i /M 6. PüSCM f\LL6£MEINl: TIEKZUCftT •"^K;''.': *.''('■: -'.is /-^/, ^""•^6^ vP*Ä^iJ^ä*£iiitJiiü-!:i! FOR THE PEOPLE 1 FOR EDVCATION FOR SCIENCE 1 LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY LEHRBUCH DER ALLGEMEINEN TIERZUCHT VON DR G. PUSCH, K. S. MEDIZINALRAT, 0. PROFESSOR FÜR TIERZUCHT AN DER TIERÄRZTLICHEN HOCHSCHULE IN DRESDEN UND LANDESTIERZUCHTDIREKTOR. MIT 195 ABBILDUNGEN. STUTTGART. VERLAG VON FERDINAND E N K E. 1904. ) 1. Mose 14, V. 1. *) Babel und Bibel, erster Vortrag von Delitzsch. Hinrichsen -Leipzig 1903. S. 25. IV. Die Haustiere im Altertum. 13 liess er ein sehr umfangreiches und eingehendes Gesetz, welches das bürgerliche Recht regelte. Dieses war in Keilschrift auf einer Stele, einem säulenartigen Grabsteine, eingenieisselt und wurde bei den französischen Ausgrabungen in Susa im Winter 1901/02 durch den Führer derselben, J. de Morgan, fast vollständig aufgefunden^), in- dem von 44 Reihen Schrift nur 5 weggemeisselt waren. Dieses Gesetz regelt das Strafrecht, Sachen-, Familien- und Erbrecht und enthält Strafandrohungen über den unrechtmässigen Erwerb von Sklaven , Rindern , Eseln , Schafen und Schweinen , die dem Gotte oder dem Hofe gehören , also als Opfer- oder Haustiere gehalten wurden. Es werden dann für die operative Behandlung der Menschen und Tiere durch Aerzte und Tierärzte Taxen aufgestellt, welche die erfolgreichen Bemühungen durch bestimmte Geldentschädi- gungen belohnen, während anderseits Misserfolge bei den Aerzten unter Strafen gestellt werden , wobei dem unglücklichen Operateur sogar die Hände abgehauen werden sollen. Ferner wird bereits der Lohn für die Hirten geregelt, vom Rindvieh im Gegensatz zum Kleinvieh gesprochen und der Mietpreis für einen Ochsen und Esel beim Dreschen bestimmt, wobei die Ar- beitsleistung beider gleich bewertet ist. Ferner werden falsche An- gaben des Hirten über die Nachzucht und Betrügereien hierbei unter Strafe gestellt, auch ist der Besitzer mit einer bestimmten Summe haftbar, wenn sein Ochse einen Freigeborenen tötet, sofern er ge- wusst hat, dass der Ochse stössig ist und ihm trotzdem weder die Hörner verbunden, noch ihn gefesselt hat. War ihm die Untugend nicht bekannt, fällt jede Haftpflicht dagegen weg'''). Pferde werden in der Gesetzessammlung Hammurabis nicht erwähnt, und man kann deshalb wohl mit voller Bestimmtheit an- nehmen, dass sie den Babylonieru unbekannt waren. Wann die Pferde ins Land gekommen sind, ist zweifelhaft, nach Hommel^) soll es durch die Semiten geschehen sein. Die Assyrer dagegen verwendeten das Pferd den bildlichen Darstellungen nach bereits sehr ausgiebig und zwar im Wagen und unter dem Reiter zur Jagd auf Löwen und W^ildstiere (Auerochsen), und vermutlich haben sich die Könige Assurnassirpal (880) und Assur- ^) Jeremias, Moses und Hammurabi. Hinrichsen-Leipzig 1903. S.S. ^) Winckler, Die Gesetze Hammurabis , Königs von Babylon , um 2250 V. Chr. Hinrichsen-Leipzig 1903. ^) Hommel, Geschichte Babyloniens und Assyriens. Grote-Berlin 1885. S. 195. 14 1. Abschnitt. Die zoolog. Stellung u. geschichtl. Entwickelung der Haustiere. banipal (067) viel mit diesem nicht immer ungefährlichen Sport be- schäftigt ^). Im assyrischen Heere gab es auch bereits Reiter und mit Pferden bespannte Streitwagen ^). Die Pferde vereinigten Blut und Körpermasse und sahen etwa aus wie die in Russland gezogenen, leichteren Wagenpferde im Orlofftypus. Was die Rinder anlangt, so lebten nach Durst von Wildrindern in Babvlonien und Assyrien WildbüfFel vom Typus des Bubalus arni^) und Auerochsen. Assurnassirpal soll in einigen wenigen Tagen 50 Auerochsen erlegt und 30 lebend in seine Hände bekommen haben*), und von Tiglathpileser (ca. 1100 v. Chr.) wird berichtet, dass er am Fusse des Libanon lebendige Junge der Wildochsen fing und Herden von ihnen zusammenbrachte ^). Der Ur oder Auerochse damaliger Zeit, semitisch Rimu genannt, ist der Reem der Hebräer, der in der Uebersetzung zu Unrecht mit „Einhorn" bezeichnet wird *^) '^) ^). Die zahmen Rinder gehörten in der Hauptsache der Zeburasse an; ob Kreuzungen zwischen diesen und den zahmen Nachkommen des Urs vorgekommen sind, ist zweifelhaft. Dass bereits in früher Zeit der Rindviehhaltung eine grosse Beachtung geschenkt wurde, beweist die Gesetzgebung Hammurabis, sowie auch der Umstand, dass Tiglathpileser von seinen Kriegszügen in Palästina und Arabien gegen 20000 Rinder mit nach Assyrien brachte. Aus der erwähnten Gesetzessammlung geht ferner hervor, dass bereits im alten Babylon Esel, Schafe und Schweine gezüchtet wurden, auch soll nach Hommel ausserdem noch die Ziege als Haustier vor- handen gewesen sein. Im alten Aegypten stand die Tierzucht auf verhältnismässig hoher Stufe und bildete die hauptsächlichste Einnahmequelle des Landes. Besonders waren es die Rinderherden, welche den Reichtum ') Delitzsch und Keller, s. a. a. 0. -) Hommel, S. 7C. ^) Durst, Die Rinder von Babylonien, Assyrien und Aegypten. Reimer- Berlin 1899, S. 7. *) Hommel, S. 579. ^) Desgl., S. 532. «) Hiob 39, V. 9, 5. Mose 33. V. 17 u. a. a. 0. m. ') Delitzsch, Babel und Bibel, zweiter Vortrag. Stuttgart 1903. S. 8. «) Durst, S. 8. IV. Die Haustiere im Altertum. 15 der Grossen ausmachten, wird doch berichtet, dass ein Landwirt des Alten Reiches ausser einer grossen Anzahl von Kleinvieh 1300 Kühe besessen habe^), und ein anderer sogar 1235 Ochsen und 1220 Haupt Jungvieh der langhörnigen Rasse und 1360 Ochsen und 1138 Haupt Jungvieh der Kurzhornrasse sein eigen nannte''). Die Rinder damaliger Zeit weideten während des Sommers im Nildelta, welches seiner sumpfigen Beschaffenheit wegen dem Acker- bau noch wenig zugänglich war. Dorthin hatten sie oft weite Strecken zurückzulegen und mussten auch häufig tiefe Wasserarme durchschwimmen , wobei ihnen die Hirten in Kähnen voran- und nachfuhren, die Kälber an den Vorderfüssen hinter dem Kahne her- ziehend. Damit eine Verwechslung des Weideviehs nicht stattfand, wurden die Tiere der einzelnen Besitzer durch Brände gezeichnet. Die wirtschaftliche Verwendung des Rindes war eine sehr viel- seitige. Dasselbe diente einmal zur Mast, und zwar wurde diese mit Brotteig betrieben, der, zu Nudeln gedreht, den Tieren ins Maul ge- schoben wurde. Die Milchergiebigkeit der Kühe scheint nur massig gewesen zu sein, auch mussten ihnen beim Melken die Beine zusammengebunden werden, damit dasselbe ohne Störungen vor sich gehen konnte. Sehr verschiedenartig war die Arbeitsleistung, denn Rinder zogen den Pflug, droschen mit ihren Füssen das Getreide aus und fanden auch als Tragtiere Verwendung. Endlich dienten Rinder zu Stierkämpfen, als Opfertiere und zur Verkörperung der Gottheit; der Apiskultus war schon im Alten Reiche vorhanden, gelangte indessen im Neuen Reiche zu ganz besonderer Blüte, wovon die prächtigen Särge der Apisstiere aus dieser Zeit- epoche Kunde geben^). Der Apisstier war schwarz mit keilförmigem Stern und weissen Flecken von besonderer Form auf dem Widerrist und dem Kreuze. Der Hornform nach gliederten sich die Rinder in drei Schläge, und zwar in langhörnige, kurzhörnige und hornlose, die sämtlich der Zebugruppe angehörten, obgleich der Buckel verschiedenartig ent- wickelt war und zum Teil ganz fehlte. Die Färbung war sehr ^) Erman, Aegypten und ägyptisches Leben im Altertum. Laupp- Tübingen, S. 586. ^) Lenormant, Les premieres civilisations. Paris 1874. S. 324. Zit. v. Durst, S. 25. 3) Durst, S. 30. 16 1. Abschnitt. Die zoolog. Stellung u. geschichtl. Entwickelung der Haustiere. mannigfaltig, denn es kamen weisse, schwarze, hellgelbe und braune Tiere neben Rot- und Schwarzschecken vor. Ausser den Rindern gab es im Alten Reiche noch Esel, Schafe, Ziegen und wahrscheinlich auch Schweine, obgleich die letzteren von den Künstlern der älteren Zeit, wie Er man vermutet aus religiösen Gründen, nicht dargestellt wurden. Später muss ihre Zucht eine etwas grössere Bedeutung gehabt haben, denn Herodot (484 — 425 V. Chr.) sah auf seinen Reisen in Aegypten, dass Schweine zum Ein- und Festtreten des Saatkornes benutzt wurden, was im Alten Reiche Schafe besorgten und jetzt durch Egge und Walze bewerkstelligt wird. Ausserdem waren Schweine Opfertiere. Was das Pferd anlangt, so war es im Alten Reiche unbekannt, während die Esel auf ihrem Rücken den Korntransport besorgten, mit ihren Hufen das Getreide droschen und zu zweien zusammen- gekoppelt die Sänften trugen, in denen die Grossen des Landes ihre Reisen unternahmen. Wann das Pferd nach Aegypten gekommen ist, ist zweifelhaft, ebenso auch, ob das durch die Hyksos geschehen ist, die um das Jahr 1800 herum Aegypten eroberten; jedenfalls hat die Einführung in der Zeitepoche zwischen dem Mittleren und Neuen Reiche stattgefunden ^). Die Pferde der Grossen trugen oft hochklingende Namen, die mit Krieg und Sieg im Zusammenhange standen , und sie werden dann immer auch als feurig und unruhig geschildert, so dass sie gern auf- bäumen und deshalb ausser dem Wagenlenker noch Diener nötig sind, um sie am Zügel zu halten, wie Er man von den Rossen Ramses' IL mitteilt. Der Farbe nach waren sie meist braun, doch werden auch Schimmel dargestellt. Hengste wurden den Stuten vorgezogen, wer ruhige Zugtiere wünschte, verwendete Maulesel. Die Juden hatten eine grössere Vorliebe für die Viehzucht und das Hirtenleben als für den Ackerbau. Die verbreitetsten Haustiere waren das Schaf und die Ziege, dann das Rind und der Esel. Nach der biblischen Sage hatten bereits Abraham, Lot, Abi- melech, Laban und Jakob grosse Herden von Schafen und Rindern, und von dem reichen Karmeliter Nabal wird erzählt, dass er 3000 Schafe und 1000 Ziegen sein eigen nannte^). Rinder benutzte man zum Pflügen und Dreschen ^) , Esel zum ') Er man, S. 649. -) 1. Samuelis, Kap. 25, V. 2. ') Stade, Geschichte des A'^olkes Israel. Grote-Berlin. S. 368. IV. Die Haustiere im Altertum. 17 Reiten und Lasttragen und in den Hofhaltungen der Grossen auch Maultiere zum Reiten ^) , die indessen jedenfalls aus dem Auslande stammten, denn den Juden war die Maultierzucht durch Moses ver- boten -). Pferde erhielten die Juden verhältnismässig spät, dieselben werden weder in dem Kapitel vom Brand-, Dank-, Sund- und Schuld- opfer ^), noch in demjenigen über den Unterschied reiner und unreiner Tiere erwähnt*). Um das Jahr 1000 herum hatte Salomo 12 000 Reiter und 1400 Wagen, und zwar scheinen seine besten Pferde aus Aegypten gewesen zu sein''). Die Araber leiten die Abstammung ihrer edlen Pferde auf die Gestüte Salomos zurück''). Aehnlich verhält es sich mit den Indern. Schon in den Veden, der ältesten indischen Literatur, wird er- wähnt, wie einzelne sich grossen Besitzes an Herden von Rossen, Rindern , Büffeln , Schafen und Ziegen erfreuten , und namentlich machten die Rinderherden das begehrteste Vermögensgut aus , um welches Kämpfe und Kriege geführt wurden. So zogen die Kuru mit dem Trigartakönig zusammen gegen Viräta, den Matsyakönig, und bemächtigten sich seiner nach Tausenden zählenden Rinderherden, auch reisten die Fürsten und die übrigen grossen Herdenbesitzer auf ihren Weidestationen umher, um die Tiere zu zählen und die Kälber zu zeichnen'^). Der Hirte betete um Kinder und Rinder, denn beides, Kindersegen und grosse Rinderherden, galt als Reichtum, und die Vermehrung der letzteren, namentlich aber die Pflege der Milchkühe bildete eine der Hauptsorgen der viehzucht- treibenden Bevölkerung®). Die Rinder waren rot, schwarz oder scheckig und sollen nach Keller der Zeburasse angehört haben ^). Später berichtet Plinius, die indischen Ochsen seien so gross wie Kamele gewesen^"). Die Verwendung des Rindes war eine sehr vielseitige. Das- ') 2. Samuelis, Kap. 13, V. 29, desgl. 18, V. 9. 2) 3. Mose, Kap. 19, V. 19. 3) 3. Mose, Kap. 1—7. ■ ") 3. Mose, Kap. 11. 5) 1. Könige, Kap. 10. ®) Keller, Die Abstammung etc. S. 89. ') Lefmann, Geschichte des alten Indien. Grote-Berlin. S. 383. ^) Käu ff er, Geschichte von Ostasien. I. Brockhaus-Leipzig 1858. S. 285. ^) Keller, Die Abstammung etc. S. 123. ^"j Plinius, Historia naturalis. Libr. Vlll, Kap. XLV. Puscli, Allgemeine Tierzucht. ^ 18 1- Abschnitt. Die zoolog. Stellung u. geschichtl. Entwickelung der Haustiere. selbe war Schlachttier, und zwar das wertvollste, denn beim Einzüge des Bräutigams in das Haus der Braut wurde zur festlichen Bewirtung der Gäste eine Kuh geschlachtet , weshalb ein solcher Ehrengast „Goghma'' oder Kuhtöter genannt wurde ^). Ferner dienten Kinder, namentlich die zottigen Stiere, zur Pflugarbeit, und Kühe auch als Wertobjekt bei der Sühnezahlung. Die Milch bildete das beste und verbreitetste Nahrungsmittel des altvedischen Volkes, sie wurde frisch oder sauer verzehrt oder zu Butter verarbeitet oder mit Mehl zu Kuchen verbacken. Mehl- imd Milchspeisen waren die tägliche Nahrung, Fleisch dagegen erschien iu der Hauptsache nur bei fest- lichen Gelegenheiten auf dem Tische. Das Pferd war ebenfalls schon frühzeitig vorhanden. Die Sagen- geschichte erwähnt dasselbe als Reittier und als Zugtier im Streit- wagen. Es galt als das wertvollste Opfertier, und auf einem Frag- mente des Amravatitempels ist es mit einem Sonnenschirme , dem Abzeichen königlicher Würde, versehen^). In China soll bereits der Kaiser Fu-Hsi (3341 — 3227) sein Volk gelehrt haben , Pferde , Schafe , Rinder , Hühner , Hunde und Schweine zu züchten^). Obgleich nun aber bei verschiedenen Ge- legenheiten in der Geschichte der alten und mittleren Zeit grosse Rinder- und Ziegenherden und beträchtliche Reiterscharen erwähnt werden*) und von Kongtse'^) — Confucius, geb. 551 v. Chr. — be- richtet wird, dass er wegen seiner Tüchtigkeit schon mit 21 Jahren zu dem hohen Amte eines Verwalters der Fluren und Herden empor- stieg, die Herden somit in dem ganzen Staatsbetriebe eine grosse Rolle spielen mussten, so hat die chinesische Haustierzucht weder im Altertum noch in der Neuzeit eine hervorragende Bedeutung erlangt, mit Ausnahme der Zucht des Schweines und derjenigen des Geflügels, für deren Fleisch die Chinesen eine Vorliebe haben. Das Schwein gedieh viel mehr als das Rind und hatte nach Brehm bereits vor mehr als fünf Jahrtausenden im himmlischen Reiche eine grosse Verbreitung. Auch heute ist es dort das haupt- sächlichste Nutztier, und Blut des chinesischen Schweines ist in allen veredelten Schweinerassen der ganzen zivilisierten Welt vertreten. ') Lefmann, S. 101. *) Desgl. ') V. Fries, Abriss der Geschichte Chinas. Frick-Wien 1884. S.S. ■•) Käuffer, Geschichte von Ostasien. Brockbaus-Leipzig. 3. Bd. *) Käuffer, Ueberblick über die Geschichte Ostasiens. Klinkhardt- Leipzig 1864. S. 42. IV. Die Haustiere im Altertum. 19 Die Griechen kannten das Ross, den Wagen und den Pflug schon zur pelasgischen Zeit, und Herden von Rindern, Schafen und Schweinen machten ihren hauptsächlichsten Reichtum aus ^). Im trojanischen Kriege bediente man sich der Pferde vor dem Streit- wagen, benutzte dagegen zu anderen Wagendiensten Maultiere. Thrazien, Thessalien, Mazedonien Avaren als pferdezuchttreibende Länder besonders berühmt. Im Jahre 680 entstanden in Olympia Wagenrennen, die schon bei den Achäern gebräuchlich gewesen sein sollen, und im Jahre 648 Wettreiten, wozu die Pferde bereits eine Art Training durchmachen mussten. Die Rinder gaben nicht nur das vornehmste Opfer ab, sondern dienten auch dem Menschen in gleicher Weise wie heutigentags, sie wurden ausserdem auch zum Tragen von Lasten verwendet. Der Reichtum der Grossen wurde ebenso wie der Wert gewisser Gegen- stände nach Rindern abgeschätzt, und bei besonders feierlichen Ge- legenheiten wurden 100 Rinder auf einmal geopfert. — Hekatomben. — Der Rasse nach waren die Rinder Langhörner, Kurzhörner und Buckelrinder "). Ziegen- , Schaf- und Schweineherden bildeten ebenfalls einen sehr wertvollen Vermögensbestand der besitzenden Klasse, und die Schweinehaltung scheint in der Wirtschaft des Odysseus eine Haupt- rolle gespielt zu haben , denn Eumaeus nahm am Hofe des Königs von Ithaka als aufsichtführender Beamter — wir würden ihn heute etwa Schweinemeister nennen — eine ähnliche Stellung ein, wie die Vorstände der Marställe unserer Tage. Im mazedonischen Zeitalter entstand dann das berühmte Buch von Aristoteles (384 — 322), „Die Tierkunde" — Historia anima- lium — , welches uns einen eingehenden Einblick in die damaligen Anschauungen über Zoologie, Anatomie, Physiologie und über die allgemeinen Züchtungsgrundsätze gewährt. Das alte Italien war schon den Hellenen als ein Land be- kannt, welches vorzugsweise Vieh und gewaltige Massen von Getreide erzeugte. Als Tauschmittel dienten neben Kupfer Rinder und Schafe, und letztere machten neben dem Schweine auch die hauptsächlichsten Opfertiere aus. Bei besonders feierlichen Gelegenheiten wurde ein Schwein, ein Schaf und ein Rind gemeinsam geopfert, und hiess ') Hertzberg, Geschichte von Hellas und Rom. Grote-Berlin 1879. S. 14. ^) Keller, Die Abstammung etc. S. 123. 20 1- Abschnitt. Die zoolog. Stellung u. geschichtl. Entwickelung der Haustiere. dieses Opfer Suovetaurilia^). Nach Varro soll Italien seinen Namen von den Ochsen erhalten haben, denn die alten Griechen hätten den Ochsen Italus genannt, und Italien habe damals die schönsten und ffrössten Ochsen besessen. Bei dem kriegerischen Charakter der Römer und infolge ihrer vielen Feldzüge , die sie nach fernen Gegenden führten , entwickelte sich auch bald die Reiterei zu einer hohen Stufe , und bereits im Jahre 226 v. Chr. hatte Rom 70000 Männer für den Reiterdienst zur Verfügung. Um dieselbe Zeit traten ihnen die Kelten mit 20000 Reitern und Wagenkämpfern entgegen. Zu Cäsars Zeiten war die Pferdezucht berühmt, doch überschritt bald darauf unter den Kaisern die Vorliebe für das Pferd und die Wertschätzung desselben zum Teil die Grenzen der Vernunft, so dass man einzelnen Tieren besondere Paläste baute, anderen die Hufe ver- goldete ") oder ihnen einen Grabhügel errichtete ■'). Ueber die Anforderungen, die man an ein gutes Pferd stellen soll, geben schon Virgil, Varro und Columella Auskunft. Der letztere*) unterscheidet drei Klassen. Zur ersten gehören die grossen, vornehmen Hengste, die Fürsten und Herren zum Vergnügen und zum Kriegshandwerk dienen, zur zweiten die gewöhnlichen Reitpferde und zur dritten die gemeinen Ackerpferde, die zur Arbeit und nicht zum Reitdienste gezüchtet werden. In der Ackerpferdezucht lässt man Stuten und Hengste das ganze Jahr über miteinander gehen, während in der Zucht des edleren Pferdes Hengste und Stuten getrennt gehalten und letztere nur im zeitigen Frühjahr gedeckt werden. Virgil^) und Varro") verlangen vom Pferde einen feinen Kopf mit gutem Halsaufsatz und eine dichte Mähne, eine breite Brust, einen schlanken Leib, eine gespaltene Lende und Kruppe und einen krausen Schwanz. Der Leib soll mit sichtbaren Adern überzogen sein, weil man einem solchen Pferde bei Krankheiten eher helfen könne als einem anderen. Die bevorzugte Farbe ist braun oder ein geapfeltes Grau, die schlechtere falb oder weiss. Lukrativ scheint auch damals die Eselzucht gewesen zu sein, ') Hertzberg, Geschichte von Hellas und Rom. II. Bd. S. 51. 2) Hoffmann, Allg. Tierzuclit. Uimer-Stuttgart 1899. S. 56. ') Plinius, Historia naturalis. Libr. VILI, Kap. XLII. ■•) Columella, De re rustica. Libr. VI, Kap. XXVII (etwa um das Jahr 60 n. Chr. verfasst). ') Virgil ius, Georgicon. Libr. III, V. 80. ^) Varro, De re rustica. Libr. II, Kap. VII. IV. Die Haustiere im Altertum. 21 denn Plinius berichtet, dass in Keltiberien einzelne Eselstuten bis zu 400 000 Sesterzen ^) eingebracht haben, und der Gewinn aus der Eselzucht unter Umständen grösser gewesen sei als derjenige aus einem Landgute ^). Ausser Pferden und Eseln, welch' letztere fast ausschliesslich zum Lasttragen und nur ausnahmsweise zum Pflügen benutzt wurden^), hatten die Römer grosse Herden von Rindern, Schafen und Ziegen, und Schweinefleisch wurde nicht nur reichlich produziert, sondern auch aus Gallien und Germanien importiert. Nach Varro gehörten die Rinder der Zebugruppe an, denn er verlangt von ihnen einen starken Höcker auf dem Rücken, ausserdem den Hals mit starker Wamme, breite Rippen und starke Hinterbacken. Der Schwanz muss lang sein und bis zu den Klauen reichen. Die beliebteste Farbe ist schwarz, dann folgen rotbraun, ledergelb, falb und weiss. Schwarze Tiere sollen dauerhaft, weisse dagegen sehr „weich" sein. Der Schweinezucht scheint man eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet und die Schweine damals nicht nur in Rom, sondern auch anderwärts sehr fett gemacht zu haben. So berichtet Varro, er habe in Arkadien^) ein Schwein ge- sehen, welches infolge von Fettleibigkeit nicht mehr aufstehen konnte; diesem habe eine Maus ein Loch in den Leib gefressen und darin Junge geheckt. Die Tiere scheinen dem chinesischen Typus angehört zu haben, denn Columella^) verlangt von ihnen einen kurzen, aufgeworfenen Rüssel, einen vierschrötigen Rumpf mit grossem, hängenden Bauche. Nach Varro '0 berichtet Cato, die Schweine in der Umgegend von Mailand würden so fett, dass sie weder stehen noch gehen könnten, und Plinius '') erzählt, dass man vom Schweine fast fünf- zigerlei Leckerbissen herstellen und die Lebern der mit Feigen und durch „Uebersättigung" (Nudeln?) gefütterten Tiere ähnlich wie die- jenigen der Gänse zubereiten könne. Was die technische Seite der Tierproduktion betrifft, so erfahren ') 1 Sesterz = etwa 17 Pf., somit 68000 Mark. 2) Plinius, Libr. VIII, Kap. XLIII. 3) Varro, Libr. II, Kap. VI. *) Hirtenland im Peloponnes, der späteren Halbinsel Morea. 5) Libr. VII, Kap. IX. «) Libr. II, Kap. IV. ') Libr. VIII, Kap. LI. 22 1- Abschnitt. Die zoolog. Stellung u. geschichtl. Entwickelung der Haustiere. wir von den vier genannten Schriftstellern interessante Aufschlüsse über den Zuchtbetrieb, die Auswahl der Zuchttiere, die Bedeckung, die Haltung u. a. ni. So empfiehlt schon VirgiP), man solle den Kälbern nicht nur Stammnamen einbrennen, sondern auch Angaben darüber, ob die Tiere später zur Ergänzung des Bestandes der Zucht- herde oder zu Opferzwecken oder als Arbeitsvieh Verwendung finden sollten. Bei unseren germanischen Vorfahren war die Viehzucht die Haupteinnahmequelle; nach Kunze ^) zeigen die dem altgermani- schen Leben entnommenen Darstellungen auf der Antoniussäule in Rom die Quaden und Markomannen im Besitze von Pferden, Rindern, Schafen und Ziegen. Wenn auch nach den Schilderungen des Tacitus^) die Pferde weder Schönheit noch Schnelligkeit auszeichnete, so waren die ger- manischen Reiter im römischen Heere doch geschätzt, und besonders wird ihre geschlossene Schwenkungslinie, bei der niemand zurück- bleibt, rühmend hervorgehoben. Auch wird die gut ausgebildete Reiterei der Tenkterer, die neben den Chatten im heutigen Hessen wohnten, erwähnt und von den Chauken aus den heutigen, östlichen Nordseemarschen gesagt, dass sie Männer und Rosse in grossen Mengen hätten. Wie die Pferde in Germanien geschätzt Avurden, geht daraus hervor, dass man aus ihrem Verhalten die Zukunft deutete. Hierzu verwendete man weisse Rosse, die in den heiligen Hainen gehalten wurden und keine Arbeit verrichteten. In die heiligen Wagen ge- spannt und von Priestern und Königen begleitet, wurde ihr Wiehern und Schnauben beachtet und sie selbst für Vertraute der Götter gehalten. In Anwesenheit der Eltern und Verwandten schenkte der Mann seiner neuvermählten Frau ausser Rindern auch ein aufgezäumtes Ross und ein Schwert zum Zeichen dafür, dass sie alles, den Wohl- stand des Friedens und die wechselvollen Schicksale des Krieges mit ihm zu teilen habe. Berühmten Männern wird als Zeichen besonderer Ehrung das Ross mit auf den Scheiterhaufen gegeben, und man freut sich, wenn man von benachbarten Völkern auserlesene Pferde zum Geschenk erhält. Die Angabe des Tacitus, dass die Rinder ein ungewöhnliches ') Libr. III, V. 160. ^) Allgemeine Zentralzeitung für Tierzucht 1900, S. 95. ^) Germania, Kap. 6. V. Die Tierzucht bis zu ihrer heutigen Entwickelung. 23 Aussehen hatten und des Sth-nschmuckes entbehrten , soll wohl nur heissen, dass sie kurzhornig waren und sich somit von der lang- hornigen Rasse Italiens unterschieden. Besonders war die Rindviehzucht im nordwestlichen Germanien entwickelt. Hier mussten die Friesen, von Drusus besiegt, ihren Tribut in Form von Rinderfellen zahlen, deren Grösse nicht bestimmt war. Als nun der Centurio Olennius sehr grosse Felle forderte, welche das kleine Vieh nicht lieferte, empörten sie sich und schlugen ihren Bedrücker im Jahre 28 n. Chr. Eine Lieblingsnahrung der Germanen war Schweinefleisch und Speck , deshalb hatte die Schweinezucht , deren Produkte auch dem Export dienten, eine grosse Ausdehnung, umsomehr, als die grossen Eichen- und Buchenwaldungen ein überaus billiges Mastfutter boten. Namentlich bildeten die Schweineschinken einen begehrten Einfuhr- artikel in Rom, Avohin auch Gänse geliefert wurden, deren Zucht bei den Germanen ebenfalls einen nicht unbedeutenden Umfang hatte. V. Die Tierzucht bis zu ihrer heutigen Entwickelung unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse. Im Mittelalter wurde die Pferdezucht auf Kosten der übrigen Viehzucht bevorzugt und von dem Pferde als von dem adligen Tiere im Gegensatz zum gemeinen Vieh gesprochen. Der ersteren nahm sich Karl der Grosse mit vielem Verständnis und grossem Erfolge an. Das Rittertum verlangte und brauchte ein kräftiges Pferd , das im stände war, die gepanzerten Reiter auf langen Märschen zu tragen, das aber auch im Dienste des fröhlichen Turniers eine gewisse Schön- heit der Form entfalten musste nach dem mittelalterlichen Grund- satze: „Omnis nobilitas ab equo." Gute Pferde kamen aus Dänemark, den Nordseemarschen, aus Holland, von der oberen Donau und aus Oberitalien. Die Kreuzzüge und später die Türkenkriege hatten dann die abendländische Welt mit dem orientalischen Pferde bekannt gemacht, es entstanden die Rennen und mit denselben die englische Vollblutzucht, und so wurde das schwere Pferd mehr und mehr nach dem Westen gedrängt, um sich erst wieder nach dem Aufschwünge der Bodenkultur im vorigen Jahrhundert seinen Platz, allerdings zu einem anderen Zwecke, zurück- zuerobern. Der Pferdezucht gegenüber lag die Zucht des Rindes sehr im argen. 24 !• Abschnitt. Die zoolog. Stellung u. geschieh tl. Entwickelung der Haustiere. Bei dem allgemeinen System der Hutung hatten die Gemeinde- mitglieder das Recht, ihr Vieh auf unbestellten Aeckern und ab- geernteten Wiesen der übrigen Ortsinsassen zu weiden, wie das auch heute noch in manchen Alpendistrikten erlaubt ist. Namentlich ge- schah das aber auf dem Grund und Boden der Herrschaft, die dann später den Bauern bestimmte Flächen als Abfindung zuwies, welche bis in die neuere Zeit hinein noch mancherorts Gemeindehutungen blieben. Auch die Bullenhaltung lag der Grundherrschaft oder den Klöstern ob, die sich durch Hergabe eines Acker- oder Wiesengrund- stückes — Bullenacker, Bullenwiese — späterhin von dieser Ver- pflichtung befreiten , welche nunmehr auf die Gesamtheit der Vieh- besitzer überging. Letztere hielten dann die Gemeindebullen unter jeweiliger Nutzniessung des besagten Grundstückes längere oder kürzere Zeit, woraus sich die heute als Unsitte bezeichnete Art des Reihumhaltens entwickelte. Einen starken Schlag erlitt die deutsche Landwirtschaft und mit ihr die Tierzucht durch den Dreissigjährigen Krieg, der beide um Jahrzehnte in ihrer Entwickelung zurückbrachte, und auch im folgenden Jahrhundert war der Aufschwung, namentlich soweit er die Rindviehzucht betraf, nur ein geringer, weil diese wenig lohnte, denn bei Preisen von 2 Pfennigen für das Quart Milch, 2^/2 Silber- groschen für 1 Pfund Butter, 5 Talern für eine magere Kuh und 20 Talern für einen fetten Ochsen, wie sie Settegast^) für die Mitte des 18. Jahrhunderts angibt, konnte sich naturgemäss niemand für die Produktion und für die Haltung von Rindern erwärmen. Kein Wunder, dass man ganz allgemein dem Ackerbau in der Wirtschaft den Vorzug einräumte, Tierzucht aber nur insoweit trieb, als es für die Erzeugung von Stallmist unumgänglich nötig war. Das liess sich am besten mit dem Systeme der Dreifelderwirtschaft be- werkstelligen, denn hierbei konnte man genügend Körner verkaufen, erhielt viel Stroh, streute viel ein und erhöhte dadurch angeblich die Bodenkraft, während man in Wirklichkeit durch den fortwährenden Cerealienbau den Boden mehr und mehr aussog. Besserung dieser Zustände, die in ganz Deutschland mit Aus- nahme derjenigen wenigen Gegenden bestanden, die wie das Gebirge oder die Marschen der Nordsee und die Niederungen der grossen Flüsse Weidewirtschaft trieben, trat erst ein, nachdem Männer wie Albrecht V. Thaer und Justus v. Liebiff den Weff für eine bessere Futter- 'j Settegast, Die deutsche Viehzucht. Parey-Berlin 1890. S. 22. V. Die Tierzucht bis zu ihrer heutigen Entwiekelung. 25 gewinnung und rationellere Ernährung der Tiere freigelegt und somit die Grundbedingungen für eine gedeihliche Viehzucht geschafien hatten. Dazu kamen die Erfolge eines Bake well und C ollin g aus Eng- land, das dvn'ch die Lehre Darwins wachgerufene, wissenschaftliche Interesse mit den dieser neuen Lehre folgenden , unausbleiblichen Fehden, der Ausbau der Verkehrsstrassen, die Entwiekelung des Eisen- bahn- und Dampfschiflfwesens und der Aufschwung im gewerblichen Leben der zivilisierten Völker, deren Ansprüche an eine animalische Kost sich mit dem besseren Verdienste der arbeitenden Klassen mehr und mehr steigerten. Alle diese Momente hoben die Zucht und steigerten allgemein das Verlangen nach höherer Leistung, die man aber in den bisher vernachlässigten Gegenden in der Hauptsache nicht in der züchteri- schen Vervollkommnung des vorhandenen Materials, sondern in dem Import fremder Rassen suchte, ein Standpunkt, den man in seiner Ver- allgemeinerung erst in den beiden letzten Dezennien des abgelaufenen Jahrhunderts notgedrungen wieder verlassen hat. Die Schafzucht hatte in Deutschland nach Einführunof der Merinos in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Rindviehzucht an Bedeutung wesentlich überflügelt. Mit aller Kraft wandte sich der grössere Grundbesitz diesem gewinnbringenden, neuen Zweige zu. Hohe Zuchtvieh- und Wollpreise vermehrten die Zahl der Edelschafe in ungeahntem Masse , brachten aber auch in Verfolg des Strebens, feinste Wolle zu erzielen, in die damaligen Anschauungen eine Rich- tung, die in der engsten Verwandtschaftszucht ihren Höhepunkt er- reichte und dadurch, dass dieser Zustand unhaltbar wurde, gleichsam praktisch den Streit entschied, der sich für und wider diese Ge- pflogenheit unter den Männern der Wissenschaft und Praxis auf- getan hatte. Die moderne Rindvieh-, Schweine- und die in allerneuester Zeit in Aufschwung gekommene Ziegenzucht haben diese Wandlungen nicht durchzumachen brauchen, sondern sich die Erfahrungen der damaligen Zeit, die auch an der Zucht des edlen Pferdes nicht ohne leichten Aderlass vorübergingen, von vornherein zu nutze ge- macht. Während nun früher die schlechten Erträge aus der Viehzucht gegenüber der besseren Rente aus dem Ackerbau zu einer schlechten Ernährung der Nutz- und Zuchttiere Veranlassung gaben, nahm dieses Verhältnis von der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an die umgekehrte Richtung an, man suchte durch viel Futter die Leistung 26 1- Abschnitt. Die zoolog. Stellung u. geschichtl. Entwickelung der Haustiere. so zu steigern, als dies innerhalb der physiologisclien Grenzen mög- lich war. Dies bedingte im Verein mit der Zunahme der Stallhaltuncr eine Verfeinerung und Verschlechterung der Konstitution, deren Nach- teile in den modernen „Stallkrankheiten", besonders beim Rinde, zum Ausdruck kamen, bei dem die Tuberkulose sicherlich nicht ab-, sondern zugenommen hat. Die neuere Zeit wird auch hierin Wandel schaffen, soweit das im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse möglich ist. Gerade in der Gegenwart hat nun die Haustierzucht fast all- gemein darin grosse Erfolge zu verzeichnen, dass man innerhalb der einzelnen Tiergattungen wiederum der Scholle angepasste Rassen zu geschlossener Verbreitung bringt. Soweit es Boden und Klima mit ihrem Einflüsse auf Futter und Haltung zulassen, hat man zum Teil fremde Rassen mit Erfolg angesiedelt, sonst aber die vorhandenen entsprechend den obwaltenden Bodenerträgnissen in sich verbessert. Zu diesen Erfolgen haben sowohl die in den verschiedenen Staaten ergriffenen, behördlichen Massnahmen, wie auch die grossen, land- Avirtschaftlichen Gesellschaften beigetragen, welch' letztere auf ihren Schauen das Erreichbare gezeigt und das Urteil der interessierten Kreise geschärft haben. So steht denn die Tierzucht fast in allen Kulturstaaten im Zeichen des Fortschrittes, und dieser letztere erstreckt sich nicht nur auf eine Hebung des Gesundheitszustandes, sondern auch auf eine Besserung der Formengestaltung und besonders auf eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Haustiere. Zusammenfassung. Unsere landwirtschaftlichen Haussäugetiere stellen einen grossen Teil des Nationalvermögens dar. Ihr Wert beträgt für Deutschland fast 8 Milliarden Mark. Die Haussäugetiere gehören im zoologischen System zu der Ordnung der Ungulaten resp. zu den Ordnungen der Perissodaktylen und Artiodaktylen. Die Entstehung der Haustiere ist dunkel. Sie sind nicht als solche erschaffen, sondern durch den Menschen zu Haustieren ge- macht worden. Die Ahnen derselben lebten in prähistorischen Zeit- epochen, das Palaeotherium, die Stammform des Pferdes, war bereits im Eocän vorhanden. Zusammenfassung. 27 Die alten Kulturvölker besassen zum grossen Teil alle unsere heutigen Haustiere, die Herden bildeten anfänglich beinahe das einzige Vermögen derselben. Im Laufe der zweiten Hälfte des abgelaufenen Jahrhunderts hat die Tierzucht in fast allen modernen Staaten, besonders aber in Deutschland, einen grossen Aufschwung genommen. Die Erfolge gipfeln in der Anbahnung bestimmter, den einzelnen Gegenden an- gepasster Rassezuchten, in der allmählichen Verbesserung des Ge- sundheitszustandes der Zuchtbestände, in der Vervollkommnung der Formen und in der Erhöhung der Leistungen. Zweiter Abschnitt. Die Arten. I. Die Anschauungen über die Entstehung der Arten. Die Definition des Begriffes Art begegnet erheblichen Schwierig- keiten, besonders aber gehen die Ansichten der Forscher über die Entstehung derselben seit langer Zeit auseinander, so dass auch heute noch keine vollkommene Uebereinstimmung hierüber erzielt ist. Linne^) stand mit seinem Ausspruche: „Speciestot sunt diversae, quot diversas formas ab initio creavit infinitum ens" ganz auf dem Standpunkte des mosaischen Schöpfungsberichtes. Nach Linne exi- stierten so viele Arten, als zu Anfang Formen vom unendlichen Wesen erschaffen wurden. Die Art war nach ihm etwas Beständiges und Unveränderliches, die ersten Vertreter waren vom Schöpfer erschaffen und bei der Sintflut in der Arche Noahs vor dem Untergange be- wahrt worden. Hiernach war also die Spezies der Begriff für einen Stamm von Tieren , welcher von einem aus der Schöpfung hervor- gegangenen Urelternpaare abstammte. Cuvier") befand sich auf dem gleichen Boden der Anschauung, nur musste er auf Grund der inzwischen bekannt gewordenen und von ihm selbst eifrig geförderten, paläontologischen Wissenschaft seine Theorie den neueren Forschungsergebnissen anpassen. Diese hatten unzweifelhaft erwiesen , dass zu früheren Zeiten Tiere und Pflanzen existiert hatten, die sich von den gegenwärtigen unterschieden, und dass die Unterschiede mit dem Alter der Schichten, in denen erstere lagen, immer mehr zunahmen. ') Linne, geb. 1707 zu Räshult in Sniäland, gest. 1778 in Upsala. Pro- fessor der Medizin und Botanik. ^) Cuvier, geb. 1769 in Mömpelgard, gest. 1832 in Paris, Professor in verschiedenen Stellungen , gestorben als Pair von Frankreich. Bedeutender Zoologe. II. Darwin und seine Lehren. 29 Solche Tatsachen Hessen sich mit den Schöpfungsideen nur so in Einklang bringen, dass man sich für jede geologische Periode eine besondere Schöpfung dachte, bei der Fauna und Flora gänzlich von neuem entstanden, nachdem eine vorherige totale Vernichtung alles Lebenden stattgefunden hatte. Letzteres geschah nach allgemeinen Erdumwälzungen, Katastrophen, weshalb die daraus entstandene Theorie, die lange Zeit hindurch die Naturwissenschaft beherrschte, auch die Katastrophentheorie genannt wird. Einem ähnlichen Grundsatze huldigte Agassiz^), der später auch die Lehre Darwins heftig bekämpfte. II. Darwill und seine Lehre. Der Lehre von der Katastrophentheorie, die an der grossen wissenschaftlichen Autorität Cuviers eine sehr sichere Stütze hatte, traten nun zu verschiedenen Zeiten Männer wie Lamarck^), Goethe, Geoffroy St. Hilaire^), Lyell^), Owen^) u. a. entgegen, welche auf die verschiedenen Widersprüche in den Anschauungen von der Unveränderlichkeit der Arten hinwiesen und auf die wissenschaftlich begründete und täglich zu beobachtende, fortschreitende Entwickelung und Umgestaltung der organischen Natur aufmerksam machten. Obwohl aber schon Lamarck die Behauptung aufgestellt hatte, dass die Arten nicht unabhängig voneinander erschaffen seien, sondern dass sie sich im Verlaufe langer Zeiträume aus ursprünglich ein- facheren Formen zu vollkommeneren entwickelt hätten, so blieb es doch dem grossen Forscher Darwin '') vorbehalten, diese Theorie zu einer allgemeinen Anerkennung zu bringen. ') Agassi z, geb. 1807 zu Mottier im Kanton Freiburg, gest. 1873 als Professor der Zoologie und Geologie der Harvard-Universität Cambridge in Nord- amerika. ^) Lamarck, geb. 1744 zu Barantin in der Picardie, gest. 1829 als Pro- fessor der Zoologie in Paris. 3) Geoffroy St. Hilaire, geb. 1772 in Etampes, gest. 1844 als Professor der Zoologie in Paris. *) Lyell, geb. 1797 zu Kinnordy in Forfarshire, ursprünglich Jurist, gest. 1875 in London als Professor der Geologie. ^) Owen, geb. 1804 in Lancaster, gest. 1892 als Professor der Physiologie und Paläontologie in London. ^) Charles Robert Darwin wurde am 12. Februar 1809 zu Shrews- bury in England als Sohn eines Arztes geboren. Schon in der Schule zeigte er ein hervorragendes Interesse am Sammeln von Käfern, Muscheln und Mineralien, 30 2. Abschnitt. Die Arten. In seinem im Jahre 1859 erschienenen Buche M vertrat Darwin den Standpunkt, dass die Arten nur vorübergehend fixierte Zustände in dem beständigen Entwickelungsprozesse des tierischen Lebens sind. Seine Lehre gipfelt in folgenden drei Kardinalsätzen: 1. Trotz der biologischen, morphologischen und anatomischen Verschiedenheit haben die verschiedenen Tierspezies gewisse gemeinsame Stammformen. (Abstammungs- oder Entwickelungslehre, Deszendenz- theorie.) 2. Die verschiedene Gestaltung kam zu stände durch allmähliche Umwandlung — Transformation. 3. Die Transformation ist eine Folge der Selektion, der Zucht- wahl, und diese ist entweder eine natürliche — Kampf ums Dasein — oder eine künstliche — Hand des denkenden und rechnenden Züchters. Die Abstammungslehre Darwins findet ihre hauptsächlichste Stütze in der Paläontologie, Embryologie und vergleichenden Anatomie. Die Paläontologie ist die Lehre von den vorweltlichen Lebe- wesen, die als Versteinerungen — Petrefakten — und als Abdrücke in den vorweltlichen Erdschichten eingeschlossen sind. Aus der Paläontologie ersehen wir, dass in den ältesten Erd- schichten, dem archäolithischen W^ eltalter, nur die einfachsten Tier- formen lebten, die den niedersten Tierkreisen zuzuzählen sind, dass die Wirbeltiere dann im paläolithischen Weltalter erscheinen, und zwar die Fische im Silur (ältere Schichten des paläolithischen Weltalters), die Amphibien im Karbon, die Reptilien im Perm (jüngere Schichten des paläolithischen Weltalters), die Vögel im Jura und die Säuger in diesem und in der Kreide, d. i. den jüngeren Schichten des mesolithischen Weltalters. In letzterem treten von den Säugern nur die Aplacen- während er den klassischen Studien keinen besonderen Geschmack abgewinnet! konnte. 1825 schickte ihn der Vater auf die Universität Edinburgh und 1828 auf diejenige von Cambridge, wo Darwin Theologie studieren sollte. Indessen fand er hier keinen inneren Trieb zu diesem Studium, vertauschte dasselbe bald mit demjenigen der Naturwissenschaften und schloss sich im Jahre 1881 dem Kapitän Fitzroy an, um diesen auf dem königlichen Schiffe „Beagle" als Natur- forscher auf einer fünfjährigen Seereise um die Welt zu begleiten. Hier lernte er Südamerika, die Siidseeinseln und Australien kennen, kehrte 1836 nach Eng- land zurück und siedelte dann nach seiner Verheiratung im Jahre 1842 auf seinen Landsitz Down bei Beckenham in der Grafschaft Kent über, wo er sich als Privatgelehrter ganz seinen wissenschaftlichen Arbeiten widmete. Darwin starb am 19. April 1882 und wurde in der Westminster-Abtei beigesetzt. ') jUeber die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl", über- setzt von Viktor Carus. Schweizerbart-Stuttgart. II. Darwin und seine Lehren. 31 talier auf, während die Placentalier und mit ihnen unsere Haussäugetiere ihren Ursprung erst auf das känolithische Weltalter zurückführen. Ueberall erscheint der unvollkommenere Bauplan in der Organi- sation der Tierwelt zuerst, der sich dann vervollkommnet und der schliesslich wieder erlischt, um höher angelegten Gruppen Platz zu machen. Aehnlich verhält es sich mit den Pflanzen; den Kryptogamen folgen die Phanerogamen. Was die Beweise aus der Embryologie anlangt, so beginnen Menschen und Wirbeltiere ihr Dasein mit der befruchteten Eizelle. Die Ontogenie, die Entwickelung des einzelnen Wesens, ist nach HäckelM eine kurze und schnelle, durch die Gesetze der Vererbung und Anpassung bedingte Wiederholung (Rekapitulation) der Entwicke- lung seines ganzen Stammes. Die letztere nennt Häckel Phylogenesis und den ganzen Vorgang das biogenetische Grundgesetz. In der ersten Fötalperiode stimmen alle Wirbeltiere überein, und erst im späteren Stadium nehmen sie den Typus der Klasse, Ordnung, Gattung, Art und Rasse an. Zu einer gewissen Zeit hat der Embryo der höheren Säugetiere nur eine Vor- und eine Herzkammer wie die Fische, dann bilden sich zwei Vorkammern und eine Herzkammer wie bei den Amphibien aus, und erst später tritt eine vollständige Trennung der Kammern wie bei den Säugetieren ein. Auch haben die letzteren zu einer gewissen Zeit der fötalen Entwickelung Kiemen , die später vollständig verschwinden. In der lebenden Tierwelt kommt die Umformung, die Trans- formation bestehender Arten, nach Darwin nun durch die Selektion, die Auslese oder Zuchtwahl, zu stände. Die letztere ist entweder eine natürliche oder eine künstliche. Die natürliche Zuchtwahl wurzelt in dem Kampfe ums Dasein. Der Stärkere siegt, und zwar deshalb, weil ihn die Natur besser aus- gei'üstet hat, mag es sich nun darum handeln, den Feinden zu entgehen, oder sich auf Kosten anderer Artgenossen besser zu ernähren, oder beim Kampfe um das Weibchen die eigene Ueberlegenheit in der Nachkommenschaft zur Geltung zu bringen oder sich den veränderten Aussenverhältnissen anzupassen. In allen diesen Fällen werden durch die Fähigkeit der Vererbung alle die körperlichen Vorzüge, welche dem Individuum zum Siege verhalfen, auf die Kinder übergehen, und so wird mit der Zunahme der Generationen eine fortschreitende Ab- Häckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. Reimer-Berlin 1898. I. S. 308. 32 2. Abschnitt. Die Arten. änderung vom Typus der Stammart entstehen, die schliesslich zu neuen Formen — Rassen — innerhalb der Ai't und im Verlaufe geologischer Perioden auch zu neuen Arten führt, sofern durch räum- liche Trennung — Separation — den abgeänderten Individuen die Vermischung mit der Stammform unmöglich gemacht wird. Die künstliche Zuchtwahl ruht in der Hand des Menschen und besonders in derjenigen des denkenden Züchters. Der letztere will in seiner Herde diejenigen Eigenschaften zur Geltung bringen, welche ihm die meiste Rente gewährleisten, und so entstanden innerhalb aller Tiergattungen durch Zuchtwahl und An])assung neue Rassen von bestimmten Formen und Leistungen. Beweise hierfür liefern das eng- lische Vollblutpferd, das Shorthornrind, die englischen, schwarzköpfigen Downschafe und das schon wieder verschwundene Poland-Chinasch wein. Allerdings ist in der künstlichen Zuchtwahl der Tätigkeit des Züchters eine gewisse enge Grenze dadurch gezogen, dass er nur innerhalb des Rahmens ein und derselben Art operieren und das Gebiet der Art nicht verlassen kann , da der Mischung verschiedener Arten und der Benutzung solcher Nachkommen zu Zuchtzwecken die Un- fruchtbarkeit der Bastarde hinderlich im Wege steht. Indessen scheinen auch hier Ausnahmen vorzukommen, wie die Bastardierungen zwischen Yakbullen und Hausrind in Tibet lehren ^). Dort sollen die männlichen Bastarde von der dritten Generation an fruchtbar sein, was bei den Bullen der ersten und zweiten Geschlechtsfolge nicht der Fall ist. Hiernach kann man sich die Entstehung neuer Arten wohl vorstellen. Ist nach alledem auch der Einfluss der Darwinschen Lehre auf die praktische Haustierzucht nur ein beschränkter, weil innerhalb der geschichtlichen Zeit neue Haustierarten nicht entstanden sind , so beweisen doch die Forschungsergebnisse der Paläontologie, Embry- ologie und vergleichenden Anatomie, dass diese Umbildung der Arten sicherlich stattgefunden hat, und zwar hat sich dieselbe nicht in kurzen Zeitabschnitten, wie sie die Geschichte darstellt, sondern im Laufe von Jahrtausenden und teils auch unter Mitwirkung von Naturkräften vollzogen, welche Fauna und Flora in einschneidender Weise beein- flussten und veränderten. Darwins Lehre hat die gesamte geistige Welt in Bewegung gesetzt und besonders die Naturforschung zu einer frischen Tätigkeit entflammt. Zahlreiche Anhänger, aber auch viele Gegner sind dem Manne, dessen Lehre an den Grundfesten der theologischen Wissen- ') Palaeological memoirs and notes of the late Hugo Falkoner. London 1868, zit. von Settegast, Die Tierzucht. V. Aufl. Korn-Breslau. S. 64. III. Die Art als Ausgangspunkt in zootechnischer Beziehung. 33 Schaft rüttelte, entstanden, und selbst in den Kreisen der Zoologen ist der wissenschaftliche Streit noch lange nicht beendet. Der eifrigste Verfechter der Darwinschen Lehre ist der scharfsinnige Zoologe Ernst Häckel in Jena, der entschiedenste Gegner dessen Kollege Albert Fleischmann ^) in Erlangen. III. Die Art als Ausgangspunkt in zootechnischer Beziehung. Die Art ist der Endpunkt der zoologischen und der Ausgangs- punkt der zootechnischen Betrachtung. Der Artbegriflf ist schwer zu definieren. Zweckmässig ist es, unter einer Art eine Gruppe von Tieren zu verstehen, welche selbst und deren Nachkommen ebenfalls bedingungslos untereinander fruchtbar sind, ungeachtet gewisser morphologischer Verschiedenheiten (Haus- rind und Zebu). Die Nachkommen zweier verschiedener Arten heissen Bastarde und der Vorgang der Bastardierung Hybridation. Die männ- lichen Bastarde sind unfruchtbar, die weiblichen dagegen in der An- passung an die Stammform fruchtbar, wenngleich die Befruchtung nicht immer gelingt und auch Aborten häufiger vorkommen, als das sonst der Fall zu sein pflegt, eine Beobachtung, die schon Aristoteles veröffentlichte ^). Abkömmlinge verwandter Gattungen begatten sich wohl — Schaf und Ziege — befruchten sich aber nicht. Bastarde sind : 1. Gattung Pferd: a) Maultier — Eselhengst und Pferdestute. b) Maulesel — Pferdehengst und Eselstute. Männliche Maultiere und Maulesel sind unfruchtbar, weibliche dagegen bei Belegung durch Pferde- wie durch Eselhengste fruchtbar, was durch mehrfache einwandfreie Beobachtungen erwiesen ist ^). Maultiere werden besonders in Frankreich, Spanien, Italien und Amerika gezüchtet und im Kriegsdienste , wie in der Landwirtschaft beschäftigt. Ihre Vorzüge liegen in ihrer langen Dienstfähigkeit, ') Fleischmann, Die Deszendenztheorie. Georgi-Leipzig 1901; und Fleischmann, Die Darwinsche Theorie. Thieme-Leipzig 1903. S. 341. ^) Aristoteles, Tierkunde. VI. Kap. 24. ^) Ackermann, Tierbastarde. Selbstverlag Kassel 1898. S. 43. Pusch, AUgemeine Tierzucht. 3 34 2. Abschnitt. Die Arten. Fig. 10 A. Maultier. Nach einem Modell des Bildliaucrs Max Laiulsbeig-Bfrlin. Fig. 10 F.. Maulesel. Nach einem Modell des Bildhauers Max Landsberg-Berliii. IIT. Die Art als Ausgangspunkt in zootechnischer Beziehung. 35 ihrer Genügsamkeit und Ausdauer und in ihrer grösseren Widerstands- fähigkeit gegen Krankheiten, desgleichen macht sie ihre Fähigkeit, Lasten zu tragen, für Gebirgsländer als Saumtiere unentbehrlich. Wie Homer berichtet, sollen die Maultiere bei den Enetern, einem Volks- stamme der Paphlagonier, wild aufgewachsen sein 0- Die Griechen bedienten sich ihrer schon im trojanischen Kriege als Zugtiere, um die Leichen der Gefallenen zum Scheiterhaufen zu fahren ^), Den Juden war die Maultierzucht durch Moses verboten ^). Die Maulesel haben den Maultieren gegenüber nur eine unter- geordnete Bedeutung, so dass man ihre Existenz eine Zeitlang sogar i'ii;-. 11. :^uitc mit Fulileil vuii ciucui Zcbrahciigst. Nach einer vou Hagenbeck-Hamburg überlassenen Photographie. in den Kreisen ernster Schriftsteller bezweifelt hat. Indessen ist ihr Vorkommen mit Sicherheit erwiesen (Fig. 10). In neuerer Zeit sind auch erfolgreiche Blutmischungen zwischen Zebra und Pferd — die Produkte werden Zebroiden genannt — vor- genommen worden, und es müssen weitere Versuche lehren, ob es sich hier um Bastarde oder um bedingungslos untereinander fruchtbare ') Homer, Ilias. II. V. 852. 2) Homer, Ilias. IL V. 333. 3) 3. Mose, Kap. 19. V. 19. 36 2. Abschnitt. Die Arten. Kreuzungsprodukte handelt ^). Beifolgendes Bild verdanke ich Herrn Hagenbeck-Hamburg. Derselbe besitzt einen Nachkommen aus einer Zebrastute von einem Traberhengst und mehrere solche aus Pferde- stuten von Zebrahengsten, zwischen denen weder in der Art der Streifung noch in der Figur irgendwelcher Unterschied vorhanden ist (Fig. 11). 2. Gattung Rind: a) Yak X Hausrind"), weibliche Nachkommen nach Kühn-HaUe in der Anpaarung fruchtbar. b) Gayal X Hausrind, desgleichen. c) Amerikanischer Wisent ;( Hausrind. Blutmischungen letzterer Art werden jetzt in Amerika mehrfach vorgenommen , da die Nachkommen viel widerstandsfähiger sind als die Prärierinder, ein ebenso gutes Fleisch wie die besten Texasstiere und ausserdem sehr wertvolle Pelzdecken liefern. Es sind daher bereits mehrere Expeditionen ausgerüstet worden, um die letzten Reste der Bisons in Texas aufzusuchen und deren Kälber einzufangen ^). Einer mündlichen Mitteilung des Herrn Hagenbeck zufolge sollen die Produkte von Bison und Rind — Cattaloos genannt — unterein- ander fruchtbar sein. Hausrind X gemeiner Büffel und Hausrind X europäischer Wisent sind unfruchtbar, dagegen Hausrind X Zebu bedingungslos fruchtbar, so dass beide derselben Spezies zugerechnet werden müssen. 3. Gattung Schaf: Mufflon und Schaf sind trotz ihrer äusseren Verschiedenheit ein und derselben Art angehörig, denn ihre Nachkommen pflanzen sich bedingungslos miteinander fort. Schafe und Ziegen begatten sich zwar gegenseitig, liefern aber keine Nachkommen. In Chile existiert eine besondere Schafrasse — Bockschafe, Ziegenschafe, Linaschafe oder Chabins genannt — die ihre Herkunft einer Bastardierung verdanken und Y^ Ziegen- und ^/i Schaf blut ent- halten solH). Man schätzt die Tiere, die unter sich bedingungslos 1) Illustrierte landwirtschaftliche Zeitung 1903. S. 951 u. 1024. '*) Ackermann, Tierbastarde. S. 70. ») Landwirtschaftliche Presse 1899. S. 559. *) Hü ekel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. Reimer-Berlin 1898. S. 132. Zusammenfassung. 37 fruchtbar sind, ihres langhaarigen Felles wegen. Nachdem man lange Zeit auch im Kreise namhafter Gelehrter an das Vorhandensein der- artiger Ziegenschafe geglaubt, haben experimentelle Versuche in San- tiago erwiesen, dass die Chabins nur eine besondere Schafrasse, keineswegs aber Abkömmlinge von Schaf und Ziege sind ^). Aehnliche negative Erfolge hatten schon früher Fürstenberg und Bertrand, die wohl zahlreiche Belegungen zwischen den Ver- tretern der beiden erwähnten Gattungen, aber in keinem Falle eine Befruchtung erzielten -). Zusammenfassung. Nach Darwin haben die verschiedenen Arten gewisse gemein- same Stammformen. Aus ursprünglich einfachen Formen entstanden innerhalb langer Zeitperioden vollkommenere. Der wichtigste Faktor bei dieser Transformation ist die Zuchtwahl oder Selektion, welche in ihrer Wirkung von der Anpassung und der Vererbung der Tiere abhängig ist. Darwins Lehre wird gestützt durch die Paläontologie, Embryologie und vergleichende Anatomie. Tiere ein und derselben Art müssen auch in ihren Nachkommen bedingungslos fruchtbar sein. Die Produkte verschiedener Arten heissen Bastarde. Männliche Bastarde sind unfruchtbar. Eine Be- fruchtung zwischen Tieren verschiedener Gattungen findet überhaupt nicht statt. ^) Ackermann, Tierbastarde. S. 66. ^) Ackermann, Tierbastarde. S. 64. Dritter Abschnitt. Die Rassen. I. Allgemeine Begriffe. Eine Rasse bestellt aus Individuen einer Art, welche sich iu ihren morphologischen und physiologischen Eigenschaften gleichen und letztere auf ihre Nachkommen übertragen. Der Rasse des Züchters entspricht die Varietät des Zoologen. Nachkommen verschiedener Rassen heissen Kreuzungsprodukte, solche verschiedener Varietäten Mestizen, Mischlinge oder Blendlinge. Das eigentliche Ursprungsgebiet beherbergt die Originalrasse und liefert die Originaltiere. Unter dem „sich gleichen" im Sinne der Rasseübereinstimmung ist aber immer nur ein „sich ähnlich sehen" zu verstehen, denn absolute Gleichheit ist selbst bei Geschwistern ausgeschlossen. Die Aehnlichkeit von Individuen ein und derselben Rasse ist umso grösser, je ausgeglichener die letztere ist. Die Ausgeglichenheit kommt durch Zuchtwahl und Haltung zu stände. Ein Beispiel für hohe Ausgleichung einer Landeszucht liefert das Oldenburger Pferd. Dasselbe ist ein schweres Wagenpferd von brauner oder schwarzer Farbe, welches einen so ausgesprochenen Typus besitzt, dass man seine Rassezugehörigkeit leicht erkennt, und dass es auch anderseits nicht schwer ist. in Oldenburg Passpferde zusammenzustellen (s. Fig. 30). In Form und Farbe sehr ausgeglichen sind ferner von den Rindern die Simmentaler (s. Fig. 105, 106), die Schwyzer (s. Fig. 12 und 116) und die schwarzbunten (s. Fig. 31) und rotbunten Rassen der Marschen, von den Schafen die englischen Fleisch- und die deutschen Merinorassen (s. Fig. 32), von den Schweinen die Berkshires und die Yorkshires (s. Fig. 33) und von den Ziegen die Tiere der in Süddeutschland mit grossem Erfolge nachgezogenen, weissen Saanenrasse (s. Fig. 34). I. Allgemeine Rassebegriffe. 39 Fi; ;. 12. Sehr ausgeglichene Herde von Schweizer Braunvieh. Besitzer: Bürgis Söhne in Arth, Kanton Schwyz. Fig. 13. In der Ausgleichung begriffene Herde von schwarzbuntem Niederungsvieh im üldenburger Typus. 40 3. Abschnitt. Die Rassen. Die Individuen ausgeglichener Rassen zeigen also ein einheit- liches Gepräge, einen gemeinsamen Typus. Die Rasse heisst deshalb typiert und das einzelne, die erstere gut wiedergebende Tier, typisch. Aehnlich wie mit der Rasse verhält es sich auch mit den ein- zelnen Herden und Zuchten (Fig. 12 und 13). Diese Ausgeglichenheit, von der hier die Rede ist, betrifft nun zwar in erster Linie das Aeussere der Tiere, nämlich Körperformen, Farbe und Abzeichen, doch sollen in Hochzuchtdistrikten und nament- Fif;-. u. Rasseloses Pferd. lieh in gut durchgezüchteten Herden auch ähnliche Uebereinstimmungen in Bezug auf die Leistungen vorhanden sein , Aveil jede Tierhaltung als Endzweck Nutzungsleistungen fordert. Gleichartigkeit in letzteren und in dem Aeusseren der Individuen kommt zu stände, wenn z. B. ein Züchter in seiner Rinderherde nur Bullen von bestimmter Form und Farbe und von den Aveiblichen Tieren nur diejenigen zur Zucht benutzt, welche bei einer bestimmten Menge Futter die meiste Menge Milch oder Butterfett liefern. Den typierten Rassen stehen die unausgeglichenen gegenüber. Diese sind meist jüngeren Datums und entweder nicht oder noch nicht lange genug nach einem festen Programm gezüchtet. Die ein- zelnen Individuen sind deshalb ungleich in ihrem Aeusseren und II. Die zootechnische Gliederung der Rassen. 41 unsicher in der Vererbung, weil trotz scheinbarer, äusserlicher Rasse- reinheit, die bei fortgesetzter, planmässiger Veredelungskreuzung unter Umständen schnell auftritt, in den Nachkommen Rückschläge, das sind Aehnlichkeiten mit den anders gearteten Voreltern, erscheinen (s. S. 155). Eine Mittelstufe nehmen die in der Ausgleichung begriffenen Rassen (Zuchten und Herden) ein (Fig. 13). Rasselos nennt man solche Tiere, die ihre Entstehung einer planlosen Kreuzung verdanken (Fig. 14 und 15). Die einzelnen Tiere einer solchen Zucht oder Herde Fig. 15. Rasselose Kuh. sind dann meist sehr verschiedenartig in ihrem Aeusseren, bisweilen aber gleichartig in ihren Leistungen, wenn auf letztere bei der Aus- wahl besondere Rücksichten genommen werden. Die ausgeglichenen Rassen heissen auch homogen, die unausgeglichenen heterogen. Beide Ausdrücke werden auch auf Paarungen und auf einzelne Tiere ange- wendet (s. S. 204). II. Die zootechnische Grliederung der Rassen. Der Rassebegriff ist praktisch schwer zu fixieren und sowohl nach oben wie nach unten dehnbar. Zerfällt auch die Art nach den allgemeinen Gepflogenheiten in Rassen, so hat man doch aus Zweck- 42 3. Abschnitt. Die Rassen. mässigkeitsgründen zwischen Art und Rasse noch Zwischenstufen ein- geschoben, welche Tiergruppen umfassen, deren Uebereinstimmung sich nur auf gewisse charakteristische Eigenschaften bezieht, ohne die Gleichartigkeit zu erlangen, wie sie innerhalb der einzelnen Rassen selbst vorhanden ist. Oft ist für diese Einteilung auch die Gebrauchs- richtung oder der Standort massgebend. So unterscheidet man die Rinder auf Grund osteologischer Merk- male in die Hauptgruppen oder auch „Rassegruppen" Primigenius, Frontosus, Brachyceros und Brachycephalus oder nach ihrem Standort in Gebirgs- und Tieflandschläge, die Pferde nach ihrer Abstammung in warmblütige und kaltblütige oder nach ihrer Gebrauchsrichtung in Reit- und Wagenpferde und in Arbeitspferde. Nach unten zu zerfällt die Rasse in Schläge, welche meist Tiere einer bestimmten Gegend umfassen. Das grosse Fleckviehrind, dessen Heimat das Simmental im Kanton Bern ist, gliedert sich in den Original- simmentaler Schlag, den Messkircher Schlag (badische Simmentaler) und den Miesbacher oder oberbayerischen Alpenfleckviehschlag. In- dessen gibt es hier auch keine bestimmte Grenze und gelten Schlag und Rasse oft als Synonyme. So sagt man: der Voigtländer (Rinder) Schlag oder die Voigtländer Rasse. Bei Pferden zieht der Sprachgebrauch die Bezeichnung Schlag derjenigen von Rasse fast immer vor, und der Ausdruck belgischer, rheinischer oder Oldenburger Schlag ist häufiger als derjenige von belgischer etc. Rasse. Der Schlag gliedert sich in Zuchten oder Herden. Diese zeichnen sich durch gewisse Eigentümlichkeiten im Typus, also Unterschiede feinerer Art, aus, die meist nur dem erfahrenen Beurteiler verständlich sind. Solche Zuchten sind Hoch- zuchten und besonders bei Rindern, Schafen und Schweinen zu finden. Die Rasse des deutschen Edelschweines — weisser, englischer oder Yorkshireschlag — zeichnet sich durch weisse Farbe, kurze, aufrecht stehende Ohren, breite, tiefe Figuren und durch Schnellwüch- sigkeit aus, die einzelnen Schläge unterscheiden sich durch die Grösse und durch die Verschiedenartigkeit der körperlichen Entwickelungs- fähigkeit und die Zuchten wiederum durch gewisse geringe Ab- weichungen , die nur für den genauen Kenner Avahrnehmbar sind. Die einzelne Zucht lässt sich nun weiterhin in Stämme oder Familien und die Familie in Individuen zerlegen. Repräsentantin der Familie ist das weibliche Tier mit seiner direkten Nachkommenschaft. III. Die wirtschaftliche Gruppierung der Rassen. 43 III. Die wirtscliaftliclie Oruppierung der Rasseu. Man teilt die Rassen ein: 1. In die primitiven Rassen oder unveredelten Landrassen. 2. In die veredelten (verbesserten) Landrassen oder Uebergangs- rassen. 3. In die Kultur- oder Zücbtungsrassen. 1. Die primitiven Rassen oder unveredelten Landrassen. Jede Rasse ist im wirtschaftlichen Sinne das Produkt des Bodens und der züchterischen Behandlung durch den Menschen. Die primitiven Rassen sind in ihrem Dasein älter und unter bescheideneren oder ungünstigeren Aussenverhältnissen aufgewachsen als die Kulturrassen, die gewöhnlich seit langer Zeit bessere Daseins- bedingungen und eine grössere Sorgfalt seitens des Züchters geniessen, daher auch mehr leisten und sich namentlich körperlich schneller entwickeln. Die unveredelten Landrassen, die auch natürliche Rassen genannt werden, sind genügsamer und anspruchsloser, widerstandsfähiger und gesünder, aber auch minder leistungsfähig als die Kulturrassen. Sie wachsen viel langsamer als diese, sind ferner beschränkt in ihrem Futterverwertungsvermögen und daher für futterreiche Wirtschaften nicht geeignet, doch wohl am Platze für bescheidene Verhältnisse, wo sie das minder wertvolle Futter besser ausnutzen als die Züchtungs- rassen, Ein weiterer und sehr wesentlicher Vorzug der primitiven Rassen ist ihre Fähigkeit, Hunger und Kälte zu ertragen. Im Zuchtgebiete der Steppen Ungarns und Russlands stellt der Winter an alle Haustiergattungen in Bezug auf Genügsamkeit und Widerstandsfähigkeit sehr harte Anforderungen, indem den Tieren oft weder Schutz gegen Kälte und Schneestürme noch genügendes Futter gewährt wird, und auch in den gebirgigen Gegenden Mittel- deutschlands mit ausgesprochenem Kleinbetriebe ist, obwohl hier schon sehr viel gebessert ist, oftmals noch Schmalhans im Winter Küchen- meister. Einer solchen Haltung würden die Kulturrassen mit ihren erhöhten Daseinsansprüchen nicht lange standhalten, namentlich würden ihre Nachkommen sehr bald ihre Leistungen und Formen 44 3. Abschnitt. Die Rassen, l. _ -Ma.^ mg^migl Fig. ifi. Siidrus.sisches ^srepiienpferd — Kalmücke - unveredelten Landrasse. - Typus der Fig. 17. Ungarisches Steppenrind — Bulle — Tjrpus der unveredelten Landrasse. III. Die wirtschaftliche Gruppierung der Rassen. 45 Fig. 18. HeidschniiL'keiiscliaf — Bück Tyims Jlt uuvcicJeltcu Laudrusse. Fig. 19. Bayerisches Landschweiii — Sau — Typus der unveredelten i,;uiuiasse. Nach einer Aufnahme des Hofphotographen F. Albert Schwarz-Berlin, Leipzigerstr. 93. Ausstell, d. D. L. G. Frankfurt 1899. 46 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 20. Hausziege — Typus der unveredelten Landrasse. verlieren und in Bezug auf ihren Nutzwert noch unter das Niveau der primitiven Rassen herabsinken. Beispiele für primitive, unveredelte Rassen : Pferd: Südrussisches Steppenpferd — Kalmücke — (Fig. 16). Rind: Ungarisches Steppenrind (Fig. 17). Schaf: Heidschnucke (Fig. 18). Schwein: Bayerisches Landschwein (Fig. 19). Ziege : Europäische Hausziege (Fig. 20). 2. Die veredelten (verbesserten) Land- oder Uebergangsrassen. Die primitiven Rassen haben nun, wie das Heidschnuckenschaf aus der Lüneburger Heide (Fig. 18) oder das Steppenrind aus dem Osten Europas (Fig. 17), ihren Standort auf ungünstigen Boden- oder sie leben unter schwierigen, klimatischen Verhältnissen, so dass die Kunst der Züchtung, wollte sie den Schlag durch Zuchtwahl zu einer III. Die wirtschaftliche Gruppierung der Rassen. 47 Kulturrasse umgestalten , nicht viel erreichen würde , weil es ihr nicht möglich ist , die Scholle und deren Wirkung auf die Tiere zu ändern. Indessen lassen sich im Rahmen der natürlichen und durch die Umstände gebotenen Verhältnisse auch bei den primitiven Rassen durch Hebung des züchterischen Verständnisses der Bevölkerung und durch richtige Benutzung der gegebenen Hilfsmittel manche Verbesserungen in Bezug auf Leistungen und Formen herbeiführen, wie das besonders die kleinen Rinderrassen des mitteldeutschen Höhenlandes lehren. Die roten und rotblässigen , kleinen Gebirgsschläge — Voigtländer, Harzer, Vogelsberger, Westerwälder — haben in neuerer Zeit durch staatliche und Vereinsmassnahmen in Bezug auf Formengestaltung, Wüchsigkeit , Schlachtausbeute und Milchleistung solche Fortschritte gemacht, dass sie aus den reinen, primitiven zu verbesserten Land- rassen oder Uebergangsrassen umgestaltet worden sind, welche etwa eine Mittelstufe zwischen den primitiven Rassen und den Kulturrassen einnehmen. Dass diese Verbesserung nicht bis zur Stufe der letzteren vorwärts schreiten kann, liegt an den Boden-, Besitz- und Absatz- verhältnissen. Die Veredelung kann nun, wie im obigen Falle, ohne Zufuhr fremden Blutes (s. Fig. 22) vor sich gegangen sein (Ver- besserung), es kann aber auch eine vorsichtige, sparsame Einmischung von letzterem stattgefunden haben (Veredelung) (s. Fig. 24), doch musste dabei der Charakter der Landrasse streng gewahrt werden. Dort, wo die Scholle durch intensive Kultur eine wesentliche Umgestaltung erfahren hat, und wo gleichzeitig die Hebung des Ver- kehrs eine bessere Ausnutzung der tierischen Produkte gestattet, ersetzt man die primitiven Rassen durch Kulturrassen , wie das in einzelnen Gegenden Ungarns zum Teil mit dem Steppenvieh geschehen ist, dessen Platz dann Braunvieh und namentlich Simmentaler ein- genommen haben. Man kommt auf die letztere Art und Weise gewöhnlich schneller zum Ziele, ohne dass der Erfolg aber immer ein sicherer und nachhaltiger ist. Beispiele für veredelte (verbesserte) Landrassen : Pferd: Pinzgauer (Fig. 21). Rind: Voigtländer (Harzer, Vogelsberger) (Fig. 22). Schaf: Frankenschaf (Fig. 23). Schwein: Westfälisches Schwein (Fig. 24). Ziege: Langensalzaer Ziege (Fig. 2.5). 