben. Langſam ſteigt die Sonne empor; ihr volles Licht trifft jetzt die Geſellſchaft droben am felſigen Grat. Da lüften zwei die mächtigen Schwingen, ſchweben kreiſend mit ruhenden Flügeln über dem Platz, daß die rieſigen Schatten geſpenſterhaft bald am Boden dicht neben dem Kaſe dahingleiten, bald an der Wand, die im Weſten den Felſenzirkus umgibt. Mit angezogenen Schwingen ſtürzt dann der eine ſauſend hernieder, hemmt den jähen Fall kurz vor dem Boden durch klatſchendes Schlagen der Flügel, und im nächſten Moment ſteht der erſte Geier auf ſeinem Opfer. Auf den ge— waltigen blaugrauen Fängen erhebt ſich faſt ſenkrecht der Körper; hoch hat er die Schultern gezogen, ſchlaff hängen die Flügel herab, und der Weißkopf auf dem vorgeſtreckten Halſe iſt gierig nach der Beute gerichtet. Einen Augen- 365 blick noch ſichert der Vogel ſpähenden Auges, dann beginnt er an dem trocknen Fell des Pferdes zu zerren und kraftvoll zu reißen. Der blauſchwarze Schnabel mit der hakigen Spitze haut immer von neuem, bis ſchließlich die zähe Hülle durchbohrt iſt. Bald erſcheint auch der Genoſſe beim Mahl. Auf einem Seljen hatte er Poſto gefaßt; nun hüpft er auf den Boden herab, geht ſchrittweis näher — mitunter auch ein paar Sprünge — und ſchwingt ſich endlich auf den Rumpf des geopferten Pferdes empor. Gleich brauſt und ſauſt es von neuem, ein dritter, ein vierter, nach kurzer Pauſe noch einer, jetzt zwei und jetzt drei, und nun rauſcht es von allen Seiten herbei: ein Dutzend und mehr Gänſegeier, zumeiſt junge, in dunklem Gewand. Da ſtreichen auch Kuttengeier heran, noch ſtärker und größer als ihre Derwandten. Aus einigen hundert Metern Entfernung betrachten die ſcheuen Geſtalten das Treiben der Weißköpfe; dann fliegen und hüpfen ſie vorſichtig näher und näher. Es ſcheint, als habe die Natur ſie nur zum Fluge geſchaffen; denn ungeſchickt ſind dieſe Geier, ſobald die fleiſchfaͤrbenen Fänge den Boden berühren. Im freien äther die herrlichſten Dogel— erſcheinungen, am Boden aber das wunderlichſte Gemiſch von Komik und Würde. Schrittweiſe gehen ſie mit auf und ab pendelndem Körper; der Hals, mit dunkeln haaren und Dunen beſetzt, hängt ſchlaff aus dem flatternden Federkragen herab; der Schwanz wird gehoben, die Rücken— federn werden geſträubt. So nähern ſich die ſchwarzbraunen, düſtern Ge— ſellen dem Mahl, das man auch ihnen bereitet hat. Fauchend und flügel— ſchlagend werden ſie von den futterneidiſchen Dettern empfangen; aber fie wiſſen ſich bald einen Platz an der Tafel zu ſichern. Der Appetit der Dögel iſt groß; in vier Stunden wird mehr als drei Diertel des Pferdes verſpeiſt. Aber es ſind auch viel hungrige Schnäbel; oft ſitzen zwei Dutzend Geier am Mahl, andere kreiſen darüber, lüſtern ausſchauend, wo ein Platz für ſie frei wird; einige hocken auf den Steinen ringsum, die verſchlungene Mahlzeit verdauend und doch immer bereit, ſich nochmals an die Tafel zu ſetzen. Unſauber ſehen ſie aus; denn oft haben ſie ihren Kopf und Hals tief in den Bauch des Kaſes gegraben, oder zwiſchen die Rippen des Pferdes, den Hals bis an den Federkragen geſenkt, um ſtückweis Lunge und Herz mühſam herauszuzerren. Mit ſauberem Gefieder ſetzt ſich jeder an die Tafel, und vom Blut und vom Inhalt der Därme ganz beſudelt zieht er ſich endlich befriedigt zurück. Die Gänſegeier zumal — ganz bejonders die Alten dieſes Räubergeſchlechts — haben kein Kleid, das zu dem Kavillerhandwerk paſſend erſcheint. Nach kurzem Schaffen am Has iſt ihr ſchneeweißer Halsſchmuck völlig verſchwunden; braunrot iſt alles gefärbt, fleckig und ſtreifig, wenig appetitlich. Die Gedärme ſind ihnen immer lieber als feſtes Fleiſch. Beſonders der eine, ein alter Kutten— geier — drei Meter faſt ſpannt er, das ganze Pferd könnte er mit ſeinen 366 er 8 N N 5 r a J . R. B. Lodge. Gänſegeier. Alter Dogel am Horſt. Südspanien, April 1900. . a & 8 F E zu 4 9 5 4 % % 18 5 * r 2 * — 2 u N 7 2 = ee P7 Pi — 3 R. B. Lodge. Transsylvanische Alpen, September 1908. Gänſegeier, ruhend. Flügeln bedecken — iſt ein verwöhnter Gourmet; er hält ſich nur an die Därme, die er vor dem Derjchlingen reinigt, jo gut er's vermag. Er reißt ein Stück ab, ſpannt es mit dem Schnabel und einem Fang ſtraff und ſtreicht dann ein paarmal mit dem andern Fang darüber, daß der Darm ſich entleert. Nun ſchlingt er den leckeren Biſſen mit heftigem Würgen hinab. Schließlich iſt die Mehrzahl der Gäſte geſättigt; da kommen die Raben in ſchwarzen Schwärmen herbei, um am Mahl der mächtigen Herren auch Anteil zu haben. Man läßt ſie ruhig gewähren, und ſchlau genug ſind die Spitzbuben, einen Leckerbiſſen erſt dann zu ergreifen, wenn die Geier in ihrer Nähe gerade eifrig mit Schlingen und Würgen zu tun haben. Bald ſind auch die letzten dieſer großen Dögel geſättigt, und ſelten kommt noch ein neuer rauſchenden Fluges daher. Schwer ſind die Kröpfe der Tiſchgenoſſen gefüllt, jo ſchwer, daß die Tiere nur unbeholfen einige Meter von den Reiten des Pferdes weghüpfen, um dann längere Seit mit vorwärts geſtreckten oder zu Boden hängenden Köpfen und hochgehobenen Schultern träg ſtehen zu bleiben. Das Der- 368 -WADIUy wawma uv aero bolup q ay9stuUwajÄhssuv.d] EEE EEE R. B. Lodge. Bosnien, Sommer IQ09. Gänſegeier. dauungsgeſchäft verlangt Ruhe. So ſitzen wohl zwei bis drei Dutzend der mächtigen Vögel in der nächſten Nähe herum, hier am Boden, gleich neben dem Aas, dort auf einem einzelnen Stein oder im Hintergrund auf dem felſigen Grat, einer neben dem andern. Still ſind ſie, Sank und Streit hat ein Ende, kein Flügelſchlagen, kaum noch ein knurrender Laut. Bisweilen ändert wohl einer die Stellung oder reckt und dehnt einen Fittich, daß die langen Schwingen ſich ſpreizen; aber jede Bewegung iſt träg. Die Sonne geht ſchon zur Küſte; da breitet endlich einer die Schwingen, hüpft ein paarmal am Boden, kreiſt niedrig über dem Kas, deſſen Keſte für heute verſchmäht werden, dann ſchlägt er kräftig die Flügel, und in majeſtätiſcher Ruhe ſchwebt er über den Grat hin, um hinter den Felſen— zinken ſtill zu verſchwinden. Die andern folgen dem Führer, erſt einer, dann zwei oder drei, mit einem Mal, laut brauſend, die ganze Geſellſchaft. Nur die Raben verharren noch am Kas; dann erhebt ſich krächzend auch dieſe Spitzbubenbande und fliegt, ſchwerfällig erſt, aber bald in ſauſendem Fug, am geröteten Himmel gen Weiten dahin. Vögel II. Copyright 1910, R. voigtländers Verlag in Leipzig. 24 369 Am folgenden Morgen iſt jeder wieder beizeiten auf ſeinem Poſten. Da mit einem Mal ein furchtbarer Lärm, ein gellendes Kreiſchen, ein rauſchendes Flügelſchlagen: ein Steinadler verſucht, die Geier vom Aafe zu vertreiben. Der erſte will ſich zur Wehr ſetzen; mit voller Wucht prallen die beiden Kämpen aufeinander — ein furchtbarer Lärm. Faſt metalliſch klingen die ſtählernen Fittiche bei dem Suſammenſtoß; Kriegsrufe füllen die Luft, und laut krachen die Schnäbel im wuchtigen Stoß. Da flieht ſchon der Geier; ein zweiter nimmt den Kampf auf, doch auch dieſer muß weichen. Das iſt das Seichen zur Flucht — ein halbes Dutzend Geier und ein einziger Adler! Schleunig ſtreichen ſie ab — nach wenig Minuten nur noch als Punkte in höchſten Höhen ſichtbar. Jetzt iſt der Adler der alleinige Herr. Die fliehenden Geier verfolgt er nicht weiter. Er fliegt in die Nähe des Aajes, um das Mahl zu beginnen. Da ſchaut er empor; ein Kuttengeier zieht ſeine Kreiſe. Auch dieſer ſoll merken, wer jetzt befiehlt. Mit ſtolzer Kraft ſtrebt der Adler empor, der Geier erweitert die Kreiſe und verſchwindet, dem Mächtigen weichend. Dann ſauſt dieſer zurück und fußt auf der oberſten Stelle des Aales. Königlich dieſes Bild, ganz anders als die kröpfenden Geier; der Adler wahrt ſeine Majeſtät auch an der blutigen Tafel. Aus ſeinem wildtrotzigen Blick leuchtet das Bewußtſein und das Dertrauen eigener Stärke; furchtbar allen Ge— ſchöpfen, iſt er der König, deſſen Erſcheinen unter den Säugetieren wie unter den gewaltigſten Vögeln Entſetzen verbreitet. Jetzt hält er im Mahl inne, richtet ſich hoch auf und ruft mit klingender Stimme, durchdringend und ſcharf, dem Ruf des Buſſards vergleichbar: „hia, hiah!“ dann beginnt er wieder an dem zähen Fleiſche zu reißen. Ob die Geier die Stimme des Königs vernehmen? weit ſind ſie geflohen. Nur bisweilen erhebt ſich einer und ſchaut aus der Ferne, ob der Adler noch da ſei. Endlich iſt das Feld wieder frei. Nun hüpfen die Gänſe- und Kutten— geier von neuem ungeſchickt um die Keſte des Pferdes, deſſen Knochen ſchon an vielen Stellen vom Fleiſch völlig entblößt ſind; ſie zerren an Muskeln, Sehnen und Haut und flattern mit dem losgeriſſenen Stück den Steinblöcken zu, zanken ſich um die Beute mit Flügelſchlagen und heiſerem Gehkrächze, knappen mit ihrer furchtbaren Waffe, dem mächtigen Schnabel, und krachend zerſplittern ſie ſelbſt ſchwächere Knochen. Nicht lange währt es, und das Gerippe des Gaules iſt von jedem genießbaren Biſſen völlig geſäubert; nur die Raben verſuchen es noch, an den weißen Knochen zu nagen. Träg hocken in der Runde die Geier; dann verläßt einer nach dem andern den Platz. * * * Afrika und Dorderalien iſt die eigentliche Heimat der rieſigen Aas- vertilger ; Süd- und Oſteuropa, wo manche ihrer Dertreter gleichfalls wohnen, 370 usqeianea RR die ou uawmalplap was 7 SUDAL denz ub A9]9DU19IS 24 * aueh nolplun Wanguyagaald ue Inv 10 vues O „oguardos bν, . ay2Stuwakssuvd] S N N -qualdoay ‘aaanguyagaajd wawa inv A9]9DU191S Alpen, September 1909. O. Fikentscher. Fogaraser Swei Kuttengeier und mehrere Gänſegeier am Has. R. B. Lodge. Gän ) ege ier am Aas. Bosnien, Sommer 1909. erſcheint dieſen großen Gebieten gegenüber nur als kleine Erweiterung. Hier in den Karpathen haben ſie die Nordgrenze ihrer regelmäßigen Derbreitung erreicht. Der weißköpfige Geier iſt in ägypten und Nubien, auch in den abeſſiniſchen Bergen eine bekannte Erſcheinung; an den Külten des Roten Meeres wohnt er, wie auch im Binnenland an den Ufern des Blauen und Weißen Nils. Südwärts hat man ihn bis zum Aquator angetroffen, ja über dieſen hinaus noch in der Breite von Sanſibar. Ruch im Nordweſten des ſchwarzen Erdteils, in den Gebirgen Algeriens, horſtet der Weißkopf. Die vorderaſiatiſchen Länder beherbergen ihn gleichfalls. In Europa ſind es beſonders die Länder am Schwarzen Meer und am Mittelmeer, wo der weißköpfige Geier horſtet. In Spanien dringt er bis zur Nordjeite der Pyrenäen vor, weiter öſtlich bis nach Sardinien und der Fruſchka-Gora im ſüdlichen Ungarn. An einigen Stellen, wo die Donau in reißendem Lauf zum letztenmal die Gebirge durchbricht, ehe ſie die weite Ebene Rumäniens erreicht, z. B. in den Kazan-Engen, ſteht gleichfalls jo mancher Horſt auf unzugänglichem Felſen; dann folgt die Nordgrenze den transjilvanijchen Alpen. Auch in Beſſarabien und Podolien, auf der Halb- inſel Krim und im ſüdlichen Ural horſten die gewaltigen Dögel einzeln oder in kleinen Kolonien. Oft ſtreichen fie weit gegen Norden; das Land ſteht ja frei, und ſchnell tragen die Schwingen. Im ſüdlichen Frankreich ſind Weißkopfgeier beſonders im Spätſommer und Herbit keine ganz ſeltne Erſcheinung, und in Qjterreich- 375 Ungarn ilt wohl kein Land, wo nicht ſchon einmal die Kugel des Jägers den ſtolzen Flieger erlegt hätte. In der Schweiz hat man verhältnismäßig nicht oft den Weißkopfgeier beobachtet; dagegen hat ſchon mancher dieſer maje— ſtätiſchen Vögel das Herz eines deutſchen Schützen erfreut, beſonders in Bayern, Württemberg, Baden. Aber ſelbſt bis ans Meer, bis nach Oſt- und Weſt— preußen und Pommern, bis nach Schleswig-holſtein und Jütland haben im Frühling und Sommer die ſüdlichen Fremdlinge bisweilen die Keiſe ver— längert, oft freilich zu ihrem Derderben. Derhältnismäßig oft wird Schleſien von den Weißkopfgeiern beſucht; man hat hier ſogar einmal einen Flug von 18 Stück der rieſigen Vögel beobachtet. Aber das Brutgebiet liegt weiter ſüdwärts; auf der Balkanhalbinſel und in den Gebirgen Spaniens iſt das wahre Dorado der Weihköpfe zu ſuchen. Die Bunaquelle kennt jeder, der Bosnien und die Herzegowina bereiſt hat. Der mächtige Schlundfluß entſtrömt einer Grotte, die von ſtarrer Seljen- mauer, wohl 150 Meter hoch, überragt wird. Lichtblau iſt das Waſſer, von ſeltener Klarheit; jedes Steinchen am Grunde, jede Forelle iſt deutlich zu ſehen. Droben aber, hundert Meter über dem Waſſer, ſteht unbeweglich in einer Felſenniſche vor ſeinem Horſte ein Geier, ein zweiter in nur geringer Entfernung von ihm. Ein dröhnender Schuß bringt Leben in die Starrheit des Bildes. Fünf Gänſegeier erheben ſich machtvoll und kreiſen ſchwimmen— den Flugs hoch in den Lüften; kaum ſichtbar ſind die leiſen Bewegungen der Fittiche, deren Schwingen ſich an den Enden fingerförmig ausbreiten, nichts von Überſtürzung und Halt. Stolz wenden fie den Ruheltörern den Rücken und ziehen talab. Anders die Felſentauben und Felſenſchwalben, die ganz in der Nähe die Steinwand bewohnen, Swerge neben den Riejen. Sie flüchten aus ihren Derſtecken und flattern empor in die Höhe, ſie ſauſen an den Wänden hin und her, als ob ſie einen Ausgang erſpähten; erſt nach Minuten kehrt die vorige Ruhe zurück, und auch die Geier ſuchen wieder ihr Heim auf. Auch weiter abwärts, wo die Buna in die Narenta einmündet, horſten gleich— falls Geier in den Wänden, ebenſo im Narenta-Defilee oberhalb Moſtar und noch an manch anderem Orte des an urwüchſiger Natur ſo reichen Landes. Überall hat hier der Geier an faſt unzugänglichen Stellen ſchroffer Seljenwände, auf Abjäßen oder im Grunde weiter Höhlen fein Heim auf— geſchlagen. Die Geſelligkeit liebt er; denn meiſt bewohnen mehrere Paare dieſelbe Felſenwand, Jahr für Jahr. Den Ort, der ſich einmal bewährt hat, geben ſie nur ungern auf. Aus groben Reijern und Sweigen, Wurzeln und andern trocknen Pflanzenteilen nachläſſig zuſammengefügt, thront hier der Horſt. Flach iſt er gebaut; doch beſteht er zuweilen aus einer großen Menge ſolch groben Materials, weil die Dögel im zeitigen Frühjahr ſtets wieder etwas hinzutragen. Bisweilen jedoch kommen ſie auch ohne Niſtſtoffe aus; dann liegen die Eier und ſpäter die Jungen auf dem nackten Geſtein. Wie 376 alle Raubvögel, jo beginnen auch die Weißkopfgeier früh mit dem Brut— geſchäft. Der Februar iſt gewöhnlich die Seit, wo ſie ſich paaren, und meiſt liegen bereits in dieſem Monat die beiden Eier im Horſt. Doch richtet ſich der Termin des Brütens ſehr nach der wärmeren oder kälteren Gegend und beſonders nach dem Alter des Weibchens. Jüngere Tiere warten nicht ſelten den Lenzmonat ab, während ältere, erfahrene Weibchen, beſonders in milderen Strichen, wo der Winter nur ſchwach ſein Regiment führt, bereits im Januar zu legen beginnen. Schutzfärbung bedürfen die Eier dieſer gewaltigen Dögel nicht; ſie ſind hier an der ſchroffen Felswand vor jedem Feinde ſicher. Rein weiß iſt ihr Gewand, die natürliche Kalkfarbe, doch erſcheint das ſaubere Weiß nach längerem Brüten nicht ſelten mißfarben gelblich bis bräunlich, von dem Kleide des daraufſitzenden Vogels beſchmutzt, der bei ſeiner blutigen Mahl— zeit ſo oft die Reinlichkeit außer acht läßt. Aber es gibt auch wirklich ge— fleckte Eier, die dann denen des Kuttengeiers außerordentlich gleichen; doch iſt ihre Schale ſtets rauher. Natürlich gehören die Geiereier zu den größten Dogeleiern Europas. Das itärkere und meiſt etwas dunkler gefärbte Weibchen des Gänſe— geiers brütet allein, wie es ſcheint, während das Männchen in der Nähe des Horſtes Wache hält oder auch einen Flug unternimmt, um nach einem Fraße zu ſchauen; dann meldet es den Fund ſeiner Gattin, und gemeinſam ſtreichen ſie ab, die Mahlzeit zu halten. Beim Kuttengeier wechſeln Männ— chen und Weibchen im Brutgeſchäft ab. Kehrt der Geier zum Horſte zurück, jo richtet er ſich ſenkrecht auf der Felſenkante empor, ſtreckt ſichernd den kleinen Kopf auf dem Langhals weit nach vorn über den Abgrund, dann hüpft er mit halbgeöffneten Schwingen zum Horſt, und täppiſch läßt er ſich nieder. Ihre Eier lieben alle Geiereltern mit zärtlicher hingabe; erſt bei großer Beunruhigung ver— laſſen die Vögel den horſt, ja oft iſt's nicht einmal möglich, durch laut dröhnende Schüſſe den brütenden Dogel von den Eiern zu treiben; er weiß es, in der Felſenniſche iſt er vor der Kugel des Schützen ganz ſicher. Ende März oder Anfang April find Junge im Horſt; flach fliegen ſie auf dem Boden, auch mit Hals und mit Kopf platt auf den Sweigen oder auf dem nackten Geſtein. Ihr Hörper iſt ganz in weiße wollige Dunen gekleidet; erſt nach Wochen ſproſſen in Reihen am Rücken, am Bug der Flügel die dunkeln Federn hervor, ſpäter auch aus dicken, blutreichen Kielen die Schwingen. Nun neſtelt der plumpe Schnabel gern in dem ſcheckigen Dunen- und Federgewande, und dann liegt das Junge wieder ſtundenlang unbeweglich im Horſt mit halbgeöffneten Flügeln, den nackten Hals flach auf dem Boden; die Klauen ſchauen täppiſch unter dem Leibe hervor, und mit ſeiner faltigen haut am Kopf macht der ungeſtalte Jungvogel den Ein— 577 druck eines hundertjährigen Greiſes. Schnell wächſt der Geier heran; doch den Horſt verläßt er erſt ſpät. Wochenlang hockt er darin und läßt ſich von den beſorgten Alten füttern und pflegen. Erſt wenn er völlig erwachſen iſt, wenn er den Schwingen vertrauen darf, verläßt er in Begleitung der Eltern das ſichere Derjteck, und nun führt er die Lebensweiſe, wie er's von den andern ſieht und zu der auch ihn die Mutter Natur beſtimmt hat. Sum Horſt kehrt er täglich mehrmals zurück; denn dieſer iſt den Kaubvögeln mehr als bloße Brut- und Pflegſtätte des heranwachſenden Geſchlechts. In der Nacht hockt O. Fikentscher. Fogaraser Alpen, September 1909. Gänſegeier am gas. die Familie im Horit oder dicht neben demſelben; aber ſobald die Dunkelheit nur ein wenig dem dämmernden Lichte weicht, verlaſſen die Geier den ſicheren Winkel und ſuchen ihr weites Revier ab, ein gefallenes Tier zu erſpähen. Lebende Geſchöpfe nach Art der Adler zu ſchlagen, das iſt bei den Geiern nicht Sitte, und nur ausnahmsweiſe, wenn die Not ſie zwingt, fo ſcheint es, überwältigen ſie ein krankes Schaf oder Reh, das ſie dann in kurzer Zeit mit ihren ſchneidend ſcharfen Schnäbeln zerreißen und bis auf die blanken Knochen und auf die Teile des Fells in den unerſättlichen Schlund hinab— würgen. Ob fie bei ihren Reifen nach Ländern, wo ſich ihnen ſelten ein 378 Nas bietet, nicht auch bisweilen mit Amphibien, mit Schnecken, vielleicht ſelbſt mit Käfern vorlieb nehmen, um den nagenden Hunger zu ſtillen, das iſt noch eine offene Frage. Wie den Oſten, jo bevorzugt der Gänſegeier auch den äußerſten Weiten Südeuropas, die iberiſche Halbinſel. Spanien iſt ſo recht die Heimat der Geier. Über den Schneefeldern der höchſten Gebirge im Süden kreiſen die ſtattlichen Dögel, wie über den heißen Steppengebieten im Innern des Landes; vor den Toren der Städte ſitzen ſie, auf Beute lauernd, oder ſie hocken, einzeln O. Fikentscher. Fogaraser Alpen, September 1909. Gänſegeier am Has. und in Geſellſchaft, an der einſamen, ſonnigen Straße auf einem Stein oder Baum. Wohnung und Jagdrevier bietet ihnen das Land mit ſeinen hohen Felſenketten und ſeinen Steppenebenen, weit, unendlich weit, doch von der ſtolzen Höhe, die der Geier erreicht, gut überjehbar. Beſonders reich an weißköpfigen Geiern iſt die Sierra de Ronda, weſt— lich von Malaga, deren ſenkrecht abfallende Kalkwände viele Horſtplätze bergen; aber auch die Gebirge in der Mitte des Landes, 3. B. die Sierra Guadarrama nördlich von Madrid oder die benachbarte Sierra de Gredos beherbergt die mächtigen Raubvögel in ſtattlicher Anzahl. 379 — >} ' M. Steckel. Vrana (Bulgarien), März 129170. Gänſegeier auf einem Hausdach. Auch in den nördlichen Gebirgen Spaniens, wo pittoreske Kalkfeljen in waldige Täler hinabſchauen, wo der Auerhahn balzt, Wildkatze und Wolf nächtlich umherſchleichen, der Bär manche Höhlung bewohnt und die Gemſe am zackigen Grat klettert, hat der Weißhkopfgeier ſein Heim aufgeſchlagen. In den höchſten Regionen oberhalb der Waldzone ſteht jeine Wohnung. Am Morgen ſchweben die gewaltigen Vögel über den Matten und über dem Hochtal und ſpähen nach Beute; vielleicht hat ein Bär den Reit ſeiner nächt— lichen Mahlzeit ihnen übriggelaſſen? So gehört der Gänſegeier, wenn auch nicht überall zu den gewöhnlichen, ſo doch zu den charakteriltiihen Dögeln der ſpaniſchen Halbinjel. Nur den kultivierteſten Teilen des Landes fehlt er, z. B. der Gegend von Barzelona, Dalencia und der ganzen Ditkülte. Auch der Kuttengeier iſt auf der ſpaniſchen Halbinſel zu Hauje; er brütet gleichfalls in den Pyrenäen, in den Gebirgswäldern Kaltiliens, in Andaluſien, ja bei Madrid ſoll er ſogar häufiger ſein, als ſein weißköpfiger Vetter. Seinen Horſt errichtet er, im Gegenſatz zu dem Gänſegeier, auf mächtigen Bäumen, 380 M) Tem. FA Vrana (Bulgarien), März 1910. Gänſegeier auf einem Hausdach. jehr gern auf Eichen, oft nicht allzuhoch über dem Boden. Starke, dürre Alte tragen den maſſigen Bau, der ſtets ſehr viel Erde enthält und jeden Adler— horſt an Größe noch übertrifft. Doch nur ein einziges Ei liegt im März in der Mitte des rieſigen Bauwerks. Wie bei den Säugern, jo iſts auch im Reich der Vögel. Die größten Formen ſind nur ſpärlich mit Nachkommenſchaft geſegnet. Kraft, ſcharfe Sinne, gewaltige Waffen ſichern jahrzehntelang das eigne Leben. Nur der Kleine, der Schwache hat ſeine Stärke in der Sahl ſeiner Kinder; in raſchem Wechſel folgt hier Geſchlecht auf Geſchlecht, in raſchem Wechſel Leben und Tod. Wer iſt der Sieger im Kampfe ums Daſein? 381 Das Alpenſchneehuhn. Von Hans Sammereyer. April iſt ins Bergland gezogen! Noch gleißen ſie und glitzern ſie in kriſtallner Firnpracht, die ſtarren, weithinausblauenden Häupter gewaltiger Bergrieſen, und noch deckt der tiefe harſtige Schnee, überpunktet vom ausgeflogenen Fichten- und Cärchen— ſamen, den wintermüden Bergwald. Doch der milde Sonnenblik hat ſchon auf den Talfeldern dunkle, „apere“ Flecke hervorgezaubert, und die erſten nordwärtsſtrebenden Kiebitze warten unten ſo lange, bis ſie der böſe Föhnwind mit ſeinen naſſen Schnee— ſchauern wieder vertreibt. — Übers Almenland geht nun der Morgen auf. Keine Flüelerche grüßt ihn noch, kein Baumpieper fächert mit zittrigem Flügelſchlage in die unendlich klare Luft, und auch der Waſſerpieper iſt noch nicht da, um pieſpernd ſeine flachen Bögen himmelan zu wippen. Nur ein alter Birkhahn, der ſchon jahrelang ſeine ſechsfachen krummen Sicheln zum Balzplaße trug, läßt auch heute den ſchönen Morgen nicht un— genützt verſtreichen, denn ſchon vor Taggrauen war er da, als ſchwarzer Klumpen, auf der ſtahlhart gefrorenen Schneewehe, gerade ober der letzten uralten Sirbe, angefallen und nun dreht er ſich gravitätiſch und hüpft und tanzt und ſtürmt mit prächtiger Attitüde den Almhang. Und dazu klingt ſeine dumpfe, weiche Rodelſtimme wie fernverhallendes dumpfes Glockengeläute. Er und ſein Detter Schneehahn, der noch einige hundert Schritte ober— halb knapp unter dem Felsgrate ſein faſt ſechsmonatliches Winterquartier aufgeſchlagen hat, ſind die einzigen alten Einſiedler, die ſchon durch ihr kleines Dogelherz heiße Minneſtimmung ziehen laſſen. Sobald der alte Krummſichelige unten ſein klangſchönes Balzlied ausge— jungen hat, ſchnarrt ihm fein weißer Detter oben von der leis roſa erſtrahlen— den Felswand ſeine rauhe Antwort. Er weiß ſich drüben am ſeichten Almboden eine kleine zarte Schnee— henne und wenn die trippelnd auf und ab läuft, und der erſte Blick der lauen Aprilſonne ihr ſchneeweißes Sartgefieder roſig überhaucht, dann nimmt der Hahn gewaltigen Anlauf, rennt flügelfächernd den Schneehang hinan, hüpft auf den nächſtbeſten Stein und ſchnarrt mit überſchnappender Stimme ſein lautes „Arrararr — ar — ar“ in die Luft. Und wenn ſie gar mit leiſem Piepſen antwortet, dann hält es ihn nimmer auf ſeinem Steine, er fächert ſich auf in die klare Bergluft, mit 382 Dr. Rosenius. Neſt und Gelege des Moorſchneehuhns. m m Wr * — a V 5 7 1 MV. Behr. Kemptener Hütte (Allgäu), Juli 1909. Cagerplatz mit Lojung des Alpenſchneehuhns. zitterigem Fittichſchlage wirft er ſich mit der höchſten Anſtrengung kerzen— gerade hinan, — haushoch —, ſchnarrt ſo laut ſeine Stimme klingen mag, und ſinkt in unendlich ſchöner Kurve, flügelzitternd, wie eine feine zarte Feder wieder nieder. So kann es Rein Dogel wie er, der alte Schneehahn— Einſiedler vom windumtoſten Heidengrat; jo ſchön mag nicht der Kiebitz gaukeln und die meckernde Bekaſſine niederſinken, eine ſolche wunderſchöne Sitterkurve kann nicht der flugſichere Weih' ziehen, das kann nur ein Dogel auf der ganzen Welt — der Alpenſchneehahn und vielleicht noch fein Vetter, der Moorſchneehahn. Und das ſcheint der zarten Henne mit der feinen liſpelnden Stimme zu gefallen, denn ſie japſt ihm leiſe zu. Nicht länger mehr hält es ihn da. Wieder wirft er ſich himmelan und wieder ſinkt er leiſe hernieder, doch nicht ganz zur Erde, denn einige Meter davor wendet der Liebestolle und reitet auf ſtarren krumm- und ſteifgebogenen Fittichen in elegantem Bogen hinüber zu ihr. a 4 FE ane P. Rosenius. Nejt und Gelege des Moorjhneehuhns*. e/fland, Juni 1904. > r Par > 1 N 1 « . 4225 — 1 F * . Wenige Schritte vor der Henne fällt er zu Boden. Er ſchnarrt und wendet ſich, fächert die Flügel, breitet den Stoß pfauartig aus, daß die ſchwarze Unterſeite hervorleuchtet wie dunkle Kohle, und will ihre Liebe im Sturme erringen. Doch ſie will ſpröde ſein und rennt vor ihm her bergwärts. Er hinten— nach. Flügelſchleppend und rauh ſchnarrend. Und wie er gar zu toll wird, da breitet ſie hurtig die Flügel und im Sauſeflug geht es den Almen entlang. Er nach. Über die ſchneegleißenden Almfelder geht es dahin, übers ſtarre ) Bild S. 383 betitelt ſich: Brütendes Moorſchneehuhn. vögel II. 25 385 Selsgrat hinüber, wieder hinab in den Flor tiefdunkelgrüner Sirben und jenſeits hinan über ein viertes Feld mit Almroſenbüſchen, dann über den jähen Steilgraben gradlinig hinweg, bis der raſende Flug an einem weiten Geröllfelde endet, wo ſich die flugmatte Henne plötzlich wie ein Stein mitten hinein in wild übereinandergeſchichtete Felstrümmer ſtürzt und wie ein weißer Kobold in einem gähnenden Grund verſchwindet. O. Grabham. Yorkshire (England), Marz 1908. Moorſchneehühner im Winterkleid. Jetzt hat aber der Hahn das Nachſehen. Argerlich ſchnarrt er, jo daß Reinecke, der eben einen vergeblichen Raub- zug auf einen balzenden Schildhahn gemacht, luntenſchlagend ſich von der anderen Seite ins Geröllfeld drückt. Doch da kommt er falſch an. Schon hat ihn der ärgerliche hahn eräugt, und mit rauhem Warnungsruf reitet er über ihn hinweg. Swar verſucht der Argliſtige den Hahn in tollem Sprunge 386 zu erhaſchen, doch bewirkt er damit weiter nichts, als daß ſich der Alte vom Heidengrat noch weiter hinanfitticht ins Morgenblau und ſich über den Steilgraben hinüberſchwingt aufs Heidengrat. Derflogen ſind ſeine Minnegedanken. Die Apriljonne läßt er ſein ſchneeweißes Gefieder, durch das ſich am Halle ſchon die erſten ſchwarzen Federn des Hochzeitskleides zwängen, küſſen und im trippelndem Gange ge— O. Grabham. Vorkshire (England), Juli 1908. Moorſchneehuhn im Sommerkleid. winnt er die einzige „apere“ Stelle, wo er der Bergazaleen harte Blätter ohne Mühe mit ſeinem kleinen, ſchwarzen, harten hühnerſchnabek abknabbern kann. Sein Balzgenoſſe, der alte ſechsſichelige Birkhahn unten, hat ſich auf eine alte Sirbelkiefer geſchwungen und hollert und ziſcht in rythmiſcher Abwechſlung. Und fein Gefieder leuchtet demanten auf, wenn er beim Ziſchen die Flügel ſchlägt. 25* 387 Die Aprilſonne aber küßt milde ſein ſtahlblau Gefieder und läßt zarte Rojatöne über das Kleid des alten Schneehahnes huſchen, der jetzt argliſtig von ſeinem Felsgrat Wache hält gegen den grauen Unhold hühnerhabicht, der eben unten geiſterhaft um die Ecke des Sirbenwaldes bog. Und ſie lacht milde über die firnglitzernden Almen, über die ſilber— glänzenden übereiſten Almrieſelbäche, über blaudämmernde Schründe und den dunklen, tiefdunklen Bergtau und dann übers freundliche Tal und die ſtarre Kette unendlich weit ſich hinziehender Berghäupter und den Kriſtall— gletſchern in weiter, weiter Ferne. Sum alten Platzhahn unterm heidengrat haben ſich drei ſchneidige jüngere Birkhähne geſellt und machen ihm ſeine altangeſtammten herrenrechte in täglicher Morgenrauferei weidlich ſauer. Aber er iſt doch noch immer Herr des Platzes, weil die Jungen, ſelber unter ſich uneinig, dem alten Herrn geſtatten, plötzlich in ihre Sänkereien wie ein ſtahlblauer Donnerkeil hinein— zufahren. Juſt ſo ergeht es auch dem alten Schneehahn oben am Grat. Wenn er kaum im erſten Leisahnen des Morgens ſeine Schnarrſtimme erhebt und minnefroh hinanzittert zu den ſterbenden Sternen, dann antwortet ihm regel— mäßig von rechts und von links ein Hahn, und wenn er den nächſtbeſten ver— jagt, dann findet er an der kleinen Senkung bei der zarten Henne gar deren drei, die ihr aufs eifrigſte die Cour ſchneiden. Und da fällt er darein, wie der Blitz und ſpringt dem nächſten an die Bruſt und läßt dem zweiten ſeinen harten kleinen Schnabel koſten, jo daß der dritte auf ſein bloßes Schnarren Reißaus nimmt. So bleibt er alle Tage Sieger und das ſcheint ſeiner kleinen Henne mit jedem Tage beſſer zu gefallen, denn immer günſtiger nimmt die ſonſt ſo Spröde ſein zierliches Fittichfächern auf und ſein Stoßwippen und das leiſe Schnabeljappen, das er ihr zu Ehren ſich wieder neu einlernt. Gar putzig iſt er jetzt geworden. Mit den ſchönen ſchwarzen Hügeln an den Wangen allein gibt er ſich jetzt nimmer zufrieden, ſein Kleid hat ſich am Kopfe, Halſe und als ſchönen Bruſtſchild gar ritterlich mit ſchwarzen, glänzenden Federn geſchmückt, und die weiß er vor ſeiner Henne ins rechte Licht zu führen. Wenn er aber von fern her ein zartes Japſen hört und dabei einer ſeiner Nebenbuhler in die Luft zittert, dann hält es ihn ſelbſt da nimmer, und er muß hinüber, um den Nebenbuhler im jähen Anſturme zu verjagen und der anderen Henne ſo ſchön zu tun, als er es nur kann. Denn in galanten Abenteuern iſt er gar wohl erfahren, der alte Schneehahn vom Heidengrat. — Auch ſeine Lenzgenoſſen ſind wiederum zurückgekehrt. Die Alpendroſſel ſchmettert ihre melancholiſch-lauten Weiſen, der Waſſerpieper zieht graziöſe 388 Bögen durch die klare Luft, und ins Gekoller der Birkhähne miſcht ſich vom tiefern Bergwalde das Geruckſe der Tauben und vollendet die klangvolle Maimorgenſymphonie. N. Kearton, Aberdeenshire (Schottland), Num 19006. Brütendes Alpenſchneehuhn. Den hühnerhabicht ſieht er nun alle Tage um die Sirbenwaldecke biegen, wenn er im Mittagsſchein von ſeiner Felsplatte Ausſchau hält, und ſignali— ſiert ihn treulich den Vögeln der freien Alm. Als er aber einſt im Morgengrauen nahe an der Waldgrenze erwachte, und ſein Balzgenoſſe, der ſechsſichelige Birkhahn, eben ſeine Stimme erhob, 389 O. Grabham. Yorkshire (England), April 1908. Schottiſches Moorſchneehuhn. Hahn. da zuckte aus einem unſcheinbaren Reilighüttchen nahe den beiden ein feuriger Strahl und der Donner eines Schuſſes rollte über die Alm. Da ſauſte der im Halbdämmer gefehlte Birkhahn hinweg, und der Alte vom Haidengrat ſtieg mit rauhlachendem Warnungsruf hinauf zu den höheren Almfeldern. Der unerfahrene Jäger im Schirme aber glaubte des Berggeiſts höhnen— des Lachen gehört zu haben. Und ein Tag nach dem anderen zieht am Mai— himmel heran. Die kleine henne wird von Tag zu Tag weniger ſpröde und endlich läßt ſie ſich vom Hahne in einen Schrund, in dem ſie weder vor noch rückwärts konnte, jagen, und die anſteigende Himmelsprieſterin Flüelerche durfte den beiden mit ihrer ſchönen zarten Stimme vom reinblauen äther den Brautchor ſingen. Nachher war aber die kleine Henne merkwürdig gar nimmer ſpröde und der Hahn unendlich zärtlich und — eiferſüchtig. Der Juni und der Juli ſind ins Land gekommen. Die Almen ſind grün, die Rhododendren halb verblüht, und der Alte findet am Heidengrat die ſchönſten Azaleenblättchen und die ſaftigſten Almkerfe. Wohl ſteigt er noch allmorgentlich ins Blau, doch mehr zum bloßen Vergnügen, als um einer Minneſtimmung zu folgen. Und ſein Hochzeitskleid hat er auch ſchon abgelegt. Die weißen Federn ſind gegen braune getauſcht, und die vielen Bäder im harten Kieſelſande haben ſein Gefieder arg abgenutzt. 390 — N Seh 180 2 77 Ne 55 O. Gralham, Yorkshire (England), Mai 1909. Schottiſches Moorſchneehuhn. henne. Einſiedler iſt er aber auch wieder geworden, gleich den anderen Hähnen, und viel friedfertiger verkehrt er nun mit ihnen, denn ſie wohnen nun alle unweit beiſammen am heidengrat. Vor des hühnerhabichts Tücke ſchützt ihn das almfarbene Kleid und ſein vielerprobter Argwohn; dem Hirten, der allmorgentlich mit ſeinem Vieh die Spitze des Heidengrates bezieht, iſt er gut Freund geworden, da dieſer ihm nichts tut. Reineke aber, den Schelm, fürchtet er ſchon gar nicht. Er mag friedfertig kommen, wie er will, der Alte kennt ſeine Cücke und hinterliſt. Und jo lebt er ſeine Sommertage in beſchaulicher Ruhe. Dort wo die ſchiefen Stämme der alten Sirben ihre windzerzauſten Kronen recken, nicht weit vom alten Gebäude der Almhütte, liegt langhinge— ſtreckt, die erdentblößten Wurzeln drohend gen Himmel geſpreizt, eine wind— gefällte Zirbe. Dicht an ihrem bleichen Stamm hat ein Wacholderbuſch kriechend Schutz gefunden, und in dieſem geſchützten Winkel lag das Ueſt der Schneehenne. Auch ſie iſt jetzt hellbraun und almfarben geworden, und die zwölf kleinen, dunkelgeſtreiften, munteren Küken finden an ihr die treueſte Be— ſchützerin. Sie weiß ſie jo trefflich zu führen, daß der lüſterne Reinecke ver— gebliche Streifzüge auf die niedere Alm unternahm, und wenn Feind Hühner: habicht über die dunklen Sirbenwipfel herangeiſterte, dann genügte ein leiſes Warnen und die junge Schar lag engangedrückt an die Unebenheiten 591 des Bodens, und ihr erdfarbenes Kleid Jicherte ſie vor dem Auge des Stoß— gewaltigen. Nur einmal war ſie dem Beſitzer der Heidealm, dem alten grauhaarigen Heidebauern mit der kurzen immerrauchenden Stummelpfeife, ſchier in die Hände gelaufen, denn plötzlich ſtand er mit ſeinem Almſtocke mitten unter ihren Kindern. Entſetzt fuhren die Kleinen auseinander, aber hurtig war die Henne dem Bauern vor die nach den Jungen greifenden Hände gehüpft und ließ, ſich flügellahm ſtellend und mühſelig vor dem Bauern herflatternd, ſich gerne verfolgen. Doch als ſie die Kinder in Sicherheit wußte, da konnte ſie wieder fliegen, beſchrieb einen kurzen Bogen und ruhte nicht, bis ſie alle ihre Jungen wieder zu ſich gelockt. Der alte Bauer aber erzählte unten auf ſeinem Hofe dem erſtaunten Geſinde die alte Sage, wie die jungen Schneehühnchen ein Büſchel Almgras in die Ständerchen nähmen und ſich auf den Kücken legend, das Büſchel als Schild über ſich hielten; und wie die alte Henne ſich ſo geſchickt krank jtelle, um den Verfolger von den Jungen abzubringen. Und das Ge— ſinde hat alles treulich geglaubt. Die Schneehenne aber führte ihre Jungen, wie ſie größer wurden, hinauf ins Felstrümmerfeld; dort waren ſie noch ſicherer als unten, obwohl ſie ſtatt köſtlicher Ameiſenkoſt nun ſchon Azaleen— und Erizeenblättchen und mühſam geſuchte Kerfenkoit ſpeiſen mußten. Trotzdem konnte ſie es nicht hindern, daß ein großer Rabe ihr ein halb— flügges Küken ſtahl, und daß ein Sperberweibchen ein anderes überwältigte. Die zehn anderen aber führte ſie treulich durch alle Hindernilje des Alpenhochſommers. Wieder balzten die Birkhähne auf den Sirben. Doch diesmal nicht aus Minneluſt, ſondern aus Freude über den ſchönen Oktobertag, der mit blutigroter Sonne in unendlicher Alpenklarheit über die graubereiften Berge heraufgezogen. Die dunklen Sirbenkronen ſchmücken hellblaue Sapfenbüſchel, denen zuliebe ganze Scharen von Tannenhähern mit gräßlichem Spektakel Erntefeſt feiern. Die bunten Diehherden ſind abgezogen von den Almen, hie und da nur noch taucht ein einſamer Alpenwanderer auf und die Flüelerchen ſind verſtummt. Dafür tönt vom Bergwalde herauf der mächtige Schrei des Wald— gewaltigen. Herbit iſt's geworden. Der Alte vom Heidengrat hat ſein braunes Sommerröckchen mit dem grauen Berbitkleide vertauſcht, und ſchon will er auch dieſes mit dem ſchnee— weißen Wintergewande wechſeln, denn heller Schnee blickt vom höchſten Kegel des Heidengrates. Auch die Henne iſt grau und die flüggen Jungen gar. 392 ee: © X Im Märzſchnee und weißen Kleid. E. R. Warren. Alpenſchneehuhn (amerikanijches) im Märzſchnee und weißen Kleid. Sie haben — im April, da Schnee noch das Land deckt — ihr weißes Gefieder noch behalten. Z. R. Warren. Alpenſchneehuhn (amerikaniſches) im fleckigen Kleid, das ſich wenig vom Tauſchnee abhebt. — Weibchen mit Jungen. Es hat ſein unauffälliges Sommerkleid (Juli). Z. R. Warren. Alpenſchneehuhn (amerikaniſches) im Sommerkleid (Auguit). E. R. Warren. Alpenſchneehuhn (amerikaniſches) im Oktober-Neuſchnee. Das Gefieder in der Ummauſerung zum weißen Winterkleid. Die jungen Bengels darunter üben ſich juſt ſchon am Balzruf, wenn der junge Herbſtmorgen heranzieht. Sie raufen wie zur Cenzzeit, zittern ins Alpenblau hinan und ſchnarren, daß es weit widerhallt vom Heidengrat. Der Alte hat wieder die Führung. Kommt doch tagtäglich nun der arge Hühnergeier, jo wie eben, als er die der Stimme des Alten nicht folgende Kette zweimal im Kreiſe um den Selskogel gejagt und nun zum dritten Male in ſeiner Argliit ſcharf um: biegend, der Mette entgegenflog und ſie jäh überraſchend, mitten daraus eine junge Henne ſchlug. Da heißt es ſcharf achthaben. Doch heute iſt alles ſicher. Der Alte führt ſeine Kette hinab, wo große Flecke mit ſaftigem Azaleen- beſatze und den herrlichſten roten Preiſelbeeren in einer kleinen Senkung locken, und die junge Schar fällt gierig darüber her. Nur er, der Alte ſichert von Seit zu Seit. Doch plötzlich ſteht der Jäger mit angebakter Büchsflinte über der Senkung. Der Hahn warnt mit rauhem Ruf, die Kette ſtiebt durcheinander, — er will die Fittiche breiten, will — — da ſauſt im jähen Blitze die Schrot— ladung in die Senkung und ehe noch der Donner des Schuſſes über die Alm verrollt, blättert der Alte vom Heidengrat ſein Leben aus. — Wer wird nun die Kette durch die Fährniſſe des Alpenwinters führen, wer ſie warnen vor des hühnerhabichts Tücke und ſie aus dem Bereiche der Schneewächten, dorthin führen, wo der Wind die Alm bloßgelegt und die einzige ſpärliche Azaleen- und Erizeenkoſt zu haben iſt? — — ' 397 Der Höderjchwan. Don Martin Braeß. Majeſtätiſche Würde und zierliche Anmut — kein anderer Dogel ver: einigt dieſe ſcheinbaren Gegenſätze in ſolcher Vollendung wie der Schwan, die herrlichſte Sierde faſt jedes Parkteiches. Kraftvoll rauſcht der ſtolze Segler auf der Waſſerfläche dahin, daß die ſchneeige Bruſt tief in die Welle eintaucht, die ji vor ihr auftürmt, wie vor dem Kiel eines vom Winde getriebenen Schiffes. Der lange ſchmiegſame Hals iſt §-förmig zurückgebogen, beinahe bis auf den Rücken niedergedrückt; in den Flügeln, die ſich wie ſtolze Segel an den Seiten emporwölben, fängt ſich der Wind; kräftig arbeiten die ſtämmigen Ruder, ein machtvoller Doritoß des Körpers bei jedem Schlag — mit reißender Schnelle, und doch ohne Halt, zieht das Schiff ſeine Bahn. Wie der Adler der Beherrſcher des Luftmeeres, ſo iſt der Schwan der Rönig der Waſſerfläche. Und auch der ruhende Schwan, wie ſchön, wie anmutig ſeine ganze Erſcheinung! Leicht liegt der Körper auf dem glitzernden Spiegel, die ſtolzen Segel haben ſich geſenkt, es ruhen die Ruder; der ſchlanke Hals iſt faſt geradlinig emporgerichtet, kaum angedeutet eine ganz ſanfte Biegung; Kopf und Schnabel ſind wagrecht geſtellt oder nach der Waſſerfläche geſenkt, die das Konterfei des herrlichen Vogels in zitternden Linien zurückitrahlt. Leiſe ſpielen die Wellen am Bug des ſchneeigen Fahrzeugs, das ſich willig dem koſenden Spiel überläßt; auf und ab ein rhythmiſches Wiegen und zu— gleich ein ſanftes Wenden des Schiffes nach rechts und nach links — wahr— haftig ein Bild vollendeter Anmut, edel und zierlich zugleich. Dichter und Maler aller Völker und Seiten hat die Erſcheinung des Schwans immer von neuem begeiſtert. In der Geſtalt eines Schwans betörte Zeus die Leda, das Ideal weiblicher Schönheit; von einem Schwan ſanft gezogen, trug das Boot Lohengrin, Parzivals herrlichen Sohn, nach Brabant; aus dem fernen, ſonnigen Süden kamen in Schwanengeſtalt halbgöttliche Jungfrauen, ſich im heiligen See zu baden, der ihnen immer wieder Schön— heit und Jugend erneute, und das deutſche Märchen, das ſo viel von dem Wundervogel berichtet, verleiht ſeinem Haupt als Seichen von Würde und Anmut eine Königskrone aus purem Gold. Und doch, ſo majeſtätiſch, ſo lieblich die zahmen oder halbzahmen Schwäne die Gewäſſer beleben, ihre volle Schönheit offenbaren die ſtolzen Pögel erſt dort, wo ſie in unbeſchränkter Freiheit hauſen, auf weltfernen Seen im hohen Norden oder auf den weiten Bodden und an den Flußmündungen unſerer 398 98 plasıpg uva pol uauıa| u 5 "uadung Op a f e N deutſchen Oſtſeeküſte. Leije nähert ſich das Boot an dem ſchilfbeſetzten Ufer des Sees einer Gruppe glänzender Schwäne, die ſanft dahingleitend, ſchwim— mende Pflanzenteile von der Waſſerfläche aufnehmen oder den langen Hals in die Tiefe hinabſenken, um Strünke von Schilf und Binſen heraufzuzerren; einige ſtehen oder ſchwimmen auch ganz dicht am Geſtade, und ihr gelb— roter Schnabel zupft von dem Grün der Uferpflanzen. Kaum hat der erſte den Nachen bemerkt, jo erhebt er ſich mit gewaltigen Schlägen der Flügel; die andern folgen dem Beiſpiel. Ein geräuſchvolles Brauſen und Klatſchen, wenn die Füße und Schwingen die halb laufenden, halb fliegenden Tiere über und auf der Waſſerfläche zwanzig, dreißig Meter dahintragen, ehe lie ſich wirklich in die Lüfte erheben, weithin vernehmbar, wie das Nahen eines tobenden Sturmes; dann aber ein ſeltſames, mächtiges Sauſen, an— und abſchwellend, je nach der Entfernung, rhythmiſch jeden Flügelſchlag der gewaltigen Vögel begleitend. Dazu laſſen einige ihre rauhe Stimme hören, ein tiefes „Grra“, faſt ſo laut, wie der trompetenartige Ton des grauen Kranichs; ſie haben Sorge um ihr Neſt, das im hohen Schilf am Rande des Waſſers ſteht. Dem Flugbild des Schwans fehlt freilich die Anmut; er beſitzt nicht die Hierlichkeit des fliegenden Reihers, nicht das ſtolze, ruhige Schweben und Gleiten des Adlers; er iſt zu groß und zu ſchwer. Aber die Größe des Luft— ſchiffs iſt's, die einen gar gewaltigen Eindruck macht: der größte Schwimm— vogel unſrer Gewäſſer hoch in der Luft! Ohne Halt, aber kräftig ſchlagen die Schwingen; der lange Hals iſt nach vorn geſtreckt, meiſt etwas gejenkt. Gewöhnlich wird die Flugrichtung geradlinig genommen, doch auch Kurven kann das Luftſchiff beſchreiben. Ein ſchöner Anblick, wenn nicht nur ein einzelner Schwan, ſondern eine ganze Geſellſchaft, ein Dutzend oder noch mehr, über dem dunkeln Waſſer in ſauſendem Fluge dahinjagt, weißglänzende Wolkenfetzen an der tiefblauen Glocke des Himmels. In der Ferne jenkt ſich die Schar ſchräg herab; mit den ſchlagenden Flügeln berühren die Segler jetzt klatſchend das Waſſer, und ziſchend ſauſen die weißen Fahrzeuge noch ein ganzes Stück auf der glitzernden Fläche dahin, ehe ihre Stoßkraft ge— hemmt iſt. Auch auf dem Frühjahrs- oder Herbſtzug gewähren fliegende Schwäne einen herrlichen Anblick; ſie reiſen ſtets in großer Geſellſchaft, eine ſchiefe Linie oder, ſind es ſehr viele, eine Doppelreihe bildend, den ziehenden Kranichen ähnlich. Hundert, hundertundfünfzig Meter hoch ſtreicht die Schar durch die Luft; man hört bereits von fern das eigentüm— liche Sauſen, und man hat die Wanderer ſchon wieder aus dem Auge ver— loren, wenn einem noch immer der charakterijtiihe Flugton im Ohr klingt, wie fernes Glockengeläute leiſe verhallend. Das Derbreitungsgebiet des Höckerſchwans iſt ziemlich groß. Im Sommer bewohnt er das ſüdliche Skandinavien, die deutſchen Küſtenländer und den 400 Ettel. Mihlhausen (Thüringen), Herbst 1909. Ein Trupp alter und junger Hökerjhwäne, in ihrer Mitte ein auſtraliſcher Trauerſchwan. Südoſten Europas, beſonders Mittel- und Südrußland, ſowie die Balkan— halbinſel; in Alien iſt er auf allen großen Gewäſſern Turkeſtans und Süd— ſibiriens ſehr häufig. Den Winter aber verlebt er in den öſtlichen Mittel— meerländern, namentlich an den Küſten des Schwarzen Meeres, während die aſiatiſchen Vögel bis nach den indiſchen Gewäſſern ziehen. Aber es bleiben auch viele Schwäne ihrer Heimat treu, nicht nur die zahmen oder halbwilden, ſondern auch ganze Scharen von ſolchen, die ſich völliger Frei— heit erfreuen, oder ſie wandern doch nur mäßige Strecken. An der Oſtſee— küſte verſammeln ſich in manchen Wintern Hunderte auf den hinter den Inſeln und Nehrungen gelegenen Bodden und Haffs; die meiſten mögen allerdings weit im Norden brütende Singſchwäne ſein. Es geht ihnen traurig, wenn der Winter ſehr hart wird und Eis die weite Fläche bedeckt; dann werden manche jo ſchwach, daß es den Fiſchern gelingt, mit Knütteln die ſtolzen Vögel niederzuſchlagen und ihre weißen Dunen zum Stopfen von Betten und Kiſſen zu verwerten; auch liefert die haut, aus der man nur Vögel II. Copyright 1910, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 26 401 W. Köhler. Ruhewerder (Tegeler See), Mai 1909. Höckerſchwan. die Konturfedern entfernt, ein wärmendes Pelzwerk, das an Sartheit, Dichte und ſchneeiger Weiße jedes andere Pelzwerk weit übertrifft. Sobald der Frühling die Wanderer nach ihren alten Brutſtätten zurück— ruft, wird es lebendig in den ſtillen Buchten, wo die grünen Spitzen von Schilf und Rohr allmählich zwiſchen dem fahlen, abgeſtorbenen Pflanzen— wuſt hervordringen. Aber an die Einrichtung der Wochenſtube denkt man noch nicht, obgleich die älteren Paare, wie es ſcheint, für ihre ganze Lebens— zeit unzertrennlich zuſammenhalten. Es ſind in der Geſellſchaft ſo viele jüngere Tiere, die ſich erſt paaren wollen, auch einzelne ältere Männchen, die den Frieden der Eheleute immer von neuem ſtören, und beſonders wenn Durchreiſende raſten, gibt's Hader und Sank und Eiferſuchtsſzenen, und auch nachdem ſich einzelne paare bereits einen Niſtplatz gewählt haben, kommen ſie doch noch tagelang nicht zur Ruhe, weil ſie den Nachbarn nicht trauen, die immer geneigt ſind, ſich fremdes Eigentumsrecht anzumaßen. Iſt der See nur von kleinerem Umfang, ſo wird er meiſt von einem ein— zigen pärchen in Anſpruch genommen und hartnäckig gegen jedes andere verteidigt, das ſich hier gleichfalls anſiedeln will. Rauſchend, die Bruſt tief ins Waſſer geſenkt, den Hals ganz zurückgelegt, ſo ſchwimmt das unduld— ſame Männchen, zum hartnäckigen Kampfe bereit, dem Eindringling wütend entgegen. Sieht ſich dieſer nicht ſchnell zurück, ſo ſtürzt der eiferſüchtige Gegner in größter Haſt auf den Feind und zerzauſt ihm, mit Schnabel und 402 IWW, Köhler, Ruhewerder (Tegeler See), Mai 1909. Höckerſchwan. Flügeln ganz gewaltige Schläge austeilend, das weiße Gefieder. Nicht eher verläßt er den Kampfplatz, als bis der andere die Flucht ergreift; dann erſt kehrt der Sieger mit haſtigem Ruderſchlag zu der Stelle zurück, die ſich das Paar für das Neſt auserſehen hat. Dort jteht ſchon das Weibchen; es zupft allerlei abgeſtorbenes Pflanzenmaterial ab und legt es ſorgſam mit dem Schnabel zurecht. Iſt die Waſſerfläche von bedeutender Größe, das Ufer ausgedehnt und reich an ſchilfbeſtandenen Buchten, ſo brüten auch mehrere, nicht ſelten ſogar zahlreiche Paare auf dem Gewäſſer; aber ohne Sank und Streit geht es auch hier nicht ab. Beſonders die alten Schwanen— männchen ſind unduldſam, eiferſüchtig und hartnäckig, wie kaum ein anderer Dogel. Auf einer kleinen Inſel, in einem Schilf- oder Rohrbujche, immer der freien Waſſerfläche möglichſt nahe, ſteht das Neſt, oder wie man es ſeiner Größe und des groben Materials wegen wohl auch bezeichnet, der Horſt des Schwanenpaares. Dom Waſſer her iſt der ſtattliche Bau, namentlich im Frühjahr, wenn der Pflanzenwuchs ihn noch wenig verbirgt, unſchwer zu entdecken. Strünke, Wurzeln, Ranken von Waſſerpflanzen ſind zu einem großen Klumpen zuſammengehäuft, der einen oder anderthalb Meter und darüber im Durchmeſſer, dabei eine höhe von 25 bis 50 Sentimeter auf— weiſt. Unten liegen die ſtärkſten Schilfſtöcke, Rohrwurzeln und Stengel, bisweilen auch einige irgendwo angeſchwemmte Baumreiſer; es folgen Halme, 26 * 405 V. Köhler. Ruhewerder (Tegeler See), Mai 1909. höckerſchwan, jih im Waſſer aufrichtend und mit den Flügeln jchlagend. Blätter, feinere Stengel, und ganz oben dürre Binſen, trockne Grasſtöckchen und dergleichen. Die Niſtmulde iſt gewöhnlich nicht tief; doch beſtehen in dieſer Beziehung Unterſchiede, wie denn überhaupt die Schwanenneſter durch— aus nicht nach einer Schablone gebaut ſind. Manchmal iſt das Material kunſtgerecht zuſammengefügt, daß es ein feſtes, widerſtandsfähiges Gebäude bildet; nicht ſelten aber iſt der Horit liederlich und loſe, und wenn das Waſſer ſteigt, treibt es ihn fort, oder der Sturm reißt den Bau aus— einander. In den meiſten Fällen iſt das Weibchen nicht nur der Baumeiſter, ſondern es ſchafft das Niſtmaterial auch herbei, während das eiferſüchtige und wachſame Männchen mit allen Seichen des Stolzes, daß es ein Weibchen beſitzt und bald auch ein heim, in der Nähe herumſchwimmt — wer es ihm ſtreitig macht, der wird ſofort attackiert; ſelbſt die zahmen Schwäne auf den Parkgewäſſern, die an den Menſchen gewöhnt ſind, werden um dieſe Seit ſehr bösartig. Einzelne Männchen ſind wohl auch beim Veſtbau behilflich oder ſchaffen wenigſtens Bauſtoffe herbei, indem ſie alles, was ſich im Umkreis ihres weitreichenden Schnabels befindet, ergreifen, zu ſich heran— ziehen und dann in die Nähe des Horſtes legen. Dabei ſteht ihr Körper, 404 W. Köhler. Ruhewerder (Tegeler See), Mai 1909. Höckerſchwäne. der auf dem Lande ſo plump und ſchwerfällig erſcheint, faſt unbeweglich auf den kurzen, bleiſchwarzen Füßen, und nur der Hals, durch ſeine rieſige Länge und Beweglichkeit vortrefflich dazu geeignet, leiſtet die handlanger— dienſte. Manchmal wird die Arbeit unterbrochen, und die Gatten vergnügen ſich dann im Waſſer mit allerlei Kurzweil; ſie ſchnäbeln ſich, winden die langen Hälfe umeinander, richten den Leib, mit den breiten Rudern „waſſer— tretend“, ſenkrecht empor, ſchlagen mit den Flügeln, daß es laut klatſcht und das Waſſer in Aufruhr gerät, und jagen auch einander in ungeſtümem Spiel eine Strecke weit über die Fläche. Die Sahl der Eier, die in der zweiten Hälfte April gelegt werden, iſt verſchieden; bald ſind's fünf, bald ſechs oder ſieben, aber auch acht Stück und mehr noch kommen vor, ebenſo bisweilen nur vier. Sie ſind von ſtatt— licher Größe, elf bis elfeinhalb Zentimeter lang, bei einem Breitendurch— meſſer von ſieben Sentimetern; zwei Gänſeeier werden kaum fo viel Inhalt aufweiſen wie ein einziges Schwanenei. Solch große Eier bedürfen natürlich einer recht langen Brutzeit; fünf, ja faſt ſechs Wochen dauert es, ehe die Kleinen auskriechen. Das Männchen weicht während dieſer ganzen Seit nicht von der brütenden Gattin; es ſchwimmt in der Nähe umher oder ſtellt 405 R. Zimmermann, Paarsteinsee bei Angermünde, Mai 1905. Neſt und Gelege des Singſchwans. und kauert ſich neben den Hhorſt, ja mitunter löſt es auch das Weibchen im Brutgeſchäft ab. Gegen Ende der Brutzeit liegen im Neſt und in ſeiner Umgebung eine Menge weißer Dunen; das Weibchen hat ſie ſich aus— gerupft und bedeckt damit die Eier, wenn es vom Horit geht; infolgedeſſen zeigt es an der Unterbruſt einen großen Brutfleck, der ſich erſt im Spät— ſommer völlig verliert. Den Schwanenjungen ſieht man es nicht an, was für herrliche, ſtolze Vögel ſie einſtmals werden ſollen. In dichten weißgrauen Flaum ſind die Dunenbällchen gehüllt, Schnäbelchen und Füße ſind ſchwärzlichgrau gefärbt; von der federlojen tiefſchwarzen Stelle zwiſchen Auge und Schnabelgrund, die dem erwachſenen Dogel zur charakteriſtiſchen Sierde gereicht, noch keine Spur. Im zweiten Monat brechen zwiſchen den Dunen die erſten Miele auf Bruſt und Schultern hervor; aber ehe die Schwanenkinder wirklich flugfähig werden, vergehen gewiß gegen drei Monate. Dann tragen ſie ein braun— graues Kleidchen, das aber im Lauf eines Jahres ganz weißſcheckig wird, indem die ſpätere Farbe immer mehr an Umfang gewinnt. Im zweiten Jahre erhält auch der Schnabel einen rötlichen Anflug, und die nackten Teile vor und neben der Stirn treten ſchon deutlich hervor, ebenſo der Höcker 406 Douglas English. Dartford, Mai 1905. pärchen Hökerjhwäne am Nejt. Das Weibchen ſetzt ſich eben aufs Gelege. Douglas English. Dartford, Mai 1905. Höckerſchwanweibchen auf dem Neſt mit Jungen. Douglas English. Dartford, Mai 1905. Weiblicher Hökerijhwan mit Jungen. oben an der Schnabelwurzel, dem dieſe Schwanenart ihren Namen verdankt. Erit im dritten Jahre ihres Lebens werden die nun fortpflanzungsfähigen Jungſchwäne ganz weiß; jetzt ſind fie faſt ebenſo ſchön und ſtattlich wie ihre Eltern. Aber in anderer Beziehung ſind die Schwanenhinder doch ſchon recht weit, ſobald ſie ihr enges Gefängnis geſprengt haben. Nicht länger als einen Tag laſſen ſie ſich von der Mutter noch wärmen; dann geht es hinaus ins Waller, das ihnen die Natur zum Aufenthalt für ihr ganzes Leben beſtimmt hat. Anfangs ſind die Kleinen wohl zaghaft; ſie halten ſich eng zuſammen und ſchmiegen ſich an das weiße Gefieder von Dater oder Mutter, die ſtets zur Verteidigung ihrer Jungen bereit ſind und ſelbſt jede vorüber— fliegende Krähe mit Mißtrauen betrachten und unwillig knurren oder ziſchen, wenn der vermeintliche Feind ſich nicht ſchleunigſt entfernt. Sie zeigen den Jungen, was für ihren Schnabel gewachſen iſt, ſchwimmendes Entengrün und dergleichen, wie man's vom Waſſerſpiegel aufnimmt, auch aus größerer Tiefe allerlei Pflanzen heraufholt oder am bewachſenen Ufer mit flach— gehaltenem Schnabel alles durchſchnattert, was ſich dort findet. Sind die kleinen Kuderfüßchen müde oder erhebt ſich der Wind, daß die gekräufelten Wellen die Tierchen erſchrecken, ſo nehmen die Eltern die kleine Geſellſchaft auf ihren Rücken, und es iſt dann ein reizendes Bild, wenn die Küchlein 408 R. B. Lodge. Holland, Mai 1897. Trompeterſchwan. hinter den Flügel- und Schulterfedern von Vater und Mutter Schutz ſuchen. Gleitet eins wieder herab, gleich ſenkt ſich das Schiff, und leicht klettert der über Bord Gefallene mit ſeinen Ruderfühchen am Fahrzeug empor. Abends kehren die Eltern mit ihren Kindern wieder zum Neſte zurück; die Mutter nimmt ihre Lieben unter die wärmenden Flügel, und der Vater bewacht die Familie. Erſt nach Monaten, wenn die Schwänchen ſchon bedeutend ge— wachſen ſind, wenn ſie ihr Federkleid haben und ihr kindliches Piepen ſich bereits in ein kräftiges Knurren verwandelt hat, lockern ſich die Beziehungen zwiſchen Eltern und Kindern. Letztere treiben ſich nun allein auf den Ge— wäſſern umher, ſchlagen ſich zu größeren Geſellſchaften zuſammen und ver— laſſen im herbſt meiſt noch vor den Alten die Heimat. Der Detter des Höckerſchwans, der Singſchwan, iſt ein polarer Brut— vogel der Alten Welt, der nur als Wintergaſt die deutſchen Küſten der Dit: ſee, bisweilen auch die der Nordſee beſucht, ausnahmsweiſe auch einmal tiefer im Lande erſcheint. Auf den erſten Blick iſt er von dem höckerſchwan zu unterſcheiden, auch wenn man das Sitronengelb der nackten Stelle zwiſchen Auge und Schnabel, das bis zu den Naſenlöchern reicht und ſich am Rande des Oberſchnabels noch weiter nach vorn erſtreckt, der großen Entfernung 409 wegen nicht zu erkennen vermag. Die ganze Haltung iſt weniger anmutig; der Hals, etwas jtärker und kürzer, wird faſt immer ziemlich geitreckt getragen, und das Aufblähen des Gefieders, wie es der Höckerſchwan übt, wenn irgend etwas ſein Gemüt aufregt, verſteht der Singſchwan auch nicht ſo gut. Aber in der Größe und im Gewicht kommt er jenem vollkommen gleich. Die Stimme hat dem Singſchwan den Namen gegeben, und manches Märchen weiß vom „Schwanengeſang“ zu erzählen. Einſilbige, tiefere oder höhere Rufe ſind es, welche die in Geſellſchaft ſchwimmenden Tiere oft ſtundenlang hören laſſen, wobei ſie ruhig ihrer Beſchäftigung nachgehen. Beim Flug aber verjtärkt ſich die Stimme und miſcht ſich mit dem ürhyth— miſchen Raujchen der mächtigen Schwingen — wie Glockenklänge aus weiter Ferne tönt's dann geheimnisvoll aus der höhe herab. Auf Island iſt der Singſchwan ein weitverbreiteter Brutvogel. Im April oder Mai kommt er nach ſeinen Niſtplätzen, wo er auf kleinen Inſeln oder an geſchützten Uferſtellen den Horſt errichtet. Sind die vier bis ſieben Jungen flugfähig, ſo begeben ſich die Familien nach größeren Seen, Strömen oder dem Meere. Ende September oder im Oktober ziehen die Schwäne fort, meiſt Weibchen und Jungvögel, während die alten Männchen im Lande überwintern, von einem Gewäſſer zum andern oder von Meeresbucht zu Meeresbucht ſtreichend. Douglas English. Dartford, Mai 1905. Höckerſchwan in Kampfitellung. 