48 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 21. Pinzgauer Wallach — Typus der veredelten Landrasse. ^^^^^^s^a^^H ■1 k I^^^^Hi 1. P w % l; : #i ^ 1 J I Kuh aus deui I.'ms.scsI.iHi' a.i Tmi .n /,tl. II /ii liii'xlt'ii. — Typus der vercdeltiii Jiundrasse. III. Die wirtschaftliche Gruppierung der Eassen. 49 Fig. 23. Frankenschaf — Bock — Typus der veredelten Landrasse. Nach einer;"Aufnahme des Hofphotographen F. Albert Schwarz-Berlin, Leipzigerstr. 93. Ausstell, d. D. L. G. Stuttgart-Cannstatt 1896. Fig. 21. t>aii des westfälischen Schlages — Typus der veredelten Landrasse. Nach einer Aufnahme des Hofphotographen F. Albert Schwarz-Berlin. Leipzigerstr. 93. Ausstell, d. D. L. G. Köln 1895. Pusch, Allgemeine Tierzucht. 50 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 25. Langensalzaer Ziege — Typus der veredelten Landrasse. Nach einer Aufnahme des Hofphotographen F. Albert Schwarz-Berlin, Leipzigerstr. 93. Ausstell, d. D. L. G. Halle I90i. 3. Die Kultur- oder Züchtungsrassen. Die Kulturrassen sind Produkte besserer Boden- und Haltungs- verhältnisse und bewussten, züchterisclien Strebens; durch reichliche Fütterung, besonders reichliche Jugendernährung, Fernhaltung gesund- heitsschädlicher Einflüsse und richtige Auswahl der besten Tiere ist die Leistung gesteigert und auch die Form gebessert worden. Kultur- rassen sind entweder durch Kreuzung oder durch Verbesserung unver- mischter Landrassen entstanden. Als Belege für die erstere Art lassen sich das englische Vollblutpferd (s. Fig. 26), die Shorthornrinder (s. Fig. 27 ) und die schwarzen und weissen englischen Schweineschläge und für die letztere Art die Simmentaler Rinder (s. Fig. 105 u. 106) und die Merinoschafe (s. Fig. 28) anführen. Die Kulturrassen sind als solche schon an ihrem ganzen Habitus, ihrer Gesamterscheinung kenntlich. Der Kopf ist kleiner, die Gliedmassen sind kürzer und in der Winkelung steiler, der Rumpf ist tiefer, breiter und bei den Fleisch- III. Die wirtschaftliche Gruppierung der Rassen. 51 rassen auch länger. Langbeinigkeit und hohe und schmale Gestalten sind als Ausartungen nur bei überzüchteten Tieren oder in schlechten Zuchtbetrieben zu finden. War früher bei den Kulturrassen, bedingt durch englisches Beispiel , in erster Linie die physiologische Seite , die Fähigkeit der Futterverwertung, bevorzugt, so strebt die Neuzeit besonders in Deutschland bei den landwirtschaftlichen Nutztieren mit Ausnahme des Pferdes auch eine Homogenität in morphologischer Richtung an. Nicht nur Leistung, sondern auch Grösse, Gewicht, Gestalt und Farbe sollen bei den Lidividuen der einzelnen Kulturrassen möglichst über- einstimmen. Dieses Streben nach höchster Vervollkommnung übersteigt aber nicht selten die jedem Tiere von der Natur gezogenen Grenzen, wodurch Gesundheit und Fortpflanzungsfähigkeit leiden. Dort, wo Weiden mit ihrem wohltätigen Einflüsse auf die Kräftigung der ganzen Konstitution fehlen, kranken die hochgetriebenen Zuchten oft an den verschieden- artigsten Leiden , und namentlich finden die Infektionserreger in den gut genährten, in ihrer Widerstandsfähigkeit geschwächten Individuen eine sehr passende Brutstätte. Man sucht daher wenigstens die Pferde und Rinder in der Jugend durch eine abhärtende Haltung mög- lichst zu kräftigen. Die Leistungsfähigkeit der Kulturrassen kann sich nach einer oder nach mehreren Richtungen hin bewegen. a) Einseitige Leistung. Englisches Vollblutpferd — Schnelligkeit, Ausdauer (Fig. 26). Shorthornrinder — Mastfähigkeit (Fig. 27), Elektoralschafe — Wollfeinheit (Fig. 28). Das kleine und mittelgrosse, englische Yorkshireschwein (mittel- grosses , deutsches Edelschwein) — Fleischwüchsigkeit (Fig. 29), d. i. die Fähigkeit, im jugendlichen Alter zartes, saftiges, schmackhaftes Bratenfleisch zu liefern (sogen. Laden- oder Fleischschweine). Die Bezeichnung „einseitig" ist indessen immer nur relativ und so zu verstehen, dass die bezeichnete Leistungsrichtung wesentlich im Vordergrunde steht und den Hauptzweck der Züchtung darstellt. Immerhin muss ein Vollblutpferd auch als Reit- oder Wagenpferd brauchbar sein, eine Shorthornkuh Milch geben, das Elektoralschaf 52 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 20. Vollblutheugst Swift Runner. Bes. FreiheiT v. Kap-lier Lockwitz bei Dresden — Typus der Kulturrasse, Hauptleistuug Schnelligkeit. Fig. 27. ShortliornLulle Viktor der Stierhaltungsgenossenschaft Warmhörn bei Tüuning — Typiis der Kulturrasse, Hauptleistuug Mastfähigkeit. III. Die wirtschaftliche Gruppierung der Rassen. 53 Flu. ^-, Klektoral-Miiiii.i^clMi - Injck — Typus der Kulturrasse, Hauptleistimg höchste WoUfeinheit. cFleischleistung mehr oder weniger Nebensache.) Nach einer Aufnahme des Hofphotographen F. Albert Schwarz-Berlin, Leipzigerstr. 93. Ausstell, d. D. L. G. Posen 1900. Fig. 29. Mittelgrosses, englisches Yorkshireschwein — Eber — Typus der Kulturrasse, Hauptleistung Fleischwüchsigkeit. Nach einer Aufnahme des Hofphotographen Schnäbeli, Berlin SC, Linden 20. Ausstell, d. D. L. G. Magdeburg 1889. 54 3. Abschnitt. Die Rassen. Fleisch und das frühreife, mittelgrosse, englische Schwein auch Speck liefern. b) Mehrfache Leistung. Oldenburger Pferd — Wagenpferd, Arbeitspferd und unter Um- ständen auch Reitpferd (Fig. 30). Wesermarschrind — Fleisch und Milch (Fig. 31). Merino-Fleischschaf — Wolle und Fleisch (Fig. 32). Grosses Yorkshireschwein (deutsches Edelschwein) — Fleisch und Speck (Fig. 33), somit geeignet zum Frischverkauf und zur Dauerwarenproduktion. Saanenziege — Milch und Fleisch (Fig. 34). Solche nach mehreren Richtungen hin leistungsfähige Rassen kommen besonders für kleinbäuerliche Verhältnisse in Frage, und des- halb haben auch die Simmentaler Rinder (s. Fig. 105 u. 106), welche sich in gleichem Masse zur Milch-, Fleisch- und Arbeitsproduktion eignen, in Süddeutschland eine so grosse Verbreitung gefunden. Zu beachten bleibt aber dabei, dass bei den in mehrfacher Be- ziehung hervorragenden Rassen keine Nutzungsrichtung im höchsten Masse entwickelt ist, sondern dass die einzelnen Leistungen nur in durchschnittlicher Höhe in den Tieren vorhanden sind. Will jemand ein sehr schnelles, ausdauerndes Wagenpferd, oder eine sehr milch- ergiebige Kuh, oder ein Schaf mit feinster Wolle haben, so wird er nicht das Oldenburger Pferd, nicht die Simmentaler Kuh und auch nicht das Merino-Fleischschaf, sondern ein Pferd des ostpreussischen Schlages — dieses besitzt viel Blut — , eine ostfriesische Kuh und ein Elektoralschaf wählen, denn bei den ersteren Rassen werden die erwähnt-en Eigenschaften im einzelnen Falle nicht die Regel, sondern eine Ausnahme bilden. Jedem Tiere hat die Natur in seiner Leistungs- fähigkeit eine Grenze gesetzt, welche der Mensch als Züchter nicht überschreiten kann, auch hat jede bis zur physiologischen Grenze gesteigerte, einseitige Leistung eine gewisse Einschränkung der übrigen Nutzungsrichtungen zur Folge. Eine hervorragend milchergiebige Kuh ist schwer zu mästen und auch nicht geeignet zur Arbeit, und ebensowenig ist ein durch Schnelligkeit ausgezeichnetes Blutpferd der Regel nach ein zuverlässiger, ruhiger Ackergaul. In Rücksicht auf diese Naturgesetze muss man sich vor Ueber- treibungen hüten, wie sie oft in den Angaben über die Zuchtziele der Züchtervereinigungen zu beobachten sind. III. Die wirtschaftliche Gruppierung der Rassen. 55 Fig. 30. Oldeuburger Hengst, BüscliäkT im K. S. LaiiJgestut Muritzburg - Typus der Kulturrasse mit mehrseitiger Leistung (Wagenpferd, Arbeitspferd, unter Umständen auch Eeitpferd). Fig. 31. Wesermarschkuh aus dfiu Ka^sr-tall. (1> i In i n/tln lini II.nii-,rliul.' zu Dresden — Typus der Kulturrasse mit mehrseitiger Leistung (Fleisch und Milch). 56 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 32. Merino-Fleischschaf — Bock — Typus der Kulturrasse mit mehrseitiger Leistung (wertvolle Wolle und viel Fleisch). Nach einer Aufnahme des Hofphotographen F. Albert Schwarz-Berlin, Leipzigerstr. 93. Ausstell, d. D. L. G. Dresden 1898. h'iii,. '.y.i. Gli^.^.^to. . lii^ll.^i U. -^ i wi ix.^iiili;.sCll\Vein — SiUl (Alilln^ i l.wu.^ . .-ci...,; - Typus der Kulturrasse mit melirseitigor Leistung (Fleisch und Speck). Nach einer Aufnahme des Hofphotographen F. .Vlbert Schwarz-Berlin, Leipzigerstr. 93 Ausstell, d. D. L. G. Köln 1895. III. Die wirtschaftliche Gruppierung der Rassen. 57 Fig. 34. Saanenziege — Typus der Kulturrasse mit mehrseitiger Leistung (Milch und Fleisch). Nach einer Aufnahme des Hofphotographen F. Albert Schwarz-Berlin, Leipzigerstr. 93. Ausstell, d. D. L. G. Halle 1901. Wenn es dort heisst: „Es wird beabsichtigt, ein Rind zu züchten mit hervorragender Milchergiebigkeit, vorzüglicher Mastfähigkeit und sehr guter Arbeitsfähigkeit," so ist das ein von Hause aus aussichts- loses Bestreben , denn es ist höchstens hervorragende Milchergiebig- keit ijiit befriedigender Mastfähigkeit und genügender Arbeitsleistung zu erreichen. Innerhalb jeder Rasse können sich nun auf Grund verschieden- artiger Zuchtziele, die sich nach den Boden- und Absatzverhältnissen richten, einzelne Nutzungsleistuugen in besonderem, wenn auch nicht in hervorragendem Masse ausbilden, und das ist vielfach der Fall bei denjenigen Schlägen, welche mehrseitigen Forderungen gerecht werden. So wird das Simmentaler Rind in Baden und Oberbayern in erster Linie auf Wüchsigkeit — grosse und schnelle Fleischproduk- tion — , in Württemberg auf Milchergiebigkeit und in Oberfranken — Bayreuther Schecken — auf Arbeitstüchtigkeit gezüchtet, und auch in der verhältnismässig kleinen Wesermarsch gibt es Gebiete und Zuchten, welche bei ihren Tieren den Fleischtypus oder den Milch- typus oder eine Vereinigung beider bevorzugen (Fig. 35, 36, 37). 58 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 33. Weseruiai'sclibulle — Fleischtypus Fig. ■''<-•. We.seiiiuirscliliulle — iMilcli-Fkisclityims IV. Rasse, Hochzucht, Blutgrad, Adel. Fig. 37. ■Wesermarschbulle — Milchtypus. IT. Rasse, Hochzucht, Blutgrad, Adel. Wie schon im vorstehenden erwähnt, sind die Kulturrassen Produkte bewussten, züchterischen Strebens unter Beihilfe von gün- stigen, meist natürlichen Daseinsbedingungen. Das Rückgrat bilden gewöhnlich innerhalb derselben einzelne Hochzuchten, welche das beste, das erstklassige Zuchtmaterial liefern. Die Hochzuchten sind die Pflanzstätten solcher Tiere, welche in Bezug auf Ausgleichung in den Formen und Leistungen den höchsten Ansprüchen genügen und die Sicherheit der Vererbung ihrer Vorzüge bieten. Der Hochzüchter ist ein Künstler, dessen Zauberstab in seiner Wirkung von seiner Individualität und von seinem Verständnis für die Marktvorgänge ab- hängig ist. Derselbe muss Glück und Verstand haben, denn letzterer bedingt fast ausnahmslos auch das Glück. Das Material des Hoch- züchters heisst Vollblut, eine Bezeichnung, die ursprünglich nur dem englischen Vollblutpferde eingeräumt, später aber auch nicht nur auf andere Pferderassen, sondern auch auf andere Haustiergattungen über- tragen wurde. So spricht man von Vollblut Simmentaler Zucht (Rind) (s. Fig. 105 u. 106), von Vollblut Elektoral Zucht (Schaf) (s. Fig. 28), von Vollblut Yorkshire Zucht (Schwein) (s. Fig. 33) und Yollblut Saanen- ziegen Zucht (s. Fig. 34). Die Engländer nennen das Vollblut „Thorough- bred" (durch und durch gezüchtet) und die Franzosen „Pur sang". 60 3. Abschnitt. Die Rassen. Die allgemeine Bezeichnung „das Pferd hat viel Blut" bedeutet, dass dasselbe sich zwar dem Vollblut nähert, aber noch einen Anteil von Blut einer anderen Rasse besitzt, M^enngleich dieser oft nicht mehr mit dem Auge wahrnehmbar, sondern nur aus den schriftlichen Abstammungsnachweisen zu ersehen ist — edle ostpreussische und hjinnöversche Pferde (s. Fig. 39). Dem Vollbluttiere steht nun das Individuum gegenüber, welches Fig. 38. Halbblut (2(4-Blvit), Vater: Swift Runner, englisches Vollblut (Fig. 26), Mutter: belgische Stute. „kein Blut" oder „zu wenig Blut" hat. Hier muss man aber dem all- gemeinen Sprachgebrauche ein Opfer bringen und zwischen Pferden und anderen Tiergattungen unterscheiden. Wenn man von einem Pferde sagt, es habe zu Avenig Blut, so meint man damit vielfach nur, dass dem Pferde oder seinem Schlage die Ausdauer und der Nerv fehlen, welche dem englischen Vollblut innewohnen, obwohl ein solcher Schlag einer ausschliesslichen und sehr wertvollen Hochzucht entstammt — Oldenburger Pferd. Bei anderen Tiei-gattungen ver- steht man dagegen unter der erwähnten Bezeichnung, dass die Indi- viduen noch zu wenig ausgeglichene Kreuzungsprodukte sind, welche dem Typus der Rasse, mit der sie planmässig verbessert werden sollen^ noch nicht in genügendem Masse Rechnung tragen. IV. Rasse, Hochzucht, Blutgrad, Adel. 61 Beim Pferde ist hier also die Ausdauer, beim Rinde und den anderen Tiergattungen der Rassetypus entscheidend. Das Wort Halbbhit, auf Pferde bezogen, ist schwer zu definieren, denn Halbbkit ist: a) Das Produkt eines Vollbkithengstes und einer Kaltblutstute (Fig. 38). Fig. 39. Edles Halbblut (Hannoveraner), Vater: Vollblut, Mutter: edle hannoversche Stute. Deckhengst aus dem Landgestüt Moritzburg. b) Das Produkt eines Vollbluthengstes und einer edlen, warm- blütigen Stute (Fig. 39). c) Das Produkt zweier Halbblutpferde. Die Bezeichnung für a) ist eine mehr mathematische und die für b) eine konventionelle , entsprossen dem Gebrauche , nur solche Pferde als (englisches) Vollblut zu bezeichnen, deren Eltern beider- seits in einem anerkannten Stutbuche für englisches Vollblut ver- zeichnet stehen. Es können demnach die Nachkommen von Halb- blutstuten trotz Generationen hindurch benutzter, englischer Vollblut- hengste keine Vollblutqualität erlangen, auch wenn sie sich in ihrem morphologischen und physiologischen Verhalten in nichts vom Voll- 62 3. Abschnitt. Die Rassen. blut unterscheiden. Zum Unterschiede nun Averden die Produkte der Kategorie a) nach dem Vorschlage von Hermann v. Nathusius auch als -/4-Blut und diejenigen der Kategorie b) als edles Halbblut bezeichnet, während man eine sjsezifische Benennung für solche Pferde nicht besitzt, welche zwar ihrem ganzen Typus nach nicht zum Kalt- blut gehören, aber anderseits doch, und zwar besonders durch ihre Masse, von dem edlen Halbblut verschieden sind. Solchen Schlägen — Oldenburger, Ostfriesen — hat man die Bezeichnung „Laues Bluf" zuweisen wollen , doch hat sich dieselbe nicht eingebürgert , auch würden die Ursprungsländer wohl ganz energisch gegen dieselbe protestiert haben. Am meisten ist es üblich, bei solchen Pferden von schwerem Halbblut oder schwerem Wagenschlage zu sprechen. Bei den übrigen Haustiergattungen heissen die Nachkommen zweier verschiedener Rassen viel häufiger Kreuzungsprodukte als Halbblut. Von letzterem spricht man in der Regel nur dann, wenn es sich um die Heranzüchtung einer bestimmten Rasse auf dem Wege der Kreuzung handelt. So sagt man Simmentaler-Oldenburger Kreuzung, wenn von einem Gebrauchsrinde in obiger Blutmischung die Rede ist, aber Simmentaler Halbblut, wenn das Kreuzungsprodukt in einem Bezirke entstanden ist, in dem die Simmentaler Rasse auf dem Wege fort- gesetzter Kreuzung mit Hilfe reinblütiger Simmentaler Bullen heran- gebildet werden soll. Paart man ein derartiges Halbbluttier wiederum mit einem Simmentaler Bullen, so entsteht das ^/4-Blut (II. Generation) weiter das ''/s-Blut (III. Generation) weiter das ^^/le-Blut (IV. Gene- ration). Produkte letzterer Art gelten in manchen Züchterver- einigungen schon als Reinblut (resp. Vollblut) , obgleich sie nicht immer eine sichere Gewähr für die Vererbung ihres scheinbar ab- geschlossenen Rassetypus bieten, sondern häufig zu Rückschlägen Veranlassung geben. Adel zeigt ein Tier, wenn es die Eigenschaften seiner Rasse oder seine dem kritischen Auge des Beschauers wohlgefälligen, weil für den Gebrauch zweckmässigen Formen in besonderem Masse zum Ausdruck bringt. Edle Formen , schöne Haltung bedingen und ein normaler Futterzustand und gute Hautpflege erhöhen den Adel. Der Adel eines Zuchttieres gipfelt aber ausserdem noch in der guten Abstammung und in der damit im Zusammenhange stehenden, besonderen, ererbten und vererbbaren Zuchtqualität. Von Adel spricht man nicht nur beim Pferde, sondern auch bei den übrigen Haustiergattungen (Fig. 40 und 41). IV. Rasse, Hochzucht, Bhitgrad, Adel. 63 Fig. 40. Pferd mit Adel — vierjähriger, aus Arabien importierter Schimmelhengst, Hauptbeschäler im K. ungarischen Gestüt Bäbolua. Fig. 41. Kuh mit Adel — Jeverländer Herdbuchkuh aus dem Rassestalle der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. 64 3. Abschnitt. Die Rassen. y. Die allgemeinen ßasseeigenschaften. Zu den allgemeinen Rasseeigenscliaften gehören: 1. die Akkli- matisation, 2. die Frühreife, Futterverwertung und Kondition, 3. das Temperament, die Ausdauer und der Nerv, 4. die Konstitution. 1. Die Akklimatisation. Unter Akklimatisation versteht man nicht nur, wie man aus der Bezeichnung entnehmen könnte, die Gewöhnung der Tiere an ein anderes Klima, sondern auch an die veränderten Lebensverhältnisse, wie sie durch Futter, Aufenthalt und Nutzung, also durch die ge- samte Haltung, bedingt werden. Das Klima drückt den Individuen und somit aucli den Rassen einen bestimmten Stempel auf. Im warmen Klima ist das Haar fein und der Gliederbau trocken, die Milchdrüse kommt bei Milchtieren selten zu besonderer Entwicke- lung. Im feuchten, gemässigten und namentlich im Seeklima ist das Haar länger, dichter und glanzloser, die Milchergiebigkeit gelangt zur höchsten Ausbildung. Das Gebirgsklima mit seinen schroffen Unterschieden zwischen Tag- und Nachttemperatur wirkt abhärtend und macht widerstandsfähige Individuen, und das milde Seeklima mit seinen meist guten Bodenverhältnissen begünstigt die Fleisch- und Milchproduktion, bedingt aber auch, dass die dort entstandenen Indi- viduen andere, abweichende Haltungsverhältnisse nicht gut vertragen. Beweise hierfür liefern die Shorthornrinder, die in den See- marschen vorzüglich gedeihen, im kontinentalen Klima aber in ihrer Nutzung, ihrer Fruchtbarkeit und Gesundheit sehr zurückgehen, und ebenso verändert sich im feuchten Seeklima die Wollqualität der fein- wolligen Merinos derartig, dass ihre Zucht in letzterem unrentabel wird. Die frühere Annahme, dass auch das Hornwachstum vom Klima abhängig sei, und dass im warmen, trockenen Klima starke, schwere, im feuchten und gemässigten Klima dagegen feine und leichte Hörner entstünden, hat sich nach den Berichten aus Afrika nicht bestätigt. In diesem Punkte scheinen Boden und Futter den Haupteinfluss aus- zuüben, wie auch das Wesermarsch- und das Jeverländer Kind aus Oldenburg beweisen. Beide leben unter denselben klimatischen Ver- hältnissen und sind doch in Bezug auf Behornung sehr verschieden. Im Jeverlande bildet das leichte Hörn die Regel, in der Wesermarsch die Ausnahme. V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 65 Nicht minder wichtig als der Einfluss des Klimas ist derjenige der ganzen Haltung. Weicht diese in der neuen Heimat wesentlich ab, so wird die Akklimatisation umso schwieriger und unsicherer und oft geradezu unmöglich. Jedes Individuum ist in erster Linie das Produkt der Scholle, und unter dieser ist Klima, Boden und Haltung zu verstehen. Dort wo die Leistungen der Scholle mit den in der Rasse begründeten Lebens- ansprüchen der Tiere im Einklänge stehen, sind die Aussichten für den Züchter am günstigsten (s. S. 158). Dass verständige und erfahrene Züchter sich von dem Einflüsse der Scholle unabhängig machen können, ist bekannt und durch die englische Vollblutzucht, die über die ganze zivilisierte Welt verbreitet ist, erwiesen. Solche Erfolge sind indessen nur dort möglich, wo der Kostenpunkt nicht in Frage kommt, oder wo die Zuchtprodukte so hoch bezahlt werden, dass man die Haltung den Ansprüchen der Tiere genau anpassen kann. Verhältnismässig am unabhängigsten von der Scholle sind die Schweine, deren Fütterung und Pflege fast überall im Rahmen all- gemein gültiger Vorschriften geregelt werden kann, das Gegenteil ist der Fall bei den Rindern, auf deren Entwickelung und Nutzleistung die Scholle einen einschneidenden Einfluss ausübt. Aus obigen Darlegungen geht hervor, dass man sich vor Ein- führung fremder Rassen zum Zwecke ihrer Weiterzucht genau über deren Heimatsverhältnisse unterrichten niuss. Weichen dieselben erheblich von denjenigen ab, unter denen man die neue Rasse züchten muss, so soll man von ihrem Import absehen. Man soll sich na- mentlich hüten, Schläge aus guten in schlechte Verhältnisse, oder solche aus dem Tieflande in das Gebirge zu verpflanzen, denn schon in der ersten Generation treten die Folgen der verfehlten Mass- nahme zu Tage. Die Nachzucht wird je nach den Umständen gröber, schwammiger (Fig. 42) oder kleiner (Fig. 43 und 44) oder auch schmäler und hochbeiniger und nimmt mit Zunahme der Geschlechts- reihen, also in den folgenden Generationen, mehr und mehr den Charakter derjenigen Tiere an, Avelche man durch die neue Rasse ersetzen wollte, und von letzterer bleibt dann nicht viel mehr übrig als die Farbe, obwohl auch diese noch bei manchen Rinderschlägen abblasst. Eine solche regressive Metamorphose bezeichnet man als De- generation, und diese ist dort am ausgesprochensten zu beobachten, wo man in ungünstige Verhältnisse verpflanzte Kulturrassen ohne Pusch, Allgemeine Tierzucht. ' 5 QQ 3. Abschnitt. Die Rassen. Blutauffrischung, d. i. ohne weitere Zufuhr von Tieren aus der Original- heimat, fortzüchtet (s. Fig. 43 und 44). Akklimatisationsfähigkeit und Degeneration sind ihrem Grade nach innerhalb der Kulturrassen verschieden. Es gibt deren solche, welche sich gut, und solche, welche sich schlecht akklimatisieren, und endlich solche, Avelche wenig, und solche, welche leicht degenerieren. Auch für den Fall, dass verpflanzte Rassen nach Lage der klimatischen und der Bodenverhältnisse in die neue Heimat passen, müssen die einzelnen Individuen doch einen Akklimatisationsprozess durchmachen. Hierunter ist die Zeit zu verstehen, welche die Tiere Fig. 42. Degeneration eines im Mutterleibe imiiorlierteu, in einer giueu Wirtschaft des Erzgebirges aufgezogenen, vierjährigen Ochsen ostfriesischer Rasse. brauchen, um sich in dem neuen Aufenthaltsorte einzuleben. Auch der Transport mit seinen verschiedenen Einwirkungen und die Be- rührung mit anderen Tieren macht sich geltend. Die hauptsächlichsten Erscheinungen sind folgende: Pferde er- kranken nicht selten an Influenza und Druse, oder leiden an chroni- schen Katarrhen der Luftwege — chronischer Husten der Renn- pferde. Waren sie für den Markt stark angemästet, wie das bei den Wagenschlägen der Marschen oder bei den dänischen und belgischen Kaltblütern zu beobachten ist, so sind sie schlaff" in der Arbeit und machen in derselben oft mit Unrecht den Eindruck kurz- atmiger Tiere. V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 67 Fifi- -i '•■ Degenerierter Araber. Fig. 44. Degenerierte Kuh Simmentaler Rasse, auf kalkarmem Boden aufgewachsen. ß8 3. Abschnitt. Die Rassen. Weidepferde, die noch nicht oder nur wenig gearbeitet haben, sind empfindlich in den Hufen und Sehnen, schwitzen leicht und er- müden vorzeitig. Es ist deshalb ein schonender, systematischer Ge- brauch angezeigt und oft viel Geduld erforderlich. Meist sind die schönsten und wertvollsten Tiere die empfindlichsten, weil sie zwecks vorteilhaftester Herrichtung für den Markt am meisten geschont und am stärksten gefüttert sind. Wenn man erfährt, dass solche Indivi- duen bei Mangel jeder Bewegung täglich bis zu 10 Kilo Hafer oder, was noch weniger gut ist, Schrot- und Kleienfutter fressen, so darf man sich nicht wundern, wenn dieselben zwar sehr gut aussehen, aber nichts leisten. Weiderinder leiden nach der Aufstauung sehr unter der Stall- wärme und sind deshalb zu scheren und auch von dem fast nie fehlenden Ungeziefer zu reinigen. Jungvieh nimmt in der ersten Zeit eher ab als zu. Kühe verkalben nicht selten, erkranken auch am Kalbefieber und bringen wenig widerstandsfähige Kälber. Ziegen leiden an chronischem Husten. Zuchttiere zeigen endlich wenig Geschlechtstrieb (s. S. 111 u. 113). Hengste, Bullen, Ziegenböcke decken nicht oder aber matt, befruchten nicht oder vererben sich schlecht, denn den Samenfäden ergeht es ähnlich wie ihren Produzenten, sie sind schlafl", dringen nicht lebhaft genug in den weiblichen Geschlechtsorganen vorwärts, erreichen das weibliche Ei nicht oder gehen vorzeitig zu Grunde. Hat aber eine Befruchtung stattgefunden, so kommen die männlichen Erbmassen beim Kampfe mit den weiblichen im Furchungskern nicht zur Gel- tung, weshalb in Bezug auf Vererbung die männlichen Tiere den Aveiblichen Individuen in solchen Fällen unterliegen (s. S. 159). Weibliche Tiere zeigen keine Brunst oder nehmen schwer auf. Der erfahrene Züchter rechnet mit diesen Faktoren und führt namentlich junge Zuchttiere eine gewisse Zeit vorher ein, ehe deren Zuchtbenutzung zu beginnen hat. 2. Frühreife, Futterverwertung und Kondition. a) Die Frühreife. Frühreife ist die Fähigkeit der Tiere, früher Leistungen hervor- zubringen, als das bei den Individuen der gleichen Art sonst die Regel ist. Wenn ein belgisches Pferd mit 2V Jahren so abgewachsen und in seiner äusseren Erscheinung so vollkommen ist, dass man dasselbe V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 69 für ein fertiges Arbeitspferd hält, so ist das der Ausdruck höchster Frühreife; denn das Tier hat sein Wachstum bereits mit 2^/2 — 3 Jahren abgeschlossen, was sonst bei Pferden unter gewöhnlichen Umständen erst mit 4 — 5 Jahren der Fall ist (Fig. 45 und 46). Frühreif heisst also früh abgewachsen, früh fertig in der äusseren Erscheinung und früh fertig für den Gebrauch, meist für den Gebrauch als Arbeitstier — Pferd — und als Fleischtier — Rind, Schaf, Schwein. Beispiele für Frühreife bieten weiter: Das englische Vollblutpferd — schon fast mit 2 Jahren abge- wachsen — (s. Fig. 26 und 57), das Shorthornrind (s. Fig. 27 und 53), das Southdownschaf und das kleine und mittelgrosse, englische Yorkshireschwein (s. Fig. 29). Die Frühreife beruht auf ererbter Anlage (Fig. 47 und 48) und auf reichlicher Jugendernährung. Die Anlage besteht hauptsächlich in der Fähigkeit, konzentriertes, nährstoffreiches Futter schnell in Knochen, Fleisch und Fett umzu- setzen, also in der Intensität der Futterausnutzung, und somit in der Leistungsfähigkeit des Magens. Fehlt das konzentrierte, nahrhafte, an Eiweiss, Fett und knochenbildenden Salzen reiche Futter, so kommt naturgemäss die Frühreife nicht zur Ausbildung, wie das solche Vieh- besitzer oft zu ihrer grossen Enttäuschung erfahren müssen, welche Tiere frühreifer Rassen zu Zuchtzwecken importieren und sich nun der angenehmen, aber trügerischen Hoffnung hingeben, sie hätten den Erfolg in der Tasche und könnten in Bezug auf Fütterung und Pflege alles so lassen, wie das früher gegenüber den spätreifen Land- rassen üblich war. Erst wenn die Nachzucht des neuen Stammes leichter bleibt und längere Zeit zum Abwachsen braucht, sieht der Besitzer seinen Fehler ein, den er dann aber nicht der Haltung, sondern dem Um- stände zuschreibt, dass die Rasse nichts taugt und er sich in dieser getäuscht hat. Generationen hindurch fortgesetzte Vernachlässigung der er- erbten Anlage zur Frühreife zerstören diese vollständig, was man bei degenerierten Stämmen an sich frühreifer Kulturrassen häufig beobachten kann. Frühreife Tiere gehören daher nur in gute Futter- verhältnisse, denn in der Ausnutzung eines minderwertigeren, volu- minöseren Futters stehen sie den spätreifen, genügsamen Landrassen nach. Die Frühreife ist ein Begriff, den man instinktiv mit viel Volumen, üppigen Formen und gradlinigen Begrenzungen des Rumpfes verbindet. Frühreife Tiere haben einen langen, breiten und tiefen Rumpf, kurze 70 3. Abschnitt. Die Rassen. Glieder und einen kleinen Kopf mit kurzem Halse, indessen trifft man diese Form mehr bei den in erster Linie Schi aclitz wecken dienenden Gattungen, wie beim Rinde und Schweine an, während solche Rassen, deren Individuen bei ererbter Anlage und reichlicher Jugendernährung viel arbeiten mussten — engl. Vollblut, Training — , sich keineswegs durch kurze Knochen auszeichnen. Die Anlage zur Frühreife und zur intensiven Futterausnutzung war hier gleichzeitig Fig. I'k iTulircilfS i'liTil — z\vcij:iiini;f'i- Kall iiliurr, lielgicr X\ ' ivdesnan'. Aufnahme durch Hofphotograph Schiiäbeli & Co., Berlin. Ausstell, d. D. L. G. Magdeburg 1889. mit einer Anlage zu einer durch Knochenlänge bedingten, grösseren Körperhöhe verbunden, die für das Rennpferd unerlässlich ist. Ausser in der Form äussert sich der vorzeitige, schnellere Ab- schluss der körperlichen Entwickelung auch noch in einer Beschleuni- gung des Zahnwechsels, wie man das beim englischen Vollblut sowohl, wie bei den frühreifen Rinder-, Schaf- und Schweinerassen regelmässig sehen kann. Zu beachten bleibt hier nur, dass früh zur Zucht be- nutzte, weibliche Tiere frühreifer Rassen durch die Trächtigkeit in der raschen Erledigung des Zahngeschäftes beeinträchtigt werden , und V, Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 71 dass solche Individuen dann für die Beurteilung der Frage nicht absolut, sondern nur relativ, d. i. im Vergleich mit gleichalterigen, tragenden Tieren spätreifer Rassen verwertet werden können. Bei den frühreifen Rassen und Tieren stellt sich der Geschlechtstrieb zwar früher ein, er bleibt aber oft auch gänzlich aus oder äussert sich nur in geringerem Masse, fernerhin lassen Tiere frühreifer Rassen bei üppiger f' Uy"^.yr:: Fig. 46. Spätreifes Pferd — dreijähriger Halbblüter im Fohlentypus. Jugendernährung viel in ihrem Befruchtungsvermögen zu wünschen übrig, namentlich da, wo die abhärtende, heilsame, ausgleichende Wirkung der Weide oder eine sehr aufmerksame Stallbeaufsichtigung fehlen. Unter dem Einflüsse der Fettproduktion leidet 'die physio- logische Tätigkeit der Geschlechtsdrüsen oder die Lebensenergie der Geschlechtszellen, nicht minder aber auch das ganze Nervenleben, so- dass die reflektorischen Vorgänge, wie sie sonst zwischen Füllungs- zustand der Geschlechtsdrüsen und Geschlechtslust bestehen, dann nicht zur Auslösung kommen. Mit der Frühreife ist also immer der Begriff der Früh- oder 72 3. Abschnitt. Die Rassen. ES- so e S £- Schnellwüchsigkeit verbunden, während Grosswüchsigkeit und Froh- wüchsigkeit, ein Ausdruck, der in neuerer Zeit von Br öder mann \) in ^) Frühreife und Frohwüchsigkeit, Deutsche hmdw. Tierzucht 1901 S. 136. V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 73 Fig. 49. Original-Siniiiientaler Bulle im Alter von 13 Monaten mit viel Wuchs — Typus der Grosswüchsigkeit. Fig. 50. Unter ungünstigen Hodenverliiiltnissen nachgezogener Simnientaler Bulle im Alter von 13 Monaten mit wenig Wuchs — Ponytypus. 74 3. Abschnitt. Die Rassen. die wissenschaftliche Tierzucht eingeführt ist, auch ohne Frühreife bestehen können. Frühreife Tiere müssen immer frohwüchsig, brauchen aber nicht grosswüchsig zu sein, anderseits kann aber auch die Frohwüchsigkeit in jeder vernünftig gehaltenen Zucht an sich spätreifer Schläge vor- handen sein und Grosswüchsigkeit auch bei Spätreife existieren. Beispiele : Ein Schwein der kleinen oder mittelgrossen, englischen Yorkshire- rasse ist frühreif, schnell- oder frohwüchsig, aber nicht grosswüchsig (s. Fig. 29). Es ist im Alter von 6 — 8 Monaten schlachtreif, erreicht aber auch in einem solchen von 3 — 4 Jahren nicht die Grösse der ausgewachsenen, bayerischen Landschweine (s. Fig. 19). Ein bayeri- sches Landschwein aus einer guten Zucht ist im Rahmen seiner Rasse gut wachsend und hierin dem gleichrassigen Tiere aus einer schlech- ten Zucht überlegen. Ein solches Tier ersterer Kategorie wird im Alter von 2 Jahren auch gross und schwer, aber das geschieht langsam, denn die Ausreifung dauert 2 Jahre, das Endziel der Züch- tung ist mit einer kurzen Haltungsdauer nicht vereinbar. Trotzdem ist das Tier grosswüchsig, aber spätreif. Ein Simmentaler Rind braucht längere Zeit zu seiner Ausreifung als das Shorthornrind (s. Fig. 27), aber viel weniger Zeit als das Voigt- länder- (s. Fig. 47 und 48) oder gar das osteuropäische Steppenrind (s. Fig. 17). Es wird aber auch grösser als Tiere der beiden genannten Schläge und ist somit frühreif und dabei grosswüchsig. Die Grosswüchsigkeit ist gewöhnlich daran zu erkennen, dass die Tiere trotz eines gewissen vorgeschrittenen Entwickelungsgrades noch einen unfertigen Eindruck machen und an Fohlen oder Kälber erinnern (Fig. 49). Sieht das junge Individuum aus wie ein zum Ge- brauche fertiges Zucht- oder Nutztier, so ist auch das Wachstum fast immer abgeschlossen. Bullen, die früh einen Kamm bekommen, bleiben meist klein und ponyartig (Fig. 50). • Grosswüchsig ist natürlich nicht mit gross im Sinne von hoch- beinig zu identifizieren, denn zu gross gewordene Tiere, denen die Breite fehlt, sind Missgestaltungen, die sich zu Zuchtzwecken nicht eignen. Frühreife Tiere sind selten hervorragend milchergiebig, denn erfahrungsgemäss schliesst eine reichliche Jugendernährung im Verein mit ererbter Anlage zur höchsten Ausnutzung konzentrierten Futters die Ausbildung hoher Milchleistung nahezu aus. V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 75 b) Die Futterverwertung. Die Futterverwertung ist die Eigenschaft der Tiere, das dar- gereichte Futter in Leistungen umzusetzen; ein guter Futterverwerter, ein futterdankbares Tier, ist ein solches, welches aus dem aufgenom- menen Futter möglichst viel Arbeit, Milch, Fleisch, Fett oder Wolle liefert, oder umgekehrt, welches mit dem geringsten Aufwand von Futter ein bestimmtes Mass von Leistung hervorbringt. Von zwei Kühen ist diejenige die bessere für den Milchwirt, welche bei dem gleichen Futter im Jahresdurchschnitt die meiste Milch von bestimmtem Fettgehalt oder die grösste Fettmenge in der Milch liefert, und von zwei Pferden dasjenige das wertvollere, welches zur Erledigung seines Arbeitspensums, beispielsweise als Ackerpferd, das wenigste Futter braucht. Die Futterverwertung ist teils Rasseeigenschaft, teils in der physiologischen Eigenart des einzelnen Individuums begründet. Futterverwertung und Frühreife sind nicht kongruente Begriffe, denn es gibt sowohl unter den frühreifen wie spätreifen Schlägen solche , welche das Futter gut, und solche, welche dasselbe schlecht ausnutzen. Das arabische Vollblut ist spätreif und ein besserer Futter- verwerter als das frühreife, englische Vollblutpferd. Frühreife und Futterverwertung stehen indessen insofern zuein- ander in gewissen Beziehungen, als frühreife Tiere konzentriertes, eiweissreiches , hochwertiges Futter besser ausnutzen als spätreife, während diese bei voluminösem Futter besser gedeihen als erstere. Die Ursache der besseren Futterausnutzung ist in dem physiologischen Verhalten der Verdauungsdrüsen und in dem ganzen Nervenleben der Tiere zu suchen , auch können scheinbar nebensächliche Umstände, wie gute Backenmuskulatur, gute Zähne, eine Rolle spielen. Dadurch, dass derartige Anlagen vererbt werden, werden sie zur Rasse-, mehr aber noch zur Familieneigentümlichkeit. Bei den in Rücksicht auf Erzeugung von Milch und Fleisch ge- haltenen Gattungen ist die Leistung gewöhnlich bei dem gleichen Futter umso grösser, je ruhiger die Lidividuen beanlagt sind. Das ruhige Arbeitspferd, das einen Hieb verträgt, wird weniger leicht ermüden, voller aussehen und regelmässiger fressen als das heftige, nervöse Pferd, welches periodisch viel leisten, in Summa aber doch häufiger schonungsbedürftig und früher verbraucht sein wird. Auffällig ist es, dass man bei Pferden die leistungsfähigsten 76 3. Abschnitt. Die Rassen. Individuen unter solchen Tieren findet, die Temperamentfeliler be- sitzen, was einen scheinbaren Widerspruch mit den obigen Tat- sachen bedeutet, indessen sind Beisser, Schläger und Klopfhengste zwar schwierig im Umgange, aber meist ruhig und nicht nervös in der Arbeit und gewöhnlich regelmässige Fresser. Die solchen Gäulen eigene Widerstandskraft ist nur durch ein sehr festes Nervensystem und grosse Leistungsfähigkeit der Verdauungssäfte zu erklären. Spätreife Tiere brauchen weniger Beharrungsfutter als frühreife. Beharrungsfutter ist diejenige Menge von Nahrung, welche genügt, um das Leben zu erhalten, aber zu gering ist, um ausserdem noch Leistungen irgend welcher Art, wozu auch das Körperwachstum bei jugendlichen Tieren und die Trächtigkeit gehören, hervorzubringen. Spätreife Rassen sind daher dort am Platze , wo die wirtschaftlichen und die Marktverhältnisse die Verabreichung von hochwertigem Futter nicht bezahlt machen, oder wo voluminöses, minderwertiges, in der Wirtschaft gewonnenes Futter durch Tiere ausgenutzt werden muss. In solchen Gegenden wird die Futterverwertung des einzelnen Tieres keine einschneidende Rolle spielen , da das Futter an sich keinen hohen Marktwert hat. Umgekehrt wird sich die Haltung und namentlich die Züchtung spätreifer Rinder- und Schweinerassen zu Mastzwecken in intensiven, hochwertiges Futter produzierenden Wirtschaften unrentabel gestalten, weil diese Individuen nicht daran gewöhnt sind , nährstoffreiches, konzentriertes Futter genügend auszunutzen. Soll die Mästung der- artiger Tiere hier noch rentabel sein , so müssen sie sich entweder im Einkauf wohlfeil stellen oder sie müssen mit geringerer Kraft- futtergabe, also billig ernährt Averden, damit der Aufwand für die längere Haltung ausgeglichen wird. Wie der Mäster die Lebendgewichtszunahme und somit die Futterverwertung seiner Masttiere durch die Viehwage kontrolliert, so prüft der Milchwirt die Milchleistung in Rücksicht auf Menge durch den Milchmesseimer oder, was ratsamer ist, durch die Milch- wage und in Rücksicht auf Qualität durch einen Fettbestimmungs- apparat. Ist er Abmelker, so wird er alle die Kühe ausmerzen, die ihm bei einem bestimmten Futter zu wenig Milch bei Frischmilch- verkauf und zu wenig Fett bei Verarbeitung seiner Milch zu Butter liefern. Der Züchter kann in der Regel nicht so radikal verfahren, er muss oft Tiere behalten, die ihn in der erwünschten Nutzungs- richtung zwar nicht voll befriedigen, anderseits ihm aber doch für V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 77 seine Zuchtzwecke wertvoll sind, weil sie sich durch Gesundheit und durch die Produktion hochwertiger Nachkommen auszeichnen. Während bei den Tieren mit hervorragender Milch- oder Mast- leistung steigende Kraftfuttergaben bis zu einer gewissen Grenze sehr rentabel sein können, sind sie gewöhnlich zwecklos bei schlechten Melkern. Es muss deshalb auch im Kuhstalle die Fütterung eine individuelle sein und sich nach dem Futterverwertungsvermögen der einzelnen Tiere richten, was man in Dänemark mit Hilfe der sogen. Kontrollvereine allgemein anzustreben sucht. Indessen ist nicht zu vergessen, dass in Zuchtställen einseitig gesteigerte Milchleistungen auf die Dauer selten mit Widerstandsfähigkeit und Gesundheit im Einklänge zu erhalten sind. Auch bei Arbeitstieren ist das Futterverwertungsvermögen sehr zu beachten. Tiere, die wenig Futter gebrauchen und bei einem bestimmten Arbeitspensum immer rund und voll aussehen, wie man das regelmässig bei den dänischen Arbeitspferden findet, heissen leichtfutterig. Sie liefern also bei Durchschnittsfutter Durchschnitts- leistungen in guter Körperverfassung und befinden sich somit immer in guter Kondition. Andere Pferde lassen dagegen in ihrem Ernährungszustande immer zu wünschen übrig und halten sich bei gleicher Arbeit und gleichem Futter schlechter als ihre Stallgenossen. Sie sind schwer- futterig oder schlechte Futterverwerter. Endlich gibt es Pferde, die im Laiensinne nie gut aussehen und doch vorzügliche Futterverwerter sind, weil sie an einzelnen Tagen den doppelten Dienst verrichten und ebenso lange oder noch länger arbeitsfähig bleiben wie ihre Stallgenossen, obgleich sie nur dasselbe Futter wie diese erhalten. Solche Pferde sind dann als Gebrauchs- tiere „unbezahlbar" und gerade im Einkauf nicht selten preiswert, weil sie nichts Bestechendes an sich haben. Sie sind dann dem An- schein nach schlechte, in Wirklichkeit aber gute Futterverwerter. Die beiden Fig. 51 und 52 stellen zwei junge Pferde von gleichem Alter dar, welche noch nicht gearbeitet haben, dieselbe Haltung geniessen und zu Reniontezwecken bestimmt sind. So gern man nun in der Nutzviehhaltung mit Individuen wirt- schaftet , die gute Fresser sind , ihr Futter also in der normal be- messenen Futterzeit vollständig aufnehmen und nicht auf jeden Futter- wechsel oder auf jede Anstrengung durch Mangel an Fresslust ant- worten, so wenig darf man die starken, gierigen Fresser, die alles verschlingen, was sich ihnen bietet, für gute Futterverwerter halten. 78 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 51. Guter Fntterverwerter — vierjährige Remonte aus dem Depot. Fig. 52. Schlechter Futterverwerter — vierjährige Remonte aus dem Depot. V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 79 Als Masttiere sind sie in der Regel gut, als Milchtiere aber meist minderwertig und als Arbeitstiere unter Umständen sogar schlaff und ohne Ausdauer. Nach alledem ist die Futterverwertung in der Tierhaltung stets in Rücksicht auf den speziellen Nutzungszweck zu beachten, denn solche Milchkühe, die wenig melken, aber gut aussehen, und solche Pferde, deren guter Ernährungszustand durch häufig notwendig ge- wordene Schonung oder durch ein überreiches Mass an Futter bedingt ist, nutzen dem Besitzer gewöhnlich nicht viel und sind nur teure Blender. Die Wichtigkeit obiger Darlegungen für die Praxis sollen fol- gende Beispiele erläutern : I. Von 2 Kühen gibt Nr. 1 im Jahre 3000 kg Milch, „ 2 „ „ Nr. 2 „ „ 2400 „ ., bei dem gleichen Futter. Ausfall im Jahre 600 kg oder bei 10 Pfg. pro 1 kg 60 Mark. IL Ochse Nr. 1 produziert in 6 Monaten 300 kg Lebendgewicht, ,. Nr. 2 „ „ 6 „ 225 „ Ausfall 75 kg = 51 Mark bei 34 Mark pro 50 kg Lebendgewicht. III. 2 Pferde liefern das gleiche Mass von Arbeit, erhalten zwar den Hafer, aber das Heu nicht zugeteilt. Nr. 1 verzehrt pro Tag 5 kg Heu, Nr. 2 „ „ „ 71/2 „ „ demnach verbraucht Nr. 2 pro Jahr rund 900 kg Heu mehr als Nr. 1 = 54 Mark bei einem Preise von 6 Mark pro 100 kg. Daher ist es wichtig, nur solche Tiere zu wählen und zu halten, welche gute Futterverwerter sind. Leider kann man den Tieren diese Fähigkeit oft überhaupt nicht, oft nur bei scharfer Beobachtungs- gabe und reicher Erfahrung ansehen. Die Uebung macht hier den Meister. c) Die Kondition. Die Kondition ist der jeweilige Haltungszustand der Tiere und mithin je nach der Fütterung und Pflege wechselnd. Die Kondition hat mit der Rasse nur insofern etwas zu tun, als gewisse Rassen 80 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 5a. Kuh in gut er Weidekondition — Landshorthorukuh aus dem Rassestalle der Tierärztlichen Hochschule in Dresden. Fig. 54. Kuli in Jlastkondition — Sininientaler. V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 81 leichter in gute Kondition zu bringen sind als andere, was von der Leicht- oder Schwerfutterigkeit abhängt. Je nach der Anpassung des Haltungszustandes an die Nutzungsrichtung spricht man von Weide- (Fig. 53), Milch- (s. Fig. 116 und 121), Mast- (Fig. 54), Arbeits- (Fig. 55), Zucht- (s. Fig. 63), Renn- (Fig. 56) und Ausstel- lungskondition (s. Fig. 41), bei Hengsten auch von Beschälerkondition (Fig. 57). Das Verbringen der Tiere in die passende Kondition setzt eine gewisse Präparation derselben voraus, die seitens des Tierhalters eine Fi£ Bulle in gutiT [Sprung- und Aibeit.skondition — Sinimontaler. mehr oder minder grosse Uebung erfordert. Am sorgfältigsten wird die Vorbereitung für die Rennbahn durch den sogen. Training be- trieben. Werden Nutztiere in unpassender Kondition gehalten, so begeht der Besitzer entweder eine Futterverschwendung oder aber er drückt die Leistungsfähigkeit der Tiere herab. Wesentlich verbesserungsbedürftig ist der Begriff der Ausstellungs- kondition, weil diese sich meist mit Mastkondition deckt, und die letztere zwar für Masttiere angebracht, für Zuchttiere aber schäd- lich ist. Werden Zuchttiere zu Ausstellungszwecken gemästet, so leiden sie in ihrer Fruchtbarkeit oder bringen schwächliche Nach- kommen zur Welt, die oft auch noch nicht einmal richtig ausgetragen werden. Pusch, Allgemeine Tierzucht. 6 82 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 5G. Vullbluthriigst in Keinikondition. Fig. VollMuthengst in Hpscliälerkoiiilitiou — liauiitbescliuler Canuige (Australier) aus dem K. Hauptgestüt Graditx V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 83 3. Temperament, Ausdauer, Nerv. Temperament, Ausdauer und Nerv stehen zu einander in gewissen Beziehungen, sie sind der Ausdruck der Nervenverfassung der Individuen. Man unterscheidet ein gutartiges und bösartiges Temperament und versteht darunter mehr den Charakter und ein lebhaftes und phlegmatisches Temperament, welches sich mehr mit den Begriffen der Ausdauer, Beweglichkeit und Trägheit deckt. Eine gesteigerte Lebhaftigkeit führt zur Nervosität. Frühreife Rassen sind in der Regel gutartig und phlegmatisch, was mit der üppigen Jugendernährung und mit der Anlage zur Mast- fähigkeit zusammenhängt; spätreife Rassen sind beweglicher und meist schwieriger im Gebrauche. Je schwerer, grösser und frühreifer eine Rasse, desto grösser ist die Ruhe und das Phlegma der Tiere, desto sicherer ihre Ge- brauchsfähigkeit zur Arbeit und desto leichter der Umgang mit ihnen. Ein belgisches Pferd ist selten heftig im Zuge, fast niemals böse im Stalle oder unsicher im Geschirr, sodass auch der ungeübte Kutscher mit ihm umgehen kann, während der Gebrauch des warmblütigen Pferdes mehr Umsicht und Aufmerksamkeit erfordert. Je höher der Blutgrad beim Pferde, desto grösser die Gehlust und Ausdauer und somit das gesamte physische Leistungsvermögen; letzteres ist indessen nur für bestimmte Gebrauchsrichtungen mit Vorteil auszunutzen. Das frühreife, englische Vollblutpferd macht hier also eine Aus- nahme, es ist aber auch nicht frühreif im Sinne der Kaltblüter oder der mastfähigen Rinderrassen, indem bei ihm eine frühzeitige Entwicke- lung von viel Volumen durch die strenge Arbeit des Trainings ver- hindert und nur eine frühzeitige Arbeitsfähigkeit entwickelt worden ist. Bei dem Rinde liegen die Verhältnisse ähnlich, nur sind die Gegensätze nicht so scharf ausgeprägt wie beim Pferde, weil Rinder immer mehr oder weniger phlegmatisch sind. Indessen ist auch hier ein Unterschied zwischen dem schweren Simmentaler (s. Fig. 62 — 66) und dem leichten Voigtländer Schlage (s. Fig. 22) vorhanden. Der erstere ist ruhig, phlegmatisch, der letztere fleissiger und behender im Zuge. Kommt man in einen Stall, in dem Simmentaler Rinder neben solchen der kleineren Schläge liegen, so werden die ersteren gewöhn- lich die stärkeren Aufmunterungsmittel gebrauchen, ehe sie aufstehen. Der Voigtländer Bulle wird wie der ihm verwandte und an Körpergrösse gleichstehende Harzer, Vogelsberger oder Westerwälder 84 3. Abschnitt. Die Rassen. Fig. 58. Phlegmatisches Temperament — Norweger. ^(b fPHi '^'Tii '^jüHJüHK^^^BiMHi^^^ Fig 59. Lebhaftes Temiienimeiit — Schwede. V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 85 Fig. 60. Bösartiges Temperament. Fig. 61. Nervöses, ängstliches Temperament. 86 3. Abschnitt. Die Rassen. oder auch wie der Angler Bulle eher bösartig als der Simmentaler, Avas man auf jeder Ausstellung sehen kann, wo die ersteren in einem gewissen Alter fast ausnahmslos mit Fussfesselung und Augenblende, die letzteren aber nur sehr selten mit Hilfe dieser Bändigungsmittel vorgeführt werden. Neben dem Einfluss der Rasse ist aber auch derjenige der ganzen Haltung auf die Entwickelung des Temj)eraments von Be- deutung, namentlich soweit es die Gutartigkeit und Bösartigkeit, also die Charaktereigenschaften, betrifft, auch spielen Vererbung und An- gewöhnung infolge von schlechtem Beispiel besonders seitens der Mutter sicherlich eine Rolle (s. S. 162). Die Erkennung des Temperaments ist in der Regel nicht be- sonders schwierig. Prüfsteine sind die ganze Haltung der Tiere, das Ohrenspiel, der Ausdruck der Augen und die Beschaffenheit des Haares. Ein phlegmatisches, mastfähiges Tier hat eine träge, schlaffe Haltung, ruhige Bewegungen, glanzlose Augen und einen dichten Haar- bestand (Fig. 58), lebhafte Tiere haben einen munteren Gang, auf- merksame Haltung, grosses Auge, aufmerksames Ohrenspiel (Fig. 59), und bösartige Tiere bekunden ihre Untugend in einem lauernden Blick (Fig. 60) , während scheue , nervöse , kitzelige Individuen sich durch ängstliches Ausweichen vor jeder Berührung, zwinkerndes Auge, unruhiges Ohrenspiel und, soweit es Pferde betrifft, durch lebhafte SchwanzbeAvegungen verraten (Fig. 61). Der Nerv eines Arbeitstieres ist gleichbedeutend mit Ausdauer, während unter Nerv des Zuchttieres seine Fähigkeit verstanden wird, sich in der Nachzucht auf dem Wege der Vererbung Geltung zu verschaffen, also „durchzuschlagen". 4. Die Konstitution. Die Konstitution ist die gesamte Körperverfassung des Tieres und durch den anatomischen Aufbau der Zellen und deren physio- logisches Verhalten begründet.' Sie bedingt die Lebenskraft und Widerstandsfähigkeit und bildet im Verein mit dem körperlichen Ent- wickelungszustande das, was Behmer als Naturell ^) bezeichnet. Die Konstitution hat einen wesentlichen Einfluss auf die Leistung der Individuen, und deshalb ist es wichtig, sie richtig zu beurteilen, um- somehr als sie während des ganzen Lebens bestehen bleibt. ') Neues aus dem Gebiete derZüchtungskunde (Vortrag). Parey-Berlin 1897. S. 4. V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 87 Vom gesundheitlichen Standpunkt spricht man von einer guten und von einer schlechten Konstitution und versteht unter der ersteren den Zustand eines Individuums, körperliche Strapazen, Unbilden der Witterung, unregelmässige Lebensweise und, soweit es den Menschen betrifft, auch geistige Anstrengungen zu ertragen, ohne darauf durch Krankheit zu antworten. Die gute Konstitution ist also dem nach allen Richtungen hin widerstandsfähigen Körper eigen und durchaus nicht immer mit Fig. 62. Simmentaler Kuli mit robuster Konstitution. „blühendem" Aussehen und runden, vollen Formen vereinigt, denn die sehnigen, trockenen Figuren sind meist die in der Konstitution besseren. Züchterisch teilt man die gute Konstitution a) in die robuste, gutartig derbe, feste und b) in die feine, trockene, nervige. Tiere mit robuster Konstitution sind frisch im Aussehen, mit dichtem Haar, kerniger Muskulatur, vollem Leib und kräftigen, trocke- nen Gliedern. Sie eignen sich in der Regel zu mehrseitigem Gebrauch und zeichnen sich weniger durch einseitige, höchste als durch mehr- fache, gute Leistungen aus (Fig. 62), Die feine Konstitution ist gewöhnlich mit trockenem Habitus — Aussehen — und einer edlen Erscheinung verbunden. Solche Tiere 88 3. Abschnitt. Die Rassen. V ifasSÄfflcSHs^: Fig. 63. Simmentaler Kuh mit feiner, trockener, dabei nerviger Konstitution aus dem Rassestalle der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. zeigen ein glattes, glänzendes Haar, einen mehr schmalen und hoch- ständigen Körper, gut markierte Knochen vorsprünge , ausdrucksvolle Gelenke und klare, scharf gezeichnete Sehnen. In der Hand er- Fig. fiJ. SiiiniiciitaliT Kuh mit iilirrliilih'trr Kunstitulion. fahrener Züchter sind die nicht selten auf dem Wege massiger Ver- wandtschaftszucht entstandenen Individuen gewöhnlich ausserordentlich gute Werkzeuge zur Erzielung ausgeglichener Herden von grosser V. Die allgemeinen Rasseeigenschaften. 89 Fig. 65. Simmentaler Kuh mit den Anzeichen beginnender üeberbildung an Kopf und Hals. Leistungsfähigkeit, namentlich in der Richtung der Woll- und Milch- produktion (Fig. 63), während sie bei unzweckmässiger Haltung und fehlerhafter, züchterischer Behandlung in der Nachzucht in Ueber- Fig. 66. Simmentaler Kuh mit grober Konstitution. feinerung oder Üeberbildung ausarten und dann Individuen von schlechter Konstitution produzieren. Die schlechte Konstitution äussert sich entweder in einer Ueber- 90 3. Abschnitt. Die Rassen. feinerung oder in Grobheit und Schwammigkeit. Ueberzüchtete oder überbildete Tiere .sind schmal und spitz im Kopf und lang in der Nase, die dünne Haut lässt alle Knocbenvorsprünge deutlich erkennen, der Körper wird muskelarni, der Gliederbau fein und der Blick matt. Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, Futterverwertbarkeit und Fruchtbarkeit lassen nach, sodass die Tiere nicht nur ihren Zucht-, sondern unter Umständen auch ihren Nutzungswert mehr oder weniger vollständig einbüssen (Fig. 64). Wichtig ist es, die beginnende Ueber- bildung (Fig. 65) bei Zuchttieren rechtzeitig zu erkennen , wozu ein züchterisch geschultes Auge erforderlich ist. Der Ueberfeinerung steht die grobe oder schwammige Konsti- tution gegenüber; grobe Tiere sind auch in ihrem Aeusseren das strikte Gegenteil von den überbildeten (Fig. 66). Sie sind schwer und mehr kurz und breit im Kopfe mit derben, breiten Ohren und meist kleinen, durch dicke Lider und starke Augenbögen verdeckten Augen. Dicke Haut und dichtes, starkes Haar machen den Kopf und auch die Glied- massen ausdruckslos. Die Fesseln sind daher verschwommen, die Schienen rundlich und die Sehnen ohne klare Zeichnung. Besonders tritt die Grobheit in die Erscheinung, wenn derartige junge Tiere in ungünstige Haltungsverhältnisse kommen, und unter dem Einjfluss der- selben im Verlaufe des weiteren Wachstums das bindegewebige Ele- ment noch unverhältnismäs.sig zunimmt. Solche grobe, schwammige Individuen bestechen zwar bisweilen durch ihre Kurzbeinigkeit, Tiefe und Breite, teils auch durch ihre Grösse, trotzdem sind sie aber ungeeignete, weil unsichere Zucht-, und gewöhn- lich, wenn man von der Arbeitsleistung absieht, auch schlechte Nutz- tiere. In der Arbeit zeigen sie zwar Kraft, aber meist viel Phlegma, sodass sie hier auch nur in bedingtem Masse etwas taugen, wozu noch kommt, dass sie in der Regel ein grosses Futterbedürfnis haben. Es ist bei dieser Gelegenheit auch davor zu warnen, von Bullen starke Glieder und dünne Hörner und von Schweinen einen langen Rumpf und einen kleinen Kopf zu verlangen. Beides muss bei einem regelrecht gebauten Tiere zueinander in einem richtigen Verhältnisse stehen, sonst zeigen die Tiere auch keine Sicherheit in der Vererbung. Von der Konstitution der Tiere ist deren Wert für Nutzungs- mid Zuchtzwecke in hohem Masse abhängig, deshalb ist es viel wich- tiger, die erstere richtig zu erkennen und zu beurteilen, als einzelne äussere Fehler an den Individuen zu sehen, eine Fähigkeit, auf deren Besitz sich mancher zu Unrecht oft viel zu viel einbildet. Vierter Abschnitt. Die Zeugung. I. Allgemeine embryologisclie Gesichtspunkte. Die Zoologen unterscheiden eine elternlose Zeugung — Generatio spontanen, Archigonie — und eine elterliche Zeugung — Generatio parentalis, Tocogonie ^). — Die letztere zerfällt in die ungeschlecht- liche Zeugung — Monogonie, Selbstteilung, Knospen- und Sporen- bildung — und in die geschlechtliche Zeugung — Amphigonie. Diese ist die geschlechtliche Vereinigung zweier geschlechtsverschie- dener Tiere, und das Junge entsteht hier durch die innige Ver- schmelzung der beiderseitigen Geschlechtszellen. 1. Die Geschlechtszellen, ihre Entstehung und ihr Verhalten bis zur gegenseitigen Vereinigung. Man nennt die bei Säugetieren stattfindende Art der Befruch- tung eine innere im Gegensatz zur äusseren, die bei solchen Tieren vorkommt, welche Eier und Samen ins Wasser absetzen. Da die Tierzucht mit dem ganzen Geschlechtsleben der Tiere im engsten Zusammenhange steht, und dieses wiederum von der Be- schaifenheit und Funktionsfähigkeit der Geschlechtszellen abhängig ist, so soll hier eine kurze Erwähnung ihres anatomischen Baues, ihrer Entstehung und Veränderung bis zu dem Zeitpunkte ihrer gegen- seitigen Verschmelzung erfolgen. a) Die Samenfäden — Spermatozoon. Die keimbereitenden Organe des männlichen Tieres sind die Hoden, die innerhalb der Bauchhöhle entstehen und durch den Leisten- kanal in den Hodensack hinabsteisfen. Bleiben die Hoden in der Häckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. Reimer-Berlin 1898. I. S. 164. 92 4. Abschnitt. Die Zeugung. Bauchhöhle zurück, so verkümmern sie und geben zu Zuständen Ver- anlassung, die man als Kryptorchismus bezeichnet. Im Hoden bilden sich nun aus dem Drüsenepithel der Samen- kanälchen die Spermatozoen, Samentierchen, die bereits im Jahre 1677 durch Ham und Leeuwenhoek entdeckt Avurdon. Die Sperma- tozoen bestehen aus dem Kopf, dem Verbindungsstück, dem Mittel- stück und dem Schwanz- oder Endfaden, und zwar ist der erstere je nach der Tiergattung verschieden, in der Regel aber spateiförmig gestaltet (Fig. 67). Die Samenfäden sind mit den einwimprigen Geisselzellen zu vergleichen und mit lebhafter Eigenbewegung aus- gestattet, vermöge deren sie in der Minute in den Aveiblichen Geschlechts- organen 1,2 — 3,6 mm vorwärts dringen. Der Kopf des Samenfadens ist aus dem Kerne der samenbildenden Zelle hervorgegangen und nach He nie als ein metamorphosierter Kern aufzufassen. Diesem kommt auch bei der Befruch- tung nur allein eine aktuelle Bedeutung zu, er wird zum Samenkerne, während der übrige Teil des Samenfadens nach dessen Eindringen in das Ei verschwindet. Die Spermatozoen sind nun der wesentliche, weil wirksame Teil der Samenflüssigkeit. Diese ist schwach alkalisch, klebrig, eigen- tümlich riechend, von weisslicher Farbe und stammt nur zum kleineren Teile aus den Hoden und Nebenhoden, zum grösseren dagegen aus den sogen, akzessorischen Geschlechtsdrüsen — Samenblasen, Vor- Steherdrüsen, Cowper sehen Drüsen und Ampullen drüsen — , denen die Aufgabe zufällt, den Samen zu konservieren, zu verdünnen und seinen Transport zu erleichtern. b) Das weibliche Ei. Die keimbereitenden Organe des weiblichen Individuums sind die Eierstöcke (Fig. 68) , die aus einem bindegewebigen Gerüst be- stehen, in welches die Graafschen Follikel eingelagert sind (Fig. 69). Diese sind kleine bläschenförmige, mohnsamen- bis kirschengrosse Ge- bilde, welche eine Flüssigkeit und das tierische Ei enthalten (Fig. 70). Das letztere, das nach Hertwig beim Menschen und den Säugetieren Fig. 67. Samenfäden vom Rinde. a Seitenausiclit. b Flächenansicht. Vergrösserung 600. (Zeichnung von Assistent Dr. 0. Zietzschmann-Dresden.) I. Allgemeine embryologische Gesichtspunkte. 93 durchschnittlich eine Grösse von 0,2 mm hat ^), besteht aus einer durch- sichtigen Hülle — Zona pellucida, Eikapsel — die eine aus Eiweiss- ^^vm (\ Fig. 68. Eierstock einer jungen Kuli. (Ellenb erger-Baum'-).) (! Gelbe Körper verschiedener Grösse. Noch nicht geplatzter, durchschimmernder Graafscher Follikel. '/.. ä Fig. 69. Schematische Darstellung eines Graafschen Follikels. (Ellenherger-Baum2).) 1, 2 Aeussere und innere Hülle des Fol- likels. 3 Körnerschicht, die bei 4 zum Keimhügel wird, der das Ei umschliesst. 5 Eikapsel. e Keimbläschen (Kern) 7 Keim- fleck (Kernkörperchen). .0 Dotter des Eies. 8 FoUikelhöhle mit derFollikelflüssigkeit. ^ Fig. 70. Eizelle eines Kauiiuhens nach Waldeyer3). a Eikapsel (Zona pellucida), der bei b noch Zellen aus dem Follikel aufsitzen, c Dotter. d Keimbläschen (Kern), e Kernnetz in demselben, f Keimfleck (Kernkörperchen). ^) Hertwig, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. Fischer-Jena 1898. S. 12. ^) Handbuch d. vergleich. Anat. d. Haustiere. Hirschwald-Berlin. 1903. S. 560. ^) Hertwig, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. Fischer-Jena 1898. S. 13. 94 4. Abschnitt. Die Zeugung. körnchen und Fettröpfchen bestehende Masse, den Dotter, umschliesst. In diesem liegt das 0,030 — 0,050 mm grosse Keimbläschen. Der Fig. 71. Geschlechtsteile der Stute von der Rückenseite aus gesehen. (Ellenberger-Baum.) 1 Eierstock. 2 Eileiter, 2' dessen Bauchöft'nung, 2" der mit Fransen und Falten versehene Schleimhautteil, der sich vor der Follikelberstung dem Eierstock innig anlegt und das Ei auffiingt. S Körper der Gebärmutter, 3' Hörner, 3" Hals derselben mit dem äusseren Muttermunde. 6, 6', 6", 7 Blutgefässe. 8 Scheide (geöfl'net). .'* Scheidenklappe (Hymen). 11 Harnblase, 12 deren Mündung. 13 Scliauilippen. 14 Kitzler. Dotter ist mit dem Protoplasma und das Keimbläschen mit dem Kern anderer Zellen zu vergleichen. I. Allgemeine embryologische Gesichtspunkte. 95 Im Innern des Keimbläschens ist ein feines Netzwerk — das Kerngerüst — ausgespannt, in demselben liegt ein kleines Körperchen, der Keimfleck. Das Kerngerüst ist färbbar und heisst Chromatin oder Nuklein. Die im Eierstock vorhandenen Graafschen Follikel (s. Fig. 69), so benannt nach ihrem Entdecker, dem niederländischen Anatomen Regner de Graaf, sind verschieden gross (s. S. 92). Die grösseren mit den reifen Eiern wandern an die Oberfläche des Eierstockes, um bei der Brunst zu platzen und das Ei auszustossen. Der grösste Teil der vorhandenen Eier, deren Zahl man beim Jungrinde auf etwa 40 000 Fig. 72. Eierstock und Eileiter der Stute. (Ellenb erger-Baum.) 1 Eierstock. 2 Eileiter, 2' Bauchöffnung, 2" Gebärmutteröfl'nung desselben. 3 Eier- stocksband. 4 Eileiterfalte. Fig. 73. Längsschnitt durch den Eierstock eines Rindes einen Tag nach der Brunst. Natürliche Grösse. (Z s c h 0 k k e - Zürich.) C Frisch gebildeter, gelber Körper mit blu- tiger Kuppe, faltiger Wand und wässrigem Inhalt. J'Graafsche Follikel verschiedener Grösse. schätzen kann, gelangt aber nicht zur Reifung, sondern geht vor- zeitig zu Grunde ^). Das frei gewordene Ei wird vom Eileiter aufgenommen, einem Kanal, der an dem einen Ende mit dem Gebärmutterhorn in Ver- bindung steht, während das andere Ende offen, aber mit vielen Falten und Fransen umgeben ist, welche sich vor der Follikelberstung dem Eierstocke innig anlegen und das Ei auffangen (Fig. 71 u. 72). Die Follikelberstung ist beim Pferde , Schweine und Hunde mit einer Blutung in die Follikelhöhle verbunden, die beim Rinde meist Zschokke, Die Unfruchtbarkeit der Rinder. Füssli-Zürich 1900. S. 23. 96 4. Abschnitt. Die Zeugung. fehlen soll. Innerhalb des geplatzten Follikels entstellt dann, und zwar nach Zschokke, auf dem Wege der Neubildung durch Wuche- rung der Follikelwand der sogen, gelbe Körper — Corpus luteum — (Fig. 73), welcher beim Ausbleiben der Befruchtung bis zur nächsten Brunstperiode wieder verschwindet, bei eingetretener Trächtigkeit sich aber nicht zurückbildet, sondern bei den grossen Haustieren bis zur Grösse einer Kirsche oder Wallnuss ^) auswächst und eine weitere Ausreifung von Follikeln verhindert. Bleibt der gelbe Körper bei nicht erfolgter oder abgelaufener Trächtigkeit bestehen, so führt er in der Regel zur Unfruchtbarkeit, die man in der Schweiz dadurch beseitigt, dass man das Corpus luteum vom Mastdarme aus durch die Finger aus dem Eierstocke herausdrückt (s. S. 140), Das vom Eileiter aufgenommene Ei entbehrt der Eigenbewegung und wird durch die Flimmerepithelien des ersteren vorwärts geschoben. Die passive Wanderung dauert daher lange, weshalb die Befruchtung in der Regel im Eileiter und zwar in der geräumigen Ampulle des- selben erfolgt. Das schliesst indessen nicht aus, dass dieselbe auch ausnahmsweise noch im Uterus möglich ist, obgleich das unbefruchtete Ei bald durch Degeneration dem Tode anheimfällt. 2. Die Keifung des Eies und die Vereinigung von Ei und Samen (nach Hertwig) -)• Schon ehe das Ei den Graafschen Follikel verlässt, oder doch bald nach dem Verlassen desselben, geht mit ersterem eine wesent- liche Veränderung vor, die es zur Aufnahme des Samenfadens vor- bereitet und vom Standpunkte der Vererbungslehre sehr wichtig ist. Zunächst rückt das Keimbläschen von der Mitte der Eizelle nach der Oberfläche zu vor (Fig. 74 A), wobei seine Hülle, die Kern- oder Keimbläschenmembran, verschwindet und der Keimfleck sich fast voll- ständig auflöst. Aus dem Inhalt des Keimbläschens entwickelt sich dann die sogen. Kernspindel (Fig. 74 A u. B). Diese Kernspindel — auch Spindelfigur, Polspindel genannt • — gelangt dann in die Nähe der Eioberfläche und verhält sich sonst in ähnlicher Weise wie bei der Kernteilung der üljrigen Zellen des Körpers (Fig. 751). Durch das Vorrücken nach der Eioberfläche wird der Dotter ^) Beiträge zur Physiologie der Brunst beim Rinde. Inaugural-Dissertation. Straub-München 1902. S. 45. ^) Hertwig, Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte des Menschen und der Wirbeltiere. Fischer-Jena 1898. I. Allgemeine embryologische Gesichtspunkte. 97 hügelartig hervorgedrängt (Fig. 75 II), und der vorgedriingte Teil der Spindel mit dem sie umschliessenden Dotter abgedrückt, ein Vor- gang, der sich nach der Vervollständigung der zum Teil verbrauchten Spindel (Fig. 75 III, IV, V) nochmals wiederholt. Fi£ A B Fig. 74 A u. B. Aussclinitte aus Eiern vou Asterias glacialis nach Hertwig. A. Das Keimbläschen a schrumpft, indem ein Protoplasmateil b in dasselbe eindringt und die Kern- oder Keimbläschenmembran zerstört. Der Keimfleck c ist noch deutlich vorhanden. Fig. B. Das Keimbläschen a ist fast gänzlich geschrumpft, ebenso der Keimfleck b beinahe verschwunden, c Kernspindel, aus der Substanz des Keimbläschens entstanden. Die so abgeschnürten Zellen heissen Polzellen oder Richtungs- körperchen und sind als die Produkte der Kernteilung aufzufassen, v^obei die ursprüngliche Kernsubstanz — der Inhalt des Keimbläs- chens — ■ in ihrer Masse verringert ist. Aus dem übrigbleibenden Teile der Kernspindel entwickelt sich Fig. 75. Bildung der Richtungskörperchen oder Polzellen bei Asterias glacialis nach Hertwig. I Die Kernspindel (sp) ist nach der Oberfläche gerückt. II Der Dotter ist vorgedrückt und nimmt die Hälfte der Spindel auf. III Das erste Richtungskörperchen schnürt sich ab, und die Kernspindel vervollständigt sich wieder. IV Der Dotter wölbt sich zum zweitenmal hervor und nimmt wiederum die Hälfte der Spindel auf. V Das zweite Richtungskörperchen schnürt sich ab, wobei der Rest der Kernspindel vollständig verschwindet, indem sich aus ihm der Eikern (VI) oder weibliche Vorkern entwickelt. rk Richtungskörperchen, et Eikern, sp Kernspindel. Pusch, Allgemeine Tierzucht. 7 98 4. Abschnitt. Die Zeugung. dann der Eikern (Hertwig) oder weibliche Vorkern (van Beneden) (Fig. 75 V u. VI) , der allmählich wiederum nach der Mitte der Ei- zelle zurückkehrt. Dieser Eikern ist also etwas anderes als das Keimbläschen, dessen ursprüngliche Substanz um die beiden abgeschnürten Polzellen verringert ist, wodurch für den eindringenden Samenfaden Platz ge- schaffen worden ist. Von letzterem kommt, wie schon oben erwähnt, der Kopf allein in Frage, weil Schwanz und Mittelstück nach dem Eindringen in das X '^^^h^M;::l;\u Fi£ I 11 III (6. Eiabschnitte von Asterias glacialis nach Hertwig. Eindringen des Samenfadens ins Ei. I Die Samenfäden umschwärmen das Ei, es bildet sich der Enipfängnishügel a. II Samen- fäden und Hügel treffen zusammen. HI Ein Samenfaden dringt ein, den übrigen wird der Weg durch die sich bildende Membran verlegt. Ei der Auflösung anheimfallen. Da der Kopf aus der chromatischen, d. i. der wesentlichen Substanz des Kernes der samenbildenden Hoden- zelle entsteht, und nur der Kopf zum Samenkern oder männlichen Vorkern wird, so stellt dieser das wesentliche Element, den leben- digen Bildungsstoff der väterlichen Hodenzelle dar. Das im Eileiter vorhandene Ei wird nun immer von zahlreichen Samenfäden umschwärmt, die von der Gebärmutter aus dorthin ge- wandert sind. Dieselben suchen sich in die Eikapsel einzubohren, jedoch gelingt ein wirkliches Eindringen nur einer einzigen Spermatozoe, der eine Erhebung des Eiplasmas als sogen. Empfängnishügel ent- gegenrückt. Von letzterem aus wird dann nach dem Eindringen des einen Samenfadens eine feine Membran abgesondert, welche den anderen den Weg versperrt und dadurch eine Eiüberfruchtung ver- hütet (Fig. 76 I, II, III). Durch die Verschmelzung des Samen- und Eikernes zum Fur- chungskern werden die Erbmassen der beiden Eltern in dem Nach- kommen vereinigt. Diese Verschmelzung kommt dadurch zu stände, I. Allgeraeine embryologische Gesichtspunkte. 99 dass beide Kerne sich nähern, bis die Vereinigung in der Mitte des Eies erfolgt (Fig. 77, 78, 79). Der Furchungskern ist dem- nach, wie Keller sehr verständlich auseinandersetzt, = Keimbläs- chen— Richtungskörperchen -{- Samenkern. Die Verminderung der Kernbestandteile durch Abgabe der Pol- zellen um die Hälfte ist rücksichtlich des damit verbundenen Zweckes noch nicht geklärt, und stehen sich da verschiedene Ansichten gegen- über. Möglicherweise hat Weissmann ^) recht, wenn er meint, es Fig. 77. Der Kopf des ein- gedrungenen Samenfadens hat sich zum Saraenkern a umgewandelt und rückt dem Eikern b näher. Fig. 7 7 bis 79. Fig. 78. Beide Kerne sind näher aneinander gerückt. Fig. 79. Eikern und Samen- kern sind zum Furchungs- kern verschmolzen. Befruchtetes Ei eines Seeigels nach Hertwi' handle sich um die Entfernung von Erbanlagen früherer Generationen, um die Abgabe von „Ahnenplasma". Zusammenfassung. Ehe der Samen eindringt, sucht sich das Ei der Hälfte seiner wirksamen Kernsubstanz zu entledigen , indem sich zwei Polzellen oder Richtungskörperchen abschnüren. Der übrigbleibende Teil des Kernes oder Keimbläschens wird zum Eikern. In das so veränderte Ei dringt nun der Samenfaden ein, dessen Mittelstück und Schwanz verschwinden, und dessen Kopf zum Samenkern wird. Eikern und Samenkern verschmelzen zum Furchungskern, der ersten Anlage des neuen, durch Vereinigung von Samen und Ei gebildeten Individuums. Letzteres erhält durch die beiden ersteren die Erbmassen der beiden Eltern. ^) Weissmann, Ueber die Zahl der Richtungskörperchen. Fischer-Jena 1887; und Weiss mann, Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Fischer- Jena 1892. S. 15. 100 4. Abschnitt. Die Zeugung. II. Eiitwickeluiiü; und Aeusseruiiü: des Oesclilechtstriebes. 1. Der Geschlechtscharakter. Mit dem Eintritte der Geschlechtsreife treten an den Haustieren gewisse Veränderungen auf, die sowohl ihre Formen wie ihren Cha- rakter betreffen. Das männliche Individuum ist breiter und tiefer im Rumpfe, kürzer in den Gliedern und gewöhnlich schwerer im Gewicht. Der Fig. 80. Typus des Hengstes (Ostfriese). Aufnahme durch Hofphotograph SchnäbeU er von verschiedener Farbe brachten, während die Kühe der Abteilung A nur Kälber von gleich- massigem Schwarz warfen, welche Farbe bekanntlich dem Angusvieh eigentümlich ist. Und dabei wurden auf beiden Seiten dieselben Bullen benutzt. Auf der Weide A bekamen die Kühe nun niemals buntes Vieh zu sehen, dagegen befand sich neben der Weide B geschecktes Ayrshirevieh , welches von den Anguskühen nur durch einen Draht- zaun getrennt Avar. In jener Zeit wurden jährlich 3 — 4 gesprenkelte Anguskälber geboren. Im Jahre 1890 weidete neben der Weide B rot und weisses Vieh, und wunderbarer Weise war von den 6 rein- gezüchteten Anguskälbern, die geboren wurden, ein Teil schwarz und weiss, ein anderer rot und weiss. Einige der Muttertiere waren schon mehrere Monate tragend, bevor ihnen die bunten Kühe zu Ge- sicht kamen, sodass das Versehen hier also nicht an die Zeit der Befruchtung gebunden war. 1891 wurden die der Weide B benachbarten Grundstücke aus- schliesslich mit schwarzem Vieh besetzt, und darauf waren sämtliche im Jahre 1892 geborene Kälber zum ersten Male schwarz mit Ausnahme eines einzigen, welches auf dem Rücken einen kleinen, weissen Fleck zeigte, ein Umstand, der aber ab und zu in der best- gehaltenen Herde vorkommt. Die Kälber von 1891 mit gescheckter Farbe und die schwarzen von 1892 hatten übrigens denselben Vater. Endlich wird ja im Volke jeder Schreck, den schwangere Frauen durch den Anblick ihnen unangenehmer oder missgestalteter Menschen und Tiere erleiden, in Bezug auf das Aussehen des Kindes für bedenklich gehalten , mag es sich nun um eine durch Krebs entartete Nase, um Mäuse oder um Avild gewordene Haustiere etc. handeln. Verständige, vorurteilsfreie Frauen versichern ja öfter, dass das Feuermal im Gesicht des Kindes davon herrühre, dass sie durch das Hineinwerfen von Krebsen in das kochende Wasser, durch plötzliche Berührung einer Maus oder durch Entweichen eines Bullen von seinem Stande während der Schwangerschaft erschreckt worden seien. Alle diese Fälle sind weder vererbungstechnisch noch ent- wickelungsgeschichtlich zu erklären. Ein Teil beruht auf Rück- schlägen, ein anderer auf Täuschungen, indem auch mal andere Vatertiere , als vom Züchter angenommen wurde , durch einen ihm 168 4- Abschnitt. Die Zeugung. nicht bekannten Zufall und gegen seine Anordnung Verwendung fanden, und endlich kommen auch bei Kindern Missbildungen und Feuermäler vor, ohne dass die Schwangeren irgendeinem heftigen Gemütsaffekte ausgesetzt waren. Immerhin aber ist die ganze inter- essante Materie noch nicht so weit geklärt, dass man das Versehen deshalb, weil man sich den Vorgang embryologisch nicht erklären kann, als wissenschaftlich undiskutabel in das Gebiet der Dichtung verweist und ihm jede Berechtigung abspricht. Tl. Die Bestimmung des Geschlechts. Allgemeines. Tägliche Erfahrung und Statistik lehren , dass beim Menschen und bei den Haustieren annähernd ebensoviele männliche als weib- liche Individuen geboren werden. Nach Oesterlen^) ergaben die Erhebungen, welche in Europa an 59 350000 Geburten angestellt Avurden, dass auf 100 Mädchen 10G,3 Knaben entfallen, ein Verhältnis, welches Düsing-') auch für Preussen bestätigt, und welches dadurch ausgeglichen wird, dass im ersten Lebensjahre mehr Knaben als Mädchen sterben oder totgeboren Averden, sodass schliesslich im späteren Lebensalter die Frauen den Männern an Zahl voranstehen. Bei Pferden kommen auf 98,8 Hengstfohlen 100 Stutfohlen ^), und bei Schafen ist das Prozentverhältnis ein ähnliches, während beim Schweine und beim Rinde die männlichen Geburten über- wiegen '^). Da die Geburten auch in den einzelnen Ländern einander in Bezug auf Geschlechter die Wage halten, gleichgültig ob diese Länder in der warmen oder kalten Zone liegen und deren Bewohner mehr von animalischer oder pflanzlicher Kost leben, so muss zweifellos eine strenge Gesetzlichkeit obwalten, Avelche es verhütet, dass einzelne Völker oder einzelne Tiergattungen von der Erde verschwinden. ^) Schenk, Einfluss des Geschlechtsverhältnisses. Schallehn u. Wohlbrück- Magdeburg 1898. S. 9. ^) Düsing, Das Geschlechtsverhältnis der Geburten in Preussen. Staats- wissenschaftliche Studien. Jena 1890. B. 111. Heft 6. S. 1. ^) Derselbe, Preussische landw. Jahrbücher 1892. S. 275. *) Wilkens, Kochs Enzyklopädie III. S. 579. VI. Die Bestimmung des Geschlechts. 169 Die Bahnen dieses Naturgesetzes zu ergründen, ist nun seit alters her das Bestreben des forschenden Menschengeistes gewesen, ohne dass man trotz der vielen auf diesen Gegenstand verwendeten Mühe und Arbeit über Theorien hinausgekommen ist, die meistens ebensoviel für als gegen sich haben. Jedenfalls können wir nach dem heutigen Stande der Wissenschaft die Entstehung eines be- stimmten Geschlechts noch nicht herbeiführen, und ob das in Zukunft je gelingen wird, ist mehr als zweifelhaft. Die verschiedenen Theorien lassen sich nun in folgende Gruppen bringen : 1. Die Geschlechtsbildung beruht auf erblicher Anlage seitens der Zeugenden. Wie schon S. 98 erwähnt, besteht die Befruchtung in einer innigen Verschmelzung der Kerne der beiderseitigen Geschlechtszellen. Diese Kerne stellen eine hochorganisierte Materie dar, die sich aus kleinsten Grundelementen zusammensetzt. Die letzteren sind als Re- präsentanten der Formen und Eigenschaften ihres tierischen oder menschlichen Trägers aufzufassen. SoAveit es den BildungsstoflP für die Geschlechtsanlagen betrifft, müssen sich in jedem Samen- und Eikerne Urkeimchen für die männlichen und Aveiblichen Geschlechtsorgane finden, welche je nach dem Grade ihrer Mischung oder der Ueberlegenheit in der Zahl ein männliches oder weibliches Individuum zur Entstehung bringen. Energie und Menge der Urkeimchen würden demnach das Ge- schlecht des Jungen bestimmen und auch die praktische Erfahrung verständlich machen, dass einzelne Tiere ausschliesslich oder vor- wiegend nur männliche, andere dagegen nur weibliche Nachkommen liefern, und dass diese Leistungsrichtung in vielen Fällen auch erb- lich, also von den Eltern bereits im Keime übertragen ist. Nach einer anderen Theorie sollen die einzelnen Samenfäden und Eichen nur einseitig , also nur männlich oder nur weiblich ver- anlagt sein, und zwar sollen bei den uniparen Individuen männlich und weiblich veranlagte Eier bei den einzelnen Brunstzeiten ab- wechseln. Da bei der Vielzahl der ergossenen Spermatozoen immer beide Arten vorhanden sind, so ist ausschliesslich das Ei massgebend. Nach einer dritten Annahme sollen sogar die Geschlechtsdrüsen eingeschlechtlich eingerichtet sein , indem der rechte Eierstock und Hoden nur männlich, die linksseitigen Organe dagegen nur weiblich veranlagte Geschlechtszellen produzieren. 170 4. Abschnitt. Die Zeugung. Diese schon von Hipp ok rat es aufgestellte und besonders von Hencke^) weiter ausgebaute Theorie, wonach schon eine gewisse Lage oder Stellung bei der Begattung den Erfolg sichern sollte, wird dadurch widerlegt, dass erfahrungsgemäss einhodige Individuen ver- schieden geschlechtliche Nachkommen erzeugen. 2. Die Geschlechtsbildung wird durch äussere Umstände vor und während der Befruchtung beeinflusst. a) Die Kondition. Hier handelt es sich einmal um die allgemeine und weiterhin auch um die Greschlechtskondition. Was die erstere anlangt, so gipfelt die Lehre von der Bedeutung derselben in der Anschauung, dass der stärkere und besser ernährte Teil nicht sein eigenes, sondern das entgegengesetzte Geschlecht über- trägt. Bei dieser gekreuzten oder retroversalen Geschlechtserzeugung liegt der Schwerpunkt also in erster Linie beim Männchen, und hat man die Beobachtung gemacht , dass nach Kriegen , militärischen Uebungen etc. mehr Knaben als Mädchen geboren werden, ein Er- fahrungssatz, den man aber ebensogut im entgegengesetzten Sinne deuten kann, denn bekanntlich machen derartige mit Entbehrungen verbundene Anstrengungen den Körper nicht matt und schlaft", son- dern kräftigen ihn vielmehr häufig in ungeahntem Masse. Der amerikanische Farmer Fiquet^) empfahl in Anlehnung hieran auf Grund seiner in der Prärie gemachten Erfahrungen die Kondition systematisch durch die Ernährung zu beeinflussen, und zwar sollte man , um Bullenkälber zu erzielen , den Bullen schlecht und die Kuh gut futtern und die letztere erst bei einer Wiederkehr der Brunst und nicht gleich bei der erstmaligen Aeusserung derselben decken lassen, um die Zeit für die Vorbereitung zu verlängern. Der Bulle wurde depotenziert, die Kuh dagegen potenziert. Diese Fiquetsche Empfehlung ist einmal in ihrer Durchführung sehr umständlich, dann aber auch durch die Erfahrungen der Praxis durchaus nicht bcAviesen. ^) Hencke, Geheimnis der Natur etc. Braunschweig 1876. Zit. von Schenk, Einfluss auf das Geschlechtsverhältnis. *) Janke, Die willkürliche Hervorbringung des Geschlechts bei Menschen und Haustieren. Berlin und Leipzig 1888. Zit. v. Schenk, Lehrbuch der Ge- schlechtsbestimmung. Marhold-Halle 1901. S. 46. VI. Die Bestimmung des Greschlechts. 171 Ein ähnlicher Einfluss wie der Gesamtkondition wird auch der geschlechtlichen Inanspruchnahme , der Geschlechtskondition, zuge- sprochen. Stark angestrengte männliche Zuchttiere sollten mehr männliche und geschlechtlich geschonte mehr weibliche Nachkommen produzieren. Mit letzterer Frage hat sich besonders Düsing^) beschäftigt und nachgewiesen , dass die Zahl der männlichen, Geburten steigt, wenn die Hengste durchschnittlich in einem Jahre eine grössere Zahl von Stuten decken. Ferner hat er gefunden, dass die Hengste bei täglich nur einem Sprunge auf je 100 Stutfohlen 93,94 Hengstfohlen zeugten, deren Verhältniszahl, wenn an einzelnen Tagen mehrere Sprünge geleistet und dabei nur der zweite Sprung in Anrechnung gebracht wurde, sich auf 98,44 und beim dritten auf 112,43 Stück erhöhte. Da für gewöhnlich auf 100 Stutfohlen nur 98,8 Hengstfohlen entfallen, so wird im letzteren Falle das geAvöhnliche Mass um rund 14 und gegenüber dem nur einmaligen Sprunge um rund 18% über- schritten. Düsin g glaubt, dass die Männchen bei starker Inanspruch- nahme ihrer Hoden mit jungen Spermatozoen befruchten, und dass diese männliche Geburten bewirken. Inwieweit die D ü s i n g sehen und die F i q u e t sehen Theorien richtig sind, Hesse sich am ehesten in der Ziegenzucht nachweisen, denn hier sind die Böcke bei der üblichen Art ihrer Haltung kärg- lich ernährt, ferner geschlechtlich sehr in Anspruch genommen und endlich meist nur ein halbes Jahr alt, so dass drei Momente zu- sammentreffen, um die Geburt von Bocklämmern zu sichern. Trotzdem werden aber auch nach Verwendung derartig depoten- zierter Väter annähernd ebensoviele weibliche als männliche Zickel geboren ; leider fehlt nur hierüber eine hinreichende Statistik. b) Das Alter der Erzeuger. Nach der Hofacker^)-Sadlerschen^) Theorie sollten mehr Knaben als Mädchen geboren werden, wenn der Mann älter ist als ^) Düsing, Ueber die Regulierung der Geschlechtsverhältnisse bei Pferden. Preussische landw. Jahrbücher 1892. S. 279. ^) Hofacker, Ueber die Eigenschaften, welche sich bei Menschen und Tieren auf die Nachkommen vererben, Tübingen 1828. Zit. v. Settegast, Die Tierzucht. V. Aufl. S. 91. ^) Sadler, The Law of population. London 1830. 172 4. Abschnitt. Die Zeugung. die Frau und umgekehrt melir Mädchen, wenn die Frau den Mann an Jahren übertrifft. Diese Ansicht wurde durch eine Beobachtung an dem englischen Vollbluthengste Sir Hercules bestätigt, der im Alter von 27 Jahren 23 Stuten deckte und mit diesen 24 Hengstfohlen erzeugte ^) (eine Stute gebar Zwillinge). Nach Rosenfeld ^) ist die obige Anschauung aber nicht zu- treffend, denn nach den statistischen Erhebungen in Wien wurden die meisten Knaben erzeugt, wenn die Frau älter war als der Mann. Die von dem berühmten Leipziger Gelehrten Bock vertretene Lehre, dass ein konzentrierterer , reiferer Same mehr Knaben er- zeuge, ist als unhaltbar allgemein verlassen. c) Der Relfezustand des Eies. Diese Theorie hat mit den potentiellen Verhältnissen der Eltern nichts zu tun, sondern bei ihr ist der Reifungszustand des Eies mass- gebend. Der Begründer der Anschauung ist der Genfer Professor Thury. Nach ihm sollen die Eier nach ihrer Loslösung vom Eierstocke im Eileiter noch eine Art Nachreifung durchmachen. Werden dieselben zu dieser Zeit befruchtet, so entsteht ein Männchen, sonst aber ein weibliches Produkt. Da die Ablösung des Eies mit dem Beginne der Brunst erfolge, so sollen Muttertiere, die zu Anfang derselben gedeckt werden, weib- liche, und solche, die nicht sofort zum Sprungtiere kommen, männ- liche Nachkommen gebären. Diese Theorie machte natürlich Aufsehen und wurde bei ihrem Erscheinen zu Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts verschiedentlich nachgeprüft, und zwar teils mit glänzendem Erfolge, wie im Kanton Waadt, wo von 22 nach Thur^^s Vorschrift ge- deckten Kühen 22 Kuhkälber fielen ^) , teils aber auch mit durchaus negativen Ergebnissen, so dass sie jetzt als abgetan gilt. Wäre sie zutreffend, so müssten beim gemeinsamen Weidegange und bei den in Freiheit lebenden Tieren viel mehr Weibchen geboren werden, weil der Bulle, Schafbock, Rehbock und Eber das brünstige Tier ') Graf Lehndorff, Handbuch für Pferdezüchter. S. 27. 2) Rosenfeld, Wiener medizin. Blätter 1898. Nr. 38. Zit. v. Schenk, Lehj-buch der Geschlechtsbestimmung. S. 64. ^) Keller, Vererbungslehre und Tierzucht. Parey-Berlin 1895. S. 83. VI. Die Bestimmung des Geschlechts. 173 sofort herausfindet, und deshalb die Bedeckung in der Regel früher erfolgt, als wenn dasselbe erst durch sein Benehmen dem Wärter seinen Brunstzustand anzeigt. Ferner ist es auch sehr fraglich , ob das Ei nach seiner Ab- lösung vom Eierstocke durch Nachreifung noch eine Art von Stär- kung und nicht vielmehr eine Verschlechterung seines Zustandes er- fährt, da unbefruchtete Eier sehr bald dem Absterben anheimfallen. 3. Die Geschlechtsbestimmung erfolgt vor oder nach dem Zeugungsakte durch Beeinflussung der mütterlichen Ernährung. Diese Theorie setzt im ersteren Falle voraus, dass die in den Follikeln vorhandenen Eichen zu männlichen oder weiblichen Keim- lingen herausgebildet werden können. Erfolgt eine Beeinflussung aber erst nach der Verschmelzung der beiderseitigen Erbmassen, so muss in jedem Embryo eine doppelte Geschlechtsanlage vorhanden sein. Dadurch wird derselbe aber nicht zum Zwitter, sondern zu einer Art Neutrum, denn eine geschlecht- liche Differenzierung ist bei ihm überhaupt noch nicht zu erkennen. Bei vielen Autoren herrscht nun die von anderer Seite wieder bestrittene Ansicht vor, man könne durch eine reichliche Ernährung der Weibchen die Hervorbringung weiblicher Nachkommen begünsti- gen, und diese Lehre hat der bekannte Wiener Embryologe Schenk beim Menschen weiter auszubauen versucht. Schenk^' ^) regelt die mütterliche Ernährung aber bereits vor der Konzeption und sucht damit die der Reifung entgegensehenden, noch im Eierstocke befindlichen Eier zu männlichen Keimlingen aus- zugestalten. Will man sich in Schenk s Lehre, die sehr schwer verständlich ist, vererbungstechnisch hineindenken, so muss man an- nehmen, dass er durch seine Methode die zweifellos in jedem Ei vor- handenen weiblichen Urkeime in ihrer Wirksamkeit herabsetzen und die männlichen kräftigen will. Nach ihm soll der vermehrte Eiweisszerfall die Geburt von Knaben begünstigen. Er bestimmt daher den Stickstoff im Harn, multipliziert ihn mit 6,5 und berechnet so den Eiweissumsatz, dessen notwendige Menge er für eine Frau, soll sie genügend für seine Be- ') Schenk, Einfluss auf das Geschlechtsverhältnis. Schallehn u. Wohl- brück-Magdeburg 1898. ^) Schenk, Lehrbuch der Geschlechtsbestimmung. Marhold-Halle 1901. 174 4. Abschnitt. Die Zeugung. handlungszwecke vorbereitet sein, auf täglich 110 g beziffert, womit aber eine Gewichtsabnahme von 2 — 3 kg während der Vorbereitungs- zeit verbunden sein muss. Ist der Eiweissumsatz zu gering, so wird die Nahrung derartig verändert, dass das Ei weiss in derselben vermehrt, die Fette und Kohlehydrate dagegen verringert werden. Nach dieser Methode will Schenk 21 Fälle von Knabengeburten hervorgerufen haben. Soll die Behandlung Erfolg haben, so müssen nach ihm die Stoffwechselvorgänge normale sein, was aus der Abwesenheit von Zucker im Harn zu ersehen ist. Ist letzterer vorhanden, so gilt der Erfolg der Behandlung als zweifelhaft, Zusammenfassung. Nach alledem handelt es sich bei der Erklärung der Geschlechts- erzeugung nach wie vor um Theorien, denn auch Schenk hat das alte Rätsel um keinen Zoll breit der Lösung näher gebracht. Annehmen darf man, dass sowohl Ei wie Samenfaden männ- liche und weibliche Erbmassen besitzen, die nach ihrer Vereinigung im Furchungskerne in Wettstreit treten. Menge und Energie be- dingen den Erfolg. Beide können vererbt, möglicherweise aber auch durch die Kondition der Eltern, das Alter der Geschlechtszellen und die Art der Ernährung der Mutter beeinflusst werden. Je weniger man im stände ist, die Ursachen der Geschlechts- bestimmung zu erklären, umsomehr muss man die Natur bewundern, welche gegenüber allen Lebewesen eine derartige Gesetzmässigkeit in der annähernd gleichen Verteilung der Geschlechter so sicher und regelmässig durchführt. Fünfter Abschnitt. Die Züclitung. I. Allgemeine Gesichtspunkte. Die Haustierzuclit verlangt, wie jeder andere landwirtschaftliclie Erwerbszweig, eine bestimmte Rente. Wo diese fehlt, krankt auch die Zucht und macht meist der Viehhaltung Platz, wie das fast aus- nahmslos in der Umgebung grosser Städte der Fall ist. Auf die einzelnen Zweige der Haustierzucht üben nun folgende Punkte einen besonderen Einfluss aus : a) Boden und Klima. b) Besitzverhältnisse. c) Die Art des Absatzes. d) Die staatliche Fürsorge. Seit alters her zeichnen sich die Weidedistrikte am Meeresgestade, an den Ufern der grossen Flüsse und im Gebirge durch eine geAvinn- bringende Viehzucht aus. Boden und Klima sind dem Graswuchs günstig, Getreidebau ist teils nicht, teils wegen der klimatischen Ver- hältnisse nur in beschränktem Masse möglich, und das Gras muss an Ort und Stelle von den Tieren verzehrt werden, weil seine Trocknung zu Heu, oder weil seine Einbringung in die Aufbewahrungsräume schwierig oder undurchführbar ist. Da solche Gegenden auch in der Regel dünn bevölkert sind, und die verschiedenen tierischen und pflanz- lichen Produkte in der Umgebung ihres Entstehuugsortes nicht ver- wertet werden können, so ist die Tierzucht hier die rentabelste Wirt- schaftsweise und in ihrem materiellen Erfolge umso besser, je mehr Klima und Boden den Anforderungen der anspruchsvollen Kulturrassen gerecht, und je hochwertigere Tiere gezogen werden. Die Besitzverhältnisse sind ebenfalls von grossem, wenn auch mehr von indirektem Einflüsse. 176 5. Abschnitt. Die Züchtung. Die Produktion eines jungen Tieres ist mit der Vereinigung der beiden elterlichen Zeugungsstoffe bei weitem nicht abgetan, sondern nunmehr verlangen die befruchteten, weiblichen Tiere eine sorgsame Pflege und Behandlung. Diese wird den letzteren erklärlicherweise durch den eigenen Besitzer am ehesten zu teil, und deshalb pros- periert die Zucht auch dort am besten, wo die Familienmitglieder mit den tragenden Stuten fahren, oder die Hausfrau die Wartung der Kühe selbst besorgt oder wenigstens mit wachsamem Auge ununter- brochen kontrolliert. In Betrieben, in denen die Beaufsichtigung und die pflegliche Fürsorge für die Zuchttiere besonderen Beamten als Haupt- oder ausschliessliche Beschäftigung anvertraut ist, gedeiht die Zucht meist ebenfalls, wie das die Gestüte, die Schäfereien und die grossen Schweinezuchtanstalten beweisen. Demnach wird in der Regel der mittlere und bei Rindern auch der kleinere Grundbesitzer der hauptsächlichste Träger der Viehzucht sein, und der Grossgrundbesitz sich mit diesem Zweige nur dann er- folgreich beschäftigen können, wenn die Ausdehnung des Betriebes die Haltung besonders geschulter Beamter oder Bediensteter gestattet. Während nun aber der mittlere und kleine Besitzer namentlich dann, wenn Staat oder Gemeinde ihm die erforderlichen männlichen Zuchttiere stellen, meist gut züchtet, geht ihm oft die Möglichkeit ab, die erzüchteten Produkte überhaupt aufzuziehen oder durch die Auf- zucht zu hochwertigen Verkaufstieren heranzubilden, denn es fehlen ihm einmal die Weiden, um den Tieren freie Bewegung und dadurch auch gutes Gangwerk zu verschaffen, ferner mangelt es nicht selten dem Stalle an Platz, Luft und Licht, und endlich kann sich der Wirt mit der Vorbereitung der Tiere für den Verkauf nicht beschäftigen, weil es ihm an Verständnis oder an Zeit fehlt. Deshalb ist es für ihn zweckmässig, diejenigen Individuen, die er nicht zum Ersätze der abgängigen, eigenen Zuchttiere braucht, nach der Abgewöhnung von der Mutter zu verkaufen und zwar an solche Besitzer, welche deren Aufzucht in grösserem Umfange betreiben, wie das z. B. in Ostpreussen mit den zu Remontezwecken aufzuziehenden Fohlen und in den Marschen oder in den Gebirgsgegenden mit den von hervorragenden Vatertieren abstammenden Kälbern der Fall ist. Auf diese Weise bekommt der kleinere Besitzer eher Geld in die Hände, auch verliert er das Risiko, welches ihm die sich oft über mehrere Jahre erstreckende Aufzucht des Nachwuchses verursacht. Was weiterhin die Absatzverhältriisse anlangt, so ist ein lohnen- der Preis für die Zuchtprodukte durchaus nötig, und dieser hängt II. Die Auswahl der Zuchttiere in Rücksieht auf Privat- und Landeszucht. 177 wieder von der allgemeinen Nachfrage ab. Letztere wird durch den Bedarf im Inlande und durch den staatlichen Schutz gegen die Kon- kurrenz aus dem Auslande geregelt. Deutschland importierte im Jahre 1901 (s. S. 2) noch rund 100000 Pferde, 238000 Rinder und 79000 Schweine; es hat somit noch viel Raum für den Absatz seiner eigenen Zuchtprodukte im Inlande. Der Bedarf in letzterem ist daher ein wesentlicher Grad- messer für die Prosperität der einzelnen Zuchtzweige, und die Pro- duktion muss sich diesem nationalen Bedürfnisse anpassen, soweit das wirtschaftlich nutzbringend ist. Der Deckung eines solchen Inlandbedarfes genügt z. B. Ost- preussen in Bezug auf Remontepferde, und weil der ostpreussische Züchter für seine jungen Halbblutpferde in der Militärverwaltung einen so sicheren Abnehmer hat, deshalb befleissigt er sich dieses Produktions- zweiges; der Staat kommt ihm dabei durch Bereitstellung passender Hengste zu Hilfe. Hörte dieser Absatz auf, was indessen nie der Fall sein wird, so würde Ostpreussen voraussichtlich ebensogut ein kaltblütiges Pferd züchten und mit diesem die Anforderungen der westlichen Provinzen befriedigen können, die jetzt ihr schweres Pferde- material zum grossen Teile aus dem Auslande beziehen. Inwieweit die staatliche Fürsorge die Zucht fördern kann, geht aus dem sechsten Abschnitt dieses Buches (s. S. 230) näher hervor. Hier mag nur der Hinweis genügen, dass sich dieselbe erstreckt auf die staatliche Ueberwachung der öffentlich deckenden Zuchttiere, auf die Beschaffung guter Hengste durch die Unterhaltung von Gestüten, auf die Gewährung von Staatsmitteln und auf den gesetzlichen Schutz der heimischen Viehbestände gegen Tierseuchen. II. Die Auswahl der Zuchttiere in Rücksicht auf Privat- und Landeszucht. Die sorgsame Auswahl der Zuchttiere stellt einen der wichtigsten Grundpfeiler dar, auf dem sich das Gebäude und der Erfolg der Zucht aufbauen. Die Beurteilung und die Wertbemessung der Zuchtqualität muss sich aber nach dem Stande und dem Endzwecke der Zucht richten, und sind hierbei folgende, allgemeine Regeln zu berücksichtigen. Fehlerlose Tiere sind seltene Erscheinungen, auch sind die An- sichten selbst erfahrener Sachverständiger oft darüber geteilt, was man im konkreten Falle als Fehler anzusprechen hat und was nicht. Pusch, Allgemeine Tierzucht. 12 178 5. Abschnitt. Die Züchtung. Einzelne Mängel können bei Zuchttieren durcli gewisse hervor- ragende Eigenschaften vollständig aufgewogen werden, die Beachtung von Kompensationen ist deshalb sehr wichtig. Gut genährte Tiere sind mageren gegenüber gewöhnlich im Vor- teil, weil mancher Baufehler durch Fleisch und Fett verdeckt wird, und das runde, glatte, wohlgepflegte Individuum an sich schon einen guten Eindruck macht; es ist deshalb auch im allgemeinen viel schwerer, gut genährte Tiere richtig zu beurteilen, als magere. Dabei ist zu prüfen, ob eine volle, bestechende Körperform auf ein Ueber- mass von Futter oder auf eine gute Verwertung normaler Nährstoff- mengen infolge guter Nerven und leistungsfähiger Verdauungsorgane zurückzuführen und die Körperfülle durch straffe Muskulatur oder lose Fettpolster hervorgerufen ist. Der Hochzüchter hat nun einen anderen Masstab anzulegen, als der G-ebrauchszüchter und der Leiter einer genossenschaftlichen oder Landeszucht. Der Hochzüchter ist meist auch Privatzüchter und Architekt, Baumeister und Bauherr in eigener Person. Er sucht das passende Material aus, paart es, beeinflusst schon durch die Haltung der Mutter- tiere die Ausbildung der Jungen im Mutterleibe und kontrolliert deren erstes und fortgeschrittenes Entwickelungsstadium nach der Geburt. Er kann daher einer durch den Paarungs- und Vererbungsprozess entstandenen Verfeinerung der Nachzucht durch abhärtende Haltung vorbeugen und die Neigung zur Grobheit durch entsprechende Fütterung bis zu einem gewissen Grade abschwächen. Er ist freier in der Wahl und sicherer im Erfolge als derjenige, der Hochzuchten zu leiten hat, die innerhalb Genossenschaften oder in grösseren Distrikten getrieben werden, da letzterem sowohl die Zuteilung der Vatertiere, Avie der ungehinderte und ununterbrochene Einfluss auf die Haltung der tragenden, säugenden und wachsenden Tiere in der Regel aus mancherlei Gründen nicht möglich ist. Es fehlt schon oft der günstige Einfluss der Ausgleichung durch die Paarung und weiterhin auch die Gleich- mässigkeit bei der Aufzucht, sodass der Nachwuchs weniger oft wie aus einem Gusse erscheinen wird, als beim Privatzüchter. Beide Persönlichkeiten können aber dennoch nur hochwertiges männliches Zuchtmaterial gebrauchen und ausnutzen, was in vielen Landeszuchten, wo es sich Aveniger um die Produktion von Zucht-, als vielmehr um eine solche von Gebrauchsvieh handelt, nicht immer angängig und namentlich nicht rentabel ist. Die Ansprüche an die Zuchttiere müssen hier oft sehr bescheidene II. Die Auswahl der Zuchttiere in Rücksicht auf Privat- und Landeszucht. 179 sein, und wenn man dieses Prinzip nicht erfasst, so nutzt man der Sache meist zu wenig. Die Besserung der Qualität kann hier nur allmählich erfolgen, und mit ihr muss die Vervollkommnung in der Haltung der Zuchttiere sowohl wie ihrer Nachzucht gleichen Schritt halten. Dort wo junge Landeszuchten einzurichten oder ältere, unter bescheidenen Boden- und Wirtschaftsverhältnissen getriebene zu bessern sind, ist die Schwierigkeit in der Regel noch grösser, weil hier zwar meist die Mittel zur ersten Beschaffung der männlichen Zuchttiere durch die Unterstützung des Staates oder der landwirtschaftlichen Kor- porationen zur Verfügung stehen, die finanzielle Knappheit sich aber dann bei der Notwendigkeit des Ersatzes oder der Unterhaltung der Vatertiere einstellt. Hier können solche Individuen schon von aus- gezeichnetem Nutzen sein, welche anderwärts die Zucht nicht fördern, sondern sogar schädigen würden. Mei-st muss darauf Bedacht ge- nommen werden, dass die Nachzucht einen wirksamen Impuls zum besseren Wachstum, zur höheren Futterausnutzung und grösseren Leistung erhält, ohne dass man allzugrossen Wert auf die Vervoll- kommnung und Veredelung der Formen zu legen hat. Die robusten, in der Konstitution festen, wenn auch etwas gröberen, mittelgrossen Vatertiere sind dann den edleren, feineren, in der Haltung anspruchs- volleren und auch den übermässig grossen, auf viel Futter angewiesenen vorzuziehen. Der Zuchtleiter muss daher individualisieren und sich nach der Decke strecken ; ein ruhiges, stetes Vorgehen ist dem sprung- weisen immer vorzuziehen. Wo der Staat durch Landgestüte die Pferdezuchtverhältnisse beeinüusst, werden die wertvolleren Hengste dorthin geschickt, wo sich das beste Stutenmaterial befindet, und die Landespferdezucht prosperiert auch in denjenigen Gegenden am besten, in denen wie in Ostpreussen, Hannover und dem Rheinlande die Ziele derselben mit den wirtschaftlichen Erfordernissen und den Absatzverhältnissen im Einklänge stehen. Oft sind aber gerade dort die Ansprüche am grössten, wo man in der Zucht am wenigsten leistet. Wenn hier eine schlechte Stute ein mangelhaftes Fohlen bringt, so liegt der Misserfolg nach der Ansicht solcher Züchter niemals an der ersteren, sondern immer nur an dem schlechten Hengste. 180 5- Abschnitt. Die Züchtung. III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 1. Die Musterung der Tiere. Nachdem man sich genau überlegt hat, was man kaufen will und nachdem man sich im allgemeinen über die Preise unterrichtet und mit diesen die Summe verglichen hat, die man anzulegen in der Lage ist, schreitet man zur Musterung der Tiere. Zuerst besichtigt man die letzteren entweder auf der Weide oder im Stalle des Besitzers oder auf dem Markte in der Reihe, und zwar soll man hierbei möglichst den ganzen Bestand oder die ganze Herde durchsehen, um sich einen Gesamtüberblick über das vorhandene Material oder den Stand der Zucht zu verschaffen. Geschäftskundige Verkäufer halten je nach Umständen bisweilen sowohl die schlechtesten wie auch die besten Tiere verborgen. Bei dieser allgemeinen Musterung darf man nicht unbeachtet lassen, dass Rinder und Pferde in den meisten Händlerställen und auch in vielen Ställen solcher Besitzer, die regelmässig Zuchttiere zum Verkaufe stellen, insofern vorteilhaft stehen, als sich der Tierstand immer mehrere Zentimeter über der Stallgasse befindet. Dadurch er- scheinen die Individuen grösser als sie sind, und das Gleiche ist der Fall, wenn sie auch nur vorn hoch stehen, wie das auf vielen Muste- rungsplätzen und Märkten üblich ist. Ferner ist zu beachten, dass Tiere im hohen Stalle kleiner und im niedrigen grösser aussehen. Das letztere ist auch auf der baum- losen Weide der Fall, während dieselben anderseits an Ansehen verlieren, wenn man sie in der Nähe hoher, engstehender Gebäude mustert. Desgleichen täuscht man sich, wenn man schwere Tiere nach leichten — Kaltblüter nach edlen Pferden oder Shorthornrinder nach Anglern — beurteilt, wobei man dann die ersteren meist in Bezug auf Stärke und Schwere überschätzt. Vor derartigen Irrtümern schützen ja der Messtock, das Messband und die Wage, aber die beiden ersteren hat man nicht immer zur Hand, und die Wage wird namentlich seitens des Händlers geradezu ängstlich vermieden, avo es sich um den Verkauf von Zucht- oder Nutzvieh, mit Ausnahme der Zugochsen, handelt. Hat man sich nun für das eine oder andere Tier entschieden, so lässt man dasselbe herausnehmen mid auf möglichst ebenem Boden so hinstellen, dass man es von allen Seiten betrachten kann. III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 181 Dabei prüft man zuerst die Rassezeichen, sofern es sich um Tiere bestimmter Rassen bandelt, und dann den Abstammungsnachweis, indem man die Angaben auf dem Zuchtbuch- oder Herdbuchauszuge mit Farbe, Abzeichen, Ohrnummer, Brandzeichen etc. des Tieres ver- gleicht. Weiterhin sucht man aus der Beschaffenheit des Auges, der Haut, des Hornes, aus dem Ohrenspiel, der Atmung, der Haltung und Stellung und aus dem ganzen Benehmen Schlüsse auf Gesundheit, Widerstandskraft (Konstitution), Temperament und Adel zu ziehen und beurteilt dabei das Alter, den Körperbau im allgemeinen, die Glieder, das Gangwerk und nicht zum mindesten Euter und Geschlechtsorgane. Ist man in der Lage die Nachzucht zu sehen, so ist das umso besser. Dass man gewöhnlich auf die Untersuchung der männlichen Tiere eine grössere Sorgfalt verwendet, liegt nicht in dem Umstände, dass sie einen grösseren Anteil ihrer Eigenschaften auf die Nach- kommen übertragen als Stute, Kuh, Mutterschaf oder Sau, sondern dass sie gegenüber letzteren eine grössere Anzahl von Produkten er- zeugen und somit auch eine viel grössere Bedeutung für die Zucht besitzen. Daraus erklärt sich auch ihr im allgemeinen viel höherer Preis. 2. Messungen und Wägungen. a) Messungen. Schon seit langer Zeit ist man bestrebt gewesen, für die Be- urteilung der Haustierformen eine bestimmte wissenschaftliche Basis zu schaffen. Von der Mitte des vorigen Jahrhunderts ab hat nun Roloff in Anlehnung an die Arbeiten Z e i s i n g s den goldenen Schnitt und Settegast seine Proportionslehre als Grundlage für eine wissen- schaftliche Wertbemessung der Grösse der einzelnen Körperteile in ihrem Verhältnis zueinander und zum Gesamtkörper aufgestellt, doch haben sich beide Methoden keinen Eingang in die Praxis verschafft, weil die Lehre von der Harmonie im Bau in ihrer Anwendung für den Praktiker zu umständlich und in ihren Ergebnissen für die Be- urteilung der Brauchbarkeit eines Tieres meist ohne Bedeutung ist. Anders liegt es mit der Abnahme der absoluten Masse. Die- selben geben bestimmte Anhaltspunkte, korrigieren die auf Schätzung beruhenden und deshalb oftmals falschen Schlüsse und legen das Be- urteilungsergebnis in bestimmten Zahlen fest, wodurch es auch eine 182 5. Abschnitt. Die Züchtung. für die Nachwelt wertvolle Objektivität erhält. Denn wenn man aus der Literatur erfährt, in dem oder jenem Lande waren die Pferde früher gross oder klein, schmal oder breit, so kann man sich von der Grösse oder Breite doch noch kein richtiges Bild machen, weil man nicht weiss, welchen Masstab der Berichterstatter seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat. Zunächst begann man nun damit, Pferde zu messen, und zwar handelte es sich dabei nur um die Feststellung der Widerristhöhe, die mit dem Bandmasse und später mit dem Stockmasse (Fig. 100) abgenommen wurde, weil dieses in seinem Ergebnis sicherer und von dem Ernährungszustande unabhängig ist. Die Unterschiede beider Masse betragen je nach dem letzteren bei Pferden 4- — 12 und bei Rindern sogar bis zu 15 und noch mehr Zentimeter (s. S. 188). Das Stockmass ermöglicht indessen nur die Abnahme der Höhen- masse, wodurch auch Abweichungen in dem normalen Verhalten der Rückenlinie ermittelt werden können, während die Breiten- und Tiefenmasse des Rumpfes mit demselben nicht festzustellen sind. Deshalb musste man zu diesem Zwecke andere Instrumente und zwar Messtöcke mit zwei Balkenauslagen herstellen, die von Krämer- Zürich^) und Lydtin -Karlsruhe") konstruiert und in die Praxis ein- geführt worden sind (Fig. 101 und 102). Namentlich hat Lydtin den Messtock in der badischen Landes- rinderzucht auf Grund staatlicher Verordnung allgemein in Anwendung gebracht und mit demselben in Anlehnung an andere behördliche Massnahmen in der ersteren grosse Erfolge erzielt, welche Veranlas- sung geworden sind, die Messungen auch anderwärts einzuführen. Bei dem Lydtin sehen Verfahren handelt es sich um die Fest- stellung der Höhe (Grösse) und Länge des Tieres, der ebenen Be- schaifenheit des Rückens, der Breite und Tiefe der Brust und der Breite des Beckens, also um die Ermittelung der Regelmässigkeit des Wuchses und der körperlichen Entwickelung. Es dient der Messtock daher nur der Beurteilung des Körperbaues, während Rasseeigen- schaften, Adel, Gesundheit und Nutzungszeichen nach wie vor der Prüfung durch das Auge vorbehalten bleiben, und der Brustumfang und auch die Stärke des Vordermittelfusses (Röhrbein, Schiene), auf welche in der Pferdezucht in neuerer Zeit ein grosses Gewicht gelegt wird, mit dem Bandmasse abgenommen werden müssen. ') Krämer, Das schönste Rind. Parey-Berlin 1894. S. 21. ^) Lydtin, Verbessertes Verfahren zur Beurteilung von Zucht-, Nutz- u. Preistieren. Karlsruhe 1880. Braunsche Hofbuchhandlung. 111. Die Beurteilung dei- Zuchttiere. 183 Dem Messtock wird nun zwar vorgeworfen, dass er ungenaue Resultate liefere, weil die Anlegepunkte für die Gabeln nicht immer Fig. lf>0. Pferdemesstock zum Messen der WideiTisthöhe. (Hauptner-Berlin.) Fig. 101. Viehniesstock nach Lydtin. (Hauptner-Berlin.) genau zu fixieren und die fleischigen Tiere den mageren gegenüber im Vorteile sind. Wenngleich man diesen Einwänden in gewisser Beziehung recht geben muss, so ist doch ander- seits zu betonen, dass die Handhabung des Mess- stockes eine gewisse Uebung verlangt, und der Geübte sehr bald herausfindet, wo er die Gabel am besten anlegt, sodass die Fehlerquelle auf ein Minimum reduziert werden kann. Weiter- hin liegen ja aber auch ähnliche Verhältnisse bei der Benutzung des Messbandes vor, und doch wird schon seit vielen Jahrzehnten der Brustumfang bei der Aushebung der Rekruten und neuerdings auch der Röbrbeinumfang bei Zuchtpferden gemessen, obgleich beide Masse durch das Vorhandensein oder Fehlen von Fett und durch die Stärke der Haut mit beeinflusst werden. Fig. 102. Kopfteil des Lydtiuschen Messtockes mit Wasserwage. (Hauptner-Berlin.) 184 5. Abschnitt. Die Züchtung. b) Wägungen. Das Gewicht der Tiere wird entweder durch die Wage oder durch die sogenannten Gewichtsmessungen oder endlieh durch die freie Schätzung mit dem Auge, wie sie die Fleischer auf dem Lande noch häufig vornehmen, festgestellt. Die Gewichtsmessungen, die von Pressier^) bereits im Jahre 1854 begründet und von Klüver -Strauch^), Matievic^), Crevat"^), Kj elleström, Schlager-Bertram und Frohwein^) abgeändert worden sind, beruhen darauf, dass der Rumpf des Tieres mit einer Walze verglichen, und das Lebendgewicht aus Umfang und Länge derselben nach gewissen, ausprobierten Methoden berechnet wird. Wenn nun auch nicht verkannt werden soll, dass die Gewichts- messungen in vielen Fällen ziemlich zuverlässige Resultate liefern, und der einzelne sich auch, wie ich häufig zu beobachten Gelegenheit habe, bald eine hinreichende Uebung und Sicherheit im Messen selbst verschaffen kann, so Avird die Gewichtsmessung doch der Gewichts- ermittelung durch die Viehwage immer nachstehen müssen. Wägungen haben verschiedene Vorzüge: Sie ermöglichen eine richtige Wertabschätzung, namentlich der Xutztiere beim Ein- und Verkauf. Sie gestatten eine klare Vorstellung von der Schwere der einzelnen Schläge und Tiere. Sie gewähren, in regelmässigen Abschnitten ausgeführt, einen Ueberblick über die Wachstumsverhältnisse des Jungviehs und über das Futterverwertungsvermögen der Nutztiere und sind somit bequeme und sichere Leistungsprüfungen. Aus diesem Grunde sollte die Viehwage auf keiner Wirtschaft fehlen, bei vorherrschendem Kleinbesitz auf genossenschaftlichem Wege beschafft werden und mindestens in jedem Dorfe in einem Exemplare vorhanden sein. *) Pressler, Neue Viehmesskunst. III. Aufl. Leipzig 1886. ^) Bei Hauptner-Berlin. ') Bei Hauptner-Berlin. ■*) Journal de Med. vet. etc. Lyon 1893. ^) Die Bestimmung des Lebend- und Schlachtgewichtes des Rindes durch die Patentrinde rwage in der Westentasche. Biller-Breslau 1903. III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 185 3. Angaben von Massen und Gewichten bei den einzelnen Tiergattungen. Im nachstehenden folgen einige Angaben von Massen und Gewichten, die den Arbeiten von S. von Nathusius^j, Lydtin- Werner^), Junghanns^) u. a. entnommen sind. a) Landbeschäler. (Durchschnittsmasse volljähriger Hengste nach S. v. Nathusius.) Anzahl der gemes- seneu Tiere Rasse Wider- rist- höhe cm Rumpf- länge cm Brust- um- fang cm Röhr- bein- um- fang cm Ge- wicht kg 77 261 421 124 48 Englisches Vollblut . . Trakehner Ostpreussen Oldenburger Eingeführte schwere Eng- länder (Shires etc.) . 160,32 160,52 161,44 163,71 163,61 162,20 162,87 162,79 169,08 174,38 182,34 186,22 184,97 195,49 203,46 20,33 21,03 21,01 22,93 26,60 512,49 538,25 554,58 634,09 772,13 Pferde erreichen Gewichte von über 1000 kg bei einer Band- masshöhe von über 200 cm. So mass und wog ein Rotschimmel- wallach, der auf der Dresdener Pferdeausstellung in einer Schaubude gezeigt wurde, 206 cm (Bandmass) und angeblich 1100 kg. Das Tier hatte den Typus des Amerikaners und sollte von einem Mecklenburger (Oldenburger?) Hengste und einer Clydesdalestute abstammen. Nach S. V. Nathusius hatte je ein Belgier und ein Clydesdaler unter den Landbeschälern ein Höchstgewicht von 960 kg. Das Geburtsgewicht edler Fohlen (Trakehner) schwankt nach Mickley^) zwischen 37 — 66 kg (durchschnittlich 51,4 kg), während man das Gewicht guter Fohlen belgischer Rasse bei der Geburt nach Johnen') auf etwa 60 kg bemessen kann. 1) Die Pferdezucht unter besonderer Berücksichtigung des betriebswirt- schaftlichen Standpunktes. Ullmer-Stuttgart 1902. S. 70. ^) Das deutsche Rind, Beschreibung der in Deutschland heimischen Rinder- schläge. Arb. der D. L. G. Berlin 1899, und Anleitung für das Richten von Rindern. D. L. G. 1900. ^) Jahrbücher der D. L. G. ■*) Archiv für wissenschaftl. und praktische Tierheilkunde 1894. S. 320. ^) Johnen, Rheinische Pferdezucht. Bönniger-Kempen 1902. S. 57. 186 5. Abschnitt. Die Züchtung. b) Rinder. Die Masse betreffen ausgewachsene Tiere bester Zuchten in guter Kondition und sind demnach als Durchschnittshöchstleistungen zu betrachten. Die Masse sind „Dem deutschen Rind", die Gewichte der „Anleituno- für das Richten von Rindern" entnommen. 0) Widerrist- Rumpf- Brust- No. Rasse J3 höhe lange umfang 03 05 cm cm cm kg Hö henschlä ge 1 Grosses Fleckvieh . . l (Oberbayevische und ol)erbadische Zuchten) Bulle Kuh 145; 151,5 142; 140,5 180,5; 183 169,5; 167,5 223,5; 235 212,5; 209 900—1200 600-800 2 Gelbes Frankenvieh . ' Bulle Kuh 143 136 169 165 220,5 204 7.50—1050 500—750 3 Bulle 137; 138,5 167; 164 214; 210 600—900 Allgäuer \ (Bayerische und würt- tembergische Zuchten) Kuh 132,5; 133,5 159; 160 202; 195 550—650 4 Voigtländer l Bulle Kuh 131.5 121 154 144,5 201 177 650—750 350—600 5 Pinzgauer l Bulle Kuh 142,5 135,5 176 168 220 202 900 650 6 Hinterwälder Bulle Kuh 123,5 116,5 147,5 141,5 189 171,5 500—600 350-480 Tiei f 1 a n d s c h läge 7 Schwarzbunte ( Bulle 146,5 182 223,5 880—950 Ostfriesen • • • • | Kuh 135,5 164,5 195,5 600—800 8 Jeverländer { Bulle Kuh 144,5 135,5 183 163,5 229 191,5 930—1000 450—750 9 Ost- und westpreussi- / Bulle 146 175 226 800—1000 sehe Holländer \ Kuh 135,5 168 201 500—730 10 Oldenburger Weser- ( Bulle 141 188 225 800—1000 marsch \ Kuh 134,5 174,5 205,5 550-800 11 Rotbunt, niederrhein. ( Bulle 146 — — 900—1074 Tieflandschlag \ Kuh 133,5 163 201 500—730 12 Rotbunt, holstein. / Bulle 144 190 227 850—1122 Marschschlag \ Kuh 135,5 167 202 545 — 775 13 Angler l Bulle Kuh 128 124 158 157 189 178,5 675—770 350—550 III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 187 Es schwankt demnach: die Widerristhöhe zwischen 123,5 cm (Bulle) und 116,5 cm (Kuh) — Hinterwälder-, und zwischen 151,5 cm (B.) und 142 cm (K.) — Grosses Fleckvieh ; die Rumpf länge zwischen 147,5 cm (B.) und 141,5 cm (K.) — Hinter- wälder-, und zwischen 188 cm (B.) und 174,5 cm (K.) — Weser- marschschlag; der Brustumfang zwischen 189 cm (B.) und 171,5 cm (K.) — Hinter- wälder-, und zwischen 225 cm (B.) und 205,5 cm (K.) — Weser- marschschlag; das Gewicht zwischen 500—600 kg (B.) und 350—480 kg (K.) — Hinter- wälder-, und zwischen 900—1200 kg (B.) und 600—800 kg (K.) • — Grosses Fleckvieh. Das Gewicht neugeborener Kälber beträgt je nach der Rasse 20 — 50 kg, von Kühen der grösseren Schläge durchschnittlich 40 kg oder 6 — 7*'o des Lebendgewichtes der Mutter. Im Anschluss hieran teile ich noch die Masse und Gewichte der den verschiedenen Rassen angehörigen Kühe des Rassestalles der Tier- ärztlichen Hochschule zu Dresden mit. Wenn es sich hier auch nur um einzelne Tiere handelt, so sind dieselben aber anderseits sämtlich ausgesuchte und typische Vertreter ihres Schlages, die sich auch an- nähernd in einem gleich guten Ernährungszustande befinden. Masse und Gewichte typischer Kühe aus dem Rassestalle der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden. No. Rasse Alter Kurze Charakteristik Wi- der- rist- höhe Stock- mass Band- mass Rumpf- länge Brust- breite Brust- tiefe Brust- um- fang Becken- breite Röhr- bein- um- fang Ge- wicht 4 Wo- chen nach dem Kal- ben Ge- wicht zur Zeit der Mes- sung Soll kalben nach dem Messen in Jahre cm cm cm cm cm cm cm kg kg 1 Simmen- taler aus Saanen (Fig. 66) 5 Grosse, grobe, sehr fleischige, breite Kuh. An den Lieferanten zurückgegeben. 142 " 231 ' " 791 4 Wochen 2 Simmen- taler aus dem Kanton Winter- thur 8 Grosse, schöne, edle Kuh, aber schwerfutterig und mittel- mässig in der Milch. 142 211 655 710 188 5. Abschnitt. Die Züchtung. Wi- Ge- der- wicht Ge- rist- 4 Wo- wiclit Soll höhe Brust- Röhr- chen zur kalben Kln "Paocp Alter Kurze Stock- Rumpf- Brust- Brust- nm- Becken- bein- nach Zeit nach ISO, IX Cl ö o c Charakteristik mas s Band- mass länge breite tiefe fang breite «m- fang dem Kal- ben der Mes- sung dem Messen in Jahre cm cm cm cm cm cm cm kg kg 3 Simmen- taler aus S'/ü Färse, edel, gut entwickelt, 136 150 161 52 73 203 5174 21 620 685 1 Woche Zwei- fleischig. Nach dem Abkalben simmen gut in der Milch. 4 Erzgebir- gisches 8 Typus der Simmentaler, 140 176 49 75 207 5172 23 637 700 Nicht wieder aber grob und 155 gedeckt Fleckvieh oclisig in der Erscheinung. Gute Milchkuh. 5 Erzgebir- gisches Fleckvieh 372 Typus der Simmentaler, edel, trocken, weiblich, fleischig. Mittelgute Milchkuh. 137 150 159 51 68 195 51 21 610 603 Frisch- mel- kend 6 Gelbes Franken- vieh (Fig. 85) 4 Mittelgrosse Kuh mit wenig weiblichem Typus,fleischig. Ueber mittel- gute Milchkuh. 131 145 164 44 70 192 47 20 460 551 16 Wochen 7 Schwyzer 6 Ueber mittel- gross, massig fleischig, edel. Ausgezeichnete Milchkuh. 135 147 167 42 71 V2 191 V2 48 22 547 625 4 Wochen 8 Voigt- länder (Fig. 22) 6 Edle, unter niittelgrosse Kuh, massig fleischig. Sehr gute Milchkuh. 123 135 150 41 64 V2 17572 4274 19 410 425 17 Wochen 9 Pinz- gauer 5 Mittelgross, fleischig, modern. Typus. Mittelmässige Milchkuli. 132 144 172 46 72 198 4572 20 580 615 18 Wochen 10 Böh- mische 6 Ueber mittel- grosse Kuh, 135 147 V2 172 51 6972 19674 47 20 554 665 4 Wochen mittclfleischig. Rücken- Gute Milclikuh schecke III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 189 Wi- Ge- der- wicht Ge- rist- 4 Wo- wicht Soll höhe Brust- Röhr- chen zur kalben Ino !Räss6 Alter Kurze Stock- Rumpf- Brust- Brust- um- Becken- bein- nach Zeit nach ( 'harakteristik raass Band- mas s länge breite tiefe fang breite um- fang dem Kal- ben der Mes- sung dem Messen in Jahre cm cm cm cm cm cm cm kg kg 11 Ost- friese 7 Edle, grosse, etwas scliarf- rückige Kuh, mittelfleischig. Gute Milchkuh. 137 V4 148 170 45 75 205 53 21 593 635 20 Wochen 12 Jever- länder 8 Edle, grosse, regelmässig 1341/2 146 171 4472 73 203 5372 20 600 660 1 Woche gebaute Kuh, (Fig. 41) fleischig. Gute Milchkuh ' 13 Weser- marsch 8 Edel, unter mittelgross, fein 128 140 162 471/2 7174 201 48 1872 530 586 10 Wochen in den Gliedern. (Fig. 31) fleischig. Ausgezeichnete Milchkuh. 14 Weser- marsch 3 Färse, gross, robust. 133 148 V2 167 V2 46 V2 73 200 52 21 565 630 3 Wochen fleischig, nicht besonders edel. 15 Rotb. holsteini- scher Marsch- schlag (Wilster) 2V2 Gross, robust, mittelfleischig. Gute Milchkuh. 134 149 158 4374 70 194 47 21 545 550 36 Wochen 16 Land- shorthorn (Fig. 53) 6 Edel, mittel- gross, fein in den Gliedern, fleischig. Ausgezeichnete Milchkuh. 134 149 167 1/2 5074 7274 204 52 2174 ') 630 650 10 Wochen 17 Angler (Fig. 192) 6 Edel, gross, gemästet. Gute Milchkuh. 132 142 157 4274 71 190 48 1972 425 570 Ist nicht wieder gedeckt Die photographischen Aufnahmen liegen zeitlich etwa 6 — 8 Monate früher als die Messungen. 1) Die Kuh leidet an Hautverdickung infolge von sog. Knieschwamm. 190 5. Abschnitt. Die Züchtung. c) Schafe. Durchschnittsgewiclite älterer Schafe in guter Kondition. (Die Angaben können nur als ganz allgemeine Anhaltspunkte dienen, da die Gewichte wesentlich von dem Haltungszustande abhängen.) 10. 11. Merinos Schafe mit hochfeiner kurzer Tuchwolle (Elektoral-Negrettis) Schafe mit hochfeiner bis einschliess- lich mittelfeiner Tuchwolle .... Schafe mit Stoffwolle (grosse Form) . Schafe mit Kammwolle (ganz oder fast reine Rambouillets) Schafe mit Kammwolle (kleinere Form, das frühere sogen, deutsche Kammwoll- schaf, haupts. Negrettiblut enthaltend) . Merino- Fleischschafe (Behmersche Züch- tung) Englische Fleischschafe") Oxfordshiredowns Hampshiredowns Shropshiredowns Southdowns Cotswolds L a n d s c h a f e Heidschnucken Ostfriesische Milchschafe 115 100 95 60 120 50 80 170 180 130 105 175 125 80 70 66 50 90 35 70 139 120 107 65 145 98' Das Geburtsgewicht der Lämmer beträgt bei nur einem Lamm 3' 2 ^) — b^'i *) kg oder 6 — 7°/o vom Gewicht der Mutter. Die Zwillings- oder Drillingslämmer der ostfriesischen Milchschafe sollen pro Stück etwa S'/a kg wiegen, und ihr Gesamt- gewicht bis zu 14% vom Gewicht der Mutter betragen. Nach Angaben der Herren: ') Oekonomierat Aichele. Lohmen-Sachsen. 2) Oekonomierat Steiger. Leutewitz-Sachsen. ') Prof. Dr. Lehmann-Berlin. ••) Oberamtmann Rockstroh-Münchenlohra. ■'') Röders-Soltau. ") Jürgens-Hohenkirchen , Amt Jever und Deutsch, landw. Tierzucht 1903. Seite 296. ") Merinos mit Stoffwolle (grosse Form). *) Hamjjshiredowns. III. Die Beurteilung: der Zuchttiere. 191 d) Schweine. a) Durchschnittsmasse von Tieren in Ausstellungskondition (nach Junghanns) ^). Ausstellung der E Halle 1901 .LG. Ausstel- lung der D. L. G. ' Weisse Edel- schweine Landsc veredelt .hweine unveredelt Mannheim 1902 Berk- shires cm cm cm cm 1. Widerristhöhe mit 10—12 Monaten 74 75,5 — 69 24 Monaten 82 84 — — 2. Brustbreite 36 Monaten 87 89 — bei Ebern von 10—12 Monaten 36,6 34,6 — '^ .; bei Sauen von 10—12 Monaten 36,1 34,8 29,3 j 37 3. Beckenbreite i bei Ebern von 10-12 Monaten 34,9 32,6 — ( 35 bei Sauen von 10—12 Monaten 35,2 34 27 4. Brusttiefe bei Ebern von 10—12 Monaten 42,4 43,4 — 1 . bei Sauen von 10—12 Monaten 44,4 43,5 41 5. Rumpf länge bei Ebern von 10—12 Monaten 104,7 108,6 — ) 106 bei Sauen von 10—12 Monaten 101,4 104,6 102 6. Kopflänge bei Ebern von 10—12 Monaten 21,2 25,6 — 1 22 bei Sauen von 10—12 Monaten 21,6 26,2 28 ß) Durchschnittsgewichte von Tieren in guter Zuchtkondition ^) (Allgemeine Anhaltspunkte s. S. 199 o.) ^ Weisse Edelschweine Veredelte Landschweine Bei-kshires kg kg kg Eber, 1 Jahr alt 125 115—160 135 Eber, 2 Jahre alt 210 180—215 200 Sauen, 1 Jahr alt, nicht tragend . 120 115—130 HO Sauen, 1 Jahr alt, tragend . . . 140 135—150 125 Sauen, 2 Jahre alt, nicht tragend 165 175—190 140 Sauen, 2 Jahre alt, tragend . . 180 195—210 150 Das Geburtsgewicht der einzelnen Ferkel beträgt iV's — l\4kg, und das Gewicht des ganzen Wurfes 6 — 8% vom Gewicht der Mutter. ^) Junghanns, Jahrbuch der D. L. G. 1901. S. 382. 1902. S. 418. ^) Nach Angaben der Herren Geheimrat Steiger-Kl. Bautzen, Dr. Kirstein- Berlin und Gutsbesitzer Herrmann-Zehren bei Meissen. 192 5. Abschnitt. Die Züchtung. e) Ziegen. (Aeltere Tiere.) Rasse Geschlecht, Widerristhöhe cm Gewicht kg j Böcke 90—102 60—90 Saanen ') Ziegen 74-81 50—70 Langensalzaer ^) Böcke Ziegen 70—80 60—75 60—70 45-60 Erzgebirgische ^) (verbesserter Schlag ){ Böcke Ziegen 70—85 70—80 60—70 45—56,5 Das Gebui-tsgewiclit der einzelnen Zickel beträgt 3 — 4' 2 kg und somit das Gewicht des ganzen Wurfes bei Ziegen, die 2 — 3 Junge bringen, 10 — IT'o des Muttergewichtes, wie Wägungen im Rassestalle der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden ergeben haben. 4. Das Schlachtgewicht. Unter Schlachtgewicht versteht man: a) beim Rinde, Kalbe mid Schafe das Gewicht der 4 Viertel. Es kommen demnach vom LebendgeAvicht in Abzug: Blut, Haut, Eingeweide (mit Ausnahme der Nieren), Kopf und Unterfüsse; b) beim Schweine das Gewicht des ausgebluteten, ausgewei- deten Tieres. Kopf, Unterfüsse, Nieren, Schmeer werden mitgewogen, nicht dagegen die Zunge. Nach Hengst ^), der während der Jahre 1893 — 1902 auf dem Schlachthofe zu Leipzig viele Tausende von Wägungen berechnet hat, betrug das Schlachtgewicht durchschnittlich bei: Bullen . Ochsen . Kühen . Kalben . Kälbern Schafen . Schweinen 56,48 "0 des Lebendgewichtes od, od „ „ „ 49,68 .. „ 54,17 „ „ 63,25 „ „ 54, dd „ „ „ 83,77 „ „ „ ') Äugst, Jahrbuch der D. L. G. 1901. S. 402. 2) Engel brecht, Schriftl. Mitteilungen. ^) Eigene Messungen und Wägungen. *) Briefliche Mitteilungen. III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 193 5. Die Beurteilung der Zuchtqualität. Als erstes Erfordernis einer einwandfreien Zuchtqualität hat bei Zuchttieren das Vorhandensein von Gesundheit und Widerstands- fähigkeit zu gelten, Eigenschaften, die im züchterischen Sinne durch den Begriff der Konstitution gedeckt werden (s. S. 86). Weiterhin müssen Zuchttiere gesunde Geschlechtsorgane haben und dürfen, was bei weiblichen Individuen besonders ins Gewicht fällt, nicht die An- zeichen der Unfruchtbarkeit an sich tragen , die dem scharfen Auge eines erfahrenen Züchters nicht entgehen. Die Deckfähigkeit männ- licher Tiere rauss entweder geprüft oder seitens des Verkäufers für eine bestimmte Zeit garantiert werden. Krankhafte Zustände des Euters, mögen sie nun die Milchmenge oder die Milchbeschaffenheit betreffen, machen weibliche Tiere oft für die Dauer zur Zucht wertlos, des- gleichen Untugenden, welche das Säugen erschweren. Mütter, die schwächliche Nachkommen bringen oder wenig Milch haben, sind zu beseitigen und blutarme und lungenkranke Individuen besonders zu meiden. Krankheiten, Fehler, Gebrechen und Untugenden, von denen befürchtet werden muss, dass sie sich vererben, müssen dann zum Ausschluss von Zuchttieren führen, wenn durch deren Uebertragung eine Entwertung der Nachzucht eintritt. Welche von den Mängeln und Gebrechen als erbliche anzusehen sind, ist auf S. 160 näher erörtert. Zuchttiere müssen einen ausgesprochenen Geschlechtscharakter besitzen (s. S. 100 und Fig. 80 — 85), weil männliche Individuen mit weiblichem Typus oft in Bezug auf Widerstandsfähigkeit und weib- liche Tiere mit männlichem Typus in Rücksicht auf Leistungsfähig- keit ihrer Nachkommenschaft zu wünschen übrig lassen. Ein weiterer Gradmesser bei der Beurteilung des Zucht- wertes der Tiere ist die Beschaffenheit von Haut und Haar. Die Qualität der Haut ist von der Gesundheit und der Ernährung, dann aber auch von dem Geschlecht, dem Alter und der Rasse der Tiere abhängig. Bei gesunden und gut genährten Individuen ist die Haut etwas fettig anzufühlen und weich, elastisch, quellig und leicht faltbar, bei schlecht genährten oder kranken dagegen trocken, hart und derb. Männliche Tiere haben eine stärkere Haut als weibliche, und bei jungen Tieren ist sie wiederum schwächer als bei alten. Weiterhin ist die Hautdecke der kaltblütigen Pferde stärker als diejenige der Pusch, Allgemeine Tierzucht. 13 194 5. Abschnitt, Die Züchtung. warmblütigen, was an dem Hervortreten der „Adern" (Unterhaut- venen), der Gesichtsnerven und der klaren Zeichnung der Beugesehnen bei letzteren ersichtlich ist. Einer besonderen Prüfung unterliegt die Haut des Rindes, bei dem man aus der Beschaffenheit derselben die Nutzungsfähigkeit beurteilt. Bei den spätreifen Arbeitsrassen ist die Haut dick und scharf anliegend, also schwer faltbai:, weil wenig Unterhautbindegewebe vor- handen ist. Solche Tiere sind zur Milchnutzung meist nur wenig geeignet, sie liefern aber, wenn sie gut ausgemästet und nicht zu alt sind, ein schmackhaftes Fleisch. Die Vertreter der frühreifen Mastrassen haben eine dicke, aber dabei weiche und lockere Haut, und bei den Tieren der Milchrassen ist sie wiederum zwar meist dünn, glänzend, aber oftmals auch und zwar dann, wenn die Kühe sehr viel Milch geben und die in dem Futter gereichten Nährstoffe in erster Linie zu Milchbestandteilen verarbeiten, trocken und klebend, sodass man sich in solchen Fällen in der Bewertung derselben irren, während man anderseits Kühe mit weicher und dabei verhältnismässig dünner Haut für milchergiebig halten kann, welche diese Eigenschaft nur in geringem Masse be- sitzen, dagegen aber sehr mastfähig sind. Wird die Feinheit der Haut übermässig gesteigert, so entstehen überbildete, in ihrer normalen Widerstandskraft geschwächte Individuen, deren Verwendung zur Zucht als bedenklich bezeichnet werden muss. In ähnlicher Weise wie die Haut, ist auch das Haar von Rasse, Geschlecht, Haltung und Fütterung abhängig, daneben sind aber auch noch die klimatischen Verhältnisse von Einfluss. Bei den kaltblütigen Pferden ist das Haar dichter und stärker als bei den edleren Schlägen (s. Fig. 58 und 40), das Gleiche ist der Fall bei männlichen Tieren gegenüber weiblichen (s. Fig. 107 und 108). Kranke, schlecht genährte, rauh gehaltene Tiere (s. Fig. 46) haben ein langes, glanzloses, hartes, oft geradezu drahtiges, struppiges Haar, verbindet sich rauhe Haltung mit reichlicher Fütterung, so ist das Haar zwar glanzlos und lang, aber weich und oftmals wellig, während Tiere, die bei gutem Futter im warmen Stalle stehen und bei rauhem Wetter im Freien sorgsam zugedeckt werden, sich durch eine kurze glänzende Bedeckung auszeichnen (s. Fig. 39). Tiere mit langem, glanz- losen und dabei trockenen Haar sind auf die Ursache dieser Haar- beschaffenheit zu untersuchen, um zu entscheiden, ob kalter Stall und knappe Fütterung oder ob Krankheit vorliegt. III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 195 Regelrecht gehaltene Tiere mit kurzem, glänzenden, dichten Haar sind in der Regel nervig und gesund,' solche mit dichtem, langen, weichen Haar bei sonstiger Gesundheit schwerfällig, schlaif in der Arbeit, aber mastfähig, während dünn behaarte Tiere — Schweine — mit Recht als empfindlich gelten. Gleichmässigkeit des Haarbesatzes ist für Zuchttiere erforderlich, man hält die letzteren dann für sicher in der Vererbung. Bei den Merinoschafen verlangt man, dass die Wolle gut gekräuselt, rein und straff ist und über den ganzen Körper einen möglichst gleichmässigen Feinheitsgrad be- sitzt, was man dann als ausgeglichen bezeichnet. In welcher Weise sich das Haar den Haltungsverhältnissen an- passt, sieht man an Weidetieren, deren Haar an Länge und durch Einschub von Flaumhaar an Dichtigkeit zunimmt, je mehr sich der Herbst nähert (s. Fig. 53 und 193). 6. Die allgemeine Beurteilung des Körperbaues. Männliche Tiere sind in der Regel grösser als weibliche, weil sie in der Jugend besser gefüttert werden als diese. Das Verhältnis der einzelnen Körperdimensionen zueinander geht aus folgenden Zahlen hervor, wobei die Widerristhöhe als Grundmass dient. Es beträgt in Prozenten der Widerristhöhe ^) : a) die Rumpf länge bei Landbeschälern: Hannoveraner .... 100,5 — niedrigste Verhältniszahl Oldenburger 103,3 — - mittlere ,, Schwere engl. Kaltblüter 106,6 — höchste „ die Rumpf länge bei Rindern: Bullen 121 — Schwankungen zw. 112 — 134 Kühe 120 — „ „ 118—130 die RumpfTängeb. Schweinen 140 — „ „ 134 — 157 (Berkshires und Landschweine 8—12 Monate alt) die Rumpflänge bei Ziegen . 107 b) die Brustbreite bei Landbeschälern: Englisches Vollblut . . 26,4 — niedrigste Verhältniszahl Oldenburger 29,7 — mittlere „ Rheinisches Kaltblut . . . 33,6 — höchste „ ') Nach Mitteilungen von v. Nathusius für Pferde, Lydtin -Werner für Rinder, Junghanns für Schweine und nach eigenen Messungen bei Ziegen. 196 5. Abschnitt. Die Züchtung. Es beträgt in Prozenten der Widerristhöbe: die Brustbreite bei Rindern: Bullen 30 — Schwankungen zwisch. 31 — 46 Kühe 34 — „ ,. 30—41 die Brustbreite bei Schweinen 50 — „ „ 48 — 54 (Berkshires und Landschweine 8—12 Monate alt) die Brustbreite bei Ziegen . 25 c) die Brusttiefe bei Landbeschälern: Englisches Vollblut . . 46,5 — niedrigste Verhältniszahl Eingeführte Belgier . . 49,3 — höchste „ die Brusttiefe bei Rindern: Bullen 56 — Schwankungen zwisch. 50 — 59 Kühe 52 — „ „ 51—57 die Brusttiefe bei Schweinen 58 — „ „ 54 — 61 (Berkshires und Landschweine 8—12 Monate alt) die Brusttiefe bei Ziegen . 42,5 d) die Beckenbreite bei Gebrauchspferden ^) : Die niedrigste Verhältniszahl mit Ostpreussen (Kavalleriepferde) 30 „ (ArtiUeriepferde ) 3 1 Belgier 34,5 28,65 ^/o war bei grossen Kaval- leriepferden (171 cm Stockmass) und die höchste mit 38,46 "/o bei kleinen Belgiern (152 cm Stock- mass) zu finden die Beckenbreite bei Rindern: Bullen 38 — Schwankungen zwisch. 32 — 47 Kühe 38 — „ „ 32-40 die Beckenbreite b. Schweinen 44 — ., „ 37 — 51 (Berkshires und Landschweine 8—12 Monate alt) die Beckenbreite bei Ziegen 24 der Brustumfang bei Landbeschälern : Englisches Vollblut . . 113,7 — niedrigstes Mass Belgier 126,9 — höchstes ,, der Brustumfang l)ei Rindern: Bullen 155 — Schwankungen zw. 139 — 178 Kühe 145 - „ . 140-162 ') Nach Messungen meines Assistenten Herrn Dr. Weissflog. III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 197 Es beträgt in Prozenten der Widerristhöhe: derBrustumfangb. Schweinen^) 180 — (Landschweine, 24 Mon. alt) der Brustumfang bei Ziegen 119 Aus obigen Zahlen ist ersichtlich, dass die Vertreter der ver- schiedenen Haustiergattungen sämtlich länger sind als hoch. Die Reihenfolge ist: Halbblutpferde, Kaltblüter, Ziegen, Rinder, Schweine, Die letzteren sind im Verhältnis am längsten. Die Brustbreite beträgt rund ^/i — ^^ der Widerristhöhe. Es folgen: Ziegen, Vollblutpferde, Kaltblüter, Rinder, Schweine. Die Brusttiefe ist knapp ^J2 — ^/s d. W. Es folgen: Ziegen, Vollblutpferde, Kaltblüter, Rinder, Schweine. Die Beckenbreite ist V* — V^ ^- W. Es folgen: Ziegen, Pferde, Rinder, Schweine. Der Brustumfang stellt sich auf l^js — l^/s d.W. Es folgen: Vollblutpferde, Ziegen, Kaltblüter, Rinder, Schweine. 