410 Der Rotſchenkel. Von Dr. Ernſt Schäff. In die weit ausgedehnten, flachen, ſumpfigen Wieſenflächen, die in den Küſtengegenden unſrer Nord- und Oſtſee auf große Strecken der Land— ſchaft den Stempel der Einſamkeit und Gde aufdrücken und die auch im mittleren und ſüdlichen Deutſchland vielfach Teiche und Seen umſäumen, verirrt ſich nur ſelten der Fuß des Wanderers. Was iſt denn dort auch wohl zu finden? Kein Wald, kein Baum, kaum ein Strauch als Unter— brechung der einförmigen, grünen Fläche; meiſt wenige und ſchlechte Wege, hier und da wackelige Brücken, die man nur mit einem gewiſſen Miß— trauen betritt, und viel Gelegenheit, ſich naſſe Füße zu holen. Aber je weniger ſolche Gegenden den Menſchen, wenn er nicht Ornithologe iſt, locken, um jo mehr fühlen ſich allerlei Dögel zu ihnen hingezogen, die dort alles finden, was ſie brauchen und ſuchen: Nahrung, Niſtplätze und Ruhe für das Brutgeſchäft. Wenn im März die wärmer und wirkſamer werdende Frühjahrsſonne den Schnee zum Schmelzen gebracht und Gräſer und Kräuter zu neuem Leben und Sprießen erweckt hat, wenn die Kiebitze ſich an den altgewohnten Brutpläßen wieder einfinden und gaukelnden Fluges über den noch vielfach von Waſſer bedeckten Flächen ihr Weſen treiben, dann ſtellt ſich, teils mit jenen Frühlingsboten, teils bald nach ihnen, auch der Kotſchenkel ein, ein zierlicher, ſchlanker Dogel von der Größe einer Wacholderdroſſel, mit langen, rotgelben Stelzbeinen, die ihn für ein gutes Auge leicht kenntlich machen. Freilich läßt ſich unſer Rotbeinlein, wie er in älteren Schriften von dem ihn tatſächlich am beſten kennzeichnenden Merkmal oft genannt wird, nicht gern aus der Nähe betrachten, denn er iſt ein gar vorſichtiges Tierchen mit etwas ängſtlichem Gemüt und ſtark zu Mißtrauen neigend. Aud im Fluge hat er ſeine Beſonderheiten. Don dem bräunlichen Gefieder der Oberſeite des Körpers hebt ſich ein großes, weißes Schild auf den aus— gebreiteten, ſpitzen und ſchmalen Flügeln ſehr lebhaft ab und auch der weiße Unterrücken ſamt dem Bürzel leuchten weithin. Das läßt ſich alles ſehr wohl erkennen, wenn der Dogel, wie er es in der Regel zu tun pflegt, aufgeſcheucht in mäßiger höhe über dem Erdboden dahinſtreicht, um nach einiger Seit mit etwas herabgebogenen Flügeln unter einigen, ſchwebend ausgeführten Schwenkungen wieder einzufallen. Am meiſten aber macht ſich der Rotjchenkel bemerkbar, wenn die Geſellſchaften, die gemeinſam die 411 * ” | x N 2 — Ex = 5 N = * — IS — * | 4 RS 5 4 > 5 < 4 IS x = x. = « M. Behr. Norderooge, August 1908. Fliegende Rotſchenkel. Reiſe aus der Winterherberge im Mittelmeergebiet oder noch viel weiter ſüdlich nach den heimatlichen Gefilden ausführten, ſich aufgelöſt und die einzelnen Paare ſich zuſammengefunden haben. Oerträglich wie unſer Rot— ſchenkel iſt, beanſprucht er kein beſonderes Brutgebiet für ſich, ſondern niſtet in Frieden und Eintracht als guter Nachbar mit ſeinesgleichen ſowohl als auch mit andern Sumpf- und Grünlandbewohnern, wie Kiebitzen, Limoſen, Kampfhähnen und manchen andern. Er hält auch inſofern auf gute Nachbarſchaft, als er im Intereſſe der Allgemeinheit mit großem Eifer das Wächteramt verſieht, von etwas erhöhten Punkten ſcharf Ausjchau hält und jede verdächtige Erſcheinung durch laute Rufe ankündigt, ihr auch wohl entgegenfliegt, um ſich durch Rekognoſzieren Gewißheit zu verſchaffen, wie die Sache ſteht. „Dipdipdipdipdͤjüdjüdipojü“ jo ſchallt es aus dem an der Wurzel roten, geraden Schnabel des Kundſchafters, der den ſich nähernden Menſchen in ſicherer höhe umkreiſt und muſtert. Handelt es ſich um ein ehrſames Bäuerlein, eine alte Frau mit der Kiepe auf dem Kücken oder ähnliche harmloſe Erſcheinungen, jo beruhigt ſich der Vogel bald, denn er 412 W. Farren. Near Mildenhall (Suffolk), Funi 1903. Rotſchenkel, brütend. weiß recht gut zu erkennen, von wo ihm Gefahr droht und von wo nicht. Nähert ſich aber ein Mann mit einem Gewehr oder gar mit einem umher— ſtöbernden Hund, jo gibt es einen Mordslärm unter den Rotſchenkeln. Ganz beſonders aufgeregt ſind aber unſere Dögel, wie auch die andern Sumpf— bewohner, zur Brutzeit, wenn die Weibchen auf den Eiern hingebungsvoll Mutterpflichten genügen. Su dieſer Seit läßt das Männchen ungeſtört ſeine melodiſche Stimme erklingen, indem es, um ſeinem Glücksgefühl Luft zu machen und ſeinem Wohlbefinden Ausdruck zu geben, vielleicht auch um ſeiner Auserwählten Wohlgefallen zu erringen, einen förmlichen Balzgeſang vorträgt. Der Rotſchenkel hat eine modulationsfähige, über ein Repertoir wirklich wohlklingender Flötentöne verfügende Stimme und macht an ſchönen Frühlingstagen von ihr ausgiebigen Gebrauch, ſo daß in Landſtrichen, wo viele Rotſchenkel brüten, die Luft zeitweiſe jo von ihrem Geſange erfüllt iſt, wie über dem Ackerfelde vom Lerchenſchlag. Balzend erheben ſich die rotbeinigen Herren flatternden Fluges in die Luft, ſenken ſich herab, ſteigen wieder auf, 413 M. Farren. Wilbraham Fen Cambridgeshire (England), Mai 1906. Kleiner Rotſchenkel, zu Nejt gehend. M. Farren. Wilbraham Fen Cambridgeshire (England), Mai 2906. Kleiner Rotjchenkel, ſich auf die Eier ſetzend. IWW. Farren. Wilbraham Fen Cambridgeshire (England), Mai 1906. Kleiner Rotjchenkel, brütend. J. Atkinson. Malham-YVorkshire, Mai 1909. Neſt und Gelege des kleinen Rotſchenkel. W. Wilson. Malham-Yorkshire, Mai 1900. Junger Rotſchenkel. drehen ſich auch wohl im Kreiſe, kurz führen ihren Balzflug in ſehr ver— ſchiedener und auffälliger Weile aus, wobei jeder teils im Aufiteigen, teils im Herabſinken ſeinen in angenehmen Flötentönen trillernden Geſang mit Ausdauer hören läßt. „Tlülülülülülün. . .“ oder „tjü jü jü jü n. . .“, allmählich in immer ſchnelleres Tempo und ſchließlich in einen richtigen Triller übergehend, klingt es von allen Seiten und überall iſt die klare Frühlingsluft belebt von den erregten Rotſchenkelmännchen. Indes ſitzen die Weibchen lauſchend auf dem einfachen, nur mit etwas trockenem Gras ausgelegten Neſt, das gern auf einer kleinen Erhöhung, aber dabei von oben gedeckt durch einen Grasbult oder eine Staude, einen kleinen Weiden- oder Sanddornbuſch oder dergl., ſteht. Auf den Inſeln und Halligen der Nordſee liegen die Neſter auch wohl im Dünengebiet ziemlich frei. Wenn die vier kreiſelförmigen Eier, die den Kiebitzeiern einigermaßen ähneln, aber in der Grundfarbe mehr ins Rotgelbliche ziehen, auch feinſchaliger ſind, im Neſte liegen, beginnt die vierzehn Tage dauernde Bebrütung. Dann halten immer einige Männchen Wache von einem erhöhten Punkt, der weiten Ausblick geſtattet. Mehr als die meiſten andren ihrer Derwandtſchaft ſetzen ſich die Rotſchenkel auch auf Sweigſpitzen von Büſchen oder niedrigen Bäumen. Krähen, Rohr- und Wieſenweihen, auch wohl der Wanderfalke, ſuchen das 416 I, Farren. Wilbraham Een Cambridgeshire (England), Mai 1909. Rotſchenkel am Neſt. Vögel II. 27 2 . u 23 > * . N N ö 5 EB I EB 2 . Ka en N V. Behr, Werder (Ostsee), Juni 1909. Kleiner Rotſchenkel, aufs Hejt gehend. Sumpfgelände hier und da auf, um hier zu jagen oder zu jtehlen; der Fuchs lenkt wohl mal ſeine Schritte dorthin und auch Iltis und Wieſel ſtellen ſich gelegentlich ein. Sobald irgendein ſolcher Feind in Sicht kommt, erheben die Rotſchenkel, ſehr bald verſtärkt durch herbeieilende Genoſſen, ſowie durch die ebenfalls ſehr wachſamen Kiebitze, ihr Warnungsgeſchrei, das wie ein gedehntes „Düh“ klingt, bei näher kommender Gefahr in ein hartes, öfter wiederholtes, teils zwei-, teils einſilbig ausgeſtoßenes „djü djü djü . . .“ übergeht. Kommt der Feind dem brütenden Weibchen zu nahe, daß dieſes das Neſt verlaſſen muß, jo ſtößt es ein angſtvolles „kräih“ aus und ebenſo drücken die beiden Alten ihre Angſt aus, wenn ihren Jungen irgendwie Gefahr droht. Wenn alles gut ging, kein Gelege von räuberiſcher Menſchenhand mit Kiebitz,, Limoſen- und andern Sumpfvogeleiern geraubt wurde, um für einen lächerlich hohen Preis auf den Tafeln der ſtädtiſchen Gourmands als Kiebitzeier zu paradieren, Krähen und Weihen das verſteckte Neſt nicht fanden und plünderten, Frühjahrsüberſchwemmungen kein Derderben brachten, jo erblicken gegen Mitte oder Ende Mai, in nördlichen Ländern erſt im Juni, die vier in ein wie eine Tarnkappe ſie unſichtbar machendes Dunenkleid gehüllten, zierlichen Jungen das Licht der Welt. Kaum it die kleine Geſellſchaft trocken geworden, hat die Arme, denen zum Flügel eigentlich ſo gut wie alles noch fehlt, gereckt, die noch etwas wackligen Beinchen ein paarmal geſtreckt, da geht ſchon die Reije in die große Welt los, in der ſich die kleinen, oberſeits auf rötlichgrauem Grunde mit undeutlich begrenzten, dunkeln Streifen und Flecken gezeichneten, an Bruſt und Bauch weißlichen Dingerchen, denen noch die ſchön gelbroten Beine der Alten gänzlich fehlen, überraſchend gut zurechtfinden. Die beiden Eltern haben ein wachſames Auge 418 * M. Behr. Pfeifender Vogel. Flugbild des kleinen Rotſchenkel. auf ihre kleine Schar, halten ſie in guter Deckung, wo jederzeit Deritecke in Gras- und Seggenbulten zur Derfügung ſtehen, und lernen ſie bald an, allerlei Gewürm, Inſekten, Spinnen, kleine Mollusken aus den flachen Waſſerlachen und was ſonſt zu finden iſt, aufzupicken, indem ſie anfangs den Jungen das zappelnde Kerbtier vorhalten, bis die gelehrigen Schüler danach ſchnappen. Bald verſuchen dieſe dann ſelbſtändig, ſich bewegende Inſekten oder Würmer zu erhaſchen und lernen dies in kurzer Seit. Auf den leiſen Lockruf der Alten, „dück dück . ..“, folgen die gehorſamen Kinderchen überallhin. Da huſcht ein dunkler Schatten über die emſig nach Nahrung ſuchende Geſellſchaft — ein Warnungsruf der Mutter, und ſofort iſt die ganze, eben noch ſo muntere und bewegliche kleine Geſellſchaft wie vom Erdboden verſchwunden. Hier ſteckt eins unter dem Schutz der überhängenden, vorjährigen Halme eines Seggenbultes, der es völlig bedeckt, dort drückt ſich eins dicht unter den halbverfaulten Reit eines alten, längſt umgewehten Pfahles, ein drittes läßt ſich von einem Weidenzweig beſchirmen. Die Alten wiſſen als gewandte Flieger den Nachſtellungen gefiederter Feinde, wenn es ſich nicht etwa um den Wanderfalken handelt, ziemlich leicht zu entgehen; Krähen werden nicht ſelten mit vereinten Kräften aus dem Brut— revier hinausgetrieben. Iſt der Feind außer Sicht, ſo locken die alten Rotſchenkel bald ihre kleine Schar wieder zuſammen und der praltiſche Unterricht nimmt ſeinen Fortgang. Schon nach einigen Tagen beginnen zwiſchen den Dunen die erſten Federchen hervorzuſproſſen und es vergehen nur drei oder vier Wochen, bis der junge Nachwuchs imſtande iſt, recht geſchickt zu fliegen. Wenn die Alten ſich jetzt auch noch eine Seitlang mit den Jungen zuſammenhalten, ſo dauert das Familienleben doch nicht mehr 419 Dr. Heatherley. Wells by the Sea (Norfolk), Funi 1908. Altes Rotſchenkelweibchen, das Neſt austretend. lange, denn die elterlichen Gefühle erlöſchen mehr und mehr, ſobald die elterliche Fürſorge und Anleitung überflüſſig wird. Schon von Ende Juli an ſchlagen ſich die jungen Rotſchenkel in Schwärme zuſammen, die gemeinſam umherſtreifen, wie die Alten verhältnismäßig früh ſich zum Suge anſchicken, aber an ihnen zuſagenden Örtlichkeiten ſich noch länger aufhalten. Da nun die weiter nördlich wohnenden Exemplare auch zeitig den Zug antreten und bei uns Einkehr halten, jo ſehen wir den ganzen Herbſt hindurch größere oder kleinere Scharen der hübſchen Vögel. Sonderbarerweiſe bleiben im Winter eine ganze Anzahl Rotichenkel in Island, auch auf den britiſchen Inſeln, bei uns aber nur als große Ausnahme. Sehr zahlreich beleben ſie teils als Brutvögel, teils als Durchzügler unſere Strandgegenden, wo ſie einen reich gedeckten Tiſch finden, wenn zur Ebbezeit an der Nordſee die weiten Watten Tauſenden und Abertauſenden von Strandvögeln Nahrung in hülle und Fülle bieten. Freilich, die wirklich unzählbaren Scharen von See- und Strandvögeln, von denen die Altmeiſter der deutſchen Drnithologie berichten, ſind nicht mehr vorhanden. Das fortgeſetzte Eierſammeln und die Schießwut der Badegäſte auf den Nordſeeinſeln, im Binnenlande z. T. auch die Meliorationen haben es fertig gebracht, daß unſere Strandvogelwelt kläglich zuſammengeſchmolzen iſt. Vielleicht iſt der Rotſchenkel noch relativ gut daran, da er nicht nur die Meeresküſten und die ihnen naheliegenden Striche bewohnt, ſondern ſich ebenſo gern auf grünem Sumpfland und naſſen 420 Dr. Heatherley. Wells by the Sea (Norfolk), Funi 1908. Rotſchenkelweibchen, zum Neſt gehend. Wieſen des Binnenlandes anſiedelt. So dürfen wir hoffen, den melodiſchen, etwas klagenden Ruf des Totanus calidris noch lange bei uns zu hören. Im übrigen verbreitet er ſich über ein ſo weites Gebiet — von Island bis zum Mittelmeer, oſtwärts bis nach China, ſogar über große Teile Nord— amerikas; auf dem Suge in Afrika bis jenſeits des äAquators und in Alien bis nach Indien —, daß er immer noch viele Stellen findet, auf denen er ſich halten kann. Für uns iſt aber die Hauptſache, daß er auch weiter in der deutſchen Ornis verbleibt! 421 Die Elſter. Von Martin Braeß. Unter unſeren Rabenvögeln gebührt der Elſter, dem gleißenden Hexen— vogel des Volkes, der Preis der Schönheit. Freilich Farbenreichtum, wie ihn Eisvogel, Mandelkrähe, Bienenfreſſer zeigen, märchenhaft ſchön und wunderbar, als ſeien es Vögel der Tropen, fehlt dem Kleide der Elſter; nur ſchwarz und weiß iſt ihr Kleid. Niedrig ſtreicht dort eine über dem Boden dahin und ſchwingt ſich dann auf einen Baum empor, wo ſie im Gefieder ſich neſtelt und ihre Schwingen glättet und ölt. Da werden die breiten inneren Fahnen der großen Schwungfedern ſichtbar, die in der Ruhelage von den ſchmalen Außen— ſäumen verdeckt waren, und nun erſcheint der Flügel längsgeſtreift, ſchwarz und weiß. Doch den herrlichſten Schmuck des Kleides bildet der wunderbare Metallſchimmer, der über den größten Teil des ſchwarzen Gefieders aus— gegoſſen iſt, jo prächtig, daß er an manchen Stellen die Grundfarbe faſt verdrängen will. Hals und Kücken erglänzen blau, die Flügel grün, die kleinen Schwungfedern dritter Ordnung, die bei jeder Bewegung in andern Farben ſpielen, goldig oder tiefblau oder ſpangrün. Und dann der lange, keilförmig gebaute Schwanz! Bis zur Mitte ſchillern die Schwanzfedern blaugrün, dann bis nahe dem Ende ſchön goldig; nun folgt ein ſchmaler violetter Querſtreifen, und an dieſen ſchließt ſich die ſtahlblaue Spitze. Schon jeine Geſtalt gereicht dem Dogel zu einem auffallenden Schmuck; gleich einer Schleppe zieht er ihn bei ſeinem langſamen, unſicheren Flug nach ſich durch die Luft — das beſte Erkennungszeichen der Elſter auf weite Entfernung. Etwas über die Maßen Graziöſes verleiht er ſeinem Träger. Schrittweiſe — mitunter ein Sprung — ſo ſtolziert jetzt die Elſter über die Schneefläche, hoch trägt ſie dabei den Schwanz und wippt beſtändig damit. Plötzlich hat ſie am Boden ein dunkles Etwas erſpäht — vielleicht iſt's ein genießbarer Biſſen; hüpfend rennt ſie drauf zu, die lange Schleppe weit nach hinten geſtreckt. Jetzt halt! der Schnabel hackt emſig, und ſenkrecht ſchnellt der Schwanz in die Höhe. Bald iſt die Beute zerteilt; die einzelnen Stücke werden haſtig hintergeſchluckt, und nun ſetzt ſich der Dogel wieder auf einen Alt, der Ruhe zu pflegen. Nachläſſig hält er die Flügel, ſchlaff hängt der Keilſchwanz herab. Aber da kommt eine ſchwarze Krähe herbei; 422 — 2 . * a ER, 5 0 > — — 5 1 N BZ N 5 7 . »\ . 7 5 F N —— 2 5 - x * 25 RE. 2. — “ 2 Zu er DE" R 2 IE * x NEIL GE 2 7 a 5 an aan n PR — * * X — & „ir Ir ER za „ ya Bartels. Kaltenhof (Westpriegnitz), April 1908. Eben fertiggejtelltes Elſterneſt, zwei Meter über dem Boden. ſofort ſtelzt die Elſter den Schwanz in die Höhe, bläht das Gefieder, ſchreit heftig und ſtößt auf den Ruhejtörer von links und von rechts, von oben, von vorn. Doch die Krähe hackt auch mit ihrem kräftigen Schnabel; ein wohl— gezielter hieb nach dem Kopf, und laut kreiſchend ſtürzt die Elſter herab und flüchtet, ſo ſchnell die kurzen, abgerundeten Flügel ſie tragen, niedrig über die Felder nach dem Rande des Waldes, in deſſen Dunkel ſie dem Auge des Feindes entſchwindet. Im zeitigen Frühjahr beginnt auch die Elſter mit ihrem Geſang, denn jo ganz ohne die edle Gabe Apolls iſt unſre „Schackelſter“ doch nicht: ein gemüt— liches Plaudern iſt's, ein munteres Geſchwätz, das ſie in der Nähe des Neites hören läßt, am anhaltendſten in den Flitterwochen der jungen Ehe. Auch einige pfeifende Töne ſchaltet fie ein, die nicht ohne Wohlklang ſind, und das Weibchen, welches auch äußerlich dem Männchen vollſtändig gleicht, verſteht ſich auf dieſe Kunſt jo gut wie fein Herr und Gebieter. Meiſt ſcheint es eine Art Selbſtgeſpräch zu ſein, das ſie führen; nachläſſig ſitzen ſie dabei auf einem Aſt; faſt ſenkrecht hängt der Schwanz herab, doch zuckt er immer 425 Stefunescen. Kudsir (Ungarn). Neſt und Gelege der Elſter. ein wenig, als wollte er zu dem halblauten Geſchwätz den Takt ſchlagen. Auch wenn mehrere Männchen um die Braut werben, tragen ſie ihren eigentümlichen Geſang vor; aber lebhafter jetzt, oft unterbrochen von lautem „Schackſchack“. Energiſch ſchlägt der Schwanz auf und ab; die Flügel ein wenig gelüftet, die Bruſt tief geneigt, ſo trippeln die Freier unruhig auf dem Alte umher oder hüpfen von einem Sweig zum andern, und nicht ſelten endet das Ciebesſpiel mit blutiger Rauferei, daß die Federn umherfliegen; dabei ſind die Krallen als Waffe wohl ebenſo wichtig, wie der kräftige Schnabel. Nicht übel verſteht es die Elſter, ihrem plaudernden Geſang bisweilen auch fremde Laute beizufügen, ohne freilich in dieſer Kunitfertigkeit ihren Verwandten, Meiſter Markolf, zu erreichen, zumal ſie meiſtens nur ſolche Naturlaute wiedergibt, die ſich nicht gerade durch Wohllaut auszeichnen, wie das Gackern der hühner, das Knarren des Hoftors oder das Quietſchen der Wetterfahne. Schon der alte Geßner jagt von der „Agerſten“ oder „Azel“, ſie verändere ſtets ihre Stimme, „alſo daß ſy ſchier alle tag eine andere gat“. Was aber eine planvolle Erziehung vermag, das zeigen oft jung dem 424 Rüdiger. Reichenbach (O.-L.), Juli 1908. Junge Elſter auf einer Tanne. Neſte entnommene Elſtern. Sie lernen im Umgange mit dem Menſchen allerlei Worte ſprechen, ebenſo vorzüglich wie der Kolkrabe und der Häher, die Dohle und der Star. Ja, dem ſpaßhaften „Plappervogel“ bereitet es offenbar das größte Vergnügen, die aufgeſchnappten oder eingelernten Wörter und Sätzchen zum beſten zu geben; denn gerade, wenn es ihm am wohlſten it, nach der Mahlzeit oder dem Bad, plappert der gelehrige Dogel nach Herzensluſt. Das kannten ſchon die Alten. Plinius berichtet davon, und der römiſche Dichter Martial erwähnt die Schwatzhaftigkeit der Elſter in fol— gendem Epigramm: „Deutlich begrüße ich dich mit „Herr“, ich ſchwatzhafte Elſter; Sieht man mich nicht, wer glaubt’s, daß nur ein Dogel ich ſei!“ Das Dolk macht ſich luſtig über das inhaltsleere, verſtändnisloſe Nach— plappern der eiteln Schwätzerin — „ſchwatzhaft, wie eine Elſter“ iſt eine vielgebrauchte Redensart —; die Fabel läßt fie mit der Nachtigall wettſingen zum Gaudium aller Tiere des Waldes; die Mythe berichtet, die Elſter ſei 425 J. Atkinson. Vorkshire (England), Juli 1906. Junge Elſtern. der einzige Dogel geweſen, welcher beim Derjcheiden Chriſti nicht getrauert, ſondern gehöhnt und gelacht habe, und zur Strafe müſſe ſie nun zeitlebens ihr unſchönes Lachen hören laſſen; das Märchen verſpottet den Rabenvogel: „Frau Elſter, hat ſie Plapperwaſſer getrunken?“ und der volkstümliche Kalendermann und Wettermacher ſieht in ihrem Schwatzen und Schackern eine gute Prognoſe; wenn die Elſtern viel lachen und gackern, jo jagt er, und nicht aufhören, ſich Komplimente zu machen, dann darf man ſicher auf anhaltend ſchönes Wetter rechnen. Die Elſter iſt ein ausgeſprochener Standvogel; die Kälte des Winters ficht ſie nicht an. Deshalb beſchäftigt ſie ſich nicht ſelten ſchon im Februar mit dem Neſtbau. Am liebſten wählt ſie hierzu den Wipfel eines recht hohen Baumes, eine Pappel, Kiefer, Birke oder eine Erle am Rande des Baches. Bisweilen aber vergißt fie dieſe Dorjicht und baut ihren kleinen Horit in eine niedrige Linde oder auf einen Weidenſtumpf, in einen dichten Buſch, nur zwei, drei Meter über dem Boden, in einen wilden Roſenſtrauch oder eine Schlehdornhecke; ſelbſt im Winkel eines leeren Taubenſchlags hatte ſich 426 K. Soffel. Siebeneich- Bozen, Juni 1908. Jungelſter im Unterholz. einſt ein pärchen häuslich eingerichtet. Geſchloſſene Waldbeſtände meidet die Elſter, denn ein eigentlicher Waldvogel iſt ſie nicht. Die Nähe einzelner Gehöfte, die Umgebung von Dörfern und ackerbautreibenden Candſtädtchen, beſonders wo Wieſen und Felder mit kleinen hochſtämmigen Feldgehölzen und Gbſtgärten wechſeln, das iſt ihr der liebſte Aufenthalt. Dabei meidet ſie, wenigſtens in Mitteleuropa, im allgemeinen die höheren Gebirgslagen, während ſie auch vor dem kälteſten Norden nicht zurückjchreckt. Nur die frühen Morgenſtunden verwendet die Elſter zur Herſtellung ihres Horites, und jo kommt es, daß gewöhnlich der Bau ziemlich fertig iſt, ehe ihn jemand bemerkt hat. Dünne Keiſer, Dornen, Würzelchen tragen die geſchäftigen Dögel zuſammen, verflechten alles ſorgfältig miteinander und mit den Sweigen des Niſtbaums und bilden ſo zunächſt die äußere Wand des immer ziemlich tiefen Napfes. Innen wird er mit Erde oder Kot aus— geklebt, bisweilen find auch Steinchen mit eingefügt, und über dieſe Schicht wird eine weiche Lage zarter Würzelchen und Tierhaare ausgebreitet. Don oben ſchützt der Vogel das Neſt durch eine Art Haube oder Helm, indem 427 er ſperrige Reiler und Dornen dem Neſtrande jo einfügt, daß ſie oben hoch vorſtehen und von einer Seite weit über das Neſt greifen, eine Wölbung bildend, oft ſo vollkommen, daß nur ein ſeitlicher Eingang frei bleibt, gerade weit genug, die Beſitzer durchſchlüpfen zu laſſen. Es finden ſich aber auch Elſterneſter, denen dieſe Schutzhaube fehlt. Gern werden alte horſte wieder benutzt, wenn ſie Wetter und Sturm leidlich verſchont haben; die ſchad— haften Stellen ſind bald ausgebeſſert, und man ſpart Mühe und Seit. Frei— lich, manchmal will's ſcheinen, als ob es die brutluſtigen Dögel nicht eilig hätten; denn nicht ſelten beginnen ſie an mehreren Stellen zu gleicher Seit einen Bau. „Sie ſind,“ ſagt Naumann, „um zu täuſchen, bald bei dieſem, bald bei jenem Neſt, jo daß man oft erſt dann das eigentliche Wochenbett entdeckt, wenn man die Jungen darin hört.“ Dielleicht iſt's auch ein neu vermähltes Paar, das zum erſtenmal brütet; unſchlüſſig in der Wahl des Niſt— baums, probieren’s die Dögel bald hier und bald dort, oder es handelt ſich nur um eine luſtige, neckiſche Spielerei, wie's auch andere Dögel gern treiben, beſonders die Grasmücken. Sechs bis acht Eier legt das Weibchen; ſie ſind von grünlicher oder gelb— licher Grundfarbe, über und über mit braunen Punkten und Flecken beſtreut; doch die Seit, wann das Gelege vollzählig iſt, wechſelt ſehr. Schon Ende März kann alles beſorgt ſein; manchmal verzögert ſich aber das Geſchäft auch bis Ende April; ja, wurden die erſten Eier durch ein Unglück vernichtet, ſo be— ginnt das Weibchen wohl ſelten vor Mitte Mai mit dem Brüten. Außer: ordentlich feſt ſitzt es auf dem Gelege; man kann heftig gegen den Stamm des Niſtbaums ſchlagen, das Weibchen läßt ſich nicht ſtören. Selbſt ein Schrotſchuß wird die Alte unter Umſtänden nicht von ihrer Pflicht abhalten; ruhig brütet ſie weiter, auch wenn die ganze Ladung ins Geniſt eindringt, wo ſie dank der feſten Unterlage gewöhnlich keinen Schaden anrichtet, zumal der Horſt in den meiſten Fällen ſehr hoch ſteht. Man hann der Elſter auch ein fremdes Ei unterſchieben, ſie wird nicht vergrämt, und die Bauernburſchen machen ſich deshalb bisweilen den Spaß, ein Swerghuhnei dem Rabenvogel anzuvertrauen und dann das Pflegekind rechtzeitig dem Neſt zu entnehmen, um es ſeiner natürlichen Mutter zuzu— führen. Solche von Elſtern ausgebrütete Hühnchen oder Hähnchen, ſo geht die Rede ganz allgemein, erhalten von ihren Pflegeeltern ein wildes, un— gebärdiges Weſen als Angebinde mit auf den Lebensweg; ſie ſind biſſig, bösartig und unverträglich nach der Anſicht unſerer Landleute. Drei Wochen währt es, ehe die Jungen den Eiern entſchlüpfen. Mit Kerbtieren, Larven und puppen, mit Würmern, Schnecken u. dergl. werden die Nimmerſatten in den erſten Tagen gefüttert; ſind ſie aber ein wenig heran— gewachſen, ſo bekommen ſie auch feſtere Fleiſchnahrung. Alle Bäume und Sträucher in den Feldgehölzen und Obſtgärten werden nach Dogelneitern 428 N. Soffel. Siebeneich- Bozen, Juni 1908. Junge Elſter. durchſucht. Kein Mitleid kennen die langſchwänzigen Dögel, kein Pardon wird gegeben. Gierig zerrt die Elſter das hilfloſe Junge aus dem Neſt und jtopft es ihrer Brut in den Rachen, nicht anders, als ob es ein Enger— ling wäre. Wo eine Eliter ſich ſehen läßt, da zetern die Kleinvögel; ſie kennen den Feind, der es viel ſchlimmer treibt als der Häher; ein Melt: plünderer iſt die Elſter, wie es kaum einen zweiten gibt. Sumal wenn die Jungvögel flügge ſind und nun unter der Leitung der Alten an den Plün— derungszügen teilnehmen, dann bleiben, im Umkreis von einer Wegſtunde etwa, nur die verſteckteſten, die wirklich unerreichbaren Neſter verſchont. So unfertig die jungen Elſtern auch ausſehen — Kopf und Leib verhältnis— mäßig dick, der Schwanz noch kurz, oft beſtoßen am Ende, denn der Platz im Neſte war ſehr beſchränkt — die Käubereien lernen ſie bald, und eine Grasmücke, ein Finkenpärchen jagt ihnen nur in den erſten Wochen Schrecken und Furcht ein. Dor alten, erfahrenen Elſtern aber ſind ſelbſt Höhlenbrüter nicht ſicher. Am Starenkaſten faßt der ſchwarzweiße Strauchritter Poſto; ſo ſehr die Hausbeſitzer und ihre Nachbarn auch ſchreien und flattern, ein 429 Starenkind nach dem andern zieht der gierige Schnabel unbarmherzig aus dem Dunkel heraus. Die Eliter verſchmäht keinen Biſſen, deſſen ſie habhaft werden, ſie ver- ſchont kein Tier, das ſie bewältigen kann. Wieviele Tragödien mögen ſich Jahr um Jahr an den Neitern der lieblichen Grasmücken, der Finken, Gold— ammern, Droſſeln u. a. abipielen, wieviele junge Rebhühner und Faſanen mögen ihr Ende im Magen der Unerſättlichen finden! Aber ſelbſt erwachſene vögel ſind vor den Räubern nicht ſicher. Im Winter namentlich ſtößt die Elſter bisweilen auf eine Sperlings- oder Goldammerſchar, die an der Land— ſtraße im Pferdekot eifrig nach Körnern ſucht, und wenn auch häufig der Angriff fehl geht, manchmal hat der Räuber doch Erfolg und kröpft den Ergriffenen an Ort und Stelle. Auch der Rebhuhnjagd pflegt ſie, ſowohl allein, wie in Gemeinſchaft mit andern ihres Geſchlechts oder mit Krähen. Selbſt das zahme Federvieh iſt vor ihrer Gier nicht ſicher; junge hühner oder Enten greift die Elſter an, ja, wo ſie ſich ſicher fühlt, holt ſie aus den Schlägen die jungen Tauben heraus, und der Geflügelfreund hat allen Grund, ſelbſt der gezähmten Elſter nicht zu trauen. Mit Recht beſchuldigt man den ſchönen Galgenvogel auch des Fiſch- und Krebsdiebitahls, und daß er die Fleiſchbänke nicht aus dem Auge läßt und ſich bei jedem Kas einfindet, das weiß namentlich der Bewohner des Orients. Swar geht die Elſter nicht ſelten auch auf die Mäuſejagd; ja, ſie lauert dem kleinen Nager ganz weid— gerecht auf wie der Jäger dem Karnickel, indem ſie ihn zu packen ſucht, wenn er ſeine Wohnung verläßt; aber dieſer Nutzen wiegt die Schädlichkeit des Räubers nicht auf. Dazu kommt, daß auch der Obſtzüchter die Elſter ver— klagt; Kirſchen, Birnen u. dergl. ſtiehlt ſie ſehr gern. Im herbſt verſchmäht ſie auch die Dogel- und holunderbeeren nicht; doch iſt es weniger dieſe pflanz— liche Koſt, die fie dann gleich dem Eichelhäher nach dem Dohnenſtieg lockt, als der leckere Droſſelbraten. Bisweilen fängt ſich dann der ſonſt ſo kluge und mißtrauiſche Strauchritter beim „Ausfreſſen“ der Dohnen in der hinter— liſtigen Schlinge. Die unedle Derwandtſchaft mit den krähenartigen Dögeln kann die Elſter trotz ihres ſchönen Kleides nicht verleugnen; ihr ganzes Betragen verrät ihre herkunft. Schrittweiſe geht ſie gleich dem Raben, nur bis— weilen ein Sprung wie die Krähe, und wenn der ziemlich wackelnde Gang graziöſer erſcheint, als er in Wirklichkeit iſt, ſo hat ſie's nur dem langen Schwanz zu verdanken, den ſie wippend bewegt, wie Bachſtelze und Rot— ſchwänzchen. Der Flug iſt noch ſchwerfälliger als der ihrer Derwandten; wegen der ſehr kurzen Schwingen erfordert er häufige Flügelſchläge. Schon bei mäßig ſtarkem Winde wird er unſicher und fördert nur wenig; deshalb vermeidet es die Elſter, weite Strecken zu überfliegen, zumal ſie die Raub- vögel fürchtet. 430 IM. Steckel. Sofia, März 1910. Elſtern beim fertigen Neſt. Wie faſt alle Mitglieder der ſchwarzen Sippe, ſo lieben auch die Elſtern Geſelligkeit; doch finden ſie ſich meiſt nur in kleineren Trupps zuſammen, nicht in ſolchen Maſſen wie Raben-, Nebelkrähen und Dohlen. Sehr gern miſchen ſie ſich unter die Krähenſchwärme, obgleich ſie mit ihren ſchwarzen Vettern auch manchen Strauß ausfechten; ebenſo ſind ſie mit Eichel- und NMuß— hähern gut Freund, wenigſtens zeitweiſe. Auch unter den Menſchen wiſſen die ſchlauen Elſtern Feind und Freund zu unterſcheiden. Wo ſie nichts zu fürchten haben, da ſiedeln ſie ſich in großen Mengen an, ſelbſt die belebteſten Ortſchaften beherbergen dann ganze Scharen. In vielen Städten des Orients, 3. B. ſchon in Bosniens Hauptſtadt, gehört die Elſter zu den häufigſten Er— ſcheinungen des Straßenlebens. Kein Dachfirſt, auf welchem nicht ein paar der eleganten Dögel ſitzen und nach einer Beute Umſchau halten; in unge— zählten Scharen fliegt die langgeſchwänzte Geſellſchaft durch die Luft und läßt ſich dann auf den hohen italieniſchen Pappeln am Ufer der Miljacka nieder, wo ſie von ihresgleichen mit heiſerem Geſchrei begrüßt wird. Am Rande des Moſtarsko Blato wimmelt es von Elſtern, ſelbſt auf den Kalk— höhen der Herzegowina ſind ſie keine ſeltene Erſcheinung. In der Türkei beherbergt wohl jede Ortſchaft eine große Menge; denn der Bewohner der 431 minaretgeſchmückten Städte ſcheut ſich, dem Dogel ein Leids anzutun, und dank der türkiſchen Wirtſchaft findet die Elſter ſelbſt auf den belebteſten Straßen ihr täglich Brot, gleich den herrenloſen Hunden, mit denen ſie ſich oft um einen Biſſen zankt. Wo man aber die Elſter verfolgt, da wird ſie ſehr bald gewitzigt; den Jäger weiß ſie recht gut von einem harmloſen Menſchen zu unterſcheiden, und es iſt ſchwierig, ihr beizukommen; nicht ein— mal am Neſte läßt ſie ſich leicht erbeuten. Am ſicherſten ſchießt man ſie aus der Krähenhütte, wo ſie die Wut gegen den Uhu alle ODorſicht vergeſſen läßt, oder der Jäger beſchleicht ſie an mondhellen Abenden bei ihrer Schlaf— ſtelle, die ſie im Obſtgarten oder am Waldesrand aufſchlägt. Dank den Nachſtellungen, die der räuberiſche Vogel verdient, iſt der Beſtand der Elſtern, in Mitteldeutſchland wenigſtens, ſeit einem halben Jahrhundert bedeutend zurückgegangen, obwohl auch ihre gefürchtetſten Feinde, die größeren Raub- vögel, an erſter Stelle der Hühnerhabicht, in neuerer Seit ſtark dezimiert worden ſind. Den ſchönen Dogel völlig auszurotten, das wäre aber ein Frevel an der Natur; trotz aller Schußprämien it dies bei ſeiner Derichlagen- heit auch kaum zu befürchten. In Deutſchland findet ſich die Elſter faſt überall, vom Fuß der Alpen— kette an bis zu den Rüſten der Nord- und Oſtſee; freilich tritt ſie in den einzelnen Gegenden in recht verſchiedener Anzahl auf, ja mancherorts iſt ſie geradezu eine Seltenheit, wie z. B. in der „preußiſchen Wüſte“. Auch alle übrigen Länder Europas hat ſich die Elſter zum Wohnort erwählt; auf Kreta und Cnpern, auf Sizilien und in Spanien iſt ſie ebenſo zu Hauſe wie in Schweden und Norwegen, wo ſie noch an Skandinaviens Nordkap brütet. Die ſibiriſche Kälte hält ſie nicht zurück; bei Archangel, an der unteren Petſchora, an der Obmündung, auf Kamtſchatka, im ganzen mittleren Sibi— rien, überall iſt ſie verbreitet, ja in Aſien überſchreitet ſie ſogar die Tropen— grenze, wie ſie auch im nordweſtlichen Afrika eine bekannte Erſcheinung iſt. Nordamerika beſitzt gleichfalls den Allerweltsvogel, und wenn auch die jenſeits des Ozeans lebende Form, ebenſo die mauriſche und die ſibiriſche Elſter an Größe und Farbenverteilung etwas von unſrer mitteleuropäiſchen „Atzel“ abweicht, ſo ſind dieſe Unterſchiede doch nur unweſentlich und gering. Auch Lebensweiſe und Charakter des Dogels bleiben in den verſchiedenen Himmelsſtrichen ziemlich dieſelben. Ein Hexentier iſt die Elſter unſerm deutſchen Volke, und dieſem Umſtande verdankt ſie bald beſonderen Schutz, bald ſchonungsloſe Derfolgung ſeitens des abergläubiſchen Menſchen. Gern nehmen Hexen die Geſtalt von Elſtern an — „Schäker“- oder „Schätterhex“ höhnt der Volksmund den Vogel — auch benutzen die hexen neben Ofen- und Heugabeln, Deichſeln, Butterfäſſern, Cöffeln u. dergl. Elſterſchwänze bei ihrem Ritt in der Walpurgisnacht. Wenn man unter dem Veſt einer Elſter in den Baum ein Kreuz ſchneidet, das Symbol 432 u a Fr 4 * F r 7 — ni — . er A, * * re . MM. Steckel. Sofia, März 19170. Elſter, einen Bach überfliegend. des Chriſtentums, jo verläßt der Dogel ſeine Brutſtätte; denn damit hat man die Here vertrieben. Auch durch den Suruf: „Elſter, Elſter, weiß und ſchwarz, wenn du eine Hexe biſt, ſo flieg auf deinen Platz!“ d. h. flieg weg von hier, vereitelt man ihre böſen Abſichten. Mit dieſem Glauben an die dämoniſche Natur der Elſter hängt der in Tirol, Thüringen, Sachſen, Olden— burg und andern Gegenden geübte Gebrauch zuſammen, eine Elſter mit aus— gebreiteten Flügeln an die Tür des Diehitalls zu nageln, um deſſen Bewohner vor Sauber zu ſchützen, wie man's ja leider auch mit Eulen und Fleder— mäuſen tut. Das gekreuzigte Hexentier ſoll die Geſpenſter abſchrecken, indem es ihnen meldet, wie unſanft der Hofbeſitzer ſolch Gelichter behandelt, das ſich ſeinem Beſitz nähert. Unter ſolchen Umſtänden iſt die Elſter dem abergläubiſchen Menſchen eine Unglücksbotin; Sank und Streit, Krieg, Tod und Leichenbegängnis verkündet ihr Schrei. Wehe dem Haus, auf deſſen Dach eine Elſter ſich niederläßt! Läuft fie einem aber gar über den Weg, ſo iſt es beſſer umzu— kehren. Vielfach gilt es als ein frevelhaftes herausfordern des Schickſals, eine Elſter zu ſchießen oder ihr Neſt zu zerſtören, z. B. in der Lauſitz und in mancher Gegend Norddeutſchlands, und nur dann iſt's keine Sünde, den Hexenvogel zu töten, wenn man feiner zur Heilung von Krankheit bedarf. Vögel II. Copyright 1910, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 28 433 In der alten Materia medica ſpukt die Elſter vielfach herum. So leiſtete „gebrannte“ Elſter unter anderm bei Augenkrankheiten vortreffliche Dienſte. Der Dogel muß ja ein ganz beſonderes Auge haben, jo ſagten ſich wohl die alten Medici, da er ſo lüſtern auf blitzende Gegenſtände iſt, daß er nicht ſelten zum Dieb wird — in einem einzigen Eliternhorit fand man einmal ſieben— undzwanzig blanke Knöpfe, fünfzehn farbige Glasſcherben, viele glänzende Steine, acht Münzen, ein Trompetenmundſtück und eine Brille. Bekannt iſt noch heute (1) beim Dolk die gebrannte und zu Pulver geſtoßene Elſter als unfehlbares Mittel gegen die „fallende Sucht“. Heute noch wird die gebrannte Elſter als ſogenanntes „Diakoniſſenpulver“ 3. B. von der Dresdner Gegend, ebenſo von Oſtthüringen aus weithin unter der Hand empfohlen. V. Steckel. Sofia, März 1940. Elſtern in Geſellſchaft eines Weideſchweins. 434 Der Baßtölpel. Don Alf Bachmann-München. Swilhen Island und Norwegen, faſt jo nördlich wie Drontheim, liegt mitten im Ozean eine einſame Inſelgruppe, die Faröer. Weder Baum noch Strauch gedeiht auf den hohen, ſchwarzen Seljeninjeln, aber ein ungeheurer Fiſch- und Dogelreichtum gibt den Einwohnern, Nachkommen norwegiſcher Einwanderer, reichlich Nahrung. Da oben iſt's niemals kalt und niemals warm. Regen und Nebel und Dunkelheit — das iſt der Winter. Regen und Nebel und manchmal ein ſonniger Tag — das iſt der Sommer. Selten erleuchtet friſchgefallener Schnee oder klare Sonne die trübe Winterszeit auf wenige Tage. Wer bringt den Färingern den Frühling? Schwalben gibt's dort oben nicht und wenn eine Nachtigall hinaufkäme — in den troſtloſen Stein- und Moorwüſten, ohne Baum und Buſch, würde ihr die Lujt an der Muſik vergehen. Und nicht einmal der Star, der doch bei uns neben Storch und Schwalbe zu den beliebteſten Frühlingsverkündern gehört, eignet ſich auf den düſteren Inſeln dazu. Er verläßt ſeine warme, trübe Heimat im Winter gar nicht und das Singen hat er faſt verlernt; als Eklektiker bedarf er der Anregung und die Dögel ſeiner Heimat ſind ſchlechte Geſangslehrer. Über— haupt ſcheint er dort ſeinen humor verloren zu haben. Mit den Landvögeln iſt alſo nichts zu machen. Da muß ein Kültenvogel das poetiſche und dankbare Amt übernehmen und das iſt auch nicht mehr, als recht und billig, da dort doch nur Seebevölkerung wohnt. Ti-tisti erklingt's um Mitte März herum überall in Buchten und auf Inſeln von tauſend und abertauſend Stimmen. Da ſind ſie wieder, die Tjeldur, die Auſternfiſcher mit ihrem ſauberen, ſchwarzweißen Gefieder und dem langen, roten Schnabel und wirklich ſcheint alles fröhlich und lebhaft zu werden, wo der helle Ruf des dekorativen, energiſchen kleinen Kerls ertönt, wenn er kommt, um die Vorbereitungen zur Brut zu treffen. Der Fähringer iſt überzeugt, daß dieſe unruhigen Sommergäſte pünktlich am 14. märz eintreffen und als guter Fiſcher und Dogelfänger wird er wohl annähernd recht haben. Ein feiner, hellgrauer Nebel bedeckt Meer und Klippen und die grünen Wogenberge, die eine lange Dünung bei Windſtille träge hereinſchiebt vom Ozean her zwiſchen die ſteilen Inſeln, machen die flachen, muſchel- und tang— bewachſenen Klippen verſchwinden. Und dann tauchen ſie wieder auf; ſpru⸗ 28 * 435 . Williamson. Bass Rock Cliffs (Schottland). Junger Baßtölpel. delnd rinnt weißer Schaum in den Riljen und Rillen hinab und der alte Eiderentenvater, den die Welle von ſeinem Sitze vertrieb, nimmt wieder auf dem Felſen Platz, wackelt mit dem Schwanz, putzt ſich das Gefieder und wenn nach einigen Minuten wieder eine ebenſolche Welle kommt, wird er dasſelbe Manöver wahrſcheinlich wiederholen. Es iſt Mittagszeit und wenn es bei dem Nebel auch jede andere Tages— ſtunde ſein könnte: Die Dögel wiſſen genau, wieviel Uhr es iſt, auch wenn die Sonne nicht ſcheint. Ziemlich weit draußen, dort, wo man die hohen Felſen nur noch ab und zu wie hellgraue Wände erkennen kann, deren höhere Teile ſehr bald in Nebelwolken verſchwinden, ſitzen außer Lummen und Möwen ein paar ſonderbare Dögel auf dem Waſſer. Einige von ihnen ſchlafen und alle laſſen ſich von dem Strome, der unaufhaltſam dahinzieht, mitführen. Sie ſcheinen ſehr gut und viel gegeſſen zu haben; wenigſtens nehmen auch die nichtſchlummernden unter ihnen keinerlei Notiz davon, daß nicht weit von ihnen die Oberfläche des Meeres rauh wird. Als gute Fiſcher müſſen ſie es wiſſen, daß jetzt, bei Windſtille, nur Scharen kleiner Fiſche ſolche Rauhigkeiten verurſachen, wenn fie, von Dorſchen verfolgt, hinauffliehen an die Oberfläche, um bald wieder in der Tiefe zu ver— 436 ſchwinden. Ganz eigentümliche Dögel ſind's, die hier ihre Mittagsruhe halten. So groß wie die allergrößten Möwen, möchte man ſie doch für Seeſchwalben anſprechen. Ihr ganzer Körper, Flügel, Hals, Kopf und Schwanz ſind ſchnee— weiß und nur die Flügelſpitzen, die über dem Bürzel ſehr hoch gekreuzt ſind, leuchten tiefſchwarz. Der Schwanz liegt faſt auf dem Waſſer, der Hals iſt eingezogen und der dicke Kopf mit dem großen, geraden, bleifarbenen Schnabel iſt horizontal ausgeitreckt. Einige haben den Kopf unter die Schulterdeckfedern geſtechkt. Das iſt der Baßtölpel, der Sula. Wer ihn einmal fliegend oder ſchwimmend geſehen, wird ſein Bild kaum je vergeſſen. Er iſt der größte Seevogel Europas und kein anderer Dogel unſeres Erdteils it ihm in Geſtalt, Flug und Benehmen ähnlich. Cärmend und ſchreiend kommt ein Flock Dreizehenmöwen vorbeigeflogen. Eine kleine Raubmöwe, die auf einem aufgeblaſenen, ſchwarzen, runden Grindwalmagen ſaß, den Fiſcher hier als Boje an ihre Netze gebunden, duckt ſich einen Moment, erhebt die ſchlanken Flügel und ſchießt mit gellendem I-a hinter den Möwen her, die ängſtlich auseinanderſtieben; gleich darauf iſt die ganze Geſellſchaft im Nebel verſchwunden. Es hat ſich Wind erhoben, der ſtoßweiſe über die Wellen fegt und manchmal ſieht man die Sonne, wenn die Nebelmaſſen dünner werden, als ſchwachen, rötlichen Schein über den Inſeln ſtehen. Aber heut' ſoll es ihr und dem Wind nicht mehr gelingen, die Luft zu ſäubern und bald iſt alles wieder eingehüllt in das beängſtigende Swielicht von vorher. Jetzt erheben ſich die großen Dögel langſam, einer nach dem anderen. Es ſcheint ihnen nicht ſo leicht zu werden, wie den Möwen. Erſt breiten ſie die langen, ſpitzen, ſehr ſchmalen Flügel aus, dann zappeln ſie mit Füßen und Schwanz, recken den dicken Kopf weit vor und nun erkennt man deut— lich das Pelikanartige der ganzen Erſcheinung. Swei von ihnen ſind noch ſitzen geblieben und machen ſich mit Krächzen und Schimpfen zankend auf dem Waſſer zu ſchaffen. Ein Bündel Seetang kam angeſchwemmt; der eine erfaßt es mit dem Schnabel, ſchleudert es hin und her, um es richtig packen zu können, muß es aber immer wieder loslaſſen, da ſein Nachbar ebenfalls Abſicht auf die Beute hat. Ein lautes „Korr“ und ein energiſcher Schnabel— hieb ſchüchtern den Gegner eine Sekunde ein, der Sieger packt ſchnell den Tang, erhebt ſich flatternd in die Luft und verſchwindet mit der nach— ſchleppenden, dunkelgrünen Maſſe allmählich im Nebel, um ſie hoch oben auf einer Felſeninſel als Niſtmaterial zu verwenden. Ohne Sonne, Mond und Nompaß findet er ſeinen Weg übers Meer auch bei dickem Nebel. Das Wetter iſt inzwiſchen noch immer unbehaglicher geworden; der Wind hat zugenommen, ein feiner Staubregen ſprüht über Meer und Inſeln und der ſchottiſche Kapitän, der im Hafen vor Anker liegt, um Klippfiſch zu laden, ſitzt brummend in ſeiner Kajüte. Dielleicht muß er wieder, wie 437 J. Williamson. Bass Rock Chffs (Schottland). Kolonie brütender Baßtölpel. das letztemal, zehn Tage warten, bis der Nebel verſchwindet und er ſein Schiff aus dieſem Felſengewirr herausführen kann ins offene Meer. Da wiſſen ſich unſere Baßtölpel beſſer zu helfen. Wie ſie ohne Kom— paß und Sextanten ſegeln können, ſo fiſchen ſie auch ohne Netz und Leine. Man muß nur die Plätze kennen! — Die ganze Geſellſchaft hat ſich erhoben. Dicht über den Wogen fliegen ſie in langer Kette dahin, ein Vorgebirge erſcheint dämmerig im Nebel; dort bricht ſich brüllend die Dünung, dicker, zäher, gelber Schaum liegt in langen Streifen die Küſte entlang. Auf dem Meere und in dem Schaume ſchwimmen Lummen und Seepapageien, einzeln und in Gruppen. Hier, wo das Vorgebirge wie eine abgebröckelte Kieſenmauer im Waſſer ſteht, umfliegen es die großen Vögel und gelangen jo in ein Gebiet, wo das Waſſer klarer und ruhiger iſt. Einige laſſen ſich nieder, andere beginnen im Schutze der Felſen zu fiſchen. Ein herrliches Bild von Kraft und Ge— wandheit! Der Sula iſt vollendeter Stoßtaucher. Den Schnabel nach unten gerichtet, ſucht er fliegend feine Beute zu erſpähen. Oft ſchraubt er ſich, nach einigen ſchnellen Flügelſchlägen, ſpiralförmig hinauf in die Luft, dann wieder führt er plötzlich Schwenkungen aus, um ſofort wieder in ein raub— 438 V. Farren. un — > S — Be) — m OS a 2 > on © .—_ — © — je} — — =: — a vogelartiges Schweben überzugehen. Plötzlich hält er inne, ſchlägt die Flügel faſt ganz zuſammen, wie eine ſtoßende Seeſchwalbe und ſtürzt ſich ins Meer, wo er ſogleich unter der Oberfläche verſchwindet. Gelingt ihm der Stoß, dann erſcheint er gleich wieder über dem Waſſer, erhebt den Schnabel und mit einer einzigen Schluckbewegung iſt der Hering oder Dorſch ver— ſchlungen. Dann geht die Jagd aufs neue an und ſo gierig iſt er, daß er, wenn er reichliche Beute macht, ſich Magen, Kehlfak und Schlund fo vollſtopft, daß er den Schnabel nicht mehr zu ſchließen vermag. Wenn die Herings- und Mahkrelenfiſcher ihren Fang bergen, dann holt er ſich wohl die Fiſche aus den Booten. Drei bis vier große Heringe ſchlingt er leicht herunter, wenn ſein Magen leer iſt und Gefangene haben bis 18 Stück an einem Tage gefreſſen. Swiſchen den alten, weißen Dögeln ſieht man von Seit zu Seit auch einige junge dunkelbraune, über und über mit weißen Tropfen gezeichnete. An den Brutplätzen werden ſie nicht geduldet und erſt wenn ſie vier bis fünf Jahre alt ſind, verfärben ſie ſich und ſchreiten dann zur Fortpflanzung. Während die ſchönen, wilden Dögel dem Fiſchfange obliegen, raſt der Sturm von den Bergen hinab zum Meere. Don dem Bache, der ſonſt aus Kirchturmshöhe als Waſſerfall wie ein Silberſtreif hinabfällt zur See, kommt kein Tropfen bis unten. Der Sturm faßt ihn, wirft ihn umher und vereint mit ausgeriſſenen Steinen, altem, ſchmutzigem Schnee und Erde wird das zerſtäubte Waſſer, vermiſcht mit dem Regen, wieder hinaufgetrieben in Seljen und Klüfte. Und wo der Sturm auf der Höhe das Gras unterwühlen kann, da rollt er die Grasſoden mit Gewalt auf wie Bleiplatten und wirft ſie zwiſchen die Seepapageien, die entſetzt davonfliegen. Die Holzhäuſer in den Sjords ſtöhnen und knarren, wenn der Sturm auf ſie herniederfährt und durch den Kamin hineinheulend das Torffeuer auseinanderbläſt, daß Rauch und Aſche wild im Simmer umherfliegen. Dann wird's wieder plötzlich totenſtill. Das Trillern des Brachvogels erklingt von der Höhe her durch die Töne der Siehharmonika, die aus einem der kleinen Häuschen leiſe und gedämpft herausklingen. Bachſtelze und Wieſenpieper, die ſich verkrochen hatten, wagen ſich wieder hervor, um Niſtmaterial zu ſuchen. Da poltert und heult es von neuem oben in den Bergen, eine Schaum— wolke wird emporgetrieben vom Meere, fährt hinauf an den ſteilen Felſen und ehe eine halbe Minute vergeht, raſt und ſtürmt es wieder über die Inſeln dahin mit erneuter Wut. Wenn der Juli kommt mit ſeinen hellen Nächten, dann ſchmilzt der letzte Schnee hoch oben auf den Bergen und nur an der Vordſeite bleibt hie und da ein großer, dreieckiger weißer Fleck liegen, in den dunkeln Spalten, von wo aus der kluge Kolkrabe ſeine Raubzüge unternimmt und ſeine Brut einführt ins wilde Räuberleben. Seit der Seeadler nicht mehr 440 J. Williamson. Bass Rock Chfs (Schottland). Brütende Baßtölpel. horſtet auf den Faröern, machen dem Raben nur Skua und Mantelmöwe den Rang des Käuberhauptmanns ſtreitig. Das Schneewaſſer rieſelt in kleinen Rinnjalen entlang, vermuhrt den Boden auf den Höhen, wo der Steinbrech und allerhand Sumpfgras zu blühen anfängt und bricht ſich dann Bahn in tiefen, ſchmalen Rinnen, Bach an Bach. Dann ſpringen die Bäche murmelnd vorbei an den Hütten, entlang an den Mauern, aus Hrindwal— ſchädeln aufgerichtet und verſiegen ſchließlich am Fjord zwiſchen Geröll und Moos. Und die Wieſendotterblume breitet ihre großen Blätter über den Bach und dicke Sträuße von gelben, großen Blüten brechen hervor. Das ſieht von weitem luſtig aus, wenn die gewundenen, langen Bänder, die ſich hinunterziehen bis ins Meer, in leuchtendem Caubfroſchgrün und Eidotter— gelb erſtrahlen. Nun kommt die Seit, da es lebhaft zugeht auf den hohen Dogelbergen, auf denen der Tölpel niſtet. Wenn der Nebel tief unten auf dem Meere und in den Buchten liegt, wo Alken, Möwen und Lummen brüten, dann ſieht das ganze Land von oben geſehen jo aus, wie Bergſpitzen und Inſeln in einem Wolkenmeer. Die Sonne ſcheint warm vom blauen Himmel herab auf die weiße, unebene 441 Wolkenmaſſe, die Täler und Meer bedeckt bis an den Horizont. An ſolchen Tagen hat's der kleine Tölpel gut; auf ſeinem hohen, ewig feuchten Seetang— neſt ſitzt der kleine, nachte Kerl da. Seine Eltern haben lange brüten müſſen, bis aus dem weißen Ei das bleifarbene, häßliche, fette Scheuſal mit dem ſchwarzen Geſichtchen ſich hervordrängte und nun geht die Arbeit erſt recht an. Langſam entwickelt ſich das kleine Ding, ewig hungrig, ewig um die Wette kreiſchend mit den vielen Tauſend anderen, die hier oben ausgekrochen ſind im gleichen Sommer. Denn hier ſteht Neſt an Neſt und die Kinderſtube ſieht entſetzlich aus! Alles iſt über und über weil; bekalkt, faulgebrütete, ſchmutzige Eier liegen umher zwiſchen den ſtinkenden Über— reſten von Tintenfiſchen und Fiſchen, die die Alten den Kleinen eifrig vor— würgen. Und wie wunderlich ſehen die Eltern aus hier oben! Wie ein Dreifuß ſitzen ſie da auf ihren kurzen, breiten Füßen. Damit ſie nicht nach hinten fallen, ſtützen fie ſich auf den keilförmigen Schwanz; der hals iſt angezogen, der Kopf halb aufwärts gerichtet — eine traurige Figur! Mit ihrer krächzenden, ſchnarrenden Stimme zanken ſie ſich unaufhörlich mit ihren Nachbarn, wenn ihnen die Kinderpflege Seit dazu läßt; wie das Durch— einanderſchreien zahmer Enten klingt's oft, dann wieder wie Rabengehrächze. Und wenn gar einer der alten Dögel beim Streiten gezwungen wird, zu gehen, dann ſieht man, wie unbeholfen der arme Kerl auf dem Feſtland iſt. Stolpernd und wackelnd, mit ſchleppendem Schwanze verſucht er von der Stelle zu kommen und wenn ein Hindernis ihm den Weg verſperrt, dann nimmt er gar ſeinen Schnabel zuhilfe, um nicht umzufallen! Und in der äußerſten Not hüpft er grotesk davon, wie eine Elſter. Dem kleinen, nackten Jungen ſproſſen allmählich auf dem ganzen Körper lange weißliche Dunen, ſo daß es bald an eine junge Eule erinnert; dann wird es dunkelaſchbraun, ohne die weißen Flecken, die es erſt bei einer ſpäteren Mauſer bekommt. Während nun einige der Jungen ſchon halb— erwachſen ſind, ſitzen daneben noch manche der Alten feſt auf dem Ei und ſo unregelmäßig betreiben dieſe Vögel ihr Brutgeſchäft, daß auf manchen Brut— plätzen, z. B. auf Grimſey im Norden von Island das Geſchrei und Gezänke erſt Ende Oktober aufhört, wenn das Nordlicht nach klaren Tagen ſchon früh am Abend ſeine leuchtenden Bänder an den grünlichblauen Himmel malt. Bis auf die kleinen häuslichen Swiſtigkeiten haben die Tölpel am Brutplatz nicht viele Sorgen. Der Seeadler holt ſich gelegentlich eines der fetten Jungen und auch die Mantelmöwe, die vereinzelt auf denſelben Felſen brütet, fürchtet die Schnabelhiebe der Alten wenig. Ebenſo fallen dem Kolk— raben und der Skua ab und zu die Jungen zur Beute, jo lange ſie noch nicht zu groß und zu ſchwer ſind, um ſie in einem unbewachten Momente wegzuſchleppen. Ihr ärgſter Feind aber iſt der Menſch. 