7. Die allgemeine Beurteilung der einzelnen Körperteile. Der Kopf. Der Kopf ist von wesentlichem Einfluss auf die Schönheit der Tiere, er charakterisiert ferner die Rasse und den Geschlechtstyp und gibt Aufschluss über die Konstitution. Der Kopf der männlichen Tiere ist kürzer und breiter, derjenige der weiblichen Tiere länger und schmäler (s. Fig. 80, 81, 110 und 109). Schwere, plumpe Köpfe verraten eine grobe, dagegen lange, schmale, von dünner Haut überzogene Köpfe eine überfeine Konstitution (s. Fig. 66 und 65). Werden die ersteren vererbt, was bei einzelnen Individuen mit einer gewissen Regelmässigkeit geschieht, so kann es namentlich dann zu Schwergeburten kommen, wenn die weiblichen Tiere schmal- oder spitzbeckig sind, wie das bei Landschlägen häufig der Fall ist. Kleine, tiefliegende, durch starke Augenbögen verdeckte Augen machen den Kopf unschön , grosse und dabei nicht übermässig her- vortretende Augen denselben dagegen gefällig und das Aussehen freundlich. Dicke, lederartige, grobbehaarte, schwerfällig bewegte Ohren verraten zwar starke Fresslust, aber auch Trägheit und Phlegma, dünnbehaarte und durchscheinende Ohren Ueberbildung. Das Gleiche ') Nach Dr. Weissflog. 198 5. Abschnitt. Die Züchtung. ist der Fall mit den langen , schmalen Nasen des Rindes und den kurzen, in der Stirnnasenlinie stark eingebogenen Nasen des Schweines. Grobe, dicke Hörner gelten als hässlich und als Zeichen von Schwerfuttrigkeit und von mangelhafter Fleisch- und Milchleistung. Der Hals. Der Hals ist bei männlichen Tieren kürzer und schwerer als bei weiblichen, desgleichen ist er länger bei den spätreifen und kürzer bei den frühreifen Rassen. Lange, gut bemuskelte und aufgerichtete Hälse (s. Fig. 40 und 59) machen Pferde schön und meist ange- nehm für den Reiter, lange, schmale Hälse sind dagegen bei Rindern, Schafen und Schweinen unbeliebt, weil sie als Anzeichen schwerer Ernährbarkeit und mangelhafter Widerstandsfähigkeit gelten. Der Widerrist. An den Widerrist werden je nach der Tiergattung und der Gebrauchsrichtung verschiedene Anforderungen gestellt. Derselbe soll bei Pferden, die in schnellen Gangarten und namentlich zum Reitdienst Verwendung finden, lang, hoch und seitlich gut bemuskelt sein (s. Fig. 57) , weil eine solche Form die schnelle Aktion begünstigt und dem Sattel eine gute Lage bietet. Bei Kalt- blütern kommt der Widerrist weniger in Betracht, doch liebt man auch hier solche Pferde nicht, die überbaut, d. i. im Kreuze höher als im Widerrist, sind. Bei den übrigen landwirtschaftlichen Nutztieren verlangt man einen ebenen, breiten, ungespaltenen, vollen Widerrist (s. Fig. 27 und 41), und umsomehr, wenn diese in erster Linie der Fleischnutzung dienen sollen. Hohe, spitze und gespaltene Widerristformen gelten für Rinder, Schweine, Schafe und selbst für Ziegen als fehlerhaft. Der Rücken. Der Rücken ist der wichtigste Teil des Rumpfes und ein Grad- messer für den Zucht- und Nutzwert der Tiere. Der Rücken soll gerade, breit und bei Tieren, bei denen die Tragfähigkeit, wie bei Reitpferden, in Frage kommt, kurz sein (s. Fig. 51), während ein langer, dabei breiter, gerader Rücken mit kleiner Hunger- grube und langen und weit nach hinten reichenden Hinterrippen den Arbeitspferden und selbst den Kutschpferden nichts schadet und bei den der Fleischnutzung dienenden Tieren geradezu erwünscht ist, weil III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 199 die zur Seite der Wirbel liegenden Muskeln mit zu den wertvollsten Fleischpartien gehören. Im allgemeinen sind aber lange Rücken gern mit flachen Rippen und schmalen Lenden verbunden (s. Fig. 37), und deshalb sind be- sonders männliche Zuchttiere mit langem Rücken daraufhin zu prüfen, ob der letztere bei mangelhafter Breite die nötige Festigkeit besitzt. Einmal Tsind in solchem Falle die Vorder- und Hintergliedmassen weiter voneinander gerückt, und anderseits fällt es auch den schwachen, weil dünneren Muskeln schwer, bei der Bewegung das Gleichgewicht zu bewahren und die Wirbelsäule in der wagerechten Stellung zu erhalten. Abweichungen von der normalen Rückenform nach oben sind der Karpfenrücken (s. Fig. 19) und nach unten der Senkrücken (s. Fig. 21, 15, 95). Eine schwache Form des letzteren nennt man weichen Rücken (s. Fig. 36) und eine schmale Senkung hinter dem Widerrist Einsattelung (s. Fig. 28 und 113). Der Senkrücken und die ihm verwandten Abweichungen sind einmal in einer gewissen, ererbten Anlage begründet, und anderseits wird deren Ausbildung auch durch die Haltung begünstigt. Zeitiges Absetzen, dünne Tränke, viel gehaltloses Rauhfutter, Durchfälle in der Jugend, das Fressen aus hohen Raufen (s. Fig. 150 bis 152), ununterbrochene Stallhaltung im ersten Lebensjahre be- günstigen seine Entstehung, kräftiges Futter und Weidegang verhüten dieselbe oder beseitigen den Baufehler, wenn er sich noch im An- fangsstadium der Entwickelung befindet. Alte Reitpferde, alte Fohlen- stuten und alte Kühe der Grebirgsrassen sind fast immer senkrückig (s. Fig. 94 und 95). Junge Tiere mit Senkrücken, Einsattelung oder Karpfenrücken sind von der Zucht auszuschliessen, sofern die Nachzucht nicht aus- schliesslich zu Schlachtzwecken Verwendung findet. Inwieweit man Tiere mit weichem Rücken zur Zucht benutzen soll, hängt von der Art seiner Entstehung und von den sonstigen Vorzügen des Tieres ab. Die Lende. Die Lende wird gewöhnlich dem Rücken zugerechnet, dessen hintere kleinere Hälfte sie darstellt. Die Lende soll bei Pferden kurz, breit und gewölbt und bei den übrigen Tieren breit und eben sein , in welch' letzterem Falle auch eine gewisse Länge nichts schadet. Kurze, breite, gewölbte Lenden 200 5. Abschnitt. Die Züchtung. verleihen dem Pferde einen guten Schluss und machen es dadurch namentlich zum Keitdienste tauglich. Tiere mit langen, schmalen Lenden sehen niemals voll und rund, sondern meist hohl aus, und umsomehr, je weniger weit die Rippen nach hinten reichen, und je mehr die Hüften hervorstehen — hüftige Pferde. Fehlerhaft sind die Karpfen- (s. Fig. 114) und die eingesunkene oder hohle Lende — Nierendruck, Lendendruck — , die beide sowohl selbständig sowie auch gemeinsam mit den entsprechenden Rücken- formen vorkommen. Die Kruppe. Die Kruppe soll breit und lang und vom Kreuzbein nach dem Schwänze zu ein wenig geneigt sein. Die breite und lange Kruppe ist günstig für eine reichliche Fleischentwickelung und für die Entfaltung von Schnelligkeit und Muskelkraft. Man schätzt sie daher sowohl bei Rindern, Schafen und Schweinen wie bei Jagdpferden — Hunter. Die leicht geneigte Kruppe verleiht der Hinterhand eine wirksame Stütze (s. Fig. 57). Die Breite der Kruppe hängt von der Rasse und von der Jugend- ernährung ab. Li der Jugend schlecht ernährte Tiere und spätreife und verkümmerte Rassen haben schmale und nach hinten zu spitze Becken, bei frühreifen Tieren sind dieselben dagegen breit und quadratisch. Wegen der mit letzterer Form im Zusammenhange stehenden Nutzungsvorzüge ist bei den vernachlässigten Landschlägen auf die Verbesserung der Beckenverhältnisse in erster Linie Wert zu legen. Zweckmässig sind demnach bei allen Tieren die leichtgeneigten, breiten, langen (s. Fig. 31, 63, 32) und schön bei edlen Pferden die runden und die ovalen Kruppen (s. Fig. 40), fehlerhaft dagegen bei allen Tieren die kurzen (s. Fig. 23), schmalen, die nach dem Schwanz- ansatz zu ansteigenden (s. Fig. 95), ferner die abschüssigen (s. Fig. 19, 58, 114, 117), seitlich abgedachten, hüftigen und schiefen Kruppen. Nach unten zu soll die Kruppe allmählich mit kräftiger Muskulatur in den Unterschenkel übergehen, denn tiefe, weit nach unten reichende Keulen sind für jede Gebrauchsart erwünscht. Stark abgesetzte Hinterschenkelmuskeln sind mindestens unschön, und eine lange freie Achillessehne ist für eine kräftige Hinterschenkel- aktion nicht vorteilhaft. III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 201 Der Schwanz. Der Schwanz trägt in Rücksicht auf Haltung und Behaarung wesentlich zur Schönheit des Pferdes bei. Hochangesetzte, fein behaarte, gut getragene Schwänze machen Pferde vornehm (s. Fig. 119), niedrig angesetzte, versteckte oder ein- gebohrte Schwänze dieselben dagegen hässlich oder mindestens un- ansehnlich (s. Fig. 58). Die Frisur der Schwänze unterliegt der Mode, und diese ist leider, soweit sie das übermässige Kürzen und das Kupieren betrifft, vielfach mehr als geschmacklos. Bei den übrigen Haustiergattungen lassen sich aus der Beschaffen- heit des Schwanzes Schlüsse auf Konstitution, Frühreife und Nutzung ziehen. Wulstige, dicke und aufgetürmte Schwänze sind ein Zeichen von Grobheit, kurze ein solches von Frühreife (s. Fig. 53), während lange Schwänze sjjätreifen Tieren eigen sind und, wenn sie ausserdem dünn und fein sind, bei Milchkühen gern gesehen werden (s. Fig. 109). Die Brust. Die Brust, besser der Brustkorb, umschliesst Herz und Lunge und ist deshalb in Bezug auf seine Grösse wichtig. Die Geräumigkeit des Brustkorbes hängt von seiner Tiefe, Breite und Länge ab, und zwar kann jedes Mass das andere bis zu einem gewissen Grade ersetzen. Die Feststellung des Brustumfanges, der Breite und Tiefe erfolgt durch das Messband und das Gabelmass, die Länge dagegen ist nicht zu messen, sondern nur nach der Länge des Brustbeins und des Rückens zu schätzen. Dass die Tiefen- und Breitenmasse wegen des Fehlens fester Ansatzpunkte und wegen ihrer Beeinflussung durch Muskeln und Fett, also durch den Ernährungszustand, nicht immer einwandfrei sind, ist bereits auf Seite 183 hervorgehoben worden, weiterhin weiss man auch, dass die Vollblüter mit ihrem verhältnismässig geringen Brustumfange ausgezeichnete Lungen haben und den Kaltblütern mit den weit günstigeren Brustmassen in Bezug auf Leistung und Aus- dauer wesentlich überlegen sind, und endlich ist auch das Gleiche von den Voigtländer Rindern gegenüber den Shorthorns bekannt, und trotz alledem legt man bei der Beurteilung aller Haustiergattungen auf das Vorhandensein einer tiefen, breiten Brust ein grosses Gewicht, weil bei gleicher Haltung innerhalb der einzelnen Rassen — und nur solche Tiere sind miteinander zu vergleichen — die Individuen mit der breiten 202 5- Abschnitt. Die Züchtung. Brust denen mit der schmalen in der Regel überlegen sind. Diese Ueberlegenheit spricht sich durch grössere Widerstandsfähigkeit na- mentlich aber auch durch leichtere Ernährbarkeit und grössere Früh- reife aus, welch' letztere geradezu an der gutgewölbten, weit nach unten reichenden Rippenwandung zu erkennen ist. Dass frühreife Tiere trotz ihrer scheinbar grösseren Brust- dimensionen den spätreifen in Bezug auf Ausdauer sehr oft nachstehen, hängt einmal mit der verhältnismässig geringen Länge des Brustkorbes, derzufolge Herz und Lunge nicht die Grösse haben, als man gewöhnlich annimmt, zusammen und anderseits auch mit dem Umstände, dass frühreife Individuen sowohl infolge von Vererbung, wie auch infolge von reichlicher Jugendernährung bei fehlender Muskelübung meist nicht die Drahtigkeit erlangen, welche vielen spätreifen Rassen eigen zu sein pflegt. Als Vorzüge gelten demnach die tiefe, breite Brust (Fig. 30, 35), als Fehler die seichte (s. Fig. 52, 104) (Hochbeinigkeit) und schmale Brust (Flachrippigkeit), ferner die Habichtsbrust und die hohle oder Ziegenbrust. Der Bauch. Der Bauch soll rund und voll und in der Flanke gut geschlossen sein. Bei den edleren Pferden liegt die Nabelgegend gewöhnlich ein wenig höher als das hintere Brustbeinende, weil man bei diesen den mehr schlanken Leib bevorzugt. Bei Kaltblütern und bei den früh- reifen , gut gehaltenen Tieren der anderen Haustiergattungen reicht die Nabelgegend bereits etwas tiefer und sinkt dann bei älteren weiblichen Zuchttieren, bei mit grossen Mengen von Rauhfutter er- nährten Nutztieren und bei schlecht gefütterten, verhütteten Kälbern weiter nach unten. Fehlerhaft sind der aufgeschürzte Leib (s. Fig. 52) — schlechte Fresser, kranke Tiere — und der Hängebauch, letzterer namentlich bei jungen Lidividuen (s. Fig. 188). Die Gliedmassen. Regelmässige, gute Glieder sind für Tiere, die arbeiten sollen, und deren Nutzung wie bei Pferden in erster Linie auf ihrer Arbeits- fähigkeit beruht, von hohem Werte, a]>er auch für Tiere, die nur der Fleisch-, Milch- oder W^ollproduktion dienen, dann von Be- deutung, wenn es sich um Zuchttiere handelt. In neuerer Zeit hat man auch bei der Zucht der Rinder, Schweine und Schafe der Form III. Die Beurteilung der Zuchttiere. 203 und Stellung der Grliedmassen eine grössere Beachtung geschenkt, doch haben naturgemäss die einzelnen Fehler bei diesen Tieren nicht an- nähernd die Bedeutung wie beim Pferde. Frühreife Tiere sind kurzbeiniger, steiler in den Gelenken und weiter gestellt als spätreife, welche im Sprunggelenk oft starke Winkelung zeigen und namentlich im mageren Zustande mit den Beinen eng aneinander und mit den Zehen nach aussen stehen. Unschön sind vorständige und rückständige, fehlerhaft vorbiegige, rückbiegige, fran- zösische, steile, kuhhessige und säbelbeinige Stellungen. Erwünscht ist für jeden Gebrauch eine lange, schräge und breite Schulter, denn sie stützt den Körper besser und begünstigt die Schritt- länge und die Fleischausbeute mehr als die kurze, steile und schmale Schulter (vergl. Fig. 57 und 58). Schlecht bemuskelte Unterschenkel sind unvorteilhaft, schwache, steile Sprunggelenke mit Recht gefürchtet und stark gewinkelte eben- sowenig gern gesehen wie unklare, verschwommene Sehnen und volle ausdruckslose, rundliche Gelenke. Lange, spindelförmige Schienen und solche, die unter dem Vor- derfusswurzel- und unter dem Sprunggelenke geschnürt sind, sind knochenschwachen und überzüchteten Individuen eigen. Deshalb pflegt man auch auf die Messung des Umfanges des Yordermittelfusses bei Zuchtpferden ein so grosses Gewicht zu legen. Steile Fesseln sind meist unschön und auch bei Arbeitstieren nicht immer praktisch , weiche, durchtrittige dagegen immer fehlerhaft (s. Fig. 19 und 118), denn sie sind einmal ein Zeichen von mangel- hafter Konstitution, und anderseits beeinträchtigen sie bei Pferden auch die Bewegung und die Gebrauchsdauer in hohem Masse. Hufe und Klauen. Auf den regelmässigen Bau der Hufe ist besonderer Wert zu legen, denn flache , steile , enge , schiefe Hufe und namentlich Reh- hüfe machen Pferde für gewisse Zwecke oft nahezu oder vollständig unbrauchbar. Volle, flache, jjlatte Vorderklauen bedingen bei Rindern leicht Sohlenquetschungen und spitzgewinkelte Hinterklauen, die schliesslich bei unterlassener Pflege eine schnabelschuhartige Verlängerung erfahren, führen sehr häufig zu Verbällungen und zur Unbrauchbarkeit mancher guter Bullen, denen der Ballendruck die Aufrichtung des Vorderteils und somit die Ausübung des Deckaktes unmöglich macht. 204 5. Abschnitt. Die Züchtung. IV. Homogenität und Heterogenität. Man bezieht die Bezeichnungen Homogenität und Heterogenität in der Tierzucht sowohl auf" die einzehien Zuchttiere wie auf Rassen und Zuchten und auf Paarungen. 1. Die Homogenität und Heterogenität der Individuen. Homogen nennt man ein Tier, welches in Bezug auf Haut und Haar und in Bezug auf das Verhältnis der einzelnen Körperteile zu- einander und zum Gesamtkörper eine gewisse Ausgeglichenheit besitzt (Fig. 103). Homogene Tiere sind harmonisch, heterogene Tiere da- gegen disharmonisch aufgebaut. Der verstorbene Oekonomierat Neuhaus \) pflegte auf die Gleichmässigkeit des Haarbesatzes an gewissen Körperstellen ein grosses Gewicht zu legen. So verlangte er ein dichtes, weiches Haar um Maul, Augen, After und die Schamteile herum, ferner an der Kroue und am Schwänze und nannte solche Tiere homogen, während er aus grober, spärlicher und im Bestände ungleicher Behaarung auf Widersprüche in der ganzen Anlage schloss und solche Individuen als unsicher in der Vererbung und mangelhaft in der Leistung bezeichnete. Zeichen von Heterogenität sind nach Bröder mann^), der dieser Frage ebenfalls sein besonderes Studium zugewendet hat, die zu grosse Länge bei mangelhafter Höhe, der lange Hals beim Kaltblüter, die verkehrte Stellung des sonst in der Mitte stehenden Stirnwirbels, Schweinsaugen, schwammige Haut auf der Nase und den Glied- massen etc. Heterogen oder disharmonisch sind bei den Fleischschlägen be- sonders die langen, dabei aber kurz- und dickbeinigen Individuen mit den geraden Gelenkwinkeln an den Gliedmassen, die in Bezug auf Vererbung höchstens insofern eine Sicherheit bieten , als sie ihre Pony- oder Maulwurfsform sehr regelmässig auf die Nachkommen übertragen. Kurze, lederartige, breite Ohren, vorzeitige Kamment- wickelung beim Bullen sind ein Zeichen von geringgradigem Wachs- tum-'). ') Neuhaus, Edelzucht auf Leistung. "Vortrag gehalten im Klub der Landwirte zu Berlin 1888. 2) Züchtungsgrundsätze. Schmidt-Leipzig 1902. ') Pusch, Zeit- und Streitfragen auf dem Gebiete der Beurteilung des Rindes. Oek. Gesellschaft. Dresden 1900. IV. Homogenität und Heterogenität. 205 Fig. 103. Hoiiiii^.'ii.>- li< liiiUe, 13 Monate alt). Fig. 104. Heterogenes Tier (Simmentaler Bulle, 13 Monate alt), hochbeinig, mit mangelhafter Brusttiele, schwerem Kopf, grobem Typus und dabei verhältnismässig feinen Gliedern. 206 5. Abschnitt. Die Züchtung. Fig. 105. Simmeutaler Bulle, zur Milch-, Fleisch- und Arbeitsleistung geeignet. Fig. 106. Siiniuentaler Kuli, zur MiUh-, Fleisch- und Arbeitsleistung geeignet. Heterogenität liegt ferner vor, wenn die Brusttiefe gegenüber der Widerristhöhe zu gering ist, wenn sich leichte Glieder mit schwerem Hörn, grossem Kopfe oder starkem Schweifansatze ver-. IV. Homogenität und Heterogenität. 207 KS ■FT .|Jti| ^^^^^H i^Uf Jr^ flSr ^ ■■l H||l ^K'* ^^1 Ib3 ^^Hj 1 w l/lffi |f^ ^^^i M H ^^^H |:-^ ^1 • w V K ji \ ät^' 4: ^•tii,NN.N»^. *^ - Fig. 107. Simmeutaler Bulle, in dei' Hauptsache nur zur Fleisclileistung geeignet. Kurz, niederständig, ohne Adel. Fig. 108. Kuh des rückenscheckigen Höhenschlages. einigen, oder die Scliwere des Rumpfes zur Stärke der Beine in einem Missverhältnis steht, wie man das bei Kreuzungstieren oft beobachten kann (Fig. 104). 208 5. Abschnitt. Die Züchtung. 2. Die Homogenität und Heterogenität der Rassen und Zuchten. Innerhalb homogener Zuchten sind die Zuchttiere von einheit- lichem Gepräge, von einem gemeinsamen Typus, also ausgeglichen — ältere, konsolidierte Zuchten (Fig. 12) — , innerhalb heterogener dagegen ungleich in den Formen, Farben und Leistungen — jüngere Zuchten. 3. Die Homogenität und Heterogenität der Paarungen. Die Homogenität und Heterogenität der Paarungen kann sich auf die Uebereinstimmung und die Verschiedenheit in den individuellen oder in den Rasseeigenschaften erstrecken. Der Hochzüchter versteht unter der ersteren die geschlechtliche Vereinigung gleichartiger Tiere innerhalb einer und derselljcn Rasse, im anderen Falle ist eine heterogene Paarung diejenige, bei der sowohl im Typus verschiedene Tiere derselben als auch zwei Tiere verschiedener Rassen zur gegenseitigen Begattung benutzt werden. Letzteres ist dann identisch mit Kreuzung. Beispiele: Es liefern: a) Homogene Paarung im Sinne des Hochzüchters zwei in ihrer Erscheinung und in ihren Nutzungseigenschaften an- nähernd gleiche Tiere der Simmentaler Rasse (Fig. 105 X 106). b) Homogene Paarung im gewöhnlichen Sinne zwei Tiere der Simmentaler Rasse — Reinzucht ohne Rücksicht auf Gleichartig- keit im Typus (Fig. 107 X 106). c) Heterogene Paarung im Sinne des Hochzüchters zwei in ihrer Erscheinung und in ihren Nutzungseigensch aften ver- schiedene Tiere der Simmentaler Rasse (Fig. 107 X 106). d) Heterogene Paarung im gewöhnlichen Sinne zwei Tiere ver- schiedener Rassen — Kreuzung (Fig. 105 X 108 oder 107 X 108). Demnach kann die homogene Paarung, soweit sie sich auf die Rasse- übereinstimmung bezieht, im Sinne des Hochzüchters sehr wohl eine heterogene sein, weil natürlich auch innerhalb einer und derselben Rasse die Zucbttiere an sich sehr ungleich sein können ^). Werden solche Tiere miteinander gepaart, die in Bezug auf ihren Rassecharakter nicht zueinander passen, wie z. B. Shorthorns mit Schwyzern (s. Fig. 27 und Fig. 116) oder Simmentaler mit Anglern (s. Fig. 103 und Fig. 192), so nennt man eine derartige Kreuzung eine heterogene. ^) Br öderman n , Züchtnngsgrundsiitze. Schmidt-Leipzig 1902. V. Die Zucht auf Rasse und Form und die Zucht auf Leistung. 209 y. Die Zucht auf Rasse und Form und die Zucht auf Leistung. Seit den letzten Leiden Dezennien des verflossenen Jahrhunderts begegnet man fast in allen europäischen Kulturstaaten Bestrebungen, welche darauf hinzielen, für die einzelnen Gegenden die Zucht be- stimmter und zwar solcher Rassen zu sichern, welche in Bezug auf ihre Lebensansprüche den Boden- und in Rücksicht auf die Art ihrer Nutzung den Absatzverhältnissen entsprechen. Kenntlich sind die Rassen an den Formen und Rinderrassen ausserdem auch noch an den Farben und Alizeichen. Da gewisse Leistungen erfahrungsgemäss bei gewissen Rassen die Regel bilden — Ausdauer und Gängigkeit bei dem ostpreussischen Pferde, Milchergiebigkeit bei dem ostfriesischen Rinde, Mastfähigkeit l)ei den Shorthorns — , und die einzelnen Rassen durch ihre äusseren Merkmale, die Rassezeichen, voneinander zu unterscheiden sind, so ist die Beachtung und für den Produzenten auch die Erhaltung dieser Fabrikzeichen von grossem Werte. Aus der Rasse kann man auch noch allgemeine Schlüsse auf Akklimatisationsfähigkeit, Frühreife, Temperament, Ausdauer und Nerv, auf Konstitution und Preis ziehen, wenngleich hier immer indivi- duelle Unterschiede und Eigenheiten zu berücksichtigen sein werden. Weil die Rasse solche allgemeine Schlüsse gestattet, haben Rassetiere einen höheren Wert, und weil durch die Rassezucht ein höherer Wert der Produkte erzielt wird , ist dieselbe ein Haupt- erfordernis , an deren Durchführung der Staat sowohl wie einzelne Gegenden das grösste Interesse haben. Dass rasselose Lidividuen in Bezug auf Leistungen jeder Art im einzelnen Falle Rassetiere übertreffen können , braucht nicht näher erörtert zu werden, denn innerhalb der Rassen spielt das Individuum noch eine Hauptrolle. Deshalb gestattet die Rasse, wie oben hervor- gehoben wurde, auch nur allgemeine Schlüsse, die im einzelnen Falle immer noch einer besonderen Prüfung bedürfen. Schon die Geschichte der Tierzucht lehrt, dass überall da, wo Rassezucht betrieben wird , die Viehzucht sich lohnender gestaltet. Der Absatz steigt, weil ein Angebot von gleichartigen Tieren in grösserer Zahl vorhanden ist, und der bessere Erlös wirkt günstig auf die gesamte Tierhaltung ein. Der Wohlstand solcher Gemeinden hebt sich und mit ihm die Kultur des Bodens und die ganze Wirt- schaft des einzelnen. Den Rassezuchten wird in neuerer Zeit mit einer gewissen Puscli, Allgemeine Tierzucht. 14 210 '"i- Abschnitt. Die Züchtung. Schärfe vorgeworfen, dass sie der Form und Farbe — dem Exterieur — zu viel Rechnung tragen und die Leistungen vernachlässigen. Wie jeder Produktionszweig überhaupt, so wird auch die Zucht nach dem Exterieur bestimmt durch die Nachfrage ; letztere wird von dem wirtschaftlichen Werte der Zuchttiere und auch von der Mode, dem Geschmack, beeinflusst. Beherrscht die Mode eine Zuchtrichtung, was sich hier sowohl auf Gestalt wie Farbe beziehen kann, so wird der einsichtsvolle Züchter dieser Mode so lange Rechnung tragen, als ihm dadurch ein höherer Verdienst erwächst, denn die Zucht für den Markt ist ein Geschäft. Die Zucht nach dem Exterieur hat aber natürlich auch ihre Grenzen, und diese werden geregelt durch das Mass von Leistungs- vermögen, welches den Tieren sonst innewohnt. Eine Vervollkomm- nung der Formen verliert ihre Berechtigung und mit ihr den sicheren Boden, wenn sie auf die Leistung ohne förderlichen Einfluss bleibt oder gar auf Kosten derselben erfolgt. Ausgenommen ist die Sport- zucht, die sich aber fast nur auf die Hunde-, Kleintier- und gewisse Zweige der Geflügelzucht beschränkt. Jede Vernachlässigung der Leistung rächt sich aber in der Zucht der landwirtschaftlichen Nutztiere trotz des besten Exterieurs, denn jeder Betrieb, so auch die Zucht, verlangt Rente. Bleibt diese aus, so leidet auch der Export, und dann tritt für den Produzenten die eigene Leistung der Tiere , deren Schönheit für ihn wertlos ist, weil er sie nicht in Geld umsetzen kann, in den Vordergrund, und deshalb erreicht jede einseitige Formenzucht mit der Zeit von selbst ihr Ende, ganz abgesehen von dem Mangel an Gesundheit, der solchen Treibhauspflanzen oft ausserdem noch innewohnt. Neben den Formen ist es besonders die Farbe, Avelche bei der Rassezucht noch eine Rolle siiielt. Dass man die Farbenzucht nicht ganz vernachlässigen kann, wird jeder einsehen, der unsere hoch- entwickelte Rindviehzucht kennt, dass man aber in Bezug auf Farben- reinheit, Abzeichen etc. oft viel zu weit geht, ist auch nicht zu leugnen. Kleine, schwarze Flecke an den sonst weissen Unterfüssen, Fehlen eines Sternes, geringe Schwarzfärl)ung am Hodensack oder Euter, Dinge also, die mit der Leistung nichts zu tun haben und sich auch nicht mal zu vererben brauchen, machen solche Individuen trotz sonstiger ausgezeichneter Points oft für Hochzüchter wertlos , weil sie den Rahmen dessen überschritten haben, was man als Norm auf- gestellt hat. Der Pferdezüchter ist hier praktischer, ihm ist die Farbe mehr oder wenij^er gleichgültig. V. Die Zucht auf Rasse und Form und die Zucht auf Leistung. 211 In Hochzucliten kann man sich eine solche Peinlichkeit noch eher gefallen lassen, vollständig unberechtigt ist diese Abzeichenfurcht aber, wenn sie in solchen Landeszuchten gefördert wird, deren Tiere noch auf der untersten Stufe kulturellen Fortschritts stehen. Wenn nun aber auch zum Teil in der Zucht nach dem Exterieur der schönen Form und dem Ebenmass mancher Tribut gezollt wird, so hat das der deutschen Viehzucht bisher noch nichts geschadet. Diese hat sich vielmehr grossartig entwickelt, und die Rassezucht hat gerade in den bevorzugten Produktionsgebieten wesentlich dazu bei- getragen, den Ertrag aus der Rinderzucht zu heben. Dass Rassezucht auch die Leistung fördern kann, haben besonders die Niederungszuchten gezeigt, denn vom Rheine bis an die Ostgrenze des Reiches sind sowohl an der Küste entlang wie im Binnenlande Rinder- rassen entstanden oder fortgezüchtet worden, welche in ihren Leistungen sowohl nach der Richtung der Milch- wie Fleischproduktion sich nicht verschlechtert, sondern im Gegenteil erheblich verbessert haben. Die Rassezucht ist daher kein Feind, sondern ein Verbündeter der Leistungszucht, soweit diese ganze Graue betrifft. Immerhin kann man aber nicht behaupten, dass hier schon alles geschehen ist. In der Pferdezucht bemüht man sich vielerorts, die jungen Deck- hengste einer Leistungsprobe zu unterwerfen, ehe man sie zur Zucht einstellt, auch gegenüber den Stuten ist das in einzelnen Gestüten der Fall. Streng durchgeführt ist die Methode indessen allein beim eng- lischen Vollblut, wo man die Leistungsfähigkeit ganzer Familien genau kennt, sodass man nach Bruce Lowe die Paarung beinahe nur auf dem Papier zu regeln braucht. Von den 94 Stuten , die mit den Begründern der englischen Vollblutzucht, den Hengsten Byerly Turk, Darley Arabian und Go- dolphin, gepaart wurden und die teils dem orientalischen Vollblut angehörten, teils Kreuzungen zwischen diesem und einheimischen englischen Stuten entstammten, teils auch unbekannter Herkunft waren, hat Bruce Lowe^) 43 als Repräsentanten von Familien ausgesondert und diese nach den Leistungen ihrer Nachkommenschaft weiter unterschieden : a) in die Running-Familien 1, 2, 3, 4, 5. Dieselben haben die meisten Sieger in den klassischen Rennen — Derby , Oaks und St. Leger — geliefert; ') Bruce Lowe. S. 12. (S. auch S. 164 d. B.) 212 5. Abschnitt. Die Züchtuntr. b) in die Sire-Familien 3, 8, 11, 12, 14, das sind solche, denen die besten Hengste entstammen. Familie 3 ist Running-Sire-Familie. Die übrigen nennt er Outside-Familien, die also keine besondere Aussichten auf Erfolg in der Zucht von bedeutenden Pferden bieten. Durch Vereinigung der Running- und Sire-Familien und durch Vermeidung der Outside-Beschäler soll man es in der Hand haben, gute Rennpferde und erfolgreiche Vaterpferde zu züchten. Die Bruce Lowe sehe Theorie hat viele Anhänger und auch ent- schiedene Gegner aufzuweisen ^)"), Da man jetzt viel nach dem Zahlen- system züchten soll, so wird sich bald erweisen, welchen Wert dasselbe hat. Beim englischen Vollblut handelt es sich nun aber nur um die absolute Leistungsfähigkeit, da die Menge des verbrauchten Futters bei der Hochwertigkeit des Pferdematerials gar nicht in Frage kommt. Anders liegt die Sache indessen schon bei den Gebrauchspferden und bei den übrigen Nutztiergattungen. Hier muss sich der Züchter damit beschäftigen , die leistungsfähigsten Tiere herauszufinden. Leistungsfähig im wissenschaftlichen Sinne sind aber von den Rindern nicht immer diejenigen, welche die meiste, sondern diejenigen, welche die fettreichste Milch geben und zwar bei dem geringsten Aufwände an Futter. Es muss also, will man wissen, Avas jede Kuh hier wert ist, ein regelmässiges Probemelken, desgleichen eine Fettbestimmung der Milch und eine individuelle Fütterung, d. h. Zumessung auch der Rauhfutterration eingerichtet werden, Mass- nahmen, die sich nicht in jeder Wirtschaft schaffen lassen, immerhin aber in gut geleiteten Betrieben soweit beachtet werden können, als sie die Milchmenge, den Fettgehalt und die Kraftfutterration be- treffen. Durch Gegenüberstellung der Futterkosten und des Milch- ertrages bekommt der Besitzer dann eine klare Uebersicht über die Produktionskosten eines Liters Milch oder eines Kilogramms Butter. •In ähnlicher Weise sollte man auch die Leistungsfähigkeit junger, wachsender Tiere durch regelmässige Wägungen feststellen . dann würden sicherlich viele missachtete Landschläge unter Berücksichtigung der Qualität und des Marktwertes der von ihnen verzehrten Futter- mengen eine günstigere Beurteilung erfahren, als das leider vielfach der Fall ist. Solche Einrichtungen existieren, soweit sie die Feststellung der Milchleistung betreffen , in Dänemark in den sogen. Milchkontroll- ') Suckow, Vollblut. Neubner-Köln 1902. S. 95. 2) Zeitschrift für Pferdekunde und Pferdezucht 1903. S. 153. V. Die Zucht auf Rasse und Form und die Zucht auf Leistung. 213 vereinen ^) '■'') ^), die in der Hauptsache aus Bauern bestehen und vom Staate subventioniert werden (s. S. 253). Werden nun die leistungsfähigsten Individuen zur Nachzucht benutzt, so muss schliesslich auch auf dem Wege der Vererbung z. B. die Fähigkeit, viel Milchfett zu produzieren, Stammeseigenschaft werden. Besonders zu beachten ist hierbei, dass Bullen, die von derartigen Müttern abstammen, in erster Linie diese Eigenschaft übertragen, weshalb solchen „Milchbullen" züchterisch eine sorgsame Beachtung zu schenken ist, wie das in neuerer Zeit auch mehr und mehr geschieht. So hat der Verband der schweizerischen Braunviehzucht-Genossen- schaften beschlossen, die Bullenkälber der besten Milchkühe, welch' letztere Leistungsproben unterworfen werden, auf dem Zuchtstiermarkte in Zug noch besonders zu prämiieren, um auf den Wert dieser Tiere für die Zucht aufmerksam zu machen^). Auch Strebel-Hohenheim ^) und Schre we- Tapiau heben auf Grund eigener Beobachtungen die Bedeutung der „Milchbullen" für die Steigerung der Leistungsfähig- keit im Milchertrage hervor. Feststellung der Leistung und Verbreitung derselben in der Herde auf dem Wege der Vererbung sind also die Grundpfeiler in der Zucht nach Leistung. Wie indessen die Formenzucht an der oft zu geringen Leistung strauchelt, so ergeht es der Leistungszucht in Bezug auf Gesundheit. Deshalb muss das Mass der Leistungsfähigkeit in Zuchtherden ein ge- ringeres bleiben als in Nutzherden, weil die intensive Fütterung, Avie sie zur höchsten Leistung erforderlich ist , in ersteren aus Gründen der normalen Fortpflanzungsfähigkeit und der Gesundheit nicht durch- geführt werden kann. Denn Tiere mit höchster Leistungsfähigkeit, namentlich in der Richtung der Fleisch- und Milchproduktion, sind unter Umständen sogar wertlos für die Zucht, da sie nur zu oft schwächliche und ungesunde Nachkommen liefern. Lnmerhin wird aber auch hier das Futterverwertungsvermögen eine Rolle spielen, und dieses ist, so gut es angeht, auf dem Wege der Vererbung in der Nachzucht zu sichern. In solchen Zuchtherden, welche Zuchtmaterial zum Verkaufe produzieren, muss aber die Form immer mit berücksichtigt werden, ') Pott, Illustr. landw. Tierzucht. Teige-Berlin 1901. Nr. 89 u. 90. ^) Buer, Die dänischen Kontrollvereine. Parey-Berlin 1902. ^) Scheffer, Die dänischen Kontroll vereine etc. Schmidt-Leipzig 1902. *) Müchzeitung 1899. S. 743. '") Strebel, Die Hohenheimer Rindviehherde. Plieningen 1901. S. 79. 214 5. Abschnitt. Die Züchtung. denn trotz aller Leistungsfähigkeit werden unschöne Tiere zu Zucht- zwecken nur zu geringen Preisen verkäuflich sein, und deshalb kann der Produzent die Regelmässigkeit des Baues ebensowenig vernachlässigen Avie die Eigenschaften einer guten, gesunden Konstitution. Wird ein Schlag den Anforderungen in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Gesund- heit und Ebenmässigkeit der Formen in gleicher Weise gerecht, so hat der Züchter in der Regel sein Ziel erreicht und kann dann die Früchte seiner Arbeit in klingenden Erfolgen geniessen. Tl. Reinzucht und Kreuzung. Unter Reinzucht versteht man die Paarung von Individuen ein und derselben Rasse. Beispiele : 1. Englischer Vollbluthengst X englische Vollblutstute. 2. Simmentaler Bulle X Simmentaler Kuh. Die Reinzucht kann, sie braucht aber nicht Verwandtschaftszucht zu sein, denn bei den Beispielen 1 und 2 können verAvandte oder im Blute einander fremde Tiere miteinander gepaart werden. Dort wo eine Rasse in einzelne Schläge zerfällt, wie die Rinder des grossen Fleckviehschlages in die Originalsimmentaler, die Messkircher (Baden) und Miesbacher (Bayern), ist es Sache der Uebereinkunft , ob man von Reinzucht oder Kreuzung sprechen will, wenn man z. B. Mess- kircher X Simmentaler oder Miesbacher X Messkircher verwendet. Gewöhnlich bezeichnet man eine derartige Blutmischung aber noch und zwar mit vollem Rechte als Reinzucht. Der Reinzucht steht die Kreuzung gegenüber, unter welcher man die Paarung von Individuen verschiedener Rassen versteht — hete- rogene Paarung im Sinne des Rassezüchters. In Bezug auf Reinzucht und Kreuzung ist also die Rasse das bedingende Moment. Einzelne Schriftsteller wollen indessen die Be- zeichnungen auch unabhängig von der Rasse auf die Gleichartigkeit der Individuen angewendet Avissen , Avas indessen begriffsverAA'irrend AAarkt und deshalb nicht jjraktisch ist. Will man die Art der Paarung in Bezug auf die Gleich- oder Verschiedenartigkeit des Materials unalihängig von der Rasse zum Ausdruck Ijringen, so soll man das nicht Reinzucht oder Kreuzung, sondern homogene und heterogene oder harmonische und disharmo- nische Paarung nennen. VI. Reinzucht und Kreuzung. 215 Fig. 109. Kuli, Sirauientaler 1/2 Blut. (Vater: Simmentaler, Mutter: schwarzbunte Kuh im Typus der nachgezogenen Holländer.) Fig. 110. Bulli'. Siiimii/iitukT -'l.i lilut. (Vatf.r: öinuneutaliT, Mutter: Siiiimi'ntaler Kreuzung — vom Simmentaler Bullen aus einer rotscheckigen Landkuh des Höhenschlages.) 216 5. Abschnitt. Die Züchtung. Die Nachkommen der ersten Kreuzung heissen Halbbluttiere (s. S. 62). Die Kreuzung ist von grossem Werte für Gebrauchszwecke, denn die Produkte zeichnen sich gewöhnlich durch ein vorzügliches, körperliches Gedeihen aus, und das Verfahren ist deshalb besonders zur Lieferung von zur Fleischproduktion bestimmten Tieren zu empfehlen. Dacfesren ist es der Erfahrung gemäss nicht ratsam, die Halbblutnach- kommenschaft unter sich weiter zur Zucht zu benutzen, sondern es sind immer neue Kreuzungen vorzunehmen. Will man das letztere nicht durchführen, weil es auch zum Ankauf von reinblütigem, Aveiblichen Zuchtmaterial oder zur Haltung von mehreren Rassen angehörigen Vatertieren zwingen würde, so kann man die weiblichen Kreuzungs- produkte, wie das mit gutem Erfolge bei Schweinen gemacht wird, in der einen Generation mit dem Eber der einen und in der nächsten mit demjenigen der anderen Originalrasse paaren, damit man keiner von beiden Bässen zu nahe kommt, sondern in Bezug auf den Blut- grad wenigstens annähernd in der Mitte bleibt. In Sachsen ist bei Schweinen eine Kreuzung zwischen weissen englischen Ebern und Sauen Meissner Schlages sehr üblich. Damit man zur Nachzucht nicht wieder Meissner Sauen zu kaufen braucht, kreuzt man die weiblichen Nachkommen nochmals mit einem englischen und die nächsten dann wieder mit einem Meissner Eber. Die zweite Generation enthält dann ^4 und die dritte ^/s englisches Blut. Wilde oder planlose Kreuzungen sind solche, bei denen Tiere der verschiedensten Rassen oder Blutmischungen regellos miteinander ge- paart werden, sodass dann die Nachzucht jedes Typus entbehrt. Ein derartiges Gebaren hat viele Landschläge vernichtet. Umgekehrt führt fortgesetztes, planmässiges Kreuzen mit den Jahren zur Reinzucht. Beispiele : Simmentaler Bulle Landkuh = ^2 Blut Simmentaler — L Generation (Fig. 109), Simmentaler Bulle X ^2 Blut S. = -^i Blut Simmentaler — IL Generation (Fig. 110), Simmentaler Bulle X ^/* B^'-^^ S. = '/s Blut Simmentaler — III. Generation, Simmentaler Bulle X V» Blut S. = ^''lo Blut Simmentaler — IV. Generation, Simmentaler Bulle X ''A« Blut S. = ^^32 Blut Simmentaler — V. Generation. Die IV. und V. Generation Averden zwar schon mancherorts als VI. Reinzucht und Kreuzung. 217 ßeinzucliten betrachtet, immerhin aber ist in denselben noch die Neigung zu RückschUigen zu befürchten. Während, wie schon oben erwähnt, Kreuzungsprodukte, die aus der Blutmischung verschiedener Rassen hervorgehen — sogen, erste Kreuzungen — , sich in der Regel auch unter bescheidenen Haltungs- verhältnissen durch eine günstige Körperentwickelung auszeichnen, schreitet dieselbe bei fortgesetzter Veredelung nicht in dem gleichen Masse fort, im Gegenteil die Tiere werden zwar in der Regel gefälliger Fig. 111. Deckhengst aus iloni Laiulyi'stüt .Moiitzlinrg-. Vater: Trakehner, Mutter: Oldeuburger. in ihrer äusseren Erscheinung, aber auch feiner, leichter und im Futter anspruchsvoller, Beobachtungen, wie man sie beispielsweise bei der Ümzüchtung der Landschläge mit Simmentaler Bullen oder Yorkshire- ebern leider immer wieder da beobachten kann, wo Boden und Haltung den grösseren Daseinsansprüchen nicht Rechnung tragen. Im ersteren Falle scheinen sich die Produkte geradezu von dem Einflüsse der Scholle unabhängig zu machen; jedenfalls ist das bessere Wachstum auf eine Stärkung des Nervensystems und eine damit im Zusammenhange stehende Steigerung der physiologischen 218 5. Abschnitt. Die Züchtung. Tätigkeit des Magens zurückzuführen, die beide mit der Zunahme der Veredelung ihre Spannkraft alhiiählich wieder verlieren. YII. Bliiteiiimischuiig und Blutauffrischung. 1. Die Bluteinmischung. Das Fehlen gewisser Eigenschaften in einem sonst homogenen Viehschlage kann Veranlassung geben, Blut einer anderen Kulturrasse für denselben zu benutzen. Da der Grundtyp nicht geändert werden soll, so kann eine regelrechte Kreuzung nicht stattfinden, sondern es muss das fremde Blut auf eine andere und zwar sehr vorsichtige Weise hineingetragen werden; oft soll das ganze Experiment auch der breiten Oeffentlich- keit gegenüber verborgen bleiben. Solche Versuche sind bei Pferden zur Erhöhung des Nerves und der Drahtigkeit und bei Rindern zur Steigerung der Frühreife und Mastfähigkeit gemacht worden. Die Ausführung geschieht so, dass man einige der besten Stuten oder Kühe von einem Hengste oder Bullen desjenigen Schlages belegen lässt, den man zur Verbesserung für geeignet hält, und dass man nun die aus solchen Paarungen her- vorgegangenen Nachkommen aufzieht. Von letzteren finden wiederum nur diejenigen Verwendung, welche dem heimischen Schlage am meisten entsprechen, und zwar werden sie mit möglichst typischen Tiei'en aus der Landeszucht gepaart, damit der Schlagcharakter erhalten bleibt. Natürlich liegt der Schwerpunkt hier gewöhnlich mehr in der männlichen Nachzucht, und wenn unter derselben ein Tier produziert ist, welches drahtiger oder mastfähiger ist, als das sonst bei den Indi- viduen des Schlages der Fall zu sein pflegt, sonst aber alle Vorzüge des letzteren aufweist und beide Richtungen vererbt, so kann dasselbe der einheimischen Zucht grosse Dienste leisten. Solche Versuche hat man in Oldenburg mit der Bedeckung einzelner Stuten durch Trakehner- (Fig. 111) und Celler-Hengste ge- macht, die indessen zu einer Fortsetzung nicht ermutigt haben, weil die Nachzucht nicht jene Vereinigung von Körpermasse mit vornehmer Erscheinung und bestechendem Gange aufwies, die das Oldenbiirger Pferd zu Zucht- und Gebrauchszwecken so überaus wertvoll macht. Weiterhin hat man in Unterfranken früher einmal eine Einmischung von Shorthornblut in den gelben Rinderschlag vorgenommen, um dessen Frühreife zu heben. In neuerer Zeit scheinen auch dieFreiburger Schwarz- schecken aus der Schweiz in einzelnen Niederungszuchten zu gleichen VII. Bluteinmischung und Blutauffrischung. 219 Zwecken Verwendung zu finden, doch gelangen Nachricliten über die Vornahme derartiger Blutmischungen gewöhnlich nicht in das grosse Publikum, da die Züchter meist bestrebt sind, ein solches Verfahren geheim zu halten. 2. Die Blutauffrischung. Während sich der Züchter bei der Bluteinmischung anderer Rassen bedient, beruht die Blutauffrischung auf einer Zufuhr von Blut aus einer und derselben Rasse. Diese wird in solchen Zuchten vorgenommen, welche eines ver- hältnismässig geringen Bestandes wegen nicht in der Lage sind, eine nahe Verwandtschaftszucht zu vermeiden, oder die sich unter anderen klimatischen und Haltungsverhältnissen befinden, als sie die verpflanzten Stämme in ihrem ürsprungsgebiete genossen. Hält z. B. ein Züchter eine Herde von 20 Kühen und einem Bullen, so muss er, sofern er nicht fremdes Blut einführt, sehr bald in die engste Verwandtschaftszucht geraten, denn schon nach kurzer Zeit muss der Bulle entweder seine Töchter oder seine Halbgeschwister decken. Es wird zur Vermeidung dessen entweder ein Bulle oder aber auch eine tragende Kuh gekauft, deren männliches Produkt dann die Blutauffrischung bewirkt. Die letztere ist ferner notwendig, wenn Zuchtstämme aus Hoch- zuchtrassen in andere Gegenden verbracht werden und zwar umso eher, je mehr die Verhältnisse in der neuen Heimat von denen in der alten abweichen. Die Tiere degenerieren dann, werden schwächer im Rumpfe und leichter in den Gliedern, nehmen, auf die Mast ge- stellt, schwerer zu, das Trächtigkeitsergebnis wird bei ihnen geringer, und die ganze Lebensfrische ihrer Nachzucht lässt zu wünschen übrig. Manche Rinderschläge blassen auch in der Farbe ab. Selbst wenn auch mehrere derartige Zuchten in einer Gegend vorhanden sind, und demgemäss innerhalb derselben Blutaustausch vermittelt und Verwandtschaftszucht vermieden werden kann, bleiben die oben angeführten Fälle mancherorts nicht aus, und ist es besonders die Verfeinerung und Ueberbildung, die sich mit Vorliebe einstellt. Blutauffrischung bewirkt dann oft Wunder, wenn sie durch Tiere aus dem Mutterlande des Schlages erfolgt; das körperliche Gedeihen wird besser und der frischere Wuchs und die intensivere Futteraus- nutzung machen die Zucht wieder lohnend. Umgekehrt können sich auch solche überbildete Zuchtstämme und -tiere, wenn man sie in natürliche, abhärtende, für die Ent- wickelung ihrer Lebensenergie und Leistungsfähigkeit günstige Hai- 220 5. Abschnitt. Die Züchtung. tungsverhältnisse versetzt, ohne Blutauffrjschung aus sich selbst heraus erholen und wirtschaftlich wieder wertvoll werden, ein Vorgang, den man als Regeneration bezeichnen kann \). Till. Inzucht, Yerwandtscliaftszucht, Inzestzncht. 1. Die Inzucht. Unter Inzucht versteht man die Zucht innerhalb einer abge- geschlossenen Herde ohne Zuführung frischen Blutes von aussen. Wenn jemand eine grosse Schafherde hat und ausschliesslich die Produkte dieser Herde weiterzüchtet, so treibt er Inzucht. Diese ist in grossen Beständen eine Zeitlang ohne Verwandtschaftszucht möglich, in kleineren dagegen nicht. Inzucht l)raucht deshalb nicht unter allen Umständen , sie wird aber der Regel nach auch gleich- zeitig eine Verwandtschaftszucht sein. Bei der Inzucht kann es sich weiterhin um Reinzucht oder Kreuzungszucht handeln. So wird Inzucht getrieben, wenn eine Herde weiter gezüchtet wird, die durch Holländer Kühe und einen Holländer Bullen oder durch Holländer Kühe und einen Simmentaler Bullen begründet ist. Ersteres ist Reinzucht, letzteres Kreuzungszucht. 2. Die Verwandtschaftszucht. Der Grad der Verwandtschaft wird nach folgenden Gesichts- punkten bestimmt. Stammt ein Individuum von einem anderen ab, so sind beide in gerader Linie miteinander verwandt — Mutter -Sohn, Grossmutter- Enkel. — Der Vater ist mit dem Sohne in absteigender, der Sohn mit dem Vater in aufsteigender Linie verwandt. Zwei Individuen sind in der Seitenlinie miteinander verwandt, wenn sie von ein und demselben dritten Individuum abstammen — Geschwister. Haben sie Vater und Mutter gemeinsam, so heissen sie Voll-, haben sie nur Vater oder nur Mutter gemeinsam , Halb- geschwister-). Letzteres ist bei Tieren die Regel. Der Grad des verwandtschaftlichen Verhältnisses geht aus fol- gendem Schema hervor: Stammutter a und Sohn b ) t /-( i i t • • „ , , i. Grad, gerade Linie. „ a ,, iochter c ] a „ Enkel d 1 t, ^ , j t ■ • _, , ,. '11. Grad, gerade Linie, a „ Enkelin e ^ ') Harmuth, Landw. Presse. 1903. S. 753. ^) Brühl, Das Recht im Bürgerlichen Gesetzbuche. Dresden 1899. VITI. Inzuclit, Verwandtschaftszucht und Inzestzucht. 221 Sohn b und Tochter c IL Grad, Seitenlinie — Geschwister. Stammutter a und Urenkel f oder Urenkelin g III. Grad, ge- rade Linie. Sohn b und Enkelin e III. Grad, Seitenlinie — Onkel, Nichte. Enkel d und Enkelin e IV. Grad, Seitenlinie — Geschwister- kinder, Vetter und Cousine. Urenkel f und Urenkelin g VI. Grad, Seitenlinie — Ander- Geschwisterkinder. ^SoTiTi ^IlTLkel D ITreTikeL a StaTnnuittep o > S TocJiter alhikeliri 9 TTr'enkeJirL o Fig. 112. Erläuterung des Verwandtschaftsgi-ade des. Die Blutsverwandtschaft kann man in eine massige, eine enge und eine blutschänderische einteilen. Massige Verwandtschaftszucht ist z. B. die Paarung zwischen den Urenkeln eines Hengstes oder einer Stute, enge Verwandtschaft die Paarung zwischen Enkeln. Letztere bezeichnet Graf Lehndorff^) beim Vollblut als Inzucht — In-breeding — ; nach ihm ist diese demnach eine Steigerung der Verwandtschaftszucht und zwischen letzterer und der Inzestzucht in der Mitte stehend. 3. Die Inzestzucht. Die Inzestzucht erstreckt sich auf Paarungen im ersten und zweiten Verwandtschaftsgrade und zwar sowohl in gerader wie in der Seitenlinie (s. oben). Handbuch für Pferdezüchter. S. 239. 222 ^- Abschnitt. Die Züchtung. Es ist demnach in Fig. 112 - ' \ Inzestzuclit, b X c j bX e I c X d nahe oder enge Verwandtschaftszucbt, d Xe I f X g — massige oder weite Verwandtschaftszucbt. Beim Menschen wird der geschlechtliche Umgang zwischen Ver- wandten im ersten und zweiten Grade bei den Kulturvölkern mit schweren Freiheitsstrafen geahndet, desgleichen sind derartige Ehen verboten. Das deutsche Gesetz gestattet noch Ehen im dritten Grade in der Seitenlinie, die in den meisten anderen Ländern Europas be- reits gesetzlich ausgeschlossen sind. Diese Verbote von Ehen zwischen den nächsten Blutsverwandten sind nicht allein religiösen und moralischen Bedenken, sondern viel- mehr den aus den praktischen Erfahrungen hervorgegangenen Er- wägungen zuzuschreiben, dass Kinder blutsverwandter Eltern häufiger an geistigen und körperlichen Gebrechen leiden, als das sonst durch- schnittlich der Fall zu sein pflegt. Beim Menschen und bei Tieren sind die Gründe, welche zu ver- wandtschaftlichen Blutmischungen führen, sehr verschieden. Bei ersteren ist Zuneigung, gesellschaftliche Stellung oder Ver- mögen der Angelpunkt, bei Tieren sind die Ursachen in einer Gleich- gültigkeit oder Unkenntnis der Züchter oder in dem Streben nach möglichst sicherem Festhalten oder nach möglichster Steigerung der Leistungsfähigkeit zu suchen. 4. Die Vorzüge der Verwandtschaftszucht. Die Verwandtschaftszucht hat als planmässige Zuchtmethode den Zweck, die Tiere einer Herde möglichst gleichartig zu gestalten. Letzteres kann sich auf Formen oder Leistungen oder auf beides beziehen. Verwandte Tiere sind einander bis zu einem gewissen Grade ähnlich, und wenn man sie miteinander paart, so wird man die Aehn- lichkeit in der Nachzucht noch erhöhen. Beispiel: Zwei Schafe von gleicher Wollqualität werden diese Eigenschaft nach den Gesetzen der Vererbung in den Lämmern in ge- steigertem Masse zur Geltung bringen, indessen ist die Sicherheit der Steigerung grösser, wenn die beiden Eltern miteinander verwandt VIII. Inzucht, Verwandtschaftszucht und Inzestzucht. 228 sind , und zwar nimmt der Vererbungseffekt mit dem Näherrücken der Verwandtschaft zu. Diese Steigerung der Leistung durch nahe Verwandtschaftszucht bezieht sich in der Hauptsache aber nur auf die Produktion von Wolle, Milch und Fleisch, während sie für Arbeitstiere und besonders für edle Pferde ganz anders beurteilt werden muss, denn Verwandt- schaftszucht schwächt anderseits die Konstitution und das gesamte physische Leistungsvermögen des Individuums, deshalb ist Kraft, Nerv und Ausdauer in den Produkten naher Verwandtschaftszucht in der Regel nicht zu finden. Graf Lehndorff hat diese Frage in Bezug auf die englische Vollblutzucht eingehend in seinem Handbuche erörtert. Die Elite- familien des Vollblutes gehen bekanntlich auf die drei orientalischen Hengste Byerly Turk, Darley Arabian und Godolphin zurück, deren Blut man zur Steigerung der Rennleistung in den Nachkommen mög- lichst zu verschmelzen suchte. So kam es zu vielen, oft recht nahen verwandtschaftlichen Paarungen, die mit der Vermehrung der Zahl der Tiere und der damit Hand in Hand gehenden, grösseren Auswahl zwar an Intensität verloren, immerhin aber, allerdings in viel wei- teren Graden, auch heute noch die Regel bilden. Graf Lehndorff^) hat nun 163 aus Verwandtschaftszucht hervor- gegangene Hengste nach Abstammung und Rennleistung verfolgt, dieselben na'ch ihrem Verwandtschaftsgrade in sechs Gruppen ge- gliedert und dabei gefunden, dass diejenigen Hengste die leistungs- fähigsten waren, deren Eltern durch vier, fünf oder sechs „freie" Gene- rationen von ihrem gemeinsamen Ahnen — Stammvater oder Stammutter — entfernt waren. Das sind Kinder von Verwandten 6. — 8. Grades, also von Urenkeln und Ururenkeln eines Tieres, und sollen nach diesem Autor solche aus massiger Verwandtschaftszucht hervoi'gegangene Nachkommen den aus Inzucht (In-breeding) — hier mit enger Verwandtschaftszucht identisch — , wie den aus Fremdzucht (Out-crossing) entsprossenen Hengsten vorzuziehen sein, sofern natürlich nicht nur verwandtes, sondern gleichzeitig auch hochwertiges Blut dabei in Frage kommt, 5. Die Nachteile der Verwandtschaftszucht. Ebenso wie bei der Verwandtschaftszucht wirtschaftlich wichtige und begehrenswerte Eigenschaften gleichsam potenziert in der Nach- zucht auftreten, geschieht das natürlich auch mit Mängeln, Fehlern •) Handbuch für Pferdezüchter. S. 252. 224 5. Abschnitt. Die Züchtunsr. und Krankheiten. Deshalb verlangt die Verwandtschaftszucht ein be- sonderes Augenmerk in Bezug auf Gesundheit und führt dann geradezu zu Fig. 113. Durch Verwandtschaftszucht degenerierte Schweine. dem Ruin mancher Zuchten, wenn die Art der Krankheit (z. B. Tuber- kulose) nicht immer eine frühzeitige Erkennung derselben ermöglicht. Fig. 114. Durch Verwandtschaftszucht degeneriertes Elektoralschaf. Die weiteren Nachteile erstrecken sich auf die Verfeinerung des Skelettes und der Konstitution, auf Unfruchtbarkeit, mangelhafte Lebensenergie der Neugeborenen und beim Menschen auf Defekte in VTII. Inzucht, Verwandtschaftszucht und Inzestzucht. 225 Fig. 115. Durch Verwandtschaftszucht degenerierte Schwyzer Kuh. Fig. 116. Normale Schwyzer Kuh. den geistigen Fähigkeiten; als Vorboten pflegen edlere, kleinere Figuren mit feiner Haut, spärlicher Behaarung, dünnen, durch- scheinenden Ohren und langen, schmalen Nasen aufzutreten. Diese Degeneration, wozu in manchen Fällen auch noch schlechte Rücken- Pusch, Allgemeine Tierzucht. 15 226 5. Abschnitt. Die Züchtung. Fig. 117. Durch Verwandtscliaftszucht degenerierte Ziege (Hängeeuter). Fig. 118. Durcli Verwandtscliaftszucht degenerierte Ziege (starke Durchtrittigkeit). formen, Einsattelung, Schnürbrust, Senkrücken, Abblassen in der Farbe (s. Fig. 113, 114, 115) und eine auffallende Scbwerfuttrig- VIII. Inzucht, Verwandtschaftszucht und Inzestzucht. 227 keit gehören, sind in ihrer Ausbildung einmal von dem Grade der Verwandtschaftszucht, von dem allgemeinen Leistungsvermögen der Rasse, von der Tiergattung, der Haltung und von der Gleichartigkeit oder Verschiedenartigkeit der gesamten Lebensverhältnisse abhängig. Je enger die Verwandtschaftszucht ist, und je längere Zeit die- selbe getrieben wurde, umso sicherer die Entartung. Einseitige hohe Leistungen, welche an sich schon auf Kosten der Körperkonstitution erfolgen, wie Produktion feinster Wolle, hohe Jahres- gemelke, grosse Frühreife und Mastfähigkeit, werden zwar durch Ver- wandtschaftszucht sehr gesteigert, anderseits arten aber auch solche Zuchten viel eher in Unfruchtbarkeit, Schwächlichkeit der Nachkommen oder in Krankheiten aus, als wenn verwandte Tiere gepaart werden, welche nur Durchschnittsleistungen besitzen, also Wolle und Fleisch, Milch und Fleisch oder Fleisch und Arbeit in annähernd gleichem Ver- hältnis liefern, wie das namentlich in der bäuerlichen Zucht der Fall ist. Hier legt man sich vielfach über die Art und Weise der Paarung keine Rechenschaft ab, sondern begnügt sich mit dem Bewusstsein, dass diese überhaupt stattgefunden und man demnach ein Kalb, Ferkel oder Zickel und frischmelkende Kühe oder Ziegen zu erwarten hat. Was die Tiergattungen anlangt, so sind die Schweine (Fig. 113) und besonders die Edelschweine — Yorkshires — am empfindlichsten ; ihnen schliessen sich die Schafe (Fig. 114) und Hunde an, während bei Rindern und Pferden die Nachteile nicht so schnell und auch nicht in so ausgesprochenem Masse auftreten. Indessen ist hier nicht zu übersehen, dass sich Pferde und Rinder viel langsamer fortpflanzen als Schweine, Schafe und Hunde, und dass die Degeneration bei ihnen erst nach längerer Beobachtungszeit in die Erscheinung tritt (Fig. 115 im Vergleich zu Fig. 116). Bei Ziegen hat die Verwandtschaftszucht, die hier ja geradezu in sträflicher Weise betrieben wird, der Frucht- barkeit zwar nicht geschadet, indessen aber die Konstitution der Land- rassen so geschwächt, dass man von der Ziege zu sagen pflegt, sie „stürbe, wenn sie wolle". Bei älteren Tieren zeigt sich dann als Aus- druck dieser mangelhaften Konstitution eine Schwächung des Band- und Sehnenapparates, sodass die Euter fast bis auf die Erde reichen — fälschlich für Milchergiebigkeit gehalten — , und die Tiere nicht mehr auf den Klauen, sondern auf den Fesselbeinen laufen (Fig. 117 und 118). Die Haltung hat insofern einen nicht zu unterschätzenden Ein- fluss, als Bewegung, Weide und Abhärtung die Konstitution heben und somit die Nachteile nach dieser Richtung hin abschwächen. — Zuchten in den osteuropäischen Steppen, wild lebende Tiere etc. 228 5. Abschnitt. Die Züchtung. Endlich kommt noch der Einfluss der Scholle in Betracht. Wenn verwandte Individuen unter den gleichen Nahrungs-, Haltungs- und klimatischen Verhältnissen leben, also alle auf sie ausstrahlende Ein- wirkungen gleicher Art sind , so muss sich die Blutgleichheit durch das Hinzutreten der indirekten Konsanguinität steigern, während die entgegengesetzten Verhältnisse nach Art einer Blutauffrischung wirken. Man hat deshalb empfohlen, die Nachkommen verwandter, aber nach anderen Gegenden verpflanzter Tierstämme zurückzuholen, nachdem sie der fremde Boden in gewisser Weise umgestaltet hat. Man bringt dann zwar ebenfalls das verwandte Blut, aber auch gleichzeitig einen in seiner ganzen Reaktionsfähigkeit so veränderten Körper zurück, dass dessen Verwendung zur Zucht wie eine vollständige Blutauf- frischung wirkt, ohne dass dadurch etwas Fremdartiges und im Typ erheblich Abweichendes in die Stammherde hineingetragen wird. Der- artige Erfahrungen hat man mit dem englischen Vollblutpferde und den Shorthorns in Bezug auf Australien und Amerika sremacht. 6. Belege für die Nachteile der Verwandtschaftszucht. V. Nathusius ^) zitiert einen von Wright mitgeteilten Fall, wo- nach Schweine sieben Generationen nacheinander von demselben Eber belegt wurden. In den letzten Zuchten blieben die Sauen güst oder hatten nur wenig Ferkel, welche ausserdem nicht saugten oder schwach oder Krüppel waren. Nach Einführung fremden Blutes traten nor- male Verhältnisse ein. Eigentümlicherweise war die beste Sau aus der letzten Ver- wandtschaftspaarung hervorgegangen, allerdings hatte die Mutter nur dieses eine Ferkel geboren. Als Wright versuchte, dieses wieder von seinem eigenen Vater belegen zu lassen, wurde es nicht tragend, bezog jedoch sofort von einem anderen Eber. V. Nathusius fügt obigem eine eigene Beobachtung an. Der- selbe erhielt eine tragende Yorkshiresau aus England und züchtete drei Generationen von ihr in ausschliesslicher Verwandtschaftszucht. Darauf erfolgte Verfeinerung der Konstitution und Zunahme der Un- fruchtbarkeit bei den Nachkommen. Eine Sau dieser Zucht brachte von einem rechten Vetter 6 und 5 nicht kräftige Junge, von einem kleinen, schwarzen Essexeber aber in zwei Würfen innerhalb eines Jahres 21 *) H. V. Nathusius, Kleine Schriften und Fragmente. Parey-Berlin 1880. Seite 112. VIII. Inzucht, Verwandtschaftszucht und Inzestzucht. 229 und 18 Ferkel, obwohl dieser Eber mit Sauen seines Schlages nur 7 bis 9 Nachkommen produzierte. Verfasser hat dann selbst den Niedergang einer weissen eng- lischen Schweinezucht beobachtet, in der einmal die Sauen wenig Ferkel brachten , dann aber die Ferkel schwach zur Welt kamen, nicht saugten, eintrockneten, grosse Köpfe bekamen und einige Zeit nach der Geburt ohne sichtbare Krankheitserscheinungen an mangel- hafter Lebensenergie zu Grunde gingen. Die Sektion ergab fettige Degeneration des Herzens und der Körpermuskulatur. Der Besitzer hatte seiner Meinung nach immer Blutauffrischung getrieben, allerdings derart, dass er ab und zu Eber aus der Zucht eines benachbarten Gutes gekauft hatte. Er schob daher die Kalamität auf die Einwirkungen des neuen Stalles, konnte sicji aber bald von der Unrich- tigkeit seiner Ansicht überzeugen, denn als er einen guten Eber aus einer bekannten Hochzucht importiert hatte, hörten die oben angeführten Miss- erfolge trotz Beibehaltung der Mutterschweine mit einem Schlage auf. lieber Nachteile in der Schafzucht berichten Settegast^) und V. Nathusius ^), besonders wird die Traberkrankheit mit ihren ver- heerenden Folgen auf die Inzucht und Inzestzucht zurückgeführt. Die Bernhardinerhunde sollen nur durch Zufuhr von Blut der Neufundländerrasse vor dem gänzlichen Aussterben bewahrt worden sein. Das dänische Gestüt Frederiksborg ^) ging infolge von Verwandt- schaftszucht so in seiner Fruchtbarkeit zurück, dass es der Auflösung anheimfiel. Ebenso ist es dem Hofgestüt Herrenhausen bei Hannover ergangen. In Fogrimmen ') in Ostpreussen wurden die Nachkommen zweier masurischer Pferde rein in sich fortgezüchtet. In der sechsten Gene- ration stellte sich Albinismus ein, und die Weiterzucht erreichte durch die Unfruchtbarkeit der Individuen ihr Ende. Bei den Vertretern der Gattung Rind treten die Nachteile nicht so offen zu Tage, immerhin aber ist doch bekannt, dass die Fruchtbarkeit des von der russischen Regierung gehegten, in seiner Zahl stark redu- zierten Wisents durch die Inzucht stark abgenommen hat, sodass man von drei Kühen jährlich nur auf ein Kalb rechnen kann. Aehnlich verhält es sich mit dem englischen Parkrinde, welches ebenfalls sehr ') Settegast, Tierzucht. V. Aufl. S. 410. ^) V. Nathusius, Kleine Schriften und Fragmente. Parey-Berlin. S. 102. ^) Schwär zneckers Pferdezucht. Parey-Berlin 1902. S. 172. ■*) Müller, Schriften der königl. physikal. -Ökonom. Gesellschaft. Zit. v. Sette- gast, Tierzucht. S. 411. 230 5. Abschnitt. Die Züchtung. unter mangelhafter Fruchtbarkeit zu leiden hat, sodass man schon zu Blutmischungen zwischen den drei vorhandenen Herden überge- gangen ist ^). Weiter ist nachgewiesen, dass die berühmten Shorthornzüchter Colli ng und Bat es-) zur Hebung der Fruchtbarkeit ihrer Rinder fremdes Blut einführen mussten, nachdem sie bereits durch das System fortgesetzter In- und Verwandtschaftszucht bedeutende züchterische Erfolge erzielt hatten. Charles Colling benutzte sogar einen Nach- kommen aus einer Kreuzung von Shorthorn /( Galloway und zog von diesem den Bullen Grandson of Bolingbroke, den er in seiner Herde für die besten Kühe verwendete. Eine Tochter von diesem, die Kuh Lady C^/s Shorthorn- und ^/s Galloway-Blut), hinterliess eine zahlreiche und hochwertige Nachkommenschaft. Immerhin aber sind, wie schon oben erwähnt, die Nachteile aus der Verwandtschaftszucht bei Pferden und Rindern nicht so in die Augen fallend wie bei Schweinen und Schafen und bei Pferden namentlich dann nicht, wenn von denselben nicht besondere körper- liche Anstrengungen, wie beim englischen Vollblut, verlangt werden, und die Konstitution der Tiere eine feste ist. So wird in dem österreichischen Hofgestüt Kladrub bei Pardubitz in Böhmen schon seit mehr als hundert Jahren ein grosses Parade- pferd auf dem Wege der engsten Verwandtschaftszucht gezogen. Der Zucht dienen je zwei Stämme in der Schimmel- und Rappfarbe, und zwar sind in jeder Farbe 2 Hengste und 16 — 20 Stuten vorhanden. Diesen Pferden fällt die Aufgabe zu, je zwei Achterzüge von Schimmel- und Rapphengsten zu ergänzen, die im Wiener HofmarstaUe stehen und bei feierlichen Gelegenheiten in reich vergoldeten Geschirren vor die Hofgalawagen gespannt Averden. Obwohl nun die Tiere in engster Verwandtschaftszucht gezogen werden müssen , da die Einführungen fremden Blutes bisher sowohl den eigenartigen Charakter des auf spanisches Blut zurückzuführenden Schlages, als auch seine Grösse ungünstig beeinflusst haben, und eine Blutauffrischung von bleibendem Werte deshalb seit 1853 nicht mehr stattgefunden hat, so sind die Pferde bei allem Adel noch mächtig in den Formen und in den Hengsten von einer Grösse bis zu 190 cm (Fig. 119). Die Trächtigkeitszifl'er beträgt nach den Aufzeichnungen des Gestütsdirektors Mottloch ^) auch noch 67*^/o gegenüber 68,5"/o, ') Wallace, Farm live stock etc. London 1893. S. 24. *) v. Nathusius, Kleine Schriften. S. 106. ä) Geschichte und Zucht der Khidiuber Rasse. Beck-Wien 1886. S. 67 u. 69. VIII. Inzucht, Verwandtschaftszucht und Inzestzucht. 231 welche in demselben Gestüt in der englischen Halbblutzucht erzielt werden. Weiterhin kann man auch in der bäuerlichen Rindviehzucht Beobachtungen machen, denen zufolge in Beständen von 15 — 20 Stück Grossvieh, wie die Besitzer versichern, seit einem Menschenalter kein fremdes Blut eingeführt ist, ohne dass sich eine auffallende Degene- ration oder mangelhafte Fruchtbarkeit bemerkbar gemacht hat. Fig. 119. Hauptbeschäler Generalissimus aus Kladrub. Zunächst handelt es sich hier aber meist um die auf der Scholle entstandenen und weniger empfindlichen Landrassen und weiterhin um sonst gute Wirtschaften, in denen genügend Futter zur Verfügung steht und auf die ganze Haltung Sorgfalt verwendet wird. Die Tiere sehen deshalb auch gewöhnlich gut und meist viel besser aus, als die Rinder bei anderen Besitzern des Ortes, die zwar Zuchttiere zu- kaufen, aber schlechter futtern. Treiben die letzteren mal eine Zeit- lang ebenfalls enge Verwandtschaftszucht und noch dazu mit Tieren fremder Rassen, so gibt es allerdings bald Kümmerlinge, die den Besitzer dann schnell zu einem Systemwechsel zwingen. Ein Beispiel für eine sehr lange Zeit hindurch beim Rinde be- 232 5. Abschnitt. Die Züchtung. triebene Verwandtschaftszucht liefert der Rosensteiner Kindvielistamm auf der könif^licben Meierei Rosenstein bei Stuttgart. In den Jabren 1821 und 1821» wurden fünf Holländer Kübe und im Jabre 1821 im Mutterleibe aucb ein Bulle gleicher Rasse nach der königlichen Domäne Weil bei Stuttgart importiert, auf welche alle Rinder des Stammes zurückreichen. Sämtliche sechs Tiere waren blau getigert oder schwarzscheckig, lieferten aber zum Teil weisse Nach- kommen, und nur solche kamen im Jahre 1833 auf die Meierei Rosen- stein \). Diesem holländischen Stamme wurde nun Blut des Limpurger- (gelber, einfarbiger, württembergischer Landschlag), Schwyzer- und Alderneyschlages (einfarbiger, gelbbrauner Schlag von den englischen Kanalinseln, jetzt Jerseyrasse genannt), ferner auch solches vom Zebu (Buckelochsen) und von Shorthorns zugemischt ^), und aus einer solchen Blutvermengung entstand ein Rind von weisser Tarbe (Fig. 120 u. 121), welches durch seine ganze Form die Abstammung vom Niederungs- und Höhenvieh verrät. In dieser Herde von rund 100 Haupt hat seit dem Jahre 1861 nur einmal und zwar durch einen im Jahre 1879 aus Weil ein- geführten Holländer Bullen eine Blutauffrischung stattgefunden, doch sind von diesem, weil er den Anforderungen nicht entsprach und deshalb auch im Jahre 1881 wieder abgeschafft Avurde, nicht alle Kühe gedeckt worden. Trotz dieses Zuchtverfahrens wird der Stamm als wüchsig, gesund und fruchtbar geschildert, sodass die weiblichen Tiere nur ausnahmsweise einen zweiten Sprung gebrauchen sollen. Das Jungvieh, sowie die trächtigen Kühe geniessen Weidegang, Färsen und Bullen werden zweijährig zur Zucht verwendet. Die Kühe wiegen 550 — 650 kg, die Bullen im Alter von 2^/2 Jahren 650 kg, ältere Ochsen bis 750 kg und neugeborene Kälber bis zu 50 kg, die Tiere zeigen demnach einen Entwickelungsgrad, wie er den schwereren Niederungs- und Höhenrassen eigen ist. Milchleistung und Fleischqualität sind gut''). Hieraus ersieht man ebenso wie in Kladrub, dass die Degeneration eines Viehschlages durch vernünftige Haltung und eine vorsichtige Zuchtwahl lange Zeit hindurch verhindert werden kann. ^) V. Hügel und Schmidt, Die Gestüte und Meiereien des Königs von Württemberg. Ebner u. Seubert-Stuttgart 1861. S. 194. ') Uebersicht über den Rindviehbestand in der kgl. Meierei im Park Rosenstein von Direktor v. SeyfiFer 1842. Zit. v. Sieglin, Rinderzucht in Württem- berg. Ulmer-Stuttgart 1888. S. 78. ^) Schriftliche Mitteilungen des Herrn Meiereiverwalters Elkart-Rosenstein. VIII. Inzucht, Verwandtschaftszucht und Inzestzucht. 