442 R. Kearton. Bass Rock Cliffs (Schottland), Juni 1907. Baßtölpel, brütend. Die Inſel, auf deren oberſten, abgeflachten Teile im Sommer aus Geſtank und Schmutz heraus die wunderſamen Dögel aufwachſen, die ſpäter in herr— lichem Fluge ihren ſchneeweißen Körper über die blaugrünen Wogen gleiten laſſen, iſt ein zauberhaftes Gebäude. In gigantiſchen Bündeln, 50 bis 60 Meter hoch, ragen die Baſaltſäulen aus dem Meere heraus, wie eine Riejenorgel. Die Seeleute nennen es den „verſteinerten Wald“. Und unter der Inſel iſt eine düſtere Höhle; von den feuchten Wänden rufen Lummen und Alke herunter, eine bläuliche Beleuchtung läßt alles in einem märchenhaften, ungewiſſen Lichte erſcheinen. Aus gewaltigen Wölbungen ſchimmert Guarz und Glimmerſchiefer undeutlich heraus und gegen den ſchmalen Eingang hin ſieht man im tiefen, bläulichgrünen Waſſer wogenden Seetang in langen Blättern wundervoll in harmoniſchen Linien ſich träumeriſch bewegen. Mit hellem Silberſchimmer überzogen, taucht hie und da ein Dogel mit vorgeſtrechtem Kopfe und halbgeöffneten Flügeln durch die langen, rötlichen und olivgrünen Blätter. Tag und Nacht gibt's da unten gewaltige Kämpfe: Der Dorſch fängt den blinkenden Hering, mit ſeinen blöden Augen wird er ſelbſt vom hummer verzehrt und der rieſige Heilbutt ſchlingt den alten hummer hinab mit ſeinen grimmigen Scheren und dem blauſchimmernden Panzer. 445 N. B. Lodge. Bass Rock Cliffs (Schottland), 1904. Baßtölpel, alter Vogel beim Neſtjungen. Und weit hinten, am äußerſten Ende, wo weißer Sand bei Ebbe aus dem Waſſer zutage tritt, da ſchläft, zwiſchen weißſchwarzen Seevögeln, eine alte Robbe mit ihrem Jungen im dämmerigen Swielicht. Das Meer liegt ruhig, die Sonne hat den Nebel aufgezehrt, es iſt gegen Mittag. Da erhebt die Robbe den Kopf, die flachen Augen leuchten, die Ohrlöcher erweitern ſich. Auch das Junge, das auf dem Kücken lag und verſuchte, dabei die hinteren Finnen lotrecht in die Höhe zu ſtrecken, wird aufmerkſam. Im nächſten Moment ſetzt ſich die Mutter mit ein paar Sätzen in Bewegung, ein lautes Plantſchen, ein zweites, leiſeres — und Mutter und Sohn gleiten wie Fiſche hinab in das Pflanzengewirr. Jetzt wird's draußen lebendig. Lautes Lachen von Menſchenſtimmen ertönt, Ruder plätſchern, Rufe erſchallen und hallen wider von den Fels— wänden. Ein Boot mit acht Ruderern iſt bei der Inſel angekommen; in der Ferne erſcheint ein zweites, ein drittes. Eines nach dem anderen läßt das Segel fallen, die langen, ſchmalen Ruder ſchlagen das Waſſer; überall Schwatzen und Gelächter. Das ſind die fröhlichen Mörder der jungen Cölpel, 444 M. Haren. Bass Rock Cliffs (Schottland), Funi 1905. Sliegende Tölpel. die einzigen Feinde, die ſie fürchten ſollten, aber jie fürchten ſie nicht. Auf uralten Kletterpfaden geht's hinauf; Stufe nach Stufe, Galerie nach Galerie wird erklommen. Wie KUatzen ſchmiegen ſich die ſchmalen, jugendlichen Körper den Felſen an. Da iſt nichts mehr vom Seemann zu ſehen. Eine kurze, knappe Wolljacke, Kniehoſen und lange, braune Strümpfe ſind ihre prak— tiſchen Kleidungsſtücke. Während nun die Boote mit einigen Leuten unten liegen bleiben an der Leeſeite der Inſel, beginnt oben ein greuliches Schlachten. Den alten Vogel läßt man leben. Er iſt zwar jo wenig ſcheu, daß man ihn oft, wie eine Eiderente, vom Neſt nehmen und wieder hinſetzen kann. Doch ſchmeckt er ſchlecht und er ſoll ja auch im nächſten Jahre wieder ſein Ei legen. Aber den fetten Jungen geht's an den Kragen. Mit einem Knüttel ſchlägt man die argloſen Tiere auf den Kopf, nachher werden ſie bündel— weiſe von oben hinuntergeworfen in die See, wo die Kameraden in den Booten ſie in Empfang nehmen. Nur die ganz flüggen werden getötet, die jüngeren kommen erſt in einigen Wochen dran. Dieſesmal ſind die Ceute etwas ſpät gekommen. Manche der jungen Dögel ſind ſchon hinuntergeflattert aufs Meer, wo ihnen die Eltern die Elemente der Hochſeefiſcherei erklären. 445 Willtamson . Bass Roc * Cle. fs St 7 erland 2 Tölpel auf ihren Nejtern und Jungvogel. Vor einigen Tagen ſchon wollten die Dogelfänger herkommen, aber als ſie hinausrudern wollten und ſich gerade zu Hauſe noch durch gebratene Seepapageien, mit Eierkuchenteig gefüllt, ſtärkten, da ertönte vom Fjord her der Ruf „Grindabud! Grindabud!“ — Da ließ man denn den halb— aufgegeſſenen Lund liegen, dachte nicht mehr an die Tölpel da oben, rannte zu den Booten und half die Grindwalherde zu umzingeln, die ahnungslos in den Fjord geſchwommen kam. Und dann ging das gräßliche, blutige Schlachten an, das Schweineſchlachten der Färinger, und ehe das Fleiſch geborgen und verteilt, das große Freudenfreſſen mit Muſik und Tanz vorbei, die blutigen Kleider gewaſchen und die in der Walſchlacht zerbrochenen Ruder wieder repariert waren, waren einige Tage vergangen. — Nun ſind die Boote gefüllt mit den armen, häßlichen, fetten Dögelchen und die luſtige Fahrt geht nach hauſe. Die Vögel werden verkauft oder eingeſalzen. Sie ſchmecken nicht jo gut wie Möwen und Seepapageien; ihr heringsartiger, traniger Beigeſchmack widert manchen an. Die Eier ſchmecken noch ſchlechter. Da das Brutgeſchäft ſehr unregelmäßig vor ſich geht, findet man oft bis in den Oktober hinein noch Junge in den Neſtern. Sogar auf der Injel Grimſey, nördlich von Island, dem auf dem Polarkreis gelegenen, nördlichſten Brutplatze der Sula, werden die letzten Jungen erſt gegen Ende Oktober 446 „geerntet“. Eine der bekannteſten Sulakolonien befindet jih auf dem Baß— Rock im Firth of Forth bei Edinburgh. Etwa 75000 Eier werden dort jährlich gelegt. Dieſe Kolonie iſt verpachtet und der Sugang mit einer eiſernen Türe verſchloſſen, alſo ganz wie ein hühnerſtall. Die Jungen werden dort, nachdem ſie gerupft, gereinigt und halb geröſtet ſind, in Edinburgh zu Markte gebracht. Doch nimmt die Sahl der Liebhaber der Solan Gooſe von Jahr zu Jahr ab. Unſer Dogel geht nicht ſehr weit nach Norden hinauf. Die Höhe von England und Schottland ſcheint ihm am beiten zu behagen. Auf den Orkaden und Hebriden, an den ſchottiſchen Küſten und in Nordirland, in Südgrönland und einem Teile der öſtlichen Küſte Nordamerikas hat er ſeine Brutplätze, die er in ungeheueren Maſſen bevölkert. Flache Küſten meidet er; ebenſo liebt er den offenen Ozean weniger, als felſige Steilküſten mit klarem Waſſer und guten Fiſchgründen. Auch außerhalb der Brutzeit fliegt er, wenn ſein Tagewerk vollbracht, der Küſte zu, um dort zu nächtigen. Und wenn der mit allen Waſſern gewaſchene Seemann bei unſichtigem Wetter den Jan van Gent des Morgens in Scharen über das Schiff hinwegfliegen ſieht, dann weiß er, daß dort, wo er herkommt, Land iſt. Selten ſieht man ihn in Norwegen, häufiger an der bretoniſchen und portugieſiſchen Küſte. Es gibt etwa zwölf Arten Tölpel, die über die Küſten der ganzen Erde verbreitet ſind. Die meiſten Arten niſten ſüdlich des Aquators. Ganz und gar verraten und verkauft, wie ein in die Dolomiten hinein— gezauberter Hochſeefiſcher, iſt der arme Kerl, wenn ihn im Winter ſchwere Stürme, die längere Seit aus derſelben Richtung wehen, ins Innere des Landes verſchlagen. Mit gänzlich leerem Magen, matt und verängſtigt, ſitzt er dann endlich flügellahm auf einem Acker und wenn der münſter— länder Bauer von ſeinem Milchwagen aus den großen, braunen“), wunder— lichen Vogel auf dem beſchneiten Kartoffelfelde ſitzen ſieht, dann ſchleicht er ſich vorſichtig heran, immer näher, an einer Wallhecke entlang, damit ihm die „wilde Gans“ nicht entwiſche. Aber die Gans hat jede Initative eingebüßt und läßt ſich ruhig mit dem Peitſchenſtiel totſchlagen. Derwundert dreht ihn der Bauersmann um, den großen Dogel mit dem unförmlichen Schnabel, ſtopft ihn zwiſchen die leeren Milchkübel auf ſeinem Wagen und wenn er, in ſeinem Kotten angekommen, Frau und Kindern die ſeltene Beute zeigt, und die Kinder ihm ſtaunend den Schnabel aufmachen und in den rieſigen Kachen hineinſchauen, dann ertönt einmal über das andere als Zeichen der höchſten Derwunderung der Ausruf: „Junge, Junge, Junge, wat 'n Dier!“ ) Die in dieſer Weiſe ins Land hinein verſchlagenen Vögel ſind ſtets unausgefärbte Exemplare, alſo im braunen Jugenökleide. | Der ſchwarzkehlige Wieſenſchmätzer. | | Don Martin Braeß. | Ein flüchtiges Döglein hüpft leicht und gewandt in dem Dornengeſtrüpp und den Hecken umher, die den ſchmalen Kain zwiſchen den Feldern in geſtreckter Linie begleiten. Jetzt ſitzt es auf einem vortretenden Aſtchen, hochaufgerichtet die kleine Figur, und ſingt ſein beſcheidenes Liedchen, den zarten Strophen der Heckenbraunelle ganz ähnlich. Aber plötzlich bricht's ab; am Boden ſcheint ſich etwas zu rühren. Ein zappelndes Kerbtier — ſchon iſt es gepackt, und nun hüpft das Döglein hurtig von einer Acker— ſcholle zur andern, auf jedem höheren Plätzchen einen Augenblick raſtend, um Ausſchau zu halten; denn ſeine Sicherheit ſetzt der Kleine niemals aufs Spiel. Dem ſchützenden Buſchwerk bleibt er ſtets nahe, und die freien Spitzen der Sträucher und niedrigen Bäume, hohe Pflanzenſtengel, auch Pfähle und Telegraphenſtangen ſind ſeine Lieblingsplätzchen; in ſchwirrendem Flug geht es von einem zum andern. Manchmal wirft ſich das Döglein von hier hoch in die Luft, um ein Inſekt im Flug zu erwiſchen, manchmal ſtürzt ſich's herab und rüttelt über dem Grashalm, wo ein Käferchen klettert; aber im nächſten Moment iſt es wieder droben auf ſeiner Warte. Es wippt mit dem kurzen Schwanz in langſamem Takt nach unten, breitet den Fächer auch manchmal aus und zuckt dann in ſchnellerem Tempo; „fid, fid, tzer, tzer“ . . . da iſt der kleine Burſche im dichten Geſtrüpp ſchon verſchwunden. Dem Beobachter ſchlägt er ein Schnippchen. „Schwarzkehlchen“ heißt das ſchmucke Döglein beim Volk; „Schwarz— köpfchen“ oder „Mohrenköpfchen“ ſollte es heißen. Kehle und Oberbruſt ſind ja ſchön roſtrot gefärbt, und das Schwarz des Kopfes, das ſich prächtig von den weißen Halsſeiten abhebt, erſtreckt ſich nur gerade mit über das Kinn. Für das Weibchen freilich würde auch die Bezeichnung „Schwarz— köpfchen“ nicht paſſen; es ſieht dem Weibchen vom Detter Braunkehlchen ganz ähnlich, nur etwas dunkler die Oberſeite, und der ſchmutzig weiße Fleck auf dem Flügel tritt, beſonders beim Flug, ziemlich deutlich hervor. Am Boden, unter einem Schlehenbuſch, in dem wirren trocknen Gras, das die Senſe des Schnitters niemals erreicht, hat das Pärchen ſein Neſt. Der Sugang, kaum größer als ein Mäuſeloch, iſt nur den beiden bekannt. Hier ſchlüpfen ſie täglich hundertmal hindurch, den fünf Kindern Biſſen um Biſſen zu bringen, eine fette Raupe vom Kohl, eine zarte Fliege, Spinnen, Heupferde u. dergl. Warm und mollig liegen die Kleinen; denn das lockere, 448 Vögel II. Mai 1905. Sufolk), Near Schwarzkehliger Wieſenſchmätzer am Neſt, links Männchen, rechts Weibchen. Farren, M,. Mildenhall | R. Kearton, Surrey, Juni 1905. Männliches Schwarzkehlchen. aus Moos, Halmen, Stengeln und feinen Würzelchen hergeſtellte Gewebe des flachen Napfes haben die Dögel mit einer dichten Lage von Wolle und Haaren ausgepolſtert. Sie konnten ſich wochenlang nicht zum Neſtbau entſchließen; denn als ſie Anfang April — viel früher als der braunkehlige Vetter — zurückkehrten, begrüßte ſie die heimat noch wochenlang mit Schneeſchauern, Regen und Sturm, daß man nur daran dachte, das nackte Leben zu retten, und als endlich der heißerſehnte Frühling einzog, verſuchten die Vögel ihr Heil in dem Weidengeſtrüpp der Au; aber das ſteigende Waſſer des Fluſſes ſchien ihnen Sorge zu machen. Sie zogen hinauf in die junge Fichtenſchonung am Talhang; hier ſchreckte ſie ein beuteluſtiges Wieſel. Aber ſchließlich fanden ſie doch unter dem Schlehdorn am Ackerrain eine ſichere Wohnung. Sie hat ſich glänzend bewährt. Morgen, ſo hoffen die Eltern, werden die Kleinen das Neſtchen verlaſſen; ſie gucken ſchon jo klug aus der kleinen Öffnung zwiſchen den Gräſern hindurch, und wenn ſie anfangs die Flügel auch noch nicht recht zu gebrauchen verſtehen, im Der- ſteckſpiel am Boden ſind die Schwarzkehlchenjungen von Anfang an Meiſter. 450 TE \ | | 1 W. Farren. Near Mildenhall (Suffolk), Mai 1905. Schwarzkehlchen, mit Sutter zu Nejt kommend, links Männchen, rechts Weibchen. Niemand bemerkt ſie; erſt ſpäter zeigen fie ſich der Welt; ſie ſetzen ſich auf die Spitzen der Büſche und Bäume — aber ſofort ſind ſie im Gras- und Dornen— geſtrüpp ſpurlos verſchwunden, wenn die wachſamen Alten mit ihrem „fit, fit . . . Bee” warnen. Im September, manchmal ſchon Ende Auguſt, geht's nach dem Süden, einzeln oder in ganz kleinen Trupps. In Deutſchland iſt das ſchmucke Dögelchen nicht weit verbreitet, dem Oſten fehlt es wohl völlig. Wieſen hat es weniger gern als ſein Derwandter; hügliges Gelände mit kleinen Wäldern und Ackern, Talhänge mit hecken und Buſchwerk, auch größere Höhen der Mittelgebirge, wo das Kulturland aufhört und niederes Fichtengeſtrüpp, Heidekraut, Farne, Ginſterbüſche den ſteinigen Boden bedecken, das ſind die Lieblingsplätze des Schwarzkehlchens. 451 = Säbelſchnäbler und Stelzenläufer. Von Dr. Ernſt Schäff. Unter dem vielgeſtaltigen, arten- und formenreichen gefiederten Volk, das unſre Küſtenſtrecken, ſowie die Inſeln, Halligen und Watten belebt und für den Nichtornithologen ſo ſchwer zu unterſcheiden iſt, heben ſich gewiſſe Ge— ſtalten durch bemerkenswerte, auch dem nicht geübten Beobachter ſich auf— drängende Beſonderheiten, ſei es in der Farbe, Geſtalt, Stimme, Bewegungs— weiſe uſw. heraus, ſo daß ſie leicht erkannt und richtig angeſprochen werden können. Meiſt ſind es auffällige Farben oder lebhafte Farbentöne in auf— fallender Verteilung, wodurch ſich ſolche Vögel erkennen laſſen. Schwerlich wird jemand z. B. die Brandente oder den Auſternfiſcher mit irgendeiner andern Ente oder einem Strandvogel verwechſeln, wenn er ſich dieſe Dögel nur einmal ordentlich angeſehen hat. Das Gleiche gilt von einem merkwürdigen, leider auf deutſchem Gebiet höchſt ſelten gewordenen Strandvogel, der ſich an ganz beſtimmten, beſonders beſchaffenen Strichen des Strandes und der Külten unſrer Meere findet, bezw. fand. Derſetzen wir uns wenige Jahrzehnte zurück, jo können wir das Leben und Treiben des Säbelſchnäblers (Recurvirostra avosetta [L.]) — denn um dieſen handelt es ſich hier — als eines bei uns ein— heimiſchen und noch verhältnismäßig verbreiteten Vogels ſchildern. Nicht die eigentlichen Watten, die für jo unendlich viele Vögel zur Ebbezeit einen reich beſetzten Tiſch bilden, nicht der reine glatte Sand, wie wir ihn uns als Badeſtrand wünſchen, noch weniger ſteiniges und felſiges Gelände locken den langbeinigen, trotz ſeiner Stelzenbeine auch noch mit Schwimmhäuten verſehenen Dogel an, ſondern Schlamm und Schlickbänke mit jo weichem Boden, daß kaum ein andrer Dogel ihn betritt. Derweſender Blaſentang und andre Meeresalgen, ſowie abgeſtorbenes Seegras, das im Waſſer an nicht ſehr tiefen Stellen liegen bleibt, bilden eine an der von Wind und Sonne trocken gewordenen Oberfläche fahl bräunliche, im Innern und, wo ſie vom Waſſer bedeckt wird, braun- bis tintenſchwarze, breiige Maſſe. Dieſe liebt der Säbelſchnäbler, ebenſo Stellen mit ſchwankendem, weichem Boden auf dem Grünland, ſowie die ſchlichigen Ränder der Priele und Meeresarme zwiſchen den Watten. Hier ſieht man die ſchlanken, weißen, am Oberkopf und an einzelnen Stellen des Kückens und der Flügel ſchwarzen Dögel umherwaten oder in heißer Mittagsſtunde auf einem Bein ſtehend, den Kopf unter das Schultergefieder geſteckt, Sieſta halten. Die ſehr langen, weit oberhalb des Ferſengelenkes unbefiederten Beine von zart bläulichgrauer Farbe und ſehr weicher Be— 452 —̃— — — 1 . Behr. Werder (Ostsee), Funi 1909. Neſt und Gelege der Avoſette. ſchaffenheit ermöglichen es dem Dogel, weit umher zu waten. Nicht ſelten benutzt er auch die zwiſchen den Dorderzehen ausgeſpannten, tief ausgerandeten Häute zum Schwimmen, wobei er ſehr leicht auf dem Waſſer liegt, etwa wie eine Möve, und den Rumpf nur wenig eingetaucht. Man ſpricht gewöhn— lich beim Säbelſchnäbler von Schwimmhäuten an den Füßen; richtiger wäre es wohl, ſie beſonders ſtark entwickelte Binde- oder Spannhäute zu nennen, denn ſie dienen dem Dogel ganz ohne Sweifel viel mehr dazu, ihn vor zu tiefem Einſinken beim Waten im Schlamm zu bewahren, als um ihm das Schwimmen, das er doch nur verhältnismäßig ſelten betreibt, zu ermöglichen. Immerhin ſchwimmt unſer Dogel nicht bloß gezwungen, etwa wenn er, an— geſchoſſen, ſich durch Fliegen nicht retten kann, ſondern er ſucht gelegentlich auch aus freien Stücken tieferes Waſſer auf und ſchwimmt hier geſchickt und ſchnell. Steenhuizen. Texel, Juni 1905. Avoſette, 4 eben geſchlüpfte Jungen und Eijchale. An den geſchilderten Örtlichkeiten finden die Säbelſchnäbler oder Avojetten, wie ſie auch heißen, ihre aus allerlei zarten Kruſtazeen, weichen Würmern und kleinen Mollusken beſtehende Nahrung, deren ſie ſich in ſehr eigenartiger Weiſe bemächtigen. Sie fahren mit dem feinen, elaſtiſchen Schnabel rechts und links in horizontaler Richtung durch Waſſer und Schlamm und leſen dabei alles für ſie Genießbare heraus. Dieſe eigentümlichen Be— wegungen ſah ich auch von mir gefangen gehaltene Avoſetten in ihrem flachen Trinkgefäß ausführen. Der Schnabel iſt anders gebaut als bei allen andern Dögeln. Fiſchbeinartig elaſtiſch, hart und ſpitz, hat er fait die Geſtalt einer Schuſterahle, iſt aber von der Mitte an aufwärtsgebogen, dabei durch— weg breiter als hoch, alſo von oben nach unten abgeplattet. Als eigentliches Taſtorgan wie bei jo vielen andern Dögeln aus der näheren oder weiteren Verwandtſchaft des Säbelſchnäblers kann der Schnabel nicht wirken, da er nicht mit weicher, nerven- und taſtkörperchenreicher haut überzogen, ſondern völlig hart iſt. Es iſt ein höchſt eigenartiges Organ und jedenfalls für den Dogel beſonders geeignet zur Nahrungsaufnahme. Entgegen vielen andern am Meeresſtrande lebenden Vögeln beſucht die Avoſette ſüße Gewäſſer ſo gut wie nie, jedenfalls immer nur ganz ausnahms— weiſe und zufällig. Wohl aber hält ſie ſich als Brutvogel an ſalzigen Binnen— 454 M. Behr. Werder (Ostsee), Juni 1909. Avoſette. Junge Dögel, die kaum das Ei verlajjen haben. gewäſſern oder an Orten, wo Salzſümpfe mit ſalzigen Quellen vorhanden ſind. So iſt ſie ein Bewohner des Neuſiedler- und des Plattenſees in Ungarn, und brütet an den ſalzigen Seen Sentralaſiens und Oſtafrikas, ſowie an den Natronſeen Nordafrikas. Aus dieſen Angaben läßt ſich ſchon entnehmen, daß unſer Vogel ein weites Derbreitungsgebiet hat. Um dies etwas genauer an— zugeben: man kennt ihn brütend von den Küſten Dänemarks an aus den Küſtengebieten der Nord- und Oſtſee, von Südſpanien und gewiſſen Teilen Süd— frankreichs, dann aus Südoſteuropa und durch das ganze mittlere Aſien bis zum fernen Oſten, auch aus Nord- und Oitafrika, ja ſelbſt bis herunter zum Kap der guten Hoffnung — immer aber gebunden an Salzwaſſer oder Salz— ſümpfe. Eigentümlich iſt es, daß der Säbler auch in den Seiten, da er noch auf den ſchleswig-holſteiniſchen Inſeln und Watten regelmäßig brütete, fait nie auf Helgoland, wo doch ſo viele und verſchiedenartige Dögel beobachtet wurden, erſchien. In England iſt er als Brutvogel verſchwunden und bei uns iſt er, wie oben angedeutet, ſo ſelten geworden, daß man für ſein Fort— beſtehen als ſtändiges Mitglied der heimiſchen Ornis die ſchlimmſten Be— fürchtungen hegen muß. Vielleicht werden in dieſer Richtung die verſchiedenen in den letzten Jahren angelegten Dogelfreijtätten etwas Wandel ſchaffen, dann wäre leicht möglich, daß ſich neben Möven, Seeſchwalben, Aujtern= 455 fiſchern, Strandläufern, Regenpfeifern, Uferſchnepfen uſw. auch einzelne Avoſettenpärchen an den geſchützten Brutſtätten wieder einfänden. Die Geſellſchaft der andern Vögel wird den Säbelſchnäblern allerdings allein kaum zur Anſiedlung an irgendeinem Platze veranlaſſen, denn geſellig iſt er nicht veranlagt. Er ſcheut zwar nicht das Suſammenleben mit andern Vögeln, aber er ſucht es auch nicht und ſchließt ſich nie in der Weiſe an andre Dögel an, wie es viele Strandvögel untereinander tun, die zuſammen ihrer Nahrung nachgehen, zuſammen bei nahender Ge— fahr davonſtreichen und zuſammen wieder einfallen. Indirekt dient gelegent— lich der Säbler andern Dögeln in ſeiner Nachbarſchaft als Warner, denn er iſt außerordentlich ſcheu und mißtrauiſch und geht jedem Feinde oder auch nur jeder verdächtigen Erſcheinung frühzeitig aus dem Wege. Der Flug unſres Dogels iſt nicht ſchnell und wird mit etwas matten Flügelſchlägen ausgeführt, wobei Hals und Beine lang ausgeſtreckt werden. Beim Durch— eilen größerer Entfernungen pflegen ſich die Avoſetten hoch in die Luft, meiſt über Schrotſchußdiſtanz, zu erheben; beim Einfallen ſenken ſie ſich in einigen Bogen mit ruhig gehaltenen Flügeln ziemlich ſenkrecht herab. Sur Fortpflanzungszeit, wenn das Weibchen brütet, kreiſt das Männchen über dem Neſte oft hoch in der Luft in anmutigem Flugſpiel, wobei es den tril— lernden Paarungsruf hören läßt, der eine raſche Aufeinanderfolge des wie „tliü . . .“ klingenden, klagenden Lockrufes iſt. Auch einen kürzeren, wie „guit“ oder „pütt“ ſich anhörenden Stimmlaut vernimmt man von der Avoſette und ihr niederländiſcher Name „Kluit“ kommt von ihrem Ruf her, den man durch jenes Wort auch verſinnbildlichen könnte. In manchen Ge— genden Norddeutſchlands hieß der Säbler früher wegen ſeines pfriemartigen Schnabels „Schuſtervogel“, im Däniſchen nennt man ihn ſtellenweiſe „Sko— mager“, was dasſelbe bedeutet wie jene deutſche Bezeichnung. Der Platz für das Neſt wird nicht da gewählt, wo ſich die Avoſette mit Vorliebe aufhält, ſondern weiter landeinwärts, an höheren und trockneren Stellen, die ſelbſt von Springfluten nicht erreicht werden. Hier, wo der ſandige Boden nur dürftig mit magerem Gras und ſonſtigen Dünenpflanzen beſteckt iſt, ſcharrt ſich der Vogel eine flache Vertiefung, die er zuweilen mit ein paar trocknen Halmen auslegt, zuweilen aber auch ohne dieſe ſpärlichen Sutaten als Kinderſtube benutzt. Gern werden kleine Erhöhungen, wie alte Maul— wurfshaufen und dergl. zur Anlage der Niſtſtätte verwendet, geſchützt und verſteckt ſteht aber das Neſt der Avoſette eigentlich nie. Das Gelege pflegt in der Regel aus drei Eiern zu beſtehen, oft ſind es nur zwei, doch kommen auch wohl vier vor; dieſe letztere Fahl iſt aber die ſeltenſte. Wie bei der offenen Cage des Neſtes zu erwarten, zeigt ſich die Färbung der Eier ihrer Unterlage und ihrer Umgebung ſo vortrefflich angepaßt, daß das Gelege nur ſchwer entdeckt wird. Im Färbungscharakter ähneln die Eier denen 456 Werder (Ostsee), Juni 1909. Avojette, brütend. M. Behr. Avo ) ette : Werder (Ostsee), Funi 1909. Eier wendend. Brütend des Kiebitzes, die Textur der Schale iſt jedoch etwas rauher und der Grund— ton etwas mehr grünlich. Auf ihm ſtehen ſparſame und kleine, ſchwarze Flecke, die ſich am ſtumpfen Pol des Eies häufen; außerdem bemerkt man matte, violettgraue Flecke, die tiefer in der Schale ſitzen. Dieſe Färbung und Seich— nung ähnelt ſo ſehr der Unterlage, auf der die Eier liegen, daß dieſe nur ſchwer zu finden ſind, wie das ja auch bei verſchiedenen andern Strandvögeln, die ganz offen auf dem bloßen Sande niſten, der Fall iſt. In das Brut— geſchäft teilen ſich Männchen und Weibchen, was man weniger durch direkte Beobachtung als dadurch feſtgeſtellt hat, daß bei beiden Geſchlechtern ein Brutfleck vorhanden iſt. Nach etwa 17—18tägiger Bebrütung entſchlüpfen den Eiern die in ein zartes, hellfarbiges Dunenkleid von faſt weißer, nur auf der Oberſeite von Kopf und Kumpf etwas dunkler getönter und gefleckter Farbe gehüllten Jungen, deren Artzugehörigkeit man an dem zwar nach verhältnismäßig kurzen, aber doch ſchon deutlich aufwärts gebogenen zarten Schnabel erkennen kann. Bei drohender Gefahr verſtehen es die kleinen Avoſetten, auf ihren anfänglich dicken und weichen Stelzenbeinen ſich ſehr 458 M. Behr. Werder (Ostsee), Juni 1909. Avojette, ſich aufs Neſt niederlajjend. gejchickt in der dürftigen Strand- und Sandvegetation zu veritecken. Sobald jie einigermaßen behende laufen können, werden ſie von beiden Eltern an ſumpfige, aber Deckung bietende Örtlichkeiten geführt, aber erſt wenn fie flugbar geworden, an den offenen Strand. Etwa im Augult iſt der junge Nachwuchs jo weit, daß er allein in der Welt fortkommen kann. Die Alten bekümmern ſich dann nicht mehr um ihre Kinder, rüſten ſich vielmehr all— mählich zur Abreiſe nach dem Süden, die ſie allein antreten, während die Jungen etwas ſpäter nachfolgen. Wahrſcheinlich folgen die Säbelſchnäbler auf ihrem Suge den Meereskülten, wenigſtens trifft man ſie nur ganz aus— nahmsweiſe an Gewäſſern im Binnenlande, was doch wohl öfter der Fall ſein würde, wenn ſie etwa den größeren Flußläufen folgten oder ſonſt direkt über Land reiſten. In gewiſſer Beziehung ſchließt ſich an die Avoſette ein andrer, durch ſeine ausnehmend lange und langbeinige Geſtalt ausgezeichneter Dogel an, nämlich der Stelzenläufer (Himantopus himantopus [L.]), auch wohl Strand— reiter, in älteren Werken wegen ſeiner Färbung hier und da Storchſchnepfe FF R. B. Lodge. Holland, Mai 1908. Avojette im Waſſer. 459 Steenmnäzen. Texel, Fun 1905. Brütende Avojette. genannt. Dieſe letztere Bezeichnung hat eine gewiſſe Berechtigung, denn das weiße Gefieder mit ſchwarzen Flügeln (allerdings auch ſchwarzem Hinter— kopf) ſowie die roten langen Beine erinnern ganz entſchieden an unſern Storch. Ein charakteriſtiſches Färbungsmerkmal unſres Dogels iſt übrigens der graue Schwanz. Das Rot der Stelzenbeine, die ganz außerordentlich lang ſind, viel länger als bei allen andern Strandvögeln, ſtimmt bei genauerer Betrachtung übrigens auch nicht vollſtändig mit dem Rot der Storchbeine überein, ſondern zeigt eine ſehr ſchöne, nicht ſehr intenſive Rojenfarbe. Um das Bild der äußeren Erſcheinung unſres Vogels zu vervollſtändigen, ſei noch bemerkt, daß den Füßen die Hinterzehe fehlt und daß ſich zwiſchen Mittel- und Außenzehe eine bis zum erſten Sehengelenk reichende Bindehaut findet, zwiſchen Mittel- und Innenzehe dagegen nur die Andeutung einer ſolchen. Der Schnabel, gerade und ſpitz, dabei ſchlank und zierlich, iſt ſchwarz. Wie die Avoſette, iſt auch der Stelzenläufer — was man ſchon aus ſeinen langen Beinen von vornherein ſchließen darf — ein Schlammwater, der ſich moraſtige, weichgründige Stellen an den Ufern, nicht des Meeres, ſondern von Binnen— gewäſſern als Jagdrevier und Aufenthaltsort ſucht. In dem Meiden der 460 R. B. Lodge. Spanien 1897. Neſt und Gelege des Strandreiters. Meeresküjten weicht er vom Säbelſchnäbler ab, gleicht dieſem jedoch in ſeiner Vorliebe für ſalzige Gewäſſer bezw. Salzſümpfe. Hier watet er gemeſſenen Schrittes oft bis an den Leib im Schlamm und Moraſt und pickt dabei rechts und links Inſekten, Würmer uſw. auf, nach welch letzteren er auch wohl im Schlamm bohrt. Bewachſene Örtlichkeiten liebt der Stelzenläufer nicht, denn er will freie Umſchau halten. Dem Menſchen gegenüber verhält er ſich ſehr verſchieden. Während er z. B. in manchen Teilen Afrikas die dicht an den Dörfern gelegenen Büffeltränken bewohnt und ſich kaum um die Menſchen kümmert, die mit ihm freilich ebenſo verfahren, ihm alſo keinerlei Nachſtellung bereiten, iſt er in vielen Gegenden ein ausnehmend ſcheuer und argwöhniſcher Dogel, der ſchon von weitem dem ſich nahenden Menſchen zuerſt mit langen Schritten, dann aber mit hilfe ſeiner ſpitzen, am Hinter— rande etwas ausgeſchnittenen Flügel aus dem Wege geht. Jedenfalls iſt dieſe Dorlicht die Folge übler Erfahrungen mit dem Herrn der Schöpfung. Fliegend gewährt der Stelzenläufer ſowohl in ſeiner Figur mit lang nach hinten geſtreckten Beinen und nach vorn gerecktem Halſe als auch durch ſeine 461 ſcharf gegeneinander kontraſtierenden Farben ein ſehr charakteriſtiſches Bild. Watend oder ruhend, trägt er den Körper ziemlich wagerecht, und ähnelt im allgemeinen, wenn man von der übermäßigen Länge der Beine abſieht, einem der größeren Waſſerläufer aus der Gattung Totanus. Weniger unge— ſellig als ſein langbeiniger Derwandter mit dem aufwärts ſtrebenden Schnabel, hält ſich der Stelzenläufer gern in Geſellſchaft von ſeinesgleichen und von andern Sumpfoögeln, brütet auch meiſtens in kleinen Kolonien. Die Neſter zeigen verſchiedene Bauart, je nachdem ſie auf feſtem Grunde oder in ſeichtem Waſſer angelegt werden. Im erſteren Falle iſt ihr Gefüge ein loſeres, nachläſſigeres als im andern Falle, der eine ſorgfältigere Konſtruktion unter Aufwendung von beträchtlich mehr Baumaterial erheiſcht. Die Eier, meiſt vier an Sahl, beſitzen eine ziemlich regelrechte Eiform, glanzloſe Schale und grünlichgraue Grundfarbe mit wechſelnder ſchwärzlicher Fleckung. In der Größe bleiben ſie etwas hinter Avoſetteneiern zurück. In der Brutdauer und der Pflege und Erziehung der Jungen zeigt der Stelzenläufer keine beſonders bemerkenswerten Füge. Was ſeine Derbreitung betrifft, jo gehört er zu den ſtändigen Bewohnern unſres Daterlandes nicht, hat aber vereinzelt bei uns gebrütet und zeigt ſich gelegentlich hier und da auf dem Suge. Seine eigentliche heimat beginnt im ſüdlichen Europa und erſtreckt ſich weit über die gemäßigten Teile Aſiens, ſowie über einen ſehr großen Teil des ſchwarzen Erdteils. R. B. Lodge. Spanische ‚„„Marismas‘‘, Mai 1897. Stelzenläufer im Waſſer. Anmerkung: Bei einigen der Bilder von M. Behr iſt die Selbſtauslöſungs— vorrichtung des Apparates ſichtbar. D. Red. 462 | Der Kampfhahn. | Don Dr. Ernſt Schäff. | Es gab bekanntlich eine Seit, die ſogar ſehr lange dauerte, in der man feſt davon überzeugt war, daß jede Tierart unveränderlich ſei und ſo, wie ſie aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen, in ihren Merkmalen nach Größe, Geſtalt, Färbung und Lebensäußerungen verbliebe, bis die Art als ſolche überhaupt unterging. In jenen Seiten mag ein Dogel wie der Kampfhahn oder Kampfläufer (Totanus pugnax [L.]) dem Soologen einiges Kopfzerbrechen verurſacht haben, denn eine ſolche Unbeſtändigkeit, ein ſolches individuelles Dariieren, wie es bei dieſem Dogel ſich zeigt, iſt kaum ſonſtwo im ganzen Tierreich wiederzufinden. Faſt könnte man die Behauptung wagen, nicht zwei Männchen im Srühjahrskleide ſeien ſich gleich, wohlgemerkt, in der Färbung und Seichnung, denn in den plaſtiſchen Merkmalen ſtimmen die Vögel doch überein. So ein alter männlicher Kampfhahn im vollen Schmuck ſeines Hochzeitskleides iſt eine ebenſo ſtattliche wie eigenartige Er— ſcheinung, ausgezeichnet vor allen andern Sumpfvögeln, überhaupt mit keinem andern Dogel zu verwechſeln, da er höchſt ſonderbare Federzierate trägt. Vor allem fällt der breite, gerundete Federkragen ins Auge, der die Dorder— ſeite des Haljes bis zur höhe der Bruſt umgibt und den Dogel, wenn er die Kampfitellung mit horizontal gehaltenem Körper einnimmt, wie ein Schild deckt. Außer dieſem aus ziemlich ſchmalen, am Ende etwas gekrauſten und einwärts gebogenen Federn beſtehenden Halskragen wachſen den männ— lichen Kampfhähnen im Frühjahr am hinterkopf noch zwei ohr- oder fait löffelförmig verlängerte Federbüſchel hervor, die ſchräg nach unten hängen. Hu dieſem eigentümlichen Federputz kommen als Sutat — Schmuck darf man in dieſem Falle kaum jagen — noch zahlreiche, kleine, gelbe Hautwarzen, die das ganze Geſicht des Vogels bedecken. So nimmt ſich der das Hochzeits— kleid tragende Kampfhahn ſtattlich genug aus und ſein Benehmen läßt fait darauf ſchließen, daß er ſich ſeines Schmuckes und ſeines aufſehenerregenden Außern wohl bewußt iſt. Er trägt ſich würdevoll, hoch aufgerichtet und ſtolz, iſt aber von heftigem, aufbrauſendem Temperament und von einer unbezwinglichen Kampfluſt, die allerdings nach der Fortpflanzungszeit, bei uns etwa Mitte oder Ende Juni, gleichzeitig mit dem ſtolzen Federſchmuch völlig ſchwindet, um einem beſcheidenen Auftreten Platz zu machen. Wenn irgendwo das Sprichwort „Kleider machen Leute“ zutrifft, jo iſt es beim Kampfhahnmännchen der Fall. Der Unterſchied zwiſchen der äußeren Er— 465 M. Steckel. Rossitten, September 1909. Kampfhahn. ſcheinung und dem Gebaren des Dogels während der Fortpflanzungszeit und nach ihr, iſt ſo ausnehmend groß, daß, wer den Kampfhahn nicht genau kennt, glauben muß, zwei ganz verſchiedene Tierarten vor ſich zu haben. Was mag nun wohl der Grund ſein zu jener außerordentlichen individuellen Variabilität in der Färbung der Männchen? Dieſe Frage drängt ſich dem denkenden Naturbeobachter unweigerlich auf, iſt aber ſehr ſchwer zu beant— worten. Es iſt eine auch in andern Tiergruppen beobachtete, feſtſtehende Tatſache, daß, in vielen Fällen wenigſtens, die Männchen mehr zum Ab— ändern neigen als die Weibchen und das hängt nach den jetzigen Anſichten damit zuſammen, daß das Männchen bei der Fortpflanzung weniger zu leiſten hat, weniger abgibt als das Weibchen. Es verfügt daher über einen gewiſſen Nahrungsüberſchuß und der wird ſowohl zur Entfaltung beſondren Schmuces und zur Entwicklung äußerer ſekundärer Geſchlechtscharaktere als auch zu lebhafteren Temperamentsäußerungen und zum Dariieren nach verſchiedenen Richtungen hin verwendet. Wenn dieſe Theorie richtig iſt, Jo entſteht freilich wieder die Frage, warum denn gerade beim Kampfhahn 464 M. Steckel. Rossitten, September 1909, Kampfhahn. dieſes Dariieren in der Färbung bis zu einem jo hohen Grad gediehen iſt und nicht auch bei andern Dögeln. Auf dieſe Frage müſſen wir vorläufig die Antwort ſchuldig bleiben. Aber kehren wir zu unſerm ſtolzen Kitter im Federkleide zurück und betrachten wir ſein Tun und Treiben etwas näher. Sugvogel wie die meiſten ſeiner näheren und weiteren Derwandtichaft, erſcheint der Kampfhahn im April oder Mai wieder bei uns, um ſeine alten Wohn— plätze wieder einzunehmen. Dieſe ſind durch Waſſer und Sumpf beſtimmt und beſtehen vorzugsweiſe aus ausgedehnten, naſſen Wieſen, offenen Brüchen und Marſchland. Die Nähe des Meeres oder ſalziger Gewäſſer überhaupt liebt der Kampfhahn zur Brutzeit keineswegs, obwohl er ſolche Frtlich— keiten auf dem Suge gern beſucht. Wie man an einzelnen ganz bejonders auffällig gefärbten und daher leicht zu erkennenden Exemplaren feſtgeſtellt hat, zeigen die Kampfhähne eine große Anhänglichkeit an ihre Heimat und kehren jahrelang zu denſelben Plätzen zurück. Hier ſchreiten ſie nun nicht wie andre Vögel, ſpeziell die andern Sumpfvögel, zur Hochzeit, um eine Vögel II. Copyright 1910, R. Voigtländers Verlag in Leipzig. 50 465 N. B. Lodge. Enpield, Juli 1904. Kampfläufermännden. ordentliche Ehe mit geteilten Gatten- und Elternpflichten zu führen. Nein, in moraliſcher Beziehung geht es unter den ſehr geſellig lebenden Kampf— hähnen ſehr locker und geradezu zügellos zu. Das weibliche Geſchlecht iſt ſozuſagen res nullius oder auch jedermanns Eigen, wenn man will. Die Dögel halten nicht in Paaren zuſammen, ſondern die Männchen geben ſich ad libitum mit den in der Minderzahl vorhandenen Weibchen ab und im übrigen vergnügen ſie ſich auf ihre Weiſe in Geſellſchaft von ihresgleichen, während ſie dem in ſeinem beſcheidenen, grauen, oberſeits dunkel gefleckten Kleid richtige Aſchenbrödelfiguren darſtellenden ſchwächeren Geſchlecht die ganze Sorge für Neſt, Eier und Junge überlaſſen. Das oft nur ſogenannte „ſchwächere Ge— ſchlecht“ iſt bei unſern Vögeln in Wirklichkeit das ſchwächere, denn die Weib: chen des Totanus pugnax ſind ganz bedeutend kleiner und zierlicher als die Männchen. Während nun die geduldigen weiblichen Individuen dem Brut— geſchäft obliegen, beſuchen die immer etwas an den berühmten Don Quirotte gemahnenden Männchen fleißig ihre Derfammlungspläße, offene, ſandige Stellen, etwas erhöhte Flächen an Bach- oder Teichufern, kurz beraſte Plätze, 466 1 — x > $ N — — — R 2 ® — & — 3 x — ER ® 3 2 2 Fa — nn Ir 8 N. B. Lodge. Enfield, Mai 1898. Kampfhahn im Sommerkleid. die bald feſt getreten werden, und dergl. mehr. Dieſe Plätze liegen oft von den Brutgebieten ziemlich weit ab, aber das ficht die langbeinigen Herren nicht an, da ſie ſich ja doch um Haus und Familie nicht kümmern. Teilweiſe ſtehen ſie hier ernſthaft in Gruppen beiſammen, teils ſpazieren ſie gravitä— tiſch umher. Alle Augenblicke aber fällt es dieſem oder jenem ein, in Fechter— ſtellung auf die Menſur zu treten. Vor dem wagrecht gehaltenen Körper wird der Federſchild ausgebreitet, hals und Kopf vorgeſtreckt und angriffs— weiſe gegen einen beliebigen Genoſſen einige Schritte vorgegangen. Dieſer iſt ſofort zu einem Gange bereit und nun fahren die beiden Kämpfer mit großem Elan aufeinander los, attackierend, retirierend, ausfallend und parierend, manchmal vor Eifer einen Luftſprung machend, bis ſie plötzlich voneinander ab— laſſen und mit gleichgültigſter Miene tun, als ob überhaupt gar nichts paſſiert wäre und als ob es auf dieſer ſchönen Erde Sank und Streit überhaupt nicht gäbe. Im nächſten Augenblick aber wird vielleicht einer der beiden Kämpfer, der eben ſeinen Degen eingeſteckt, von einem andern angerempelt und ſofort iſt wieder eine Menſur im Gange. So geht es Tag für Tag einige Wochen lang. 50 * 467 N. B. Lodge. N London, August 1898. Kampfläuferweibchen. Nicht nur untereinander kämpfen die Männchen, ſondern gelegentlich werden auch andre Dögel, die ſich an den Derfammlungspläßen der Kampfhähne blicken laſſen, angegriffen. Mancher läßt ſich einſchüchtern und räumt das Feld; ſowie aber einer energiſch gegen einen der Bramarbaſſe Front macht, gibt dieſer klein bei. Blutig verlaufen die Kämpfe der Kampfhähne übrigens nie; es iſt eitel Spiegelfechterei, wie häufig die politiſchen Duelle in gewiſſen Ländern, wo die Leute leichter erregt ſind als bei uns. Morgens und abends, bei Sonnenaufgang und beim Sinken des Tagesgeſtirns, wird meiſtens en gros gefochten. Dann verſammeln ſich die Kampfhahnmännchen in größerer Hahl an beſtimmten Plätzen und hier folgt eine Menſur auf die andre, bis die Brauſeköpfe ihren Tatendrang geſtillt haben. Übrigens laſſen ſie trotz allen Kampfeifers ihre Sicherheit nicht außer acht, ſondern paſſen wohl auf ihre Umgebung und ſtreichen zeitig ab, wenn eine verdächtige Erſcheinung in ihren Geſichtskreis tritt. So geht das vergnügte Leben einige Wochen weiter, „immer luſtik“, aber allmählich wird die ſtolze Federpracht etwas ruppig. Hier und da gehen ſchon bei den Kämpfen Federn verloren oder 468 R. B. Lodge. London, Mai 1908. Kampfhahn im Hochzeitskleid. werden geknickt und zerzauſt. Dann aber gegen Mitte oder Ende des Juni ſetzt nach und nach die Mauſer ein; eine Feder nach der andern fällt aus und die ehemaligen Elegants werden bald zu wahren Rittern von der traurigen Geſtalt. Auch der kühne Mut und die Kampfluſt ſchwinden mit dem Derluit des Pracht- und Staatskleides, die Kämpfe hören auf, das Federkleid wird nach vollendeter Mauſer dem des Weibchens ganz ähnlich und nur die Größe unter— ſcheidet jetzt die Männchen von den Weibchen der Kampfhähne. Einen Dor— teil haben aber doch die erſteren von dem Wechſel in ihrem Außern: ſie werden nicht nur ſchlanker im Ausjehen, ſondern auch gewandter im Fluge. Während ſie der große Kragen beſonders bei windigem Wetter im Fluge ſtörte und beläſtigte, werden ſie nach deſſen Derlujt gewandte, flinke Flieger, die viel beſſer den Derfolgungen des Wanderfalken entgehen und auch für die oft ſehr weite Winterreiſe nach dem Süden viel beſſer ausgerüſtet ſind. Während ſich die Männchen in der geſchilderten Weiſe verluſtieren, haben die Weibchen meiſt unweit des Waſſers an einem trocknen, wenn möglich etwas erhöhten, Plätzchen im hohen Graſe ein einfaches Neſt hergerichtet und mit 469 MV. Steckel. Rossilten, September 1909. 9 Kampfläufer, ſich putzend. vier olivengrünlichen, dunkel gefleckten, ziemlich kreiſelförmigen, denen des Rotjchenkels oder des Kiebitzes oft ſehr ähnlichen Eiern belegt, die eifrig bebrütet und in etwa 17 bis 18 Tagen gezeitigt werden. Die Jungen ſind in ein ziemlich buntes, an der Unterſeite 3. T. weißes, oberſeits auf gelb— bräunlichem Grunde dunkel längsgeſtreiftes Dunenkleid gehüllt und folgen bald nach dem Trockenwerden der ſie ſorgſam führenden Mutter, die ſie zur ſelbſtändigen Nahrungsaufnahme anleitet und auch ſonſt anlernt. Die Größen— verſchiedenheit der Geſchlechter zeigt ſich meiſt erſt, wenn das Federkleid angelegt wird, iſt aber bei den jungen Dögeln im erſten Herbſt ſchon völlig ausgebildet. In Gegenden, wo Kiebitzeier geſammelt werden, nehmen die Sammler nebſt den Eiern aller möglichen andern Sumpfvögel auch viele von Kampfhähnen fort, jo daß viele Nachgelege produziert werden, aus denen dann verſpätete Junge auskommen. Der Sug beginnt bei unſerm Dogel ſchon Mitte Auguſt; dann ziehen ſowohl die Exemplare aus unſern Gegenden fort, als auch treffen ſolche aus nördlicher gelegenen Ländern bei uns ein. Sie ziehen meiſt in Geſellſchaften, die verſchiedene Mitgliederzahl haben können, nie aber ſo zahlreich ſind wie die mancher andrer Sumpfvögel. Die Männ— chen pflegen für ſich zu ziehen, die Weibchen etwas ſpäter, teils mit den Jungen zuſammen, teils allein; dann wandern letztere ebenfalls für ſich. Die Winterreiſe geht manchmal ſehr weit, denn man hat Kampfhähne auf dem Suge in ganz Afrika bis zum äußerſten Süden, ferner auf Ceylon und in 470 e. 1 M. Behr, Werder (Ostsee), Juni 1909. Neſt und Gelege des Kampfläufers. Indien getroffen. Sogar nach Nordamerika werden ſie gelegentlich verſchlagen. Bei uns ſind die intereſſanten, in der Gefangenſchaft leicht zu haltenden und viel Dergnügen gewährenden Dögel leider jetzt viel ſeltener als früher, da man ihnen mehr und mehr ihre Brutplätze nimmt. Kelativ am häufigſten brüten ſie noch in den ausgedehnte, feuchte Wiejenjtrecken enthaltenden Ge— genden Norddeutſchlands. In ähnlichen Örtlichkeiten bewohnen ſie den weſt— lichen Teil der paläarktiſchen Region, nördlich bis zum nördlichen Skandi- navien, Rußland und Sibirien, öſtlich etwa bis zum Amurgebiet, während ſie ſüdlich als Brutvogel wenig über die Donautiefländer hinausgehen. x ER 5 N. B. Lodge. London, Nui 1908. Kampfhahn in Kampfitellung. 471 Die Ringeltaube. | Don Martin Braeß. Wie Star, Amſel und Singdroſſel, jo hat ſich auch die Ringeltaube, urſprünglich ein ſcheuer Waldvogel, an die Nähe des Menſchen gewöhnt. Mit Dorliebe bewohnt ſie heute größere Gärten und Parkanlagen, ſelbſt wenn dieſe mitten zwiſchen den häuſern der Großſtadt gelegen ſind, und in manchem Park, z. B. im Berliner Tiergarten oder im Kgl. Großen Garten zu Dresden, iſt die Ringeltaube jo häufig, daß ſie geradezu ein Charakter— vogel dieſer herrlichen Anlagen genannt werden muß. Auf den Promenaden— wegen und Wieſenflächen trippeln die ſchönen ſtattlichen Dögel umher; zwiſchen und über den Kronen der Bäume ſieht man ſie fliegen; am Ufer der Teiche ſtehen ſie, um zu trinken oder ihre weinrot gefärbte Bruſt in das kühlende Naß zu tauchen, und von nah und fern vernimmt man im Früh— ling das verliebte Ruckjen des Täubers. Hier in den Parkanlagen erinnert nichts mehr an ihre urſprüngliche Scheu vor dem Menſchen; man kann ſich den Vögeln, wenn ſie 3. B. auf den Rajenflächen ihrer Nahrung nachgehen, bis auf wenige Schritte nähern und ſie von allen Seiten betrachten, ohne daß ſie auffliegen. Wirklich ein Schmuck jedes ſtädtiſchen Parkes, anmutig Geſtalt wie Bewegung, und ſympathiſch die Seichnung ſowohl wie die zarten Farben— töne des ganzen Gefieders! Das „Taubenblau“ der Oberſeite haben die Ringeltauben mit andern Arten ihrer Gattung gemein; effektvoll hebt ſich der weiße Vorderrand des Flügels, der ſich zu einem breiten weißen Streifen auszieht, von dem Aſchgrau der übrigen Flügeldeckfedern und dem Schiefer— ſchwarz der langen Handſchwingen ab. der ſchönſte Schmuck wird aber ſowohl von Männchen wie Weibchen, die äußerlich kaum zu unterſcheiden ſind, am Halſe getragen, jederſeits ein weißer, halbmondförmiger Fleck, der oben und unten von ſchuppenartigen, mattglänzenden Federn eingefaßt iſt. Dieſe erſcheinen bald meer- oder grasgrün, bald blitzen ſie aber wie bei vielen unſrer haustauben auch in lichter Purpurfarbe auf. Auf dem Hinterhals iſt der weiße „Ring“ unterbrochen, und auch auf der Kehle, wo das zarte Weinrot der Bruſt ganz unmerklich in das Aſchblau des Kopfes übergeht, ſchließt ſich der „Ring“ nicht — der Name „Ringeltaube“ iſt alſo nicht be— ſonders glücklich gewählt. Ende März ſtellt ſich die Ringeltaube im mittleren Deutſchland ein; ſie kommt gewöhnlich zwei bis drei Wochen ſpäter, als ihre Baſe, die Hohltaube, 472 ei Br 9 N 3 NS N 8 v & „ N — . . Set — 2 2 N ER W. Köhler. Tegel, Mai 1909. Ringeltaube im lichten Gehölz. hat aber trotzdem ſchon beinah flügge Junge im Neſt, wenn ſich als Nach— zügler im Mai die niedlichſte aus der Derwandtichaft, die Turteltaube, an meldet. Das charakteriſtiſche „Ruckſen“ läßt die Ringeltaube ſofort nach ihrer Ankunft hören, es müßte denn ſein, daß ihr ein böſer Nachwinter die Stimmung verdirbt; dann ſitzt ſie im Schutze hoher Tannen oder Fichten, und nur ab und zu heult ſie aus ihrem Derjteck ein ärgerliches „Huh“ oder „Huhuh“ in die naßkalte Märzluft. Sobald aber der erſte Sonnenſtrahl durch die grauen Wolken bricht, tönt das ſtimmungsvolle Ruckſen weithin durch Forſt oder Park. Gewöhnlich ſind es drei gleichartig gebaute Strophen, deren jede aus vier, fünf oder ſechs Silben beſteht. Das zweite „gruh“ jeder einzelnen Strophe wird deutlich betont; es liegt eine Sekunde höher als das erſte, während ſich die folgenden allmählich zu der tieferen Stufe wieder herabjenken und leiſe verhallen. Nur dem Schluß des ganzen Liedes wird noch ein höheres, akzentuiertes „grüh“ angefügt. Am lebhafteſten ruckſt der Täuber in den Morgenſtunden; auch gegen Abend läßt er ſich fleißig hören, während er ſich tagsüber ziemlich ruhig verhält. Dabei ſitzt 475 . Atkinson. Yorkshire, Juni 1903. Junge Ringeltauben im Neſt. er in gebückter Haltung auf einem höheren Aſte, bläſt den Kopf ſtark auf und holt die heulenden Töne ſcheinbar mit Anſtrengung tief aus der Bruſt hervor. Ein paar andre Täuber fliegen herbei und laſſen ſich in den Wipfeln der Nachbarbäume nieder, und nun beginnt ein förmlicher Wettkampf, ein immer lauteres, immer voller tönendes Ruckſen, daß es wohl eine Diertel- ſtunde weit durch den Wald klingt: „grugrühgrugrugru, . . .“. Bisweilen ruckſt auch ein Männchen am Boden, ganz ſelten aber, und nur in der höchſten Erregung, während des Flugs. Das Weibchen verſteht dieſe ſeltſame und doch ſo eindringliche Sprache; es fliegt herzu und ſetzt ſich dicht neben den Gatten. Sie ſchnäbeln ſich zärtlich; dann ſchwingt ſich das Männchen, mit den Flügeln laut klatſchend, 474 Dr. Rosenius. Willtjö, Juni 1909. Junge Ringeltauben im Neſt. von ſeinem Sitz ſchräg in die Höhe, beſchreibt in der Luft einen ſchön ge— ſchwungenen Bogen und ſchwebt ohne Flügelſchlag, mit etwas gehobenen Schwingen und ausgebreitetem Schwanzfächer zu dem Weibchen zurück, als wollte es ſagen: ſchau nur, wie ſchön ich bin und wie groß und wie ſtark! Das Spiel wird mehrmals von dem verliebten Männchen wiederholt, und auch die Gattin beteiligt ſich bisweilen an dem anmutigen Balzflug. Nun iſt es Seit, an den Neſtbau zu denken. Bei der Auswahl des Ortes bindet ſich das pärchen an keine beſtimmte Regel. Bald baut es in die Wipfel der allerhöchſten Bäume, bald nur ein paar Meter vom Erdboden entfernt; hier ſteht das Neſt im tiefſten Nadelholzdickicht, daß es kein Auge entdeckt, dort ziemlich frei im Stangenholz auf einem dürftigen Alte, angelehnt 475 Graf Münster. Guteborn (Revier Ruhland), Fuli 1909. Junge Ringeltauben im Neſt. an den Baumſtamm — jeder Vorübergehende muß es bemerken. Ob Kiefer, Fichte oder ein anderer Nadelbaum, ob Buche, Eiche oder Erle, das iſt den brütluſtigen Vögeln ganz gleich, und bejonders die Park- und Gartenbewohner wählen bisweilen den ſeltſamſten Niſtplatz, das Dach eines Starenkaſtens, ein niedriges Taxusgebüſch, das Geſtrüpp der Jungfernrebe am Gartenhaus, das Dunkel einer einzeln ſtehenden Thuja, ja ſelbſt in lockere Reiſighaufen haben ſie ſich ſchon eingemietet. Der eigentliche Bau macht den Tauben gleichfalls wenig Sorge; ſie nehmen mit dem vorlieb, was ſie in nächſter Umgebung finden, auch brauchen ſie wenig Material. Dünne Sweige und Keiſerchen liegen überall umher, wo es Bäume gibt; eilfertig trägt das Männchen herzu, und das Weibchen legt alles übereinander, daß eine rundliche Plattform entſteht, die in der Graf Münster. Revier Ruhland, uli 1909. Neſt und Gelege der Ringeltaube. 476 Mitte kaum ein wenig vertieft iſt. Kleinere, ſelbſt größere Lücken zwiſchen den äſtchen ſtören die Bauherrn nicht im geringſten; wenn nur die beiden Eier nicht durch den Boden hindurchfallen! was ſchadet's, daß der unten Vorübergehende die weißen Tönnchen auch einmal zwiſchen dem dunkeln Geäſt hervorblitzen ſieht! Natürlich eine gewiſſe Feſtigkeit muß der kleine Horſt ſchon beſitzen; denn er hat nicht immer bloß den brütenden Dogel zu tragen, ſondern oft auch beide Gatten, die manche Särtlichkeit in ihrem Heim austauſchen. Stürme gibt's auch, namentlich hoch in den Baum— wipfeln, und das Neſt ſoll ja doch im Laufe des Sommers zwei Bruten zur Kinderſtube dienen. So wird nicht ſelten an verſchiedenen Orten probiert, V. Steckel. Kossitten, September 1909. Ein Flug Ringeltauben auf dem Felde nach Nahrung juchend. ob die Keiſer auch feſtliegen, ehe man ſich endlich entſcheidet. Das Neſt vom vorigen Jahre würden die Vögel gewiß gern wieder beziehen; doch es iſt bereits meiſt in alle Winde zerſtreut — kaum noch ein trauriger Reit von ein paar Sweiglein. Aber wenn ein alter Krähen- oder Elſternhorſt, oder das Neſt vom Strauchritter Markolf, dem Eichelhäher, ſich bieten ſollte, da iſt man gern bereit, Beſitz zu ergreifen; ein paar friſche Aſtchen, und die ganze Arbeit iſt getan. Das Eierlegen koſtet auch wenig Seit. Sobald das Neſt fertig iſt, emp— fängt es das erſte und am übernächſten oder am dritten Tag das zweite Ei — mehr als ein Kinderpärchen auf einmal großzuziehen, das iſt ja bei der ganzen Taubenſippe nicht Brauch. Natürlich ſind die Eier etwas größer, als 477 N * N N \ ns AA N \ * April 1910. Lin Graf Münster. Eben ausgeflogene Ringeltauben. Ch. Reid. England. Ringeltauben. die der meilten haustauben oder der Nachbarin Hohltaube, der Größe der Eltern entſprechend, die ſich ja mit den ſtärkſten Kropf- oder Türkentauben meſſen können. Die reinweiße Farbe iſt eigentlich unpraktiſch gewählt; denn von oben kann jede vorüberfliegende Krähe oder Elſter, jedes Eichhörnchen, das in den Bäumen herumturnt, die leuchtenden Kalktönnchen ſehen, auch wenn ihre Schale nur wenig glänzt. Aber wer weiß, ob die Ringeltauben nicht ehemals auch in Höhlen brüteten, wie ihre Verwandten, die Hohltauben und Felſentauben, und das Freibrüten bei ihnen erſt im Laufe der Seit Mode geworden iſt; außer den weißſchaligen Eiern, wie ſie die meiſten Höhlenbrüter legen, ſpricht ja auch der liederliche Neſtbau für dieſe Dermutung. Beide Gatten teilen ſich in das Brutgeſchäft; vormittags um neun oder zehn Uhr wird das Weibchen vom Männchen abgelöſt, und nachmittags in der vierten Stunde übernimmt wieder Frau Taube die ſtille Arbeit. Auch außerhalb der Brutzeit halten die Ringeltauben auf genaue Tageseinteilung. Wenn der Morgen dämmert, ſind ſie ſchon munter; auf einem ſeiner Cieblings— bäume ſitzt das Pärchen eng beieinander und putzt ſich ſein hübſches Gefieder, oder das Männchen läßt ſein werbendes Ruckjen hören. Dann ſuchen ſie gemeinſchaftlich drei oder vier Stunden lang nach Nahrung. Auf den Wald- blößen oder am Waldrand trippeln ſie umher und leſen Kiefern- und Fichten— ſamen oder allerhand Grasſamen auf. Gern fliegen ſie auch nach den Feldern; denn Weizen, Wicken, Erbſen, Rübjen, Heidekorn, auch die Samen von Lein 479 und Hanf lieben fie ſehr. Im Sommer bieten die Blaubeeren eine willkommene Abwechſlung, und im Herbſt gibt es Eicheln und Bucheckern. Iſt der Kropf gefüllt, ſo treiben ſich die Tauben wieder ein Weilchen auf den Bäumen herum, fliegen gegen Mittag zur Tränke und halten dann ein paar Stunden im dichteren Aſtwerk Sieſta. Nachmittags dieſelbe Ordnung noch einmal: Futterſuchen, dann zurück nach den Lieblingsplätzen in den Baumkronen, gegen Abend zum Waſſer, wo ſie nicht ſelten lange verweilen, und vor Eintritt der Dämmerung am Schlafplatz wird vom Täuber noch ein Diertelſtündchen in verliebter Weiſe geruckſt. Jetzt freilich hat die Sorge um die Nachkommen— ſchaft all die geregelte Ordnung über den Haufen geworfen, und gar, wenn nach 16 bis 18tägiger Bebrütungsdauer die beiden Jungen im Horſt liegen, iſt an die frühere Tageseinteilung nicht mehr zu denken. In der erſten Seit werden die mit zottigen Dunen bekleideten Kinder, deren Augen ſich kaum vor dem neunten Tage öffnen, mit einem eigentüm— lichen, quarkähnlichen Brei aus dem Kropfe gefüttert, an deſſen Stelle ſpäter erweichte Sämereien treten. Recht viel Atzung auf einmal, aber nicht allzu oft, das iſt der Erziehungsgrundſatz, mit dem ſich die Eltern das Leben ver— hältnismäßig leicht machen. Aber das Swillingspärchen will nicht nur ge— füttert, bei ſeiner dürftigen Befiederung muß es auch morgens und abends ſowie die ganze Nacht hindurch erwärmt werden, und wenn die Witterung naß und halt iſt, Rauert Dater oder Mutter auch am Tage über den wärme: bedürftigen Kindern, bis dieſe endlich befiedert ſind. Gewöhnlich hat der Mai noch nicht Abſchied genommen, da begleiten die jungen Täubchen die Alten aufs Feld. Sie werden noch ein Weilchen von den ſorgſamen Eltern gefüttert; bald aber ſchreiten dieſe zu einer zweiten Brut, die im Juli flugbar wird, ja ältere Pärchen brüten auch wohl noch ein drittes Mal. Im September rotten ſich die Ringeltauben familienweiſe zuſammen und verlaſſen dann in kleineren oder größeren Geſellſchaften, meiſtens Anfang Oktober, die heimat. Sie wandern am Tage und ziehen gewöhnlich hoch und ſchnell durch die Luft. Nicht ſelten überwintern auch einige im mittleren, ja im nördlicheren Deutſchland; es mögen Vögel fein, die weiter im Norden ihre Brutplätze hatten, in Skandinavien, Finnland oder Rußland. Denn die Ringeltaube hat man ſelbſt am Weißen Meere noch als Brutvogel angetroffen. 480 Scꝛl l- Inseln, Juni Slußregenpfeifer am Neft. | Der Flußregenpfeifer und feine Verwandten. | Don Martin Braeß. Mitten in der lenzfrohen Au eine ſteinige Wüſte. Kein grünes Hälm— chen, kein Leben. Unruhig zittert das Licht über dem glitzernden Guarz— land und zwiſchen den weißlichgrauen und rötlichen Rolliteinen. Eine Kies- bank iſt's, unterhalb des Wehrs, von den emporwirbelnden Fluten des Fluſſes im Laufe der Seit abgeſetzt, eine ſterile Inſel, die das Waſſer in zwei ungleichen Armen umfließt. Drüben der breite Hauptſtrom unter den überhängenden Weiden, und hier nur ein ſchmaler ſilberner Faden, der am Rande der Wieſe vorbeizieht. Ein Bachſtelzenpärchen wippt mit zweiſilbigem Lockruf hinüber. Sie jagen ein Dögelchen auf, das zwiſchen den Rollkieſeln ruhte. Cautlos fliegt es davon, in gerader Linie, dicht über der Sandbarre, elegant und gewandt wie ein Schwälbchen. In weitem Bogen Rehrt’s wieder zurück, läßt ſich mit gehobenen Flügeln in der Nähe des vorigen Plätzchens auf dem Kies nieder, und nun kauert's von neuem ganz ſtill zwiſchen den Steinen. Das Lid hat es über den großen dunkeln Augenſtern gezogen, das Köpfchen jteckt ganz in den Schultern, daß das ſchneeweiße Nackenband zwiſchen dem Mäuſegrau des Scheitel- und Rückengefieders vollſtändig verſchwindet; die Flügel mit den ſchwarzbraunen Schwingen hat das Döglein geöffnet — jo wohlig iſt's ihm auf dem warmen ſonnigen Mies — und auch das winzige Schwanzfächer— chen mit den weißen, grauen und ſchwarzen Abzeichen hat es ein wenig ge— ſpreizt. Der kleine Schläfer iſt ein Flußregenpfeifer, der kleinſte ſeiner artenreichen Familie; kaum erreicht er die Größe der Feldlerche. „Gries— hühnchen“ oder „Griesläufer“ („Gries“ — Sand, Geröll) heißt der Vogel beim Volk; doch nur wenige ſind's, die ihn kennen. Nach einer Weile richtet ſich der kleine Inſelbewohner empor; der Ruf einer Krähe, die ſchwerfälligen Flugs über den Fluß zieht, ſcheint ihn von neuem geweckt zu haben. Wagrecht liegt der Körper auf einem der ſchwäch— lichen Ständer, der andere iſt in dem weißen Gefieder des Unterleibs voll— ſtändig verborgen. Lebhaft blicken die großen, glänzenden Märchenaugen nach allen Seiten; aber der Kopf ſitzt regungslos auf dem eingezogenen Halſe. Da ſummt eine Fliege herbei, auf einen Stein läßt ſie ſich nieder. Das Döglein hat ſie bemerkt, es hüpft auf dem einen Fuß haſtig dahin und verſchluckt ſie. Ein Schmetterling kommt, um von dem feuchten Sand zwiſchen dem Steingeröll ein winziges Schlückchen zu nehmen — er iſt ſchon gefangen, nur ſeine Flügel flattern im Winde davon. Sandhäfer ſchwirren empor; auch vögel II. 51 481 M. Behr. Osternienburg, Juni 1908. Brütender Flußregenpfeifer. Das Nejt jteht auf dem Dach einer Siegelſcheune. ſie fallen dem gejchickten Jäger zur Beute, der noch immer nur auf einem Ständer über den holprigen Weg hüpft, als habe er ganz vergeſſen, das zweite Füßchen unter den Bauchfedern hervorzuziehen. So ſpringen geſchickte Knaben auf einer Stelze vorwärts und ſeitwärts, auch wohl ein paar Schritte zurück; doch der kleine Vogel kann's beſſer. Den Körper hält er bei dieſem Kunſtſtück ganz ruhig, wagrecht geſtreckt, als ginge ihn die hurtige Be— wegung des ſpringenden Fußes nichts an. Aber jetzt hat der Stelzenkünſtler drüben am Uferſand ſein Weibchen bemerkt. Da rennt er mit beiden Füßen ſpornſtreichs zu ihm; geradlinig geht es zwiſchen allen Hinderniſſen hindurch, über die glatten Steine hinweg — kein Straucheln, kein Fallen. Kopf und Hals ſind zurückgezogen, der ganze Körper trotz der haſtigen Wechſelbewegung der blaßgelben Füße — acht Schritt oder noch mehr in einer Sekunde — vollſtändig regungslos, wie ein Spielzeug auf rollenden Rädchen, das ein Kind an einer Schnur ſchnell hinter ſich nachzieht. Mit pfeifendem zweiſilbigem Lockruf begrüßen die beiden einander, ſchaukeln den Körper in den Hüftgelenken, einem Wagbalken gleich, der erſt allmählich zur Ruhe kommt, ſchnellen das Köpfchen vorwärts und flüſtern ſich zarte Koſeworte zu: „did did did“, die ſie bisweilen zu langen Reihen zuſammenſetzen, haſtig und ſchnell, gleich dem Tempo der rennenden Füßchen. Das Weibchen iſt dem Männchen ganz ähnlich, die Zeichnung die gleiche; nur das Schwarz der Wangen, das Stirnband und der breite Muerſtreifen 482 zwiſchen Kehle und Bruſt um eine Spur matter und bräunlicher. Die Jagd iſt lohnend. Mücken, Fliegen und manche andre Inſekten lieben ja die Nähe des Waſſers; außerdem finden ſich zwiſchen den Geröllſteinen Aſſeln, winzige Schnecken, Käfer und ihre Larven, Würmer und Maden. Füße und Schnabel ſchieben hurtig die Steinchen zur Seite, und ſchnell, ehe ſich die Beute von neuem im Kies verbirgt, wird ſie gepacht. Manchmal geht man auch ein paar Schritte ins Waſſer, aber nur bis zur halben höhe der Ständer, pickt von der Oberfläche irgendein Kerbtier oder nimmt wenigſtens einen Schluck . Alkinson. Ravenglass (Cumberland), Funi 1009. 5 ( Neſt mit Gelege des halsbandregenpfeifers. Waſſer. Auch ein Bad iſt bisweilen willkommen mit tüchtigem Plantſchen, daß das Kleidchen ordentlich naß wird; Sonne und Wind trocknen es ſchnell. Jetzt ſtehen die Vögel nicht weit voneinander wieder auf einem Bein und putzen ihr ſchmuckes Gefieder; das Hochzeitskleid iſt's, mollig und weich, und doch dabei ſo glatt und ſo blank und bei aller Einfachheit ſo friſch in den Farben, daß ſich's ſelbſt vor der Nachbarin ſehen laſſen kann, der koketten Bachſtelze oder vor der Waſſeramſel mit der ſchneeweißen Hemdbruſt. Nach der Toilette wieder Liebkojungen und zärtliches Plaudern; dann erhebt ſich das Männchen ſchräg in die Luft, fliegt mit ſichelförmig gebogenen Flügeln und geſpreiztem Schwänzchen in haſtigem Sickzack nicht hoch rings um die ale 485 O. Grabham. Yorkshire, Juni 1907. Eier und friſchgeſchlüpfte Junge des Halsbandregenpfeifers. Kiesbank und ſingt dazu eine pfeifende oder auch etwas rauher klingende Strophe, die das Weibchen mit wohllautendem Triller beantwortet. Das iſt das Signal, den Balzflug zu enden. Ein ſteiler Abſturz in ſchöner Kurve gegen den Fluß und nun niedrig über das Waſſer und über die Kiesbank, wo das Weibchen den verliebten Gatten erwartet. Manchmal umtanzt dieſer auch am Boden die Angebetete ſeines Herzens, und beide trällern dazu ihren pfeifenden Balzgeſang. Ein paar Wochen iſt das Pärchen ſchon in der Heimat; es hat ſich auch bereits ſchlüſſig gemacht, wo es ſeine Brutſtätte aufſchlagen will. Die kahle Flußbank iſt den Vögeln willkommen; aber nicht etwa der feine Sand, der beim Austrocknen vom Winde verweht wird, ſondern der grobe Kies, der mit größeren Steinen vermiſcht in breiten Bändern über dem Sand liegt. Auch die unmittelbare Nähe des Waſſers muß man vermeiden; ſonſt werden, wenn der Fluß nach einem Gewitterregen anſchwillt, die Eier nur allzu leicht ein Opfer der Fluten. Die erhöhte Mitte der Kiesbank bietet genügenden Schutz, und jo hat hier das Weibchen in dem Geröll eine halbRuglige Dertiefung geſcharrt. Kein weiches hälmchen, kein Federchen; jedes Niſtmaterial, welcher Art immer, würde auf der kahlen Fläche die Brutſtätte nur verraten, wäh— rend die Eier zwiſchen den ungefähr gleichgroßen und ſehr ähnlich gefärbten Kieſeln ſchwer zu entdecken ſind. Auch der brütende Dogel hat in ſeinem braungrauen, ſchwarz und weiß gezeichneten Kleid einen vortrefflichen Schutz 484 I. Farren. Near Mildenhall (Suffolk), Mai 1902. Halsbandregenpfeifer im Dunenkleid. zwiſchen den lichten Steinen und ihren dunkeln Schatten, und daß lich ſpäter die Jungvögel in dem Geröll ganz anders veritecken können, als auf den flachen feinſandigen Stellen der Flußbank, iſt bei der Wahl des Niſtortes wohl gleichfalls maßgebend geweſen. Nach acht Tagen liegen vier Eier in der Grube, wie beim Kiebitz in Kreuzform, die Spitzen einander zugekehrt und die ſtumpfen Pole nach außen. In der Größe, auch in der kreiſelförmigen Geſtalt gleichen ſie den Wachteleiern; doch ſind ſie meiſt etwas heller, obgleich auch bei ihnen zahlreiche dunkel— braune Flecken und Punkte über die blaßgelbe Grundfarbe ausgeſtreut ſind. Die Alten brüten abwechſelnd; dabei beobachten ſie ſcharf die ganze Um— gebung. Sobald ſich nur in der Ferne ein Menſch zeigt, erhebt ſich der brütende Vogel; lautlos entfernt er ſich, ohne Haſt zwiſchen dem Steingeröll fortlaufend und den Störenfried mit ſeinem großen Auge über die Schulter firierend. Erſt gegen das Ende der Brutzeit, welche zwei bis drei Wochen währt, ſitzen die Vögel etwas feſter auf dem Gelege. Sind die Kleinen den Eiern entſchlüpft, ſo entfernen die vorſichtigen Eltern die zerbrochenen Schalen aus der Nähe des Neſtes, obgleich die Jungen, ausgeſprochene Neſtflüchter, höchſtens zufällig einmal wieder an die Brutſtätte zurückkehren. Kleine täppiſche Kerlchen, mit plumpen Füßen, und doch vom erſten Augenblick an verſtehen fie es, ſich zwiſchen dem Geröll oder den dürftigen Gräſern und 485 W. Farren. Near Mildenhall (Sufolk), Mai 1907. halsbandregenpfeifer, Männchen zum Neſt gehend. Stauden am Strand zu verbergen, und ihr hübſches Dunenkleiöchen, weiß, ſchwärzlich und graubraun, dem das Halsband der Eltern freilich noch fehlt, verrät ſie nicht leicht. Die Aufregung und Sorge der alten Dögel kennt um dieſe Seit keine Grenzen; ſo ſtumm ſie vorher beim Brutgeſchäft waren, ſo laut und unruhig werden ſie nun. Jeder vermeintliche Friedensſtörer, und wenn es nur ein unſchuldig Döglein wäre, wird mit Angſtgeſchrei und Flattern begrüßt, und um den Feind von den wehrloſen Jungen abzulenken, die noch nicht fliegen können, ſondern ſich ganz auf ihr Deriteckjpiel verlaſſen müſſen, üben die Alten oftmals die Lilt, ſich lahm, krank und halbtot zu ſtellen. Werden fie häufig geſtört, ſo führen ſie ihre Kinder nach andern Stellen, etwa ins Weiden: oder Erlengeſtrüpp, wo ſie noch ſicherer ſind, als auf der kahlen Kiesbarre. Nach einer Woche brechen die erſten Federn zwiſchen den Dunen hervor, und nun werden die Jungen, die bereits ſchnell wie die Bachſtelzen hinter und neben den Alten auf der Sandbank umherlaufen, von Tag zu Tag ſelbſtändiger und reicher an eigner Erfahrung. Sie laſſen ſich wohl immer noch gern einen Leckerbiſſen von Dater oder Mutter ins Schnäbelchen ſchieben, aber ſie verſtehen auch ſchon ſelbſtändig ihre Nahrung zu finden, und ſie würden kaum ihre Eltern mehr brauchen, wenn dieſe ſie nicht vor den unzähligen Gefahren warnen und ſchützen müßten. Krähen, Elſtern und 486 W., Farren. Near Mildenhall (Suffolk), April 1904. Halsbandregenpfeifer, Weibchen auf den Eiern. Dohlen, Iltis und Wieſel, Waſſer- und Wanderratten ſind die gefürchtetſten Feinde. Wenn irgend möglich, verweilt die Familie in der Nähe des Brutplatzes den ganzen Sommer hindurch, bis die Jungen flugfähig ſind und auch die Alten ihr Gefieder, das jetzt recht verblaßt und abgetragen erſcheint, erneuert haben. So kommt der Erntemonat heran; da ſchlagen ſich die Flußregen— pfeifer, alte wie junge, zu kleinen Geſellſchaften zuſammen. Es haben ja nicht ſelten mehrere Pärchen auf derſelben Sandbank gebrütet, oft ſogar recht nah beieinander; man beſucht die Kies- und Weidenheger ſtromauf und ſtromab, unternimmt ſogar recht weite Ausflüge — das Fliegen macht den Kleinen keine Schwierigkeit mehr — kehrt aber gegen Abend zur Nachtruhe immer wieder in die Nähe des Brutplaßes zurück. Auch mit dem feuchten Element ſind die Jungvögel bereits recht vertraut; ſie waten ein Stückchen ins Waſſer, baden ſich tüchtig, aber freilich zu ſchwimmen iſt nicht ihre Art; auch die Alten tun es nur ausnahmsweiſe, und aus eignem Antriebe wohl niemals. Höchſtens verſuchen fie es, ſich auf der trügeriſchen Pflanzendecke niederzulaſſen, welche Laichkraut oder Nymphäen mit ihren breiten Blättern an ruhigen Stellen des Flußlaufs bilden. Dann fliegen ſie unter ſehr ſpitzem Winkel nach der grünen Fläche, berühren ganz vorſichtig, bei hochgehobenen Flügeln, mit ihren zarten Füßen die ſchwimmenden Blätter, und erſt nach 487 M. Behr. Werder (Ostsee), Funi 1909. Halsbandregenpfeifer, brütend. einem Weilchen, wenn ſie jicheren Grund fühlen, falten ſie die Schwingen zuſammen und wagen es, zierlich von einem Blatt nach dem andern zu laufen. Ende Augulit oder Anfang September begeben ſich die Flußregenpfeifer auf die Herbſtreiſe. Sie haben's nicht eilig, oft wird Station gemacht und geruht. Man entfernt ſich nie weit vom Waſſer; aber wo ein Brachfeld in der Nähe iſt oder eine mit Steinen beſäte Wieſe, da läßt ſich die kleine Keiſegeſellſchaft gern nieder und ſucht eifrigſt nach Nahrung. Wohin ſie wohl ziehen? In Nordafrika überwintern ſehr viele, aber auch weit im Süden des ſchwarzen Erdteils hat man die zarten Vögel angetroffen. Ein gut Stück Welt mögen manche zu ſehen bekommen. In Europa fehlen ſie faſt keinem Lande, ſelbſt im hohen Norden ſchlagen viele von ihnen ihr Heim auf, z. B. an den Buchten von Chriſtiania und Drontheim, auch an manchem Gewäſſer im Innern des Landes; aber ebenſo brüten ſie auf den ſüdeuro— päiſchen Halbinſeln, in Kaukaſien und in allen zwiſchenliegenden Ländern; nur in England ſucht man den Flußregenpfeifer vergebens. Auch ein anderer der artenreichen Sippe, der Sandregenpfeifer, erfreut ſich ſehr weiter Verbreitung; doch iſt er ein ausgeſprochener Küjten- vogel, der in der Regel nur auf dem Sug Flüſſen und Seen der Binnen— länder einen flüchtigen Beſuch abſtattet. An den ſkandinaviſchen und deutſchen Küjten lebt er als Brutvogel, ebenſo in Island. Selbſt vor dem höchſten Norden ſchreckt das zierliche Geſchöpf nicht zurück; denn auch in Grönland 488 W, Farren. Mildenhall (Suffolk), April 1905. Halsbandregenpfeifer, jeine Eier bedeckend. und im nördlichiten Rußland bis Nowa-Semlja hat man ſeine Brutſtätten gefunden. Und dieſer mehr nördliche Vogel dehnt ſeine Reiſen unter Um— ſtänden durch ganz Afrika bis zum Kapland aus. Doch mögen dieſe Wanderer wohl ſolche Dögel ſein, deren Wiege weiter im Süden ſtand, vielleicht am Mittelmeer, wo der Sandregenpfeifer gleichfalls hie und da als Brutvogel auftritt. Er iſt von Droſſelgröße, alſo ein klein wenig größer und gedrungener als der Flußregenpfeifer, mit dem er lange Seit verwechſelt wurde. Das Gefieder trägt die gleichen Zeichnungen; aber das dunkle Halsband an der Kropfgegend iſt entſchieden breiter und auffallender, ſo daß die übliche Be— zeichnung „Halsbandregenpfeifer“ für dieſe Art berechtigt erſcheint. Ein beſonderer Farbenſchmuck ziert den kurzen Schnabel, ein leuchtendes Hoch— bis Orangegelb, das ſich von der Wurzel aus bis über die hälfte des Schnabels erſtrecht, während die Spitze tiefes glänzendes Schwarz zeigt. Die Füße tragen dasſelbe herrliche Gelb zur Schau, und auch um das große ſeelen— volle Auge, welches alle Regenpfeifer auszeichnet, legt ſich, wenigſtens im Frühling, ein feiner goldgelber Ring, der den Glanz des Auges ungemein hebt. Bei flüchtiger Beobachtung aus größerer Entfernung verrät ſich der Sandregenpfeifer aber mehr durch ſeine Stimme, als durch ſeine äußere Er— ſcheinung. Unter den kleineren Arten ſeiner Gattung beſitzt er das klang— vollſte und zugleich das modulationsfähigſte Organ. Mit pfeifendem, auf— 489 — — M. Steckel. KRossitten, September 1909. Halsbandregenpfeifer am Waſſer. wärts gezogenem „tui“ locken die Dögel einander, wenn ſie am Strand eilig umherrennen und ihrer kleinen Beute nachſtellen. Auch in der Nacht hört der Fiſcher in der einſamen Hütte den weittragenden Pfiff, der in der Erregung oft wiederholt wird, daß das Ganze wie ein langſamer Triller erſcheint; dann ſagt man, böſes Wetter iſt im Anzuge. Särtliche Stimmung, behagliche Ruhe, Freude beim Wiederſehen, liebendes Werben — jeder ſeeliſchen Regung geben die ſtimmbegabten Vögel durch beſondere Laute den be— redteſten Ausdruck. Kahle, gleichmäßige Sandflächen zieht dieſer Regenpfeifer jeder andern Gegend vor; ſelbſt auf der Reiſe macht er in der Regel nur an flachen BER . ien ; N Fr. Lißmann. Island, uli 1909. M. Behr. Werder (Ostsee), Juni 1909. Goldregenpfeifer und Alpenſtrandläufer. Halsbandregenpfeifer. 490 Fr. Heatherley. Llandegla, Mai 1905. Halsbandregenpfeifer am Neſt. ſandigen Fluß- oder Seeufern halt, und zur Brutſtätte erwählt er ſich die allerödeſten, völlig unfruchtbaren Sandſtriche der Küſte, die ſich oft weit in die See erſtrecken, während er die angrenzenden Raſenflächen meidet, die von Auſternfiſchern und arktiſchen Seeſchwalben, aber auch von einem nahen Verwandten, dem Seeregenpfeifer gern bewohnt werden. Höchſtens iſt ihm das Gebiet des Sandhafers an der Düne willkommen oder ſpärliches Schilf, wohl auch der Rand irgendeines dichteren Buſches; am liebſten aber brütet er auf dem Muſchelgeröll des Strandes, ja er ſcheint bisweilen mit Fleiß kleine gebleichte Muſcheln oder Muſchelſtückchen zuſammenzutragen, die dann unmittelbar neben den Eiern liegen. Fr. Heatherley. Llandegla, Mai 1905. pärchen des Halsbandregenpfeifers am Neſt. 491 J. Atkinson. Ravenglass (Cumberland), Funi 1909. Ausjchlüpfende Junge des Halsbandregenpfeifers. In dem feinen Sand, oft jo nahe der See, daß eine größere Springflut oder höherer Wellengang das Gelege gefährdet, ſcharrt der Dogel eine kleine Vertiefung, welche die vier, bisweilen auch nur drei Eier aufnimmt. Sie ſind faſt von der Größe der Rebhuhneier, und obwohl ihre ſchmutzig gelbliche Grundfarbe von vielen braunſchwarzen und mattaſchgrauen Flecken und Punkten bedeckt wird, ſo hebt ſich das Gelege doch meiſt ziemlich auffällig von dem hellen Sande ab. Wieviele Eier des Sandregenpfeifers mögen eine Beute der Raubmöwen und Krähen werden, die ja beſonders zur Ebbezeit den Strand abſuchen, wo ſie ſtets eine reichbeſetzte Tafel finden! Aber auch die Küſtenbewohner nehmen die kleinen wohlſchmeckenden Eier, und manches Vogelpärchen wird auf dieſe Weile gezwungen, ein zweites Mal zur Brut zu ſchreiten — wer weiß, ob ein gütiges Geſchick das neue Gelege vor gleichem Derderben behütet! Die Jungen laufen, ſobald ihr Dunenkleidchen abgetrocknet iſt, ſofort unter Leitung der Alten davon. Mit Ende Augujt beginnt die Reiſe gen Süden; aber auch im Oktober ſind manche Wanderer noch unterwegs. Man hat keine Eile und raſtet oft, wo eine Sandfläche winkt und der Spiegel eines Gewäſſers aufleuchtet. Hoch aus der Luft vom mondhellen Himmel herab tönen zur nächtlichen Stunde zarte pfeifende Stimmen — lebt wohl; viel Glück auf der Reife! 492 J. Atkinson. Ravenglass (Cumberland), Funi 1909. Brütender Halsbandregenpfeifer. Der dritte im Bunde der kleinen Regenpfeifer iſt der Seeregenpfeifer. Er trägt eine andere Couleur, ſchlichter als ſein ſchmucker Detter mit dem breiten tiefſchwarzen Halsband, aber doch auch anſprechend und ſauber. Don dem Halsband ſeiner Verwandten beſitzt er gerade nur den Anfang jederſeits einen ſchwarzen Fleck vor dem Flügelbug, und von der breiten Wangen— zeichnung iſt ihm auch weiter nichts geblieben als ein ſchmaler Augenſtrich; nur den ſchwarzen Fleck auf dem Scheitel hinter der weißen Stirn beſitzt er gleich ſeinen Vettern. Diele Abzeichen trägt aber nur das Hochzeitskleid im Frühling; im Winter ſind die bezeichneten Stellen viel weniger auffallend gefärbt, gelblich graubraun, ähnlich dem Kücken. Schwarz ſind Schnabel und Stelzen in jeder Jahreszeit, ein charakteriſtiſches Kennzeichen dieſer Art. Der Seeregenpfeifer trägt ſeinen Namen mit Kecht; denn obgleich er wohl ausnahmsweiſe auch einmal im Binnenland brütend angetroffen wird, z. B. am Neuſiedler See in Ungarn, ſo ſcheint er im allgemeinen noch mehr an den Strand des Meeres gebunden zu ſein, als die andern Arten. Auf allen frieſiſchen Inſeln iſt der Seeregenpfeifer oder Strandpfeifer eine bekannte Erſcheinung. Wo ſich die weißleuchtenden Muſchelbänke zwiſchen dem feuchten Sandſtrand und der Dünenkette hinziehen, wird man im Mai oder Juni ſeine Brutſtätte mit den drei dunkel getüpfelten Eierchen finden, 495 Steenhuizen. Texel, Funi 1905. Seeregenpfeifer, brütend. ebenjo am Dünenfuß oder -hang zwiſchen den Büſchen des Strandhafers. Schon in der zweiten Märzhälfte erſcheint er, wenn rauhe Stürme noch an der Tagesordnung ſind, und bis Ende September weilt er in ſeiner nörd- lichen Heimat, ja einige ziehen erſt Anfang Oktober gen Süden. Trotzdem meidet der Seeregenpfeifer die allzu nördlichen Gebiete Europas und Aliens, die der Halsbandregenpfeifer bevorzugt, mit dem er wohl auf den Inſeln Schleswig-Holſteins und auch noch etwas weiter im Norden zuſammen brütet, dem er aber ganz Norwegen, Schweden, mit Ausnahme des ſüdlichſten Teils, Finnland, Nordrußland und das nördliche Alten allein überläßt. Auf den Watten und Außenweiden, wie auf den kahlen Strandflächen ſucht das Dögelchen ſeine Nahrung. Es hat mehr Weiß in ſeinem ſeiden— weichen Gefieder, als die andern Arten, woran es bei guter Beleuchtung leicht zu erkennen iſt. Unter den Gattungsverwandten iſt es vielleicht die beweglichſte, unruhigſte Art, namentlich wenn die Sonne zur Küſte gegangen iſt und die erſten Schleier der Dämmerung See und Strand decken. In einem Huge rennen die dünnen ſchwarzen Ständerchen geradlinig über weite Strecken dahin. Dann machen ſie einen Augenblick halt; der Schnabel nimmt etwas 494 P. Rosenius. „Dundret‘“, Gellivare (Schweden), Juni 1909. Gelege des Morinellregenpfeifers. vom Boden, oder das Figürchen dreht ſich ein wenig zur Seite. Das große Auge ſichert, und hurtig geht's weiter — ein Schnelläufer, wie es in unſrer Vogelwelt kaum einen zweiten gibt. Aber gute Fußgänger ſind gewöhnlich nur mittelmäßige Flieger und umgekehrt. Die Regenpfeifer ſtrafen dieſen Satz Lügen, und gerade der Seeregenpfeifer iſt im Fliegen vielleicht der gewandteſte. Pfeilſchnell tragen ihn ſeine ſichelförmigen Schwingen meiſt niedrig über die Sandflächen oder den Meeresſpiegel dahin, und ſofort faßt er wieder Poſto auf dem Plätzchen, das er ſich zum Niederlaſſen erſieht. Das queckſilberne Weſen ſpricht ſich auch in dem Pfeifen und Trillern aus, womit das Döglein all ſein Tun begleitet. Swar iſt die Stimme nicht jo weittönend, wie die des Sandregenpfeifers, ſondern viel ſchwächer und ſanfter, aber am Tag wie in der Dämmerung und in der Nacht, beim Sitzen, beim Rennen, beim Fliegen: immer ein angenehmer Pfiff oder ein ſchwirrender Triller. Stattlicher in der Figur iſt der Goldregenpfeifer, reichlich ſo groß wie eine Miſteldroſſel, in haltung und Tracht der ſchönſte der ganzen Geſell— 495 . Rosenius. „Dundret‘‘, Gellivare (Schweden), Funi 1909. Brütender Morinellregenpfeifer. ſchaft. Den ſchwärzlichen Oberkörper bedecken von der Stirn an bis zu der äußerſten Schwanzſpitze und den Enden der Schwingen kleine grüngelbe oder goldgelbe Flecken von ſeidigem Glanze, ein köſtlicher Mantel aus fein gewirktem Brokat. Die Unterſeite, die bei den vorigen Arten weiß leuchtet, iſt hier in tiefes Schwarz getaucht, ebenſo das Geſicht bis zur Höhe der Augen. Swiſchen dem Goldmantel und dem dunkeln Unterkleid hebt ſich aber aufs effektvollſte ein breiter weißer Saum ab, der beſonders am Halſe recht deutlich hervortritt, auch am Kopfe, wo er die ſchwarze Geſichts— 496 -sıalıalduadaayjauızoyg sss Hojdmag GO ung ‘“(ywıuggv7 apnT) aAvan]2D 129 „u, Fr. Heatherley. Llandegla (N. Goldregenpfeifer, zum Neſt gehend, und brütend. Vögel II. R. Kearton. Westmorland 1899. Goldregenpfeifer bei feinen Jungen. maske von dem goldgetupften Scheitel wirkungsvoll abſetzt. Im Berbit- kleid iſt die Unterſeite weiß wie bei den andern Arten. Huch der Goldregenpfeifer iſt ein nordiſcher Vogel, der zwiſchen dem Polar— kreis und etwa dem 53. Grad n. Br. feine Wohnſtätte aufſchlägt. In Island iſt er ſehr häufig, desgleichen auf den ſchottiſchen Mooren, auf den kleinen Inſelgruppen bis zu den Faröern, in Skandinavien, Finnland, Nordrußland und gegen Oſten bis zum Jeniſſei. Den oſt- und nordfrieſiſchen Inſeln fehlt er als Brutvogel; dagegen beherbergen ihn einige weſtfrieſiſche Inſeln, ferner manche Heidejtrecken und Moore Hollands, Oldenburgs und Schleswigs wie die tundraähnlichen Hochmoore der Oſtſeeprovinzen; doch iſt der ſchöne Vogel aus mancher Gegend infolge der vorwärtsdringenden Kultur in dem letzten halben Jahrhundert gewichen. Sahlreicher trifft man ihn auf dem Herbſtzuge an, wo er auf den Außenweiden und im Watt, aber auch auf den Binnen— wieſen und äckern, manchmal in größerer Anzahl, meiſt jedoch in kleineren Trupps, umherläuft und eifrigſt nach Nahrung ſucht. Bis nach dem ſüd— lichſten Afrika und nach Indien dehnt er ſeine Winterreiſe aus. 498 R. Kearton. Westimorland 1899. Junge Goldregenpfeifer. Das mit vier überrajchend großen Eiern belegte Neſt — die Eier ſind größer als die des Kiebitz — iſt ſehr ſchwer zu finden; es iſt eine zwiſchen Geſtrüpp, Moos oder dürrem Kaſen ausgekratzte Vertiefung. Dazu tragen die ſchönen Rreijelförmigen Eier auf der reinen Iſabellfarbe ihres Grundes eine Menge tiefbrauner Flecken, daß ſie wie marmoriert erſcheinen und herr— lich mit dem Farbengewirr der Moosmoräſte harmonieren. Auch verrät der brütende Vogel dem Störenfried nicht leicht das Gelege. Er ſteht auf, läuft dem Eindringling ein Stückchen entgegen, ſtößt ſeinen flötenartigen Pfiff aus, rennt weiter, ſtellt ſich auf eine Erdſcholle, von wo er den unge— betenen Gaſt mit feinen großen Augen fixiert, oder er fliegt niedrig über dem Boden nach einem andern Platz, immer beſtrebt, ſich vom Meit zu ent— fernen und den Menſchen irrezuführen. Der Morinellregenpfeifer, gleichfalls ein nördlicher Vogel, der im ſchottiſchen Hochland, in Norwegen bis zum Nordkap hinauf, in Lapp— land und Finnland, ebenſo im nördlichen Aſien brütet, kommt für Deutſch— land im allgemeinen nur als Durchzugsvogel in Betracht. Doch hat man, ganz im Gegenſatz zu den Verwandten, ſeine Brutplätze auch in den Hochmooren des Riejengebirges angetroffen, zuletzt bei der Wieſenbaude, 1400 bis 1500 Meter über dem Meere. Er iſt aber auch hier in dem letzten Dierteljahr— 499 hundert äußerſt jelten geworden, heute vielleicht ſchon verſchwunden. Der amſelgroße Vogel trägt ein erdbraunes Kleid; aber das Frühjahrsgewand iſt doch ſchön: die ganze Unterbruſt wird von lebhaftem Ockergelb bedeckt, das in der Mitte ein tiefſchwarzes Feld einſchließt; den Hals aber ſchmückt ein ſchmales, zierliches Band von weißer Farbe, das ſchwarz eingefaßt iſt. R. B. Lodge. London 1895. Goldregenpfeifer. 500 Der Trappe. Don Fritz Bley. Eigentlich ſind ſie ja Verwandte, der gravitätiſche Herr Geheimrat Kranich in ſeiner jteifleinenen Galanterie und der aufgedonnerte Protzen— bauer Trapp. Von der Ordnung der Sumpfvögel und der Unterordnung der Laufvögel ſind ſie (nach Schmiedeknecht) beide. Aber Dettern ſind oft recht verſchieden. Der Herr Kranich trägt ſeine Halskrauſe prächtig auf— geſtellt wie ein Spitzenjabot, und die ſchöngeſchwungenen Federn des Stoßes geben ſeiner langſtelzigen Geſtalt etwas unſagbar Geſprei ztes, etwa wie der wagrecht getragene Kavalierdegen dem Rockſchoße eines Hofmarſchalles. Unter ſeiner Kranichgattin darf man ſich freilich keine Exzellenz in langer Kurſchleppe vorſtellen, ſondern höchſtens die dürrſtelzige Gnädige im Un— ſchuldskoſtüm. Aber ſie vergißt nie, wie unendlich weit der geſellſchaftliche Abſtand zwiſchen ihr und der Baſe Trappgans iſt. Nun ja, die iſt von derberer Art! Aber ſie hat eine glatte und volle Bruſt, große kluge Augen und einen Mantel von roſtfarbigem Grunde mit wellenförmigen ſchwarzen Queritreifen, der ſich in der feinſten Geſellſchaft ſehen laſſen kann. Im übrigen ſoll die Kranichin ſich doch nur nicht Jo haben und nicht ſo erhaben dünken! Woher ſtammt denn ſie? Doch auch aus dem Sigeunerlande, ſo gut wie die Trappen! Hier vor den Toren von Berlin will ſie das natürlich nicht gelten laſſen und brüſtet ſich, daß ihr Ge— ſchlecht ſchon vor dem Bären in der Mark geweſen ſei. Mit ihrer Stimme ſoll ſie doch auch nur nicht ſo laut prahlen morgens und abends! Sie hält ſich wohl für ein Weltwunder von Künſtlerin? Sie, die Trappgans hat überhaupt gar keine Stimme; aber wenn ſie eine hätte, ſo wäre die doch tauſendmal ſchöner, als die der Kranichin! Überhaupt das langweilige Geſchrei von den Beiden! Er mit ſeinem „Kroh kruh!“ und ſie mit ihrem heiſeren „Krüh kürr!“ Man meint immer, daß ſie den Regen herbeirufen, dieſe alten Jammerſeelen! Ihren Mann, den Großtrapp, ſollen ſie nur zu— frieden laſſen! Zum Protzen gehört das nötige Seug. Und daß der Groß— trapp in ſeinem Hochzeitsſtaate der anſehnlichſte iſt, kann doch der dümmſte Kranich nicht beſtreiten! Worauf bilden denn die ſich ſo viel ein? Auf ihre dünnen Waden und ſchmalen Füße? Na, ja, ein bißchen plump und hlotzig ſind die Beine vom Großtrapp ja geraten und die Sehen ſind dick und kurz; die groben Warzen darauf ſind auch nicht ſchön. Die Gelenke ſind geradezu klobig. Aber dafür ſteht er auch wie ein ganzer Kerl und ſtelzt nicht wie 501 W. Farren. Near Mildenhall (Sufolk), Juli 1903. Gelege des Trappen. ein alberner Sierbengel von Tanzmeiſter durch den Salat! Und über— haupt — — — Mit unnahbarer Würde iſt das Kranichpaar davongeſchritten. Jetzt hebt ſich der Protzen-Trapp ſchwerfällig auf, gibt ſich einen kräftigen Ruck und ſtreicht in ſchwerem Fluge ab. Das ſieht freilich nicht ſo vornehm aus, wie der anmutige Flug der ſchlanken Kraniche. Aber es ſchafft! Die dumme Krähe, die von dem Trappen überholt wird, wundert ſich ordentlich, wie der ſo ſchnell vorwärts kommt. Aber dazu hat er ja ſeine gewölbten Schwingen mit den ſtark gebogenen Schäften an den großen Schwungfedern! So ſpindel— dürr wie der Kranich kann er ſich freilich mit ſeinen 18 Kilo Gewicht nicht machen, wenn er Hals und Beine auch noch ſo ſehr reckt und ſtreckt. Der ſchwere Rumpf bleibt immer etwas unter der Fluglinie. Aber, wenn er über verdächtige Gegend kommt, Bäume, Gebüſch oder wohl gar häuſer, ſo bringen ihn ſeine ſtarken Schwingen ſchnell in die höhe; und iſt er erſtmal oben, ſo fällt er auch nicht wie der Kranich gleich wieder ein, ſondern bringt ein tüchtiges Stück Land unter ſich weg. Und ehe er wieder niedergeht, 502 pp“ E Et A Eh Be e. 2 6 N a u F 2 * g ; - W. Farren. Thetford (Norfolk), April 1900. Trapphahn. prüft er ſorgfältig mit ſeinen ſcharfen Blicken, ob auch ringsum die Luft rein iſt. Wo er einen Graben, eine Hecke oder irgendeine andere Deckung für ſeinen einzigen Feind, den verwünſchten Jäger, ſieht, da bleibt er fort. Überſichtlich muß das weite Feld oder Wieſengelände ſein, wo er ſich wohl und ſicher fühlen ſoll. Dort angekommen, ſtreicht er auch erſt in weitem Bogen herum und läßt ſich dann mit einem derben Plumps zu Boden fallen, als wollte er jagen: „As ſühſt mi woll?“ Die Gans hinter ihm drein. Dann aber recken beide nochmals die Hälje und äugen unverwandt das Feld ab, ob keine Veränderung ſichtbar ſei. Bedächtig, ſchlau, ſcheu iſt er geblieben, auch hier im Weichbilde der Reichshauptitadt, deren Scheinkreis auf Meilen— weite hin ſeinen Schlafplatz in der dunkelſten Nacht noch ein wenig erhellt. Die beſte Verteidigung bleibt für ihn die Wahl eines Standortes, dem kein Feind ſich unerkannt oder gar heimlich und in Deckung nahen kann. In den Getreidebreiten der Neumark, wie auf den unzugänglichen Segge-Wieſen des Nauener Teufelsluches, aus denen er hochaufgereckt gerade mit dem unſcheinbaren grauen Hopfe herausragt, fühlt er ſich ſicher. Doch ebenſo 503 gern ruht er, glatt an den grauen Boden gedrückt, auf den Ackerbrachen, auf denen zur Mauſerzeit ſeine ſchönen Federn ringsum zu finden ſind. Wachſam achtet er auch dort jedes in weiter Ferne ſich nähernden Feindes, und den liſtigen Jäger, der ihn unter Benutzung einer Grabendeckung be— ſchleichen will, beſchämt er durch ſeine Dorficht. Das geringſte Mißtrauen veranlaßt ihn zum Abſtreichen, und der Flug über weite Strecken ſcheint dem ſchweren Kerle jo viel Lujt und Freude zu bereiten, wie den leichteſten und ausdauerndſten Korjaren des Luftmeeres. Inmitten fruchtbarer Gefilde iſt er ein Sohn der nüchternen Steppe geblieben, deſſen unermeßliches Reich die Ebene iſt. Keine Ahnung und ſtürmiſche Sehnſucht führt ihn im Herbſte über das blaue Meer zum fernen Süden. Solange der märkiſche Raps oder Winterroggen ihn nährt, iſt er zufrieden. Aber, wenn Schnee oder Blackfroſt ihm jede lebende Nahrung und Pflanzen— weide verſperren, ſchwingt er ſich auf, überfliegt die Karpathen und kehrt tags darauf auf der ungariſchen Pußta ein oder in den kerfenreichen Auen der Donau und Theiß. Als ein Nomade unter Nomaden lebt er in den Randſteppen des Kaukajus, in den Ebenen Syriens, bei den doniſchen Koſaken und bei den Hirten der Dobrudſcha. Dort iſt der Adler ſein Feind, deſſen Schatten auch ihn trotz ſeiner Größe und Körperkraft mit Schrecken und Ent— ſetzen erfüllt. Füchſe, Marder und Schahale beſchleichen ihn unter Wind zur Nacht. Und der mit Wirbelſchnee plötzlich einſetzende Steppenſturm zwingt ihn oft zu weiter Wanderung gen Süden. In Deutſchland aber, insbeſondere in Mecklenburg, Brandenburg, Anhalt und Sachſen hat er unter Bauern aus Bequemlichkeit ſich an den regelmäßigen Beſuch der Felder gewöhnt, die er von alters her kennt und nicht ohne Not mit denen des Südens ver— tauſcht. Aber als Oſtelbier liebt er das Brüten des Mittags über wogenden Ährenbreiten, die Ellenbogenfreiheit der Brachen, auf denen er den Wind, der nachmittags wehen wird, ſchon morgens wittert, die frohſtimmende Weite der großen Wieſenzüge und Havelluche. Dort ſteht er, halb Bauer halb Edelmann, in ſattem Behagen als ein ganzer Kerl ſelber für ſich ein, allezeit auf ſeiner hut gegen großſtädtiſche Schliche und Errungenſchaften der nervöſen Neuzeit mit ihren ſcharfen Feuerpüſtern, gegen die zuletzt der weiteſte Abſtand nicht mehr ſchützt. Don den Berlinern hat er gerade genug! Über ſchließ— lich lacht er über ihre „alten Sicken“. Wenn er einen kommen ſieht, der ſich die fauſtdichen Doppelaugen auf die Naſe hält und dann, ſobald er ihn im Graſe entdeckt hat, zuſammenzuckt und geduckt zu dem nächſten Graben kriecht, in der Hoffnung ihn in dieſem beſchleichen zu können, ſo wandert er behaglich hinter die nächſte Bodenfalte und ſtreicht ungeſehen dort ab, um den Berliner nicht in der Freude des Anbirſchens zu ſtören, die doch auch was Schönes iſt. Das alte Botenweib, das von Seggedorf durch das große Cuch nach Nauen geht, kennt er ganz genau; dem weicht er nicht aus. Aber 504 uyvyddvıp l i V. Duncan. Spanische Marismas. Trapphahn. jeden andern Weiberrockträger, der dieſes Weges kommt, muſtert er auf Elendsweite. Und ehe der verkleidete Schlaukopf ihn geſehen hat, ſchwingt er ſich auf und ſtreicht davon — ſeht Ihr dort im Abendſonnenſcheine ſein zauberhaft beleuchtetes Gefieder prunken? „Adjeh, Herr Meyer, jrießen Se Berlin!“ Manchesmal hat Herr Meyer es auch mit Gaſtwirt Bades Kuh ver— ſucht. Die Flinte verſteckt haltend führte er die alte Lieſe im Bogen an den Stand der Trappen heran, ſo daß er ſelbſt immer von der Kuh gedeckt blieb. Die Trappen hatten, ſobald dieſe Dorjtellung begann, durchſchaut, daß die Poſſe ihnen galt. Unruhig ſchritten ſie auf und nieder, reckten die Hälſe und ſtarrten auf den komiſchen Bauer. For eenen Iroßſtädter jar nicht iebel!“ meinte der alte Trapphengſt. Aber als der „Bauer“ Anſtalt machte, ſein Schießeiſen hervorzuholen, ſchwang ſich die ganze Geſellſchaft auf. „Adjeh, Herr Meyer, jrießen Se Berlin!“ 505 Ein anderes Mal verjuchte der Jagdpächter den Trappen auf der Roggen- ſaat damit anzukommen, daß er den Miſtwagen vom Nachbarfelde als Deckung benutzte. Dieſen Wagen hatten ſie ja den ganzen Vormittag über auf mäßige Entfernung gut ausgehalten. Aber als nachmittags zwiſchen den vier Rädern des mit friſchduftender Ladung ankommenden Wagens zwei Beine ſichtbar wurden, zogen ſie Leine. „Adjeh, Herr Meyer, jrießen Se Berlin!“ So iſt er nun einmal, dieſer dickköpfige, mißtrauiſche und ſchlaue märkiſche Strauß! * * x In einem ſchönen, abends von zauberhaftem Lichte beſtrahlten Garten mit prunkenden Hallen und glänzenden, von dunkeln Baumgruppen be— ſchatteten Seen hält der König der Tiere Hof, der ſtolze, von ſchwarzgrauer Mähne umwallte Nobel mit dem kühnen Blicke und dem gutmütigen Grollen im ernſten Antlitze. Um ihn verſammelt die Großen der Krone, Seine Liebden der geſtreifte Herzog Tiger, Seine Erlaucht der gefleckte Leopard, der Rauhgraf Petz und der Strauchritter Wolf. Der Eisbär als Admiral des nordiſchen Meeres grüßt aus vergittertem Palaſte den britiſchen See— löwen. An langgeſchwänzten Hofnarren iſt kein Mangel, man hat ſie vor— ſichtshalber in hohen Käfigen eingeſperrt. Das diplomatiſche Korps iſt glänzend vertreten durch Reinekes weitverzweigte Sippe, die hohe Finanz ſperrt am Teiche der Pelikane zur feſtgeſetzten Börſenſtunde ellenweit die gierigen Freßwerkzeuge auf, und die kleinen Jobber löffeln im Entenpfuhl nach Abfall herum, der auch ſatt macht. Am großen See ſtehn roſige Flamingos auf einem Beine, glücklich im Bewußtſein des einzigartigen Schick, mit dem ſie ihren Hals zu ringeln verſtehn. Bunte Papageien ſprechen als Vertreter der älteſten Philoſophie unbeſtrittene Wahrheiten aus. Und die hohe Bürokratie iſt, in gebührendem Abſtande von der ſchillernden Hofgeſellſchaft, nahezu vollſtändig verſammelt. Seine Exzellenz der Herr Staatsminiſter Marabu trägt das flache Haupt ſorgenvoll zwiſchen den hohen Schultern, die im Kragen des geſtickten Seidenfrackes faſt verſinken. Störche verſchiedenſter Rangitufe ſtelzen in waſchechtem, wenn auch zuweilen etwas angeſchmutztem, Schwarzweißrot durch die demokratiſchen Sümpfe und über die grünen Schmuckraſen vor den Käfigen der Dornehmen. Jungfern— kranich und Mönchskranich verkörpern Wiſſenſchaft und Künſte, und der Geheimrat Grauhranich fühlt ſich als Mann, der alles weiß und überhaupt gar nicht verſteht, wie man ſo etwas nicht wiſſen kann! Auch Hans Trapp hat man wiederholt in dieſe glänzende und erleuchtete Geſellſchaft zu ziehen verſucht. Aber es wird nichts Geſcheites daraus. Fängt man ihn alt, ſo iſt gar nichts mit ihm anzufangen und er ſtößt ſich am 506 Gitter den dicken Schädel ein. Und greift man ihn jung im Neſte, ſo iſt er zum Freſſen zu dumm! Er verlangt womöglich einen ganzen Garten für ſich allein, wo doch der Quadratmeter eine Stange Gold koſtet! Und wollte man ihn frei herumlaufen laſſen, jo würde er in feiner Tölpelhaftigkeit jo viel Schaden anrichten, daß er aus den Polizeiſtrafen nicht herauskäme. Auch wenn man Trappeneier von Truthennen ausbrüten ließ, iſt nichts daraus geworden; die Jungen ſind meiſtens ſchon verendet, ehe ſie noch das Daunenkleid mit Federn bedeckt hatten. Man tut am beſten, dieſe Hanstapſe dort zu laſſen, wo ſie ſind. Es lohnt nicht, ſie in gebildete Geſellſchaft zu bringen. Übrigens iſt die Trapp— gans durchaus der gleichen Meinung. Als ihre Baſe, die Frau Geheimrat Kranich, ihr einmal die Freuden des glänzenden Lebens am Hofe des Königs Nobel ſchilderte, meinte die Trappgans dickdröbiſch: „De Haohn, de opp ſien Miſten ſitt, de kann wohl kreihn un ſchriegen; doch opp 'en Klockentorm de Haohn de mött ſich drein un ſchwiegen!“ Die Frau Geheimrat Kranich drehte der ungebildeten Gans mit vornehmer Geringſchätzung den Rücken zu und hat ſeitdem nie wieder ein Wort mit ihr geſprochen. N „Hu-hu-hu-hu!“ lachte hans Trapp, indem er ſich rauſchend aufputerte. * * * Der Frühling iſt da! Die Dogelbruſt weiß die Wonne, die er brachte, kaum zu faſſen. Hier draußen auf dem großen Kapsſchlage von Cütten— hagen jubelt die Lerche es vom Himmel herunter, und vom Waſſerloche her ſchallt das Liebeslied ſtöhnender Unken, das Quaken der Grasfröſche und das „Natt-natt-natt“ des kleinſten von allen, der den meiſten Spektakel macht, des Laubfroſches, in den ſonnig heraufziehenden Frühmorgen hinein. Wachteln und Rebhühner haben längſt ihren Bund geſchloſſen. Der Faſanen— gockel kann auch vor Glück und Überglück den Schnabel nicht mehr halten und läßt ſich am Grabenrande die Sonne auf das ſchillernde vom Tau feuchte Hochzeitsgewand ſcheinen. Der gelbe Wippſtart am Pfuhl und der Steinſchmätzer am Dorn, alle, alle haben ſie nur die eine Empfindung: o Morgenluſt, o Liebesglück! Nun wird nach allen Plackereien, die das dreckige Schlackerwetter im März gebracht hatte, das Leben wieder nett! Der Frühling iſt da! Eines ſchönen Morgens waren auch die Trappen wieder da, die im Süden dieſes Jahr länger verweilt hatten, als ſonſt, weil ſie dem Wetter nicht trauten und Südweſtwinde zur Reile nach Mecklenburg abwarten 507 O. Grabham. Yorkshire (England), Juni 1909. Großtrappe, balzend. wollten. Auf dem großen Kapsſchlage, den ſie ja noch vom Berbite her kannten, fanden ſie alles in Ordnung. Die Steinhaufen lagen, wie ſie immer gelegen hatten. Don dem Dornrähmel an der Schlaggrenze blieben ſie ja ſelbſtverſtändlich weit ab. Am liebſten ſtanden ſie unter Wind in einer flachen Senkung des Feldes. Daß auch dort auf dem Grunde der Mulde ein Steinhaufen lag, ſtörte ſie um jo weniger, als der Raps bis dicht an die Steine wuchs. Ab und zu ſuchten ſie auch den Roggenſchlag von Mulzow auf oder den Dobbertiner Raps. So oft der junge Herr von Cüttenhagen ſie dorthin ſtreichen ſah, ging er in die Rapsmulde, ſtellte dort nach den plumpeſten Fährten die Einfallplätze der beiden ſtarken Trapp— hengſte feſt, die er ſchon lange kannte, und ſchöpfte dann aus dem unter dem Steinhaufen verborgenen Coche Schneereſte und Schmelzwaſſer heraus. Dann trug er ein Bündel trocknes Heu hinein und verſtopfte den ſchmalen Ein— gang wieder mit dem Bunde alten fauligen Strohes, jo daß keine Veränderung zu bemerken war. Ebenſo brachte er zwei andere Löcher in Ordoͤnung, die er auf dem Kapsſchlage ſchon vor der Berbitbeitellung angebracht, mit Brettern eingedeckt und dann wieder mit Steinen bepackt hatte. Drei Tage ſpäter ſtellte er in Abweſenheit der Trappen feſt, daß dieſe die Mulde wieder angenommen hatten. Am nächſten Morgen, eine Stunde vor Morgen— grauen ſitzt er nun, eine Decke um die Knie geſchlagen, in ſeinem Derjteck, aus 508 O. Grabhanmn. Yorkshire (England), Funi 1909. Großtrappen. Ein Hahn mit zwei Kennen. dem nur einige fauſtgroße Löcher ihm den Ausihuß nach allen Seiten hin geſtatten. Tiefe Stille ringsum. Die Trappen ſchlafen wohl noch auf der großen Brache von Mulzow, wo ſie allabendlich in der Dämmerung einzufallen pflegen, um zu übernachten. Dor Tau und Tage kommen ſie von dort her— geſtrichen. Alſo muß man ihnen ſchon in der Dunkelheit zuvorkommen, wie dem Spielhahne und dem Feiſthirſche auch. Liſt gegen Liſt! Bimm, bemm! Im Dorfe ſchlägt die Turmuhr. Bimm, bemm! Dier Uhr! Bald muß das Frühlicht ſich im Oſten melden; in dieſer Mulde iſt freilich kein Schein zu ſehen. Aber die Lewark jubelt ihm entgegen, die dort vom Kamme der Bodenwelle jetzt tirilierend ſich erhebt. Und der Kranich weit drüben am Mulzower Walde trompetet den Weckruf: Habt Ihr denn noch nicht lang genug geſchlafen? Da reitet es her durch die Luft in wildem Sauſen. Wui, wui, wui! ſauſen und ziſchen die runden Schwingen! Herrgott, das iſt ja wohl eine ganze Schwadron! Wul-wull— wulll . . . gerade über das Jägerverſteck ſauſen ſie hinweg. Dort fällt eine ein, drüben eine andere. Oben auf dem Muldenkamme putert ſich ſchon ein hahn ganz weiß auf. Da, horch: wup — wrupp — wrrrupp! Buff! Da ſteht der Haupthengit! In voller Höhe reckt er ſich auf, vom Schnabel bis zum Stoßende ſicherlich länger als einen Meter; die Spannung der 509 Sittiche maß, als er ankam, wohl ihre zwei und einviertel Meter. Wie ein Grenadier ſteht er da, kein Glied rührt er. Dann wird er vertraut, rupft wie in Serſtreuung ein paar Blätter Raps, und dann auf einmal macht er ſich weiß über und über. Es iſt, als ob ein Bauernweib, um das Gelbbraunſeidene gegen Regen zu ſchützen, ein ganzes Rudel weißer Röcke über den Kopf nimmt. Allmählich wird es heller. Jetzt kann man ihn in ſeiner drolligen Stellung ſehen. Herr des Lebens, wie hat er ſich aufgeputert! Den Stoß weit ausgefächert, jo daß der Unterſtoß mit den aufgebauſchten Deckfedern, den Unterfedern der Schwingen und den flaumigen Hojen ihm hinten wie ein einziger weißwallender Federballen wogt; die Schwingen weit aus— geſpreizt, ſo daß ſie mit ihren braunen Gelenken den Boden berühren und die Spitzen ſich auf dem Rücken kreuzen; den Kopf weit auf den Rücken zurückgelegt, ſo daß die Schwingen ihn von hinten und die wunderſchön mattgrauen und goldbraunen Schulterfedern ihn von der Seite decken: jo ſchreitet er behäbig ſtolz auf und nieder, läßt ſeinen ſchönen doppelten Seder— bart in zitternder Erregung ſpielen, wendet und dreht in protziger Wichtig— tuerei alle Federn nach oben und vorn, um bald ihren roſafarbenen Grund— ton durch das zarte Weiß durchſchimmern zu laſſen, bald wieder das Röitliche Silbergrau oder ſchwarzmattierte Altgold der Deckfedern darüber zu werfen. Und ſchließlich bläht er feinen Kehlſack auf, dieſen Schallfang, der der ohnehin nicht lauten Stimme einen jo ſeltſam verhaltenen Hohlton gibt, daß fie nur in allernächſter Nähe vernommen werden kann. Es klingt wie ein dunkles „wu-huh-huh-wuh-huh!“ und wird faſt übertönt von dem Rauſchen des prunkenden Gefieders und dem Schleifen der gegeneinander geſträubten Schwungfedern. Nach kurzem Balztanze richtet er ſich wieder auf und pickt einen Rüſſel— käfer vom Rapsblatte und einen blanken Kieſelſtein vom Boden auf. Eben will der Jäger die Büchſe auf ihn richten, da das Licht jetzt zur Not hin— reicht, um Korn und Kimme zuſammenzubringen. Da ſtolziert der Alte mit hocherhobenem Haupte auf einen Nebenbuhler los und, ehe der Schütze ihn mit dem Korn anfaſſen kann, iſt er hinter der Bodenwelle verſchwunden, um dort einen Gegner abzukämpfen. Drüben in dem nächſten Anſitzloche hockt ein anderer Jäger. Aber der hat weder Büchſe noch Flinte bei ſich. Sein Schießzeug iſt eine Lichtbild— kammer mit fürchterlich langer Brennweite, die auf 100 bis 200 Meter trifft. Als er die beiden Hähne ſich raufen ſieht, daß die Federn ſtieben, richtet er ſchon fein Rohr und die Spiegelkammer. Aber es ijt ja viel zu weit! Ach wenn doch die ſchönen ſtattlichen Dögel herkämen! Das Photo— graphieren tut ja keinem weh! Aber ſie kommen nicht. Beißend und mit den Tritten ſich ſchlagend ſpringen fie in die Höhe, bis plötzlich der Schwächere 510 O. Grabham. Vorkshire (England), Juni 1909. Swergtrappe, auf einer Wieſe ſchreitend. Reißaus nimmt und abſtreicht, von dem wütenden Alten verfolgt, der noch im Fluge mit dem Schnabel nach ihm ſtößt. Die Trappgänſe recken die Hälſe; aber keine ſtreicht ab. Gleichmütig weiden ſie weiter und ſuchen nach Miſt- oder Laufkäfern. Da kommt auch ſchon der Alte zurück und holt ſich auch gleich von der glatteſten und voll— brüſtigſten das Jawort. Nachdem er ſie getreten hat, ſchüttelt er ſich, als hätte er was Bitteres hinuntergeſchluckt. Dann ſtelzt er durch den Raps, greift eine piepſende Maus, ſchluckt ſie über und ſetzt ſich dann auf fünf— undzwanzig Schritte vor der Linie des Photographen müde nieder, als wolle er ſagen: nun, bitte! Und der kann doch nicht rufen: „Nun bitte recht unfreundlich!“ Zeile ſenkt ſich die Keflexſcheibe. Fertig! Der Alte hält noch immer ſtill; aber ſolch ein dämliches Photographiergeſicht, wie er jetzt macht, iſt keine zweite Platte wert! Plötzlich aber kommt Leben in ihn. Drüben kommt ein dritter Hahn herbeigeſtrichen. Wie das Donnerwetter iſt der Alte auf und ſtreicht jenem nach, und beide fallen in der Mulde ein. Drüben knallt es. Der zugeflogene Hahn ſtreicht mit den Hennen ab. Der Alte iſt auf dem Platze geblieben. Unter Feuer. „Armer Kerl!“ murmelt der Photograph. Und als er mit ſeinem Vetter zum Frühſtücke heimkehrt, jeder mit ſeinem Werkzeuge und ſeiner Beute, meint jeder von beiden, das beſſere Teil erwählt zu haben. 