233 Fig. 120. Bulle des Rosensteiner Rindviehschlages, 21/4 Jahr alt, 650 kg schwer. Fig. 121. Kuh des Rosensteiner Rindviehschlages, 5 Jahre alt, 655 kg schwer. (Die Photographien zu den Fig. 120 u. 121 verdanke ich Herrn Prof. Hoffmann- Stuttgart ) 234 •^- Abschnitt. Die Züchtung. Im Nachstehenden folgen einige Leitsätze, die Hermann v. Na- thusius^) in einer Spezialarbeit „Ueber Inzucht oder Paarung in naher Verwandtschaft" aufgestellt hat. 1. Paarung naheverwandter Tiere kann gute Nachkommen liefern, aus Familienzuchten sind einige der besten Veredelungstiere hervor- gegangen. 2. Es ist bis jetzt (1857 geschrieben) kein Beispiel nachgewiesen, dass strenge Familienzucht auch nur ein Menschenalter hindurch in einer Tierfamilie betrieben wäre. 3. Bei mehreren der glücklichsten und musterhaftesten Tier- zuchten hat neben der Verwandtschaftszucht auch ein Abweichen von derselben stattgefunden. 4. Demnach kann Verwandtschaftspaarung nicht als ein allein richtiger Züchtungsgrundsatz aufgestellt werden. 5. Dieselbe darf aber ebensowenig unbedingt verworfen Averden. Wenn sich ein Mann von so hervorragender praktischer Erfah- rung, so bedeutender Literaturkenntnis und so ruhiger Ueberlegung wie H. V. Nathusius derartig vorsichtig ausdrückt, so wird man von vornherein belehrt, dass das ganze Gebiet noch dunkel ist. Und so wie es im Jahre 1857 war, ist es auch im allgemeinen noch heute. Z u s a m m e n f a s s u n g. a) Der Begriff der nahen Verwandtschaft ist mathematisch nicht genau festzustellen. Engste Verwandtschafts- oder Inzestzucht — Blutschande — ist Paarung zwischen Eltern und Kindern, zwischen Grosseltern und Enkeln und zwischen Geschwistern. Bei Tieren handelt es sich meist nur um Halbgeschwister. Enge Verwandtschaftszucht ist Paarung zwischen Enkeln — Ge- schwisterkindern (IV. Grad) — und zwischen Abkömmlingen III. Grades in der Seitenlinie. Weite oder entfernte Verwandtschaftszucht ist Paarung zwischen Urenkeln oder Andergeschwisterkindern (VI. Grad). b) VerAvandtschaftszucht steigert in einer Herde die Konformität der Nachkommen und auch bis zu einem gewissen Grade deren Leistunsfsfähiffkeit. ') Vorträge über Viehzucht und Rassekenntnis. Kleine Schriften und Fragmente. Parey-Berlin. S. 115. VIII. Inzucht, Verwandtschaftszucht und Inzestzucht. 235 c) Verwandtschaftszucht hat meist nachteilige Folgen, und zwar: Steigerung der Krankheitsaulagen, Verfeinerung des Knochengerüstes, mangelhafte Fruchtbarkeit oder schliesslich gänzliche Unfruchtbarkeit, Schwerfuttrigkeit , ungenügende Lebensenergie der Neugeborenen. Je enger die Verwandtschaftszucht und je länger deren Dauer, umso eher erscheinen die obigen Mängel und umso erheblicher treten sie auf. d ) Deshalb muss in jeder Landesviehzucht enge und engste Ver- wandtschaftszucht ohne Einschränkung als Züchtungsfehler bezeichnet werden. e) Verwandtschaftszucht ist nur dort am Platze, wo der Züchter sich seines Handelns bewusst ist. Der denkende Züchter und nament- lich der Hochzüchter wird sich ihrer deshalb unter Umständen mit grossem Erfolge bedienen. f ) Zu enger und engster Verwandtschaftszucht dürfen nur solche Tiere Verwendung finden , welche gesund und widerstandsfähig sind und diese Eigenschaften möglichst bereits durch den Gebrauch als Nutztiere oder durch das Verhalten ihrer Nachkommenschaft bewiesen haben. g) Auch in den unter e) und f ) angeführten Fällen darf Ver- wandtschaftszucht niemals dauernd betrieben, sondern sie muss durch Blutauffrischung unterbrochen werden. Tiergattung, Leistungsvermögen der Rasse und der Individuen und Haltungsverhältnisse sind hier mit ausschlaggebend. Je härter die Haltung, je urwüchsiger die Rasse und je passender die Scholle, desto geringer die Nachteile. h) Paarungen zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Ge- schwistern — • hier meist Halbgeschwistern — dürfen immer nur als Ausnahmen gelten. i) Von den einzelnen Tiergattungen vertragen Schweine die Verwandtschaftszucht am wenigsten, dann folgen Schafe, Hunde, Rinder, Ziegen, Pferde. Sechster Abschnitt. Die Ziiclitmassnahmen des Staates und der landwirt- schaftlichen Vertretungskörperscliaften. Die verschiedenen Zuchtmassnahmen haben den Zweck, die Zucht der landwirtschaftlichen Haustiere zu fördern und dadurch den gesamten Nationalwohlstand der einzelnen Länder zu heben. Solche Massnahmen finden sich deshalb in der einen oder anderen Form in fast allen Kulturstaaten der Welt und gehen in der Hauptsache von den Landesregierungen aus, indem sie die polizeiliche Ueberwachung der öffentlich deckenden Zuchttiere regeln, für deren Beschafi'ung durch Unterhaltung von Gestüten sorgen oder endlich den landwirt- schaftlichen Korporationen die Mittel an die Hand geben, die gesarate Haustierzucht zu heben und zu beleben. Indirekte Massnahmen zur Hebung der inländischen Zucht liegen in dem Verbote der Einfuhr ausländischer Tiere oder in der Nor- mierung hoher Einfuhrzölle für dieselben. I. Die stajitliclie Ueberwachung der öffentlich (leckenden Zuchttiere — Körung. Die wichtigste iiolizeiliche Massregel zur Hebung der Zucht der einzelnen Haustiergattungen ist die Körung der männlichen Zucht- tiere. Dieselbe ist entweder durch Landesgesetz für ganze Länder oder für einzelne Bezirke derselben ausgesprochen , oder es ist den Verwaltungsbehörden die Möglichkeit an die Hand gegeben, durch Beschluss der zuständigen Ausschüsse die Körung in einzelnen Re- gierungsbezirken oder Kreisen zur Einführung zu bringen. Diese staatlichen Körungen sind nicht mit denjenigen zu verwechseln, I. Die staatliche Ueberwachung der öffentlich deckenden Zuchttiere. 237 welche innerhalb der Züchtervereinigungen stattfinden und lediglich Vereinsmassregeln darstellen (s. S. 245). Die Ausführung der Körung geschieht durch Sachverständige, welche, gewöhnlich drei an der Zahl, zum Teil aus den Kreisen der technischen oder Verwaltungsbeamten, zum Teil aus denjenigen der Züchter genommen werden. Die Zuteilung und Wahl der Mitglieder dieser Körkommissionen erfolgt auf Grund von Landesverordnungen durch die zuständigen Behörden und die wahlberechtigten Verwaltungs- ausschüsse — Kreisausschuss, Bezirksausschuss, Distriktsrat etc. — , vielfach auf Vorschlag der landwirtschaftlichen Korporationen. Die Kommissionen , denen in der Regel ein beamteter Tierarzt angehört, haben ihr Augenmerk darauf zu richten, dass das männ- liche Zuchttier körperlich genügend entwickelt, frei von Erbfehlern und endlich im stände ist, die Zucht förderlich zu beeinflussen. Un- erlässlich, obgleich nicht überall vorgeschrieben ist ferner, dass die männlichen Zuchttiere der im Körbezirke herrschenden oder für die- selbe anzubahnenden Zuchtrichtung angehören. Es werden also meist nicht nur individuelle, sondern auch Rasseeigenschaften in Rück- sicht auf die örtliche Zuchtrichtung verlangt. Die staatlichen Körungen erstrecken sich nur auf solche Indi- viduen, welche weibliche Tiere anderer Besitzer decken, also dem öfiFentlichen Gebrauche dienen, wobei es gleichgültig ist, ob die Be- legung gegen oder ohne Entgelt stattfindet. Zuchttiere, welche aus- schliesslich dem eigenen Gebrauch dienen, unterliegen der behörd- lichen Beaufsichtigung nicht. Als Ausweis über die erfolgte Ankörung erhalten die Besitzer der männlichen Tiere eine amtliche Bescheinigung, den Körschein, auch werden mancherorts die Namen der Besitzer und die Nationale der gekörten Tiere von der zuständigen Verwaltungsbehörde öffent- lich bekannt gemacht. Was nun die einzelnen Tiergattungen anlangt, so finden Kör- ordnungen in erster Linie auf Hengste und Bullen, selten auf Eber, Ziegen- oder Schafböcke Anwendung. Körungen von Ziegenböcken sind z. B. in einzelnen Kreisen Rhein- lands und Westfalens^), sowie auch im Kreise Pinneberg in Schleswig- Holstein, Körungen von Ebern in den Grossherzogtümern Baden ^) ^) Klöijfer, Ernährung und Haltung der Ziege. Essen 1899. S. 44. S. auch Anlage 5. 2) S. Anlage 4. 238 ''• Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. und Oldenburg^) und solche von Schafböcken im Regierungsbezirk Aurich ^) eingeführt. Körordnungen für Hengste und Bullen sind in einzelnen Staaten seit Jahrzehnten in Anwendung. Sie haben sich sowohl in Deutsch- land wie in verschiedenen ausserdeutschen Ländern immer mehr ein- gebürgert, sodass in Deutschland nur wenige Landesteile existieren, in denen sie fehlen. Li einzelnen durch Hochzucht ausgezeichneten Produktions- gebieten, in denen wie in Oldenburg und Ostfriesland ein reger Expoi't von Zuchttieren herrscht, ist man durch Prämien, welche für ältere Hengste und Bullen, und durch sogen. Angeidprämien, welche für junge männliche Individuen beider Tiergattungen bei der Körung vergeben werden, bestrebt, das beste Zuchtmaterial dem Lande zu erhalten. Die Prämienempfänger müssen sich bei Strafe der Rück- zahlung der erhaltenen, hohen Prämien zuzüglich einer bestimmten Busse verpflichten, die prämiierten Zuchttiere eine bestimmte Zeit im Zuchtgebiete zur Zucht zu verwenden. Hierdurch wird deren Verkauf ins Ausland wenn auch nicht gänzlich verhindert, so doch wesentlich erschwert, denn der Käufer muss das Zuchttier mindestens um den Betrag höher bezahlen, den Prämie — für Hengste bis zu 1800 Mark — und Busse — zum Teil die gleiche Summe — betragen. (Je eine gültige Körordnung für Hengste, Bullen, Eber und Ziegen s. Anlage 3, 4, 5.) II. Die Beschaffung guter Zuchttiere durch Unterhaltung von Gestüten. Die staatlichen Gestüte zerfallen: 1. in Haupt-, Stamm- oder Zuchtgestüte; 2. in Landgestüte. Die Haupt- oder Stammgestüte sind grosse landwirtschaftliche Anwesen, welche den einzelnen Staaten gehören und den Zweck haben, Hengste zu produzieren, die von der Landgestütsverwaltung Avährend der Deckzeit im Lande aufgestellt werden, um die Stuten der länd- lichen Besitzer zu decken. ') Oetken, Katalog d. IV. Oldenb. Landestierschau. Oldenburg 1900. Seite 34. ^) Gross, Die Schafzucht Ostfrieslands. Deutsche landw. Tierzucht 1903. Seite 296. II. Die Beschaffung guter Zuchttiere. 239 Die Hauptgestüte treiben somit eigene Zucht und haben zu diesem Zwecke einen gewissen Bestand an Beschälern — Haupt- beschäler genannt — und Mutterstuten, deren Gesamtzahl in Deutsch- land im Jahre 1898 123 Hengste und 1168 Stuten betrugt). Landgestüte sind keine eigentlichen Gestüte, sondern Beschäler- depots — in Oesterreich-Ungarn richtiger Staats-Hengstendepots ge- nannt — , in denen die dem Staate gehörigen Deckhengste stehen, die dann zur Deckzeit — Februar bis Juli — auf die sogen. Beschäl- stationen im Lande verteilt werden. Ein Teil dieser Hengste, von denen im Jahre 1898 in Deutsch- land 3306 Stück des warmblütigen und 585 Stück des kaltblütigen Schlages vorhanden waren, ist in den Hauptgestüten gezüchtet, ein anderer, und gewöhnlich der grössere, von Züchtern des In- und Aus- landes gekauft. Die Hengste der Hauptgestüte — Hauptbeschäler — decken in erster Linie Stuten des betreffenden Gestütes, die Landbeschäler da- gegen nur Stuten der Züchter und zwar gegen eine Entschädigung, die etwa 6 — 15 Mark beträgt und Deckgeld heisst. Die Hengste beider Kategorien sind und bleiben bis zu ihrer Ausrangierung Eigen- tum des Staates. Dieser verfolgt mit obigen Einrichtungen den Zweck, in erster Linie ein brauchbares Militärpferd und dann ein den wirt- schaftlichen Verhältnissen des Landes entsprechendes Gebrauchspferd zu produzieren. Die Einrichtung von Haupt- oder Stammgestüten ist verhältnis- mässig alt, namentlich in Deutschland. So gründete Sachsen schon 1573 ein grösseres Gestüt in Merseburg, Preussen 1732 ein solches in Trakehnen, allerdings zunächst mit der Bestimmung, Pferde für die Hofhaltungen zu züchten, während die Landgestüte etwa bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückreichen. Dort, wo die Zahl der Deckhengste dem Bedürfnisse im Lande nicht genügt, oder wo Gestüte, wie in Baden, nicht bestehen, kauft der Staat passende Hengste an und überlässt sie dann unter bestimmten Bedingungen zu einem geringeren Preise an Private oder Vereine. Die österreichische Gestütsverwaltung vermietet auch wertvolle warmblütige Hengste an hervorragende Privatzüchter, denen der hohe Anschaffungspreis und die wegen des erforderlichen Blutwechsels ^) Knispel, Die Verbreitung der Pferdeschläge in Deutschland. Heft 49, Arbeit, d. D. L. G. Berlin 1900. S. XIV. 240 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. nicht genügend lange Benutzungszeit die eigene Erwerbung eines solchen Vatertieres verbietet. Die Produktion von Bullen, Ebern und Ziegenböcken erfolgt nicht oder doch nur ganz ausnahmsweise in staatlichen Anstalten, sondern sie wird dem Privatunternehmen überlassen und in einzelnen Fällen durch staatliche Mittel unterstützt. Stammzuchten im staatlichen Besitze gibt es in einzelnen Kron- ländern Oesterreichs und auch in Ungarn, und zwar sind es hier die landwirtschaftlichen Lehranstalten, die Versuchsgüter und die grossen landwirtschaftlichen Betriebe der Staatsgestüte, welche Rinder und Schweine bestimmter Rassen züchten und das entbehr- liche Zuchtmaterial zu niedrigen Preisen an Gemeinden und Private abgeben. In Deutschland ist es die Gutswirtschaft der landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim bei Stuttgart, welche schon seit mehr als einem halben Jahrhundert mit seiner Simmentaler Stammherde die württem- bergische Landesrinderzucht fördert, und in neuerer Zeit hat das Grossherzogtum Baden drei Stammzuchten für Simmentaler und eine solche für Vorderwälder Rinder eingerichtet, um passendes Zucht- material für das Land zu produzieren. Bullendepots der Art, dass die Tiere von Staats wegen auf das Land geschickt und dort wie die Landbeschäler in eigener Regie ver- pflegt werden , gibt es nicht , dagegen besteht in manchen Ländern die für die Viehzucht ungemein segensreiche und nachahmungswerte Einrichtung, dass den Gemeinden gesetzlich die Verpflichtung obliegt, für die erforderliche Anzahl geeigneter Bullen zu sorgen. Am zweck- mässigsten ist hierin das Grossherzogtum Baden vorgegangen, welches diese Verpflichtung auch auf die Haltung der Eber ausgedehnt hat (s. Anlage 4). III. Die Yerwenduiig von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. Die Einrichtung der budgetmässigen Bewilligung von Geldmitteln zur Hebung der einzelnen Zweige der landwirtschaftlichen Tierzucht findet sich wohl in allen Kulturstaaten. Diese Beträge werden der letzteren in der Hauptsache durch die landwirtschaftlichen Vertretungs- körperschaften — Landwirtschaftskammern, General-, Zentral-, Haupt-, Kreisvereine , landwirtschaftliche Sektionen , ökonomische Gesell- 111. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht, 241 Schäften etc. — zugänglich gemacht, wobei noch anzuführen ist, dass z. B. die preussischen Landwirtschaftskainraern das Recht der Selbst- besteuerung der Landwirte ihres Bezirks haben und daher in der Lage sind, die staatlichen Zuwendungen durch eigene Mittel zu erhöhen. Die Verwendung dieser Mittel erfolgt zu folgenden Zwecken: 1. Die Unterhaltung von Tierzuchtsachverständigen. Die Stellung der technischen Beamten für die Hebung der landwirtschaftlichen Haustierzucht — Landesinspektor für Tierzucht, Tierzuchtdirektor, Verbandsinspektor, Zuchtinspektor, Tierzuchtinspek- tor, Tierzuchtwanderlehrer, Tierzuchtkonsulent etc. — ist verhältnis- mässig neu. In Deutschland waren es zunächst die süddeutschen Staaten, welche damit vorgingen und in der zweiten Hälfte des abgelaufenen Jahrhunderts Tierärzte , und zwar zum Teil im Nebenamte , — Lydtin in Karlsruhe, May in Weihenstephan und Fes er in München — mit solchen Stellungen betrauten. Später sind die Verhältnisse hier weiter ausgebaut und auch in Sachsen ähnlich gestaltet worden. In Norddeutschland hat man mit der Zunahme der Bedeutung, welche die Rindviehzucht auch hier in den letzten beiden Dezennien erfahren hat und angeregt durch die Bestrebungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft ähnliche Einrichtungen getroffen, nur mit dem Unterschiede, dass die Tierzuchtsachverständigen Beamte der landwirtschaftlichen Korporationen sind und fast ausnahmslos der Berufsklasse der Landwirte angehören. Was nun den Wirkungskreis anlangt, so erstreckt sich derselbe entweder auf einen gewissen Verwaltungsbezirk oder auf ein be- stimmtes, einheitliches Zuchtgebiet. Stellungen letzterer Art sind die häufigeren, die Träger derselben heissen Tierzuchtinspektoren. Diese Beamten haben nun ein reiches Arbeitsfeld. Es ist ihre Aufgabe, die Beschlüsse ihrer vorgesetzten Dienstbehörde, an deren Fassung sie beteiligt sein müssen, praktisch in ihrem Zuchtbezirke zur Durchführung zu bringen, ferner das Herdbuch zu führen und die Ein- tragungen der Züchter in die Stallbücher zu kontrollieren. Dann liegt es ihnen ob, Tierschauen vorzubereiten, für Beschaffung guter Vatertiere und für Regelung des Absatzes zu sorgen und ein richtiges Verständnis für eine sachgemässe Ernährung und ausreichende Be- wegung der jungen Tiere und für die Steigerung der Leistungen und Pusch, Allgemeine Tierzucht. 16 242 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. Besserung der Gesundheitsverliältnisse der Bestände zu erwecken. Endlich sollen sie den Züchtern in allen züchterischen Fragen be- ratend und helfend zur Seite stehen. Hierzu gehört ein besonderes Mass von Individualität. Soll der Tierzuchtinspektor Erfolg haben, so muss er ein offenes Auge, Fähig- keit zu sprechen und durch die Sprache zu überzeugen besitzen, Ver- ständnis für die Eigenart auch des kleineren Landwirts und Gefühl für dessen pekuniäre Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Erfordernisse haben, ausserdem gesund, gegenüber seiner Familie entsagungsvoll, uneigennützig, bestimmt, aber doch verbindlich sein und über eine gewisse Lebenserfahrung verfügen. Diese Eigenschaften werden ihm bald das Vertrauen der Züchter verschaffen , ohne welches eine er- spriessliche Tätigkeit namentlich dort sehr schwierig ist, avo der Kleinbesitz vorherrscht. Deshalb ist auch ein Wechsel in solcher Stellung möglichst zu vermeiden, und die letztere so zu regeln, dass sie dem Träger eine auskömmliche Einnahme sichert. 2. Züchtervereinigungen und Herdbuchwesen. a) Allgemeines. Die Züchtervereinigungen zerfallen in zwei Gruppen: In die Ortsvereine. In die grösseren Züchtervereinigungen. Die Ortsvereine bezwecken die Haltung von geeigneten Vater- tieren — Hengst-, Bullen- (Stier), Bock- und Eberhaltungsgenossen- schaften. Dieselben erstrecken sich meist nur auf einen oder auf einige benachbarte Orte und lassen nur die männlichen Zuchttiere ankören. Die grösseren Züchtervereinigungen haben die ersteren vielfach zur Grundlage, unterscheiden sich aber von denselben durch die umfangreichere, räumliche Ausbreitung und fernerhin auch durch den Umstand, dass sie nicht nur die männlichen, sondern auch die weiblichen Tiere und zwar durch eigene Kommissionen an- kören lassen, und dass sie ferner Herdbücher herausgeben. Diese sind in Buchform angelegte Abstammungsnachweise der Zuchttiere, denen vielfach auch Mitteilungen über die Leistungen derselben hin- zugefügt sind. Züchtervereinigungen gibt es für Pferde, Rinder, Schweine, Schafe III. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. 243 und Ziegen, deren Gesamtzahl KnispeP) für das Deutsche Reich und das Jahr 1902 auf 917 mit 217 763 eingetragenen Tieren berechnet hat, wovon 106 auf Pferde, 707 auf Rinder, 45 auf Schweine, 58 auf Ziegen und 1 auf Schafe entfallen. Die Züchtervereinigungen, welche männliche und weibliche Tiere kören lassen, sich in der Regel über ein grösseres Gebiet erstrecken und im nachstehenden allein berücksichtigt werden sollen, werden nun verschieden bezeichnet; vielfach kann man auch schon aus dem Namen auf die räumliche Ausdehnung schliessen. Die kleinere Vereinigung erstreckt sich gewöhnlich über einen politischen Bezirk — Amtsbezirk, Kreis, Oberamt, Bezirksamt etc. — oder über eine Gegend mit gemeinsamen, züchterischen Interessen und heisst dann Pferdezuchtverein, Zuchtgenossenschaft für (kalt- blütige) Pferde, Rindviehzuchtverein, Viehzuchtverein, Herdbuchverein, Stammviehzuchtverein, Züchtervereinigung für die Zucht des X -Rindes, Zuchtgenossenschaft , Schweinezuchtgenossenschaft , Schweinezucht- verein, Ziegenzuchtverein, Ziegenzuchtgenossenschaft, oder aber die einzelnen Vereine oder Zuchtgenossenschaften haben sich zu Zucht- verbänden für Pferde, Rinder etc. zusammengeschlossen. Fernerhin gibt es Stutbuch- und Herdbuchgesellschaften, die sich über ganze Provinzen erstrecken, ohne aus kleineren Vereini- gungen zu bestehen. Die Züchter sind hier direkt ohne ein ver- bindendes Mittelglied der provinziellen Organisation angeschlossen. Die Existenz derartiger Züchtervereinigungen ist in England verhältnismässig alt, in Deutschland aber eine Errungenschaft der Neuzeit. Nach Benno Martiny^) entstand das General Stud Book im Jahre 1808, Coates' Shorthorn-Herdbook 1822, das Norddeutsche Gestütbuch 1842, das Stammbuch deutscher Zuchtherden vonJanke, Körte und v. Schmidt 1864 (eingegangen 1872) und das Deutsche Herdbuch von Settegast und Krocker 1868. Die beiden letzteren Herdbücher waren nicht nur für die Auf- nahme verschiedener Rassen, sondern auch für eine solche verschie- dener Tiero-attunoren eingerichtet, während die neueren nur einem einzelnen Schlage und meist auch nur einem solchen aus einer be- stimmten Gegend dienen. In Deutschland sind Züchtervereiniguno-en und Herdbuchwesen ') Anleitung für Einrichtung und Verwaltung von Züchtervereinigungen. Berlin 1902. S. 1.3. D. L. G. -) Die Zucht-Stammbücher aller Länder. Heinsius-Bremen 1883. S. 39. 244 6. Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. besonders durch die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft zur Blüte gelangt, die sich schon kurz nach ihrer Entstehung mit diesem Gegenstande beschäftigte, denn bereits 1886 wurde beschlossen, die Herdbuchbestrebungen zu unterstützen. 1889 wurde verlangt, dass Verbände von Zuchtgenossenschaften sich nur dann um Preise be- werben könnten, wenn alle einzelnen Teile des Verbandes von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft als dauernde Genossenschaften anerkannt waren. 1892 wurden bestimmte Vorschriften für diese Anerkennung erlassen, von 1898 ab auch eine einheitliche Kontrolle der Herdbuchführung vorgenommen und 1902 die im Jahre 1892 gegebenen Vorschriften vervollständigt, sodass diese Arbeiten vor- läufig als abgeschlossen gelten können. b) Zweck und Organisation der Züchtervereinigungen. Züchtervereinigungen haben den Zweck, vorhandene Reinzuchten zu erhalten oder neue zu begründen. Ihr Nutzen beruht dann ^veiter in der Besserung des Zuchtmaterials nach Körperform und Leistung und in der höheren Verwertung der Nachzucht. An derartigen Einrich- tungen sind daher in erster Linie diejenigen Landesteile interessiert, welche Zuchtvieh für den Verkauf produzieren, und diese haben auch mit der Begründung der Züchtervereinigungen den Anfang gemacht. Ihnen sind später diejenigen Landesteile gefolgt, welche Nutzvieh züchten, nur mit dem Unterschiede, dass den letzteren bei der Einrichtung und Unterhaltung grössere Unterstützungen gegeben werden müssen, die sich namentlich auf die Erwerbung brauchbarer männlicher Zuchttiere beziehen. Die Organisation der Züchtervereinigungen wird durch Satzungen geregelt, die sich nach der Anleitung der Deutschen Landwirtschafts- gesellschaft, welche auf diesem Gebiete in Deutschland die unbestrittene Führung übernommen hat, auf folgende Punkte erstrecken: 1. Name, Sitz und Verbreitungsgebiet. 2. Zweck der Vereinigung. 3. Zucht- richtung und Zuchtziel. 4. Mittel zur Erreicliung des Zweckes. .5. Mitglied- schaft. 6. Rechte der Mitglieder. 7. Pflichten der Mitglieder. 8. Vertretung und Geschäftsführung. 9. Körordnung. 10. Revision. 11. Zuchtbuchführung. 12. Kennzeichnung. 1.3. Rechnungswesen. 14. Aenderung der Satzungen und Auflösung. Besondere Beachtung verdienen die Punkte über Körung, Zucht- buchführunfif und Kennzeichnunsf. III. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. 245 c) Die Körung innerlialb der Züchtervereiniguiigeii. Die Körung innerhalb der Züchtervereinigungen hat sich auf männliche und weibliche Tiere zu erstrecken, stellt nur eine Vereins- massregel dar und ist mit der staatlichen Körung, v^^elche nur die männlichen Zuchttiere betrifft und vielfach andere Zwecke verfolgen muss, nicht identisch (s. S. 237). Die Herdbuchkörung erfolgt gewöhnlich durch drei von der Mit- gliederversammlung gewählte Personen, welche gelegentlich derselben gleichzeitig eine Revision der Stallbücher und der früher aufgenom- menen Tiere vorzunehmen und die Kennzeichnung auszuführen haben. Die der Kommission als Richtschnur dienende Körordnung hat besonders das Alter , die Rasseeigenschaften , die Entwickelung und den Bau des Körpers und die Nutzungseigenschaften zu beachten. Zweckmässig ist es auch, die Tiere zu puhktieren, zu messen und eventuell auch zu wiegen. Als Masse empfehlen sich: Bei Pferden: Widerristhöhe, Brustumfang, Röhrbeinumfang ; bei Rindern: Widerrist-, Rücken-, Kreuz- und Schwanzansatzhöhe, Brusttiefe, Brustbreite, Brustumfang, Beckenbreite zwischen den beiden Hüftgelenken und Rumpflänge. d) Die Zuchtbuchführung (Herdbuch-, Stutbuchführung). Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft^) empfiehlt auf Grund eingehender Beratungen in ihren Ausschüssen die Beachtung folgender Einzelheiten : 1. Das Mitgliederverzeichnis. 2. Das Zuchtbuch für männliche Tiere. 3. Das Zuchtbuch für weibliche Tiere. 4. Das Deck- oder Sprungregister. 5. Die Deck- oder Sprungbescheinigung (Deck- oder Sprungkax'te). 6. Das Stallbuch. 7. Die Geburtsanzeige. 8. Die Veränderungsanzeige. 9. Die Bestandsnachweisung. 10. Das Probemelkregister (bei Rindvieh und Ziegen). 11. Das Gewichtsregister. 12. Das Register für die Nachzucht. 13. Die Aufnahmebescheinigung (Körschein). ') Anleitung für Einrichtung und Verwaltung von Züchtervereinigungen von Knispel und Wölbling. Berlin 1902. D. L. G. 246 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. 1. Das Mitglied er Verzeichnis enthält die Namen der Mitglieder und die Zuchtbuchnummern der den einzelnen Mitgliedern angekörten Tiere. 2. u. 3. Das Zuchtbuch (s. Anlage 6 u. 7). Dasselbe wird vom Geschäftsführer geführt und muss so eingerichtet sein, dass für jedes Tier folgende Eintragungen vorgenommen werden können: 1. Zuchtbuchnummer des Tieres. 2. Name desselben und Kennzeichnung. 3. Geburtstag. 4. Abstammung väterlicherseits. 5. Abstammung mütterlicher- seits. 6. Weitere Abstammung. 7. Farbe und Abzeichen. 8. Tag der Ankörung. 9. Züchter des Tieres. 10. Besitzer des Tieres. 11. Verbleib. 12. Leistungen (Milch). 13. Präraiierungen. 14. Nachzucht und Verbleib derselben. 15. Be- merkungen. 16. Messungen, Wägungen, Punktzahlen. 4. Das Deck- oder Sprungregister (s. Anlage 8) ist von demjenigen Mitgliede, welches angekörte mämiliche Tiere besitzt (Hengst-, Bullenhalter), bezw. von dem Stationshalter zu führen. Dasselbe muss Spalten enthalten für: 1. Laufende Nummer. 2. Datum des Sj^runges. 3. Namen des Besitzers des weiblichen Tieres. 4. Namen und Zuchtbuchnummer des weiblichen Tieres. 5. Namen und Zuchtbuchnummer des männlichen Tieres. 5. Die Deck- oder Sprungbescheinigungen (s. Anlage 9) werden von dem Besitzer des männlichen Tieres bezw. dem Stationshalter aus- gefertigt und dem Besitzer des gedeckten Tieres zugestellt. Die Deckkarten müssen den Namen des Eigentümers, Namen und Zuchtbuchnummer des weiblichen Tieres, Namen und Nummer des männlichen Tieres, Datum des Sprunges und Datum etwaiger Nachsprünge enthalten. 6. Das Stallbuch (s. Anlage 10). Von jedem Mitgliede ist ein Stallbuch zu führen, welches im allgemeinen in derselben Weise eingerichtet ist wie das Zuchtbuch. 7. Die Geburtsanzeige (s. Anlage 11) hat zu enthalten: Nummer und Namen von Mutter und Vater, sowie Geburtstag, Geschlecht und Verbleib des Fohlens, Kalbes etc. 8. Die Veränderungsanzeige (s. Anlage 12) muss die Tiere, welche ausscheiden, mit Zuchtbuchnummer angeben, auch ist die Ursache des Abganges auf der Abmeldung zu verzeichnen. 9. Die Bestandsnachweisung ist erforderlich, um über den Bestand der eingetragenen Tiere unterrichtet zu sein. 10. Das Probemelkregister (s. Anlage 13) muss ausser den Spalten für die regelmässigen Prüfungstage, also den ersten und fünfzehnten jeden Monats, noch folgende Rubriken enthalten: Nummer und Alter des Tieres, wie lange trocken gestanden, wann frisch- melkend, wann wurde das Kalb bezw. Zicklein abgesetzt, ferner für Berechnung des Milchertrages. III. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. 247 11. Das Gewichts register enthält Rubriken für den Tag der Wägung, die Zuchtbuchnummer, für Geschlecht des Tieres, Alter, Trächtigkeit, Abkalben, Gewichtsangabe. 12. Das Register für die Nachzucht gibt Auskunft über die Nachzucht jedes eingetragenen weiblichen Tieres, über den Verbleib desselben und über die Verwendung desselben zur Zucht bis zur Körung. 13. Die Auf nahmeb e scheinigung (der Körschein) enthält ausser dem Signalement des Tieres und der Zuchtbuchnummer die Be- scheinigung der Ankörung. Obige Einrichtungen lassen sich indessen nur da durchführen, wo der grössere Besitz vorherrscht, und die Mitglieder genügend mit der Feder umzugehen gewöhnt sind. Besteht die Züchtervereinigung aber aus kleineren Besitzern , wie es in der mittel- und süddeutschen Rinderzucht und in der Ziegenzucht fast überall der Fall ist, so wird man sehr zufrieden sein müssen, wenn die Züchter das Stallbuch und die Halter der Sprungtiere die Decklisten führen. Alles weitere muss der Herdbuchführer besorgen , indem er von Zeit zu Zeit die Stallbücher und Deckregister einfordert und aus diesen die Nach- tragungen im Zuchtbuche (Herd-, Stutbuche) bewirkt. e) Die Kennzeiclmiiiig ^) ^) ^) *). Die Kennzeichnung der Herdbuchtiere ist erforderlich, um deren Identität festzulegen. Ohne Kennzeichnung haben die Zuchtbuch- auszüge meist keinen Wert, weil es besonders bei einfarbigen Tieren fast ausnahmslos unmöglich ist, dieselben durch die Beschreibung auch nur annähernd genau zu fixieren, und weil letztere erfahrungs- gemäss auch bei Tieren mit Scheckzeichnung und mit Abzeichen viel zu oberflächlich erfolgt. Zuchtbuchauszüge erhöhen aber den Wert der betreffenden Tiere, werden besonders für Pferde und Rinder ver- langt und heissen für erstere Fedigrees, Abstammungsbescheinigungen, Fohlenscheine und für letztere Herdbuchscheine, Zuchtmatrikel etc. (s. Anlagen 14 u. 15). Mit diesen Abstammungsbescheinigungen sind die sogen. Gesund- ^) Benno Martiny, Kennzeichnung von Zuchttieren. Arbeiten der D. L. G. Heft 46. Berlin 1899. -) Pusch, Beurteilungslehre des Rindes. Paul Parey-Berlin 1896. S. 31. ^) Ziese, Die Kennzeichnung von Zuchttieren, Prüfungsbericht. Mitteil. d. D. L. G. Stück 47. 1901. *) Vogel, Mitteilungen der D. L. G. Stück 44. 1902. 248 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. lieits- oder Ursprungsscheine nicht zu verwechsehi, die nur angeben, aus welchem Orte das betreffende Tier zum Verkaufe gehingt, und dass in diesem Orte Seuchen nicht herrschen. Solche Ursprungs- scheine sind demnach nur amtliche Belege im veterinärpolizeilichen und nicht im züchterischen Sinne. Dass der sonst ausführlichste Herdbuchschein nicht den gering- sten Wert hat, wenn die Beschreibung z. B. eines Kalbes Simmen- taler Rasse ohne Kennzeichnung auf demselben nur lautet: Name des Kalbes: Napoleon, Farbe „ „ : Gelbscheck, Besondere Merkmale: Weisser Kopf, liegt auf der Hand, denn diese Beschreibung passt fast ausnahmslos auf alle Tiere dieser Rasse. Die Kennzeichnung geschieht durch Brände (Haut, Hörn, Klaue, Huf), durch Kerben, Tätowieren oder durch Einziehen von Ohrmarken. Soll die Kennzeichnung genügen, so muss sie das Vereins- zeichen und die Zuchtbuchnummer tragen, auch muss das erstere zum Schutze gegen Nachahmung nach dem Gesetze vom 12. Mai 1894 patentamtlich eingetragen sein, weil sonst ein jeder berechtigt ist, das betreffende Zeichen ebenfalls zu führen. Was nun die einzelnen Tiergattungen anlangt, so sind für Pferde Brände üblich, denen indessen aber fast überall die Zucht- buchnummern fehlen, sodass der Brand kein eigentlicher Abstam- mungsnachweis, sondern nur eine Heimats- oder Rassebescheinigung ist, welche aber durch ein ausführliches Signalement meist genügend vervollständigt werden kann. Bei Schweinen verwendet man Tätowierungen und Ohrmarken, bei Schafen Kerbungen und bei Rindern in der Neuzeit fast aus- nahmslos Ohrmarken, von denen jetzt System Deriaz — hergestellt von Hauptner-Berlin und R au -Karlsruhe — und Signum B von Hauptner die verbreitetsten sind (Fig. 122, 123). Neu sind die Marken Zerta von Hauptner (Fig. 124, 125, 126) und die von letzterem verfertigte, soeben erst im Handel erschienene Druckknopf- marke von Hink- Freiburg, welche den grossen Vorzug hat, dass zu ihrer Einlegung eine Lochzange genügt, und somit die teure Ver- nietungszange entbehrlich wird ^). Die Ohrmarkierung hat viele Vorzüge, aber auch noch darin Schattenseiten, dass immer ein Prozentsatz von Marken infolge von ^) Deutsche tierärztl. Wochenschrift. 1904. Nr. 9. III. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. 249 ungenügender Vernietung der Markenstifte oder von Hängenbleiben der Tiere und dadurch bedingtem Ausreissen oder infolge von Eiterung und Vergrösserung des Ohrloches ausfällt. Letzteres wird möglichst Fig. 122. Ohrmarke System Deriaz (Rau-Karlsruhe). a offen, b geschlossen. Fig. 123. Ohrmarke Signum B (Hauptner-Berlin). Fig. 124. Ohrmarke Zerta Fig. 125. Ohrmarke Zerta geschlossen. im Durchschnitt. Fig. 126. Ohrmarke Zerta offen (Hauptner-Berlin) . Fig. 127. Ambo.ss zum Markieren der Ohrmarke Zerta. vermieden, w^enn man beschmutzte Ohren reinigt, die Marke etwa in der Mitte des Ohres unter Umgehung der Blutgefässe einlegt, das Ohr beim Lochen nicht zerrt und die Marken gut vernietet. Ist man in der Lage, zwischen Lochen und Einziehen der letzteren einen Tag verstreichen zu lassen, so ist der Verlust ein geringerer, gewöhnlich muss man aber beides an einem Tage besorgen, und hilft man sich 250 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. hier dadurch, dass man die Wundöff'nung mit 5prozentigem Karbolöl bestreicht und die Marken am folgenden Tage drehen lässt, um Verklebungen zu verhüten. Wartet man zwischen Lochen und Ein- ziehen mehrere Tage, so heilen die Oeffnungen derartig zu, dass man von neuem lochen muss, wodurch sich nicht nur die Arbeit, sondern auch die oben angeführten Nachteile wiederholen. 3. Die Unterstützungen bei Anschaffung männlicher Zuchttiere. Die Erwerbung von passendem Zuchtmaterial, namentlich von männlichen Zuchttieren, bildet einen sehr wichtigen Zweig in der geschäftlichen Tätigkeit der landwirtschaftlichen Vertretungen und besonders da, wo man nicht mit einheimischen Schlägen zu rechnen hat, sondern wo man erst Landeszuchten mit Hilfe von auswärtigem Zuchtmaterial schaffen muss. In Frage kommen hier die Unterstützungen zum ersten Ankaufe von Hengsten, Bullen, Ebern und Böcken für die Hengst-, Bullen-, Eber- und Bockhaltungsgenossenschaften, die Ermöglichung eines entsprechenden Ersatzes bei Abgang der Tiere, eine billige Ver- sicherung derselben, die Prämiierung der Halter für längere Haltung, die Rückerstattung der Transportkosten bei Bezug von Zuchttieren aus den Produktionsländern, die kostenlose Besorgung derselben durch die technischen Beamten, die Deckung des Ausfalls bei Versteigerung importierter Tiere u. a. m. Bei direkter Lieferung von Zuchttieren durch Händler an die Genossenschaften oder die Bullenhalter etc. kommen nicht selten Uebervorteilungen vor, auch gelangen die für den jeweiligen Zucht- zweck passenden Tiere nicht immer in die richtigen Hände. Daher ist es zweckmässig, wenn die technischen Beamten den Einkauf im OTOSsen besorgen oder durch zuverlässige Händler unter ihrer Kontrolle besorgen lassen oder sich direkt an die produzierenden Züchterver- einigungen wenden. Da die Gefahr der Seucheneinschleppung niemals zu unter- schätzen ist, und sich auch der Einfluss des Transportes und der noch nicht abgelaufenen Akklimatisation noch längere Zeit in den Tieren geltend macht, so ist es von grossem Vorteil, wenn man die Möglichkeit hat, diese erst in einem Depot aufzustellen und sie von hier aus je nach Bedarf an die Züchter zu verabfolgen. Im Königreich Sachsen sind auf diese Weise im Laufe der letzten sieben Jahre mehr als 900 importierte Fleckvieh- und Olden- III. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. 251 burger Bullen in die Hände der Züchter gelangt und für die Landes- vielizucht von grossem Nutzen geworden. Eine ähnliche Wirkung haben, soweit es die Besorgung in- ländischen Materials anlangt, die Zuchtviehhöfe und Stammzucht- stationen. Dieselben sind derartig eingerichtet, dass Private auf ihren Anwesen Zuchttiere bestimmter Rassen unter Aufsicht der staatlichen Behörden oder landwirtschaftlichen Korporationen halten und die Nachzucht der letzteren ausschliesslich für die Zwecke der Landesviehzucht zur Verfügung stellen. Die Stationshalter finden dabei ihre Rechnung in der besseren Verwertung der Nachzucht, und ausserdem werden denselben auch noch in der Regel Beihilfen zur ersten Anschaffung der Stammzuchttiere und jährliche Zuschüsse zu deren Unterhaltung gewährt. 4. Die Förderung der Aufzucht. Als Förderungsmittel für die Aufzucht kommen Fohlen- und Jungviehweiden und ferner Jungvieh- und Stallprämiierungen in Betracht. Da es dem einzelnen und namentlich dem kleineren Besitzer oft nicht möglich ist, seinen jungen Tieren die Wohltaten der Weide zu verschaffen, so tun das vielfach die Züchtervereinigungen durch Anlage von Genossenschaftsweiden. Es werden zu diesem Zwecke passende Ländereien, Alpen etc. gepachtet oder erworben, mit den nötigen Baulichkeiten und Einfriedigungen versehen, und die Tiere der Züchter dann von der Gesellschaft zu einem bestimmten Pensions- preise für den Sommer in Unterhalt genommen. Meist entspricht die gezahlte Entschädigung nicht dem erforderlichen Aufwände, so- dass die Weiden alljährlich einen nicht unerheblichen Zuschuss ver- langen, zu welchem noch die Kosten für Bauten und Einrichtungen treten. Diese Aufwendungen von Mitteln, die dann gewöhnlich direkt oder indirekt aus der Staatskasse fliessen, haben sich bisher aber als sehr zweckmässig erwiesen, denn Bewegung, frische Luft, Aufnahme von leichtverdaulicher Nahrung im Verein mit der erforderlichenfalls zu gewährenden Zubusse von Kraftfutter beeinflussen Gesundheit, Wachs- tum, Muskel- und Knochenbildung und Gangwerk in günstigstem Masse. Wenn auch junge Weidetiere im Herbste wegen ihrer Schlank- heit und ihres rauhen Haarkleides sehr oft und namentlich auf den Laien, dem meist nur üppige, runde Formen imponieren, einen nicht vorteilhaften Eindruck machen , so werden sie den bei Stallhaltung 252 6. Abschnitt. Die Zuchtinassnahmen etc. aufgezogenen Tieren doch im Winterfutter auffallend in ihrer ge- samten Entwickelung überlegen (s. Fig. 193). Das System der genossenschaftlichen Jungviehweiden ist be- sonders in Bayern und Baden vertreten. Wo der Bezug einer Weide nicht möglich ist, ist wenigstens die Anlage von Tummelplätzen im Hausgarten zu erstreben und durch Prämiierung geeigneter Einrichtungen für Bewegung und Abhärtung der Aufzucht zu sorgen. Die Jungviehprämiierungen finden gewöhnlich auf den Zucht- viehmärkten oder den Tierschauen statt, eine genaue Uebersicht über die Jimgviehaufzucht gewinnt man aber am besten durch die sogen. Stallschauen, die in einigen preussischen Provinzen, wie auch schon seit etwa zwei Jahrzehnten im Königreich Sachsen, abgehalten werden. Hierbei sieht man die ganze innere Wirtschaft und den ge- samten Viehbestand in mehr oder weniger unvorbereiteter, in der Hauptsache also alltäglicher Verfassung, kann dann im Kleinbetriebe besonders die Hausfrau auf die wahrgenommenen Mängel aufmerksam machen und gute Leistungen belohnen, wozu sich die Grewährung der Prämien in Form von Haushaltungsgegenständen empfiehlt, weil diese bleibende Erinnerungen abgeben. 5. Die Förderung des Absatzes. Die einzelnen Zuchtdistrikte brauchen Absatz für ihre Produkte, und diesem Absatz müssen möglichst die Wege geebnet werden. Vorbedingung für den Absatz von Zuchttieren ist die Ausgleichung der Zucht und ein genügendes Angebot, sodass die Reflektanten, namentlich wenn sie aus grösseren Entfernungen kommen, eine ge- wisse Gewähr haben, ihre Bedürfnisse befriedigen zu können. Diesen Anforderungen entsprechen Märkte am meisten, sei es nun, dass sie mit oder ohne Prämiierungen stattfinden. Letzteres bietet insofern einen Vorteil, als es die Besitzer abhält, die besseren Tiere vorher zu verkaufen und sie auch anderseits veranlasst, Tiere aufzutreiben, die sonst vielfach zu Hause bleiben Avürden. Die Prämiierung be- günstigt also den Auftrieb in qualitativer und quantitativer Beziehung und trägt auch in der Regel zur Hebung der Preise bei. Solche Märkte verlangen aber auch gewisse Vorbedingungen, die sich auf Stallungen und auf Unterkunft für die Käufer und Verkäufer und auf bequeme Verbindungen erstrecken. In Radolfzell in ()berl)aden hat der Zuchtverband für ober- III. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. 253 badisches Fleckvieh mit Hilfe von städtischen und staatlichen Mitteln für den jährlich nur einmal stattfindenden Zentralzuchtviehmarkt eine Halle erbaut, die beinahe 100000 Mark kostet und fast 1000 Rindern Raum bietet. In Gegenden, die hauptsächlich Ochsenaufzucht treiben, haben Prämiierungen auf Ochsenmärkten die gleiche Bedeutung, weiterhin gibt es Märkte, wo nur Bullen oder nur Fohlen aufgetrieben werden. Eine besondere Spezialität der letzteren sind die Remontemärkte, auf denen nur die Militärverwaltung als Käufer für dreijährige Pferde auftritt. Den Zuchtviehmärkten ähnlich wirken Zuchtviehauktionen, die ebenfalls mit Prämiierungen verbunden sein können. 6. Die Förderung der Leistungen. Die Leistungen erstrecken sich bei Pferden auf Schnelligkeit und Ausdauer im Wagen und unter dem Reiter und auf Gebrauchsfähig- keit im ruhigen und schweren Zuge, bei Rindern auf Milchergiebig- keit, Mastfähigkeit und Zugtüchtigkeit, bei Ziegen auf Milchergiebig- keit, bei Schafen auf Woll- und Fleischproduktion und bei Schweinen auf Schnellwüchsigkeit unter Bildung von zartem saftigen Fleisch oder bei langsamerer Entwickelung auf die Lieferung von gut durch- wachsenem Fleisch und derbem, festen Speck. Die Leistungen werden namentlich innerhalb der Züchterver- einigungen geprüft und prämiiert, wie bei den Rennen, den Dressur- und Leistungsprüfungen der Pferde, den Milchkonkurrenzen, dem Probemelken und den Zugproben für Rinder und den Ausschlach- tungsversuchen an Rindern, Schafen und Schweinen. Das Prüfungs- ergebnis drückt indessen hier in der Regel nur die absolute Leistung ohne Rücksicht auf die Menge und den Wert des verbrauchten Futters aus , die relative oder Nettoleistung kommt erst dann zur Geltung, wenn man das letztere zu dem Gesamtnutzungsertrage in Beziehungen bringt, wie das die dänischen Kontrollvereine tun (s. S, 212). 7. Die Tierausstellungen, a) Allgemeines. Die Tierausstellungen haben den Zweck, die Zucht der einzelnen Tiergattungen durch Prämiierung guter Leistungen zu fördern und dem interessierten Publikum einen Ueberblick über die Entwickelung und den Stand der Tierzucht selbst zu ffeben. Tierschauen wirken 254 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. daher durch Belohnungen und Belehrungen und sind entweder selb- ständige Unternehmungen , auf denen nur Tiere ausgestellt werden, oder mit der Ausstellung von landwirtschaftlichen Produkten, Ma- schinen u. a. m. verbunden. Desgleichen können auf den Schauen mehrere Tiergattungen aufgetrieben sein, oder es braucht sich nur um Spezi alausstellungen — Pferde-, Fohlen-, Rinder- oder Ziegenschauen — zu handeln. Der Grösse und der Teilnahme an der Beschickung nach unter- scheidet man : Internationale Tierschauen, — z. B. gelegentlich der Weltaus- stellungen. Landes- und Provinzialtierschauen. — Die Beschickung ist nur aus einem bestimmten Lande oder einer Provinz zulässig. Bezirkstierschauen. — Es sind die Ortschaften eines bestimmten Verwaltungsbezirkes oder Zuchtdistriktes beteiligt. Lokaltierschauen (Ortsschauen). — Die Tiere entstammen nur einer oder nur wenigen, benachbarten Gemeinden. Die Ausstellungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft sind Schauen, die das ganze deutsche Reichsgebiet umfassen. b) Die Organisation der Schauen. Es ist zweckmässig, wenn in den einzelnen Landesteilen die Be- zirke für die Bezirks- und Lokalschauen vorher begrenzt, allgemeine Vorschriften über die Beteiligung der einzelnen Rassen erlassen und Grundzüge für die Prämiierung aufgestellt werden. Dadurch werden die Züchter veranlasst, sich der Zucht bestimmter, für die betreffende Gegend passender Rassen zuzuwenden , ohne welche ein Erfolg aller Bestrebungen so gut wie ausgeschlossen ist. Die Unternehmer der Tierschauen sind landwirtschaftliche Korpo- rationen oder, was seltener ist, Komitees, Stadtvertretungen oder einzelne Private — Wirte — , die ein Geschäft machen wollen. Zweckmässig ist es, wenn die Landwirtschaftskammern, staat- lichen Behörden (Baden), Kreis- oder Bezirksvereine die Veranstaltung in die Hand nehmen, also diejenigen Korporationen, denen die Lokal- vereine, Zuchtgenossenschaften etc. unterstehen, aus deren Gebiet die Beschickung hauptsächlich erfolgt. Den Lokalvereinen erwächst durch die Ausführung der Schauen immer ein gewisses Risiko, denn wenn dieselben verregnen, so entsteht ein erheblicher Ausfall, und gewöhn- lich ist dann in den ärmeren wie wohlhabenderen Distrikten in Er- III. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. 255 mangelung eines Garantiefonds niemand da, der den Fehlbetrag zuschiesst. Uebernimmt die grössere Körperschaft aber die Ausführung, so deckt der Ueberschuss der einen den Ausfall der anderen Schau. Jeder Schau muss eine Anmeldung der auszustellenden Tiere vorhergehen, damit der Platz danach eingerichtet, und der Vor- anschlag für die Prämiierung festgestellt werden kann. Hierbei ist es empfehlenswert, wenn sich eine aus fähigeren Züchtern der Gegend zusammengesetzte Kommission oder der betreffende tech- nische Beamte der allerdings aus verschiedenen Gründen nicht immer dankbaren Aufgabe unterziehen, die ausstellungsfähigen Tiere vorher auszuwählen. Das ist besonders in solchen Bezirken notwendig, in denen ein Kleingrundbesitz vorherrscht, welcher mit dem Zwecke und der Ein- richtung des Tierschauwesens noch nicht vertraut ist. Hier wirken die Vorbesichtigungen aufklärend, belehrend und vertrauenerweckend; der eine wird aus seiner Gleichgültigkeit auf- gerüttelt, bei dem anderen werden Besorgnisse wegen seiner geringen Konkurrenzfähigkeit zerstreut, und ein dritter lässt sich überzeugen, dass eine Zuführung seiner Tiere zu dem Ausstellungsorte doch nicht die Gefahren für die Gesundheit derselben in sich schliesst, die er sich vorgestellt hat. So kommen schliesslich Tiere aus den verschiedensten Gemeinden und mit ihnen vielfach aus Neugierde zahlreiche Nachbarn und Neider, und das Interesse wird geweckt. In vorgeschrittenen Bezirken ist solche Vorwahl nicht mehr nötig, dort versteht der Züchter bereits genügend, die Vorteile und Nachteile derartiger Beteiligungen richtig abzuwägen. Was den Ausstellungsplatz anlangt, so muss er bequem zu er- reichen, genügend gross und leicht abschliessbar sein. Unebene Plätze, nasse Wiesen, Felder eignen sich wenig, weil die beiden letzteren nach vorhergegangenem Regenwetter oft nicht passierbar sind, dagegen sind frischgeraähte Grasgärten und freie, ebene, in oder am Orte gelegene Plätze gewöhnlich passend, umsomehr als auch in ihrer Nähe meist Gelegenheit zur Wasserentnahme vorhanden ist. Bei eintägigen Schauen ist, abgesehen von einfachen Zelten für die Preisrichter, eine Aufführung von Bauten nicht erforderlich, mehrtägige Schauen dagegen machen Schutzbauten für die Tiere nötig, deshalb verteuern diese auch die ganzen Veranstaltungen nicht unwesentlich. 256 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. c) Die Tiere auf dem Ausstellungsplatze. Vor dem Betreten des Platzes werden die Tiere tierärztlich auf das Vorhandensein ansteckender Krankheiten untersucht. Diejenigen Orte, aus denen die Tiere stammen und durch welche sie ge- trieben werden, müssen frei von ansteckenden, leicht übertragbaren Seuchen sein. Am Eingange zum Platze erhalten die Ausstellungstiere ihre Nummer; die Aufstellung erfolgt je nach der Grösse und der Art der Beschickung nach Rassen. Geschlechtem, Klassen etc., damit möglichst gleich articre Tiere miteinander beurteilt werden. Die Zuweisung der Plätze besorgen Ordner, Ausschüsse etc.. das Futter bringen auf kleineren Schauen die Aussteller mit, auf grösseren wird es von Händlern oder Produzenten, meist aber ziemlich teuer, geliefert. d) Die Prämiierung. Die Prämiierung ist mit der wichtigste Faktor bei den Tier- ausstellungen, sie setzt einmal genügende Mittel und richtige Ver- wendung derselben voraus. Bei den regelmässig wiederkehrenden Schauen sind die Prämien für die einzelnen Kategorien von Tieren in der Regel ihrer Höhe nach ein für allemal festgesetzt, sonst werden sie nach Massgabe der verfügbaren Geldmittel normiert. Diese stammen meist aus der Staats- kasse und gelangen durch die landwirtschaftlichen Korporationen auf Grund des Prämiierungsergebnisses zur Verausgabung. Gewöhnlich steuern dann die letzteren noch Beträge aus ihrem eigenen Vermögen oder aus ihren laufenden Einnahmen bei, ferner stiften meist ver- schiedene Verwaltungen — Stadt-, Bezirks-. Vereinsvertretungen etc. — Zuwendungen in Form von Ehrenpreisen, und endlich kann auch ein Teil der Eintrittsgelder zu diesem Zwecke Verwendung finden. e) Die Preisrichter. Besondere Sorgfalt verlangt die Auswahl der Richter. Letztere müssen die Schläge, die sie beurteilen sollen, ihrem Rassecharakter, ihrer Form und Leistung nach genau kennen, einen klaren Blick, strenge Unparteilichkeit und eine gewisse Arbeitsfreudigkeit besitzen. Je mehr sie über die heimatlichen Verhältnisse der zu prämiierenden Tiere unterrichtet sind, desto zuverlässiger wird ihr Urteil sein. Die Zahl der Mitglieder der Richterkollegien ist in den einzelnen Ländern verschieden bemessen. In England ist das Einrichtersystem III. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. 257 beliebt, bei der Deutschen Landwirtschaftsgesellscliaft das Zweirichter- system in Anwendung , während in den Prämiierungsvorschriften einzelner Staaten fünf Richter vorgesehen sind. „Viel Köpfe, viel Sinne" können hier zum Vorteil und zum Nachteil für das Ergebnis werden, und muss man ein dreigliedriges Kollegium im allgemeinen für nötig und auch für genügend erachten. f ) Die Art des Richtens. Den Richtern ist ein Ordner beizugeben, der die Vorführung der Tiere leitet, auch ist der Platz, auf dem gerichtet wird, durch Stangen oder Leinen abzugrenzen, damit das Publikum weder die Richter in ihren Bewegungen hindert noch jedes Wort, welches gesprochen wird, auffängt. Der Zutritt zu den Ringen ist nur dem vorführenden Personal zu gewähren, und jedes Tier einzeln auf ebenem Platze zu mustern; das Richten im Stande ist bei den grossen Haustieren immer und bei den kleinen möglichst zu vermeiden. Lässt es die Zahl der zu richtenden Tiere zu, so sind diese so lange im Ringe zu behalten, bis die Klasse definitiv beurteilt ist. Das sofortige Wegschicken einzelner Individuen ist bei solchen Schauen, für Avelche bereits eine Vorwahl stattgefunden hat, zu unterlassen, w^enngleich hierdurch die Dauer des ganzen Ge- schäftes nicht abgekürzt wird. Den Richtern ist ein Katalog an die Hand zu geben, welcher Farbe, Alter und Abstammuno- angibt. Kann man nach Lage der Verhältnisse von der Nennung des Eigentümers absehen, so ist das vorzuziehen, weil es beim Publikum den Eindruck der Unparteilichkeit erhöht. Dort, wo eine Schau im kleineren Kreise abgehalten wird und belehrend wirken soll, ist es zweckmässig, die Besitzer mit eintreten zu lassen und sie über einzelne Mängel aufzuklären. Gerichtet werden die Tiere in Klassen; diese bestehen aus Einzel- tieren, aus Familien oder aus Sammlungen. Für das Richterurteil muss massgebend sein , dass die Tiere möglichst dem vorgesteckten Zuchtziele entsprechen. Gegenüber dem einzelnen Tiere entscheidet in erster Linie dessen Qualität, gegen- über den Sammlungen und Familien diese neben der Gleichartigkeit im Typus, also der Aehnlichkeit, der Ausgeglichenheit der Tiere unter- einander. Die Urteilsbildung erfolgt entweder nach freiem Ermessen oder auf Grund eines bestimmten Prämiierungssystems, auch kann ein vorheriges Wägen und Messen der Tiere stattfinden. Letzteres ist für die Rinderschauen im Grossherzogtum Baden vorgeschrieben. Pusch, Allgemeine Tierzucht. 17 258 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. Dort, wo besondere Prämiierungssysteme bestehen, erfolgt das Richten meist unter Anwendung des Punktierverfahrens. Das Richten nach Punkten stammt aus England und hat sich nur langsam in Deutschland Eingang verschafft. Beim Punktierverfahren werden die einzelnen Wertmale durch Zah- len ausgedrückt, und zwar bezeichnen die hohen Zahlen die bessere Qua- lifät; es ist demnach bei einer zehnteiligen Skala 10 vorzüglich, 0 schlecht. Als Hauptwertmale kommen in Frage: Der Zuchtwert, der Körperbau, der Nutzwert und der Gesamteindruck. Vom idealen Standpunkte aus betrachtet wäre es nun zweck- mässig, für die einzelnen Rassen und Geschlechter verschiedene Wert- skalen aufzustellen, wie es in der Schweiz und auch anderwärts zum Teil der Fall ist. Dem treten aber doch gewisse Bedenken insofern entgegen, als der ganze Mechanismus in der Ausführung schwieriger wird und da- durch besonders für bäuerliche Züchter und Preisrichter an Uebersicht- lichkeit verliert. In Rücksicht auf letztere ist es auch empfehlenswert, die Wertzahlen sowohl im einzelnen, wie in der Endsumme nicht zu hoch zu bemessen und die ersteren möglichst in gleicher Höhe zu nehmen. Der Zweck des Buches verbietet es, der zahlreichen, bereits im Gebrauch befindlichen Punktiersysteme Erwähnung zu tun^)^), und mag die Angabe desjenigen genügen, welches die dazu eingesetzten Aus- schüsse der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft für die Rinder- prämiierung auf den Schauen derselben in Vorschlag gebracht haben. Dasselbe ist auf der Ausstellung in Hannover geprüft und für die- jenige in Danzig vorgeschrieben worden ^)^). Punktierschema für die Beurteilung der Rinder auf der Ausstellung der D. L. G. in Danzig. I. Zuchtwert. Höchstzahl der Punkte. 1. Schlag, Farbe, Abstammungsnachweis ... 10 | 2. Wüchsigkeit 10 30 Punkte. 3. Gesundheit, Widerstandskraft 10 ' IL Körperbau. 1. Kopf und Hals 5 2. Rumpf 10 3. Gliedmassen, Gang 5 4. Haut und Haar 5 25 ^) Näheres s. Pusch, Beurteilungslehre des Rindes. Paul Parey-Berlin 1896. Seite 101. -) Lydtin, Systeme des Punktierrichtens für Rinder. Berlin 1904. D. L. G. ^) Lydtin, Das P'unktrichten von Rindern auf der Ausstellung in Hannover. 1903, Bericht an die Tierzuchtabteilung. Berlin 1903. D. L. G. ■') Aeussei-ungen zum Punktrichten : Behmer, Brödermann und Momm- sen. Deutsch, landw. Tierzucht. 1903. Nr. 41, 44, 4t), 47, 51 u. 1904, Nr. 1. IIT. Die Verwendung von Staatsmitteln zur Hebung der Tierzucht. 259 in. Nutzwert. 1. Zeichen der Milchleistung \ 2. ^ „ Fleischleistung | 30 Punkte. 3. „ „ Arbeitsleistung ■' IV. Gesamteindruck 1-5 „ Endzahl 100 Punkte. In der Abteilung III „Nutzwert" sind die nachstehenden Wertzahlen für die verschiedenen Nutzungseigenschaften der untereinander in Wettbewerb stehen- den Viehschläge innerhalb der Gesamtzahl 30 wie folgt festgesetzt : Höchstzahl der Punkte für Schlag 1. 2. 3. Milch- Fleisch- Arbeits- leistung leistung leistung A. Höhenschläge 1. Grosses Fleckvieh etc. : a) Badische Zuchten 10 10 10 b) Bayerische Zuchten 10 10 10 c) Württembergische Zuchten 15 10 5 d) Hessische Zuchten 15 15 10 10 5 e) Sächsische Zuchten 5 2. Gelbe einfarbige Höhenschläge 10 10 10 3. Graubraunes Gebirgsvieh 20 10 — 4. Einfarbiges rotes und rotbraunes Vieh .... 10 10 10 5. Rot- und Braunblässen 10 10 10 10 10 10 10 6. Pinzgauer 10 7. Kleines rückenblässiges Höhenvieh 10 8. Ansbach-Triesdorfer etc 15 10 5 B. Tieflandschläge 1. Schwarzbunte Tieflandschläge (Ostfriesen, Jever- länder, Ost- und Westpreussen etc.) 16 15 — 2. Wesermarschschlag 12 15 18 15 3. Rotbunte Tieflandschläge Rheinlands etc. . . . 4. Rotbunte Holsteinische Schläge 15 15 — mit Ausnahme der Breitenburger 18 12 — 5. Rotes Schleswigsches Milchvieh 20 10 — 6. Rote Ostfriesen 15 10 15 15 15 10 15 15 7. Schlesisches Rotvieh 10 8. Rotbunte Ostfriesen 9. Alle anderen Niederungsschläge C. Shorthorns — 10 20 260 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. Die Vorzüge eines Punktierverfalirens sind folgende: 1. Es hält den Richter an, planmässig vorzugehen und verhindert eine Uebereihing. 2. Es entlastet das Gedächtnis und verhütet eine vorzeitige geistige Abspannung. 3. Es ermöglicht eine spätere Rechtfertigung und Begründung des Urteils. 4. Es macht auf den Aussteller den Eindruck der Gründlichkeit und Unparteilichkeit. 5. Es erhöht in den Kreisen der kleineren Züchter das Ver- ständnis für eine rationelle Tierbeurteilung und wirkt hier in hervor- ragendem Masse belehrend und erziehlich. Was die Nachteile anlangt, so kann das Punktierverfahren in der Hand ungeübter oder unwissender Richter natürlich zu falschen Schlüssen führen, sicherlich aber nicht mehr, sondern eher weniger, als wenn solche Männer ohne dasselbe und nur nach freier Urteils- bildung arbeiten. Besonders ist die Möglichkeit hervorzuheben, dass die kleinen, abgedrehten, für die Zucht oft wertlosen, sowie die fleischigen und gut genährten Tiere besser wegkommen. Das wird aber auch ohne Punktieren stattfinden, und ausserdem werden un- richtige Schlüsse vermieden, wenn man die höchstpunktierten Tiere ihren Wertsummen nach später zusammenstellt und sich vor der definitiven Preisverteilung die FügHchkeit der Umstellung offen hält. Letztere wird bei einigermassen sicheren Richtern nur ausnahmsweise erforderlich sein. IV. Staatliche Massnahmen zum Schutze der einheimischen Vieh- bestände gegen Viehseuchen und zur Schadloshaltung der Besitzer bei Verlusten durch diese und andere Krankheiten. Da die Viehbestände einen grossen Kapitalwert darstellen und die Erhaltung dieses Wertes im nationalökonomischen Interesse liegt, so bestehen in den meisten Kulturstaaten Gesetze und Verordnungen zur Verhütung der Einschleppung von Seuchen aus dem Auslande, zur Unterdrückung dei'selben im Inlande und zur Entschädigung der Besitzer bei Verlusten durch dieselben und durch andere Krank- heiten. IV. staatliche Massnahmen zum Schutze der einheimischen Viehbestände. 261 1. Die Verhütung der Einschleppung von Viehseuchen aus dem Auslande. Der beste Schutz gegen eine Viehverseuchung aus dem Aus- lande liegt im gänzlichen Einfuhrverbote — vollständige Grenz- sperre — und in einer scharfen Kontrolle des Schmuggels. Da der letztere meist mit Freiheitsstrafen belegt ist, so kann er schon bis zu einem gewissen Grade unterdrückt werden. Die unerlaubte Einfuhr erstreckt sich entweder auf solche Tiere, deren Verbringung ins Inland gänzlich verboten ist, oder auf solche, welche die Grenze nur nach vorheriger Untersuchung und Verzollung passieren dürfen. Im letzteren Falle sind die Motive in der Regel Gewinnsucht, im ersteren aber unter Umständen auch der Wunsch, ein hochwertiges Zuchttier zu erhalten, dessen Erwerbung sonst nicht möglich ist. Neben der absoluten gibt es eine relative Grenzsperre, wie sie Deutschland z. B. gegen Dänemark in Bezug auf Weiderinder und gegen Russland in Bezug auf Schweine anwendet. Danach ist die Zahl der jährlich einzuführenden Tiere be- schränkt und, wenn diese Zahl erreicht ist, wird die Grenze gänzlich geschlossen. Die Einfuhr dänischer Rinder nach Deutschland wird ausserdem noch von dem Bestehen der Tuberkulinprobe abhängig ge- macht, welcher die Tiere in der Quarantäneanstalt unterworfen werden. Weiterhin wird der Grenzschutz noch ausgeübt durch die tier- ärztliche Untersuchung, durch eine zeitweise Beschränkung in der freien Verwendung und durch die Verzollung der Tiere. Je schärfer die tierärztliche Untersuchung, umso grösser die Vorsicht der Importeure. Da aber die Tierseuchen ausnahmslos ein Inkubationsstadium haben, bei ihnen also eine gewisse Zeit vergeht, ehe der in den Körper aufgenommene Ansteckungsstoflf eine offen- sichtliche Krankheit verursacht, so können die Tiere trotz sorgfältiger Untersuchung dennoch erkranken. Diesem Umstände tragen die sogen. Quarantäneanstalten Rech- nung, in denen die Tiere nach Ueberschreiten der Grenze einer Be- obachtungsfrist unterworfen werden , während welcher sie ihren ein für allemal bestimmten Aufenthaltsort nicht verlassen dürfen. Aehnlich, wenn auch viel milder und deshalb auch viel weniger zuverlässig, wirkt die Bestimmung, dass die eingeführten Tiere eine bestimmte Zeitlang im Besitze des Einführenden verbleiben müssen, hier 262 6- Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. einer nochmaligen Untersuchung unterzogen werden und ihren Stand- ort nicht wechseln dürfen, was von der Polizeibehörde kontrolliert wird. Bricht bei solchen Tieren eine Seuche aus, so werden die Folgen nicht so einschneidend, weil die Zahl der angesteckten In- dividuen geringer ist, als wenn die ersteren dem freien Verkehr über- geben und beliebig oft verkauft werden. Was die Zollabgabe betrifft, so ist dieselbe insofern ein gewisser Schutz, als sie die Einfuhr umsomehr beschränkt, je höher sie ist, was besonders bei Schlacht- und bei weniger wertvollen Nutz- und Zuchttieren in die Wagschale fällt. Gegenüber Schlachtvieh ist die Einfuhrerlaubnis fast überall und zwar mit Recht an die Bedingung geknüpft , dass die Orte, welche ausländisches Schlachtvieh beziehen wollen, Schlachthöfe be- sitzen, denen das letztere mit der Eisenbahn zugeführt werden kann. Untersuchung dieser Transporte an der Grenze, Versendung derselben in plombierten Wagen, Benutzung besonderer Rampen und Ställe auf den Schlachthöfen im Verein mit einer bestimmten kurzen Ab- schlachtungsfrist schwächen die Gefahr einer Seuchenverschleppung zwar wesentlich ab, sie heben sie aber doch nicht auf, da die Mög- lichkeit der Uebertragung der Ansteckungsstoflfe durch Zwischenträger — Händler, Fleischer, Viehwärter — bestehen bleibt. 