511 Der Goldammer. Von Elſe Soffel. Die Böſchungen zu beiden Seiten der Geleiſe ſind mit Gebüſch ganz überwachſen. Die Bahn kommt aus dem Walde, der ſie dunkel und düſter eine lange Strecke begleitet, von dort her ſind auch die Brombeeren hinaus— gekrochen ins Freie, der wilde Hopfen und die Wegroſen haben ſich unentwirr— bar zur Hecke verſchlungen. Die Eiſenbahn ſcheint ſchneller zu laufen, wenn ſie den ſchwarzen Wald hinter ſich hat, das Geratter der Räder tönt heller, als zwiſchen den engen Wänden, als ob ſie aufatme. Es iſt auch wirklich ein anderes Ding hier außen; zu beiden Seiten dehnt ſich die Ebene, weit, unendlich weit, tiefliegende Wieſen, mit Buſchwerk durchſetzt, laufen bis an den Horizont, den leiſe wellige Hügel begrenzen, breitgeſtellte häuſer ducken ſich an den Boden, ſpitze Kirchtürme, ein altes Schloß erſcheinen und ſind verſchwunden. Das Nahen des Suges ſcheucht oft einen Dogel auf, der in der Hecke geſeſſen oder mit geſträubter Holle von einer der Telegraphenſtangen, die auf dem Damm entlang ſtehen, ſein Liedchen vortrug. Mit kurzen, zuckenden Flügelſchlägen verläßt er ſeinen Platz, fliegt unruhig und unregelmäßig, beinahe hüpfend, um ihn herum, und nimmt ihn dann wieder ein. Nicht leicht ſieht er ſich ernſtlich geſtört und ſetzt nach anfänglichem Sickzack ſeinen Flug in ruhigeren Bogen fort, in die Wieſen hinein, wo er dem Dorüberfahrenden bald als Punkt am Horizont verſchwindet. Den Ammern gehört das weite Land hier. Im Frühling ſingt des Nachts der Grauammer fein Lied von der Weide, kommt der Winter, jo erſcheint der Schneeammer bald hier, bald da auf der Ebene, wenn die Schneewolken tief herabhängen, und unterbricht mit vieltönigem „Sirrr, zirrr, füd“ die weiße Stille. In der Niederung, im Grünmoor am Rande weiter Sümpfe, hat zwiſchen Seilweidengebüſch und Schilf der Rohrammer ſein verſtecktes Neſt. Gegen die Berge zu, wo es trocken wird, baut der ſtille Gartenammer in der Nähe von Kornfeldern und Äckern. Sie alle kommen nicht viel zu Geſicht. Man muß ſie kennen und ſuchen, wenn man hier ihrer gewahr werden will, denn ſie lieben einſame, ſtille Plätze, das Grünmoor ſieht nicht viel Spaziergänger, und die wenigen Ge— höfte, hinter den Kornfeldern, gegen die Berge zu, wenig Beſuche. Einzig der Schneeammer verrät ſich leichter durch feine Unruhe, wenn er in Scharen 512 Sainsbury. Thorner (Yorkshire). Neſt und Gelege des Goldammers. mit lautem Rufen ſich auf die beſchneiten Felder niederläßt und Froſtwetter anſagt. Der Goldammer iſt allen bekannt. Er vertritt die Familie nach außen, an ihn ſchließen ſich die andern, Grau- und Saunammer, ja ſogar der Schnee— ammer an, wenn der Winter hart wird und ſie aus der Stille nach den Niederlaſſungen treibt. Er lebt zwiſchen Welt und Einjamkeit, liebt dieſe — ohne jene zu fliehen, vorſichtig-zutraulich führt er ſein Daſein gern in der Nähe der Menſchen, doch ohne Sahmheit, ohne blindes Sutrauen. Er hält ſich gern in Gärten, Höfen, an den Landſtraßen auf, wo er den Mutzen menſchlicher Arbeit mit einheimſt, er baut ſein Neſt in hecken und Säunen, unter einem Reilighaufen im Grasgarten, dicht am Haufe, neben dem Betrieb und Lärm der Strecke, aber er verſteckt es gut und ſchafft ſich Einſamheit inmitten ſeiner Umgebung. Freilich verrät er ſie auch ſelbſt wieder in naiver Dogelweiſe und der Menſch hat das Geheimnis ſeiner Häuslichkeit lange belauſcht. Katze und Wieſel kommen dem kleinen Leben auf die Spur und ſtören es. Vögel II. Copyright 1910, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 35 513 KN. Spengler. Rothehütte (Harz), August 1909. Junger Goldammer im Gezweige, in unmittelbarer Nejtnähe. Das Neſt in der Nähe des Bahnwärterhäuschens am Eiſenbahndamm hat noch niemand entdeckt. Wenn Bahnwärters Katze auf ihren Feldgängen vorüberkam, ſo ſtutzte ſie wohl ſeit dem Frühjahr bei dem feinen Piepſen, das aus der Hecke, nahe dem Boden, drang, langte auch mit vorſichtiger Pfote in die Dornen, um ſie aber ſofort ärgerlich zu ſchütteln und wieder zurückzuziehen. Nachdem ſie das ein paarmal gemacht, ging ſie vorüber, auch als dicht neben ihr die Mutter aus dem Verſtech ſcheuchte. Das war im April, die Hecke war dicht zugewachſen und ließ nichts ſehen von dem Leit, das ſie unten zwiſchen alten jtarken Weißdornſtämmen barg. Die Mutter ſchlüpfte von unten, dicht an der Erde, hinein, von dort trug ſie auch Strohhalme und altes Laub langſam nacheinander heran zum Neſtbau. Gern blieb ſie, eine vorjährige trockene Hopfenranke, einen Schilf— ſtengel oder ein Stückchen anderes Niſtmaterial im Schnabel, mit geſtellter Haube ein Weilchen ganz ſtill vor dem Sugang ſitzen, abwartende Dorſicht in der Haltung, bis ſie mit dem Geholten in die Hecke ſchlüpfte. Der Bahn— wärter ſah ſie ſitzen, wenn er mit der roten Fahne vor ſeinem Häuschen ſtand und den Zug erwartete. Sie war ihn auch bald gewöhnt und be— merkte ihn kaum mehr, wenn ſie angeflogen kam. Ihre Dorjicht aber blieb dieſelbe. Als das Neſt innen mit Haaren aus dem Winterpelz von Bahnwärters Katze ausgelegt war — Pferdehaare gab es nicht in der Nähe —, machte ſich das Weibchen ſelten in der Umgebung, nur des Mittags trieb ſich's ein wenig umher, hüpfte in dem kleinen Garten vor dem roten Häuschen in kleinen ungeſchickten Schrittchen, durchſuchte die friſche Erde nach den 514 7 15 We. * N 4 R. Soffel. Schloß Bischofstein, Frühling T. Goldammermännchen, Hollunderblüten nach Injekten abjuchend. Raupen vom Weißling, nahm ein Körnchen Sand auf oder eine Larve und ſaß ein Weilchen nachdenklich auf dem Saun, bis es beim Dorüberrattern der Wagen mit lautem „sit zürrr“ plötzlich aufflog und in ſeine Hecke verſchwand. Dem Bahnwärter war bis dorthin geweſen, als habe er immer nur einen Dogel geſehen, es ja wenigſtens immer nur einer an derſelben Stelle mit ſchön zitronengelbem Kopf und Bruſt und rotem Bürzel. Seit kurzem aber kannte er auch das Weibchen und wußte, daß ihm das Lied galt, was „er“ ihr von einer der Telegraphenſtangen herunter ſang. Es war ein kleines Lied und nichts Beſonderes, aber der Bahnwärter hörte es gern, und nach und nach kam es ihm vor, als paßte es recht in die Um— gebung. Su ſeiner Einjamkeit, zu der Eintönigkeit der langen Strecke, die ſich in der Ferne verlor, deren blanken Gleiſen er jo oft mit den Augen und Gedanken folgte. „5yſſſyſſſyſſſih“ ſang der Goldammer herunter, wenn der Mann mit ſeinem Spehulieren bis an den düſtern Wald hinten gekommen war oder ſich in der weiten Ebene drüben verlor. Dann ſchaute er zu dem Dogel hinauf, der mit geſtellter Holle und den Schwanz ſchlagend oben ſaß, und bei dem beſcheidenen Lied nahmen ſeine Gedanken eine andere Kichtung an. Der Goldammer wußte nicht, daß er Gutes ſtiftete mit ſeinem miß— achteten kleinen Lied. Er ſchnurrte von der Telegraphenſtange herunter in Bahnwärters Garten, wo er einen halben Engerling unter einer Scholle fand. Den brachte er ſeiner brütenden Gattin. Die deckte mit ihren Flügeln fünf ſtumpfe, glänzende Eier, trotzdem ſie hübſch anzuſehen waren mit ihrer feinen ſchwarzrötlichen Seichnung auf graugeſpritztem Grund. Es kam ihr nur darauf an, ſie warm zu halten. Bis eines Tags ein ungeduldiger 7 * 30 515 J. Atkinson. Arthington (Yorkshire), August 1903. Brütender Goldammer. kleiner Schnabel das buntbemalte Gefängnis ſprengte und ein naſſes un— geheuerliches Etwas ihr unter die Flügel kroch. Das wiederholte ſich den— ſelben Tag und den nächſten noch zweimal. Die hübſchen bunten Schalen flogen über den Neſtrand, die häßlichen kleinen Dinger aber machten ſich's warm und bequem und fingen an, durch Geſchrei zu diktieren, was zu geſchehen habe. Und die Eltern gaben dem nach. Brachten ihnen Maden und Käferlarven, Raupen vom Weißling und ſtückweiſe die erſten Mai— käfer. Bis ſie ſie ſo weit hatten, um ſie das Fliegen zu lehren, erſt oben auf die Hecke, dann weiter auf die nächſten Büſche, ſchließlich auf die Telegraphendrähte, wo die Sprößlinge frech und weltunſicher zugleich, dicht aneinander gedrängt ſaßen und viel ſchrien und verlangten, weil ſie noch wenig wußten und konnten. Bahnwärters Katze aber ſpürte, daß ihre Seit gekommen war und paßte ſcharf auf. Und eines Morgens, als ſie, wie oft, unhörbar und ſcheinbar achtlos an der Hecke entlang ſtrich, nahm ſie den Neſtling, der eben als letzter den andern nachfliegen wollte, mit einem Satz von Weiß— 516 Schelcher. R. Goldammer am Neſt. Graf Münster. Berbisdorf, Juli 1909. Goldammer. weibchen am Neſt. Männchen, die Jungen fütternd. dorn herunter, trug ihn ein Stückchen weit, bis ſie ſich ſicher wußte, und verzehrte ihn, knurrend vor Befriedigung. Nicht lange darauf ſaß die Goldammer wieder auf den Eiern und die Jungen der erſten Brut waren in der Umgebung zerſtreut. Es war manches anders geworden rund herum, alles Grün dunkler und dichter, die Mittage heißer und ſtiller. Der Weißdorn hatte längſt abgeblüht, ſchon löſten ſich leiſe die Blätter der Wegroſen und ſanken zu Boden, des Morgens ſtand der Tau in ihren duftenden Schalen, die überall auf der Erde lagen und von der Hecke herabrieſelten. Im Garten vor dem roten kleinen Haus flogen die Weißlinge, ſtanden die Pfingſtroſen weit offen. Die Ebene flim— merte, hin und wieder kam der Grauammer herüber, ſaß ſtill wie ein Fremdling einen Augenblick auf den Telegraphenſtangen und flog lautlos wieder ab, wenn der Bahnwärter aus ſeinem Häuschen trat. Der Wald ſandte oft eine Woge ſchweren Harzduft herüber oder ein einſames Droſſellied. Der Goldammer flog jetzt gern hinüber zu den grünen Wieſen, in denen das Gras hoch ſtand und allerlei Nahrung auf ihn wartete. Da ging er gebückt zwiſchen den langen Halmen, las kleine Käfer ab, die daran ſaßen und weiche Raupen, zauſte ein grünes Heupferd zu Tode oder 518 K. Spengler. Rothehütte (Harz), August 1909. Goldammer am Neſt. holte ſich die Samen vom Unöterich und harte kleine Grasſamen, indem er, darauf ſitzend, die Ähren zur Erde bog und ausklaubte. Hatte er genügend Körner geſpelzt, ſo ging's noch weiter hinein in die Wieſen bis zum Waſſer. Dort nahm er ein Bad und ſetzte ſich zum Abtrocknen auf eine der Weiden. Da lag er halb auf einem Sweige, das häubchen geſträubt, den Schnabel offen und den Schwanz auseinandergefaltet, pludderte das Gefieder auf, daß die nackte Haut zwiſchen den naſſen Federbüſcheln frei lag und ſonnte ſich. Als auch die zweite Brut ausgeflogen war, zog das Pärchen ganz in die Wieſen hinüber und das Bahnwärterhäuschen ſah ſie von nun an nur noch als Gäſte, wenn ſie des Abends herüberkamen, um in der gewohnten Hecke zu übernachten und des Morgens früh wieder abzogen. Der Wärter war zu der Seit ſchon auf und begrüßte ſeine Dögel, wenn er den erſten Hug erwartete oder ſeine paar Sommerblumen goß. Bald aber kamen ſie gar nicht mehr. Sie waren von den Wieſen weiter— gezogen, nach den Hügeln zu, wo auf den Feldern das erſte Getreide reif wurde. Dort hielten ſie ſich jetzt am liebſten auf. Als der Weizen geſchnitten war, kamen fie im Suge der Verwandten auf die leeren Felder und folgten 519 M. Steckel. Slawentsitz, Februar 1909. Goldammer auf kahlem Aſt. den Spuren der ausgefallenen Körner, ſpäter den Dreſchern in die Tennen. Dort balgten ſie ſich mit Sperlingen und ihresgleichen um Bettlerbrot und wurden fett dabei. Sie blieben auch in der Nähe, auf den Feldern, als mit dem Frühherbſt die Mauſer kam und ſie faul zum Fliegen machte. Da ſah man oft ein Goldhäubchen über einer braunen Furche auftauchen, wo ſie träge ſaßen oder ihrer Nahrung nachgingen, bis der Morgen wieder zum Abend wurde und ſie ſich aufmachten in die Hecken und Säune der Umgegend, in Kornfeimen oder wo ſie ſonſt einen Unterſchlupf fanden, der den Herbſtwind abhielt. Es war ſpät im Jahr geworden. Die Ebene brannte in heißen, dunkeln Tönen, braun und gelbrot, wo das Gras trocken geſtanden hatte, die Wolken hingen graurot darüber, als bärgen ſie noch ein letztes Sommergewitter. Diolett ſchimmerte die nackte Ackerkrume, ſelbſt das Grün im Moor jah fahl und alt. Der Sturm pfiff über das Flachland und orgelte dunkel im Walde. So trieb er's mehrere Wochen und verſchlug die Dögel nach den Gehöften zu. Der Goldammer ließ ſich's aber nicht nehmen, dazwiſchen eine Stunde auf einem freien Plätzchen zu dichten, wenn der Regen nachgelaſſen hatte und der Wind ihm den Atem dazu ließ. Der ließ ihn freilich oft nur 520 O. Pfaff. Leipzig, November 1908. Goldammer auf kahlem Birnbaum. anſetzen, dann wehte er das Liedchen ſamt dem Dogel von der Höhe herunter und trug beide ein Stück weit fort. Eines Morgens nach einer wüſten Nacht war der Sturm ſtill geworden. Über den Feldern lag es weiß, in unregelmäßigen Streifen hingepeitſcht. Es war Ruhe geworden, aber die Ruhe der Erſchöpfung, die neuen Sturm in ſich trug. Die ganze Natur lag nachdenklich ſtill, ſie wartete auf etwas. Mittags fing es leiſe an zu ſchneien. Leiſe, erſt in kleinen Flocken. Den ganzen Nachmittag ſchneite es fort, als wollte der himmel die Erde einſpinnen, doch die ſchweren Schneewolken hingen immer tiefer herab, ſie fingen erſt an, ſich zu entladen. Allmählich wurden die Flocken größer, eine legte ſich zur andern, weich und leiſe, unermüdlich. Sie hatten noch viel zu tun dieſe Nacht. Eine dicke Decke über die Felder, Bäume und Büſche einkleiden, Gräben füllen und Hütten verbauen. Sie dichteten während ſie fielen, ſie wandelten die Welt. Aber es eilte. Kaſch und raſcher kamen fie, größer und größer. Und ſchließlich fingen ſie an zu tanzen. Sie mußten gehorchen, der Wind nahm ſie mit. Und der Wind wurde zum Sturm, trieb ſie heulend vor ſich her, jagte ſie im Wirbel, warf ſie klatſchend an häuſermauern, einſeitig an die Stämme im Walde, verwehte Weg und Straßen und legte die Richtbäume um. 521 Es war kein Raum mehr zwiſchen Himmel und Erde, nur Schnee und Sturm. Dabei wurde es dunkel. Menſch und Tier hielt ſich verſteckt, keiner mochte in dem Unwetter draußen ſein. Keiner? Der Sturm heulte und ſang. Da Rlingt’s an der Straße „zitz, zitz“ und leiſer „ſchürr“ im Brauſen des Windes, fern und unſicher, wie zufällig in ſein Lied gekommen. Doch es kehrt wieder: „zit, zitz,“ ein Stückchen weiter an der Straße. Dann verſchlingt es der Sturm und die Nacht. Der Morgen treibt die Derjchlagenen halb ohnmächtig in die Nähe der Menſchen. Als der Februar wieder kam, flogen zwei Ammern über den Bahndamm und machten ſich drüben an den Büſchen zu ſchaffen. Es ging Tauwind, der Schnee war weg, überall rieſelte und ſang es. Der Bahnwärter trat aus ſeinem Häuschen und ſah ſich um, die Luft ging ihm lau ums Geſicht. Da ſah er den Ammer auf einer Telegraphenſtange ſitzen, den gelben Schopf gezauſt vom Winde, die Federn verblaſen. Aber er ſang. Er ſang zum erſten Male wieder. Der Frühling kommt! R. Zimmermann, Rochlitzer Berg, Mai 1909. Goldammermännchen, nach Futter ſuchend. 522 Die Märzente. Von Fritz Bley. Die Wuſſower Seen brüllen nachts, Sägemüllers Fenſterſcheiben haben ſich vom Froſte Blätter aus der Braunkohlenzeit aufmalen laſſen, das Röhricht kniſtert und raſchelt vor Froſt in der windſtillen Luft, Mühlenrad und Waſſergang ſind eingeſchlafen. Geſtern noch dampfte auf dem großen See am Oberfließe eine Wuhne. heute iſt auch die zugefroren, und nur im Unterfließe, wo aus dem Langenberge Sprind um Sprind in der Wieſe zutage treten, iſt jetzt noch offenes Waſſer. „Paak, paak!“ Da geht's jetzt luſtig zu! Schubheidi! Die Grauen ſtürzen ſenkrecht nieder, recken den Bürzel in die höhe und — ſchubb! — ſind ſie gründelnd hinunter. Schubb, wieder hoch: zwei löſtliche Eicheln im Schnabel! „Raaak!“ ruft ein alter Entvogel, der von ferne luſtig herbeigeflogen kommt und mitten unter die Schar einfällt. Er ruſchelt ſich das zartgraue weißgewellte Unterkleid zurecht, ſtellt die gekrümmten Steißdechfedern hübſch auf und prahlt mit ſeinem ſtahlgrünen Kragen und dem weißen Balsringe unter den Enten umher. Dann recht er ſich auf, ſchlägt mit den Schwingen, legt die ſchönen blauen Deckfedern wieder zurecht und macht ſich nach Möglichkeit niedlich. Aber da das gefräßige dumme Weibervolk von ihm noch gar keine Kenntnis nimmt, ſtürzt auch er, gründelt und kommt mit einer Eichel wieder hoch. Ei, ei, das iſt was Feines! Und da unten liegen ſo viele! Überhaupt, Alles was wahr iſt: dies Wuſſower Fließ iſt die anſtändigſte Gegend für Enten ringsherum! Namentlich zur Winterszeit! Hier wird man nicht gleich, wenn man morgens herbeiſtreicht und einfällt, mit Schrot beſpritzt, wie drüben in Grimnitz und Wornow und Kocenhagen und Doigtsfelde und gar bei den Bärwalder Bauern! Schubheidi! hinunter, herauf: wieder eine Eichel! Wo die nur alle herkommen mögen? Die nächſten Eichen ſtehen doch weit drüben am Berge! Aber das iſt alle Jahre hier ſo. Schubheidi; hinunter, herauf: wieder eine! Alle Jahre iſt's hier ſo: wenn überall die Nahrung knapp wird, hier in Wuſſow finden Entvogel und Ente immer gedeckten Tiſch. Waſſerkraut fehlt ja auch an dieſen ſprindigen Stellen nie. Und vom herbſtlichen Seggeſamen findet ſich immer noch ein Körnlein. „Raaak!“ ruft der alte Entvogel nochmals, und heftig ſchlägt er mit den Schwingen. Diesmal aber hat der Ruf einen ganz andern Ton. Sorn 525 M. Behr. Cöthen, Oktober 1908. Gründelnde Wildenten. und ärger liegt darin. Und da ſteht er auch ſchon flutſchend auf, ſteigt ſchwerfällig ſteil aufwärts und ſtreicht dann mit zunehmender Schnelligkeit einem andern entgegen, der ſich eben auf ſeiner Wuhne häuslich niederlaſſen wollte, jetzt aber ſchleunigſt abbiegt und Reißaus nimmt. Im Derfolgen verſetzt der Alte dem Frechen, den er neulich erſt in hartnäckigem Beiß— kampfe zu Fuß erledigt hatte, ein paar tüchtige Schnabelhiebe, und dann kehrt er zu ſeinem Wuhnenglücke zurück. Dort iſt die ganze Geſellſchaft durch den erneuten Kampf der beiden Entvögel nun doch in Aufregung verſetzt worden. Umſonſt haben ja auch die Herren Erpel ihr ſchönes Staatskleid nicht angelegt; und wenn ſie auf Liebesgedanken kommen und einander zornig bekämpfen, ſo verfehlt das ſchließlich ſeine Wirkung auch auf die Enten nicht. Da hat das Spiel ſchon begonnen! Kaaak! Was er hat, was er kann, jagt der alte Entvogel hinter einer Ente her. Aber ſchon an der Waldecke überholt er ſie und übernimmt ſchicklicherweiſe die Führung. Jetzt hoch über den Kienberg weg, um den großen See herum und dann wieder zurück — 524 Graf Münster. Guteborn, September 1909. Stockenten. o, was iſt die Welt ſchön im herrlichen Froſtkleide des Hornung! Aber am allerſchönſten iſt es doch hier auf der Wuhne im Unterfließe, auf der das Pärchen nun wieder einfällt! Kaaak! Der Entvogel iſt jo verliebt in die hübſche ſchlanke Jährlingsente, daß er ſie auf das Eis zu treiben verſucht, um ſich dort das Jawort zu holen. Aber ſie witſcht ihm immer wieder aus und flüchtet ſich mitten hinein unter die andern. Die ſchwimmen jetzt, leiſe ſchnatternd zuſammen. Gack, jack, jack, gack! Da wird auch der Entvogel aufmerkſam und ſteuert den Dorſichtigen nach. Und plötzlich: blubb, blubb, blubb, blubb, duddu, duddu, duddu, wurrrr, wurrrr — pchch, pchch, pchch! Da ſind ſie hin! In weitem Bogen um die Waldecke herum, über die Wornowſchen Seen weg, um Doigtsfelde herum. „Kommen Sie nur fort!“ ſagt der Förſter, der am Stamme einer ſtarken Kiefer lehnend dem munteren Treiben der Enten zugeſchaut hatte, zu dem Gutsinſpektor. „Wir wollen ihnen ſchnell einen KRuckſack voll Lupinen ſchütten. Sie werden nicht lange bleiben, drüben haben ſie ja nirgends offenes Waſſer!“ 525 Richtig, da kommt die ganze Sippſchaft auch ſchon wieder in langer Reihe um den Wald herum; aber ſie Rreilt erſt noch ein paarmal, ehe ſie wieder einfällt. An den Förſter iſt ſie ja gewöhnt; der kommt öfter hier vorbei und iſt nicht jo ſchlimm, wie die andern zweibeinigen Raubtiere, nament— lich wie die halbwüchſigen, die hinter den Kühen herlaufen. „Meinen Sie nicht, daß die Enten uns gewittert haben?“ „Aber! Wie ſoll denn der Dogel mit ſeinem harten Schnabel wittern können!“ „Von der Märzente glaube ich das doch! Wenn man ſie unter Wind beſchleicht, kommt man ganz nahe heran, mit Nackenwind werden ſie immer unruhig und ſtehn auf, wie eben!“ „Aus dem einfachen Grunde, weil ſie dann jedes leiſe Rauſchen der Kleider vernehmen. Die Ente iſt doch ebenſo feinhörig, als ſie ſcharf— ſichtig iſt!“ „Das mag freilich ſein! — Haben Sie den Entvogel beobachtet? Die Reihzeit muß bald beginnen!“ „Sagen Sie lieber: ſie iſt da! Wenn ein Jüngling ſich vor dem Spiegel ſchniegelt und bügelt, ſo hat er Tanzſtundenſehnſucht. Der Entvogel macht es genau jo: wenn er ſich den Hochzeitsſtaat anzieht, jo geht der Rummel los! — Sehn Sie, da jagt er ſchon wieder mit einem andern Erpel hinter der Ente her!“ „Ein Prachtkerl!“ „Na ja, ich laſſe es ja gelten, daß man ſich jetzt ab und zu einen zum Ausſtopfen ſchießt. Aber wie ſie es drüben in Grimnitz und Kocken- hagen treiben, das iſt doch ein Skandal! Wo ſollen denn die Enten her— kommen, wenn man fie in der Reihzeit verjagt? Wenn es nach mir ginge, dürfte vom erſten Hornungs ab keine einzige mehr geſchoſſen werden!“ „Haben Sie dies Jahr wieder neue Schutzlöcher angelegt?“ „Unten im Kuckucksvenn laſſe ich Gräben ausheben und die Erde zu Rücken aufwerfen, die ich mit Korbweiden bepflanze. Den Rand beſetze ich mit Fichten. Das gibt einen ſchönen Brutſtall, und nach zwei Jahren kann ich ſchon die erſten Ruten zu Körben ſchneiden laſſen.“ „Die können wir gut gebrauchen!“ „Nicht wahr? Und die Enten auch! Aber die Hauptſache müſſen Sie tun! Geben Sie den Weibern die Erlaubnis zum Ausjicheln des Graſes in den Gräben nicht vor dem Heuet! Dann jagen Sie die Enten nicht mehr ins Getreide und vor die Maſchinenmeſſer! Und laſſen Sie unten im Fließe an den ſauerſten Stellen das Gras bis zum Heuet ſtehen. Es gibt ja doch nur Streu, aber den Enten bietet es dann Schutz! Aber Sie können ja nicht leben, wenn die Wieſe nicht jo ratzekahl geſchoren iſt, wie Ihr Kopf beim Barbier!“ 526 Y7u9atavııg Pquamag 1 m r „Schlagen Sie Ihre Kiefern denn nicht auch ratzekahl herunter?“ „Na, hören Sie wenn Sie glauben, daß mir das Spaß macht, dann ſind Sie auf dem Holzwege! Wenn es nach mir ginge, gäbe es überhaupt nur geplenterten Miſchwald! Nutze ich nicht jedes Loch zu Caubkulturen aus? Umſonſt haben wir doch hier nicht den guten Rehitand, und meine Faſanen und Enten können ſich doch wohl ſehn laſſen!“ „Na, alſo gut: Sie können die Stellen bezeichnen, wo das Gras im Fließe ſtehen bleiben ſoll!“ „Dann paſſen Sie mal auf, was für Enten wir da haben werden!“ Durch die Wipfel hoher Föhren und Eichen fällt das Licht der Dor— mittagsſonne auf den verſchneiten Wald. „Kaaak!“ ſchreien draußen über dem Fließe die reihenden Entvögel. „Kaak!“ — — „KNaaak!“ * * * Im Wuſſowſchen Walde iſt mancher offene Tümpel, den der Förſter an den Rändern mit dichten Werftweiden umpflanzt und durch Saatkugeln mit Röhricht beſetzt hat. Das gibt mit ſeinen erſten grünen Schoſſen dem Rotwildtiere, das in einem ſolchen Derſteck ſeinen heimlichen Stand nahm, willkommene Suckerſpeiſe und bietet der Ente ſchöne Deckung zum Brüten. Die große Hirſchmutter kennt das Neſt und guckt manchmal hinein. Aber die Ente weiß, daß die ihr nichts tut; ſie hat ja ſelbſt ein Kalb und weiß, was heimliche Mutterliebe zu fürchten hat. Alſo brütet die Ente darauf los, wendet fleißig ihre blaßgrüngrauen Eierchen, die ſich immer voller an— fühlen, bis, ehe der Mondwechſel herum iſt, die kleinen olivbräunlichen Jungen ausſchlüpfen, die ſofort in Waſſer und Schlamm herumſchnattern. Bald ſind ſie nicht allein. Eine zweite Ente brütet auf dem Kopfe einer Weide an demſelben Tümpel. Als ihre Kleinen ausgeſchlüpft waren, trug ſie ſie im Schnabel hinunter aufs Waſſer. Dort haben ſie's gut: keine Ratte im ganzen Loche, kein Hecht und kein Wieſel! Dagegen wimmelt es hier von Stechmückenlarven, die als Puppen an die Oberfläche ſteigen. Das gibt ein luſtiges Gründeln für die Entchen. Alles wird durchſchnattert und durch die feine Sähnelung des Schnäbelchens gezogen, um dann verſchluckt zu werden. Don früh bis ſpät iſt die luſtige kleine Geſellſchaft gefräßig, und nur in den Mittagsſtunden ſonnt ſie ſich auf einem trockenen Plätzchen neben der Mutter. Die freut ſich, daß es in dieſem Jahre ſo viele, viele Mückenlarven gibt, die doch die köſtlichſte von allen Gaben des Himmels ſind. Denn was ſollte ohne dieſe Brut aus der Entenbrut werden! Die Menſchen ſind ſchlecht! Wo ſie ſich einniſten, gießen fie ſtinkendes Gl auf die Tümpel, um die Mücken am Kusſchlüpfen zu verhindern. Im vorigen Jahre hatte auch die Kälte die Entwicklung der Larven verhindert; da ſtarben der Alten 528 i e — Be — 8 = S S = © 8 ärzente, M GO wpy ‘72527 pun umaag * a, | ER 7 4# 18. 4 * — 0 "| 7 N * A * 4 aolloar use inv ejuß aun jocag us gap ut 257 2 Vögel II. ihre mit jo liebevoller Wärme ausgebrüteten Kleinen vor Hunger dahin. Sum Erbarmen war's! Vierzehn Stück oder jo ungefähr hatte ſie ausgebracht, aber eins nach dem andern kümmerte und ging ein. Dies Jahr aber ilt fein! Feuchter März und warmer Mai: nein, iſt das ein Geſchnatter hier auf dem Loche! Die grüne Entengrütze iſt ganz zerwühlt und die Kleinen haben ſich am Rande im Graje ordentliche Steige getreten; denn ſie machen nun ſchon von ſelbſt kleine Ausflüge. Die Alte hat ſchon ihre Not, ſie zurückzuhalten; und ſie ſind doch noch Jo ſchrecklich dumm! Neulich hatten ſie ſich auch weit weg vom Tümpelufer gewagt, da kam der grüne Mann mit ſeinem braunen Hunde. Der ſtreckte den Bürzel ganz ſtockſteif weg, hob einen Schwimmer auf und ſtreckte den Schnabel vor den Jungenten aus. Aber er tat ihnen nichts, und der Grüne rief ihn zurück. Aber der Hund iſt ſchlimm, ſehr ſchlimm! Sobald nun die Entchen noch ein bißchen größer ſind, daß ſie ſich vor dem Schnapphechte und dem Kaubvogel zu hüten verſtehen, wird die Alte mit ihnen auf das Fließ hinabwandern und dann nachts über den Berg auf den großen See ins hohe Schilf. Lange kann das ja nicht mehr dauern; denn ſie nehmen nun zuſehends zu hier bei der köſtlichen Atzung von Mückenlarven und dem Samen des flutenden Süß— graſes, ihrer Lieblingsäſung! Draußen auf dem See wird es dann Kaul— quappen im Röhricht geben und Schnecken und Kleeblättchen in der Wieſe und lange dicke Tauwürmer, die im Mondſchein ſpazieren kriechen, und Fiſchbrut und Jungfröſche dazu! Alles, alles können die lieben kleinen Enten freſſen! Ach, das Leben wäre wunderſchön, wenn nur nicht Alle, Alle die lieben kleinen Enten freſſen wollten! Da iſt der Hecht und der furcht— bare Habicht, die eklige, freche Krähe, das blutdürſtige Wieſel, der ſtänkerige Iltis und der Fuchs: alle wollen ſie die armen Enten freſſen! Aber das ſchlimmſte Raubtier iſt doch das lange zweibeinige grüne mit ſeinem braunen Hunde! Dort iſt er ſchon wieder! Geräuſchlos iſt die Alte unter das Wurzel— werk eines Werftweidenſtrauches geglitten und leiſe piepend und quäkend ſchwimmen die Jungen herbei oder paddeln ſich durch das Kraut zu ihr heran. Der Hund ſteht noch immer vor. Immer näher rückt er an das Ufer heran. Die Alte meint, daß ihr Gefahr droht. Quäkend ſteht ſie auf, flattert ängſtlich über den Hund hin und ſchwärmt dann, als dieſer vom Förſter abgerufen wird, in immer größeren Kreiſen herum. Erſt als ſie ſieht, daß der Förſter mit anderen Sweibeinigen, die unten rund und breit ſind, und mit ſeinem Hunde fortgeht, fällt ſie wieder bei ihren Jungen ein, die ſich piepend zu ihr heranarbeiten. Hier wird's ungemütlich! Sobald die Kleinen die zweite Schnur der Deckfedern geſchoben haben, wandert ſie aus: das ſteht nun bei ihr feſt! 530 W. Köhler. Berlin, Mai 1909. Märzente, ihre Jungen führend. Aber ſchließlich beruhigt ſie ſich. Anderswo iſt es doch viel, viel gefährlicher als in dieſem hübſchen Derjtecke. Und von allen ſchlechten Menſchen iſt dieſer Förſter der ſchlechteſte noch lange nicht: er hat doch wieder ſeinen Hund abgepfiffen! K * * Der Hochſommer iſt da! Die ſchlimmſte Not iſt überſtanden. Die Jungen ſind flugbar und mit der Mutter auf den See gewandert, wo ſich mehrere Schoofe zu einer Schar zuſammenziehn. Auch die Entvögel haben die Rauhzeit hinter ſich, in der ſie nicht fliegen konnten und die dickiten Moraſtverſtecke aufſuchen mußten. Sie tragen jetzt ihr ſchlichtes Herbſt— kleid, das die Aufmerkjamkeit böſer Feinde weniger auf ſie lenkt, als das prahlend lebhafte Hochzeiterkleid. Tagsüber liegen die Scharen auf dem Waſſer. Aber wenn die Sonne nach dem heißen Tagewerke glühend hinter dem Dunſte des Waldſaumes niedertaucht und die erſten bleichen Nebel aus den Wieſen aufſteigen, dann hebt ſich Schar um Schar aus Schilf und hohem 34 * 531 — — 5 . an KR Steenhuizen. Voorschoten, April 1905. Brütende Märzente. Wieſengraſe auf und zieht in langen Flügen am Abendhimmel hin den lockenden Haferfeldern oder noch lieber den köſtlichen Gerſtenſchwaden zu. Mit ihrem einzigartigen Scharfblicke erkennen ſie aus weiter, weiter Ferne, wo tagsüber die Schnitter eine Gerſtenbreite auf die Schwad gelegt haben; und pfeilſchnell ſtreben ſie ſauſenden Fluges dieſem Felde zu. Aber ehe ſie einfallen, umkreiſen ſie die Schwad wieder, immer wieder, bis ſie endlich Vertrauen faſſen und ſich geräuſchvoll niederlaſſen. Einen Augenblick noch ſichern fie. Dann verkündet das laute „Kaak!“ eines alten Entvogels, daß die Mahlzeit beginnen kann und alt und jung gibt ſich dieſer luſtigen Arbeit hin. Was ſo ein alter Entvogel dabei nicht alles zu erzählen weiß! Man glaubt gar nicht, wie ausdrucksvoll ſein leiſes Schnattern iſt! Da blitzt es aus einem mit Gerſte bedeckten Loche auf, und heißes Schrot ſpritzt mitten in den dichteſten haufen. Ein paar Enten zappeln am Boden. Entſetzt ſtehn die andern auf, aber ehe ſie hoch kommen, blitzt, knallt, raucht, ſtinkt und ſpritzt es noch ein paarmal; und dann kommt ein großer Hund, ſchnappt nach den flügellahm Geſchoſſenen und trägt ſie ſeinem 952 O. Pfaff. Leipzig, April 1907. Legende Märzente. Herrn in dem Loche zu. der iſt inzwiſchen aufgeſtanden und drüben ſteigt ein anderer lachend aus feinem Loche, der auch drei oder vier Enten auf— lieſt. Doch ſchnell verſtecken ſich beide wieder und auch der Hund klettert zu ſeinem Herrn hinunter. Puji, puji, pui, pui! Schon wieder kommen andere Enten gezogen, kreiſen über dem Felde, fallen ein und gehn in die Gerſte. Wieder Schüſſe und Entengeſchrei, polterndes Aufitehn, haſtiges Quäken, fallende Enten und pfeifender Flug, der in der Abendſtille verklingt. Langſam ſteigt der Mond über das Feld herauf. Da kommt eine dritte Schar gezogen. Sie kreiſt länger und vorſichtiger als die andern beiden. Drüben in Kockenhagen hat ſie ſchon Dampf ge— kriegt und ein halbes Dutzend Tote gelaſſen. Aber ſchließlich faſſen ſie Mut und fallen ein. Diesmal warten die Jäger aber nicht, bis ſie am Boden ſind, ſondern geben auf die Niedergehenden, die ſich vom Himmel noch gut abheben, Feuer. Mit wildem Gepolter donnert die ganze Schar davon. Aber drei liegen tot am Boden, und zwei andere greift der Hund. 535 „Das hat gelohnt!“ meint lachend der Injpektor. „Und morgen lohnt es noch einmal!“ antwortet der Sörſter. „In drei Tagen haben wir Vollmond! Solange werden ſie wohl kommen! Wir ſetzen uns dann hinter die Hocken!“ „Machen wir! Aber Sie ſollten ſich den Mond in den Rücken nehmen; da haben Sie beſſeres Licht!“ „Wollen wir es nicht auch mal mit dem Früheinfalle im Fließe ver— ſuchen?“ „Wenn ich raten darf, nicht! Sehn Sie: hier auf der Gerſte tun Ihnen die Enten Schaden. Und wer weiß überhaupt, woher die kommen! Meilen— weit meiſtens! Wenn ſie ſatt ſind, kehren ſie heim, wer weiß, wohin! Die nehmen wir alſo, ſo viele wir nur herunterholen können. Aber die morgens, von unſerem oder fremdem Felde kommend, auf dem Fließe oder den Wieſen einfallen, die wollen wir doch ſchonen; denn die haben doch die Abficht, bei uns zu bleiben. Die können wir uns dann im Herbite holen, wenn ſie hübſch voll und ſchwer ſind!“ „Hören Sie, Förſter, das iſt eigentlich die allerſchönſte Entenjagd! Denken Sie noch an den Ohtobermorgen im vorletzten Jahre, als die Hirjche am Kienberge ſchrien und die beiden Birkhähne auf der nebeligen Wieſe kullerten und die Enten Schoof auf Schoof vom Felde zurückkehrten und auf den Blänken neben uns einfielen? Herrgott, war das ein Flügelpfeifen, Hlatſchen, Klingeln, Knäcken, Schwirren, Quarren, bis ich endlich dazwiſchen ſchoß!“ „hätten Sie lieber nicht geſchoſſen und gewartet, bis der Hirſch zu Holze gezogen war, der oben an der Brandſchonung ſchrie!“ „Wenn es nach Ihnen ginge, käme ich überhaupt niemals zu Schuß!“ „Na, ich denke, Sie haben heute abend Ihren Galgen voll genug!“ * * * O, Mütterchen, Mütterchen, was ſoll nur werden? heute lebt der ganze See! Draußen ein Kahn am Rande des Rohres, hier einer mitten drin. Und der ganze See voller Kähne! Dort fährt einer ins Röhricht und dort und dort!“ Die alte Ente ſchweigt. Sie weiß ſchon Beſcheid! Schon zweimal hat ſie dies erlebt und nicht immer ſind aller guten Dinge drei. Schon als ſie mit ihren flugbaren Jungen hier den Kockenhagener See bezog, fiel ihr auf, daß in das Röhricht rechtwinkelige Schneufen gehauen waren. Wenn ſich ein Kahn auf die Spitze dieſes Winkels ſtellt, können zwei darinſitzende Jäger nach links und rechts hin die Schneuſe beſchießen. Und wieviele ſolcher fürchterlichen Übergänge find in dem Rohrwalde, der bisher den armen Kinderchen ſo ſchönen Schutz geboten hat! Da wird man fleißig tauchen, 534 ol wo pdap lung dus gap ut M,. Kohler, Bei Berlin, Oktober 1908. Pärchen Märzente. unter Geknäck und Kraut ſich verjtecken müſſen! Aber dann kommen die Hunde, die böſen Hunde, die alle aufſtöbern und greifen, was ſich nicht hinaustreiben läßt. Dorfichtig ſammelt die Alte ihr Schoof um ſich und überlegt. Soll ſie warten, bis die Gefahr unentrinnbar wird? Dort draußen in den Kähnen kommen ſie gezogen mit Feuerſpritzen und Hunden, langhaarigen und glatten. Um den Leib geſchnallt haben ſie braune Dinger, darin ſtecken grüne und rote Pflöcke. Wenn fie die in die Seuerrohre jtecken, blitzt, knallt, ſtinkt und ſpritzt es den Enten den Tod ins Gefieder. Und dazu freſſen die zwei— beinigen Raubtiere tote Schweine, die zerhackt und in ihre eigenen Därme geſtopft in den Kauch gehängt ſind, und tuten auf den blanken Flaſchen, aus denen ſie brennendes Waſſer trinken. Und dabei rühmen ſie ſich grölend, wieviele Enten ſie dort geſchoſſen haben und wieviele dort, und ſchimpfen dann noch dazu, daß es immer weniger werden von Jahr zu Jahr! Die Alte kennt dieſe Feinde ſchon. Es iſt eine weitverzweigte Bande von Förſtern, die hier alle Jahre den Kockenhagener See bejagt. Weil ſie 536 R. Zimmermann. Rochlitz, Fanuar 1909. Sliegende Märzenten. dabei ganz unter ſich find, nennen fie es „die Exzellenzenjagd“. Und mit allen Nichtswürdigkeiten betreiben ſie die! Quääk, quääk — bautz, bautz! Da liegen ſchon zwei arme Enten, und zwei Köter ſind aus dem Kahne geſprungen und holen ſie herein. Hier gibt es nur eine Rettung! „Kinder gebt acht! Ganz ſtill heraus, ſteil in die höhe, rechts über das Rohr herum und über die Fichtenſchonung. Gelingt es, ſind wir durch!“ Es gelingt. Geſchrei hüben und drüben. Ein Hagel von nachgeſandtem Schrot. Weit, weit drüben auf dem Wuſſower Fließe erſt fällt das Schoof ein und die Alte gackert leiſe von einem zum andern und ſtellt feſt, daß ſie alle beiſammen hat bis auf das Neſthäkchen, das ſich nicht herausgetraut hat, als es das Leben galt. Nack, jack, jack — gäck! Drüben aber geht es von Schneuſe zu Schneuſe. Überall Schüſſe, Entenſchreie, planſchende Treiber und tauchende Hunde, abermals Schüſſe und Freuderufe. Dann fahren alle Kähne zuſammen und es wird ſtille über dem See. Abends kommt der Fuchs und hält Nachleſe im zertretenen 537 W. Köhler. Berlin, Mai 1909. Alte Märzente mit Jungen auf dem Lande. Rohre, und der Mond ſchielt aus dunkelm Gewölke herab auf Reinekes lichtſcheues Treiben. Quääk! Blubb, blubb, blubb! Da hat er eine! Die andere drüben tauchte vor ihm weg. Aber als ſie den Schnabel unter einem Mummelblatte hervorſtreckt, um ein bißchen Luft zu ſchnappen, hat der Spitzbube fie auch weg. Quääk! Mit zweien über der Schulter ſchnürt er lachend davon. Am andern Tage wird der ganze Teich bejagt. Der Müller hat alles Waſſer heruntergelaſſen. Trotzdem müſſen die Räuber und Mörder bis an die Bruſt hinein. Die Schützen ſind zwiſchen die Treiber verteilt und ſie ſehen ſchon aus wie richtige Verbrecher! Keinen ordentlichen Stiefel an den Beinen, nur lotterige Schuhe mit Löchern, aus denen das Waſſer wieder herauslaufen kann und Leinenhoſen darüber, die ſie ja wohl den Dogel— ſcheuchen geſtohlen haben! Den Gürtel mit den roten und grünen Feuer— pflöcken haben ſie um den Hals gehängt und den Feuerpüſter tragen ſie ſenkrecht. Denn wenn einmal einer den andern ankraßt, jo gibt es einen Höllenſpektakel, als ſei ihm das bitterſte Unrecht geſchehen. Aber die armen Enten müſſen dran glauben! Den Himmel empört es! Ein Bullkater zog ſich zuſammen und bricht nun mit Blitz und Donner los, gerade als die Schützenkette mitten auf dem Teiche iſt. Aber die laſſen ſich nicht irremachen, an denen iſt Pech und Schwefel verloren! Die Enten wiſſen gar nicht mehr aus noch ein. Aber die Räuber und Mörder blitzen und knallen mit dem Gewitter um die Wette und nehmen den Teich, als der erſte Trieb zu Ende iſt, gleich noch einmal kehrtmarſch im zweiten Triebe vor. Das gibt ein Entenſterben, von dem der Schrecken noch lange umgehen wird unter allem, was gaakt und knäkt und Raakt. 538 IT. Behr. % 8 Cothen, Oktober 1908. Gründelnde Märzenten. Aber als die Unholde am Ufer im ſtrömenden Regen die Gemordeten in eine Reihe gelegt haben, immer die zehnte um eine Halslänge voraus, meint der Dicke mit der roten Naſe und den vier Augen, was der Räuber- hauptmann von der ganzen Bande iſt, dieſer Gewittertrieb ſei die ſchönſte Exzellenzenjagd ſeines Lebens geweſen. Häk! — Aäk! 1 2 5 Reihzeit in Berlin: man muß es geſehen haben, um es zu glauben! Hinter dem häuſermeere verſinkt nach einem ſchönen Märztage mit trübem Rot die Abendſonne. Da hält es den Entvogel am Neuen See nicht mehr. Schon lange macht er der ſchmucken Jungente den Hof. Jetzt treibt er ſie auf; aber kaum ſind beide flutſchend aufgeſtanden, da jagt auch ſchon der Alte vom See mit ärgerlichem „Kaaak!“ hinter dem Kurſchneider und ſeiner Liebſten her. Klingelnd und pfeifend geht es um den Keichstag herum, am Ufer entlang, zum Kupfergraben, durch die Dorotheenſtraße 2 Jıe 2 Februar 2900. Geläufe der Stockente am Waſſer im Schnee. 539 O. Grabham. Vorkshire (England), April 1905. Eben ausſchlüpfende Märzenten. zurück, hinunter zum Soo, wieder herum, an der Schleuſe hoch und dann an der Potsdamer Brücke nieder. „Kaaak!“ „Jawoll: Kaaak!“ ſchreit oben auf der Brücke ein Berliner Junge, der luſtig dieſem Treiben zuſchaut und den Enten ein Stückchen Semmel hinabwirft. Er kennt ja die Enten im ganzen Weſten und fühlt ſich als ihr ritterlicher Beſchützer. Welche Empörung, wenn er im Sommer feſtſtellen muß, daß von „ſeinen“ zwölf Jungenten, die an der Löwenbrücke am Neuen See die Märzente führte, über Nacht die Ratten vorgeſtern drei und geſtern wieder zwei geholt haben! Und die Freude, als im letzten Sommer ſeine Lieblingsente — wißt Ihr, die mit dem weißen Fleckchen an der Stirn! — ihre Jungen auf das Springbrunnenbecken am Bismarckdenkmale geführt hatte! Halb Jung-Berlin mußte er das zeigen, und wenn die Alte mit ihren Kleinen herankam, um ſich mit Semmeln, Obſt und dem Schinken von den Frühſtücksſtullen füttern zu laſſen, ſo ſetzte er auseinander, daß dieſe ſeine Ente — — „Deine? Woſo denn? Die jeheert doch dir nich alleene?“ „Na has du ſe villeich zaerſt jefunden?“ — — alſo daß ſeine Ente zeige, wie die Wildtiere vertraut und ſchließ— lich Nutztiere des Menſchen geworden ſeien! Und ob es nicht herrlich ſei, mitten in Berlin dies ſchöne Wild zu haben: die Märzenten und die jo vertraut gewordenen Ringeltauben ? 540 Steenhuizen. Voorschoten, April 1905. Neſt und Gelege der Märzente. „Na jewiß doch!“ Ganz Jung-Berlin iſt ſich darin einig. Und die Alten auch. Selbſt von denen, die wie wildgewordene Autos hinter ihren Geſchäften herraſen, wirft doch an der potsdamer Brücke oder am Keichstagsufer der Eine oder Andere einen freundlichen Blick hinunter auf dies letzte Stückchen freien Naturlebens im überhaſteten Großſtadttreiben. Um ſo betrübender und empörender iſt das Schauſpiel, daß noch immer an der Waſſerkante in den Entenkojen oder Pohlen der Fang zur Keihzeit gewerbsmäßig betrieben werden darf trotz der im Geſetze vom 14. Juli 1904 541 M. Behr. Amrum, September 1908. Enten (Spieß- und Pfeifenten), über einer Dogelkoje fliegend. gewährleiſteten Schonzeit. Daß die Küſtenbewohner von dieſem Fange wirt— ſchaftlichen Vorteil haben, ſollte doch kein Grund für die Bezirksausſchüſſe ſein, den Paragraph 3 Abſatz c des genannten Geſetzes in Anwendung zu bringen und die Schonzeit aufzuheben! Die Klagen dieſer Entenfänger über Schädigung in ihrem Erwerbe ſind um ſo unberechtigter, als ſie alle ja doch das Recht zur freien Waſſervogeljagd haben, die Schonung zur Reihzeit alſo auch ihnen zugute kommt. Und ſind denn überhaupt dieſe Entenfänge um ein Haar beſſer, als der nun endlich durch Keichsgeſetz verbotene Dohnen— ſtieg es war? Leider iſt bei Beratung des ODogelſchutzgeſetzes verſäumt worden, ſie zu verbieten. Sie mochten zur Not geduldet werden in früheren Seiten, als unſere Seen und Brücher noch von ſchwarzen Scharen der Enten wimmelten. Je mehr aber der Grünkopf zur Seltenheit wird, deſto ver— werflicher erſcheinen ſie! Und die Jägerwelt ſelbſt ſollte dies mit gebührender Entſchiedenheit betonen. Oder will ſie etwa warten, bis die Tierſchutzvereine es ihr zuvortun und ſie mahnen, des Jägers Ehrenſchild auch dem immer mehr ſchwindenden Waſſerwilde gegenüber hochzuhalten? 542 Der Kolkrabe. Don Hermann Löns. Der fettjte Monat für das Raubzeug iſt der Hornung; er beſchert ihm reichlich an Fallwild. Die Sonne hat dann ſchon Kraft und ſchmilzt den Schnee an; aber nachts gefriert er wieder und die Kälte überzieht die Schneedecke mit einer Eisſchicht. Fällt dann Neuſchnee, dann kann der Schnee zwei und drei Eisſchichten übereinander bergen. Unmöglich iſt es dann für Hirſch und Reh, zur Bodenäſung zu gelangen; kümmerlich müſſen ſie dort, wo nicht voll gefüttert wird und wo ſie kein Weichholz zur Genüge haben, ſich mit ſaft- und kraftloſer Äjung behelfen, kümmern und kommen ab. Bei jedem Tritt zerbrechen die Schalen die harte Eiskruſte des Schnees, das Stück beginnt an den Läufen zu klagen, fällt und ſteht nicht mehr auf. Auch dem Haſen, den feine breitſohligen Füße über die mörderiſche Schneedecke tragen, geht es dann ſchlecht; nirgendswo findet er Ajung; jo muß er an den beinhart gefrorenen Futterkohl, aber der bekommt ihm nicht, und elend muß mancher Haje verenden, wie denn auch Rebhuhn, Ringeltaube und Faſan an Aſungsmangel eingehen oder an ungenügender oder gefährlicher Aſung. Fuchs und Marder geht es dann aber gut; reichlich iſt ihnen der Tiſch gedeckt und noch bequemer iſt es ihnen gemacht als zur Satzzeit, wenn das Feld von Mäuſebrut und Junghaſen wimmelt; im Hornung brauchen ſie die Beute nicht zu beſchleichen, entſchlüpft ſie ihnen nicht; ſteif und tot liegt ſie da und wer eine gute Naſe hat, findet ſie ſchon, ehe ſie weithin wittert. Darum hat alles, das wintertags in der Hauptſache auf Luder an— gewieſen iſt, im Hornung Roll- und Ranzgeit; jeder Bau im Walde füchſelt jetzt ſtark, denn die heiße Betze rennt und der Fuchsrüde ſucht ſie von Bau zu Bau; in der Forſt erſchallt das Ranzgekreijche des Edelmarders und auf den Böden der Dorfhäuſer das des Hausmarders. Auch von dem Flugraubzeug paaren ſich im Hornung die Arten, denen der Winter den Tiſch deckt. An der ſonnigen Talflanke des Gebirges kreiſt laut rufend das Steinadlerpaar; es hat den Winter über keine Not gelitten; ſeine ſcharfen Augen erſpähten jedes Stück Fallwild, die Gemſe im Catſchen— geſtrüpp, den Hirſch am Rande des Geröllgrabens und das Reh am buſchigen Abhange. Und noch einer ilt es, der dem Winter nicht gram fein konnte. Der Kolkrabe iſt es; er fand reichlichen Fraß, wenn er mit ſtolzem Adlerfluge dahinrudert und mit den ſcharfen Augen das Schneefeld abſpähte. Aus doppelter Turmhöhe ſtieß er dann hernieder, jagte den Buſſard mit furcht— baren Schnabelhieben von dem gefallenen Reh und die Krähen von dem verendeten Haſen, und ſelbſt der Fuchs ließ die Lunte hängen und rückte aus, wenn der Kabe ihm Stoß auf Stoß verſetzte. Den ganzen Winter hat ſich das Rabenweibchen umhergetrieben, da verweilend, wo es Fraß fand, weiterſtreichend, wenn er zu Ende war. Am Flußufer hatte es den angeſpülten Lachs in einer Woche aufgezehrt, hatte im Bergwalde ſich an einem gefallenen Hirſch gemäſtet, dort ein ver— endetes Reh bis auf die Decke und die Knochen verzehrt, da einen ein— gegangenen Haſen verſpeiſt, und noch allerlei anderes gefunden, das ſich mitnehmen ließ, auch manche Maus erwiſcht. Nun aber fühlte es ſich nach dem großen Bruche zwiſchen Geeſt und Moor hingezogen, wo es ſeit Jahren gehorſtet und ſeine Brut aufgebracht hatte. Es flog den ganzen Tag, ſuchte zur Nacht eine dichte Fichte im Walde, ſättigte ſich an dem Kerne eines Fuchſes, den der Förſter auf der Lichtung liegen ließ, flog weiter und kam um die Uhlenflucht im Bruche an. Dreimal kreiſte es über der wildverwachſenen Wohld, dann ſchoß es auf einen Birken— beſtand zu, flatterte darin entlang und ſchwang ſich in einer glattſchäftigen, hohen Kiefer ein. In der grauen Morgenfrühe, als das Rotwild noch nicht wieder aus der Heide zurück war, erwachte das Kabenweibchen; es ſchüttelte den Reif aus dem Gefieder, zupfte ſich die Federn zurecht, ſtürzte ſich aus der Krone der Kiefer faſt bis zum Boden, flog durch den Birkenbeſtand und über die Rodung und ſtieg erſt über der blanken Heide empor, wo kein Gebüſch, kein Baumbeſtand den Ausblick verſperrte. Es war noch alles dort jo, wie ſonſt. Swiſchen Heide und Bruch floß die flinke Beeke hin und her, ein gutes Waſſer, denn leckere Forellen und äſchen gab es darin, und wenn ſie laichten, waren ſie bequem zu fangen. Im Bruche kam ſie mit der Ahe zuſammen, einem faulen Flüßchen, in dem aber Hechte, Aale, Braſſen und Döbel lebten. Suzeiten ließ die Ahe ihre Ufer hinter ſich, überſchwemmte das Wieſenland, und wenn ſie nachher wieder beſcheiden wurde, dann brauchte der Rabe nicht lange nach Futter zu ſuchen, denn überall zappelten ſich in den Lachen und Gräben Fiſche ab. Das, was da hinten ſchimmerte, das war der Fluß, und der Wald an ſeinem Ufer, das war ein ganz beſonderer Wald, denn jedes Jahr horſteten an vierzig Paare Fiſchreiher dort. Je nachdem es einem Raben nun Der— gnügen machte, konnte er den Reihern die Eier oder die nackten Jungen ſtehlen oder unter den Geſtänden am Boden nach Fiſchen ſuchen, die den 544 R. B. Lodge. Transsylvanische Alpen, September 1908. Drei Kolkraben am Luder. Jungreihern entglitten, und manchmal lag dort auch ein Jungreiher, der das Übergewicht bekam, vom Horjtrande ſtürzte und auf dem Boden barſt. Ferner waren dort hinten die Fiſchteiche; da gab es die fetteſten Fröſche weit und breit, und nicht ſelten fand ſich dort ein abgeſtandener Karpfen, und vor dem Dorfe dort unten der weiße Fleck, das war die alte Sand— grube, da brachten die Bauern ihr verendetes Dieh hin, und in der Not war da ſchließlich immer etwas für einen Raben zu finden. Außerdem gab es in dem Bruche jo viel Kleingetier, daß ein Rabenpaar nicht in Verlegenheit kommen konnte, wie es ſeine Brut ſatt bekommen ſollte. „Ruß, ruk,“ rief das Kolkrabenweibchen über das Bruch, und der alte Hegemeilter, der mit dem Oberholzhauer über das Hauptgeſtell geht, lächelte und ſagte: „Kiek, der Rauk is all wedder da! Jetzt wird es Früh— ling.“ Der Alte liebte den Raben und hegte ihn; er wußte, daß er ab und zu einen Junghaſen aufnahm oder ein Birkhuhnneſt beſtahl, aber ihm war auch bekannt, daß er das kranke Wild ausmerzte und ſo der Seuchen— Vögel II. 55 545 verſchleppung vorbeugte und daß er der Hauptfeind der Kreuzotter war und im Mäuſe- und Engerlingvertilgen Hervorragendes leiſtete. Aber nicht nur deswegen ließ er ihn in Ruhe, ſondern weil er ſchön— heitsfrohe Sinne hatte; das Herz lachte ihm in der Bruſt, hörte er den runden Ruf des Raben, der an uralte Seiten gemahnte, da der Rauk noch Wodes heiliger Dogel war, der vor dem Dorfe horitete und der nicht litt, daß der Adler die jungen Lämmer und der Habicht die Hühner ſchlug, und wenn der alte Grünrock die Raben über der Wohld im Balzfluge kreiſen ſah, dann frohlockten ſeine Augen. Su langweilig war es ihm im Laufe der Jahrzehnte auf der Welt geworden; verhallt war des Wiedehopfes ſeltſamer Ruf, zerſtoben der Blau— raken Farbengeflimmer, verſchwunden war der Schreiadler, der Uhu horitete nicht mehr in der Wohld und nur noch je ein Paar Kraniche und Wald— ſtörche friſteten hier im meilenweiten wilden Bruche ihr Daſein, nachdem allerlei herzloſes Volk, Schiefer, Eierſammler und Bälgehändler die meiſten von ihnen getötet oder vertrieben hatten. Darum ſchonte der alte Grünrock den Rauk, gönnte ihm im wildreichen Bruche die Jagd und labte ſich an ſeinem ſtolzen Rufe und an dem Adel ſeines Fluges. „Riek, Konrades, nu ſünd dat all twei!“ rief er und zeigte nach den Bruchwieſen, über denen hoch in der Luft das Paar ſeine Kreije zog und von wo die Balzrufe zu den beiden Männern herüberſchallten; laut und rund klang es: „Kulong, klong, klong, ruck ruck rack rack.“ Unter einer Fichte am Beſtandesrande, deren tief herabhängende Sweige eine Laube bildeten und deren Tagewurzeln durch ein darauf gepflocktes Brett zu einer Bank geſtaltet waren, machte der Hegemeilter Halt: „Hier wollen wir frühſtücken; ich bin ein bißchen müde.“ Er ſetzte ſich und ließ dem Oberholzhauer Platz neben ſich, zog das Meſſer aus der Hoſennahttaſche und aß mit Bedacht; ab und zu nahm er das Glas vor die Augen und ſah nach den beiden Raben, die immer noch laut rufend ihre Kreiſe zogen. „Nun ruhig,“ ſagte der Hegemeiſter, „ſie kommen auf uns zu! Sie haben den Fuchskern den ich vorvorgeſtern da liegen ließ, geäugt.“ Die Raben jchraubten ſich herunter, ſchoſſen an dem Luder vorbei, fuhren wieder empor, jenkten ſich abermals, ſtießen noch einmal auf und ſetzten ſich ſchließlich. Eine ganze Weile ſaßen ſie da und drehten die Köpfe hin und her, daß ihr ſtahlfarbiges Gefieder in der Sonne bald einen blauen, bald einen grünen Widerſchein ſprühte, hüpften näher, ſprangen zurück, betrachteten mit ſchiefgehaltenen Köpfen den balgloſen Fuchs, flatterten noch einmal hoch und ſpähten das Gelände ab, und nahmen ſchließlich den Fraß an, mit den klobigen Schnäbeln lange Fleiſchſtreifen von den Heulen und Blättern reißend und dann das Geſcheide hervorzerrend und verſchlingend. 546 apgpyagaajd wawms UV AgvayJoy ey "9061 agi 1 7 ay3s11VaJASSUDA] A. Bachmann. Eyrarbakki (Island), August 1904. Kolkrabe, am Rande eines Sumpfs marjchierend. Das Männchen, das ſchon vorher eine abgeſtandene Barbe am Allerufer gekröpft hatte, war bald ſatt, flog auf die Spitze der krauſen Hüteeiche, putzte den Schnabel, ordnete das Gefieder, blies die Kehlfedern auf, ſträubte die Kopffeder, ließ die Flügel hängen, fächerte den Keilſchwanz, und nachdem es einige Male hin und her getrippelt war und auf ſchnurrige Weiſe ge— ſchnalzt, gegluckſt und geſchluckſt hatte, fing es an, ſeinen Geſang von ſich zu geben. Der Hegemeiſter bekam vor Dergnügen einen ganz roten Kopf und ſein Begleiter hielt ſich vor heimlichem Lachen den Leib, denn es ſah zu verdreht aus und hörte ſich zu lächerlich an, wie der ſtattliche Vogel da auf der Spitze der Eiche mit geſträubten Kopffedern und aufgeblajenem Halſe daſaß, mit den Flügeln zitterte, mit dem Schwanz wippte und auf das allerzärtlichſte die ſeltſamſten Schnalz-, Siſch-, Triller- und Pfeiftöne, aber alle ganz leiſe, von ſich gab, ab und zu ein merkwürdiges Schnabel— klappern, den Lock- oder den Warnruf oder den Balzlaut, dazwiſchen flechtend. Dann erhob er ſein Gefieder, warf ſich aus der Eiche, rief rauh „Krank, 548 A. Bachmann. Eyrarbakki (Island), August 1904. Alter Kolkrabe, jein Junges atzend. krak krak“ und ruderte über die Wieſe hin, und hinter ihm her ſtob das Weibchen, und da, wo ein runder Weidenbuſch ſtand, ſtießen ſie umſchichtig nieder. „Ich glaube,“ ſagte der Hegemeiſter, „da iſt der Fuchs; ich will mich fertig machen.“ Er ſpannte den drilling und ſtand auf. Eine Weile ſtießen die Raben nach dem Buſche, dann fuhr ein ſchwarzes Tier heraus und flüchtete dem Walde zu. „J, was iſt denn das?“ meinte der Förſter; „für eine Katze iſt es zu lang.“ Er nahm das Glas, ließ es aber ſchnell wieder auf die Bruſt ſinken und flüſterte: „Konrades, lauf ſchnell nach der Beeke zu, es iſt der Otter!“ Der Holzhauer ſchlich erſt einige Schritte langſam den Holzweg entlang und ſprang dann auf die Wieſe. Mit rauhem Angſtlaute ſtob das Raben: paar von dannen, der Otter aber wendete und ſuchte das Holz zu gewinnen. Zehn Schritte davor ſchlug er im Feuer rundum. „Donnerwetter!“ rief der Hegemeiſter, „Donnerwetter, ein alter Otter— rüde, ſeine dreißig Pfund ſchwer! Und da ſage noch einer, der Kolkrabe iſt ein ſchädliches Geflügel. So, nun wollen wir ihn ſtreifen und dann haben 549 Dr. Heatherley. Northumberland, April 1909. Junge Kolkraben im Leit. wir alle etwas, ich den Balg, du deinen Taler für das Rennen und die Raben einige anſtändige Mahlzeiten.“ Das Rabenpaar hatte ſich nicht ſchlecht erſchrocken, als der Holzhauer aus dem Walde hervorſprang, und als es am anderen Tage dort vorüber— ſtrich, wo die Anſitzbank unter der Hängefichte war, beſann es ſich erſt lange Seit, ehe es den Otterkern annahm, aber ſchließlich ging es doch daran und nach acht Tagen war von dem Fuchs und dem Otter nichts mehr übrig, als das blanke Gerippe. Drei Meilen weiter lag außerdem in einer Kiefernbeſamung ein hirſch, der an einem alten Schuſſe eingegangen war, und obgleich die Füchſe, Dächſe und Marder nächtlicherweile ſtark dabei geweſen waren, war für die Raben immer noch genug daran zu finden. So litten ſie ſelbſt dann keine Not, als der Nachwinter noch einmal kräftig einſetzte, und Anfang März lagen in dem Horjte auf der alten, hochſchäftigen Kiefer in der wilden Wohld fünf große, grüne, bunt geſprenkelte Eier, und nach drei Wochen, als die Wieſen ſich ſchon begrünten, der Haſel— buſch und die Erlen abgeblüht waren und der Porſt ſich immer roter färbte, 550 Dr. Heatherley. Northumberland, April 1909. Junge Kolkraben im Neſt. auch an den Gräben die Dotterblumen und im Fallaube die Windröschen aufſprangen, hockten fünf dickköpfige Gelbſchnäbel in dem Neſte, in deren immer hungrige Rachen die Alten hineinſtopften, was ſie nur erwiſchten, die Maus wie den Regenwurm, den Moorfroſch wie die Kreuzotter, den Hecht, der im abgelaufenen Berieſelungsgraben zappelte, wie den Jung— haſen, der im Schlackſchnee umgekommen war. Überreich an Getier allerart war das Bruch, das Moor und die Heide, und leicht war es für das Rabenpaar, Atzung für ſeine Brut zu finden, da es überall die beſten Stellen kannte, wo ein Fang zu machen war. Ab und zu gelang es ihm auch, traf es den Fuchs auf blanker Heide oder den Wanderfalken fern vom Walde an, ihnen ſo zuzuſetzen, daß ſie ihren Raub fahren ließen. Als in dem alten Eichenwalde erſt Jungreiher in den Geſtänden hockten, gab es Siſche in Überfluß für die Raben, und fanden ſie keine, dann kam es ihnen auch gar nicht darauf an, einen Jungreiher umzubringen und fortzuſchleppen, denn um der Altreiher Gezeter und Flügelſchlagen kümmerten 551 lie ſich wenig und geſchickt wichen fie den Schnabelſtößen aus, wußten es aber meiſt ſo einzurichten, daß ſie in der Ecke der Siedlung raubten, wo gerade kein Altreiher zugegen war. In ihrem eigenen Jagdgebiete aber hielten ſie ſcharf Auslug, daß kein fremdes Raubgeflügel dort wilderte. Wehe dem Habichte, ließ er ſich dort blicken; er wurde ſo lange hin und her gehetzt und mit böſen Schnabelhieben jo zugedeckt, daß er jedesmal ſchleunigſt machte, daß er weiter kam, und dem Wanderfalken ging es nicht beſſer. Das alte Kopftier des Rudels Rotwild war es ſehr zufrieden, daß die Kaben da waren, denn ſolange einer von ihnen auf der Pappel an der Beeke ſaß, konnte das Rudel ſich getroit am hellen Tage auf der Wieſe äſen, ſobald ſich etwas Verdächtiges bemerkbar machte, warnte der Rabe. Desgleichen fand es der ſtarke Bock, der in der Porſtdickung ſtand, äußerſt bequem, daß die Raben für ihn aufpaßten, und in aller Seelen— ruhe äſte er ſich an dem Borde der Beeke entlang; ſobald aber der Rabe rief, trat er in die Dickung zurück. Auch die Reiher, die da gern fiſchten, und der Schwarzſtorch, der dort auf den Neunaugenfang ging, und das Kranichpaar, das im offenen Bruche brütete, ſie alle fanden, daß es ſich noch einmal ſo nett leben ließ, wenn die Raben zu ſehen waren, die Wächter des Bruchs, deren ſcharfen Augen nichts entging. Die Fröſche, Mäuſe, Wühlratten und Ureuzottern dagegen waren ent— gegengeſetzter Anſicht; das Gras mochte noch ſo dicht und die Heide noch ſo hoch ſein, die Augen der Kaben ſahen bis auf den Grund, und ehe die Maus oder die Wühlratte es ſich verſah, ehe der Froſch den Graben und die Otter ihr Loch erreichte, ſauſte der gefährliche Schnabel hernieder, und nie traf er daneben, ſtets fiel er auf das Genick des Beutetieres, und fort— während flogen die Raben nach der Wohld, irgendein Futter im Schnabel, das ſie der Brut zubrachten. Die war inzwiſchen ſchon mächtig herangewachſen, hatte die Federn aus den peilen geſtoßen, ein blankes Kleid angezogen und die gelben Wülſte an der Kachenſpalte verloren. Sie ſaßen jetzt nicht mehr den ganzen Tag mit dummen Geſichtern eng aneinander gedrückt in der Horjtmulde, ſie wagten ſich ſchon auf den Rand und von da auf einen Aſt und von dem noch weiter hin, und dann ſaßen ſie alle fünfe dicht nebeneinander, ſahen mit ſcharfen Augen dahin, wo der Buſſard kreiſte, und dorthin, wo die Haſen hoppelten, bis ſie fern über den Wieſen einen ſchwarzen Punkt entdeckten, der ſchnell größer wurde und näher kam. Dann wurden ſie aufgeregt, drängten ſich auf dem Aſte hin und her, zitterten mit den Flügeln, und wenn der Dater oder die Mutter ganz nahe war, dann girreten ſie hungrig, bis der alte Rabe ſich zu ihnen ſchwang, das Beutetier zerriß und ihnen die Fetzen in die weiten, roten Kachen ſchob, 552 Dr. Heatherley. Northumberland, April 1909. Kolkrabe, kurz nachdem er ſeine Jungen gefüttert. um wieder fortzuſtreichen und neue Atzung zu holen aus dem grünen Pruche oder vom braunen Moore. „Jetzt ſind die Räuke all beflogen,“ ſagte der Hegemeiſter zu dem Holzhauer und wies nach der Wohld, über der ſieben große ſchwarze Dögel in der Sonne glänzten. Auf und ab ſtiegen ſie, zogen Kreije, ſchwebten herunter, ſtiegen empor, bis ſie in der Ferne verſchwanden. Nach dem Fluſſe flogen fie, wo die Ukeleis laichten. Eine breite Sand— bank hatte das Winterhochwaſſer in dem Flußbette aufgebaut, und zwiſchen ihr und dem ſandigen blitzte und klatſchte es. Bequemer konnten es die Raben nicht haben. Alle ſieben ſchritten in das ſeichte Waſſer hinein, warteten mit ſchief gehaltenen Köpfen, bis ein Fiſch heranſchwänzelte, und dann, wupp, war er gefaßt und ſtolz hüpfte der junge Rabe damit auf das Ufer und führte ihn ſich zu Gemüte. Lernten ſie heute fiſchen, ſo brachten ihnen morgen die Alten den Mäuſe— fang bei und tags darauf die beſte Weiſe, wie man der Kreuzotter Herr wird, ohne ihren Giftzahn fühlen zu müſſen. Auch wie man die flinken 553 Dr. Heatherley. Northumberland, April 1909. Aus der Heimat der Kolkraben: Rabe, zum Neſt fliegend. R. Kearton. Swansea (Wales), April 1907. Kolkrabe, von einem Küjtenfeljen Umſchau haltend. Grillen und die großen grünen Heuſchrecken fängt, lernten ſie, und wie man es anſtellen muß, die ſchnelle Maus zu erbeuten und den Maulwurf und die Reitmaus aus der Erde zu ziehen. Aber auch die Stellen, wo die Jäger das Geſcheide von Bock und hirſch hatten liegen laſſen, wieſen die Eltern den Kindern, und die Gräben, in die ſich ein Hecht verläuft, zeigten ſie ihnen, und die Kuhle vor dem Dorfe, wo die Bauern das Dieh hinfuhren, das ihnen gefallen war. Nicht immer gibt es überall Mäuſe, Fröſche, Fiſche und Schlangen, und was ein richtiger Kolkrabe iſt, der muß ſich ohne Schwierigkeit auch dann 555 R. Kearton Y 0 ) g wansea (Wales), Abril 1907. Kolkrabe am Meer. durchzuſchlagen verſtehen, wenn das Moor und das Bruch ganz vom Schnee zugedeckt ſind und nirgendswo fette Heuhüpfer und dicke Regenwürmer anzutreffen ſind. Darum iſt es gut, daß man überall draußen Beſcheid weiß, damit man nicht, wie das Krähenvolk, gezwungen iſt, in den Dörfern und in den Städten umherzulungern und auf Miſtſtätten und Kehrichthaufen nach Abfällen zu ſtöbern, denn einmal iſt das gefährlich, weil dem Menſchen niemals zu trauen iſt, und dann treiben ſich dort die Krähen in hellen Haufen umher. Sweierlei iſt es nämlich, dem der vorſichtige und ſtolze Rabe immer aus dem Wege geht, der Nähe des Menſchen und irgendwelcher Geſellſchaft. Niemals wackelt er, wie die Krähe, hinter dem Pfluge her, und erſt wenn der Bauer mit ſeinem Geſpanne abzog, ſchreitet er die Furchen ab und ver— tilgt den zarten Engerling, den ledernen Drahtwurm und die ſaftige Gras— eulenraupe und auch manche Maus. Aber niemals, außer in der paarungs- und Brutzeit, mag er Geſell— ſchaft um ſich haben, und nicht einmal miſcht er ſich in die bunten Schwärme der anderen Rabenvögel, wie ſie wintertags daherziehen, die Luft mit Ge— töſe erfüllend. Einſam und allein lebt er das Jahr über, gleich als paſſe es ſich für ihn, Wodes heiliges Tier, nicht, ſich mit dem geringen Volke abzugeben, und ſeinesgleichen ſagt ihm erſt recht nicht zu, denn wo zwei ſind, und nur Fraß für einen, da wird jeder bloß halb ſatt. So lebten denn die ſieben Raben jeder für ſich; das Weibchen blieb dem Bruche treu, das Männchen ſtrich nach dem Marſchlande, die fünf Jungen aber verteilten ſich in der Welt; eins fing ſich in einem Tellereiſen, eins knallte ein Schießer vor dem Uhu herunter und ließ ſich der Untat halber noch in der Seitung rühmen, ein dritter fraß einen Giftbrocken und mußte elendiglich verenden. Ein Männchen und ein Weibchen blieben allein von den fünf Jungen übrig, und irgendwo fanden ſie im Hornung Anſchluß und ſorgten im Märzen dafür, daß Wodes Wappengeflügel nicht ganz ausſterbe in den deutſchen Gauen, die Schießwut, Derfolgungswahnſinn und elende Gewinnſucht von Jahr zu Jahr mehr veröden, dem Geſetze zum Trotze, nach dem der Rauk zu ſchonen iſt, weil er ein ſo ſtolzes Geflügel iſt und ſo ſelten ward. 557 | Der Kuckuck. | Don Elje Soffel. Bald nach Mitternacht fing er an: Kuckuck, kuckuck, kuckuck. Ein leiſes „cha, cha“ ging voraus und ein heiſeres Gelächter hinterdrein, das man ſonſt nicht hörte. Man hörte es aber in der Stille der Nacht — es klang wie das böje Gelächter eines alten Sünders. Der graue Jakob hört es auf ſeinem harten Bett im Waldhaus und ihm war, als hört' er ſich ſelber lachen. Was fängt man nicht alles an, des Nachts, wenn kein Schlaf in die alten Augen kommt und nur die alten Gedanken gehn wie ein Kad im Kopf herum — immer dieſelben. Der Alte zählt den Kuckucksruf und denkt ſchier, er wär' ein biſſel ungrad im Hopf, denn wie er das erſte Hundert voll hat, iſt der Malefiz noch net fertig mit Rufen, man glaubt's ſchier nimmer. Wie aber der Kuckuck noch immer weiter ruft und wieder einmal ſo eigen tut hinterher, da weiß der Alte nimmer, wo er ſteh'n blieben war mit Sählen, und wie er ſich drauf beſinnt, weiß er auf eins nimmer, was er zählen ſollt', und wie er's noch mal lachen hört, ilt’s gar nimmer der Kuckuck, ſondern der Hannes, mit dem der Jakob früherszeiten arbeiten gangen is und er fragt ganz laut in die Stub’n nein: „Hannes, biſt du's?