2. Die Unterdrückung der Viehseuchen im Inlande. Der Grundstein für die Unterdrückung der Viehseuchen im In- lande ist ein geordnetes Veterinärwesen und die gesetzlich oder ver- ordnungsgemäss vorgeschriebene Anzeigepflicht des Ausbruches der ersteren. Ihr folgen die Ermittelung und Feststellung der Seuchen durch den beamteten Tierarzt und die Anordnung von Schutzmassregeln gegen deren Weiterverschleppung. Solche Schutzmassregeln sind : Absonderung und polizeiliche Ueberwachung der erkrankten Tiere, Sperre des Stalles, des Gehöftes oder des Ortes, die Tötung oder Impfung der erkrankten oder ver- dächtigen Tiere, die unschädliche Beseitigung der Kadaver und die Desinfektion des Standortes und der mit den Tieren oder ihren Aus- scheidungen in Berührung gekommenen Gegenstände. Vorbeugend wirken die veterinärpolizeiliche Beaufsichtigung der Viehmärkte, die Kontrolle des Handelsviehs durch die beamteten Tierärzte und die Schutzimpfungen, Den letzteren wird im Verein IV. staatliche Massnahmen zum Schutze der einheimischen Viehbestände etc. 263 mit der Sermutherapie für die Zukunft noch eine sehr wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Tierseuchen beschieden sein. 3. Die Schadloshaltung der Viehbesitzer bei Verlusten durch Viehseuchen. Da die Durchführung der Viehseuchengesetze von dem Besitzer der Tiere Opfer fordert, so wird dem letzteren für die auf polizeiliche Anordnung getöteten oder die an der Seuche gefallenen Tiere Ent- schädigung gewährt, die sich in Deutschland zunächst für alle Einzel- staaten auf die Verluste bei Rinderpest, Rotz und Lungenseuche er- streckt. Die Einzelstaaten können indessen die Entschädigung weiter ausdehnen, wie das jetzt fast überall gegenüber dem Milzbrande und im Königreich Sachsen auch gegenüber der Hirn- und Rückenmarks- entzündung der Pferde und der Maul- und Klauenseuche der Rinder geschehen ist. Die Schadenberechnung erfolgt in Preussen innerhalb der ein- zelnen Provinzen und in den übrigen Bundesstaaten innerhalb ihres Grebietes auf Grund der im Vorjahre festgestellten Verluste als sogen. Viehsteuer , die , soweit Rotz, Milzbrand und Lungenseuche in Frage kommen, sehr gering ist und beispielsweise für das Königreich Sachsen, wo auch die Hirn- und Rückenmarksentzündung der Pferde mit entschädigt wird, im Jahre 1902 pro Pferd 80 Pfennig und pro Rind nur 17 Pfennig betragen hat. 4. Entschädigungen der Viehbesitzer bei sonstigen Verlusten mit Hilfe von Viehversicherungen. Das Viehversicherungswesen ruht in der Hauptsache in den Händen von Privatgesellschaften , auf welche in Deutschland die Reichsregierung nur insofern einen Einfluss ausübt, als die von ihr neuerdings geschaffene, technische Behörde — das Reichsversicherungs- amt — den Geschäftsbetrieb der Gesellschaften kontrolliert. Diesen grossen Gesellschaften stehen die kleinen, auf Gegen- seitigkeit gegründeten Viehversicherungsvereine gegenüber, welche sich nur auf einen oder mehrere benachbarte Orte erstrecken und meist sehr segensreich wirken, da die Mitglieder das Fleisch der notgeschlachteten Tiere gewöhnlich anteilig kaufen und somit den Gesamtverlust vermindern. Bleiben die Schadenfälle vereinzelt, so bestehen diese Vereine 264 6. Abschnitt. Die Zuchtmassnahmen etc. in der Regel vorzüglich, häufen sie sich aber, so kann unter Um- ständen ein gewisser Notstand eintreten. Man hat deshalb diesen Ortsviehversicherungsvereinen in Baden und Bayern staatlicherseits durch Bildung von Viehversicherungsanstalten ein festeres Rückgrat gegeben, welche einen vom Staate verwalteten und unterstützten Ver- band der Ortsvereine darstellen. Dieser nimmt den letzteren einen Teil der Entschädigungslasten ab und ladet sie auf die Schultern der sämtlichen Versicherten, bildet also somit eine Art von Rückversicherungsanstalt, welche vom Staate kostenlos verwaltet und ausserdem noch durch Geldzuwendungen unter- stützt wird-^). Weiterhin gibt es in einzelnen Züchtervereinigungen Versiche- rungen auf Gegenseitigkeit , und in anderen Fällen haben wiederum landwirtschaftliche Vertretungskörperschaften die männlichen Zucht- tiere ihrer Hengst-, Bullenhaltungs- etc. Genossenschaften oder auch die tragenden Stuten in von ihnen selbst verwalteten und mit staat- lichen Zuschüssen arbeitenden Kassen versichert. Diese Versicherungen sind meist insofern obligatorisch, als eine Beihilfe zum Ankaufe von männlichen Zuchttieren nur unter der Bedingung gewährt wird, dass die Genossenschaft diese dauernd versichert. In Sachsen beträgt die Prämie für die Genossenschaftsbullen nur 2^/0, und zwar erfolgt die Entschädigung voll und ohne jeden Abzug, ausserdem werden auch noch die Kosten für die tierärztliche Behand- lung und für die Verwertung der Tiere (Schlachten, Zerlegen, Ver- pfunden) auf die Versicherungskasse übernommen. Andere Vei-sicherungen erstrecken sich wiederum nur auf Ver- luste , die sich bei der Fleischbeschau ergeben, und diese Versiche- rungen sind entweder freiwillige oder aber durch die Gesetzgebung für jedes Schlachttier vorgeschrieben, wie es im Königreich Sachsen in Bezug auf Rinder und Schweine der Fall ist. Hier muss also jedes Rind und Schwein vor dem Schlachten versichert werden, und zwar ist der Unternehmer der Staat, welcher aber die Verwaltungskosten nicht nur selbst bestreitet, sondern auch noch 25 ^'/o zu den Entschädigungen zahlt. Die übrigen 75 ^/o werden in Form von Versicherungsbeiträgen pro Stück und Schlachtung der- ') In Baden zahlen die Ortsvereine die Hälfte der Entschädigungssumme, die andere Hälfte übernimmt der Verband, der die hierfür erforderlichen Mittel durch eine abermalige Umlage deckt. Uebersteigt diese aber den Betrag von 20 Pfennig pro 100 Mark Versicherungswert, so tritt der Staat für den über- scbiessenden Teil ein; ausserdem bestreitet er auch die Verwaltungskosten. IV. Staatliche Massnahmen zum Schutze der einheimischen Viehbestände etc. 265 gestalt verteilt, dass die vorjährige Entschädigungssumme der Be- rechnung zu Grunde gelegt wird, und die Kategorien männliche Rinder (Bullen und Ochsen) , weibliche Rinder und Schweine getrennt be- wertet werden^). Als Entschädigung wird eine Summe gezahlt, welche durch die Differenz zwischen dem normalen Marktwerte des Fleisches und dem durch die vorgefundene Krankheit bedingten Minderwerte desselben entsteht. Entscheidend ist die Wage , und zwar werden die durch- schnittlichen Marktpreise für die verschiedenen Tiergattungen und Kategorien in regelmässigen Zwischenräumen festgestellt, und die er- mittelten Verluste dann zu 80 "/o entschädigt. Solche Schlachtviehversicherungen sind das notwendige Er- gänzungsmittel einer gesetzlich geregelten Fleischbeschau, weil sie die Verluste und die Härten mildern, die für den Viehbesitzer aus der Wegnahme seiner zum menschlichen Genuss ungeeigneten Schlacht- tiere erwachsen. Dabei sind staatliche Zwangsversicherungen den Privatversicherungen in der Regel vorzuziehen. ') Die Prämien betragen für das Jahr 1904 für Bullen und Ochsen 2 M. 50 Pf., für weibliche Rinder 8 M. und für Schweine 60 Pf., wobei aber die Ver- luste, die sich bei Notschlachtungen ergeben, mit entschädigt werden. Siebenter Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Auch die beste Zucht zeitigt keinen Erfolg, wenn mit derselben nicht eine sachgemässe Haltung der Zuchttiere verbunden ist. Deshalb soll diese, soweit sie sich auf die Aufstauung, Fütterung und Pflege der letzteren und ihrer Nachzucht bezieht, kurz beleuchtet werden. I. Der Stall in Rüclisicht auf Bau und Einrichtung. 1. Allgemeine Gesichtspunkte. Ställe sollen trocken und warm und so eingerichtet sein, dass sie den Tieren diejenige Menge von Licht und Luft bieten, welche zur Erhaltung der Gesundheit und individuellen Leistungsfähigkeit erforderlich ist. Neue Ställe müssen ebenso wie neue Wohnungen erst aus- trocknen, ehe sie bezogen werden. Letzteres wird aber gewöhnlich nicht beachtet, weil man der Meinung ist, für Tiere sei in Bezug auf Ställe alles gut genug. Und doch sind unausgetrocknete Ställe nach vieler Richtung hin schädlich, denn ihr feuchtes Mauerwerk ist undurchdringbar für Luft, daher kalt, und die Stalluft ausserdem in der Regel schlecht. Sorgt man aber für gute Lüftung, so ist der Stall in der Regel zu kalt. Hierunter leiden besonders junge Tiere, Aveshalb man oft die Erfahrung macht, dass in neuen Ställen, welche bei oberflächlicher Betrachtung allen hygienischen Anforderungen zu entsprechen scheinen, die Aufzucht der Kälber und namentlich der Ferkel nicht mehr ge- deihen will. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung', 267 In Gross- und Mittelbetrieben sind die Stallungen für die ein- zelnen Tiergattungen meist vollständig getrennt, indem jeder derselben entweder ein besonderes Gebäude oder doch eine vollständig abge- schlossene Abteilung in einem gemeinsamen Gebäude eingeräumt ist. In Kleinbetrieben stehen dagegen Pferde, Rinder und Schweine bis- weilen in einem gemeinsamen Stalle, Die einfachste Anlage findet man im niedersächsischen oder west- fälischen und in dem mit diesem nahe verwandten friesischen Gehöft, Fig. i-'S. Friesisches Gehöft. a Teiiue, h Pferdestall (Eingang von der Tenne aus), c Kuhstall, A Schweineställe, f Wagenschuppen. Die Wohnräume liegen stets in dem entgegengesetzten Giebel und nur auf einzelnen, neu aufgebauten Höfen in einem anstossenden, villenartigen Gebäude. welches nur aus einem grossen , scheunenartigen Gebäude besteht, unter dessen Dache sich alle Wohn- und Wirtschaftsräume — Wohnung des Besitzers, Leutekammern, Scheune, Geräteschuppen und die Ställe für das Grossvieh — befinden. In ähnlicher Weise beherbergt auch das Schwarzwälder Haus alles unter einem gemein- samen Dache. Was die Richtung der Hauptfront und die Lage des Stalles zu den übrigen Wirtschaftsgebäuden betrifft, so sollen Ställe mög- lichst gegen übermässige Zugluft geschützt und mit ihrer Haupt- front so gelegen sein, dass sie von den Sonnenstrahlen erhellt und 268 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. » erwärmt werden, ohne im Sommer allzusehr der Hitze ausgesetzt zu sein, welch' letzteres namentlich bei Ställen für Masttiere zu ver- meiden ist. Man legt deshalb die Hauptfront mit den Türen und Fenstern nach Osten und dort, wo die Oertlichkeit schutzlos starken Ostwinden ausgesetzt ist und Zucht betrieben werden soll, nach Süden oder Westen. Die Südrichtung wird schon von Columella empfohlen^). Empfängt der Stall noch von einer anderen Richtung her Licht und Luft, so kann die Hauptfront auch nach Norden sehen. Im letzteren Falle ist die Fliegenplage jedenfalls am geringsten. Wenn möglich vermeide man die Erbauung auf ansteigendem Terrain, damit Regen- und Abflusswasser die Stallwand und den Boden nicht durchfeuchten. Drainage der Umo-ebung und Einlagen von undurchlässigen Schichten in das Mauerwerk werden den Uebel- stand mildern, falls ein ebener Baugrund nicht geschaffen werden kann. Im wirtschaftlichen Interesse ist darauf zu achten , dass die Zugänge zu den Ställen von der Wohnung des Betriebsleiters zu übersehen sind, damit die Tätigkeit des Stallpersonals bequem be- aufsichtigt werden kann. Weiterhin dürfen die Ställe von Böden, Scheunen, Rübenkeller, Brennerei und Molkerei nicht zu weit ent- fernt liegen, weil mit der Leichtigkeit der Futterzuschaffung auch die Regelmässigkeit in der Abwartung der Tiere Avächst, auch muss sich neben jedem Stalle eine Futterkammer zur Aufnahme des Kraftfutters für einige Tage und am Rinderstalle auch ein Auf- bewahrungsraum für Grün- und eventuell auch Rauhfutter befinden. Ferner muss in jedem grösseren Betriebe, in dem ein häufigerer Zu- kauf von Vieh stattfindet, ein Kontumazstall vorhanden sein, der getrennt vom Hauptgute liegt, sodass jeder Verkehr zwischen ihm und letzterem vermieden werden kann. 2. Das BaumateriaL Die Materialien, aus denen man Stallbauten aufführt, sind sehr verschieden. Man verwendet in erster Linie gebrannte Ziegelsteine aus Ton oder Lehm von verschiedener Härte; letztere ist von dem Rohmaterial und der angewendeten Hitze abhängig. Am dauerhaftesten und trag- fähigsten sind Klinker. ^) De re rustica. Libr. VI. Kap. XIX. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 269 Weiter baut man Ställe aus Holz — Gebirge und namentlicli Hochgebirge — und aus Bruch- und Feldsteinen, während die früher gebräuchlichen Lehmwände, die Wände aus Luft- und Kalksandziegeln, sowie der Fachwerkbau, weil sie wegen der grösseren Feuergefährlich- keit einmal eine höhere Versicherungsprämie erfordern, zum Teil aber auch gänzlich verboten sind, die frühere Bedeutung nicht mehr be- sitzen. In den Moorgegenden des deutschen Ostens waren früher auch Ställe aus Holz und Torf zu finden. Wellblechwände dienen meist nur zu interimistischen Zwecken. Welches Material gewählt werden muss, hängt von den örtlichen Verhältnissen ab. Nur dort, wo das Holz billig ist, oder anderes Material wegen der Terrainschwierigkeiten nicht zugebracht oder wegen schlechten Baugrundes nicht benutzt werden kann, kommt ersteres neben dem billigen Fachwerkbau noch als ausschliessliches Material zur Verwendung. Auch Bruch- und Feldsteinbauten sind verhältnismässig selten, während massive Ziegelbauten die Regel bilden. Hat man gute Steine verwendet, so sind dieselben nicht nur haltbar, sondern die Ställe auch warm und trocken. 3. Wände, Decken und Fussboden. Wände, Decken und Fussboden müssen haltbar und warm, und der letztere ausserdem bis auf wenige Ausnahmen (s. S. 272) undurchlässig sein. a) Die Aussenmauern. Was die Aussenmauern anlangt, so sind Lehm- und Fachwerk- wände zwar warm, aber wenig dauerhaft und Bruchsteinwände kalt. Ziegelsteinwände sind haltbar und in der Regel warm , weil die in den Steinen vorhandene Luft als schlechter Wärmeleiter und somit ausgleichend zwischen Aussen- und Stalluft wirkt. Bruchsteine sind dagegen für Luft undurchlässig und deshalb gute Wärmeleiter. Ist die Aussentemperatur niedrig, so ist auch die dem Stalle zugekehrte Seite der Stallwand kalt, und deshalb schlägt sich hier die Stallfeuchtigkeit als Wasser nieder, sodass die Wand ebenso „schwitzt" wie die Fensterscheibe. Nasse Wände begünstigen ferner die Ansiedelung von Spalt- und Schimmelpilzen. Will man die Bruchsteinwand trocken machen, so muss man 270 7- Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. sie im Innern mit Ziegeln verblenden, wobei zwischen diesen und der ersteren eine Luftschicht belassen wird, welche nach Art der Doppel- fenster die Temperaturunterschiede ausgleicht. Hohlziegel sind hierzu besonders geeignet, ausserdem müssen die Hohlräume mit der Aussen- luft in Verbindung stehen und dürfen nicht gänzlich abgeschlossen sein. Feuchte Wände sind ebenfalls undurchlässig und daher in ihrer Wirkung ähnlich wie die Bruchsteinwände. Da die Feuchtigkeit auch vom Boden aus in dem Mauerwerke nach oben steigt, so sucht man dieser dadurch den Weg zu verlegen, dass man über dem Stallfussboden in der Wand eine undurchdring- liche Masse aus Asphalt oder Dachpappe — Isolierschicht — einfügt, welche das Aufsteigen des Bodenwassers verhindert. Ausserdem kann man die mit dem Erdboden in Berührung kommenden Aussenseiten der Wand durch einen dicken Teeranstrich vor Durchfeuchtung schützen. In Rücksicht auf die Permeabilität der Wand ist auch der innere Wandputz zu beachten. Vom Standpunkte der Reinlichkeit ist solches Material empfehlenswert, welches dauerhaft und abwaschbar ist, wie Zement, Oelfarbe, Kacheln, Fliesen oder Klinker, indessen ist zu beachten, dass solche Ställe kalt und für die Tiere unbehaglich sein müssen, sobald das obige Material einen grossen Teil der ge- samten Wandfläche einnimmt und sich namentlich an Aussenwänden befindet. Will man Zement, Oelfarbe, Kacheln, Fliesen oder Klinker ver- wenden, so soll man einen derartigen Anstrich oder eine solche Ver- kleidung nur da anbringen, wo die Wandteile durch Kot besudelt oder durch die Atmungsluft oder den Stalldunst angenässt werden, die übrige Wandfläche aber mit einem gewöhnlichen Kalkanstrich versehen. Letzteres — das Weissen — ist alljährlich zu erneuern, wodurch nicht nur manche Ansteckungsstoffe unschädlich gemacht Averden, sondern auch der Stall heller und freundlicher und die Fliegenplage minder lästig wird. b) Die Stalldecken. Da der Raum über den Ställen in der Regel zur Aufbewahrung von Futter, zum Teil aber auch zu Wohnungszwecken dient, so müssen an die Decke Anforderungen verschiedener Art g^estellt werden. Stalldecken sollen nicht nur feuerfest, sondern auch warm und dunstsicher sein; warm, damit der Wasserdunst, der bei der Atmung und bei der Verdunstung der Ausscheidungen entsteht, sich nicht an I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 271 der kalten Fläche niederschlägt, abtropft, die Tiere benässt und die Decke zerstört, und dunstsicher, damit das auf dem Boden lagernde Rauhfutter nicht anzieht, Feuchtigkeit und Greruch annimmt, schimmelt und verdirbt. Der Konstruktion nach unterscheidet man Holzdecken und massive Decken. Von den Holzdecken ist die einfachste und namentlich früher gebräuchlichste der gestreckte Windelboden. Er wird dadurch her- gestellt, dass die Balken mit einem Schwarteneinschub versehen oder mit Latten benagelt werden, über denen man eine Strohlehmschicht anbringt. Diese Decken sind warm, aber nicht vollständig dunst- sicher. Letzteres hat zwar den Vorzug der natürlichen Ventilation, aber den Nachteil, dass die Futtervorräte anziehen, was dadurch ver- mieden wird, dass man den Strohlehmschlag auf dem Futterboden mit Asphaltpappe überklebt. Ebensogut wie man die Decke von oben durch eine Papp- auflage dunstsicher macht, kann man das auch von unten, also vom Stalle aus tun. Man benagelt zu diesem Zwecke die Balken mit Schalbrettern, die man mit Falzpappe bedeckt. Hierdurch erhält man, vom Stalle aus gesehen, eine glatte Fläche, welche beputzt wird und dann den Eindruck einer glatten, massiven Decke macht (s. Fig. L58). Dauerhafter als Holzdecken sind die massiven Decken, am be- kanntesten sind die sogen. Kappengewölbe. Ihr Vorzug liegt in der Feuer- und Dunstsicherheit, ihr Nachteil dagegen in ihrem hohen Herstellungspreise und in dem Umstände, dass sie infolge Nieder- schiagens von Wasserdampf tropfen, dem aber durch eine genügende Ventilation und durch Anfüllung des darübergelegenen Bodens mit Rauhfutter abgeholfen werden kann. Massive Decken verwendet man für Rinder- und grössere Pferde- ställe und Holzdecken für Schaf-, Schweine- und kleinere Pferdeställe, weil Schafe und Pferde weniger Wasserdampf erzeugen, und sich über Schweineställen selten Futterböden befinden. Sieht man von der grösseren Billigkeit ab, so sind aber auch für Schweineställe massive Decken vorzuziehen. Dort wo man den Bodenraum als Aufbewahrungsort für Rauh- futter oder für ausgedroschenes Getreide entbehren kann , baut man wohl auch Ställe ohne Stalldecken, bei denen dann die letztere durch das Dach gebildet wird. Solche Ställe sind luftig und dabei in der An- lage billig, sodass sie sich besonders für Fohlen und Jungrinder eignen. 272 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. c) Der Fussboden. Zur Herstellung des Stallfussbodens, von dem man Wärme und Undurchlässigkeit in erster Linie fordern muss, verwendet man das verschiedenartigste Material, insonderheit Lehm und Sand, Holz, Feldsteine, Bruchsteine, Beton und die auf verschiedene Art geformten und gebrannten Steine. Ungepflasterte Ställe finden ausnahmslos für Schafe Verwendung, weil diese nur wenig flüssige Exkremente absetzen, und weil der Dünger in Schafställen lange Zeit liegen bleibt und die Flüssigkeit aufsaugt. Auch für Pferde sind solche Lehmschlagfussböden, die mit einer dicken Sandschicht bestreut werden, unter Umständen sehr empfehlenswert, jedoch nur dort, wo man an Streumaterial nicht zu sparen braucht und wo man die oberflächlichen Schichten, die reichlich mit Jauche durchsetzt sind, zu Düngungszwecken besonders auf Wiesen verwerten und kostenlos durch frischen Sand ersetzen kann. Demnach werden hierfür hauptsächlich nur kleinere Bestände und zwar auch nur solche auf dem Lande und in kleineren Städten in Frage kommen, abgesehen von den Mutterstutenstallungen in den Gestüten, in denen die Stuten und Fohlen frei stehen und nicht ausrutschen sollen. Der Vorteil solcher Lehmsandstände liegt in dem Umstände, dass eine derartige Unterlage weich, bei guter Streu auch reinlich, dabei warm und billig ist und nicht nur stark angestrengten Arbeits- pferden ein gutes Ruhelager bietet, sondern auch alten Tieren das Aufstehen erleichtert ^). Nachteilig erscheinen das Einsickern der mit Fäulnismassen durchsetzten Feuchtigkeit in den Boden und die Schwankungen der Grundluft, die besonders in Seuchenfällen in Frage kommen. In Rinder- und Schweineställen ist aber ein derartiger Fuss- boden zu verwerfen, denn er macht den Stall meist zu einem Sumpf- loche, und die Bezeichnung Schweinestall für einen unsauberen Auf- enthaltsort ist jedenfalls hieraus hergeleitet. Lehmschlag findet man aber auch in Rinderställen in ausgedehnter Benutzung in den Marschen mit holländischer Stalleinrichtung (Fig. 129 c). Hier liegen die Ver- hältnisse aber insofern anders, als die Kühe Harn und Kot in die Düngerschleusen — Grupen (Fig. 129 d) — entleeren und den Stand, der in seinem hinteren Drittel auch oft aus Ziegelsteinen hergestellt *) Eine ausführliche Beschreibung solcher Lagerstätten s. lUustr. landw, Zeitung 1898. S. 170. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 273 ist, nur als Lagerstätte benutzen, der bei seiner Kürze von nur 180 und weniger cm gar nicht verunreinigt werden kann. Die früher meist durchlässigen Fussböden der Tiefställe werden jetzt mehr und mehr durch undurchlässige ersetzt. Der Holzfussboden wird dort gefunden, wo das Holz billig ist, wo es an Einstreu mangelt, oder wo es auf den Herstellungspreis Fig. 129. Die eine Hälfte eines alten Stalles aus der Wesermarsch während der Weidezeit. o Diele, b Futterrinne, c Standplatz der Tiere, d Düngerschleuse (Grupe), e Düngergang. Ueber der Diele und den Rinderständeu befindet sich der Aufbewahrungsraum für das Eauh- futter. — Klotzpflaster — nicht ankommt. Man verwendet Bretter, Bohlen oder Blöcke. Allgemein ist Holzfussboden in den Sommerställen der Alpen und in vielen Gebirgsgegenden in Anwendung, wo die Unterlage aus Brettern, seltener aus Bohlen besteht. Auf diesen liegen die Tiere dann oft ohne Einstreu, da Stroh überhaupt nicht oder nur in geringer Menge geerntet wird, und Sägemehl und Waldstreu nicht zu haben sind. Ein solches Lager ist zwar glatt und nicht besonders reinlich, aber immerhin sauberer, weicher und wärmer, als wenn die Tiere auf Lehm oder auf Feldsteinpflaster liegen. Die Reinlichkeit wird dadurch unterstützt, dass die Stände etwas erhöht und kurz sind, und Harn und Kot bei weiblichen Tieren Pusch, Allgemeine Tierzucht. 18 274 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. nicht auf das Lager, sondern hinter dasselbe in eine breite Rinne gelangen. Weiterhin werden in Pferdeställen Bohlen verwendet, welche quer zur Längsrichtung der Tiere liegen und auf Lagerhölzern in Lehm oder Sand oder brückenartig auf einem undurchlässigen Beton- fusshoden ruhen. Bohlenstände sind niemals vorteilhaft und werden deshalb jetzt nur noch selten eingerichtet, denn einmal sind die Bohlen der Fäul- nis ausgesetzt und daher häufiger reparaturbedürftig, und anderseits sammeln sich unter und zwischen den Bohlen flüssige Exkremente an, die zu einer starken Ammoniakentwickelung und zu einer Ver- unreinigung und Verpestung der Stalluft führen. Betritt man einen solchen Stall, so empfindet man ein prickelndes Gefühl in den Augen und in der Nase und darf sich dann auch nicht wundern, wenn die Pferde in einem derartigen Aufenthaltsorte an Katarrhen der Atmungs- organe erkranken. Ausserdem ist diese jauchige Masse der beste Nährboden für Infektionskeime. Besser als der Bohlenbelag ist das Klotzpflaster, das weich und warm, aber teuer und nicht besonders haltbar ist und daher auch nur für Luxusställe Verwendung findet. Empfehlenswert ist auch das amerikanische Hartholzpflaster, welches als Strassenpflaster dient und zwecks grösserer Haltbarkeit imprägniert und in seinen Fugen mit einer pechartigen Masse ausgestrichen Avird. Aus Sparsamkeitsrücksichten kann man das Klotz- und Block- pflaster auch auf das der Krippe zugekehrte Drittel des Standes beschränken, den übrigen Teil aber aus Klinkern etc. herstellen, denn einmal stehen die Pferde dann vorn weich und anderseits beschädigen sie mit den Hinterfüssen den Fussboden namentlich in der Fliegenzeit mehr als mit den Vorderfüssen , sodass das Holzpflaster dann lange Zeit brauchbar bleibt, umsomehr als es unter der Einwirkung der Harnausscheidung nicht leidet. Von den natürlichen Steinen verwendet man Feld- und Bruch- steine. Das Pflaster aus runden, unbearbeiteten Feldsteinen hat höchstens den Vorzug der Billigkeit, sonst haften ihm aber alle Mängel an, die überhaupt nur ein Fussboden haben kann ; es ist, da die Feldsteine in Sandunterlage festgerammt werden, durchlässig, ferner hart, kalt und uneben, trotzdem aber in Pferdeställen auf dem Lande sehr verbreitet. Bruchsteine kommen in Form von Platten in Rinderställen in Verwendung, wo die Fugen dunh Zementmörtel gedichtet werden. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 275 Sie sind glatt und nicht warm, aber dauerhaft und undurchlässig. Aehnlich verhält es sich mit den bearbeiteten Kopfsteinen. Besser als die Natursteinpflasterungen sind die Betonfussböden. Beton, eine Mischung von Steinschlag, Sand und Kalk oder Zement, wird neuerdings gern in Rinder-, Schweine- und Ziegenställen verwendet, während er für Pferdeställe nicht dauerhaft genug ist. Ein solcher Fussboden ist undurchlässig und weicher und wärmer als Steinpflaster. Die Glätte, die demselben anhaftet, kann durch Bei- mengung von Kohlenasche oder durch Furchen gemildert werden, doch haben die letzteren den Nachteil, dass die Jauche aus ihnen nicht genügend abfliesst. Besser als die Furchen ist ein dünner 2 cm starker Ueberzug von Zementestrich, bestehend aus Zement und Sand, den man nicht glättet. Derselbe heisst deshalb rauher Zement und hat den Vorteil, dass Rinder und Schweine nicht rutschen, und dass die Jauche bei genügendem Gefälle gut abfliesst. Dieser Fussboden hat sich namentlich in Rücksicht auf die letzteren beiden Punkte im Rassestalle der Tierärztlichen Hochschule in Dresden vorzüglich bewährt. Was endlich den Fussboden aus künstlichen Steinen betrifft, so findet sich dieser besonders in den Pferdestallungen der grösseren Städte. Bedingung ist, dass die Steine hart und dauer- haft sind, und deshalb kommen nur die scharf ge- brannten Klinker und die Pflasterplatten in Frage, die beide einen sehr haltbaren Fussboden abgeben. Die letzteren sind zur Verhütung des Ausgleitens gerieft (Fig 130). Will man Rinderställe mit solchen Platten belegen, so kommt, abgesehen von dem Preise, noch der Um- stand in Betracht, dass die Tiere trotz der Riefen rutschen und sich leicht Lahmheiten, besonders Knie- gelenksentzündungen zuziehen. Aehnlich verhält es sich mit den Klinkern. Für Schweinestallungen empfiehlt sich, wie schon oben erwähnt, stets ein vollständig undurchlässiger und möglichst warmer Fussboden. Damit die Tiere sauber liegen, ist in der dem Troge entgegengesetzten Hälfte der Bucht eine Erhöhung — Podium — anzubringen, auf welchem die Tiere liegen , während sie ihre Exkremente dann auf dem unbestreuten Teile in der Nähe des Troges absetzen. Das Podium kann durch Bohlen oder aber auch durch Hohlsteine in Handhöhe hergestellt sein. Damit die Streu nicht vom Lager fortgestossen Fig. 130. Geriefte Pflasterplatten. (Eisenwerk Münclien, A.-G., vorm. Kiess- ling u. Co.) 276 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. wird, ist die Erhöhung nach dem Trogteile zu durch einen Baum- stamm oder durch eine Bordkante, die aber des Jauchenabflusses wegen mehrfach durchlöchert sein muss, abzugrenzen. 4. Die Raumverteilung im Stalle und die zweckmässige Aufstellung der Tiere. a) Die Raumverteilung. Die Höhe des Stalles muss sich nach der Anzahl der Tiere und nach der Behandlung des Düngers im Stalle richten. Nach Dammann ^) soll ein Stall, der mit 12 Stück Grossvieh besetzt ist, 3 m und ein solcher für 12 — 30 Stück 3,5 — 4,5 m hoch sein. Einzelne Stallungen auf älteren Herrensitzen sind nicht selten kirchenartig hoch und daher bei geringer Besetzung kalt, viele andere dagegen aber zu niedrig und daher nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter viel zu warm. Auffallend niedrig sind gewöhnlich die Rinderställe im Gebirge und besonders die Sommerställe auf den Alpen, in welch' letzteren die Tiere mancherorts kaum den Rücken krümmen können, ohne sich denselben zu quetschen. Letzteres findet man gerade in den besten Zuchtgebieten, in denen die Tiere durch die Kunst der Züchtung grösser geworden sind, während die Höhe des aus Holz hergestellten Stalles dieselbe geblieben ist. Da man früher bei Stallanlagen auch mit den Fenstern sehr sparsam umgegangen ist, und Ventilationsvorrichtungen oft gänzlich fehlen , so sind sehr viele Bauernställe nicht nur übermässig warm, sondern auch finster und von hässlichen Ausdünstungen erfüllt. In Tiefställen (s. S. 298) ist besonders bei hoher Düngerlage die Stalluft niemals gut; es riecht wie auf der Düngerstätte. Die Stände für die einzelnen Tiergattungen benötigen folgende Raumverhältnisse. Pferde. Bei Lattierbäumen für gewöhnliche Pferde eine Länge von 3 m (exkl. Krippe), eine Breite von 1,5 m, bei Lattierbäumen für grosse Pferde eine Länge von 3 m (exkl. Krippe), eine Breite von 1,7 m, im Kastenstande für Pferde eine Länge von 3 m (exkl. Krippe), eine Breite von 1,8 — 2 m, ^) Gesundheitspflege der landw. Haustiere. Paul Parey-Berlin 1902. S. 647. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 277 in Boxen für tragende Stuten und für Stuten mit Fohlen eine Länge von 4 m (exkl. Krippe), eine Breite von 3,3 m, für lose gehende Jährlinge bei einer grösseren Anzahl pro Stück 4 — 5 qm Grundfläche. Pferde brauchen eine umso grössere Standbreite, je angestrengter dieselben arbeiten müssen und je stärker, namentlich je grösser sie sind. Eine Standbreite von 1,3 m, wie sie bisweilen als mittleres Mass für Arbeitspferde angegeben wird, genügt nur dort, wo man leichte Pferde in Gespannen ohne Standbäume aufstellt, bei An- wendung der letzteren aber niemals, ebensowenig wie für stärkere Pferde ohne Standbäume. Solche Pferde können zwar liegen, sich aber nicht orenügend ausruhen. Die Stallgasse soll bei einreihiger Aufstellung 1,5 — 2 und bei zweireihiger 2,25 — 3 m betragen. Bei diesen Raumverhältnissen würde unter Annahme einer Stall- höhe von 3 m auf das einzelne Pferd folgender Luftraum entfallen: 3,5 (Standlänge -|- Krippe) -h li^ (Stallgassenbreite) . 1,5 (Stand- breite) . 3 (Höhe) = (3,5 + 1,5) . 1,5 . 3 = 22,5 cbm. Rinder. Der Standraum für Kühe 2,6 — 3 m Länge (exkl. Krippe) und 1,2 m Breite, für Ochsen 3 — 3,2 m Länge (exkl. Krippe) und 1,2^ — 1,4 m Breite, für Jährlinge 2,5 — 2,7 m Länge (exkl. Krippe) und 0,8 — 1 m Breite. Jährlinge in Buchten brauchen bei einer grösseren Anzahl pro Stück 4 qm Grundfläche, Kälber von 8 — 12 Wochen bei einer grösseren Anzahl pro Stück 2 — 2^/2 qm Grundfläche. Der Düngergang soll bei einreihiger Aufstellung 1,5, bei zwei- reihiger 2 — 2,5 m betragen. Der Futtergang soll bei einreihiger Aufstellung 1 — 1,5, bei zwei- reihiger 2 m betragen. Der Luftraum pro Kuh würde demnach sein: 3,5 (Standlänge -\- Krippe) -f 1 (Futtergang) + 1,5 (Dünger- gang) . 1,2 (Standbreite) . 3 (Höhe) = (3,5 + 1 +1,5) . 1,2. 3 = 21,6 cbm. Die Standbreite kann bei Rindern deshalb geringer sein als bei Pferden, weil die ersteren ohne Standbäume stehen. Diese sind ent- behrlich, weil Rinder nicht beschlagen werden, weichere Klauen haben und sich erfahrungsgemäss durch Schlagen gegenseitig nicht oder 278 "• Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. doch nur in seltenen Ausnahmefällen beschädigen. Längere Stände erhöhen die Reinlichkeit im Stalle. In Ställen mit holländischer Stalleinrichtung, die in den Marschen Hollands und Deutschlands die Regel bildet, ist der Stand für das erwachsene Rind viel kürzer und beträgt nur 150 — 180 cm Länge, damit die Tiere Kot und die weiblichen auch Harn direkt in die hinter denselben verlaufenden Schleusen absetzen, welche Stand und Stallgasse trennen. Diese Schleusen sind bis zu 40 cm tief und bis zu 50 cm breit und zwingen die Tiere, immer fast auf derselben Stelle zu stehen. Dieselben würden eine solche im Interesse der Stroh- ersparnis eingerichtete Aufstauung nicht aushalten, wenn sich diese nicht nur auf den Winter beschränkte, und der Sommer mit seinem langen, heilsamen Weidegange die durch das schlechte Lager hervor- gerufenen Beinschäden nicht wieder ausgliche (s. Fig. 129). Schweine. Schweine stehen in Buchten und zwar, abgesehen von den Ebern, den hochtragenden und säugenden Sauen, fast ausnahmslos zu mehreren beisammen. Mutterschweine brauchen eine Grundfläche von 2 . 2,4—2,75 = 4,8—5,5 qm 10 Absatzferkel, 3 Monate alt, pro Stück i) . 0,5—0,6 „ 10 Faselschweine, 3 — 9 Monate alt, pro Stück 0,8 — 1.1 „ Für 5 Mastschweine pro Stück 1,6 — 1,8 „ Für Schafe genügt eine Grundfläche von 0,8 — 1,2 qm, wobei der Platz für die Raufen mit einzurechnen ist. b) Die Aufstellung. Die Aufstellung erfolgt in grossen Beständen in der Längs- richtung, bei kleineren in der Querrichtung des Stalles, doch sind hierbei Tiefe des Gebäudes und die Art der Abfuhrverhältnisse für den Dünger mit entscheidend. Wo es die Tiefe des Stalles gestattet, wird, weil sich die Unterkunftskosten dadurch billiger gestalten, die Aufstellung in zwei Reihen (Fig. 131), bei Rindern auch in drei Reihen (s. Fig. 135) vorgezogen. Bei letzteren werden lange Ställe auch durch mehrfache Querreihen gut ausgenutzt (s. Fig. 136). Pferde stehen fast ausnahmslos mit den Köpfen an der Wand (Fig. 131) und nur selten mal mit denselben nach einem Futtergange ') P r e u s s , Wie baut der Landwirt praktisch und billig. Teige-Berlin 1895. Seite 168. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung:. 279 Fig. 131. Grundriss eines doppelreihigen Stalles für 10 Pferde. (Kastenstandbreite 2,00, Standlänge 3,00 und Stallgasseubreite 2,25 ni.) (Kelle & Hildebrandt-Dresden.) ZU (Feuerwehr). Die Trennung erfolgt durch Standbäume oder Stand- wände. Die letzteren sind dort am Platze, wo genügend Raum und Standbaum mit bequemer Aus- lösungsvorrichtung. Das Kettenglied wird in die Höhe geschoben, worauf der Standbaum zur Erde fällt. (Eisenwerk München, A.-G., vorm. Kiess- ling u. Co.) auch hinreichend viel Wärterpersonal zur Verfügung steht, weil Reinigung und Fütterung mehr Arbeit verursachen. Lattierbäume, deren Schutzsicherheit man durch Strohgeflechte oder durch Schlag- matten erhöhen kann, müssen an der Standsäule oder, was billiger 280 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. ist, durch Ketten an der Decke so befestigt sein, dass sie sich leicht lösen lassen, falls ein Pferd über dieselben schlägt und nun auf ihnen reitet. Die Auslösungsvorrichtungen sind ver- schiedener Art. In Fig. 132 wird der Ring nach oben geschoben, worauf der Standbaum zur Erde fällt, und in Fig. 133 wird der bewegliche Teil des Karabiners in die Höhe gehoben, worauf die Oeffnung gemäss Fig. 134 erfolgt. Der Karabinerverschluss findet für solche Stand- bäume Verwendung, die durch eine Kette an der Decke aufgehängt sind. Pferde ohne Standbäume stehen zu lassen, ist nicht empfehlenswert , weil Verletzungen durch Kronentritte und auch Schlagwunden in solchen Beständen im Winter selten ausbleiben. Rinder stehen entweder mit den Köpfen an der Wand (s. Fig. 158 und 159) oder einem Wandfuttergange (Fig. 135) zugekehrt oder in zwei Reihen an einem gemeinsamen Futtergange (Fig. 136). Fig. 133. Fig. 134. Karabinerverschluss. (Eisenwerk München, A.-G vorm. Kiessling u. Co.) I i- (L 1 -\: 'm'//Amm^//////A'Y^//^^^^ I'utter(/anff. cD|i=i|o|czi|cj|i=i|iiii|czi|iizi|czj|cj|izz!|czi|ci]|[n|czi|izi]|tr] 18 Stände.. 1} DÜTiffer - und Fiitterffanß . i|m|cj|m|[z=i|[=i|i=3|i=i|czi|m|cii|C3|czi|a|cr;|cj|czi| cj" 18 Stä/idf. Doppelter Dim(jfer^a77g. 18 Stände. Fntfcrqa////. vAr\^/////AX^/y/.'/^X^y///A^.:,- U^j,-/ -- -- 7 d.^ Fig. 135. Grundriss eines Rinderstalles für 54 Stück Grossvieh in 3 Längsreihen mit je einem Wand- und mit einem Mittelfuttergange. Hygienisch und wegen guter Raumaus- nutzung empfehlenswert. Die Türen a und h führen nach der Düngerstätte, vor <- und r liegt der Futterschuppen, der auch über d und f ausgedehnt werden kann, d ist Haupteingang, e und f sind Zugänge zu den Wandfuttergängen. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 281 Die letztere Art erleichtert die Fütterung und macht sie auch übersichtlicher, die Kopfwandstellung ist aber besonders bei dem 'MmM//Mp>,^^Xmy///M/^^^^^^^^^ Einfacher Dünffergang — \ — 1 15 Stände i=i|izzi|i=]|i=3|C=i|[Z=i|c=]|[=i|i=alczi|c=i|c:3lczi|cr]lc3 1 a % Erhöhter Futtergang 1 C3|t=)|c3|i=:|t=zi|c3|c=i|czi|iz:3|c=i|c=3li=ilc=i|c=]|czi 15 Stande ßopp elter Düngergang 15 Stände Cn| CD □ CD !□ □ ! CD 1 CD 1 CZ) 1 cn ^ CD ^ CD CD b Gewöh nl Futtergang C=3|C=] □ C=D !□ □ |CD|CD|CD|CD ^ ■^ ^ LU CD 15 Stande Doppelter Dungergang i5 Stände CD|i:D|CD|CD|CD|CD|CD|CD|C=l|CD|a|C=l|CD|CD|CD' c Erhöhter Futtergang CD|CD|CD|CD|CD|c=l|CD|CD|CD|CD|a|C=l|CD|CD|CD" 15 Stände -1- ^ 1 1 Einfach er Büngerffang tN tN Fig. 136. Grundriss eines Rinderstalles für 90 Stück Grossvieli in 6 Querreihen. Bei a und c erhöhter Futtergang und gleichzeitig für 2 Reihen gemeinsamer Futtertisch, aus hygienischen Gründen nicht empfehlenswert, bei 6 ebener Futtergang mit ausschliess- licher Krippenfütterung. Hier müssen dann die Lehnen der Krippen erhöht sein (s. Fig. 155). Von beiden Systemen kommt natürlich in dem einzelnen Stalle immer nur .je eins in An- wendung. T Türen. K Nottüren, für gewöhnlich geschlossen. 282 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Vorhandensein eines Futterganges gesundheitlich besser und auch für die Entfernung des Düngers bequemer, weil sich eine Gleisanlage besser ausnutzen lässt. Will man Rinder mit den Köpfen gegenüber, also an einen gemeinsamen Futtergang stellen , so soll man diesen in Zuchtställen unter keinen Umständen erhöhen und als gemeinsame Grün- oder Rauhfutterablage dienen lassen, weil die Tiere sich gegenseitig be- prusten, dann das Futter bespeicheln und somit fast unaufhörlich Veranlassung zur gegenseitigen Ansteckung bieten , was gegenüber der Tuberkulose doch bedenklich ist. Ist der Futtergang nicht erhöht, so ist die Gefahr der Ansteckung zwar nicht ganz beseitigt, aber immerhin doch wesentlich geringer, und zwar umsomehr, je weiter die Krippen voneinander abstehen. Trotz alledem soll man aber in Zuchtställen eine derartige Gegen- überstellung vermeiden. Man hat zwar in neuerer Zeit empfohlen, den erhöhten Futtergang in seiner Längsrichtung durch eine Holz- wand zu trennen , hierdurch geht aber die ganze Uebersichtlichkeit im Stalle verloren ^). Ein zweireihiger Stall verlangt demnach folgende Tiefe: Futtergang 1 m , Stand mit Krippe 3,5 = 4,5 X 2 = 9 -f 2,5 (Düngergang) = 11,5 m. In alten Stallungen und in solchen, in denen es an Tiefe mangelt, stehen die Futtertröge meist direkt an der Wand, auch macht deren oft nur geringer Querdurchmesser noch die Benutzung von Raufen er- forderlich, weil das Grün- und Rauhfutter auf dem schmalen Krippen- tische nicht genügend Platz findet (s. Fig. 158). Die Schweineställe werden durch Buchten oder Koben in einzelne Abteilungen geschieden. Diese dienen mehreren Tieren zum Auf- enthalt, nur hochtragende und säugende Sauen, sowie Eber erhalten Einzelbuchten. Schweinebuchten sind in der Regel durch einen Gang getrennt, von dem aus die Fütterung besorgt wird. Da über den Schweine- ställen kein Rauhfutter lagert, so sind sie meist zu kalt, welchem Uebelstande man dadurch am ehesten und billigsten abhilft, dass man sie durch Türen oder Fenster mit Rinderställen verbindet. Hier- durch erhalten die Schweineställe die in den letzteren entbehrliche Wärme, was für Zuchtzwecke nicht hoch genug anzuschlagen ist. Kleinere Schweinebestände bringt man zwcckmässisrerweise «gleich ') Eine solche Musteranlage fand sich in Hamburg auf der im Jahre 1903 abgehaltenen Ausstellung für Milchhygiene. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 283 direkt im Rinderstalle unter; allerdings wird dadurch, wenn die Rein- lichkeit an sich nicht gross und die Ventilation ausserdem noch mangelhaft ist, die Luft in letzterem nicht gerade verbessert. Was nun die Trennwände zwischen den einzelnen Buchten betrifft, so bestehen dieselben aus Eisengitter, Holz oder Mauerwerk. Mauer- werk und Holz sind für Zuchtschweine deshalb besser, weil die Tiere wärmer liegen und sich gegenseitig nicht beunruhigen. Mauerwerk hat gegenüber dem Holze wiederum den Vorzug der leichteren Reini- gung und Desinfektion. Die Vorderseiten der Buchten sind zweck- Fig. 137. Schmiedeeiserne Schweinebucht, bei welcher Vorderwand, Tür und Trog zu einem Stück vereinigt sind. (Bode-Ostingerleben). mässigerweise aus Gitterwerk (Rundstäben) hergestellt, zum Teil bilden Trog und Tür ein Stück (Fig. 137), damit die Tiere genügend Platz zum Fressen haben, was bei schmaler Vorderfront sonst nicht immer der Fall ist. Dort, wo man Holztüren und eine aus Holz oder Mauerwerk bestehende Vorderfront hat, was für Zuchtschweine wegen des Weg- falls jedweder Beunruhigung nicht unpraktisch ist, ist darauf zu achten, dass die Höhe der Vorderwand nicht über 120 cm beträgt. Letztere verhindert ein Ueberspringen , gestattet aber anderseits ein Hineinsehen, was im Interesse der Kontrolle und der Reinlichkeit notwendig ist. c) Türen und Fenster. Die Anordnung der Türen und Fenster richtet sich nach der Oertlichkeit, Liegen sie in der Süd- und Westfront, so machen sie den Stall im Sommer sehr warm und die Fliegenplage lästig, befinden sie sich in der Nordfront, so ist der Stall im Winter kalt. Am zweck- 284 7- Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. massigsten ist dort, wo die Gegend nicht unter starken Ostwinden zu leiden hat, die Richtung nach Osten. Gegenüberliegende Türen sind wegen der entstehenden Zugluft möglichst zu vermeiden. Gegen die Sonnenstrahlen schützt man den Stall und die Tiere durch Vor- hänge, Jalousien und mattes Fensterglas und gegen Kälte durch Doppeltüren, Strohauspolsterung und Strohvorsätze. Die Türen sind entweder ein- oder zweiflügelig und müssen nach aussen aufschlagen. Zweckmässig ist es, die an die Aussenwand schlagende Tür dort durch einen Schnapper festzuhalten, damit ein Zurückschlagen bei Wind und somit eine Beschädigung der passieren- den Tiere, die namentlich an der Hüfte stattfindet, vermieden wird. Einflügelige Türen sind, soweit sie nur den Tieren als Passage dienen, bei genügender Breite besser als zweiflügelige, denn bei letzteren wird aus Nachlässigkeit und Bequemlichkeit oft nur die eine Hälfte ge- öff'net, was zu Verletzungen führen kann. Als Doppeltüren für den Winter wie auch als Verbindungstüren zwischen den einzelnen Stall- abteilungen empfehlen sich Schiebetüren, weil sie den wenigsten Platz einnehmen, doch haben sie den Nachteil, meist nicht gut zu schliessen. Besondere Sorgfalt ist in Jungvieh- namentlich in Fohlenställen auf die Abrundung der Türpfosten und die Verdeckung der Schliesshaken zu verwenden, auch kann man dem Türgewände im unteren Viertel eine an der Sohle 25 cm breite Böschung geben, damit die Fohlen beim Einlauf in den Stall mit der Hüfte von der Wand fernbleiben. Im Sommer benutzt man Lattentüren oder eiserne Barrieren, die beim Oeöiien in das Mauerwerk geschoben werden. Die nach oben und unten geteilten Flügeltüren, deren oberen Teil man im Sommer offen lassen kann, haben sich nur wenig eingebürgert. Die Fenster sind Licht- und fast ausnahmslos auch Luftquelle. Die Einwirkung des Lichtes auf das Wohlbefinden der Tiere ist eine ganz erhebliche, sie wird aber in Laienkreisen meist nicht beachtet. Das Licht erhöht den Stoffwechsel, steigert die ganze Lebensenergie der Individuen und ist deshalb für Arbeits-, Milch- und namentlich wachsende Tiere unentbehrlich. Licht ist ferner ein Feind aller Bakterien, die durch seine Einwirkung in ihrer Fortent- wickelung mehr oder weniger gehemmt oder sogar abgetötet werden. Endlich befördert Licht auch die Reinlichkeit im Stalle, wenn es in alle Ecken dringt und sowohl den Wärter wie die aufsichtführende Person auf Schmutz und Unsauberkeit aufmerksam macht. Junge Pferde, die in finsteren und schlecht beleuchteten Fohlen- ställen gestanden haben, sind scheu und unsicher in ihren Bewegungen J. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 285 und brauchen längere Zeit, ehe sie es lernen, ihre Umgebung ruhig zu mustern und Entfernungen richtig einzuschätzen. Die Glasfläche der Fenster soll sich zur Fussbodenfläche in menschlichen Wohnungen wie 1 : 10, in Ställen wie 1 : 15 verhalten. Weiterhin hat man es auch durch einen hellen Wandanstrich in der Hand, die Lichtmenge im Stalle zu vermehren. Man sollte es daher namentlich in dunklen Ställen nicht verabsäumen, diese alljährlich zu weissen, also mit einem neuen Kalkanstrich zu versehen, wodurch man nicht nur die Fliegenplage mindert, sondern auch viele Krank- heitserreger unschädlich macht. Entgegen den menschlichen Woh- nungen werden die Fenster in Ställen höher angebracht, damit das Licht möglichst weit in den Stall hineindringt und die Tiere bei greller Sonnenbeleuchtung nicht zu sehr belästigt. Letzteres lässt sich auch einigermassen durch Verwendung von mattem oder ge- ripptem oder von mit Oelanstrich versehenem Glase erreichen. Fohlenställe können nicht hell genug sein , umsomehr , als die lose gehenden Tiere die Füglichkeit haben, sich durch Wechsel ihrer Stellungen vor dem grellen Sonnenlicht zu schützen. W^enn man die Fenster einzig und allein als Licht- und nicht auch als Luftquelle benutzen will, kann man sie billig und dauerhaft durch Einmauern von Hartglas , Drahtglas — Drahtgewebe wird in eine noch flüssige Glasscheibe eingepresst — oder von Glasziegeln her- stellen. Diese Materialien haben ausserdem den Vorzug zum Teil auch dort angebracht werden zu können, wo gewöhnliche Fenster, wie nach dem Gehöft des Nachbars hin, aus baupolizeilichen Gründen verboten sind. Nun hat man in neuerer Zeit vielfach empfohlen, die Stallfenster überhaupt nur als Lichtquelle zu verwenden, den Luftwechsel aber ausschliesslich durch künstliche Ventilationsvorrichtungen zu bewirken und deshalb nur eingemauerte Fenster, die nicht zu öffnen sind, zu benutzen. Trotz aller theoretischen Vorzüge, welche eine solche An- lage zu haben scheint, sollte man in Viehställen dennoch aber nur bewegliche Fenster verwenden, denn wenn alle Ventilation im Hoch- sommer bei Hitze und Windstille versagt, sind die geöffneten Fenster wenigstens einigermassen im stände, durch Herbeiführung von Zugluft die oft unerträgliche Hitze und die Fliegenplage zu mildern (s. S. 323). Die beweglichen Fenster werden nun nicht mehr aus Holz, sondern aus Eisen gefertigt, da die ersteren faulen, verquellen und nur ausnahmsweise schliessen. Die eisernen Fenster können entweder ganz (Fig. 138) oder in ihrer oberen Hälfte geöffnet werden (Fig. 139). 286 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere, Fig. 138. Stallfenster, das durch horizon- tale Stellung ganz geöffnet werden kann. (Eisenwerk München, A.-G., vorm. Kiess- ling u. Co.) Fig. 139. Stallfenster mit seitlichen Schutz- blechen und Gegeugewichtsöffnung. (Eisenwerk München, A.-G., vorm. Kiess- ling u. Co.) Fig. 140. Fensterstellung mittels Gabel. A Vorderansicht, Fenster geschlossen. 7* Seiten- ansicht, Fenster geschlossen. Um dasselbe zu öffnen, hebt man mittels der Gabel a die Stell- stange b aus dem Blech und zieht das Fenster mit den Zacken an der Gabel nach unten. C Fenster geöffnet, Seitenansicht. /> Gabel und Oeffnungsvorrichtung. (Kelle A Hildebrandt-Dresden.) I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 287 Da sie gewöhnlich hoch liegen, muss letzteres durch Ketten oder Gegengewichte (s. Fig. 138 und 139) geschehen. Empfehlenswert ist auch die Oeifnungsvorrichtung mittels einer besonders konstruierten Gabel, wie sie im Rassestalle der Tierärzt- lichen Hochschule in Dresden Verwendung findet (Fig. 140, A — D). Vielfach tragen die Kippfenster seitliche Schutzbleche (Backen), damit die kalte Luft nur von oben einströmen kann, wo sie sich erst mit der warmen Stalluft mischen muss (s. Fig. 139). Alle Fenster haben den Nachteil zu schwitzen, sodass Wasser nach der Fensterbrüstung zu abtropft und diese und die anstossende Wand befeuchtet, wodurch sich schliesslich dicke Schmutzkrusten bilden. Dieser üebelstand lässt sich bei Stallfenstern auf billige Weise dadurch vermeiden, dass man die Fensterbank mit einer nach unten zu etwas überstehenden, starken Glastafel belegt, die leicht durch Ueberwischen zu reinigen ist. 5. Die Fütterungs- und Anbindevorriclitungen. a) Allgemeines. Von den Fütterungsvorrichtungen kommen Krippen, Raufen und die Tränkgeräte in Frage. Dieselben sollen genügend gross, dauer- haft, leicht zu erreichen und bequem zu reinigen sein. Krippen werden aus Holz, Mauerwerk, Sandstein, Granit, Mar- mor, Steingut und Gusseisen hergestellt. Holzkrippen sind billig und für Schafe allgemein in Verwendung. Für Rinder findet man sie regelmässig in den Alpendistrikten, dann im Gebirge und ferner auch anderwärts in Ochsenställen, was dadurch angängig ist, dass die Tiere aus denselben fast nur Kraft- futter oder Rauhfutter fressen, während das Tränken aus Eimern im Stalle oder aus Wassertrögen im Freien geschieht. Weiterhin be- stehen auch die verstellbaren Krippen in Tiefställen häufig aus Holz, wenngleich hier auch in neuerer Zeit bereits das dauerhaftere Guss- eisen in Anwendung kommt. Im allgemeinen sind Holzkrippen nicht empfehlenswert (s. Fig. 158 und 159), denn sie sind in der Regel undicht, faulen, riechen und werden von den Tieren befressen und dadurch an der den letzteren zugekehrten Vorderseite häufiger reparaturbedürftig. Man beschlägt sie zwar hier auf der oberen Kante mit Bandeisen oder mit Nägeln, doch ist das nur ein Notbehelf, der ausserdem noch zu Verletzungen führen kann. Die in den Gasthöfen üblichen hölzernen Vorstell- 288 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. krippen sind vom veterinärpolizeilichen Standpunkte bedenklich. Besser als Holzkrippen sind Krippen aus Ziegelsteinen (s. Fig. 164 II e), die innen mit Zement verstrichen und dadurch glatt gemacht werden. Indessen bröckelt die Zementschicht allmählich ab, sodass sich kleine Unebenheiten bilden , die zur Anhäufung von Futterresten und zur Säurebildung Veranlassung geben, doch kann man diese Defekte mit geringen Kosten wieder ausbessern. Den gleichen Wert haben Krippen aus Zementbeton. Krippen aus Granit und Sandstein sind verhältnismässig selten und meist nur in der Umgebung des Fundortes dieser Gesteine in Rinderställen anzutreffen. Sie verlieren zwar, wenn sie längere Zeit in Gebrauch sind, innen ihre Glätte und lassen sich dann schwer sauber erhalten, doch sind sie durch einen Zementputz leicht auszu- bessern und wieder glatt zu machen. Marmorkrippen sind sehr sauber und dauerhaft, aber des Kosten- punktes wegen nur ausnahmsweise anzubringen. Ebenfalls sehr haltbar und reinlich sind Krippen aus Steingut, die in neuen Stallungen für Pferde und Schweine viel und für Rinder fast ausnahmslos Verwendung finden. Aehnliche Vorzüge haben end- lich die Krippen aus emailliertem Gusseisen, die man in Pferdeställen am häufigsten antrifft. Die Krippen sind nun entweder fortlaufend oder für die einzelnen Gespanne oder die einzelnen Tiere getrennt, und zwar teils durch Querscheidewände, teils dadurch, dass jedes Tier seinen besonderen Futternapf hat. Fortlaufende Krippen haben den Vorzug der grösseren Billig- keit und der bequemen Futterdarreichung, aber den Nachteil, dass den einzelnen Tieren die Kraftfutter- und sonstigen Rationen nicht einzeln zugemessen werden können, und dass deshalb die gierigen Fresser und die Individuen mit dem besseren Gebiss sich auf Kosten ihrer Stallgenossen eine Güte tun. Anderseits bemerkt man, dass im Futter wählerische Pferde an einer gemeinsamen Krippe eifriger werden und die chronische mangelhafte Fresslust geradezu verlieren. In grösseren Landwirtschaftsbetrieben findet man eine gemein- same Fütterung der Pferde eines Gespannes in fortlaufender Krippe sehr häufig, wenn ein Kutscher vier Pferde zu bedienen hat. Ge- wöhnlich hat man es in solchen Beständen in der Hand, die Tiere ihrem Alter und ihrem Temperament nach zusammenzustellen. Rinder aus einer fortlaufenden Krippe fressen zu lassen, ist aus dem bereits angeführten Grunde und auch deshalb nicht empfehlenswert, weil I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 289 hier die Gefalir vorliegt, dass die Tuberkulose eher verschleppt wird, als wenn jedes Tier seine eigene Futterschüssel hat. Besonders gefährlich ist es aber, wenn die durchgehende Krippe in Milch- oder Zuchtställen als gemeinsame Tränkrinne dient, in welche das Wasser an dem einen Ende eingeleitet wird, um nun an der ganzen Viehreihe entlang bis zum letzten Tiere hinabzulaufen. Hier ist der Verschleppung der Krankheitskeime geradezu Tor und Tür geöffnet und natürlich viel mehr, als wenn Rinder gemeinsam aus einem durch fliessendes Wasser gespeisten Wassertroge saufen. Am wenigsten kann man vom hygienischen Standpunkte etwas gegen die fortlaufenden Krippen in Ochsen- und in Mastviehställen einwenden, auch sind sie in Tiefställen meist nicht zu entbehren. Dort, wo mehrere Fohlen oder Jungrinder lose in einem gemein- samen Stalle stehen, fressen sie, wie es auch Schafe stets tun, aus einer fortlaufenden Krippe, die man höchstens durch Querriegel in einzelne, aber miteinander kommunizierende Abteilungen teilt, welche das gegenseitige Abdrängen erschweren. Raufen macht man aus Holz oder Eisen, Selbsttränknäpfe aus Steingut oder Gusseisen, in neuerer Zeit auch aus Glas und dort, wo man aus Eimern tränkt, benutzt man solche aus Holz oder aus Metall. b) FütteruLgs- und Anbindevorriclituiigen für Pferde. Krippen und Raufen sind in Pferdeställen meist zu hoch. Da- durch ermüden die Tiere unnötig beim Fressen, erwerben wegen der starken Durchbiegung des Rückens schliesslich einen Senk- rücken (s. Fig. 151) und belasten die Hintergliedmassen stärker, wodurch die Ausbildung von Gal- len und von Sehnenleiden begün- stigt wird. Der obere Krippen- rand soll für mittlere Pferde nicht mehr als 100 bis 110 cm und die untere Kante der Raufe 145 cm vom Erdboden entfernt sein. Die in den grösseren Acker- pferdebeständen üblichen, fortlaufenden Krippen werden aus Ziegel- steinen hergestellt und innen mit Zement verputzt, oder es werden glasierte Tonschalen verwendet, die ummauert (s. Fig. 154) und je Pusch, Allgemeine Tierzucht. 19 Fig. 141. Schamottekrippenschale mit Trenn- stück. Dieselbe wird ummauert und dient als Pferde- oder Rinderkrippe. (Hoffmann u. Co., Bunzlau.) 290 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Fig. 142. Gusseiserne Krippe mit Anbindestange und Gleitring. (Kelle & Hildebrandt-Dresden.) nach Bedarf mit Trenn- stücken versehen werden (Fig. 141). Die Einzelkrippen bestehen meist aus email- liertem Gusseisen oder Steingut, beide lassen sich vorzüglich reinigen. Am billigsten sind die Einzel- krippen aus Gusseisen, die man in eisernen Bügeln aufhängen kann. Letzte- ren kann man zur Stütze noch eine Anbindestange mit Ring beigeben, doch (Fig. 142) ist das nicht nötig, denn die Anbinde- ringe können auch am Standbaum oder in der Wand befestigt werden (Fig. 143). Gewöhnlich benutzt man aber zur Befestigung sogenannte Krippen- tische, die aus Bohlen oder aus Gusseisen hergestellt sind und den Vorzug haben, dass Kurzfutter und Heu, welches aus der Krippe geworfen wird oder aus der Raufe fällt, nicht auf den Erdboden, sondern auf den Krippentisch gelangt (Fig. 144). Diese Krippentische werden in vornehmen Stal- lungen unten noch mit Bret- tern verschalt , damit der Stand ein besseres Aussehen erhält, und Verletzungen der Pferde beim Aufstehen ver- mieden werden (Fig. 145). Fig. 146 stellt Scha- mottekrippen dar, die durch Eisenschienen gehalten und Fig. 143. Korbraufe, guss- eiserne Krippe und einfachste Anbindevorrichtung in ver- schiedener Form. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 291 durch Schamotteplatten, die als Krippentisch dienen, getrennt werden. Von den Raufen sind die eisernen den hölzernen vorzuziehen, weil sie haltbarer sind. Letztere werden sowohl von jungen, un- Fig. 144. Einfacher, gusseisenier Krippentiscli. (Kelle & Hildebrandt-Dresden.) beschäftigten Tieren aus Spielerei wie auch von älteren Pferden dann befressen, Avenn dieselben Heu erhalten, welches während des Trocknens Fig. 145. Krippentiscli versclialt. Eckraufe auf dem Krippentisclie. (Eisenwerk München, A.-G., vorm. Kiessling u. Co.) durch anhaltenden Regen stark ausgelaugt oder an sich schon arm an Kalk und Phosphorsäure ist. Fortlaufende Raufen (s. Fig. 146 und 158) empfehlen sich für Fohlen- und für Ackerpferdeställe, wo man viel Heu verabreicht und ein Kutscher mehrere Pferde zu füttern hat. 292 7. Abschnitt. Die Haltuncr der Zuchttiere. Einzelraufen wirken heuersparend und haben den Vorzug, dass jedem Pferde sein Quantum zugemessen werden kann. Die ersteren sind entweder gewöhnliche Korbraufen (s. Fig. 148) oder Eckraufen (Boxen), welche in Höhe von 40 bis 50 cm über dem Krippentische angebracht sind. Ferner gibt es Eckraufen, welche auf dem Krippen- tische stehen (s. Fig. 145), und Heukästen (Fig. 147) und Heuraufen im Krippentische (Fig. 148). Die Raufen in den Fig. 147 und 148 haben zwar den Vorzug, dass das Heu bequem aufgetan werden kann , dass sich die Pferde Fig. 146. Schamottekrippeii mit Krippentiscli aus Schamotteplatten. Feste und verscliiebbare Anbinderinge, fortlaufende, eiserne Raufe. (Kelle & Hildebrandt-Dresden.) beim Fressen nicht den Kopf stossen, dass ihnen kein Heu auf Mähne und Schopf fällt, und weder Heustaub noch Halmteile in die Augen gelangen, doch auch wieder den Nachteil, dass der Heukasten ge- reinigt werden muss, und das klare Heu bei der eingehängten Heu- raufe direkt auf den Erdboden fällt. Das Tränken geschieht in Pferdeställen aus Holz- oder Emaille- eimern, auch ist es in Luxusställen üblich geworden, den Krippentisch mit einem Trinkgefäss zu versehen (s. Fig. 147), ja auch für Arbeits- pferdeställe werden schon solche Tränknä])fe vorgeschlagen. Die Tränkbecken sind insofern vorteilhaft, als die Pferde dann auch während des Fressens Wasser aufnehmen können, Avas zwar auch durch die eingehängten Eimer "geschehen kann, wenngleich I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 293 durch die letzteren unter Umständen auch Quetschungen an den Vorder- beinen hervorgerufen werden; Tränkbecken lassen sich schwerer reinigen als Eimer. Will man den Pferden für die Nacht noch Wasser geben, die Eimer aber nicht hängen lassen, so kann man ihnen das erstere nach dem Verzehren des Kurzfutters in die Krippe schütten. Einzelkrippen aus Gusseisen oder Steingut sind hierzu sehr geeignet. Fig. 147. Gusseiserner Krippentisch mit Trinknapf, Futternapf und Heukasten. (Kelle * Hildebrandt-Dresden.) In neuerer Zeit fängt man auch bereits an, in Pferdeställen Selbst- tränken einzui-ichten (s. S. 302). Dadurch haben die Pferde stets Wasser zur Verfügung, ferner ist dasselbe überschlagen, und endlich wird in- folge der Art des Wasserzulaufes auch das gierige Saufen verhindert. Soll die Wasseraufnahme verhindert oder die Wassermenge beschränkt werden, so kann man die ganze Leitung oder aber auch das einzelne Fig. 148. Gusseiserner Krippentisch mit Futternapf und eingehängter Heuraufe. (Kelle & Hildebrandt-Dresden.) Becken abstellen und fernerhin auch in das letztere einen einfachen Zinkeinsatz stellen, der dem Maule des Pferdes den Zugang zum Wasser- spiegel verwehrt. Wassertröge mit Schwimmerregulierung empfehlen sich besonders für grössere Mutterstuten- und Fohlenstallungen, nur müssen die Tröge so angebracht sein, dass das Wasser nicht dvn'ch die Kotballen der lose gehenden Tiere verunreinigt werden kann. In Bezug auf die Wasserdarreichung ist man bei geschwitzten Pferden meist etwas zu ängstlich, man hat viel weniger das Wasser an sich, als das kalte Wasser zu fürchten, und deshalb muss man im Winter viel vorsichtiger sein als im Sommer. In grösseren Beständen 294 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. ist daher auch die Aufstellung eines Wasserbassins im Stalle nur zu empfehlen, wie es in den Militärställen seit langer Zeit üblich ist. In manchen Marschdistrikten findet sich auch in Pferdeställen eine Wasserleitung, welche Granitbecken speist, aus denen die Pferde trinken. Im südlichen Deutschland wie auch in der Schweiz pflegt man Pferde in gleicher Weise wie Rinder zur Tränke auf die Dorfstrasse zu treiben, wo der Wassertrog mit fliessendem Wasser eine regel- mässige Erscheinung abgibt. Die Anbindevorrichtungen für Pferde sind verschieden, je nach- dem ob es sich um einfache oder bessere Stallungen handelt. In der Regel stehen die Tiere an Halftern, die mittels Stricken, Ketten oder Riemen befestigt sind. Stricke sind nicht dauerhaft, Ketten dagegen billig, haltbar, aber nicht geräuschlos beim Gleiten und bei der Bewegung der Tiere. Daher werden sie nur für Arbeitspferde benutzt, während in Luxus- ställen die teureren Riemen üblich sind. Auch in ein- fachen Stallungen werden die Pferde an zwei Ketten an- gebunden, doch ist es, damit sie weder mit dem Vorder- fusse beim Wehren der Fliegen noch mit dem Hinter- fusse beim Kratzen am Kopfe in der Kette hängen bleiben, wodurch oft erhebliche Verletzungen der Glied- massen oder der Hals Wirbelsäule hervorgerufen werden, notwendig, ein Herunterhängen der Kette oder des Rie- mens zu verhindern, was auf billigstem Wege durch An- bringen eines Eichenholz- oder Eisenklobens, der die Kette anzieht, geschieht (s. Fig. 143). Sonst laufen die Riemen an einem Gegengewichte über eine Rolle, die in einem hölzernen oder eisernen Gehäuse liegt (Fig. 149), und endlich finden sich vor den Krippen Eisenstangen, an denen der Kettenring auf und ab gleitet (s. Fig. 142 und 146). Fig. 149. Anbinderöhre aus Gusseiseu (Kelle & Hilde- brandt- Dresden.) c) Fütterungs- und Anbindevorrichtungen für Rinder. Die Fütterungsvorrichtungen für Rinder gestalten sich sehr ver- schiedenartig. Was zunächst die Raufen anlangt, so lässt man dieselben in neuerer Zeit, sofern es die Länge des Standes gestattet, vollständig fehlen. Sie gelten nicht nur für Zuchtvieh, sondern namentlich auch für Jungvieh als fehlerhaft, weil sie mehr noch als beim Pferde zu Senkrücken und damit auch zu Missgestaltungen Veranlassung geben, I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 29J während umgekehrt die Futteraufnahme aus niedrigen Krippen die Neigung zur Bildung fehlerhafter Rückenformen vermindert, wie die Fig. 150, 151, 152 zeigen. In vielen kleinen Beständen lassen sich Raufen aber nicht ver- meiden, weil es dem Stalle an Tiefe mangelt, und die Krippe daher nur schmal sein kann. Hier würde dann das Rauhfutter auf letzterer nicht genügend Platz haben und zum Teil in den Dünger getreten werden. Kann man Raufen nicht entbehren, so sollen sie aber entsprechend niedrig und für Grossvieh mit ihrer unteren Kante höchstens 120 cm Fig. 150. Junger Bulle mit weichem Rücken. und für Jungvieh je nach seiner Grösse entsprechend weniger weit vom Fussboden entfernt sein. Stehen sie für letzteres zu tief, so haben die Kälber Mühe, das zwischen Wand, unterem Raufenbaume und Sprossen liegende Heu aufzunehmen, wobei sie den Rücken be- sonders hinter dem Widerrist durchbiegen, was zu Einsattelungen führt. Nun gibt es aber auch Stallungen, in denen man zwar Raufen, aber keine Krippen findet. Die Tiere erhalten dann ihr Kraft- futter, mit Rüben, Kartoffeln oder Spreu gemischt, in sogen. Kuh- fässern. Letztere Fütterungsmethode ist veraltet, unpraktisch und verlangt viel Arbeit, denn einmal müssen die Fässer hinzugetragen, dann meist wieder auf einem Stangengerüste unterhalb der Stalldecke aufbewahrt und endlich aussen und innen gereinigt werden, welch' 296 7- Abschnitt. Die Haltungr der Zuchttiere. Fig. 151. Verschlechterung der fehlerhaften Rückenform bei hochgehobenem Kopfe. (Futteraufnahme aus hoher Raufe.) letzteres bei glatten Krippen viel leichter durchgeführt und meistens sogar von den Tieren selbst besorgt wird. Rinderkrippen unterscheiden sich von Pferdekrippen zunächst Fig. 162. Jiesserunf; der felilerhaften Riickcnforni bei gesenktem Kopfe. (Futteiaufnahme vom Boden.) Fig. 150—152 stellen ein und dasselbe Tier dar und sind verkleinerte Figuren aus Pusch, Wandtafeln zur Beurteilung des Rindes. Parey-Berlin. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung-. 297 dadurch, dass sie viel niedriger sind als letztere, weil Rinder ihrer ganzen Körperhaltung nach viel lieber vom Boden, als aus einer hohen Krippe fressen. Die obere Krippenkante soll daher nur 55 bis 60 cm und die Krippensohle nur 25 bis 30 cm vom Boden entfernt sein. In den meisten Stallungen der Marschen fressen die Rinder sogar direkt vom Boden, und zwar wird hier die Krippe zur Aufnahme des Wassers und des Kraftfutters durch eine flache Rinne vertreten. Fig. 153. Die eine Hälfte (Reihe) eines alten Stalles aus der Wesermarsch bei Winter- aufstallung. Tenne (Diele) und Futterrinne sind zu sehen. welche eine Breite von 30 bis 50 cm und eine Tiefe von 10 cm hat (Fig. 153 und auch Fig. 129). Wie schon früher erwähnt, sind Holzkrippen für Rinder in der Hauptsache nur in Gebirgsgegenden (s. Fig. 158) und in Tiefställen zu finden , in welch' letzteren sie entsprechend der Höhe der Dünger- lage hoch und niedrig gestellt werden müssen; mancherorts werden sie aber auch schon hier durch gusseiserne ersetzt. Tiefställe sind Rinderställe von scheunenartigem Aussehen, die nicht nur als Aufenthaltsort für die Tiere, sondern gleichzeitig auch 298 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. als Düngerstätte dienen. Der Dünger bleibt hier meist monatelang liegen und hält sich ausgezeichnet, denn er verliert weder seine Feuchtigkeit, noch schimmelt er, noch erleidet er einen nennenswerten Stickstoffverlust, der auf der Düngerstätte im Freien trotz sorgfältiger Behandlung nicht zu verhüten ist. Weil in derartigen Ställen die Düngerlage oft mehr als einen Meter beträgt, müssen die Krippen verstellbar sein. Tiefställe sind gewöhnlich übermässig warm, dunstig und nur wenig sauber, sodass sie vom hygienischen Standpunkte aus nicht empfohlen werden können. Zudem lassen sie sich schwer desinfizieren, bieten zwar ein weiches Lager, aber meist einen sehr unebenen Stand- iii|iiimii m III HIN Uli 111! Hill i|ii Uli iii Uli II Hill PI iiiiiiiiiiiiu iiiiin|iiiiiiiiiiniiiiiiii[iiii n iiiiiiiiiiiiiii ii i ii»ii|iiiiimiiiiiiIMiiiiiiii u iiiiiiiiiiiiiiiii iiiiipiiiiM'""^Sil 1- Fig. 154. Fortlaufende Kinderkrippe ohne Trennstück mit Abdeckplatten nach der Wand zu (s. auch Fig. I4i). (Hoffmann u. Co., Bunzlau.) platz und erschweren auch eine saubere Milchgewinnung in hohem Masse. Sie eignen sich nach alledem nicht für Milchvieh, sondern höchstens für Mast- und Arbeitsvieh. Am besten lässt sich noch Jungvieh in ihnen unterbringen, sofern sie eine genügende Höhe und hinreichende Ventilation besitzen, und viel Einstreu zur Verfügung steht. Da ersteres in der Regel frei geht, bleibt der Standplatz eben, und der Dünger erhält ausserdem eine vorzügliche Beschaffenheit. Die massiven Krippen bestehen hauptsächlich aus Ziegelbau mit Zementputz im Innern, oder aus Schamotte. Sie sind entweder fort- laufend (Fig. 154) oder Einzeltröge, die eine runde oder, was prak- tischer ist, eine längliche Form haben (Fig. 155). Damit das Rauhfutter genügend Platz hat, müssen gewisse Vor- kehrungen getroffen werden. Stossen die Krippen beim Fehlen eines Futterganges direkt an I. Der Stall in Rücksicht auf Bau uüd Einrichtung. 