“ Denn nachts kommen die alten Geſchichten. Aber die Stub' iſt ſtill und der Alte hört ſeine eigene Stimm’ blos mehr von weither, denn er ſchläft ein. Durch's Fenſter kommt der Waldgeruch ſtreng und friſch, es geht gegen Morgen. Das blaſſe Licht, was den Jakob allemal nicht ſchlafen läßt, iſt weg und der Saubervogel auch, die Stube ſchaut wieder ganz anders aus. Noch eine Stunde und draußen blinkt's vom Tau, die Erde duftet, die Sonne glüht in die oberſten Sweige der Eiche vor dem Wald und die Vögel muſizieren drinnen, als wollt' einer den andern überſchrei'n. In die ſonnige Eichenkrone kommt ein Dogel geſchoſſen. Er bäumt auf einem ſchwanken Sweig auf, dort kippt er faſt über, mit Flügeln und Schwanz muß er arbeiten, um ſich zu halten. Drunten geht ſteifbeinig der Jakob auf die Eiche los, er will ins Holz. Der freut ſich, wie er den Raubvogel da oben glanzen ſieht! Mit einemmal aber drückt der „Sperber“ den Hopf nieder, ſchlägt den Schwanz hoch und die Flügel auseinander und ruft: Kuckuck, kuckuckuck! Der Alte iſt voll Staunen. Sechzig Jahr' iſt er alt word'n und hat net 558 R. B. Lodge. Enfield, August 1909. Junger Kukud. g'wüßt, daß der Kuckuck jo ausſchaugt! Dann bleibt er ſteh'n und fängt an zum Sählen. Auf einmal ſchaut er auf. Der Baum iſt leer, kein Zweig rührt ſich mehr. Aber tief aus dem Wald, fern, ganz fern ruft's noch: Kuckuck, kuckuckuck und ein roter Dogel ſchießt über den Jakob hin, wendet bei der Eiche wie ein Falk ins Holz, und iſt verſchwunden. Der Jakob denkt noch über den Fall nach, als der rote Dogel ſchon lang im Wald iſt, im tauig friſchen Wald, wo das Moos duftet und die Bäume tropfen und der helle Morgen faſt noch grau durch die ſchweren Zweige dämmert. Mit leiſem ki ki ſtob er herein, als wollt' er jemanden foppen. Der Gefoppte iſt der Kuckuck, der hat ſchon die halbe Nacht und den ganzen Morgen gerufen und gelockt und ſich bald heiſer geſchrien. Kuckuck, kuckuckuck ruft er eben wieder, aber es klingt heiſer und abſcheulich und das Weibchen lacht ki ki ki — nie, nie, nie. Denn mit ſolchem Ruf legt er keine Ehre bei ihr ein. Kuckuck, kuckuck! Jetzt wieder! Ganz wütend und hitzig, aber es gerät nicht beſſer und er wird wieder aus— gelacht, ki ki, ki ki ki — es wendet um die Bäume, ſtreicht unter dunkeln Tannenzweigen durch, verſchwindet hinaus auf die Blöße. Ki ki, ki ki ki! Der Blaugraue mit den feuerroten Augen wird ganz toll. Er ruft vom Baum, wobei er den Schwanz fächert und Derneigungen macht, er ruft im Flug ihr nach, — er ruft zweiſilbig und dreiſilbig, durch den ganzen Wald geht es, um alle Bäume herum, ins Dickicht hinein. 559 Plattmönch und Waldlaubvogel und die ſonſt im hohen Wald wohnen ſind geſtört und ſetzt ſich der Blaue einmal auf einen Aſt, um auszuſchnaufen, jo haſſen ſie auf ihn, wie auf den kleinen Kauz, den Rundkopf und Friedens— ſtörer, der den ganzen Wald in Aufruhr bringt mit ſeinem Weſen. Man traut dem Kuckuck nicht und noch weniger ſeinem feuerroten Weib, das man jo oft in aller Morgenfrühe an fremden Neſtern geſeh'n. Die kleinen Dögel haben jetzt das Wort im Wald und ſie zetern auf ihn, die Meiſen, die ohnehin gern laut ſind, das Rotkehlchen ſchimpft und der ſanfte Plattmönch kommt herzugeflogen und ſieht ſich den Sonderling wenig— ſtens an. Der läßt ſich vom Baum fallen, ſchießt ein Stückchen geradaus, dann um die dicke Buche herum, von wo ihm die Goldamſel nachruft, und iſt im Freien. Hinaus folgen ſie ihm nicht. Dom braunen Acker jubiliert die Lerche in die Höhe, eine Rötelmaus rennt vom Waldrand gegen das Feld zu, dann noch eine. Sonſt läßt ſich niemand ſeh'n. Der Kudkud fällt in die Eichenkrone ein, es iſt ſein Lieblingsplatz, zu dem er immer kommt. Kuckuck, kuckuckuck, lockt er ſchon wieder. Aber er lockt ins Blaue, ſie läßt ſich nicht ſehen. Der Mittag kommt heran, der Frühlingslärm im Wald iſt für ein Stündchen eingeſchlafen. Sogar das Mittagswindchen ſchläft, die Bäume, die Vögel ſchlafen — es iſt auch heißer, als ſonſt um dieſe Seit im Jahr. Nur Kuckuck, kuckuck ruft's aus dem Wald. Und noch einmal: kuckuckuck — Das war am 12. April, es war ein zeitiges Frühjahr und man hörte den Kuckuck bald überall. Aber man ſah ihn nicht, er rief immer von ferne. Er narrt die Leute und lockt ſie, nur wenige haben ihn geſeh'n und die ihn ſahen, kennen ihn nicht, die Kinder ſpielen Derjteckens unter ſeinem Namen. Nie iſt er da, wo er ruft, aber immer ſcheint er nahe. So bleibt er der Saubervogel, der ſich unſichtbar machen kann, der ſich im Berbit in einen Sperber verwandelt und Alten wie Jungen weisſagt, den jeder nennt und keiner kennt. Der Frühjahrsbote und Hochzeitsverkünder, der Betrüger und der Betrogene “), der Geheimnisvolle, der den Wiedehopf zum Knecht und alle kleinen Dögel zu dienſtbaren Geiſtern haben ſoll. Seinen Namen hat ſich der Kuckuck ſelber gegeben. Kuckuck ruft er und Kuckuck heißt er überall, oder wenigſtens nicht weit davon. Die japa— ) Der treuloſe Ehemann, cuculus, — anderſeits auch der Ehemann einer treuloſen Frau, cocu im Franzöſiſchen. 560 Ypnpıg un wp aadung R. B. Lodge. Enjfield, August 1909. Junger Kuckuck. niſche Mutter nennt ihn ihrem Liebling: kakko, wenn er zur Seit des Feſtes der erſten Pflaumenblüte ruft und der Tartare begrüßt ihn: kukua, kukue, wenn er dem ſtrengen Kauhaſus, ſeinem hochgelegenen Aul den Sommer kündet. Särtlich nennt ihn der Ruſſe: kukushka, Kuckuckchen und die Dal— matinerin deutet nach weißſchimmernden Bergen, wo aus der ſchwerduftenden macchia, von blühenden Ginſterfeldern herab ſein Ruf ertönt: Kuka vica! Der Kuckuck iſt wieder da! Ja, er iſt wieder da, der Kuckuck. Die Kinder ſingen Lieder von ihm, die jungen Mädchen zählen wie viel Jahre ſie noch ledig ſind und die Alten, wie viele ſie noch zu leben haben. Auf dem holperigen Brachacker vor dem Wald, wo die Eiche ſteht, hat er ſein rotes Weib gefunden, nachdem ſie ihn ſo lange gefoppt. Des Morgens ganz früh war die Hochzeit, die Tautropfen glitzerten an allen Sträuchern und der Saunſchlüpfer war ſtill und emſig unterwegs nach den Spinnen, die überall in feuchten Netzen hingen. Die zwei verdarben's ihm freilich, und er fing an laut zu zetern und zu knickſen, denn er kann ſie nicht leiden. Aber ſie kümmerten ſich nicht drum. Mit kuckuck, und ki ki ging die Vermählung vor ſich, es war viel Lärm vorher und hinterdrein und dann flogen ſie miteinander. Der Kuckuck blieb im Revier, aber ſein rotes Weib ſtreifte auch außerhalb und lockte mit leiſem ki ki und lockte und foppte noch manchen Kuckuck. Vögel II. Copyright 1910, R. Doigtländers Verlag in Leipzig. 36 561 Der Saunkönig jchlüpfte unterdeſſen durch Dorn und Dickicht und ſuchte ein Niſtplätzchen, nährte ſich von allerhand Schönem im Fallaub und wo er's ſonſt fand, ſchnurrte ſein Liedchen und dachte nicht, daß es ein ſchlimmes Jahr geben ſollte. heute morgen hat er unter einem alten Wurzelſtock die rechte Kinderwiege entdeckt, das macht ihn froh, er ſetzt ſich auf einen halbhohen Sweig und ſingt eine Strophe — zum Spiel und Schlafneſt findet ſich wohl auch noch ein Mausloch. Da — im Dickicht raſchelt's, ganz leiſe kommt das Kuckucksweib vor das Unterholz. Was ſie hier zu ſuchen hat! Der Saunkönig wippt ärgerlich: zerrr, zerrr — das Kuckucksweib tut heimlich und macht ſich davon. Sie kommt auch heute nicht wieder. Über morgen wohl und übermorgen auch, immer des Morgens und immer am Boden oder im niedrigen Geſträuch, als ſuchte ſie etwas. Dem Saunlönigpärchen verdirbt ſie jedesmal die gute Laune, aber nachher vergeſſen ſie's wieder, ſingen hell ihr Liedchen und ſind noch mal jo eifrig am Reit. Wer möchte auch jetzt ärgerlichen Dingen nachhängen, wo es überall im Moos und Laub wimmelt von Larven und Püppchen, wo an jeder Blatt- ſeite ein Räupchen ſitzt und die Sonne ſcheint den ganzen lieben langen Tag! Aber eine unangenehme Nachbarſchaft ſind die Kuckucksleute doch und aufpaſſen muß man. Es war Morgen, als Saunkönig das feuerrote Weib wieder einmal vor dem Wald heraußen fand und diesmal richtig beim Neſt. Freilich ſtob ſie gleich davon, ins Dickicht hinein, aber was leuchtet vor dem Neſteingang auf der Erde? Im hellen Sorn pickt der Zaunkönig dagegen, halb ärgerlich, halb verlegen. Die Schale iſt jedoch rauh und hart, Saun— könig richtet nichts aus. Noch einen Augenblick bleibt er davor ſitzen, ratlos, dann drückt er ſich ſtill ins Gebüſch. Als ſein Weibchen ſpäter wieder zum Neſt kam, war nichts zu ſehen, aber im Neſte lag — ein Ei?? Betreten und ſtill beſieht ſich die Kleine Mutter das große Ei vom Neſtrande aus — fremd iſt ihr dabei zumute. Aber es liegt in ihrem Neſt und ſo ſetzt ſie ſich darauf und legt den nächſten Tag eines dazu, freilich viel kleiner und dann wieder eines und ſo weiter, jeden Tag, bis das Neſt übervoll und kein Platz mehr war. Das Kuckucksweib blieb von da an weg — es ſuchte die andere Waldſeite ab, ob es kein Saunkönigneſt mehr fände. Auf die hatte ſie's abgeſehen — es lag ihr ſo etwas im Blut, wie ein Erinnern an kleine braune Sieheltern. Als ſie keines fand, machte ſie dem Rotkehlchen bange, das mit kohlſchwarz blitzenden Augen ſchnickerte, jo oft es den roten Vogel ſah. Niemand will die Kuckuckseier haben. 562 Baumgart. Köpenick (Wendenschloß), I Kuckuck im Nejt der Weißen Bachſtelze. Das Neſt ſteht in einer Blumenſchale. Baumgart. Köpenick (Wendenschloß), Nu 1908. Kuckuck im Neſt der Weißen Bachſtelze. Das Rotkehlchen war klug. Es traute der Sache nicht, es traut nicht dem großen Ei, das neben dem feinen im Neſt lag und als es ſich den Sachverhalt recht betrachtet hatte, mit ſchief gehaltenem Köpfchen, eine ganze Weile lang, Verlegenheit und Frage, Sorn und Derdacht in den klugen Augen, ließ es die ganze Brut fahren und baute neu, unter mooſigem Wurzelſtock, tief im Waldinnern, wohin niemand kam. Das feuerrote zweijährige Kuckucksweib zog indes durch den Wald, der Liebe nach von einem Revier zum andern, lockte und lachte ki ki den Männ— chen voran, die ſich um ſie ſtritten, wildſcheu und unmütterlich, und flog des Morgens mit leiſem Flügelſchlag heimlich von Gebüſch zu Gebüſch, nach Neſtern für die unbequemen Eier. Leicht war es nicht, ſie unterzubringen, ſiebzehn, gar zwanzig Eier, die ſie nacheinander legte bis Juli. Und viel kleine Kuckuce find auch nicht aufgekommen. Ein Ei bekam der Waldlaubvogel, aber als er geſehen, was er ausgebrütet hatte, ein fremdes Ungeheuer, das das ganze Neſt füllte und auf ſeinem Kücken die Hauskinder hinausdrängte, die tot am Boden 564 Steenhuizen. Naardermeer, Juni 19006. Junger Kuckuck im Neſt des Schilfrohrjängers. Einen Tag vor dem Ausfliegen. lagen, jeden Morgen eines, da ließen ſie den Vielfraß ſchreien und die toten Jungen liegen. Ein Ei zerbrach, als die Kuckucksmutter von der Singdroſſel aufgeſcheucht, raſch wegfliegen mußte, das eben gelegte Ei im Schnabel. Die Bachſtelze bekam eines, die zog geduldig und verwundert den Wechſelbalg auf in eines verlaſſenen, übermooſten Springbrunnens Steinzierat. Ja ſie blieb länger als ſonſt über den Herbſt, weil der große Schreier noch immer in ihrer Nähe ſeinen Schlund ſperrte und lärmte ziß, ziß, ziß, zirk, zirk. So folgte ſie ihm, wie eine dumme kleine Mutter ihrem ungeratenen Bengel folgt und fütterte ihn. Der Förſter holte ſich einen, der den ganzen Wald alarmierte. Auf einer Jungfichte fand er ihn ſitzen und das Rotkehlchen trug ihm Futter zu, dasſelbe Rotkehlchen, das erſt nicht daran gewollt hatte und ausgezogen war. Es war wohl ein Derlajjener — Rotkehlchen hatte ihn erſt neugierig beſehen, als es ihn fand beim Futterſuchen im Mooswinkel und dem unglücklichen Fremdling eine weiche, grüne Raupe in den Rachen geiteckt, die es eben gefunden hatte, dann ein Stück Regenwurm. Suerſt gelegentlich, 565 dann aus mitleidigem Herzen in dem guten Glauben, daß er geſtopft werden müſſe. So fand ihn der Förſter; Rotkehlchen brachte eben Futter zu und das Tannenmeischen trieb ſich rat- und ruhelos über dem Schreier in den Nadelzweigen herum mit verlegen fragendem zit zit? Aber damit war es noch nicht alle — noch immer ſtöberte der rote Vogel nach Neſtern umher, obwohl der Wald ſich ſchon leiſe auf den Herbſt beſann und das Kuckuck immer mehr aus der Ferne klang. Als es mit dem letzten Ei nicht wußte, wohin, da trug es das dem Staren ins Neſt in großer Not. Es mußte aber auf dem Weg liegen bleiben, der Star kam zuvor und trieb den Haujierer fort. Später ſah er das unzerbrochene Ei liegen, kam herunter und ſchritt zur Inſpektion. Das heißt, er ſtellte den Schnabel darauf und öffnete ihn dann weit. Als das zu keinem weiteren Keſultat führte, rollte er es mit dem Schnabel vor ſich her, und ging bedächtig und ſchlau dahinter, wie hinter dem Bauern auf dem Feld. So ſind von den vielen Jungen nur ein Drittel aufgekommen. Denn Raubvögel griffen auch noch zwei oder drei weg, die ſich durch ihr gar arges Geplärre verrieten. Die wenigen ſahen einander nicht ähnlich. Die einen waren dunkel, die andern hell. Sie zogen auch bald weg und mauſerten nicht mal im Lande. Wurg — Rok ſchrien ſie, bevor ſie weggingen, aber mit hellem kuckuck kehrten ſie zurück, im aſchblauen Federkleid mit hell geſperberter Bruſt und feuerroten Augenſternen. Und die jungen feuerroten und die alten grauen Weibchen mit ihnen. * * * Es liegt ein Stück alter Föhrenwald auf der Hochebene, da und dort mit dunkeln Fichten durchſetzt und wenigen Kieſeneichen. Merkwürdig iſt der alte Wald und einzig in ſeiner Art — mit dem jungen, uniformierten Stangenholz, was ſonſt die Ebene bedeckt, darf man ihn nicht in einem Atem nennen — er iſt ein Stück troßiger Vergangenheit, an das ſich niemand wagen darf als das Schickſal ſelbſt. Alter Familienbeſtimmung zufolge blieb er ſeit langem erhalten, wie er war. Da iſt das Schickſal ſelber gekommen. Denn der Rieſentrotz der Bäume ſchien Dermeſſenheit. Es kam nicht mit Sturm und Gewittern, um die höchſten Häupter zu treffen. Nicht einzelne wollt' es vernichten — es wollte den ganzen Wald. So hieß es den trägen Abendwind eines Schmetterlingsflugs Kichtung ver— ändern. Was mag ein Schmetterling dem Wald bedeuten? Es war ein kleiner Schmetterling, der ſich an den rauhen Stamm einer vielhundertjährigen Eiche ſetzte. Aber er war das Schickjal ſelbſt, das ſich einſchlich, leiſe und unbemerkt. 566 * W. Farren. Cambridge, Juni 1904. Kuckuck als Pflegling des Rotkehlchens, nach Futter ſchreiend. Er blieb nicht allein, er hatte viel tauſend Brüder, ebenſo weiß wie er, oder auch dunkler gezeichnet — die lockte er an. Und ſie bevölkerten den ſtillen Wald mit ihrem weichen leiſen Flügelſchlag, daß es im Dämmer ausſah, als fiele Schnee zwiſchen den Bäumen. Die ſaßen bei Tage träge, nur hin und wieder ſcheuchte ein Dogel ſie auf, dann taumelten ſie müde zwiſchen den ſommerheißen bunten alten Stämmen hin; ſie flogen des Nachts und lagen im herbſt tot und verbraucht am Boden. 567 Stephainsky. Schiedlow- Tillowitz, Full 1909. Junger Kuckuck, der vor kurzem das Neſt verlaſſen. Nicht in einem Sommer war der alte Wald zu fällen, der von nichts wußte und ſich nicht wehrte. In den Kitzen der Rinde zwiſchen weißgehräuſelten Flechten lag jetzt ſein Schickſal gebettet, in ſeinem eigenen Leib zog er's heran. Als die heißen Sommertage wieder kamen, tönte eine ſonderbare Muſik im Walde, ein leiſes Rieſeln und Rinnen. In die dunkeln Föhrenkuppen, in die mächtigen Eichenkronen war es heraufgeſtiegen, zerfetzt, zerriſſen, beraubt und verkommen trotzten ſie ſchweigend. Die Mittagsſonne lag heiß und brütend zwiſchen gelichteten Wipfeln, ein wüſter Teppich kleinen grünſchwarzen Gekrümmels bedeckte den Boden, mit den fahl leuchtenden Flügeln toter Schmetterlinge untermiſcht. Derjtummt der dunkle Oratoriengeſang der Amſel, der Singdroſſel leuchtendes Lied — nur die Geſpenſtermuſik längs der Stämme, der rinnende Kot von Millionen unſichtbarer Geſchöpfe — die wälzen ſich nachts in Maſſen an den Riejenleibern in die Höhe, zernagen die Nadeln und Blätter, mit denen ſie nach Luft und Sonne gegriffen, rauben ihnen den Atem, erjticken ſie. Der Wald will ſterben. 568 rpıldung aauıa Aids aag Inv pnpny Stephainsky. Schiedlow- Tillowitz, Juli 1909. Eben ausgeflogener Kuckuck. Wer hat es den Kucucken geſagt? Ein Dogel kommt in den Wald geſtrichen und noch einer. Bald ſind es viele. Die feuerroten Augen blicken unſtet, die ſchwachen gelben Füße haften unſicher an der Borke. Sie greifen tief in die Riſſe der Kinde und ziehen heraus, was dem Baum Leben und Atem nahm: die gefräßige, haarige Raupe. Jetzt iſt die Reihe an ihr. In wenigen Stunden ſind Hun— derte vertilgt. Den Baum töten ſie — der Dogel lebt von ihnen. Nichts beſſeres weiß er ſich, um ſeinen Magen auszupolſtern. Und ſelten ſind ſie in ſolcher 570 Menge. Der Kuckuck hat nicht viel Miteſſer, die andern Dögel verſchmähen den haarigen Fraß, wie ſie die Weißlingsraupe und die vom Bären ver— ſchmähen, ſich nichts aus dem wurmförmigen Gewimmel der Prozeſſions— ſpinnerraupen machen, die doch billig ſind. Umſo beſſer für den Kuckuck — von Brachkäfern wird er nicht ſatt und von dem, was ſonſt für ihn wächſt. Er hat heut' ſein Feſteſſen. Und der Wald hat einen Rächer. Der ihn freilich nicht mehr rettet. Gegen Abend hat ſich das Gevögel verflogen. Der Wald iſt allein. Die Dunkelheit wird kommen — nicht länger muß er ſein Sterben zur Schau tragen. In einer entlegenen Ecke, wo neben Fichten mit breit ausladenden Aſten dichtes Unterholz und wenige junge Stämmchen in die höhe ſchießen, von der Rieſenkuppe eines alten Föhrenrecken überdacht, hat ein Turteltauben— paar ſein Neſt. Don dorther tönt in das Abendſchweigen ein einſamer Kuckucksruf in dumpfer gedämpfter Quart, als hab' er ſich der Trauer des Waldes angepaßt. Er klingt in den Geſpenſterwald, den ein letzter trüber Schein erhellt, wie eine Abſchiedsklage, fern verhallend: Sommer ade! Und die glatten, weichen, feueräugigen Turteltäubchen, die ſanften, kleinen Kuckuckskameraden gurren ein leis beruhigendes turr turrr in das dunkel gefärbte Abſchiedsläuten des Freundes, der ihnen morgen voraus— zieht in ferne Länder. N. Voigtländer. Machern bei Leipzig, Sommer 1909. Junger Kuckuck im Neſt. 571 | Der Reiher. | Don Fritz Bley. In der kleinen Kapelle von Schloß Steenloo verhallen die letzten feier— lichen Klänge. Der hochwürdigſte Biſchof, der ſelbſt die Meſſe gefeiert hatte, ſchreitet, geführt von den beiden Chorknaben in weißem Linnenhemde, von den Stufen des Altares herab. Unter dem vollen Ornate trägt er nach aus— drücklichem Geſetze der geiſtlichen Fürſten Stiefel und Sporen und von der Ecke des Altares nimmt er nun ſeinen Liebling „Ger“, den kühnen Island— falken, deſſen ſchlohweißes Gefieder im Scheine der geweihten Herzen noch herrlicher geleuchtet hatte. Geleitet vom Nachſpiel der Orgel verläßt der Graf Steenloo das Gotteshäuslein und ſchreitet über den Schloßhof, wo ſich der Biſchof ihm anſchließt, zum Tore hinaus und über die Sugbrücke in den Vorhof, wo die edeln Roſſe ihre Reiter und Reiterinnen erwarten. In flottem Trabe zieht die fröhliche Geſellſchaft hinaus zur Falkenbude. Der klare himmel und die windſtille Heuluft verſprechen einen ſchönen Tag. Der Pikör ſchmettert ſeine hellen Fanfaren und, da die Jagd dem Keiher gilt, die ſchönſte von allen, den Ruf „zur Königsbeize“ in den herrlichen Morgen hinaus. Sur Linken des Kirchenfürſten reitet des Grafen blonde Tochter. Ihr Iſabellenhengſt aus ſpaniſch-arabiſchem Blute zeltert und zäumt ſich bei wie eine biegſame Gerte. Die feine Mähne iſt ihm in Söpfe geflochten, am Stirn— riemen trägt er goldene Ginſterblüte. Die junge Gräfin trägt am hütchen die ſchwarzen Schopffedern vom letzten Reiher und auf langem, bis zum Ellenbogen des grünen Tuchkleides reichendem geſticktem Handſchuh ihre ſtarke „La Reyne“. Auch die meiſten Jagdteilnehmer haben ſich von ihrem Lieblingsfalken nicht getrennt. Mit der Mehrzahl der für die heutige Beize beſtimmten Jagdfalken ſind aber die berittenen Falkner und Cageträger bereits vorausgezogen zur Falkenbude, heute zu der am Heidewäldchen unter Wind vom Reihergejtände im Elſenbruche. Die Jagdgeſellſchaft trabt an den ſogenannten „Meeren“, rückſtändigen Altwäſſern ehemaliger Rheinbetten, hin, über hölzerne Brücken und weiche Dämme, über Landbänke und durch molſche von ſtehendem Ge— wäſſer verſumpfte „Deene“. Im dichten Pflanzenwuchſe dieſer Wildnis des ohne Damm ungehindert ſeinen Weg zum Meere nehmenden Niederrheines, in den Weidenhegern und Erlenbrüchen, den Eichenkämpen und Rohrwäldern herrſcht ringsum reges Leben. Kiebitze jagen klagend auf und nieder. Wild— 572 A. Taylor. Near Gisburne (Yorkshire), Mai 1907. Junger Fiſchreiher, ruhend. enten ſtehen vor den Hufen der Pferde auf und umkreijen die luſtige Ge— ſellſchaft. Da erſchallt jubelnder Suruf: man iſt am Siele. Die Herren heben ihre Damen aus dem Sattel und die Falkenwärter eilen herbei, um die Pferde abzunehmen und hinter das Blockhaus zu führen, wo ſie angebunden werden. Die Damen und herren aber legen ihre Falken nun auch mittels der Langfeſſel an den in den Boden eingeſchlagenen Gabeln feſt und treten dann in die offene Halle ein, wo das Wartemahl aufgetragen wird. Man braucht ſich nicht zu beeilen. Die Keiher fiſchen jetzt mit ihren ſchon flugbaren Jungen an den Ufern der „Meere“, oft viele Meilen weit. Von dort kehren ſie am Nachmittage gegen den Wind zum Elſenbruche in ihr Geſtände zurück. Schon hat dort der Pikör am Drei-Eichen-Hügel ſeine Warte zu Pferde bezogen, während die Geſellſchaft dem leckeren Mahle und guten Weine zuſpricht. Plötzlich aber, gegen drei Uhr, ſpringen alle auf. Der Pikör iſt abgeſeſſen und wendet den Kopf feines Pferdes gen Nordweſt als Seichen, 573 A, Taylor. Near Gisburne (Yorkshire), Mai 1907. Junge Sifhreiher im Horſt. Ruhend, und Futter erwartend. A. Taylor. Near Gisburne (Yorkshire), Mai 1907. Junger, flügger Fiſchreiher. daß der Reiher von dort geflogen kommt. Mit dem Rufe „A la vol! à la vol!“ ſind die Herren zu ihren Pferden geeilt, ſchnell helfen fie den Damen in den Sattel. Dann jagen alle ſo geräuſchlos wie möglich dem Schauſpiele zu. Der Keiher hatte an einem von dichtem Röhricht beſtandenen Waſſer— loche guten Fang gemacht. Dort planjchten junge Karpfen, die er mit Leichtigkeit ergreifen und dann einen nach dem andern überſchlucken konnte. Feine Leckerſpeiſe! Geſättigt kam er trägen Fluges angeſtrichen und ſah plötzlich die Reiter auf ſich zueilen. Er hob ſich etwas, da er dem Frieden nicht traute, und ſtrich ſchnell über ſie hinweg, um den Wald zu gewinnen. Die Falkner ließen ihn einigen Dorjprung gewinnen. Dann ſah er, wie ſie einen Falken abhaubten und auswarfen und nun merkt er, daß es auf ihn abgeſehen iſt. Schnell entkröpft er ſich und ſendet einen kalkigweißen Strahl auf die letzten nun zur Stelle kommenden Keiter hinunter. Der Falke ſtreicht pfeilſchnell unter ihm am Boden hin und ſucht ihn zunächſt einzuholen. Mit vorgeſtrecktem Halſe trachtet der erleichterte Reiher ihm zuvorzukommen; da ſteigt der Falke in raſend ſchnellem Kreiſe auf, um über ihn zu kommen. Jetzt merkt der Reiher, daß es Ernſt wird. Gegen die furchtbare Schnelligkeit dieſes Feindes wird er machtlos; wenn der ihn überſteigt und mit ſcharfem Stoße ſich auf ihn herabſtürzt, iſt er geliefert. Und jchon ſieht er, wie der Falke ihm näher und näher kommt und den Dorjprung bald eingeholt hat. Da bleibt dem Reiher keine Wahl mehr, als zu wenden. Mit heiſerem Angſtſchrei ſucht er unter dem Winde ſein heil. Doch nun kommt der ihm gewährte Dorjprung dem Falken zugute, der mit jauchzend hellem Schrei ſich hinaufſchraubt. Jubelnd und den Falken mit hellen Surufen anfeuernd ſchauen die Reiter und Reiterinnen dieſem Mann gegen Mann ausgefochtenen Kampfe der ſcharfen Flieger zu, die mit der Schnelligkeit des Gedankens nun aneinander kommen. Über Stock und Stein, durch bültige Haide und quatſchendes Bruch geht unten die Jagd dahin, bei der alle Geiltesgegenwart von Roß und Reiterin aufgeboten werden muß. In wilden Schraubenwindungen, Hieben, Paraden und Finten tobt oben der Kampf. Zuweilen ein Klageſchrei des Reihers, ein heller Jubelruf des Falken. Stoß um Stoß weicht der Reiher aus und der in die Tiefe ſauſende Falke muß dann nach ſchneller Wendung ſeine Kraft verdoppeln, um den Gegner wieder einzuholen. Nur einem Meiſter der Königsbeize gelingt es, allein dieſen Kampf gegen den immer wieder aus— weichenden Reiher zu beſtehen. Aber jeder Fehlſtoß verdoppelt feinen zornigen Mut, und ſchließlich gelingt es ihm, den Reiher zu binden. Mit feſtem Griffe hat er ihn am halſe gepackt und wie eine einzige große Federkugel fallen beide nun zu Boden, indeſſen das Reiterfeld heranſtürmt, in dem jeder und jede als erſter zur Stelle ſein will, um dem Reiher die ſchwarzen Schopf— federn zu rauben. 576 vögel II. 37 Kaltblütig ſauſt der Falke mit ſeinem jtürzenden Opfer herab. Aber ehe er den Boden erreicht, läßt er, um nicht beim Aufichlagen alle Knochen zu brechen, den Reiher los, ſchwingt ſich dann mit kurzer Dolte über ihm ein und packt ihn abermals am Halſe, ehe ihm der Reiher den ſpitzen Schnabel entgegenzuſtrecken vermag. Da iſt auch der Falkner heran. Er ergreift mit vorſichtigem doch ſchnellem Griffe den Reiher und reicht dem Falken eine Taube, die er ihn auf dem Reiher kröpfen läßt. Dann wird der Sieger wieder aufgehaubt und zur Tage getragen, dem Rahmengeſtelle, auf dem ſeine Gefährten des Kampfes mit dem nächſten Reiher harren. Schon hat ein anderer Falkner mit „Matador“ die Warte bezogen. Doch ehe die Reiter und Reiterinnen zur Halle zurückkehren, gibt es eine Feier beſonderer Art. Dem Reiher iſt der Schopf geraubt und ein Stückchen Holunderholz auf den ſpitzen Schnabel geklemmt. Jetzt wird ihm ein Meſſing— ring um den Ständer gelegt, in den Ort und Tag der Jagd eingeſchlagen ſind, und unter dem handſchuhſchütteln der Jagdͤgeſellſchaft wirft der Falkner den unverletzt gebliebenen Reiher in die Luft, wo der Ermattete nach kurzem Sichbeſinnen, ſo ſchnell ſeine Schwingen ihn tragen wollen, dem heimiſchen Geſtände zueilt. Die Jäger und Jägerinnen haben nicht lange Seit, beim funkelnden Weine von Küdesheim dieſe ereignisvolle Beiz zu erörtern — „à la vol! a la vol!“ Der Falkner iſt abgeſeſſen. Wieder wendet er den Kopf ſeines Pferdes nach Nordweſt. Der Nachmittag fällt, und die Reiher ſtreben ihren Horſten im Geſtände zu. Als der Abend herabjinkt, liegen zwei auf dem Plane, und zwei andere ſtreben mit dem Ringe der Beſiegten ihrem erſten Gefährten nach. Wo das Röhricht eines Altwaſſers um Baumſtümpfe und Geknäk rauſcht, die vor Jahren das Hochwaſſer hier abgelagert hatte, ſteht eine Vollblutſtute und ſtarrt leiſe wiehernd in das bleiche Geſicht ihres Reiters, dem ein Blut— ſtrom entquillt. — — Derklungene Seiten! Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein hat die von den Franken eingeführte Falknerei ſich in Holland erhalten, und die Schule von Dalkenswaard hat ihre Meiſter an alle Höfe Europas entjandt. Am Niederrheine hat die Jagd auf den „hohen Flug“, die allein den Namen der Beizjagd verdient, unter dem holländiſchen Einfluſſe geblüht, namentlich war Kurfürſt Clemens Auguſt ihr ergeben, deſſen ſchöne Falkenbilder im Schloſſe zu Brühl am Rhein uns von dem fröhlichen Federſpiele um 1736 578 I \ 1 f 1 $ 1 N 1 * M. Behr. Aken, April 1910. Alter Reiher am Horſt. erzählen. Die durch G. Schöpffer unlängſt bewirkte Überſetzung des herr— lichen Werkes „de arte venandi cum avibus“, das der Staufenkaijer Friedrich II. ihr widmete, hat die Anteilnahme für ſie gewiß aufs neue ſtark geweckt. Aber an ihrer Wiedereinführung iſt bei allem Werte, den ſie für die Pflege des Reitergeiltes haben würde, heute wohl ſchwerlich noch zu denken. Das alte Sprichwort: „Hunde, Wildpret, Federſpiel — bringt kein Nutz und koſtet viel!“ iſt zwar ſehr philiſterhaft, gilt aber im Seitalter der fortſchreitenden Kultur, die jeden Strom reguliert und jeden Bach gerade— legt, jedes Altwaſſer mit Schutt ausfüllt und jede Wieſe ſalzt und walzt, noch viel ſtärker als zur Seit ſeines Entſtehens. Denn eben dieſe Kultur duldet den nicht mehr, der doch zur Königsbeize am unentbehrlichſten war: den Reiher! Die letzten Geſtände am Niederrheine ſind längſt auf kümmer— liche Reſte zuſammengeſchrumpft. Die Fiſchereivereine ſetzen Belohnungen über Belohnungen auf die Dertilgung dieſes Feindes der Teichwirtſchaft und Wildfiſcherei aus. Jeder Fiſcher ſtellt ihm nach, jeder Hilfsjäger legt ihm Eiſen, jeder Schießer ſchwört ihm den Tod! Aber längſt ehe dieſe 37 579 Nüßlichkeitsfanatiker ihn für rechtlos und friedelos erklärten, hatte die Beizjagd ſelbſt für feine Vernichtung geſorgt. Denn um immer mehr Reiher zur Verfügung zu haben, deren Wehrhaftigkeit und Flugkraft allein der Falkenjagd ihren hohen Reiz und eigenartigen Sauber aufzuprägen vermochte, hatte man ſchließlich die entlegenſten Geſtände ausgejagt, ſo daß zur Anlage von beſonderen Keiherhäuſern geſchritten werden mußte, in denen der Nachwuchs ſorgſam aufgezogen wurde. In England, und nament— lich auch in dem mit fiſchreichen Wildbächen geſegneten Schottland werden noch heute viele „heronries“, d. h. Reihergeſtände, auf großen Beſitzungen gehegt. Aber die Beizjagd wird dort nur noch auf den „niederen Flug“, das heißt mit Sperbern auf Rebhühner, die der Hund vorſteht, ausgeübt. Den Namen Beizjagd verdient dieſer Betrieb kaum, da man mit dem Hühner- drachen faſt den gleichen Erfolg erzielt: die hühner zum Halten zu bringen. In jenen engliſchen Reihergeſtänden haben die ſonſt jo ſcheuen Dögel aber begreiflicherweiſe eine gewiſſe Vertrautheit angenommen. Noch liebens— würdiger tritt dieſe in Rotterdam hervor, wo die im Soologiſchen Garten freibrütenden Reiher zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ſind. Nicht immer waren ſie von dieſer jo rings umſchloſſen, als jetzt. Ihre Vorfahren, die im Jahre 1870 ſich neben dem neuerbauten großen Dogelhauſe auf einer Ulme anſiedelten, vermutlich angezogen von den im großen Gitterhauje brütenden Fiſch- und Nachtreihern, fanden ihre Nahrung in allernächſter Nähe der waſſerreichen Umgebung; denn der „Rotterdamſche Diergaarde“ lag damals noch außerhalb der Stadt. Inzwiſchen hat dieſe ſich aber immer weiter ausgedehnt und den Garten in ihre Mitte genommen. Damit iſt es für die alten Reiher, denen im Garten ſelbſt nicht das geringſte Futter ver— abreicht wird, eine ſaure Arbeit geworden, ihre ſchreienden Jungen groß— zuziehen. Weit über das Straßennetz der Stadt hinweg müſſen ſie zu den Landſeen, Tümpeln und Waſſergräben der Umgegend ihren viele Kilometer weiten Weg nehmen, um im Kropfe den Jungen ihr aus Mäuſen, Fröſchen, Weißfiſchen und Aalen, gelegentlich auch einmal aus einem Barjche beſtehen— des Futter zuzutragen. Das Geſtände beſteht heute aus etwa 80 bis 100 Neitern, die, zu je fünfen bis zehn auf einer Krone, auf Ulmen, Koß— kaſtanien, Robinien und Pappeln neben dem großen Sluggitterhauje gebaut ſind. Selbſtverſtändlich ziehen im Herbſte alle dieje freibrütenden Reiher fort. Aber ſehr frühzeitig ſtellen ſie ſich wieder ein und kämpfen dann hartnäckig um die alten Neſter. Es iſt, als ob ſie wüßten, daß ihnen weitere Neu— bauten nicht erlaubt werden können. Sonſt wäre nämlich der ganze Garten bereits ein einziges Reihergejtände geworden! Man hält ſie kurz; aber in der jetzigen Begrenzung ilt die Reiherjiedelung ein Liebling von ganz Rotter- dam. Und wenn dieſe Reiher über das weite Häujermeer vollen Kropfes von der Maas heranſtreichen, ſo verleihen ſie dem Stadtbilde ein ganz eigen— 580 H. van Zanden. Rotterdam, Mai 1907. Brutkolonie des Fiſchreihers im Soologiſchen Garten von Rotterdam. artiges Gepräge, das man am allerletzten in Holland, der alten Heimat der Falkner, zu finden erwarten durfte. * * * Träge ſchlängelt der Seelenverkäufer ſich durch das Gewirr von Rohr- platten, Gell- und Kriechweiden hin. Vom See iſt nichts zu ſehen. Kreuz und quer liegen am Rande der ſchmalen Kahnfurt vom Sturme gebrochenes Aſtwerk und entwurzelte Stämme. Dazwiſchen abgeſtorbenes Röhricht, ver— weſende Waſſerpflanzen, auf ſtinkendem Waſſer die Blatt-Teller der Waſſer— roſen, über die Kallen laufen und Waſſerhühner dahinhuſchen. Wo das Frühjahrswaſſer bereits zurückgetreten iſt, ſprießt über zertretenen Muſcheln ein Teppich ſaftigen Graſes auf, der Wildſchwänen, Saatgänſen, zahlloſen Entenarten zur Aſung dient. Weiter draußen öffnet ſich das Wildnisparadies: ſchwimmende Inſeln mit ſchaukelndem Weidendickicht, Farren und vermodern— den Stämmen, von denen Scharben mit toſendem Donner aufſtehen, um kurz darauf doch an der gleichen Stelle wieder einzufallen. Schwarz heben ſich ihre Scharen vom rötlichen himmel ab; der Abend ſinkt mit ſpielenden Lichtern 581 V. Steckel. Reihergejtände. Konstantinopel, Mai 2910. V. Steckel. Konstantinopel, Mai 1910. Reihergeſtände. M. Behr. Aken, Oktober 1909. Fiſchreiherſpur im naſſen Elbjande. auf das violette Waſſer hernieder, auf dem die Inſeln der bleichen Seeroſen ſchwimmen. Droben um die Karjtberge flammt und glüht es. Selbſt die Adler ſtreichen nun mit gewaltigem Schlage ihrem Horſte im maſſigen Geäſte der Schilfinſeln zu: Kaiſeradler und Seeadler atzen ihre Jungen und Schrei— adler und Swergadler ſchwingen ſich ein. Auf dem Aſte einer alten Schwarz— pappel, an deren Stamm er ſich tagsüber gedrückt hatte, rückt ein Uhu hin und her, knappt ein paarmal und lüpft die Schwingen. In den Kronen der Erlen und Pappeln wird es allmählich ſtill. In ſcharfem Umriſſe ſchneiden die zu ihren Jungen heimgekehrten Reiher in den farbentrunkenen Abendhimmel hinein: Edel-, Silber- und Purpurreiher, Cöffel- und Nachtreiher und vor allen unſer Graureiher, der ſich mit Kormo— ranen und gelegentlich auch mit durchziehenden Pelikanen ſchreiend und polternd um ſeine Horſte ſtreiten mußte. Im erſten Frühjahre ſchon beſſerte er ſie aus, und ſo ſparrig ſie ausſehen, ſo ſturmfeſt ſind ſie gebaut, ſo weich 584 ton. ear R 75 ii. iſchr 9 — © n = = = | C. Reid. Wishaw (Schottland). Sijhreiher im Waſſer. inwendig mit feinen Zweigen ausgelegt. Aus den drei oder vier blaßblau— grünen Eiern ſchlüpften dickköpfige ſtachelkielige Junge aus, die nun ſchon groß und kaum mehr zu ſättigen ſind. Gierend ſtanden ſie auf den Horſt⸗ rändern und benachbarten Zweigen, bis fie ſahen, daß die Eltern, die jetzt bis abends ſpät noch zum Fange ausfliegen, herangerudert kamen. Sitternd und mit den halbbefiederten Schwingen ſchlagend klettern ſie auf die höchſten Aſtſpitzen, wo die Alten aus ſchwerhängenden Kröpfen ihnen den Fraß ein- würgen. Iſt das ein Geſchnatter, ungeduldiges Schlucken und Schnappen, Flattern, Gieren und Schrillen in dieſer großen Kinderſtube am Utavo Blato! Bis der letzte heißhungrige Schreihals genug hat, den ſtruppigen Kopf unter den Fittich oder unter das wärmende Kleid der Mutter ſchiebt und allmählich auch das Gepolter der heimkehrenden Krähen verſtummt unter dem ſanften Frieden der Nacht. Mit bleichem Glanze umſpielt der Mond die dunkeln Maſſen des Röhrichts und die von Nebeln umſchleierten Seeroſenhalden. 585 IR M. Behr. 5 Aken, April 1910. Fliegende Fiſchreiher. In der Nähe der Kolonie. Da rückt der Uhu noch etwas weiter ab vom Stamme ſeiner Schwarz— pappel, verdreht den Kopf, duckt ihn, wirft ihn vor und zurück, ſtreicht ab und gleitet lautlos über das Gewirr dahin in weichem Fluge dicht über dem Waſſer, dann wieder um dichtbeſetzte Baumkronen. Plötzlich ein Quäken, Kreiſchen, Knäken, Schnattern, ein Trommeln und Raujchen von aufbrauſenden Dogelmaljen, als ſei das ganze Utavo Blato verhert, ein Schwirren, Klingeln und pfeifendes Kreifen, toſend klatſchendes Einfallen. Über den Kronen der Erlen und Pappeln fuchtelt und ſauſt es, ſchwarze Schatten ſchießen im Mond— lichte hin, weiße Hälſe leuchten auf; ſelbſt der Königsadler auf dem Eichen— horite iſt erwacht und hat den breitſtirnigen Kopf aufgereckt. Doch all— mählich beruhigt ſich das Gewirr, die Stimmen verhallen, aus wildem Kreiſchen wird leiſes Schnattern, heimliches Raunen, verſtecktes Schelten, bis das letzte Swiegeſpräch verſtummt. Hell ſpielt das Mondlicht um tote Stämme, leiſe rauſchende Kronen und bleiche Nebel, die über träumende Waſſerroſen gaukeln. Aus der Ferne tönt der Ruf des wilden Jägers herüber, des nächtlichen Herrſchers der Luft. Dumpf und grauſig: Schuh-hu! Schuh-hu! Er reißt in dieſer ſchlimmen Stunde die Ente auf der Platte, ſchlägt die Krähe im Geäſte und greift die Natter im Moor. Die Schermaus, die über die Blänke ſchwimmt, muß ſterben, und den Rohrjänger im Schilfe erſpäht des Käubers die Nacht durchfunkelndes Licht. Und doch, wer wollte ihn miſſen hier in dieſer grauſigen Urwildnis des Utavo Blato? * * * 586 Moore. Andalusien (Spanien), Mai 1902. Fiſchreiher, im Waſſer watend. Die Sukunft des Reihers iſt ernſtlich in Frage geſtellt. In Bosnien und der Herzegowina weniger durch die Geſetzgebung, als durch die mit viel gutem Kultureifer betriebene Entwäſſerung der Sümpfe. Soweit in dem ehemals unter türkiſcher Herrſchaft ſtehendem Gebiete der Koran gilt, iſt die Vogelwelt ja hinreichend geſchützt; auch die anderen Bekenntniſſe ſtehen ihr nicht feindlich gegenüber. Ruch an Niſtgelegenheit fehlt es nicht. Aber die eigenartigſten Wildniſſe, ſelbſt das Utavo Blato, ſind von der Ent— wäſſerung bedroht. Um ſo dankenswerter iſt, daß die Regierung, einer auf dem Botanikerkongreſſe 1905 gegebenen Anregung Othmar Keiſers, des verdienten Kuſtos am K. K. Candesminiſterium zu Sarajewo, folgend, das Urwaldgebiet an der Klekovaca planina im Bezirke Bosniſch-Petrovac in Größe von 800 Hektar vor jedem Axthiebe und jeder Jagd geſchützt hat. Hoffentlich wird dies gute Beiſpiel auch in Ungarn Nachahmung finden, deſſen einſt jo reicher Dogelwelt im Gebiete der Theiß anderenfalls der Untergang droht. In Preußen hat ſich die Königliche Forſtverwaltung der Dielverfolgten angenommen, auch des Reihers, den das Dogelſchutzgeſetz vom 30. Mai 1908 587 =) ) | hi du hen hund — = 2 ae me 21222222 ̃ ß a a u a a eee A ee M. Steckel. Rossitten, September 1909. Fiſchende und ſich putzende Reiher. für vogelfrei erklärt hat und auf deſſen Erlegung der Sijcherei-Derein noch immer Prämien ausſetzt. Neuerdings plant man, die Inſel Hiddens-He weſtlich von Rügen zum Dogeljchußgebiete zu erklären. In der Mark Brandenburg mit ihren 6000 Fiſchgewäſſern und ihren vielen königlichen hochwaldungen findet der Reiher noch immer in mäßigen Grenzen verſtändnisvolle Duldung, zumal ſeit die Meinung von ſeiner unbedingten Schädlichkeit durch den Nach— weis widerlegt iſt, daß er neben kleinen Fiſchen auch Fröſche, Mäuſe und Pflanzenteile als Nahrung wählt. In London gehört ein Reihergejtände an der Themſe zu den Cieblingsbildern des engliſchen Dolkes. Als die Park— verwaltung die alten vom Kote der Reiher zum Ausiterben gebrachten Eichen V. Steckel. Rossitten, September 1909. Reiher im Röhridt. vor drei Jahren fällen laſſen wollte, erhob ſich ein Entrüſtungsſturm, im Parlamente wurde eine Interpellation eingebracht, und die Reiher behielten ihre alten Horite auf den kahlen grauen Kronen. In jedem Frühjahre treiben ſie dort, aus weiter Ferne heimgekehrt, ihre drolligen Balzflugſpiele. Drunten auf dem Strome heulen die Sirenen der Oſtindienfahrer und läuten die Glocken der von luſtigem Volke belebten Stromdampfer. Auf der „Clackton Girl“ bläſt ein Hochlandſchotte den Dudelſack. Auf der „Man flower“ ſingt ein Barde zur Harfe gäliſche Lieder. Droben um die alten Eichen zappeln in ſinnloſer Auf⸗ regung und Liebesraferei die Reiher mit den Ständern, peitſchen ſich mit den Flügeln, kitzeln ſich mit den ſtahlharten Schnäbeln, ſchießen in unwiderſteh— licher Komik in der Luft Kobolz. Krächzen, heiſeres Stöhnen, Huſten und da— zwiſchen gellendes Siegeskreiſchen. Drunten im Parke ſchmettert der Fink 589 ſeinen Reiterzug und pfeift die Amſel ihre helle Strophe. Ein jeder ſingt das alte unerſchöpfliche Lied der ewigen Sehnſucht auf ſeine Weiſe. Auch der ſpindeldürre Fiſcher dort oben auf dem ſparrigen Horſte im abgeſtorbenen Eichengeäſte. O Lenzesglück, o Liebestraum! 590 Summen und Alke. Don Alf Bahmann- Münden. Es ilt ein düſterer Wintertag. Der Sturm heult ſeit drei Tagen aus Weſten, raſt über die ſchmutziggrünen Wogen der Nordſee und wälzt die Waſſermaſſen über die langen Sandriffe, die den oſtfrieſiſchen Inſeln vor— gelagert ſind. Am Horizont verſchwimmen Himmel und See in einen weißlich— grauen Ton, und in den Prielen, die langen Sandinſeln entlang, ſchwimmt in großen Haufen gelblichgrauer, dicker Schaum, der langſam ans Ufer treibt; dort packt ihn der Sturm, reißt ihn in Fetzen, rollt ihn die Düne hinauf, jagt mit ihm ein weites Stück durch die Luft und läßt ihn endlich in die ſtarren Sanddornfelder fallen, die zwiſchen altem Schilf und braunen Gräſern die Dünentäler bedecken. Dann wühlt ſich der Sturm in die Dünen hinein, wo er eine unbewachſene Stelle findet, treibt den weißen Sand wirbelnd in die Höhe, entführt ihn über die naſſe Außenweide und ſtreut ihn ins Wattenmeer herunter. Und er raſt weiter, rührt das flache Wattenmeer auf, ſo gut er kann und ſauſt an den Scharen von Watvögeln und Enten vorbei, die, ihre Köpfe gegen die Windſeite gewandt, mit angezogenem Halſe ſtill daſitzen auf den miesmuſchelbeſtandenen Sandbänken. In ſeinem Brauſen verhallt das tauſendſtimmige Rott-rott-rott der Ringelgänje, die dort das Seegras abweiden. Nun ſpringt er wütend, heulend und pfeifend über den Deich, reißt einen morſchen Bretterzaun um, hebt das Dach von einem Holzſchuppen und wirft einem Bauern den alten Kirſchbaum aufs Haus, daß die Sparren krachen. Aber draußen auf See iſt's doch am ärgſten. Der Dampfer, der, von Rußland kommend, nach Weſten ſteuert, wühlt ſeine Naſe tief in eine Welle hinein und wirft große Waſſermengen auf ſeinen Rücken, wie eine badende Riejenente. Der Schornitein iſt mit einer weißen Salzkruſte überzogen, und der dicke Rauch wird hinuntergedrückt auf die Wogen. Und wie es dem Kapitän zu toll kommt und das Rollen immer ſchlimmer wird, läßt er die Seile durch— ſchneiden, mit denen die Terpentinfäſſer auf Deck feſtgebunden ſind, und bald hüpfen in langer Reihe die Fäſſer taumelnd hinter dem Schiffe her. Doch die Nacht wird noch fürchterlicher. Dichte Schneemaſſen fliegen horizontal übers Meer, jo daß auf zweihundert Schritt keine Laterne mehr zu ſehen it und ſämtliche Leuchttürme erloſchen zu ſein ſcheinen. Die Flut ſtaut ſich mächtig zwiſchen den Inſeln, läßt das Waſſer nicht hinaus aus dem Watten— meer, und wenn die Ebbe eingeſetzt hat, ſpringen die Meereswogen in raſendem Kampfe gegen die Wellen des ausſtrömenden Watts. So toben die brutalen 591 Schrammen. Juni 1909. Fliegende Tordalke. Gewalten noch einen Tag und eine Nacht, als wollten ſie alles verſchlingen. Swilchen den Dünen bilden ſich neue Durchbrüche, durch die ſandige, tiefe Waſſerbäche wie Gebirgswäſſer entlang laufen vom Watt zur See; die Außen— weide iſt ein ſchmutziger See geworden und die Brunnen der armen Inſulaner, die an der Wattſeite wohnen, werden mit Salzwaſſer gefüllt. Endlich erhellt ſich der himmel langſam. Der Wind kommt mehr aus Nordweſten, wird ſchwächer und ſchwächer, das Watt beginnt allmählich zu fallen und am Nordſtrand tritt das Meer ſchon etwas zurück vom Fuße der Dünen. Die öden, gleichmäßigen Halmpflanzen, die die Menſchen in lang— wieriger Arbeit im Sommer pflanzten, um die ſchmalen Inſeln gegen die Wut des Meeres zu verteidigen, hat er herausgewühlt, daß die Wellen ſie weg— ſchwemmten. Die Dünen ſind weißgefleckt von kleinen Schneefeldern, und der Schnee, der von der Seeſeite herangeweht wurde gegen die unabſehbare Reihe von Holztrümmern, Tang, Kilten, Fäſſern und Bambusſtangen, die das fallende Waſſer zurückließ, liegt als naſſer Matſch da, vermiſcht mit Sand und Schaum. Dazwiſchen liegt eine verendete Ringelgans, naß und ſandig, mit ſtruppigem Gefieder; dort eine zweite. Dann kommen wieder, zwiſchen Tangmaſſen und Schaum, einzeln und zu mehreren, Stummelmöwen und Stockenten, Sturmmöwen, Seetaucher und Pfeifenten. Bier liegt zuſammen mit allerlei Arten Enten, beſonders Sammet- und Trauerenten, die kaum mehr kenntlich ſind in dieſer elenden Derfaljung, ein brauner Baßtölpel. Aber zwiſchen all den Opfern, die der Orkan zur Strecke brachte, und die viele Kilometer weit den Strand bedecken, liegen zu vielen, vielen Tauſenden die 592 O. Grabham. Bempton (lis (Yorkshire- England), Funi 1908. Junger Tordalk. Leichen eines ganz eigentümlichen Waſſervogels von Krickentengröße. Der ganze Vogel iſt dunkelbraun, nur die Unterſeite glänzend weiß. Der Mörper iſt von oben und unten platt zuſammengedrückt. Die gelbbräunlichen Füße ſitzen ganz hinten unter dem keilförmigen Schwanze, der Hals iſt kurz. Das Sonderbare an dem Tier iſt aber der Schnabel. In der Derlängerung des flachen Schädels ſitzt ein ſeitlich ſtark zuſammengedrückter ſchwarzer Schnabel, wie aus glänzend poliertem Ebenholz, der mit einem weißen Furchenſtreifen geziert iſt. Das iſt der Tordalk, ein vorzüglicher Schwimmer und Taucher, der ſein Leben auf der See verbringt und tauchend ſeine Nahrung ſucht. Er verabſcheut das Süßwaſſer und geht außerhalb der Brutzeit nur gezwungen ans Land. Lieber ſchläft er draußen auf See. Dann ſteckt er ſeinen Schnabel unter die Flügel und läßt ſich von den Wellen ſchaukeln. Wenn der herbſt kommt, zieht er in unüberſehbaren, loſe aneinander gereihten Scharen den däniſchen Gewäſſern zu, überwintert aber auch an der Nordſee und an den Küſten des Ozeans; zu dieſer Jahreszeit iſt er auch bei den Kanariſchen Inſeln angetroffen worden. Dertreibt ihn ein ungewöhnlich ſtrenger Winter früh aus ſeiner nördlichen Heimat, dann kommt er wohl ſchon im Auguit zu uns. Die Erſcheinung des fliegenden Tordalks iſt merkwürdig genug, und er unterſcheidet ſich im Fluge ſtark von ſeinen Verwandten, den anderen Alken und Lummen, denen er in Geſtalt und Farbe ſonſt ſehr ähnelt, denn ſie ſind alle miteinander ſchwarz und weiß und ziemlich von derſelben Größe. Der raubvogelartige Schnabel hebt ſich ſcharf von der Luft ab und der hintere Teil des Vogels iſt manchen ſpitzſchwänzigen Enten ähnlich. Den Kopf jenkt vögel II. 58 593 e RZ Sczlly - Inseln. Ein Trupp Tordalke. er fliegend etwas vor, und die kurzen, ſchmalen Flügelchen müſſen ſo ſchnell bewegt werden, daß man ihre Form kaum mehr erkennen kann: ſie ſcheinen nur noch zu zittern. Dazu geht der Flug reißend vorwärts, und wenn die kilometerlange Kette einfällt, dann ſetzt ſich der vorderſte Vogel zuerſt aufs Waſſer, der zweite fliegt über ihn hinweg, läßt ſich vor ihm nieder, der dritte vor dem zweiten und ſo fort, und wenn ſie nun alle ſchwimmen, dann bilden ſie wieder eine endloſe Reihe auf dem Meere. Früher war dieſer kleine, ſchwarzweiße Wintergaſt auch zur Brutzeit auf Helgoland in Mengen zu ſehen. Jetzt ſind es nur noch wenige Paare, die von Mai bis Juni am Selskegel der Nordſpitze zwiſchen ihren Freunden, den Lummen, brüten. Im Sommer nennt fie der Helgoländer Korrid, im Winter, wenn fie durch weißliche Färbung am vorderen Hals und Kopf verändert ſind, Dogger. Aber auch dieſe letzten werden ſich bald eine andere Heimat ſuchen müſſen, wenn erſt die lange Rieſenmauer gebaut ſein wird, die zum Schutze gegen die anprallenden Wogen um die Inſel gezogen werden ſoll. Sonſt brütet er überall an der Küſte des nordatlantiſchen Ozeans, in Skandinavien und Großbritannien, öſtlich geht er noch bis Gotland. Nach Norden zieht er nicht ſehr weit hinauf; auf Spitz— bergen iſt er z. B. nicht gefunden worden, doch bewohnt er die Hordküjten 594 C. F. King. Sczlly- Inseln, ut 1909. Tordalke in Geſellſchaft von Sharben und Papageitaudern. von Alten und Amerika in enormen Mengen, auch die großen Buchten von Kanada und um Grönland herum. Seine ſüdlichſten Brutplätze liegen an den bretoniſchen Gewäſſern. Im Februar oder März erſcheint er an der Külte, auf deren Felſen er zu brüten gewohnt iſt und verläßt ſie erſt im Auguſt oder September, um allmählich ſüdwärts zu ziehen. Wie iſt es nun möglich, daß ein Dogel, der jo ganz und gar dem hohen Meere angehört, ſchon nach einem mehrtägigen Sturm in der traurigſten Verfaſſung, mit leerem Magen und bis zum Skelett abgemagert, zu un— gezählten Tauſenden verendet oder doch gänzlich erſchöpft, an den Strand getrieben werden kann? Er iſt ganz und gar darauf angewieſen, ſich durch Tauchen kleine Fiſche, wie junge Heringe, Sprotten, Sandaale und Stichlinge zu erjagen. Nun muß es wohl vorkommen, daß die flache Nordſee, die ja nirgends über zweihundert Meter tief iſt — alſo nur wenig tiefer als die oberbayriſchen Seen — bei anhaltenden Weſtwinden bis zum Grunde aufgewühlt und undurchſichtig wird; dann ſehen die tauchenden Dögel die Fiſche, die ſie teils auf dem Meeresgrunde ergreifen, teils von unten nach der Oberfläche jagen und ſo erbeuten müſſen, überhaupt nicht mehr. Das ſchöne Fettpolſter, das ſie ſich als eiſerne Ration 38 * 505 aus ihrer Heimat mitbrachten, zehrt ſich auf, und wenn der kleine Körper erſt einmal durch Hunger entkräftet iſt, treibt er bald matt und willenlos in die Brandungswellen hinein. Su ſchwach geworden zum Fliegen, ertrinkt der unermüdliche Schwimmer, der kleine, elegante Taucher elend in dem flachen Waller. Und er wußte doch ſonſt in einer Tiefe von 50—60 Metern auf dem Grunde des Meeres im grünen Halbdunkel des Seetangs den klugen FCiſch zu überliſten. Kühn und geiſtesgegenwärtig entging er wohl hundertmal in ſeinem