299 die Wand, so sucht man die Krippenbreite — von vorn nach hinten gedacht — durch sogenannte Abdeckplatten (s. Fig. 154) zu vergrössern, während beim erhöhten Futtergange, der aus hygienischen Gründen für Doppekeihen (s. S. 281) nicht zu empfehlen ist, das Rauh- und Grünfutter auf diesem lagert. Grenzen die Krippen vorn an einen ebenen Futtergang, so er- höht man den Aussenrand bei Ziegelsteinkrippen durch Aufraauerung und bei Schamottekrippen durch Aufsetzen einer Lehne (Fig. 155) Fig. 155. Einzeltröge aus Schamotte mit Halsaiissclinitt, hoher Lehne und Trenn- gittern. An letzteren Salzleckrollen. (Rassestall der Tierärztlichen Hochschule in Dresden.) oder man bringt ein Schutzbrett oder eine oder mehrere Eisenstangen an, welche das Herausfallen des Futters erschweren. Damit sich die Tiere das Futter nicht gegenseitig wegfressen und dasselbe beim Abwehren der Fliegen auch nicht übermässig um- herstreuen, werden Trenngitter in verschiedener Form angebracht. Ursprünglich waren die sogenannten Kuhstaken oder Futter- gerüste (Fig. 156) üblich, bei denen die Rinder ihre Köpfe durch eine Oeffnung steckten, die durch Stangen oder Eisenstäbe begrenzt wurde. Mancherorts werden die Oeffnungen nach dem Fressen durch einfache Vorrichtungen geschlossen , sodass die Tiere dann von der Krippe ferngehalten werden. Beginnt die Fütterung, so wird die Oeffnung wiederhergestellt und, nachdem die Kuh den Kopf hindurch- 300 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. gesteckt liat, so weit geschlossen, dass dieselbe gefangen ist und nicht mehr zurückweichen kann. Hierdurch wird die Arbeit des Anbindens gespart und die einfachste und billigste Befestigungsniethode für Tief- ställe mit lose gehendem Vieh erreicht ^)^). An Stelle der Kuhstaken benutzt man in der Neuzeit meist die niedrigen Trenngitter (s. auch Fig. 176), die teils noch auf die Trenn- stücke zwischen den einzelnen Trögen ausstrahlen (s. Fig. 155). Unter Umständen lässt man auch alles Gitterwerk fehlen, dafür aber zwi- schen den einzelnen Trögen ein etwas erhöhtes, breites Trennstück einfügen (Fig. 157), was auch in der Regel genügt, weil es ge- Fig, 166. Eisernes Futtergerüst Fig. 157. Rinderkrippe mit Lehne und (Kuhstake). erhöhtem Trennstück. (Kelle & Hildebrandt-Dresdeu). wohnlich nur darauf ankommt, dass jedes Tier das ihm zugemessene Quantum Kraftfutter auch wirklich ungeschmälert erhält. Damit die Tiere bequem fressen, dabei aber möglichst wenig verstreuen können , erhält die erhöhte Krippenwand einen Halsaus- schnitt (Fig. 155), eine Einrichtung, die man sich bei Steinkrippen durch Anbringung eines mit Ausschnitten versehenen, eichenen Brettes auf billige Weise schaffen kann. In vielen Gebirgsstallungen, in denen die Holzkrippen direkt an die Wand stossen und in denen neben diesen noch Raufen vorhanden sind, findet man auch Trennwände aus Brettern oder Latten, die nur das vordere Drittel des Standes betreffen, an dem oberen Raufenbaume beginnen und schrä«; nach unten und hinten zum Erdboden verlaufen. ') V. Arnim, Jahrbuch der D. L. G. Berlin 1903. S. 10. ^) Brutschke, Die landwirtsch. Maschinen in Amerika. D. L. G. Berlin 1904. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 301 gvA^ywwwywywwwwywyv^^^ Fig. 158. Gebirgsrinder- stallung mit Trennwand b, Holzkrippe c und Holzraufe d. Bei a glatte Holzdecke. (Vorderansicht.) Fig. 159. Dieselbe Stallung Seitenansicht. a Holzdecke, b Trennwand, c Krippe, d Raufe. Diese Trennwände stehen entweder zwischen den einzehien oder nur zwischen je zwei Tieren und sollen das Stossen, I gen und die gegenseitige Futter- wegnähme verhindern (Figur 158 und 159). — Sonst stehen weibliche Rin- der ohne Stand- bäume. Nur in Holland und in den Nordseemar- schen des west- lichen Deutschlands ist es üblich , die ersteren einzeln oder zu je zweien in kurzen Kastenstän- den aufzustellen, damit sie einander möglichst wenig beschmutzen, was bei der dortigen Streuknappheit ins Gewicht fällt. ^^-^^^ (Zeichnung von Baumeister Neubert-Olbernhau.) 302 "7- Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. In neuerer Zeit hat man auch empfohlen, den vorderen Teil des Rinderstandes so durch eine Bretterschicht abzugrenzen , dass die Kühe sich nicht mit dem Maule berühren können. Einmal ist aber die Durchführung dieser Absicht in Rücksicht auf die Art der Befestigung der Rinder am Halse schwierig, und ander- seits verlangt eine derartige Trennung auch viel Scheuerarbeit, sodass die Einrichtung wohl in den Grenzen des Versuches blei- ben wird. Bullen sind vielfach durch Standbäume von ihren Nachbarn getrennt. Stehen mehrere Sprungstiere in einem gemeinsamen Stalle und nebeneinander, so kann es sehr zweckmässig sein, wie man das auch jetzt bei Anlage neuer Gemeindebullenställe im Grossherzogtum Baden fast regelmässig sieht, zwischen den einzelnen Ständen schmale Gänge zu belassen , damit der Wärter beim Füttern und Putzen in denselben Schutz findet und nicht an die Wand oder an den Stand- baum gedrückt werden kann. d) Die Selbsttränken. Besondere Sorgfalt wendet man gegenwärtig den Tränkvor- richtungen zu. Nachdem man immer mehr zu der Ueberzeugung kommt, dass Rinder das Kraftfutter im trockenen Zustande oder leicht angefeuchtet am besten ausnutzen, tritt an Stelle des früheren Mehl- und Kleien- saufens und des Brühfutters reines Wasser, welches den Tieren bei Verwendung der automatischen Selbsttränken stets zur Verfügung steht. Diese haben nicht nur den Vorzug, dass die Rinder jederzeit saufen können, sondern dass sie auch stets ein etwas überschlagenes Wasser erhalten, was besonders für Milchkühe von Vorteil ist. Hier- durch wird aber nicht nur an Arbeit gespart, sondern es wird auch eine Garantie für regelmässige Wasserversorgung gegeben. Diese kommt wiederum der Milchproduktion insofern zugute, als die Milch- menge hierdurch unter Umständen pro Tier und Tag um einen halben Liter gesteigert wird. Dort, wo man Selbsttränken nicht hat, treibt man die Rinder zur Tränke auf den Hof oder auf die Dorfstrasse, oder hält ihnen im Stalle Eimer vor, was indessen viel Arbeit macht und namentlich an Sonntagen und am Montag früh, wenn das Dienstpersonal nicht ge- nügend ausgeschlafen hat, eine scharfe Kontrolle benötigt. In einzelnen Massenstallunsfen findet man auch steinerne Wasser- I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtuncr. 303 leitungen (aus Granit), welche flache Becken speisen, aus denen je ein oder zwei Tiere trinken. Das Zuleiten des Wassers durch die fortlaufenden Krippen hat aber, wie schon früher er- wähnt, den Nachteil, dass dasselbe bei sämtlichen Kühen einer Reihe vorbeilaufen muss, ehe es zum letzten Tiere kommt, wodurch die Verschleppung der Tuberkulose sehr erleichtert wird. Die Selbsttränkanlage beruht nun darauf, dass das Wasser zunächst mittels einer Pumpe oder durch eine Wasserleitung in einen Haupt- behälter, der sich in oder neben dem Stalle befindet, gehoben wird, aus dem dasselbe dann in ein kleineres Regulierbassin abfliesst, dessen Wasserstandhöhe durch einen Schwimmer geregelt wird. Aus dem Regulierbassin gelangt das Wasser in ein Rohrsystem, welches zu den Tränknäpfen führt; in letzteren steht es dann in derselben Höhe wie in dem Resfulierbassin. Trinken Fig. 160. Tränkbecken aus verzinktem Schmiedeeisen mit Rücklaufverschluss mittels Kugel bei «. Der Deckel ist nicht am Becken, sondern in dem Mauer- werk befestigt. (Justinus Richter-Leissnig i. Sa.) Fig. 161. Tränkbecken aus Glas (a) ohne Deckel mit eigenem Schwimmer und Kugel- verschluss bei b. (Justinus Richter-Leissnig i. Sa.) Fig. 162. Querschnitt eines Selbsttränkbeckens mit Schwimmkugel, a Querschnitt der Haupt- rohrleitung, 6 Abzweigrohr nachdem Becken, c Ab.schlusskugel, d Tränkbecken, e der in dem Mauerwerk der Krippe befestigte Deckel. die Tiere, so erniedrigt sich der Wasserstand in dem letzteren, wo- durch der Schwimmer sinkt und das Ventil geöffnet wird, sodass 304 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. nunmehr wiederum Wasser zufliesst, bis der in die Höhe gehobene Schwimmer das Ventil schliesst. Die Tränkbecken werden aus Gusseisen, verzinktem Schmiede- eisen (Fig. 160), oder Schamotte (s. Fig. 155) mit und ohne Deckel hergestellt, in neuerer Zeit hat man auch Glasnäpfe versucht (Fig. 161). Schamotte ist haltbarer als Gusseisen, weil ein Rosten ausgeschlossen ist, auch hat der Deckel den Vorzug, dass er die Besudelung des Beckens durch Schleim, Schmutz und Futterteile erschwert. Indessen ist das Klappern der Deckel, die von den Tieren beim jedesmaligen Saufen gehoben werden müssen, nicht gerade angenehm, auch sind die ersteren, sofern sie am Becken und nicht an dem Mauerwerk be- festigt sind (Fig. 160), immerhin oft reparaturbedürftig. Deshalb findet man jetzt sehr häufig offene Becken, die täglich mit der Hand von den Futterresten befreit und Avöchentlich einmal innen an den Wänden gut ausgewischt werden müssen. Geschieht dies nicht, so bekommen die Tiere ein sehr schlechtes Wasser, denn die Futter- reste riechen wie verdorbene saure Gurken. Im einzelnen sind nun die Systeme für den Zu- und Ablauf des. Wassers sehr verschieden, erforderlich ist aber bei allen, dass das ablaufende und besudelte und somit oft auch durch Krankheits- keime verunreinigte Wasser nicht in die benachbarten Näpfe ge- langt, wie das bei dem alten Rücklaufsysteme der Fall war (s. Fig. 164). Das wird auf mehrfache Weise ermöglicht, indem das Wasser beim Deckelschluss gänzlich abläuft, was nur da durchführbar ist, wo man viel Wasser zur Verfügung hat, oder indem das Wasser seitwärts und in halber Höhe des Beckens eintritt, wobei der Rück- fluss durch eine in einer Messinghülse liegende kleine Marmorkugel verhindert wird (s. Fig. 160 u. 162). Endlich sind auch selbstregulierende Becken konstruiert worden, die jedes ihren eigenen Schwimmer haben , Avodurch der Regulier- apparat wegfällt, und auch die regelmässige und gleichzeitige Zu- führung des Wassers bis in die entlegensten Becken gesichert ist. Ein solche Anlage, die in dem Rinderrassestalle der Tierärztlichen Hochschule in Dresden eingerichtet ist, hat sich bis jetzt bcAvährt (s. Fig. 155 u. 161). In Fig. 161 ist der Naj)f aus Glas, im Rassestalle aus Schamotte, letzteres Material ist jedenfalls haltbarer und daher vorzuziehen. Der Schwimmer sitzt in einem zwischen Napf und Mauerwerk befindlichen gusseisernen Kasten, wohin der Rückfluss durch eine Hülse mit darin L Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 305 befindlicher Kugel verhindert wird. Ein Abstellhahn im Zulauf er- möglicht die Zumessung der Wassermenge, was gegenüber jungen — ü7- Fig. 163. Moderne Selbsttränkeinrichtung mit Zulaufregulierung für jedes einzelne Tränkbecken. / Ansicht vom Tierstande aus. // Schnitt. A und A' Regulierbassin, « Zulaufrohr, b Schwimmer, c Wandstütze, d Verschraubung zum Oeffnen des Zulaufrohres, e Futternäpfe, f Tränknäpfe, g Zulaufrohr, m Regulierschwimmer, n Zulaufrohr für die Tränkbecken. (Justinus Richter-Leissnig i. Sa.) Fig. 164. Veraltete Selbstträukeinrichtung mit Wasserrücklauf. / Ansicht vom Tierstande aus. // Schnitt. Fig./. ß Hauptbassin mit a Zulaufrohr und C Wasserstandanzeiger , c Ablauf nach dem Re'gulierbassin, d Schwimmer in letzterem, e und g Rohrleitung zum Becken /' mit Deckel h. Fig //. « Tränkbecken mit Deckel 6, Zulaufrohr c und d, e fortlaufende Zementkrippe auf dem Durchschnitt, f Krippenuntermauerung. (Zeichnung von Justinus Richter-Leissnig i. Sa.) Tieren mit Neigung zum Heu- und Hängebauch von Vorteil ist, während eine Messingschraube an der Tränknapf sohle einen voll- Pusch, Allgemeine Tierzucht. 20 306 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. ständigen Ablauf und somit die Reinigung jedes Beckens zulässt (s. Fig. 155). Je eine moderne und eine veraltete Selbsttränkeinrichtung s. Fig. 163 u. 164. Was die Anbindevorriclitungen anlangt, so werden Rinder ge- wöhnlicb an einer Halskette befestigt, die sich gabelig teilt (siehe Fig. 155). Bullen stehen meist noch an einem dicken, ledernen Hals- bande und böse Tiere auch an der Nasenkette. In den Marschen und in ein- zelnen Gegenden Schleswigs tragen die Tiere auch eiserne Halsringe, mittels welcher sie straff an den Seitenpfosten des Standes befestigt werden. Da die Ketteni'inge an den Eisenstäben auf- und abwärts glei- ten, so können die Tiere ebenso bequem stehen wie liegen, während eine Seitwärtsbewegung, wenigstens Fiff. 165. Anbindevorriciitung für Rinder, mit dem Vorderteile, nahezu aus- in einzelnen Marschdistrikten und in , ■, . , /-n. -i nr^\ Angeln üblich. geschlossen ist (lig. 165). e) Fütterungsvomchtungeii für Schafe und Schweine. Schafe fressen aus niedrigen Holzkrippen und aus Doppelraufen, die von beiden Seiten zugänglich sind. Die Schweinetröge müssen säurefest und leicht zu reinigen sein. Sie bestehen deshalb am zweckmässigsten aus Steingut oder Eisen und Fig. 166. Ferkeltrog mit Trennstäben und aufklappbarem Bügel. (Bode-Ostingersleben.) werden dort, wo mehrere Schweine und namentlich Ferkel aus einem Troge fressen, durch Querriegel oder Querstäbe in einzelne, mit- einander kommunizierende Abteilungen geschieden (Fig. 166). Im übrigen sind die Tröge so angeordnet, dass sie nach dem Füttern vom Stalle aus abgeschlossen, ferner leicht gefüllt und leicht I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 307 gereinigt werden können. Die Abstellung erfolgt durch Drehung des Troges oder durch eine pendelnde Klappe bei feststehendem Troge. Der letztere muss so stehen, dass seine Bodenfläche sich nach der Stallseite zu neigt, damit das Ausfressen erleichtert und das Einsteigen der Tiere verhindert wird. 6. Der Jaucheabfluss. Eine zweckmässige Stallhygiene muss die möglichst schnelle Entfernung der Jauche aus dem Stalle fordern, deren Stagnieren das Lager nass, daher kalt und für die Tiere auch unbehaglich macht und ausserdem eine Quelle für schlechte, übelriechende Luft und für In- fektionskrankheiten verschiedener Art abgibt. Dort, wo der Fussboden aus Sand oder Lehm (Schafställe, Tiefställe, s. S. 272) besteht, oder wo derselbe nur undicht abgepflastert ist, sickert die Jauche in den Boden, veranlasst üble Gerüche und erschwert die Desinfektion in Seuchenfällen, weshalb es notwendig ist, die Pflasterung in jedem Falle undurchlässig anzulegen. Li den ungepflasterten Schaf- und in den meisten Tiefställen (s. S. 298) fehlt jeder Jaucheabfluss. Die Jauche dringt in den Dünger, hält ihn feucht und durchtränkt auch die oberflächlichen Bodenschichten, die in gewissen Zeitabschnitten entfernt werden und dann einen besonders für Wiesen vorzüglichen Dünger abgeben. In neuerer Zeit fängt man aber auch schon an, die Tiefställe mit einem undurchlässigen Fussboden zu versehen und den Ueberschuss an Jauche, die natürlich zunächst immer die Streu und die Dünsferlaffe durch- dringen muss, in eine Grube abzuführen. Zur Ableitung der Jauche in Ställen mit hartem Fussboden ist notwendig: Gefälle des Standes, Gefälle der Jaucherinne und Vor- handensein einer Jauchegrube. Das Gefälle im Stande muss pro Meter Standlänge 1,5 — 2 cm, also für einen Kuhstand 4 — 7 cm betragen. Im Falle der Verringe- rung staut die Jauche und bei Verstärkung liegt die Gefahr des Aus- gleitens und der Entstehung von Scheiden- und Gebärmuttervorfällen bei solchen Tieren vor, die dauernd im Stalle stehen, auch führt die starke Belastung der Hintergliedmassen leicht zu Beinschäden. In Kuhställen , die sonst reinlich gehalten werden , soll man daher die Standneigung möglichst gering halten und in der vorderen Standhälfte unter Umständen ganz fehlen lassen. Bisweilen wird der ganze Stand gegenüber der Stallgasse etwas erhöht, damit die Tiere grösser erscheinen, eine Einrichtung, der 308 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. man namentlich in Händlerställen begegnet. Der Anfänger hat hier- auf zu achten, damit er die Tiere nicht überschätzt, was umso eher geschieht, je niedriger der Stall ist. Die Jaucherinue braucht ein Gefälle von 1 cm pro laufenden Meter, welches durch Vertiefung der ersteren oder durch Neigung der Stallgasse und der angrenzenden Stände erreicht wird. Die Rinnen sind in der Regel offen, selten bedeckt, denn offene Rinnen sind billiger und leichter zu reinigen als bedeckte und diesen daher vorzuziehen. Sie werden gewöhnlich aus demselben Material hergestellt wie der Stallfuss- boden und bei Klinker- und Fliesen- pflaster meist fabrikmässig in verschiedener Form geliefert (Fig. 167). Die Jauchegrube soll ausserhalb des Stalles liegen und voll- ständig undurchlässig sein; ihre Wandung ist von dem Mauerwerk des Stalles durch eine Isolierschicht (s. Fig. 110 gJi) zu trennen. Oben erhält die Grube einen Deckel und am Boden nach der Mitte zu eine Neigung oder Vertiefung, damit sich dort die gröberen Par- tikel ansammeln. Wichtig ist die Art des Jaucheabflusses. Derselbe soll schnell Fig. 167. Jaucherinue. (Hotfmann u. Co., Bunzlau.) DÜTi^era. y^ Tierstand Fig. 168. Jaucheabfluss, beim Durchtritt durch die Stalhvaud mittels eines Schiebers verschliessbar. erfolgen, ferner sollen Verstopfungen und ein Rückströmen der Gruben- luft vermieden werden. Die Methoden des Abflusses sind folgende: 1. Die offene Jaucherinne mündet durch ein mit Sieb versehenes Loch in der Stallwand in die Grube Die Maueröffhung ist mit einem Schieber versehen, der sie bei Kälte und Zugluft schliesst (Fig. 168) ^). ') Reindl, Illustr. landw. Zeit. 1902. S. 919. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 309 Dieses System ist in der Hauptsache auf Gebirgsgegenden be- schränkt und insofern nicht empfehlenswert, als die Grubengase ziem- lich ungehindert in den Stall zurücktreten können, und Zugluft nicht vollständig zu verhüten ist. 2. Die offene Rinne wird von der Stallwand aus durch ein Schamotterohr ersetzt, welches in die Jauchegrube und zwar so Fig. 170. Jaucheabfluss mit Schlammfang und Ablauftopf. A offene Rinne, B Sclilammfang, C Jauchegrube, d Deckel derselben, e Rost, /'Ablauftopf, gh Isolierschiclit. (Zeichnung von Inspektor Rögner-Olbernhau.) weit fortgeführt wird , dass es in die Flüssigkeit bei gewöhnlichem Stande derselben hinein reicht (Fig. 169). Bei a findet sich dann ein Deckel, der die Reinigung mittels einer Stange gestattet. 3. Die offene Rinne A mündet vor oder nach dem Verlassen des Stalles in einen kurzen Kanal von etwa 40 cm Tiefe (Fig. 170 JB), aus dem das Rohr b c die Jauche nach der Jauchegrube C abführt, die durch den Deckel d geschlossen ist. 310 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Dadurch, dass das Rohr bei h und nicht vom Boden des Kanals aus beginnt, wird der untere Teil zum Schlammfange, der die gröberen Partikel zurückbehält und daher besonders entleert werden muss. Der Eintritt der Jauche erfolgt durch den Rost e und den Ab- lauftopf /', welcher den Geruchverschluss herstellt, sodass die erstere den durch die Pfeile angegebenen Weg zu nehmen hat. Da der Ge- ruchverschluss aber häufiger gereinigt werden muss , und diese Ar- beit dem Dienstpersonal nicht immer zusagt , so nimmt dasselbe die Deckel meist unerlaubterweise ab oder die ganzen Verschlüsse her- aus, so dass sich deren Anbringung deshalb für viele Stallungen nicht Fig. 171. Jauclieabfluss mit Schlammfang A und einfachstem Geruchverschluss bei &, c Rost, d Jauchegrube. empfiehlt. Man braucht auch nur das Abflussrohr etwas höher zu legen und weiter nach unten reichen zu lassen, dann ist der Wasser- verschluss ebenfalls und zwar auf bequeme und billige Weise her- gestellt (Fig. 171). Werden mehrere Schlammfänge durch Kanäle verbunden, wie das in grösseren Stallungen die Regel ist, so kann man das Pflaster auf den Stallgängen mit einigen Verschlussdeckeln aus Granit oder Gusseisen versehen, die an eingelassenen Ringen in die Höhe gehoben werden. 4. In grösseren Beständen leitet man die Jauche in Sammel- röhren, die unter dem Fussboden liegen, damit man die Rinne nicht übermässig zu vertiefen braucht, und auch der Weg, den die Jauche im Stalle zurückzulegen hat, abgekürzt wird, was sowohl im Interesse I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 311 der Reinerlialtung der Stalluft wie in demjenigen der Verhütung von Stallseuclien liegt. Denn falls bei a in Fig. 172 eine Kuh an seuchen- hafteni Abortus oder ein Kalb an Kälberdurchfall erkrankt, ist die Gefahr für die Kuh oder das Kalb, die bei d stehen, viel grösser, wenn Fig. 17 2. Jaucheabfluss durch Rolirsclileuse im Gefälle i : 100 mit Schlammfängen h und c. die Jauche erst hier durch die Stallwand fliesst, als wenn sie bereits bei h oder c in das unterirdische Sammelrohr gelangt. Die Sammelrohre müssen genügend weit und die Zuläufe mit Rost und Schlammfang versehen sein, damit Verstopfungen ausbleiben. Diese werden von den Schlammfängen aus oder durch Abnahme der Verschlussdeckel, Fig. 173. Schamotterohr mit Deckelverschluss. (Hoffmaiin & Co.-Bunzlau.) Fig. 174, Siphou-Geruchverschluss. (Hoffmann & Co.-Bunzlau.) die in der Stallgasse und an der entsprechenden Stelle der Schamotte- rohre angebracht sind, beseitigt (Fig. 173). Der Geruchverschluss wird durch einen Siphon (Fig. 174) oder nach Art der Fig. 169, 170 und 171 bewirkt. In vielen Gebirgswirtschaften befindet sich die nur undicht mit Bohlen abgedeckte Jauchegrube direkt unter dem Rindviehstalle, was bei neuen Ställen unbedingt zu vermeiden und bei alten möglichst zu ändern ist. 312 '<• Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. 7. Die Stallüftung. Die Stalluft ist gewöhnlich zu warm und weiterhin auch nach verschiedener Richtung verunreinigt; die Lüftung soll daher für Ab- führung warmer und schlechter und für Zuführung frischer und reiner Luft sorgen. Die Luftverderbnis hat ihre Ursache in den Ausscheidungen der Tiere und den wirtschaftlichen Massnahmen. Der Atmungsprozess erzeugt Kohlensäure und im Verein mit der Hauttütigkeit Wasser- dampf, letzterer macht die Stalluft feucht. Aus Harn und Kot, Dünger und alter beschmutzter Streu bilden sich Ammoniak, Schwefel- wasserstoff und andere Gase, auch entstehen beim Faulen von Mist- resten und bei der Verabreichung gewisser Futtersorten eigenartige Riechstoffe, die im Verein mit den Darmgasen und den spezifischen Hautausdünstungen der Tiere die Stalluft verderben und dieselbe oft geradezu widerwärtig und kloakenartig machen. Tote , verlorene Ecken, in denen Schimmelpilze und andere, niedere pflanzliche Or- ganismen ihr Wesen treiben, durchlässige Fussböden und schlechter Abfluss der Jauche mit mangelhaftem Verschluss von der Jauche- grube her sind besonders zu beschuldigen. Ausserdem kann die Stalluft noch mit spezifischen Krankheitserregern verunreinigt sein, von denen die Tuberkelbazillen in erster Linie zu fürchten sind. Neben der Stallanlage, der Reinhaltung und Düngerbehandlung spielen aber auch die Art der Besetzung des Stalles, der für die Gesamtheit der Tiere zur Verfügung stehende Luftkubus und die Lufterneuerung eine Rolle. Als Gradmesser der Luftverderbnis betrachtet man den Gehalt der Luft an Kohlensäure, die im Freien im Mittel 0,3 pro Mille be- trägt und in Ställen bis zu 2,5 — 3 pro Mille vorhanden sein kann, während 4 pro Mille als äusserste Grenze aufzufassen ist^). Diese Kohlensäuremenge ist an sich nicht direkt schädlich, sie wird es aber im Verein mit den übrigen Luftgasen, dem Feuchtigkeitsgehalte und mit der Wärme, die zu ihr in Viehställen, in denen Heizung aus- geschlossen und auch der Einfluss der Beleuchtung auf die Stalluft nur ein unwesentlicher ist, in engsten Beziehungen stehen. Die Ventilation ist nun eine natürliche und eine künstliche. Die natürliche Ventilation ist durchaus nicht zu unterschätzen und (»ft der einzige Weg, auf dem im Winter in vielen Bauernställen ') Märker, Journal für Landwirtschaft 1870, Zit. v. Dammann, Ge- sundheitspflege, S, 104. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 313 eine wenigstens teilweise Lufterneuerung stattfindet. Sie erfolgt durch das Mauerwerk, die Decke, den Fussboden — bei Undichtig- keit — und durch die geöffneten Türen und Fenster. Beim Mauerwerk und den Decken kommt es sowohl auf die Porosität des Materials wie auf den inneren Anstrich und eine eventuelle Verblendung an. Bruchsteine, hart gebrannte Ziegel — Klinker — . Zementputz, Oelanstrich, Kachelverkleidung und feuchtes Mauerwerk sind wenig oder nicht permeabel, das Entgegengesetzte ist der Fall bei den ungebrannten und den mit Hilfe gewöhnlicher Hitze hergestellten Ziegeln, bei Kalkputz und trockenen Wänden. Weiterhin kommen die Lage des Gebäudes, Windseite und Wind- strömung in Betracht. Bei grosser Wandfläche, bewegter Luft, porösem Material und geringer Besetzung kann diese natürliche Ventilation genügen, doch sind das immerhin nur Ausnahmefälle, mit denen prak- tisch nicht zu rechnen ist. Ebenso kommen Türen und Fenster in der Hauptsache nur im Sommer in Fraffe, denn im Winter entsteht beim Oeflhen derselben meist so viel Zugluft, dass man dasselbe bei den durch die ganze Stallhaltung verweichlichten Rindern und Schweinen und selbst auch bei den abgehärteteren Pferden unterlassen muss. Es muss demnach dieser unzureichenden natürlichen die wirk- samere künstliche Ventilation zu Hilfe kommen, und wird wohl in neuerer Zeit bis hinab in die kleinsten Wirtschaften kein Stall ge- baut, in dem die letztere unterlassen wird. Der Frischluftbedarf eines Stückes Grossvieh im Gewicht von 500 kg beträgt nach Dammann ^), der diese Frage in seinem Hand- buche eingehend behandelt hat, pro Stunde 60 cbm, es muss demnach, wenn für ein Rind 21,60 cbm Luftraum (s. S. 277) zur Verfügung stehen, der Luftwechsel in der Stunde 3mal und im Tage 67mal stattfinden. Die künstliche Ventilation unterscheidet man in eine vertikale und eine horizontale. Bei der ersteren findet der Luftaustausch durch die Decke, bei der letzteren durch Wand Öffnungen statt. Die vertikale Lüftung dient in erster Linie der Abfuhr der warmen und verdorbenen Luft, welche infolge der Erwärmung und der Sättigung mit Wasser- dampf das Bestreben hat, in die Höhe zu steigen und sich an der Decke einen Ausgang zu suchen ; die horizontale Lüftung besorgt vornehmlich die Luftzufuhr. Bei der vertikalen Lüftung beginnen die Schächte im Stalle unter- halb der Stalldecke, um dann, den Stallboden senkrecht durchlaufend, 1) Gesundheitspflege, S. 690. 314 7. Abschnitt. Die Haltunur der Zuchttiere. über dem Dache zu münden. Die Wände dieser Kanäle kühlen sich aber im Winter leicht ab, wodurch die aus dem Stalle abgeleitete, feuchte Luft zu Wasser verdichtet wird, welches dann in den Stall abtropft. Letzteres lässt sich zum grossen Teil verhindern durch Benutzung von doppelten Bretterschächten — ein Bretterschacht ist mit einem zweiten umklei- det — , von denen man die Wand des inneren Schachtes gut glättet und Fig. 175. Deckenlüftung mittels des doppelwandigen Schlotes a, der, mit schlechten Wärme- leitern umgeben, im Stalle mit einem Schieber b und auf dem Dache mit einem Saugkopf c versehen ist, d Wandlüftung für Luftzufuhr. dichtet, damit die ausströmende Luft möglichst wenig Reibungswider- stände findet, während man zur Verhütung der Abkühlung den inneren Schacht mit schlechten Wärmeleitern — Häcksel, Sägemehl etc. umkleidet (Fig. 175). Unter solchen Umständen kann man als Ab- zugsrohr auch ein Schamotterohr oder selbst ein Zinkrohr wählen, schlimmstenfalls muss man dann unterhalb der DeckenöfPnung eine Metallschale zum Auffangen des Schwitzwassers anbringen, welches aus dieser durch ein Abzugsrohr zum Ei'dboden geleitet wird. Liegen die Schlote über der Stallgasse oder über den Futtergängen, so sind Abtropfrohre entbehrlich. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 315 Der Abzugskaiial wird über Dach zum Schutze gegen Regen, Schnee und Wind abgedeckt und an den Seitenwänden mit Jalousien Fig. 176. Querschnitt durch einen StaU mit Luftahfuhr durch die aewölbe. Die Luft tritt hier in der Pfeilrichtung durch die Gewölbe und gelangt zunächst in den gemeinsamen Abzugskanal. Diesen verlässt sie entweder 1. durch den Schlot «, der bei b mit Jalousien versehen ist, und dessen Zwischenwände bei d mit schlechten Wärmeleitern ausgefüllt sind, oder 2. für den Fall, dass die Bodenverhältnisse die Anlage des Schlotes verbieten, durch die Seiteuöffnungen cc oder durch das aufsteigende Eohr d. e Saugkopf, r/y Trenngitter auf dem Krippentische, ff Halsausschnitte für die Rinder. (Fig. 176) versehen oder dort offen belassen (s. Fig. 175f\ ausserdem wird an der Stalldecke eine Klappe (s. Fig. 181 r) oder ein Schieber (s. Fig. 175 &) angebracht, um den Schlot bei kaltem und windigem Wetter verschliessen zu können. Dort, wo die Bodenverhältnisse wegen 316 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. der besonderen Art ihrer Benutzung — Wohnungen etc. — eine Durch- führung der Dunstrohre nicht oder wenigstens nicht in mehrfacher Form gestatten, kann man die Abzugskanäle in der Deckenfüllung ver- einigen (Fig. 176), um sie dann entweder als gemeinsamen Schlot senkrecht nach oben (Fig. 176«) oder aber nach der Richtung der Aussenwand zu leiten, wo sie entweder direkt nach aussen (Fig. 176c) oder durch einen kurzen vertikalen Schacht nach oben treten (Fig. 176e), Natürlich wird diese Art der Abführung weniger leisten, als wenn dieselbe direkt vom Stalle aus durch den Boden in senkrechter Richtung erfolgt, und jede Stalldeckenöffnung ihren eigenen Dachabzug hat. Die senkrechten Schächte werden umso besser leiten, je grösser der Unterschied zwischen Stall- und Aussenluft und je stärker die Luftbewegung ist. Bei ruhiger Luft und hoher Aussentemperatur kann die Decken- lüftung sogar gänzlich versagen, sodass man zur Oeffnung von Türen und Fenstern seine Zuflucht nehmen muss. Deshalb kann es auch nicht durchweg als ratsam bezeichnet wer- den, die Lichtöffnungen aus eingemauertem Draht- oder Hartglas herzustellen. Die Wand- oder horizontale Ventilation dient in erster Linie der Zufuhr frischer Luft, und zwar bringt man die Oeffnungen entweder nahe unter der Decke (Fig. 177) oder auf den Fensterbänken (Fig. 178) oder unmittelbar über dem Stallfussboden an (Fig. 180). Die Wandlüftung wird am wirksamsten sein bei bewegter Luft, bei ruhiger Aussenluft aber nahezu versagen, wenn die Oeffnungen sich nur auf einer und nicht gleichzeitig auf beiden gegenüberliegenden Wandseiten befinden. Liegen die ersteren unterhalb der Decke in der Aussenwand (s. Fig. 177), so haben sie den Vorzug der Billigkeit. Je nach der Windrichtung und Windstärke strömt die Luft nun heftig oder minder heftig an der einen oder anderen Stallseite ein, wobei auch jede Wölbkappe, wenn beide Stirnseiten derselben Oeffnungen haben, genügend mit frischer Luft versorgt Avird. Zudem mischt sich diese mit den oberen, erwärmten Stalluftschichten und wirkt auch wegen der Höhe ihrer Einströmöffnungen nicht direkt abkühlend auf die Tiere. Ander- .SieM Fig. 177. Lüftung durch die Umfassungsmauer dicht unter der Decke mit Sieb und Klappenverschluss. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 317 seits hat die hohe Lage den Nachteil, dass der Verschluss schwierig ist, denn Klappen (s. Fig. 177) bleiben gewöhnlich nicht lange funktions- fähig, und dem Verstopfen der Löcher mittels Stroh oder durch einen eingepassten, an einer Kette hängenden Holzkeil stellt sich die Not- wendigkeit der Benutzung einer Leiter hinderlich in den Weg. Was die Oeflfnung auf der Fensterbank betrifft (s. Fig. 178), so nimmt der etwa 8 — 10 cm im Lichten messende, quadratische Kanal seinen Anfang aussen 1 — P/a m unterhalb des Fensters, damit er, den betreffenden Mauerteil in der Richtung von unten nach oben f^w^"^^f^ ^■vl Fig. 178. Luftzufuhr durch die Fensterbank. / Schnitt, // Ansicht vom Stalle aus. a Einströmungsöflfnung mit Sieb, h Ausströmungsöffnung mit Klappe. durchlaufend, im Interesse der Lufterwärmung möglichst lang wird. Die Ausmündung wird im Bedarfsfalle durch eine Klappe, einen Holz- keil oder Schieber geschlossen. Dadurch, dass die kalte Luft noch über den Tieren einströmt und sich zunächst nach oben richtet, be- lästigt sie dieselben in der Regel auch bei windigem Wetter dann nicht, wenn die Gebäude geschützt liegen, anderseits erhalten die Tiere aber eine reinere Atmungsluft, als wenn die letztere, von der Decke aus eindringend, sich schon in der oberen Stallhälfte mit der verdorbenen Stalluft vermengt und somit als ein oftmals schon recht zweifelhaftes Gemisch in den Atmungsbereich der Tiere gelangt. Dort wo sich aus irgend einem Grunde Fenster nicht anbringen lassen, kann man die Kanäle auch an der inneren Mauerwand mit Türen versehen lassen, die nun je nach dem Lufterneuerungsbedarfe ge- öffnet oder geschlossen werden. Dadurch, dass sie sich in oder 318 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Luftzuführung. doch nicht weit über Manneshöhe befinden, ist die Regulierung bequem. Liegen die Gebäude frei, sind dieselben ihrer Lage wegen scharfen Winden ausgesetzt, und stehen die Tiere ohne Futtergang direkt an der Aussenwand, so kann sowohl die Ventilationsvorrichtung auf der Fensterbank, wie auch diejenige bei direktem Durchtritt der Luft durch Wand- löcher unterhalb der Decke, dem Stalle zu viel Wärme entziehen, und da empfiehlt sich nach Architekt Kü hn- Dresden ^) eine Kombination beider Systeme, wobei man die frische Luft über dem Boden einströmen, in der Stallmauer, und zwar zum Zwecke der Erwärmung dicht an der Innenwand in einem Kanäle in die Höhe steigen und unterhalb der Stalldecke ausmünden lässt. Auf diese Weise kommt einmal erwärmte Luft in den Stall, und anderseits wird auch Zugluft direkt vermieden (Fig. 179). Endlich wendet man auch die Boden- lüftung an, bei der die frische Luft von aussen Fig. 179. A Luftzufuhr durch die Kingmauer, d Lufteintritt aussen über dem Erdboden, Oeffnung durch ein Drahtgitter verschlossen, b b verschliess- bare Jalousie, durch den Stab c regulierbar, a Stalldecke. B Grundriss. (Kiihn-Dresden.) XKKXJJOJJO Fig. 180. Bodenlüftung. a Einströmöffnung iu der Aussenwand, 6 Ausström- öffnung unter und vor der Krippe, <• Futtergang, '} Zementkrippe. durch einen über dem Erdboden ausgehenden Kanäle eintritt, der im Stalle an einer passen- den Stelle mündet. Empfehlenswert ist es, denselben bei Vorhandensein eines Futterganges unter die Krippe zu leiten und ihm hier nach dem ersteren zu etwa für 2 — 3 Rinder je eine *) Der neuzeitliche Dorfbau. Karl Scholze-Leipzig 1903. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 319 Austrittsöffnung zu geben. Dann erhalten die Tiere die frische und bereits etwas angewärmte Luft direkt und rein in ihren Atraungs- bereich zugeführt , ohne dass die Gefahr einer Erkältung vorliegt. An windigen und kalten Tagen wird der Kanal durch einen Schieber oder eine Klappe geschlossen, auch müssen alle Wandöffnungen aussen zum Schutze gegen das Eindringen von Vögeln oder von Stallunge- ziefer mit einem Drahtgitter versehen werden (Fig. 180) ^). Der Wandventilation wird vorgeworfen, dass die kalte Luft an den Wänden herabfällt und den Fussboden stark abkühlt, und dass sie sich ferner nicht schnell genug mit der warmen Stalluft mischt. Beobachtungen in der Praxis widerlegen diese Ansichten, auch kann man durch das Thermometer nachweisen, dass bei Wandlüftung der Unterschied zwischen Boden- und Deckenluft (bei 0 "^ Aussen- und 1 7 ^ C Stalltemperatur) nur 1 — 2 *^ C beträgt, und die Bodenabkühlung viel mehr durch die Jaucherinne und die Undichtigkeit der Türen, als durch die normale und gut regulierte Wandventilation hervor- gerufen wird. Beide Ventilationsvorrichtungen wirken also hauptsächlich in der Weise, dass die horizontale (Wand) der Luftzufuhr und die vertikale (Decke) der Luftabfuhr dient. Nun hat man aber auch auf Grund wissenschaftlicher und prak- tischer Versuche empfohlen, jedes System für sich nach beiden Richtungen hin in Anwendung zu bringen und dabei die vertikalen Schlote so gestaltet, dass man den quadratischen Abzugskanal nach Muir^) durch zwei Einschubbretter in vier (Fig. 1815) oder durch eine Diagonalwand aus verzinktem Wellblech in zwei gleiche Teile teilt ^) (s. Fig. 183), oder dass man ein rundes Zinkrohr in einen quadratischen Holzschacht ^) oder aber in ein anderes, weiteres Metall- rohr '') steckt, damit bei den geteilten Holzschloten die eine Hälfte und bei den Metallrohren das innere Rohr dem Luftabzuge und der entsprechende andere Teil der Luftzufuhr diene. Hoff mann'') hat die Zuluftschlote tiefer in den Stall hinein- geführt und höher über das Dach hinausragen lassen, um die saugende Wirkung der kürzeren Abluftschlote zu verstärken. Bei windbewegter Luft sind die geteilten Schächte in der an- 1) Reindl, Illustr. landw^. Zeit. 1902. S. 919. ^) Dammann, Gesundheitspflege. S. 689. 3) u. *) v. Thiedemann, Arbeiten der D. L. G. Berlin 1895, Heft 10. 5) u. ") Baukunde des Architekten IL 1. S. 66. Berlin 1897. Ernst Töche. 320 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. gegebenen Weise wirksam, sie haben auch den Vorzug, dass sich die einströmende kalte Luft sowohl in den Kanälen wie auch bei ihrem Austritte unterhalb der Stalldecke an der benachbarten Luft bald erwärmt, die Unvollkommenheit liegt aber darin, dass bei Wind- stille beide Teile nur der Luftabfuhr dienen, und die Luftzufuhr dann durch das Mauerwerk und die natürlichen Bodenöffnungen (Jauche- rinnen, Türspalten etc.) erfolgen muss. Dazu kommt, dass, weil bei diesem kombinierten Systeme warme und kalte Luft sich schon in den benachbarten Kanälen gegen- Fig. 181. A Deckenlüftung durch den vierteiligen, hölzernen Ventilationskanal a i, c Klappe, d Jalousien B der Kanal im Querschnitt. seitig beeinflussen, die erstere unter Umständen stark abgekühlt und die letztere nicht unwesentlich erwärmt wird. Diese wird dadurch leichter und weniger senkungsfähig, und jene verliert ihre Feuchtigkeit in Form von SchwitzAvasser, wodurch starkes Tropfen entsteht. Hüttenrauch- Apolda baut nun ähnliche Ventilationseinrich- tungen. Da aber die vertikalen Luftschächte auch trotz der in Fig. 183 dargestellten Teilung bei Windstille unter Umständen nur Luft ab- führen, so bringt er, was durchaus zweckmässig und notwendig ist, noch Luftzufuhrkanäle im Mauerwerk an, die er speziell auf der Fensterleibunff ausmünden lässt. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 321 Maube mit Jalousiebrettchen Alle 2 m Querstollen Torfmullisolirung ■Bretterbekleidung gespundet 2 cm Eckstollen 8 cm. Hochkantiges Backsteinmauerwerk Rahmen v.I Trägern Decke ^Schweisabfluß Fig. 182. Lüftungsanlage nach Hüttenrauch. A die üher Dach befindliche Lufthaube. B der aus Mauerwerk ausgeführte Ventilations- schacht, der durch Torfmull gegen zu starke Abkühlung geschützt und durch eine Wellblech- wand in der Diagonale geteilt ist. C Luftaus- bezw. Lufteintrittskasten, der in den Stall hineinreicht und durch Türen geschlossen werden kann. Grundriss Grundriss des Blechkastens des Yentilationsschachtes. mit 2 Türen. Fig. 183. A Ventilatiousschacht und B Luftaustrittskasten im Grundriss. Der Ventilationsschacht besteht bei ihm (Fig. 182 — 183) aus Backsteinmauerwerk, welches auf dem Boden mit Brettern umkleidet und mit Torfmull isoliert ist. Oben über Dach endet der Schacht Pusch, Allgemeine Tierzucht. 21 322 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. in einer mit Jalousiebretteben versebenen Haube und unten im Stalle in einem Luftaustrittskasten aus Wellblecb , der zwei seitlicb zu öff- nende Türen besitzt. Ausserdem ist der ganze Scbacbt durcb eine Wellblecb wand vom Austrittskasten an bis oben zur Haube in der Diagonalricbtung geteilt. Bei Windstille und offenen Türen im Luftaustrittskasten werden nun beide Hälften Luft aus dem Stalle ableiten, dagegen wird bei Windrichtung von a aus der Teil c Luft zu- und der Teil d Luft abführen; bei umgekehrter Windrichtung Avird das entgegengesetzte Verhältnis der Fall sein. Trifft endlich der Wind die Haube in der Richtung der Diagonale, so wird die Luft durch beide Schlothälften nach dem Stalle zu ge- drängt, wo ihr der Austritt indessen durch Schliessen der beiden Türen des Luftaustrittskastens verlegt werden kann. Was nun die Wandventilation als alleinige Lüftungsanlage be- trifft, so findet man sie in den meisten alten Stallungen, und auch für neue Bauten wird sie, weil billiger und auch angeblich vollständig genügend, empfohlen \). Sofern das Mauerwerk trocken und hinreichend permeabel ist, und die Oeff'nungen sich an den beiden Stirnseiten einer jeden Wölb- kappe befinden, mag die Wandlüftung genügen, ist der Stall aber niedrig, hinter anderen Gebäuden versteckt und feucht, so tut die Deckenventilation , die man an alten glatten und gewölbten Decken anbringen kann, geradezu Wunder, weshalb man auch bei Neu- bauten nicht unterlassen sollte , beide Systeme miteinander zu ver- einigen. Es wird dann für den Abzug der Luft der einfache, ungeteilte, über Dach geführte, aus Steinen aufgemauerte oder aus Schamotte oder imprägnierten Brettern hergestellte Schlot genügen, den man auf dem Boden und möglichst auch noch ein Stück über Dach zweckmässigerweise mit schlechten Wärmeleitern umgibt und in seiner Stallöffnung durch einen Schieber oder eine Klappe ver- schliessbar gestaltet (s. Fig. 175), Avährend von den verschiedenen Arten der Wandlüftung die im Mauerwerk nach oben steigenden und auf der Fensterbank oder unterhalb der Decke in den Stall aus- mündenden Kanäle den Vorzug verdienen, wobei darauf zu achten ist, dass die Zufuhröffnungen nicht direkt über der Düngerstätte liegen. Nach Schubert') genügt für 10 Stück Grossvieh im Gewicht ') Preuss, Landw. Presse 1902. S. 592. ") Schubert in: Der Rindviehstall, seine Anlage und zweckmässige Ein- richtung. Nörner, Praktische Rinderzucht. Neumann-Neudamm 1903. S. 648. I. Der Stall in Rücksicht auf Bau und Einrichtung. 323 von durchschnittlich 500 kg ein Gesamtquerschnitt von 1000 qcm für die Zuführungskanäle und ein ebensolcher für die Dunstschächte, doch dürfte es empfehlenswert sein, den Zuführungskanälen etwas mehr Gesamtquerschnitt zu geben , als dem Luftabfuhrschachte. Es sind demnach vier Kanäle von je 14 , 20 oder 17 . 17 cm für die Zu- fuhr und ein Dunstschacht von 30 . 30 cm für die Abfuhr erforderlich, und zwar sind die Wandöfifnungen wechselseitig anzubringen. Dabei Fig. 184. Stallgrundriss für 20 Rinder mit Luftzufuhr unter den Gewölben und Entlüftung durch zwei Dunstschlote. Die Wandöffnungen wechseln beiderseitig unter den Gewölben ab und fehlen dort, wo Schlote vorhanden sind, aa Wandöffuungen , hh Schlote, cc Säulen, dd Türen. kann man der Billigkeit und Haltbarkeit wegen Hartglas- oder Draht- glasfenster (s. S. 285) verwenden, die nicht zu öffnen sind. Indessen ist eine solche Anlage aber deshalb nicht überall empfehlenswert, weil die geöffneten Fenster und Türen im Hochsommer noch frische Luft zuführen, wenn alle künstliche Ventilation versagt. Leicht zu öffnende und gut schliessende Fenster werden die letztere deshalb niemals be- einträchtigen, sie aber anderseits zu gewisser Zeit wirksam unterstützen. Fig. 184 stellt den Grundriss eines Stalles für 20 Rinder mit Kappengewölbe dar, in dem Wand- und De*ckenlüftung derart ver- 324 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. bunden gedacht ist (s. auch Fig. 175), dass zwei Deckenschlote für die Luftabfuhr sorgen, während für die Luftzufuhr acht Wand- öffnungen unter den Gewölben angebracht sind. Auf diese Weise ist jede Wölbkappe einmal entlüftet, sei es nun nach der einen oder anderen Seite hin oder sei es nach oben. Zum Schluss darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Wahl des Lüftungssystems im einzehien Falle in Rücksicht auf die Lage des Stalles erfolgen muss. Liegt derselbe frei, ist er nicht durch benach- barte Gebäude, Anhöhen oder Wald geschützt und anderseits scharfen Winden ausgesetzt, so wird man mit der Frischluftzufuhr durch die Aussenmauern vorsichtiger sein müssen, als wenn der Stall durch die Nachbarschaft gegen übermässige Abkühlung gesichert ist. Als sehr wirksam erweist sich für den Abtrieb der verdorbenen Luft die Verwendung eines Motors, wie die Erfahrungen im Rasse- stalle der Tierärztlichen Hochschule in Dresden lehren. IL Der Stall in Rücksicht auf Temperatur, Einstreu und Reinlichkeit. Der Stall soll warm, aber nicht übermässig warm sein. Pferde, Milchkühe und Schweine verlangen eine Temperatur von 16 — 18 ^ C, Arbeitsochsen können ebenso wie Schafe, Jungvieh und ältere Fohlen kälter gehalten werden. Namentlich härtet man das Jungvieh und die Fohlen durch Temperaturen von 10 — 12 ^ C ab, nur darf der Stall dabei nicht kellerartig feucht, sondern er muss trocken sein und ge- nügend frische Luft erhalten. Notwendig ist weiter, dass derartige Tiere dann ein warmes Lager haben — viel Streu auf starker Dünger- lage — , und dass sie ferner ein reichliches Futter bekommen, damit sie durch das letztere im stände sind, die immerhin starke Wärme- abgabe genügend zu decken. Die Streu soll das Lager trocken und warm halten, ausserdem aber auch auf dem Lande zur Produktion eines wertvollen Düngers beitragen. Man unterscheidet hier die Einrichtung, bei der die Streu täglich gänzlich oder zum grossen Teile entfernt, und diejenige, bei der die- selbe liegen bleibt und nur durch Darüberstreuen von neuem Material ergänzt wird. Diesen Ställen stehen die streulosen gegenüber, in denen die Tiere, meist nur Rinder, auf dem unbedeckten Fussboden liegen, der im Gebirge aus Bohlen oder Brettern und in den Marschen aus Lehm- schlag mit oder ohne anschliessendes Ziegelpflaster besteht. II. Der Stall in Rücksicht auf Temperatur, Einstreu und Reinlichkeit. 325 Als Streumaterial benutzt man ausser den verschiedenen Stroharten minderwertiges Heu, Torf, Laub, Schilf, Heidekraut, Kartoffelkraut, Sägemehl, Hobelspäne und die Nadeln von Kiefern, Fichten und Tannen. Stroh ist am zweckmässigsten, weil es viel Feuchtigkeit aufsaugt und dem Lager eine gewisse Behaglichkeit verleiht, und zwar ist Flegelstroh dem Maschinenstroh und solches von Winterhalmfrüchten demjenigen von Hafer und Gerste vorzuziehen, sofern nicht der be- deutend höhere Preis des Flegelstrohs seiner Verwendung zu Streu- zwecken entgegensteht. Schilf, Laub, Heidekraut und Kartoffelkraut dienen in der Regel nur als Notbehelf und minderwertiges Heu wird in einzelnen Alpställen für wertvolle Zuchttiere und Nadelstreu nur in den bodenärmeren Gegenden verwendet, doch liefern alle diese Surrogate einen weniger guten Dünger als Stroh. Torf ist nicht billiger als Stroh, er macht das Lager auch im Aussehen düster und unfreundlich, aber er hat ebenfalls ein hohes Aufsaugungsvermögen, nimmt beim Lagern Aveniger Raum in Anspruch und wirkt insofern hygienisch günstig, als bei Pferden, die, wie Landbeschäler, viel im Stalle stehen, die Koliken ausbleiben, die sonst infolge von Streufressen eine häufige Erscheinung bilden. Einen ähnlichen Erfolg hat das Sägemehl, welches verhindert, dass Jungrinder, die nur eine bestimmte Rauhfuttermenge aufnehmen sollen, Streustroh verzehren und dadurch einen grossen Bauch und Senkrücken erwerben. Anderseits wird aber dem Torf auch vor- geworfen, dass er bei Ferkeln Verstopfung erzeuge ^). Die Streu, die täglich gänzlich oder zum grossen Teil entfernt wird, heisst Wechselstreu. Man geht bei der Behandlung derselben in den Pferdeställen der Städte, wo man Stroh sparen will, gewöhnlich so zu Werke, dass man die kotigen und beschmutzten Teile Morgens beim Abmisten auf die Düngerstätte bringt und die noch brauchbaren entweder in Klappen unter die Krippe steckt oder ohne Klappen unter die Krippe schiebt oder draussen trocknet. Abends wird dann das so konservierte Material wieder untergestreut und durch frisches vervoll- ständigt. Dabei stehen die Pferde am Tage während der Futter- und Ruhepausen auf dem blanken Pflaster, was durchaus nicht empfehlens- wert ist und den Tieren auch keine Erleichterung und keine Erholung verschafft, weil sich dabei weder die angestrengten Sehnen noch die Hufe erholen können. Man soll daher namentlich den Arbeitspferden auch tagüber das Streulager lassen, selbst wenn man dadurch auch etwas mehr Streumaterial verbraucht. ') Landw. Presse 1903. S. 851. 326 '^- Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Dauerndes Streulager findet man in den Tiefställen, ferner in Jungvieh-, Fohlen- und Schafställen, in denen der Dünger nur in grösseren Zwischenräumen entfernt wird und daher oft sehr lange liegen bleibt (s. S. 298). In dem Masse, in dem der Dünger in Tief- ställen an Wert gewinnt, leidet aber beim Rinde und namentlich beim Milchvieh die Pflege, ausserdem ist die Stalluft schlecht, der Stand unsauber und uneben und eine Desinfektion schwierig. Fohlen- und Jungviehställe können zwar gewöhnlich genügend luftig gehalten werden, doch ist bei Fohlen sehr darauf zu achten, dass ihnen gerade in solchen Aufenthaltsräumen die nötige Hufpflege zu teil wird. Aehnlich den Tiefställen sind die Pferdeställe mit Matratzenstreu, wie man sie in den Kasernen findet. Hier benutzt man die Dauerstreu aber nicht zur Verbesserung des Düngers, sondern zur Ersparnis von Stroh, wobei man den Pferden aber trotzdem ein weiches Lager bieten will. Zudem ist die Matratzenstreu sauber, weil Pferde im Verhältnis zu Rindern nur wenig Harn absetzen, und der Kot durch die ununter- brochene Aufmerksamkeit der Stallwachen regelmässig entfernt wird. Die sonstige Sorgfalt im Stalle erstreckt sich auf die Säuberung der Krippen, Eimer, Trinkbecken, der Futter- und Düngergänge, das Waschen der Fenster, Reinigen der Wände und Decken, namentlich von Spinnweben, das Streichen der Eisenteile und das Weissen der Wände und Decken. Letzteres macht nicht nur die dort vorhandenen Krankheitserreger unschädlich, sondern auch den Stall freundlicher und heller, was ebenfalls zum Wohlbefinden der Tiere beiträgt. III. Die Behandlung der Zuchttiere und ihrer Nachzucht im Stalle. 1. Die Behandlung der Zuchttiere. Zuchttiere sind fast ausnahmslos wertvoller als Nutztiere, des- halb verlangt ihre Haltung eine besondere Aufmerksamkeit. Zuchthengste sind in der Regel gut untergebracht, werden auch gut geputzt, sodass über diese wenig zu sagen ist. Bullen stehen nicht immer günstig, am besten ist es, wenn sie dort, wo mehrere Tiere vorhanden sind, einen besonderen Stall haben oder wenn sie, wie das bei den öffentlichen Bullenhaltern häufiger vorkommt, mit im Pferdestalle stehen. Bullen sollen ruhig und nicht roh behandelt und möglichst durch Halsriemen und Halskette befestigt werden. Das Anbinden an der in. Die Behandlung der Zuchttiere und ihrer Nachzucht im Stalle. 327 Nasenkette ist nur bei bösartigen und bei solchen Tieren am Platze, die sich nicht am Nasenringe anfassen lassen. Zuchtbullen brauchen ein reinliches Lager und einen trockenen Stand, denn ein jauchiger Stand erweicht das Klauenhorn und macht die Tiere auf hartem Boden empfindlich, sodass sie entweder schwer, oder wenn sie älter und träger geworden sind, überhaupt nicht mehr decken. Zudem legen sie sich dann mit ihrer ganzen Last auf die Kuh und drücken sie unter Umständen zusammen. Ferner ist zu verhindern, dass die Zuchtbullen neben tuberkulösen Kühen stehen. Da die kleineren Landwirte und öfiFentlichen Bullen- halter hierauf meist nicht achten, so ist es empfehlenswert, bei Er- richtung von Bullenstationen oder Bullenhaltungsgenossenschaften zu fordern, dass der Bullenstand vorn durch Bretter abgeschlossen wird, um eine Berührung des Bullen mit seinen Nachbarn zu verhindern. Eine Ansteckung wird hierdurch zwar nicht unter allen Umständen ausgeschlossen, aber die Möglichkeit derselben doch nicht unwesent- lich erschwert. Schafböcke erhalten gemeinsame und Eber einzelne Buchten, auch stehen beide meist in guten Ställen, was von Ziegenböcken nicht zu behaupten ist, die sich fast ausnahmslos mit dunklen Löchern begnügen müssen. Was nun die weiblichen Tiere anlangt, so ist bei den tragenden Stuten darauf zu achten, dass sie einen geräumigen Stand haben und von den Nachbarn weder verletzt noch belästigt werden. Gestüts- stuten gehen frei in einem gemeinsamen Stalle. Stuten verlangen ein reinliches Lager und eine reichliche Einstreu, damit sie warm und weich liegen und beim Aufstehen nicht ausrutschen. Vor dem Abfohlen kommen sie in eine besondere Bucht oder Box, nachdem ihnen die Eisen abgenommen sind. Kühe bleiben in der Regel auf ihrem Stande angebunden stehen, was ihnen sicherlich weniger zuträglich ist, als wenn sie frei gehen könnten. Letzteres ist aber gewöhnlich aus wirtschaftlichen Gründen undurchführbar. Dort, wo man mit Kalbefieber zu tun hat, ist es dringend ratsam, die tragenden Tiere in einen besonderen Stall oder doch wenigstens an einen gemeinsamen Gang zu stellen, damit ihre Fütterung genügend kontrolliert werden kann, denn das Kalbefieber lässt sich nahezu sicher durch Verabreichung von schmaler Kation während der letzten vier Wochen vor dem Kalben verhüten. Man lasse in Notfällen sämtliches Kraftfutter und die Schlempe weg und beschränke sich nur auf die 328 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Darreichung von gutem Heu, etwas Rüben und Wasser, dann wird auch die Krankheit fernbleiben. Tragende Sauen müssen vor dem Ferkehi eine eigene und möglichst abgeschlossene Bucht erhalten, um durch nichts aufgeregt zu werden. Ausserdem müssen einzelne Buchten an ihren Innenwänden geländ er- artig angebrachte Eisenstangen führen, damit die Ferkel unbeholfener Flg. 185. Schweinebucht mit Scliutzstangen für die Ferkel. (Bode-Ostingerleben.) Mütter hinter denselben Schutz finden und nicht erdrückt werden (Fig. 185). Eine ähnliche Wirkung hat das Schneiden des Streu- strohes, weil die Sauen die Jungen dann eher sehen. 2. Die Behandlung der Nachzucht. Junge Tiere müssen sich im Stalle bewegen können und dürfen nicht angebunden werden. Dieser Forderung wird man im allgemeinen bei Fohlen gerecht, die zuerst mit der Mutter eine Box oder einen Verschlag teilen und die sich dann auch nach dem Absetzen frei be- wegen können, denn jeder, der ein Fohlen aufzieht, pflegt demselben einen, wenn auch oft nur kleinen Laufstand einzuräumen, den dasselbe gewöhnlich erst dann verlässt, wenn es an die Arbeit gewöhnt wird. Junge Tiere brauchen zwar Wärme, aber trotzdem frische Luft, auch müssen gerade Jungviehställe hell sein, denn ein heller Stall ist gewöhnlich reinlicher als ein dunkler, dann ist das Licht ein wirk- sames Belebungsmittel und endlich auch ein Feind aller niederen Pilze. III. Die Behandlung der Zuchttiere und ihrer Nachzucht im Stalle. 329 Die Aufzucht der Kälber unterscheidet sich schon dadurch von derjenigen der Fohlen, als die ersteren, besondere Zuchtverhältnisse wie in der Schweiz etc. ausgenommen , nicht so lange Muttermilch erhalten wie diese. Kälber saugen entweder am Euter oder werden aus dem Kübel getränkt. Im letzteren Falle lernen sie ihre Mutter überhaupt nicht kennen, wodurch das Absetzen erleichtert wird. Während der Sauge- zeit werden sie entweder neben der Mutter angebunden oder laufen frei im Stalle umher oder erhalten eine kleine Bucht, was empfehlens- wert und meist immer dann der Fall ist, wenn sie aus dem Kübel getränkt werden. Mit dem Absetzen ist nun in sehr vielen Wirtschaften gleich- zeitig auch ein dauerndes Festhängen vergesellschaftet, das Tier wird „angebunden" , und damit ist in Bezug auf Bewegungsbehinderung das fernere Schicksal des Individuums besiegelt. Kommt noch gehalt- loses Futter und die Verabreichung desselben aus hohen Raufen hinzu, so erwerben die Tiere dasjenige Aussehen, dem man so oft in klein- bäuerlichen Stallungen begegnet. Die Kälber sind dann fleischlos und haben lange Haare, grosse Köpfe, dicke Bäuche und einen die ganze Figur verunstaltenden Senkrücken (Fig. 186 — 189). Stehen die Tiere aber in Buchten, so befinden sich diese sehr oft in der dunkelsten Ecke und vielfach auch unter dem Hühnerstalle , sodass Luft und Licht fehlen. In kleinen Beständen ist es nun auch bisweilen trotz guten Willens und des nötigen Verständnisses nicht möglich, den Kälbern die Wohltaten der freien Bewegung in einer kleinen Bucht des Stalles zu verschaffen, weil entweder der Platz fehlt, oder die wenigen Tiere so ungleich im Alter sind, dass sie, ohne dass das kleinere von dem grösseren belästigt oder vom Futter abgedrängt wird, nicht lose bei- einander stehen können. Hier muss man die Kälber dann auch im Stalle anbinden und ihnen als Ersatz für den Ausfall der Bewegung; draussen ein Plätzchen einzäunen, in dem sie sich bei gutem Wetter tummeln können. Fressen die Kälber aneinander herum, sodass haarlose Stellen entstehen, was in manchen Jahren häufiger beobachtet wird, so ist Magenverstimmung oder Kalk-, Phosphorsäure- oder Salzhunger die Ursache, der man am besten durch Verabreichung von gutem Wiesenheu oder Kleeheu neben Hafer unter Zugabe von Kochsalz oder von phos- phorsaurem Kalk abhilft. Letzterer ist in der Regel wirksamer als Kochsalz. In der Weidezeit verschwindet das Uebel gewöhnlich von 330 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Fig. 186. Kalb, 6 Monate alt (Vorderwälder aus der badischen Aufzuchtstation Rudenberg), in ausgezeichnetem Ernährungszustände i). (Das Tier bekommt noch täglich Vollmilch.) Fit 1S8. Kalb (rasseloser Landschlag) in schlechtem Futtcv/usiamli'. (Futter zu wenig gehaltreich, daher grosser Bauch.) 1) Die Photographie zu Fig. 186 verdanke ich Herrn Bz. -Tierarzt Dr. Hauger-Neustadt i. B. III. Die Behandlung der Zuchttiere und ihrer Nachzucht im Stalle. 331 <^^^^^^^^^^H ♦/ i m^M muTi ] % '':, Fig. 1S7, Kalb (Siuimeiitiilui- Kreuzung) in wirtschal'tlicli normalem Futterzustaude. Fig. 189. Kalb (Simmentaler Kreuzung) in schlechtem Futterzustande (zu wenig Futter). 332 7- Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. selbst, während man die Tiere bei Stallhaltung nicht frei gehen lassen kann, sondern sie anbinden muss. Ferkel brauchen einen wärmeren Stall als Fohlen und Kälber, weil sie im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht viel Aussenfläche haben und namentlich die weissen, vom englischen Blute beeinflussten Rassen durch Haare nur wenig geschützt sind. Liegen die Tiere in einem kalten Stalle, auf kaltem Fussboden oder an kalten Wänden, so stellen sich Verdauungsstörungen und schliesslich Knochen- und Gelenkver- krümmungen ein, welche die ganze EntAvickelung der Tiere hemmen. Dieselben bleiben dann längere Zeit hindurch oder dauernd zwerg- artig und fallen durch ihre grossen Köpfe und grossen Bäuche auf. In kalten Ställen ist es daher empfehlenswert, die Innenfläche der Aussenmauer einen Meter hoch durch eine Luftziegelschicht zu ver- stärken und den Fussboden in der halben Ausdehnung der Bucht mit einer Bohlenlage zu bedecken (s. S. 275). Zu einer guten Stallhaltung gehört ferner auch eine regel- mässige Hautpflege der Tiere. Dass man Pferde und Rinder putzen muss, auch wenn dieselben den Stall nicht verlassen, ist bereits meistenteils anerkannt, nur ist man auch in den Kreisen einsichtsvoller Züchter oft darüber geteilter Meinung, ob man Fohlen und Kälbern die Wohltaten einer geordneten Hautpflege angedeihen lassen soll oder nicht. Aus hygienischen und physiologischen Gründen brauchen junge Tiere dieselbe Hautpflege wie ältere, und wenn diese bei den ersteren unterbleibt, so geschieht es sehr oft aus Mangel an Arbeitskräften oder aus der Erwägung, dass Fohlen, ohne dass man sie putzt, trotz- dem gut gedeihen. Kälber leiden gewöhnlich noch mehr als Fohlen an Läusen und umsomehr, je schlechter sie gefüttert und je rauher sie gehalten werden, was beides das Haarwachstum und somit auch die Lebens- bedingungen für die Schmarotzer begünstigt. In solchen Fällen ist es zweckmässig, die Tiere zu scheren. Man wird dadurch zwar etwas mehr Futter gebrauchen, da der Körper durch Strahlung mehr Wärme verliert und infolgedessen mehr Heizstoff" nötig hat, man wird aber anderseits auch den Appetit steigern und dadurch die ganze Ernährung und das Wachstum wesentlich fördern. Junge Weiderinder sind vielfach mit der Ringflechte, dem Herpes tonsurans, behaftet, die entweder bei der Einstellung derselben schon zu sehen ist oder erst ausbricht, nachdem die Tiere einige Zeit auf- gestallt gewesen sind (Fig. 190). IV. Weiden und Tummelplätze. 333 Die dadurch bedingte Hautkrankheit ist nicht nur auf andere Rinder und Pferde, sondern auch auf Menschen übertragbar, weshalb es geboten ist, kranke Tiere möglichst in einen besonderen Stall zu stellen und durch eigene Wärter verpflegen und behandeln zu lassen, die auf die Gefahr der Ansteckung aufmerksam zu machen sind. Scheren tut hier insofern gute Dienste, als es eine frühe Er- kennung der Krankheit ermöglicht und auch die Behandlung er- leichtert. Eine geordnete Hautpflege ist daher für junge Tiere ebenso am Bulle mit Ringflechte (Herpes tonsurans). Platze wie für ältere, denn bei beiden erhöht sie das Wohlbefinden und die Leistung, die bei jungen Tieren im Wachstum und in der Regelmässigkeit der körperlichen Entwickelung beruht. IT. Weiden und Tummelplätze. Die Weide ist den Zuchttieren nicht minder dienlich, wie der wachsenden Nachzucht, sie ist leider nur nicht überall einzurichten. Teils muss jede freie Bewegung unterbleiben, teils kann sie nur auf Tummelplätzen geboten werden. Weiden haben folgende Vorzüge: 1. Sie liefern den Tieren ein leicht verdauliches Futter. 2. Die Tiere gewöhnen sich an Luft, Licht, Wind und Wetter, und härten sich auch durch das Lieg-en auf dem frischen und oftmals 334 V. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. geradezu kalten Erdboden ab. Hierdurch wird die ganze Konstitution gehoben, was namentlich für das Gedeihen der frühreifen, in der Jugend stark gefütterten Mastschläge von grosser Bedeutung ist. 3. Die Bewegung schafit Appetit, kräftigt daher die körperliche Entwickelung. 4. Die Bewegung begünstigt die Ausbildung des Gangwerkes und der Muskeln. Knochen, Sehnen und Gelenke werden trockener, klarer und dauerhafter. 5. Männliche Tiere bleiben länger zuchttauglich, und bei Aveib- lichen tritt eine Erhöhung der Trächtigkeitsziffer ein. Zudem werden die Geburten leichter, und die Nachkommenschaft erhält eine grössere Lebensenergie, was besonders bei Schweinen ins Gewicht fällt. 6. Krankheiten, wie Kalbefieber, Abortus, Källierdurchfall, Lecksucht, setzen während der Weidezeit entweder aus oder werden durch den Einfluss der Weide gänzlich beseitigt. Vorteilhaft ist es, wenn Weidetiere frei gehen und nicht durch irgend eine Art der Fesselung an der uneingeschränkten Bewegung gehindert werden. Indessen ist die erstere nicht immer zu entbehren, doch muss man sie dann Avenigstens so einrichten, dass sie die Tiere wenig belästigt. Als nicht empfehlenswert ist die Kopffussfesselung zu bezeichnen, bei welcher der Kopfstrick um den Vordermittelfuss (Schienbein) oder um das Fessel geschlungen wird. Solche Tiere können sich nur un- vollständig bewegen und bekommen einen kurzen, gebundenen Schritt (Fig. 191). Tiere, welche Gräben oder Hecken überspringen, tragen Eisen- kloben an einem Hinterfessel, oder nach Art der Dorfhunde Knüppel oder Stangen am Halse oder Holzgestelle, wie sie namentlich in Angeln üblich sind (Fig. 192). Endlich wiederum werden unruhige Individuen durch Ketten oder Stangen an anderen befestigt, Avas manchenorts für das Weiden der älteren Bullen sogar landespolizeilich vorgeschrieben ist. Weidetiere haben in der Kegel einen rauhen Haarpelz und Avenig runde Formen, sodass sie durch ihr Aeusseres nicht bestechen und deshalb namentlich von Laien oft falsch beurteilt werden (Fig. li>3). Das, Avas ihnen aber dann bei der Aufstauung an Körperfülle abgeht, ersetzen sie nicht nur sehr bald während der Stallfütterung, sondern sie überholen auch die bei Stallhaltung aufgcAvachsenen Individuen fast ausnahmslos in der körperlichen Entwickelung (s. S. 251). Tummelplätze können die Weiden nur insofern ersetzen, als sie IV. Weiden und Tummelplätze. 