Leben mit knapper Not dem Rachen des Uatzenhais, dem großen, ſchiefen Maul des gierigen hHeilbutts, in deſſen Fiſchgründe er jo geſchickt hinab— tauchte, als jei er ſelbſt ein Kaubfiſch. Und wie ſchnell mußte die Jagd beendet ſein in der Tiefe! Wenige Minuten nur konnte er, ohne zu atmen, dort unten leben, und ehe die kurze Friſt verſtrichen, mußte er in raſender Ge— ſchwindigkeit, mit den Flügelchen rudernd und den Füßchen ſteuernd, hinauf— ſchwimmen ans Tageslicht, um ſich die Lungen wieder mit friſcher Luft zu füllen. Und jetzt wird er hier ein Opfer des Elementes, ohne das für ihn kein Leben zu denken war. Ein jämmerlicher Anblick iſt's, ihn nun ſo, zu faſt unkenntlichen Ballen geworden, daliegen zu ſehen zwiſchen ebenſolchen Enten, deren Federn bei Lebzeiten wie Juwelen leuchteten. Struppig und verworren iſt das herrliche Gefieder, das ſie täglich viele Stunden lang wuſchen, ordneten und putzten, bis auch die kleinſte Feder ſauber, glatt und gut eingefettet an ihrem Platze lag. Wie ein dummer und brutaler Jäger hat das ungaſtliche Meer die ſchönen kleinen Flüchtlinge aus dem Norden hingemordet und ſie achtlos auf den Strand geworfen. Niemandem kommen ſie zugute. Wohl werden einige der matten, noch lebenden Tierchen von den Inſulanern erlegt und gegeſſen; auch kommt hier und da eine Schar Nebelkrähen, die hier überwintern, und tut ſich an dem Fleiſch der Dögel gütlich. Es iſt eine angenehme Abwedjlung für ſie, ſtatt der roten Sanddornbeeren und der Feldmäuſe einmal friſches Dogelfleiſch zu freſſen. Aber die größte Sahl verkommt und verweſt ungenutzt. Außer den Tordalken liegen zwiſchen den Enten und Gänſen noch andere Hochſeevögel, die ebenfalls zu Tauſenden hier den Tod fanden. Das ſind die Trottellummen. Etwas größer als die Tordalken, haben ſie einen ſchwachen, ſpitzen Schnabel, der ſeitlich zuſammengedrückt iſt. Kopf, Rücken, Flügel und der Stummelſchwanz ſind dunkelbraun, die ganze Unterſeite iſt weiß, an den Flanken mit dunklen Streifen. Die Füße bräunlich. Das Braun des Nackens geht wie ein Ringelchen faſt bis an den vorderen Hals; die Unterſeite des Kopfes iſt im Winter weiß. Im Sommer iſt Hals und Kopf gleichmäßig braun. Dieſer Dogel iſt an der deutſchen Nordſeeküſte, wenigſtens auf See, auch im Sommer eine tägliche Erſcheinung. An dem ſogenannten Cummenfelſen auf Helgoland brütet er auch jetzt noch und bleibt dort bis 596 Ende Juli. Während der Brutzeit wird er geſetzlich geſchützt, aber gegen Ende Juli findet an einem näher feſtgeſetzten Tage vom Boot aus ein Schießen ſtatt, bei dem die von dem Felſen in raſendem Fluge abſchwirrenden Dögel meiſt vorbeigeſchoſſen werden. In Geſellſchaft von Trauerenten treiben ſie ſich dann ſpäter in Flügen von 10—50 Stück auf der Nordſee umher. Im Berbit bekommen ſie noch Beſuch von vielen Artgenoſſen vom Norden her und erſcheinen wohl auch in den Balgen des Wattenmeeres. An Cand ſcheinen ſie nur zu gehen, wenn ſie erſchöpft ſind. In Maſſen brüten ſie an der r Scilly- Inseln, Funi 1907. Junger Tordalk neben zerbrochenen Eierſchalen. norwegiſchen Küſte, auf den Hebriden und Orkaden, den Shetlands und Faröern, auch im ſüdlichen Island. Ihre ſüdlichſten Brutplätze liegen an der portugieſiſchen Küſte. Auch die meiſten Trottellummen ſind Sugvögel und wandern in ungeheuren Scharen von ihren nordiſchen Dogelbergen aus, um dem dunklen Winter ihrer Heimat zu entgehen. Doch einige können ſich auch nach der Brutzeit von dieſen wilden Küſten nicht trennen. Swiſchen ſchwimmenden Eisſchollen treiben ſie ſich dann an der Küſte umher, um ihre Nahrung zu ſuchen, und manch eine friert wohl mit den Füßchen auf dem Eiſe 597 feſt und wird dem Kolkraben zur Beute, der die Küſte abjucht, oder der großen Raubmöwe, die immer gleich bei der Hand iſt, wenn's etwas zu morden gibt. * * %* Dünner weißer Nebel hüllt die Felswände der Weſtman-Inſeln ein, und die Morgenſonne ſcheint nur ſchwach hindurch auf die grünen Matten, die auf den höhen zwiſchen ſteilen Wänden überall hervorſchimmern. Die hohen Baſaltfelſen werfen ihren Schatten ſchräg durch den feinen Nebeldunſt hindurch bis weit hinaus aufs Meer, und malen ihre Silhouetten zackig auf die Wände der benachbarten Klippen. Das Erdreich iſt aufgeweicht vom Regen, an den fetten, hohen Grashalmen hängen noch die blanken Tropfen und bis hinein in die Felsritzen, wohin der violette Storchſchnabel ſich vor den Stürmen des Ozeans verkrochen hat, trieft und blinkt jeder Stein und jedes Blatt. Und wohin der Regen nicht dringen konnte, da hat der Wind den Schaum des Meeres hinaufgeweht. Durch hohe Kamine und nach oben enger werdende Felsſchluchten heulte er hindurch und beſprühte alles dort oben mit dem Salzwaſſer, das tief unten in den Buchten kocht und brodelt. Doch die Sonne ſteigt höher und höher. Der Sturm legt ſich ein wenig, und alles, was ſich verkrochen hatte vor ſeiner Gewalt, kommt wieder hervor. Die Sturmvögel kümmerten ſich nicht um das Wetter. In ihren ſchwarzen Höhlen ſaßen fie trocken und warm und ſchliefen ſtill. Die anderen Dögel, die bei Tage hier oben für ihr Ei oder ihr Junges zu ſorgen haben, kriechen, ſobald es irgend geht, hervor und kämpfen mit Energie gegen die Gewalten, die es ihnen oft genug recht erſchweren, ſich ihre Nahrung zu ſuchen. Unter einer ſteilen Wand auf dem plattgetretenen, beſchmutzten Graſe liegt ein junger Polarjturmvogel. Das fette, unbehilfliche Ding war zu vorwitzig; als die Mutter kam, um ihm Nahrung zu bringen, hatte es ſich ein klein wenig zu weit vorgebeugt und im nächſten Augenblicke lag es ſchon mit gebrochenen Gliedern, hundert Meter tief abgeſtürzt, auf einem Felſenvorſprung. Nun ſammeln ſich die Fliegen um den toten Hörper und eine Bachſtelze, die etwas tiefer unten in einer Felſenritze ihr Neſt hat, iſt rennend und ſpringend dabei, die Inſekten mit dem Schnäbelchen zu ergreifen. Als das Kleine abgeſtürzt war, dauerte es lange, bis die Mutter begriffen hatte, daß es wirklich tot ſei. Immer wieder trug ſie ihm Nahrung zu, ſchob es ſanft mit dem Schnabel hin und her und lockte leiſe. Das alles nützte aber nichts. Dann ſetzte ſie ſich auf den toten Körper, um ihn zu erwärmen. Schließlich verſuchte ſie es mit Strenge: ſie hieb das kleine tote Ding einmal über das andere mit dem hakigen Schnabel und ſtrich endlich ab, um jedoch nach kurzer Seit wieder zurückzukehren und alle die Wiederbelebungsverſuche von neuem zu beginnen. Die unzähligen Felſenvögel, die hier an den Küſten dieſer reichen Fiſch— gründe alljährlich den Sommer verbringen, beleben Luft und Waſſer, Strand 598 ue qavcps gun uvowmumj]2770aD uoa yopljplag ug "aujogpulpl Ipıl "yJ0gı0op2 Rue "6067 ung :- MMS und Stein in ſinnverwirrender Weile. Da geht's hinunter ins Meer und wieder hinauf auf die Galerien und Dorſprünge, in die Klüfte und Löcher und auf die Rajenmatten. Don jeder Stelle, wo ſich eine kleine Mulde zeigt, die geräumig genug iſt, um das Ei zu faſſen, damit es nicht hinabrollt in die Tiefe, hat im Frühling eine Möwe oder ein Alk, eine Cumme oder ein Polar— ſturmvogel Beſitz ergriffen, und nun nimmt das Schreien und Knurren, Kreiſchen, Beißen und Sanken kein Ende mehr, bis das letzte Junge imſtande iſt, auf dem Meere ſeine Nahrung ſelbſt zu ſuchen. Der fette Erdboden auf der höhe iſt überall unterminiert. Die Eingänge der Höhlen, die wie Kaninchenbauten ausſehen, ſind zum Teil in ſonderbarer Weiſe ſchillernd tapeziert. Es ſind blaue, flache Schmarotzerinſekten, die in enormen Mengen die Wandungen bedecken. Wem mag dieſe unappetitliche Woh— nung gehören? — Aus dem Innern kommt ein leiſe flötender Ton, der in kurzen Swilchenräumen von einem erſtaunt klingenden gedehnten ha beantwortet wird. Dann kommt's näher und näher, und im Eingange der Höhle erjcheint ein ſonderbares, ſchwarz-weißes Dögelchen, jo ſauber, jo glänzend und friſch geputzt, als komme es ſoeben aus dem Bade und nicht aus einem ſchwarzen, finſteren, mit tauſend Schmarotzerinſekten beſetzten Erdloch. Wie ein kleiner, wunderlicher Swerg in ſchwarzem Frack, weißer Weſte, roten Schuhchen und ſchwarzer Halsbinde ſteht es jetzt vor ſeiner Behauſung. Das ſonderbarſte an ihm aber ſind die Augen. Swei merkwürdige, blaugraue Schwielen, eine kleine, horizontal unter jedem Auge, eine andere dreieckige über dem— ſelben, die hornartig herausſtehen, geben dem Auge einen bedenklich-ängſtlichen Ausdruck, deſſen Komik noch dadurch verſtärkt wird, daß die Augenlider ſelbſt glühend rot gefärbt ſind. Das ganze Geſichtchen iſt hellgrau, unter dem Kopfe läuft ein ſchwarzes Halsbändchen um den Hals herum. Alle übrigen Teile des Körpers ſind braunſchwarz, bis auf die ſchneeweiße Unterſeite. Unter der ſehr niedrigen Stirn ragt der große, ſcharfe Schnabel hervor. Er it wie ein Papageienſchnabel hakig gebogen, aber ſeitlich ganz zuſammen— gedrückt. Auch die Farbe iſt höchſt wunderlich. Vorn leuchtet er lebhaft rot, weiter hinten blaugrau und außerdem iſt er noch mit ein paar hochgelben Hohlkehlen verziert. Das kurze Schwänzchen iſt kaum zu ſehen, um ſo auf— fallender ſind aber die in entzückendem Siegellackrot leuchtenden kleinen Schwimmfüßchen, die ganz unten am hinterleib ſitzen. Siemlich aufrecht ſitzt er da, ſieht erſtaunt umher, als ſei er noch niemals am Tageslicht geweſen, putzt ſich und ſchnurrt leiſe ſein Orr-Orr. Endlich dreht er ſich um und watſchelt wieder hinein in feine Höhle, als ob er etwas vergeſſen hätte. Dieſer ſonderbare Vogel iſt der Lund oder Seepapagei. Er lebt mit vielen Tauſenden ſeiner Artgenoſſen zur Brutzeit hier oben und zieht ſein Junges mit größter Sorgfalt auf. Das Brutgeſchäft macht er ſich wirklich nicht leicht. In der lockeren Erde, die aber oft von Wurzelgeflecht und 600 55 Seilly - Inseln. Tordalk und papageitaucher. Steinchen dicht durchfilzt iſt, gräbt das Männchen im Frühjahr mit Schnabel und Süßen jo eifrig an ſeiner Höhle, daß es alles darüber vergißt und der Hinzukommende es mit der Hand fangen kann. Stößt es beim Graben auf einen Felſen, ſo wird um dieſen herum weiter gewühlt und die Erde hinaus— geſchafft, bis ein anderthalb bis zwei Meter tiefer, krummer Gang fertig iſt. Nie darf das Tageslicht hineinfallen in das Innere ſeiner höhle. Auch darf nicht durch ein zweites Coch Sugluft entſtehen. Dieſen Bau bewohnt der raufluſtige Dogel immer ganz allein mit ſeiner Gattin, die ihm gegen Anfang Juni ein einziges, rauhſchaliges, dichbauchiges Ei legt. Wohl ſchleppen ſie manchmal Wurzeln, alte Halme, Tang und ähnliche Stoffe hinein, doch wird ein eigentliches Neſt nicht gebaut. Das Ei, das auf gelblich-weißem Grunde blaßgrau gekrißelt iſt, hat im Derhältniſſe zum Dogel eine enorme Größe. Es iſt größer als das größte Entenei, trotzdem das Tierchen ſelbſt nur etwa ſo groß wie eine Krickente iſt! Etwa fünf Wochen bebrüten die beiden Gatten abwechſelnd ihr Rieſenei, und wenn dann nach dieſer langen Seit endlich das grauflaumige Junge erſcheint, dann geht die Arbeit erſt recht an. Das Uleine 601 a ER BER. 2 3 u f 0 Be EM 4 2 2 ’ 2 5 Br . i e RZ Scilly - Inseln. Papageitaucher und Tordalke, ruhend. RT 4 . 3 — \ wächſt langſam heran und unaufhörlich müſſen ihm aus der Tiefe des Meeres Fiſchchen heraufgeholt werden. Nur bei ganz ſchlechtem Wetter ziehen ſich die Alten in die Höhle zurück, ſonſt wird Tag und Nacht gefiſcht und nur um Mitternacht herum ruhen ſich die ermüdeten Vögel einige Stunden aus. So zankſüchtig und biſſig dieſe Tiere ſind, jo rührend nehmen ſie ſich gegenſeitig der verlaſſenen Eier und Jungen an. Sobald durch irgendeinen Unglücksfall die beiden Alten umkommen, ehe das Ei ausgebrütet iſt, findet ſich auch ſchon eine barmherzige Nachbarin, die, vielleicht ſelbſt kinderlos, das langweilige Geſchäft übernimmt, und wenn das Junge die Schale ſchon geſprengt hatte, dann kommt es nicht elend um in ſeiner Höhle, ſondern alsbald erſcheinen hilfreiche Freunde, die das kleine Ding ſo reichlich mit Sprotten und Tobiasfiſchchen verſorgen, als ſei es ihr eigenes. Manchmal, wenn heine lockere Erde auf den Felſen iſt, ſo daß das Graben von Höhlen nicht angeht, wird das Ei auch unter alte Wracktrümmer, Fels— ſtücke oder Steinplatten gelegt. Aber im allgemeinen iſt der Seepapagei ſo abhängig von der Bildung der Küſte, daß er oft ſeine Jungen fern von ſeinen Fiſchgründen aufzieht. Dann kommt es ihm zu ſtatten, daß er ein vorzüg— licher Flieger iſt, wenn es nottut. In geradem, ſchwirrenden Fluge muß er dann von ſeinem Bau aus manchmal 50, ja 100 Kilometer weit fliegen, bis er die Nahrung findet, deren ſein Junges bedarf. Wenige Meter von der Höhle, in der unſer Lund verſchwand, iſt eine zweite, vor deren Eingang ein anderer umhertrippelt, indem er knurrend mit Hals und Kopf viele Derbeugungen macht. Er biegt den Hals, dreht das Köpfchen faſt wie eine Eule nach rechts und links und ſcheint auf etwas zu 602 -uo]gogslig uaagı jeg uppdoq uoa apaqung 'saalpnpyıadndod sag Auojoymag aryuyagadsıny iss, H Se 6 warten. Nicht weit vom Eingang jtürzt eine Felswand ſenkrecht ab ins Meer. Auf der Kante ſitzen eine Reihe anderer Lunde, die nichts zu tun haben. Sie putzen ſich, beißen einander, knurren und drehen dann, umhertrippelnd, zwiſchendurch immer wieder ihre weiße Unterſeite dem Meere zu. Da geſellt ſich eine ſonderbare Erſcheinung zu ihnen. Dom Meere herauf durch den feinen Nebel hindurch kommt einer ihrer Genoſſen im Bogen heraufgeſchwirrt, ſetzt ſeine roten Füßchen auf die Felskante, legt die Flügel an und dreht ſich nach rechts und links. Aber von ſeinem Unterſchnabel iſt nichts zu ſehen. Wie ein langer, ſilberglänzender Bart hängt's zu beiden Seiten herunter in bleiſtiftdicken, zugeſpitzten Franſen. Die anderen begrüßen ihn, ohne viel Spektakel zu machen, dann trippelt er weiter durch das naſſe Gras und macht immer wieder halt, um ſich nach rechts und links umzuſehen. Endlich iſt er vor ſeiner höhle angekommen. Es iſt das Männchen. Gerade ſo gefärbt wie ſeine Gattin, iſt er etwas ſtärker und breiter. Bei ſeinem Jagdzuge iſt er auf einen Schwarm Tobiasfiſchchen geſtoßen und wieder und immer wieder tauchend hat er eines nach dem anderen erbeutet. Und jedesmal, wenn ihm ein neuer Fang gelungen war, tauchte er auf und ordnete ſchwimmend ſeine Beute, bis rechts und links vom Schnabel die ſilberbläulichen Kalfiſchchen gleichmäßig herunterhingen. Dor der höhle dreht er ſich um, wartet ein wenig und dienert, ehe er hineinwatſchelt zu ſeinem Kleinen, das ihn wieder mit leiſem Flöten empfängt. Das Weibchen iſt nun ihrerſeits zum Fiſchen ge— gangen. Sie geht bis an den Rand des Abgrunds, breitet ihre kurzen, ſchwarzen Flügelchen aus, ſtreckt die Füße nach hinten und die roten Schwimmhäute wie einen Fallſchirm weit voneinander geſpreizt, wird das ſchwarz-weiß-rote Dögelchen grauer und grauer und verſinkt im ſonnenbeſchienenen Nebel zwiſchen den Maſſen der ewig auf- und abwogenden anderen Dögel. Nicht weit von dem beliebten Ausſichtspunkte, auf dem ſich die See— papageien vor und nach der Jagd treffen, hat auf einem der ſchönſten, höchſten und geſchützteſten Plätze, auf einem ſteilen Felszahn ſeit vielen Jahren ein Mantelmöwenpärchen ſein Neſt. Das ſollten die Lunde eigentlich ſchon lange wiſſen; ebenſo ſollten ſie es wiſſen, daß in den tiefen Höhlen ihre Eier und Jungen vor dieſem rüchkſichtsloſen Räuber unbedingt ſicher find und daß er ihnen ſelbſt auch nicht viel anhaben kann. Aber als ſoeben die alte Mantel— möwe mit einer unkenntlichen Maſſe im Schnabel um die Felsecke herum vor dem Winde angeſegelt kam, da ſtürzte die ganze Geſellſchaft kopfüber hinab in den Nebel, als wäre ihr letztes Stündlein gekommen. Don den Nordoſtküſten Amerikas bis Nowaja Semlja, ſoweit offenes Land ſich findet, brütet der Lund überall, wo es geeignete Niſtplätze und Fiſchgründe gibt. Südwärts geht er hinunter bis zu den normanniſchen Inſeln. Dort ſind die ſüdlichſten bekannten Brutplätze. Neben der Grillteiſte iſt er wohl der verbreitetſte und zahlreichſte der Felſenvögel. Im ſtillen Ozean wird er durch 604 gap gun aalpnvyıadodod O ww p H! „Se Lo) eine verwandte Art vertreten. Als echter Hochjeevogel verläßt er das Brut— gebiet, ſobald die Jungen flügge ſind, und treibt ſich ſchwimmend auf dem Meere umher, bis die Frühlingsſonne wieder den Schnee auf den Felſen ſeiner Heimat ſchmelzen macht und die Külten eisfrei werden. In einer kleinen flachen Bucht, die bis hinauf, wo in dem Rajen die See— tangfetzen verfaulen, mit fauſtgroßen Rolljteinen bedeckt iſt, gehen drei Kolk— raben ſpazieren und ſuchen zwiſchen dem Auswurf des Meeres etwas Genieß— bares. Der rieſige Dogelberg ſorgt dafür, daß ſich die kleine Familie nicht anzuſtrengen braucht, um ſich den Magen zu füllen, denn überall liegen zwiſchen Gras und Steinen herabgerollte Eier und abgeſtürzte junge Vögel. Aber der Kolkrabe liebt die Abwechſlung, und da gerade Ebbe iſt, ſtillt er diesmal ſeinen hunger mit Seetieren. Die Brandung, die unten an den Felſen tobt, wird durch vorliegende Klippen und Inſelchen gebrochen, und die Wellen laufen nur wenig hinauf aufs Ufer, um dort ziſchend im Gewirr der Steine zu verſinken. Eine Schaf— familie iſt vom Innern der Inſel hierher gelaufen, und alt und jung naſcht von den ſalzigen Seetangblättern, ohne ſich weiter um die Kaben zu kümmern. Auf dem Waſſer und in der Luft ertönt überall das Kreiſchen der Stummel— möwen. In gaukelndem Fluge ſchweben ſie über den Felſen, fliegen hinauf zu ihren weiß gekalkten Seetangneſtern, die hier an dem windgeſchützten Platze ſchon wenige Meter über dem Meeresſpiegel in den ausgewaſchenen Höhlungen der Felswände ſtehen. Wie ein rieſenhafter Taubenſchlag ſieht's hier aus, wo die zierlichen Dögel mit ihren dunklen Augen jeden neuen Ankömmling muſtern, während ſie auf dem Veſte ſitzen und brüten. Swiſchen Polarſturm— vögeln und Möwen, die auf dem Meere überall friedlich umherſchwimmen, taucht hie und da einer der Seepapageien auf, um Luft zu holen. Das kleine Schwänzchen aufgerichtet, ſchwimmt er dann, alles beobachtend, umher. Die roten Füßchen, mit denen er lebhaft rudert, tauchen dabei öfters aus dem dunkelgrünen Waſſer auf. Dann öffnet er auf einmal die Flügel, ſpringt ein wenig in die Höhe und verſchwindet mit dem Schnabel voran im Waſſer, wo er mit geöffneten Flügeln rudernd, dem Grunde zuſteuert. Im Windſchutze der hohen Baſaltwände, wo rieſige Steinbrocken unter— miſcht mit Erde und Felstrümmern jeder Größe in wildem Durcheinander liegen, hat ſich abſeits von dem lärmenden Getriebe der eigentlichen Dogelſtadt eine kleine Geſellſchaft von etwa zehn Paaren ruheliebender Dögel angeſiedelt, die hier in den Kitzen der Felsblöcke und zwiſchen all dem Schutt und den Kräutern ihre Jungen großziehen. Es ſind Grill-Cummen, kleine ſchwarze Vögel, von der Größe der Seepapageien. Nur ein rein weißes Schild ziert die Flügel. Der ſchwarze Schnabel iſt ſeitlich zuſammengedrückt. Hier ſitzen ſie dicht am Meere in einer kleinen Geſellſchaft beiſammen. Es iſt Ebbe, und auf dem dunklen Seetang leuchten die gelbroten Füßchen doppelt ſchön. Jetzt 606 Yugomag us gut gun vaowwmm]]27702D uaBuayg uadıları uoa ‘ualja$ SO wjy ‘spuvjsy 3uwv,] ö, "A ſtreckt die eine den hals nach vorn, öffnet den Schnabel weit und gibt einen hohen, ſanften Ton von ſich, der wie ein leiſes „iihp“ klingt. Wer dieſen Ton zum erſtenmale hört, iſt leicht geneigt, ihn für den Ruf des Wieſenpiepers zu halten. Mitte Juni hatten die Weibchen ihre zwei Eier gelegt. In Geſtalt und Größe etwa hühnereiern gleichend, haben ſie auf blaugrünlichem Grunde viele rötliche und ſchwarzbraune Tüpfeln und Flecken. Beinahe vier Wochen brüteten dann die Gatten abwechſelnd, bis endlich die grauflaumigen Jungen die Schale durchbrachen. Sie werden nun von den Eltern mit kleinen Fiſchchen und Krebstieren geatzt. Auch hier muß wieder beſonders das Tobiasfiſchchen herhalten, mit dem in der Hauptſache alle Lummen- und Alkenkinder groß: gezogen werden. Don Neufundland bis Bornholm, von Labrador bis zum Weißen Meere iſt die Grill- Cumme, die auch wohl Teiſte genannt wird, an allen Küſten einer der häufigſten und zahlreichſten Brutvögel. Nicht weit von dem Platze, wo die Teiſten von ihrem Neſte hinabwatſcheln ins Meer, um wie andere Lummen dem Fiſchfang obzuliegen, ſitzen zwei See— papageien auf einem flachen, mit Gras bewachſenen Felſen. Flatternd und knurrend ſcheint ſich der eine vergeblich zu bemühen, davonzufliegen, während ſein Gefährte beſtändig durch Locken und Hin- und herflattern verſucht, ihn zum Mitkommen zu bewegen. Doch alle Bemühungen ſind umſonſt, und nach vielen Stunden ſitzen die beiden noch immer ſtumm beieinander. Eine feſt zuſammengedrehte Pferdehaarſchlinge, die von isländiſchen Knaben auf dem Steine befeſtigt war, hält dem armen Kerl das eine Füßchen feſt, das durch das unaufhörliche Serren ſchon ganz ausgerenkt iſt, und nun wartet das Männchen, das gar nicht begreifen kann, warum ſeine Gattin heute nicht nach Haufe gehen will, geduldig an ihrer Seite, bis die Knaben kommen und dem Ge— fangenen den Kopf umdrehen. Die Dogelfelſen haben ihre Etagen wie die großen Mietshäuſer in den Städten, und mit Sähigkeit halten die einzelnen Dogelarten an der Gewohn— heit feſt, in einer beſtimmten Höhe zu brüten. Während die Sturmvogelarten und die größeren Möwen meiſt die obere Region bevorzugen, und auch die Lunde gern ihren Bau auf den höchſten Rajenpläßen anlegen, fühlt ſich die Grill-TCumme am wohliten, wenn ſie aus dem Deriteck, in dem ſie ihre Kleinen ausgebrütet hat, direkt ins Meer gelangen kann. ähnliche Bedingungen machen die Kormorane und die Eiderenten, wenn ſie im Frühling auf Wohnungsſuche gehen. Auch die Stummelmöwen beziehen gerne die Parterre— wohnungen, wenn ſie nur ſo hoch liegen, daß ihnen bei ſchwerer Brandung die Neſter nicht weggeriſſen werden. Doch legen ſie ihre Neſter auch gern auf etwas höher gelegenen Galerien an, wo ſie in Geſellſchaft von einigen Lummenarten und Alken brüten. Da iſt vor allem die Trottellumme, die in dieſer Region neben der Stummelmöwe den Ton angibt. Während dieſe 608 Jgadlps aauıa gun uaalpnonaßvdod uoa appel uw oui gun vowunz n Scꝛlly- Inseln, Funi 1001. Papageitaucher und Tordalke. Vögel II. Copyright 1910, R. voigtländers verlag in Leipzig. 39 kleinſte der CLummen im Winter kaum je einen Caut von ſich gibt, ſcheint es ihr zur Paarungszeit nicht möglich zu ſein, während der Tagesſtunden auch nur einen Moment den Schnabel zu halten. Sobald ſie ihren Einzug halten und ſich ihre Plätze wählen auf den nackten vegetationsloſen Rändern, die ſich an den Felswänden hinziehen, beginnt das Setern und Schnarren. Alle Töne ſind auf ein endlojes Krrrrrrrrrr geſtimmt. Nur ſcheint jedes Indi— viduum dieſen Laut in ſeiner Weiſe abzuändern und anders zu betonen. Und wenn ſie das Ei ausgebrütet haben, das nur durch die Exkremente der Alten vor dem Hinabrollen bewahrt wurde, dann miſcht ſich noch in das unaufhörliche Geplärre der Eltern das flötende Pfeifen der Kleinen, und erſt gegen Ende Auguſt verſtummt endlich der Lärm. Dann ziehen die Alten fort und die Jungen, die in der Nähe der Brutplätze überwintern, bleiben allein zurück. Swilchen den Trottellummen, die auf dem Meere umherſchwimmen, taucht hier und da ein Dogel auf, der, hier in geringerer Anzahl brütend, in Geſtalt und Benehmen leicht mit ihm verwechſelt werden kann. Das iſt die dick— ſchnäbelige Lumme. Man hat die Trottellumme, die übrigens ſchon den Übergang zu den Alken bildet, zum Unterſchied von ihr auch wohl die dünn— ſchnäbelige genannt. Ihre Stimme iſt auch nicht ſchöner, wie die ihrer Derwandten; doch zieht lie das ewige ärr und örr nicht jo lang aus wie die Trottellumme. Auch ruft ſie nicht jo oft und nicht Jo anhaltend wie dieſe. Auch dieſe Lumme legt nur ein einziges Ei, das allerdings die Größe eines Puteneies hat. Eigentlich iſt die dichſchnäbelige CLumme mehr im Norden, rund um den Pol herum zu Hauſe und bejonders in Grönland, wo ſie die einzige Vertreterin ihrer Familie iſt, wohnt ſie im Sommer zu vielen Millionen. Die Eskimos ziehen die Bruſthäute mit den Federn ab, um ſie zu gerben. Dann werden ſie aneinander genäht und das Ganze gibt die wärmſten, weichſten und ſchmieg— ſamſten Kleidungsſtücke. Der Nebel hat ſich ganz verzogen, aber die Luft iſt noch dunſtig und das Blau des Himmels hat einen milchig grauen Schleier. Hoch oben, weit über den höchſten Felsſpitzen, ſpielen zwiſchen einigen Polarſturmvögeln kleinere Vögel in der Luft umher. Es ſind Tordalken, die dort oben ihre Kreiſe ziehen. Dann flattern ſie hinab und mit raſchen Flügelſchlägen geht's an den Fels— wänden vorüber und wieder hinauf in die ſonndurchwärmte, weißliche Luft. So fliegen die Lummen niemals und auch bei den Alken ſcheint es eine Art Balzflug zu ſein, der nur zur Brutzeit ausgeführt wird. Schon ſeit dem Februar treiben ſich dieſe Dögel hier umher. In den mittleren und höheren Regionen der Dogelfeljen, wo ſich neben weiten Dorjprüngen tiefe, wagerechte Spalten und Niſchen gebildet haben, legt das Weibchen im Juni ſein Ei. Ohne bejondere Kolonien zu bilden, brüten ſie da friedlich zwiſchen den Stummel— 610 C. J. King. Scilly - Inseln. Tordalke und Papageitaucher. möwen. Am liebſten ſind auch ihnen ſolche Plätze, die geſchützt genug ſind, um Gras und Kräuter hervorbringen zu können. Unter den ſchönen See— vogeleiern ſind die Eier des Tordalken, beſonders wenn ſie ſtark gefleckt ſind, wohl die allerſchönſten. Der weißliche Grund iſt rauher gekörnt, wie bei den Summen, ſonſt ähneln fie den Lummeneiern ſehr. Auch ihre Jungen ſuchen das Meer ſchon lange, ehe ſie flugbar ſind, auf. Selten hört man die Stimme der Alten. Ab und zu ertönt ein rollendes Grog oder ein Rrrr, aber im allgemeinen ſcheinen dieſe Vögel nicht das Bedürfnis zu haben, das Orcheſter der Bewohner der Dogelberge noch zu verſtärken. Außer einigen Raubvögeln hat der Tordalk kaum Feinde. Bei der weiten verbreitung der Alken und Cummen, an den zum Teil unbewohnten Külten der arktiſchen Länder kommt der Menſch als Feind nicht ſehr in Frage. Wie der Genuß aller dieſer Felſenvögel dem armen Nordländer, der jahraus jahrein von Fiſch, Schaffleiſch und allerlei tranigem Getier leben muß, eine erſehnte Abwechſlung bieten, jo wird auch der Tordalk, ſeine Eier und ſeine Jungen dort, wo die Menſchen ihn nur irgendwie erreichen können, mit allen 39 * 611 C, J. King. Sezlly- Inseln, uli 1907. Tordalke und papageitaucher. Liſten erbeutet. In den Buchten, in denen dieſe Dögel tauchend ihre Nahrung ſuchen, ſpannen z. B. die Norweger große Netze aus, die ihnen den Rückzug abſchneiden; auch fängt man ſie mit Schlingen und Käſchern von den Eiern weg. Das Fleiſch des Tordalken übertrifft übrigens an Wohlgeſchmack das aller anderen Felſenvögel. Da dieſer Alk der nächſte Verwandte des aus— gerotteten Rieſenalks iſt, kann man ſich leicht vorſtellen, wie wichtig der letztere, der gewiß ganz ähnlich ſchmeckte, für die Hochſeefiſcher war, die an den Bänken Neufundlands fiſchend, monatelang bei Fiſch, Pökelfleiſch und Schiffszwieback ihre ſchwere Arbeit verrichten mußten. Es iſt eine warme Auguſtnacht. Aus den Fenſtern einer am Strande gelegenen Hütte dringt ſchwacher Lichtſchimmer. Auf dem Tiſch des behag— lichen Wohnraumes ſteht eine kleine Petroleumlampe; an der Wand hängen Photographien und eine alte Lithographie, Hamlet und die Schauſpieler dar— ſtellend. Über dem offenen Feuer hängt ein Kaffeekejjel. Am Tijche ſitzen drei Männer, die ſich bei Kaffee, Schwarzbrot, gerolltem Hammelfett und ſauren Walfiſchfloſſen munter unterhalten. Die alte Mutter ſchleicht auf 612 N 1 N e Scilly- Inseln, Fun 1908. Tordalk und Papageitaucher. dicken, wollenen Strümpfen herein. Don ihrem linken Arme hängt eine merkwürdige Maſſe herunter. Jetzt geht ſie zum Feuerplatz, kniet nieder und legt etwas auf die Glut, das wie ein verdorrter brauner Dogel ausſieht. Es iſt ein geräucherter Seepapagei. Brennmaterial iſt hier auf dieſer Inſel ein ſchwer zu beſchaffender Artikel. Bäume gibt es nicht, Torf iſt auch nur vom Feſtland zu beſchaffen, und das Treibholz bildet mit ſonſtigem Strandgut das Fixum des Arztes. Der wenige Kuhmiſt auf der Inſel wird in dem feuchten Klima ſelten ſo trocken, daß man mit ihm heizen kann, und da muß denn unſer Lund wieder herhalten. Die Bruſt- und Bauchfedern werden in die Betten geſtopft, und dann werden die Dögel geräuchert, nachdem man ſie mit den krumm ge— bogenen Flügeln jo aneinander gehalt hatte, wie ſich bei uns die jungen Leute unterfaßten, als man noch den Schunkelwalzer tanzte. Der groteske Geſichts— ausdruck, der dem Vogel den Namen Carventaucher eingetragen hat, iſt dieſen braunen Mumien auch im Tode geblieben. Als der Morgen dämmert, brechen die Männer auf, und ſchwer bepackt geht einer nach dem anderen über die Planke, die vor dem Hauſe über einer 613 C. F. King. Scilly- Inseln, Funi 1909. Trottellummen. Das untere Bild zeigt zwei Vögel in zärtlihem Tete-A-tete. CHF Nn Scilly- Inseln, Juni 1908. Trottellummen, teils in Geſellſchaft von Sharben und Tordalken. O. Grabham. Bempton- Cliffs ( Yorkshire- England), Funi 1908. Junge Trottellumme. Pfütze liegt; in dieſer modern haufen von Dorſchköpfen, Fiſchreſte und Dogel- eingeweide. Nun geht's hinab ins Boot. Ein Fäßchen Süßwaſſer, ein paar lange Seile, Käſcher an Stangen, Brot, Kaffee, geräucherte Cundbrüſte und Hammelfleiſch wird an Bord verſtaut, und nach kurzem Rudern landen ſie drüben an der Balbinjel, wo die meiſten Vögel niſten. Nach ſchwieriger Uletterei iſt alles oben in einem kleinen Selte untergebracht; dort ſind Seder- betten hergerichtet, in denen ſich die drei Dogelfänger des Nachts verkriechen können. Wochenlang bleiben die Männer hier oben und jeder Dogel, der irgendwie für ſie erreichbar iſt, wird ergriffen und hängt gleich darauf mit umgedrehtem Halſe am Ledergürtel. Junge und alte Seepapageien werden mit der hand aus den Höhlen gezogen, Tauſende werden mit einem Inſtrument, das wie ein rieſiges Schmetterlingsnetz ausſieht, in der Luft gefangen, wenn ſie, vom Meere kommend, über den Rand des Abgrunds ihrer Niſthöhle zu— flattern. Doch ſchwieriger als die Seepapageien ſind die Lummen und Alke zu erbeuten, die auf den ſchmalen Geſimſen niſten. Manchmal kann man ſie kletternd von der Seite her erreichen; aber Tritt und Griff muß ſicher ſein. 616 up geo mu ualpıofoyog ua gb gun uagunlod zou use jpg uuvzm a0 ‚uallopdgvudg nm uvm aralobuv aaG -naybıwn uajJoaayvlaB aba jd aj; S % Si ve ur Gn O. Grabham. Bempton Cliffs (Yorkshire- England), Juni 1908, Eierjammler bei ihrer gefahrvollen Tätigkeit. Das gefundene Nejt wird jeiner Eier beraubt. Die Beute, O. Grabham. Bempton Cliſis (Yorkshire- England), Juni 1908. Dreihundert geſammelte Tummeneier. Wer nicht jeden ſeiner Muskeln in der Gewalt hat, wenn er, mit der Bruſt an die ſenkrechte Felswand gedrückt Schritt für Schritt auf dem ſchmalen Bande ſich entlang ſchiebt, um ſich herum die geängſtigten Dögel, tief unter ſich das brauſende Meer, — der kehrt ſchweißgebadet und ſchaudernd um, ohne auch nur einen Vogel erbeutet zu haben. Einige wenige Inſulaner betreiben Jahr für Jahr dieſes Geſchäft. Die unteren Etagen der Dogelberge werden vom Boot aus erſtiegen und beraubt, und nur die exponierteſten Bänder, die auf keine andere Weiſe zu erreichen ſind, müſſen mit Hilfe des Seiles bezwungen werden. Der Mann, der ſich an dem Seile herabläßt, muß verſuchen, einen Felsvorſprung zu er: reichen, von dem aus er dann Rletternd weitergelangt. Auf ein Seichen hin laſſen ihn die Männer, die das Seil halten, weiter hinab, und wenn er ſchließlich ganz unten angekommen iſt, wird er von einem Boote in Empfang genommen. Selbſtverſtändlich kann auch der verwegenſte und geübteſte Dogel- fänger nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Dögeln erbeuten. Trotzdem nehmen an einzelnen Brutpläßen beſonders diejenigen Vogelarten 619 — NI if 11. W. Farren. Farne Islands, Juni 1905. Trottellummen und Heringsmöve. allmählich ab, die am beliebteſten ſind. Das ſind vor allem die Lummen, Alke und Seepapageien. Die Eiderente hingegen, deren Ausnützung durch den Menſchen wirklich rationell betrieben wird, nimmt an Sahl zu, ſtatt daß ſie ſich vermindert. In Norwegen erbeutet man übrigens den Lund auch mit hilfe von kurz— beinigen hunden, die man in den Bau ſchliefen läßt. Es muß ein Köter mit viel Schneid und Erfahrung ſein, dem es auf die Dauer Freude machen ſoll, ſeine Naſe in die enge, dunkle Röhre dem Dogel mit dem ſtarken, kantigen Schnabel entgegenzuſchieben. Und tatſächlich ſind auch geübtere Hunde oft froh, wenn ſie auch ohne Beute mit ſchweißenden Lefzen das Tageslicht glück— lich wieder erreicht haben. Gelingt es dem Hunde, den Lund zu packen, dann zerrt er ihn heraus und bringt ihn lebend ſeinem Herrn. * * * Der Winter hat begonnen, und mit den Rottgänjen und Strandläufern, Enten und Brachvögeln ſind auch allerhand Räuber mitgekommen vom Norden 620 f a * \ ae A * O. Grabham. Bempton Cliffs (Yorkshire- England), Juni 1907. Brütende Trottellummen. Neben dem mittelſten Dogel ijt ein Ei ſichtbar. her, die in den fetten Jagdgründen der Nordſeeküſte ein behagliches Leben führen. Die Abendſonne ſcheint rötlich durch die dunſtigen Wolken. Strandläufer ziehen in kleinen und großen Schwärmen übers Watt, und in Geſellſchaft von Tauſenden ſitzen Auſternfiſcher in langen, ſchwarzweißen Maſſen am Strande. Die kommende Flut bedeckt die Sandbänke im Watt und zwingt die dort ver— ſammelten Dögel, aufzufliegen. Diele von ihnen kommen an den Rand der Außenweide, die zwiſchen Dünen und Wattenmeer ſich hinzieht, und laſſen ſich dort nieder. Die ſichelförmigen Fittiche zurückgebogen, jagen zwei flinke Swergfalken dicht über die Wieſe dahin, um einen Regenpfeifer zu ſchlagen oder einen ihrer nordiſchen Landsleute, eine Schneeammer. In großen Scharen fliegen dieſe, hell lockend, in ewiger Unruhe von einem Platze zum anderen, um die Samen aus den Salzpflanzen zu picken. 621 O. Grabham. Bempton Cliffs (Yorkshire- England), Funi 1907. Trottellummen, in ihrer Mitte eine Kingellumme. Weit hinten, in der Nähe der äußerſten Dünen, ſitzt ein brauner, großer Seeadler auf einem Stück ſchwarzem Seetorf, von dem aus er die flache Gegend weithin überſehen kann. Er hat heute noch kein Weidmannsheil gehabt und ſich auch wohl noch nicht ſehr darum bemüht, denn geſtern, am Montag, hat er einen Hajen gekröpft, der am Sonntag in den Dünen kranhgeſchoſſen worden war. Er ſtrengt ſich nicht an, wenn's nicht dringend nötig iſt, und auch heute Abend gedenkt er eine möglichſt wenig aufregende Jagd abzuhalten. Cangſam ſtreckt er ſeinen hals weit vor, öffnet den Schnabel und ruft: Krah — krah — krah. Dann wird der Ton heller und höher und geht in ein ſchnelles Kri⸗kri⸗kri über. Jetzt ſteigt er behaglich herab von ſeinem Sitze, breitet die rieſigen Schwingen aus und mit ſchwerfälligem Fluge, ruhig und gelaſſen die Flügel ſchlagend, geht's hinaus übers Watt. Schwanz und Schnabel find etwas gejenkt, die fürchterlichen Fänge angezogen. Weit draußen auf dem 622 R. B. Lodge. Farne Island's. 8 Trottellummen und brütende Dreizehenmöven. Waljer ſchwimmt eine kleine Geſellſchaft Lummen, die er von weitem ſchon geſehen hat. Er beeilt ſich nicht ſonderlich, kümmert ſich auch heute nicht um die anderen Dögel, die ſich im Notfall fliegend vor ſeinem Angriff zu retten ſuchen würden, ſondern ſteuert geradenwegs auf die kleine Lummengeſellſchaft zu. Einen Augenblick halten dieſe im Schwimmen inne und, ſowie ſie gewahr werden, daß der hohe Beſuch ihnen gilt, verſchwindet eine nach der anderen, um ſich tauchend zu verbergen. Aber das Waſſer iſt klar und flach, der Grund iſt hell, und das grüne Seegras, das da unten in einzelnen Büſcheln wächſt, iſt viel zu kurz, um ſich darin zu verbergen. Das alles weiß der Adler, und mit Entſetzen merken es jetzt auch die Lummen. Den keilförmigen Schwanz weit ausgebreitet, kreiſt er jetzt, von der Abendſonne beſchienen, in gemäch— lichem Fluge über der Stelle, wo die Vögel verſchwanden. Da erſcheint eine der Cummen mit dem Kopfe über der Waſſerfläche, holt ſchnell Atem und 625 Helgoland, Fuli 1909. W. Köhler. Partie des Cummenfelſens vom Meer aus geſehen. Trottellummen haben alle Dorjprünge und Niſchen beſetzt. taucht mit geöffneten Flügeln weiter, immer dicht über dem ſandigen Grunde; jetzt nähert ſich ihr der große braune Räuber, begleitet fliegend ihren Weg, den Blick unverwandt auf ſein Opfer geheftet, bis nach wenigen Minuten das arme geängſtigte Tier auftauchen muß, um von neuem Luft zu ſchnappen. Da legt er die Flügel etwas an, ſtreckt die geöffneten Fänge vor und ſtößt hinab. Doch die Cumme in ihrer Todesangſt war ſchneller als er. Immer weiter muß ſie ſchwimmen in der Hoffnung, eine tiefe Stelle zu erreichen, wo ſie ſich dem Auge des grauſamen Gegners entziehen könnte. Aber das Meer bleibt flach, und der braune Schatten da oben begleitet ſtumm und unabwend— bar jede ihrer Bewegungen. Noch einmal gelingt es ihr, dicht neben den Fängen ihres Feindes einen Atemzug zu tun, — dann wird ſie matter und matter, und als ſie nun, zum Tode erjchöpft, halb erjtickt wieder hinauf— kommen muß, — da ſchlagen ſich die ſcharfen Klauen in den kleinen Körper hinein, noch ehe ſie den Waſſerſpiegel erreichte. Noch ein krampfhaftes Um⸗ſich-Beißen — dann läßt ſie ihr ſpitzes Köpfchen herabfallen, das Blut rinnt aus dem geöffneten Schnabel, und der Adler fliegt mit gelaſſenen Flügel— ſchlägen, das Meer faſt mit den Spitzen der Schwingen berührend, dem Lande zu, um eine einzeln ſtehende Düne zu erreichen, die ihm ſeit Wochen zum Schlaf— platz dient. Auf ihrer Spitze liegen die Knochen und der zerzauſte, mit Sand beklebte haſenbalg, der Reit der geſtrigen Abendmahlzeit. EB — Se — — — BR En > ER DS — SEE 7 RETTET EN TIER — De ‘ — TR SER x \ * N “ — — — INES - - + — . - > I > 8 > Aus — 9 5 — — — — S — — * - Fr. Moore. Seilly- Inseln, Juni 1910. Schwimmende Papageitaucher. Vögel II. 30 625 Die Uferſchnepfen. Don Dr. Ernſt Schäff. Die behäbigen, ſchwarzbunten Kühe und Rinder von Emmo Oltmanns haben es gut auf den weiten, ſonnenbeglänzten, grünen Weiden da drunten in Oſtfriesland. So weit das Auge blickt, nichts als fettes, grünes Gras, in dem man, wenn man ein Rindvieh iſt, jo recht behaglich den ganzen lieben Tag freſſen kann, und wenn das Vermögen und der Magen nicht weiter reicht, dann legt man ſich recht bequem und gemütlich in die Sonne, kaut wieder und ſieht den wunderlichen, dünnhalſigen und langbeinigen Dögeln zu, die kein Gras freſſen, ſondern Regenwürmer, Schnecken und anderes derartiges Unzeug, das ein richtiges Rindvieh überhaupt gar nicht anſieht. Da ſtelzen zwiſchen dem Vieh die gravitätiſchen Brachvögel, die queckſilbernen Miebitze, die nervöſen Kampfhähne und die phlegmatiſchen Uferſchnepfen oder Cimoſen (Limosa limosa L.)) umher, eine gemiſchte Geſellſchaft, aber friedfertig und verträglich, obwohl ſie ſich eigentlich in Bezug auf die Hahrung Konkurrenz machen. Aber es iſt genug für alle da und jo kann es ſich unſre Limoſe, die in ihrem großenteils roſtroten Hochzeitskleid, die Ober— ſeite ſchwarzfleckig, der Bauch weiß, der abgeſtumpfte Schwanz ſchwarz mit weißer Wurzelhälfte, von allen ihren anderen langbeinigen Mitbewohnern der Marſchwieſen leicht zu unterſcheiden iſt, im allgemeinen recht bequem machen und das tut ſie auch ganz gern. Nur wenn ſie Hochzeitsgedanken im Kopfe hat, und das pflegt ja bei jedem normalen Dogel alljährlich im Frühjahr der Fall zu ſein, dann gerät auch bei der Uferſchnepfe das Blut in Wallung, ſie wird aufgeregt, laut und beweglich, ſogar haſtig — oder wenn ihre Nachkommenſchaft, ſei es im Ei oder nach dem Ausjchlüpfen, bedroht iſt, dann macht Angſt und Sorge den Dogel ebenfalls beweglicher und lebhafter. Bald nach ihrer etwa Anfang April, ſpäter als beim Kiebitz, erfolgten Rückkehr aus dem warmen Süden fühlt ſich die Cimoſe, wenn ſie ſich in ihrem Aufenthaltsort etwas umgeſehen und eingelebt hat, bewogen, ihren Gefühlen durch laute Rufe Ausdruck zu geben, die wie „grutto“, „grieta“ oder „gretav“ lauten, Umſchreibungen, die vielfach von den Land- leuten als Namen für den Dogel ſelbſt gebraucht werden. Bald finden ſich mehrere Genoſſen ein, die alle ihrem Herzen Luft zu machen ſich veranlaßt fühlen, dabei aber auch, wenn ein oder mehrere Dertreter des ſogenannten ſchöneren Geſchlechts anweſend ſind, ſofort aufeinander eiferſüchtig werden und ſich in der Luft jagen und bekämpfen. hierbei entwickeln ſie bedeutende 626 de Wolf. Geldersche Vallei (Holland), Mai 1910. Dunenjunge der Schwarzſchwänzigen Uferſchnepfe. Schnelligkeit und Gewandtheit, ſo daß dies Jagen und Kämpfen einer Anzahl Uferſchnepfen ein anziehendes Bild gewährt, wobei freilich das andauernde, immer wiederholte „grutto . . .“ auf die Länge etwas auf die Nerven fällt. Charakteriſtiſch für den Balzflug der Cimoſe iſt die ſehr eigentümliche und auffällige Gewohnheit des balzenden Männchens, ſich im Fluge plötzlich auf die Seite zu werfen, einen Flügel ſteif in die höhe zu rechen und mit dem andern umherzuſchlagen, ſich dann auf die andre Seite zu werfen und es wieder mit dem entſprechenden andern Flügel ebenſo zu machen wie vorher. Dies Spiel wird mehrfach wiederholt. Außerhalb der Paarungs- und Brut— zeit pflegt unſer Dogel langſam und gemächlich zu fliegen. Wenn ſich nach vielem Geſchrei und lärmenden Flugſpielen die Paare zu: ſammengefunden haben, jo wird der „häusliche Herd“ bezw die Kinderjtube, meiſt in recht ſorgloſer und nachläſſiger Weiſe hergerichtet. Im hohen Graſe verſteckt, gern in der Nähe irgendeines Tümpels, ſteht das höchſtens mit einer dürftigen Auskleidung von trocknen Halmen verſehene, oft ſelbſt dieſer geringen Auspoliterung entbehrende Neſt recht verborgen, jo daß es meiſt nur zufällig 40 * 627 de Wolf. Geldersche Vallei { Holland), Mai 1910. Schwarzſchwänzige Uferſchnepfe ihre Jungen deckend. gefunden wird. In dies Deriteck nun legt das Limoſenweibchen feine vier, ſelten nur drei Eier, die in Form und Farbe recht bedeutend variieren. Sie erinnern zwar an Kiebitzeier und werden auch ſehr oft mit ſolchen und anſtatt ſolcher auf die Märkte großer Städte gebracht, da man ſich ja leider immer noch einbildet, Hiebitzeier wären eine ganz beſondere Delikateſſe, und ſich nicht entblödet, dem nützlichen und ſchon bedenklich ſeltener werdenden Dogel, ſowie manchen feiner Genoſſen die Eier fortzunehmen. Um wenigitens einige Mitteilungen über Farbe und Form der Limoſeneier zu geben, möge gejagt ſein, daß ihre Grundfarbe ein mehr oder minder dunkles Olivengrün iſt, mit verwaſchenen grauen Unterflecken und braunen, am ſtumpfen Ende des Eies dichter ſtehenden Oberflächenflechen. Wie der Grundton, jo wechſeln auch die Flecke in Bezug auf den Farbenton, die Sahl und die Derteilung. Auch die Form der Eier iſt verſchieden, ſie iſt bald mehr geſtreckt, bald mehr bauchig. Nähert ji ein Menſch dem Neſte der Uferſchnepfe, jo gibt es große Aufregung! Hin und her fliegt das aufgeſtörte Weibchen über dem Eindringling, immerfort ſeinen Angſtruf, der wie „tiderit“ klingt, mit dem 628 de HM ol. Geldersche Vallei ( Holland), Mai 19170. Schwarzſchwänzige Uferſchnepfe zu den Jungen gehend. Ton auf der erſten Silbe, ausſtoßend. Auch das Männchen beteiligt ſich an dem Spektakel, wenn auch vorſichtigerweiſe aus einiger Entfernung. Was ein geriſſener Kuhjunge iſt, der findet ſelbſtverſtändlich das Neſt und läßt ebenſo ſelbſtverſtändlich die Eier nicht liegen. So geht manches Gelege ver— loren. Wenn aber alle Gefahren während der Brutzeit glücklich überſtanden wurden, dann entſchlüpfen den Eiern die zarten, bunten, oberſeits auf licht gelblichbraunem Grunde dunkel längsgefleckten, unterſeits zur Hauptſache weißen Jungen, die anfänglich etwas wachkelig auf ihren langen, weichen Beinen ſtehen, aber ſich bald kräftigen und früh der Mutter folgen, die ſie lehrt, ihre Nahrung ſelbſt zu ſuchen und ſich bei drohender Gefahr zu ver— ſtecken. Unterdes ſucht die Mutter nach Art mancher andern Dögel den Feind zu täuſchen, indem ſie ſich krank oder lahm ſtellt, auf dem Boden dicht vor ihm herflattert und ihn häufig genug wirklich weit von dem Platz fort— lockt, wo die Jungen ſich verbargen, um dann mit einem Male raſchen Fluges zu ihnen zurückzukehren und ſie ſchleunigſt weiter wegzuführen. So geht allmählich der Sommer ſeinem Ende entgegen, die jungen Uferſchnepfen ſind 629 R. Zimmermann. Lewitz (Mecklenburg), Juni 1910. Schwarzſchwänzige Uferſchnepfe im Jugenökleid. groß geworden wie ihre Eltern, aber ſie tragen zunächſt ein ganz anders ausſehendes Federkleid als jene, an Kopf, Hals und Oberſeite graubräunlich, ohne eine Spur des ſchönen roſtroten Tones, der das Srühjahrskleid der alten Limoſen fo ſehr ziert. Aber auch die Alten legen, wenn die Keiſezeit naht, ihr auffallendes Gewand ab und kleiden ſich einfacher, ganz ähnlich wie ihre Kinder im erſten Kleide. So begeben ſie ſich auf die Reile, ſchon von Augujt an, aber ſie beeilen ſich keinesweges, machen vielmehr häufige Stationen, beſonders gern am Meeresſtrande, wo ſie neben vielen andern entfernteren Derwandten auch ihre nächſten Dettern, die roſtroten Timoſen, antreffen. Dieſe wohnen viel weiter nordwärts, im höchſten Norden von Europa und Alien, ziehen aber alljährlich in großer Hahl bei uns durch und gehören zur Sugzeit zu den häufigeren Gäſten am Meeresſtrande, während ſie das Binnenland weniger lieben. Auch ſie treffen ſchon im Auguſt bei uns ein, müſſen alſo ihre ferne Heimat ſchon ſehr zeitig verlaſſen. Auf den Watten der Nordſee, wo ſie gern längeren Aufenthalt nehmen, leben ſie wie die andern Strandvögel, ziehen bei Ebbe weit hinaus bis an den Rand des Waſſers und weichen vor der ſteigenden Flut langſam zurück, ſo langſam, daß ihnen das Waſſer oft bis an den Leib reicht, bis ſie ſich endlich ent— ſchließen, weiter zu fliegen. Die roſtrote Uferſchnepfe wäre mit der ſchwarz— ſchwänzigen leicht zu verwechſeln, da ſie ihr in Geſtalt, Größe und auch in der Hauptfarbe ſowohl im Sommer als auch im Herbjt und Winter ſehr ähnelt. Doch weiſt fie ein ſehr charakteriſtiſches Merkmal auf, das iſt die 650 Schwanzfärbung, die aus ſchwarzer und weißer Bänderung beſteht. Der Name „roſtrote Uferſchnepfe“ würde an und für ſich gerade fo gut auf die ſchwarzſchwänzige Limoſe paſſen, aber er iſt nun einmal eingebürgert. Mit andern Strandvögeln verträgt ſich die recht phlegmatiſche nordiſche Cimoſe ſehr gut, denn man ſieht ihre lange Geſtalt auf den Wellen ebenſo oft zwiſchen den Scharen der Tringen, Steinwälzer uſw. wie neben den ſie an Größe überragenden Brachvögeln. Steigt die Flut bis an ihre obere Grenze, ſo ziehen ſich die Scharen der lappländiſchen Limoſe bis auf hoch gelegene, 8 6 * 13 Ik R. B. Lodge. England, September 1898. Rojtrote Uferſchnepfe. freie Umſchau gewährende Orte, denn ſolche ſuchen dieſe Dögel ſtets auf, und pflegen hier der Ruhe oder ſie ſpazieren auf den Wieſen umher und durch— ſuchen hier flache Tümpel und ſumpfige Stellen. Wenn ſie nicht direkt auf dem Suge ſind und ſehr weit fort wollen, fliegen ſie meiſtens ziemlich dicht über dem Boden und nur mäßig raſch; auf dem Zuge ſelbſt aber fliegen ſie hoch und ſchnell und gewähren dann ein ganz andres Flugbild als ſonſt. Ihr Lockruf klingt etwas heiſer, etwa wie „gäib“; wenn eine größere Schar, die im Herbit recht wohl mehrere hundert Vögel enthalten kann, durch— einander ruft, jo ergibt es eigenartige Laute, die ſich kaum beſchreiben 651 M. Behr. Amrum, September 1908. Rojtrote Uferſchnepfen bei der Nahrungsſuche. laſſen. In Bezug auf das Leben zur Brutzeit, auf die Eier uſw. ſtimmen beide Uferſchnepfen jo ſehr überein, daß es ſich erübrigt, für die Limosa lapponica noch beſondere Angaben zu machen. Letztere iſt als Brutvogel bei uns noch nicht nachgewieſen worden; ihre ſchwarzſchwänzige Derwandte dagegen brütet, wie erwähnt, nicht ſelten in Oldenburg, Oſtfriesland, Holland, weniger häufig im öſtlichen Norddeutſchland, dagegen wieder zahlreich im ſüdöſtlichen Europa. In Nordrußland und Sibirien fehlt ſie ſchon, geht alſo viel weniger weit nordwärts als die roſtrote Cimoſe. Der Steinkauz. Don Elſe Soffel. Im Häuschen des Gütlers, das wie ein Schwalbenneſt an die Darkmauer geklebt iſt, puppenhaft klein, mit faſt flachem Dach, unter dem die Fenſter— augen heimlich blinken, liegt eines krank. Als der Abend da iſt, zieht der Mond mit den Wellen des alten Kanals der Heide zu. Dort liegt er ſtill auf weiten Plätzen, hängt als ſchimmernder Nebel um nackte Sweige. Der Kauz weiß nichts davon, daß das Kind des Gütlers krank iſt. Aber als ſie es zwei Tage drauf hinaustragen, wo mitten im Feld weit vom Ort der einſame Gottesacker und das uralt-kleine Kirchl beieinander— liegen, da wundert ſich niemand drüber. War doch der Totenvogel alle Nacht dageweſen, ſo viel auch die Mutter Wallfahrten gelobt hat und hat vor den Fenſtern gerufen: komm' mit, komm' mit — auf den Kirchhof. Gerade vor dem Fenſter, wo das Annerl gelegen hat. Da hat's halt mitgehn müſſen, das arme Ding. — Aber der Gütler iſt ein guter, alter, oberbayriſcher Katholik, dem beim Glauben auch noch der Aberglaube geblieben. Und als er nicht lange darnach im Holz um Mittag den Kauz im alten, ausgehöhlten Lindenſtamm zu faſſen kriegte, nahm er ihn mit und nagelte ihn lebend daheim ans Scheunentor. Armer Kauz! Es war nur das Lampenlicht geweſen, dem du zugeflogen! Das letzte im Dorf und deinem Wald am nächſten! Und daß du der Ohr— eule geholfen, die Feldmäuſe auf dem Herbſtacker des Bauern in Schach zu halten, das hat er euch ſchlecht gedankt! Der Norden iſt dunkel und hat düſtere Märchen. Im Süden iſt's beſſer, Kauz. Deine Vorfahren waren die Vögel der weiſen Schirmherrin von Athen. Und dein Name hat noch heute dort einen andern Klang als im Norden, ein Abglanz aus Minervas Tagen liegt darauf. Dein Bruder iſt der wohlgelittene Mitbewohner der Höfe und häuſer, der ſagen— hafte Pförtner verfallener Paläſte, deren Dach der offene, dunkle Himmel des Südens iſt. Swiſchen mürbem Geſtein, aus deſſen Derfall brennende Blüten ſprießen, macht er ernſthafte Bücklinge und ſchaut mit den Augen eines einſamen Sonderlings auf den Fremden. Oder träumt mit halb— geſchloſſenen Augen, alt und pludderig im Gefieder, in einem Mauerloch um Mittag. 659 R. Paul. Vivarium. Steinkauz mit geſchlagenem Dogel. Man muß wohl ſelber jo eine Art Kauz ſein, um den Kauz zu mögen. Alles iſt hinter ihm her, Menſchen und Getier. Glaubt er ſich einmal ruhig und ſicher an einem Fleckchen zum Genuß der Sonne, ſo hat ihn ſicher ein Feldſperling oder ſonſt einer entdeckt und zetert, bis der ganze Wald es weiß und ſein Frieden dahin iſt. Was ſich bei Nacht nicht wehren kann, ſchimpft bei Tage aus ſicherer Entfernung; wie eine Wolke umſchwirrt das Gevögel den Kauz, bis er ſich endlich hebt und in trägen Bogen, ſchläfrig und unwillig den Platz verläßt. 654 K. Sofel. Lengenfeld (Eichsfeld), Mai 1910. Steinkauz im Dickicht. Er fliegt ein Stück zwiſchen den Bäumen, dann am Waldrand hin, bis er an die Blöße kommt, wo das Harz am friſchen Schnitt der Stumpfe feſt— getrocknet iſt und die Föhren ſchwer in der Mittagsſonne duften. Dort probiert er's noch einmal auf einem alten Knorren, den das aufgeſchichtete Schlagholz verbirgt. Prachtkäfer kommen unter der loſe deckenden Rinde ans Licht, und machen ſich im Holzmehl zu ſchaffen, das leiſe rinnt, das Gras iſt ſtill wie die Wolke und die blendweiße Straße — es geht kein Lüftchen. Nur der Häher meldet einmal. Aber es iſt nichts weiter los und die Birkſträucher, die plötzlich ein Wind erſchreckt hat, ſind wieder zurückgeſunken in Schlaf. Da geht's dem Kauz auch einmal gut. Er ſchließt die Augen ſo weit, daß ſich die Wimpern berühren und ſchüttelt ſich, daß alles loſe hängt und die Sonne durchkann. Die Bauchfedern decken noch die graubehaarten Sehen, die Flügel liegen nur halb an. „Was iſt das weiß-grau- braune, regloſe, undeutliche Etwas dort auf dem Stumpf?“ Der Kauz erweitert mißtrauiſch den Augenſpalt, ohne ſich zu rühren. In den gelben Sternen ſitzt die Pupille als winziger, ſchwarzer punkt. Und ein Stückchen Mittagstraum deckt die müden Lider, die ſich langſam wieder ſchließen. Der Störenfried iſt vorbeigegangen. Der Nach— mittag ſpinnt ſeinen Faden zu Ende, langſam leiſe. Als die Sonne um die Waldecke geht, macht ſich der Kauz ſchlank und 655 -quagiaay use wol sorlayı soul een 199 wı Bunaswmupg aapal wm Envyuıayıs :0161 ,, “(PISSYRT) P1 12Hos “1 -quagiaay use wol seien soul ayuyt ad un Bunazawung aamal m Envyurays "0161 ,ẽS HEZ. ν.ñ,, PIe/UsSU2T7 Reichenbach (O.-L.), Juli 1908. ( 5 Rüdiger. Steinkauz. hebt wieder die Flügel. Er ſtreicht über die Lichtung, fliegt über die Straße, dann wieder im Föhrenwald, wo die Ohreulen zu Haufe. Kommt wieder an eine Blöße, wieder ins hohe Holz. Jenſeits liegt die Heide. Er hält ſich aber um dieſe Seit im Schutz der Bäume; die heide ſieht ihn nur des Nachts. Es iſt immer das gleiche Bild ſtundenweit hier, die Landſchaft hat nur ein Geſicht, nur einen Gedanken immer wieder und iſt ſtill, jo ſtill. Als ob ſie ſich beſänne. Was ſie denkt iſt Vergangenheit, fie hat früher viel geſehen. Einmal öffnet ſich der Wald, eine weite Lichtung liegt da, die er auf allen Seiten umſchließt: graſige Heide und Jungholz, hohe, ſchlanke Glocken ſtehen im Grün, ein Kirchl liegt da, alt, uralt und vollſtändig allein, denn das Dorf, zu dem es gehörte, liegt verſchüttet, verfallen unter dem hohen, dünnen Gras. Alle Jahr einmal ſoll noch Gottesdienſt hier ſein und dazwiſchen wird 658 Rüdiger. Reichenbach (O.