335 Fig. 191. Fussfesselung beim Weidevieli. t _ * ^^ l'^ ^ i' ; ^ Im 4^^J^:-r^ ," Fig. 192. Holzgestell, um d;is L.'i-lifisiiiiui;un zu vi-iliiin.lfiu (Aiii;l>'i- Kulu. den Tieren Abhärtung und etwas Bewegung verscliaifen, während die günstige Wirkung, welche die Weide in Bezug auf Ernährung aus- übt, bei ihnen verloren geht. Zudem fehlt den Tieren hier auch die Anregung zur Bewegung, sie stehen viel in den Ecken und 336 7. Abschnitt. Die Haltunsr der Zuchttiere. müssen erst durch besondere Aufmunterungsmittel zum Laufen ver- anlasst werden. Was die einzelnen Kategorien der Zuchttiere anlangt, so weiden ältere Hengste vereinzelt in den Marschdistrikten und ältere Bullen gewöhnlich nur so lange, als sie noch nicht böse geworden sind. Gestütsstuten gehen während des ganzen Sommers auf die Weide; Kühe kalben auf derselben, und in neuerer Zeit wendet man auch dem Weidegange bei Muttersauen eine grosse Aufmerksamkeit zu. Fig. 193. Junger Weidebulle (Simnientaler, 1 Jahr alt) mit rauhem Haarkleide und für den Laien wenig bestechendem Aeusseren. Junge Tiere können mit der Mutter die Weide beziehen, sobald es das Wetter zulässt; sollen sie sich aber auf derselben selbständig ernähren, so müssen sie ein gewisses Lebensalter erreicht haben, bevor man sie hinauslässt. Besonders sind die ersten kalten Nächte und das betaute oder bereifte Gras zu fürchten, welches bei jungen Lidividuen am ehesten Durchfälle und einen Stillstand in der Ernährung hervorruft. Inwieweit denselben für die Nacht und für die Zeit ungünstiger Witterung ein geschützter Unterstand — Schupj)en oder Stall — zu gewähren ist, hängt von ihrem Werte und von den klimatischen Ver- hältnissen der Oertlichkeit ab. Ln Gebirge hat man in den Hoch- zuchtdistrikten gute, wenn auch etwas niedrige Ställe, in den weniger V. Die Fütteruncr, Pflege und wirtschaftliche Nutzung der Zuchttiere. 337 bevorzugten Gegenden nur einfache Schuppen, während in den Mar- schen auch für die besten Zuchtprodukte jedweder Unterschlupf fehlt. Bei schlechtem Wetter legt man hier wertvollen Bullen oder Kühen, die gekalbt haben, die aus Leinwand bestehenden „Kuhdecken" auf, damit der Rücken geschützt ist. Vor dem Austriebe sind die Tiere gegebenenfalls an Weide- futter, frische Luft, Bewegung (vor dem Auftrieb auf die Alpen) und Grasen zu gewöhnen. Ebenso ist später wiederum eine Anpassung an die Stallhaltung erforderlich, denn Weidetiere leiden sehr unter der Stall wärme und umsomehr, je dichter ihr Haarpelz ist. Sie atmen daher sehr beschleunigt — bei Kühen zählte ich vier Wochen nach der Einstellung bei einer Stalltemperatur von 16'^ C. noch 65 — 70 Atem- züge, deren Zahl nach dem Scheren sofort auf 25 — 30 herabsank^) — und machen dann den Eindruck kurzatmiger Tiere. y. Die Fütterung, Pflege und wirtschaftliche Nutzung der Zuchttiere. Zuchttiere müssen anders gehalten werden als Nutztiere, damit sie fortpflanzungsfähig bleiben und eine gesunde Nachkommenschaft zur Welt bringen. Die Fütterung hat darauf Bedacht zu nehmen, dass den männ- lichen Tieren besonders zur Sprungzeit eine intensive Ernährung zu teil, und dass alles vermieden wird, was dieselben erschlafft, anmästet und ihnen eine gewisse Ungelenkigkeit verschafft. Kleien, Oelkuchenmehle, die Rückstände der technischen Nebengewerbe und gekochte Kartoffeln sind daher für Hengste, Bullen und Schafböcke nicht empfehlenswert, dagegen nehmen Hafer und Bohnen eine bevorzugte Stellung ein. Von Heu muss das beste Material gegeben werden, das man im Sommer zum Teil durch Grünfutter ersetzen kann ; bei starker geschlechtlicher Inanspruchnahme ist auch die Verabreichung von rohen Eiern in einzelnen Gegenden üblich. Während Zuchthengste in der Regel rationell ernährt werden, ist das bei Bullen sehr oft nicht der Fall, weil es bei den letzteren meist nicht nur darauf ankommt, dass sie gut decken und befruchten, sondern auch dass sie das Futter durch eine entsprechende Zunahme ihres Lebendgewichtes bezahlt machen. Man füttert sie daher wie Kühe und beseitigt sie oft so schnell als möglich, sodass sie dann schon vor Ablauf des dritten Lebensjahres der Zucht entzogen werden. ^) Das Gewicht der Haare betrug IV2 kg- Pusch, Allgemeine Tierzucht. 22 338 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Gegen diese Uebelstände ist unentwegt geschrieben und gesprochen worden, und doch lassen sich Fortschritte hierin nur da verzeichnen, wo die Bullen Gemeinden, Genossenschaften oder solchen Privaten gehören, welche den Wert guter Vatertiere für die Zucht zu würdigen verstehen. Was die den männlichen Zuchttieren notwendige Bewegung an- langt, so wird sie den Hengsten und Schafböcken eher verschafft, als den Bullen und Ebern. Hengste werden in der Privatpferdezucht, namentlich soweit es die Kaltblüter betrifft, angespannt und im Staatsbesitz unter dem Reiter bewegt. Dass die Bewegung ungemein günstig auf das Be- fruchtungsvermögen einwirkt, ist allgemein anerkannt, nur lässt sie sich in den Landgestüten, wie das vielfach gefordert wird, in ausge- dehnterem Masse, als das jetzt geschieht, ohne erhebliche Vermehrung des Wärterpersonals nur schwer oder nicht durchführen. Der Umstand, dass die Deckhengste in Oldenburg im Winter oder auch während des ganzen Jahres keine oder keine genügende Bewegung haben und trotzdem sehr gut befruchten, kann gegen die Notwendigkeit der letz- teren nicht ins Feld geführt werden, denn hier ist ein so befruchtungs- sicheres , homogenes Stutenmaterial vorhanden , dass die ersteren gegenüber letzterem wenig Schwierigkeiten zu überwinden haben. Wertvollen Bullen verschafft man Bewegung , indem man sie auf die Weide schickt oder auf Tummelplätze bringt; vorteilhaft ist auch Arbeit, obgleich man diese deshalb nicht immer bieten kann, weil die Anspannung älterer und nicht mehr frommer Bullen Schwierig- keiten und auch Gefahren in sich schliesst. Dass Hengste und auch Bullen während der Sprungzeit nicht bis zur Erschöpfung arbeiten dürfen , ist einleuchtend , kommt aber vielfach bei den Tieren der öffentlichen Bullenhalter vor, die von den Mitgliedern der Genossenschaft oft ein so kärglich bemessenes Deck- geld oder Jahresfuttergeld beziehen, dass sie die Arbeitsfähigkeit der Bullen bis zum Aeussersten ausnutzen müssen. Einen Masstab hat man daran, dass Arbeitsbullen nicht so eckig wie Zugochsen, sondern etwas runder aussehen müssen (s. Fig. 55). Was die weiblichen Zuchttiere anlangt, so ist bei ihnen eine weniger intensive Ernährung am Platze, weil das Körpergewicht und die Lebensfähigkeit der neugeborenen Jungen beinahe im Gegensatz stehen zur Wohlbeleibtheit der Muttertiere. Fette Stuten, Kühe oder Sauen haben weniger Milch als magere, und ausserdem erkranken die ersteren auch viel eher, wenn das Geburtsgeschäft schwer von statten ging. Anderseits kann es aber auch nicht als ratsam bezeichnet werden, V. Die Fütterung, Pflege und -wirtschaftliche Nutzung der Zuchttiere. 339 tragende Tiere schlecht zu füttern, wie man das in ärmlichen Gegenden und auch in futterarmen Jahren sieht; denn der Leib der tragenden Mutter ist als die Krippe des jungen Tieres zu betrachten. Man vermeide daher grosse Mengen gehaltlosen Rauhfutters, welche ausser- dem den Leib anfüllen und die Atmung beengen. Gefährlich sind ferner blähendes und stopfendes Futter — nasses Grünfutter, geiler Klee, Leguminosenschrot — , ferner bereiftes und angefrorenes Futter — Gras, Rüben, Kartoffeln — im unaufgetauten Zustande und solche Kraftfuttermittel, welche Verfälschungen ausgesetzt sind und Reizstoffe enthalten, die auf die Geschlechts- und Harnorgane wirken und be- sonders bei dem dazu neigenden Rinde Frühgeburten hervorrufen. Bekömmlich ist tragenden Tieren gutes Grünfutter, besonders aber der Weidegang, ferner Hafer, Gerstenschrot, Kleien, Lein-, Palmkern- , Erdnuss- und Kokosnusskuchen im unverdorbenen , und Treber, Schlempe und Schnitzel im getrockneten Zustande, ferner Rüben, Kartoffeln und gutes Rauhfutter. Für Schweine kommen noch die Molkereirückstände hinzu. Stuten pflegt man bis kurz vor dem Fohlen einzuspannen, mit Ausnahme der Gestütsstuten, die ja überhaupt nicht arbeiten und auch nur knappe Rationen beziehen — 1^2 bis 2 Kilo Hafer neben Heu oder Grünfutter. Arbeitsstuten müssen schonend gebraucht werden, namentlich muss man sie schützen vor übermässig schnellen Gangarten, heftigem Anziehen, Ausgleiten, tiefem Eintreten in aufgeweichtem oder auf- getautem Boden und vor Deichselstössen und roher Behandlung. Zu vermeiden ist besonders für Stuten alles blähende und stopfende Futter, weil Koliken tragender Stuten, die übrigens nicht mit den beginnenden Wehen verwechselt werden dürfen, meist in sehr schwerer Form auftreten und oft zum Tode führen. Tragenden Kühen bekommt leichte Feldarbeit ebenfalls vorzüglich, nur muss man im Gebrauche auch ähnlich vorsichtig sein, wie bei Stuten. Legt man auf eine gute, gesunde Nachzucht Wert und hat man nicht nur im Auge, durch das Abkalben frischmilchende Kühe und Schlachtkälber zu erhalten , so darf man die Milchleistung mit Hilfe einer sehr intensiven Fütterung nicht auf die Spitze treiben, weil in solchen Stallungen, besonders wenn neben hohen Kraftfutter- gaben Schlempe, Schnitzel oder Biertreber im frischen Zustande und in grossen Mengen verabreicht Averden, alle die Krankheiten leicht ihren Einzug halten, welche als Kälberdurchfall , seuchenhaftes Ver- werfen und Kalbefieber den Schrecken der Züchter darstellen, und be- 340 '7- Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. sonders da einschneidend wirken, wo die Stallhaltung auch nicht für kurze Zeit durch den so heilsamen Weidegang unterbrochen werden kann. Emijfehlenswert ist es, die Kraftfuttergaben mit dem Fort- schreiten der Trächtigkeit allmählich zu verringern und vier Wochen vor dem Abkalben entweder gänzlich einzustellen oder sie auf täglich ^ji bis ^J2 kg Leinmehl zu beschränken. Eine geschraubte Milchleistung kommt bei Zuchttieren auch der Verbreitung der Tuberkulose sehr zu Hilfe , wie sie denn überhaupt zu vorzeitiger Erschlaffung des Organismus führt. Bei tragenden Schafen muss man mit der Verfütterung wässriger Futtermittel — Schlempe, Schnitzel, Kartoffelpülpe — vorsichtig sein, will man Bleichsucht und Blutwässrigkeit verhüten, und tragende Sauen müssen in Rücksicht auf die spätere Milchleistung eher etwas knapp als zu üppig ernährt werden. TL Die Fütterung und Pflege der Muttertiere kurz vor und nach der Geburt. Die herannahende Geburt gibt sich durch Einfallen der Kruppen- muskeln (s. Fig. 94) und Anschwellung des Euters zu erkennen ; im einzelnen Falle kann es sogar nötig werden , Kühe vor dem Kalben abzumelken. Gebärende Tiere sollen Platz haben und weich und dabei nicht in der Zugluft liegen. Man bringt daher Stuten in Verschlage, Sauen in eigene Buchten und schafft Rindern, wenn sie eng stehen, dadurch Raum, dass man eins der benachbarten Tiere wegbindet. Stuten soll man ausserdem lose gehen und ihnen auch die Eisen abnehmen lassen, das erstere deshalb, damit dieselben, falls das Junge, was bisweilen vorkommt, in den geschlossenen Eihäuten geboren wird, diese aufbeissen und das Fohlen somit instinktiv vor dem Erstickungs- tode bewahren können. Tiere, die dicbt vor dem Gebären stehen, müssen Ruhe haben, damit sich die Wehen nicht vorzeitig einstellen , besonders ist ein Aufschrecken, plötzliches Aufjagen etc. zu vermeiden. Dass die Wärter während der Nacht häufiger nach den hochtragenden Individuen sehen müssen, ist selbstverständlich. In Bezug auf Verabreichung von Futter und Getränk ist in diesem Stadium besondere Vorsicht am Platze. Schwer verdauliche Nahrung und sehr kaltes Wasser sind zu vermeiden. Das Stroh soll reichlich und ausserdem soll ein guter, reiner, dünner VII. Die Fütterung und Pflege der Neugeborenen. 341 Strick und während der Nacht auch hinreichend Licht vorhanden sein, auch darf Waschgelegenheit und ein sauberes Handtuch nicht fehlen. Ist das Junge geboren, so wird es der Mutter zum Ablecken hingelegt, doch ist hierbei Vorsicht geboten, weil manche Stuten und Kühe die eigenen Sprossen mit den Füssen oder Hörnern bearbeiten, sodass man die Jungen entweder entfernen oder die Mutter beobachten und oft auch strafen muss. Sauen pflegen bisweilen ihre Ferkel zu fressen. Die Neigung zum Belecken kann man durch Bestreuen der jungen Tiere mit Salz oder Kleie verstärken. Der Geburtsakt hat das Muttertier gewöhnlich in Schweiss ge- bracht und umsomehr, je schwerer die Geburt vor sich ging. Man muss dasselbe daher abreiben oder bedecken, auch kann man ihm eine Stärkung in Form von lauwarmem Mehl- oder Kleiesaufen verab- reichen. Zugluft ist zu vermeiden, ebenso aber auch übermässig warme und dabei schlechte Luft, die einem in manchen Ställen geradezu das Atmen erschwert. Ist die Nachgeburt abgegangen, so ist diese mit dem besudelten Streumaterial zu entfernen. Die Fütterung muss dann während einiger Tage noch etwas knapper und das Futter dabei leicht verdaulich sein, weil die Tiere noch geschwächte Verdauungsorgane und eine schlaffe Bauchmuskulatur besitzen. Hohe Kraftfuttergaben dürfen daher auch nur allmählich wieder zur Anwendung kommen. Koliken bei Stuten, die gefohlt haben, führen verhältnismässig häufig zum Tode. YII. Die Fütterung und Pflege der Neugeborenen. Sofort beim Austritte des jungen Tieres aus den Geburtswegen erfolgt die Zerreissung des Nabelstranges, weil die Tragkraft des- selben geringer ist als das Gewicht des Jungen. Die Nabelwunde überlässt man gewöhnlich sich selbst und sieht auch dann nur selten Nachteile, wenn das Durchreissen leicht vor sich ging und spezifische Ansteckungsstoflfe fehlen. In manchen Jahren reisst aber der Nabelstrang nur sch^ver durch, bedingt durch Umstände, die auf einer festeren, ursächhch unbekannten Beschaffenheit des Bindegewebes beruhen, und da muss man, um Zerrungen und Entzündungen zu verhüten, die Nabelschnur mit einem Messer durchtrennen. Will man möglichst sicher gehen, so verwende man stets das Messer, wie es auch in Gestüten fast aus- nahmslos geschieht, unterbinde dann den Stumpf, behandle ihn mit 342 7. Abschnitt, Die Haltung der Zuchttiere. desinfizierenden Mitteln und bestreiche ihn mit Holzteer, wenn man die Anlegung einer Bandage zu umständlich findet. Dass Messer und Schnur rein sein müssen, ist selbstverständlich, deshalb muss man beide vorher in eine desinfizierende Flüssigkeit legen oder in kochendes Wasser halten. Unsaubere Instrumente schaden mehr, als sie nutzen. In einem mir bekannten Falle hatte ein Züchter zum Unterbinden des Fohlen- nabels eine Rolltabakschnur genommen und dadurch eine heftige Nabelentzündung hervorgerufen. Ist das Junge von der Mutter abgeleckt oder trocken ge- rieben, so wird es an das Euter derselben gebracht, wo es die erste, die Kolostralmilch, erhält, welche mit ihrer leicht abführenden Wirkung für Entfernung der im Darmkanal vorhandenen, klebrigen Massen — Darmpech — sorgt. Bisweilen stellen sich Muttertiere so unfreundlich zu ihrer Nach- kommenschaft, dass sie das Junge überhaupt nicht an das Euter lassen oder ihm doch wenigstens in einem unbeobachteten Augenblick durch Schlagen, Stossen oder Beissen Schaden zufügen. Teils handelt es sich um kitzlige, erstgebärende Mütter, die durch ruhige oder auch leicht strafende Behandlung bald fromm und willfährig werden, teils aber auch um gewohnheitsmässige, inkurable Untugenden, die besonders eine Stute zur Zucht untauglich machen, denn die Ernährung der Fohlen mit Kuhmilch ist einmal kostspielig, fernerhin umständlich und endlich auch deshalb mindestens nicht vorteilhaft, weil diese bei Kuhmilch immer weniger gut gedeihen, als wenn dieselben die ihnen zuträglichere Milch der eigenen Mutter erhalten. Bei Kälbern ist es in neuerer Zeit mehr und mehr üblich ge- worden, sie nicht am Euter der Mutter saugen zu lassen, sondern sie aus dem Kübel zu tränken , damit das Absetzen dann leichter von statten geht. Dabei erhält das Kalb in den ersten drei Tagen in 2 — 3 Rationen täglich etwa 3 — 6, später bis zu 10 kg Milch in kuhwarmem Zustande, was '^js — V^ des Körpergewichtes entspricht. Ehe man mit dem Tränken beginnt, kann man einige Stunden vergehen lassen und die Kuh auch oberflächlich abmelken; die Nei- gung zu Durchfällen ist dann geringer. Reinlichkeit der Gefässe ist natürlich erforderlich, am meisten empfehlen sich emaillierte Eimer, die leicht ausgewaschen werden können, und die man zur Verhütung des Umwerfens in ein passendes Holzgestell setzen kann, wie dies in den Marschen üblich ist. Ferner benutzt man auch Saugapparate , die entweder an der VII. Die Fütterung und Pflege der Neugeborenen. 343 Wand hängen oder auf dem Fussboden stehen (Fig. 194 und 195), doch srewöhnen sich die Kälber dann nicht so leicht an die Futter- Fig. 194. Kälbersaugapparat von Vick in Schwerin. (Aus Nörner.) aufnähme, als wenn sie aus einem gewöhnlichen Eimer getränkt werden, der ausserdem leichter zu reinigen ist. Dort, wo man die Uebertragung der Tuberkulose durch Verabreichung der Mutter- milch befürchten muss, ist letztere unter Zu- satz von etwas Salz möglichst mittels Dampf zu kochen, nachdem man dem Kalbe die Kolo- stralmilch in den ersten 24 Stunden roh ge- geben hat. Die Lebendgewichtzunahme ist zwar dabei etwas geringer als bei der Verab- reichung von roher Milch ^)^), doch muss dieser Nachteil im Interesse der Sanierung tuberkulöser Bestände mit in den Kauf genommen werden. Muttersauen setzen dem Saugen der Ferkel gewöhnlich dann weniger Widerstand entgegen, wenn letzteren die scharfen Milcheck- und Hakenzähne mit der Zange abgekniffen worden sind. ^) Strebel, Die Hohenheinier Rindviehherde. Find-PIieningen 1901. S. 37. ^) Mündl. Mitteilungen aus der ungarischen Gestütswirtschaft Bäbolna. 1 9 C> . Kalb (j i's a u gapp arat . (Hauptner-Berlin.) 344 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Ausser dem Umstände, dass Stuten oder Sauen niclit säugen lassen, und sich dann, wenn Ammen dafür nicht zu haben sind, die Ernährung mit Kuhmilch erforderlich macht, kann letztei-e notwendig werden, wenn Stuten oder Sauen bei oder kurz nach der Geburt um- stehen oder aber auch, wenn sie zu wenig oder keine Milch haben. Bei Kühen und Schafen liegen die Verhältnisse einfacher, denn bei Schafen sind Ammen fast immer vorhanden, während Kälber wenigstens immer Kuhmilch erhalten können, die, weil von Tieren ihrer eigenen Gattung stammend , ihnen auch dann bekömmlich ist, wenn die Milchspenderinnen sich in einer vorgeschrittenen Laktations- periode befinden. Fehlt für Fohlen, Ferkel und Zickel aber die Muttermilch aus irgend einem Grunde, so muss man Ersatz in der Kuhmilch suchen, und da fragt es sich immer, wie man dieselbe verabreichen, ob man sie mit Wasser verdünnen und ob man sie mit Zusätzen versehen soll. Notwendig ist eine kuhwarme Milch, deren weitere Präparation sich aus der chemischen Zusammensetzung der Milch der verschiedenen Tiergattungen unter Berücksichtigung der praktischen Erfahrung er- gibt, wobei aber in erster Linie zu beachten bleibt, dass der Schwer- punkt mehr in Art der Darreichung — Wärmegrade und Sauber- keit — als in derjenigen der Verdünnung oder in der Qualität der Zusatzmittel liegt. Es enthält a) die Kuhmilch . . 3,70 Eiweiss, 3,40 Fett, 4,50 Milchzucker, 0,75 Asche. b) die Stutenmilch . 1,90 „ 1,10 , 6,10 „ 0,40 „ c) die Schweinemilch 5,75 , 6,68') „ 2,80 , 0.70 „ Die Stutenmilch ist demnach ärmer an Asche, Eiweiss und Fett als die Kuhmilch, dagegen reicher an Milchzucker, weshalb man diese, ähnlich wie bei ihrer Verabreichung an Kinder, verdünnen und süssen müsste. Die Verdünnung empfiehlt sich aber nur während der ersten 2 — 3 Tage, denn später bekommt den Fohlen die reine kuhwarme Milch besser als die mit Wasser versetzte, nach deren Aufnahme sie viel urinieren und sich nicht genügend körperlich entwickeln. Fohlen vertragen sogar sehr l)ald noch eine Beigabe von Hühnereiern, die man der Milch zuquirlt. Schweinemilch enthält im Gegensatz zur Stutenmilch mehr Ei- weiss und Fett als die Kuhmilch, während die Untersuchungen über ') Petersen und Oetken (Milchzeitung 1896, S. 665 u. 736) stellten den Fettgehalt der Schweinemilch auf durchschnittlich 6,87 "o fest und kon- statierten Schwankungen bis zu 12°/"- VII. Die Fütterung und Pflege der Neugeborenen. 345 den Gehalt an Milchzucker sehr verschieden lauten. Nach Berichten aus der Versuchsstation Wisconsin^) beträgt derselbe 5,16°/o, während Backhaus^) seine Menge nur auf 2 — 3*^n angibt. Man müsste der Kuhmilch daher Eiweiss und Fett zusetzen, was Backhaus durch eine Mischung von Eiweiss, Nährsalzen und Hafermehl erreichen will, die er als Ferkelmehl in den Handel bringen lässt. Da die Ernährung der Ferkel mit Hilfe eines Teelöffels oder eines Saugpfropfens viel Mühe macht, und die Tierchen, denen die Wärme der Mutter fehlt, auch nach dieser Richtung hin sehr gepflegt werden müssen, so zieht man es in grösseren Schweinehaltungen viel- fach vor, dieselben, sofern man sie nicht einer anderen Sau unter- schieben kann, zu töten. Zickel gedeihen bei Kuhmilch ebensogut als bei Ziegenmilch. Die tägliche Gewichtszunahme während der Saugezeit bezw. Milch- ernährung beträgt bei Kälbern 1 — 1 ^j2 kg, bei Ferkeln bis zu 250 g, bei Lämmern 100 — 170 g und bei Zickeln 100 — 125 g. Das Absetzen der jungen Tiere geschieht in Rücksicht auf die wirtschaftlichen und züchterischen Verhältnisse zu verschiedenen Zeiten. Gestüts fohlen, deren Mütter nicht arbeiten, bleiben ca. 5 Monate bei denselben; in der Hauspferdezucht findet die Entwöhnung aber bereits nach 3 — 4 Monaten statt. Inzwischen haben die Fohlen Hafer und Heu aufnehmen gelernt, sodass die Entziehung der Milch ihrem weiteren körperlichen Gedeihen keinen Abbruch tut. Im ersten Jahre darf dann besonders am Hafer nicht gespart werden , und ist die tägliche Ration je nach dem Blutgrade und der Frühreife der Tiere auf 3 — 5 kg zu bemessen. Kälbern reiche man die Muttermilch 3 — 8 Wochen, je nachdem ob es sich um Kuh- oder Bullenkälber handelt, und gehe allmählich zum Ersatz der Vollmilch durch Magermilch oder zur reinen Pflanzen- nahrung über. Gewöhnlich bricht man aber mit der Milch in bäuerlichen Zuchten aus falscher Sparsamkeit zu früh ab und bringt dadurch die Tiere oft für Monate in ihrer Entwickelung zurück. Sie verlieren das Fleisch, bekommen grosse Bäuche , schlechte Rücken und grosse Köpfe und machen den Eindruck vorzeitig gealterter Individuen (s. Fig. 188 und 189). Vorzügliche Milchersatzmittel sind Leinmehl und namentlich Hafermehl, dessen Nährwirkung und Bekömmlichkeit weder vom Gerstenschrot noch von den Kleien erreicht wird. ') Mitteilungen der Vereinigung deutscher Schweinezüchter 1902. S. 202. ~) Desgl., S. 152. 346 7. Abschnitt. Die Haltung der Zuchttiere. Umgekehrt erhalten die Kälber in den Aufzuchtdistrikten sehr lange Muttermilch, die Bullen oft bis zum Alter von einem Jahre. Hier- durch entwickeln sich bei sonstiger Anlage zwar vornehme Figuren (s. Fig. 186), in Bezug auf Konstitution und Widerstandsfähigkeit aber auch nicht selten Treibhauspflanzen, die, in nicht gleich günstige Haltungsverhältnisse gebracht, dann dem neuen Besitzer wenig Freude machen. Dass eine derartige, kostspielige Aufzucht nur dann rentieren kann, wenn hohe Verkaufspreise erzielt werden, ist selbstverständlich. Für Kälber empfehlen sich nach dem Absetzen ausser Hafer und Leinmehl, Maisschrot, Gerstenschrot, Kleien, Malzkeime neben etwas Rüben, Wiesenheu, Kleeheu und für weibliche Tiere, die sich im Alter von 8 — 10 Monaten befinden, auch die verschiedenen Spreuarten. In den Marschdistrikten bildet Bohnenschrot ein beliebtes Beifutter. Rapskuchen, Baumwollsaatmehl, Schlempe, Treber und Schnitzel im frischen Zustande sind dagegen bei der Kälberaufzucht zu vermeiden. Die Kraftfuttergabe kann man bei Verabreichung von gutem Wiesen- oder Kleeheu bei mittelfrühreifen, bis zu einem Jahre alten Kuhkälbern auf täglich 1 — 2 und bei Bullenkälbern auf 2 — 4 kg be- messen, während Tiere, die in Hochzuchtdistrikten für den Verkauf prä- pariert werden, oft tägliche Mengen von 5 — 6 kg und darüber verzehren. Ferkel werden im Alter von 6 Wochen von der Mutter ge- nommen. Inzwischen lernen die Tierchen Gerste, Hafer oder Weizen fressen und nehmen auch gern unabgerahmte Kuhmilch auf, die man ihnen aber warm und möglichst vorher abgekocht darreichen soll, und die dann später durch Magermilch ersetzt wird. Dem grossen Bedürfnis der Ferkel nach erdigen Substanzen trägt man Rechnung, wenn man diesen Erde, Sand, Lehm oder Teich- schlamm neben Kohlenschlacken zur Verfügung stellt, von denen sie bei ihren Wanderungen auf der Stallgasse oder nach dem gemein- samen Futterplatze nach Belieben aufnehmen. Mey er-Friedrichs werth \) empfiehlt auch die Wände der Buchten alle 14 Tage mit Kalkmilch zu bestreichen, damit die Tierchen daran knabbern können. Nach der dauernden Trennung von der Mutter haben sich Hafer, Gerste, Mais, junger Klee, Luzerne neben Magermilch und Kartofi'eln als besonders zuträglich erwiesen. Schaflämmer pflegt man mit 10 — 14 Wochen und Zickel mit 6 — 10 Wochen abzusetzen. ') Mays Schweinezucht. Parey-Berlin 1896. S. 119. Anlagen. I. Körscheine. 349 Anlaue 1. Provinz Sclileswig-Holsteiu. — Hengst-Körbezirk II umfassend den Zuchtdistrikt des Verbandes der Pferdezüchter in den Holsteinischen Marschen, e. G. m. b. H. No. Köniügsschein. Dem Herrn in Kreis wird hiermit für das Jahr die Erlaubnis erteilt, seinen nachstehend bezeichneten Hengst decken zu lassen : Name und No. im Gestütsbuch der Holsteinischen Marschen Geburtsjahr Grösse Bandmass cm Farbe und Abzeichen Abstammung Ort Datum Die Körungs-Kommission des Kreises Gebühren 15 Mk. 350 Anlagen. Anlasje 2. Königreich Saclisen. No. des Verzeichnisses. Körschein. Von der Körkommission der Königlichen Amtshauptmannschaft ist heute ein de gehöriger Zuchtbulle Alter: Rasse : Farbe : Besondere Kennzeichen: geprüft und für tüchtig und zulässig zur Zucht erklärt worden. Die Gültigkeit dieses Scheines erlischt mit dem Ablauf von zwei Jahren vom heutigen Tage ab gerechnet. , den Königliche Amtsliauptmanuscliaft. II. Körordnungen. 351 Anlage 3. Körordnuiig für Hengste. liekauntmacliungen des Köuigliclieü Ober-Präsidenten der Provinz Brandenburg. Polizeiverordnung, betreffend die Körung der Hengste. Auf Grund des § 137 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Ges.-S. S. 195), .sowie der §§ 6, 12 und 15 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (Ges.-S. S. 2G5) wird für den Umfang der Provinz Brandenburg ausschliesslich der Stadtkreise Charlottenburg, Schöne- berg und Rixdorf unter Zustimmung des Provinzialrates folgendes verordnet: § 1- Zur Deckung von Stuten dürfen nur Hengste verwendet werden, welche von dem zuständigen Schauamte für tauglich zur Zucht befunden — angekört — sind. §2. Ausgenommen sind: 1. Die Königlichen Haupt- und Landbeschäler. 2. Hengste, welche sich im Besitze von Pferdezuchtvereinen befinden und mit Hilfe einer Staatsunterstützung nach vorheriger Begutachtung durch einen Königlichen Gestütsbeamten angekauft sind, solange die Rückzahlung des aus Staatsmitteln gewährten Darlehns noch nicht vollständig erfolgt ist, die Hengste daher noch dauernd unter staatlicher Aufsicht stehen. 8. Ehemalige Haupt- und Landbeschäler, welche von der Gestüts Verwaltung an Züchter abgegeben sind, sofern die Tauglichkeit zur Zucht durch eine Be- scheinigung der verkaufenden Gestütsverwaltung nachgewiesen wird. 4. Vollbluthengste, für deren Benutzung ein Deckgeld von mindestens 50 Mk. beansprucht und gezahlt wird. 5. Hengste, welche nur einem Eigentümer gehören und von ihm lediglich zum Decken eigener Stuten verwendet werden. 6. Hengste, welche einer Erbengemeinschaft gehören und lediglich zum Decken der der Gemeinschaft als solcher gehörenden Stuten verwendet werden. Die vom Körzwange befreiten, unter 2, 3 und 4 genannten Hengste sind den Schauämtern bei den regelmässigen Körterminen vorzustellen. §3. Jeder Kreis bildet einen Körbezirk. Die Stadtkreise Potsdam und Spandau werden dem Kreise Osthavelland, der Stadtkreis Brandenburg dem Kreise West- havelland, der Stadtkreis Frankfurt a. 0. dem Kreise Lebus, die Stadtkreise Landsberg a. W., Guben und Kottbus den gleichnamigen Landkreisen, der Stadt- kreis Forst dem Kreise Sorau zugerechnet. Scheidet in Zukunft eine Stadt aus einem Kreise aus, so werden die Grenzen des Körbezirkes hierdurch nicht ge- ändert. 352 Anlagen. §4. Für jeden Körbezirk wird ein Schauamt gebildet, welches besteht aus: 1. Dem Landrate oder einem vom Kreistage auf sechs Jahre zu wählenden Stellvertreter als Vorsitzenden. 2. Dem Vorsteher des beteiligten Königlichen Landgestüts oder seinem von der landwirtschaftlichen Verwaltung zu ernennenden Stellvertreter. 3. Einem von dem Vorstande der Landwirtschaftskammer für die Provinz Brandenburg auf sechs Jahre zu wählenden Mitgliede, welches mehreren Schau- ämtern angehören kann, oder dessen Stellvertreter. 4. Einem vom Kreistage auf sechs Jahre zu wählenden Mitgliede oder dessen Stellvertreter. 5. Einem von dem Regierungspräsidenten tunlichst aus der Zahl der Kreis- tierärzte zu ernennenden Tierarzte, welcher nur beratende Stimme hat. Die gewählten Mitglieder bleiben auch nach Ablauf der Wahlperiode so lange in Tätigkeit, bis Neuwahlen erfolgt sind. Scheidet ein Mitglied im Laufe der Wahlperiode aus, so tritt für den Rest derselben der Stellvertreter ein. §5. Das Schauamt, welches bei Besetzung mit mindestens drei stimmberechtigten Mitgliedern beschlussfähig ist, entscheidet nach Stimmenmehrheit. Mitgliedei*, welche an dem Ausfall der Körung beteiligt sind, haben sich der Stimme zu enthalten. Als beteiligt gilt das Mitglied einer Hengsthaltungs- genossenschaft, wenn es sich um die Körung eines Hengstes seiner Genossen- schaft handelt. Bei Stimmengleichheit ist der Hengst abgekört — nicht zur Zucht zu- zulassen. Die Entscheidungen sind endgültig, sie werden protokolliert, jedes stimm- berechtigte Mitglied erhält auf Antrag eine Abschrift des Protokolles von dem Landrate. §6. Ist ein Mitglied des Schauamtes am Erscheinen im Körtermine behindert, so hat es sofort nach Eintritt des Behinderungsgrundes dem Stellvertreter und dem Landrate schriftliche Anzeige zu erstatten. Der Emi^fang des Schreibens gilt für den Stellvertreter als Aufforderung zur Wahrnehmung des Körtermines. §7. Das Schauamt tritt in den Monaten Oktober, November oder Dezember jeden Jahres in Tätigkeit. Ort, Tag und Stunde des Zusammentritts wird vom Landrate nach Vereinbarung mit den in § 4 zu 2 und 3 bezeichneten Mitgliedern mindestens 14 Tage vorher durch das Kreisblatt, in den Stadtkreisen durch die für amtliche Bekanntmachungen bestimmten Blätter bekannt gemacht. §8. Die vorzustellenden Hengste sind bis Ende September jeden Jahres unter Vorlegung eines nach dem beigefügten Muster A angefertigten Nationales und unter Bezeichnung des Ortes der ständigen Aufstellung bei dem für den Auf- stellungsort zuständigen Landrate anzumelden. n. Körorclnungen. 353 §9. Wünscht der Besitzer eines Hengstes vor oder nach dem gemäss § 7 an- beraumten Termine den Zusammentritt des Schauamtes, so kann der Landrat einen Termin für die Sonderkörung ansetzen. Die Kosten des Termins trägt der Antragsteller. § 10. Es dürfen nur Hengste angekört werden, welche bei Beginn der Deckzeit das dritte Jahr vollendet haben und frei von Erbfehlern sind. § 11- Die Körung muss jedes Jahr erneut werden. Die Entscheidungen des Schauamtes gelten nur bis zum nächsten regelmässigen Körtermin. Dies trifft auch bei Sonderkörungen zu. Abgekörte Hengste dürfen nicht vor dem regelmässigen Körtermine des nächsten Jahres einem Schauamte der Provinz wieder vorgestellt werden. § 12. Der Landrat veröffentlicht das Nationale der angekörten Hengste, den Ort der Aufstellung, sowie die Höhe des Deckgeldes und übersendet die Bekannt- machung, sowie das Nationale der abgekörten Hengste dem Vorstand der Land- wirtschaftskammer, welcher das Ergebnis der Körungen und Abkörungen in der Provinz in seinem amtlichen Organe zusammenstellt. § 13. Die Höhe des Deckgeldes, welches der Besitzer bei der Körung angibt, kann während der gleichen Deckperiode weder erhöht noch herabgesetzt werden. § 14. Die angekörten Hengste dürfen vorbehaltlich der Bestimmung des § 15 nur in dem Kreise, in welchem die Körung erfolgt ist, zum Decken benutzt werden. Eine Veränderung des für jeden Hengst bekannt gegebenen Standortes ist innerhalb des Kreises zulässig, wenn sie eine W^oche zuvor dem Landrate an- gezeigt ist. Der Landrat macht den Tag der Anzeige, den neuen Standort und den Namen des etwaigen neuen Besitzers unter genauer Bezeichnung des Hengstes bekannt. § 15. Bei der Verlegung des Standortes eines angekörten Hengstes in einen anderen Kreis muss eine Neukörung stattfinden, sofern der Landrat des neuen Standortes nicht den Besitzer hiervon entbindet. Die Verlegung ist von dem Landrate bekannt zu machen. § 16. Von jedem Besitzer eines angekörten Hengstes ist nach dem beigefügten Muster B ein Beschälregister anzulegen, in welchem die von dem Hengste ge- deckten Stuten zu verzeichnen sind. Das Register wird mit dem Ablauf der Beschälzeit, spätestens am 31. Juli jeden Jahres geschlossen und dem Land- rate übersandt. Pusch, Allgemeine Tierzucht. 23 354 Anlagen. § 17. Füi' die dem Schauamte vorgeführten Hengste werden zur Besti'eitung der Kosten des Körgeschäftes folgende Gebühren erhoben: 1. Für jeden angekörten Hengst a) das erste Mal 10 Mark, b) jedes spätere Mal 5 Mark; 2. für jeden abgekörten Hengst 3 Mark. Für Sonderkörungen werden ausser den Kosten des Termines Gebühren nicht erhoben. § 18. Die Besitzer von Hengsten, welche dieselben den Bestimmungen der §§ 1 und 2 zuwider zum Decken von Stuten verwenden oder hergeben, werden für jeden Einzelfall mit einer Geldstrafe von 30 bis 60 Mark belegt. Die gleiche Strafe trifft den Besitzer von Stuten, welcher sie den gedachten Bestimmungen zuwider einem nicht angekörten Hengste zuführt oder zuführen lässt. Uebertretungen der §§11, 13, 14, 15 und 16 dieser Polizeiverordnung werden mit einer Geldstrafe von 1 bis 60 Mark geahndet, § 19. Diese Polizeiverordnung tritt unter gleichzeitiger Aufhebung der Polizeiver- ordnungen vom 14. April 1891 (Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam S. 170, Extrabeilage zu Stück 20 des Amtsblattes der Königlichen Regierung zu Frankfurt a. 0.) und vom 22. Januar 1892 (Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam S. 43, Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Frankfurt a. 0. S. 21) am 1. Januar 1902 in Kraft. Potsdam, den 13. Juli 1901. Der 0 b e r - P r ä s i d e n t. II. Körordnungen. 355 Alllage 4. Körgesetz für Bullen, Eber und Ziegenböcke. besetz. (Vom 12. Mai 1896.) Die Haltung der Zuchtfarren, Zuchteber und Zuclitböcke betreffend. Friedrich, von Gottes Gnaden Grossherzog von Baden, Herzog von Zähringen. Mit Zustimmung Unserer getreuen Stände haben Wir beschlossen und verordnen wie folgt: I. Abteilung-. Allgemeiner Teil. § 1. Farren und Eber dürfen zur Paarung nur nach Erteilung eines Körscheins verwendet werden. Auf den Probesprung, sowie auf die Paarung von Tieren, die sich in der Hand desselben Besitzers befinden, kommt die vorstehende Bestimmung nicht in Anwendung. §2. Für Farren und Eber düi'fen Köi'scheine nur erteilt werden, wenn die betreffenden Tiere gesund, sprungfähig, und von Fehlern, die sich zu vererben pflegen, frei sind, eine ihrem Alter und ihrer Rasse entsprechende Körperent- wickelung besitzen und der in der Gemeinde massgebenden Zuchtrichtung ent- sprechen. Die Entscheidung, ob die bestehende Zuchtrichtung eine Aenderung er- fahren soll, trifft unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und Bodenver- hältnisse der Gemeinderat mit Zustimmung der Mehrheit der Viehbesitzer, die zugleich mehr als zwei Drittel des Viehstandes der Gemeinde besitzen. §3. Der Körschein kann zu jeder Zeit zurückgezogen werden, wenn das Zucht- tier, für welches derselbe ausgestellt ist, zur Zucht untauglich oder in einer Ge- meinde aufgestellt wird, deren Zuchtrichtung dasselbe nicht entspricht. §4. Wer den Bestimmungen des § 1 und den zum Vollzuge derselben er- gangenen Bestimmungen zuwider Farren oder Eber zur Zucht verwendet oder verwenden lässt, ferner wer den Körschein einem anderen unbefugterweise zum Gebrauche überlässt, wird an Geld bis zu 150 Mark bestraft. 356 Anlagen. II. Abteilung:. Farrenhaltung der Gemeinden. §5. Die Gemeinden, in welchen Rindviehzucht getrieben wird, sind verpflichtet, die zu diesem Behufe erforderljchen Zuchtfarren anzuschaffen und zu unterhalten. § 6. Die Zahl der von der Gemeinde aufzustellenden Farren ist so zu bemessen, dass auf einen Farren regelmässig nicht mehr als 80 sprungfähige weibliche Tiere (Kühe und Kalbinnen) und wenn die Zahl dieser Tiere in der Gemeinde auf mindestens 400 sich beläuft, nicht mehr als 100 sprungfähige weibliche Tiere entfallen. In Gemeinden, in welchen Weidegang stattfindet und die Farren mit der Herde gehen, muss während der Zeit des Weideaustriebs mindestens ein Farren im Ort aufgestellt bleiben. §7. Für die Bemessung der Zahl der zu haltenden Farren ist das Ergebnis der letzten in der Gemeinde stattgehabten regelmässigen Viehzählung insolange massgebend, als nicht durch eine auf Veranlassung des Bezirksamts oder des Gemeinderats vorgenommene ausserordentliche Zählung dargetan wird, dass das- selbe den Verhältnissen nicht mehr entspricht. §8. Den Gemeinden steht es frei, die Farren selbst zu unterhalten oder sie bei einem Landwirt behufs Fütterung und Pflege zu verstellen. Das Herumhalten der Farren unter den einzelnen Viehbesitzern ist untersagt. §9. In geschlossenen Ortschaften sind beim Vorhandensein mehrerer Farren dieselben in einem gemeinschaftlichen Stall aufzustellen. § 10. Die Verstellung der Farren darf nur an zuverlässige und bewährte Vieh- züchter auf Grund schriftlichen Vertrages erfolgen. Die dem Einsteller zu gewährende Vergütung muss so bemessen sein, dass es demselben möglich ist, ohne Verlust die Tiere zweckmässig zu füttern und zu pflegen. Ein Anspruch auf den beim Verkauf eines Farren gegenüber dem An- kaufspreis zu erzielenden Mehrerlös (den sogenannten Vorwachs) darf dem Ein- steller nicht eingeräumt werden. Der Verstellungsvertrag ist auf mindestens sechs Jahre abzuschliessen; in demselben ist der Gemeindebehörde die Befugnis vorzubehalten, den Vertrag bei Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen durch den Einsteller jederzeit mit so- fortiger Wirkung aufzulösen. Die Versteigerung der Unterhaltung der Farren an den Wenigstnehmenden ist untersagt. IL Körordnungen. 357 III. Abtoiluiig-. Zuchteberhaltung der Gemeinden. § 11. Die Gemeinden, in welchen regelmässig mehr als 15 Mutterschweine zur Zucht verwendet werden, sind verpflichtet, die zu diesem Behufe erforderlichen Zuchteber anzuschaffen und zu unterhalten. Von der Erfüllung dieser Verpflichtung sind diejenigen Gemeinden zu be- freien, die dafür Vorsorge getroff'en haben , dass durch Privateberhalter gekörte Eber in genügender Zahl (§ 12 des Gesetzes) zur Verfügung der Schweinezüchter gehalten werden. Macht eine Gemeinde von dieser Ermächtigung Gebrauch, so finden die Bestimmungen in § 10 Absatz 1, 2, 4 und 5 des Gesetzes sinngemässe Anwendung mit der Massgabe, dass die Mindestdauer des Verstellungsvertrags statt auf sechs auf drei Jahre festgesetzt wird. § 12. Die Zahl der in einer Gemeinde aufzustellenden Zuchteber ist so zu be- messen, dass auf einen Eber regelmässig nicht mehr als 30 sprungfähige weibliche Tiere und wenn die Zahl der letzteren 60 übersteigt, regelmässig nicht mehr als 40 sprungfähige weibliche Tiere entfallen. § 13. Die §§ 8 und 10 dieses Gesetzes finden auch auf die Eberhaltung ent- sprechende Anwendung. IV. Abteilung. Ziegenbockhaltung der Gemeinden. § 14. Das Ministerium des Innern ist ermächtigt, die Ziegenbockhaltung für solche Gemeinden, in welchen die Ziegenzucht von erheblicher Bedeutung ist, nach Massgabe der in den §§11 und 13 getroffenen Bestimmungen zu regeln. Dabei kann vorgeschrieben werden, dass auf einen Ziegenbock regelmässig nicht mehr als 60 weibliche Tiere kommen dürfen, sowie dass die aufzustellenden Ziegenböcke den in § 2 Absatz 1 bezeichneten Anforderungen entsprechen müssen. V. AbteilHiig, Schlnsäbestimmungen. § 15. Aus triftigen Gründen kann eine Gemeinde von dem Vollzug einzelner oder sämtlicher Vorschriften der §§ 5, 6, 8 — 18 entbunden werden. § 16. Die zum Vollzuge dieses Gesetzes erforderlichen Vorschriften werden im Verordnungswege getroffen. 358 Anlagen. § 17. Die §§ 3 und 4 des Gesetzes vom 3. August 1837, die Ablösung der Fasel- viehlast betreffend, sowie das Gesetz vom 20. Februar 1890, die Verwendung von Zuchtfarren betreflfend, sind aufgehoben. § 18. Das Gesetz tritt am in Kraft. Gegeben zu Karlsruhe, den 12. Mai 1896. Friedrich. E i s e n 1 0 h r. Auf Seiner Königlichen Hoheit höchsten Befehl: Dr. H e i n t z e. Verordnung. (Vom 29. Januar 1897.) Die Haltung der Zuchtfarren, Zuchteber und Zuchtböcke betreffend. Zum Vollzuge des Gesetzes vom 12. Mai 1896 (Gesetzes- und Verordnungs- blatt Nr. XIII Seite 129), betreffend die Haltung der Zuchtfarren, Zuchteber und Zuchtböcke, und auf Grund der §§ 74 Ziffer 1, 108 Ziffer 5 Pol.-Str.-G.-B. und 367 Ziffer 11 R,-Str.-G.-B. wird verordnet wie folgt: Allgemeine Bestimmiiugen. (§§ 1 — 4 des Gesetzes.) § 1. Die nach § 1 des Gesetzes für Farren und Eber, welche zur Paarung mit Tieren Dritter verwendet werden sollen, erforderlichen Körscheine stellt das Bezirksamt auf Grund einer vorgängigen sachverständigen Untersuchung (Körung) durch den Bezirkstierarzt nach anliegendem Formular aus (S. 364). Die Ausfertigung des Körscheines erfolgt ohne Sportelansatz. Die Anmeldung der Farren und Eber zur Vornahme der Körung ist durch Vermittelung des Bürgermeisteramts schriftlich bei dem Bezirksamt zu bewirken, welches das Erforderliche anordnet. §2. Die Körung ist der Regel nach an dem Orte der Aufstellung der zu körenden Farren und Eber vorzunehmen. Sie hat den Zweck, festzustellen, ob die Farren und Eber für die Gemeinde, in welcher sie zur Verwendung kommen sollen, zur Zucht tauglich sind. Als tauglich in diesem Sinne sind nur solche Farren und Eber anzuerkennen, welche 1. gesund, sprungfähig und von Fehlern, die sich zu vererben pflegen, frei sind. IL Körordnungen, 359 2. eine ihrem Alter und ihrer Rasse entsprechende Körper- entwickelung haben, 3. der in der Gemeinde massgebenden Zuchtrichtung ent- sprechen und 4. mit den weiblichen Tieren, mit welchen sie gepaart werden sollen, in keinem nahen Verwandtschaftsverhältnis stehen. Zur Feststellung der Gesundheit empfiehlt es sich, die zur Körung an- gemeldeten Farren insbesondere auch der Impfung mit Tuberkulin zu unter- ziehen. Tiere, die die Impfprobe nicht bestehen, sollten zur Zucht nicht auf- gestellt werden. Als sprungfähig sind in der Regel Farren im Alter unter 15 Monaten und Eber im Alter unter 6 Monaten nicht zu betrachten. § 3. In dem an das Bezirksamt über die vorgenommene Körung zu erstattenden Bericht hat sich der Bezirkstierarzt hinsichtlich aller in dem vorigen Paragraphen bezeichneten pjrfordernisse, welche zu dem Begriffe der Zuchttauglichkeit gehören, zu äussern. Fehlt eine der gedachten Voraussetzungen, so ist die Ausstellung eines Körscheines zu versagen. §4. Wird die Ausstellung eines Körscheines versagt, so kann der Besitzer die Vornahme einer zweiten Körung verlangen ; der bezügliche Antrag ist spätestens 8 Tage nach erfolgter Eröffnung des ablehnenden Ausspruches schriftlich bei dem Bezirksamte einzureichen. Die Vornahme der zweiten Körung erfolgt durch einen von Grossherzog- lichem Ministerium des Innern zu ernennenden Bezirkstierarzt eines anderen Bezirks, sowie durch die Mitglieder der Bezirksfarrenschaukommission des Bezirks, in welchem das zu körende Tier aufgestellt werden soll. Ersterer führt in der Kommission den Vorsitz. §5. Die als zuchttauglich erkannten Farren sind mit einem am Hörn anzu- bringenden, vom Ministerium zu bestimmenden Brandzeichen zu versehen. Die Namen der mit Körscheinen versehenen Besitzer von Privatfarren werden durch das Bezirksamt öffentlich bekannt gegeben. § 6. Der Körschein ist seitens des Bezirksamtes zurückzuziehen, wenn eine der Voraussetzungen, die der Erteilung des Körscheines zu Grund lagen, in Wegfall gekommen ist. § 7. Wird ein Farren oder Eber, für welchen ein Körschein bereits erteilt ist, in einer anderen Gemeinde behufs Verwendung zur Zucht aufgestellt, so ist durch Vermittelung des Büi-germeisteramts des neuen Aufstellungsortes dem vorgesetzten Bezirksamte unter Vorlage des Körscheins alsbald Anzeige hiervon zu erstatten, welches eine Prüfung darüber veranlasst, ob das betreffende Zuchttier die Eigen- 360 Anlagen. Schaft der Zuchttaugliclikeit im Sinne des § 2 dieser Verordnung noch besitzt und insbesondere der in dem Aufstellungsort eingeschlagenen Zuchtrichtung entspricht. Farrenhaltung und Zuchteberhaltuug der Gomeindeu. (§§ 5—13 des Gesetzes.) Gemeinden, bezüglich welcher die Voraussetzungen der §§ 5 und 11 des Gesetzes vorliegen, haben die erforderliche Anzahl Farren und Eber zu beschaffen (§§ 6 und 12 des Gesetzes), wobei es ihnen freisteht, dieselben selbst zu unter- halten oder die Unterhaltung zu vergeben (§§ 8 und 13 des Gesetzes). Die Vergebung darf nur an zuverlässige und bewährte Viehzüchter auf Grund eines schriftlichen Vei'trages erfolgen , in welchem die Bestimmungen der §§ 10 Ab- satz 2, 3 und 4 bezw. 11 Absatz 8 Schlussatz des Gesetzes aufzunehmen und die Art der Fütterung für jedes Tier nach Tagesmengen vorzuschreiben sind. Die Neuvergebung der Farren- und Eberhaltung hat frühestens ein Viertel- jahr vor Ablauf des alten Vertrages stattzufinden. Vor endgültigem Abschluss des bezüglichen Vertrages ist der Entwurf desselben dem Grossherzoglichen Bezirksamte zur Prüfung vorzulegen, welches sich im Benehmen mit dem Bezirkstierarzt insbesondere über Einhaltung der Vorschriften des Gesetzes vom 12. Mai 1896 und dieser Vollzugsverordnung ver- lässigt. § 9. Von der Verpflichtung zur Anschaffung der Eber auf eigene Kosten .sind vom Bezirksamte diejenigen Gemeinden zu befreien, welche mit zuverlässigen und bewährten Privateberhaltern wegen der Haltung der für die Schweinezüchter nötigen Anzahl gekörter Eber (§ 12 des Gesetzes) Verträge abgeschlossen haben (§11 Absatz 2 des Gesetzes). In diesen auf die Dauer von mindestens 3 Jahren abzuschliessenden Ver- trägen ist einerseits die dem Eberhalter zu gewährende Vergütung so zu be- messen, dass es demselben möglich ist, die Tiere ohne Verlust zweckmässig zu füttern und zu pflegen, und anderseits der Gemeinde die Befugnis vorzubehalten, den Vertrag bei Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen seitens des Eberhalters jederzeit mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Hinsichtlich Vorlage des Entwurfs des bezüglichen Vertrags an Grossherzog- liches Bezirksamt gilt die Bestimmung des § 8 letzter Absatz dieser Verordnung. § 10. Für die Zahl der in einer Gemeinde zu haltenden Farren und J]ber (§§ 6 und 12 des Gesetzes) ist die Zahl der sprungfähigen weiblichen Tiere des Rinder- bezw. des Schweinegeschlechts massgebend. Zur Ermittelung dieser Zahl hat in Verbindung mit der Zählung der land- wirtschaftlichen Haustiere in den einzelnen Gemeinden am 3. Dezember eines jeden Jahres eine Aufnahme des Rindvieh-, Schweine- und Ziegenbestandes statt- zufinden. II. Körordnungen. 361 § 11- Der zur Deckung der weiblichen Tiere dienende Platz {Sprungplatz) muss zweckentspi-echend angelegt, insbesondere von angemessener Grösse und so ab- geschlossen sein, dass ein Einblick in denselben von aussen unmöglich ist. Auch muss zur Sicherung des Wärters etc. in der Umfassungswand des Sprungplatzes an geeigneter Stelle eine Tür oder eine Schutzwand angebracht werden. Zu gleichem Zwecke sind sämtliche Farren mit Nasenringen zu versehen. § 12. Findet Weidegang der weiblichen Tiere in einer Gemeinde statt, so dürfen nur solche geschlechtsreife Farren oder Eber mit der Herde gehen, welche ge- kört sind (§ 1 des Gesetzes). Für die Dauer des Weidegangs des Rindviehs muss ein Farren im Ort aufgestellt bleiben. § 13. In jeder Gemeinde ist über die Paarung der Tiere des Rindvieh- und Schweinegeschlechts ein Sprungregister zu führen. § 14. Die Ueberwachung der den Gemeinden obliegenden Haltung von Farren und Ebern sowie der Sprungplätze etc. geschieht durch das Bezirksamt unter beratender Mitwirkung der Bezirksfarrenschaukommission, welche aus dem Bezirks- tierarzt als Vorsitzenden und zwei sachverständigen Landwirten zusammengesetzt ist. Die Bestellung der letzteren wie ihrer Ersatzmänner erfolgt durch den Bezirksrat auf die Dauer von vier Jahren. In räumlich ausgedehnten Amtsbe- zirken können durch Beschluss des Bezirksrats zwei oder mehrere Schaubezirke und für jeden eine besondere Schaukommission mit dem Bezirkstierarzt als Vor- sitzenden gebildet werden. Bei der im Wohnorte eines Mitgliedes der Farrenschaukommission vorzu- nehmenden Schau tritt nach näherer Bestimmung des Bezirksamtes für das erstere ein Ersatzmann ein. § 15. Von der Farrenschaukommission wird mindestens einmal im Jahre eine Prüfung (Schau) sämtlicher gekörter Farren (auch der gekörten Privatfarren) und Eber auf ihre Zuchttauglichkeit am Orte ihrer Aufstellung vorgenommen und über das Ergebnis der Schau unter Benutzung des angeschlossenen Formulars an das Bezirksamt berichtet. Zu der Schautagfahrt ist der Gemeinderat und, wenn die Haltung der Farren und Eber vergeben ist, auch der Einsteller dieser rechtzeitig einzuladen. Ingleichen sind die sonstigen Besitzer von gekörten Farren und Ebern in der betreffenden Gemeinde von der Schau zu verständigen. Die Kommission fasst ihre Beschlüsse nach Stimmenmehrheit. Von dem Ergebnis der Schau ist den Beteiligten sofort Kenntnis zu geben. Der Bericht über das Ergebnis der Schau ist an dem Tage der Vornahme abzufassen und von sämtlichen Mitgliedern der Kommission zu unterzeichnen. Einer vorhandenen Meinungsverschiedenheit der Kommissionsmitglieder ist im Berichte Erwähnung zu tun. 362 Anlagen. § 16. Hinsichtlich der als zuchtuntauglich befundenen Farren und P^ber hat das Bezirksamt den ausgestellten Körschein alsbald zurückzuziehen und, soweit diese Tiere Gemeindefarren beziehungsweise Gemeindeeber (§§ 5 und 11 Absatz 1 des Gesetzes) sind, weiterhin anzuordnen, dass an Stelle derselben alsbald zuchttaug- liche Farren und Eber beschafft werden. Auch hat das Bezirksamt bei sich ergebenden sonstigen Ausständen (wie mangelhafter Fütterung, Wartung etc.) die zur Beseitigung erforderlichen An- ordnungen zu treffen und gegebenenfalls eine Nachschau durch den Bezirkstier- arzt zu vei'anlassen. Ziegenboclilialtung der Gemeinden. (§ 14 des Gesetzes.) § 17. Erscheint die Ziegenzucht in einer Gemeinde von erheblicher Bedeutung, so hat das Bezirksamt nach Anhörung des Gemeinderats und der Farrenschau- kommission wegen Einführung der Ziegenbockhaltung durch die Gemeinde eine Entschliessung des Ministeriums des Innern herbeizuführen. § 18. Wird eine Gemeinde zur Einführung der Ziegenbockhaltung verpflichtet, so hat sie die erforderliche Zahl von Ziegenböcken zu beschaffen und dieselben entweder selbst zu unterhalten oder deren Unterhaltung zu vergeben. Im letzteren Falle finden die Bestimmungen in §§ 11 und 13 des Gesetzes mit der Massgabe sinngemässe Anwendung, dass die Mindestdauer des Verstellungsvertrags auf drei Jahre festzusetzen ist. Von der Veriaflichtung zur Beschaffung der Zuchtböcke sind diejenigen Gemeinden entbunden, die dafür Sorge getroffen haben, dass durch zuverlässige und bewährte Privatziegenbockhalter zuchttaugliche Böcke (§ 19 d. V.) in ge- nügender Anzahl zur Verfügung der Ziegenbesitzer gehalten werden. Macht eine Gemeinde von dieser Ermächtigung Gebrauch, so finden die Bestimmungen in § 9 dieser Verordnung sinngemässe Anwendung. § 19. Ueber die Wahl der Rasse (des Schlages) der Zuchtböcke entscheidet unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und Bodenverhältnisse der Gemeinderat nach Anhörung der Ziegenbesitzer und nach vorherigem Benehmen mit dem Be- zirkstierarzt. Eine Aenderung in der Wahl der Rasse (des Schlages) soll tunlichst ver- mieden werden. § 20. Auf einen Ziegenbock dürfen regelmässig nicht mehr als 60 sprungfähige Ziegen und wenn die Zahl der letzteren 120 übersteigt, regelmässig nicht mehr als 80 sprungfähige Ziegen entfallen. § 21. Die aufzustellenden Ziegenböcke müssen gesund , sprungfähig und von Fehlern, die sich zu vererben pflegen, frei sein, eine ihrem Alter und ihrer Rasse II. Körordnungen. 363 entsprechende Körperentwickelung besitzen, der in der Gemeinde massgebenden Zuchtrichtung entsprechen und dürfen zu den weiblichen Tieren, mit welchen sie gepaart werden sollen, in keinem nahen Verwandtschaftsverhältnis stehen. § 22. Hinsichtlich der Ueberwachung der Ziegenbockhaltung durch die Gemeinden finden die §§ 13 bis 16 dieser Verordnung entsprechende Anwendung. Kostentragung. § n. Die landwirtschaftlichen Mitglieder der Fari-enschaukommission erhalten für ihre Tätigkeit bei der Farren-, Eber- und Bockschau eine nach den Be- stimmungen der Verordnung vom 31. Dezember 1896 (Gesetzes- und Verordnungs- blatt 1897 Seite 8) zu berechnende Tagesgebühr von 8 Mark. § 24. Die durch die Mitwirkung der Bezirkstierärzte bei der Vornahme der Ge- meindefarren-, Eber- und Bockschau (§§ 14 und 21 d. V.) und bei der Körung von Farren und Ebern erwachsenden Kosten werden auf die Staatskasse über- nommen. Die übrigen durch die Körung und Farrenschau (Eber- und Bockschau) erwachsenden Kosten einschliesslich jener für Herstellung der Formularien zu den Farrenschauberichten bleiben den Gemeindekassen beziehungsweise den be- treffenden Besitzern der Frivat-Farren und -Eber mit der Massgabe zur Last, dass, wenn die Schau am näiiilichen Tage in mehreren Gemeinden vorgenommen wird, die Kosten auf diese Gemeinden sowie auf die Besitzer von Privat-Farren und -Ebern nach dem Verhältnis der Zahl der der Beschau unterzogenen Tiere zu verteilen sind. War auf ergriffene Beschwerde eines Farren- oder Eberbesitzers eine zweite Körung vorzunehmen (§ 4 V. V. 0.), welche nach dem Ausspruch der Kommission zur Abweisung der Beschwerde führt, so bleiben dem Besitzer sämtliche Kosten zur Last. Im anderen Falle trägt die Kosten die Staatskasse. Schlussbestimmungen. § 25. Aus triftigen Gründen können Gemeinden von dem Vollzug einzelner oder sämtlicher Vorschriften der §§ .5, 6, 8 — 13 des Gesetzes von dem Ministerium des Innern entbunden werden. Gesuche um Nachsichtserteilung sind bei dem Bezirksamte einzureichen und nach Anhörung des Bezirksrats dem Ministerium des Innern vorzulegen. § 26. Die Verordnung des Grossherzoglichen Ministeriums des Innern vom 26. Mai 1890, betreffend die Verwendung von Zuchtfarren (Gesetzes- und Ver- ordnungsblatt Nr. XXIV), ist aufgehoben. Karlsruhe, den 29. Januar 1897. Grossherzogliches Ministerium des Innern. E i s e n 1 0 h r. Vdt. Kamm. 364 Anlagen. Amtsbezirk Kör schein. wird in Gemässheit des Gesetzes vom 12. Mai 1896 für den untenbezeichneten Farren — Eber — ein Körschein erteilt. Alter Rasse (Schlag) Farbe Abzeichen den 18 . . Grossherzofflichcs Bezirksamt. Bemerkung: In § 7 der Verordnung vom 29. Januar 1897 ist bestimmt: ^Wird ein Farren oder Eber, für Vielehen ein Körschein bereits erteilt ist, in einer anderen Gemeinde behufs Verwendung zur Zucht aufgestellt, so ist durch Vermittelung des Bürgermeisteramts des neuen Aufstellungsortes dem vorgesetzten Bezirksamte unter Vorlage des Körscheins alsbald Anzeige hiervon zu erstatten, welches eine Prüfung darüber veranlasst, ob das betreflFende Zuchttier die Eigenschaft der Zuchttauglichkeit im Sinne des § 2 dieser Verordnung noch besitzt, und ins- besondere der in dem Aufstellungsort eingeschlagenen Zuchtrichtung entspricht." II. Körordnungen. 365 Anlage 5. Körordmiiiff für Ziegenböcke. Kreispolizei -Verordnung betreifend Körordnung für im Landkreise Essen a. d. Ruhr vorhandene Ziegen- 15. 2. 97 zuchtböcke vom 26. 1. 98* Auf Grund des § 6 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 und § 142 des Landesverwaltungsgesetzes vom 30. Juli 1883 wird nach Zustimmung durch den Kreisausschuss für den Landkreis Essen a. d. Ruhr folgende Polizei- verordnung erlassen. § 1- Der Besitzer eines Ziegenbockes darf denselben zur Bedeckung fremder Ziegen nur dann zulassen, wenn derselbe durch das Schauamt als zu diesem Zwecke tauglich anerkannt ist. Diese Bestimmung gilt auch für Ziegenböcke, welche von Gemeinden oder reihenweise von Ziegenzuchtgenossenschaften, oder kraft besonderer Verpflichtung von einzelnen oder mehreren Gemeindemitgliedern gehalten werden. Ein im Miteigentum stehender ungekörter oder abgekörter Ziegenbock darf nur von einem der Miteigentümer zum Decken der eigenen Ziegen benutzt werden und zwar von demjenigen, welcher der Ortspolizeibehörde die Zustimmung der übrigen Miteigentümer hierzu oder eine seine Berechtigung aussprechende gerichtliche Entscheidung nachgewiesen hat. § 2. Jeder Bockhalter darf an einem Tage von einem Bocke höchstens 6 Ziegen in Zwischenräumen von mindestens 1 Stunde und in 1 Jahre nur bis 100 Tiere von einem Bocke decken lassen, üeber die gedeckten fremden Ziegen ist ein Sprungregister nach dem nachstehend angegebenen Muster zu führen. Die Eintragungen in das Sprungregister haben unmittelbar nach erfolgter Deckung, spätestens bis zum Abende des betreffenden Tages zu erfolgen. Das Sprungregister ist am 1. Februar jeden Jahres der Ortspolizeibehörde zur Revision einzureichen. Den revidierenden Polizeiorganen ist dasselbe jederzeit auf Verlangen vorzuzeigen. §3. Zur Vornahme der Körung wird für den Umfang des Landkreises Essen ein Schauamt gebildet. Dasselbe besteht aus : 1. Dem Königlichen Landrat des Landkreises Essen als Vorsitzenden. 2. Zwei vom Kreistage auf die Dauer von 8 Jahren zu wählenden Sach- verständigen. Für den Vorsitzenden tritt im Behinderungsfalle ein vom Kreistage zu wählender Stellvertreter ein; für die beiden Sachverständigen werden ebenfalls Stellvertreter srewählt. 366 Anlagen. Das Schauamt ist beschlussfähig bei Anwesenheit des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters und wenigstens eines Mitgliedes oder dessen Stellvertreters; es entscheidet nach Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit gibt der Vorsitzende den Ausschlag. §4. . Der Termin für die Besichtigung der anzukörenden Zuchtböcke durch das Schauamt wird durch den Vorsitzenden festgesetzt und 14 Tage vorher in ortsüblicher Weise bekannt gemacht. Die betreffenden Böcke sind zu dem Termine bei dem Vorsitzenden vorher anzumelden, und erfolgt alsdann die nähere Bekanntgabe des Ortes der Körung; ausnahmsweise kann eine Körung auf dem Gehöfte des Bockhalters stattfinden. Geschieht dieselbe auf Antrag des Bockhalters, so sind für diese die doppelten Gebühren (§ 6) zu entrichten. § 5. Die Ankörung kann auf die Dauer eines Jahres oder auf eine längere Zeit- dauer erfolgen, je nach dem Beschlüsse der Körkommission. Als Merkmal der erfolgten Ankörung erfolgt eine Durchlochung des linken Ohres des Bockes. Die Ankörung auf längere Zeit ist jederzeit widerruflich und kann zu diesem Zwecke dem Bockhalter die Verpflichtung zur Wiedervorführung des Tieres auferlegt werden. Im Falle der Abkörung eines früher angekörten Bockes wird auch das rechte Ohr des Bockes durchlocht. Die als untauglich verworfenen Böcke werden in den durch das Schauamt aufzunehmenden Verhandlungen bezeichnet. Die Publikation der an- und abgekörten Böcke geschieht durch das Kreis- blatt und in ortsüblicher Weise. In dieser Publikation sind die betreffenden Tiere genau zu beschreiben, insbesondere ist das Alter derselben anzugeben. Der Be- sitzer eines tauglich befundenen Bockes erhält über die Ankörung eine ent- sprechende Mitteilung des Vorsitzenden der Körkommission unter Beifügung der betreflFenden Nummer des Kreisblattes. § 6. Die Mitglieder der Körkommission erhalten für die Abhaltung der Körter- mine Diäten, zutreffenden Falles auch Reisekosten aus der Kreiskasse des Land- kreises Essen a. d. Ruhr. Für die Ankörung und die Abkörung eines Bockes hat der Besitzer des- selben eine Gebühr an die Kreiskasse zu entrichten. Die Höhe der gedachten Diäten und Reisekosten sowie der Gebühren (§ 4) unterliegt der Beschlussfassung des Kreistages. § 7. Das Schauamt wird sich auf Antrag eines Bockhalters auch ausserordent- lich versammeln. Der Antragsteller hat jedoch dann die sämtlichen hierdurch entstehenden Kosten zu tragen. § 8. Die anzukörenden Böcke sollen ein Alter von wenigstens 9 Monaten haben und dürfen mit keinem der Zucht nachteiligen Fehler behaftet sein. §9. Die beamteten Mitglieder des Schauamts geben ihr Urteil auf den Dienst- eid ab. Die Sachverständigen sind mittels Handschlags an Eidesstatt zu ver- pflichten. II. Körordnungen. 367 § 10. Die entgegen dem § 1 erfolgte Verwendung eines Bockes zieht sowohl für den Bockhaltef als auch für den Eigentümer der Ziege das erste Mal eine Strafe von 5—10 Mk. und für das fernere Mal eine solche von 10 — 20 Mk. nach sich. Wer einen ungekörten oder abgekörten Bock oder jungen Bock derart weiden lässt, dass derselbe fremdes Vieh decken kann, verfällt das erste Mal in eine Strafe von 3 Mk. und jedes fernere Mal in eine solche von 5—10 Mk. Zuwiderhandlungen gegen die übrigen Bestimmungen der Polizeiverordnung werden in jedem einzelnen Falle mit einer Geldstrafe von 3 — 30 Mk. oder ent- sprechender Haft bestraft. § 11. Vorstehende Kreispolizeiverordnung tritt nach erfolgter Publikation durch das amtliche Kreisblatt in Kraft. 15. Februar 1897 Essen, den 26. Januar 1898 Der Königliche Landrat des Landkreises Essen; 368 Anlagen. Anhiü'e 6. Name des Bullen : Ziiclitbiich (Zwei Folioseiten Hornbrandzeiclien : Zuclitbuclinummer ; Geboren am Farbe und Abzeichen Abstammung väterlicherseits (Name und Zuchtbuch-Nr.) mütterlicherseits (Name und Zuchtbuch-Nr.) Datum der Ankörung (Aufnahme in das Zuchtbuch) Züchter (Als Züchter gilt derjenige, der das Muttertier zur Zeit derBefruchtung besessen hat) Besitzer Besitzwechsel oder Abgang Verkauft am Geschlachtet am Umgestanden am Absekört am Bemerkungen über die J]ntwickelung des Tieres Messungen und Wägun gen B 0) 03 :0 S =2 'S S (3 O N-O - g QJ s o 03 P3 m TS 0) 'S m c5 ') Empfehlenswert ist noch die Einfiisung einer Rubrik für Schwanzansatzhöhe. III. Formulare zur Zuchtbuchführunff. 369 für Bullen. für jedes Tier.) Rechte Ohrnummer: Linke Ohrnummer : Hat gedeckt Erzeugte Kalber Davon zur Zucht verwendet Bemerkungen über Wert und Eigen- schaften der Kälber Jahr- gang Zahl der weiblichen Tiere Im ganzen Sprünge Bullen- kälber Kuh- kälber Bullen- kälber Kuh- kälber 1 Prämiieri mgen ! Sc »nstige Erhebun gen hin sichtlich der Leistung Pusch, Allgemeine Tierzucht. 24 370 Anlagen. Anlaufe 7. Zuclitbiicli für Külie (Zwei Folioseiten Name des Tieres: Hornbrandzeichen : Zuchtbuchnummer : Geboren am Gedeckt 1 am ' 1 Farbe und Abzeichen Tag Monat Jahr Name Zucht- buch-Nr. Abstammung väterlicherseits (Name und Zuchtbuch-Nr.) mütterlicherseits (Name und Zuchtbuch-Nr.) Datum der Ankörung (Aufnahmein d. Zuchtbuch) Züchter (Als Züchter gilt derjenige, der das Muttertier zur Zeit der Befruchtung besessen hat) Besitzer •' Besitzwechsel oder Abgang Verkauft am an Geschlachtet am Umgestanden am Abgekört am Bemerkungen über Entwickelung des Tieres Messungen und Wägungen Milch- 3 U 'S :0 3 rs -2 CT CD P. .& Cd bp 'S 2 ^ f '^ ^%% sa oj « O 3 a> m S o 'S m Ol «u m o Jahresdurchschnitt aus Jahr Milch- menge kg Fett- gehalt % 1) Empfehlenswert ist noch die Einfügung einer l!nl)rik für Schwanzansatzhühe. III. Formulare zur Zuchtbuchführung. 371 und Färsen (Kalben). für jedes Tier.) Rechte Ohrnummer Linke Ohrnummer : Gekalbt.. Ti T.'- ., 1 1- Verbleib des Kalbes am. i (Autgezogen und im Zuciitbucli ein- getragen unter Nr , verkauft Tag Monat Jahr Geschlecht Farbe und Abzeichen Ohr-Nr. anX. X., geschlachtet am , um- gestanden am etc.) 1 1 L eistungen dem Probemelkregister Prämiierungen Sonstige Erhebungen hinsichtlich der Leistung Jahr Milch- menge kg Fett- gehalt »'o 372 Anlagen. Anlage 8. Sprungregister für Eber (und Böcke)'). (Folioformat. Eber (Bock) Ohrnummer rechts Ohrnummer links Zuchtbuch-Nr. Geboren am Tätowierung im rechten Ohr Tätowierung im linken Ohr .... Laufende Nummer der Sprünge Sprung- datuiu Eigentümer des weibliclien Tieres Vor- und Zuname Wohn- ort Des weiblichen Tieres Name Zucht- buch- Nr. Nr. der Sprung- karte Bemerkungen Das Spruugregister ist, mit Namen und Datum versehen, vom Besitzer des Ebers (Bockes) bezw. Eberhalter (Bockhalter) an den Zuchtbuchführer am l. Januar und i. Juli jeden Jahres einzusenden. ') Hiernach müssen für jedes Sprungtier einige aufeinander folgende Seiten vorge- sehen und dürfen daher die einzelnen Sprünge verschiedener Tiere nicht untereinander ge- schrieben werden. III. Formulare zur Zuchtbuchführung. Anlao-e 9. 373 rQ ■a ■< a ^i s ^ 1 o PS Ö ctl g ;^ ^ 13 ^ ^ Ö Ö ts3 o O o ^^^ ö N a? PÄ 1— 1 c3 ^ ■^H ^ Ö ^ O OQ 03 ?H 'f^ :C^ rH pH 1ä nii g '^ Ö o o Pi -U3 p^ O) Cw rJd r!4 w PU bß Ol S3 n1 cö rH .a o ö '*^ Ca ia Ol CQ > ?i m « M ä •rH o =" <1 03 Ol rfi a; a -S a> 'C OJ C s © a — '03 PQ 'S - .£ 'S ^ •a 5 S !=0 ;r Q a sx) c5 1^ g CD n ^ fi 374 Anlasren. Anlage 10. Stallbiicli für Schweine (Zwei Seiten Halbfolio Gedeckt 1 / Ferkel \ Zicklein 1! am fEber ; ^^Sßock Geburtstag Tag Monat Jahr Zuchtb.-Nr. j Tag Monat Jahr Zuchtbuch-Nr. Tätowierung im rechten Ohr Tätowierung im linken Ohr Ohrnummer rechts . Ohrnummer links Name Geboren am Farbe und Abzeichen väterlicherseits Zuchtb.-Nr. Abstammung mütterlicherseits Zuchth.-Nr Datum der Ankörung Züchter Verkauft an Besitz- am wechsel oder Geschlachtet am Abgang Umgestanden am Abgekört am Bemerkungen über Entwickelung des Tieres III. Formulare zur Zuchtbuchführunsr- 375 (und Ziegen). für jedes Tier.) Der