-L.), Fuli 1908. Steinkauz, im Begriff abzuſtreichen. der Platz und das Kirchl von einem einſamen Gänger entdeckt und eine Seitlang wie ein heimlicher Schatz beſucht. Dann iſt es wieder verlaſſen und ſieht nur den Kauz. Es führen grasüberwachſene Steingänge vom Kirchl weg, in einer Mulde liegen mürbe Blöcke, von Pflanzen überwuchert, Hönigskerze und Natterkopf wachen vor einem dunkeln, niedrigen Torbogen. Es wohnt niemand hier außer dem Kauz, und ſein Futter braucht er auch nicht weit zu holen, es hauſen genug kleine Dunkelleute in dem Gemäuer und im nahen Wald. Aber ihm gefällt es, des Abends das Holz zu verlaſſen, um auf der weiten, freien Heide im kühlen Mondlicht zu baden. Lautlos fliegt er dann, anders als am Tage und hält ſich niedrig; wenn es ſchwarz über den knappen Boden ſchnellt, daß man nicht weiß, was man eben geſehen, faßt er die Maus. Er ruft den Mond an und fliegt dicht an die Fenſter des Einzelhofs zur ebenen Erde, alle Abend, wenn die Bäuerin das Licht angezündet hat. Außer ihm iſt dann niemand draußen, nur fern von der andern Seite, wo das Holz an Acker ſtößt, klagt es herüber, kommt näher und verklingt einmal dort, einmal da. Das iſt die Ohreule, die ihre Jungen lehrt. Und am Waldrand riſpeln die Mäuſe. Der Kauz ſitzt am Boden und hat eine vor. Er ſchüttelt ſie feſt, wirft den Kopf zurück und ſchnappt, um ſie beſſer in den Schnabel zu kriegen. Er hilft mit einem Fuß nach, gebraucht die Sehen gejchickt wie Finger. Er legt den Kopf nieder, daß er und der Rücken eine Linie bilden und durchſucht ſcharf das ſchattenhafte halbdunkel. Im Holz kracht es, es ſchiebt ſich durchs Gebüſch. Dazwiſchen hält's ſtill. Nun iſt's außerhalb der Bäume, der 659 G. Wolf. bentorf, Mai 1909. Drei Wochen alte Steinkäuge. Schatten fällt auf den Heideboden, bewegt ſich ſachte vorwärts. Der Kauz macht ihm einen Bückling, fährt dann wieder in die Höhe, ſchreit gell und kurz, ein zorniges Gebell, die Maus läßt er, ſchwebt am Rand des Holzes leiſen, weichen Flugs und iſt fort. Als das Licht blaß und grau wird, Wald und Haus nüchtern dreinſehen, tut ſich die Tür vom Heidehaus auf, die Holzpantoffel der Bäuerin klappern auf den paar Pflaſterſteinen. Sie legt die Fenſterladen zurück, dann tut ſie, mit dem Handrücken die Augen reibend, einen ſchläfrigen Blick nach dem Wald zu und nach Oſten. Sonit pflegt der Totenvogel drüben aufzufliegen, um die Seit, wenn ſie aus dem Haus tritt. Heut' iſt er ſchon heim. Sie hat wohl verſchlafen. Oder — hätt's am End' nichts Gut's zu bedeuten? Die Heide kennt den Kauz zu jeder Jahreszeit. In Sommernächten und im herbſtnebel — ſogar im Winter. Dann iſt's freilich bös. Unter den Mäuſen hat im Berbite die Seuche aufgeräumt, außerdem auch der Kauz ſelbſt und die Ohreule. Und Vögel ſind nicht viel geblieben. Wie dann die Heide ſtill iſt, ſo totenſtill. Als wär' ſie nun wirklich endlich geſtorben. Man weiß erſt, daß ſie im Sommer doch gelebt hat. Sie wird den Kauz noch zwingen, fortzuziehn. Aber wenn ſie aufwacht, die Heide, wenn der Frühling wiederkommt und das knappe Gras grün wird, wenn er Bartröjerl mitbringt und gelbes 640 Envyu19s ci h zur Y R. Paul. Vivarlium. Steinkauz. Fingerkraut und im Wald drin den Seidelbaſt und die Erika, dann lockt die heide auch den Kauz wieder. Und diesmal fliegt er nicht allein. Alle Nacht fliegt er hinter einem zweiten und ruft zärtlich „kü ück, kü ück“, fliegt ihr voraus — denn es iſt die Erwählte — wiegt und zeigt ſich. Das geht viele Abende und Nächte jo, die Erwählte iſt ſpröd und es freut ſie, von fern den Bewerber zu locken und weg zu ſein, wenn er angeflogen kommt. Aber eines Nachts endlich fliegen und jagen ſie zuſammen, er bringt ihr die ſchwere, trächtige Waldmaus, die er raſch erbeutet hat und den Vogel, und ſie tut zärtlich und läßt ſich füttern. Not um einen Platz für das Neſt haben ſie auch nicht, ſie finden zehn für einen in dem alten Gemäuer um das heidekirchl; in kurzer Seit iſt es zuſammengetragen und in eine Mauerlücke gejchichtet, von oben deckt es der Stein, langes Gras hängt drüber, verdeckt die runden, rauhen, weißen Eier dahinter. Gegen den Sommer, wenn die Ohreule mit den Jungen fliegt, lockt der Kauz auch die feinen zum erſtenmal bis vor die Bäume auf die Heide hinaus und lehrt ſie fangen und haſchen. Mancher Maus haben ſie ſchon den Garaus gemacht und manchen ſchlafenden Vogel im Dorngeſträuch und in den Hecken, die über dem toten Dorf wuchern, aufgeſtöbert. Sie brauchen die Alten nicht mehr. Vögel II. 41 641 Kothe. Vivarium. Steinkauz. Aber ſie fliegen noch miteinander, es iſt zuweilen ein tolles Gerufe des Nachts auf der Heide. Und dazu klagt die Ohreule von drüben mit ihren Jungen und das Mondlicht tut geſpenſtiſch. Die Bäuerin ſchreckt's aber nimmer. Der Kauz iſt alle Nacht ums Haus geflogen, bald nach dem Licht „kenten“. Schier ſchaurig hat's manchmal getan. Aber der Bauer iſt doch wieder g'ſund word'n. Wird wohl do' unſer Herrgott der Letzt' ſein und net der Totenvogel. K. Soffel. Lengenfeld (Eichsfeld), Mai 1910. Steinkauz. 642 Derzeichnis und Erläuterung der Bilder. Seite Waldkauz (Syrnium aluco L.). Aufnahmen von Stephainsky, Bartels, R B Lodge K Hedt, Stephanescu. Waldkauz, alter Dogel im Gezweige. Tillowitz (Ober-Schl.), Juni 1908, Titelbild . . 1 Waldkauz. Eben ausgeflogener Zung⸗ vogel. Tillowitz, Juni 1908 .. 2 Waldkauz, alter Dogel. Tillowitz, Juni ss 8 3 Waldkauz, alter Dogel. Clowig, Juni 1908 . . 5 Waldkauz im verſchneiten Wald. Weit- priesnitz, März 1908 . 6 Waldkauz am Eingang zu feiner Schlaf- höhle. Divarium. . 7 Junger Waldkauz, Dunenkleid mit her⸗ auswachſenden Schwung- und Steuer— federn (2 Bilder). Grellenberg .. Su. 9 Alter Waldkauz, auf einem Dach— ſparren ſchlafend (2 Bilder). Kudjir (Ungarn >. „ ee Alter Waldkauz, jich ſonnend. Kudſir (Ungarn). 12 Waldkauz, eben ausgeflogener Zung⸗ vogel. Tillowitz, Juni 1908 .. 13 Sumpfohreule (Asıo accıpitrinus Pall. ). Aufnahmen von R. B. Codge. Sumpfohreule. Neſt mit Gelege. Nor— folk, Juni 1898. 19 Sumpfohreule. middleſſex, September 1898 21 Sumpfohreule. Middleifer, September SOSE ( 25. 645 Rußbraune Seejchwalbe 1 (Sterna fuliginosa Gm.). Aufnahmen aus Nordamerika von 9. K. Job. Die Aufnahmedaten waren nicht mehr zu ermitteln. Flugbild, ein Tier .. 29 Flugbilder. Bird Ken, Florida 1 Flugbild, viele Tiere. Bird Key, Florida 35 Das auf Seite 31 gegebene Bild ſtellt nicht Seeſchwalben, ſondern eine Möwenart dar. Flußſeeſchwalbe (Sterna hinundo L.). Aufnahmen von Steenhuizen, C. Heatherley, M. Behr. Flußſeeſchwalbe. Neſt mit Gelege. Texel (Holland), Juni 1999 39 Flußſeeſchwalbe am Neſt. Ein Ei ab— norm gezeichnet . 41 Brütende Flußſeeſchwalbe. Texel Lor land), Juni 1905 .. 42 Brütende Flußſeeſchwalbe n Brütende Flußſeeſchwaldte .. 45 Junge Flußſeeſchwalben. Texel (Hol- land), Juni 1905 .. ER 6 Sütternde Flußſeeſchwalbe t Sütternde Flußſeeſchwale .. 4s Flußſeeſchwalbe, ihr Junges mit einem Sandaal fütternd. .. 40 Flugbild der Flußſeeſchwalbe. Norder— ooge, 15. Juni 12 2 30 nüſtenſeeſchwalbe (Sterna macrura Naum.). Aufnahmen von Steenhuizen, Behr. Brutkolonie der Kiüjtenjeejchwalbe. Injel Schoe van Holland nach as a und alte Küjtenjeejchwalben bei Sturm. Amrum, September 1908 . 51 41* Raubſeeſchwalbe (Sterna caspia Pall.) Aufnahmen von M. Behr. Dunenjunge der e Sylt, Juni 1902 Flugbild der Raubjeefchwalbe. Salt, Juni 1907 . Iwergſeeſchwalbe (Sterna minuta L.). Aufnahmen von Steenhuizen. Swergſeeſchwalbe am Neſt. Terel(Hol- land), Juni 1905 . Brütende Zwergſeeſchwalbe. Cerel(Hot- land), Juni 1905 . e Brandjeejchwalbe (Sterna canliaca Gm.). Aufnahmen von Steenhuizen, Behr. Brandſeeſchwalbe. Gemeinſame Brut- kolonie mit Lachmöwen. Inſel Schou— wen (Holland), Juni 1004 .. Fliegende Brandſeeſchwalben. Norder- oogen, Augujt 1908 . . Schwarze Seeſchwalbe (Hydrochelidon nigra L.). Aufnahme von Steenhuizen. Schwarze Seeſchwalbe. Brutvögel auf ihren ſchwimmenden Neſtern. Naar— dermeer (Holland), Juni 1906 Weißbärtige Seeſchwalbe Seite 58 59 69 1 (Hydrochelidon hybrida Hall.). Aufnahme von R. B. Lodge. Neſt und Gelege der Weißbärtigen See— ſchwalbe. Südliches Spanien, Mai , . ee Weißflüglige Seeſchwalbe (Hydrochelidon leucoptera Schinz ). Aufnahme von K. B. Lodge. e ie brütend. Un⸗ garn, Mai 1906 Noddi Seite | (Anous stolidus L.). | Aufnahmen von h. HK. Job. noddi am Neſt. Bird Ken (Florida) . 82 Flugbild des Noddi. Bird Key (Florida) 85 HAmerikaniſcher Scherenſchnabel (Rhynchops nigra L.). Aufnahmen von $.M. Chapman. Am. Scherenſchnabel, brütend. Ein friſch aaus dem Ei geſchlüpftes Junge birgt ſich im Schatten der Strandpflanze. Küſte von Texas, Juli 1902 . 86 Gelege des am. Scherenjchnabels. Küfte von Texas, Juli 1902 . . 86 Swei Eier und ein eben geſchlüpftes Junges des am. Scherenſchnabels. Küfte von Texas, Juli 1902 . . 87 Zwei friſch geſchlüpfte Junge und zwei Tier des am. Scherenſchnabels. Küjte von Texas, Juli 1902 . 87 Drei junge Scherenjchnäbel ſich drük⸗ kend“. Hüſte von Texas, Juli 1902. 89 Flugbild des amerik. Scherenſchnabels. KRüſte von Texas, Juli 1902 90 Flugbild des amerik. Scherenſchnabels. Küſte von Texas, Juli 1902 . 91 Flugbilder des am. Scherenjchnabels Küjte von Texas, Juli 1902 . . 95 Nebelkrähe (Corvus cornix L.. Aufnahmen von R. Hilbert, H. Schumann, K. Spengler, F. heatherley, Rüdiger, M. Steel, M. Behr, R. Zimmermann. Nebelkrähen über Gehölz fliegend. Ra— thenow, Januar 1908 .. 99 Nebelkrähe, Flugbild. Rathenow, Ja- nuar 1908 .. 0103 Abjtreichende nebelkrähe. Rathenow, Januar 1908 . „„ RE) Flugbild der Nebelkrähe 0 Momente). Bismark i. Altm., Oktober 1905. . 107 Junge Nebelkrähen, im Neſt. Rothe- hütte, Mai 1908 . . . 109 Nebelkrähe, die Jungen fütternd. Schott⸗ land, Mai 1906 .. 0 nahezu flügge Vebeihrähen. Schott: land, Mai 1906 . . en 644 Nebelkrähe, auf Treibeis Futter juchend. Oſtpreußen, November 1908 . „ vor 121 Nebelkrähe, im Gezweige. Keichen— bach, März 1908 . 115 Nebelkrähe, auf dem Treibeis Sutter ſuchend. Oſtpreußen, November 1908 Nebelkrähe, auf Treibeis. Oſtpreußen, November 1908 5 Nebelkrähe, auf einem Hausdach (2 Bil- der). Rathenow, Sebruar 1909 1s u. Nebelkrähe, im Schnee laufend. Rathe- now, Februar 1909 .. Spur der Nebelkrähe im Schnee. Cöthen, Februar 1909 .. Nebelkrähe, Futter ſuchend. Cöthen, März 1909 . : ee Rabenkrähe (Corvus corone L.). Aufnahmen von R. Simmermann, M. Behr. Junge Rabenkrähe. Kochlitz, Mai 1909 124 Junge Rabenkrähe, im Waldesdichkicht. Cöthen, Mai 19068 . . . . nach 96 Junge Rabenkrähe. Rodhlig, Mai 1909 125 Nordamerikaniſche Krähe. Photograph unbekannt. Aufnahme entſtammt der Seit— ſchrift Country Cife in America. Neſt und Gelege . 151 Saatkrähe (Corvus fruglegus L.). Aufnahmen von O. Pfaff, M. Behr, K. B. Lodge, J. Atkinjon, Heatherlen, W. Köhler. Nebel- und Saatkrähen als Wintergäſte in den Stadtanlagen, 5 Bilder. Connewitz, Februar 1909 132. 133. 154. Abſtreichende Nebel- und Saatkrähen. Connewiß, Dezember 1908 .. 155 Saatkrähenkolonie. Sibigh, September 1908 . 137 Saatkrähen beim Neit. Middleffer, Mai 1896 . . 140 Brütende Saatkrähe. headinglen 1909 141 Neſt und Gelege der 5 Middl— ejjer, Mai 1896 143 | 645 Uormoran, ſich putzend. Scilln- Busen, Seite Junge Saatkrähe. ; 1909. » n Futterſuchende Saatkrähe. Norfolk Ein Flug Saatkrähen, eine Shwenkung Headingley, Juni 145 142 ausführend. Tegel, April 1909 . 149 Ein Slug en Tegel, Augujt 1908 . F Buchfink (Vyingilla coelebs L.). Aufnahmen von M. Steel, R. B. Lodge, R. Schelcher, R. Paul, Kearton, Int. Pub. Co., London, O. Pfaff. Buchfink, Männchen, ſingend. Königs- hütte, April 1909. . . Buchfinkenneſt mit Gelege. middleſſex, Mai 1896 : Buchfink, Weibchen, ſeine Zungen wär- mend. Dresden, Mai 1909 .. Buchfink, Männchen bei ſeinen neſt⸗ jungen. Glogau, Mai 1908 . Buchfink, Männchen am Neſt mit Jungen. Glogau, Mai 1908. . Buchfink, Weibchen am Neſt mit Jungen. Glogau, Mai 1908 Buchfink, Männchen, den Jungen Futter bringend. England. Datum nicht mehr bekannt.) 165 | Junge Buchfinken, vor kurzem aus- geflogen, bei der Fütterung. (Der Photograph ſowohl, wie die näheren Daten waren nicht mehr zu ermitteln) Junger Buchfink, vor kurzem ausge— flogen. Leipzig, Juli 1909 164 165 Kormoran (Phalacrocorax carbo L.. Aufnahmen von R. B. Lodge, » Jan, 0.3. Kung. Brütende Kormorane. Farne Island, Juli 1895 . Kormorane auf den Scilln Inſeln, Au- guſt 1907 Kormorane, Charakteriftiiche Stellun- gen von. Scilly-Inſeln, Augujt 1907 Junge Kormorane im Neſt. Scilly— Inſeln, Augujt 19002 .. Kormorane auf ihrem Naſtplag, Scillu— Inſeln, Auguſt 190 .. Junge Kormorane im neſt. Inſeln, Auguft 1907 . Scilln - Augujt 1907 Junge Kormorane im Neſt. Scilly— Inſeln, Auguft 190 . e dee, Junge Kormorane im neſt. Scilly = | Inſeln, Auguſt 1907 .. 179 Kormoran am Rajtplaß. Scilty - Inſeln, Augujt 12 8 Kormoran, das Gefieder putzend een Kormoran, Ruhejtellung. Scilly-Inſeln, Auguft 1907 ; a. tell Hormorane, an ihrem Naſtplatz. Scilly— Inſeln, Juni 1902 182 Kormorane, bei ihren Neſterni in Gejell- ſchaft von Möwen. Scilly = Injeln, Sommer 1907 . 183 | Kormorane auf den Sci Inſeln, Juni 1 185 Junge Kormorane im Reſt, Scüln. In⸗ seln, Jun o 2 = „ IS Rotkehlchen (krithacus rubeculus L.). Aufnahmen von Intern. Publ. Co. London, J. Atkinjon, Stephainsky, Graf zu Münſter, K. B. Lodge, R. Sof fel Neſt und Gelege des Rotkehlchens. . 188 Rotkehlchen, zwei verſchiedene Stel— lungen. Norkſhire 1909 - 189 Swei junge Rotkehlchen auf einem Baumſtumpf. Norkihire 1909 . . 190 Rotkehlchen, alter Vogel mit Sutter an— fliegend Yorkſhire 1909 .. 100 Junges, noch nicht ausgefärbtes Rot- kehlchen. Tillowitz (O®ber- Scl.), Huguſt 1909 .. i Singendes Rotkehlchen. Moritzburg, Februar 1910 . 92 Rotkehlchen am Neſt. Norkihire 1909 195 Rotkehlchen auf einem Pfahl (2 Bilder). London, April 1900 .. 195 Rotkehlchen, Bücklinge machend. Bo⸗ zen, Sommer 1910 . 194 Rotkehlchen, im Schnee nach Futter ſuchend (2 Momente). Norkſhire 1900 195 Wendehals (Iynx torquilla L.). Aufnahmen von K. Soffel, R. Paul, de Wolff, W. Sarren, Duncan. Junge Wendehälſe, am Eingang zur Neſthöhle auf Futter wartend. Sara (Dalmatien), Mai 190o99½ 1492 646 | Dreiviertelflügge Wendehälſe, in der Seite Nähe ihrer Höhle. Sara (Dalmatien), Mai 1909 . . 198 Wendehals, am neſteingang mit Futter im Schnabel. Glogau, Juli 1909 (links) . . 199 Wendehals, mit Futter beim Riſtloch anfliegend. LET, Juli 1909 (rechts). 199 Wendehals am Neſtloch. Near Milden- Hall, Juni 108 201 Halbflügge Wendehälſe (2 Bilder). Zara (Dalmatien), Mai 1909. . . 202 Menoehals. New Foeftft 8 Hühnerhabicht (Astur palumbarius L.). Aufnahmen von M. Behr, H. Regel, h. Röhrig, Stephainsky, R. B. Codge. (Berichtigung: Die Bilder auf Seite 206, 208 und 214 links ſind nicht von h. Röhrig ſondern von K. Regel.) Habichthorſt mit flüggen Jungen. Bram— Hach, Juni s 285 Junge Habichte im Horſt. Würzburg, Juni 1900 206 Habichthorſt mit erwachſenen Zungen. Reſte eines Eichhörnchens auf dem Horſt. Würzburg, Juni 1900 .. 207 Habichthorſt mit erwachjenen Jungen. Würzburg, Juni 1909 . . 208 Habichthorſt mit Jungen (2 Bilder). Würzburg, Juni 1909 .. 209 Habichtweibchen, nach kreiſendem Buſ⸗ jard äugend. Tillowig (Ober-Schl.), Mai 1900 . 211 alter Habicht auf geſchlagenem Kanin- chen. Norfolk, Augujt 1899 .. 213 Habichthorſt mit Jungen (2 Bilder), die Tiere in verjchiedenen Altersjtufen darjtellend. Würzburg, Juni 1909 . 214 Stoßender Habicht. Revier ae Baby-£ug, April 1910 215 Baumläufer (Certhia familiaris L.). Aufnahmen von M. Behr, Dr. Bethge, 2 Graf zu Münſter, W. Köhler. Baumläufer, in die Niſthöhle . (links). Cöthen, April 1908 .. 2 — —4 Baumläufer, an einem Stamm hoch— kletternd (rechts). Cöthen, April 1908 Baumläufer am Niſtloch (2 Bilder). Poritz, Juli 1909 . Baumläufer, in einem Holzſtoß ſein Weſen treibend. Futter im Schnabel. Tillowitz (Ober-Schl.), Mai 1909 Alter Baumläufer, mit Futter zu Neſt kletternd (links). Guteborn, Revier Ruhland. Juni 1909 ee Junge Baumläufer im neſt (rechts). Guteborn, Revier Ruhland, Juni 909 Baumläufer, Unrat aus der Niſthöhle ſchaffend. Poritz, Juli 1909 Eben flügger Baumläufer (2 ee) Saatwinkel, Mai 1909 . 5 Hausrotſchwänzchen (Erühacus tıtys L.). Aufnahmen von H. Röhrig, K. Regel, Stephainsky, K. Spengler, A. Soffeb, kz: Siegle⸗ Berichtigung: Das Bild auf Seite 225 ijt nicht von H. Röhrig, ſondern von A. Regel. Brütender Hausrötel. Würzburg, Juni 1900 . Hausrötel, mit Futter, auf dem weg zu den Kleinen. Würzburg, Juli 1909 Junger Hausrötel (links). Tillowiß (Ober-Schl.), Augujt 1904 . . Junger Hausrötel (rechts). Rothehütte, Juni 1908 . Junger Hausrötel, erſchreckt. Cosmos und Damian (Südtirol), Juli 1909 . Hausrötelweibchen am Boden hüpfend (links). CTillowitz m. au) Juli 1909 . Hausrötelweibchen in einem Spalier (rechts). Tillowitz (Ober-Schl.), Juli 1909 . Hausrötel von einer Latte aus Inſek⸗ tenjagd treibend. Cosmos und Da— mian (Südtirol), Juli 1909 5 Neſt und En des N porn heim . Eichelhäher (Garrulus glandarıus L.. Aufnahmen von Stephainsky, N Soffel, Dr. Bethae, P. Roſenius, Graf zu Münſter. Brütender Eichelhäher. . Schl.), Mai 1909 . 5 nach 219 220 220 216 221 228 647 Junger Häher, nach Futter ſchreiend (2 Bilder), Bozen, Juli 1900 . . Eichelhäher, Futter ſuchend und Um⸗ ſchau haltend. Weißer Hirſch b. Dres— den, Dezember 1905 .. Junger häher, auf Futter wartend. Bo- zen, Juli 1909. Eichelhäher auf einer Sweigſpitze loben). Tillowitz (Ober-Schl.), April 1909 . Häher, Futter ſuchend (unten). Bozen, Juli 1909 . . Junge häher im Neft. den), 1906 . Junger Häher, eben ausgeflogen. zen, Juli 1909 . Häher bei ſeinen Jungen. Bei und nach dem Süttern (2 Bilder). Revier Ruh- land, Juli 1909 2 wei Eichelhäher, Geniſt durchſuchend. Weißer Hirjch b. Dresden, Dezember 19085 Häher, den Unrat der Jungen entfer- nend. Revier Ruhland, Juli 1909 . Rauchſchwalbe (Hirundo rustica L.. Aufnahmen von M. Steckel, Schonen (Schwe- Bo- X. Siegle, R. B. Lodge, R. Paul, Ss Selle a6 Soırr@lk Nach dem Süden ziehende Rauchſchwal— ben, auf Telegraphendrähten aus— ruhend. Roſſitten, September 1009. Derjammlung von Rauchſchwalben vor dem Wegzug. Pforzheim, September 1909 Neſt und Gelege der Nauchſchwalbe. Middleſſex, Juni 1899 5 Rauchſchwalbe, beim Füttern der Jun⸗ gen. Glogau, Juni 1908 Ruhende Kauchſchwalbe. September 1909 . Kauchſchwalbe, in einer Stube niſtend (2 Bilder). Siebeneich-Bozen, Juni 1908. 8 Vier junge Rauchſchwalben auf Futter wartend (links). Siebeneich- Bozen, Juli 1909 ; 8 Switſchernde Rauchſ chwalbe (rechts). Chelmitz, Mai 1908 . . Rauchſchwalbe, auf einem pfahl ruhend. Sallingbojtel, Mai 1907 { Kaum flügge Rauchſchwalbe, auf einer Bettdechke ſitzend. on: a Juni 1908 . Rothehütte, 240 241 242 244 250 Mehlſchwalbe (Delichon urbica L.). Aufnahmen von K. Spengler, De Berhge w Farven, Sainsbury, R. Paul. Junge Mehlſchwalben auf einem Fen— ſterſims. Rothehütte, Juli 1908 nach 2 Mehlſchwalbe am Neſt. Poritz, 1909 . Drei eben ausgeflogene Mehlſchwalben. Mildenhall (Suffolk), Juli 1904 . Flügge Mehlſchwalben beim Neſt. Nork- ſhire 1900 .. Mehlſchwalbe am neſt, die Zungen füt⸗ ternd. Glogau, Juni 1908 . Mehlſchwalbe am Neſt. Poritz, Juli 1909 Swerarohrdommel (Ardetta minuta L.). Aufnahmen von M. Behr, R. B. Lodge. Swergrohrdommel am Neſt (2 Bo Trebbichau, Juli 1908 .. Swergrohrdommel im Röhricht. Cha- rakteriſtiſch-groteske Stellung. Mon— tenegro, April 1906 . . swergrohrdommel im Röhricht. Schreck⸗ ſtellung. Montenegro, April 1906 Zwergrohrdommel, alter Dogel, jeine Eier wendend (links). Trebbichau, Juli 1908 £ Swergrohrdommel, ſich auf die Eier ſetzend (rechts). Trebbichau, Juli 1908 Junge Swergrohrdommel im Neſt. Treb— bichau, Juli 1908. Neſt und Gelege der zwergrohrdommel. Trebbichau, Juli 1908 . en heidelerche (Lullula arborea L. J. Aufnahmen von R. Tepe, W. Sarren, Stephainsky. Junge Heidelerchen im Neſt. Bloemen— daal bei Harlem . Heidelerche, ihre Jungen fütternd. Near Mildenhall (Suffolk), Juli 1909 . Heidelerche, zum Neſt gehend. Near Mildenhall (Suffolk), April 1909 Heidelerche im Gras. Tillowitz (Ober— Schl.), April 1908 . Heidelerche. Eilowig(Ober cht, April 1908 . Seite Junge, 261 648 | Wafferamfel, Waſſerralle (Rallus aquaticus L.). Aufnahmen von W. Sarren. Waſſerralle, im Begriff ſich auf die Eier zu ſetzen. Hicling-Broad (Norfolk), Juni 1000 .. Waſſerralle beim neſt. Hickling⸗ Broad (Norfolk), Juni 1909 — Waſſerralle am Neſt. Hicling- Broad (Norfolk), Juni 1909 Waſſeramſel (Cinclus cinclus L.). Aufnahmen von Sainsburn, H. Spengler, A. Taylor. Neſt und Gelege des Waſſerſchmätzers (links). Morkjhire 1909 | Neſt mit Eiern und Jungen der U Waſſer— amſel. Rothehütte, Mai 1909 (rechts) eben flügge Waſſerſchmätzer. Near Gisburne (Norkihire), Juni 1008. C eben aus dem Waſſer kommend. Year Clitheroe (Canca— ſhire), Mai 1909 . Waſſeramſel auf einem Stein, mitten im Bach. Near Clitheroe (Canca— ſhire), Juli 1908 .. Junge Waſſeramſel. Near cltberoe (Cancaſhire), Mai 1907 Weidenlaubjänger (Phylloscopus rufus Bchst.). Aufnahmen von K. Soffel, J. Atkinjon, M. Behr, O. Grabham. Männchen, Weidenlaubſänger, in der Nähe ſeines Neſtes (2 Bilder). Bei Terlan (Südtirol), Mai 1908 . Weibchen, Weidenlaubjänger, beim Neſt, welches dieje von Waldrebe um- ſponnen. Siebeneid) = Best Mai 1908.20: re Brütender weidenlaubvogel. Walton Hall (Wakefield), Juni 1904 . . Neſt und Gelege des Weidenlaubvogels. Trebbichauer Buſch, Juni 1906 Männchen, Weidenlaubſänger am Schlafplatz in der Nähe des Neſtes. Siebeneich-Bozen, Juni 1908 nach 2 Weidenlaubvogel am Neſt (oben links). Norkſhire, Juni 1905 fe Seite 289 Seite Fitislaubſänger (Phrlloscopus trochllus L.). Aufnahmen von J. Atkinſon, W. Wilſon, R. Paul, R. B. Lodge. Fitislaubvogel, mit Futter im Unter— holz umherhüpfend (s Bilder). Pool (Morkihire), Juni 1907 .. 293 Sitislaubjänger im Gezweige. Skipton in Craven (Norkihire), Juni 1906 Sitislaubjänger, vor dem Neſteingang (2 Bilder, oben links u. rechts). Glo— gau, Juni 108 . Fitisſängers Neſt und Eier (unten! links). Middleſſex, Mai 1898 8 Fitisſänger, ſeine Jungen fütternd (unten rechts). Pool Morkſhire), Juni 190. Fitislaubſänger am neſt (unten links). Enfield, Mai 1896 . Berglaubſänger ¶Phiylloscopus bonellii Vieill.). Aufnahmen von K. Soffel. Berglaubvogel im Gezweige. eich-Bozen, Mai 1908 . Berglaubvogel am Boden in der nähe des Neſtes hüpfend (oben rechts). Siebeneich-Bozen, Mai 1908 . Sieben⸗ 296 297 Waldlaubſänger (Phylloscopus sibilator Bcehst.). Aufnahmen von O. Grabham. Waldlaubſänger beim Neſt rechts). Norkſhire, Juni 1902 Brütender E Norkftire, Juni de © (unten 297 Kornweih (Circus cyaneus L.). Aufnahmen von Steenhuizen. Acht Tage alte Kornweihen im Neſt. Naardermeer bei Amſterdam, Juni 1906 . Zwei Wochen alte Mornweihen, der Fuß eines Bläßhuhns liegt auf dem Horſt— rand. Naardermeer bei Amſterdam, Juni 1906 . ur 500 Nahezu flügge Kornweihen im Teit. Naardermeer bei Amſterdam, Juli 1906 . 5 Grauer Steinſchmätzer (Saxıcola nanthe L.). Aufnahmen von W. Sarren, O. Grabham, Stephainsky, W. Wilſon, M. Behr. Steinſchmätzermännchen am Neſt. Near Mildenhall (Suffolk), Mai 1905 . Steinſchmätzerweibchen am Neſt. Near Mildenhall (Suffolk), Mai 1905 . Steinſchmätzerweibchen mit Sutter im Steinſchmätzermännchen am Neſt. Junge Steinſchmätzer, Schnabel. Norkſhire, Juni 1906 Near Mildenhall (Suffolk), Mai 1905 . Steinſchmätzerweibchen auf einem Holz— ſtoß im Wald. Tillowitz (Ober -Schl.), Juni 1909 . Re mit den Reiten des Neſtflaums im Gefieder. Skipton in Craven GVorkſhire), Juni 1906 Vier junge Steinſchmätzer in einer — geöffneten — Harnickelröhre. Am— rum, Juni 1907 : a Sperber (Accipiter nısus L.. Aufnahmen von A. Taylor, W. Wilſon, R. Kearton, Stephainsky, W. Farren, M. Steckel. perberpärchen am Horjt. Whallen (Cancaſter), Juli 1908 . . Sperberhorſt mit Gelege. Barden 298 (Morkihire), Mai 1906 . : Alter Sperber, am Horjt mit Jungen. Weſtmoreland, Juni 1907 : Sperber mit geſchlagenem Rotſchwanz, ſichernd und kröpfend (5 Bilder). Das junge Tier, das letzte, welches einem Horſt entflogen, wurde lang— ſam durch dritte Perſonen an einen platz „gedrückt“, der mit toten bögeln geködert war. Dort kröpfte er in großer Sorglojigkeit in Anweſenheit des Photographen und anderer Per— ſonen. Tillowitz (Ober-Schl.), Juli 1908 . Sperberweibchen auf einer Kiefer. Tillo- witz (Ober-Schl.), Juli 1908 Seite 303 310 zu Brütendes Sperberweibchen. Bei großer Hitze den Schnabel öffnend. Tillo- witz (Ober-Schl.), Juni 1908 . Junger Sperber (2 Pre: Cambridge, Juli 1909 Sperber, Dunenjunge im neſt. bridge, Juli 1904 Flugbild des N tober 1909 . Cam⸗ noſſiten, Ok- Schwarzer Storch (Cicoma mgra L.). Aufnahmen von F. E. Stoll, Blankenburg. Drei 1 alte Schwarzſtörche im Horſt. Schleck-Stenden ma Sommer 1909 . 8 30 Tage alte Schwarzſtörche im Horſt. Der Horſt ſteht auf einer trockenen Eiche in ca. 60 Fuß Höhe. Schleck— Stenden (Kurland), Sommer 1909 > Bilder. 5 2.235300. Ein Monat alte Schwarzſtörche! im Horſt. Schleck-Stenden u) Sommer 1909 . Schwarzſtorch, in einem mit Wajler- linſen bedeckten Waſſer fiſchend. Theerkeute bei Wronke (Poſen), Juli 1908 Junge Schwarzſtörchei im Horſt. Schleck Stenden, Sommer 1909 . : Gimpel Seite | Gimpelmännchen im Tannengejtrüpp 329 31 (Pyrrhula pyrrhula europaea Vieill.). Aufnahmen von J. Atkinſon, H. Cerny, W. Sarren, H. Soffel. Neſt und Gelege desDompfaffs. uns ton GVorkſhire), Juli 1905 . 5 Junge Blutfinken im Neſt (links) . Flügge Blutfinken (rechts). Winterberg nn): NDS .. . Brütendes Gimpelweibchen. Winter⸗ berg (Böhmerwald), Augujt 1908 Gimpelweibchen am Neſt. Norfolk (Eng— land), Mai 1909 . : Gimpelpärchen, jeine Jungen fütternd. Norfolk (England), Mai 1909 Auguſt 340 34.1 Gimpelweibchen, SGimpel am Neſt (rechts). Vier Wochen alte Bujjarde. (2 Bilder). Dachauer Moos b. Mün— chen, Januar 1909 . Gimpelweibchen, beim Füttern der Jungen. Winterberg (Böhmerwald), Auguſt 1908 5 Gimpelmännchen im Tannengeſtrüpp. Dachauer Moos bei München, Ja— nuar 1909 . N beim Füttern der Jungen (links). Winterberg(Böhmer— wald), Auguſt 1908 . ER Er Winterberg (Böhmerwald), Auguſt 1908 . Mäuſebuſſard (Buteo buteo L.). Aufnahmen von K. Spengler, HR Regel, m Stecke, Dr: Rojenius, ). Röhrig. Buſſardhorſt im Hochwald. . (Harz), Juni 1907 Buſſard, Dunenjunges im Neſt. heim, Mai 1909 Gad⸗ | Drei Wochen alte Buſſarde i im Horſt. Rothehütte (Harz), Juni 1907 | Mäuſebuſſarde im Horſt, 25 Tage alt. Eine Forelle am Horjtrand. Rothe: hütte (Harz), Juni 1907 „ Reſt eines Eichhörnchens im Horſt. Rothehütte (Harz), Juni 1907 Junge Mäufebufjarde im Horſt. witz (Ober-Schl.), Juni 1907 5 Mäuſebuſſarde. Neſtjunge, die ſich um einenBrocken jtreiten. . Schl.), Juni 1907. Cillo⸗ Mäuſebuſſarde, künftlichen Uhu an⸗ fliegend. Schonen e Sep⸗ tember 1907 Junger Buſſard, Kurz vor dem berlaſſen des Horjtes. Gadheim, Juni! 1909 . Eben aus dem Ei geſchlüpfter Mäuſe— buſſard. Würzburg, Mai 1908 Gänſegeier (Gyps fulvus Gm.). Aufnahmen von R. B. Lodge, O. Fikentſcher, M. Steckel. Gänſegeier an einem Pferdekadaver. Dance ee September 1908 . RE 650 Seite ol 2 O1 346 546 561 Gänſegeier an einem Pferdekadaver. Transſilvaniſche Alpen, September NEU Gänſegeier an einem Pferdekadaver. Transſilvaniſche Alpen, un 1908 . Gänſegeier und Kolkraben an einem Pferdekadaver. Transſilvaniſche Al— pen, September 1908 . Alter Gänſegeier am Horſt. Südspanien, April 1906 . Auf einem Baumſtumpf ruhenderööänſe⸗ geier. Transſilvaniſche Alpen, Sep— tember 1908 ; Gänſegeier an einem Pferdekadaver. Transſilvaniſche Alpen, September 9 nach Gänſegeier, vorſichtig ſiche einem Köder nähernd. Bosnien, Sommer 1909 Gänſegeier in Geſellſchaft von zwei Kuttengeiern am Aas. Fogaraſer Al— pen, September 1909 Gänſegeier am Has. Bosnien, Sommer 1909 . Gänſegeier am Aas. Fogaraſer Alpen, September 1909 Gänſegeier am Nas. Fogaraſer Alpen, September 1909 : Gänſegeier auf einem Hausdach. rana (Bulgarien), März 1910 : Gänſegeier auf einem Hausdach. Drana (Bulgarien), März 1910 5 Uuttengeier (Vultur monachus L.. Aufnahme von O. Fikentſcher. Swei Kuttengeier und mehrere Gänſe— geier am Kas. Fogaraſer Alpen, September 1909 A Steinadler Aquila chrysaötus L.). Aufnahmen von R. B. Lodge. Steinadler am Luder. Sein Erſcheinen hat die Geier vertrieben. Transſylva— niſche Alpen, September 1908 Steinadler, auf dem Pferdekadaver Umſchau haltend. Transſylvaniſche Alpen, September 1908 Steinadler, auf einem pferdekadaver, kröpfend. e De September 1908 1 Seite 368 © -ı > Alpenſchneehuhn = (Lagopus mutus Montin). Aufnahmen von M. Behr, R. Kearton, E. R. Warren. Cagerplatz mit Loſung des Alpenſchnee— huhns. Kemptener hütte (Allgäu), Juli dd 884 Brütendes Alpenſchneehuhn. Aber— deenſhire (Schottland), Juni 1906 . 389 Amerikaniſches Alpenſchneehuhn. Acht Bilder zu ſeinem Gefiederwechſel. Im Märzſchnee und weißen Kleid (2 Bilder) 595 z hühner im Schnee und weißen Ge⸗ fieder (Eipril) . .. . 394 Im fleckigen Kleid, das ſich wenig vom Tauſchnee abhebt (Mai) . 394 Weibchen mit Jungen. Es trägt fein unauffälliges Sommerkleid (Juli) . 395 Im Sommerkleid (Auguft) . - 395 2 Tiere auf ſteiniger Halde (September) 396 Im Ghktober-Neuſchnee, das Gefieder in der Ummauſerung zum weißen Winterkleid begriffen . . . . . 396 Moorſchneehuhn (Lagopus lagopus L.). Aufnahmen von Dr. Rojenius, O. Grabham. Brütendes Moorſchneehuhn. Lappland, Juni 1904 . . 385 ı Nejt und Gelege des Moorjchneehuhns. Lappland, Juni 1904 . 385 Moorſchneehühner im Winterkleid. Norkſhire (England), März 1908 . 586 Moorſchneehuhn im Sommerkleid. Norkjhire (England), Juli 1908 . . 587 Schottiſches Moorſchneehuhn (Lagopus scoticus Lath.). Aufnahmen von O. Grabham. Schottiſches Moorſchneehuhn. Hahn. Norkſhire (England), April 1908 . 590 Schottiſches Moorſchneehuhn. Henne. Horkſhire (England), Mai 1909 .. 591 Höckerſchwan (Cygnus olor Gm.). Aufnahmen von F. Hhornbogen, Ettel, W. Köhler, Douglas Engliſh. Höckerſchwan mit ſeinen ſechs Jungen. Flörkendorfer Moor, Juni 1905 . Ein Trupp alter und junger Höcker- ſchwäne, in ihrer Mitte ein auſtra— liſcher Trauerſchwan. Mühlhauſen (Thüringen), Herbſt 1909 . Höckerſchwan (2 Bilder). Ruhewerder (Tegeler See), Mai 1909 : Höckerſchwan (2 Bilder). Ruhewerder (Tegeler See), Mai 1909 a Höckerſchwan, ſich im Waſſer aufrichtend und mit den Flügeln ſchlagend. Kuhe— werder (Tegeler See), Mai 1900. Zwei Höckerjchwäne, ziehend. Ruhe: werder (Tegeler See), Mai 1909 . Weiblicher Höckerſchwan mit Jungen. Dartford, Mai 1905 .. ER Pärchen Höckerſchwäne am neſt. Das Weibchen ſetzt ſich eben aufs Gelege (oben). Dartford, Mai 1905. . . Höckerſchwan, Weibchen auf dem Neſt mit Jungen (unten). e Mai 19005 Höckerſchwan in Kampfttellung. "Dart: ford, Mai 1905 Singſchwan (Cygnus cygnus L.). Aufnahme von Simmermann. Neſt und Gelege des Singſchwans. Paarſteinſee bei Angermünde, Mai 1005 . . Trompeterſchwan (Cygnus buccinator). Der amerikanijche Dertreter des Singſchwans. Aufnahme von R. B. Codge. Trompeterſchwan, ruhig auf dem Waſſer liegend. Holland, Mai 1897 . Seite | 599 407 410 400 409 5 | (unten). Gambettwaſſerläufer oder Rotſchenkel (Totanus totanus L.). Aufnahmen von MT. Behr, | W. Farren, J. Atkinſon, Fliegende Rotjchenkel. Auguft 1908 . . ERS Brütender Rotſchenkel. Near Milden— hall (Suffolk), Juni 1903 . . leine Rotſchenkel, zu Neſt gehend (oben). Wilbraham Sen Cambridge— ſhire (England), Mai 1906 .. Kleine Rotſchenkel, ſich auf die Eier ſetzend (unten). Wilbraham Sen Cambridgeſhire (England), Mai 1906 Kleine Rotjchenkel, brütend (oben). Wilbraham Sen Cambridgeſhire (England), Mai 1906 : nkeſt und Gelege der kleinen Rotſchenkel Malham-Vorkſhire, Mai Norderooge, 1909 . Junger Rotſchenkel. fſhire, Mai 1906 Rotſchenkel am Neſt (4 Monate). braham Sen Cambridgeſhire, 1909 . » Kleiner Rotſchenkel, aufs Neit gehend. Werder (Oſtſee), Juni 1909 Malham-Nork- wil- Mai Kleiner Rotſchenkel, Flugbilder. Nor- | derooge, Juni j? Altes Rotſchenkelweibchen, das Neſt austretend. Wells by the Sea (Nor— folk), Juni 1908 . . Rotſchenkelweibchen, zum Neit gehend. Wells by a Sea ln: Juni 1908 . Elſter ee ee Aufnahmen von Bartels, Stefanescu, Rüdiger, J. Atkimjon, K-Soffel, M. Stecel. | Eben fertiges Elſterneſt, 2 Meter über dem Boden. Kaltenhof (Weſtprieg— | nitz), April 1908 . Neſt und Gelege der Elſter. Kudjir (Ungarn) . ER Junge Elſter auf einer Tanne. Reichen⸗ bach (O.⸗ C.), Juli 1908 Se 652 W. Wilſon, Dr. Heatherlen. Seite 414 415 420 421 Junge Elſtern. Da (England), Juli 1906 . 28 Junge Elſter im Unterholz. Siebeneich— Bozen, Juni 1908 — 427 Junge Elſter. Siebeneich— Bozen, Juni 1908 » 429 Elſtern beim fertigen Neit. Sofia, märz 1910 . 431 Elſter, einen Bach überfliegend. Sofia, März 1910. . 433 Elſtern in Geſellſchaft eines Weide- ſchweins. Sofia, März 1910 . 434 Baßtölpel (Sula bassana L.). Aufnahmen von J. Williamſon, W. Farren, R. Kearton, RB Sodge⸗ Junger Baßtölpel. Baß Rock Cliffs (Schottland) .. 436 | Kolonie brütender Baßtölpel. Baß Rock Cliffs (Schottland) .. 458 Brutkolonie des Baßtölpels. Baß Rock Cliffs (Schottland), Juni 1905 — 439 Brütende Baßtölpel. Baß Rock Cliffs (Schottland) .. 441 Baßtölpel, brütend. Baß Rock Cliffs (Schottland), Juni 1907 . 443 Alter Baßtölpel beim neſtjungen. Baß Rock Cliffs (Schottland) . 444 Fliegende Baßtölpel. Baß Rock Cliffs (Schottland), Juni 1905 . 445 Tölpel auf ihren Neſtern und Jung⸗ vögel. Baß Rock Cliffs (Schottland) 446 Schwarzkehliger Wieſenſchmätzer (Pratincola rubicola L.). Aufnahmen von W. Sarren, R. Kearton. Schwarzkehlchen, Männchen am Neſt (links). Near Mildenhall (Suffolk), Mai 10905 449 Schwarzkehlchen, weibchen mit Futter am Neſt (rechts). Near 1 (Suffolk), Mai 1905. . 449 Schwarzkehlchen, Männchen, umſchau haltend. Surrey, Juni 1905 .. 450 Schwarzkehlchen, mit Futter zu Reſt kommend (links Männchen, rechts Weibchen). Near 3 SEE folk), Mai 1905 . . 451 655 Säbelſchnäbler oder Avoſette (Recurvirostra avosetla L.). Aufnahmen von M. Behr, Steenhuizen, R. B. Lodge. Neſt und Gelege der Avoſette. Werder (Oſtſee), Juni 1900 .. Vier eben geſchlüpfte Avoſetten und Ei⸗ ſchale. Texel, Juni 1905 Junge Avojetten, die kaum das Ei v ver⸗ laſſen. Werder (Oſtſee), Juni 1909 . Avoſette, brütend. Werder Duo) Juni 1909 . . ir Avojette, Eier wendend (links). Wer⸗ der (Oſtſee), Juni 1900 .. N Avojette, brütend (rechts). Werder (Oſtſee), Juni 1909 .. Avoſette, ſich aufs Neſt niederlaſſend (oben). Werder (Oſtſee), Juni 1909 (Die Bilder auf Seite 457, 458 und 459 oben ſind mittels Selbſtauslöſung photographiert. Siehe die Schnur, auf die ſich das Tier ſetzt und die zur Camera läuft.) Avoſette im Waſſer (unten). Holland, mare, Brütende Avoſette. Texel, Juni 1905 . Seite 459 460 Strandreiter oder Stelzenläufer (Himantopus himantopus L.). Aufnahmen von R. B. Lodge. Neſt und Gelege des Strandreiters. Spanien 1897 Stelzenläufer im Waſſer bei der nah⸗ rungsſuche. Spaniſche „Marismas“, Mai 1897 „ Kampfläufer (Totanus pugnax L.). Aufnahmen von M. Steckel, R. B. Codge, M. Behr. Kampfhahn in ſeichtem Uferwaſſer. Roſſitten, September 1909 . Kampfhahn in ſeichtem Uferwaſſer nach Nahrung ſuchend. . Sep⸗ tember 1909 5 „ Kampfläufermännchen. En: Juli 1004 Kampfhahn im Sommerkleid. Enfield, Mai 1898 . Kampfläuferweibchen. London, Auguſt 1898 . Kampfhahn i im Kochzeitshleid. London, Mai 1908 161 462 46% Kampfläufer am Ufer, ſich putzend. Roſ— jitten, September 1909 . Neſt und Gelege des Kampfläufers (oben). Werder (Gſtſee), Juni 1909 Kampfhahn, in Kampfſtellung 1 London, Juni 1908 . > Ringeltaube (Columba palumbus L.). Aufnahmen von W. Köhler, J. Atkinjon, Dr. Roſenius, Graf zu Münſter, M. Steckel, Ch. Reid. Ringeltaube im lichten Gehölz. Tegel, Mai 1909 . BR: Junge Ringeltauben im Mel Bork⸗ ſhire, Juni 1905.5. 95 Junge Ringeltauben im ref WILtjö, Juni 1909 . . 8 Junge Ringeltauben im neſt (oben). Guteborn (Revier Ruhland), Juli 1909 Neſt und Gelege derRingeltaube (unten). Revier Ruhland, Juli 1909 8 Ein Flug Ringeltauben auf dem Felde nach Nahrung ſuchend. Roſſitten, September 1909 . rl: Eben ausgeflogene Ringeltauben (2 Bil- der). Linz, April 1910 Ringeltauben Die dem Waldgrun. England Flußregenpfeifer (Charadrius dubius Scop.). Aufnahmen von Sr. Moore, Behr. Flußregenpfeifer am Neſt. Scilly= Inſeln, Juni 1910 9 W Brütender Slußregenpfeifer (das Neſt auf dem Dach einer Siegelſcheune). Oſternienburg, Juni 1908 . Halsbandregenpfeifer Charadyius hiatıcula L.). Aufnahmen von J. Atkinſon, O. Grabham, W. Farren, M Behr, M. Steckel, Fr. Cißmann, Fr. Heatherlen. Neſt und Gelege des Halsbandregen— pfeifers. Kavenglaß (Cumberland), Juni 1909 . i e 2 nl — Eier und friſch geſchlüpfte Junge des Halsbandregenpfeifers. Yorkſhire, Juni 1907 . | Halsbandregenpfeifer im Dunenkleid. Near Mildenhall (Suffolk), Mai 1902 Männchen des Halsbandregenpfeifers zum Neſt gehend. Near Mildenhall (Suffolk), Mai 1907 . | Weibchen des Halsbandregenpfeifers auf den Eiern. Near Mildenhall (Suffolk), April 1904 Brütender Halsbandregenpfeifer. Wer- — n] O1 —1 5 der (Oſtſee), Juni 1909 . Halsbandregenpfeifer, jeine Eier be- deckend. Mildenhall (Suffolk), April 1905 8 8 Halsbandregenpfeifer am Ufer (2 Bil⸗ der, oben). Roſſitten, September 1909 . | Halsbandregenpfeifer bei ſeinen Eiern 15 2 1 482 485 (unten rechts). Werder (Oſtſee), Juni 1909. | Halsbandregenpfeifer am neſt (oben). Clandegla, Mai 1905 P 0 des Halsbandregenpfeifers am Neſt (unten). Clandegla, Mai 1905 Ausſchlüpfende Junge des Halsband— regenpfeifers. Kavenglaß (Cumber— land), Juni 1909 . er Brütender Halsbandregenpfeifer. Ra⸗ venglaß (Cumberland), Juni 1909 . Seeregenpfeifer Seite 486 487 488 489 490 490 491 N 492 495 (Charadrius alexandrınus L.. Aufnahme von Steenhuizen. Brütender real, a Juni 1905 . Mornellregenpfeifer (Charadrıius morinellus L.. Aufnahmen von P. Rojenius. Brütplag des Morinellregenpfeifers. Dundret bei Gellivare (Cule Capp— mark), Juni 1909 5 Gelege des Morinellregenpfeifers. Dun⸗ dret bei Gellivare (schweden), Juni 1909 . . Brütender Morinellregenpfeifer. Dun⸗ dret bei Gellivare 5 Juni 1909 15 494 nach 496 495 496 Goldregenpfeifer (Charadrius apricarius L.). Aufnahmen von Fr. heatherley, R. Kearton, R. B. Lodge, Sr. CLißmann. Goldregenpfeifer und Alpenſtrand— läufer (links N): Island, Juli 1000 Goldregenpfeifer, zum Neit gehend und brütend (3 ur Llandegla, Mai 190322 5 Goldregenpfeifer bei ſeinen Jungen. Weſtmorland 1899 .. Junge Goldregenpfeifer. Weftmorland 1899 Goldregenpfeifer, ruhend. London 1895 5 Große Trappe (Otıs tarda L.. Aufnahmen von W. Sarren, M. Duncan, O. Grabham. Gelege des Trappen. Near Mildenhall (Suffolk), Juli 1903 .. Trapphahn, ruhend. Thetford (air folk), April 1906 3 ; Trapphahn, ſpaniſche Marismas Balzender Trapphahn. Norkſhire (Eng: land), Juni 1909 Grastrappen. Ein Hahn und zwei Hennen. Norkihire (England), Juni oo (/ / ae 23 Sweratrappe (Ofis-teirax I..). Aufnahme von O. Grabham. Swergtrappe, auf einer Wieje jchreitend. Norkſhire (England), Juni 1909 . Goldammer ( Emberiza cıtrinella L.). Aufnahmen von Sainsburn, K. Spengler, K.Soffel, J. Atkinſon, K. Schelcher, Graf Münſter, M. Steckel, O. Pfaff, K. Simmerann. Neſt und Gelege des Goldammers. Thorner orkſhire). Junger Goldammer im Gezweige, in unmittelbarer Neſtnähe. uni (Harz), Auguſt 1909. Seite 490 497 498 499 500 Seite Goldammermännchen, Hollunderblüten nach Inſekten abſuchend. Schloß Biſchofſtein, Frühling 1910 . . 515 Brütende Goldammer. Arthington Morkihire), Auguſt 1905 .. 516 Goldammer am Neſt (5 momente). Goppeln, Mai 1900 . . 512 Goldammerweibchen am Neit (links). Berbisdorf, Juli 1909 .. 518 Goldammermännchen, die Jungen füt⸗ ternd (rechts). Berbisdorf, Juli 1909 518 Goldammer am Neſt. Rothehütte (Harz), Auguſt 1909 . „39 Goldammer auf kahlem alt. Slawent⸗ ig, Februar 1900 . 33520 Goldammer auf kahlem Birnbaum. Leipzig, November 1908 . . 521 Goldammermännchen, nach Futter ſuchend. Kochlitzer Berg, Mai 1909 522 Märzente (Anas boschas L.). Aufnahmen von M. Behr, Graf Münſter, A. Schrammen, W. Köhler, Steenhuizen, O. Pfaff, R. Zimmermann, O. Grabham. Gründelnde Wildenten. . Ok⸗ tober 1908. ae Wildenten (Stockenten). Guteborn, September 1909 . . 525 Brütende Märzente. Grof- Werder bei Stralſund, Juni 1909 .. 527 | Märzente, Erpel und Ente auf dem Waſſer (+ Bilder). Berlin-Tegel, agg, 2229 Märzente, ihre Jungen führend (im Waſſer). Berlin, Mai 1909 . . 531 Brütende Märzente. Doorſchoten, April 1905 552 Legende märzente. Leipzig, April 1907 Ze Märzente, fünf = am Ufer. Berlin, Mai 1909 . - 355 Pärchen Märzente am Ufer. Bei Ber- lin, Oktober 1908 . 556 | Fliegende Märzenten. Rochlitz, Januar 1900 537 Alte Märzente, mit Zungen auf dem Sande. Berlin, Mai 1909. . . . 558 Gründelnde Märzenten (oben). Cöthen, Oktober 1908 .. 550 | nr der Stockente am Waſſer im Schnee (unten). Cöthen, Februar 1909 . Fa Seite Eben ausſchlüpfende Märzenten. Nork- ſhire (England), April 1905 . 540 | Neſt und Gelege der Märzente. Door- ſchoten, April 1905 „ Dogelkoje auf Amrum, September 1908. „ . Kolkrabe MBorvus corax 1.) Aufnahmen von R. B. Lodge, H. Bachmann, Dr. heatherley, R. Kearton. Drei Kolkraben am Luder. Trans— ſylvaniſche Alpen, September 1908 Kolkrabe an einem Pferdekadaver. Transſylvaniſche Alpen, September NOS S er: Kolkrabe, am Rande eines Sumpfes marſchierend. Eyrarbakki (Island), Auguſt 1904 „ Alter Kolkrabe, ſein Junges atzend. Eyrarbakki (Island), Auguſt 1904 . Junge Kolkraben im Neſt. Northumber— land, April 1900 .. Junge Kolkraben im Neſt. Rorthumber— land, April 1909 . Kolkrabe, kurz nachdem er jeine Jungen gefüttert. Northumberland, April 1000 .. 3 Aus der Heimat der Kolkraben: Rabe zum Neſt fliegend. Northumberland, April 1909 . Kolkrabe, von einem Küftenfeljen Um⸗ ſchau haltend. Swanjea (Wales), April 1907 . Kolkrabe am Meer. Swanjen (Wales), e eee 55 Uuckuck (Cuculus canorus L.). Aufnahmen von R. B. Lodge, Baumgart, Steenhuizen, MFarren Stephain sky R. Voigtländer. Junger Kuckuck (2 Bilder). Enfield, Auguſt 1909 . Junger Kuckuck. Enfield, Auguſt 1900 Kuckuck, im Neſt der weißen Bachſtelze. Das Reſt ſteht in einer Blumenſchale (2 Bilder). Köpenick (Wendenſchloß), Juli 1908 . Kuckuck im Neſt der weißen Bachſtelze, faſt flügge. Köpenick, Juli 1908 . Junger Kuckuck im Neſt des Schilfrohr— ſängers, einen Tag vor dem Aus- fliegen. Naardermeer, Juni 1906 Kuckuck als Pflegling des Rotkehlchens, nach Futter ſchreiend. Cambridge, Juni 1904 . Junger Kuckuck, der vor kurzem das Neſt verlaſſen. Schiedlow-Cillowitz, Juli 1909 . . Kuckuck, auf der Spitze einer Jungfichte. Schiedlow⸗ Tillowitz, Juli 1900 .. Eben ausgeflogener Kuckuck. Schiedlow— Tillowitz, Juli 1909 . - | Junger Kuckuck im Neſt. machen bei Leipzig, Sommer 1909 . Fiſchreiher (Ardea cinerea L.) Aufnahmen von A. 1 10 W. Farren, M. Behr, H. van Sanden, M. Sterke, M. Behr, C. Reid, Moore. Junger Sijchreiher, auf einem Aſte ru— hend. Near Gisburne n Mai 1907 ; 8 Junge Sijchreiher im Horſt. Ruhend und Futter erwartend (2 Bilder). Near Gisburne (Norkjhire), Mai 1907 Flügger Jungreiher, aufgebäumt. Near Gisburne GVorkſhire), Mai 1907 Junge Reiher im Horjt. Near Milden— hall (Suffolk), Juli 1904 Alter Reiher am Horſt. 1010 Brutkolonie des Grauen Reihers im Soologiſchen Garten von Rotterdam. Mei dd Reihergeſtände mit vielen vögeln (& Bil- der). Konſtantinopel, Mai 1910 582 u. Fiſchreiherſpur imnajjen Elbſand. Aken, Oktober 1909. . Sue e Wishaw (Schott- Aken, April Fliegende Fischreiher. In der Nähe der Kolonie. Aken, April 1910 Fiſchreiher, im Waſſer watend. Anda- luſien (Spanien), Mai 1902 Fiſchende und ſich putzende Reiher | (3 Bilder). Roſſitten, September 1909 Reiher im Röhricht. an ae ber 1909 A 656 Seite 564 Trottellumme (Uria troille L.). Tordalk (Alca torda L.). Ringellumme ria ringvia Brunn.). papageitaucher (Fratercula arctıca L.). Aufnahmen von Shrammen, O. Grabham, C. J. King, Moore, W. Köhler, R. B Lodge, W Sacven. Fliegende Tordalke. Juni 1000 .. Junger Tordalk. Bempton Cliffs (Nork- ſhire, England), Juni 1908 5 Ein Trupp Tordalke. Scilly-Inſeln Tordalke in Geſellſchaft von Scharben und Papageitauchern. Scilly-Inſeln, Juni 1000. Junger Tordalk neben zerbrochenen Eierſchalen. Scilly-Inſeln, Juni 1907 Zwei Tordalke, ſich ſchnäbelnd. In Ge— ſellſchaft von Trottellummen und Scharben. Scilly-Inſeln, Juni 1909 Tordalk und Papageitaucher. Scilly- Inſeln . papageitaucher und Tordalke, ruhend. Scilly-Inſeln .. Ausgedehnte Brutkolonie des Papagei- tauchers. Hunderte von Dögeln bei ihren Tejthöhlen . Papageitaucher und Scharbe auf dem Ruheplatz. Scilly-Inſeln, Mai 1908 Seljen, von rieſigen Mengen Trottel- lummen und Möwen bewohnt. Farne Islands, Mai 1905 . . papageitaucher und Tordalke 2 Bil- der). Scilly-Inſeln, Juni 1901 . Tordalke und Papageitaucher. Scilly— Inſen Tordalke und papageitaucher. Seil: Inſeln, Juli 1907 . Tordalk und papageitaucher. Scilly⸗ Inſeln, Juni 1908 ß Trottellummen (2 Bilder — das untere Bild zeigt zwei Vögel in zärtlichem Tete à tète). Scilly-Inſeln, Juni 1909 Trottellummen, teils in Geſellſchaft von Scharben und Tordalken (5 Bilder). Scilly-Inſeln, Juni 1908 : Vögel II. Seite 592 595 594 595 397 599 601 602 605 605 607 609 611 612 615 614 615 657 Seite Junge Trottellumme. Bempton Cliffs (Morkihire, England), Juni 1908 „ 616 Eierſammler bei ihrer gefahrvollen Tätigkeit (4 Bilder). Bempton Cliffs orkſhire), Juni 1908. Der angejeilte Mann wird hinabge- lajjen. Der Mann hat ein Neſt ge— funden und gibt ein Haltzeichen mit der Hand . 617 Das gefundene Neſt wird jeiner Eier beraubt. Die Beute .. 618 Dreihundert geſammelte Lummeneier. Bempton-Cliffs (Morkjhire), Juni 90 TT Trottellummen und Heringsmöwe. Farne Islands, Juni 1905. . 620 Brütende Trottellummen. Neben dem mittelſten Vogel iſt ein Ei ſichtbar. Bempton Cliffs Dorkſhire), Juni 102.0. N CZ Trottellummen, in ihrer Mitte eine Ringellumme. Bempton Cliffs (Nork- ſhire), Juni 190 .. 622 Trottellummen und brütende Drei- zehenmöwen. Farne Islands .. 623 Partie des Lummenfelſens vom Meer aus geſehen. Trottellummen haben alle Dorjprünge und Niſchen beſetzt. Helgoland, Juli 1900 .. 624 Schwimmende N Seil Inſeln, Juni 1010 .. 625 Schwarzſchwänzige Uferſchnepfe (Limosa limosa L.). Bilder von de Wolff, R. Zimmermann, K. B. Lodge. Dunenjunge der Schwarzſchwänzigen Uferſchnepfe. Gelderſche Dallei (Hol- land), Mai 1910 . . 627 Schwarzſchwänzige Uferſchnepfe, ihre Jungen deckend. Gelderſche Dallei (Holland), Mai 1910 . 628 Schwarzſchwänzige Uferſchnepfe zu den Jungen gehend. Gelderſche Dallei (Holland), Mai 1910 . 629 Schwarzſchwänzige Uferſchnepfe im Jugendkleid. Cewitz . in ee 630 Rojtrote Ufer) chnepfe, im waſſer wa⸗ tend. England, September 1398 . 631 Roſtrote Uferſchnepfen bei der Nah⸗ rungsjuche. Amrum, September 1908 652 42 Steinkauz (Athene noctua Retz.). Bilder von R. Paul, Rüdiger, G. Wolff, Kothe. K. Soffel, Steinkauz mit 5 Divarium .. . Steinkauz im Dickicht. Gegen Abend. Lengenfeld (Eichsfeld), Mai 1910 Steinkauz in ſpäter Dämmerung in der Nähe ſeines Neſtes ſein Weſen trei— bend (s Momente). nl feld), Mai 1910 . Vogel. Seite 656 Steinkauz in ſpäter Dämmerung in der Nähe jeines Neſtes ſein Weſen trei- bend (s Momente). Lengenfeld (Eichs— feld), Mai 1910 Steinkauz, Reichenbach (O. 05 1908 Steinkauz, im Begriff abzuſtreichen. Reichenbach (O.-C.), Juli 1908 . Drei Wochen alte e u, Mai 1909 Steinkauz. Divarium . Steinkauz (oben). Divarium Steinkauz (unten). au, (ichs feld), Mai 1910 . Juli Seite Regilter. A. Seite eee ,, anne een ai) 10 ee (l e 5: Se Alca torda (C.) 591— 597. 599. 601. 602. 609 611—615. 615 alexandrinus (Charadrius) 495. 494 Alpenſchneehuhn . 382. 584. 389. 595-596 er en 1 ae ene 502 Anas boſchas C.) 525 Anas penelope C.) RR: 542 Einous ſtolidus g 82 83 apricarius (Charadrius) 495. 497— 500 agutatteusikallusype m 2 Aquila chryſaétus (C.). 321 223 arborea (Lullula) 268 arctica (Sratercula) 595. 600603. 605. 609 611615. 620. 625 Ardea cineren (C.) 572 Ardetta minuta (C.) 260 Aſio accipitrinus Pall) . FREE 16 Aſtur palumbarius (C.) 204 Athene noctua Retz.) 635 avojetta Recurviroſtra) 452 Avoſette 5 452 22% bajjana (Sula) 435 Baßtölpel 455 Baumläufer . 216 Berglaubvogel . . 288 bonellii (Phnlloscopus) 288 boſchas (Anas) . . ee 523 Brandſeeſchwalbde . . 61. 65. 69 buccinator (Cygnus) 409 Budfink . . 153 Buteo buteo (C) e Ba Bu) ee 5 C. COS (EIENMS) 5 Ce cantiaca (Stern)) 61. 65. 69 Carbo phalacrocorax). 167 659 cajpia (Sterna) Certhia familiaris (C. N Charadrius alexandrinus (£.) Charadrius apricarius (C.) Charadrius dubius (Scop.) Charadrius hiaticula C.) Charadrius morinellus (C.) chryſastus (Aquila). Ciconia nigra : Cinclus cinclus C.). cinclus (Cinclus). cinerea (Ardea) Circus cyaneus C.). citrinella Emberiza) coelebs Fringilla) Columba palumbus (C) corax (Corvus) cornix (Corvus) corone (Corvus). Corvus corax (C.) Corvus cornix (C.) Corvus corone (C.) .. Corvus frugilegus C.). Cuculus canorus (C.) cyaneus (Circus) Cygnus buccinator . Cygnus cnygnus (C.) cygnus Cygnus Cygnus olor (Gm.) D. Delichon urbica (C.) Dickſchnabellumme dougalli Sterna) dubius Charadrius) E. Eichelhäher Elſter . Emberiza citrinella (£. ) Erithacus rubeculus C.) Erithacus titys (C.). 42* 495. 481. .493. 49% 497 —500 .481. 482 4.85 — 486 4.88—4053 5. 496. 499 SUN EIKE: 326 281 281 572 299 512 155 472 545 96 06 545 06 96 128 558 299 409 409 409 398 . Seite F. familiaris (Certhia). 216 Fiſchreiher. 502 Sitislaubvogel 288 Slußregenpfeifer . 481. 482 Slußjeejhwalbe . 39. 4143. 45—50 Fratercula arctica (C.) 595. 600—603. 605 | 609. 61 A—-0613. 620. 625 Fringilla coelebs (C.) 1590 frugilegus (corvus) . | fuliginoja (Sterna) 29. 3%. 55. 60 fulous (Gyps) 560 G. Gänſegeier l Garrulus glandarius (£. 55 35 252 Gelochelidon nilotica (elfen. * 59 Gimpel .. 330 glandarius ( Garrulus) 3 Galdanmsds 52 Goldregenpfeifer 495. 497— 500 Grauer Steinihmäßer . . . . . 305 Grill- Summe . 1 606 grylle (Uria) 5 606 Gyps fulvus (Gm.) . 360 B. ahi! 20 Heidelerche . n Halsband-(Sand— redenpfeifer 485 —495 Hausrotſchwanz .. e a 22 Hausjchwalbe.. 243 hiaticula Charadrius) 485 3 495 Himantopus himantopus (C.) 459. 461. 462 himantopus (Himantopus) 459. 461. 462 Hirundo ruſtica (C.) 245 hirundo (Sterna) 39. 11 45. 4 45—50 Höckerſchwan .. . 398 hybrida ( Hndrochelidon) ; 27. 83 De Drodhelihon hybrida (Pall.) 77. 88 Uudrochelidon leucoptera (chinz) 29. 85 Hydrochelidon nigra (C.) . „ 8 J. Jynx torquilla (C.) . 196 K. Kampfläufer .. F Kaſpiſche Seeſchwalbe i 54. 55. 57 Kolkrabe A? aha Rermoran „ e Kornweil . 299 Kudkuk. . . 558 Küſtenſeeſchwalbe 18 na 48. 51 Kuttengeier 360. 366. 375. 380 Seite C. Lachſeeſchwalbe 59 Lagopus lagopus . 585 — 887 lagopus (Cogopus) . . 385 — 382 Cagopus mutus (Montin) 382. 384 —389 395— 396 Cagopus Menn (Cath.) 390. 391 lapponica (Cimoſa) 630—632 leucoptera ydrochelidon; 79. 85 Cimoſa lapponica (£.) . 650 — 632 Cimoſa limoja (C.) 626— 650 limoja Cimoſa) 626— 630 lomvia (Uria). 610 Cullula arborea (C.) 268 M. macrura Sterna) 44. nach 48. 51 Märzente 3 525 Mäuſebuſſard. 347 minuta (Ardetta) 269 minuta (Sterna) . „0 monachus (Dultur) . 560. 366. 375. 380 Moorjchneehuhn . 8 585—587 morinellus (Charadrius) 495. 496. nach 496 499 Mornellregenpfeifer 495. 496. nach 496. 499 mutus (Lagopus) 382. 384. 589. 595—396 N. Nebelkrähe 96 nigra (Ciconia) 326 nigra (Hydrochelidon) „ nigra (Rhyndops . 85—87. 89— 91. 93 nilotica (Gelochelidon) 59 niſus (Accipiter) . 315 noctua Athene) „ MOSC TD‚˖˖üö a 92 8 O. oenanthe (Saxicola) 305 olor (Cygnus) 398 Otis tarda C.) 501 Otis tetrar C.) 511 P. palumbarius (Aſtur) 204 palumbus Columba) 28 Papageitaucher 595. 600 - 60s 605. 609 | 611— 613. 620. 625 Paradiesſeeſchwalbe Be penelope (Anas) . 542 Pfeifente 3 5 542 Phalacrocorax carbo ( ER 167 | Phnllojcopus bonellit (Dieill.) 288 660 Phylloſcopus rufus (Bchſt.) . Phylloſcopus ſibilator Bchſt.) Phylloſcopus trodhilus ( = Pica pica (Ei). pica (Pica) Pratincola 8 E ) pugnar (Totanus) Pyrrhula pyrrhula europaea vieill. * pyrrhula europaea (Pyrrhula) . 95 Rabenkrähe 8 Rallus aquaticus (C) Raubſeeſchwalbe. KRauchſchwalbe Recurviroſtra avoſetta (O ) „ i ee IN IT | Rhynchops nigra (C.) Ringellumme . Ringeltaube ringvia (Üria) . . Rojtrote Uferſchnepfe Rotkehlchen Rotſchenkelwaſſerläufer rubeculus (Erithacus) rubicola (Pratincola) rufus (Phyllojcopus) Rußbraune Seeſchwalbe ruſtica Hirundo) =. Saatkrähe .. Säbeljchnäbler Saricola oenanthe C.). SB Schottijches Moorjchmechuhn. Scherenjchnabel Schwarzer Storch . Schwarze Seeſchwalben Schwarzkehliger Wieſenſchmätzer Schwarzſchwänzige e ſcoticus Cagopus) Seeregenpfeifer Seeſchwalben . ſibilator Phnllofeopus) Singſchwan 5 Sperber Spießente . Steinadler . Steinkauz . Stelzenläufer . Sterna cantiaca Gm. Sterna cajpia Pall. . Sterna dougalli Mont. a Sterna fuliginoja Gm.. Seite 8 296—298 288 422 422 448 465 356 356 S 622 6530— 632 187 411 187 448 288 | 20. 54. 55. 60 245 3 D © 28 285 448 626— 630 | . 590. 391 .495. 494 29 296 —-298 409 —1 —1 Veen 1 1 1 0 a o1 01 S © ede J oO RS © 1 — O O Sterna hirundo (£.). Sterna macrura Naum. Sterna minuta (C.). \ Sterninae . ſtolidus (Anous) . Strandreiter Sula bajjana (£.) Sumpfohreule Syrnium aluco (C.). tarda [Otis) tetrax Otis) titys (Erithacus). torda (Alca) 591—597. Tordalk torquilla Jynx) . Totanus pugnax (C.) Totanus totanus totanus (Totanus) Trappe Große). trochilus Phylloſcopus) troille (Uria) 596. Trompeterſchwan Trottellumme 596. 599. u. urbica (Delichon) Uria grylle (C.) Uria lomvia (C.). Uria ringvia (Brunn.) Uria troille C.) 596. 599. 39. 41—43. 591— 99. 599. 607 607. 608. 614— 624 Seite 45—50 14. nach as. 51 58. 59 29 a: 82. 83 . 459. 461. 462 +35 16 I 501 511 „ 223 599. 601. 602. 61 I—613. 615 599. 601. 602. 609 61 1—613. 615 196 465 411 411 501 288 608. 614—624 409 609 245 606 610 22 022 607. 608. 614624 V. Dultur monachus C.) 360. 366. 575. 380 W. Waldkauz . I Waldlaubvogel 296— 298 Waſſeramſel 281 Waſſerralle 275 Weidenlaubvogel i 288 Weißbärtige Seejchwalbe . 77. 83 Weißflügelige nee „ eb Wendehals 3 Binz: 196 Wildente 523 3- Swergrohrdommel . 260 Zwergſeeſchwalbe 8. 59 Swergtrappe . EN = Ai ” ı 94 url. 5 0 1 5 1 1 1 . in — | a 1 u = =, r 3 \ \ . 1 “ * N BEE 5 25